Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht: Ein Vergleich ihrer Gründe, Ermittlung und Durchsetzung [1 ed.] 9783428515851, 9783428115853

Im indivuellen Recht konzentriert sich begrifflich die Stellung des einzelnen in der Gemeinschaft. Gegenstand der Unters

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German Pages 638 Year 2004

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Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht: Ein Vergleich ihrer Gründe, Ermittlung und Durchsetzung [1 ed.]
 9783428515851, 9783428115853

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Schriften zum Europäischen Recht Band 108

Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht Ein Vergleich ihrer Gründe, Ermittlung und Durchsetzung

Von Michael Reiling

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL REILING

Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera und Detlef Merten

Band 108

Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht Ein Vergleich ihrer Gründe, Ermittlung und Durchsetzung

Von Michael Reiling

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Wintersemester 2003/2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 739 Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-11585-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

5

Man glaubt zwar gemeiniglich, daß jede Sache nur eine richtige Vorstellung machen könnte, und wenn daher in den Erzählungen sich einiger Unterschied befinde, so müsse die eine ganz recht und die andere ganz unrecht haben. Allein diese Regel ist weder andern gemeinen Wahrheiten noch einer genaueren Erkenntnis unserer Seele gemäß. Wir wollen jetzo mit einem gemeinen Exempel erweisen, wie verschiedene eine einzige Sache sich auf mancherlei Art vorstellen können. Johann Martin Chladenius (Einleitung zur richtigen Auslegung vernünftiger Reden und Schriften (1742), § 308)

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Vorwort Die Schrift wurde im Wintersemester 2003 / 2004 von der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen. Später erschienene Literatur und Rechtsprechung wurde nicht mehr berücksichtigt. Zeitgebundenheit und Dynamik spielen beim Verständnis individueller Rechte eine besondere Rolle. Die Entwicklung ist beständig im Fluß. Die Arbeit stellt eine Momentaufnahme dar. Schon durch selektive Aufnahme neueren Schrifttums wäre dieser Charakter verloren gegangen. Die Konsequenzen eines sich abzeichnenden neuen gemeinschaftsverfassungsrechtlichen Rahmens gar vollständig zu erfassen, hätte bedeutet, zumindest weite Teile des Zweiten und Dritten Kapitels dieser Arbeit neu zu schreiben. Die Schrift wäre dann keine aktualisierte, sondern eine – wenn auch nicht gänzlich – andere geworden. Vor diesem Hintergrund wurde die Arbeit in der angenommenen Form belassen. Sehr herzlich danke ich meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Herbert Bethge. Er hat mir mit seiner Geduld und Bereitschaft zum Gespräch und dem gewährten Freiraum bei Auswahl und Bearbeitung des Themas eine sehr angenehme Promotionszeit ermöglicht. Herrn Prof. Dr. Hartmut Söhn darf ich für die Mühe der Zweitbegutachtung danken, Herausgebern und Verlag für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Dem Cusanuswerk, das nach der Förderung meines Studiums diese Arbeit durch ein weiteres Stipendium gefördert hat, werde ich nach langen Jahren ideeller Begleitung und materieller Absicherung weiter verbunden bleiben. Anja Berger, Jürgen Gizzi und Alexander Glos haben mir seit meiner Kindheit respektive gemeinsamen Passauer und Toulouser Tagen die Erfahrung wirklicher Freundschaft geschenkt. Für ihre Unterstützung danke ich ihnen. Brigitte Muschal und Felix Bayer haben mir die nötige Ruhe vermittelt, meine Gedanken zu individuellen Rechten niederzuschreiben. Sehr dankbar bin ich schließlich meiner Schwester Dorothea. Ihrer geduldigen und einfühlsamen Lektüre verdanke ich die Bereinigung vieler Fehler. Andrea Spellerberg hat mich in Studium, Referendariat und Promotionszeit gestützt und begleitet. Nicht nur ihre Bereitschaft, sich der Arbeit und den damit verbundenen fachlichen Fragestellungen immer wieder neu anzunehmen, sondern vor allem ihre tägliche Ermunterung, ihre Geduld und ihre allgegenwärtige Fröhlichkeit hatten maßgeblichen Anteil am Gelingen.

Vorwort

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Meine Eltern haben mir nach einer Kindheit in Geborgenheit ein Hochschulstudium ermöglicht und mich auch sonst in jeder nur vorstellbaren Weise unterstützt und gefördert; was sie mir auf meinen Lebensweg mitgegeben haben, hat eine Promotion erst ermöglicht. Frankfurt am Main, im Juni 2004

Michael Reiling

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Inhaltsübersicht

Erstes Kapitel Einleitung

47

Zweites Kapitel Gründe und Ermittlung individueller Rechte

63

A. Grundlagen .......................................................................................................

63

B. Das deutsche Verständnis...................................................................................

65

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis............................................................ 231 D. Vergleich der Konzepte...................................................................................... 412

Drittes Kapitel Durchsetzung individueller Rechte

419

A. Grundlagen ....................................................................................................... 419 B. Das deutsche Verständnis................................................................................... 423 C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis............................................................ 438 D. Annex: Die Haftungsregime .............................................................................. 474 E. Vergleich der Konzepte...................................................................................... 505

Viertes Kapitel Zusammenfassung und Bilanz

516

A. Zusammenfassung der Ergebnisse...................................................................... 516 B. Abschließende Bewertung und Ausblick............................................................. 531

10

Inhaltsübersicht

Literaturverzeichnis ............................................................................................ 533 Rechtsprechungsverzeichnis ................................................................................ 597 Personenverzeichnis............................................................................................. 628 Sachverzeichnis.................................................................................................... 630

11

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel Einleitung A. Der Schlüsselbegriff des individuellen Rechts.................................................... I.

47 47

Recht als Schutz und Ausgleich von Interessen.............................................

47

II. Gerichtlicher Rechtsschutz als Korrelat individueller Rechte ........................

48

III. Rechtsschutz als objektive Rechtmäßigkeitskontrolle und Durchsetzung individueller Rechte ....................................................................................... 49 IV. Justiziable Normen als Voraussetzung gerichtlichen Rechtsschutzes..............

50

1. Objektive Justiziabilität ..........................................................................

50

2. Individualbezug zum Streitgegenstand ....................................................

50

V. Komplementäre Funktion der Staatshaftung .................................................

51

B. Problembeschreibung und Gang der Untersuchung.............................................

52

C. Zur rechtsvergleichenden Methode ....................................................................

58

I.

Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht ...................................................

58

II. Rechtsinhaltliche Aspekte des individuellen Rechts......................................

60

D. Zur Terminologie ..............................................................................................

61

Zweites Kapitel Gründe und Ermittlung individueller Rechte

63

A. Grundlagen.......................................................................................................

63

B. Das deutsche Verständnis ..................................................................................

65

I.

Entwicklungslinien in der Diskussion um das subjektiv-öffentliche Recht .....

65

1. Subjektiv-öffentliche Rechte und Schutznormtheorie...............................

66

12

Inhaltsverzeichnis a) Konturierung des Begriffes ................................................................

66

(1) Die rechtshistorische Entwicklung von 1852 bis zum Grundgesetz

67

(a) Die Entwicklung bis 1914 ......................................................

67

(b) Weimar und die Zeit des Nationalsozialismus .........................

72

(c) Die Herrschaft des Grundgesetzes ..........................................

73

(2) Versuche einer Systembildung......................................................

75

(3) Das rechtlich geschützte Individualinteresse .................................

76

(4) Das Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch .............................

77

(5) Das Kriterium der „Rechtsmacht“ ................................................

78

(6) Die Diskussion um subjektiv-öffentliche Rechte des Staates..........

80

(7) Der Dualismus von Grundrechtslehre und Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht........................................................................... 82 (8) Zusammenfassung .......................................................................

83

b) Determination subjektiv-öffentlicher Rechte mit dem Instrumentarium der Schutznormtheorie....................................................................... 85 (1) Historische Basis der Schutznormtheorie ......................................

85

(2) Partielle Kontinuität dogmengeschichtlicher Prämissen in gewandelter Verfassungslandschaft ........................................................ 87 (a) Auslegungsregeln ..................................................................

89

i) Auslegung nach dem Wortlaut ..........................................

89

ii) Systematische Auslegung .................................................

90

iii) Teleologische Auslegung ..................................................

92

iv) Historische Auslegung .....................................................

93

(b) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Auslegung..................

94

(c) Die Gestaltungsfreiheit des Normgebers .................................

94

(3) Die Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte..........................

95

(a) Anerkennung .........................................................................

95

(b) Folgen für die Schutznormtheorie...........................................

96

(c) Friktionen..............................................................................

97

(4) Abgrenzung zur zivilrechtlichen Schutznormtheorie ..................... 101 2. Kritik an der Schutznormtheorie ............................................................. 102

Inhaltsverzeichnis

13

a) Einzelne Ebenen der Kritik ................................................................ 104 (1) Definitionsmerkmale aus der Zeit des Konstitutionalismus............ 104 (2) Unbefriedigendes rechtstechnisches Konzept................................ 104 (3) Das Erfordernis der Abgrenzbarkeit der Destinatäre ...................... 106 (4) Kritik am abstrakt-generellen Ansatz ............................................ 106 (5) Kritik am einzelfallbezogenen Grundrechtsschutz bei unmittelbarem Rückgriff auf die Grundrechte ............................................... 107 (6) Die besondere Rolle der allgemeinen Handlungsfreiheit................ 107 (7) Gemeinschaftsverwaltungsrechtlich begründete Kritik .................. 108 (8) Primat des subjektiven Rechts ...................................................... 109 b) Alternativen zur Schutznormtheorie ................................................... 110 (1) Strikt an materiellen Grundrechten orientierte Lehren ................... 110 (2) Die These vom Individuum als Repräsentant öffentlicher Interessen und andere objektivierende Lehren ......................................... 111 (3) Subjektives Recht und Rechtsweggarantie .................................... 112 (4) Die Rechtsverhältnislehre............................................................. 113 (5) Die Betonung des einfachen Rechts.............................................. 115 (6) Zusammenfassung ....................................................................... 116 3. Zwischenbilanz ...................................................................................... 116 II. Die Komplexität des subjektiv-öffentlichen Rechts und seiner Darstellung.... 117 1. Temporale Gebundenheit des „Kanons von Methoden und Regeln“.......... 117 2. Ansatzpunkte für eine Typisierung und Systematisierung......................... 120 III. Subjektiv-öffentliche Rechte der Zivilperson nach heutigem Verständnis ...... 122 1. Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte nach deutschem Verständnis – die verfassungsrechtlichen Vorgaben ....................................................... 123 a) Das Freiheitsprinzip als Grundlage des subjektiv-öffentlichen Rechts.. 123 (1) Subjektiv-öffentliche Rechte als Ausdruck verfaßter Freiheit......... 126 (2) Das subjektiv-öffentliche Recht als personale Grundrechtsaktualität und Grundrechtseffektivität ..................................................... 131 (3) Das subjektiv-öffentliche Recht als Ausdruck gleicher Freiheit...... 133 (4) Schlußfolgerung .......................................................................... 134

Inhaltsverzeichnis

14

b) Die Aussage der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie............. 136 (1) Strukturentscheidung für den Individualrechtsschutz..................... 138 (a) Weder Exklusivität noch Neutralität........................................ 139 (b) Keine Konstituierung subjektiv-öffentlicher Rechte ................ 141 (c) Konturierung subjektiv-öffentlicher Rechte als Aufgabe des Gesetzgebers ......................................................................... 142 (d) Supponierung subjektiv-öffentlicher Rechte............................ 143 (2) Subjektiv-öffentliche Rechte aufgrund gesetzgeberischer Dezision 145 (3) Rückbindung an und Auswirkung auf dogmengeschichtliche Prämissen im Kriterium der Rechtsmacht .......................................... 146 c) Zwischenbilanz.................................................................................. 147 2. Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte – das deutsche Verständnis bei der Auslegung von Sätzen über Positionen und Relationen....................... 148 a) Der Rechtssatz................................................................................... 149 (1) Die Normativität als dogmatisches Fundament.............................. 149 (a) Die Rechtssatzabhängigkeit.................................................... 149 i) Qualitative Offenheit........................................................ 150 ) Unabhängigkeit von der Normenhierarchie ................. 150 ) Bedingte Unabhängigkeit von der Qualität als Satz des Außenrechtskreises .................................................... 150 

) Bindungswirkung bei normativ belassenen Spielräumen ........................................................................... 151 

) Kein subjektiv-öffentliches Recht ohne objektivrechtliche Achtungspflichten eines Grundrechtsadressaten .. 154 

ii) Quantitative Restriktion ................................................... 155 ) Zur Vielgestaltigkeit möglicher Verschlüsselungen...... 156 



) Die Suche nach dem Rechtssatz – das Beispiel des Altenwerder Fischers ..................................................... 158 ) Zwischenergebnis: Notwendige Zuordnung bei Mehrzahl objektiver Normgehalte....................................... 161

iii) Die Bedeutungslosigkeit des Begriffspaares der „norm-externen oder norminternen Wirkung der Grundrechte“ für die Normativität............................................................... 161

Inhaltsverzeichnis

15

(b) Die normative Verankerung objektiven Rechts in Sätzen über subjektiv-öffentliche Rechte................................................... 163 i) Das Beispiel der allgemeinen Handlungsfreiheit................ 163 ) Normen des Völkergewohnheitsrechts ........................ 164 ) Kompetenznormen, Form- und Verfahrensvorschriften 165 

) Strukturprinzipien ...................................................... 165 

) Zwischenergebnis ...................................................... 166 

ii) Sonstige Freiheitsrechte ................................................... 166 iii) Der Gleichheitssatz .......................................................... 166 iv) Abwägungsgebote............................................................ 167 v) Objektiv-rechtliche Gehalte als Verstärkungsposition subjektiver Rechte und Anknüpfungspunkt neuer Subjektivierungen ............................................................................. 170 vi) Zwischenergebnis ............................................................ 172 (c) Rückanbindung der Faktizität an das dogmatische Erfordernis der Rechtssatzabhängigkeit .................................................... 173 i) Zum Begriff der Betroffenheit .......................................... 173 ) Rechtliche Bedeutung tatsächlicher Interessenlagen .... 173 ) Keine Abkehr von der Normativität ............................ 174 

) Impulse...................................................................... 174 

ii) Der Gedanke der kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung................................................................................. 176 ) Typisierungskompetenz des Gesetzgebers ................... 177 

) Typisierungsgrenzen .................................................. 179

iii) Zwischenergebnis ............................................................ 179 (2) Stellungnahme............................................................................. 180 b) Die Schutznorm................................................................................. 182 (1) Die Verknüpfung von Sollensanordnung und Individualrechtssphäre.......................................................................................... 182 (a) Die objektivrechtliche Sollensanordnung................................ 183 i) Zum Beharrungsvermögen der „Imperativentheorie“......... 184 ii) Beschränkung auf die positivierte Geltungsanordnung....... 185

Inhaltsverzeichnis

16

iii) Geltungsanordnung und Achtungspflichten....................... 187 (b) Die Subjektivierung ............................................................... 187 i) Der Begriff des Interesses als Basis der Zuordnung ........... 188 ) Grundlagen................................................................ 188 ) Die Komplexität des Interessenbegriffes ..................... 191 

) Interesse im juristischen Sinne.................................... 192 

) Öffentliches und privates Interesse.............................. 195 

) Aggregierte Interessen................................................ 198 ii) Nicht Qualifikation, sondern Zuweisung von Interessen .... 201 iii) Normative Intentionalität der Konfliktentscheidung als Basis der Schutznorm....................................................... 205 ) Mangelnde Intentionalität bei Reflexen....................... 205 ) Zuweisung von Interessenwahrnehmung und reflexive Wirkung als Stufenordnung ........................................ 206 

iv) Kombination formaler und teleologischer Elemente bei der Interessenzuweisung ........................................................ 207 ) Der Schutzzweck im engeren Sinne als „resümierendes Evidenzerlebnis“ in Normalfällen ......................... 207 ) Die Bedeutung des hinter der Schutznorm stehenden Rechtsgutes................................................................ 211 

) Zum Kriterium der Unmittelbarkeit der Zuweisung ..... 212 

) Zum Kriterium der Bestimmtheit der Zuweisung......... 213 

) Die „norminterne“ Wirkung der Grundrechte .............. 214 v) Die Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses ....... 216 ) „Vertikalverhältnisse“................................................. 216 

) „Polygonale Verhältnisse“ .......................................... 218

(c) Zur „normexternen“ Wirkung der Grundrechte........................ 221 (2) Stellungnahme und Zwischenergebnis .......................................... 222 c) Die Rechtsmacht................................................................................ 224 d) Zwischenbilanz.................................................................................. 226 IV. Elemente struktureller Vergleichbarkeit........................................................ 227 1. Sätze über Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte ..................................... 227

Inhaltsverzeichnis

17

2. Sätze über die Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte........................... 228 3. Zusammenfassung.................................................................................. 229 C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis ........................................................... 231 I.

Entwicklungslinien in der Diskussion um individuelle Rechte aus Gemeinschaftsrecht................................................................................................. 232 1. Individuelle Rechte in einer neuen Rechtsordnung................................... 233 a) Konturierung des Begriffes ................................................................ 233 (1) Das völkerrechtliche Vorverständnis............................................. 233 (2) Rechte des einzelnen als Attribut einer neuen Rechtsordnung ........ 235 (a) Jean Humblet / Königreich Belgien ........................................ 236 (b) Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos ...................................................................................... 239 (c) Die Rechtsordnung „eigener Art“ – Flaminio Costa / E.N.E.L. 241 (d) Entfaltung der Dogmatik der Grundfreiheiten ......................... 243 i) Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit ..................... 245 ii) Von Diskriminierungs- zu allgemeinen Beschränkungsverboten ............................................................................... 246 iii) Die Ausgestaltung der Rechtfertigungsgründe................... 249 iv) Die Beschreibung des Gesamtsystems – Reinhard Gebhard / Consiglio dell’Ordine degli Avvocati e Procuratori di Milano......................................................................... 250 v) Expansion individualrechtlicher Gehalte – die Vergrößerung des Kreises von Berechtigten und Adressaten............ 252 ) Die Berechtigten ........................................................ 252 

) Die Verpflichteten ...................................................... 254

vi) Schlußfolgerungen ........................................................... 260 (e) Prätorischer Grundrechtsschutz und Europäische Charta der Grundrechte........................................................................... 262 i) Anerkennung und Entfaltung............................................ 262 ii) Impulse durch die Charta der Grundrechte ........................ 268 iii) Grundrechtliche Schutzpflichten und Beschränkung der Grundfreiheiten................................................................ 272 (f) Unionsbürgerschaft................................................................ 275

Inhaltsverzeichnis

18

(3) Die Diskussion um die Wirkung von Richtlinien........................... 277 (a) Vorbemerkung: Die Termini – Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung ................................................................................ 278 i) Unmittelbare Geltung....................................................... 278 ii) Unmittelbare Anwendbarkeit............................................ 280 iii) Unmittelbare Wirkung...................................................... 281 (b) Entwicklung der Dogmatik..................................................... 283 i) Yvonne Van Duyn / Home Office...................................... 283 ii) Wärmekraftwerk Großkrotzenburg ................................... 285 iii) Entwicklung eines dreistufigen Modells............................ 286 ) Vorwirkung................................................................ 286 



) Unmittelbare Wirkung................................................ 287 ) „Indirekte“ unmittelbare Wirkung............................... 289

iv) Heutiger Stand ................................................................. 289 (c) Haftung der Mitgliedstaaten ................................................... 291 (d) Verbleibende Probleme .......................................................... 292 (4) Völkerrecht – Gemeinschaftsrecht – individuelle Rechte............... 293 (a) Allgemeine Entwicklungslinien.............................................. 294 (b) Die Bedeutung der GATT-Rechtsprechung für das Verständnis individueller Rechte............................................................... 296 (c) Bewertung............................................................................. 299 b) Der Monismus von Grundrechtslehre, Grundfreiheitslehre und „Lehre“ von den individuellen Rechten...................................................... 301 c) „Gemeinschaftsrechtliches Aktionendenken“...................................... 301 (1) Prozessuale Möglichkeiten in einem zweispurigen Rechtsschutzsystem......................................................................................... 302 (2) Juristische Denktraditionen in den Mitgliedstaaten........................ 303 (3) Bewertung................................................................................... 304 d) Die Eigenständigkeit gemeinschaftsrechtlicher Begriffe ...................... 306 e) Zusammenfassung ............................................................................. 309 2. Determination individueller Rechte in der Gemeinschaftsrechtsordnung... 310

Inhaltsverzeichnis

19

a) Die Auslegung im Gemeinschaftsrecht ............................................... 311 b) Historische Basis ............................................................................... 314 c) Gegenwärtiger Stand.......................................................................... 315 (1) Typologie individueller Rechte..................................................... 315 (2) Unmittelbare Anwendbarkeit als hinreichendes Kriterium individueller Rechte?............................................................................ 321 (a) Die unterschiedlichen Positionen in der Literatur .................... 322 i) Allgemeiner Vollziehungsanspruch................................... 322 ii) Subjektive Rechte ............................................................ 323 iii) Funktionale Subjektivierung und andere vermittelnde Lehren................................................................................... 324 (b) Stellungnahme ....................................................................... 327 (3) Spezifika ..................................................................................... 331 (a) Gemeinschaftliche Gesamtinteressen als Partikularinteressen .. 332 (b) Der Unionsbürger als „Funktionär der Integration“ ................. 334 (c) Individuelle Rechte als Voraussetzung der Haftungsgarantie.... 337 (d) Zur fehlenden Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten individuellen Rechten ................................................... 339 3. Zwischenbilanz ...................................................................................... 341 II. Ansatzpunkte für eine Typisierung und Systematisierung.............................. 343 III. Individuelle Rechte der Zivilperson nach heutigem Verständnis.................... 344 1. Gründe für individuelle Rechte – Die gemeinschaftsverfassungsrechtlichen Vorgaben........................................................................................ 345 a) Das Freiheitsprinzip als Grundlage individueller Rechte ..................... 345 (1) Individuelle Rechte als Ausdruck verfaßter Freiheit ...................... 348 (2) Individuelle Rechte als Ausdruck von Effektivität und Aktualität des Gemeinschaftsrechts .............................................................. 350 (3) Individuelle Rechte als Ausdruck freier Gleichheit........................ 351 b) Die Rechtsschutzgarantie im Gemeinschaftsrecht ............................... 353 (1) Das Rechtsschutzsystem der Gemeinschaft................................... 355 (2) Die Rechtsschutzgarantie im engeren Sinne.................................. 359

20

Inhaltsverzeichnis (a) „Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“ und Charta der Grundrechte........................................................................... 359 (b) Keine Konstituierung individueller Rechte.............................. 362 (c) Supponierung individueller Rechte......................................... 363 (3) Mobilisierung, aber keine Instrumentalisierung des Bürgers .......... 365 (4) Parallelität von Rechtsschutzgarantie und „invocabilité“ ............... 366 c) Zwischenbilanz.................................................................................. 367 2. Ermittlung individueller Rechte – das gemeinschaftsrechtliche Verständnis bei der Auslegung von Sätzen über Positionen und Relationen............ 368 a) Der Rechtssatz................................................................................... 368 (1) Die Normativität als dogmatisches Fundament.............................. 368 (a) Normativität als Kompetenzproblem ...................................... 369 (b) Die Rechtssatzabhängigkeit.................................................... 371 i) Qualitative Offenheit........................................................ 371 ii) Quantitative Offenheit...................................................... 375 (c) Aufnahme der Faktizität......................................................... 377 i) Das unmittelbare Interesse: Die Rechtssache Verholen ...... 377 ii) Kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung im Gemeinschaftsrecht...................................................................... 379 (d) Die normative Verankerung objektiven Rechts in Sätzen über individuelle Rechte ................................................................ 382 (2) Zwischenergebnis ........................................................................ 383 b) Die Individualisierung ....................................................................... 384 (1) Die Verknüpfung von Sollensanordnung und Individualrechtssphäre.......................................................................................... 384 (a) Die objektivrechtliche Sollensanordnung................................ 384 i) Gemeinschaftsrechtliches Denken und Imperativentheorie 385 ii) Positivierte Geltungsanordnung und Achtungspflichten..... 386 (b) Der Individualbezug............................................................... 387 i) Der Begriff des Interesses als Basis .................................. 387 ii) Normative Intentionalität der Konfliktentscheidung .......... 392 iii) Tatsächliche Betroffenheit rechtlich erfaßter Interessen ..... 395

Inhaltsverzeichnis

21

) „Interessierte Privatpersonen“ als materielles Kriterium........................................................................... 395 

) Normwirkung und Reflex........................................... 396 ) Zuordnung des Rechtsaktes ........................................ 400





) Zuordnungskriterien................................................... 401

(2) Zwischenergebnis ........................................................................ 404 c) Die „invocabilité“.............................................................................. 405 d) Zwischenbilanz.................................................................................. 407 IV. Elemente struktureller Vergleichbarkeit........................................................ 408 1. Sätze über Gründe individueller Rechte................................................... 408 2. Sätze über die Ermittlung individueller Rechte ........................................ 409 3. Zusammenfassung.................................................................................. 410 D. Vergleich der Konzepte ..................................................................................... 412

Drittes Kapitel Durchsetzung individueller Rechte

419

A. Grundlagen....................................................................................................... 419 B. Das deutsche Verständnis .................................................................................. 423 I.

Entwicklungslinien des deutschen Systems .................................................. 423

II. Ausprägungen der Zielrichtung des Rechtsschutzsystems ............................. 427 1. Leitgedanke ........................................................................................... 427 2. Klagebefugnis ........................................................................................ 427 a) Verletzung in eigenen Rechten ........................................................... 427 b) Klagebefugnis bei Leistungs- und Feststellungsklagen ........................ 431 c) Exkurs: Verfassungsbeschwerde......................................................... 434 3. Herrschaft über den Streitgegenstand ...................................................... 435 4. Suspensiveffekt ...................................................................................... 435 5. Unabhängigkeit der Gerichte .................................................................. 436 6. Urteilswirkung ....................................................................................... 436

Inhaltsverzeichnis

22

7. Überprüfung am Maßstab höherrangigen Rechts ..................................... 436 III. Elemente struktureller Vergleichbarkeit........................................................ 437 C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis ........................................................... 438 I.

Entwicklungslinien des gemeinschaftsrechtlichen Systems ........................... 438

II. Ausprägungen der Zielrichtung des Rechtsschutzsystems ............................. 444 1. Leitgedanke ........................................................................................... 444 2. Klagebefugnis ........................................................................................ 446 a) Klagebefugnis im Gemeinschaftsprozeßrecht...................................... 446 (1) Unmittelbares Betroffensein......................................................... 447 (2) Individuelles Betroffensein .......................................................... 448 (3) Bewertung................................................................................... 453 b) Anforderungen an die Initiativberechtigung in den Mitgliedstaaten...... 454 (1) Individuelle Rechte als Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht ................................................................................. 454 (2) Herausforderungen für das normative und dogmatische Gerüst im deutschen Prozeßrecht.................................................................. 455 (a) Die Ansichten in der Literatur ................................................ 455 i) Trennung von materiellem Recht und nationalem Prozeßrecht ................................................................................ 456 ii) Materiell-rechtliche Lösung.............................................. 457 iii) Prozeßrechtliche Modifikation in Richtung einer Interessentenklage...................................................................... 457 iv) Trennung der Klagebefugnis vom subjektiv-öffentlichen Recht............................................................................... 458 (b) Stellungnahme und eigener Lösungsvorschlag ........................ 458 3. Herrschaft über den Streitgegenstand ...................................................... 463 4. Suspensiveffekt ...................................................................................... 463 a) Gemeinschaftsprozeßrecht ................................................................. 463 b) Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht ......................... 464 (1) Gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage .................................... 464 (2) Nationale Rechtsgrundlage........................................................... 466 5. Unabhängigkeit der Gerichte .................................................................. 467

Inhaltsverzeichnis

23

6. Urteilswirkung ....................................................................................... 469 7. Überprüfung am Maßstab höherrangigen Rechts ..................................... 470 a) Gemeinschaftsprozeßrecht ................................................................. 470 b) Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht ......................... 471 III. Elemente struktureller Vergleichbarkeit........................................................ 472 D. Annex: Die Haftungsregime .............................................................................. 474 I.

Das gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsregime....................................... 474 1. Kein ausgeformter Anspruch auf Folgenbeseitigung ................................ 474 2. Grundlagen des gemeinschaftsrechtlichen Haftungsanspruches................ 475 a) Haftung der Gemeinschaft ................................................................. 476 b) Haftung der Mitgliedstaaten............................................................... 480 c) Ansätze einer gemeinsamen Dogmatik ............................................... 484 3. Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte ...................................... 485 4. Elemente struktureller Vergleichbarkeit................................................... 487

II. Das deutsche Staatshaftungsrecht................................................................. 488 1. Dogmatische Grundlagen des deutschen Staatshaftungsrechts.................. 488 a) Verfassungsrechtliche Vorgaben ......................................................... 489 (1) Rechtsstaatsprinzip ...................................................................... 489 (2) Regelungen in Art. 34 GG und in den Grundrechten...................... 490 (3) Allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch ..................................... 492 b) Heterogenität der Anspruchsgrundlagen ............................................. 493 (1) Rechtsgutbezogene und rechtsverhältnisbezogene Haftungstatbestände.......................................................................................... 494 (2) Die Amtshaftung.......................................................................... 495 2. Haftungsrechtlicher Bezug subjektiv-öffentlicher Rechte......................... 502 3. Elemente struktureller Vergleichbarkeit................................................... 504 E. Vergleich der Konzepte ..................................................................................... 505 I.

Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem............................. 505

II. Haftungsvoraussetzungen und individuelle Rechte ....................................... 509

Inhaltsverzeichnis

24

Viertes Kapitel Zusammenfassung und Bilanz

516

A. Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................................................... 516 I.

Zusammenfassung der Elemente struktureller Vergleichbarkeit..................... 517

II. Zusammenfassender Gesamtvergleich individueller Rechte im deutschen Recht und im Gemeinschaftsrecht................................................................ 524 B. Abschließende Bewertung und Ausblick ............................................................ 531

Literaturverzeichnis ............................................................................................ 533 Rechtsprechungsverzeichnis ................................................................................ 597 Personenverzeichnis............................................................................................. 628 Sachverzeichnis.................................................................................................... 630

Inhaltsverzeichnis

25

Verzeichnis der Übersichten

Übersicht 1: Deutsches Verständnis – Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte........... 229 Übersicht 2: Deutsches Verständnis – Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte...... 230 Übersicht 3: Gemeinschaftsrechtliches Verständnis – Gründe individueller Rechte. 410 Übersicht 4: Gemeinschaftsrechtliches Verständnis – Ermittlung individueller Rechte.............................................................................................. 411 Übersicht 5: Vergleich – Gründe individueller Rechte ........................................... 412 Übersicht 6: Vergleich – Ermittlung individueller Rechte ...................................... 414 Übersicht 7: Deutsches Verständnis – Beziehung subjektiv-öffentlicher Rechte zum Rechtsschutzsystem .................................................................. 437 Übersicht 8: Gemeinschaftsrechtliches Verständnis – Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem ....................................................... 473 Übersicht 9: Gemeinschaftsrechtliches Verständnis – Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte.......................................................................... 487 Übersicht 10: Deutsches Verständnis – Haftungsrechtlicher Bezug subjektiv-öffentlicher Rechte .................................................................................... 504 Übersicht 11: Vergleich – Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem 505 Übersicht 12: Vergleich – Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte .............. 509 Übersicht 13: Gesamtvergleich – Deutsches und gemeinschaftsrechtliches Verständnis individueller Rechte .................................................................... 517

26

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

27

Verzeichnis der Sekundärrechtsakte

Richtlinie Erste Richtlinie zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages vom 11.5.1960, ABl. 43 v. 12.7.1960, S. 921........................................................... 245 64/221/EWG des Rates vom 25.2.1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. L 56 v. 4.4.1964, S. 850........... 283 65/65/EWG

des Rates vom 26.1.1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten, ABl. L 22 v. 9.2.1965, S. 369 ............................................................................................ 288

68/31/EWG

der Kommission vom 22. Dezember 1967 zur Festlegung der Zeitfolge für die Aufhebung der von der Italienischen Republik bei der Einfuhr von Waren aus den übrigen Mitgliedstaaten erhobenen Verwaltungsabgabe von 0,5 v.H., ABl. L 12 v. 16.1.1968, S. 8 .............. 283

68/151/EWG des Rates vom 9.3.1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. L 65 v 14.3.1968, S. 8 (Erste Richtlinie).............. 326 69/169/EWG des Rates vom 28.5.1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr, ABl. L 133 v. 4.6.1969, S. 6 ........................... 302 70/50/EWG

der Kommission vom 22.12.1969, gestützt auf die Vorschriften des Art. 33 Abs. 7 über die Beseitigung von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, die nicht unter andere auf Grund des EWG-Vertrags erlassene Vorschriften fallen, ABl. L 13 v. 19.1.1970, S. 2............................................................ 247

71/305/EWG des Rates vom 26.7.1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. L 185 v. 16.8.1971, S. 5 ...... 319 73/148/EWG des Rates vom 21.5.1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthalts beschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs, ABl. L 172 v. 28.6.1973, S. 14 ...... 253, 398

28

Verzeichnis der Sekundärrechtsakte

75/440/EWG des Rates vom 16.6.1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten, ABl. L 194 v. 25.7.1975, S. 26............................................ 376 75/442/EWG des Rates vom 15.7.1975 über Abfälle, ABl. L 194 v. 25.7.1975, S. 47, in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18.3.1991, ABl. L 78 v. 26.3.1991, S. 32 ................................... 287, 400 77/62/EWG

des Rates vom 21.12.1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, ABl. L 13 v. 15.1.1977, S. 1................................................................................................ 319

77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. L 145 v. 13.6.1977, S. 1 (Sechste Richtlinie) .......... 316 79/7/EWG

des Rates vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, ABl. L 6 v. 10.1.1979, S. 24 ..... 316, 376

79/409/EWG des Rates vom 2.4.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. L 103 v. 25.4.1979, S. 1 ............................................ 388 79/869/EWG des Rates vom 9.10.1979 über die Meßmethoden sowie über die Häufigkeit der Probenahmen und der Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten, ABl. L 271 v. 29.10.1979, S. 44 ...................................................... 376 79/923/EWG des Rates vom 30.10.1979 über die Qualitätsforderungen an Muschelgewässer, ABl. L 281 v. 10.11.1979, S. 47 ......................... 328, 400 80/68/EWG

des Rates vom 17.12.1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe, ABl. L 20 v. 26.1.1980, S.43........................................................................... 375

82/501/EWG des Rates vom 24.6.1982 über die Gefahren schwerer Unfälle bei bestimmten Industrietätigkeiten, ABl. L 230 v. 5.8.1982, S. 1 („Seveso-Richtlinie“)............................................................................ 318 83/189/EWG des Rates vom 28.3.1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl. L 109 v. 26.4.1983, S. 8...................................................................... 292, 305 85/337/EWG des Rates vom 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, Abl. L 175 v 5.7.1985, S. 40 (UVP-Richtlinie) ............................ 284, 318, 380, 397 89/104/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken – Markenrechtsrichtlinie, ABl. 1989 L 40, S. 1............................................................................... 287 89/369/EWG des Rates vom 8.6.1989 über die Verhütung der Luftverunreinigung durch neue Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll, ABl. L 163 v. 14.6.1989, S. 32.......................................................................... 318 89/552/EWG des Rates vom 3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Aus-

Verzeichnis der Sekundärrechtsakte

29

übung der Fernsehtätigkeit, ABl. L 298 v. 17.10.1989, S. 23, in der Fassung der Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.6.1997, ABl. L 202 v. 30.7.1997, S. 60 („Fernsehrichtlinie“) ................................................................................ 370 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. L 395 v. 30.12.1989, S. 33 ................................. 319, 440, 468, 458 90/313/EWG des Rates vom 7.6.1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, ABl. L 158, v. 23.6.1990, S. 56...............108, 317, 401 90/531/EWG des Rates vom 17.9.1990 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. L 297 v. 29.10. 1990, S. 1 („Sektorenrichtlinie“)..................................................... 319 91/271/EWG des Rates vom 21.5.1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser, ABl. L 135 v. 30.5.1991, S. 40........................................ 318 92/13/EWG

des Rates vom 25.2.1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. L 76 v. 23.3.1992, S. 14 („Sektorennachprüfungsrichtlinie“)...........................................................319, 440, 458

92/50/EWG

des Rates vom 18.6.1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, ABl. L 209 v. 24.07. 1992, S. 1....................................................................................... 404

93/13/EWG

des Rates vom 5.4.1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. L 95 v. 21.4.1993, S. 29 (AGB-Richtlinie) ........ 442

93/36/EWG

des Rates vom 14.6.1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, ABl. L 199 v. 9.8.1993, S. 1 ..... 319

93/37/EWG

des Rates vom 14.6.1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. L 199 v. 9.8.1993, S. 54 .......... 319

93/38/EWG

des Rates vom 14.6.1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. L 199 v. 9.8.1993, S. 84 („Sektorenrichtlinie“) ................................ 319

93/104/EG

des Rates vom 23.11.1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. L 307 v. 13.12.1993, S. 18..................................... 293

93/109/EG

des Rates vom 6.12.1993 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, ABl. L 329 v. 30.12.1993, S. 34........................................................................ 276

94/19/EG

des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme, ABl. L. 135 v. 31.5.1994, S. 5 (Einlagensicherungsrichtlinie) ........................................................ 389

30

Verzeichnis der Sekundärrechtsakte

94/80/EG

des Rates vom 19.12.1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, ABl. L 368 v. 31.12.1994, S. 38..... 276

95/46/EG

des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 v.23.11.1995, S. 31 .............................................................................................. 316

96/82/EG

des Rates vom 9.12.1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, ABl. L 10 v. 14.1. 1997, S. 13..................................................................................... 318

98/34/EG

des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.6.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl. L 204 v. 21.7.1998, S. 37 .......................... 292

98/71/EG

des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen, ABl. L 289 v. 28.10.1998, S. 28........................................................................ 386

2000/52/EG

der Kommission vom 26.7.2000 zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen, ABl. L 193 v. 29.7.2000, S.75......................................................... 335

2000/78/EG

des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. L 303 v. 2.12.2000, S. 16............................... 287 Verordnung

Nr. 1

des Rates vom 15.4.1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die europäische Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. 17 v. 6.10.1958, S. 385 in der Fassung des Beschlusses 95/1/EG, Euratom, EGKS des Rates vom 1.1.1995, ABl. L 1 v. 1.1.1995, S. 1.................................... 312

Nr. 17

des Rates vom 6.2.1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EG-Vertrags, ABl. 13 v. 21.2.1962, S. 204 (KartVO) ................................................................................... 54, 475

259/68/EWG, Euratom, EGKS des Rates vom 29.2.1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingun gen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind, ABl. L 56 v. 4.3.1968, S. 1, zuletzt geändert durch VO 2265/2002/ EG, Euratom des Rates vom 16.12.2002 zur Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften sowie der Berichtigungskoeffizienten, die auf diese Dienst- und Versorgungsbezüge anwendbar sind, ABl. L 347 v. 20.12.2002, S. 1 (Beamtenstatut) ..... 447

Verzeichnis der Sekundärrechtsakte

31

805/68/EWG des Rates vom 27.6.1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch, ABl. L 148 v. 28.6.1968, S. 24................................ 396 1612/68/EWG des Rates vom 15.10.1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABl. L 257 v. 19.10.1968, S. 2............. 257 1544/69/EWG des Rates vom 23.7.1969 über die zolltarifliche Behandlung von Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt werden, ABl. L 191 v. 5.8.1969, S. 1..................................................... 302 974/71/EWG des Rates vom 12.5.1971 über bestimmte konjunkturpolitische Maßnahmen, die in der Landwirtschaft im Anschluß an die vorübergehende Erweiterung der Bandbreiten der Währungen einiger Mitgliedstaaten zu treffen sind, ABl. L 106 v. 12.5.1971, S.1 ........... 392 517/72/EWG des Rates vom 28. Februar 1972 über die Einführung gemeinsamer Regeln für den Linienverkehr und die Sonderformen des Linienverkehrs mit Kraftomnibussen zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 67 v. 20.3.1972, S. 19.................................................................. 381 1035/72/EWG des Rates vom 18.5.1972 über eine gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse ABl. L 118 v. 20.5.1972, S. 1......................... 341 2760/72/EWG des Rates vom 19. Dezember 1972 über den Abschluß des Zusatzprotokolls und des Finanzprotokolls, die am 23.11.1970 unterzeichnet wurden und dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei als Anhänge beigefügt sind und über die zu deren Inkrafttreten zu treffenden Maßnahmen, ABl. L 293 v. 29.12.1972, S. 1............... 295 3056/73/EWG des Rates vom 9.11.1973 über die Unterstützung gemeinschaftlicher Vorhaben im Bereich der Kohlenwasserstoffe, ABl. L 312 v. 13.11.1973, S. 1............................................................................ 54 1798/75/EWG des Rates vom 10.7.1975 über die von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs befreite Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters, ABl. L 184 v. 15.7. 1975, S. 1....................................................................................... 374 3023/77/EWG des Rates vom 20.12.1977 über Maßnahmen, mit denen Mißbräuchen durch den Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse an Bord von Schiffen ein Ende bereitet werden soll, ABl. L 358 v. 31.12. 1977, S. 2....................................................................................... 302 337/79/EWG des Rates vom 5.2.1979 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein, ABl. L 54 v. 5.3.1979, S. 1 .............................................. 466 2784/79/EWG der Kommission vom 12.12.1979 zur Festlegung der Durchführungsvorschriften zu der Verordnung 1798/75/EWG des Rates über die von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs befreite Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters, ABl. L 318 v. 13.12.1979, S. 32........................... 374 314/83/EWG des Rates vom 24.1.1983 über den Abschluß des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, ABl. L 41 v. 14.2.1983, S. 1............................................................................ 299

32

Verzeichnis der Sekundärrechtsakte

1972/83/EWG des Rates vom 11.7.1983 zur Gewährung einer finanziellen Unterstützung für Demonstrationsvorhaben auf dem Gebiet der Nutzung alternativer Energiequellen, der Energieeinsparung und der Substitution von Kohlenwasserstoffen, ABl. L 195 v. 19.7.1983, S. 6 ......... 54 2913/92/EWG des Rates vom 21.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 v. 19.10.1992, S. 1 (Zollkodex – ZK)...................................................................................357, 440, 466 3760/92/EWG des Rates vom 20. Dezember 1992 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Regelung für die Fischerei und die Aquakultur, ABl. L 389 v. 31.12.1992, S. 1 ................................................................ 402 3418/93/EG, Euratom, EGKS der Kommission vom 9.12.1993 mit Durchführungsbestimmungen zu einigen Vorschriften der Haushaltsordnung vom 21.12.1977, ABl. L 315 v. 16.12.1993, S. 1 ..................................... 404 40/94/EG

des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABl. L 11 v. 14.1.1994, S. 1.............................................................. 446, 463

3286/94/EG

des Rates vom 22.12.1994 zur Festlegung der Verfahren der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik zur Ausübung der Rechte der Gemeinschaft nach internationalen Handelsregeln, insbesondere den im Rahmen der Welthandelsorganisation vereinbarten Regeln, ABl. L 349 v. 31.12.1994, S. 71 (sog. Trade Barriers Regulation) ............................................................. 300

2988/95/EG, Euratom des Rates vom 18.12.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. L 312 v. 23.12. 1995, S. 1....................................................................................... 333 2200/96/EG

des Rates vom 28.10.1996 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse, ABl. L 297 v. 21.11.1996, S. 1 ...................... 341

1638/98/EG

des Rates vom 20.7.1998 zur Änderung der Verordnung 136/66/EWG über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette, ABl. L 210 v. 28.7.1998, S. 32................................ 452

2679/98/EG

des Rates vom 7.12.1998 über das Funktionieren des Binnenmarktes im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 337, S. 8 .............................................. 272, 274

659/1999/EG des Rates vom 22.3.1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, ABl. L 83 v. 27.3.1999, S. 1 (Beihilfe-VerfVO) ............................................................. 391, 403 2848/2000/EG des Rates vom 15.12.2000 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten und Fangbedingungen für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Gemeinschaftsgewässern sowie für Gemeinschaftsschiffe in Gewässern mit Fangbeschränkungen (2001), ABl. L 334 v. 30.12.2000, S. 1.......................................................................... 402 1162/2001/EG der Kommission vom 14.6.2001 mit Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Seehechtbestands in den ICES-Gebieten III, IV, V, VI und VII sowie VIII a, b, d, e und Vorschriften zur Überwachung der dort tätigen Fischereifahrzeuge, ABl. L 159 v. 15.6.2001, S. 4 ......... 452

Verzeichnis der Sekundärrechtsakte

33

2422/2001/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 über ein gemeinschaftliches Kennzeichnungsprogramm für Strom sparende Bürogeräte, ABl. L 332 v. 15.12.2001, S. 1 ............................ 294 6/2002/EG

des Rates vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, ABl. L 3 v. 5.1.2002, S. 1 .................................................. 446, 463

1605/2002/EG, Euratom des Rates vom 25.6.2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften, ABl. L 248 v. 16.9.2002, S. 1.................................................................. 404 1/2003/EG

des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikel 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. L 1 v. 4.1. 2003, S. 1................................................................................... 54, 472

34

Abkürzungsverzeichnis

a.A.

anderer Ansicht

a.a.O.

am angegebenen Ort

ABl.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften; seit 1.2. 2003 gemäß Art. 2 Nr. 38 NV: Amtsblatt der Europäischen Union

Abs.

Absatz

Abschn.

Abschnitt

Abt.

Abteilung

AC

Law Reports, Appeal Cases, House of Lords (amtliche Sammlung)

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

ÄndG

Änderungsgesetz

ÄndVO

Änderungsverordnung

a.F.

alte Fassung

AfP

Archiv für Presserecht

AgrarR

Agrarrecht (Zeitschr.)

AK-GG

Alternativkommentar zum GG

AKP

Staaten in Afrika, der Karibik und im Pazifik

AktG

Aktiengesetz

All E.R.

All England Law Reports

Allg.

Allgemeiner, Allgemeines

ALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten

Alt.

Alternative

a.M.

anderer Meinung

Anm.

Anmerkung

AöR

Archiv für öffentliches Recht (Zeitschr.)

AP

Arbeitsrechtliche Praxis. Nachschlagewerk des BAG

ArbG

Arbeitsgericht

ARSP

Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie

Art.

Artikel

Abkürzungsverzeichnis

35

AsylVfG

Asylverfahrensgesetz

AtAnlV

Atomanlagen-Verordnung, am 1.3.1977 außer Kraft getreten und durch die AtVfV ersetzt

AtomG

Atomgesetz

AtVfV

Atomrechtliche Verfahrensverordnung

Aufl.

Auflage

AV

Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte

AVR

Archiv des Völkerrechts (Zeitschr.)

Az.

Aktenzeichen

BA

Bundesanstalt für Arbeit

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAGE

Sammlung der Entscheidungen des BAG

BAnz

Bundesanzeiger

BauGB

Baugesetzbuch (seit 8.12.1986)

BauNVO

Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke

BauR

Baurecht (Zeitschr.)

Bay

bayerisch (e, es, er)

BayBO

Bayerische Bauordnung

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayPAG

Bayerisches Polizeiaufgabengesetz

BayVBl.

Bayrische Verwaltungsblätter (Zeitschr.)

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungs gerichtshof

BayVerfGHE

Sammlung der Entschei dungen des BayVerfGH

BayVfGHG

Bayerisches Verfassungsgerichtshofgesetz

BB

Der Betriebsberater (Zeitschr.)

BBauG

Bundesbaugesetz i. d. F. vom 18.8.1978, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.2.1986; aufgehoben und durch das BauGB ersetzt

BBergG

Bundesberggesetz

Beih.

Beiheft

Beil.

Beilage

ber.

berichtigt

BErZGG

Bundeserziehungsgeldgesetz

Beschl. v.

Beschluß vom

BFH

Bundesfinanzhof

Abkürzungsverzeichnis

36 BFHE

Sammlung der Entscheidungen des BFH

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGB (a.F.)

BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGH-Report

Rechtsprechung der Zivilsenate des BGH (Zeitschr.)

BGHSt

Sammlung der Entscheidungen des BGH in Strafsachen

BGHZ

Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen

BImSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz

17. BImSchV

Siebzehnte Verordnung zur Durchführung des BImSchG

BJagdG

Bundesjagdgesetz

BKR

Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht

BMI

Bundesministerium des Inneren

BNatSchG

Bundesnaturschutzgesetz

BPatG

Bundespatentgericht

BSG

Bundessozialgericht

BSGE

Sammlung der Entscheidungen des BSG

BSHG

Bundessozialhilfegesetz

BT

Bundestag

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

Bull.

Bulletin

BV

Verfassung des Freistaates Bayern

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Sammlung der Entscheidungen des BVerfG

BVerfGG

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Sammlung der Entscheidungen des BVerwG

B.-W.

baden-württembergisch (e, es, er)

Camb. LJ

The Cambridge Law Journal

C.D.E.

Cahiers de Droit Européen (Zeitschr.)

CMLR

Common Market Law Report (Zeitschr.)

CMLRev.

Common Market Law Review (Zeitschr.)

CONV

Dokument des Europäischen Konvents (CONV Nr./ Jahr)

CR

Computer und Recht (Zeitschr.)

Abkürzungsverzeichnis CYELS

Cambridge Yearbook of European Legal Studies

DAJV

Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung

DAJV-NL

DAJV-Newsletter (Zeitschr.)

DB

Der Betrieb (Zeitschr.)

d.h.

das heißt

d.i.

das ist

37

Die Beiträge

Die Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung (Zeitschr.)

Diss.

Dissertation

DJZ

Deutsche Juristen-Zeitung

DÖV

Die öffentliche Verwaltung

DR

Decisions and Reports (Sammlung der Entscheidungen der EKMR)

DRpflZ

Deutsche Rechtspfleger Zeitschrift

Drs.

Drucksache

DRZ

Deutsche Richterzeitung (bis 1935) Deutsche Rechtszeitschrift (ab 1946)

DStJG

Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschr.)

DZWiR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EA

Vertrag zur Gründung der EAG in der nach dem 1.5.1999 geltenden Fassung

EAG

Europäischen Atomgemeinschaft

EAGV

Vertrag zur Gründung der EAG in der vor dem 1.5.1999 geltenden Fassung

ecolex

Ecolex (Zeitschr.)

ECU

European Currency Unit

EEA

Einheitliche Europäische Akte vom 28.2.1986

EFTA

European Free Trade Association

EG

Europäische Gemeinschaft; Vertrag zur Gründung der EG in der nach dem 1.5.1999 geltenden Fassung; Einführungsgesetz

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

EGKS

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

EGKSV

Vertrag über die Gründung der EGKS in der vor dem 1.5.1999 geltenden Fassung

Abkürzungsverzeichnis

38 EG-Satzung

Protokoll über die Satzung (EG) des Gerichtshofs

EGV

Vertrag zur Gründung der EG in der vor dem 1.5.1999 geltenden Fassung

EinbrG

Hohe-See-Einbringungsgesetz

EJIL

European Journal of International Law

EKMR

Europäische Kommission für Menschenrechte

ELF

The European Legal Forum (Zeitschr.)

ELJ

European Law Journal (Zeitschr.)

ELRev.

European Law Review (Zeitschr.)

EMRK

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Entsch.

Entscheidung

EPL

European Public Law (Zeitschr.)

et al.

und andere

EU

Europäische Union; Vertrag über die Europäische Union in der nach dem 1.5.1999 geltenden Fassung

EuG

Europäisches Gericht erster Instanz

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EuGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EuGRZ

Zeitschrift für Europäische Grundrechte

EuLF

The European Legal Forum (Zeitschr.)

EuR

Europarecht (Zeitschr.)

Euratom

Europäische Atomgemeinschaft

europablätter

(Zeitschr.; Beilage zum Bundesanzeiger)

EUV

Vertrag über die Europäische Union in der vor dem 1.5.1999 geltenden Fassung

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWGV

Vertrag zur Gründung der EWG

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschr.)

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschr.)

EzAR

Entscheidungssammlung zum Ausländer- und Asylrecht

f.

für; folgende

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

folgende

Abkürzungsverzeichnis FG

Finanzgericht; Festgabe

FGO

Finanzgerichtsordnung

39

FinDAG

Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz

Fn.

Fußnote(n)

FS

Festschrift

FStrG

Bundesfernstraßengesetz

GA

Generalanwalt

GAin

Generalanwältin

GATT

Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen

GATT 47

Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen von 1947

GATT 94

Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen von 1994, Anhang I A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation

GewA

Gewerbearchiv

GewO

Gewerbeordnung

GG

Grundgesetz

GO

Gemeindeordnung; Geschäftsordnung

GR-Charta

Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7.12.2000

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschr.)

GS

Gedächtnisschrift; Großer Senat; Gesetzessammlung

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Habil.

Habilitationsschrift

HABM

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt

HandwO

Gesetz zur Ordnung des Handwerks

HansOLG

Hanseatisches Oberlandesgericht

Hdb

Handbuch

HdbStR

Handbuch des Staatsrechts

HdUR

Handbuch des Umweltrechts

HGrG

Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder

h.M.

herrschende Meinung

HRLJ

Human Rights Law Journal (Zeitschr.)

Hrsg.

Herausgeber

HS

Halbsatz

Abkürzungsverzeichnis

40 ICES

International Council for the Exploration of the Sea

ICJ / CIJ

International Court of Justice / Cour internationale de Justice

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly (Zeitschr.)

i.d.F.

in der Fassung

IfSG

Infektionsschutzgesetz

IGHStatut

Statut des Internationalen Gerichtshofs vom 26.6.1945

insbes.

insbesondere

integration

Vierteljahreszeitschrift des Institut für Europäische Politik

IStR

Internationales Steuerrecht (Zeitschr.)

ital.

italienisch

iur.

juristisch(e)

i.V.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschr.)

JBl.

Justizblatt

JEL

Journal of Environmental Law (Zeitschr.)

JIR

Jahrbuch des internationalen Rechts

JMBl.

Justizministerialblatt

JöR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart

JR

Juristische Rundschau (Zeitschr.)

Jura

Juristische Ausbildung (Zeitschr.)

JurBüro

Das Juristische Büro (Zeitschr.)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschr.)

JVBl.

Justizverwaltungsblatt

JW

Juristische Wochenschrift (Zeitschr.)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschr.)

KartVO

VO Nr. 17 des Rates, Erste Durchführungsverordnung zu den Art. 85 und 86 des EGV

Kfz

Kraftfahrzeug

KG

Kammergericht; Kommanditgesellschaft

KOM

Dokument der EU-Kommission [KOM (Jahr) Nr.]

KritV

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Zeitschr.)

KS

Vertrag über die Gründung der EGKS in der nach dem 1.5.1999 geltenden Fassung

KWG

Gesetz über das Kreditwesen

Abkürzungsverzeichnis LadSchlG

Ladenschlußgesetz

LG

Landgericht

lit.

litera, literae

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschr.)

LM

Lindenmaier / Möhring (Nachschlagewerk des BGH)

LQR

Law Quarterly Review (Zeitschr.)

LStrG

Landestraßengesetz

LuftVG

Luftverkehrsgesetz

LuftVO

Luftverkehrsordnung

MarkenG

Markengesetz

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m. E.

meines Erachtens

MinBl.

Ministerialblatt

41

Mitt. NWStGB Mitteilungen des Nordrhein-WestfälischenStädte- und Gemeindebundes MJ

Maastricht Journal of European and Comparative Law (Zeitschr.)

MLR

Modern Law Review (Zeitschr.)

mm

Millimeter

MüKo

Münchener Kommentar zum BGB

MV

Mecklenburg-Vorpommern

MW

Megawatt

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

MwSt

Mehrwertsteuer

NJ

Neue Justiz (Zeitschr.)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

n.n.a.Slg.

noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht (bei vorerst nur im Internet zugänglichen Entscheidungen des EuG und EuGH)

NuR

Natur und Recht (Zeitschr.)

NV

Vertrag von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte

n. v.

nicht veröffentlicht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NW

Nordrhein-Westfalen; nordrhein-westfälische (e, es, er)

NWB

Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschr.)

NWVBl.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschr.)

Abkürzungsverzeichnis

42 NZBau

Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht

NZS

Neue Zeitschrift für Sozialrecht

NZZ

Neue Zürcher Zeitung

OJLS

Oxford Journal of Legal Studies (Zeitschr.)

OLG

Oberlandesgericht

OLGZ

Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

OVG

Oberverwaltungsgericht

passim

da und dort; verstreut

PatG

Patentgesetz

PBefG

Personenbeförderungsgesetz

PCIJ/CPJI

Permanent Court of International Justice / Cour Permanente de Justice Internationale

PCIJ Series

Sammlung der Entscheidungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs

PflVG

Pflichtversicherungsgesetz

Pr

preußisch (e, er, es)

PrALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794

PrOVG

Preußisches Oberverwaltungsgericht

PrOVGE

Sammlung der Entscheidungen des PrOVG

RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

RdE

Recht der Energiewirtschaft (Zeitschr.)

Rdnr.

Randnummer, Randnummern

Rechtstheorie

Rechtstheorie. Zeitschrift für Logik, Methodenlehre, Kybernetik und Soziologie des Rechts

REDP

Revue européenne de droit public / European review of public law (ERPL) / Europäische Zeitschrift des öffentlichen Rechts (EZÖR)

RegE

Regierungsentwurf

RegTP

Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post

Reports

Reports of Judgements and Decisions (Sammlung der Urteile und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte)

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGZ

Sammlung der Entscheidungen des RG in Zivilsachen

Rh.-Pf.

rheinland-pfälzisch (e, es, er)

RiFlEtikettG

Rindfleischetikettierungsgesetz

Abkürzungsverzeichnis RiStBV

Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschr.)

RL

Richtlinie

RMC

Revue du Marché Commun (Zeitschr.)

RR

Rechtsprechungsreport

Rs.

Rechtssache

Rspr.

Rechtsprechung

RTDE

Revue trimestrielle de droit européen (Zeitschr.)

RUDH

Revue universelle des droits de l'homme (Zeitschr.)

RVO

Reichsversicherungsordnung

S.

Satz, Seite

Sächs.

Sächsisch (e, er, es)

SächsVBl.

Sächsische Verwaltungsblätter (Zeitschr.)

SDÜ

Schengener Durchführungsübereinkommen

SGB

Sozialgesetzbuch

SGG

Sozialgerichtsgesetz

Slg.

Sammlung der Entscheidungen des EuGH und des EuG

Soziale Welt

Zeitschrift für sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis

S.p.A.

Società per Azioni (ital.: AG)

st.

ständig, ständige

Stbg

Die Steuerberatung (Zeitschr.)

Sten. Ber.

Stenographische Berichte

StGB

Strafgesetzbuch

StHG

Staatshaftungsgesetz

StIGH

Ständiger Internationaler Gerichtshof

StrWG

Straßen- und Wegegesetz

StVollzG

Strafvollzugsgesetz

s. v.

sub verbo

SZ

Süddeutsche Zeitung

TA

Technische Anleitung

TAL

Teilnehmeranschlußleitung(en)

TBT

Agreement on Technical Barriers to Trade

teilw.

teilweise

TKG

Telekommunikationsgesetz

43

Abkürzungsverzeichnis

44 TRIPS

Agreement on Trade Related Intellectual Property Rights

u.

und

u.a.

und andere; unter anderem

UEFA

Union des Associations Européennes de Football

UFITA

Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht

UIG

Umweltinformationsgesetz

Unterabs.

Unterabsatz

UPR

Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschr.)

Urt. v.

Urteil vom

U.S.

United States Reports

USA

Vereinigte Staaten von Amerika

UVP

Umweltverträglichkeitsprüfung

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v.

von, vom

VAG

Versicherungsaufsichtsgesetz

Var.

Variante

VBl.BW

Verwaltungsbätter Baden-Württemberg (Zeitschr.)

verb. Rs.

verbundene Rechtssachen

VerfO

Verfahrensordnung des EuGH / des EuG

VerfVO

Verfahrensverordnung (in Beihilfesachen)

VergabeR

Zeitschrift für das gesamte Vergaberecht

VerwArch

Verwaltungsarchiv (Zeitschr.)

VfGH

Verfassungsgerichtshof

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

VK

Vergabekammer

VO

Verordnung

VOB

Verdingungsordnung für Bauleistungen

VOBl.

Verordnungsblatt

VOF

Verdingungsordnung für freiberufliche Dienstleistungen

Vol.

Volume

VOL

Verdingungsordnung für Leistungen

Vorb.

Vorbemerkung

VR

Verwaltungsrundschau (Zeitschr.)

Abkürzungsverzeichnis

45

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Reihe)

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

VwVG

Verwaltungsvollstreckungs-gesetz

WiB

Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschr.)

WiR

Wirtschaftsrecht (Zeitschr.)

WiVerw

Wirtschaft und Verwaltung (Beilage zu: GewA)

WM

Wertpapiermitteilungen (Zeitschr.)

WpÜG

Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschr.)

WRV

Weimarer Reichsverfassung

WTO

Welthandelsorganisation

WÜK

Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963

WuW

Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschr.)

WVRK

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

YEL

Yearbook of European Law

ZAkDR

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

ZBB

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft

ZBR

Zeitschrift für Beamtenrecht

Zeitschr.

Zeitschrift

ZEuP

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht

ZEuS

Zeitschrift für Europarechtliche Studien

ZgStW

Zeitschrift für die gesamten Staatswissenschaften

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZK

Verordnung 2913/92/EWG des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften

ZMR

Zeitschrift für Miet- und Raumrecht

ZollVG

Zollverwaltungsgesetz

ZÖR

Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht (Österreich)

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZUR

Zeitschrift für Umweltrecht

46

Abkürzungsverzeichnis

ZustErgG

Zuständigkeitsergänzungs-gesetz

ZVglRWiss

Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

ZVgR

Zeitschrift für deutsches und internationales Vergaberecht

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeß

Im übrigen sei auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, bearbeitet von Cornelie Butz, 5. Aufl., Berlin 2003 und Igor Karass / Mary Miles Prince (Hrsg.), World Dictionary of Legal Abbreviations, Loseblatt, Buffalo 1999 verwiesen. Wird in Fußnoten direkt auf WWW-Dokumente verwiesen, so sind diese zuletzt am 24. November 2003 eingesehen worden. Für die noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte (n. n. a. Slg.) sei auf die Möglichkeit verwiesen, diese unter http://curia.eu.int/ jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de einzusehen. Sämtliche Rechtsquellen sind – soweit nicht anders vermerkt – in ihrer am 24. November 2003 geltenden Fassung zitiert. Die Fundstellen von Rechtsakten der Union und der Gemeinschaften sind bei EURLex (http://europa.eu.int/eur-lex/de/index.html) einsehbar. Sie sind aus Gründen der Lesbarkeit nicht im Text, zur komfortableren Auffindbarkeit aber im vorangestellten Verzeichnis (oben, S. 27) jeweils in der Erstfassung angeführt; auf die mitunter zahlreichen Abänderungen und Berichtigungen wird hingegen nicht gesondert verwiesen. Für die Fundstellen der Bundesgesetze sei auf die gängigen Gesetzessammlungen Heinrich Schönfelder, Deutsche Gesetze, Loseblatt, München und Carl Sartorius, Bd. I, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze, Loseblatt, München, verwiesen. Nämliches gilt für die Fundstellen der Landesgesetze, welche sich aus den gängigen Landesgesetzsammlungen ergeben: Günter Dürig, Gesetze des Landes Baden-Württemberg, Loseblatt, München; Georg Ziegler / Paul Tremel, Verwaltungsgesetze des Freistaates Bayern, Klaus Tremel (Hrsg.), Loseblatt, München; Hans-Joachim Driehaus / Uwe Kärgel, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Berlins, Loseblatt, München; Gesetze des Landes Brandenburg, Hans-Jochen Knöll (Hrsg.), Loseblatt, München; Sammlung des bremischen Rechts, Dian Schefold (Hrsg.), Loseblatt, Baden-Baden; Ulrich Ramsauer, Hamburgische Gesetze, Loseblatt, München; Eberhard Fuhr / Erich Pfeil, Hessische Verfassungs- und Verwaltungsgesetze, Loseblatt, München; Gesetze des Landes Mecklenburg-Vorpommern, HansJochen Knöll, Jürgen Lambrecht (Hrsg.), Loseblatt, München; Gert März, Niedersächsische Gesetze, Loseblatt, München; Ernst von Hippel / Helmut Rehborn, Gesetze des Landes Nordrhein-Westfalen, Helmut Rehborn, Martin Rehborn, Ulrich Rehborn (Hrsg.), Loseblatt, München; Curt Jeromin / Andreas Geron, Landesrecht RheinlandPfalz, Loseblatt, Neuwied, u.a.; Klaus Hümmerich / Reinhold Kopp, Saarländische Gesetze, Thomas Lenz (Hrsg.), Loseblatt, München; Gesetze des Freistaates Sachsen, Hans-Jochen Knöll, Michael Antoni (Hrsg.), Loseblatt, München; Gesetze des Landes Sachsen-Anhalt, Hans-Jochen Knöll, Ronald Brachmann (Hrsg.), Loseblatt, München; Walter Bausenhart / Emil Guilleaume, Landesrecht in Schleswig-Holstein, Ottobert L. Brintzinger (Hrsg.), Loseblatt, Mainz; Gesetze des Freistaates Thüringen, Hans-Jochen Knöll (Hrsg.), Loseblatt, München.

47

Erstes Kapitel

Einleitung A. Der Schlüsselbegriff des individuellen Rechts I. Recht als Schutz und Ausgleich von Interessen Der Staat erfüllt seine Aufgabe des Schutzes und Ausgleichs von Interessen vorwiegend mit dem Mittel des Rechts1. Nach der berühmten Definition Rudolf von Jherings sind es „[…] zwei Momente […], die den Begriff des Rechts constituiren, ein substantielles, in dem der praktische Zweck desselben liegt, nämlich der Nutzen, Vortheil, Gewinn, der durch das Recht gewährleistet werden soll, und ein formales, welches sich zu jenem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der Rechtsschutz, die Klage. Ersteres ist der Kern, Letzteres die schützende Schale des Rechts. […] Der Begriff des Rechts beruht auf der rechtlichen Sicherheit des Genusses, Rechte sind rechtlich geschützte Interessen.“2

So verstanden sind individuelle Rechte nichts anderes als diejenigen Individualinteressen, welche eine Gesellschaft als schutzwürdig anerkennt. Insofern erst die rechtliche Anerkennung ein vorhandenes Interesse zum individuellen Recht erhebt, sind auch individuelle Rechte stets objektivrechtlich vermittelt. Im objektiven Recht fällt die Entscheidung darüber, welche individuellen Interessen als berechtigt anerkannt werden und den Schutz der Staatsgewalt genießen sollen und wie sie gegen die Interessen anderer und gegen die Gemeinschaftsinteressen abgegrenzt bzw. mit ihnen vermittelt werden sollen3. ___________ 1 Vgl. D. Grimm, Interessenwahrung und Rechtsdurchsetzung in der Gesellschaft von morgen, 1986, S. 1 ff., auf dessen Überlegungen auch die weitere systematische Durchdringung des Stoffs in der Einleitung beruht. 2 R. von Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 3. Aufl. 1877, 3. Teil, 1. Abt., § 60, S. 327 f. 3 A. Vonlanthen, Zum rechtsphilosophischen Streit über das Wesen des subjektiven Rechts, 1964, S. 125 stellt das subjektive Recht, welches er als „Recht an sich“ sieht und aus den „naturhaften Wesensneigungen der menschlichen Person“ ableitet, dem objektiven Recht gegenüber und sieht diese als je völlig verschiedene Wesenheiten nebeneinander und gegeneinander. In ähnlicher Richtung G. Del Vecchio, Lehrbuch der Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 1951, S. 455; R. Barzel, DÖV 1951, S. 337 [338].

Erstes Kapitel: Einleitung

48

Interessen werden im Recht anerkannt, mit seiner Hilfe abgegrenzt und ausgeglichen oder aber unterdrückt.

II. Gerichtlicher Rechtsschutz als Korrelat individueller Rechte Der rechtliche Schutz von Interessen vollendet sich erst, wenn ein rechtlich geschütztes Interesse im Konfliktfall auch durchgesetzt werden kann. Daher versetzen individuelle Rechte ihren Träger regelmäßig in den Stand, seinem Interesse erforderlichenfalls unter Inanspruchnahme der staatlichen Zwangsgewalt Geltung zu verschaffen. Individuelles Recht bedeutet grundsätzlich auch die Möglichkeit gerichtlichen Rechtsschutzes und wäre ohne diese nur ein leerer Titel ohne realen Nutzwert. Dies ist im Bereich des Privatrechts seit langem selbstverständlich, im Verhältnis von Bürger und Staat jedoch keineswegs. Es gibt im Gegenteil eine ganze Reihe demokratischer Staaten, die nicht mit jedem individuellen öffentlichen Recht auch die Möglichkeit gerichtlicher Durchsetzung gegen den Staat verbinden4. Besonders auffällig wird dies an einem Musterbeispiel individueller öffentlicher Rechte, den Grundrechten. Grundrechte bleiben in Systemen ohne Verfassungsgerichtsbarkeit oder mit einer nur auf Staatsorgane und Staatsorganisationsrecht beschränkten Verfassungsgerichtsbarkeit juristisch nahezu bedeutungslos. Die rechtswissenschaftliche Grundrechtsdogmatik ist in all diesen Systemen unterentwickelt5. Die Grundrechte mögen dann zwar, sofern sie über einen starken sozialen Rückhalt verfügen, immer noch ihre Wirkung entfalten, aber diese ist im Ernstfall gegen einen widerstrebenden Staat nicht gleichermaßen juristisch erzwingbar. Erst wenn man sich dies vor Augen führt, vermag man die verfassungsrechtliche Garantie umfassenden Rechtsschutzes gegen den Staat in Art. 19 Abs. 4 GG, der als das prozessuale Gegenstück der freien Per___________ 4 So zum Beispiel die USA. Dazu D. Ehlers, VerwArch. Bd. 84 (1993), S. 139 [156 ff.] und R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 39 ff. Bezeichnenderweise begann die Entwicklung der Kriterien, die über eine Initiativberechtigung des einzelnen entscheiden, mit dem Erfordernis des „legal right“ (etwa im Fall Tennessee Electric Power Co. v. Tennessee Valley Authority, Urt. v. 30. 1.1939, 306 U.S. 118 (1939), ein Fall der Konkurrentenklage). Der legal-rights-Test wurde im Laufe der Zeit durch die Theorie von der spezialgesetzlichen Zuerkennung der Initiativberechtigung abgelöst (siehe FCC v. Sanders Brothers Radio Station, Urt. v. 25.3.1940, 309 U.S. 470 (1940)). Zur neueren Rechtsprechung des U.S. Supreme Court zu Klagerechten bei rein faktischen Ungleichbehandlungen: W. Brugger, DAJV-NL 2001, S. 149 [150] und M. Schladebach / S. Schönrock, VerwArch Bd. 93 (2002), S. 100 [123 f.]. 5 D. Grimm, Interessenwahrung und Rechtsdurchsetzung in der Gesellschaft von morgen, 1986, S. 1 [2].

A. Der Schlüsselbegriff des individuellen Rechts

49

sönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 Abs. 1 GG betrachtet wird6, sowie die Einrichtung der Verfassungsbeschwerde richtig zu würdigen.

III. Rechtsschutz als objektive Rechtmäßigkeitskontrolle und Durchsetzung individueller Rechte Das deutsche Rechtsschutzsystem ist auf den Schutz individueller Rechte und folglich auf die im individuellen Recht anerkannten Individualinteressen ausgerichtet. Rechtsschutz gegen den Staat erlangt, wer vorträgt, durch den Staat in einem seiner individuellen Rechte verletzt zu sein. Rechtsschutz ist also als prozessualer Annex zum individuellen Recht konzipiert. Dies muß nicht notwendigerweise so sein; Systeme, die einen Rückbezug zu individuellen Rechten ablehnen und das objektive Recht betonen, können auch das Gerichtssystem nur zur Kontrolle objektiver Rechtmäßigkeit einsetzen7. Gleichwohl vermögen sie nicht, auf den betroffenen einzelnen als Initiator einer solchen objektiven Kontrolle zu verzichten. Er setzt das Rechtsschutzsystem aber nicht in seinem Interesse, sondern im öffentlichen Interesse in Gang. Dies kann zu einem identischen Ergebnis führen, weil auch die Feststellung einer objektiven Rechtswidrigkeit ihm individuell zugute kommen kann. Umgekehrt wird auch in den Systemen individuellen Rechtsschutzes die objektive Rechtmäßigkeit stets mitkontrolliert. Die Differenzen verkleinern sich dadurch. Sie liegen vor allem im Umfang, in dem der einzelne Rechtmäßigkeitskontrollen in Gang setzen darf, sowie in der Herrschaft, die ihm über den Streitgegenstand und den Fortgang des Verfahrens zugestanden wird.

___________ 6 Hier wird an Pathos nicht gespart, vgl. die Aufzählung bei H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [11]: „Schlußstein im Gewölbe des Rechtsstaats“ (R. Thoma, in: Recht – Staat – Wirtschaft, Bd. 3, 1951, S. 9 ff.; vgl. G. Dürig, in: Schmitt Glaeser / Häberle, Gesammelte Schriften, 1984, S. 137 ff.) „rocher de bronze“ (O. Bachof, DRZ 1950, S. 245 [246]) „Krönung des Rechtsstaats“ (G. Ebers, in: FS für Wilhelm Laforet, 1952, S. 269 [271]) „königlicher Artikel“ (W. Jellinek, VVDStRL Heft 8 (1950), S. 3). Zur überragenden Bedeutung von Art. 19 Abs. 4 GG: G. Dürig, in: Schmitt Glaeser / Häberle, Gesammelte Schriften, 1984, S. 197; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 116. Zum Gemeinschaftsrecht vgl. EuGH, Urt. v. 3.12.1992, Rs. C-97/91 – Oleificio Borelli, Slg. 1992, I-6313 Rdnr. 15. 7 Wichtigstes Beispiel ist der französische „recours pour excès de pouvoir“, dem als Grundkonzeption ein objektives Kontroll- und kein subjektives Rechtsschutzverfahren zugrunde liegt; siehe G. Vedel / P. Delvolvé, Droit administratif II, 12. Aufl. 1992, S. 248 und R. Chapus, Droit administratif général Bd. I, 12. Aufl. 1998, Rdnr. 859.

50

Erstes Kapitel: Einleitung

Man sollte mithin die Einordnung eines Rechtsschutzsystems in die – auf die idealtypische Unterteilung von Léon Duguit zurückgehenden8 – Alternativen von subjektivem Rechtsschutz und objektiver Rechtskontrolle nicht überhöhen und erkennen, daß beides geleistet wird und wegen des notwendigen Zusammenhangs von subjektivem und objektivem Recht auch geleistet werden muß.

IV. Justiziable Normen als Voraussetzung gerichtlichen Rechtsschutzes An ein Erfordernis bleibt die gerichtliche Kontrolltätigkeit unabdingbar geknüpft: Funktional spezialisiert auf die Frage, wer im Recht ist oder ob Rechtsverletzungen vorgekommen sind, kann sie nur dort zum Zuge kommen, wo das in Rede stehende Verhalten rechtlich determiniert ist. Dazu bedarf es eines Rechtssatzes. 1. Objektive Justiziabilität Zunächst muß dieser Rechtssatz, um primär als Verhaltensregel und sekundär als Kontrollmaßstab fungieren zu können, Bindungskraft entfalten. Hierfür muß er wenigstens dasjenige Mindestmaß an Bestimmtheit aufweisen, welches erforderlich ist, um eine gewünschte Verhaltensalternative anzuordnen oder unerwünschte Verhaltensalternativen auszuschließen. Im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolltätigkeit wird dieses Erfordernis mit dem Begriff der justiziablen Norm erfaßt; fehlt es an justiziablen – geschriebenen oder ungeschriebenen – Normen, kann ebensowenig eine Rechtmäßigkeitskontrolle stattfinden wie beim Fehlen von Rechtsnormen überhaupt. 2. Individualbezug zum Streitgegenstand Als Bezugpunkt muß eine normative Vermittlung zwischen Bedrohung und Schutz in bezug auf denjenigen erfolgen, welcher die Norm zur gerichtlichen Überprüfung stellt. Es muß also zumindest ein Interesse des Rechtsschutz Begehrenden in bezug auf die zu kontrollierende Norm als schutzfähige Position rechtlich anerkannt sein. Nur dann besteht die Möglichkeit, Interessen auch ju___________ 8 L. Duguit, Traité de droit constitutionnel, Bd. 2, 2. Aufl. 1923, S. 435 f.; 459 ff., 475 ff.; siehe auch S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 379 mit den Hinweisen auf A. Bleckmann, in: Max-Planck-Institut, Gerichtsschutz, Bd. 3, 1971, S. 21 ff. und P. van Dijk, Judicial Review of Governmental Action, 1980, S. 200.

A. Der Schlüsselbegriff des individuellen Rechts

51

stiziabel zu machen. Ob diese erforderliche Vermittlung zwischen Bedrohung und Schutz sich aus genau dem Rechtssatz ergeben muß, welcher zur Überprüfung gestellt wird, oder aber auch andere schutzfähige Positionen eine Kontrolle dieses Rechtssatzes erlauben können, stellt eine Systementscheidung zwischen Verletztenklage und Interessentenklage9, zwischen eher dem Schutz individueller Rechte oder mehr der Kontrolle objektiven Rechts verhaftetem Rechtsschutz dar. Ein besonderer Individualbezug zum Streitgegenstand muß jedoch im Grundsatz immer gegeben sein.

V. Komplementäre Funktion der Staatshaftung Die sekundäre Staatshaftung ergänzt den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung: Können Rechtsverletzungen10 nicht mehr durch – auf Unterlassung respektive negatorische Beseitigung gerichteten – gerichtlichen Schutz abgefedert werden, so muß eine Lösung auf haftungsrechtlicher Ebene gesucht werden. Zum defensiv-negatorischen tritt der repressiv-restituierende bzw. kompensierende Schutz11. Auch auf dieser Ebene bedarf es eines objektiv justiziablen Rechtssatzes, welcher zumindest ein Interesse des Rechtsschutz Begehrenden anerkennt und im Falle eines Verstoßes ersatzfähige Positionen normativ verankert12.

___________ 9 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 10 und V. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen im Verwaltungsprozeß, 1979, S. 7 ff. 10 Wie H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 40 darlegt, deckt sich hinsichtlich der (Schutz)Normverletzung der Begriff der „Rechtsverletzung“ in Art. 19 Abs. 4 GG mit dem der Staatshaftungsnormen (Art. 34 GG, § 839 BGB), die einen „Drittbezug“ voraussetzen: „Die Anforderungen an den Schutznormbegriff sind in den genannten Fällen die gleichen“. Vgl. auch Y. Schnorbus, ZHR Bd. 166 (2002), S. 72 [85]; H. Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, § 839 Rdnr. 50 und BGH, Urt. v. 10.3.1994, III ZR 9/93, BGHZ 125, 258 [269]: „Daher gilt hier die allgemeine Regel, daß […] die Drittgerichtetheit mit der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zusammenfällt“; OLG Frankfurt, Urteil v. 18.1.2001, 1 U 209/99, ZIP 2001, S. 730 [732]. 11 F. Baur, in: FG für Johannes Sontis, 1977, S. 181 [182]. 12 Siehe etwa P. Badura, Staatsrecht, 2. Aufl. 1996, D Rdnr. 65 (S. 284). W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 299 formuliert anschaulich, daß das primäre individuelle Recht durch diese Positionen „umhegt“ werde.

Erstes Kapitel: Einleitung

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B. Problembeschreibung und Gang der Untersuchung Die konzeptionellen Unterschiede zwischen deutschem und gemeinschaftsrechtlichem Verständnis haben bereits Niederschlag in der Literatur gefunden; dies vor allem im Hinblick auf die – von der Schutznormtheorie geprägte – Klagebefugnis bei Rechtsschutz vor nationalen Gerichten gegen Rechtsakte der Gemeinschaften13. Die bisherigen vergleichenden Untersuchungen zu individuellen Rechten im deutschen Recht und im Gemeinschaftsrecht haben sich vorwiegend den Gründen14 für die Gewährung individueller Rechte und den Problemen der rechtlichen Durchsetzbarkeit15 gewidmet. Die Frage der rechtstechnischen Er___________ 13

M. Gellermann, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 36 Rdnr. 11 ff.; A. Epiney, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 362 [396 ff.]; R. Streinz, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 300 [344 ff.]; J. Gundel, VerwArch. Bd. 92 (2001), S. 81 ff.; D. Scheuing, Die Verwaltung Bd. 34 (2001), S. 107 ff.; H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 1078 ff.; D. Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, 1994, S. 289 ff.; R. Caranta, CMLRev. 32 (1995), S. 703 ff.; W. van Gerven, CMLRev. 32 (1995), S. 679 ff.; F. Schoch, JZ 1995, 109 ff.; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 ff.; C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996; L. Krämer, JEL 8 (1996), S. 1 ff.; T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996; C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [674]; D. Triantafyllou, DÖV 1997 , S. 192 ff.; C. D. Classen, in: Kreuzer / Scheuing / Sieber, Die Europäisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen in der Europäischen Union, 1997, S. 107 ff.; J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997; A. Hatje, EuR 1998, Beiheft 1, S. 7 [21 ff.]; A. Hatje, EuR 1998, S. 734 ff.; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 125 ff., 158 ff.; B. Wegener, ZEuS 1998, S. 183 ff.; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999; S. 379 ff.; F. Schoch, Die Europäisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 2000; R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 121–128. 14 Insbes.: J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 ff.; T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999; S. 379 ff. 15 Etwa A. Epiney, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 362 [393 ff.]; C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996; C. Nowak, Konkurrenzschutz in der EG, 1997; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998; D. Ehlers, Die Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, 1999 (siehe zu letzterem die Besprechung von C. D. Classen, Die Verwaltung Bd. 35 (2002), S. 425 ff.).

B. Problembeschreibung und Gang der Untersuchung

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mittlung von Rechten als Positionen und Relationen wird hingegen eher vernachlässigt. Dem Facettenreichtum individueller Rechte wurde durch jene Fokussierung aber nicht hinreichend Rechnung getragen. Eine Untersuchung, welche besonders die Voraussetzungen individueller Rechte betrachtet, der rechtstechnischen Ermittlung besonderes Gewicht beimißt, und schließlich auch die prozessualen Auswirkungen umfaßt, steht noch aus. Vor diesem Hintergrund untersucht diese Arbeit im Wege eines strukturellen Vergleiches die Voraussetzungen individueller Rechte im deutschen Recht und in dem der Gemeinschaft, ihre prozessualen Konsequenzen sowie ihre besondere Ausprägung im Bereich der Haftung. Ausgangspunkt ist hierbei, daß individuelle Rechtspositionen des einzelnen16 als solche Teil des materiellen Rechts sind. Sie entfalten ihre größte praktische Bedeutung neben dem Bereich der Staatshaftung aber im Prozeßrecht. Besonders dort, wo Gemeinschaftsrecht unter Kontrolle nationaler Gerichte durch nationale Behörden vollzogen wird oder von diesen zu beachten ist, taucht die Frage auf, in welchen Fällen das Gemeinschaftsrecht oder das nationale Recht dem einzelnen individuelle Rechte verleiht und welchen Voraussetzungen diese Rechte unterliegen. Grundpfeiler der deutschen Rechtsordnung ist hierbei auf Ebene des einfachen Rechts das subjektiv-öffentliche Recht und die zu seiner Ermittlung herangezogene sogenannte Schutznormtheorie, die das Recht der Gemeinschaft – zu-

___________ 16 Der Begriff des EINZELNEN wird in der Grundlagenentscheidung EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1, sowie in einigen Folgeentscheidungen groß geschrieben (EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 ff.; EuGH, Urt. v. 16.6.1966, Rs. 57/65 – Lütticke, Slg. 1966, 258; EuGH, Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/74 – van Duyn, Slg. 1974, 1405). In den Entscheidungen des BVerfG wird umgekehrt der Begriff in frühen Entscheidungen klein geschrieben (BVerfG, Urt. v. 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 („Lüth“)), danach einheitlich groß (so BVerfG, Urt. v. 15.12.1970, 2 BvR 629/68 und 308/69, BVerfGE 30, 1; BVerfG, Beschl. v. 26.4.1994, 1 BvR 1968/88, BVerfGE 90, 255; BVerfG, Urt. v. 15.12.1999, 1 BvR 653/96, BVerfGE 101, 361). Nach neuer Rechtschreibung – von deren Anwendung in dieser Arbeit abgesehen wird – ist der EINZELNE groß zu schreiben. Die Großschreibung zu Zeiten der alten Rechtschreibung war eigentlich nicht zu rechtfertigen, mit Ausnahme der Regel 65 des Duden, Rechtschreibung, die auch eine Substantivierung von Adverbien zuläßt, wenn sie emphatisch gebraucht werden, also klar zwischen dem EINZELNEN als Individuum und dem einzelnen als Teil einer Gesamtheit unterschieden werden soll. Wenn eine bestehende Regel auch dort angewendet wird, wo sie keine Gültigkeit besitzt, spricht man von Übergeneralisierung. Dabei werden systematische Korrespondenzen erkannt und übertragen, ohne die Ausnahmefälle oder einschränkenden Bedingungen zu beachten. Diese Übergeneralisierung liegt wohl im Fall des BVerfG vor, wenn man Analogieschlüsse von „der Mensch“ und „das Individuum“ zieht.

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Erstes Kapitel: Einleitung

mindest in ihrer prozessualen Konsequenz17 – so nicht kennt. Da nationales Recht von europäischem Recht immer mehr durchdrungen wird18 und identische Sachverhalte – allein von der verfahrensrechtlichen Konstellation abhängend – entweder nationaler oder gemeinschaftsrechtlicher gerichtlicher Kontrolle unterliegen (so etwa im Bereich des Kartellrechts, wo die Kommission ein von den nationalen Kartellbehörden eingeleitetes Verfahren an sich ziehen kann19 oder bei Vergabe gemeinschaftlicher Subventionen durch die Gemeinschaft einerseits oder die Mitgliedstaaten andererseits20), sollte zumindest im ___________ 17 Für den Bereich der Haftung ist dies nicht ganz eindeutig; siehe unten, Drittes Kapitel – D.I.2.a), S. 476 ff. 18 H. P. Ipsen, in: Jung, Entwicklungslinien in Recht und Wirtschaft, Bd. 2, 1997, S. 71 [79]: „Entscheidungsprozesse werden national und supranational addierend und kommunizierend von beiden Verfassungssystemen getragen – durch Indienststellung des nationalen Systems für die Durchsetzung der Gemeinschaftsrechtsordnung, die ihrerseits durch die mitgliedstaatliche Organausstattung der Gemeinschaft, den Einsatz nationaler und supranationaler Bürokratien und parlamentarische Kooperation entwickelt wird.“ Vgl. zur gegenseitigen nationalen verwaltungsrechtlichen Durchdringung auch H. Siedentopf / B. Speer, in: König, Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, 2002, S.305 ff. 19 Art. 9 Abs. 1 KartVO bestimmt: „Solange die Kommission kein Verfahren nach Art. 2 [Negativtest], 3 [Verbotsentscheidung] oder 6 [Entscheidung nach Art. 81 Abs. 3 EG (Art. 85 EGV)] eingeleitet hat, bleiben die Behörden der Mitgliedstaaten zuständig, Art. 85 Abs. 1 und Art. 86 nach Art. 88 des Vertrages anzuwenden“. Diese entscheiden dann über materielles Recht der EG nach Verfahrensvorschriften des GWB. Vgl. auch die Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Bearbeitung von Fällen im Anwendungsbereich der Art. 85 und 86 EG-Vertrag, ABl. C 313 v. 15.10.1997, S. 3. Die Art. 11–14 VO 1/2003/EG, welche die KartVO ersetzen wird, verstärken diese Zweispurigkeit noch. Vgl. A. Weitbrecht, EuZW 2003, S. 69 ff. 20 Die gemeinschaftsunmittelbare Subventionierung von Unternehmen ist auf wenige Ausnahmebereiche beschränkt, etwa die Beihilfen zur Förderung bestimmter energiewirtschaftlicher Vorhaben (VO 3056/73/EWG; VO 1972/83/EWG). Eine Klagemöglichkeit für Konkurrenten besteht bei Subventionen durch die Gemeinschaft selbst im Gemeinschaftsrecht regelmäßig nicht, so: C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [675 f.]; J. Schwarze, RIW 1996, S. 893 [897]. Klagen gegen die Kommission bei mitgliedstaatlichen Beihilfen werden nach ursprünglicher Zurückhaltung (EuGH, Urt. v. 10.12.1969, verb. Rs. 10 und 18/68 – „Eridiana” Zuccherifici Nazionale u.a. / Kommission, Slg. 1969, 459 [482]) zwischenzeitlich wohlwollender beurteilt (EuGH, Urt. v. 28.1.1986, Rs. 169/84 – Compagnie Française de L’Azote (COFAZ) u.a. / Kommission, Slg. 1986, 391 ff.); siehe dazu: V. Götz, in: Dauses, HdB des EU-Wirtschaftsrechts, H III Rdnr. 114. Im deutschen Recht ist eine Klage des Konkurrenten dagegen regelmäßig zulässig, weil eine Klagebefugnis aus Grundrechten hergeleitet wird; sie ist jedoch nur im Falle existentiellen Betroffenseins begründet: BVerwG, Urt. v. 30.8.1968, VII C 122.66, BVerwGE 30, 191 [197]; BVerwG, Urt. v. 22.2.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329 [336]; BVerwG, Urt. v. 22.5.1980, 3 C 2.80, BVerwGE 60, 154 [160]; BVerwG, Urt. v. 23.3.1982, 1 C 157.79, BVerwGE 65, 167 [170 ff.]. Siehe dazu auch unten, Drittes Kapitel – B., S. 423 ff. Zur mittelbaren Beihilfegewährung vgl. etwa Art. 34 Abs. 2 EG und die Ausführungen bei S. Magiera, in: Hailbronner / Klein / Magiera / Müller-Graff, EUV / EGV, Art. 92 Rdnr. 4.

B. Problembeschreibung und Gang der Untersuchung

55

Ergebnis ein für den einzelnen gleichwertiges Resultat seiner Bemühungen um gerichtlichen Schutz oder Schadensersatz stehen. Wie aktuell die Frage ist, zeigt ein neueres Zwischenurteil des EuG21. Es legte darin aufgrund der Effektivität gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzes den Begriff der individuellen Betroffenheit einer Person (Art. 230 Abs. 4 EG22) nunmehr so aus, daß eine natürliche oder juristische Person durch eine Bestimmung einer Verordnung, die sie unmittelbar betrifft, als auch „[…] individuell betroffen anzusehen [ist], wenn diese Bestimmung ihre Rechtsposition unzweifelhaft und gegenwärtig beeinträchtigt, indem sie ihre Rechte einschränkt oder ihr Pflichten auferlegt“23

Dies stellt eine in ihrer Begründung gemeinschaftsrechtlich neuartige, dem deutschen Rechtsanwender aber vertraute24 Sichtweise dar.

___________ 21 EuG, Urt. v. 3.5.2002, Rs. T-177/01 – Jégo-Quéré et Cie. / Kommission, Slg. 2002, II-2365 Rdnr. 50, 51; siehe auch die Anmerkungen von T. Lübbig, EuZW 2002, S. 415 f.; M. Köngeter, NJW 2002, S. 2216 ff.; M. Nettesheim, JZ 2002, S. 928 ff. Das EuG hat sich in Rdnr. 45 ausdrücklich auf Rdnr. 43 der Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 21.3.2002 zu EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 ff. bezogen. Die Rechtssache C-50/00 P verblieb sonach im Plenum und wurde keiner Kammer zugewiesen, um damit die Möglichkeit einer Änderung der Rechtsprechung zu erhalten. Der Fall war jedoch wenig geeignet, da es um die Rechte eines Verbandes ging. Die Vorschläge des Generalanwalts wurden dann auch nicht aufgegriffen: EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 Rdnr. 44. Seine Hinweise waren wohl auch nicht so sehr für das Gericht, als vielmehr für den Konvent bestimmt gewesen (dieser hat daraufhin auch Stellung genommen, vgl. den Schlußbericht des Vorsitzenden der Gruppe II – „Einbeziehung der Charta / Beitritt zur EMRK“ an die Mitglieder des Konventes vom 22.10.2002 (CONV 354/02), S. 15 f., einsehbar unter: http://register.consilium.eu.int/ pdf/de/02/cv00 /00354d2.pdf; zustimmend auch GA L. A. Geelhoed, Schlußanträge v. 10.9.2002 zu EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-491/01 – British American Tobacco und Imperial Tobacco, Slg. 2002, I-11453 Rdnr. 51). Daß der EuGH sich dem EuG anschließen würde, war auch nicht zu erwarten: er hätte zugestehen müssen, daß das EuG den Wandel der Rechtsprechung herbeigeführt hat. Dies verträgt sich nicht mit dem Selbstverständnis des EuGH, insbes. da in einigen Mitgliedstaaten eine Änderung der Rechtsprechung immer von der obersten Instanz ausgehen muß und nicht auch die unteren Instanzen die Frage „nach oben schieben können“. Das Rechtsmittelverfahren endete daher für die Kommission erfolgreich (EuGH, Urt. v. 1.4.2004, Rs. C-263/02 P – Kommission / Jégo-Quéré et Cie., n. n. a. Slg.). 22 In dieser Arbeit werden die neuen, durch den Vertrag von Amsterdam v. 2.10.1997 (ABl. 1997 C 340, S. 1) eingeführten Artikelnummern in der Fassung des Vertrags von Nizza (vgl. zur konsolidierten Fassung ABl. C 325 v. 24.12.2002, S. 1–184) verwandt und mit EG, EA, KS gekennzeichnet, ohne die zwar präzise aber umständliche Zitierweise des EuGH (ABl. 1999 C 246, S. 1) zu verwenden. Wird auf die Fassung(en) vor dem 1.5.1999 Bezug genommen, so wird dies durch EGV respektive EWGV, EAGV und EGKSV gekennzeichnet. 23 Hervorhebungen und Klammerzusatz hinzugefügt.

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Erstes Kapitel: Einleitung

Nach einer Darstellung der rechtstheoretischen Konzeptionen der beiden Rechtsordnungen sollen diese durch eine Gegenüberstellung verglichen werden. Hierbei werden – deskriptiv – die dogmatischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Die Arbeit beschränkt sich mithin auf die Darstellung der dogmatischen Konzeptionen der beiden Rechtsordnungen – inklusive der Einwirkungen des höherrangigen25 europäischen Rechts auf das nationale – einerseits, sowie der Auswirkungen im Bereich des (fach)gerichtlichen Schutzes und der Haftung andererseits. Die Ergebnisse sollen sodann jeweils in bezug auf ihre Kongruenz untersucht werden. Dabei wird eine Reihe von Einzelfragen und Problemen tangiert. Die Arbeit versteht sich jedoch nicht als Untersuchung etwa zu Detailfragen des Nachbarschutzes im deutschen Baurecht oder des Konkurrentenschutzes im europäischen Beihilferecht. Vielmehr können und sollen nur die groben Umrisse der jeweiligen Rechtsgebiete herausgearbeitet werden. Der Verweis auf Einzelfälle soll die Überlegungen lediglich veranschaulichen. Die Arbeit kann aber nicht für sich in Anspruch nehmen, alle angesprochenen Einzelprobleme auch umfassend zu erörtern. Für das Verständnis der gegenwärtigen Rechtslage genügt eine Darstellung mit punktuellen Verdichtungen dort, wo Konflikte und ihre Bewältigung für die Entstehensbedingungen, Leistungen und Folgeprobleme individueller Rechte erhellend sind. Ob, wie Manfred Zuleeg bereits 1976 zweifelte, „das subjektiv-öffentliche Recht noch eine Daseinsberechtigung“ hat26, oder ob es umgekehrt, wie Thomas von Danwitz meint, einer „Theorie des subjektiv-öffentlichen Gemeinschaftsrechts“ bedarf27 und inwieweit die beiden Rechtsordnungen aus Sicht der jeweils anderen mit dogmatisch fraglichen Methoden arbeiten, fällt nicht ___________ 24 Vgl. den Wortlaut von § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO zum Normenkontrollantrag: „Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein […], stellen“. 25 Grundlegend zur Frage des Anwendungsvorrangs: EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253; EuGH, Urt. v. 17.12.1970, Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125; EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629; EuGH, Urt. v. 10.7.1990, Rs. 217/88 – Kommission / Deutschland (Tafelwein), Slg. 1990, I-2879 insbes. Rdnr. 33; EuGH, Urt. v. 19.6.1990, Rs. C-213/89 – Factortame u.a., Slg. 1990, I-2433 sowie BVerfG, Beschl. v. 9.6.1971, 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145; BVerfG, Beschl. v. 29.5.1974, 2 BvL 52/71, BVerfGE 37, 271 („Solange I“); BVerfG, Beschl. v. 23.6.1981, 2 BvR 1107, 1124/77, BVerfGE 58, 1; BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 („Solange II“); BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 („Maastricht“). 26 M. Zuleeg, DVBl. 1976, S. 509 ff. 27 T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 ff.

B. Problembeschreibung und Gang der Untersuchung

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unter die Darlegungslast der Arbeit. Diese Eingrenzung ergibt sich daraus, daß hier keine weiterführenden Aussagen zum Untersuchungsgegenstand zu gewärtigen sind. Es geht um Darstellung dessen, was nach dem gegenwärtigen Stand aus dogmatisch-empirischer Sicht unter individuellen Rechten verstanden wird und wie sich dieses Verständnis in den beiden Rechtsordnungen niederschlägt. Die strukturellen Fragen der Untersuchung sind mithin folgende: í

Welche historischen Bedingungen waren für das heutige Verständnis individueller Rechte in den beiden Rechtsordnungen prägend?

í

Unter welchen Voraussetzungen gewähren die beiden Rechtsordnungen ein individuelles Recht? Welche Gründe bestehen für die Gewährung individueller Rechte? Wie werden individuelle Rechte rechtstechnisch ermittelt? 28

í

In welchem Verhältnis stehen individuelle Rechte zu den prozessualen Bedingungen ihrer gerichtlichen Durchsetzung? Welche Beziehung besteht zwischen den Haftungsregimen und der Verletzung individueller Rechte? 29

í

Worin bestehen in der Gesamtschau die signifikanten Unterschiede zwischen beiden Rechtsordnungen? An welchen spezifischen Faktoren haben weitere Bemühungen um eine Konvergenz anzusetzen? 30

Innerhalb der folgenden beiden Kapitel werden jeweils das deutsche Recht und sodann das Eigenverwaltungsrecht der Gemeinschaft sowie das Gemeinschaftsverwaltungsrecht mit seinen Anforderungen an die nationale Rechtsordnung dargestellt. Dabei werden die Elemente struktureller Vergleichbarkeit herausgearbeitet. Hierauf folgt je ein Vergleich der Konzepte. Im letzten Kapitel werden die dergestalt gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der strukturellen Merkmale einem abschließenden Vergleich unterzogen und so die exakten Schnittstellen für weitere wissenschaftliche Bemühungen um eine Konvergenz aufgezeigt. Dem Zweiten Kapitel kommt – auch in seinem Umfang – besonderes Gewicht zu, da hier die grundlegenden dogmatischen Strukturen herausgearbeitet werden. Die Untersuchung kann und soll mithin keine direkten Antworten auf aktuelle Rechtsfragen geben. Sie mag aber ein vertieftes Problemverständnis fördern und die Art des Herangehens an ein Rechtsproblem sowie die Richtung der Argumentation beeinflussen, indem sie die oft unausgesprochenen Voraussetzungen des juristischen Denkens in beiden Rechtsordnungen offenlegt. ___________ 28 29 30

Die Beantwortung dieser Fragen ist Gegenstand des Zweiten Kapitels (S. 63 ff.). Die Beantwortung dieser Fragen ist Gegenstand des Dritten Kapitel (S. 419 ff.). Die Beantwortung dieser Fragen ist Gegenstand des Vierten Kapitels (S. 516 ff.).

Erstes Kapitel: Einleitung

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C. Zur rechtsvergleichenden Methode I. Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht In der Literatur wird häufig hervorgehoben, daß Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht nur in sehr viel engeren Grenzen möglich sei als im Privatrecht31, was vor allem durch den politischen Charakter des öffentlichen Rechts bedingt sei32. An diesem Ausgangsbefund bestehen schon angesichts der Fülle und Qualität rechtsvergleichender Arbeiten Zweifel33. Hinzu kommt, daß auch das Entstehen des deutschen Verwaltungsrechts nicht zuletzt durch rechtsvergleichende Arbeiten gefördert worden ist34. Wird das Augenmerk auf die jeweilige juristische Konstruktion und deren Strukturen gelegt und der gegebenenfalls unterschiedliche politisch-historische Bezugsrahmen soweit wie nötig angesprochen, so kann der Gefahr einer Gegenüberstellung von (rechts-)politischen Argumenten wirksam begegnet werden. Größere Methodenunsicherheit besteht bei der Verbindung von rechtsvergleichender Analyse und gemeinschaftsrechtlicher Systembildung. Die Ausgangsfrage lautet hier, ob individuelle Rechte, Klagemöglichkeiten und haftungsrechtliches Regime im nationalen respektive im Gemeinschaftsrecht gleichwertige Instrumentarien für den einzelnen bereitstellen. Da hierbei die wechselseitigen Verschränkungen nicht nur beachtet werden müssen, sondern sogar prägenden Charakter haben können, wird die Rechtsvergleichung zur Lösung eines Problems der Auslegung und Anwendung heranzuziehen sein. Man ___________ 31

Speziell für das öffentliche Umweltrecht: M. Kloepfer, UPR 1984, S. 281 [284 f.]. Zu den allgemeinen Grenzen der Rechtsvergleichung in Europa B. Großfeld, in: FS für Rudolf Lukes, 1989, S. 655 [656]. 32 Vgl. R. Bernhardt, ZaöRV Bd. 24 (1964), S. 431 [432]. Klassisch sind die Ausführungen U. Scheuners, DÖV 1963, S. 714: „Das Verwaltungsrecht gehört zu denjenigen Rechtsmaterien, in denen die nationale Eigenart eines Staates und Volkes sich am stärksten ausprägt“. 33 J. Kaiser, ZaöRV Bd. 24 (1964), S. 391 ff.; T. Fleiner-Gerster, in: FS für Arnold Koller, 1993, S. 83 ff.; siehe auch z. B.: P. Häberle, JZ 1992, S. 1033 ff.; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996; C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; R. Grote, AöR Bd. 126 (2001), S. 10 ff.; siehe auch G. Trantas, Die Anwendung der Rechtsvergleichung bei der Untersuchung des öffentlichen Rechts, 1998. 34 Etwa durch das Werk von F. F. Mayer, Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862, der sich anders als etwa R. von Mohl (Das Staatsrecht des Königreiches Württemberg, Bd. 2, 1832) oder J. Pözl (Lehrbuch des bayerischen Verwaltungsrechts, 1856) nicht auf das Recht eines der deutschen Staaten beschränkte. Die Rückführung auf allgemeine Begriffe und Strukturmerkmale gelang diesem freilich nur unvollkommen. Dennoch war er seiner Zeit weit voraus und blieb bis O. Mayer eine singuläre Erscheinung.

C. Zur rechtsvergleichenden Methode

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kann insoweit mit Peter Häberle von der Rechtsvergleichung als „fünfter“ Auslegungsmethode sprechen35. Infolgedessen wird der methodische Ansatz der wertenden Rechtsvergleichung herangezogen36, welcher vom EuGH vor allem für die Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze im Gemeinschaftsrecht praktisch ausgeformt und von der Wissenschaft theoretisch untermauert worden ist. Bislang wird im Gemeinschaftsrecht vor allem bei der Herausarbeitung der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte37 und anderer allgemeiner Rechtsgrundsätze des Primärrechts (nicht nur im Rahmen der Verweisung des Art. 288 Abs. 2 EG) und bei der Vorbereitung rechtsangleichender Rechtsakte – etwa nach Art. 95 EG – rechtsvergleichend vorgegangen38. Im Rahmen der Auslegung und Anwendung von Sekundärrecht ist die Rechtsvergleichung dagegen bisher noch wenig entwikkelt39. Erst recht gilt dieser Befund für den Vergleich von Gemeinschaftsrecht und – sowohl gemeinschaftsrechtlich determiniertem als auch nicht determiniertem – nationalem Recht. Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, die Strukturen des nationalen Rechts zunächst isoliert dogmatisch-empirisch herauszuarbeiten, diese sodann dem gemeinschaftsrechtlichen System gegenüberzustellen und zu untersuchen, ob die in ihrer Anforderung und Funktion vergleichbaren Strukturen zu praktisch gleichwertigen Resultaten gelangen40. „Strukturvergleich“41 meint, Abstand von den Einzelregelungen im positiven ___________ 35

P. Häberle, JZ 1989, S. 913 ff. Vgl. auch K.-P. Sommermann, DÖV 1999, S. 1017 [1019]. Zu den klassischen vier Auslegungsregeln grundlegend: F. C. von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, 2. Nachdruck der Ausgabe 1840, 1981, S. 230 ff. 36 Ähnlich: I. Pernice / S. Kadelbach, DVBl. 1996, S. 1100 [1114]. 37 Grundlegend: A. Bleckmann, EuGRZ 1981, S. 257, der vor vorschnellen rechtsvergleichenden Untersuchungen als Grundlage der allgemeinen Rechtsgrundsätze des EGRechts warnt und demgegenüber eine Ableitung aus dem EWGV selbst, aus den Voraussetzungen der Gemeinschaft und aus den Zielen des EWGV vorschlägt, wobei die Freiheitsrechte durch Rückgriff auf die Rechtsvergleichung zu konkretisieren seien. 38 Zur Funktion der Rechtsvergleichung in der europäischen Rechtsvereinheitlichung: A. Bleckmann, ZVglRWiss Bd. 75 (1976), S. 106 [116 ff.]; E. Schmidt-Aßmann, in: FS für Peter Lerche, 1993, S. 513 [518]; F. Jacobs, in: FS für Albert Kiralfy, 1990, S. 99 [104]. Instruktives Beispiel der Gewinnung allgemeiner Rechtsgrundsätze im Gemeinschaftsrecht bilden die Schlußanträge von GA D. Ruiz-Jarabo Colomer v. 28.1.1999 zu EuGH, Urt. v. 14.9.1999, Rs. C-310/97 P – Kommission / Assi Domaen Kraft Products u.a., Slg. 1999, I-5363 Rdnr. 65 ff. 39 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 85. 40 Zur funktionalen Rechtsvergleichung anschaulich K. Zweigert / H. Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, Bd. I, Grundlagen, 3. Aufl., Tübingen 1996, § 3 II. 41 K. Zweigert / H. Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, Bd. I, Grundlagen, 3. Aufl., Tübingen 1996, S. 44 meinen wohl dasselbe, wenn sie von „Funktionskomplexen“ sprechen.

Erstes Kapitel: Einleitung

60

Recht zu gewinnen und bestimmte Grundkonstellationen in den Blick zu nehmen. Angesichts der Tendenz, in diesem Zusammenhang vorzugsweise die eigenen vertrauten Problemlösungsmuster bestätigt zu sehen, erscheint Günter Frankenbergs Mahnung von zentraler Bedeutung, wonach Rechtsvergleichung nicht ohne Selbstkritik und Selbstreflexion, also nicht ohne Infragestellen vertrauter Lösungsansätze auskommt42.

II. Rechtsinhaltliche Aspekte des individuellen Rechts Der Begriff des individuellen Rechts wird in dieser Arbeit als rechtstechnische Erscheinung aufgefaßt; die Betrachtung ist rechtsformal analytisch, d.h. weitgehend ohne Bezugnahme auf die mögliche oder wünschbare inhaltliche Ausgestaltung der von den beiden Rechtsordnungen zu verleihenden individuellen Rechte. Dies zu betonen ist angesichts der Tatsache notwendig, daß das deutsche und das gemeinschaftsrechtliche Verständnis weitgehend im Hinblick auf mögliche systemverändernde Auswirkungen im Rahmen des Rechtsschutzes gegen Rechtsakte der Gemeinschaften vor nationalen Gerichten betrachtet worden ist. Wenn man individuelle Rechte als technisch-formale Gebilde auffaßt, verfangen die – im deutschen Sprachbereich allen voran von Hans Kelsen43 erhobenen – Vorwürfe, die Verwendung dieser Figur sei „ideologisch“ bedingt, d.h. mit einer weltanschaulichen bzw. rechtspolitischen Tendenz belastet, nicht mehr44. ___________ 42 G. Frankenberg, Harvard International Law Journal, Vol. 26 (1985), S. 411 [443, 455]. 43 Dieser sah in der Rechtsfigur des subjektiven Rechts den naturrechtlichen Versuch, die Institution des Privateigentums, einzelne andere Rechtstypen oder eine freiheitlichindividualistische Ausgestaltung des Rechts schlechthin als rechtsimmanent und naturgegeben hinzustellen und damit dem Zugriff des Gesetzgebers zu entziehen, vgl. H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 135 f., mit Hinweis auf H. Dernburg, System des Römischen Rechts, 8. Aufl. 1911, § 35, S. 65, der in der Tat die klassische Formulierung des von H. Kelsen abgelehnten Standpunktes wiedergibt: „Rechte im subjektiven Sinne bestanden geschichtlich lange, ehe sich eine bewußte staatliche Ordnung ausbildete. Sie gründeten sich in der Persönlichkeit der einzelnen und in der Achtung, welche sie für ihre Person und ihre Güter zu erringen und zu erzwingen wußten. Erst durch Abstraktion mußte man allmählich aus der Anschauung der vorhandenen subjektiven Rechte den Begriff der Rechtsordnung gewinnen. Es ist daher eine ebenso ungeschichtliche wie unrichtige Ansicht, daß die Rechte im subjektiven Sinn nichts seien als Ausflüsse des Rechts im objektiven Sinn.“ 44 Geschieht dies dennoch, heißt das nicht, daß dieser Fehler dem Begriff des subjektiven Rechts als solchem anhafte (E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 28). Die Frage darf im übrigen auch nicht mit der – notwendigen – Darstellung (gemeinschafts-)verfassungsrechtlicher Direktiven verwechselt werden.

D. Zur Terminologie

61

Dogmatische Rechtsbegriffe, die dazu bestimmt sind, einen spezifischen Rechtszustand darzustellen und deren Formulierung ihrerseits nicht ohne Einfluß auf die Fortbildung dieses Rechtszustandes bleibt, sind selbst Bestandteil der Geschichte. Sie sind historisch bedingt, weshalb Rechtsgeschichte nicht nur Geschichte tatsächlich gelebter Rechtsverhältnisse ist, sondern auch die Geschichte rechtlicher Denkformen umfaßt und deshalb immer auch Wissenschaftsgeschichte ist45. Auch die hier entwickelte Darstellung ist Ausdruck einer geistesgeschichtlichen Situation. Dieser entspricht es einerseits, die Rechtsbeziehungen als Gefüge bereits vorprozessual verbindlicher Verhaltensnormen zu verstehen und bei der Rechtsbeschreibung nicht im Sinne des „Aktionendenkens“ allein auf die dem Rechtssubjekt zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten abzustellen46. Anderseits neigt die heutige Betrach-tung dazu, die rechtlichen Beziehungen abstrakt zu fassen, etwa von einem „Rechtsverhältnis“47 zu sprechen und dieses Rechtsverhältnis wiederum in ein Gefüge von Rechten zu zerlegen. Beidem entspricht es, individuelle Rechte zunächst losgelöst von ihrer prozessualen Verwirklichung zu betrachten.

D. Zur Terminologie Wird im folgenden von individuellen Rechten gesprochen, so sind damit (materielle und formelle) Rechte natürlicher und juristischer Personen des Pri___________ 45

E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 28. Dieser Befund dürfte sowohl für das deutsche als auch für das gemeinschaftsrechtliche Rechtsdenken – wenn auch vielleicht in unterschiedlicher gradueller Akzentuierung – zutreffen. Der von der Erfahrung des Einzelfalles abstrahierende, nach allgemeingültigen Regeln suchende Rationalismus und erst recht das Bestreben, ein Rechtsgebiet systematisch und umfassend durch eine Gesetzgebung zu ordnen, führen weg vom Denken in Aktionen. Es ist wohl mehr als ein Zufall, daß in der deutschen Pandektenwissenschaft das von der römischen Tradition bestimmte Denken in Aktionen gerade in jenen Jahrzehnten dem Begriff des subjektiven Rechts weichen mußte, in denen die Arbeit am Entwurf des BGB konkrete Gestalt annahm (E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 32). Das Aktionendenken hält sich mehr an das Schaubare, Konkrete und stellt pragmatisch fest, welche Rechtsbehelfe in einem bestimmten Fall zur Verfügung stehen, Rechtsbehelfe, die ihrerseits in äußerlich wahrnehmbaren Vorgängen manifest werden. Diese Vorgehensweise konnte zu Beginn der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts noch beobachtet werden, vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1187 ff.]. Heute dürfte das Denken in materiellen Normen vorherrschen. Da Denken in individuellen Rechten ein Denken in Normen, das Aktionendenken ein Denken in Sanktionen darstellt, ist letzteres im Gemeinschaftsrecht aber noch präsenter, so etwa in der Rechtsprechung zur mitgliedstaatlichen Haftung in EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357. Näher dazu unten, Zweites Kapitel – C.I.1.c), S. 301 f. 47 Grundlegend: W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968. 46

Erstes Kapitel: Einleitung

62

vatrechts48 gemeint und zwar gleichermaßen auf nationaler wie auf Gemeinschaftsebene. Der Begriff des individuellen Rechts wird also dann gewählt, wenn von beiden Rechtsordnungen oder vom Gemeinschaftsrecht allein die Rede ist49. Der Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts bleibt hingegen den Ausführungen zum deutschen Verständnis vorbehalten. Diese Differenzierung entspricht keineswegs allgemeiner Übung50. Sie soll auch keine Vorentscheidung in dem Sinne fällen, daß mit dem Begriff jeweils etwas gänzlich Verschiedenes gemeint sei. Begriffe, die zum Verständnis beitragen, dürfen nicht von dem Sinn einer Rechtserscheinung, ihrer Funktion im Zusammenhang des Sinnganzen „Recht“, abstrahieren, sondern sollen diesen Sinn durchsichtig, transparent machen51. Diesem Bedürfnis folgend, will die Differenzierung allein sprachlichen Verrenkungen und terminologischen Zweideutigkeiten vorbeugen. ___________ 48

Auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird im folgenden nur insoweit eingegangen, als Argumentationslinien in diesem Bereich für die Diskussion um individuelle Rechte einen spezifischen, illustrativen Charakter haben. Im übrigen steht aber stets die natürliche und juristische Person des Privatrechts im Zentrum der Betrachtung. 49 In seinem Bestreben, die eigene Rechtsprechung auch begrifflich von Einflüssen des nationalen Rechts freizuhalten, hat der EuGH äußerst selten von „subjektiven Rechten“ gesprochen, etwa EuGH, Urt. v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1187] und EuGH, Urt. v. 7.7.1976, Rs. 118/75 – Watson und Belmann, Slg. 1976, 1185 [1200]. Vgl. B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 162 Fn. 260. Genauer dazu unten, Zweites Kapitel – C.I.1.d), S. 306 f. 50 Im Gegenteil wird meist sowohl für das nationale als auch für das Gemeinschaftsrecht von subjektiven Rechten gesprochen; etwa: N. Reich, Bürgerrechte in der Europäischen Union, 1999; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 368 ff. [passim]; J. Gundel, VerwArch. Bd. 92 (2001), S. 81 ff.; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 ff.; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, [passim]; T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 485; G. C. Rodríguez Iglesias, Zu den Grenzen der verfahrensrechtlichen Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts, S. 1 ff. Differenzierend hingegen B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 161 ff. und M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 106 ff. Dagegen bestehen aber Einwände. Denn der EuGH hat den Begriff des „subjektiven Rechts“ gemieden, da dieser vor allem im deutschen und italienischen Recht (vgl. zu den diritti soggetivi unten, Zweites Kapitel – C.I.1.d), S. 306) dogmatisch besetzt ist. Der Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts ist „dem Gemeinschaftsrecht fremd“ (I. Brinker, JZ 1996, S. 89 [90]). Der hier verfolgte Weg schließt sich zum einen dieser Rechtsprechung an, zum anderen befreit er einen Rahmenbegriff, wie den des subjektiven oder individuellen Rechts, zumindest von einer Zweideutigkeit, nämlich von der Frage des normativen Ursprungs eines Rechts. 51 K. Larenz, in: FG für Johannes Sontis, 1977, S. 147.

A. Grundlagen

63

Zweites Kapitel

Gründe und Ermittlung individueller Rechte A. Grundlagen Als Recht wird zum einen bezeichnet, was (objektiv) rechtens ist, zum anderen aber auch, was dem einzelnen als sein (individuelles) Recht zukommt. Der Sprachgebrauch deutet auf eine Unterscheidbarkeit der Begriffe, aber auch auf ihren korrelativen Gehalt hin: Erhält der einzelne sein Recht, wird verwirklicht, was objektiv rechtens ist1. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bindet diese an die Regelungen des Gesetzgebers und unterwirft sie zugleich der Kontrolle der Gerichtsbarkeit. Er enthält zwei Komponenten, nämlich einmal den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes, zum anderen den des Vorbehalts des Gesetzes2. Die Bindung folgt im deutschen Recht aus Art. 20 Abs. 3 GG3, im EG-Recht aus allgemeinen Rechtsstaatsprinzipien4 und dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung, Art. 5 Abs. 1 EG5. Aber nicht nur die Exekutive, auch die Gesetzgebung ist durch objektives Recht – namentlich die Grundrechte – Bindungen unterworfen. Denn auch Grundrechte sind zunächst objektives Recht, indem sie ab___________ 1

A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129. H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 6 Rdnr. 1. 3 BVerfG, Beschl. v. 28.10.1975, 2 BvR 883/73 und 379, 497, 526/74, BVerfGE 40, 237 [248]; BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 [126] („Kalkar“); BVerfG, Beschl. v. 29.10.1987, 2 BvR 624, 1080, 2029/83, BVerfGE 77, 170 [230]; was den Vorbehalt des Gesetzes angeht, so ergibt sich dieser nach anderer Auffassung im Gegensatz zum Vorrang des Gesetzes jedenfalls aus den verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien der Parlamentarischen Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten, dazu: H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 6 Rdnr. 4 ff. 4 Etwa EuGH, Urt. v. 22.3.1961, verb. Rs. 24 und 49/59 – SNUPAT, Slg. 1961, 105 [172]; siehe auch Art. 6 Abs. 1 EU. 5 Grundlegend (noch für den EKGS) die Schlußanträge von GA M. Lagrange v. 14.6.1957 zu EuGH, Urt. v. 12.7.1957, verb. Rs. 7/56 und 3/57–7/57 – Algera, Slg. 1957, 83 (167); EuGH, Urt. v. 29.11.1956, Rs. 8/55 – Fédération Charbonnière de Belgique / Hohe Behörde, Slg. 1956, 297; EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1. Siehe auch S. Magiera, in: FS für Rudolf Morsey, 1992, S. 21 [214 ff.]. 2

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

64

strakt und generell eine bestimmte Rechtsfolge festlegen6. Ist aber die Rechtsbindung verbürgt7 und damit ausgedrückt, was objektiv rechtens ist, so besagt dies noch nicht, ob und inwieweit der Bürger verlangen kann, daß die Rechtsbindung beachtet wird, ob er also individuelle Rechte im Sinne einer rechtlichen Position oder Relation8 hat, die zumindest auch gerade ihm zustehen. Mit dem, was objektiv rechtens ist, verbindet sich also nicht immer eine Aussage darüber, wann der einzelne sein Recht erhält. Die Rechte des Individuums können entweder als das Zusammenspiel prozessualer Möglichkeiten oder als eine Summe von Verhaltensnormen begriffen werden. Die eine Betrachtungsweise hat folgende Struktur: „Wenn ein bestimmter Tatbestand verwirklicht ist, so ist es möglich, auf dem Klageweg ein bestimmtes Verhalten der Gegenseite durchzusetzen (auf welches Verhalten ein individuelles Recht besteht).“9

Die andere Anschauungsweise hat folgenden Aufbau: „Wenn ein bestimmter Tatbestand verwirklicht ist, so besteht ein individuelles Recht auf ein bestimmtes Verhalten der Gegenseite (welches Recht nötigenfalls auf dem Klageweg durchgesetzt werden könnte)“.10

Zwischen diesen beiden Denkweisen besteht ein polares Spannungsverhältnis: es kann bei der Darstellung entweder an die prozessualen Möglichkeiten der Parteien angeknüpft werden (Aktionendenken), oder es werden die zugrunde liegenden vorprozessualen materiell-rechtlichen Verhaltensnormen oder individuellen Rechte ins Auge gefaßt11.

___________ 6

P. Badura, Staatsrecht, 2. Aufl. 1996, C Rdnr. 2 (S. 75). R. Thoma, JöR Bd. 4 (1910), S. 196 [204]: „Dieses Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist das Fundament des modernen Rechtsstaates, keineswegs seine Erfüllung“. 8 Die Frage der rechtlichen Position meint damit nicht notwendigerweise „Durchsetzbarkeit“; siehe: R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 163 f. 9 Nach E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 30. 10 Nach E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 30. 11 Diese beiden Arten der Rechtsauffassung werden fast immer bis zu einem gewissen Grade vermischt, kaum wird die eine oder andere Vorstellungsweise rein durchgeführt, vgl. etwa das Common Law, wo oft die Ausdrücke „to have a right“ und „to have an action“ vertauschbar sind. P. Craig / G. de Búrca, EU Law, 3. Aufl. 2002, S. 230 ff. stellen denn auch die Frage nach Individualrechten im Gemeinschaftsrecht im wesentlichen unter der Überschrift „remedies in national courts“ dar. In der deutschen Literatur ebenso: F. Emmert, Europarecht, 1996, § 20 Rdnr. 60 ff. (S. 277 ff.). 7

B. Das deutsche Verständnis

65

Das Denken in Aktionen ist heute weitgehend überwunden12, 13. Bei der folgenden Darstellung der heutigen Sicht ist daher von letzterer Betrachtungsweise auszugehen. Die Voraussetzungen dieser vorprozessualen, materiellrechtlichen Normen im deutschen Recht (B.) und im Gemeinschaftsrecht (C.) werden im folgenden skizziert. Dabei sind jeweils die Elemente einer strukturellen Vergleichbarkeit herauszuarbeiten und sodann einem wertenden Vergleich zu unterziehen (D.).

B. Das deutsche Verständnis Das deutsche Verständnis ist die Frucht einer langen Entwicklung, welche Juristen seit über einhundert Jahren beschäftigt. Es ist folglich für die Betrachtung des subjektiv-öffentlichen Rechts unumgänglich, zunächst die Entwicklungslinien dieser Diskussion zu skizzieren (I.) und der weiteren Darstellung einige der Komplexität des Begriffes geschuldete Vorbemerkungen voranzustellen (II.). Die dogmatisch-empirische Analyse des heutigem Verständnisses der subjektiv-öffentlichen Rechte der Zivilperson (III.), eröffnet sodann die Möglichkeit, die herausgearbeiteten Gesichtspunkte dergestalt zu kategorisieren, daß einzelne Elemente für den vorzunehmenden strukturellen Vergleich plastisch werden (IV.).

I. Entwicklungslinien in der Diskussion um das subjektiv-öffentliche Recht Die Diskussion14 um die subjektiv-öffentlichen Rechte ist historisch nicht identisch mit der Diskussion um die Grundrechte, überschneidet sich aber mit ___________ 12 Siehe vor allem O. von Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege, 1880, S. 79 und passim; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 70, 101, 351; O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 48; H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 155 ff.; W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 1 ff., 33 ff., 54 ff. Siehe auch oben, Erstes Kapitel – C.II., S. 61 mit Fn. 46. 13 Zum gemeinschaftsrechtlichen Denken in diesem Bereich vgl. unten, Zweites Kapitel – C.I.1.c), S. 301 f. 14 Bei der systematischen Durchdringung des Stoffs in diesem Abschnitt wurde in Bereichen auf die Überlegungen von P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 100 ff. und 153 ff. zurückgegriffen.

66

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

dieser15. Die „Entdeckung“ der subjektiv-öffentlichen Rechte fällt in die Zeit nach 1848. Als der große Versuch der Selbstorganisation der Nation und Gesellschaft gescheitert war, suchte man mehrheitlich ein unpolitisches Arrangement der Kräfte, welches darin bestand, die revolutionsverdächtigen Grundrechtskataloge zu entschärfen oder den in ihnen enthaltenen Forderungen auf dem Weg der einfachen Gesetzgebung entgegenzukommen16. Die systematische Durchdringung der subjektiv-öffentlichen Rechte wurde erst 1892 von Georg Jellinek mit seiner bis heute wirksamen Statuslehre geleistet17. Die Habilitationsschrift von Ottmar Bühler, welche noch kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges erschien18, bestätigte noch einmal die Beobachtung, daß die wissenschaftliche Pflege der gerichtlich durchsetzbaren subjektiv-öffentlichen Rechte die fehlende oder schwache Grundrechtsdogmatik faktisch ersetzte19. Die Diskussion hat seitdem nicht nachgelassen und wurde nach 1949 vor dem Hintergrund der zentralen Rolle der Grundrechte und der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) unter gleichsam umgekehrten Vorzeichen weitergeführt. Im folgenden werden daher Entwicklungslinien der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht dargestellt, namentlich soweit sie ihren Niederschlag in der heute herrschenden Schutznormtheorie gefunden haben (1.). Daran anschließend wird Einwänden und anderen Lösungsvorschlägen Raum gegeben (2.) und eine Zwischenbetrachtung folgen (3.). 1. Subjektiv-öffentliche Rechte und Schutznormtheorie a) Konturierung des Begriffes Um dem Facettenreichtum bei der Entwicklung der Lehre vom subjektivöffentlichen Recht angemessen Rechnung tragen zu können, ist zunächst auf die Diskussion bis zur Geltung des Grundgesetzes einzugehen (1); sodann kann ___________ 15 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft, 1800–1914, 1992, S. 373. 16 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft, 1800–1914, 1992, S. 373. 17 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1892; 2. Aufl. 1905. Nach dem 2. Neudruck (G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979) wird im folgenden zitiert. 18 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914. Siehe dazu die Besprechung von W. Jellinek, AöR Bd. 32 (1914), S. 580 ff. 19 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft, 1800–1914, 1992, S. 376.

B. Das deutsche Verständnis

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der Ertrag der Diskussion über die wichtigsten Einzelfragen unter dessen Geltung dargestellt werden (2) – (6). (1) Die rechtshistorische Entwicklung von 1852 bis zum Grundgesetz Die historische Entwicklung läßt sich – einer weitverbreiteten Übung folgend20 – durch die Zäsuren der beiden Weltkriege unterteilen. (a) Die Entwicklung bis 1914 Die Diskussion um eine Begriffsbestimmung des subjektiv-öffentlichen Rechts reicht in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück21. Die dogmatische Geschichte der subjektiv-öffentlichen Rechte beginnt 185222 mit einer Schrift Carl Friedrich von Gerbers23. Der monarchische Staat und die mehrheitlich liberale Gesellschaft waren einander nach dem Scheitern der Revolution von 1848 nicht nur innerlich entfremdet, sondern wurden auch von ökonomischen und juristi___________ 20 U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 6 f., 59 ff.; H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 43 ff., 84 ff., 102 ff. 21 Zur geschichtlichen Entwicklung allgemein: K.-H. Fezer, Teilhabe und Verantwortung. Die personale Funktionsweise des subjektiven Privatrechts, 1984, S. 4 ff.; H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986; F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 49 ff.; H.-U. Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971, S. 171 ff. 22 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft, 1800–1914, 1992, S. 373 unter Hinweis auf G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 5. Nach P. Preu, Die historische Genese der öffentlichrechtlichen Bau- und Gewerbenachbarklagen, 1990, S. 21 lassen sich schon im 18. Jahrhundert Anklänge finden, als begonnen wird, zwischen der rein polizeilichen oder auch rechtlichen Qualität von Normen zu unterscheiden. Rein polizeilich bedeutet, daß die Norm, Gestattung oder Anordnung zum Gemeinen Besten und nicht im „Privat“-Interesse ergangen ist. P. Preu weist auf ein Responsum der Jenaer Juristenfakultät vom April 1706 hin (N. C. von Lyncker, Consultationes iuris selectae, Bd. 2, 1736, Responsum CXCVII, Rdnr. 11), welches eine eingriffsfeste Hut- und Triftgerechtigkeit mit der Begründung verneint, daß „alle solche auf den gemeinen Nutzen zielenden Anstalten von [der Obrigkeit] lediglich dependieren und die Metzger zu solcher concession nicht ihres privat Nutzens halben gelanget“. Indes, so auch P. Preu, a. a. O., handelt es sich lediglich um Ansätze, ohne daß von einer Dogmatik die Rede sein könnte. 23 C. F. von Gerber, Über öffentliche Rechte, 1852, S. 32: Die Frage nach subjektiven Rechten sei die, „welche Stellung überhaupt der Persönlichkeit des Menschen im öffentlichen Recht zukomme“.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

schen Theorien getrennt betrachtet. Es waren Jahre des „Freihandels“24, des Hochliberalismus und der theoretischen Trennung von Staat und Gesellschaft25. Erst jetzt war es sinnvoll, zwischen subjektiven Rechten des Privatrechts und solchen des öffentlichen Rechts zu unterscheiden26. Basis war zunächst das Zivilrecht. Die Diskussion kreiste hier um die Begriffsbestimmung Friedrich Carl von Savignys27: subjektives Recht sei eine „rechtlich anerkannte individuelle Willensmacht“. Bernhard Windscheid28 sprach vom subjektiven Recht als einer „von der Rechtsordnung geschützten Willensmacht“. Dem stand die – utilitaristische29 – Auffassung Rudolf von Jherings30 gegenüber31, im subjektiven Recht sei ein „rechtlich geschütztes Interesse“ zu sehen. Der Einwand, die Interessentheorie verwechsle Inhalt und Zweck des subjektiven Rechts, da sein Inhalt eben durchaus Willensmacht sei und es nur den Zwecken nach der Befriedigung menschlicher Interessen diene, führte ___________ 24 V. Hentschel, Die deutschen Freihändler und der volkswirtschaftliche Kongreß 1858–1885, 1975. 25 Insbes. ist hier R. von Mohl, Gesellschafts-Wissenschaften und Staats-Wissenschaften, ZgStW 1851, S. 1 ff. zu nennen, dessen Vorschlag einer klaren Trennung von Staat und Gesellschaft teils heftig angegriffen wurde, etwa von H. von Treitschke, Die Gesellschaftswissenschaft, ein kritischer Versuch, 1859. 26 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 56 unter Hinweis auf M. Rott, Das verwaltungsrechtliche subjektive öffentliche Recht im Spiegel seiner Entwicklung im deutschen liberalen Rechtsstaat und in der französischen „théorie des droits subjectifs des administrés“, 1976. 27 F. C. von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1, 2. Nachdruck der Ausgabe 1840, 1981, S. 331 ff., Bd. 2, 2. Nachdruck der Ausgabe 1840, 1981, S. 2 ff. 28 Zitiert nach O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 10 Anm. 17. 29 J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 109 [112]. 30 R. von Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 3. Aufl. 1877, 3. Teil, 1. Abt., § 60, S. 327 f.; R. von Jhering, Der Zweck im Recht, Bd. 1, 1877, S. 70 f. Siehe auch M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 524. 31 Während für R. von Jhering der Zweck im Mittelpunkt steht, ist für die Vertreter der Willenstheorie die u.a. in der Klagebefugnis zum Ausdruck kommende Kontrolle über die durch eine Norm eingeräumte Position zentral: Der Berechtigte kann klagen, ohne hierzu gezwungen zu sein. Dieser Aspekt der freien Wahl kann nicht nur auf die Durchsetzung eines Rechts, sondern auch auf die Verfügung über das Recht bezogen werden und wird somit zu einem konstitutiven Element des subjektiven Rechts. Siehe: R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 165 Fn. 22. Dieser weist auch darauf hin, daß die Kontroverse zwischen R. von Jhering und B. Windscheid im angelsächsischen Sprachraum ihre Entsprechung in den Positionen von J. Bentham (Interessentheorie) und J. Austin (Willenstheorie) findet; vgl. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 164 Fn. 20 mit Hinweisen auf J. Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, 1970, S. 206 und J. Austin, Lectures on Jurisprudence, Bd. I, 4. Aufl. 1873, S. 410.

B. Das deutsche Verständnis

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zur sog. Kombinationstheorie32, die heute im Zivilrecht allgemein anerkannt ist33. Das jüngere subjektiv-öffentliche Recht war Abkömmling des zivilrechtlichen „Anspruchs“, des „Rechts im subjectiven Sinne“: Dessen prozessuale und materiell-rechtliche Komponente trennten sich im Laufe des Jahrhunderts, so daß am Ende der materielle „Anspruch“ übrigblieb34. Für ihn gab es Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten, nicht jedoch – vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit – für das subjektiv-öffentliche Recht, welches zum Bereich der „unkontrollierten Exekutive“ gehörte. Der Staat, aus öffentlichem Recht geschaffen, bildete die Herrschaftsseite gegenüber den Bürgern. Die Rechtsbeziehung war ein Subjektionsverhältnis, welches zuvörderst Pflichten festlegte. Von Ansprüchen konnte zunächst keine Rede sein, da Rechte aller Art ihren Grund nur in einer vom Staat garantierten Ordnung finden konnten. Diese Rechtsordnung ging dem subjektiven Recht logisch voraus. Subjektive Rechte – und Grundrechte – waren insoweit nur als „sektorale Aussparungen“ der staatlichen Ordnung denkbar. Sie waren Schöpfungen des Gesetzgebers und konnten von ihm durch einfache Gesetzgebung inhaltlich gefüllt werden. Der Staat verfügte über sie. Und was auf diese Weise von den politisch brisanten ___________ 32 Statt aller: L. Enneccerus / H. C. Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbbd., 15. Aufl. 1959, § 72, S. 428, 429: das subjektive Recht ist begrifflich eine Rechtsmacht, die dem einzelnen durch die Rechtsordnung verliehen ist, seinem Zweck nach ein Mittel zur Befriedigung menschlicher Interessen. „Begrifflich“ wird dabei als „Inhalt des Rechts“ erläutert. 33 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [131 m. w. N. Fn. 23]; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 101; J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 86 f., weist darauf hin, daß die Kombinationsformel wohl letztlich auf einem Mißverständnis R. von Jherings beruht; einen übersichtlichen Abriß bietet auch L. Raiser, JZ 1961, S. 465 ff. 34 Die Vergröberung mag hier hingenommen werden. Tatsächlich ist das Verhältnis von subjektivem Recht und Anspruch im Zivilrecht wesentlich länger als problematisch empfunden worden, so etwa früher gegen den Anspruch als subjektives Recht: A. Schanz, Das subjektive Recht als Bestandteil des allgemeinen Teils der Rechtsordnung, 1931, S. 19 f.; H.-M. Pawlowski, Allgemeiner Teil des BGB, 4. Aufl. 1993, Rdnr. 236 ff. Ansprüche als subjektive Rechte zu sehen hat sich aber zwischenzeitlich durchgesetzt, vgl. H. Hübner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1985, Rdnr. 244, 246; H. Brox, Allgemeiner Teil des BGB, 17. Aufl. 1993, Rdnr. 591; K. Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 6. Aufl. 1983, S. 216 f. Im geschichtlichen Zusammenhang mit der Ablösung des Aktionendenkens durch die materiellrechtliche Betrachtungsweise darf wohl auch die von J. Binder begründete Konzeption gesehen werden, die darauf hinausläuft, daß die subjektiven Rechte erst durch richterliches Urteil zur Entstehung gelangen sollen (vgl. J. Binder, Prozeß und Recht, 1927, S. 1 ff., 103 ff.), eine Auffassung, die sich teilweise auch in der „Reinen Rechtslehre“ weiterverfolgen läßt, heute aber weitgehend verlassen zu sein scheint. H. Kelsen scheint in der 2. Aufl. der „Reinen Rechtslehre“ von ihr abzurücken, läßt er die subjektiven Rechte doch als Reflex von Rechtspflichten gelten, denen offenbar vorprozessuale Existenz zuerkannt wird (H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 133–149).

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Grundrechtskatalogen der Revolutionszeit übrig blieb, war das subjektiv-öffentliche Recht, der gesetzesunabhängige, individualisierte „Anspruch“, dem überdies die „prozessualen Zähne“ fehlten35. Er war die positivierte und „ins Verwaltungsrecht abgedrängte Kümmerform der politischen Grundrechte“36. Es gab aber auch damals Stimmen, die die Notwendigkeit subjektiv-öffentlicher Rechte leugneten. War der Bürger im wesentlichen gewaltunterworfener Träger von Pflichten, dann „erschienen subjektive Rechte, die den Untertanen aus eigener Machtvollkommenheit dem Staate gegenüber zuständen […] undenkbar“37. Die herrschende Ansicht hingegen erkannte subjektiv-öffentliche Rechte an, begrenzte sie jedoch und folgte damit auch der überwiegenden Auffassung von Bürger und Staat. Es war dies ein klares Subordinationsverhältnis. Der Staat „paktierte“ mit dem Bürger nicht, wie Otto Mayers Ablehnung des öffentlich-rechtlichen Vertrages zeigt38, und ließ sich ungern zu hoheitlichem Handeln zwingen. Wurden jedoch subjektiv-öffentliche Rechte von ihm geschaffen, so wurden sie anerkannt und von rechtsstaatlichen Garantien erfaßt39. Die wichtigsten Bemühungen einer Begriffsbestimmung des subjektiven öffentlichen Rechts erfolgten in der Kaiserzeit durch Otto Mayer, Georg Jellinek und Ottmar Bühler40. Während Otto Mayer41 das subjektiv-öffentliche Recht als „rechtliche Macht zur Ausübung öffentlicher Gewalt“ definierte, stammt von Georg Jellinek42 der Satz, wonach das subjektive Recht „die von der Rechtsordnung anerkannte und geschützte auf ein Gut oder Interesse gerichtete Willensmacht“ sei, von dem ___________ 35 G. Lübbe-Wolff, in: Wellenreuther / Schnurmann, Die amerikanische Verfassung und deutsch-amerikanisches Verfassungsdenken, 1990, S. 412; M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft, 1800–1914, 1992, S. 375. 36 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft, 1800–1914, 1992, S. 375. 37 F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 57. Ähnlich C. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1911, S. 285 f. 38 O. Mayer, AöR Bd. 3 (1888), S. 3 [20]; C. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1911, S. 267: „wo der eine Teil nur der herrschende der andere Teil nur der gehorchende ist, da ist der Vertrag unmöglich“. 39 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft, 1800–1914, 1992, S. 375. 40 Daneben ist noch die Monographie von T. Ritter Dantscher von Kollesberg, Die politischen Rechte der Untertanen, 1888, erwähnenswert; vgl. M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 525. 41 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1895, zitiert nach O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1924, S. 110. Zum Verständnis bei O. Mayer: R. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1999, S. 196 ff. 42 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 51.

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sich das subjektive Recht des einzelnen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts vor allem dadurch unterscheide, daß es die Fähigkeit vermittle, Rechtsnormen in individuellem Interesse in Bewegung zu setzen. Wo es trotz tatsächlicher Begünstigung hieran fehle, liege ein „Rechtsreflex“ vor, den es vom subjektivöffentlichen Recht zu unterscheiden gelte. Georg Jellinek unterschied in seiner berühmten Statuslehre zwischen dem status passivus, dem status negativus, dem status positivus und dem status activus. Im status negativus oder status libertatis war die Freiheit von ungesetzlichem Zwang gewährleistet. Es handelte sich um einen vom einzelnen Gesetz unabhängigen status, der gleichsam die negative Komplementärfunktion der gesetzlichen Ermächtigung enthielt und Eingriffe strikt auf Fälle einer gesetzlichen Ermächtigung beschränkte43; die Beachtung dessen „gründete“44 als subjektiv-öffentliches Recht im status. Der Begriff war damit noch nicht dezidiert prozessual, auf ein Rechtsmittel hin orientiert45. Die bedeutsamste Begriffsbestimmung stammt von Ottmar Bühler46: „[…] subjektives öffentliches Recht ist diejenige rechtliche Stellung des Untertanen zum Staate, in der er auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines zwingenden, zum Schutz seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes, auf den er sich der Verwaltung gegenüber soll berufen können, vom Staat etwas verlangen kann oder ihm gegenüber etwas tun darf.“

Recht und Anspruch werden hier zu einer Identität47. Auch bei Ottmar Bühler wird zwischen Rechten und bloßen Reflexwirkungen einerseits, sowie rechtlich geschützten Interessen als einem minus zum subjektiv-öffentlichen Recht unterschieden. Er leitete die subjektiv-öffentlichen Rechte allerdings aus den einzelnen Normen des öffentlichen Rechts her, machte also in Abkehr der Statuslehre Georg Jellineks das einfache Gesetz zum Anknüpfungspunkt48. Die ___________ 43 U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 62; a.A. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 233: dieser status meine nach G. Jellinek allein unbewehrte rechtliche Freiheiten, umfasse Abwehrrechte also nicht . 44 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, spricht davon, daß sich aus einem status subjektiv-öffentliche Rechte „ergeben“ (S. 54), daß diese sich auf ihn „gründen“ (S. 86), daß sie an ihn „anknüpfen“ (S. 84) oder ihm „entspringen“ (S. 106) und daß dieser sie „erzeugt“ (S. 106). 45 J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 148. 46 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 224; O. Bühler, in: FG für Fritz Fleiner, 1927, S. 36. 47 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 226 f. 48 U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 63. O. Bühler kommt in seiner Monographie an späterer Stelle bei der Beschäftigung mit dem Verhältnis von Grundrechten und Gesetzmäßigkeitsprinzip zwar zu dem Ergebnis, daß erstere durch das Gesetzmäßigkeitsprinzip „überholt“ seien (O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen

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Lehre von status als „Rechtsboden“ des subjektiv-öffentlichen Rechts beginnt durch die Verschmelzung von Recht und Anspruch zum subjektiv-öffentlichen Recht im technischen Sinne selbst fortzuschreiten49. (b) Weimar und die Zeit des Nationalsozialismus Im wesentlichen blieb es dabei auch unter der Weimarer Reichsverfassung50. Zu leisten war die Abgrenzung zu den – neuen – Grundrechten. Doch solange diese in Fortsetzung der Linie des vergangenen Jahrhunderts als an den Gesetzgeber adressierte Programmsätze verstanden wurden51, blieb das Verwaltungsrecht von ihnen unberührt. Erst mit der um 1925 beginnenden antiparlamentarischen Verrechtlichung der Grundrechte traten diese „neben“ die subjektiven öffentlichen Rechte52. Beide boten dem Individuum Schutz, die Grundrechte in ihrer klassischen Funktion als Abwehr bei Eingriffen in die Kernbereiche privater, wirtschaftlicher und politischer Entfaltung, die subjektiv-öffentlichen Rechte eher in Richtung der zuteilenden Verwaltung. Im Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts konzentrierte sich alles, was zur Stellung des einzelnen in der Gemeinschaft zu sagen war. Die Ideologie der „Volksgemeinschaft“ duldete jedoch keine Dualismen53. Infolgedessen gab es nach 1933 nationalsozialistische Angriffe und neben Verteidigern – für die Zeit nicht untypisch – in der Mitte diejenigen, welche das subjektiv-öffentlich Recht zwar nicht aufgeben, es aber seines liberalen Charakters berauben wollten: Es sei zweckmäßiger und praktischer, den Bürgern einige subjektive Rechte zu be-

___________ Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 61 ff., S. 155). Für die als unmittelbares Recht geltenden Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung hat er aber wieder darauf hingewiesen, daß es sich bei diesen Rechten um subjektiv-öffentliche handelt und diese sogar als „Prototyp“ bezeichnet (O. Bühler, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, Kommentar, 3. Aufl. 1929, S. 121). 49 J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 148. 50 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur, 1914–1945, 1999, S. 215. 51 Wenn das Reichsgericht sie als „Heiligtum des deutschen Volkes“ (RG, Urt. v. 28.4.1921, VI 368/20, RGZ 102, S. 161 [165]) bezeichnete, so fiel dies „in der Wortfassung reichlich pathetisch aus und stellte auch in der Sache eine Übertreibung dar“ (H. Bethge, REDP 1990, S. 53 [53]). 52 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur, 1914–1945, 1999, S. 215. 53 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur, 1914–1945, 1999, S. 362.

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lassen54. Theodor Maunz verkündete schließlich das Ende des subjektiven öffentlichen Rechts, an dessen Stelle die „Gliedstellung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft“ getreten sei55; das Einzelinteresse gehe im Gesamtinteresse auf56. Insgesamt hat sich die „nationalsozialistische Rechtserneuerungsbewegung“ von der Rechtsfigur des subjektiv-öffentlichen Rechts schon frühzeitig abgewendet und statt ihrer die „volksgenössische Rechtsstellung“ proklamiert. Das subjektive öffentliche Recht, so überhaupt noch anerkannt, blieb – versehen mit dem Attribut „gemeinschaftsgebunden“ – nicht mehr als eine Hülse seiner selbst57. (c) Die Herrschaft des Grundgesetzes Die Eckpfeiler der Begriffsbestimmung von Ottmar Bühler58 tragen bis heute. Daran hatte er selbst maßgeblichen Anteil59. Mit der unter zustimmendem ___________ 54 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur, 1914–1945, 1999, S. 363 verweist in Fn. 63 auf W. Hofacker, DJZ 1935, Spalte 118 f.; E. Kraiss, Das klagbare subjektive öffentliche Recht im deutschen Führerstaat, 1935; W. Schönfeld, ZakDR 1937, S. 107; K. Larenz, Rechtsperson und subjektives Recht, 1935. Letzterer ist jedoch wohl nicht der „Mitte“, sondern im Gegenteil den entschiedensten Angreifern zuzurechnen. 55 T. Maunz, in: Frank, Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 35 f.; T. Maunz, ZgStW Bd. 96 (1936), S. 71 ff. Zur parallelen Entwicklung in Italien und ihren privatrechtlichen Auswirkungen lesenswert: C. Reiter, Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002, S. 97 ff. [besonders das Zitat von A. Rocco auf S. 99]. 56 Vgl. M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staatsund Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur, 1914–1945, 1999, S. 364. An Namen, die Positivismus und Liberalismus in einem Atemzug bekämpften und eine Orientierung an neuen Werten forderten sind besonders zu nennen: E. Forsthoff, J. Heckel, R. Höhn, E. R. Huber, O. Koellreuter, A. Köttgen, T. Maunz, U. Scheuner, C. Schmitt und W. Weber. Von diesen wurden lediglich R. Höhn, O. Koellreuter und C. Schmitt nach 1949 nicht mehr berufen (tendenziös aber informativ dazu: H. Fangmann, in: Reifner, Das Recht des Unrechtsstaates, 1981, S. 211 [225 ff.]). Dem stehen insbes. die Namen und Schicksale von G. Anschütz, W. Jellinek, H. Kelsen und R. Thoma gegenüber. 57 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 102 ff., S. 128. Vgl. auch: D. Klippel, in: Rückert / Willoweit, Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, 1995, S. 31 ff. 58 Oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(1)(a), S. 71. 59 Noch in der Kaiserzeit: O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914. Hernach unter Geltung der WRV: O. Bühler, in: FG für Fritz Fleiner, 1927, S. 26 ff. Sodann in der Bundesrepublik: O. Bühler, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 269 [285]: „Es besteht kein Grund den Begriff [des Rechts im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG] nicht im Sinne der von deutschen Verwaltungsgerichten in recht weitgehender Übereinstimmung seit Jahrzehnten ausgebildeten, namentlich auch in der Rechtsprechung seit 1948 immer wieder bestätigten

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Hinweis auf Otto Mayer60 unverändert fortgeführten Definition wurde ein Brückenkopf für ältere Vorstellungen befestigt. In ihr ist zugleich noch das Bewußtsein dafür enthalten, daß die „althergebrachte“ Konzeption des subjektivöffentlichen Rechts nichts anderes als die Rechtsstellung des Untertanen erfaßt61. Für das moderne Verständnis wurde dieser „Untertan“ durch den „Bürger“ oder die „Zivilperson“ ersetzt62. Nach 1949 ist die Diskussion um die Voraussetzungen und die Bestimmbarkeit des subjektiv-öffentlichen Rechts jedoch erst richtig entbrannt. Bis heute ist der Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts nicht vollständig geklärt. Es wird teilweise als eher „dogmatisches Dilemma“, denn als fest umrissenes Rechtsinstitut bezeichnet63. Neue Versuche einer griffigen Definition folgten: Nach der von Otto Bachof 64 geprägten Beschreibung ist das subjektive (öffentliche) Recht „die einer Person verliehene Willensmacht zur Befriedigung des Eigeninteresses oder eines ihr durch die Rechtsordnung ausdrücklich zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragenen Interesses“; Ernst Rudolf Huber65 nennt das subjektive öffentliche Recht die Rechtsmacht, durch die innerhalb einer Rechtsbeziehung mit mindestens einem Träger hoheitlicher Gewalt einem Rechtssubjekt zur Wahrung seiner Interessen eine Befugnis oder ein Anspruch gegenüber dem Träger hoheitlicher Gewalt im Wege der Anerkennung oder Verleihung eingeräumt ist.

___________ Auffassung zu nehmen und dem Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts damit jene Anwendung zu geben, die er im Sinne der Urheber des [B]GG haben sollte.“ 60 O. Bühler, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 271: „Verfassungsrecht vergeht – Verwaltungsrecht besteht“, ein zu damaliger Zeit noch nicht zum formelhaften Ritual erstarkter Ausspruch O. Mayers (Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1923, Vorwort). 61 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 134 weist darauf hin, daß beispielsweise von F. W. Jerusalem, Grundriß des Verwaltungsrechts, 1947, S. 49 und sogar noch 1962 in der Literatur zur Nachbarklage im Baurecht (H.-U. Evers, JuS 1962, S. 87 [88, 93]) von „Untertan“ gesprochen wird. 62 So ausdrücklich H. Wolff / O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 43 I c), S. 327: „Ersetzen wir den nach gegenwärtigem Staatsverständnis anstößigen ‚Untertan‘ durch den ‚Bürger‘ oder die ‚Zivilperson‘, so entspricht [die Definition O. Bühlers] noch heute der h.M. und drückt das im Vorstehenden Gesagte richtig aus […]“. Klammerzusatz hinzugefügt. 63 W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191, 200. 64 O. Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951, S. 64. 65 E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1953, S. 681.

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Teilweise wird die Möglichkeit einer einheitlichen Begriffsbestimmung des subjektiven öffentlichen Rechts sogar ganz in Abrede gestellt66. Sämtliche Verästelungen der Diskussion würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Im folgenden wird daher nur der wesentliche Ertrag der Entwicklung skizziert. (2) Versuche einer Systembildung Mit der heute herrschenden Meinung unterschieden Otto Bachof und Ernst Rudolf Huber in Anlehnung an die Statuslehre Georg Jellineks67 die subjektiven öffentlichen Rechte nach Freiheitsrechten (status negativus), Leistungsrechten (status positivus) und Mitwirkungsrechten (status activus)68. Diese Orientierung an einem status ist von Hans Heinrich Rupp69 stark angegriffen worden: Er will im Hinblick auf die aus dem Zivilrecht geläufigen negatorischen und quasinegatorischen Unterlassungsansprüche70 nur zwischen „positiven“ und „negativen“ subjektiven öffentlichen Rechten unterscheiden. Er hat dargelegt, daß der status negativus von dem Anspruch zu unterscheiden sei, welcher aus der Verletzung dieses status resultiert: Inhalt dieses Anspruches sei der Beseitigungsanspruch71, welcher als Idee hinter jeder Anfechtungsklage stehe. Bei Leistungsrechten versage die Anknüpfung an einen status. Hier könnten die Rechte und Pflichten von Bürger und Staat allein durch Gesetz festgelegt werden. Die Parallele zur zivilrechtlichen Anspruchskonzeption ist von Wilhelm Henke72 wieder aufgegriffen worden, der auch im Bereich der subjektiv-öffentlichen Rechte zwischen absoluten, relativen und Gestaltungsrechten unterscheiden will.

___________ 66 H. Bauer, DVBl. 1986, S. 208 [217]; H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 [630]: „Gesicherte Aussagen über den Bestand subjektiver Rechte sind […] kaum möglich“. 67 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 86 ff. 68 O. Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951, S. 67; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1953, S. 67, 681. 69 H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 161 ff. 70 §§ 903, 1004, 823 Abs. 1 BGB. 71 H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 253 ff. Den gleichen Gedanken hat W.-R. Schenke, in: FS für Otto Mühl, 1981, S. 571 [581] aufgegriffen. 72 W. Henke, DÖV 1984, S. 1 [2].

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Die Streitfrage, ob sich subjektive öffentliche Rechte aus dem status ergeben73 oder ob sie bei der Verletzung des status entstehen, hat sich jedoch als praktisch weniger bedeutsam erwiesen74. (3) Das rechtlich geschützte Individualinteresse Der Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts hat nach 1949 eine Erweiterung erfahren. Nach Verständnis Ottmar Bühlers waren die rechtlich geschützten Interessen noch als ein „minus“ vom subjektiv-öffentlichen Recht zu trennen75. Heute ist anerkannt, daß sich rechtlich geschützte Interessen in nichts von sonstigen subjektiv-öffentlichen Rechten unterscheiden76. Ein Recht kann auch nichts anderes sein, als ein Interesse, dem der Schutz des Rechts zuteil wird77. Da der rechtliche Schutz von Interessen aber von unterschiedlichen Rahmenbedingungen abhängt, wurde die Frage aufgeworfen, ob es das subjektiv-öffentliche Recht überhaupt gebe oder nicht vielmehr im jeweiligen Verfahrenszusammenhang etwas anderes darunter verstanden werden müsse78. Da sowohl Art. 19 Abs. 4 GG als auch die Prozeßordnungen79 an ein „Recht“ anknüpfen, wird man indes auf den Begriff nicht verzichten können. Das „rechtlich geschützte Interesse“ hat sich insoweit als minimaler Begriff herausgebildet, innerhalb dessen rationaler Diskurs möglich ist80. ___________ 73

Dafür und explizit gegen H. H. Rupps Verständnis R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 237 Fn. 40. 74 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 103; Dies räumt auch H.-W. Laubinger, VerwArch. Bd. 80 (1989), S. 261 [293] ein, der H. H. Rupps Konzeption unterstützt. Siehe dazu unten, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(a)i), S. 184 f. 75 Oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(1)(a), S. 71. 76 Siehe zu dieser Entwicklung auch: P. Preu, Die historische Genese der öffentlichrechtlichen Bau- und Gewerbenachbarklagen, 1990, S. 51 ff., S. 99 und unten, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(8), S. 83 f. Anderer Auffassung immer noch S. Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 143, der sich zu Unrecht auf R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 10 beruft: Die Frage, ob ein Rechtsschutzsystem als Verletzten- oder als Interessentenklage ausgestaltet ist, hat mit dem materiellen Inhalt des subjektiven Rechts zunächst nichts zu tun. 77 Insoweit hat die Definition R. von Jherings, oben, Erstes Kapitel – A.I., S. 47, nach wie vor Gültigkeit. 78 Siehe: P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 104. 79 §§ 42 Abs. 2 VwGO, 40 Abs. 2 FGO, 54 Abs. 1 S. 2 SGG und 24 Abs. 1 EGGVG bestimmen dies insoweit übereinstimmend. Auch für die Zulässigkeit der kartellverwaltungsrechtlichen Verpflichtungsbeschwerde fordert § 62 Abs. 3 S. 1 GWB die Behauptung einer Rechtsverletzung. 80 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 119. Daß der Begriff des „Interesses“ nicht nur in Deutschland schwierig justiziabel ist, zeigt wiederum ein rechtsvergleichender Blick nach Italien. Vgl. dazu unten, Drittes Kapitel – B.II.2.b), S. 430 Fn. 77.

B. Das deutsche Verständnis

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(4) Das Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch Besondere Schwierigkeiten bereitete lange die Einordnung des Rechts auf fehlerfreien Ermessensgebrauch81. Forderte Ottmar Bühler82 noch, daß subjektiv-öffentliche Rechte Ansprüche mit konkretem Inhalt sein müßten und sich daher nur aus Normen mit zwingendem Charakter ableiten ließen83, ist heute geklärt84, daß das Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch ein subjektivöffentliches Recht darstellt. Dies widerspricht der Konzeption Ottmar Bühlers insoweit nicht, als auch die Ermessen einräumenden Bestimmungen Normen mit zwingendem Charakter sind, die die Grenzen des Ermessens gesetzlich festlegen, § 40 VwVfG. Subjektiv-öffentliche Rechte können also auf das Nichtüberschreiten von Grenzen und Einhaltung von Spielräumen gerichtet sein85, ohne daß eine Ermessen einräumende Norm jedem Interessierten auch gleichzeitig einen Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch einräumt. Als Voraussetzung wird freilich verlangt, daß das in Rede stehende Verwaltungshandeln im Ergebnis ein materielles subjektives Recht des Klägers berührt86.

___________ 81 Dazu: J. Pietzker, JuS 1982, S. 106. Instruktiv ist die Aussprache zum Beratungsgegenstand „Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsgerichtsbarkeit“ auf der Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1975, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 275 ff. 82 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 21. 83 Zur obrigkeitsstaatlich geprägten Dogmatik der Lehre vom „freien Ermessen“ siehe etwa PrOVG, Urt. v. 14.6.1882, Rep. II. B. 23/82 – Kreuzberg, PrOVGE 9, S. 353 [365 ff.]; R. von Laun, Das freie Ermessen und seine Grenzen, 1910, S. 59 ff., 180. 84 BVerwG, Urt. v. 18.8.1960, I C 42.59, BVerwGE 11, 95 ff. mit Anmerkung von O. Bachof, DVBl. 1961, S. 125; BVerwG, Urt. v. 23.9.1992, 6 C 2.91, BVerwGE 91, 24 ff.; T. Stein, DÖV 1984, S. 177 [180]; H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 206 ff. 85 M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 545. 86 F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 91, 93. Bei der zwischenzeitlich erfolgten Anerkennung eines individuellen Rechts auf gerechte Abwägung (etwa BVerwG, Urt. v. 24.9.1998, 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215 ff.) ist dies ebenso der Fall. Das BVerwG (Beschl. v. 14.9.1987, 4 B 179.87 und 180.87, NVwZ 1988, S. 363 f.) betont insoweit, daß der Begriff der Belange nicht auf subjektiv-öffentliche Rechte beschränkt ist, sondern weiter reicht. Indem diese privaten Belange aber über planungsrechtliche Normen mitgeschützt werden, erfüllen sie das Kriterium für die Annahme eines subjektiv-öffentlichen Rechts, da sie eben in bezug auf Planungsentscheidungen als rechtlich geschützte Interessen anerkannt werden. Siehe dazu auch: BVerwG, Urt. v. 28.6.2000, 11 C 13.99, BVerwGE 111, 276; D. Ehlers, in: FS für Werner Hoppe, 2000, S. 1041 ff.; W. Krebs, in: FS für Werner Hoppe, 2000, S. 1055 ff.; kritisch: S. Muckel, NVwZ 1999, S. 963 ff.

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(5) Das Kriterium der „Rechtsmacht“ Vor allem Otto Bachof 87 entwickelte die Lehre Ottmar Bühlers insoweit weiter, als er auf eine gesonderte Prüfung der Frage verzichtete, ob die jeweilige Rechtsnorm über den Schutz des Individualinteresses hinaus auch die Rechtsmacht verleihe, dieses Interesse (gerichtlich) durchzusetzen. Die heute überwiegende Meinung geht davon aus, daß Rechtsnormen, die auch dem Schutz von Interessen einzelner Rechtssubjekte zu dienen bestimmt sind, stets die zur Geltendmachung erforderliche Rechtsmacht einräumen88. Die – fast durchgängig prozessual verstandene89 – „Rechtsmacht“ stellt wegen Art. 19 Abs. 4 GG nur die verfassungsrechtliche Konsequenz einer vorhergehenden Entscheidung dar. Es entspricht dieser Auffassung, daß unter dem Grundgesetz weder die Eröffnung des Rechtswegs noch die Verleihung von Rechts- oder Willensmacht Voraussetzung für die Annahme eines subjektiv-öffentlichen Rechts ist. Die Rechtsmacht braucht keine Begründung, sondern ergibt sich aus der Gesamtschau des Verhältnisses von einzelnem und Staat90. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, der subjektive Rechte voraussetzt, sie aber nicht begründet91, bleibt als Konsequenz für die Bestimmung der Rechte ohne Aussagekraft. ___________ 87

O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 287 ff.; eindringlich seine Formulierung, a. a. O., S. 300 mit Fn. 51: „[…] kommt es aber nicht darauf an, ob die Durchsetzungsmöglichkeit effektuierbar ist, sondern nur, ob sie intentional der rechtlichen Position zu eigen ist. Die mangelnde Effektivität, z.B. in einem Unrechtsstaat, nimmt dem subjektiven Recht nicht seinen Charakter as solches. Sonst wären all unter dem Nationalsozialismus mit Füßen getretenen subjektiven Rechte dieser Eigenschaft ohne weiters verlustig gegangen!“ Hervorhebungen im Original. Vgl. auch oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(2), S. 74. 88 W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 293; R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 122; U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 63; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 136 „Das subjektiv-öffentliche Recht ist individualisierte Rechtsmacht“; M. Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 40 Rdnr. 134: „heute durchweg ohne praktische Bedeutung“. Die Darstellung des deutschen Verständnisses („materielles Recht, dessen Durchsetzbarkeit sich nicht von selbst ergibt“) bei B. Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 247 ist demnach schief. 89 Vgl. etwa R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 46. 90 A. von Mutius, VerwArch. Bd. 69 (1978), S. 103 ff.; für C. Stark, Vorwort zu: W. Hennis, Das Problem der Souveränität, 2003, stellt dies einen Grundgedanken des öffentlichen Rechts dar: „Mag für das Privatrecht der Wille die entscheidende Kategorie sein, so steht das öffentliche Recht, in dem es um öffentliche Aufgaben geht, unter anderen Prämissen.“ 91 D. Lorenz, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 143 ff.; T. Stein, DÖV 1984, S. 177 [180]; H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 170; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 119.

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Teilweise wurde der Gedanke der „Rechtsmacht“ wieder aufgegriffen92, ohne jedoch wirklich weiter verfolgt zu werden. Eine die Individualinteressen schützende Rechtsnorm mag ihrem Inhalt nach zwar als Rechtsmacht verstanden werden; deren gesonderte Verleihung ist aber nicht Voraussetzung für die Zuerkennung eines subjektiv-öffentlichen Rechts93. Dies ist es, was Michael Sachs mit der Unterscheidung zwischen „Begriffselement“ und „Entstehenselement“ meint94: Wird ersteres weiter für erforderlich gehalten, so gilt dies für ___________ 92 In Auseinandersetzung mit BVerwG, Urt. v. 7.10.1983, 7 C 44.81, NJW 1984, S. 989 („liturgisches Glockengeläut“) und C. M. Seiler, Die Rechtslage der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne von §§ 22 ff. BImSchG, 1985, kritisiert M. Sachs, NVwZ 1988, S. 127 ff. daß die „Rechtsmacht“, das Sich-Berufen-Können, mit der Klagebefugnis gleichgesetzt werde. § 22 BImSchG gewähre kein subjektiv-öffentliches Recht, da es trotz Vorliegens aller sonstigen Voraussetzungen an der Rechtsmacht fehle. M. Sachs meint aber damit einen Unterlassungsanspruch direkt aus § 22 BImSchG, welcher vom Recht auf Einhaltung zu trennen ist. Letzterer kann bei einem Anspruch auf sicherheitsbehördliches Einschreiten durchgesetzt werden, was aber nichts anderes als „Rechtsmacht“ bedeutet. Auch H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 33 und K. Redeker / H.-J. von Oertzen, VwGO, 13. Aufl. 2000, § 42 Rdnr. 102 wollen auf das Kriterium nicht verzichten, stellen allerdings nicht klar, ob sie dieses prozessual verstehen. W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 289 vertritt dies ebenfalls, nicht mehr hingegen in F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 83 ff. P. Badura, Staatsrecht, 2. Aufl. 1996, C Rdnr. 5 (S. 78) hält das Rechtsmachtkriterium auch für die Grundrechte aufrecht, ebenso G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 157 ff. und M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 537, 538. Zumindest letzterer versteht das Kriterium nicht prozessual. 93 Pointiert: C. Starck, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 595 [607]: Das subjektiv-öffentliche Recht „bedeutet Rechtsmacht“. In BVerfG, Urt. v. 18.12.1968, 1 BvR 638, 673/64, 200, 238, 249/56, BVerfGE 24, 367 [396] wird lapidar formuliert „Das Grundrecht, das heißt die Rechtsmacht […]“. Das BVerfG meint wohl das gleiche, wenn es ausführt „Der durch eine behördliche Maßnahme betroffene Eigentümer kann sich auf das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG berufen, das ihm die „Rechtsmacht“ verleiht, Eingriffe auf die durch die Eigentumsgarantie geschützten Gegenstände abzuwehren“, BVerfG, Beschl. v. 7.6.1977, 1 BvR 108, 424/73 und 226/74, BVerfGE 45, 63 [76]. Siehe auch BVerfG, Beschl. v. 9.6.1987, 1 BvR 510/87, NVwZ 1987, S. 969, wo der Begriff der Rechtsmacht im Sinne von grundrechtlichem Schutzbereich verwendet wird. 94 M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 537 Fn. 261. Er zieht aber – wie bereits in Fn. 92 belegt – aus der Differenzierung gerade die umgekehrte Konsequenz, begreift die Rechtsmacht also weiter als materielles „Entstehenselement“. Die Formulierung von O. Bachof (oben, S. 78, Fn. 87) aufgreifend, meint er, in der Klagbarkeit werde die Durchsetzungsmöglichkeit, die dem materiellen Recht intentional zu eigen ist, lediglich mit besonderer Klarheit sichtbar. Das Beispiel des beamtenrechtlichen Sonderurlaubs für Kirchenveranstaltungen, der primär den Interessen der Kirchen diene, aber nur subjektiv-öffentliche Rechte des Beamten begründe, stellt dann aber doch wieder auf die Durchsetzung ab (vgl. den Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 13.11.1984, 2 C 74.81, ZBR 1985, S. 108 f. („Sonderurlaub für Veranstaltungen der Johannischen Kirche“) und M. Sachs, BayVBl. 1986, S. 193 [194]). Die

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letzteres nicht mehr95. Die „Rechtsmacht“ ist also Folge der individuellen Schutzrichtung einer Norm und wird in den Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts aufgenommen, ist für dessen Entstehen jedoch nicht konstitutiv96. (6) Die Diskussion um subjektiv-öffentliche Rechte des Staates Diskutiert wurde weiter, ob subjektiv-öffentliche Rechte nur den Privatrechtssubjekten und juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Sinne der zu Art. 19 Abs. 3 GG entwickelten Ausnahmetrias97 (öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, Universitäten und Rundfunkanstalten), oder aber auch anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zustehen. Die überwiegende Auffassung nimmt an, daß das subjektiv-öffentliche Recht eine „personalisierte Rechtsposition“98 sei, deren Anwendung auf öffentlich-rechtliche Körperschaften sich grundsätzlich verbiete99. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß Positionen von Verwaltungseinheiten in den Lehren des einfachen Prozeßrechts wie subjektive Rechte behandelt werden100. Die Gegenauffassung hat – zu___________ Gegenansicht, integriert diese Intentionalität in die Bestimmung des Begünstigungszweckes und verzichtet so auf das materielle Rechtsmachtkriterium. 95 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 167 weist denn auch darauf hin, daß eine Norm wie Art. 19 Abs. 4 GG überflüssig wäre, wenn der darin enthaltene Begriff des (subjektiven) Rechts materiell bereits die Möglichkeit der Durchsetzung enthielte: Denn dann müßte eben diese Durchsetzbarkeit nicht durch ein weiteres Element angeordnet werden. Die Tatsache nämlich, daß die überwiegende Zahl der geltenden Rechte auch durchsetzbar sei, rechtfertige nicht den Schluß, daß sich dies aus der geltenden Rechtsnorm selbst ergebe (R. Alexy, a. a. O., S. 168 Fn. 32.). 96 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 373. 97 Ausführlich: H. Bethge, Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, 1985, S. 77 ff.; BVerfG, Beschl. v. 2.5.1967, 1 BvR 578/63, BVerfGE 21, 362 [373 f.]; BVerfG, Urt. v. 27.7.1971, 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68, BVerfGE 31, 314 [322]. 98 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 147: „Art. 19 Abs. 4 GG ist eine Bastion des Bürgerschutzes“. 99 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 148; U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 42. Aktuell: U. Müller / K.-G. Mayer / L. Wagner, VerwArch Bd. 94 (2003), S. 127 ff. 100 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 148. Dies wird besonders in Fällen mittelbarer Staatsverwaltung sowie den Streitigkeiten zwischen oder innerhalb körperschaftlicher Organe virulent. Zum letzteren umfassend H. Bethge, DVBl. 1980, S. 309 ff.; H. Bethge, DVBl. 1980, S. 824 ff. Auch die Frage, ob Verwaltungsträger, Dritte im Sinne des Amtshaftungsrechts sein können gehört zu diesem Komplex, Vgl. dazu: BGH, Urt. v. 12.12.1991, III ZR 18/91, BGHZ 116, 312 [315 m.w.N.]; H.-J. von Einem, BayVBl. 1994, 486 ff.; H. Geldhauser, BayVBl. 1995, 714 ff.; F. Cromme, DVBl. 1996, 1230 ff.; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 69 f.

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nächst für den Bereich der Grundrechte – mit dem Topos der „grundrechtsspezifischen Gefährdungslage“ operiert101. Obwohl dieser Ansatz mit Ausnahme der genannten drei Bereiche vom BVerfG ausdrücklich verworfen worden ist102, wurde auch in der jüngeren Literatur immer wieder das subjektiv-öffentliche Recht des Staates postuliert103. „Im Interesse einer rechtsstaatlich gebotenen Verrechtlichung der Beziehungen zwischen Staat und Bürger“ sei es konsequent, „eine dem Staat verliehene Rechtsmacht in bezug auf staatliche Interessen ebenfalls als subjektives Recht zu begreifen“104. Die Diskussion ist hier noch nicht abgeschlossen. Sieht man aus eher staatsrechtlicher Sicht die subjektiven öffentlichen Rechte als (nur) diejenigen an, welche Art. 19 Abs. 4 GG im Blick hat, bewegt man sich auf gleichem Terrain wie bei der Diskussion um die Grundrechtssubjektivität der juristischen Personen des öffentlichen Rechts105 und sollte den Begriff demnach für staatsgerichtete Positionen Privater reservieren106. Der Staat hat danach Kompetenzen, Pflichten und Verantwortungen, nicht subjektiv-öffentliche Rechte107. Dem Staat kommt eine der Subjektivität ___________ 101 BVerfG, Beschl. v. 7.6.1977, 1 BvR 108, 424/73 und 226/74, BVerfGE 45, 63 [79]; K. A. Bettermann, NJW 1969, S. 1321 ff.; er spricht von einer ideengeschichtlich und verfassungsrechtlich längst überholten Antithese von Mensch und Staat. 102 BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 [102 f.] („Sasbach“): „Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen hat das BVerfG nur für solche juristische Personen des öffentlichen Rechts oder ihre Teilgliederungen anerkannt, die wie Universitäten und Fakultäten oder Rundfunkanstalten von der ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgabe her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind oder wie die Kirchen und andere mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts versehene Religionsgesellschaften kraft ihrer Eigenart ihm von vornherein zugehören […]. Ob dies auch noch auf andere juristische Personen des öffentlichen Rechts, etwa auf bestimmte Arten von Stiftungen zutrifft, bedarf hier nicht der Entscheidung.“ 103 H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 8 Rdnr. 2;. H. Bauer, DVBl. 1986, S. 208 ff. und S. 667 f.; M. Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1985, S. 130 f.; J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 164. W.-R. Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979, S. 233 ff.; W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [623]; J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsverfahrens, 1985, S. 16. 104 F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 43 Rdnr. 11; W.-R. Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979, S. 233 ff. 105 So etwa H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 64; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 168. 106 D. Ehlers, DVBl. 1986, S. 912 [915]; vgl. auch B. von Maydell / R. Scholz, Grenzen der Eigenwirtschaft gesetzlicher Krankenversicherungsträger, 1980, S. 110 f. 107 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 157. Dort findet sich auch ein wichtiger Einwand gegen das in diesem Zusammenhang oft bemühte Beispiel des Strafanspruchs des Staates als subjektiv-öffentliches Recht: „Strafen ist kein Recht, es ist Kompetenz, Aufgabe, möglicherweise Pflicht des Staates“. Siehe auch J. Hüttenbrink, in: FS für Konrad Gelzer, 1991, S. 215 ff. und R. Pietzner / M. Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 10. Aufl., Düsseldorf 2000, § 14 Rdnr. 3.

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des Individuums vergleichbare Stellung nicht zu, da er „organisierte Zuordnung von Individualität“108 ist. Begreift man dagegen mit Hartmut Bauer109 all jene Positionen des Staates als subjektiv-öffentliche Rechte, welche unter Bezeichnungen wie „Berechtigung“, „Anspruch“ oder „Befugnis“ Formen staatlichen Handelns in Gesetzesform fixieren, und fordert gleichzeitig eine grundsätzliche Neuorientierung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht in Richtung auf eine Rechtsverhältnislehre, so erscheint dies nicht zwingend. Aber auch Hartmut Bauer muß eingestehen, man könne darüber streiten, ob „[staatliche] Rechtspositionen der Kategorie des subjektiven öffentlichen Rechts zuzuordnen sind oder nicht“110. Im Hinblick auf die Klagebefugnis jedenfalls wendet die Rechtsprechung die schutznormtheoretische Formel weitgehend unbesehen an111. (7) Der Dualismus von Grundrechtslehre und Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht Die letzte Feststellung resultiert aus einem Phänomen, welches nicht zuletzt auf die Trennung von Grundrechtslehre und Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht zurückgeht. Waren die Grundrechte noch in der Weimarer Zeit durch ihre eingeschränkte, vornehmlich gegen die Exekutive gerichtete positivrechtliche Bedeutung weitgehend ins Verwaltungsrecht abgedrängt und war die ursprüngliche Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts auf das gesamte öffentliche Recht bezogen, so entwickelte sich unter dem Grundgesetz eine weitgehend verselbständigte „Grundrechtslehre“112, die sich vorrangig mit Dogmatik und Entfaltung der Grundrechte beschäftigte. Während man sich hier von hergebrachten Vorstellungen löste, blieb man bei der Behandlung der subjektivöffentlichen Rechte dem überkommenen Verständnis (bis heute) verhaftet, wonach subjektiv-öffentliche Rechte im einfachen Recht „gewährt“ werden. Dies hat zu der überspitzten Feststellung geführt, der einzelne sei im Verfassungsrecht „als Rechtsperson Träger von subjektiven Rechten, im Verwaltungsrecht ___________ 108

G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 157. H. Bauer, DVBl. 1986, S. 208 [214]. 110 H. Bauer, DVBl. 1986, S. 208 [215]. 111 BVerwG, Urt. v. 20.4.1994, 11 C 17.93, BVerwGE 95, 333 ff. zu § 45 Abs. 1 b S. 1 Nr. 5 StVO als Ausfluß der zum Selbstverwaltungsbereich gehörenden Planungsund Entwicklungsbelange der betroffenen Gemeinden. Siehe dazu ausführlich: U. Steiner, VerwArch. Bd. 86 (1995), S. 173 ff. 112 Zusammenstellung etwa bei A. Bleckmann, Allgemeine Grundrechtslehren, 2. Aufl. 1985. K. Hesse, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 79 ff.; siehe auch R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985. 109

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bleibe er Untertan“113. In der jüngeren Literatur114 und Rechtsprechung115 wird die grundrechtliche Durchdringung des einfachen Rechts bei der Ermittlung subjektiver Rechte verstärkt berücksichtigt und versucht, eine gemeinsame Dogmatik zu entwickeln116. (8) Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß noch heute in Anlehnung an die drei Kriterien Ottmar Bühlers ein subjektiv-öffentliches Recht dann angenommen wird, wenn117: „ ) ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts dem Staat oder einem sonstigen Verwaltungsträger Verhaltenspflichten auferlegt (zwingender Rechtssatz), 



) dieser Rechtssatz zumindest auch der Befriedigung von Einzelinteressen (Individualinteressen) zu dienen bestimmt ist, also nicht lediglich die Verwirklichung öffentlicher Interessen (Interessen der Allgemeinheit) bezweckt und ) dem einzelnen die Rechtsmacht eingeräumt ist, die normgeschützten Interessen gegenüber dem durch Rechtssatz Verpflichteten durchzusetzen.“118

Verkürzt gesprochen bestehen also die Kriterien des zwingenden Rechtssatzes, der Schutznorm und der Rechtsmacht. Das Merkmal des zwingenden Rechtssatzes hatte ursprünglich die Aufgabe, solche Normen als Grundlage von subjektiven Rechten auszuschließen, die der Verwaltung ein „freies Ermessen“ einräumen. Diese Problematik ist, wie dargelegt 119, zwischenzeitlich überholt; was bleibt, ist die Abgrenzung zu Verwaltungsrichtlinien und anderen Rechtssätzen, die – zumindest grundsätzlich – keine Außenwirkung entfalten120. Darüber hinaus ist aber im Begriff des ___________ 113 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 131. 114 Siehe: H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 8 Rdnr. 10. 115 BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 [65]: „Das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 GG beeinflußt auch die Anwendung der Vorschriften über das behördliche und gerichtliche Verfahren […]“. 116 Siehe dazu H.-U. Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 152: Allgemeine Handlungsfreiheit, Rdnr. 75 ff.; P. Badura, Staatsrecht, 2. Aufl. 1996, C Rdnr. 5 (S. 77); M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 508 ff. [insb: 530 ff., 594 ff.]. 117 Statt vieler M. Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 [69]: „Subjektiv öffentliche Rechte werden bekanntlich in einer dreistufigen Prüfung ermittelt“. 118 H.-U. Erichsen / W. Martens, in: Erichsen / Martens, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 1983, S. 148; Gliederungszeichen geändert. 119 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(4), S. 77. 120 Diese können per se kein subjektiv-öffentliches Recht begründen, wohl aber – so ein dahinter stehendes materielles subjektiv-öffentliches Recht betroffen ist – in bezug

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Rechtssatzes eine wichtige Aussage, nämlich die der Normativität subjektivöffentlicher Rechte enthalten121. Das Kriterium der Rechtsmacht wiederum verklammerte (vermeintlich122) die prozessuale Problematik der gerichtlichen Durchsetzbarkeit mit dem subjektiv-öffentlichen Recht. Auch insoweit will ein Großteil der Lehre die Konsequenz aus Art. 19 Abs. 4 GG ziehen123, 124 und erwähnt das Rechtsmachtkriterium nicht mehr als „Entstehenselement“125. Berücksichtigt man diese weitgehend abgeschlossenen Entwicklungstendenzen, so bleibt von den klassischen Voraussetzungen des subjektiven öffentlichen Rechts als wesentliche Frage die nach der Abgrenzung von Individualinteressen und solchen der Allgemeinheit, die Frage nach der Schutznorm im engeren Sinne. Insoweit läßt sich also sagen, daß sich das subjektiv-öffentliche Recht zum „rechtlich geschützten Individualinteresse“ gewandelt hat126. Denn wenn der Bestand subjektiv-öffentlicher Rechte entscheidend davon abhängt, ob der jeweilige Rechtssatz dem Schutz von Interessen einzelner zu dienen bestimmt ist, dann läßt sich nicht wirklich begründen, warum das subjektiv-öffentliche Recht etwas anderes sein sollte als ein rechtlich geschütztes Interesse. Die „herrschende“ Meinung hat diesen Bedeutungswandel noch nicht vollzogen und sich immer wieder dagegen gewehrt127. Dementsprechend wird in der Rechtspraxis die Frage nach „Rechten im Sinne von §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 und 2 VwGO“ nicht mit der Frage nach dem subjektiv-öffentlichen Recht gleichgesetzt, sondern vielfach angenommen, es handele sich um „subjektiv-öffentliche Rechte und rechtlich geschützte Interessen“128. Damit wird zwar im___________ auf Ermessensentscheidungen wegen Art. 3 Abs. 1 GG Bedeutung erlangen, siehe dazu: F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 94. 121 Dazu: E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 118 ff. 122 Siehe dazu nochmals M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 536 f. und den Hinweis in Fn. 256 auf O. Bachof, VVDStRL Heft 12 (1954), S. 84. 123 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 78. 124 Die ursprünglich gerade auch mit dem Merkmal der Rechtsmacht verbundene prozessuale Problembetrachtung ist damit aber nicht verabschiedet. Illustrativ ist, daß Probleme der sog. „Drittrechte“ häufig unter dem Stichwort der „Konkurrentenklage“ oder der „Drittklage“ behandelt werden. 125 Statt vieler H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 8 Rdnr. 8. Zum Begriff des „Entstehenselements“ gegenüber dem des „Begriffselements“ siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 79 Fn. 94. 126 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 138. 127 R. Scholz, WiR 1972, S. 35 [51 f.], R. Naumann, VVDStRL Heft 12 (1954), S. 114 ff. (Diskussionsbeitrag); O. Bachof, VVDStRL Heft 12 (1954), S. 37 [72 f.]. 128 F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 78 gehen hiervon inzwischen nicht mehr aus. Siehe hingegen noch: F. Kopp, VwGO, 6. Aufl. 1984, § 42

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mer noch an dieser Unterscheidung festgehalten, ihr aber dort, wo sie praktisch werden könnte, jegliche Bedeutung genommen. Der mithin zentralen Frage nach der Abgrenzung von Interessen gelten die folgenden Ausführungen. b) Determination subjektiv-öffentlicher Rechte mit dem Instrumentarium der Schutznormtheorie Die Frage, wie Bestand und Umfang eines subjektiv-öffentlichen Rechts bestimmt werden können, wird – wie bereits beschrieben – durch die Abgrenzung von Individualinteressen und solchen der Allgemeinheit beantwortet. Rechtsprechung129 und Lehre130 haben sich hier im allgemeinen der Schutznormtheorie131 bedient. (1) Historische Basis der Schutznormtheorie Die Schutznormtheorie geht, wie die Frage nach dem subjektiven Recht überhaupt, auf die Anfänge des modernen öffentlichen Rechts im Spätkon___________ Rdnr. 42a und V. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen im Verwaltungsprozeß, 1979, S. 57, 95. 129 BVerfG, Beschl. v. 25.3.1981, 2 BvR 1258/79, BVerfGE 57, 9 [26]; BVerfG, Beschl. v. 22.5.1979, 1 BvL 9/75, BVerfGE 51, 193 [212] („Schloßberg“); BVerfG, Beschl. v. 20.10.1977, 2 BvR 631/77, BVerfGE 46, 214 [229 f.]; BVerfG, Beschl. v. 27.7.1971, 2 BvR 443/70, BVerfGE 31, 364 [369]. BVerwG, Urt. v. 19.12.1985, 7 C 65.82, BVerwGE 72, 300 ff.; BVerwG, Urt. v. 1.12.1982, 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 ff.; BVerwG, Urt. v. 23.3.1982, 1 C 157.79, BVerwGE 65, 167 ff.; BVerwG, Urt. v. 22.12.1980, 7 C 84.78, BVerwGE 61, 256 ff.; BVerwG, Urt. v. 25.2.1977, IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 ff.; BVerwG, Beschl. v. 6.12.1988, 1 B 157.88, NJW 1989, S. 1175. 130 F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 83 ff.; W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 [201 ff.]; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 127; U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 60 ff.; W. Erbguth, Raumbedeutsames Umweltrecht, 1986, S. 313 ff.; R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 122 ff.; H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 8 Rdnr. 8; R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [198 ff.]; pointierte Darstellung bei: G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 144 ff. 131 Daneben finden sich auch die Bezeichnungen „Schutzzwecktheorie“ (R. Wahl), „Schutztheorie“ (P. Stelkens), „Schutznormlehre“ (E. Schmidt-Aßmann), „Schutzzwecklehre“ (U. Ramsauer), „Schutzgesetzlehre“ (O. Tschira / W. Schmitt Glaeser) und „Schutznormthese“ (J. Martens), siehe die Nachweise bei: H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [113 Fn. 1] und H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 [583 Fn. 1].

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

stitutionalismus zurück. Damals setzte sich die Erkenntnis durch, daß ein objektiver „Rechtssatz subjektive öffentliche Rechte für den Untertanen dann und nur dann zur Entstehung [bringt], wenn er […] zugunsten bestimmter Personen oder Personenkreise, zur Befriedigung ihrer Individualinteressen und nicht nur im Interesse der Allgemeinheit erlassen ist“132.

Auch wenn diese Kriterien nicht unbestritten waren133, so ist diese Begriffsbestimmung Ottmar Bühlers wegweisend geblieben und wird bis heute als grundlegend eingestuft134. Er hat im wesentlichen die Kriterien aufgezeigt, die eine Norm erfüllen muß, um Schutznorm im Sinne einer subjektiv-öffentliche Rechte begründenden Norm zu sein: Sie muß objektiv zugunsten bestimmter Personen wirken, denen sie zur Befriedigung ihrer Individualinteressen dient und auch im Interesse dieser Personen erlassen sein, mit der Wirkung, daß sie sich darauf berufen sollen können. Mit einer damals verbreiteten Meinung135 ging Ottmar Bühler davon aus, daß es bei „gewissen Rechtssätzen […] ohne weiteres klar [sei], daß sie nicht zum Schutz von Individualinteressen geschaffen sind“,

so z. B. bei bestimmten Regelungen des Staatsorganisationsrechts. Auf der anderen Seite gebe es aber auch Rechtssätze, die „unzweifelhaft zum Schutz von Individualinteressen geschaffen“ seien; hierzu zählte Ottmar Bühler „die sog. Grundrechte, […] die den Schutz des Eigentums und der persönlichen Freiheit […] des einzelnen sichern sollen“136.

___________ 132 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 21. 133 F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 27 ff.; R. Thoma, Das System der subjektiven öffentlichen Rechte und Pflichten, in: Anschütz / Thoma, HdBStR, Bd. 2, 1932, S. 607 ff. 134 Etwa: U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 63; B. Stüer, NuR 1981, S. 149 [151 Fn. 15]; M. Ronellenfitsch / R. Wolf, NJW 1986, S. 1955 Fn. 8; H. Wolff / O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 43 I c), S. 327; G. Ress, in: Ermacora / Funk / Koja / Rill / Winkler, Allg. Verwaltungsrecht, 1979, S. 105 ff.; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 107; W. Henke, in: FS für Werner Weber, 1974, S. 495 [495]. 135 Etwa G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 69 ff.; F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 70 [71 f.]. 136 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 43 f. Der subjektiv rechtliche Charakter der Grundrechte wurde zwar teilweise bezweifelt aber von weiten Teilen der Staatsrechtslehre bejaht, z. B. G. Meyer / G. Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 6. Aufl. 1905, S. 799 ff.

B. Das deutsche Verständnis

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Zwischen diesen beiden Normkomplexen liege aber „ein erhebliches Gebiet zweifelhafter Fälle“. Hier sei wie folgt vorzugehen: Man habe „[…] natürlich in erster Linie auf die Gesetzesmaterialien zurückzugehen. Sehr häufig wird man aber diesen etwas Bestimmtes nicht entnehmen können. Dann hat man im Zweifel wohl anzunehmen, daß ein Rechtssatz, der faktisch137 Individualinteressen zugute kommt, mindestens dann, wenn dies ohne weiteres vorauszusehen war, auch den Zweck hat, ihnen zu dienen, und daß er daher geeignet ist, […] subjektive öffentliche Rechte für die Destinatäre dieses Rechtssatzes hervorzubringen. [Dies sei] wohl auch für Bestimmungen anzunehmen, die beidem dienen, Allgemeininteressen und Individualinteressen“138.

(2) Partielle Kontinuität dogmengeschichtlicher Prämissen in gewandelter Verfassungslandschaft Ottmar Bühlers Konzeption ist für die weitere Rechtsentwicklung unter Geltung des Grundgesetzes wegweisend geblieben, wenngleich sie modifiziert wurde139. Zu nennen sind hier vor allem die Arbeiten von Otto Bachof140. Ein zusammenfassendes Zwischenergebnis von gewisser Festigkeit hat die Diskussion mit der Darstellung von Eberhard Schmidt-Aßmann141 erreicht. Auf diese „systematisierende und grundsätzliche Stellungnahme“142, ist seither vielfach143 rekurriert worden, fast alle seither erschienenen Betrachtungen144 bauen mehr oder weniger auf einer Auseinandersetzung mit ihr auf. Sie sei daher exemplarisch kurz wiedergegeben. ___________ 137 H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 [589] weist zutreffend darauf hin, daß man insoweit bereits bei Aufstellung der Grundregel den Zweifeln bei Feststellung des gesetzgeberischen Willens dadurch begegnete, daß man den faktischen Wirkungen entscheidende Bedeutung beimaß. 138 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 45. 139 H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 [590] und P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 108 sowie H. Sodan, in: Nomos-Kommentar zur VwGO, § 42 Rdnr. 378 ff. sprechen insoweit von „älteren und neueren Schutznormtheorien“. 140 O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 287 [294, 296 ff., 303 f.]. 141 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 116 ff. (Bearbeitungsstand: 1985). Zustimmend: W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 [200 ff.]; F. Schnapp, VerwArch. Bd. 78 (1987), S. 407 [438 Fn. 92]. 142 H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 [590]. 143 Siehe nur den Verweis von H.-J. Papier, in: Isensee/ Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 41 Fn. 90. 144 Siehe etwa P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 108 ff.; R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 passim; H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 30 und passim.

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

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Nach der Vorstellung Eberhard Schmidt-Aßmanns145 „muß die normative Basis der subjektiven Rechte […] zuallererst im einfachen Recht gesucht werden“. Fehlen dort eindeutige Aussagen, dann muß zur Ermittlung der dort „vielfach verschlüsselt“ enthaltenen subjektiven Rechte auf die Schutznormlehre zurückgegriffen werden146, d.h. es ist zu prüfen, ob die jeweilige Norm „Individualinteressen zu dienen bestimmt“ ist147. Die Schutznormlehre heutigen Verständnisses wird als eine Sammelbezeichnung für einen entwicklungsoffenen „Kanon von Methoden und Regeln [gedeutet], nach denen der subjektivrechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll“148. Im Rahmen dieses Vorgehens soll der Schutzzweck der Norm nicht ausschließlich und nicht einmal vorrangig aus dem nachweisbaren Willen des Normgebers abzuleiten sein149. Außerdem könne er oft nicht aus der Norm allein, sondern aus dem sie umgebenden Normengefüge und aus „institutionellen Rahmenbedingungen“ ermittelt werden. Und schließlich können die Grundrechte bei der Schutzzweckbestimmung „in ihrer norminternen Wirkungsweise eine wertverdeutlichende, systematisierende Rolle spielen“. Nicht ersetzt werden dürfte diese Auslegungsarbeit durch „die Feststellung wie immer gearteter faktischer Beeinträchtigungen“150. Man hält folglich also zur Begründung von subjektiven öffentlichen Rechten am Vorhandensein von Normen – konkret: von den Betroffenen objektiv in seinen Interessen begünstigenden Normen – fest. Mit den Worten des BVerfG151: „Die Begründung eines subjektiven Rechts setzt eine Norm des objektiven Rechts voraus, die geeignet ist, entweder unmittelbar oder durch Vermittlung eines von der Norm mit Rechtswirkungen ausgestatteten Aktes eine Rechtsposition des Einzelnen zu begründen.“

Im Detail kann zum Gehalt der neueren Schutznormtheorie folgendes festgehalten werden:

___________ 145

Dargestellt bei H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 [590]. E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 127. 147 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 136. 148 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 128. 149 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 128, 138. 150 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 123 f., 137 ff. 151 BVerfG, Beschl. v. 22.5.1979, 1 BvL 9/75, BVerfGE 51, 193 [211] („Schloßberg“). 146

B. Das deutsche Verständnis

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(a) Auslegungsregeln i) Auslegung nach dem Wortlaut Die Feststellung, ob eine bestimmte Norm „Schutznorm“ ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wobei zunächst beim Wortlaut anzusetzen152 ist. Enthält dieser einen eindeutigen individuellen Bezug und spricht er eine Berechtigung aus, so liegt ein subjektives öffentliches Recht vor. Die ausdrückliche Erwähnung eines Betroffenen ist daher wichtiges Indiz für den Schutznormcharakter153. Werden Dritten Anhörungs- und Beteiligungsrechte in einem Verwaltungsverfahren eingeräumt, welches einer konkreten Entscheidung vorausgeht, so werden diese überwiegend als Indizien dafür herangezogen, daß diese Normen die derart beteiligten Dritten auch schützen wollen154. Ist das Gesetz auf der anderen Seite streng objektiv-rechtlich formuliert, schließt es einen Anspruch ausdrücklich aus (§ 2 Abs. 3 BauGB, § 3 Abs. 2 HGrG) oder besteht die Norm allein im öffentlichen Interesse (§ 4 Abs. 2 WpÜG, § 4 Abs. 4 FinDAG, § 6 Abs. 4 KWG a. F.155), so ist zunächst156 zu respektieren, daß der Gesetzgeber keine subjektive Berechtigung einräumen wollte.

___________ 152 Eine stark am Wortlaut orientierte Entscheidung ist etwa BVerwG, Urt. v. 30.3.1995, 3 C 8.94, BVerwGE 98, 118 ff. Daß ein Jagdgenosse auf Erhöhung der Abschußzahlen in einem Abschußplan für den gemeinschaftlichen Jagdbezirk klagen könne und § 21 Abs. 1 BJagdG den Waldeigentümern ein subjektiv-öffentliches Recht vermittle, wird im wesentlichen darauf gestützt, daß der Gesetzestext den Begriff „Ansprüche“ verwendet: „Die Norm spricht von ‚berechtigten Ansprüchen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden‘. Ihnen stehen im zweiten Satzteil nur die ‚Belange‘ von Naturschutz und Landschaftspflege gegenüber. Diese Belange werden erkennbar synonym mit dem öffentlichen Interesse für den Schutz der Natur und Landschaft gebraucht […]“; siehe dazu J. Dietlein, JuS 1996, S. 93 ff. 153 H. Jarass, NJW 1983, S. 2844 [2845] in bezug auf den Drittschutz; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 109. 154 BVerwG, Urt. v. 20.11.1959, VII C 12.59, BVerwGE 9, 340 [341]: Klagebefugnis des anhörberechtigten Unternehmers im Omnibuslinienverkehr. 155 Aufgehoben durch Art. 2 Nr. 8 lit. d) des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22.4.2002, BGBl. I, S. 1310. 156 Die Anschlußfrage ist die nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen. Dies im Hinblick auf § 6 Abs. 4 KWG a.F. mit guten Gründen verneinend: P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 296; W.-R. Schenke, in: FS für Egon Lorenz, 1994, S. 473 ff.; W.-R. Schenke / J. Ruthig, NJW 1994, S. 2324 ff.; H.-J. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 34 Rdnr. 190.

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

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ii) Systematische Auslegung Bietet der Wortlaut keinen hinreichend sicheren Ansatzpunkt, ist auf den systematischen Zusammenhang der Norm, ihre „Umgebung“157, das „Normgefüge“158 abzustellen. Auch hier kann zu einer subjektivierenden oder objektivierenden Betrachtungsweise gelangt werden, wobei die Frage nach der Abgrenzbarkeit des potentiell begünstigten Personenkreises eine oft zentrale Berechtigten gegeben sein müsse159. Dieses insbesondere von der Rechtsprechung immer wieder betonte160 Kriterium, ist allerdings bis heute mißverständlich. Denn es gibt Schutznormen, die sich an alle Rechtsunterworfenen wenden. Beispiele sind die zahlreichen Sozialleistungsgesetze, die jedem Bedürftigen einen Anspruch im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts zubilligen161. Allein das Zahlenverhältnis ist also nicht entscheidend. So wird denn auch dieses Kriterium in der neueren Rechtsprechung nicht mehr vertreten162. Die h.M. läßt es aber jedenfalls dort an einer Schutznorm fehlen, „wo es an jeder Bestimmbarkeit eines Kreises je in ihrer Individualität geschützter Personen fehlt“163. Welche Voraussetzungen für die Abgrenzbarkeit eines spezifisch geschützten Personenkreises zu fordern sind, soll wiederum weitgehend von den Gegebenheiten des Einzelfalls abhängen; insbesondere spielt es eine Rolle, ob sich der Adressat einer behördlichen Maßnahme oder aber ein Dritter auf die Verletzung einer Norm beruft164. Das Kriterium der Abgrenzbarkeit des geschützten Personenkreises hat darüber hinaus in der jüngeren Rechtsprechung zum Drittschutz im Bau-, Wasserund Immissionsschutzrecht eine besondere Bedeutung unter dem Stichwort des „Gebotes der Rücksichtnahme“ erlangt. In der grundlegenden „Schweinemast___________ 157

K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Studienausgabe, 1983, S. 219. E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 137. 159 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 139, 140. 160 BVerwG, Urt. v. 28.4.1967, IV C 10.65, BVerwGE 27, 29 [33]; BVerwG, Urt. v. 6.12.1967, IV C 94.66, BVerwGE 28, 268 [275 f.]; BVerwG, Urt. v. 13.6.1969, IV C 234. 65, BVerwGE 32, 173 [175]; BVerwG, Urt. v. 20.10.1972, IV C 107.67, BVerwGE 41, 58 [63]; BVerwG, Urt. v. 25.2.1977, IV C 22.75, BVerwGE 52, 122; BVerwG, Urt. v. 29.5.1981, IV C 97.77, BVerwGE 62, 243 [247]; BVerwG, Urt. v. 18.5.1982, 7 C 42.80, BVerwGE 65, 313 [320]; BVerwG, Urt. v. 1.12.1982, 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 ff.; BVerwG, Urt. v. 15.7.1987, 4 C 56.83, BVerwGE 78, 40 [43]. 161 § 4 Abs. 1 S. 1 BSHG: „Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit dieses Gesetz bestimmt, daß die Hilfe zu gewähren ist.“ 162 H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 32. 163 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 140, 164 Zur Bedeutung der „Adressatentheorie“ siehe unten, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)v) ), S. 216 f. 158

B. Das deutsche Verständnis

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Entscheidung“165 hat das BVerwG ausgeführt, daß dem an sich objektiv-rechtlichen Gebot der Rücksichtnahme dann drittschützende Wirkung zukommen könne, „soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“166.

Es handelt sich nach herrschender Auffassung um ein gesetzesimmanentes, einfachrechtlich begründetes Gebot167. Es kann heute als ein wesentlicher Teil des „Kanons von Methoden und Regeln“ betrachtet werden, welche bei der Anwendung der Schutznormtheorie im Rahmen der systematischen Auslegung zu beachten sind168. Sowohl die Rechtsprechung169 als auch die herrschende Lehre170 sind sich insoweit einig, als es auf eine Verankerung dieses Gebots in der jeweiligen Vorschrift ankommt171. Ursprünglich konzipiert als ein Instrumentarium für Ausnahmefälle172, hat sich das Gebot der Rücksichtnahme zwischenzeitlich zu einer richterrechtlichen173 Generalklausel entwickelt, welche mehr

___________ 165 BVerwG, Urt. v. 25.2.1977, IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 ff. Siehe dazu F.-C. Menger, VerwArch. Bd. 69 (1978), S. 313 ff. und H. Schrödter, DVBl. 1977, S. 726 ff. 166 BVerwG, Urt. v. 25.2.1977, IV C 22.75, BVerwGE 52, 122; siehe auch BVerwG, Beschl. v. 2.1.1989, 4 B 116.88, NVwZ 1989, S. 666. 167 P. Kunig, in: GS für Wolfgang Martens, 1987, S. 599 [608]; BVerwG, Beschl. v. 20.9.1984, 4 B 181.84, NVwZ 1985, S. 37 f.; dazu: H. Dürr, NVwZ 1985, S. 719 ff.; J. Wasmuth, NVwZ 1988, S. 322 [325]; D. Ehlers, VVDStRL Heft 51 (1992), S. 211 [222 f.; 249]; R. Wahl, in: FS für Konrad Redeker, 1993, S. 245 [265 f.]; C. Bönker, DVBl. 1994, S. 506 [509]; kritisch aber: U. Battis, in: FS für Felix Weyreuther, 1993, S. 305 [313 ff.]. 168 Als Teil der systematischen Auslegung dargestellt etwa bei: W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rdnr. 167. F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 98 geht davon aus, daß das Gebot der Rücksichtnahme bereits zum Gewohnheitsrecht erstarkt ist. 169 Der Gedanke, es handele sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz wurde von der Rechtsprechung ausdrücklich verworfen: BVerwG, Urt. v. 16.3.1989, 4 C 36.85, BVerwGE 81, 329 ff. 170 Die Meinungen sind hier durchaus geteilt. Teilweise wird das Gebot der Rücksichtnahme abgelehnt, da es eine Durchbrechung der Schutznormlehre darstelle und dem Gesetzgeber letztlich die Entscheidungsfreiheit nehme: so etwa R. Knauber, NVwZ 1988, S. 997 ff. Ähnlich kritisch G. Schwerdtfeger, NVwZ 1983, S. 199 ff. 171 Anders noch F. Weyreuther, BauR 1975, S. 1 ff., welcher das Gebot in Art. 14 Abs. 1 GG verankern wollte. F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 98 weisen darauf hin, daß das Bemühen um die normative Verankerung in bauplanungsrechtlichen Vorschriften wie §§ 34 f. BauGB, § 31 Abs. 2 BauGB oder § 15 BauNVO erfolgte, obwohl diesen Vorschriften gerade keine Hinweise für Subjektivierungen zu entnehmen sind. 172 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 112. 173 Dezidiert G. Schwerdtfeger, NVwZ 1983, S. 199 ff.

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

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und mehr dazu genutzt wird, im Einzelfall angemessene Lösungen zu ermöglichen174. Ebenfalls im Rahmen der systematischen Auslegung wurde die Fallgruppe entwickelt, in denen Normen, das „typisierte Interesse der Gesamtheit“ schützen wollen, nicht aber das – damit nicht notwendig übereinstimmende – Individualinteresse des einzelnen175; diese Differenzierung wurde von der Rechtsprechung vor allem im Bereich der Wirtschaftsaufsicht fruchtbar gemacht176. iii) Teleologische Auslegung Eng mit der systematischen ist die teleologische Auslegung verbunden. Hier ist festzustellen, ob der durch eine normative Regelung angeordnete Schutz von Allgemeininteressen in einer „spezifischen Weise dem Rechtskreis des einzelnen zugeordnet werden kann“177. Zu fragen ist also, inwieweit sie nach ihrem objektivierten Zweck den Schutz von Individualinteressen zum Gegenstand hat. ___________ 174

Dazu H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 8 Rdnr. 9; I. Pernice, Billigkeit und Härteklauseln im öffentlichen Recht, 1991, S. 499 ff. spricht ausdrücklich von einer Billigkeitskorrektur der Schutznormlehre. Der Gedanke, die richterliche Billigkeitskompetenz als Teil der Auslegung zu begreifen, ist überdies keine Neuheit. Schon S. Pufendorf begriff die Billigkeitskorrektur als Teil einer Gesetzesauslegung, wenn bei dieser nach den Grundsätzen der natürlichen Vernunft nachgewiesen werde, daß ein bestimmter Sonderfall vom allgemeinen Gesetz nicht erfaßt sei: „ideo iudices, quorum est generalia legum decreta ad speciales casus adplicare, debent a lege excipere ejusmodi casus, quos excepturus fuerat ipse legislator si praesens adesset, aut tales casus praevidisset“ (S. Pufendorf, De officiis hominis et civis, I, 2 § 10). Zu neueren Entwicklungen („architektonische Selbsthilfe“) siehe S. Jung, BauR 2002, S. 1343 ff. 175 BVerwG, Urt. v. 22.2.1994, 1 C 24.92, BVerwGE 95, 133 [137]: Bei Genehmigung von Tariferhöhungen eines Elektrizitätsversorgers handele es sich „darum, die unterschiedlichen Interessen der Kunden und die Versorgungsfunktion der Elektrizitätswerke in einen Ausgleich zu bringen, der zwangsläufig nur durch Bündelung, Koordinierung und Abwägung der typischen Interessen der Abnehmer erfolgen kann. […] Eine Kostenzurechnung nach individuellen Gegebenheiten ist undurchführbar. Gruppenbezogener Interessenausgleich erfordert gruppenorientierte Kalkulation.“ 176 Siehe den Nachweis in Fn. 175 sowie BVerwG, Urt. v. 25.11.1986, 1 A 20.82, BVerwGE 75, 147 ff. (Keine Klagebefugnis für Klage des Versicherungspflichtigen gegen eine Tarifgenehmigung in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung), bestätigt durch BVerfG, Beschl. v. 6.7.1989, 1 BvR 290/87, NJW 1990, S. 2249 [2250]); BGH, Urt. v. 24.1.1972, III ZR 166/69, BGHZ 58, 96 ff. (Die den Trägern der Versicherungsaufsicht obliegende Amtspflicht, die „Belange der Versicherten“ zu wahren, besteht auch im Bereich der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter nicht gegenüber dem einzelnen Versicherten oder dem durch ihn geschädigten Verkehrsopfer). Vgl. auch die Ausführungen bei W.-R. Schenke, in: FS für Egon Lorenz, 1994, S. 473 [479]. Aktuell sind die Fragen von Rechten einzelner Aktionäre vor der BaFin im Verfahren nach dem WpÜG. Etwa, ein Recht aus § 37 WpÜG verneinend, OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.5.2003, WpÜG 01/03, DB 2003, S. 1373. 177 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 139.

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Anfangs wurde durch Otto Bachof noch versucht, mit dem Rückgriff auf die Gesamtsicht des Grundgesetzes vom Verhältnis des einzelnen zum Staat und auf Art. 19 Abs. 4 GG in Zweifelsfällen eine Vermutung für den subjektivrechtlichen Gehalt einer Norm zu gewinnen178. Dem wurde von Seiten der Literatur179 und der Rechtsprechung180 auch gefolgt. Doch sieht sich diese Regel nicht unerheblichen Einwänden ausgesetzt, die im wesentlichen auf der Erkenntnis beruhen, daß Art. 19 Abs. 4 GG hinsichtlich der Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte keine direkte Aussage trifft. Für mehrseitige Verwaltungsrechtsverhältnisse wollen die Vertreter der Schutznormtheorie an dieser Auslegungsregel denn auch nicht festhalten181. iv) Historische Auslegung Ganz im Gegensatz zum Denken Ottmar Bühlers wollen die Vertreter des neueren Schutznormdenkens der historischen Auslegung nicht mehr die zentrale Stellung einräumen. War Ottmar Bühler noch davon ausgegangen, daß man bei Zweifeln „natürlich in erster Linie auf die Gesetzesmaterialien zurückzugehen“182 habe, ist spätestens seit Otto Bachof183 davon auszugehen, daß der historischen Auslegung nur eine nachgeordnete Bedeutung zukommen kann: „Es kommt auf die gegenwärtige Interessenwertung an, nicht auf diejenige zum Zeitpunkt des Erlasses der Norm“184, zumindest wenn sich eine Begünstigungsabsicht des historischen Gesetzgebers nicht positiv feststellen läßt185. ___________ 178 O. Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951, S. 72 f.; O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 299 ff.; O. Bachof, DVBl. 1961, S. 128 [131]. 179 D. Frers, Die Klagebefugnis des Dritten im Gewerberecht, 1988, S. 76 ff.; W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 288 f.; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 55. 180 BVerfG, Urt. v. 5.2.1963, 2 BvR 21/60, BVerfGE 15, 275 [281 f.] „Es trifft zwar zu, daß Art. 19 Abs. 4 GG nicht selbst Rechte gewährt, sondern die zu schützenden Rechte voraussetzt. Aber aus der – von Art. 19 Abs. 4 entscheidend mitgeprägten – Gesamtsicht des Grundgesetzes vom Verhältnis des einzelnen zum Staat folgt, daß im Zweifel diejenige Interpretation eines Gesetzes den Vorzug verdient, die dem Bürger einen Rechtsanspruch einräumt.“ 181 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 145; für ein Festhalten im bipolaren Verhältnis: N. Achterberg, in: GS für Günther Küchenhoff, 1987, S. 13 [16] und M. Schulte, DVBl. 1988, S. 512 [513 f.]. 182 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 43 ff. 183 O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 287 [297]. 184 O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 287 [297]. Als Beispiel nennt O. Bachof den Wandel der Rechtsprechung zum Fürsorgerecht (unter Verweis auf: BVerwG, Urt. v. 24.6.1954, V C 78.54, BVerwGE 1, 159 = NJW 1954, S. 1541 f.): Sei

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

(b) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Auslegung Ein weiterer Unterschied zur älteren Schutznormlehre besteht in der mehr oder weniger weitgehenden Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen – insbesondere solcher der Grundrechte – bei der Auslegung. Es geht also darum, unterverfassungsrechtliche Rechtssätze im Lichte der Grundrechte zu verstehen und auszulegen186. Dies kann die Untersuchung gesetzlicher Bestimmungen auf ihren subjektiv rechtlichen Gehalt hin nicht unbeeinflußt lassen, sondern muß „eine wertverdeutlichende, systematisierende Rolle“187 spielen. Auch diese Erkenntnis geht letztlich auf Otto Bachof 188 zurück. (c) Die Gestaltungsfreiheit des Normgebers Entscheidend ist auch nach der modernen Sichtweise, daß der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum besitzt189. Dem Gesetzgeber obliegt es, festzulegen, ob und inwieweit etwa im Baurecht ein Vorhaben den Individualinteressen von Dritten dienenden Normen unterstellt werden soll190. Er ist nach der Konzeption der Schutznormlehre bei der Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte weitgehend frei. Und er mag gute Gründe haben – solche der Rechtssicherheit, der Ökonomie des Rechtsschutzes und der Rechtsklarheit – einem Nachbarn eines Bauvorhabens subjektiv-öffentliche Rechte gegen die Erteilung einer Baugenehmigung gerade nicht einzuräumen191. Deswegen muß eine ge___________ die Fürsorgeunterstützung dem Bedürftigen früher „lediglich aus Gründen der öffentlichen Ordnung, nicht um seiner selbst willen zu gewähren“ gewesen, liege nach heutiger Auffassung „die Rechtspflicht zur Fürsorge derem Träger gegenüber dem Bedürftigen ob“ und sei bestimmt, auch und sogar vornehmlich seine Interessen zu schützen und zu befriedigen. 185 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 138, der bei Vertragsnormen, insbes. solchen völkerrechtlicher Provenienz, der historischen Auslegung nach wie vor besonderes Gewicht einräumen will. 186 Zur Entwicklung speziell im Verwaltungsprozeß siehe: A. Sattler, in: Heyde / Starck, Vierzig Jahre Grundrechte in ihrer Verwirklichung durch die Gerichte, 1990, S. 127 ff.; aus der Rechtsprechung etwa BVerwG, Urt. v. 6.4.2000, 3 C 6.99, NVwZ 2001, S. 322 ff. mit Anmerkung C. Heinze, NVwZ 2001, S. 293 f. 187 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 128. 188 O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 287 [297]. Siehe auch die Zitate oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(2)(a)iv), S. 93 in Fn. 184. Vgl. zur sog. „Fürsorgeentscheidung“ des BVerwG auch: H. Goerlich / J. Dietrich, Jura 1992, S. 134 ff. 189 P. Lerche, Jura 1970, S. 821 [848] spricht von einer „verfassungsrechtlichen Notwendigkeit“. 190 G. Schwerdtfeger, NVwZ 1983, S. 199 ff.; U. Ramsauer, AöR Bd.111 (1986), S. 501 [510]. 191 U. Ramsauer, AöR Bd.111 (1986), S. 501 [526].

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setzliche Anordnung, welche der Verwaltung aufgibt, bei einer Entscheidung die Interessen Dritter zu berücksichtigen, nicht notwendigerweise zu einem subjektiv-öffentlichen Recht führen192. (3) Die Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte (a) Anerkennung Die Frage nach der Bestimmung der schutznormabgeleiteten subjektiven öffentlichen Rechte des einfachen Rechts ist von der Frage zu trennen, ob die Grundrechte selbst subjektiv-öffentliche Rechte sind193. Dies ist heute weitgehend anerkannt194, auch wenn betont wird, daß grundrechtliche Aussagen auf „Grundrechtskoordination“ durch gesetzliche Ausformung angewiesen sind195. Schon Georg Jellinek196 und Ottmar Bühler197 hatten den subjektiv rechtlichen ___________ 192

Ausdrücklich: H. Heinrich, WiVerw 1985, S. 1 [9]. P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 115. 194 O. Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951, S. 74; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 121. Die Frage, ob Grundrechte selbst subjektiv-öffentliche Rechte sind, oder ob sich aus ihrer Verletzung solche lediglich ergeben, ist von ihrem praktischen Ertrag weitgehend fruchtlos geblieben. Vgl. dazu grundlegend: A. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe 1878, 1964, S. 288 ff.; E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 187: „Vielfach wird die Freiheit, sich in bestimmtem Sinne zu verhalten, als subjektives Recht bezeichnet, so wenn man vom „Recht“ auf ein bestimmtes Tun spricht. Hier ist aber im Regelfall kein normativer Sachverhalt gegeben, sondern es liegt lediglich die Feststellung vor, daß keine Norm bestehe, die das fragliche Verhalten verbietet. […] Die Erfahrung zeigt, daß jede Rechtsordnung von der Vermutung der Freiheit ausgeht, d.h. aus einer Summe freiheitsbeschränkender Vorschriften besteht, aber alle normativ nicht geregelten Verhaltensweisen freistellt, insbes. auf dem ungeschriebenen Grundsatz aufbaut, daß alles, was nicht verboten wird, erlaubt ist. Insofern ist die Vorstellung eines „subjektiven Rechts zu einem Verhalten“ sinnlos, weil sie etwas Selbstverständliches und ohnehin Geltendes zum Inhalt hat. Würde sie konsequent durchgeführt, müßte jedermann eine unendliche Vielzahl von Rechten auf alle ihm faktisch möglichen Verhaltensweisen haben, soweit ihm diese nicht verboten sind.“ Diese „Vielzahl von Rechten“ gewährleistet, wenn man der Auffassung E. Buchers nicht folgt, zumindest Art. 2 Abs. 1 GG. Siehe auch J. Pietzcker, in: FS für Otto Bachof, 1984, S. 131 [139]. Zurückhaltend gegenüber einer generellen Subjektivierung: M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 540 ff.; zweifelnd zu einer zu starken Betonung der Grundrechte: G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 145 [146 f.]: „Allenfalls wird die Suche nach einer Schutznorm vom unterverfassungsrechtlichen Gesetz in die Verfassung selbst verlagert.“ Näher zu dieser Frage unten, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(a)i), S. 184 f. 195 J. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 46 f.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 121. 196 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 85 ff. 193

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Charakter der Grundrechte teilweise anerkannt. Bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes kam ihnen jedoch nur eingeschränkte Bedeutung zu, sei es, daß man sie lediglich als Sicherung der „Freiheit von ungesetzlichem Zwang“198 verstand, sei es, daß man in ihnen Programmsätze sah, die für den Fall gesetzlicher Regelungen maßgeblich sein sollten199. Unter der Herrschaft des Grundgesetzes wurde dem einzelnen nunmehr ausdrücklich „ein grundgesetzliches subjektives Recht auch gegen den Gesetzgeber“ zugestanden200. (b) Folgen für die Schutznormtheorie Im Zusammenhang mit der Schutznormtheorie hat die neue Bedeutung der Grundrechte zur Folge gehabt, daß den Grundrechten dort eine „Auffangfunktion“ zugewiesen wurde, wo der einfache Gesetzgeber den verfassungsrechtlich gebotenen Interessenschutz durch unterverfassungsrechtliche Schutznormen nicht sichergestellt hat201. Den Grundrechten wird insbesondere dann die Rolle eines eigenständigen subjektiv-öffentlichen Rechts – unabhängig von der Existenz einfachgesetzlicher Regelungen – zugestanden, wenn es um einen grund-

___________ 197

O. Bühler, in: FG für Fritz Fleiner, 1927, S. 26 [54]. Siehe dazu K. Hesse, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 5 Bedeutung der Grundrechte, Rdnr. 5. 199 K. Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 17 weist auf G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, S. 515 f. [Anm. 6], der neben den „gesetzesabhängigen“ Grundrechten auch schon solche anerkannte, „[…] die schon jetzt für Bürger und Behörden rechtsverbindlich sind“. Zum Verständnis in der Weimarer Zeit siehe auch M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 526 ff. und M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur, 1914–1945, 1999, S. 215. 200 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 115. Die Formulierung stammt von P. Badura, Staatsrecht, 2. Aufl. 1996, C Rdnr. 2 (S. 75) und C Rdnr. 6 (S. 78). 201 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 125, 126. Zu trennen ist hiervon die Frage einer verfassungskonformen Auslegung einfachrechtlicher Bestimmungen. Siehe etwa BVerwG, Urt. v. 18.12.1959, VII C 62.59, BVerwGE 10, 91: es handelte sich um die Nachbarklage einer Kirchengemeinde gegen eine Schankerlaubnis. Nach der damals gültigen Fassung von § 2 Abs. 1 Nr. 4 GastG war eine Erlaubnis zu versagen, „wenn die Verwendung der Räume für den Betrieb des Gewerbes dem öffentlichen Interesse widerspricht“. Das Gericht hat diese Bestimmung im Licht von Art. 4 Abs. 2 GG ausgelegt, und eine Klagebefugnis der Kirchengemeinde angenommen. U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 70 geht wohl davon aus, daß es sich um einen unmittelbaren Rekurs auf das Grundrecht gehandelt hat. Siehe auch A. Randelzhofer, BayVBl. 1975, S. 607 ff. 198

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rechtlich garantierten Kernbereich geht202: Dann – und nach überwiegender Auffassung: nur dann203 – läßt die Schutznormlehre auch einen unmittelbaren Rückgriff auf das betreffende Grundrecht zu204. Eine bloße Grundrechtsberührung reicht dagegen nicht aus. Ließe man auch in solchen Fällen einen Grundrechtsschutz neben den sonstigen einfachgesetzlichen (Dritt-)Schutznormen zu, würde die Schutznormtheorie ausgehöhlt. Mit diesem, auf Sonderfälle ausgerichteten Rückgriff auf die Grundrechte, wird die Schutznormlehre nach verbreiteter Ansicht205 den Anforderungen von Art. 1 Abs. 3 GG angepaßt. Soweit die einfachgesetzlichen Bestimmungen den gebotenen Schutz nicht gewähren, muß die Verfassung die Aufgabe selbst erfüllen. (c) Friktionen Als exemplarisch für diese Vorgehensweise – und die damit verbundenen Schwierigkeiten – kann die Rechtsprechung des BVerwG im Baurecht dienen. Hier wurde zunächst die sog. „Schweretheorie“ aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG heraus entwickelt206, wonach ein Dritter dann von einer Baugenehmigung in seiner eigentumsrechtlich geschützten (Grund-)Rechtsstellung verletzt wird, wenn durch sie „die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig verändert“ und der Dritte dadurch „schwer und unerträglich getroffen“ wird. Das schien auch folgerichtig, da unter diesen Voraussetzungen nach damaliger Sicht207 die Grenze der Sozialbindung zur Enteignung überschritten gewesen ist. In der Folgezeit wurde dann der Grundsatz der Rücksichtnahme entwickelt208 und in den Tatbestandsmerkmalen des „Sich-Einfügens“, § 34 Abs. 1 BauGB, und der „öf___________ 202

G. Schwerdtfeger, NVwZ 1982, S. 5 [8]; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 126; H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 11. 203 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 126. 204 H.-J. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 85. 205 Nachweis bei P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 116. 206 BVerwG, Urt. v. 13.6.1969, IV C 234.65, BVerwGE 32, 173 [178]; BVerwG Urt. v. 11.11.1970, IV C 102.67, BVerwGE 36, 248 [249 f.]; BVerwG, Urt. v. 20.10.1972, IV C 107.67, BVerwGE 41, 58; BVerwG, Urt. v. 26.3.1976, IV C 7.74, BVerwGE 50, 282 [287]. 207 Vor BVerfG, Beschl. v. 15.7.1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 („Naßauskiesung“); dazu und zu der folgenden Entwicklung: J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 12 ff., 141 ff. Siehe auch den Anschluß der verwaltungsrechtlichen Rspr. durch BVerwG, Urt. v. 15.2.1990, 4 C 47.89, BVerwGE 84, 361 f. 208 BVerwG, Urt. v. 25.2.1977, IV C 22.75, BVerwGE 52, 122. In seinen Grundlinien wurde das Gebot der Rücksichtnahme bereits zwei Jahre zuvor entwickelt: F. Weyreuther, BauR 1975, S. 1 ff. Siehe auch BVerwG, Urt. v. 6.10.1989, 4 C 14.87, BVerwGE 82, 343.

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fentlichen Belange“, § 35 Abs. 2 BauGB, verortet. Dies wurde später209 auf weitere Bereiche, etwa den beplanten Innenbereich i.S.d. § 30 BauGB i.V.m. § 15 BauNVO erstreckt210 und von den Oberverwaltungsgerichten auch für das Bauordnungsrecht übernommen211. Folgerichtig wurde der Rückgriff auf Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG auch wieder aufgegeben212. Das BVerwG213 betrachtet das Rücksichtnahmegebot der §§ 31, 34, 35 BauGB, § 15 BauNVO als verfassungsmäßige Konkretisierung des Art. 14 Abs. 1 GG: „Soweit drittschützende Regeln des einfachen Rechts vorhanden sind, kann […] ein weitergehender, unmittelbar auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG beruhender Anspruch nicht bestehen. Denn durch eine den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG genügende gesetzliche Regelung werden Inhalt und Schranken des Eigentums dergestalt bestimmt, daß innerhalb des geregelten Bereichs weitergehende Ansprüche aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ausgeschlossen sind. Im Hinblick auf Belästigungen und Störungen des Nachbarn durch ein Bauvorhaben besitzt das Bauplanungsrecht mit den §§ 31, 34 und 35 BauGB sowie mit § 15 BauNVO Regelungen, die Umfang und Grenzen des Nachbarschutzes umfassend bestimmen. Welche Beeinträchtigungen seines Grundeigentums der Nachbar hinnehmen muß und wann er sich gegen ein Bauvorhaben wenden kann, richtet sich nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots, das in den genannten Vorschriften enthalten ist. Insoweit ist für weitergehende Ansprüche aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG kein Raum.“214

In gleicher Weise hat das BVerwG215 auch für das landesgesetzlich geregelte Bauordnungsrecht einen Rückgriff auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ausgeschlossen, wenn eine abschließende Inhalts- und Schrankenregelung besteht. Die so beschriebene Entwicklung hatte mithin zur Folge, daß durch die „Entdeckung“ des Gebotes der Rücksichtnahme und seiner einfachgesetzlichen Zementierung ein Rückgriff auf Art. 14 Abs. 1 GG in Bereichen216 vermieden wurde, in denen ___________ 209

BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, 4 C 96.79, BVerwGE 67, 334. Wiewohl diesen weder damals noch heute Hinweise auf derartige situationsbedingte Subjektivierungen zu entnehmen sind; vielmehr handelt es sich um norminterne Wirkungen von Art. 14 Abs. 1 GG; zutreffend: F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 98. 211 Etwa Abstandsflächen, Brandschutzvorschriften; vgl. die Nachweise bei F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 102. Der Landesgesetzgeber kann dieses Gebot auch nicht spezialgesetzlich ausschließen (BVerwG, Urt. v. 7.12.2000, 4 C 3.00, NVwZ 2001, S. 813 ff.). 212 BVerwG, Urt. v. 26.9.1991, 4 C 5.87, BVerwGE 89, 69 [78], siehe auch C. Bönker, DVBl. 1994, S. 506 ff.; D. Wilke, in: GS für Eberhard Grabitz, 1995, S. 905 [919]. 213 BVerwG, BVerwG, Urt. v. 26.9.1991, 4 C 5.87, BVerwGE 89, 69 [78]. 214 Siehe zu diesem „dogmatischen Neuanfang“ auch: J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 220 [222]. 215 Im konkreten Fall: die in § 6 BauO NW geregelten Abstandsflächen: BVerwG, Urt. v. 7.11.1997, 4 C 7.97, NVwZ 1998, S. 735. 216 Eine Ausnahme ist denkbar, etwa wenn durch eine (objektiv) rechtswidrige Baugenehmigung unmittelbar in das Grundeigentum eines Dritten eingegriffen wird, dieser sich nicht auf eine nachbarschützende Vorschrift des öffentlichen Baurechts berufen 210

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in der Rechtswirklichkeit von Eingriffen in den Kernbereich keine Rede sein konnte. Insoweit konnte eine Divergenz zur restriktiven Deutung der Grundrechte etwa im Bereich der Wettbewerbsfreiheit vermieden werden. Dort wurde der Rückgriff auf die Grundrechte217 nur dann angenommen, wenn in den Kernbereich wettbewerblicher Betätigung eingegriffen wurde: Grundrechtlichen Schutz gebe es nur bei „unerträglicher“ Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit respektive „unzumutbarer“ Schädigung des Konkurrenten218. ___________ kann und ausnahmsweise auch keine zivilrechtliche Abwehrmöglichkeit gegen das Bauvorhaben hat. Dieser Fall könnte eintreten, wenn unter Verstoß gegen das – grundsätzlich nicht nachbarschützende – Erschließungserfordernis eine Baugenehmigung für ein Vorhaben erteilt wird, das nur unter Inanspruchnahme eines Notwegerechts ausgeführt und genutzt werden kann. Ein Notwegerecht würde nach § 917 Abs. 1 S. 1 BGB unmittelbar (nach anderer Auffassung: mit dem Verlangen der Nutzungsduldung, siehe P. Bassenge, in: Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, § 917 Rdnr. 12) entstehen, da eine „ordnungsgemäße Benutzung“ des Baugrundstücks auch dann vorliegt, wenn die zugrundeliegende Baugenehmigung zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig ist. Siehe dazu: BVerwG, Urt. v. 26.3.1976, IV C 7.74, BVerwGE 50, 282 ff. Anders wiederum, wenn es sich um einen „Schwarzbau“ handeln würde; vgl. BVerwG, Urt. v. 4.6.1996, 4 C 15.95, BayVBl. 1997, S. 23. 217 Die Wettbewerbsfreiheit wurde vom BVerwG nach wie vor in Art. 2 Abs. 1 GG verortet (BVerwG, Beschl. v. 20.7.1983, 5 B 237.81, NVwZ 1984, S. 306 [307]). Zur Diskussion um deren Stellung siehe: D. Murswiek, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rdnr. 87; BVerfG, Beschl. v. 28.1.1970, 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375 [384 f.]: Art. 3 Abs. 1 GG; W. Henke, Recht der Wirtschaftssubventionen als öffentliches Vertragsrecht, 1979, S. 113 f.: kein abwehrrechtlicher Schutz, aber Möglichkeit einer Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs im Rahmen des Art. 14 GG, a. a. O. S. 120 ff. Für Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 8.2.1972, 1 BvR 170/71, BVerfGE 32, 311 [317]; BVerfG, Beschl. v. 12.10.1977, 1 BvR 216/75, 1 BvR 217/75, BVerfGE 46, 120 [137 f.]; BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002, 1 BvR 558/91, NJW 2002, S. 2621 ff. („Glykol“); H.-U. Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 152: Allgemeine Handlungsfreiheit, Rdnr. 62; R. Scholz, AöR 100 (1975), S. 128 f.; R. Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 12 Rdnr. 136; H.-J. Papier, DVBl. 1984, S. 809; R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 128 f. Die neuere Rechtsprechung des BVerwG stützt sich ebenfalls auf Art. 12 Abs. 1 GG: BVerwG, Urt. v. 18.4.1985, 3 C 34.84, BVerwGE 71, 183 [193]; BVerwG, Beschl. v. 21.3.1995, 1 B 211.94, NJW 1995, S. 2938 [2939]; siehe auch M. Bongen, WiB 1995, S. 922 ff. 218 BVerwG, Beschl. v. 20.7.1983, 5 B 237.81, NVwZ 1984, S. 306 [307]. Auch das BSG vertritt diese Rechtsprechung, siehe etwa BSG, Urt. v. 10.5.2000, B 6 KA 9/99 R, NJW 2001, S. 1814 f., wonach die Bestimmungen über Zulassungen und Sonderbedarfszulassungen (§§ 95 ff., § 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. Nr. 24 Bedarfsplanungs-RLÄrzte) nicht dazu bestimmt sein sollen, den Interessen der bereits zugelassenen Ärzte zu dienen. Eine Anfechtungsbefugnis bereits zugelassener Ärzte gegen Ermächtigungen bestehe allerdings für den Fall von Willkürentscheidungen: „Dies gründet sich darauf, daß der Wertgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG eine Auslegung der Ermächtigungsvorschriften dahin verlangt, daß die Zulassungsgremien auf schwere Beeinträchtigungen der niedergelassenen Vertragsärzte Rücksicht zu nehmen haben.“

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Im Gegensatz dazu stehen allerdings Entscheidungen, bei denen ein Eingriff in einen Kernbereich nicht nur eher fern lag, sondern sogar betont wurde, daß ein grundrechtliches subjektives öffentliches Recht gerade nicht auf einen solchen Kernbereich beschränkt sei219. Besonders deutlich wird die unterschiedliche Behandlung, wenn es um Art. 2 Abs. 1 GG geht. Dieser wird in polygonalen Verhältnissen – also außerhalb der durch die sogenannte „Adressatentheorie“220 beschriebenen Konstellationen – weitgehend nur aktiviert, wenn es um den Schutz einer speziell thematisierten Freiheit oder um ein Zusammenwirken mit anderen Grundrechtsnormen geht221. Bei einem allgemeinen Rückgriff wird teilweise sogar an der Qualität als subjektiv-öffentliches Recht gezweifelt222. Umgekehrt steht Art. 2 Abs. 1 GG als Grundlage für die Subjektivierung des Gesetzmäßigkeitsprinzips zugunsten eines Adressaten von Verwaltungshandlungen seit der „Elfes-Entscheidung“223 außer Frage224. ___________ 219 BVerwG, Urt. v. 3.5.1973, I C 20.70, BVerwGE 42, 141 (Klagebefugnis eines deutschen Ehegatten gegen die Ausweisung eines Ausländers): „Der besondere Schutz der staatlichen Ordnung, den dieses Grundrecht für Ehe und Familie bereitstellt, beschränkt sich […] nicht auf die Gewährleistung eines Kernbestandes. Vielmehr begründet Art. 6 Abs. 1 GG die umfassende Aufgabe für den Staat, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern […]. Dazu gehört neben anderem, daß dem einzelnen ‚ein Abwehrrecht gegen störende und schädigende Eingriffe des Staates in seine Ehe und seine Familie‘ zur Verfügung stehen muß, soll nicht das Grundrecht seiner ‚Schutzwirkung weitgehend beraubt‘ werden […].“ Bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 27.8.1996, 1 C 8.94, BVerwGE 102, 12 ff. 220 Siehe dazu die Darstellung bei T. Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, 1998, S. 280 und F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 77 ff. sowie F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 69, 128. 221 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 117; siehe zum Begriff des „benannten Grundrechts“ auch J. Pietzcker, in: FS für Otto Bachof, 1984, S. 131 [148 f.]. 222 H. Jarass, BImSchG, 4. Aufl. 1999, § 6 Rdnr. 32; BVerwG, Urt. v. 29.7.1977, IV C 51.75, BVerwGE 54, 211 („Auf Art. 2 Abs. 1 GG läßt sich eine sog. Nachbarklage grundsätzlich nicht stützen“), kritisch: H. H. Rupp, DVBl. 1982, S. 144 ff. F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 128: „nicht jeder Belang unterfällt seinem Schutzbereich“. 223 BVerfG, Urt. v. 16.1.1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 („Elfes“), bestätigt in BVerfG, Beschl. v. 6.6.1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 [152 f.] („Reiten im Walde“). Dazu: H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [21; 25 f.], der zunächst noch von einer „dubiosen“ Konstruktion gesprochen hat (H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 235 Fn. 389 a.E.). Kritisch: T. Dehler, JZ 1960, S. 727 ff. und G. Roellecke, DRiZ 1994, S. 81 ff. Siehe auch H. Hutzelmann, Die prozessuale Bedeutung des Elfes-Urteils des Bundesverfassungsgerichts, 1970, J. Schwabe, DÖV 1973, S. 623 ff. 224 Statt vieler: F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 128 und F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 80, der eine materielle Beeinträchtigung durch ein Gebot fordert.

B. Das deutsche Verständnis

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(4) Abgrenzung zur zivilrechtlichen Schutznormtheorie Im Zivilrecht spielt die Bestimmung von Schutzgesetzen namentlich bei § 823 Abs. 2 BGB eine Rolle. Schutzgesetz ist nach ständiger Rechtsprechung225 „eine Rechtsnorm dann, wenn sie – sei es auch neben dem Schutz der Allgemeinheit – gerade dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen. Dabei kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlaß des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, daß die Norm auch das Interesse des einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben.“

Die Schaffung eines individuellen Schadenersatzanspruchs muß erkennbar vom Gesetz erstrebt sein226. Die Parallelen zur Schutznormtheorie im öffentlichen Recht liegen auf der Hand. Die Rechtsprechung mißt allerdings – im Gegensatz zum öffentlichen Recht227 – der historischen Auslegung eine besondere Bedeutung bei228, 229. Auch die zivilrechtliche Rechtsprechung gelangt hier nicht immer zu überzeugenden Ergebnissen230. Entscheidend dafür, die dogmatischen Strukturen hier nicht weiter zu verfolgen, ist aber, daß es immer um die Frage der Anspruchsberechtigung Privater oder zumindest um privatrechtliche Ansprüche geht. Die spezifischen Probleme des subjektiv-öffentlichen Rechts stellen sich – namentlich vor dem Hintergrund der primären Staatsgerichtetheit der Grundrechte – immer in Konstellationen, in denen der Staat zumindest mit___________ 225 So die Ausführungen des BGH, Urt. v. 21.10.1991, II ZR 204/90, ZIP 1991, S. 1597 [1598] und BGH, Urt. v. 8.5.1973, VI ZR 164/71, WM 1973, S. 992 [993]. 226 H. Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, § 823 Rdnr. 141. 227 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(2)(a)iv), S. 93. 228 Etwa: BGH, Urt. v. 18.5.1976, VI ZR 241/73, BB 1976, S. 1032 zu § 393 RVO. 229 Dies ist teilweise auch der Fall, wenn die Zivilgerichte im Rahmen des Staatshaftungsrechts die Schutznormverletzung prüfen, etwa BGH, Urt. v. 15.2.1979, III ZR 108/76, BGHZ 74, 144 [152 f.] zur Entstehungsgeschichte des KWG. 230 Hier hat sich eine Kasuistik entwickelt, die ebenso verwirrend wie diejenige im öffentlichen Recht ist, so etwa die Rechtsprechung BGH, Urt. v. 19.2.1990, II ZR 268/88, BGHZ 110, 342 und BGH, Urt. v. 6.6.1994, II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 zu §§ 30 und 41 GmbHG einerseits, sowie § 64 Abs. 1 GmbHG andererseits. Die Hegeund Abschußvorschriften der §§ 1 Abs. 2, 21 BJagdG sollen im Hinblick auf Wildschaden keine Schutzgesetze (H. Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, § 823 Rdnr. 153), die durch die Verwaltung konkretisierte Pflicht des § 27 Abs. 1 BJagdG zur Verringerung des Wildbestandes hingegen Schutzgesetz zugunsten einzelner Grundstücksberechtigter sein (BGH, Urt. v. 22.4.1974, III ZR 21/72, BGHZ 62, 265). Ein anderes Beispiel bietet BAG, Urt. v. 30.9.1970, 1 AZR 535/69, DB 1971, S. 101. Weitere Nachweise bei H. Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, § 823 Rdnr. 145 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

beteiligt ist231. Insoweit hat die zivilrechtliche Schutznormtheorie eine spezifische, unterschiedliche Finalität232. 2. Kritik an der Schutznormtheorie Die dogmatische Diskussion um die Schutznormtheorie ist immer noch virulent233 und die Liste der Kritiker seit jeher lang234. ___________ 231

Ebenso: P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 118. Sobald – auch bei Anwendung zivilrechtlicher Normen wie etwa § 1 UWG – ein staatliches Handeln in Rede steht, wird von den Zivilgerichten teilweise wieder die öffentlich-rechtliche Konzeption der Schutznormtheorie herangezogen. Ein aktuelles Beispiel ist die Rechtsprechung zu Unterlassungsklagen gegen erwerbswirtschaftliche Tätigkeit kommunaler Unternehmen. Die Frage, ob die Bestimmungen der Gemeindeordnungen private Wettbewerber schützen, nach denen ein kommunales Unternehmen nur dann errichtet werden darf, wenn ein öffentlicher Zweck dies erfordert und dieser Zweck nicht ebensogut durch andere erfüllt werden kann (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO BW), wurde von OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.11.2001, 6 U 43/01, OLGR Karlsruhe 2002, S. 131 ff., verneint. Der VGH Mannheim, Beschl. v. 21.7.1982, 1 S 746.82, NJW 1984, S. 251 ff. war ebenfalls dieser Meinung. Das OLG Hamm, Urt. v. 23.9. 1997, 4 U 99/97, NJW 1998, S. 3504 war hingegen bezüglich § 107 Abs. 1 GemO NW zum entgegengesetzten Ergebnis gelangt, da die fragliche Bestimmung gerade zum Schutz der privaten Mitbewerber bestehe. Letztgenanntes Urteil hatte Bestand. Der BGH lehnte die Annahme der Revision ab, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung, noch Aussicht auf Erfolg habe (BGH, Beschl. v. 8.10.1998, I ZR 284/97, n.v.). Diese Einschätzung hat der Senat in einer Entscheidung zu Art. 87 BayGO wieder geändert: BGH, Urt. v. 25.4.2002, I ZR 250/00, NJW 2002, S. 2645. Näher dazu: J. Wieland, Die Verwaltung Bd. 36 (2003), S. 225 [235 ff.]. 233 Aus dem neueren Schrifttum: M. Beckmann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im raumbedeutsamen Umweltrecht, 1987, S. 178 ff.; F. Dirnberger, Recht auf Naturgenuß und Eingriffsregelung, 1991, S. 54 ff.; S. König, Drittschutz, 1993; R. Wahl, Jus 1984, S. 577 [579]; H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 8 Rdnr. 9, 10; an neueren Habilitationen etwa P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991; P. Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, 1992; M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992. 234 Die Existenz und Notwendigkeit wird nach wie vor kontrovers diskutiert. G. Ress, in: Ermacora / Funk / Koja / Rill / Winkler, Allg. Verwaltungsrecht, 1979, S. 105 zählt die Schutznormtheorie zu den „wesentlichen Strukturbegriffen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts“; N. Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 20 Rdnr. 68 hält die Figur für „schlicht überflüssig“, M. Zuleeg, DVBl. 1976, S. 509 [521] für in ihrer Bedeutung überbewertet; E. Forsthoff, Verwaltungsrecht Bd. I, Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, S. 187) gelangt angesichts des Streits um die Bedeutung zu der Feststellung, daß sie letztlich eher quantitativ als qualitativ zu bestimmen und der Streit im Grunde genommen überflüssig sei. Kritisch auch: R. Bartlsperger, VerwArch. Bd. 60 (1969), S. 35 [47 ff.]; R. Bartlsperger, DVBl. 1970, S. 30 ff.; R. Bartlsperger, DVBl. 1971, S. 723 ff.; H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [116]; R. Bernhardt, JZ 1963, S. 302 ff.; A. Bleckmann, VBl.BW 1985, S. 361 ff.; M. Bothe, JZ 1975, S. 399 ff.; W. Brohm, VVDStRL Heft 30 232

B. Das deutsche Verständnis

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Vor allem die Unsicherheiten bei der Auslegung zur Ermittlung der Schutzfunktion einer Norm235, sowie des Kreises der Geschützten sind Gegenstand kritischer Äußerungen im Schrifttum. Die Schutznormtheorie ermögliche es, daß „die Anerkennung subjektiver Rechte letztlich […] den Wertvorstellungen des Rechtsanwenders“ folge236. Diese Unklarheiten seien durch den historischen Ursprung der Theorie bedingt, die nicht für mehrseitige Rechtsverhältnisse entwickelt worden sei, sondern um Normen zu ermitteln, die ausnahmsweise – zur Zeit des wilhelminischen Spätkonstitutionalismus – dem Bürger ein subjektives öffentliches Recht gegenüber dem Staat gewährten237. Die Anwendung der Theorie auf dreiseitige Rechtsverhältnisse müsse daher zu Schwierigkeiten führen238. Angesichts dieser Kritik [a)] sind einige alternative Konzeptionen zur Schutznormlehre entwickelt worden [b)]. ___________ (1972), S. 245 [271 ff.]; W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 57 ff., 86 ff.; W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [621]; K.-H. Ladeur, UPR 1984, S. 1 ff.; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 51 ff.; J. Martens, NJW 1985, 2302 ff.; J. Martens, KritV 1986, S. 104 ff.; P. Mayer-Tasch, Umweltrecht im Wandel, 1978, S. 82 ff.; F.-J. Peine, DÖV 1984, S. 963 ff.; C. Sailer, NuR 1987, S. 207 [211]; R. Schmidt, NJW 1967, S. 1635 ff.; R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 90 ff., 122 ff.; R. Scholz, WiR 1972, S. 35 ff., 53 ff.; C. Sening, NuR 1979, S. 9 ff.; C. Sening, AgrarR 1980, S. 63 ff.; C. Sening, NuR 1985, S. 125 [131]; D. Suhr, Immissionsschäden vor Gericht: Dokumente zum Augsburger Waldschadensprozeß, 1986, S. 110 ff.; D. Suhr, in: Baumann, Rechtsschutz für den Wald, 1986, S. 45 ff.; M. Zuleeg, DVBl. 1976, S. 509 [514]; zweifelnd, wenn auch im Ergebnis zustimmend: H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 39. Auch in der Rechtsprechung gibt es immer wieder kritische Ansätze: OVG Münster, Urt. v. 10.9.1982, 10 A 2296.79, NVwZ 1983, S. 414 ff. mit zustimmender Anmerkung: H.-H. Schröer, DVBl. 1984, S. 426 ff. („Jede Norm des materiellen öffentlichen Baurechts hat potentiell nachbarschützende Wirkung“) durch BVerwG, Beschl. v. 16.8.1983, 4 B 94.83, NVwZ 1984, S. 38 f. aufgehoben. 235 R. Breuer, DVBl. 1983, S. 431 [433, 434, 436]. 236 H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [130]; H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 140 ff.; ähnlich: P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 154. 237 M. Rott, Das verwaltungsrechtliche subjektive öffentliche Recht im Spiegel seiner Entwicklung im deutschen liberalen Rechtsstaat und in der französischen „théorie des droits subjectifs des administrés“, 1976, S. 88 ff.; H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 22 ff., 123 ff. 238 A. Blankenagel, Die Verwaltung Bd. 26 (1993), S. 1 [4]; K.-H. Ladeur, UPR 1992, S. 81 [83]; P. Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, 1992, S. 121 ff. Im Dreiecksverhältnis gilt auch nicht die vom BVerfG entwickelte (BVerfG, Urt. v. 5.2.1963, 2 BvR 21/60, BVerfGE 15, 275 [281 f.]) Vermutung für ein subjektiv-öffentliches Recht in Zweifelsfällen; vgl. A. Blankenagel, Die Verwaltung Bd. 26 (1993), S. 1 [8]; P. Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, 1992, S. 35; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 144.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

a) Einzelne Ebenen der Kritik (1) Definitionsmerkmale aus der Zeit des Konstitutionalismus Die aufgezeigten historischen Schwankungen haben dazu geführt, daß die Schutznormtheorie für nicht mehr zeitgemäß gehalten wird239. Durch das Grundgesetz habe sich die Vorstellung von einem strikten Dualismus von Staat und Gesellschaft geändert, welcher eine klare Trennung von öffentlichen und privaten Interessen ermöglicht habe. Der moderne Leistungsstaat habe sich von diesen politischen und staatsrechtlichen Voraussetzungen entfernt; gleichwohl greife man im wesentlichen auf die Definitionsmerkmale dieser Zeit zurück240. (2) Unbefriedigendes rechtstechnisches Konzept Als im Detail eher unbefriedigend hat sich die Ermittlung des Gesetzeszwecks erwiesen. Dieser sei zwar an einem rationalen „Kanon von Regeln und Methoden“ ausgerichtet, aber vielfach deswegen spekulativ241, da über den genauen Inhalt gerade keine Einigkeit bestehe242. Grund hierfür ist in erster Linie, daß Gesetze den Schutzcharakter in der Regel nicht eindeutig erwähnen und die Gesetzesmaterialien in den seltensten Fällen aufschlußreich sind – meist nur dann, wenn auf eine aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung reagiert wird243. In „Massenverfahren der planenden und verteilenden Verwaltung“ funktioniere der Ansatz nur noch bedingt: Aus einer mit bestimmter Finalität ___________ 239

M. Bothe, JZ 1875, S. 599 [601], R. Schmidt, NJW 1967, S. 1635 [1640]. G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 145. 241 H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [117] unter Hinweis auf die Aussprache auf dem 56. Deutschen Juristentag. 242 Siehe nur die Zusammenstellung bei: H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [124]; G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 144. 243 Beispiel hierfür ist § 6 Abs. 4 KWG, eine Folge der für die öffentliche Hand unangenehmen Wetterstein- und Herstatt-Entscheidungen des BGH (BGH, Urt. v. 15.2.1979, III ZR 108/76, BGHZ 74, 144; BGH, Urt. v. 12.7.1979, III ZR 154/77, BGHZ 75, 120); vgl. dazu die Begründung zum Gesetz zur Änderung des KWG vom 20.12.1984, BTDrs. 10/1441, S. 20 f und 56 sowie A. Fülbier, in: Boos / Fischer / Schulte-Mattler, KWG, 2000, § 6 Rdnr. 71). Siehe nunmehr § 4 Abs. 4 FinDAG. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7033, Seite 34) verdeutlicht die Vorschrift, „daß die Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesanstalt nur im öffentlichen Interesse erfolgt. Privatrechtliche Ansprüche werden von der Bundesanstalt nicht geprüft. Die Durchsetzung individueller Ansprüche gehört nicht zu den Aufgaben der Bundesanstalt.“ Eine entsprechende Regelung enthält nunmehr auch § 4 Abs. 2 WpÜG. 240

B. Das deutsche Verständnis

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gesetzten Norm lasse sich der Adressatenkreis nicht entnehmen und eine Feststellung gewollter oder nur tatsächlicher Individualbegünstigung sei ex ante nicht zu beantworten244. Überdies sei nicht geklärt, was der Begriff des „Interesses“ zu bedeuten habe245: ihm wird eine „schillernde Gemeinplatznatur“246 bescheinigt, er sei „gänzlich abgedroschen“247, ein „blasser, juristisch gehaltloser Blankettbegriff“248. Auch wo die Trennlinie zwischen öffentlichen und privaten Interessen verlaufen soll, so zwischen beiden überhaupt ein Gegensatz bestehe249, sei nicht geklärt250.

___________ 244 W. Schmitt Glaeser, in: Lerche / Schmitt Glaeser / Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, 1984, S. 55. 245 Der Begriff des „Belangs“ ist weiter als der Begriff des „Interesses“, siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(4), S. 77 Fn. 86. Die Einzelheiten sind noch ungeklärt. Die Begriffe werden aber teilweise im selben Gesetz in ähnlicher Weise benutzt, so etwa in § 1 Abs. 6 und § 35 Abs. 3 BauGB einerseits und § 31 Abs. 2 BauGB andererseits. Auch die Rechtsprechung des BVerfG neigt zu synonymer Anwendung, etwa BVerfG, Beschl. v. 11.11.2002, 1 BvR 218/99, NVwZ 2003, S. 197 [198]: „Es obliegt dem Gesetzgeber, der Inhalt und Schranken der als Eigentum geschützten Rechtspositionen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bestimmt, für einen solchen Fall kollidierender Interessen durch öffentlich-rechtliche wie durch bürgerlich-rechtliche Vorschriften einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen und der Allgemeinheit, aber auch zwischen den möglicherweise widerstreitenden Belangen verschiedener Privater herbeizuführen.“ Hervorhebungen hinzugefügt. 246 R. Dubischar, Grundbegriffe des Rechts, 1968, S. 42. 247 W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [626 Fn. 21]. 248 H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [126]. 249 Insoweit zweifelnd: H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [127]; R. Scholz, WiR 1972, S. 35 [54]; W. Schmidt, NJW 1978, S. 1769 [1770]; K.-H. Ladeur, UPR 1984, S. 1 [4]. Dezidiert P. Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Aufl. 1983, S. 23: „Das Wesen aller Rechtsnormen besteht nämlich darin, daß sie zugleich den Schutz von öffentlichen und privaten Interessen bezwecken“. Siehe auch den schon im Titel bezeichnenden Beitrag von A. Bleckmann, Die Entwicklung der Allgemeininteressen aus den Grundrechten der Verfassung, 1991. 250 Dies stellen schon G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 70 und O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 44 fest. Siehe auch P. Häberle, Das Verwaltungsrechtsverhältnis – eine Problemskizze, in: Häberle, Die Verfassung des Pluralismus, 1980, S. 248 [267]. Zu den Wanderungsbewegungen zwischen den Zuordnungsproblemen „öffentlich“ und „privat“ instruktiv: P. Preu, Die historische Genese der öffentlichrechtlichen Bau- und Gewerbenachbarklagen, 1990.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

(3) Das Erfordernis der Abgrenzbarkeit der Destinatäre Die früher häufig geäußerte Kritik am Kriterium der Abgrenzbarkeit des geschützten Personenkreises251 – es könne vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG nicht darauf ankommen, daß ein Träger öffentlicher Gewalt besonders viele oder gar alle Rechtsunterworfenen in ihren Rechten verletze – ist heute nicht mehr entscheidend; entgegen der früheren Rechtsprechung252 kommt es nach der neueren Judikatur253 nicht darauf an, daß die Norm ausdrücklich einen fest abgrenzbaren Kreis der Betroffenen benennt. Ausreichend ist vielmehr, daß die Vorschriften „nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm für die Behörde auch der Rücksichtnahme auf Interessen eines individualisierbaren Personenkreises dienen“254. (4) Kritik am abstrakt-generellen Ansatz Die Schutznormtheorie ist nach Meinung einiger in ihrem abstrakten konzeptionellen Ansatz unklar. Sie habe „zu einem Dickicht von Einzelfallentscheidungen geführt“255, sei „in das Fahrwasser subjektiver Meinungen gera___________ 251 J. Pietzcker, in: FS für Otto Bachof, 1984, S. 131 [143]; P. Marburger, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Gutachten C, 1986, S. C 33 f. 252 BVerwG, Urt. v. 28.4.1967, IV C 10.65, BVerwGE 27, 29 [33] mit ausdrücklichem Verweis auf BGH, Urt. v. 27.11.1963, V ZR 201/61, BGHZ 40, 306 [307]: „Ein solcher von der jeweiligen Norm her bestimmter und abgrenzbarer Kreis der Berechtigten ist nach Auffassung des erkennenden Senats […] zu verlangen, um ein subjektives Recht bejahen zu können“; VGH Kassel, Urt. v. 22.12.1982, III OE 55.82, n.v.; VGH Mannheim, Urt. v. 22.7.1981, 5 S 858.81, DÖV 1982, S. 293. 253 BVerwG, Urt. v. 15.7.1987, 4 C 56.83, BVerwGE 78, 40 [43]: „Ein […] geschützter Personenkreis ist zwar in den genannten Vorschriften nicht eindeutig räumlich abgegrenzt. Darauf kommt es aber nach der neueren Rechtsprechung des Senats zum öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, daß sich aus individualisierenden Merkmalen des Genehmigungstatbestandes ein Personenkreis entnehmen läßt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet.“ Siehe: M. SchmidtPreuß, DVBl. 1994, S. 288 ff.; F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 84; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 16.3.1989, 4 C 36.85, BVerwGE 81, 32 [34]. 254 BVerwG, Urt. v. 20.4.1994, 11 C 17.93, BVerwGE 95, 333 ff. zu § 45 Abs. 1 b S. 1 Nr. 5 StVO. Vgl. dazu U. Steiner, VerwArch. Bd. 86 (1995), S. 173 ff. und H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 32. Wie weit dies reichen kann, zeigt etwa OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.9.2001, 7 U 148/99, NJW 2002, S. 445 ff., wonach die in § 11 Abs. 2 StVollzG geregelten Voraussetzungen für die Gewährung von Lockerungen im Strafvollzug drittschützenden Charakter haben sollen: erfaßt ist danach jeder einzelne, der Opfer von Straftaten des Freigängers wird. Kritisch dazu: T. Ullenbruch, NJW 2002, 416 ff. 255 K. Hailbronner, DVBl. 1979, S. 767 [768].

B. Das deutsche Verständnis

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ten“256 und aufgrund ihrer Abstraktheit257 nur geeignet, relativ undifferenzierte Ergebnisse zu zeitigen, die mit dem Abstellen auf den Willen des Gesetzgebers insbesondere grundrechtlichen Anforderungen nicht genügend Rechnung trügen258. (5) Kritik am einzelfallbezogenen Grundrechtsschutz bei unmittelbarem Rückgriff auf die Grundrechte Eng damit verbunden ist die bis heute nicht umfassend geklärte Frage, wie sich neben der sonst abstrakten Bestimmung des subjektiv-öffentlichen Rechts die einzelfallbezogene Beschränkung des Drittschutzes auf „nachhaltige, schwere und unerträgliche“ respektive „existenzgefährdende“ Beeinträchtigungen bei unmittelbarem Rückgriff auf die Grundrechte rechtfertigen läßt. Die Grundrechte seien insoweit „Lückenbüßer“259, womit ihrem eigentlichen, uneingeschränkten Charakter als subjektive öffentliche Rechte nicht entsprochen werde, was vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG nicht haltbar sei260. Die Begrenzungskriterien des unmittelbaren Rückgriffs auf die Grundrechte seien – da maßstabslos261 – ungeeignet. (6) Die besondere Rolle der allgemeinen Handlungsfreiheit Eine weitere Inkonsequenz wird darin gesehen, daß die Rechtsprechung – anders als bei Art. 2 Abs. 1 GG als Grundlage einer speziellen Freiheit in Gestalt etwa der Wettbewerbsfreiheit262 – bei der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG das Erfordernis einer Betroffenheit im grundrechtlichen Kernbereich stets abgelehnt hat263. Es wird in diesem Zusammenhang auch ein-

___________ 256

H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [136]. 257 R. Alexy, DÖV 1984, S. 953 [961]. 258 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 155. 259 U. Ramsauer, AöR Bd.111 (1986), S. 501 [507]. 260 C. Degenhart, JuS 1984, S. 187 [190]. 261 G. Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 306, die auch sonst den „präformierten“ Grundrechtsschutz strikt ablehnt. 262 Deren Verankerung in Art. 2 Abs. 1 GG überdies bestritten ist, siehe F. Kopp / W.R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 150 und oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b) (3)(c), S. 99 Fn. 217. 263 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 157.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

geräumt264, daß diese Rechtsprechung vom Ergebnis und nicht von der dogmatischen Konstruktion her konzipiert sei. (7) Gemeinschaftsverwaltungsrechtlich begründete Kritik Eine weitere Angriffsfläche wird zunehmend dem Bereich gemeinschaftsrechtlich determinierter Umsetzungsnormen entnommen, insbesondere dann, wenn diese zwingende Handlungsanweisungen zugunsten bestimmter Begünstigter enthalten, selbst aber nicht ausdrücklich subjektive Rechte auf deren Einhaltung einräumen265. Die Schwierigkeiten resultieren vor allem daraus, daß innerhalb der Schutznormtheorie von Rechtsprechung und herrschender Literatur zwischen den typisierten Belangen einer Gesamtheit (z. B. der Volksgesundheit, dem Interesse der Versichertengemeinschaft etc.266) und denen des einzelnen differenziert wird267. In gemeinschaftsrechtlich determinierten Bereichen können subjektiv-öffentliche Rechte auch in den Fällen bestehen oder einzuräumen sein, in denen die fragliche Norm nach Maßstäben der Schutznormtheorie nur Allgemeininteressen oder typisierte Belange schützt268. Die damit einhergehende Erweiterung der materiellen Positionen des einzelnen müsse dazu führen, von der nationalrechtlichen Vorstellung Abschied zu nehmen, daß Normen individuelle Rechte nur dann begründen können, wenn sie auch Individualinteressen schützen wollen269. Diese Kritik zielt vor allem auf die Frage, ___________ 264

H. Sendler, in: FS für Helmut Simon, S. 113 [122]: „Den Verdacht, Folgenfurcht habe der Anerkennung einer Konkurrentenklage – jedenfalls einer weniger restriktiven als bisher – entgegengestanden und zu deren Ablehnung geführt, muß sich auch die diese Spezies betreffende Rechtsprechung gefallen lassen.“ 265 Das gemeinschaftsverwaltungsrechtliche Verständnis wird unten, Zweites Kapitel – C., S. 231 ff. näher erläutert und ausführlich belegt. Hier muß vorläufig eine punktuelle Darstellung genügen. 266 Beispiele von J. Ruthig, BayVBl. 1997, S. 289 [291]. 267 BVerwG, Urt. v. 22.2.1994, 1 C 24.92, BVerwGE 95, 133 [137]. Siehe auch die Nachweise oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(2)(a)ii), S. 92 Fn. 175, 176. 268 H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 44 und H.-U. Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 [413] zur Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie (RL 90/313/EWG). Bezeichnenderweise ist in allen Entscheidungen zu dieser Richtlinie das Recht der Bundesrepublik Ausgangspunkt des Verfahrens: EuGH, Urt. v. 17.6.1998, Rs. C-321/96 – Wilhelm Mecklenburg, Slg. 1998, I-3809 und EuGH, Urt. v. 9.9.1999, Rs. C-217/97 – Kommission / Deutschland, Slg. 1999, I-5087. 269 E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 20. Dieser hält die unmittelbare Anwendbarkeit einer Norm für hinreichend, um gemeinschaftsrechtliche individuelle Rechte begründen zu können. Ihm folgend: A. Bach, JZ 1990, S. 1108 [1116]. Siehe auch B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 132 ff.; J. Wolf, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1361 [1368 f.] und die anschauliche Zusammenfassung von J. Schwarze, in: Schwarze, Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1996, S. 175 ff.

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ob sich die Ermittlung der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis einer „einspurigen“ oder einer „zweispurigen“270 Lösung verpflichtet sieht, ob also das „Recht“ im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO allein aufgrund der Schutznormlehre zu ermitteln ist oder nicht. Diesem Schwerpunkt entsprechend wird auf die Frage vorwiegend im Dritten Kapitel der Arbeit zurückzukommen sein271. (8) Primat des subjektiven Rechts Eine grundsätzlichere Kritik findet sich bei Gerhard Robbers272. Nachdem kaum ein Merkmal der Schutznormtheorie heute unbestritten sei, bestehe nur insoweit Einigkeit, als ein Satz des objektiven Rechts vorliegen müsse, welcher dem einzelnen die gesuchte Rechtsstellung einräume. Gerade hierin, in der Vorstellung vom Primat des objektiven Rechts, liege der eigentliche Grund der Schwierigkeiten, da der geforderte Satz des objektiven Rechts und die Vorstellung davon, was objektives Recht überhaupt sei, oft unbestimmt bleibe273. Die Stellung des einzelnen im Staat selbst bleibe damit „abgeleitet und unselbständig“274; alle Versuche, den einzelnen vom Objekt zum Subjekt der Rechtsordnung zu machen, müßten daher „auf halbem Wege steckenbleiben“275. Die Schutznormtheorie, die zur Entstehungsvoraussetzung eines subjektiven Rechts immer von der möglichen Verletzung rechtlich geschützter Interessen, also von der möglichen Verletzung objektiven Rechts ausgehe, sei schon deswegen falsch, da die Existenz eines Rechts nicht von der Möglichkeit seiner Verletzung abhängen könne276. Vielmehr bestimmten Umfang und Existenz eines Rechts die Möglichkeit seiner Verletzung. Folglich sei vom Primat des subjektiven Rechts auszugehen. Objektives Recht werde dann „Zuordnung, nicht Zuweisung“277 subjektiver Rechte. Damit habe aber die tatsächliche Interessenlage ___________ 270 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 391. 271 Unten, Drittes Kapitel – C.II.2.b)(2), S. 455 ff. 272 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 145 f.; siehe auch schon W. Brohm, VVDStRL Heft 30 (1972), S. 245 [272]. 273 Inhalt und Reichweite des objektiven Rechts werden selten definiert, siehe etwa J. Baumann, Einführung in die Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1980, S. 230: „die Rechtsordnung“ oder W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [622]: „Recht, welches unabhängig von einer Person für sich besteht“. 274 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 147. 275 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 147. 276 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 152. 277 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 148. Siehe aber M. Herdegen, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 161 [179], der vor der Gefahr einer „Atomisierung der objektiven Rechtsordnung durch Auflösung in kollidierende Individualrechtspositionen“ warnt.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

schon von sich aus rechtliche Bedeutung, sie habe „die Vermutung der Schutzwürdigkeit für sich“278. b) Alternativen zur Schutznormtheorie Angesichts dieser Kritikpunkte sind einige andere Lösungsansätze entwickelt worden. (1) Strikt an materiellen Grundrechten orientierte Lehren Nach einer Auffassung sind zumindest im Bereich des status negativus einfachgesetzliche subjektive Rechte und damit auch die Schutznormtheorie entbehrlich. Dem liegt die Auffassung zugrunde, der einzelne könne sich mit Hilfe der Grundrechte gegen rechtswidrige Belastungen jedweder Art zur Wehr setzen. Es sei daher bei den Gewährleistungsbereichen der einzelnen Grundrechte selbst anzusetzen, wobei die Art und Weise der Beeinträchtigung eine untergeordnete Rolle spielt. Dies hat zunächst Rudolf Bernhardt279 versucht, indem er mittels Art. 2 Abs. 1 GG ein subjektiv-öffentliches Recht auf Beachtung des Gesetzes auch für Nicht-Adressaten fruchtbar machen wollte. Auch Manfred Zuleeg hat hierfür wiederholt plädiert280. Aus der Sicht des traditionellen Verständnisses widerspricht dies dem Prinzip, daß der Gesetzgeber widerstreitende Grundrechte in Dreiecksverhältnissen zum Ausgleich bringen soll, nicht die Gerichte. Überdies wird immer wieder betont, daß in gleichem Maße wie der Staat von den traditionellen Mitteln von Ge- und Verboten abgeht und die Methoden mittelbaren Beeinflussens, wie Subventionierung oder Abgabenerhebung einsetzt281, die Abwehr unmittelbarer Eingriffe an Bedeutung verliert. Ein Schutzbedürfnis besteht vielmehr im Hinblick auf alle Beeinträchtigungen, die die tatsächlichen Voraussetzungen freier Betätigung nachteilig betreffen282. Die Grundrechte sind insoweit nicht als Grundlagen subjektiver Rechte, sondern als objektivrechtliche Wert- und Steuerungsvorgaben angesprochen, deren Umsetzung in die soziale Wirklichkeit dem Gesetzgeber obliegt283. ___________ 278

G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 152. R. Bernhardt, JZ 1963, S. 302 ff. 280 M. Zuleeg, DVBl. 1976, S. 509 [514]; M. Zuleeg, Subventionskontrolle durch Konkurrentenklage, 1974. 281 Grundlegend: P. Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares“ Einwirken, 1977, S. 1 ff. 282 H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 35. 283 H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 8 Rdnr. 13; H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 35; P. Preu, Subjektiv279

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In der neueren Literatur findet sich dann auch der Versuch, eine differenzierte Lösung zu entwickeln284. Danach wird zunächst der objektive Regelungsgehalt einer Norm abstrakt auf die Frage hin untersucht, ob ihr Vollzug geeignet sein könne, Grundrechte einzelner zu beeinträchtigen285. Sobald der grundrechtliche Schutzbereich in Rede stehe, sei das subjektiv-öffentliche Recht vorgezeichnet und der Disposition des Gesetzgebers entzogen. Die Norm sei dann von Verfassungs wegen potentielle Schutznorm. Diese potentielle Schutznormqualität werde in der Folge bei konkreter Grundrechtsberührung im Normvollzug aktiviert; eine konkrete Schutznorm ergebe sich immer dann, wenn sich die Regelung im Einzelfall freiheitsverkürzend auswirke. Letztlich kristallisiere sich durch die normimmanente Wirkung der Grundrechte286 im Einzelfall ein subjektiv-öffentliches Recht heraus287. Verdienst dieser Überlegungen bleibt, den subjektivrechtlichen Charakter der Grundrechte in voller Schärfe zur Geltung bringen zu wollen; sie setzen sich aber dem Einwand aus, die Verfassung und ihre Leistungskraft als Rahmenordnung gegenüber Entscheidungen des Gesetzgebers zu überdehnen288. (2) Die These vom Individuum als Repräsentant öffentlicher Interessen und andere objektivierende Lehren Vor allem289 Rupert Scholz290 hat versucht, eine Synthese zwischen grundrechtlichen Anforderungen einerseits und gesetzgeberischer Gestaltungsbefugnis andererseits zu entwickeln. Ausgehend davon, daß eine einseitig am Gesetz orientierte Vorgehensweise der Schutznormtheorie verhindere, auf objektive

___________ rechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, 1992, S. 29 f.; A. Bleckmann, VBl.BW 1985, S. 361 [363]; O. Schlichter, NVwZ 1983, S. 641 [642]. 284 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 173 ff. 285 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 211, 213. 286 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 200 ff. 287 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 218, 222, 224. R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [201 Fn. 232] hat sich diese Idee in ähnlicher Weise zu eigen gemacht. 288 So: P. Badura, JA 1984, S. 83 [88]. 289 In ähnlicher Weise zu einer stärkeren Objektivierung neigend: W. Hoffmann-Riem, VVDStRL Heft 40 (1982), S. 187 [213, 233 f.]; F. J. Peine, DÖV 1984, S. 963 [970], C. Sening, NuR 1985, S. 125 [131]. 290 R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971; R. Scholz, WiR 1972, S. 35 ff.; R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 ff.; siehe auch R. Scholz, NJW 1972, S. 1217 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Wertentscheidungen der Verfassung Rücksicht zu nehmen291, soll das subjektivöffentliche Recht „auch öffentliche Interessen repräsentieren und begrifflich aufnehmen, wenn diese Repräsentation als inhaltlich typische Rechtsfolge eines Gesetzes nicht nur Ausdruck faktischer Zufälligkeit, sondern Ausdruck einer auch grundrechtlichen Begünstigung des jeweiligen Individuums ist“292.

Der einzelne soll als mittelbarer Sachwalter allgemeiner oder gruppenartig gleichartiger Interessen auftreten können293. Es sei bei der Typisierung respektive typisierenden Vorausschau bestimmter, individual-rechtlich relevanter Rechtsfolgen anzusetzen (individualrechtliche Folgendiskussion), also nicht allein der Tatbestand, sondern auch dessen Rechtsfolgen seien zu untersuchen294. Erst auf der Ebene der verwaltungsrechtlichen Zweckkonkretisierung und auf der Ebene der Rechtsfolgen lasse sich rückschließend eine konkrete Betroffenheit ermitteln, wobei der einzelne auch in seiner potentiell repräsentativen Stellung für alle in relevanter Form Betroffenen gesehen und ihm aus diesem Grund ein Recht zuerkannt werden müsse295. Verdienst dieses Ansatzes ist es, versucht zu haben, das wechselseitige Ineinanderwirken von Grundrechten und einfachem Recht einer dogmatisch befriedigenden Lösung zuführen zu wollen, den spezifisch zweidimensionalen Grundrechtsaspekt in seiner vollen Signifikanz erfaßt zu haben296 und den Blick auch auf die Rechtsfolgen zu richten. Kritikwürdig ist aber die Sichtweise, die die individuelle Freiheit des einzelnen nur noch als Funktion des Gemeinwohls versteht297 und damit eine „fatale Assoziation zur Sachwaltung fremder Interessen“298 aufweist. (3) Subjektives Recht und Rechtsweggarantie Ein weiterer Ansatz299 (Dieter Lorenz) setzt aus prozessualer Sicht ebenfalls auf der Ebene der Verfassung an. Grundüberlegung ist hierbei, daß es dem Ge___________ 291

R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 91. R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [203]. 293 R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [203, 204, 205]. 294 R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [205 Fn. 240]. 295 R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [205 Fn. 240]. 296 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 379. 297 Siehe dazu grundlegend: E.-W. Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973. 298 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 382. 299 D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973; D. Lorenz, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 143 ff. 292

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setzgeber nicht anheimgestellt sei, bei der Berührung des Individualbereichs subjektiv-öffentliche Rechte auszuschließen300, es also nicht Aufgabe des Gesetzgebers sei, den Kreis der Klagebefugten zu bestimmen. Subjektive Rechte sollen daher immer aus Normen abgeleitet werden können, wenn von diesen Interessen des einzelnen betroffen werden; die Grundrechte seien dabei die eigentliche Grundlage für die Ableitung subjektiv-öffentlicher Rechte. Maßgeblich für deren Ausstrahlungswirkung sei die Relation des einfachen Gesetzes zum Grundrecht, durch welches das Gesetz in verschiedener und abgestufter Weise subjektive Bezüge empfange301. Im Unterschied zu den oben dargestellten grundrechtsorientierten Lehren liegt hier die Betonung auf Art. 19 Abs. 4 GG, der dem Gesetzgeber keine Gestaltungsfreiheit lasse, sondern ihm nur gebiete, die verfassungsrechtliche Gewährleistung im Prozeßrecht nachzuzeichnen. Der Problematik dieser weiten Sichtweise wird dann versucht dadurch zu begegnen, daß die Bestimmung grundrechtlicher Schutzbereiche restriktiv gehandhabt wird302. Die entscheidende Schwachstelle ist denn auch der Versuch, Art. 2 Abs. 1 GG als bloße Kernbereichsgarantie zu verstehen303. (4) Die Rechtsverhältnislehre Einen anderen Weg geht die Rechtsverhältnislehre. Grundlage für das subjektiv-öffentliche Recht könne nicht die auf dem Boden der Statuslehre Georg Jellineks stehende Anschauung des „souveränen Individuums“ gegenüber dem „souveränen Staat“ sein, sondern nur das Verhältnis von Bürger und Staat als durch Gesetz bestimmtes Rechtsverhältnis304. Die Vorstellung eines „souveränen Staats“ könne nicht Grundlage rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts sein305. ___________ 300

D. Lorenz, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 143 [149]; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 55. 301 D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 65 ff. 302 D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 60. Diese Tendenz der zunächst großzügigen Zuerkennung eines Individualrechts und dessen in der Substanz restriktive Handhabung läßt sich auch für das einfache Recht in der jüngeren Rechtsprechung nachweisen, etwa BVerwG, Urt. v. 28.6.2000, 11 C 13.99, BVerwGE 111, 276 ff. Zustimmend dazu H. H. Rupp, NVwZ 2002, S. 286 ff.; kritisch A. Kukk, NVwZ 2001, S. 408 ff.; D. Czybulka, ZUR 2001, 268 ff. Näher dazu unten, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(b)iv), S. 167 ff. 303 Was das BVerfG seit BVerfG, Urt. v. 16.1.1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 („Elfes“) bestätigt in BVerfG, Beschl. v. 6.6.1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 [152 f.] („Reiten im Walde“) in ständiger Rechtsprechung ablehnt. 304 W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [633]; R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht: Allg. Teil, 1990, S. 455 ff. 305 W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [633]; M. Sudhof, Dreieckige Rechtsverhältnisse im Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1989, S. 21.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Da das subjektiv-öffentliche Recht immer noch an ein Subordinationsverhältnis anknüpfe, sei – das ist der spezifische Gedanke – auf diese dogmatische Figur zu verzichten. Nach Wilhelm Henke306 ist das Rechtsverhältnis dabei die Beziehung, die eine Person unmittelbar oder mittelbar mit mehreren verbindet. Norbert Achterberg307 hat sie als „rechtsnormgestaltende Beziehung zwischen zwei oder mehreren Subjekten“ beschrieben. Subjektive Rechte sind – in Anlehnung an das Zivilrecht – Rechtspositionen mit der Befugnis zur Durchsetzung einer normativ intendierten Konfliktentscheidung, wobei die Besonderheit im öffentlichen Recht nur in einer besonderen Bindung der Verwaltung bestehe308. Im einzelnen werden Berechtigungen, die tatsächliche oder rechtliche Begünstigungen gewähren, solche zu eigenem Verhalten und zur Abwehr von Beeinträchtigungen unterschieden309. Drei Punkte sind für die Bestimmung der in die Rechtsverhältnisse „eingebundenen“310 subjektiven Rechte entscheidend, nämlich die Orientierung an dem gesamten311, das jeweilige Rechtsverhältnis regelndem Normmaterial, die integrierende Betrachtung von Verfassungs- und Verwaltungsrecht und die Berücksichtigung der „konkreten Sachstrukturen“ des Regelungsbereichs312. Mit letzterem Erfordernis ist „eine Hinwendung zur Wirklichkeit des täglichen Lebens“313 gemeint: Es gelte den Blick zwischen „Normenmaterial“ und „Sachgegebenheiten“ gleichsam „hin- und herwandern“ zu lassen314.

___________ 306

W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, passim; W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [622]; W. Henke, in: FS für Werner Weber, 1974, S. 45 ff. 307 N. Achterberg, GS für Günther Küchenhoff, 1987, S. 13 [15]. Siehe auch N. Achterberg, Rechtstheorie Bd. 9 (1978), S. 385 ff. 308 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [130 f.]; W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [622]. 309 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [134]. 310 H. Hill, NJW 1986, S. 2602 [2610]: „Das Verwaltungsrechtsverhältnis ist nicht nur durch Art und Ausmaß seiner objektiven Verrechtlichung, sondern auch durch den Grad seiner Rechtssubjektivierung gekennzeichnet“. 311 Diese bedeutet einen wesentlichen Unterschied zur klassischen Konzeption: denn nach dieser muß derjenigen Norm der Schutzzweck entnommen werden, welche auch die Rechtspflicht begründet. 312 H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [147 f.]. 313 W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [623]; der Gedanke ähnelt also den Forderungen von R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 124, welcher die „Faktizität der Gesetzeswirkung“ ebenfalls berücksichtigt wissen will, siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(2), S. 111. 314 H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [147]; H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 [615] jeweils mit Hinweis auf K. Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl. 1963, S. 15 und M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. 1976, S. 197 ff., 203 ff.

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Auch ihre Befürworter315 erkennen an, daß die Rechtsverhältnislehre die Frage nach dem subjektiv-öffentlichen Recht im Einzelfall nur anders stellt, sie jedoch nicht wirklich beantwortet316. Die Qualifikation eines Beziehungsgefüges als Rechtsverhältnis eröffnet nämlich nicht die Möglichkeit, bestimmte, nicht normativ fundierte Rechtsfolgen herzuleiten317. Wird nur noch nach der konkreten Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses gefragt, so gerät das subjektiv-öffentliche Recht überdies funktionslos. Die Rechtsverhältnislehre hat aber in Dreiecksverhältnissen den Blick für eine ganzheitlichere, am wechselseitigen Interessenausgleich orientierte Betrachtungsweise befördert und die Problematik der isolierten Prüfung einzelner Normen deutlich gemacht318. (5) Die Betonung des einfachen Rechts Eine letzte Gruppe319 von Kritikern will schließlich die Möglichkeiten der gesetzgeberischen Ausgestaltung bei der Festlegung subjektivrechtlicher Positionen betont wissen und bildet insoweit den Gegenpol zu den strikt grundrechtsorientierten Lehren. Die Entstehung subjektiv-öffentlicher Rechte hängt nach dieser Sichtweise allein von der (verfassungsrechtlich gebundenen) Entscheidung des Normgebers über die individuelle Berechtigung zur Durchsetzung einer objektiv rechtlichen Begünstigung ab. Ihm obliegt es, zu entscheiden, welches Interesse an der Gestaltung der Sozialordnung er individueller Wahrnehmung anvertraut320. Die Auslegung des einfachen Rechtssatzes steht hier im Vordergrund, wobei die Rolle der Grundrechte durchaus gesehen wird. Die Konsequenz ist jedoch eine andere als bei den grundrechtsorientierten Lehren. Das einfache Recht, welches die grundrechtlich gebotene Mindestausstattung an subjektiv-öffentlichen Rechten nicht gewährt und dessen verfassungs___________ 315 R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht: Allg. Teil, 1990, S. 456 spricht von einer „dogmatischen Grundfigur“. Vgl. auch P. Krause, VVDStRL Heft 45 (1987), S. 212 ff. [besonders: 217–223]. 316 D. Ehlers, DVBl. 1986, S. 912 [913] ist sogar der Auffassung, daß die Unterschiede zumindest im Hinblick auf die absoluten Rechte von rein akademischem Interesse seien. 317 So zutreffend: H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 38. 318 Siehe etwa H. Bauer, JuS 1990, S. 24 [28 ff.]. 319 M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992; R. Wahl, DVBl. 1996, S. 641 [650]; mit Einschränkung auch: H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 40 ff. 320 A. Blankenagel, Die Verwaltung Bd. 26 (1993), S. 1 [21]: dieser hält den Gesetzgeber für ermächtigt, bestimmten Gruppen nach Kriterien wie Gefahr- oder Schadensnähe, Schadensschwere usw. klagefähige Rechtspositionen zuzuweisen, also weniger auf die Interessen, als vielmehr auf die Individualisierbarkeit abzustellen.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

konforme Auslegung nicht in Betracht kommt, ist schlicht verfassungswidrig. Die Lösung im Gerichtsverfahren besteht in einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG und gerade nicht im direkten Rückgriff auf Grundrechte321. Diese Ansicht führt den Dualismus von Grundrechtsdogmatik und einfachgesetzlichen subjektiv-öffentlichen Rechten weiter. Angriffspunkt ist denn auch, daß der Charakter der Grundrechte als subjektiv-öffentliche Rechte der Diskussion entzogen wird. Verdienst dieser Auffassung ist es aber, beharrlicher Arbeit am einfachen Gesetzestext und differenzierter Interpretationsarbeit den notwendigen Stellenwert zugewiesen zu haben. (6) Zusammenfassung In der Gesamtschau läßt sich mit Michael Sachs und Wilhelm Henke322 zumindest eines festhalten: ausdrücklich oder stillschweigend greifen alle Versuche, die subjektiv-öffentlichen Rechte materiell-rechtlich zu begründen, auf die Grundrechte oder die Notwendigkeit ihrer gesetzlichen Ausgestaltung zurück. Dies gilt für die Verfechter der Schutznormlehre ebenso wie für ihre Kritiker. Einige Gedanken der dargestellten Lösungsansätze haben denn auch Eingang in die Schutznormlehre in ihrer momentanen Ausprägung gefunden. Hierauf wird zurückzukommen sein323. 3. Zwischenbilanz Die Begründung des subjektiv-öffentlichen Rechts selbst sowie dessen Bestimmung mit der Methode der Schutznormtheorie sind in ihrer Entwicklung von Begriffs- und Methodenunsicherheit der einzelnen Disziplinen untereinander gekennzeichnet und in Teilen kasuistisch verlaufen. Obwohl Hans Kelsen bereits 1911 bemerkte, daß „von allen juristischen Grundbegriffen gerade der des subjektiven Rechtes in der theoretischen Literatur der am meisten erörterte ist“ 324,

___________ 321

M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 50; R. Wahl, DVBl. 1996, S. 641 [651]; P. Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, 1992, S. 31. Zur Kritik hieran: C. Enders, AöR Bd. 115 (1990), S. 610 [635 f.]. 322 M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 540; W. Henke, in: FS für Werner Weber, 1974, S. 495 [501]; ebenso: F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 109. 323 Vgl. unten, Zweites Kapitel – B.III.2.d), S. 226. 324 H. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatz, 1911, S. 568.

B. Das deutsche Verständnis

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steht die Verständigung auf ein dogmatisch kohärentes, stimmiges, festes und zumindest in den Grundlinien frei von Friktionen und Widersprüchen durch die Rechtsprechung anwendbares System bis heute aus325. Der Begriff ist vielmehr weiterhin von „dogmatischen Konstruktionen und verständnistheoretischen Verzeichnungen belastet“326. Einigung konnte nur insoweit erzielt werden, als das subjektiv-öffentliche Recht als rechtliche Position327 und normative Relation328 begriffen wird, welche als sich im stetigen Wandel befindliche Rechtsfigur letztlich (ideell) auf das Grundproblem der Stellung des Menschen im Recht verweist329.

II. Die Komplexität des subjektiv-öffentlichen Rechts und seiner Darstellung Die Zwischenbilanz gibt Anlaß, der weiteren Darstellung einige Bemerkungen voranzustellen. 1. Temporale Gebundenheit des „Kanons von Methoden und Regeln“ Die Komplexität des subjektiven Rechts wird besonders augenfällig, wenn man sich die Fülle der Gesichtspunkte vergegenwärtigt, unter denen diese Rechtsfigur in der Vergangenheit betrachtet worden ist. Probleme, mit denen das subjektiv-öffentliche Recht in Verbindung gebracht wurde330, sind etwa „Naturrecht“331, „Weltanschauung“332, „Staatsverständnis“333, „Freiheitsver___________ 325 P. Kunig, in: GS für Wolfgang Martens, 1987, S. 599 [601]; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 153. 326 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 119, der dem Begriff darüber hinaus nur einen „heuristischen Signalisierungseffekt“ bescheinigt, a.a.O, S. 120. 327 BVerfG, Beschl. v. 7.6.1977, 1 BvR 108, 424/73 und 226/74, BVerfGE 45, 63 [76]: „grundgesetzlich garantierte individuelle Rechtspositionen“ und „subjektives Recht“ sind dort synonym gebraucht. Siehe auch BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 [58]. 328 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 163 f. 329 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 144. 330 Zusammenstellung bei H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 119, 120. 331 So: F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 62. 332 Etwa T. Maunz, ZgStW Bd. 96 (1936), S. 71 ff. 333 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 12.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

ständnis“334, „Staatsallmacht und allgemeines Gewaltverhältnis“335, „Gewaltenteilung“336, „öffentliches und privates Recht“337, „Verfassungs- und Verwaltungsrecht“338, „Willensmacht und rechtlich geschütztes Interesse“339, „öffentliche und private Interessen“340, „Ermessen“341, „verwaltungsgerichtliche Klagbarkeit“342, „Gesetzmäßigkeit der Verwaltung“343, „Abgrenzung von ‚Rechten‘, ‚Reflexrechten‘, ‚Rechtsreflexen‘, ‚Gesetzesvollziehungsansprüchen‘ und ‚bloß faktischen Begünstigungen‘“344 bis hin zum „Rechtsgefühl“345, der „Spannung zwischen Faktizität und Geltung“346 und den „Anschauungen“347. Alle diese Einzelfragen stehen nebeneinander und sind miteinander verbunden. Auch heute dominieren je nach Sicht des Autors rechtstheoretische348, verfassungsrechtliche349, verwaltungsrechtliche350, prozeßrechtliche351 oder auf ei___________ 334 G. Anschütz, Deutsches Staatsrecht, in: von Holtzendorff / Kohler, Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung, Bd. 4, 7. Aufl. 1914, S. 1 [89 f.]; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 103. 335 F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 57; C. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1911, S. 285 f. 336 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 522; R. Thoma, Das System der subjektiven öffentlichen Rechte und Pflichten, in: Anschütz / Thoma, HdBStR, Bd. 2, 1932, S. 607 [608 ff.]. 337 Etwa G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 54 ff.; A. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe 1878, 1964, S. 108 ff. 338 C. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1911, S. 278. 339 F. Giese, Die Grundrechte, 1905, S. 62 ff. 340 Etwa G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 67 ff. 341 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 21 ff. 342 O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 287. 343 G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, S. 511. 344 Dazu H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 130 ff. und O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 225 ff. 345 H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 247. 346 J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, insbes. S. 109 ff. 347 F. Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. 1928, S. 173: Umwandlung eines Gesetzesvollziehungsanspruchs in ein subjektives Recht „infolge des Wechsels der Anschauungen“. 348 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 144; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 159 ff.; W. Schur, Anspruch, absolutes Recht und Rechtsverhältnis im öffentlichen Recht entwickelt aus dem Zivilrecht, S. 166 ff.

B. Das deutsche Verständnis

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ne sektorale Erfassung der aktuellen Rechtsprechung in einem Teilgebiet des besonderen Verwaltungsrechts352 gerichtete Überlegungen. Will man der im Schrifttum bestehenden Meinungsvielfalt keine Gewalt antun, dann läßt sich das subjektive öffentliche Recht – wie bereits angemerkt353 – als rechtliche Position354 und normative Relation355 begreifen, welche als sich im stetigen Wandel befindliche Rechtsfigur letztlich (ideell) auf das Grundproblem der Stellung des Menschen im Recht verweist356 und (positivrechtlich) zur Erfassung gesicherter Rechtspositionen dient357. Der Begriff des subjektiven Rechts ist „nicht absolut festzustellen, vielmehr bildsam je nach den Verschiedenheiten des geltendes Rechts und der herrschenden Lehre“358; er besagt, so Karl Larenz, daß jemandem „etwas – und zwar etwas jeweils Bestimmtes – rechtens zukommt oder gebührt“359. Insoweit kann der Versuch einer Systematisierung nur holzschnitthaft bleiben. ___________ 349 M. Beckmann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im raumbedeutsamen Umweltrecht, 1987, S. 180 f., 184 ff.; R. Bartlsperger, VerwArch. Bd. 60 (1969), S. 35 [49]; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 55 ff.; M. Zuleeg, DVBl. 1976, S. 509 ff. und viele weitere mehr. 350 Z. B. R. Wahl, DVBl. 1996, S. 641 ff.; T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 75, 237 f.; U. Ramsauer, AöR Bd.111 (1986), S. 501 ff.; U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 59 ff. 351 C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 39 ff. 352 W. Bier, ZfBR 1992, S. 15 ff.; A. Boesen, NJW 1997, S. 345 ff.; R. Breuer, DVBl. 1983, S. 431 ff.; R. Breuer, DVBl. 1986, S. 849 ff.; G. Buhren, DVBl. 1975, S. 328 ff.; S. König, Drittschutz, 1993. 353 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.3., S. 116. 354 BVerfG, Beschl. v. 7.6.1977, 1 BvR 108, 424/73 und 226/74, BVerfGE 45, 63 [76]; BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 [58]. 355 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 163 f. 356 Dies war auch bereits der Ausgangspunkt bei C. F. von Gerber, Über öffentliche Rechte, 1852, S. 32. Siehe auch W. Henke, in: FS für Werner Weber, 1974, S. 495 [496]: „Die juristische Stellung des Staatsbürgers in der Gesellschaft ist das subjektive öffentliche Recht“ und H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, Neudruck der 1. Ausgabe 1925, 1966, S. 55: Mit dem Begriff des subjektiven Rechts tritt „nichts anderes als der Zweck des Staates in Erscheinung“. 357 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 118. 358 So schon E. I. Bekker, System des heutigen Pandektenrechts, Bd. 1, 1886, S. 49. 359 K. Larenz, in: FG für Johannes Sontis, 1977, S. 129 [147], eine Formulierung auf die vielfach zurückgegriffen wurde, etwa von R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 44 Fn. 75 oder M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 557. Letzterer stellt unter Hinweis auf H. Coing, in: Coing / Lawson / Grönfors, Das subjektive Recht und der Rechtsschutz der Persönlichkeit, 1959, S. 7 [16] auch fest, daß man damit wieder zum „quod nostrum est“ des H. Donellus (1527–1591) zurückgekehrt ist, a. a. O. Fn. 351.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Der ständige Entwicklungsprozeß, die Zeitgebundenheit des „Kanons von Methoden und Regeln“ im Sinne Eberhard Schmidt-Aßmanns360 sollte jedenfalls bei der Lektüre der folgenden Ausführungen stets mit bedacht werden, um nicht der Gefahr einer idealtypischen und vereinseitigenden Überhöhung zu erliegen. Andererseits kann sich die Arbeit auch nicht auf die Feststellung eines Entwicklungsprozesses beschränken. Das, was ist, muß zumindest unter der Perspektive der Effektivität des Rechtsschutzes darstellbar bleiben; und zwar nicht allein aus wissenschaftlichen Gründen, sondern aufgrund rechtlicher Notwendigkeiten361. 2. Ansatzpunkte für eine Typisierung und Systematisierung Ansatzpunkte für eine Typisierung und Systematisierung gibt es viele. So kann zwischen Problemen der Rechtsphilosophie, der Rechtssystematik und der Normdurchsetzung unterschieden werden362, können formelle und materielle subjektive Rechte einander gegenübergestellt werden363, es können Grundrechte und Rechte des einfachen Rechts isoliert oder in wechselseitiger Verschränkung364 betrachtet, die sachliche Gliederung nach dem Abwehr-, Leistungs- und Teilhabebereich getroffen werden, bestimmte Konstellationen aus Fachbereichen365 oder allein der Schutz „Dritter“366 herausgegriffen werden. Auch das subjektive Recht über den Begriff des objektiven Rechts zu bestimmen, ist eine denkbare Möglichkeit: Immerhin geben die herkömmlichen Lehren nur selten darüber Auskunft, was unter objektivem Recht zu verstehen ist367. ___________ 360

E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 128. Dies gilt etwa für das Vorabentscheidungsverfahren, Art. 234 EG. Mit den Worten von GA P. Léger: „Der Gerichtshof muß sicherstellen, daß die Beschreibung des nationalen rechtlichen Rahmens eine getreue und vollständige Wiedergabe der geltenden rechtlichen Regelungen des Mitgliedstaats ist, dessen Rechtsvorschriften [in Rede stehen]“; Schlußanträge von GA P. Léger v. 23.4.2002 zu EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-153/00 – der Weduwe, Slg. 2002, I-11319 Rdnr. 34, Klammerzusatz hinzugefügt. 362 So: F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 126 ff. 363 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 158. 364 F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 78 ff.; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 172 ff. 365 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996. 366 P. Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, 1992. 367 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 146. Soweit darauf eingegangen wird, wird dies mit dem Gesetz (W. Henke, DÖV 1980, S. 621 [622]) oder der Rechtsordnung (L. Enneccerus / H. C. Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbbd., 15. Aufl. 1959, S. 428) gleichgesetzt. 361

B. Das deutsche Verständnis

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Die Probleme würden noch verschärft, wenn man die einzelnen Grundrechtslehren berücksichtigen würde. Hiervon wird in Übereinstimmung mit einer verbreiteten Übung Abstand genommen368. Dennoch werden die Grundrechte nicht völlig ausgeblendet. Die im folgenden dargestellten formprägenden Faktoren und Elemente sind einerseits dem Zeitpunkt der Niederschrift der Arbeit, zum anderen ihrem spezifischen, rechtsvergleichenden Zweck geschuldet. Dabei geht es in erster Linie um analytische Fragen. Versteht man das subjektiv-öffentliche Recht als rechtliche Position und normative Relation369, so läßt sich mit Robert Alexy zwischen ) Gründen für subjektiv-öffentliche Rechte, 



) subjektiven Rechten als Positionen und Relationen und ) der rechtlichen Durchsetzbarkeit subjektiver Rechte

unterscheiden370. Zwischen diesen drei Fragen scheint oft unzureichend differenziert zu werden371. Dies ist eine Ursache für die Meinungsvielfalt372. Während sich die bisherigen vergleichenden Untersuchungen zu individuellen Rechten im deutschen und Gemeinschaftsrecht vorwiegend den Gründen373 für die Gewährung individueller Rechte und Problemen der rechtlichen Durchsetzbarkeit374 widmeten, scheint die Frage der rechtstechnischen Ermittlung von Rechten als Positionen und Relationen eher vernachlässigt. Dieser Frage kommt daher besonderes Gewicht zu. ___________ 368

Ein Grund hierfür ist auch, daß die Strukturen von Grundrechten (genauer Art. 12 Abs. 1 GG) und Grundfreiheiten in einer aktuellen Monographie bereits einem umfassenden Strukturvergleich unterzogen worden sind: A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003. 369 Oben, Zweites Kapitel – B.I.3., S. 116 und S. 120. 370 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 164. Er verweist denn auch zur Illustration seiner Unterscheidung auf das eingangs wiedergegebene Zitat R. von Jherings (oben, Erstes Kapitel – A.I., S. 47). Ebenso schon den Begriff der Relation verwendend: R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [157]. 371 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 164. 372 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 164. 373 Insbes.: J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 ff.; T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999; S. 379 ff. 374 Etwa: C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996; C. Nowak, Konkurrenzschutz in der EG, 1997; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998; D. Ehlers, Die Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, 1999 (siehe zu letzterem die Besprechung von C. D. Classen, Die Verwaltung Bd. 35 (2002), S. 425 ff.).

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Eine derartige Schichtung des Stoffs setzt sich dem Einwand aus, sie greife wiederum nur Teilaspekte heraus und werde der Gesamtproblematik nicht gerecht. Einige Grundstrukturen werden sich dennoch zeigen lassen. Und selbst hiergegen können wegen der notwendigerweise wertenden Betrachtung Bedenken geltend gemacht werden. Es gilt daher, will man zu aussagekräftigen und vergleichbaren Feststellungen gelangen, erneut darauf hinzuweisen, daß Zeitgebundenheit und Dynamik stets – wenn auch nicht explizit angesprochen – mitschwingen375.

III. Subjektiv-öffentliche Rechte der Zivilperson nach heutigem Verständnis Als Ertrag der skizzierten wissenschaftlichen Diskussion um das subjektivöffentliche Recht lassen sich einige Feststellungen als Leitfaden für die Analyse des heutigen deutschen Verständnisses festhalten. Als einigermaßen gesichert kann gelten, daß subjektiv-öffentliche Rechte nur gegenüber dem Staat respektive einem sonstigen Träger öffentlicher Gewalt bestehen können376. Denn öffentliches Recht setzt ein Rechtsverhältnis voraus, an dem zumindest ein Träger öffentlicher Gewalt beteiligt ist. Es dürfte ferner im wesentlichen anerkannt sein, daß die Aufgabe, Schutznormen zu schaffen oder den Interessenausgleich dem objektiven Recht anheim zu stellen, Aufgabe des verfassungsrechtlich gebundenen Gesetzgebers ist. Insoweit hat sich in der neueren Literatur der Begriff der „Befugnis zur Durchsetzung einer normativ intendierten Konfliktentscheidung“ verfestigt377. Bei ihrer Normierung muß einerseits der auf Ebene des einfachen Rechts bestehenden gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, andererseits aber auch der durch Verwaltungs- und Verfassungsrecht geregelten Stellung des einzelnen im öffentlichen Recht Rechnung getragen werden378.

___________ 375

Ebenso: S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 378: „[…] ist die Entwicklung ständig im Fluß“. 376 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 172 m.w.N. 377 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [130]; R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 40 Rdnr. 55 ff.; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 172; M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 247 ff.: „normatives Konfliktschlichtungsprogramm“; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 378 dort Fn. 441; sehr anschaulich K. H. Ladeur, CR 2002, S. 433 [passim] für die Entgeltregulierung nach §§ 23 ff. TKG; VGH Mannheim, Beschl. v. 21.7.1982, 1 S 746.82, NJW 1984, S. 251 ff. und BVerwG, Urt. v. 21.3.2002, 4 CN 14.00, NVwZ 2002, S. 1509 [1510]. 378 R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht: Allg. Teil, 1990, S. 454.

B. Das deutsche Verständnis

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Aus dogmatisch-empirischer Sicht liegen die Fundamente für die subjektivöffentlichen Rechte der Zivilperson – die Gründe für sie379 – nach heutigem Verständnis in der verfassungsrechtlichen Stellung des einzelnen, wobei die „Gesamtsicht des Grundgesetzes vom Verhältnis des einzelnen zum Staat“380 „von Art. 19 Abs. 4 GG entscheidend mitgeprägt“381 wird (1.). Die Ermittlung dieser Rechte aufgrund von Sätzen über Positionen und Relationen erfolgt durch Abgrenzung von Berechtigungen und Reflexen mittels eines „Kanons von Methoden und Regeln“ im einfachen Recht und382 auf Verfassungsebene (2.). 1. Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte nach deutschem Verständnis – die verfassungsrechtlichen Vorgaben Sätze über Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte sind zuvörderst der Verfassung zu entnehmen. a) Das Freiheitsprinzip als Grundlage des subjektiv-öffentlichen Rechts Der „Typus des demokratischen Verfassungsstaats als kultureller Leistung“ (Peter Häberle)383 kann Legitimation nur aufgrund gemeinsamer Wertfixierungen gewinnen, die ein jahrhundertelanger kultureller Prozeß gezeitigt hat384. Kern dieser Vorstellung ist die Werthaftigkeit des Personseins, die Subjektstellung und Würde385 des Menschen im Sinne Immanuel Kants386, die Anerken___________ 379

Die „Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte“ im Sinne R. Alexys, siehe oben, Zweites Kapitel – B.II.2., S. 121. 380 BVerfG, Urt. v. 5.2.1963, 2 BvR 21/60, BVerfGE 15, 275 [281]. 381 BVerfG, Urt. v. 5.2.1963, 2 BvR 21/60, BVerfGE 15, 275 [281]. 382 Daß Grundrechte und einfachgesetzliche Rechte – entgegen der klassischen Schutznormtheorie – nicht einfach beziehungslos nebeneinander stehen, dürfte ebenfalls weitgehend anerkannt sein; große Meinungsverschiedenheiten bestehen freilich nach wie vor in der Frage, wie sich diese Beziehung genau verhält. Exemplarisch sind insoweit die – fast zeitgleich – erschienenen und in dieser Frage gänzlich konträren Habilitationen von P. M. Huber (Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991) und M. SchmidtPreuß (Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992). 383 P. Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 1982, S. 18 ff. 384 I. Pernice, Billigkeit und Härteklauseln im öffentlichen Recht, 1991, S. 346, zur Frage der Berücksichtigung der Kultur unter Hinweis auf T. Würtenberger, in: FS für Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984,S. 533 [540]. 385 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 116 spricht von der Würde als „das unverfügbare oberste Prinzip der neuen Ordnung“; auf der einen Seite stehen Versuche, die Würde des Menschen als eine besondere Qualität oder Eigenschaft des Individuums zu erweisen, die diesem von seinem Schöpfer oder von der Natur mitgegeben ist („Mitgifttheorie“, etwa G. Dürig, in:

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

nung seiner individuellen Eigenständigkeit, Unversehrtheit, aber auch Verantwortung als Glied der Gemeinschaft387. Treffend umschreibt Günter Dürigs „Objektformel“388, was staatlichem Handeln untersagt und was dem Staat zu verhindern geboten ist, wenn der Achtungsanspruch des einzelnen in seiner Subjektstellung in Frage gestellt wird. Ein in dieser Weise fundiertes Programm verlangt Rechte des einzelnen, welche ihn vom Untertan erst zum Glied dieser Gemeinschaft werden lassen. Der Anspruch der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht ist daher hoch und reicht sachlich weit: Erst das subjektive Recht macht den Bürger zum Bürger. „Es anerkennt ihn als Rechtssubjekt und vermittelt ihm die Möglichkeit, selbständig gegenüber dem Staat aufzutreten und die Beachtung der ihn betreffenden Normen zu verlangen“389.

___________ Maunz / Dürig, GG, Stand: 1991, Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 18 ). Im Unterschied dazu versteht die andere Seite Menschenwürde als eigene Hervorbringung, als Leistung menschlicher Subjektivität: Danach gewinnt der Mensch Würde aus eigenem, selbstbestimmtem Verhalten durch gelungene Identitätsbildung („Leistungstheorie“, etwa E.-J. Lampe, in: FS für Werner Maihofer, 1988, S. 253 [265 ff.]). Gleichwohl besteht zwischen diesen juristischen Theorien kein fundamentaler Gegensatz. Denn sie beruhen letztlich beide auf dem Prinzip der Personhaftigkeit des Menschen, der Subjektivität des Individuums. Näher dazu: H. Hofmann, AöR Bd. 118 (1993), S. 353 ff. 386 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten (Tugendlehre, Ethische Elementarlehre, §§ 37, 38), S. 600: „Achtung, die ich für andere trage, oder die ein anderer von mir fordern kann […], ist also die Anerkennung einer Würde (dignitas) an anderen Menschen, d.i. eines Werts, der keinen Preis hat, kein Äquivalent, wogegen das Objekt der Wertschätzung (aestimii) ausgetauscht werden könnte […] (§ 38). Die Menschheit selbst ist eine Würde; denn der Mensch kann von keinem Menschen (weder von anderen noch so gar von sich selbst) bloß als Mittel, sondern muß jederzeit zugleich als Zweck gebraucht werden und darin besteht eben seine Würde (die Persönlichkeit) […]“. 387 Zum Menschenbild des GG vgl. BVerfG, Urt. v. 20.7.1954, 1 BvR 459 u.a., BVerfGE 4, 7 [15 f.]: „Das Menschenbild des Grundgesetzes ist nicht das eines isolierten souveränen Individuums; das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten.“ Zusammenfassend: BVerfG, Beschl. v. 17.1.1979, 1 BvR 241/77, BVerfGE 50, 166 [175]. Siehe auch W. Graf Vitzthum, JZ 1985, S. 201 [203 ff.] m.w.N. und E. Benda, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 109 ff. und aktuell E.-W. Böckenförde, Vom Wandel des Menschenbildes im Recht, 2001, welcher das einst harmonisch erscheinende Menschenbild, das dem Recht als „Gesamtvorstellung einer Gesellschaft“ zugrunde liegen sollte, heute in einzelne Rollenbilder zerfallen sieht. 388 G. Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Rdnr. 30: „Die Menschenwürde ist getroffen, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird“, sowie, a. a. O., Rdnr. 34: „Es verstößt gegen die Menschenwürde, wenn der Mensch zum Objekt eines staatlichen Verfahrens gemacht wird“. Siehe auch bereits G. Dürig, AöR Bd. 81 (1956), S. 117 [127 ff.]. 389 H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 8 Rdnr. 2.

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Während das objektive Recht in erster Linie Pflichten begründet sowie die Interessenverfolgung einschränkt390 und austariert, beruht die pflichtfreie Betätigungsmöglichkeit auf dem Freiheitsprinzip391. Dieses ist Grundlage für verwaltungsrechtliche Berechtigungen zur Konkretisierung von Grundfreiheiten, Unionsbürgerschafts- und Grundrechten392 und deren verfahrensrechtlicher Flankierung. Die in ihm angelegten Momente der Personalität und der Individualität sind Ausprägungen des grundgesetzlichen Menschenbildes, das den einzelnen im status negativus, positivus und activus als freies, eigenverantwortliches Wesen ansieht393. Ein klägerisches Recht daher nicht als Anstoß, sondern als Schutzziel des (primären und sekundären) gerichtlichen Prüfungsauftrags394 zu sehen und dessen Umfang anhand dieses Rechts zu konturieren395, ist die – jedoch nur vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG zwingende396 – Konsequenz. Erst Freiheit und Verantwortung gemeinsam sind es, die die Würde des Individuums ausmachen397. Dem entspricht es, das subjektiv___________ 390

H. Wolff / O. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 2000, § 43 Rdnr. 1. E. Schmidt-Aßmann, DVBl. 1989, S. 533 [539]. 392 H. Wolff / O. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 2000, § 43 Rdnr. 1. 393 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 117; siehe auch R. Zippelius, JZ 1999, S. 1125 ff. 394 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 116. 395 R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 10. 396 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 14; G. Ress, in: FS für Gerhard Lüke, 1997, S. 633; G. Lüke, JuS 1967, S. 1 ff.; die Gegenauffassung (etwa E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts Bd. I, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 1953, S. 412; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1954, S. 582), welche das Spannungsverhältnis zwischen dem einzelnen und vor allem der vollziehenden Gewalt graduell geringer gewichtet und die objektive Kontrolle betont (W. Niese, JZ 1952, S. 353 [355]: „Vielmehr ist das Hauptanliegen der Verwaltungsgerichtsbarkeit […] zum Wohle und Gedeihen des Rechtsstaates selbst, im öffentlichen Allgemeininteresse die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die rechtmäßige Hoheitsausübung als solche zu gewährleisten…“), wird heute kaum noch vertreten; in Ansätzen: W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rdnr. 1. Die Auffassung, daß der Individualrechtsschutz primärer Zweck der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei, ist daher wohl allgemein akzeptiert. Vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 107 [109]: „der objektive Rechtsschutz bleibt im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG jedoch Nebenfolge. Zusätzliche objektive Kontrollaufträge der Verwaltungsgerichte lassen sich aus dieser Vorschrift jedenfalls nicht ableiten“. So auch W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 52 [66]; J. Burmeister, in: Ress, Entwicklungstendenzen im Verwaltungsverfahrensrecht und in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1990, S. 60 f. 397 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 8; zur – insbes. auch prozessualen Verantwortung des einzelnen – siehe auch BVerfG, Beschl. v. 20.4.1982, 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 [268]; BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 [115] („Sasbach“). Zumindest ist in Art. 1 Abs. 1 GG – jenseits aller unterschiedlichen Bestimmungen des Würdebegriffes – aber jedenfalls die Ei391

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

öffentliche Recht als materielle Emanation dieser Freiheit zu begreifen und seine Funktion – primären oder sekundären Rechtsschutz bei seiner Beeinträchtigung zu erlangen – der Verantwortung des einzelnen zu überlassen. (1) Subjektiv-öffentliche Rechte als Ausdruck verfaßter Freiheit Legte Georg Jellinek für seine Konzeption des Systems der subjektiven öffentlichen Rechte zunächst die privatrechtliche Konzeption des subjektiven Rechts im Sinne der Kombinationstheorie zugrunde398, so hat sich das heutige Verständnis – den geänderten verfassungsrechtlichen Prämissen folgend – gewandelt. Den Unterschied zwischen dem subjektiven privaten und subjektiven öffentlichen Recht entwickelte Georg Jellinek nicht aus dem materialen Moment des Interesses heraus, sondern im Hinblick auf das formale Kriterium der Willensmacht399. Nach seiner Auffassung liegt dem Privatrecht ein natürliches Dürfen zugrunde. Die Rechtsordnung fügt ihm ein Wollenkönnen hinzu und macht dieses natürliche Dürfen damit zu einem rechtlichen. Das öffentliche Recht hingegen gründet nicht auf einem natürlichen Dürfen; hier verleiht die Rechtsordnung nur ein Wollenkönnen. Um diesen Unterschied zu kennzeichnen spricht Georg Jellinek davon, daß im öffentlichen Recht das Wollen gewährt werde, während es im Privatrecht nur erlaubt wird400: „Gewährtes und erlaubtes Wollen sind die beiden juristischen Möglichkeiten, durch welche der Mensch seine Interessen befriedigen kann“401.

Der auf dem Souveränitätsgedanken aufgebaute Staatsbegriff hat sich – wie diese Konzeption zeigt – machtvoll in die Beziehung von Interessen und Rechtsordnung eingeschoben: Der Gedanke der Souveränität bündelte auf staatlicher Seite das funktionale Element der Verfolgung öffentlicher Interessen und das Moment der rechtlichen Entscheidung über diese Interessenverfolgung zu dem einheitlichen Prinzip des gesetzmäßigen Zwangs. Die Entscheidung des Rechts beruht dabei auf dem Gedanken der Bändigung dieses Zwangs402. Das heutige Verständnis ist ein anderes. Dem grundgesetzlichen Menschenbild folgend, ist die Annahme eines „verliehenen“ subjektiv-öffentlichen Rechts ___________ genständigkeit des Menschen bezeichnet (G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 150 m.w.N. und oben, S. 123 Fn. 385). 398 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(1)(a), S. 70. 399 J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 145. 400 J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 145. 401 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 57. 402 J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 142.

B. Das deutsche Verständnis

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verfehlt403, da es im objektiven (Verfassungs-)recht nicht „gewährt“404, sondern „gewährleistet“, nicht „zugewiesen“, sondern „zugeordnet“405 wird. Dennoch sind die überkommenen staatsrechtlichen Konzeptionen für das Verständnis nach wie vor von Bedeutung. Der Gedanke der staatlichen Souveränität oder Gewalt hat die ursprünglich große Palette der zur staatlichen Seite hin vorhandenen Interessen zunächst aufgesaugt und damit das eigentliche Fundament der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht objektivrechtlich absorbiert406. Freiheit, verstanden als „Freiheit vom Staat“407 und „Freiheit von ungesetzlicher Einschränkung eines Subjekts im Gebrauch seiner natürlichen Kräfte […] von seiten der öffentlichen Gewalt“408 mußte als „vorstaatlich, von staatlicher Organisierung und Aktualisierung frei“409 mit dem Recht – verstanden als Beschränkung dieser Freiheit – in Gegensatz geraten410. Insoweit galt es, unter dem Grundgesetz die verfassungsrechtliche Stellung von subjektiven Rechten neu zu radizieren. Das BVerfG hat – auf dem Boden der Integrationslehre Rudolf Smends411 – die objektivrechtliche und subjektivrechtliche Verschränkung412 der Grundrechte behutsam konturiert: ___________ 403 Obwohl der Begriff auch unter Geltung des Grundgesetzes verwandt wurde, siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(1)(c), S. 74 Fn. 64. 404 Diese plakative Gegenüberstellung stellt freilich eine – dem Umfang der Darstellung geschuldete – Vergröberung dar: H. Bethge, REDP 1990, S. 53 [61] weist darauf hin, daß im Bereich der prinzipiell gesetzesabhängigen Leistungsrechte davon nicht gesprochen werden könne; diese „werden nicht gewährleistet, sondern gewährt“. Für den Zweck der Untersuchung mag diese Zuspitzung hier aber hingenommen werden. Bei B. Pieroth / B. Schlink, Staatsrecht II, Grundrechte, 17. Aufl. 2001, Rdnr. 43 wird dies auch nicht weiter differenziert. 405 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 148, 149: „Ob […] eine Angelegenheit des einzelnen den Schutz der Rechtsordnung genießt, ist […] eine Frage der Zuordnung seiner Angelegenheiten zu denen anderer“. 406 J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 153. 407 G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Art. 114 Anm. 1. 408 R. Thoma, in: FG für PrOVG, 1925, S. 183 [185]; siehe auch R. Thoma, Das System der subjektiven öffentlichen Rechte und Pflichten, in: Anschütz / Thoma, HdBStR, Bd. 2, 1932, S. 607 [619]. 409 Siehe zum individualistischen Staatszweck seit Beginn des 19. Jahrhunderts auch: E.-W. Böckenförde, in: FS für Wolfgang Hefermehl, 1972, S. 11 [13]; P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, 3. Aufl. 1983, S. 145 ff. 410 G. Jellinek hat das auch gesehen und versucht, das Zusammenfließen von Souveränität und Recht in seinem Staatsbegriff durch den Gedanken der Selbstbindung des Staates an das Recht wieder auszugleichen (G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 6. Nachdruck der 3. Aufl. 1914, 1966, S. 367 ff.). Nur so konnte er letztlich auch erklären, warum der Staat an das gesetzte Recht gebunden sein sollte, näher: J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 161 [162]. 411 R. Smend, Bürger und Bourgeois im deutschen Staatsrecht, 1933, S. 309, 313: „[…] So wirkt doch der Grundrechtsgedanke in Deutschland individualistischer als in

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„Die Funktion der Grundrechte als objektiver Prinzipien besteht in der prinzipiellen Verstärkung ihrer Geltungskraft […], hat jedoch ihre Wurzel in dieser primären Bedeutung […]. Sie läßt sich deshalb nicht von dem eigentlichen Kern lösen und zu einem Gefüge objektiver Normen verselbständigen, in dem der ursprüngliche und bleibende Sinn der Grundrechte zurücktritt“413.

Es ist dies zuvörderst der Schutz vor „[…] einer Verkürzung der in den Einzelgrundrechten garantierten individuellen Freiheiten, ohne die nach der Konzeption des Grundgesetzes ein Leben in menschlicher Würde nicht möglich ist“, welchen „die Verfassung in allem Wandel unverändert gewährleisten will“414.

Die Freiheit415 des Subjekts ist also auch nach heutigem Verständnis ursprünglich und die subjektivrechtlichen Berechtigungen der Freiheitsrechte nur ___________ Frankreich. Ihm fehlt ja die anti-individualistische Ergänzung der demokratischen Volkssouveränität, deren Kehrseite er in Frankreich lediglich ist, und er wird auch nicht als Fahne in Revolutionskreuzzügen gegen das feudale Europa verwendet wie dort. So bleibt von ihm in Deutschland nur das Moment gewisser Emanzipation des Individuums vom Staat, einer vorbehaltlosen, außerstaatlichen privaten Sphäre, der im politischen Stilleben der Zeit kein entsprechender Bereich staatsbürgerlicher Aktivierung die Waage hält.“ R. Smend setzte dem einen geisteswissenschaftlichen Umgang mit der Verfassung entgegen und arbeitete in seiner berühmten Integrationslehre die Bedeutung der Verfassung – und insbes. der Grundrechte – für das Gemeinwesen als solches heraus (R. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 119, 260 ff.). Zu den Rückwirkungen auf die Figur des subjektiv-öffentlichen Rechts siehe näher J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 156 f. 412 Siehe dazu auch: H. Dreier, Jura 1994, S. 505 ff. 413 BVerfG, Urt. v. 1.12.1978, 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 [337] unter Hinweis auf BVerfG, Urt. v. 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 [205] („Lüth“) und BVerfG, Urt. v. 18.12.1968, 1 BvR 638, 673/64, 200, 238, 249/56, BVerfGE 24, 367 [389]. Siehe auch H. Soell, NuR 1986, S. 205 [207]. 414 BVerfG, Urt. v. 1.12.1978, 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 [338]. 415 Der Freiheitsbegriff ist immer noch ungeklärt. Seit E.-W. Böckenfördes Bestandsaufnahme (NJW 1974, S. 1529 ff.) und Unterscheidung einer liberalen, institutionellen, wertsystematischen, demokratisch-funktionalen und einer sozialstaatlichen Grundrechtstheorie sowie die in bezug auf das Grundgesetz getroffene Feststellung, daß die liberal-rechtsstaatliche Grundrechtstheorie ihre Modifikation durch die Festlegung des Sozialstaatsauftrages findet, haben sich neue Sichtweisen entwickelt. Siehe dazu etwa R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 194 ff. der eine personenbezogene Freiheitskonzeption, verstanden als Relation zwischen einem Freiheitsträger, einem Freiheitsgegenstand und einem Freiheitshindernis, vertritt, a. a. O., S. 197 (siehe auch die dort in Fn. 120 wiedergegebenen positiven Freiheitsbegriffe von W. Hamel, Die Bedeutung der Grundrechte im sozialen Rechtsstaat, 1957, S. 8 und H. Krüger, in: Seifert / Krüger, Die Einschränkung der Grundrechte, 1976, S. 53). Instruktiv auch das Verständnis von D. Suhr (Gleiche Freiheit, 1988; besprochen von W. Brugger, JZ 1989, S. 332 f.), welcher Freiheit als Freiheit des geselligen und verantwortlichen Miteinanders begreift. Die – letztlich als Aufruf zu einer Rückkehr zum Dualismus von Staat und Gesellschaft zu verstehende – Auffassung von J. Buchanan (Die Grenzen der Freiheit, 1984), dessen methodischer Ausgangspunkt – jegliche normative Verankerung verlassend – die fakti-

B. Das deutsche Verständnis

129

die rechtliche Bestätigung vorrechtlicher Fähigkeiten416; Grundrechte sind die eigentliche „raison d’être des Verfassungsstaats“417. Dies darf nicht ontologisch mißdeutet werden418. Eine dem Staat vorgelagerte apriorische Rechtssubjektivität besteht nicht419. Vielmehr ist damit die prinzipielle Rechtfertigungslage mit Asymmetrie von Rechten und Pflichten gemeint, der zufolge der Staat für Beschränkungen darlegungs- und beweispflichtig ist, während die Freiheitsbetätigung des einzelnen als grundlegendes, den Einschränkungen vorausliegendes und insofern primäres Element erscheint420. Das liberale Grundrechtsverständnis, dem es primär um den Schutz der Freiheit durch Eingriffsabwehr geht, ist damit auch nicht abgetan421. Das Grundgesetz zielt indes nicht allein auf Zähmung der öffentlichen Gewalt, sondern bezieht auch die Existenz der ___________ schen Interessen der einzelnen Menschen sind, dürfte mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sein: Diese faktischen Interessen der einzelnen ergeben sich aus ihrer subjektiven Bewertung ihrer jeweiligen konkreten Situation. Da aber der Zustand der beste sei, der es den Menschen gestattet, in und aus ihrer konkreten Situation das zu machen, was sie für das Beste halten und so einem jeden den Platz in der Gesellschaft zuweisen, den er zugleich für sich wie für die Gesellschaft als vorteilhaft erkennt, sei eine Neubegründung des liberalen Staates, der das „natürliche Ungleichgewicht“ (a. a. O., S. 16) garantiere, notwendig; damit hebt er die naturrechtlichen Freiheiten, wie sie heute interpretiert werden, zugunsten eines „protective state“ (a. a. O., S. 252) auf, welcher allein die Verträge der Menschen, die einer realen Situation entspringen, garantiert. Erste Aufgabe des Staates ist für J. Buchanan denn auch – was seine Auffassung im Rahmen dieser Untersuchung hervorhebenswert macht – der Rechtsschutz (a. a. O., S. 85 ff.). 416 H. Bethge, Der Staat Bd. 24 (1985), S. 351 [375 ff.]; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 43; H.-U. Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 152: Allgemeine Handlungsfreiheit, Rdnr. 1 ff.; H. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Vorb. Rdnr. 33. Zur Bedeutung naturrechtlicher Vorstellungen siehe auch K. Kühl, in: FG für Alfred Söllner, 1990, S. 331 ff. Vgl. ferner P. Kirchhof, FAZ v. 22.5.1999, S. 8; P. Häberle, NZZ v. 5.7.1995, S. 30; R. Spaemann, in: Marré / Schümmelfeder / Kämper, Das christliche Freiheitsverständnis in seiner Bedeutung für die staatliche Rechtsordnung, 1996, S. 5 ff. 417 H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [10]; H. Bethge, Der Staat Bd. 24 (1985), S. 351. Siehe auch T. Würtenberger, in: Rill, Zu den Wurzeln des Rechtsstaates in Deutschland, 1999, S. 15 ff. und W. Rupp-von Brünneck, in: FS für Adolf Arndt, 1969, S. 349 [359 f.]. 418 So aber BGH, Urt. v. 19.2.1953, III ZR 208/51, BGHZ 9, 83 [89]. 419 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [17]. 420 H. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Vorb. Rdnr. 34. C. Schmitt, Verfassungslehre, 5. Neudruck der 3. Aufl. 1928, 1970, S. 126, 158, 164: „rechtsstaatliches Verteilungsprinzip“. Vgl. auch F. Schnapp, Jura 1986, S. 113 ff. und J. Isensee, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. V, 2. Aufl. 2000, § 111: Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, Rdnr. 7: „Hier also die ursprunghafte, nicht rechtfertigungsbedürftige, grundsätzlich umfassende Freiheit des Individuums – dort die notwendig rechtlich gebundene und beschränkte, auf Rechtfertigung verwiesene Staatsgewalt.“ 421 Starke Akzentuierung etwa bei: J. Isensee, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. V, 2. Aufl. 2000, § 111: Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht; B. Schlink, EuGRZ 1984, S. 457 ff. und neuerdings R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

einzelnen und ihr Verhältnis zueinander im Gemeinwesen in seinen Regelungsanspruch ein422. Die liberale Komponente des Grundrechtsschutzes wird ergänzt durch die soziale der „Grundrechtsermöglichung und Grundrechtsförderung“423. Für ein „Denken allein in den Kategorien des status negativus mitsamt der daraus resultierenden Konsequenz einer Limitierung des Staates auf schiere Rechtsbewahrung“ (Herbert Bethge)424 ist kein Raum. Freiheit ist mehr als Staatsabwehr, rechtsstaatliche Verantwortung mehr als bloße Untätigkeit und Zurückhaltung. Die Ausformung und Sicherung des status positivus findet sich ebenfalls in den Grundrechten, wenn und soweit sie Anspruchs-, Schutzgewähr-, Teilhabe-, Leistungs- und Verfahrensrechte darstellen. Daß Grundrechte in ihrer Einkleidung als Leistungsansprüche als „leges imperfectae“425 (Wolfgang Martens) aufgefaßt werden (können), stellt keine restaurative Gegenströmung dar, sondern anerkennt die Notwendigkeit eines mediatisierenden Akts426 des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zur Begründung, Gestaltung und Begrenzung subjektiver Rechte. Die weitgehende normenhierarchische Rubrizierung auf den Grad einfachgesetzlicher subjektiv-öffentlicher Rechte mindert ihre grundrechtliche und sozialstaatliche Rückanbindung nicht427. Freiheit kann also nicht mehr als Ausgrenzung aus dem Staat, sondern muß als ein von der Verfassung dem einzelnen in dem von ihr geordneten Gemeinwesen bemessener Freiraum und ein dem Staat zur Verwirklichung aufgegebener Zweck begriffen werden428. Grundgesetzlich gewährleistete Freiheit ist daher stets rechtlich gestaltete und begrenzte Freiheit; sie ist als Teil einer „freiheitlichen Gesamtordnung“429 nicht verfassungs- und nur teilweise staatsfrei. Recht und Freiheit sind folglich nicht als Gegensatz zu begreifen; vielmehr hat die grundgesetzliche Freiheit auch den staatspolitischen Zweck, dem ein___________ 422 H.-U. Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 152: Allgemeine Handlungsfreiheit, Rdnr. 5. 423 H. Bethge, REDP 1990, S. 53 [61]. 424 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 437. 425 W. Martens, VVDStRL Heft 30 (1972), S. 1 [30]. Siehe auch A. von Mutius, VerwArch. Bd. 64 (1973), S. 183 [193]; H. Ridder, in: FS für Hans J. Wolff, 1973, S. 325 [340]. Zur Gesetzesabhängigkeit der Leistungsgrundrechte siehe umfassend. H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 224 ff. 426 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 224. 427 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 232 428 Vgl. P. Häberle, in: FS für Günther Küchenhoff, Halbbd. 2, 1972, S. 453 [466 f.; 470 ff.]; W. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 91; H.-R. Lipphardt, EuGRZ 1986, S. 149 [152]. Siehe auch T. Würtenberger, in: Rill, Grundrechte – Grundpflichten, 2001, S. 15 ff. 429 K. Hesse, in: FG für Rudolf Smend, 1962, S. 71 [86]; W. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 59.

B. Das deutsche Verständnis

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zelnen die Möglichkeit zu eröffnen, durch Ausübung von Freiheit, also auch und gerade durch Inanspruchnahme seiner subjektiv-öffentlichen Rechte, im gesellschaftlichen Bereich die Erscheinung des durch das Grundgesetz verfaßten Gemeinwesens mitzubestimmen, das Bild des Gemeinwesens „mitzuverfassen“430. Die Sozialgebundenheit und Sozialbezogenheit grundgesetzlicher Freiheit431 machen das menschliche Miteinander zu Voraussetzung und Gegenstand. Das subjektiv-öffentliche Recht ist insoweit zwar Emanation der freiheitlichen Stellung des einzelnen, jedoch ist in dieser eine „rechtlich gestaltete und begrenzte Freiheit“, eine Einheit von Freiheit und Verantwortung verbürgt. Aus diesem Grund greift es – wie noch zu zeigen sein wird – zu kurz, das subjektiv-öffentliche Recht als eindimensional individualistisches Konzept einem ebenso holzschnitthaften final-utilitaristischen Verständnis individueller Rechte im Gemeinschaftsrecht gegenüberzustellen. Vielmehr spiegeln subjektiv-öffentliche Rechte grundrechtliche Freiheitsverbürgung wider, die nicht nur um des einzelnen, sondern auch um der Gemeinschaft willen verfassungsrechtlich radiziert ist. (2) Das subjektiv-öffentliche Recht als personale Grundrechtsaktualität und Grundrechtseffektivität Damit soll keinem kollektivistischen Verständnis oder auch nur einem „genossenschaftlichen Akzent“432 das Wort geredet werden. Der einzelne steht als Individuum im Zentrum des – sich aus der mehrdimensionalen Wirkung des Beziehungsgeflechts der einzelnen grundrechtlichen Elemente ergebenden – Freiheitsschutzes. Er ist jedoch nicht alleiniger Bezugspunkt grundgesetzlicher Freiheitsverbürgungen. Um sicherzustellen, daß Grundrechte nicht mehr bloß leerlaufende Programmsätze433, Wohlwollenserklärungen434 oder Toleranzen435 sind, sondern aktuelles Recht436 darstellen und weiter Freiheit nicht abstrakt, ___________ 430 H.-U. Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 152: Allgemeine Handlungsfreiheit, Rdnr. 8. 431 Zur Verschränkung von Staat und Gesellschaft siehe: E.-W. Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973, S. 21 ff., 34 ff., 44 ff.; A. Bleckmann, Staatsrecht I, 1993, § 7 Rdnr. 165. 432 E. Hesse, Die Bindung des Gesetzgebers an das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG bei der Verwirklichung einer „verfassungsmäßigen Ordnung“, 1968, S. 86. 433 H. Bethge, KritV 1990, S. 9. 434 Vgl. F. Schnapp, JuS 1989, S. 1; H. Bethge, KritV 1990, S. 9. 435 Vgl. W. Krebs, Jura 1988, S. 617; H. Bethge, KritV 1990, S. 9. 436 H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [10].

132

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

sondern real zu verstehen ist437, muß grundrechtliche Freiheit durch Schaffung und Sicherung der gesetzlichen und der tatsächlichen Voraussetzungen aktualisiert werden. Der rechtsstaatliche Gesetzgeber hat insoweit ein normatives Gerüst438 als rechtliche Voraussetzung für die Grundrechtsausübung439 geschaffen, innerhalb dessen der einzelne selbständig auftreten kann440. Aber nur soweit eigene Interessen oder Belange441 in Rede stehen, hat die Behörde mit ihm in „formalisierter Weise in Kommunikation zu treten“442; es stellt eine verkürzte Sichtweise dar, die Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht darauf zu reduzieren, sie habe „allein den Sinn, die Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß abzugrenzen“443. Das subjektiv-öffentliche Recht ist insoweit nicht bloßes Vehikel zu einer Verwirklichung der den „grundgesetzlichen Freiheitsverbürgungen durchweg zugrundeliegenden Idee der Grundrechtsaktualität“444, sondern es stellt selbst Grundrechtsaktualität dar und Grundrechtseffektivität her, indem es das personale Moment in eine rechtlich ausgeformte Stellung bringt. Diese Stellung verbürgt, daß die einfachgesetzlichen Regelungen nicht ohne gleichzeitigen Blick auf die „überwölbenden Leitlinien des Grundgesetzes“445 in Augenschein genommen werden.

___________ 437 H. Bethge, REDP 1990, S. 53 [60] unter Verweisung auf M. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, 1970, S. 16 und K. Hesse, EuGRZ 1978, S. 427 [431]. 438 H. Bethge, REDP 1990, S. 53 [60]. 439 J. Isensee, in: Schwartländer, Modernes Freiheitsethos, 1981, S. 87. 440 J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 128. 441 Schon die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder heben mit dem Begriff der „Außenwirkung“ gleich in ihrer zentralen Definition des Verwaltungsverfahrens (§ 9 VwVfG) nach h.M. (etwa P. Badura, in: Erichsen / Martens / Badura, Allg. Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1992, § 34 Rdnr. 1 f.; M. Riedl, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 9 Rdnr. 3; F. Kopp / U. Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 9 Rdnr. 6 ff.) auf die Berührung subjektiver Rechte ab. Das Grundmodell für praktisch alle individuellen Befugnisse angesichts konkreter Verwaltungsentscheidungen ist damit vorgegeben, vgl. J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 130. 442 J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 128. 443 G. Roellecke, AöR Bd. 114 (1989), S. 589 [596]. 444 H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [9]; R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401 ff. 445 H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [10].

B. Das deutsche Verständnis

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(3) Das subjektiv-öffentliche Recht als Ausdruck gleicher Freiheit Das Grundgesetz enthält Gewährleistungen der Gleichheit an verschiedenen Stellen446 und mit verschiedenen Akzenten. Das Verhältnis zwischen Freiheit und Gleichheit ist ein uraltes Dilemma447 und stellt nach landläufiger Vorstellung einen Konflikt dar448. Diese Vorstellung ist schief449. Grundrechtlich stehen die Verbürgungen von Freiheit und Gleichheit konfliktfrei nebeneinander450. Insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG wohnt zwar eine andere normative Stringenz als den klassischen Freiheitsrechten inne, eine Kontur- und Farblosigkeit, die von anderer Art ist, als die vage Blankettartigkeit, die die überkommenen Rechte des status negativus aufweisen451; er hat insbesondere für den Bereich derivativer Teilhabe eine „quasi-akzessorische Bedeutung“452. Dies ändert aber nichts an der identischen normativen Qualität und der äquivalenten verfassungsrechtlichen Dignität. Dennoch darf nicht aus dem Blick geraten, daß nach deutscher Verfassungstradition die Frage der Gleichheit nicht mit gleicher Brisanz gestellt wurde. Der Gleichheitssatz weist in stärkerem Maß als die Freiheitsrechte über sich hinaus und ist auf Merkmale und Kriterien angewiesen, die er selbst nicht bieten kann453. Uridee des Bildes vom subjektiv-öffentlichen Recht ist die individuelle Freiheit und zwar der Schutz gleicher Freiheit454: ___________ 446

Art. 3, 6 Abs. 5, 33 Abs. 1–3, 38 Abs. 1 S. 1 GG. Siehe: R. Zippelius, Recht und Gerechtigkeit in der offenen Gesellschaft, 1994, Kapitel 23; R. Zippelius, VVDStRL Heft 47 (1989), S. 1 ff.; M. Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 45 ff.; C. Gusy, NJW 1988, S. 2205; K. Hesse, AöR Bd. 109 (1984), S. 174 ff. 448 E.-J. Lampe, in: FS für Werner Maihofer, 1988, S. 253 ff. 449 J. Isensee, in: Schwartländer, Modernes Freiheitsethos, 1981, S. 75. 450 B. Pieroth / B. Schlink, Staatsrecht II, Grundrechte, 17. Aufl. 2001, Rdnr. 430. 451 H. Bethge, REDP 1990, S. 53 [62]; umfassend: A. Bleckmann, Die Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes, 1995. 452 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 235 unter Verweis auf E. Friesenhahn, Verhandlungen des 50. Deutschen Juristentages, Sitzungsbericht F/G, 1974, S. G 1 [G 21] und A. Randelzhofer, BayVBl. 1975, S. 607 [609 Fn. 27]. 453 T. Maunz / R. Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 30. Aufl. 1998, § 25 I 2; M. Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 48 f. 454 Oberstes Leitprinzip der Grundrechte ist das „Ziel gleicher individueller Freiheit“ (D. Grimm); vgl. auch U. Di Fabio, FAZ v. 12.10.2002, S. 7, der sich die begriffliche Unterscheidung zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft von F. Tönnies zu eigen macht (F. Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, 1887; erst die viel später erschienene zweite Auflage trägt den Untertitel „Grundbegriffe der reinen Soziologie“, F. Tönnies, Gemeinschaft und Gesellschaft, 2. Aufl., 1912). Während Gemeinschaft die unmittelbaren Sozialbeziehungen und das Gefühl der Solidarität prägt, ist Gesellschaft volitiv organisiert und auf individueller Willensentscheidung gegründet. Grundprinzip bei ersterer ist die Verbundenheit getrennter Individuen, bei letzterer die Trennung bei punktueller Verbundenheit über förmliche Beziehungen. Nach F. Tönnies bleiben die Menschen in Ge447

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„[…] auch die liberalen Freiheitsrechte folgen dem Gleichheitssatz. Sie bieten Freiheit der Gleichen: rechtliche Gleichheit im Freiheitsrecht.“455 „Freiheit ist der Boden, in dem die Gleichheit ihre Furchen zieht“456.

Es ist daher nicht von ungefähr, daß in Fällen, in denen Freiheits- und Gleichheitsaspekte gleichermaßen berührt sind, im Verfassungsrecht regelmäßig der Freiheitseingriff im Vordergrund steht. Die Gleichheitsprobleme werden meist innerhalb oder als Anhängsel der Freiheitsprobleme behandelt457. Gerade in den Fällen faktischer Ungleichwirkung wird der Gleichheitsaspekt leicht übersehen458. Auf diese Feststellung wird noch vergleichend zurückzukommen sein. (4) Schlußfolgerung In Abwandlung eines Gemeinplatzes459 gilt gerade für das Thema „Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte“ die Maxime: Einfaches Gesetzesrecht ist (vielfach) konkretisiertes Verfassungsrecht460. Die Rechtsfigur bedeutet aber mehr. Die Grundrechte – trotz lückenlosen Grundrechtsschutzes461 in Gestalt des Innominatfreiheitsrechts – decken nicht das Ganze der Rechtsordnung ab und ___________ meinschaften trotz aller Trennung verbunden, während sie in Gesellschaften trotz aller Verbundenheit wesentlich getrennt bleiben. Indem heute „Gemeinschaft“ an Bedeutung verliert und die „Gesellschaft“ immer mehr Raum beansprucht ist mit diesen Begriffen der moderne Individualismus nach U. Di Fabio „scharfsinnig beschrieben“. Je weiter die „Gesellschaft“ fortschreitet, desto mehr herrscht der Einzelwille, desto mehr wird die Freiheit zur Freiheit in formaler Gleichheit. 455 J. Isensee, in: Schwartländer, Modernes Freiheitsethos, 1981, S. 75. 456 M. Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980, S. 47 ff. 457 Vgl. G. Manssen, Staatsrecht, Bd. 1, 1995, Rdnr. 23: Es „wird oft eine Problematik im Bereich eines Freiheitsrechts angesiedelt, auch wenn sie gleichgewichtige Gleichheitsprobleme enthält“. Das Bundesverfassungsgericht prüft beispielsweise bei Altersgrenzen Art. 3 Abs. 1 GG nur im Hinblick auf den Vergleich mit anderen Berufsgruppen, nicht im Hinblick auf die Vergleichgruppe „Angehörige der Berufgruppe mit geringerem Lebensalter“, vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.6.1959, 1 BvR 71/57, BVerfGE 9, 338 [349 ff.]. Ansonsten wird nur der Freiheitseingriff betrachtet, vgl. BVerfG, a. a. O. S. 343 ff.; BVerfG, Beschl. v. 4.5.1983, 1 BvL 46/80 und 1 BvL 47/80, BVerfGE 64, 72 [82 f.]. Eine teilweise Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG findet sich allerdings in BVerfG, Beschl. v. 19.10.1992, 1 BvR 737/88, NJW 1993, S. 1576. Näher: A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 141 ff. 458 A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 150: „es werden also, mit anderen Worten, Fälle als reine Freiheitsprobleme behandelt, die in Wirklichkeit zumindest auch Gleichheitsaspekte enthalten“. So auch: G. Manssen, Staatsrecht, Bd. 1, 1995, Rdnr. 26. 459 F. Werner, DVBl. 1959, S. 537 ff. 460 Vgl. H. Bethge, REDP 1990, S. 53 [60]. 461 C. Starck, JuS 1981, S. 237 [237]; H. Bethge, REDP 1990, S. 53 [54 f.].

B. Das deutsche Verständnis

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schöpfen auch nicht das Ganze der Freiheitsidee aus, da sie eben doch Recht in der Begrenztheit sind, die den überpositiven wie den positiven Rechtsnormen eigen ist. Geltung und Thematik der Grundrechte reichen nur so weit, wie Macht über den Menschen ausgeübt werden kann. „Das Maß der Menschenrechte ist die Verletzbarkeit der Freiheit“ (Josef Isensee)462. Indem der Staat den Rechten Aufnahme in die Verfassung gewährt und sie in Grundrechten positiviert, gewinnen sie Eigenschaften, die nur das positive Gesetz schafft; sie erlangen Eindeutigkeit in ihrer positivrechtlichen Geltung und verbindlichen Interpretation463. Dies ändert aber nichts daran, daß es eines Grundes bedarf, auf dem diese vollziehbaren Normen aufbauen müssen, wenn sie des Vollzuges und der Anerkennung würdig sein sollen. Indem das grundgesetzliche Selbstverständnis eine individualistische Staatslegitimation zugrunde legt464, Art. 1 Abs. 1 GG die „Grundrechte beherrscht“465, baut die Verfassung selbst auf der Idee subjektiv-öffentlicher Rechte auf466. Zwar gibt es keine dem Staat vorgelagerte apriorische Rechtssubjektivität467. Die Idee des subjektiv-öffentlichen Rechts findet sich aber nicht nur in den Grundrechten, sondern wird von Ihnen (auch) vorausgesetzt468 und ausgeformt: Der Grundrechtsstaat ___________ 462

J. Isensee, in: Schwartländer, Modernes Freiheitsethos, 1981, S. 76. Dazu: J. Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte, 1980. 464 Im Gegenteil zu einer universalistischen Staatslegitimation, die den Endzweck des Menschen darin sieht, in der politischen Gemeinschaft aufzugehen; siehe zu dieser idealtypischen Gegenüberstellung: O. Spann, Gesellschaftsphilosophie, 1928, S. 9 ff. Der Herremchiemseer Verfassungsentwurf hatte die individualistische, instrumentale Staatsauffassung noch schroff formuliert: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen“ (Art. 1 Abs.2). Im parlamentarischen Rat zu Bonn wandte sich der Abgeordnete T. Heuss, gegen diese Formel: sie enthalte eine unfundierte Polemik gegen den „schief verstandenen Hegel“; das Staatsgrundgesetz dürfe nicht mit einer Kränkung der inneren Würde des Staates eingeleitet werden (2. Plenarsitzung v. 8.9.1948, Sten. Ber. S. 44). 465 BVerfG, Urt. v. 16.1.1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 [36] („Elfes“). Siehe zu dieser Entscheidung auch: H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [25 f.]. 466 Insoweit kann mit dem Hinweis auf ein weiteres geflügeltes Wort O. Mayers (Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1923, Vorwort) festgestellt werden, daß die dogmengeschichtlichen Prämissen der Stellung des einzelnen in gewandelter Verfassungslandschaft tatsächlich Kontinuität und Bestand hatten und haben. Deutlich wird dies bei M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 533: dieser stellt fest, daß der Versuch, die Kriterien für die Annahme subjektiver Grundrechte zu bestimmen, allgemeinere Kategorien in Betracht ziehen muß und greift sodann im wesentlichen auf die Schutznormtheorie zurück (a. a. O., S. 534 ff. und S. 987). 467 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [17] und F. Schnapp, Rechtstheorie, Beiheft 5 (1984), S. 381 ff. 468 Zu den Vorstaatlichen Voraussetzungen moderner Verfassungsstaatlichkeit siehe auch J. Isensee, NJW 1977, S. 545 ff.; H. Schmidt, in: Gorschenek, Grundwerte in Staat 463

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„[…] findet seine Bestimmung darin, dem Menschen (und zwar dem wirklichen, dem einzelnen Menschen, nicht einem […] Abstraktum namens Menschheit) zu dienen, damit er sich seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte“469.

b) Die Aussage der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie Der „bedeutsamste gleichsam aus dem Zentrum des positiven status entspringende Anspruch“470 war bereits für Georg Jellinek der Anspruch auf gerichtlichen Schutz. Das Grundgesetz hat diesen Anspruch mit dem „königlichen“471 Art. 19 Abs. 4 GG als „Schlußstein im Gewölbe des Rechtsstaats“472 zementiert. Er stellt im Zusammenhang mit den Gewährleistungen der Unabhängigkeit der Gerichte (Art. 20 Abs. 2 und 3 sowie Art. 92 und Art. 97 GG) des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) und des rechtlichen Gehörs vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie weiteren, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Anforderungen an das gerichtliche Verfahren die zentrale Verbürgung gerichtlichen Schutzes dar473. Grundgesetzlich angelegt und durch Rechtsprechung474 und Lehre475 ausgeformt besteht heute ein „Komplementärver___________ und Gesellschaft, 1977. S. 13 ff. sowie die Diskussion S. 28 ff.; H. Kohl, a. a. O., S. 52 ff. und W. Maihofer, a. a. O., S. 88 ff.; P. Kirchhof, FAZ Nr. 117 v. 22.5.1999, S. 8. 469 J. Isensee, in: Schwartländer, Modernes Freiheitsethos, 1981, S. 93. 470 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 124. 471 W. Jellinek, VVDStRL Heft 8 (1950), S. 3. 472 R. Thoma, in: Recht – Staat – Wirtschaft, Bd. 3, 1951, S. 9 ff.; vgl. G. Dürig, in: Schmitt Glaeser / Häberle, Gesammelte Schriften, 1984, S. 137 ff. Siehe auch die Nachweise oben, Erstes Kapitel – A.II., S. 49 in Fn. 6 und H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [11]. 473 H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [11]. Zur Gewährleistung fachgerichtlichen Rechtsschutzes bei Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vgl. die Plenarentscheidung BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, S. 1924 ff. 474 Leitentscheidungen sind insoweit: BVerfG, Beschl. v. 25.6.1968, 2 BvR 251/63, BVerfGE 24, 33 [48 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 18.7.1973, 1 BvR 23, 155/73, BVerfGE 35, 382 [401 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 28.10.1975, 2 BvR 883/73 und 379, 497, 526/74, BVerfGE 40, 237 [246 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 20.4.1982, 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 [266 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 [109 ff.] („Sasbach“); BVerfG, Beschl. v. 9.1.1991, 1 BvR 207/87, BVerfGE 83, 182 [194 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81 und 213/83, BVerfGE 84, 34 [49 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87, BVerfGE 84, 59 [77 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992, 1 BvR 167/87, BVerfGE 88, 40 [45 ff.]; BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166 [189 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, S. 1924 ff. Siehe auch BVerwG, Urt. v. 17.7.1980, 7 C 101.78, BVerwGE 60, 297 [307 ff.]. 475 Siehe etwa W. Jellinek, VVDStRL Heft 8 (1950), S. 3 ff.; R. Thoma, in: Recht – Staat – Wirtschaft, Bd. 3, 1951, S. 9 ff.; G. Dürig, in: Schmitt Glaeser / Häberle, Gesammelte Schriften, 1984, S. 137 ff.; F. Klein, VVDStRL Heft 8 (1950), S. 67; P. Lerche,

B. Das deutsche Verständnis

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hältnis“476 zwischen materiellen Grundrechten und formellen Verfahrensgrundrechten, namentlich Art. 19 Abs. 4 GG. Dieser ist zu einem „Gravitationspunkt“477 der Rechtsentwicklung geworden. Er formuliert ein subjektiv-öffentliches (Verfahrensgrund-)recht478 als „formelles Hauptgrundrecht“479, welches – als prozessuales Gegenstück der freien Persönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 Abs. 1 GG in seiner Lesart als allgemeine Handlungsfreiheit – lückenlosen Grundrechtsschutz gewährt. Er vermittelt jedoch keine allgemeine Rechtsweggarantie480, sondern nur eine spezielle für den Fall der Rechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt481. Er verknüpft den Begriff der Rechte nicht nur allgemein mit dem Rechtsschutz, sondern gerade mit dem Schutz durch Gerichte482 und enthält insoweit eine gewichtige kompetenzzuordnende Funktion483. Weitergehende Rechtsweg- und Rechtsschutzgarantien können nur dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch entnommen werden, der seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip findet484 und der – anders als Art. 19 Abs. 4 GG – ___________ ZZP 78 (1965), S. 1 ff.; H. Bauer, Gerichtsschutz als Verfassungsgarantie, 1973; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973; H. Bethge, NJW 1982, S. 1 ff.; D. Lorenz, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 143 ff.; H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [11].; W. Frenz, BayVBl. 1993, S. 483 ff.; M. Ibler, Rechtspflegender Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, 1999, S. 171.; W.-R. Schenke, JZ 1988, S. 317 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 1; W. Krebs, in: von Münch / Kunig, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 19 Rdnr. 1 ff.; H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 1 ff.; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 1 ff.; R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 1 ff.; W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 1 ff. 476 H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [11]. 477 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 1; ähnlich: P. Lerche, ZZP 78 (1965), S. 1 [16]: „Energiesammelpunkt“. 478 W. Krebs, in: von Münch / Kunig, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 19 Rdnr. 1, 49. Dieses besteht auch und gerade gegenüber der Legislative (im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung. Art. 107 WRV lautete: „Im Reiche und in den Ländern müssen nach Maßgabe der Gesetze Verwaltungsgerichte zum Schutze der einzelnen gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden bestehen“). 479 F. Klein, VVDStRL Heft 8 (1950), S. 67 [88, 123]. 480 H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 22. 481 Vgl. hierzu die Plenarentscheidung BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, S. 1924 [1925 f.]. 482 M. Ibler, Rechtspflegender Rechtsschutz im Verwaltungsrecht, 1999, S. 171. 483 H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 4. 484 H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [14]; daneben treten spezielle verfassungsrangige Rechtsschutzgewährleistungen für die Enteignungsentschädigung, Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG und den Schadenersatzanspruch bei Amtspflichtverletzung, Art. 34 GG; siehe: H.-J.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

nicht ohne weiteres grundrechtlich strukturiert ist485. Letzterer ist eine grundrechtlich verselbständigte Erscheinungsform des Grundrechtsschutzes durch Organisation und Verfahren486. Die Gewährleistung von Art. 19 Abs. 4 GG entfaltet sich auf den drei Ebenen des subjektiven Verfahrensgrundrechts, der objektiven Wertentscheidung und der institutionellen Garantie487. Er trifft, indem er den Rechtsschutz an die (mögliche) Verletzung von Rechten durch die öffentliche Gewalt knüpft, einige das Verständnis dieser Rechte zentral beeinflussende Aussagen. (1) Strukturentscheidung für den Individualrechtsschutz Von einer Strukturentscheidung kann gesprochen werden, wenn Einzellösungen in einen stimmigen Zusammenhang gestellt und zu einem einheitlichen Konzept integriert werden488. Als Leitgedanke einer Kategorisierung im Hinblick auf die Verwaltungskontrolle hat sich seit der idealtypischen Unterteilung von Léon Duguit489 die Einteilung in Verfahren des subjektiven Rechtsschutzes und objektive Kontrollverfahren durchgesetzt. Der Ertrag der Diskussion in ___________ Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 12. 485 Die bemerkenswerte Plenarentscheidung BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, S. 1924 ff. hat die Gewährleistung fachgerichtlichen Rechtsschutzes bei Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör „dem Rechtsstaatsprinzip i.V. mit Art. 103 Abs. 1 GG“ entnommen. Vgl. dazu A. Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193 [2196]: „dogmatischer Eiertanz“. 486 Umfassend: H. Bethge, NJW 1982, S. 1 ff. Die „allen Grundrechten akzessorische“ (H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 32, siehe aber Rdnr. 112) objektivrechtliche Dimension auf Effektivität des Rechtsschutzes ist von der Rechtsprechung meist „in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG“ abgeleitet worden, etwa für Art. 14 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 10.5.1977, 1 BvR 514/68 und 323/69, BVerfGE 45, 297 [322, 333]; BVerfG, Beschl. v. 7.12.1977, 1 BvR 734/77, BVerfGE 46, 325 [334]; BVerfG, Beschl. v. 27.9.1978, 1 BvR 361/78, BVerfGE 49, 220 [228 f.; 242 f.]; siehe ferner: BVerfG, Beschl. v. 14.12.1993, 1 BvR 361/93, BVerfGE 89, 340 [342]; Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 16.1.1995, 1 BvR 1505/94, NVwZ 1995, S. 469 [470]; BVerfG, Beschl. v. 9.4.1975, 1 BvR 344–353/74, BVerfGE 39, 276 [294]; BVerfG, Beschl. v. 2.3.1977, 1 BvR 124/76, BVerfGE 44, 105 [119 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 8.11.1978, 1 BvR 589/72, BVerfGE 50, 16 [30]; Art. 7 Abs. 5 GG: BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992, 1 BvR 167/87, BVerfGE 88, 40 [45, 56]; Art. 2 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 3.10.1979, 1 BvR 726/78, BVerfGE 52, 203 [206 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 25.10.1978, 1 BvR 761/78, 1 BvR 806/78, BVerfGE 50, 1 [3 f.]; Art. 5 Abs. 3 GG (Kunst): BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990, 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 [145 f.]. 487 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 6. 488 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 4 489 L. Duguit, Traité de droit constitutionnel, Bd. 2, 2. Aufl. 1923, S. 435 f.; 459 ff., 475 ff.; siehe auch die Nachweise oben, Erstes Kapitel – A.III., S. 50 in Fn. 8.

B. Das deutsche Verständnis

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Deutschland – welche von Art. 19 Abs. 4 GG Maß und Richtung erhalten hat490 – ist ein primär (wenn auch nicht ausschließlich) dem Schutz subjektiver Rechte verpflichtetes Verständnis gerichtlichen Schutzes. Indem Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte als Angelpunkt der Rechtsschutzgarantie ausweist, koloriert er das bereits durch die materiellen Grundrechte gezeichnete Bild insoweit, als er die materielle Leitidee der Personalität und Individualität auf formeller Ebene bekräftigt. Rechtsschutz wird nicht um des Staates, sondern um des einzelnen willen gewährt491. Die Betroffenheit des einzelnen in seinen subjektiven Rechten muß nicht nur Anstoß, sondern eigentlicher Gegenstand und Legitimationsgrund des gerichtlichen Verfahrens sein492. Diese Strukturentscheidung entfaltet ihre prägende Kraft in der Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Das Leitbild subjektiven Rechtsschutzes umfaßt, worauf Rainer Wahl 493 zutreffend hinweist, zwei Elemente: Er ist subjektiver Schutz, d.h. zuvörderst Schutz des Individuums – nicht Schutz der objektiven Rechtsordnung; er ist aber auch subjektiver Rechtsschutz, schützt also die Rechte des Individuums und nicht auch dessen bloße Interessen oder Belange494. Von diesem Doppelverständnis geht die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG aus. Damit aber ist der verfassungsrechtliche Auftrag vorgezeichnet, die Konkretisierung der grundgesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Schutzes um den zentralen Begriff des subjektiv-öffentlichen „Rechts“ vorzunehmen. (a) Weder Exklusivität noch Neutralität Festzuhalten ist, daß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG für die subjektive Funktion des Verwaltungsprozesses keine Exklusivität verlangt495. Die Rechtsschutzgarantie stellt als normgeprägtes Grundrecht lediglich Mindestanforderungen an den Gesetzgeber. Das Verwaltungsprozeßrecht kann daher die Initiativberechtigung auch bei bloßer Tangierung von Interessen des einzelnen gewähren; es bleibt ___________ 490 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 14. 491 D. Lorenz, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 143 [148]. 492 W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 [197]; E. SchmidtAßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 8. 493 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 14. 494 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 14. 495 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 14.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

dann bei einem Erfordernis der Individualisierung, die anderen Kriterien genügen muß als denjenigen, die die Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht bietet. Hierher gehört – wenn man der Rechtsprechung des BVerwG zu dieser Frage496 nicht folgt497 – die Feststellungsklage nach § 43 VwGO, welche das Feststellungsinteresse an einem Rechtsverhältnis als individualisierendes Kriterium voraussetzt498. Zum anderen kann der Gesetzgeber auch nach der anderen Seite hin den Kerngehalt erweitern, durch Elemente objektiver Kontrolle, die gerade auf eine Individualisierung verzichten. Hier sind etwa die „Verbandsklagen“499, objektive Beanstandungsklagen, Popularklagen500 oder Musterprozesse zu verorten. Beides darf jedoch nicht dazu führen, daß die verfassungsrechtliche ___________ 496

Die st. Rspr. wendet § 42 Abs. 2 VwGO auch bei der Feststellungsklage analog an, siehe BVerwG, Urt. v. 29.6.1995, 2 C 32.94, BVerwGE 99, 64 [66]; BVerwG, Beschl. v. 30.7.1990, 7 B 71.90, BayVBl. 1990, S. 728; BVerwG, Urt. v. 6.2.1986, 5 C 40.84, BVerwGE 74, 1 [4]. 497 So die überwiegende Literatur, vgl. nur: H. Sodan, in: Nomos-Kommentar zur VwGO, § 43 Rdnr. 72; H.-W. Laubinger, VerwArch. Bd. 82 (1991), S. 459 ff.; F. Schoch, JuS 1987, S. 783 [789 f.]; F. Knöpfle, in: FS für Peter Lerche, 1993, S. 771 ff.; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl. 2000, Rdnr. 410; R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 23, 25. Siehe aber: J. Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 43 Rdnr. 31. Differenzierend: W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 [199]; W. Selb, Die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage, 1998, S. 168 ff. 498 Nimmt man hingegen – ohne auf eine Analogie zu § 42 Abs. 2 VwGO zu rekurrieren – eine Eingrenzung der Initiativberechtigung durch eine Auslegung des Begriffes des Rechtsverhältnisses dergestalt vor, daß dieses nur dann Gegenstand der Klage sein kann, wenn der Kläger entweder am Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder vom Rechtsverhältnis eigene Rechte des Klägers abhängen, führt man auch diese Klageart auf die Frauge nach subjektiv-öffentlichen Rechten zurück; dafür etwa F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 63; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl. 2000, Rdnr. 414. 499 Nach Erlaß des BNatSchG ist die Verbandsklage in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, im Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, SchleswigHolstein und Thüringen eingeführt worden (§ 39b BlnNatSchG, § 65 BbgNatSchG, § 44 BremNatSchG, § 41 HambNatSchG, § 36 HessNatG, § 37b Rh.-Pf. LandespflegeG § 33b SaarlNatSchG, § 58 SächsNatSchG, § 52 NatSchG LSA, § 51c NatSchG S-H, § 46 ThürNatG). Die Regelungen sind ganz überwiegend an § 29 BNatSchG a.F. gekoppelt und beschränken die Klagebefugnis personell auf Verbände, die nach dieser Vorschrift anerkannt sind (Verbandsbeteiligung), und sachlich auf Entscheidungen, die nach dieser Vorschrift der Verbandsbeteiligung unterliegen. Insofern sind sie nur eingeschränkt „Verbandsklagen“. Die Neufassung des BNatSchG sieht nunmehr auch auf Bundesebene eine Verbandsklage vor, § 61 Abs. 1 BNatSchG: „Ein […] anerkannter Verein kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen […]“. Siehe dazu einerseits BVerwG, Urt. v. 31.1.2002, 4 A 15.01, NVwZ 2002, S. 1103 andererseits BVerwG, Urt. v. 28.6.2002, 4 A 59.01, NVwZ 2002, S. 1234 f. 500 Beispiel ist die bayerische Popularklage nach Art. 98 S. 4 BV, die aber ein spezifisch verfassungsprozzesualer Rechtsbehelf ist. Dazu: T. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 98 Rdnr. 1 ff.

B. Das deutsche Verständnis

141

Grundentscheidung, den Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt um den zentralen Begriff der Rechtsverletzung zu strukturieren, als Leitbild nicht mehr verwirklicht wäre. Es bestehen daher qualitative Grenzen bei der Ausweitung501 von Kontrollen, die auf andere Initiativbegrenzungen als die der möglichen Rechtsverletzung abstellen, oder gar gänzlich entindividualisiert sind. Weiter bestehen quantitative Grenzen bei der Zulassung immer weiterer objektiver Kontrollmechanismen, die die Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative zu sehr zu Lasten der Verwaltung verschieben502. Insoweit bewahrt Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zwar Offenheit und beansprucht für den Individualrechtsschutz keine Exklusivität; er erschöpft sich aber auch nicht in inhaltlicher Neutralität. Die Ausrichtung an anderen Kriterien als denen der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte, stellt zwar eine Option des Gesetzgebers dar, sie darf aber keinesfalls vollständig substituierende Wirkung haben. (b) Keine Konstituierung subjektiv-öffentlicher Rechte Letztere Feststellung steht im engen Zusammenhang mit dem Befund, daß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zwar subjektiven Rechtsschutz als Anspruch ausformt und insoweit selbst ein subjektiv-öffentliches Recht darstellt, für die durch ihn zu schützenden subjektiv-öffentliche Rechte aber nicht konstitutiv ist. Ob eine Norm verfassungsrechtlicher oder einfachrechtlicher Provenienz im öffentlichen Recht – einschließlich des EG-Rechts503 – oder Privatrecht positiviert ist: Die Einordnung der Norm als ein subjektiv-öffentliches Recht kann jedenfalls nicht aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG allein hergeleitet werden504. Die Bestimmung begründet weder selbst Rechte, noch verlangt sie eine konkrete Einräumung materieller Rechte505, welche sich allein aus der Rechtsschutzgarantie deduzieren ließen. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG vermag bei der Interpretation zwar eine ver___________ 501

E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 9; R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 16. 502 Bedenken von W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 106 Fn. 367; ebenso E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 9. 503 M. Nettesheim, NJW 1995, S. 2083 ff. 504 Ganz h.M. Siehe nur E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 119; W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 287, 438; BVerfG, Urt. v. 5.2.1963, 2 BvR 21/60, BVerfGE 15, 275 [281]; BVerfG, Beschl. v. 8.5.1979, 2 BvR 782/78, BVerfGE 51, 176 [185]; BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 [110 f.] („Sasbach“); BVerfG, Urt. v. 24.4.1985, 2 BvF 2/83– 4/83, 2 BvF 2/84, BVerfGE 69, 1 [49]; BVerfG, Beschl. v. 9.1.1991, 1 BvR 207/87, BVerfGE 83, 182 [194 f.]; BVerwG, Urt. v. 22.5.1980, 3 C 2.80, BVerwGE 60, 154 [161]; BVerwG, Urt. v. 20.2.1990, 1 C 42.83, BVerwGE 84, 375 [377]. 505 H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 42.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

deutlichende, verstärkende506, entlastende oder – wegen der im Rechtsstaatsprinzip und damit auch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als dessen besonderer Ausprägung vorhandenen Gegenläufigkeiten507 – begrenzende Rolle zu spielen. Da die Verfassung „ein Sinngefüge“508 ist, „bei dem einzelne Gewährleistungen, und mithin auch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, so auszulegen sind, daß auch anderen Verfassungsnormen und -grundsätzen nicht Abbruch getan wird“509, sind aber weitere Auslegungsdirektiven einzubeziehen. Dies gilt namentlich für die Grundrechte und die Staatsstrukturprinzipien. (c) Konturierung subjektiv-öffentlicher Rechte als Aufgabe des Gesetzgebers Da Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG – mit Ausnahme des subjektiven Rechts auf Rechtsschutz selbst – keine Rechte konstituiert, sondern deren Existenz vielmehr voraussetzt, weist er dem Gesetzgeber eine bestimmte Rolle zu: Vor dem Hintergrund der obigen Feststellungen kann diese Aufgabe mit „Konturierung subjektiv-öffentlicher Rechte“ umschrieben werden. Denn wenn auch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG über den Bestand der Rechte keine konkreten Aussagen und keine direkten Direktiven in bezug auf die sachlichen Kriterien ihrer Ermittlung und die Reichweite des subjektiven Gehalts einer Norm enthält, so stellt er doch ein Programm auf, welches den Gesetzgeber verpflichtet, das einfache Recht derart auszugestalten, daß dem einzelnen ein nach Art und Maß ausreichender Bestand subjektiv-öffentlicher Rechte zur Verwirklichung einer dem verfassungsrechtlichen Leitbild entsprechenden grundrechtlichen Freiheitsverbürgung gegeben ist. Dies aber stellt eine für die Untersuchung zentrale Aussage von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG dar: Es ist also der Gesetzgeber, welcher aufgerufen ist zu bestimmen, ob und in welchem Maß dem einzelnen subjektivöffentliche Rechte eingeräumt werden sollen510. Ob den rechtssatzmäßig be___________ 506

BVerwG, Urt. v. 20.2.1990, 1 C 42.83, BVerwGE 84, 375 ff. für den Anspruch auf Auskunft über die gespeicherten Daten gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dazu kritisch: S. Simitis / G. Fuckner, NJW 1990, 2713 ff. 507 BVerfG, Urt. v. 22.11.1983, 2 BvL 25/81, BVerfGE 65, 283 [292]; zu den „inneren Antinomien des Rechtstaatsprinzips siehe ferner: N. Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 5 Rdnr. 5. 508 BVerfG, Beschl. v. 20.4.1982, 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 [267]. 509 BVerfG, Beschl. v. 20.4.1982, 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 [267]. 510 R. Herzog, NJW 1992, S. 2601 [2602 f.]; H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 42; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 284 ff.; M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992; R. Wahl, DVBl. 1996, S. 641 [650]; mit Einschränkung auch: H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 40 ff.; BVerfG, Beschl. v. 8.5.1988, 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 [226]; BVerfG, Beschl. v. 9.1.1991, 1 BvR 207/87, BVerfGE

B. Das deutsche Verständnis

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gründeten Achtungspflichten der öffentlichen Gewalt also Rechte korrespondieren, entscheidet in erster Linie die materielle Gesetzgebung selbst511. Dies meint nicht, „den Kranz der rügefähigen subjektiven öffentlichen Rechte definitiv und exklusiv vom einfachen Gesetzgeber abstecken zu lassen“512, sondern ihm die verfassungsrechtlich gebunden Ausgestaltungsmöglichkeiten513 als legislatorischen Auftrag zuzuweisen. Die Entscheidung des Normgebers über die individuelle Berechtigung zur Durchsetzung einer objektiv rechtlichen Begünstigung ist damit Ausgestaltung von materiellen Grundrechtspositionen und zugleich Erfüllung eines verfassungsrechtlichen Auftrages zur Kolorierung des durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG skizzierten Bildes. (d) Supponierung subjektiv-öffentlicher Rechte Dieses Bild ist nach heute wohl überwiegender Meinung514 mit keinen direkten Direktiven in bezug auf die sachlichen Kriterien zur Ermittlung subjektiver Rechte grundiert. Die ursprünglich mit dem Hinweis auf Otto Bachof 515 vom ___________ 83, 182 [194 f.]; BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81 und 213/83, BVerfGE 84, S. 34 [49]. 511 H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 42. 512 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 382. 513 BVerwG, Urt. v. 17.7.1980, 7 C 101.78, BVerwGE 60, 297 [307] spricht denn auch davon, die streitgegenständliche Vorschrift der AtAnlV balanciere „die auf ein mehrpoliges Rechtsverhältnis einwirkenden gegenläufigen, jeweils auf materielle Grundrechtspositionen zurückzuführenden Interessen aus und [bringe] sie in ein angemessenes Verhältnis zueinander“. Dazu: S. de Witt, DVBl. 1980, S. 1006 ff., der die im Urteil des BVerwG vertretene These von der Präklusion als Ausbalancierung eines mehrpoligen Rechtsverhältnisses angreift, da weder der Gemeinde noch den überwiegend im öffentlichen Eigentum stehenden Kraftwerksbetreibern eine Berufung auf materielle Grundrechtspositionen zustehe; so dann auch BVerfG, Beschl. v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 ff. („Sasbach“). 514 Siehe nur H. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 19 Rdnr. 23; H.J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 42; H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 382; K. H. Friauf, DVBl. 1969, S. 368 [374]; R. Scholz, WiR 1972, S. 35 [58]; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 143. 515 O. Bachof, DVBl. 1961, S. 128 [131]. O. Bachof hatte schon auf der Staatsrechtslehrertagung 1953 gemeint, „daß schon jetzt alle durch das öffentliche Recht objektivrechtlich geschützten Interessen echte Berechtigungen des Begünstigten“ seien (VVDStRL Heft 12 (1954), S. 37). Siehe auch O. Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951, S. 72, 84; O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 287 [301] sowie: R. Bartlsperger, VerwArch. Bd. 60 (1969), S. 35 [48]; K. Kniestedt, DÖV 1962, 89 ff.; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 55; wohl auch W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 288, der aber die Frage mit der Problematik des Rechtsmachtkriteriums vermengt.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

BVerfG vertretene Vermutungsregel, wonach „im Zweifel diejenige Interpretation eines Gesetzes den Vorzug verdient, die dem Bürger einen Rechtsanspruch einräumt“516 hat in der Literatur einige Anhänger517 aber auch Kritiker518 gefunden. Sie ist aber – soweit ersichtlich – vom Gericht nicht weiter verfolgt worden. Zu Recht, da Art. 19 Abs. 4 GG nach richtiger Auffassung „materiell subjektiv-öffentliche Rechte nicht produziert, sondern supponiert (Herbert Bethge)“519. Eine derartige Vermutungsregel ist jedenfalls in mehrpoligen Rechtsverhältnissen nicht aufrechtzuerhalten, da eine materielle Wertung aller beteiligter Interessen erforderlich ist, deren Gewichtung aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht entnommen werden kann520. In einfachen Verwaltungsverhältnissen wird die Anwendung der Regel von einigen Stimmen befürwortet, jedoch meist auf zusätzliche, über Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG hinausweisende Kriterien zurückgegriffen521. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG enthält also keine Direktive des oft formulierten Inhalts: „in dubio pro cive“522, wohl aber als „Bastion des Bürgerschutzes“523 ei___________ 516

BVerfG, Urt. v. 5.2.1963, 2 BvR 21/60, BVerfGE 15, S. 275 [281]. Vgl. die Nachweise oben, Fn. 515. Dezidiert für diese Vermutungsregel: F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 136 und 156. 518 Etwa: R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 129 f.; auf den von K. A. Bettermann, AöR Bd. 96 (1971), S. 528 [543] geprägten Ausspruch, wonach differenzierte Verhältnisse nicht mit einer „Faustregel“ beantwortet werden könnten, wird denn auch oft Bezug genommen, etwa E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 143. 519 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 381. 520 H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 44 f.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 144. 521 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 145: „Grundlage für die Auslegungsregel ist die für das Rechtsstaatsbild konstitutive Eigenverantwortlichkeit des Individuums“; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 52: soweit Eingriffe in den Schutzbereich von Grundrechten erfolgen, sind die Gesetze nach Maßgabe dieser Grundrechte auszulegen, „mit der Folge, daß sie im Zweifel einen subjektiv-rechtlichen Gehalt aufweisen“; mit ähnlicher Argumentation: S. König, Drittschutz, 1993, S. 226 ff.; BSG Urt. v. 22.10.1986, 9a RVs 3/84, BSGE 60, 284 [285]: „stärkere Rechtsstellung des Schwerbehinderten“ gegenüber der des Arbeitgebers; W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rdnr. 165. 522 H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 8; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 3. Der Begriff wird meist bei Stellungnahmen zu einer (teilweise geforderten: H. von Mangoldt / F. Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 2. Aufl. 1957, Art. 19 Anm. VII; R. Wassermann, in: AK-GG, 2. Aufl. 1989, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 16) extensiven Auslegung von Art. 19 Abs. 4 GG gebraucht. Für den hier allein interessierenden Ausschnitt des Begriffes des „Rechts“ im Sinne der Bestimmung wäre wohl die Ablehnung des Satzes: „in dubio pro lege subiectiva“ treffender, denn für den Bürger streitet Art. 19 Abs. 4 GG zweifellos. 523 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 147. 517

B. Das deutsche Verständnis

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nen Hinweis auf den von ihm zugrunde gelegten Begriff des subjektiven Rechts dergestalt, daß letzterem ein spezifisch personales Element innezuwohnen hat. Fehlt der zu untersuchenden Norm eine Binnenstruktur, welche die Kategorien von Personalität und Individualität aufzunehmen und auszugestalten geeignet ist, so mögen sonstige Positionen oder Relationen, nicht jedoch ein subjektives Recht in Rede stehen. Finden sich hingegen diese Elemente und sind die weiteren Voraussetzungen eines subjektiv-öffentlichen Rechts erfüllt, so supponiert Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG diese Rechte im neueren wie im ursprünglichen Sinne dieses Begriffes: Indem er sie einerseits voraussetzt und unterstellt, andererseits unterlegt, stützt524. (2) Subjektiv-öffentliche Rechte aufgrund gesetzgeberischer Dezision Die Verletzung von Normen des objektiven Rechts oder von schlichten Interessen gerichtlich geltend machen zu können, wird von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht gefordert525, aber auch nicht ausgeschlossen. Es bleibt dem Gesetzgeber bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen, namentlich der Strukturentscheidung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, unbenommen, vom Leitbild des subjektiven Rechtsschutzes abzuweichen, indem er Kontrollen rein objektivrechtlicher Fragen ermöglicht oder aber den Zugang zu den Gerichten an

___________ 524

Vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.5.2001, 1 BvR 481/01 und 1 BvR 518/01, DVBl. 2001, S. 1139 [1140]: „Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG garantiert den Rechtsweg, wenn jemand behauptet, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dabei gewährleistet Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht selbst den sachlichen Bestand oder den Inhalt einer als verletzt behaupteten Rechtsstellung; diese richtet sich vielmehr nach der Rechtsordnung im Übrigen. Von den Fällen der Grundrechte und sonstiger verfassungsmäßiger Rechte abgesehen, bestimmt der Gesetzgeber, unter welchen Voraussetzungen dem Einzelnen ein Recht zusteht und welchen Inhalt es hat.“ 525 Ein prominentes Beispiel bildet die Bejahung des „besonderen öffentlichen Interesses“ an einer Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft, siehe BVerfG, Beschl. v. 8.5.1979, 2 BvR 782/78, BVerfGE 51, 176 [185]: entscheidend war, daß bei der nach § 232 Abs. 1 S. 1 StGB a.F. (jetzt § 230 Abs. 1 StGB) abzugebenden staatsanwaltschaftlichen Erklärung Rechte des Verletzten nicht in Rede stehen: „Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung von Rechten des Verletzten scheidet von vornherein aus, wenn die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Das gleiche gilt im Falle der Verneinung; denn es gibt grundsätzlich keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Strafverfolgung eines anderen durch den Staat.“ Vgl. auch: BGH, Beschl. v. 26.5.1961, 2 StR 40/61, BGHSt 16, 225 [229 f.]. Die Entscheidung ist weder nach §§ 23 ff. EGGVG oder analog § 98 Abs. 2 S. 2 StPO, noch im Klageerzwingungsverfahren oder verwaltungsrechtsgerichtlich überprüfbar (BVerwG, Beschl. v. 16.12.1958, VII B 41.58, NJW 1959, S. 448). Siehe L. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. 2003, § 376 Rdnr. 7 und zu den Gegenstimmen: K. Lackner / K. Kühl, StGB, 24. Aufl. 2001, § 230 Rdnr. 5.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

bloße Interessen oder Belange anlehnt526. Es sind dies subjektiv-öffentliche Rechte aufgrund gesetzgeberischer Entscheidung527. Beispiele hierfür bieten Festsetzungen in Bebauungsplänen, wenn dort Interessen berücksichtigt werden, die keinem grundrechtlichen Gewährleistungsbereich zuzuordnen sind, wie etwa eine Aussicht von einer Hanglage528. Räumt der Normgeber solche Rechte aus welchen Gründen auch immer ein, so unterfallen sie auch der Garantie von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG529. Hier sind auch die Fälle zu verorten, die Rupert Scholz im Blick hat530, wenn er individuellen Rechtsschutz als Transmissionsriemen auch kollektiver Rechtsschutzanliegen erfassen will531. (3) Rückbindung an und Auswirkung auf dogmengeschichtliche Prämissen im Kriterium der Rechtsmacht Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gewährleistet bei (möglicher) Verletzung subjektivöffentlicher Rechte – nicht nur solcher des Verfassungsrechts – die Klagbarkeit. Er verweist aber, was die Ermittlung dieser Rechte betrifft, nach heutiger Auffassung532 auf die überkommenen Vorstellungen (namentlich die Schutznormlehre). Insofern wohnt ihm eine spezifische Rückbindung an dogmengeschichtliche Prämissen inne. ___________ 526 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1), S. 139 f. Daß ein subjektiv-öffentliches Recht nicht notwendigerweise an ein im natürlichen Sinne „eigenes Interesse“ des Begünstigten anknüpfen muß, ist in der Diskussion um die subjektiv-öffentlichen Rechte wiederholt dargelegt worden, so etwa schon: G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 71; O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 287 [292]; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 76 dort Fn. 11. 527 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 278 f. Siehe auch E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, S. 199. 528 O. Schlichter, NVwZ 1983, S. 641 [643]; VG Neustadt / W., Urt. v. 13.2.2002, 5 L 138.02 NW, FAZ v. 20.2.2002, S. 26 (Aussicht in die Rheinebene). 529 Die Ansicht von K. Schmidt, in: FS für Ernst Steindorff, 1990, S. 1085 [1093], in diesen Fällen sei der Bereich des Art. 19 Abs. 4 GG verlassen, vermag nicht zu überzeugen. Der Rechtsweg ist für sämtliche Fälle subjektiver Rechte garantiert, sei deren einfachgesetzliche Verankerung verfassungsrechtlich vorgezeichnet oder nicht. Siehe dazu: U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 60; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 42; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 116 f.; H. Krüger, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 19 Rdnr. 127 und H. Krüger / M. Sachs, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 19 Rdnr. 127 . 530 R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [208]; siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(2), S. 111 f. 531 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 280 532 Siehe U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 61; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 116 ff.; H. SchulzeFielitz, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 43 ff.

B. Das deutsche Verständnis

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Andererseits hat er diese Prämissen in gewisser Weise – vor allem bezogen auf das Kriterium der Rechtsmacht – neu gestaltet. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG enthält nicht nur Aussagen über Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte und damit Ausstrahlungswirkung hinsichtlich der Interpretation bei der Ermittlung von subjektiven Rechten als Positionen und Relationen, sondern stellt vor allem auch einen Satz über die rechtliche Durchsetzbarkeit subjektiver Rechte überhaupt dar. Indem er dies formuliert, erlaubt er aber auch die Feststellung, daß eine Klagbarkeit kein notwendiger Bestandteil des Begriffes des subjektivöffentlichen Rechts sein kann, will man die Verfassung insoweit nicht als deklaratorisch auffassen. Denn nicht die Klagbarkeit ist Voraussetzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts, sondern ein Klagerecht umgekehrt immer dann anzuerkennen, wenn der Kläger die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte geltend machen kann533. Demnach läßt sich aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine weitere wichtige Aussage herleiten: Will man am Kriterium der Rechtsmacht festhalten – welches die heutige Auffassung überwiegend nicht mehr als konstitutiv auffaßt534 –, so kann sie nur als materielle Rechtsmacht aufgefaßt werden535. Die andere Deutung ist durch die Formulierung der Rechtsweggarantie wohl aus logischen Gründen ausgeschlossen536. Recht und Durchsetzbarkeit sind zu trennen537; allein ersteres wird nun weiter betrachtet. c) Zwischenbilanz Die Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte finden sich nach deutschem Verständnis in der verfassungsrechtlichen Stellung des einzelnen. Das Grundgesetz stellt den Schutz des einzelnen auf doppelte Weise sicher. Einerseits gebietet es, auf der Ebene des einfachen Rechts subjektiv-öffentliche Rechte zu schaffen, und stellt für diese Rechte die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG zur Verfügung. Andererseits normiert das Grundgesetz nicht nur Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte, sondern auch Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte ___________ 533 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 373. 534 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 78 f. 535 Ebenso A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 ff. 536 Ebenso R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 167. Er leitet nicht zuletzt aus dieser Feststellung seine Sichtweise der Relation zwischen Sätzen über Rechte und Sätzen über deren Schutz her. Vgl. auch den dortigen Hinweis auf: N. MacCormick, in: Essays in Honour of Herbert Lionel Adolphus Hart, 1977, S. 189 [204]. 537 Vgl. G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. Aufl. 1959, S. 236: „Unrichtig ist nur, […] aus der möglichen Tatsache, daß das Landesrecht den subjektiven Rechten keinen oder nur einen unzulänglichen Schutz zuteil werden läßt, auf die Nichtexistenz dieser Rechte überhaupt schließen zu wollen“; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 374.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

des Verfassungsrechtskreises, die als solche den Eigenbereich des einzelnen dem Grunde und dem Prinzip nach gewährleisten und zugleich eine zweite Rechtsschutzmöglichkeit in Gestalt der Verfassungsbeschwerde eröffnen. Die Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte finden sich nicht (nur) in den Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte. Wäre dieser nicht „kraft Verfassung notwendig Inhaber eines selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereichs, so bestünde für die Figur des subjektiv-öffentlichen Rechts keine innere Berechtigung“ (Dieter Lorenz)538. Dabei sind es aber auch die die subjektiven Belange übersteigenden, um der Gemeinschaft willen bestehenden Verbürgungen grundrechtlicher Freiheit, welche Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte darstellen; insoweit ist man vom historischen Anknüpfungspunkt der reinen Privatnützigkeit ein gutes Stück entfernt539. Ein gewichtiger Grund subjektiv-öffentlicher Rechte bildet die Rechtsschutzgarantie. Diese formuliert einerseits einen legislatorischen Auftrag; sie ist zweitens die in Erfüllung dieses Auftrages formulierten Rechte zu supponieren bestimmt; und schließlich knüpft sie mit der Interpretation ihrer Formulierung durch Rechtsprechung und Lehre an überkommene dogmatische Erträge an und weist letzteren eine neue Richtung. Letztlich ist das gesamte Grundgesetz durch einen „individualistischen, anspruchsfreundlichen Grundzug“540 gekennzeichnet; dieser Grund für subjektivöffentliche Rechte stellt für die Vorgehensweise bei der – nun näher zu beschreibenden – Ermittlung von subjektiv-öffentlichen Rechten die interpretatorische Richtschnur dar. 2. Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte – das deutsche Verständnis bei der Auslegung von Sätzen über Positionen und Relationen Der Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte wird noch heute die Formel Ottmar Bühlers zugrunde gelegt541, deren drei Elemente – auch wenn sich die ___________ 538 D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 63. Insoweit dürfte H. Kelsens Feststellung, es sei weitgehend ungeklärt, auf welche Frage der Begriff des subjektiven Rechts eine Antwort sein soll (Hauptprobleme der Staatsrechtslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatz, 1911, S. 618), zumindest heute so nicht mehr gelten. 539 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 157. 540 J. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 51. 541 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(8), S. 83 f. und B.I.3, S. 116.

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Gewichtung im einzelnen verschoben hat542 – das Verständnis des „Kanons von Methoden und Regeln“ prägen. Es sind dies der Rechtssatz [a)], die Schutznorm [b)] und die Rechtsmacht [c)]. a) Der Rechtssatz Das Merkmal des zwingenden Rechtssatzes – ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts, der dem Staat oder einem sonstigen Verwaltungsträger Verhaltenspflichten auferlegt543 – hatte ursprünglich die Aufgabe, solche Normen als Grundlage von subjektiven Rechten auszuschließen, die der Verwaltung ein „freies Ermessen“ einräumen. Kommt dieser Problematik heute nicht mehr die entscheidende Bedeutung zu544, so enthält das Merkmal doch eine wichtige Aussage für die Auslegung: Die Betonung der Normativität des subjektiv-öffentlichen Rechts. (1) Die Normativität als dogmatisches Fundament Kann das subjektiv-öffentliche Recht als an Normen ausgerichtet beschrieben werden, denen sich bestimmte Attribute zuschreiben lassen (a) und haben diese Normen durch eine gewisse Offenheit für Sätze des objektiven Rechts eine hohe integrative Kraft (b), so wird doch zunehmend der Faktizität eine Rolle eingeräumt und versucht, letztere mit dem Postulat der Normativität zu versöhnen (c). (a) Die Rechtssatzabhängigkeit Das subjektiv-öffentliche Recht ist rechtssatzabhängig545. Es wird durch Normen bestimmt, die Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte enthalten. Die Qualität der Norm ist zunächst nicht entscheidend [i)]. Der Norm oder Normengruppe – und zwar: gerade ihr – muß andererseits eine spezifische Bezogenheit auf den einzelnen innewohnen [ii)].

___________ 542

Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(8), S. 83. Siehe noch einmal: H.-U. Erichsen / W. Martens, in: Erichsen / Martens, Allg. Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 1983, S. 148. 544 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(4), S. 77 und B.I.1.a)(8), S. 83. 545 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 118 ff.; BVerwG, Beschl. v. 7.3.2002, 4 BN 60.01, NVwZ 2002, S. 869 [870]. 543

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

i) Qualitative Offenheit Rechtssatzabhängigkeit bedeutet qualitative Offenheit in dreierlei Beziehung. ) Unabhängigkeit von der Normenhierarchie Zunächst ist das Rechtssatzkriterium offen für die Ebene der Normenhierarchie. Die Norm kann also dem Verfassungsrecht, dem einfachen Gesetzesrecht (einschließlich der nach Art. 58 Abs. 2 GG transformierten völkerrechtlichen Verträge), Landesrecht, den Verordnungen, Satzungen, dem Gewohnheitsrecht oder allgemeinen Grundsätzen des ungeschriebenen Rechts (einschließlich des Richterrechts) und nach Maßgabe von Art. 25 GG dem Völkergewohnheitsrecht entstammen. Das Rechtssatzkriterium ist indes nicht blind für die Herkunft der Norm. Denn einerseits sind die Rechtssätze, denen subjektiv-öffentliche Rechte entnommen werden sollen, nach vorherrschender Meinung zunächst auf der rangniedersten Stufe zu suchen546. Andererseits vermehren sich, je niedriger diese Stufe ist, die Auslegungsdirektiven höherrangigen Rechts. 

) Bedingte Unabhängigkeit von der Qualität als Satz des Außenrechtskreises

Auch Verwaltungsrichtlinien oder sonstige Vorschriften des Binnenrechts können, zwar nicht als solche, wohl aber im Ergebnis subjektiv-öffentliche Rechte begründen, wenn und soweit eine normative Rückbindung an Normen des Außenrechts, etwa Art. 3 Abs. 1 GG, möglich ist547. ___________ 546 Darin besteht in der Rechtsprechung Einigkeit. In der Literatur sehen sowohl die strikt an materiellen Grundrechten orientierten Lehren (siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(1), S. 110 f.) als auch die auf Art. 19 Abs. 4 GG aufbauende Meinung (siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(3), S. 112 f.) die eigentliche normative Basis auf Verfassungsebene. Die Rechtsverhältnislehre bleibt insoweit neutral, als das gesamte Normenmaterial die normative Grundlage darstellt. Innerhalb der Literaturstimmen, die der Rechtsprechung folgen, wird allein kontrovers diskutiert, in welchem Maß bei der Auslegung Verfassungsrecht heranzuziehen ist und welche Folgen sich ergeben, so sich auf der Ebene des einfachen Rechts kein subjektiv-öffentliches Recht findet. 547 F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 94. St. Rspr., siehe etwa OVG Münster, Urt. v. 15.8.1980, 9 A 251.79, DÖV 1981, S. 109 [110]; BVerwG, Urt. v. 26.4.1979, 3 C 111.79, BVerwGE 58, 45 ff. Zu den fortbestehenden Schwierigkeiten mit den Bestimmungen der VOB siehe: K. Vygen, in: Ingenstau / Korbion, VOB, 14. Aufl. 2001, Einleitung Rdnr. 31 ff.

B. Das deutsche Verständnis

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Es ist jedoch die Norm des Außenrechts, die dann den Satz über das subjektiv-öffentliche Recht enthält. ) Bindungswirkung bei normativ belassenen Spielräumen Als eng damit verknüpft wird die Frage nach Ermessensnormen als normativer Basis verstanden. Die Dichotomie von Recht und Ermessen ist seit Inkrafttreten des Grundgesetzes hinfällig; Ermessensentscheidungen sind an Rechtssätze gebunden, welche namentlich in § 40 VwVfG und § 114 VwGO positiv umschrieben und in der Ermessensfehlerlehre entfaltet worden sind. Subjektiv-öffentliche Rechte können also auf das Nichtüberschreiten dieser Grenzen und auf Einhaltung besagter Spielräume gerichtet sein548, ohne daß eine Ermessen einräumende Norm jedem Interessierten auch gleichzeitig einen Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch gewährt. Sie bestehen jedoch nur soweit, wie die Rechtsbindung der Verwaltung reicht549. Dementsprechend wird aus Sätzen über subjektiv-öffentliche Rechte, die sich in Ermessensnormen finden, lediglich ein „formelles subjektives Recht“550 abgeleitet, welches, anders als die im Rahmen gebundenen Verwaltungshandelns bestehenden „materiellen subjektiven Rechte“, nicht auf eine bestimmte Entscheidung, sondern auf rechtmäßiges Verhalten bei der Entscheidung gerichtet ist. Formelle und materielle subjektiv-öffentliche Rechte sind daher nicht wesensmäßig verschieden, da beide eine bestimmte Rechtsfolge haben; die Qualität dieser Rechtsfolge ist freilich unterschiedlich. Um diesem geringeren Maß an Bestimmtheit formeller Rechte zu begegnen, wird daher als weitere Voraussetzung verlangt, daß das in Rede stehende Verwaltungshandeln im Ergebnis ein materielles subjektives Recht des Klägers berührt551; es bedarf ___________ 548 M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 545. 549 Grundlegend die Formulierung von O. Bachof auf der Bonner Staatsrechtslehrertagung 1953: „Das subjektive Recht kann nie weiter gehen als die objektivrechtliche Gebundenheit. Es geht aber umgekehrt immer so weit, wie die Gebundenheit reicht, sofern die Bindung der Verwaltung zur Befriedigung oder zum Schutz eines Individualinteresses auferlegt ist. Soweit das Ermessen reicht, fehlt objektiv-rechtliche Gebundenheit und kann daher kein subjektives Recht bestehen.“ (VVDStRL Heft 12 (1954), S. 37 [75 f.]. Hervorhebung im Original). Vgl. auch R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 86; M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 545. Kritisch: G. Kohlmann, Das subjektiv-öffentliche Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch, 1964, passim; ablehnend: W. Merk, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 1970, S. 1671. 550 J. Pietzcker, JuS 1982, S. 106 [108]. 551 Grundlegend: BVerwG, Urt. v. 7.1.1972, IV C 49.68, BVerwGE 39, 235 ff.; BVerwG, Urt. v. 26.4.1979, 3 C 111.79, BVerwGE 58, 45 ff.; F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 91, 93; vgl. W. Schmitt Glaeser, Verwaltungspro-

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

daher im Ergebnis zweier Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte, um ein formelles subjektives Recht normativ zu begründen. Ausnahme sind absolute formelle Rechte, welche etwa eine Verfahrensbeteiligung ohne Abhängigkeit von eventuellen materiellrechtlichen Positionen eigenständig verankern552. Dem Grundsatz nach das gleiche gilt für eine Norm, die der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum553 eröffnet. Auch diese kann einen Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht enthalten554. Der Inhalt dieses Rechts ist auch hier durch die Rechtsbindung der Verwaltung vorgegeben, ist also auf beurteilungsfehlerfreie Rechtsanwendung gerichtet. Die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung hat sich weitgehend an den zum Ermessen entwickelten Maßstäben orientiert555. Besonders weit gefaßt ist die Bindung bei Planungsrechtssätzen, deren spezifische Eigenart darin besteht, daß sie keine Konditionalprogramme enthalten. Planung ist „kein systematisch deduktiver Nachvollzug prinzipiell determinierter Generalentscheidungen, sondern eigenschöpferische, maßstabsetzende und -anwendende Zweckverwirklichung im Rahmen gesetzlicher Ziel- und Mitteldirektiven.“556

Sie stellt insoweit immer eine Abkehr von einem Ideal557 dar: das überkommene deutsche Verständnis ist stark am Modell des Konditionalprogrammes ___________ zeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rdnr. 158; BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 [65 f.]; BVerwG, Beschl. v. 15.10.1991, 7 B 99.91 und 7 ER 301.91, NJW 1992, S. 256 f.; F. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl. 2002, Rdnr. 545 ff.; F. Geist-Schell, Verfahrensfehler und Schutznormtheorie, 1988. 552 Vgl. W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rdnr. 158. Dies ist jedoch selten der Fall. Zu nennen sind hier vor allem die Beteiligungsrechte von Naturschutzverbänden (siehe die Nachweise oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1)(a), S. 140 in Fn. 499). 553 Grundlegend: O. Bachof, JZ 1955, S. 97 ff. = O. Bachof, Wege zum Rechtsstaat, 1979, S. 154 ff.; C. H. Ule, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 309 ff. 554 Siehe die Darstellung bei H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 7 Rdnr. 27 ff.; W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rdnr. 160. 555 Die neuere Rechtsprechung legt zunehmend strengere Maßstäbe an, etwa BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990, 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130 [146 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81 und 213/83, BVerfGE 84, 34 [49 ff.]; BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87, BVerfGE 84, 59 [77 ff.]; siehe auch H. Schulze-Fielitz, JZ 1993, S. 772 ff. 556 W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rdnr. 168. Weitere Versuche der begrifflichen Erfassung etwa K. Obermayer, Grundzüge des Verwaltungsrechts und des Verwaltungsprozeßrechts, 3. Aufl. 1988, S. 121; H. Wolff / O. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 2000, § 56 Rdnr. 6; G. Roellecke, DÖV 1994, S. 1024 ff. Zur planenden Tätigkeit des Staates umfassend: F. Ossenbühl, Verhandlungen des 50. Deutschen Juristentages, Gutachten B, 1974, S. B 1 ff. 557 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1924, S. 62: „Das Ziel ist die tunlichste Justizförmigkeit der Verwaltung“.

B. Das deutsche Verständnis

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orientiert558. Von der mit einem „Vertrauensvorschuß“ einhergehenden Überantwortung von rechtlichen Korridoren, welche Platz für optimierende Ausgestaltung durch die Exekutive bieten, ist deutschem Verständnis zufolge eher zurückhaltend Gebrauch zu machen559. Beleg hierfür stellt das eine hohe gerichtliche Kontrolldichte fordernde deutsche Rechtsstaatsmodell dar560. Aber auch planerische Gestaltungsfreiheit bedeutet keine Bindungsfreiheit. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bedeutet durchgängig gesetzesdirigierte561 Verwaltung. Insoweit können auch diese Normen, insbesondere solche, die wie § 1 Abs. 6 BauGB oder § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG das Gebot der Abwägung regeln, Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte enthalten. Da das Abwägungsgebot aufgrund des Rechtsstaatsprinzips aber auch für (Planungs-)Bereiche gilt, bei denen es an einer ausdrücklichen Regelung fehlt562, ist es heute bei allen Entscheidungen als ungeschriebenes Postulat zu beachten, bei denen es um Zuordnung und Ausgleich von öffentlichen und privaten Interessen und Belangen geht. Es kann hierbei dann auch jeweils die normative Grundlage für einen Satz über ein subjektives Recht bilden. ___________ 558 W. Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 6, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 317 [360]. Vgl. auch K. H. Ladeur, CR 2002, 433 [434]: „Das deutsche Verwaltungsrecht [ist] weithin noch von dem Ideal der einen richtigen Entscheidung geprägt und begrenz[t] die klassischen Formen des Ermessens und der Ausübung von Beurteilungsspielräumen fast durchweg auf die Möglichkeit situativer Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalls, und zwar sowohl auf der Rechtsfolgenseite als auch auf der Tatbestandsseite.“ Klammerzusätze hinzugefügt. 559 Daß sich indes die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht als ein striktes Gesetzesvollzugsmodell deuten läßt, dürfte heute allgemeiner Auffassung entsprechen, vgl. H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 167 ff. 560 Ein illustratives Beispiel für die begrenztere Subsumtionskontrolle bei durch Aufgaben- und Zielvorgaben geprägten Normierungen bietet aus dem Bereich des Gemeinschaftsrechts EuG, Urt. v. 18.9.1995, Rs. T-167/94 – Nölle / Rat, Slg. 1995, II-2589 Rdnr. 73 ff. 561 E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 11 [48]. Gemeinsames Element dieser Direktiven ist, daß sie einerseits Bedeutung für die Kompetenzabgrenzung zwischen Exekutive und Judikative haben und jeweils erst auf zweiter Stufe der Gesetzesanwendung, bei der Subsumtion des Einzelfalles bedeutsam werden, vgl. auch H. Faber, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1995, S. 95 ff. 562 Etwa: BVerwG, Urt. v. 14.2.1975, IV C 21.74, BVerwGE 48, 56 [63]; BVerwG, Urt. v. 10.2.1978, IV C 25.75, BVerwGE 55, 220 [226]; BVerwG, Urt. v. 7.7.1978, IV C 79.76, BVerwGE 56, 110 [116 ff.; 122]; BVerwG, Urt. v. 24.9.1998, 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215 ff.; BVerwG, Urt. v. 28.6.2000, 11 C 13.99, BVerwGE 111, 276 ff. Umfassend: B. Bartunek, Probleme des Drittschutzes bei der Planfeststellung, 2000.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Damit können sämtliche Arten normativer Spielräume563 Anknüpfungspunkt für subjektiv-öffentliche Rechte sein. ) Kein subjektiv-öffentliches Recht ohne objektivrechtliche Achtungspflichten eines Grundrechtsadressaten Die Qualität des Rechtssatzes ist mithin nicht entscheidend, wenn und soweit es sich um einen Rechtssatz des öffentlichen Rechts handelt, der dem Staat oder einem anderen Verwaltungsträger Achtungspflichten auferlegt564. Dies gilt unabhängig davon, welche Art normativer Spielräume dem gesetzlich verpflichteten Grundrechtsadressaten belassen bleiben. Bestehen solche, beschränkt sich – der Rechtssatzabhängigkeit des subjektiv-öffentlichen Rechts entsprechend – ein subjektiv-öffentliches Recht auf den Inhalt dieser Regelung, d.h. auf Einhaltung der durch die normative Konturierung des Spielraums bestimmten Bindung. Ein subjektives Recht bestimmten Inhalts kann mithin nur bestehen, wenn gerade das verlangte Verhalten dem Adressaten der Norm objektiv-rechtlich geboten ist565. Diese Feststellung ermöglicht es auch, manches Problem bei der Ermittlung von subjektiv-öffentlichen Rechten bereits auf der Ebene der Auslegung der objektiv verpflichtenden Bestimmung zu lösen566. Dagegen kann es kein subjektiv-öffentliches Recht geben, wenn eine Norm keine noch so weitmaschige objektivrechtliche Achtungspflicht eines Grundrechtsadressaten567 enthält oder begründet568. Dies ist dann der Fall, wenn und ___________ 563 E. Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, 2001, geht weiter, indem er die Einheitlichkeit aller administrativer Enscheidungsfreiräume propagiert. 564 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 372. 565 Vgl. A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [130]. 566 M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 544. Dieser führt als Beispiel für eine bereits auf Ebene des objektiven Rechts angesiedelte Problemlösung eine frühe Entscheidung des BVerfG zu Art. 33 Abs. 5 GG an (BVerfG, Beschl. v. 7.7.1955, 1 BvR 635/52, BVerfGE 4, 205 [210]). 567 Die spezifische Bezogenheit auf einen Grundrechtsadressaten ist denn auch der Grund, in dieser Arbeit allein die Privatperson als Träger subjektiv-öffentlicher Rechte in den Blick zu nehmen. Die Vertreter der Ansicht (siehe die Nachweise oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(6), S. 81 Fn. 101, Fn. 103, Fn. 104), das subjektiv-öffentliche Recht erfasse grundsätzlich auch Positionen des Staates, sind gezwungen, an diesem Merkmal des einen Grundrechtsadressaten verpflichtenden Rechtssatzes eine Differenzierung zwischen einfachem Recht und Verfassungsrecht vorzunehmen, was zu dem beschriebenen Dualismus führt (vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(7), S. 82). Es ist daher am subjektiv-öffentlichen Recht als einer „personalisierten Rechtsposition“ festzuhalten, deren Anwendung auf öffentlich-rechtliche Körperschaften sich grundsätzlich verbietet.

B. Das deutsche Verständnis

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soweit sich Normen, etwa Kompetenznormen, Gesetzesvorbehalte569 oder Ermächtigungen570 objektiv(-rechtlich) in ihrer befugnisbegründenden Bedeutung erschöpfen571. ii) Quantitative Restriktion Die Offenheit hinsichtlich der Qualität der Norm geht Hand in Hand mit der Suche nach der Norm. Es entspricht deutschem Rechtsverständnis eher, eine – und zwar eine jeweils bestimmte Norm – als Grundlage eines subjektiv-öffentlichen Rechts anzunehmen, als diese Grundlage einem Chor verschiedener Bestimmungen zu entnehmen. Es läßt sich sagen, daß nach deutschem Verständnis nicht nach Sätzen über subjektiv-öffentliche Rechte zu suchen ist, sondern jeweils nach einem Satz über ein subjektives Recht. Damit soll nicht geleugnet werden, daß auch Verbindungen von Normen Sätze über Rechte entnommen werden. Ein Beispiel hierfür ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches aus zwei Normen, nämlich Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG entnommen wird, die gleichsam zusammen gelesen werden, was dann durch die Formulierung „in Verbindung mit“ deutlich gemacht wird572. ___________ 568

M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 546. 569 Wenn teilweise dennoch versucht wird, solche Normen als Grundlage subjektiver Rechte heranzuziehen (etwa O. Seewald, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, 1981, S. 86 ff., 150 ff. bezogen auf Art. 11 Abs. 2 GG zugunsten der Gesundheit; ablehnend dazu G. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 125 ff.) ist dies eher eine Frage der Bestimmung von Inhalt und Reichweite objektiven Rechts. Daß dergestalt gewonnene Maßstäbe zur Rückanbindung an Bestimmungen fähig sind, die ihrerseits Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte enthalten, wird sogleich zu zeigen sein (unten S. 163 ff.). Dies ändert aber nichts an dem Befund, daß solche Normen mangels subjektiv-rechtlicher Entsprechung unmittelbar keine Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte enthalten. 570 Ein Beispiel bietet Art. 15 GG, wenn man sich die Lesart des BVerfG zu eigen macht (BVerfG, Urt. v. 17.5.1961, 1 BvR 561, 579/60, 114/61, BVerfGE 12, 354 [363]). Zur umstrittenen Grundrechtsqualität vgl. B.-O. Bryde, in: von Münch / Kunig, GG, Bd. 1, 5. Aufl 2000, Art. 15 Rdnr. 4, 8. 571 Das heißt freilich nicht, daß diese objektivrechtlichen Bestimmungen für subjektiv-öffentliche Rechte keine Bedeutung hätten (dazu sogleich unten, S. 163 ff.); sie sind lediglich nicht geeignet, als normative Basis eines subjektiv-öffentlichen Rechts zu dienen. Deswegen trägt auch der durch BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 [172] („Maastricht“) unternommene Versuch nicht, die Kompetenz eines Bundesorgans in ein Grundrecht umzudeuten; vgl. H. Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, BVerfGG, Vorbem. Rdnr. 347 f. 572 BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 ff. Ein weiteres Beispiel bietet die bemerkenswerte Plenarentscheidung BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, S. 1924 ff., welche die Gewährleistung

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Letztere zeigt das Bemühen, die beiden Normen, aus denen ein Recht abgeleitet wird, auch wieder zu einem Satz über ein Recht zusammenzuführen. Die spezifische Bezogenheit auf den einzelnen wird also eher einer Norm (oder jedenfalls: einigen wenigen Normen) entnommen. Den Gesamtzusammenhang einer Vielzahl von Normen als normative Basis zu sehen, ist deutschem Rechtsdenken eher573 fremd. Dies soll nach einer Vorüberlegung [ )] an einem Beispiel verdeutlicht [ )] und näher beschrieben werden [ )]. 



) Zur Vielgestaltigkeit möglicher Verschlüsselungen Es ist nach deutschem Recht unerheblich, ob die Norm eine ausdrückliche Berechtigung einräumt. Die Formulierung spielt selbstverständlich eine Rolle. Aber es „genügt, wenn sich der Rechtssatz verschlüsselt den individualisierendberechtigenden Ausgleich von Interessen hat angedeihen lassen“ (Walter Schmitt Glaeser)574. Das kann durch ausdrückliche Verpflichtung oder bloße Berechtigung der Verwaltung und auch durch andere Formulierung geschehen. Eine Bestimmung wie § 4 Abs. 1 S. 1 BSHG statuiert ein ausdrückliches Recht des Bürgers: „Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit dieses Gesetz bestimmt, daß die Hilfe zu gewähren ist.“

Der Norm kann ohne weiteres ein Satz mit dem Inhalt entnommen werden, daß ein subjektiv-öffentliches Recht auf Hilfe in Gestalt der Sozialhilfe besteht. Eine Vorschrift, die allein ein Recht der Verwaltung festlegt, kann im gleichem Maß Grundlage eines subjektiv-öffentlichen Rechts sein, etwa § 45 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 3 StVO: „Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie […] 3. zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen […].“575

Aus der Norm wird zunächst eine Pflicht zu verkehrsregelndem Eingreifen hergeleitet, wenn sich dies aus den gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens ergibt. Dieser Pflicht wiederum korrespondiert ein – auf ___________ fachgerichtlichen Rechtsschutzes bei Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör „dem Rechtsstaatsprinzip i.V. mit Art. 103 Abs. 1 GG“ entnimmt. 573 Zu den Ausnahmen näher unten, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(a)ii) ), S. 160 dort Fn. 590. 574 W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rdnr. 158, der sich auf E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 119 beruft, dessen dortige Formulierung aber die Bezugnahme nicht deckt. 575 Hervorhebung hinzugefügt. 

B. Das deutsche Verständnis

157

ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzter – Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten in bestimmten Fällen, nämlich dann, wenn die Verletzung geschützter Individualinteressen in Betracht kommt576. Der als Recht der Behörde formulierte Satz kann also ebenfalls als Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht gelesen werden. Zunächst wird ihm nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der Verwaltung entnommen. Diese Pflicht kann sodann so interpretiert werden, daß in ihr ein korrespondierendes Recht des Bürgers verschlüsselt enthalten ist. Die Norm über ein Recht der Verwaltung enthält so einen Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht. Prominentestes Beispiel einer Norm, deren Formulierung eine Berechtigung zunächst nicht erkennen läßt, stellt § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB dar: „Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich […] in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt […].“

Dennoch wird er – verbunden mit dem Gebot der Rücksichtnahme – zur Grundlage eines subjektiv-öffentlichen Rechts gemacht, wird also als ein Satz über subjektive Rechte gelesen. Die Vorschrift enthält nach heutigem Verständnis einen verschlüsselt formulierten Ausgleich von Interessen, welcher individualisierend-berechtigend ausgestaltet ist577. Schließlich existieren Normen, die zwar eine ausdrückliche Berechtigung formulieren, jedoch dennoch nicht als Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte verstanden werden. Art. 166 Abs. 2 BV gibt jedermann: „[…] das Recht, sich durch Arbeit eine auskömmliche Existenz zu schaffen.“

Die Norm enthält trotz ihres Wortlauts keinen Satz über ein subjektiv-öffentliches „Recht auf Arbeit“, sondern lediglich einen Programmsatz578. Dieser ver___________ 576 BVerwG, Urt. v. 4.6.1986, 7 C 76.84, BVerwGE 74, 234 [236]: „Die genannte Rechtsprechung des Senats hat aber anerkannt, daß der einzelne einen – auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten – Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten in bestimmten Fällen, nämlich dann haben kann, wenn die Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 45 Abs. 1 StVO, insbesondere soweit Abs. 1 S. 2 Nr. 3 dieser Vorschrift den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen herausstellt, umfaßt nicht nur die Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Dazu gehört auch im Vorfeld der Grundrechte der Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen.“ 577 Zur Verankerung des Gebots der Rücksichtnahme im einfachen Gesetzesrecht siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(2)(a)ii), S. 91 f. 578 St. Rspr. BayVerfG, Entsch. v. 28.10.1960, Vf.83-VI-60, BayVerfGHE 13, 141 ff.; BayVerfG, Entsch. v. 16.11.1982, Vf.26-VII-80 u.a., BayVerfGHE 35, 137 ff. Zur Problematik der „sozialen Grundrechte“ siehe auch H. Bethge, Der Staat Bd. 24 (1985), S. 351 [377 ff.]; speziell zu den Verfassungen der neuen Bundesländer: J. Dietlein, Die Grundrechte in den Verfassungen der neuen Bundesländer, 1993.

158

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

mag an Sätze über subjektive Rechte rückangebunden zu werden, ohne jedoch selbst einen Satz über ein subjektives Recht darzustellen. Nach all dem läßt sich sagen, daß die Formulierung einer Norm in vielen Fällen lediglich ein zunächst grobes Raster für die Frage nach der normativen Grundlage subjektiv-öffentlicher Rechte bietet; die Verschlüsselung ist vielgestaltig. 

) Die Suche nach dem Rechtssatz – das Beispiel des Altenwerder Fischers

Den vorherigen Darlegungen entsprechend kann es mithin Konstellationen geben, in denen zwar über ein subjektiv-öffentliches Recht Einigkeit herrscht, nicht aber über seine normative Grundlage, da aufgrund der Vielfalt möglicher Verschlüsselungen auch eine Vielfalt an Sätzen in Frage kommt. Ein Beispiel hierfür sind die Entscheidungen579 zum Fall des „Altenwerder Kutterfischers“. Dessen Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde580: Der Kläger fischte seit 1965 in einem bestimmten Gebiet der Nordsee und erzielte dort früher gute Fangergebnisse. Er wandte sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Genehmigung nach Art. 2 Abs. 2 EinbrG581 zur Dünnsäureverklappung in diesem Gebiet. Zur Begründung führte er aus, daß die erteilte Genehmigung mangels gesetzlicher Voraussetzung rechtswidrig sei; die Einbringung der Dünnsäure beeinträchtige seine Erträge, da sich das Meerwasser oft mehrere Stunden gelb und grün verfärbe, was zur Folge habe, daß sich auch sein Fanggeschirr verfärbe; dies verscheuche die Fische. Schließlich werde auch der Fischbestand durch Bildung von Tumoren und Schädigung von

___________ 579

VG Hamburg, Urt. v. 4.7.1980, VII VG 60.80, DVBl. 1981, S. 269 f.; OVG Hamburg, Urt. v. 19.5.1981, Bf VI 76.81, JZ 1981, S. 701 ff.; BVerwG, Urt. v. 1.12.1982, 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 ff. 580 Wiedergegeben nach: H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 149. Dieser bespricht auch die einzelnen Entscheidungsgründe wesentlich umfangreicher als dies hier möglich ist, a. a. O., S. 149–154. 581 Nach Art. 2 Abs. 2 des Hohe-See-Einbringungsgesetzes v. 11.2.1977 (BGBl. II, S. 165; geändert durch Gesetz v. 10.5.1978, BGBl. I, S. 613) darf die nach Art. 2 Abs. 1 erforderliche Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in die Hohe See nur erteilt werden, wenn „1. Stoffe eingebracht oder eingeleitet werden sollen, die nicht ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand an Land beseitigt werden können, 2. durch das Einbringen oder Einleiten keine nachhaltige Veränderung der Beschaffenheit des Meerwassers zu besorgen ist, die die menschliche Gesundheit gefährdet, die lebenden Bestände sowie die Tier- und Pflanzenwelt des Meeres schädigt, die Erholungsmöglichkeiten beeinträchtigt oder sonstige rechtmäßige Nutzungen des Meeres behindert und die nicht durch Bedingungen oder Auflagen verhütet oder ausgeglichen werden kann.“

B. Das deutsche Verständnis

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Laich und Jungfischen gefährdet. Insgesamt sei der Fischfang zwischenzeitlich so unergiebig, daß sein Gewerbebetrieb gefährdet sei.

Eine Problematik der Klage war die Frage, ob der Fischer geltend machen kann, möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt zu sein. Die Frage wurde von allen drei Instanzen positiv beantwortet, jedoch mit völlig unterschiedlichen Begründungen und: mit unterschiedlicher normativer Verankerung dieses Rechts. Das VG Hamburg582 war der Auffassung, Art. 2 Abs. 2 EinbrG sei Grundlage, da „nach dem eindeutigen Wortlaut die Schlußfolgerung unabweisbar“ sei, daß auch derjenige geschützt werden solle, der, wie der Kläger, die Nutzung des Meeres ausübt. Anders das OVG Hamburg583, welches Art. 2 Abs. 2 EinbrG nicht als Grundlage ansah, sondern vielmehr das Gebot der Rücksichtnahme heranzog, welches bei der kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung von Art. 2 Abs. 2 EinbrG zu beachten sei. Wenngleich die Frage nach einer drittschützenden Wirkung nicht abschließend beantwortet wurde584, so lassen die Ausführungen doch die Neigung zur Bejahung eines solchen Rechts erkennen585. Das BVerwG586 erteilte beiden Überlegungen eine Absage. Weder aus Art. 2 Abs. 2 EinbrG allein, noch in Verbindung mit dem Gebot der Rücksichtnahme ergebe sich ein Recht des Klägers, sondern aus seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Voraussetzung sei allerdings, daß „sein Gewerbebetrieb ‚schwer und unerträglich getroffen‘ oder ‚der Bestand seines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ernsthaft in Frage gestellt‘ wird“. Wenn letzteres der Fall sei, dürfe dem Kläger aber eine objektivrechtlich geschützte Chance, auf die er als Berufsfischer seinen Gewerbebetrieb aufgebaut habe, nicht „in gesetz- und damit rechtswidriger Weise durch eine Maßnahme der Verwaltung entzogen werden“. Ungeachtet der vielschichtigen Problematik, die diese Entscheidung ansonsten aufwirft587, zeigt sie doch eines recht deutlich: Nach Einschätzung aller ___________ 582

VG Hamburg, Urt. v. 4.7.1980, VII VG 60.80, DVBl. 1981, S. 269 [270]. OVG Hamburg, Urt. v. 19.5.1981, Bf VI 76.81, JZ 1981, S. 701 [702 f.]. 584 Das Gericht war der Auffassung, die Beantwortung der Frage, ob sich aus dem Gebot der Rücksichtnahme tatsächlich ein Recht des Klägers ergebe, sei ein Problem der Begründetheit der Klage und daher im die Zulässigkeitsfragen betreffenden Verfahren nicht zu klären, OVG Hamburg, Urt. v. 19.5.1981, Bf VI 76.81, JZ 1981, S. 701 [703]. 585 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 150. 586 BVerwG, Urt. v. 1.12.1982, 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 ff. 587 Zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb siehe etwa J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 49 ff. Vgl. zur Schweretheorie auch oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(3)(b), S. 96 ff. H. Bauer, Geschichtliche 583

160

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

drei Instanzen stand dem Kläger im Ergebnis jedenfalls ein subjektiv-öffentliches Recht des Inhalts zu, daß eine Einbringungserlaubnis nicht ohne Berücksichtigung seiner Belange hätte erteilt werden dürfen. Entweder weil eine Einbringungserlaubnis nicht entgegen Art. 2 Abs. 2 EinbrG hätte erteilt werden dürfen (so das VG Hamburg); oder da eine den aus Art. 2 Abs. 2 EinbrG entnommenen Abwägungsdirektiven588 nicht genügende Erlaubnis eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme darstellen würde (so das OVG Hamburg); oder weil eine Erlaubnis, die in „gesetz- und damit rechtswidriger Weise“ (also: unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 EinbrG) erteilt worden wäre – die weiteren, einschränkenden Voraussetzungen vorausgesetzt – den Kläger in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzen würde (so das BVerwG). Dem Kläger wurde also – jedenfalls im Ergebnis589 – von allen drei Gerichten ermöglicht, die Beachtung der sich aus Art. 2 Abs. 2 EinbrG ergebenden Rechtsbindungen zu verlangen. Allein über die genaue normative Verankerung herrschte Uneinigkeit. Nun wäre es formal-logisch durchaus möglich gewesen, sich auf den Standpunkt zu stellen, die normative Basis des Rechts sei – gleichsam in einem Zusammenspiel des gesamten das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normmaterials – sowohl das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als auch Art. 2 Abs. 2 EinbrG und das Gebot der Rücksichtnahme. Eben diese Vorgehensweise ist jedoch – trotz gewisser Ansätze590 – nach deutschem Verständnis zu vermeiden591. ___________ Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 151 bezeichnet die Begründung des BVerwG als „eigentümliche Melange von Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht“. 588 Die Pflicht zur Abwägung soll sich aus Art. 2 Abs.2 EinbrG ergeben, OVG Hamburg, Urt. v. 19.5.1981, Bf VI 76.81, JZ 1981, S. 701 [702 f.]. 589 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 150 ff. stellt dies zu Recht etwas differenzierter dar. In der Tat haben die drei angenommenen Rechte in ihrer konkreten Ausgestaltung einen unterschiedlichen Inhalt. Für das hier zu beschreibende Phänomen genügt aber die Feststellung, daß bei allen Nuancen im Detail jedenfalls alle drei Gerichte dem Kläger direkt oder indirekt die Berufung auf Art. 2 Abs. 2 EinbrG gestattet haben. 590 Es bestehen Ausnahmen, etwa BVerwG, Urt. v. 15.7.1987, 4 C 56.83, BVerwGE 78, 40 ff. In dem Verfahren ging es um Drittklage gegen eine nach § 7 WHG erteilte einfache wasserrechtliche Erlaubnis zur Naßauskiesung. Das Gericht hat hier auf das umgebende Normgefüge und das Gebot der Rücksichtnahme abgestellt, letztlich aber einen Anspruch auf ermessensgerechte Beachtung und Würdigung der klägerischen Belange im wesentlichen auf § 4 Abs. 1 S. 2 WHG gestützt (näher: H. Bauer, JuS 1990, S. 24 ff.). Wenn daraus teilweise gefolgert wird (R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 45), es sei gelungen, das subjektiv-öffentliche Recht am „gesamten Normmaterial“ zu orientieren, so ist dies mißverständlich: Die Orientierung an mehreren Rechtssätzen ändert nämlich nichts an der normativen Verankerung in einem Rechtssatz; hieran wird durchaus festgehalten. Die Ten-

B. Das deutsche Verständnis

161

) Zwischenergebnis: Notwendige Zuordnung bei Mehrzahl objektiver Normgehalte Die Ermittlung subjektiver Rechte durch Orientierung am gesamten, das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normmaterial im Sinne der Rechtsverhältnislehre hat sich nicht durchsetzen können592. Der Schutzzweck muß derjenigen Norm entnommen werden, welche auch die objektivrechtliche Achtungspflicht begründet, d.h. den Satz über das subjektiv-öffentliche Recht enthält. Die deutsche Vorgehensweise besteht darin, die Fragestellung nach dem subjektiv-öffentlichen Recht letztlich konkret an einer – möglichst geschriebenen – Norm, eben: dem Rechtssatz, festzumachen: und sei es in Formulierungen wie der des „Sich-Einfügens“. Wenn Eberhard Schmidt-Aßmann593 in seiner Kommentierung in Auseinandersetzung mit der teilweise geforderten „normunabhängigen Betroffenheit“594 zu dem Schluß kommt, daß einer Einzelfalljudikatur eine Einzelnormjudikatur vorzuziehen sei, so bestätigt diese Formulierung – gerade wegen der zweifellos grundlegenden Bedeutung der Kommentierung595 – den Befund. Der deutsche Jurist fühlt sich unbehaglich, soll er die normative Grundlage eines Satzes über subjektiv-öffentliche Rechte in einem Gesamtzusammenhang verorten. iii) Die Bedeutungslosigkeit des Begriffspaares der „normexternen oder norminternen Wirkung der Grundrechte“ für die Normativität Mit letzterer Feststellung ist ein Problemkomplex angesprochen, der die Diskussion um das subjektiv-öffentliche Recht bis heute bestimmt: Es ist dies die Frage nach dem Verhältnis von subjektiv-öffentlichen Rechten des Verfassungsrechtskreises und solchen des einfachen Rechts. Die Lösungsansätze für den Bereich des Verwaltungsrechts reichen hier von einer völligen Verlagerung ___________ denz, einen Rechtssatz nicht isoliert zu betrachten, ist freilich gegeben; insoweit hat auch eine partielle Annäherung an die Rechtsverhältnislehre stattgefunden (so auch: S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 378; U. Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 118 ff.). Näher unten, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)ii), S. 176 f. 591 Dies ist im Gemeinschaftsrecht anders: siehe etwa EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, I-825 Rdnr. 6, 7 oder EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289 Rdnr. 29, 30. Näher dazu unten, Zweites Kapitel – C.III.2.b), S. 384 ff. 592 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(4), S. 113 f. 593 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 127. 594 Dazu sogleich unten, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)i), S. 173. 595 H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 [590].

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

der Problematik auf Verfassungsebene596 über vielfältige vermittelnde und nuancierende Stellungnahmen597 bis hin zu alleinig dem einfachen Recht verbundenen Ansätzen598. Für das hier interessierende Phänomen der Rechtssatzabhängigkeit gilt es zunächst festzustellen: Rechtssatzabhängigkeit schließt Grundrechtsabhängigkeit nicht aus599. Die moderne Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht hat die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers insoweit aufgenommen, als die verfassungsrechtliche Stellung des Individuums als Grund für subjektiv-öffentliche Rechte begriffen wird und bei der Ermittlung der konkreten Sätze die interpretatorische Richtschnur darstellt. Im Bereich des einfachen Rechts hat sich hierfür das Etikett der „norminternen Wirkung“ der Grundrechte verfestigt, dem der – wenig glückliche600 – Begriff der „normexternen Wirkung“ gegenübergestellt wird601. Damit wird aber hinsichtlich der geforderten Normativität nur verbunden, daß einerseits eine den verfassungsrechtlichen Direktiven entsprechende Auslegung des einfachen Rechts vorgenommen wird, die normative Basis also trotz „norminterner Wirkung“ das einfache Recht bleibt. Mit „normextern“ wird schlicht zum Ausdruck gebracht, die Ebene des einfachen Rechts verlassen zu haben und die normative Basis direkt im Verfassungsrecht zu suchen. In beiden Fällen geht es aber um eine Norm, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen602. ___________ 596

Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(1), S. 110 f. und B.I.2.b)(3), S. 112 f. Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(2), S. 111 f. 598 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(5), S. 115 f. 599 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 44, Rdnr. 75 ff. 600 Warum die Tatsache, auf ein Grundrecht direkt zurückzugreifen, mit diesem seltsamen Begriff beschrieben wird, der die Assoziation weckt, man bewege sich „außerhalb der Norm“ ist wiederum vor dem Hintergrund des Dualismus von Grundrechtslehre und Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht (siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(7), S. 82 f.) erklärlich: aus verwaltungsrechtlicher Perspektive hat man den angestammten Bereich des einfachen Rechts sozusagen verlassen. Man mag darüber streiten, ob im verwaltungsrechtlichen Bereich ein direkter Rückgriff auf die Grundrechte zulässig ist oder nicht; bejaht man dies, sollte aber auf eine Umschreibung verzichtet werden, welche den Grundrechten in einem „begrifflichen Huckepackverfahren“ ihren verwaltungsrechtlichen Platz zuzuweisen bemüht ist. 601 Die begriffliche Unterscheidung findet sich fast durchgängig im verwaltungsprozeßrechtlichen Schrifttum. Siehe F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 118 ff., Rdnr. 121 ff. und die dortigen Nachweise. Bezeichnend ist, daß der Begriff der „normexternen“ Wirkung wie hier oft mit Anführungszeichen verwandt wird, etwa P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 284. 602 Vgl. die Ausführungen von C. Starck, JZ 1999, S. 473 [484]: Das „breite Spektrum verschiedenartiger, mehr oder weniger bestimmter Normen, die das Grundgesetz enthält, verbietet es, das Verfassungsrecht in struktureller Hinsicht vom Gesetzesrecht zu unterscheiden. Auch das Gesetzesrecht enthält höchst unbestimmte Normen und Normen mit bloßen Zielbestimmungen. Umgekehrt sind die Organisations- und Verfahrens597

B. Das deutsche Verständnis

163

(b) Die normative Verankerung objektiven Rechts in Sätzen über subjektiv-öffentliche Rechte Ist der Schutzzweck derjenigen Norm zu entnehmen, welche auch die Rechtspflicht begründet, so geht mit der Weite der Rechtspflicht auch eine Weitung potentieller Schutzzwecke und damit eine Öffnung für Bestimmungen objektivrechtlicher Natur einher. i) Das Beispiel der allgemeinen Handlungsfreiheit Das BVerfG603 entnimmt Art. 2 Abs. 1 GG einen „grundrechtlichen Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsrechtlichen Ordnung begründet ist“604. Die Bestimmung normiert als eine die Handlungsfreiheit in prinzipieller Weise als subjektivöffentliches Recht konstituierenden Grundnorm605 eine denkbar weite Achtungspflicht. Diese Weite der Achtungspflicht – mag sie im einzelnen auch umstritten sein606 – ermöglicht es, auch Verstöße gegen rein objektiv-rechtliche Normen im Ergebnis als Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechts der allgemeinen Handlungsfreiheit607 auszugestalten.

___________ normen des Grundgesetzes sehr bestimmt. […] Die Grundgesetznormen sind jeweils in ihrer Bestimmtheit und in ihrer Offenheit ein wohlgeordnetes Ganzes. Die Wohlgeordnetheit des Grundgesetzes besteht gerade darin, daß vieles nur in seinen Grundlagen oder gar nicht geregelt ist und daß somit notwendige Handlungsspielräume für die zuständigen Staatsorgane offenstehen und auf Dauer offenstehen müssen.“ 603 BVerfG, Urt. v. 16.1.1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 („Elfes“), bestätigt in BVerfG, Beschl. v. 6.6.1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 [152 f.] („Reiten im Walde“). Dazu: H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [21; 25 f.]. 604 BVerfG, Beschl. v. 8.1.1959, 1 BvR 425/52, BVerfGE 9, 83 [88]. 605 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [131]. 606 Siehe dazu: H.-U. Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 152: Allgemeine Handlungsfreiheit, Rdnr. 43 ff. Geht man wie dieser von einem begrenzten Regelungsbereich des Grundrechts aus (a. a. O., Rdnr. 26 ff.), so ändert dies nichts an der Tatsache, daß nur ein den formellen Vorgaben der Verfassung entsprechendes Gesetz den Anforderungen des für grundrechtsrelevantes Handeln des Staates geltenden Gesetzesvorbehalts genügt (so auch H.-U. Erichsen, a. a. O., Rdnr. 45). Insoweit ist der Regelungsbereich von Art. 2 Abs. 1 GG für das hier zu beschreibende Phänomen nicht entscheidend. 607 Wichtig ist insoweit die Feststellung, daß auch in diesen Fällen allein das Grundrecht ein subjektiv-öffentliches Recht vermittelt, nicht hingegen ein Anspruch auf Einhaltung objektivrechtlicher Bestimmungen – etwa auf verfassungsgemäße Gesetzgebung – konstruiert werden kann, H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [25] mit kritischem Verweis auf J. Ruthig, BayVBl. 1997, S. 289 [295].

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

) Normen des Völkergewohnheitsrechts Ein Beispiel bieten rein staatengerichtete Normen des Völkergewohnheitsrechts. Diese dienen ihrem Inhalt nach nicht dem Individualschutz608 und sind somit nicht geeignet, innerstaatlich nach Art. 25 S. 2 GG subjektive Rechte zu erzeugen609. So begründet die rechtswidrige Vornahme von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet – etwa die völkerrechtswidrige Entführung eines Straftäters610 – nur Wiedergutmachungsansprüche des verletzten Staates. Bei der Beeinträchtigung von Individualinteressen durch einen derartigen Verstoß gegen rein objektives Recht entspricht der staatengerichteten Verpflichtung kein Individualrecht611. Hier wird nun nach der Rechtsprechung des BVerfG auf die allgemeine Handlungsfreiheit rekurriert, da eine Berufung auf sie nicht davon abhängig sein soll, ob die Regel des Völkerrechts ihrem Inhalt nach Rechte und Pflichten des einzelnen zu begründen geeignet ist612. Das dem einzelnen derart ___________ 608 Finden sich im Völkerrecht ausdrücklich individualgerichtete Rechtsnormen, etwa diejenigen der EMRK und rein staatengerichtete Normen, etwa Bestimmungen der WVRK, so läßt sich in bezug auf das Völkervertragsrecht feststellen, daß bei staatsgerichteten Normen, die eine individuelle Auslegung zulassen, von dieser Auslegung zunehmend Gebrauch gemacht wird. Vgl. etwa ICJ, Judgement 27.6.2001, No. 104, Germany v. United States of America (LaGrand Case), einsehbar unter: http://www.icjcij.Org/ icjwww/idocket/igus/igusframe.htm (deutscher Text: JZ 2002, S. 91 ff.), dazu: K. Oellers-Frahm, EuGRZ 2001, S. 265 ff. Dort wurden Verstöße gegen Art. 36 Abs. 1 und 2 WÜK als Verletzung völkerrechtlicher Staatenverpflichtungen und Verletzung individueller Rechte gewertet. Befand der StIGH noch, es komme entscheidend auf den Parteiwillen an (PCIJ, Advisory opinion, 3.3.1928, Jurisdiction of the Danzig Courts, PCIJ Series B, No.15 (1928), 17 f.) so scheint – ähnlich wie im deutschen Recht – die Intention des historischen Normgebers nicht mehr das entscheidende Kriterium zu sein. Was das Völkergewohnheitsrecht betrifft, ist man von so einer Entwicklung noch entfernt; die Mediatisierung des Individuums bleibt hier die Regel, ähnlich: J. Combacau, in: Combacau / Sur, Droit international public, 2. Aufl. 1995, S. 320. 609 M. Herdegen, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 161 [173]; BVerfG, Beschl. v. 22.3.1983, 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 [373]; anders: G. Hoffmann, NJW 1988, S. 585 [589]. 610 Siehe Resolution des Sicherheitsrates vom 23.6.1960 (S/RES/138 (1960)), Question relating to the case of Adolf Eichmann, einsehbar unter: http://www.un.org/documents/ sc/res/1960/scres60.htm); umfassend zur Stellung des Individuums im Völkerrecht: J. Combacau, in: Combacau / Sur, Droit international public, 2. Aufl. 1995, S. 303 ff. 611 BVerfG, Beschl. v. 22.3.1983, 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 [373 f.]; M. Herdegen, NJW 1988, S. 593 [595 f.]. 612 BVerfG, Beschl. v. 11.10.1985, 2 BvR 336/85, NJW 1986, S. 1425 [1426]: „Eine den Einzelnen belastende gerichtliche Entscheidung, die auf einer dem allgemeinen Völkerrecht widersprechenden Vorschrift des innerstaatlichen Rechts oder einer mit dem allgemeinen Völkerrecht unvereinbaren Auslegung und Anwendung einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts beruht, verstößt gegen das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Dies gilt unabhängig davon, ob die verletzte allgemeine Regel des Völkerrechts ihrem Inhalt nach Rechte oder Pflichten für

B. Das deutsche Verständnis

165

nach innerstaatlichem Recht zuerkannte subjektiv-öffentliche Recht wird danach zwar in einem Satz über ein subjektiv-öffentliches (Grund-)Recht verankert, ist aber in Bestand und Inhalt der objektivrechtlichen Rechtsposition des Staates akzessorisch: Erlischt die Position durch Erfüllung, Verzicht oder Verwirkung, erfaßt dies auch die subjektive Position des einzelnen613. 

) Kompetenznormen, Form- und Verfahrensvorschriften

Auch Kompetenznormen, eigentlich Paradebeispiel objektiven Rechts, sind über den Umweg der „Elfes-Konstruktion“ im Ergebnis rügefähig. Selbst wenn man der Auffassung ist, eine Verletzung objektiven Verfassungsrechts löse einen grundrechtlichen Abwehranspruch nur bei freiheitsschützender Funktion der verletzten objektivrechtlichen Norm aus614, so kann dieser Gehalt der Kompetenzordnung, den Form- und Verfahrensvorschriften nicht abgesprochen werden615. ) Strukturprinzipien Auch die Strukturprinzipien der Verfassung, die ursprünglich objektivem Recht zugeordnet waren, sind durch die Rechtsprechung zunehmend in die subjektive Sphäre der Grundrechte verlagert worden. Das als Gebot des Rechtsstaates entwickelte Übermaßverbot ist diesen Weg ebenso gegangen wie das Vertrauensschutzprinzip616. Grundrechte als Garantien von Organisation und ___________ den Einzelnen begründet oder ausschließlich an Staaten oder sonstige Völkerrechtssubjekte gerichtet ist.“ Siehe dazu J. Frowein, ZaöRV Bd. 46 (1986), S. 286 ff. und BVerfG, Beschl. v. 26.3.1987, 2 BvR 589/79, 2 BvR 740/81, 2 BvR 284/85, BVerfGE 74, 358. 613 M. Herdegen, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 161 [174]. 614 H.-U. Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 152: Allgemeine Handlungsfreiheit, Rdnr. 45. 615 Zur Schutzwirkung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung siehe BVerfG, Urt. v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274 [302]: „Einerseits kommt der Kompetenzordnung auch eine grundrechtssichernde Funktion zu […]; andererseits bestimmen die Grundrechte und sonstige Verfassungsgrundsätze die Grenzen für die Ausnutzung einer durch das Grundgesetz gewährten Gesetzgebungskompetenz“; F. Ossenbühl, DÖV 1965, S. 649 [657]; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 322 ff. 616 Siehe BVerfG, Beschl. v. 20.4.1982, 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 [295]; BVerfG, Beschl. v. 8.7.1971, 1 BvR 766/66, BVerfGE 31, 275 [293]; BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 [44]; BVerfG, Beschl. v. 1.7.1981, 1 BvR 874/77 u.a., BVerfGE 58, 81 [121] dazu: D. E. Katzenstein, in: FS für Helmut Simon, 1987, S. 847 ff.; vgl. auch P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, 1986, S. 241 f., 458; kritisch: B. Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 56.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Verfahren617 verdanken diese Gehalte besonders der Versubjektivierung des Rechtsstaatsprinzips618 gegenüber einer zunächst objektivierenden Doktrin. ) Zwischenergebnis Es läßt sich damit feststellen, daß Sätze objektiven Rechts in zunehmendem Maße subjektivierbar geworden sind, der einzelne also auch Verletzungen objektiven Rechts als Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung rügen kann. Einfallstor und Bestätigung für diese Entwicklung ist namentlich die ständige Rechtsprechung zu Art. 2 Abs. 1 GG619. Es läßt sich insoweit von versubjektiviertem objektivem Recht sprechen. ii) Sonstige Freiheitsrechte Was für die allgemeine Handlungsfreiheit gilt, ist auch im übrigen Bereich grundgesetzlicher Freiheitsverbürgungen zu verzeichnen. Die spezielleren grundgesetzlichen Freiheitsrechte eröffnen die Möglichkeit, die Rückanbindung objektiven Rechts in Sätzen über subjektive Rechte sicherzustellen. Dies folgt aus der Dogmatik freiheitsrechtlicher Schranken620: Da nur formell und materiell verfassungsmäßige Gesetze den Schrankenanforderungen genüge tun, ist auch dort eine mittelbare Subjektivierung objektiven Rechts möglich621. iii) Der Gleichheitssatz Nämliches gilt in besonderer Form für den Gleichheitssatz. Wegen des formal-modalen Charakters622 kennt dieser keinen Schutzbereich im Sinne eines ___________ 617

Vgl. H. Bethge, NJW 1982, S. 1 ff.; K. H. Friauf, DVBl. 1971, S. 674 ff. Sehr deutlich wird dies in der Plenarentscheidung BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, S. 1924 ff.: die Gewährleistung fachgerichtlichen Rechtsschutzes bei Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör wird „dem Rechtsstaatsprinzip i.V. mit Art. 103 Abs. 1 GG“ entnommen. Der Schwebezustand zwischen Strukturprinzip und grundrechtsgleichem Recht sichert dem BVerfG eine gegenüber Art. 19 Abs. 4 GG erhöhte Flexibilität. 619 So auch: G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 194. 620 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [26]. 621 Siehe etwa zu Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 25.4.1979, 1 BvR 1012/76, BVerfGE 51, 166 [173 f.] 622 J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 23; M. Sachs, DÖV 1984, S. 411 [412 ff.]; G. Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 244 ff.; M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 652; W. Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994, 618

B. Das deutsche Verständnis

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identifizierbaren Handlungs- oder Normfeldes623. Dient er in einem Fall der Abwehr gleichheitswidriger Belastung, geht es im zweiten regelmäßig darum, die einem Dritten gewährte Begünstigung ebenfalls zu erlangen. Letzteres, das derivative Teilhabe- oder Leistungsbegehren, dient wegen des Gebots der Rechtsanwendungsgleichheit624 in vielfältiger Weise der Rückanbindung objektiven Rechts an einen Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht, insbesondere dann, wenn eine ständige Verwaltungspraxis mit der Folge der Selbstbindung in Rede steht, bei der Subventionsvergabe, bei Konkurrentenklagen und bei der Nachfrage von Leistungen durch die öffentliche Hand625. Insgesamt hat sich hier eine „breite Palette möglicher derivativer Teilhabe- oder Leistungsansprüche“626 entwickelt, deren Gemeinsamkeit darin besteht, daß sich der Satz über die subjektive Berechtigung jeweils in der verfassungsrechtlichen Grundrechtsnorm des allgemeinen Gleichheitssatzes findet. iv) Abwägungsgebote Nicht nur auf Verfassungsebene, auch im Rahmen einfachgesetzlicher Vorschriften werden objektiv-rechtliche Prinzipien versubjektiviert. Dies gilt namentlich für Abwägungsentscheidungen. Der hierbei zu verzeichnende Vorgang ist komplex. Die erstmals bei Josef Esser entfaltete und aus der angloamerikanischen Debatte aufgegriffene Unterscheidung627 von Regeln – strikten Normen, die entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden – und Prinzipien im Sinne von Optimierungsgeboten – die auf eine hohe oder intensive Regelung drängen – ist na___________ S. 401 ff.; gegen die Einstufung als „modales“ Abwehrrecht: P. Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. V, 2. Aufl. 2000, § 124: Der allgemeine Gleichheitssatz, Rdnr. 274 ff.; P. Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. V, 2. Aufl. 2000, § 125: Gleichheit in der Funktionenordnung, Rdnr. 94, 107. 623 H. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Vorb. Rdnr. 38. 624 S. Huster, Rechte und Ziele: Zur Dogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes, 1993, S. 15 ff.; H. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 3 Rdnr. 27 f.; P. Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. V, 2. Aufl. 2000, § 125: Gleichheit in der Funktionenordnung, Rdnr. 16; BVerfG, Beschl. v. 1.7.1954, 1 BvR 361/52, BVerfGE 4, 1 [7]; BVerfG, Beschl. v. 14.1.1986, 1 BvR 209/79, 1 BvR 221/79, BVerfGE 71, 354 [362]; BVerfG, Beschl. v. 15.3.1989, 1 BvR 1428/88, BVerfGE 80, 48 [51]. 625 Vgl. zur Anwendung des Gleichheitssatzes in diesem Zusammenhang in Abkehr von der überkommenen binnenrechtlichen Vorstellung: D. Ehlers, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 2 Rdnr. 78; G. Hermes, JZ 1997, S. 909 ff.; T. Puhl, VVDStRL Heft 60 (2001); S. 456 [478 f.]. 626 H. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Vorb. Rdnr. 54. 627 J. Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 4. Aufl. 1990, S. 69 ff.; R. Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977.

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mentlich von Robert Alexy628 fruchtbar gemacht worden. Sie kann als „analytische Folie“629 für im einzelnen sehr komplexe Abwägungs- und Kollisionsentscheidungen dienen630, dies auch auf Ebene des einfachen Rechts. Indem nun die Abwägungsentscheidung als ein Prinzip begriffen wird, welches ein Optimierungsgebot aufstellt, wird es dem einzelnen möglich, sich auf dessen Nichtrealisierung zu berufen, was wiederum als Verletzung eines zu beachtenden Abwägungsgebots begriffen wird. Ein Beispiel bietet eine neuere Entscheidung des BVerwG631 zu den Abflugrouten vom Flughafen Köln / Bonn, der folgender Sachverhalt zugrunde lag: Der Kläger ist Miteigentümer eines südwestlich des Flughafens Köln / Bonn gelegenen, selbst genutzten Wohngrundstücks. Er wendete sich gegen die Verlegung einer Abflugstrecke, die das Luftfahrt-Bundesamt in einer Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung festgesetzt hat. Zur Begründung macht er geltend, er und seine Familie würden in erheblichem Umfang, insbesondere zur Nachtzeit, durch Fluglärm beeinträchtigt. Eine nachhaltige Schädigung seiner Gesundheit sei zu befürchten. Sein Grundstück erleide einen deutlichen Wertverlust. Die angegriffene Rechtsverordnung sei rechtswidrig. Die gebotene planerische Interessenabwägung habe nicht stattgefunden. Das OVG hatte die Klage als unzulässig abgewiesen632. Der Kläger könne nicht geltend machen, durch die angegriffene Regelung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Wortlaut, systematischer Zusammenhang und Zweck der Ermächtigungsgrundlage der beanstandeten Regelung gäben nichts dafür her. Auch durch § 29 b Abs. 2 LuftVG werde das Entscheidungsprogramm nicht zugunsten von Individualinteressen angereichert. Die Vorschrift diene ausschließlich der Verwirklichung von Allgemeininteressen und gerade nicht dem Schutz einzelner Grundstückseigentümer. Das zeige schon der Wortlaut, der mit „Bevölkerung“ nur die Allgemeinheit benenne. Die Vorschrift formuliere außerdem kein Abwehrrecht und nicht einmal konkrete Handlungsvorgaben, sondern gebe nur eine recht konturlose, programmsatzartige Leitlinie ab. Dieses Verständnis der einfach-

___________ 628

R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 71 ff. H. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Vorb. Rdnr. 40. 630 M. Morlok, Verfassungstheorie, 1988, S. 121 ff.; H. Rossen, in: Grabenwarter / Hammer / Pelzl / Schulev-Steindl / Wiederin, Allgemeinheit der Grundrechte und Vielfalt der Gesellschaft, 1994, S. 41 ff.; T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 85 ff. Die Einstufung der Grundrechte als Optimierungsgebot hat denn auch zwischenzeitlich eine gewisse Verbreitung gefunden: R. Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, 1992, S. 23, 102 und passim; M. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 396; die eher ablehnende Haltung von: M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 504 („große Gefahren einer weitgehenden Relativierung des Geltungsanspruchs der Grundrechte überhaupt“) findet sich in den Thesen von T. Schilling, Der Staat Bd. 33 (1994), S. 555 [563, 572 ff.] bestätigt: Dieser will einigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts im Falle der Kollision mit anderen Rechtsnormen grundsätzlich keinen Vorrang zusprechen, was er mit dem Prinzipiencharakter begründet. 631 BVerwG, Urt. v. 28.6.2000, 11 C 13.99, BVerwGE 111, 276 ff. 632 OVG Münster, Urt. v. 19.8.1999, 20 D 21.98 AK, n.v. 629

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gesetzlichen Rechtslage werde durch eine Auslegung im Lichte der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG nicht in Frage gestellt.

Das BVerwG hat sich diese Einschätzung nicht zu eigen gemacht. Es könne vielmehr dahingestellt bleiben, „[…] in welchem Umfang die Ermächtigungsgrundlage für die angegriffene Rechtsverordnung (§ 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 3 LuftVG in Verbindung mit § 27 a LuftVO) oder zumindest die Vorschrift des § 29 b Abs. 2 LuftVG Schutznormen zugunsten des Klägers darstellen. Mit diesen Normen ist das […] ‚Entscheidungsprogramm‘ für den Erlaß der hier in Rede stehenden Rechtsverordnung nicht abschließend umschrieben. Es enthält vielmehr in materieller Hinsicht auch ein Abwägungsgebot, das dem Kläger ein subjektives Recht auf gerechte Abwägung seiner rechtlich geschützten Interessen vermittelt. Die Geltung des Abwägungsgebots hängt weder von seiner fachgesetzlichen Normierung noch von einer bestimmten Handlungs- oder Verfahrensform ab. Das Abwägungsgebot folgt vielmehr bereits aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung und gilt dementsprechend allgemein […]. Die Festlegung von Abflugstrecken unterliegt diesem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot. […] Dem Abwägungsgebot kommt auch Schutznormcharakter gegenüber dem Kläger zu.“633

Dieses subjektive Recht konnte sich nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings nur auf rechtlich geschützte Belange des Betroffenen beziehen. Letzteres Erfordernis sei deswegen erfüllt, da der „Kläger geltend macht, in seiner Gesundheit und seinem Eigentum und mithin in (verfassungs-)rechtlich geschützten Belangen (vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 14 Abs. 1 GG) verletzt zu sein.“ Darauf, daß sich das Gericht gleichzeitig aufgrund der Weite der versubjektivierten objektiv-rechtlichen Prinzipien genötigt sah, den Inhalt dieses Rechts dergestalt zu beschränken, daß die Behörde das Interesse des Klägers an Vermeidung unzumutbarer Lärmbelästigung lediglich nicht willkürlich unberücksichtigt lassen dürfe634, wird noch zurückzukommen sein; es stellt dies aber bereits eine Frage nach dem Inhalt des Rechtssatzes, nicht eine nach der Qualität des Rechtssatzes selbst dar. Hinsichtlich der Rechtssatzabhängigkeit bleibt festzuhalten, daß auch Sätze einfachgesetzlichen objektiven Rechts in der Tendenz einer verstärkten Subjektivierung unterliegen.

___________ 633 BVerwG, Urt. v. 28.6.2000, 11 C 13.99, BVerwGE 111, 276 ff. Hervorhebung im Original. Der 11. Senat setzt sich mit der Frage, ob ein drittschützender Charakter hinsichtlich aller abwägungserheblichen privaten Belange und nicht nur der rechtlich geschützten privaten Belange anzunehmen ist, nicht weiter auseinander. Ersteres hatte der 4. Senat zu § 1 Abs. 6 BauGB angenommen (BVerwG, Urt. v. 24.9.1998, 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215 ff.). 634 Die großzügige Zuerkennung eines Individualrechts wird also auf Ebene des Inhalts beträchtlich eingeschränkt; kritisch dazu H. H. Rupp, NVwZ 2002, S. 286 ff.; A. Kukk, NVwZ 2001, S. 408 ff.; D. Czybulka, ZUR 2001, 268 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

v) Objektiv-rechtliche Gehalte als Verstärkungsposition subjektiver Rechte und Anknüpfungspunkt neuer Subjektivierungen Kann man so feststellen, daß es eine Tendenz zur Versubjektivierung von klassischerweise dem objektiven Recht zugerechneten Rechtsprinzipien gibt, so werden umgekehrt aus Sätzen über subjektive Rechte – gerade, aber nicht nur im Verfassungsrecht635 – im Wege der Generalisierung und Abstraktion über die Grenzen des Einzelfalls hinausweisende Prinzipien und Regeln gewonnen, die ihrerseits wieder Teil des objektiven Rechts werden können636. Sätze über subjektive Rechte werden so gleichsam objektiv-rechtlich „ummantelt“, was als Verstärkungspositionen auf diese zurückwirkt637. Dies meint das BVerfG, wenn es formuliert: „Die Funktion der Grundrechte als objektiver Prinzipien besteht ___________ 635

Angesprochen ist hier der Komplex der Grundrechte als „Wertordnung“ oder nach neuerer Terminologie: den „Elementen objektiver Ordnung“ (zu diesem terminologischen Wandel: G. Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 283 ff.). Aus der Rechtsprechung des BVerfG dazu: BVerfG, Urt. v. 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 [205] („Lüth“); BVerfG, Urt. v. 25.2.1975, 1 BvF 1–6/74, BVerfGE 39, 1 [41]; BVerfG, Urt. v. 16.10.1977, 1 BvQ 5/77, BVerfGE 46, 160 [162] („Schleyer“); BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 [141] („Kalkar“); BVerfG, Urt. v. 1.12.1978, 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 [337]; BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 [57]; BVerfG, Beschl. v. 14.1.1981, 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, 54 [73]; BVerfG, Urt. v. 28.5.1993, 2 BvF 2/90 und 4, 5/92, BVerfGE 88, 203 ff. Aus der Literatur (Einrichtungsgarantien): grundlegend C. Schmitt, Verfassungslehre, 5. Neudruck der 3. Aufl. 1928, 1970, S. 170 ff.; H. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Vorb. Rdnr. 68, 69; B. Pieroth / B. Schlink, Staatsrecht II, Grundrechte, 17. Aufl. 2001, Rdnr. 70–72; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 754 ff.; M. Sachs, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, vor Art. 1 Rdnr. 30 sowie (Ausstrahlungwirkung, Schutzpflichten, Organisation und Verfahren): in mancher Hinsicht bahnbrechend P. Häberle, VVDStRL Heft 30 (1972), S. 42 ff. [86 ff.]: „status activus processualis“; E. Denninger, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. V, 2. Aufl. 2000, § 113: Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung durch Verfahren, Organisation und Finanzierung, Rdnr. 1 ff.; J. Isensee, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. V, 2. Aufl. 2000, § 111: Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, Rdnr. 1 ff.; E. Klein, NJW 1989, S. 1633 ff.; H. H. Klein, DVBl. 1994, S. 489 ff.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 890 ff.; überdies lesenswert die lehrbuchartige Darstellung von H. Simon und H. Heußner in ihrem Sondervotum zu BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 ff., BVerfGE 53, 30, 69 ff. 636 Näher dazu: W. Krawietz, Rechtstheorie Bd. 18 (1987), S. 209 [214]. Dieser wirft besonders R. Dreier vor (a. a. O., S. 209), er ignoriere bei seiner Bestimmung des Rechtsbegriffes (R. Dreier, NJW 1986, S. 890) die subjektiven Rechte. In der Tat geht Dreier, a. a. O., weitgehend vom objektiven Recht aus. Siehe dazu auch aus rechtspositivistischer Sicht die Erwiderung von N. Hoerster, NJW 1986, S. 2480 ff. 637 Siehe etwa BVerfG, Urt. v. 5.7.1983, 2 BvR 460/80, BVerfGE 64, 367 [379]; BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969, 1 BvL 24/64, BVerfGE 27, 195 [200]; aus der Literatur: H. Jarass, AöR Bd. 110 (1985), S. 363 [373 ff.]; M. Hund, in: FS für Wolfgang Zeidler, 1987, Bd. 2, S. 1445 ff.

B. Das deutsche Verständnis

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in der prinzipiellen Verstärkung ihrer Geltungskraft“638, d.h. der Geltungskraft als Sätze über subjektive Rechte des einzelnen. In diesem Sinne können die aus einem Satz über subjektive Rechte abgeleiteten objektiven Prinzipien ihrerseits erneut Anknüpfungspunkt für die normative Verankerung subjektiver Rechte werden. Ein Beispiel bietet Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG: Der für den Rundfunk angestrebte und zu sichernde „Zustand gleichgewichtiger Vielfalt“639 wird als objektives Gebot einer Norm entnommen, die (auch und als Grundrecht: vor allem) einen Satz über ein subjektives Recht enthält. Die kontrovers diskutierte Frage, ob dem Gebot, diesen Zustand „gleichgewichtiger Vielfalt in der Darstellung der bestehenden Meinungsrichtungen durch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen“640 herzustellen und aufrechtzuerhalten, ein subjektives Recht des einzelnen gegen den Staat auf diese Vorkehrungen entspricht, kann erst über diesen Umweg des objektiven Prinzips überhaupt gestellt werden641. Die Frage also, ob diese objektiv-rechtlichen Gehalte wiederum (neue) Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte enthalten, wird teilweise unter den Begriff der „Resubjektivierung“ rubriziert642. Dieser Begriff hat für sich, ein bestimmtes Phänomen sprachlich treffend erfassen zu wollen. Er ist aber aus zweierlei ___________ 638 BVerfG, Urt. v. 1.12.1978, 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 [337]; siehe auch oben, Zweites Kapitel – B.III.1.a)(1), S. 128, dort Fn. 413. 639 Siehe dazu BVerfG, Urt. v. 16.6.1981, 1 BvL 89/87, BVerfGE 57, 295 [323 ff.] („3. Rundfunkentscheidung“); BVerfG, Urt. v. 4.11.1986, 1 BvF 1/84, BVerfGE 73, 118 [156] („4. Rundfunkentscheidung“); BVerfG, Beschl. v. 24.3.1987, 1 BvR 147, 478/86, BVerfGE 74, 297 [326] („5. Rundfunkentscheidung“); H. Bethge, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rdnr. 104. 640 BVerfG, Beschl. v. 24.3.1987, 1 BvR 147, 478/86, BVerfGE 74, 297 [326] („5. Rundfunkentscheidung“). 641 Siehe dazu etwa, ein solches Recht bejahend, C. Starck, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1 S. 2 Rdnr. 80 (Recht der „offensichtlich gesellschaftlich relevanten Kräfte“); C. Starck, in: FS für Martin Löffler, 1980, S. 375 [388]; H. H. Rupp, JZ 1979, S. 28 [29]; R. Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, S. 262 [282 Fn. 91]; ein solches verneinend BVerfG, Beschl. v. 19.12.1988, 1 BvR 315/86, JZ 1989, S. 339; H. Bethge, JZ 1989, S. 339 f.; H. Bethge, UFITA Bd. 81 (1978), S. 75 [92]; H. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, 1978, S. 261 f (dort Fn. 90). Umfassend dazu: H. Bethge, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rdnr. 90 ff., Rdnr. 114: „[…] ist mit einer Subjektivierung der Rundfunkfreiheit behutsam umzugehen“; vgl. auch: U. Karpen, Medienrecht, in: Achterberg / Püttner / Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, Rdnr. 85 ff. 642 H. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Vorb. Rdnr. 56. Vgl. auch die kritischen Anmerkungen zu einer tendenziellen Verselbständigung objektiv-rechtlicher Grundrechtssicht bei H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [16]: „Die objektivrechtliche Sicht, namentlich die Wertordnung, wird dann unzulässig verselbständigt, wenn sie von der Frage der individuellen Grundrechtsträgerschaft vollständig abgekoppelt wird.“ und die gegenteilige Auffassung von F. Ossenbühl, in: FS für Klaus Stern, 1997, S. 887 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Gründen mißverständlich. Zum einen legt er die Assoziation nahe, es werde etwas „zurückgeführt“. Dies ist indes nicht der Fall. Die Frage nach einem Recht des Rezipienten auf organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zur Gewährleistung gleichgewichtiger Vielfalt kann eben nicht einfach mit einem „Rückbezug“ auf die überkommenen subjektiven Regelungsinhalte von Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG beantwortet werden. Zum zweiten wird mit dem Begriff suggeriert, es handele sich um eine besondere Kategorie von Rechtssätzen. Dieser Befund mag in vielerlei Hinsicht zutreffen, im Hinblick auf die potentielle normative Verankerung von Sätzen über subjektiv-öffentliche Rechte jedoch nicht. Auf den Begriff wird daher im folgenden verzichtet. vi) Zwischenergebnis Es lassen sich mithin Zwischenstufen zwischen Sätzen über subjektive Rechte und solchen über objektives Recht feststellen. Neben rein objektivem Recht bestehen die Zwischenstufen von versubjektiviertem objektivem Recht und Sätzen über subjektiv-öffentliche Rechte, die mit objektiv-rechtlichen Gehalten im Sinne einer Verstärkungsposition „ummantelt“643 sind. Aus letzteren Gehalten lassen sich Prinzipien und Regeln deduzieren, die ihrerseits wieder Teil des objektiven Rechts werden und so erneut Basis für Sätze über subjektivöffentliche Rechte werden können. Die Schranken-Dogmatik der Grundrechte – besonders im Verein mit Art. 2 Abs. 1 GG – verankert Bestimmungen des objektiven Rechts rechtstechnisch in einer subjektiv rechtlichen Norm und ermöglicht so, die Verletzung objektiven Rechts als Beeinträchtigung individueller Positionen zu rügen. Auch Bestimmungen des einfachen Rechts kann eine solche Hebelfunktion zukommen. Es lassen sich damit vielfältige Wechselwirkungen feststellen, deren Existenz eine stets trennscharfe Gegenüberstellung von Sätzen über subjektive Rechte und Sätzen über (nur) objektives Recht verbietet. Der Begriff der „Verschränkung“, der auch sonst gerne bemüht wird, wenn eine an monokausalen Prämissen orientierte binäre Kategorisierung auf generell abstrakter Ebene nicht recht gelingen mag, erscheint auch hier angebracht644. Objektives Recht als bloßen Zuweisungssatz für subjektiv-öffentliche Rechte zu begreifen, gilt ___________ 643

H. K. Heinz, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 181 [186]. 644 Erinnert sei an die Formulierung BVerfG, Beschl. v. 24.3.1987, 1 BvR 147– 478/86, BVerfGE 74, 297 [323] („5. Rundfunkentscheidung“): „Er [Art. 5 Abs. 1 GG] begründet insoweit subjektive Rechte; im Zusammenhang damit normiert er Meinungsfreiheit als objektives Prinzip der Gesamtrechtsordnung, wobei subjektiv- und objektivrechtliche Elemente einander durchdringen und stützen.“ Klammerzusatz hinzugefügt.

B. Das deutsche Verständnis

173

zwar in Aufrechterhaltung der Bühlerschen Formel weiter als dogmatische Ausgangsposition; in der weiteren Ausdifferenzierung läßt sich dies dogmatisch empirisch jedoch nicht nachweisen. Als Zwischenergebnis läßt sich daher festhalten: Subjektiv-öffentliche Rechte finden sich nicht immer allein in Sätzen über subjektiv-öffentliche Rechte; Sätze über objektives Recht werden durch die jeweilige Binnenstruktur der Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte an diese rückangebunden und so mit diesen verschränkt. Die deutsche Konzeption erlaubt es damit, Verstöße gegen objektiv-rechtliche Normen im Ergebnis als Verletzungen subjektiv-öffentlicher Rechte auszugestalten. Der Rechtssatz ist also für Verschränkungen und Rückbezüglichkeiten offen. Das subjektiv-öffentliche Recht kann somit als rechtssatzabhängig, aber auch rechtssatzoffen beschrieben werden. (c) Rückanbindung der Faktizität an das dogmatische Erfordernis der Rechtssatzabhängigkeit Kann also eine als Rechtssatzabhängigkeit bei gleichzeitiger Rechtssatzoffenheit verstandene Normativität als Grundlage des subjektiv-öffentlichen Rechts festgehalten werden, so führt dies zu der Frage, welche Bedeutung der Faktizität zukommt. Es sind damit die Grenzen des Normierens angesprochen. Längst nicht alles kann generell-abstrakt normiert und typisiert werden. Strikte Normativität schließt eine an Faktizitäten orientierte Betrachtung aus. Gestufte Normativität ist hingegen für Impulse der Faktizität offen. i) Zum Begriff der Betroffenheit Nach heutigem Verständnis vermitteln reine Faktizitäten oder eine rein faktische Betroffenheit keine subjektiv-öffentlichen Rechte. ) Rechtliche Bedeutung tatsächlicher Interessenlagen In der neueren Literatur wird teilweise mit dem Begriff der tatsächlichen „Betroffenheit“ operiert. Gemeint ist damit, daß der tatsächlichen Interessenlage schon von sich aus rechtliche Bedeutung beikommt, daß tatsächliche Gegebenheiten nicht erst durch Rechtsnormen „auf die Ebene des Rechts gehoben werden müssen“645. Diese Ansätze sind mit den dargestellten Lehren verbun___________ 645

G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 152 f.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

den, welche die Schutznormlehre zugunsten direkter verfassungsrechtlicher Fundierung des subjektiv-öffentlichen Rechts646, der Rechtsverhältnislehre647 oder auf Basis des Primats des subjektiven Rechts648 aufgeben wollen. 

) Keine Abkehr von der Normativität

Damit ist jedoch bei näherem Hinsehen keine Abkehr von der Normativität an sich verbunden. Denn ohne normative Wertungen über die Zurechnung von Folgen einer „Betroffenheit“ durch Neben-, Nah- und Fernwirkungen beliebig groß dimensionierter Entscheidungs- und Handlungsvorgänge649 kommen auch diese Ansätze nicht aus. Die Attribute der „konkreten Betroffenheit“650 oder der „Betroffenheit in eigenen Angelegenheiten“651, welche zu diesem Zweck herangezogen werden, anerkennen diese Wertungsabhängigkeit. Wertungen kann die Rechtsordnung nur rechtlich lösen652. „Betroffenheit“ und „eigene Angelegenheit“ stellen mithin zunächst von Fakten her konstruierte Begriffe dar, jedoch keine außerrechtlichen, sondern sie werden durch die in Rede stehenden Normen und die mit ihnen wirksamen Rechtsüberzeugungen konstituiert653. ) Impulse Die Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht hat durch diese Ansätze neue Impulse erfahren und sie aufgenommen. Sie hat sich den Begriff der faktischen und (zumindest für die Ebene des einfachen Rechts) normunabhängig gedachten „Betroffenheit“ nicht generell zu eigen gemacht. „Faktische Grundrechtsbetroffenheit“ stellt teilweise nichts anderes als „faktische Interessenbetroffenheit“654 dar; letztere ist aber kein rechtliches Kriterium, mit dem Rechte von In___________ 646

Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(1), S. 110 f. Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(4), S. 113 f. 648 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.a)(8), S. 109 f. 649 Vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 120. 650 M. Zuleeg, DVBl. 1976, S. 509 [516]. 651 W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 59 ff. W. Henke hat später klargestellt: „Gemeint war, daß ein subjektives Recht desjenigen, der von einer behördlichen Maßnahme tatsächlich in seinen Angelegenheiten betroffen wurde, nicht vom Willen oder der Absicht des Gesetzgebers abhängen dürfe […]“, W. Henke, in: FS für Werner Weber, 1974, S. 495 [510]. 652 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 120. 653 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 120; H. Wolff / O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 43 I b), S. 322. 654 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 158. 647

B. Das deutsche Verständnis

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teressen getrennt werden könnten655. Würde die bloße Interessenbetroffenheit genügen, so hätte dies vor dem Hintergrund des Gewährleistungsbereiches von Art. 2 Abs. 1 GG eine unbegrenzte Versubjektivierung zur Folge. Eine Abgrenzung von „relevanten“ und „irrelevanten“ Beeinträchtigungen ist bei diesem Ansatz schwer möglich656. Die alleinige Orientierung an Grundrechten kann darüber hinaus, auch wenn sie mehr sind als nur punktuelle Gewährleistungen657, nicht für jedes denkbare Interesse eine befriedigende Antwort bieten. Es gibt eine Reihe von Berechtigungen, bei denen der Gesetzgeber etwas gewährt, wozu er verfassungsrechtlich nicht verpflichtet ist658. Hier muß der Rückgriff auf die Verfassung von vornherein versagen. Durch diese Ansätze sind aber die verfassungsrechtlichen Vorgaben und ihr Verhältnis zum einfachen Recht stärker in den Blickpunkt des Interesses gerückt. Denn der Begriff der Betroffenheit wird vor allem dort angewandt, wo von regulatorischer Steuerung oder von finalen Maßnahmen nicht gesprochen werden kann659. Das Verwaltungshandeln wird so in zunehmendem Umfang zu einem Handeln in „grundrechtsrelevanten Bereichen“. Vorbereitende, empfehlende und informierende660 Verwaltungshandlungen gelangen ebenso wie dritt___________ 655

S. 22. 656

E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998,

U. Ramsauer, VerwArch. Bd. 72 (1981), S. 89 [96 f.]. Vgl. D. Frers, Die Klagebefugnis des Dritten im Gewerberecht, 1988, S. 50 f. 658 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 160 Fn. 341 nennt als Beispiel die Leistungen nach dem BErZGG. 659 Grundlegend BVerwG, Urt. v. 18.4.1985, 3 C 34.84, BVerwGE 71, 183 [190 ff.]: „Die Annahme einer Grundrechtsbeeinträchtigung wird […] nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Veröffentlichung einer Transparenzliste dem Arzt eine ‚Entscheidungshilfe‘ sein soll und keine obrigkeitliche Regelung darstellt. Ihr steht nicht entgegen, daß die Veröffentlichung der Transparenzliste nur mittelbare Wirkungen entfaltet und die möglichen wirtschaftlichen Nachteile für den Arzneimittelhersteller allein auf dem autonomen Verhalten Dritter beruhen, nämlich dem der Ärzte und der Konkurrenten. Denn weder schützen die Grundrechte nur gegenüber obrigkeitlich regelnden Maßnahmen, noch erfordern sie generell, daß die Belastung des einzelnen unmittelbare Folge der staatlichen Maßnahme ist. Unter Berücksichtigung der Schutzfunktion des jeweiligen Grundrechts kann vielmehr – je nach Art und Ausmaß – auch eine tatsächliche Betroffenheit des Grundrechtsträgers einen Grundrechtseingriff bedeuten. […] Im Gegensatz zu einer Veränderung sozialer Bedingungen als bloßer Reflex staatlicher Maßnahmen handelt es sich […] um ‚grundrechtsspezifische‘ Maßnahmen [soweit sie] eindeutig auf einen […] nachteiligen Effekt abzielen und diesen Effekt nicht lediglich als Begleiterscheinung mit sich bringen.“ 660 Im Gegensatz zur Transparenzlisten-Entscheidung des BVerwG (oben, Fn. 659) hat das OVG Münster in einer später ergangenen Entscheidung (OVG Münster, Beschl. v. 19.11.1985, 13 B 2140.85, NJW 1986, S. 2783 f.) ausgeführt, daß trotz Aufnahme bestimmter, vom Antragsteller produzierter Weine in eine Liste diäthylenglykolhaltiger Weine, die mit deren Veröffentlichung verbundenen Belastungen weder einen Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG noch in Art. 12 Abs. 1 GG darstellen und eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte damit nicht in Betracht komme. Nach Bestätigung dieser 657

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

vermittelte Handlungen in das Licht des verwaltungsrechtlichen Erkenntnisinteresses und veranlassen dazu, die grundlegenden rechtsstaatlichen Sicherungsinstrumente, insbesondere das Übermaßverbot und die auf subjektivöffentlichen Rechten beruhende Rechtsschutzzugänglichkeit auf sie zu erstrekken661. Die hergebrachte, strikt an abstrakt generellen Normen ausgerichtete Sichtweise ist heute nicht mehr vorzufinden, sondern einer die gestuften Vorstrukturierungen beachtenden Sichtweise gewichen. Dies bedeutet, daß in zahlreichen Bereichen eine konkrete Binnenstruktur von Normen erst durch Einbeziehung der Faktizität gewonnen wird. Dies kann mit kontextabhängiger Gesetzeskonkretisierung662 umschrieben werden. ii) Der Gedanke der kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung Eine wichtige Grundannahme des Rechtsstaates bleibt die Individualisierbarkeit von Interessen und die Möglichkeit der normativen Zuteilungsentscheidung auf generell abstrakter Ebene des Gesetzes. Wo diese Voraussetzungen angesichts der diffusen Interessenlagen und vielgliedriger Bezüglichkeiten nicht einzuhalten sind und sich weiter das Verständnis im Sinne der oben skizzierten Rechtssatzoffenheit entwickelt hat, wird das überkommene rechtsstaatliche Instrumentarium, das auf klare Zäsuren baut, unscharf. Je weiter der Normgeber eine Frage in der Dichte und Tiefe selbst „zu Ende“663 regelt, je weiter der sachliche und persönliche Schutzzweck in abstrakt-generellen Tatbestandsmerkmalen typisierend umschrieben ist, um so weniger wird eine situations- und einzelfallbezogene664, eine kontextabhängige665 Gesetzeskonkretisierung erforderlich. Es ist insoweit bedeutsam, daß das neuere Verständnis dies nicht als binäre Op___________ Linie durch OVG Münster, Urt. v. 5.6.1987, 13 A 1273.86, AfP 1988, S. 284 ff. und BVerwG, Urt. v. 18.10.1990, 3 C 3.88, JZ 1991, S. 624 ff. hat sich das BVerfG diese Sichtweise im Ergebnis zu eigen gemacht: BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002, 1 BvR 558/91, NJW 2002, S. 2621 ff. („Glykol“), freilich bereits einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG verneint; vgl. dazu D. Murswiek, NVwZ 2003, S. 1 ff. 661 Vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 11 [21]. Vgl. auch: J. Pietzcker, in: FS für Otto Bachof, 1984, S. 131 [143 ff.]. 662 Vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 11 [48]. 663 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 103. 664 M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 184. 665 E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 11 [48].

B. Das deutsche Verständnis

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positionen, sondern als eine graduelle Stufung begreift. Ein Beispiel bietet das Abstandsflächenrecht (etwa Art. 6 BayBO oder § 5 Abs. 7 S. 3 BW LBO, der genau regelt, welcher Teil der vorgeschriebenen Abstandsfläche von einzelnen rechtlich durchsetzbar sein soll). Der Dritte hat ein Recht auf Einhaltung dieser Abstandsflächen, ohne daß es auf eine faktische Beeinträchtigung ankäme666. Es wird also ein Zustand beschrieben, bei dem der angestrebte Schutz abstraktgenerell gewährleistet ist. Dennoch kann auch insoweit – worauf zurecht hingewiesen wurde667 – auf eine gewisse situationsbezogene Konkretisierung nicht verzichtet werden: Denn selbst hier hat nur derjenige ein subjektiv-öffentliches Recht, zu dessen Lasten die Bebauung unter Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht heranrückt, mithin nicht der Angrenzer auf der abgewandten Seite des Grundstücks. Es bleibt so ein „Restverweis“ auf tatsächliche Gegebenheiten. Die Gegenüberstellung von Normen wie § 34 Abs. 1 BauGB, welche ein subjektiv-öffentliches Recht nur nach Maßgabe der jeweiligen konkreten Situation vermitteln, gegenüber solchen wie § 5 Abs. 7 S. 3 BW LBO, die als „generell drittschützend“ angesehen werden, ist insoweit eine für die tägliche Rechtsanwendung brauchbare, aber bei genauerer Betrachtung schiefe Kategorisierung. Kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung kann nur als graduelle, in Abhängigkeit der in Rede stehenden Norm befindliche Kategorie begriffen werden. Denn immer kann die Relation der objektivrechtlichen Achtungspflicht zum Normbegünstigten „sinnvoll nur im Rahmen einer Gesamtbewertung von Rechtssatz, Rechtssatzergebnis und Gesamtposition des von diesem Ergebnis Profitierenden hergestellt“668

werden. Die Frage, wie stark diese auch anhand von Fakten zu ermittelnde „Gesamtposition“ in die Gesamtbewertung einfließt, hängt wiederum davon ab, wie weit die in abstrakt-generellen Tatbestandsmerkmalen gefaßte typisierende Umschreibung reicht. ) Typisierungskompetenz des Gesetzgebers Führt man den Gedanken der kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung weiter, so lassen sich Regelungsmaterien feststellen, in denen abstrakt generell formulierte Subjektivierungen dominieren. Hierfür hat sich die Begrifflichkeit ___________ 666

D. Mampel, BauR 1993, S. 44 [47]; P. Marburger, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Gutachten C, 1986, S. C 37; a. A.: OVG Münster, Urt. v. 10.9.1982, 10 A 2296.79, NVwZ 1983, S. 414 [415]. 667 M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 184. 668 F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 24.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

der „generell (dritt)schützenden Norm“ verfestigt669. Gemeint ist damit eine normative Vorstrukturierung dergestalt, daß eine kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung graduell soweit zurückgetreten ist, daß sie vom Rechtsanwender nicht mehr bewußt wahrgenommen wird. Die Bedeutung der Faktiziät erschöpft sich in der Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen. Es lassen sich umgekehrt Regelungsmaterien ausmachen, in denen eine normative Rückanbindung von Faktizitäten stattfindet. Die konkrete Situation ersetzt dann partiell die abstrakt generelle Normierung670. Folgt man der Auffassung des BVerwG671, wonach die Festsetzungen für Baugebiete hinsichtlich der Art jedem Eigentümer im Geltungsbereich dieser Festsetzungen subjektiv-öffentliche Rechte vermitteln, so läßt sich dies als Möglichkeit abstrakt genereller Typisierung und Subjektivierung begreifen, von der der Normgeber Gebrauch gemacht hat672. Dieses Recht gilt unabhängig von der Entfernung und der tatsächlichen konkreten Beeinträchtigung durch eine möglicherweise gebietsfremde Nutzung auch bei sehr großen Baugebieten673. Dies mag durchaus zweifelhaft sein. Es liegt aber in der Typisierungskompetenz des Gesetzgebers, hier eine Frage des Nachbarschutzes für Plangebiete großzügig generalisierend zu regeln674. Eine auf Rückanbindung von Faktizitäten angewiesene Regelung wie die in § 34 Abs. 1 BauGB wäre aber wohl ebenfalls möglich. Der verfassungsrechtlich gebundene Normgeber kann folglich nicht nur subjektiv-öffentliche Rechte schaffen, sondern bei der Normierung die Reichweite der in abstrakt-generellen Tatbestandsmerkmalen gefaßten typisierenden Umschreibung bestimmen und so mit unterschiedlicher Intensität auf die tatsächliche Situation verweisen. ___________ 669 Siehe nur F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 98. Nach R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 109 geht der Begriff wohl auf K.-M. Ortloff, in: Finkelnburg / Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. 2, 3. Aufl. 1994, S. 183 ff., 187 zurück. 670 Der hierfür zwischenzeitlich geläufige Begriff der „potentiellen Schutznorm“ findet sich wohl zuerst bei OVG Münster, Urt. v. 10.9.1982, 10 A 2296/79, NVwZ 1983, S. 414 [415] mit zustimmender Anmerkung H.-H. Schröer, DVBl 1984, S. 426 ff. 671 BVerwG, Urt. v. 16.9.1993, 4 C 28.91, BVerwGE 94, 151 ff. Vgl. dazu: D. Mampel, DVBl. 1994, S. 1053 ff. 672 Beispiel nach R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 108. 673 K.-M. Ortloff, in: Finkelnburg / Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. 2, 4. Aufl. 1998, S. 190; R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 117; siehe auch BVerwG, Beschl. v. 9.3.1993, 4 B 38.93, UPR 1996, S. 226. 674 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 108.

B. Das deutsche Verständnis 

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) Typisierungsgrenzen

Die Grenzen des Typisierens sind, wie allgemein die Grenzen des Normierens, nicht abstrakt zu klären. Es kommt hier auf die – so das BVerfG675 – „Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts“ an676. So kann es nicht unerheblich sein, ob der in Rede stehende Bereich der Gefahrenabwehr, sozialen Diensten oder der Verkehrsplanung zugehört. Wichtig für die Untersuchung ist allein, daß sich die Regelungskompetenzen und damit auch die Regelungsgrenzen des Gesetzgebers auch auf die Einbeziehung faktischer Gegebenheiten beziehen. Die Normierung der Bedürftigkeit kontextabhängiger Gesetzeskonkretisierung orientiert sich an den gestuften Typisierungsgrenzen. Die Erfüllung der Aufgabe der Rechtskonkretisierung verlangt in gradueller Abhängigkeit dieser Stufen vom Rechtsanwender „eine besondere Loyalität gegenüber dem Recht“677, um der Gefahr selektiver Gesetzmäßigkeit zu begegnen. iii) Zwischenergebnis Festgehalten wird mithin daran, daß eine tatsächliche Betroffenheit oder konkrete Beeinträchtigung keine generelle, normunabhängige Entstehensvoraussetzung des subjektiv-öffentlichen Rechts ist678. Unter welchen Voraussetzungen ein solches besteht, ergibt sich aus dem materiellen Recht679. Eine tatsächliche Beeinträchtigung ist jedoch dann – aber auch nur dann – konstitutive Voraussetzung, wenn das materielle Recht auf eine faktische Gegebenheit verweist, es also fordert, den Blick zwischen „Normenmaterial“ und „Sachge___________ 675 BVerfG, Beschl. v. 26.9.1978, 1 BvR 525/77, BVerfGE 49, 168 [181 f.]: „Der Gesetzgeber ist aber gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.“ Danach spricht das Gericht von „[…] Verwaltungsgesetzen, die im Blick auf die Eigenart der geregelten Materie Raum für die Berücksichtigung zahlreicher im voraus nicht normierbarer Gesichtspunkte durch die Behörden lassen müssen.“ Vgl. auch: BVerfG, Beschl. v. 24.11.1981, 2 BvL 4/80, BVerfGE 59, 104 [114]. BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 [133] („Kalkar“) stellt auf „Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes sowie die Regelungsintensität“ ab. Die Verwendung unbestimmter Rechtbegriffe ist bei vielschichtigen Sachverhalten unbedenklich, BVerfG, Beschl. v. 30.11.1988, 1 BvR 1301/84, BVerfGE 79, 174 [195]. 676 Näher: R. Wahl, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 177 [192 ff.; 199]. 677 E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, S. 49. 678 M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 177 ff. [182 f.]; BVerwG, Beschl. v. 20.9.1984, 4 B 181.84, NVwZ 1985, S. 37. 679 BVerwG, BVerwG, Beschl. v. 20.9.1984, 4 B 181.84, NVwZ 1985, S. 37.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

gebenheiten“ gleichsam „hin- und herwandern“ zu lassen680. Diese Sichtweise hat vor allem das „Rücksichtnahmegebot“ befördert. Insoweit hat die Schutznormlehre in ihrer heutigen Fassung auch ein wichtiges Anliegen der Rechtsverhältnislehre681 mit aufgenommen, wenngleich der Vorschlag, Gedanken aus beiden Ordnungskategorien zu verbinden682, sich noch nicht durchgesetzt hat683. Weiter hat damit aber auch eine Annäherung an die namentlich von Rupert Scholz vertretene objektivierende Lehre stattgefunden: Diese will – ohne Rückgriff auf die Rechtsverhältnislehre – das subjektiv-öffentliche Recht als Ausdruck grundrechtlicher Begünstigung in der Rechtsfolge einer Norm auch objektiven Rechts zulassen. Dies ist bei Normen, welche einer gesetzesabhängigen, durch Faktizität vermittelten Konkretisierung bedürfen, der Fall. Die Frage aber, ob und in welchem Umfang ein solcher Verweis auf Faktizitäten besteht, muß wiederum der in Rede stehenden Norm entnommen werden. Das subjektiv-öffentliche Recht kann somit als rechtssatzabhängig, aber auch rechtssatzoffen beschrieben werden. Das subjektiv-öffentliche Recht ist weiter in Abhängigkeit des Kontextes gestufter Gesetzeskonkretisierung der Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm bedürftig. (2) Stellungnahme Bei der Darstellung der Normativität Fragen der Faktizität sowie der Formulierung von Sätzen über subjektiv-öffentliche Rechte einzubeziehen, mag zunächst befremden. Denn beides sind Fragen, die auch aufs engste mit der Frage nach der Schutznorm verbunden sind684. Dennoch wurde dieser Weg gewählt, um bestimmte Phänomene deutschen Rechtsdenkens trennscharf herauszuarbeiten, auf die später rechtsvergleichend zurückzukommen sein wird. So läßt sich ein spezifisch auf einen bestimmten Rechtssatz ausgerichtetes Denken, eine Fokussierung auf „genau die in Rede stehende Norm“, die Verankerung in einer Norm nachweisen. Diese wird zwar nicht isoliert betrachtet; im Gegenteil steht zur Auslegung ein von Rechtsprechung und Lehre entwickeltes, hochdifferenziertes und immer weiter verfeinertes System an Rückbezüglich___________ 680 H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [147]; H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 [615] jeweils mit Hinweis auf K. Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl. 1963, S. 15 und M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. 1976, S. 197 ff., 203 ff. 681 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(4), S. 113 f. 682 M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 436 ff.; auch schon R. Breuer, DVBl. 1986, S. 849 ff. 683 Vgl. U. Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 118 f.; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 378. 684 Dazu sogleich, unten, Zweites Kapitel – B.III.2.b), S. 182 ff.

B. Das deutsche Verständnis

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keiten zur Normumgebung, an verfassungsrechtlichen Direktiven und an dem Systemerhalt verpflichteten Vorgaben zur Verfügung. Nach deutschem Verständnis bildet sich ein Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht aber idealiter in einer Norm ab. Franz Kasper hat bereits 1967 für subjektive Rechte überhaupt von der Notwendigkeit einer „Relation der Verpflichtungsnorm zum Normbegünstigten“ gesprochen, „die sinnvoll nur im Rahmen einer Gesamtbewertung von Rechtssatz, Rechtssatzergebnis und Gesamtposition des von diesem Ergebnis Profitierenden hergestellt zu werden vermag“685. Wilhelm Henke hat hierauf bezogen686 prognostiziert, daß die Rechtsprechung „[…] statt einem schimärischen Rechtsbegründungswillen nachzuforschen oder ihn schließlich zu fingieren, den vom Gesetz geregelten Sachzusammenhang und die Regelung selbst […] analysieren und aufgrund dessen […] entscheiden [werde], ob das jeweilige Verhalten der Verwaltung allein ihre Sache oder auch eine Angelegenheit des davon betroffenen Bürgers ist.“

Wilhelm Henke hat sich zwar nicht dogmatisch durchsetzen können687, aber teilweise in der Sache recht behalten: Die heutige Sichtweise nimmt die jeweilige Faktizität in ganz erheblichem Umfang in ihre Begründung mit auf. Der Rechtssatz – so er dies selbst vorgibt – wird vor dem Hintergrund der Position des potentiell von ihm Profitierenden ausgelegt und sodann das Rechtssatzergebnis formuliert. Der Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht als Position oder Relation kann somit bezüglich seines ersten Kriteriums beschrieben werden: í

Er ist rechtssatzabhängig. Er bildet sich idealiter in einer Norm ab. Dies gilt unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen und unabhängig von der Rechtsquellenhierarchie.

í

Er ist für Verschränkungen und Rückanbindungen objektiven Rechts empfänglich (rechtssatzoffen).

í

Es bedarf der Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm. Dieses Merkmal variiert in Abhängigkeit des Kontextes gestufter Gesetzeskonkretisierung.

___________ 685 686 687

F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 24. W. Henke, in: FS für Werner Weber, 1974, S. 495 [514]. Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(4), S. 113.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

b) Die Schutznorm Die Ausgestaltung individueller Interessen zu subjektiven Rechten ist auf die rechtliche Erfassung und Strukturierung der Wirklichkeit angewiesen. Der Rechtssatz muß, was (objektiv) rechtens ist, dem einzelnen als Recht zuordnen. Entscheidendes Kriterium dieser Zuordnung ist auch nach modernem Verständnis die Schutznorm. Hingegen hat sich das Kriterium der klaren Abgrenzbarkeit von potentiell Berechtigten aufgrund der „Rundumwirkung“688 der modernen Anlagengenehmigungen und Planfeststellungsverfahren als praktisch nicht durchführbar erwiesen689. (1) Die Verknüpfung von Sollensanordnung und Individualrechtssphäre Die Ermittlung dieser Schutznorm erfolgt nach derzeitiger Prägung der Schutznormlehre690 durch eine Trennung von privaten und öffentlichen Interes___________ 688

F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 97. Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(2), S. 87 ff., insbes. B.I.1.b)(2)(a)ii), S. 90. 690 Aus der Rechtsprechung: BVerfG, Beschl. v. 27.7.1971, 2 BvR 443/70, BVerfGE 31, 364 [369]; BVerfG, Beschl. v. 20.10.1977, 2 BvR 631/77, BVerfGE 46, 214 [229 f.]; BVerfG, Beschl. v. 22.5.1979, 1 BvL 9/75, BVerfGE 51, 193 [212]; BVerfG, Beschl. v. 25.3.1981, 2 BvR 1258/79, BVerfGE 57, 9 [26]; BVerwG, Beschl. v. 25.2.1954, I B 196.53, BVerwGE 1, 83; BVerwG, Urt. v. 28.4.1967, IV C 10.65, BVerwGE 27, 29 [31]; BVerwG, Urt. v. 6.12.1967, IV C 94.66, BVerwGE 28, 268 [270]; BVerwG, Urt. v. 13.6.1969, IV C 234.65, BVerwGE 32, 173; BVerwG, Urt. v. 20.10.1972, IV C 107.67, BVerwGE 41, 58 [63]; BVerwG, Urt. v. 23.8.1974, IV C 29.73, BVerwGE 47, 19 [22]; BVerwG, Urt. v. 25.2.1977, IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 ff.; BVerwG, Urt. v. 22.12.1980, 7 C 84.78, BVerwGE 61, 256 [262, 264 ff.]; BVerwG, Urt. v. 23.3.1982, 1 C 157.79, BVerwGE 65, 167 ff.; BVerwG, Urt. v. 18.5.1982, 7 C 42.80, BVerwGE 65, 313 [320]; BVerwG, Urt. v. 1.12.1982, 7 C 111.81, BVerwGE 66, 307 [308 f.]; BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, 4 C 96.79, BVerwGE 67, 334; BVerwG, Urt. v. 30.9.1983, 4 C 74.78, BVerwGE 68, 58; BVerwG, Urt. v. 19.12.1985, 7 C 65.82, BVerwGE 72, 300 ff.; BVerwG, Beschl. v. 6.12.1988, 1 B 157.88, NJW 1989, S. 1175 f.; BVerwG, Urt. v. 16.9.1993, 4 C 28.91, BVerwGE 94, 151 ff.; BVerwG, Urt. v. 7.5.1996, 1 C 10.95, BVerwGE 101, 157 ff.; BVerwG, Urt. v. 24.9.1998, 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215 ff.; BVerwG, Urt. v. 15.4.1999, 7 B 278.98, NVwZ 1999, S. 1232 ff.; BVerwG, Urt. v. 28.6.2000, 11 C 13.99, BVerwGE 111, 276 ff.; BVerwG, Urt. v. 3.8.2000, 3 C 30/99, BVerwGE 111, 354 ff.; BVerwG, Urt. v. 19.9.2000, 1 C 17.99, BVerwGE 112, 51 ff.; BVerwG, Urt. v. 10.7.2001, 1 C 35.00, BVerwGE 114, 356 ff.; BGH, Urt. v. 24.1.1972, III ZR 166/69, BGHZ 58, 96 [98]; BGH, Urt. v. 20.6.1974, III ZR 97/72, NJW 1974, S. 1816 f.; BGH, Urt. v. 12.12.1974, III ZR 76/70, BGHZ 63, 319 [324 f.]; BGH, Urt. v. 7.10.1976, III ZR 128/74, DVBl. 1977, S. 283; BGH, Urt. v. 8.5.1980, III ZR 27/78, NJW 1980, S. 2578 [2579]; BGH, Urt. v. 27.4.1981, III ZR 47/80, NJW 1982, S. 37; BGH, Urt. v. 27.1.1983, III ZR 131/81, BGHZ 86, 356 [362]; BGH, Urt. v. 22.5.1984, III ZR 18/83, BGHZ 91, 243 [250]; BGH, Urt. v. 15.11.1984, III ZR 70/83, BGHZ 93, 87 [92]; BGH, Urt. v. 6.2.1986, III ZR 96/84, NVwZ 1986, S. 789 [790]; BGH, 689

B. Das deutsche Verständnis

183

sen nach der klassischen Formel, wonach „der Rechtssatz zumindest auch der Befriedigung von Einzelinteressen (Individualinteressen) zu dienen bestimmt sein muß“, also nicht lediglich die Verwirklichung öffentlicher Interessen (Interessen der Allgemeinheit) bezwecken darf. Die Interessenschutzformel soll mithin die Ermittlung einer bestimmten Verknüpfung von Sollensanordnung (a) und Individualrechtssphäre in Gestalt eines „Kanons von Methoden und Regeln“ der Subjektivierung (b) erlauben. (a) Die objektivrechtliche Sollensanordnung Daß ein subjektiv-öffentliches Recht ohne objektivrechtliche Achtungspflichten eines Grundrechtsadressaten keinen Bestand haben kann, ist bereits angesprochen worden691. Was damit genau gemeint ist, wurde hingegen noch offengelassen. Dies entspricht ständiger Übung bei Anwendung der Interessenschutzformel: Meist wird nur verkürzt darauf abgestellt, es gelte private von öf___________ Urt. v. 12.6.1986, III ZR 146/85, NJW 1987, S. 585; BGH, Urt. v. 26.1.1989, III ZR 194/89, BGHZ 106, 323 [332]; BGH, Urt. v. 21.12.1989, III ZR 118/88, BGHZ 109, 380; BGH, Urt. v. 21.12.1989, III ZR 49/88, BGHZ 110, 1 [10]; BGH, Beschl. v. 9.7.1992, III ZR 87/91, NJW 1993, S. 384; BGH, Urt. v. 6.5.1993, III ZR 2/92, NJW 1993, S. 2303; BGH, Urt. v. 23.9.1993, III ZR 139/92, NJW 1994, S. 130; BGH, Beschl. v. 28.3.1996, III ZR 141/95, NJW 1996, S. 2373 ff.; BSG, Urt. v. 6.2.1992, 7 RAr 78/90, Die Beiträge 1992, S. 266 ff. Aus der Literatur: R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 122 ff.; H. Wolff / O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 43 I, S. 318 ff.; E. Gassner, DÖV 1981, S. 615 ff.; U. Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 97 ff.; H. H. Rupp, DVBl. 1982, S. 144 [147]; R. Breuer, DVBl. 1983, S. 431 [436 ff.]; K.-P. Dolde, NJW 1984, S. 1713 [1727]; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 119 ff.; K. H. Friauf, Baurecht, in: von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1985, S. 439 [526 ff.]; W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 [201 ff]; M. Kloepfer, VerwArch. Bd. 76 (1985), S. 371 [382 ff.]; W. Erbguth, Raumbedeutsames Umweltrecht, 1986, S. 313 ff.; H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 30 ff.; H. Sendler, in: FS für Gerhard Feldhaus, 1999, S. 479 ff.; R. Schmidt, JuS 1999, S. 1107 ff.; U. Steffen, BayVBl. 1999, S. 161 ff.; H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, § 8 Rdnr. 8; F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 69 ff.; K.-H. Ladeur, CR 2000, S. 433 ff.; F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 83 ff.; U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 60 ff.; Y. Schnorbus, ZHR Bd. 166 (2002), S. 72 ff.; C. Enders, in: FS für das Sächsische Oberverwaltungsgericht, 2002, S. 167 ff. Im wesentlichen zustimmend, wenn auch modifizierend: R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [198 ff]; W.-R. Schenke, NuR 1983, S. 81 ff.; O. Schlichter, NVwZ 1983, S. 641 ff.; R. Wahl, JuS 1984, S. 577 [585 ff.]; S. König, Drittschutz, 1993, S. 102 ff., 226 ff.; M. Schmidt-Preuß, in: FS für Werner Hoppe, 2000, S. 1071 ff.; S. Stüber, Jura 2001, S. 798 ff.; R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Rdnr. 42 ff. 691 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(a)i) ), S. 154 f. 

184

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

fentlichen Interessen zu sondern, und sodann wird der „Kanon von Methoden und Regeln“ entfaltet, der diese Abgrenzung ermöglichen soll692. i) Zum Beharrungsvermögen der „Imperativentheorie“ Subjektives und objektives Recht stehen nicht unverbunden nebeneinander; ersteres entspringt nicht einer natürlichen Handlungsfähigkeit, sondern ist der Rechtsordnung zu entnehmen. Darauf ist bereits eingegangen worden693. In Literatur und Rechtsprechung wird dies allerdings häufig dadurch zum Ausdruck gebracht, daß eine objektivrechtliche Pflicht unabdingbare Voraussetzung für subjektive Berechtigungen sei694. Das ist eine auf Ansprüche im Sinne des § 194 BGB zugeschnittene, ansonsten aber nur vor dem Hintergrund der Imperativentheorie verständliche Betrachtungsweise695. Danach können Normen nur Gebote oder Verbote, Imperative, sein. Rechtliches „Dürfen“ stellt sich nur als Funktion dieser Imperative dar696. Die Imperativentheorie ist keineswegs unbestritten697. Eine Rechtsordnung, in der Gestaltungsrechte, politische Mitwirkungsrechte oder positiv eingeräumte Freiheitsrechte bestehen, wird außerordentlich verkürzt beschrieben, wenn man diese auf einen Reflex des „Nichtverbotenseins“ reduziert. ___________ 692 Statt vieler: F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 69 ff.; R. Pietzner / M. Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 10. Aufl. 2000, § 14 Rdnr. 1 ff. 693 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.III.1., S. 123 ff. Darüber herrscht auch weitgehend Einigkeit, vgl. O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 15 f.; F. Somló, Juristische Grundlehre, Neudruck der 2. Aufl. 1927, 1973, S. 430 ff. [444]; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Studienausgabe, 1983, S. 240 ff.; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl. 1983, S. 24 ff. 694 K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl. 1983, S. 24 ff.; F. Somló, Juristische Grundlehre, 2. Aufl. 1927, S. 444; J. Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht, 1975, S. 20 ff.; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 6. Aufl. 1994, S. 3 ff. 695 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 1129 [130]. 696 Grundlegend: A. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe 1878, 1964, S. 2 ff., 8; J. Binder, Rechtsnorm und Rechtspflicht, 1912, S. 1 ff., 15 ff.; E. Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. 1, 1894, S. 30; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl. 1983, S. 24 ff.; J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 44 ff.; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 6. Aufl. 1994, S. 3 ff. 697 Etwa: K. Larenz, in: FS für Karl Engisch, 1969, S. 150 ff.; H. Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 1977, S. 43 f. Berühmt ist die Formulierung K. Bindings, der für den nach der Imperativentheorie nicht normierten Bereich, in dem die Vermutung der Freiheit gilt, vom „Loch im Normenkreis“ gesprochen hat (K. Bindings, Kritische Vierteljahresschrift Bd. 21 (1879), S. 542 [563]).

B. Das deutsche Verständnis

185

„Das Dürfen eines Eigentümers ist mehr als bloßes ‚Nichtverbotensein‘, weil es ein ihm und nur ihm vorbehaltenes Dürfen ist, dem eben darum ein Nichtdürfen aller anderen korrespondiert. Beide Seiten gehören zusammen; keine kann sinnvollerweise nur als ‚Reflex‘ der anderen bezeichnet werden.“698

Das Eigentum ist also nicht allein durch das Fehlen einschränkender Imperative, sondern auch durch die positive Zuweisung bestimmter Handlungsmodalitäten an den Berechtigten und nur an ihn gekennzeichnet. Eine Berechtigung kann nach der Rechtsordnung auch darin liegen, daß dem Individuum die begrenzte Fähigkeit zur autonomen Gestaltung der innerhalb eines Rechtsverhältnisses geltenden Rechtsfolgen eingeräumt wird699. Sie kann sich auch als individuelle Berechtigung an durch normative Sollensanordnung bewirkten Rechtsfolgen darstellen, die gegenüber der Stellung anderer Rechtssubjekte herausgehoben und gesichert wird700. Die objektivrechtliche Bindung muß also begrifflich mehr aufnehmen als schlichte Imperative. Dennoch wird auch heute noch der Begriff der objektivrechtlichen Pflicht fast durchweg gebraucht. ii) Beschränkung auf die positivierte Geltungsanordnung Ob mit dem Begriff der Pflicht immer auch eine Stellungnahme im Sinne der Imperativentheorie verbunden ist, darf jedoch – zumindest für den Bereich des öffentlichen Rechts – bezweifelt werden. Vor dem Hintergrund eines lückenlosen und umfassenden Grundrechtsschutzes wird die Grenze nämlich weniger bedeutungsvoll: Denn jegliche Zuordnung zur Rechtssphäre eines Begünstigten läßt sich nur in der Weise denken, daß diesem die Berechtigung zur Geltendmachung zukommt, was aber Art. 2 Abs. 1 GG als eine die Handlungsfreiheit in grundsätzlicher Weise als subjektives Recht konstituierende Grundnorm gewährleistet701. Dem Berechtigten kommt so die rechtliche Wirkkraft der zugrunde liegenden Geltungsanordnung zugute, ohne daß es darauf ankäme, diese Wirkkraft im Sinne eines eingeräumten Dürfens, oder als Reaktion auf staatliche Pflichtverletzung zu qualifizieren702. Und: Es bestehen stets Sollens___________ 698

ginal.

K. Larenz, in: FG für Johannes Sontis, 1977, S. 129 [139], Hervorhebung im Ori-

699 Vgl. dazu K. Adomeit, Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche, 1969, S. 8 ff., 17 ff. 700 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [130]. 701 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [130, 131]. 702 So aber insbes.: H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 171 f.; F.-C. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 118 ff.; H. J. Wolff, in: FS für Westfälische Verwaltungsakademie, 1950, S. 119, 121 f. Hier läßt sich immer wieder an die Formulierung des Staatsrechts zu Beginn des letzten Jahrhunderts denken, nach welcher „die Freiheit keiner Ausführungsgesetze bedarf“ oder, wie von C. Schmitt in der Weimarer Zeit formuliert, „selbst kein Institut ist“

186

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

anordnungen für den dem (Verfassungs-)Recht unterworfenen Grundrechtsadressaten. Die Frage nach der Qualität der objektivrechtlichen Bindung wird somit erheblich entschärft. Insoweit ist mit dem Begriff der Pflicht nach heutigem Verständnis nicht notwendigerweise eine Aussage im Sinne der allgemeinen Rechtslehre verbunden, sondern lediglich die Bindung an einen Sollenssatz verkürzt beschrieben. Der dahinterstehende und das öffentliche Recht beherrschende Gedanke dürfte aber weitgehend nicht mehr im Sinne der Imperativentheorie verstanden werden. Beleg dafür ist, daß das BVerfG703 meist dem Grundrecht als Abwehrrecht selbst die Aufgabe zugesprochen hat, Rechtsgüter des Grundrechtsträgers zu schützen, was bei Trennung von freiheitsrechtlichem „Dürfen“ und Reaktionsrecht auf staatliche Pflichtverletzung nicht erklärlich wäre. Die Aussagen sind freilich für eine wirkliche Bewertung zu apodiktisch704. Es bleibt für die Ermittlung des subjektiv-öffentlichen Rechts vorrangig dabei, die positivierte Geltungsanordnung zu erfassen und ihren Eigenheiten gerecht zu werden705. Obwohl es für den Bestand eines subjektiven Rechts von Bedeutung sein kann, wie die Qualität der objektivrechtlichen Bindung begriffen wird, lassen sich also keine Aussagen hinsichtlich des deutschen Verständnisses treffen; der eigentliche Charakter der Bindung wird vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Kautelen schlicht als unproblematisch empfunden706.

___________ (C. Schmitt, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954, 2. Aufl. 1973, S. 140 [167]). 703 Etwa: BVerfG, Urt. v. 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 [204] („Lüth“); BVerfG, Urt. v. 29.5.1973, 1 BvR 424/71 und 325/72, BVerfGE 35, 79 [111]; „Das in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene Freiheitsrecht schützt als Abwehrrecht die wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe und steht jedem zu, der wissenschaftlich tätig ist oder tätig werden will“; BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 [57]: „Nach anerkannter Rechtsprechung schützt dieses Grundrecht […] als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe“. 704 Auch in der neueren Grundrechtsliteratur findet sich wenig. Ausnahme ist die – freilich noch aus dem Jahr 1958 stammende – und dem Anspruchsdenken noch gänzlich verhaftete Kommentierung von G. Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Rdnr. 96. 705 Vgl. auch oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(3)(a), S. 95 Fn. 194. 706 Denn jedenfalls löst der Grundrechtseingriff „die fundamentale Sicherungsfunktion und Legitimationslast der Freiheitsrechte aus“, H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [10 f.]. Mit gleichem Ergebnis auch: J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 153, da „der Charakter der grundrechtlichen Freiheitsrechte als individuell appelable Gewährleistungen […] unstreitig ist.“

B. Das deutsche Verständnis

187

iii) Geltungsanordnung und Achtungspflichten Insoweit mit dem Begriff der Pflicht vorschnelle Festlegungen – namentlich was die Struktur subjektiver Abwehrrechte707 – verknüpft werden können, andererseits gesicherte Aussagen über das Verständnis dieser „Verpflichtung“ nicht möglich scheinen, wird in der Arbeit der Begriff der Achtungspflicht verwendet. Diese Achtungspflicht wird als Essenz der für jeden Rechtssatz konstitutiven, verbindlichen Geltungsanordnung verstanden. „Geltendes“ kann sowohl ein Sollen als auch ein Dürfen sein708. Die Achtungspflicht begründet stets eine Bindung staatlicher Gewalt. Sie kann darüber hinaus darauf gerichtet sein, ein subjektiv-öffentliches Recht zu gewähren, wenn ihre Zuordnung zur Sphäre des Begünstigten sich als Befugnis zur Durchsetzung der mit ihr intendierten Konfliktentscheidung verfestigt. (b) Die Subjektivierung „Das subjektive Recht kann nie weiter gehen als die objektivrechtliche Gebundenheit. Es geht aber umgekehrt immer so weit, wie die Gebundenheit reicht, sofern die Bindung der Verwaltung zur Befriedigung oder zum Schutz eines Individualinteresses auferlegt ist.“709 Die objektiv-rechtliche Bestimmung des öffentlichen Rechts begründet dann ein subjektiv-öffentliches Recht, wenn sie für den Betroffenen günstige Rechtswirkungen entfaltet und – nach einer nicht zuletzt an den Grundrechten der Betroffenen orientierten Auslegung – zumindest auch den Zweck hat, den Betroffenen zu begünstigen, und es ihm ermöglichen soll, sich auf diese Begünstigung zu berufen710. Erläuterungsbedürftig ist folglich der Begriff des Interesses [i)] als Grundlage der Zuordnung der normativ intendierten Konfliktentscheidung zum einzelnen [ii)], die normative Intentionalität der Konfliktentscheidung [iii)] sowie schließlich die Zuordnung selbst [iv)].

___________ 707 Siehe dazu speziell die Darstellung bei M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 558 ff.; 562 f. 708 K. Larenz, in: FG für Johannes Sontis, 1977, S. 129 [137]. 709 So die grundlegende Formulierung von O. Bachof auf der Bonner Staatsrechtslehrertagung 1953, VVDStRL Heft 12 (1954), S. 37 [75 f.]. 710 M. Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 40 Rdnr. 134; BVerwG, Urt. v: 17.6.1993, 3 C 3.89, BVerwGE 92, 313 [317]; dazu: H. Neft, NZS 1994, S. 356 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

i) Der Begriff des Interesses als Basis der Zuordnung Das Interesse ist eine Grundkategorie juristischen Denkens. Es gerät als etwas Selbstverständliches bei der Formulierung von Sätzen über Rechte leicht in den Hintergrund. Wenn sich aber das subjektiv-öffentliche Recht zum rechtlich anerkannten Interesse gewandelt hat711, so gilt es, sich dieses Begriffes anzunehmen712. ) Grundlagen Interesse als Begriff entwickelte sich aus der römisch-rechtlichen Formel des „id quod interest“, einer Differenz zwischen positivem Schaden und entgangenem Gewinn713. Seine Bedeutung gleitet von solchem Schadensersatz weiter zu Zinsen, Profit, Vorteil, bis hin zur heutigen Bedeutung der Anteilnahme – weitgehend parallel zu den historischen Wirtschaftsmodellen, in denen es als Begriff geführt wurde und wird, bis hin zur „attention economy“ des 21. Jahrhunderts714. Während es als lateinische Verbform zunächst juristisch Wertdifferenzen zwischen vereinbartem Preis, Sachwert, und Entschädigung anzeigte, so wurde es ab dem 13. Jahrhundert substantiviert und verstanden als Zeitdifferenz zwischen Entleihen und Rückgabe im Sinne des Zins. Mit fortschreitender Abstraktion des Wortes bis zum 17. Jahrhundert stand es für Nutzen oder Vorteil, und ging in dieser Bedeutung in die politische Diskussion ein, differenziert als Eigennutz oder Anteilnahme. Von Thomas Hobbes und John Locke715 bis zu der religiös gerahmten Diskussion von Selbstliebe und Eigennutz in der französischen Aufklärung gilt Interesse vorerst als Begehren oder Bedürfnis; bei JeanJacques Rousseau findet Selbstliebe ein Korrektiv im Kunstinteresse716. Mit solchen Überlegungen wird das Interesse schließlich fruchtbar für ästhetisches Urteilen; doppelte Negation des Interesses der Sinne wie auch des Interesses der Vernunft ermöglicht Immanuel Kant zufolge ein freies ästhetisches Ur___________ 711

Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(8), S. 116 f. Die folgenden Ausführungen sind teilweise bereits bei M. Reiling, DÖV 2004, S. 181 ff. wiedergegeben. 713 F. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 1960, S. 327 und H. Wild, Der Anteil des Interesses am Werden von Weltanschauungen und deren Einfluß auf das Erkennen, 1934. 714 P. Krapp, in: Hahn / Kube-Ventura / Klöpping, Theorie – Politik, 2002, S. 151 [152]. 715 T. Hobbes, Leviathan (1651), 1947, S. 39; J. Locke, Essays of the Law of Nature, 1954, S. 53. 716 J.-J. Rousseau, Du Contrat Social, 1947, S. 171, 211–226. 712

B. Das deutsche Verständnis

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teil717. Parallel zur Geschichte des Adjektivs „interessant“ wiederum entwickelt sich die Beobachtung psychischer Anteilnahme in der Ästhetik seit 1700, die Annahmen darüber macht, was den spezifischen Charakter dieser Bezogenheit oder Gerichtetheit erzeugt. Insofern ist das „Interessante“ zeitweise ein Begriff der Literaturtheorie, wie ihn Friedrich von Schlegel als Gegenbegriff zum klassisch Kunstschönen einführt. Während letzteres „das Allgemeingültige, Beharrliche und Notwendige“ harmonisch gestaltet, sieht er in der modernen Poesie „das totale Übergewicht des Charakteristischen, Individuellen und Interessanten“718. Für Theodor Adorno schließlich spricht manches dafür „daß die Dignität der Kunstwerke abhängt von der Größe des Interesses, dem sie abgezwungen sind“719. Indem sich der Begriff von der Formel des römischen Rechts zur privatrechtlichen Schadensersatzregelung und weiter zum Interesse als Nutzen oder Intention auf Nützliches aller Art gewandelt hat und über das ReligiösMoralische und Politische auch ins Ästhetische und Erkenntnistheoretische Eingang gefunden hat, indem weiter auch Psychologie und Soziologie720 mit ___________ 717

I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 694 und B 825, S. 580 und S. 671. Der Gedanke des interesselosen Schauens findet sich wieder bei A. Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, I, § 36. Allerdings: „Der gewöhnliche Mensch, diese Fabrikwaare der Natur, wie sie solche täglich zu Tausenden hervorbringt, ist […] einer in jedem Sinn völlig uninteressierten Betrachtung, welches die eigentliche Beschaulichkeit ist, wenigstens durchaus nicht anhaltend fähig […]“, A. Schopenhauer, a. a. O. 718 F. Schlegel, Prosaische Jugendschriften, Bd. 1, 1882, S. 95 und 108. F. Schlegel verherrlicht W. Shakespeare als Gegensatz zum klassisch Kunstschönen. In W. Shakespeare, The Tragedy of Hamlet, Prince of Denmark, trägt Ophelia gar den Namen des In“, deren Bedeutung sich von schulden teresses, von der griechischen Wurzel „ oder rückzahlen bis wachsen oder vergrößern spannt. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert findet man eine Zunahme der Auffassung, daß Literatur interessant sein soll (vgl. etwa um 1795 F. Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen). Von einem ursprünglichen „Trieb“ und „Interesse für Wahrheit“ sprach 1795 J. G. Fichte (J. G. Fichte, Über Belebung und Erhöhung des reinen Interesses an Wahrheit, 1993). 719 T. Adorno, Ästhetische Theorie, 1970, S. 24. 720 Zu den Bemühungen der modernen Sozialwissenschaft bei der Bestimmung „objektiver Interessen“ vgl. etwa die liberale Interessenlehre (grundlegend: A. Smith, Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Volkswohlstandes, Bd. I, 1905, S. 20 ff.) Die liberale Interessenlehre unterstellt das autonome Individuum, das seine Interessen besser versteht und sich energischer für sie einsetzt, als jeder „Delegierte“ es könnte (J. S. Mill, Principles of political economy, 1865, S. 571). Einsichten der Sozialpsychologie, denen zufolge Interessiertheit gerade nicht zu objektiv richtiger Erkenntnis befähigt und es wiederum von Übel ist, daß sich in der realen Welt die „falsch verstandenen“ Interessen durchsetzen, haben zu Überlegungen geführt, den Interessenbegriff objektiv zu bestimmen oder zu umgehen. Die Systemtheorie kommt nicht nur ohne Interessenbegriff, sondern auch ohne Bedürfnis- oder ähnliche Konzepte aus, indem sie die „Motivstruktur“ (und damit den subjektiven oder individuellen Aspekt) von der „Zweckstruktur“ abkoppelt und letztlich für irrelevant erklärt (N. Luhmam, Zweckbegriff und Sy







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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

dem Begriff in einer spezifischen, aber vieldeutigen Weise operieren721, handelt es sich heute um einen äußerst weiten Begriff. Interesse kann aber nach wie vor als mit den Begriffen von Zeit und Kapital aufgeladen verstanden werden722. Die Wortgeschichte des Interesses verläuft in zwei parallelen Bahnen: Zum einen als grundlegende, aber verborgene oder intransparente Dynamik des Geltungstriebs, und zum anderen als allgemeine, zerstreute Aufmerksamkeit. Es besteht so betrachtet eine interne Differenz innerhalb des Begriffes selbst. Hinzu kommt ein weiteres: Das Interesse ist bereits selbst eine Reflexionskategorie723; der Kern des Interesses ist die Anerkennung eines anderen Interesses und zwar nicht im Sinne einer Einigung oder Akzeptanz, sondern im Sinne einer Aufmerksamkeit für das, was dem eigenen Interes___________ stemrationalität, 1968) Die Pluralismustheorie wiederum kommt zwar nicht ohne Interessen, wohl aber ohne deren Objektivität aus. Interessen gelten ihr geradezu als anthropologische Grundkonstante (vgl. P. Massing, Interesse und Konsensus, 1979, S. 70 ff.) und sind insofern notwendigerweise subjektiv. Dem stehen Versuche gegenüber, die Interessen durch den Bezug zu sozialen Positionen oder ökonomischen Lagen zu objektivieren. Nach R. Dahrendorf (Soziale Klassen und Klassenkonflikte, 1957) gibt es in der Gesellschaft „Quasi-Gruppen“ mit dank gleicher sozio-ökonomischer Situation gemeinsamen „latenten Interessen“. Die latenten Interessen sind demnach, da situationsbezogen, also quasi schon außerhalb des Individuums bestehend, die objektiven; sie ergeben sich aus der Kombination von sozialstrukturellen Faktoren und den sozialen Rollen, die die Individuen zu spielen haben, und sind darum wissenschaftlich bestimmbar. Statt an die sozioökonomische Lage hat J. Habermas die Objektivierbarkeit von Interessen daran geknüpft, daß sie sich im öffentlichen, herrschaftsfreien Diskurs als „verallgemeinerungsfähig“ erweisen (J. Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, 1973, S. 153 ff.). Zum Abbau von Kommunikationssperren des typischerweise nicht herrschaftsfreien Diskurses setzt er auf die „advokatorische Rolle der kritischen Gesellschaftstheorie“ (J. Habermas, a. a. O., S. 161); sie soll stellvertretend (in einem „simulierten Diskurs“) die objektiven Interessen ermitteln. Für die juristische Diskussion bedeutsam ist, daß eine objektive Bestimmung von Interessen auch in der Soziologie als gescheitert angesehen werden kann, vgl. H. Abromeit, Interessenvermittlung zwischen Konkurrenz und Konkordanz, 1993, S. 19. 721 Psychologisch wird damit die individuell unterschiedliche und relativ konstante Bereitschaft beschrieben, sich mit bestimmten Gegenständen, Zielen, Tätigkeiten und Aufgaben zu beschäftigen, die subjektiv als besonders wichtig empfunden werden; Brockhaus, Bd. 10, s. v. „Interesse“. In der Soziologie bezeichnet das Interesse die für bestimmte Personen oder Gruppen, Schichten, Klassen, ganze Gesellschaften einer historisch-spezifischen Entwicklungsstufe gemeinsame, ihnen mehr oder weniger deutlich bewußte Gesamtheit der Einstellungen und Erwartungen zu den Bedingungen, Möglichkeiten und Zielsetzungen des individuellen wie sozialen Daseins, Brockhaus, a. a. O. 722 Seit F. Nietzsche eine historische Wandlung und „Zunahme des Interessanten“ konstatierte, das er sowohl als intellektuelle Eroberung wie auch als Instrument der Kontrolle verstand (F. Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, Bd. I, V. 254 (S. 211)). 723 In diesem Sinne auch H. Wolff / O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 29 I a), S. 167: „Es ist also weder eine Eigenschaft von Gegenständen noch auch schon psychisches Vermögen, den Dingen einen Wert beizulegen. Aber es ist die Realisierung dieses Vermögens.“

B. Das deutsche Verständnis

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se entgegenstrebt724. Insoweit läßt sich sagen, daß der Begriff des Interesses auf ein Objekt dieser Reflexion angewiesen ist725 und einen Kernbereich von Rationalität und Kalkulierbarkeit enthält726. 

) Die Komplexität des Interessenbegriffes

Interesse als Begriff ist komplex727. Es richtet die Aufmerksamkeit auf bestimmte Objekte, ist handlungsanleitend und hat etwas mit Nutzen und Vorteil zu tun. Interesse ist relational, indem es eine Verbindung zwischen Subjekt und Objekt herstellt. Zugleich enthält es ein Moment der Abgrenzung: Das Eigenoder Sonderinteresse definiert sich in der Gegnerschaft zum Interesse des anderen. Interesse zeichnet sich aber vor allem in zweifacher Weise durch eine „duale Struktur“728 aus: Es ist zum einen sowohl individuelle Lebensäußerung und -orientierung als auch gesellschaftlich vermittelt, d.h. durch die sozioökonomische Position des einzelnen (und die mit ihr verbundenen Rollenerwartungen) vorgeprägt; in ihm vereinen sich individuelles Wollen und gesellschaftliche Imperative. Zum anderen eignet ihm eben auf Grund dieser Zweiseitigkeit stets sowohl ein subjektiv-„willkürliches“ als auch ein objektiv-„wahres“ Moment. Das Interesse – hier findet sich die oben beschriebene temporale Konnotation des Begriffes wieder – „kann warten“ (nämlich auf den günstigsten Zeitpunkt ___________ 724 P. Krapp, in: Hahn / Kube-Ventura / Klöpping, Theorie – Politik, 2002, S. 151 [152 f.]; G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 199, 205, 295. 725 Anschaulich P. Krapp, in: Hahn / Kube-Ventura / Klöpping, Theorie – Politik, 2002, S. 151 [152 f.] dort Fn. 12 unter Verweis auf N. Luhmann, Soziale Welt Bd. 17 (1966), S. 1 ff.): „Auch Literatur wird nicht zum eigenen Verzehr gemacht – man schreibt nicht, um sich selbst zu lesen – und so ist je schon ein Interesse am Interesse des anderen vorausgesetzt.“ 726 H. Abromeit, Interessenvermittlung zwischen Konkurrenz und Konkordanz, 1993, S. 13 hat dies als „theoretischen Trick“ des Liberalismus beschrieben: um nicht von einem anzustrebenden idealen Bild des Menschen ausgehen zu müssen, werden Leidenschaften und Laster nicht nur akzeptiert, sondern sogar instrumentalisiert, um menschliches Verhalten ohne Zwang und Repression regeln zu können. „Dazu […] wurde aus dem weiten Bereich menschlicher Leidenschaften ein Kernbereich herausdestilliert, dem ein Element von Kalkulierbarkeit und Rationalität zugeschrieben werden konnte und der geeignet erscheint, den Menschen zu vorsichtigem Handeln anzuleiten und damit die übrigen Leidenschaften in Schach zu halten: eben die Interessen“. Das entsprechend eigennützige, interessegeleitete Verhalten ist gesellschaftlich erwünscht und zwar deshalb, „weil es die Individuen auf bestimmte Vorgehensweisen festlegt, die sowohl rational als auch für den Volkswohlstand nützlich sind. Das Interesse bedarf keiner Ergänzung durch die Pflicht: Individuelles Glücksstreben und gesellschaftlich nützliches Verhalten sind in ihm bereits vermittelt.“ 727 Umfassend H. Neuendorff, Der Begriff des Interesses, 1973. 728 R. Heinze, Verbändepolitik und „Neokorporatismus“, 1981, S. 37; P. Massing, Interesse und Konsensus, 1979, S. 93 spricht von „dialektischer Struktur“, meint aber das gleiche.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

der Realisierung), es kann Prioritäten setzen, über verschiedene Möglichkeiten der Befriedigung reflektieren oder Strategien entwickeln. Rationalität und Willkür sind dabei graduell unterschiedlich akzentuiert. Beim ökonomischen Interesse gilt nach wie vor, was die liberale Gesellschaftstheorie mit dem Begriff des Interesses verband, daß nämlich seine Kenntnis das Verhalten der Individuen zu einem gewissen Grade vorhersagbar und vergleichbar macht729. Die Handlungsweise des nach mehr Einkommen oder größerem Marktanteil strebenden Menschen ist einschätzbar, die des ästhetische oder religiöse Interessen verfolgenden Menschen nicht in gleicher Weise. ) Interesse im juristischen Sinne Juristisch ist der Begriff des Interesses für das subjektiv-öffentliche Recht deswegen so entscheidend, da er – so ein Interesse als von der fraglichen Norm umfaßt und einem Individuum zugeordnet angesehen werden kann – mittels des beschriebenen Definitionsrasters notwendig über den Schutz dieses Interesses zum subjektiven Recht und damit zum Gewährleistungsinhalt der Art. 19 Abs. 4 und 34 GG führt. Was aber genau die Interessen des einzelnen sind, ist juristisch noch nicht umfassend geklärt. Die letzte systematische Darstellung geht noch auf das Lehrbuch von Hans Julius Wolff und Otto Bachof zurück730; seither ist das „Interesse am Interesse deutlich zurückgegangen“731. Rudolf von Jhering kennzeichnete ein „faktisches Interesse“ als „tatsächlichen Zustand des Nutzens oder Genußes“732; für Georg Jellinek ist ein Interesse „ein Gut nach der subjektiven Wertschätzung für menschliche Zwecke“733. Es

___________ 729

Berühmt in diesem Zusammenhang ist das Zitat von A. Smith: „Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers, Brauers oder Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachtnahme auf ihr eigenes Interesse. Wir wenden uns nicht an ihre Humanität, sondern an ihre Eigenliebe, und sprechen mit ihnen nie von unseren Bedürfnissen, sondern stets von ihren Vorteilen.“ (A. Smith, Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Volkswohlstandes, Bd. I, 1905, S. 20). 730 H. Wolff / O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 29, S. 166 ff. In der Bearbeitung von R. Stober hat sich inhaltlich wenig geändert, H. Wolff / O. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 2000, § 29 Rdnr. 1 ff. 731 E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 1 [37]. 732 R. von Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 3. Aufl. 1877, 3. Teil, 1. Abt., § 60, S. 327 f. und S. 339. Zu diesem Verständnis vgl. auch F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 82 ff. 733 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 43.

B. Das deutsche Verständnis

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ist etwa in diesem Sinn, wie der Begriff von Ottmar Bühler734 über Otto Bachof 735 bis zu den neueren Lehren736 ohne viel Aufhebens verwendet worden ist. Der Grund liegt darin, daß mit dem Interesse eine Grundkategorie menschlicher Existenz in einer Rechtsgemeinschaft angesprochen ist. Nach Literatur737 und ständiger Rechtsprechung738 ist beispielsweise das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung nicht gleichbedeutend mit einem „rechtlichen Interesse“, sondern schließt darüber hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art, ein. Der Begriff wird hier nicht juristisch definiert, sondern im Sinne der oben beschriebenen Grundlagen vorausgesetzt. Sieht man von den Vorschriften des Privatrechts ab, in denen der Begriff des Interesses sich mit dem des Schadens deckt, der ersetzt werden muß, wenn ein Gut beeinträchtigt wird (etwa §§ 122 Abs. 1, 179 Abs. 2 BGB), so wird der Begriff auch dort weitgehend als ausfüllungsbedürftiger, allgemeiner Rechtsbegriff benutzt, dessen spezifische Bedeutung innerhalb der Vorschrift sich aus dieser selbst erschließt. Daß allein das BGB ihn in über 100 (!) Vorschriften739 verwendet, ohne ihn – von den genannten Ausnahmen abgesehen – je zu definieren740, belegt diesen Befund. Interessen können vernünftig oder irrational, individuell oder (partiell) kollektiv, dauerhaft oder temporär sein, es kann sich um aus dritter Sicht „wohlverstandene“ oder Affektionsinteressen handeln, welche „schutzwürdig“ sein können, aber nicht müssen. Spricht das Gesetz von Interessen, trifft es Regelungen in bezug auf diese oder formuliert Normen mit Hilfe dieses ___________ 734 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 42 ff.; als vorgegebenen Begriff auch schon verwandt bei: O. von Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege, 1880, S. 415 ff. 735 H. Wolff / O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 43 I b) 2, S. 322. 736 H. P. Schmatz, Die Grenzen des Opportunitätsprinzips im heutigen deutschen Polizeirecht, 1966, S. 187: „[…] ganz allgemein jedes Interesse, das ein einzelner an einem Zustand oder Verhalten haben kann“. H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 248; W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 59 ff.; R. Bartlsperger, VerwArch. Bd. 60 (1969), S. 35 [49]; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 64. 737 Statt aller: F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 43 Rdnr. 23. 738 Etwa: BVerwG, Urt. v. 26.1.1996, 8 C 19.94, BVerwGE 100, 262 [271]. Siehe dazu die kritische Besprechung von P. M. Huber, JZ 1996, S. 893 ff. 739 Neben dem Begriff des „Interesses“ auch: „Leistungsinteresse“ (§§ 275 Abs. 2, 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB), „Vermögensinteresse“ (§§ 343 Abs. 1, 1579, 1683 Abs. 3 BGB), „Interessenvertreter“ (§§ 558d Abs. 1, 558e BGB), „Interessenkonflikt“ (§ 1897 Abs. 2 BGB). 740 Daß das Schuldverhältnis gemäß § 241 Abs. 2 BGB „nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten“ kann, besagt eben nur, daß „Interesse“ und „Recht“ etwas anderes sein muß.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Begriffes, so sind in aller Regel objektivierbare741, aus Sicht objektiver Dritter „vernünftige“, „wohlverstandene“, „nachvollziehbare“ oder „als schützenswert anzuerkennende“ Interessen gemeint. Insoweit ist also stets ein verdeutlichendes Attribut notwendig, welches das „Interesse“ näher konturiert und es aus der individualpsychologischen Sphäre herausführt. Das Interesse selbst wird dann im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs als „geistige Anteilnahme, Aufmerksamkeit, Neigung, Vorteil und Vorliebe“742 verstanden. Damit befindet man sich wieder bei der Definition des subjektiven Rechts durch Rudolf von Jhering743, in der die Umschreibungen „der praktische Zweck“, der „Nutzen, Vortheil, Gewinn“ auftauchen, um das Interesse zu charakterisieren. Es liegt daher der Einwand nahe, daß dann, wenn keine Antwort auf die Frage möglich ist, was ein Interesse ist, der Begriff auch nicht zur Erläuterung des subjektiven Rechts verwendet werden dürfe. In diese Richtung weist auch die Kritik744, die dem Begriff des Interesses eine „schillernde Gemeinplatznatur“745 und den Gehalt eines „blassen, juristisch gehaltlosen Blankettbegriffes“746 bescheinigt. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Forderung nach der Definition eines jeden Begriffes durch einen neuen zu einem infiniten Regreß führt. Es muß daher, wenn überhaupt etwas gesagt werden soll, von Begriffen ausgegangen werden, die nicht durch weitere Begriffe definiert sind747. Insoweit ist auf den Begriff des Interesses – auch gesetzestechnisch – nicht zu verzichten, da er zunächst im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs verwendet wird. Der in dieser Hinsicht „blasse“ Begriff kann und wird durch verdeutlichende Attribute im ___________ 741 Beispiel hierfür ist etwa das „Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen“ in § 43a Abs. 4 BRAO, welches eine gewisse Objektivierbarkeit der Interessen voraussetzt, um justiziabel zu sein, siehe dazu M. Henssler, NJW 2001, S. 1521 ff. 742 Siehe die obige Darstellung (B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 188) und: Duden, Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 5, 3. Aufl. 1999, s. v. „Interesse“: In|te|re.s|se, das; -s, -n [unter Einfluß von französisch intérêt = Anteil(nahme); Nutzen, Vorteil (lateinisch interest = es bringt Nutzen) zum mittellateinischen Substantiv interesse = aus einer Ersatzpflicht resultierender Schaden (aus der Sicht des Gläubigers = Nutzen, Vorteil, Gewinn), zu lateinisch interesse = von Wichtigkeit sein]: 1. o. Pl. geistige Anteilnahme, Aufmerksamkeit; 2. a) meist Pl. Neigung, Vorliebe; b) Neigungen zum Erwerb, Kauf; 3. a) das, woran jemandem sehr gelegen ist, was für jemanden oder etwas wichtig oder nützlich ist; Nutzen, Vorteil; b) meist Pl. Bestrebung, Belange; 4. nur Pl. (veraltet) Zinsen; Zinsgewinn. 743 R. von Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 3. Aufl. 1877, 3. Teil, 1. Abt., § 60, S. 327 f. 744 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.2.a)(2), S. 104. 745 R. Dubischar, Grundbegriffe des Rechts, 1968, S. 42. 746 H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [126]. 747 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 44.

B. Das deutsche Verständnis

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Rahmen der Auslegung dann hinreichend „koloriert“. Der Begriff bleibt also als Minimalbasis rationalen Diskurses notwendig. Kann man folglich davon ausgehen, ein spezifisch juristischer Gehalt des Interessenbegriffes lasse sich nicht nachweisen, so ist es umgekehrt wohl problematisch, davon auszugehen, der Begriff „widersetze sich weiterer begrifflicher Auflösung“; das Interesse umschreibe „die gesamte Breite möglicher Inhalte menschlichen Wünschens“748. Denn ausgehend von den obigen Darlegungen läßt sich doch eines festhalten: Interesse meint historisch aus dem weiten Bereich menschlicher Leidenschaften einen Kernbereich, dem ein Element von Kalkulierbarkeit und Rationalität zugeschrieben werden kann. Umgekehrt ist ein spezifisch juristischer Interessenbegriff wohl nicht vorhanden. Interessen werden also auch juristisch so verstanden, wie dies sub )749 dargelegt worden ist. 

) Öffentliches und privates Interesse Theorien die mit Interessengebundenheit operieren, ergeben nur dann mehr als bloße Tautologien, wenn der ihnen zugrunde liegende Interessenbegriff nicht indifferent, sondern an ein konkretes Interesse geheftet ist750. Da das Interesse als eine individualpsychologische Gegebenheit in der dargelegten Bandbreite betrachtet wird, können auf dieser Grundlage rechtlich relevante Interessen abstrakt aber nicht geschieden werden751. Die Auswahl der für ein subjektiv-öffentliches Recht maßgeblichen Interessen erlaubt erst der normative Gehalt752. In diesem Sinne wird etwa für die Bestimmung des „Gutes“, an dem ein Interesse besteht, an die „Durchschnittswertschätzung, welche die Rechtsordnung selbst vornimmt“ (Georg Jellinek)753 angeknüpft. Insoweit wurde und wird versucht, konkrete Interessen im juristischen Sinne auf einer ersten Stufe durch Erfassung der verdeutlichenden Attribute „privat“ ___________ 748 M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 547; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 173 f.; R. Dubischar, Grundbegriffe des Rechts, 1968, S. 42; Hervorhebung hinzugefügt. 749 Oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 191 f. 750 W. Hirsch-Weber, Politik als Interessenkonflikt, 1969, S. 77–78. 751 M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 548; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 173 f. 752 M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 548. 753 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 43. Auch überpositive Konzeptionen verweisen auf „die dem Recht vorgegebenen Schutzgüter“ (G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, 1987, S. 149 f.), die auf Aktualisierungen in objektiven Normen angewiesen sind. 

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

und „öffentlich“ zu gewinnen754. Mit anderen Worten: Das Bemühen kreist mangels Erfaßbarkeit des Allgemeinen um die Bestimmung des Besonderen. Ein Beispiel bildet die „Definition“ des öffentlichen Interesses an der Verfolgung von Privatklagedelikten in Nr. 86 Abs. 2 RiStBV: „Ein öffentliches Interesse wird in der Regel vorliegen, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, z. B. wegen des Ausmaßes der Rechtsverletzung, wegen der Roheit oder Gefährlichkeit der Tat, der niedrigen Beweggründe des Täters oder der Stellung des Verletzten im öffentlichen Leben. Ist der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus nicht gestört worden, so kann ein öffentliches Interesse auch dann vorliegen, wenn dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, die Privatklage zu erheben, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist.“

Die Definition der Richtlinien gibt nach allgemeiner Auffassung eine zutreffende Auslegung des Begriffes des „öffentlichen Interesses“ wieder755. Bemerkenswert ist zweierlei: zum einen kreist der Definitionsversuch augenscheinlich nicht um die Erfassung des Begriffes des Interesses selbst, sondern um das kolorierende Attribut „öffentlich“756. Zum anderen wird in Satz 2 ein vor dem Hintergrund der Definition in Satz 1 als privat zu qualifizierendes Interesse unter bestimmten Voraussetzungen wieder als öffentliches qualifiziert. Exemplarisch läßt sich somit zeigen, daß eine Trennlinie zwischen öffentlichen und privaten Interessen – so zwischen beiden überhaupt ein Gegensatz besteht757 – zumindest nicht abstrakt und von vornherein feststellbar ist758.

___________ 754 Grundlegend: P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 60 ff. 755 Vgl. L. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. 2003, § 376 Rdnr. 1. 756 Dies ist auch die Vorgehensweise in der Habilitation von R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, 1999, der versucht, dem Arttribut „öffentlich“ vor dem Hintergrund der Kompetenzordnung Konturen zu verleihen. 757 Insoweit zweifelnd: H. Bauer, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 113 [127]; R. Scholz, WiR 1972, S. 35 [54]; W. Schmidt, NJW 1978, S. 1769 [1770]; K.-H. Ladeur, UPR 1984, S. 1 [4]. Dezidiert P. Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Aufl. 1983, S. 23: „Das Wesen aller Rechtsnormen besteht nämlich darin, daß sie zugleich den Schutz von öffentlichen und privaten Interessen bezwecken“. Siehe auch den schon im Titel bezeichnenden Beitrag von A. Bleckmann, Die Entwicklung der Allgemeininteressen aus den Grundrechten der Verfassung, 1991. Siehe auch oben, Zweites Kapitel – B.I.2.a)(2), S. 104. 758 Dies stellen schon G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 70 und O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 44 fest. Siehe ferner: P. Preu, Die historische Genese der öffentlichrechtlichen Bau- und Gewerbenachbarklagen, 1990, insbes. S. 67 ff.

B. Das deutsche Verständnis

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Eine Entgegensetzung privater und öffentlicher Interessen wird vor allem dann problematisch, wenn der Gesetzgeber – wie vielfach im Recht der Gefahrenabwehr – die Regelung der zwischen Privaten bestehenden Konflikte in das öffentliche Recht verlagert und sie Staatsorganen anvertraut. Die so betrauten staatlichen Instanzen sind dabei – nicht allein, aber zumindest: immer auch759 – öffentlichen Interessen verpflichtet, die mit dem privaten Interesse gleichlaufen können. Verfolgt man schließlich den Gedanken von Josef Isensee vom „Gemeinwohl als grundrechtsautonome Leistung“ ernsthaft weiter, wonach kraft der Grundrechte „wesentliche Bereiche des wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und sonstigen nationalen Lebens entstaatlicht sind, diese Felder aber nicht brach liegen sollen, sondern die Arbeit, sie zu bestellen, den Inhabern der Grundrechte zufällt“, Gemeinwohl also im wesentlichen das Werk der realisierten Grundrechtsfreiheit760 ist, verschwimmen die Grenzen vollständig761. Die Grundrechte bilden die Einladung an jeden, seinen Beitrag zum Aufbau des Gemeinwesens zu leisten, „den ‚Staat‘ (im umfassenden Verständnis als die gute Ordnung aller Bürger) hervorzubringen“762. Man kann so, Walter Leisner paraphrasierend763, von „Privatinteressen als öffentlichen Interessen“ sprechen. Die Problematik des Begriffes des öffentlichen Interesses erkennen neuere Gesetze dadurch an, daß sie dessen Formulierung denn auch kumulativ und kompetitiv unterschiedlichen Organisationseinheiten anvertrauen, indem etwa gesellschaftliche Kräfte durch Beteiligung in die Gemeinwohlverantwortung eingebunden werden (etwa nach §§ 60, 61 BNatSchG) und umfassende Abwägungsaufträge (so: § 1 Abs. 6 BauGB) auch materiell die Übergänge zwischen privaten und öffentlichen Interessen kenntlich machen764. ___________ 759

Vgl. schon W. Leisner, DÖV 1970, S. 217 ff. J. Isensee, in: Schwartländer, Modernes Freiheitsethos, 1981, S. 95. 761 W. Schmitt Glaeser, in: Lerche / Schmitt Glaeser / Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, Heidelberg 1984, S. 35 [59]: „[…] wird deutlich, wie insgesamt fragwürdig bei Verwaltungsverfahren und vor allem im Hinblick auf eine Zielbestimmung der Verfahrensbeteiligung eine hartleibig-scharfe Trennung von öffentlichen und privaten Interessen ist. Ganz abgesehen davon, daß die Belange ‚der Staatlichkeit als solcher‘ noch nie einwandfrei fixiert werden konnten, öffentliche und private Interessen sich immer schon überschnitten, zuweilen sogar deckungsgleich waren, auch Transformationen privater in öffentliche Interessen möglich sind und umgekehrt, ist wohl in keinem Bereich die Verwobenheit von privaten und öffentlichen Interessen so ausgeprägt wie beim Planungsverfahren, in Besonderheit, wenn es sich um Massenverfahren handelt. Hier zeigt sich in hervorragender Weise die allgemein zu beobachtende schwindende Distanz von Staat und Gesellschaft, und die Beteiligung von Privaten im staatlichen Verfahren ist ein Symptom dieser Entwicklung par excellence.“ 762 J. Isensee, in: Schwartländer, Modernes Freiheitsethos, 1981, S. 95. 763 W. Leisner, Privatinteressen als öffentliches Interesse, DÖV 1970, S. 217 ff. 764 E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 11 [38]. 760

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

) Aggregierte Interessen Hinzu kommt ein weiteres: Im Vorgang der Publifizierung ursprünglich horizontaler Konflikte zwischen verschiedenen einzelnen vereinfacht das öffentliche Recht die Vielfalt dieser Konflikte dadurch, daß es Interessen vieler einzelner (oder: aller) zu öffentlichen Interessen „erhebt“765. Diese öffentlichen Interessen sind ihrem Ursprung nach aggregierte Interessen des einzelnen. Sie haben ihren Ausgangspunkt bei diesen, auch wenn sich der Inhalt des öffentlichen Interesses gegenüber der bloßen Summierung von Einzelinteressen der unmittelbar Betroffenen weiter anreichert und damit in einen anderen Zustand – nämlich den eines Kollektivguts – überführt766. Das öffentliche Recht vereinfacht so die ursprüngliche Konfliktstruktur, indem die Verfolgung der öffentlichen Interessen als aggregierter Interessen einzelner der öffentlichen Verwaltung als Auftrag überantwortet wird767. Plastische Beispiele für diesen Mechanismus sind die Genehmigungen von Entgelten. So hat das BVerwG ausgeführt, bei Genehmigung von Tariferhöhungen eines Elektrizitätsversorgers handele es sich „darum, die unterschiedlichen Interessen der Kunden und die Versorgungsfunktion der Elektrizitätswerke in einen Ausgleich zu bringen, der zwangsläufig nur durch Bündelung, Koordinierung und Abwägung der typischen Interessen der Abnehmer erfolgen kann. […]. Eine Kostenzurechnung nach individuellen Gegebenheiten ist undurchführbar.“768

Das OVG Münster769 hat sich innerhalb eines Entgeltregulierungsverfahrens zu der wichtigen Frage geäußert, ob die dafür geltenden materiell- und verfah___________ 765

R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 56. 766 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 57. Vgl. auch F. von Zezschwitz, Gemeinwohl als Rechtsbegriff, 1967, S. 125: „reine Individualinteressen“ und „Individualinteressen, die sich mit einer Vielzahl gleichartiger Individualinteressen zu einem uneigentlichen Kollektivinteresse summieren“. Zum Vorgang dieser Aggregation und theoretischen Erklärungsansätzen vgl. N. Reich, Förderung und Schutz diffuser Interessen, 1987, S. 19 ff., 35 ff. 767 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 58. 768 BVerwG, Urt. v. 22.2.1994, 1 C 24.92, BVerwGE 95, 133 [137]. Siehe auch BVerwG, Urt. v. 25.11.1986, 1 A 20.82, BVerwGE 75, 147 ff. bestätigt durch BVerfG, Beschl. v. 6.7.1989, 1 BvR 290/87, NJW 1990, S. 2249 [2250]); BGH, Urt. v. 24.1.1972, III ZR 166/69, BGHZ 58, 96 ff. Vgl. auch die Ausführungen bei W.-R. Schenke, in: FS für Egon Lorenz, 1994, S. 473 [479] und oben, S. 92 Fn. 176. 769 OVG Münster, Beschl. v. 12.5.1999, 13 B 632.99, CR 2000, S. 444 f. Die besprochene Entscheidung stellt allerdings nur einen besonderen Ausschnitt dar. Vgl. allgemein zum Schutznormcharakter der §§ 24 ff. TKG H. Neumann / T. Bosch, CR 2001, S. 225 ff. und VG Köln, Urt. v. 7.9.2000, 1 K 10354/98, CR 2001, S. 238 ff.

B. Das deutsche Verständnis

199

rensrechtlichen Normen der §§ 23 ff., §§ 73 ff. TKG drittschützenden Charakter haben. Präziser ging es um die Frage, ob Rundfunkunternehmen, die zum Verfahren der RegTP über die Entgeltregulierung für die Breitbandkabeleinspeisung beigeladen worden waren, § 74 TKG, ein Recht auf Akteneinsicht zum Zwecke der Wahrnehmung ihres Rechts auf Stellungnahme nach § 75 TKG haben.

Nach Ansicht des Gerichts sind „Regelungsziele der §§ 24 ff. und 73 ff. i.V.m. § 2 TKG […] die Ordnung des Wettbewerbsmarktes und der Verbraucherschutz schlechthin als Ziele der staatlichen Gemeinschaft. Zwar kann etwa ein regulierendes Anpassen der Leistungsentgelte an die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung auch dem einzelnen Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens – hier den Programmveranstaltern – zugute kommen oder die Konkurrenten im Wettbewerb stärken. Damit ist Zweck des Regulierungsverfahrens aber nicht der Schutz des individuellen Kunden oder Konkurrenten […]. Daß Gegenstand des Regulierungsverfahrens nicht subjektiv-öffentliche Rechte der Kunden und Konkurrenten des marktbeherrschenden Unternehmens sind, wird dadurch bestätigt, daß ein Regulierungsverfahren auch ohne Beiladung von Kunden und Konkurrenten des betroffenen Unternehmens eingeleitet und durchgeführt werden kann sowie die Entscheidung der Regulierungsbehörde in Form vorab genehmigter (§ 29 Abs. 1 TKG) oder nachträglich mit rechtsgestaltender Wirkung festgesetzter Entgelte (§§ 30 Abs. 5, 29 Abs. 2 TKG) eine lediglich allgemeine Rechtswirkung entfaltet und so letztlich ein genereller Verbraucherschutz bewirkt wird. Der mithin lediglich öffentliche Belang des Verbraucherschutzes und der Ordnung des Wettbewerbsmarktes aus gesamtwirtschaftlichen Gründen wird indes von der mit besonderer Fachkunde und besonderen Rechten ausgestatteten Regulierungsbehörde […] wahrgenommen.“

Es liegt nach deutschem Verständnis also in der Logik und Abkürzungsfunktion des öffentlichen Rechts, daß die so „Begünstigten“ nicht Subjekt des relevanten Rechtsverhältnisses werden, sondern an ihrer Stelle die Verwaltung die aggregierten Interessen wahrnimmt und so den einzelnen von der eigenständigen Geltendmachung einerseits ausschließt, andererseits aber auch entlastet770. Die Rechtsprechung geht sogar noch weiter. „Wohl der Allgemeinheit“ bezeichne, so der VGH Mannheim771 „typischerweise über die Summierung von Individualinteressen hinausgehende öffentliche Interessen, deren Beachtung objektivrechtlich den nach der Zuständigkeitsordnung betrauten staatlichen Instanzen obliegt. [Eine] normative Hervorhebung und subjektivrechtliche Absicherung individueller Interessen wird damit in der Regel selbst dann nicht zum Ausdruck gebracht, wenn sich innerhalb des vom Wohl der Allgemeinheit umfaßten Kreises von Interessen auch solche privater Interessenträger ausmachen lassen.“

___________ 770 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 58. 771 VGH Mannheim, Beschl. v. 9.10.1989, 10 S 1073.89, DVBl. 1990, S. 60 ff.

200

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Es bleibt also festzuhalten, daß aggregierte Interessen nach deutschem Verständnis grundsätzlich der öffentlichen Verwaltung als Auftrag überantwortet werden, ohne daß dabei die subjektivrechtliche Absicherung individueller Interessen mitumfaßt wäre. Andererseits wird durchaus gesehen, welchen Ursprungs diese Interessen zumindest partiell sind. Paradebeispiel hierfür sind die Ausführungen des BGH der „Herstatt-Entscheidung“772: „Das Berufungsgericht hat das Bestehen von Amtspflichten des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BAK) gegenüber den Einlagegläubigern der überwachten Kreditinstitute mit der Begründung verneint, die Bankenaufsicht diene grundsätzlich nur dem Interesse der Gesamtwirtschaft an einem funktionsfähigen Kreditgewerbe; der einzelne Bankkunde sei lediglich als – auswechselbares – Glied der Allgemeinheit geschützt […]. Diese Auffassung beanstandet die Revision zu Recht. Wie der Senat […] entschieden hat, dient die nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen […] ausgeübte staatliche Aufsicht über die Kreditinstitute zugleich auch dem Schutz der Einlagegläubiger. Das gilt namentlich dort, wo die Aufsicht den Zweck verfolgt, den Kreditinstituten ‚zur Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte ein angemessenes haftendes Eigenkapital‘ zu erhalten (§ 10 Abs. 1 KWG), und das Gesetz das BAK ermächtigt, eine ‚für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Kreditinstituts gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte‘ drohende Gefahr durch einstweilige Maßnahmen abzuwenden (§ 46 KWG). […] Soweit die Beklagte eine solche Schutzrichtung der Bankenaufsicht unter Darlegung der Entwicklungsgeschichte des Kreditwesengesetzes anzweifelt, entsprechen ihre Ausführungen schon im Grundsatz nicht mehr dem heutigen Verständnis des individuellen Rechtsgüterschutzes durch die Polizei-(Ordnungsbehörden)Behörden, zu denen auch die staatliche Bankenaufsicht als Teil der Gewerbeaufsicht zu rechnen ist.“773

Auch bei aggregierten Interessen kann die Auslegung also eine subjektivrechtliche Absicherung individueller Interessen zulassen, kann die normativ intendierte Konfliktentscheidung auch dem einzelnen zugewiesen sein. Denn das Potential der ursprünglich horizontalen Konflikte kann nicht vollständig in die

___________ 772 BGH, Urt. v. 12.7.1979, III ZR 154/77, BGHZ 75, 120 ff. Die Privatbank „Herstatt“ geriet 1974 durch Devisenspekulationen in Turbulenzen: Die Abteilung Devisenhandel hatte 1973 einen Devisenumsatz von 63 Mrd. DM gemacht – etwa die Hälfte des Haushaltes der Bundesrepublik Deutschland („Herstatt: Diskretion bleibt gewahrt“, DER SPIEGEL Nr. 32 v. 5.8.1974, S. 24 [27]); das Volumen allein der Dollarspekulation kletterte 1974 auf die Höhe von 8 Mrd. Mark (J. Train, Berühmte Pleiten, 1986, S. 11). Bei diesen Volumina erbringt eine Kursschwankung von nur 1% einen Gewinn oder Verlust von 80 Mio. Mark. Und dies bei einem haftenden Eigenkapital der Herstatt-Bank von 77 Mio. DM! Nach dem endgültigen Zusammenbruch begehrte die Klägerin, eine (rechtsfähige) Interessengemeinschaft von Sparern des Bankhauses von der beklagten Bundesrepublik aus abgetretenem Recht teilweisen Ersatz des Schadens, den einige ihrer Mitglieder bei dem Zusammenbruch hatten. Das BAK sei viel zu spät eingeschritten und habe dadurch Amtspflichten gegenüber den Einlagegläubigern dieses Unternehmens verletzt. Siehe auch BGH, Urt. v. 15.2.1979, III ZR 108/76, BGHZ 74, 144. 773 BGH, Urt. v. 12.7.1979, III ZR 154/77, BGHZ 75, 120 ff. Hervorhebung hinzugefügt.

B. Das deutsche Verständnis

201

vertikale Richtung überführt werden; es verbleiben Konflikte in der spezifischen Nähebeziehung zwischen Privaten. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß dies als Ausnahme begriffen wird. Das deutsche Recht ordnet aggregierte Interessen bei Anwendung der Interessenschutzformel gedanklich den öffentlichen Interessen zu. Ob man soweit gehen muß, dies als Nachwirkungen obrigkeitlichen Denkens zu charakterisieren, das dem einzelnen Rechte verweigert und ihn auf die fürsorgliche Betreuung durch den aufgeklärten Staat verweist774, sei dahingestellt; die alleinige Orientierung an einer Qualifikation von Privatinteressen oder öffentlichen Interessen ist jedenfalls nicht zielführend. Dennoch geht die Interessenschutzformel weiterhin (verbal) davon aus.

ii) Nicht Qualifikation, sondern Zuweisung von Interessen Wird also an der Privatnützigkeit als gedanklichem Ausgangspunkt und der Interessenschutzformel festgehalten, so geschieht doch wohl faktisch etwas anderes. Gesucht wird weniger nach einem qualitativ irgendwie einzuordnenden Interesse, sondern vielmehr danach, ob ein Rechtssubjekt zur Wahrnehmung dieses normativ erfaßten Interesses berechtigt ist, ob es als „Träger“ dieses Interesses bestimmbar ist775. In der Diskussion um das subjektiv-öffentliche Recht wurde dies wiederholt auch damit zum Ausdruck gebracht, daß es nicht notwendig an ein „eigenes“ Interesse des Begünstigten anknüpfen muß776. Wie die Behörde zum Sachwalter auch individueller Interessen, so kann auch der Bürger zum Sachwalter überindividueller Interessen bestimmt werden777. Als

___________ 774

In diese Richtung K. H. Ladeur, CR 2002, 433 [441] Es zeigt sich, daß „[…] eine Stärkung individueller Interessen mit der Durchsetzung öffentlicher Interessen nicht nur kompatibel ist, sondern deren Stellung ihrerseits stärkt“. 775 Vgl. A. Scherzberg, Jura 1988, S. 455 [457]; B. Schilcher, in: FS für Franz Bydlinski, 2002, S. 353 [364 ff]. 776 So: G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Nachdruck der 2. Aufl. 1919, 1979, S. 71; O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 287 [292]; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 76 Fn. 11 und A. Scherzberg, Jura 1988, S. 455 [457]. 777 Ein Beispiel sind etwa die Klagemöglichkeiten eines Wettbewerbers nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG sowie der Verbände und Einrichtungen nach § 13 Abs. 2 Nr. 2–4 UWG. Die dort (ebenso wie in § 128 Abs. 1 MarkenG, § 33 S. 2 GWB und § 9 RiFlEtikettG) genannten Verbände stellen neben den unmittelbar Verletzten und neben den Mitbewerbern einen dritten Klägertyp dar. Die neuere Rechtsprechung geht von der Doppelnatur der Klageberechtigung nach § 13 Abs. 2 UWG aus (Vgl. BGH, Urt. v. 11.4.1991, I ZR 82/89, GRUR 1991, S. 684; BGH, Urt. v. 26.9.1996, I ZR 194/95, WRP 1997, S. 318 [321]; KG, Urt. v. 20.9.1994, 5 U 3260/93, WRP 1995, S. 194 [195 f.]) Die Vorschrift stellt einerseits Prozeßvoraussetzungen auf, andererseits begründet sie die materiellrechtliche Sachbefugnis. Der Verband hat im Falle des Verstoßes gegen bestimmte Rechtsnormen eine eigene Prozeßführungsbefugnis und einen eigenen materiellrechtlichen, seiner Natur nach deliktsrechtlichen Anspruch (BGH, Urt. v. 19.5.1988, I ZR

202

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Anknüpfungspunkt ist daher nicht die qualitative Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses, sondern die gesetzlich benannte oder vorausgesetzte Interessenträgerschaft entscheidend778. Dies wird selten so deutlich ausgesprochen779. Der Nachweis, daß trotz vordergründigen Operierens mit der Interessenschutzformel faktisch so vorgegangen wird, kann indes in zweifacher Hinsicht geführt werden.

Zum einen wird nach verbreiteter Ansicht der Frage der Rechtsmacht keine Bedeutung mehr beigemessen780. Wäre diese Auffassung dabei stehengeblieben, die Interessenschutzformel in ihrer ursprünglich gedachten Konzeption anzuwenden, so wäre an dem Kriterium festzuhalten gewesen. Wenn aber unbewußt oder zumindest implizit nicht nach der Qualität des Interesses, sondern nach der Trägerschaft der Interessenwahrnehmung gefragt wird, verhält es sich anders. Man kommt so nämlich dem zumindest recht nahe, was das Kriterium der Rechtsmacht meint781. Dann aber liegt die Schlußfolgerung nicht weit, man könne auf die Rechtsmacht als Kriterium auch verzichten.

Zum anderen wird sich die Frage der Interessenträgerschaft in Grenzfällen oft nur so beantworten lassen, ob es aus Sicht des darüber Befindenden „sinn-

___________ 52/86, GRUR 1988, S. 918). Unter die Fälle des § 13 UWG fallen die Wettbewerbsverstöße, durch die ein über das Interesse des einzelnen hinausgehendes Allgemeininteresse verletzt sein kann; allerdings ist es nicht erforderlich, daß im Einzelfall auch eine Verletzung des Allgemeininteresses gegeben ist. Es genügt vielmehr, wenn sich die geltend gemachten Ansprüche aus diesen Vorschriften ergeben, wenn auch die einzelne Streitsache für die Allgemeinheit ohne Interesse ist, vgl. kritisch im Hinblick auf die Abgrenzungsschwierigkeiten: A. Baumbach / W. Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, § 13 UWG, Rdnr. 6; F. Traub, in: FS für Karlheinz Quack, 1991, S. 118 [131 ff.]. 778 Wichtiger gedanklicher Maßstab bei der Interpretation von Aufgabenwahrnehmung durch den Bürger bildet stets die „staatliche Rückholoption“ (vgl. A. Voßkuhle, VVDStRL Heft 62 (2003), S. 266 [326]), die die These der Zuweisung aus umgekehrter Perspektive bestätigt. 779 H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 39, 40; A. Scherzberg, Jura 1988, S. 455 [457]; ähnlich auch R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [203 f.]; BVerwG, Beschl. v. 27.1.1988, 4 B 7.88, DVBl. 1988, S. 538 [539]: „Die Kläger können eine Beeinträchtigung dieser Belange aber nur geltend machen, wenn sie ihnen als „eigene“ zuzuordnen sind. Das ist [hier] nicht der Fall: Die Kläger nutzen das Grundwasser nicht selbst, sondern erhalten ihr Trinkwasser aus der öffentlichen Wasserversorgung. Diese ist für einwandfreies, gesundes Trinkwasser verantwortlich und kann im Einzugsbereich ihrer Brunnen rechtswidrige Beeinträchtigungen des Grundwassers abwehren“, Hervorhebung und Klammerzusatz hinzugefügt; für das Privatrecht: F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 137 f. 780 Siehe dazu oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 78 f. sowie sogleich dazu unten, Zweites Kapitel – B.III.2.c), S. 224 f. 781 A. Scherzberg, Jura 1988, S. 455 [457] bringt dies zum Ausdruck, indem er kritisiert, daß insoweit Fragen der Entstehensvoraussetzung und des Rechtsinhalts in „dogmatisch unbefriedigender Weise […] vermengt“ werden.

B. Das deutsche Verständnis

203

voll“782 ist, eine Interessenträgerschaft des einzelnen anzunehmen; dann aber ist es einfacher, das dergestalt gefundene Ergebnis mit mangelnden oder vorhandenen Interessen privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Natur zu belegen, als die Kriterien des eigentlichen Wertungsvorgangs offenzulegen. August Thon bemerkte 1878: „Ein lehrreiches Beispiel bietet die Bestimmung mancher Stadtordnungen, wonach Häuser auf der Sonnenseite nicht weiß gestrichen werden dürfen. Daß dies nicht aus höheren Gründen des allgemeinen Wohls verordnet wird, daß nicht das Heil der Stadt, sondern lediglich das Augenheil der gegenüber wohnenden Personen hierbei in Frage kommt, ist offensichtlich. Und doch erhalten die Letzteren hieraus kein (Privat)recht, falls sich die Stadt das Einschreiten gegen die Contravenienten vorbehalten hat.“783

Daran hat sich bis heute nichts wesentliches geändert: Die Vorschriften, welche die bauliche Gestaltung von Anlagen zum Gegenstand haben, vermitteln den Nachbarn grundsätzlich kein subjektiv(-öffentliches) Recht784. Dies nicht deswegen, weil etwa keine privaten Interessen in Rede ständen, sondern weil eine Interessenwahrnehmung dem einzelnen nicht zugewiesen ist; sie ist in diesen Fällen gerade nicht „sinnvoll“, und zwar unausgesprochen deswegen, weil die Handlungsweise des nach mehr Einkommen oder größerem Marktanteil strebenden Menschen einschätzbar ist, die des ästhetische oder religiöse Interessen verfolgenden Menschen aber nicht in gleicher Weise785. Folglich vereinfacht es die Konfliktstruktur, die Wahrnehmung letztgenannter Interessen der öffentlichen Verwaltung zu überantworten786. Umgekehrt kann eine Zuweisung zu ausschließlich behördlicher Wahrnehmung auch weniger „sachgerecht“ sein. Ein Beispiel hierfür bildet die Rechtsprechung zur Geltendmachung öffentlicher Verkehrsinteressen durch private Beförderungsunternehmer. Nach Auffassung des BVerwG sind ___________ 782

Ausdrücklich P. Marburger, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Gutachten C, 1986, S. C 35: „[…] wobei zu fragen ist, ‚ob vernünftigerweise der Schutz der in Frage stehenden Personen bezweckt sein kann‘“ mit Verweis auf K. Larenz, Schuldrecht II, 12. Aufl. 1981, § 72 II (S. 620 Fn. 1). 783 A. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, Neudruck der Ausgabe 1878, 1964, S. 114 Fn. 12. Klammer hinzugefügt. 784 Siehe etwa OVG Berlin, Urt. v. 29.6.1981, 2 B 11.81, ZMR 1982, S. 43 ff.; VGH München, Beschl. v. 12.2.1988, 2 CE 88.00071, BauR 1989, S. 187 ff.; a.A.: OVG Koblenz, Urt. v. 24.7.1997, 8 A 12820/96, NJW 1998, S. 1422 f sowie W.-R. Schenke, JZ 1996, S. 1055 [1056]. Etwas anderes gilt, wenn die Schwelle des Art. 2 Abs. 2 GG erreicht ist; dann jedoch steht ein anderer Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht in Rede. 785 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 192. 786 Damit ist man wieder in der Nähe der „Durchschnittswertschätzung, welche die Rechtsordnung selbst vornimmt“ im Sinne G. Jellineks, vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 195 Fn. 753. 



204

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„[…] die Rechte, deren Schutz der Kläger mit der Anfechtungsklage begehren kann, […] ihm durch § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG787 gewährt. Zwar stehen bei den öffentlichen Verkehrsinteressen, die nach dieser Vorschrift durch die Zulassung neuer Verkehrsunternehmen nicht beeinträchtigt werden dürfen, die Belange der Allgemeinheit an einer geordneten, das öffentliche Verkehrsbedürfnis befriedigenden Verkehrsbedienung im Vordergrund. Gleichwohl werden auch die Interessen der vorhandenen Verkehrsunternehmer an der Erhaltung der Leistungsfähigkeit ihrer Unternehmen von diesem Schutz erfaßt, weil nur dadurch eine geordnete und zuverlässige Verkehrsbedienung gewährleistet ist.“788

Auch wenn die Vorschrift ausschließlich die Erhaltung zuverlässiger Verkehrsbedienung intendiert und schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auch auf die Sicherung wirtschaftlicher Interessen bereits tätiger Unternehmer zielen kann789, wird dennoch der betroffene Unternehmer als in spezifischer Weise qualifiziert angesehen, die betreffenden Interessen wahrzunehmen790. Es wird in derartigen Fällen – möglicherweise unreflektiert791 – nicht auf die Richtung des Interessenschutzes, sondern die besondere Sachnähe792 eines Personenkreises abgestellt, die den Schluß auf eine individuelle Zuweisung der in Rede stehenden Interessen zuläßt. Hier findet sich ein ähnliches Phänomen wieder, welches bereits bei der „kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung“ umschrieben worden ist793. Es gilt, die Schutznorm unter Berücksichtigung der konkreten Interessen in einem strukturierten Vorgang erst vollständig zu erzeugen794, wobei der Normtext den ___________ 787 Die der Entscheidung zugrunde liegende Vorschrift des § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG in der Fassung vom 24.8.1965 gilt bezüglich lit. a) und b) auch in der heutigen Fassung; lediglich § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) ist durch Art. 6 Abs. 116 Nr. 4 lit. a) und b) des Gesetzes v. 27.12.1993, BGBl. I, S. 2378 mit Wirkung v. 1.1.1996 geändert worden. Die dargelegte Rechtsprechung ist denn auch erst jüngst wieder bestätigt worden: BVerwG, Urt. v. 6.4.2000, 3 C 6.99, NVwZ 2001, S. 322 ff. 788 BVerwG, Urt. v. 25.10.1968, VII C 90.66, BVerwGE 30, 347. 789 Dies dürfte seit BVerfG, Beschl. v. 8.6.1960, 1 BvL 53/55, 16, 31, 53/56, 7, 18, 24/57, BVerfGE 11, 168 [188 f.] unbestritten sein. 790 A. Scherzberg, Jura 1988, S. 455 [458]. 791 A. Scherzberg, Jura 1988, S. 455 [458]. 792 Ein – makaberes, aber plastisches – Beispiel bietet die Entscheidung des OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.9.2001, 7 U 148/99, NJW 2002, S. 445 ff. Daß die in § 11 Abs. 2 StVollzG geregelten Voraussetzungen für die Gewährung von Lockerungen im Strafvollzug drittschützenden Charakter haben sollen, ist eben dadurch plausibel, daß bei einem durch einen Freigänger begangenen Tötungsdelikt kaum jemand „sachnäher“ als das Tatopfer ist. 793 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)ii), S. 176. 794 Siehe: R. Christensen, ARSP Vol. LXXIII (1987), S. 75 [80 ff]. In gleiche Richtung zielt es, wenn F. Müller meint, der Gesetzgeber gebe nicht die Norm, sondern den Normtext vor, (F. Müller, Strukturierende Rechtslehre, 2. Aufl. 1994, S. 270). Beide gehen zwar von einem anderen Normbegriff als diese Arbeit aus. Unabhängig davon treffen die Feststellungen aber bei empirischer Betrachtung von Lehre und Rechtsprechung

B. Das deutsche Verständnis

205

Akt der Konkretisierung nicht nach allen Seiten hin binden kann, da das Konkrete im Abstrakten nie vollständig enthalten ist. Demnach ist es weniger die Frage der Qualifikation der in Rede stehenden Interessen, welche entscheidet. Es gilt vielmehr – vor dem Hintergrund von Regelungsgegenstand und Regelungsziel – das Subjekt der Interessenwahrnehmung zu lokalisieren. Maßgeblich für das deutsche Verständnis bleibt aber allemal, daß die Norm zumindest auch den Zweck hat, den Betroffenen als Wahrnehmungssubjekt zu begünstigen, daß sie ihn also nicht nur begünstigen kann, sondern begünstigen soll. iii) Normative Intentionalität der Konfliktentscheidung als Basis der Schutznorm Mit dieser Feststellung ist die Vorstellung verbunden, Normen abstrakt ermitteln zu können, denen es an dieser normativen Intentionalität der Konfliktentscheidung gebricht. ) Mangelnde Intentionalität bei Reflexen Muß der Verknüpfung von Sollensanordnung und Individualrechtssphäre die Intentionalität der Konfliktentscheidung innewohnen, so erschließt auch das moderne Verständnis diese Intentionalität von den Gegenbegrifflichkeiten795 her. Sie fehlt ganz allgemein dann, wenn allein Situationsvorteile, (Un-)Annehmlichkeiten, Chancen oder ideelle Interessen in Rede stehen, wenn also bloße Reflexe objektiver Begünstigungen vorliegen, bei denen es an der Intention fehlt, Konfliktentscheidungen zur Durchsetzung zuzuweisen. Anders gewendet: Fehlt es an gesetzlich benannter oder vorausgesetzter Interessenträgerschaft und damit an einer Entscheidung des Normgebers über die individuelle Berechtigung zur Durchsetzung einer objektivrechtlich intendierten Begünstigung, so fehlt mangels normativer Intentionalität der Konfliktentscheidung bereits der Anknüpfungspunkt für eine Schutznorm. Was als Reflex einzuordnen ist, läßt sich abstrakt nicht genau beschreiben, da stets die Auslegung einer Norm in ihrem spezifischen Zusammenhang in Rede steht.

___________ zu, weswegen kein Grund besteht, sich diese Feststellungen für die Darstellung nicht nutzbar zu machen. 795 Vgl. etwa F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 82 ff.

206 

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

) Zuweisung von Interessenwahrnehmung und reflexive Wirkung als Stufenordnung

Allgemein läßt sich indes eine gewisse Stufenordnung feststellen. Den Berechtigungen noch ferner als die Reflexwirkungen objektiven Rechts, liegen Tatsachenreflexe, so vorteilhaft oder nachteilig sie sich auch auswirken mögen. Die Aussicht von einem Wohnhaus796, ästhetisches Unbehagen797, die Freude an einer Fernsehsendung798, der „Schleichweg“ auf dem Weg zur Arbeitsstelle799, der Verdruß über die Änderung eines Straßennamens800 oder der Hausnummerierung801 gehören hierher. Zu Rechtsreflexen werden sie dann, wenn die günstige Tatsache rechtlich fixiert wird. Das ist etwa bei den wirtschaftlichen Interessen eines Hoteliers an der Anerkennung seines Standorts als Heilbad802 der Fall, beim baulichen Verunstaltungsverbot803 oder bei den Interessen eines Taxifahrers an der Lage eines bestimmten Taxenstandes804; aber auch die das deutsche Verständnis prägenden Vorsorgewerte in ihrer Unterscheidung zu Normen der Gefahrenabwehr805 sind hier einzuordnen. Geht mit der Fixierung die Inten___________ 796

BVerwG, Urt. v. 13.6.1969, IV C 80.67, DVBl. 1970, S. 60 ff.; BGH, Urt. v. 22.5.1967, III ZR 124/66, NJW 1967, S. 1754 ff.; OVG Schleswig, Beschl. v. 27.7.2001, 1 M 13.01, NuR 2002, S. 761 ff. 797 Etwa der Anwohner hinsichtlich des Abrisses eines „Baudenkmals“, OVG Berlin, Beschl. v. 29.10.1991, 2 S 23.91, UPR 1992, S. 75 f. (Lenin-Standbild). 798 VGH München, Urt. v. 18.7.1991, 25 B 88.792, BayVBl. 1991, S. 689 ff.; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 19.11.1991, 7 B 124.91, AfP 1992, S. 205 ff. („Scheibenwischer“). 799 Beispiel von F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 83. Vgl. auch VG Sigmaringen, Urt. v. 19.5.1988, 2 K 795.87, VBl.BW 1989, S. 114 f. 800 VGH München, Urt. v. 16.5.1995, 8 B 94.2062, BayVBl. 1995, S. 726 [727]: „[…] ist das Interesse der Anwohner an ‚schönen‘, ‚passenden‘ oder ‚althergebrachten‘ Straßennamen kein rechtlicher Gesichtspunkt für die Ausübung des Ermessens“. 801 VGH München, Urt. v. 5.3.2002, 8 B 01.1164, BayVBl. 2003, S. 84 f. 802 BVerwG, Beschl. v. 20.7.1992, 7 B 186.91, NVwZ 1993, S. 63 f. 803 Vgl. die Nachweise oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)ii), S. 203 Fn. 784. 804 OVG Koblenz, Urt. v. 17.9.1985, 7 A 21.85, NJW 1986, 2845 f. 805 § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG vermittelt Drittschutz, der das Vorsorgeprinzip realisierende § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG hingegen nicht. Die Anforderungen der Gefahrenabwehr werden durch Immissions-, die des Vorsorgegrundsatzes durch Emmissionsgrenzwerte konkretisiert. Siehe hierzu BVerwG, Urt. v. 18.5.1982, 7 C 42.80, BVerwGE 65, 313 [320]; BVerwG, Urt. v. 30.9.1983, 4 C 74.78, BVerwGE 68, 58 [59]; P. Marburger, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Gutachten C, 1986, S. C 57 ff.; S. König, Drittschutz, 1993, S. 83 f.; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 93 ff.; S. König, Drittschutz, 1993, S. 83 f. Im Detail herrscht ein äußerst unübersichtliches Bild. Vgl. etwa zu den Streitfragen bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen: H. Jarass, BImSchG, 4. Aufl. 1999, § 22 Rdnr. 40. Abweichend etwa P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 250: Drittschutz bei besonderen Gefahren wie etwa kanzerogenen Stoffen; H. Jarass, in: FS für Rudolf Lukes,

B. Das deutsche Verständnis

207

tionalität der Konfliktentscheidung einher, ist die Folge also normativ bezweckt, handelt es sich um eine Schutznorm. Die Aussicht von einem Wohnhaus als Tatsache kann demnach als Folge eines die Gebäudehöhe begrenzenden Plans zu einem Rechtsreflex erhoben werden; sie wird weiter zur Berechtigung, wenn diese günstige Folge bezweckt ist806. Dann – und nach deutschem Verständnis: erst dann – macht sie einen Begünstigten zum individuell Berechtigten der von der gesetzlichen Regelung umfaßten und ihm zugewiesenen Interessen. iv) Kombination formaler und teleologischer Elemente bei der Interessenzuweisung Der Schutzzweck ist und bleibt entscheidendes Kriterium bei der Ermittlung. Er stellt aber nach den bisherigen Darlegungen eine Chiffre dar, die mit der Interessenschutzformel plakativ, aber ungenau umschrieben wird [ )]. Hinter dieser Chiffre verbergen sich ausgesprochene oder unausgesprochene Wertungen in Gestalt eines Bündels formaler und teleologischer Gesichtspunkte [ ) – )]. 

) Der Schutzzweck im engeren Sinne als „resümierendes Evidenzerlebnis“ in Normalfällen Zentraler Bezugspunkt auch der modernen Auffassung der Schutznormlehre sind die Auslegungsdirektiven in Sinne Eberhard Schmidt-Aßmanns807. Maßgeblich ist insoweit eine vorrangig dem einfachen Recht verpflichtete Auslegung mit Hilfe eines zwar entwicklungsoffenen808, aber in seinem Kernbestand doch unveränderten „Kanons von Methoden und Regeln“. Geradezu lehrbuchmäßig kann dies anhand der Entscheidung des BVerwG809 zur hessischen SperrzeitVO belegt werden. Die Kläger wendeten sich gegen Sperrzeitverkürzungen für eine Diskothek der Beigeladenen. Entscheidungserheblich war die Frage, ob sich aus § 18 GastG in Verbindung

___________ 1989, S. 57 [63]: Drittschutz bei Einhaltung von vorsorgeorientierten Immissionsgrenzwerten denkbar. Zu den Anforderungen an den Verordnungsgeber: BVerfG, Beschl. v. 28.2.2002, 1 BvR 1676/01, DÖV 2002, S. 521 ff. 806 H. Wolff / O. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht I, 11. Aufl. 2000, § 43 Rdnr. 11; vgl. auch VG Neustadt / W., Urt. v. 13.2.2002, 5 L 138.02 NW, FAZ v. 20.2.2002, S. 26 („Aussicht in die Rheinebene“). 807 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 116 ff. (Bearbeitungsstand: 1985). Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(2), S. 87 ff. 808 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 128. 809 BVerwG, Urt. v. 7.5.1996, 1 C 10.95, BVerwGE 101, 157 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

mit §§ 1 Abs. 1, 4 der Hessischen Verordnung über die Sperrzeit810 ein Anspruch auf Unterlassung von Sperrzeitverkürzungen zugunsten der Beigeladenen ergibt, was wiederum davon abhängig ist, wie das Tatbestandsmerkmal des „öffentlichen Bedürfnisses“ zu verstehen ist.

Das BVerwG hat zunächst ausgeführt, daß eine Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals auch die Einbeziehung des Gesichtspunktes des Schutzes gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG erfordert und sodann festgestellt, daß einer Vorschrift „[…] drittschützender Charakter zu[kommt], wenn sie nicht nur öffentlichen Interessen, sondern auch Individualinteressen Dritter zu dienen bestimmt ist und sich aus den Tatbestandsmerkmalen der anzuwendenden Norm ein Personenkreis bestimmen läßt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. Der Wortlaut des § 18 Abs. 1 GastG legte es mit der Voraussetzung des ‚öffentlichen‘ Bedürfnisses zunächst möglicherweise nicht nahe, der Bestimmung einen auch auf Individualinteressen bezogenen Schutzzweck zu entnehmen. Es ist aber zu berücksichtigen, daß das Bundesverwaltungsgericht bereits § 14 i.V.m. § 11 Abs. 1 Buchst. b) des GastG vom 28. April 1930 drittschützende Wirkung beigemessen hatte. Daß der Gesetzgeber des GastG vom 5. Mai 1970 dieser Rechtsprechung hätte entgegentreten wollen, läßt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. […] Jedenfalls bestätigt die Änderung des GastG durch § 69 des BImSchG […] die bisherige Rechtsprechung und gebietet es, § 18 Abs. 1 GastG in noch darzulegendem Umfang drittschützende Wirkung beizumessen. [… Diese Änderung] geschah mit dem Ziel, der ‚Anwendung eines einheitlichen Maßstabes bei der Beurteilung von Immissionen‘ zu dienen (BT-Drs. 7/179, S. 49, zu § 54 des Entwurfs). Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang den bereits erwähnten Gesichtspunkt, daß Gaststätten als Anlagen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes anzusehen sind, ist der Schluß gerechtfertigt, daß die Vorschriften des Gaststättengesetzes, die den Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen bezwecken und ermöglichen, auch Individualinteressen Dritter zu dienen bestimmt sind, soweit die einschlägigen Bestimmungen des BImSchG eine solche Zielsetzung haben. § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts drittschützende Wirkung, soweit er der Verhinderung oder Beschränkung schädlicher Umwelteinwirkungen im Einwirkungsbereich der dort genannten Anlagen dient. Diese Zielrichtung ist auch bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmales des öffentlichen Bedürfnisses in § 18 Abs. 1 GastG beachtlich. § 18 Abs. 1 GastG läßt sich ein geschützter Personenkreis entnehmen, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. In dieser Hinsicht ergibt sich nämlich aus dem in das GastG übernommenen § 3 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, daß zur Unterscheidung von der Allgemeinheit der Begriff der ‚Nachbarschaft‘ dient. Soweit der einzelne als Teil der Allgemeinheit Schutzobjekt der gaststättenrechtlichen Vorschriften ist, die den Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen bezwecken oder ermöglichen, fehlt es an einem eigenen subjektiven Recht auf Einhaltung der genannten Vorschriften. An-

___________ 810 Mit Wirkung vom 1.8.2001 ist die „Verordnung über die Sperrzeit (SperrzeitVO)“ vom 19.4.1971 (GVBl. I S. 96) durch § 7 der Verordnung über die Sperrzeit (SperrzeitVO) vom 27.6.2001 (GVBl. I S. 319) aufgehoben worden. Für die revisionsrechtlich erhebliche Frage nach der Auslegung von § 18 GastG ist diese Änderung unerheblich.

B. Das deutsche Verständnis

209

ders ist es hingegen, wenn der einzelne zur ‚Nachbarschaft‘ gehört. Dabei kommt dem Umstand, daß § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG den möglicherweise engeren Begriff des ‚Nachbargrundstücks‘ verwendet, keine ausschlaggebende Bedeutung zu, soweit es um schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG geht. In bezug darauf ist vielmehr der in § 3 Abs. 1 BImSchG zum Ausdruck kommenden weiteren Schutzrichtung Rechnung zu tragen. Der Begriff der Nachbarschaft im Sinne des BImSchG soll den Kreis derjenigen Personen abgrenzen, denen über den objektiven Schutz hinaus, den das Gesetz der Allgemeinheit und damit letztlich auch jedem einzelnen als Teil dieser Allgemeinheit vermittelt, auch die subjektive Rechtsmacht eingeräumt werden soll, einen solchen Schutz ggf. verwaltungsgerichtlich durchzusetzen. ‚Nachbarschaft‘ kennzeichnet mithin ein qualifiziertes Betroffensein, das sich deutlich abhebt von den Auswirkungen, die den einzelnen als Teil der Allgemeinheit treffen können; sie setzt […] ein besonderes Verhältnis des Betroffenen zu der Anlage im Sinne einer ‚engeren räumlichen und zeitlichen Beziehung‘ voraus. […] Eine solche Beziehung kann sich aus der Lage des Immissionsortes in bezug auf die emittierende Anlage ergeben. Sie kann aber auch hervorgerufen werden durch Auswirkungen in einem weiteren Umfeld der Anlage, die in einem funktionellen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und diesem auch in räumlicher Hinsicht noch zuzurechnen sind, weil sie den Bezug zu der emittierenden Anlage noch nicht verloren haben. […] Erforderlich ist in diesem Zusammenhang eine einzelfallbezogene Bewertung der Auswirkungen des gaststättenrechtlich erfaßten Betriebs.“

Die Entscheidung folgt den klassischen Auslegungsregeln. Ausgehend vom Wortlaut und der Entstehungsgeschichte wird vorrangig mit teleologischen und systematischen Erwägungen gearbeitet und das Kriterium der Rechtsmacht in die Interessenschutzformel hineingelesen. Überdies bestätigt die Entscheidung erneut den Befund, daß nicht die Qualifikation der in Rede stehenden Interessen, sondern die Lokalisation des Wahrnehmungssubjekts entscheidend ist: Die sachliche Achtungspflicht, die Sperrzeit nur bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses zu verkürzen, ist personal der Nachbarschaft zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesen. Dies wird dann in der Interessenschutzformel dergestalt chiffriert, daß die Norm „auch Individualinteressen der Nachbarschaft zu dienen bestimmt“ sei811. Diese Chiffrierung wird indes selten so differenziert entfaltet. Meist beschränkt sich die Rechtsprechung auf eine kurze Wiedergabe der Schutzzweckformel. Zur Illustration sei auf eine jüngere Entscheidung des BFH812 verwiesen. ___________ 811

Daneben wird auch der Gedanke der kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung angesprochen (vgl. näher oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)ii), S. 176 ff.), indem auf „einzelfallbezogene Bewertung der Auswirkungen des gaststättenrechtlich erfaßten Betriebs“ Bezug genommen wird. 812 BFH, Urt. v. 15.10.1997, I R 10/92, BFHE 184, 212; ebenso: B. Knobbe-Keuk, BB 1982, S. 385 [387]; C. Trzaskalik, in: Tipke, Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, DStJG Bd. 5 (1982), S. 315 [335]; R. Braun, DStZ 1986, S. 46; a.A.: K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung,

210

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Das Finanzamt hatte den Beigeladenen, einen verschiedene Dialysezentren betreibenden Verein, wegen Verfolgung gemeinnütziger und / oder mildtätiger Zwecke von der Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer freigestellt. Der Kläger, ein niedergelassener Arzt mit Praxis zur ambulanten Behandlung chronisch nierenkranker Patienten, begehrte, den Beigeladenen zu allen dem Beigeladenen aufgrund der Annahme seiner Gemeinnützigkeit bisher nicht auferlegten Steuern heranzuziehen.

Nach Auffassung des BFH „[…] ist eine Klage unzulässig, die von einem an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligten Dritten erhoben und die nur damit begründet wird, die Steuer sei rechtswidrig nicht oder zu niedrig festgesetzt worden […]. Mit einer solchen Klage wird ausschließlich die Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen des Klägers und die Verletzung von Rechten der Finanzbehörden geltend gemacht, deren Realisierung allenfalls begünstigende Reflexwirkungen für den Kläger und andere Steuerpflichtige haben kann. Diese Verpflichtung besteht aber im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz der an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis beteiligten Personen, nicht im Interesse nicht beteiligter Dritter. Diese Dritten können daher aus der Verletzung der Verpflichtung keine eigenen Rechte herleiten.“

Die Aussage, wonach die Achtungspflicht der Finanzverwaltung im Interesse der Allgemeinheit besteht, stellt eine pauschale Feststellung dar, die eine allgemeine Zielvorstellung des Gesetzgebers und damit eine generelle Richtung für die normative Erfassung des Normalfalles formulieren mag. Denn in dem entschiedenen Fall stand nicht etwa eine zielgerichtete oder gar schikanöse Schlechterstellung des Klägers in Rede. Die Erfassung des Normalfalls mit der Interessenschutzformel ist durchaus eine wichtige Leistung, die indes eine Analyse der tragenden Wertungen nicht ersetzen kann. Sie ist jedoch für das Vorgehen der deutschen Rechtsprechung auch und gerade in Fällen typisch, in denen eine Offenlegung des Wertungsvorgangs angezeigt erscheint. Die Formulierung des BFH stellt den Normalfall, die obige Begründung de BVerwG813 eher den Ausnahmefall dar. Die Formulierung, eine Verpflichtung bestehe „im Interesse der Allgemeinheit, nicht im Interesse Dritter“ wird so genutzt, um dem Rechtsempfinden eine Art „resümierendes Evidenzerlebnis“814 zu bieten, an dem man das Gesamtergebnis des Wertungsvorganges messen kann. ___________ 1993, S. 1395 f. [1397]; K. Tipke / H. W. Kruse, AO – FGO, 16. Aufl. 1996, § 40 FGO Rdnr. 32, 67. 813 Oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)iv) ), S. 207 ff. 814 B. Schilcher, in: FS für Franz Bydlinski, 2002, S. 353 [380]. S. König, Drittschutz, 1993, S. 137 f., S. 77; G. Winter, NVwZ 1999, S. 467 [468] „Wertungswidersprüche zwischen verschiedenen Problemfeldern und in verschiedenen Gerichtssprengeln treten auf, weil sich unter der Hand andere Kriterien einschleichen. Vgl. auch H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 119, der von einen „heuristischen Signalisierungseffekt“ des Begriffes des subjektiven Rechts an sich spricht.

B. Das deutsche Verständnis 

211

) Die Bedeutung des hinter der Schutznorm stehenden Rechtsgutes

Ein erstes wichtiges Kriterium des Wertungsvorganges stellt die Frage nach dem hinter dem Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht stehenden Rechtsgut dar. Nach deutschem Verständnis kommt es immer (auch) auf die Möglichkeit an, ein Rechtsgut, welches der fragliche Rechtsakt schützt oder ausgestaltet, dem einzelnen zuzuordnen815. Auch die neuere Schutznormlehre schließt es grundsätzlich aus, nicht individualisierbare Schutzgüter zu kondensieren und so möglicherweise in gerichtliche Obhut zu nehmen816. Dies resultiert daraus, daß die Rechtsordnung individuelle Rechte vorrangig als Abwehrrechte gegen den Staat kennt, die auf Eingriffsabwehr freiheitsrechtlich fundierter Positionen zielende Grundformation als Sinnmitte der Grundrechte817 so gedanklich immer mitschwingt. Zwar erschöpfen sich die Freiheitsrechte nicht mehr in der negatorischen Komponente. Doch hat der status activus den status negativus nicht abgelöst818. „Die Teilhabe betroffener Bürger an der Kommunikation zwischen Kernkraftwerksbetreibern und Genehmigungsbehörden ist nicht die Konsequenz eines status activus socialis, der basisdemokratische Mitbestimmungsrechte des Aktivbürgers am staatlichen Genehmigungsverfahren vermittelt. Es geht um eine von individueller Rechtsbetroffenheit ausgelöste Beteiligung, die die Reaktion schon, aber auch nur des klassischen status negativus ist.“819

Insbesondere im Verfahrensrecht, im Bereich der formellen subjektiv-öffentlichen Rechte820, wird damit eine Rückbezüglichkeit zu den Grundrechten in ihrem klassischen abwehrrechtlichen Gehalt gewährleistet, aber eben auch vorausgesetzt. Erst recht gilt diese Rückbezüglichkeit bei Verfahrensnormen, die ___________ 815

C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [674]; W. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 115 [128]; H.-J. Papier, in: MüKo, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 839 Rdnr. 226 mit Verweis auf K. A. Bettermann, in: GS für Max Imboden, 1972, S. 37 [48]; BGH, Urt. v. 16.6.1977, III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 [138]. Illustrativ: OVG Schleswig, Beschl. v. 27.7.2001, 1 M 13.01, NuR 2002, S. 761 [756], wonach § 4 Abs. 3 BBodSchG auf den Schutz von Individularechtsgütern beschränkt ist, also nur unmittelbare Gesundheitsgefährdungen schützt. Der Schutz vor Grundwasserverunreinigungen durch unzulängliche Sanierung bestehe hingegen im Bereich des Bodenschutzes allein im Interesse der Allgemeinheit. 816 W. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 115 [128]. 817 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [16]. 818 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [15]. 819 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [15]. Hervorhebungen hinzugefügt. Vgl. auch H. Bethge, NJW 1982, S. 1 [7]. 820 Vgl. dazu schon oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(a)i) ), S. 549 und J. Pietzcker, JuS 1982, S. 106 [108]. 

212

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

der Gesetzgeber in Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflichten erlassen hat821. In diesen Fällen ist die Verfahrensgestaltung in besonderem Maße zur Verstärkung des unter Umständen nur beschränkten materiellen Rechtsgüterschutzes bestimmt822. Verfahrensrechtliche Anforderungen bestehen um der bestmöglichen Verwirklichung der materiellen Rechtsposition willen. Aber auch den materiellen subjektiv-öffentlichen Rechten wohnt eine spezifische Bezüglichkeit auf personale Güter inne, auch wenn sich deren Substrat – wie im obigen Beispiel von § 18 Abs. 1 GastG823 – erst im Wege differenzierter Auslegungsarbeit feststellen läßt. Je stärker sich diese personalen Güter in einer Norm abbilden, desto eher wird ein subjektiv-öffentliches Recht anzunehmen sein und desto eher läßt sich dieses mit der Interessenschutzformel resümierend erfassen824. ) Zum Kriterium der Unmittelbarkeit der Zuweisung Eng einher damit geht der Gedanke der Unmittelbarkeit: Je stärker eine Norm unmittelbar auf einen bestimmten Kreis einzelner zielt, desto eher wird eine Zuweisung an diese anzunehmen sein. Diese Feststellung ist trivial, aber gerade deswegen ein selten ausgesprochenes Element der Wertung. Hinzu kommt eine Unmittelbarkeit in einem anderen Sinne. Tangible Gegenstände sind für jedermann erkennbar. Dem entspricht es, ihre unmittelbare Zuordnung zu mit ihnen korrespondierenden subjektiv-öffentlichen Rechten als unproblematischer zu empfinden, als dies bei sonstigen Rechtsgütern der Fall ist. Die – faßbare – Grundstückssituation erlaubt, auf eine Zuweisung zur Wahrnehmung der sich aus dieser Situation ergebenden Interessen als unmittelbare Folge der Befindlichkeit zu schließen. Die Zuweisung wird als unmittelbar im Sinne einer – auch rechtlichen – Faßbarkeit empfunden. Ein derartiges Substrat ___________ 821

Grundlegend: BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30 ff.; vgl. auch P. Badura, in: FS für Walter Odersky, 1996, S. 159 [178 ff.]. Wann eine Vorschrift in Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten ergeht, ist aber weitgehend ungeklärt, vgl. H.-W. Laubinger, VerwArch. Bd. 73 (1982), S. 60 [74 ff.]. 822 H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 42. 823 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)iv) ), S. 207 f. 824 Dies wird auch von denjenigen anerkannt, welche – wie etwa J. Masing – stärkere gemeinbezogene individuelle Befugnisse (prokuratorische Befugnisse) fordern; dieser räumt ein, daß auch solche Befugnisse stets das Interesse des einzelnen am Allgemeinen, respektive die Bedeutung individuellen Engagements für das Gemeinwesen aufnehmen und insoweit „privat“ bleiben, J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 227. Der Bezug auf personale Güter, die Privatnützigkeit, bleibt auch in der modernen Lehre zwar nicht mehr allein entscheidend, jedoch Leitgedanke.

B. Das deutsche Verständnis

213

fehlt bei nicht tangiblen Rechten, wie etwa dem Wettbewerb. Daß sich die Rechtsprechung zur „Rücksichtnahme“ gerade im Baurecht entwickelt hat825, welches durch die unmittelbar faßbare grundstücksrechtliche Situation gekennzeichnet ist, und nicht etwa im Bereich des Kartell- oder Gewerberechts dürfte diesen Gedanken stützen. Tangibilität des hinter der auszulegenden Norm stehenden Rechtsgutes schafft eine Unmittelbarkeit für den Rechtsanwender, ermöglicht ihm, einen Zuweisungsgehalt leichter plausibel zu begründen. ) Zum Kriterium der Bestimmtheit der Zuweisung Als weiteres wichtiges Element läßt sich das Kriterium der Bestimmtheit der Zuweisung ausmachen. Beispielhaft hierfür sei die den Gemeinden obliegende Pflicht zur Straßenreinigung angeführt, wie sie etwa in § 17 Abs. 3 S. 1 Rh.Pf.LStrG bestimmt ist. Ein subjektiv-öffentliches Recht des einzelnen auf „saubere Gehsteige“ existiert damit nicht. Das ändert sich freilich, wenn ein Fußgänger infolge der schlechten oder unterbliebenen Säuberung oder Streuung stürzt und sich verletzt. Dann haftet die Gemeinde nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG wegen Verletzung ihrer Amtspflichten; denn bei der Reinigungs- und Streupflicht handelt es sich um eine solche, § 48 Abs. 2 Rh.Pf.LStrG826. Die Frage nach dem Unterschied zwischen beiden Konstellationen läßt sich nur so beantworten, daß ein allgemeines Recht des einzelnen auf gesäuberte und gestreute Wege zu wenig bestimmt und zu wenig eindeutig zugewiesen ist827, um die Qualität eines subjektiv-öffentlichen Rechts zu errei___________ 825

Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(3)(c), S. 97 f. Wegen der vom BGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1979, III ZR 102/78, BGHZ 75, 134 [138]) praktizierten unterschiedlichen Zuordnung der Verkehrssicherung einerseits zum allgemeinen Deliktsrecht und der Verkehrsregelung zum Amtshaftungsrecht andererseits, wurde dies lange als problematisch empfunden. Unbestritten ist, daß die Verkehrsregelungspflicht als öffentlich-rechtliche Pflicht zu qualifizieren ist und deshalb im Falle ihrer Verletzung eine Amtshaftung ausgelöst werden kann. Demgegenüber ist die Zuordnung der Verkehrssicherungspflicht sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung heftig umstritten (Siehe grundlegend: R. Bartlsperger, Verkehrssicherungspflicht und öffentliche Sache, 1970, sowie K. Kodal / H. Krämer, Straßenrecht, 5. Aufl. 1995, S. 1279 ff.; K.-O. Bergmann / H. Schumacher, Die Kommunalhaftung, 3. Aufl. 2002, S. 1 ff.). Die Problematik wird aber dadurch entschärft, daß einzelne Verkehrssicherungspflichten durch gesetzliche Regelung zu Amtspflichten ausgestaltet werden. Von dieser Möglichkeit ist in den meisten Landesstraßengesetzen Gebrauch gemacht worden, vgl. etwa § 59 B.-W. LStrG, Art. 72 BayStrWG. 827 Diesen Gedanken hat vor allem K. Larenz immer wieder hervorgehoben, wenn er betont, ein allgemeines „Dürfen“ schaffe noch kein subjektives Recht; vgl. K. Larenz / M. Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, S. 276 f. Zum bestimmten Zuweisungsgehalt im Zivilrecht siehe auch W. Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, 1934, S. 28. 826

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

chen828. Ein Recht des Bürgers auf Beseitigung jedweder Verschmutzung – also auch: eines einzelnen Blattes – ist zu allgemein, unbestimmt und offensichtlich unproportional, eine für Verletzungen kausale Verschmutzung hingegen nicht. Eine ganz bestimmte sachliche Konstellation, die durch eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit konkreter Verletzungen, welche einem Verursacher mit hinreichender Bestimmtheit zugeordnet werden können, gekennzeichnet ist, läßt ein subjektiv-öffentliches Recht entstehen. Allgemeiner formuliert fehlt die notwendige Spezifizität der Zuweisung, wenn die geltend gemachte Beeinträchtigung nach Art und Intensität bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen ist829. Die Bestimmtheit stellt eine – gesetzlich teilweise angelegte – Wertungskategorie dar, welche sich graduell an Art und Intensität der möglichen Beeinträchtigung orientiert830. ) Die „norminterne“ Wirkung der Grundrechte Schließlich ist der Einfluß der Grundrechte bei der Auslegung des einfachen Rechts zu beachten. Hier wird oft nicht hinreichend genau zwischen Sätzen über Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte, Sätzen über subjektiv-öffentliche Rechte als Position und Relation und Sätzen über ihren Schutz unterschieden831. Indes wird die Frage, wann allein auf Grundrechte oder allein auf einfa___________ 828

So für Österreich B. Schilcher, in: FS für Franz Bydlinski, 2002, S. 353 [365]. Vgl. P. Marburger, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Gutachten C, 1986, S. C 36 f. und H.-U. Erichsen, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 11 Rdnr. 40 Fn. 198 sowie die Ausführungen eines Bundesrichters: „Ausgangspunkt und Ziel aller Überlegungen bildet das die Statuierung von Verkehrssicherungspflichten letztlich beherrschende Postulat einer angemessenen Risikoverteilung zwischen Verkehrssicherungspflichtigem und Verkehrsteilnehmer. Dieses ist wertungsoffen und konkretisierungsbedürftig […]“, E. Rinne, NVwZ 2003, S. 9 [10]. 830 Ein ähnliches Phänomen findet sich bei Rahmenrechten wie etwa dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Erst ein unmittelbarer und betriebsbezogener Eingriff in diesen (Siehe nur BGH, Urt. v. 9.12.1958, VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65 [74 f.]) läßt die Konturen des subjektiven Rechts hinreichend sicher erkennen. Zur verfassungsrechtlichen Verortung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs siehe J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 47 ff. Seine Ausführungen zum eigentumsrechtlichen Vertrauensschutz (a. a. O., S. 51) gehen in die gleiche Richtung; denn erst die Verdichtung der allgemeinen Verhältnisse und Gegebenheiten zu einem Vertrauenstatbestand ermöglichen es, die Bestimmtheit eines Zuweisungsgehaltes zu lokalisieren und als Recht – hier: als Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinn – zu fixieren. 831 Ein großer Teil der beschriebenen Alternativlösungen fühlt sich in bezug auf die Einordnung grundrechtlicher Positionen der Problematik der Durchsetzbarkeit verpflichtet, Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b), S. 110 ff. 829

B. Das deutsche Verständnis

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ches Recht zurückzugreifen ist und wie sich einfaches Recht und Grundrechte zueinander verhalten, erst bei der gerichtlichen Durchsetzbarkeit virulent. Bei der isolierten Ermittlung der Schutznorm sind diese Fragen auszuklammern. Beschränkt man sich also strikt auf Sätze über die Ermittlung subjektiv-öffentlicher als Position und Relation, so dürfte eines außer Streit stehen: Regelt eine Norm einen grundrechtsrelevanten Interessenkonflikt, so sind bei der Frage nach ihrem subjektivrechtlichen Zuweisungsgehalt die grundrechtlichen Direktiven zu beachten. Als typisch für diese Vorgehensweise kann eine neuere Entscheidung des BSG832 angeführt werden: Die Klägerin, eine private Künstlervermittlungsagentur, verlangte von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit, die „Vermittlung von Künstlern in konzertmäßige Auftritte“ zu unterlassen.

Das BSG hat dem entscheidungserheblichen § 36 SGB III833 vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 GG ein subjektiv-öffentliches Recht entnommen: „Läßt sich dem anzuwendenden Recht eine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch nicht unmittelbar entnehmen, ist im Wege der Auslegung des einfachen Rechts unter Berücksichtigung des Schutzbereichs von Grundrechten zu ermitteln, ob die einschlägigen gesetzlichen Regelungen nicht nur eine objektive Ordnung aufstellen, sondern auch dazu dienen, dem Kläger ein subjektives Recht zur Wahrung seiner Interessen einzuräumen […]. Die Klägerin macht geltend, die Künstlerdienste der BA überschritten mit der Vermittlung von Künstlern in ‚konzertmäßige Auftritte‘ den gesetzlichen Auftrag der BA zur Arbeitsvermittlung. Diese sei auf abhängige Beschäftigungen beschränkt, während ‚konzertmäßige Auftritte‘ von Künstlern durch ihre Selbstständigkeit gekennzeichnet seien. […] Mit der Vermittlung solcher Erwerbsmöglichkeiten für Künstler nimmt die Klägerin ihre Berufsfreiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) wahr. Macht sie geltend, die BA überschreite mit der Vermittlung von Künstlern in ‚konzertmäßige Auftritte‘ gesetzliche Grenzen ihrer Aufgabe zur Arbeitsvermittlung, so behauptet sie nicht nur die Verletzung objektiven Rechts, sondern zeigt jedenfalls die Möglichkeit auf, in ihrer subjektiven Rechtsstellung verletzt zu sein. Wegen der Konkurrenzlage von öffentlicher Arbeitsvermittlung und gewerblicher Vermittlung selbständiger Tätigkeiten enthalten die Regelungen über die öffentliche Arbeitsvermittlung (§§ 35 ff. SGB III) im Hinblick auf die Berufsfreiheit gewerblicher Vermittler Normen, deren Verletzung geeignet ist, [ein subjektiv-öffentliches Recht] zu begründen […].“

Die Ausführungen zeigen zum einen die Vorgehensweise, zum anderen auch die damit verbundene Problematik. Der Rechtssatz ist verfassungskonform auszulegen, nicht mehr und nicht weniger834. Insoweit besteht eine „wertverdeutli___________ 832

BSG, Urteil v. 11.5.1999, B 11 AL 45/98 R, BSGE 84, 67 ff. § 36 Abs. 4 SGB III in der maßgeblichen Fassung vom 24.3.1997 lautet: „Das Arbeitsamt ist auch bei der Vermittlung von unständig Beschäftigten nicht verpflichtet zu prüfen, ob der vorgesehene Vertrag ein Arbeitsvertrag ist. Soll jedoch erkennbar ein Arbeitsverhältnis nicht begründet werden, darf es unständig Beschäftigte nur vermitteln, wenn bei ihnen der Anteil selbständiger Tätigkeiten nicht überwiegt.“ 834 Vgl. bereits oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(a)iii), S. 161 f. 833

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

chende, systematisierende Rolle“835. Daß jedoch „wegen der Konkurrenzlage von öffentlicher Arbeitsvermittlung und gewerblicher Vermittlung selbständiger Tätigkeiten“ die Vorschriften schon im dargelegten Sinne auszulegen sind, dürfte gerade nicht aus Art. 12 Abs. 1 GG herzuleiten sein836; denn jedweder wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand einen „Eingriff durch Konkurrenz“837 zuzuschreiben, dürfte zu undifferenziert sein. Die exegetischen Exzesse der Fachgerichte sind im grundgesetzlichen System von Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit in dieser Intensität nicht angelegt und – wie das Beispiel des enteignungsgleichen Eingriffs zeigt838 – nur mühevoll korrigierbar. v) Die Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses Schließlich gelten Wertungsgesichtspunkte, die nach Art der in Rede stehenden Rechtsverhältnisse differenzieren. ) „Vertikalverhältnisse“ Das vertikale Verhältnis von Bürger und Staat ist eng mit dem Namen Wilhelm Elfes839 verbunden. Die Faszination und Banalität der „Elfes-Konstruktion“ liegt zunächst in der prozessualen Umsetzung der materiellen Erkenntnis, daß nur ein kompetenzgemäßes Gesetz einen grundrechtsgemäßen Eingriff vermitteln kann und schon der Kompetenzverstoß den Grundrechtsverstoß begründet840. Weiter korrespondiert dem Freiheitsblankett des Art. 2 Abs. 1 GG

___________ 835

E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 128. G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985, S. 97; P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 127, 316 ff.; BVerwG, Urt. v. 22.2.1972, I C 24.69, BVerwGE 39, 329 ff. 837 R. Scholz, AöR 97 (1972), S. 301 [305]; R. Scholz, in: FS für Karl Sieg, 1976, S. 507 [518]. 838 Vgl. H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [42 f.]; J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 73 ff.; F. Schoch, in: FS für Karlheinz Boujong, 1996, S. 655 ff. Zum enteignungsgleichen Eingriff nach der „Naßauskiesungsentscheidung“ grundlegend: BGH, Urt. v. 26.1.1984, III ZR 216/82, BGHZ 90, 17 ff. 839 BVerfG, Urt. v. 16.1.1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 ff. („Elfes“); bestätigt in BVerfG, Beschl. v. 6.6.1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 ff. („Reiten im Walde“). Siehe schon oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(3)(c), S. 100 und B.III.2.a)(1)(b)i), S. 163 ff. 840 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [25]; noch zweifelnd H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 235 Fn. 389 a.E. 836

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zwangsläufig ein umfassendes Ordnungsblankett841, das lediglich vom Übermaßverbot moderiert wird842. Prozessual hat dies zur „Adressatentheorie“ geführt, wonach der Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes stets klagebefugt ist843. In diesem Bereich wird die Vermischung von Sätzen über subjektivöffentliche Rechte als Position und Relation und Sätzen über die Durchsetzbarkeit subjektiv-öffentlicher Rechte besonders deutlich und gipfelt in der Feststellung: „Wird […] dem Bürger (als Adressaten einer belastenden hoheitlichen Maßnahme) final eine Beschwer auferlegt, so tragen (nahezu) alle Rechtmäßigkeitsanforderungen dazu bei, die Ausübung von Staatsmacht gegenüber dem Kläger „rechtsstaatlicher Rationalität“ zu unterwerfen und sind deshalb zugleich als Schutznormen anzusehen.“844

Daran ist zweifellos richtig, daß sich der Kläger als Adressat einer Entscheidung auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen kann, dessen umfassendes Ordnungsblankett für ihn streitet845. Subjektiv-öffentliches Recht bleibt aber in diesem Zusammenhang die allgemeine Handlungsfreiheit846. Nicht jede im Rahmen der Schranken zu untersuchende Norm ist „deshalb als Schutznorm anzusehen“, weil sie in concreto mit einem (möglichen) Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG einhergeht. Festzuhalten bleibt, daß der Siegeszug der „Adressatentheorie“ im Verwaltungsprozeßrecht zu Verzeichnungen geführt hat: Die ursprünglich auf die Anfechtungsklage bezogene Konzeption hat ein Eigenleben im Hinblick auf alle vertikalen Verhältnisse entfaltet, welche den Interpreten generell eher geneigt

___________ 841 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [22] mit Verweis auf J. Isensee, VVDStRL Heft 32 (1974), S. 49 [80 Fn. 73] und B. Pieroth, AöR Bd. 115 (1990), S. 33 [42]. 842 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [23]. 843 R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 48. Einschränkende Tendenzen finden sich in der Lehre, etwa W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 [204], H.-J. Koch / R. Rubel, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1992, S. 191 ff., nicht jedoch in der Rechtsprechung. 844 R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 48; Hervorhebung hinzugefügt. 845 Je stärker das passive Recht auf Selbstbewahrung in ein aktives Recht auf Selbstbestimmung übergeht, um so konturenloser und schwerer faßbar wird freilich der Schutzumfang des Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. H. Kube, JuS 2003, S. 111 [113]. 846 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [25]. Insoweit sind die oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(1), S. 110 ff. näher ausgeführten Überlegungen der strikt an materiellen Grundrechten orientierten Gegner (M. Zuleeg; R. Bernhardt) der Schutznormtheorie konsequent.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

macht, ein subjektiv-öffentliches Recht zu bejahen847. Dies ist keine Auslegungsregel – und darf dogmatisch auch keine sein. Die Feststellung trägt schlicht dem dogmatisch-empirischen Befund Rechnung, daß eine Auseinandersetzung mit der Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte als Position und Relation weitgehend in Bereichen stattfindet, die durch die Beteiligung „Dritter“ gekennzeichnet sind848. 

) „Polygonale Verhältnisse“

In polygonalen Fällen fließen abwehrrechtliche Grundrechtsgehalte und die objektivrechtliche Dimension der Grundrechte zusammen849, ohne daß deren Verhältnis bereits abschließend geklärt wäre. Die idealtypische Lösung von Kollisionen erfolgt im Privatrecht durch den die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte effektuierenden Richter850. Wo durch Kollisionen unterschiedlicher Grundrechte851 auch das Interesse der Allgemeinheit berührt wird, kann der Gesetzgeber den erforderlichen Ausgleich auch dadurch sicherstellen, daß er die öffentliche Verwaltung als Sachwalterin in diesen Ausgleich mit einbezieht und dadurch ein mehrseitiges, polygonales Verhältnis konstituiert852. Erst innerhalb dieser Kollisionslage kommt es zur Nagelprobe853 der aufgezeigten ___________ 847

Vgl. etwa H. Kube, JuS 2003, S. 111 [112 ff], der – eine Formulierung von H.U. Erichsen, Jura 1987, S. 367 [368] aufgreifend – die weitgehende Versubjektivierung des Art. 20 Abs. 3 GG beklagt, a. a. O., S. 115. 848 Deutlich wird dies im Planungsrecht, wo die Unterscheidung zwischen „Adressat“ und „Drittem“ nicht recht gelingen will. In Bereichen, in denen ein subjektivöffentliches Recht als problematisch empfunden wird, spricht man plötzlich von „Dritten“, etwa beim Immissionsbetroffenen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.1975, IV C 21.74, BVerwGE 48, 56 [66]); warum dieser „Dritter“ sein soll, der Enteignungsbetroffene hingegen als „Adressat“ behandelt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.3.1983, 4 C 80.79, BVerwGE 67, 74 ff.), ist unter anderem vor dem Hintergund des seltsamen Eigenlebens der Begriffe erklärlich. 849 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 196 ff.; den klassischen status negativus auch in diesem Bereich betonend: H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [39; 50]. vgl. C. Calliess, NJW 2002, S. 3577 [3578]: „[…] bewirken die Grundrechte als Abwehrrechte, daß insbesondere derjenige geschützt wird, der seine Rechtsposition gegen die ihm im Interesse des Gemeinwohls oder zum Schutze der Rechtspositionen Dritter durch Legislative bzw. Exekutive auferlegten Belastungen […] verteidigt.“ 850 BVerfG, Beschl. v. 23.4.1986, 2 BvR 487/80, BVerfGE 73, 261 [269 ff.] m.w.N.; P. Badura, in: FS für Karl Molitor, 1988, S. 1 [7 f.]. 851 Vgl. allgemein H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 9 ff. 852 Zur Entlastungsfunktion für den einzelnen vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 199. 853 Auch die Ökonomen sind erst relativ spät auf das hinter diesem Ausgleich liegende normative Problem aufmerksam geworden. Stehen etwa benachbarte Grundstücke

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Zuweisungskriterien854; die Meinungsverschiedenheiten sind demgemäß hier am ausgeprägtesten und oszillieren bei der Frage der Berücksichtigung der Grundrechte zwischen der differenzierten Deduktion aus grundrechtlichen Direktiven Peter M. Hubers einerseits und der dem einfachen Recht als „normativem Konfliktschlichtungsprogramm“ verpflichteten komplexen Auslegungsarbeit Matthias Schmidt-Preuß’ andererseits855. Die Vorgehensweise der Rechtsprechung bewegt sich zwischen diesen Polen. Hervorhebenswert ist zweierlei: Zum einen scheint in den letzten Jahren das Bewußtsein dafür gewachsen zu sein, daß eine „Renaissance des einfachen Gesetzesrechts“ unverzichtbar ist856, welches Maßstäblichkeit und Rechtsgewißheit schafft857. Zweitens wird verstärkt wahrgenommen, daß sich Adressaten und „Dritte“ nicht grundsätzlich unterscheiden, insbesondere materiell kein Vorrang des „Ersten“ vor dem „Dritten“ besteht; so ist beispielsweise das (aktive) Entfaltungsinteresse des Bauenden dem (defensiven) Verschonungsinteresse des Nachbarn nicht als solches vorzugswürdig858, geht das Informationsinteresse des Konsumenten dem Vermarktungsinteresse des Produzenten nicht notwendi___________ in einem so engen Wirkungszusammenhang, daß ihre bestimmungsgemäße Nutzung praktisch nicht möglich ist, ohne zugleich die Nachbarn zu begünstigen oder zu beeinträchtigen, wäre, wollte man all das in getrennt handelbare Befugnisse auflösen, Immobilismus die Folge. Plastisch hat sich dafür mittlerweile der Terminus AnticommonsProblem eingebürgert (C. Engel, in: Brugger / Kirste / Anderheiden, Gemeinwohl in Deutschland, 2002, S. 103 [143]. H. Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, 1970, S. 21 ff., 27 f. hat die Formel von der „ökonomisch sinnvollen Raumnutzung“ geprägt.). Vgl. aus der neueren Rspr. zu Belastungen der einzelnen Grundstückseigentümern im Interesse ihrer Nachbarn etwa BVerfG, Beschl. v. 22.5.2001, 1 BvR 1512/97 und 1 BvR 1677/97, BVerfGE 104, 1 ff. Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 3.7.2001, 1 BvR 432/00, RdE 2002, S. 19 ff. 854 Dieser Befund gilt nicht nur im einfachen Recht, sondern auch im grundrechtlichen Bereich selbst. Grundrechte sind als Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte als Position und Relation ebenso durch die drei Kriterien der Normativität, des Zuweisungsgehalts und der Intentionalität gekennzeichnet. Sie werden aber – zumal im Bereich der Eingriffsabwehr – als nicht sonderlich problematisch angesehen. „Drittfälle“ treten aber auch im grundrechtsunmittelbaren Bereich auf und sind dort – man denke an den Eigentümer einerseits und die Interessen eines privaten Enteignungsbegünstigten andererseits – auch normativ angelegt (Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG). 855 P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991; M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992. 856 M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 55 ff.; D. Merten, in: FS für Herbert Schambeck, 1994, S. 349 [350 ff.]; R. Alexy, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 7 ff. 857 Vgl. BVerwG, Urt. v. 2.5.1996, 7 C 10.95, BVerwGE 101, 143 ff.; P. Kirchhof, in: FG für das BVerfG, 1976, Bd. 2, S. 50 [79 f.]. 858 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 66 Fn. 104.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

gerweise859 vor. Es besteht eine „symmetrische Ausgangsposition“860. Dies gedanklich vorausgesetzt, kann sodann entschieden werden, welcher Anteil des im normativen Konfliktschlichtungsprogramm angelegten Potentials allein im vertikalen Verhältnis verbleibt und welcher Anteil als „zivilistische Komponente“ (Stefan Kadelbach861) nicht nur der horizontalen Beziehung zugewiesen, sondern darüber hinaus auch zur individuellen Wahrnehmung zugewiesen und damit subjektiviert ist. Hier haben dann die vom Matthias Schmidt-Preuß vorgeschlagenen Kriterien der Kehrseitigkeit und Wechselbezüglichkeit862 als Generalisierung der in der Rechtsprechung verwendeten Einzelüberlegungen Bedeutung. Dennoch dominiert auch nach heutigem Verständnis die Sicht, Interessenzuweisung im Vertikalverhältnis als selbstverständlich, im polygonalen Verhältnis hingegen als besonders rechtfertigungsbedürftig zu begreifen. Wenn Friedrich Schoch beschreibt863: „Die Strukturanalyse zum Individualrechtsschutz im mehrpoligen Rechtsverhältnis muß des weiteren eine prinzipielle Ungleichgewichtigkeit zwischen ‚Umweltnutzern‘ und ‚Umweltschützern‘ zur Kenntnis nehmen. Während z. B. der Genehmigungsinhaber – selbstverständlich – Abwehrrechte gegen ihn betreffende behördliche Umweltschutzmaßnahmen ohne weiteres geltend machen kann, müssen Drittkläger die Hürde des subjektiven Rechts überwinden.“

so ist dies in dieser verkürzten Form ungenau. Nicht allein der Drittkläger sieht sich der „Hürde des subjektiv-öffentlichen Rechts“ ausgesetzt, sondern ebenfalls der Genehmigungsinhaber. Richtig ist daran, daß bei letzterem diese „Hürde“ eben problemlos zu überwinden ist, ersterem hingegen einen entsprechenden „Kraftakt“ abverlangt. Das Zitat belegt aber den Befund, daß die Rechtsordnung den Eindruck erweckt, die Rechtsstellung des „Ersten“ sei durch umfassende, diejenige des Dritten durch beschränkte und ausschnitthafte Zuweisung gekennzeichnet864. ___________ 859

BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002, 1 BvR 558/91, NJW 2002, S. 2621 ff. („Glykol“). R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 66. 861 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 426. 862 Als „kehrseitig“ bezeichnet er den Konflikt zwischen den aktiven Gestaltungsinteressen und den passiven Verschonungsinteressen, M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992, S. 31 ff.; als „wechselbezüglich“ bezeichnet wird der Konflikt zwischen konkurrierenden Zugangsinteressen bei staatlichen Auswahl- und Verteilungsentscheidungen, die auf begrenzte Kapazitäten bezogen sind, M. Schmidt-Preuß, a. a. O., S. 34 ff. 863 F. Schoch, NVwZ 1999, S. 457 [458]. Hervorhebung hinzugefügt. 864 R. Wahl hat darauf hingewiesen (R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 68 f.), daß es etwas Grundlegendes über die Entwick860

B. Das deutsche Verständnis

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(c) Zur „normexternen“ Wirkung der Grundrechte Die Frage der „normexternen“ Wirkung der Grundrechte im Verwaltungsrecht stellt den Bereich dar, in dem Fragen nach Gründen für subjektiv-öffentliche Rechte mit Fragen nach ihrer Ermittlung als Position und Relation sowie Fragen der Durchsetzbarkeit in einem inzwischen unentwirrbaren dogmatischen Knäuel miteinander verwoben werden. Geht die Rechtsprechung im Sinne der aufgezeigten Kriterien vor, kommt sie aber zum Ergebnis, ein einfachrechtliches subjektiv-öffentliches Recht lasse sich nicht nachweisen, so wird nicht etwa die Verfassungsmäßigkeit des einfachen Rechts überprüft: Entscheidungen aufgrund von Art. 100 Abs. 1 GG existieren in diesem Bereich nicht; im Ergebnis wird letztlich keine Vorschrift so interpretiert, daß sie dem Verständnis des verfassungsrechtlich Gebotenen zuwiderläuft865, sei es in bezug auf die Frage, ob die Zuweisung der in Rede stehenden Interessen ausschließlich zu einem Verwaltungsträger – also objektivrechtlich – vorgenommen werden durfte, sei es in bezug auf die Frage, ob der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Schaffung eines Bestandes subjektiv-öffentlicher Rechte des einfachen Rechts im Rahmen seines Ausgestaltungsspielraumes nachgekommen ist. Der lapidare Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG ist geeignet, jeden anderen Ansatz im Keim zu ersticken866. Einzig bei Normen wie § 4 Abs. 2 WpÜG, § 4 Abs. 4 FinDAG, § 6 Abs. 4 KWG a. F.867, in denen subjektiv-öffentliche Rechte ausdrücklich ausgeschlossen werden, wird die Frage der Verfassungsmäßigkeit ernsthaft diskutiert868. Vor einem zu schnellen Rück-

___________ lung der Gesellschaftsordnung aussagt, wie sich die Stellung des Handelnden (Investors) gegenüber den status-quo-Interessen verhält. 865 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 98. 866 Vgl. dazu P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 295. 867 Aufgehoben durch Art. 2 Nr. 8 lit. d) des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22.4.2002, BGBl. I, S. 1310. 868 Die Verfassungswidrigkeit bejahend: P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 296; W.-R. Schenke, in: FS für Egon Lorenz, 1994, S. 473 ff.; W.-R. Schenke / J. Ruthig, NJW 1994, S. 2324 ff. Siehe auch R. Pitschas / S. Gille, VerwArch Bd. 94 (2003), S. 68 ff. Der BGH ziert sich noch, soweit eine gemeinschaftsrechtliche Klärung der Frage möglich ist, vgl. BGH Beschl. v. 16.5.2002, III ZR 48/01, BKR 2002, S. 581 ff. Der Ausgang dieses Verfahrens (anhängig unter Rs. C-222/02 – Paul u .a.) bleibt mit Spannung abzuwarten. GAin C. Stix-Hackl hat in ihren Schlußanträgen v. 25.11.2003, Rs. C-222/02 – Paul u.a., n. n. a. Slg., vorgeschlagen, die Fragen des BGH dergestalt zu beantworten, daß im Ergebnis individuelle Rechte auf bankaufsichtsrechtliches Einschreiten auch aus dem Gemeinschaftsrecht nicht abzuleiten sind.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

griff auf die Grundrechte muß aber – insbesondere bei klarem textlichem Befund – gewarnt werden869. Festzuhalten bleibt, daß Sätze über subjektiv-öffentliche Rechte als Position und Relation strikt von Sätzen über deren Durchsetzbarkeit zu trennen sind. Folglich bleibt die mit der „normexternen Wirkung“ umschriebene Vorgehensweise des Rückgriffs auf Verfassungsrecht in Ermangelung einfachrechtlicher subjektiv-öffentlicher Rechte für die Frage der Ermittlung ohne Aussagekraft. Sie ist hingegen im Rahmen der Frage nach der Durchsetzbarkeit von Bedeutung870. (2) Stellungnahme und Zwischenergebnis Es bleibt festzuhalten, daß sich hinter dem Schutznormverständnis und der damit einhergehenden Anwendung der Interessenschutzformel kompliziertere Wertungsgesichtspunkte verbergen, als dies zunächst den Anschein hat. Zum einen ist die Formel insoweit verschleiernd, als immer eine Zuordnung von Interessen in Rede steht. Zum anderen wird diese Zuordnung mit Hilfe eines Bündels an Wertungsgesichtspunkten vorgenommen, deren verbaler Ausgangspunkt die Trennung von rein öffentlichen und auch privaten Interessen ist. Das klare Herausarbeiten der Wertungsgesichtspunkte wird durch Bezugnahme auf den Interessenbegriff in seiner Vielschichtigkeit vermieden, die Entscheidung über die Ermittlung in Hinterzimmer verlegt871. In den „Kanon von Methoden und Regeln“ sind aber zwischenzeitlich auch hinsichtlich der Schutznormermittlung wichtige Anliegen der dargestellten alternativen Lösungsansätze872 aufgenommen worden. ___________ 869 Es gilt hier die Feststellung von O. Weinberger: „Der Richter kann weise sein; ich sehe aber keinen prinzipiellen Grund, warum der Gesetzgeber dies nicht auch sein könnte“ (O. Weinberger, in: Weinberger / Fischer, Demokratie und Rationalität, 1992, S. 259 [270].); vgl. auch P. M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, S. 284 ff. und die Mahnung von M. Kloepfer, in: FG für Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984, S. 199 [202], der von „verfassungsinduzierten Kahlschlagsanierungen“ spricht. 870 Vgl. dazu unten, Drittes Kapitel – B., S. 423 ff. 871 Dies ist zunächst feststellend und nicht wertend zu verstehen. Denn manchmal kann es durchaus sinnvoll sein, Konflikte unterhalb der Wahrnehmungsschwelle zu halten, nämlich dann, wenn sie durch Offenlegung verschärft würden. G. Calabresi nennt dies „subterfuge“ (G. Calabresi, Ideals, beliefs, attitudes, and the law, 1985, S. 92 und passim). Das gelingt immer dann am leichtesten, wenn die Konflikte hinter Erörterungen über ganz andere normative Fragen versteckt werden. Ein Beispiel bietet das amerikanische System der Jury. Da sie aus Laien besteht, scheidet eine dogmatische Begründung des Urteils von vornherein aus, vgl. C. Engel, Offene Gemeinwohldefinitionen, S. 18. 872 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b), S. 110 ff.

B. Das deutsche Verständnis

223

Dies gilt zunächst für die objektivierenden Lehren873. Wenn Rupert Scholz den einzelnen als mittelbaren Sachwalter allgemeiner oder gruppenartig gleichartiger Interessen auftreten874 lassen will und dies auf einen Ausdruck einer auch grundrechtlichen Begünstigung des jeweiligen Individuums875 zurückführt, so hält auch er – auf Verfassungsebene – an der qualitativen Trennung von Interessen fest. Seine Sicht kommt aber dem, was die Rechtsprechung praktisch vollzieht – der Suche nach der Interessenträgerschaft unter verbaler Aufrechterhaltung der Interessenformel – doch recht nahe. Aber auch das Anliegen der Rechtsverhältnislehre876, besonders in Dreiecksverhältnissen den Blick für eine ganzheitlichere, am wechselseitigen Interessenausgleich orientierte Betrachtungsweise zu befördern, hat vermehrt Beachtung gefunden. Als weiterhin ungeklärt kann hingegen die genaue Beziehung von einfachem Recht und Verfassungsrecht gelten, eine Frage, der jedoch für die Frage der Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte keine Relevanz zukommt, sondern die vielmehr erst prozessual virulent wird. All diese Annäherungen dürfen über eines nicht hinwegtäuschen: Vorherrschend ist immer noch eine Sichtweise, welche sich verbal der qualitativen Trennung von Interessen verpflichtet sieht877 und damit argumentativ operiert, ohne sich dem eigentlichen wertenden Zuweisungsprozeß offen zu stellen. Der Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht als Position oder Relation kann somit bezüglich seines zweiten Kriteriums wie folgt beschrieben werden: í

Er ist dem Ideal des normativen Konditionalprogrammes verpflichtet.

í

Er orientiert sich am Rechtszweck .

í

Er ist unausgesprochen nicht durch die qualitative Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses, sondern durch die gesetzlich benannte oder vorausgesetzte Interessenträgerschaft bestimmt.

í

Er ist stark durch den Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich die „norminterne“ Wirkung der Grundrechte) geprägt.

___________ 873 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(2), S. 111 f. und noch einmal R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 125. 874 R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [203, 204, 205]. 875 R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [203]. 876 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(4), S. 113 f. 877 Exemplarisch ist die Formulierung von A. Epiney: „Notwendig sind also spezifisch individuelle Interessen des Klägers, die gerade nicht gegeben sind, wenn dieser in seiner Eigenschaft als Mitglied einer größeren Gruppe betroffen ist.“, A. Epiney, NVwZ 1999, S. 485 [486]. Mit Verweisen auf G. Lübbe-Wolff, in: Lübbe-Wolff, Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, 1996, S. 77 [102 ff.]; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 100 ff.; 145 [147ff.] und D. Ehlers, VerwArch Bd. 84 (1993), S. 139 ff.

224

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

í

Er bezieht die Bedeutung des hinter dem Recht stehenden Rechtsgutes mit ein. Allgemein ist darauf abzustellen, das Rechtsgut, welches der fragliche Rechtsakt schützen soll, einem Individuum zuzuordnen. Im Verfahrensrecht gilt es, eine Koppelung mit dem durch das Verfahren geschützten materiellen Recht zu suchen.

í

Er ist durch die Kriterien der Unmittelbarkeit und der Bestimmtheit der Zuweisung gekennzeichnet.

í

Er ist sensibel für die Abgrenzung von aggregierten und nicht aggregierten Interessen bei der Zuordnung. Allein der Schutz „reiner Privatinteressen“ durch eine Norm begründet ein subjektiv-öffentliches Recht; aggregierte, plurale oder Gruppeninteressen werden hingegen als objektivrechtlich strukturiert verstanden.

í

Er differenziert nach Art des Rechtsverhältnisses. c) Die Rechtsmacht

Das subjektiv-öffentliche Recht eröffnet den Rechtsschutz. Es ist Voraussetzung für die Aktivierung des Art. 19 Abs. 4 GG und als subjektiv-öffentliches Grundrecht für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Die Klagbarkeit ist eine verfassungsrechtlich verbürgte Folge des subjektiv-öffentlichen Rechts; hingegen ist sie keine Entstehensvoraussetzung878. Wie im Privatrecht ist auch im öffentlichen Recht der Rechtsschutz nicht der Inhalt des subjektiven Rechts, sondern das technische Mittel seiner Durchsetzung879. An der Rechtsmacht wird – so sie nicht für obsolet gehalten und die intendierte Durchsetzungsmöglichkeit in das Kriterium des Begünstigungszwecks hineingelesen wird – als konstitutivem „Begriffselement“880 doch implizit festgehalten881. Die Rechtsmacht wird als Berechtigung verstanden, eine „normativ intendierte Konfliktentscheidung dem verpflichteten Rechtssubjekt gegenüber gel-

___________ 878

Siehe oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 78. Auch bei Grundrechten ist die Intentionalität ihrer Durchsetzung nicht vom Bestand der Verfassungsbeschwerde oder eines anderen Rechtsbehelfs abhängig. Vielmehr knüpft die subjektiv-rechtliche Stellung des einzelnen auch hier an die diesbezügliche Intention der Grundrechtsbestimmung an, vgl. M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 553. 879 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [132]. 880 Verstanden als Gegensatz zum „Entstehenselement“, vgl. M. Sachs, oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 78 f. dort Fn. 92 und Fn. 94. 881 Vgl. K. Petersen, Drittschutz in der Baunutzungsverordnung, 1999, S. 15 ff.

B. Das deutsche Verständnis

225

tend zu machen“882. Demnach sieht man den Inhalt des subjektiv-öffentlichen Rechts in der Rechtsmacht. Dies stellt sicher, daß das – normativ fundierte – rechtlich geschützte Interesse als ein dem Rechtssubjekt durch die Rechtsordnung gewährleistetes Handeln-Dürfen verankert wird, dessen konkrete Ausübung seinem Willen anheimgestellt ist. Rechtsmacht ist also materiellrechtlich strukturiert. Das Aktionendenken ist auch im öffentlichen Recht überwunden883. Rechtsmacht bedeutet folglich nicht, daß die Durchsetzungsmöglichkeit effektuierbar ist, sondern nur, daß sie intentional der rechtlichen Position zu eigen ist884. Eben diese Intentionalität wird von der Auffassung, die auf das Rechtsmachtkriterium verzichten will, bereits in den Ermittlungskriterien der Schutznorm verortet. Die materiellrechtliche Betrachtungsweise geht mit der Vorstellung eines selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereichs einher, welche eine freiheitsgewährleistende Distanz des einzelnen zum Staat garantiert und schafft, die sich mit dem Bild eines Agenten oder Sachwalters des Gemeinwohls nicht verträgt. Der Funktionalisierung des einzelnen sind damit prinzipielle Grenzen gesetzt885. Das Kriterium stellt damit nach deutschem Verständnis begrifflich sicher, daß das einfache subjektiv-öffentliche Recht „das Personale und Individuelle und mit beiden die Eigenverantwortlichkeit in das Verwaltungsrecht einbringt“886. Die Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte werden so in den Kriterien ihrer Ermittlung entfaltet887.

___________ 882 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 46. 883 A. Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 [131]. Siehe dazu schon oben, Zweites Kapitel – A., S. 64 dort Fn. 12 sowie oben, Erstes Kapitel – C.II., S. 47 Fn. 46. Es gilt hier erneut festzuhalten, daß die ursprünglich gerade auch mit dem Merkmal der Rechtsmacht verbundene prozessuale Problembetrachtung damit nicht verabschiedet ist. Illustrativ ist, daß sog. „Drittrechte“ häufig unter dem Stichwort der „Konkurrentenklage“ oder der „Drittklage“ behandelt werden. 884 Klassisch: O. Bachof, in: GS für Walter Jellinek, 1955, S. 300 mit Fn. 51. 885 W. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 115 [128]. 886 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 117; F. Schoch, NVwZ 1999, S. 457 [465]. 887 Ähnlich, allerdings von einem dualistischen Verständnis von Grundrechten und subjektiv-öffentlichen Rechten des einfachen Rechtes ausgehend, R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 49 Fn. 88: „Die Grundrechte bewirken die Unterscheidung (nicht Trennung) von verfaßter Staatlichkeit und Gesellschaft, die subjektiv-öffentlichen Rechte markieren konkret die Unterscheidungs- und Grenzlinien.“

226

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Der Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht als Position oder Relation kann somit bezüglich seines dritten Kriteriums beschrieben werden: í

als intendierte Durchsetzungsmöglichkeit und

í

als Entfaltung der Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte bei ihrer Ermittlung. d) Zwischenbilanz

Als Zwischenbilanz läßt sich mithin festhalten, daß sich Lehre und Rechtsprechung weiterhin zum überkommenen Instrumentarium – namentlich der Interessenschutzformel – bekennen. In der weiteren Auffächerung sind aber seit dem oben beschriebenen Zwischenstand888 die Kritikpunkte889 und alternativen Lösungsvorschläge890 durch weitere Öffnung und Differenzierung des „Kanons von Methoden und Regeln“ berücksichtigt worden. Insoweit hat eine Annäherung stattgefunden. Das Bild, das sich aus alldem ergibt, kann nicht als Modelleistung systematischer Dogmatik angesehen werden. Zumindest hierüber besteht Einigkeit. Weiterhin ungeklärt ist das Verhältnis von subjektiv-öffentlichen Rechten des Verfassungsrechts und solchen des einfachen Rechts; der gleiche Befund gilt für die genaue Erfassung des Interessenbegriffes. Der vergleichsweise strengen Bühlerschen Formel hat eine großzügigere Praxis Platz gemacht, die zu einer Anerkennung eines weiten Kreises rechtlich geschützter Interessen geführt hat891. Subjektiv-öffentliche Rechte des einfachen Rechts und Grundrechte stehen in einer „undeutlichen Beziehung“ nebeneinander892. Für die Ermittlung ist aber immer noch zweierlei maßgebend: die normative Erfassung des geltend gemachten Interesses und ein eigenes faktisches Betroffensein desjenigen, der sich auf seine Interessen berufen will. Auch Elemente der Faktizität dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vermutung einer Begünstigung um so stärker ist, je deutlicher sich eine Interessenträgerschaft in der Norm selbst abbildet, und daß im ganz überwiegenden Teil der Fälle das

___________ 888

Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b), S. 85 ff., insbes. B.I.1.b)(2), S. 87 ff. Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.2., S. 102 ff. 890 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b), S. 110 ff. 891 Siehe bereits: W. Schmidt, NJW 1967, S. 1635 [1640]; H. Wolff / O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 43 I c), S. 326; D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 58; N. Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 20 Rdnr. 70. 892 W. Schmidt, Einführung in die Probleme des Verwaltungsrechts, 1982, S. 243. 889

B. Das deutsche Verständnis

227

normative Element der Interessenschutzformel – mithin: der Begriff des Interesses selbst – das maßgebliche Kriterium bleibt893.

IV. Elemente struktureller Vergleichbarkeit Die vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung erfolgte Beschreibung der heutigen Sichtweise erlaubt es nunmehr, Elemente festzuhalten, die im weiteren Verlauf der Untersuchung einem Vergleich mit den strukturellen Elementen gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte zugeführt werden können. 1. Sätze über Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte Hinsichtlich der Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte besteht weitgehende Einigkeit. Zwar werden im Detail, namentlich was die Grundrechtsdogmatik betrifft, weiter kontroverse Diskussionen geführt werden. Es lassen sich aber dennoch bestimmte Strukturmerkmale der heutigen Sichtweise festhalten, hinsichtlich derer in Rechtsprechung und Wissenschaft ein gewisser Konsens festzustellen ist. Sätze über Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte enthalten nach deutschem Verständnis folgende strukturelle Elemente: í

Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte entfalten sich aus der verfassungsrechtlichen Stellung des einzelnen.

í

Die gesamte Verfassung baut auf der Individualität in Art. 1 Abs. 1 GG auf.

í

Die Grundrechte bewirken eine Unterscheidung (nicht Trennung) von verfaßter Staatlichkeit und Gesellschaft, während die Markierung konkreter Unterscheidungs- und Grenzlinien durch subjektiv-öffentliche Rechte erfolgt.

í

Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte finden sich nicht nur in den Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte.

í

Gründe sind allgemein die kraft Verfassung notwendigen, selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereiche des einzelnen.

í

Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte bewirken in Gestalt der Grundrechte eine Vorstrukturierung einfachrechtlicher subjektiv-öffentlicher Rechte als

___________ 893 Siehe: S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 378.

228

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Ausdruck verfaßter Freiheit, als Ausdruck von Grundrechtsaktualität und Grundrechtseffektivität, als Ausdruck gleicher Freiheit und als Ausdruck verantwortlicher Freiheit (mit letzterer Sichtweise wird von der Idee strikter Privatnützigkeit eines eindimensional individualistischen Konzeptes Abstand genommen). í

Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte bewirken eine materiell-rechtliche Sichtweise subjektiv-öffentlicher Rechte.

í

Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie stellt generell eine Strukturentscheidung für den Individualrechtsschutz dar und formuliert einen legislatorischen Auftrag zur Schaffung und Konturierung einfachrechtlicher subjektiv-öffentlicher Rechte; sie konstituiert nicht, sondern supponiert subjektiv-öffentliche Rechte und sichert Parallelität von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzbarkeit. 2. Sätze über die Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte

Bei Sätzen über die Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte lassen sich trotz der Vielfalt der Meinungen ebenso zentrale Aussagen festhalten. Sätze über die Ermittlung eines subjektiv-öffentlichen Rechts als Position oder Relation enthalten nach deutschem Verständnis folgende strukturelle Elemente: í

Die Rechtssatzabhängigkeit. Der Satz über das subjektiv-öffentliche Recht bildet sich idealiter in einer Norm ab. Dies gilt unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen und unabhängig von der Rechtsquellenhierarchie.

í

Die Rechtssatzoffenheit, welche für Verschränkungen und Rückanbindungen objektiven Rechts empfänglich ist.

í

Das Erfordernis der Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm. Dieses Element variiert in Abhängigkeit des Kontextes gestufter Gesetzeskonkretisierung.

í

Das Ideal des normativen Konditionalprogrammes.

í

Die Ermittlung des Individualrechts nach dem Rechtszweck.

í

Die kaschierte Orientierung an gesetzlich benannter oder vorausgesetzter Interessenträgerschaft, nicht an der qualitativen Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses.

í

Der starke Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich die „norminterne“ Wirkung der Grundrechte).

í

Die Anlehnung an die Bedeutung des hinter dem Recht stehenden Rechtsgutes. Allgemein ist darauf abzustellen, das Rechtsgut, welches der fragliche Rechtsakt schützen soll, einem Individuum zuzuordnen. Im Verfahrensrecht

B. Das deutsche Verständnis

229

gilt es, eine Koppelung mit dem durch das Verfahren geschützten materiellen Recht zu suchen. í

Die Orientierung an den Kriterien der Unmittelbarkeit und der Bestimmtheit der Zuweisung.

í

Die Sensibilität für die Abgrenzung von aggregierten und nicht aggregierten Interessen bei der Zuordnung. Allein der Schutz „reiner Privatinteressen“ durch eine Norm begründet ein subjektiv-öffentliches Recht; aggregierte, plurale oder Gruppeninteressen werden hingegen als objektivrechtlich strukturiert verstanden.

í

Die Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses.

í

Die Intentionalität der Durchsetzung.

í

Die Gründe individueller Rechte werden bei ihrer Ermittlung im Kriterium der Rechtsmacht entfaltet. 3. Zusammenfassung

Die einzelnen Strukturelemente sind abstufbar und abwägungsfähig894, d.h. die Rechtsfolge ist von den jeweils bestimmenden Umständen abhängig, die Elemente sind in komparativen Relationen einsetzbar. Die so verstandenen Elemente struktureller Vergleichbarkeit lassen sich – getrennt nach den Gründen und der Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte – wie in den Übersichten auf den nachfolgenden Seiten darstellen:

Übersicht 1 Deutsches Verständnis

Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte

Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte entfalten sich aus der verfassungsrechtlichen Stellung des einzelnen Aufbau der Verfassung auf der Individualität, Art. 1 Abs. 1 GG Unterscheidung (nicht Trennung) von verfaßter Staatlichkeit und Gesellschaft durch die Grundrechte (Fortsetzung nächste Seite)

___________ 894 Dies gilt nach h.M. allgemein für Prinzipien, vgl. R. Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 26 ff.; P. Koller, Theorie des Rechts, 2. Aufl. 1997, S. 91 ff.; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 75 f.; H.-J. Koch / H. Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 97 ff. Für die dargestellten Elemente und Wertungsgesichtspunkte gilt dies ebenso.

230

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

(Fortsetzung Übersicht 1) Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte

Markierung konkreter Unterscheidungs- und Grenzlinien durch subjektiv-öffentliche Rechte Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte – finden sich in den Grundrechten – finden sich nicht (nur) in den Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte – sind allgemein die kraft Verfassung notwendigen, selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereiche Die grundrechtliche Vorstrukturierung subjektiv-öffentlicher Rechte ist – Ausdruck verfaßter Freiheit – Ausdruck von Grundrechtsaktualität und Grundrechtseffektivität – Ausdruck gleicher Freiheit – Ausdruck verantwortlicher Freiheit (damit Entfernung von der Idee strikter Privatnützigkeit eines eindimensional individualistischen Konzeptes) Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte bewirken eine materiell-rechtliche Sichtweise subjektiv-öffentlicher Rechte Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie – stellt generell eine Strukturentscheidung für den Individualrechtsschutz dar – formuliert einen legislatorischen Auftrag zur Schaffung und Konturierung einfachrechtlicher subjektiv-öffentlicher Rechte – konstituiert nicht, sondern supponiert subjektiv-öffentliche Rechte – sichert die Parallelität von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzbarkeit

Übersicht 2 Deutsches Verständnis Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte

Dualismus von Grundrechtslehren und Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht Orientierung an den Kriterien des Rechtssatzes, der Schutznorm und der Rechtsmacht Rechtssatzabhängigkeit – unabhängig von der normhierarchischen Stellung der Rechtsquelle – unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen – idealiter Abbildung des Satzes über das subjektiv-öffentliche Recht in einer Norm behutsame Aufnahme der Faktizität – abhängig vom Kontext gestufter Gesetzeskonkretisierung – Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm Ideal des normativen Konditionalprogrammes Individualrecht nach Rechtszweck Kaschierte Orientierung an gesetzlich benannter oder vorausgesetzter Interessenträgerschaft, nicht an der qualitativen Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses Starker Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich die „norminterne“ Wirkung der Grundrechte)

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

231

Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte Bedeutung des hinter dem Recht stehenden Rechtsgutes – es kommt darauf an, das Rechtsgut, welches der fragliche Rechtsakt schützen soll, einem Individuum zuzuordnen – im Verfahrensrecht: Koppelung an das durch das Verfahren geschützte materielle Recht Kriterium der Unmittelbarkeit der Zuweisung Kriterium der Bestimmtheit der Zuweisung Kriterium der Abgrenzung von aggregierten und nicht aggregierten Interessen bei der Zuordnung – nur der Schutz „reiner“ Privatinteressen durch eine Norm begründet ein subjektiv-öffentliches Recht – die vor allem im Bereich der Wirtschaftsaufsicht zu findenden aggregierten, pluralen oder Gruppeninteressen sind hingegen objektivrechtlich strukturiert Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses Gedanke der Intentionalität der Durchsetzung Entfaltung der Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte bei ihrer Ermittlung – im Kriterium der Rechtsmacht oder der Schutznorm – dadurch Wahrung prinzipieller Grenzen der Funktionalisierung des einzelnen

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis individueller Rechte hat keine historisch ähnlich tiefliegenden Wurzeln wie das deutsche Verständnis der subjektiv-öffentlichen Rechte. Es ist denn auch weniger die wissenschaftliche Diskussion als vielmehr die Rechtsprechung des EuGH, welche – namentlich seit der Rechtssache Van Gend en Loos895 – die Entwicklung geprägt hat. Da die Gemeinschaftsrechtsordnung aber nunmehr seit 50 Jahren besteht896, sind auch hier zunächst die Entwicklungslinien der Diskussion um individuelle Rechte zu skizzieren (I.). Nach einer Zwischenbemerkung (II.) schließt sich die dogmatisch-empirische Analyse des heutigen Verständnisses der individuellen Rechte der Zivilperson an (III.). Die herausgearbeiteten Gesichtspunkte des gemeinschaftsrechtlichen Verständnisses werden sodann wiederum für den vorzunehmenden strukturellen Vergleich kategorisiert (IV.).

___________ 895

EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1. 896 Der KS, für eine Dauer von 50 Jahren geschlossen, trat am 23.7.1952 in Kraft und endete folglich am 23.7.2002. Vgl. dazu H. von der Groeben, ZEuP 2003, S. 1 ff.

232

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

I. Entwicklungslinien in der Diskussion um individuelle Rechte aus Gemeinschaftsrecht Die heute im Ergebnis unbestrittene Fähigkeit der von den Gemeinschaften konstituierten supranationalen Rechtsordnung897 zur Begründung individueller Rechte entbehrt der aus dem nationalstaatlichen Zusammenhang vertrauten Selbstverständlichkeit898. Sie ist das Ergebnis eines Prozesses: Von der Gründung als völkerrechtlicher Vertrag899 ausgehend, hat das heute ganz überwiegend als Rechtsordnung sui generis verstandene Gemeinschaftsrecht900 auch diese Eigenschaft zunächst entwickeln, sodann behaupten und qualitativ entfalten müssen901, ohne daß diese Entwicklung – wie der Bereich der völkerrechtlichen Verträge als „integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung“ zeigt902 – als abgeschlossen betrachtet werden kann. Die Diskussion ist auf___________ 897 Der Begriff der Supranationalität ist schillernd. Das BVerfG hat ihn verschiedentlich (BVerfG, Beschl. v. 18.10.1967, 1 BvR 248/63 und 216/67, BVerfGE 22, 293 [296 f.]; BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 [187] („Maastricht“)), der EuGH hingegen – soweit ersichtlich – niemals benutzt. Vgl. dazu ausführlich M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 81 ff. und J. Weiler, YEL Bd. 1 (1981), S. 267 ff. Der hohen Behörde wurde in der ursprünglichen Fassung des Art. 9 EGKSV aber ausdrücklich ein „überstaatlicher Charakter“ (un „caractère supranational“) bescheinigt. 898 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 56. 899 T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 389; M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 73 ff.; G. Nicolaysen, Europarecht, Bd. I, 1991, S. 30; EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 – EWR Vertrag I, Slg. 1991, I-6079 Rdnr. 21: „[…] stellt der EWG-Vertrag, obwohl er in der Form einer völkerrechtlichen Übereinkunft geschlossen wurde, nichtsdestoweniger die Verfassungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes haben die Gemeinschaftsverträge eine neue Rechtsordnung geschaffen, zu deren Gunsten die Staaten in immer weiteren Bereichen ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben und deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch deren Bürger sind.“ 900 EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 [1269 f.]; BVerfG, Beschl. v. 18.10.1967, 1 BvR 248/63 und 216/67, BVerfGE 22, 293 [296]; E. Grabitz, in: FS für Arved Deringer, 1993, S. 59 ff.; T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 389 ff. D. Grimm spricht insoweit von einem „präzedenzlosen Gebilde“ (D. Grimm, JZ 1995, S. 581 [584]). 901 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 56. 902 Das Gemeinschaftsrecht ist der monistischen Theorie verpflichtet. Das hat der EuGH bereits in einer der frühen Entscheidungen indirekt festgestellt (EuGH, Beschl. v. 22.6.1965, Rs. 9/65 – Acciaierie San Michele / Hohe Behörde, Slg. 1967, 37) Folglich gelten Gemeinschaftsabkommen kraft ihres völkerrechtlichen Charakters unmittelbar als „integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung“ (EuGH, Urt. v. 30.4.1974, Rs. 181/73 – Haegemann II, Slg. 1974, 449, 2. Leitsatz). Sind einzelne Bestimmungen (wie Art. IX Abs. 1 des GATT 94 (ABl. L 336 v. 23.12.1994, S. 1)) subsumtionsfähig und justiziabel, also prima facie unmittelbar anwendbar, so bleibt dem EuGH nur – will er, wie in im Fall des GATT 94 individuelle Rechte einzelner nicht zulassen – eben die unmittelbare Anwendbarkeit zu verneinen (so etwa EuGH, Beschl. v. 2.5.2001, Rs.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

233

grund der Dominanz der Rechtsprechung deutlicher durch eine Auseinandersetzung mit Einzelfragen anhand konkreter Fälle903 gekennzeichnet (1), als dies im deutschen Recht der Fall ist, und hat eine zusammenfassende und systematisierende Rezeption erst spät erfahren (2). 1. Individuelle Rechte in einer neuen Rechtsordnung a) Konturierung des Begriffes Die nach völkerrechtlichem Vorverständnis (1) zunächst überraschende Einordnung der Gemeinschaften als „eigene Rechtsordnung“904 hat ihre Legitimation gerade auch dadurch gewonnen, daß sie den einzelnen als Rechtssubjekt mit einbezog (2) und dessen gemeinschaftsrechtliche Stellung nach und nach präzisiert und näher entfaltet hat (3) – (4). (1) Das völkerrechtliche Vorverständnis An jede Rechtsordnung läßt sich die prinzipielle Frage herantragen, ob und inwieweit sie sich zur Begründung individueller Rechte eignet, ob insbesondere dem jeweiligen Normgeber die entsprechende Kompetenz zusteht, individuelle Rechte zu schaffen. Im innerstaatlichen Recht angesiedelte Untersuchungen verzichten meist auf eine Untersuchung dieser Fragestellung, da es als selbstverständlich empfunden wird, daß die innerstaatliche Rechtsordnung auf den einzelnen einwirkt und seine Stellung rechtlich ausgestaltet905. Der EGKSV und wenig danach der EWGV und der EAGV fußten auf nach völkerrechtlichen ___________ C-307/99 – OGT Fruchthandelsgesellschaft, Slg. 2001, I-3159). Die Kritik an dieser Rechtsprechung ebbt nicht ab, vgl. A. Epiney, EuZW 1999, S. 5 [11]; E. U. Petersmann, EuZW 1997, S. 325 ff.; M. Hahn / G. Schuster, EuR 1993, 261 ff.; gegen eine unmittelbare Anwendbarkeit aber J. Sack, EuZW 1997, S. 650 ff.; zusammenfassend zum Problemkreis auch: N. Neuwahl, in: Emiliou / O’Keeffe (Hrsg.), The European Union and World Trade Law, 1996, S. 313 ff.; vgl. auch: A. Ott, GATT und WTO im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 254 ff.; C. Tomuschat, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 228 Rdnr. 91. Zur Rechtslage hinsichtlich des GATT 47 vgl. W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [346 ff.]. Näher hierzu unten, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(4), S. 293 ff. 903 Auch in Kontinentaleuropa hat sich zwischenzeitlich die Auffassung durchgesetzt, daß Gemeinschaftsrecht Fallrecht ist, vgl. W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [346]. Bemerkenswert ist, daß – soweit ersichtlich – nur F. Emmert, Europarecht, 1996, § 12 Rdnr. 47 ff. (S. 134) das Richterrecht ausdrücklich als eigene Rechtsquelle bezeichnet. 904 EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 [1269]. 905 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 56 f.

234

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Grundsätzen zustande gekommenen und ratifizierten Verträgen906. Das – heute in Richtung auf eine partielle Völkerrechtssubjektivität des einzelnen weiterentwickelte907 – Verständnis des Völkerrechts fühlte sich der Objektstheorie verpflichtet908. Danach geht der einzelne völkerrechtlich nach außen hin im verfaßten Gemeinwesen auf, er wird „mediatisiert“909. In dieser Art „mittelbar gemacht“ ist insbesondere ausgeschlossen, daß der einzelne aus dem Völkerrecht unmittelbar etwas für seine Rechtsstellung gegenüber seinem eigenen Staat herleiten kann; die Ausgestaltung der individuellen Rechte bleibt dem innerstaatlichen Recht vorbehalten. Das bedeutet indes nicht, daß individuelle Rechte eine dem Völkerrecht völlig fremde Kategorie gewesen wären. So kannte etwa der deutsche Zollverein von 1834 transformationslos geltende Zollgesetze910 oder die Europäische Donaukommission von 1856 eine Strafgewalt gegen Einzelpersonen911. Ungeachtet der fortwirkenden Differenzen zwischen monistischen und dualistischen Erklärungsansätzen war überdies durch den StIGH in seinem Gutachten zum Beamtenabkommen zwischen Polen und Danzig seit 1928 geklärt, daß jedenfalls den Vertragsparteien eines völkerrechtlichen Abkommens die Begründung individueller Rechte offensteht912, 913. ___________ 906

Zur Entstehungsgeschichte des Pariser Vertrags und der Römischen Verträge: W. Loth, Der Weg nach Europa, 2. Auf. 1991, S. 85 ff., 113 ff. 907 O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 4. Auf. 1990, S. 215; K. Ipsen / W. Heintschel von Heinegg, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, § 7 Rdnr. 1 ff.; ICJ, Judgement 27.6.2001, No. 104, Germany v. United States of America (LaGrand Case), einsehbar unter: http://www.icj-cij.org/icjwww/ idocket/igus/igusframe.htm (deutscher Text: JZ 2002, S. 91 ff.), dazu: K. Oellers-Frahm, EuGRZ 2001, S. 265 ff. Dort wurden Verstöße gegen Art. 36 Abs. 1 und 2 WÜK als Verletzung völkerrechtlicher Staatenverpflichtungen und Verletzung individueller Rechte gewertet. Befand der StIGH noch, es komme entscheidend auf den Parteiwillen an (PCIJ, Advisory opinion, 3.3.1928, Jurisdiction of the Danzig Courts, PCIJ Series B, No.15 (1928), 17 f.) scheint die Intention des historischen Normgebers nicht mehr das entscheidende Kriterium zu sein. Was das Völkergewohnheitsrecht betrifft, ist man von so einer Entwicklung noch entfernt; die Mediatisierung des Individuums bleibt hier die Regel, ähnlich: J. Combacau, in: Combacau / Sur, Droit international public, 2. Aufl. 1995, S. 320. 908 Vgl. L. Oppenheim / H. Lauterpacht, International law, Vol. 1: Peace, 8. Aufl. 1955, S. 686 ff. Die Sichtweise wurde damals aber schon kritisiert: M. Grassi, Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, 1955, S. 111 ff. 909 A. Verdross / B. Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 47; O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 4. Auf. 1990, S. 215. 910 Vgl. Art. 4, 5 Zollvereinigungsvertrag vom 22. März 1833, abgedruckt bei G. Dürig / W. Rudolf, Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 3. Aufl. 1996. 911 Vgl. M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 81. 912 Es ging um die Frage, ob sich die im Dienst der polnischen Staatsbahn befindlichen Beamten der Danziger Eisenbahn vor Danziger Gerichten zur Wahrung finanzieller Ansprüche auf das genannte Abkommen berufen konnten. Der StIGH verwies in seiner Antwort auf ein wohlfundiertes Prinzip des Völkerrechts, wonach ein internationales Abkommen als solches keine individuellen Rechte und Pflichten des einzelnen zu zei-

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

235

Individuelle Rechte aus Völkerrecht blieben jedoch in der auf souveräne Staaten als handelnde Subjekte zugeschnittenen Völkerrechtsordnung914 quantitativ und praktisch die seltene Ausnahme. Der – neben isolierten Ansätzen – fehlende Zugang des einzelnen zur internationalen Gerichtsbarkeit hatte daran maßgeblichen Anteil915. (2) Rechte des einzelnen als Attribut einer neuen Rechtsordnung Vor diesem völkerrechtlichen Hintergrund bediente der EuGH sich zunächst einer ausgrenzenden, falsifizierenden Methode, die Interpretationen ausschloß, welche dem Vertragszweck eindeutig entgegenstanden916. Falsifizierbar ist auch der wörtliche Text eines Vertrages, nämlich dann, wenn er einer Ergänzung bedarf, um dem Sinn des Ganzen gemäß anwendbar zu werden917. Dies ist auch die Grundüberlegung der implied powers-Lehre. Judge Learned Hand – eine der großen Richterpersönlichkeiten des U. S. Supreme Court – bringt dies auf die kürzeste Formel918: „For centuries it has been an accepted canon in interpretation of documents to interpolate into the text such provisions, though not expressed, are essential to prevent the defeat of the venture at hand.“

Die Vorgehensweise, sich über eindeutig erscheinende Bestimmungen des Vertrages hinwegzusetzen, wurde erst nach und nach Praxis. Der EuGH glaubte sich zunächst strikt an den Wortlaut halten zu müssen, so etwa in den „Monnet-

___________ tigen geeignet ist, betonte aber gleichzeitig die Bedeutung des Willens der vertragsschließenden Parteien, PCIJ, Advisory opinion, 3.3.1928, Jurisdiction of the Danzig Courts, PCIJ Series B, No.15 (1928), 17 f.). Das Gutachten folgte dem dualistischen Ansatz (zustimmend denn auch der damalige Vorsitzende des StIGH als einer der Hauptvertreter des Dualismus: D. Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts, 1929, S. 312). Vgl. auch: A. Verdross / B. Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 423 und J. Combacau, in: Combacau / Sur, Droit international public, 2. Aufl. 1995, S. 317 sowie C. Nørgaard, The position of the individual in international law, 1962. 913 Der langjährige Generalanwalt und Richter am EuGH (1982–1999, EuGH, Jahresbericht 2000, S. 94) G. F. Mancini sieht in dem Gutachten des StIGH einen direkten Vorläufer der Entscheidung EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1; vgl. G. F. Mancini / D. Keeling, MLR 1994, S. 175 [184]. 914 BVerfG, Beschl. v. 13.12.1977, 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342 [362]. 915 Dies galt damals auch noch für die EMRK, deren Kontrollmechanismen die Charakteristika einer echten Gerichtsbarkeit noch nicht aufwiesen. 916 A.-M. Donner, in: FS für Hans Kutscher, 1981, S. 123 ff. 917 W. von Simson, in: FS für Hans von der Groeben, 1987, S. 394. 918 L. Hand, The Bill of Rights, 1964, S. 14.

236

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Rabatt-Fällen“919. Die ersten Hinweise zu einer ergänzenden Auslegung erfolgten dann kurze Zeit später920, gefolgt von Urteilen921, welche der „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrags“, Art. 220 EG, eine über die Festigung des Bestehenden hinausweisende, konstituierende Rolle zusprachen. (a) Jean Humblet / Königreich Belgien Zwar wird die Rechtssache Van Gend en Loos922 überwiegend als Beginn der Rechtsprechung zu individuellen Rechten im Gemeinschaftsrecht gedeutet; der EuGH hatte aber schon in der Rechtssache Humblet923 erkennen lassen, daß er sich individuellen Rechten in einem für ein völkerrechtliches Gericht924 ungewöhnlichen Maße verpflichtet sah925. Der EGKS-Beamte Jean Humblet hatte Belgien direkt vor dem EuGH verklagt, um zu erreichen, daß sein Einkommen als EGKS-Beamter bei der Besteuerung seiner Ehefrau von den belgischen Finanzbehörden nicht berücksichtigt wird. Er berief sich dabei auf das dem EGKSV beigefügte Protokoll über Vorrechte und Befreiungen (sog. „Privi-

___________ 919 EuGH, Urt. v. 21.12.1954, Rs. 1/54 – Frankreich / Hohe Behörde, Slg. 1954, 7 [13 ff. 23 f.]; EuGH, Urt. v. 21.12.1954, Rs. 2/54 – Italien / Hohe Behörde, Slg. 1954, 81 [84 ff., 109 ff.] zum EGKSV. 920 EuGH, Urt. v. 29.11.1956, Rs. 8/55 – Fédération Charbonnière de Belgique / Hohe Behörde, Slg. 1956, 297 [302, 311 ff.]: „Der Gerichtshof hält, ohne sich dabei in eine extensive Auslegung zu begeben, die Anwendung einer sowohl im Völkerrecht als auch im innerstaatlichen Recht allgemein anerkannten Auslegungsregel für zulässig, wonach die Vorschriften eines völkerrechtlichen Vertrages oder eines Gesetzes zugleich diejenigen Vorschriften beinhalten, bei deren Fehlen sie sinnlos wären oder nicht in vernünftiger und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten.“ 921 EuGH, Urteil v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1187 ff.]; EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1; EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253. 922 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1. 923 EuGH, Urteil v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1187 ff.]. 924 Der EuGH wurde damals noch als ein völkerrechtliches Gericht angesehen, vgl. B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 59 dort Fn. 25. 925 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 59; ebenso: M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 106, der die Rechtssache Humblet als „eine Art ‚Glaubensbekenntnis‘ zum Verhältnis zwischen Recht und Rechtsschutz“ bezeichnet; M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, 1969, S. 26: „erste Stellungnahme zum Problem der Entstehung subjektiver Rechte“.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

237

legienprotokoll“)926, welches in Art. 11 lit. b) eine Freistellung der Beamten von innerstaatlichen Steuern auf die von der EGKS gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge vorsah927. Belgien hatte geltend gemacht, nach dem System des EGKSV sei allein die Kommission zuständig, eine Vertragsverletzung im Wege der Aufsichtsklage zu verfolgen.

Der EuGH bejahte seine Zuständigkeit aufgrund von Art. 16 des Privilegienprotokolls i.V.m. Art. 43 EGKSV. Er ging zunächst der Frage nach, ob dem Kläger ein Recht zustehe928: „Die Vorrechte und Immunitäten werden zwar ‚ausschließlich im Interesse der Gemeinschaft‘ gewährt; es darf jedoch nicht übersehen werden, daß sie ausdrücklich ‚den Beamten der Organe der Gemeinschaft‘ zuerkannt worden sind. Der Umstand, daß die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen den öffentlichen Interessen der Gemeinschaft dienen sollen, […] bedeutet […] keineswegs, daß jene Vorrechte nicht unmittelbar deren Beamten gewährt worden wären; für diese Auslegung spricht im übrigen der eindeutige Wortlaut der vorstehend genannten Vorschriften. Das Protokoll verleiht mithin den dort bezeichneten Personen ein subjektives Recht929 dessen Schutz durch die in Art. 16 des Protokolls vorgesehene Klagebefugnis gewährleistet wird.“

Damit war indessen noch nicht geklärt, ob diese Befugnis auch dem Kläger als natürlicher Person zustand; der EGKSV enthielt gerade keine dem Art. 230 Abs. 4 EG vergleichbare Regelung. Art. 16 Privilegienprotokoll sah für den EuGH eine „Zuständigkeit zur Entscheidung über jeden dessen Auslegung oder Anwendung betreffenden Streit vor“. Nach Auffassung des EuGH ließ sich diese alleinige Zuständigkeit aber nicht einschränkend im Sinne eines Aufsichtsklagerechts der Kommission verstehen, denn930 ___________ 926

Heute: Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965 in der Fassung des NV. 927 Vgl. heute Art. 13 Abs. 2 Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (oben, Fn. 926): „Die Beamten und sonstigen Bediensteten sind von innerstaatlichen Steuern auf die von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit.“ 928 EuGH, Urteil v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1187]. 929 In seinem Bestreben, die eigene Rechtsprechung auch begrifflich von Einflüssen des nationalen Rechts freizuhalten, hat der EuGH in späteren Entscheidungen den Begriff des „subjektiven Rechts“ gemieden, da dieser vor allem im deutschen und italienischen Recht (vgl. zu den diritti soggetivi unten, S. 430 Fn. 77) dogmatisch besetzt ist. Die wenigen Ausnahmen beziehen sich auf die Anfangsphase der Rechtsprechung oder es handelt sich um Ungenauigkeiten der Übersetzung, vgl. B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 162 Fn. 260 mit Hinweisen auf EuGH, Urt. v. 7.7.1976, Rs. 118/75 – Watson und Belmann, Slg. 1976, 1185 [1200]. Genauer dazu unten, Zweites Kapitel – C.I.1.d), S. 306 f. 930 EuGH, Urteil v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1189].

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„[…] normalerweise ist […] davon auszugehen, daß einem materiellen Recht die Befugnis des Berechtigten entspricht, dieses Recht selbst und nicht durch Vermittlung eines Dritten im Klagewege geltend zu machen. Unter diesen Umständen ist der Grundsatz anzuwenden, wonach eine Vorschrift, die Rechtsschutz gewährt, im Zweifelsfall nicht zuungunsten des Rechtsunterworfenen ausgelegt werden darf.“

An diesen Ausführungen ist zum einen bemerkenswert, daß von einem bestehenden individuellen Recht auf die entsprechende Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung geschlossen wird931. Individuelle Rechte sind folglich materiellrechtlich zu verstehen932. Zum anderen beruft sich der EuGH auf einen typischerweise auf innerstaatliche Sachverhalte zugeschnittenen Grundsatz933. Allerdings finden sich noch keine allgemeinen Aussagen über die prinzipielle Eignung des Gemeinschaftsrechts zur Begründung individueller Rechte; ob sich wirklich bereits die Annahme einer umfassenden Kongruenz von individuellen Rechten und Rechtsschutz sowie der Grundsatz ubi ius, ibi remedium934 entnehmen läßt, mag dahinstehen935. Die Entscheidung ist teilweise durch die Besonderheiten des „Privilegienprotokolls“ gekennzeichnet936. Die im Urteil selbst zu findende grundsätzliche Aussage ___________ 931

M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 107. Diese Auslegungsüberlegungen weisen korrelative Züge auf; Recht und Rechtsschutzmöglichkeit ergänzen sich wechselseitig. Die Suche nach dem „Recht“ einerseits bei gleichzeitiger Verknüpfung mit einer „Vorschrift, die Rechtsschutz gewährt“ ist zwar kein Denken in Aktionen mehr. Die Vorgehensweise ist aber noch eher an aktionenrechtliches Denken angelehnt, als das deutsche Verständnis. Siehe auch oben, Erstes Kapitel – C.II., S. 61 Fn. 46 und ausführlich unten, Zweites Kapitel – C.I.1.c), S. 301 ff. 933 Es erinnert überdis stark an BVerfG, Urt. v. 5.2.1963, 2 BvR 21/60, BVerfGE 15, 275 [281 f.]. Zur Problematik dieser Regel vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1)(b), S. 141 f. 934 Dazu T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 64 ff.; 105 f.; W. van Gerven, CMLRev. 37 (2000), S. 501 [511]. 935 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 107, der diese These vertritt, drückt sich denn auch vorsichtig aus. Dagegen: T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 107, für den rein prozessuale Fragen entschieden wurden. Dagegen spricht aber der gesamte Argumentationsstrang des EuGH, dessen logische Kette von Recht ausgeht und darauf aufbauend den zur Durchsetzung Ermächtigten ermittelt, offensichtlich aber davon ausgeht, daß es diesen – ob Kommission oder Individuum – jedenfalls geben muß. Die Frage muß indes nicht beantwortet werden, da der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes zwischenzeitlich als allgemeiner Rechtsgrundsatz primärrechtlich gilt und aus den Rechtserkenntnisquellen der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten, Art. 6 EMRK und Art. 47 GR-Charta entnommen wird; vgl. EuGH, Urt. v. 15.10.1987, Rs. 222/86 – UNECTEF, Slg. 1987, 4097 2. Leitsatz; EuGH, Urt. v. 15.5.1986, Rs. 222/84 – Johnston, Slg. 1986, 1651 Rdnr. 17, 18; EuGH, Urt. v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, 1339 Rdnr. 25. 936 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 107; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 60. 932

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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„Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Vertrag und dem Protokoll, die in den Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Ratifizierung Gesetzeskraft besitzen und dem innerstaatlichen Recht vorgehen“937

hat denn auch ebensowenig Beachtung gefunden, wie die Überlegungen in den Schlußanträgen von Generalanwalt Maurice Lagrange938. (b) Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos Die Besonderheiten der Gemeinschaftsrechtsordnung und die Stellung des einzelnen in ihr herauszustellen, blieb 1963 der Rechtssache Van Gend en Loos939 vorbehalten. Ein niederländisches Transportunternehmen hatte sich vor der Tarifcommissie – einem in Zollfragen entscheidenden niederländischen Gericht – dagegen gewandt, daß für die Einfuhr eines chemischen Erzeugnisses aus Deutschland ein gegenüber früheren Einfuhren erhöhter Zoll erhoben worden war940. Es sah in dieser Praxis einen Verstoß gegen Art. 12 EWGV (jetzt Art. 25 EG). Das Gericht rief daraufhin den EuGH mit der Bitte an, die Tragweite der fraglichen Vorschrift des Gründungsvertrages der EWG zu klären.

Angesicht der Vorlagefrage stand nunmehr die prinzipielle Eignung der Gemeinschaftsrechtsordnung zur Begründung individueller Rechte in Rede. Diese Eigenschaft wurde von den sich am Verfahren beteiligenden Regierungen nicht grundsätzlich in Abrede gestellt, wohl aber, hierdurch eine Vertragsverletzung eines Mitgliedstaates außerhalb des Verfahrens des Art. 226 EG geltend machen zu können941. Überdies vertraten alle am Verfahren beteiligten Mitgliedstaaten die Auffassung, der EWGV als seiner Natur nach völkerrechtlicher Vertrag könne individuelle Rechte nur in Ausnahmefällen vorsehen942. Der fragliche Art. 12 EWGV jedenfalls wende sich ausschließlich an die Mitgliedstaaten. ___________ 937 EuGH, Urteil v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1185]. 938 Schlußanträge von GA M. Lagrange v. 18.10.1960 zu EuGH, Urteil v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1211]: „unmittelbare normative Kraft“ des Protokolls. 939 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1. 940 Dies resultierte aus einem nach Inkrafttreten des EWGV erlassenen niederländischen Zolltarif, der wiederum aus einem völkerrechtlichen Abkommen zwischen den BENELUX-Staaten resultierte (Brüssler Protokoll vom 25.7.1958, vgl. Schlußanträge von GA K. Roemer v. 12.12.1962 zu EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [35]). 941 Argumentation der niederländischen, belgischen und deutschen Prozeßvertreter, EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [13, 26]. 942 Vgl. dazu auch die Nachweise oben, S. 234 Fn. 912 zum Gutachten des StIGH.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Dieser Auffassung schloß sich Generalanwalt Karl Roemer in seinen Schlußanträgen an943. Alle dem EuGH unterbreiteten Argumente orientierten sich ersichtlich an den oben skizzierten völkerrechtlichen Vorstellungen. Der EuGH hat sich die Auffassungen indes nicht zu eigen gemacht, sondern die Besonderheiten der Gemeinschaftsrechtsordnung in dieser Grundlagenentscheidung wie folgt beschrieben944: „Das Ziel des EWG-Vertrages ist die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, dessen Funktionieren die der Gemeinschaft angehörigen Einzelnen unmittelbar betrifft; damit ist zugleich gesagt, daß der Vertrag mehr ist als ein Abkommen, das nur wechselseitige Verpflichtungen zwischen den vertragschließenden Staaten begründet. Diese Auffassung wird durch die Präambel des Vertrages bestätigt, die sich nicht nur an die Regierungen, sondern auch an die Völker richtet. Sie findet eine noch augenfälligere Bestätigung in der Schaffung von Organen, welchen Hoheitsrechte übertragen sind, deren Ausübung in gleicher Weise die Mitgliedstaaten wie die Staatsbürger berührt. Zu beachten ist ferner, daß die Staatsangehörigen der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten dazu berufen sind, durch das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuß zum Funktionieren der Gemeinschaft beizutragen. Auch die dem Gerichtshof im Rahmen von Art. 177945, der die einheitliche Anwendung des Vertrages durch die nationalen Gerichte gewährleisten soll, zukommende Aufgabe ist ein Beweis dafür, daß die Staaten davon ausgegangen sind, die Bürger müßten sich vor den nationalen Gerichten auf das Gemeinschaftsrecht berufen können. Aus alledem ist zu schließen, daß die Gemeinschaft eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts darstellt, zu deren Gunsten die Staaten, wenn auch in begrenztem Rahmen, ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben, eine Rechtsordnung, deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen946 sind. Das von der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unabhängige Gemeinschaftsrecht soll daher den Einzelnen, ebenso wie es ihnen Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen. Solche Rechte entstehen nicht nur, wenn der Vertrag dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch aufgrund von eindeutigen Verpflichtungen, die der Vertrag den Einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Gemeinschaft auferlegt.“

Mit jedem Satz unterstreicht der EuGH die zentrale rechtliche Stellung des einzelnen in der Gemeinschaft. Neuartig sind die Begründungselemente: nicht der Parteiwille, sondern die Auswirkungen, die das mit dem Vertrages verfolgte Ziel für den einzelnen hat, werden zum Pfeiler individueller Rechte947. Pierre ___________ 943

Schlußanträge von GA K. Roemer v. 12.12.1962 zu EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [35]. 944 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [24 f.]. Hervorhebungen hinzugefügt. 945 Jetzt Art. 234 EG. 946 Zur Orthographie siehe noch einmal oben, Erstes Kapitel – B., S. 53 Fn. 16. 947 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 63. Dieser weist, a. a. O., auch auf die besondere verfassungsrechtliche Situation in den Niederlanden, die es dem einzelstaatlichen Gericht auch dann ermöglichte, individuelle Rechte aus völkerrechtlichen Verträ-

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Pescatore, 18 Jahre948 Richter am EuGH, hat zur Bedeutung des Urteils ausgeführt949: „It appears […] that in the opinion of the Court, the Treaty has created a Community not only of States but also of peoples and persons and that therefore not only Member States but also individuals must be visualised as being subjects of Community law. This is the consequence of a democratic ideal, meaning that in the Community, as well as in a modern constitutional State, Governments may not say any more what they are used to do in international law: L’Etat, c’est moi. Far from it; the Community calls for participation of everybody, with the result that private individuals are not only liable to burdens and obligations, but that they have also prerogatives and rights which must be legally protected. It was thus a highly political idea, drawn from a perception of the constitutional system of the Community, which is at the basis of Van Gend en Loos and which continues to inspire the whole doctrine flowing from it.“

Auf diese grundlegende Einschätzung des Rechtssystems der Gemeinschaften, welche der Entscheidung in Rechtssache Van Gend en Loos zugrunde liegt, wird im folgenden immer wieder zurückzukommen sein950. (c) Die Rechtsordnung „eigener Art“ – Flaminio Costa / E.N.E.L. Die Urteile Humblet und Van Gend en Loos waren der völkerrechtlichen Sichtweise noch verpflichtet. Denn die dort skizzierten speziellen Wesensmerkmale des Gemeinschaftsrechts waren zwar atypische, dem Völkerrecht aber nicht völlig fremde Kategorien951. Es war daher auch nicht zwingend, primäres Gemeinschaftsrecht selbst nicht mehr als Völkerrecht anzusehen. Die Bedeutung der Rechtssache Costa / E.N.E.L. aus dem Jahre 1964952 liegt denn auch ___________ gen anzuerkennen, wenn ihnen innerstaatliche Gesetze entgegenstehen. Diese verfassungsrechtliche Situation unterscheidet sich grundlegend von derjenigen Italiens; dort war der EWGV als einfaches Gesetz umgesetzt worden, weswegen sich in der Entscheidung EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 die Rangfrage anders stellte; dazu sogleich unten, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(c). Vgl. auch A. Verdross, Alfred / B. Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 859 ff. 948 1967–1985 (EuGH, Jahresbericht 2000, S. 93). 949 P. Pescatore, ELRev. 1983, S. 155 [158]. Vgl. auch sein Zitat unten, Zweites Kapitel – C.I.2.a), S. 314 Fn. 1369. 950 Die Bewertung der politischen Dimension der progressiven Rechtsprechung des EuGH, für die das Urteil stellvertretend steht, wird immer zwischen Legitimation als kommunikativem Prozeß im Gespräch mit Beteiligten und Wissenschaft im Sinne einer „offenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“ (P. Häberle, JZ 1975 S. 297 ff.), und Warnungen stehen, die Machtfülle durch „das Gerede vom gerichtlichen Kooperationsverhältnis“ (R. Zuck, NJW 1994, S. 978 ff.) zu verdecken. 951 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(1), S. 233 f. 952 EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

weniger in konkreten Aussagen zu individuellen Rechten, sondern in einem endgültigen Bruch mit völkerrechtlichen Erklärungsansätzen. Italien verstaatlichte 1962 die Erzeugung und Verteilung elektrischen Stroms und gründete die E.N.E.L., der die Betriebsanlagen der Elektrizitätsunternehmen übereignet wurden. In einem Rechtsstreit um eine Stromrechnung der E.N.E.L. vor einem Mailänder Gericht beantragte Rechtsanwalt Costa als Stromverbraucher und zugleich Aktionär der verstaatlichten Edisonvolta die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens, da nach seiner Ansicht Art. 102, 93, 53 und 37 EWGV953 durch das Gesetz verletzt wurden. Die italienische Regierung hielt dies für unzulässig, da das Gericht lediglich innerstaatliches Recht anzuwenden habe. Trotzdem ersuchte dieses den EuGH um Vorabentscheidung.

Der EuGH führte – entgegen seiner Wortwahl in der Rechtssache Van Gend en Loos, in der er von „einer neuen Rechtsordnung des Völkerrechts“ gesprochen hatte954 – aus955: „Zum Unterschied von gewöhnlichen internationalen Verträgen hat der EWG-Vertrag eine eigene Rechtsordnung geschaffen, die bei seinem Inkrafttreten in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden und von ihren Gerichten anzuwenden ist. Durch die Gründung einer Gemeinschaft für unbegrenzte Zeit, die mit eigenen Organen, mit der Rechts- und Geschäftsfähigkeit, mit internationaler Handlungsfähigkeit und insbesondere mit echten, aus der Beschränkung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten oder der Übertragung von Hoheitsrechten der Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft herrührenden Hoheitsrechten ausgestattet ist, haben die Mitgliedstaaten, wenn auch auf einem begrenzten Gebiet, ihre Souveränitätsrechte beschränkt und so einen Rechtskörper geschaffen, der für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist. […] Aus alledem folgt, daß dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden soll. Die Staaten haben somit dadurch, daß sie nach Maßgabe der Bestimmungen des Vertrages Rechte und Pflichten, die bis dahin ihren inneren Rechtsordnungen unterworfen waren, der Regelung durch die Gemeinschaftsrechtsordnung vorbehalten haben, eine endgültige Beschränkung ihrer Hoheitsrechte bewirkt, die durch spätere einseitige, mit dem Gemeinschaftsbegriff unvereinbare Maßnahmen nicht rückgängig gemacht werden kann.“

Daß sich diese Vorrangwirkung des autonomen Gemeinschaftsrechts auch auf die nationalen Verfassungen erstreckt, wurde sechs Jahre später in der Rechtssache Internationale Handelsgesellschaft956 entschieden. Damit war ge___________ 953

Art. 97, 88, 31 EG. Art. 53 aufgehoben durch den AV. Vgl. oben, S. 240 f. 955 EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 [1269 f.] Hervorhebung hinzugefügt. 956 EuGH, Urt. v. 17.12.1970, Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125 ff. Eine Verordnung des Rates und die dazugehörige Verordnung der Kommission bestimmten, daß Lizenzen für bestimmte Agrarprodukte nur bei Stellung einer 954

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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klärt, daß die individuellen Rechte in vollem Umfang am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts teilhaben957. Dieser Vorrang des Gemeinschaftsrechts ist kein Geltungsvorrang958. Während der verfassungsrechtliche Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ zusammen mit den Kompetenzregeln lediglich Klarheit über den Bestand an Rechtsnormen schafft, erstreckt sich der Anwendungsvorrang auf jedes Rechtsverhältnis, das vom Gemeinschaftsrecht und vom mitgliedstaatlichen Recht erfaßt wird. Es ist also in solchen Situationen „immer für eine Kollisionsregelung gesorgt“959. Die Forderung, dem Gemeinschaftsrecht müsse in allen Mitgliedstaaten die gleiche Bedeutung zukommen, besagt im übrigen, daß die Kompetenz zur Bestimmung seiner Geltungsansprüche dem EuGH zustehen muß. Diese Konsequenz hat in einer besonders nachdrücklichen Weise das Urteil in der Rechtssache AETR960 gezogen. (d) Entfaltung der Dogmatik der Grundfreiheiten Den so begründeten Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts galt es durchzusetzen; vorrangig gegenüber den Mitgliedstaaten in den Rechtsbeziehungen zwischen Verwaltung und Individuen, aber auch zwischen den Indivi___________ Kaution erteilt werden, die – vorbehaltlich höherer Gewalt – verfiel, wenn der Lizenzinhaber das Geschäft nicht während der Gültigkeit der Lizenz durchführte. Die Internationale Handelsgesellschaft mbH erwirkte eine bis 31.12.1967 befristete Ausfuhrlizenz über 20.000 Tonnen Maisgrieß und stellte eine Kaution. Als sie während der Geltungsdauer der Lizenz nur einen Teil des Ausfuhrgeschäfts durchführte, erklärte die zuständige Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Getreideverarbeitung einen entsprechenden Teilbetrag der Kaution für verfallen. Das angerufene VG gelangte zu der Überzeugung, daß die in den Verordnungen vorgesehene Kautionsregel gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG verstoße. Der EuGH entschied, es könne nur darauf ankommen, ob eine entsprechende gemeinschaftsrechtliche Garantie verletzt worden sei, was er selbst prüfe, „denn die Beachtung der Grundrechte gehört zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen“. Die Gewährleistung „dieser Rechte muß zwar von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten getragen sein, sie muß sich aber auch in die Struktur und die Ziele der Gemeinschaft einfügen“, EuGH, a. a. O., Rdnr. 4. 957 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 64. 958 EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629 [644 f.]; EuGH, Urt. v. 7.2.1991, Rs. C-184/89 – Nimz, Slg. 1991, I-297 [I-321]. Vgl. auch Conseil d’Etat, Urt. v. 24.9.1990, Req. n° 58675 – Tafeläpfel, Recueil Lebon, 251 (deutscher Text: EuZW 1991, S. 124). 959 M. Zuleeg, in: FS für Hartmut Maurer, 2001, S. 1067 [1075] und M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, 1969, S. 136–157. 960 EuGH, Urt. v. 31.3.1971, Rs. 22/70 – Kommission / Rat (AETR), Slg. 1971, 263: An dieses Urteil knüpfte die Rechtsprechung zur „funktionalen“, sich auf die Vertragsziele berufenden Begründung von Gemeinschaftskompetenzen und die „implied powers“-Doktrin an.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

duen untereinander. Dem Durchsetzungsanspruch des Gemeinschaftsrechts hat der EuGH insbesondere durch zwei Linien seiner Rechtsprechung Rechnung getragen. Zum einen dadurch, daß er den Gerichten der Mitgliedstaaten eine besondere Verantwortung für den Schutz gemeinschaftlicher individueller Rechte zuwies. Dies bedeutet, wie der EuGH in der Rechtssache Simmenthal II 961 ausgeführt hat, „[…] daß die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ihre volle Wirkung einheitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an und während der gesamten Dauer ihrer Gültigkeit entfalten müssen. Diese Bestimmungen sind somit unmittelbar Quelle von Rechten und Pflichten für alle diejenigen, die sie betreffen, einerlei, ob es sich um die Mitgliedstaaten oder um solche Einzelpersonen handelt, die an Rechtsverhältnissen beteiligt sind, welche dem Gemeinschaftsrecht unterliegen. Diese Wirkung erstreckt sich auch auf jedes Gericht, das, angerufen im Rahmen seiner Zuständigkeit, als Organ eines Mitgliedstaates die Aufgabe hat, die Rechte zu schützen, die das Gemeinschaftsrecht dem einzelnen verleiht.“

Zum anderen hat er eine auf die Initiative des einzelnen hin angelegte Integration durch eine weite Interpretation der Grundfreiheiten des Vertrages gestützt. Die Entwicklung und Ausgestaltung der Grundfreiheiten aus den vielfach unbestimmten Formulierungen des Vertrages hat eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei der – zunächst: wirtschaftlichen – Integration durch Recht gespielt962. Die Grundfreiheiten der Art. 25, 28, 39, 43, 49, 56 EG – flankiert durch die Freiheit des Zahlungsverkehrs – verfolgen das parallele Ziel der Liberalisierung des Verkehrs der Produktionsfaktoren in den Mitgliedstaaten963. Die Frage, ob und inwieweit die Grundfreiheiten parallel auszulegen sind, ob also eine „Konvergenz“964 der Grundfreiheiten feststellbar ist, wird durch zahlreiche Anhaltspunkte in der Rechtsprechung des EuGH gestützt965 und in der Literatur in der Tendenz befürwortet966. Zumindest im Hinblick auf die Frage ihres individual___________ 961

EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629. J. F. Baur, in: FS für Karl Heinrich Friauf, 1996, S. 1 [7]. 963 A. Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 28 Rdnr. 56. 964 P. Behrens, EuR 1992, S. 145 ff.; M. Eberhartinger, EWS 1997, S. 43 ff.; R. Streinz, in: FS für Walter Rudolf, 2001, S. 199 ff. 965 Vor allem EuGH, Urt. v. 31.3.1993, Rs. C-19/92 – Kraus, Slg. 1993, I-1663 Rdnr. 32; näher: A. Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 28 Rdnr. 56 ff. 966 P. Behrens, EuR 1992, S. 145 ff.; C. D. Classen, EWS 1995, S. 97 ff.; J. Füller, Grundlagen und inhaltliche Reichweite der Warenverkehrsfreiheiten, 2000, S. 165; M. Eberhartinger, EWS 1997, S. 43 ff.; eher skeptisch: R. Streinz, in: FS für Walter Rudolf, 2001, S. 199 ff.; V. Hatzopoulos, RTDE 1998, S. 191 ff. In Abweichung von den Ansätzen des EuGH: T. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 115 ff., 154 ff.; M. Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG962

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

245

rechtlichen Gehalts lassen sich die Entwicklungslinien jedenfalls gemeinsam nachzeichnen. i) Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit Die Frage der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit von Art. 25 EG war bereits durch die Rechtssache Van Gend en Loos967 geklärt worden. Es bedurfte einer Dekade, bevor 1974 durch die Urteile in den Rechtssachen Dassonville968, Van Duyn969, Reyners970 und van Binsbergen971 nämliches für die Grundfreiheiten insgesamt mit Ausnahme der Kapitalverkehrsfreiheit972 festgestellt war. Mit Ende der Übergangszeit973 war die volle Wirksamkeit der Vertragsvorschriften und insbesondere derjenigen des primären Gemeinschaftsrechts eingetreten, welche eigentlich durch Rechtshandlungen der Organe hätten umgesetzt werden sollen974, und zwar auch dann, wenn – wie etwa in der Rechtssache Reyners – solche Rechtshandlungen noch nicht vorlagen. Denn975 „[…] soweit er das Ende der Übergangszeit als Zeitpunkt für die Herstellung der Niederlassungsfreiheit bestimmt, erlegt Art. 52976 eine Verpflichtung auf, deren Ergebnis klar umrissen ist und deren Erfüllung durch die Verwirklichung programmatisch festgelegter, abgestufter Maßnahmen zwar erleichtert, nicht aber bedingt werden sollte. Die Tatsache, daß diese Stufenfolge nicht eingehalten wurde, läßt die Verpflichtung als solche nach Ablauf der für ihre Erfüllung vorgeschriebenen Frist unberührt.“

___________ Vertrags als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, 2000, S. 167 ff. 967 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1. 968 EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. 8/74 – Dassonville, Slg. 1974, 837 zu Art. 28 EG. 969 EuGH, Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/74 – Van Duyn, Slg. 1974, 1337 zu Art. 39 EG. 970 EuGH, Urt. v. 21.6.1974, Rs. 2/74 – Reyners, Slg. 1974, 631 zu Art. 43 EG. 971 EuGH, Urt. v. 3.12.1974, Rs. 33/74 – van Binsbergen, Slg. 1974, 1299 zu Art. 49 EG. 972 Siehe zum Stand zu Beginn der siebziger Jahre H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 648 ff. Der ehemalige Art. 67 EWGV war im Gegensatz zum heutigen Art. 56 mit verschiedenen Vorbehalten versehen und nicht unmittelbar anwendbar. Die Harmonisierung verharrte auf dem Stand der Ersten Richtlinie zur Durchführung des Artikels 67 des Vertrages von 1960. 973 Art. 7 Abs. 1, 7 EGV, in den Rechtswirkungen fortgeltend nach Art. 10 Abs. 1 AV. 974 M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 1060. 975 EuGH, Urt. v. 21.6.1974, Rs. 2/74 – Reyners, Slg. 1974, 631 [653]. Hervorhebung hinzugefügt. Ebenso EuGH, Urt. v. 5.11.2002, Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919 im Anschluß an EuGH, Urt. v. 27.9.1988, Rs. 81/87 – Daily Mail, Slg. 1988, 5483 und EuGH, Urt. v. 9.3.1999, Rs. C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459; zu Art. 44 EG. 976 Heute Art. 43 EG.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Der EuGH ging, zivilrechtlich gesprochen, von dem Gedanken einer aufschiebend bedingten Verpflichtung aus; eine Sichtweise, die auch bei der fehlenden Richtlinienumsetzung fruchtbar gemacht worden ist977. Inhaltlich entsprach dieser Verpflichtung mit Bedingungseintritt eine von Amts wegen bestehende978 Anwendungspflicht aller nationalen Behörden und Gerichte. Dabei blieb er aber nicht stehen, sondern schloß im Anschluß an die Rechtssache Van Gend en Loos979 aus der unbedingten Verpflichtung jeweils auf die grundsätzlich damit einhergehende Berufungsfähigkeit („invocabilité“980) für den einzelnen. Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit einer Norm als notwendige Voraussetzung individueller Rechte war damit für den Bereich der Grundfreiheiten geklärt. Ob die unmittelbare Anwendbarkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Norm indessen auch eine hinreichende Voraussetzung darstellt, um gemeinschaftsrechtliche individuelle Rechte begründen zu können, wurde nur in Ansätzen behandelt981 und selten wirklich problematisiert, da in der Folgezeit die inhaltliche Reichweite der Grundfreiheiten beherrschendes Thema der Rechtsprechung blieb (und bis heute geblieben ist). ii) Von Diskriminierungs- zu allgemeinen Beschränkungsverboten Diese inhaltliche Reichweite hat der EuGH zunächst nahezu ungreifbar weit gezogen und erst vor dem Hintergrund eingeschränkt, daß sich einzelne „immer häufiger auf [den Vertrag] berufen, um jedwede Regelung zu beanstanden, die sich als Beschränkung ihrer geschäftlichen Freiheit auswirkt“982. Grundlage der Rechtsprechung war die Warenverkehrsfreiheit. Art. 28 EG erinnert in seiner ___________ 977

Siehe dazu unten, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3), S. 277 ff. EuGH, Urt. v. 22.6.1989, Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839 Rdnr. 31; EuGH, Urt. v. 14.12.1995, Rs. C-312/93 – Peterbroeck, Van Campenhout & Cie, Slg. 1995, I-4599 Rdnr. 20. 979 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1. 980 Den Begriff hat der EuGH in den Urteilen EuGH, Urt. v. 19.1.1982, Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982, 53 und EuGH, Urt. v. 22.6.1989, Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839 Rdnr. 29 geprägt. 981 EuGH, Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, 216 [217]: „Hierzu ist es erforderlich, aber auch genügend, daß sich die Vertragsvorschrift, aus der solche Rechte hergeleitet werden ihrem Wesen nach dazu eignet, unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den ihrem Recht unterworfenen Einzelnen zu erzeugen.“ Hervorhebung hinzugefügt. Eben diese Frage nach inhaltlichen Vorgaben für das „Wesen der Vorschrift“ blieb aber weitestgehend unbeantwortet. 982 EuGH, Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267 und 268/91 – Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097 Rdnr. 14. 978

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

247

Formulierung deutlich an die traditionellen Handelsabkommen983. Es hätte durchaus nahe gelegen, der zweiten Alternative der Vorschrift – „Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen“ – eine ähnliche Finalität wie ihrer ersten – der Kontingentierung – zuzuschreiben und damit ein Diskriminierungsverbot anzunehmen984. Der EuGH folgte dennoch einer weiten Auslegung der Vorschrift. In der Rechtssache Dassonville985 befand er: „Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen.“

Damit war aufgrund der Formulierung – „jede Handelsregelung“ – und aufgrund des der Vorabentscheidungsfrage des Tribunal de Premiere Instance de Bruxelles zugrunde liegenden Sachverhaltes986 noch ungeklärt, ob auch unterschiedslos auf inländische und eingeführte Waren anwendbare Maßnahmen dem Verbot des Art. 28 EG unterfielen. Die Klärung dieser Frage blieb der Rechtssache Rewe-Zentral („Cassis de Dijon“)987 vorbehalten. Auch die übrigen Grundfreiheiten wurden sodann als Beschränkungsverbote ausgelegt988, die gemeinschaftsrechtlichen Achtungspflichten damit denkbar weit gezogen. In der Rechtssache Keck und Mithouard 989 modifizierte der EuGH die Anforderungen. Entgegen der bisherigen Sichtweise sei ___________ 983

Vgl. nur Art. XI Abs. 1 GATT 47. J. F. Baur, in: FS für Karl Heinrich Friauf, 1996, S. 1 [6]. Die Kommission hatte gemäß Art. 33 Abs. 7 EGV (aufgehoben durch den AV) fünf Richtlinien erlassen, die aber keine abstrakte Definition der Maßnahme gleicher Wirkung enthielten, sondern nur Aufzählungen. Die weiteste Definition enthielt Art. 2 Abs. 1 RL 70/50/EWG. Aber auch diese schloß unterschiedslos anwendbare Maßnahmen aus. 985 EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. 8/74 – Dassonville, Slg. 1974, 837 [852]. 986 Die Gebrüder Dassonville hatten in Frankreich in freiem Verkehr befindlichen Whisky nach Belgien importiert. Sie sahen sich mit einem Strafverfahren konfrontiert, da sie die nach belgischem Recht erforderliche Ursprungsbescheinigung der britischen Zollbehörden nicht vorweisen konnten. Dieses Erfordernis betraf eben nur eingeführte Waren. 987 EuGH, Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78 – Rewe-Zentral („Cassis de Dijon“), Slg. 1979, 649. 988 Zur Arbeitnehmerfreizügigkeit: EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921; zur Niederlassungsfreiheit indirekt: EuGH, Urt. v. 12.7.1984, Rs. 107/83 – Klopp, Slg. 1984, 2971 Rdnr. 18; EuGH, Urt. v. 30.4.1986, Rs. 96/85 – Kommission / Frankreich, Slg. 1986, 1475; EuGH, Urt. v. 7.5.1991, Rs. C-340/89, Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357, Rdnr. 15; zur Dienstleistungsfreiheit: EuGH, Urt. v. 4.12.1986, Rs. 205/84 – Kommission /Deutschland (VAG), Slg. 1986, 3755; EuGH, Urt. v. 25.7.1991, Rs. C-76/90 – Säger, Slg. 1991, I-4221; zur Kapitalverkehrsfreiheit: EuGH, Urt. v. 14.12.1995, verb. Rs. C-163/94, C-165/94 und C-250/94 – Sanz de Lera, Díaz Jiménez und Kapanoglu, Slg. 1995, I-4821. 989 EuGH, Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267 und 268/91 – Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097 Rdnr. 16. Interessant ist die Parallele der Formulierungen in Rdnr. 15 des 984

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„[…] die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.“

Der dahinter stehende Gedanke einer fehlenden Marktsegmentierung wurde zwischenzeitlich auch für die Dienstleistungsfreiheit990 und Arbeitnehmerfreizügigkeit991 fruchtbar gemacht, ohne daß bisher von einer einheitlichen Anwendung der Keck-Formel gesprochen werden könnte992. Unter diesen Einschränkungen und unter der Voraussetzung, daß die in Rede stehende Maßnahme nicht zu „ungewiß und von nur mittelbarer Bedeutung“993 ist, steht heute ein Bündel individueller Rechte zur Verfügung, durch die sich dem einzelnen der Binnenmarkt erschließt. ___________ Urteils und Art. 3 RL 70/50/EWG („Maßnahmen […] betreffend die Form, die Ausmaße, das Gewicht, die Zusammensetzung, die Aufmachung, die Identifizierung, die Aufbereitung, welche unterschiedslos auf inländische und eingeführte Waren anwendbar sind und deren beschränkende Wirkungen auf den Warenverkehr den Rahmen der solchen Handelsregelungen eigentümlichen Wirkungen überschreiten“). Näher dazu: A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 130 ff. Zu den Auswirkungen dieses Urteils vgl. J. Keßler, Das System der Warenverkehrsfreiheit zwischen Produktbezug und Verkaufsmodalitäten, 1997, S. 44 ff.; H. Weyer, Freier Warenverkehr und nationale Regelungsgewalt, 1997; K. Hammer, Handbuch zum freien Warenverkehr, 1998, S. 35 ff. Lesenswert hierzu die Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 26.1.1995 zu EuGH, Urt. v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 – Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141 [1156 ff.]; Schlußanträge vom GA G. Tesauro v. 27.10.1993 zu EuGH, Urt. v. 15.12.1993, Rs. C-292/92 – Hünermund, Slg. 1993 I-6787 [I-6805 ff.]; Schlußanträge vom GA C. O. Lenz v. 20.9.1995 zu EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921 [I-1508 ff]; Schlußanträge vom GA N. Fenelly v. 16.9.1999 zu EuGH, Urt. v. 27.1.2000, Rs. C-190/98 – Graf, Slg. 2000, I-493 Rdnr. 18 ff. 990 EuGH, Urt. v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 – Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141 Rdnr. 28, 36. 991 EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921 Rdnr. 103; EuGH, Urt. v. 27.1.2000, Rs. C-190/98 – Graf, Slg. 2000, I-493 Rdnr. 23: „Auch unterschiedslos anwendbare Bestimmungen […] stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn sie den Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt beeinflussen.“ 992 A. Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 28 Rdnr. 57; ausführlich: A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 131 ff.; vgl. auch Schlußanträge von GA S. Alber v. 22.6.1999 zu EuGH, Urt. v. 13.4.2000, Rs. C-176/96 – Lethonen und Castors Canada Dry Namur-Braine ASBL, Slg. 2000, I-2681 Rdnr. 46 ff. 993 EuGH, Urt. v. 7.3.1990, Rs. 69/88 – Krantz, Slg. 1990, I-583 Rdnr. 11; EuGH, Urt. v. 27.1.2000, Rs. C-190/98 – Graf, Slg. 2000, I-493 Rdnr. 25.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Die erhebliche Weite des sachlichen Schutzbereiches dieser individuellen Rechte unterstreicht die besondere Bedeutung des Individualrechtsschutzes für den Ausbau und den Fortgang der Integration994. Dies gilt ungeachtet der dargestellten Einschränkungen. Dem entspricht auch das Fehlen von ausdrücklichen Kriterien oder konkreten sachlichen Voraussetzungen für die Annahme von individuellen Rechten. Die Feststellung eines unbedingten und hinreichend genauen und damit allgemein anwendbaren Beschränkungsverbotes reduziert die Antwort auf die Frage nach individuellen Rechten aus Grundfreiheiten auf den verbindlichen Normativcharakter des Gemeinschaftsrechts995. iii) Die Ausgestaltung der Rechtfertigungsgründe Der Weite des potentiellen Schutzbereiches mußte denn auch durch die Entwicklung von Rechtfertigungsgründen entsprochen werden, deren genauere Konturierung das sachliche Substrat der Grundfreiheiten als individueller Rechte freilegte. Hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit geschah dies in der Rechtssache Rewe-Zentral („Cassis de Dijon“)996. Die Klägerin des deutschen Ausgangsverfahrens hatte „Cassis de Dijon“, einen Johannisbeerlikör, aus Frankreich einführen wollen. Die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hatte die beantragte Einfuhrgenehmigung nicht erteilt, da das Produkt aufgrund seines zu geringen Weingeistgehaltes nach der Verordnung über den Mindestweingeistgehalt von Trinkbranntweinen – welche für bestimmte Gruppen von Likören einen Mindestgehalt von 25 % vorsah – in der Bundesrepublik nicht verkehrsfähig sei. Denn das fragliche Erzeugnis habe nur einen Gehalt zwischen 15 % und 20 %.

Nach Art. 30 EG sind lediglich diskriminierende Maßnahmen zu rechtfertigen. Die Antwort des EuGH auf das Vorabentscheidungsersuchen des Hessischen FG deutete Art. 28 EG erstmals als Beschränkungsverbot und formulierte ein neben Art. 30 EG tretendes immanentes Schrankensystem997: ___________ 994

T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [482]. P. Pescatore, ELRev. 1983, S. 155 [174 ff.]; noch deutlicher (für Richtlinien) U. Everling, in: FS für Karl Carstens, 1984, Bd. 1, S. 95 [107] der hervorhebt, „daß die Richtlinie, wie jede Rechtsnorm, auch subjektive Rechte für einzelne begründet.“ 996 EuGH, Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78 – Rewe-Zentral („Cassis de Dijon“), Slg. 1979, 649. 997 EuGH, Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78 – Rewe-Zentral („Cassis de Dijon“), Slg. 1979, 649 [662]. Die Argumente Deutschlands, wonach ein erhöhter Alkoholgehalt dem Schutz der öffentlichen Gesundheit diene, verwarf der EuGH. Auch könne die zwingende Festsetzung eines Mindestweingeistgehaltes schwerlich als wesentliche Garantie eines lauteren Handelsverkehrs angesehen werden. Siehe zur Warenverkehrsfreiheit auch: EuGH, Urt. v. 17.6.1981, Rs. 113/80 – Kommission / Irland (Souvenirs), Slg. 1981, 1625; EuGH, Urt. v. 13.3.1984, Rs. 16/83 – Prantl (Bocksbeutel), Slg. 1984, 1299; EuGH, Urt. v. 10.1.1985, Rs. 229/83 – Leclerc, Slg. 1985, 1; EuGH, Urt. v. 12.3.1987, Rs. 178/84 – Kommission / Deutschland (Reinheitsgebot), Slg. 1987, 1227; EuGH, 995

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben, müssen hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes.“

Diese Ausgangsüberlegung der nichtwirtschaftlichen, gemeinschaftsrechtlich anerkennenswerten und verhältnismäßig angewandten Rechtfertigungsgründe ordnet man auch den übrigen Grundfreiheiten als „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ zu998. Hinzu kam die Entwicklung des Prinzips gegenseitiger Anerkennung in Gestalt der sog. Webb-Doktrin. Danach darf „[…] der freie Dienstleistungsverkehr als fundamentaler Grundsatz des Vertrags nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind und die für alle im Hoheitsgebiet des [Aufnahmestaates] tätigen Personen oder Unternehmen verbindlich sind, und zwar nur insoweit, als dem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften Rechnung getragen ist, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist.“999

iv) Die Beschreibung des Gesamtsystems – Reinhard Gebhard / Consiglio dell’Ordine degli Avvocati e Procuratori di Milano Das dergestalt vom Prinzip der gegenseitigen Anerkennung geprägte Gesamtsystem allgemeiner Beschränkungsverbote, deren Schranken sich in „zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls“ (für den Bereich der Warenverkehrsfreiheit) respektive „zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“ (für den Bereich der übrigen Grundfreiheiten) finden, welche wiederum den ___________ Urt. v. 20.9.1988, Rs. 302/86 – Kommission / Dänemark (Pfandflaschen), Slg. 1988, 4607; EuGH, Urt. v. 7.3.1990, Rs. 362/88 – GB-Inno, Slg. 1990, I-667; EuGH, Urt. v. 28.4.1998, Rs. C-120/95 – Decker, Slg. 1998, I-1831; Zu Besonderheiten beim staatlichen Schutz geistigen Eigentums siehe EuGH, Urt. v. 14.7.1981, Rs. 187/80 – Merck, Slg. 1981, 2063; EuGH, Urt. v. 17.10.1990, Rs. C-10/89 – CNL-SUCAL (Hag II), Slg. 1990, I-3711; EuGH, Urt. v. 22.6.1994, Rs. C-9/93 – IHT Internationale Heiztechnik und Danzinger (Ideal Standard), Slg. 1994, I-2789. 998 Zur Arbeitnehmerfreizügigkeit: EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921; zur Dienstleistungsfreiheit: EuGH, Urt. v. 25.7.1991, Rs. C-288/89 – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda, Slg. 1991, I-4007; EuGH, Urt. v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 – Kohll, Slg. 1998, I-1931; EuGH, Urt. v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 – Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141; zur Niederlassungsfreiheit: EuGH, Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, I-4165. 999 EuGH, Urt. v. 7.12.1981, Rs. 279/80 – Webb, Slg. 1981, 3305 Rdnr. 17. Hervorhebung hinzugefügt. Siehe zur Niederlassungsfreiheit: EuGH, Urt. v. 7.5.1991, Rs. C-340/89, Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357, Rdnr. 15; Für die Warenverkehrsfreiheit bereits EuGH, Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78 – Rewe-Zentral („Cassis de Dijon“), Slg. 1979, 649.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

251

Schranken-Schranken der Verhältnismäßigkeit1000 zu genügen haben, hat der EuGH endgültig in der Rechtssache Gebhard wie folgt zusammengefaßt1001: „Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich […], daß nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten bei der Anwendung ihrer nationalen Vorschriften nicht die Kenntnisse und Qualifikationen außer acht lassen, die der Betroffene bereits in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat.“

In dieses Gebäude von Beschränkungsverboten, welche im wesentlichen durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip moderiert werden, wurden indes – von neuen, tastenden Versuchen abgesehen1002 – keine greifbaren Ebenen objektiver Normgehalte oder positiver Schutzfunktionen1003 eingefügt. Vielmehr wurde der individuell-defensive, (mitglied-)staatsabschirmende und negatorische Charakter1004 als Effektuierung der Grundfreiheiten jeweils stillschweigend jeglichem verbindlichen Normcharakter zugesprochen. Der durchweg individualrechtliche Gehalt wurde zwar teilweise angesprochen. Dies geschah aber rein affirmativ. Nähere inhaltliche Kriterien wurden hierbei weitgehend für nicht notwendig erachtet1005.

___________ 1000

„Übermaßverbot“ und „Verhältnismäßigkeitsprinzip“ wird vom EuGH nicht unterschieden. Dieser benutzt nur letzteren Begriff. Auch im deutschen Recht werden die Begriffe teilweise synonym gebraucht, vgl. dazu M. Sachs, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 20 Rdnr. 145 m.w.N. 1001 EuGH, Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, I-4165 Rdnr. 37 f. 1002 EuGH, Urt. v. 9.12.1997, Rs. C-265/95 – Kommission / Frankreich (Agrarblockaden), Slg. 1997, I-6959. 1003 L. Jaeckel, Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, 2001, S. 244 ff.; wegen des Mangels konkreter Achtungspflichten vorsichtig: R. Scholz / S. Langer, Europäischer Binnenmarkt und Energiepolitik, 1992, S. 69; zweifelnd auch: M. Jarvis, CMLRev. 35 (1998), S. 1371 [1382]. 1004 In bezug auf die grundfreiheitlichen Unterlassungsverpflichtungen: P. Behrens, Jura 1989, S. 561 [563]: „Rechte auf einen staatlichen Regelungsverzicht“. 1005 Vgl. T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [482 ff.]; P. Pescatore, ELRev. 1983, S. 155 [174 ff.]; M. Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342 ff. Dem entspricht die Sichtweise, die bestmögliche individuelle Durchsetzbarkeit dieser Rechte den Rechten selbst zu entnehmen. In diesem Sinn: EuGH, Urt. v. 15.10.1987, Rs. 222/86 – UNECTEF, Slg. 1987, 4097.

252

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

v) Expansion individualrechtlicher Gehalte – die Vergrößerung des Kreises von Berechtigten und Adressaten ) Die Berechtigten Es fügt sich in dieses Bild, daß der Kreis der Berechtigten „spiegelbildlich“1006 erweitert wurde. Ein italienischer Tourist kann sich aufgrund eines Vertrages mit einem italienischen Reiseunternehmen nach Spanien begeben und sich gegenüber den dortigen Behörden auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, wenn ihm ein spanischer Reiseführer statt des mitgereisten italienischen aufgezwungen werden soll1007. Er hat aber auch das Recht, dort die Dienstleistung eines spanischen Reiseführers in Anspruch zu nehmen1008. All dies gehört mittlerweile zum „aquis communautaire der juristischen Ausbildung“. Es stellt aber keineswegs ein Ergebnis dar, welches sich bei unvoreingenommener Lektüre

___________ 1006

S. 6. 1007

A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003,

Der sachliche Schutzbereich der Dienstleitungsfreiheit umfaßt sowohl den (Normal-)Fall, daß sich der Dienstleistungserbringer in grenzüberschreitender Weise zum Empfänger begibt (etwa EuGH, Urt. v. 3.12.1974, Rs. 33/74 – van Binsbergen, Slg. 1974, 1299) als auch umgekehrt den Fall, daß sich der Dienstleistungsempfänger in grenzüberschreitender Weise zum Erbringer der Dienstleistung begibt (EuGH, Urt. v. 31.1.1984, Rs. 286/82 u. 26/83 – Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377). Möglich ist aber auch, daß Empfänger und Erbringer im gleichen Mitgliedstaat ansässig sind, aber die Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden soll (so: EuGH, Urt. v. 1.7.1993, Rs. C-20/92 – Hubbard, Slg. 1993, I-3777 [I-3794]), oder nur die Dienstleistung selbst die Grenze überschreitet (sog. Korrespondenzdienstleistung, vgl. EuGH, Urt. v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 – Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141). Entscheidend ist sachlich nur der „grenzüberschreitende Charakter“ der Dienstleistung (EuGH, Urt. v. 26.4.1988, Rs. 325/85 – Bond van Adverteerders, Slg. 1988, 2085 [2130]). Wegen der fehlenden Unterscheidung zwischen persönlichem und sachlichem Schutzbereich durch die Rechtsprechung treffend: W. Kluth, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 50 Rdnr. 27 f.: „Dienstleistungsempfangsfreiheit“. 1008 Zur sog. negativen Dienstleistungsfreiheit (Dienstleistungsempfänger begibt sich in grenzüberschreitender Weise zum Erbringer der Dienstleistung) EuGH, Urt. v. 26.2.1991, Rs. C-180/89 – Kommission / Italien, Slg. 1991, I-709; EuGH, Urt. v. 31.1.1984, Rs. 286/82 u. 26/83 – Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377: Die italienischen Staatsangehörigen Luisi und Carbone wurden von den italienischen Behörden wegen der Ausfuhr ausländischer Devisen zu touristischen Zwecken verfolgt. Deren Höhe überschritt den nach den seinerzeit geltenden italienischen Rechtsvorschriften zulässigen Wert. Der EuGH war der Auffassung, daß die Devisentransfers zu touristischen Zwecken als „laufende Zahlungen“ i.S.v. Art. 106 EWGV einzuordnen seien (die nach Ablauf der Umsetzungsfrist seit dem 1.1.1970 liberalisiert waren) und keinen „Kapitalverkehr“ darstellten (der damals noch nicht liberalisiert war). Die Entscheidung erregte damals großes Aufsehen, vgl. E. Tichadou, Der Schutz des Touristen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ZEuS 2002, S. 299 Fn. 18.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

253

des Art. 49 Abs. 1 EG ohne weiteres ergibt1009. Die Erweiterung des Schutzbereiches begründete der EuGH im Fall der Dienstleistungsfreiheit mit dem Ziel, „jede gegen Entgelt geleistete Tätigkeit, die nicht unter den freien Waren- und Kapitalverkehr und unter die Freizügigkeit der Personen fällt, zu liberalisieren.“1010

Ähnliche Begründungslinien finden sich auch für die Möglichkeit der Arbeitgeber, sich auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu berufen. So befand der EuGH in der Rechtssache Clean Car Autoservice1011 in bezug auf Art. 39 Abs. 1 EG: „Diese Rechte stehen zweifellos den unmittelbar genannten Personen, den Arbeitnehmern, zu. Andererseits ist Artikel 48 kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß sich nicht auch andere Personen, insbesondere Arbeitgeber, auf sie berufen könnten. Zudem kann das Recht der Arbeitnehmer, bei Einstellung und Beschäftigung nicht diskriminiert zu werden, nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn die Arbeitgeber ein entsprechendes Recht darauf haben, Arbeitnehmer nach Maßgabe der Bestimmungen über die Freizügigkeit einstellen zu können.“1012

Die Grundfreiheiten schützen somit – vorbehaltlich gewisser Staatsangehörigkeits- und Ansässigkeitserfordernisse1013 – persönlich „alle an den jeweiligen gemeinschaftsrechtlich relevanten ‚Interaktionen‘ unmittelbar beteiligten Perso-

___________ 1009 Nach EuGH, Urt. v. 2.2.1989, Rs. 186/87 – Cowan, Slg. 1989, 195 hat man als britischer Staatsangehöriger – so man nach Verlassen der Pariser Metro zusammengeschlagen wird – in gleicher Weise wie Franzosen und Inhaber einer carte de résident Anspruch auf Opferentschädigung. Auch diese ist keine ohne weiteres zwingende Folge der Eigenschaft, Dienstleistungsempfänger des Nahverkehrssystems eines anderen Mitgliedstaats zu sein. 1010 EuGH, Urt. v. 31.1.1984, Rs. 286/82 u. 26/83 – Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377 [401]; A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 7. Zum Schutz der Vertragspartner durch die Niederlassungsfreiheit vgl. A. Glos, a. a. O., S. 16. 1011 EuGH, Urt. v. 7.5.1998, Rs. C-350/96 – Clean Car Autoservice, Slg. 1998, I-2521. 1012 EuGH, Urt. v. 7.5.1998, Rs. C-350/96 – Clean Car Autoservice, Slg. 1998, I-2521 Rdnr. 19, 20. Zu der weiteren – äußerst problematischen – Argumentation im Hinblick auf Art. 39 Abs. 3 EG in diesem Urteil, welche auf EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921 gestützt wird siehe: A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 14 f. 1013 A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 17 ff. Auch diese werden weit ausgelegt, vgl. EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-60/00 – Carpenter, Slg. 2002, I-6279: Eine nicht dem Anwendungsbereich der RL 73/148/EWG unterfallende philippinische Staatsangehörige kann sich für ihr Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich auf Art. 49 EG berufen, weil ihr Ehegatte als dessen Staatsangehöriger Dienstleistungen für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Empfänger erbringt. Näher: U. Mager, JZ 2003, S. 204 ff. und unten Zweites Kapitel – C.III.2.b)(1)(b)iii) ), S. 397 f. 

254

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

nengruppen“1014, nicht nur Produzenten, sondern auch Verbraucher, nicht nur Anbieter, sondern auch Nachfrager1015, bei personenbezogenen Freiheiten allgemein gesprochen die jeweilige Marktgegenseite. 

) Die Verpflichteten

Die die Grundfreiheiten normierenden Artikel des EG stellen bestimmte Achtungspflichten auf, ohne explizit die Mitgliedstaaten als Adressaten zu benennen1016. Daß die Grundfreiheiten primär die „Hohen Vertragsparteien“ mit ihren Gliedstaaten1017 und allen drei Staatsgewalten1018 zum Adressaten haben, ist eine Selbstverständlichkeit, die eines Rückgriffs auf Art. 10 EG wohl nicht bedarf1019. Die grundfreiheitlichen Achtungspflichten – sei es durch Tun oder Unterlassen1020 – treffen so die unmittelbare wie die mittelbare Staatsverwaltung1021, insbesondere Gemeinden1022, aber auch sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts1023. Überdies gilt nach der Rechtsprechung ___________ 1014 A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 16. Mit Verweis auf die Formulierung bei H. Jarass, EuR 2000, S. 705 [708 ff.]. 1015 P. Behrens, EuR 1992, S. 145 [160]. 1016 Vgl. zum folgenden umfassend A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 64 ff. Dieser weist auch darauf hin, a. a. O., S. 64 Fn. 294, daß Art. 25 EG in seiner Formulierung den Art. 23 und 28 EG angepaßt wurde und damit die sprachliche Eindeutigkeit des alten Art. 12 EGV verloren hat. 1017 P.-C. Müller-Graff, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 30 Rdnr. 289; EuGH, Urt. v. 9.7.1992, Rs. C-2/90 – Kommission / Belgien, Slg. 1992, I-4431 (Region Wallonien). 1018 A. Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 28 Rdnr. 44. 1019 Darstellung zum Meinungsstand bei A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 64 Fn. 296. 1020 EuGH, Urt. v. 9.12.1997, Rs. C-265/95 – Kommission / Frankreich (Agrarblockaden), Slg. 1997, I-6959. 1021 H. Matthies / R. von Borries, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 1, Art. 30 Rdnr. 5; S. Leible, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Bd. 1, Art. 28 Rdnr. 5; vgl. auch W. Kluth, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 50 Rdnr. 44. 1022 EuGH, Urt. v. 22.9.1988, Rs. 45/87 – Kommission / Irland, Slg. 1988, 4929 [4962]; EuGH, Urt. v. 15.12.1993, verb. Rs. C-277/91, C-318/91 und C-319/91 – Ligur Carni, Genova Carni und Ponente, Slg. 1993, I-6621 [I-6660 f.]. 1023 Vgl. EuGH, Urt. v. 3.2.1977, Rs. 53/76 – Bouhelier, Slg. 1977, 197 [203] (Centre Technique de l’Industrie Horlogère, eine öffentliche Anstalt zur Qualitätszertifizierung bei zum Export bestimmten Uhren und Uhrwerken); EuGH, Urt. v. 13.12.1983, Rs. 222/82 – Apple and Pear Development Council, Slg. 1983, 4083 [4118 ff.] (durch Verordnung errichtete und durch Pflichtabgabe finanzierte Körperschaft zur Förderung der Apfel- und Birnenerzeugung); EuGH, Urt. v. 18.5.1989, verb. Rs. 266 und 267/87 – Association of Pharmaceutical Importers, Slg. 1989, 1295 [1327] (Royal Pharmaceutical Society of Great Britain); EuGH, Urt. v. 15.12.1993, Rs. C-292/92 – Hünermund, Slg.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

255

„[…] das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen sowie von Maßnahmen gleicher Wirkung nicht nur für nationale Maßnahmen, sondern auch für Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane.“1024

Die Bindung der Gemeinschaften ist im Detail noch nicht eindeutig geklärt1025; die Unterschiede zur Bindung der Mitgliedstaaten dürften sich aber mit der rechtstheoretischen Einteilung von Regeln und Prinzipen erfassen lassen1026. Die Grundfreiheiten selbst stellen sich aufgrund der dargestellten Dogmatik von Schutzbereich und von durch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit moderiertem Schrankenbereich als relative, von der Anwendbarkeit und Realisierbarkeit gegenläufiger Vertragsziele abhängige Optimierungsgebote, mithin also als Prinzipien dar1027. Sie stellen als Normen, denen ein Prinzip zu entnehmen ist, zugleich ein Minimalniveau sicher, welches durch das nationale Recht nicht unterschritten werden darf1028. In dieser Funktion kommt ihnen Regelgehalt zu1029. Ein Prinzip kann seine Funktion als Optimierungsgebot aber um so stärker ausüben, je höher es normhierarchisch angesiedelt ist. Aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts kommt den Grundfreiheiten auf der Ebene der gemeinschaftsrechtlichen Rechtssetzung stärkerer Prinzipiengehalt zu, als dies gegenüber Rechtsakten der Mitgliedstaaten der Fall ist1030. Denn der ___________ 1993 I-6787 [I-6821 f.] (Landesapothekerkammer). Zur Sonderproblematik der Anwendbarkeit des EGV auf Kirchen siehe: A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rdnr. 759; T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 208, sowie G. Robbers, in: Listl / Pirson, HStKR, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 9 S. 315 ff. 1024 EuGH, Urt. v. 9.8.1994, Rs. C-51/93 – Meyhui, Slg. 1994, I-3879 Rdnr. 11. Unklar noch: EuGH, Urt. v. 20.4.1978, verb. Rs. 80 und 81/77 – Les Commissionnaires Réunis und Les fils de Henri Ramel, Slg. 1978, 927; erstmals ausdrücklich: EuGH, Urt. v. 17.5.1984, Rs. 15/83 – Denkavit Nederland, Slg. 1984, 2171, Rdnr. 15. Sodann st. Rspr.: EuGH, Urt. v. 11.7.1996, verb. Rs. C-427/93, C-429/93 und C-436/93 – Bristol-Myers Squibb, Boehringer Ingelheim u.a. und Bayer u.a., Slg. 1996, I-3457, Rdnr. 36; EuGH, Urt. v. 25.6.1997, Rs. C-114/96 – Kieffer und Thill, Slg. 1997, I-3629 Rdnr. 27. Siehe auch Schlußanträge von GA M. B. Elmer v. 27.2.1997 zu EuGH, Urt. v. 25.6.1997, Rs. C-114/96 – Kieffer und Thill, Slg. 1997, I-3629 Rdnr. 34. 1025 Vgl. R.-O. Schwemer, Die Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers an die Grundfreiheiten, 1995, S. 25 ff.; A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 81 ff. 1026 Vgl. dazu: S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 51 ff., 181. Eine Norm kann gleichzeitig als Regel und als Prinzip wirken. Vgl. auch J. Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 4. Aufl. 1990, S. 51 ff., 93 ff.; R. Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 22 ff. 1027 W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 276 ff. 1028 Vgl. P. Oliver, C.D.E. 1992, S. 348 [372]. 1029 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 109. 1030 Treffend daher, wenn H. Matthies / R. von Borries, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 1, Art. 30 Rdnr. 43 von einer „Bindung an den Grundsatz des freien Waren-

256

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

gleichrangige normative Gehalt der verschiedenen Vertragsziele der Gemeinschaft, Art. 2 EG, macht es notwendig, den Mangel an Hierarchie durch die gegenläufige Wirkkraft der beteiligten Vorschriften zu ersetzen1031. Die Bindung an Prinzipien ist aber weniger streng als der Anwendungsvorrang. Für die Gemeinschaft selbst „[…] besteht daher keine Bindung […], die mit der Bindung der Mitgliedstaaten vergleichbar wäre“1032,

wohl aber eine Bindung an die den Grundfreiheiten als Optimierungsgeboten immanente Realisierungsverpflichtung. Die Problematik der Bindung von Privaten an die Grundfreiheiten1033 hat der EuGH erst vor wenigen Jahren direkt beantwortet1034. Die grundsätzliche Kon___________ verkehrs sprechen“, undeutlich: A. Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 28 Rdnr. 45: „den Gemeinschaftsorganen ist es untersagt, Handelshemmnisse zu errichten“. Das wäre nur der Fall, wenn Art. 28 in bezug auf die Organe als Regel zu verstehen wäre. Wohl unzutreffend: U. Wölker, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 48 Rdnr. 16, der ohne Begründung neben den Mitgliedstaaten auch den Gemeinschaftsgesetzgeber an Art. 39 EG binden will. Eine andere Frage ist, ob man mit J. Ukrow, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 2 Rdnr. 28 dem Gemeinsamen Markt „im Zweifel Vorrang vor sonstigen Zielen“ einräumen will. Dagegen R.-O. Schwemer, Die Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers an die Grundfreiheiten, 1995, S. 44, 51. 1031 Vgl. zu den möglichen Zielkonflikten EuGH, Urt. v. 29.10.1980, Rs. 139/79 – Maizena / Rat, Slg. 1980, 3393 [3421]: „Die Verfasser des Vertrages waren sich dessen bewußt, daß die gleichzeitige Verfolgung dieser beiden Ziele [unverfälschter Wettbewerb und gemeinsame Agrarpolitik] zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Umständen schwierig sein könnte.“ Instruktiv hierzu auch: J. Basedow, in: FS für Ulrich Everling, 1995, Bd. 1, S. 49 [57 ff.] mit seiner Differenzierung zwischen Fern- und Nahzielen. Die in EuGH, Urt. v. 5.5.1982, Rs. 15/81 – Gaston Schul Douane Expediteur, Slg. 1982, 1409 Rdnr. 33 geäußerte Auffassung, die Schaffung des Gemeinsamen Marktes gehe den anderen Vertragszielen vor, hat der EuGH später nicht mehr explizit vertreten. Vgl. dazu: W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 288. 1032 A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 85. Hervorhebung hinzugefügt. Dieser weist auf zwei wichtige Umstände hin: zum einen könne eine gemeinschaftsrechtliche Norm, welche beispielsweise in die Niederlassungsfreiheit eingreift, gegen die Gemeinschaftsgrundrechte, etwa die Berufsfreiheit oder das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen. Die Frage nach der Bindung an die Grundfreiheiten verliere daher an Bedeutung. Zum anderen schließt er aus dem Prinzipiencharakter und dem Vergleich zum deutschen Sozialstaatsprinzip, daß sich unmittelbar individuelle Rechte gegenüber der Gemeinschaft aus den Grundfreiheiten nicht ableiten lassen, a. a. O., mit Fn. 435, 436. Hierauf wird zurückzukommen sein, unten, Zweites Kapitel – C.III.2.a), S. 368 ff. 1033 Monographisch dazu: T. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000; M. Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997. 1034 EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921; EuGH, Urt. v. 6.6.2000, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. 2000, I-4139 jeweils zu Art. 39 EG.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

257

gruenz zwischen gemeinschaftsrechtlichen Achtungspflichten und individuellen Rechten wurde schon in der Rechtssache Van Gend en Loos angedeutet1035: „[…] Rechte entstehen nicht nur, wenn der Vertrag dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch aufgrund von eindeutigen Verpflichtungen, die der Vertrag den einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Gemeinschaft auferlegt.“

So betrachtet eignet dem Gemeinschaftsrecht generell die Fähigkeit, individuelle Rechte aufgrund eindeutiger Verpflichtungen anderer, auch anderer einzelner zu verleihen; folglich kann es andere einzelne auch unmittelbar verpflichten. Bestätigt wurde diese Linie in der Rechtssache Defrenne II1036. Danach, „[…] schließt die Tatsache, daß bestimmte Vertragsvorschriften ausdrücklich die Mitgliedstaaten ansprechen, nicht aus, daß zugleich allen an der Einhaltung der so umschriebenen Pflichten interessierten Privatpersonen Rechte verliehen sein können.“

Gefolgert wurde daraus, daß Art. 141 EG auch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unmittelbar anwendbar ist. Die Frage, ob sich daraus ableiten ließ, daß sich auch aus den Grundfreiheiten unmittelbare Verpflichtungen einzelner und damit korrespondierende Rechte ergäben, war aufgrund der Besonderheiten von Art. 141 EG1037 aber nicht zu beantworten. Insbesondere die zu den deutschen Grundrechten entwickelte Dogmatik einer nur „mittelbaren Drittwirkung“ der Grundrechte und ihrer Ausstrahlungswirkung über die privatrechtlichen Generalklauseln1038 führte zu einer überwiegend1039 ablehnenden Haltung ___________ 1035

EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [25]. 1036 EuGH, Urt. v. 8.4.1976, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, 455 Rdnr. 30, 34. 1037 Der Grundsatz der Lohngleichheit ist wegen der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Systeme kollektiver Lohnfindung der staatlichen Einflußnahme in graduell unterschiedlich entzogen. Vgl. auch Art. 7 Abs. 4 VO 1612/68/EWG: Die Tatsache, daß diese Bestimmung unmittelbare Verpflichtungen auch für Private aufstellt, läßt keine Rückschlüsse auf die Grundfreiheit des Art. 39 EG selbst zu. Es entspricht ja gerade dem Wesen einer Verordnung, daß sie auch Pflichten für den einzelnen aufstellen kann. Die VO konkretisiert die Arbeitnehmerfreizügigkeit für das Privatrecht in einem speziellen Bereich, weswegen sich der Marktbürger bei diskriminierenden Kollektivvereinbarungen unmittelbar auf Art. 7 Abs. 4 VO 1612/68/EWG (nicht aber auf Art. 39 EG) stützen kann. Näher dazu: A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 109. Art. 141 EG erstreckt sich ohnehin „auf alle Verträge zwischen Privatpersonen“, EuGH, Urt. v. 7.2.1991, Rs. C-184/89 – Nimz, Slg. 1991, I297 Rdnr. 11. 1038 BVerfG, Urt. v. 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 [204 ff.] („Lüth“); BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 [232 f.]. Die anfängliche Befürwortung einer unmittelbaren Drittwirkung durch das BAG (etwa BAG, Urt. v. 15.1.1955, 1 AZR 305/54, BAGE 1, 258; vgl. weitere Nachweise bei T. Dieterich, in: Erfurter Kommentar, 3. Aufl. 2003, GG, Einleitung Rdnr. 17) hat dieses später wieder aufgegeben, BAG GS, Beschl. v. 27.2.1985, GS 1/84, BAGE 48, 122 [138 f.].

258

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

in der Literatur1040. Der EuGH nahm indes nach und nach eine unmittelbare Bindung Dritter an die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Dienstleistungsfreiheit sowie das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG an1041. Denn – so der EuGH in der Rechtssache Haug-Adrion – das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG und die es konkretisierenden speziellen Diskriminierungsverbote der Art. 39 und 49 EG haben „[…] die Beseitigung aller Maßnahmen zum Ziel […], die auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Dienstleistungsfreiheit Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates strenger behandeln oder sie gegenüber eigenen Staatsangehörigen, die sich in derselben Lage befinden, rechtlich oder tatsächlich benachteiligen.“1042

___________ 1039 Die Drittwirkung der Art. 39, 43 und 49 EG bei Kollektivregelungen wurde weitgehend als sachgerecht angesehen: W. Brechmann, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 39 Rdnr. 51; U. Wölker, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 48 Rdnr. 16; P. Troberg, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 52 Rdnr. 30; P. Troberg, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 59 Rdnr. 46; W.-H. Roth, in: FS für Ulrich Everling, 1995, Bd. 2, S. 1231 [1239 f.]. 1040 A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 111; R. Streinz / S. Leible, EuZW 2000, S. 459 [464 ff.]; W. Kluth, AöR Bd. 122 (1997), S. 556 [566 ff.]; T. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 195 ff.; für Art. 28 EG A. Epiney, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 28 Rdnr. 46; H. Matthies / R. von Borries, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 1, Art. 30 Rdnr. 43; S. Leible, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Bd. 1, Art. 28 Rdnr. 44; W. Kluth, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 49 / 50 Rdnr. 44 ff. Für eine umfassende Drittwirkung hingegen: T. Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 220 f.; E. Steindorff, in: FS für Peter Lerche, 1993, S. 575 ff. 1041 Zu Art. 39 und 49 EG: EuGH, Urt. v. 12.12.1974, Rs. 36/74 – Walrave und Koch, Slg. 1974, 1405 [1419]; EuGH, Urt. v. 14.7.1976, Rs. 13/76 – Donà, Slg. 1976, 1333 [1340]; EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921 [I-5066]; EuGH, Urt. v. 11.4.2000, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège u.a. und Pacquée, Slg. 2000, I-2549 Rdnr. 47; EuGH, Urt. v. 13.4.2000, Rs. C-176/96 – Lethonen und Castors Canada Dry Namur-Braine ASBL, Slg. 2000, I-2681 Rdnr. 35. Vgl. auch Rdnr. 44 ff. der Schlußanträge von GA S. Alber v. 22.6.1999 zum letztgenannten Urteil. 1042 EuGH, Urt. v. 13.12.1984, Rs. 251/83 – Haug-Adrion, Slg. 1984, 4277 [4288]. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 9.6.1977, Rs. 90/76 – Ufficio Henry van Ameyde, Slg. 1977, 1091 [1128] zur Niederlassungsfreiheit: es genügt, „daß sich die Diskriminierung aus einer Regelung gleich welcher Art ergibt, durch die die Ausübung der betreffenden Tätigkeit in allgemeiner Weise geregelt werden soll. In diesem Fall ist es unerheblich, ob die Diskriminierung ihren Ursprung in hoheitlichen Maßnahmen oder aber in Handlungen hat, welche den nationalen Versicherungsbüros […] zuzurechnen sind“. Damit kontrastieren Ausführungen wie „Eine Körperschaft […] kann […] nicht dieselbe Freiheit genießen, wie die Erzeuger selbst oder wie freiwillige Erzeugergemeinschaften“ (EuGH, Urt. v. 13.12.1983, Rs. 222/82 – Apple and Pear Development Council, Slg. 1983, 4083 Rdnr. 17. Hervorhebung hinzugefügt.).

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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In einem Großteil der Fälle standen indes entweder Maßnahmen privatrechtlicher Vereinigungen zur kollektiven Interessenwahrnehmung zur Diskussion, etwa Satzungen von Verbänden über Arbeits- und Transferbedingungen, oder aber staatlich genehmigte Vertragsbedingungen privater Unternehmen, insbesondere von Versicherungen1043. In der Rechtssache Angonese1044 sprach der EuGH dann explizit aus, daß zumindest die Arbeitnehmerfreizügigkeit Private binde. Dem Urteil lag – wie in der Rechtssache Keck und Mithouard1045 – eine Konstellation zugrunde, die bereits Zweifel an der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts erweckte1046, was den EuGH indes nicht davon abhielt, die Frage zu klären; gelegentlich gehen deutsche Gerichte bei Grundsatzentscheidungen ähnlich schneidig vor1047. Hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit übte der EuGH größere Zurückhaltung1048 und löste die Frage der Vereinbarkeit potentiell den Warenverkehr behindernder Vertragsabreden über Art. 81 ff. EG1049. ___________ 1043

R. Streinz / S. Leible, EuZW 2000, S. 459. Die Literatur ging denn auch davon aus, die Rechtsprechung beschränke sich auf Institutionen mit „quasi-staatlichen Gewaltbefugnissen“, so: W.-H. Roth, in: FS für Ulrich Everling, 1995, Bd. 2, S. 1231 [1239 f.]; M. Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 83; N. Reich, Bürgerrechte in der Europäischen Union, 1999, S. 74; vgl. auch C. O. Lenz, in: Lenz, EGV, 2. Aufl. 1999, Art. 12 Rdnr. 11 („individuelle Machtausübung“). 1044 EuGH, Urt. v. 6.6.2000, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. 2000, I-4139. 1045 EuGH, Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267 und 268/91 – Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097. 1046 Herr Angonese, italienischer Staatsangehöriger deutscher Muttersprache und von Geburt an Bewohner der Provinz Bozen hatte von 1993–1997 in Österreich studiert und sich sodann um die Teilnahme an einem Auswahlverfahren für eine Stelle bei einer Bankgesellschaft in Bozen beworben. Zu den Bedingungen für die Zulassung gehörte der Besitz einer ursprünglich für den Zugang zum öffentlichen Dienst vorgeschriebenen Zweisprachigkeitsbescheinigung (Italienisch / Deutsch). Diese wird von der Verwaltung der Provinz Bozen nach einer Prüfung ausgestellt, die nur dort durchgeführt wird und die der perfekt zweisprachige Bewerber nicht vorweisen konnte. Er hatte sich vor dem nationalen Gericht dagegen gewehrt, aus diesem Grund nicht zugelassen worden zu sein. GA N. Fenelly hat in den Schlußanträgen v. 25.11.1999 zu EuGH, Urt. v. 6.6.2000, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. 2000, I-4139 Rdnr. 9 ff., 14 ff., 44 den gemeinschaftsrechtlichen Anknüpfungspunkt mit guten Gründen verneint. Der EuGH, a. a. O., Rdnr. 40 ff., sah darin hingegen eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung. 1047 Vgl. zur Darstellung der prozessualen Vorgeschichte von BVerfG, Beschl. v. 15.7.1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 („Naßauskiesung“) bei J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 12 f. 1048 EuGH, Urt. v. 1.10.1987, Rs. 311/85 – Vereniging van Vlaamse Reisbureaus, Slg. 1987, 3801 Rdnr. 30 „Da sich die Artikel 30 und 34 EWG-Vertrag [heute: Art. 28, 29 EG] nur auf staatliche Maßnahmen und nicht auf Verhaltensweisen von Unternehmen beziehen […]“. R. Streinz / S. Leible, EuZW 2000, S. 459 [460] weisen zutreffend auf den Einzelfallcharakter der Ausführungen in EuGH, Urt. v. 22.1.1981, Rs. 58/80 – Dansk Supermarked, Slg. 1981, 181 [195] hin, einer Entscheidung der verschiedentlich eine unmittelbare Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit entnommen worden ist, so

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Die Drittwirkung der Grundfreiheiten wird im Bereich des Privatrechts dadurch entschärft, daß alle mitgliedstaatlichen Normen, die die Privatautonomie zu Lasten des innergemeinschaftlichen Leistungsaustauschs unverhältnismäßig beschränken, mit den Grundfreiheiten konfligieren1050. Die Beschränkung geht von der Norm aus; wer sich auf sie beruft, ist unerheblich. Sollte es etwa als unverhältnismäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit einzustufen sein, wenn eine französische Bank ein Darlehen gegen nantissement du fonds de commerce1051 in Deutschland nicht anbieten kann, so resultiert diese Beschränkung aus dem sachenrechtlichen numerus clausus1052. Diese Feststellung hat insbesondere für die wettbewerbsrechtlichen Generalklauseln Bedeutung1053. Das expansive Vorgehen des EuGH vermag hier nicht abschließend gewürdigt zu werden1054. Die dargestellten Linien bestätigen aber für den Bereich der Grundfreiheiten den Befund, daß die unmittelbare Anwendbarkeit – die Justiziabilität – einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift gekoppelt mit einer dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschrift weniger verpflichteten und vorrangig der Durchsetzung gemeinschaftlicher Ziele verbundenen Auslegung entscheidendes – wenn auch nicht alleiniges – Kriterium der Annahme eines individuellen Rechts darstellt. vi) Schlußfolgerungen Zusammenfassend hat die Judikatur des EuGH zu den Grundfreiheiten auf dem Fundament der ursprünglich als Diskriminierungsverbote angelegten Grundfreiheiten ein Gebäude von durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip moderierten Beschränkungsverboten errichtet. Innerhalb dessen bestehen bemer___________ von E. Steindorff, in: FS für Peter Lerche, 1993, S. 575 [578]; C. Moench, NJW 1982, S. 2689 [2690]. Aber auch in dieser Entscheidung hatte GA F. Capotorti in seinen Schlußanträgen v. 20.11.1980, a. a. O., 201 ff. darauf hingewiesen, daß die Art. 81 ff. EG Prüfungsmaßstab sein müßten; ebenso: W.-H. Roth, in: FS für Ulrich Everling, 1995, Bd. 2, S. 1231 [1236]. Vgl. auch die nachfolgenden Nachweise in Fn. 1049. 1049 R. Streinz / S. Leible, EuZW 2000, S. 459 [460]; EuGH, Urt. v. 27.9.1988, Rs. 65/86 – Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, Slg. 1988, 5249 Rdnr. 12. 1050 R. Streinz / S. Leible, EuZW 2000, S. 459 [465 f.]; umfassend: O. Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003. 1051 Gegen Bestellung eines Pfandrechts am Gesamtunternehmen (Art. L. 142-1 ff. Code du Commerce v. 15.9.1807). 1052 Vgl. P. Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2 [6]. Ein ähnliches Instrument ist die „floating charge“ in England. Dazu: F. Baur / R. Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 36 Rdnr. 129. Zu den Bemühungen auf Gemeinschaftsebene vgl. grundlegend O. Stöcker, Die „Eurohypothek“, 1992. 1053 R. Streinz / S. Leible, EuZW 2000, S. 459 [465 f.]. 1054 Siehe dazu A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 81 ff., 101 ff., 111.

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kenswert wenige Aussparungen; Stichworte sind Keck und Mithouard1055, Krantz1056, Bosman1057 und Graf1058. Die durchweg individualrechtliche Ausgestaltung erweist sich als Grund und Folge der skizzierten Entwicklung. Denn insbesondere die vorrangig der Durchsetzung gemeinschaftlicher Ziele verpflichtete „spiegelbildliche“ Erweiterung machte deutlich, daß es nach dem durch den EuGH entwickelten gemeinschaftsrechtlichem Normverständnis für die Ermittlung des individualrechtlichen Gehalts nicht auf die Zwecksetzung der Normen ankam, sondern der individualbegünstigenden Wirkung der Norm die entscheidende Rolle zukam. Dies wurde durch die breite Auslegung des sachlichen Schutzbereiches noch verstärkt: Denn je weiter ein sachlicher Schutzbereich reicht, als desto umfangreicher erweisen sich auch die begünstigenden Wirkungen einer Norm und damit das Potential individueller Rechte. Damit liegt es nahe, die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Norm als hinreichender Voraussetzung für die Begründung individueller Rechte1059 positiv zu beantworten; eine Schlußfolgerung, die die Literatur denn auch teilweise in dieser Allgemeinheit gezogen hat1060. Differenziertere Stellungnahmen verweisen darauf, daß es einer „materiellrechtlichen Absicherung“1061 im Norminhalt in der Tat nicht bedürfe; allerdings könne auch das Gemeinschaftsrecht der Frage nach den materiellen und personalen Bedingungen dieser unmittelbaren Anwendbarkeit für den einzelnen nicht ausweichen1062. Der einzelne darf in bezug auf die gemeinschaftsrechtlichen Achtungspflichten nach der „Butterfahrten“-Entscheidung1063 nämlich

___________ 1055 EuGH, Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267 und 268/91 – Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097. 1056 EuGH, Urt. v. 7.3.1990, Rs. 69/88 – Krantz, Slg. 1990, I-583 Rdnr. 11. 1057 EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921 Rdnr. 103. 1058 EuGH, Urt. v. 27.1.2000, Rs. C-190/98 – Graf, Slg. 2000, I-493 Rdnr. 25. 1059 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(d)i), S. 246. 1060 Siehe nur: T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [482]; T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 246; vorsichtiger: M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 97. 1061 M. Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 [71]; M. Ruffert, CMLRev. 34 (1997), S. 307 [321] (für Richtlinien). 1062 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 80 f., 370 f. B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 258 ff. 1063 EuGH, Urt. v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, 1805 [1838]. Näher zu diesem Urteil unten, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(1), S. 302. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, 216 [217]: „[…] daß sich die Vertragsvorschrift […] ihrem Wesen nach dazu eignet“ Rechte zu erzeugen.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

nicht nur Außenstehender sein; eine actio popularis ist auch dem Gemeinschaftsrecht fremd1064. Diese materiellen und personalen Bedingungen lassen sich der Judikatur zu den Grundfreiheiten aber nicht allein entnehmen. Sie operiert mit lediglich punktuellen Aussparungen im Schutzbereich1065 bei ansonsten umfassender Berechtigung aller an den jeweiligen „gemeinschaftsrechtlich relevanten ‚Interaktionen‘ unmittelbar beteiligten Personengruppen“1066. Insoweit erscheint diese Rechtsprechung als zu wenig trennscharf. Die Kriterien waren daher in der Zusammenschau mit anderen Gemeinschaftsrechtsakten zu entwickeln. (e) Prätorischer Grundrechtsschutz und Europäische Charta der Grundrechte Die Bedeutung individueller Rechte als qualifizierendes Merkmal der Gemeinschaftsrechtsordnung1067 hat sich neben den Grundfreiheiten insbesondere in der Rechtsprechung des EuGH zum Grundrechtsschutz manifestiert. i) Anerkennung und Entfaltung Die gemeinschaftliche Grundrechtsordnung1068 ist immer noch im wesentlichen prätorisch1069. Sie hat sich erst auf der Grundlage einer ständigen Recht___________ 1064 EuGH, Urt. v. 24.2.1994, Rs. C-343/92 – De Weerd geb. Roks u.a., Slg. 1994, I-571 Rdnr. 41 f. mit der (sozialpolitisch motivierten) Präzisierung, daß „Personen, die durch die Auswirkungen einer nationalen Bestimmung betroffen sind, durch die eine andere Person diskriminiert wird, die ihrerseits in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, berechtigt sind, sich auf diese Richtlinie zu berufen“. Deutlicher: EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757 Rdnr. 23. 1065 Siehe die Nachweise, oben, Fn. 1055–1058. 1066 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(d)v) ), S. 254 mit Fn. 1014. 1067 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 64 ff., 67 f. 1068 In der Darstellung wird auch weiterhin zwischen Grundrechten und Grundfreiheiten unterschieden. Wer, wie etwa B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 64 ff., die Grundfreiheiten als „echte Freiheitsrechte“ einordnet und sie damit gedanklich den Gemeinschaftsgrundrechten zuordnet, verwischt deren dogmatische Besonderheiten. Zwar lassen sich die Grundfreiheiten dem Grundrechtsbegriff zuordnen. Wegen ihrer Besonderheiten sind sodann aber wieder Subkategorien unausweichlich, so daß letztlich praktische Gründe dafür sprechen, die Bezeichnung als Grundrechte den „Gemeinschaftsgrundrechten“ vorzubehalten. Dies entspricht auch dem Ansatz der GR-Charta. Vgl. dazu umfassend A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 90 f. Wie hier: Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 11.7.2002 zu EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659 Rdnr. 89 ff. Zu unterscheiden sind die gemeinschaftsrechtlichen

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sprechung des EuGH herausgebildet. Bezeichnend ist, daß die Entwicklung relativ spät einsetzte. Dies erklärt sich teilweise damit, daß erst mit der Klärung der Vorrangfrage des Gemeinschaftsrechts grundrechtliche Fragestellungen wirklich brisant wurden1070, da dieser Vorrang die Kraft der neuen Rechtsordnung voraussetzt, einen Grundrechtsschutz zu gewährleisten, der dem von den nationalen Verfassungen gewährten Schutz gleichwertig ist. Der EuGH hielt sich nicht für befugt, für die Beachtung innerstaatlicher Rechtsvorschriften Sorge zu tragen, möge es sich auch um solche des Verfassungsrechts handeln1071. Gleichzeitig ließ er zunächst nicht erkennen, daß er die geltend gemachten Grundrechte im Gemeinschaftsrecht zu schützen bereit sei, und zog sich auf objektive Grundsätze des Verwaltungsrechts zurück1072; ein – vor allem aus deutscher Perspektive1073 – „höchst unglücklicher Auftakt“ (Christian Tomuschat1074). Mit den Urteilen in den Rechtssachen Stauder1075, Internationale Handelsgesellschaft1076 und Nold / Kommission1077 wurde diese Linie aufgegeben. Als Be___________ Grundfreiheiten von den „Grundfreiheiten“ der EMRK, welche begrifflich den (Gemeinschafts-) Grundrechten zuzuordnen sind. 1069 Begriff von I. Pernice, Eine Grundrechte-Charta für die Europäische Union, Rdnr. 6 und öfter. 1070 Analyse der anfänglichen Zurückhaltung des EuGH bei J. Weiler, in: Bernhardt / Jolowicz, International Enforcement of Human Rights, 1987, S. 113 ff. 1071 EuGH, Urt. v. 15.7.1960, verb. Rs. 36–38/59 und 40/59 – Präsident RuhrkohlenVerkaufsgesellschaft u.a., Slg. 1960, 887 [920] und EuGH, Urt. v. 4.2.1959, Rs. 1/58 – Stork, Slg. 1959, 45 [63]: „Auch der Gerichtshof hat […] lediglich die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrages und seiner Durchführungsbestimmungen zu sichern, im Regelfall sich aber nicht über nationale Rechtsvorschriften auszusprechen. Infolgedessen kann auch auf den Vorwurf, die Hohe Behörde habe […] Grundsätze des deutschen Verfassungsrechts verletzt […] nicht eingegangen werden.“ 1072 Vgl. J. Schwarze, EuGRZ 1986, S. 293 [295]; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 65. 1073 Die Rechtsprechung des BVerfG hat auf die Judikatur erheblichen Einfluß gehabt und hat sie noch. Die Entscheidungen BVerfG, Beschl. v. 29.5.1974, 2 BvL 52/71, BVerfGE 37, 271 („Solange I“) und BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 („Solange II“), geprägt von Zurückhaltung beim Schutz von Grundrechten gegenüber europäischen Rechtsakten, sowie BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 [174 f.] („Maastricht“) mit der Konstruktion eines Wächteramtes im „Kooperationsverhältnis“ und den engen verfassungsprozessualen Voraussetzungen (BVerfG, Beschl. v. 7.6.2000, 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147 ff.) bilden insoweit die Eckpunkte. 1074 C. Tomuschat, in: Ossenbühl, Eigentumsgarantie und Umweltschutz, 1990, S. 47 [55]. 1075 EuGH, Urt. v. 12.11.1969, Rs. 29/69 – Stauder, Slg. 1969, 419. 1076 EuGH, Urt. v. 17.12.1970, Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125. 1077 EuGH, Urt. v. 14.5.1974, Rs. 4/73 – Nold / Kommission, Slg. 1974, 491.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

ginn der Rechtsprechung kann die Entscheidung in der Rechtssache Stauder1078 angesehen werden. Herr Stauder, Empfänger von Kriegsopferfürsorge, sah es als Verletzung seiner Menschenwürde und des Gleichheitssatzes an, bei der Registrierung auf dem Sozialamt der Stadt Ulm zum Kauf von „Weihnachtsbutter“ seinen Namen angeben zu müssen. Auf Vorlage des VG Stuttgart, befand der EuGH zwar, daß schon eine Auslegung der fraglichen Entscheidung der Kommission ergebe, daß eine Nennung des Namens nicht erforderlich sei, stellte aber sodann fest: „Bei dieser Auslegung enthält die streitige Vorschrift nichts, was die in den allgemeinen Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat, enthaltenen Grundrechte der Person in Frage stellen könnte.“

Grundrechten und ihrer Einordnung als allgemeine Rechtsgrundsätze1079 des Gemeinschaftsrechts kommt seither eine zentrale Stellung1080 in der Rechtsprechung des EuGH zu. Gestützt zunächst auf Art. 220 EG, später auf die EMRK als Ausdruck der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten1081 hat der EuGH das Eigentum1082, die Berufsfreiheit1083, die Vereinigungs-1084 und Religionsfreiheit1085 und andere Grundrechte1086 als Teil der Ge___________ 1078 EuGH, Urt. v. 12.11.1969, Rs. 29/69 – Stauder, Slg. 1969, 419. Wie nicht selten bei grundsätzlichen Entscheidungen im Gemeinschaftsrecht, mutet der Sachverhalt nahezu skurril an. 1079 EuGH, Urt. v. 14.5.1974, Rs. 4/73 – Nold / Kommission, Slg. 1974, 491 [507]; EuGH, Urt. v. 26.6.1980, Rs. 136/79 – National Panasonic / Kommission, Slg. 1980, 2033 Rdnr. 18. 1080 K. Möller, Sicherheiten im Recht der Europäischen Gemeinschaft, 1990, S. 221 ff. 1081 Erstmals EuGH, Urt. v. 28.10.1975, Rs. 36/75 – Rutili, Slg. 1975, 1219 Rdnr. 32. 1082 EuGH, Urt. v. 13.12.1979, Rs. 44/79 – Hauer, Slg. 1979, 3727 5. Leitsatz; EuGH, Urt. v. 18.3.1980, Rs. 154, 205, 206, 227–228, 263 und 264/78, 31, 39, 83 und 85/79 – Ferrieria Valsabbia u.a. / Kommission, Slg. 1980, 907 Rdnr. 89. (Schutz des Erworbenen, nicht des Erwerbs); EuGH, Urt. v. 11.7.1989, Rs. 265/87 – Hermann Schräder Kraftfutter, Slg. 1989, 2237 Rdnr. 13 ff.; EuGH, Urt. v. 24.3.1994, Rs. C-2/92 – Bostock, Slg. 1994, I-955; EuGH, Urt. v. 5.10.1994, Rs. C-280/93 – Deutschland / Rat (Bananen), Slg. 1994, I-4973; EuGH, Urt. v. 17.7.1997, Rs. C-248/95 und C-249/95 – SAM Schiffahrt und Stapf, Slg. 1997, I-4475 Rdnr. 72 f. 1083 EuGH, Urt. v. 8.10.1986, Rs. 234/85 – Keller, Slg. 1986, 2897; EuGH, Urt. v. 11.7.1989, Rs. 265/87 – Hermann Schräder Kraftfutter, Slg. 1989, 2237 Rdnr. 13 ff.; EuGH, Urt. v. 16.12.1992, Rs. C-132/91 – Katsikas und Schroll, Slg. 1992, I-6577 Rdnr. 32; EuGH, Urt. v. 24.3.1994, Rs. C-2/92 – Bostock, Slg. 1994, I-955; EuGH, Urt. v. 5.10.1994, Rs. C-280/93 – Deutschland / Rat (Bananen), Slg. 1994, I-4973; EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921; EuGH, Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, I-4165. 1084 EuGH, Urt. v. 8.10.1974, Rs. 175/73 – Gewerkschaftsbund Europäischer Öffentlicher Dienst u.a. / Rat, Slg. 1974, 917. 1085 EuGH, Urt. v. 27.10.1976, Rs. 130/75 – Prais / Rat, Slg. 1976, 1589. 1086 EuGH, Urt. v. 19.10.1977, verb. Rs. 117/76 und 16/77 – Ruckdeschel u.a. und Diamalt (Quellmehl), Slg. 1977, 1753 und EuGH, Urt. v. 26.2.1992, Rs. C-357/89 –

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meinschaftsrechtsordnung etabliert und wichtige rechtsstaatliche Grundsätze, insbesondere das Übermaßverbot – respektive den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Gemeinwohlzielen und Einschränkung individueller Rechte1087 – anerkannt. Zwar besteht über die Herleitung immer noch keine vollständige Klarheit; ebensowenig sind die Grenzen des Grundrechtsschutzes vollständig geklärt1088. Eine gewisse Festigung ist indessen durch Art. 6 Abs. 2 EU eingetreten, der im wesentlichen die Rechtsprechung der letzten 25 Jahre nachgezeichnet hat. Eine eigentliche Debatte über den materiellen Gehalt der einzel-

___________ Raulin, Slg. 1992, I-1027 (allgemeiner Gleichheitsgrundsatz); EuGH, Urt. v. 13.2.1979, Rs. 85/76 – Hoffmann-La Roche /Kommission, Slg. 1979, 461 Rdnr. 9 (Grundsatz des rechtlichen Gehörs); EuGH, Urt. v. 13.2.1985, Rs. 293/83 – Gravier, Slg. 1985, 593 (Gleichbehandlung); EuGH, Urt. v. 21.9.1989, Rs. 46/87 und 227/88 – Hoechst / Kommission, Slg. 1989, 2859 Rdnr. 17 ff. (Unverletzlichkeit der Wohnung); EuGH, Urt. v. 18.10.1989, Rs. 374/87 – Orkem / Kommission, Slg. 1989, 3283 (Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Ermittlungsverfahren); EuGH, Urt. v. 13.12.1989, Rs. 100/88 – Oyowe und Traore / Kommission, Slg. 1989, 4285 Rdnr. 16 und EuGH, Urt. v. 28.10.1992, Rs. C-219/91 – Ter Voort, Slg. 1992, I-5485 Rdnr. 35 ff. (Meinungsäußerungsfreiheit); EuGH, Urt. v. 3.12.1992, Rs. C-97/91 – Oleificio Borelli, Slg. 1992, I-6313 Rdnr. 15 (Rechtsschutzgarantie); EuG, Urt. v. 19.2.1998, Rs. T-42/96 – Eyckeler & Malt / Kommission („Hilton Beef“), Slg. 1998, II-401 sowie EuG, Urt. v. 5.3.1997, Rs. T-105/95 – World Wide Fund for Nature / Kommission, Slg. 1997, II-313 (Verfahrensgrundrechte); EuGH, Urt. v. 9.10.2001, Rs. C-377/98 – Niederlande / Parlament und Rat (Biopatentrichtlinie), Slg. 2001, I-7079 (Menschenwürde und Grundrecht auf Unversehrtheit der Person); EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-60/00 – Carpenter, Slg. 2002, I-6279 (Achtung des Familienlebens). Umfassend zuletzt: EuGH, Urt. v. 22.10.2002, Rs. C-94/00 – Roquette Frères, Slg. 2002, I-9011 Rdnr. 26 ff. (Unverletzlichkeit der Wohnung). 1087 EuGH, Urt. v. 13.7.1989, Rs. 5/88 – Wachauf, Slg. 1989, 2609 Rdnr. 18 ff.: erste wirkliche Schrankenprüfung; EuGH, Urt. v. 8.4.1992, Rs. C-62/90 – Kommission / Deutschland, Slg. 1992, I-2575 Rdnr. 23 ff.; EuGH, Urt. v. 5.10.1994, Rs. C-280/93 – Deutschland / Rat (Bananen), Slg. 1994, I-4973; Vgl. auch EuGH, Urt. v. 15.6.1978, Rs. 149/77 – Defrenne III, Slg. 1978, 1381 und EuGH, Urt. v. 30.9.1987, Rs. 12/86 – Demirel, Slg. 1987, 3719. 1088 Beschränkte der EuGH anfänglich (EuGH, Urt. v. 11.7.1985, Rs. 64/84 – Cinéthèque, Slg. 1985, 2605) den Grundrechtsschutz allein auf die Hoheitsgewalt der EG, erstreckte er ihn wenig später zunächst auf den Fall der Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation (EuGH, Urt. v. 13.7.1989, Rs. 5/88 – Wachauf, Slg. 1989, 2609 Rdnr. 18 ff), sodann generell auf nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen (EuGH, Urt. v. 18.6.1991, Rs. C-260/89 – Elliniki Radiophonia Tiléorassi, Slg. 1991, I-2925: „Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß die Beschränkungen der Befugnis der Mitgliedstaaten, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit die in Art. 66 in Verbindung mit Art. 56 genannten Regelungen anzuwenden, unter Beachtung des allgemeinen Grundsatzes der in Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Meinungsfreiheit zu beurteilen ist“). Vgl. auch T. Jürgensen / I. Schlünder, AöR Bd. 121 (1996), S. 200 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

nen Grundrechte hat indes – abgesehen von der immer wieder aufgeführten Rechtssache Höchst1089 – nicht wirklich stattgefunden1090. Die Anerkennung der Grundrechtssubjektivität des einzelnen im Gemeinschaftsrecht unterstreicht die Bedeutung individueller Rechte in der neuen Rechtsordnung, die nicht Allmacht beansprucht, sondern sich vor dem Unverfügbaren beugt, welches ihr in den Grundrechten begegnet und diese nicht als Fesseln begreift, sondern als organische, identitätsstiftende Merkmale. Die Rechtsfortbildung durch den EuGH ist stets begrüßt und ihr Ausbau1091 – im Gegensatz zu anderen rechtsschutzfreundlichen Fortentwicklungen – angemahnt1092 worden. Hintergrund der Zustimmung dürfte die Tatsache sein, daß ___________ 1089 Der EuGH, Urt. v. 21.9.1989, Rs. 46/87 und 227/88 – Hoechst / Kommission, Slg. 1989, 2859 Rdnr. 17 ff. hatte die Räumlichkeiten von Unternehmen nicht dem Schutzbereich des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung zugeordnet, freilich hinzugesetzt, eine Rechtsprechung aus Straßburg existiere dazu noch nicht. Nach der späteren Entscheidung EuGMR, Urt. v. 16.12.1992, 72/1991/324/396 – Niemitz / Bundesrepublik Deutschland, EuGMR Series A, Vol. 256, 23 (deutscher Text: NJW 1993, S. 718), war davon auszugehen, daß sich der EuGH dessen Auffassung zu Art. 8 EMRK zu eigen machen wird. In der Entscheidung EuGMR, Urt. v. 16. 4. 2002, 37971/97 – Stés Colas SA / France, einsehbar unter: http://hudoc.echr. coe.int, hat der EuGMR nunmehr festgestellt, daß auch Geschäftsräume juristischer Personen vom Schutzbereich des Art. 8 EMRK erfaßt werden. Der Begriff „domicile“ sei einer weiten Auslegung zugänglich. Trotz dieser Entscheidung hat sich EuGH, Urt. v. 22.10.2002, Rs. C-94/00 – Roquette Frères, Slg. 2002, I-9011 nicht zu einer generellen Einbeziehung von Geschäftsräumen in den Schutzbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung durchringen können. Vielmehr hat er die in der Hoechst-Entscheidung aufgestellten Grundsätze auch nach der neuen Straßburger Rechtsprechung für ausreichend befunden und diese lediglich näher konkretisiert, vgl. M. Hilf / S. Hörmann, NJW 2003, S. 1 [5]. 1090 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 66 Fn. 67 mit Verweis auf J. Coppel / A. O’Neill, CMLRev. 29 (1992), S. 669 ff. Kritisch zur Prüfungsdichte durch den EuGH: M. Nettesheim, EuZW 1995, S. 106 ff. 1091 H.-W. Rengeling, VVDStRL Heft 53 (1994), S. 202 [232]. 1092 Aus zahlreichen Veröffentlichungen und Gerichtsentscheidungen in Deutschland geht hervor, daß Zweifel an einem vollwertigen Grundrechtsschutz in der EU bestehen. Dem EuGH begegnet man mit Mißtrauen. Der EuGH scheue sich, europäische Rechtsakte wegen der Verletzung von Grundrechten für nichtig zu erklären. Als Beleg wird angeführt, daß der EuGH noch nie eine Verordnung oder Richtlinie für grundrechtswidrig erklärt habe. Besonders deutlich: R. Scholz, NJW 1990, S. 941 ff.; R. Scholz, DÖV 1998, S. 261 [264 ff.]. Gegen überzogene Anforderungen aus deutscher Perspektive J. Frowein, DÖV 1998, S. 806 ff. und W. Graf Vitztum, JZ 1998, S. 161 ff. Daß es dem EuGH indes nicht um effektiven Grundrechtsschutz gehe, sondern primär um die Bestätigung der eigenen Autorität und der des EG-Rechts gegenüber den Mitgliedstaaten, kritisieren J. Coppel / A. O’Neill, CMLRev. 29 (1992), S. 669 [691 f.]; dagegen die wohl zu harsche Kritik von J. Weiler / N. Lockhart, CMLRev. 32 (1995), S. 51 [59 ff.]. Angesichts der Rechtsprechung zur Bananenmarktordnung kritisch etwa P. Selmer, Die Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards durch den EuGH, 1998, S. 96 ff.; U. Everling, CMLRev. 33 (1996), S. 401 ff.; skeptisch auch: B. de Witte, in: Alston, The EU and Human Rights, Oxford, 1999, S. 859 [877]; kritisch: W. Pauly, EuR 1998, S. 242 [255 ff.].

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Grundrechte auf die Begrenzung von Gemeinschaftsgewalt – und sei es bei der Kontrolle mitgliedstaatlichen Verhaltens bei der Durchführung1093 – gerichtet sind. Die Zustimmung dürfte dann sinken, wenn der EuGH den Anspruch einer generellen Maßstäblichkeit des selbst entwickelten Grundrechtsstandards für mitgliedstaatliche Hoheitsausübung entwickelte1094. Hier käme dann auch der immer noch nicht geklärte Kompetenzabgrenzung1095 zwischen EuGMR und EuGH große Sprengkraft zu. ___________ 1093 Umfassend dazu: W. Schaller, Die EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten der Gemeinschaftsgrundrechte, 2003. 1094 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 67 mit dem zutreffenden Hinweis, daß sich erste Anzeichen in EuGH, Urt. v. 18.6.1991, Rs. C-260/89 – Elliniki Radiophonia Tiléorassi, Slg. 1991, I-2925 Rdnr. 41 ff. (siehe das Zitat in Fn. 1088) finden. Ein weiterer Versuchsballon stellt EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-60/00 – Carpenter, Slg. 2002, I-6279 dar. Näher dazu unten, Zweites Kapitel – C.III.2.b)(1)(b)iii) ), S. 397. 1095 Bislang ist es so gut wie unbestritten, daß der EuGMR nicht für Klagen respektive Beschwerden gegen eventuelle Grundrechtsverletzungen durch Gemeinschaftsorgane zuständig ist. Diese bleiben ausschließlich dem EuGH vorbehalten, EKMR, Entsch. v. 9.2.1990, 13258/87 – C. Melchers & Co. KG / Deutschland, DR 64, 138 (deutscher Text: W. Hummer / B. Simma / C. Vedder, Europarecht, 3. Aufl. 1999, S. 433 f.). Daran hat auch EuGMR, Urt. v. 18.2.1999, 24833/94 – Matthews / United Kingdom, Reports 1999-I, 251 (deutscher Text: EuZW 1999, S. 308) nichts geändert, vgl. dazu C. Busse, NJW 2000, S. 1074 [1078 f.] und S. Winkler, EuGRZ 2001, S. 18 ff. Denn im Unterschied zur innerstaatlichen Vollstreckung eines Bußgeldbescheides im Fall Melchers hatte der EuGH im Fall Matthews gar keine Kontrollkompetenz (so die Einschätzung des Richters am EuGMR G. Ress, bei: P. Szczekalla, DVBl. 2001, S. 345 ff.). Es bleibt abzuwarten, was daraus zu schließen ist, daß der EuGMR eine Beschwerde gegen die Mitgliedstaaten nicht gleich als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, sondern erst einmal den 15 Regierungen zugestellt hat (EuGMR, Entsch. v. 4.7.2000, 56672/00 – Senator Lines GmbH /15 Etats de l’Union Européenne, HRLJ Bd. 21 (2000), S. 112 ff. (deutscher Text: EuGRZ 2000, S. 334 ff.). Die Vollstreckungsschuldnerin, Senator Lines, hat den EuGMR angerufen, um die Vollstreckung eines Bußgeldes über ca. 25 Mio. DM wegen Kartellverstoßes durch die Europäische Kommission, die angeblich zu ihrem Konkurs führen würde, zu verhindern. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sind alle 15 Mitgliedstaaten der EU für das Handeln der Kommission und des EuG, das die vorläufige Vollstreckbarkeit des Bescheides bestätigt hatte, im Sinne der EMRK verantwortlich. In der Sache selbst wird die Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes durch die EG-Gerichte gerügt. Nachdem das EuG die Entscheidung der Kommission für nichtig erklärt hat (EuG, Urt. v. 30.9.2003, verb. Rs. T-191/98 und T-212/98 bis T-214/98 – Atlantic Container Line, n. n. a. Slg.) wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung durch den Präsidenten des EuGMR am 16.10.2003 aufgehoben (Pressemitteilung einsehbar unter: http://www.echr.coe.int/Fr/Press/2003/oct/SenatorLin esannulation.htm#fn und EuGRZ 2003, S. 648). In der Rechtssache Société Guérin Automobiles / 15 Etats de l’Union Européenne (EuGMR, Entsch. v. 4.7.2000, 51717/99 — Société Guérin Automobiles / 15 Etats de l’Union Européenne, RUDH Bd. 13 (2000), S. 119) hat der EuGMR die Beschwerde zwar als unzulässig zurückgewiesen, die Frage der Nichtzuständigkeit aber offen gelassen. In der Entscheidung EuGMR, Urt. v. 16. 4. 2002, 36677/97 – S. A. Jacques Dangeville / France, http://hudoc.echr.coe.int wurde Frankreich nun erstmals wegen Mißach

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

ii) Impulse durch die Charta der Grundrechte Impulse hat die Diskussion durch die Erarbeitung und Proklamation der GR-Charta1096 erhalten1097. Die GR-Charta wird und sollte keine vollkommen neue Ordnung schaffen1098. Einen effektiven Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft stellt bereits die Rechtsprechung des EuGH sicher, der seine prätorische Aufgabe auf der Basis der allgemeinen Rechtsgrundsätze und des Art. 6 Abs. 2 EU erfüllt1099. Kritisiert wurde nicht ein Defizit bei der Anerkennung von Grundrechten1100, sondern eine mangelnde dogmatische Tiefe in der Begründung seiner Entscheidungen1101. Diese Fragen hat die GR-Charta nicht gelöst. Sie kann es auch nicht, denn Anwendung und Auslegung im Einzelfall, d.h. auch die Abwägung von individuellem Grundrechtsinteresse und Gemeinwohl wird letztlich stets Aufgabe insbesondere von Gesetzgebung und Rechtsprechung bleiben1102. Dieser Aufgabe ist nicht durch bloße Kombination ___________ tung der staathaftungsrechtlichen Rechtsprechung des EuGH verurteilt. Zu dieser Reservefunktion vgl. M. Breuer, JZ 2003, S. 433 ff. 1096 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7.12.2000, ABl. C 364 v. 18.12.2000. Siehe auch die Erläuterungen des Präsidiums zum vollständigen Wortlaut der Charta (CHARTE 4473/00 CONVENT 49), abgedruckt in EuGRZ 2000, S. 559 ff. sowie C. Calliess, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2003, § 19: Die Europäische Grundrechts-Charta Rdnr. 1 ff. 1097 Vgl. dazu S. Alber / U. Widmaier, EuGRZ 2000, S. 497 ff. und H.-W. Rengeling, in: FS für Dietrich Rauschning, 2001, S. 225 ff. Das Echo war geteilt. Auf der einen Seite gab es Stimmen, die von einem demokratiewidrigen „Oktroi“ (K. A. Schachtschneider, FAZ v. 5.9.2000, S. 9) von einer „Formel-Kompromiß-Gala“ (P. Tettinger, FAZ v. 26.8.2000, S. 6) und von „leeren Versprechungen“ I. Pernice, SZ v. 5.4.2000, S. 10 („Die EU ringt um die Grundrechte“) sprachen. Auf der anderen Seite gab es zustimmende Äußerungen, die die GR-Charta als einen wichtigen Schritt auf dem Wege zu einer europäischen Verfassung begrüßten (etwa P.-C. Müller-Graff, integration 1/2000, S. 34 ff.). 1098 I. Pernice, Eine Grundrechte-Charta für die Europäische Union, Rdnr. 6. 1099 I. Pernice, Eine Grundrechte-Charta für die Europäische Union, Rdnr. 6; BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 [378 ff., 387 f.] („Solange II“); eine ähnliche grundsätzliche Akzeptanz der Corte Costituzionale Italiens stellt L. Violini, EuR Beih. 1/1999, S. 117 [120 f.] fest. Zur Ausweitung des effektiven Schutzes der Grundrechte nach Amsterdam: U. Wölker, EuR Beih. 1/1999, S. 99 ff. Zur Kritik an der Rechtsprechung siehe noch einmal die Nachweise in Fn. 1092. 1100 Daß sich der EuGH relativ selten ausdrücklich mit Grundrechten befaßt, hängt auch mit dem Fehlen eines spezifischen Rechtsbehelfs zusammen, vgl. B. de Witte, in: Alston, The EU and Human Rights, Oxford, 1999, S. 859 [883] m.w.N. 1101 P. M. Huber, EuZW 1997, S. 517 [521], M. Nettesheim, EuZW 1995, S. 106 [107 f.]. 1102 I. Pernice, Eine Grundrechte-Charta für die Europäische Union, Rdnr. 6. Auch die allgemeine Formulierung der Schranken in Art. 52 Abs. 1 GR-Charta („Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muß gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur

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oder Addition der verfassungsrechtlich in den Mitgliedstaaten verbürgten Rechte, sondern vielmehr durch Achtung eines gemeineuropäischen Schutzstandards zu entsprechen1103, welcher unterschiedliche Traditionen aus ganz Europa auch in Argumentation und Stil zu verbinden hat und der nicht die Dogmatik eines einzigen Mitgliedstaates aufnehmen kann. Ein wichtiges Element des vom Konvent zur Ausarbeitung einer GR-Charta erzielten Konsenses war die Unterscheidung zwischen „Rechten“ und „Grundsätzen“1104. Nach diesem Verständnis unterscheiden sich Grundsätze von individuellen Rechten insofern, als sie „eingehalten“ (Art. 51 Abs. 1 GR-Charta) werden und durch Rechtsakte oder Durchführungsvorschriften umgesetzt werden müssen. Gemeint sind etwa das „Vorsorgeprinzip“ in Art. 174 Abs. 2 EG oder die Grundsätze des Agrarrechts1105. Hintergrund war der befürchtete Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten. Die Arbeitsgruppe des Verfassungskonventes hat eine entsprechende Ergänzung des Art. 52 GR-Charta vorgeschlagen1106, die einer Einordnung dieser „Grundsätze“ als individuelle Rechte entgegenwirken soll1107. Damit wird aber die Linie nicht verlassen, es „der künftigen Rechtspre___________ vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“) entspricht dem Stand der Rechtsprechung und lehnt sich in der Formulierung an die ständige Rechtsprechung des EuGH an (EuGH, Urt. v. 13.4.2000, Rs. C-292/97 — Karlsson u.a., Slg. 2000, I-2737 Rdnr. 45: „Nach gefestigter Rechtsprechung kann jedoch die Ausübung dieser Rechte […] Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet“). 1103 B. de Witte, in: Alston, The EU and Human Rights, Oxford, 1999, S. 859 [881]; I. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Art. 23 Rdnr. 70 ff. 1104 Vgl. Präambel sowie Art. 51 Abs. 1 GR-Charta. 1105 Vgl. zum, „Vorsorgeprinzip“ insbes.: EuG, Urt. v. 11.9.2002, Rs. T-13/99 – Pfizer Animal Health / Rat, Slg. 2002, II-3305; sowie die Rechtsprechung zu Art. 33 EG über die Grundsätze des Agrarrechts: EuGH, Urt. v. 11.3.1987, Rs. 265/85 – Van den Bergh en Jurgens u.a. / EWG, Slg. 1987, 1155 (Grundsatz der Marktstabilisierung und der berechtigten Erwartungen). 1106 Vgl. Anlage zum Schlußbericht des Vorsitzenden der Gruppe II – „Einbeziehung der Charta / Beitritt zur EMRK“ an die Mitglieder des Konventes vom 22.10.2002 (CONV 354/02), einsehbar unter: http://register.consilium.eu.int/pdf/de/02/cv00/00354d 2.pdf): Art. 52 Abs. 5 „Die Bestimmungen dieser Charta, in denen Grundsätze festgelegt sind, können durch Akte der Gesetzgebung und der Ausführung der Organe und Einrichtungen der Union sowie durch Akte der Mitgliedstaaten zur Durchführung des Rechts der Union in Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten umgesetzt werden. Sie können vor Gericht nur bei der Auslegung dieser Akte und bei Entscheidungen über deren Rechtmäßigkeit herangezogen werden.“ 1107 Die Ausführungen zur Behandlung der rechtlichen Grundsätze bieten wenig Neues. Art. 52 Abs. 5 S. 2 wirkt aber den (nachvollziehbaren) Versuchen entgegen, in Grundsatzbestimmungen zumindest die Garantien eines Minimalstandards zu erkennen.

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chung zu überlassen, die genaue Zuordnung der Artikel zu den beiden Kategorien vorzunehmen“1108. Der Befund, daß diese staatszielähnlichen Grundsätze eine besondere Stellung einnahmen, zeigt zum einen, wie stark der prätorische Grundrechtsschutz bereits entwickelt war. Zum anderen stellt es ein bemerkenswertes Phänomen dar, daß die Diskussion um die Fixierung von Grundrechten auf Gemeinschaftsebene teilweise von „Grundsätzen“ bestimmt war, die gerade nicht auf individuelle Rechte hin angelegt sind. Daß diese „Unionszielbestimmungen“ dennoch – im Gewande von Grundrechten daherkommend – Eingang in die Charta gefunden haben1109, ist bedenklich, da rein objektiv-rechtlich wirkende, allein die Gemeinschaftsorgane verpflichtende Gewährleistungen, die dem einzelnen gerade keine Rechte verleihen1110, in einem Grundrechtskatalog weder begrifflich noch systematisch eine Berechtigung haben1111. Ein zentrales Problem der GR-Charta ist damit aufgezeigt: Sie formuliert „individuelle Rechte“, die bei näherer Betrachtung die in ihnen formulierten Versprechen nicht einzulösen geeignet sind. Besonders deutlich wird dies in Bereichen, in denen die Gemeinschaft keine Kompetenz hat, etwa in Art. 9 GR-Charta (Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen) oder in dem in Widerspruch zur Kompetenzregelung in Art. 152 Abs. 4 lit. c) EG formulierten Art. 35 S. 1 GR-Charta (Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung). Der „Grundsatz der Parallelität von Kompeten-

___________ Vgl. dazu J. Pietsch, ZRP 2003, S. 1 [4], der zutreffend bemerkt, daß die Kernproblematik im Bereich der Grundsätze in der Abgrenzung gegenüber individuellen Rechten besteht. Diese Frage läßt sich durch die Ergänzung kaum lösen. 1108 Schlußbericht des Vorsitzenden der Gruppe II – „Einbeziehung der Charta / Beitritt zur EMRK“ an die Mitglieder des Konventes vom 22.10.2002 (CONV 354/02), einsehbar a. a. O. (oben, S. 269 Fn. 1106), S. 8. Die Charta selbst spricht nur in Art. 23 Abs. 2, Art. 37 und Art. 52 Abs. 1 ausdrücklich von Grundsätzen (Gleichheit von Mann und Frau; Umweltschutz, Verhältnismäßigkeit). 1109 Ein Grund mag die auch in der Wissenschaft zu beobachtende Euphorie gewesen sein. Damit gingen weitgehende rechtspolitischen Forderungen einher. Exemplarisch etwa I. Pernice, Eine Grundrechte-Charta für die Europäische Union, Rdnr. 32: „Unerläßlich in der multikulturellen Zivilgesellschaft der Europäischen Union ist darüber hinaus die Anerkennung von Gruppengrundrechten, insbesondere für kulturelle Minderheiten, Vereinigungen und Verbände. […Diese] sollten das Recht und prozessuale Mittel erhalten, Grundrechtsinteressen im Einzelfall für die Allgemeinheit oder für den einzelnen […] gerichtlich durchzusetzen.“ 1110 C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 104 f., 125 ff.; K.-P. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, 1997, S. 358 ff. 1111 C. Calliess, EuZW 2001, S. 261 [265].

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zen und Grundrechtsschutz“1112 wurde nicht beachtet und damit der Charakter der Grundrechte als „negativer Kompetenznormen“1113 verkannt. Die Geltung der Charta bleibt allerdings – vorerst1114 – auch für die Mitgliedstaaten ohne wirkliche Bedeutung, solange sie nur eine feierliche Erklärung darstellt1115 und obwohl sie von der Rechtsprechung zunehmend als zusätzliche Erkenntnisquelle herangezogen wird1116. Die Problematik verschiedener Grundrechtsstandards für mitgliedstaatliche Behörden und Gerichte in Abhängigkeit davon, ob nationales oder europäisches Recht auszuführen ist1117, stellt sich aber vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH1118 bereits heute.

___________ 1112

I. Pernice, Eine Grundrechte-Charta für die Europäische Union, Rdnr. 15; C. Calliess, EuZW 2001, S. 261 [264]. 1113 B. Pieroth / B. Schlink, Staatsrecht II, Grundrechte, 17. Aufl. 2001, Rdnr. 73. Der Begriff geht wohl zurück auf H. Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961, S. 30, 479 und passim. H. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Vorb. Rdnr. 49 weist zutreffend darauf hin, daß damit eine oft zu weite Möglichkeit der Abwehr staatlicher Ingerenz suggeriert werde, womit man zu falschen, da „statisch-räumlichen Vorstellungen“ verleitet werde. Die schlagwortartige Zuspitzung mag hier aber hingenommen werden. 1114 Zu den Bestrebungen ihrer Aufnahme in das Primärrecht vgl. den Schlußbericht des Vorsitzenden der Gruppe II – „Einbeziehung der Charta / Beitritt zur EMRK“ an die Mitglieder des Konvents vom 22.10.2002 (CONV 354/02), einsehbar a. a. O. (oben, S. 269 Fn. 1106). 1115 T. Stein, in: FS für Helmut Steinberger, 2002, S. 1425 ff. 1116 EuG, Urt. v. 30.1.2002, Rs. T-54/99, max.mobil Telekommunikation Service / Kommission, Slg. 2002, II-313 Rdnr. 48: „Auf die sorgfältige und unparteiische Behandlung einer Beschwerde besteht ein Anspruch im Rahmen des Rechts auf eine geordnete Verwaltung, das zu den allgemeinen Grundsätzen des Rechtsstaats gehört, die den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Art. 41 Abs. 1 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt das […].“ Siehe auch Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 14.6.2001 zu EuGH, Urt. v. 9.10.2001, Rs. C-377/98 – Niederlande / Parlament und Rat (Biopatentrichtlinie), Slg. 2001, I-7079 Rdnr. 197; EuG, Urt. v. 15.1.2003, verb. Rs. T-377/00, T-379/00, T-380/00, T-260/01 und T-272/01 – Philip Morris International u.a. / Kommission, Slg. 2003, II-1 Rdnr. 121 ff. 1117 Besondere Schwierigkeiten stellen sich bei nationalem Umsetzungsrecht, das auf einer Richtlinie beruht, vor allem wenn die Richtlinie einen inhaltlichen Umsetzungsspielraum beließ oder in bestehende nationale Gesetze integriert wird. Zu untersuchen ist dann wohl jeweils, ob die angewendete Vorschrift „alt“ oder „richtlinienumsetzend“ ist, vgl. T. Stein, in: FS für Helmut Steinberger, 2002, S. 1425 ff. Siehe zu diesen Fragen auch T. Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 6 EU Rdnr. 57 ff. 1118 Vgl. die Nachweise oben, S. 265 Fn. 1088.

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iii) Grundrechtliche Schutzpflichten und Beschränkung der Grundfreiheiten Ein besonderes Problem ist erst jüngst aufgetaucht1119 und Beleg für die zwischenzeitlich weitgehende Verflechtung des europäischen Verfassungsverbundes1120 einerseits, aber auch für die daraus resultierenden Probleme andererseits. Angesprochen ist das Verhältnis von Gewährleistung der Grundfreiheiten und Grundrechtsschutz durch die Mitgliedstaaten. Hintergrund bildet ein Verfahren vor dem OLG Innsbruck. Die Firma Eugen Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge aus Süddeutschland, deren Haupttätigkeit darin besteht, zwischen dieser Region und Norditalien Transporte durchzuführen, begehrt Schadensersatz von der Republik Österreich, da diese eine Versammlung von Umweltschutzvereinen auf der Brenner-Autobahn an der italienischen Grenze genehmigt hatte, die eine Blockade der Strecke für einen Tag1121 zur Folge hatte. Entscheidungserheblich ist der Umfang der Verpflichtung1122 eines Mitgliedstaats, wichtige Transitrouten zur Sicherstellung des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft freizuhalten, insbesondere ob ein Mitgliedstaat zu diesem Zweck erforderlichenfalls eine Versammlung mit umweltpolitischer Zielsetzung, deren Veranstalter ihr Grundrecht der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit ausüben, untersagen muß.

Generalanwalt Francis Jacobs beschreibt das Problem wie folgt1123: „Dies scheint der erste Fall zu sein, in dem sich ein Mitgliedstaat auf die Notwendigkeit des Grundrechtsschutzes beruft, um eine Beschränkung einer der Grundfreiheiten des Vertrages zu rechtfertigen. Solche Fälle waren vielleicht selten, weil Beschränkungen der Grundfreiheiten des Vertrages gewöhnlich nicht zum Schutz von Grundrechten Einzelner auferlegt werden, sondern aufgrund von Zielen, die im weiteren öffentlichen Interesse liegen, wie die Gesundheit oder der Verbraucherschutz. Es ist aber denkbar, daß solche Fälle künftig häufiger vorkommen.“

In der Rechtssache Familiapress1124 war die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt als ein zwingendes Erfordernis angesehen worden, das eine Beschrän___________ 1119

EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659. Bereits bezugnehmend auf EuGH, Urt. v. 9.12.1997, Rs. C-265/95 – Kommission / Frankreich (Agrarblockaden), Slg. 1997, I-6959 angedeutet bei A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 106. 1120 I. Pernice, in: Bieber / Widmer, Der europäische Verfassungsraum, 1995, S. 225 [261 ff.]; P. Häberle, DVBl. 2000, S. 840 ff. 1121 Die Demonstration erfolgte genauer von Freitag mittags bis Samstag Nachmittag; der vorhergehende Donnerstag war gesetzlicher Feiertag; ab Samstag galten die Wochenendbeschränkungen; die Strecke war damit faktisch für 4 Tage blockiert. 1122 Zur Verpflichtung dem Grunde nach vgl. EuGH, Urt. v. 9.12.1997, Rs. C-265/95 – Kommission / Frankreich (Agrarblockaden), Slg. 1997, I-6959. Der Rat erließ auf diese Entscheidung hin die VO 2679/98/EG. 1123 Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 11.7.2002 zu EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659 Rdnr. 80.

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kung des freien Warenverkehrs rechtfertige. Die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt trage nämlich zur Wahrung des Rechts der freien Meinungsäußerung bei, welches durch Art. 10 EMRK geschützt ist. Es ging in erster Linie um die Ermöglichung und Sicherung von Grundrechtsausübung1125, weniger um den Schutz konkreter individueller Grundrechtsgehalte, obwohl der EuGH diese gleichwohl ansprach1126. In der Rechtssache Bosman, in der Transferregelungen und Ausländerklauseln im professionellen Fußballsport in Rede standen, hatte sich die UEFA dagegen etwa auf die Vereinigungsfreiheit bzw. Verbandsautonomie berufen1127, ohne daß der EuGH dies weiter geprüft hätte1128. Man kann diese Fälle durch Abwägung im Sinne einer praktischen Konkordanz lösen, insbesondere dann, wenn man von einer unmittelbaren Drittwirkung ausgeht1129. Es kann sich dann bei den mit den Grundfreiheiten abzuwägenden Grundrechten wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht um nationale, sondern nur um die Gemeinschaftsgrundrechte handeln1130. Diesen Weg geht der EuGH1131 in seiner Entscheidung. Zu denken ist aber auch daran, mitgliedstaatliche grundrechtliche Schutzpflichten als zwingende Interessen des Gemeinwohls auf der Rechtfertigungsebene anzuerkennen. Diesen Weg gehen sowohl die VO 2679/98/EG in ihren Erwägungsgründen1132 und in ihrem ___________ 1124 EuGH, Urt. v. 26.6.1997, Rs. C-368/95 – Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags und -vertriebs GmbH, Slg. 1997, I-3689. 1125 Zutreffend: I. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 1, 1996, Art. 23 Rdnr. 77, der hierin einen Hinweis auf die Anerkennung der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte erblickt. 1126 Vgl. zu den Grundrechten der deutschen Verleger T. Kingreen, JuS 2000, S. 857 [865], der von den Grundfreiheiten als einem „Transmissionsriemen“ für das Hineinwirken der Gemeinschaftsgrundrechte in die nationale Sphäre spricht und S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 121. 1127 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921 [5065]. Ähnlich gelagert: EuGH, Urt. v. 13.4.2000, Rs. C-176/96 – Lehtonen und Castors Canada Dry Namur-Braine ASBL, Slg. 2000, I-2681 und EuGH, Urt. v. 11.4.2000, verb. Rs. C-51/96 u. C-191/97 – Deliège u.a. und Pacquée, Slg. 2000 I-2549. Vgl. dazu auch A. Röthel, EuZW 2000, S. 380. 1128 Kritisch insoweit L. Gramlich, DÖV 1996, S. 801 ff.; vgl. auch W. Kluth, AöR Bd. 122 (1997), S. 556 ff. 1129 A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 106. 1130 A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 106; P. Szczekalla, DVBl. 1998, S. 223 f.; vgl. auch W. Kluth, AöR Bd. 122 (1997), S. 556 [578]; a. A. (ohne Begründung) M. Burgi, EWS 1999, S. 327 [330 Fn. 44]. 1131 EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659 Rdnr. 77 ff. insbes. Rdnr. 81 und 90. 1132 Erwägungsgrund 4: „Diese Maßnahmen dürfen die Ausübung der Grundrechte, zu denen auch das Recht oder die Freiheit zum Streik gehört, nicht beeinträchtigen.“

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Art. 21133 als auch Generalanwalt Francis Jacobs in seinen Schlußanträgen1134. Auch bei dieser Lösung ist jedoch ein gemeinschaftsgrundrechtlicher Rückbezug insoweit gegeben, als die Prüfung, ob ein gemeinschaftsrechtlich legitimes, im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt wird, immer dann positiv zu beantworten ist, wenn die Gemeinschaft das ins Feld geführte nationale Grundrecht selbst kennt und zu schützen verpflichtet ist. Insoweit haben denn auch alle in der GR-Charta formulierten Rechte Bedeutung und entwickeln sie mittelbar eine generelle Maßstäblichkeit für mitgliedstaatliche Hoheitsausübung1135. Die Problematik beschreibt exemplarisch das beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts zu beobachtende Phänomen, daß weniger um die Anerkennung individueller Rechte als vielmehr um deren Grenzen und Reichweite gestritten wird: Die Frage nach individuellen Rechten ist damit die Frage nach Kompetenzen und Kollisionsregeln – und nicht zuletzt diejenige nach dem quis iudicabit1136 im „Bermuda-Dreieck zwischen Luxemburg, Straßburg und Karlsruhe“1137. ___________ 1133 Art. 2: „Diese Verordnung darf nicht so ausgelegt werden, daß sie in irgendeiner Weise die Ausübung der in den Mitgliedstaaten anerkannten Grundrechte, einschließlich des Rechts oder der Freiheit zum Streik, beeinträchtigt. Diese Rechte können auch das Recht oder die Freiheit zu anderen Handlungen einschließen, die in den Mitgliedstaaten durch die spezifischen Systeme zur Regelung der Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern abgedeckt werden.“ Hervorhebung hinzugefügt. 1134 Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 11.7.2002 zu EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659 Rdnr. 94: „Die vorliegende Rechtssache liegt insofern anders [als vorherige Entscheidungen], als sich ein Mitgliedstaat auf die Notwendigkeit beruft, Grundrechte seiner Verfassung zu beachten, und zwar um eine Beschränkung einer Grundfreiheit aus dem Vertrag zu rechtfertigen. In einem solchen Fall sollte der Gerichtshof meines Erachtens demselben zweistufigen Ansatz folgen wie bei der Beurteilung der traditionellen Rechtfertigungsgründe, z. B. der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, die sich ebenfalls auf eine spezifische Situation im betroffenen Mitgliedstaat beziehen.“ Für Drittwirkungsfälle ähnlich auch P.-C. Müller-Graff, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 30 Rdnr. 308. 1135 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 67 mit dem zutreffenden Hinweis, daß sich erste Anzeichen in EuGH, Urt. v. 18.6.1991, Rs. C-260/89 – Elliniki Radiophonia Tiléorassi, Slg. 1991, I-2925 Rdnr. 41 ff. (siehe das Zitat in Fn. 1088) finden; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 121. 1136 H. Steiger, in: Vandamme / Reestman, Ambiguity in the Rule of Law, 2001, S. 65 [76]; R. Hrbek / M. Große Hüttmann / M. Chardon, Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Föderalismus-Forschung der Eberhard-Karls-Universität Tübingen anläßlich der gemeinsamen öffentlichen Anhörung der Europaausschüsse von Bundestag und Bundesrat am 26. Juni 2002 zum Europäischen Verfassungskonvent, S. 100 [105], (einsehbar unter: http://www.bundestag.de/gremien/a22/a22_stellungnahmen/). 1137 C. Lenz, EuZW 1999, S. 311 f. auf diese Formel rekurrierte auch J. Limbach, EuGRZ 2000, S. 417 ff.

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(f) Unionsbürgerschaft Der Vertrag von Maastricht hat durch die Einführung der Unionsbürgerschaft in Art. 17–22 EG die Stellung des Bürgers als Legitimationssubjekt und seine politische Mitwirkung und Teilhabe primärrechtlich weiter ausgebaut. Die ursprüngliche Dimension der europäischen Integration, die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes, der die Freizügigkeit der Personen ermöglicht und fördert, wurde um ein neues Konzept auf politischer Ebene bereichert. Der „Marktbürger“ (Hans-Peter Ipsen1138) war ursprünglich auf die speziell garantierten wirtschaftlichen Grundfreiheiten1139 beschränkt. Im Integrationsprozeß wurde ihm mit zunehmenden Partizipationsrechten (seit 1979 das aktive Wahlrecht zu den Direktwahlen des Europäischen Parlaments) eine graduell stärkere Legitimationsfunktion zugeschrieben. Das Modell der Unionsbürgerschaft baut auf die Tradition in den Mitgliedstaaten auf. Es ist Ausdruck einer Form des status europaeus1140. In diesem Zusammenhang hat es nicht nur den Charakter eines Programms für die Zukunft1141, sondern gewährt individuelle Rechte (vgl. Art. 17 Abs. 2 EG). Diese sind als Ausweis der besonderen Rechtsstellung des einzelnen im Gemeinschaftsrecht der Förderung der Verbundenheit untereinander verpflichtet. Der in Maastricht geschaffene status activus der Unionsbürgerschaft soll dem Bürger ein gewisses Nähe- und Akzeptanzverhältnis zur Union verschaffen und so zur Integration und Identifikation beitragen1142. Der status activus des Unionsbürgers drückt sich im Petitionsrecht1143, in Gestalt des Bürgerbeauftragten1144, in der verbürgten Transparenz1145 der Ent-

___________ 1138 Der Begriff geht im deutschen Sprachraum zurück auf H. P. Ipsen / G. Nicolaysen, NJW 1964, S. 339 [340 mit Anm. 2]; vgl. auch: H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 187. 1139 S. Hobe, Der Staat Bd. 32 (1993), S. 245 [246]; M. Novak, EuZW 1999, S. 84 [85]. 1140 H. Schulze-Fielitz, NJW 1990, S. 31 [32]. 1141 Dies ist bereits durch Art. 22 EG angelegt. 1142 Das Defizit der Verträge liegt weiterhin im Bereich der Identifikation. Individuelle Rechte sind in einem Jahrzehnte währenden Prozeß an verschiedensten Stellen immer wieder eingefügt und ergänzt worden, oder – vor allem im Bereich der Grundrechte – prätorisch entwickelt und geschützt. J. Weiler, The Constitution of Europe, 1999, S. 190 spricht in diesem Zusammenhang von einem „selfreferential legal universe“. 1143 Art. 21 Abs. 1, 194 EG. 1144 Art. 21 Abs. 2, 195 EG. Dazu: R Strempel, DÖV 1996, S. 241 ff. 1145 Art. 207 Abs. 3, 255 EG. Vgl. EuG, Urt. v. 6.2.1998, Rs. T-124/96 – Interporc Im- und Export / Kommission, Slg. 1998, II-231. Umfassend: C. Sobotta, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, 2001.

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scheidungsprozesse sowie im Kommunal-1146 und Europawahlrecht1147 am Wohnsitzort aus. Er zeigt sich allgemein in der Repräsentation der Völker der Mitgliedstaaten1148 durch das Europäische Parlament1149. Dessen Mitwirkungsrechte sind Ausdruck eines „grundlegenden demokratischen Prinzips“1150. Als besonders wichtig hat sich jedoch Art. 18 EG erwiesen, der Unionsbürgern auf der Basis der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates Freizügigkeit unter den Bedingungen des Vertrages und des Sekundärrechts gewährt. Denn nunmehr unterfallen dem „Anwendungsbereich des Vertrags“ i.S.d. Art. 12 EG nicht nur die Ausübung der vertraglich speziell garantierten Grundfreiheiten, sondern auch die Ausübung des durch Art. 18 EG verliehenen allgemeinen Freizügigkeitsrechts eines jeden Unionsbürgers. Die Unionsbürgerschaft eröffnet den persönlichen Anwendungsbereich des Vertrags, während die Ausübung der Freizügigkeit den sachlichen Anwendungsbereich erschließt1151. Man mag darin eine von den Mitgliedstaaten unbeabsichtigte Fortentwicklung der Rechte der Unionsbürger sehen; der rechtmäßige Aufenthalt ist jedenfalls einzige Voraussetzung für die Eröffnung des Anwendungsbereiches des Diskriminierungsverbotes1152. Der EuGH bekräftigt seine bereits spätestens seit der Rechtssache Cowan1153 vertretene Auffassung, daß sich der „Anwendungsbereich des Ver___________ 1146

Als Teil der Freizügigkeit oder als europäischer Verfassungsstatus, vgl. dazu P. Oliver, CMLRev. 33 (1996), S. 473 ff. Die Bedingungen werden festgelegt durch RL 94/80/EG. In Deutschland: Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG. 1147 Art. 19 EG. Konkretisiert durch die RL 93/109/EG. 1148 Art. 189 EG. 1149 Vgl. dazu auch BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 [184 ff., 187] („Maastricht“): Legitimation der EG-Hoheitsgewalt primär durch die nationalen Parlamente. Zu der über die Problematik des Maastricht-Urteils hinausweisende Frage nach der Bundesstaatlichkeit siehe: H. Bethge, in: FS für Karl Heinrich Friauf, 1996, S. 55 [60 ff.] zu BVerfG, Beschl. v. 22.3.1995, 2 BvG 1/89, BVerfGE 92, S. 203 ff. („EG-Fernsehrichtlinie“). 1150 EuGH, Urt. v. 29.10.1980, Rs. 138/79 – Roquette Frères / Rat (Isoglucose), Slg. 1980, 3333 Rdnr. 32 f. 1151 So schon EuGH, Urt. v. 12.5.1998, Rs. C-85/96 – Martínez Sala, Slg. 1998, I-2691 Rdnr. 61–63. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, daß – unabhängig von ggf. einschlägigen sekundärrechtlichen Regelungen – ein Anspruch auf Erziehungsgeld über das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 12 EG in Verbindung mit dem tatsächlich ausgeübten Recht auf Freizügigkeit aller Unionsbürger hergeleitet werden kann. Siehe auch EuGH, Urt. v. 26.2.1992, Rs. C-357/89 – Raulin, Slg. 1992, I-1027 und zuletzt EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-413/99 – Baumbast und R., Slg. 2002, I-7091. 1152 EuGH, Urt. v. 12.5.1998, Rs. C-85/96 – Martínez Sala, Slg. 1998, I-2691. Bestätigt durch EuGH, Urt. v. 20.9.2001, Rs. C-184/99 – Grzelczyk, Slg. 2001, I-6193; vgl. dazu P. Letzner, JuS 2003, S. 118 ff. 1153 EuGH, Urt. v. 2.2.1989, Rs. 186/87 – Cowan, Slg. 1989, 195. Der regelmäßig in diesen Verfahren anzutreffenden Berufung der verklagten Mitgliedstaaten auf das Argument der Subsidiarität des einschlägigen Rechtsgebietes (etwa Strafverfahrensrecht oder Sozialrecht) als eine „domaine reservé“ begegnete der EuGH mehrfach mit folgender

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trags“ nicht auf die Kompetenzfrage des europäischen Gesetzgebers zum Erlaß europäischer Regelungen reduzieren läßt. Das somit über die Unionsbürgerschaft in immer weiteren Bereichen effektuierbare individuelle Recht aus Art. 12 EG bestätigt noch einmal die Beobachtung, daß die freiheitssichernde Gleichheit zentrales Anliegen der Gemeinschaftsrechtsordnung ist1154. (3) Die Diskussion um die Wirkung von Richtlinien Die Richtlinie hat als spezifisch gemeinschaftsrechtliches Instrumentarium insbesondere seit der EEA1155 eine – auch quantitativ1156 – nicht zu unterschätzende Bedeutung erlangt. Individuellen Rechten aus Richtlinien galt und gilt ein besonderes Augenmerk von Rechtsprechung und Literatur.

___________ Argumentation: Zwar seien die Mitgliedstaaten für dieses Rechtsgebiet zuständig, jedoch setze das Gemeinschaftsrecht nach ständiger Rechtsprechung dieser Zuständigkeit dahingehend Schranken, daß derartige Rechtsvorschriften weder zu einer Diskriminierung von Personen führen dürfen, denen das Gemeinschaftsrecht einen Anspruch auf Gleichbehandlung verleiht, noch zu einer Beschränkung der vom Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten. Vgl. schon: EuGH, Urt. v. 11.11.1981, Rs. 203/80 – Casati. Slg. 1981, 2595 Rdnr. 27 und H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 997. 1154 Vgl. den Entwurf der Art. 1–16 des Verfassungsvertrages des Präsidiums des Konventes vom 6.2.2003 (CONV 528/03), einsehbar unter: http://european-convention.eu. int/docs/Treaty/cv00528.de03.pdf: „Art. 6: Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit: Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieser Verfassung ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“ Das allgemeine Diskriminierungsverbot sollte so eine prominente Stelle neben den in Art. 5 verankerten Grundrechten erhalten. Nunmehr ist eine Verankerung unter den Zielen der Union in Art. I-4 Abs. 2 vorgesehen, vgl. den durch das Präsidium des Konventes übermittelten Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa vom 18.7.2003 (CONV 850/03), einsehbar unter: http://european-convention.eu. int/docs/ Treaty/cv00850.de03.pdf. 1155 Vom 28.2.1986, ABl. L 169 v. 29.6.1987. Die Mitgliedstaaten hatten sich auf Art. 95 als Rechtgrundlage für die über 300 von der Kommission zur Verwirklichung des Binnenmarktes vorgeschlagenen Richtlinien verständigt; vgl. F. Emmert, Europarecht, 1996, § 4 Rdnr. 24 ff. (S. 24). 1156 Zum 31.12.1999 galten im EG-Durchschnitt 1508 Richtlinien (Siebzehnter Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (KOM (2000) 92 v. 23.6.2000), ABl. C 30 v. 10.1.2001, S. 1 [203 ff.].

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

(a) Vorbemerkung: Die Termini – Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung In der Rechtsprechung des EuGH werden die Begriffe unmittelbare Geltung, unmittelbare Anwendbarkeit und unmittelbare Wirkung unterschiedlich und uneinheitlich verwendet, was u.a. auf die unterschiedliche Sprachfassung der Urteile zurückzuführen ist. So wird die unmittelbare Geltung im Französischen mit „effet direct“, „applicabilité directe“ oder „effet immédiat“1157, im Englischen mit „direct effect“, „direct applicability“ oder „immediate effect“1158 wiedergegeben. Schon im Primärrecht sind die Begriffe nicht ganz eindeutig1159. In Betracht kommt zunächst, in allen Fällen von „unmittelbarer Wirksamkeit“ zu sprechen, sodann zu klären, ob damit „Bestandteil des Rechts der Mitgliedstaaten“, „Justiziabilität“ o. a. gemeint ist1160. Vorzugswürdig ist es jedoch, den Begriffen eine – für den Rahmen dieser Untersuchung – eindeutige Bedeutung zuzuweisen1161. i) Unmittelbare Geltung Wird im folgenden von unmittelbarer Geltung gesprochen, so ist damit in Anlehnung an Art. 249 Abs. 2 EG gemeint, daß eine Norm mit ihrem Inkrafttreten und während der gesamten Dauer ihrer Gültigkeit Bestandteil der im Gebiet ___________ 1157

Vgl. J. Molinier, droit du contentieux européen, 1996, S. 11 ff. Vgl. P. Craig / G. de Búrca, EU Law, 3. Aufl. 2002, S. 178 ff. 1159 So die deutsche, französische und englische Fassung von Art. 249 Abs. 2 EG: „Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.“ „Le règlement a une portée générale. Il est obligatoire dans tous ses éléments et il est directement applicable dans tout Etat membre.“ „A regulation shall have general application. It shall be binding in its entirety and directly applicable in all Member States.“ Der französische und englische Terminus „applicable“ heißt eigentlich anwendbar und nicht – wie in der deutschen Fassung – „gilt“. Die französische Fassung benutzt zwei Begriffe („portée générale“ und „applicable“), während die deutsche und englische Fassung denselben Begriff verwenden. 1160 So etwa S. Beljin, JuS 2002, S. 987 [989 ff], „Wirkung bzw. Anwendbarkeit“ Wie so oft in der juristischen Literatur drückt sich Unsicherheit in der Verwendung der ausschließenden Konjunktion „bzw.“ aus, die meistens sprachlich falsch verwendet wird, nämlich immer dann, wenn sich der Autor die Entscheidung zwischen den Konjunktionen „und“ und „oder“ offenhalten will. Der eigentliche, eingrenzende Wortsinn „oder vielmehr, genauer gesagt“ ist meist gar nicht gemeint. 1161 Wie hier: M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 364 ff. Eindrucksvolle Nachweise begrifflicher Verwirrung bei T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 86 Fn. 277. Überzeugend: B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 125 ff. 1158

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

279

eines jeden Mitgliedstaates bestehenden Rechtsordnung geworden ist und daß sie weiterer Umsetzungsakte in nationales Recht nicht bedürftig ist1162. Sie gehört in Deutschland damit zu Gesetz und Recht im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG. Voraussetzung ist nur das Inkrafttreten der Norm. Der EuGH hat die unmittelbare Geltung in der Rechtssache Simmenthal II1163 beschrieben. Die S.p.A. Simmenthal importierte Rindfleisch aus Frankreich. Sie hatte sich beim Pretore von Susa gegen Gebühren für gesundheitspolizeiliche Untersuchungen an der Grenze gewendet. In einem ersten Urteil1164 stellte der hieraufhin angerufene EuGH fest, daß diese Gebühren gemeinschaftsrechtswidrig seien. Der Pretore erließ einen Rückzahlungsbescheid, gegen den die Finanzverwaltung Einspruch einlegte. Der Pretore setzte erneut das Verfahren aus und ersuchte den EuGH um Klärung, ob spätere nationale Vorschriften – in Gestalt der gesundheitspolizeilichen Vorschriften aus dem Jahre 1970 –, die den unmittelbar geltenden Gemeinschaftsbestimmungen entgegenstehen, auch ohne Aufhebung oder Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit nicht anzuwenden seien.

Der EuGH beantwortete die Frage wie folgt1165: „Unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts bedeutet […], daß die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ihre volle Wirkung einheitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an und während der gesamten Dauer ihrer Gültigkeit entfalten müssen. Diese Bestimmungen sind somit unmittelbar Quelle von Rechten und Pflichten für alle diejenigen, die sie betreffen, einerlei, ob es sich um die Mitgliedstaaten oder um solche Einzelpersonen handelt, die an Rechtsverhältnissen beteiligt sind, welche dem Gemeinschaftsrecht unterliegen. Diese Wirkung erstreckt sich auch auf jedes Gericht, das, angerufen im Rahmen seiner Zuständigkeit […] die Aufgabe hat, die Rechte zu schützen, die das Gemeinschaftsrecht dem einzelnen verleiht.“

Als Rechtsfolge ergibt sich damit die Beachtenspflicht, d.h. die nationalen Behörden und Gerichte haben die Norm zu beachten1166, und zwar aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts auch gegenüber entgegenstehendem nationalem Recht jeder Rangstufe. Weiter können sich aus der Norm Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten und einzelner ergeben1167, wenn die Norm über ihre unmittelbare Geltung hinaus auch unmittelbar anwendbar1168 ist. Drittens besteht für die Mitgliedstaaten ein Umsetzungsverbot, da nationale ___________ 1162

Vgl. EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629 Rdnr. 14, 16. 1163 EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629. 1164 EuGH, Urt. v. 15.12.1976, Rs. 35/76 – Simmenthal I, Slg. 1976, 1871. 1165 EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629 Rdnr. 17, 18. Hervorhebung hinzugefügt. 1166 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629 Rdnr. 14–18. 1167 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629 Rdnr. 14–18. 1168 Dazu sogleich unten, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(a)ii), S. 280 f.

280

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Umsetzungsgesetze den Gemeinschaftsrechtscharakter der Norm verschleiern und Zweifel über den Geltungszeitraum und die letztverbindliche Auslegungskompetenz des EuGH hervorrufen könnten1169. Unmittelbar geltend in diesem Sinne ist primäres Gemeinschaftsrecht1170 seit Inkrafttreten des Vertrages am 1. Januar 19581171 sowie die Gemeinschaftsabkommen als „integrierender Bestandteil des Gemeinschaftsrechts“1172. Die Verordnung gilt mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens1173 unmittelbar, die individualgerichtete Entscheidung ab dem Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe gegenüber ihrem Adressaten1174. ii) Unmittelbare Anwendbarkeit Wird im folgenden von unmittelbarer Anwendbarkeit gesprochen, so ist damit gemeint, daß die in Rede stehende Norm ohne weitere Konkretisierung – insbesondere: des Gesetzgebers – zur Lösung eines Sachverhalts herangezogen werden kann, also subsumtionsfähig und justiziabel ist. Voraussetzung hierfür ist zum einen, daß der Wortlaut der Norm hinreichend klar und genau ist1175; eine Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit steht dem nicht entgegen. Zum anderen muß die Norm unbedingt sein; sie darf also nicht von einer weiteren Ermessensentscheidung oder dem Ablauf einer Frist abhängen. ___________ 1169 EuGH, Urt. v. 7.2.1973, Rs. 39/72 – Kommission / Italien, Slg. 1973, 101; EuGH, Urt. v. 10.10.1973, Rs. 34/73 – Variola, Slg. 1973, 981 Rdnr. 10 ff. 1170 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629 Rdnr. 17: „die Vertragsbestimmungen“. 1171 Art. 7 Abs. 1, 7 EGV; Rechtswirkungen fortgeltend nach Art. 10 Abs. 1 AV. 1172 Gemeinschaftsabkommen, die gemäß Art. 111 EG oder Art. 300 EG abgeschlossen werden, vgl. EuGH, Urt. v. 30.4.1974, Rs. 181/73 – Haegemann II, Slg. 1974, 449, 2. Leitsatz. Siehe auch die Nachweise oben, Zweites Kapitel – C.I., S. 232 Fn. 902. 1173 Art. 249 Abs. 2, 254 Abs. 1, 2 EG. 1174 Art. 249 Abs. 4, Art. 254 Abs. 3 EG. 1175 Vgl. M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 96, EuGH, Urt. v. 16.6.1966, Rs. 57/65 – Lütticke, Slg. 1966, 258 [266]: Art. 95 Abs. 1 enthält ein Diskriminierungsverbot, das eine klare und unbedingte Verpflichtung begründet”; EuGH, Urt. v. 1.7.1969, verb. Rs. 2 und 3/69 – Sociaal Fonds voor de Diamantarbeiders, Slg. 1969, 211: Die Art. 9 und 95 EWGV „erlegen den Mitgliedstaaten bestimmte klare und unbedingte Verpflichtungen auf“; EuGH, Urt. v. 19.6.1973, Rs. 77/72 – Capolongo, Slg. 1973, 611: Art. 13 EWGV „beinhaltet spätestens seit dem Ende der Übergangszeit eine klares und eindeutiges Erhebungsverbot für sämtliche Abgaben gleicher Wirkung wie Einfuhrzölle“; EuGH, Urt. v. 5.4.1979, Rs. 148/78 – Ratti, Slg. 1979, 1629 [1642]: „sofern die in Frage stehende Verpflichtung unbedingt und hinreichend genau ist“; EuGH, Urt. v. 19.1.1982, Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982, 53 Rdnr. 25: „Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen“.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

281

Als Rechtsfolge ergibt sich eine Anwendungspflicht aller nationalen Behörden und Gerichte, die von Amts wegen besteht1176. Darüber hinaus besteht grundsätzlich1177 die Berufungsfähigkeit („invocabilité“), d.h. einzelne können sich auf unmittelbar geltende und anwendbare Normen des Gemeinschaftsrechts vor nationalen Behörden und Gerichten berufen, um daraus individuelle Rechte herzuleiten, wenn die Norm den Mitgliedstaaten oder anderen einzelnen eindeutige Verpflichtungen auferlegt1178. Unmittelbar anwendbar1179 sind – alle Grundfreiheiten seit die Frist zur Errichtung des gemeinsamen Marktes abgelaufen ist1180, – die Pflichten im Recht der Wirtschafts- und Währungsunion1181, – die Gemeinschaftsgrundrechte, – die Wettbewerbsregeln sowie – die sich aus der Unionsbürgerschaft ergebenden Rechte.

iii) Unmittelbare Wirkung Schwierigere Fragen waren bei den Rechtsakten zu bewältigen, die – obwohl nicht in den, sondern für die Mitgliedstaaten geltend – in das herkömmliche Schema von unmittelbarer Geltung einer Norm (d.h. der Tatsache, daß sie Bestandteil der Rechtsordnung geworden ist) sowie deren unmittelbarer Anwendbarkeit (Justiziabilität) nicht einzuordnen waren. Konnte man letzteres bei ___________ 1176

EuGH, Urt. v. 22.6.1989, Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839 Rdnr. 31; EuGH, Urt. v. 14.12.1995, Rs. C-312/93 – Peterbroeck, Van Campenhout & Cie, Slg. 1995, I-4599 Rdnr. 20. 1177 Die Frage, ob die unmittelbare Anwendbarkeit einer Norm immer hinreichend ist, um gemeinschaftsrechtliche individuelle Rechte begründen zu können, wird unten, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2), S. 321 ff. und C.III.2.b), S. 384 ff. vertieft behandelt; hier muß zunächst die terminologische Vergewisserung ausreichen. 1178 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [25]. E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 20; A. Bach, JZ 1990, S. 1108 [1116]. Siehe auch B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 132 ff.; J. Wolf, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1361 [1368 f.] und die anschauliche Zusammenfassung von J. Schwarze, in: Schwarze, Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1996, S. 175 ff. 1179 Zur Entwicklung hinsichtlich des gemeinschaftlichen Primärrechts: T. Kingreen / R. Störmer, EuR 1998, S. 263 ff. 1180 Also Art. 28, 39, 43, 49, 56 Abs. 1 EG. 1181 Etwa das Verbot der Kreditfinanzierung öffentlicher Haushalte nach Art. 101 EG seit dem 1. Januar 1994 (Art. 116 Abs. 1 Unterabs. 1 EG) und das Verbot übermäßiger öffentlicher Defizite seit dem 1. Januar 1999 (Art. 116 Abs. 3 Unterabs. 2 EG).

282

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Richtlinien und staatengerichteten Entscheidungen1182 noch bejahen, so war ersteres nicht ohne weiteres klar zu beantworten. Nach dem Wortlaut der Verträge besitzen Richtlinien und Empfehlungen, die sich an die Mitgliedstaaten richten, keine unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten1183; diese Rechtsakte gelten für die Mitgliedstaaten. Sie sind nach Art. 249 Abs. 3, 4 EG an die Mitgliedstaaten gerichtete Handlungsaufträge, so daß sie bei ordnungsgemäßer Durchführung innerstaatliche Rechtswirkungen grundsätzlich nur über die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Durchführungsmaßnahmen entfalten. Der EuGH hat als Surrogat eine unmittelbare Wirkung1184 angenommen, wenn diese ___________ 1182

Daß bei staatengerichteten Entscheidungen die gleichen Grundsätze wie bei Richtlinien gelten, sie also bei unmittelbarer Anwendbarkeit individuelle Rechte zu begründen geeignet sind, hat der EuGH bereits früh in einem obiter dictum festgestellt: EuGH, Urt. v. 6.10.1970, Rs. 9/70 – Grad (Leberpfennig), Slg. 1970, 825 [828 f.]; EuGH, Urt. v. 21.10.1970, Rs. 23/70 – Haselhorst, Slg. 1970, 881 [893 f.]. Ausdrücklich klargestellt ist die Frage seit: EuGH, Urt. v. 10.11.1992, Rs. C-156/91– Hansa Fleisch Ernst Mundt, Slg. 1992, I-5567. Vgl. M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 379. 1183 M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 364. 1184 Der EuGH hat die Frage in der Entscheidung EuGH, Urt. v. 17.12.1970, Rs. 33/70 – S.A.C.E., Slg. 1970, 1213 Rdnr. 12 ff. noch umgangen; st. Rspr. seit EuGH, Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/74 – Van Duyn, Slg. 1974, 1337. Vgl. EuGH, Urt. v. 1.2.1977, Rs. 51/76 – Nederlandse Ondernemingen, Slg. 1977, 113; EuGH, Urt. v. 23.11.1977, Rs. 38/77 – Enka BV, Slg. 1977, 2203; EuGH, Urt. v. 29.11.1978, Rs. 21/78 – Delkvist, Slg. 1978, 2327; EuGH, Urt. v. 5.4.1979, Rs. 148/78 – Ratti, Slg. 1979, 1629; EuGH, Urt. v. 19.1.1982, Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982, 53; EuGH, Urt. v. 25.1.1983, Rs. 126/82 – Smit, Slg. 1983, 73; EuGH, Urt. v. 26.1.1984, Rs. 301/82 – Clin-Midy, Slg. 1984, 251; EuGH, Urt. v. 26.2.1986, Rs. 152/84 – Marshall, Slg. 1986, 723; EuGH, Urt. v. 8.10.1987, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969; EuGH, Urt. v. 20.9.1988, Rs. 190/87 – Handelsonderneming Moormann, Slg. 1988, 4689; EuGH, Urt. v. 15.5.1986, Rs. 222/84 – Johnston, Slg. 1986, 1651; EuGH, Urt. v. 22.6.1989, Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839; EuGH, Urt. v. 12.7.1990 Rs. C-188/89, Foster, Slg. 1990, I-3313; EuGH, Urt. v. 30.5.1991, Rs. 361/88 – Kommission / Deutschland (TA-Luft), Slg. 1991, I-2567; EuGH, Urt. v. 30.5.1991, verb. Rs. C-19/90 und C-20/90 – Karella und Karellas, Slg. 1991, I-2691; EuGH, Urt. v. 15.5.1991, Rs. C-193/91 – Mohsche, Slg. 1993, I-1615; EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 – Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325; EuGH, Urt. v. 7.3.1996, Rs. C-192/94 – El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281; EuGH, Urt. v. 17.9.1996, verb. Rs. C-246–249/94 – Cooperativa Agricola Zootecnica S. Antonio u.a. Slg. 1996, I-4373; EuGH, Urt. v. 20.3.1997, Rs. C-96/95 – Kommission / Deutschland, Slg. 1997, I-1653; EuGH, Urt. v. 29.5.1997, Rs. C-389/95 – Klattner, Slg. 1997, I-2719; EuGH, Urt. v. 17.9.1997, Rs. C-54/96 – Dorsch Consult, Slg. 1997, I-4961; EuGH, Urt. v. 4.12.1997, verb. Rs. C-253–258/96 – Kampelmann Slg. 1997, I-6907; EuGH, Urt. v. 18.12.1997, Rs. C-129/96 – Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I-7411; EuGH, Urt. v. 13.7.2000, Rs. C-456/98 – Centrosteel, Slg. 2000, I-6007; EuGH, Urt. v. 14.9.2000, Rs. C-343/98 – Collino u.a., Slg. 2000, I-6659; EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189; EuGH, Urt. v. 26.9.2000, Rs. C-443/98 – Unilever Italia, Slg. 2000, I-7535.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Handlungsaufträge nicht erfüllt werden, und die Voraussetzungen nach und nach entfaltet. (b) Entwicklung der Dogmatik Wie beim Primärrecht kommt es aber auch hier auf „Rechtsnatur, Systematik und Wortlaut“1185 sowie darauf an, ob der Rechtsakt „geeignet“ ist, unmittelbare Rechte für den einzelnen zu begründen. Die Lösung entspricht folglich derjenigen des Primärrechts. i) Yvonne Van Duyn / Home Office Als Beginn1186 der Entwicklung läßt sich die Rechtssache Van Duyn ausmachen. Einer niederländischen Staatsangehörigen war die Genehmigung zur Einreise in das Vereinigte Königreich zum Zweck der Tätigkeit als Sekretärin bei der Church of Scientology versagt worden. In dem hierauf angestrengten Rechtsstreit kam es darauf an, ob dies mit Art. 39 EG1187 und Art. 3 RL 64/221/EWG vereinbar war.

Auf das Vorabentscheidungsersuchen der Chancery Devision des englischen High Court of Justice entschied der EuGH1188: „Zwar gelten nach Art. 1891189 Verordnungen unmittelbar und können infolgedessen schon wegen ihrer Rechtsnatur unmittelbare Wirkungen erzeugen. Hieraus folgt indessen nicht, daß andere in diesem Artikel genannte Kategorien von Rechtsakten niemals ähnliche Wirkungen erzeugen könnten. Mit der den Richtlinien durch Art. 189 zuerkannten verbindlichen Wirkung wäre es unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, daß betroffene Personen sich auf die durch Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. Insbesondere in den Fällen, in denen etwa die Gemeinschaftsbehörden die Mitgliedstaaten zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, würde die nützliche Wirkung (‚effet utile‘) einer solchen Maßnahme abgeschwächt, wenn die einzelnen sich vor Gericht hierauf nicht berufen und die staatlichen Gerichte sie nicht als Gemeinschaftsrecht berücksichtigen könnten. […]“

___________ 1185

Etwa EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 – Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325. In der Entscheidung EuGH, Urt. v. 17.12.1970, Rs. 33/70 – S.A.C.E., Slg. 1970, 1213 Rdnr. 12 ff. hatte der EuGH die Fragen noch in der Schwebe gelassen. Er hatte dort die mitgliedstaatliche Verpflichtung Italiens weiter dem Primärrecht entnommen, der in Rede stehenden RL 68/31/EWG lediglich einen geänderten Zeitpunkt der Erfüllung der Pflicht entnommen. 1187 Art. 48 EWGV. 1188 EuGH, Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/74 – Van Duyn, Slg. 1974, 1337 Rdnr. 12 ff. Hervorhebungen hinzugefügt. 1189 Nunmehr Art. 249 EG. 1186

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

284

„Die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221 enthaltene Bestimmung […] enthält zum einen eine Verpflichtung, die weder mit einem Vorbehalt noch mit einer Bedingung versehen ist und ihrem Wesen nach keiner weiteren Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf. Da es sich zum anderen um eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten handelt, in der Anwendung einer Ausnahmebestimmung zu einem der wesentlichen den einzelnen begünstigenden Vertragsgrundsätze keine außerhalb des persönlichen Verhaltens liegenden Umstände zu berücksichtigen, verlangt die Rechtssicherheit, daß die Betroffenen sich auf diese Verpflichtung berufen können. […]“

Auf diesen Ausführungen aufbauend wurden drei Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien1190 angenommen1191: ) Ablauf der Umsetzungsfrist für 



) eine den einzelnen begünstigende Bestimmung, deren ) Inhalt unbedingt, hinreichend genau und deshalb unmittelbar anwendbar („self executing“1192) ist.

Als ausgeschlossen wurde demnach eine unmittelbare Wirkung in drei Konstellationen angesehen: Wenn Richtlinienbestimmungen den einzelnen nicht „begünstigen“, sondern zu seiner „Belastung“ führen (insbesondere als „Horizontalwirkung“ im Verhältnis zweier Privater); bei rein objektiven Richtlinienbestimmungen ohne begünstigende Wirkung („objektive Wirkung“1193); bei nicht unmittelbar anwendbaren Richtlinienbestimmungen. Insbesondere das zweite Element erinnert an die schutznormtheoretische Konzeption; es wurde und wird auch ganz überwiegend von deutschen Autoren vertreten1194. Der EuGH hat sich die Begriffe „Begünstigung“, „Belastung“, „Horizontalwirkung“ oder „objektive Wirkung“ nie zu eigen gemacht. ___________ 1190

Und staatengerichteten Entscheidungen, vgl. EuGH, Urt. v. 10.11.1992, Rs. C-156/91 – Hansa Fleisch Ernst Mundt, Slg. 1992, I-5567 und die Nachweise oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(a)iii), S. 281 Fn. 1182 und bereits EuGH, Urt. v. 12.11.1969, Rs. 29/69 – Stauder, Slg. 1969, 419 und EuGH, Urt. v. 2.7.1974, Rs. 173/73 – Italien / Kommission, Slg. 1974, 709; allgemein dazu: U. Mager, EuR 2001, S. 661 ff. 1191 M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 365. 1192 Der Begriff wird seit der opinion von Chief Justice Marshall in der Entscheidung Foster and Elam v. Neilson, 27 U.S. (Pet.) 253, 314 (1829) verwandt. Vgl. A. Koller, Die unmittelbare Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge, 1971, S. 31 ff. 1193 Prominentes Beispiel hierfür ist die „UVP-Richtlinie“ (RL 85/337/EWG; konsolidierte Fassung einsehbar unter: http://europa.eu.int/eur-lex/de/consleg/pdf/1985/de_ 1985L0337_do_001.pdf.) bei der dies lange (bis zu EuGH, Urteil v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, I-5403 ff.) angenommen wurde. 1194 Vgl. M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 96 mit Fn. 323; M. Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 [71] „nur von deutschen Autoren“; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [482 ff.]. Vertreten etwa von: M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 365; M. Gellermann, DÖV 1996, S. 433

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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ii) Wärmekraftwerk Großkrotzenburg Die Klarstellung durch die Entscheidung in der Rechtssache Großkrotzenburg1195 hat dementsprechend vorwiegend in der deutschsprachigen Literatur Erstaunen ausgelöst1196. Die Bundesrepublik hatte die UVP-Richtlinie1197, die bis zum 3. Juli 1988 umzusetzen war, erst mit Wirkung zum 1. August 1990 umgesetzt1198. Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte den Antrag der Preußen Elektra AG auf Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung eines neuen Kraftwerksblockes mit einer Leistung von 500 MW für das Wärmekraftwerk Großkrotzenburg im Jahre 1989 – also noch vor Inkrafttreten des UVP-Gesetzes – positiv beschieden. Die Kommission sah darin einen Vertragsverstoß und strengte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an. Die Bundesrepublik vertrat die Auffassung, die UVP-Richtlinie statuiere ausschließlich Verpflichtungen der Bundesrepublik gegenüber der Gemeinschaft. Sie räume dem einzelnen jedoch keine individuellen Rechte ein und sei daher nicht unmittelbar anwendbar. Die deutschen Behörden seien daher nicht verpflichtet gewesen, die Richtlinie im Rahmen des Genehmigungsverfahrens anzuwenden1199.

Der EuGH erteilte dieser Sichtweise eine Absage1200: „Die Bundesrepublik Deutschland trägt schließlich vor, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes komme den Bestimmungen einer Richtlinie unmittelbare Wirkung nur dann zu, wenn diese dem einzelnen individuelle Rechte einräumten. Die Art. 2, 3 und 8 der Richtlinie begründeten jedoch keine derartigen individuellen Rechte. […] Die deutsche Verwaltung sei daher nicht verpflichtet gewesen, sie vor der Umsetzung der Richtlinie unmittelbar anzuwenden. […D]ieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die Kommission wirft der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Klage vor, in einem konkreten Fall die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebende Verpflichtung

___________ [438]; C. Calliess, NVwZ 1996, S. 339 [340 f.]. Dagegen aus der französischsprachigen Literatur etwa J. Molinier, droit du contentieux européen, 1996, S. 15 ff.; aus der englischsprachigen Literatur P. Craig / G. de Búrca, EU Law, 3. Aufl. 2002, S. 202 ff. und S. Prechal, Directives in European community law, 1995, S. 276. 1195 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189 ff. 1196 Etwa: A. Epiney, DVBl. 1996, S. 409 [412]: „Das Erfordernis der Gewährung von Rechten an einzelne […] wird aufgegeben“. Dieses Erfordernis hat der EuGH selbst freilich nie aufgestellt, vgl. zutreffend M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 96 Fn. 323. und das Zitat des ehemaligen GA W. van Gerven, unten, S. 287 Fn. 1211. Zusammenfassung aus holländischer Sicht dazu bei J. Jans, European Environmental Law, 2. Aufl. 2000, S. 173 f., 188 ff.; zur französischen Perspektive: S. Heim, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im deutschen und französischen Recht am Beispiel des Umweltrechts, 1999, S. 117 ff. 1197 RL 85/337/EWG. 1198 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 12.2.1990. 1199 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189 Rdnr. 37. 1200 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189 Rdnr. 24–26, 39 f. Hervorhebung hinzugefügt.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

zur Prüfung der Umweltverträglichkeit des betreffenden Projekts nicht erfüllt zu haben. Es stellt sich daher die Frage, ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, daß sie die behauptete Verpflichtung aufstellt. Diese Frage hat mit der in der Rechtsprechung des Gerichtshofes anerkannten Möglichkeit für den einzelnen, sich gegenüber dem Staat unmittelbar auf unbedingte sowie hinreichend klare und genaue Vorschriften einer nicht umgesetzten Richtlinie zu berufen, nichts zu tun. […] Art. 2 der Richtlinie stellt eine unmißverständliche Verpflichtung für die in den einzelnen Mitgliedstaaten für die Genehmigung der Projekte zuständigen Behörden auf, bestimmte Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Art. 3 legt den Inhalt der Prüfung fest, zählt die Faktoren auf, denen hierbei Rechnung zu tragen ist und räumt der zuständigen Behörde ein gewisses Ermessen hinsichtlich der geeigneten Art und Weise der Durchführung der Prüfung nach Maßgabe jedes Einzelfalls ein. Art. 8 erlegt den betreffenden nationalen Behörden ferner die Pflicht auf, die während des Prüfungsverfahrens eingeholten Angaben im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu berücksichtigen. Unabhängig von ihren Einzelheiten erlegen die fraglichen Vorschriften also den zuständigen nationalen Behörden unmißverständlich die Pflicht auf, bestimmte Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.“ 1201

Im Ergebnis war damit klargestellt1202, daß eine unmittelbare Wirkung dann anzunehmen ist, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: ) Ablauf der Umsetzungsfrist für 

) eine ihrem Inhalt nach unbedingte, hinreichend genaue und deshalb unmittelbar anwendbare („self executing“) Vorschrift.

iii) Entwicklung eines dreistufigen Modells Die Zusammenschau der Rechtsprechung ergibt ein Stufenmodell. ) Vorwirkung Zunächst verpflichtet die Richtlinie mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens (Art. 254 Abs. 1 EG) die Mitgliedstaaten sowie alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten gemäß Art. 10, 249 Abs. 3 EG bereits während der Umsetzungsfrist. Diese Vorwirkung1203 bedeutet zum einen, alle zur Erfüllung der sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen und jedenfalls solche nationalen Normen, die als Richtlinienumsetzung angesehen werden können, bereits richtlini___________ 1201 Weiter prüfte der EuGH dann, ob Deutschland gegen die Richtlinie verstoßen habe. Damit setzte er die in der Literatur so bezeichnete „objektive Wirkung“ (vgl. oben, Zweites Kapitel –C.I.1.a)(3)(b)i), S. 284 Fn. 1194) voraus, auch wenn er insgesamt keinen Verstoß feststellen konnte. 1202 Eine ähnliche Formulierung findet sich bei EuGH, Urteil v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, I-5403 Rdnr. ff. 1203 U. Schliesky, DVBl. 2003, S. 631 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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enkonform auszulegen1204. Dem entspricht es auch, daß eine Vorabentscheidungsfrage nach der Gültigkeit einer Richtlinie schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist zulässig ist1205. Die Rechtsprechung orientiert sich zunehmend vor der Umsetzung an den rechtlichen Vorgaben1206, an der „Maßstabsfunktion“1207 von Richtlinien und auferlegt sich insoweit eine „Pflicht zur Stillhaltung“1208. Zum anderen obliegt den Mitgliedstaaten die – dem völkerrechtlichen Frustrationsverbot verwandte1209 – Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen1210. 

) Unmittelbare Wirkung

Individuelle Rechte entstehen erst mit der vollen unmittelbaren Wirkung1211. Dann erst besteht auch die volle Anwendungspflicht. Die Richtlinienbestim___________ 1204 Vgl. EuGH, Urt. v. 8.10.1987, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969 Rdnr. 12, 15. Die Vorwirkung ist im deutschen Recht kein fremdes Phänomen; umfassend: M. Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, 1974. 1205 Nunmehr erstmals entschieden durch EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-491/01 – British American Tobacco und Imperial Tobacco, Slg. 2002, I-11453 Rdnr. 33. 1206 Vgl. G. Thüsing, NJW 2003, S. 405 [406] zur RL 2000/78/EG und zu der Entscheidung des BAG, Urt. v 10.10.2002 2 AZR 472/01, NWB 2002, S. 3607 (Eine Verkäuferin in einem Kaufhaus einer hessischen Kleinstadt hatte darauf bestanden, bei ihrer Tätigkeit ein Kopftuch zu tragen. Die deswegen erfolgte Kündigung erklärte das BAG für unwirksam und bezog die Wertungen der RL 2000/78/EG mit ein). 1207 BGH, Beschl. v. 3.6.1993, I ZB 9/91, BB 1993, S. 1965 [1966]: „Maßstabsfunktion“ der RL 89/104/EWG mit Verweis auf die Formulierung von A. Bach, JZ 1990, S. 1108 [1113]. BGH, Urt. v. 5.2.1998, I ZR 211/95, WRP 1998, S. 718 ff. 1208 BVerwG, Urt. v. 19.5.1998, 4 A 9.97, BVerwGE 107, 1, 8. Leitsatz: „Aus dem Gemeinschaftsrecht folgt die Pflicht eines Mitgliedstaates der EU, vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer EU-Richtlinie die Ziele der Richtlinie nicht zu unterlaufen und durch eigenes Verhalten keine gleichsam vollendeten Tatsachen zu schaffen, welche später die Erfüllung der aus der Beachtung der Richtlinie gem. Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 189 Abs. 3 EGV a.F. erwachsenen Vertragspflichten nicht mehr möglich machen würde – Pflicht zur ‚Stillhaltung‘.“ 1209 Vgl. Art. 18 WVRK. 1210 EuGH, Urt. v. 18.12.1997, Rs. C-129/96 – Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I-7411: Der Verein mit nichtgewerblichen Zielen „Inter-Environnement Wallonie“ hatte gegen einen Erlaß der wallonischen Regionalverwaltung über giftige oder gefährliche Abfälle geklagt. Dieser nahm vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Abfall-Richtlinie (RL 75/442/EWG in der Fassung der RL 91/156/EWG) die Ansiedlung und den Betrieb einer speziellen Anlage für die Zusammenstellung, Vorbehandlung, Beseitigung oder Verwertung von giftigen oder gefährlichen Abfällen von der in der Richtlinie vorgesehenen Genehmigungsregelung aus, wenn die Anlage „in einen industriellen Produktionsprozeß eingegliedert ist“. 1211 Dazu der ehemalige GA W. van Gerven, CMLRev. 37 (2000), S. 501 [506]: „The distinction between ‚subjective‘ and ‚objective‘ direct effect stems from German law where it has long been considered that directly effective provisions only have direct ef-

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

mung selbst kann Verpflichtungen für einen einzelnen nicht direkt begründen1212, wobei sich als Ergebnis der Richtlinienanwendung eine „Belastung“ des einzelnen durchaus ergeben kann; ausgeschlossen ist die unmittelbare Wirkung vielmehr nur dann, wenn die Richtlinie selbst als Anspruchsgrundlage gegen einen einzelnen verwendet wird1213. Der Private hat den belastenden Reflex hinzunehmen, der sich aus der Pflicht der Behörde zur Anwendung der Richtlinie für ihn ergibt1214. Dies ist etwa bei einer staatlichen Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags der Fall, die dem einen Privaten gibt, was sie dem anderen nimmt1215. Gleiches gilt bei Richtlinien im Umweltbereich, die ___________ fect when they are sufficiently clear and unconditional and, moreover, intended to create rights for individuals. That however is not the approach of Community law where it is sufficient for a directive to be clear and unconditional in order to have direct effect; […] ‚the intention to grant rights is not a condition for direct effect, but a consequence‘“. Deutlich nunmehr: BVerwG, Urt. v. 25.1.1996, 4 C 5.95, BVerwGE 100, 238 [242]: „Ob der einzelne aus diesen Bestimmungen subjektive Rechte für sich herleiten kann, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die Möglichkeit des Gemeinschaftsbürgers, sich auf hinreichend genaue und unbedingte Richtlinienvorschriften zu berufen, ist nicht eine Voraussetzung, sondern lediglich eine Folge der unmittelbaren Wirkung […]. Sie ist nicht geeignet, Aufschluß darüber zu geben, ob der Richtlinieninhalt im säumigen Mitgliedstaat objektiv-rechtlich gilt.“ Ob das vom BVerwG als Beleg bemühte Urteil EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757 ff. wirklich diese Aussage enthält dürfte indessen fraglich sein, da es dort nicht darum ging, daß sich ein einzelner nicht auf eine Richtlinie berufen kann, sondern daß er sich nicht auf sie berufen hat. Siehe zu der Entscheidung des BVerwG auch M. Ruffert, ZUR 1996, 235 ff., der der Schlußfolgerung des BVerwG zustimmt, aber entscheidend auf EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189 ff. abstellt. 1212 EuGH, Urt. v. 8.10.1987, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969 Rdnr. 9. 1213 EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 – Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325 Rdnr. 24: „Eine Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf den Bereich der Beziehungen zwischen den Bürgern hieße, der Gemeinschaft die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung zu Lasten der Bürger Verpflichtungen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlaß von Verordnungen zugewiesen ist.“ 1214 Ein deutliches Beispiel (nach: J. Gundel, EuZW 2001, S. 143 [144 Fn. 14]) bietet EuGH, Urt. v. 12.11.1996, Rs. C-201/94 – Smith & Nephew Pharmaceuticals und Primecrown, Slg. 1996, I-5819: Der Inhaber einer Verkehrsgenehmigung für ein Präparat nach der RL 65/65/EWG könne sich zur Anfechtung der einem anderen Unternehmen erteilten Einfuhrgenehmigung für eine Arzneispezialität, die mit derselben Bezeichnung versehen ist und aufgrund eines Vertrages mit demselben Lizenzgeber hergestellt worden ist, auf die Bestimmungen der Richtlinie berufen, da diese hinreichend bestimmt und unbedingt seien. GA P. Léger war in seinen Schlußanträgen v. 30.1.1996 (a. a. O., Rdnr. 87) noch deutlich skeptischer gewesen. Eine vollständig überzeugende Begründung für dieses Ergebnis fehlt immer noch, vgl. dazu: C. Timmermans, YEL Bd. 17 (1997), S. 1 [17 ff]. 1215 EuGH, Urt. v. 22.6.1989, Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839; dort ging es freilich nicht um eine Vergabe, sondern um die Zulassung eines Angebots, wodurch die anderen Bewerber noch nicht „belastet“ waren, vgl. J. Gundel, EuZW 2001,

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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mit der Festlegung von Umweltstandards den Bürger schützen, indem sie andere – etwa Anlagenbetreiber – belasten1216. Die Argumentationstopoi ähneln denen, die aus der Grundrechtsdogmatik des nationalen Rechts bekannt sind1217. ) „Indirekte“ unmittelbare Wirkung Ist nach Ablauf der Umsetzungsfrist die Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit nicht erfüllt oder wird eine direkte Verpflichtung des einzelnen begründet, so besteht in Ermangelung unmittelbarer Wirkung gleichwohl eine „indirekte Wirkung“1218 in Gestalt der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung1219 der nationalen Bestimmungen, die ihre „Grenzen in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teil des Gemeinschaftsrechts sind, und insbesondere in dem Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot [findet. Das bedeutet,] daß eine Richtlinie für sich allein und unabhängig von zu ihrer Durchführung erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates nicht die Wirkung haben kann, die strafrechtliche Verantwortlichkeit […] festzulegen oder zu verschärfen.“1220

iv) Heutiger Stand Die Eckpunkte in der Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von nicht oder unzureichend umgesetzten EG-Richtlinien sind damit gefestigt1221: Ist die Umsetzungsfrist abgelaufen und sind die betreffenden Bestimmungen der Richtlinie hinreichend bestimmt und unbedingt gefaßt (unmit___________ S. 143 [144]; C. D. Classen, EuZW 1993, S. 83 [85]; L. Krämer, WiVerw 1990, S. 138 [150 ff.]. 1216 A. Epiney, DVBl. 1996, S. 409 [412 f.]; S. Prechal, Directives in European community law, 1995, S. 65 ff.; C. D. Classen, EuZW 1993, S. 83 [84]. 1217 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 90. Die Diskussion um faktische oder mittelbare Grundrechtseingriffe verläuft in ganz ähnlichen Bahnen vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.6.1979, 2 BvR 290/79, BVerfGE 51, 369 [376 f.]; H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 48, 163 f. Zu Entgrenzungstendenzen in diesem Bereich: H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [39 ff.]. 1218 P. Craig / G. de Búrca, EU Law, 3. Aufl. 2002, S. 211 behandeln die richtlinienkonforme Auslegung unter der Überschrift „indirect effect“. 1219 EuGH, Urt. v. 13.11.1990, Rs. C-106/89 – Marleasing, Slg. 1990, I-4135 Rdnr. 8. 1220 EuGH, Urt. v. 8.10.1987, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969 Rdnr. 13. 1221 Zusammenfassung des heutigen Standes nach: J. Gundel, EuZW 2001, S. 143 f. Eine noch stärkere Angleichung an die Verordnung wird aber immer wieder gefordert, etwa D. Colgan, EPL 2002, S. 545 ff. („Coup de Gràce for the Denial of Horizontal Direct Effect“).

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

telbar anwendbar), so kann sich der einzelne gegenüber dem Staat1222 und seinen Untergliederungen1223 auf die Richtlinie berufen. In entgegengesetzter Richtung ist dem säumigen Staat die Berufung auf die Richtlinie gegenüber dem einzelnen verwehrt1224 (Ausschluß der „umgekehrt vertikalen Wirkung“1225). Auch im Rechtsstreit unter Privaten ist eine Berufung auf die Richtlinie grundsätzlich nicht möglich1226, wenn eine direkte Verpflichtung und nicht nur ein wirtschaftlicher oder faktischer Nachteil in Rede steht. In diesen Fällen bleibt nur die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts1227. Diese wurde zeitweise als eine der unmittelbaren Wirkung fast gleichwertige Lösung angesehen, etwa aufgrund der Ausführungen des EuGH ___________ 1222

St. Rspr., siehe etwa EuGH, Urt. v. 5.4.1979, Rs. 148/78 – Ratti, Slg. 1979, 1629; EuGH, Urt. v. 19.1.1982, Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982, 53; EuGH, Urt. v. 22.2.1984, Rs. 70/83 – Kloppenburg, Slg. 1984, 1075 aus der neueren Rechtsprechung EuGH, Urt. v. 17.9.1996, verb. Rs. C-246–249/94 – Cooperativa Agricola Zootecnica S. Antonio u.a., Slg. 1996, I-4373; EuGH, Urt. v. 29.5.1997, Rs. C-389/95 – Klattner, Slg. 1997, I-2719; EuGH, Urt. v. 17.9.1997, Rs. C-54/96 – Dorsch Consult, Slg. 1997, I-4961. 1223 Erstmals EuGH, Urt. v. 26.2.1986, Rs. 152/84 – Marshall, Slg. 1986, 723; bestätigt durch: EuGH, Urt. v. 12.7.1990 Rs. C-188/89, Foster, Slg. 1990, I-3313; EuGH, Urt. v. 4.12.1997, Rs. C-253–258/96 – Kampelmann Slg. 1997, I-6907; EuGH, Urt. v. 14.9.2000, Rs. C-343/98 – Collino u.a., Slg. 2000, I-6659 Rdnr. 22 f. 1224 EuGH, Urt. v. 8.10.1987, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969; EuGH, Urt. v. 26.9.1996, Rs. C-168/95 – Arcaro, Slg. 1996, I-4705 Rdnr. 36: „Der Gerichtshof hat klargestellt, daß mit dieser Rechtsprechung verhindert werden soll, daß ein Staat aus seiner Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts Nutzen ziehen kann.“ 1225 J. Gundel, EuZW 2001, S. 143 [144]. 1226 EuGH, Urt. v. 26.2.1986, Rs. 152/84 – Marshall, Slg. 1986, 723; EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 – Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325; EuGH, Urt. v. 7.3.1996, Rs. C-192/94 – El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281; EuGH, Urt. v. 11.7.1996, verb. Rs. C-71/94, C-72/94 und C-73/94 – Eurim-Pharm Arzneimittel, Slg. 1996, I-3603 Rdnr. 26; EuGH, Urt. v. 4.12.1997, Rs. C-97/96 – Verband deutscher Daihatsu-Händler, Slg. 1997, I-6843 Rdnr. 24; EuGH, Urt. v. 16.7.1998, Rs. C-355/96 – Silhouette International Schmied, Slg. 1998, I-4799 Rdnr. 37 – Silhouette; EuGH, Urt. v. 22.9.1998, Rs. C-185/97 – Coote, Slg. 1998, I-5199 Rdnr. 17; EuGH, Urt. v. 13.7.2000, Rs. C-456/98 – Centrosteel, Slg. 2000, I-6007. Eine solche befürwortend: GA C. O. Lenz, Schlußanträge v. 9.2.1994 zu EuGH, Urteil v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 – Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325 Rdnr. 71; P. Craig, ELRev. 1997, S. 519 [526 f.]. 1227 EuGH, Urt. v. 10.4.1984, Rs. 14/83 – von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891; EuGH, Urt. v. 10.4.1984, Rs. 79/83 – Harz, Slg. 1984, 1921; EuGH, Urt. v. 7.12.1995, Rs. 472/93 – Spano, Slg.1995, I-4321 Rdnr. 17; EuGH, Urt. v. 11.7.1996, verb. Rs. C-71/94, C-72/94 und C-73/94 – Eurim-Pharm Arzneimittel, Slg. 1996, I-3603 Rdnr. 26; EuGH, Urt. v. 20.3.1997, Rs. C-352/95 – Phytheron International, Slg. 1997, I-1729 Rdnr. 18; EuGH, Urt. v. 27.6.2000, verb. Rs. C-240–244/98 – Océano Grupo Editorial u.a., Slg. 2000, I-4941 Rdnr. 30 f.; EuGH, Urt. v. 13.7.2000, Rs. C-456/98 – Centrosteel, Slg. 2000, I-6007 Rdnr. 16 ff.; siehe auch M. Zuleeg, in: Schulze, Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, 1999, S. 163 ff.; W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 50 ff.; P. Craig, ELRev. 1997, S. 519 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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in der Rechtssache Marleasing1228. Die strukturellen Grenzen werden aber in neuerer Zeit in der Rechtsprechung des EuGH wieder stärker betont1229. In keinem Fall ist die unmittelbare Wirkung davon abhängig, daß die Richtlinie einem einzelnen individuelle Rechte verleiht oder ihn „begünstigt“. Individuelle Rechte stellen eine Rechtsfolge und keine Tatbestandsvoraussetzung der unmittelbaren Wirkung dar1230. (c) Haftung der Mitgliedstaaten Wo auch die richtlinienkonforme Interpretation ausscheidet, weil sie die der Auslegung gesetzten Grenzen überschreiten würde1231, bleibt die Möglichkeit eines Staatshaftungsanspruches gegen den säumigen Staat1232; die Staatshaftung ___________ 1228 EuGH, Urt. v. 13.11.1990, Rs. C-106/89 – Marleasing, Slg. 1990, I-4135 Rdnr. 8–9: „[…] obliegen die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 EWGV, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten. Daraus folgt, daß ein nationales Gericht, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts – gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt – dieses Recht auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten muß, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag nachzukommen. Das Erfordernis einer Auslegung des nationalen Rechts […] verbietet es somit, die nationalen Rechtsvorschriften über Aktiengesellschaften dergestalt auszulegen, daß die Nichtigkeit einer Aktiengesellschaft aus anderen als den in […] dieser Richtlinie abschließend aufgezählten Gründen ausgesprochen werden kann.“ Dies wurde als Verpflichtung der nationalen Gerichte verstanden, das angestrebte Ergebnis ohne Rücksicht auf die Grenzen der Auslegung herbeizuführen; G. de Búrca, MLR 1992, S. 215 [223, 227 ff.]; vgl. auch G. C. Rodríguez Iglesias / K. Riechenberg, in: FS für Ulrich Everling, 1995, Bd. 2, S. 1213 [1220 ff.]. Dies mag aber auch damit zusammenhängen, daß die englische Fassung dieses Urteils („precludes the interpretation of provisions of national law“) sprachlich eine Nuance enger als die deutsche ist. 1229 EuGH, Urt. v. 26.9.1996, Rs. C-168/95 – Arcaro, Slg. 1996, I-4705 Rdnr. 42; EuGH, Urt. v. 12.12.1996, verb. Rs. C-74/95 und C-129/95 – Bildschirmarbeitsplätze, Slg. 1996, I-6609. 1230 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189 Rdnr. 24 ff.; M. Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 [71]; M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 327; W. van Gerven, oben, S. 287 Fn. 1211; P. Craig / G. de Búrca, EU Law, 3. Aufl. 2002, S. 228. 1231 EuGH, Urt. v. 16.12.1993, Rs. C-334/92 – Wagner Miret, Slg. 1993, I-6911 Rdnr. 20, 22; M. Zuleeg, in: Schulze, Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, 1999, S. 163 [172 f.]; C. Timmermans, YEL Bd. 17 (1997), S. 1 [23]. Vgl. auch: Corte di Cassazione, Urt. v. 23.1.2002, Nr. 752 – Garantiefonds zur Entschädigung der Opfer von Verkehrsunfällen, ELF 2002, S. 220. 1232 EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357; EuGH, Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188 –

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

hat so neben der restituierenden Funktion1233 eine kompensatorische hinsichtlich der unterbliebenen Anwendung der Richtlinie unter Privaten1234. Die ursprünglich anhand der Richtlinien entwickelte Rechtsprechung zur mitgliedstaatlichen Haftung ist zwischenzeitlich zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz weiterentwickelt worden1235; sie bildet ein Auffanginstitut, welches dann zum Zuge kommt, wenn sich die normative Substanz des Gemeinschaftsrechts im indirekten Vollzug nicht durchgesetzt hat1236. Ihre Anwendung wird von der Kommission sorgfältig registriert1237, 1238. (d) Verbleibende Probleme Verbleibende Probleme betreffen insbesondere die Durchsetzung staatlicher Verbote in Wettbewerbsprozessen1239 sowie die Einwirkung richtlinienwidriger staatlicher Verbote auf die Vertragserfüllung unter Privaten1240. In beiden Kon___________ 190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845; EuGH, Urt. v. 15.6.1999, Rs. C-140/97 – Rechberger, Greindl, u.a., Slg. 1999, I-3499. 1233 Vgl. dazu allgemein F. Baur, in: FG für Johannes Sontis, 1977, S. 181 [182]. 1234 C. Timmermans, YEL Bd. 17 (1997), S. 1 [15]; skeptisch F. Schockweiler, in: FS für Ulrich Everling, 1995, Bd. 2, S. 1315 [1317 ff]. 1235 EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029; EuGH, Urt. v. 23.5.1996, Rs. C-5/94 – Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553; EuGH, Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188– 190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845; EuGH, Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-302/94, British Telecommunications, Slg. 1996, I-6417; EuGH, Urt. v. 10.7.1997, Rs. C-373/95 – Maso, Slg. 1997, I-4051; EuGH, Urt. v. 2.4.1998, Rs. C-127/95 – Norbrook Laboratories, Slg. 1998, I-1531; EuGH, Urt. v. 24.9.1998, Rs. C-319/96 – Brinkmann Tabakfabriken I, Slg. 1998 I-5255; EuGH, Urt. v. 1.6.1999, C-302/97 – Konle, Slg. 1999, I-3099; EuG, Beschl. v. 28.4.1998, Rs. T-184/95 – Dorsch Consult / Rat, Slg. 1998, II-667. 1236 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 182. 1237 Vgl. Siebzehnter Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (KOM (2000) 92 v. 23.6.2000), ABl. C 30 v. 10.1.2001, S. 1 [203 ff.] 1238 Zur Haftung näher unten, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(c), S. 337 ff. und Drittes Kapitel – D.II., S. 488 ff. 1239 EuGH, Urt. v. 30.4.1996, Rs. C-194/94 – CIA Security International, Slg. 1996, I-2201 (zur unmittelbaren Wirkung der RL 83/189/EWG, heute: RL 98/34/EG). 1240 EuGH, Urt. v. 26.9.2000, Rs. C-443/98 – Unilever Italia, Slg. 2000, I-7535 Rdnr. 45 (zum Sachverhalt ausführlicher unten, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(3), S. 305) hat erstmals ausdrücklich die Frage gestellt, „ob in einem Zivilrechtsstreit zwischen Einzelnen über vertragliche Rechte und Pflichten die Unanwendbarkeit unter Verstoß gegen [eine Richtlinie] erlassener technischer Vorschriften geltend gemacht werden kann“. Der EuGH hat die unmittelbare Wirkung bejaht, da die betreffende, rein staatengerichtete Verpflichtung der Richtlinie „weder Rechte noch Pflichten für den einzelnen begründe“ (EuGH, a. a. O. Rdnr. 51). Ein ähnlicher Sachverhalt lag schon EuGH, Urt. v.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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stellationen wird dem einzelnen jedoch keine konkrete Verpflichtung auferlegt. Der klagende Konkurrent, der sich auf die beschränkenden Bestimmungen des nationalen Rechts beruft, könnte selbst die Bestimmungen der Richtlinie gegen den Staat in Anspruch nehmen, um sich ebenso zu verhalten wie sein Wettbewerber; die Anwendung der Richtlinie wirkt damit grundsätzlich auch für ihn freiheitserweiternd1241. Die unmittelbare Wirkung wird insoweit immer dann anzunehmen sein, wenn der einzelne die Anwendung nationalen Rechts selbst unter Berufung auf die Richtlinie abwehren könnte. Problematisch bleiben insoweit die Abgrenzungsfragen zu den echten Fällen kollidierender Rechte unter Privaten1242. (4) Völkerrecht – Gemeinschaftsrecht – individuelle Rechte Daß der EuGH, der als Organ der Gemeinschaft – Art. 7 Abs. 1 EG – die Wahrung der Auslegung und Anwendung des Vertrages sicherzustellen hat, auch auf völkerrechtlichem Gebiet tätig wird, ist keine Selbstverständlichkeit; dennoch hat er seit jeher Völkerrecht angewandt1243.

___________ 23.11.1989, Rs. 150/88 – Eau de Cologne & Parfümerie-Fabrik Glockengasse No. 4711, Slg. 1989, 3891 zugrunde, wo allerdings der Einfluß der Richtlinie nicht problematisiert worden war. 1241 Zur Lösung dieser Probleme vgl. näher J. Gundel, EuZW 2001, S. 143 [415 ff] und P. Craig / G. de Búrca, EU Law, 3. Aufl. 2002, S. 224 ff. 1242 Etwa im Verbraucherschutzrecht, vgl. EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 – Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325; EuGH, Urt. v. 7.3.1996, Rs. C-192/94 – El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281; EuGH, Urt. v. 13.12.2001, Rs. C-481/99 – Heininger, Slg. 2001, I-9945; oder im Arbeitsrecht EuGH, Urt. v. 26.2.1986, Rs. 152/84 – Marshall, Slg. 1986, 723. Aktuell etwa die Frage der Arbeitszeitrichtlinie: Nachdem durch EuGH, Urt. v. 3.10.2000, Rs. C-303/98 – Sindicato de Médicos de Asistencia Pública (SIMAP), Slg. 2000, I-7963 klargestellt war, daß Bereitschaftsdienst der Arbeitszeitrichtlinie (RL 93/104/EG) unterfällt, sah sich das BAG, Beschl. v. 18.2.2003, 1 ABR 2/02, EuZW 2003, S. 511 ff. zu einer Anwendung aufgrund unmittelbarer Wirkung der Richtlinie außer Stande. Dies sei im Verhältnis zwischen privaten Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen. Eine richtlinienkonforme Auslegung schloß es ebenfalls aus, da verschiedene Vorschriften des Gesetzes (etwa § 5 Abs. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 1) dann keinen Anwendungsbereich mehr hätten, und nicht ausgelegt, sondern aufgehoben würden. Vgl. dazu auch: HANDELSBLATT Nr. 35 v. 19.2.2003, S. 2. Mit EuGH, Urt. v. 9.9.2003, Rs. C-151/02 – Jäger, n. n. a. Slg. wurde die Rechtsfrage in Bezug auf ein deutsches Ausgangsverfahren noch einmal ausdrücklich klargestellt. 1243 W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [345].

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

(a) Allgemeine Entwicklungslinien Nach ständiger Rechtsprechung gelten1244 Bestimmungen aus von der EG geschlossenen Gemeinschaftsabkommen im Gemeinschaftsrecht kraft ihres völkerrechtlichen Charakters mit ihrem Inkrafttreten unmittelbar als „integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung“1245. Grundlage dieser Rechtsprechung war zunächst Art. 234 Abs. 1 lit. b) EG, später Art. 301 Abs. 7 EG1246, der eine Verbindlichkeit für die Organe und Mitgliedstaaten ausdrücklich vorsieht. Sein monistisches Verständnis1247 hat der EuGH bereits früh erkennen lassen1248. Dieses Verständnis fügt sich in die Sichtweise ein, welche dem Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht zugrunde liegt1249: Auch bei Gemeinschaftsabkommen bedarf es – ihr Inkrafttreten vorausgesetzt – keines Transformationsaktes für ihre unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten1250. Ihr Rang unterhalb primären Gemeinschaftsrechts ergibt sich daraus, daß Gemeinschaftsrecht die Grundlage für ihren Abschluß darstellt. Hingegen stehen sie über sekundärem Gemeinschaftsrecht, da sie „für die Organe verbindlich sind“1251. Die Integration1252 in die Gemeinschaftsrechtsord___________ 1244 Vgl. zu den Begriffen der Geltung und Anwendbarkeit noch einmal oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(a)i), S. 278 und C.I.1.a)(3)(a)ii), S. 280. 1245 EuGH, Urt. v. 30.4.1974, Rs. 181/73 – Haegemann II, Slg. 1974, 449, 2. Leitsatz; EuGH, Urt. v. 30.9.1987, Rs. 12/86 – Demirel, Slg. 1987, 3719 2. Leitsatz und Rdnr. 7; EuGH, Urt. v. 14.11.1989, Rs. 30/88 – Griechenland / Kommission, Slg. 1989, 3711 Rdnr. 12. Diese Rechtsprechung wurde dann auch auf Assoziationsratsbeschlüsse übertragen, EuGH, Urt. v. 20.9.1990, Rs. C-192/89 – Sevince, Slg. 1990, I-3461 Rdnr. 7 ff. 1246 EuGH, Urt. v. 26.10.1982, Rs. 104/81 – Kupferberg I, Slg. 1982, 3641; damals noch Art. 228 Abs. 2 EWGV. 1247 E. U. Petersmann, EuZW 1997, S. 325 [327]; W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [345]; P. Gilsdorf, EuZW 1991, S. 459 [460 ff.]; C. Vedder, EuR 1994, S. 202 [211]; anderer Auffassung ist A. Bleckmann, JIR 1975, S. 300 [302], der am Beispiel des GATT 47 die Rechtsprechung als von einem dualistischen Verständnis geprägt einordnen will. A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rdnr. 646 [654] hält diese Auffassung aufrecht – wiederum mit dem (unzutreffenden, vgl. sogleich unten, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(4)(b), S. 296 ff.) Hinweis auf EuGH, Urt. v. 12.12.1972, verb. Rs. 21–24/72 – International Fruit Company u.a., Slg. 1972, 1219. 1248 EuGH, Beschl. v. 22.6.1965, Rs. 9/65 – Acciaierie San Michele / Hohe Behörde, Slg. 1967, 37. 1249 W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [345]. 1250 Die in der Praxis vom Rat zum Teil „zur Umsetzung“ erlassenen Verordnungen haben insoweit (teilweise) deklaratorischen Charakter, vgl. etwa Abkommen zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft über die Koordinierung von Kennzeichnungsprogrammen für Strom sparende Bürogeräte ABl. L 172 v. 26.6.2001, S. 3 und VO 2422/2001/EG. Zu den aus dieser Praxis resultierenden Inkonsequenzen P. Gilsdorf, EuZW 1991, S. 459 [460 mit Fn. 14]. 1251 EuGH, Urt. v. 12.12.1972, verb. Rs. 21–24/72 – International Fruit Company u.a., Slg. 1972, 1219 [1226 ff.]; M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 688.

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nung hat zur Folge, daß Gemeinschaftsabkommen auch als Prüfungsmaßstab zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Sekundärrecht herangezogen werden können, da es sich um „Recht“ im Sinne von Art. 220 EG handelt1253. Ebensowenig wie im Primärrecht folgt aus einer Geltung ein individuelles Recht. Voraussetzung ist vielmehr auch hier die unmittelbare Anwendbarkeit der Bestimmung im Einzelfall1254. In der Rechtssache Demirel hat der EuGH hierzu festgestellt1255: „Eine Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit Drittländern geschlossenen Abkommens ist als unmittelbar anwendbar anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht

___________ 1252 Leitlinien der Konkretisierung des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht sind EuGH, Urt. v. 31.3.1971, Rs. 22/70 – Kommission / Rat (AETR), Slg. 1971, 263 („funktionale“ Gemeinschaftskompetenzen); EuGH, Urt. v. 12.12.1972, verb. Rs. 21–24/72 – International Fruit Company u.a., Slg. 1972, 1219; EuGH, Gutachten 1/78 v. 4.10.1979 – Naturkautschuk-Übereinkommen, Slg. 1979, 2871 (Kompetenz zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge, „Parallelismus“-Doktrin); EuGH, Urt. v. 26.10.1982, Rs. 104/81 – Kupferberg I, Slg. 1982, 3641 (unmittelbare Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge); EuGH, Urt. v. 30.9.1987, Rs. 12/86 – Demirel, Slg. 1987, 3719 (Assoziierungsabkommen); EuGH, Urt. v. 27.9.1988, verb. Rs. 89, 104, 114, 116, 117, 125–129/85 – Ahlström Osakeyhtiö u.a. / Kommission (Zellstoff), Slg. 1988, 5193 (Territorialitätsprinzip auch für die Gemeinschaft); EuGH, Urt. v. 20.9.1990, Rs. C-192/89 – Sevince, Slg. 1990, I-3461 (unmittelbare Anwendbarkeit von Assoziationsratsbeschlüssen); EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 – EWR Vertrag I, Slg. 1991, I-6079 (Reichweite der Assoziationskompetenz); EuGH, Gutachten 1/94 v. 15.11.1994 – WTO, Slg. 1994, I-5267 (Reichweite der Vertragsschlußkompetenzen); EuGH, Urt. v. 16.6.1998, Rs. C-162/96 – Racke, Slg. 1998, I-3655, Rdnr. 45 ff. und EuGH, Urt. v. 24.11.1992, Rs. C-286/90 – Poulsen und Diva Navigation, Slg. 1992, I-6019, Rdnr. 9 (Beachtung der Regeln des Völkergewohnheitsrechts); EuGH, Urt. v. 9.10.2001, Rs. C-377/98 – Niederlande / Parlament und Rat (Biopatentrichtlinie), Slg. 2001, I-7079 Rdnr. 50 ff.; EuGH, Beschl. v. 2.5.2001, Rs. C-307/99 – OGT Fruchthandelsgesellschaft, Slg. 2001, I-3159. 1253 W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [345]; mit dem zutreffenden Hinweis, daß dies entgegen M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 689 Fn. 117 dem Urteil EuGH, Urt. v. 12.12.1972, verb. Rs. 21–24/72 – International Fruit Company u.a., Slg. 1972, 1219 [1227] nicht entnommen werden kann, da sich der Fall auf das GATT 47 als Altvertrag bezog. 1254 EuGH, Urt. v. 26.10.1982, Rs. 104/81 – Kupferberg I, Slg. 1982, 3641 [1363 ff.]; E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 8. 1255 EuGH, Urt. v. 30.9.1987, Rs. 12/86 – Demirel, Slg. 1987, 3719 2. Leitsatz. In Rede stand das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Türkei, ABl. 217 v. 29.12.1964, S. 3687 und die VO 2760/72/EWG. Frau Demirel, Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen, war mit einem Sichtvermerk, der nur für Besuchszwecke galt, zu ihrem in Deutschland legal lebenden Gatten gereist und hatte die Ausweisungsverfügung der Ausländerbehörde angefochten. Vorabentscheidungsfrage des VG Stuttgart war, ob dies durch die genannten Vorschriften ausgeschlossen sei.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

vom Erlaß eines weiteren Aktes abhängen. Dies ist bei Art. 121256 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei sowie Art. 36 des Zusatzprotokolls in Verbindung mit Art. 7 des Abkommens nicht der Fall. Die Art. 12 und 36 haben nämlich im wesentlichen Programmcharakter, während durch Art. 7, der den Vertragsparteien nur eine allgemeine Verpflichtung auferlegt, zur Verwirklichung der Ziele zusammenzuarbeiten, den einzelnen nicht unmittelbare Rechte eingeräumt werden können, die ihnen nicht bereits durch andere Bestimmungen des Abkommens zuerkannt werden.“

Der EuGH beantwortet die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit bei Gemeinschaftsabkommen zunächst unter Berücksichtigung ihres völkerrechtlichen Ursprunges. Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung zu sein, zeitigt aber auch hier Folgen: Gilt im Völkerrecht der Grundsatz, daß Bestimmungen völkerrechtlicher Verträge in aller Regel keine unmittelbar anwendbaren Bestimmungen enthalten1257, so kehrt er sich in der durch das Strukturmerkmal der Rechtssubjektivität des einzelnen gekennzeichneten Gemeinschaftsrechtsordnung um1258. Der EuGH hat regelmäßig Bestimmungen von Gemeinschaftsabkommen für unmittelbar anwendbar erklärt1259, und zwar auch dann, wenn die Vertragspartner der Gemeinschaft vergleichbare Vertragswirkungen in ihrer Rechtsordnung ablehnten1260. (b) Die Bedeutung der GATT-Rechtsprechung für das Verständnis individueller Rechte Daß hingegen das GATT 471261 nicht als „integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung“ angesehen wird, hat seinen einfachen Grund darin, daß die Gemeinschaftsorgane diesen Vertrag nicht geschlossen haben1262. Die Gemeinschaft ist an das GATT 47 völkerrechtlich durch Nachfolge – ___________ 1256

Dieser lautet: „Die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Art. 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen.“ 1257 Vgl. noch einmal oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(1), S. 233 f. und Fn. 907. 1258 W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [346]; Schlußanträge von GA M. Darmon v. 15.5.1990 zu EuGH, Urt. v. 20.9.1990, Rs. C-192/89 – Sevince, Slg. 1990, I-3461 Rdnr. 11. 1259 EuGH, Urt. v. 5.2.1976, Rs. 87/75 – Bresciani, Slg. 1976, 129 zum JaundeAbkommen (vom 20.7.1963, ABl. 1964, S. 1430 und 21.7.1969, ABl. 1970 L 282 v. 28.12.1970, S. 1) EuGH, Urt. v. 12.12.1995, Rs. C-469/93 – Chiquita Italia, Slg. 1995, I-4533 [I-4567] zum Vierten AKP-EWG-Abkommen (vom 15.12.1989, ABl. 1991 L 229, S. 1). 1260 W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [346]. 1261 Zu dessen Entstehung und den folgenden „Runden“ siehe ausführlich: D. Carreau / T. Flory / P. Juillard, Droit International Économique, 3. Aufl. 1990, S. 93 ff. 1262 W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [346].

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Art. 131 EG – in die völkerrechtlichen Positionen der Mitgliedstaaten gebunden1263; seit der Rechtssache International Fruit Company u.a.1264 steht der EuGH auf dem Standpunkt, daß dessen Regeln nicht unmittelbar anwendbar sind und daher keine individuellen Rechtswirkungen zeitigen1265. Dieser Ansatz wurde teilweise als vor dem Hintergrund der monistischen Sichtweise inkonsequent kritisiert1266, teilweise als mit Hilfe der Vollzugslehre1267 für erklärbar gehalten1268. Das GATT 94, welches von der Gemeinschaft selbst geschlossen worden ist, wäre jedenfalls anders als das GATT 47 als „integrierender Bestandteil des Gemeinschaftsrechts“ nach den Grundsätzen des Urteils in der Rechtssache Haegemann II1269 zu behandeln gewesen mit der Folge, daß individuelle Rechte nach Maßgabe der unmittelbaren Anwendbarkeit seiner Bestimmungen zu ermitteln sind1270. Nachdem die Rechtsprechung eine Stellungnahme hierzu zunächst vermieden hatte, folgte der EuGH in der Rechtssache Portugal / Rat1271 mit neuer Argumentation1272 im Ergebnis der alten Rechtsprechung. Portugal hatte einen Ratsbeschluß1273 über den Marktzugang für Textilien aus Indien und Pakistan angegriffen und unter anderem damit argumentiert, dieser stände im Widerspruch zum GATT 94.

___________ 1263

EuGH, Urt. v. 12.12.1972, verb. Rs. 21–24/72 – International Fruit Company u.a., Slg. 1972, 1219 [1226 ff.]; C. Vedder, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 2, Art. 234 Rdnr. 17: nicht durch Art. 234 EG, der als res inter alios acta keine Wirkung im Verhältnis zu dritten Völkerrechtssubjekten hat. 1264 EuGH, Urt. v. 12.12.1972, verb. Rs. 21–24/72 – International Fruit Company u.a., Slg. 1972, 1219 [1226 ff.]. 1265 Die Verwirrung durch die Urteile EuGH, Urt. v. 22.6.1989, Rs. 70/87 – FEDIOL / Kommission, Slg. 1989, 1781; EuGH, Urt. v. 7.5.1991, Rs. C-69/89 – Nakajima All Precision / Rat, Slg. 1991, I-2069 Rdnr. 28 f. erklärt sich dadurch, daß in diesen Fällen eine innergemeinschaftliche mittelbare Geltung des GATT 47 durch Verweise im Sekundärrecht bestand. Deren Wirksamwerden eröffnete eine in Rang und unmittelbarer Anwendbarkeit von ihnen abhängige innergemeinschaftliche Geltung des GATT 47. 1266 E.-U. Petersmann, EuZW 1997, S. 325 [327]: „Option zum Völkerrechtsbruch“. 1267 Vgl. M. Schweitzer, Staatsrecht III, 7. Aufl. 2000, Rdnr. 312. 1268 W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [347]: Danach ist für bestimmte völkerrechtliche Normen die unmittelbare Anwendbarkeit Vorraussetzung ihrer innerstaatlichen Geltung; nur das zur Anwendung im Einzelfall geeignete Völkerrecht wird in die innerstaatliche Rechtsordnung mit einbezogen, sonstige Normen hingegen wegen ihrer Allgemeinheit nicht. Diese Sichtweise würde die Prüfung der unmittelbaren Anwendbarkeit durch den EuGH erklären. 1269 EuGH, Urt. v. 30.4.1974, Rs. 181/73 – Haegemann II, Slg. 1974, 449, 2. Leitsatz. 1270 W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [348]. 1271 EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Rs. C-149/96 – Portugal / Rat, Slg. 1999, I-8395. 1272 Ausführlich dazu P. Craig / G. de Búrca, EU Law, 3. Aufl. 2002, S. 196 ff. 1273 Beschluß 96/386/EG des Rates vom 26.2.1996 über den Abschluß von Vereinbarungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Islamischen Republik Paki-

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Der EuGH hat die Möglichkeit, diesen Beschluß an den Vorschriften des GATT 94 zu messen, verneint1274: „Was […] die Anwendung der WTO-Übereinkünfte in der Gemeinschaftsrechtsordnung anbelangt, so ist festzustellen, daß das Übereinkommen zur Errichtung der WTO einschließlich seiner Anhänge nach seiner Präambel – ebenso wie das GATT 1947 – auf dem Prinzip von Verhandlungen ‚auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen‘ aufbaut. […] Außerdem folgern unstreitig einige Mitglieder, die zu den wichtigsten Handelspartnern der Gemeinschaft gehören, aus Sinn und Zweck der WTO-Übereinkünfte, daß diese nicht zu den Normen gehören, an denen ihre Gerichte die Rechtmäßigkeit der internen Rechtsvorschriften messen. […] Hätte der Gemeinschaftsrichter unmittelbar die Aufgabe, die Vereinbarkeit des Gemeinschaftsrechts mit diesen Regelungen zu gewährleisten, so würde den Legislativ- und Exekutivorganen der Gemeinschaft der Spielraum genommen, über den die entsprechenden Organe der Handelspartner der Gemeinschaft verfügen. Somit gehören die WTO-Übereinkünfte wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane mißt.“

Symptomatisch für die Ablehnung in der Literatur ist etwa die polemische Reaktion auf diese Rechtsprechung durch Steve Peers1275: „Since [the] arguments of the Court are unconvincing, its underlying concern must therefore be that the Community’s other large trading partners, lacking any general preferential agreement with the Community and accounting for much of its external trade, would take advantage of the ‚scope for manoeuvre‘ which the lack of domestic direct effect affords them if the WTO rules were directly effective in the Community. Put very bluntly, the Americans and the Japanese (and likely soon the Chinese and Taiwanese) could reap huge commercial advantages from one-sided direct effect of WTO rules.”

Ungeachtet dessen hat der EuGH seine Rechtsprechung bisher beibehalten und bekräftigt1276 sowie andere WTO-Übereinkommen einbezogen. Dies gilt sowohl für das TRIPS1277 als auch für das TBT1278. Verschiedene Versuche, eine unmittelbare Anwendbarkeit aus den Panel-Entscheidungen des DSB1279 im ___________ stan sowie zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Indien über den Marktzugang für Textilwaren, ABl. L 153 v. 27.6.1996, S. 47. 1274 EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Rs. C-149/96 – Portugal / Rat, Slg. 1999, I-8395 Rdnr. 42–43, 46–47. 1275 S. Peers, in: de Búrca / Scott (Hrsg.), The EU and the WTO, 2001, S. 111 [122]. 1276 EuGH, Beschl. v. 2.5.2001, Rs. C-307/99 – OGT Fruchthandelsgesellschaft, Slg. 2001, I-3159. 1277 EuGH, Urt. v. 14.12.2000, verb. Rs. C-300/98 und C-392/98 – Parfums Christian Dior und Assco Gerüste, Slg. 2000, I-11307 Rdnr. 44 ff.; EuGH, Urt. v. 13.9.2001, Rs. C-89/99 – Schieving-Nijstad, Slg. 2001, I-5851 Rdnr. 51–55. 1278 EuGH, Urt. v. 12.3.2002, verb. Rs. C-27/00 und C-122/00 – Omega Air und Aero Engines Ireland u.a., Slg. 2002, I-2569 Rdnr. 93 ff.; siehe auch schon fast wortgleich die Schlußanträge von GA S. Alber v. 20.9.2001, a. a. O., Rdnr. 92 ff. 1279 Dispute Settlement Body, vgl. Art. IV Abs. 3 des WTO-Übereinkommen.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

299

Rahmen des WTO-Streitbeilegungssystems1280 oder aus Art. 307 EG abzuleiten1281, sind ebenso gescheitert wie das Ansinnen, Bestimmungen von WTOÜbereinkommen als Grundlage für Schadensersatzforderungen heranzuziehen1282. Als gefestigte Rechtsprechung hinsichtlich des GATT 94 kann mithin – ganz im Gegensatz zu anderen Gemeinschaftsübereinkommen1283 – gelten, daß „die WTO-Übereinkünfte wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften [gehören], an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane mißt. Nur wenn die Gemeinschaft eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung umsetzt oder wenn die Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweist, ist es Sache des Gerichtshofes, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Gemeinschaftshandlung anhand der Vorschriften der WTO zu prüfen.“1284

(c) Bewertung Die Rechtsprechung zum GATT 94 läßt sich auch mit der Vollzugslehre nicht mehr stimmig erklären1285 und wird entsprechend kritisiert1286. Die sog. ___________ 1280 EuG, Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-18/99 – Cordis Obst und Gemüse Großhandel / Kommission, Slg. 2001, II-913; EuG, Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-30/99 – Bocchi Food Trade International / Kommission, Slg. 2001, II-943; EuG, Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-52/99 – T. Port / Kommission, Slg. 2001, II-981. GA S. Alber hat sich in seinen Schlußanträgen v. 15.5.2003 zu EuGH, Rs. C-93/02 P und Rs. C-94/02 P – Biret International / Rat, n. n. a. Slg. Rdnr. 108, 114 zumindest für eine in Anlehnung an die Francovich-Rechtsprechung orientierte Haftung der Gemeinschaft ausgesprochen, falls sie DSB-Empfehlungen nicht fristgemäß nachkommt. 1281 EuG, Urt. v. 12.7.2001, Rs. T-2/99 – T. Port / Rat, Slg. 2001, II-2093 Rdnr. 76 ff.; EuG, Urt. v. 12.7.2001, Rs. T-3/99 – Banatrading / Rat, Slg. 2001, II-2123. 1282 Vgl. EuG, Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-18/99 – Cordis Obst und Gemüse Großhandel / Kommission, Slg. 2001, II-913; EuG, Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-30/99 – Bocchi Food Trade International / Kommission, Slg. 2001, II-943; EuG, Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-52/99 – T. Port / Kommission, Slg. 2001, II-981. 1283 Siehe nur EuGH, Urt. v. 9.10.2001, Rs. C-377/98 – Niederlande / Parlament und Rat (Biopatentrichtlinie), Slg. 2001, I-7079 zum Übereinkommen von Rio de Janeiro über die biologische Vielfalt vom 5.6.1992 (Anhang A des Beschlusses 93/626/EWG des Rates vom 25.10.1993, ABl. L 309 v. 13.12.1993, S. 1) und EuGH, Urt. v. 16.6.1998, Rs. C-162/96 – Racke, Slg. 1998, I-3655 zum EWG-Jugoslawien Kooperationsabkommen vom 2.4.1980 (im Anhang zur VO 314/83/EWG). 1284 EuGH, Urt. v. 12.3.2002, verb. Rs. C-27/00 und C-122/00 – Omega Air und Aero Engines Ireland u.a., Slg. 2002, I-2569 Rdnr. 93 und 94. Mit der gleichen Formel bestätigt durch EuGH, Urt. v. 9.1.2003, Rs. C-76/00 P – Petrotub und Republica / Rat, Slg. 2003, I-79 Rdrn. 54. 1285 So auch schon W. Schroeder / M. Selmayr, JZ 1998, S. 344 [348]. 1286 vgl. A. Epiney, EuZW 1999, S. 5 [11]; E. U. Petersmann, EuZW 1997, S. 325 ff.; M. Hahn / G. Schuster, EuR 1993, 261 ff.; zusammenfassend: N. Neuwahl, in: Emiliou / O’Keeffe (Hrsg.), The European Union and World Trade Law, 1996, S. 313 ff.; vgl. auch: A. Ott, GATT und WTO im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 254 ff.; C. Tomuschat,

300

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Trade Barriers Regulation1287 kann nur teilweise Abhilfe schaffen. Für die Untersuchung ist eines wichtig: Entscheidendes Kriterium für die Annahme eines individuellen Rechts ist wie im Bereich der Grundfreiheiten die unmittelbare Anwendbarkeit einer Norm. Will man individuelle Rechte in der Gemeinschaftsrechtsordnung in einem bestimmten Bereich nicht zulassen – was beim GATT 94 erklärtermaßen der Fall ist1288 –, so ist im Bereich der unmittelbaren Geltung anzusetzen. Denn, wie Generalanwalt Marco Darmon in den Schlußanträgen in der Rechtssache Sevince ausgeführt hat, „die Zugehörigkeit einer Vorschrift zur Gemeinschaftsrechtsordnung schließt ihre grundsätzliche ‚Unfähigkeit‘, unmittelbar anwendbare Bestimmungen zu enthalten, […] gerade aus.“1289

Aus diesem Grund lehnt der EuGH eine unmittelbare Geltung ab; nichts anderes ist mit der ständigen Formulierung1290 gemeint, der EuGH messe die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht an WTOÜbereinkünften. Die zweistufige Prüfung der Begründung individueller Rechte von der unmittelbaren Geltung über die unmittelbare Anwendbarkeit gilt damit auch für gemeinschaftsrechtliche Normen völkerrechtlicher Provenienz. Die Rechtsprechung zum GATT 94 verdeutlicht die Problematik der fehlenden „inhaltlich-restringierenden Kraft“ (Johannes Masing1291) einer vor allem am Kriterium der unmittelbaren Anwendbarkeit orientierten Rechtsprechung zur Begründung individueller Rechte.

___________ in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 228 Rdnr. 91. 1287 VO 3286/94/EG (sog. Trade Barriers Regulation). Diese sieht Antragsmöglichkeiten für Marktteilnehmer vor, die auf Durchführung eines Verfahren vor dem Dispute Settlement Body der WTO gerichtet sind. Die Kommission hat hierüber binnen relativ straffer Fristen durch Entscheidung zu befinden. Letztere ist dann ein durch das EuG überprüfbarer Rechtsakt. Vgl. V. Russenschuck, FAZ v. 28.2.2001, S. 29; H.-J. Prieß / C. Pitschas, EWS 2000, S. 185 ff. 1288 Vgl. die Ausführungen des EuGH oben, S. 298 f. 1289 Schlußanträge von GA M. Darmon v. 15.5.1990 zu EuGH, Urt. v. 20.9.1990, Rs. C-192/89 – Sevince, Slg. 1990, I-3461 Rdnr. 11. 1290 Vgl. die Nachweise oben, S. 299 Fn. 1283. 1291 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 47.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

301

b) Der Monismus von Grundrechtslehre, Grundfreiheitslehre und „Lehre“ von den individuellen Rechten Aus den bisherigen Darlegungen ergibt sich bereits eine Schlußfolgerung. Die Analyse der verschiedenen Rechtsquellen zeigt nämlich, daß die Voraussetzungen individueller Rechte zwar von der jeweiligen Kategorie des Rechtsaktes abhängig sind und daß speziell bei Richtlinien und Normen völkerrechtlicher Provenienz Besonderheiten gelten. In jedem Fall kommt es aber in sachlicher und persönlicher Hinsicht auf die inhaltliche Unbedingtheit und inhaltliche Bestimmtheit der Vorschrift – ihre unmittelbare Anwendbarkeit – an; sind diese Voraussetzungen erfüllt, so können sich einzelne auf den Inhalt der Norm auch grundsätzlich berufen1292. Jede Normkategorie des Gemeinschaftsrechts ist folglich der unmittelbaren Anwendbarkeit fähig. Ihr liegen die Motive der vorrangigen objektiven Geltung und der Durchsetzung individueller Rechte gleichermaßen zugrunde1293, deren konkrete Ausgestaltung im primären und sekundären Gemeinschaftsrecht in ähnlicher Weise festgestellt werden1294, wobei dem „Geist der Vorschriften“1295 entscheidende Bedeutung zukommt. c) „Gemeinschaftsrechtliches Aktionendenken“ Damit ist über den rechtsformalen Gehalt aber noch nichts gesagt. Individuelle Rechte können als Zusammenspiel prozessualer Möglichkeiten oder als eine Summe von Verhaltensnormen begriffen werden1296. Im Gemeinschaftsrecht sind diesbezüglich zwei Befunde näherer Betrachtung wert.

___________ 1292 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 370; C. D. Classen, NJW 1995, S. 2463; M. Zuleeg, Der Staat Bd. 41 (2002), S. 359 [376]. 1293 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 181, 1294 Dies stellt einen entscheidenden Unterschied zum deutschen Denken dar, welches den dualistischen Ansatz von Grundrechtslehren und Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht weiter fortführt. Siehe dazu oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(7), S. 82 f. 1295 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [24]: „ist vom Geist dieser Vorschriften, von ihrer Systematik und von ihrem Wortlaut her zu entscheiden“. Vgl. zur Auslegung näher unten, Zweites Kapitel – C.I.2.a), S. 311 ff. 1296 Zu den Strukturen der Betrachtungsweise siehe noch einmal: E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 30 und die einleitende Darstellung oben, Zweites Kapitel – A., S. 62.

302

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

(1) Prozessuale Möglichkeiten in einem zweispurigen Rechtsschutzsystem Zum einen war die Rechtsprechung des EuGH in weiten Bereichen auf die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts gegenüber den und durch die Mitgliedstaaten fokussiert. Denn „[…] während der Erlaß von Rechtssätzen auf Gemeinschaftsebene erfolgt, obliegt die Um- und Durchsetzung den Mitgliedstaaten. Nicht nur verfügen die Dienststellen der Gemeinschaft zur Durchführung dieser Aufgaben nicht über einen ausreichend großen Verwaltungsapparat, sondern es besteht im Bereich des Verwaltungsverfahrens- und Strafrechts auch nur eine begrenzte Zuständigkeit der Europäischen Union. Aufgrund von Art. 10 EG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für die Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts Sorge zu tragen.“1297

Dieses strukturelle Merkmal der Gemeinschaftsrechtsordnung brachte es mit sich, daß sich die Rechtsprechung oft mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, ob aufgrund der Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes die Möglichkeit bestand, auf dem Klageweg ein bestimmtes Verhalten der Gegenseite – meist der Mitgliedstaaten – durchzusetzen1298. Damit stand die prozessuale Möglichkeit und weniger die Verhaltensnorm selbst im Mittelpunkt des rechtlichen Interesses. Deutlich wird dies etwa im „Butterfahrten“-Urteil1299. Groß- und Einzelhändler an der Ostseeküste hatten sich vor dem Finanzgericht gegen die aus ihrer Sicht gemeinschaftsrechtswidrigen sog. „Butterfahrten“ gewandt, welche Reedereien von den Häfen der Ostseeküste über die Seezollgrenze hinaus veranstalteten. Dies erlaubte den Fahrgästen, bei Rückkehr bestimmte auf der Fahrt erworbene Waren vorbehaltlich gewisser Höchstgrenzen abgabenfrei in das Zollgebiet einzuführen.

Der EuGH stellte – ohne auf die Frage einzugehen, ob den Klägerinnen Rechte aus den in Rede stehenden Vorschriften der VO 1544/69/EWG und VO 3023/77/EWG sowie der RL 69/169/EWG zustanden – lediglich fest: „Das durch den Vertrag geschaffene Rechtsschutzsystem, wie es insbesondere in Art. 177 [EWGV1300] ausgeprägt ist, setzt […] voraus, daß es möglich sein muß, zur Gewährleistung der Beachtung unmittelbar wirkenden Gemeinschaftsrechts von jeder im nationalen Recht vorgesehenen Klagemöglichkeit unter denselben Zulässigkeits-

___________ 1297 Schlußanträge von GA L. A. Geelhoed v. 13.12.2001 zu EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289 Rdnr. 53. 1298 Statt unzähliger anderer Urteile vgl. nur die Vorlagefragen zu EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1; EuGH, Urt. v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, 1805 und EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289. 1299 EuGH, Urteil v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, S. 1805. 1300 Heute Art. 234 EG.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

303

und sonstigen Verfahrensvoraussetzungen Gebrauch zu machen, wie wenn es sich um die Gewährleistung der Beachtung des nationalen Rechts handelte.“1301

Diese Vorgehensweise war kein Einzelfall, wie etwa die Rechtssache San Giorgio1302 zeigt. Entscheidend in der Begründung waren die prozessualen Garantien zur Durchsetzung individueller Rechte und deren Ausgestaltung, nicht jedoch die Ermittlung der (potentiellen) materiellen Rechte. Bis heute wird bisweilen argumentiert, dem EuGH gehe es „nicht entscheidend um materielle Rechtspositionen“, er denke vielmehr „primär in prozeßrechtlichen Kategorien“1303. (2) Juristische Denktraditionen in den Mitgliedstaaten Das Gemeinschaftsrecht hat zweitens höchst unterschiedliche juristische Traditionen einerseits beeinflußt, andererseits aber auch von diesen Impulse erfahren. Die Richter und Generalanwälte sind in unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen ausgebildet worden und legen diese Denkweisen nicht einfach ab. Was speziell das common law betrifft, hat Christopher Bellamy, vormals britischer Richter am EuG bemerkt1304: „While Continental lawyers tend to think in terms of substantive rights, common lawyers clearly focus on procedures, remedies and due process.“

___________ 1301 EuGH, Urteil v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, S. 1805 Rdnr. 44. Soweit dieses Urteil dahin auszulegen war, daß die verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten dem Gebot effektiven Rechtsschutzes vorgehe, ist es durch die neuere Rechtsprechung überholt; näher dazu unten, Zweites Kapitel – C.III.1.b), S. 353 ff. 1302 EuGH, Urt. v. 9.11.1983, Rs. 199/82 – San Giorgio, Slg. 1983, 3595 Rdnr. 12: „Hierzu ist erstens festzustellen, daß das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die den einzelnen durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften eingeräumt worden sind, nach denen Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle oder – gegebenenfalls – die diskriminierende Erhebung von inländischen Abgaben verboten sind. Zwar trifft es zu, daß die Erstattung nur im Rahmen der in den verschiedenen einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen betrieben werden kann; diese Voraussetzungen dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, daß sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen.“ 1303 C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 78. 1304 Anläßlich der Internationalen Kartellrechtskonferenz der Studienvereinigung Kartellrecht 1995. Zitat nach: I. Brinker, in: Schwarze, Wirtschaftsverfassungsrechtliche Garantien für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt, 2001, S. 177.

304

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Es fügt sich in diese Beobachtung ein, daß die Frage nach individuellen Rechten in der englischsprachigen Literatur noch deutlich enger mit der Frage des Rechtsmittels verknüpft wird, als dies in Kontinentaleuropa der Fall ist1305. Die Sichtweise, in der Beziehung von Recht und Instrument seiner Durchsetzung den prozessualen Mitteln eine lediglich dienende Funktion zuzusprechen, kennzeichnet speziell den deutschen und österreichischen Juristen. Gemeinschaftsrechtlich ist dies keineswegs selbstverständlich. Vielmehr könnte die Qualifikation einer gemeinschaftsrechtlichen Position und Relation als individuelles Recht auch umgekehrt erfolgen. Aus der Rechtstatsache, daß dem einzelnen als Rechtsfolge des Normverstoßes ein Anspruch zur Rechtsverfolgung zur Verfügung steht1306, ließe sich dann die Existenz eines individuellen Rechts ableiten. (3) Bewertung Die beiden Beobachtungen lassen ein gewisses Näheverhältnis zu aktionenrechtlichem Denken erkennen. Denn das Aktionendenken hält sich mehr an das Schaubare, Konkrete und stellt pragmatisch fest, welche Rechtsbehelfe in einem bestimmten Fall zur Verfügung stehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit sind Normen der Gemeinschaftsrechtsordnung jedoch in der Lage, aus sich heraus, ohne Bezugnahme auf Rechtsbehelfe individuelle Rechte zu begründen1307. Daß dies auch so sein muß, ergibt sich aus folgender Überlegung: Soweit das Gemeinschaftsrecht von Rechtsbehelfen auf individuelle Rechte schlösse, bestimmte nationales Prozeß___________ 1305 Ausführlich: R. Brent, Rights and Remedies in English and Community Law, 2001. Zum britischen Verständnis allgemein: M. Fordham, Judicial Review Handbook, 3. Aufl. 2001, S. 43, 141 ff.; 604 ff.; Siehe auch die Beiträge von T. Tridimas, C. Harlow und R. Rawlings in: Kilpatrick / Novitz / Skidmore, The Future of Remedies in Europe, 2000, S. 35 ff.; 69 ff.; 267 ff.; sowie P. Craig, in: Slaughter / Stone Sweet / Weiler, The European Court and National Courts, 1998, S. 195 ff.; P. Eeckhout, in: Beatson / Tridimas, New Directions in European Public Law, 1998, S. 63 ff.; speziell bei haftungsrechtlichen Hintergrund: G. Anagnostaras, ELRev. 2001, S. 139 ff.; R. Caranta, CMLRev. 32 (1995), S. 703 ff.; R. Caranta, MJ 1997, S. 220 ff.; P. Craig, LQR 109 (1993), S. 595 ff.; P. Craig, LQR 105 (1997), S. 67 ff.; E. Deards, EPL 1997, S. 117 ff.; M. Dougan, CYELS 1 (1998), S. 233 ff.; M. Dougan, EPL 2000, S. 103 ff.; W. Van Gerven, CMLRev. 32 (1995), S. 679 ff.; M. Ross, MLR 1993, S. 55; F. Snyder, MLR 1993, S. 19 ff.; J. Temple Lang, ELRev. 1997, S. 3 ff.; T. Tridimas, CMLRev. 38 (2001), S. 301 ff.; T. Tridimas, ICLQ 45 (1996), S. 507 ff. Zu den Perspektiven: T. Heukels / J. Tib, in: Beaumont / Lyons / Walker, Convergence and Divergence in European Public Law, 2002, S. 111 ff. und C. Hilson, EPL 2003, S. 125 ff. 1306 T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 64 ff.; S. Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 104 f. 1307 T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 66.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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recht die rechtliche Qualität gemeinschaftsrechtlicher Sätze über individuelle Rechte. Denn die Zweispurigkeit1308 des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzsystems bedingt einen Rückgriff auf die verschiedenen prozessualen Instrumente der Rechte der Mitgliedstaaten. Selbst bei vom EuGH überwachten gemeinschaftsrechtlichen Mindestgarantien des Rechtsschutzes wäre die einheitliche Wirkung des materiellen Gemeinschaftsrechts in diesem Moment in Frage gestellt1309. Die Lösung kann daher nur lauten, daß das Gemeinschaftsrecht individuelle Rechte als Verhaltensnormen aus sich heraus selbst festlegt und für diese einen prozessualen Mindeststandard vorgibt. Auch im Gemeinschaftsrecht ist das Denken in Aktionen damit überwunden. Dies war aus systematischen Gründen auch folgerichtig. Somit gilt aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzgarantie1310 uneingeschränkt „ubi ius, ibi remedium“1311 und nicht etwa umgekehrt „ubi remedium, ibi ius“. Jeder gemeinschaftsrechtlichen materiellen Rechtsposition muß demnach auch ein Verfahren zu ihrer Durchsetzung entsprechen1312, da diese Durchsetzungsmöglichkeit dem materiellen individuellen Recht intentional zu eigen ist. Der EuGH hat dieses materiell-rechtliche Verständnis kürzlich indirekt in der Rechtssache Unilever Italia1313 bestätigt. Der Käufer von Olivenöl hatte die Zahlung verweigert, weil die Ware nicht den italienischen Etikettierungsbestimmungen entspreche. Der Verkäufer hatte auf Zahlung bestanden: die Bestimmungen seien zwar der Informationsrichtlinie1314 gemäß der Kommission notifiziert aber vor Ablauf der vorgesehenen Wartefrist erlassen worden. Nach

___________ 1308 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 103. Näher dazu unten, Zweites Kapitel – C.III.1.b), S. 353 ff. 1309 Ebenso: T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 64 [65]; W. van Gerven, CMLRev. 32 (1995), S. 679 [690]; R. Caranta, CMLRev. 32 (1995), S. 703 [717]; J. Mertens de Wilmars, in: Mélanges en hommage à Jean Boulouis, 1991, S. 391 [402]. 1310 Näher dazu unten, Zweites Kapitel – C.III.1.b), S. 353 ff. und Drittes Kapitel – C., S. 438 ff. 1311 H.-J. Prieß, EuZW 1995, S. 793; M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 107; T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 64 f.; W. van Gerven, CMLRev. 37 (2000), S. 501 [511]. 1312 Vgl. EuGH, Urteil v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, S. 1339 Rdnr. 23 ebenso: EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Rs. 314/85 – FotoFrost, Slg. 1987, 4199 Rdnr. 16. 1313 EuGH, Urt. v. 26.9.2000, Rs. C-443/98 – Unilever Italia, Slg. 2000, I-7535. 1314 RL 83/189/EG.

306

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

dem Urteil in der Rechtssache CIA Security International1315 seien sie folglich nicht anwendbar.

Nach Auffassung des EuGH kann1316 „[…] eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen Einzelner begründen und daher nicht als solche ihnen gegenüber herangezogen werden; diese Rechtsprechung gilt jedoch nicht für den Fall, daß die Nichtbeachtung der [Informationsrichtlinie] die Unanwendbarkeit der unter Verstoß gegen [sie] erlassenen technischen Vorschrift nach sich zieht. In einem solchen Fall legt die Richtlinie […] keineswegs den materiellen Inhalt der Rechtsnorm fest, auf deren Grundlage das nationale Gericht den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden hat. Sie begründet weder Rechte noch Pflichten für Einzelne.“

Das bedeutet im Umkehrschluß: In den sonstigen Fällen1317 legen Richtlinien direkt einen materiellen Inhalt eines Rechts fest.1318. Dennoch: Denken in individuellen Rechten stellt ein Denken in Normen, das Aktionendenken hingegen ein Denken in Sanktionen1319 dar; letzteres aber ist dem Gemeinschaftsrecht – auch wenn man von wirklichem Aktionendenken nicht sprechen kann – immer noch „verwandter“ als dem deutschen Recht. Dies belegt etwa die Rechtsprechung zur mitgliedstaatlichen Haftung1320. d) Die Eigenständigkeit gemeinschaftsrechtlicher Begriffe Die Eigenständigkeit gemeinschaftsrechtlichen Denkens manifestiert sich seit jeher auch in der Wahl eigenständiger gemeinschaftsrechtlicher Begrifflich___________ 1315 EuGH, Urt. v. 30.4.1996, Rs. C-194/94 – CIA Security International, Slg. 1996, I-2201. 1316 EuGH, Urt. v. 26.9.2000, Rs. C-443/98 – Unilever Italia, Slg. 2000, I-7535 Rdnr. 50, 51. Hervorhebung hinzugefügt. Die Formulierung ist wohl nicht auf einen deutschen oder österreichischen Einfluß bei Abfassung des Urteils zurückzuführen; Berichterstatter war der dänische Richter C. Gulmann. 1317 Der EuGH verweist auf EuGH, Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 – Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325. 1318 Dies verkennt etwa B. Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 248, der sich zu Unrecht auf M. Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 [71] zu stützen sucht. Wie hier: W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 464. 1319 E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 31. 1320 Siehe nur EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357 Rdnr. 42: „[…] hat der Staat die Folgen des verursachten Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben. Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung ist es nämlich Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen.“ Genauer dazu unten, Drittes Kapitel –D.II., S. 488 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

307

keiten1321. Die Zurückhaltung des EuGH gegenüber nationalrechtlich besetzten Begriffen, deren Verwendung oder Nichtverwendung tradierten nationalrechtlichen Vorstellungen von Inhalt und Schutz individueller Rechte entspricht, kommt insbesondere im Umgang mit Vorabentscheidungsersuchen italienischer Gerichte zum Ausdruck. Hintergrund sind die das italienische Gerichtsverfassungsrecht prägenden Begriffe der subjektiven Rechte (diritti sogettivi) und rechtlich geschützten Interessen (interessi legitimi)1322: Das gesetzlich geschützte Interesse ist die zentrale Figur des Systems der italienischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Gegenüber dem Verlangen der italienischen Gerichte, gemeinschaftsrechtlich begründete individuelle Rechte für den nationalen prozessualen Rahmen zu qualifizieren1323, hat der EuGH schon früh in der Rechtssache Salgoil1324 klargestellt, „[…] daß die staatlichen Gerichte, soweit die fraglichen Vorschriften den einzelnen Rechte einräumen, welche die Gerichte zu beachten haben, den Schutz dieser Rechte zu gewährleisten gehalten sind, daß es jedoch Sache der Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten ist, das hierfür zuständige Gericht zu bestimmen und zu diesem Zweck die genannten Rechte nach den Merkmalen des innerstaatlichen Rechts zu qualifizieren.“

Auch in der Folgezeit hat der EuGH es stets abgelehnt, sich einer nationalrechtlichen Terminologie anzuschließen1325. In seinem Bestreben, die eigene Rechtsprechung auch begrifflich von nationalen Einflüssen freizuhalten, hat der EuGH in späteren Entscheidungen den Begriff des „subjektiven Rechts“ gemieden, da dieser vor allem im deutschen, österreichischen und italienischen Recht dogmatisch besetzt ist1326. Die wenigen Ausnahmen beziehen sich auf die Anfangsphase der Rechtsprechung oder es handelt sich um Ungenauigkeiten der Übersetzung1327. Statt dessen spricht der EuGH von „Rechten des einzel___________ 1321

Zum folgenden ausführlich: B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 159 ff. Näher dazu unten, Drittes Kapitel – B.II.2.b), S. 430 Fn. 77). 1323 Siehe die zweite Vorlagefrage des Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia, EuGH, Urt. v. 23.2.1994, Rs. C-236/92 – Comitato di Coordinamento per la Difesa della Cava, Slg. 1994, I-483 Rdnr. 5: „Sind die ‚subjektiven Gemeinschaftsrechte‘, wenn sie in Form ‚berechtigter Interessen‘ in die italienische Rechtsordnung übertragen worden sind, vom zuständigen Verwaltungsgericht nach der für die ‚berechtigten italienischen Interessen‘ vorgesehenen Regelung zu schützen, […] oder sind sie nach der für die ‚subjektiven italienischen Rechte‘ vorgesehenen Regelung zu schützen […]?“ vgl. auch: EuGH, Urt. v. 13.7.1989, Rs. 380/87 – Enichem Base, Slg. 1989, 2491. 1324 EuGH, Urt. v. 19.12.1968, Rs. 13/68 – Salgoil, Slg. 1968, 680 [694 f.]. 1325 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 161. 1326 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 162. 1327 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 162 mit Hinweisen auf EuGH, Urt. v. 7.7.1976, Rs. 118/75 – Watson und Belmann, Slg. 1976, 1185 [1200]. Der Begriff taucht dennoch immer wieder einmal auf, vgl. EuG, Beschl. v. 3.6.1997, Rs. T-60/96 – Merck u.a. / Kommission, Slg. 1997, II-849 Rdnr. 73; EuG, Beschl. v. 7.4.2000, Rs. T-326/99 R – Fern Olivieri, Slg. 2000, II-1985 Rdnr. 51. 1322

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

nen“1328, „individuellen Rechten“1329, „individuellen Rechten der einzelnen“1330 oder „Rechten des Bürgers“1331. Teilweise wird davon ausgegangen, es gebe einen ausnahmslosen Sprachgebrauch des EuGH1332. Für diese Bewertung erscheint der begriffliche Befund indes zu heterogen, zumal teilweise in derselben Entscheidung mehrere Begriffe verwendet werden1333. In neueren Entscheidungen wird stellenweise auch auf einen attributiven Zusatz verzichtet und schlicht von „Recht“ gesprochen1334. Insoweit läßt sich festhalten, daß begriffliche Anknüpfungen an Spezifika nationalrechtlicher Lehren zwar vermieden werden1335, eine wirklich einheitliche Terminologie aber nicht vorhanden ist. Ob man damit mit Bernhard Wegener1336 von „Rechten des einzelnen“ sprechen soll oder – wie hier – von „individuellen Rechten“ ist folglich teilweise Geschmacksfrage. Für seine Lösung spricht zweifellos die statistische Häufigkeit. Dagegen steht aber folgende Überlegung: Die verschiedenen Sprachfassungen der Urteile zeichnen sich immer durch eine leicht andere Nuancierung aus. An einem konkreten Beispiel illustriert1337: Ob die Bestimmung einer Richtlinie

___________ 1328

EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1; EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 [1272 ff.]; EuGH, Urt. v. 16.6.1966, Rs. 57/65 – Lütticke, Slg. 1966, 258; EuGH, Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, 216 [217]; EuGH, Urt. v. 23.2.1994, Rs. C-236/92 – Comitato di Coordinamento per la Difesa della Cava, Slg. 1994, I-483 Rdnr. 6 ff. 1329 EuGH, Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, 216 [217]; EuGH, Urt. v. 9.7.1985, Rs. 179/84 – Bozzetti, Slg. 1985, 2301 Rdnr. 17; EuGH, Urt. v. 16.3.2000, Rs. C-329/97 – Ergat, Slg. 2000, I-1487 Rdnr. 40; EuGH, Urt. v. 26.6.2001, Rs. C-173/99 – Broadcasting, Entertainment, Cinematographic and Theatre Union, Slg. 2001, I-4881 Rdnr. 48. 1330 EuGH, Urt. v. 16.6.1966, Rs. 57/65 – Lütticke, Slg. 1966, 258 [267]. 1331 EuGH, Urt. v. 16.12.1976, Rs. 33/76 – Rewe, Slg. 1976, 1989 [1998]; EuGH, Urt. v. 16.12.1976, Rs. 45/76 – Comet, Slg. 1976, 2043 [2053]. 1332 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 162; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 27. 1333 EuGH, Urt. v. 16.6.1966, Rs. 57/65 – Lütticke, Slg. 1966, 258; EuGH, Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, 216 [217]; EuGH, Urt. v. 23.2.1994, Rs. C-236/92 – Comitato di Coordinamento per la Difesa della Cava, Slg. 1994, I-483 Rdnr. 6 ff. 1334 EuG, Urteil v. 3.5.2002, Rs. T-177/01 – Jégo-Quéré et Cie. / Kommission, Slg. 2002, II-2365 Rdnr. 51; Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 11.7.2002, zu EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659. 1335 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 162. 1336 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, passim, besonders S. 159 f. 1337 Verglichen wird EuGH, Urt. v. 23.2.1994, Rs. C-236/92 – Comitato di Coordinamento per la Difesa della Cava, Slg. 1994, I-483 Rdnr. Rdnr. 6.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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dem „einzelnen ein Recht verleiht“1338, „für den einzelnen ein Recht begründet“1339, ein solches Recht „erzeugt oder hervorbringt“1340, ob es sich um Rechte für „Bürger“1341 oder „Rechtsunterworfene“1342 handelt, sind Akzentuierungen, die sich alle in der Zusammenschau verschiedener Sprachfassungen einer einzelnen Urteilszeile ergeben. Der Terminus „Rechte des einzelnen“ hebt durch den genetivus subjectivus eine bestimmte Nuancierung hervor, die konnotativ mit „Eigentum“, „personales Gut“, „Habe“ und ähnlichem verbunden ist. Die Charakterisierung als „individuelle Rechte“ erscheint demgegenüber neutraler, findet eine sprachliche Anknüpfung in Art. 230 Abs. 4 EG und wird der Arbeit daher im folgenden zugrunde gelegt1343. e) Zusammenfassung Als Zwischenbilanz läßt sich festhalten, daß – im Unterschied zur Konturierung subjektiv-öffentlicher Rechte – die Diskussion um individuelle Rechte in geringerem Maß der Frage ihres Inhalts oder ihrer genauen Ermittlung gewidmet war. Vielmehr stand die Frage der grundsätzlichen Eignung der Gemeinschaftsrechtsordnung zur Begründung individueller Rechte im Mittelpunkt. Diese prinzipielle Fähigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung dürfte heute außer Streit stehen1344. Individuelle Rechte sind dabei materiell-rechtlich zu verstehen. Stehen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben – wie etwa im Recht der öffentlichen Auftragsvergabe1345, im Umweltrecht1346, im Recht der Wirt___________ 1338 Italienisch, Portugiesisch, Spanisch und Englisch: „conferisca ai singoli diritti“, „confere aos particulares direitos“; „confiere a los particulares derechos”, „confers on individuals rights“. 1339 Deutsch: „für den einzelnen Rechte begründet“. 1340 Französisch: „engendre dans le chef des particuliers des droits“. 1341 Dänisch: „rettigheder for borgerne“. 1342 Niederländisch: „of […] de richtlijn voor justitiabelen rechten in het leven roept“. 1343 So auch das Ergebnis bei W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 462 und F. Schoch, NVwZ 1999, S. 457 [461 ff.]. 1344 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 71. 1345 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.6.2002, Verg 18/02, WuW 2002, S. 898; F. Haus, Das subjektive Recht auf rechtmäßige Kartell-Vergabeverfahren, S. 12 ff.; C. Erdl, ZVgR 1998, S. 27 ff.; M. Dreher¸ EuZW 1998, S. 197 [198]; A. Boesen, EuZW 1998, S. 551 [553]; F. Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB Teil A, 2001, GWB Vorb. Rdnr. 8 ff. und § 114 GWB Rdnr. 6; J. Gröning, in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB Teil A, 2001, Syst IV Rdnr. 36 ff. Aufgrund der Nachprüfungsrichtlinien gelten im Vergaberecht Besonderheiten, die ausnahmsweise eine Vereinheitlichung der Rechtsschutzsysteme vorsehen und damit über das ansonsten anzustrebende einheitliche Effektivitätsniveau hinausweisen, vgl. dazu: M. Tonne, Effektiver Rechtsschutz durch staatliche Gerichte als Forderung des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1997, S. 43, 205 ff. und unten, Zweites Kapitel – C.III.1.b), S. 353 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

schaftsaufsicht1347 und allgemein im Bereich der Richtlinienumsetzung – in einem Spannungsverhältnis zu nationalem Denken, so findet eine Auseinandersetzung mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben heute erst unterhalb dieser Stufe, auf der Ebene der Verbandskompetenz1348 sowie des sachlichen und persönlichen Schutzbereiches statt. 2. Determination individueller Rechte in der Gemeinschaftsrechtsordnung Die Diskussion um individuelle Rechte hat sich spätestens seit der Rechtssache Francovich und Bonifaci1349 von der Beschäftigung mit Einzelfragen gelöst. Seitdem sind die Bemühungen stärker auf eine zusammenfassende und systematisierende Rezeption individueller Rechte gerichtet1350, deren wesentlicher Ertrag wie folgt skizziert werden kann.

___________ 1346

M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 83 ff.; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 125 ff.; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 483 ff. 1347 OLG Köln, Urt. v. 11.1.2001, 7 U 104/00, NJW 2001, S. 2724. Ablehnend: R. Sethe, EWiR 2001, S. 961 f. Differenzierend: BGH, Beschl. v. 16.5.2002, III ZR 48/01, BKR 2002, S. 581 f. 1348 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 71; M. Zuleeg, Der Staat Bd. 41 (2002), S. 359 [376]: „Die Mitgliedstaaten müssen die Rechte Einzelner wahren, wenn der Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts betroffen ist“. 1349 EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357. 1350 Zu nennen sind hier die Arbeiten von W. van Gerven, Bridging the gap between Community and National Laws: Towards a principle of homogeneity in the field of legal remedies?, CMLRev 32 (1995), S. 679 ff.; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996; T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 75 ff.; 230 ff.; T. von Danwitz, Zur Grundlegung einer Theorie des subjektiv-öffentlichen Gemeinschaftsrechts, DÖV 1996, S. 481 ff.; C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 65 ff.; C. D. Classen, Der einzelne als Instrument zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts?, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [675]; M. Ruffert, Rights and Remedies in European Community Law: A Comparative View, CMLRev. 34 (1997), S. 307 ff.; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998; M. Ruffert, Dogmatik und Praxis des subjektiv-öffentlichen Rechts unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1998, S. 69 ff.; D. Ehlers, Die Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, 1999; W. van Gerven, Of rights, remedies and procedures, CMLRev. 37 (2000), S. 501 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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a) Die Auslegung im Gemeinschaftsrecht Individuelle Rechte sind – da rechtssatzabhängig1351 – durch Auslegung zu ermitteln. Art und Methodik der Auslegung haben folglich für sie eine besondere Bedeutung. Vor dem Hintergrund der bisher dargestellten Entwicklung können heute einige Spezifika gemeinschaftsrechtlicher Auslegung festgehalten werden. Bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts1352 läßt sich der EuGH seit der Rechtssache Van Gend en Loos1353 von drei Gesichtspunkten leiten: vom „Geist“ der Vorschriften, von ihrer Systematik und von ihrem Wortlaut. Auch im Gemeinschaftsrecht steht mithin der aus dem nationalen Recht und dem Völkerrecht (Art. 31 WVRK) bekannte klassische Kanon der Auslegungsmethoden (Grammatik, Systematik, telos) zur Verfügung. Der EuGH hat jedoch die klassische Reihenfolge der Auslegungsmethoden umgekehrt, also die teleologische Auslegungsmethode an den Anfang, die grammatikalische Auslegungsmethode an den Schluß stellt. Dies findet seine Berechtigung in den besonderen Schwierigkeiten, denen sich eine gemeinschaftsrechtliche Auslegung gegenübersieht. Selbige wurde in der Rechtssache C.I.L.F.I.T.1354 wie folgt beschrieben: „Zunächst ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in mehreren Sprachen abgefaßt sind und daß die verschiedenen sprachlichen Fassungen gleichermaßen verbindlich sind; die Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift erfordert somit einen Vergleich ihrer sprachlichen Fassungen.“ 1355

Angesprochen ist die Äquivalenz der zwölf Sprachfassungen im Primär(Art. 314 EG) sowie der elf Sprachfassungen im Sekundärrecht (vgl. ___________ 1351 Die Rechtssatzabhängigkeit gilt im deutschen wie im Gemeinschaftsrecht. Wurde dies hinsichtlich des deutschen Verständnisses bereits belegt, vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a), S. 149 ff., muß dies für das Gemeinschaftsrecht noch erfolgen, vgl. unten, Zweites Kapitel – C.III.2.a), S. 368 ff. Die Feststellung muß an dieser Stelle vorerst genügen. 1352 Siehe dazu: A. Bleckmann, NJW 1982, S. 1177 ff.; H. Kutscher, in: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Begegnung von Justiz und Hochschule am 27. und 28. September 1976, 1976, S. 33 ff.; R. Bernhardt, in: FS für Hans Kutscher, 1981, S. 21 ff.; L. Brown / T. Kennedy, The Court of Justice of the European Communities, 4. Aufl. 1994, S. 299 ff.; S. Weatherill / P. Beaumont, EC Law, 2. Aufl. 1995, S. 166 ff. 1353 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1. 1354 EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo, Slg. 1982, 3415 ff. Eine lehrbuchartige Prüfung findet sich auch bei EuGH, Urt. v. 9.1.2003, Rs. C-257/00 – Givane u.a., Slg. 2003, I-345 Rdnr. 34 ff. 1355 EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo, Slg. 1982, 3415 Rdnr. 18.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

VO Nr. 11356). Führt die Anwendung der Auslegungsmethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen1357, ist grundsätzlich den Zielen des Gemeinschaftsrechts der Vorrang vor formellen, allein am Wortlaut orientierten Erwägungen zu geben; eine Auslegung wider den eindeutigen Wortlaut ist hingegen ausgeschlossen1358. „Sodann ist auch bei genauer Übereinstimmung der sprachlichen Fassungen zu beachten, daß das Gemeinschaftsrecht eine eigene, besondere Terminologie verwendet. Im übrigen ist hervorzuheben, daß Rechtsbegriffe im Gemeinschaftsrecht und in den verschiedenen nationalen Rechten nicht unbedingt den gleichen Gehalt haben müssen.“1359

Die weitere Besonderheit besteht folglich durch die autonomen Begrifflichkeiten im Gemeinschaftsrecht. „Schließlich ist jede Vorschrift des Gemeinschaftsrecht in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift auszulegen.“1360

Drittes Erschwernis ist mithin die starke Bindung an die Ziele des Gemeinschaftsrechts, insbesondere an die Präambel des EG, Art. 2 EG sowie die Spezialziele1361 und die Querschnittsziele1362. Die historische Auslegungsmethode spielt im Gemeinschaftsrecht grundsätzlich eine allenfalls äußerst untergeordnete Rolle. Bei der Auslegung des Primärrechts begründet dies der EuGH damit, daß keine oder nur unvollständige ___________ 1356

VO Nr. 1 i. d. F. des Beschlußes 95/1/EG, Euratom, EGKS. Beispielsweise ist der Begriff des Streitgegenstands im primären Recht nicht definiert und in den Art. 19 Abs. 1, 48, 49 Abs. 1 EG-Satzung-EuGH (Protokoll über die Satzung des Gerichtshofes vom 17.4.1957, in der Fassung des NV, ABl. C 325 v. 24.12.2002 S. 167) nur erwähnt. Dies gilt allerdings nur für die deutsche und griechische Sprachfassung. Alle anderen Sprachfassungen benutzen in den genannten Vorschriften jeweils unterschiedliche Termini. Auch in Art. 19 Abs. 1 EG-Satzung-EuGH und dem diesen konkretisierenden Art. 38 § 1 lit. c VerfO-EuGH (Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 19.6.1991, ABl. L 176 v. 4.7.1991, S. 7, in der Fassung vom 1.6.2001, ABl. C 34 v. 1.2.2001, S. 1) wird nur in sieben der elf Sprachfassungen der gleiche Terminus verwendet; vgl. näher M. Reiling, EuZW 2002, S. 136 [137]. 1358 EuGH, Urt. v. 16.5.2002, Rs. C-63/00 – Schilling und Nehring, Slg. 2002, I-4483 Rdnr. 29 ff. Vgl. auch: EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-6/98 – ARD, Slg. 1999, I-7599 Rdnr. 21 ff. 1359 EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo, Slg. 1982, 3415 Rdnr. 19. 1360 EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo, Slg. 1982, 3415 Rdnr. 20. 1361 Art. 4 Abs. 1 und 2, 33, 98, 105 Abs. 1 S. 1, 136, 174 EG. 1362 Art. 4 Abs. 3, 127 Abs. 3, 151 Abs. 4, 153 Abs. 2 EG. 1357

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Materialien zur Entstehungsgeschichte der Gründungsverträge vorhanden sind, so daß diese nicht als Richtschnur dienen können, um einen gemeinsamen Willen aller Vertragsparteien zu ermitteln1363. Bei der Auslegung von Sekundärrecht berücksichtigt der EuGH grundsätzlich keine Dokumente außerhalb des Rechtsaktes selbst, insbesondere nicht Erklärungen, welche einzelne oder alle Mitgliedstaaten zum Protokoll der Ratssitzungen abgeben und die keinen Ausdruck in der bei der Auslegung fraglichen Bestimmung gefunden haben1364. Erst die Tatsache, daß der EuGH der historischen Auslegungsmethode keine Relevanz beimißt, führte auch in der Rechtssache Van Gend en Loos1365 zur Anerkennung des einzelnen als Rechtssubjekt des Gemeinschaftsrechts. Er folgt sozusagen Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, der gefordert hat, der Interpret müsse „[…] die Rede zuerst ebensogut und dann besser verstehen als ihr Urheber.“1366

Lücken im Gemeinschaftsrecht schließt der EuGH durch die Methode wertender Rechtsvergleichung1367, d.h. er sucht nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind (vgl. Art. 288 Abs. 2 EG) und transformiert diese in ungeschriebene allgemeine Grundsätze des primären Gemeinschaftsrechts. Schließlich liegt das Monopol der letztverbindlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beim EuGH (Art. 220, 234, 292 EG). Innerhalb des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzsystems legt damit der EuGH die „richtige“ Auslegung einer Norm fest. Jegliche Abhandlung über das Gemeinschaftsrecht muß deswegen im Rahmen der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Normen stets die Methodik des EuGH im Auge behalten und diesem Konzept gedanklich folgen. Dies bedeutet, der teleologischen Auslegungsme___________ 1363

EuGH, Urt. v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1187 ff.] und oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(a), S. 236 f. 1364 EuGH, Urt. v. 26.2.1991, Rs. C-292/89 – Antonissen, Slg. 1991, I-745 Rdnr. 18. 1365 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 ff. und oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(b), S. 239 f. Es hatten sich ja immerhin drei der sechs Gründungsstaaten ausdrücklich gegen eine solche Auslegung des Primärrechts ausgesprochen, deren Wille aus völkerrechtlicher Perspektive hätte entscheidend sein müssen, vgl. PCIJ, Advisory opinion, 3.3.1928, Jurisdiction of the Danzig Courts, PCIJ Series B, No.15 (1928), 17 f. 1366 F. Schleiermacher, Hermeneutik und Kritik, 1977, S. 94. 1367 Zur Rechtsvergleichung vgl. A. Bleckmann, ZVglRWiss Bd. 75 (1976), S. 106 [116 ff.]; E. Schmidt-Aßmann, in: FS für Peter Lerche, 1993, S. 513 [518]; F. Jacobs, in: FS für Albert Kiralfy, 1990, S. 99 [104]; Schlußanträge von GA D. Ruiz-Jarabo Colomer v. 28.1.1999 zu EuGH, Urt. v. 14.9.1999, Rs. C-310/97 P – Kommission / Assi Domaen Kraft Products u.a., Slg. 1999, I-5363 Rdnr. 65 ff. und P. Craig / G. de Búrca, EU Law, 3. Aufl. 2002, S. 323 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

thode – dem „Geist der Vorschriften“1368, 1369 – die entscheidende Rolle, der Wortlautauslegung hingegen nur eine nachgeordnete Bedeutung zukommen zu lassen und im Einzelfall vom Grundsatz „in dubio pro communitate“ auszugehen1370. b) Historische Basis Die historische Basis individueller Rechte im Gemeinschaftsrecht hat mit Ablauf der Übergangszeit am 31. Dezember 19691371 eine gewisse Festigung

___________ 1368 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [24]: „ist vom Geist dieser Vorschriften, von ihrer Systematik und von ihrem Wortlaut her zu entscheiden“. Die eine Gewichtung ausdrückende Reihenfolge hat der EuGH stets beibehalten, vgl. EuGH, Urt. v. 21.2.1973, Rs. 6/72 – Europemballage und Continental Can Company / Kommission, Slg. 1973, 215 Rdnr. 25 f. (Vorrang der Ziele des Art. 3 EWGV gegenüber dem Wortlaut des Art. 86 EWGV). Bezeichnend ist die Einschätzung des ehemaligen Richters am EuGH F. Schockweiler: „[La Cour] s’est toujours référée davantage à l’économie générale et à sa finalité qu’au texte et à l’intention de ses auteurs pour dégager des solutions allant audelà, et parfois même à l’encontre, de la lettre du texte.“ (RMC 1991, S. 882 [883]). 1369 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 121 zieht daraus den knappen Schluß, das Gemeinschaftsrecht sei „kein neutrales oder gar reines Recht im Sinne H. Kelsens“, sondern vielmehr „ein außerordentlich politisches Recht, das sich ganz an den Zielen supranationaler Integration orientiert“. Er beruft sich auf P. Pescatores Bewertung (ELRev. 1983, S. 155 [157]) des Urteils Van Gend en Loos: „The important thing is to see what are the motives of that decision. The reasoning of the court shows that the judges had ‚une certaine idée de l’Europe‘ of their own, and that it is this idea which has been decisive and not arguments based on the legal technicalities of the matter.“ Was immer mit „politischem Recht“ genau gemeint sein mag – richtig ist, daß die Zieldirektiven eine herausragende Rolle bei der Auslegung spielen und die römisch-rechtliche Vorstellung der „interpretatio“, die sowohl Auslegung als auch Fortbildung des Rechts umschloß (Vgl. die Nachweise bei M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 321 Fn. 166), stärker nachweisbar ist. Die Frage nach der Grundnorm als transzendentaler Voraussetzung stellt sich der reinen Rechtslehre aber gerade unabhängig von der Rechtsordnung – das ist ja das Element der „Reinheit“. Die Grundnorm beschränkt sich nach H. Kelsens Konzept darauf, eine normsetzende Autorität einzurichten. Sie hat keine inhaltliche Füllung. Infolgedessen wird in der neueren Literatur durchaus auf die Grundnormthese zurückgegriffen, vgl. etwa W.-D. Grussmann, in: von Danwitz / Heintzen / Jestaedt / Korioth / Reinhardt, Auf dem Wege zu einer europäischen Staatlichkeit, 1993, S. 47 ff. und T. Schilling, Der Staat Bd. 33 (1994), S. 555 ff.; verworfen bei F. E. Dowrick, YEL Bd. 3 (1983), S. 170 ff. und überzeugend W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 206 ff. 1370 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 121 mit Verweis auf: G. C. Rodríguez Iglesias, EuR 1992, S. 225 ff. 1371 Art. 7 Abs. 1, 7 EGV; Rechtswirkungen fortgeltend nach Art. 10 Abs. 1 AV.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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erfahren. Mit den Worten des EuGH in der Rechtssache Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe läßt sich dieser Stand wie folgt zusammenfassen1372: „Das Ziel des EWG-Vertrages ist die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, dessen Funktionieren die der Gemeinschaft angehörigen Einzelnen unmittelbar betrifft. Damit ist zugleich gesagt, daß dieser Vertrag mehr ist als ein Abkommen, das nur wechselseitige Verpflichtungen zwischen den vertragsschließenden Staaten begründet. Die Gemeinschaft stellt eine neue Rechtsordnung dar, zu deren Gunsten die Staaten […] ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben, eine Rechtsordnung deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die einzelnen sind. Das von der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unabhängige Gemeinschaftsrecht soll daher den einzelnen, ebenso wie es ihnen Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen. Solche Rechte entstehen nicht nur, wenn der Vertrag dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch aufgrund von eindeutigen Verpflichtungen, die der Vertrag den einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und Organen der Gemeinschaft auferlegt. Hierzu ist es erforderlich, aber auch genügend, daß sich die Vertragsvorschrift, aus der solche Rechte hergeleitet werden, ihrem Wesen nach dazu eignet, unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den ihrem Recht unterworfenen Einzelnen zu erzeugen.“

c) Gegenwärtiger Stand Auf dieser Basis hat die Auseinandersetzung mit der Frage, wann eine gemeinschaftsrechtliche Norm „ihrem Wesen nach“ geeignet ist, individuelle Rechte zu begründen, nach rund fünfzig Jahren Rechtsprechung zu einer Systematisierung und Typologisierung individueller Rechte geführt (1). Inhaltlich stellt sich immer noch die Frage, ob die normative Quintessenz dieser Rechte ausschließlich im Sinne der klaren und bestimmten Normstruktur zu deuten ist, ob mithin die unmittelbare Anwendbarkeit als nur notwendiges oder aber als hinreichendes Kriterium für die Annahme individueller Rechte einzuordnen ist (2). Weitere spezifische Eigenschaften sind hingegen zwischenzeitlich allgemein anerkannt oder werden zumindest weniger kontrovers diskutiert (3).

(1) Typologie individueller Rechte Die Notwendigkeit einer Typologie individueller Rechte mag bezweifelt werden1373. Insbesondere die an den klassischen Kriterien Georg Jellineks orientierte Klassifizierung entspricht dem rechtsstaatlich demokratischen Ver___________ 1372

EuGH, Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, 216 [217]. Hervorhebung hinzugefügt. 1373 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 406.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

ständnis nicht mehr1374. Dennoch besitzt die Unterscheidung von individuellen Rechten als Positionen nach ihrer Schutzrichtung nach wie vor ihre Berechtigung. Dies gilt für die Grundrechte und Grundfreiheiten wie auch in konkretisierter Form für einfachrechtliche Ausprägungen. Die Situationen, von denen die Typologie abstrahiert, tauchen im Gemeinschaftsrecht wie auch im nationalen Recht in gleicher Weise auf. Demgemäß finden sich in der Literatur vielfältige Bemühungen, das nationale Rechtsdenken1375 auch für die Erfassung gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte nutzbar zu machen1376. Vor diesem Hintergrund lassen sich gemeinschaftsrechtliche individuelle Rechte nach ihrer Art in Abwehrrechte1377, Leistungsrechte1378, Gestaltungsrechte, politische Rechte1379, Gleichheitsrechte sowie Verfahrensrechte und nach ihrer hierarchischen Stellung in solche des Primär- und Sekundärrechts unterteilen1380. Innerhalb dieser einzelnen Kategorien können wiederum jeweils originäre und derivative Rechte unterschieden werden1381. ___________ 1374 Siehe dazu oben, Zweites Kapitel – B.I., S. 66; B.I.1.a)(1)(a), S. 70 und Zweites Kapitel – B.III.1.a)(1), S. 126 ff. 1375 Aus verfassungsrechtlicher Sicht: K. Stern, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. V, 2. Aufl. 2000, § 109: Idee und Elemente eines Systems der Grundrechte, Rdnr. 41 ff.; aus verwaltungsrechtlicher Sicht: H. Wolff / O. Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 32 IV c), S. 210 f. 1376 Eine Klassifizierung nach Abwehr-, Leistungs-, Beteiligungs- und Gleichbehandlungsrechten ganz oder teilweise bei G. Winter, DVBl. 1991, S. 657 ff.; E. Grabitz, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 1, Art. 189 Rdnr. 61a; S. Kadelbach, in: von Danwitz / Heintzen / Jestaedt / Korioth / Reinhardt, Auf dem Wege zu einer europäischen Staatlichkeit, 1993, S. 131 [139 ff.]; N. Reich, EuZW 1996, S. 709 ff.; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 409 ff. 1377 Besonders die Gemeinschaftsgrundrechte und die Grundfreiheiten sowie die zahlreichen zu ihrer Verwirklichung erlassenen Sekundärrechtsakte. Im sekundärrechtlichen Bereich weiter etwa der Bereich des Datenschutzes (RL 95/46/EG) oder der des Steuerrechts (etwa RL 77/388/EWG (sechste Richtlinie); vgl. zur Befreiung einer Kreditvermittlerin von der Umsatzsteuer aufgrund dieser Richtlinie: EuGH, Urt. v. 19.1.1982, Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982, 53). 1378 Diese werden im einzelnen meist durch Verordnungen eingeräumt. Originäre Leistungsansprüche erwachsen vor allem aus den Marktordnungen im Bereich der Landwirtschaft. Derivative Leistungsansprüche (Teilhabeansprüche) ergeben sich in mannigfaltiger Form aus Art. 12 EG. Praktisch sehr bedeutsam sind die Gleichbehandlungsrichtlinien: Art. 4 Abs. 1 RL 79/7/EWG, welcher unmittelbar anwendbar ist, gewährt Ansprüche auf Gleichbehandlung bei Arbeitslosenunterstützung, vgl. EuGH, Urt. v. 24.3.1987, Rs. 286/85 – McDermott und Cotter, Slg. 1987, 1453. 1379 Zuvörderst das Wahlrecht; vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(f), S. 275. 1380 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 408. 1381 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 408.

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Auf eine detaillierte Auffächerung kann es an dieser Stelle nicht ankommen1382. Wichtig erscheint vor dem Hintergrund der Untersuchung zweierlei: Zum einen, daß der Charakter gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte als individuell appellabler Gewährleistungen zwischenzeitlich im Ergebnis so unstreitig ist, daß sich die Wissenschaft ihrer spezifischen Charakteristika durch eine Typologisierung annehmen kann. Zum anderen haben diese Bemühungen zu Kategorien geführt, die im deutschen Recht keine wirkliche Entsprechung finden. Zunächst sind die originären, nicht verfahrensakzessorischen Kontrollrechte zu nennen, die vor allem durch die Umweltinformationsrichtlinie1383 geschaffen und durch das UIG1384 umgesetzt wurden. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie „gewährleisten die Mitgliedstaaten, daß die Behörden verpflichtet werden, allen natürlichen oder juristischen Personen auf Antrag ohne Nachweis eines Interesses Informationen über die Umwelt zur Verfügung zu stellen1385.“ Die Richtlinie gewährt somit ein individuelles Recht, ohne daß dieses einem materiellen Recht akzessorisch wäre, dessen Sicherung der Antragsteller bezweckt; die Position ist verfahrensunabhängig1386. Derartige Befugnisse, die Klagebefugnis gewissermaßen selbst zu definieren, waren im deutschen Recht bisher die seltene Ausnahme1387. Weitere Informationsrechte werden durch Richtlinien zum besonderen Umweltrecht be___________ 1382 Für eine genauere Beschreibung sei insoweit auf S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 409 ff. und 426 ff. verwiesen. 1383 RL 90/313/EWG. Bezeichnenderweise ist in allen Entscheidungen zu diesem Rechtsakt das Recht der Bundesrepublik Ausgangspunkt des Verfahrens: EuGH, Urt. v. 17.6.1998, Rs. C-321/96 – Wilhelm Mecklenburg, Slg. 1998, I-3809 und EuGH, Urt. v. 9.9.1999, Rs. C-217/97 – Kommission / Deutschland, Slg. 1999, I-5087. 1384 H.-U. Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 ff. 1385 Siehe § 4 UIG. 1386 H.-U. Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 [413]; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 416; D. Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, 1994, S. 347; U. Gassner, DVBl. 1995, S. 16 [21]: „verfahrenskonstituierendes“ Recht. Vgl. zum Akteneinsichtsrechts außerhalb des Verwaltungsverfahrens auch: BVerwG, Urt. v. 30.6.1983, 2 C 76.81, DVBl. 1984, S. 53 [54]. 1387 Auch bei § 29 BNatSchG a.F. handelte es sich nicht um eine echte Verbandsklage, sondern nur um die Möglichkeit eines Vereins, ein ihm zustehendes subjektives (Beteiligungs-)Recht gerichtlich durchzusetzen. Die wesentliche Neuerung des § 61 BNatSchG n.F. liegt darin, daß der Verein keine Verletzung eigener Rechte i.S. der §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2 S. 1 VwGO geltend machen muß. Es handelt sich insofern um ein objektiv-rechtliches Beanstandungsverfahren (Fraktionen der SPD und Bündnis 90 / Die Grünen in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6378, S. 61). Vgl. zur Fehlerfolge BVerwG, Urt. v. 31.1.2002, 4 A 15.01, NVwZ 2002, S. 1103 [1105]. Zur Nachfolgeregelung und zum Landesrecht vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1)(a), S. 140 Fn. 499. Siehe auch M. Gellermann, NVwZ 2002, S. 1025 ff. und R. Seelig / B. Gündling, NVwZ 2002, S. 1033 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

gründet1388 und gesichert1389. Das Prinzip der Aktenöffentlichkeit ist aus deutscher Sicht1390 neuartig; Zur Anerkennung eines allgemeinen Anspruchs auf Aktenöffentlichkeit fehlt nur noch ein weiterer Schritt1391, dessen gemeinschaftsrechtlicher Vorbote Art. 255 EG darstellt. Aber auch die gemeinschaftsrechtlichen Beteiligungs- und Verfahrensrechte akzessorischer Art sind bedeutungsvoll. Für den innerstaatlichen Bereich hat die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung1392 besondere Sprengkraft erlangt. Das in ihr verankerte Recht auf Verfahrenszugang und Information hat – nicht zuletzt bedingt durch ihre verspätete Umsetzung – zu einer Reihe von Entscheidungen geführt1393, deren Bezugspunkt jeweils direkt oder indirekt die „betroffene Öffentlichkeit“ i.S.v. Art. 9 RL 85/337/EWG war; ein Kreis von Berechtigten, bei dem aufgrund seiner Weite ebenfalls ein Konnex zu materiellen Rechten fehlt. Das BVerwG ordnete die Vorschriften denn auch § 46 VwVfG zu1394. Das Meinungsbild zu diesem gemeinschaftsrechtlichen in___________ 1388 Informationsrechte etwa in: Art. 9 RL 89/369/EWG; Art. 16 RL 91/271/EWG; Art. 8 Abs. 1 RL 82/501/EWG („Seveso-Richtlinie“), mit erweiterten Informationsrechten aufgrund der Neufassung durch die RL 96/82/EG, vgl. dazu § 18 17. BImSchVO. 1389 Der EuGMR ordnet dieses Verfahrensrecht dem Recht auf Privatsphäre aus Art. 8 EMRK zu, vgl. EuGMR, Urt. v. 19.2.1998, 116/1996/735/932 – Guerra et al. / Italia, Reports 1998-I, 210 (deutscher Text: NVwZ 1999, S. 57 ff.). Insoweit steht hinter dem Informationsrecht doch wieder eine materielle Rechtsposition. 1390 Vgl. R. Engel, Akteneinsicht und Recht auf Information über umweltbezogene Daten, 1993, S. 11 ff. 1391 C. Schrader, NVwZ 1999, S. 40 [42]; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 420. Einen Beginn markiert das brandenburgische Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz v. 10.3.1998 (BbgGVBl. 1998, S. 46). Es folgten das Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin v. 15.10.1999 (blGVBl. 1999, S. 561), das Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein v. 9.11.2000 (GVOBl. Schl.-H. 2000, S. 166) und das Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen v. 27.11.2001 (GVBl. NRW 2001, S. 806). Einen aktuellen Überblick über sämtliche Gesetzesvorhaben in Bund und Ländern bietet die Seite von H. Hill an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften, einsehbar unter: http://www.hfv-speyer.de/hill/Akteneinsicht.htm#Nationale%20Gesetze. Den sachlich weiterreichenden Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes hat der Bundesrat am 21.6.2002 erneut abgelehnt (BT-Drs. 14/9607). 1392 Fundstelle oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(b)ii), S. 285 Fn. 1197. 1393 Die bedeutsamste dürfte EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189 ff. sein. Näher dazu bereits oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(b)i), S. 285 f. Vgl. weiter: EuGH, Urt. v. 9.8.1994, Rs. C-396/92 – Bund Naturschutz in Bayern und Richard Stahnsdorf u.a., Slg. 1994, I-3717; EuGH, Urt. v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, I-5403 ff.; Ähnlich EuGH, Urteil v. 19.9.2000, Rs. 287/98 – Linster, Slg. 2000, I-6917 ff.; BVerwG, Urt. v. 25.1.1996, 4 C 5.95, BVerwGE 100, 238 [242]. 1394 BVerwG, Beschl. v. 23.2.1994, 4 B 35.94, NVwZ 1994, S. 688 [689 f.]; BVerwG, Urt. v. 25.1.1996, 4 C 5.95, BVerwGE 100, 238 ff. Dieser Linie entspricht es, wenn die

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dividuellen Recht auf Partizipation ist sehr unübersichtlich, zumal gerade anhand dieser Richtlinie grundsätzliche Positionen zu individuellen Rechten und unmittelbarer Wirkung aufeinandertrafen1395. Anhand dieser Richtlinie hat sich aber insbesondere auch in Deutschland die Erkenntnis durchgesetzt, daß die unmittelbare Wirkung von Richtlinien von individuellen, im Richtlinieninhalt angelegten Rechten unabhängig ist1396. Ähnliche Fragen stellten sich im Vergaberecht1397. Nachdem die sog. Bauund die Lieferkoordinierungsrichtlinie1398 die in sie gesetzten Erwartungen einer Entkrustung des sklerotischen öffentlichen Auftragswesens nicht erfüllt hatten, wurden sie durch die Nachprüfungsrichtlinie1399 respektive Überwachungsrichtlinie1400 ergänzt. Dem traditionellen, zur Verwirklichung haushaltswirtschaftlicher und wettbewerbspolitischer Ziele konzipierten, deutschen Vergaberecht lag ein „eindimensionales Verständnis“1401 im Rahmen seiner haushaltsrechtlichen Interpretation zugrunde; es diente vorrangig den Fiskalinteressen1402. Die Bundesverwaltung war nach § 55 BHO1403 bei Beschaffungen zwar zur Einhaltung der Vergabegrundsätze der VOB / A verpflichtet; doch bestand für interessierte Dritte kaum eine rechtliche Möglichkeit, dies durchzusetzen, da es der VOB / A nach ganz herrschender Meinung an Außenwirkung erman___________ Literatur § 44a VwGO für die UVP für anwendbar hält, so etwa W. Erbguth / A. Schink, UVPG, 2. Aufl. 1996, Einl. Rdnr. 115 ff. Gegen diese rein verfahrensrechtliche Sicht mit Recht: M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 168 ff. 1395 Exemplarisch insoweit A. Epiney, DVBl. 1996, S. 409 [412] und die Stellungnahme der deutschen Regierung im Verfahren EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189 Rdnr. 24. Vgl. im einzelnen: M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 264 ff. insbs. S. 271 ff. 1396 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(b), S. 283 ff., insbes. S. 285. 1397 Vgl. zum folgenden: P. M. Huber, in: FS für Hartmut Schiedermair, 2001, S. 765 ff. 1398 RL 71/305/EWG und RL 77/62/EWG ersetzt jeweils durch RL 93/37/EWG und RL 93/36/EWG. 1399 RL 89/665/EWG. Für die Bereiche Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie den Telekommunikationssektor besteht zusätzlich die sog. Sektorenrichtlinie (RL 90/ 531/EWG ersetzt durch RL 93/38/EWG) und eine gesonderte Sektorennachprüfungsrichtlinie (RL 92/13/EWG). Daneben bestehen weitere Sonderregelungen. 1400 So genannt etwa von H.-J. Prieß, in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB Teil A, 2001, Syst I Rdnr. 51, der im folgenden beide Begriffe nebeneinander benutzt. 1401 D. Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943. 1402 H.-J. Prieß, in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB Teil A, 2001, Syst I Rdnr. 56; F. Niebuhr / K. Eschenbruch, in: Kapellmann / Vygen, Jahrbuch Baurecht 1998, S. 195 [197]. 1403 Für die Länder gelten entsprechende Regeln des Landeshaushaltsrechts.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

gelte1404. Bieter konnten somit keine subjektiven(-öffentlichen) Rechte aus dem Vergaberecht herleiten und waren auf die eingeschränkten Möglichkeiten der Ansprüche aus culpa in contrahendo verwiesen1405. Nach frühen Hinweisen1406 hat der EuGH den Vergaberichtlinien einen allgemeinen Gleichheitssatz für Konkurrenten entnommen1407, welcher gegen Diskriminierungen durch den Empfängerstaat schützen soll1408 und individuelle Rechte begründet. Auch die neuere haushaltsrechtliche Lösung des deutschen Vergaberechts1409 wurde – bis zu seiner Reform im Rahmen der 6. GWB-Novelle – in mehrfacher Hinsicht für unvereinbar mit den Richtlinien gehalten. Im Kern ging es neben der Qualifizierung der Vergabeüberwachungsausschüsse als Gerichte i.S.d. Gemeinschaftsrechts vor allem um die individuellen Rechtspositionen der Bieter und die Wirksamkeit des Rechtsschutzes1410. Der EuGH hatte 1995 klargestellt1411, „[…] daß die in den Richtlinien über die Koordination der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge enthaltenen Vorschriften über die Teilnahme und die Publizität den Bieter vor Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen sollen […] Ein solcher Schutz kann nicht wirksam werden, wenn der Bieter sich nicht gegenüber dem Auftraggeber auf diese Vorschriften berufen und gegebenenfalls deren Verletzung vor den nationalen Gerichten geltend machen kann.“

Dies stellte entgegen Friedhelm Marx1412 kein bloßes obiter dictum dar, sondern fügt sich nahtlos in die Rechtsprechung des EuGH zu Richtlinien, wie ins___________ 1404 BGH, Urt. v. 11.11.1993, VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; W. Heiermann / R. Riedl / M. Rusam, VOB, 10. Aufl. 2003, Einl. Rdnr. 3. Zur heutigen Rechtsnatur vgl. K. Vygen, in: Ingenstau / Korbion, VOB, 14. Aufl. 2001, Einl. Rdnr. 25 ff. 1405 Dazu: M. Lötzsch / H. Bornheim, NJW 1995, S. 2134 [2137]; H.-J. Prieß, in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB Teil A, 2001, Syst I Rdnr. 56. Hinzu kamen die eher seltenen Fälle von Ansprüchen wegen Mißbrauch der Nachfragemacht, vgl. KG, Urt. v. 10.4.1995, Kart U 7605/94 – Turbinen, NJW-RR 1995, S. 1386. M. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, Vor §§ 97 ff. Rdnr. 53 spricht denn auch von der „faktischen Rechtsschutzlosigkeit“. 1406 EuGH, Urt. v. 10.2.1982, Rs. 76/81 – Transporoute, Slg. 1982, 417 Rdnr. 17. 1407 EuGH, Urt. v. 22.6.1993, Rs. C-243/89 – Kommission / Dänemark (StorebaeltBrücke), Slg. 1993, I-3353 Rdnr. 39: „[…] ist festzustellen, daß diese Rechtsvorschriften nur unter voller Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter angewandt werden dürfen, der der Richtlinie zugrunde liegt.“ 1408 D. Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943 [945]. 1409 §§ 57a–57c HGrG. 1410 Dazu H.-J. Prieß, EuZW 1995, S. 793 ff.; J. Pietzcker, NVwZ 1996, S. 313 ff.; M. Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 [75] einerseits sowie andererseits K. Hailbronner, RIW 1992, S. 533 ff. und das Gutachten von K. Hailbronner („Möglichkeiten der Begrenzung gerichtlichen Rechtsschutzes auf die Beachtung bzw. Einhaltung EG-rechtlicher Vergaberegeln zum Schutz von Unternehmen im Recht der Vergabe öffentlicher Aufträge“) BT-Drs. 13/9340. 1411 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 – Kommission / Deutschland, Slg. 1995, I-2303 Rdnr. 19. 1412 F. Marx, in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB Teil A, 2001, GWB Vorb. Rdnr. 8.

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besondere die Entscheidung in der Rechtssache Großkrotzenburg1413 vom gleichen Tag zeigt. Da die Gewinnchancen der Verfahrensbeteiligten grundrechtlich nicht erfaßt sind1414, ergibt sich ein zusätzlicher, verfassungsrechtlich so nicht vorgezeichneter Gewinn an Rechtsschutz1415. Die Diskussion im Vergaberecht hat insbesondere dazu geführt, zwischen individuellen Rechten, die sich aus der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ergeben, und solchen, die aus dem Richtlinieninhalt und -zweck folgen, deutlicher zu differenzieren. Die einzeln genannten Typologien wurzeln alle im Verfahrensrecht. Berücksichtigt man, daß zahlreiche Verfahrensgarantien im Gemeinschaftsrecht auf Verfassungsebene und somit höher als im deutschen Recht eingestuft werden1416, wird die – dem deutschen Recht prinzipiell fremde – Entkoppelung von Verfahrensrecht und materiellem Recht besonders deutlich. Eine zutreffende Beschreibung individueller Rechte hat diesen Befund angemessen zu gewichten1417. (2) Unmittelbare Anwendbarkeit als hinreichendes Kriterium individueller Rechte? Die typisierende Unterscheidung von individuellen Rechten als Positionen nach ihrer Schutzrichtung und die besonderen gemeinschaftsrechtlichen Kategorien verfahrensrechtlicher Art verdeutlichen zwar die Reichweite individueller Rechte als Positionen und weisen auf eine dem Gemeinschaftsrecht fremde Trennung zwischen formellen und materiellen individuellen Rechten hin. Allgemeine Aussagen über Gehalt und die Ermittlung individueller Rechte lassen sich aus ihnen indes nicht ableiten. ___________ 1413 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189 ff. Näher dazu oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(b)i), S. 285 f. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 18.6.2002, Rs. C-92/00 – Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungs-Gesellschaft, Slg. 2002, I-5553 und EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-81/98 – Alcatel Austria, Slg. 1999, I-7671: keine „Flucht in die Aufhebung“. 1414 J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 50; BVerfG, Beschl. v. 23.1.1990, 1 BvR 306/86, BVerfGE 81, 208 [227]: „[…] die Erhaltung oder Wiederherstellung möglichst optimaler Absatzchancen […] sind jedoch eigentumsgrundrechtlich nicht geschützt, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.“ 1415 Der im übrigen bei Aufträgen der Gemeinschaftsorgane was die Zulässigkeit von Klagen betrifft ähnlich gehandhabt wird, vgl. EuG, Urt. v. 8.5.1996, Rs. T-19/95 – Adia Interim / Kommission, Slg. 1996, II-321. 1416 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 425. 1417 Vgl. auch noch einmal das bereits wiedergegebene Zitat von C. Bellamy (oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(2), S. 303 Fn. 1304).

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Spricht man von individuellen Rechten, so bedeutet dies jedenfalls auch im Gemeinschaftsrecht, um erneut die Formulierung von Karl Larenz aufzugreifen, daß jemandem „etwas – und zwar etwas jeweils Bestimmtes – rechtens zukommt oder gebührt“1418.

(a) Die unterschiedlichen Positionen in der Literatur Die Auffassungen in der Literatur über den Inhalt individueller Rechte gehen nach wie vor auseinander. Das Meinungsbild ist deswegen so unübersichtlich, weil vielerlei Fragen miteinander vermengt werden. Zum einen ist dies die Überlegung, wie sich Recht und Klagebefugnis zueinander verhalten. Zum anderen ist es die Frage, wie dieses Recht respektive die Klagebefugnis in sachlicher und persönlicher Hinsicht zu ermitteln ist. Schließlich trüben die weiterhin bestehenden Unklarheiten aus den Bereichen der Richtliniendogmatik und der Haftung das Bild zusätzlich. Dennoch lassen sich gewisse grobe Einteilungen „zwischen invocabilité und subjektivem Recht“ (Matthias Ruffert1419) vornehmen und mit den unausweichlichen Vergröberungen wie folgt zusammenfassen. i) Allgemeiner Vollziehungsanspruch Insbesondere Thomas von Danwitz setzt die unmittelbare Anwendbarkeit mit individuellen Rechten gleich1420. Nach ihm bezieht das Gemeinschaftsrecht die „Grundposition eines allgemeinen Vollziehungsanspruchs unmittelbar geltenden Europarechts“1421. Die Erfordernisse der unmittelbaren Anwendbarkeit dienten „nur dem Ziel, den Inhalt einzelner Rechtspositionen sachlich-gegenständlich zu bestimmen“1422. Die Zugehörigkeit der Anspruchsteller zum Kreis ___________ 1418

K. Larenz, in: FG für Johannes Sontis, 1977, S. 129 [147]. M. Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 [70]. 1420 Ähnliche Positionen beziehen: J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 19 ff., 47; M. Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht, 1996, S. 52, 55; E. Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, S. 924 [934]; C. Erdl, ZVgR 1998, S. 27 [28]; R. Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts – Ziele, Wege und Irrwege, 1993, S. 15; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rdnr. 1174 f.; E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 20; J. Wolf, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1361 [1368 ff.]. Die Darstellung ohne weitere Wertung auf die unmittelbare Anwendbarkeit beschränkend: G. Nicolaysen, Europarecht, Bd. I, 1991, S. 33 ff.; T. Oppermann, Europarecht, 1991, Rdnr. 466. 1421 T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 233; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [489]. 1422 T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 232. 1419

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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der normativ Begünstigten, der Inhalt gewährter Ansprüche „fungieren als allgemeine Voraussetzungen für die Zuerkennung“1423. „Sie stellen jedoch keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Unterscheidung objektiven Rechts von subjektiv-öffentlichen Gemeinschaftsrechten dar und bilden auch keine qualifizierenden Bedingungen für die Einklagbarkeit objektiven EGRechts, die sog. invocabilité.“1424 Es ergebe sich so der Eindruck einer spezifischen Voraussetzungslosigkeit für die Annahme der individualrechtlichen Durchsetzbarkeit objektiver Normen1425, der Gemeinschaftsbürger werde so als „procureur de droit instrumentalisiert“1426. Diese Sichtweise koppelt eine Betonung des instrumentalen Charakters individueller Rechte zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts mit einer stark prozessual geprägten Sicht. So verstanden sind individuelle Rechte immer, aber auch nur klagbare Ansprüche auf Normvollzug justiziablen Gemeinschaftsrechts. Was dem einzelnen „rechtens zukommt oder gebührt“, ist eine umfassende Berufungsfähigkeit („invocabilité“). ii) Subjektive Rechte Den Gegenpol zu dieser Auffassung bilden die Überlegungen von Dimitris Triantafyllou, der ein deutliches „Bekenntnis zur Schutznormlehre“1427 zumindest gemeinschaftsrechtlicher Prägung verwirklicht sieht. Unmittelbare Anwendbarkeit und individuelles Recht respektive Rechtsschutz deckten sich

___________ 1423

T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 232. 1424 T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 232 mit Verweisen auf EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357. 1425 T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 233. Ähnlich P. Pescatore, ELRev. 1983, S. 155 [174 ff.]; noch deutlicher (für Richtlinien) U. Everling, in: FS für Karl Carstens, 1984, Bd. 1, S. 95 [107] der hervorhebt, „daß die Richtlinie, wie jede Rechtsnorm auch subjektive Rechte für einzelne begründet.“ 1426 T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [484]. 1427 D. Triantafyllou, DÖV 1997, S. 192 [196]. Auch C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [677] vermag grundsätzliche konzeptionelle Unterschiede nicht zu erkennen; ähnlich C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 76 und – freilich aus Perspektive des Art. 215 EG – B. Grzeszick, EuR 1998, S. 417 [428]. Allenfalls geringfügige Nuancen meint M. Krings, UPR 1996, S. 89 [91 f.] zu erkennen. Vom „gemeinsamen Grundgedanken des Individualschutzes und der Individualnützigkeit“ spricht O. Dörr, in: Nomos-Kommentar zur VwGO, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rdnr. 451.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

gerade nicht1428. Bezeichnenderweise zieht er diese gegenteiligen Schlüsse im wesentlichen aus den gleichen Urteilen zum Haftungsrecht wie Thomas von Danwitz1429. Die „invocabilité“ ist nach dieser Sicht nur ein Bestandteil, welcher individuellen Rechten intentional zu eigen ist, deren Inhaltsermittlung sich im übrigen aber auch am Schutzzweckgedanken orientiert. iii) Funktionale Subjektivierung und andere vermittelnde Lehren Zwischen diesen beiden extremen Positionen oszillieren vielfältige differenzierende Ansichten. Diese konzentrieren sich teils auf die Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Normen in das nationale System1430, teils nehmen sie eher einen gemeinschaftsrechtlichen Blickwinkel ein1431. Exemplarisch sind hier die Überlegungen von Stefan Kadelbach1432, dessen Beobachtungen die übrigen Vertreter der neueren Literatur jedenfalls nach den Rechtssachen Großkrotzenburg und Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld1433 mit unterschiedlich starken Gewichtungen und Akzenten teilen. ___________ 1428

Anders noch D. Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943 [944]: „Der Versuch, den Begriff ‚unmittelbare Anwendbarkeit‘ vom Begriff ‚subjektives Recht‘ auseinanderzuhalten, um trotz der Rechtsprechung des EuGH den einzelnen den Klageweg zu sperren, erscheint gekünstelt. Definitionsgemäß heißt nämlich unmittelbare Anwendbarkeit das Recht des einzelnen, sich auf die betreffende Vorschrift vor den nationalen Gerichten zu berufen und seine darauf beruhenden Rechte geltend zu machen.“ 1429 D. Triantafyllou, DÖV 1997, S. 192 [196 mit Fn. 51, 52] und den Verweisen auf EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357; EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029; EuGH, Urt. v. 23.5.1996, Rs. C-5/94 – Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553; EuGH, Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188–190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845 aber auch in Fn. 49 auf EuGH, Urt. v. 2.12.1971, Rs. 5/71 – Zuckerfabrik Schöppenstedt, Slg. 1971, 975 [985]. 1430 J. Ruthig, BayVBl. 1997, S. 289 ff.; B. Remmert, Die Verwaltung Bd. 29 (1996), S. 465 ff.; F. Sterner, Rechtsbindungen und Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, 1996, S. 63. 1431 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 220 ff.; M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 92 ff.; S. Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 123 ff.; T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 60 ff.; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 125 ff.; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 484 ff.; W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 464. 1432 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 370 f. 1433 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189 ff. und EuGH, Urt. v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, I-5403 ff.

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Danach kommt es in jedem Fall in sachlicher und personeller Hinsicht auf die inhaltliche Unbedingtheit und Bestimmtheit der Vorschrift an. Folge dieser unmittelbaren Anwendbarkeit können individuelle Rechte des einzelnen sein. Voraussetzung ist nicht, daß die Norm aus sich heraus den Zweck verfolgt, einzelne aus eigener Kraft zu begünstigen; anderenfalls könnten Richtlinien, die auf Einräumung von Rechten durch die Mitgliedstaaten gerichtet sind, nämlich keine unmittelbare Wirkung entfalten. Nach Ablauf der Umsetzungsfrist steht das individuelle Recht dem Interesse gleich, das der einzelne an der Umsetzung hat1434. Folglich kommen alle Interessen als Rechtsinhalt in Betracht, welche die Mitgliedstaaten unter Schutz zu stellen verpflichtet sind; auf einen spezifischen Bezug zu individuellen Interessen kommt es nicht an. Dieser Effekt der Einbeziehung führt zu einer „funktionalen Subjektivierung“ (Matthias Ruffert1435). Denn es genügt, daß die Norm, ggf. auch nur ihre Begründungserwägungen oder der Gesamtzusammenhang einer Vielzahl von Vorschriften den nötigen Individualbezug dergestalt herstellen, daß überhaupt Angelegenheiten einzelner in einer Art und Weise geregelt werden, die ihren Interessen förderlich ist. In tatsächlicher Hinsicht muß geklärt werden, in welchem Grade die rechtlich erfaßten Interessen betroffen sein müssen, um individualrechtliche Struktur zu erhalten. Betont wird jeweils, daß auch dem Gemeinschaftsrecht kein allgemeiner Normvollziehungsanspruch eigne und eine Popularklage dem Gemeinschaftsrecht fremd sei1436; der EuGH nehme eine Einschränkung dergestalt vor, daß jedenfalls eine eigene faktische Betroffenheit zu fordern sei und der einzelne in bezug auf die gemeinschaftsrechtlichen Achtungspflichten nicht nur Außenstehender sein dürfe. Sei dies gegeben, so handele es sich aber um Rechte der daran „interessierten Privatpersonen“1437 im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, wonach die „an der Wahrung ihrer Rechte interessierten einzelnen“1438 ___________ 1434 Dies stellt auch den Inhalt des verletzten Rechts im Rahmen der gemeinschaftsrechtliche Haftung dar. 1435 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 220 ff.; M. Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 [70]. 1436 Fast alle Autoren zitieren in diesem Zusammenhang die Schlußanträge von GA F. Capotorti v. 18.3.1981 zu EuGH, Urt. v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, 1805 [1856]. Allein B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 179 weist darauf hin, daß diese Ausführungen weniger der Abwehr der Popularklage, als vielmehr dem Ausschluß der Interessentenklage dienten, die der italienische GA als Vertreter eines subjektiv-rechtlichen Rechtsverständnisses ablehnte. 1437 EuGH, Urt. v. 8.4.1976, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, 455 Rdnr. 30/34. 1438 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [26].

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

respektive „jede interessierte Person“1439 gemeinschaftsrechtlich begründete Achtungspflichten als eigene geltend machen können muß. Es muß sich dabei, wie vielfach der Rechtssache Verholen1440 entnommen worden ist1441, um ein direktes Interesse handeln. Spätestens hier scheiden sich die Geister. Stefan Kadelbach1442 meint, diese materiellen Anforderungen1443 mit Anlehnung an die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde im Sinne eigener, gegenwärtiger und unmittelbarer Betroffenheit fassen zu können. Nach Martin Gellermann1444 ist dies nur dann nicht der Fall, wenn eine Mißachtung einer Achtungspflicht die Interessensphäre des Bürgers in keinem Fall tangieren kann. Demgegenüber geht Bernhard Wegener in seiner Konzeption von der Annahme des Erfordernisses einer Interessentenklage für europarechtlich determinierte Sachverhalte aus, will diese Voraussetzung also im Sinne prozessualer Gehalte als Voraussetzung materieller individueller Rechte verstanden wissen1445. Matthias Ruffert schließlich unterscheidet für Richtlinien durchgängig zwischen der Möglichkeit einzelner, sich auf Richtlinien mit unmittelbarer Wirkung zu berufen – in diesem Fall bestehe ein allgemeiner Normvollziehungsanspruch zugunsten des sich auf ein berechtigtes Interesse berufenden einzelnen1446 –, und andererseits der durch Gemeinschaftsrecht veranlaßten Begründung individueller Rechte ___________ 1439 EuGH, Urt. v. 4.12.1997, Rs. C-97/96 – Verband deutscher Daihatsu-Händler, Slg. 1997, I-6843 zu Art. 6 RL 68/151/EWG, welcher der restriktiven Möglichkeit zur Erzwingung der Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses einer GmbH (§ 335 HGB a.F.) entgegenstand. 1440 EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757 Rdnr. 23. Siehe auch die Schlußanträge von GA W. van Gerven v. 9.9.1991 zu EuGH, Urt. v. 13.12.1991, Rs. C-69/90 – Kommission / Italien, Slg. 1991, I-6011 Rdnr. 6. 1441 Etwa: M. Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 [73]; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 180 (der freilich darin die Grundentscheidung für eine gemeinschaftsrechtliche Interessentenklage sieht). 1442 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 79 ff., 371. 1443 A. Epiney, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 362 [397 ff.] folgt dem hinsichtlich des materiellen Gehalts, will diesen aber auf normgeschützte Interessen beschränken, die einen spezifischen Bezug zum Individuum selbst haben. Sie versteht diese personalen Rechtsgüter zwar weit, allerdings ist der Normzweck bei ihr wohl immer noch gegenüber der Normwirkung zu stark gewichtet (vgl. a. a. O. S. 402). 1444 M. Gellermann, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 36 Rdnr. 19, 21 f. mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 13.7.1989, Rs. 380/87 – Enichem Base, Slg. 1989, 2491. 1445 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 178 f. 1446 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 175.

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durch nationales Umsetzungsrecht1447. Das von der Sanktion für eine Umsetzungsversäumnis unbeeinflußte Umsetzungsgebot als solches biete wieder hinreichenden Anknüpfungspunkt für eine Unterscheidung zwischen Allgemeinund Individualinteresse im Normzweck1448. (b) Stellungnahme Die Auffassung eines allgemeinen Vollziehungsanspruchs ist abzulehnen. Ausgehend von einer „größeren Reichweite gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte“, werden die Kriterien im wesentlichen mit der Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien belegt und wird eine weitgehende Deckung von unmittelbarer Anwendbarkeit, individuellem Recht und Klagebefugnis angenommen. Für diese Auffassung streitet zweifelsohne, daß die weite Sichtweise des EuGH eine Unterscheidung zwischen der Geltendmachung fremder Rechte1449 durch quivis ex populo1450 und der Geltendmachung eigener Rechte schwierig macht. Auch die Rechtsprechung zu völkerrechtlichen Verträgen stützt diese Sichtweise1451. Dennoch verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht mehr und nicht weniger, als daß der einzelne seine individuellen Rechte geltend machen kann. Dies ergibt sich insbesondere aus der dargestellten Rechtsprechung zur spiegelbildlichen Erweiterung des Schutzbereiches der Grundfreiheiten1452, der es bei der Annahme einer Durchsetzungsmöglichkeit fremder Rechte nicht bedurft hätte1453. Wer die Vorgaben einer Richtlinie einklagen kann1454, welche bezweckt, „Muscheln und Schnecken Lebens- und Wachstumsmöglichkeiten zu bieten und auf diese Weise zur Qualität der vom Menschen unmittel___________ 1447

M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 157 f. 1448 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 176 ff. 1449 Dies ist der wesentliche Unterschied zu denjenigen, welche eine Interessentenklage vertreten. Die Popularklage baut – im Unterschied zur Interessentenklage – auf ein Recht auf, vgl. etwa zur bayerischen Rechtslage T. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 98 Rdnr. 7. 1450 R. Sohm / L. Mitteis / L. Wenger, Institutionen, 17. Aufl. 1923, S. 690. 1451 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(4)(c), S. 299 f. 1452 Siehe oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(d)v) ), S. 252 f. 1453 Vgl. EuGH, Urt. v. 7.5.1998, Rs. C-350/96 – Clean Car Autoservice, Slg. 1998, I-2521 Rdnr. 19 ff., wonach Art. 39 EG für alle am Arbeitsverhältnis Beteiligten zu individuellen Rechten führt. Der Arbeitgeber macht eigene Rechte und nicht diejenigen des Arbeitnehmers geltend. Ähnliches gilt für Art. 49 EG, vgl. EuGH, Urt. v. 31.1.1984, Rs. 286/82 u. 26/83 – Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377 Rdnr. 10. 1454 EuGH, Urt. v. 12.12.1996, C-298/95 – Kommission / Deutschland, Slg. 1996, I-6747 Rdnr. 16.

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bar verzehrbaren Muschelerzeugnisse beizutragen“1455, bewegt sich nach deutscher Sichtweise zwar auf dem Feld der Einhaltung der Rechtsordnung als solcher. Es sind jedoch gemeinschaftsrechtlich eigene Rechte, wenn und soweit der einzelne als Betroffener anzusehen ist1456. Diese Rechte aufgrund eigener Betroffenheit sind – aus den bereits dargestellten Gründen1457 – materiellrechtlich zu verstehen1458. Umgekehrt wird auch die zweite Auffassung der gemeinschaftsrechtlichen Sichtweise nicht gerecht. Ist nämlich die Trennung von öffentlichen und privaten Interessen schon im nationalen Recht kaum durchführbar1459, so ist sie dem Gemeinschaftsrecht zumindest im Hinblick auf sog. „aggregierte Interessen“1460 unbekannt. Ergibt die Normwirkung einen Individualschutz, können Schutznormgedanken eine Rolle spielen1461. Ebenso vermag dies auf der Ebene des Normzweckes der Fall zu sein, so etwa in der Rechtssache Dillenkofer1462 oder in Urteilen im Bereich der Auftragsvergabe1463 und des Umweltrechts1464. Insoweit ist Dimitris Triantafyllou also recht zu geben. Auch bei der Haftung der Gemeinschaft nach Art. 288 Abs. 2 EG spielten seit der Rechtssache Zuckerfabrik Schöppenstedt1465 Schutzzwecküberlegungen eine Rolle. Die Norm muß indes nicht notwendigerweise zum „Schutz geschaffen“1466 sein. Ein allgemeines Erfordernis eines in der Normwirkung oder gar im Normzweck angelegten Schutzzweckes läßt sich nicht nachweisen. ___________ 1455

Art. 1 RL 79/923/EWG. Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission / Deutschland, Slg. 1991, I-4983 Rdnr. 14. 1457 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(3), S. 305. 1458 Als argumentum e contrario zu entnehmen aus EuGH, Urt. v. 26.9.2000, Rs. C-443/98 – Unilever Italia, Slg. 2000, I-7535 Rdnr. 50 f. 1459 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)ii), S. 201 ff. 1460 Vgl. zum Begriff oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 198 f. 1461 EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, I-825 Leitsatz 2 und Rdnr. 61. 1462 EuGH, Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188–190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845 Rdnr. 34 ff. 1463 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 – Kommission / Deutschland, Slg. 1995, I-2303 Rdnr. 19 (im Wortlaut wiedergegeben oben, S. 320). 1464 EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, I-825 Rdnr. 18; EuGH, Urt. v. 30.5.1991, Rs. 361/88 – Kommission / Deutschland (TA-Luft), Slg. 1991, I-2567 Rdnr. 16; Vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission / Deutschland, Slg. 1991, I-4983 Rdnr. 14. 1465 EuGH, Urt. v. 2.12.1971, Rs. 5/71 – Zuckerfabrik Schöppenstedt, Slg. 1971, 975 [985]. Näher dazu unten, Drittes Kapitel – D.II., S. 488 ff. 1466 EuGH, Urt. v. 30.5.1991, Rs. 361/88 – Kommission / Deutschland (TA-Luft), Slg. 1991, I-2567 Rdnr. 16. 1456

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Vielmehr ist den vermittelnden Lehren zu folgen. Innerhalb dieser spricht gegen die Überlegungen von Matthias Ruffert ganz entscheidend, daß die von ihm vorgenommene Unterscheidung zum einen auf einer Verabsolutierung des Sanktionsgedankens beruht1467 und daß zum anderen der Versuch, Umsetzungsrecht gegen weitere Einwirkungen von Richtlinien abzuschotten, zu der Konsequenz führt, daß ein in der Richtlinie angelegtes individuelles Recht vor seiner Umsetzung weiter reicht, als dies nach Umsetzung der Fall ist. Dies widerspricht der durchgehenden Maßstäblichkeit des Richtlinienrechts bei Auslegung und Anwendung des Umsetzungsrechts1468. Überdies kann dies mit dem zwischenzeitlichen Stand von Rechtsprechung und Forschung, die einen einheitlichen Standard individueller Rechte für sämtliche Rechtsakte annehmen1469, nicht in Einklang gebracht werden. Es verbleibt so die Frage, wie genau das unmittelbare Interesse einzuordnen und zu deuten ist. Die bemerkenswert konstante Konzeption von Bernhard Wegener1470 schießt nach der hier vertretenen These vom materiellen Gehalt individueller Rechte über das Ziel hinaus. Seine Grundüberlegung ist nämlich gerade in umgekehrter Perspektive dem deutschen Denken in subjektiv-öffentlichen Rechten zutiefst verhaftet. Ihm zufolge muß eine Beeinträchtigung von Interessen, deren Verteidigung durch Normen des Gemeinschaftsrechts ermöglicht ist – letztlich aufgrund der Weite1471, mit der das Gemeinschaft diese Interessen berücksichtigt –, prozessual zur Einführung einer Interessentenklage führen1472. Implizit wird damit die Möglichkeit verneint, die Offenheit gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte für ein äußerst breites Interessenspektrum in materiellrechtlich verstandene individuelle Rechte aufzunehmen, wel___________ 1467

So zutreffend B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 138. B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 139. 1469 Diese Ansicht hat sich noch nicht vollständig durchsetzen können, ist aber stark im Vordringen begriffen. Vgl. zutreffend: S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 51 ff., 370; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 126 f, 249; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 182 f. und die obigen Darlegungen unter C.I.1.b), S. 301 f. 1470 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 310 ff. 1471 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 186 ff. tendiert etwa auch zu einer Anerkennung ideeller Interessen. Die u.a. zum Beleg angeführten Andeutungen von GA W. van Gerven in seinen Schlußanträgen v. 25.9.1990 zu EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, I-825 [850 f.] legen dies aber nicht zwangsläufig nahe, da nicht-wirtschaftliche Interessen nicht notwendigerweise ideeller Natur sein müssen. 1472 Vgl. seinen Vorschlag einer Ergänzung des § 42 Abs. 2 VwGO (B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 296): „Abweichend von Satz 1 ist eine Klage auch dann zulässig, wenn der Kläger eine Beeinträchtigung von Interessen geltend macht, deren Verteidigung ihm durch die Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts ermöglicht ist.“ 1468

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che prozessual auch zu handhaben wären1473. Seine Sicht vom „materiellen Gehalt prozeßrechtlicher Normen“1474 bestätigt diesen Befund. Das direkte Interesse im Sinne der Rechtssache Verholen1475 wird bei ihm letztlich schon als prozessuales Entstehenselement in die „invocabilité“ hineingelesen und verwischt damit seine ansonsten konsequente Trennung von Recht und Rechtsschutz. Die gemeinschaftsrechtliche „Berechtigung“ enthält bereits den Satz über ihre Durchsetzung, welcher sich immer als von einem direkten Interesse abhängig darstellt. Insoweit ergeben sich aus dem Rechtsinhalt bereits prozessuale Vorgaben. Damit soll nicht gesagt werden, daß die rechtspolitischen Schlußfolgerungen ungerechtfertigt wären1476. Seine Sicht stellt lediglich eine Abkehr von der materiellrechtlichen Sichtweise dergestalt dar, daß aus einer unterschiedlichen Qualität individueller Rechte im deutschen und Gemeinschaftsrecht auch auf eine unterschiedliche prozessuale Dignität geschlossen und versucht wird, dieser durch einen Rückgriff auf ein aktionenrechtlich inspiriertes Denken zu begegnen. Sätze über individuelle Rechte als Positionen und Sätze über den Schutz individueller Rechte werden so vermischt. Zutreffend sind vielmehr die Auffassungen von Stefan Kadelbach1477 und Martin Gellermann1478. Die Erstreckung der materiellen Voraussetzungen auf die Klagbarkeit ergibt sich als Folge des effektiven Rechtsschutzes1479. Materielle Voraussetzung individueller Rechte ist, daß der einzelne vom objektiven Regelungszweck oder der objektiven Regelungswirkung selbst und tatsächlich betroffen ist und daß er ein direktes Interesse an der Verwirklichung der Norm hat, wobei alle Interessen in Betracht kommen, die die Mitgliedstaaten unter Schutz zu stellen verpflichtet sind. Auch dem gemeinschaftsrechtlichen Verständnis zufolge korrespondieren materielle Berechtigung und Klageinteres___________ 1473 Eben diese Einschätzung erklärt sich aus der deutschen Perspektive. Auf das heutige deutsche Verständnis trifft diese enge Sichtweise ohnehin nicht mehr in gleichem Maße zu, vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 192 ff. 1474 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 112 ff. 1475 EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757 Rdnr. 23. Siehe auch die Schlußanträge von GA W. van Gerven v. 9.9.1991 zu EuGH, Urt. v. 13.12.1991, Rs. C-69/90 – Kommission / Italien, Slg. 1991, I-6011 Rdnr. 6. 1476 Sie treffen in weiten Teilen der Literatur auf Zustimmung, vgl. nur C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 486 ff. Dazu unten, Drittes Kapitel – C.II.2.b)(2), S. 455 ff. 1477 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 370 f. Ebenso: H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 1091 f. 1478 M. Gellermann, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 36 Rdnr. 13 ff., 22. 1479 In diesem Sinne sind also die oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(1), S. 302 ff. und C.I.1.c)(3), S. 304 f., getroffenen Feststellungen zum Rechtsschutz zu verstehen. 

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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se1480. Das unmittelbare Interesse stellt sich aber als zuvörderst materielles Kriterium, die „invocabilité“ als Begriffselement dar1481. Individuelle Rechte können demnach ebenfalls als Position bezeichnet werden, „die mit der Befugnis zur Durchsetzung einer normativ intendierten Konfliktentscheidung verbunden“ sind1482. Geht man hiervon aus und bedenkt, daß individuelle Rechte keine bloße Technizität des Verfahrens sind, sondern einen bestimmten Geltungsmodus des Gemeinschaftsrechts darstellen, wird deutlich, daß eine kollisionslösende Wirkung der individuellen Rechte nur bei voller Parallelität – nicht: Identität – von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzung eintreten kann1483. (3) Spezifika Die weiteren Spezifika individueller Rechte werden weniger kontrovers diskutiert. ___________ 1480 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 378. M. Gellermann, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 36 Rdnr. 21 f. 1481 Damit sind bereits wichtige Weichen für das Dritte Kapitel gestellt. Die prozessuale Folge ist wie bei B. Wegener im deutschen Recht de lege ferenda wohl eine stärkere Anlehnung an eine Interessentenklage. Der Unterschied in der Auffassung liegt in Nuancen der Blickrichtung: während B. Wegener in seiner gesamten Einordnung von einer „mit dem Gemeinschaftsrecht einfließenden Dogmatik der Interessentenklage“ (Rechte des Einzelnen, 1998, S. 305) ausgeht, wird nach der hier vertretenen Sichtweise vom individuellen Recht als Geltungsmodus ausgegangen, auf dessen Anforderungen die nationalen prozessualen Instrumente auszurichten sind. Die Nuance ist ähnlich derjenigen zwischen der Rechtsmacht als Begriffselement oder Entstehenselement im deutschen Recht (vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 80 mit Fn. 95). Während B. Wegener die prozessuale Folge der invocabilité dem individuellen Recht als Entstehenselement zuordnet, welches mit Anwendungsvorrang ins Recht der Mitgliedstaaten weist und damit schon prozessuale Vorgaben aus sich heraus enthält, wird hier von der invocabilité als Begriffselement ausgegangen; die Rechtsschutzgarantie mit ihren Anforderungen an das nationale Recht hat individuelle Rechte zu stützen. Denn ebenso wie im deutschen Recht Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. noch einmal R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 167 ) wäre sie weitgehend überflüssig, wenn jedem Recht die Garantie und die Modalitäten seines Schutzes – das ist letztlich die Konsequenz der Auffassung B. Wegeners – von vornherein als Entstehenselement zu eigen wäre. Damit wäre die Identität von Recht und Möglichkeit des Rechtsschutzes verbunden; hier hingegen wird von der Parallelität ausgegangen. 1482 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 378 mit Fn. 441. Zu dieser Feststellung A. Scherzbergs für das deutsche Recht vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III., S. 122. 1483 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 388.

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

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(a) Gemeinschaftliche Gesamtinteressen als Partikularinteressen Dies betrifft zunächst die vor allem aus deutscher Sicht1484 schwer einzuordnende1485 Eigenschaft gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte, mit der Verfolgung eigener Interessen auch die Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen zu können. Wie wenig tauglich diese schematische Trennung auch im nationalen Recht ist, wurde bereits eingehend erörtert1486. Ihre Nichtexistenz im Gemeinschaftsrecht führt dazu, daß private Durchsetzungsmöglichkeiten erleichtert werden. „[Dies] ergänzt nämlich die Tätigkeit der Stellen, die in den Mitgliedstaaten für die Durchführung […] zuständig sind.“1487

Demnach können etwa Qualitätsstandards einer gemeinsamen Marktorganisation gegenüber Wettbewerbern durchgesetzt werden1488; Differenzierungen zwischen Vorsorge und Gefahrenabwehr oder Immissions- und Emmissionsnormen spielen keine Rolle1489. Umsetzungsvorschriften, die verkennen, daß diese ___________ 1484

Diese Eigenschaft individueller Rechte ist einer der Hauptkritikpunkte an der Anwendung der „Bühlerschen Formel“. Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – B.I.2.a)(7), S. 108. Es ist aber keineswegs nur die deutsche und österreichische Denkweise, die durch diese Eigenschaft herausgefordert wird, vgl. etwa den Hinweis von GA L. A. Geelhoed in seinen Schlußanträgen v. 13.12.2001 zu EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289, Rdnr. 55 auf die englische Figur des „breach of statutory duty“ und ihren Implikationen für den Rechtsweg (vgl. grundlegend House of Lords, Cutler v. Wandsworth Stadium Ltd., [1949] AC 398). Siehe dazu: R. Caranta, Camb. LJ 52 (1993), S. 272 ff. 1485 Vgl. J. Ruthig, BayVBl. 1997, S. 289 [291]; H.-U. Erichsen, NVwZ 1992, S. 409 [413]. 1486 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b), S. 187 ff., insbes. B.III.2.b)(1)(b)ii), S. 201 f. und noch einmal P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 60 ff. 1487 EuGH (Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289, Rdnr. 31. Näher zu diesem Urteil unten, Zweites Kapitel – C.I.2.c) (3) (d), S. 341 Fn. 1539. 1488 EuGH (Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289. 1489 L. Krämer, WiVerw 1990, S. 138 [156]; I. Pernice, NVwZ 1990, S. 414 [425 f.]; H. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 60 ff. U. Di Fabio, in: Rengeling, Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, 1996, S. 183 [196]; S. Himmelmann, DÖV 1996, S. 145 [149]; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 241 und passim; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 386. Einen anderen Ansatz verfolgt H.-W. Rengeling, VVDStRL Heft 53 (1994), S. 202 [210 f.]: er folgert aus dem Bezug der Luftreinhalterichtlinien auf Rechtsgüter des einzelnen, daß diese Bestimmungen nicht als Vorsorgewerte eingeordnet werden dürften. Das Ergebnis ist identisch. Zum Vorsorgeprinzip nach deutschem Verständnis vgl. oben, Zweites Kapitel –B.III.2.b)(1) (b)iii) ), S. 206 dort Fn. 805. 

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Fähigkeit individuellen Rechten aus Gemeinschaftsrecht grundsätzlich eignet (was z. B. für den Bereich des Vergaberechts zumindest vor der 6. GWB-Novelle weitgehend zutraf1490) oder sie gar explizit verkürzen, beschneiden den Wirkbereich individueller Rechte in unzulässiger Weise. Vorschriften wie § 4 Abs. 2 WpÜG, § 4 Abs. 4 FinDAG und § 6 Abs. 4 KWG a. F.1491 sind insoweit bereits vom gesetzgeberischen Grundgedanken wenn nicht gemeinschaftsrechtswidrig, so doch äußerst problematisch1492. Interessenzuweisung1493 folgt im Gemeinschaftsrecht einer anderen Logik. Im Gemeinschaftsrecht stellt im Unterschied zum Recht der Mitgliedstaaten die polygonale Situation den Normalfall dar, die im Dreieck zwischen Gemeinschaft, Mitgliedstaat und Individuum angelegt ist1494. Während eine Zuweisung „öffentlicher Interessen“ schon in der nationalen Rechtsordnung problematisch ist, muß sie in der Gemeinschaftsrechtsordnung versagen. Denn eine alleinige Zuweisung an die öffentliche Gewalt der Mitgliedstaaten1495 kann deren oft kollusives Zusammenwirken mit Individuen zu Lasten der Gemeinschaft1496 nicht ins Kalkül ziehen; die dezentrale Struktur gemeinschaftsrechtlichen Vollzuges erlaubt umgekehrt nur eine eingeschränkte – namentlich über Art. 226 EG ausgeübte – Kontrolle durch ___________ 1490

Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(1), S. 320. Aufgehoben durch Art. 2 Nr. 8 lit. d) des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22.4.2002, BGBl. I, S. 1310. 1492 Vgl. BGH, Beschl. v. 16.5.2002, III ZR 48/01, BKR 2002, S. 581 ff. 1493 Zum Begriff vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)ii), S. 201 f. 1494 Vgl. A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 29. 1495 Die Situation verkompliziert sich zusätzlich dadurch, daß neben den Mitgliedstaaten selbst auch innerhalb der Mitgliedstaaten sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts ihre Rechte verteidigen. Vgl. hinsichtlich dieser Gemengelage das Zwischenurteil des EuG v. 15.6.1999, Rs. T-288/97 – Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 1999, II-1871 (Entscheidung in der Hauptsache: EuG, Urt. v. 4.4.2001, Rs. T-288/97 – Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 2001, II-1169). 1496 Daß es einer Vorschrift wie Art. 280 Abs. 2 EG überhaupt bedarf, stellt sozusagen eine primärrechtliche Bestätigung dieser Tatsache dar. Fälle wie EuGH, Urt. v. 21.9.1989, Rs. 68/88 – Kommission / Griechenland, Slg. 1989, 2965 sind keine Ausnahme. Zu den Anforderungen an Sanktionen vgl. EuGH, Urt. v. 8.7.1999, Rs. C-186/98 – Nunes und de Matos, Slg. 1999, I-4883. Die neueren Bestrebungen der Kommission sehen eine Verankerung des strafrechtlichen Schutzes in der ersten Säule vor (vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft (KOM (2001) 272 v. 23.5.2001), ABl. C 240 E v. 28.8.2001, S. 125; dazu: H. Satzger, ZRP 2001 S. 549 ff.). Denn die Mitgliedstaaten haben das in Ergänzung der VO 2988/95/EG/Euratom auf Basis von Art. 31 EU geschlossene völkerrechtliche Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der EG vom 26. 7.1995, ABl. C 316 v. 27.11.1995 (sog. PIFKonvention), nur sehr zögerlich ratifiziert (vgl. dazu M. Korte, NJW 1998, S. 1464 ff.). Zur strafrechtlichen Problematik im übrigen umfassend: H. Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001. 1491

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

die Gemeinschaft. Die Erfüllung gemeinschaftlicher Gesamtinteressen bleibt auf den einzelnen angewiesen. (b) Der Unionsbürger als „Funktionär der Integration“ Eng damit verbunden ist ein weiteres Spezifikum. Durch Erzwingung der Grundfreiheiten und Gleichheitsrechte wird der Unionsbürger einer verbreiteten Meinung1497 zufolge zugleich zum „Funktionär der Integration“1498, indem er die Verwirklichung des gemeinsamen Marktes und seiner Prinzipien betreibt. Diese Sichtweise wird durch die Rechtsprechung gestützt. In der Rechtssache Van Gend en Loos hat der EuGH ausgeführt1499: „Würden Garantien gegen Verletzungen von Art. 121500 durch die Mitgliedstaaten auf die in Art. 169 und 1701501 vorgesehenen Verfahren allein beschränkt, so wäre jeder unmittelbare gerichtliche Schutz der individuellen Rechte der Einzelnen ausgeschlossen. Die Anwendung dieser Vorschriften wäre im übrigen wirkungslos, wenn sie nach dem Vollzug einer in Verkennung der Vertragsvorschriften ergangenen staatlichen Entscheidung erfolgte. Die Wachsamkeit der an der Wahrung ihrer Rechte interessierten einzelnen stellt eine wirksame Kontrolle dar, welche die durch die Kommission und die Mitgliedstaaten gemäß den Art. 169 und 170 ausgeübte Kontrolle ergänzt.“

Individuelle Rechte sind damit Ausdruck einer verantwortlichen Freiheit des einzelnen, der die Idee einer Anteilnahme des einzelnen an der Rechtsgemeinschaft, eines privaten Engagements für die Vollendung der Ziele der Gemeinschaft zugrunde liegt. Treibende Kraft für die Entwicklung dieser Sichtweise war die Befürchtung der mangelnden Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, wenn nicht der Bürger dezentral für seine Anwendung und Durchsetzung Sorge trägt. Die „praktische Wirksamkeit“ würde

___________ 1497 Siehe nur J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 21 ff. und passim. Die Beschreibungen für die Idee einer Anteilnahme des einzelnen an den Belangen der Allgemeinheit ist auch dem deutschen Recht nicht vollkommen fremd (vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.1.a)(1), S. 126 ff., insbes. S. 131). Dem Bürger als „Sachwalter“ stehen aber auch weniger euphorische Beschreibungen gegenüber: so wird etwa von „Blockwarten“ gesprochen (K. Kindler, in: Hegele / Röger, Umweltschutz durch Umweltinformation, 1993, S. 63 [77]). 1498 T. Kingreen / R. Störmer, EuR 1998, S. 263 ff. 1499 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [26]. Hervorhebung hinzugefügt. 1500 Jetzt Art. 25 EG. 1501 Jetzt Art. 226, 227 EG.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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„[…] abgeschwächt, wenn die einzelnen sich vor Gericht nicht auf [Gemeinschaftsrecht] berufen können.“1502

Bis heute bieten die Säumigkeit und Unwilligkeit1503 der Mitgliedstaaten insbesondere im Bereich der Richtlinienumsetzung1504, aber auch etwa die im Beihilfenvollzug anzutreffenden „Instrumente mindestens rechtswidriger Kumpanei“1505 ein „bedrückendes Bild der tatsächlich erreichten Einheit“1506. Der Gedanke des „effet utile“1507 sowie die zweite Begründungslinie, wonach sich der Staat gegenüber dem Bürger nicht auf gemeinschaftsrechtswidriges Unterlassen berufen darf1508, sind denn auch die beiden maßgeblichen Begründungselemente der Rechtsprechung zu individuellen Rechten. Insbesondere zwei Linien in der Rechtsprechung belegen, daß individuelle Rechte ihre innere Begründung auch in der Sicherung und effektiven Umsetzung der Gemeinschaftsrechtsordnung haben. Zum einen stellt der „anhaltende Widerwille der Mitgliedstaaten, ihre Verpflichtungen zu erfüllen“1509, einen wesentlichen Grund dafür dar, daß sich einzelne auf die beihilferechtliche Notifizierungspflicht des Art. 88 Abs. 3 EG berufen können1510. Zum anderen fordert die Rechtsprechung, die Höhe eines den Arbeitgeber als Sanktion einer Diskriminierung treffenden Schadensersatzanspruches müsse eine „abschreckende Wirkung“ haben1511. Der Gedanke der effektiven Umsetzung findet sich folglich nicht nur in bezug auf die Mitgliedstaaten, sondern auch in Richtung privater Adressaten. ___________ 1502 EuGH, Urt. v. 1.2.1977, Rs. 51/76 – Nederlandse Ondernemingen, Slg. 1977, S. 113 [126]. 1503 Beispielsweise leitete die Kommission hinsichtlich der RL 2000/52/EG Vertragsverletzungsverfahren gegen alle (!) Mitgliedstaaten ein, vgl. Neunzehnter Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (KOM (2002) 324 v. 28.6.2002), S. 29 f. 1504 Siebzehnter Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (KOM (2000) 92 v. 23.6.2000), ABl. C 30 v. 10.1.2001, S. 1 [203]. 1505 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 99. 1506 J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 45. Vgl. auch C.-D. Ehlermann, in: FS für Pierre Pescatore, 1987, S. 205 [206 ff]. 1507 Siehe R. Streinz, in: FS für Ulrich Everling, 1995, Bd. 2, S. 1491 ff. 1508 EuGH, Urt. v. 5.4.1979, Rs. 148/78 – Ratti, Slg. 1979, 1629 [1642]. 1509 Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 3.10.1991 zu EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-354/90 – Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires u.a., Slg. 1991, I-5505 [I-5513]. 1510 EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-354/90 – Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires u.a., Slg. 1991, I-5505 Rdnr. 8 ff. 1511 EuGH, Urt. v. 10.4.1984, Rs. 14/83 – von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891 [1908].

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Besteht hinsichtlich dieses Befundes Einigkeit1512, so wird er freilich höchst unterschiedlich gewichtet1513, wobei die Diskussion wiederum – wie im deutschen Recht1514 – dadurch gekennzeichnet ist, daß die Gründe für individuelle Rechte mit Fragen ihrer Ermittlung und Durchsetzung vermischt werden1515. Die Wächterfunktion1516 des Bürgers ist zweifellos ein Charakteristikum individueller Rechte; es greift jedoch zu kurz, individuelle Rechte allein mit einem final-utilitaristischen Verständnis fassen zu wollen und den Aspekt der Freiheitsverbürgung auszublenden1517. Hierauf wird zurückzukommen sein1518.

___________ 1512 J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 40, S. 42 ff.; H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 984 ff. für den Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes; J. Coppel / A. O’Neill, CMLRev. 29 (1992), S. 669 ff.; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 382, 384 f. 1513 Einschätzungen wie „Ziel der dem Bürger verliehenen Rechte ist die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts“ (M. Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht, 1996, S. 52, 55) stehen differenzierende Überlegungen gegenüber, etwa S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 382, 384 f. Es wird in dieser Frage graduell fast alles vertreten. In der deutschsprachigen Literatur überwiegen jedoch die Stimmen, die von der bloßen Funktion als „Informant“ zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ausgehen. Getreu dem französischen Vorbild, wo die zentrale Klageart des „recours pour excès de pouvoir“ vor allem der Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dient (dazu: G. Vedel / P. Delvolvé, Droit administratif II, 12. Aufl. 1992, S. 248; R. Chapus, Droit administratif général Bd. I, 12. Aufl. 1998, Rdnr. 859), bestehe der Trend zur Begründung einer objektiven Rechtskontrolle (T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [484]: Der Gemeinschaftsbürger wird als „procureur de droit instrumentalisiert“; ähnlich E. Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, S. 924 [934]; I. Pernice, NVwZ 1990, 414 [426]; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 187; J. Ruthig, BayVBl. 1997, S. 289 [295]). Ganz im Gegenteil hierzu C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [675], der grundsätzliche konzeptionelle Unterschiede nicht erkennen kann. 1514 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.II.2., S. 121. 1515 Eine lesenswerte Ausnahme bilden die Schlußanträge von GA L. A. Geelhoed v. 13.12.2001 zu EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289, Rdnr. 22 ff. 1516 I. Pernice, NVwZ 1990, S. 414 [423]. 1517 Ebenso: F. Schoch, NVwZ 1999, S. 457 [460]. Vgl. auch E.-U. Petersmann, Time for integrating human rights into the law of worldwide organisations, S. 22: „[…] the interpretation by the EC Court of the EC’s common market rules and competition rules takes into account not only economic criteria but also the contribution of the ‚market freedoms‘ and competition rules to the realization of a single internal market and to the protection of individual freedom and individual access to courts.” Hervorhebung hinzugefügt. 1518 Unten, Zweites Kapitel – C.III.1., S. 345 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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(c) Individuelle Rechte als Voraussetzung der Haftungsgarantie Der seit der Rechtssache Francovich und Bonifaci1519 entwickelte1520 haftungsrechtliche Anspruch aus Verletzung von Gemeinschaftsrecht knüpft an individuelle Rechte an. Seit dieser Rechtssache „[…] steht fest, daß ein Mitgliedstaat vom Geschädigten wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht in Haftung genommen werden kann. […] Das Gemeinschaftsrecht erkennt einen Entschädigungsanspruch an, sofern drei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich daß die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, daß der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und schließlich daß zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Diese drei Voraussetzungen sind erforderlich und ausreichend, um für den Einzelnen einen Entschädigungsanspruch unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht zu begründen […].“1521

Derartige Rechtsnormen, die bezwecken, dem einzelnen Rechte zu verleihen, können sich aus dem Primärrecht – zuvörderst den Grundfreiheiten1522 – ergeben; aber auch Verordnungen und namentlich Richtlinien kommen in Betracht. Bei letzteren besteht das Phänomen, daß sie auch und gerade haftungsauslösend Rechte enthalten können, wenn die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit nicht erfüllt sind1523. ___________ 1519 EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357. 1520 Eingehend zur Entwicklung: C. Tomuschat, in: FS für Ulrich Everling, 1995, Bd. 2, S. 1585 ff. Präzise Konturen erhielt der Haftungsanspruch erst durch eine neuere Serie von Urteilen: EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029; EuGH, Urt. v. 7.3.1996, Rs. C-192/94 – El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281; EuGH, Urt. v. 23.5.1996, Rs. C-5/94 – Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553; EuGH, Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188– 190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845; EuGH, Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-302/94, British Telecommunications, Slg. 1996, I-6417; EuGH, Urt. v. 10.7.1997, Rs. C.-373/95 – Maso, Slg. 1997, I-4051; EuGH, Urt. v. 2.4.1998, Rs. C-127/95 – Norbrook Laboratories, Slg. 1998, I-1531; EuGH, Urt. v. 24.9.1998, Rs. C-319/96 – Brinkmann Tabakfabriken I, Slg. 1998 I-5255; EuGH, Urt. v. 1.6.1999, C-302/97 – Konle, Slg. 1999, I-3099; EuG, Beschl. v. 28.4.1998, Rs. T-184/95 – Dorsch Consult / Rat, Slg. 1998, II-667. 1521 Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 11.7.2002, zu EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659 Rdnr. 20–22. Hervorhebungen hinzugefügt. 1522 EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029 und EuGH, Urt. v. 23.5.1996, Rs. C-5/94 – Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553. 1523 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 186; H. Jarass, NJW 1994, S. 881 [883]; S. Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 144 ff., der im übrigen von einer Trennung von Rechten und rechtlich geschützten Interessen ausgeht.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Daraus ließen sich zwei Schlußfolgerungen ziehen. Zum einen könnte man argumentieren, die haftungsrechtlich relevanten individuellen Rechte seien mit anderen Kriterien zu ermitteln, als dies bei sonstigen individuellen Rechten der Fall ist1524. Zum anderen könnte genau umgekehrt von einer Kongruenz ausgegangen1525. Es könnten also der haftungsrechtlichen Judikatur allgemeine Kriterien für individuelle Rechte entnommen werden1526. Die besseren Argumente sprechen für die zweite Sichtweise. Problematisch sind nämlich insoweit nur Richtlinien und staatengerichtete Entscheidungen, deren unmittelbare Anwendbarkeit ausscheidet. Wie der EuGH in der Rechtssache Dillenkofer1527 – dem einzigen Urteil, in dem er der Ermittlung individueller Rechte im Haftungsbereich näheres Augenmerk schenkte1528 – festgestellt hat, begründet ein mitgliedstaatlicher Verstoß gegen die Umsetzungsverpflichtung „[…] für den einzelnen einen Entschädigungsanspruch, wenn das durch die Richtlinie vorgeschriebene Ziel die Verleihung von Rechten an ihn umfaßt, deren Inhalt auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden kann […].“

Die Umsetzungsverpflichtung ist Teil der normativen Achtungspflicht des Mitgliedstaates, deren es bedarf, um die richtlinienrechtlich „präformierten“1529 Rechte voll zu entfalten. Haftungsrelevante individuelle Rechte bei mangelnder Richtlinienumsetzung stellen damit keine strukturell anderen Rechte dar, son___________ 1524 So M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 186: Es seien „[…] offensichtlich zwei Arten der Rechtsentstehung möglich. Zum einen entstehen Rechte unabhängig vom Norminhalt aus der Normstruktur durch unmittelbare Wirkung, zum anderen sind sie im Norminhalt bzw. -zweck angelegt.“ Für den Bereich der Haftung gelte die zweite Variante. Ähnliche Überlegungen finden sich bei F. Schockweiler, EuR 1993, S. 107 [114] und S. Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 123 ff., 135 ff. insbes. S. 105: „[…] ist das so zu verstehen, daß die Verleihung des Haftungsanspruchs dem Einzelnen als Konsequenz ein Recht verleiht.“ 1525 A. Geddes, Protection of Individual Rights under EC Law, 1995, S. 1 ff., 13 ff.; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 168 mit Fn. 655. 1526 Man kann schließlich drittens auch davon ausgehen, daß der haftungsrechtlichen Judikatur ein dogmatisches Glied fehlt. Von dieser Überlegung geht T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 200 ff. aus und versucht eine Lösung über den Schutzzweck der Norm. Abgrenzungsversuche zwischen unmittelbar wirkenden und haftungsauslösenden Normen finden sich auch bei J. Geiger, Der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Staatshaftung, 1997, S. 106 ff. 1527 EuGH, Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188–190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845 Rdnr. 27. Vgl. auch die diesbezüglichen Schlußanträge von GA G. Tesauro v. 28.11.1995, a. a. O., Rdnr. 11 ff. 1528 T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 210; S. Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 135. 1529 F. Schoch, NVwZ 1999, S. 457 [462].

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

339

dern einen bestimmten modus, dessen Bedingung der Ablauf der Umsetzungsfrist ist. Mit Bedingungseintritt ist die temporale Komponente der unmittelbaren Anwendbarkeit gegeben. Damit kann der „Inhalt auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden“, mithin die für eine Justiziabilität1530 erforderliche Genauigkeit überprüft und bejahendenfalls ein haftungsauslösendes individuelles Recht angenommen werden. Auch dieses Recht weist damit die ansonsten mit der unmittelbaren Anwendbarkeit umschriebenen Charakteristika auf: Es ist in temporaler Hinsicht unbedingt und hinsichtlich einer Achtungspflicht des Mitgliedstaates hinreichend genau. Die Achtungspflicht besteht freilich darin, dem einzelnen eine bestimmte rechtliche Stellung zu verschaffen. Damit soll nicht dem Gedanken eines „wesensgleichen minus“, einer Anwartschaft, eines Fortsetzungsgedankens, der Vorstufe zum Vollrecht oder ähnlichem das Wort geredet werden1531. Vielmehr enthält das inhaltlich in der Richtlinie präformierte Recht als bestimmten modus seiner Effektuierung gleichsam ein durch die Umsetzungsfrist aufschiebend bedingtes Verschaffungsrecht, dessen Verletzung haftungsauslösend ist1532.

(d) Zur fehlenden Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten individuellen Rechten Schließlich verdient ein weiteres Charakteristikum festgehalten zu werden. Der EuGH differenziert in seiner Rechtsprechung nicht zwischen öffentlichen Achtungspflichten und Achtungspflichten Privater1533. Er bleibt insbesondere ___________ 1530

Vgl. E. Kohler-Gehrig, JA 1998, S. 807 [812]. Insbes. B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 248 weist zutreffend drauf hin, daß die Gegenauffassung zweierlei verkennt: Zum einen die umfassende Rechtssubjektivität des einzelnen in der Gemeinschaftsrechtsordnung, die sich auch durch Richtlinien ausdrückt. Zum anderen ist sie einer partiell völkerrechtlichen Konzeption der Rechtssetzung durch Richtlinien verhaftet, die implizit die Annahme umfaßt, der umsetzungsunwillige Mitgliedstaat übe durch nachträgliche Verweigerung ein „Vetorechts“ aus. Vgl. dazu B. Börner, in: FS für Gerhard Kegel, 1987, S. 57 [63 f] und H. Stadie, NVwZ 1994, S. 435 [437 ff.], der jeden gesetzgeberischen Umsetzungsakt im Richtlinienbereich letztlich an Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG gemessen sehen will. 1532 Diese Dreiecksbeziehung zwischen Gemeinschaft, Mitgliedstaat und Individuum wird teilweise auch als Recht aus einem Rechtsverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gekennzeichnet, so etwa S. Schlemmer-Schulte / J. Ukrow, EuR 1992, S. 82 [85]; A. Scherzberg, Jura 1993, S. 225 [230 f.]. 1533 Dies Frage ist nicht zu verwechseln mit derjenigen nach öffentlichem oder privatem Recht; diese Differenzierung ist dem Gemeinschaftsrecht – ebenso wie den Rechtsordnungen einer Reihe von Mitgliedstaaten – ohnehin fremd, vgl. S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 360. Unter Rückgriff auf die von P. C. Müller-Graff, NJW 1993, S. 13 gebildete Terminologie spricht man zwar vom Gemeinschaftsprivatrecht, soweit es sich um kraft Gemeinschaftsrecht in allen Mitgliedstaaten verbindliche Privatrechtsregeln handelt, um diese vom völkerrechtlichen 1531

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

dann bei seinem Verständnis individueller Rechte, wenn nicht die vom Gemeinschaftsrecht geregelten Beziehungen zwischen einzelnen und Mitgliedstaaten oder Gemeinschaftsorganen in Rede stehen, sondern wenn die Gemeinschaftsrechtsordnung andere einzelne verpflichtet1534. Ob sich die gemeinschaftsrechtlich begründeten Rechtsverhältnisse zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaat zugunsten oder auch zu Lasten des einzelnen auswirken, hängt von der qualitativen Beschaffenheit der Norm ab: Primärrecht und Verordnungen tragen auch belastende Maßnahmen, während eine direkte Verpflichtung durch Richtlinien und staatengerichtete Entscheidungen grundsätzlich ausgeschlossen ist1535. Wie der EuGH in der Rechtssache Van Gend en Loos festgestellt hat, entstehen „Rechte nicht nur, wenn der Vertrag dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch aufgrund von eindeutigen Verpflichtungen, die der Vertrag den einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Gemeinschaft auferlegt“1536.

Entscheidend ist damit allein die gemeinschaftsrechtliche Natur der in der betreffenden Vorschrift formulierten Achtungspflicht1537. Ein spezifisches „individuell-öffentliches Recht“ existiert nicht. Die Funktion individueller Rechte, in der Gemeinschaftsrechtsordnung als Instrument effektiver Rechtsdurchsetzung zu dienen, führt denn auch zu einer ähnlichen Interpretation mitgliedstaatlicher wie individueller Achtungspflichten; der Instrumentalisierungsansatz wird so zunehmend auch auf das Verhältnis der einzelnen untereinander übertragen1538 und dem Primat der Effektivität des Gemeinschaftsrechts untergeord___________ Konventionsprivatrecht und gemeineuropäischen Privatrecht (aufgrund der gemeinsamen Rechtstradition bestehende Gemeinsamkeiten in den Privatrechtsordnungen der europäischen Staaten) abzugrenzen. Dies ist aber für die gemeinschaftsrechtliche Terminologie nicht von Belang. 1534 EuGH, Urt. v. 8.4.1976, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, 455 Rdnr. 38, 39; EuGH, Urt. v. 6.6.2000, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. 2000, I-4139. M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 94. 1535 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(b), S. 283 ff. 1536 EuGH, EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [25]. 1537 S. Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 123; T. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 82; M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 94; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 350 ff. 1538 Vgl. für den Bereich des öffentlichen Auftragswesens C. Nowak, Konkurrenzschutz in der EG, 1997, S. 455 f. Dazu auch: S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 318 ff., 360 ff. Im Bereich des Wettbewerbsrechts: EuGH, Urt. v. 30.1.1974, Rs. 127/73 – Belgische Radio en Televisie (BRT I), Slg. 1974, 51, Rdnr. 16 „Da die in den Art. 85 Abs. 1 und 86 [EWGV] enthaltenen Verbote ihrer Natur nach geeignet sind, in den Beziehungen zwischen einzelnen unmittelbare Wirkungen zu erzeugen, lassen sie unmittelbar in deren Person Rechte entstehen, welche die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben.“ Klammerzusatz hinzugefügt. Bestätigt etwa durch: EuGH, Urt. v. 10.6.1980, Rs. 37/79 – Marty, Slg. 1980, 2481, Rdnr. 13; EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. C-234/89 – Delimitis, Slg. 1991, I-935, Rdnr. 45;

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

341

net1539. Mit Generalanwalt Walter van Gerven läßt sich daher festhalten, daß unmittelbar anwendbare gemeinschaftsrechtliche Normen, „unmittelbare Quelle von Rechten und Pflichten für alle diejenigen sind, die sie betreffen, einerlei, ob es sich um die Mitgliedstaaten oder um solche Einzelpersonen handelt, die an Rechtsverhältnissen beteiligt sind, welche dem Gemeinschaftsrecht unterliegen“1540. 3. Zwischenbilanz Als Zwischenbilanz läßt sich festhalten, daß eine völlige Deckungsgleichheit zwischen Achtungspflichten und individuellen Rechten auch im Gemein___________ EuG, Urt. v. 10.7.1990, Rs. T-51/89 Tetra Pak Rausing / Kommission, Slg. 1990, II-309, Rdnr. 42. 1539 Deutlich wird dies etwa in einer neueren Entscheidung zur Gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse. Im Ausgangsverfahren nahm die Klägerin einen Konkurrenten auf Unterlassung in Anspruch. Diesem sollte untersagt werden, Tafeltrauben unter Bezeichnungen zu vermarkten, die nicht den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der Verordnungen 1035/72/EWG und 2200/96/EG entsprachen. Der Court of Appeal (England & Wales), Civil Division, legte dem EuGH die Frage vor, ob die betreffenden Qualitätsnormen auf zivilrechtlichem Wege gegen den Konkurrenten durchsetzbar seien. Der EuGH (Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289, Rdnr. 29, 30) hat diese Frage mit Effektivitätserwägungen bejaht: „Aus der vierten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1035/72 ergibt sich hierzu, daß mit der Anwendung gemeinsamer Qualitätsnormen der Zweck verfolgt wird, Erzeugnisse unzureichender Qualität vom Markt fern zu halten, die Erzeugung so auszurichten, daß den Anforderungen der Verbraucher entsprochen wird, sowie die Handelsbeziehungen auf der Grundlage eines lauteren Wettbewerbs zu erleichtern. Dieser Zweck wird in der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2200/96 bestätigt, wonach die Einstufung der Erzeugnisse nach gemeinschaftlichen verbindlichen Normen einerseits bezweckt, lauteren Handel und Markttransparenz sicherzustellen, und andererseits, von diesem Markt Erzeugnisse fern zu halten, deren Qualität unzureichend ist. Nach der zwanzigsten Begründungserwägung dieser Verordnung sind die Regeln der gemeinsamen Marktorganisation von allen Wirtschaftsteilnehmern, für die sie gelten, zu erfüllen, wenn nicht die Wirkung der genannten Regeln verfälscht werden soll. Folglich setzt die volle Wirksamkeit der Regelung der Qualitätsnormen, insbesondere die praktische Wirksamkeit der Verpflichtung nach den Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1035/72 und der Verordnung Nr. 2200/96 voraus, daß deren Beachtung im Wege eines Zivilprozesses durchgesetzt werden kann, den ein Wirtschaftsteilnehmer gegen einen Konkurrenten anstrengt.“ Die Bedeutung der Entscheidung wird dadurch unterstrichen, daß es sich um eine Plenarentscheidung („kleines Plenum“) handelt. Vgl. dazu H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 34 ff. 1540 Schlußanträge von GA W. Van Gerven v. 27.10.1993 zu EuGH, Urt. v. 13.4.1994, Rs. C-128/92 – Banks, Slg. 1994, I-1209 Rdnr. 43 mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, 629 Rdnr. 15. Ebenso: L. A. Geelhoed vom 13.12.2001 zu EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289 Rdnr. 39 ff., insbes. Rdnr. 45, 47.

342

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

schaftsrecht trotz Immediatisierung des einzelnen nicht festzustellen ist1541. Auch an das Gemeinschaftsrecht wird die Frage nach den materiellen und personalen Bedingungen der unmittelbaren Anwendbarkeit für den einzelnen herangetragen1542; er darf in bezug auf die gemeinschaftsrechtlichen Achtungspflichten nicht nur Außenstehender sein1543. Welchen materiellen und personalen Bedingungen eine gemeinschaftsrechtliche Norm zu genügen hat, um individuelle Rechte zu zeitigen, ist im einzelnen noch nicht vollständig geklärt; schon gar nicht hat sich ein summierendes Kriterienbündel nach Art der Bühlerschen Formel entwickelt1544. Das individuelle Recht läßt sich – ähnlich wie das subjektiv-öffentliche Recht1545 – als rechtliche Position1546 und normative Relation1547 begreifen, welche als sich im stetigen Wandel befindliche Rechtsfigur letztlich (ideell) auf das Grundproblem der Stellung und der Funktion des einzelnen in der Gemeinschaftsrechtsordnung verweist1548, (positivrechtlich) zur Erfassung gesicherter Rechtspositionen dient1549 und schließlich für das Gemeinschaftsrecht als Rechtsordnung sui generis ein konstituierendes Element darstellt1550. Auch das individuelle Recht ist als feste Institution nicht faßbar, ___________ 1541 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 97, 99; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 169. 1542 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 80 f., 370 f. B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 258 ff. 1543 EuGH, Urt. v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, 1805 [1838]. Näher zu diesem Urteil unten, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(1), S. 302. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, 216 [217]: „[…] daß sich die Vertragsvorschrift […] ihrem Wesen nach dazu eignet“ Rechte zu erzeugen. 1544 Vgl. innerhalb der Untersuchung zum deutschen Recht oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(8), S. 83. Vgl. aber: M. Gellermann, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 36 Rdnr. 22. 1545 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.3., S. 117. 1546 EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 – EWR Vertrag I, Slg. 1991, I-6079 Rdnr. 21; EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [25]. 1547 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 163 f. Insoweit gelten die Überlegungen auch für das Gemeinschaftsrecht. 1548 Das Zitat von H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, Neudruck der 1. Ausgabe 1925, 1966, S. 55 hinsichtlich des subjektiv-öffentlichen Rechts gibt dies – abgewandelt – treffend wieder: Mit dem Begriff tritt „nichts anderes als der Zweck [der Gemeinschaften] in Erscheinung“. 1549 Die positivrechtlich saubere Erfassung dieser individuellen Rechte beherrscht die Rechtsprechung – neben dem Sanktionsgedanken – gerade im Bereich der Richtlinien, vgl. dazu die Nachweise oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(a)iii), S. 282 Fn. 1184. 1550 EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 – EWR Vertrag I, Slg. 1991, I-6079 Rdnr. 21.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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sondern die Entwicklung „ständig im Fluß“1551. Dies gilt um so mehr vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden (gemeinschafts-)verfassungsrechtlichen Neuerungen. Paul Craig und Gráinne de Búrca1552 haben jüngst bemerkt: „For the first time since the 1950s, as the Declaration from the Laeken European Council summit even more clearly shows, the question of a constitution or a constitutional settlement for Europe has been placed explicitly on the political agenda and is not just a subject for discussion by lawyers and academics. Paradoxically, at a time when the language of finalité is in frequent use, the EU finds itself in a period of dramatic political and constitutional activism and dynamism. The grand questions of legitimacy, democracy, and the very raison d’être of the EU are no longer hiding beneath the surface of ‚technical‘ treaties or functionally limited market-oriented reforms, but are being vigorously aired and debated.“

Individuelle Rechte sind aber diese raison d’être1553 welche der Gemeinschaftsrechtsordnung als mitkonstituierendes Element innewohnen und weiterer Ausgestaltung der Gemeinschaftsverfassung Maßstab und Richtung weisen1554.

II. Ansatzpunkte für eine Typisierung und Systematisierung Wie im deutschen, so können auch im Gemeinschaftsrecht für eine Typisierung und Systematisierung individueller Rechte verschiedene Gesichtspunkte herangezogen werden, können Grundfreiheiten und Grundrechte dem Sekundärrecht gegenübergestellt1555, bestimmte Konstellationen aus Fachbereichen1556 herausgegriffen oder es kann nach den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaften selbst als Adressaten differenziert werden1557. Eine Vereinfachung gegenüber der Darstellung des deutschen Verständnisses besteht darin, daß sich

___________ 1551

S. 378. 1552

ginal.

1553

S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, P. Craig / G. de Búrca, EU Law, 3. Aufl. 2002, S. 51 ff. Hervorhebungen im Ori-

Für die bundesdeutschen Grundrechte: H. Bethge, KritV 1990, S. 9 [10]. I. Pernice, Welche Verfassung braucht Europa?, S. 1 spricht von den Bürgern als „Adressaten und Legitimationssubjekt der europäischen Hoheitsgewalt.“ 1555 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 15 ff. und 71 ff. 1556 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996; C. Nowak, Konkurrenzschutz in der EG, 1997. 1557 C. Nowak, Konkurrenzschutz in der EG, 1997, S. 167 ff. 1554

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

die Vorgehensweise im Primär- und Sekundärrecht nicht grundlegend unterscheidet1558. Auch im Gemeinschaftsrecht kann ein individuelles Recht als rechtliche Position und normative Relation begriffen werden, welche als sich im stetigen Wandel befindliche Rechtsfigur letztlich (ideell) auf das Grundproblem der Stellung des einzelnen in der Gemeinschaftsrechtsordnung verweist, (positivrechtlich) zur Erfassung gesicherter Rechtspositionen dient und schließlich für das Gemeinschaftsrecht als Rechtsordnung sui generis ein konstituierendes Element darstellt1559. Versteht man aber ein individuelles Recht als rechtliche Position und normative Relation, so läßt sich wiederum die von Robert Alexy vorgeschlagene1560 Trennung zwischen ( ) Gründen für individuelle Rechte, ( ) Ermittlung individueller Rechte als Positionen und Relationen und ( ) rechtlicher Durchsetzbarkeit individueller Rechte nutzbar machen. Diese Vorstrukturierung ermöglicht gleichzeitig eine Vorstrukturierung des durchzuführenden Vergleiches mit dem deutschen Verständnis. 

III. Individuelle Rechte der Zivilperson nach heutigem Verständnis Der Begriff des individuellen Rechts wird in dieser Arbeit als rechtstechnische Erscheinung aufgefaßt; die Betrachtung ist weitgehend rechtsformal1561. Wenn aber der Begriff des individuellen Rechts als rechtstechnischer Begriff entwickelt wird, kann in Bereichen auch ohne Bezug auf eine bestimmte positive Rechtsordnung gearbeitet werden1562. Die Arbeit hat zwar das deutsche Verständnis dem gemeinschaftsrechtlichen vorangestellt, damit aber gleichzeitig Gesichtspunkte herausgearbeitet, welche nicht allein dem deutschen Recht, sondern gleichermaßen dem Gemeinschaftsrecht zu eigen sind. Die Fundamente individueller Rechte der Zivilperson – die für sie maßgeblichen Gründe1563 – entfalten sich aus der Stellung des einzelnen in der Gemeinschaftsverfassung (1.). Die Ermittlung dieser Rechte aufgrund von Sätzen über Positionen und Relationen erfolgt mit Hilfe von Kriterien, welche dem Gemein___________ 1558 Besonderheiten bestehen freilich für individuelle Rechte völkerrechtlicher Provenienz, vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(4), S. 293 ff. 1559 Oben, Zweites Kapitel – C.I.3., S. 341. 1560 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.II.2., S. 121 und R. Scholz, VVDStRL Heft 34 (1976), S. 145 [157]. 1561 Vgl. oben, Erstes Kapitel – C.II., S. 60. 1562 E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, S. 3. 1563 Die „Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte“ im Sinne R. Alexys, siehe oben, Zweites Kapitel – B.II.2., S. 121 und C.II., S. 344.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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schaftsrecht selbst zu entnehmen sind und im Primär- und Sekundärrecht in ähnlicher Weise gelten (2.). 1. Gründe für individuelle Rechte – Die gemeinschaftsverfassungsrechtlichen Vorgaben a) Das Freiheitsprinzip als Grundlage individueller Rechte In der Vielfalt der Meinungen zum Problembereich der europäischen Verfassung besteht weitgehend Einigkeit über folgenden Ausgangspunkt: Die EG und jetzt EU ist nicht Staat, weder im Sinne des Staatsrechts noch im Sinne des Völkerrechts. Dies betrifft vor allem die letzte Konsequenz der Souveränität der Mitgliedstaaten: das einseitige Sezessionsrecht, welches die geltenden Verträge nicht vorsehen1564. Die Rückübertragung der auf die Union übertragenen Hoheitsgewalt ist nicht durch einseitigen Willensakt einzelner Mitgliedstaaten, sondern wie im Bundesstaat nur in einem gemeinschaftlichen Akt aller Mitgliedstaaten möglich. Die Souveränität in der Europäischen Union ist „in der Schwebe“1565, eine Ordnung „sui generis“ also, für deren Beschreibung und Erklärung das Bild des Staates und seiner möglichen Verbindungen nicht ausreicht1566. Als ähnlich problematisch wird das Subjekt eines verfassungsgebenden Prozesses empfunden, jener „Kollektivsingular des ‚Volkes‘“ (Jürgen Habermas1567), das sich selbst als eine Nation von Staatsbürgern konstituieren könnte. Die Europäischen Verträge stellen keine Verfassung im klassischen Sinne dar, auch nicht der künftige „Vertrag über eine Verfassung für Europa“1568. Denn auch dieser wird nicht die inhaltliche Totalität einer Verfassung haben (können) und wird auf den übereinstimmenden Willensakt der einzelnen Mitgliedstaaten zurückgehen, nicht auf den eines europäischen Volkes1569. Dennoch haben die Verträge Verfassungsqualität1570. Ob man sie mit der klassischen Säu___________ 1564 Zu den geplanten Modalitäten eines Sezessionsrechts vgl. Art. I-59 des Vertrages über eine Verfassung für Europa (Fundstelle oben, S.277 Fn. 1154). 1565 Vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, 5. Neudruck der 3. Aufl. 1928, 1970, S. 328. 1566 D. Tsatsos / P. Schiffauer, Das Europäische Parlament als Verfassungsgeber?, S. 4. 1567 J. Habermas, DIE ZEIT Nr. 27 v. 28.6.2001, S. 7. 1568 Durch das Präsidium des Konventes übermittelter Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa vom 18.7.2003 (CONV 850/03), Fundstelle oben, S.277 Fn. 1154. 1569 Vgl. D. Grimm, JZ 1995, S. 581 [586]. 1570 EuGH, Urt. v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, 1339 Rdnr. 23; EuGH, Gutachten v. 14.12.1991, Gutachten 1/91 – EWR Vertrag I, Slg. 1991, I-6079 Rdnr. 21. Statt vieler aus der Literatur: W. Schroeder, Das Ge-

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

len-Konstruktion des Tempelmodells1571 beschreibt, sie als materiell-rechtlichen Verbund1572, als Einheitsverband1573 oder als einen die Gemeinschaften einschließenden Gesamtverband1574 einordnet, ist für diese Untersuchung nicht erheblich. Es gilt vielmehr folgendes hervorzuheben: Die Rechtsprechung des EuGH zur Geltung allgemeiner Rechtsgrundsätze weist in den europäischen Verträgen wesentliche verfassungsqualitative Momente nach: das Rechtsstaatsprinzip, die Grundrechts- und Grundfreiheitsbindung und die gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzgarantie. Die Verträge konstituieren Organe und konkretisieren die Aufgaben der politischen Ordnung. Art. 6 Abs. 1 und 2 EU enthält die strukturellen Merkmale der Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit1575. All dem aber liegt die Vorstellung der Werthaftigkeit des Personseins, die Subjektstellung und Würde des Menschen1576, die Anerkennung seiner individuellen Eigenständigkeit und Unversehrtheit aber auch seines gemeinwohlbezogenen Engagements zugrunde. Dieser Kernbestand gemeineuropäischer1577 Wertfixierungen findet seinen Ausdruck in der Präambel der GR-Charta: „[…] In dem Bewußtsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt die Person in den Mittelpunkt ihres

___________ meinschaftsrechtssystem, 2002, S. 328 ff. Aufschlußreich insofern auch P. Koslowski, FAZ v. 23.12.1989, S. 13: „Die vertragstheoretische Begründung der Gesellschaftsentstehung ist für die europäische Einigung zu einem Gesamtstaat sowohl in ihrer Erklärungskraft wie in ihren Limitationen erhellend […].“ 1571 Z. B. M. Schweitzer, Staatsrecht III, 7. Aufl. 2000, Rdnr. 16; M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 58; M. Herdegen, Europarecht, 4. Aufl. 2002, Rdnr. 64; T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 151; G. Isaac, Droit communautaire général, 7. Aufl. 1999, S. 12 ff. 1572 M. Pechstein / C. Koenig, Die Europäische Union, 3. Aufl. 2000, Rdnr. 6, 92 ff. 1573 A. von Bogdandy / M. Nettesheim, NJW 1995, S. 2324 ff.; A. von Bogdandy / M. Nettesheim, EuR 1996, S. 3 ff. 1574 T. Schmitz, Integration in der Supranationalen Union, 2001, S. 151 ff.; vgl. auch C. Trüe, Verleihung von Rechtspersönlichkeit an die Europäische Union, 1997, S. 59. 1575 Zum ganzen ausführlich P. M. Huber, VVDStRL Heft 60 (2001), S. 194 [199 ff.]; G. C. Rodríguez Iglesias, EuGRZ 1996, S. 125 ff. und C. Calliess, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 1 Rdnr. 17 ff. 1576 Lesenswert zur Justiziabilität des Würdebegriffes im Gemeinschaftsrecht sind die Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 14.6.2001 zu EuGH, Urt. v. 9.10.2001, Rs. C-377/98 – Niederlande / Parlament und Rat (Biopatentrichtlinie), Slg. 2001, I-7079 Rdnr. 199 ff. 1577 Von P. Häberle (EuGRZ 1991, S. 261 [262]) stammt das Bild eines wachsenden Verfassungsensembles einzelner Verfassungsprinzipien, die den verschiedenen nationalen Verfassungsstaaten gemeinsam sind. Vgl. auch J. Schapp, JZ 2003, S. 217 ff. und S. Broß, JZ 2003 S. 429 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Handelns, indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.“1578

Entbehrt sie auch (noch) der Verbindlichkeit, so hat die GR-Charta „doch eine integrierende, identifikatorische und unitarisierende Wirkung eines gemeinsamen Wertestandards.“1579 Sie stellt so bereits jetzt „als ethisch fundiertes Leitbild für die Konturierung eines ‚Europäischen Gesellschaftsmodells‘ eine insgesamt verläßliche Ausgangsbasis“1580 dar. Da die Gemeinschaft die Person als freies und würdiges Individuum „in den Mittelpunkt stellt“, den einzelnen als Rechtssubjekt anerkennt1581, sind die individuellen Rechte jeweils als materielle Emanation dieser Freiheit zu begreifen; erst sie vermitteln die Möglichkeit, selbständig gegenüber Mitgliedstaaten und Gemeinschaften aufzutreten, und setzen die „an der Wahrung ihrer Rechte interessierten einzelnen“1582 in den Stand, gemeinschaftsrechtlich begründete Achtungspflichten gerichtlich geltend zu machen. Die pflichtfreie Betätigungsmöglichkeit in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beruht auf dem Freiheitsprinzip eines gemeineuropäischen Menschenbildes, das den einzelnen im status negativus, positivus und activus als freies, eigenverantwortliches Wesen ansieht1583.

___________ 1578

Hervorhebung hinzugefügt. Art. I-2 des Vertrages über eine Verfassung für Europa (Fundstelle oben, S.277 Fn. 1154) beschreibt dies in ähnlicher, freilich knapperer Weise: „Die Werte, auf denen die Union sich gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte; diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Nichtdiskriminierung auszeichnet.“ 1579 H. Bethge, in: Akademie für Politische Bildung Tutzing, Global denken, 2001, S. 13 [21]. 1580 P. Tettinger, NJW 2001, S. 1010 [1015]. 1581 EuGH, Gutachten v. 14.12.1991, Gutachten 1/91 – EWR Vertrag I, Slg. 1991, I-6079 Rdnr. 21. 1582 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [26]. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 8.4.1976, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, 455 Rdnr. 30/34; EuGH, Urt. v. 4.12.1997, Rs. C-97/96 – Verband deutscher Daihatsu-Händler, Slg. 1997, I-6843. 1583 Das Menschenbild des Gemeinschaftsrechts kann hier nicht weiter vertieft werden. Instruktiv zum Menschenbild der EMRK sind die zusammenfassenden Ausführungen bei J. M. Bergmann, Das Menschenbild der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1995, S. 303 ff. Gegen eine undifferenzierte Übertragbarkeit diese Menschenbildes auf die Gemeinschaft spricht vor allem die strukturelle Untergewichtung des Eigentums und des Gleichheitssatzes in der EMRK; vor allem letzterer spielt im Gemeinschaftsrecht eine herausragende Rolle (J. Bergmann, a. a. O., S. 274, 280).

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

(1) Individuelle Rechte als Ausdruck verfaßter Freiheit Der Wert der Freiheit nimmt freilich auch im Gemeinschaftsrecht nur in den Regeln der Bindung Gestalt an. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung bedeutet, daß jedes durch die Ziele und ausdrücklichen Kompetenzzuweisungen der Verträge nicht gerechtfertigte Handeln vertrags-, d.h. gemeinschaftsverfassungswidrig wäre1584. Dieses Prinzip schützt neben der staatlichen auch die individuelle Freiheit und wirkt insoweit wie der rechtsstaatliche Vorbehalt des Gesetzes, dessen Geltung im Gemeinschaftsrecht in der Rechtssache Hoechst / Kommission zumindest indirekt anerkannt wurde. Danach1585 „[…] bedürfen in allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung jeder – natürlichen oder juristischen – Person einer Rechtsgrundlage und müssen aus den gesetzlich vorgesehenen Gründen gerechtfertigt sein. Diese Rechtsordnungen sehen daher, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung, einen Schutz gegen willkürliche oder unverhältnismäßige Eingriffe vor. Das Erfordernis eines solchen Schutzes ist folglich als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzuerkennen.“

Die gegenüber dem Gesetzgeber verbindlichen Gemeinschaftsgrundrechte wirken als materielle Legitimation und Orientierung der Konstituierung der EG in ihrem Wesensgehalt zugleich bei der Bestimmung der Grenzen der Gemeinschaftszuständigkeit mit1586. Die oben1587 zitierte Präambel der GR-Charta bestätigt dies. Verfassungscharakter, Eigenständigkeit und Vorrang des Gemeinschaftsrechts bedeuten nicht, daß es vom nationalen Recht völlig isoliert wäre. Beide stellen „die Person in den Mittelpunkt“; sie sind vom selben Bürger her legitimiert und auf diesen bezogen. Sie haben vielfach dieselben Adressaten. Sie sind „in vielfältiger Weise aufeinander bezogen, miteinander verschränkt und wechselseitigen Einwirkungen geöffnet“1588. Es handelt sich – wie das BVerfG formuliert – um eine „normative Verklammerung“1589. Diese normative Verklammerung hat ihre personale Seite in der Besetzung der Organe der Gemeinschaft; sie ist organisatorisch untermauert im Verfahren der Rechtsetzung, ___________ 1584

I. Pernice, NJW 1990, S. 2409 [2411]. EuGH, Urt. v. 21.9.1989, Rs. 46/87 und 227/88 – Hoechst / Kommission, Slg. 1989, 2859 Rdnr. 19. 1586 I. Pernice, NJW 1990, S. 2409 [2411]; A. Bleckmann, in: FS für Bodo Börner, 1992, S. 29 [30]. 1587 S. 347 mit Fn. 1578. 1588 BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 [368] („Solange II“); Vgl. auch EuGH, Urt. v. 18.5.1982, Rs. 155/79 – AM & S Europe / Kommission, Slg. 1982, 1575 Rdnr. 17: „Das Gemeinschaftsrecht beruht darauf, daß die Mitgliedstaaten nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf rechtlichem Gebiet miteinander verflochten sind“. 1589 BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 [384] („Solange II“). 1585

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in der Organisation des Vollzuges1590 und nicht zuletzt in der Rechtsschutzgarantie, deren vornehmste Ausformung Art. 234 EG darstellt. Über sie wirkt die in den Mitgliedstaaten bestehende Grundrechtskultur auf die konkrete Gemeinschaftshandlung aber auch die konkreten individuellen Rechte ein1591. Der Unionsbürger erhält seine Rechtsstellung nicht im Sinne einer „dritten Kraft“1592, sondern kraft seines Personseins1593. Die Feststellung einer grundsätzlichen Rechtfertigungsbedürftigkeit für „Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung“1594 stellt nichts anderes als die Formulierung des Grundsatzes in dubio pro libertate1595 dar. Gemeint ist damit auch im Gemeinschaftsrecht das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip1596, die prinzipielle Rechtfertigungslage mit Asymmetrie von Rechten und Pflichten, der zufolge die Gemeinschaft für Beschränkungen darlegungs- und beweispflichtig ist, während die Freiheitsbetätigung des einzelnen als grundlegendes, den Einschränkungen vorausliegendes und insofern primäres Element erscheint1597. Freiheit bedeutet Freiheit in der Gemeinschaft, nicht ___________ 1590

I. Pernice, NJW 1990, S. 2409 [2412]. Vgl. H.-W. Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, S. 229; A. Bleckmann, in: FS für Bodo Börner, 1992, S. 29 [34]: Darunter versteht man gerade auch „Maximierung der Freiheit“. 1592 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 69. Der Gedanke einer Art „Vertrag zugunsten Dritter“ findet sich auch in der älteren Rechtsprechung. EuGH, Urt. v. 7.2.1973, Rs. 39/72 – Kommission / Italien (Schlachtprämien), Slg. 1973, 101 Rdnr. 24: „Der Vertrag erlaubt es den Mitgliedstaaten, die Vorteile der Gemeinschaft für sich zu nutzen, er erlegt ihnen aber auch die Verpflichtung auf, deren Rechtsvorschriften zu beachten. Stört ein Staat aufgrund der Vorstellung, die er sich von seinem nationalen Interesse macht, einseitig das mit der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft verbundene Gleichgewicht zwischen Vorteilen und Lasten, so stellt dies die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor dem Gemeinschaftsrecht in Frage und schafft Diskriminierungen für den einzelnen, und zwar in erster Linie für die Staatsangehörigen des Staates, der sich außerhalb des Gemeinschaftsrechts stellt.“ 1593 Besonders D. Curtin, CMLRev. 30 (1993), S. 17 [18 ff.] und U. Everling, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1161 [1171] haben aus dem Schutz individueller Rechte weitreichende Konsequenzen für die Vertragsänderungskompetenz der Mitgliedstaaten gefolgert, bis hin zu einer Art „Ewigkeitsgarantie“. Sie kritisieren insbes. das „Protokollunwesen der Mitgliedstaaten“. Illustratives Beispiel hierfür ist Protokoll Nr. 2 zum Vertrag über die Europäische Union (zu Art. 119 EGV) durch das wegen mehrerer noch anhängiger Verfahren zu Ansprüchen gegen betriebliche Rentenkassen in Folge des Urteils EuGH, Urt. v. 17.5.1990, Rs. 262/88 – Barber, Slg. 1990, I-1889, die potentiellen individuellen Rechte der Betroffenen eine „primärrechtliche Flurbereinigung“ erfuhren. 1594 EuGH, Urt. v. 21.9.1989, Rs. 46/87 und 227/88 – Hoechst / Kommission, Slg. 1989, 2859 Rdnr. 19. 1595 Vgl. H.-W. Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, S. 229. 1596 C. Schmitt, Verfassungslehre, 5. Neudruck der 3. Aufl. 1928, 1970, S. 126, 158. 1597 Dies liegt letztlich auch der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten nach Ablauf der Übergangsfrist zugrunde, vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(d)i), S. 245 ff. 1591

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

von der Gemeinschaft; sie stellt einen dem einzelnen in der geordneten Rechtsgemeinschaft1598 bemessenen Freiraum und einen der Gemeinschaft zur Verwirklichung aufgegebenen Zweck1599 dar. (2) Individuelle Rechte als Ausdruck von Effektivität und Aktualität des Gemeinschaftsrechts Der einzelne steht als Individuum im Zentrum des Freiheitsschutzes. Dessen Bezugspunkt sind indes auch Gemeinschaft und Mitgliedstaaten. Daß insbesondere die Grundfreiheiten keine bloßen Zielvorgaben enthalten, hat der EuGH nach und nach herausgearbeitet1600. Mit Ende der Übergangszeit1601 war die volle Wirksamkeit der Vertragsvorschriften eingetreten. Die Grundfreiheiten stellten damit nicht „programmatisch festgelegte Maßnahmen“1602, sondern unmittelbares und aktuelles Recht, nicht abstraktes, sondern reales Recht dar1603. Daß diese Freiheit durch Schaffung und Sicherung der gesetzlichen und der tatsächlichen Voraussetzungen aktualisiert werden muß, Gemeinschaften und Mitgliedstaaten insoweit ein „normatives Gerüst“1604 als rechtliche Voraussetzung für die Grundfreiheits- und Grundrechtsausübung schaffen müssen, innerhalb dessen der einzelne selbständig auftreten kann1605, ist im Gemein___________ 1598 Der Schöpfer des Begriffes, W. Hallstein, wollte damit nicht nur andeuten, daß die Ausübung gemeinschaftlicher Hoheitsgewalt von rechtsstaatlichen Grundsätzen geleitet wird, sondern auch, daß sie sich ausschließlich auf dem Respekt vor dem Recht gründet. „Nicht Gewalt, nicht Unterwerfung ist als Mittel eingesetzt, sondern eine geistige, eine kulturelle Kraft, das Recht […]. Denn nur die selbstgewollte Einheit hat Aussicht auf Bestand […]. Auf dieser Einsicht beruht der Vertrag von Rom“, W. Hallstein, Der unvollendete Bundesstaat, 1969, S. 33. 1599 Insbes. die Ausweitung des sachlichen Schutzbereiches der Grundfreiheiten unterstreicht die Verwirklichung dieses Zweckes, vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2) (d)v), S. 252 f. 1600 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1; EuGH, Urt. v. 11.7.1974, Rs. 8/74 – Dassonville, Slg. 1974, 837 zu Art. 28 EG.; EuGH, Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/74 – Van Duyn, Slg. 1974, 1337 zu Art. 39 EG; EuGH, Urt. v. 21.6.1974, Rs. 2/74 – Reyners, Slg. 1974, 631 zu Art. 43 EG; EuGH, Urt. v. 3.12.1974, Rs. 33/74 – van Binsbergen, Slg. 1974, 1299 zu Art. 49 EG. 1601 Art. 7 Abs. 1, 7 EGV; Rechtswirkungen fortgeltend nach Art. 10 Abs. 1 AV. 1602 Ausdrücklich: EuGH, Urt. v. 21.6.1974, Rs. 2/74 – Reyners, Slg. 1974, 631 [653]. 1603 „[…] da die Mitgliedstaaten einen Rechtskörper geschaffen [haben], der für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist“, EuGH, Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, 1253 [1269 f.]. Klammerzusatz hinzugefügt. 1604 H. Bethge, REDP 1990, S. 53 [60]. 1605 J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 128.

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schaftsrecht namentlich im Bereich der Grundfreiheiten schon vom textlichen Befund deutlicher als im deutschen Verfassungsrecht. Die Anforderungen an den normativen Korpus sind im Gemeinschaftsrecht überdies auch – zumindest gegen die Mitgliedstaaten – erzwingbar, indem eine mangelhafte Gestaltung mit haftungsrechtlichen Folgen belegt wird1606. Genauso wie es eine verkürzte Sichtweise darstellt, subjektiv-öffentliche Rechte auf eine verwaltungsprozessuale Vehikelfunktion zu reduzieren1607, erlaubt es die dem Gemeinschaftsrecht zugrundeliegende Idee der Aktualität von Grundfreiheiten und Grundrechten umgekehrt nicht, individuelle Rechte als „Sanktionskategorie“1608 und bloße Funktion übergeordneter Gemeinschaftsinteressen zu begreifen. Individuelle Rechte stellen Aktualität von Grundfreiheiten und Grundrechten dar; sie stellen deren Effektivität her, indem sie das personale Moment rechtlich ausformen und so „die Person in den Mittelpunkt“ des Handelns der Gemeinschaft stellen1609. Um diesen Personseins willen wird „[…] der Rechtsposition des Einzelnen […] höchste und unmittelbare Bedeutung beigemessen.“1610

Individuelle Rechte sind Ausdruck verantwortlicher Freiheit des einzelnen, der die Idee einer Anteilnahme an der Rechtsgemeinschaft, eines privaten Engagements für die Vollendung der Ziele der Gemeinschaft zugrunde liegt. Sie üben eine für ein modernes Gemeinwesen unverzichtbare Doppelfunktion aus, indem sie Ausübung von Hoheitsgewalt steuern und begrenzen1611 und zugleich die auf Sicherung von Freiheit und Gleichheit gerichteten Interessen der einzelnen zur Entfaltung bringen1612. (3) Individuelle Rechte als Ausdruck freier Gleichheit Konnte für das deutsche Recht festgestellt werden, daß in Fällen, in denen Freiheits- und Gleichheitsaspekte gleichermaßen berührt sind, im Verfassungsrecht regelmäßig der Freiheitseingriff im Vordergrund steht1613, so gilt im Ge___________ 1606

Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(c), S. 291. Oben, Zweites Kapitel – B.III.1.a)(2), S. 131. 1608 BVerfG, Beschl. v. 8.4.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 [242], näher dazu unten, Zweites Kapitel – C.III.1.b)(3), S. 365 mit Fn. 1690. 1609 Vgl. den Vorspruch der GR-Charta. 1610 Vgl. die Schlußanträge von GA G. Tesauro v. 28.11.1995 zu EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029 [I-1091]. 1611 C. Tomuschat, DVBl. 1996, S. 1073 ff. 1612 W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 463. 1613 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.1.a)(3), S. 133. 1607

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

meinschaftsrecht der umgekehrte Befund. Auch gemeinschaftsverfassungsrechtlich verfügen Freiheit und Gleichheit über identische normative Qualität und äquivalente Dignität. Gemeinschaftsrechtlich stand indes – bedingt durch die Dominanz der Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten – die Frage der Gleichheit im Vordergrund. Die Dogmatik der Freiheitsrechte hat die dogmatische Tiefe der Grundfreiheitsdogmatik noch nicht erreicht. Hans Peter Ipsen hat diese Tatsache bis heute unerreicht prägnant formuliert: „Das Gemeinschaftsrecht verbreitert und erweitert die Gleichheit des Menschen in der Gemeinschaft gegenüber der öffentlichen Gewalt. Es fördert die Gleichbehandlung […] mit dem Staatsangehörigen des Mitgliedstaats. Gleichzeitig verbreitert und erweitert es damit die Freiheit des Menschen in der Gemeinschaft, indem es die freiheitshinderlichen Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten niederlegt.“1614

Stellt man die Beobachtungen zur Wechselwirkung zwischen Unionsbürgerschaft und Art. 12 EG in Rechnung1615, bestätigt dies auch heute noch seine These, daß die freiheitssichernde Gleichheit1616 zentrales Anliegen der Gemeinschaftsrechtsordnung ist1617. Uridee des Bildes gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte ist der Schutz freier Gleichheit1618. Die Präambel der geplanten Verfassung nennt so die Gleichheit vor der Freiheit1619. ___________ 1614 H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 997. Hervorhebungen im Original. 1615 Oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(f), S. 276 mit Fn. 1153. 1616 A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 225: „Verkürzt lassen sich die Grundfreiheiten als freiheitsschützende Gleichheitsrechte […] charakterisieren.“ 1617 Vgl. Art. 6 des Entwurfes der Art. 1–16 des Verfassungsvertrages des Präsidiums des Konventes vom 6.2.2003 (Fundstelle und Wortlaut oben, S. 277 Fn. 1154). Das allgemeine Diskriminierungsverbot sollte eine prominente Stelle neben den in Art. 5 verankerten Grundrechten erhalten. Nunmehr ist eine Verankerung unter den Zielen der Union in Art. I-4 Abs. 2 des Vertrages über eine Verfassung für Europa (Fundstelle oben, S.277 Fn. 1154) vorgesehen. Daß es somit zweimal explizit (vgl. Art. 21 Abs. 2 GR-Charta) geregelt wird, stellt einen gesetzgebungstechnischen Mißgriff dar, unterstreicht aber die besondere Bedeutung . 1618 Lesenswert vor diesem Hintergrund ist, worauf der EGKSV im fünften Erwägungsgrund der Präambel seine Gründungsmitglieder verpflichtete: „an die Stelle der jahrhundertealten Rivalitäten einen Zusammenschluß […] zu setzen, durch die Errichtung einer wirtschaftlichen Gemeinschaft den ersten Grundstein für eine weitere und vertiefte Gemeinschaft unter Völkern zu legen, die lange Zeit durch blutige Auseinandersetzungen entzweit waren, und die institutionellen Grundlagen zu schaffen, die einem nunmehr allen gemeinsamen Schicksal die Richtung weisen können“. In einem tieferen Sinne erlosch der Vertrag nicht durch Zeitablauf, sondern durch Erfüllung. Die Frage des „allen gemeinsamen Schicksals“ hat sich teilweise erfüllt und so die Wahrnehmung von Gleichheits- zu Freiheitsfragen verschoben. 1619 Vgl. den durch das Präsidium des Konvents übermittelten Text von Teil I und II der Verfassung vom 12.6.2003 (CONV 797/1/03), einsehbar unter: http://europeanconvention.eu.int/docs/Treaty/cv00797-re01. de03.pdf.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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b) Die Rechtsschutzgarantie im Gemeinschaftsrecht In der Rechtssache Johnston1620 hat der EuGH den Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zunächst als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts bezeichnet und dies in der Folgezeit vielfach bekräftigt1621. In der Rechtssache Borrelli1622 stellte der EuGH einen spezifisch grundrechtlichen Bezug der Rechtsschutzgarantie her: Eine mitgliedstaatliche Maßnahme im Anwendungsbereich des Vertrages hat in einem Verfahren zu erfolgen, „[…] das den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts in bezug auf den effektiven Schutz der den Gemeinschaftsbürgern vom Vertrag verliehenen Grundrechte genügt. Daraus folgt, daß jede Entscheidung, die die nationalen Behörden im Rahmen dieser Prüfung treffen, mit einem gerichtlichen Rechtsbehelf anfechtbar sein muß, der es erlaubt, ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen […].“

In Entscheidungen jüngeren Datums prägen zunehmend die Grundrechte der EMRK die grundrechtliche Ableitung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes1623, während das Schrifttum überwiegend von einem Gemeinschaftsgrundrecht ausgeht1624. Zwar sind allgemeine Rechtsgrundsätze rechtsstaatlichen Inhalts von den durchweg individualrechtlich strukturierten Grundrechten zu unterscheiden1625. Indes können Grundrechte ihrerseits objektivrechtliche Gehalte vermitteln und können sich umgekehrt allgemeine Rechtsgrundsätze zu Sätzen über individuelle Rechte verdichten. Hinzu kommt, daß der EuGH nicht deutlich trennt, namentlich das Verhältnismäßigkeitsprinzip gesondert neben der Frage einer Grundrechtsverletzung prüft1626 und auch als eine haftungsauslösende

___________ 1620

EuGH, Urt. v. 15.5.1986, Rs. 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651 [1682]. Vgl. nur EuGH, Urt. v. 15.10.1987, Rs. 222/86 – UNECTEF, Slg. 1987, 4097 2. Leitsatz; EuGH, Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, I-4921 [5076]. 1622 EuGH, Urt. v. 7.5.1992, Rs. C-104/91, Borrelli u.a., Slg. 1992, I-3003 Rdnr. 15. Allerdings standen in der Entscheidung keine Grundrechte, sondern die Niederlassungsfreiheit für Immobilienmakler in Rede. 1623 Der EuGH spricht etwa von einem „aus den Grundrechten der EMRK entwickelten allgemeinen gemeinschaftlichen Rechtsgrundsatz“ (EuGH, Urt. v. 17.12.1998, Rs. C-185/95 P – Baustahlgewebe / Kommission, Slg. 1998, I-8417 Rdnr. 21). 1624 R. Geiger, EUV / EGV, 3. Aufl. 2000, Art. 220 Rdnr. 40; T. Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 6 EU Rdnr. 197 ff.; I. Pernice, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 1, Art. 164 Rdnr. 87a; C. Nowak, Konkurrenzschutz in der EG, 1997, S. 496. Mit zutreffender Differenzierung hingegen: H.-W. Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, S. 159 mit Fn. 14. 1625 H.-W. Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, S. 172 f. 1626 EuGH, Urt. v. 11.7.1989, Rs. 265/87 – Hermann Schräder Kraftfutter, Slg. 1989, 2237 Rdnr. 20 ff. 1621

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„Schutznorm“ ansieht1627. Eine stets trennscharfe Gegenüberstellung wird demnach nicht immer gelingen. Was die Rechtsschutzgarantie betrifft, so hat der EuGH jedenfalls ihren individualrechtlichen Gehalt stets betont. Da sie voraussichtlich1628 eine dem Wortlaut des Art. 47 GR-Charta entsprechende ausdrückliche primärrechtliche Verankerung erfahren wird und Art. 47 Abs. 1 GR-Charta bereits jetzt als Rechtserkenntnisquelle dient1629, steht ihre grundrechtliche Ausgestaltung außer Frage. Zumindest aus grundrechtlicher Sicht kann – trotz Problemen im Detail1630 – somit nicht davon gesprochen werden, die Rechtsschutzgarantie lasse sich als Oberbegriff für eine „rechtsstaatliche Lücke“ deuten1631. Die Rechtsschutzgarantie enthält aber neben der individuell-berechtigenden auch eine objektiv-gestaltende Komponente. Sie dient zugleich der Sicherung einer effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts und verhält sich damit zur Vollzugsautonomie der Mitgliedstaaten in der Tendenz antagonistisch1632. Sie läßt sich als instrumentale Forderung auffassen, die durch die Gemeinschaft gewährten Rechte auch prozessual effektuierbar zu machen1633, und stellt damit eine Mindestgarantie dar, hinter der die Mitgliedstaaten nicht zurückbleiben dürfen1634. ___________ 1627 EuGH, Urt. v. 14.1.1987, Rs. 281/84 – Zuckerfabrik Bedburg u.a. / Rat und Kommission, Slg. 1987, 49 Rdnr. 35 ff. Vgl. dazu: E. Grabitz, in: Schweitzer, Europäisches Verwaltungsrecht, 1991, S. 167 [178]. 1628 Zu den Bestrebungen der Aufnahme der GR-Charta in das Primärrecht vgl. den Schlußbericht des Vorsitzenden der Gruppe II – „Einbeziehung der Charta / Beitritt zur EMRK“ an die Mitglieder des Konvents vom 22.10.2002 (CONV 354/02), einsehbar a. a. O. (oben, S. 269 Fn. 1106) sowie Teil II des Vertrages über eine Verfassung für Europa (Fundstelle oben, S.277 Fn. 1154). 1629 EuG, Urt. v. 30.1.2002, Rs. T-54/99, max.mobil Telekommunikation Service / Kommission, Slg. 2002, II-313 Rdnr. 48; Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 14.6.2001 zu EuGH, Urt. v. 9.10.2001, Rs. C-377/98 – Niederlande / Parlament und Rat (Biopatentrichtlinie), Slg. 2001, I-7079 Rdnr. 197. 1630 Etwa die Anfechtung von Verordnungen durch nichtprivilegierte Kläger, EuG, Urt. v. 3.5.2002, Rs. T-177/01 – Jégo-Quéré et Cie. / Kommission, Slg. 2002, II-2365 Rdnr. 50, 51; siehe dazu die Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 21.3.2002 zu EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 Rdnr. 43 ff. und die Anmerkungen von T. Lübbig, EuZW 2002, S. 415 f.; M. Köngeter, NJW 2002, S. 2216 ff.; M. Nettesheim, JZ 2002, S. 928 ff. sowie EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 Rdnr. 44. und den Bericht des Vorsitzenden der Gruppe II – „Einbeziehung der Charta / Beitritt zur EMRK“ an den Konvent vom 22.10.2002 (CONV 354/02), S. 15, einsehbar unter: http://register.consilium.eu.int/pdf/de/02/cv00/ 00354d2. pdf. 1631 R. Scholz, in: FS für Ernst Steindorff, 1990, S. 1430. 1632 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 125. 1633 D. Curtin, CMLRev. 27 (1990), S. 709 [729]. 1634 EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 – Kommission / Deutschland, Slg. 1995, I-2303 Rdnr. 24. Im Einklang mit EuGH, Beschl. v. 3.5.1996, Rs. C-399/95 R –

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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(1) Das Rechtsschutzsystem der Gemeinschaft Anders als die internationale Gerichtsbarkeit des klassischen Völkerrechts ist die Gemeinschaftsgerichtsbarkeit keine fakultative, sondern eine ausschließliche und obligatorische1635. Insbesondere durch Art. 234 EG „soll nämlich […] im wesentlichen gewährleistet werden, daß das Gemeinschaftsrecht von den nationalen Gerichten einheitlich angewandt wird. Dieses Erfordernis ist besonders zwingend, wenn die Gültigkeit einer Gemeinschaftshandlung in Frage steht. Meinungsverschiedenheiten der Gerichte der Mitgliedstaaten über die Gültigkeit von Gemeinschaftshandlungen wären geeignet, die Einigkeit der Gemeinschaft selbst aufs Spiel zu setzen […]“1636.

Nationale Gerichte haben daher eine Prüfungskompetenz und eine sich aus dem Loyalitätsstandard des Art. 10 EG ergebende Prüfungspflicht; das Verwerfungsmonopol ist aber dem EuGH vorbehalten1637. Vorrang des Gemeinschaftsrechts und ausschließliche Gerichtsbarkeit sind sich wechselseitig ergänzende Prinzipien, die durch die Klammer einer postulierten Lückenlosigkeit des Rechtsschutzes verbunden werden, da, so der EuGH in der Rechtssache parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, „[…] die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eine Rechtsgemeinschaft der Art ist, daß weder die Mitgliedstaaten noch die Gemeinschaftsorgane der Kontrolle darüber entzogen sind, ob ihre Handlungen im Einklang mit der Verfassungsurkunde der Gemeinschaft, dem Vertrag, stehen. Mit den Art. 173 und 184 EWGV auf der einen und Art. 177 EWGV1638 auf der anderen Seite ist ein umfassendes Rechtsschutzsystem ge-

___________ Deutschland / Kommission (Maxhütte), Slg. 1996, I-2441 Rdnr. 46 geht die ganz h.M. von der Geltung auch für den Bereich des unmittelbaren Vollzuges durch die Organe aus, vgl. L. Allkemper, Der Rechtsschutz des einzelnen nach dem EG-Vertrag, 1995, S. 42 f.; T. von Danwitz, NJW 1993, S. 1108 [1114]; C. Nowak, Konkurrenzschutz in der EG, 1997, S. 495 und umfassend: O. Dörr, Der europäisierte Rechtsschutzauftrag deutscher Gerichte, 2003. 1635 Vgl. auch EuGH, Urt. v. 26.2.1976, Rs. 52/75 – Gemüserichtlinie, Slg. 1976, 277 Rdnr. 11. Dies zeigt sich zum einen daran, daß eine Unterwerfungserklärung (vgl. Art. 36 IGH-Statut) der Mitgliedstaaten nicht vorgesehen ist, aber auch in der Bindungswirkung der Urteile, Art. 228 Abs. 1 EG, bis hin zu Zwangsgeldern gegen die Mitgliedstaaten, Art. 228 Abs. 2 EG. Die Art der Berechnung der von der Kommission vorzuschlagenden Zwangsgelder ist in zwei Mitteilungen der Kommission (Mitteilung über die Anwendung von Art. 171 EG, ABl. C 242 v. 21.8.1996, S. 6, Mitteilung über das Verfahren für die Berechnung des Zwangsgeldes nach Art. 171 EG, ABl. C 63 vom 28.2.1997, S. 2) festgelegt. Nachdem Griechenland im Fall um die Mülldeponie Kouroupitos durch EuGH, Urt. v. 4.7.2000, Rs. C-387/97 – Kommission / Griechenland, Slg. 2000, I-5047 als erster Mitgliedstaat hierzu verurteilt worden ist, hat es insgesamt 5.400.000 € entrichtet (Neunzehnter Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts (KOM (2002) 324 v. 28.6.2002), S. 16). 1636 EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Rs. 314/85 – Foto-Frost, Slg. 1987, 4199 Rdnr. 15. 1637 EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Rs. 314/85 – Foto-Frost, Slg. 1987, 4199 Rdnr. 16. 1638 Heute Art. 230, 241, 234 EG.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

schaffen worden, innerhalb dessen dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe übertragen ist. Natürliche und juristische Personen sind so gegen die Anwendung von Handlungen mit allgemeiner Geltung auf sie geschützt, die sie wegen der besonderen Zulassungsvoraussetzungen des Art. 173 Abs. 2 EWGV1639 nicht unmittelbar vor dem Gerichtshof anfechten können. Wenn die verwaltungsmäßige Durchführung dieser Handlungen den Gemeinschaftsorganen obliegt, können natürliche und juristische Personen vor dem Gerichtshof eine direkte Klage gegen die Durchführungsmaßnahmen erheben, die an sie gerichtet sind oder sie unmittelbar und individuell betreffen. Zur Begründung der Klage können sie die Rechtswidrigkeit des den Durchführungsmaßnahmen zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsakts geltend machen. Obliegt die Durchführung nationalen Stellen, so können die Betroffenen die Ungültigkeit von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung vor den nationalen Gerichten geltend machen und diese veranlassen, sich mit Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof zu wenden.“1640

Der EuGH ging wohl schon in der Rechtssache Humblet1641 von einer grundsätzlichen Kongruenz zwischen Recht und Rechtsschutz („ubi ius, ibi remedium“) aus1642 und hat diesen Grundsatz präzisiert und erweitert. Gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutz erlangt damit immer, wer vorträgt, in einem seiner individuellen Rechte verletzt zu sein. Der vielfach in der Nähe des Systems des contentieux objectif angesiedelte1643 Rechtsschutz im Gemeinschaftsrecht folgt nämlich bei genauerer Betrachtung einer vermittelnden Lösung1644, deren Mindestgarantie der Schutz in-

___________ 1639

Heute Art. 230 Abs. 4 EG. EuGH, Urt. v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, S. 1339 Rdnr. 23. Hervorhebungen hinzugefügt. 1641 EuGH, Urteil v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, 1165 [1189]; vgl. die Widergabe der Urteilspassage oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(a), S. 237. 1642 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 107; S. 64 f.; W. van Gerven, CMLRev. 37 (2000), S. 501 [511]; zum überwundenen Aktionendenken siehe noch einmal oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(3) S. 305. Zur These von T. Eilmansberger, in dem Urteil seien rein prozessuale Fragen entschieden worden siehe noch einmal Fn. 935. 1643 M. Zuleeg, NJW 1993, S. 31 [37]; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [489]; T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 226; noch radikaler: J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 221 ff. S. Kadelbach, in: von Danwitz / Heintzen / Jestaedt / Korioth / Reinhardt, Auf dem Wege zu einer europäischen Staatlichkeit, 1993, S. 131 [141 ff.] hat die Auffassung später aufgegeben, S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 381 mit Fn. 455. 1644 Zutreffend: M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 221 ff.; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 381 ff. 1640

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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dividueller Rechte darstellt1645. Dies ergibt sich aus einer Gegenüberstellung einiger Systementscheidungen des contentieux objectif und des contentieux subjectif mit den gemeinschaftsrechtlichen Systemausprägungen1646. Das dem effektiven Rechtsschutz und der praktischen Wirksamkeit gleichermaßen verpflichtete Modell des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzes weist einige Elemente auf, die in Richtung eines contentieux objectif weisen. Dies gilt zum einen für die zur Erhaltung der einheitlichen Wirksamkeit erforderliche Bindungswirkung von Urteilen des EuGH, die de facto erga omnes wirken1647. Zum anderen weist das Vollzugsinteresse im Rahmen vorläufigen Rechtsschutzes in diese Richtung: Dieses wird im Regelfall höher eingestuft als das Rechtsschutzinteresse des einzelnen1648, wenn die Gültigkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in Zweifel gezogen wird1649. Wird hingegen eine Maßnahme auf der Basis des nationalen Rechts angegriffen, die zu einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgewährung im Widerspruch steht, muß vorläufiger Rechtsschutz möglich sein1650; Suspensiveffekt tritt dann nach Maßgabe des ___________ 1645 Der Rechtsschutz wird damit nicht ausschließlich sondern mindestens als prozessualer Annex zum individuellen Recht konzipiert. So kennt Art. 230 Abs. 4 EG andere Kriterien und verleugnet seine Anlehnung an ein System des „recours pour excès de pouvoir“ nicht. Vgl. G. Vedel / P. Delvolvé, Droit administratif II, 12. Aufl. 1992, S. 248 und R. Chapus, Droit administratif général Bd. I, 12. Aufl. 1998, Rdnr. 859. 1646 Die Unterscheidung geht auf L. Duguit, Traité de droit constitutionnel, Bd. II, 2. Aufl. 1923, S. 435 f.; 459 ff., 475 ff. zurück; vgl. S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 379 mit den Hinweisen auf A. Bleckmann, in: Max-Planck-Institut, Gerichtsschutz, Bd. 3, 1971, S. 21 ff. und P. van Dijk, Judicial Review of Governmental Action, 1980, S. 200 sowie oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1), S. 138 und Erstes Kapitel – A.III., S. 50. 1647 Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob nachträglich bekannt gewordene Umstände Anlaß zu einer erneuten Vorlagefrage geben: EuGH, Beschl. v. 5.3.1986, Rs. 69/85 – Wünsche, Slg. 1986, 947. Die nationalen Gerichte werden aber insgesamt durch die Entscheidung gebunden. Diese Wirkung erga omnes hat der EuGH sowohl für die Auslegung (EuGH, Urt. v. 27.3.1963, verb. Rs. 28–30/62 – Da Costa u.a., Slg. 1963, 59) als auch für die Beurteilung der Wirksamkeit von Rechtsakten angenommen (EuGH, Urt. v. 13.5.1981, Rs. 66/80 – International Chemical Corp., Slg. 1981, 1191). Zu Fragen der Rechtskraft näher: M. Reiling, EuZW 2002, S. 136 ff. und J. Molinier, droit du contentieux européen, 1996, S. 35 f. 1648 EuGH, Urt. v. 21.2.1991, verb. Rs. 143/88 und C-92/89 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Slg. 1991, I-415 [I-543]. Vgl. dazu umfassend S. Lehr, Einstweiliger Rechtsschutz und Europäische Union, 1997, S. 104 ff. und die Referierung der zentralen Entscheidungen hierzu bei U. von Fragstein, Die Einwirkungen des EG-Rechts auf den vorläufigen Rechtsschutz, 1997, S. 70 ff. und 83 ff.; J. Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995, S. 240 ff. 1649 Die Voraussetzungen werden Art. 242, 243 EG entnommen. Die gleiche Wertung bringt Art. 7 i.V.m. Art. 244 ZK zum Ausdruck. 1650 Existiert kein entsprechendes nationales Prozeßrecht, ist dies gemeinschaftsrechtswidrig, EuGH, Urt. v. 19.6.1990, Rs. C-213/89, Factortame u.a., Slg. 1990, I-2433. Die Anforderungen bei Direktvollzug sind ähnlich, vgl. EuGH, Beschl. v.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

nationalen Rechts unter Beachtung der Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität ein1651. Die aufschiebende Wirkung findet ihre Berechtigung so nicht allein in der Wertigkeit individueller Rechte, sondern entsteht erst, wenn effet utile und individuelles Recht in dieselbe Richtung wirken1652. Gemeinschaftsrechtliche Klageberechtigung und Normenkontrollsystem lassen hingegen eher an eine Ausrichtung am contentieux subjectif denken. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Der für Interessentenklagen französischen Vorbilds1653 typische intérêt à agir dient nicht einer subjektiven Zugangsbeschränkung zum Gericht, sondern einer variabel zu handhabenden Eingangskontrolle durch die Gerichte selbst zum Zwecke der objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle, für welche die Klage des einzelnen nur Anlaß ist1654. Dem entspricht es, daß individuelle Rechte keinen Vorrang gegenüber dem Interesse an objektiver Rechtmäßigkeit genießen, was die Normverwerfungskompetenz der Gerichte in stärkere Abhängigkeit zur Ausrichtung des entsprechenden Gewaltenverschränkungsmodells bringt. Viele am contentieux objectif orientierten Systeme kennen daher keine prinzipale oder inzidente Normenkontrolle der Instanzgerichte1655. Demgegenüber steht in einem dem contentieux subjectif verpflichteten System der Schutz von Rechten des Klägers im Vordergrund, deren mögliche Verletzung dieser für die Zulassung einer Klage vorzutragen hat. Klagezulassung und Begründetheit sind eng aufeinander bezogen. In letzter Konsequenz hat eine Überprüfung der Norm, auf die eine belastende Maßnahme gestützt wird, am Maßstab höherrangigen Rechts zu erfolgen, da nur diese einen umfassenden Schutz der Rechte gewährleistet1656. ___________ 3.5.1996, Rs. C-399/95 R – Deutschland / Kommission (Maxhütte), Slg. 1996, I-2441 Rdnr. 46. 1651 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.7.1997, Rs. C-261/95 – Palmisani, Slg. 1997, I-4025 Rdnr. 27. 1652 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 383. 1653 Elemente des contentieux objectif kennen die Rechtsordnungen Belgiens, Griechenlands, Luxemburgs, Portugals und Frankreichs, vgl. S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 380. 1654 C. Starck, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 595 [608 f.]; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 380; J.-M. Woehrling, NVwZ 1985, S. 21 [23]; K.-P. Sommermann, DÖV 2002, S. 133 [142]. 1655 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 381. 1656 Für diesen Typ sind das deutsche, das italienische und das österreichische Recht repräsentativ, vgl. S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 379.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Das Gemeinschaftsrechtssystem folgt in diesen Fragen der Klageberechtigung und Normenkontrolle eher dem zweiten Modell des contentieux subjectif1657. In der Gesamtschau stellt sich die Garantie effektiven Rechtsschutzes als mindestens durch subjektivrechtliche Elemente aufgeladen dar. Die Parallelität von materieller und prozessualer Berechtigung stellt einen Rückbezug zu individuellen Rechten als Mindeststandard1658 sicher. Das gemeinschaftsrechtlich geschützte unmittelbare Interesse dient insbesondere nicht der Arbeitsentlastung der Gerichte, sondern als Kriterium der Ermittlung materieller individueller Rechte, deren Durchsetzung durch die Garantie effektiven Rechtsschutzes sichergestellt wird. Auch die dem Gemeinschaftsrecht vertraute Ausstrahlungswirkung der Grundfreiheiten und Grundrechte in den Verwaltungsvollzug weist in eine subjektivrechtliche Richtung. Da andererseits die Nähe einiger gemeinschaftsrechtlicher Systemausprägungen zu einem objektiven System – wie zu zeigen sein wird – eine größere Reichweite individueller Rechte vermittelt, ergibt sich ein weiter Kreis potentiell Berechtigter mit relativ starker prozessualer Stellung1659. Im Ergebnis werden so jegliche Interessen, welche die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaften anerkennen oder unter Schutz zu stellen verpflichtet sind, aufgrund ihrer immer auch materiell-rechtlichen Verankerung geschützt. (2) Die Rechtsschutzgarantie im engeren Sinne (a) „Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“ und Charta der Grundrechte Die Parallelität von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzung hat in Art. 47 Abs. 1 GR-Charta einen spezifischen Niederschlag gefunden.

___________ 1657

Näher unten, Drittes Kapitel – C.II.2., S. 446 ff. und C.II.7., S. 470 ff. G. C. Rodríguez Iglesias, Zu den Grenzen der verfahrensrechtlichen Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts, S. 5: „Alle innerstaatlichen Gerichtsverfahren werden von verschiedenen fundamentalen Grundsätzen bestimmt, die die Art und den Umfang (oder: das „Ob“ und das „Wie“) richterlicher Handlungen bestimmen. Auch diese elementaren Prinzipien des innerstaatlichen Prozeßrechts können vom Gemeinschaftsrecht nicht völlig unberührt bleiben.“ Hierzu bedeutsam: EuGH, Urt. v. 14.12.1995, Rs. C-312/93 – Peterbroeck, Van Campenhout & Cie., Slg. 1995, I-4599; EuGH, Urt. v. 14.12.1995, verb. Rs. C-430 und 431/93 – van Schijndel und van Veen, Slg. 1995, I-4705. 1659 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 384, 385. 1658

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„Jede Person, deren durch das Unionsrecht garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.“

Nach Auffassung des Konvents zur Ausarbeitung einer GR-Charta formuliert die Bestimmung den bei Proklamation der GR-Charta bestehenden, sich aus der richterrechtlichen Konturierung durch den EuGH ergebenden Zustand; die Formulierung stützt sich auf Art. 13 EMRK, geht aber über diesen hinaus1660, da im Gemeinschaftsrecht ein umfassenderer Schutz durch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem Gericht gewährt wird1661. Dies gilt bei direktem und indirektem Vollzug des Gemeinschaftsrechts, wobei eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, wirksame Rechtsbehelfe vorzusehen, zwar dem Stand der Rechtsprechung entspricht1662, jedoch nach Auffassung einiger Mitglieder des Verfassungskonvents in Art. 47 GR-Charta nicht deutlich genug zum Ausdruck kommt1663. Rechtsschutz wird damit bei möglicher Verletzung „sämtlicher durch das Unionsrecht garantierten Rechte“1664 gewährt. Dies muß nicht notwendigerweise Primärrechtsschutz sein. Das EuG hat zu dieser Frage in der Rechtssache Philip Morris International u.a. / Kommission jüngst Stellung genommen1665: ___________ 1660

Siehe die Erläuterungen des Präsidiums zum vollständigen Wortlaut der Charta (CHARTE 4473/00 CONVENT 49), abgedruckt in EuGRZ 2000, S. 559 ff., zu Art. 47 Abs. 1. 1661 Erläuterungen des Präsidiums zu Art. 47 Abs. 1, a. a. O. (oben, S. 360, Fn. 1660). Seit EuGH, Urt. v. 5.5.1986, Rs. 222/84 – Johnston, Slg. 1986, 1651. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 15.10.1987, Rs. 222/86 – UNECTEF, Slg. 1987, 4097 2. Leitsatz; EuGH, Urt. v. 3.12.1992, Rs. C-97/91 – Oleificio Borelli, Slg. 1992, I-6313: „[…] eine entsprechende Klage ist somit zulässig, selbst wenn die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies in einem solchen Fall nicht vorsehen.“ Gerade diese Tatsache ist in den Diskussionen ein zentraler Punkt gewesen, vgl. N. Bernsdorff / M. Borowsky, Die Charta der Grundrechte, Protokolle, 2002, S. 176 f, 375 f. 1662 Siehe nur EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 Rdnr. 41 f. 1663 Schlußbericht des Vorsitzenden der Gruppe II – „Einbeziehung der Charta / Beitritt zur EMRK“ an die Mitglieder des Konvents vom 22.10.2002 (CONV 354/02), einsehbar unter: http://register.consilium.eu.int/pdf/de/02/cv00/00354d2.pdf), S. 16: „Einige Mitglieder der Gruppe verwiesen auf die Möglichkeit, in den Vertrag eine Bestimmung aufzunehmen, nach der die Mitgliedstaaten […] verpflichtet wären, zum Schutz der Rechte, die sich aus den Rechtsvorschriften der Union ergeben, wirksame Rechtsbehelfe vorzusehen.“ 1664 Siehe die Erläuterungen des Präsidiums zum vollständigen Wortlaut der Charta (CHARTE 4473/00 CONVENT 49), abgedruckt in EuGRZ 2000, S. 559 ff., zu Art. 47 Abs. 1. 1665 EuG, Urt. v. 15.1.2003, verb. Rs. T-377/00, T-379/00, T-380/00, T-260/01 und T-272/01 – Philip Morris International u.a. / Kommission, Slg. 2003, II-1 Rdnr. 121 ff. Hervorhebung hinzugefügt.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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„Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf für jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, ist erneut in Art. 47 der […] Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt worden, die zwar keine rechtliche Bindungswirkung hat, aber die Bedeutung der in ihr genannten Rechte in der Gemeinschaftsrechtsordnung zeigt. Dazu ist festzustellen, daß den Rechtsunterworfenen aufgrund der Tatsache, daß ein Verhalten ohne Entscheidungscharakter nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann, nicht der Zugang zu den Gerichten versagt wird, da noch die Möglichkeit einer Klage aus außervertraglicher Haftung nach den Art. 235 und 288 Abs. 2 EG besteht, wenn ein solches Verhalten dazu angetan ist, die Haftung der Gemeinschaft auszulösen. Auch wenn es im Übrigen wünschenswert erscheinen mag, daß der Einzelne neben der Schadensersatzklage über einen Rechtsbehelf verfügt, der es erlaubt, Verhaltensweisen der Organe ohne Entscheidungscharakter, die seine Interessen beeinträchtigen können, zu verhindern – oder zu beenden –, so ist doch festzustellen, daß ein derartiger Rechtsbehelf […] im Vertrag nicht vorgesehen ist. Es ist aber nicht Sache des Gemeinschaftsrichters, sich an die Stelle der verfassungsgebenden Gewalt der Gemeinschaft zu setzen […].“

Das in Art. 47 Abs. 1 GR-Charta kondensierte gemeinschaftsrechtliche Leitbild des Rechtsschutzes umfaßt demnach – wie das deutsche System1666 – zwei Elemente: er ist individueller Schutz, d.h. zuvörderst Schutz des Individuums – nicht Schutz der objektiven Rechtsordnung. Er ist aber auch subjektiver Rechtsschutz, schützt also die Rechte des Individuums und nicht auch dessen bloße Interessen oder Belange. Die dezentrale Struktur des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzsystems und die größere Reichweite individueller Rechte bringt indes geringere Anforderungen für die Ausgestaltung des gerichtlichen Schutzes um den zentralen Begriff des individuellen Rechts hervor, als dies im deutschen Recht der Fall ist1667. Die Rechtsschutzgarantie beansprucht weit weniger als Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG Exklusivität für die individuelle Funktion des gerichtlichen Schutzes. Das (nationale) Prozeßrecht kann daher die Initiativberechtigung auch bei bloßer Tangierung von Interessen des einzelnen gewähren; es bleibt dann bei einem Erfordernis der Individualisierung, das anderen Kriterien genügen muß als diejenigen, welche die gemeinschaftsrechtlich vermittelten individuellen Rechte bieten. Aus der Rechtsschutzgarantie ergeben sich lediglich Mindestanforderungen. Die Grundentscheidung, den Rechtsschutz um den zentralen Begriff der Verletzung individueller Rechte zu strukturieren, muß freilich als Leitbild noch erkennbar sein. Dies setzt objektiven Kontrollverfahren oder gänzlich entindividualisierten „Rechtsmitteln im Interesse des Gemeinschaftsrechts“1668 bestimmte prinzipielle Grenzen, wenn und soweit der ___________ 1666

Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1), S. 139. A. Epiney, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 362 [398] spricht insoweit in Abgrenzung zu der prozessual begründeten Interessentenklage französischer und schweitzerischer Prägung von einer „normativen Interessentenklage”. 1668 Art. 62 Abs. 1 EG-Satzung-EuGH (Fundstelle oben, S. 312 Fn. 1357) sieht vor: „Wenn in Fällen [in denen das EuG letztinstanzlich entscheidet] der Erste Generalanwalt 1667

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

einzelne als Legitimationsgrund des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzsystems nicht mehr erkennbar wird. Insoweit bewahrt die gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzgarantie eine größere Offenheit als Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Sie beansprucht für den Individualrechtsschutz keine Exklusivität, erschöpft sich aber auch nicht in inhaltlicher Neutralität. (b) Keine Konstituierung individueller Rechte Gewährt die Rechtsschutzgarantie individuellen Rechtsschutz und stellt sie insoweit selbst ein individuelles Recht dar, kommt ihr ebensowenig wie Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG für die zu schützenden individuellen Rechte konstitutive Bedeutung zu. Das „Butterfahrten“-Urteil1669 oder die Rechtssache San Giorgio1670 machen dies deutlich. Dieses Recht stellt „[…] eine Folge und eine Ergänzung der Rechte dar […], die den einzelnen durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften eingeräumt worden sind […].“1671

Die Rechtsschutzgarantie begründet weder selbst individuelle Rechte noch verlangt sie eine konkrete Einräumung materieller Rechte, die sich ohne weiteres aus ihr deduzieren ließen. Sie stellt lediglich sicher, „[…] daß die staatlichen Gerichte, soweit die fraglichen Vorschriften den einzelnen Rechte einräumen, welche die Gerichte zu beachten haben, den Schutz dieser Rechte zu gewährleisten gehalten sind […]“1672,

und entfaltet insoweit eine bei der Interpretation verdeutlichende, verstärkende, entlastende oder aber auch: begrenzende1673 Funktion.

___________ der Auffassung ist, daß die ernste Gefahr einer Beeinträchtigung der Einheit oder der Kohärenz des Gemeinschaftsrechts besteht, so kann er dem Gerichtshof vorschlagen, die Entscheidung des Gerichts zu überprüfen.“ Klammerzusatz hinzugefügt. Dazu: C. O. Lenz, in: Walter-Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht, Die Reform der europäischen Institutionen, 2002, S. 9 [21]. 1669 EuGH, Urteil v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, S. 1805. Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(1), S. 302. 1670 EuGH, Urt. v. 9.11.1983, Rs. 199/82 – San Giorgio, Slg. 1983, 3595. 1671 EuGH, Urt. v. 9.11.1983, Rs. 199/82 – San Giorgio, Slg. 1983, 3595 Rdnr. 12. 1672 EuGH, Urt. v. 19.12.1968, Rs. 13/68 – Salgoil, Slg. 1968, 680 [694 f.]. 1673 EuGH, Urt. v. 26.9.2000, Rs. C-443/98 – Unilever Italia, Slg. 2000, I-7535 Rdnr. 50; vgl. die Ausführungen zum GATT 94 oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(4)(b), S. 296 ff.

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(c) Supponierung individueller Rechte Da die Rechtsschutzgarantie – mit Ausnahme des individuellen Rechts auf Rechtsschutz selbst – keine Rechte konstituiert, sondern deren Existenz vielmehr voraussetzt1674, weist sie dem Gemeinschaftsgesetzgeber eine bestimmte Rolle zu. Vor dem Hintergrund der obigen Feststellungen1675 kann diese Aufgabe allerdings nicht als mit einem ähnlich konkreten Ausgestaltungsauftrag verbunden angesehen werden, wie dies im deutschen Recht der Fall ist. Zwar stellt auch die Rechtsschutzgarantie ein Programm auf, welches den Gemeinschaftsgesetzgeber verpflichtet, das einfache Recht derart auszugestalten, daß dem einzelnen ein nach Art und Maß ausreichender Bestand individueller Rechte zur Verfügung steht, um seine dem gemeinschaftsrechtlichen Leitbild entsprechende Freiheitsverbürgung verwirklichen zu können1676. Allerdings entspricht der Gemeinschaftsgesetzgeber diesem Erfordernis schon dann, wenn und soweit er Interessen normativ anerkennt, die einer potentiellen Zuweisung an den einzelnen zu eigener Wahrnehmung zugänglich sind, ohne daß diese Zuweisung durch die Norm explizit bezweckt sein muß1677. Die potentiell größere Reichweite gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte und ihre nur bedingte Abstraktheit lassen die inhaltlich-restringierenden Wertungen weniger deutlich werden. Praktisch vollzieht sich eine Zuordnung der Interessenträgerschaft unter Aufnahme faktischer Elemente aufgrund von Wertungsgesichtspunkten, welche aus der Gesamtheit des das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normmaterials bezogen werden. Dies hat eine für den Gemeinschaftsgesetzgeber entlastende Wirkung; andererseits ist damit eine Verschiebung im gemeinschaftsrechtlichen Gewaltenverschränkungsmodell hin zu Exekutive und Judikative gegeben1678. Meint schon Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht, „den Kranz der rügefähigen subjektiven öffentlichen Rechte definitiv und exklusiv vom einfachen Gesetzgeber abstecken zu lassen“1679, sondern ihm die verfassungsrechtlich gebundenen Ausgestaltungsmöglichkeiten als legislatorischen Auftrag zuzuweisen, so gilt dies für die gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzgarantie in ___________ 1674

A. Eser, in: Meyer, GR-Charta, Art. 47 Rdnr. 4, 17. Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(3), S. 304 f. 1676 Dies ergibt sich nicht zuletzt aus Gründen der Kompetenz, vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(3), S. 304 f. 1677 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 327 ff. und genauer unten, Zweites Kapitel – C.III.2.a)(1)(c), S. 377 ff. und C.III.2.b), S. 384 ff. 1678 Illustratives Beispiel stellt Art. 18 EG dar. Seine Kombination mit Art. 12 EG eröffnet eine Weite gemeinschaftsrechtlicher Berechtigungen, die von den Mitgliedstaaten so sicher nicht beabsichtig war. Siehe nur EuGH, Urt. v. 12.5.1998, Rs. C-85/96 – Martínez Sala, Slg. 1998, I-2691 Rdnr. 61–63 und oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(f), S. 275 f. 1679 H. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 382. 1675

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

stärkerem Maße. Die Entscheidung des Normgebers über die individuelle Berechtigung beschränkt sich auf die Gewährung einer objektiv rechtlichen Begünstigung und in deren Rahmen auf möglichst genaue Direktiven einer kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung. In dem Umfang, in dem er auf diese Direktiven verzichtet, gibt er Ausgestaltungsmöglichkeiten ab und weist Verwaltung und Rechtsprechung die Kolorierung des durch die Rechtsschutzgarantie mit skizzierten Bildes zu. Telos der Rechtsschutzgarantie in einem zweispurigen System bleibt jeweils auch, daß „[…] die nützliche Wirkung (‚effet utile‘) einer […] Maßnahme abgeschwächt [würde], wenn die einzelnen sich vor Gericht hierauf nicht berufen und die staatlichen Gerichte sie nicht als Gemeinschaftsrecht berücksichtigen könnten. […]“ 1680

Diese Zielsetzung, verbunden mit der großzügigen Handhabung bei der Ermittlung individueller Rechte als Positionen und Relationen, bringt es mit sich, daß man mit der Auslegungsregel „in dubio pro communitate“ einer Vermutungsregel „in dubio pro cive“1681 schon recht nahe kommt1682. Letztere läßt sich aus der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzgarantie indes nicht deduzieren. In ihr verwirklich sich das Prinzip der Rechtsgemeinschaft1683 als „tragendes Element der rechtsstaatlichen Ordnung“1684, welche die Gemeinschaft von anderen internationalen Organisationen unterscheidet und sie in die Nähe des Typus Verfassungsstaat rückt; denn Verfassungscharakter der Verträge und die Rechtsschutzgarantie stehen – wie der EuGH betont hat – in einem untrennbaren Zusammenhang1685. „Die wesentlichen Merkmale der so verfaßten Rechtsordnung der Gemeinschaft sind ihr Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten und die unmittelbare Wirkung zahlreicher für ihre Staatsangehörigen und für sie selbst geltender Bestimmungen.“1686

Die Rechtsschutzgarantie enthält keine allgemeine Auslegungsregel, aber einen Hinweis auf die zentrale Stellung des einzelnen auf den von ihr zugrunde gelegten Begriff des individuellen Rechts, dem ein personales Element innezu___________ 1680

EuGH, Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/74 – Van Duyn, Slg. 1974, 1337 Rdnr. 12 ff. Vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 5.2.1963, 2 BvR 21/60, BVerfGE 15, S. 275 [281] und die Nachweise oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1)(d), S. 143 Fn. 515. 1682 Vgl. noch einmal EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [26]. 1683 W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 453. 1684 H. Krüger / M. Sachs, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 19 Überschrift vor Rdnr. 104. 1685 EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 – EWR Vertrag I, Slg. 1991, I-6079 Rdnr. 21 ff. 1686 EuGH, Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 – EWR Vertrag I, Slg. 1991, I-6079 Rdnr. 21. 1681

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wohnen hat. Rechtsschutzgarantie bedeutet auch, den einzelnen nicht auf eine bloße Zubringerfunktion, auf ein dem Rechtssystem als solchem dienliches Objekt ohne eigene Wertigkeit zu reduzieren. Sie garantiert nicht (nur), was rechtens ist, sondern auch und gerade, was dem einzelnen als Recht individuell zukommt. Die normative Binnenstruktur muß daher zumindest in ihrer Wirkung die Kategorien von Personalität und Individualität aufzunehmen und auszugestalten geeignet sein. Finden sich diese Elemente und sind die weiteren Voraussetzungen eines individuellen Rechts erfüllt, so supponiert die Rechtsschutzgarantie diese Rechte, indem sie diese einerseits voraussetzt und unterstellt, andererseits unterlegt und stützt. (3) Mobilisierung, aber keine Instrumentalisierung des Bürgers Vor diesem Hintergrund kann eine utilitaristische Reduktion individueller Rechte auf einen bloßen Kontrollfaktor – wie sie in der Rechtsprechung des EuGH durchaus anklingt1687 – zur effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts keinen Bestand haben. Eine Gemeinschaftsgewalt, die um ihre Wirksamkeit kämpfen muß, kann auf eine Unterstützung durch den einzelnen nicht verzichten und darf auf diesen zählen, zumindest soweit sie deregulierend oder umverteilend und vorsorgend tätig wird1688. Aus dieser „Mobilisierungsfunktion“1689 auf einen geringen Stellenwert des Individuums und auf eine mangelnde verfassungsrechtliche Dignität individueller Rechte zu schließen, ist unangebracht. Von dort ist es dann nicht weit zu einer pejorativen Beschreibung individueller Rechte als bloße „Sanktionskategorie“1690, die Bürgern die Stellung von ___________ 1687

Vgl. noch einmal EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [26]. 1688 W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 463. 1689 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997; S. 56 f, 83 und passim. 1690 BVerfG, Beschl. v. 8.4.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 [242] im Hinblick auf Richtlinien; ebenso FG München, Urt. v. 21.6.1990, 14 K 14166/83, EuZW 1990, S. 582. Indem die Gemeinschaft dem Bürger wirtschaftliche und politische Rechte einräumt und in so immediatisiert, schafft sie ein Europa nicht nur der Staaten, sondern auch der Bürger. Der von BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 [189] („Maastricht“) eingeführte Begriff des „Staatenverbundes“ suggeriert hingegen, daß im Gemeinschaftsrecht allein die Mitgliedstaaten einen rechtlichen status besitzen und weist dem einzelnen eine abgeleitete Stellung zu. Dagegen ist seine Stellung aus Sicht des EuGH in der neuen Rechtsgemeinschaft originär und für diese Rechtsgemeinschaft in spezifischer Weise kennzeichnend, vgl. W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 455 mit Fn. 755 und U. Everling, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1161 [1167]: „[…] zumindest auch partiell ‚Bürgerverbund‘“.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„Blockwarten“1691 zuweist. Die Wächterfunktion1692 des Bürgers stellt ein wichtiges Charakteristikum individueller Rechte dar, die die individuelle Freiheit des einzelnen indes nicht auf eine Funktion des Gemeinwohls1693 reduzieren kann. Die für ein modernes Gemeinwesen unverzichtbare Doppelfunktion individueller Rechte – einerseits Ausübung von Hoheitsgewalt zu steuern und zu begrenzen und andererseits die auf Sicherung von Freiheit und Gleichheit gerichteten Interessen der einzelnen zur Entfaltung zu bringen1694 – mobilisiert so den einzelnen, ohne ihn indes zu instrumentalisieren. (4) Parallelität von Rechtsschutzgarantie und „invocabilité“ Die Rechtsschutzgarantie gewährleistet bei (möglicher) Verletzung individueller Rechte – nicht nur solcher des Gemeinschaftsverfassungsrechts – die Klagbarkeit. Sie verweist damit auf individuelle Rechte als Fundament ihrer Verankerung. Sie ist gemeinschaftsverfassungsrechtlich verbürgte Folge eines individuellen Rechts, nicht jedoch Entstehensvoraussetzung, da sie anderenfalls überflüssig oder bestenfalls deklaratorisch wäre. Individuelle Rechte haben den Rechtsschutz nicht zum Inhalt. Der Rechtsschutz verhält sich modal zum Recht. Die Berufungsfähigkeit („invocabilité“) kann daher kein konstitutives Entstehenselement individueller Rechte sein. Die „invocabilité“ muß nach zutreffender Ansicht1695 materiell-rechtlich eingeordnet werden. Dies bedeutet demnach nicht, daß sie effektuierbar ist, sondern nur, daß sie dem individuellen Recht intentional zu eigen ist. Denn Identität von Recht und Rechtsschutz besteht auch im Gemeinschaftsrecht nicht; vielmehr folgt das Gemeinschaftsrecht dem Grundgedanken der Parallelität. Die Effektuierung der Berufungsmöglichkeit bleibt auf die Rechtsschutzgarantie angewiesen, welche ihrerseits auf sie als begriffliches Bindeglied verweist. Hierauf wird zurückzukommen sein1696.

___________ 1691 K. Kindler, in: Hegele / Röger, Umweltschutz durch Umweltinformation, 1993, S. 63 [77]. 1692 I. Pernice, NVwZ 1990, S. 414 [423]. 1693 Siehe dazu grundlegend: E.-W. Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, 1973. 1694 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.III.1.a)(2), S. 351. 1695 Oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 331 mit Fn. 1483. 1696 Vgl. unten, Zweites Kapitel – C.III.2.c), S. 405 f. und bereits oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 329 und S. 331 mit Fn. 1483.

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c) Zwischenbilanz Die Gründe für individuelle Rechte entfalten sich aus der Stellung des einzelnen im primären Gemeinschaftsrecht. Das Primärrecht stellt den Schutz des einzelnen auf doppelte Weise sicher. Einerseits erlaubt und gebietet es, auf der Ebene des sekundären Rechts individuelle Rechte zu schaffen und stellt für diese Rechte die gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzgarantie zur Verfügung. Andererseits normiert es nicht nur Gründe für individuelle Rechte, sondern auch Sätze über individuelle Rechte des Verfassungsrechtskreises, die als solche den Eigenbereich des einzelnen dem Grunde und dem Prinzip nach gewährleisten. Die Gründe für individuelle Rechte finden sich nicht (nur) in den Grundfreiheiten und Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte. Die kraft Gemeinschaftsrecht notwendigen selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereiche, die auch Bereiche gemeinwohlbezogenen individuellen Engagements umfassen, stellen die innere Berechtigung einer dem Völkerrecht entwachsenen und den einzelnen als Subjekt einbeziehenden Rechtsordnung sui generis dar. Dabei repräsentieren die die individuellen Belange übersteigenden, um der Gemeinschaft willen bestehenden Verbürgungen von Freiheit einen gewichtigen Aspekt der Mobilisierung, der indes nicht mit einer Instrumentalisierung des einzelnen gleichzusetzen ist. Einen gewichtigen Grund individueller Rechte bildet die gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzgarantie. Diese formuliert einerseits einen legislatorischen Auftrag; sie ist zweitens die in Erfüllung dieses Auftrages formulierten Rechte zu supponieren bestimmt und sichert drittens eine gemeinschaftsweite Parallelität – nicht: Identität1697 – von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzbarkeit. Das gesamte Gemeinschaftsrecht baut auf individuelle Rechte als die verschränkten Gewalten steuernde und begrenzende Faktoren, die gleichzeitig die auf Sicherung von Freiheit und Gleichheit gerichteten Interessen der einzelnen zur optimalen Entfaltung bringen1698; dies stellt für die Vorgehensweise bei der – nun näher zu beschreibenden – Ermittlung individueller Rechte die interpretatorische Richtschnur dar.

___________ 1697 1698

Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 331 mit Fn. 1483. W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 463.

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2. Ermittlung individueller Rechte – das gemeinschaftsrechtliche Verständnis bei der Auslegung von Sätzen über Positionen und Relationen Die dargestellten Entwicklungslinien der Diskussion um individuelle Rechte haben ergeben1699, daß es auch im Gemeinschaftsrecht drei Gesichtspunkte bei der Ermittlung individueller Rechte zu berücksichtigen gilt. Das Erfordernis der inhaltlichen Unbedingtheit und Bestimmtheit des Rechtssatzes (unmittelbare Anwendbarkeit) verweist auf die Normativität individueller Rechte [a)]. Mangels generellen Normvollziehungsanspruches bedarf es eines Individualbezuges in sachlicher und personeller Hinsicht [b)], um die gemeinschaftsrechtliche „invocabilité“ zu vermitteln [c)]. a) Der Rechtssatz Das Merkmal des unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes stellt spätestens1700 seit der Rechtssache Van Gend en Loos1701 die Besonderheiten der Gemeinschaftsrechtsordnung und die Stellung des einzelnen in dieser Rechtsordnung heraus. „Das von der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten unabhängige Gemeinschaftsrecht soll […] den einzelnen, ebenso wie es ihnen Pflichten auferlegt, auch Rechte verleihen. Solche Rechte entstehen nicht nur, wenn der Vertrag dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch aufgrund von eindeutigen Verpflichtungen, die der Vertrag den einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Gemeinschaft auferlegt.“1702

Dogmatisches Fundament jedes individuellen Rechts ist daher der jeweilige Rechtsakt respektive Rechtssatz. (1) Die Normativität als dogmatisches Fundament Kann das individuelle Recht als an Normen ausgerichtet beschrieben werden, so enthält dies zunächst eine gewichtige Aussage hinsichtlich der Kompetenzen (a). Aufgrund der Tatsache, daß der Rechtsakt nicht aus sich heraus den ___________ 1699 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(a)iii), S. 324 ff. und Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 327 ff. 1700 Vgl. zur Entwicklung noch einmal oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(a), S. 236 f. 1701 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1. Dazu oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(b), S. 239 ff. 1702 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [25]. Hervorhebung hinzugefügt.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Zweck verfolgen muß, einzelne aus eigener Kraft zu begünstigen, kommen sowohl den Attributen, welche der Rechtssatzabhängigkeit im einzelnen zuzuschreiben sind (b), als auch der Faktizität (c) bei der Ermittlung von individuellen Rechten eine spezifische Rolle zu. Die partielle Indienstnahme des einzelnen als Grund individueller Rechte ermöglicht in besonderem Maße eine Rückanbindung objektiven Rechts an Sätze über individuelle Rechte als Positionen (d). (a) Normativität als Kompetenzproblem Die Einbeziehung des einzelnen als Subjekt des Gemeinschaftsrechts und damit die Frage der grundsätzlichen Eignung der Gemeinschaftsrechtsordnung zur Begründung individueller Rechte ist zwischenzeitlich beantwortet1703. Individuelle Rechte bestehen heute mit allgegenwärtiger Selbstverständlichkeit; dies trifft insbesondere für das Wirtschafts-(verwaltungs-)recht zu1704. Die sekundärrechtlichen individuellen Rechte teilen regelmäßig die allgemeinen Voraussetzungen und Begrenzungen des Sekundärrechts. Da die Verträge kein den Art. 70–75 GG vergleichbares System der Kompetenzverteilung kennen, hat sich das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung1705 des Art. 5 Abs. 1 EG1706, moderiert durch die Kompetenzausübungsschranken des Subsidiaritätsprinzips1707 und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Art. 5 Abs. 2 und 3 EG –, zum wirklichen Anknüpfungspunkt entwickelt. Eine generelle, auf das Instrument einer Individualrechtsbegründung gerichtete Befugnis sucht man vergeblich1708. Im Unterschied zu der wenigstens dem theoretischen An-

___________ 1703

B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 71. Dessen Inhalte sind nach prominenter Einschätzung heute zu 80 % gemeinschaftsrechtlich determiniert: J. Delors, Rede vor dem EP am 4.7.1988, Bull. EG 1988, Nr. 7/8, S. 124. 1705 Es hat seinen Ausdruck auch in Art. 249 Abs. 1 EG sowie Art. 5 EU gefunden. Mitunter wird auch von „Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit“ (T. Oppermann, Europarecht, 1991, Rdnr. 432), von dem „Prinzip der zugewiesenen Zuständigkeit“ (H.-W. Rengeling, VVDStRL Heft 53 (1994), S. 202 [231]) oder einfach von „Prinzip der begrenzten Ermächtigung“ (H. Bethge, in: Akademie für Politische Bildung Tutzing, Global denken, 2001. S. 13 [19]) gesprochen. Wie hier: BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 [192] („Maastricht“) und Art. I-9 Abs. 1 des Vertrages über eine Verfassung für Europa (Fundstelle oben, S.277 Fn. 1154). 1706 Vgl. dazu R. Streinz, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 15 [22 ff.]. 1707 Umfassend zum Subsidiaritätsprinzip C. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 1996. 1708 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 71. 1704

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satz nach allumfassenden Verbandskompetenz der Mitgliedstaaten1709 steht die Individualrechtsbegründung im Gemeinschaftsrecht unter dem Vorbehalt einer ausdrücklichen primärrechtlichen Kompetenzzuweisung. Dieses Prinzip hat in der Praxis namentlich durch Art. 95 EG1710 und die „Vertragsabrundungskompetenz“ des Art. 308 EG starke Erosionen erfahren1711. Ein Kompetenzverteilungsproblem im engeren Sinne liegt in der Funktionsbezogenheit der gemeinschaftsrechtlichen Befugnisnormen, die eine erweiternde Auslegung tendenziell erleichtert1712. Die zahlenmäßig meisten Rechtsakte der EG sind binnenmarktbezogen. Oft ist es nicht schwer, einen grenzüberschreitenden Wirtschaftsbezug herzustellen und damit eine Kompetenz zu begründen: Ein prominentes Beispiel hierfür bietet der Rundfunk1713. Beruft sich etwa ein privater Fernsehveranstalter auf Art. 11 Abs. 3 RL 89/552/EWG1714 zur Berechnung der zulässigen Zahl der Werbeunterbrechungen1715, so steht eben nicht nur die Ermittlung dieses konkreten Rechts, sondern jeweils gleichzeitig das gemeinschaftsrechtliche Kompetenzgefüge auf dem Prüfstand; gefragt wird nicht nur, was Inhalt des Rechts ist, sondern immer auch, was Inhalt des Rechts sein darf1716. Das Kompetenzgefüge verbietet es, tatsächlichen Interessenlagen schon von sich aus (gemeinschafts-)rechtliche Bedeutung beizumessen1717. Geltung einer bestimmten ___________ 1709 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 72; T. Oppermann, Europarecht, 1991, Rdnr. 430: „rechtsstaatlich gebändigte (‚verfaßte‘), aber virtuell ‚grenzenlose‘ Staatsgewalt“. 1710 H.-P. Schneider nennt ihn plastisch den „Generalschlüssel der Kommission“ (FAZ Nr. 212 v. 12.9.2002, S. 10). 1711 Ein Beispiel bietet die Rechtsetzungstätigkeit im Umweltbereich seit Mitte der siebziger Jahre, der bis zum Inkrafttreten der EEA keine ausdrückliche Kompetenzzuweisung entsprach, Vgl. dazu W. Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 35 ff. Der EuGH ist in Kompetenzfragen in jüngerer Zeit etwas sensibler geworden, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 20.3.2003, Rs. C-3/00 – Dänemark / Kommission (Lebensmittelzusatzstoffe), Slg. 2003, I-2643 Rdnr. 56 ff.; EuGH, Urt. v. 11.3.2003, Rs. C-186/01 – Dory, n. n. a. Slg. Rdnr. 29 ff. 1712 J. Bröhmer, Aus Politik und Zeitgeschichte 1999, Heft 16, S. 31 [39]. 1713 Zu diesem Problemkreis G. Ress / J. Bröhmer, Europäische Gemeinschaft und Medienvielfalt, 1998 einerseits und H. Bethge, in: Leonhard / Ludwig / Schwarze / Straßner, Medienwissenschaft, Bd. 3, 2002, S. 2761 [2768 ff.] andererseits. Der EuGH hat den Rundfunk schon früh der Dienstleistungsfreiheit zugeordnet: EuGH, Urt. v. 30.4.1974, Rs. 155/73 – Sacchi, Slg. 1974, 409 Rdnr. 6. 1714 RL 89/552/EWG in der Fassung der RL 97/36/EG („Fernsehrichtlinie“). 1715 EuGH, Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-6/98 – ARD, Slg. 1999, I-7599 Rdnr. 17. 1716 Zurückhaltend hinsichtlich der Unverfügbarkeit landesrechtlicher Kompetenzen insoweit: BVerfG, Beschl. v. 22.3.1995, 2 BvG 1/89, BVerfGE 92, 203 („EG-Fernsehrichtlinie“). Dazu: H. Bethge, in: FS für Karl Heinrich Friauf, 1996, S. 55 ff. 1717 Umgekehrt spricht die Kompetenz zur Begründung individueller Rechte auch gegen den überlegenswerten Ansatz von J. Ruthig, BayVBl. 1997, S. 289 [295 f.]: Er will die „Elfes-Konstruktion“ in den Fällen fruchtbar machen, in denen (aus deutscher Perspektive) keine subjektiv-öffentlichen Rechte, sondern objektives (Gemeinschafts)recht

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Norm heißt deren Zurechnung zu einem bestimmten Normensystem. Eine Norm wird einer Rechtsordnung zugerechnet, wenn der Wille des normsetzenden Subjekts auf einer Normsetzungsbefugnis beruht. Dieser Wille muß erkennbar sein und kann nicht durch generellen Verweis auf die Faktizität ersetzt werden. Es bedarf also einer Rückführung auf eine Kompetenz der Gemeinschaft; dem entspricht im Primärrecht die saubere Bestimmung des sachlichen und persönlichen Schutzbereiches. Insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmenden Schmälerung der faktischen Wirkmächtigkeit1718 des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung kommt der Normativität insoweit eine kompetenzsichernde und kompetenzwahrende Funktion zu. (b) Die Rechtssatzabhängigkeit Das individuelle Recht ist rechtssatzabhängig. Es wird durch Normen bestimmt, die Sätze über individuelle Rechte enthalten. Wie im deutschen Recht stellt die Qualität der Norm zunächst kein erhebliches Kriterium dar [i)]. Der Norm oder Normengruppe muß andererseits eine spezifische Bezogenheit auf den einzelnen innewohnen [ii)]. i) Qualitative Offenheit Was zunächst die qualitative Beschaffenheit der gemeinschaftsrechtlichen Norm betrifft, gilt im Gemeinschaftsrecht der gleiche Befund wie im deutschen Recht. Grundsätzlich kann jede Norm unabhängig von ihrer Stellung in der Normenhierarchie Sätze über individuelle Rechte enthalten. Auch Normen völkerrechtlicher Provenienz stellen insoweit keine Ausnahmen dar, da ihnen diese Fähigkeit durch die Rechtsprechung aus anderen Gründen als ihrer hierarchischen Stellung abgesprochen wird1719. Ebenso ist die bedingte Unabhängigkeit von der Qualität als Satz des Außenrechtskreises auch dem Gemeinschaftsrecht bekannt. So kann der Geschäftsordnung der Kommission unter Umständen Außenwirkung zukommen1720; auch die zahlreichen Leitlinien und Mitteilungen der Kommission – etwa zur Aus___________ in Rede steht. Das verletzte Recht ergibt sich nach J. Ruthig aus Art. 2 Abs. 1 GG, an dessen Schutzbereich die fragliche gemeinschaftsrechtliche Norm angebunden wird. Dieses Ergebnis muß aus Gründen der gemeinschaftsrechtlichen Kompetenz zur Begründung individueller Rechte ausscheiden. 1718 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 73. 1719 Oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(4), S. 293 ff., 299. 1720 EuGH, Urt. v. 15.6.1994, C-137/92 P – Kommission / BASF u.a. (PVC-Kartell), Slg. 1994, I-2555 Rdnr. 61 ff.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

übung ihres Ermessens nach Art. 87 Abs. 3 EG1721 – können über eine Selbstbindung Außenwirkung entfalten. Im Bereich des Kartellrechts hat die Kommission praeter legem zunehmend den Ausweg gewählt, den größten Teil der bei ihr anhängigen Verfahren durch sog. Verwaltungsschreiben (comfort letter) abzuschließen1722. Diese Verwaltungsschreiben sind weder Negativattest noch Freistellungsentscheidung; umgekehrt sind sie aber auch kein bloßes rechtliches nullum, weil auch sie zu einer verwaltungsrechtlichen Selbstbindung der Kommission gegenüber dem Adressaten führen1723. Graduell ist die Rechtsprechung in der Frage der Selbstbindung freilich restriktiver als die Judikatur im deutschen Recht1724. Von einer verbindlichen „sonstigen Rechtshandlung“ bei Zusagen im Verfahren geht in der Literatur nur Eberhard Grabitz aus1725. Die von ihm als Beleg aufgeführten Rechtssachen Frubo / Kommission1726 und Klöckner / Kommission1727 betrafen aber jeweils Fälle, in denen der rechtsverbindliche Charakter gerade verneint worden ist. Auch in der übrigen hierzu ergangenen Rechtsprechung1728 wurde eine Selbstbindung im Ergebnis immer abgelehnt1729. ___________ 1721 Mitteilung der Kommission über „de minimis“-Beihilfen, ABl. C 68 v. 6.3.1996, S. 9; Mitteilung der Kommission – Gemeinschaftsrahmen für Ausbildungsbeihilfen, ABl. C 343 v. 11.11.1998, S. 10; Mitteilung der Kommission – Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen ABl. C 37 v. 3.2.2001, S. 3. 1722 G. Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 1999, § 1 Rdnr. 33. 1723 K. Schmidt, in: FS für Bodo Börner, 1992, S. 789 [792]; A. Gleiss / M. Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Bd. 1, Art. 85 Rdnr. 1834. Diese Selbstbindung ist freilich nur von begrenztem Wert, weil die Kommission in diesen Schreiben regelmäßig einschränkend auf die ihr bekannten Tatsachen verweist; G. Wiedemann, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 1999, § 1 Rdnr. 33. 1724 Zu pauschal daher: F. Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 6. Aufl. 1999, Rdnr. 88 und 77. 1725 E. Grabitz, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 2, Art. 189 Rdnr. 66. 1726 EuGH, Urt. v. 15.5.1975, Rs. 71/74 – Frubo / Kommission, Slg. 1975, 563. 1727 EuGH, Urt. v. 11.5.1983, Rs. 303/81 – Klöckner / Kommission, Slg. 1983, 1507. 1728 EuGH, Urt. v. 6.2.1986, Rs. 162/84 – Vlachou / Rechnungshof, Slg. 1986, 481; EuG, Urt. v. 6.4.1995, Rs. T-141/89 – Tréfileurope Sales / Kommission, Slg. 1995, II-791. 1729 Insgesamt sind in diesem Bereich vier Argumentationsansätze auszumachen: Der Inhalt der (behaupteten) Erklärung als solcher reicht nicht aus, einen rechtsverbindlichen Eindruck zu wecken (Fälle EuGH, Urt. v. 11.5.1983, Rs. 303/81 – Klöckner / Kommission, Slg. 1983, 1507; EuGH, Urt. v. 15.5.1975, Rs. 71/74 – Frubo / Kommission, Slg. 1975, 563); die Umstände reichen hierfür nicht aus (EuG, Urt. v. 6.4.1995, Rs. T141/89 – Tréfileurope Sales / Kommission, Slg. 1995, II-791); fehlende Ermächtigung der Erklärenden (EuG, Urt. v. 6.4.1995, Rs. T-141/89 – Tréfileurope Sales / Kommission, Slg. 1995, II-791 und EuGH, Urt. v. 15.5.1975, Rs. 71/74 – Frubo / Kommission, Slg. 1975, 563); kein Vertrauensschutz im Hinblick auf rechtswidrige Handlungen (EuGH, Urt. v. 11.5.1983, Rs. 303/81 – Klöckner / Kommission, Slg. 1983, 1507 und EuGH, Urt. v. 6.2.1986, Rs. 162/84 – Vlachou / Rechnungshof, Slg. 1986, 481).

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Schließlich können individuelle Rechte auf die Einhaltung der Bindungswirkung von normativ belassenen Spielräumen gerichtet sein1730. Der EuGH versteht unter dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff des „Ermessens“ jeden den Organen und insbesondere der Kommission durch einschlägige Normen eröffneten Entscheidungs-, Beurteilungs- oder Gestaltungsspielraum1731; eine Differenzierung zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgenseite ist dem Gemeinschaftsrecht fremd. Wann und unter welchen Voraussetzungen ein solches Ermessen besteht, ist nicht immer ganz eindeutig1732. Insbesondere im Bereich des Entschließungsermessens lassen sich Ausnahmen ausmachen. So existiert etwa einen Anspruch auf Tätigwerden der Kommission gegen einen Mitgliedstaat im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens nach ständiger Rechtsprechung nicht1733. Steht jedoch fest, daß ein Ermessen eingeräumt ist, so ist dessen Mißbrauch bei Erlaß der Maßnahme dann gegeben, „wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß [die Maßnahme] zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde.“1734

Dies darf trotz der offensichtlichen Anlehnung an den französischen Begriff des „détournement de pouvoir“ nicht einfach mit einer Zweckverfehlung aufgrund einer Verfolgung subjektiv rechtswidrige Zwecke gleichgesetzt werden1735; vielmehr können auch die dem deutschen Recht bekannten Ermessensfehler gegeben sein1736. Denn, so der EuGH zur Frage der Haftung in der Rechtssache Kommission / Camar und Tico1737, wenn ___________ 1730

C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [667]. H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 191 ff.; J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 1988, Bd. 1, S. 281; H.-U. Erichsen / R. Weiß, Jura 1990, S. 528 [533]; M. Pagenkopf, NVwZ 1993, S. 216 [220]. 1732 H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 191. 1733 EuGH, Urt. v. 14.2.1989, Rs. 247/87 – Star Fruit / Kommission, Slg. 1989, 291, Rdnr. 10 ff.; EuGH, Beschl. v. 12.6.1992, Rs. C-29/92 – Asia Motor France S.A. u.a. / Kommission, Slg. 1992, I-3935, Rdnr. 21; EuG, Beschl. v. 14.12.1993, Rs. T-29/93 – Calvo Alonso-Cortés / Kommission, Slg. 1993, II-1389, Rdnr. 55; EuGH, Urt. v. 20.2.1997, Rs. C-107/95 P – Bundesverband der Bilanzbuchhalter e.V. / Kommission, Slg. 1997, I-947 ff. Rdnr. 26 mit Anm. A. Rainer, IStR 1997, S. 192 und R. von Borstel, Stbg 1997, S. 348 ff. 1734 EuGH, Urt. v. 21.6.1984, Rs. 69/83 – Lux / Rechnungshof, Slg. 1984, 2447 Rdnr. 30. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 15.3.1967, Rs. 35/65 – Gutmann / Kommission, Slg. 1967, S. 80; EuGH, Urt. v. 13.11.1990, Rs. 331/88 – Fedesa u.a., Slg. 1990, I-4023. 1735 M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 487. 1736 H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 192. Vgl. EuGH, Urt. v. 16.6.1966, verb. Rs. 52 und 55/65 – Deutschland / Kommission, Slg. 1966, S. 220 [237]. Nach anderer Auffassung ist hier kein Fall des Ermessensmißbrauchs, sondern der Klagegrund der Vertragsverletzung an1731

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„[…] dieses Organ nur über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügt, kann die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen. Aus dem Voranstehenden ergibt sich, daß das entscheidende Kriterium […] ist, […] über welchen Gestaltungsspielraum das Organ […] verfügte.“

Die Ausübung normativer Spielräume wird durch die Reichweite und das Ziel der Ermächtigungsnorm, durch die Pflicht zur gewissenhaften Ermittlung des Sachverhalts sowie Verfahrensvorschriften und allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts begrenzt1738. Ob die gerichtliche Kontrolldichte insgesamt geringer1739 oder höher als im deutschen Recht ist, läßt sich pauschal nicht beantworten. In der Tendenz prüft der EuGH insbesondere normative Spielräume bei mitgliedstaatlichem Vollzug zunehmend genauer1740. Da das Gemeinschaftsrecht stärker durch Aufgaben- und Zielvorgaben geprägt ist als das weiterhin dem Konditionalprogramm verhaftete deutsche Recht, fällt die Subsumtionskontrolle in der Gesamtschau wohl teilweise begrenzter aus, wird aber durch andere rechtsstaatliche Anforderungen flankiert1741. Die Einhaltung der normativ belassenen Spielräume ist im Ergebnis jedenfalls genauso individualrechtlich strukturiert, wie dies im deutschen Recht der Fall ist. Das Zusammenspiel der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzgarantie und des Anwendungsvorranges bewirkt insbesondere, daß eine individuelle Rechte begründende oder zu ___________ zunehmen, so H. Krück, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EWGV, 4. Aufl. 1991, Art. 173 Rdnr. 93 und M. Ahlt, Europarecht, 2. Aufl. 1996, S. 65. 1737 EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-312/00 P – Kommission / Camar und Tico, Slg. 2002, I-11355 Rdnr. 54 ff. 1738 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 446. Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-269/90 – Technische Universität München, Slg. 1991, I-5469: Die Technische Universität München hatte sich gegen die Festsetzung von Zöllen für Mikroskope aus japanischer Herstellung durch die deutschen Behörden gewehrt. Eine Zollbefreiung setzte voraus (Art. 3 Abs. 1 der damals geltenden VO 1798/75/EWG), daß in der Gemeinschaft keine „Geräte von gleichem wissenschaftlichen Wert“ hergestellt werden. Der EuGH hob die Entscheidung der beigezogenen Kommission (Art. 7 Abs. 2 der damals geltenden VO 2784/79/EWG) auf, welche sich auf das Votum einer Sachverständigengruppe gestützt hatte. Er überprüfte dabei deren Zusammensetzung, das Verfahren sowie die Begründung. 1739 C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 175 ff. 1740 So etwa im Zollrecht, vgl. J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 1988, Bd. 1, S. 479; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 447. Vgl. aber auch EuGH, Urt. v. 20.3.2003, Rs. C-3/00 – Dänemark / Kommission (Lebensmittelzusatzstoffe), Slg. 2003, I-2643 Rdnr. 56 ff.: Ein Mitgliedstaat, der die Beibehaltung abweichender nationaler Bestimmungen beantragt, kann sich darauf berufen, daß er die Gefahr für die öffentliche Gesundheit anders bewertet, als es der Gemeinschaftsgesetzgeber getan hat. 1741 Illustrativ EuG, Urt. v. 18.9.1995, Rs. T-167/94 – Nölle / Rat, Slg. 1995, II-2589 Rdnr. 73 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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begründen geeignete Richtlinie nicht dergestalt umgesetzt werden darf, daß die Verwirklichung der individuellen Rechte im gerichtlich nicht mehr überprüfbaren Belieben der Exekutive liegt. Gemeinschaftsrechtlich verbürgt ist nämlich „[…] daß sich einzelne dann, wenn der Gesetzgeber oder die Verwaltung eines Mitgliedstaats das ihnen durch [die] Richtlinie eingeräumte Ermessen überschritten haben, vor dem Gericht eines Mitgliedstaats gegenüber den nationalen Stellen auf diese Bestimmungen berufen und dadurch erreichen können, daß diese nationale Vorschriften oder Maßnahmen außer Betracht lassen, die mit diesen Bestimmungen unvereinbar sind.“1742

An ein grundlegendes Erfordernis bleiben mangels allgemeinen Normvollziehungsanspruchs auch die gemeinschaftsrechtlichen Normen gebunden: Individuelle Rechte kann es dann nicht geben, wenn eine Norm keine noch so weitmaschige objektivrechtliche Achtungspflicht enthält oder begründet. Wie im deutschen Recht ist dies dann der Fall, wenn und soweit sich Normen, etwa Kompetenznormen, Gesetzesvorbehalte oder Ermächtigungen, objektiv-rechtlich in ihrer befugnisbegründenden Bedeutung erschöpfen1743. ii) Quantitative Offenheit Der Offenheit hinsichtlich der Qualität der Norm entspricht – anders als im deutschen Recht1744 – im Gemeinschaftsrecht auch eine quantitative Offenheit. Zwar steht auch dort meist eine Norm in Rede, welche den Satz über das individuelle Recht enthalten soll. Doch ist es dem Gemeinschaftsrecht durchaus nicht fremd, den Satz über ein individuelles Recht einem Chor verschiedener Bestimmungen zu entnehmen. Das Phänomen der Suche nach einem jeweils bestimmten Rechtssatz, welches im deutschen Recht anhand des „Altenwerder Fischers“1745 deutlich gemacht wurde, ist dem Gemeinschaftsrecht unbekannt. So hat etwa der EuGH in der Grundwasser-Entscheidung ausgeführt1746: „Die in Rede stehende Richtlinie1747 soll einen wirksamen Schutz des Grundwassers der Gemeinschaft sicherstellen, indem sie die Mitgliedstaaten durch genaue und de-

___________ 1742

EuGH, Urt. v. 16.9.1999, Rs. C-435/97 – World Wildlife Fund, Slg. 1999, I-5613 Rdnr. 68 ff. 1743 Wiederum (vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(a)i) ), S. 154) bedeutet dies nur, daß sie keine Sätze über individuelle Rechte enthalten, und heißt nicht, daß diese objektivrechtlichen Bestimmungen für individuelle Rechte keine Bedeutung hätten. Sie sind lediglich nicht geeignet, als normative Basis eines individuellen Rechts zu dienen; sie bedürfen der normativen Rückanbindung. 1744 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(a)ii), S. 155 ff. 1745 Siehe oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(a)ii) ), S. 158 ff. 1746 EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, I-825 Rdnr. 6. Hervorhebung hinzugefügt. 1747 RL 80/68/EWG. 



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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

taillierte Vorschriften verpflichtet, eine zusammenhängende Regelung von Verboten, Genehmigungen und Überwachungsverfahren zu erlassen, um Ableitungen bestimmter Stoffe zu verhindern oder zu begrenzen. Die Vorschriften der Richtlinie sollen also Rechte und Pflichten des einzelnen begründen.“

Dies bedeutet nicht, daß immer auf den normativen Gesamtkontext abzustellen wäre. Denn – so der EuGH in der Rechtssache Becker1748 – trotz eines Gestaltungsspielraumes zur Regelung eines Rechtskomplexes „[…] kann den einzelnen nicht versagt werden, sich auf diejenigen Bestimmungen zu berufen, die angesichts ihres Gegenstands geeignet sind, aus dem Gesamtzusammenhang gelöst und gesondert angewendet zu werden.“

Diese Sichtweise entbehrt nicht einer gewissen Logik. Es kommt nicht darauf an, daß eine Norm schützen soll, um aus ihr einen Satz über ein individuelles Recht herauszulesen. Ausreichend ist vielmehr, daß es im Ergebnis nach der Normwirkung dazu kommen kann, daß Angelegenheiten einzelner in einer diesen förderlichen Weise geregelt sind. Dann aber erscheint eine genaue Lokalisierung weniger wichtig. Der mindestens im Reflex vorhandene Schutz braucht auch nicht in einer konkreten Einzelbestimmung niedergelegt zu sein, sondern kann sich aus der Gesamtschau des Rechtsaktes ergeben1749. Hier spielen auch die Begründungserwägungen des Rechtsaktes eine große Rolle, insbesondere wenn sich aus ihnen die Einschätzung des Normgebers hinsichtlich dieser zumindest reflexiven Wirkung widerspiegelt1750. Sätze über individuelle Rechte können daher gleichsam in einem Zusammenspiel des gesamten, das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normmaterials enthalten sein.

___________ 1748

EuGH, Urt. v. 19.1.1982, Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982, S. 53 Rdnr. 29. S. Beljin, JuS 2002, S. 987 [992]; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 371. 1750 EuGH, Urt. v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission / Deutschland (Oberflächenwasser), Slg. 1991, I-4983 Rdnr. 14: „Wie sich aus der zweiten Begründungserwägung der Richtlinie 75/440 ergibt, bezweckt diese Richtlinie ebenso wie die sie ergänzende Richtlinie 79/869 den Schutz der Volksgesundheit; zu diesem Zweck sollen das zur Trinkwassergewinnung bestimmte Oberflächenwasser und dessen Aufbereitung überwacht werden. Dies bedeutet somit, daß immer dann, wenn die mangelnde Befolgung der durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Maßnahmen die Gesundheit von Menschen gefährden könnte, die Betroffenen die Möglichkeit haben müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können.“ Ähnlich: EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289 Rdnr. 29, 30; EuGH, Urt. v. 4.12.1997, Rs. C-97/96 – Verband deutscher Daihatsu-Händler, Slg. 1997, I-6843 Rdnr. 22. 1749

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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(c) Aufnahme der Faktizität Die bereits getroffene Feststellung1751, daß nicht alles generell-abstrakt normiert und typisiert werden kann, trifft im Gemeinschaftsrecht in weit stärkerem Maße als in nationalem Recht zu. Eigentümlichkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung ist einerseits eine bereichsweise Regelungsintensität, welche die Grenzen desjenigen sprengt, was ein einzelner Rechtsanwender noch verarbeiten kann1752. Andererseits kennt das Gemeinschaftsrecht Zielvorgaben, die – obgleich nicht kontur- und farblos, sondern teilweise visionär – von vager Blankettartigkeit sind; letztere haben in der Entwicklung der Gemeinschaftsrechtsordnung oft auf Herausforderungen reagiert, an die die Normgeber bei Erlaß nicht gedacht hatten1753. Dem entspricht es, daß das gemeinschaftsrechtliche Verständnis der Faktizität breitere Aufnahme gewährt. Wie bereits festgestellt, vermitteln nach zutreffender Auffassung reine Faktizitäten oder eine rein faktische Betroffenheit keine individuellen Rechte1754. Auch im Gemeinschaftsrecht ist damit von einer für Impulse der Faktizität offenen, gestuften Normativität auszugehen1755. i) Das unmittelbare Interesse: Die Rechtssache Verholen Eine Sichtweise, die der Normwirkung eine besondere Stellung zuweist, operiert schon dem Grundgedanken nach mit tatsächlichen Interessenlagen, denen rechtliche Bedeutung zukommen kann. Daß damit keine Abkehr von der Normativität an sich verbunden ist, wurde bereits beschrieben1756: Normative Wertungen über die Zurechnung von Folgen einer „tatsächlichen Betroffenheit“ durch Neben-, Nah- und Fernwirkungen beliebig groß dimensionierter Entscheidungs- und Handlungsvorgänge stellen eine unabdingbare Voraussetzung ___________ 1751

Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c), S. 173. Speziell im Landwirtschaftsbereich dürfte dies auch von Spezialisten kaum noch gänzlich durchschaubar sein. So existieren etwa allein sechs umfangreiche Verordnungen für den Seidenraupensektor. 1753 Vgl. noch einmal EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 ff. und oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(b), S. 239 f. Drei der sechs Gründungsstaaten waren der Auslegung des EuGH ausdrücklich entgegengetreten. 1754 Oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(a)i), S. 322 und C.I.2.c)(2)(b), S. 327 ff. und C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [667]. Die damit verbundene Kompetenzwahrung und -sicherung wurde ebenfalls bereits dargestellt, vgl. oben, Zweites Kapitel – C.III.2.a)(1)(a), S. 369 ff. 1755 Insoweit gelten die zum deutschen Recht gemachten Beobachtungen in gleicher Weise, vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)i), S. 173 ff. 1756 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)i) ), S. 174. 1752



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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

dar1757. Das Gemeinschaftsrecht folgt in dieser Frage derjenigen Sichtweise, wie sie namentlich von Wilhelm Henke für das deutsche Recht gefordert worden ist1758. Der EuGH hat diese tatsächliche Betroffenheit zumeist mit der Umschreibung des „unmittelbaren Interesses“ zu fassen versucht1759. Als exemplarisch hierfür kann insbesondere die Rechtssache Verholen1760 gelten. Im Ausgangsverfahrens begehrte ein niederländischer Staatsangehöriger Neufestsetzung seiner Rentenansprüche, die wegen einer seine Ehefrau diskriminierenden Regelung des niederländischen Rentenrechts gekürzt worden waren. Nachdem der EuGH die Unvereinbarkeit dieser Regelung mit der RL 79/7/EWG festgestellt hatte, galt es zu klären, ob auch der nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallende Ehemann sich hierauf berufen könne.

Der EuGH befand, „[…] daß das Recht, sich auf die Richtlinie 79/7 zu berufen, nicht auf diejenigen beschränkt ist, die in den persönlichen Geltungsbereich der Richtlinie fallen, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß andere Personen ein unmittelbares Interesse daran haben können, daß das Diskriminierungsverbot zugunsten der geschützten Personen beachtet wird.“1761

Das „unmittelbare Interesse“ avanciert so zum Anknüpfungskriterium1762, welches den einzelnen aus der Allgemeinheit heraushebt. Umgekehrt hat der EuGH in der Rechtssache De Weerd geb. Roks zunächst noch einmal betont1763 ___________ 1757

E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 120. W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 59 ff. W. Henke hat später klargestellt: „Gemeint war, daß ein subjektives Recht desjenigen, der von einer behördlichen Maßnahme tatsächlich in seinen Angelegenheiten betroffen wurde, nicht vom Willen oder der Absicht des Gesetzgebers abhängen dürfe […]“, W. Henke, in: FS für Werner Weber, 1974, S. 495 [510]. Siehe noch einmal oben, Zweites Kapitel – B.I.2.b)(4), S. 113 f. 1759 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [26]; EuGH, Urt. v. 8.4.1976, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, 455 Rdnr. 30/34; EuGH, Urt. v. 4.12.1997, Rs. C-97/96 – Verband deutscher Daihatsu-Händler, Slg. 1997, I-6843 Rdnr. 22. 1760 EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757 Rdnr. 23. Kritisch zur Verallgemeinerungsfähigkeit dieser Entscheidung C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [663]. 1761 EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757 Rdnr. 23. Siehe auch die Schlußanträge von GA W. van Gerven v. 9.9.1991 zu EuGH, Urt. v. 13.12.1991, Rs. C-69/90 – Kommission / Italien, Slg. 1991, I-6011 Rdnr. 6. Zu der rechtstechnisch ähnlichen Problematik im deutschen Recht vgl. noch einmal BVerwG, Urt. v. 3.5.1973, I C 20.70, BVerwGE 42, 141 ff.; bestätigt in: BVerwG, Urt. v. 27.8.1996, 1 C 8.94, BVerwGE 102, 12 ff. 1762 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 165. 1763 EuGH, Urt. v. 24.2.1994, Rs. C-343/92 – De Weerd geb. Roks u.a., Slg. 1994, I-571 Rdnr. 41. 1758

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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„[…] daß sich Personen, die nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 79/7 fallen, nicht auf [sie] berufen können, selbst wenn sie von einem nationalen System der sozialen Sicherheit erfaßt werden, das […] in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.“

Eine Ausnahme soll aber für Personen gelten, die (subjektiv1764) „[…] durch die Auswirkungen einer nationalen Bestimmung betroffen sind, durch die eine andere Person diskriminiert wird, die ihrerseits in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt […].“1765

Der EuGH anerkennt mithin im einschränkenden Attribut des unmittelbaren oder direkten Interesses eine Wertungsabhängigkeit, die rechtlich, d.h. aufgrund der Wertungen zu lösen ist, die das Gemeinschaftsrecht selbst bietet. „Unmittelbares Interesse“ und „Betroffenheit“ stellen mithin auch im Gemeinschaftsrecht zunächst von Fakten her konstruierte Begriffe dar. Sie bilden jedoch keine außerrechtlichen Begriffe, sondern sie werden durch die in Rede stehenden Normen und die mit ihnen wirksamen Rechtsüberzeugungen konstituiert1766. ii) Kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung im Gemeinschaftsrecht Zu suchen ist demnach nach einem hinreichen plausiblen, sich aus der tatsächlichen Stellung oder Situation ergebenden persönlichen Interesse an der Durchsetzung einer Vorschrift. Die Rechtsprechung operiert wie im deutschen Recht mit einer kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung. Je weiter der Normgeber eine Frage in der Dichte und Tiefe selbst „zu Ende“1767 regelt, je weiter die abstrakt-generelle, typisierende Umschreibung in Tatbestandsmerkmalen reicht, um so weniger wird eine situations- und einzelfallbezogene, eine kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung erforderlich. Bestimmt Art. 25 S. 1 EG das Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung, so erschöpft sich der verbleibende „Restverweis“ auf tatsächliche Gegebenheiten auf die

___________ 1764

B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 165. EuGH, Urt. v. 24.2.1994, Rs. C-343/92 – De Weerd geb. Roks u.a., Slg. 1994, I-571 Rdnr. 42. Hervorhebung hinzugefügt. Als deutscher Leser ist man geneigt, den Absatz gedanklich mit der vertrauten Formel „soweit also in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“ zu Ende zu lesen, vgl. BVerwG, Urt. v. 25.2.1977, IV C 22.75, BVerwGE 52, 122. 1766 Vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 120. 1767 Vgl. R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 103. 1765

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

„[…] von Staats wegen vorgenommene oder veranlaßte finanzielle Belastung wegen Grenzübertritts, auch wenn sie nur geringfügig ist […].“1768

Diese ist lediglich noch von Abgaben im Sinne von Art. 90 EG abzugrenzen1769. In weiterem Umfang auf die Faktizität Bezug nehmend führt der EuGH in der Rechtssache World Wildlife Fund1770 aus: „Die sechste Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob sich ein einzelner nach Art. 4 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie1771 dann, wenn der Gesetzgeber oder die Verwaltung eines Mitgliedstaats das durch diese Bestimmungen eingeräumte Ermessen überschreitet, gegenüber den nationalen Stellen vor einem Gericht eines Mitgliedstaats auf diese Bestimmungen berufen und dadurch erreichen kann, daß mit diesen Bestimmungen unvereinbare nationale Vorschriften oder Maßnahmen außer acht gelassen werden […]. Zum Recht eines einzelnen, sich auf eine Richtlinie zu berufen, und des nationalen Gerichts, sie zu berücksichtigen, hat der Gerichtshof bereits entschieden, daß es mit der […] verbindlichen Wirkung unvereinbar wäre, grundsätzlich auszuschließen, daß sich betroffene Personen auf die durch eine Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. […Verbürgt ist] daß sich einzelne dann, wenn der Gesetzgeber oder die Verwaltung eines Mitgliedstaats das ihnen durch Art. 4 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie eingeräumte Ermessen überschritten haben, vor dem Gericht eines Mitgliedstaats gegenüber den nationalen Stellen auf diese Bestimmungen berufen und dadurch erreichen können, daß diese nationale Vorschriften oder Maßnahmen außer Betracht lassen, die mit diesen Bestimmungen unvereinbar sind. […]“

Die Relation der objektivrechtlichen Achtungspflicht zum Normbegünstigten, die „sinnvoll nur im Rahmen einer Gesamtbewertung von Rechtssatz, Rechtssatzergebnis und Gesamtposition des von diesem Ergebnis Profitierenden hergestellt“1772 zu werden vermag, führte hier zu einer Anerkennung eines individuellen Rechts. Die Frage, wie stark diese auch anhand von Fakten zu ermittelnde „Gesamtposition“ in die Gesamtbewertung einfließt, hängt wieder___________ 1768 EuGH, Urt. v. 1.7.1969, verb. Rs. 2 und 3/69 – Sociaal Fonds voor de Diamantarbeiders, Slg. 1969, 211 [222]; vgl. auch EuGH, Urt. v. 10.10.1973, Rs. 34/73 – Variola, Slg. 1973, 981 Rdnr. 10 ff. Die Definition gilt auch bei innerstaatlicher Verbringung über Regionalgrenzen, vgl. EuGH, Urt. v. 9.8.1994, verb. Rs. C-363/93, C-407–411/93 – Lancry, u.a., Slg. 1994, I-3957 und EuGH, Urt. v. 14.9.1995, verb. Rs. C-485/93 und C-486/93 – Simitzi, Slg. 1995, I-2655. 1769 Die Entscheidung, wann eine Abgabe im Ergebnis diskriminierend im Sinne von Art. 90 wirkt, stellt eine kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung par excellence dar. Vgl. hierzu Schlußanträge von GA S. Alber v. 13.9.2001 zu EuGH, Urt. v. 27.2.2002, Rs. C-302/00 – Kommission / Frankreich (Zigaretten), Slg. 2002, I-2055 Rdnr. 60 ff. 1770 EuGH, Urt. v. 16.9.1999, Rs. C-435/97 – World Wildlife Fund, Slg. 1999, I-5613 Rdnr. 68 ff. Hervorhebung hinzugefügt. Im Ausgangsverfahren hatten Anrainer und der WWF die Genehmigung eines Ausbaus des Flughafens Bolzano-San Giacomo durch die Regierung der autonomen Provinz Bozen-Südtirol angefochten. 1771 RL 85/337/EWG; konsolidierte Fassung einsehbar unter: http://europa.eu.int/eurlex/de/consleg/pdf/1985/de_1985L0337_do_001.pdf. 1772 Vgl. F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 24.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

381

um davon ab, wie weit die in abstrakt-generellen Tatbestandsmerkmalen gefaßte typisierende Umschreibung reicht. Teil dieser Umschreibung ist auch daß „[…] in den Fällen, in denen die Gemeinschaftsbehörden die Mitgliedstaaten durch eine Richtlinie zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, […] deren praktische Wirksamkeit abgeschwächt [würde], wenn die Bürger sich vor Gericht nicht auf sie berufen und die nationalen Gerichte sie nicht als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts berücksichtigen könnten.“1773

Umgekehrt reichte die in der VO 517/72/EWG vorgesehene Möglichkeit von Konkurrenten, ihre „Interessen“ gegenüber Entscheidungen eines Mitgliedstaates mit geeigneten Mitteln geltend zu machen, nicht zur Begründung eines Anfechtungsrechts von Linienverkehrsgenehmigungen zugunsten eines Drittunternehmens aus1774. Entgegen Claus Dieter Classen1775 stand in dieser Entscheidung nicht die Abgrenzung zu rein tatsächlichen Interessen in Rede; vielmehr war die in Rede stehende Norm nur hinsichtlich der Wettbewerbsstellung der „Verkehrsunternehmen“, nicht aber hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Auswirkung einer kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung bedürftig. Denn die Verordnung „[…] verpflichtet die Mitgliedstaaten nur, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, nämlich den betroffenen Verkehrsunternehmen die Geltendmachung ihrer Interessen zu ermöglichen, überläßt ihnen aber die Wahl der zur Verwirklichung dieses Ziels geeignetsten Verfahren. Was die Konkurrenzunternehmen betrifft, die sich der Einrichtung der Linie aus wirtschaftlichen Gründen widersetzen wollen, so ist diesem Ziel genügt, wenn ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, sich an dem vorbereitenden Verfahren zu beteiligen und dort ihre Argumente vorzutragen. […] Somit läßt sich aus Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1, nach dem die nationale Entscheidung zu begründen ist, nicht ableiten, daß den Konkurrenzunternehmen die Möglichkeit eingeräumt werden muß, nachträglich einen Rechtsbehelf einzulegen.“1776

___________ 1773 EuGH, Urt. v. 16.9.1999, Rs. C-435/97 – World Wildlife Fund, Slg. 1999, I-5613 Rdnr. 69. 1774 EuGH, Urt. v. 17.12.1987, Rs. 88/86 – Bovo Tours u.a., Slg. 1987, 5429. Die Kläger des Ausgangsverfahrens hatten sich gegen eine nach Art. 16 Abs. 1 VO 517/72/EWG von den niederländischen Behörden erteilte Genehmigung zur Einrichtung eines Buslinienverkehrs zwischen Amsterdam und London gewandt. Sie hatten als bereits auf dieser Strecke tätige Konkurrenten ihre Anfechtung auf Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 517/72/ EWG gestützt. Dieser lautet: „Die Mitgliedstaaten räumen den Verkehrsunternehmen die Möglichkeit ein, als solche ihre Interessen gegenüber den genannten Entscheidungen mit geeigneten Mitteln geltend zu machen“. Die niederländischen Durchführungsvorschriften hatten hierfür vorgesehen, vor Erlaß einer Entscheidung gegen die zur Einsicht ausgelegten Anträge binnen einer Frist von 30 Tagen schriftlich Einwände erheben zu können. 1775 C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [666 mit Fn. 126]. 1776 EuGH, Urt. v. 17.12.1987, Rs. 88/86 – Bovo Tours u.a., Slg. 1987, 5429 Rdnr. 14–16.

382

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Die mitgliedstaatliche Achtungspflicht des Rechtsaktes1777 war folglich auf Einhaltung dieses normativen Spielraums gerichtet, dessen konkretes Ergebnis im Sinne der Kläger auch nicht durch eine „unmittelbare Betroffenheit“ zu konstruieren war. Die Reichweite der in abstrakt-generellen Tatbestandsmerkmalen gefaßten typisierenden Umschreibung schloß dies aus. Das „unmittelbare Interesse“ stellt folglich keinen das Ergebnis eines allgemeinen Normvollziehungsanspruchs kaschierenden Argumentationstopos, sondern die allgemein erforderliche normative Bindung der Faktizität aufgrund der gesetzesdirigierten und kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung dar. (d) Die normative Verankerung objektiven Rechts in Sätzen über individuelle Rechte Auch ein drittes, im Rahmen der Untersuchung zu den deutschen subjektivöffentlichen Rechten herausgearbeitetes Phänomen eignet den gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechten1778: Die normative Verschränkung von objektivem Recht und Sätzen über individuelle Rechte. Die prinzipielle Funktionsweise unterscheidet sich hier nicht von der des deutschen Rechts. Die Strukturprinzipien der Gemeinschaft, ursprünglich objektivem Recht zugeordnet, sind durch die stark teleologisch orientierte Rechtsprechung zunehmend in die subjektive Sphäre der Grundfreiheiten verlagert worden. Das als Gebot des Rechtsstaates entwickelte Verhältnismäßigkeitsprinzip ist diesen Weg ebenso gegangen wie das Vertrauensschutzprinzip1779. Zwar kennt das Gemeinschaftsrecht kein der deutschen allgemeinen Handlungsfreiheit vergleichbares umfassendes Freiheitsblankett, dessen zwangsläufig umfassendes Ordnungsblankett1780 als Einfallstor dieser Verschränkung dienen könnte. Auch die GR-Charta sieht dies nicht vor. Im Gemeinschaftsrecht standen aber historisch die speziellen freiheitssichernden Gleichheitsrechte1781 der Grundfreiheiten im Zentrum der Betrachtung; daher hat vor allem Art. 12 EG eine derartige Funktion der Individualisierung des Gesetzmäßig___________ 1777 Bei dem es sich entgegen C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [666 mit Fn. 126] nicht um eine Richtlinie, sondern um eine Verordnung handelt. 1778 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(b), S. 163 ff. 1779 EuGH, Urt. v. 4.7.1973, Rs. 1/73 – Westzucker, Slg. 1973, 723 [729]. 1780 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [22] mit Verweis auf J. Isensee, VVDStRL Heft 32 (1974), S. 49 [80 Fn. 73] und B. Pieroth, AöR Bd. 115 (1990), S. 33 [42]. 1781 A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 225. Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – C.III.1.a)(3), S. 351 f.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

383

keitsprinzips übernommen1782. Eingedenk der Einordnung der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote geht dessen Bedeutung weit über die Sicherung derivativer Positionen hinaus. Es besteht ein System, welches die Rückanbindung objektiven Rechts in Sätzen über individuelle Rechte in umfassender Weise ermöglicht. Elemente dieses Systems stellen zum einen die nunmehr für den grundrechtlichen Bereich in Art. 52 GR-Charta niedergelegten allgemeinen Schrankenanforderungen dar. Sie werden ergänzt durch die Judikatur des EuGH zu den Grundfreiheiten, welche als Beschränkungsverbote verstanden werden, die durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip moderiert werden. Hinzu kommen die für das Sekundärrecht in Art. 230 Abs. 2 EG formulierten Rechtmäßigkeitsanforderungen. Wie im deutschen Recht lassen sich mithin Zwischenstufen zwischen Sätzen über individuelle Rechte und solchen über objektives Recht feststellen. Neben rein objektivem Recht stehen die Zwischenstufen von individualisiertem objektiven Recht und Sätzen über individuelle Rechte, die mit objektiv-rechtlichen Gehalten im Sinne einer Verstärkungsposition „ummantelt“1783 sind. Aus letzteren Gehalten lassen sich Prinzipien und Regeln deduzieren, die ihrerseits wieder Teil des objektiven Rechts werden und so erneut Basis für Sätze über individuelle Rechte werden können. (2) Zwischenergebnis Der gemeinschaftsrechtliche Rechtssatz wird – soweit er dies selbst vorgibt – vor dem Hintergrund der Position des potentiell von ihm Profitierenden (unmittelbar Betroffenen) ausgelegt; sodann wird das Rechtssatzergebnis formuliert. Der Satz über ein individuelles Recht als Position oder Relation kann nunmehr bezüglich seines ersten Kriteriums beschrieben werden: í

Er ist rechtssatzabhängig. Die Abbildung des Satzes über das individuelle Recht in einem Gesamtzusammenhang oder in den Begründungserwägungen eines Rechtsaktes reicht aus. Dies gilt unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen und unabhängig von der Rechtsquellenhierarchie.

Er ist für Verschränkungen und Rückanbindungen objektiven Rechts empfänglich (rechtssatzoffen). ___________

í

1782 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(f), S. 275 ff., 276 und EuGH, Urt. v. 20.10.1993, verb. Rs. C-92/92 und C-326/92 – Phil Collins und Patricia Im- und Export Verwaltungsgesellschaft, Slg. 1993, I-5145 Rdnr. 32. 1783 Vgl. H. K. Heinz, in: Heckmann / Meßerschmidt, Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, 1988, S. 181 [186].

384 í

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Es bedarf der Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm. Dieses Merkmal variiert in Abhängigkeit des Kontextes gestufter Gesetzeskonkretisierung. b) Die Individualisierung

Die Ausgestaltung individueller Rechte ist auf die rechtliche Erfassung und Strukturierung der Wirklichkeit angewiesen. Der gemeinschaftsrechtliche Rechtssatz muß, was (objektiv) rechtens ist, dem einzelnen als Recht zuordnen. (1) Die Verknüpfung von Sollensanordnung und Individualrechtssphäre Entscheidendes Kriterium hierfür stellt eine Zuordnung der Interessenträgerschaft unter Aufnahme faktischer Elemente aufgrund von Wertungsgesichtspunkten dar, welche aus der Gesamtheit des das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normmaterials bezogen werden. Hintergrund ist, daß individuelle Rechte keine bloße Technizität des Verfahrens sind, sondern einen bestimmten Geltungsmodus des Gemeinschaftsrechts darstellen; sie bedürfen einer auf den konkreten Fall bezogenen Identifikation und Selektion der Berechtigten, um gemeinschaftsrechtliche Sollensanordnung (a) und Individualrechtssphäre miteinander zu verknüpfen (b). (a) Die objektivrechtliche Sollensanordnung Ohne objektivrechtliche Achtungspflichten kann ein individuelles Recht keinen Bestand haben1784. Was damit genau gemeint ist, wird im Gemeinschaftsrecht ähnlich stiefmütterlich wie im deutschen Recht behandelt1785. Der EuGH spricht meist nur von „eindeutigen Verpflichtungen“1786 eines Adressaten, aufgrund derer sich individuelle Rechte des potentiell von dieser Verpflichtung Profitierenden ergäben.

___________ 1784

Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(d), S. 339 f. und C.I.3, S. 341. Oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(a), S. 183 ff. 1786 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1; EuGH, Urt. v. 8.4.1976, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, 455 Rdnr. 30, 34; EuGH, Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, 216 [217]. 1785

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

385

i) Gemeinschaftsrechtliches Denken und Imperativentheorie Individuelles und objektives Recht stehen auch im Gemeinschaftsrecht nicht unverbunden nebeneinander; ersteres entspringt nicht einer natürlichen Handlungsfähigkeit, sondern ist der Gemeinschaftsrechtsordnung zu entnehmen. Darauf ist bereits eingegangen worden1787. Die Betonung des justiziablen, klaren und unbedingten Norminhalts (unmittelbare Anwendbarkeit) einer „vollständigen und rechtlichen vollkommenen“1788 Norm und der Effektivität des Rechtsschutzes durch den EuGH kommt der Imperativentheorie (wie aktionenrechtlichem Denken1789) recht nahe1790. Spricht der EuGH von einer (objektivrechtlichen) Verpflichtung als unabdingbarer Voraussetzung für eine individuelle Berechtigung, könnte darin wie im deutschen Recht eine Aussage im Sinne der Imperativentheorie gesehen werden. Daß diese für das innerstaatliche Recht problematisch ist, wurde bereits dargelegt1791. Im Gemeinschaftsrecht ergibt sich der besondere Reiz der Imperativentheorie und ihrer Derivate aus der Verbindung mit dem Grundnormkonzept der reinen Rechtslehre durch den analytischen Rechtspositivismus1792. Daß auch im Gemeinschaftsrecht nicht recht mit ___________ 1787 Siehe oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 327 ff. und C.III.1.a), S. 345 ff. Vgl. auch K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Studienausgabe, 1983, S. 240 ff.; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl. 1983, S. 24 ff. 1788 EuGH, Urt. v. 16.6.1966, Rs. 57/65 – Lütticke, Slg. 1966, 258 [266]. 1789 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c), S. 301 ff. insbes. C.I.1.c)(3), S. 304 f. 1790 B. Schilcher, in: FS für Franz Bydlinski, 2002, S. 353 [355]. 1791 Näher dazu oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(a)i), S. 184 ff. 1792 An H. Kelsens Rechtslehre schließt die analytische Rechtsphilosophie von H. L. A. Hart an. Als Vertreter des Positivismus ist dieser von der Imperativentheorie beeinflußt, auch wenn er sie in Reinform nicht vertreten hat (H. L. A. Hart, The Concept of law, 1961, S. 83 ff.). H. Kelsen selbst hat die Imperativentheorie abgelehnt, vgl. H. Kelsen, General theory of law and state, 1945, S. 30 ff. H. L. A. Hart ironisiert sie am Beispiel des Bankräubers, das schon H. Kelsen beschäftigt hat (H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 46). Dessen Befehl „Geld her oder ich schieße“ liegt – wie dem Rechtsgebot auch – eine tatbestandsbezogener Imperativ zugrunde, der (wegen der Pistole) zwingend wirkt, aber doch nicht als Recht gilt. H. Kelsen bemüht hier einen „objektiven Sinn“ des Befehls, der fehle, weil eine normative Rückbindung nicht möglich sei. H. L. A. Hart (The Concept of law, 1961, S. 35) löst die Frage mit der grundlegenden Unterscheidung von primären und sekundären Regeln: Von den ein Verhalten anbefehlenden Regeln sind jene Regeln zu unterscheiden, mit denen die Normsetzungsbefugnis begründet wird und die infolgedessen ausschließen, daß Befehle von Bankräubern befolgt werden müssen und es statt dessen gebieten, diese Befehlsgeber zu bestrafen. Damit gewinnen die vielen Rechtssätze besondere Bedeutung, die nichts Konkretes vorschreiben, sondern Zuständigkeiten regeln, Befugnisse verleihen, Ermächtigungen geben, Ziele bestimmen u.ä. Letztlich stellen Regeln aber immer Rechtsnormen dar, weil sie bindende Verpflichtungen beinhalten. Auch aus H. L. A. Harts Sicht gibt es grundlegende Regeln, sogar eine „ultimate rule“, nur ist damit keine abstrakte Grundnorm gemeint, sondern beispielsweise der wirklich vorhandene (EG-) Vertrag. Daß diese Sicht-

386

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

ihr auszukommen ist, hat unlängst Werner Schroeder überzeugend nachgewiesen1793. Denn ob man eine Rechtsordnung, die beispielsweise Empfehlungen und Stellungnahmen nicht nur eine „politisch-psychologische Wirkung“1794 zuspricht, sondern ihnen entgegen Art. 249 Abs. 5 EG unter bestimmten Umständen dennoch eine bei Auslegung des nationalen Rechts zu beachtende Wirkung zubilligt1795 noch mit einer Binärkodierung von Geboten und Verboten erfassen kann, erscheint äußerst zweifelhaft. Wenn der EuGH in der Rechtssache Brasserie du Pêcheur und Factortame1796 davon spricht, zur Feststellung des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs sei auf „die Grundprinzipen der Gemeinschaftsrechtsordnung und gegebenenfalls auf allgemeine Grundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind“,

zurückzugreifen, so kontrastiert dies mit der ansonsten gewählten Formulierung der eindeutigen Verpflichtungen1797, wiewohl doch auch hier die Sollensanordnung als Voraussetzung individueller Rechte ermittelt und beschrieben wird. ii) Positivierte Geltungsanordnung und Achtungspflichten Auch das gemeinschaftsrechtliche Dürfen eines Eigentümers, etwa des Inhabers eines Musters nach Art. 12 RL 98/71/EG, ist mehr als ein „Nichtverbotensein“, sondern auch durch die positive Zuweisung bestimmter Handlungsmodalitäten an den Berechtigten und nur an ihn gekennzeichnet1798; die objektivrechtliche Bindung muß begrifflich mehr aufnehmen als schlichte Imperative. Dies gebietet die zentrale Stellung des einzelnen, die der Gemeinschaftsrechtsordnung als besonderes Attribut zu eigen ist1799. Der von der Rechtsprechung gebrauchte Begriff der Verpflichtung darf folglich nicht im Sinne von ___________ weise für die Beschreibung des Phänomens einer Integrationsordnung besonders sympathisch anmutet, erklärt sich aus letzterer Feststellung. 1793 W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 211 ff., S. 213 [222 f.]. 1794 T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 479. 1795 EuGH, Urt. v. 13.12.1989, Rs. 322/88 – Grimaldi, Slg. 1989, 4407 Rdnr. 18. 1796 EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029 Rdnr. 27. 1797 Vgl. die Nachweise oben, Fn. 1786. 1798 Vgl. K. Larenz, in: FG für Johannes Sontis, 1977, S. 129 [137]. 1799 Dies ist auch der Grund, wie bereits an anderer Stelle dargelegt (vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 331 mit Fn. 1483), weswegen der Konzeption B. Wegeners nicht zu folgen ist. Denn sie läuft praktisch darauf hinaus, daß die „invocabilité“ als Entstehenselement eines individuellen Rechts als maßgebliches Kriterium für die Unterscheidung von individuellen Rechten und sonstigen Positionen fungiert. Dies jedoch – die Reduzierung auf die Klagbarkeit – stellt eine außerordentliche Verkürzung des Sinngehalts dar, wenn etwa davon gesprochen wird, jemand habe ein individuelles Recht aus der Eintragung eines Musters oder einer Marke.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Imperativen mißdeutet werden; vielmehr ist er als verkürzte Beschreibung der Bindung an Sollensanordnungen für den Adressaten eines gemeinschaftsrechtlichen Rechtssatzes zu verstehen. Auch im Gemeinschaftsrecht gilt es damit vorrangig, für die Ermittlung des individuellen Rechts die positivierte Geltungsanordnung zu erfassen und ihren Eigenheiten gerecht zu werden. Soweit mit dem Begriff der Verpflichtung bestimmte Festlegungen verknüpft werden können, welche der gemeinschaftsrechtlichen Bindung nicht entsprechen, wird auch für das Gemeinschaftsrecht der Begriff der Achtungspflicht verwendet. Diese Achtungspflicht wird als Essenz der für jeden Rechtssatz konstitutiven, verbindlichen Geltungsanordnung verstanden. „Geltendes“ kann sowohl ein Sollen als auch ein Dürfen sein. Der gemeinschaftsrechtlichen Achtungspflicht entspricht ein individuelles Recht, wenn sie dem potentiell von ihr Profitierenden in qualifizierter Weise zugeordnet werden kann. (b) Der Individualbezug Diese qualifizierte Zuordnung erfordert, daß der einzelne vom objektiven Regelungszweck oder der objektiven Regelungswirkung selbst und tatsächlich betroffen ist und daß er ein direktes Interesse an der Verwirklichung der Norm hat. Erläuterungsbedürftig sind folglich der Begriff des Interesses [i)] als Grundlage der Zuordnung der normativ intendierten Konfliktentscheidung zum einzelnen [ii)] sowie schließlich die Zuordnung selbst [iii)]. i) Der Begriff des Interesses als Basis Der Interessenbegriff des Gemeinschaftsrechts stellt ebenso wie im deutschen Recht eine Grundkategorie dar. Die obigen begrifflichen Überlegungen1800 lassen sich insoweit in das Gemeinschaftsrecht übertragen. „Interesse“ meint aus dem weiten Bereich menschlicher Leidenschaften einen Kernbereich, dem ein Element von Kalkulierbarkeit und Rationalität zugeschrieben werden kann. Ein spezifisch juristischer Interessenbegriff eignet wohl auch dem Gemeinschaftsrecht nicht; vielmehr wird Interesse im oben beschriebenen1801 Sinn des allgemeinen Sprachgebrauchs verstanden und um kolorierende Attribute – das unmittelbare Interesse im Sinne der Rechtssache Verholen1802 – ergänzt.

___________ 1800

Oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i), S. 188 ff. Oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 191 f. 1802 EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757 Rdnr. 23. 1801



388

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Die beiden dem Interessenbegriff immanenten Momente der Rationalität und der Willkür spiegeln sich so auch im Gemeinschaftsrecht graduell wider: Ökonomisch fundierte Interessen machen eine Kenntnis des Verhaltens der Individuen zu einem gewissen Grade vorhersehbar und vergleichbar1803. In der Rechtssache Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld1804 hätte das Wasserbauunternehmen der Klägerin nach einer Änderung der Flächennutzungspläne zur Deichverstärkung nicht mehr in offener Verbindung mit den Schiffahrtswegen gestanden. Dieses Interesse ist als ökonomisches Interesse an der Durchführung einer UVP – mit der Folge der möglichen Verhinderung der Baumaßnahmen – leichter einzuordnen1805 als etwa das ideelle Interesse am Schutz bestimmter Vogelarten, welches sich als weniger vorhersehbar und vergleichbar darstellt. Dementsprechend finden sich in der Rechtsprechung des EuGH keine Beispiele, in denen ein ideelles Interesse als Grundlage der Zuordnung der normativ intendierten Konfliktentscheidung zum einzelnen herangezogen worden wäre1806. Die Schlußfolgerung, ein ideelles Interesse könne grundsätzlich nicht als Grundlage der Zuordnung dienen1807, erscheint indes zu gewagt. Bei einem entsprechend starken direkten Interesse kann vielmehr auch in einem solchen Fall ein individuelles Recht nicht a priori ausgeschlossen werden. Hinzu kommt ein weiteres: Den im deutschen Recht zu verzeichnenden Vorgang der Publifizierung ursprünglich horizontaler Konflikte zwischen verschiedenen einzelnen und die damit einhergehende Erhebung von ihrem Ursprung ___________ 1803

Oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 192 mit Fn. 729. EuGH, Urteil v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, I-5403 ff. Näher zu dieser Entscheidung sogleich unten, Zweites Kapitel – C.III.2.b)(1)(b)iii) ), S. 397. 1805 Deswegen war die Vorlagefrage auch, ob eine Beachtung von Amts wegen in Betracht komme, vgl. EuGH, Urteil v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, I-5403 Rdnr. 4. Das Interesse lag sozusagen „auf der Hand“. 1806 Zu nennen sind allenfalls die Überlegungen von GA W. van Gerven, in seinen Schlußanträgen v. 25.9.1990 zu EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, I-825 [850 f.]. Diese Bewertung der Rechtsprechung teilend, in der Tendenz aber eine stärkere Berücksichtung dieser Interessen aus umweltrechtlicher Sicht befürwortend: B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 186 f. 1807 W. Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 147; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 80 am Beispiel der Vogelschutzrichtlinie (RL 79/409/EWG). Zu dieser gab es eine ganze Reihe von Vorabentscheidungsverfahren, deren Ausgangsrechtsstreit von Tierschützern jeweils aus ideellen Gründen angestrengt worden war, vgl. zuletzt: EuGH, Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-10/96 – Ligue royale belge pour la protection des oiseaux und Société d’études ornithologiques, Slg.1996, I-6775. Gemeinsam war diesen Verfahren, daß jeweils ein objektives (Normenkontroll-)Verfahren im nationalen Recht zugrunde lag, der EuGH sich zu der Frage ideeller Interessen also nicht zu äußern hatte. 

1804



C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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nach aggregierten Interessen des einzelnen1808 zu (rein) öffentlichen Interessen hat das Gemeinschaftsrecht nicht durchlaufen. Spezifikum gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte ist die (mögliche Einordnung) von öffentlichen Interessen als Partikularinteressen verbunden mit einer fehlenden Trennung von privaten und öffentlichen individuellen Rechten1809; dies „ergänzt nämlich die Tätigkeit der Stellen, die in den Mitgliedstaaten für die Durchführung […] zuständig sind.“1810

Einzelinteressen der unmittelbar Betroffenen zu summieren und sie aufgrund weiterer Anreicherung in einen anderen Zustand – nämlich den eines Kollektivguts – zu überführen1811, reduziert die normative Konfliktentscheidung auf einen Auftrag an die öffentliche Verwaltung. Die polygonale Situation, die im Verhältnis zwischen Gemeinschaft, Mitgliedstaat und Individuen angelegt ist1812, würde so auf das Verhältnis Mitgliedstaat und die namentlich über Art. 226 EG erfolgende Überwachung durch die Gemeinschaft reduziert. Ein Beispiel hierfür bietet ein neueres Vorabentscheidungsersuchen des BGH im Bereich der Bankenaufsicht1813. Die Kläger sind mit Einlagen vom Vermögensverfall der BVH Bank betroffen, die keinem Einlagensicherungssystem angehörte. Sie begehren von der beklagten Bundesrepublik Schadensersatz, da die RL 94/19/EG (Einlagensicherungsrichtlinie) nicht fristgerecht umgesetzt worden und das Bundesaufsichtsamt seiner Aufsichtsverpflichtung nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Das Vorinstanzen1814 hatten der Klage wegen verspäteter Umsetzung der RL 94/19/EG auf Grundlage gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung bis zu der nach der RL 94/19/EG vorgesehenen Haftungshöchstgrenze entsprochen. Dagegen blieb die Klage wegen des weitergehenden Schadens ohne Erfolg. Dem Bundesaufsichtsamt – eine Pflichtverletzung unterstellt – habe den Klägern gegenüber keine Amtspflicht oblegen; es nehme seine Aufgaben ausweislich § 6 Abs. 4 KWG a. F.1815 nur im öffentlichen Interesse wahr.

Es handelt sich bei dieser Vorschrift um einen plastischen Fall der Interessenaggregation: Die ursprünglich zwischen Kreditinstitut und Vertragspartnern ___________ 1808

Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 197 f. Dazu ausführlich oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(a), S. 332 ff. und Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(d), S. 339 ff. 1810 EuGH (Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289, Rdnr. 31. Näher zu diesem Urteil bereits unten, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(d), S. 341 Fn. 1539. 1811 Vgl. R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 57. 1812 Vgl. A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 29. 1813 BGH, Beschl. v. 16.5.2002, III ZR 48/01, BKR 2002, S. 581 ff. 1814 OLG Köln, Urt. v. 11.1.2001, 7 U 104/00, NJW 2001, S. 2724 ff. 1815 Nach Art. 2 Nr. 8 lit. d) des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22.4.2002, BGBl. I, S. 1310 durch § 4 Abs. 4 FinDAG ersetzt. 1809

390

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

bestehenden Einzelinteressen, insbesondere die Sicherheit der den Kreditinstituten anvertrauten Vermögenswerte, wurden summiert, um das gesamtstaatliche Interesse eines funktionierenden Kreditwesens angereichert und der öffentlichen Verwaltung zur alleinigen Wahrnehmung überantwortet1816. Genau dies ist dem Gemeinschaftsrecht weitgehend fremd. Der BGH teilt wohl diese Auffassung, da „die Schlüssigkeit der Klage [hinsichtlich des die Haftungshöchstgrenze übersteigenden Betrages] im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht verneint werden [könne]“,

und führt dazu u.a. aus1817: „[…] § 33 KWG regelt im einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis, Bankgeschäfte zu betreiben und Finanzdienstleistungen zu erbringen, zu versagen ist oder versagt werden kann. [Es kann] nur um die Frage gehen, ob das Bundesaufsichtsamt die erteilte Erlaubnis wieder aufzuheben hatte. Dies ist Gegenstand der Regelung des § 35 KWG […]. Das […] Gesetz zur Umsetzung der EGEinlagensicherungsrichtlinie und der EG-Anlegerentschädigungsrichtlinie […] sieht in § 35 Abs. 1vSatz 2 KWG das Erlöschen der Erlaubnis auch dann vor, wenn das Institut nach § 11 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes von der Entschädigungseinrichtung ausgeschlossen worden ist. Insoweit wird – bezogen auf die Einlagensicherung – Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 94/19/EG umgesetzt. Danach ist […] nicht auszuschließen, daß bei ordnungsgemäß wahrgenommener Aufsicht die Erlaubnis […] aufgrund von Vorschriften zu überprüfen war, die in Umsetzung der genannten Richtlinie […] in das Kreditwesengesetz Eingang gefunden haben.“

Daß die besagte RL 94/19/EG gerade insgesamt dem Verbraucherschutz zu dienen bestimmt ist, hat der EuGH bereits in der Rechtssache Deutschland / Parlament und Rat festgestellt1818. Soweit das Bundesaufsichtsamt im EGrechtlich harmonisierten Aufsichtsbereich tätig wird und richtlinienrechtlich Amtspflichten auch im Interesse der Sparer und Anleger wahrzunehmen hat, dürfte eine umsetzungsbedingte Aggregation dieser Interessen wohl ausgeschlossen sein.

___________ 1816

Nach der Begründung zu § 4 Absatz 4 FinDAG (BTDrs. 14/7033, S. 34) verdeutlicht die Vorschrift, „daß die Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesanstalt nur im öffentlichen Interesse erfolgt. Privatrechtliche Ansprüche werden von der Bundesanstalt nicht geprüft. Die Durchsetzung individueller Ansprüche gehört nicht zu den Aufgaben der Bundesanstalt.“ 1817 BGH, Beschl. v. 16.5.2002, III ZR 48/01, BKR 2002, S. 581 [583]. 1818 EuGH, Urt. v. 13.5.1997, Rs. C-233/94 – Deutschland / Parlament und Rat, Slg. 1997, I-2405 Rdnr. 16 ff. GAin C. Stix-Hackl hat in ihren Schlußanträgen v. 25.11.2003, Rs. C-222/02 – Paul u.a., n. n. a. Slg., dennoch vorgeschlagen, die Fragen des BGH dergestalt zu beantworten, daß im Ergebnis individuelle Rechte auf bankaufsichtsrechtliches Einschreiten auch aus dem Gemeinschaftsrecht nicht abzuleiten sind.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

391

Dem Gemeinschaftsrecht kann die Differenzierung von Einzelinteressen und Allgemeininteressen in vielfältiger Form durchaus entnommen werden1819. Aktuelles Anschauungsmaterial bieten die Diskussion um die Definitionshoheit der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse der Art. 16 und 86 Abs. 2 EG1820 oder die Frage der Berücksichtigung von Umweltschutzkriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge seit der Rechtssache Concordia Bus Finland1821. Es sind indes stets nicht nur Einzelinteressen und Allgemeininteressen, sondern genauer eine vertrackte Verschränkung von Interessen einzelner, von Gemeinschaftsinteressen und von Interessen der Mitgliedstaaten zu beobachten1822, die eine Unterscheidung, aber keine Trennung von Einzelinteressen und Allgemeininteressen gebietet; eine Bewältigung, welche durch Aggregation eine „Bündelung, Koordinierung und Abwägung der typischen Interessen“1823 auf ___________ 1819

„Allgemeininteresse“ und „Gemeinwohl“ werden vom EuGH synonym verwendet, so ausdrücklich EuGH, Urt. v. 1.10.1998, Rs. C-38/97 – Autotrasporti Librandi, Slg. 1998, I-5955 Rdnr. 40: „[…] ist festzustellen, daß die Begriffe des allgemeinen Interesses und des Gemeinwohls gleichbedeutend sind.“ Vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.2.2002, Rs. C-309/99 – Wouters u.a., Slg. 2002, I-1577 Rdnr. 67 ff. und die Definitionsversuche im Grünbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (KOM (2003) 270 v. 21.5.2003), S. 7. 1820 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 25.10.2001, Rs. C-475/99 – Ambulanz Glöckner, Slg. 2001, I-8089 Rdnr. 18 ff. Die Mitteilung der Kommission „Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ (KOM (2000) 580 v. 20.9.2000) zeigt erste Perspektiven auf. Der Europäische Rat von Nizza hat diese Mitteilung zur Kenntnis genommen und Rat und die Kommission aufgefordert, ihre Arbeiten auf der Grundlage dieser Vorgaben und Art. 16 EG fortzuführen. Erste Gesetzgebungsschritte haben zu einem geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschiffahrtswegen geführt (Vorlage der Kommission KOM (2002) 107 v. 21.2.2002, ABl. C 151 E v. 25.6.2002, S. 146.). Zwischenzeitlich hat die Kommission ihr Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (KOM (2003) 270 v. 21.5.2003) vorgelegt. Der ebenfalls in diesen Rahmen einzuordnende jahrzehntelange Streit um Gewährträgehaftung und Anstaltslast der Sparkassen und Landesbanken hat mit der Verständigung vom 17.7.2001 zwischen der Kommission und Deutschland hingegen ein vorläufiges Ende gefunden, vgl. dazu E. Wiesel, ZBB 2002, S. 288 ff. 1821 EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-513/99 – Concordia Bus Finland, Slg. 2002, I-7213. Vgl. dazu M. Bungenberg, NVwZ 2003, S. 314 ff. Die Entscheidung hat Bedeutung für die zukünftige Auslegung des Wirtschaftlichkeitskriteriums im deutschen Recht (§ 97 Abs. 5 GWB) und die diese Vorschrift konkretisierenden Bestimmungen der verschiedenen Verdingungsordnungen (§ 25 III VOB/A, § 25 III VOL/A, § 16 VOF) sowie generell für „Sekundärzwecke“ bei der Vergabe. Auch die vielbeachtete Entscheidung EuGH, Urt. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00 – Altmark Trans., Slg. 2003, I-7747 hat hier jenseits der beihilferechtlichen Problematik noch keine vollständige Klarheit gebracht. Dazu: C. Franzius, NJW 2003, S. 3029 ff. 1822 Vgl. die Definition „Beteiligte“ in Art. 1 lit. h) 659/1999/EG (Beihilfe-VerfVO). 1823 Formulierung bei BVerwG, Urt. v. 22.2.1994, 1 C 24.92, BVerwGE 95, 133 [137].

392

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

der abstrakten Ebene eines allgemeinen öffentlichen Interesses sucht, muß daher ausscheiden. „Direktes Interesse“ im gemeinschaftsrechtlichen Sinn hat sich daher nicht an der qualitativen Beschaffenheit des Interesses, sondern an Zuweisung zu einem bestimmten Interessenträger zu orientieren1824. Es gilt – vor dem Hintergrund von Regelungsgegenstand und Regelungsziel –, das Subjekt der Interessenwahrnehmung zu lokalisieren. Dabei ist nach gemeinschaftsrechtlichem Verständnis notwendig aber auch hinreichend, daß die Norm den Betroffenen als Wahrnehmungssubjekt begünstigen kann. ii) Normative Intentionalität der Konfliktentscheidung Eine Interessenzuweisung kann bereits auf einer ersten Ebene ausscheiden. Dies ist dann der Fall, wenn die normative Grundlage keinen Zuweisungsgehalt aufweist, der eine Zuordnung der normativ intendierten Konfliktentscheidung zum einzelnen erlaubt. Ein Beispiel bietet die Rechtssache Rewe-Zentral („Pfirsichkonserven“)1825. Die Klägerin führte 1972 Pfirsichkonserven aus Frankreich nach Deutschland ein. Die VO 974/71/EWG sah einen „Währungsausgleich“ vor, um durch Wechselkursschwankungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes bedingte Wettbewerbsverzerrungen zu kompensieren, weswegen die Klägerin zu einem Ausgleichszoll herangezogen wurde. Hierin sah sie die mittelbare Wiedereinführung1826 von Zollgrenzen.

Der EuGH stellte hierzu zunächst fest, daß grundsätzlich eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung besteht, innerhalb des Gemeinsamen Marktes für feste Wechselkursbeziehungen zu sorgen1827. Er versagte es der Rewe AG dennoch, sich auf diese Verpflichtung zu berufen, da sie nicht hinreichend klar ___________ 1824

M. Gellermann, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 36 Rdnr. 20 ff. 1825 EuGH, Urt. v. 24.10.1973, Rs. 10/73, Rewe-Zentral („Pfirsichkonserven“), Slg. 1973, 1175 ff. 1826 Diese sind seit dem 31.12.1969 beseitigt: Art. 7 Abs. 1, 7 EGV, Rechtswirkungen fortgeltend nach Art. 10 Abs. 1 AV. 1827 EuGH, Urt. v. 24.10.1973, Rs. 10/73, Rewe-Zentral („Pfirsichkonserven“), Slg. 1973, 1175 Rdnr. 26: „Eines der Hauptziele des Vertrages ist die Schaffung eines von internen Behinderungen freien vereinigten Wirtschaftsraumes, in dem schrittweise die Zollunion und die Wirtschaftsunion verwirklicht werden sollen. Dieses Ziel erfordert feste Wechselkursbeziehungen zwischen den Währungen der einzelnen Mitgliedstaaten, denn die durch den Vertrag gewollte Integration wird verzögert oder gar gefährdet, falls diese Voraussetzung entfällt. Die Organe der Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten sind deshalb verpflichtet, durch ihre Zusammenarbeit für die Schaffung und Erhaltung dieser Voraussetzung zu sorgen.“

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

393

und unbedingt – also nicht unmittelbar anwendbar1828 – war. Vielmehr besäßen die Mitgliedstaaten bei ihrer wirtschafts- und währungspolitischen Zusammenarbeit nach den einschlägigen Vertragsbestimmungen „[…] einen Entscheidungsspielraum, der es verhindert, daß die in diesen Artikeln enthaltene Verpflichtung Rechte für die Gemeinschaftsangehörigen begründet, welche die nationalen Gerichte zu wahren hätten. Die Entschließung des Rates […], die im wesentlichen die politische Willensbekundung des Rates und der Vertreter der Mitgliedstaaten darstellt, im Laufe der auf den 1. Januar 1971 folgenden zehn Jahre eine Wirtschafts- und Währungsunion zu begründen, vermag wegen ihres Inhalts ebenfalls keine Rechtswirkungen zu erzeugen, auf die sich die Gemeinschaftsangehörigen vor Gericht berufen könnten.“1829

Daß dem Gemeinschaftsrecht der allgemeine Rekurs auf eine dem Normzweck zu entnehmende begünstigende Kraft fremd ist, bedeutet damit nicht, daß dieser keine Rolle spielt. Vielmehr kommt ihm im Rahmen der Prüfung der unmittelbaren Anwendbarkeit eine spezifische Bedeutung zu. Dient die Prüfung des Begünstigungszwecks nach deutschem Verständnis generell der Interessenzuweisung, so dient sie im Gemeinschaftsrecht umgekehrt gerade dem Ausschluß einer Zuweisung an ein Wahrnehmungssubjekt, welches aufgrund der individuellen Betroffenheit näher zu ermitteln wäre. Besonderer Beleg hierfür ist die Einstufung der Vorschriften des GATT 941830 durch den EuGH als „[…] wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften [gehörend], an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane mißt.“ 1831

Aus „Natur und Struktur“ des GATT 94 schließt der EuGH auf einen mangelnden Zuweisungsgehalt. Nach seiner Auffassung verbietet es sich von vornherein, die Bestimmungen des GATT 94 als Grundlage der weiteren Interessenzuweisung zu sehen. Der EuGH bringt dies dadurch zum Ausdruck, daß er dem Abkommen die unmittelbare Anwendbarkeit abspricht. Insoweit kommt man dem, was Thomas von Danwitz mit der „Grundposition eines allgemeinen Vollziehungsanspruchs unmittelbar geltenden Europarechts“1832 umschrieben hat, recht nahe; die Sichtweise reduziert indes die unmittelbare Anwendbarkeit auf die Frage der technischen Justiziabilität und weckt damit eine schiefe Assoziation zur Sachwaltung fremder Interessen, welche auch das Gemeinschaftsrecht ___________ 1828 Zum Begriff der unmittelbaren Anwendbarkeit oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(a)ii), S. 280 f. 1829 EuGH, Urt. v. 24.10.1973, Rs. 10/73, Rewe-Zentral („Pfirsichkonserven“), Slg. 1973, 1175 Rdnr. 26. 1830 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(4)(b), S. 296 ff. 1831 EuGH, Urt. v. 12.3.2002, verb. Rs. C-27/00 und C-122/00 – Omega Air und Aero Engines Ireland u.a., Slg. 2002, I-2569 Rdnr. 93 und 94. Klammerzusatz hinzugefügt. 1832 T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 233; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [489].

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

nicht kennt1833. Das Erfordernis der unmittelbaren Anwendbarkeit dient dagegen nicht „nur dem Ziel, den Inhalt einzelner Rechtspositionen sachlich-gegenständlich zu bestimmen“1834. Es stellt keinen rein technischen Vorgang dar, sondern entscheidet – gerade aufgrund der geringen „inhaltlich-restringierenden Kraft“1835 der darauf aufbauenden weiteren Kriterien – aufgrund bestimmter Wertungsvorgänge1836 in grundsätzlicher Weise darüber, ob der Norm eine für die weitere Prüfung einer Interessenzuweisung notwendige Intentionalität der Konfliktentscheidung zu eigen ist1837, ob sich mithin „[…] die Vertragsvorschrift, aus der solche Rechte hergeleitet werden ihrem Wesen nach dazu eignet.“1838

Die mangelnde Intentionalität der Konfliktentscheidung aufgrund mangelnder unmittelbarer Anwendbarkeit stellt indes – von Richtlinien abgesehen – einen gemeinschaftsrechtlichen Ausnahmefall dar; denn „[…] die Zugehörigkeit einer Vorschrift zur Gemeinschaftsrechtsordnung schließt ihre grundsätzliche ‚Unfähigkeit‘, unmittelbar anwendbare Bestimmungen zu enthalten, […] gerade aus.“1839

___________ 1833

Schlußanträge von GA F. Capotorti v. 18.3.1981 zu EuGH, Urt. v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und ReweMarkt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, 1805 [1856]. Vgl. dazu aber oben, S. 325 Fn. 1436. 1834 T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 232. 1835 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 47. 1836 Vgl. noch einmal das Zitat oben, S. 298 aus EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Rs. C-149/96 – Portugal / Rat, Slg. 1999, I-8395 Rdnr. 42 ff. Auch der soeben angeführten Rechtssache EuGH, Urt. v. 24.10.1973, Rs. 10/73, Rewe-Zentral („Pfirsichkonserven“), Slg. 1973, 1175 ff. liegt ein bestimmter Wertungsvorgang zugrunde. Dessen Grundlagen dürften heute – nach Anerkennung einer Bindung der Gemeinschaften an die Grundfreiheiten (vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(d)v) ), S. 255) – zumindest hinsichtlich der Verlautbarung des Rates anders gestaltet sein. 1837 Insoweit erfüllt das Kriterium der unmittelbaren Anwendbarkeit eine ähnliche Funktion wie Normen des deutschen Rechts, die, wie § 6 Abs. 4 KWG a.F., weiteren Fragen nach individuellen Rechten einen Riegel vorschieben. Es ist daher nicht von ungefähr, daß sich die Argumentationslinien der Kritik an der Rechtsprechung des EuGH zum GATT 94 (vgl. die Nachweise oben, S. 232 Fn. 902) und am Bundesgesetzgeber (vgl. die Nachweise oben, S. 221 Fn. 868) strukturell ähneln. Denn mit beiden Mechanismen wird dem Individuum ein möglicher normativer Nutzen in grundsätzlicher Weise versperrt. 1838 EuGH, Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, 216 [217]. 1839 Schlußanträge von GA M. Darmon v. 15.5.1990 zu EuGH, Urt. v. 20.9.1990, Rs. C-192/89 – Sevince, Slg. 1990, I-3461 Rdnr. 11. 

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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iii) Tatsächliche Betroffenheit rechtlich erfaßter Interessen Erfüllt die Vorschrift das Kriterium der unmittelbaren Anwendbarkeit, so eignet sie sich „ihrem Wesen“ nach auch zur Begründung individueller Rechte. Den zentralen Bezugspunkt der weiteren Ermittlung bildet insoweit eine am Ideal der gemeinschaftsrechtlichen Zweckverwirklichung orientierte Prüfung des Zuweisungsgehalts, welche aufgrund der Normwirkung in tatsächlicher Hinsicht klärt, in welchem Grade die rechtlich erfaßten Interessen betroffen sein müssen, um individualrechtliche Struktur zu erhalten. Verkürzt ergibt sich die Zuordnung der normativ intendierten Konfliktentscheidung zum einzelnen aufgrund tatsächlicher Betroffenheit rechtlich erfaßter Interessen1840. Seit der Rechtssache Van Gend en Loos1841 zählen die Auswirkungen, die das mit dem Vertrag verfolgte Ziel für den einzelnen hat, zum Pfeiler individueller Rechte1842. Die Frage nach dem konkreten Zuweisungsgehalt kann daher nicht im Sinne einer schlichten Affirmation oder Negation beantwortet werden. Sie muß stets graduell-gewichtend gefunden werden. Der Zuweisungsgehalt wird durch mehrere Deskriptoren vermittelt, die einzelne Facetten repräsentieren. ) „Interessierte Privatpersonen“ als materielles Kriterium Ein erstes wichtiges Charakteristikum stellt die Tatsache dar, daß das Interesse nicht als Kriterium zur Arbeitsentlastung der Gerichte dient, sondern der Ermittlung der Rechtspositionen einzelner1843. Denn „daß […] allen an der Einhaltung der [gemeinschaftsrechtlichen] Pflichten interessierten Privatpersonen Rechte verliehen sein können […]“1844,

schließt eine Betrachtung aus, die dieses Interesse mit dem intérêt à agir französischer Prägung gleichzusetzen sucht1845. Dieser intérêt à agir dient einer variabel zu handhabenden Eingangskontrolle durch die Gerichte selbst zum Zwecke der objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle, für welche die Klage des ein___________ 1840

Dies meint auch M. Gellermann, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 36 Rdnr. 19, wenn er ausführt, daß eine Vorschrift „[…] dem einzelnen Bürger schlicht deshalb keine Rechte gewährt, weil ihre Mißachtung seine Interessensphäre in keinem Fall tangieren kann“. 1841 EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1. Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(2)(b), S. 239 ff. 1842 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 63. 1843 A. Epiney, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 362 [397]. 1844 EuGH, Urt. v. 8.4.1976, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, 455 Rdnr. 30, 34. 1845 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 384.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

zelnen nur Anlaß ist1846. Dagegen folgt aus einer Parallelität von materieller und prozessualer Berechtigung im Gemeinschaftsrecht, daß sich die Kriterien der Ermittlung individueller Rechte aus dem Gemeinschaftsrecht selbst ergeben und autonomen gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben folgen müssen. Das Interesse ist als gemeinschaftsrechtliches Kriterium1847 der prozessualen Definitionsmacht der mitgliedstaatlichen Gerichte gerade entzogen. 

) Normwirkung und Reflex

Die gemeinschaftsrechtlich stärkere Bezugnahme auf eine kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung hat zur Folge, daß die Unterscheidung zwischen Recht und reflexiver Begünstigung im Gemeinschaftsrecht verschwimmt. Die dem deutschen Recht vertraute Stufenordnung1848 beschränkt sich so auf Tatsachenreflexe. So gewährt die bloße Existenz von Rindern, welche potentiell der Beihilferegelung der VO 805/68/EWG unterliegen, noch kein Recht auf diese Beihilfe1849. Die Tätigkeit als Bananenimporteur1850 oder Busunternehmer auf einer bestimmten Strecke1851 hat – so lukrativ sie sein mag – rechtlich erst dann Bedeutung, wenn und soweit diese Tatsache rechtlich fixiert wird. Im Unterschied zum deutschen Verständnis geht mit der rechtlichen Fixierung indes nicht eine zunächst rein reflexive Begünstigungswirkung einher, deren Ausgestaltung zu einem subjektiv-öffentlichen Recht über diese Wirkung hinaus auch bezweckt sein muß. Der EuGH hat individuelle Rechte bei Normen bejaht, die etwa dem „Schutz der menschlichen Gesundheit“, dem „Schutz des Menschen vor den Auswirkungen der Bleiverschmutzung“, dem „Schutz der Volksgesundheit“, dem „Schutz des Bieters vor Willkür des öffentlichen Auftraggebers“, dem „Schutz der Verbraucher“ oder dem „wirksamen Schutz des Grundwassers der Gemeinschaft“ dienen1852. Es ergibt sich so damit ein weiter Kreis potentiell ___________ 1846

C. Starck, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 595 [608 f.]; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 380; J.-M. Woehrling, NVwZ 1985, S. 21 [23]. 1847 Vgl. A. Epiney, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 362 [397]. 1848 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)iii) ), S. 206 f. 1849 EuGH, Urteil v. 16.5.2002, Rs. C-63/00 – Schilling und Nehring, Slg. 2002, I-4483. 1850 EuGH, Beschl. v. 2.5.2001, Rs. C-307/99 – OGT Fruchthandelsgesellschaft, Slg. 2001, I-3159. 1851 EuGH, Urt. v. 17.12.1987, Rs. 88/86 – Bovo Tours u.a., Slg. 1987, 5429. 1852 Der Reihe nach: EuGH, Urt. v. 30.5.1991, Rs. 361/88 – Kommission / Deutschland (TA-Luft), Slg. 1991, I-2567 Rdnr. 16; EuGH, Urt. v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission / Deutschland (Blei), Slg. 1991, I-2607 Rdnr. 19; EuGH, Urt. v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission / Deutschland (Oberflächenwasser), Slg. 1991, I-4983 Rdnr. 14; EuGH, Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 – Kommission / Deutschland, 

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Berechtigter. Besonders deutlich wird dies anhand der Rechtssache Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld1853: Gemäß niederländischem Raumordnungsgesetz war ein Flächennutzungsplan erlassen worden, mit dem Flächennutzungspläne zur Deichverstärkung teilweise geändert werden sollten. Aannemersbedrijf P. K. Kraaijeveld, ein Wasserbauunternehmen, hätte nach dem neuen Plan über das Gewässer, zu dem sie Zugang haben, nicht mehr in offener Verbindung mit den Schiffahrtswegen gestanden. Im Nichtigkeitsverfahren gegen die den Flächennutzungsplan genehmigende Entscheidung des Provinzialausschusses legte das holländische Gericht dem EuGH die Frage vor, ob der Deichbau nach der UVP-Richtlinie1854 UVP-pflichtig war und ob sich der Kläger ggf. hierauf berufen könne.

Der EuGH entschied1855, die Niederlande hätten gegen ihr Umsetzungsermessen verstoßen, indem sie für Deiche in allen Fällen Befreiung von der UVP vorgesehen hätten. Die entsprechende nationale Vorschrift dürfe vom nationalen Gericht und den nationalen Behörden nicht angewendet werden. Dies könne auch der Kläger geltend machen. Mag man in dieser Entscheidung die begünstigende Wirkung anhand der konkreten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens noch als hinreichend konkret betrachten, um individualrechtliche Strukturen zu erhalten und damit die Zuordnung der normativ intendierten Konfliktentscheidung zum einzelnen vornehmen zu können, so scheint der EuGH in einer neueren Entscheidung auch dieses Terrain verlassen zu haben. Der Rechtssache Carpenter1856 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Frau Carpenter, philippinische Staatsangehörige, hatte – nachdem sie legal in das Vereinigte Königreich eingereist war, sich in der Folgezeit aber illegal dort aufgehalten hatte – einen Briten geheiratet, welcher Werbeflächen in Zeitschriften vom Vereinigten Königreich aus auch an Kunden aus anderen Mitgliedstaaten vertreibt und zu diesem Zweck auch Reisen dorthin durchführt. Gegen ihre Ausweisung hatte die Klägerin geltend gemacht, daß diese die Dienstleistungsfreiheit ihres Mannes in unzulässiger Weise

___________ Slg. 1995, I-2303 Rdnr. 19; EuGH, Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188–190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845 Rdnr. 35 und 36; EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, I-825 Rdnr. 6. 1853 EuGH, Urteil v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, I-5403 ff. 1854 RL 85/337/EWG; konsolidierte Fassung einsehbar unter: http://europa.eu.int/eurlex/de/consleg/pdf/1985/de_1985L0337_do_001.pdf. 1855 EuGH, Urteil v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, I-5403 ff.; Ähnlich EuGH, Urteil v. 19.9.2000, Rs. 287/98 – Linster, Slg. 2000, I-6917 ff.: der Eigentümer eines Trassengrundstückes kann sich auf die Unterlassung einer UVP für die geplante Straße berufen. In dem Ausgangsverfahren ging es um eine inzidente Normenkontrolle eines Parlamentsgesetzes als Vorfrage der Rechtmäßigkeit einer Enteignung. Insoweit sind die Aussagen nicht verallgemeinerungsfähig. 1856 EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-60/00 – Carpenter, Slg. 2002, I-6279.

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

einschränke, welche sie durch die Beaufsichtigung seiner Kinder aus erster Ehe ermögliche und unterstütze. Die Vorlagefrage des Immigration Appeal Tribunal war, ob Frau Carpenter aus Art. 49 EG ein Aufenthaltsrecht an der Seite ihres Gatten ableiten könne.

Nachdem der EuGH die Anwendbarkeit der RL 73/148/EWG1857 zutreffend abgelehnt hatte und zur Feststellung gelangt war, Frau Carpenter könne sich auf die Dienstleistungsfreiheit selbst nicht berufen, untersuchte er, ob sich ein Aufenthaltsrecht aus anderen Normen oder Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts ableiten lasse. Der Schutz des Familienlebens sei ein solcher gemeinschaftsrechtlicher Grundsatz. Die Trennung der Eheleute wirke sich nachteilig auf deren Familienleben aus und damit auf die Bedingungen, unter denen Herr Carpenter seine Dienstleistungsfreiheit wahrnehme. Eine Rechtfertigung dieser Beschränkung könne nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses in verhältnismäßiger Weise und in Einklang mit den Grundrechten erfolgen. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Ausweisung aber als unverhältnismäßig dar. Daher sei „[…] Artikel 49 EG im Licht des Grundrechts auf Achtung des Familienlebens dahin auszulegen […], daß er es in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens verbietet, daß der Herkunftsmitgliedstaat eines in diesem Staat ansässigen Dienstleistungserbringers, der Dienstleistungen für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Empfänger erbringt, dessen Ehegatten, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, den Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet verwehrt.“1858

Gegen diese Begründung sprechen verschiedene Argumente. Zum einen liegt bei genauer Betrachtung eine die Dienstleistungsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise gerade im grenzüberschreitenden Verkehr beschränkende Maßnahme nicht vor. Denn die rein faktische Beeinträchtigung des Ehemanns rührt allein vom Verhalten seiner Ehefrau her: Würde die Ehefrau nämlich eine Berufstätigkeit aufnehmen, entfiele die Verbindung zwischen der Beeinträchtigung durch eine staatliche Maßnahme und der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit1859. Zum anderen spricht systematisch Art. 63 Abs. 1 Nr. 3 EG gegen eine thematische Zuordnung der Freizügigkeit im Binnenmarkt für Drittstaatsangehörige zu den Grundfreiheiten1860. Da somit die Dienstleistungsfreiheit von Herrn Car___________ 1857

EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-60/00 – Carpenter, Slg. 2002, I-6279 Rdnr. 32 ff. Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zu EuGH, Urt. v. 7.7.1992, Rs. C-370/90 – Singh, Slg. 1992, I-4265 dar. Im Ausgangsverfahren hatte ein indischer Staatsangehöriger eine Britin geheiratet. Nachdem beide zusammen in Deutschland zwei Jahre abhängig beschäftigt gearbeitet hatten, war Herr Singh in das Vereinigte Königreich zurückgekehrt, um sich als Selbstständiger niederzulassen. Wenn GAin C. Stix-Hackl in ihren Schlußanträgen vom 13.9.2001 beide Fälle gleich behandelt, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn Frau Carpenter begehrt für sich selbst überhaupt keine Freizügigkeit, sondern ein originäres Aufenthaltsrecht. 1858 EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-60/00 – Carpenter, Slg. 2002, I-6279 Rdnr. 46. 1859 U. Mager, JZ 2003, S. 204 [206]. 1860 U. Mager, JZ 2003, S. 204 [207]; vgl. auch Art. 45 Abs. 2 GR-Charta.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

399

penter gar nicht beeinträchtigt ist und gemeinschaftsrechtliche individuelle Rechte seiner Frau ebenfalls nicht bestehen, wird deutlich, daß der EuGH in Wirklichkeit ein Gemeinschaftsgrundrecht auf Achtung des Familienlebens prüft, freilich nicht als Menschenrecht von Frau Carpenter, sondern als Reflex aus vermeintlichen Rechten ihres Mannes. Dies aber entspricht – bei allem Verständnis für die Suche nach einer billigen Lösung des Einzelfalles – gerade nicht dem gemeinschaftsrechtlichen Verständnis individueller Rechte1861. Mit den Worten des BVerfG1862: „[…] gestört wären die Einheit von Ehe und Familie und die Gleichberechtigung der Ehepartner […] dann, wenn einem Ehepartner oder Familienangehörigen der Schutz [des Grundrechts auf Achtung des Familienlebens] nur aus abgeleitetem Recht, d.h. nach Maßgabe und in den Grenzen der Rechtsstellung oder Rechtshandlungen des anderen Ehepartners oder eines sonstigen Familienmitglieds zustünde.“

Die Vorlagefrage hatte sich ausdrücklich auf das Recht von Frau Carpenter bezogen und nicht – wie die Begründung – auf das Recht ihres Mannes. Daß auch Familienangehörige von Ausweisungsbedrohten Rechte haben, ist dem nationalen – gerade auch dem deutschen Recht1863 – sehr wohl vertraut; aber darum ging es im Ausgangsverfahren nicht. Die Konfusion rührt wohl daher, daß dem Urteil die der ständigen Rechtsprechung folgende Annahme zugrunde liegt, die Personengruppe der Drittstaatsangehörigen verfüge nur über von ihren Ehegatten abgeleitete Rechte. Da der EuGH aber im Sekundärrecht nicht fündig wird, sucht er anderswo, kann im Primärrecht jedoch nur Rechte von Herrn Carpenter finden1864. Man wird das Urteil im Sinne einer von Amts wegen zu berücksichtigenden Rechtswidrigkeit der Abschiebung zu deuten haben, von der die Klägerin zumindest mittelbar als Reflex der vermeintlichen Grundfreiheitsbeschränkung ihres Mannes profitiert; Recht und reflexive Begünstigung werden so ineinander verwoben. Dies fügt sich in das generelle Bild ein, daß die Kriterien zur Ermittlung der personellen Reichweite individueller Rechte bislang unterentwickelt sind1865. ___________ 1861 A. Egger, EuZW 2002, S. 606 [607], der freilich (als Referent im Kabinett der GAin C. Stix-Hackl nicht überraschend) ein Recht aus der RL 73/148/EWG annimmt. 1862 BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987, 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76, 1 [45]. Klammerzusatz hinzugefügt. 1863 BVerwG, Urt. v. 3.5.1973, I C 20.70, BVerwGE 42, 141 bestätigt in: BVerwG, Urt. v. 27.8.1996, 1 C 8.94, BVerwGE 102, 12. 1864 A. Egger, EuZW 2002, S. 606 [607]. Ob mit der insoweit undeutlichen Urteilsformel (gleichlautend: EuGH, Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-60/00 – Carpenter, Slg. 2002, I-6279 Rdnr. 46.) dann doch wieder Rechte von Frau Carpenter gemeint sind, bleibt unklar. 1865 O. Dörr, in: Nomos-Kommentar zur VwGO, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rdnr. 452.

400

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Der sachliche Schutzbereich einer Regelung bildet das ausschlaggebende Kriterium. Gerade in den Fällen, in denen der EuGH ein individuelles Recht verneint hat – beispielhaft sei die Rechtssache Enichem Base genannt1866 –, standen stets der sachliche Schutzbereich und die Ermittlung der konkreten Achtungspflicht in Rede. Dies entspricht der Logik, die die Ermittlung der reflexiv begünstigenden Wirkung und der Individualnützigkeit aufgrund eines „unmittelbaren Interesses“ stärker aufgrund kontextabhängiger Konkretisierung vornimmt. ) Zuordnung des Rechtsaktes Das „unmittelbare Interesse“ bedeutet zumindest auch Individualnützigkeit1867. Das Gemeinschaftsrecht zieht eine altruistische Komponente mit ins Kalkül1868; reine Fremdnützigkeit ist ihm hingegen sowohl auf materieller1869 als auch auf prozessualer1870 Ebene fremd. Individualnützigkeit meint im Gegensatz zum deutschen Verständnis keine Schutzfunktion für ein Individualrechtsgut, sondern eine allgemeine Vorteilhaftigkeit für einen einzelnen. Individualnützig in diesem Sinne kann so der „Schutz der menschlichen Gesundheit“ oder der „wirksame Schutz des Grundwassers der Gemeinschaft“ sein1871, aber auch ein Rechtsakt sein, welcher bezweckt, „Muscheln und Schnecken Lebensund Wachstumsmöglichkeiten zu bieten und zur Qualität der vom Menschen unmittelbar verzehrbaren Muschelerzeugnisse beizutragen“1872. Besonders die ___________ 1866 EuGH, Urt. v. 13.7.1989, Rs. 380/87 – Enichem Base, Slg. 1989, 2491 Rdnr. 19 ff.: Der EuGH verneinte ein individuelles Recht, da eine unterlassene Unterrichtung der Kommission aufgrund Art. 3 Abs. 2 RL 75/442/EWG nicht zur Rechtswidrigkeit der nationalen Maßnahme führt und sich daher noch nicht einmal als Reflex begünstigend auswirken kann. Aus diesem Grund ist ein unmittelbares Interesse und damit ein individuelles Recht zu verneinen. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 23.2.1994, Rs. C-236/92 – Comitato di Coordinamento per la Difesa della Cava, Slg. 1994, I-483 Rdnr. 8 ff. 1867 Insoweit zutreffend O. Dörr, in: Nomos-Kommentar zur VwGO, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rdnr. 451. 1868 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(b), S. 334 und C.III.1.b)(3), S. 365. 1869 Treffend daher S. Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 147: „Allgemein rechtsverleihende Zielsetzung“. 1870 EuGH, Urt. v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, 1805 [1838]. Es gilt darauf hinzuweisen, daß die Konzeption einer Popularklage entgegen der Forderung des Konventsmitgliedes J. Meyer (als Vertreter des Deutschen Bundestages) keinen Eingang in die GR-Charta gefunden hat, vgl. N. Bernsdorff / M. Borowsky, Die Charta der Grundrechte, Protokolle, 2002, S. 376. 1871 EuGH, Urt. v. 30.5.1991, Rs. 361/88 – Kommission / Deutschland (TA-Luft), Slg. 1991, I-2567 Rdnr. 16; EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, I-825 Rdnr. 6. 1872 EuGH, Urt. v. 12.12.1996, C-298/95 – Kommission / Deutschland, Slg. 1996, I-6747 zur RL 79/923/EWG.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

401

bereits näher beschriebenen1873 originären, nicht verfahrensakzessorischen Kontrollrechte machen dies deutlich. So gewährt die Umweltinformationsrichtlinie1874 Rechte, ohne daß hinter diesen individualisierbare Rechtsgüter stünden. Sie stellt sich freilich in dem Sinne als individualnützig dar, als nur derjenige Daten anfordert, der an ihnen ein unmittelbares Interesse hegt1875. Im Gemeinschaftsrecht gilt es daher nicht, das hinter dem Rechtsakt stehende Rechtsgut, sondern den Rechtsakt selbst einem Individuum zuzuordnen. Schützt der Rechtsakt erkennbar ein Individualrechtsgut, so ergibt sich dabei die Zuordnung von selbst. Als wichtigste Kriterien lassen sich damit die unmittelbare Anwendbarkeit und der Individualbezug des Rechtsaktes festhalten. Der Individualbezug wird anhand der begünstigenden Wirkung hergestellt. ) Zuordnungskriterien Die Erfassung des Normalfalls ist mit den eigentlichen Wertungen bei der Zuordnung anzureichern. Steht fest, daß eine Interessenzuordnung durch Zuordnung des Rechtsaktes selbst anhand der – auch rein reflexiven – Wirkung vorzunehmen ist, gilt in besonderem Maße die auch für das deutsche Recht getroffene1876 Feststellung, daß sich die Frage der konkreten Zuweisung in Grenzfällen oft nur so beantworten läßt, ob es aus Sicht des darüber Befindenden „sinnvoll“1877 ist, eine Interessenzuweisung an den einzelnen anzunehmen. Letztlich monopolisiert der EuGH die Entscheidung, ob eine Interessenzuweisung an den einzelnen „sinnvoll“ erscheint, indem er innerhalb des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzsystems die „richtige“ Auslegung1878 einer Norm festlegt. Die Zuordnung hat daher gedanklich immer von der Warte des EuGH aus mit besonderer Gewichtung der teleologischen Auslegungsmethode zu erfolgen. Mit den Worten des House of Lords: „[The Courts have to] follow the European pattern. No longer must they examine the words in meticulous detail. No longer must they argue about the precise grammatical

___________ 1873

Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(1), S. 315 [317]. RL 90/313/EWG. 1875 C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [648]. 1876 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)ii), S. 203 und K. Larenz, Schuldrecht II, 12. Aufl. 1981, § 72 II (S. 620 Fn. 1). 1877 Ausdrücklich für das deutsche Recht: P. Marburger, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Gutachten C, 1986, S. C 35: „[…] wobei zu fragen ist, ‚ob vernünftigerweise der Schutz der in Frage stehenden Personen bezweckt sein kann‘ […]“. 1878 Siehe dazu ausführlich oben, Zweites Kapitel – C.I.2.a), S. 311 ff. 1874

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Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

sense. They must look to the purpose or intent […]. They must devine the spirit of the Treaty and gain inspiration from it.”1879

Die Wertungsgesichtspunkte der Unmittelbarkeit1880 und der Bestimmtheit spielen ebenso wie im deutschen Recht eine besondere Rolle.

Unmittelbarkeit meint wiederum zweierlei. Je stärker eine Norm unmittelbar auf einen bestimmten Kreis einzelner zielt, desto eher ist von einer Zuweisung auszugehen. In diesem Sinn kann etwa eine Bestimmung aus dem Fischereirecht1881 ein individuelles Recht zur Anlandung seines Fanges gewähren: Legt diese Bestimmung fest, daß Fänge dann angelandet werden dürfen, wenn sie von Schiffen eines Mitgliedstaates getätigt wurden, das über eine noch nicht ausgeschöpfte Quote verfügt, zielt die Regelung unmittelbar auf den einzelnen Fischer. Ob hingegen ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Verringerung der verfügbaren Quote gegen den Flaggenstaat besteht, dem eine andere Aufteilung der Fangmöglichkeiten im selben Rechtsakt1882 durch Abgabe von Fangrechten1883 ermöglicht wird, erscheint wesentlich zweifelhafter. Denn hier sind nicht unmittelbar die Fischer im betreffenden Flaggenstaat, sondern vielmehr in erster Linie dieser selbst angesprochen. Hinzu kommt zweitens eine Unmittelbarkeit in dem Sinne, daß bestimmte Umstände eher tangibel sind als andere. Der gegenständlich für jedermann erkennbare Fang und seine Menge lassen eine Zuordnung als unproblematischer erscheinen als eine abstrakte Fangquote oder gar der Grundsatz der relativen Stabilität der Bestände1884, denen ein derartiges gegenständliches Substrat fehlt.

Im Gemeinschaftsrecht stellt – im Unterschied zum Recht der Mitgliedstaaten – die polygonale Situation den Normalfall dar, die im Dreieck zwischen Gemeinschaft, Mitgliedstaat und Individuum angelegte1885 ist. Dem entspricht es, daß es für den Zuweisungsgehalt individueller Rechte nicht ausschließlich im Bereich der Dreiecksverhältnisse zwischen Privaten einerseits und Mitgliedstaaten oder Gemeinschaft andererseits zur Nagelprobe kommt. Der für das ___________ 1879 House of Lords, Urt. v. 22.5.1974, H. P. Bulmer Ltd. v. J. Bollinger S.A., [1974] 2 All E. R., S. 1226 [1237 f.] (Lord Denning). 1880 EuGH, Urt. v. 7.3.1990, Rs. 69/88 – Krantz, Slg. 1990, I-583 Rdnr. 11; EuGH, Urt. v. 27.1.2000, Rs. C-190/98 – Graf, Slg. 2000, I-493 Rdnr. 25. 1881 Vgl. Art. 6 Abs. 1 Nr. i) VO 2848/2000/EG. 1882 Vgl. Art. 4 lit. a) VO 2848/2000/EG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 VO 3760/92/EG. 1883 EuGH, Urt. v. 18.4.2002, verb. Rs. C-61/96, C-132/97, C-45/98, C-27/99, C-81/00 und C-22/01 – Spanien / Rat, Slg. 2002, I-3439. 1884 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.4.2002, verb. Rs. C-61/96, C-132/97, C-45/98, C-27/99, C-81/00 und C-22/01 – Spanien / Rat, Slg. 2002, I-3439 Rdnr. 38 ff. und Art. 8 Abs. 4 Nr. ii) VO 3760/92/EWG. 1885 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(a), S. 332 f.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

403

deutsche Recht charakteristische Befund1886, die Rechtsordnung erwecke den Eindruck, die Rechtsstellung des „Ersten“ sei durch umfassende, diejenige des „Dritten“ durch beschränkte und ausschnitthafte Zuweisung gekennzeichnet, findet im Gemeinschaftsrecht keine direkte materielle1887 Entsprechung. Es besteht eine „symmetrische Ausgangsposition“, die durch die mangelnde Differenzierung zwischen öffentlichen Achtungspflichten und Achtungspflichten Privater sowie durch die große Bedeutung derivativer Rechte aufgrund der Grundfreiheiten begünstigt wird1888. Diese symmetrische Ausgangsposition findet ihren Ausdruck im konkreten individualrechtlichen Gehalt: Ist es beispielsweise für den Empfänger einer Beihilfe notwendig, aber auch ausreichend, daß diese den Rechtmäßigkeitsanforderungen der Art. 87 ff. EG genügt, gilt für den Konkurrenten das gleiche. Dies hat zum einen zur Folge, daß bei einem Mangel einer Anmeldung die Rückforderung der Beihilfe vor nationalen Gerichten auch dann erreicht werden kann, wenn sie durch die Kommission im nachfolgenden Verfahren als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird1889. Zum anderen genügt für den Erfolg der Klage die tatbestandsmäßige und formell oder materiell rechtswidrige Verletzung des die Wettbewerbsfreiheit1890 des Konkurrenten konkretisierenden Beihilfeverbotes. Auf einen „unerträglichen oder erdrosselnden Eingriff in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit“ kommt es nicht an1891. Die Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses ist auch dem Gemeinschaftsrecht nicht fremd; sie stellt sich aber wesentlich weniger schablonenhaft als im deutschen Recht dar. ___________ 1886

Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)v) ), S. 220. 1887 Eine prozessuale Entsprechung besteht in Gestalt der „Plaumann-Formel“; vgl. dazu näher unten, Drittes Kapitel – C.II.2.a), S. 446 ff. 1888 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(d), S. 339 f. 1889 Der EuGH nimmt die individuelle Anwendbarkeit von Art. 88 Abs. 3 EG auch schon vor Abschluß des Prüfverfahrens mit der Begründung an, daß schon während seiner Durchführung die Rechte des Konkurrenten zu schützen seien, EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-354/90 – Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires u.a., Slg. 1991, I-5505 [I-5529]. Vgl. nunmehr Art. 20 VO 659/1999/EG. Da der Mangel der Anmeldung nicht geheilt werden kann, ist die Beihilfe formell rechtswidrig, vgl. E. Steindorff, in: FS für Ernst-Joachim Mestmäcker, 1996, S. 497 [505 f.]; das darauf fußende Verbot der Vergabe ist unmittelbar anwendbar, EuGH, Urt. v. 9.10.1984, verb. Rs. 91 und 127/83 – Heineken Brouwerijen, Slg. 1984, 3435 [3451 ff.]. Zum Rechtsschutz vor dem EuG vgl. C. Nowak, EuZW 2000, S. 453 [456]. 1890 Zum freien Wettbewerb als gemeinschaftsgrundrechtlicher Ausprägung vgl. EuGH, Urt. v. 21.5.1987, verb. Rs. 133–136/85 – Walter Rau Lebensmittelwerke u.a., Slg. 1987, 2289 [2338]; N. Löw, Rechtsschutz des Konkurrenten gegenüber Subventionen, 1992, S. 78; A. Bleckmann, in: FS für Rudolf Lukes, 1989, S. 271 [277 f.]. 1891 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 430. Zum deutschen Verständnis vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(3)(c), S. 99 mit Fn. 218. 

404

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Einen wichtigen Befund gilt es in diesem Zusammenhang hervorzuheben: Der EuGH verhält sich allgemein zurückhaltender, wenn es um die Ermittlung individueller Rechte gegenüber den Gemeinschaften selbst geht, und zwar auch dann, wenn er die korrespondierende mitgliedstaatliche Achtungspflicht großzügig auslegt; Beispiele sind insoweit insbesondere die Bereiche der Staatshaftung1892 und die Vergabe öffentlicher Aufträge1893. Das wohl wichtigste Kriterium bildet indes die allgemeine teleologische Wertung des EuGH, die eine Zuweisung zu ausschließlich behördlicher Wahrnehmung im Zweifel als weniger „sachgerecht“ einstuft, als eine Zuweisung zu – auch – individueller Wahrnehmung. Die Gründe für individuelle Rechte, die eine Mobilisierung des Bürgers umfassen1894, schlagen sich hier bei der Ermittlung nieder und verbieten „allzu strenge inhaltliche Voraussetzungen“1895. Es gilt so aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine Vermutung, den einzelnen als in spezifischer Weise qualifiziert anzusehen, die betreffenden Interessen wahrzunehmen.

(2) Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt, daß sich hinter dem gemeinschaftsrechtlichen Verständnis individueller Rechte keine „Grundposition eines allgemeinen Vollziehungsanspruches unmittelbar geltenden Europarechts“1896 verbirgt. Die potentiell größere Reichweite gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte und ihre nur bedingte Abstraktheit lassen die inhaltlich-restringierenden Wertungsgesichtspunkte weniger deutlich werden. Praktisch vollzieht sich eine Zuordnung der Interessenträgerschaft unter Aufnahme faktischer Elemente aufgrund von Wer___________ 1892

Dazu näher unten, Drittes Kapitel – D.II., S. 488 ff. Vgl. etwa EuG, Urt. v. 8.5.1996, Rs. T-19/95 – Adia Interim / Kommission, Slg. 1996, II-321 Rdnr. 49 „Die Kommission verfügt über einen weiten Spielraum bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind, und die Kontrolle des Gerichts muß sich auf die Nachprüfung der Frage beschränken, ob kein schwerer und offenkundiger Fehler vorliegt.“ Die die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge regelnde RL 92/50/EWG war wohlgemerkt aufgrund Art. 126 VO 3418/93/EURATOM, EGKS, EG (nunmehr: Art. 56 VO 1605/2002/EG, Euratom) auf die von den Gemeinschaftsorganen vergebenen Aufträge anwendbar. Gemäß Art. 129 dieser VO sind die Organe verpflichtet, „die Zuschlagskriterien zu beachten“. Vgl. auch EuG, Urt. v. 25.2.2003, Rs. T-4/01 – Renco / Rat, Slg. 2003, II-171 und J. Kokott, in: Byok / Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2000, Einführung Rdnr. 105. 1894 Oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(b), S. 334 ff. und C.III.1.b)(3), S. 365 f. 1895 Schlußanträge von GA L. A. Geelhoed v. 13.12.2001 zu EuGH, Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, I-7289 Rdnr. 47. 1896 So aber: T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 233; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [489]. 1893

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

405

tungsgesichtspunkten, die aus der Gesamtheit des das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normmaterials bezogen werden. Hintergrund ist, daß individuelle Rechte keine bloße Technizität des Verfahrens sind, sondern daß sie einen bestimmten Geltungsmodus des Gemeinschaftsrechts darstellen. Sie bedürfen einer auf den konkreten Fall bezogenen Identifikation und Selektion der Berechtigten. Der Satz über ein individuelles Recht als Position oder Relation kann somit bezüglich seines zweiten Kriteriums beschrieben werden: í

Er ist dem Ideal der Zweckverwirklichung verpflichtet.

í

Er orientiert sich neben dem Rechtszweck an der Rechtswirkung.

í

Er ist nicht durch die qualitative Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses, sondern durch die gesetzlich benannte, vorausgesetzte oder bewirkte Interessenträgerschaft bestimmt.

í

Er ist stark durch den Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich durch die Wirkung der Grundfreiheiten) geprägt.

í

Er ist weniger an der Bedeutung des hinter dem Recht stehenden Rechtsgutes ausgerichtet. Vielmehr gilt es, den Rechtsakt selbst einem Individuum zuzuordnen. Verfahrensrechte sind von den durch das Verfahren geschützten materiellen Rechten abgekoppelt.

í

Er ist durch die Kriterien der Unmittelbarkeit und der Bestimmtheit der Zuweisung gekennzeichnet.

í

Er ist dem Kriterium der Abgrenzbarkeit von öffentlichen Gemeinschaftsinteressen und privaten Interessen nicht verpflichtet. Es genügt, daß die Norm überhaupt Angelegenheiten einzelner in einer Weise regelt, die ihren Interessen förderlich ist. Aggregierte, plurale oder Gruppeninteressen können ohne weiteres (auch) individualrechtlich strukturiert sein.

í

Er differenziert nach Art des Rechtsverhältnisses (insbesondere nach der Achtungspflicht der Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten). c) Die „invocabilité“

Das individuelle Recht stellt das Fundament dar, dessen es zur Verankerung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzgarantie bedarf. Die Klagbarkeit individueller Rechte ist keine Technizität des Verfahrens, sondern ein bestimmter modus, welcher die Geltung des Gemeinschaftsrechts als Rechtsordnung sui generis kennzeichnet1897. Sie ist gemeinschaftsverfassungsrechtlich verbürgte Folge eines individuellen Rechts, nicht jedoch Entstehensvoraussetzung. Individu___________ 1897

Siehe oben, Zweites Kapitel – C.I.1.e), S. 309 und C.I.2.c)(2)(b), S. 327.

406

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

elle Rechte haben den Rechtsschutz nicht zum Inhalt. Der Rechtsschutz verhält sich modal zum Recht. Ähnliche Überlegungen, wie sie bereits bei der Betrachtung des deutschen Rechts zum Rechtsmachtkriterium angestellt worden sind1898, lassen sich nunmehr auf das Kriterium der „invocabilité“ übertragen. Die „invocabilité“ kann als gemeinschaftsrechtliche Berechtigung verstanden werden, eine „normativ intendierte Konfliktentscheidung dem verpflichteten Rechtssubjekt gegenüber geltend zu machen“1899. Demnach kann man den Inhalt des individuellen Rechts in der „invocabilité“ sehen, welche nach zutreffender Ansicht1900 materiellrechtlich fundiert ist. Dies bedeutet auch im Gemeinschaftsrecht nicht, daß die „invocabilité“ effektuierbar ist, sondern nur, daß sie dem individuellen Recht intentional zu eigen ist. Letztere Aussage ergibt sich logisch aus dem Umkehrschluß zur Rechtsschutzgarantie: Diese wäre nämlich überflüssig, wenn jedem individuellen Recht die Garantie gerichtlicher Durchsetzung als Element seiner Entstehung entspräche1901. Auch im Gemeinschaftsrecht kann diese Nuance am treffendsten mit der Unterscheidung von Begriffselement und Entstehenselement erfaßt werden1902. Wer die „invocabilité“ dem individuellen Recht als Entstehenselement zuordnet, welches mit dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts ins Recht der Mitgliedstaaten weist1903, trifft eine Entscheidung, welche die prozessualen Strukturen der Mitgliedstaaten stärkeren gemeinschaftsrechtlichen Einwirkungen aussetzt als die Auffassung, die von der „invocabilité“ als Begriffselement ausgeht. Letztere Auffassung ist wegen Art. 5 EG vorzuziehen. Sie stellt sicher, daß die Gründe individueller Rechte bei ihrer Ermittlung begrifflichen Halt erfahren, daß der Grundsatz „ubi ius, ibi remedium“ in jedem einzelnen individuellen Recht begrifflich entfaltet werden kann, daß gleichzeitig aber die Anforderungen der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzgarantie ihren modalen Charakter behalten. Beiden Sichtweisen gemeinsam ist freilich, daß sich aufgrund der Entfaltung der Gründe individueller Rechte im Kriterium der „invocabilité“ die partielle Instrumentalisierung des einzelnen bemerkbar macht und daß seine Wächterfunktion in stärkerem Maß in jedem ein___________ 1898

Oben, Zweites Kapitel – B.III.2.c), S. 224. Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 331. 1900 Oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 331 mit Fn. 1483. 1901 Ähnlich: S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 373. 1902 Vgl. dazu noch einmal M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 537 Fn. 261 und oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 78 f. mit Fn. 92 und Fn. 94. 1903 Von diesem Gedanken geht B. Wegener aus, vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 331 mit Fn. 1483. 1899

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

407

zelnen individuellen Recht zum Ausdruck kommt, als dies im deutschen Kriterium der Rechtsmacht der Fall ist. Dies darf jedoch nicht als grundsätzliche Verschiedenheit von Rechtsmacht und „invocabilité“ mißdeutet werden; vielmehr spiegeln sich die unterschiedlichen Gründe für individuelle Rechte in ihnen wider, ohne daß sie selbst wirklich wesensverschieden wären. Der Satz über ein individuelles Recht als Position oder Relation kann somit bezüglich seines dritten Kriteriums beschrieben werden: í

als intendierte Durchsetzungsmöglichkeit und

í

als Entfaltung der Gründe individueller Rechte bei ihrer Ermittlung im Kriterium der „invocabilité“. d) Zwischenbilanz

Als Zwischenbilanz läßt sich mithin festhalten, daß Lehre und Rechtsprechung zur Ermittlung individueller Rechte noch durch Unsicherheiten gekennzeichnet sind. Das Bild, das sich aus alldem ergibt, kann ebensowenig wie im deutschen Recht als Modelleistung systematischer Dogmatik angesehen werden. Im Gegensatz zum deutschen Recht besteht weitgehende Einigkeit, daß individuelle Rechte des Gemeinschaftsverfassungsrechts bei ihrer Ermittlung keinen grundlegend anderen Anforderungen unterliegen als die dem Sekundärrecht entnommenen. Die genaue Erfassung des Interessenbegriffes gelingt mangels zumindest gedanklicher Trennung von öffentlichen und privaten Interessen im Gemeinschaftsrecht noch weniger als im deutschen Recht. Für die Ermittlung ist aber immer noch zweierlei maßgebend: die normative Erfassung des geltend gemachten Interesses in einer hinreichend klaren und unbedingten Norm oder Normengruppe (unmittelbare Anwendbarkeit) sowie ein eigenes faktisches Betroffensein desjenigen, der sich auf diese Interessen berufen will. Schließlich gilt es, im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts die Grundfreiheiten, sowie die Grundrechte zu beachten. Aus diesem Ansatz der Rechtsprechung folgt eine Ausstrahlungswirkung der Grundfreiheiten und der Grundrechte auf andere individuelle Rechte. Die Elemente der Faktizität dürfen aber wiederum nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vermutung einer Begünstigung um so stärker ist, je deutlicher sich eine Interessenträgerschaft in der Norm selbst abbildet. Auch im Gemeinschaftsrecht bildet somit der Begriff des Interesses selbst ein zentrales Kriterium1904.

___________ 1904 Siehe: S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 371.

408

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

IV. Elemente struktureller Vergleichbarkeit 1. Sätze über Gründe individueller Rechte Hinsichtlich der Gründe individueller Rechte besteht auch im Gemeinschaftsrecht Einigkeit. Die gemeinschaftsrechtlich noch unterentwickelte Grundrechtsdogmatik wird durch die zwischenzeitlich breit gefächerte Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten teilweise kompensiert, dadurch aber auch in Richtung und Maß graduell in Richtung der Gleichheit verschoben. Bestimmte Strukturmerkmale der heutigen Sichtweise lassen sich somit ähnlich wie im deutschen Recht skizzieren. Sätze über Gründe individueller Rechte enthalten nach gemeinschaftsrechtlichem Verständnis folgende strukturelle Elemente: í

Gründe für individuelle Rechte entfalten sich aus der Stellung des einzelnen im primären Gemeinschaftsrecht.

í

Die Person ist (freilich noch: prätorischer) Mittelpunkt des Handelns der Gemeinschaften.

í

Grundrechte und Grundfreiheiten bewirken die Unterscheidung (nicht Trennung) von verfaßter Gemeinschaft, von Mitgliedstaaten und von Gesellschaft, während die Markierung konkreter Unterscheidungs- und Grenzlinien durch individuelle Rechte erfolgt.

í

Gründe für individuelle Rechte finden sich nicht nur in den Grundfreiheiten und Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte.

í

Gründe sind allgemein die kraft Gemeinschaftsrecht notwendigen, selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereiche des einzelnen und Bereiche gemeinwohlbezogenen individuellen Engagements.

í

Gründe für individuelle Rechte bewirken in Gestalt der Grundfreiheiten und Grundrechte eine Vorstrukturierung einfachrechtlicher individueller Rechte als Ausdruck verfaßter Freiheit, als Ausdruck der Aktualität und Effektivität der Grundfreiheiten und Grundrechten, als Ausdruck freier Gleichheit und als Ausdruck verantwortlicher Freiheit (Idee der Anteilnahme des einzelnen am Allgemeinen, Idee des Engagements für die Vollendung der Ziele der Gemeinschaft).

í

Gründe für individuelle Rechte bewirken eine materiell-rechtliche Sichtweise individueller Rechte.

í

Das gemeinschaftsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes schützt jegliche Interessen, welche die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaften anerkennen oder unter Schutz zu stellen verpflichtet sind, und formuliert einen

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

409

legislatorischen Auftrag zur Schaffung und Konturierung einfachrechtlicher individueller Rechte; es konstituiert nicht, sondern supponiert individuelle Rechte und sichert die Parallelität von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzbarkeit. 2. Sätze über die Ermittlung individueller Rechte Bei Sätzen über die Ermittlung individueller Rechte lassen sich aufgrund der Dominanz der Rechtsprechung zentrale Aussagen mit größerer Sicherheit festhalten, als das im deutschen Recht der Fall ist. Sätze über die Ermittlung eines individuellen Rechts als Position oder Relation enthalten nach gemeinschaftsrechtlichem Verständnis folgende strukturelle Elemente: í

Die Rechtssatzabhängigkeit. Der Satz über das individuelle Recht kann sich auch in einem Gesamtzusammenhang oder in den Begründungserwägungen abbilden. Dies gilt unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen und unabhängig von der Rechtsquellenhierarchie.

í

Die Rechtssatzoffenheit, welche für Verschränkungen und Rückanbindungen objektiven Rechts empfänglich ist.

í

Das Erfordernis der Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm. Dieses Element variiert in Abhängigkeit des Kontextes gestufter Gesetzeskonkretisierung.

í

Das Ideal der Zweckverwirklichung und die Arbeit mit Ziel- und Mitteldirektiven.

í

Die Ermittlung des Individualrechts nach Rechtszweck und Rechtswirkung.

í

Die Orientierung an gesetzlich benannter, vorausgesetzter oder bewirkter Interessenträgerschaft, nicht an der qualitativen Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses.

í

Der starke Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich der Einfluß der Grundfreiheiten).

í

Die geringere Anlehnung an die Bedeutung des hinter dem Recht stehenden Rechtsgutes. Vielmehr ist der Rechtsakt selbst einem Individuum zuzuordnen. Verfahrensrechte sind von den durch das Verfahren geschützten materiellen Rechten abgekoppelt.

í

Die Orientierung an den Kriterien der Unmittelbarkeit und der Bestimmtheit der Zuweisung.

í

Die Irrelevanz der Abgrenzbarkeit von öffentlichen Gemeinschaftsinteressen und privaten Interessen. Es genügt, daß die Norm überhaupt Angelegenheiten einzelner in einer Weise regelt, die ihren Interessen förderlich ist. Aggre-

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

410

gierte, plurale oder Gruppeninteressen können ohne weiteres (auch) individualrechtlich strukturiert sein. í

Die Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses (insbesondere nach der Achtungspflicht der Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten).

í

Die Intentionalität der Durchsetzung.

í

Die Gründe individueller Rechte werden bei ihrer Ermittlung entfaltet. 3. Zusammenfassung

Auch für das Gemeinschaftsrecht gilt die oben getroffene Feststellung1905, daß die einzelnen Strukturelemente abstufbar und abwägungsfähig sind. Zusammenfassend lassen sich die so verstandenen Elemente struktureller Vergleichbarkeit damit – wiederum getrennt nach den Gründen und der Ermittlung individueller Rechte – wie in den Übersichten auf den nachfolgenden Seiten darstellen:

Übersicht 3 Gemeinschaftsrechtliches Verständnis

Gründe individueller Rechte Gründe individueller Rechte entfalten sich aus der Stellung des einzelnen im primären Gemeinschaftsrecht Person (noch: prätorischer) Mittelpunkt des Handelns der Gemeinschaft Unterscheidung (nicht Trennung) von verfaßter Gemeinschaft, von Mitgliedstaaten und von Gesellschaft durch die Grundfreiheiten und Grundrechte Markierung konkreter Unterscheidungs- und Grenzlinien durch individuelle Rechte Gründe individueller Rechte – finden sich in den Grundfreiheiten und Grundrechten – finden sich nicht (nur) in den Grundfreiheiten und Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte – sind allgemein die kraft Gemeinschaftsrecht notwendigen, selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereiche und Bereiche gemeinwohlbezogenen individuellen Engagements Die grundfreiheitliche und grundrechtliche Vorstrukturierung individueller Rechte ist – Ausdruck verfaßter Freiheit – Ausdruck der Aktualität und Effektivität gemeinschaftlicher Grundfreiheiten und Grundrechte – Ausdruck freier Gleichheit

___________ 1905

Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.IV.3., S. 229.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

411

Gründe individueller Rechte – Ausdruck verantwortlicher Freiheit (Idee der Anteilnahme des einzelnen am Allgemeinen, Idee des Engagements für die Vollendung der Ziele der Gemeinschaft) Gründe für individuelle Rechte bewirken eine materiell-rechtliche Sichtweise individueller Rechte Das gemeinschaftsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes – schützt jegliche materiell-rechtlich verankerten Interessen, welche die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaften anerkennen oder unter Schutz zu stellen verpflichtet sind – formuliert einen legislatorischen Auftrag zur Schaffung und Konturierung einfachrechtlicher individueller Rechte – konstituiert nicht, sondern supponiert individuelle Rechte – sichert die Parallelität von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzbarkeit

Übersicht 4 Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Ermittlung individueller Rechte

Monismus von Grundfreiheitsdogmatik und Lehre individueller Rechte Orientierung an den Kriterien der unmittelbaren Anwendbarkeit und des Individualbezuges des Rechtsaktes Rechtssatzabhängigkeit – unabhängig von der normhierarchischen Stellung der Rechtsquelle Rechtssatzabhängigkeit – unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen – Abbildung in einem Gesamtzusammenhang oder in den Begründungserwägungen eines Rechtsaktes ausreichend Breitere Aufnahme der Faktizität – abhängig vom Kontext gestufter Gesetzeskonkretisierung – Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm In weitem Umfang Arbeit mit Ziel- und Mitteldirektiven; Ideal der Zweckverwirklichung Individualrecht nach Rechtszweck und Rechtswirkung Offene Orientierung an gesetzlich benannter oder vorausgesetzter Interessenträgerschaft, nicht an der qualitativen Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses Starker Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich der Grundfreiheiten) Bezogenheit auf ein Rechtsgut unerheblich – es kommt darauf an, den Rechtsakt selbst einem Individuum zuzuordnen – im Verfahrensrecht: Abkoppelung von dem durch das Verfahren geschützten materiellen Recht Kriterium der Unmittelbarkeit der Zuweisung Kriterium der Bestimmtheit der Zuweisung (Fortsetzung nächste Seite)

412

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

(Fortsetzung Übersicht 4) Ermittlung individueller Rechte

Kriterium der Abgrenzung von öffentlichen Gemeinschaftsinteressen und privaten Interessen bei der Zuordnung – es genügt, daß die Norm überhaupt Angelegenheiten einzelner in einer Weise regelt, die ihren Interessen förderlich ist – aggregierte, plurale oder Gruppeninteressen können ohne weiteres (auch) individualrechtlich strukturiert sein Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses (insbesondere nach der Achtungspflicht der Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten) Gedanke der Intentionalität der Durchsetzung Entfaltung der Gründe individueller Rechte bei ihrer Ermittlung – im Kriterium der „invocabilité“ – dadurch Mobilisierung des einzelnen

D. Vergleich der Konzepte Nachdem die Strukturen des nationalen und des Gemeinschaftsrechts herausgearbeitet worden sind, lassen sich nunmehr die einzelnen Elemente – wiederum nach Gründen und Ermittlung getrennt – wie in den Übersichten auf den folgenden Seiten vergleichend gegenüberstellen:

Übersicht 5 Vergleich Gründe individueller Rechte Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte entfalten sich aus der verfassungsrechtlichen Stellung des einzelnen Aufbau der Verfassung auf der Individualität, Art. 1 Abs. 1 GG Unterscheidung (nicht Trennung) von verfaßter Staatlichkeit und Gesellschaft durch die Grundrechte

Markierung konkreter Unterscheidungs- und Grenzlinien durch subjektiv-öffentliche Rechte Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte – finden sich in den Grundrechten

Gründe individueller Rechte entfalten sich aus der Stellung des einzelnen im primären Gemeinschaftsrecht Person (noch: prätorischer) Mittelpunkt des Handelns der Gemeinschaft Unterscheidung (nicht Trennung) von verfaßter Gemeinschaft, von Mitgliedstaaten und von Gesellschaft durch die Grundfreiheiten und Grundrechte Markierung konkreter Unterscheidungs- und Grenzlinien durch individuelle Rechte Gründe individueller Rechte – finden sich in den Grundfreiheiten und Grundrechten

D. Vergleich der Konzepte

413

Gründe individueller Rechte Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

– finden sich nicht (nur) in den Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte – sind allgemein die kraft Verfassung notwendigen, selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereiche

Die grundrechtliche Vorstrukturierung subjektiv-öffentlicher Rechte ist

– Ausdruck verfaßter Freiheit – Ausdruck von Grundrechtsaktualität und Grundrechtseffektivität

– Ausdruck gleicher Freiheit – Ausdruck verantwortlicher Freiheit (damit Entfernung von der Idee strikter Privatnützigkeit eines eindimensional individualistischen Konzeptes) Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte bewirken eine materiell-rechtliche Sichtweise subjektiv-öffentlicher Rechte Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie – stellt generell eine Strukturentscheidung für den Individualrechtsschutz dar

– formuliert einen legislatorischen Auftrag zur Schaffung und Konturierung einfachrechtlicher subjektiv-öffentlicher Rechte – konstituiert nicht, sondern supponiert subjektiv-öffentliche Rechte – sichert die Parallelität von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzbarkeit

– finden sich nicht (nur) in den Grundfreiheiten und Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte – sind allgemein die kraft Gemeinschaftsrecht notwendigen, selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereiche und Bereiche gemeinwohlbezogenen individuellen Engagements Die grundfreiheitliche und grundrechtliche Vorstrukturierung individueller Rechte ist – Ausdruck verfaßter Freiheit – Ausdruck der Aktualität und Effektivität gemeinschaftlicher Grundfreiheiten und Grundrechte – Ausdruck freier Gleichheit – Ausdruck verantwortlicher Freiheit (Idee der Anteilnahme des einzelnen am Allgemeinen, Idee des Engagements für die Vollendung der Ziele der Gemeinschaft) Gründe für individuelle Rechte bewirken eine materiell-rechtliche Sichtweise individueller Rechte

Das gemeinschaftsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes – schützt jegliche materiell-rechtlich verankerten Interessen, welche die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaften anerkennen oder unter Schutz zu stellen verpflichtet sind – formuliert einen legislatorischen Auftrag zur Schaffung und Konturierung einfachrechtlicher individueller Rechte – konstituiert nicht, sondern supponiert individuelle Rechte – sichert die Parallelität von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzbarkeit

414

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

Übersicht 6 Vergleich

Ermittlung individueller Rechte Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

Dualismus von Grundrechtslehren und Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht Orientierung an den Kriterien des Rechtssatzes, der Schutznorm und der Rechtsmacht Rechtssatzabhängigkeit – unabhängig von der normhierarchischen Stellung der Rechtsquelle – unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen – idealiter Abbildung des Satzes über das subjektiv-öffentliche Recht in einer Norm

Behutsame Aufnahme der Faktizität – abhängig vom Kontext gestufter Gesetzeskonkretisierung Behutsame Aufnahme der Faktizität – Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm Ideal des normativen Konditionalprogrammes

Individualrecht nach Rechtszweck

Kaschierte Orientierung an gesetzlich benannter oder vorausgesetzter Interessenträgerschaft, nicht an der qualitativen Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses Starker Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich die „norminterne“ Wirkung der Grundrechte) Bedeutung des hinter dem Recht stehenden Rechtsgutes – es kommt darauf an, das Rechtsgut, welches der fragliche Rechtsakt schützen soll, einem Individuum zuzuordnen – im Verfahrensrecht: Koppelung an das durch das Verfahren geschützte materielle Recht

Monismus von Grundfreiheitsdogmatik und Lehre individueller Rechte

Orientierung an den Kriterien der unmittelbaren Anwendbarkeit und des Individualbezuges des Rechtsaktes Rechtssatzabhängigkeit – unabhängig von der normhierarchischen Stellung der Rechtsquelle – unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen – Abbildung in einem Gesamtzusammenhang oder in den Begründungserwägungen eines Rechtsaktes ausreichend Breitere Aufnahme der Faktizität – abhängig vom Kontext gestufter Gesetzeskonkretisierung Breitere Aufnahme der Faktizität – Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm In weitem Umfang Arbeit mit Ziel- und Mitteldirektiven; Ideal der Zweckverwirklichung Individualrecht nach Rechtszweck und Rechtswirkung Offene Orientierung an gesetzlich benannter oder vorausgesetzter Interessenträgerschaft, nicht an der qualitativen Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses Starker Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich der Grundfreiheiten)

Bezogenheit auf ein Rechtsgut unerheblich – es kommt darauf an, den Rechtsakt selbst einem Individuum zuzuordnen

– im Verfahrensrecht: Abkoppelung von dem durch das Verfahren geschützten materiellen Recht

D. Vergleich der Konzepte

415

Ermittlung individueller Rechte Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

Kriterium der Unmittelbarkeit der Zuweisung Kriterium der Bestimmtheit der Zuweisung Kriterium der Abgrenzung von aggregierten und nicht aggregierten Interessen bei der Zuordnung – nur der Schutz „reiner“ Privatinteressen durch eine Norm begründet ein subjektiv-öffentliches Recht

– die vor allem im Bereich der Wirtschaftsaufsicht zu findenden aggregierten, pluralen oder Gruppeninteressen sind hingegen objektivrechtlich strukturiert Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses

Gedanke der Intentionalität der Durchsetzung Entfaltung der Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte bei ihrer Ermittlung – im Kriterium der Rechtsmacht oder der Schutznorm – dadurch Wahrung prinzipieller Grenzen der Funktionalisierung des einzelnen

Kriterium der Unmittelbarkeit der Zuweisung Kriterium der Bestimmtheit der Zuweisung Kriterium der Abgrenzung von öffentlichen Gemeinschaftsinteressen und privaten Interessen – es genügt, daß die Norm überhaupt Angelegenheiten einzelner in einer Weise regelt, die ihren Interessen förderlich ist – aggregierte, plurale oder Gruppeninteressen können ohne weiteres (auch) individualrechtlich strukturiert sein

Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses (insbesondere nach Achtungspflicht der Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten) Gedanke der Intentionalität der Durchsetzung Entfaltung der Gründe individueller Rechte bei ihrer Ermittlung – im Kriterium der „invocabilité“

– dadurch Mobilisierung des einzelnen

Hinsichtlich der Gründe individueller Rechte läßt sich damit ein bemerkenswerter Gleichlauf feststellen. Beiden Rechtsordnungen liegt die Vorstellung verantwortlicher Freiheit des einzelnen zugrunde. Die Idee einer Anteilnahme an der Rechtsgemeinschaft, eines privaten Engagements kennen beide Rechtsordnungen. In beiden üben individuelle Rechte eine für ein modernes Gemeinwesen unverzichtbare Doppelfunktion aus, indem sie die Ausübung von Hoheitsgewalt steuern und begrenzen und zugleich die auf Sicherung von Freiheit und Gleichheit gerichteten Interessen der einzelnen zur Entfaltung bringen1906. Das Gemeinschaftsrecht fühlt sich dem Blickwinkel der Gleichheitssicherung historisch stärker verbunden, während umgekehrt das deutsche Denken in der Tendenz eher aus der Perspektive der Freiheitssicherung geleitet wird. Wichtigstes gemeinsames Merkmal der Rechtsschutzgarantie stellt die Parallelität von ___________ 1906

W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 463.

416

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

materiellem Recht und Rechtsschutz dar. Unterschiede spiegeln sich im Verständnis insoweit wider, als Rechtsschutz auf die konkrete Ermittlung individueller Rechte verweist. Strukturunterschiede der Reichweite individueller Rechte bei ihrer Ermittlung führen insoweit zu einem breiteren Schutzbereich der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzgarantie, deren praktische Auswirkungen indes dadurch verringert werden, daß es jedenfalls aus der Sichtweise beider Rechtsordnungen einer materiell-rechtlichen Verankerung der Interessen und ihrer individualrechtlichen Ausgestaltung bedarf. Insgesamt läßt sich damit feststellen, daß sich deutsches und gemeinschaftsrechtliches Denken hinsichtlich der Gründe individueller Rechte in perspektivischen Nuancen unterscheiden, daß ihnen aber ein insgesamt gleichartiges Grundverständnis zu eigen ist, welches die Person in den Mittelpunkt rückt. Die in ihrer Anforderung und Funktion vergleichbaren Strukturen gelangen dabei zu praktisch gleichwertigen Resultaten. Hinsichtlich der Ermittlung individueller Rechte kann in beiden Rechtsordnungen davon ausgegangen werden, daß sich individuelle Rechte als Positionen bezeichnen lassen, „die mit der Befugnis zur Durchsetzung einer normativ intendierten Konfliktentscheidung verbunden“ sind. Im einzelnen bestehen gewichtige Unterschiede. Sie beginnen bei der dem deutschen Recht weiterhin geläufigen Unterscheidung zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht, welche den dogmengeschichtlichen Ballast des Konstitutionalismus auch im modernen Denken weiter mit sich führt. Dem entspricht es, die Rechtssatzabhängigkeit – sowohl was die Aufnahme faktischer Impulse als auch eine mögliche Orientierung am gesamten das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normmaterial betrifft – eher restriktiv zu handhaben und an einem Ideal des normativen Konditionalprogrammes weiter festzuhalten. Demgegenüber kann das Gemeinschaftsrecht in diesen Bereichen als wesentlich offener beschrieben werden. Eine normenhierarchisch unterschiedliche Ermittlung individueller Rechte kennt das Gemeinschaftsrecht nicht. Es bezieht den gesamten Normbestand für die normative Verankerung mit ein. Eine tatsächliche Betroffenheit oder konkrete Beeinträchtigung stellt auch im Gemeinschaftsrecht keine generelle, normunabhängige Entstehensvoraussetzung individueller Rechte dar. Das Gemeinschaftsrecht stellt freilich an die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung keine allzu hohen Anforderungen und sieht darin im Unterschied zum deutschen Recht – Stichwort ist hier das Gebot der Rücksichtnahme – keine dogmatische Spezialkategorie. Es handelt sich hierbei jeweils um graduelle Unterschiede, die an der Rechtssatzabhängigkeit individueller Rechte nichts ändern. Auch Elemente der Faktizität in der modernen Schutznormlehre dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vermutung einer Begünstigung um so stärker ist, je deutlicher sich eine Interessenträgerschaft in der Norm selbst ab-

D. Vergleich der Konzepte

417

bildet und daß im ganz überwiegenden Teil der Fälle das normative Element der Interessenschutzformel – mithin: der Begriff des Interesses selbst – das maßgebliche Kriterium deutschen Verständnisses bleibt. Vorherrschend ist immer noch eine Sichtweise, welche sich verbal der qualitativen Trennung von Interessen verpflichtet sieht und damit argumentativ operiert, ohne sich offen dem eigentlichen wertenden Zuweisungsprozeß zu stellen. Beide Rechtsordnungen operieren so mit einer Zuweisung von Interessen, wobei dies im Gemeinschaftsrecht offen, im deutschen Denken hingegen versteckt geschieht. Stark verkürzt gesprochen hat dies zur Folge, daß es sich als gemeinschaftsrechtlich entscheidend darstellt, ob die jeweilige Norm dem Schutz des einzelnen dienen kann, während es im deutschen Recht notwendig ist, daß sie dem einzelnen dienen soll1907. Damit ergeben sich zwei klare Unterschiede zum deutschen Recht: Im Gemeinschaftsrecht kann eine Norm, die vom Normgeber (nur) zum Schutz der Allgemeinheit bestimmt ist, individuelle Rechte verleihen. Und eine Norm kann individuelle Rechte auch an Personen verleihen, die nicht primär Begünstigte, sondern nach deutschem Denken eher reflexartig Betroffene sind, wenn und soweit ein „unmittelbares Interesse“ am Normvollzug für sie streitet. Hinsichtlich der Kriterien zur Ermittlung dieses „unmittelbaren Interesses“ finden sich dann wieder Parallelen zur Ermittlung des „zumindest auch privaten Interesses“ im deutschen Denken. Unmittelbarkeit, Bestimmtheit und Orientierung an der Art des Rechtsverhältnisses finden sich so in beiden Rechtsordnungen: Im Gemeinschaftsrecht eher von der Warte des potentiell von der Normwirkung Profitierenden mit Blick auf die Norm, im deutschen Recht eher von der Norm selbst her, die eine mögliche Interessenträgerschaft abbilden soll. Dieser Sichtweise entspricht es jeweils auch, daß individuelle Rechte eine Zuordnung des Rechtsaktes verlangen, das subjektiv-öffentliche Recht hingegen nach einer Zuordnung des hinter der Norm stehenden Rechtsgutes verlangt. Die nach beiden Rechtsordnungen vorzunehmende „Gesamtbewertung von Rechtssatz, Rechtssatzergebnis und Gesamtposition des von diesem Ergebnis Profitierenden“1908 verfügt damit – wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive – über ein gewisses Konvergenzpotential1909. Beiden Rechtsordnungen ist überdies gemeinsam, daß die Gründe individueller Rechte bei ihrer Ermittlung in einem Kriterium entfaltet werden, welches sich als „Begriffselement“ darstellt: die Rechtsmacht im deutschen Recht sowie die „invocabilité“ im Gemeinschaftsrecht repräsentieren in beiden Rechtsord___________ 1907

T. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 24 mit Fn. 22; A. Glos, Die deutsche Berufsfreiheit und die europäischen Grundfreiheiten, 2003, S. 10. 1908 Vgl. noch einmal F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 24. 1909 J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 181 ff.

418

Zweites Kapitel: Gründe und Ermittlung individueller Rechte

nungen den Gedanken, daß individuellen Rechten ihre Durchsetzbarkeit intentional zu eigen ist. Das Kriterium stellt in beiden Rechtsordnungen das begriffliche Bindeglied zwischen den Gründen individueller Rechte und ihrer Ermittlung dar und verweist gleichzeitig auf die Sätze über die Durchsetzbarkeit individueller Rechte. Trotz dieses bei aller Unterschiedlichkeit nachzuweisenden Konvergenzpotentials bleibt auch bei pragmatischer Betrachtung in der Gesamtsicht ein wesentlicher Unterschied: die aus deutscher Perspektive grundsätzlich objektivrechtliche Strukturierung aggregierter Interessen. Diese Denkweise bleibt dem Gemeinschaftsrecht fremd. Das Gemeinschaftsrecht geht an dieser Stelle davon aus, daß bei diesen Interessen die individuelle Struktur zumindest erhalten bleibt. An genau dieser Nahtstelle reiben sich die Rechtsordnungen in besonderer Weise1910.

___________ 1910

Vgl. noch einmal BGH, Beschl. v. 16.5.2002, III ZR 48/01, BKR 2002, S. 581 ff.

419

Drittes Kapitel

Durchsetzung individueller Rechte A. Grundlagen Individuelle Rechte stehen in einer bestimmten Beziehung zu den prozessualen Bedingungen ihrer gerichtlichen Durchsetzung1. Die für das Zivilrecht seit langem selbstverständliche Konzeption, Rechtsschutz als prozessualen Annex zum individuellen Recht zu konstruieren, ist dem öffentlichen Recht nicht in gleicher Weise geläufig. Ein Rechtsschutzsystem kann vielmehr idealtypisch2 auf zwei Arten ausgestaltet werden. Es kann zum einen strikt dem Schutz individueller Rechte folgen (contentieux subjectif 3); zum anderen kann es einen ___________ 1

S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 378. 2 Grundlegend L. Duguit, Traité de droit constitutionnel, Bd. 2, 2. Aufl. 1923, S. 435 f.; 459 ff., 475 ff. Diese klassische Dichotomie beginnt indes brüchig zu werden, vgl. K.-P. Sommermann, DÖV 2002, S. 133 [142]. 3 Dieses Modell hat in zahlreichen Rechtsordnungen zum Teil einschneidende Relativierungen erfahren. Überblicke bei M. Tonne, Effektiver Rechtsschutz durch staatliche Gerichte als Forderung des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1997, S. 47 ff.; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 133 ff. Anstoß dazu gab nicht selten, daß sog. „diffusen Interessen“ etwa des Umwelt- und Verbraucherschutzes eine entsprechende „Stimme“ fehlt. Zur Entwicklung der „public interest litigation“ in den USA: H. Koch, Prozeßführung im öffentlichen Interesse, 1983, S. 21 ff.; D. Ehlers, VerwArch. Bd. 84 (1993), S. 139 [158 ff.]. Zu ähnlichen Tendenzen im britischen Recht kritisch: K. Schiemann, Public Law 1996, S. 240 ff.; K. Schiemann, Public Law 1990, S. 342 ff. Die Reaktionen auf diese Erfahrungen sind vielgestaltig: Sie reichen von einer Lockerung der Klagezugangsvoraussetzungen durch die Verwaltungsgerichte bis hin zu gesetzgeberischen Maßnahmen wie der liberalisierenden Neudefinition prozessualer Zugangsschranken und Prüfaufträge oder der Einführung der Verbandsklage. Vgl. den Überblick bei B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 140 ff. Zu der nach Art. 12 ff. NHG (Natur- und Heimatschutzgesetz) in der Schweiz eröffneten Verbandsklage im Umweltrecht: E. Rehbinder / H.-G. Burgbacher / R. Knieper, Bürgerklage im Umweltrecht, 1972, S. 90 ff.; M. Kloepfer / E. Mast, Das Umweltrecht des Auslands, 1995, S. 43 f. Zum schweizerischen Verwaltungsrechtsschutz: A. Gadola, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, 1991, S. 250 ff. Die Nachweise dieser Fn. folgen B. Wegener, Rechtsschutz für gesetzlich geschützte Gemeinwohlbelange als Forderung des Demokratieprinzips, S. 1.

420

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Rückbezug zu individuellen Rechten ablehnen, das objektive Recht betonen und so auf den betroffenen einzelnen als Initiator einer objektiven Kontrolle setzen (contentieux objectif). Für den contentieux subjectif sind folgende Merkmale kennzeichnend4: ) Der Schutz von Rechten des Klägers steht im Vordergrund. ) Klagezulassung und Begründetheitsprüfung sind deswegen eng aufeinander bezogen: Der Kläger muß sich für die Zulässigkeit der Klage auf ein Recht berufen, dessen Verletzung seinem Vortrag zufolge möglich sein muß. Die Prüfung genau dieser Rechtsverletzung ist Gegenstand der Begründetheit der Klage. 

) Da die Gerichte im Interesse einzelner tätig werden und ein abstraktes Interesse an der Überwachung der Exekutive nicht besteht, sind sie an den Antrag des Klägers gebunden, können mithin nicht von Amts wegen über diesen Antrag hinausgehen. 

) Die gegenüber der Verwaltungseffizienz höhere Bewertung der Rechte rechtswidrig Betroffener kann sich in einem automatischen Suspensiveffekt ausdrücken, den eingelegte Rechtsbehelfe auslösen. 

) Die Gerichte erfüllen nicht den Zweck der Selbstkontrolle der Verwaltung, so daß sie gegenüber dieser notwendig unabhängig sind. ) Urteile müssen nur inter partes wirken, da der Klagezweck mit dem Obsiegen des rechtswidrig in seinen Rechten Verletzten erfüllt ist. ) In letzter Konsequenz ist im idealen Fall die Überprüfung der Norm, auf der eine Maßnahme beruht, am Maßstab höherrangigen Rechts möglich. 

Bei jedem dieser sieben Kriterien geht ein System des contentieux objectif andere Wege. Dieses Modell weist folgende Charakteristika auf: ) Zweck des gerichtlichen Verfahrens ist die objektive Rechtmäßigkeitskontrolle. Die Klage eines einzelnen ist nur Anlaß für die Einleitung eines Verfahrens5. 

) Um diesen Zweck zu erreichen, sind keine Beschränkungen des Zuganges zu den Gerichten erforderlich. Je weiter der Kreis der Berechtigten gezogen wird, desto intensiver wird die Rechtmäßigkeitskontrolle. Wird gleichwohl eine Zugangsbarriere errichtet, so geschieht dies nicht kraft Gesetzes, sondern durch die Gerichte selbst, um die eigene Überlastung zu vermeiden. Entsprechend variabel kann dieses Kriterium sein. Typischerweise wird eine gewisse tatsächliche Beziehung zur jeweils als verletzt ge-

___________ 4 Die Einteilung und Beschreibung folgt S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 379 f. 5 C. Starck, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 595 [608 f.]; G. Vedel / P. Delvolvé, Droit administratif, 9. Aufl. 1984, S. 757 ff. und J.-M. Woehrling, NVwZ 1985, S. 21 [23]: „Die aus der Dienstaufsichtsbeschwerde hervorgegangene Anfechtungsklage ist in Frankreich nicht nur ein dem Bürger zur Verfügung stehendes Rechtsmittel, sondern auch ein Verfahren, das der politischen Führung die Möglichkeit gibt, zu kontrollieren, ob die Rechtsnormen von den untergeordneten Behörden rechtmäßig ausgeführt werden.“

A. Grundlagen

421

rügten Norm verlangt, ein geschütztes und real betroffenes Interesse (intérêt à agir)6. Zwischen Klageinteresse und Begründetheit besteht keine derart enge Beziehung wie im System des subjektiven Rechtsschutzes. ) Zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ist es nicht erforderlich, daß das Gericht an den Antrag gebunden bleibt. 



) Keine Vermutung spricht dafür, daß individuelle Rechte das Vollzugsinteresse überwiegen. Ein automatischer Suspensiveffekt tritt daher nicht ein. ) Verwaltungsgerichte sind nicht notwendig unabhängig, sondern können auch als Teil der Exekutive agieren7.



) Urteile müssen in einem vollständig der objektiven Kontrolle verpflichteten System erga omnes wirken. ) Da individuellen Rechten kein Vorrang gegenüber dem Interesse an objektiver Rechtmäßigkeit zukommt, sind auch im Verhältnis zur Legislative andere Prioritäten denkbar. Die Befugnis zur Verwerfung einer der Entscheidung zugrunde liegenden Norm ist Frage des jeweiligen Gewaltenverschränkungsmodells. In vielen dem contentieux objectif verpflichteten Systemen bestehen daher keine Mechanismen inzidenter oder prinzipaler Normenkontrolle8.

Zwischen diesen zwei Modellen9 der Rechtsschutzsysteme im Verwaltungsrecht10, der Interessentenklage und der Verletztenklage11, sind vielerlei Misch___________ 6

M. Fromont, in: Max-Planck-Institut, Gerichtsschutz, Bd. 1, 1969, S. 221 [249 ff]. Der französische Conseil d’Etat hat eine immer großzügigere Auslegung des Begriffes „verletztes Interesse“ entwickelt. Die Tendenz geht dahin, jedes halbwegs bestimmbare Interesse als ausreichend anzusehen. So reicht die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, wie etwa der Steuerzahler oder Gemeindeeinwohner aus, um gegen eine Entscheidung vorzugehen, die den Kläger als Mitglied einer derartigen Gruppe trifft, vgl. J.-M. Woehrling, NVwZ 1985, S. 21 [23]. 7 Vgl. zur Situation vor Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit J.-M. Woehrling, NVwZ 1985, S. 21 [22 f.]. 8 Dieses Element bedingt, daß der aus deutscher Sicht elementare verfassungsrechtliche Rechtsschutz nicht im Zentrum der Betrachtung steht, sondern vielmehr der fachgerichtliche Rechtsschutz angesprochen ist. 9 Eingehend zur Unterscheidung: V. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen im Verwaltungsprozeß, 1979. 10 Im angelsächsischen Rechtskreis ist die Verselbständigung des öffentlichen Rechts vielfach noch nicht in dem aus den kontinental-europäischen Rechtsordnungen bekannten Maße fortgeschritten. Zu den Wurzeln dieser britischen Zurückhaltung vgl. P. Craig, Administrative Law, 4. Aufl. 1999, S. 4 ff. 11 Zum grundsätzlichen Ausschluß der actio popularis in ihrer theoretisch reinen Form, vgl. nur Schlußanträge von GA G. Cosmas, v. 23.9.1997 zu EuGH, Urt. v. 2.4.1998, Rs. C-321/95 P – Greenpeace, Slg. 1998, I-1651 Rdnr. 53 mit dem Hinweis auf die jedenfalls teilweise abweichende Rechtslage in Spanien und Portugal. Siehe auch die Schlußanträge von GA F. Capotorti v. 18.3.1981 zu EuGH, Urt. v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, 1805 [1856] (vgl. zu letzterem aber die Anmerkung oben, S. 325 Fn. 1436).

422

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

formen12 denkbar. Insbesondere das oben jeweils sub ) eingeordnete Verhältnis von materieller Berechtigung und Klageinteresse, stellt sich aber immer als besonderer Ausdruck einer Systementscheidung13 dar. Die Unterschiede und die Reichweite individueller Rechte als materielle Berechtigungen lassen sich nur fassen, wenn ihre Verbindung zu dem System hergestellt wird, dem sie zugehören. Demzufolge wurde bei der Darstellung der Sätze über Gründe und Ermittlung individueller Rechte im Zweiten Kapitel in vielfacher Weise Bezug auf diese prozessualen Bedingungen genommen14. Denn Sätze über Gründe, Ermittlung und Durchsetzung individueller Rechte lassen sich zwar unterscheiden, nicht aber vollständig trennen. Als Ertrag konnte bereits festgehalten werden, daß es dem Selbstverständnis sowohl der deutschen als auch der Gemeinschaftsrechtsordnung entspricht, individuelle Rechte als materielle Berechtigung zu deuten. Dieser Berechtigung wird das Klageinteresse jeweils korrespondierend zugeordnet15. Insoweit wurden bestimmte Aussagen hinsichtlich der jeweiligen Systementscheidung bereits getroffen. Die nähere Ausdifferenzierung dieser – für sich betrachtet noch recht groben – Feststellungen bildet den Gegenstand dieses Kapitels; die Darlegungen können aber entsprechend knapp ausfallen16. Ausgeführt werden soll, wie sich individuelle Rechte auf die pro

___________ 12

Das englische System etwa scheint sich in Richtung eines contentieux subjectif zu entwickeln; vgl. M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 123 ff.; C. Starck, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 595 [607 f.]; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 381; vgl. aber auch die Nachweise oben, S. 419 Fn. 3. Das niederländische System verbindet verschiedene Elemente, fordert aber für die Anfechtungsberechtigung meist nur eine Interessenbeeinträchtigung, S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 381; N. Rothenbücher, Verwaltungsrechtsschutz in den Niederlanden, 1978, S. 77 ff. 13 Vgl. S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 158 [170]. 14 Vgl. zum deutschen Denken Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 78 f.; Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1), 138 ff.; Zweites Kapitel – B.III.2.c), S. 224 f.; zum gemeinschaftsrechtlichen Denken Zweites Kapitel – C.I.1.c), S. 301 ff. insbes. C.I.1.c)(3), S. 304 f.; Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(a), S. 322 ff.; Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 327 ff.; Zweites Kapitel – C.III.1.b), S. 353 ff.; Zweites Kapitel – C.III.2.c), S. 405 f. 15 Oben, Zweites Kapitel – C.IV.3., S. 410 ff. 16 Zur Literatur zum europarechtlichen Einfluß auf das Prozeßrecht vgl. die Nachweise oben, Erstes Kapitel – B., S. 52 dort Fn. 14 und 15 und etwa M. Gellermann, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 36 Rdnr. 11 ff.; R. Streinz, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 300 [344 ff.]; P. M. Huber, BayVBl. 2001, S. 577 ff.; W. Erbguth, UPR 2000, S. 81 ff.; N. Philippi, ZEuS 2000, S. 97 ff.; J. Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 ff.; S. Tomerius, NVwZ 2000, S. 727 ff.; R. Bonnmann, UPR 1999, S. 57 ff.; M. Bullinger, JZ 1999, S. 905 ff.; W. Cremer, BayVBl. 1999, S. 266 ff.; S. Delfs, DVBl. 1999, S. 87 ff.; W. Erbguth, UPR 1999, S. 41 ff.; T. von Danwitz, JZ 1999,S. 198 f.; A. Jannasch, NVwZ 1999, S. 495 ff.; A. Kaczorowska, EPL Bd. 5 (1999), S. 79 ff.; H. Petzold, NVwZ 1999,

B. Das deutsche Verständnis

423

zessualen Bedingungen ihrer gerichtlichen Durchsetzung auf primärer Ebene im deutschen Recht (B.) und im Gemeinschaftsrecht (C.) auswirken. Weitere prägende Elemente können auf sekundärer Ebene der Beziehung zwischen den Haftungsregimen und den individuellen Rechten entnommen werden (D.). Die jeweils gewonnenen Elemente struktureller Vergleichbarkeit sind sodann wieder wertend zu vergleichen (E.).

B. Das deutsche Verständnis Das deutsche Verständnis hat sich in weiten Teilen parallel zur Diskussion um subjektiv-öffentliche Rechte entwickelt17. Die Entwicklung des deutschen Verständnisses kann daher entsprechend straff erläutert werden (I.). Daran schließt sich – der oben beschriebenen Einteilung folgend18 – die Darstellung der Besonderheiten des deutschen Systems an (II.), wobei dem Verhältnis von materieller Berechtigung und Klagebefugnis besonderes Gewicht zukommt. Die einzelnen Gesichtspunkte des deutschen Verständnisses sind sodann wiederum für den vorzunehmenden strukturellen Vergleich zu kategorisieren (III.).

I. Entwicklungslinien des deutschen Systems Dem praktischen Sinn der Römer entsprach es, ihre juristische Energie der Ausbildung verschiedenartiger Klagen und der Formulierung von Klagevoraussetzungen zu widmen19. Den Begriff des subjektiven Rechts in einer der heutigen Denkweise vergleichbaren Fassung kannten sie nicht20. Erst die Glossatoren fragten nach der Ursache der Klage und ordneten der Klage ein ius als causa naturalis zu21, welches den Wesensinhalt und die Individualität der Klage bestimmte. Sie betrachteten ius und actio als nebengeordnet. Donellus ging ___________ S. 151 ff.; F. Schoch, NVwZ 1999, S. 457 ff.; F. Schoch, VBl.BW 1999, S. 241 ff.; J. Schwarze, DVBl. 1999, S. 261 ff.; R. Steinberg, ZUR 1999, S. 126 ff.; G. Winter, NVwZ 1999, S. 467 ff.; A. Graser, DÖV 1998, S. 1004 ff.; J. Kokott, Die Verwaltung Bd. 31 (1998), S. 335 ff.; S. Müller-Franken, DVBl. 1998, S. 758 ff.; H. Petzold, NJW 1998, S. 123 ff.; K. Stern, JuS 1998, S. 769 ff.; F. Emmert, BayVBl. 1997, Beiheft zu Heft 1/97, S. 1 ff.; R. Steinberg, AöR Bd.120 (1995), S. 549 ff. 17 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – B.I., S. 65–117. 18 Oben, Drittes Kapitel – A., S. 419 f. 19 J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 69. 20 H. Coing, in: Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, 1962, S. 29 [32 ff.]. 21 J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 70.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

dann einen Schritt weiter und sah die actio als dem subjektiven Recht untergeordnet, als das remedium an22. Dies wurde noch von Friedrich Carl von Savigny23 vertreten, nach dessen Auffassung die actio das subjektive Recht im Zustand der Verletzung und Verteidigung sei24. Mit dieser Sichtweise setzte sich Bernhard Windscheid auseinander. Er ging das Problem von einer anderen Seite an25. Das Klagerecht sei nicht das materielle Recht in veränderter Gestalt, im Zustand der Verteidigung; vielmehr trete an die Stelle der Klage mit demselben Inhalt das subjektive Recht als Anspruch26. Klagbarkeit bedeute Durchsetzbarkeit eines materiellen Anspruches im Prozeß. Die actio sei nicht der Ausfluß, sondern nur der Ausdruck dieses Rechts27. Damit waren materielles Recht und Prozeßrecht voneinander getrennt. Was vorher ein System von Klagen war, wurde nunmehr als System von Ansprüchen betrachtet, welche prozessual durchsetzbar waren28. Das jüngere subjektiv-öffentliche Recht war Abkömmling des zivilrechtlichen „Anspruches“, des „Rechts im subjectiven Sinne“. Recht und Anspruch wurden seit der Begriffsbestimmung Ottmar Bühlers29 auch hier als Identität gesehen30. Ende des 19. Jahrhunderts bestand – nach gängiger Darstellung31 – einerseits die preußische, auf Rudolf von Gneist zurückgehende Tradition der Verwaltungsrechtspflege, die das Recht als objektive Ordnung verstand32. Beschwerderechte waren daher zuvörderst ein Beitrag des Bürgers zum Erhalt der objektiven Rechtsordnung33. In Nachwirkung feudaler Tradition konnte der Bürger ___________ 22

J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 70. F. C. von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 5, 2. Nachdruck der Ausgabe 1841, 1981, S. 2. 24 H. Coing, in: Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, 1962, S. 29 [44, 49]. 25 H. Coing, in: Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, 1962, S. 29 [50]. 26 B. Windscheid, Die Actio des römischen Zivilrechts, Reproduktion der Ausgabe 1856, 1969, S. 2 f. 27 B. Windscheid, Die Actio des römischen Zivilrechts, Reproduktion der Ausgabe 1856, 1969, S. 4. 28 J. Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977, S. 70. 29 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 224; O. Bühler, in: FG für Fritz Fleiner, 1927, S. 36. Vgl. das Zitat oben, Erstes Kapitel – B.I.1.a)(1)(a), S. 71. 30 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 226 f. 31 Etwa bei U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 5; zum Ganzen: G. von Unruh, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Verfassungsstaat, 1984, S. 22 ff.; C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 17 ff. 32 R. von Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 1879, S. 270 ff. 33 R. von Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 1879, S. 271. 23

B. Das deutsche Verständnis

425

dem Landesherren wohlerworbene Rechte entgegenhalten und auf dem ordentlichen Gerichtsweg durchsetzen34. Andererseits stand im süddeutschen, auf Otto von Sarwey35 und Otto Bähr36 zurückgehenden System die Verteidigung der Rechte des einzelnen im Zentrum des Interesses an einer Verwaltungsgerichtsbarkeit. In Darstellungen zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit schließt man nun herkömmlicherweise mit der Feststellung, das süddeutsche System habe sich durchgesetzt37. In dieser plakativen Entgegensetzung liegt indessen eine Überzeichnung, welche der Vielgestaltigkeit der Rechtsschutzsysteme nicht gerecht wird38. Insbesondere im eigentlich einem objektiven System der Verwaltungsrechtspflege verbundenen Sachsen39 wurde der Begriff des „Beteiligten“, auf den sich die Initiativberechtigung beschränkte40, zum Einfallstor für die Frage nach subjektiv-öffentlichen Rechten des Klägers41. Und auch das PrOVG hatte argumentiert, es ergebe sich „aus dem Begriffe der ‚Gerichtsbarkeit in Verwaltungssachen‘“42, daß das Verfahren subjektiv-rechtlichen Zugangsschranken unterliege. Es sei „[…] nur dazu bestimmt, dem Schutze solcher Interessen zu dienen, deren Verletzung zugleich die Verletzung subjektiver Rechte in sich schließt.“43

Elemente objektiver Rechtskontrolle blieben aber durch die Verzahnung von Verwaltung und unteren Instanzen erhalten44. ___________ 34

H. Faber, Verwaltungsrecht, 1987, S. 212. O. von Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege, 1880, S. 79, 112. 36 O. Bähr, Der Rechtsstaat: eine publicistische Skizze, 1864. 37 U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 5; F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 70 ff. 38 R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 11; W. Rüfner, in: Jeserich / Pohl / von Unruh, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 1984, S. 909 [911 ff.]. 39 K. Apelt, Autor und Kommentator des Sächsischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 19.7.1900 (SächsVRPG), SächsGVBl., S. 486, betonte denn auch: „Insoweit hat also die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Aufgabe, das objektive öffentliche Recht zu schützen, und indem sie diese Aufgabe erfüllt, dient sie in gleicher Weise dem Interesse des Staates wie des einzelnen […]“ (K. Apelt, Das königlich-sächsische Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1911, S. 51). 40 § 73 Abs. 1 SächsVRPG (oben, Fn. 39). 41 C. Enders, in: FS für das Sächsische Oberverwaltungsgericht, 2002, S. 169 [172 ff.]. 42 PrOVG, Urt. v. 30.4.1877, Rep. C. 83/77, PrOVGE 2, 351 [354]. Die Entscheidung erging allerdings weit vor dem Gesetz über die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung vom 26.7.1880, PrGS, S. 291 (dort § 63) und dem nachfolgenden Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30.7.1883, PrGS S. 195 (dort § 127), welche die Klagen gegen polizeiliche Verfügungen von der Verletzung subjektiver Rechte abhängig machten. 43 PrOVG, Urt. v. 30.4.1877, Rep. C. 83/77, PrOVGE 2, 351 [353 f.]. 35

426

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Nach dem vergleichsweise blassen Art. 107 WRV wurde durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG das Leitbild eines subjektiven Rechtsschutzes endgültig zementiert. Ein klägerisches Recht nicht als Anstoß, sondern als Schutzziel des (primären und sekundären) gerichtlichen Prüfungsauftrages45 zu sehen und dessen Umfang anhand dieses Rechts zu konturieren46, war vor diesem Hintergrund zwingende Konsequenz. Die wenigen Stimmen, die dem Verwaltungsrechtsschutz auch unter Geltung des GG eine ausschließlich objektive Zwecksetzung47 oder zumindest eine Doppelfunktion48 zuschreiben wollten, sind denn auch weitgehend49 verstummt. Die Auffassung, daß der Individualrechtsschutz primärer Zweck der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei, ist daher allgemein akzeptiert. Mit den Worten Eberhard Schmidt-Aßmanns: „[…] der objektive Rechtsschutz bleibt im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG […] Nebenfolge. Zusätzliche objektive Kontrollaufträge der Verwaltungsgerichte lassen sich aus dieser Vorschrift jedenfalls nicht ableiten“.50

Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG formuliert somit einen Satz über ein subjektiv-öffentliches Recht; er enthält als wichtigstes formelles Hauptgrundrecht einen allgemeinen Satz über Gründe für individuelle Rechte51 und formuliert schließlich den nach deutschem Verständnis wichtigsten Satz52 über die Durchsetzung subjektiv-öffentlicher Rechte als generelle Strukturentscheidung für den Individualrechtsschutz53. ___________ 44

Vgl. W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 [195]. E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 116. 46 R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 10. 47 W. Niese, JZ 1952, S. 353 [355]. 48 E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts Bd. I, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 1953, S. 412; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1954, S. 582. 49 U. Ramsauer, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 6, der die Neufassung des § 47 VwGO durch die sechste VwGO-Novelle als Systembruch bezeichnet. 50 E. Schmidt-Aßmann, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 107 [109]. Ebenso etwa W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 52 [66] und J. Burmeister, in: Ress, Entwicklungstendenzen im Verwaltungsverfahrensrecht und in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1990, S. 60 f. 51 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(3), S. 146 f. 52 Nach der Plenarentscheidung BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02, NJW 2003, S. 1924 ff. wird „dem Rechtsstaatsprinzip i.V. mit Art. 103 Abs. 1 GG“ für die Gewährleistung fachgerichtlichen Rechtsschutzes bei Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör daneben eine besondere Bedeutung zukommen. 53 Vgl. näher oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1), S. 138 ff. Wohlfeile Forderungen der Art: „Die Rechtsweggarantie des Grundgesetzes geht zu weit. Mit weniger Justiz und weniger Richtern werden Staat und Gesellschaft beweglicher“ (T. Darnstädt / H. Kloth, DER SPIEGEL Nr. 20 v. 12.5.2003, S. 34) ignorieren die Tiefenwirkung eine das gesamte rechtsstaatliche Denken prägenden Strukturentscheidung. 45

B. Das deutsche Verständnis

427

II. Ausprägungen der Zielrichtung des Rechtsschutzsystems Die verfassungsrechtlich vorgezeichnete Systementscheidung schlägt sich im deutschen Recht in den einzelnen Punkten der eingangs beschriebenen Einteilung54 nieder. Neben der VwGO enthalten auch die FGO, das SGG, das EGGVG und zahlreiche andere Gesetze Sätze über die Durchsetzung subjektivöffentlicher Rechte. Paradigmatisch steht im folgenden die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit im Mittelpunkt. 1. Leitgedanke Leitgedanke deutschen Denkens stellt die sich in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ausdrückende subjektive Funktion des Verwaltungsprozesses dar. Das Zweite Kapitel 55 hat ergeben, daß diese Funktion den Sätzen über die Durchsetzung individueller Rechte eine Garantie ihrer quantitativen und qualitativen Ausgestaltung im einfachen Recht sichert. Die Ausrichtung an anderen Kriterien als denen der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte stellt zwar eine Option des Gesetzgebers dar. Sie darf aber die prozessuale Orientierung an der Verletzung subjektivöffentlicher Rechte nicht vollständig substituieren. 2. Klagebefugnis Im deutschen Recht entsprechen sich der Umfang der Klagezulassung und die Erfolgsvoraussetzungen des Rechtsbehelfes56. § 113 Abs. 1 und § 42 Abs. 2 VwGO57 sind schon dem Wortlaut nach strikt aufeinander bezogen. a) Verletzung in eigenen Rechten Der Kläger muß geltend machen, durch die angegriffene, abgelehnte oder unterlassene Handlung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Regelungen der §§ 42 Abs. 2 VwGO, 40 Abs. 2 FGO, 54 Abs. 1 S. 2 SGG, 107 Abs. 2 GWB und 24 Abs. 1 EGGVG bestimmen dies insoweit übereinstimmend. Auch die kartellverwaltungsrechtliche Verpflichtungsbeschwerde erfordert nach § 62 ___________ 54

Oben, Drittes Kapitel – A., S. 419 f. Oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(1), S. 138 ff. 56 W. Spannowsky, in: Nomos-Kommentar zur VwGO, § 113 Rdnr. 44 ff.; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 380. 57 § 40 Abs. 2 FGO und § 100 Abs. 1 FGO. 55

428

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Abs. 3 S. 1 GWB die Behauptung einer Rechtsverletzung58. Nämliches gilt im Rahmen von § 48 WpÜG. Notwendig, aber auch ausreichend ist, daß nach dem Vortrag des Klägers möglicherweise59 in seine Rechtssphäre eingedrungen wird und dieser Eingriff möglicherweise rechtswidrig ist. Als Recht, dessen Verletzung der Kläger geltend machen kann, kommt nur subjektiv-öffentliches in Betracht60. Räumt die Rechtsordnung dem einzelnen ein solches ein, dann – und nur dann – ist er auch klagebefugt. Hat er hingegen kein solches Recht, so ist ihm eine Klage – vorbehaltlich „anderweitiger gesetzlicher Bestimmung“61 – versagt. Die Klagebefugnis stellt also das exakte Spiegelbild des Rechts dar; nur dessen mögliche Verletzung rechtfertigt eine Inanspruchnahme der Gerich-

___________ 58 § 62 Abs. 2 GWB macht mit der Verweisung auf die am Verfahren vor der Kartellbehörde Beteiligten nach § 54 Abs. 2 und 3 GWB die Zulässigkeit der Anfechtungsbeschwerde nicht von einer Rechtsverletzung abhängig. Beiladungsfähig sind insbes. Personen, deren Interessen (!) durch die Entscheidung erheblich berührt werden. Jedenfalls im Wortlaut weicht § 54 Abs. 2 Nr. 3 damit von den enger gefaßten §§ 13 Abs. 2 S. 1 VwVfG und 65 Abs. 1 VwGO ab. Nach h.M. (BGH, Beschl. v. 5.12.1963, KVR 1/63, BGHZ 41, 61 [64]; R. Bechtold, GWB, 3. Aufl. 2002, § 54 Rdnr. 8; H. Griesshaber, Die Beiladung zum Verfahren in Kartellverwaltungssachen, 1967, S. 23, 132 f.) ist dies eine Erweiterung: Es genügt ein „wirtschaftliches“ Interesse im Gegensatz zum „rechtlichen“ Interesse. K. Schmidt, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 54 Rdnr. 38 weist zutreffend darauf hin, daß ebenso wie nach §§ 13 Abs. 2 S. 1 VwVfG, 65 Abs. 1 VwGO vorausgesetzt wird, daß Interessen des Beigeladenen „rechtserheblich“ betroffen sind, also einen Bezug zum Verfahrensergebnis haben (können). Die betroffenen Interessen müssen deshalb jedenfalls von potentieller Bedeutung im Kartellverwaltungsverfahren sein und Gegenstand der kartellbehördlichen Würdigung sein können. Die Erweiterung dürfte daher marginal sein. Vgl. auch K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, 1977, S. 467 f., 470 f., 486 f. 59 Herkömmlichweise als sog. „Möglichkeitstheorie“ bezeichnet, vgl. W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rdnr. 154 und 155. 60 Vgl. aus der Fülle der Literatur: E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 116 ff.; H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986; H. Bauer, AöR Bd. 113 (1988), S. 582 ff.; W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 ff.; P. Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen des öffentlichrechtlichen Drittschutzes, 1992; M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992. 61 Der Dispens kann in einem formellen Bundes- oder Landesgesetz geregelt sein (BVerwG, Urt. v. 22.4.1970, V C 80.68, BVerwGE 35, 173). Beispiele hierfür sind die Klagen des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten nach § 6 Abs. 2 S. 2 AsylVfG, der Handwerkskammer nach § 8 Abs. 4 HandwO, der Industrie- und Handelskammer nach § 12 HandwO. Ebenso gehören hierzu die gesetzlich zugelassenen Verbandsklagen von Naturschutzverbänden nach den Naturschutzgesetzen der Länder (etwa § 37 b Rh-Pf LPflegeG), nicht hingegen die Klagen dieser Verbände nach § 29 Abs. 1 i.V.m. § 4 S. 3 BNatSchG a.F.: denn hier ging es um eigene subjektiv-öffentliche Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren, welche unter die erste Alternative von § 42 Abs. 2 VwGO fallen.

B. Das deutsche Verständnis

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te. Illustratives Beispiel für die Auslegung nach deutschem Verständnis ist ein Urteil des VG Koblenz62, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag: Der Kläger – ein Verein von Mitgliedern der „Vereinigungskirche“ – wendete sich gegen die im Jahr 1995 erfolgte Ausschreibung zur Einreiseverweigerung des Ehepaares Moon, welche das BMI gemäß Art. 96 Abs. 2 des SDÜ für die Dauer von zunächst drei Jahren veranlaßt hatte. Gründer und weltweites Oberhaupt der „Vereinigungskirche“ ist Herr Moon. Sein Antrag vor dem VG Köln auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg. Dem Ehepaar Moon wurde im November 1995 von Paris aus die Weiterreise nach Deutschland versagt. Der Kläger hat beantragt, festzustellen, daß die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung rechtswidrig ist.

Das VG Koblenz hat die Klage als unzulässig abgewiesen; eine Rechtsverletzung des Klägers sei von vornherein und nach allen Betrachtungsweisen ausgeschlossen. „Der Kläger kann eine mögliche Verletzung in seinen eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten zunächst nicht unmittelbar aus Art. 96 Abs. 2 SDÜ ableiten. […]. Außenstehende Dritte können Rechte unmittelbar aus Art. 96 Abs. 2 SDÜ […] nur dann geltend machen, wenn diese Norm Drittschutz gewährt. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr schützt die Vorschrift allein das öffentliche Interesse jeden Vertragsstaates, die Einreise der die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der nationalen Sicherheit des jeweiligen Vertragsstaates gefährdenden Personen zu verhindern. Daß damit gleichzeitig auch der Einzelne vor dieser Person geschützt wird, ist ein bloßer positiver Rechtsreflex und nicht geeignet, einen entsprechenden Anspruch des Einzelnen auf eine solche Ausschreibung zur Einreiseverweigerung zu begründen. Im Übrigen steht hier nicht ein solcher Anspruch auf eine Ausschreibung zur Einreiseverweigerung, sondern gerade ein Abwehrrecht gegen eine solche Maßnahme im Streit. Ist die Möglichkeit einer eigenen Rechtsverletzung des Klägers bzw. dessen Mitglieder unmittelbar aus Art. 96 Abs. 2 SDÜ damit nicht gegeben, wäre allenfalls noch eine mögliche Verletzung von Grundrechten durch die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung in Erwägung zu ziehen. Eine solche scheidet vorliegend jedoch ebenfalls von vornherein aus.“ [wird ausgeführt].

Die Klagebefugnis dient nicht nur dem Ausschluß von Popularklagen, sondern ebenso dem Ausschluß bloßer Interessentenklagen63. Beide sind dem deutschen Recht nicht vollständig fremd. So können Nichtigkeitsklagen gegen deutsche Patente von jedermann gegen den Inhaber eingereicht werden, wenn der Kläger der Überzeugung ist, daß die Voraussetzungen der Neuheit, erfinderischen Tätigkeit, gewerblichen Anwendbarkeit oder ausreichende Offenbarung fehlen oder wenn die Erfindung widerrechtlich entnommen64 oder gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anmeldetext unzulässig erweitert wurde65. ___________ 62 VG Koblenz, Urt. v. 9.11.98, 3 K 938.98 KO, n.v., einsehbar unter: http://www. agpf.de/VG-Koblenz-3K938-98.htm. 63 D. Ehlers, VerwArch Bd. 84 (1993), S. 139 [140]. 64 Vgl. die Legaldefinition in § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG. 65 Nach §§ 81 bis 83 PatG beim BPatG; vgl. R. Rogge, in: Benkard, PatG, 9. Aufl. 1993, § 22 Rdnr. 21, § 81 Rdnr. 3.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Art. 98 S. 4 BV i.V.m. Art. 2 Nr. 7, Art. 55 Abs. 1 VfGHG erlaubt jedermann die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift des bayerischen Landesrechts geltend zu machen66, soweit er darlegt, ein durch die Verfassung gewährleistetes Grundrecht werde verfassungswidrig eingeschränkt. Auch kann der Bürger zum Sachwalter überindividueller Interessen bestimmt werden67. Beides – Popularklagen und Interessentenklagen – stellen aber nach deutschem Verständnis die äußerst seltene Ausnahme dar und finden sich meist außerhalb der großen Prozeßordnungen in Spezialgesetzen oder im Landesrecht. Soweit solche gesetzlichen Ausnahmen nicht bestehen, hat der Kläger erstens darzulegen, daß es ein subjektiv-öffentliches Recht der behaupteten Art in abstracto gibt68. Bereits aus diesem Grunde sind altruistische Verbandsklagen – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Regelung – ausgeschlossen; das gleiche gilt für Klagen von Nachbarn, deren ästhetischem Empfinden die Gestaltung eines Bauwerkes zuwiderläuft69. Zweitens hat der Kläger darzulegen (und nicht nur geltend zu machen70), daß das in abstracto bestehende Recht auch den Personenkreis schützt, dem er sich zurechnet. Beispiel hierfür bietet das bereits angesprochene Abstandsflächenrecht71: Nur derjenige kann das in abstracto bestehende Recht auf Einhaltung der Abstandsflächen für sich in Anspruch nehmen, an dessen Grundstück die Bebauung unter Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht heranrückt, mithin nicht der Angrenzer auf der abgewandten Seite des Grundstückes.

___________ 66

Dazu: T. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 98 Rdnr. 1 ff. Die Bezeichnung der Popularklage als „Bestandteil des Bayerischen Kuriositätenkabinetts“ (J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 120) muß als ihrerseits kuriose Entgleisung eines bayerischen (!) Hochschullehrers zurückgewiesen werden. 67 Etwa die Klagemöglichkeiten eines Wettbewerbers nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG sowie der Verbände und Einrichtungen nach § 13 Abs. 2 Nr. 2–4 UWG. Vgl. dazu näher oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)ii), S. 201 Fn. 777 und F. Traub, in: FS für Karlheinz Quack, 1991, S. 118 [129]: „Natürlich wird der Wettbewerber in aller Regel nur klagen, wenn ein unlauteres Wettbewerbsverhalten zu bekämpfen ist, welches auch ihn stört. Aber es gibt Menschen, die aus Prinzip für Ordnung sorgen und auch diese hat das Gesetz ganz bewußt in den Dienst der Aufrechterhaltung des lauteren Wettbewerbs gestellt.“ Die Neufassung des BNatSchG sieht nunmehr auch auf Bundesebene eine Verbandsklage vor, § 61 Abs. 1 BNatSchG: „Ein […] anerkannter Verein kann, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen […]“. 68 D. Ehlers, VerwArch Bd. 84 (1993), S. 139 [147]. 69 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)ii), S. 203. 70 D. Ehlers, VerwArch Bd. 84 (1993), S. 139 [148]. 71 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)ii), S. 176.

B. Das deutsche Verständnis

431

Der Kläger muß drittens die Verletzung eines eigenen subjektiv-öffentlichen Rechts auch in concreto plausibel machen können. Dies gilt gerade auch bei Rechtssätzen, die in besonderer Weise auf eine kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung verweisen72. Erst bei Erreichen einer gewissen Erheblichkeitsschwelle73 erstarkt § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB i.V.m. dem Gebot der Rücksichtnahme zu einem subjektiv-öffentlichen Recht. Die Prüfung der Plausibilität des Vorbringens erstreckt sich damit auch auf die Frage, ob es offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, daß diese Schwelle erreicht ist. An dieser notwendigen Beziehung zur Sphäre des Klägers fehlt es etwa auch, wenn der Kläger zwar einen Rechtsverstoß und ein eigenes subjektiv-öffentliches Recht darlegt, nicht aber geltend machen kann, daß der Rechtsverstoß ihn in seinem Recht trifft74. Darin liegt die spezifische Verbindung zur Begründetheit der Klage. Wer vor Gericht Erfolg haben will, kann nicht darauf beharren, daß er etwas will. Gewinnen kann er nur, wenn er das Gewollte auch überzeugend als das für ihn normativ Gesollte darstellen kann. b) Klagebefugnis bei Leistungs- und Feststellungsklagen Für die Zulässigkeit einer Klage und die Abgrenzungsfunktion kommt es nicht mehr auf die Rechtsform staatlichen Handelns an. Die Abgrenzungsprobleme zwischen potentiell Verletzten und nur mittelbar Belasteten, zwischen subjektiv Berechtigten und lediglich von Chancen und Reflexen Profitierenden stellen sich auch bei Klagen gegen oder auf tatsächliches Verwaltungshandeln75. Die Klagebefugnis in ihrer ursprünglich auf die Anfechtung von Verwaltungsakten zugeschnittenen Form findet daher heute ebenso auf Unterlassungsund Leistungsklagen Anwendung76. Instruktiv ist insoweit ein Blick nach Italien: die italienische Verfassung vertraut den Schutz gegen die Exekutive nach einem dualistischen Modell den Verwaltungsgerichten und den ordentlichen Gerichten an77. Die Grenze zwischen ___________ 72 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)ii), S. 176. Der Übergang zum allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis ist fließend, vgl. BVerwG, Urt. v. 23.4.2002, 4 CN 3.01, NVwZ 2002, S. 1126 [1127 f.]. 73 BVerwG, Urt. v. 19.9.1986, 4 C 8.84, NVwZ 1987, S. 409. 74 D. Ehlers, VerwArch Bd. 84 (1993), S. 139 [148]. 75 F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 74. 76 F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 70; E. Schmidt-Aßmann, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 107 [109]; D. Ehlers, VerwArch. Bd. 84 (1993), S. 139 [142]; BVerwG, Urt. v. 24.2.1981, 7 C 60.79, BVerwGE 62, 11 [14]. 77 Constituzione della Repubblica Italiana (Gazzetta Ufficiale, 27.12.1947, n. 298) Art. 24 Abs.1: „Tutti possono agire in giudizio per la tutela dei propri diritti e interessi legittimi“, Art. 103 Abs. 1: „Il Consiglio di Stato e gli altri organi di giustizia amminis-

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

beiden orientiert sich an den Begriffen der subjektiven Rechte (diritti sogettivi) und rechtlich geschützten Interessen (interessi legitimi)78. Das ist in historischer Perspektive eben jene Grenze, die in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwischen Zivilgerichten und Administrativjustiz gezogen wurde79. Weitere inhaltliche Konsequenzen ergeben sich für so heterogene Bereiche wie den Schadenersatz80 und die Bestellung von Sachverständigen81. Dies hat wiederholt dazu geführt, daß italienische Gerichte den EuGH um eine dem italienischen Recht entsprechende Qualifikation individueller Rechte ersucht haben82. Die deutsche Entwicklung hat dagegen ein monistisches Modell hervorgebracht, das auf das Rechtsverhältnis, § 40 VwGO, und die Struktur des Aktes und nicht auf die Art der betroffenen Position abhebt, wenngleich bestimmte Bereiche auch in Deutschland der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind83. Dem entspricht es, die Klagebefugnis im dargestellten Sinn auch auf diese Klagearten zu erstrecken, zumal der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO84 auch im Bereich der Normenkontrolle für eine ___________ trativa hanno giurisdizione per la tutela nei confronti della pubblica amministrazione degli interessi legittimi e, in particolari materie indicate dalla legge, anche dei diritti soggettivi.“ Hervorhebungen hinzugefügt. Das gesetzlich geschützte Interesse ist damit die zentrale Figur des Systems der italienischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Siehe dazu I. Winkler, Die Verwaltung Bd. 19 (1986), S. 519 ff. 78 Dazu: F. Satta, Giustizia amministrativa, 1986, S. 129 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1283 [1286 f.]; Schlußanträge von GA J. Gand v. 14.11.1968 zu EuGH, Urt. v. 19.12.1968, Rs. 13/68 – Salgoil, Slg. 1968, 680 [704]. 79 Siehe: W. Rüfner, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 3 [14 ff.]. Eine im historischen Ausgangspunkt ähnliche Unterscheidung findet sich im französischen Recht in Gestalt der Unterscheidung der – beide in der Administrativjustiz angesiedelten – Klagearten des recours pour excès de pouvoir (Interessenschutz) und des recours de plein contentieux (Schutz subjektiver Rechte). Dazu E. Schmidt-Aßmann, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1283 [1286] und J.-M. Auby / R. Drago, Traité des recours en matière administrative, 1992, S. 579 ff. 80 Vgl. die Ausführungen des Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia bei EuGH, Urt. v. 13.7.1989, Rs. 380/87 – Enichem Base, Slg. 1989, 2491. 81 Siehe die zweite Vorlagefrage des Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia EuGH, Urt. v. 23.2.1994, Rs. C-236/92 – Comitato di Coordinamento per la Difesa della Cava, Slg. 1994, I-483 Rdnr. 5. 82 Vgl. die soeben zitierten Entscheidungen des EuGH (oben, Fn. 80 und 81). 83 Zu nennen ist hier vor allem die Zuständigkeit der Zivilgerichte in prozessualer Nachwirkung der „Fiskustheorie“. Der juristische Kunstgriff, den Staat in zwei Rechtspersonen, in „Staatsgesellschaft“ einerseits und „Erwerbsgesellschaft“ als eine juristische Person des Zivilrechts andererseits – den Fiskus als „Prügelknabe für den Staat“ (C. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. 2, 1889, S. 464) – aufzuteilen, wirkt bis heute fort. Die dahinterstehende Idee ist eine ähnliche wie diejenige, welche Art. 24 Abs.1, Art. 103 Abs. 1 der Verfassung der Republik Italien zugrunde liegt. 84 Art. 1 Nr. 2 lit. a) des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) v. 1.11.1996, BGBl. I, S. 1626.

B. Das deutsche Verständnis

433

weitgehende Gleichstellung von Antragsbefugnis und Klagebefugnis gesorgt hat85. Auch § 40 Abs. 2 FGO ordnet ausdrücklich für die Leistungsklage dasselbe wie für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage an. Einzig bei der Feststellungsklage wird die Anwendung der Regeln der Klagebefugnis für problematisch erachtet. Die Rechtsprechung wendet § 42 Abs. 2 VwGO auch bei der Feststellungsklage analog an86, was in der Literatur vielfach87 abgelehnt wird88.

___________ 85 Speziell in bezug auf Bebauungspläne vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998, 4 CN 2.98, BVerwGE 107, 215 ff. Siehe dazu: D. Ehlers, in: FS für Werner Hoppe, 2000, S. 1041 ff.; W. Krebs, in: FS für Werner Hoppe, 2000, S. 1055 ff. 86 BVerwG, Urt. v. 29.6.1995, 2 C 32.94, BVerwGE 99, 64 [66]; BVerwG, Beschl. v. 30.7.1990, 7 B 71.90, BayVBl. 1990, S. 728; BVerwG, Urt. v. 6.2.1986, 5 C 40.84, BVerwGE 74, 1 [4]. 87 Auch wenn für eine detaillierte Auseinandersetzung mit den hierzu vertretenen Ansichten kein Raum ist, soll dennoch kurz auf die von D. Ehlers, VerwArch Bd. 84 (1993), S. 139 [143 f.] angestellten Überlegungen eingegangen werden. Er geht mit der herrschenden Meinung davon aus, daß es sich bei der Klagebefugnis – wie im Zivilrecht auch (M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 50 Rdnr. 18 ff., 58) – um eine besondere Form der Prozeßführungsbefugnis handelt (D. Ehlers, a. a. O. mit Verweis auf H.-W. Laubinger, VerwArch. Bd. 82 (1991), S. 459 [492 ff.]). Das Erfordernis des Feststellungsinteresses beziehe sich aber ebensowenig wie im Zivilrecht auf die Prozeßführungsbefugnis in Form der Klagebefugnis, sondern auf das Rechtsschutzbedürfnis. Da sich § 43 VwGO zu Fragen der Prozeßführungsbefugnis nicht verhalte, sei aus den gleichen Gründen wie bei Leistungsklagen vom Erfordernis einer analogen Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO auszugehen. Dem liegt die Annahme zugrunde, die aktive Prozeßführungsbefugnis diene dem Schutz des Klagegegners, das Rechtsschutzbedürfnis hingegen dem Schutz der Gerichte vor unnötiger Inanspruchnahme, eine Auffassung, die in der Literatur in dieser Trennschärfe indes weitgehend nicht geteilt wird, vgl. nur: F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. 2003, § 14 Rdnr. 69. 88 So die überwiegende Literatur, vgl. nur: H. Sodan, in: Nomos-Kommentar zur VwGO, § 43 Rdnr. 72; H.-W. Laubinger, VerwArch. Bd. 82 (1991), S. 459 ff.; F. Schoch, JuS 1987, S. 783 [789 f.]; F. Knöpfle, in: FS für Peter Lerche, 1993, S. 771 ff.; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl. 2000, Rdnr. 410; R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 23, 25. Siehe aber: J. Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 43 Rdnr. 31. Differenzierend: W. Krebs, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 191 [199]; W. Selb, Die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage, 1998, S. 168 ff. Nimmt man hingegen – ohne auf eine Analogie zu § 42 Abs. 2 VwGO zu rekurrieren – eine Eingrenzung der Initiativberechtigung durch eine Auslegung des Begriffes des Rechtsverhältnisses dergestalt vor, daß dieses nur dann Gegenstand der Klage sein kann, wenn der Kläger entweder am Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder vom Rechtsverhältnis eigene Rechte des Klägers abhängen, führt man auch diese Klageart auf die Frauge nach subjektiv-öffentlichen Rechten zurück; dafür etwa F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 63; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, 7. Aufl. 2000, Rdnr. 414.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

c) Exkurs: Verfassungsbeschwerde Das Verfassungsprozeßrecht stellt ein normenhierarchisches Querschnittsgebiet dar. Aspekte des materiellen Verfassungsrechts, allgemeine verfahrensrechtliche Grundsätze sowie die Regelungen des BVerfGG greifen hier ineinander89. Insoweit gelten für die Verfassungsbeschwerde Besonderheiten. Sie erfährt durch die Regelungen des Annahmeverfahrens nach §§ 93 a ff. BVerfGG Modifizierungen90. Nach § 93 a BVerfGG ist die Pflicht zur Annahme einer Verfassungsbeschwerde auf bestimmte Gründe beschränkt. § 93 a Abs. 2 lit. b) BVerfGG spricht eine – zumindest auch91 – auf den Schutz der Individualrechte gestützte Annahmeverpflichtung aus, wenn dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers „angezeigt“ erscheint92. Soweit dies nicht der Fall ist und auch keine grundsätzliche Bedeutung in Rede steht, besteht eine Annahmeverpflichtung nicht. Ob man indes soweit gehen muß, darin eine „konzeptionelle Umkehr“93 des Grundsatzes zu sehen, daß gegen eine Verletzung der verfassungsbeschwerdefähigen Rechte Individualrechtsschutz gewährt wird, erscheint eher zweifelhaft. Vielmehr gilt nach dem BVerfG 94: „Die Verfassungsbeschwerde ist nicht nur ein Rechtsbehelf zur Sicherung und Durchsetzung grundgesetzlich garantierter individueller Rechtspositionen, sondern in gleicher Weise ein ‚spezifisches Rechtsschutzmittel des objektiven Verfassungsrechts‘. Diese doppelte Rechtsschutzfunktion kann das Bundesverfassungsgericht aber nicht schlechthin wahrnehmen. Die Verfassungsbeschwerde ist nur dann gegeben, wenn die als verletzt bezeichnete Norm des objektiven Verfassungsrechts zugleich ein – im Katalog des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG aufgeführtes – subjektives Recht verbürgt. Die Rüge, ein subjektives Verfassungsrecht sei verletzt, ist Voraussetzung jeder Verfassungsbeschwerde. Eine Verfassungsbeschwerde, die lediglich die fehlerhafte Anwen-

___________ 89 Zur Normenhierarchie und zu ihrer Bedeutung im Verfassungsprozeßrecht: H. Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, BVerfGG, Vorbem. Rdnr. 203 ff. m.w.N. 90 K. Schlaich / S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 5. Aufl. 2001, S. 168 ff., 181 ff.; B. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002, S. 77. 91 Es werden auch objektive Elemente berücksichtigt, vgl. K. Graßhof, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, BVerfGG, § 93a Rdnr. 60, 62. Eine gewisse Zurücknahme des individualschützenden Konzepts wird deutlich, wenn man sich das System der freien Annahme des U.S. Supreme Court vergegenwärtigt. Hierzu: R. Wahl / J. Wieland, JZ 1996, S. 1137 [1143 ff.]. Vgl. auch H. H. Klein, in: FS für Klaus Stern, 1997, S. 1135 [1139]. 92 Gedeutet als Formulierung, welche nicht mehr allein dem subjektiven Rechtsschutz dient, sondern auch für objektive Belange fruchtbar gemacht werden kann, etwa von: D. Grimm, in: Schweizer, Reform der Bundesgerichtsbarkeit, 1995, S. 161 [164]. 93 K. Schlaich / S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 5. Aufl. 2001, S. 170; B. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002, S. 77; D. Grimm, in: Schweizer, Reform der Bundesgerichtsbarkeit, 1995, S. 161 [164]. 94 BVerfG, Beschl. v. 7.6.1977, 1 BvR 108, 424/73 und 226/74, BVerfGE 45, 63 [74 f.]. Hervorhebung hinzugefügt.

B. Das deutsche Verständnis

435

dung objektiven Verfassungsrechts rügt, ist – unabhängig von allen anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen – bereits aus diesem Grund unzulässig.“

Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG zieht als subjektiv-öffentliches Verfahrensrecht mit Verfassungsrang95 einer allzu objektivierenden Auslegung des einfachen Verfassungsprozeßrechts Grenzen. 3. Herrschaft über den Streitgegenstand Das Gericht ist – als Folge des Verfügungsrechts der Beteiligten über den Streitgegenstand – an das klägerische Begehren gebunden und überprüft die Maßnahmen nur in dem Umfang, wie dies vom Kläger beantragt wird, § 88 VwGO96. 4. Suspensiveffekt Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 1 VwGO. Die Vermutung der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme wird zugunsten des Rechtsschutzsuchenden vorübergehend aufgegeben; es bedarf eines besonderen Vollzugsinteresses, um den Suspensiveffekt zu überwinden. Motivation für diese prozessuale Wertung stellt die spezifische Wertigkeit subjektivöffentlicher Rechte dar97. Ausnahmen bedürfen einer spezifischen Rechtfertigung, etwa das grundlegende Bedürfnis des Gemeinwesens, einen stetigen Zufluß98 der zur Verwirklichung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel zu gewährleisten. § 69 Abs. 1 FGO und § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO gehen von dieser Überlegung als Ausnahme aus, wobei die Grundwertung durch spezifische Sicherungsmechanismen gewährleistet bleibt99. Da der Individualrechtsschutz auch der Aufgabe des Staates korrespondiert, seine Bürger ggf. voreinander in Schutz zu nehmen und den einen vor Beeinträchtigungen durch den anderen mit den gesetzmäßigen Mitteln zu bewahren, wird diesem Erfordernis nicht allein auf materieller Ebene, sondern auch durch spezifische prozessuale Vorkehrungen entsprochen: die Formulierung von § 80 a VwGO spiegelt die gestiege___________ 95

J. Rozek, DVBl. 1997, S. 517 [520 ff.]. Bei Verfassungsbeschwerden wird hingegen wegen der „Elfes-Konstruktion“ zumindest im Ergebnis eine Prüfung anhand der verfassungsmäßigen Ordnung ermöglicht. Indessen steht auch hier stets die konkrete Verletzung eines subjektiven Grundrechts in Rede. Im einfachen Recht haben sich aufgrund der „Adressatentheorie“ ebenfalls objektive Kontrollelemente eingeschlichen. 97 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 30. 98 F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 80 Rdnr. 56. 99 § 80 Abs. 5, 6 VwGO; § 69 Abs. 2, 3 FGO. 96

436

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

ne Komplexität schon sprachlich wieder. In jüngerer Zeit erfreuen sich Ausnahmen vom Grundsatz der aufschiebenden Wirkung steigender Beliebtheit durch den Gesetzgeber100. 5. Unabhängigkeit der Gerichte Die Verfassung gewährleistet die von der Verwaltung unabhängige Gerichtsbarkeit, Art. 92, 97, 101 GG. Die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit sichert 95 Abs. 1 GG. Diskussionen um dieses Merkmal verursachte bis zur 6. GWBNovelle vorwiegend die Gerichtsqualität der Vergabeüberwachungsausschüsse101. 6. Urteilswirkung Die Urteilswirkung erstreckt sich nur auf die Parteien förmlich Beigeladenen, §§ 65, 121 VwGO102; im Normenkontrollverfahren tritt bei Nichtigerklärung eine Wirkung erga omnes ein, § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO103. 7. Überprüfung am Maßstab höherrangigen Rechts Art. 100 GG geht von der Voraussetzung aus, daß die Gerichte im Sinne von Art. 97 GG alle in den bei ihnen anhängigen Verfahren auftauchenden Rechtsfragen frei entscheiden und dabei berechtigt und verpflichtet sind, Rechtsnormen, die wegen Widerspruchs zu höherrangigem Recht ungültig sind, die Anwendung zu versagen. Die Autorität formeller Gesetze wird durch die Konzentration der Verwerfungskompetenz bei den Verfassungsgerichten – insbesonde___________ 100

Dies kann zum einen durch materielle Regelungen geschehen: der weitgehende Verzicht auf Genehmigungen im Baurecht hat den einstweiligen Rechtsschutz in weiten Bereichen dem Anwendungsbereich der §§ 80, 80a VwGO entzogen und in Richtung § 123 VwGO – mit der Folge des § 945 ZPO – verschoben. Zum anderen werden explizite Ausnahmen im Bereich der Wirtschaftsaufsicht häufiger in Betracht gezogen. Ein Beispiel bildet die rege Diskussion die Einschränkungen der aufschiebenden Wirkung bei Fusionskontrollen nach den Erfahrungen mit der e.on-Ruhrgas-Fusion, vgl. HANDELSBLATT Nr. 45 v. 5.3.2003, S. 4. Die Neufassungen des § 75 AsylVfG, § 5 Abs. 2 VerkehrswegeplanbeschlußG, Art. 13 Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz weisen ebenfalls in diese Richtung. Diese Entwicklungen sind Mosaiksteine einer zunehmend objektiveren Kontrolle. 101 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(1), S. 320; H.-J. Prieß, in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB Teil A, 2001, Syst I GWB Rdnr. 60 ff. 102 § 110 FGO; § 141 SGG. 103 F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 47 Rdnr. 142.

B. Das deutsche Verständnis

437

re104 dem BVerfG – gesichert. Im übrigen besteht freies richterliches Inzidentprüfungs- und Entscheidungsrecht. Auch die Legislative findet so ihre Grenzen durch subjektiv-öffentliche Rechte, soweit diese Verfassungsrang besitzen105.

III. Elemente struktureller Vergleichbarkeit Sektorale Aussparungen vom System des subjektiven Rechtsschutzes sind im deutschen Recht außerordentlich gering. Bestrebungen, die auf ein eher objektivrechtliches System hinweisen – wie etwa erweiterte Ausnahmen vom Grundsatz des Suspensiveffektes oder Verbandsklagerechte – steht der weitere Ausbau subjektivrechtlicher Elemente – wie etwa der Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren – gegenüber. In der Gesamtschau sind alle sieben Elemente auf ein System des subjektiven Rechtsschutzes zugeschnitten. Sie lassen sich zusammenfassend wie folgt darstellen:

Übersicht 7 Deutsches Verständnis

Beziehung subjektiv-öffentlicher Rechte zum Rechtsschutzsystem

Der Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte ist Leitgedanke des Prozeßrechts. Umfang der Klagebefugnis und materielle Erfolgsvoraussetzungen der Klage entsprechen einander und werden durch das materielle subjektiv-öffentliche Recht bestimmt. Aus dem Leitgedanken ergibt sich die Geltung der Dispositionsmaxime. Die starke Ausprägung des Suspensiveffektes trägt dem Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte in spezifischer Weise Rechnung. Der Suspensiveffekt findet seine Rechtfertigung in der Wertigkeit subjektiv-öffentlicher Rechte. Die Verwaltungsgerichte sind unabhängig. Die Urteile wirken in aller Regel nur inter partes. Prüfungs- und Verwerfungskompetenz sind verfassungsrechtlich verbürgt. Die Autorität formeller Gesetze wird durch das Monopol der verfassungsgerichtlichen Verwerfungskompetenz gesichert.

___________ 104

Vgl. zu den Landesverfassungsgerichten C. von Coelln, Anwendung von Bundesrecht nach Maßgabe der Landesgrundrechte, 2001, S. 71 f. 105 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 380.

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

438

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis Das Zweite Kapitel hat ergeben, daß die Entwicklung im Gemeinschaftsrecht lange Zeit auf die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts gegenüber den und durch die Mitgliedstaaten fokussiert war106. Die Frage nach der genauen Beziehung von individuellen Rechten und den Bedingungen ihrer gerichtlichen Durchsetzung war – und ist bis heute – immer auch von Fragen nach der Kompetenz der Gemeinschaft zur Begründung individueller Rechte überlagert. Die enge Verzahnung von Recht und Rechtsschutz rechtfertigt daher, der Entwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Verständnisses eine ebenfalls nur knappe Darstellung zu widmen (I.). Es schließt sich wiederum die Darstellung der Besonderheiten des gemeinschaftsrechtlichen Systems an (II.). Hierbei wird jeweils zwischen dem Eigenprozeßrecht und den Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht zu unterscheiden sein. Die einzelnen Gesichtspunkte des gemeinschaftsrechtlichen Verständnisses sind sodann wiederum für den vorzunehmenden strukturellen Vergleich zu kategorisieren (III.).

I. Entwicklungslinien des gemeinschaftsrechtlichen Systems Die beschriebenen Entwicklungen zur Stellung des Individuums in einer neuen Rechtsordnung107 haben bereits erkennen lassen, daß die Rechtsprechung den Stand der Integration und die Fortentwicklung der Gemeinschaft maßgeblich geprägt hat108. Die obligatorische Gerichtsbarkeit des EuGH und des ihm seit 1988 beigeordneten EuG repräsentiert ein wesentliches „Strukturmerkmal der Supranationalität“109. Die Gerichtsbarkeit des EuGH ist überdies eine aus___________ 106 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(1), S. 302 f.; die Diskussion um die Wirkung von Richtlinien bestimmte die Entwicklung in besonderer Weise, vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3), S. 277 ff. 107 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1., S. 233 ff. 108 E. Schultz, in: Pfahl / Schultz / Matthes / Sell, Institutionelle Herausforderungen im neuen Europa, 1998, S. 57 ff. Klassisch zur Rolle des EuGH im Integrationsprozeß: J.-P. Colin, Le gouvernement des juges, 1966. Im Gegensatz zu dem provozierenden Titel fällt die abschließende Stellungnahme des Autors (a. a. O., S. 513) freilich eher gemäßigt aus: „La Cour de Justice a joué, au cours des premières années, un rôle décisif dans la politique communautaire, mais, dans sa mission d’interprétation des traités, elle est restée très prudente“. Großes Aufsehen erregte H. Rasmussen, On law and policy in the European Court of Justice, 1986. Dieser warf dem EuGH einseitig pro-föderalistische Haltung und politische Gestaltungswut weit jenseits des Vertragstextes vor. Vgl. dazu und zu seinen späteren Arbeiten: H. Schepel, OJLS Bd. 3 (2000), S. 457 ff. 109 M. Schweitzer, in: Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, 1998, § 21 Rdnr. 51.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

439

schließliche, Art. 292 EG; nationale Gerichte sind nach dem Gedanken des Art. 240 EG nur dann subsidiär zuständig, wenn und soweit der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit nicht bereits eine Zuständigkeit eingeräumt ist. Selbst wenn danach eine Zuständigkeit nationaler Gerichte110 besteht – was nach dem Grundgedanken der Parallelität von mittelbarem Vollzug und dezentralem Rechtsschutz immer dann der Fall ist, wenn Gemeinschaftsrecht von nationalen Behörden vollzogen wird111 – sind diese berechtigt, als letztinstanzliches Gericht auch verpflichtet, Art. 234 EG, Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts dem EuGH vorzulegen. Dieser besitzt das Auslegungsmonopol, welches er in der Rechtssache Foto-Frost112 auch auf den – in Art. 234 Abs. 3 EG nicht geregelten – Fall ausgedehnt hat, daß unterinstanzliche Gerichte in einem Hauptsacheverfahren113 Zweifel an der Gültigkeit von Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane haben. Die Ausschließlichkeit der Gerichtsbarkeit des EuGH stellt die prozessuale Absicherung114 des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts über das Scharnier des Vorabentscheidungsverfahrens sicher115. Der ehemalige Präsident des EuGH hat hierzu jüngst bemerkt116: „Die Beziehungen des EuGH zu den nationalen Gerichten sind nicht hierarchisch, sondern kooperativ gestaltet. Es handelt sich um eine gleichberechtigte Zusammenarbeit auf der Grundlage einer klaren Aufteilung der Kompetenzen. Theoretischer Ausgangspunkt ist der Grundsatz, daß die verbindliche Auslegung sowie die Gültigkeitsprüfung des Gemeinschaftsrechts Sache des EuGH ist, während die Anwendung dieser Normen den nationalen Richtern obliegt.“

___________ 110 Die von O. Due, ehemaliger Präsident des EuGH, geleitete Reflexionsgruppe hat in ihrem Bericht über die Zukunft des Gerichtssystems der Europäischen Gemeinschaften v. 19.1.2000, S. 14, 53, vorgeschlagen, die nationalen Gerichte in einer Neufassung des Art. 234 EG ausdrücklich als Gemeinschaftsgerichte zu bezeichnen. Der Bericht ist einsehbar unter: http://europa.eu.int/comm/dgs/ legal_ service/docs/ due_ de.pdf; und abgedruckt als Beilage zu EuZW Heft 9/2000. 111 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 101. 112 EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Rs. 314/85 – Foto-Frost, Slg. 1987, 4199. 113 Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gilt diese nicht, da eine Klärung der Frage noch im anschließenden Hauptsacheverfahren erfolgen kann, EuGH, Urt. v. 24.5.1977, Rs. 107/76 – Hoffmann-La Roche, Slg. 1977, 957 Rdnr. 5. 114 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 102. 115 Defizite in der Verbindung zwischen der nationalen und der gemeinschaftlichen Rechtsschutzebene behebt der EuGH, indem er eine auf Art. 220 EG gestützte Ersatzzuständigkeit für die Fälle annimmt, in denen anderenfalls eine Klärung entscheidungserheblicher Fragen des Gemeinschaftsrechts nicht möglich wäre. Dies ist etwa bei „Rechtshilfeersuchen“ nationaler Gerichte der Fall, welche Zugang zu Beweismaterial von den durch das Privilegienprotokoll (oben, Fn. 926) geschützten Gemeinschaftsorganen begehren, vgl. EuGH, Beschl. v. 13.7.1990, Rs. 2/88-Imm. – Zwartveld u.a., Slg. 1990, I-3365. 116 G. C. Rodríguez Iglesias, NJW 2002, S. 1889 [1890].

440

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Nationale Gerichte haben eine Anwendungspflicht, aber auch eine Prüfungskompetenz. Es war in der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts nicht selten, daß – neben einer bemerkenswerten Renitenz einzelner Gerichte117 – gerade sie es waren, die den EuGH durch ihre Fragen zu besonders weitreichenden Entscheidungen veranlaßten. So deckte das House of Lords in der Rechtssache Factortame118 die gemeinschaftsrechtliche Relevanz der Frage auf, ob nationale Gerichte befugt sein können, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, auch wenn das innerstaatliche Recht eine solche Möglichkeit nicht vorsieht. Die haftungsrechtliche Rechtsfortbildung entstand auf Anregung nationaler Gerichte, zunächst durch die Pretura Vicenza und die Pretura Bassano del Grappa119, sodann das House of Lords und den BGH120. Auch direkte Anregungen zur Beantwortung von Rechtsfragen haben eine Rolle gespielt und wurden teils auch aufgegriffen, etwa die Überlegungen des BFH in der Rechtssache Technische Universität München121. Probleme ergaben und ergeben sich daraus, daß kein einheitliches Gemeinschaftsprozeßrecht122 existiert, welches alle Fälle erfaßt, in denen nationale Gerichte als Gemeinschaftsgerichte tätig werden. Die anfängliche Rechtsprechung war – wie gezeigt123 – eher bemüht, ein bestimmtes Ergebnis sicherzustellen124. ___________ 117

Zu erinnern ist hier vor allem an die „Cohn-Bendit-Rechtsprechung“ des französischen Conseil d’Etat (vgl. Urt. v. 22.12.1978, Req. n° 11.604 – Cohn-Bendit, Recueil Lebon, 524 (deutscher Text: EuR 1979, S. 292)). In den letzten Jahren hat der Conseil d’Etat jedoch eine Wende vollzogen und sowohl den Vorrang des Gemeinschaftsvertragsrechts als auch den Vorrang des sekundären Rechts gebilligt (Conseil d’Etat, Urt. v. 20.10.1989, Req. n° 108.243 – Nicolo, Recueil Lebon, 190 (deutscher Text: EuGRZ 1990, S. 99)). Es verbleibt aber ein Unbehagen der nationalen Richterschaft. Bei der Eröffnungszeremonie des EuG blieben 1989 viele Stühle leer. Die Vertreter der französischen Cour de Cassation und einige britische Richter boykottierten die Veranstaltung, vgl. M. Scheerer, HANDELSBLATT Nr. 232 vom 2.12.2002, S. 12. 118 EuGH, Urt. v. 19.6.1990, Rs. C-213/89 – Factortame u.a., Slg. 1990, I-2433. 119 EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357. 120 EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029. 121 EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-269/90 – Technische Universität München, Slg. 1991, I-5469 Rdnr. 10. 122 In Bereichen bestehen Harmonisierungen. Aufgrund der RL 89/665/EWG und RL 92/13/EWG gelten im Vergaberecht Besonderheiten, die ausnahmsweise eine Vereinheitlichung der Rechtsschutzsysteme vorsehen und damit über das ansonsten anzustrebende einheitliche Effektivitätsniveau hinausweisen, vgl. dazu: M. Tonne, Effektiver Rechtsschutz durch staatliche Gerichte als Forderung des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1997, S. 43, 205 ff. Auch im Zollrecht bestehen durch Art. 243 ff. ZK Vereinheitlichungen, vgl. dazu: E. Worms, in: Dorsch, Zollrecht, Bd. 2, Art. 243 Rdnr. 4–6 und H.-M. Wolffgang, in: Witte / Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, 3. Aufl. 1998, Rdnr. 30–45. 123 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c), S. 301 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

441

Erst mit der Zeit entwickelte sich die Sichtweise, wonach die den Mitgliedstaaten zukommende Verfahrensautonomie spezifischen Grenzen unterliegt. Dies bedeutet, „[…] daß die nationalen Gerichte […] aufgrund ihrer Mitwirkungspflicht aus Art. 5 des Vertrages125 den Rechtsschutz zu gewährleisten haben, der sich für die einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergibt. Deshalb sind die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten.“126

Vorrang und ausschließliche Gerichtsbarkeit sind sich wechselseitig ergänzende Prinzipien, die durch die Klammer einer postulierten Lückenlosigkeit des Rechtsschutzes verbunden werden und insgesamt den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Um eine Einheitlichkeit des gemeinschaftsrechtlich gebotenen Rechtsschutzes zu erreichen, setzt der EuGH der nationalen Verfahrensautonomie zwei wichtige Grenzen. „Mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung ist es […] Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).“127

___________ 124

EuGH, Urt. v. 7.7.1981 und ber. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, 1805 [1838]. Näher zu diesem – im Hinblick auf die Verfahrensautonomie insoweit überholten – Urteil oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(1), S. 302. 125 Heute Art. 10 EG. 126 EuGH, Urt. v. 14.12.1995, Rs. C-312/93 – Peterbroeck, Van Campenhout & Cie, Slg. 1995, I-4599 Rdnr. 12. Hervorhebungen hinzugefügt. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 16.12.1976, Rs. 33/76 – Rewe, Slg. 1976, 1989 Rdnr. 5; EuGH, Urt. v. 16.12.1976, Rs. 45/76 – Comet, Slg. 1976, 2043 Rdnr. 12 ff.; EuGH, Urt. v. 9.11.1983, Rs. 199/82 – San Giorgio, Slg. 1983, 3595 Rdnr. 14. 127 EuGH, Urt. v. 20.9.2001, Rs. C-453/99 – Courage und Crehan, Slg. 2001, I-6297 Rdnr. 29. Hervorhebungen hinzugefügt. Vgl. auch die gleichlautenden Ausführungen bei EuGH, Urt. v. 10.7.1997, Rs. C-261/95 – Palmisani, Slg. 1997, I-4025 Rdnr. 27. Daß der EuGH neuerdings den in der Literatur gebräuchlichen Begriff der „Effizienz“ meidet und statt dessen den verwaltungswissenschaftlich weiteren Begriff der Effektivität (der die Frage allokativer Effizienz mit anspricht) benutzt, erscheint durchaus bemerkenswert. Vgl. M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 111 mit Fn. 375.

442

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Vor allem der Effektivitätsgrundsatz führt zu weitreichenden Einschnitten in das nationale Verfahrensrecht128. Denn „[…] jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, [ist] unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens.“ 129

Im Ergebnis besagt dies, daß die nationalen Gemeinschaftsgerichte Rechte äußerstenfalls in gleicher Weise schützen, wie dies der EuGH selbst in den Rechtssachen parti écologiste „Les Verts“ / Parlament und Tschernobyl I130 getan hat: Durch eine richterrechtliche Korrektur des Rechtsschutzsystems131. Dies bedeutet vor allem Lückenlosigkeit; denn es wäre gemeinschaftsrechtlich „[…] nicht tragbar, wenn […] ein Betroffener […] keinen Richter finden könnte, der entscheidet, ob sein Anspruch begründet ist oder nicht.“132

Art. I-28 des geplanten Vertrages über eine Verfassung für Europa, welcher die grundlegende Bestimmung über den EuGH enthalten soll, sieht denn auch in seinem Abs. 1 Unterabs. 2 vor133: ___________ 128 Ein Beispiel bietet EuGH, Urt. v. 21.11.2002, Rs. C-473/00 – Cofidis, Slg. 2002, I-10875. Es ging um die Vereinbarkeit einer französischen Vorschrift mit der RL 93/13/EWG.. Nach Art. L 311-37 Abs. 1 Code de la Consommation sind Klagen aus Verbraucherkreditverträgen innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Jahren nach dem Streit auslösenden Ereignis zu erheben. Dem Gericht ist nach Fristablauf verwehrt, die Mißbräuchlichkeit einer Klausel von Amts wegen festzustellen. Kreditgeber müssen also nur den Fristablauf abwarten, um Zahlungsklage zu erheben und dem Verbraucher dadurch den durch die RL eingeführten Schutz zu nehmen. Anders als in EuGH, Urt. v. 13.12.2001, Rs. C-481/99 – Heininger, Slg. 2001, I-9945, ging es nicht um die Frage der zeitlichen Befristung eines Gestaltungsrechts, sondern um eine bereits von der Richtlinie angeordnete Rechtsfolge. Der EuGH hat hierzu, a. a. O., Rdnr. 36, festgestellt, daß der Grundsatz der Effektivität einer Anwendung dieser Ausschlußfrist entgegensteht. 129 EuGH, Urt. v. 14.12.1995, Rs. C-312/93 – Peterbroeck, Van Campenhout & Cie, Slg. 1995, I-4599 Rdnr. 14. 130 EuGH, Urt. v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, S. 1339 Rdnr. 23. EuGH, Zwischenurt. v. 22.5.1990, Rs. 70/88 – Parlament / Rat (Tschernobyl I), Slg. 1990, I-2041 Rdnr. 16: „Die Umstände der vorliegenden Rechtssache und ihre Erörterung haben jedoch gezeigt, daß sich diese verschiedenen im EAG-Vertrag wie im EWG-Vertrag vorgesehenen Rechtsbehelfe, so nützlich und vielfältig sie auch sein mögen, als unwirksam oder ungewiß erweisen können“. 131 M. Selmayr, Das Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Bd. 1, 2002, S. 113. 132 GA M. Darmon in seinen Schlußanträgen v. 16.1.1992 zu EuGH, Urt. v. 13.3.1992, Rs. C-282/90 – Industrie- en Handelsonderneming Vreugdenhil / Kommission, Slg. 1992, I-1937, Rdnr. 38. 133 Fundstelle oben, S.277 Fn. 1154.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

443

„Die Mitgliedstaaten schaffen die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz auf dem Gebiet des Unionsrechts gewährleistet ist.“

Existieren Lücken, die – wie in der Rechtssache Oleificio Borelli134 – aus Gründen der Effektivität nicht hinzunehmen sind, ist „[…] eine entsprechende Klage […] zulässig, selbst wenn die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies in einem solchen Fall nicht vorsehen.“135

Besteht hinsichtlich der beiden durch den Äquivalenz- und den Effektivitätsgrundsatz gezogenen Grenzen zwischenzeitlich Klarheit, verdient eine dritte Grenze hier näher betrachtet zu werden: Es ist dies die verfahrensrechtliche Grenze, welche durch die gemeinschaftsrechtliche Konzeption individueller Rechte bestimmt wird. Die ein System des contentieux objectif kennzeichnenden gerichtlichen Zugangsbeschränkungen136 haben zwar aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht den Vorteil, den Kreis der Berechtigten weit zu ziehen und so eine „Mobilisierung“137 des Bürgers zu bewirken; als nachteilig stellt sich indes die größere Variabilität des Kriteriums dar, welche der Uniformität des Gemeinschaftsrechts entgegensteht. In der Gesamtschau – so haben bereits die Überlegungen im Zweiten Kapitel138 ergeben – stellt sich die Garantie effektiven Rechtsschutzes als durch subjektivrechtliche Elemente aufgeladen dar. Die Parallelität von materieller und prozessualer Berechtigung stellt einen Rückbezug zu individuellen Rechten als Mindeststandard139 der Uniformität sicher. Die Idee der Indienstnahme privaten Engagements für die Ziele der Gemeinschaft wurde durch den EuGH dennoch genutzt, indem er die Möglichkeit, den Kreis der Berechtigten weit zu ziehen auf die materielle Ebene der Sätze ___________ 134

EuGH, Urt. v. 3.12.1992, Rs. C-97/91 – Oleificio Borelli, Slg. 1992, I-6313. Die Problematik bestand in einem zusammengesetzten Verwaltungsverfahren. Innerhalb dessen konnte die Handlung einer nationalen Behörde, welche zum Erlaß eines gemeinschaftsrechtlichen Rechtsaktes führt, im Verfahren vor dem EuGH nicht überprüft werden. Nach italienischem Recht stellte sie sich als Vorbereitungshandlung dar, welche der gerichtlichen Kontrolle – wie in Deutschland, § 44a VwGO – entzogen war. Dieses Ergebnis korrigierte der EuGH. 135 EuGH, Urt. v. 3.12.1992, Rs. C-97/91 – Oleificio Borelli, Slg. 1992, I-6313 Rdnr. 13. Ähnlich EuGH, Urt. v. 6.12.2001, Rs. C-269/99 – Kühne u.a. („Spreewälder Gurken“), Slg. 2001, I-9517 Rdnr. 58: „Es ist daher Sache der nationalen Gerichte, über die Rechtmäßigkeit eines Antrags auf Eintragung einer Bezeichnung […] zu entscheiden […]; eine entsprechende Klage ist folglich als zulässig anzusehen, selbst wenn die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies in einem solchen Fall nicht vorsehen […]“. 136 Vgl. oben, Drittes Kapitel – A., S. 420. 137 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.III.1.b)(3), S. 365 ff. 138 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.III.1.b)(1), S. 355 ff. 139 Vgl. G. C. Rodríguez Iglesias, Zu den Grenzen der verfahrensrechtlichen Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts, S. 5; EuGH, Urt. v. 14.12.1995, verb. Rs. C-430 und 431/93 – van Schijndel und van Veen, Slg. 1995, I-4705.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

über die Ermittlung individueller Rechte verlagert hat. Die Vorteile des contentieux subjectif – Rechtsicherheit und Uniformität – sowie diejenigen des contentieux objectif – Flexibilität und stärkere Indienstnahme privaten Engagements – werden so gekoppelt. Das Auslegungsmonopol über den materiellrechtlichen Inhalt der gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechte sichert dem EuGH den Zugriff auf das flexiblere Element. Auch darin liegt eine, wenn auch sehr versteckte, aber gerade deswegen in ihren potentiellen Auswirkungen vielleicht unterschätzte Beschränkung nationaler Verfahrensautonomie. In Art. 47 Abs. 1 GR-Charta hat dieses Denken seinen spezifischen Niederschlag gefunden. Neben einem Satz über ein individuelles formelles Recht wird ein allgemeiner Satz über Gründe für individuelle Rechte überhaupt140 formuliert. Schließlich benennt er den wichtigsten Satz über die Durchsetzung individueller Rechte als generelle Strukturentscheidung141 für den Individualrechtsschutz142.

II. Ausprägungen der Zielrichtung des Rechtsschutzsystems Kann damit auch für das Gemeinschaftsrecht eine strukturelle Grundentscheidung für den Schutz individueller Rechte festgestellt werden, bleibt zu klären, mit welcher graduellen Intensität sich diese – der eingangs beschriebenen Einteilung folgend143 – in den einzelnen Merkmalen niederschlägt. Aufgrund des zweispurigen Rechtsschutzsystems sind jeweils sowohl die Ausprägungen im Eigenprozeßrecht als auch die prozessualen Anforderungen an die nationalen Systeme zu betrachten. 1. Leitgedanke Bewegungen in Richtung eines contentieux objectif werden im Gemeinschaftsrecht zuweilen deutlicher registriert, als jene in umgekehrter Richtung. Dies ist zum einen durch die Heterogenität der mitgliedstaatlichen prozessualen Systeme und des Eigenprozeßrechts der Gemeinschaft bedingt. Zum anderen bewirkt dies die Tatsache, daß eine um ihre Wirksamkeit kämpfende Rechtsordnung auf Unterstützung durch den einzelnen gerade angewiesen ist144; es ___________ 140

Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.III.1.b)(2), S. 359 ff. A. Eser, in: Meyer, GR-Charta, Art. 47 Rdnr. 4, 17. 142 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.III.1.c), S. 367. 143 Oben, Drittes Kapitel – A., S. 419 f. 144 W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, 2002, S. 463 und oben, Zweites Kapitel – C.III.1.b)(3), S. 365 f. 141

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

445

wird dadurch erleichtert, individuelle Rechte und ihre Durchsetzung als bloße Sanktionskategorie zu diskreditieren145. Dies hat zur Folge, daß der gemeinschaftsrechtliche Leitgedanke vielfach pauschal in der Nähe des Systems des contentieux objectif angesiedelt wurde146. Zumindest hinsichtlich des Leitgedankens überzeugt diese Auffassung nicht. Den Leitgedanken gemeinschaftsrechtlichen Denkens stellt der Schutz individueller Rechte dar, wie er in Art. 47 Abs. 1 GR-Charta seinen spezifischen Niederschlag gefunden hat. Dies bedeutet nicht, daß das Gemeinschaftsrechtssystem den eingangs dargestellten idealtypischen Systemausprägungen des contentieux subjectif147 folgt, sondern lediglich, daß individuelle Rechte den Gravitationspunkt des Systems darstellen; es ist durch „subjektiv-rechtliche Elemente aufgeladen“148. Das Zweite Kapitel hat insoweit ergeben, daß die Parallelität von materieller und prozessualer Berechtigung einen Rückbezug zu individuellen Rechten als Mindeststandard sicherstellt149. Rechtsschutz im Gemeinschaftsrecht folgt bei genauerer Betrachtung einer vermittelnden Lösung150, deren Mindestgarantie der Schutz individueller Rechte darstellt151. Hilfreicher als eine pauschale Zuordnung zum einen oder anderen System ist es daher, die einzelnen Systemausprägungen zu betrachten und den Gravitationspunkt des Systems jeweils im Auge zu behalten.

___________ 145

BVerfG, Beschl. v. 8.4.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 [242]. M. Zuleeg, NJW 1993, S. 31 [37]; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [489]; T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 226; noch radikaler: J. Masing, Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 221 ff.; B. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002, S. 490 („grundsätzlich nicht am Schutz bestimmter Rechte orientiert, sondern auf objektive Rechtskontrolle ausgerichtet“). S. Kadelbach, in: von Danwitz / Heintzen / Jestaedt / Korioth / Reinhardt, Auf dem Wege zu einer europäischen Staatlichkeit, 1993, S. 131 [141 ff.] hat die Auffassung später aufgegeben, S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 381 mit Fn. 455. 147 Oben, Drittes Kapitel – A., S. 419 f. 148 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 384. 149 Oben, Zweites Kapitel – C.III.1.b)(1), S. 359 f. 150 Zutreffend: M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 221 ff.; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 381 ff. 151 Der Rechtsschutz wird damit nicht ausschließlich, sondern mindestens als prozessualer Annex zum individuellen Recht konzipiert. Art. 230 Abs. 4 EG kennt in Anlehnung an ein System des „recours pour excès de pouvoir“ andere Kriterien. 146

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

2. Klagebefugnis Im Gemeinschaftsrecht entsprechen sich nach der hier vertretenen Auffassung individuelles Recht, Umfang der Klagezulassung und die Erfolgsvoraussetzungen des Rechtsbehelfs152. Gleichwohl müssen die Voraussetzungen nicht so streng sein wie in einem streng subjektiven System; besonders im Gemeinschaftsprozeßrecht erfahren sie stärkere Durchbrechungen. a) Klagebefugnis im Gemeinschaftsprozeßrecht Klammert man die Besonderheiten153 aus, kommen als Klagearten für das Rechtsschutzbegehren Privater nur die Nichtigkeits- und die Untätigkeitsklage in Betracht154. Nach Art. 230 Abs. 4 EG155 kann „[j]ede natürliche oder juristische Person […] gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.“

Der EuGH folgt einer weiten Auslegung. Prinzipiell bildet jede Rechtshandlung oder deren Ablehnung156, die darauf gerichtet ist, verbindliche materiellrechtliche Wirkungen zu zeitigen157, einen tauglichen Gegenstand. Angreifbar sind diese Rechtsakte dann, wenn und soweit der Kläger in einer bestimmten

___________ 152 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 327 ff. insbes. S. 331 Fn. 1483. und EuGH, Urt. v. 26.9.2000, Rs. C-443/98 – Unilever Italia, Slg. 2000, I-7535 Rdnr. 50. 153 In Betracht kommen Lizenzgestaltungsklagen (Art. 12 Abs. 4 EA i.V.m. Art. 144 EA), die Anfechtung von Zwangsmaßnahmen (Art. 229 EG, Art. 144 EA), Dienst- und Disziplinarstreitigkeiten (Art. 236 EG, Art. 152 EA), Entscheidungen aufgrund einer Schiedsklausel (Art. 238 EG, Art. 153 EA), gegen Entscheidungen eines Schiedsausschuß gerichtete Klagen (Art. 18 Abs. 2 EA), Entscheidungen über die Aussetzung einer Zwangsvollstreckung (Art. 256 Abs. 4 EG, Art. 164 Abs. 3 EA), Klagen gegen Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM (Art. 61 VO 6/2002/EG, Art. 63 VO 40/94/EG) und Amtshaftungsverfahren (Art. 235 i.V.m. Art. 288 Abs. 2 EG, Art. 151 i.V.m. Art. 188 Abs. 2 EA). 154 D. Ehlers, VerwArch. Bd. 84 (1993), S. 139 [150]. 155 Im Vergleich zur entsprechenden Norm des älteren Art. 33 Abs. 2 EGKSV ist Art. 230 Abs. 4 EG bewußt enger gefaßt. 156 In diesem Fall ist nicht auf die Ablehnung, sondern die begehrte Handlung abzustellen, D. Ehlers, VerwArch. Bd. 84 (1993), S. 139 [151] und Umkehrschluß aus EuGH, Urt. v. 10.6.1982, Rs. 246/81 – Lord Bethell / Kommission, Slg. 1982, 2277. 157 H. Krück, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 173 Rdnr. 44.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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qualifizierten Beziehung zu ihnen steht, weil er entweder Adressat158 oder unmittelbar und individuell betroffen ist159. Das Merkmal der Betroffenheit wird selten isoliert geprüft160. Betroffen ist der Kläger dann, wenn mit dem Rechtsakt eine Beschwer für ihn verbunden ist161, wobei jegliche Interessenbeeinträchtigung ausreicht. Insbesondere muß eine mögliche Verletzung individueller Rechte nicht dargelegt werden162. Die geforderte Beschwer muß mithin keine rechtliche sein; der EuGH spricht zwar vielfach den Gesichtspunkt der „Rechtswirkungen“ an163; zum Teil stellt er aber auch auf allein wirtschaftliche Gesichtspunkte ab164. (1) Unmittelbares Betroffensein Das Kriterium der Unmittelbarkeit soll lediglich potentiell Betroffene aus dem Kreis der Klageberechtigten ausschließen. Der angefochtene Akt muß den Kläger aus sich heraus beeinträchtigen, ohne daß weitere Umstände – insbesondere: weitere Hoheitsakte – hinzutreten165. Bedarf der Rechtsakt des Vollzuges durch die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten, scheidet eine unmittelbare Betroffenheit aus166, es sei denn, der Mitgliedstaat ist zur Umsetzung verpflich___________ 158 In diesem Fall muß er nicht zusätzlich unmittelbar und individuell betroffen sein. Anders EuGH, Urt. v. 11.5.1989, verb. Rs. 193/87 und 194/87 – Maurissen / Rechnungshof und Union Syndicale / Rechnungshof, Slg. 1989, 1045 Rdnr. 13 ff: denn nach Art. 91 Beamtenstatut können nur „beschwerende Maßnahmen“ angefochten werden. 159 W. Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 230 Rdnr. 44. 160 Ansätze bei EuG, Urt. v. 11.2.1999, Rs. T-86/96 – Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen / Kommission, Slg. 1999, II-179 Rdnr. 43 ff. 161 W. Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 230 Rdnr. 45. 162 H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 159; D. Ehlers, VerwArch. Bd. 84 (1993), S. 139 [151]. 163 EuGH, Urt. v. 4.10.1983, Rs. 191/82 – FEDIOL / Kommission, Slg. 1983, 2913 [2985]: durch Verordnung „eingeräumte Rechte werden mißbraucht“; EuGH, Urt. v. 11.11.1981, Rs. 60/81 – IBM / Kommission, Slg. 1981, S. 2639 [2651]; EuGH, Urt. v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, S. 1339 [1364]. 164 EuGH, Urt. v. 16.5.1991, Rs. C-358/89 – Extramet / Rat, Slg. 1991, I-2501 [2531 f.]. 165 EuGH, Urt. v. 13.5.1971, verb. Rs. 41–44/70 – International Fruit Company u.a. / Kommission, Slg. 1971, 411 Rdnr. 23 ff.; EuGH, Urt. v. 6.3.1979, Rs. 92/78 – Simmenthal / Kommission, Slg. 1979, 777 Rdnr. 25 f.; EuGH, Urt. v. 29.3.1979, Rs. 113/77 – NTN Toyo Bearing Company u.a. / Rat, Slg. 1979, 1185 Rdnr. 11 f.; EuGH, Urt. v. 11.7.1985, verb. Rs. 87/77, 130/77, 22/83, 9/84 und 10/84 – Salerno u.a. / Kommission und Rat, Slg. 1985, 2523, Rdnr. 31. 166 H. Krück, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 173 Rdnr. 49.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

tet und ihm verbleibt hierfür keinerlei Ermessensspielraum167. Die Konstellation, daß eine den Kläger beschwerende staatliche Maßnahme von einem Gemeinschaftsorgan nachträglich gebilligt wird, ist dem gleichgestellt. Ebenso wird die Fallgestaltung erfaßt, in der ein Mitgliedstaat mit hinreichender Festigkeit die Absicht kundgetan hat, eine Maßnahme, die nur noch von der Ermächtigung der Kommission abhängt, werde durchgeführt168. Letzterer Fall ist für einen Wettbewerber stets dann gegeben, wenn die Kommission die Gewährung notifizierter Beihilfen genehmigt. Insgesamt ist „[…] ein einzelner nur dann unmittelbar betroffen, wenn die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft sich auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum läßt, ihr Erlaß vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß weitere Durchführungsvorschriften angewandt werden […]. Das gleiche gilt, wenn für die Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem Gemeinschaftsakt nicht nachzukommen, weil ihr Wille, diesem Akt nachzukommen, keinem Zweifel unterliegt.“169

(2) Individuelles Betroffensein Das kontrovers diskutierte Kriterium stellt seit der Rechtssache Plaumann / Kommission170 die individuelle Betroffenheit dar. Der EuGH hatte befunden: „Wer nicht Adressat einer Entscheidung ist, kann nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten.“171

Die Klagemöglichkeiten stellen sich aufgrund dieser „Plaumann-Formel“ zunächst eingeschränkt dar172. Insbesondere die Eigenschaft, als Teilnehmer im Wettbewerb von einer Maßnahme betroffenen zu sein, oder die kraft beruflicher ___________ 167 W. Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 230 Rdnr. 46. EuGH, Urt. v. 29.3.1979, Rs. 113/77 – NTN Toyo Bearing Company u.a. / Rat, Slg. 1979, 1185 Rdnr. 11. 168 EuGH, Urt. v. 17.1.1985, Rs. 11/82 – Piraiki-Patraiki u.a. / Kommission, Slg. 1985, 207 Rdnr. 7 ff. und bereits EuGH, Urt. v. 23.11.1971, Rs. 62/70 – Bock / Kommission, Slg. 1971, 897, Rdnr. 6 ff. 169 EuGH, Urt. v. 5.5.1998, Rs. C-386/96 P – Louis Dreyfus & Cie / Kommission, Slg. 1998, I-2309 Rdnr. 43, 44. 170 EuGH, Urt. v. 15.7.1963, Rs. 25/62 – Plaumann / Kommission, Slg. 1963, 213. 171 EuGH, Urt. v. 15.7.1963, Rs. 25/62 – Plaumann / Kommission, Slg. 1963, 213 [238]. Hervorhebungen hinzugefügt. 172 Es finden sich bis heute immer wieder Urteile, die das Merkmal sehr restriktiv interpretieren, so zuletzt EuGH, Urt. v. 2.4.1998, Rs. C-321/95 P – Greenpeace, Slg. 1998, I-1651 Rdnr. 53. Dazu: C. Calliess, NJW 2002, S. 3577 [3579 f.].

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Stellung vermittelten Eigenschaften des Betroffenen sah der EuGH in ständiger Rechtsprechung als für eine Individualisierung nicht ausreichend an173; der Kreis der Betroffenen müsse vielmehr zum Zeitpunkt des Erlasses des Rechtsaktes nach Zahl und Personen feststehen174. Eine Klage gegen Verordnungen ist grundsätzlich unzulässig, weil es an der individuellen Betroffenheit fehlt175; wegen der Notwendigkeit einer individuellen Ausführungsentscheidung hält der EuGH eine Normenkontrolle für grundsätzlich nicht erforderlich176. Rechtsschutz wird über die Inzidentrüge oder das Vorabentscheidungsverfahren gewährt177. Nämliches gilt für Richtlinien178. Die – seltene – Ausnahme bilden nur Fälle einer individuellen Bestimmbarkeit der Betroffenen179. Nach der jüngeren Rechtsprechung wird eine individuelle Betroffenheit aber zumindest dann angenommen, wenn die Kläger in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren beteiligt worden sind oder hätten beteiligt werden müssen180. Beispiele hierfür finden sich im Bereich der Beihilfenaufsicht181, im An___________ 173

W. Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 230 Rdnr. 49. EuGH, Urt. v. 13.5.1971, verb. Rs. 41–44/70 – International Fruit Company u.a. / Kommission, Slg. 1971, 411 Rdnr. 16, 22. 175 Aktuell: EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 ff.; EuGH, Urt. v. 5.5.1977, Rs. 101/76 – K. Scholten Honig / Kommission und Rat, Slg. 1977, 709 [807]; EuGH, Urt. v. 16.3.1978, Rs. 123/77 – UNICME / Rat, Slg. 1978, 845 [852]; EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 307/81 – Alusuisse / Rat und Kommission, Slg. 1982, 3463 [3472]. 176 EuGH, Urt. v. 16.3.1978, Rs. 123/77 – UNICME / Rat, Slg. 1978, 845 [852]; EuGH, Urt. v. 6.10.1982, Rs. 307/81 – Alusuisse / Rat und Kommission, Slg. 1982, 3463 [3472]; EuGH, Urt. v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, 1339 [1365]. 177 Vgl. EuGH, Urt. v. 9.11.1995, Rs. C-465/93 – Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u.a., Slg. 1995, I-3761 Rdnr. 20 ff. 178 W. Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 230 Rdnr. 43. 179 Für Verordnungen: EuGH, Urt. v. 18.5.1994, C-309/89 – Codorníu / Rat („Crémant“), Slg. 1994, I-1853. Für Richtlinien: EuG, Urt. v. 17.6.1998, Rs. T-135/96 – Union Européenne de l’artisanat et des petites et moyennes entreprises (UEAPME) / Rat, Slg. 1998, II-2335 (im Ergebnis abgelehnt). 180 EuGH, Urt. v. 28.1.1986, Rs. 169/84 – Compagnie Française de L’Azote (COFAZ) u.a. / Kommission, Slg. 1986, 391 [415]: in diesem Urteil ließ der EuGH das Erfordernis fallen, daß die Beteiligung im Verwaltungsverfahren durch eine Verordnung abgesichert sein muß, sondern eine Rechtsnorm (in concreto Art. 92 Abs. 2 EWGV) ausreicht; EuGH, Urt. v. 19.5.1993, Rs. C-198/91 – Cook / Kommission, Slg. 1993, I-2487 [2528]. Ein bestehendes, aber nicht wahrgenommenes Verfahrensrecht reicht zur Individualisierung grundsätzlich nicht aus, EuGH, Urt. v. 17.11.1998, Rs. C-70/97 P – Kruidvat / Kommission, Slg. 1998, I-7183 Rdnr. 39. 181 EuGH, Urt. v. 28.1.1986, Rs. 169/84 – Compagnie Française de L’Azote (COFAZ) u.a. / Kommission, Slg. 1986, 391 (individuelle Betroffenheit nur bei Beschwerdeführern oder bei im Vorverfahren verfahrensbeteiligten Konkurrenten sowie bei spürbarer Beeinträchtigung); EuGH, Urt. v. 19.5.1993, Rs. C-198/91 – Cook / Kommission, Slg. 1993, I-2487 [2528]. Dazu: H.-G. Kamann, in: Nowak / Cremer, Individual174

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

tidumpingrecht182 und im Kartellrecht183. Eine vorangegangene oder vorgesehene Verfahrensbeteiligung stellt indes keine notwendige Voraussetzung dar. Auch eine erhebliche, spürbare oder wesentliche Beeinträchtigung der Markt- oder Wettbewerbsposition kann zu einer Individualisierung führen184. Schließlich kann dies auch dann der Fall sein, wenn beim Erlaß des Rechtsaktes die Berücksichtigung spezifischer Klägerinteressen bereits normativ vorgegeben war185: „Der Umstand, daß der Rat bzw. die Kommission aufgrund besonderer Vorschriften verpflichtet sind, die Konsequenzen einer von ihnen beabsichtigten Maßnahme für die Situation bestimmter Einzelpersonen zu berücksichtigen, kann geeignet sein, diese zu individualisieren.“186 „[Demnach…] individualisiert eine Verpflichtung der Kommission aufgrund spezifischer Bestimmungen, die Folgen einer beabsichtigten Handlung auf die Lage bestimmter Personen zu berücksichtigen, diese letzteren.“187

___________ rechtsschutz in der EG und der WTO, 2002, S. 161 ff., der die neueren, eher restriktiven Tendenzen in der Rechtsprechung aufzeigt. 182 EuGH, Urt. v. 20.3.1985, Rs. 264/82 – Timex Corporation / Rat und Kommission, Slg. 1985, 849 Rdnr. 12 ff.; vgl. G. Berrisch, in: Nowak / Cremer, Individualrechtsschutz in der EG und der WTO, 2002, S. 177 ff. 183 EuGH, Urt. v. 25.10.1977, Rs. 26/76 – Metro SB-Großmärkte / Kommission, Slg. 1977, 1875 Rdnr. 13. Speziell zur Fusionskontrolle: EuG, Urt. v. 24.3.1994, Rs. T-3/93 – Air France / Kommission, Slg. 1994, II-121 Rdnr. 80 ff. (Die Klägerin war Beschwerdeführerin und wurde im Vorfeld beteiligt). 184 EuGH, Urt. v. 20.3.1985, Rs. 264/82 – Timex Corporation / Rat und Kommission, Slg. 1985, 849 ff.; EuGH, Urt. v. 16.5.1991, Rs. C-358/89 – Extramet / Rat, Slg. 1991, I-2501 Rdnr. 17; EuG, Urt. v. 24.3.1994, Rs. T-3/93 – Air France / Kommission, Slg. 1994, II-121 Rdnr. 82. Das EuG hat sogar die Individualisierung aufgrund der Stellung als „einziger Erzeuger im EWR und führender Lieferant“ als möglich erachtet, vgl. EuG, Beschl. v. 30.6.1999, Rs. T-70/99 R – Alpharma / Rat, Slg. 1999, II-2027 Rdnr. 118. 185 Dieses Fokussierung auf den Schutz spezifischer Interessen des Klägers klingt für den deutschen Rechtsanwender vertraut. Die Einordnung dieser Rechtsprechung als „ähnlich der aus dem deutschen Recht bekannten Schutznormtheorie“ (W. Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 230 Rdnr. 56; ähnlich: B. Wegener, Rechtsschutz für gesetzlich geschützte Gemeinwohlbelange als Forderung des Demokratieprinzips, S. 2) oder „protective norm“ (D. Waelbroek / D. Fosselard, CMLRev. 33 (1996), S. 811 [824]) sollte jedoch unterbleiben. Denn eine Betroffenheit in Rechten oder eine Ermittlung von Rechten steht nicht in Rede. Es geht vielmehr um eine Ermittlung von bestimmten qualifizierten Beziehungen des Klägers zum angegriffenen Rechtsakt. 186 EuGH, Urt. v. 22.11.2001, Rs. C-451/98 – Antillean Rice Mills / Rat, Slg. 2001, I-8949 Rdnr. 57. Ähnlich schon EuGH, Urt. v. 17.1.1985, Rs. 11/82 – Piraiki-Patraiki u.a. / Kommission, Slg. 1985, 207 Rdnr. 31; EuGH, Urt. v. 26.6.1990, Rs. 152/88, Sofrimport / Kommission, Slg. 1990, I-2477 Rdnr. 11 und EuGH, Urt. v. 11.2.1999, Rs. C-390/95 P, Antillean Rice Mills u.a. / Kommission, Slg. 1999, I-769 Rdnr. 25. 187 EuG, Urt. v. 14.9.1995, verb. Rs. T-480/93 und T-483/93 – Antillean Rice Mills u.a. / Kommission, Slg. 1995, II-2305 Rdnr. 67. Ähnlich EuG, Urt. v. 27.4.1995, Rs. T-96/92 – Comité central d’entreprise de la Société générale des grandes sources u.a. /

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Damit ist eine leichte Hinwendung zu Kriterien verbunden, wie sie in Systemen des contentieux subjectif anzutreffen sind. Das EuG hat jüngst in der Rechtssache Jégo-Quéré et Cie. / Kommission188 den Versuch unternommen, diese Tendenz zu verstärken. Es legte den Begriff der individuellen Betroffenheit so aus, daß eine Person durch eine Bestimmung einer Verordnung, die sie unmittelbar betrifft, als auch „individuell betroffen anzusehen [ist], wenn diese Bestimmung ihre Rechtsposition unzweifelhaft und gegenwärtig beeinträchtigt, indem sie ihre Rechte einschränkt oder ihr Pflichten auferlegt.“189

Der EuGH hat dieser Auffassung in der Rechtssache Unión de Pequeños Agricultores / Rat eine Absage erteilt190. Danach bleibt es dabei, daß die individuelle Betroffenheit als Voraussetzung der Klagebefugnis „[…] durch die Art der […] behaupteten Verletzung des Gemeinschaftsrechts nicht geändert werden [kann].“191

Die Kontroverse zwischen den beiden Spruchkörpern sowie dem Generalanwalt192 in diesen Verfahren hat dazu geführt, eine empfindliche Rechtsschutzlücke in Konstellationen aufzuzeigen, in denen aus Verordnungen ohne einen ___________ Kommission, Slg. 1995, II-1213 Rdnr. 26 ff.; EuG, Urt. v. 27.4.1995, Rs. T-12/93 – Comité central d’entreprise de la société anonyme Vittel u.a. / Kommission, Slg. 1995, II-1247 Rdnr. 36 ff. 188 EuG, Urt. v. 3.5.2002, Rs. T-177/01 – Jégo-Quéré et Cie. / Kommission, Slg. 2002, II-2365. Siehe auch die Anmerkungen von T. Lübbig, EuZW 2002, S. 415 f.; M. Köngeter, NJW 2002, S. 2216 ff.; M. Nettesheim, JZ 2002, S. 928 ff. 189 EuG, Urt. v. 3.5.2002, Rs. T-177/01 – Jégo-Quéré et Cie. / Kommission, Slg. 2002, II-2365 Rdnr. 51. Hervorhebungen hinzugefügt. 190 EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 Rdnr. 43. (vgl. zum Verfahrensgang oben, Erstes Kapitel – B., S. 55 Fn. 21). Zustimmend: J. Gundel, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2003, § 18: Verfahrensgrundrechte Rdnr. 27 mit der Erwägung, daß die Eröffnung einer prinzipalen Normenkontrolle zugleich die Ausweitung der korrespondierenden Deggendorf-Formel mit sich bringe (vgl. EuGH, Urt. v. 9.3.1994, Rs. C-188/92 – Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833 ff.). 191 So noch das EuG, Beschl. v. 4.7.1994, Rs. T-13/94 – Century Oils Hellas / Kommission, Slg. 1994, II-431 Rdnr. 15. Es war insbesondere der Auffassung, es sei „für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage […] ohne Belang, daß die Klägerin geltend macht, es liege ein Verstoß gegen ihr Eigentumsrecht vor, wie es durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und durch Art. F des Vertrages über die Europäische Union geschützt [ist]“ . 192 Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 21.3.2002 zu EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 ff. Dieser stellt im Unterschied zum EuG nicht auf eine Rechtsbetroffenheit ab. Er schlägt vor, die Rechtsprechung dahingehend zu ändern, „daß ein einzelner von einer Gemeinschaftshandlung […] individuell betroffen ist, wenn die Handlung aufgrund seiner besonderen persönlichen Umstände erhebliche nachteilige Auswirkungen auf seine Interessen hat oder haben kann.“, a. a. O., Rdnr. 103.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

weiteren Durchführungsakt Belastungen resultieren193. Die Gruppe II des Konvents hat denn auch angemahnt, diese Lücke zu schließen194. Da die Mobilisierung des einzelnen zum Zweck der objektiven Rechtskontrolle und damit der europäischen Integration graduell unterschiedlich betont wird195, folgen diesen Bewertungen auch Abstufungen, mit denen die Bestimmung über die Anfechtung von Rechtsakten der Gemeinschaft nach Art. 230 Abs. 4 EG verstanden wird. Die Interpretation durch den EuGH wird teils als restriktiv196, teils als offen angesehen197. Zutreffend dürfte die Bewertung durch Ulrich Everling198 sein: „Bei der Beurteilung, ob Entscheidungen vorliegen, die von einzelnen nach Art. 173 Abs. 2 EWGV199 angefochten werden können, ist der Gerichtshof großzügig verfahren. So hat er niemals auf die äußere Form abgestellt; auch Entschließungen oder formlose Äußerungen wurden als anfechtbar angesehen, sofern sie ‚verbindliche

___________ 193 In der Rechtssache Jégo-Quéré et Cie. / Kommission verbietet die VO 1162/2001/ EG zur Wiederauffüllung des Seehechtbestandes den Fischereiunternehmen den Einsatz von Grundschleppnetzen mit einer Maschenöffnung von weniger als 100 mm; in der Rechtssache Unión de Pequeños Agricultores / Rat schafft die VO 1638/98/EG besondere Beihilfen für Kleinerzeuger von Olivenöl ab. 194 Schlußbericht von A. Vitorino (KOM) Vorsitzender der Gruppe II – „Einbeziehung der Charta / Beitritt zur EMRK“ an die Mitglieder des Konvents (CONV 354/02), S. 15, einsehbar unter: http://register.consilium.eu.int/pdf/de/02/cv00/00354d2.pdf: „Die Gruppe möchte das Plenum des Konvents […] auf ein anderes Problem aufmerksam machen, nämlich auf die Frage, ob die Bedingungen für den direkten Zugang von Einzelpersonen zum Gerichtshof (Art. 230 Abs. 4 EG) im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes überarbeitet werden müssen. Diesbezüglich hat sich bei den Beratungen der Gruppe gezeigt, daß es angesichts der geltenden Bedingung der „direkten und individuellen Betroffenheit“ gemäß Art. 230 Abs. 4 EG und ihrer Auslegung in der ständigen Rechtsprechung gewisse Lücken beim Rechtsschutz geben kann […]“. Der EuGH hat eine Reform des bestehenden Systems im übrigen selbst angeregt (EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 Rdnr. 45). 195 Siehe dazu die Nachweise oben, Zweites Kapitel – C.III.1.b)(3), S. 365 f. mit Fn. 1688 ff. 196 Vgl. etwa B. Wegener, Rechtsschutz für gesetzlich geschützte Gemeinwohlbelange als Forderung des Demokratieprinzips, S. 2: „Im Bereich der Direktklagen folgt der EuGH dagegen in Anknüpfung an die in Art. 230 Abs. 4 EG enthaltenen Kriterien der direkten und unmittelbaren klägerischen Betroffenheit einer an schutznormtheoretische Konzeptionen erinnernden restriktiveren Praxis.“ 197 M. Nettesheim, in: Micklitz / Reich, Public Interest Litigation before European Courts, 1996, S. 225 ff.; K.-D. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 1996, S. 182: „[…] entspricht der Anfechtungsklage“. 198 U. Everling, NVwZ 1987, S. 1 [5]. Im Ergebnis ebenso etwa J. Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 [248]. 199 Jetzt Art. 230 Abs. EG.

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Rechtswirkungen erzeugen, welche die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen‘200. Diese Definition scheint auf den ersten Blick weiter zu sein als die […] Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 42 Abs. 2 VwGO, wonach der Kläger geltend machen muß, daß er in seinen Rechten verletzt sei, wobei jedoch ein rechtlich geschütztes Interesse als ausreichend angesehen wird201. Insofern wird wohl eher dem französischen Recht gefolgt, nach dem bereits das Interesse des Klägers genügt, wie es dem Legalitätsprinzip entspricht202. Allerdings geht die Forderung des Gerichtshofs, daß das Interesse des Klägers gerade durch einen Eingriff in die Rechtsstellung des Klägers beeinträchtigt sein muß, über das französische Recht hinaus und nähert sich den deutschen Vorstellungen, so daß von einer vermittelnden Lösung gesprochen werden kann. […] Die Voraussetzung […], daß der Kläger ‚unmittelbar und individuell‘ betroffen sein muß, hat der Gerichtshof im Beamtenrecht bei unterlegenen Kandidaten seit jeher, und neuerdings auch bei Konkurrenten im Beihilfe- und Antidumpingverfahren unter bestimmten Voraussetzungen, wohl insoweit weitergehend als die deutsche Praxis, bejaht203.“

(3) Bewertung Insgesamt ist die Initiativberechtigung des einzelnen im Eigenprozeßrecht der Gemeinschaften insoweit an ein System des contentieux objectif angelehnt, als sich eine Berufung auf individuelle Rechte als nicht notwendig darstellt. Andererseits reicht eine bloße Interessenbeeinträchtigung zur Klageerhebung nicht aus. Fehlt es an einer verfahrensrechtlichen Stellung, an einer wesentlichen Beeinträchtigung der Markt- oder Wettbewerbsposition oder an einer bereits vor Erlaß des Rechtsaktes aufgrund normativer Vorgaben exponierten Stellung, scheiden Drittschutz oder Rechtsschutz gegen Normen aus204. Die Klageberechtigung kann im Eigenprozeßrecht nicht einfach mit dem für Interessen___________ 200

Verweis auf EuGH, Urt. v. 11.11.1981, Rs. 60/81 – IBM / Kommission, Slg. 1981, 2639 ff. 201 Verweis auf BVerwG, Urt. v. 7.1.1972, IV C 49.68, BVerwGE 39, 235 ff.; C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 8. Aufl. 1983, S. 193 ff. Mit Hinweis auf W. Brohm, DVBl. 1986, S. 331 ff. folgt die Feststellung, dieses Erfordernis werde „tendenziell in Richtung auf eine objektive Rechtskontrolle abgebaut“. 202 Verweis auf G. Vedel / P. Delvolvé, Droit administratif, 9. Aufl. 1984, S. 757 ff. und J.-M. Woehrling, NVwZ 1985, S. 21 [23]. 203 Verweis auf: EuGH, Urt. v. 21.2.1984, verb. Rs. 239 und 275/82 – Allied Corporation u.a. / Kommission, Slg. 1984, 1005 ff.; EuGH, Urt. v. 20.3.1985, Rs. 264/82 – Timex Corporation / Rat und Kommission, Slg. 1985, 849 ff.; EuGH, Urt. v. 28.1.1986, Rs. 169/84 – Compagnie Française de L’Azote (COFAZ) u.a. / Kommission, Slg. 1986, S. 391; W. Brohm, in: FS für Christian-Friedrich Menger, 1985, S. 235 ff. 204 D. Ehlers, VerwArch. Bd. 84 (1993), S. 139 [156].

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

tenklagen französischen Vorbilds205 typischen intérêt à agir gleichgesetzt werden. Sie entspricht nicht einer der Definitionsmacht der Gemeinschaftsgerichte anheimgestellten Zugangsbarriere. Sie dient auch nicht einer variabel zu handhabenden Eingangskontrolle durch die Gemeinschaftsgerichte. Ihr Ziel stellt vielmehr eine, wenn auch nicht am Kriterium individueller Rechte orientierte, so doch: subjektive Zugangsbeschränkung zur Gemeinschaftsgerichtsbarkeit dar. Die im Gemeinschaftsrecht zu verzeichnende Parallelität von Recht und Rechtsschutz erfährt im Gemeinschaftsprozeßrecht Durchbrechungen. Trotz merkbarer Orientierung an einem System des contentieux objectif kann so von einer Bewegung hin zu einem contentieux subjectif gesprochen werden. Diese Nuancierung wurzelt in der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzgarantie; letztere ist ihrerseits auf den Schutz individueller Rechte zugeschnitten206 und moderiert so die Auslegung der Kriterien der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit aus subjektivrechtlicher Perspektive. b) Anforderungen an die Initiativberechtigung in den Mitgliedstaaten Hinsichtlich der Anforderungen an die mitgliedstaatlichen Systeme des gerichtlichen Schutzes schlägt sich die subjektivrechtliche Perspektive in stärkerer Weise nieder, als im Eigenprozeßrecht. (1) Individuelle Rechte als Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht Die Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht sind stärker durch „subjektivrechtliche Elemente aufgeladen“207 als das Eigenprozeßrecht. Denn während im Eigenprozeßrecht der Fall eintreten kann, daß trotz dargelegter Verletzung in individuellen Rechten mangels unmittelbarer und individueller Betroffenheit der Rechtsschutz zu versagen ist, wird ein diesbezügliches Ergebnis im Prozeßrecht der Mitgliedstaaten generell ausgeschlossen. Wie der EuGH in der Rechtssache Unión de Pequeños Agricultores / Rat208 ausgeführt hat, trifft ___________ 205 Vgl. S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 380. 206 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.III.1.b)(2), S. 359 ff. und oben, Drittes Kapitel – C.II.1., S. 444 f. 207 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 384; A. Epiney, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 362 [398] spricht insoweit von einer „normativen Interessentenklage“. 208 EuGH, Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, I-6677 Rdnr. 41 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

455

die Mitgliedstaaten im allgemeinen und die nationalen Gerichte im besonderen – namentlich bei legislativer Untätigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich des Prozeßrechts – eine Verpflichtung, der gemeinschaftsrechtlich angelegten Parallelität von individuellem Recht und Rechtsschutz209 zu praktischer Wirksamkeit zu verhelfen. Dies ergibt sich aus dem Loyalitätsstandard des Art. 10 EG sowie aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, wie er seinen Niederschlag in Art. 47 Abs. 1 GR-Charta gefunden hat. Gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutz vor den Gerichten der Mitgliedstaaten erlangt immer, wer vorträgt, in einem seiner individuellen Rechte verletzt zu sein; eine Mindestgarantie, deren Unterschreitung den Mitgliedstaaten verwehrt ist. Der prozessuale Weg des nationalen Rechts wird so qualitativ durch die Konzeption gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte bestimmt, wobei Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip210 die Leitplanken darstellen, innerhalb derer die verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten zum Tragen kommen kann. (2) Herausforderungen für das normative und dogmatische Gerüst im deutschen Prozeßrecht Das deutsche Prozeßrecht sieht sich mithin mit zwei Herausforderungen konfrontiert. Zum einen muß es Defiziten bei der Durchsetzung individueller Rechte durch gemeinschaftsrechtskonforme Ausgestaltung des dogmatischen und normativen Gerüstes vorbeugen. Zum anderen gilt es auf möglicherweise systemändernde Wirkungen gemeinschaftsrechtlicher Einflüsse zu reagieren. (a) Die Ansichten in der Literatur Die Tragweite dieser Herausforderungen wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Einigkeit211 herrscht allein darüber, daß gemeinschaftsrechtliche in___________ 209

Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 331 mit Fn. 1483. Vgl. dazu oben, Drittes Kapitel – C.I., S. 441. 211 E. Grabitz, EuR 1971, S. 1 [22]; M. Zuleeg, DVBl. 1976, S. 509 [514]; H. Jarass, NJW 1990, S. 2420 [2422]; L. Krämer, WiVerw 1990, S. 138 [150 ff.]; G. Leibrock, DVBl. 1991, S. 1113 f.; H. Fischer, EuZW 1992, S. 41 [43]; S. Kadelbach, in: von Danwitz / Heintzen / Jestaedt / Korioth / Reinhardt, Auf dem Wege zu einer europäischen Staatlichkeit, 1993, S. 131 [141]; C. D. Classen, EuZW 1993, S. 83 [85]; M. Zuleeg, NJW 1993, S. 31 [37]; W. Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 146; D. Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, 1994, S. 289 [315]; H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 1082 f.; T. von Danwitz, DÖV 1996, S. 481 [489]; C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [677 f.]; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 295 f.; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999; S. 369 ff.; J. Gundel, VerwArch. Bd. 92 210

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

dividuelle Rechte212 die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO213 vermitteln (können). i) Trennung von materiellem Recht und nationalem Prozeßrecht Ein Teil der Lehre nimmt an, daß dies nur unter den Voraussetzungen des deutschen Prozeßrechts möglich sein soll214. Die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO gilt gemeinhin als gesetzlicher Ausdruck des Erfordernisses der Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte im Sinne der Schutznormtheorie215. Angesichts der Unterschiede dieser Lehre zur Dogmatik individueller Rechte – insbesondere: soweit materielle Rechte des Gemeinschaftsrechts großzügiger zuerkannt werden, als dies nach den Maßstäben dieser Lehre der Fall wäre – sei die Klagefähigkeit dieser Positionen problematisch. Diese Ansichten verweisen auf die verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten216 und die notwendige Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht. Einheitliche Maß___________ (2001), S. 81 ff.; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 486 ff.; R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 127; O. Dörr, Der europäisierte Rechtsschutzauftrag deutscher Gerichte, 2003, S. 219. Zu weiteren Stimmen aus der Literatur zum europarechtlichen Einfluß auf das Prozeßrecht vgl. die Nachweise oben, Erstes Kapitel – B., S. 52 dort Fn. 14 und 15 und oben, Drittes Kapitel – A., S. 422 dort Fn. 16. 212 Das Meinungsbild ist noch wesentlich komplizierter, da vielfach innerhalb der Klagebefugnis aus individuellen Rechten nicht nur materiell-rechtliche und prozessuale Probleme vermengt werden, sondern meist auch noch zwischen gemeinschaftsrechtlich eingeräumten und (vor allem aufgrund von Richtlinien) einzuräumenden Rechten differenziert wird. Die Frage der äquivalenten Dignität der richtlinienrechtlich präformierten Rechte ist bereits erörtert worden (vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(c), S. 337 f.). Das inhaltlich in der Richtlinie präformierte Recht enthält als bestimmten modus seiner Effektuierung gleichsam ein durch die Umsetzungsfrist aufschiebend bedingtes individuelles Verschaffungsrecht. Auf die Differenzierung wird demnach hier verzichtet. 213 Die folgenden Ausführungen gelten für die Regelungen der §§ 40 Abs. 2 FGO, 54 Abs. 1 S. 2 SGG, 24 Abs. 1 EGGVG, 107 Abs. 2 GWB, 62 Abs. 3 S. 1 GWB, 48 WpÜG entsprechend. 214 J. Schwarze, in: GS für Wolfgang Martens, 1987, S. 819 [840 f.]; P. M. Huber, EuR 1991, S. 31 [33]; C. D. Classen, EuZW 1993, S. 83 [85]; W. Frenz, DVBl. 1995, S. 408 [411 f.]; H.-W. Rengeling, VVDStRL Heft 53 (1994), S. 202 [210]; J. Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 [248]. 215 Siehe nur: F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 78 ff. und oben, Drittes Kapitel – B.II.2.a), S. 427. 216 P. M. Huber, EuR 1991, S. 31 [33 f.]; W. Frenz, DVBl. 1995, S. 408 [410 f.]; J. Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 [248]. Daß sich aus der in diesem Zusammenhang gebetsmühlenartig zitierten „Butterfahrten-Entscheidung“ (dazu oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(1), S. 302) beim heutigen Stand der Integration keine tragfähigen Aussagen mehr ableiten lassen, wurde bereits dargelegt; vgl. oben, Drittes Kapitel – C.I., S. 441 mit Fn. 124.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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stäbe für die Klagebefugnis seien nicht notwendig, wenn und soweit das nationale Prozeßrecht den Schutz der Rechte sicherstelle, was durch eine flexible Anwendung der „gemeinschaftsrechtlich aufgeladenen“217 Schutznormtheorie gewährleistet werde218. ii) Materiell-rechtliche Lösung Die Vertreter der zweiten Ansicht wollen zumindest für Richtlinien ohne eine solche gesetzgeberische Klarstellung auskommen. Hier sei eine Europäisierung durch Vermehrung der subjektiv-öffentlichen Rechte in der nationalen Rechtordnung zu bewirken219. Für individuelle Rechte des Primär- und Verordnungsrechts sei unmittelbar auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zurückzugreifen220. In diesem Bereich folgen sie dann weitgehend der ersten Auffassung einer europäisierten, extensiven Auslegung der Vorschriften über die Klagebefugnis. iii) Prozeßrechtliche Modifikation in Richtung einer Interessentenklage Nach einer dritten Auffassung ist die Regelung der Klagebefugnis in ihrer Lesart als Verweis auf die Schutznormtheorie mit Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Diese Ansicht geht davon aus, das Gemeinschaftsrecht erfordere eine Interessentenklage221. Sie sieht die gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechte – namentlich umweltrechtliche „Berechtigungen“ – insoweit als nur „rechtlich geschützte Interessen“ an222. Insbesondere Eberhard SchmidtAßmann – lange expliziter Vertreter des streng subjektiven Systems223– hat sich dieser Deutung angeschlossen; die Verengung auf einen engen Tatbestand sub___________ 217

O. Dörr, in: Nomos-Kommentar zur VwGO, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rdnr. 453. 218 P. M. Huber, EuR 1991, S. 31 [34]; W. Frenz, DVBl. 1995, S. 408 [412]; J. Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 [248]; H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 1093. 219 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer prozessualen Durchsetzung, 1996, S. 295 und für die unmittelbare Wirkung S. 313; C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [678]; im Ergebnis auch J. Ruthig, BayVBl. 1997, S. 289 [295 ff.]. 220 C. D. Classen, VerwArch. Bd. 88 (1997), S. 645 [678]; C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 80. 221 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 295 f., G. Winter, NVwZ 1999, S. 467 [473]; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 390; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 489. 222 C. Calliess, NJW 2002, S. 3577 [3579]. 223 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 116 ff.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

jektiv-öffentlicher Rechte werde sich „im Zeichen der europäischen Rechtsangleichung nicht durchhalten lassen“224. Mit Blick auf eine effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts wird de lege ferenda eine Ergänzung des § 42 Abs. 2 VwGO für erforderlich gehalten. Vorgeschlagen wird etwa als § 42 Abs. 2 S. 2 VwGO: „Abweichend von Satz 1 ist die Klage auch dann zulässig, wenn der Kläger eine Beeinträchtigung von Interessen geltend macht, deren Verteidigung ihm durch Normen des Gemeinschaftsrechts ermöglicht ist.“225

iv) Trennung der Klagebefugnis vom subjektiv-öffentlichen Recht Schließlich wollen viertens einige Stimmen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben einer prozessualen Lösung zuführen. Positionen gemeinschaftsrechtlicher Provenienz seien losgelöst von einem subjektiv-öffentlichen Recht deswegen klagbar, da dies i.S.v. § 42 Abs. 2 1. HS VwGO „gesetzlich“, nämlich gemeinschaftsrechtlich bestimmt sei226. (b) Stellungnahme und eigener Lösungsvorschlag Die letzte Ansicht ist abzulehnen, da durch sie eine Öffnung des nationalen Prozeßrechts für eine gemeinschaftsrechtliche Dogmatik individueller Rechte nicht zu erreichen ist. § 42 Abs. 2 1. HS VwGO verweist auf die Möglichkeit einer expliziten gesetzlichen Abweichung vom System der Verletztenklage durch formelles Gesetz227. Das gesamte Gemeinschaftsrecht – mit Ausnahme der als subjektiv-öffentliche Rechte umgesetzten Richtlinienbestimmungen – als solche Bestimmungen deuten zu wollen, geht fehl. Die Normen des Gemeinschaftsrechts legen eine solche Abweichung weder fest noch können sie dies228. Denn gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechten ist zwar die gerichtliche Durchsetzung im Kriterium der „invocabilité“ intentional zu eigen229; ___________ 224

E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, S. 199. 225 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 296. 226 S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 269; R. Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rdnr. 128. 227 F. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 42 Rdnr. 180. 228 So zu Recht B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 295. Ausnahmen bestehen, so etwa im Vergaberecht (vgl. oben, S. 440 Fn. 122). Aber auch hier sind es nicht die individuellen Rechte selbst, welche die Klagbarkeit bestimmen, sondern gesonderte Sätze über ihre Durchsetzung in Gestalt der RL 89/665/EWG und RL 92/13/EWG. 229 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.III.1.b)(4), S. 366 ff. und oben, Zweites Kapitel – C.III.2.c), S. 405 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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sie enthalten indes regelmäßig230 selbst keinen Satz über die Modalitäten ihrer Durchsetzung, sondern verweisen insoweit auf die prozessualen Instrumente vor der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit und vor den Gerichten der Mitgliedstaaten. Demnach fehlt es an einer eindeutigen gesetzlichen Bestimmung231. Gegen die erste Auffassung spricht, daß sich eine strenge Aufspaltung in materiell-rechtliche und prozessuale Bedingungen individueller Rechte nur unter großen Schwierigkeiten bewerkstelligen läßt. Wie sich bereits vielfach im Verlauf dieser Untersuchung gezeigt hat, lassen sich diese Elemente voneinander unterscheiden, aber nicht vollständig trennen, ohne die wechselseitigen Bezüge aus dem Blick zu verlieren. Soweit sich die Klagebefugnis auf das Bestehen eines Rechts bezieht, und nicht lediglich auf die plausible Darlegung seiner Verletzung, kommt § 42 Abs. 2 VwGO keine selbständige Bedeutung zu232; er verweist insoweit auf die Schutznormtheorie. Auch im Gemeinschaftsrecht gilt – wie oben dargelegt233 –, daß sich die Erstreckung der materiellen Voraussetzungen auf die Klagbarkeit als Folge des effektiven Rechtsschutzes ergibt234. Geht man von diesen materiellen Voraussetzungen aus und bedenkt, daß individuelle Rechte keine bloße Technizität des Verfahrens sind, sondern einen bestimmten Geltungsmodus des Gemeinschaftsrechts darstellen, wird deutlich, daß eine kollisionslösende Wirkung der individuellen Rechte nur bei voller Parallelität – nicht: Identität – von materieller Berechtigung und prozessualer Durchsetzung eintreten kann. Will man die gemeinschaftsrechtlichen Kriterien innerhalb von § 42 Abs. 2 VwGO in seiner Lesart als Verweis auf die Schutznormtheorie berücksichtigen, so bedeutet dies in Wirklichkeit eine verschleierte Preisgabe dieser Lehre235. Die Lösung ist überdies kollisionsrechtlich problematisch. Denn eine zunächst den Kriterien der Schutznormlehre verpflichtete Prüfung trifft von Beginn an eine Kollisionsentscheidung im Sinne des internen Rechts236. ___________ 230

Ausnahmen sind individuelle Verfahrensrechte. Hierzu rechnet namentlich die Rechtsschutzgarantie, wie sie ihren Niederschlag in Art. 47 Abs. 1 GR-Charta gefunden hat. 231 Die Lösung hat überdies gewichtige und unter Äquivalenzgesichtspunkten problematische Binnenfolgen für die Balance zwischen Klagebefugnis und Kontrolldichte; vgl. R. Streinz, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 300 [345]. 232 Vgl. oben, Drittes Kapitel – B.II.2.a), S. 430 f. 233 Vgl. Oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 331 mit Fn. 1483. 234 In diesem Sinne sind also die oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(1), S. 302 ff. und C.I.1.c)(3), S. 304 f., getroffenen Feststellungen zum Rechtsschutz zu verstehen. 235 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 388. 236 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 389.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Diese Überlegungen gelten auch für die zweite Auffassung. Denn wenn Gerichte das Umsetzungsgesetz daraufhin untersuchen, ob es subjektiv-öffentliche Rechte vermittelt, laufen sie Gefahr, die Umsetzungsdefizite zu übersehen237. Es ist daher stets die Prüfung erforderlich, ob dies den Richtlinieninhalt unzulässig einengen würde; erforderlich ist mithin eine Prüfung anhand der Kriterien gemeinschaftsrechtlicher individueller Rechte. Der Versuch, Umsetzungsrecht gegen weitere Einwirkungen von Richtlinien abzuschotten, führt – wie bereits dargelegt238 – zu der Konsequenz, daß ein in der Richtlinie angelegtes individuelles Recht vor seiner Umsetzung weiter reicht, als dies nach Umsetzung der Fall ist, was der durchgehenden Maßstäblichkeit des Richtlinienrechts und auch dem einheitlichen Standard individueller Rechte239 für sämtliche Rechtsakte widerspricht. Was schließlich die Stimmen betrifft, die eine Hinwendung zu einer Interessentenklage fordern, so vermögen auch diese nicht vollständig zu überzeugen. Diese Überlegungen haben für sich, Defiziten der Durchsetzung individueller Rechte durch gemeinschaftsrechtskonforme Ausgestaltung des normativen Gerüstes am ehesten zu entsprechen und dabei die innerstaatliche dogmatische Substanz durch ein zweispuriges System zu schonen. Allerdings wird von der Annahme ausgegangen, das Gemeinschaftsrecht eine fordere Interessentenklage. Die Grundüberlegung besteht jeweils darin, daß eine Beeinträchtigung von Interessen, deren Verteidigung durch Normen des Gemeinschaftsrechts ermöglicht ist, prozessual zur Einführung einer Interessentenklage führen muß240. Der Weite, mit der das Gemeinschaftsrecht diese Interessen berücksichtigt, könne mit einem System der Verletztenklage nicht entsprochen werden. Diese Annahme trifft indes nicht zu. Daß die Trennung von Rechten und rechtliche geschützten Interessen schon im deutschen Recht nicht überzeugt, wurde bereits umfassend dargelegt241. Nimmt man gemeinschaftsrechtliche individuelle Rechte ernst, ist jedoch nicht ganz erklärlich, warum diese Rechte prozessual nur in einem System der Interessenklage gemeinschaftsrechtskonform durchgesetzt werden können. Während die Vertreter der Orientierung an einer Interessentenklage von einer „mit dem Gemeinschaftsrecht einfließenden Dogmatik der Interessentenkla___________ 237 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 389. 238 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 329 ff. und zutreffend B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 138, 139. 239 Oben, Zweites Kapitel – C.I.1.b), S. 301 f. 240 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 310 ff. Näher oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(2)(b), S. 329 f. 241 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(3), S. 76 f. und umfassend oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i), S. 188 ff.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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ge“242 ausgehen, wird nach der hier vertretenen Sichtweise vom individuellen Recht als Geltungsmodus ausgegangen; die nationalen prozessualen Instrumente sind an der Rechtsschutzgarantie zu messen. Diese Nuance entspricht derjenigen zwischen der Rechtsmacht als Begriffselement oder Entstehenselement im deutschen Recht243. Ordnet man die prozessuale Folge der „invocabilité“ – verstanden als prozessuale Berufungsfähigkeit – dem individuellen Recht als Entstehenselement zu, welches mit Anwendungsvorrang ins Recht der Mitgliedstaaten weist, dürfte die Einordnung als Forderung einer Interessentenklage richtig sein. Denn dann enthält ein individuelles Recht das prozessual verstandene direkte Interesse im Sinne der Rechtssache Verholen244 als Entstehensvoraussetzung in Gestalt der „invocabilité“. Die Kriterien der Berufungsfähigkeit sind dem individuellen Recht damit immanent und können im innerstaatlichen Recht bei Orientierung an einer Verletztenklage nur unzureichend beachtet werden. Damit wäre die Identität von Recht und Möglichkeit des Rechtsschutzes verbunden. Hier hingegen wird von der Parallelität ausgegangen. Dies bedeutet, daß die „invocabilité“ als Begriffselement eingeordnet und das direkte Interesse im Sinne der Rechtssache Verholen245 materiellrechtlich lediglich als Intentionalität der Durchsetzung verstanden wird. Bei dieser Betrachtung kann von einer „einfließenden Dogmatik der Interessentenklage“ in ihrer reinen Form nicht gesprochen werden246. Denn die Anforderungen an das nationale Prozeßrecht ergeben sich nicht aus den individuellen Rechten selbst, sondern aus der Rechtsschutzgarantie. Die Rechtsschutzgarantie mit ihren Anforderungen an das nationale Recht hat das jeweilige individuelle Recht in der Intentionalität seiner Durchsetzung eigenständig zu stützen. Sie wäre anderenfalls überflüssig. Die Rechtsschutzgarantie aber knüpft prozessual an Rechte an, nicht an Interessen. Diese sind begrifflich bereits Teil des Rechts. Daraus folgt aber für die deutsche Klagebefugnis, daß sie für individuelle Rechte unter den gleichen Bedingungen wie für subjektiv-öffentliche Rechte anzunehmen ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger fordert die Rechtsschutzgarantie. Eine Klagebefugnis ist somit gegeben, wenn der Kläger – vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Bestimmung – geltend macht, in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten oder in seinen ___________ 242

B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 305. Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(5), S. 80 mit Fn. 95. 244 EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757 Rdnr. 23. 245 EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757 Rdnr. 23. 246 Zutreffend daher: A. Epiney, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 362 [398]: „normative Interessentenklage“. 243

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

individuellen Rechten verletzt zu sein, wobei die beiden Kategorien materiellrechtlich verschiedenen dogmatischen Anforderungen unterliegen. Im Hinblick auf § 113 VwGO würde diese Lösung einen Anpassungsdruck erzeugen, da die auf die subjektiv-öffentlichen Rechte zugeschnittene Kontrolldichte bei der Reichweite der gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechte an ihre Grenzen gerät247. Einer Verringerung der Kontrolldichte allein im Hinblick auf individuelle Rechte stünde das Äquivalenzprinzip entgegen248. Führt man sich dies vor Augen, so kann de lege ferenda über eine Einführung einer Interessentenklage in der Tat nachgedacht werden. Rechtspolitisch erwägenswert wäre aber auch eine gewisse Verringerung der Kontrolldichte249. In diesem Fall könnte eine am subjektiven System orientierte Klageberechtigung erhalten bleiben. Die Optionen des nationalen Gesetzgebers sind somit weit differenzierter, als dies angenommen wird. Bleibt die Parallelität von individuellem Recht und Möglichkeit des Rechtsschutzes und damit der Bezugspunkt zu individuellen Rechten erhalten, vermag der Akzent im Hinblick auf die Klagebefugnis in Richtung einer Interessentenklage verschoben werden; er kann aber auch bei einer Verletztenklage verharren, wenn andere Elemente dieses Systems entsprechend angepaßt werden. De lege lata ist die Klagebefugnis aufgrund der dargestellten Anforderungen der Effektivität und der Äquivalenz so auszulegen, daß „Recht“ i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO als Oberbegriff für individuelle Rechte und subjektiv-öffentliche Rechte zu lesen ist, deren Ermittlung sich jeweils nach den dogmatischen Anforderungen der beiden Rechtsordnungen richtet250. Der kollisionslösenden Wirkung der individuellen Rechte als Geltungsmodus des Gemeinschaftsrechts ___________ 247 B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 296. Wie weit die Prüfungsdichte aber auch in einem System des contentieux objectif gehen kann, wird anschaulich in dem Diskussionsbeitrag von J.-M. Woehrling, in: Frowein, Die Kontrolldichte bei der gerichtlichen Überprüfung von Handlungen der Verwaltung, 1993, S. 305 ff. 248 Zu weit daher: A. Epiney, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 362 [412]. 249 Vgl. C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 119 ff., S. 171 ff. m.w.N. § 113 VwGO stellt eine besondere Ausprägung des deutschen Systems dar, welches, so E. Franßen, DVBl. 1998, S. 413 [420], „im Blick auf den Rechtsschutz des Bürgers von der Vorstellung einer ideellen Richtigkeit gesteuert wird und damit die Lösung aller mit dem Gesetzesvollzug verbundenen Fragen erkenntnistheoretisch, nämlich normlogisch, bewältigen will.“ Die Folge ist das Streben nach einer vollständigen Rechtsanwendungskontrolle, F. Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 6, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 279 [294]. Vgl. auch E. Hien, DVBl. 2003, S. 443 ff. 250 So im Ergebnis auch S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 392.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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wird so bei gleichzeitiger Schonung mitgliedstaatlicher dogmatischer Strukturen am besten entsprochen. 3. Herrschaft über den Streitgegenstand Das Gemeinschaftsrecht verlangt von den mitgliedstaatlichen Gerichten, daß diese – so dies aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes251 geboten sein sollte – auch über den klägerischen Antrag hinausgehen und so den individuellen Rechten des Klägers zur vollen Wirkung verhelfen252. Dies stellt ein Element des contentieux objectif dar. Dies gilt in eingeschränkter Form auch im Eigenprozeßrecht der Gemeinschaft: Bei der Überprüfung der Nichtigkeitsklage ist der EuGH nicht auf den geltend gemachten Rechtsfehler beschränkt; vielmehr eröffnet ihm die zulässige Nichtigkeitsklage einen umfassenden Prüfungsrahmen, der es ihm erlaubt, den Sachverhalt anhand aller in Betracht kommenden Klagegründe zu messen253. Auch die gängige Praxis des EuGH, unzulässige Vorlagefragen dergestalt umzuformulieren, daß sie als zulässige Fragen eine Antwort über Auslegung oder Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts an das vorlegende Gericht erlauben254, fügt sich in dieses Bild. 4. Suspensiveffekt a) Gemeinschaftsprozeßrecht Im Eigenprozeßrecht der Gemeinschaft lassen sich hinsichtlich des Suspensiveffektes Elemente des contentieux objectif nachweisen255. Die Art. 242 und ___________ 251

Vgl. dazu oben, Drittes Kapitel – C.I., S. 441. EuGH, Urteil v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, I-5403 ff. Die Vorlagefrage war darauf gerichtet gewesen, ob eine Beachtung von Amts wegen in Betracht komme. Näher zu dieser Entscheidung oben, Zweites Kapitel – C.III.2.b)(1)(b)iii) ), S. 397. 253 H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 182. St. Rspr. seit EuGH, Urt. v. 21.12.1954, Rs. 1/54 – Frankreich / Hohe Behörde, Slg. 1954, 7. 254 EuGH, Urt. v. 29.11.1978, Rs. 83/78 – Pigs Marketing Board, Slg. 1978, 2347 Rdnr. 26; H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 393. Teilweise umgeht der EuGH auch die Fragen, vgl. nur die oben, S. 307 Fn. 1323 wiedergegebene Vorlagefrage des Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia zu EuGH, Urt. v. 23.2.1994, Rs. C-236/92 – Comitato di Coordinamento per la Difesa della Cava, Slg. 1994, I-483 Rdnr. 5 und die Antwort in Rdnr. 16. 255 Rechtsschutzlücken im System des einstweiligen Rechtsschutzes werden durch den EuGH auch auf Gemeinschaftsebene geschlossen vgl. nur EuGH, Beschl. v. 3.5.1996, Rs. C-399/95 R – Deutschland / Kommission (Maxhütte), Slg. 1996, I-2441 252



Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

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243 EG beruhen auf dem Grundgedanken der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten256. Der EuGH vermag lediglich die aufschiebende Wirkung anzuordnen, ebenso wie er in sonstigen Fällen einstweilige Anordnungen erlassen kann. Aus Art. 83 § 2 VerfO-EuGH257 ergeben sich die weiteren Voraussetzungen. Die Notwendigkeit des Erlasses einer Anordnung bei bereits erhobener Klage aufgrund von Dringlichkeit wird in ständiger Rechtsprechung258 dahingehend interpretiert, daß die Klage zulässig und nicht offensichtlich unbegründet erscheinen darf und daß dem Kläger ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden drohen muß. b) Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht Im mitgliedstaatlichen Prozeßrecht ist danach zu unterscheiden, um welche Art von Maßnahme es sich handelt259. (1) Gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage Richtet sich der Rechtsbehelf gegen einen Akt, der auf eine Norm des Gemeinschaftsrechts gestützt wird, so kann nach Maßgabe des nationalen Rechts ein Suspensiveffekt eintreten. Der EuGH hat anerkannt, daß nationale Gerichte befugt sind, die Vollziehung eines auf Gemeinschaftsrecht beruhenden Verwaltungsaktes auszusetzen260. Der EuGH hat hierbei allerdings hervorgehoben: ___________ Rdnr. 44 ff. Hierin liegt eine leichte Nuancierung von Elementen des contentieux subjectif. Auch Klagen gegen Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM haben wegen Art. 55 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Art. 60 Abs. 3 VO 6/2002/EG (Geschmacksmuster), Art. 57 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Art. 62 Abs. 3 VO 40/94/EG (Marken) aufschiebende Wirkung. 256 EuGH, Urt. v. 15.6.1994, Rs. 137/92 – Kommission / BASF u.a. (PVC-Kartell), Slg. 1994, I-2555 Rdnr. 26; C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 100. Nämliches gilt für die Urteile des EuG, Art. 60 Abs. 1 EGSatzung-EuGH (Fundstelle oben, S. 312 Fn. 1357). 257 Fundstelle oben, S. 312 Fn. 1357. 258 EuGH, Beschl. v. 26.3.1987, Rs. 46/87 R – Hoechst / Kommission, Slg. 1987, 1549 Rdnr. 14 ff.; EuGH, Beschl. v. 19.12.1990, Rs. C-358/90 R – Compagnia italiana alcool Sas di Mario Mariano / Kommission, Slg. 1990, I-4887 Rdnr. 25. Bedeutsam aus jüngerer Zeit: EuGH, Beschl. v. 14.2.2002, Rs. C-440/01 P(R) – Kommission / Artegodan, Slg. 2002, I-1489. Weitere Nachweise bei H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 542 ff. 259 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 382. 260 EuGH, Urt. v. 21.2.1991, verb. Rs. 143/88 und C-92/89 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Slg. 1991, I-415. Vgl. dazu umfassend S. Lehr, Einstweiliger Rechtsschutz und Europäische Union, 1997, S. 104 ff. und die Referierung

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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„Der vorläufige Rechtsschutz, den das Gemeinschaftsrecht den Bürgern vor den nationalen Gerichten sichert, muß unabhängig davon derselbe sein, ob sie die Vereinbarkeit nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht oder die Gültigkeit abgeleiteten Gemeinschaftsrechts rügen, da diese Rüge in beiden Fällen auf das Gemeinschaftsrecht selbst gestützt ist.“261

Das mitgliedstaatliche Verfahren unterliegt damit bestimmten Anforderungen. Der EuGH hat hierzu in der Rechtssache Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u.a.262 zusammenfassend festgestellt, daß „[…] ein nationales Gericht einstweilige Anordnungen in bezug auf einen zur Durchführung einer Gemeinschaftsverordnung erlassenen nationalen Verwaltungsakt nur erlassen darf, – wenn es erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Handlung der Gemeinschaft hat und diese Gültigkeitsfrage, sofern der Gerichtshof mit ihr noch nicht befaßt ist, diesem selbst vorlegt, – wenn die Entscheidung dringlich in dem Sinne ist, daß die einstweiligen Anordnungen erforderlich sind, um zu vermeiden, daß die sie beantragende Partei einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet, – wenn es das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt und – wenn es bei der Prüfung aller dieser Voraussetzungen die Entscheidungen des Gerichtshofes oder des Gerichts erster Instanz über die Rechtmäßigkeit der Verordnung oder einen Beschluß im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreffend gleichartige einstweilige Anordnungen auf Gemeinschaftsebene beachtet.“

Diese Voraussetzungen bleiben hinter dem deutschen Verständnis zurück263. Der systematische Grund besteht in der Abweichung vom in der Rechtssache ___________ der zentralen Entscheidungen hierzu bei U. von Fragstein, Die Einwirkungen des EGRechts auf den vorläufigen Rechtsschutz, 1997, S. 70 ff. und 83 ff. 261 EuGH, Urt. v. 21.2.1991, verb. Rs. 143/88 und C-92/89 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Slg. 1991, I-415 Rdnr. 20. 262 EuGH, Urt. v. 9.11.1995, Rs. C-465/93 – Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u.a., Slg. 1995, I-3761 Rdnr. 51. Aufzählungszeichen im Original. Das Urteil stellte eine wichtige Etappe im „Bananenstreit“ dar. Dieser bestand nach der Niederlage Deutschlands im Verfahren EuGH, Urt. v. 5.10.1994, Rs. C-280/93 – Deutschland / Rat (Bananen), Slg. 1994, I-4973 zum einen aus den Verfahren der Atlanta-Gruppe: auf Vorlage des VG Frankfurt erging das genannte Urteil des EuGH. Es folgte die Vorlage an das BVerfG durch VG Frankfurt, Beschl. v. 24.10.1996, 1 E 798.95 (V) und 1 E 2949.93 (V), EuZW 1997, S. 183 ff. Diese wurde einstimmig als unzulässig abgewiesen, BVerfG, Beschl. v. 7.6.2000, 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147 ff. Den zweiten Komplex bildeten die Verfahren der T. Port GmbH: BVerfG, Beschl. v. 25.1.1995, 2 BvR 2689/94 und 2 BvR 52/95, EuZW 1995, S. 126 f. (Zurückverweis an den VGH Kassel); VGH Kassel, Beschl. v. 9.2.1995, 8 TG 292.95, EuZW 1995, S. 222 ff. (Vorlagebeschluß); EuGH, Urt. v. 26.11.1996, Rs. C-68/95 – T. Port, Slg. 1996, I-6065; EuG, Beschl. v. 26.11.1997, Rs. T-39/97 – T. Port / Kommission, Slg. 1997, II-2125; EuG, Urt. v. 28.3.2000, Rs. T-251/97 – T. Port / Kommission, Slg. 2000, II-1775 (Abweisung der Nichtigkeitsklage); EuG, Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-52/99, T. Port / Kommission, Slg. 2001, II-981 (Abweisung der Schadenersatzklage).

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Foto-Frost264 zementierten Prinzip der Monopolisierung der Gültigkeitskontrolle beim EuGH265. Die Voraussetzungen im einzelnen werden Art. 242, 243 EG entnommen266. Aus Gründen der Effektivität des Gemeinschaftsrechts und um Diskriminierungen gegenüber einzelnen aus anderen Mitgliedstaaten zu vermeiden267, wird das Vollzugsinteresse im Regelfall höher eingestuft, als das Rechtsschutzinteresse des einzelnen. Hierin liegt eine für den contentieux objectif typische Wirkung268. (2) Nationale Rechtsgrundlage Wird eine Maßnahme auf der Basis nationalen Rechts angegriffen, die zu einem gemeinschaftsrechtlich gewährten individuellen Recht in Widerspruch steht, muß vorläufiger Rechtsschutz möglich sein. Die durch die Gemeinschaft geschaffenen individuellen Rechte strahlen auch auf diejenigen innerstaatlichen Regelungen aus, die die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz zum Gegenstand haben269. Das grundlegende Urteil in diesem Bereich erging in der Rechtssache Factortame u.a.270: der nationale Richter hat auch dann vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn das nationale Recht eine solche Möglichkeit nicht vorsieht, eine einstweilige Anordnung aber erforderlich ist, um den Schutz individueller Rechte zu gewährleisten. Bestehen Regelungen des mit___________ 263

J. Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995, S. 240 ff. EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Rs. 314/85 – Foto-Frost, Slg. 1987, 4199. Vgl. oben, Drittes Kapitel – C.I., S. 439. 265 Vgl. G. C. Rodríguez Iglesias, NJW 2002, S. 1889 [1893]. 266 Die gleiche Wertung bringt Art. 7 i.V.m. Art. 244 ZK zum Ausdruck. 267 Vgl. G. C. Rodríguez Iglesias, NJW 2002, S. 1889 [1893 f.] Der damalige Präsident des EuGH verweist auf die Entscheidung EuGH, Urt. v. 10.7.1990, Rs. 217/88 – Kommission / Deutschland (Tafelwein), Slg. 1990, I-2879: Gegen die auf Art. 41 Abs. 1 VO 337/79/EWG beruhenden Verwaltungsakte zur Zwangsdestillation von Tafelwein – mit dem Ziel der gemeinschaftsweiten Marktstabilisierung – legten viele deutsche Winzer Widerspruch ein, welche aufschiebende Wirkung hatten. Bis zur Entscheidung über die Streitfälle war der Wein vermarktet, wodurch sich ein Wettbewerbsvorteil der deutschen Winzer ergab. Die unterbliebene Anordnung des Sofortvollzuges führte zur Verurteilung Deutschlands. Das europäische öffentliche Interesse umfaßt auch die Gleichbehandlung aller Gemeinschaftsbürger. 268 Im französischen Verwaltungsprozeßrecht wird vorläufiger Rechtsschutz unter ähnlich strengen Voraussetzungen gewährt: Conseil d’Etat, Urt. v. 2.7.1982, Req. n° 25.288–25.323 – Huglo, Recueil Lebon, 257: „[…] que ce caractère est la règle fondamentale du droit public et que le sursis à exécution n’est pour le juge qu’une simple faculté, alors même qu’existent des moyens sérieux d’annulation et un préjudice difficilement réparable“. Umfassend m.w.N. hierzu: C. D. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 94 ff. 269 G. C. Rodríguez Iglesias, NJW 2002, S. 1889 [1893]. 270 EuGH, Urt. v. 19.6.1990, Rs. C-213/89, Factortame u.a., Slg. 1990, I-2433. 264

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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gliedstaatlichen Prozeßrechts, hat deren Anwendung dem Äquivalenzgrundsatz und dem Effektivitätsgrundsatz Rechnung zu tragen271. Es wird damit gemeinschaftsrechtlich nicht verlangt, daß Rechtsbehelfe gegen mitgliedstaatliche Maßnahmen, die möglicherweise in Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehen, aufschiebende Wirkung haben; gewährt das nationale Verfahrensrecht diesen Suspensiveffekt, so muß dies wegen des Äquivalenzgrundsatzes auch für Rechtsmittel gelten, mit denen eine mögliche Gemeinschaftsrechtswidrigkeit überprüft werden soll. Die aufschiebende Wirkung findet ihre Berechtigung so nicht allein in der Wertigkeit individueller Rechte, sondern entsteht erst, wenn effet utile und individuelles Recht in dieselbe Richtung wirken272. Hinsichtlich dieser Fallgruppe kann von einer Zuordnung zu einem der beiden Systeme nicht wirklich gesprochen werden; allenfalls ein Gleichlauf von effet utile und individuellem Recht verschiebt den Akzent leicht in Richtung des contentieux subjectif. 5. Unabhängigkeit der Gerichte Der Vertrag gewährleistet die organschaftliche Unabhängigkeit des Gerichtshofs273, Art. 7 Abs. 1 EG, die Unabhängigkeit der Gemeinschaftsgerichte, Art. 220 EG, und die persönliche Unabhängigkeit der Richter und Generalanwälte274. Wie weit die Unabhängigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte gegenüber der Exekutive reicht, ist gemeinschaftsrechtlich von untergeordneter Bedeutung275. So hat der EuGH die Vereinbarkeit der Vergabeüberwachungsausschüsse276 mit ___________ 271 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.7.1997, Rs. C-261/95 – Palmisani, Slg. 1997, I-4025 Rdnr. 27. und oben, Drittes Kapitel – C.I., S. 441. 272 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 383. 273 Gemeint ist damit der „Gerichtshof“ im formellen und institutionellen Sinn als Organ. Das EuG stellt kein Organ dar – auch nicht nach den Änderungen des Art. 220 EG durch den NV. Unzutreffend daher: E. Pache / F. Schorkopf, NJW 2001, S. 1377 [1380]. 274 Art. 222 Abs. 2, Art. 223 Abs. 1, Art. 224 Abs. 2 EG, Art. 2–7, Art. 8 i.V.m. Art. 2– 7 und Art. 47 i.V.m. 2–8 EG-Satzung-EuGH (Fundstelle oben, S. 312 Fn. 1357). 275 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 383. 276 Sie waren Folge der Neuregelung des Vergaberechts von 1994. Die Ausgestaltung des Rechtsschutzes erfolgte durch die Nachprüfungsverordnung (BGBl. I 1994, S. 321). Es wurde ein zweistufiges Verfahren eingeführt, als dessen erste Instanz verwaltungsintern sog. Vergabeprüfstellen die Einhaltung der Vergabevorschriften überwachten. In einer zweiten, sog. „gerichtsäquivalenten“ Instanz wurden Vergabeüberwachungsausschüsse beim Bundeskartellamt und in den Ländern eingerichtet, um den Forderungen

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

den Anforderungen des Art. 234 EG in der Rechtssache Dorsch Consult bestätigt277. Die Entscheidung trennt sorgfältig zwischen der Frage, ob der vorlegende Vergabeüberwachungsausschuß Gerichtscharakter im Sinne von Art. 234 EGV besitzt, und der weiteren Frage, ob er die in Art. 2 Abs. 8 RL 89/665/EWG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt278. Geprüft und bejaht wurde im einzelnen lediglich, daß eine gesetzliche Grundlage besteht, daß der Ausschuß eine ständige Einrichtung darstellt und daß eine obligatorische Streitentscheidung stattfindet. Ob es sich wirklich um ein kontradiktorisches Verfahren handelt, wurde nicht eindeutig beantwortet. Gewisse Anforderungen an die Unabhängigkeit sieht der EuGH gewahrt279. Diese Kriterien genügten dem EuGH, um dem Vergabeüberwachungsausschuß des Bundes die Qualität eines Gerichtes zuzuerkennen280. Die Mitgliedstaaten haben also auch hier gewisse institutionelle Mindestanforderungen zu beachten, die sich vor allem aus Art. 6, 13 EMRK ergeben. Da diese Minimalgarantie als europäisches Grundrecht für alle Mitgliedstaaten als Konventionsstaaten sowie für die Gemeinschaft als Gemeinschaftsgrundrecht gleichermaßen gilt und sich auf eine bloß behördliche Überprüfung beschränkt281, kann vor dem Hintergrund der Heterogenität der mitgliedstaatlichen Gerichtssysteme von einer gemeinschaftsrechtlichen Systementscheidung nicht wirklich gesprochen werden282.

___________ der Überwachungsrichtlinien nach Kontrollmöglichkeiten durch „Gerichte im Sinne des Art. 234 EG“ nachzukommen. 277 EuGH, Urt. v. 17.9.1997, Rs. C-54/96 – Dorsch Consult, Slg. 1997, I-4961. 278 J. Pietzcker, NVwZ 1997, S. 1186. 279 EuGH, Urt. v. 17.9.1997, Rs. C-54/96 – Dorsch Consult, Slg. 1997, I-4961 Rdnr. 33–36. 280 Die Reform im Rahmen der 6. GWB-Novelle konnte hierauf aufbauen. In der Begründung des Gesetzentwurfes für das Vergaberechtsänderungsgesetz ist der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß es u.a. wegen der hohen Qualität der Entscheidungen der VK regelmäßig nicht zur Anrufung der Beschwerdeinstanz kommen wird (vgl. BT-Drs. 13/9340, S. 13). Der hohe Qualitätsstandard der rechtsprechenden Tätigkeit der VK soll durch Rechtsstellung und Besetzung garantiert werden. Die Mitglieder werden für eine Amtszeit von 5 Jahren bestellt und sind nur dem Gesetz unterworfen (§ 105 Abs. 1 GWB). Die Besetzung zielt darauf ab, vergaberechtliche und juristische Fachkunde zu verknüpfen (§§ 105 Abs. 2, 106 Abs. 2 GWB), dazu: H.-J. Prieß, in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB Teil A, 2001, Syst I GWB Rdnr. 78. 281 A. Eser, in: Meyer, GR-Charta, Art. 47 Rdnr. 3, 11. Vgl. dazu: F. Matscher, in: FS für Ignaz Seidl-Hohenveldern, 1988, S. 573 ff. und J. Frowein, in: Frowein / Peukert, EMRK, 2. Aufl. 1996, Art. 13 Rdnr. 3 ff. 282 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 383.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Bei Vorabentscheidungsersuchen wird neuerdings auch verstärkt geprüft, ob es sich bei der vorlegenden Instanz um ein vorlageberechtigtes Gericht handelt283. In der Rechtssache De Coster284 heißt es „Nach ständiger Rechtsprechung stellt der Gerichtshof zur Beurteilung der rein gemeinschaftsrechtlichen Frage, ob eine vorlegende Einrichtung ein Gericht im Sinne des Art. 234 EG ist, auf eine Reihe von Gesichtspunkten ab, wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch diese Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit.“

Diese sechs Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Ein Problem hierbei ist die Notwendigkeit eines streitigen Verfahrens. Der EuGH legt auf die kontradiktorischen Verfahren großen Wert; Registergerichte sind deswegen beispielsweise von einer Vorlageberechtigung ausgenommen285. Dies entspricht dem Gehalt von Art. 47 Abs. 2 GR-Charta, welcher über die Anforderungen der EMRK an die Qualifizierung als Gericht hinausgeht. Nach den Erläuterungen des Konventspräsidiums286 zielt die GR-Charta indes „nicht darauf ab, das in den Verträgen vorgesehene System von Rechtsbehelfen, vor allem nicht die Bestimmungen über die Zulässigkeit, zu ändern.“ Sie geht von einem ausreichenden prozessualen System aus287. Insoweit bleibt es bei der Bewertung, daß beim Merkmal der gerichtlichen Unabhängigkeit eine leichte Akzentuierung der Systemausprägung des contentieux subjectif festzustellen ist; als spezifische Typisierungsausprägung eines der beiden idealtypischen Rechtsschutzsysteme läßt sich dieses Merkmal indes nicht begreifen. 6. Urteilswirkung Ob ein Urteil inter partes oder erga omnes wirkt, hängt vom nationalen Recht ab. Soweit innerhalb eines nationalen Verfahrens ein Vorabentscheidungsverfahren durchgeführt worden ist, weist das Gemeinschaftsrecht aber auch hier über das nationale Prozeßrecht hinaus, indem es jedenfalls die ent___________ 283

S. Alber, ZEuS 2003, S. 1 [3]. EuGH, Urt. v. 29.11.2001, Rs. C-17/00 – De Coster, Slg. 2001, I-9445 Rdnr. 10. 285 EuGH, Beschl. v. 22.1.2002, Rs. C-447/00 – Holto, Slg. 2002, I-735; EuGH, Urt. v. 14.6.2001, Rs. C-178/99 – Salzmann, Slg. 2001, I-4421. Entlastung dürfte bei dieser neueren Praxis ausbleiben, wenn – wie in der Rechtssache Salzmann – das Beschwerdegericht erneut vorlegt (EuGH, Urt. v. 15.5.2003, Rs. C-300/01 – Salzmann II, Slg. 2003, I-4899). 286 Erläuterungen des Präsidiums zum vollständigen Wortlaut der Charta (CHARTE 4473/00 CONVENT 49), abgedruckt in EuGRZ 2000, S. 559 ff. 287 A. Eser, in: Meyer, GR-Charta, Art. 47 Rdnr. 12. 284

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

schiedene Rechtsfrage mit einer Wirkung erga omnes ausstattet288. Die nationalen Gerichte werden insgesamt durch die Entscheidung gebunden. Dies gilt sowohl für die Auslegung289 als auch für die Beurteilung der Wirksamkeit von Rechtsakten290. Aus dem Prinzip der einheitlichen Wirksamkeit folgt so eine Bindungswirkung von Urteilen des EuGH291, die sich eher einem objektivrechtlichen System zuordnen läßt. Auch folgt der EuGH im allgemeinen seiner eigenen Rechtsprechung, auch wenn er hieran nicht gebunden ist292. 7. Überprüfung am Maßstab höherrangigen Rechts Hinsichtlich der Normenkontrollbefugnisse läßt sich eine Verwandtschaft mit dem subjektiven System feststellen. a) Gemeinschaftsprozeßrecht Dies gilt zunächst für das Gemeinschaftsprozeßrecht selbst, welches allerdings auch objektivrechtliche Elemente enthält. Nach Art. 241 EG kann ungeachtet des Ablaufs der in Art. 230 Abs. 5 EG genannten Frist jede Partei in einem Rechtsstreit, bei dem es auf die Geltung einer Verordnung ankommt, die Unanwendbarkeit dieser Verordnung geltend machen. Art. 241 EG eröffnet den Parteien die Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit eines Rechtsaktes293 zu berufen, welcher in dem jeweiligen Verfahren zwar nicht unmittelbar Gegenstand der Nichtigkeitsklage ist, von dessen Rechtmäßigkeit jedoch der Ausgang des Rechtsstreites abhängt. Diese sogenannte „Einrede der Rechtswidrigkeit“ führt im Erfolgsfall nicht zu einer Nichtigerklärung der Norm mit Wirkung für oder gegen jedermann, sondern nur zur Unanwendbarkeit zwischen den Par___________ 288 Es ist Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob nachträglich bekannt gewordene Umstände Anlaß zu einer erneuten Vorlagefrage geben: EuGH, Beschl. v. 5.3.1986, Rs. 69/85 – Wünsche, Slg. 1986, 947. 289 EuGH, Urt. v. 27.3.1963, verb. Rs. 28–30/62 – Da Costa u.a., Slg. 1963, 59. 290 EuGH, Urt. v. 13.5.1981, Rs. 66/80 – International Chemical Corp., Slg. 1981, 1191. 291 Zu Fragen der Rechtskraft in Direktklageverfahren: M. Reiling, EuZW 2002, S. 136 ff. Allgemein: J. Molinier, droit du contentieux européen, 1996, S. 35 f.; S. Hackspiel, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 33 und 34 EG-Satzung-EuGH Rdnr. 9; K. P. E. Lasok, The European Court of Justice, 2. Aufl. 1994, S. 220, 221; H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 98, 436. 292 G. C. Rodríguez Iglesias, NJW 2002, S. 1889 [1891]. 293 Entgegen dem Wortlaut sind alle Rechtshandlungen mit normativem Charakter erfaßt, insbes. auch Richtlinien, vgl. EuGH, Urt. v. 6.3.1979, Rs. 92/78 – Simmenthal / Kommission, Slg. 1979, 777 3. Leitsatz.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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teien294. Hierin liegt wiederum eine leichte Akzentverschiebung zurück zu einem objektiven System. Wie der EuGH andeutet295, hat generell die Frage der Reichweite der Bestandskraft von Gemeinschaftsrechtsakten positivrechtlich an Art. 241 EG und Art. 230 Abs. 5 EG anzuknüpfen. Das hieraus entwickelte System läßt sich ebenfalls als mittlere Lösung einordnen. Es baut auf einer grundsätzlichen Präklusion auf, ergänzt durch eine Durchbrechung der Bestandskraft über Art. 234 Abs. lit. b), 241 EG, wenn eine Anfechtungsmöglichkeit nicht offenkundig war296. Eine grundsätzliche Höherwertigkeit individueller Rechte spiegelt sich hierin gerade nicht wider. Die Existenz der Inzidentrüge ist somit Ausdruck des gemeinschaftsrechtlichen Gewaltenverschränkungsmodells, welches darauf aufbaut, „[…] daß weder die Mitgliedstaaten noch die Gemeinschaftsorgane der Kontrolle darüber entzogen sind, ob ihre Handlungen im Einklang mit der Verfassungsurkunde der Gemeinschaft, dem Vertrag stehen […].“297

Die Normenkontrollbefugnisse stellen dem Grunde nach Belege einer dem subjektiven System verpflichteten Systementscheidung dar; ihre nähere Ausgestaltung enthält Elemente eher objektivrechtlicher Kontrolle und führt so zu einer mittleren Lösung. b) Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht Die nationalen Gerichte dürfen Normen des Gemeinschaftsrechts auch dann nicht aus eigener Kompetenz verwerfen, wenn sie eine Verletzung höherrangigen Gemeinschaftsrechts, namentlich der Grundrechte, für manifest halten. Ihnen kommt eine Prüfungskompetenz und eine sich aus dem Loyalitätsstandard des Art. 10 EG ergebende Prüfungspflicht zu; das Verwerfungsmonopol ist aber dem EuGH vorbehalten298. Ähnlich wie für deutsches nachkonstitutionelles Recht besteht aber eine Vorlagepflicht299, welche die Monopolisierung der Ver___________ 294

H.-G. Kamann / M. Selmayr, NVwZ 1999, S. 1041 [1044]. EuGH, Urt. v. 27.9.1983, Rs. 216/82 – Universität Hamburg, Slg. 1983, 2771 [2788]. 296 EuGH, Urt. v. 27.9.1983, Rs. 216/82 – Universität Hamburg, Slg. 1983, 2771 [2788]; EuGH, Urt. v. 9.3.1994, Rs. C-188/92 – Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833 Rdnr. 23; EuGH, Urt. v. 11.11.1997, Rs. C-408/95 – Eurotunnel u.a., Slg. 1997, I-6315 Rdnr. 26 ff. Vgl. dazu J. Gundel, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2003, § 18: Verfahrensgrundrechte Rdnr. 27. 297 EuGH, Urt. v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, S. 1339 Rdnr. 23. 298 EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Rs. 314/85 – Foto-Frost, Slg. 1987, 4199 Rdnr. 16. 299 Art. 234 Abs. 1 lit. b) i.V.m. Abs. 3 EGV; in der Rechtssache EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Rs. 314/85 – Foto-Frost, Slg. 1987, 4199 wurde dies auf den nicht geregel295

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

werfungskompetenz sichert300. Die Autorität des Gemeinschaftsrechts wird durch die Konzentration der Verwerfungskompetenz über das Scharnier des Vorabentscheidungsverfahrens gesichert. Hinzu kommen weitere prozessuale Instrumente, die mit dem Begriff der Rechtsschutzverschränkung erfaßt werden können. So kann die Kommission nach Art. 15 Abs. 3 VO 1/2003/EG, sofern die kohärente Anwendung der Art. 81 oder 82 EG es erfordert, aus eigener Initiative den Gerichten der Mitgliedstaaten schriftliche Stellungnahmen übermitteln; sie kann mit Erlaubnis des betreffenden Gerichtes auch mündlich Stellung nehmen. Diese an den amerikanischen amicus curiae erinnernde Position müßte im deutschen Verfahrensrecht noch geregelt werden, etwa analog der Stellung des Vertreters des öffentlichen Interesses im Verwaltungsprozeßrecht oder in Anlehnung an § 27 a BVerfGG301. Es kann sich hieraus eine Anstoßfunktion für das mitgliedstaatliche Gericht ergeben, welche dessen Prüfungspflicht unterstützt und begleitet. Die Legislative findet ihre Grenzen durch individuelle Rechte; Bereiche legislativer oder exekutiver Alleinverantwortung existieren im gemeinschaftsrechtlichen Gewaltenverschränkungsmodell nicht302. Insoweit besteht eine erkennbare Verwandtschaft mit einem subjektiven System.

III. Elemente struktureller Vergleichbarkeit Im Gemeinschaftsrecht mischen sich Faktoren des subjektiven mit denen des objektiven Rechtsschutzes. Das in seinen Ursprüngen an das verwaltungsgerichtliche System französischer Prägung angelehnte System hat sich durch Ausbau subjektivrechtlicher Elemente emanzipiert. In der Gesamtschau sind die sieben untersuchten Elemente auf ein System des objektiven Rechtsschutzes zugeschnitten, welches durch subjektiv-rechtliche Elemente aufgeladenen ist. Während Suspensiveffekt, Urteilswirkung und Herrschaft über den Streitgegenstand eher dem System des contentieux objectif zuzuordnen sind, lassen sich hinsichtlich der Überprüfung an höherrangigem Recht und hinsichtlich der Unabhängigkeit der Gerichte Akzentuierungen in ___________ ten Fall ausgedehnt, daß unterinstanzliche Gerichte in einem Hauptsacheverfahren Zweifel an der Gültigkeit von Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane haben. 300 G. C. Rodríguez Iglesias, NJW 2002, S. 1889 [1890]. Vgl. auch das wörtliche Zitat, oben, S. 439. 301 Vgl. dazu H. Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, BVerfGG, § 27 a Rdnr. 1 ff. 302 EuGH, Urt. v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, S. 1339 Rdnr. 23; S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 384.

C. Das gemeinschaftsrechtliche Verständnis

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Richtung des contentieux subjectif nachweisen. Dies gilt nach der hier vertretenen Auffassung auch für die Klagebefugnis bei mittelbarem Vollzug. Die Elemente struktureller Vergleichbarkeit lassen sich wie in folgender Übersicht 8 folgt darstellen:

Übersicht 8 Gemeinschaftsrechtliches Verständnis

Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem

Der Schutz individueller Rechte ist Leitgedanke des Prozeßrechts; daneben wird auch das allgemeine Ziel größtmöglicher Effektivität verfolgt. Der Einfluß individueller Rechte auf die Klagebefugnis variiert: – Bei mittelbarem Vollzug entsprechen Umfang der Klagebefugnis und materielle Erfolgsvoraussetzungen der Klage einander; sie werden durch das materielle individuelle Recht bestimmt. – Bei unmittelbarem Vollzug kann trotz merkbarer Orientierung an einem System des contentieux objectif von einer leichten Akzentverschiebung hin zu einem contentieux subjectif insoweit gesprochen werden, als die gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzgarantie den Gravitationspunkt darstellt; diese ist ihrerseits auf den Schutz individueller Rechte zugeschnitten und moderiert so die Auslegung der Kriterien der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit aus subjektivrechtlicher Perspektive. Die Geltung der Dispositionsmaxime wird durch Effektivitäts- und Uniformitätserwägungen eingeschränkt und damit eher objektivrechtlich ausgestaltet. Der Einfluß individueller Rechte auf den Suspensiveffekt variiert: – Bei gemeinschaftsrechtlicher Rechtsgrundlage ist das Vollzugsinteresse in der Regel höher einzustufen als die individuellen Rechte und damit an ein System des contentieux objectif angelehnt. – Bei nationaler Rechtgrundlage, welche in Widerspruch zu Gemeinschaftsrecht steht, muß hingegen von der aufschiebenden Wirkung ausgegangen werden. Diese findet ihre Berechtigung in gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechten, wenn und soweit sich diese im Gleichlauf mit dem effet utile bewegen. Hierin liegt eine Akzentverschiebung hin zu einem contentieux subjectif. Die Gemeinschaftsgerichtsbarkeit ist einem System des contentieux subjectif entsprechend unabhängig. Hinsichtlich der Gerichte der Mitgliedstaaten kann aufgrund der Heterogenität von einer wirklichen Typisierungsausprägung nicht gesprochen werden. Die Urteile wirken in aller Regel nur inter partes. Die praktisch wichtige Vorabentscheidung wirkt erga omnes. Die faktische Bindungswirkung von Urteilen des EuGH läßt sich dem contentieux objectif zuordnen. Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der Gemeinschaftsgerichte sind gemeinschaftsverfassungsrechtlich verbürgt. Die Autorität des Gemeinschaftsrechts wird durch die Monopolisierung der Verwerfungskompetenz beim EuGH gesichert.

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

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D. Annex: Die Haftungsregime Können Rechtsverletzungen nicht mehr durch gerichtlichen Schutz unterbunden werden, so muß eine Lösung auf haftungsrechtlicher Ebene gesucht werden. Zum defensiv-negatorischen tritt der repressiv-restituierende Schutz303. Auch auf dieser Ebene bedarf es eines objektiven Rechtssatzes, welcher zumindest ein Interesse des Rechtsschutz Begehrenden anerkennt und im Falle eines Verstoßes ersatzfähige Positionen individualrechtlich verankert304. Eine Gemeinsamkeit dieser Ansprüche des Haftungsrechts besteht darin, daß individuelle Rechte durch sie – wie Wolf-Rüdiger Schenke anschaulich formuliert hat – „umhegt“ werden305; die Haftungsansprüche nehmen insoweit auf die individuellen Rechte Bezug und weisen gleichzeitig über sie hinaus. Der spezifischen Beziehung zwischen den Haftungsregimen und individuellen Rechten können daher auf sekundärer Ebene weitere prägende Elemente des gemeinschaftsrechtlichen (I.) und des deutschen Verständnisses (II.) entnommen werden. Die barocke Vielfalt, mit der das deutsche Staatshaftungsrecht auftritt, macht es hierbei erforderlich, die Elemente struktureller Vergleichbarkeit zunächst anhand des Gemeinschaftsrechts herauszuarbeiten und sodann das deutsche Haftungsrecht auf sie zu beziehen. Dem Zweck der Untersuchung entsprechend, kann sich die Darstellung auf Elemente der Haftungsregime beschränken, die für Entstehungsbedingungen, Leistungen und Folgeprobleme subjektiv-öffentlicher und individueller Rechte charakteristisch sind. Die vertragliche Haftung bleibt infolgedessen ausgeklammert.

I. Das gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsregime Haftungsansprüche kennen alle Gemeinschaften. Die weitaus größte Bedeutung hat indes die Vorschrift des Art. 288 EG erlangt306. 1. Kein ausgeformter Anspruch auf Folgenbeseitigung Zunächst gilt es hervorzuheben, daß dem Gemeinschaftsrecht ein allgemein ausgeformter Anspruch auf Folgensbeseitigung fremd ist. Art. 233 Abs. 1 EG ___________ 303

F. Baur, in: FG für Johannes Sontis, 1977, S. 181 [182]. Siehe etwa P. Badura, Staatsrecht, 2. Aufl. 1996, D Rdnr. 65 (S. 284) und oben, Erstes Kapitel – A.V., S. 51. 305 W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 299. 306 Art. 188 EA stimmt hiermit überein. Art. 40 KS war ähnlich gefaßt. 304

D. Annex: Die Haftungsregime

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begründet zwar Handlungspflichten für die in Nichtigkeits- oder Untätigkeitsklagen unterlegenen Organe und die EZB307. Auch für die Mitgliedstaaten wird eine Verpflichtung zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes – etwa durch Aufhebung der ergangenen Durchführungsmaßnahmen – angenommen308. Jedoch lassen einzig die aufgrund von Art. 229 EG in Art. 17 KartVO vorgesehenen erweiterten gerichtlichen Zuständigkeiten zur „unbeschränkten Ermessensnachprüfung“309 echte gerichtliche Folgenbeseitigungsregelungen zu310. Ob und inwieweit einer Folgenbeseitigungspflicht auch ein Folgenbeseitigungsanspruch korrespondiert, hat die Rechtsprechung bisher nicht entschieden311. 2. Grundlagen des gemeinschaftsrechtlichen Haftungsanspruches Art. 288 Abs. 2 EG bestimmt, daß im „[…] Bereich der außervertraglichen Haftung […] die Gemeinschaft den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind [ersetzt]“.

Diese Formulierung wird als Auftrag an den nach Art. 235 EG zuständigen EuGH angesehen, im Wege richterlicher Rechtsfortbildung Kriterien für das Bestehen eines Haftungsanspruches zu entwickeln312. Als haftungsbegründende Kriterien hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung anerkannt: „[…] das Vorliegen eines Schadens, das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem geltend gemachten Schaden und dem den Organen zur Last gelegten Verhalten und die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens […]“313

Diese Kriterien wurden durch den EuGH inhaltlich ausgeformt. ___________ 307

Zur prozessualen Durchsetzung dieses Anspruchs: H. Krück, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 176 Rdnr. 17. 308 H. Krück, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 176, Rdnr. 15. Dies wird auf Art. 10 EG gestützt, da Urteile der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit Handlungen eines Organs darstellen, W. Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 233 Rdnr. 5. 309 Dem „contentieux de pleine juridiction“ des französischen Verwaltungsrechts entsprechend. 310 G. Dannecker, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 38 Rdnr. 101. 311 W. Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 233 Rdnr. 6; ein individuelles Recht auf Folgenbeseitigung annehmend, welches „in gewissem Umfang in Art. 176 EWG abgesichert ist“: J. Sack, EuR 1986, S. 241 [254]. 312 A. von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 2, Art. 215 Rdnr. 29. 313 Erstmals EuGH, Urt. v. 28.4.1971, Rs. 4/69 – Lütticke / Kommission, Slg. 1971, 325 Rdnr. 10. EuGH, Urt. v. 2.7.1974, Rs. 153/73 – Holtz & Willemsen / Rat und Kom-

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

a) Haftung der Gemeinschaft Besonderes Augenmerk ist der Tatsache zu schenken, daß die Rechtsprechung des EuGH bei außervertraglicher Haftung der Gemeinschaft ebenso streng wie das deutsche Recht zwischen Haftung für normatives Unrecht und sonstigen Haftungstatbeständen unterscheidet314. °

Durch eine Amtstätigkeit315 eines Organs316 oder eines Bediensteten muß rechtswidrig ein Schaden verursacht worden sein317, wobei ein Verschulden nicht ausdrücklich gefordert wird318, leichte Fahrlässigkeit jedenfalls genügt319. Konträr zum nationalen Amtshaftungsrecht, bei dem sich in der Regel nur wegen eines fehlerhaften Gesetzesvollzuges durch die Verwaltung eine Haftung ergibt, besteht im Gemeinschaftsrecht die Besonderheit der Haftung für normatives Unrecht als Regelfall: Da der Vollzug grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten liegt, haftet die Gemeinschaft gerade für fehlerhafte Rechtsetzungsakte ihrer Organe320. Um aber die politische Gestaltungsfreiheit der Organe nicht über Gebühr einzuschränken, kann nach der „Schöppenstedt-Formel“ bei einem Rechtsakt, „[…] der wirtschaftspolitische Entscheidungen mit einschließt, […] die Haftung der Gemeinschaft nur durch eine hinreichend qualifizierte Verletzung einer höherrangigen, dem Schutz der Einzelnen dienende Rechtsnorm ausgelöst werden.“321

Rechtswidriges Verhalten der Organe und Bediensteten liegt damit nicht bei einem bloßen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor. Erforderlich ist vielmehr, ___________ °

mision, Slg. 1974, 675; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 4.3.1980, Rs. 49/79 – Pool / Rat, Slg. 1980, 569; EuGH, Urt. v. 27.3.1990, Rs. 308/87 – Grifoni / EAG, Slg. 1990, I-1203. 314 F. Emmert, Europarecht, 1996, § 22 Rdnr. 16 (S. 287). 315 Dies kann in einem Tun oder einem Unterlassen bestehen, EuGH, Urt. v. 7.11.1985, Rs. 145/83 – Adams / Kommission, Slg. 1985, 3539 Rdnr. 44. Dabei bedeutet „in Ausübung ihrer Amtstätigkeit“ jedes Verhalten, das sich „aufgrund einer unmittelbaren inneren Beziehung notwendig aus den Aufgaben der Organe (ergibt)“, vgl. EuGH, Urt. v. 10.7.1969, Rs. 9/69 – Sayag, Slg. 1969, 329, 336. 316 Nämliches gilt nach Art. 288 Abs. 3 EG für die EZB. 317 M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 596. 318 P. Gilsdorf / P. Oliver, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, 5. Aufl. 1997, Art. 215 Rdnr. 43 ff.; offengelassen in EuGH, Urt. v. 14.1.1986, Rs. 267/82 – Développement SA / Kommission, Slg. 1986, 1907. 319 F. Emmert, Europarecht, 1996, § 22 Rdnr. 21 (S. 288). 320 Große Bedeutung hat das Landwirtschaftsrecht. So betrafen 1993 4/5 aller anhängigen Schadenersatzklagen die Vergabe von Milchquoten, H.-J. Niemeyer, EuZW 1993, S. 529 [530]. 321 EuGH, Urt. v. 2.12.1971, Rs. 5/71 – Zuckerfabrik Schöppenstedt, Slg. 1971, 975 [985]. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 14.7.1967, verb. Rs. 5, 7, 13–24/66 – Kampffmeyer u.a. / Kommission, Slg. 1967, 332 [355].

D. Annex: Die Haftungsregime

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daß die Beamten im konkreten Fall ein individuelles Recht verletzt haben322. Der EuGH hat diese „höherrangige, dem Schutz der Einzelnen dienende Rechtsnorm“ in seiner Rechtsprechung nie mit der „Schutznormtheorie“ in Verbindung gebracht. In einem der seltenen Fälle, in denen der Begriff in der Sammlung der Rechtsprechung als solcher auftaucht, führt Generalanwalt Marco Darmon323 aus, daß das „[…] Erfordernis der Verletzung „einer höherrangigen, dem Schutz des Einzelnen dienenden Rechtsnorm […] der Lehre zufolge auf die im deutschen Recht […] entwickelte ‚Schutznormtheorie‘ zurückgeht“.

Ob dies tatsächlich der Fall ist324, mag dahinstehen; von einer Übernahme der Kriterien kann jedenfalls nicht gesprochen werden325. Es reicht aus, wenn die Norm diesen Zweck neben anderen, auch allgemeinen Zwecken, erfüllt326. EuGH und EuG haben als „Schutznormen“ etwa die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte327, oder das Sorgfaltsprinzip328 sowie die Grundsätze ordentlicher Verwaltung329 anerkannt. „Schutznormen“ können demnach sowohl im geschriebenen bzw. ungeschriebenen als auch im Primär- und Sekundärrecht verankert sein330. In neueren Entscheidungen fordert der EuGH schlicht, „[…] daß die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.“331

___________ 322 EuGH, Urt. v. 14.7.1967, verb. Rs. 5, 7, 13–24/66 – Kampffmeyer u.a. / Kommission, Slg. 1967, 332 [355]. 323 Schlußanträge v. 16.1.1992 zu EuGH, Urt. v. 16.1.1992, Rs. C-282/90 – Industrieen Handelsonderneming Vreugdenhil / Kommission, Slg. 1992, I-1937 Rdnr. 38. Ebenso GA P. Léger in seinen Schlußanträgen v. 20.6.1995 zu EuGH, Urt. v. 23.5.1996, Rs. C5/94 – Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553 [2585]. 324 Von einer Übernahme der Schutznormtheorie im Sinne G. Jellineks geht N. Reich, EuZW 1996, S. 709 aus. Ebenso: R. Joliet, Le droit institutionnel des Communautés européennes, Bd. I, le contentieux, 1981, S. 267; wohl auch J. Molinier, droit du contentieux européen, 1996, S. 105. 325 Vgl. dazu bereits oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(c), S. 337 f. für die mitgliedstaatliche Haftung. 326 EuGH, Urt. v. 14.7.1967, verb. Rs. 5, 7, 13–24/66 – Kampffmeyer u.a. / Kommission, Slg. 1967, 332 [355]; vgl. W. Berg, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2000, Art. 288 Rdnr. 37. 327 Vgl. Nachweise bei A. von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 2, Art. 215 Rdnr. 72; W. Berg, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2000, Art. 288 Rdnr. 39. 328 EuG, Urt. v. 18.9.1995, Rs. T-167/94 – Nölle / Rat, Slg. 1995, II-2589 Rdnr. 73 ff. 329 EuG, Urt. v. 9.1.1996, Rs. T-575/93 – Koelman / Kommission, Slg. 1996, II-1 Rdnr. 85 ff. 330 A. von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 2, Art. 215 Rdnr. 70; W. Berg, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2000, Art. 288 Rdnr. 38. 331 EuGH, Urt. v. 4.7.2000, Rs. C-352/98 P – Laboratoires pharmaceutiques Bergaderm und Goupil / Kommission, Slg. 2000, I-5291 Rdnr. 43; EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-312/00 P – Kommission / Camar und Tico, Slg. 2002, I-11355 Rdnr. 53.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Insoweit deckt sich das Erfordernis mit dem Vorhandensein eines individuellen Rechts, wobei die Zwecksetzung bei der Ermittlung als spezifisches Wertungselement herausgestellt wird. An dieses Wertungselement werden bei der näheren Prüfung indes keine besonderen – insbesondere keine höheren – Anforderungen gestellt332 als bei der Ermittlung individueller Rechte im allgemeinen333. Zeigt sich der EuGH nämlich bei der Einschätzung des Schutzcharakters einer Norm recht offen, so sucht er die Haftung für legislatives Unrecht anderweitig zu begrenzen334. Er fordert, daß das betreffende Organ „[…] die Grenzen seiner Befugnisse offenkundig und erheblich überschritten hat“335,

und daß die Schadenshöhe die „[…] vernünftigen Grenzen überschreitet, [innerhalb derer] es dem Einzelnen zugemutet werden kann, gewisse schädliche Auswirkungen einer Rechtsvorschrift […] hinzunehmen.“336

Diese Erfordernisse erinnern einerseits an ein bloßes Willkürverbot, andererseits an die Sonderopfertheorie337. Der EuGH hat diese Rechtsprechung zwar später etwas gelockert338. Jedoch vermag im Ergebnis nur die Verletzung grundlegender Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts oder allgemeiner Rechtsgrundsätze eine Haftung für normatives Unrecht zu begründen339.

___________ 332 S. Detterbeck, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 5 Rdnr. 30. So besitzt Art. 33 EG haftungsrechtlichen Individualrechtscharakter, was bei Übernahme schutznormtheoretischer Konzeptionen wohl ausgeschlossen wäre. 333 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – C.III.2., S. 368 ff. und insbesondere Zweites Kapitel – C.IV.2., S. 409 f. 334 Vgl. Begriffsbeschreibung von A. von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 2, Art. 215 Rdnr. 77, wonach administratives Handeln nicht nur rein hoheitliche Tätigkeiten umfaßt, sondern grundsätzlich „jedes Handeln, das nicht im Erlaß genereller Akte oder richterlicher Tätigkeit besteht“. Der EuGH erfaßt mit normativem Handeln dagegen jede Art legislativer Tätigkeit im materiellen Sinne, vgl. EuGH, Urt. v. 6.6.1990, Rs. 119/88 – AERPO u.a. / Kommission, Slg. 1990, I-2189 Rdnr. 17. Bedingung ist ein „generell-abstrakter Regelungsinhalt“. Dazu: F. Ossenbühl, in: Rengeling, Handbuch zum Europäischen und Deutschen Umweltrecht, 1998, S. 1401 [1422]. 335 EuGH, Urt. v. 25.5.1978, verb. Rs. 83 und 94/76, 4, 15 und 40/77 – Bayerische HNL Vermehrungsbetriebe u.a. / Kommission, Slg. 1978, 1209 [1224 f.]. 336 EuGH, Urt. v. 25.5.1978, verb. Rs. 83 und 94/76, 4, 15 und 40/77 – Bayerische HNL Vermehrungsbetriebe u.a. / Kommission, Slg. 1978, 1209 [1224 f.]. 337 M. Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 609. 338 Vor allem: EuGH, Urt. v. 19.5.1992, verb. Rs. C-104/89 und C-37/90 – Mulder u.a. / Rat und Kommission, Slg. 1992, I-3061. 339 Eines der ganz wenigen erfolgreichen Verfahren war EuGH, Urt. v. 4.10.1979, Rs. 238/78 – Ireks Arkady (Quellmehl), Slg. 1979, 2955.

D. Annex: Die Haftungsregime

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Das Kriterium des „hinreichend qualifizierten Verstoßes“ ist damit zum eigentlichen haftungsbegrenzenden Prüfungspunkt avanciert. Dabei „[…] besteht das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht als hinreichend qualifiziert anzusehen ist, darin, ob das betreffende Gemeinschaftsorgan die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. […] das entscheidende Kriterium bei der Frage nach dem Vorliegen eines solchen Verstoßes […] ist [nicht], ob der betreffende Rechtsakt einzelfallbezogenen Charakter hat, sondern, über welchen Gestaltungsspielraum das Organ bei seinem Erlaß verfügte.“340

Der solcherart hinreichend qualifizierte Verstoß muß kausal341 zu einem Schaden des Betroffenen geführt haben. Dieser umfaßt jeden Nachteil, den der Betroffene an seinem Vermögen oder an seinen sonstigen rechtlich geschützten Gütern erleidet. Auch immaterielle Schäden342 sowie entgangener Gewinn343 sind erfaßt344. Der Anspruch ist in aller Regel auf die Zahlung von Geld gerichtet; Ansprüche auf Naturalrestitution sind indes nicht ausgeschlossen345. Der Schaden muß tatsächlich eingetreten sein oder zumindest „unmittelbar bevorstehen“ und „mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar“346 sein. Ein Mitverschulden des Klägers wirkt anspruchsmindernd347. Die Schadensminderungspflicht umfaßt insbesondere die Pflicht, den Eintritt des Schadens durch die Er___________ 340 EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-312/00 P – Kommission / Camar und Tico, Slg. 2002, I-11355 Rdnr. 54, 55. 341 Vgl. zur Kausalität EuG, Urt. v. 24.4.2002, Rs. T-220/96 – Elliniki Viomichania Oplon / Rat und Kommission (Irak-Embargo), Slg. 2002, II-2265 Rdnr. 40 ff. 342 Vgl. EuGH, Urt. v. 7.11.1985, Rs. 145/83 – Adams / Kommission, Slg. 1985, 3539 Rdnr. 53. 343 EuGH, Urt. v. 19.5.1992, verb. Rs. C-104/89 und C-37/90 – Mulder u.a. / Rat und Kommission, Slg. 1992, I-3061 Rdnr. 26. 344 Der genaue Umfang des Schadens wird nach der „Differenzhypothese“ ermittelt. Danach ergeben sich die genaue Höhe bzw. das Ausmaß des Schadens aus einem Vergleich zwischen der Situation, wie sie durch das schädigende Ereignis besteht, und jener Situation, wie sie sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, EuGH, Urt. v. 19.5.1992, verb. Rs. C-104/89 und C-37/90 – Mulder u.a. / Rat und Kommission, Slg. 1992, I-3061 Rdnr. 26. 345 Zutreffend: S. Detterbeck, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 5 Rdnr. 38; A. von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 2, Art. 215 Rdnr. 112. Dies ergibt sich im Umkehrschluß aus Art. 40 Abs. 1 KS, der nur eine Entschädigung in Geld vorsah. Anderer Auffassung: H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 277. Weitergehende Ansprüche – etwa ein allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch oder Retraktrechte – bestehen indes nicht. 346 EuGH, Urt. v. 2.3.1977, Rs. 44/76 – Milch-, Fett- und Eierkontor / Rat und Kommission, Slg. 1977, 393 Rdnr. 8. 347 A. von Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Altbd. 2, Art. 215 Rdnr. 46; S. Detterbeck, AöR Bd. 125 (2000), S. 202 [217].

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

hebung gemeinschaftsrechtlicher oder nationaler Rechtsbehelfe zu verhindern348. Eine Haftung für rechtmäßiges Handeln schließlich wird vom EuGH – nach zwischenzeitlich gegenläufiger Tendenz in der Rechtsprechung des EuG349– weiterhin abgelehnt350. b) Haftung der Mitgliedstaaten Die Haftung der Mitgliedstaaten wurde vom EuGH anfangs abgelehnt351. Mit der Rechtssache Francovich und Bonifaci wurde diese Rechtsprechung jedoch revidiert352 und weiterentwickelt353. Der EuGH stützte sich bei dieser Rechtsprechung wesentlich auf das Gebot des effet utile des Gemeinschaftsrechts, wonach „die volle Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen” beeinträchtigt wäre, könnte der einzelne nicht im Falle der Verletzung seiner Rechte eine Entschädigung verlangen. Ratio dieser Judikatur war, wirk___________ 348

S. Detterbeck, AöR Bd. 125 (2000), S. 202 [217]. EuG, Beschl. v. 28.4.1998, Rs. T-184/95 – Dorsch Consult / Rat, Slg. 1998, II-667 hat mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 29.9.1987, Rs. 81/86 – De Boer Buizen / Rat und Kommission, Slg. 1987, 3677, EuGH, Urt. v. 13.6.1972, verb. Rs. 9/71 und 11/71 – Compagnie d’approvisionnement und Grands Moulins de Paris / Kommission, Slg. 1972, 391 Rdnr. 45 und 46 sowie EuGH, Urt. v. 6.12.1984 Rs. 59/83, Biovilac / EWG, Slg. 1984, 4057, Rdnr. 28 eine solche nicht ausgeschlossen, im konkreten Fall aber die Klage abgewiesen. Die Leitsätze führen den Begriff des „enteignenden Eingriffs“ an. Vgl. dazu R. Streinz, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 300 [335 ff.]; S. Detterbeck, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 5 Rdnr. 59. 350 EuGH, Urt. v. 10.7.2003, verb. Rs. C-20/00 und C-64/00 – Booker Aquaculture und Hydro Seafood GSP, Slg. 2003, I-7411 Rdnr. 59 ff. vgl. auch: EuGH, Urt. v. 2.6.1976, Rs. 56–60/74 – Kampffmeyer u.a. / Kommission und Rat, Slg. 1976, 711; dazu: R. Streinz, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 300 [335 ff.]; G. Nicolaysen, Europarecht, Bd. I, 1991, S. 233 f. 351 EuGH, Urt. v. 16.12.1976, Rs. 33/76 – Rewe, Slg. 1976, 1989, Rdnr. 5. 352 EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357. 353 Eingehend zur Entwicklung: C. Tomuschat, in: FS für Ulrich Everling, 1995, Bd. 2, S. 1585 ff. Präzise Konturen erhielt der Haftungsanspruch erst durch eine neuere Serie von Urteilen: EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029; EuGH, Urt. v. 7.3.1996, Rs. C-192/94 – El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281; EuGH, Urt. v. 23.5.1996, Rs. C-5/94 – Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553; EuGH, Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188– 190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, I-4845; EuGH, Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-302/94, British Telecommunications, Slg. 1996, I-6417; EuGH, Urt. v. 10.7.1997, Rs. C.-373/95 – Maso, Slg. 1997, I-4051; EuGH, Urt. v. 2.4.1998, Rs. C-127/95 – Norbrook Laboratories, Slg. 1998, I-1531; EuGH, Urt. v. 24.9.1998, Rs. C-319/96 – Brinkmann Tabakfabriken I, Slg. 1998 I-5255; EuGH, Urt. v. 1.6.1999, C-302/97 – Konle, Slg. 1999, I-3099; EuG, Beschl. v. 28.4.1998, Rs. T-184/95 – Dorsch Consult / Rat, Slg. 1998, II-667. 349

D. Annex: Die Haftungsregime

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same Sanktionen zu schaffen, die die Beachtung der vertraglichen Pflichten der Mitgliedstaaten absichern. Zugleich wurde eine wesentliche Lücke im Haftungssystem der EG geschlossen354. Im Rückgriff auf die Grundprinzipien der Gemeinschaftsrechtsordnung (Rechtsstaatlichkeit, Übermaßverbot), auf die Mitwirkungspflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 10 EG und auf jene allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, hat der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch Konturen gewonnen355. Generalanwalt Francis Jacobs hat die Haftung eines Mitgliedstaates für einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht jüngst wie folgt umschrieben356: „Seit dem Urteil Francovich357 steht fest, daß ein Mitgliedstaat vom Geschädigten wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht in Haftung genommen werden kann. Die Regeln, denen diese Haftung unterliegt, sind in einer Reihe von Urteilen weiter erläutert worden – am ausführlichsten vielleicht im Urteil Brasserie du Pêcheur358 –, nämlich in dem Sinne, daß sie den Regeln im Bereich der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft nach Art. 288 EG entsprechen, wie sie in der Rechtsprechung entwickelt wurden359. Das Gemeinschaftsrecht erkennt einen Entschädigungsanspruch an, sofern drei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich daß die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, daß der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und schließlich, daß zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht360. […] Der Staat hat die Folgen des verursachten Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die dort festgelegten Voraussetzungen nicht ungünstiger sein dürfen als bei entsprechenden innerstaatlichen Ansprüchen; auch dürfen diese Voraussetzungen nicht so ausgestaltet sein, daß die Erlangung der Entschädigung praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert ist361.

___________ 354

T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdnr. 178. R. Streinz, EuZW 1996, S. 200. Zusammenfassend: R. Streinz, Jura 1995, S. 6 ff.; M. Böhm, JZ 1997, S. 53 ff.; I. Saenger, JuS 1997, S. 865 ff.; Zur Frage, ob die Staatshaftung zum acquis communautaire gehört: A. Ott, EuZW 2000, S. 293 ff. 356 Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 11.7.2002, zu EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659 Rdnr. 20 ff. Hervorhebungen hinzugefügt. 357 Verweis auf: EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357. 358 Verweis auf: EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029. 359 Verweis auf: EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029 Rdnr. 41 ff. 360 Verweis auf: EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029 Rdnr. 47 ff. 361 Verweis auf: EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029 Rdnr. 66 f. Die gemeinschaftsrechtlich geforderte Entschädigung umfaßt insbesondere auch den Ersatz entgangenen Gewinns, 355

482

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

[…]. Damit besteht nach Gemeinschaftsrecht ein Entschädigungsanspruch, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. Die Durchsetzung dieses Anspruchs ist jedoch weitgehend den nationalen Gerichten überlassen und unterliegt dem nationalen Prozeßrecht […].“

Hieraus wird deutlich: Der „Entschädigungsanspruch“ 362, welcher nach Gemeinschaftsrecht besteht, wird materiellrechtlich als individuelles Recht konzipiert. Eine Bestätigung für diese Sichtweise stellt die Formulierung der haftungsrechtlichen Garantie als grundrechtlichem Anspruch in Art. 41 Abs. 3 GRCharta dar. Die bereits im Zweiten Kapitel363 für den primären Rechtsschutz getroffene Feststellung, daß ein Denken in Aktionen gemeinschaftsrechtlich nicht nachweisbar ist, gilt mithin trotz stärkerer Akzentuierung der prozessualen Aspekte auch für den Bereich der Haftung. Dennoch ist dieser materielle Anspruch auf eine bestimmte prozessuale Umgebung bezogen. Er schließt insbesondere Rechtsschutzlücken, die durch Ablehnung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien bei einer Verpflichtung von Privaten entstanden sind364. Der Anspruch bildet so ein Auffanginstitut, welches zum Zuge kommt, wenn sich die normative Substanz des Gemeinschaftsrechts im indirekten Vollzug nicht durchgesetzt hat365. Vor dem Hintergrund dieser Funktionalität müssen gemeinschaftsrechtliche individuelle Rechte aus unmittelbar wirkenden Richtlinien und individuelle Rechte als tatbestandliche Voraussetzung des sekundären staatshaftungsrechtlichen Anspruchs bei ihrer Ermittlung einheitlichen Kriterien genügen. Denn haftungsrelevante individuelle Rechte bei mangelnder Richtlinienumsetzung stellen keine strukturell anderen Rechte dar, sondern einen bestimmten modus, dessen Entstehensbedingung der Ablauf der Umsetzungsfrist ist366. Folglich dürfen individuelle Rechte, deren ___________ EuGH, Urt. v. 8.3.2001, verb. Rs. C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., Slg. 2001, I-1727, Rdnr. 91. 362 Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 11.7.2002, zu EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659 Rdnr. 24: „a right to reparation is conferred by Community law“; „un droit d’obtenir réparation qui résulte directement du droit communautaire“. 363 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.c)(3), S. 304 f. 364 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(b)iv), S. 289 f. und oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(c), S. 291. 365 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 182. 366 Vgl. oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(c), S. 338. Aus diesem Grund wird auch der von S. Beljin (Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 90 und passim) vorgeschlagenen Trennung zwischen mitgliedstaatlicher Pflichtverletzung und individuellem Recht nicht nachgegangen. Denn seine Konzeption individueller Rechte ist wesentlich enger (etwa S. 98) und vernachlässigt sowohl die kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung als auch die Tatsache, daß sich ein individuelles Recht aus der Summe mehrerer Rechtssätze ergeben kann.

D. Annex: Die Haftungsregime

483

Verletzung die tatbestandliche Voraussetzung des Haftungsanspruches darstellt, nicht restriktiver ermittelt werden als im Bereich ihrer primären Durchsetzung. Diese Lösung entspricht auch dem Ergebnis bei einer Haftung der Gemeinschaften367. Auch im Bereich der Haftung der Mitgliedstaaten wird damit der „hinreichend qualifizierte Verstoß“ zum eigentlich haftungsbegrenzenden Prüfungspunkt. Hierbei wiederum besteht das368 „[…] entscheidende Kriterium für die Frage, ob ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht als hinreichend qualifiziert anzusehen ist, […] darin, daß der betreffende Mitgliedstaat insbesondere bei der Ausübung seiner Rechtsetzungsbefugnis369 die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat – eine Entscheidung, die grundsätzlich den nationalen Gerichten obliegt. Der Gerichtshof hat dafür jedoch Kriterien aufgestellt. Gesichtspunkte, die in Betracht gezogen werden können, sind u.a. das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden beläßt, die Frage, ob der Verstoß mit oder ohne Vorsatz begangen oder der Schaden mit oder ohne Vorsatz zugefügt wurde, und die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums. Ein Verstoß, der nach einem Urteil des Gerichtshofes, in dem er festgestellt wird, fortbesteht oder sich eindeutig aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, ist stets hinreichend qualifiziert, und ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht, bei dem die nationalen Behörden über keinen Ermessensspielraum verfügen, löst stets die Haftung aus370.“

___________ 367 Vgl. oben, Drittes Kapitel – D.I.2.a), S. 477 f. Dieser Lösung folgt auch BGH, Urt. v. 14.12.2000, III ZR 151/99, BGHZ 146, 153 ff. 368 Schlußanträge von GA F. Jacobs v. 11.7.2002, zu EuGH, Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, I-5659 Rdnr. 20 ff. und 114. 369 Welchen Anforderungen ein hinreichend qualifizierter Verstoß durch die Rechtsprechung unterliegt, bildete den Gegenstand des Verfahrens EuGH, Urt. v. 30.9.2003, Rs. C-224/01 – Köbler, n. n. a. Slg. Der EuGH befand in Rdnr. 56, ein „Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht [sei] jedenfalls dann hinreichend qualifiziert, wenn die fragliche Entscheidung die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes offenkundig verkennt.“ Er folgte insoweit den Schlußanträgen von GA P. Léger v. 8.4.2003 zu EuGH, Rs. C-224/01 – Köbler, n. n. a. Slg. Rdnr. 24 ff.; zum Meinungsstand in der Literatur vgl. R. Streinz, VVDStRL Heft 61 (2002), S. 300 [324 mit Fn. 176]. 370 Verweis auf: EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029 Rdnr. 55 ff.; EuGH, Urt. v. 26.3.1996, Rs. C-392/93 – British Telecommunications, Slg. 1996, I-1631, Rdnr. 42 und EuGH, Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94 C-179/94, C-188/94, C-189/94, C-190/94 – Dillenkofer u.a., Slg. 1996, I-4845, Rdnr. 25. Dieses relativ flexible Abwägen ermöglicht – insbes. in den Fällen legislativen Unrechts – beispielsweise der Haushaltsprärogative des Parlaments angemessen Rechnung tragen zu können, vgl. F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 510.

484

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Besteht ein kausal auf diesem Verstoß beruhender Schaden des Betroffenen, ergibt sich als Rechtsfolge des Haftungsanspruch ein nach nationalem Recht zu gewährender Schadensersatz371. Der gemeinschaftsrechtliche Rumpftatbestand bedarf noch der nationalrechtlichen Ausfüllung372. Die Durchführung steht – wie stets – unter dem Vorbehalt des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes373. c) Ansätze einer gemeinsamen Dogmatik Versuche, die Haftung der Gemeinschaften einerseits sowie die gemeinschaftsrechtliche Haftung der Mitgliedstaaten andererseits einer dogmatischen Kongruenz zuzuführen, haben erst jüngst stattgefunden. In der Rechtssache Kommission / Camar und Tico374 nahm der EuGH zu den Voraussetzungen der Haftung im Gemeinschaftsrecht Stellung. Das EuG hatte erstinstanzlich befunden, die bloße Rechtswidrigkeit eines Rechtsaktes sei als haftungsauslösendes Element zumindest bei konkret individuellen Akten ausreichend 375. Das Bemerkenswerte an der Entscheidung des EuGH stellt nicht der Umstand dar, daß er dieser Sichtweise eine Absage erteilte und generell am Erfordernis eines „hinreichend qualifizierten Verstoßes“ festhält, sondern vielmehr die Tatsache, daß er einen einheitlichen Standard formuliert. Er spricht ganz generell davon, daß „[…] das Gemeinschaftsrecht einen Entschädigungsanspruch anerkennt, sofern die drei Voraussetzungen erfüllt sind, daß die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, daß der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und daß zwischen dem Verstoß gegen die dem Urheber des Rechtsaktes ob-

___________ 371

Das Verhältnis dieses Anspruches zur innerstaatlichen Rechtsordnung bedarf noch weiterer dogmatischer Klärung. Siehe hierzu T. von Danwitz, DVBl. 1997, S. 1 [6 ff.]; näher: S. Detterbeck, AöR Bd. 125 (2000), S. 202 [223 ff.]. Einen illustrativen praktischen Fall der Anwendung der neueren Rechtsprechung bietet: LG Bonn, Urt. v. 16.4.1999, 1 O 186/98, NJW 2000, S. 815: der Amtshaftungsanspruch ging wegen § 6 Abs. 4 KWG a.F. ins Leere, hingegen wird ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch gewährt. Hierzu: H.-J. Cremer, JuS 2001, S. 643 ff. Siehe zur Einlagensicherung auch die Ausführungen bei T. Reher / M. Schner, EWS 1997, S. 366 ff. 372 F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 515. 373 EuGH, Urt. v. 20.9.2001, Rs. C-453/99 – Courage und Crehan, Slg. 2001, I-6297 Rdnr. 29; EuGH, Urt. v. 1.6.1999, C-302/97 – Konle, Slg. 1999, I-3099 Rdnr. 63; ausführlich T. von Danwitz, DVBl. 1998, 421, S. 425 ff. 374 EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-312/00 P – Kommission / Camar und Tico, Slg. 2002, I-11355 Rdnr. 53 ff. 375 EuG, Urt. v. 8.6.2000, verb. Rs. T-79/96, T-260/97 und T-117/98 – Camar und Tico / Kommission und Rat, Slg. 2000, II-2193 Rdnr. 205.

D. Annex: Die Haftungsregime

485

liegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.“376

In der Rechtssache Laboratoires pharmaceutiques Bergaderm und Goupil / Kommission377 hatte er diese Linie zwar bereits angedeutet, allerdings nicht ausdrücklich auf sämtliche Haftungsvoraussetzungen bezogen. Damit besteht ein für den unmittelbaren wie den mittelbaren Vollzug einheitlicher Standard, dessen Angelpunkt ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen ein individuelles Recht darstellt378. 3. Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte Bezieht man die beschriebenen Elemente der gemeinschaftsrechtlichen Haftungsgarantie auf individuelle Rechte, so erscheint die analytische Folie der Trennung zwischen ( ) Gründen für individuelle Rechte, ( ) Ermittlung individueller Rechte als Positionen und Relationen und ( ) rechtlicher Durchsetzbarkeit individueller Rechte erneut hilfreich379. 

Der Haftungsanspruch stellt selbst ein individuelles (Grund-)Recht dar. Art. 41 Abs. 3 GR-Charta formuliert dies: „Jede Person380 hat Anspruch darauf, daß die Gemeinschaft den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ersetzt, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.“

Gründe für dieses individuelle Recht ergeben sich aus der systematischen Stellung. Art. 41 GR-Charta sichert das „Recht auf eine gute Verwaltung“381. Dieser Grundsatz gebietet ganz allgemein, wie der EuGH in der Rechtssache ___________ 376

EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-312/00 P – Kommission / Camar und Tico, Slg. 2002, I-11355 Rdnr. 53 mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029 Rdnr. 51. 377 EuGH, Urt. v. 4.7.2000, Rs. C-352/98 P – Laboratoires pharmaceutiques Bergaderm und Goupil / Kommission, Slg. 2000, I-5291 Rdnr. 43. 378 Ebenso: GA P. Léger in seinen Schlußanträgen v. 8.4.2003 zu EuGH, Rs. C-224/01 – Köbler, n. n. a. Slg. Rdnr. 125. 379 Vgl. dazu oben, Zweites Kapitel – B.II.2., S. 121. 380 Art. II-41 Abs. 3 des Vertrages über eine Verfassung für Europa (Fundstelle oben, S. 277 Fn. 1154) ersetzt dies durch die Formulierung „Jeder Mensch“. 381 Die Reaktionen auf die Verankerung dieses Grundsatzes waren unterschiedlich. So wurde der Artikel einerseits als „in besonderer Weise den Charme der Unbekümmertheit“ versprühend beschrieben (P. Tettinger, NJW 2001, S. 1010 [1014]), andererseits nachdrücklich begrüßt (Mitteilung der Kommission zur Grundrechtscharta der Europäischen Union (KOM (2000) 559 v. 13.9.2000), S. 4).

486

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Reinarz382 ausgeführt hat, daß Behörden Fehler oder Versäumnisse wiedergutmachen müssen. Als solcher ist er Ausprägung und Konkretisierung des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips383, hat sich aber zwischenzeitlich zu einem Grundrecht verdichtet. Der materielle Sekundäranspruch stellt mithin ein individuelles Recht dar, mit welchem das primäre individuelle Recht – dessen Verletzung tatbestandliche Voraussetzung des sekundären Rechts ist – materiell „umhegt“384 wird. „Umhegendes“ (sekundäres) und umhegtes (primäres) individuelles Recht sind voneinander zu trennen. Primären individuellen Rechten ist die Durchsetzbarkeit nicht immanent, sondern nur intentional zu eigen. Auch ein haftungsrechtlicher Anspruch kann ihnen unmittelbar nicht entnommen werden. Was für die primäre Ebene der Durchsetzung gilt, beansprucht in spezifischer Weise auch für die sekundäre, kompensierende Ebene Gültigkeit. Der materielle Gehalt eines primären individuellen Rechts erschöpft sich in der Verwirklichung dieser Rechtsposition als solcher. Der vermögenswerte Inhalt dieser primären Rechtsposition unterfällt dem materiellen Gehalt der sekundären Rechtsposition385. Der sekundäre Anspruch findet damit seinen Anknüpfungspunkt und seine innere Rechtfertigung im primären individuellen Recht; insoweit erhält die Ermittlung sekundärer individueller Rechte als Positionen funktionale interpretatorische Vorgaben. Prozessual erfordert diese Verklammerung eine spezifische Absicherung. Insoweit formuliert die Haftungsgarantie spezielle Sätze über die Durchsetzung dieses sekundären individuellen Rechts, die hinsichtlich ihrer prozessualen Mindeststandards den Leitlinien des Primärrechtsschutzes folgen und durch die spezifisch kompensatorische Funktion der sekundären Ebene inhaltlich angereichert werden386. Denn der „[…] Vertrag hat die Schadenersatzklage […] als selbstständigen Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten geschaffen und sie von Voraussetzungen abhängig gemacht, die ihrem besonderen Zweck angepaßt sind. Sie unter-

___________ 382

EuGH, Urt. v. 21.5.1971, Rs. 55/70 – Reinarz, Slg. 1971, 379 Rdnr. 18 ff. H.-W. Rengeling / A. Middeke / M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rdnr. 243. 384 Die Formulierung folgt W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 299. 385 M. Herdegen / T. Rensmann, ZHR 161 (1997), S. 522 [530 f.]; vgl. auch S. Beljin, Staatshaftung im Europarecht, 2000, S. 147. 386 „Nichts kommt dem materiellen, direkten und unmittelbaren Schutz der Rechte gleich, die dem Einzelnen nach der Gemeinschaftsrechtsordnung zustehen.“ GA P. Léger in seinen Schlußanträgen v. 8.4.2003 zu EuGH, Rs. C-224/01 – Köbler, n. n. a. Slg. Rdnr. 39. 383

D. Annex: Die Haftungsregime

487

scheidet sich dadurch von der Anfechtungsklage, daß sie nicht die Beseitigung einer bestimmten Maßnahme zum Ziel hat, sondern den Ersatz eines Schadens […].“387

Diese Selbstständigkeit des Rechtsbehelfs hat die weitere Konsequenz, daß der Betroffene die Möglichkeit des Primärrechtsschutzes auch zu ergreifen hat (Vorrang des Primärrechtsschutzes)388. Die Haftungsgarantie stellt damit selbst einen Satz über ein individuelles Recht als Position auf. Darüber hinaus werden Sätze über die Durchsetzung dieses Rechts vor der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit und vor den nationalen Gerichten formuliert. Insoweit fügt sich das Haftungsrecht prozessual in die gemeinschaftsrechtlichen Strukturen auf der Ebene des primären Rechtsschutzes ein389 und stellt materiell mit seinem wichtigsten Bezugspunkt – dem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das „umhegte“ primäre individuelle Recht – Sätze über die Ermittlung individueller Rechte auf. Diese Sätze über die Ermittlung des „umhegenden“ Rechts mit vermögenswertem Inhalt sind – wiewohl erst auf sekundärer Ebene unmittelbar relevant – bereits auf primärer Ebene im Auge zu behalten, will man die volle inhaltliche Tiefe der primären individuellen Rechte treffend erfassen. 4. Elemente struktureller Vergleichbarkeit Elemente struktureller Vergleichbarkeit lassen sich wie in der auf der nachfolgend wiedergegenen Übersicht 9 darstellen:

Übersicht 9 Gemeinschaftsrechtliches Verständnis

Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte

Die Haftungsgarantie des Gemeinschaftsrechts – ist eine unmittelbare und sekundäre (ein allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch existiert nicht); (Fortsetzung nächste Seite)

___________ 387 EuGH, Urt. v. 2.12.1971, Rs. 5/71 – Zuckerfabrik Schöppenstedt, Slg. 1971, 975 [983]. Hervorhebung hinzugefügt. 388 EuGH, Urt. v. 26.2.1986, Rs. 175/84 – Krohn & Co. Import-Export / Kommission, Slg. 1986, 753, 2. Leitsatz; S. Detterbeck, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 5 Rdnr. 51 ff., 54 ff. 389 Ebenso: S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 399.

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

488

(Fortsetzung Übersicht 9) Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte Die Haftungsgarantie des Gemeinschaftsrechts – ist Unrechtshaftung; – stellt ein materielles (Grund-)Recht dar; – formuliert prozessuale Standards zur Realisierung dieses Rechts. Die Haftungsgarantie findet ihre historische Grundlage im Rechtsstaatsprinzip, hat sich aber zwischenzeitlich zu einem Grundrecht verdichtet. Als materieller Anspruch (haftungsrechtliches Korrelat) – „umhegt“ die Haftungsgarantie primäre individuelle Rechte; – stellt sie einen sekundären, vermögenswerten Anspruch neben die primäre Rechtsposition; – knüpft sie tatbestandsmäßig an die Verletzung des „umhegten“ primären individuellen Rechts an; – unterliegt sie nur theoretisch spezifisch haftungsbezogenen Kriterien der Ermittlung; – ist sie in der Regel auf volle pekuniäre Kompensation (Schadensersatz, nicht bloße Entschädigung), nicht hingegen auf Restitution gerichtet. Als Satz über die Durchsetzung individueller Rechte – knüpft die Haftungsgarantie an die prozessualen Standards des primärrechtlichen Schutzes an; – formuliert die Haftungsgarantie spezielle Sätze über die Durchsetzung eines sekundären individuellen Rechts; diese werden durch die spezifisch kompensatorische Funktion der sekundären Ebene inhaltlich angereichert. Primäre individuelle Rechte stellen sich als haftungsbegründend, nicht als haftungsbegrenzend dar. Haftungsbegrenzungen sind im Merkmal des „qualifizierten Verstoßes“ verankert. Mitverschulden wird berücksichtigt. Vorrang des Primärrechtsschutzes.

II. Das deutsche Staatshaftungsrecht 1. Dogmatische Grundlagen des deutschen Staatshaftungsrechts Das deutsche Recht der staatlichen Ersatzleistungen stellt eine aus verschiedenen gesetzes-, gewohnheits- und richterrechtlichen Regelungen bestehende Materie dar390; in Rede steht eine höchst heterogene Ansammlung von überdies zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht changierenden Ansprüchen.

___________ 390

H. Bethge, in: Kopp, Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1982, S. 13 ff.

D. Annex: Die Haftungsregime

489

a) Verfassungsrechtliche Vorgaben (1) Rechtsstaatsprinzip Rechtsstaatlichkeit bedeutet Konstituierung des Staates und der Staatsgewalt durch das Recht. Der Rechtsstaat des Grundgesetzes als rechtlich verfaßter Staat stellt sich nicht lediglich als ein formaler, sondern als ein materialer Rechtsstaat dar391, also als ein an bestimmte inhaltliche Wertungen anknüpfender Rechtsstaat. Er wäre unvollständig, würde er nicht berücksichtigen, daß der Staat auch fehlen und rechtswidrig handeln kann392. Das Staatshaftungsrecht reagiert hierauf. Die Gewährung von Entschädigung und Schadensersatz ist eine besondere, temporär verschobene Form der Anerkennung der Rechtsbindung. Sie ist unvollkommen, weil sie den eigentlichen und vollen Anforderungen der Rechtsbindung nicht mehr genügt. Sie setzt voraus, daß die volle Rechtsverwirklichung nicht mehr möglich ist. Insoweit werden sämtliche Ansprüche des Staatshaftungsrechts als sekundäre Reaktionsansprüche eingeordnet393. Den primären Reaktionsanspruch auf eine (mögliche) Rechtsverletzung stellt der durch Art. 19 Abs. 4 GG gewiesene Weg zur Verwirklichung materieller subjektiv-öffentlicher Rechte dar. Der grundrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch erweist sich bereits insoweit als die Klammer zu den sekundären Reaktionsansprüchen, als er teilweise voraussetzt, daß der Primäranspruch nicht mehr realisierbar ist, oder indem er den Umfang des Primäranspruchs anreichert. Das Verhältnis von primärem und sekundärem Reaktionsanspruch ist vor allem unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Mitverschuldens des Bürgers von zentraler Bedeutung und hat durch die „Naßauskiesungsentscheidung“394 des BVerfG (endgültig395) eine Neuorientierung des Staatshaftungsrechts bewirkt. Der überkommene Grundsatz des „dulde und liquidiere“ wurde in Richtung eines vorrangigen und durch Art. 19 Abs. 4 GG vorgezeichneten Rechts___________ 391 K.-P. Sommermann, in: König, Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, 2002, S. 97 [101 ff.]. 392 Hierin liegt der bedeutsame Unterschied zur Fiskustheorie (vgl. oben, S. 432 Fn. 83); die Abkehr hiervon ist brüchig und wurde auch durch das gescheiterte StHG nicht vollzogen, vgl. H. Bethge, in: Kopp, Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1982, S. 13 [16, 22, 26]. 393 Umfassend: B. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002, S. 144 ff., 186 ff., 340 ff. 394 BVerfG, Beschl. v. 15.7.1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 („Naßauskiesung“). Vgl. dazu: J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 12 f. 395 Vgl. auch schon: BVerfG, Urt. v. 10.3.1981, 1 BvR 92/71 und 1 BvR 96/71, BVerfGE 56, 249 ff. („Bad Dürkheimer Gondelbahn“).

490

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

schutzes verschoben. Auch dies stellt – das sei hier nachgetragen – ein gewichtiges Element von Eigenverantwortlichkeit396 dar, welches mittelbar über Art. 19 Abs. 4 GG auf subjektiv-öffentliche Rechte zurückstrahlt397. Das Verhältnis zwischen primären und sekundären Reaktionsansprüchen ist für das aktuelle Staatshaftungsrecht systemprägend398. (2) Regelungen in Art. 34 GG und in den Grundrechten Das Staatshaftungsrecht findet aber nicht nur im Rechtsstaatsprinzip seine Verankerung399. Vielmehr bestehen mit Art. 34 GG einerseits und Art. 14 GG andererseits speziellere Regelungen, die das Staatshaftungsrecht verfassungsrechtlich zusätzlich absichern. Art. 34 GG regelt zuvörderst die Haftungsüberleitung im Falle der Amtspflichtverletzung, die selbst in § 839 BGB geregelt ist. Dies stellt aus systematischen Gründen kein Grundrecht, auch kein grundrechtsgleiches Recht dar400. Die Bedeutung des Art. 34 GG erschöpft sich nach gefestigter Ansicht aber auch nicht in der Haftungsüberleitung; vielmehr wird aus ihm auch eine verfassungsrechtliche Gewährleistung der Staatshaftung im Sinne einer Mindestgarantie abgeleitet401. Ob man in diesem Zusammenhang von einer institutionellen Garantie der Amtshaftung sprechen kann, ist umstritten402. ___________ 396

Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.1.a), S. 123 ff. Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.1.b)(3), S. 146 ff. 398 H. Bethge, in: Kopp, Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1982, S. 13 [16]. 399 Vgl. schon K. A. Bettermann, DÖV 1954, S. 299 ff. 400 H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 157: Staatshaftung, Rdnr. 14. Noch nicht durchsetzen können hat sich die Auffassung, dem Kernbereich des Art. 34 GG sei als grundrechtsähnliche Gewährleistung auch ohne Ausführungsgesetzgebung eine tatbestandlich nicht näher umschriebene grundsätzliche Haftungsgarantie für hoheitliches Unrecht zu entnehmen, (dafür etwa H. J. Bonk, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 34 Rdnr. 2). 401 H. J. Bonk, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 34 Rdnr. 3. 402 Die Terminologie ist zuweilen verwirrend, weil einige die institutionelle Garantie auf die Amtshaftung beziehen (so etwa J. Wieland, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Art. 34 Rdnr. 23, 25), andere aber auf die Staatshaftung (so etwa H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 157: Staatshaftung, Rdnr. 14; H.-J. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 34 Rdnr. 13), was zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Die Amtshaftung soll durch Art. 34 GG als solche indes nicht garantiert werden. Ob man von einer institutionellen Garantie der Staatshaftung spricht, hängt wiederum davon ab, was man unter ihr versteht. Geht man von einem weiten Begriff aus (K. Windthorst, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 1 Rdnr. 1, 6), stellt sich Staatshaftung als rechtlich zu mannigfaltig und unbestimmt dar, als daß man auf sie eine institutionelle Garantie beziehen könnte. In Frage kommt deshalb allenfalls eine institutionelle Garantie der Staatsunrechtshaftung, wie sie auch dem StHG zugrunde lag (Be397

D. Annex: Die Haftungsregime

491

Das BVerfG lehnt dies ab, da schon „[…] die Übernahme des Wortes „grundsätzlich“ aus Art. 131 WRV […] es zur Gewißheit werden [läßt], daß diese Norm des Grundgesetzes die mittelbare Staatshaftung nicht zum lückenlosen Prinzip verdichtet, sondern nach wie vor Raum für Regelungen bietet, die den Umfang der öffentlichrechtlichen Haftungsübernahme modifizieren.“403

Die Offenheit des Art. 34 GG für andere Staatshaftungsmodelle hat ihrerseits zur Folge, daß seine Garantiefunktion ergebnisbezogen zu interpretieren ist. Die zweite Säule des Staatshaftungsrechts, das Entschädigungsrecht, findet ihre explizite verfassungsrechtliche Stütze in Art. 14 GG. Die Reichweite seines staatshaftungsrechtlichen Regelungsgehalts war jahrzehntelang Gegenstand einer heftigen Kontroverse in Rechtsprechung und Literatur404. Als problematisch wurden insbesondere der Begriff der entschädigungspflichtigen Enteignung und deren Kriterien empfunden. Neben der eigentlichen Enteignung wurde rechtswidrigem (tatsächlichem) Handeln, welches den Bürger in seinen Rechten verletzt und Fälle, in denen im Einzelfall wegen besonderer Umstände und Folgen einer rechtmäßigen staatlichen Maßnahme die „Enteignungsschwelle überschritten“ wird, mit den Figuren des enteignungsgleichen sowie des enteignenden Eingriffs begegnet405. Der BGH hatte versucht, alle diese Fälle über Art. 14 GG zu lösen, und die Entschädigungsansprüche direkt aus Art. 14 GG abgeleitet; das BVerfG komplimentierte diese dann aus dessen Anwendungsbereich406 hinaus. Der BGH seinerseits bot mit §§ 74, 75 Einl PrALR Zuflucht407. ___________ gründung des StHG, BT-Drs. 8/2079, S. 17 f., 34 ff.). Dieses Verständnis bleibt insoweit bis heute relevant, als es den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG beherrscht, vgl. C. Degenhart, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 74 Rdnr. 94. 403 BVerfG, Urt. v. 19.10.1982, 2 BvF 1/81, BVerfGE 61, 149 [199]. Klammerzusatz hinzugefügt. Anders: BVerfG (Kammerentscheidung), Beschl. v. 20.11.1997, 1 BvR 2068/93, NVwZ 1998, S. 271 [272]: Den Aufopferungsanspruch auch auf den Ersatz entgangener Erwerbschancen bei rechtswidrigen Eingriffen in die Berufsfreiheit zu erstrecken, verbiete sich schon deswegen, da „[…] Art. 34 GG nur den Bestand einer in der persönlichen Haftung des Amtsträgers gründenden, verschuldensabhängigen mittelbaren Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen ‚garantiert‘“. 404 Umfassend nachgezeichnet bei J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 5 ff. 405 H. Bethge, in: Kopp, Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1982, S. 13 [18 f.]. Grundlegend zum enteignungsgleichen Eingriff: BGH GS, Beschl. v. 10.6.1952, GSZ 2/52 – Wohnungseinweisung, BGHZ 6, 270 [290]; zum enteignenden Eingriff etwa BGH, Urt. v. 20.12.1971, III ZR 79/69, BGHZ 57, 359 [361 ff.]. 406 H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [43]. Bedeutsam zum engen Enteignungsbegriff in der Folgezeit: BVerfG, Beschl. v. 9.1.1991, 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 201 ff. 407 BGH, Urt. v. 10.12.1987, III ZR 220/86, BGHZ 102, 350 [357]; BGH, Urt. v. 7.6.1990, III ZR 74/88, BGHZ 111, 349 [352].

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

492

Hinzu trat die dem enteignenden Eingriff ähnelnde408 Figur der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung409. In staatshaftungsrechtlicher Hinsicht beschränkt sich die anspruchsbegründende Funktion des Art. 14 GG nunmehr auf dessen Abs. 3410 . Im übrigen wird auf andere Anspruchsgrundlagen außerhalb des Art. 14 GG zurückgegriffen, wobei Art. 14 GG aber als materiell-rechtlicher Maßstab fungiert. Auch für den Bereich der Aufopferung dienen §§ 74, 75 Einl PrALR als richterrechtliche Anspruchsgrundlage, deren immaterielle Schutzgüter die Lehre nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 2 GG bestimmt und begrenzt411. Bei rechtswidrigem Eingriff wird entsprechend der zu Art. 14 GG entwickelten Terminologie von aufopferungsgleichem Eingriff gesprochen412. (3) Allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch Nach heutigem Verständnis folgt der prinzipielle Anspruch, von rechtswidrigen Belastungen des Staates unbeeinflußt oder unbehelligt zu bleiben, jedenfalls aus einer Zusammenschau von grundrechtlichen Freiheitsnormen und Rechtsstaatsprinzip413. ___________ 408

[884]. 409

H. Bethge, VVDStRL Heft 57 (1998), S. 7 [43]; H. Maurer, NVwZ 1997, S. 883

Grundlegend hierfür: BVerfG, Beschl. v. 14.7.1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, 137 ff. („Pflichtexemplar“). Vgl. dazu näher J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 76 ff.; 116 ff. Die „ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung“ ist inzwischen fester Bestandteil der Rechtsprechung geworden, vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.1993, 7 C 26.92, BVerwGE 94, 1 ff.; BGH, Urt. v. 7.7.1994, III ZR 5/93, BGHZ 126, 379 ff. auch zum Folgeproblem der salvatorischen Entschädigungsklauseln. 410 Zur genaueren Abgrenzung vgl. J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 294 f. 411 H.-J. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 34 Rdnr. 35 ff.; B. Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1974, Rdnr. 113 mit Fn. 170. Den allgemeinen Aufopferungsanspruch auf Eingriffe in Art. 12 GG auszudehnen hielt das BVerfG für nicht geboten, BVerfG, Beschl. v. 20.11.1997, 1 BvR 2068/93, NVwZ 1998, S. 271 ff. Vgl. dazu H.-D. Sproll, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 16 Rdnr. 59 und das Zitat oben, S. 490 Fn. 403. 412 B. Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1974, Rdnr. 114. 413 H. Bethge, in: Kopp, Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1982, S. 13 [18]. Ob man den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch als im Unterschied zum Folgenbeseitigungsanspruch eigene Kategorie auffaßt, da sein entscheidendes Merkmal die Rechtsgrundlosigkeit, nicht die Rechtswidrigkeit darstellt, sei – da für die Untersuchung unerheblich – dahingestellt. Grundlegend: BVerwG, Urt. v. 26.10.1967, II C 22.65, BVerwGE 28, 155 [164 f.].

D. Annex: Die Haftungsregime

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Beim Folgenbeseitigungsanspruch handelt es sich um eine eigenständige Kategorie primärer Staatshaftung, die den klassischen sekundären Staatshaftungsarten des 19. Jahrhunderts vorgelagert ist. Der Staat ist primär und zunächst gehalten, im Falle aktueller, aber revisibler Rechtsverletzung die unmittelbaren Folgen auszuräumen. Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zum Gemeinschaftsrecht. b) Heterogenität der Anspruchsgrundlagen Aufgrund der barocken414 Vielfalt der Anspruchsgrundlagen wird stellenweise bezweifelt415, daß man von einem System sprechen kann. Schon eine Orientierung an den Rechtsfolgen erweist sich als schwierig, da für Schadensersatz, Entschädigung in Geld und Beseitigung unterschiedliche Anspruchsgrundlagen zur Verfügung stehen416. Auf der anderen Seite gibt es vielfältige Bemühungen einer Systematisierung417 sowie immer wieder das ehrgeizige Unterfangen, ein geschlossenes System zu entwerfen418. Das Staatshaftungsrecht aus wenigen allgemeinen Prinzipien ableiten und systematisieren zu wollen, erscheint zweifelhaft419. Dieser Zustand stellt sich in der Praxis als problematisch ___________ 414

Man denke an das „Gesetz über die durch innere Unruhen verursachten Schäden“ vom 12.5.1920, RGBl. I, S. 941, welches als Landesrecht fortgilt (Art. 123 ff. GG), soweit es nicht in Folge der Rechtsbereinigung aufgehoben wurde. Vgl. dazu näher: F.-J. Säcker, in: MüKo, BGB, Bd. 11, 3. Aufl. 1999, § 108 EGBGB Rdnr. 2. und OLG Celle, Urt. v. 21.1.71, 3 U 42/70, DÖV 1972, S. 243 ff. 415 F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 2 ff. 416 K. Windthorst, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 1 Rdnr. 15. 417 W. Rüfner, in: Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, §§ 47–51. K. Windthorst, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, 2000, § 1. 418 B. Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1974; B. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002, dieser sogar unter Einschluß des Gemeinschaftsrechts. 419 Insoweit bestehen hinsichtlich des von B. Grzeszick (Rechte und Ansprüche, 2002) entwickelten Systems Vorbehalte. Seine Grundannahme beruht auf einer Rückführung der Haftungsansprüche auf den Gehalt subjektiver Rechte. Er deutet diese als Reaktionsansprüche auf Statusverletzungen. Dagegen, daß Statusverletzungen Reaktionsansprüche zur Folge haben, ist nichts einzuwenden. Schwierigkeiten entstehen aber dadurch, daß nach seiner Sichtweise „Entstehensgrund für die Haftung […] nur der materiale Reaktionsgehalt des jeweiligen subjektiv-öffentlichen Rechts sein [kann], dessen Verletzung zu bestimmten Reaktionsansprüchen führt.“ (a. a. O., S. 162, 534). Daß eben dieser Inhalt in einem umfassenden Anspruch auf Schutz und (Wieder-)Herstellung der geschützten Freiheit (a. a. O., S. 358 ff., 540), ersatzweise in einem Geldbetrag besteht, der „dem Wert der Freiheit entspricht“ (a. a. O., S. 364, 540), überdehnt den materiellen Gehalt subjektiver (Grund-)Rechte. Beleg hierfür ist sein Umschwenken von Entschädigungsregelungen zu umfassenden Schadensersatzansprüchen (a. a. O., S. 362 ff.). Enthielten subjektiv-öffentliche Rechte einen derartigen Gehalt, wären Normen wie Art. 34 S. 1 GG in der Lesart als verfassungsrechtliche Gewährleistung der Staatshaftung über-

494

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

und unter theoretischen Gesichtspunkten als bedenklich dar, da in der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit des Staates gegenüber seinen Bürgern das staatliche Selbstverständnis unmittelbar zum Ausdruck kommt. Der Rechtsstaat wird in diesem Bereich überdies zum Rechtswegestaat420. Andererseits sind gewisse Zusammenhänge zu erkennen, die es erlauben, die Ansprüche für die Untersuchung zu ordnen, ohne damit ein schlüssiges System zu unterstellen. (1) Rechtsgutbezogene und rechtsverhältnisbezogene Haftungstatbestände Zu den Anspruchsgrundlagen, welche als rechtsgutbezogen charakterisiert werden können, zählen diejenigen aus Aufopferung für das Gemeinwohl sowie der aufopferungsgleiche Eingriff421. Diesen als Spezialtatbestände vorgelagert sind die Enteignung, sowie die Institute des enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffs. Trotz der Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Schutzgütern ist all diesen Ansprüchen gemeinsam, daß sie auf Kompensation eines erlittenen Vermögensnachteils abzielen422. Der allgemeine Aufopferungsgrundsatz und seine diversen Ausprägungen und Verästelungen stellen sekundäre, vermögenswerte individuelle Rechte dar, deren Inhalte durch die „umhegten“ materiellen und immateriellen Rechte bestimmt werden. Nur das primäre Recht selbst und die damit verbundenen Vermögensvorteile werden erfaßt. ___________ flüssig. Insoweit gilt das gleiche wie auf primärer Ebene: sowenig Rechten ihre prozessuale Durchsetzbarkeit unmittelbar entspringt, sowenig eignet ihnen aus sich heraus ein fest umrissener sekundärer Reaktionsanspruch. Auch dieser ist subjektiv-öffentlichen Rechten lediglich intentional zu eigen. Es bedarf also eines zusätzlichen Satzes über ein sekundäres subjektiv-öffentliches Recht. Insoweit sind haftungsrechtliche Ansprüche „wesensnotwendige Hilfsrechte der Abwehrrechte“ (M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 671), lassen sich aber aus diesen selbst nicht mit bestimmtem Gehalt deduzieren. 420 H. Bethge, in: Kopp, Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1982, S. 13 [26 f.]. 421 Auf die zahlreichen spezialgesetzlichen Ausformungen kann hier nicht eingegangen werden. Zu nennen sind etwa §§ 56 ff. IfSG, Art. 70 Abs. 1 BayPAG für Entschädigung des Nichtstörers bei einer Inanspruchnahme im sicherheitsrechtlichen Notstand. 422 H.-J. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 34 Rdnr. 58. Vgl. BGH, Urt. v. 20.12.1971, III ZR 79/69, BGHZ 57, 359 [368]: „Die Enteignungsentschädigung ist – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – nach Umfang und Höhe durch den Wert des entzogenen Objekts beschränkt. Anders als der Schadensersatz ist die [Entschädigung] ihrem Wesen nach nicht darauf gerichtet, den Eingriff ungeschehen zu machen. Sie muß sich vielmehr grundsätzlich nach der durch den Eingriff herbeigeführten Wertänderung des betroffenen Vermögens bestimmen. Der Geldwert, den der Betroffene anstelle des entzogenen Sachwertes erhalten soll, ist deshalb an dem Verkehrswert der entzogenen ‚Substanz‘ und nicht an einer hypothetischen Vermögensentwicklung auszurichten.“

D. Annex: Die Haftungsregime

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So bestimmt etwa Art. 8 Abs. 2 BayEG423: „Die Entschädigung wird gewährt 1. für den durch die Enteignung eintretenden Rechtsverlust, 2. für andere durch die Enteignung eintretende Vermögensnachteile.“

Die Entschädigung ist also auf das primäre Recht bezogen und auch der Ersatz weiterer Nachteile an den Vorgang der Entziehung des primären Rechts gekoppelt. Den Schutzgütern mit Verfassungsrang entsprechend handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung. Die umhegten primären Rechte stellen sich nicht als dem Grunde nach haftungsbeschränkend dar; sie beschränken indes die Rechtsfolge des Sekundärrechts durch ihren Gehalt. Festzuhalten ist weiter, daß das deutsche Staatshaftungsrecht Entschädigungen gerade für rechtmäßige Eingriffe des Staates kennt. Die Entschädigung für Beeinträchtigungen des Eigentums war ursprünglich auf Entschädigung für rechtmäßige Eingriffe beschränkt, dehnte sich dann aber auch auf rechtswidrige Eingriffe aus424. Die Entwicklung verlief also umgekehrt wie im Gemeinschaftsrecht, wo die Haftung für rechtmäßiges Handeln noch umstritten425 und wo die Haftung für rechtswidriges Handeln die Entwicklungsbasis ist. Auf subjektiv-öffentliche Rechte aus einem bestimmten Rechtsverhältnis sind diejenigen Ansprüche bezogen, die den privatrechtlichen Ansprüchen nachgebildet sind, wie Ansprüche aus der Verletzung von Verpflichtungen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen, wie die positive Forderungsverletzung aus öffentlich-rechtlicher Sonderverbindung, die öffentlich rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag und der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch426. Die sekundären Rechte bestehen hier ebenso wie die primären nach Maßgabe des jeweiligen Rechtsverhältnisses. (2) Die Amtshaftung Der Amtshaftungsanspruch – § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG – erfaßt zusätzlich die Verletzung jeglicher Schutznormen427. Er bildet den Schwerpunkt des ___________ 423 Bayerisches Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 1978, zuletzt geändert durch § 11 des Gesetzes zur Stärkung elektronischer Verwaltungstätigkeiten vom 24.12.2002 (GVBl S. 962). Hervorhebung hinzugefügt. 424 H. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2000, vor § 25 Rdnr. 1 ff. 425 Vgl. oben, Drittes Kapitel – D.I.2.a), S. 480 mit Fn. 349. 426 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 397. 427 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 397.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Rechts der Ersatzleistungen als auf den Staat übergeleitete Haftung für rechtswidriges und schuldhaftes Handeln eines Beamten im hoheitlichen Bereich und gewährt als Rechtsfolge vollen Schadensersatz. In Nachwirkung der Beamtenhaftung des vorletzten Jahrhunderts428 verlangt das deutsche Recht allgemein gesprochen einen Bezug zur Rechtssphäre des Bürgers und bringt dieses Erfordernis im Tatbestand der Amtshaftung durch die Worte „einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht“ zum Ausdruck. Das Tatbestandsmerkmal erfüllt eine haftungsbegrenzende Funktion. Der BGH konkretisiert dies damit, daß die Amtspflicht den Zweck haben muß, „[…] das Interesse gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, daß der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt oder gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber eine Amtspflicht.“429

Es kommt also nach deutschem Verständnis wiederum entscheidend darauf an, eine über die Verfolgung von Allgemeininteressen hinausgehende Regelungsintention festzustellen. Unterschieden wird zwischen der „absoluten“ Amtspflicht zur Unterlassung unerlaubter Handlungen, die generell drittschützend ist430, und den an konkretisierten Rechtsbeziehungen anknüpfenden „relativen“ Amtspflichten, wobei zwischen geschütztem Personenkreis und den geschützten Rechtsgütern differenziert wird431. Auch hier hat sich zwischenzeitlich eine umfangreiche Kasuistik entwickelt. Insbesondere im Baugenehmigungsverfahren432 und im Recht der Bauleitplanung433 werden die Bemühungen ___________ 428

Stichworte sind Fiskustheorie und Mandatskontrakt, vgl. H. Bethge, in: Kopp, Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1982, S. 13 [26] und H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 5. 429 St. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 28.6.1971, III ZR 111/68, NJW 1971, S. 1699; BGH, Urt. v. 4.7.1974, III ZR 61/72, BGHZ 63, 35 [38 f.]; BGH, Urt. v. 23.10.1975, III ZR 97/73, BGHZ 65, 196 [198]; BGH, Urt. v. 16.6.1977, III ZR 179/75, BGHZ 69, 128 [136]; BGH, Urt. v. 24.6.1982, III ZR 169/80, BGHZ 84, 292 [299]; BGH, Urt. v. 26.1.1984, III ZR 179/82, BGHZ 90, 4 [5 f.]; BGH, Urt. v. 21.12.1989, III ZR 49/88, BGHZ 110, 1 [8 f.]. 430 H.-J. Papier, in: MüKo, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 839 Rdnr. 229. 431 K. Windthorst / H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, 1994, § 7 Rdnr. 87 f. 432 So ist zwischen den Rechtsbeziehungen der Behörde zum Bauherrn und der Behörde zum Nachbarn zu unterscheiden. Nicht in diese Rechtsbeziehungen einbezogen ist der Bauunternehmer. Er kann deshalb auch keine Amtshaftungsansprüche geltend machen: BGH, Urt. v. 8.5.1980, III ZR 27/78, NJW 1980, S. 2578 [2579]. Dem Bauherrn gegenüber kommt eine Verletzung von Amtspflichten sowohl dann in Betracht, wenn die Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheides rechtswidrig versagt wird, als auch im Falle ihrer rechtswidrigen Erteilung. Im ersteren Fall können nur Amtspflichten gegenüber dem Antragsteller verletzt werden; BGH, Urt. v. 6.5.1993,

D. Annex: Die Haftungsregime

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deutlich, die Mißachtung subjektiv-öffentlicher Rechte als Gerüst der mittelbaren Haftung hinreichend sicher zu ermitteln. Anders als bei Genehmigungen, deren Rechtsgrundlagen immer mit einer Interessenzuweisung an den Antragsteller einhergehen434, stellt sich die staatliche Beaufsichtigung der Wirtschaft nach deutscher Auffassung als im Allgemeinin___________ III ZR 2/92, NJW 1993, S. 2303. Dagegen kommt gegenüber einem Nachbarn eine Verletzung drittschützender Amtspflichten im Falle der rechtswidrigen Erteilung einer Baugenehmigung insoweit in Betracht, als die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung nachbarschützender Normen beruht: BGH, Urt. v. 27.1.1983, III ZR 131/81, BGHZ 86, 356 [362]; BGH, Urt. v. 6.2.1986, III ZR 96/84, NVwZ 1986, S. 789 [790]. Besonders gelagert ist die Problematik, daß eine Gemeinde rechtswidrig ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB nicht erteilt. Da es sich hierbei nach der herrschenden Ansicht lediglich um eine behördeninterne Mitwirkung ohne unmittelbare Rechtswirkung nach außen handelt, ist unklar, ob hier von einer drittgerichteten Amtspflicht ausgegangen werden kann. Angesichts der Tatsache, daß die Gemeinde bei ihrer Entscheidung über das Einvernehmen die Ansprüche des Bauwilligen, die sich aus der Bauordnung und dem Eigentumsgrundrecht ableiten, respektieren muß, steht die fehlende unmittelbare Außenwirkung, die nur eine Folge der komplexen Regelung der Behördenzuständigkeit in diesem Bereich ist, der Annahme einer drittgerichteten Amtspflicht nicht entgegen; so: BGH, Urt. v. 15.11.1984, III ZR 70/83, BGHZ 93, 87 [92]; OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.1.1986, 4 U 174/83, NVwZ 1987, S. 170. Im Falle der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung sieht der BGH sogar alle Personen in den Drittschutz einbezogen, die im berechtigten, schutzwürdigen Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung unmittelbar die Verwirklichung eines konkreten Bauvorhabens in Angriff nehmen wollen und zu diesem Zweck Aufwendungen für die Planung getätigt haben. Dazu gehören auch künftige Erwerber: BGH, Urt. v. 23.9.1993, III ZR 139/92, NJW 1994, S. 130; BGH, Urt. v. 21.6.2001, III ZR 313/99, NZBau 2001, S. 556. 433 Dies wird namentlich bei der Überplanung sog. Altlasten relevant. Dazu: R. Leinemann, NVwZ 1992, S. 146 ff.; W. Kühn, Die Amtshaftung der Gemeinden wegen Überplanung von Altlasten, 1997. Da die Bauleitplanung aber grundsätzlich im Interesse der Allgemeinheit erfolgt, bestehen bei ihrem Vollzug drittgerichtete Amtspflichten nur, soweit bei der planerischen Abwägung „in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen der Mitglieder eines abgrenzbaren Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“. Die Planungsdirektiven des § 1 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BauGB, die eine Berücksichtigung der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung verlangen, hat der BGH als solch drittgerichtete Normen qualifiziert und dies vor allem mit der überragenden Bedeutung der Rechtsgüter von Leben und Gesundheit begründet; BGH, Urt. v. 26.1.1989, III ZR 194/89, BGHZ 106, 323 [332]; BGH, Urt. v. 21.12.1989, III ZR 118/88, BGHZ 109, 380; BGH, Urt. v. 21.12.1989, III ZR 49/88, BGHZ 110, 1 [10]. Der Drittschutz wird durch diese Begründung zugleich begrenzt. Erforderlich ist ein Zusammenhang zwischen Gesundheitsgefahr und Bewohnbarkeit. Geschützt werden mithin nur solche Personen, die wegen der Schadstoffbelastung das Grundstück räumen müssen. Darunter fallen nicht die Kreditgeber (F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 66), wohl aber Arbeitgeber (BGH, Beschl. v. 9.7.1992, III ZR 87/91, NJW 1993, S. 384) und Bauträger, da beide von der (Un-)Bewohnbarkeit des Grundstücks betroffen sind. 434 Vgl. aber unten, S. 500 mit Fn. 445.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

teresse erfolgend dar435. Demzufolge fehlt es an drittgerichteten Amtspflichten in diesem Bereich staatlicher Tätigkeit436. Hiervon wurden immer wieder Ausnahmen gemacht, so im Versicherungswesen437 und bei der Bankenaufsicht438. Daneben sind drittschützende Amtspflichten bei der Betriebs- und Anlagenaufsicht439 und bei verwaltungsrechtlichen Sonderbeziehungen440 anerkannt. Auch ___________ 435

Dazu: R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht: Allg. Teil, 1990, S. 338 ff.; E. Habscheid, Staatshaftung für fehlsame Bankenaufsicht, 1988; A. Brendle, Amtshaftung für fehlerhafte Bankenaufsicht?, 1987. Instruktiv: M. Gratias, Staatshaftung für fehlerhafte Banken- und Versicherungsaufsicht im Europäischen Binnenmarkt, 1999. Den aufsichtsrechtlichen Normen wird weithin auch der Charakter als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB abgesprochen: H. Thomas, in: Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, § 823 Rdnr. 154. 436 BGH, Urt. v. 24.1.1972, III ZR 166/69, BGHZ 58, 96 [98]; BGH, Urt. v. 12.6.1986, III ZR 146/85, NJW 1987, S. 585. 437 Hier wird von einer drittgerichteten Amtspflicht ausgegangen, wenn konkret auch das Bestehen eines Versicherungsschutzes geprüft wird. BGH, Urt. v. 8.7.1971, III ZR 80/68, NJW 1971, S. 2222; BGH, Urt. v. 2.7.1981, III ZR 63/80, NJW 1982, S. 988; BGH, Urt. v. 24.1.1972, III ZR 166/69, BGHZ 58, 96 [101]. Seit 1994 gilt nunmehr in Gestalt von § 81 Abs. 1 VAG eine der Bankenaufsicht entsprechende Regelung. 438 BGH, Urt. v. 15.2.1979, III ZR 108/76, BGHZ 74, 144 [147]; BGH, Urt. v. 12.7.1979, III ZR 154/77, BGHZ 75, 120 [122 f.]; BGH, Beschl. v. 17.12.1981, III ZR 146/80, NVwZ 1982, S. 269. Dazu C. Kopf / H. Bäumler, NJW 1979, S. 1871 ff.; K. Bender, NJW 1978, S. 622 ff. Vgl. bereits oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)i) ), S. 200. Zu BGH, Beschl. v. 16.5.2002, III ZR 48/01, BKR 2002, S. 581 ff. vgl. ausführlich oben, Zweites Kapitel – C.III.2.b)(1)(b)i), S. 389 f. 439 Die staatliche Aufsicht dient nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Benutzer sowie derjenigen Personen, denen Gefahren durch einen nicht ordnungsgemäßen Betrieb oder Zustand drohen, BGH, Urt. v. 12.11.1964, III ZR 176/63, NJW 1965, S. 200; BGH, Urt. v. 27.3.1963, III ZR 48/62, BGHZ 39, 358 [364]; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 62 f.; H.-J. Papier, in: MüKo, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 839 Rdnr. 238. 440 So im Bereich des Schulverhältnisses: BGH, Urt. v. 7.10.1976, III ZR 128/74, DVBl. 1977, S. 283; BGH, Urt. v. 27.4.1981, III ZR 47/80, NJW 1982, S. 37; LG Hamburg, Urt. v. 26.4.1991, 303 O 174/90, NJW 1992, S. 377; H.-J. Papier, in: MüKo, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 839 Rdnr. 255; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 61 f. Im Bereich des Strafgefangenenverhältnisses und der Anstaltsbenutzungsverhältnisse BGH, Urt. v. 20.6.1974, III ZR 97/72, NJW 1974, S. 1816. Bei Staatsanwälten aktuell LG Düsseldorf, Urt. v. 30.4.2003, 2b O 182/02 – „Klaus Esser“, NJW 2003, S. 2536 ff. (Amtspflichtverletzung durch unzulässige Mitteilungen an die Presse und die Öffentlichkeit) sowie BGH, Beschl. v. 28.3.1996, III ZR 141/95, NJW 1996, S. 2373; ablehnend: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.1995, 18 W 5/95, NJW 1996, S. 530; vgl. auch R. Hörstel, NJW 1996, S. 497 f.; J. Vogel, NJW 1996, 3401. Beim Versteigerungsgericht BGH, Urt. v. 13.9.2001, III ZR 228/00, BGH-Report 2001, S. 910 ff. Auch die Pflicht des Vorgesetzten, sich gegenüber Untergebenen eines „angemessenen Umgangstons zu befleißigen“ begründet nach BGH, Beschl. v. 1.8.2002, III ZR 277/01, NJW 2002, S. 3172 [3173] eine Amtspflicht (in Rede stand der Freitod einer Polizistin nach „Mobbing“ durch Kollegen).

D. Annex: Die Haftungsregime

499

Verwaltungsvorschriften können drittgerichtete Amtspflichten begründen, sofern sie die Drittbezogenheit aufweisen441. Dies verdeutlicht, daß die Ermittlung der auf den Verletzten bezogenen Achtungspflicht als – vermeintlich – enge Voraussetzung in Fällen, in denen die Exekutive handelt, recht großzügig gehandhabt wird. Für den Bereich der Legislative wird die Drittgerichtetheit der Amtspflicht nach wie vor kontrovers diskutiert442. Von der Rechtsprechung des BGH wir sie aber weitgehend abgelehnt443. Wie weit diese drittbezogenen Amtspflichten und subjektiv-öffentliche Rechte einander entsprechen, ist noch nicht ganz geklärt: Einigkeit besteht, daß subjektiv-öffentliche Rechte immer eine Drittbezogenheit der entsprechenden Amtspflicht begründen444; die Ermittlung der Amtspflichten folgt überdies den Kriterien der Schutznormlehre. Daß aber jedem Amtshaftungsanspruch auch die

___________ 441 BGH, Urt. v. 12.12.1974, III ZR 76/70, BGHZ 63, 319 [324 f.]; BGH, Urt. v. 22.5.1984, III ZR 18/83, BGHZ 91, 243 [250]. 442 Dies gilt jedenfalls für die parlamentarische Gesetzgebung, die nur an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden ist. Der Grund für diese Ausnahmestellung der Legislative wird zum einen darin gesehen, daß bei den nur ihrem Gewissen verantwortlichen Parlamentariern nur schwerlich von Amtspflichten gesprochen werden könne. Zum anderen sei der nur an die Verfassung gebundene parlamentarische Gesetzgeber – bzw. die einzelnen Parlamentarier als Adressaten von „Amtspflichten“ – lediglich der Allgemeinheit und dem Allgemeininteresse verpflichtet. Der BGH stützt sich weitgehend auf die zweite Begründung. Demgegenüber wird in der Literatur überwiegend davon ausgegangen, daß jedenfalls bei Sachverhalten, in denen eine grundrechtliche Schutzpflicht vorliegt, sehr wohl von Amtspflichten der Parlamentarier ausgegangen werden kann: G. Haverkate, NJW 1973, 441 ff.; R. Fetzer, Die Haftung des Staates für legislatives Unrecht, 1994, S. 149; H.-J. von Einem, BayVBl. 1994, S. 486 ff.; H. Geldhauser, BayVBl. 1995, S. 714 ff.; F. Cromme, DVBl. 1996, 1230 ff.; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 69 f. Wiederum differenzierend wird aber die weitere Frage beantwortet, ob der für die Grundrechte anerkannte drittschützende Charakter ausreicht, um eine drittgerichtete Schutzpflicht anzunehmen. Während einige Autoren dies annehmen, machen andere geltend, daß sich im Falle der Gesetzgebung der drittschützende Charakter auf die Allgemeinheit beziehe und es auch wegen der generell-abstrakten Regelung von Gesetzen an einer individualisierten Beziehung fehle, wie sie vom Amtshaftungsrecht vorausgesetzt werde: F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 104. Letzterer macht deswegen konsequenterweise eine Ausnahme für Einzelfall- oder Maßnahmegesetze. Zur Lösung des StHG vgl. H.-J. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 34 Rdnr. 196. 443 BGH, Urt. v. 29.3.1971, III ZR 110/68, BGHZ 56, 40 [46]; BGH, Urt. v. 10.12.1987, III ZR 220/86, BGHZ 102, 350 [367]. Siehe jedoch BGH, Urt. v. 12.12.1991, III ZR 18/91, BGHZ 116, 312 [315 m.w.N.]. 444 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 147; H.-J. Papier, in: MüKo, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 839 Rdnr. 225, 228; H.-J. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 34 Rdnr. 181 m.w.N.

500

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts zugrunde liegt, wird – so zu der Frage überhaupt Stellung genommen wird – meist verneint445. Der Illustration der Problematik kann eine Entscheidung des OLG Karlsruhe446 dienen. Dieses hat eine Amtshaftung bei Mord durch einen Freigänger mit der Begründung angenommen, den in § 11 Abs. 2 StVollzG geregelten Voraussetzungen für die Gewährung von Lockerungen im Strafvollzug sei drittschützender Charakter beizumessen. Gegen eine Kongruenz von drittschützenden Amtspflichten und subjektiv-öffentlichen Rechten – d.h. „mit Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO“447– ließe sich wie folgt argumentieren: Beim Versuch des späteren Opfers, die Lockerungen des Vollzuges anzufechten, wäre die Klage an § 109 Abs. 2 StVollzG gescheitert448; denn bei Vollzugslockerungen für einen Strafgefangenen, welcher bisher mit dem Kläger in keiner Verbindung gestanden hat, begründen die §§ 10, 11 StVollzG für ihn keine subjektivöffentlichen Rechte449; ergo besteht keine Kongruenz zwischen subjektiv-öffentlichen Rechten und drittgerichteten Amtspflichten. Diese Argumentation vermag indes nur vordergründig zu überzeugen. Das Zweite Kapitel hat ergeben450, daß trotz abstrakt-genereller Normen auf eine gewisse situationsbezogene Konkretisierung nicht verzichtet werden kann. Es verbleibt immer ein „Restverweis“ auf tatsächliche Gegebenheiten. Die Unter___________ 445 P. Dagtoglou, in: Bonner Kommentar, Art. 34 Rdnr. 152; B. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002, S. 100. H.-J. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 34 Rdnr. 182, 191 ff. mit dem Beispiel der Verfahren, in denen präventive Erlaubnisse – insbesondere Baugenehmigungen – erteilt werden: mangels Beschwer ist der Antragsteller durch den (rechtswidrigen) Genehmigungsbescheid zwar nicht nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, indes stehen ihm ggf. Amtshaftungsansprüche zu. Zu dieser Frage wird überraschenderweise äußerst selten Stellung genommen. 446 OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.9.2001, 7 U 148/99, NJW 2002, S. 445 ff. Vgl. dazu bereits oben, S. 204 mit Fn. 792. Instruktiv in diesem Zusammenhang: EuGMR, Urt. v. 24.10.2002, 37703/97 – Mastromatteo / Italien, http://hudoc.echr.coe.int (deutscher Text: NJW 2003, S. 3259 ff.), wonach bei Mord durch einen Freigänger verfahrensrechtliche Mindestgarantien bestehen müssen, um eine Verantwortung des Staates geltend machen zu können. 447 So ausdrücklich: B. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002, S. 100 und die oben in Fn. 445 Genannten sowie BGH, Urt. v. 10.3.1994, III ZR 9/93, BGHZ 125, 258 [269]: „Daher gilt […] die allgemeine Regel, daß […] die Drittgerichtetheit mit der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zusammenfällt“. 448 Vgl. zur Anfechtungsberechtigung näher: M. Schuler, in: Schwind / Böhm, StVollzG, 3. Aufl. 1999, § 109 Rdnr. 26 ff.; R.-P. Calliess / H. Müller-Dietz, StVollzG, § 109 Rdnr. 16 f. 449 P. Kühling / T. Ullenbruch, in: Schwind / Böhm, StVollzG, 3. Aufl. 1999, § 11 Rdnr. 28 differenzieren denn auch für die Amtspflichten danach, ob bereits eine vorherige Verbindung des Opfers zum Strafgefangenen bestand. 450 Oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)ii), S. 176 ff. und Zweites Kapitel – B.IV.2., S. 228.

D. Annex: Die Haftungsregime

501

suchung hat weiter gezeigt, daß die kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung als graduelle Kategorie einzuordnen ist; sie ist von der in Rede stehenden Norm abhängig. Die Relation der objektivrechtlichen Achtungspflicht zum Normbegünstigten kann „sinnvoll nur im Rahmen einer Gesamtbewertung von Rechtssatz, Rechtssatzergebnis und Gesamtposition des von diesem Ergebnis Profitierenden hergestellt“451

werden452. Daß der Norminterpret demnach bei der Ermittlung der konkret drittschützenden Amtspflicht zu einem anderen Ergebnis gelangt als derjenige, welcher im Kontext einer prozessualen Anfechtungs- oder Verpflichtungskonstellation aus dem gleichen Rechtssatz ein subjektiv-öffentliches Recht abzuleiten sucht, rechtfertigt es nicht, drittbezogene Amtspflicht und subjektiv-öffentliches Recht als normativ unterschiedlich zu qualifizieren. In beiden Fällen läßt sich der Wertungsvorgang mit den – auf die Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte bezogenen – Worten Peter Marburgers dahin beschreiben, daß „[…] zu fragen ist, ‚ob vernünftigerweise der Schutz der in Frage stehenden Personen bezweckt sein kann‘.“ 453

Ebenso wie die Frage nach der Interessenträgerschaft bei der Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte wird sich die Drittbezogenheit der Amtspflicht also oft nur so beantworten lassen, ob es aus Sicht des darüber Befindenden „sinnvoll“ ist, eine solche Bezogenheit auf den einzelnen anzunehmen454. Nach den Ergebnissen dieser Arbeit lassen sich Drittbezogenheit der Amtspflicht und subjektiv-öffentliches Recht also begrifflich kongruent fassen, ohne daß dies zur Folge hätte, daß eine Norminterpretation in Haftungsfällen notwendigerweise zum gleichen Ergebnis wie in Fällen des Primärrechtsschutzes führen muß. ___________ 451

F. Kasper, Das subjektive Recht, 1967, S. 24. Oben, Zweites Kapitel – B.III.2.a)(1)(c)ii), S. 177. 453 P. Marburger, Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Gutachten C, 1986, S. C 35 mit Verweis auf K. Larenz, Schuldrecht II, 12. Aufl. 1981, § 72 II (S. 620 Fn. 1). 454 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(b)ii), S. 201 ff. Auch das von H.-J. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 34 Rdnr. 182, 191 ff. angeführte Beispiel (oben, Fn. 447) der präventiven Erlaubnis läßt sich mit dem hier herausgearbeiteten Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts lösen: Begreift man die Rechtsmacht lediglich als „Intentionalität der Durchsetzung“, so bleibt dem Gesetzgeber der entsprechende Raum, Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG im einfachen Gesetzesrecht entsprechend auszugestalten. Wird so im Fall einer rechtswidrigen Genehmigung eine Anfechtungsberechtigung mangels Beschwer verneint, so stellt dies eine – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende – Ausgestaltung des Rechtsschutzes dar. Aus diesem Satz über die Durchsetzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts kann aber eben nicht gefolgert werden, dem Antragsteller stehe kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine rechtmäßige Genehmigung zu. Dies ist durchaus der Fall und kommt in anderer Konstellation, nämlich der der Amtshaftung, auch entsprechend zum Tragen. Der Gesetzgeber mag nämlich gute Gründe haben, die Durchsetzung einer Kategorie subjektiv-öffentlicher Rechte in bestimmten Fällen auf sekundären Rechtsschutz zu beschränken. 452

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

502

2. Haftungsrechtlicher Bezug subjektiv-öffentlicher Rechte Die Gründe der materiell-rechtlichen Ansprüche des deutschen Systems sind in weit geringerem Maß verfassungsrechtlich ausbuchstabiert als diejenigen des Gemeinschaftsrechts. Sie werden – von Ausnahmen abgesehen – aus einer verfassungsrechtlichen Gesamtbetrachtung gewonnen. Namentlich Nachklänge der Fiskustheorie455 und des Mandatskontraktes456 im zentralen Tatbestand der Amtshaftung halten an dogmengeschichtlichen Prämissen in gewandelter Verfassungslandschaft in ähnlicher Weise fest, wie dies für den Begriff des subjektiv-öffentlichen Rechts selbst im Zweiten Kapitel festgestellt werden konnte457. Das Amtshaftungsrecht folgt insoweit dem subjektiv-rechtlichen Grundverständnis, als der Beamte dem Bürger nur im Hinblick auf seine rechtlich geschützte Eigensphäre verantwortlich ist458. Die Folgeprobleme stellen sich in ganz ähnlicher Weise. Sie zeigen sich insbesondere im Bereich der partiellen legislativen Alleinverantwortung, welche sich aus dem fehlenden Drittbezug der Amtspflicht bei der Gesetzgebung ergibt. Die Ansprüche des Haftungsrechts als Positionen weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie „umhegen“ als reaktionsrechtliches Instrumentarium die subjektivöffentlichen Rechte des einzelnen und stellen insoweit „wesensnotwendige Hilfsrechte der Abwehrrechte“ dar459. Der Einfluß der primären individuellen Rechte gestaltet sich dabei höchst unterschiedlich460. Er reicht von der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale – namentlich der drittgerichteten Amtspflicht461 – bis zur zumindest teilweisen Begründung von Ansprüchen, zum Beispiel bei den Ansprüchen auf Folgenbeseitigung und Unterlassung462. Dennoch sind die individuellen Rechte ein gemeinsames und verbindendes Element ___________ 455

H. Bethge, in: Kopp, Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, 1982, S. 13 [26]. H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 5 mit Verweis auf die schon im vorletzten Jahrhundert hieran geäußerte Kritik (H. Zoepfl, Grundsätze des allgemeinen und des constitutionell-monarchischen Staatsrechts, 3. Aufl. 1846, S. 370 mit Fn. 6: „wahrhaft skandalös“). 457 Oben, Zweites Kapitel – B.I.1.b)(2), S. 87 ff. 458 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 148. 459 M. Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 671. 460 B. Grzeszick, Rechte und Ansprüche, 2002, S. 145. 461 H.-J. Papier, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 154: Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Rdnr. 40. 462 Das BVerfG hat meist dem Grundrecht als Abwehrrecht selbst die Aufgabe zugesprochen, Rechtsgüter des Grundrechtsträgers zu schützen. Es entnimmt damit den Abwehranspruch dem subjektiven (Grund-)Recht selbst; näher zu dieser Frage oben, Zweites Kapitel – B.III.2.b)(1)(a)ii), S. 185 f . 456

D. Annex: Die Haftungsregime

503

dieser Ansprüche. Den Grundrechten und einfachrechtlichen subjektiv-öffentlichen Rechten und Rechtsverhältnissen als Strukturelementen der Rechtsordnung, aus deren Konkretisierung sich im Einzelfall Gegenpositionen zu den Befugnissen der öffentlichen Gewalt ergeben, entsprechen auf der Ebene sekundärer Ansprüche die Rechte, Schutznormen und rechtlichen Sonderverbindungen, deren Verletzung die Haftung auslöst463. Die verschiedenen Konzeptionen im Anspruchssystem orientieren sich an dieser Unterscheidung. Wie im Gemeinschaftsrecht sind „umhegendes“ (sekundäres) und umhegtes (primäres) individuelles Recht voneinander zu trennen. Ebensowenig wie primären individuellen Rechten die Durchsetzbarkeit immanent, sondern nur intentional zu eigen ist, kann ihnen ein haftungsrechtlicher Anspruch unmittelbar entnommen werden464. Der sekundäre Anspruch findet aber seinen Anknüpfungspunkt und seine innere Rechtfertigung im primären individuellen Recht; dies gilt namentlich für den gesamten Bereich der Aufopferung. Bei der Ermittlung sekundärer subjektiv-öffentlicher Rechte als Positionen sind insoweit funktionale interpretatorische Vorgaben zu beachten. Hierin liegt eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Gemeinschaftsrecht. Spezielle Sätze über die Durchsetzung sekundärer subjektiv-öffentlicher Rechte kennt das deutsche Recht nur als Rechtswegzuweisungen465; diese bedingen, daß sich das prozessuale Umfeld auf sekundärer Ebene von verwaltungsgerichtlichen Vorgaben entfernt und sich stärker an zivilprozessualen Prämissen orientiert466. Die Durchsetzung richtet sich ansonsten nach den für den Primärrechtsschutz geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die sekundären Rechte sind damit nach deutschem Verständnis in weit geringerem Maße auf eine bestimmte prozessuale Umgebung bezogen, als dies im Gemeinschaftsrecht der Fall ist. ___________ 463 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 397. 464 Dies gilt auch für die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, die eine verfassungsmäßige Ausgestaltung eines primären Rechts gewährleistet. Vielmehr stellt die gesetzliche Gewährung eines „flankierenden Ausgleichsanspruchs“ (J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, 1998, S. 298) das „umhegende“, sekundäre Recht zur Verfügung. 465 Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG, Art. 34 S. 3 GG, § 40 Abs. 2 VwGO; § 71 Abs. 2 GVG. 466 Eine wirkliche Gewichtung läßt sich trotz der Dominanz der Rechtsprechung des BGH kaum vornehmen, da die Rückbezüglichkeiten zu vielschichtig sind. Klassisch etwa die Konkurrenz zwischen Verwaltungs- und Zivilgerichten, wenn ein durch hoheitliches Einwirken verletzter Beamter entweder nach Art. 33 Abs. 4 und 5 GG i.V.m. § 40 Abs. 2 VwGO und § 126 BRRG erstere oder über § 839 BGB i.V. m. Art. 34 S. 3 GG, § 17 Abs. 2 S. 2 GVG letztere in Anspruch nehmen kann (für Schmerzensgeld: nehmen muß), wobei in diesem Fall der Ersatzanspruch gegen den handelnden Beamten wiederum wegen § 126 BRRG vor den Verwaltungsgerichten verfolgt wird.

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

3. Elemente struktureller Vergleichbarkeit Strukturell vergleichbare Elemente lassen sich wie in der nachfolgenden Übersicht 10 darstellen:

Übersicht 10 Deutsches Verständnis

Haftungsrechtlicher Bezug subjektiv-öffentlicher Rechte

Eine einheitliche Haftungsgarantie besteht im deutschen Recht nicht. Entschädigungs-, Schadensersatz-, Ausgleichs- und Beseitigungsansprüche stehen unübersichtlich, teilweise beziehungslos, großenteils richterrechtlich geprägt und stellenweise mit dogmengeschichtlichem Ballast befrachtet nebeneinander. Das Haftungsregime – ist zunächst unmittelbar und primär (allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch); hernach beschränkt sich die unmittelbare Haftung auf sekundärer Ebene auf die aufopferungsrechtlich erfaßten Rechtsgüter; ansonsten bleibt die Haftung in Gestalt der Amtshaftung eine mittelbare; – umfaßt neben der Unrechtshaftung andere Einstandpflichten für Rechtseinbußen infolge der Ausübung öffentlicher Gewalt; – ist in wesentlichen Teilen nicht grundrechtlich fundiert; – kennt spezifische prozessuale Standards nur rudimentär. Das Haftungsregime findet seine Grundlage in der Zusammenschau von Rechtsstaatsprinzip und grundrechtlichen Gewährleistungen. Als materielle Ansprüche (haftungsrechtliche Korrelate) – „umhegen“ die sekundären Ansprüche primäre subjektiv-öffentliche Rechte; – stellen sie einen sekundären, vermögenswerten Anspruch neben die primäre Rechtsposition; – knüpfen sie tatbestandsmäßig an das „umhegte“ primäre individuelle Recht an; die Anknüpfung reicht von der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale – namentlich der drittgerichteten Amtspflicht – bis zur zumindest teilweisen Begründung von Ansprüchen; – unterliegen sie nur theoretisch spezifisch haftungsbezogenen Kriterien der Ermittlung (das Amtshaftungsrecht folgt dem subjektiv-rechtlichen Grundverständnis im Hinblick auf die rechtlich geschützte Eigensphäre des Bürgers); – unterscheiden sie sich in den Rechtsfolgen erheblich und changieren zwischen echten Schadensersatz- und Entschädigungsregelungen; Restitution gewährt der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch. Hinsichtlich ihrer Durchsetzung als individuelle Rechte – knüpfen die haftungsrechtlichen Rechte an die prozessualen Standards des primärrechtlichen Schutzes an. Primäre individuelle Rechte stellen sich sowohl als haftungsbegründend als auch als haftungsbegrenzend dar. Haftungsbegrenzungen sind namentlich in Sätzen über die Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte (im Merkmal der „drittgerichteten Amtspflicht“) verankert. Mitverschulden wird berücksichtigt. Der Primärrechtsschutz genießt Vorrang.

E. Vergleich der Konzepte

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E. Vergleich der Konzepte Nachdem die Strukturen des nationalen und des gemeinschaftsrechtlichen primären und sekundären Schutzes individueller Rechte nunmehr herausgearbeitet worden sind, können sie wiederum vergleichend gegenübergestellt werden. Aufgrund der Feststellung, daß im Bereich der Haftung ein spezifischer Zusammenhang zwischen den individuellen Rechten und ihrer prozessualen Umgebung besteht, wird hierbei die Trennung zwischen Sätzen über die Durchsetzung primärer individueller Rechte einerseits sowie den sie „umhegenden“ Rechten und ihrer Durchsetzung andererseits beibehalten.

I. Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem Die Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem ergibt folgendes Bild:

Übersicht 11 Vergleich

Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

Der Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte ist Leitgedanke des Prozeßrechts.

Umfang der Klagebefugnis und materielle Erfolgsvoraussetzungen der Klage entsprechen einander und werden durch das materielle subjektivöffentliche Recht bestimmt.

Der Schutz individueller Rechte ist Leitgedanke des Prozeßrechts; daneben wird auch das allgemeine Ziel größtmöglicher Effektivität verfolgt. Der Einfluß individueller Rechte auf die Klagebefugnis variiert: – Bei mittelbarem Vollzug entsprechen Umfang der Klagebefugnis und materielle Erfolgsvoraussetzungen der Klage einander; sie werden durch das materielle individuelle Recht bestimmt. – Bei unmittelbarem Vollzug kann trotz merkbarer Orientierung an einem System des contentieux objectif von einer leichten Akzentverschiebung hin zu einem contentieux subjectif insoweit gesprochen werden, als die gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzgarantie den Gravitationspunk dar stellt; (Fortsetzung nächste Seite)

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Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

(Fortsetzung Übersicht 11) Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

Aus dem Leitgedanken ergibt sich die Geltung der Dispositionsmaxime.

Die starke Ausprägung des Suspensiveffektes trägt dem Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte in spezifischer Weise Rechnung. Der Suspensiveffekt findet seine Rechtfertigung in der Wertigkeit subjektiv-öffentlicher Rechte.

Die Verwaltungsgerichte sind unabhängig.

Die Urteile wirken in aller Regel nur inter partes.

diese ist ihrerseits auf den Schutz individueller Rechte zugeschnitten und moderiert so die Auslegung der Kriterien der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit aus subjektiv- rechtlicher Perspektive. Die Geltung der Dispositionsmaxime wird durch Effektivitäts- und Uniformitätserwägungen eingeschränkt und damit eher objektivrechtlich ausgestaltet. Der Einfluß individueller Rechte auf den Suspensiveffekt variiert: – Bei gemeinschaftsrechtlicher Rechtsgrundlage ist das Vollzugsinteresse in der Regel höher einzustufen als die individuellen Rechte und damit an ein System des contentieux objectif angelehnt. – Bei nationaler Rechtgrundlage, welche in Widerspruch zu Gemeinschaftsrecht steht, muß hingegen von der aufschiebenden Wirkung ausgegangen werden. Diese findet ihre Berechtigung in gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechten, wenn und soweit sich diese im Gleichlauf mit dem effet utile bewegen. Hierin liegt eine Akzentverschiebung hin zu einem contentieux subjectif. Die Gemeinschaftsgerichtsbarkeit ist einem System des contentieux subjectif entsprechend unabhängig. Hinsichtlich der Gerichte der Mitgliedstaaten kann aufgrund der Heterogenität von einer wirklichen Typisierungsausprägung nicht gesprochen werden. Die Urteile wirken in aller Regel nur inter partes. Die praktisch wichtige Vorabentscheidung wirkt erga omnes. Die faktische Bindungswirkung von Urteilen des EuGH läßt sich dem contentieux objectif zuordnen.

E. Vergleich der Konzepte

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Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

Prüfungs- und Verwerfungskompetenz sind verfassungsrechtlich verbürgt. Die Autorität formeller Gesetze wird durch das Monopol der verfassungsgerichtlichen Verwerfungskompetenz gesichert.

Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der Gemeinschaftsgerichte sind gemeinschaftsverfassungsrechtlich verbürgt. Die Autorität des Gemeinschaftsrechts wird durch die Monopolisierung der Verwerfungskompetenz beim EuGH gesichert.

Das Zweite Kapitel hat ergeben467, daß sich deutsches und gemeinschaftsrechtliches Denken hinsichtlich der Gründe individueller Rechte in perspektivischen Nuancen unterscheiden, ihnen aber ein insgesamt gleichartiges Grundverständnis zu eigen ist, welches die Person um ihrer selbst willen in den Mittelpunkt rückt. Gleichzeitig bestehen bei der konkreten Ermittlung von individuellen Rechten Unterschiede, die sich namentlich aus einer anderen Perspektive ergeben: Im Gemeinschaftsrecht erfolgt eine Ermittlung eher von der Warte des potentiell von der Normwirkung Profitierenden mit Blick auf die Norm, im deutschen Recht eher von der Norm selbst her, die eine mögliche Interessenträgerschaft abbilden soll468. Beides, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, drücken sich in den jeweiligen Beziehungen individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem aus. Sektorale Aussparungen vom System des subjektiven Rechtsschutzes sind im deutschen Recht außerordentlich gering. Bestrebungen, die auf ein eher objektivrechtliches System hinweisen – wie etwa erweiterte Ausnahmen vom Grundsatz des Suspensiveffektes oder Verbandsklagerechte – steht der weitere Ausbau subjektivrechtlicher Elemente – wie etwa der Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren – gegenüber. Während sich das deutsche System also fast durchgängig an der spezifischen Wertigkeit subjektiv-öffentlicher Rechte orientiert, stellen individuelle Rechte zwar den Gravitationspunkts des gemeinschaftsprozessualen Systems dar, welches ansonsten aber in Bereichen durch Spezifika eines contentieux objectif gekennzeichnet ist. In der Gesamtschau sind die untersuchten Elemente auf ein „subjektiv-rechtlich aufgeladenes“469 System des objektiven Rechtsschutzes zugeschnitten. Während Suspensiveffekt, Urteilswirkung und Herrschaft über den Streitgegenstand eher dem System des contentieux objectif zuzuordnen sind, ___________ 467

Oben, Zweites Kapitel – D., S. 415. Oben, Zweites Kapitel – D., S. 417. 469 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 384. 468

508

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

lassen sich hinsichtlich der Überprüfung an höherrangigem Recht und hinsichtlich der Unabhängigkeit der Gerichte Akzentuierungen in Richtung des contentieux subjectif nachweisen. Dies gilt nach der hier vertretenen Auffassung auch für die Klagebefugnis bei mittelbarem Vollzug. Der Unterschied drückt sich über den Umfang der Interessen aus, welche bei der Ermittlung individueller Rechte einerseits, sowie subjektiv-öffentlicher Rechte andererseits Berücksichtigung finden. Die im Kriterium der Rechtsmacht respektive der „invocabilité“ angelegte Entfaltung der Gründe individueller Rechte wirkt sich in beiden Systemen aber gleichermaßen aus. Geht man zutreffend von einer Parallelität von Recht und Rechtsschutz aus, ordnet man weiter die „invocabilité“ als Begriffselement ein und versteht man demnach das direkte Interesse im Sinne der Rechtssache Verholen470 materiellrechtlich, so ergeben sich die Anforderungen an das nationale Prozeßrecht nicht aus den individuellen Rechten selbst, sondern aus der Rechtsschutzgarantie. Diese hat mit ihren Anforderungen an das nationale Recht das jeweilige individuelle Recht in der Intentionalität seiner Durchsetzung eigenständig zu stützen. Die Rechtsschutzgarantie aber knüpft so prozessual immer an Rechte an, nicht an Interessen. Diese sind begrifflich bereits Teil des Rechts. Daraus folgt aber für die deutsche Klagebefugnis, daß sie für individuelle Rechte unter den gleichen Bedingungen wie für subjektiv-öffentliche Rechte anzunehmen ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger fordert die Rechtsschutzgarantie. De lege lata ist die Klagebefugnis aufgrund der dargestellten Anforderungen der Effektivität und der Äquivalenz so auszulegen, daß „Recht“ i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO als Oberbegriff für individuelle Rechte und subjektiv-öffentliche Rechte zu lesen ist, deren Ermittlung sich nach den dogmatischen Anforderungen der beiden Rechtsordnungen richtet. Der kollisionslösenden Wirkung der individuellen Rechte als Geltungsmodus des Gemeinschaftsrechts wird so bei gleichzeitiger Schonung mitgliedstaatlicher dogmatischer Strukturen am besten entsprochen. De lege ferenda kann über eine Einführung einer Interessentenklage nachgedacht werden, da im Hinblick auf § 113 VwGO die auf die subjektiv-öffentlichen Rechte zugeschnittene Kontrolldichte bei der Reichweite der gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechte an ihre Grenzen gerät. Möglich wäre aber auch eine gewisse Verringerung der Kontrolldichte. In diesem Fall könnte eine am subjektiven System orientierte Klageberechtigung erhalten bleiben. Die Optionen des nationalen Gesetzgebers sind somit weit differenzierter, als dies angenommen wird. Bleibt die Parallelität von individuellem Recht und Möglichkeit des Rechtsschutzes und damit der Bezugspunkt zu individuellen Rech___________ 470 EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757.

E. Vergleich der Konzepte

509

ten erhalten, vermag der Akzent im Hinblick auf die Klagebefugnis in Richtung einer Interessentenklage verschoben werden; er kann aber auch bei einer Verletztenklage verharren, wenn andere Elemente dieses Systems entsprechend angepaßt werden. Bedeutende Unterschiede bestehen hinsichtlich des Suspensiveffektes. Während er im deutschen System seine Rechtfertigung in der Wertigkeit subjektivöffentlicher Rechte findet, variiert gemeinschaftsrechtlich seine innere Berechtigung nach Maßgabe der Rechtsgrundlage. Nur bei in Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehenden nationalen Rechtsgrundlagen muß von einer aufschiebenden Wirkung ausgegangen werden; diese findet ihre Berechtigung in gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechten, wenn und soweit sich diese im Gleichlauf mit dem effet utile bewegen. Insoweit sind die Unterschiede der beiden Systeme zwar beträchtlich; ein Vergleich läßt sich allerdings nicht durch eine plakative Gegenüberstellung zweier idealtypischer Systeme bewältigen. Als hilfreicher als eine pauschale Zuordnung zum einen oder anderen System hat sich erwiesen, die einzelnen Systemausprägungen zu betrachten und den Gravitationspunkt des Systems jeweils im Auge zu behalten. Dieser aber stellt sich in beiden Systemen als zumindest subjektiv-rechtlich aufgeladen dar. Beide Rechtsordnungen erlauben keine gerichtliche Kontrolle, wenn der einzelne zwar in einem Interesse beeinträchtigt ist, dieses Interesse ihm aber nicht als sein besonderes zugewiesen ist.

II. Haftungsvoraussetzungen und individuelle Rechte Hinsichtlich der Haftungsregime können folgende Strukturmerkmale aufeinander bezogen werden:

Übersicht 12 Vergleich

Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

Eine einheitliche Haftungsgarantie besteht im deutschen Recht nicht. Entschädigungs-, Schadensersatz-, Ausgleichs- und Beseitigungsansprüche stehen unübersichtlich, teilweise beziehungslos, großenteils richterrechtlich geprägt und stellenweise mit dogmengeschichtlichem Ballast befrachtet nebeneinander.

Die Haftungsgarantie des Gemeinschaftsrechts ist einheitlich.

(Fortsetzung nächste Seite)

510

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

(Fortsetzung Übersicht 12) Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

Das Haftungsregime

– ist zunächst unmittelbar und primär (allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch); hernach beschränkt sich die unmittelbare Haftung auf sekundärer Ebene auf die aufopferungsrechtlich erfaßten Rechtsgüter; ansonsten bleibt die Haftung in Gestalt der Amtshaftung eine mittelbare; – umfaßt neben der Unrechtshaftung andere Einstandpflichten für Rechtseinbußen infolge der Ausübung öffentlicher Gewalt; – ist in wesentlichen Teilen nicht grundrechtlich fundiert; – kennt spezifische prozessuale Standards nur rudimentär. Das Haftungsregime findet seine Grundlage in der Zusammenschau von Rechtsstaatsprinzip und grundrechtlichen Gewährleistungen. Als materielle Ansprüche (haftungsrechtliche Korrelate) – „umhegen“ die sekundären Ansprüche primäre subjektiv-öffentliche Rechte; – stellen sie einen sekundären, vermögenswerten Anspruch neben die primäre Rechtsposition; – knüpfen sie tatbestandsmäßig an das „umhegte“ primäre individuelle Recht an; die Anknüpfung reicht von der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale – namentlich der drittgerichteten Amtspflicht – bis zur zumindest teilweisen Begründung von Ansprüchen; – unterliegen sie nur theoretisch spezifisch haftungsbezogenen Kriterien der Ermittlung (das Amtshaftungsrecht folgt dem subjektiv-rechtlichen Grundverständnis im Hinblick auf die rechtlich geschützte Eigensphäre des Bürgers);

Die Haftungsgarantie des Gemeinschaftsrechts – ist eine unmittelbare und sekundäre (ein allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch existiert nicht);

– ist Unrechtshaftung;

– stellt ein materielles (Grund-)Recht dar; – formuliert prozessuale Standards zur Realisierung dieses Rechts. Die Haftungsgarantie findet ihre historische Grundlage im Rechtsstaatsprinzip, hat sich aber zwischenzeitlich zu einem Grundrecht verdichtet. Als materieller Anspruch (haftungsrechtliches Korrelat) – „umhegt“ die Haftungsgarantie primäre individuelle Rechte;

– stellt sie einen sekundären, vermögenswerten Anspruch neben die primäre Rechtsposition; – knüpft sie tatbestandsmäßig an die Verletzung des „umhegten“ primären individuellen Rechts an;

– unterliegt sie nur theoretisch spezifisch haftungsbezogenen Kriterien der Ermittlung;

E. Vergleich der Konzepte

511

Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis

Als materielle Ansprüche (haftungsrechtliche Korrelate) – unterscheiden sie sich in den Rechtsfolgen erheblich und changieren zwischen echten Schadensersatzund Entschädigungsregelungen; Restitution gewährt der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch. Hinsichtlich ihrer Durchsetzung als individuelle Rechte – knüpfen die haftungsrechtlichen Rechte an die prozessualen Standards des primärrechtlichen Schutzes an.

Primäre individuelle Rechte stellen sich sowohl als haftungsbegründend als auch als haftungsbegrenzend dar. Haftungsbegrenzungen sind namentlich in Sätzen über die Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte (im Merkmal der „drittgerichteten Amtspflicht“) verankert. Mitverschulden wird berücksichtigt. Primärrechtsschutz genießt Vorrang.

Als materieller Anspruch (haftungsrechtliches Korrelat) – ist sie in der Regel auf volle pekuniäre Kompensation (Schadensersatz, nicht bloße Entschädigung), nicht hingegen auf Restitution gerichtet.

Als Satz über die Durchsetzung individueller Rechte – knüpft die Haftungsgarantie an die prozessualen Standards des primärrechtlichen Schutzes an;

– formuliert die Haftungsgarantie spezielle Sätze über die Durchsetzung eines sekundären individuellen Rechts; diese werden durch die spezifisch kompensatorische Funktion der sekundären Ebene inhaltlich angereichert. Primäre individuelle Rechte stellen sich als haftungsbegründend, nicht als spezifisch haftungsbegrenzend dar. Haftungsbegrenzungen sind im Merkmal des „qualifizierten Verstoßes“ verankert.

Mitverschulden wird berücksichtigt. Primärrechtsschutz genießt Vorrang.

Für die dogmatische Konstruktion von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen mag eine Rückanbindung an spezifisch individuelle Nachteile schon sachlogisch naheliegen und deshalb als nicht sonderlich signifikant erscheinen471. Diese Ansprüche zielen – zumindest nach kontinentaleuropäischem Verständnis472 – schon begrifflich nicht auf eine Sanktion für rechtswidriges Verhalten; sie stellen keine Prämierung für die Geltendmachung von Rechtsver-

___________ 471

J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 145. 472 Vgl. zu punitive damages US-amrikanischen Rechts E. Kionka, Torts in a Nutshell, 2. Aufl: 1992, S. 317 ff.

512

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

letzungen dar473. Dies war im Gemeinschaftsrecht zwar zunächst nicht so leicht zu beantworten, gilt aber zwischenzeitlich auch dort: Der Haftungsanspruch hat sich seit der Rechtssache Francovich und Bonifaci474 so weit emanzipiert, daß er eine echte grundrechtliche Ausformung gefunden hat, die eine Einstufung als bloße Sanktionskategorie verbietet. Dies gilt auch für die Haftung der Mitgliedstaaten, da die Haftungsvoraussetzungen zwischenzeitlich dogmatisch kongruent bestimmt werden475. Auch prozessuale Aussagen zu haftungsrechtlichen Fragestellungen ergeben ein zunächst neutrales Bild, da in Systemen des contentieux objectif Schadensersatzforderungen im Verfahren des contentieux de pleine juridiction ebenfalls als individuelle Rechte geltend gemacht werden476. Die Haftungssysteme enthalten ihre Konturen aber nicht erst aufgrund eines differenzierten Schadensbegriffes, durch Kausalitäts- und Zurechnungskriterien oder mittels einer Begrenzung der geschützten Rechtsgüter. Vielmehr knüpften beide primär bereits an der verletzten Achtungspflicht selbst und an dem daraus (potentiell) erwachsenden sekundären individuellen Recht an. Gemeinsam ist ihnen damit, daß sekundäre Ansprüche nicht aus dem primären individuellen Recht selbst erwachsen, sondern in zusätzlichen individuellen Rechten verankert sind. Gemeinsam ist beiden Rechtsordnungen überdies, daß diese sekundären Rechte materiell-rechtlich verstanden werden. Auch wenn einzelne Ausprägungen – etwa Fragen der Verjährung477 – in der einen Rechtsordnung materiell-rechtlich, in der anderen hingegen eher prozessual eingeordnet werden, ändert dies nichts an dem generellen Befund. Die grundrechtliche Fundierung des gemeinschaftsrechtlichen Haftungsanspruches steht zumindest einer rein prozessualen Sichtweise entgegen478. Andererseits macht gerade die systematische Stellung von Art. 41 Abs. 3 GR-Charta deutlich, daß der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch in viel stärkerem Maße als die Ansprüche ___________ 473

J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 146. 474 EuGH, Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, I-5357. 475 EuGH, Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-312/00 P – Kommission / Camar und Tico, Slg. 2002, I-11355 Rdnr. 53 ff. 476 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 146; G. Vedel / P. Delvolvé, Droit administratif II, 12. Aufl. 1992, S. 55. 477 Vgl. Art. 46 EG-Satzung-EuGH (Fundstelle oben, S. 312 Fn. 1357). 478 Die noch in der jüngeren Literatur zu findenden Annahmen (F. Schockweiler, EuR 1993, S. 107 [121]; G. de Búrca, MLR 1992, S. 215 [216]), mitgliedstaatliche Sichtweisen des Verhältnisses von Recht und Rechtsbehelf weitgehend unberührt zu lassen, wenn und soweit ein homogener Vollzug des Gemeinschaftsrechts gewährleistet ist, dürften aufgrund von Art. 41 Abs. 3 GR-Charta (Art. II-41 Abs. 3 des geplanten Verfassungsvertrages) als Bürgerrecht überholt sein.

E. Vergleich der Konzepte

513

des deutschen Haftungsregimes auf eine spezifische verfahrensrechtliche Umgebung bezogen ist. In der weiteren Auffächerung ergeben sich beachtliche Unterschiede. Die Haftungsgarantie des Gemeinschaftsrechts stellt sich als einheitliche, unmittelbare, sekundäre, auf Schadensersatz gerichtete Unrechtshaftung dar, deren Gründe zwischenzeitlich eine grundrechtliche Fundierung erfahren haben, welche spezifische prozessuale Standards umfaßt. Diese sieben Elemente finden im deutschen Haftungsrecht nur teilweise Entsprechungen. Eine einheitliche Haftungsgarantie besteht im deutschen Recht nicht. Entschädigungs-, Schadensersatz-, Ausgleichs- und Beseitigungsansprüche stehen unübersichtlich, teilweise beziehungslos, großenteils richterrechtlich geprägt und stellenweise mit dogmengeschichtlichem Ballast befrachtet nebeneinander. Das deutsche Haftungsrecht ist zunächst in Gestalt des Folgenbeseitigungsanspruches vor allem ein unmittelbares und primäres Haftungsrecht. Auf sekundärer Ebene verstärkt sich die Disparität, indem eine unmittelbare Haftung auf die aufopferungsrechtlich erfaßte Rechtsgüter beschränkt bleibt, ansonsten aber in Gestalt der Amtshaftung in eine mittelbare abgleitet; die Rechtsfolgen changieren zwischen Entschädigung einerseits und Schadensersatz andererseits. Das deutsche Haftungssystem erfaßt neben der Unrechtshaftung andere auf Entschädigung gerichtete Einstandpflichten für Rechtseinbußen infolge der Ausübung öffentlicher Gewalt. Die Gründe für diese sekundären Rechte sind in wesentlichen Teilen nicht grundrechtlich fundiert, sondern ergeben sich in der Zusammenschau von Rechtsstaatsprinzip und grundrechtlichen Gewährleistungen. Spezifische prozessuale Standards bestehen kaum. Die sekundären Rechte sind damit nach deutschem Verständnis in weit geringerem Maße auf eine bestimmte prozessuale Umgebung bezogen, als dies im Gemeinschaftsrecht der Fall ist. Neben all diesen Unterschieden besteht aber die Gemeinsamkeit der Ansprüche des Haftungsrechts beider Rechtsordnungen darin, daß primäre individuelle Rechte durch sie „umhegt“ werden479; die Haftungsansprüche nehmen insoweit auf die primären individuellen Rechte bezug und weisen gleichzeitig über sie hinaus, indem sie einen zusätzlichen vermögenswerten Anspruch neben die primären individuellen Rechte stellen. Das Gemeinschaftsrecht knüpft tatbestandsmäßig an die Verletzung des „umhegten“ primären individuellen Rechts an und verzichtet inzwischen auf spezifisch haftungsbezogene Kriterien seiner Ermittlung. Primäre individuelle Rechte stellen sich als haftungsbegründend, nicht als haftungsbegrenzend dar. ___________ 479

Vgl. W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 299.

514

Drittes Kapitel: Durchsetzung individueller Rechte

Daran zeigt sich, daß primäre individuelle Rechte aus unmittelbar geltendem und anwendbarem, respektive unmittelbar wirkendem und anwendbarem480 Gemeinschaftsrecht, sowie individuelle Rechte im Bereich der Haftung auf einer einheitlichen Konzeption beruhen481. Haftungsbegrenzungen sind im Merkmal des „qualifizierten Verstoßes“ verankert, einer Art Globalabwägung zwischen Umständen unterschiedlicher Art, deren dogmatische Strukturen noch nicht ausreichend erfaßt sind. Auch die Ansprüche des deutschen Haftungsregimes knüpfen an primäre subjektiv-öffentliche Rechte an; die Anknüpfung reicht aber von der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale – namentlich der drittgerichteten Amtspflicht – bis zur zumindest teilweisen Begründung von Ansprüchen. Den Grundrechten und einfachrechtlichen subjektiv-öffentlichen Rechten und Rechtsverhältnissen als Strukturelementen der Rechtsordnung, aus deren Konkretisierung sich im Einzelfall Gegenpositionen zu den Befugnissen der öffentlichen Gewalt ergeben, entsprechen auf der Ebene sekundärer Ansprüche die Rechte, Schutznormen und rechtlichen Sonderverbindungen, deren Verletzung die Haftung auslöst. Die verschiedenen Konzeptionen im Anspruchssystem orientieren sich an dieser Unterscheidung. Auch im deutschen Recht sind spezifisch haftungsbezogene Kriterien der Ermittlung theoretisch vorhanden. Namentlich die Drittgerichtetheit der Amtspflicht folgt aber dem subjektiv-rechtlichen Grundverständnis im Hinblick auf die rechtlich geschützte Eigensphäre des Bürgers und zeichnet so die für primäre subjektiv-öffentliche Rechte dargestellten Kriterien482 auf sekundärer Ebene nach. Aus dieser Tatsache ergibt sich auch, daß Haftungsbegrenzungen in Sätzen über die Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte selbst – vor allem im Merkmal der „drittgerichteten Amtspflicht“ – verankert sind. Die strukturelle Parallele, die auf europäischer Ebene zwischen Rechtsschutzgebot für individuelle Rechte und Haftungsgarantie besteht, findet so in der Verwandtschaft zwischen subjektiv-öffentlichem Recht als Voraussetzung primären Rechtsschutzes und der Drittbezogenheit der verletzten Amtspflicht ihre Entsprechung483. Beiden Rechtsordnungen gemeinsam ist die Trennung von „umhegendem“ (sekundärem) und umhegtem (primärem) individuellen Recht; letzterem ist ersteres nicht immanent, sondern jeweils nur intentional zu eigen. Der sekundäre ___________ 480

Vgl. zu den Begriffen oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(a), S. 278 ff. S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 180. 482 Oben, Zweites Kapitel – B.III.2., S. 148 ff. und Zweites Kapitel – B.IV.2., S. 228. 483 S. Kadelbach, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 398. 481

E. Vergleich der Konzepte

515

Anspruch findet aber jeweils Anknüpfungspunkt und innere Rechtfertigung im primären individuellen Recht. Insoweit empfängt die Ermittlung sekundärer subjektiv-öffentlicher Rechte als Positionen in beiden Rechtsordnungen funktionale interpretatorische Vorgaben die – wiewohl erst auf sekundärere Ebene unmittelbar relevant – bereits auf primärer Ebene im Auge zu behalten sind, will man die volle inhaltliche Tiefe der primären individuellen Rechte treffend erfassen. Auch die Sätze über die Gründe primärer individueller Rechte sowie die Sätze über ihre Durchsetzung werden durch die Haftungsregime beider Rechtsordnungen inhaltlich ähnlich angereichert, indem sie durch das Postulat vorrangigen Primärrechtsschutzes ein zusätzliches gewichtiges Element von Eigenverantwortlichkeit enthalten, welches mittelbar auf die primären individuellen Rechte zurückstrahlt.

Viertes Kapitel: Zusammenfassung und Bilanz

516

Viertes Kapitel

Zusammenfassung und Bilanz A. Zusammenfassung der Ergebnisse Ausgangspunkt der Untersuchung war die Feststellung, daß dem Facettenreichtum individueller Rechte durch eine Fokussierung auf die Klagebefugnis bisher nicht ausreichend Rechnung getragen worden ist1. Vor diesem Hintergrund wurden eingangs einige grundlegende Fragen formuliert2. Eine zunächst anhand des deutschen Rechts erfolgte Vorstrukturierung3 hat ergeben, daß es für eine Betrachtung, der es in erster Linie um analytische Erfassung der formprägenden Faktoren und Elemente geht, zweckmäßig erscheint, zwischen verschiedenen normativen Aussagen zu unterscheiden. Hierauf aufbauend, wurde durchgehend zwischen ) Gründen für individuelle Rechte, 

) individuellen Rechten als Positionen und Relationen und ) der rechtlichen Durchsetzbarkeit individueller Rechte



differenziert4. Die weitere Untersuchung hat es – orientiert an dieser Unterscheidung – erlaubt, jeweils Strukturelemente individueller Rechte in beiden Rechtsordnungen darzustellen5 und aufeinander zu beziehen6. Da sich die einzelnen Strukturelemente zwar voneinander unterscheiden, nicht aber vollständig trennen lassen, sollen diese einzelnen Elemente nunmehr zu einem Ganzen zusammengefügt (1.) und die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Kapitel noch einmal zusammenhängend wiedergegeben werden (2.). ___________ 1

Oben, Erstes Kapitel – B., S. 52. Oben, Erstes Kapitel – B., S. 57. 3 Oben, Zweites Kapitel – B., 65–117; Zweites Kapitel – B.II.2., S. 121. 4 Oben, Zweites Kapitel – B.II.2., S. 121. 5 Oben, Zweites Kapitel – B.IV.1., S. 227; Zweites Kapitel – B.IV.2., S. 228; Zweites Kapitel – C.IV.1., S. 408; Zweites Kapitel – C.IV.2., S. 409; Drittes Kapitel – B.III., S. 437; Drittes Kapitel – C.III., S. 472; Drittes Kapitel – D.I.4., S. 487; Drittes Kapitel – D.II.3., S. 504. 6 Oben, Zweites Kapitel – D., S. 412 ff. 2

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

517

Anhand dieser Synthese der gewonnenen vergleichenden Beobachtungen kann eine Bewertung des entstandenen Gesamtbildes vorgenommen und abschließend beantwortet werden, worin insgesamt die signifikanten Unterschiede zwischen beiden Rechtsordnungen bestehen.

I. Zusammenfassung der Elemente struktureller Vergleichbarkeit Die strukturellen Elemente individueller Rechte im deutschen und im Gemeinschaftsrecht lassen sich insgesamt wie folgt gegenüberstellen:

Übersicht 13 Gesamtvergleich Deutsches und gemeinschaftsrechtliches Verständnis individueller Rechte

Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis Gründe individueller Rechte

Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte entfalten sich aus der verfassungsrechtlichen Stellung des einzelnen Aufbau der Verfassung auf der Individualität, Art. 1 Abs. 1 GG Unterscheidung (nicht Trennung) von verfaßter Staatlichkeit und Gesellschaft durch die Grundrechte

Markierung konkreter Unterscheidungs- und Grenzlinien durch subjektiv-öffentliche Rechte Gründe subjektiv-öffentlicher Rechte – finden sich in den Grundrechten

– finden sich nicht (nur) in den Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte – sind allgemein die kraft Verfassung notwendigen, selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereiche

Gründe individueller Rechte entfalten sich aus der Stellung des einzelnen im primären Gemeinschaftsrecht Person (noch: prätorischer) Mittelpunkt des Handelns der Gemeinschaft Unterscheidung (nicht Trennung) von verfaßter Gemeinschaft, von Mitgliedstaaten und von Gesellschaft durch die Grundfreiheiten und Grundrechte Markierung konkreter Unterscheidungs- und Grenzlinien durch individuelle Rechte Gründe individueller Rechte – finden sich in den Grundfreiheiten und Grundrechten – finden sich nicht (nur) in den Grundfreiheiten und Grundrechten, sondern werden von ihnen (auch) vorausgesetzt und ausgeformt, damit sich der einzelne seiner Würde gemäß auf dem Boden der Rechtsgleichheit in Freiheit entfalte – sind allgemein die kraft Gemeinschaftsrecht notwendigen, selbstverantwortlich wahrzunehmenden Eigenbereiche und Bereiche gemeinwohlbezogenen individuellen Engagements (Fortsetzung nächste Seite)

518

Viertes Kapitel: Zusammenfassung und Bilanz

(Fortsetzung Übersicht 13) Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis Gründe individueller Rechte

Die grundrechtliche Vorstrukturierung subjektiv-öffentlicher Rechte ist

– Ausdruck verfaßter Freiheit – Ausdruck von Grundrechtsaktualität und Grundrechtseffektivität

– Ausdruck gleicher Freiheit – Ausdruck verantwortlicher Freiheit (damit Entfernung von der Idee strikter Privatnützigkeit eines eindimensional individualistischen Konzeptes Gründe für subjektiv-öffentliche Rechte bewirken eine materiell-rechtliche Sichtweise subjektiv-öffentlicher Rechte Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie – stellt generell eine Strukturentscheidung für den Individualrechtsschutz dar

Die grundfreiheitliche und grundrechtliche Vorstrukturierung individueller Rech ist – Ausdruck verfaßter Freiheit – Ausdruck der Aktualität und Effektivität gemeinschaftlicher Grundfreiheiten und Grundrechte – Ausdruck freier Gleichheit – Ausdruck verantwortlicher Freiheit (Idee der Anteilnahme des einzelnen am Allgemeinen, Idee des Engagements für die Vollendung der Ziele der Gemeinschaft) Gründe für individuelle Rechte bewirken eine materiell-rechtliche Sichtweise individueller Rechte

Das gemeinschaftsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes – schützt jegliche materiell-rechtlich verankerten Interessen, welche die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaften anerkennen oder unter Schutz zu stellen verpflichtet sind – formuliert einen legislatorischen – formuliert einen legislatorischen Auftrag zur Schaffung und KonturieAuftrag zur Schaffung und Konturung einfachrechtlicher individueller rierung einfachrechtlicher subjekRechte tiv-öffentlicher Rechte – konstituiert nicht, sondern suppo– konstituiert nicht, sondern supponiert individuelle Rechte niert subjektiv-öffentliche Rechte – sichert die Parallelität von materiel– sichert die Parallelität von materieller Berechtigung und prozessualer ler Berechtigung und prozessualer Durchsetzbarkeit Durchsetzbarkeit Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis Ermittlung individueller Rechte

Dualismus von Grundrechtslehren und Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht Orientierung an den Kriterien des Rechtssatzes, der Schutznorm und der Rechtsmacht Rechtssatzabhängigkeit – unabhängig von der normhierarchischen Stellung der Rechtsquelle – unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen

Monismus von Grundfreiheitsdogmatik und Lehre individueller Rechte

Orientierung an den Kriterien der unmittelbaren Anwendbarkeit und des Individualbezuges des Rechtsaktes Rechtssatzabhängigkeit – unabhängig von der normhierarchischen Stellung der Rechtsquelle – unabhängig von bestehenden normativen Spielräumen

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

519

Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis Ermittlung individueller Rechte

– idealiter Abbildung des Satzes über das subjektiv-öffentliche Recht in einer Norm

Behutsame Aufnahme der Faktizität – abhängig vom Kontext gestufter Gesetzeskonkretisierung – Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm Ideal des normativen Konditionalprogrammes

Individualrecht nach Rechtszweck

Kaschierte Orientierung an gesetzlich benannter oder vorausgesetzter Interessenträgerschaft, nicht an der qualitativen Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses Starker Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich die „norminterne“ Wirkung der Grundrechte) Bedeutung des hinter dem Recht stehenden Rechtsgutes – es kommt darauf an, das Rechtsgut, welches der fragliche Rechtsakt schützen soll, einem Individuum zuzuordnen – im Verfahrensrecht: Koppelung an das durch das Verfahren geschützte materielle Recht Kriterium der Unmittelbarkeit der Zuweisung Kriterium der Bestimmtheit der Zuwiesung Kriterium der Abgrenzung von aggregierten und nicht aggregierten Interessen bei der Zuordnung – nur der Schutz „reiner“ Privatinteressen durch eine Norm begründet ein subjektiv-öffentliches Recht

– die vor allem im Bereich der Wirtschaftsaufsicht zu findenden aggregierten, pluralen oder Gruppeninteressen sind hingegen objektivrechtlich strukturiert

– Abbildung in einem Gesamtzusammenhang oder in den Begründungserwägungen eines Rechtsaktes ausreichend Breitere Aufnahme der Faktizität – abhängig vom Kontext gestufter Gesetzeskonkretisierung – Rückanbindung faktischer Impulse an die jeweilige Norm In weitem Umfang Arbeit mit Zielund Mitteldirektiven; Ideal der Zweckverwirklichung Individualrecht nach Rechtszweck und Rechtswirkung Offene Orientierung an gesetzlich benannter oder vorausgesetzter Interessenträgerschaft, nicht an der qualitativen Beschaffenheit des normativ erfaßten Interesses Starker Einfluß höherrangigen Rechts bei der Auslegung (namentlich der Grundfreiheiten)

Bezogenheit auf ein Rechtsgut unerheblich – es kommt darauf an, den Rechtsakt selbst einem Individuum zuzuordnen

– im Verfahrensrecht: Abkoppelung von dem durch das Verfahren geschützten materiellen Recht Kriterium der Unmittelbarkeit der Zuweisung Kriterium der Bestimmtheit der Zuweisung Kriterium der Abgrenzung von öffentlichen Gemeinschaftsinteressen und privaten Interessen – es genügt, daß die Norm überhaupt Angelegenheiten einzelner in einer Weis regelt, die ihren Interessen förderlich ist – aggregierte, plurale oder Gruppeninteressen können ohne weiteres (auch) individualrechtlich strukturiert sein

(Fortsetzung nächste Seite)

520

Viertes Kapitel: Zusammenfassung und Bilanz

(Fortsetzung Übersicht 13) Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis Ermittlung individueller Rechte

Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses

Differenzierung nach Art des Rechtsverhältnisses (insbesondere nach Achtungspflicht der Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten) Gedanke der Intentionalität der Durchsetzung Entfaltung der Gründe individueller Rechte bei ihrer Ermittlung

Gedanke der Intentionalität der Durchsetzung Entfaltung der Gründe subjektivöffentlicher Rechte bei ihrer Ermittlung – im Kriterium der „invocabilité“ – im Kriterium der Rechtsmacht oder der Schutznorm – dadurch Mobilisierung des einzelnen – dadurch Wahrung prinzipieller Grenzen der Funktionalisierung des einzelnen Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem

Der Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte ist Leitgedanke des Prozeßrechts.

Umfang der Klagebefugnis und materielle Erfolgsvoraussetzungen der Klage entsprechen einander und werden durch das materielle subjektivöffentliche Recht bestimmt.

Der Schutz individueller Rechte ist Leitgedanke des Prozeßrechts; daneben wird auch das allgemeine Ziel größtmöglicher Effektivität verfolgt. Der Einfluß individueller Rechte auf die Klagebefugnis variiert: – Bei mittelbarem Vollzug entsprechen Umfang der Klagebefugnis und materielle Erfolgsvoraussetzungen der Klage einander; sie werden durch das materielle individuelle Recht bestimmt. – Bei unmittelbarem Vollzug kann trotz merkbarer Orientierung an einem System des contentieux objectif von einer leichten Akzentverschiebung hin zu einem contentieux subjectif insoweit gesprochen werden, als die gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzgarantie den Gravitationspunkt darstellt; diese ist ihrerseits auf den Schutz individueller Rechte zugeschnitten und moderiert so die Auslegung der Kriterien der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit aus subjektivrechtlicher Perspektive.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

521

Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis Beziehung individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem

Aus dem Leitgedanken ergibt sich die Geltung der Dispositionsmaxime.

Die starke Ausprägung des Suspensiveffektes trägt dem Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte in spezifischer Weise Rechnung. Der Suspensiveffekt findet seine Rechtfertigung in der Wertigkeit subjektiv-öffentlicher Rechte.

Die Verwaltungsgerichte sind unabhängig.

Die Urteile wirken in aller Regel nur inter partes.

Prüfungs- und Verwerfungskompetenz sind verfassungsrechtlich verbürgt. Die Autorität formeller Gesetze wird durch das Monopol der verfassungsgerichtlichen Verwerfungskompetenz gesichert.

Die Geltung der Dispositionsmaxime wird durch Effektivitäts- und Uniformitätserwägungen eingeschränkt und damit eher objektivrechtlich ausgestaltet. Der Einfluß individueller Rechte auf den Suspensiveffekt variiert: – Bei einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlage ist das Vollzugsinteresse in der Regel höher einzustufen als die individuellen Rechte und damit an ein System des contentieux objectif angelehnt. – Bei nationaler Rechtgrundlage, welche in Widerspruch zu Gemeinschaftsrecht steht, muß hingegen von der aufschiebenden Wirkung ausgegangen werden. Diese findet ihre Berechtigung in gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechten, wenn und soweit sich diese im Gleichlauf mit dem effet utile bewegen. Hierin liegt eine Akzentverschiebung hin zu einem contentieux subjectif. Die Gemeinschaftsgerichtsbarkeit ist einem System des contentieux subjectif entsprechend unabhängig. Hinsichtlich der Gerichte der Mitgliedstaaten kann aufgrund der Heterogenität von einer wirklichen Typisierungsausprägung nicht gesprochen werden. Die Urteile wirken in aller Regel nur inter partes. Die praktisch wichtige Vorabentscheidung wirkt erga omnes. Die faktische Bindungswirkung von Urteilen des EuGH läßt sich dem contentieux objectif zuordnen. Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der Gemeinschaftsgerichte sind gemeinschaftsverfassungsrechtlich verbürgt. Die Autorität des Gemeinschaftsrechts wird durch die Monopolisierung der Verwerfungskompetenz beim EuGH gesichert. (Fortsetzung nächste Seite)

522

Viertes Kapitel: Zusammenfassung und Bilanz

(Fortsetzung Übersicht 13)

Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte

Eine einheitliche Haftungsgarantie besteht im deutschen Recht nicht. Entschädigungs-, Schadensersatz-, Ausgleichs- und Beseitigungsansprüche stehen unübersichtlich, teilweise beziehungslos, großenteils richterrechtlich geprägt und stellenweise mit dogmengeschichtlichem Ballast befrachtet nebeneinander. Das Haftungsregime

– ist zunächst unmittelbar und primär (allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch); hernach beschränkt sich die unmittelbare Haftung auf sekundärer Ebene auf die aufopferungsrechtlich erfaßten Rechtsgüter; ansonsten bleibt die Haftung in Gestalt der Amtshaftung eine mittelbare; – umfaßt neben der Unrechtshaftung andere Einstandpflichten für Rechtseinbußen infolge der Ausübung öffentlicher Gewalt; – ist in wesentlichen Teilen nicht grundrechtlich fundiert; – kennt spezifische prozessuale Standards nur rudimentär. Das Haftungsregime findet seine Grundlage in der Zusammenschau von Rechtsstaatsprinzip und grundrechtlichen Gewährleistungen. Als materielle Ansprüche (haftungsrechtliche Korrelate) – „umhegen“ die sekundären Ansprüche primäre subjektiv-öffentliche Rechte; – stellen sie einen sekundären, vermögenswerten Anspruch neben die primäre Rechtsposition; – knüpfen sie tatbestandsmäßig an das „umhegte“ primäre individuelle Recht an;

Die Haftungsgarantie des Gemeinschaftsrechts ist einheitlich.

Die Haftungsgarantie des Gemeinschaftsrechts – ist eine unmittelbare und sekundäre (ein allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch existiert nicht);

– ist Unrechtshaftung;

– stellt ein materielles (Grund-)Recht dar; – formuliert prozessuale Standards zur Realisierung dieses Rechts. Die Haftungsgarantie findet ihre historische Grundlage im Rechtsstaatsprinzip, hat aber zwischenzeitlich eine grundrechtliche Ausformung erfahren. Als materieller Anspruch (haftungsrechtliches Korrelat) – „umhegt“ die Haftungsgarantie primäre individuelle Rechte;

– stellt sie einen sekundären, vermögenswerten Anspruch neben die primäre Rechtsposition; – knüpft sie tatbestandsmäßig an die Verletzung des „umhegten“ primären individuellen Rechts an;

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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Gemeinschaftsrechtliches Verständnis Deutsches Verständnis Haftungsrechtlicher Bezug individueller Rechte

die Anknüpfung reicht von der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale – namentlich der drittgerichteten Amtspflicht – bis zur zumindest teilweisen Begründung von Ansprüchen; – unterliegen sie nur theoretisch spezifisch haftungsbezogenen Kriterien der Ermittlung (das Amtshaftungsrecht folgt dem subjektiv-rechtlichen Grundverständnis im Hinblick auf die rechtlich geschützte Eigensphäre des Bürgers); – unterscheiden sie sich in den Rechtsfolgen erheblich und changieren zwischen echten Schadensersatzund Entschädigungsregelungen; Restitution gewährt der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch. Hinsichtlich ihrer Durchsetzung als individuelle Rechte – knüpfen die haftungsrechtlichen Rechte an die prozessualen Standards des primärrechtlichen Schutzes an.

Primäre individuelle Rechte stellen sich sowohl als haftungsbegründend als auch als haftungsbegrenzend dar. Haftungsbegrenzungen sind namentlich in Sätzen über die Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte (im Merkmal der „drittgerichteten Amtspflicht“) verankert. Mitverschulden wird berücksichtigt. Der Primärrechtsschutz genießt Vorrang.

– unterliegt sie nur theoretisch spezifisch haftungsbezogenen Kriterien der Ermittlung;

– ist sie in der Regel auf volle pekuniäre Kompensation (Schadensersatz, nicht bloße Entschädigung), nicht hingegen auf Restitution gerichtet.

Als Satz über die Durchsetzung individueller Rechte – knüpft die Haftungsgarantie an die prozessualen Standards des primärrechtlichen Schutzes an;

– formuliert die Haftungsgarantie spezielle Sätze über die Durchsetzung eines sekundären individuellen Rechts; diese werden durch die spezifisch kompensatorische Funktion der sekundären Ebene inhaltlich angereichert. - Primäre individuelle Rechte stellen sich als haftungsbegründend, nicht als spezifisch haftungsbegrenzend dar. Haftungsbegrenzungen sind im Merkmal des „qualifizierten Verstoßes“ verankert.

Mitverschulden wird berücksichtigt. Der Primärrechtsschutz genießt Vorrang.

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Viertes Kapitel: Zusammenfassung und Bilanz

II. Zusammenfassender Gesamtvergleich individueller Rechte im deutschen Recht und im Gemeinschaftsrecht 1. Das Zweite Kapitel hat ergeben7, daß sich hinsichtlich der Gründe individueller Rechte ein bemerkenswerter Gleichlauf feststellen läßt. Beiden Rechtsordnungen liegt die Vorstellung verantwortlicher Freiheit des einzelnen zugrunde. Die Idee einer Anteilnahme an der Rechtsgemeinschaft, eines privaten Engagements kennen beide Rechtsordnungen. In beiden üben individuelle Rechte eine für ein modernes Gemeinwesen unverzichtbare Doppelfunktion aus, indem sie die Ausübung von Hoheitsgewalt steuern und begrenzen und zugleich die auf Sicherung von Freiheit und Gleichheit gerichteten Interessen der einzelnen zur Entfaltung bringen. Das Gemeinschaftsrecht fühlt sich dem Blickwinkel der Gleichheitssicherung historisch stärker verbunden, während umgekehrt das deutsche Denken in der Tendenz eher aus der Perspektive der Freiheitssicherung geleitet wird. Wichtigstes gemeinsames Merkmal der Rechtsschutzgarantie stellt die Parallelität von materiellem Recht und Rechtsschutz dar. Unterschiede spiegeln sich im Verständnis insoweit wider, als Rechtsschutz auf die konkrete Ermittlung individueller Rechte verweist. Strukturunterschiede der Reichweite individueller Rechte bei ihrer Ermittlung führen insoweit zu einem breiteren Schutzbereich der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzgarantie, deren praktische Auswirkungen indes dadurch verringert werden, daß es jedenfalls aus der Sichtweise beider Rechtsordnungen einer materiell-rechtlichen Verankerung der Interessen und ihrer individualrechtlichen Ausgestaltung bedarf. Insgesamt läßt sich damit feststellen, daß sich deutsches und gemeinschaftsrechtliches Denken hinsichtlich der Gründe individueller Rechte in perspektivischen Nuancen unterscheiden, daß ihnen aber ein insgesamt gleichartiges Grundverständnis zu eigen ist, welches die Person in den Mittelpunkt rückt. Die in ihrer Anforderung und Funktion vergleichbaren Strukturen gelangen dabei zu praktisch gleichwertigen Resultaten. 2. Hinsichtlich der Ermittlung individueller Rechte wurde im Zweiten Kapitel nachgewiesen8, daß in beiden Rechtsordnungen davon ausgegangen werden kann, daß sich individuelle Rechte als Positionen bezeichnen lassen, „die mit der Befugnis zur Durchsetzung einer normativ intendierten Konfliktentscheidung verbunden“ sind. Im einzelnen bestehen gewichtige Unterschiede. Sie beginnen bei der dem deutschen Recht weiterhin geläufigen Unterscheidung zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht, welche den dogmengeschichtlichen Ballast des Konstitutionalismus auch im modernen Denken weiter mit ___________ 7 8

Oben, Zweites Kapitel – D., S. 412 ff. Oben, Zweites Kapitel – D., S. 412 ff.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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sich führt. Dem entspricht es, die Rechtssatzabhängigkeit – sowohl was die Aufnahme faktischer Impulse als auch eine mögliche Orientierung am gesamten das jeweilige Rechtsverhältnis regelnden Normmaterial betrifft – eher restriktiv zu handhaben und an einem Ideal des normativen Konditionalprogrammes weiter festzuhalten. Demgegenüber kann das Gemeinschaftsrecht in diesen Bereichen als wesentlich offener beschrieben werden. Eine normenhierarchisch unterschiedliche Ermittlung individueller Rechte kennt das Gemeinschaftsrecht nicht. Es bezieht den gesamten Normbestand für die normative Verankerung mit ein. Eine tatsächliche Betroffenheit oder konkrete Beeinträchtigung stellt auch im Gemeinschaftsrecht keine generelle, normunabhängige Entstehensvoraussetzung individueller Rechte dar. Das Gemeinschaftsrecht stellt freilich an die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer kontextabhängigen Gesetzeskonkretisierung keine allzu hohen Anforderungen und sieht darin im Unterschied zum deutschen Recht – Stichwort ist hier das Gebot der Rücksichtnahme – keine dogmatische Spezialkategorie. Es handelt sich hierbei jeweils um graduelle Unterschiede, die an der Rechtssatzabhängigkeit individueller Rechte nichts ändern. Auch Elemente der Faktizität in der modernen Schutznormlehre dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vermutung einer Begünstigung um so stärker ist, je deutlicher sich eine Interessenträgerschaft in der Norm selbst abbildet und daß im ganz überwiegenden Teil der Fälle das normative Element der Interessenschutzformel – mithin: der Begriff des Interesses selbst – das maßgebliche Kriterium deutschen Verständnisses bleibt. Vorherrschend ist immer noch eine Sichtweise, welche sich verbal der qualitativen Trennung von Interessen verpflichtet sieht und damit argumentativ operiert, ohne sich offen dem eigentlichen wertenden Zuweisungsprozeß zu stellen. Beide Rechtsordnungen operieren so mit einer Zuweisung von Interessen, wobei dies im Gemeinschaftsrecht offen, im deutschen Denken hingegen versteckt geschieht. Stark verkürzt gesprochen hat dies zur Folge, daß es sich als gemeinschaftsrechtlich entscheidend darstellt, ob die jeweilige Norm dem Schutz des einzelnen dienen kann, während es im deutschen Recht notwendig ist, daß sie dem einzelnen dienen soll. Damit ergeben sich zwei klare Unterschiede zum deutschen Recht: Im Gemeinschaftsrecht kann eine Norm, die vom Normgeber (nur) zum Schutz der Allgemeinheit bestimmt ist, individuelle Rechte verleihen. Und eine Norm kann individuelle Rechte auch an Personen verleihen, die nicht primär Begünstigte, sondern nach deutschem Denken eher reflexartig Betroffene sind, wenn und soweit ein „unmittelbares Interesse“ am Normvollzug für sie streitet. Hinsichtlich der Kriterien zur Ermittlung dieses „unmittelbaren Interesses“ finden sich dann wieder Parallelen zur Ermittlung des „zumindest auch privaten Interesses“ im deutschen Denken. Unmittelbarkeit, Bestimmtheit und Orientierung an der Art des Rechtsverhältnisses finden sich so in beiden Rechtsordnungen: Im Gemeinschaftsrecht eher von der Warte des potentiell von der Normwirkung

Viertes Kapitel: Zusammenfassung und Bilanz

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Profitierenden mit Blick auf die Norm, im deutschen Recht eher von der Norm selbst her, die eine mögliche Interessenträgerschaft abbilden soll. Dieser Sichtweise entspricht es jeweils auch, daß individuelle Rechte eine Zuordnung des Rechtsaktes verlangen, das subjektiv-öffentliche Recht hingegen nach einer Zuordnung des hinter der Norm stehenden Rechtsgutes verlangt. Die nach beiden Rechtsordnungen vorzunehmende „Gesamtbewertung von Rechtssatz, Rechtssatzergebnis und Gesamtposition des von diesem Ergebnis Profitierenden“ verfügt damit – wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive – über ein gewisses Konvergenzpotential. Beiden Rechtsordnungen ist überdies gemeinsam, daß die Gründe individueller Rechte bei ihrer Ermittlung in einem Kriterium entfaltet werden, welches sich als „Begriffselement“ darstellt: die Rechtsmacht im deutschen Recht sowie die „invocabilité“ im Gemeinschaftsrecht repräsentieren in beiden Rechtsordnungen den Gedanken, daß individuellen Rechten ihre Durchsetzbarkeit intentional zu eigen ist. Das Kriterium stellt in beiden Rechtsordnungen das begriffliche Bindeglied zwischen den Gründen individueller Rechte und ihrer Ermittlung dar und verweist gleichzeitig auf die Sätze über die Durchsetzbarkeit individueller Rechte. 3. Daß sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Gründe und Ermittlung individueller Rechte in den jeweiligen Beziehungen individueller Rechte zum Rechtsschutzsystem ausdrücken, stellt einen Ertrag des Dritten Kapitels9 dar. Sektorale Aussparungen vom System des subjektiven Rechtsschutzes sind im deutschen Recht außerordentlich gering. Bestrebungen, die auf ein eher objektivrechtliches System hinweisen – wie etwa erweiterte Ausnahmen vom Grundsatz des Suspensiveffektes oder Verbandsklagerechte –, steht der weitere Ausbau subjektivrechtlicher Elemente – wie etwa der Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren – gegenüber. Während sich das deutsche System also fast durchgängig an der spezifischen Wertigkeit subjektiv-öffentlicher Rechte orientiert, stellen individuelle Rechte zwar den Gravitationspunkts des gemeinschaftsprozessualen Systems dar, welches ansonsten aber in Bereichen durch Spezifika eines contentieux objectif gekennzeichnet ist. In der Gesamtschau sind die untersuchten Elemente auf ein „subjektiv-rechtlich aufgeladenes“ System des objektiven Rechtsschutzes zugeschnitten. Während Suspensiveffekt, Urteilswirkung und Herrschaft über den Streitgegenstand eher dem System des contentieux objectif zuzuordnen sind, lassen sich hinsichtlich der Überprüfung an höherrangigem Recht und hinsichtlich der Unabhängigkeit der Gerichte Akzentuierungen in Richtung des contentieux subjectif nachweisen. ___________ 9

Oben, Drittes Kapitel – E.I., S. 505 ff.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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Dies gilt nach der hier vertretenen Auffassung auch für die Klagebefugnis bei mittelbarem Vollzug. Der Unterschied drückt sich über den Umfang der Interessen aus, welche bei der Ermittlung individueller Rechte einerseits sowie subjektiv-öffentlicher Rechte andererseits Berücksichtigung finden. Die im Kriterium der Rechtsmacht respektive der „invocabilité“ angelegte Entfaltung der Gründe individueller Rechte wirkt sich in beiden Systemen aber gleichermaßen aus. Geht man zutreffend von einer Parallelität von Recht und Rechtsschutz aus, ordnet man weiter die „invocabilité“ als Begriffselement ein und versteht man demnach das direkte Interesse im Sinne der Rechtssache Verholen10 materiellrechtlich, so ergeben sich die Anforderungen an das nationale Prozeßrecht nicht aus den individuellen Rechten selbst, sondern aus der Rechtsschutzgarantie. Diese hat mit ihren Anforderungen an das nationale Recht das jeweilige individuelle Recht in der Intentionalität seiner Durchsetzung eigenständig zu stützen. Die Rechtsschutzgarantie aber knüpft so prozessual immer an Rechte an, nicht an Interessen. Diese sind begrifflich bereits Teil des Rechts. Daraus folgt aber für die deutsche Klagebefugnis, daß sie für individuelle Rechte unter den gleichen Bedingungen wie für subjektiv-öffentliche Rechte anzunehmen ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger fordert die Rechtsschutzgarantie. De lege lata ist die Klagebefugnis aufgrund der dargestellten Anforderungen der Effektivität und der Äquivalenz so auszulegen, daß „Recht“ i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO als Oberbegriff für individuelle Rechte und subjektiv-öffentliche Rechte zu lesen ist, deren Ermittlung sich nach den dogmatischen Anforderungen der beiden Rechtsordnungen richtet. Der kollisionslösenden Wirkung der individuellen Rechte als Geltungsmodus des Gemeinschaftsrechts wird so bei gleichzeitiger Schonung mitgliedstaatlicher dogmatischer Strukturen am besten entsprochen. De lege ferenda kann über eine Einführung einer Interessentenklage nachgedacht werden, da im Hinblick auf § 113 VwGO die auf die subjektivöffentlichen Rechte zugeschnittene Kontrolldichte bei der Reichweite der gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechte an ihre Grenzen gerät. Möglich wäre aber auch eine gewisse Verringerung der Kontrolldichte. In diesem Fall könnte eine am subjektiven System orientierte Klageberechtigung erhalten bleiben. Die Optionen des nationalen Gesetzgebers sind somit weit differenzierter, als dies angenommen wird. Bleibt die Parallelität von individuellem Recht und Möglichkeit des Rechtsschutzes und damit der Bezugspunkt zu individuellen Rechten erhalten, vermag der Akzent im Hinblick auf die Klagebefugnis in Richtung einer Interessentenklage verschoben werden; er kann aber auch bei einer Verletztenklage verharren, wenn andere Elemente dieses Systems entsprechend angepaßt werden. ___________ 10 EuGH, Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, I-3757.

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Viertes Kapitel: Zusammenfassung und Bilanz

Bedeutende Unterschiede bestehen hinsichtlich des Suspensiveffektes. Während er im deutschen System seine Rechtfertigung in der Wertigkeit subjektivöffentlicher Rechte findet, variiert gemeinschaftsrechtlich seine innere Berechtigung nach Maßgabe der Rechtsgrundlage. Nur bei in Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehenden nationalen Rechtsgrundlagen muß von einer aufschiebenden Wirkung ausgegangen werden; diese findet ihre Berechtigung in gemeinschaftsrechtlichen individuellen Rechten, wenn und soweit sich diese im Gleichlauf mit dem effet utile bewegen. Insoweit sind die Unterschiede der beiden Systeme zwar beträchtlich; ein Vergleich läßt sich allerdings nicht durch eine plakative Gegenüberstellung zweier idealtypischer Systeme bewältigen. Als hilfreicher als eine pauschale Zuordnung zum einen oder anderen System hat sich erwiesen, die einzelnen Systemausprägungen zu betrachten und den Gravitationspunkt des Systems jeweils im Auge zu behalten. Dieser aber stellt sich in beiden Systemen als zumindest subjektiv-rechtlich aufgeladen dar. Beide Rechtsordnungen erlauben keine gerichtliche Kontrolle, wenn der einzelne zwar in einem Interesse beeinträchtigt ist, dieses Interesse ihm aber nicht als sein besonderes zugewiesen ist. 4. Ein weiteres Ergebnis des Dritten Kapitels11 stellt der Umstand dar, daß den Haftungssystemen bestimmte interpretatorische Vorgaben entnommen werden können. Die Haftungssysteme knüpften beide primär bereits an der verletzten Achtungspflicht selbst und an dem daraus (potentiell) erwachsenden individuellen Recht an. Gemeinsam ist ihnen, daß sekundäre Ansprüche nicht aus dem primären individuellen Recht selbst erwachsen, sondern in zusätzlichen individuellen Rechten verankert sind. Gemeinsam ist beiden Rechtsordnungen überdies, daß diese sekundären Rechte materiell-rechtlich verstanden werden. Auch wenn einzelne Ausprägungen in der einen Rechtsordnung materiell-rechtlich, in der anderen hingegen eher prozessual eingeordnet werden, ändert dies nichts an dem generellen Befund. Die grundrechtliche Fundierung des gemeinschaftsrechtlichen Haftungsanspruches steht zumindest einer rein prozessualen Sichtweise entgegen12. Andererseits macht gerade die systematische Stellung von Art. 41 Abs. 3 GR-Charta deutlich, daß der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch in viel stärkerem Maße als die Ansprüche des deutschen Haftungsregimes auf eine spezifische verfahrensrechtliche Umgebung bezogen ist. In der weiteren Auffächerung ergeben sich beachtliche Unterschiede. Die Haftungsgarantie des Gemeinschaftsrechts stellt sich als einheitliche, unmittelbare, sekundäre, auf Schadensersatz gerichtete Unrechtshaftung dar, ___________ 11

Oben, Drittes Kapitel – E.II., S. 509 ff. Art. 41 Abs. 3 GR-Charta (Art. II-41 Abs. 3 des geplanten Verfassungsvertrages) als Bürgerrecht. 12

A. Zusammenfassung der Ergebnisse

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deren Gründe zwischenzeitlich eine grundrechtliche Fundierung erfahren haben, welche spezifische prozessuale Standards umfaßt. Diese sieben Elemente finden im deutschen Haftungsrecht nur teilweise Entsprechungen. Eine einheitliche Haftungsgarantie besteht im deutschen Recht nicht. Entschädigungs-, Schadensersatz-, Ausgleichs- und Beseitigungsansprüche stehen unübersichtlich, teilweise beziehungslos, großenteils richterrechtlich geprägt und stellenweise mit dogmengeschichtlichem Ballast befrachtet nebeneinander. Das deutsche Haftungsrecht ist zunächst in Gestalt des Folgenbeseitigungsanspruches vor allem ein unmittelbares und primäres Haftungsrecht. Auf sekundärer Ebene verstärkt sich die Disparität, indem eine unmittelbare Haftung auf die aufopferungsrechtlich erfaßten Rechtsgüter beschränkt bleibt, ansonsten aber in Gestalt der Amtshaftung in eine mittelbare abgleitet; die Rechtsfolgen changieren zwischen Entschädigung einerseits und Schadensersatz andererseits. Das deutsche Haftungssystem erfaßt neben der Unrechtshaftung andere auf Entschädigung gerichtete Einstandpflichten für Rechtseinbußen infolge der Ausübung öffentlicher Gewalt. Die Gründe für diese sekundären Rechte sind in wesentlichen Teilen nicht grundrechtlich fundiert, sondern ergeben sich in der Zusammenschau von Rechtsstaatsprinzip und grundrechtlichen Gewährleistungen. Spezifische prozessuale Standards bestehen kaum. Die sekundären Rechte sind damit nach deutschem Verständnis in weit geringerem Maße auf eine bestimmte prozessuale Umgebung bezogen, als dies im Gemeinschaftsrecht der Fall ist. Neben all diesen Unterschieden besteht aber die Gemeinsamkeit der Ansprüche des Haftungsrechts beider Rechtsordnungen darin, daß primäre individuelle Rechte durch sie „umhegt“ werden; die Haftungsansprüche nehmen insoweit auf die primären individuellen Rechte bezug und weisen gleichzeitig über sie hinaus, indem sie einen zusätzlichen vermögenswerten Anspruch neben die primären individuellen Rechte stellen. Das Gemeinschaftsrecht knüpft tatbestandsmäßig an die Verletzung des „umhegten“ primären individuellen Rechts an und verzichtet inzwischen auf spezifisch haftungsbezogene Kriterien seiner Ermittlung. Primäre individuelle Rechte stellen sich als haftungsbegründend, nicht als haftungsbegrenzend dar. Daran zeigt sich, daß primäre individuelle Rechte aus unmittelbar geltendem und anwendbarem, respektive unmittelbar wirkendem und anwendbarem13 Gemeinschaftsrecht, sowie individuelle Rechte im Bereich der Haftung auf einer einheitlichen Konzeption beruhen. Haftungsbegrenzungen sind im Merkmal des „qualifizierten Verstoßes“ verankert, einer Art Globalabwägung zwischen ___________ 13

Vgl. zu den Begriffen oben, Zweites Kapitel – C.I.1.a)(3)(a), S. 278 ff.

Viertes Kapitel: Zusammenfassung und Bilanz

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Umständen unterschiedlicher Art, deren dogmatische Strukturen noch nicht ausreichend erfaßt sind. Auch die Ansprüche des deutschen Haftungsregimes knüpfen an primäre subjektiv-öffentliche Rechte an; die Anknüpfung reicht aber von der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale – namentlich der drittgerichteten Amtspflicht – bis zur zumindest teilweisen Begründung von Ansprüchen. Den Grundrechten und einfachrechtlichen subjektiv-öffentlichen Rechten und Rechtsverhältnissen als Strukturelementen der Rechtsordnung, aus deren Konkretisierung sich im Einzelfall Gegenpositionen zu den Befugnissen der öffentlichen Gewalt ergeben, entsprechen auf der Ebene sekundärer Ansprüche die Rechte, Schutznormen und rechtlichen Sonderverbindungen, deren Verletzung die Haftung auslöst. Die verschiedenen Konzeptionen im Anspruchssystem orientieren sich an dieser Unterscheidung. Auch im deutschen Recht sind spezifisch haftungsbezogene Kriterien der Ermittlung theoretisch vorhanden. Namentlich die Drittgerichtetheit der Amtspflicht folgt aber dem subjektiv-rechtlichen Grundverständnis im Hinblick auf die rechtlich geschützte Eigensphäre des Bürgers und zeichnet so die für primäre subjektiv-öffentliche Rechte dargestellten Kriterien14 auf sekundärer Ebene nach. Aus dieser Tatsache ergibt sich auch, daß Haftungsbegrenzungen in Sätzen über die Ermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte selbst – vor allem im Merkmal der „drittgerichteten Amtspflicht“ – verankert sind. Die strukturelle Parallele, die auf europäischer Ebene zwischen Rechtsschutzgebot für individuelle Rechte und Haftungsgarantie besteht, findet so in der Verwandtschaft zwischen subjektiv-öffentlichem Recht als Voraussetzung primären Rechtsschutzes und der Drittbezogenheit der verletzten Amtspflicht ihre Entsprechung. Beiden Rechtsordnungen gemeinsam ist die Trennung von „umhegendem“ (sekundärem) und umhegtem (primärem) individuellen Recht; letzterem ist ersteres nicht immanent, sondern jeweils nur intentional zu eigen. Der sekundäre Anspruch findet aber jeweils Anknüpfungspunkt und innere Rechtfertigung im primären individuellen Recht. Insoweit empfängt die Ermittlung sekundärer subjektiv-öffentlicher Rechte als Positionen in beiden Rechtsordnungen funktionale interpretatorische Vorgaben die – wiewohl erst auf sekundärere Ebene unmittelbar relevant – bereits auf primärer Ebene im Auge zu behalten sind, will man die volle inhaltliche Tiefe der primären individuellen Rechte treffend erfassen. Auch die Sätze über die Gründe primärer individueller Rechte sowie die Sätze über ihre Durchsetzung werden durch die Haftungsregime beider Rechts___________ 14

Oben, Zweites Kapitel – B.III.2., S. 148 ff. und Zweites Kapitel – B.IV.2., S. 228.

B. Abschließende Bewertung und Ausblick

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ordnungen inhaltlich ähnlich angereichert, indem sie durch das Postulat vorrangigen Primärrechtsschutzes ein zusätzliches gewichtiges Element von Eigenverantwortlichkeit enthalten, welches mittelbar auf die primären individuellen Rechte zurückstrahlt.

B. Abschließende Bewertung und Ausblick Trotz dieses bei aller Unterschiedlichkeit nachzuweisenden Konvergenzpotentials bleibt auch bei pragmatischer Betrachtung in der Gesamtsicht ein wesentlicher Unterschied, auf den sich die meisten der strukturellen Unterschiede zurückführen lassen. Dieser Umstand besteht in der aus deutscher Perspektive grundsätzlich objektivrechtlichen Strukturierung aggregierter Interessen. Diese Denkweise bleibt dem Gemeinschaftsrecht fremd. Das Gemeinschaftsrecht geht an dieser Stelle davon aus, daß bei solchen Interessen die individuelle Struktur zumindest erhalten bleibt. An genau dieser Nahtstelle reiben sich die Rechtsordnungen in besonderer Weise. Damit aber lautet die Schlußfolgerung des Strukturvergleiches, daß es aus der Sicht beider Rechtsordnungen gilt, spezifisch über den Interessenbegriff, seine Strukturen und seine Darstellung neu nachzudenken15. Je nach Dichtegrad der Aggregation kann hierbei aus deutscher Sicht eine weitere, aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive hingegen eine engere Sichtweise den Weg zu einer stärkeren Konvergenz weisen. Dabei darf indes nicht stehengeblieben werden. Tatsächlich ist menschliches Verhalten nicht nur von Interessen, sondern auch von Theorien geprägt, also von Vorstellungen über Zusammenhänge in Natur und Gesellschaft16. Außerdem wollen die Menschen im Einklang mit normativen Leitbildern leben, denen sie sich verbunden fühlen17. Aus beiden Gründen muß der analytische Blick nicht nur auf Interessen fallen, sondern auch auf Ideen18. Ideen aber sind Ausdruck einer geistesgeschichtlichen Situation19. Liegen diese Ideen dogmatischen Rechtsbegriffen zugrunde, so transportieren letztere diese Situation. Und je leistungsfähiger Theorien und Begriffe sind, desto intensiver verstellen sie den Blick auf (neue) Teile der Wirklichkeit, die sie abbilden müssen20. Wer sich ___________ 15 E. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Schuppert, Schriften zur Reform des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Grundfragen, 1993, S. 1 [37]. 16 V. Vanberg / J. Buchanan, Journal of Theoretical Politics 1989, S. 49 ff. 17 C. Engel, Offene Gemeinwohldefinitionen, S. 4. 18 C. Engel, a.a.O. (oben, Fn. 17), S. 4; A. Yee, International Organization 50 (1996), S. 66 ff. 19 Vgl. oben, Erstes Kapitel – C.II., S. 61. 20 C. Engel, a.a.O. (oben, Fn. 17), S. 4.

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Viertes Kapitel: Zusammenfassung und Bilanz

dieser Einsicht verschließt, wird auch weiterhin die Bühlersche Formel21 unbesehen im durch das Grundgesetz verfaßten Gemeinwesen anwenden oder individuelle Rechte des Unionsbürgers utilitaristisch auf einen bloßen Kontrollfaktor, den einzelnen selbst auf eine bloße Zubringerfunktion22, auf ein dem Rechtssystem als solchem dienliches Objekt reduzieren23. Die in den Rechtsbegriffen gespeicherten Ideen sind daher immer wieder neu auf Tauglichkeit zu untersuchen. Vernachlässigt man dies, besteht leicht die Gefahr, die Eberhard Schmidhäuser anhand Franz Kafkas Legende vom Türhüter24 beschrieben hat25: Nachdem er beim Leser eine „lapidar großartige Vorstellung vom ‚Gesetz‘“ erzeugt habe, überrasche es hernach, „daß der Eingang zu diesem Gesetz von einem solch lächerlichen, antiquierten Türhüter bewacht“ werde. Dies aber deute darauf hin, daß eine „erhebliche Diskrepanz zwischen ideellem Gehalt des Gesetzes und dem praktischen Umgang“ damit bestehe. Eine Idee indes „[…] tritt als ein fremder Gast in Erscheinung. Eine Rechtswissenschaft, die sich nicht als realitätsindifferent begreift, ist zu Gastfreundlichkeit angehalten, will sie ihre dogmatischen Konstruktionen vor Überalterung schützen.“26

Dies gilt für beide Rechtsordnungen27. Als eine Ursache für die Meinungsvielfalt zu individuellen Rechten wurde die fehlende Trennung zwischen ihren Gründen, ihrer Ermittlung und ihrer rechtlichen Durchsetzbarkeit ausgemacht28. Die hierzu herausgearbeiteten Kriterien können dazu dienen, die jeweils eigenen dogmatischen Konstruktionen besser zu erfassen. Dies wiederum ermöglicht einerseits, die angesprochene Gastfreundschaft zu gewähren, andererseits aber auch, die in diesen Rechtsfiguren gespeicherten Ideen respektvoll zu betrachten und nicht vorschnell durch andere zu ersetzen. So verstanden sind Zeitgebundenheit und Dynamik29 der Dogmatik individueller Rechte produktiv.

___________ 21 Vgl. oben, Zweites Kapitel – B.I.1.a)(1)(a), S. 71; Zweites Kapitel – B.I.1.a)(8), S. 83; Zweites Kapitel – B.I.1.b)(2), S. 87; Zweites Kapitel – B.III.2., S. 148. 22 Wie sie in der älteren Rechtsprechung des EuGH durchaus anklingt, vgl. noch einmal EuGH, Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, 1 [26]. 23 Zur Kritik hieran oben, Zweites Kapitel – C.I.2.c)(3)(b), S. 334; Zweites Kapitel – C.III.1.b)(3), S. 365 ff. 24 F. Kafka, Der Prozeß, 1983, S. 182 ff. 25 E. Schmidhäuser, in: FS für Arthur Kaufmann, S. 803 [816]. 26 A. von Bogdandy / M. Nettesheim, NJW 1995, S. 2324 [2324]. 27 Die Aufgabe gemeinsamer Systembildung im entstehenden Europäischen Verwaltungsrecht betonend: E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, S. 333 ff. 28 Oben, Zweites Kapitel – B.II.2., S. 120 f.; Zweites Kapitel – C.II., S. 343. 29 Oben, Zweites Kapitel – B.II.2., S. 375.

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Rechtsprechungsverzeichnis

Die Rechtsprechung ist nach Spruchkörpern, innerhalb dieser nach Entscheidungsdatum aufgeführt. Fundstellen beziehen sich auf Seitenzahlen. Fundstellen in Klammern beziehen sich auf Fußnoten. Häufig zitierte Entscheidungen sind auch im Sachverzeichnis berücksichtigt.

1. Entscheidungen von Gemeinschaftsgerichten a) Entscheidungen des EuGH (1) Urteile und Beschlüsse Urt. v. 21.12.1954, Rs. 1/54 – Frankreich / Hohe Behörde, Slg. 1954, S. 7: 236 (919), 463 (253) Urt. v. 21.12.1954, Rs. 2/54 – Italien / Hohe Behörde, Slg. 1954, S. 81: 236 (919) Urt. v. 29.11.1956, Rs. 8/55 – Fédération Charbonnière de Belgique / Hohe Behörde, Slg. 1956, S. 297: 236 (920), 63 (5) Urt. v. 12.7.1957, Rs. 7/56 und 3/57 - 7/57 – Algera, Slg. 1957, S. 83: 63 (5) Urt. v. 4.2.1959, Rs. 1/58 – Stork, Slg. 1959, S. 45: 263 (1071) Urt. v. 15.7.1960, verb. Rs. 36–38/59 und 40/59 – Präsident Ruhrkohlen-Verkaufsgesellschaft u. a., Slg. 1960, S. 887: 263 (1071) Urt. v. 16.12.1960, Rs. 6/60 – Humblet, Slg. 1960, S. 116: 361 (46), 62 (49), 236 (921), 236 (923), 237 (928), 237 (930), 239 (937), 239 (938), 313 (1363), 356 (1641) Urt. v. 22.3.1961, verb. Rs. 24 und 49/59 – SNUPAT, Slg. 1961, S. 105: 63 (4) Urt. v. 5.2.1963, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, S. 1: 53 (16), 63 (5), 229 (895), 235 (913), 236 (921), 236 (922), 239 (939), 239 (940), 239 (941), 240 (943), 240 (944), 245 (967), 246 (979), 257 (1035), 281 (1178), 301 (1295), 302 (1298), 308 (1328), 311 (1353), 313 (1365), 314 (1368), 325 (1438), 334 (1499), 340 (1536), 342 (1546), 347 (1582), 350 (1600), 364 1682), 365 (1687), 368 (1701), 368 (1702), 377 (1753), 378 (1759), 384 (1786), 395 (1841), 532 (22) Urt. v. 27.3.1963, verb. Rs. 28–30/62 – Da Costa u. a., Slg. 1963, S. 59: 357 (1647), 470 (289) Urt. v. 15.7.1963, Rs. 25/62 – Plaumann / Kommission, Slg. 1963, S. 213: 403 (1887), 448 (170), 448 (171) Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 – Costa / E.N.E.L., Slg. 1964, S. 1253: 53 (16), 56 (25), 232 (900), 233 (904), 236 (921), 240 (947), 241 (952), 242 (955), 308 (1328), 350 (1603) Beschl. v. 22.6.1965, Rs. 9/65 – Acciaierie San Michele / Hohe Behörde, Slg. 1967, S. 37: 232 (902), 294 (1248)

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Urt. v. 16.6.1966, verb. Rs. 52 und 55/65 – Deutschland / Kommission, Slg. 1966, S. 220: 373, (1736) Urt. v. 16.6.1966, Rs. 57/65 – Lütticke, Slg. 1966, S. 258: 53 (16), 280 (1175), 308 (1328), 308 (1330), 308 (1333), 385 (1788) Urt. v. 15.3.1967, Rs. 35/65 – Gutmann / Kommission, Slg. 1967, S. 80: 373 (1734) Urt. v. 14.7.1967, verb. Rs. 5, 7, 13–24/66 – Kampffmeyer u. a. / Kommission, Slg. 1967, S. 332: 206 (796), 476 (321), 477 (322), 477 (326) Urt. v. 3.4.1968, Rs. 28/67 – Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe, Slg. 1968, S. 216: 246 (981), 261 (1063), 308 (1328), 308 (1329), 308 (1333), 315 (1372), 342 (1543), 384(1786), 394 (1838) Urt. v. 19.12.1968, Rs. 13/68 – Salgoil, Slg. 1968, S. 680: 307 (1324), 362 (1672), 432 (78) Urt. v. 1.7.1969, verb. Rs. 2 und 3/69 – Sociaal Fonds voor de Diamantarbeiders, Slg. 1969, S. 211: 280 (1175), 380 (1768) Urt. v. 10.7.1969, Rs. 9/69 – Sayag, Slg. 1969, S. 329: 476315 Urt. v. 12.11.1969, Rs. 29/69 – Stauder, Slg. 1969, S. 419: 263 (1075), 264 (1078), 284 (1190) Urt. v. 10.12.1969, verb. Rs. 10 und 18/68 – „Eridiana” Zuccherifici Nazionale u. a. / Kommission, Slg. 1969, S. 459: 54 (20) Urt. v. 6.10.1970, Rs. 9/70 – Grad (Leberpfennig), Slg. 1970, S. 825: 282 (1182) Urt. v. 21.10.1970, Rs. 23/70 – Haselhorst, Slg. 1970, S. 881: 282 (1182) Urt. v. 17.12.1970, Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, S. 1125: 56 (25), 242 (956), 263 (1076) Urt. v. 17.12.1970, Rs. 33/70 – S.A.C.E., Slg. 1970, S. 1213: 282 (1184), 283 (1186) Urt. v. 31.3.1971, Rs. 22/70 – Kommission / Rat (AETR), Slg. 1971, S. 263: 243 (960), 295 (1252) Urt. v. 28.4.1971, Rs. 4/69 – Lütticke / Kommission, Slg. 1971, S. 325: 475 (313) Urt. v. 13.5.1971, verb. Rs. 41–44/70, International Fruit Company u. a. / Kommission, Slg. 1971, S. 411: 447 (165), 449 (174) Urt. v. 21.5.1971, Rs. 55/70 – Reinarz, Slg. 1971, S. 379: 486 (382) Urt. v. 23.11.1971, Rs. 62/70 – Bock / Kommission, Slg. 1971, S. 897: 448 (168) Urt. v. 2.12.1971, Rs. 5/71 – Zuckerfabrik Schöppenstedt, Slg. 1971, S. 975: 324 (1429), 328 (1465), 476 (321), 487 (387) Urt. v. 13.6.1972, verb. Rs. 9/71 und 11/71 – Compagnie d’approvisionnement und Grands Moulins de Paris / Kommission, Slg. 1972, S. 391: 480 (349) Urt. v. 12.12.1972, verb. Rs. 21–24/72 – International Fruit Company u. a., Slg. 1972, S. 1219: 294 (1247), 294 (1251), 295 (1252), 295 (1253), 297 (1263), 297 (1264), 447 (165), 449 (174) Urt. v. 7.2.1973, Rs. 39/72 – Kommission / Italien (Schlachtprämien), Slg. 1973, S. 101: 349 (1592) Urt. v. 21.2.1973, Rs. 6/72 – Europemballage und Continental Can Company / Kommission, Slg. 1973, S. 215: 314 (1368) Urt. v. 19.6.1973, Rs. 77/72 – Capolongo, Slg. 1973, S. 611: 466 (265) Urt. v. 4.7.1973, Rs. 1/73 – Westzucker, Slg. 1973, S. 723: 382 (1779) Urt. v. 10.10.1973, Rs. 34/73 – Variola, Slg. 1973, S. 981: 280 (1169), 380 (1768) Urt. v. 24.10.1973, Rs. 10/73 – Rewe-Zentral („Pfirsichkonserven“), Slg. 1973, S. 1175: 392 (1825), 392 (1827), 393 (1829), 394 (1836) Urt. v. 30.1.1974, Rs. 127/73 – Belgische Radio en Televisie (BRT I), Slg. 1974, S. 51: 340 (1538) Urt. v. 30.4.1974, Rs. 155/73 – Sacchi, Slg. 1974, S. 409: 370 (1713)

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Urt. v. 30.4.1974, Rs. 181/73 – Haegemann II, Slg. 1974, S. 449: 232 (902), 280 (1172), 294 (1245), 297 (1269) Urt. v. 14.5.1974, Rs. 4/73 – Nold / Kommission, Slg. 1974, S. 491: 263 (1077), 264 (1079) Urt. v. 21.6.1974, Rs. 2/74 – Reyners, Slg. 1974, S. 631: 245 (970), 245 (975), 350 (1600), 350 (1602) Urt. v. 2.7.1974, Rs. 153/73 – Holtz & Willemsen / Rat und Kommission, Slg. 1974, S. 675: 475 (313) Urt. v. 2.7.1974, Rs. 173/73 – Italien / Kommission, Slg. 1974, S. 709: 284 (1190) Urt. v. 11.7.1974, Rs. 8/74 – Dassonville, Slg. 1974, S. 837: 245 (968), 247 (985), 247 (986), 350 (1600) Urt. v. 8.10.1974, Rs. 175/73 – Gewerkschaftsbund Europäischer Öffentlicher Dienst u. a. / Rat, Slg. 1974, S. 917: 264 (1084) Urt. v. 3.12.1974, Rs. 33/74 – van Binsbergen, Slg. 1974, S. 1299: 245 (971), 252 (1007), 350 (1600) Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/74 – Van Duyn, Slg. 1974, S. 1337: 53 (16), 245 (969), 282 (1184), 283 (1188), 350 (1600), 364 (1680) Urt. v. 15.5.1975, Rs. 71/74 – Frubo / Kommission, Slg. 1975, S. 563: 372 (1726), 372 (1729) Urt. v. 12.12.1974, Rs. 36/74 – Walrave und Koch, Slg. 1974, S. 1405: 258 (1041) Urt. v. 28.10.1975, Rs. 36/75 – Rutili, Slg. 1975, S. 1219: 264 (1081) Urt. v. 5.2.1976, Rs. 87/75 – Bresciani, Slg. 1976, S. 129: 296 (1259) Urt. v. 26.2.1976, Rs. 52/75 – Gemüserichtlinie, Slg. 1976, S. 277: 355 (1635) Urt. v. 8.4.1976, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, S. 455: 257 (1036), 265 (1087), 325 (1437), 340 (1534), 347 (1582), 378 (1759), 384 (1786), 395 (1844) Urt. v. 2.6.1976, Rs. 56–60/74 – Kampffmeyer u. a. / Kommission und Rat, Slg. 1976, S. 711: 476 (321), 477 (322), 477 (326), 480 (350) Urt. v. 7.7.1976, Rs. 118/75 – Watson und Belmann, Slg. 1976, S. 1185: 62 (49), 237 (929), 307 (1327) Urt. v. 14.7.1976, Rs. 13/76 – Donà, Slg. 1976, S. 1333: 258 (1041) Urt. v. 27.10.1976, Rs. 130/75 – Prais / Rat, Slg. 1976, S. 1589: 264 (1085) Urt. v. 15.12.1976, Rs. 35/76 – Simmenthal I, Slg. 1976, S. 1871: 279 (1164) Urt. v. 16.12.1976, Rs. 33/76 – REWE, Slg. 1976, S. 1989: 308 (1331), 441 (126), 480 (351) Urt. v. 16.12.1976, Rs. 45/76 – Comet, Slg. 1976, S. 2043: 308 (1331), 441 (126) Urt. v. 1.2.1977, Rs. 51/76 – Nederlandse Ondernemingen, Slg. 1977, S. 113: 282 (1184), 332 (1484) Urt. v. 3.2.1977, Rs. 53/76 – Bouhelier, Slg. 1977, S. 197: 254 (1023) Urt. v. 2.3.1977, Rs. 44/76 – Milch-, Fett- und Eierkontor / Rat und Kommission, Slg. 1977, S. 393: 479 (346) Urt. v. 5.5.1977, Rs. 101/76 – K. Scholten Honig / Kommission und Rat, Slg. 1977, S. 709: 449 (175) Urt. v. 24.5.1977, Rs. 107/76 – Hoffmann-La Roche, Slg. 1977, S. 957: 439 (113) Urt. v. 9.6.1977, Rs. 90/76 – Ufficio Henry van Ameyde, Slg. 1977, S. 1091: 258 (1042) Urt. v. 19.10.1977, verb. Rs. 117/76 und 16/77 – Ruckdeschel u. a. und Diamalt (Quellmehl), Slg. 1977, S. 1753: 264 (1086) Urt. v. 25.10.1977, Rs. 26/76 – Metro SB-Großmärkte / Kommission, Slg. 1977, S. 1875: 450 (183) Urt. v. 23.11.1977, Rs. 38/77 – Enka BV, Slg. 1977, S. 2203: 282 (1184)

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Urt. v. 9.3.1978, Rs. 106/77 – Simmenthal II, Slg. 1978, S. 629: 56 (25), 243 (958), 244 (961), 279 (1162), 279 (1163), 279 (1165), 279 (1166), 279 (1167), 280 (1170), 341 (1540) Urt. v. 16.3.1978, Rs. 123/77 – UNICME / Rat, Slg. 1978, S. 485: 449 (175), 449 (176) Urt. v. 20.4.1978, verb. Rs. 80 und 81/77 – Les Commissionnaires Réunis und Les fils de Henri Ramel, Slg. 1978, S. 927: 255 (1024) Urt. v. 25.5.1978, verb. Rs. 83 und 94/76, 4,15 und 40/77 – Bayerische HNL Vermehrungsbetriebe u. a. / Kommission, Slg. 1978, S. 1209: 478 (335), 478 (336) Urt. v. 15.6.1978, Rs. 149/77 – Defrenne III, Slg. 1978, S. 1381: 265 (1087) Urt. v. 29.11.1978, Rs. 21/78 – Delkvist, Slg. 1978, S. 2327: 282 (1184) Urt. v. 29.11.1978, Rs. 83/78 – Pigs Marketing Board, Slg. 1978, S. 2347: 463 (254) Urt. v. 13.2.1979, Rs. 85/76 – Hoffmann-La Roche / Kommission, Slg. 1979, S. 461: 264 (1086) Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78 – Rewe-Zentral („Cassis de Dijon“), Slg. 1979, S. 649: 247 (987), 249 (996), 249 (997), 250 (999) Urt. v. 6.3.1979, Rs. 92/78 – Simmenthal / Kommission, Slg. 1979, S. 777: 447 (165), 470 (293) Urt. v. 29.3.1979, Rs. 113/77 – NTN Toyo Bearing Company u. a. / Rat, Slg. 1979, S. 1185: 447 (165), 448 (167) Urt. v. 5.4.1979, Rs. 148/78 – Ratti, Slg. 1979, S. 1629: 280 (1175), 282 (1184), 290 (1222), 335 (1508) Urt. v. 4.10.1979, Rs. 238/78 – Ireks Arkady (Quellmehl), Slg. 1979, S. 2955: 264 (1086), 478 (339) Urt. v. 13.12.1979, Rs. 44/79 – Hauer, Slg. 1979, S. 3727: 264 (1082) Urt. v. 4.3.1980, Rs. 49/79 – Pool / Rat, Slg. 1980, S. 569: 475 (313) Urt. v. 18.3.1980, Rs. 154, 205, 206, 227–228, 263 und 264/78, 31, 39, 83 und 85/79 – Ferrieria Valsabbia u. a. / Kommission, Slg. 1980, S. 907: 264 (1082) Urt. v. 10.6.1980, Rs. 37/79 – Marty, Slg. 1980, S. 2481: 340 (1538) Urt. v. 26.6.1980, Rs. 136/79 – National Panasonic / Kommission, Slg. 1980, S. 2033: 264 (1079) Urt. v. 29.10.1980, Rs. 138/79 – Roquette Frères / Rat (Isoglucose), Slg. 1980, S. 3333: 276 (1150) Urt. v. 29.10.1980, Rs. 139/79 – Maizena / Rat, Slg. 1980, S. 3393: 256 (1031) Urt. v. 22.1.1981, Rs. 58/80 – Dansk Supermarked, Slg. 1981, S. 181: 259 (1048) Urt. v. 13.5.1981, Rs. 66/80 – International Chemical Corp., Slg. 1981, S. 1191: 357 (1647), 470 (290) Urt. v. 17.6.1981, Rs. 113/80 – Kommission / Irland (Souvenirs), Slg. 1981, S. 1625: 249 (997) Urt. v. 7.7.1981 u. Beschl. v. 15.7.1981, Rs. 158/80 – Rewe Handelsgesellschaft Nord und Rewe Markt Steffen („Butterfahrten“), Slg. 1981, S. 1805: 261 (1063), 302 (1298), 302 (1299), 303 (1301), 325 (1436), 342 (1543), 362 (1669), 394 (1833), 400 (1870), 421 (11), 441 (124), 456 (216) Urt. v. 14.7.1981, Rs. 187/80 – Merck, Slg. 1981, S. 2063: 249 (997), 307 (1327) Urt. v. 11.11.1981, Rs. 203/80 – Casati, Slg. 1981, S. 2595: 276 (1153) Urt. v. 11.11.1981, Rs. 60/81 – IBM / Kommission, Slg. 1981, S. 2639: 447 (163), 453 (200) Urt. v. 7.12.1981, Rs. 279/80 – Webb, Slg. 1981, S. 3305: 250 (999) Urt. v. 19.1.1982, Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982, S. 53: 246 (980), 280 (1175), 282 (1184), 290 (1222), 316 (1377), 376 (1748) Urt. v. 10.2.1982, Rs. 76/81 – Transporoute, Slg. 1982, S. 417: 320 (1406)

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Urt. v. 5.5.1982, Rs. 15/81 – Gaston Schul Douane Expediteur, Slg. 1982, S. 1409: 256 (1031) Urt. v. 18.5.1982, Rs. 155/79 – AM & S Europe / Kommission, Slg. 1982, S. 1575: 348 (1588) Urt. v. 10.6.1982, Rs. 246/81 – Lord Bethell / Kommission, Slg. 1982, S. 2277: 446 (156) Urt. v. 6.10.1982, Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo, Slg. 1982, S. 3415: 311 (1354), 311 (1355), 312 (1359), 312 (1360) Urt. v. 6.10.1982, Rs. 307/81 – Alusuisse / Rat und Kommission, Slg. 1982, S. 3463: 449 (175), 449 (176) Urt. v. 26.10.1982, Rs. 104/81 – Kupferberg I, Slg. 1982, S. 3641: 294 (1246), 295 (1252), 295 (1254) Urt. v. 25.1.1983, Rs. 126/82 – Smit, Slg. 1983, S. 73: 282 (1184) Urt. v. 11.5.1983, Rs. 303/81 – Klöckner / Kommission, Slg. 1983, S. 1507: 372 (1727), 372 (1729) Urt. v. 27.9.1983, Rs. 216/82 – Universität Hamburg, Slg. 1983, S. 2771: 471 (295), 471 (296) Urt. v. 4.10.1983, Rs. 191/82 – FEDIOL / Kommission, Slg. 1983, S. 2913: 297 (1265), 447 (163) Urt. v. 9.11.1983, Rs. 199/82 – San Giorgio, Slg. 1983, S. 3595: 303 (1302), 362 (1670), 362 (1671), 441 (126) Urt. v. 13.12.1983, Rs. 222/82 – Apple and Pear Development Council, Slg. 1983, S. 4083: 254 (1023), 258 (1042) Urt. v. 26.1.1984, Rs. 301/82 – Clin-Midy, Slg. 1984, S. 251: 282 (1184) Urt. v. 31.1.1984, Rs. 286/82 und 26/83 – Luisi und Carbone, Slg. 1984, S. 377: 252 (1007), 252 (1008), 253 (1010), 327 (1453) Urt. v. 21.2.1984, verb. Rs. 239 und 275/82 – Allied Corporation u. a. / Kommission, Slg. 1984, S. 1005: 453 (203) Urt. v. 22.2.1984, Rs. 70/83 – Kloppenburg, Slg. 1984, S. 1075: 290 (1222) Urt. v. 13.3.1984, Rs. 16/83 – Prantl (Bocksbeutel), Slg. 1984, S. 1299: 249 (997) Urt. v. 10.4.1984, Rs. 14/83 – von Colson und Kamann, Slg. 1984, S. 1891: 290 (1227), 335 (1511) Urt. v. 10.4.1984, Rs. 79/83 – Harz, Slg. 1984, S. 1921: 290 (1227) Urt. v. 17.5.1984, Rs. 15/83 – Denkavit Nederland, Slg. 1984, S. 2171: 255 (1024) Urt. v. 21.6.1984, Rs. 69/83 – Lux / Rechnungshof, Slg. 1984, S. 2447: 373 (1734) Urt. v. 12.7.1984, Rs. 107/83 – Klopp, Slg. 1984, S. 2971: 247 (988) Urt. v. 9.10.1984, verb. Rs. 91 und 127/83 – Heineken Brouwerijen, Slg. 1984, S. 3435: 403 (1889) Urt. v. 6.12.1984, Rs. 59/83 – Biovilac / EWG, Slg. 1984, S. 4057: 480 (349) Urt. v. 13.12.1984, Rs. 251/83 – Haug-Adrion, Slg. 1984, S. 4277: 258 (1042) Urt. v. 10.1.1985, Rs. 229/83 – Leclerc, Slg. 1985, S. 1: 249 (997) Urt. v. 17.1.1985, Rs. 11/82 – Piraiki-Patraiki u. a. / Kommission, Slg. 1985, S. 207: 448 (168), 450 (186) Urt. v. 13.2.1985, Rs. 293/83 – Gravier, Slg. 1985, S. 593: 264 (1086) Urt. v. 20.3.1985, Rs. 264/82 – Timex Corporation / Rat und Kommission, Slg. 1985, S. 849: 450 (182), 450 (184), 453 (203) Urt. v. 9.7.1985, Rs. 179/84 – Bozzetti, Slg. 1985, S. 2301: 308 (1329) Urt. v. 11.7.1985, verb. Rs. 87/77, 130/77, 22/83, 9/84 und 10/84 – Salerno u. a. / Kommission und Rat, Slg. 1985, S. 2523: 447 (165) Urt. v. 11.7.1985, Rs. 64/84 – Cinéthèque, Slg. 1985, S. 2605: 265 (1088)

602

Rechtsprechungsverzeichnis

Urt. v. 7.11.1985, Rs. 145/83 – Adams / Kommission,, Slg. 1985, S. 3539: 476 (315), 479 (342) Urt. v. 14.1.1986, Rs. 267/82 – Développement SA / Kommission, Slg. 1986, S. 1907: 476 (318) Urt. v. 28.1.1986, Rs. 169/84 – Compagnie Française de L’Azote (COFAZ) u. a. / Kommission, Slg. 1986, S. 391: 54 (20), 449 (180), 449 (181), 453 (203) Urt. v. 6.2.1986, Rs. 162/84 – Vlachou / Rechnungshof, Slg. 1986, S. 481: 372 (1728), 372 (1729) Urt. v. 26.2.1986, Rs. 152/84 – Marshall, Slg. 1986, S. 723: 282 (1184), 290 (1223), 290 (1226), 293 (1242) Urt. v. 26.2.1986, Rs. 175/84 – Krohn & Co. Import-Export / Kommission, Slg. 1986, S. 753: 487 (388) Beschl. v. 5.3.1986, Rs. 69/85 – Wünsche, Slg. 1986, S. 947: 357 (1647), 470 (288) Urt. v. 23.4.1986, Rs. 294/83 – parti écologiste „Les Verts“ / Parlament, Slg. 1986, S. 1339: 238 (935), 305 (1312), 345 (1570), 356 (1640), 442 (130), 447 (163), 449 (176), 471 (297), 472 (302) Urt. v. 30.4.1986, Rs. 96/85 – Kommission / Frankreich, Slg. 1986, S. 1475: 247 (988) Urt. v. 15.5.1986, Rs. 222/84 – Johnston, Slg. 1986, S. 1651: 238 (935), 282 (1184), 353 (1620), 360 (1661) Urt. v. 8.10.1986, Rs. 234/85 – Keller, Slg. 1986, S. 2897: 264 (1083) Urt. v. 4.12.1986, Rs. 205/84 – Kommission / Deutschland (VAG), Slg. 1986, S. 3755: 247 (988) Urt. v. 14.1.1987, Rs. 281/84 – Zuckerfabrik Bedburg u. a. / Rat und Kommission, Slg. 1987, S. 49: 354 (1627) Urt. v. 11.3.1987, Rs. 265/85 – Van den Bergh en Jurgens u. a. / EWG, Slg. 1987, S. 1155: 269 (1105) Urt. v. 12.3.1987, Rs. 178/84 – Kommission / Deutschland (Reinheitsgebot), Slg. 1987, S. 1227: 249 (997) Urt. v. 24.3.1987, Rs. 286/85 – McDermott und Cotter, Slg. 1987, S. 1453: 3161378 Beschl. v. 26.3.1987, Rs. 46/87 R – Hoechst / Kommission, Slg. 1987, S. 1549: 464 (258) Urt. v. 21.5.1987, verb. Rs. 133–136/85 – Walter Rau Lebensmittelwerke u. a., Slg. 1987, S. 2289: 403 (1890) Urt. v. 29.9.1987, Rs. 81/86 – De Boer Buizen / Rat und Kommission, Slg. 1987, S. 3677: 480 (349) Urt. v. 30.9.1987, Rs. 12/86 – Demirel, Slg. 1987, S. 3719: 265 (1087), 294 (1245), 295 (1252), 295 (1255) Urt. v. 8.10.1987, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, S. 3969: 282 (1184), 287 (1204), 288 (1212), 289 (1220), 290 (1224) Urt. v. 1.10.1987, Rs. 311/85 – Vereniging van Vlaamse Reisbureaus, Slg. 1987, S. 3801: 259 (1048) Urt. v. 15.10.1987, Rs. 222/86 – UNECTEF, Slg. 1987, S. 4097: 238 (935), 251 (1005), 353 (1621), 360 (1661) Urt. v. 22.10.1987, Rs. 314/85 – Foto-Frost, Slg. 1987, S. 4199: 305 (1312), 355 (1636), 355 (1637), 439 (112), 466 (264), 471 (298), 471 (299) Urt. v. 17.12.1987, Rs. 88/86 – Bovo Tours u. a., Slg. 1987, S. 5429: 381 (1774), 381 (1776), 396 (1851) Urt. v. 26.4.1988, Rs. 325/85 – Bond van Adverteerders, Slg. 1988, S. 2085: 252 (1007) Urt. v. 20.9.1988, Rs. 302/86 – Kommission / Dänemark (Pfandflaschen), Slg. 1988, S. 4607: 249 (997)

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Urt. v. 20.9.1988, Rs. 190/87 – Handelsonderneming Moormann, Slg. 1988, S. 4689: 282 (1184) Urt. v. 22.9.1988, Rs. 45/87 – Kommission / Irland, Slg. 1988, S. 4929: 254 (1022) Urt. v. 27.9.1988, verb. Rs. 89, 104, 114, 116, 117, 125–129/85 – Ahlström Osakeyhtiö u. a. / Kommission (Zellstoff), Slg. 1988, S. 5193: 295 (1252) Urt. v. 27.9.1988, Rs. 65/86 – Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, Slg. 1988, S. 5249: 260 (1049) Urt. v. 27.9.1988, Rs. 81/87 – Daily Mail, Slg. 1988, S. 5483: 245 (975) Urt. v. 2.2.1989, Rs. 186/87 – Cowan, Slg. 1989, S. 195: 253 (1009), 276 (1153) Urt. v. 14.2.1989, Rs. 247/87 – Star Fruit / Kommission, Slg. 1989, S. 291: 373 (1733) Urt. v. 11.5.1989, verb. Rs. 193/87 und 194/87 – Maurissen / Rechnungshof und Union Syndicale / Rechnungshof, Slg. 1989, S. 1045: 447 (158) Urt. v. 18.5.1989, verb. Rs. 266 und 267/87 – Association of Pharmaceutical Importers, Slg. 1989, S. 1295: 254 (1023) Urt. v. 22.6.1989, Rs. 70/87 – FEDIOL / Kommission, Slg. 1989, S. 1781: 297 (1265), 447 (163) Urt. v. 22.6.1989, Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo, Slg. 1989, S. 1839: 246 (978), 246 (980), 281 (1176), 282 (1184), 288 (1215) Urt. v. 11.7.1989, Rs. 265/87 – Hermann Schräder Kraftfutter, Slg. 1989, S. 2237: 264 (1082), 264 (1083), 353 (1626) Urt. v. 13.7.1989, Rs. 380/87 – Enichem Base, Slg. 1989, S. 2491: 307 (1323), 326 (1444), 400 (1866), 432 (80) Urt. v. 13.7.1989, Rs. 5/88 – Wachauf, Slg. 1989, S. 2609: 265 (1087), 265 (1088) Urt. v. 21.9.1989, Rs. 46/87 und 227/88 – Hoechst / Kommission, Slg. 1989, S. 2859: 264 (1086), 266 (1089), 348 (1585), 349 (1594) Urt. v. 21.9.1989, Rs. 68/88 – Kommission / Griechenland, Slg. 1989, S. 2965: 333 (1496) Urt. v. 18.10.1989, Rs. 374/87 – Orkem / Kommission, Slg. 1989, S. 3283: 264 (1086) Urt. v. 14.11.1989, Rs. 30/88 – Griechenland / Kommission, Slg. 1989, S. 3711: 294 (1245) Urt. v. 23.11.1989, Rs. 150/88 – Eau de Cologne & Parfümerie-Fabrik Glockengasse No. 4711, Slg. 1989, S. 3891: 292 (1240) Urt. v. 13.12.1989, Rs. 322/88 – Grimaldi, Slg. 1989, S. 4407: 386 (1795) Urt. v. 13.12.1989, Rs. 100/88 – Oyowe und Traore / Kommission, Slg. 1989, S. 4285: 264 (1086) Urt. v. 7.3.1990, Rs. 69/88 – Krantz, Slg. 1990, S. I-583: 248 (993), 261 (1056), 402 (1880) Urt. v. 7.3.1990, Rs. 362/88 – GB-Inno, Slg. 1990, S. I-667: 249 (997) Urt. v. 27.3.1990, Rs. 308/87 – Grifoni / EAG, Slg. 1990, S. I-1203: 475 (313) Urt. v. 17.5.1990, Rs. 262/88 – Barber, Slg. 1990, S. I-1889: 349 (1593) ZwischenUrt. v. 22.5.1990, Rs. 70/88 – Parlament / Rat (Tschernobyl I), Slg. 1990, S. I-2041: 442 (130) Urt. v. 6.6.1990, Rs. 119/88 – AERPO u. a. / Kommission, Slg. 1990, S. I-2189: 478 (334) Urt. v. 19.6.1990, Rs. C-213/89 – Factortame u. a., Slg. 1990, S. I-2433: 56 (25), 357 (1650), 440 (118), 466 (270) Urt. v. 26.6.1990, Rs. 152/88 – Sofrimport / Kommission, Slg. 1990, S. I-2477: 450 (186) Urt. v. 10.7.1990, Rs. 217/88 – Kommission / Deutschland (Tafelwein), Slg. 1990, S. I-2879: 56 (25), 466 (267) Urt. v. 12.7.1990, Rs. C-188/89 – Foster, Slg. 1990, S. I-3313: 282 (1184), 290 (1223)

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Beschl. v. 13.7.1990, Rs. 2/88-Imm. – Zwartveld u. a., Slg. 1990, S. I-3365: 439 (115) Urt. v. 20.9.1990, Rs. C-192/89 – Sevince, Slg. 1990, S. I-3461: 294 (1245), 295 (1252), 296 (1258), 300 (1289), 394 (1839) Urt. v. 17.10.1990, Rs. C-10/89 – CNL-SUCAL (Hag II), Slg. 1990, S. I-3711: 249 (997) Urt. v. 13.11.1990, Rs. 331/88 – Fedesa u. a., Slg. 1990, S. I-4023: 373 (1734) Urt. v. 13.11.1990, Rs. C-106/89 – Marleasing, Slg. 1990, S. I-4135: 289 (1219), 291 (1228) Beschl. v. 19.12.1990, Rs. C-358/90 R – Compagnia italiana alcool Sas di Mario Mariano / Kommission, Slg. 1990, S. I-4887: 464 (258) Urt. v. 7.2.1991, Rs. C-184/89 – Nimz, Slg. 1991, S. I-297: 243 (958), 257 (1037) Urt. v. 21.2.1991, verb. Rs. 143/88 und C-92/89 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Slg. 1991, S. I-415: 357 (1648), 464 (260), 465 (261) Urt. v. 26.2.1991, Rs. C-180/89 – Kommission / Italien, Slg. 1991, S. I-709: 252 (1008) Urt. v. 26.2.1991, Rs. C-292/89 – Antonissen, Slg. 1991, S. I-745: 313 (1364) Urt. v. 28.2.1991, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, S. I-825: 161 (591), 328 (1461), 328 (1464), 329 (1471), 375 (1746), 388 (1806), 396 (1852), 400 (1871) Urt. v. 28.2.1991, Rs. C-234/89 – Delimitis, Slg. 1991, S. I-935: 340 (1538) Urt. v. 7.5.1991, Rs. C-69/89 – Nakajima All Precision / Rat, Slg. 1991, S. I-2069: 297 (1265) Urt. v. 7.5.1991, Rs. C-340/89 – Vlassopoulou, Slg. 1991, S. I-2357: 247 (988), 250 (999) Urt. v. 16.5.1991, Rs. C-358/89 – Extramet / Rat, Slg. 1991, S. I-2501: 447 (164), 450 (184) Urt. v. 30.5.1991, Rs. 361/88 – Kommission / Deutschland (TA-Luft), Slg. 1991, S. I-2567: 282 (1184), 328 (1464), 328 (1466), 396 (1852), 400 (1871) Urt. v. 30.5.1991, Rs. C-59/89 – Kommission / Deutschland (Blei), Slg. 1991, S. I-2607: 396 (1852) Urt. v. 30.5.1991, verb. Rs. C-19/90 und C-20/90 – Karella und Karellas, Slg. 1991, S. I-2691: 282 (1184) Urt. v. 11.7.1991, verb. Rs. C-87–89/90 – Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk, Slg. 1991, S. I-3757: 262 (1064), 287 (1211), 326 (1440), 330 (1475), 378 (1760), 378 (1761), 387 (1802), 461 (244), 461 (245), 508 (470), 527 (10) Urt. v. 25.7.1991, Rs. C-288/89 – Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda, Slg. 1991, S. I-4007: 250 (998) Urt. v. 25.7.1991, Rs. C-76/90 – Säger, Slg. 1991, S. I-4221: 247 (988) Urt. v. 17.10.1991, Rs. C-58/89 – Kommission / Deutschland, Slg. 1991, S. I-4983: 328 (1456), 328 (1464), 376 (1750), 396 (1852) Urt. v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich und Bonifaci, Slg. 1991, S. I-5357: 61 (46), 291 (1232), 306 (1320), 310 (1349), 323 (1424), 324 (1429), 337 (1519), 440 (119), 480 (352), 481 (357), 512 (474) Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-269/90 – Technische Universität München, Slg. 1991, S. I-5469: 374 (1738), 440 (121) Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-354/90 – Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires u. a., Slg. 1991, S. I-5505: 335 (1509), 335 (1510), 403 (1889) Urt. v. 13.12.1991, Rs. C-69/90 – Kommission / Italien, Slg. 1991, S. I-6011: 326 (1440), 330 (1475), 378 (1761) Urt. v. 26.2.1992, Rs. C-357/89 – Raulin, Slg. 1992, S. I-1027: 264 (1086), 276 (1151) Urt. v. 13.3.1992, Rs. C-282/90 – Industrie- en Handelsonderneming Vreugdenhil / Kommission, Slg. 1992, S. I-1937: 442 (132), 477 (323)

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Urt. v. 8.4.1992, Rs. C-62/90 – Kommission / Deutschland, Slg. 1992, S. I-2575: 265 (1087) Urt. v. 7.5.1992, Rs. C-104/91 – Borrelli u. a., Slg. 1992, S. I-3003: 353 (1622) Urt. v. 19.5.1992, verb. Rs. C-104/89 und C-37/90 – Mulder u. a. / Rat und Kommission, Slg. 1992, S. I-3061: 478 (338), 479 (343), 479 (344) Beschl. v. 12.6.1992, Rs. C-29/92 – Asia Motor France u. a. / Kommission, Slg. 1992, S. I-3935: 373 (1733) Urt. v. 7.7.1992, Rs. C-370/90 – Singh, Slg. 1992, S. I-4265: 398 (1857) Urt. v. 9.7.1992, Rs. C-2/90 – Kommission / Belgien, Slg. 1992, S. I-4431: 254 (1017) Urt. v. 28.10.1992, Rs. C-219/91 – Ter Voort, Slg. 1992, S. I-5485: 264 (1086) Urt. v. 10.11.1992, Rs. C-156/91 – Hansa Fleisch Ernst Mundt, Slg. 1992, S. I-5567: 282 (1182), 284 (1190) Urt. v. 24.11.1992, Rs. C-286/90 – Poulsen und Diva Navigation, Slg. 1992, S. I-6019: 295 (1252) Urt. v. 3.12.1992, Rs. C-97/91 – Oleificio Borelli, Slg. 1992, S. I-6313: 49 (6), 264 (1086), 360 (1661), 443 (134), 443 (135) Urt. v. 22.6.1993, Rs. C-243/89 – Kommission / Dänemark (Storebaelt-Brücke), Slg. 1993, S. I-3353: 320 (1407) Urt. v. 1.7.1993, Rs. C-20/92 – Hubbard, Slg. 1993, S. I-3777: 252 (1007) Urt. v. 15.12.1993, Rs. C-292/92 – Hünermund, Slg. 1993, S. I-6787: 247 (989), 254 (1023) Urt. v. 16.12.1992, Rs. C-132/91 – Katsikas und Schroll, Slg. 1992, S. I-6577: 264 (1083) Urt. v. 31.3.1993, Rs. C-19/92 – Kraus, Slg. 1993, S. I-1663: 244 (965) Urt. v. 19.5.1993, Rs. C-198/91 – Cook / Kommission, Slg. 1993, S. I-2487: 449 (180), 449 (181) Urt. v. 25.5.1993, Rs. C-193/91 – Mohsche, Slg. 1993, S. I-2615: 282 (1184) Urt. v. 20.10.1993, verb. Rs. C-92/92 und C-326/92 – Phil Collins und Patricia Im- und Export Verwaltungsgesellschaft, Slg. 1993, S. I-5145: 383 (1782) Urt. v. 24.11.1993, Rs. C-267 und 268/91 – Keck und Mithouard, Slg. 1993, S. I-6097: 246 (982), 989 (259), 259 (1045), 261 (1055) Urt. v. 15.12.1993, verb. Rs. C-277/91, C-318/91 und C-319/91 – Ligur Carni, Genova Carni und Ponente, Slg. 1993, S. I-6621: 254 (1022) Urt. v. 16.12.1993, Rs. C-334/92 – Wagner Miret, Slg. 1993, S. I-6911: 291 (1231) Urt. v. 23.2.1994, Rs. C-236/92 – Comitato di Coordinamento per la Difesa della Cava, Slg. 1994, S. I-483: 307 (1323), 308 (1328), 308 (1333), 308 (1337), 400 (1866), 432 (81), 463 (254) Urt. v. 24.2.1994, Rs. C-343/92 – De Weerd geb. Roks u. a., Slg. 1994, S. I-571: 262 (1064), 378 (1763), 379 (1765) Urt. v. 9.3.1994, Rs. C-188/92 – Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, S. I-833: 451 (190), 471 (296) Urt. v. 24.3.1994, Rs. C-2/92 – Bostock, Slg. 1994, S. I-955: 264 (1082), 264 (1083) Urt. v. 13.4.1994, Rs. C-128/92 – Banks, Slg. 1994, S. I-1209: 341 (1540) Urt. v. 18.5.1994, Rs. 309/89 – Codorniú / Rat („Crémant“), Slg. 1994, S. I-1853: 449 (179) Urt. v. 15.6.1994, Rs. C-137/92 P – Kommission / BASF u. a. (PVC-Kartell), Slg. 1994, S. I-2555: 371 (1720), 464 (256) Urt. v. 22.6.1994, Rs. C-9/93 – IHT Internationale Heiztechnik und Danzinger (Ideal Standard), Slg. 1994, S. I-2789: 249 (997) Urt. v. 14.7.1994, Rs. C-91/92 – Faccini Dori, Slg. 1994, S. I-3325: 282 (1184), 283 (1185), 288 (1213), 290 (1226), 293 (1242), 306 (1317)

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Urt. v. 9.8.1994, Rs. C-396/92 – Bund Naturschutz in Bayern und Richard Stahnsdorf u. a., Slg. 1994, S. I-3717: 318 (1393) Urt. v. 9.8.1994, verb. Rs. C-363/93, C-407–411/93 – Lancry u. a., Slg. 1994, S. I-3957: 380 (1768) Urt. v. 9.8.1994, Rs. C-51/93 – Meyhui, Slg. 1994, S. I-3879: 255 (1024) Urt. v. 5.10.1994, Rs. C-280/93 – Deutschland / Rat (Bananen), Slg. 1994, S. I-4973: 264 (1082), 264 (1083), 265 (1087), 465 (262) Urt. v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 – Alpine Investments, Slg. 1995, S. I-1141: 247 (989), 248 (990), 250 (998), 252 (1007) Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-431/92 – Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg), Slg. 1995, S. I-2189: 282 (1184), 285 (1195), 285 (1199), 285 (1200), 287 (1211), 291 (1230), 318 (1393), 319 (1395), 321 (1413), 324 (1433) Urt. v. 11.8.1995, Rs. C-433/93 – Kommission / Deutschland, Slg. 1995, S. I-2303: 320 (1411), 328 (1463), 354 (1634), 396 (1852) Urt. v. 14.9.1995, verb. Rs. C-485/93 und C-486/93 – Simitzi, Slg. 1995, S. I-2655: 380 (1768) Urt. v. 9.11.1995, Rs. C-465/93 – Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a., Slg. 1995 S. I-3761: 449 (177), 465 (262) Urt. v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165: 250 (998), 251 (1001), 264 (1083) Urt. v. 7.12.1995, Rs. 472/93 – Spano, Slg. 1995, S. I-4321: 290 (1227) Urt. v. 12.12.1995, Rs. C-469/93 – Chiquita Italia, Slg. 1995, S. I-4533: 296 (1259) Urt. v. 14.12.1995, Rs. C-312/93 – Peterbroeck, Van Campenhout & Cie., Slg. 1995, S. I-4599: 246 (978), 281 (1176), 359 (1658), 441 (126), 442 (129) Urt. v. 14.12.1995, verb. Rs. C-430 und 431/93 – van Schijndel und van Veen, Slg. 1995, S. I-4705: 359 (1658), 443 (139) Urt. v. 14.12.1995, verb. Rs. C-163/94, C-165/94 und C-250/94 – Sanz de Lera, Díaz Jiménez und Kapanoglu, Slg. 1995, S. I-4821: 247 (988) Urt. v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921: 247 (988) 247 (989), 248 (991), 250 (998), 253 (1012), 256 (1034), 258 (1041), 261 (1057), 264 (1083), 273 (1127), 353 (1621) Urt. v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, S. I-1029: 292 (1235), 324 (1429), 337 (1520), 337 (1522), 351 (1610), 386 (1796), 440 (120), 480 (353), 481 (358), 481 (359), 481 (360), 481 (361), 483 (370), 485 (376) Urt. v. 7.3.1996, Rs. C-192/94 – El Corte Inglés, Slg. 1996, S. I-1281: 282 (1184), 290 (1226), 293 (1242), 337 (1520), 480 (353) Urt. v. 26.3.1996, Rs. C-392/93 – British Telecommunications, Slg. 1996, S. I-1631: 483 (370) Urt. v. 30.4.1996, Rs. C-194/94 – CIA Security International, Slg. 1996, S. I-2201: 292 (1239), 306 (1315) Beschl. v. 3.5.1996, Rs. C-399/95 R – Deutschland / Kommission (Maxhütte), Slg. 1996, S. I-2441: 354 (1634), 357 (1650), 463 (255) Urt. v. 23.5.1996, Rs. C-5/94 – Hedley Lomas, Slg. 1996, S. I-2553: 292 (1235), 324 (1429), 337 (1520), 337 (1522), 477 (323), 480 (353) Urt. v. 11.7.1996, verb. Rs. C-427/93, C-429/93 und C-436/93 – Bristol-Myers Squibb, Boehringer Ingelheim u. a. und Bayer u. a., Slg. 1996, S. I-3457: 255 (1024) Urt. v. 11.7.1996, verb. Rs. C-71/94, C-72/94 und C-73/94 – Eurim-Pharm Arzneimittel, Slg. 1996, S. I-3603: 290 (1226), 290 (1227) Urt. v. 17.9.1996, verb. Rs. C-246–249/94 – Cooperativa Agricola Zootecnica S. Antonio u. a., Slg. 1996, S. I-4373: 282 (1184), 290 (1222)

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Urt. v. 26.9.1996, Rs. C-168/95 – Arcaro, Slg. 1996, S. I-4705: 290 (1224), 291 (1229) Urt. v. 8.10.1996, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188–C-190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, S. I-4845: 291 (1232), 292 (1235), 324 (1429), 328 (1462), 337 (1520), 338 (1527), 396 (1852), 480 (353), 483 (370) Urt. v. 24.10.1996, Rs. C-72/95 – Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld, Slg. 1996, S. I-5403: 284 (1193), 286 (1202), 318 (1393), 324 (1433), 388 (1804), 388 (1805), 397 (1853), 397 (1855), 463 (252) Urt. v. 12.11.1996, Rs. C-201/94 – Smith & Nephew Pharmaceuticals und Primecrown, Slg. 1996, S. I-5819: 288 (1214) Urt. v. 26.11.1996, Rs. C-68/95 – T. Port, Slg. 1996, S. I-6065: 465 (262) Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-302/94 – British Telecommunications, Slg. 1996, S. I-6417: 292 (1235), 337 (1520), 480 (353) Urt. v. 12.12.1996, verb. Rs. C-74/95 und C-129/95 – Bildschirmarbeitsplätze, Slg. 1996, S. I-6609: 291 (1229) Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-298/95 – Kommission / Deutschland, Slg. 1996, S. I-6747: 327 (1454) Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-10/96 – Ligue royale belge pour la protection des oiseaux und Société d'études ornithologiques, Slg.1996, S. I-6775: 388 (1807) Urt. v. 20.2.1997, Rs. C-107/95 P – Bundesverband der Bilanzbuchhalter e.V. / Kommission, Slg. 1997, S. I-947: 373 (1733) Urt. v. 20.3.1997, Rs. C-96/95 – Kommission / Deutschland, Slg. 1997, S. I-1653: 282 (1184) Urt. v. 20.3.1997, Rs. C-352/95 – Phytheron International, Slg. 1997, S. I-1729: 290 (1227) Urt. v. 13.5.1997, Rs. C-233/94 – Deutschland / Parlament und Rat, Slg. 1997, S. I-2405: 390 (1818) Urt. v. 29.5.1997, Rs. C-389/95 – Klattner, Slg. 1997, S. I-2719: 282 (1184) 290 (1222) Urt. v. 25.6.1997, Rs. C-114/96 – Kieffer und Thill, Slg. 1997, S. I-3629: 255 (1024) Urt. v. 26.6.1997, Rs. C-368/95 – Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und -vertriebs GmbH, Slg. 1997, S. I-3689: 273 (1124) Urt. v. 10.7.1997, Rs. C-261/95 – Palmisani, Slg. 1997, S. I-4025: 358 (1651), 441 (127), 467 (271) Urt. v. 10.7.1997, Rs. C-373/95 – Maso, Slg. 1997, S. I-4051: 292 (1235), 337 (1520), 480 (353) Urt. v. 17.7.1997, Rs. C-248/95 und C-249/95 – SAM Schiffahrt und Stapf, Slg. 1997, S. I-4475: 264 (1082) Urt. v. 17.9.1997, Rs. C-54/96 – Dorsch Consult, Slg. 1997, S. I-4961: 282 (1184), 290 (1222), 468 (277), 468 (279) Urt. v. 11.11.1997, Rs. C-408/95 – Eurotunnel u. a., Slg. 1997, S. I-6315: 471 (296) Urt. v. 4.12.1997, verb. Rs. C-253–258/96 – Kampelmann, Slg. 1997, S. I-6907: 282 (1184), 290 (1223) Urt. v. 4.12.1997, Rs. C-97/96 – Verband deutscher Daihatsu-Händler, Slg. 1997, S. I-6843: 290 (1226), 326 (1439), 347 (1582), 376 (1750), 378 (1759) Urt. v. 18.12.1997, Rs. C-129/96 – Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, S. I-7411: 282 (1184), 287 (1210) Urt. v. 2.4.1998, Rs. C-127/95 – Norbrook Laboratories, Slg. 1998, S. I-1531: 292 (1235), 337 (1520), 480 (353) Urt. v. 2.4.1998, Rs. C-321/95 P – Greenpeace, Slg. 1998, S. I-1651: 421 (11) 448 (172) Urt. v. 28.4.1998, Rs. C-120/95 – Decker, Slg. 1998, S. I-1831: 249997 Urt. v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 – Kohll, Slg. 1998, S. I-1931: 250 (998)

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Urt. v. 5.5.1998, Rs. C-386/96 P – Louis Dreyfus & Cie / Kommission, Slg. 1998, S. I-2309: 448 (169) Urt. v. 7.5.1998, Rs. C-350/96 – Clean Car Autoservice, Slg. 1998, S. I-2521: 253 (1011), 253 (1012), 327 (1453) Urt. v. 12.5.1998, Rs. C-85/96 – Martínez Sala, Slg. 1998, S. I-2691: 276 (1151), 276 (1152), 363 (1678) Urt. v. 16.6.1998, Rs. C-162/96 – Racke, Slg. 1998, S. I-3655: 295 (1252), 299 (1283) Urt. v. 17.6.1998, Rs. C-321/96 – Wilhelm Mecklenburg, Slg. 1998, S. I-3809: 108 (268), 317 (1383) Urt. v. 16.7.1998, Rs. C-355/96 – Silhouette International Schmied, Slg. 1998, S. I-4799: 290 (1226) Urt. v. 22.9.1998, Rs. C-185/97 – Coote, Slg. 1998, S. I-5199: 290 (1226) Urt. v. 24.9.1998, Rs. C-319/96 – Brinkmann Tabakfabriken I, Slg. 1998, S. I-5255: 292 (1235), 337 (1520), 480 (353) Urt. v. 1.10.1998, Rs. C-38/97 – Autotrasporti Librandi, Slg. 1998, S. I-5955: 391 (1819) Urt. v. 17.11.1998, Rs. C-70/97 P – Kruidvat / Kommission, Slg. 1998, S. I-7183: 449 (180) Urt. v. 17.12.1998, Rs. C-185/95 P – Baustahlgewebe / Kommission, Slg. 1998, S. I-8417: 353 (1623) Urt. v. 11.2.1999, Rs. C-390/95 P – Antillean Rice Mills u. a. / Kommission, Slg. 1999, S. I-769: 450 (186) Urt. v. 9.3.1999, Rs. C-212/97 – Centros, Slg. 1999, S. I-1459: 245 (975) Urt. v. 1.6.1999, Rs. C-302/97 – Konle, Slg. 1999, S. I-3099: 292 (1235), 337 (1520), 480 (353), 484 (373) Urt. v. 15.6.1999, Rs. C-140/97 – Rechberger, Greindl, u. a., Slg. 1999, S. I-3499: 291 (1232) Urt. v. 8.7.1999, Rs. C-186/98 – Nunes und de Matos, Slg. 1999, S. I-4883: 333 (1496) Urt. v. 9.9.1999, Rs. C-217/97 – Kommission / Deutschland, Slg. 1999, S. I-5087: 108 (268), 317 (1383) Urt. v. 14.9.1999, Rs. C-310/97 P – Kommission / Assi Domaen Kraft Products u. a., Slg. 1999, S. I-5363: 59 (38), 313 (1367) Urt. v. 16.9.1999, Rs. C-435/97 – World Wildlife Fund, Slg. 1999, S. I-5613: 375 (1742), 380 (1770), 381 (1773) Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-6/98 – ARD, Slg. 1999, S. I-7599: 312 (1358) 370 (1715) Urt. v. 28.10.1999, Rs. C-81/98 – Alcatel Austria, Slg. 1999, S. I-7671: 321 (1413) Urt. v. 23.11.1999, Rs. C-149/96 – Portugal / Rat, Slg. 1999, S. I-8395: 297 (1271), 298 (1274), 394 (1836) Urt. v. 27.1.2000, Rs. C-190/98 – Graf, Slg. 2000, S. I-493: 247 (989), 248 (991), 248 (993), 261 (1058), 402 (1880) Urt. v. 16.3.2000, Rs. C-329/97 – Ergat, Slg. 2000, S. I-1487: 308 (1329) Urt. v. 11.4.2000, verb. Rs. C-51/96 u. C-191/97 – Deliège u. a. und Pacquée, Slg. 2000, S. I-2549: 258 (1041), 273 (1127) Urt. v. 13.4.2000, Rs. C-176/96 – Lehtonen und Castors Canada Dry Namur-Braine ASBL, Slg. 2000, S. I-2681: 248 (992), 258 (1041), 273 (1127) Urt. v. 13.4.2000, Rs. C-292/97 – Karlsson u. a., Slg. 2000, S. I-2737: 268 (1102) Urt. v. 6.6.2000, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. 2000, S. I-4139: 256 (1034), 259 (1044), 259 (1046), 340 (1534) Urt. v. 27.6.2000, verb. Rs. C-240–244/98 – Océano Grupo Editorial u. a., Slg. 2000, S. I-4941: 290 (1227)

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Urt. v. 4.7.2000, Rs. C-387/97 – Kommission / Griechenland, Slg. 2000, S. I-5047: 355 (1635) Urt. v. 4.7.2000, Rs. C-352/98 P – Laboratoires pharmaceutiques Bergaderm und Goupil / Kommission, Slg. 2000, S. I-5291: 477 (331), 485 (377) Urt. v. 13.7.2000, Rs. C-456/98 – Centrosteel, Slg. 2000, S. I-6007: 282 (1184), 290 (1226), 290 (1227) Urt. v. 14.9.2000, Rs. C-343/98 – Collino u. a., Slg. 2000, S. I-6659: 282 (1184), 290 (1223) Urt. v. 19.9.2000, Rs. 287/98 – Linster, Slg. 2000, S. I-6917: 318 (1393), 397 (1855) Urt. v. 26.9.2000, Rs. C-443/98 – Unilever Italia, Slg. 2000, S. I-7535: 282 (1184) 292 (1240), 305 (1313), 306 (1316), 328 (1458), 362 (1673), 446 (152) Urt. v. 3.10.2000, Rs. C-303/98 – Sindicato de Médicos de Asistencia Pública (SIMAP), Slg. 2000, S. I-7963: 293 (1242) Urt. v. 14.12.2000, verb. Rs. C-300/98 und C-392/98 – Parfums Christian Dior und Assco Gerüste, Slg. 2000, S. I-11307: 298 (1277) Urt. v. 8.3.2001, verb. Rs. C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u. a., Slg. 2001, S. I-1727: 481 (361) Beschl. v. 2.5.2001, Rs. C-307/99 – OGT Fruchthandelsgesellschaft, Slg. 2001, S. I-3159: 232 (902), 295 (1252), 298 (1276), 396 (1850) Urt. v. 14.6.2001, Rs. C-178/99 – Salzmann, Slg. 2001, S. I-4421: 469 (285) Urt. v. 26.6.2001, Rs. C-173/99 – Broadcasting Entertainment, Cinematographic and Theatre Union, Sgl. 2001, S. I-4881: 308 (1329) Urt. v. 13.9.2001, Rs. C-89/99 – Schieving-Nijstad, Slg. 2001, S. I-5851: 298 (1277) Urt. v. 20.9.2001, Rs. C-184/99 – Grzelczyk, Slg. 2001, S. I-6193: 276 (1152) Urt. v. 20.9.2001, Rs. C-453/99 – Courage und Crehan, Slg. 2001, S. I-6297: 441 (127), 484 (373) Urt. v. 9.10.2001, Rs. C-377/98 – Niederlande / Parlament und Rat (Biopatentrichtlinie), Slg. 2001, S. I-7079: 264 (1086), 271 (1116), 295 (1252), 299 (1283), 346 (1576), 354 (1629) Urt. v. 25.10.2001, Rs. C-475/99 – Ambulanz Glöckner, Slg. 2001, S. I-8089: 391 (1820) Urt. v. 22.11.2001, Rs. C-451/98 – Antillean Rice Mills / Rat, Slg. 2001, S. I-8949: 450 (186) Urt. v. 29.11.2001, Rs. C-17/00 – De Coster, Slg. 2001, S. I-9445: 469 (284) Urt. v. 6.12.2001, Rs. C-269/99 – Kühne u. a. („Spreewälder Gurken“), Slg. 2001, S. I-9517: 443 (135) Urt. v. 13.12.2001, Rs. C-481/99 – Heininger, Slg. 2001, S. I-9945: 293 (1242), 442 (128) Beschl. v. 22.1.2002, Rs. C-447/00 – Holto, Slg. 2002, S. I-735: 469 (285) Urt. v. 19.2.2002, Rs. C-309/99 – Wouters u. a., Slg. 2002, S. I-1577: 391 (1819) Urt. v. 27.2.2002, Rs. C-302/00 – Kommission / Frankreich (Zigaretten), Slg. 2002, S. I-2055: 380 (1769) Urt. v. 12.3.2002, verb. Rs. C-27/00 und C-122/00 – Omega Air und Aero Engines Ireland u. a., Slg. 2002, S. I-2569: 298 (1278), 299 (1284), 393 (1831) Urt. v. 18.4.2002, verb. Rs. C-61/96, C-132/97, C-45/98, C-27/99, C-81/00 und C-22/01 – Spanien / Rat, Slg. 2002, S. I-3439: 402 (1883), 402 (1884) Urt. v. 16.5.2002, Rs. C-63/00 – Schilling und Nehring, Slg. 2002, S. I-4483: 312 (1358), 396 (1849) Urt. v. 18.6.2002, Rs. C-92/00 – Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik PlanungsGesellschaft, Slg. 2002, S. I-5553: 321 (1413)

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Urt. v. 11.7.2002, Rs. C-60/00 – Carpenter, Slg. 2002, S. I-6279: 253 (1013), 264 (1086), 267 (1094), 397 (1856), 398 (1857), 398 (1858), 399 (1864) Urt. v. 25.7.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, S. I-6677: 55 (21), 354 (1630), 360 (1662), 449 (175), 451 (190), 451 (192), 452 (194), 454 (208) Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-413/99 – Baumbast und R., Slg. 2002, S. I-7091: 276 (1151) Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-513/99 – Concordia Bus Finland, Slg. 2002, S. I-7213: 391 (1821) Urt. v. 17.9.2002, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, S. I-7289: 161 (591), 302 (1297), 302 (1298), 332 (1484), 332 (1487), 332 (1488), 336 (1515), 341 (1539), 341 (1540), 376 (1750), 389 (1810), 404 (1895) Beschl. v. 14.2.2002, Rs. C-440/01 P(R) – Kommission / Artegodan, Slg. 2002, S. I-1489: 464 (258) Urt. v. 22.10.2002, Rs. C-94/00 – Roquette Frères, Slg. 2002, S. I-9011: 264 (1086), 266 (1089) Urt. v. 5.11.2002, Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, S. I-9919: 245 (975) Urt. v. 21.11.2002, Rs. C-473/00 – Cofidis, Slg. 2002, S. I-10875: 442 (128) Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-312/00 P – Kommission / Camar und Tico, Slg. 2002, S. I-11355: 374 (1737), 477 (331), 479 (340), 484 (374), 485 (376), 512 (475) Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-153/00 – der Weduwe, Slg. 2002, S. I-11319: 120 (361) Urt. v. 10.12.2002, Rs. C-491/01 – British American Tobacco und Imperial Tobacco, Slg. 2002, S. I-11453: 55 (21), 287 (1205) Urt. v. 9.1.2003, Rs. C-76/00 P – Petrotub und Republica / Rat, Slg. 2003, S. I-79: 2991284 Urt. v. 9.1.2003, Rs. C-257/00 – Givane u. a., Slg. 2003, S. I-345: 311 (1354) Urt. v. 20.3.2003, Rs. C-3/00 – Dänemark / Kommission (Lebensmittelzusatzstoffe), Slg. 2003, S. I-2643: 370 (1711), 374 (1740) Urt. v. 15.5.2003, Rs. C-300/01 – Salzmann II, Slg. 2003, S. I-4899: 469 (285) Urt. v. 12.6.2003, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, S. I-5659: 262 (1068), 272 (1119), 272 (1123), 273 (1131), 274 (1134), 308 (1334), 337 (1521), 481 (356), 482 (362), 483 (368) Urt. v. 10.7.2003, verb. Rs. C-20/00 und C-64/00 – Booker Aquaculture und Hydro Seafood GSP, Slg. 2003, S. I-7411: 480 (350) Urt. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00 – Altmark Trans., Slg. 2003, S. I-7747: 391 (1821) Urt. v. 9.9.2003, Rs. C-151/02 – Jäger, n. n. a. Slg.: 293 (1242) Urt. v. 30.9.2003, Rs. C-224/01 – Köbler, n. n. a. Slg.: 483 (369), 485 (378), 486 (386) Urt. v. 30.9.2003, Rs. C-93/02 P – Biret International / Rat, n. n. a. Slg.: 299 (1280) Urt. v. 30.9.2003, Rs. C-94/02 P – Biret International / Rat, n. n. a. Slg.: 299 (1280) Urt. v. 1.4.2004, Rs. C-263/02 P – Kommission / Jégo-Quéré et Cie., n. n. a. Slg.: 55 (21) anhängige Rs. C-222/02 – Paul u .a., n. n. a. Slg.: 221 (868), 390 (1818)

(2) Gutachten Gutachten 1/78 v. 4.10.1979 – Naturkautschuk-Übereinkommen, Slg. 1979, S. 2871: 295 (1252) Gutachten 1/91 v. 14.12.1991 – EWR Vertrag I, Slg. 1991, S. I-6079: 232 (899), 295 (1252), 342 (1546), 342 (1550), 345 (1570), 347 (1581), 364 (1685), 364 (1686) Gutachten 1/94 v. 15.11.1994 – WTO, Slg. 1994, S. I-5267: 295 (1252)

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(3) Schlußanträge der Generalanwälte Alber, Siegbert: SA v. 22.6.1999, Rs. C-176/96 – Lethonen und Castors Canada Dry Namur-Braine ASBL, Slg. 2000, S. I-2681: 266 (1092), 258 (1041) — SA v. 13.9.2001, Rs. C-302/00 – Kommission / Frankreich (Zigaretten), Slg. 2002, S. I-2055: 380 (1769) — SA v. 20.9.2001, Rs. C-27/00 und C-122/00 – Omega Air und Aero Engines Ireland u. a., Slg. 2002, S. I-2569: 298 (1278) — SA v. 15.5.2003, Rs. C-93/02 P – Biret International / Rat, n. n. a. Slg.: 299 (1280) — SA v. 15.5.2003, Rs. C-94/02 P – Biret International / Rat, n. n. a. Slg.: 299 (1280) Capotorti, Francesco: SA v. 20.11.1980, Rs. 58/80 – Dansk Supermarked, Slg. 1981, S. 181: 259 (1048) — SA v. 18.3.1981, Rs. 158/80 – REWE-Butterfahrten, Slg. 1981, S. 1805: 325 (1436), 394 (1833), 421 (11) Cosmas, Georges: SA v. 23.9.1997, Rs. C-321/95 P – Greenpeace, Slg. 1998, S. I-1651: 421 (11) Darmon, Marco: SA v. 16.1.1992, Rs. C-282/90 – Industrie- en Handelsonderneming Vreugdenhil / Kommission, Slg. 1992, S. I-1937: 442 (132), 477 (323) — SA v. 15.5.1990, Rs. C-192/89 – Sevince, Slg. 1990, S. I-3461: 296 (1258), 300 (1289), 394 (1839) Elmer, Michael Bendik: SA v. 27.2.1997, Rs. C-114/96 – Kieffer und Thill, Slg. 1997, S. I-3629: 255 (1024) Fennelly, Nial: SA v. 16.9.1999, Rs. C-190/98 – Graf, Slg. 2000, S. I-493: 247 (989) — SA v. 25.11.1999, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. 2000, S. I-4139: 259 (1046) Gand, Joseph: SA v. 14.11.1968, Rs. 13/68 – Salgoil, Slg. 1968, S. 680: 432 (78) Geelhoed, Leendert Adrie: SA v. 13.12.2001, Rs. C-253/00 – Muñoz y Cia und Superior Fruiticola, Slg. 2002, S. I-7289: 302 (1297), 332 (1484), 336 (1515), 341 (1540), 404 (1895) — SA v. 10.9.2002, Rs. C-491/01 – British American Tobacco und Imperial Tobacco, Slg. 2002, S. I-11453: 55 (21) van Gerwen, Walter: SA v. 25.9.1990, Rs. 131/88 – Kommission / Deutschland (Grundwasser), Slg. 1991, S. I-825: 329 (1471), 388 (1806) — SA v. 19.9.1991, Rs. C-69/90 – Kommission / Italien, Slg. 1991, S. I-6011: 326 (1440), 330 (1475), 378 (1761) — SA v. 27.10.1993, Rs. C-128/92 – Banks, Slg. 1994, S. I-1209: 341 (1540) Jacobs, Francis: SA v. 3.10.1991, Rs. C-354/90 – Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires u. a., Slg. 1991, S. I-5505: 335 (1509) — SA v. 26.1.1995, Rs. C-384/93 – Alpine Investments, Slg. 1995, S. I-1141: 247 (989) — SA v. 14.6.2001, Rs. C-377/98 – Niederlande / Parlament und Rat (Biopatentrichtlinie), Slg. 2001, I-7079: 271 (1116), 346 (1576), 354 (1629) — SA v. 21.3.2002, Rs. C-50/00 P – Unión de Pequeños Agricultores / Rat, Slg. 2002, S. I-6677: 55 (21), 354 (1630), 451 (192) — SA v. 11.7.2002, Rs. C-112/00 – Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge, Slg. 2003, S. I-5659: 262 (1068), 272 (1123), 274 (1134), 308 (1334), 337 (1521), 481 (356), 482 (362), 483 (368) Lagrange, Maurice: SA v. 14.6.1957, verb. Rs. 7/56 und 3/57 - 7/57 – Algera, Slg. 1957, S. 83: 63 (5) — SA v. 18.10.1960, Rs. 6/60 – Humblet / Belgien, Slg. 1960, S. 1165: 239 (938) Léger, Philippe: SA v. 20.6.1995, Rs. C-5/94 – Hedley Lomas, Slg. 1996, S. I-2553: 477 (323)

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— SA v. 30.1.1996, Rs. C-201/94 – Smith & Nephew Pharmaceuticals und Primecrown, Slg. 1996, S. I-5819: 288 (1214) — SA v. 23.4.2002, Rs. C-153/00 – der Weduwe, Slg. 2002, S. I-11319: 120 (361) — SA v. 8.4.2003, Rs. C-224/01 – Köbler, n. n. a. Slg.: 483 (369), 485 (378), 486 (386) Lenz, Carl Otto: SA v. 9.2.1994, Rs. C-91/92 – Faccini Dori, Slg. 1994, S. I-3325: 290 (1226) — SA v. 20.9.1995, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921: 247 (989) Roemer, Karl: SA v. 12.12.1962, Rs. 26/62 – Algemene Transporten Expeditie Onderneming Van Gend en Loos, Slg. 1963, S. 1: 239 (940), 240 (943) Ruiz-Jarabo Colomer, Dámaso: SA v. 28.1.1999, Rs. C-310/97 P – Kommission / Assi Domaen Kraft Products u. a., Slg. 1999, S. I-5363: 59 (38), 313 (1367) Stix-Hackl, Christine: SA v. 13.9.2001, Rs. C-60/00 – Carpenter, Slg. 2002, S. I-6279: 398 (1857) — SA v. 25.11.2003, Rs. C-222/02 – Paul u .a., n. n. a. Slg.: 221 (868), 390 (1818) Tesauro, Giuseppe: SA v. 27.10.1993, Rs. C-292/92 – Hünermund, Slg. 1993 S. I-6787: 247 (989) — SA v. 28.11.1995, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, S. I-1029: 351 (1610) — SA v. 28.11.1995, verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94–190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996, S. I-4845: 338 (1527)

b) Entscheidungen des EuG Urt. v. 10.7.1990, Rs. T-51/89 – Tetra Pak Rausing / Kommission, Slg. 1990, S. II-309: 340 (1538) Beschl. v. 14.12.1993, Rs. T-29/93 – Calvo Alonso-Cortés / Kommission, Slg. 1993, S. II-1389: 373 (1733) Urt. v. 24.3.1994, Rs. T-3/93 – Air France / Kommission, Slg. 1994, S. II-121: 450 (183), 450 (184) Urt. v. 4.7.1994, Rs. T-13/94 – Century Oils Hellas / Kommission, Slg. 1994, S. II-431: 451 (191) Urt. v. 6.4.1995, Rs. T-141/89 – Tréfileurope Sales / Kommission, Slg. 1995, S. II-791: 372 (1728), 372 (1729) Urt. v. 27.4.1995, Rs. T-96/92 – Comité central d'entreprise de la Société générale des grandes sources u. a. / Kommission, Slg. 1995, S. II-1213: 450 (187) Urt. v. 27.4.1995, Rs. T-12/93 – Comité central d'entreprise de la société anonyme Vittel u. a. / Kommission, Slg. 1995, S. II-1247: 450 (187) Urt. v. 14.9.1995, verb. Rs. T-480/93 und T-483/93 – Antillean Rice Mills u. a. / Kommission, Slg. 1995, S. II-2305: 450 (187) Urt. v. 18.9.1995, Rs. T-167/94 – Nölle / Rat, Slg. 1995, S. II-2589: 153 (560), 374 (1741), 477 (328) Urt. v. 9.1.1996, Rs. T-575/93 – Koelman / Kommission, Slg. 1996, S. II-1: 477 (329) Urt. v. 8.5.1996, Rs. T-19/95 – Adia Interim / Kommission, Slg. 1996, S. II-321: 321 (1415), 404 (1893) Urt. v. 5.3.1997, Rs. T-105/95 – World Wide Fund for Nature / Kommission, Slg. 1997, S. II-313: 264 (1086) Beschl. v. 3.6.1997, Rs. T-60/96 – Merck u. a. / Kommission, Slg. 1997, S. II-849: 307 (1327) Beschl. v. 26.11.1997, Rs. T-39/97 – T. Port / Kommission, Slg. 1997, S. II-2125: 465 (262)

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Urt. v. 6.2.1998, Rs. T-124/96 – Interporc Im- und Export / Kommission, Slg. 1998, S. II-231: 275 (1145) Urt. v. 19.2.1998, Rs. T-42/96 – Eyckeler & Malt / Kommission („Hilton Beef“), Slg. 1998, S. II-401: 264 (1086) Beschl. v. 28.4.1998, Rs. T-184/95 – Dorsch Consult / Rat, Slg. 1998, S. II-667: 292 (1235) 337 (1520), 480 (349), 480 (353) Urt. v. 17.6.1998, Rs. T-135/96 – Union Européenne de l’artisanat et des petites et moyennes entreprises (UEAPME) / Rat, Slg. 1998, S. II-2335: 449 (179) Urt. v. 11.2.1999, Rs. T-86/96 – Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen / Kommission, Slg. 1999, S. II-179: 447 (160) Urt. v. 15.6.1999, Rs. T-288/97 – Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 1999, S. II-1871: 333 (1495) Beschl. v. 30.6.1999, Rs. T-70/99 R – Alpharma / Rat, Slg. 1999, S. II-2027: 450 (184) Urt. v. 28.3.2000, Rs. T-251/97 – T. Port / Kommission, Slg. 2000, S. II-1775: 465 (262) Beschl. v. 7.4.2000, Rs. T-326/99 R – Fern Olivieri, Slg. 2000, S. II-1985: 307 (1327) Urt. v. 8.6.2000, verb. Rs. T-79/96, T-260/97 und T-117/98, Camar und Tico / Kommission und Rat, Slg. 2000, S. II-2193: 484 (375) Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-18/99 – Cordis Obst und Gemüse Großhandel / Kommission, Slg. 2001, S. II-913: 299 (1280), 299 (1282) Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-30/99 – Bocchi Food Trade International / Kommission, Slg. 2001, S. II-943: 299 (1280), 299 (1282) Urt. v. 20.3.2001, Rs. T-52/99 – T. Port / Kommission, Slg. 2001, S. II-981: 299 (1280), 299 (1282), 465 (262) Urt. v. 4.4.2001, Rs. T-288/97 – Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 2001, S. II-1169: 333 (1495) Urt. v. 12.7.2001, Rs. T-2/99 – T. Port / Rat, Slg. 2001, S. II-2093: 299 (1281) Urt. v. 12.7.2001, T-3/99 – Banatrading / Rat, Slg. 2001, S. II-2123: 299 (1281) Urt. v. 30.1.2002, Rs. T-54/99 – max.mobil Telekommunikation Service / Kommission, Slg. 2002, S. II-313: 255 (1029), 271 (1116) Urt. v. 24.4.2002, Rs. T-220/96 – Elliniki Viomichania Oplon / Rat und Kommission (Irak-Embargo), Slg. 2002, S. II-2265: 479 (341) Urt. v. 3.5.2002, Rs. T-177/01 – Jégo-Quéré et Cie. / Kommission, Slg. 2002, S. II-2365: 55 (21), 309 (1338), 354 (1630), 451 (188), 451 (189) Urt. v. 11.9.2002, Rs. T-13/99 – Pfizer Animal Health / Rat, Slg. 2002, S. II-3305: 269 (1105) Urt. v. 15.1.2003, verb. Rs. T-377/00, T-379/00, T-380/00, T-260/01 und T-272/01 – Philip Morris International u. a. / Kommission, Slg. 2003, S. II-1: 271 (1116), 360 (1665) Urt. v. 25.2.2003, Rs. T-4/01 – Renco / Rat, Slg. 2003, S. II-171: 404 (1893) Urt. v. 30.9.2003, verb. Rs. T-191/98 und T-212/98 bis T-214/98 – Atlantic Container Line, n. n. a. Slg.: 267 (1095)

2. Entscheidungen internationaler Spruchkörper a) Entscheidungen des EuGMR und der EKMR EuGMR, Urt. v. 16.12.1992, 72/1991/324/396c – Niemitz / Bundesrepublik Deutschland, EuGMR Series A, Vol. 256, p. 23, deutscher Text: NJW 1993, S. 718: 266 (1089)

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— Urt. v. 19.2.1998, 116/1996/735/932 – Guerra et al. / Italie, Reports 1998-I, p. 210, deutscher Text: NVwZ 1999, S. 57: 318 (1389) — Urt. v. 18.2.1999, 24833/94 – Matthews / United Kingdom, Reports 1999-I, p. 251, deutscher Text: EuZW 1999, S. 308: 267 (1095) — Entsch. v. 4.7.2000, 51717/99 – Société Guérin Automobiles / 15 Etats de l'Union Européenne, RUDH Bd. 13 (2000), p. 119: 267 (1095) — Entsch. v. 4.7.2000, 56672/00 – Senator Lines GmbH /15 Etats de l'Union Européenne, HRLJ Bd. 21 (2000), p. 112, deutscher Text: EuGRZ 2000, S. 334: 2671095 — Urt. v. 16. 4. 2002, 37971/97 – Stés Colas SA / France, http: //hudoc.echr.coe. int: 266 (1089) — Urt. v. 16. 4.2002, 36677/97 – S. A. Jacques Dangeville / France, http: //hudoc. echr.coe.int: 267 (1095) — Urt. v. 24.10.2002, 37703/97 – Mastromatteo / Italien, http: //hudoc.echr. coe.int, deutscher Text: NJW 2003, S. 3259: 500 (446) EKMR, Entsch. v. 9.2.1990, 13258/87 – C. Melchers & Co. KG / Deutschland, DR 64, p. 138, deutscher Text: W. Hummer / B. Simma / C. Vedder, Europarecht, 3. Aufl. 1999, S. 433: 267 (1095)

b) Entscheidungen des StIGH PCIJ, Advisory opinion of 3.3.1928, o. Az. – Jurisdiction of the Danzig Courts, PCIJ Series B, No.15 (1928): 164 (608), 234 (907), 234 (912), 313 (1365)

c) Entscheidungen des IGH ICJ, Judgment of 27.6.2001, No. 104 – Germany v. United States of America (LaGrand Case), http://www.icj-cij.org/icjwww/idocket/igus/igusframe.htm, deutscher Text: JZ 2001, S. 91: 164 (608), 234 (907)

3. Entscheidungen deutscher Gerichte a) Entscheidungen des BVerfG Beschl. v. 1.7.1954, 1 BvR 361/52 – Unterhaltsrente, BVerfGE 4, S. 1: 167 (624) Urt. v. 20.7.1954, 1 BvR 459, 484, 548, 555, 623, 651, 748, 783, 801/52, 5, 9/53, 96, 114/54 – Investitionshilfe, BVerfGE 4, S. 7: 124 (387) Beschl. v. 7.7.1955, 1 BvR 635/52 – Dienststrafordnung, BVerfGE 4, S. 205: 154 (566) Urt. v. 16.1.1957, 1 BvR 253/56 – Elfes, BVerfGE 6, S. 32: 100 (223), 113 (303), 135 (465), 163 (603) Urt. v. 15.1.1958, 1 BvR 400/51 – Lüth, BVerfGE 7, S. 198: 53 (16), 128 (413), 170 (635), 186 (703), 257 (1038) Beschl. v. 8.1.1959, 1 BvR 425/52 – Arzneifertigwarenverordnung, BVerfGE 9, S. 83: 163 (604) Beschl. v. 16.6.1959, 1 BvR 71/57 – Hebammenaltersgrenze, BVerfGE 9, S. 338: 134 (457) Beschl. v. 8.6.1960, 1 BvL 53/55, 16, 31, 53/56, 7, 18, 24/57 – „Taxi-Beschluß“, BVerfGE 11, S. 168: 204 (789)

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Urt. v. 17.5.1961, 1 BvR 561, 579/60, 114/61 – Volkswagenprivatisierung, BVerfGE 12, S. 354: 155 (570) Urt. v. 5.2.1963, 2 BvR 21/60 – § 66 OWiG, BVerfGE 15, S. 275: 93 (180), 103 (238), 123 (380), 123 (381), 141 (504), 144 (516), 238 (933), 364 (1681) Beschl. v. 2.5.1967, 1 BvR 578/63 – Sozialversicherungsträger, BVerfGE 21, S. 362: 80 (97) Beschl. v. 18.10.1967, 1 BvR 248/63 und 216/67 – EWG-Verordnungen, BVerfGE 22, S. 293: 232 (897), 232 (900) Beschl. v. 25.6.1968, 2 BvR 251/63 – AKU-Beschluß, BVerfGE 24, S. 33: 136 (474) Urt. v. 18.12.1968, 1 BvR 638, 673/64, 200, 238, 249/56 – Hamburgisches Deichordnungsgesetz, BVerfGE 24, S. 367: 79 (93), 128 (413) Beschl. v. 14.11.1969, 1 BvL 24/64 – Hessisches Privatschulgesetz, BVerfGE 27, S. 195: 170 (637) Beschl. v. 28.1.1970, 1 BvL 4/67 – Schaumwein-Nachsteuer, BVerfGE 27, S. 375: 99 (217) Urt. v. 15.12.1970, 2 BvR 629/68 und 308/69 – Abhörurteil, BVerfGE 30, S. 1: 53 (16) Beschl. v. 9.6.1971, 2 BvR 225/69 – Lütticke, BVerfGE 31, S. 145: 56 (25) Urt. v. 27.7.1971, 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 – 2. Rundfunkurteil, BVerfGE 31, S. 314: 80 (97) Beschl. v. 27.7.1971, 2 BvR 443/70 – Bebauungsplan, BVerfGE 31, S. 364: 85 (129), 182 (690) Beschl. v. 8.2.1972, 1 BvR 170/71 – Steinmetz, BVerfGE 32, S. 311: 99 (217) Urt. v. 29.5.1973, 1 BvR 424/71 und 325/72 – Hochschul-Urteil, BVerfGE 35, S. 79: 186 (703) Beschl. v. 18.7.1973, 1 BvR 23, 155/73 – Ausländerausweisung, BVerfGE 35, S. 382: 136 (474) Beschl. v. 29.5.1974, 2 BvL 52/71 – Solange I, BVerfGE 37, S. 271: 56 (25), 263 (1073) Urt. v. 25.2.1975, 1 BvF 1–6/74 – Schwangerschaftsabbruch I, BVerfGE 39, S. 1: 170 (635) Beschl. v. 9.4.1975, 1 BvR 344–353/74 – Studienplätze, BVerfGE 39, S. 276: 138 (486) Beschl. v. 28.10.1975, 2 BvR 883/73 und 379, 497, 526/74 – Justizverwaltungsakt, BVerfGE 40, S. 237: 63 (3), 136 (474) Beschl. v. 2.3.1977, 1 BvR 124/76 – Berufsverbot gegen Rechtsanwälte, BVerfGE 44, S. 105: 138 (486) Beschl. v. 10.5.1977, 1 BvR 514/68 und 323/69 – öffentliche Last, BVerfGE 45, S. 297: 138 (486) Beschl. v. 7.6.1977, 1 BvR 108, 424/73 und 226/74 – Stadtwerke Hameln, BVerfGE 45, S. 63: 79 (93), 81 (101), 117 (327), 119 (354), 434 (94) Beschl. v. 12.10.1977, 1 BvR 216/75, 1 BvR 217/75 – Direktruf, BVerfGE 46, S. 120: 99 (217) Urt. v. 16.10.1977, 1 BvQ 5/77 – Schleyer, BVerfGE 46, S. 160: 170 (635) Beschl. v. 20.10.1977, 2 BvR 631/77 – Auslieferungsverträge, BVerfGE 46, S. 214: 85 (129), 182 (690) Beschl. v. 7.12.1977, 1 BvR 734/77 – Zwangsversteigerung II, BVerfGE 46, S. 325: 138 (486) Beschl. v. 13.12.1977, 2 BvM 1/76 – Philippinische Botschaft, BVerfGE 46, S. 342: 235 (914) Beschl. v. 8.8.1978, 2 BvL 8/77 – Kalkar I, BVerfGE 49, S. 89: 63 (3), 170 (635), 179 (675)

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Beschl. v. 26.9.1978, 1 BvR 525/77 – Aufenthaltsgenehmigung, BVerfGE 49, S. 168: 179 (675) Beschl. v. 27.9.1978, 1 BvR 361/78 – Zwangsversteigerung III, BVerfGE 49, S. 220: 138 (486) Beschl. v. 25.10.1978, 1 BvR 761/78, 1 BvR 806/78 – verzögerte Briefbeförderung, BVerfGE 50, S. 1: 138 (486) Beschl. v. 8.11.1978, 1 BvR 589/72 – Rüge durch Rechtsanwaltskammer, BVerfGE 50, S. 16: 138 (486) Urt. v. 1.12.1978, 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78 – Mitbestimmung, BVerfGE 50, S. 290: 128 (413), 128 (414), 170 (635), 171 (638) Beschl. v. 17.1.1979, 1 BvR 241/77 – Ausweisung aus generalpräventiven Gründen, BVerfGE 50, S. 166: 124 (387) Beschl. v. 25.4.1979, 1 BvR 1012/76 – Benzinqualitätsangabeverordnung, BVerfGE 51, S. 166: 166 (621) Beschl. v. 8.5.1979, 2 BvR 782/78 – öffentliches Interesse, BVerfGE 51, S. 176: 141 (504), 145 (525) Beschl. v. 22.5.1979, 1 BvL 9/75 – Schloßberg, BVerfGE 51, S. 193: 85 (129), 88 (151), 182 (690) Beschl. v. 26.6.1979, 2 BvR 290/79 – Auflösungsgesetz, BVerfGE 51, S. 369: 289 (1217) Beschl. v. 3.10.1979, 1 BvR 726/78 – Fristgebundener Schriftsatz, BVerfGE 52, S. 203: 138 (486) Beschl. v. 20.12.1979, 1 BvR 385/77 – Mülheim-Kärlich, BVerfGE 53, S. 30: 83 (115), 117 (327), 354 (551), 170 (635), 186 (703), 212 (821) Urt. v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77 – Berufsausbildungsabgabe, BVerfGE 55, S. 274: 165 (615) Beschl. v. 14.1.1981, 1 BvR 612/72 – Fluglärm, BVerfGE 56, S. 54: 170 (635) Urt. v. 10.3.1981, 1 BvR 92/71 und 1 BvR 96/71 – Bad Dürkheimer Gondelbahn, BVerfGE 56, S. 249: 489 (395) Beschl. v. 25.3.1981, 2 BvR 1258/79 – Einlieferungsersuchen, BVerfGE 57, S. 9: 85 (129), 182 (690) Urt. v. 16.6.1981, 1 BvL 89/87 – 3. Rundfunkentscheidung, BVerfGE 57, S. 295: 171 (639) Beschl. v. 23.6.1981, 2 BvR 1107, 1124/77 – Eurocontrol I, BVerfGE 58, S. 1: 56 (25) Beschl. v. 1.7.1981, 1 BvR 874/77, 1 BvR 322/78, u. a. – Ausbildungsausfallzeiten, BVerfGE 58, S. 81: 165 (616) Beschl. v. 14.7.1981, 1 BvL 24/78 – Pflichtexemplar, BVerfGE 58, S. 137: 492 (409) Beschl. v. 15.7.1981, 1 BvL 77/78 – Naßauskiesung, BVerfGE 58, S. 300: 97 (207), 259 (1047), 489 (394) Beschl. v. 24.11.1981, 2 BvL 4/80 – Betriebsverfassungsgesetz, BVerfGE 59, S. 104: 179 (675) Beschl. v. 20.4.1982, 2 BvL 26/81 – Anwaltsverschulden, BVerfGE 60, S. 253: 125 (397), 136 (474), 142 (508), 142 (509), 165 (616) Beschl. v. 8.7.1982, 2 BvR 1187/80 – Sasbach, BVerfGE 61, S. 82: 81 (102), 125 (397), 136 (474), 141 (504), 143 (513) Urt. v. 19.10.1982, 2 BvF 1/81 – Staatshaftungsgesetz, BVerfGE 61, S. 149: 491 (403) Beschl. v. 22.3.1983, 2 BvR 475/78 – Rechtshilfevertrag, BVerfGE 63, S. 343: 164 (609), 164 (611) Beschl. v. 4.5.1983, 1 BvL 46/80, 1 BvL 47/80 – Prüfingenieure, BVerfGE 64, S. 72: 134 (457)

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Urt. v. 5.7.1983, 2 BvR 460/80 – Besoldungsanpassungsgesetz, BVerfGE 64, S. 367: 170 (637) Urt. v. 22.11.1983, 2 BvL 25/81 – § 12 BBauG, BVerfGE 65, S. 283: 142 (507) Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83 – Volkszählung, BVerfGE 65, S. 1: 155 (572), 165 (616) Urt. v. 24.4.1985, 2 BvF 2/83–4/83, 2 BvF 2/84 – Kriegsdienstverweigerung, BVerfGE 69, S. 1: 141 (504) Beschl. v. 11.10.1985, 2 BvR 336/85 – Pakelli, NJW 1986, S. 1425: 164 (612) Beschl. v. 14.1.1986, 1 BvR 209/79, 1 BvR 221/79 – Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, BVerfGE 71, S. 354: 167 (624) Beschl. v. 23.4.1986, 2 BvR 487/80 – Sozialplan, BVerfGE 73, S. 261: 218 (850) Beschl. v. 22.10.1986, 2 BvR 197/83 – Solange II, BVerfGE 73, S. 339: 56 (25) 263 (1073), 268 (1099), 348 (1588), 348 (1589) Urt. v. 4.11.1986, 1 BvF 1/84 – 4. Rundfunkentscheidung, BVerfGE 73, S. 118: 171 (639) Beschl. v. 24.3.1987, 1 BvR 147, 478/86 – 5. Rundfunkentscheidung, BVerfGE 74, S. 297: 171 (639), 171 (640), 172 (644) Beschl. v. 26.3.1987, 2 BvR 589/79, 2 BvR 740/81, 2 BvR 284/85 – Unschuldsvermutung, BVerfGE 74, S. 358: 164 (612) Beschl. v. 8.4.1987, 2 BvR 687/85 – Kloppenburg, BVerfGE 75, S. 223: 351 (1608), 365 (1690), 445 (145) Beschl. v. 12.5.1987, 2 BvR 1226/83, 101, 313/84 – Familiennachzug, BVerfGE 76, S. 1: 399 (1862) Beschl. v. 9.6.1987, 1 BvR 510/87 – Verkehrsflughafen München II, NVWZ 1987, S. 969: 79 (93) Beschl. v. 29.10.1987, 2 BvR 624, 1080, 2029/83 – Chemiewaffenlagerung, BVerfGE 77, S. 170: 633 (3) Beschl. v. 8.5.1988, 1 BvR 520/83 – Verwaltungsvorschriften, BVerfGE 78, S. 214: 142 (510) Beschl. v. 30.11.1988, 1 BvR 1301/84 – Straßenverkehrslärm, BVerfGE 79, S. 174: 179 (675) Beschl. v. 19.12.1988, 1 BvR 315/86 – rundfunkrechtliche Organisationsnormen, JZ 1989, S. 339: 171 (641) Beschl. v. 15.3.1989, 1 BvR 1428/88 – Räumungsanspruch, BVerfGE 80, S. 48: 167 (624) Beschl. v. 6.6.1989, 1 BvR 921/85 – Reiten im Walde, BVerfGE 80, S. 137: 100 (223), 113 (303), 163 (603), 216 (839) Beschl. v. 6.7.1989, 1 BvR 290/87 – Tarifgenehmigung nach § 8 PflVG, NJW 1990, S. 2249: 92 (176) Beschl. v. 23.1.1990, 1 BvR 306/86 – Bob Dylan, BVerfGE 81, S. 208: 321 (1414) Beschl. v. 27.11.1990, 1 BvR 402/87 – Josephine Mutzenbacher, BVerfGE 83, S. 130: 138 (486), 152 (555) Beschl. v. 9.1.1991, 1 BvR 207/87 – Pensionistenprivileg, BVerfGE 83, S. 182: 136 (474), 141 (504), 142 (510) Beschl. v. 9.1.1991, 1 BvR 929/89 – Vorkaufsrecht, BVerfGE 83, S. 201: 491 (406) Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81 und 213/83 – Gerichtliche Prüfungskontrolle, BVerfGE 84, S. 34: 136 (474), 142 (510), 152 (555) Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 – Mulitple-Choice-Verfahren, BVerfGE 84, S. 59: 136 (474), 138 (486) Beschl. v. 19.10.1992, 1 BvR 737/88 – Versorgungsrente, NJW 1993, S. 1576: 134 (457)

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Beschl. v. 16.12.1992, 1 BvR 167/87 – Private Grundschule, BVerfGE 88, S. 40: 136 (474), 138 (486) Urt. v. 28.5.1993, 2 BvF 2/90 und 4, 5/92 – Schwangerschaftsabbruch II, BVerfGE 88, S. 203: 170 (635) Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92 – Maastricht, BVerfGE 89, S. 155: 56 (25), 155 (571), 232 (897), 263 (1073), 276 (1149), 365 (1690), 369 (1705) Beschl. v. 19.10.1993, 1 BvR 567, 1044/89, Bürgschaft, BVerfGE 89, S. 214: 257 (1038) Beschl. v. 14.12.1993, 1 BvR 361/93 – Vergleichsmietwohnungen, BVerfGE 89, S. 340: 138 (486) Beschl. v. 26.4.1994, 1 BvR 1968/88 – Briefüberwachung, BVerfGE 90, S. 255: 53 (16) Beschl. v. 16.1.1995, 1 BvR 1505/94 – mündliche Prüfungsleistungen, NVwZ 1995, S. 469: 138 (486) Beschl. v. 25.1.1995, 2 BvR 2689/94 und 2 BvR 52/95 – T. Port, EuZW 1995, S. 126: 465 (262) Beschl. v. 22.3.1995, 2 BvG 1/89 – EG-Fernsehrichtlinie, BVerfGE 92, S. 203: 276 (1149), 370 (1716) Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93 – Flughafenverfahren, BVerfGE 94, S. 166: 136 (474) Beschl. v. 20.11.1997, 1 BvR 2068/93 – Aufopferung, NVwZ 1998, S. 271: 491 (403), 492 (411) Urt. v. 15.12.1999, 1 BvR 653/96 – Caroline von Monaco I, BVerfGE 101, S. 361: 53 (16) Beschl. v. 7.6.2000, 2 BvL 1/97 – Atlanta, BVerfGE 102, S. 147: 263 (1073), 465 (262) Beschl. v. 10.5.2001, 1 BvR 481/01 und 1 BvR 518/01 – Mühlenberger Loch, DVBl. 2001, S. 1139: 145 (524) Beschl. v. 22.5.2001, 1 BvR 1512/97 und 1 BvR 1677/97 – Baulandumlegung, BVerfGE 104, S. 1: 218 (853) Beschl. v. 3.7.2001, 1 BvR 432/00 – Versorgungsleitungen, RdE 2002, S. 19: 218 (853) Beschl. v. 28.2.2002, 1 BvR 1676/01 – Mobilfunkanlage, DÖV 2002, S. 521: 206 (805) Beschl. v. 26.6.2002, 1 BvR 558/91 – Glykol, NJW 2002, S. 2621: 99 (217), 175 (660), 220 (859) Beschl. v. 11.11.2002, 1 BvR 218/99 – Sonderlandeplatz Hamburg-Finkenwerder, NVwZ 2003, S. 197: 105245 Beschl. v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02 – Rechtsschutz gegen Gehörverletzungen, NJW 2003, S. 1924: 136 (473), 136 (474), 137 (481), 138 (485), 155 (572), 166 (618), 426 (52)

b) Entscheidungen des PrOVG Urt. v. 30.4.1877, Rep. C. 83/77 – Fleischerei, PrOVGE 2, S. 351: 425 (42), 425 (43) Urt. v. 14.6.1882, Rep. II. B. 23/82 – Kreuzberg, PrOVGE 9, S. 353: 77 (83)

c) Entscheidungen des Reichsgerichts Urt. v. 28.4.1921, VI 368/20 – Wohnungsmangel, RGZ 102, S. 161: 72 (51)

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d) Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe des Bundes (1) Entscheidungen des BAG Urt. v. 15.1.1955, 1 AZR 305/54 – tarifliche Abschlagsklausel bei Frauenlöhnen, BAGE 1, S. 258: 257 (1038) Urt. v. 30.9.1970, 1 AZR 535/69 – § 8 TVG, DB 1971, S. 101: 101 (230) Beschl. v. 27.2.1985, GS 1/84 – Anspruch auf Beschäftigung, BAGE 48, S. 122: 257 (1038) Urt. v. 10.10.2002, 2 AZR 472/01 – Kopftuch, NWB 2002, S. 3607: 287 (1206) Beschl. v. 18.2.2003, 1 ABR 2/02 – Bereitschaftsdienst, EuZW 2003, S. 511: 293 (1242)

(2)Entscheidungen des BFH Urt. v. 15.10.1997, I R 10/92 – Dialyse, BFHE 184, S. 212: 209 (812)

(3) Entscheidungen des BGH Beschl. v. 10.6.1952, GSZ 2/52 – Wohnungseinweisung, BGHZ 6, S. 270: 491 (405) Urt. v. 19.2.1953, III ZR 208/51 – Impfschäden, BGHZ 9, S. 83: 129 (418) Urt. v. 9.12.1958, VI ZR 199/57 – Stromkabelfall, BGHZ 29, S. 65: 214 (830) Beschl. v. 26.5.1961, 2 StR 40/61 – öffentliches Interesse, BGHSt 16, S. 225: 145 (525) Urt. v. 27.3.1963, III ZR 48/62 – Maukgrube, BGHZ 39, S. 358: 498 (439) Urt. v. 27.11.1963, V ZR 201/61 – Reichsgaragenordnung, BGHZ 40, S. 306: 106 (252) Beschl. v. 5.12.1963, KVR 1/63 – Zigaretten, BGHZ 41, S. 61: 428 (58) Urt. v. 12.11.1964, III ZR 176/63 – Aufsicht über technische Betriebe, NJW 1965, S. 200: 498 (439) Urt. v. 22.5.1967, III ZR 124/66 – Bauplanänderung bei fremdem Grundstück, NJW 1967, S. 1754: 206 (796) Urt. v. 29.3.1971, III ZR 110/68 – Untätigkeit als Enteignung, BGHZ 56, S. 40: 499 (443) Urt. v. 28.6.1971, III ZR 111/68 – Verwaltungserlasse, NJW 1971, S. 1699: 496 (429) Urt. v. 8.7.1971, III ZR 80/68 – Grenzzollstelle, NJW 1971, S. 2222: 498 (437) Urt. v. 20.12.1971, III ZR 79/69 – U-Bahnbau, BGHZ 57, S. 359: 491 (405), 494 (422) Urt. v. 24.1.1972, III ZR 166/69 – Versicherungsaufsicht, BGHZ 58, S. 96: 92 (176), 182 (690), 198 (768), 498 (436), 498 (437) Urt. v. 8.5.1973, VI ZR 164/71 – § 12 GewO als Schutzgesetz, WM 1973, S. 992: 101 (225) Urt. v. 22.4.1974, III ZR 21/72 – Wildtaubenschäden, BGHZ 62, S. 265: 101 (230) Urt. v. 20.6.1974, III ZR 97/72 – Schlachthofträger, NJW 1974, S. 1816: 182 (690), 498 (440) Urt. v. 4.7.1974, III ZR 61/72 – Zeugnis über Fortsetzung der Gütergemeinschaft, BGHZ 63, S. 35: 496 (429) Urt. v. 12.12.1974, III ZR 76/70 – Maisimport, BGHZ 63, S. 319: 182 (690), 499 (441) Urt. v. 23.10.1975, III ZR 97/73 – Wehrdienst eines nicht Dienstfähigen, BGHZ 65, S. 196: 496 (496) Urt. v. 18.5.1976, VI ZR 241/73 – Arbeitgeberanteile, BB 1976, S. 1032: 101 (228)

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Urt. v. 7.10.1976, III ZR 128/74 – Schulbushaltestelle I, DVBl. 1977, S. 283: 182 (690), 498 (440) Urt. v. 16.6.1977, III ZR 179/75 – Flutglotsenstreik, BGHZ 69, S. 128: 211 (815), 496 (429) Urt. v. 15.2.1979, III ZR 108/76 – Wetterstein, BGHZ 74, S. 144: 101 (229), 104 (243), 200 (772), 498 (438) Urt. v. 12.7.1979, III ZR 154/77 – Herstatt, BGHZ 75, S. 120: 104 (243), 498 (438) Urt. v. 12.7.1979, III ZR 102/78 – Porschefahrerin, BGHZ 75, S. 134: 213 (826) Urt. v. 8.5.1980, III ZR 27/78 – Grundwasserabsenkung, NJW 1980, S. 2578: 182 (690), 496 (432) Urt. v. 27.4.1981, III ZR 47/80 – Schulbushaltestelle II, NJW 1982, S. 37: 182 (690), 498 (440) Urt. v. 2.7.1981, III ZR 63/80 – Versicherungsloses Kfz, NJW 1982, S. 988: 498 (437) Beschl. v. 17.12.1981, III ZR 146/80 – Wertbrief-Fonds, NVwZ 1982, S. 269: 498 (438) Urt. v. 24.6.1982, III ZR 169/80 – nichtiger Bebauungsplan, BGHZ 84, S. 292: 496 (429) Urt. v. 27.1.1983, III ZR 131/81 – nicht nachbarschützende Baurechtsnorm, BGHZ 86, S. 356: 182 (690), 496 (432) Urt. v. 26.1.1984, III ZR 179/82 – Landschaftsschutz, BGHZ 90, S. 4: 496 (429) Urt. v. 26.1.1984, III ZR 216/82 – Sandabbau, BGHZ 90, S. 17: 216 (838) Urt. v. 22.5.1984, III ZR 18/83 – Höchstwildstärken, BGHZ 91, S. 243: 182 (690), 499 (441) Urt. v. 15.11.1984, III ZR 70/83 – Vormerkungsberechtigter im Genehmigungsverfahren, BGHZ 93, S. 87: 182 (690), 496 (432) Urt. v. 6.2.1986, III ZR 96/84 – Verkehrsimmissionen, NVwZ 1986, S. 789: 182 (690), 496 (432) Urt. v. 12.6.1986, III ZR 146/85 – Gemeinsame Marktordnung für Milch, NJW 1987, S. 585: 182 (690), 498 (436) Urt. v. 10.12.1987, III ZR 220/86 – Waldschäden, BGHZ 102, S. 350: 491 (407), 499 (443) Urt. v. 19.5.1988, I ZR 52/86 – Wettbewerbsverein III, GRUR 1988, S. 918: 201 (777) Urt. v. 26.1.1989, III ZR 194/89 – Überplanung von Altlasten I, BGHZ 106, S. 323: 182 (690), 497 (433) Urt. v. 21.12.1989, III ZR 118/88 – Überplanung von Altlasten II, BGHZ 109, S. 380: 182 (690), 497 (433) Urt. v. 21.12.1989, III ZR 49/88 – Trennung von unverträglichen Nutzungen im Bebauungsplan, BGHZ 110, S. 1: 182 (690), 496 (429), 497 (433) Urt. v. 19.2.1990, II ZR 268/88 – Eisengießerei, BGHZ 110, S. 342: 101 (230) Urt. v. 7.6.1990, III ZR 74/88 – Puffreisriegel, BGHZ 111, S. 349: 491 (407) Urt. v. 11.4.1991, I ZR 82/89 – Verbandsausstattung, GRUR 1991, S. 684: 201 (777) Urt. v. 21.10.1991, II ZR 204/90 – Haftung aus Verstoß gegen § 264 a StGB neben Prospekthaftung, BGHZ 116, S. 7: 101 (225) Urt. v. 12.12.1991, III ZR 18/91 – Amtspflicht zwischen Sozialversicherungsträgern, BGHZ 116, S. 312: 80 (100), 499 (443) Beschl. v. 9.7.1992, III ZR 87/91 – Arbeitgeber als Dritter bei Altlasten, NJW 1993, S. 384: 182 (690), 497 (433) Urt. v. 6.5.1993, III ZR 2/92 – Bauvorbescheid I, NJW 1993, S. 2303: 182 (690), 496 (432) Beschl. v. 3.6.1993, I ZB 9/91 – DOS, BB 1993, S. 1965: 287 (1207) Urt. v. 23.9.1993, III ZR 139/92 – Bauvorbescheid II, NJW 1994, S. 130: 182 (690), 496 (432)

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Urt. v. 11.11.1993, VII ZR 47/93 – Kanalisation, BGHZ 124, S. 64: 320 (1404) Urt. v. 10.3.1994, III ZR 9/93 – Bauvorbescheid III, BGHZ 125, S. 258: 51 (10), 500 (447) Urt. v. 6.6.1994, II ZR 292/91 – „Abschied vom Quotenschaden“, BGHZ 126, S. 181: 101 (230) Urt. v. 7.7.1994, III ZR 5/93 – Kreuzkröten, BGHZ 126, S. 379: 492 (409) Beschl. v. 28.3.1996, III ZR 141/95 – Staatsanwalt, NJW 1996, S. 2373: 182 (690), 498 (440) Urt. v. 26.9.1996, I ZR 194/95 – Altunterwerfung II, WRP 1997, S. 318: 201 (777) Urt. v. 5.2.1998, I ZR 211/95 – Testpreis-Angebot, WRP 1998, S. 718: 287 (1207) Beschl. v. 8.10.1998, I ZR 284/97 – Gelsengrün, n.v.: 102 (232) Urt. v. 14.12.2000, III ZR 151/99 – Fleischbeschau, BGHZ 146, S. 153: 483 (367) Urt. v. 21.6.2001, III ZR 313/99 – Rindermast, NZBau 2001, S. 556: 496 (432) Urt. v. 13.9.2001, III ZR 228/00 – Zwangsversteigerung, BGH-Report 2001, S. 910: 498 (440) Urt. v. 25.4.2002, I ZR 250/00 – Stadtwerke München, NJW 2002, S. 2645: 102 (232) Beschl. v. 16.5.2002, III ZR 48/01 – BVH Bank, BKR 2002, S. 581: 221 (868), 310 (1347), 333 (1492), 389 (1813), 390 (1817), 418 (1910), 498 (438) Beschl. v. 1.8.2002, III ZR 277/01 – Mobbing, NJW 2002, S. 3172: 498 (440)

(4) Entscheidungen des BSG Urt. v. 22.10.1986, 9a RVs 3/84 – Klagebefugnis des Arbeitgebers gegen versorgungsamtliche Feststellung des Schwerbehindertenstatus, BSGE 60, S. 284: 144 (521) Urt. v. 6.2.1992, 7 RAr 78/90 – Französischlehrer, Die Beiträge 1992, S. 266: 182 (690) Urt. v. 11.5.1999, B 11 AL 45/98 R – Künstlervermittlung der BA, BSGE 84, S. 67: 215 (832) Urt. v. 10.5.2000, B 6 KA 9/99 R – Sonderbedarfszulassung, NJW 2001, S. 1814: 99 (218)

(5) Entscheidungen des BVerwG Beschl. v. 25.2.1954, I B 196.53 – Hofraumgrößen, BVerwGE 1, S. 83: 182 (690) Urt. v. 24.6.1954, V C 78.54 – Fürsorgeentscheidung, BVerwGE 1, S. 159: 93 (184) Beschl. v. 16.12.1958, VII B 41.58 – § 232 StGB, NJW 1959, S. 448: 145 (525) Urt. v. 20.11.1959, VII C 12.59 – Omnibusverkehr, BVerwGE 9, S. 340: 89 (154) Urt. v. 18.12.1959, VII C 62.59 – Gaststätte in Kirchennähe, BVerwGE 10, S. 91: 96 (201) Urt. v. 18.8.1960, I C 42.59 – Kohlenhandel, BVerwGE 11, S. 95: 77 (84) Urt. v. 28.4.1967, IV C 10.65 – Reichsgaragenordnung, BVerwGE 27, S. 29: 90 (160), 106 (252), 182 (690) Urt. v. 26.10.1967, II C 22.65 – Studienassesorin, BVerwGE 28, S. 155: 492 (413) Urt. v. 6.12.1967, IV C 94.66 – Kein Nachbarschutz aus § 35 Abs. 2 BBauG, BVerwGE 28, S. 268: 90 (160), 182 (690) Urt. v. 30.8.1968, VII C 122.66 – Winzergenossenschaften, BVerwGE 30, S. 191: 54 (20) Urt. v. 25.10.1968, VII C 90.66 – Berufsverkehr, BVerwGE 30, S. 347: 204 (788) Urt. v. 13.6.1969, IV C 234.65 – Kleines Eckgrundstück, BVerwGE 32, S. 173: 97 (206), 182 (690)

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Urt. v. 13.6.1969, IV C 80.67 – schöne Aussicht, DVBl. 1970, S. 60: 206 (796) Urt. v. 22.4.1970, V C 80.68 – Beförderung von Körperbehinderten, BVerwGE 35, S. 173: 428 (61) Urt. v. 11.11.1970, IV C 102.67 – Minderung des Wasserzuflusses, BVerwGE 36, S. 248: 97 (206) Urt. v. 7.1.1972, IV C 49.68 – Schleusenverwaltung, BVerwGE 39, S. 235: 151 (551), 453 (201) Urt. v. 22.2.1972, I C 24.69 – Bestattungswesen, BVerwGE 39, S. 329: 54 (20), 216 (836) Urt. v. 20.10.1972, IV C 107.67 – Erlaubnis und Bewilligung im Wasserrecht, BVerwGE 41, S. 58: 90 (160), 97 (206), 182 (690) Urt. v. 3.5.1973, I C 20.70 – Ausweisung des Ehegatten, BVerwGE 42, S. 141: 100 (219), 378 (1761), 399 (1863) Urt. v. 23.8.1974, IV C 29.73 – Anbau auf der Grundstücksgrenze, BVerwGE 47, S. 19: 182 (690) Urt. v. 14.2.1975, IV C 21.74 – Bundesstraße 42, BVerwGE 48, S. 56: 153 (562), 218 (848) Urt. v. 26.3.1976, IV C 7.74 – Notwegerecht, BVerwGE 50, S. 282: 97 (206), 98 (216) Urt. v. 25.2.1977, IV C 22.75 – Schweinemast, BVerwGE 52, S. 122: 85 (129), 90 (160), 91 (165), 91 (166), 97 (208), 182 (690), 379 (1765) Urt. v. 29.7.1977, IV C 51.75 – Bebauungsplanung für Landschaftsschutzgebiet, BVerwGE 54, S. 211: 100 (222) Urt. v. 10.2.1978, IV C 25.75 – Planfeststellung nach § 31 WHG, BVerwGE 55, S. 220: 153 (562) Urt. v. 7.7.1978, IV C 79.76 – Planfeststellung Flughafen Frankfurt/Main, BVerwGE 56, S. 110: 153 (562) Urt. v. 26.4.1979, 3 C 111.79 – Förderrichtlinien, BVerwGE 58, S. 45: 150 (547), 151 (551) Urt. v. 22.5.1980, 3 C 2.80 – Krankenhausfinanzierungsgesetz, BVerwGE 60, S. 154: 54 (20), 141 (504) Urt. v. 17.7.1980, 7 C 101.78 – Sasbach, BVerwGE 60, S. 297: 136 (474), 143 (513) Urt. v. 22.12.1980, 7 C 84.78 – AKW Stade, BVerwGE 61, S. 256: 85 (129), 182 (690) Urt. v. 24.2.1981, 7 C 60.79 – Rudolf Hess, BVerwGE 62, S. 11: 431 (76) Urt. v. 29.5.1981, IV C 97.77 – drittschützende Wirkung von Verfahrensvorschriften, BVerwGE 62, S. 243: 90 (160) Urt. v. 23.3.1982, 1 C 157.79 – Ladenschluß, BVerwGE 65, S. 167: 54 (20), 85 (129), 182 (690) Urt. v. 18.5.1982, 7 C 42.80 – Dampfkraftwerk, BVerwGE 65, S. 313: 90 (160), 182 (690), 206 (805) Urt. v. 1.12.1982, 7 C 111.81 – Altenwerder Fischer, BVerwGE 66, S. 307: 85 (129), 90 (160), 158 (579), 159 (586), 182 (690) Urt. v. 18.3.1983, 4 C 80.79 – Landstraßenteilstück, BVerwGE 67, S. 74: 218 (848) Urt. v. 30.6.1983, 2 C 76.81 – Professorenstellen, DVBl. 1984, S. 53: 317 (1386) Beschl. v. 20.7.1983, 5 B 237.81 – Handwerksmeister, NVwZ 1984, S. 306: 99 (218) Beschl. v. 16.8.1983, 4 B 94.83 – Berechnung der zulässigen Geschoßfläche, NVwZ 1984, S. 38: 102 (234) Urt. v. 5.8.1983, 4 C 96.79 – Rücksichtnahmegebot aus § 15 BauNVO, BVerwGE 67, S. 334: 98 (209), 182 (690) Urt. v. 30.9.1983, 4 C 74.78 – Bitumenmischwerk, BVerwGE 68, S. 58: 182 (690), 206 (805) Urt. v. 7.10.1983, 7 C 44.81 – liturgisches Glockengeläut, NJW 1984, S. 989: 79 (92)

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Beschl. v. 20.9.1984, 4 B 181.84 – Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe, NVwZ 1985, S. 37: 91 (167), 179 (678), 179 (679) Urt. v. 13.11.1984, 2 C 74.81 – Sonderurlaub für Veranstaltungen der Johannischen Kirche, ZBR 1985, S. 108: 79 (94) Urt. v. 18.4.1985, 3 C 34.84 – Transparenzlistenverfahren, BVerwGE 71, S. 183: 99 (217), 175 (659) Urt. v. 19.12.1985, 7 C 65.82 – Kernkraftwerk Whyl, BVerwGE 72, S. 300: 85 (129), 182 (690) Urt. v. 6.2.1986, 5 C 40.84 – Flurbereinigungsverfahren, BVerwGE 74, S. 1: 140 (496), 433 (86) Urt. v. 4.6.1986, 7 C 76.84 – verkehrsbeschränkende Maßnahmen, BVerwGE 74, S. 234: 157 (576) Urt. v. 19.9.1986, 4 C 8.84 – Garagenanlage, NVwZ 1987, S. 409: 431 (73) Urt. v. 25.11.1986, 1 A 20.82 – Tarifgenehmigung in der Kfz-Haftpflichtversicherung, BVerwGE 75, S. 147: 92 (176), 198 (768) Urt. v. 15.7.1987, 4 C 56.83 – Nachbarschutz im Wasserrecht, BVerwGE 78, S. 40: 90 (160), 106 (253), 160 (590) Beschl. v. 14.9.1987, 4 B 179.87 und 180.87 – Ortsumgehung Ober-Ramstadt, NVwZ 1988, S. 363: 77 (86) Beschl. v. 27.1.1988, 4 B 7.88 – U-Bahnbau, DVBl. 1988, S. 538: 202 (779) Beschl. v. 6.12.1988, 1 B 157.88 – Rechtsberatungserlaubnis, NJW 1989, S. 1175: 85 (129), 182 (690) Beschl. v. 2.1.1989, 4 B 116.88 – Getränkemarkt, NVwZ 1989, S. 666: 91 (166) Urt. v. 16.3.1989, 4 C 36.85 – Schachtanlage N, BVerwGE 81, S. 329: 91 (169), 106 (253) Urt. v. 6.10.1989, 4 C 14.87 – Abstellraum im Waldgebiet, BVerwGE 82, S. 343: 97 (208) Urt. v. 15.2.1990, 4 C 47.89 – „Serriesteich“, BVerwGE 84, S. 361: 97 (207) Urt. v. 20.2.1990, 1 C 42.83 – Auskunftsanspruch, BVerwGE 84, S. 375: 141 (504), 142 (506) Beschl. v. 30.7.1990, 7 B 71.90 – konfessionelle Stiftung, BayVBl. 1990, S. 728: 140 (496), 433 (86) Urt. v. 18.10.1990, 3 C 3.88 – Glykol, JZ 1991, S. 624: 175 (660) Urt. v. 26.9.1991, 4 C 5.87 – Hamburger Baupolizeiverordnung, BVerwGE 89, S. 69: 98 (212), 98 (213) Beschl. v. 15.10.1991, 7 B 99.91, 7 ER 301.91 – Planfeststellung für Wasserstraßenausbau, NJW 1992, S. 256: 151 (551) Beschl. v. 19.11.1991, 7 B 124.91 – „Scheibenwischer“, AfP 1992, S. 205: 206 (798) Beschl. v. 20.7.1992, 7 B 186.91 – Heilquelle, NVwZ 1993, S. 63: 206 (802) Urt. v. 23.9.1992, 6 C 2.91 – venia legendi, BVerwGE 91, S. 24: 77 (84) Beschl. v. 9.3.1993, 4 B 38.93 – Zwei-Wohnungs-Klausel, UPR 1996, S. 226: 178 (673) Urt. v. 17.6.1993, 3 C 3.89 – Krankenhausträger, BVerwGE 92, S. 313: 187 (710) Urt. v. 24.6.1993, 7 C 26/92 – Herrschinger Moos, BVerwGE 94, S. 1: 492 (409) Urt. v. 16.9.1993, 4 C 28.91 – Anspruch auf Wahrung der Gebietsart, BVerwGE 94, S. 151: 178 (671), 182 (690) Urt. v. 22.2.1994, 1 C 24.92 – Tarifgenehmigung, BVerwGE 95, S. 133: 92 (175), 108 (267), 198 (768), 391 (1823) Beschl. v. 23.2.1994, 4 B 35.94 – Nordumgehung, NVwZ 1994, S. 688: 318 (1394) Urt. v. 20.4.1994, 11 C 17.93 – „Tempo-30-Zone“, BVerwGE 95, S. 333: 82 (111), 106 (254)

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Beschl. v. 21.3.1995, 1 B 211.94 – Freiburg Wirtschaft und Touristik GmbH, NJW 1995, S. 2938: 99 (217) Urt. v. 30.3.1995, 3 C 8.94 – Abschußplan, BVerwGE 98, S. 118: 89 (152) Urt. v. 29.6.1995, 2 C 32.94 – Nebentätigkeitsgenehmigung, BVerwGE 99, S. 64: 433 (86) Urt. v. 25.1.1996, 4 C 5.95 – UVP Autobahn A 60, BVerwGE 100, S. 238: 287 (1211), 318 (1393), 318 (1394) Urt. v. 26.1.1996, 8 C 19.94 – kommunaler Mietspiegel, BVerwGE 100, S. 262: 193 (738) Urt. v. 2.5.1996, 7 C 10.95 – Konsumgenossenschaftliches Eigentum, BVerwGE 101, S. 143: 219 (857) Urt. v. 7.5.1996, 1 C 10.95 – Hessische SperrzeitVO, BVerwGE 101, S. 157: 182 (690), 207 (809) Urt. v. 4.6.1996, 4 C 15.95 – Notweg, BayVBl. 1997, S. 23: 98216 Urt. v. 27.8.1996, 1 C 8.94 – Ausweisung des Ehegatten II, BVerwGE 102, S. 12: 100 (219), 378 (1761), 399 (1863) Urt. v. 7.11.1997, 4 C 7.97 – Abstandsflächen, NVwZ 1998, S. 735: 98 (215) Urt. v. 19.5.1998, 4 A 9.97 – Wakenitz-Niederung, BVerwGE 107, S. 1: 287 (1208) Urt. v. 24.9.1998, 4 CN 2.98 – Kleingartenanlage, BVerwGE 107, S. 215: 77 (86), 153 (562), 169 (633), 182 (690), 433 (85) Urt. v. 15.4.1999, 7 B 278.98 – gentechnische Arbeiten mit Vaccinia-Viren, NVwZ 1999, S. 1232: 182 (690) Urt. v. 6.4.2000, 3 C 6.99 – Linienverkehrsgenehmigung, NVwZ 2001, S. 322: 94 (186), 204 (787) Urt. v. 28.6.2000, 11 C 13.99 – Abflugrouten, BVerwGE 111, S. 276: 77 (86), 113 (302), 153 (562), 168 (631), 169 (633), 182 (690) Urt. v. 3.8.2000, 3 C 30.99 – Pflegesatzgenehmigung, BVerwGE 111, S. 354: 182 (690) Urt. v. 19.9.2000, 1 C 17.99 – Sonntagsarbeit, BVerwGE 112, S. 51: 182 (690) Urt. v. 7.12.2000, 4 C 3.00 – Stellplätze im Gewerbegebiet, NVwZ 2001, S. 813: 98 (211) Urt. v. 10.7.2001, 1 C 35.00 – Sun Myung Moon, BVerwGE 114, S. 356: 182 (690) Urt. v. 31.1.2002, 4 A 15.01 – Ostseeautobahn, NVwZ 2002, S. 1103: 140 (499), 317 (1387) Beschl. v. 7.3.2002, 4 BN 60.01 – Normenkontrolle gegen Raumordnungsziel (Flughafenstandort), NVwZ 2002, S. 869: 149 (545) Urt. v. 21.3.2002, 4 CN 14.00 – Senioren-Residenz, NVwZ 2002, S. 1509: 122 (377) Urt. v. 23.4.2002, 4 CN 3.01 – Bebauungsplan „Leimgrube/neu“, NVwZ 2002, S. 1126: 431 (72) Urt. v. 28.6.2002, 4 A 59.01 – Klagebefugnis von Naturschutzverbänden nach neuem Recht, NVwZ 2002, S. 1234: 140 (499)

e) Entscheidungen des BayVerfGH Entsch. v. 28.10.1960, Vf.83-VI-60 – „Recht auf Arbeit“, BayVerfGHE 13, S. 141: 157 (578) Entsch. v. 16.11.1982, Vf.26-VII-80, u. a. – Münchener Sperrbezirk, BayVerfGHE 35, S. 137: 157 (578)

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f) Entscheidungen von Instanzgerichten (1) Entscheidungen der Oberlandesgerichte Kammergericht, Urt. v. 20.9.1994, 5 U 3260/93 – Kaffeefilialist, WRP 1995, S. 194: 201 (777) — Urt. v. 10.4.1995, Kart U 7605/94 – Turbinen, NJW-RR 1995, S. 1386: 320 (1405) OLG Celle, Urt. v. 21.1.71, 3 U 42/70 – Straßenbahnblockade, DÖV 1972, S. 243: 493 (414) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.1995, 18 W 5/95 – Balsam AG, NJW 1996, S. 530: 498 (440) — Beschl. v. 17.6.2002, Verg 18/02 – Abfallentsorgung (DAR), WuW 2002, S. 898: 309 (1345) OLG Frankfurt, Urt. v. 18.1.2001, 1 U 209/99 – Aussetzung des Börsenterminhandels, ZIP 2001, S. 730: 51 (10) — Beschl. v. 27.5.2003, WpÜG 01/03 – PRO Sieben, DB 2003, S. 1373: 92 (176) OLG Hamm, Urt. v. 23.9.1997, 4 U 99/97 – Gelsengrün, NJW 1998, S. 3504: 102 (232) OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.11.2001, 6 U 43/01 – Kommunales Wohnungsunternehmen, OLGR Karlsruhe 2002, S. 131: 102 (232) — Urt. v. 26.9.2001, 7 U 148/99 – Freigänger, NJW 2002, S. 445: 500 (446) OLG Köln, Urt. v. 11.1.2001, 7 U 104/00 – BVH Bank, NJW 2001, S. 2724: 310 (1347), 389 (1814) OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.1.1986, 4 U 174/83 – Sammelkläranlage, NVwZ 1987, S. 170: 496 (432)

(2) Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte OVG Berlin, Urt. v. 29.6.1981, 2 B 11.81 – Hammergrundstück, ZMR 1982, S. 43: 203 (784) — Beschl. v. 29.10.1991, 2 S 23.91 – Lenin-Standbild, UPR 1992, S. 75: 206 (797) OVG Hamburg, Urt. v. 19.5.1981, Bf VI 76.81 – Altenwerder Fischer, JZ 1981, S. 701: 158 (579), 159 (583), 159 (584), 160 (588) OVG Koblenz, Urt. v. 17.9.1985, 7 A 21.85 – Taxenstand, NJW 1986, S. 2845: 206 (804) — Urt. v. 24.7.1997, 8 A 12820.96 – Fassadenmalerei mit Graffiti-Motiven, NJW 1998, S. 1422: 203 (784) OVG Münster, Urt. v. 15.8.1980, 9 A 251.79 – Subvention für Zentralheizungsanlage, DÖV 1981, S. 109: 150 (547) — Urt. v. 10.9.1982, 10 A 2296.79 – potentielle Schutznorm, NVwZ 1983, S. 414: 102 (234), 177 (666) — Beschl. v. 19.11.1985, 13 B 2140.85 – Liste diäthylenglykolhaltiger Weine, NJW 1986, S. 2783: 175 (660) — Urt. v. 5.6.1987, 13 A 1273.86 – Glykol, AfP 1988, S. 284: 175 (660) — Beschl. v. 12.5.1999, 13 B 632.99 – Geheimhaltungsanspruch im Regulierungsverfahren, CR 2000, S. 444: 198 (769) — Urt. v. 19.8.1999, 20 D 21.98 AK – Flugrouten, n.v.: 168 (632) OVG Schleswig, Beschl. v. 27.7.2001, 1 M 13.01 – „Seeblick“, NuR 2002, S. 761: 206 (796), 211 (815) VGH Kassel, Urt. v. 22.12.1982, III OE 55.82 – Grenzgarage, n.v.: 106 (252)

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Rechtsprechungsverzeichnis

— Beschl. v. 9.2.1995, 8 TG 292.95 – T. Port, EuZW 1995, S. 222: 465 (262) VGH Mannheim, Urt. v. 22.7.1981, 5 S 858.81 – Reichsgaragenordnung, DÖV 1982, S. 293: 106 (252) — Beschl. v. 21.7.1982, 1 S 746.82 – § 102 BWGemO, NJW 1984, S. 251: 102 (232), 122 (377) — Beschl. v. 9.10.1989, 10 S 1073.89 – Abfalltransportgenehmigung, DVBl. 1990, S. 60: 199 (771) VGH München, Urt. v. 18.7.1991, 25 B 88.792 – „Scheibenwischer“, BayVBl. 1991, S. 689: 206 (798) — Urt. v. 16.5.1995, 8 B 94.2062 – von Treitschke, BayVBl. 1995, S. 726: 206 (800) — Beschl. v. 12.2.1988, 2 CE 88.00071 – Bauarbeiten auf Nachbargrundstück, BauR 1989, S. 187: 203 (784) — Urt. v. 5.3.2002, 8 B 01.1164 – Hausnummerierung, BayVBl. 2003, S. 84: 206 (801)

(3) Enscheidungen sonstiger Instanzgerichte FG München, Urt. v. 21.6.1990, 14 K 14166/83 – Direktversicherung, EuZW 1990, S. 582: 365 (1690) LG Bonn, Urt. v. 16.4.1999, 1 O 186/98 – BVH Bank, NJW 2000, S. 815: 484 (371) LG Hamburg, Urt. v. 26.4.1991, 303 O 174/90 – Schwimmunterricht, NJW 1992, S. 377: 498 (440) LG Düsseldorf, Urt. v. 30.4.2003, 2b O 182/02 – Klaus Esser, NJW 2003, S. 2536: 498 (440) VG Frankfurt, Beschl. v. 24.10.1996, 1 E 798.95 (V) u. 1 E 2949.93 (V) – Atlanta, EuZW 1997, S. 183: 465 (262) VG Hamburg, Urt. v. 4.7.1980, VII VG 60.80 – Altenwerder Fischer, DVBl. 1981, S. 269: 158 (579), 159 (582) VG Koblenz, Urt. v. 9.11.98, 3 K 938.98 KO – Einreiseverweigerung für Sun Myung Moon, einsehbar unter: http://www.agpf.de/VG-Koblenz-3K938-98.htm: 429 (62) VG Köln, Urt. v. 7.9.2000, 1 K 10354/98 – Entgeltgenehmigung für TAL-Zugang, CR 2001, S. 238: 198 (769) VG Neustadt / Weinstraße, Urt. v. 13.2.2002, 5 L 138.02 NW – Aussicht in die Rheinebene, FAZ v. 20.2.2002, S. 26: 146 (528), 207 (806) VG Sigmaringen, Urt. v. 19.5.1988, 2 K 795.87 – Straßeneinziehung, VBlBW 1989, S. 114: 206 (799)

4. Entscheidungen ausländischer Gerichte Conseil d’Etat (Frankreich), Urt. v. 22.12.1978, Req. n° 11.604 – Cohn-Bendit, Recueil Lebon, S. 524, deutscher Text: EuR 1979, S. 292: 440 (117) — Urt. v. 2.7.1982, Req. n° 25.288 - 25.323 – Huglo, Recueil Lebon, S. 257: 466 (268) — Urt. v. 20.10.1989, Req. n° 108.243 – Nicolo, Recueil Lebon, S. 190, deutscher Text: EuGRZ 1990, S. 99: 440 (117) — Urt. v. 24.9.1990, Req. n° 58675 – Tafeläpfel, Recueil Lebon, S. 251, deutscher Text: EuZW 1991, S. 124: 243 (958) Corte di Cassazione (Italien), Urt. v. 23.1.2002, Nr. 752 – Garantiefonds zur Entschädigung der Opfer von Verkehrsunfällen, ELF 2002, S. 220: 291 (1231) House of Lords (Großbritannien), Urt. v. 22.5.1974, o. Az. – H. P. Bulmer Ltd. v. J. Bollinger S.A., [1974] 2 All E. R., S. 1226: 402 (1879)

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U.S. Supreme Court (USA), o. Az. – Foster and Elam v. Neilson, 27 U.S. (Pet.) 253 (1829): 284 (1192) — Urt. v. 30.1.1939, No. 27 – Tennessee Electric Power Co. v. Tennessee Valley Authority, 306 U.S. 118 (1939): 48 (4) — Urt. v. 25.3.1940., No. 499 – FCC v. Sanders Brothers Radio Station, 309 U.S. 470 (1940): 48 (4)

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Personenverzeichnis

Personen sind aufgeführt, soweit sie im Haupttext erwähnt sind. Fundstellen beziehen sich auf Seitenzahlen. Kursive Fundstellen beziehen sich auf Folgeseiten. Achterberg, Norbert 114 Adorno, Theodor 189 Alexy, Robert 121, 168, 344 Bachof, Otto 74, 78, 87, 93, 93, 143, 192 Bähr, Otto 425 Bauer, Hartmut 82 Bellamy, Christopher 303 Bernhardt, Rudolf 110 Bethge, Herbert 130 Bühler, Ottmar 59, 66, 70, 73, 76, 77, 78, 83, 86, 93, 96, 148, 193, 424 Búrca, Gráinne de 343 Calliess, Christian 218 (849) Classen, Claus Dieter 381 Craig, Paul 343 Danwitz, Thomas von 56, 322, 324, 393 Darmon, Marco 300 Donellus, Hugo 423 Duguit, Léon 50, 138 Dürig, Günter 124 Esser, Josef 167 Everling, Ulrich 452 Fichte, Johann Gottlieb 189 (718) Frankenberg, Günter 60 Gellermann, Martin 326, 330 Gerber, Carl Friedrich von 67 Gneist, Rudolf von 424 Häberle, Peter 123

Habermas, Jürgen 345 Hand, Learned 235 Henke, Wilhelm 75, 114, 116, 181, 378 Hobbes, Thomas 188 Huber, Ernst Rudolf 74 Huber, Peter M. 219 Ipsen, Hans Peter 275, 352 Isensee, Josef 135 Jacobs, Francis 272, 274, 481 Jellinek, Georg 66, 70, 71, 75, 95, 126, 136, 192, 201, 316 Jhering, Rudolf von 47, 68, 192, 194 Kadelbach, Stefan 220, 324, 326, 330 Kafka, Franz 532 Kant, Immanuel 124 Kasper, Franz 181 Kelsen, Hans 60, 116 Lagrange, Maurice 239 Larenz, Karl 119, 322 Leisner, Walter 197 Locke, John 188 Lorenz, Dieter 112, 148 Marburger, Peter 501 Martens, Wolfgang 130 Marx, Friedhelm 320 Masing, Johannes 300 Maunz, Theodor 73 Maurer, Hartmut 124 Mayer, Otto 70, 74 Peers, Steve 298 Pescatore, Pierre 241

Personenverzeichnis Robbers, Gerhard 109, 125 (397) Rousseau, Jean-Jacques 188 Ruffert, Matthias 322, 325, 329 Rupp, Hans Heinrich 75 Sachs, Michael 79, 116 Sarwey, Otto von 425 Savigny, Friedrich Karl von 68, 424 Schenke, Wolf-Rüdiger 474 Schlegel, Friedrich von 189 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 313 Schmidhäuser, Eberhard 532 Schmidt-Aßmann, Eberhard 87, 120, 161, 207, 225, 426, 457 Schmidt-Preuß, Matthias 219

Schmitt Glaeser, Walter 156 Schoch, Friedrich 220 Scholz, Rupert 111, 146, 180, 223 Schroeder, Werner 386 Smend, Rudolf 127 Tomuschat, Christian 263 Triantafyllou, Dimitris 323, 328 Wahl, Rainer 139 Wegener, Bernhard 308, 326, 329 Windscheid, Bernhard 68, 424 Wolff, Hans Julius 192 Zuleeg, Manfred 56, 110

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Sachverzeichnis

Sachverzeichnis

Fundstellen beziehen sich auf Seitenzahlen. Kursive Fundstellen beziehen sich auch auf Folgeseiten. Kursive Schlagworte bezeichnen Entscheidungen. Aannemersbedrijf P.K. Kraaijeveld 284, 286, 318, 324, 388, 397, 463 Abstandsflächen 98, 177, 430 Abwägung 168 Abwehrrechte 71, 129, 168, 186, 187, 211, 218, 220, 316, 502 Adressatentheorie 90, 100, 217, 435 AETR siehe: Kommission / Rat (AETR) Agrarblockaden siehe: Kommission / Frankreich (Agrarblockaden) Aktionendenken 61, 64, 69, 330 – im deutschen Recht 225, 424 – im Gemeinschaftsrecht 238, 301, 304, 385, 482 allgemeine Rechtsgrundsätze im Gemeinschaftsrecht siehe: Rechtsgrundsätze, allgemeine Amtshaftung 80, 213, 476, 484, 490, 495, 502, 513, 529 Amtspflicht, drittgerichtete 498, 502 – Ermittlung 182 – Funktion 514, 530 – Rechtsnatur 499 Amtssprachen 312 Analytische Rechtsphilosophie 385 Anfechtungsklage 75, 204, 217, 427, 501 Anticommons-Problem 219 Antidumpingrecht 450, 453 Antillean Rice Mills / Rat 450 Anwendbarkeit, unmittelbare 232, 245, 246, 257, 260, 261, 280, 290, 295, 297, 300, 301, 304, 321, 368, 385, 393, 401, 407 Äquivalenzprinzip 441, 443, 455, 462, 467, 484, 508, 527

Arbeitnehmerfreizügigkeit 247, 248, 250, 253, 257, 258, 296 architektonische Selbsthilfe 92 Assoziierungsübereinkommen 295 Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u.a. 449, 465 Auftragswesen, öffentliches 167, 288, 309, 319, 328, 333, 340, 391, 404 Auslegung 149 – historische 93, 313 – im deutschen Recht 89, 207 – im Gemeinschaftsrecht 260, 280, 311 – richtlinienkonforme 289 – systematische 90 – teleologische 92, 311 – verfassungsrechtliche Vorgaben 94, 161, 214 Auslegungsmonopol 313, 401, 439, 444 Ausnahmetrias zu Art. 19 Abs. 3 GG 80 Bad Dürkheimer Gondelbahn 489 Baurecht 89, 94, 97, 98, 153, 157, 177, 178, 197, 213, 431 Becker 376 Begrenzte Einzelermächtigung 348, 369, 371 Beihilfen 54, 335, 403, 449, 452 – de-minimis-Regel 372 – gemeinschaftsunmittelbare 54 – Rechtsschutz Dritter 403, 448 – Vollzug 448 Belang, Begriff 77, 105 Beschränkungsverbote 247, 249, 383

Sachverzeichnis Betroffenheit 139, 173, 174, 175, 211, 328, 379, 382, 393, 416, 447, 448, 449, 451, 454, 525 – als Voraussetzung individueller Rechte 377, 395 – faktische 174, 325, 377 – im Gemeinschaftsprozeßrecht 55 – in Grundrechten 107, 112 – verfassungsprozessual 326 – normunabhängige 161 – tatsächliche 173, 174, 179 Beurteilungsspielraum 152, 154 Bodenschutzrecht 211 Booker Aquaculture und Hydro Seafood GSP 480 Bosman 247, 248, 250, 253, 256, 258, 261, 264, 273, 353 Bovo Tours u.a. 381, 396 Brasserie du Pêcheur und Factortame 292, 324, 337, 351, 386, 440, 480, 481, 482, 483, 485 Butterfahrten siehe: Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“) BVH Bank 389 C. Melchers & Co. KG / Deutschland 267 C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo 311, 312 Carpenter 397 Cassis de Dijon siehe: Rewe-Zentral („Cassis de Dijon“) Charta der Grundrechte 262, 268, 363, 383, 398, 400, 444, 459, 485, 512, 528 – als Erkenntnisquelle 271 – Aufnahme in den Verfassungsvertrag 271, 354 – Bindungswirkung 271 – Erkenntnisquelle 238 – negative Kompetenznormen 271 – Präambel 346, 351 – Rechte und Grundsätze 269 – Unionszielbestimmungen 270 CIA Security International 306 Clean Car Autoservice 253 comfort letter siehe: Verwaltungsschreiben

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Concordia Bus Finland 391 contentieux de pleine juridiction 475, 512 contentieux objectif 51, 76, 326, 329, 356, 357, 358, 420, 421, 429, 430, 443, 444, 445, 453, 454, 457, 460, 461, 462, 463, 466, 472, 507, 508, 509, 512, 526, 527 – als Forderung des Gemeinschaftsrechts 457 – Gestaltungsfreiheit des deutschen Gesetzgebers 462, 508, 527 – idealtypische Merkmale 420 contentieux subjectif 51, 76, 357, 358, 359, 419, 421, 444, 445, 451, 454, 458, 461, 462, 473, 508, 509, 526, 527 – idealtypische Merkmale 419 Costa / E.N.E.L. 241 Cowan 276 Dangeville siehe: S. A. Jacques Dangeville / France Dassonville 245, 247 Dassonville-Formel 247 De Coster 469 De Weerd geb. Roks 378 Defrenne II 395 Demirel 295 Dienstleistungsfreiheit 248, 252, 253, 258, 260, 397 Dillenkofer 292, 328, 338 diritti sogettivi 307, 432 diritti soggetivi 62 Diskriminierungsverbot 247, 256, 258, 277, 280, 352, 378 Diskurstheorie 190 Dispositionsmaxime 49 – im deutschen Recht 435 – im Gemeinschaftsrecht 463, 472, 507, 526 Dorsch Consult 282, 290, 468 Dorsch Consult / Rat 292, 337, 480 Dritte Rundfunkentscheidung 171 Dualismus, völkerrechtlicher 235, 241, 294 Durchsetzung – individueller Rechte 438 – subjektiv-öffentlicher Rechte 423

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Sachverzeichnis

Effektivitätsprinzip 340, 358, 385, 441, 443, 455, 462, 463, 466, 467, 484, 508, 527 effet utile 283, 335, 364, 481 – und individuelle Rechte 358, 467, 509, 528 EG-Fernsehrichtlinie 276, 370 Einstweiliger Rechtsschutz 528 – Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht 464 – im deutschen Recht 435 – im Gemeinschaftsprozeßrecht 463 Einzelermächtigung, Prinzip der begrenzten siehe: Begrenzte Einzelermächtigung Elfes 100, 165, 216 Elliniki Viomichania Oplon / Rat und Kommission (Irak-Embargo) 479 EMRK 164, 235, 238, 263, 264, 266, 267, 273, 318, 347, 353, 360, 468, 469 Enichem Base 307, 400, 432 enteignender Eingriff 491, 494 Enteignung 97, 491, 494 enteignungsgleicher Eingriff 99, 216, 491, 494 Ermessen – im deutschen Recht 77, 83, 149, 151, 156 – im Gemeinschaftsrecht 280, 286, 372, 373, 375, 380, 397, 448, 479, 483 – und zwingender Rechtssatz 77 Ermessensfehlerlehre 151 Ermessensnachprüfung, unbeschränkte 475 Erstattungsanspruch 495 EuGMR 266, 267 EWR Gutachten 232, 295, 342, 345, 347, 364 Factortame u.a. 56, 357, 440, 466 Faktizität 114, 180, 181, 226, 369, 380, 382, 407, 416 – als generelle Voraussetzung individueller Rechte 377 – im deutschen Recht 173 – und Gemeinschaftskompetenz 371 – und kontextabhängige Gesetzeskonkretisierung 176, 377

– und normative Typisierung 177 – und normative Zurechnung 174 – und Primat des subjektiven Rechts 109 Familiapress siehe: Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und -vertriebs GmbH Feststellungsklage 140, 433 Fiskustheorie 432, 489, 496, 502 Folgenbeseitigungsanspruch – im deutschen Recht 492 – im Gemeinschaftsrecht 474 Foto-Frost 305, 355, 439, 466, 471 Francovich und Bonifaci 310, 337, 480, 512 Freiheitsbegriff 128 Freiheitsrechte 75, 133, 134, 166, 211, 351, 352 Freistellungsentscheidung 372 Frubo / Kommission 372 Fünfte Rundfunkentscheidung 171 Fürsorgeentscheidung 93 Gaststättenrecht 208 GATT 296 Gebhard 251 Geltung, unmittelbare 245, 278, 281, 294, 300 Gemeinschaftsrechtlicher Haftungsanspruch siehe: Haftungsanspruch, gemeinschaftsrechtlicher Gemeinschaftstreue 254, 302, 355, 455, 471, 481 Gemeinschaftsverfassung 343, 345, siehe auch: Verfassungsvertrag; EWR Gutachten; parti écologiste „Les Verts“ / Parlament – Einheitsverband 346 – Gesamtverband 346 – materiell-rechtlicher Verbund 346 – Tempelmodell 346 – und individuelle Rechte 348, 351 Gesetzeskonkretisierung, kontextabhängige 176, 177, 180, 204, 364, 379, 396, 416, 431, 501, 525, siehe auch: Faktizität Gleichheitsrechte 133, 166, 264, 277, 316, 320, 351, 352 Glykol 99, 176, 220 Graf 261

Sachverzeichnis Großkrotzenburg siehe: Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg) Grundfreiheiten 243, 262, 275, 281, 300, 316, 327, 334, 337, 343, 350, 351, 367, 382, 398, 403, 407, 408 – als Prinzipien 255 – als Regeln 255 – Ausstrahlungswirkung 359 – Berechtigte 252 – Beschränkungsverbote 246 – Drittwirkung 256 – Gesamtsystem 250 – Rechtfertigungsgründe 249 – und Grundrechtsschutz 272 – unmittelbare Anwendbarkeit 245 – Verpflichtete 254 Grundnorm 314, 385 Grundrechte, gemeinschaftsrechtliche 262, 301, 316, 348, 350, 353, 398, 408, 471, 477 Grundrechtsausübung 350 Grundrechtsermöglichung 130 Grundrechtsförderung 130 Grundrechtstheorie – demokratisch-funktionale 128 – institutionelle 128 – liberale 128, 129 – personenbezogene 128 – sozialstaatliche 128 – wertsystematische 128 Grundwasser siehe: Kommission / Deutschland (Grundwasser) Haegemann II 297 Haftungsanspruch, gemeinschaftsrechtlicher 291, 322, 328, 337, 351, 353, 361 – Haftung der Gemeinschaften 475 – Haftung der Mitgliedstaaten 480 Haug-Adrion 258 Herstatt 104, 200, 498 Hoechst / Kommission 265, 266, 348, 349, 464 Humblet 236, 241, 356 Immissionsschutzrecht 90, 206, 208, 318, 332 Imperativentheorie 184, 385 implied powers-Lehre 235

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individuelles Recht – Durchsetzung 438 – Entwicklungslinien 438 – Ermittlung 368 – Gründe 345 – im Haftungssystem 474 Integrationslehre 127 Interesse(n) – aggregierte 92, 108, 198, 223, 332, 389, 418, 497 – als Reflexionskategorie 190 – ästhetisches 188, 203 – etymologisch 188 – im juristischen Sinn 47, 105, 192, 387 – öffentliches 49, 71, 73, 84, 86, 92, 101, 105, 108, 109, 156, 168, 183, 195, 198, 209, 237, 332, 391, 400, 416, 429, 466, 496, 509 – ökonomische 188, 203, 212, 388 – private 49, 71, 73, 74, 76, 78, 79, 84, 86, 92, 101, 105, 108, 139, 156, 157, 168, 183, 195, 198, 209, 237, 332, 391, 400, 416, 429, 496, 497 – privatrechtlich 189 – psychologisch 189, 190 – Qualifikation 109, 156, 175, 201, 460 – soziologisch 189 – Trägerschaft 202, 203, 332, 416 – und Rationalität 191, 195, 387 – und Willkür 191, 388 – unmittelbares siehe: Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk Interessenlage, tatsächliche siehe: Betroffenheit, tatsächliche Interessentenklage siehe: contentieux objectif Interessentheorie 47, 68 Interessenzuweisung – im deutschen Recht 185, 201, 204, 205, 206, 207, 212, 213, 214, 219, 220, 221 – im Gemeinschaftsrecht 333, 363, 386, 387, 392, 393, 394, 395, 401, 402, 404, 417, 458 interessi legitimi 307, 432 intérêt à agir 358, 395, 421, 454 International Fruit Company u.a. 297 Internationale Handelsgesellschaft 242, 263

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Sachverzeichnis

invocabilité 246, 281, 323, 330, 366, 405, 406, 417, 461, 508 Jégo-Quéré et Cie. / Kommission 55, 308, 354, 451, 452 juristische Personen des öffentlichen Rechts 80 Kalkar 63, 170, 179 Kampffmeyer u.a. / Kommission 480 Kapitalverkehrsfreiheit 245 Kartellrecht 54, 372, 450 Keck und Mithouard 247, 259, 261 Klagebefugnis 52, 54, 96, 100, 322 – Anforderungen an das mitgliedstaatliche Prozeßrecht 327, 454, 508, 527 – im deutschen Recht 82, 109, 132, 317, 427 – im Gemeinschaftsprozeßrecht 237, 446 – und invocabilité 330, 366, 405 – und Rechtsmacht 78, 79, 147, 224 – und Willenstheorie 68 – von Naturschutzverbänden 140, 317, 428 Klöckner / Kommission 372 Köbler 483, 486 Kombinationstheorie 69, 126 Kommission / Camar und Tico 373, 478, 479, 484 Kommission / Deutschland (Großkrotzenburg) 285, 288, 291, 318, 319, 321, 324 Kommission / Deutschland (Grundwasser) 161, 328, 329, 375, 388, 397, 400 Kommission / Frankreich (Agrarblockaden) 251, 254, 272 Kommission / Rat (AETR) 243, 295 Kommunale Unternehmen 102 Kompetenz 277 – und Faktizität 371 – und Normativität 81, 137, 233, 369, 438 – Vertragsabrundungskompetenz 370 – zur Typisierung 177 Kompetenzausübungsschranken 369

Kompetenznormen 155, 165, 375 Kompetenzverlust 269 Krantz 261 Leitbilder, normative 531 Les Verts / Parlament siehe: parti écologiste „Les Verts“ / Parlament lex imperfecta 130 Lüth 53, 128, 170, 186, 257 Lütticke / Kommission 475 Maastricht 56, 155, 232, 263, 276, 365, 369 Mandatskontrakt 496, 502 Markenrecht 201, 287, 386 Marleasing 291 Matthews / United Kingdom 267 Mediatisierung des Individuums 234 Melchers siehe: C. Melchers & Co. KG / Deutschland Menschenbild – der EMRK 347 – des GG 125, 126 – im Gemeinschaftsrecht 347 Molkerei-Zentrale Westfalen / Lippe 246, 261, 308, 315, 342, 384, 394 Monismus, völkerrechtlicher 232, 234, 294, 297 Muñoz y Cia und Superior Fruiticola 161, 302, 332, 336, 341, 376, 389, 404 Musterprozeß 140 Nachbarschutz 67, 94, 96, 98, 100, 106, 178, 203, 208, 219, 430, 496 nantissement du fonds de commerce 260 Naßauskiesung 97, 216, 259, 489 Negativattest 372 Nichtigkeitsklage 361, 446, 463, 470 Niederlassungsfreiheit 245, 247, 250, 253, 256, 258, 353 Niemitz / Deutschland 266 Nold / Kommission 263 Normen – als Prinzipien 167, 170, 255, 364, 367, 383, 481, 492

Sachverzeichnis – als Regeln 167, 170, 172, 255, 383 Normverwerfungskompetenz 358 Objektstheorie, völkerrechtliche 234 Omega Air und Aero Engines Ireland u.a. 393 Optimierungsgebot siehe: Normen parti écologiste „Les Verts“ / Parlament 305, 345, 355, 442, 471, 472 Person, juristische des öffentlichen Rechts siehe: juristische Personen des öffentlichen Rechts Pflichtexemplar 492 Philip Morris International u.a. / Kommission 360 Planung 152 Plaumann / Kommission 448 Plaumann-Formel 448 polygonale Rechtverhältnisse 100, 218, 389 Popularklage 140, 325, 327, 400, 429, 430 Prinzipien siehe: Normen punitive damages 511 Rechtserneuerungsbewegung, nationalsozialistische 73 Rechtsgemeinschaft 193, 232, 334, 350, 351, 355, 364, 365, 415 Rechtsgrundsätze, allgemeine 59, 238, 264, 268, 289, 292, 313, 346, 353, 475, 479, 481, 485 Rechtskraft – im deutschen Recht 436 – im Gemeinschaftsrecht 469 Rechtsmacht 74, 78, 81, 83, 84, 146, 202, 209, 224, 225, 406, 407 Rechtsschutzgarantie – als Grund individueller Rechte 353 – als Grund subjektiv-öffentlicher Rechte 136 – im deutschen Recht 78, 94, 112, 136, 224, 423, 427, 503 – im Gemeinschaftsrecht 302, 353, 405, 438, 445, 487

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rechtsstaatliches Verteilungsprinzip 129, 349 Rechtsstaatsprinzip – im deutschen Recht 136, 137, 142, 153, 166, 489 – im Gemeinschaftsrecht 63, 346, 486 Rechtsverhältnislehre 82, 113, 161, 174, 180, 223 recours de plein contentieux 432 recours pour excès de pouvoir 49, 336, 357, 432, 445 Regeln siehe: Normen Reine Rechtslehre 60, 314, 385 Reiten im Walde 100, 113, 163, 216 Resubjektivierung 171 Rewe-Handelsgesellschaft Nord und Rewe-Markt Steffen („Butterfahrten“) 261, 302, 325, 342, 362, 394, 400, 421, 441, 456 Rewe-Zentral („Cassis de Dijon“) 247, 249, 250 Rewe-Zentral („Pfirsichkonserven“) 392 Reyners 245 Richtlinien 246, 277, 284, 301, 306, 308, 310, 317, 319, 320, 321, 322, 325, 326, 327, 329, 335, 337, 338, 339, 340, 375, 378, 379, 380, 390, 394, 401, 449, 457, 458, 460, 482 – „horizontale“ Wirkung 284 – „vertikale“ Wirkung 289 – dogmatische Entwicklung 283 – kollidierende Rechte Privater 293 – richtlinienkonforme Auslegung 289 – und Haftung 291 – unmittelbare Wirkung 287 – Vorwirkung 286 Roquette Frères 265, 266 Rücksichtnahme 90, 97, 98, 106, 157, 159, 180, 213, 416, 431 Rundfunk als Dienstleistung 370 Rundfunkfreiheit 171 S. A. Jacques Dangeville / France 267 Salgoil 307 San Giorgio 303, 362 Sasbach 81, 125, 136, 141, 143 Schilling und Nehring 312

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Schleyer 170 Schloßberg 85, 88 Schmidberger Internationale Transporte und Planzüge 262, 272, 273, 274, 308, 337, 481, 482, 483 Schöppenstedt siehe: Zuckerfabrik Schöppenstedt Schöppenstedt-Formel 476 Schutznormtheorie 52, 53, 66, 85, 87, 88, 91, 93, 96, 97, 102, 104, 106, 108, 109, 110, 111, 116, 123, 135, 450, 456, 457, 459, 477 – ältere 67 – Alternativen 110 – begriffliche Abweichungen 85 – historische Grundlagen 66 – Kritik 102 – neuere 87, 148 – und Amtshaftung 182, 213, 496 – zivilrechtliche 101 Schutzpflichten, grundfreiheitliche 251, 254, 272 Schutzpflichten, grundrechtliche 129, 170, 212, 272, 499 Schweinemast-Entscheidung 85, 90, 91, 97, 182, 379 Selbstbindung 167, 372 Senator Lines GmbH /15 Etats de l’Union Européenne 267 Sevince 394 Simmenthal I 279 Simmenthal II 56, 243, 244, 279, 341 Sociaal Fonds voor de Diamantarbeiders 380 Solange I 56, 263 Solange II 56, 263, 268, 348 Sollensanordnung 183, 205, 384 status activus 71, 75, 125, 211, 275, 347 status negativus 71, 75, 110, 125, 130, 133, 211, 218, 347 status passivus 71 status positivus 71, 75, 125, 130, 347 Statuslehre 66, 71, 75, 113, 136 Stauder 263 Steuerrecht 209, 236, 302, 316 StIGH 234 Streitgegenstand 312 subjektiv-öffentliches Recht – Durchsetzung 423 – Entwicklungslinien 65

– Ermittlung 148 – Gründe 123 – im Haftungssystem 488 Suspensiveffekt 420, 421, 437, 507, 526, 528, siehe auch: Einstweiliger Rechtsschutz Telekommunikationsrecht 122, 198 Textilwerke Deggendorf 451, 471 Trade Barriers Regulation 300 Umweltinformation 108, 317, 401 Umweltrecht 287, 309, 318, 328, 375, 376, 388, 400, 419, 457, siehe auch: Immissionsschutzrecht; Umweltinformation; Umweltverträglichkeitsprüfung; Verbandsklage; Wasserrecht Umweltverträglichkeitsprüfung 285, 388, 397 Unilever Italia 282, 292, 305, 328, 362, 446 Unión de Pequeños Agricultores / Rat 55, 354, 360, 449, 451, 454 Unionsbürgerschaft 125, 275, 281, 334, 347, 349, 352 Untätigkeitsklage 446, 475 Untertan 70, 71, 74, 83, 86, 124 van Binsbergen 245 Van Duyn 245, 283, 364 Van Gend en Loos 231, 236, 239, 241, 245, 257, 311, 313, 334, 340, 368, 395 Verbandsklage 140, 317, 419, 428, 430, 437, 507, 526 Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und -vertriebs GmbH 272 Verfahrensautonomie 441, 444, 454, 464, 471, siehe auch: Rewe-Handelsgesellschaft Nord und ReweMarkt Steffen („Butterfahrten“) Verfassung siehe Gemeinschaftsverfassung Verfassungsbeschwerde 49, 148, 224, 326, 434, 435 Verfassungskonvent 269, 360, 400 Verfassungsverbund 272

Sachverzeichnis Verfassungsvertrag 271, 277, 345, 352, 442, 485, 512 Vergaberecht siehe: Auftragswesen, öffentliches Vergabeüberwachungsausschuß 436, 467 Verhältnis von Freiheit und Gleichheit – im deutschen Recht 133 – im Gemeinschaftsrecht 352 Verholen, van Wetten-van Uden und Heiderijk 326, 330, 377, 387, 461, 508, 527 Verletztenklage siehe: contentieux subjectif Verpflichtungsbeschwerde, kartellverwaltungsrechtliche 427 Verschränkung von subjektivem und objektivem Recht 172 Vertragssprachen 311 Vertragsverletzungsverfahren 285, 335, 373 Verunstaltungsverbot 203, 206 Verwaltungsschreiben 372 Verwaltungsvorschrift 150, 371, 499 Verwerfungskompetenz 436, 472 Verwerfungsmonopol – des BVerfG 437 – des EuGH 355, 466, 471 – von Landesverfassungsgerichten 436 Vierte Rundfunkentscheidung 171 Völkergewohnheitsrecht 234 – und deutsches Recht 150, 164 – und Gemeinschaftsrecht 295 – und individuelle Rechte 164, 235 Völkervertragsrecht – und deutsches Recht 150, 164

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– als Beginn des Gemeinschaftsrechts 232, 233 – und Gemeinschaftsrecht 294, siehe auch: GATT – und individuelle Rechte 164, 235, siehe auch: GATT; Assoziierungsübereinkommen Volksgenössische Rechtsstellung 73 Vollzugslehre 297 Vorrang des Gemeinschaftsrechts 241, 242, 243, 244, 255, 263, 273, 348, 355, 364, 439, 441 Vorrang des Primärrechtsschutzes 487, 489 Vorsorgeprinzip 269 Vorsorgewerte 206, 332, siehe auch: Immissionsschutzrecht Warenverkehrsfreiheit 246, 249, 250, 259 Wasserrecht 90, 160, 202, 211 Webb-Doktrin 250 Wertordnung 170, 171 Willensmacht 68, 74, 78, 118, 126 Willenstheorie 68 Wirkung, unmittelbare 281 Wirtschaftsaufsicht 89, 92, 104, 200, 221, 310, 333, 389, 394, 484, 497 World Wildlife Fund 380 WTO-Abkommen 297 Zollkodex 357, 440, 466 Zuckerfabrik Schöppenstedt 328, 476 Zusagen im Gemeinschaftsverwaltungsrecht 372