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German Pages 319 [320] Year 1990
Wissensveränderung durch Medien Theoretische Grundlagen und empirische Analysen
Herausgegeben von Karin Böhme-Dürr. Jürgen Emig. Norbert M. Seel
K-G-Saur München · London · New York · Paris 1990
HERAUSGEBER Dr. Dipl.-Psych. Karin Böhme-Dürr Akademische Rätin am Institut für Kommunikationswissenschaft (Zeitungswissenschaft) der Universität München Dr. Jürgen Emig Abteilungsleiter Fernsehen — Sport beim Hessischen Rundfunk, Frankfurt am Main Prof. Dr. Norbert M. Seel Leiter des Arbeltsbereichs Weiterbildung durch Telekommunikation Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wissensveränderung durch Medien : theoretische Grundlagen und empirische Analysen / hrsg. von Karin Böhme-Dürr ... — München ; London ; New Y o r k ; Paris : Saur, 1990 ISBN 3-598-10896-6 NE: Böhme-Dürr, Karin [Hrsg.]
Gedruckt auf säurefreiem Papier Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved Κ. G. Saur Verlag G m b H & Co. KG, München 1990 (Mitglied der Internationalen Butterworth-Gruppe, London) Printed in the Federal Republic of Germany Jede A r t der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlags ist unzulässig Druck/Binden: Druck Partner Rübelmann G m b H , Hemsbach ISBN 3-598-10896-6
5
INHALT Abbi ldungsverzeichnis 1
Einführung Karin Böhme-Dürr, Jürgen Emig und Norbert M. Seel
7
9
WISSENSVERÄNDERUNG DURCH MEDIEN: THEORETISCHE GRUNDLAGEN 2
Wissensveränderung durch Medien. Aufriß und Kritik Klaus Merten
21
3
Sem1ot1scher versus technischer Med1enbegr1ff. Das Medium als Konstituens des Zeichenprozesses Silke M. Kledzlk
40
PSYCHOLOGISCHE GRUNDLAGENFORSCHUNG 4
Schemata der Wissensvermittlung. Zur kognitiven Wirkung st1listlscher Formullerungsvarlanten Adolf Vukovlch und Josef Krems
55
5
Können Medien Verhalten steuern, ohne Wissen zu verändern? Walter J. Perrlg
72
6
Unterschiede 1n der Repräsentation und Verarbeitung von Wissen 1n Abhängigkeit von Kanal, RelzmodaHtät, Inhalt und Aufgabenstellung Johannes Engelkamp und Hubert D. Zimmer
84
Theor1eor1ent1erte qualitative Wissensdiagnose 1n der Medienforschung S1gmar-01af Tergan
98
7
KOMMUNIKATIONSMISSENSCHAFTLICHE ANSÄTZE 8
9
Zum Problem der Beschreibung und Erklärung von Prognosen der Wissensveränderung durch Mediennutzung Karsten Renckstorf
121
Transaktionen 1m Med1enw1rkungsprozeß. Kognitive Konsequenzen von Zeltungsnutzung und Zeltungsnutzen Klaus Schönbach unter Mitarbeit von Wolfgang Elchhorn
132
10 Strukturierung themenbezogenen Wissens bei Massenmedien und Publikum Werner Früh
151
6
WISSENSVERXNDERUNGEN DURCH NACHRICHTEN 11 Wissensvermittlung durch Nachrichten? Zur Kritik der Lehrf1lm-Metapher Peter Winterhoff-Spurk
173
12 Integrative Verarbeitung bei audiovisuellen Medien Steffen-Peter Ballstaedt
185
13 Vermittlung von Informationen durch Fernsehnachrichten. Elnfluß von Gestaltungsmerkmalen und Nachrichtenlnhalt Hans-Bernd Brosius
197
WISSENSERWERB DURCH MASSENMEDIEN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN 14 Fernsehkinder: dumm und unkreativ? Karin Böhme-Dürr
217
INSTRUKTIONSPSYCHOLOGISCHE PERSPEKTIVEN 15 Visualisierung von Lehrtexten durch B1ld-Analog1en Ludwig J. Isslng
239
AUSBLICK 16 Wissen, Lernen und Kommunikation Norbert M. Seel
263
ANHANG Literatur Sachregister
287 310
7
ABBILDUNGEN
Herten: Wlssensverfinderungen durch Medien Abb. 1: Evolution von 12 Medien in Abhänigkeit von der Zeit Abb. 2: Wirklichkeitskonstruktion durch Medien als Funktion der Mediatisierung Abb. 3: Das Verhältnis absoluter zu relationalen Größen in Abhängigkeit von der Größe η Abb. 4: Klassifikation von Wissen nach Fristigkeit und Relevanz
22 23 27 29
Vukovlch/Krems: Schemata der Wissensvermittlung Abb. 1: Identifikationsleistung der Versuchspersonengruppen bei Darbietung der Sätze in Ähnlichkeitsgruppen und in gemischter Reihenfolge Abb. 2: Betrachtungsdauer für Sätze in Abhängigkeit von der Zugehörigkeit der Sätze zu vier Sequenzvarianten Abb. 3: Betrachtungsdauer für Sätze in Abhängigkeit von ihrer Stellung in drei unterschiedlichen Sequenzvarianten
67 69 70
Perrlg: Können Medien Verhalten steuern ohne Missen zu verändern? Tab. 1: Reaktionszeiten in der perzeptuellen Identifikationsaufgabe von Experiment 1 Tab. 2: Reaktionszeiten in der perzeptuellen Identifikationsaufgabe von Experiment 2 und 3
79 79
Tergan: Theor1eor1ent1erte qualitative Wissensdiagnose 1n der Medienforschung Abb. 1: Hypothetisches Modell der Individuellen Wissensrepräsentation über das funktionale Zusammenwirken der Systembestandteile eines PCs
114
Renckstorf: PubUkums-Akzeptanz und W1 ssensverdnderung Abb. 1: Zum Konzept der "Akzeptanz": Zusammenhang zwischen Begriff, Dimensionen und Indikatoren der Akzeptanz ...124 Tab. 1: Maße der Akzeptanz einzelner Teile der Testsendung: "Wahrnehmung" 125 Tab. 2: Maße der Akzeptanz einzelner Beiträge: "Bewertung" 126 Abb. 2: Die Akzeptanz ausgewählter Beiträge des Nachr1chtente1ls 129 Schönbach: Transaktionen IM Hedlenwlrkungsprozeß Abb. 1: Ein transaktionales Modell der Medienwirkungen Tab. 1: Wahldatum: Einfluß von Zeltungsnutzung und Leseerwartungen
134 145
8 Tab. 2: Parteiwissen: Einfluß von Zeitungsnutzung und Leseerwartungen..146 Tab. 3: Wahrgenommenes Wahl interesse: Einfluß von Zeitungsnutzung und Leseerwartungen
148
Früh: Strukturierung themenbezogenen Wissens bei Massenmedien und Publikum Tab. Abb. Tab. Tab.
1: 1: 2: 3:
Statische Strukturlndices Beispiel einer semantischen Teilstruktur Dynamisch-transaktionale Komplexität Qualitative Strukturveränderung
160 163 164 166
Bailstaedt: Integrative Verarbeitung bei audiovisuellen Medien Abb. 1: Grundmodelle der Verarbeitung sprachlicher und bildlicher Informationen Abb. 2: Modell der Wort- und Bildverarbeitung von Joan Snodgrass Abb. 3: Audiovisuelle Integration durch Redundanz, durch Komplementarität und durch Inferenz
189 191 193
Broslus: Vermittlung von Informationen durch Fernsehnachrichten Tab. Tab. Tab. Tab.
1: 2: 3: 4:
Reihenfolge der Präsentation der Meldungen Behaltensleistungen bei den einzelnen Testmeldungen Wiedergabeleistung bei Meldungen mit und ohne Bild Einfluß von Anzahl und Redundanz der Meldungen auf die Informationsvermittlung Tab. 5: Einfluß von Anzahl, Redundanz und Art der Meldungen auf die Wiedergabeleistung Tab. 6: Einfluß von Anzahl, Redundanz und Art der Meldungen auf die Wiedererkennenslelstung
201 204 206 207 209 210
Isslng: Visualisierung von Lehrtexten durch B1ld-Analog1en Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.
1: Das Atom-Modell als Analogie zum Planetensystem 2: Darstellung der Basis-Domäne "Sonnensystem" und der Z1el-Domäne "Atom" als proportionales Netz nach Genter 3: Grundstruktur einer analogen Beziehung 4: Beispiel einer strukturellen Analogie (Fahrstuhlknopf) 5: Beispiel für eine funktionale Analogie (Transistor) 6: Beispiel für eine kombiniert strukturell-funktionale Analogie (Zusammenwirken der Teile eines Computers) 7: Beispiel für eine funktionale Analogie (Gelenke) 8: Beispiel für eine funktionale Analogie (Schnittwunde) 9: Beispiel für eine funktionale Analogie (Radio) 10: Beispiel für eine komplexe funktionale Analogie (Mustererkennung und Informationsverarbeitung als "Pandemoni um") 11: Lehrtext und bildliche Darstellungen der vier Versuchsbed i ngungen
241/42 243 244 245 246 247 250 251 252 254 257/58
Seel: Wissen, Lernen, Kommin1kat1on Abb. 1: Kommunikation als zeichenvermittelte Interaktion zwischen kognitiven Systemen Abb. 2: Übersichtsschema zur Theorie der semantischen Stufen
277 279
9
1
EINFÜHRUNG Karin Böhme-Dürr, Jürgen Ealg und Norbert H. See!
Haben Sie gestern abend im Fernsehen eine Nachrichtensendung gesehen? Können Sie noch den Inhalt von mehr als zwei verschiedenen Meldungen wiedergeben und etwa auch Details im Zusammenhang erinnern? Sollte dies der Fall sein, so waren diese Meldungen für Sie anscheinend nicht völlig neu: Vermutlich verfügten Sie bereits über Vorwissen oder Sie haben zwischenzeitlich aus einem Medium (Zeitung, Radio, Videotext) oder aber von irgendeiner Person Informationen darüber erhalten. Was veranlaßt uns zu dieser Vermutung? Empirische Untersuchungen
(zum Beispiel
von
Stauffer, Frost & Rybolt,
1984) belegen, daß Fernsehzuschauer
1983; Graber,
gewöhnlich nur wenige (nämlich etwa 10
bis 20 Prozent) Nachrichten spontan reproduzieren können; selbst Hilfestellungen erweisen sich als kaum behaltensverbessernd. Anders sieht es aus, wenn Fernsehzuschauer bereits über spezifisches Vorwissen verfügen, das Ihnen erlaubt, die neuen Informationen
unmittelbar zu assimilieren.
Offensichtlich
wird das, was von Fernsehnachrichten behalten wird, im allgemeinen eher davon bestimmt, was der Fernsehzuschauer im Kopf hat, als von dem, was
Ihm das
Fernsehen anbietet. Können Medien überhaupt einen Einfluß auf Wissen ausüben oder gar Wissensveränderungen bewirken? Gibt es dabei womöglich Unterschiede zwischen verschiedenen Medien und welcher
Art sind die Wissensveränderungen
bei wem,
warum, unter welchen situativen Bedingungen? Mit diesen und anderen Fragen befaßte sich eine Gruppe von Kommunikationswissenschaftlern, Psychologen, Pädagogen und Soziologen anläßlich eines Symposiums, das im Juni 1987 beim Saarländischen Rundfunk in Saarbrücken mit dem Thema "Wissensveränderung durch Medien" stattfand. Ziel des Symposiums war, den Stand der Forschung zum Wissenserwerb und zur Entwicklung von Weltwissen, seiner Repräsentation und Veränderung aufgrund medialer Einflüsse sowie seiner anforderungsspezifischen Nutzung und Anwendung aus der Sicht verschiedener Wissenschaftsdisziplinen darzustellen und zu diskutieren. Das Thema war durchaus provokativ gemeint, denn, was unter "Wissen" und "Medien" zu verstehen ist, war zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig geklärt wie das weitergehende
10
Problem, ob Medien Wissen verändern können. Damit verbunden wurden weitere Fragestellungen zum Beispiel, wie Menschen neues Wissen über komplexe Bereiche der Welt erwerben und mit bereits vorhandenem Wissen verknüpfen, wie sie ihr Wissen repräsentieren und welche Bedeutung dafür die Modalität hat, mit der Informationen durch ein Medium dargeboten werden. Weiterhin sollten unterschiedliche Arten von Wissen und der Wissensveränderung spezifiziert werden. Wegen der Schwerpunktsetzung
auf empirische Forschung sollte auch der
Methodik der Veränderungsmessung besondere Beachtung bei gemessen werden, was dann allerdings 1n den Einzelvorträgen nur unzureichend berücksichtigt wurde. Demgegenüber wurde der Praxisbezug anhand der externen Validität verschiedener Untersuchungen diskutiert, was aber in den ausgewählten Beiträgen für das vorliegende Buch nur mehr angedeutet wird.
Versuch einer vorläufigen Begrlffsexpllkatlon Mit dem Aufkommen und der rasanten Weiterentwicklung der "cognitive science" sind theoretische Terme zur Bezeichnung psychischer Phänomene üblich geworden, die trotz ihres häufigen Gebrauchs alles andere als präzise definiert sind. Einer dieser Begriffe ist "Wissen", mit dem ein theoretisches Konstrukt bezeichnet wird, das für verschiedene Wissenschaftsdisziplinen grundlegend 1st - angefangen bei der Philosophie (vgl. Kondakow, 1983; Stegmüller, 1986) über die Psychologie (vgl. Mandl & Spada, 1988; Norman & Rumelhart, 1978), Soziologie
(vgl. Berger &
Luckmann,
1969), Angewandte Informatik
(vgl. Habel,
1986) bis hin zur Pädagogik (vgl. Ausubel, 1974; Bruner, 1974). Eine Analyse der Literatur zeigt aber rasch, daß kein gemeinsames Verständnis des Wissensbegriffs vorausgesetzt werden darf. Auch wir können keine Theorie anbieten, die uns hilft, den Wissensbegriff allgemeingültig zu explizieren. Wir können aber wenigstens einige gängige und, wie wir glauben, nützliche Definitionen vorstellen, um ein grundlegendes Verständnis der Beiträge dieses Buches zu erleichtern. "Wissen" wird 1n der einschlägigen Literatur auf vielfache Weise definiert und aufgrund seiner unterschiedlichen Manifestierung 1n beobachtbarem Verhalten differenziert. Eine besonders 1n der "cognitive science" beliebte Unterscheidung 1st die zwischen "knowing how" und "knowing that" (vgl. Anderson, 1976; Scherer, 1987), die auf eine Gegenüberstellung von "Können" und "Wissen" hinausläuft und auf der Annahme basiert, daß "deklaratives" und "proze
11
durales Wissen" zwar eng aufeinander abgestimmte, gleichwohl aber streng zu trennende Konstituenten der menschlichen Kognition sind. Üblicherweise wird das "deklarative Wissen", da es 1n Irgendeiner Form Immer auf die (reale oder projizierte) Welt bezogen ist, auch als "Weltwissen" bezeichnet.
Einerseits
1st es erfahrungsbegründet
und an Tätigkeiten
oder
Handlungen gebunden, weshalb auch von "empirischem Wissen" gesprochen werden kann (Rusch, 1985).
Dieser operational
gewonnenen Form von Realitätswissen
wird in prozedurallst1sehen Ansätzen der "cognitive science" eine besondere Bedeutung beigemessen, Indem betont wird, daß Wissen sich eigentlich nur 1n seiner Anwendung in Situationen äußere, die Intelligentes Verhalten erfordern. Andererseits 1st das "Weltwissen" auch ontologisch bestimmt,
Insofern
es in Begriffen von Objekten, Zuständen, Ereignissen und Ereignisfolgen nach zeitlichen, räumlichen, konditionalen oder kausalen Aspekten organisiert 1st; 1n diesem Falle wird von "ontologischem" oder "semantischem Wissen" gesprochen. "Wissen" ist die Konstruktion und Aufrechterhaltung von Invarianzen, und dies gilt für jede Art von Wissen unabhängig davon, ob es ontologisch oder operational
begründet
1st. Das
Konstruieren von Invarianten
kann
als ein
Lernprozeß betrachtet werden, der zu "Wissen" führt und genau dem entspricht, was Plaget als Herausbildung
"operativer Schemata" bezeichnet und als aus-
schlaggebend für die offensichtliche Stabilität und Dauer unserer Vorstellungen aufgefaßt hat. Die Invariantenbildung 1st aber nicht allein auf Wahrnehmungserlebnissen
und
Handlungserfahrungen
begründet,
sondern
zu
einem
guten Stück immer auch auf Denkprozessen, die auf vorhandenem Weltwissen operieren und auf der Basis zusammenhängender Überlegungen aus vorausgegangenen Erfahrungen Wissen ableiten, dem im Extremfall keinerlei Wahrnehmung zu entsprechen braucht. Dieses auf Überlegungen begründete Wissen wird auch "diskursives Wissen" genannt (vgl. Kondakow, 1983), und es wird die Bedeutung von Induktlons- bzw. Analogieschlüssen herausgestellt, mittels derer vorhandenes Weltwissen verdichtet und "neues" Wissen gewonnen wird. Der "Ort", wo die Konstruktion von Wissen beim Menschen erfolgt, 1st das Gehirn, das signalverarbeitend und bedeutungserzeugend 1n einem 1st und Komplexitätsreduktion keine Wiedergabe
als der
eine
Uberlebensnotwendige
"Wirklichkeit"
Selektion
(vgl. Richards
&
leistet,
Glasersfeld,
aber 1984).
Diese Konzeption 1st 1n zweierlei Hinsicht bedeutsam: Erstens stimmt sie mit der kogn1t1onspsychologischen Auffassung
überein, daß Wlssenszustände keine
"schlafenden Kopien früherer Erfahrungen" sind, "die von Zelt zu Zeit irgendwie ins Bewußtseln
gerufen werden"
(Nelsser, 1974, S. 350). Anders ausge-
drückt: Nicht die naturgetreue Abbildung der Wirklichkeit steht 1m Mittel-
12
punkt der Konstruktion von Wissen, sondern alleine dessen Nutzen im Prozeß der Kognition. Nützlich kann aber nur solches Wissen sein, das uns in der Art nicht fremd, also aus Bekanntem hervorgegangen
und an Bekanntes gekoppelt
1st. Zweitens bringt die (konstruktivistische) Konzeption zum Ausdruck, daß Wissen, obwohl es auf der Konstruktion und Aufrechterhaltung von Invarianzen beruht, dynamisch und veränderbar ist: Wissen ist immer nur für eine gewisse Dauer stabil und persistent; um das Zurechtfinden in der Welt zu erleichtern, wird Wissen permanent modifiziert, d.h. erweitert, verfeinert oder reorganisiert. Daß Wissen dynamisch ist und ständigen Veränderungen unterworfen, wird zwar allgemein anerkannt (vgl. Schänk, 1982), findet aber so gut wie keine Entsprechung zum Beispiel
in empirischen Untersuchungen, die sich mit dem Ein-
fluß der Nutzung von Medien befassen (vgl. Schönbach, 1983, S. 33). Auch in der Wissenspsychologie findet die Veränderung von Wissen nicht annähernd die Beachtung
wie
vergleichsweise
die
Problematik
der
"Wissensrepräsentation"
(vgl. dazu Mandl & Spada, 1988). Das hängt wohl damit zusammen, daß es nicht möglich 1st, über Wissen zu sprechen, ohne auf seine "Repräsentation" einzugehen (vgl. Fodor, 1981). Dennoch ist auch der Begriff der Wissensrepräsentation alles andere als präzise und allgemeingültig definiert, was wohl primär darauf zurückzuführen
ist, daß eine Annäherung an diese Problematik auf
den unterschiedlichen Analyseebenen erfolgen kann (vgl. Brachman & Levesque, 1985), wie auch die Beiträge 1n diesem Buch zeigen. Gleichwohl besteht offensichtlich ein Minimalkonsens, wonach die Wissensrepräsentation als geordnete Folge von Symbolen zu verstehen 1st, die eine Person als Mittel der Darstellung Ihres Wissens benutzt. Dabei wird die Bedeutung der Symbole durch die Bezüge zur externen Welt bestimmt. Welche Symbolsysteme Menschen für die Repräsentation
Ihres Wissens
verwenden,
ist
in
Psychologie
und
"cognitive-
science" Gegenstand zahlreicher Abhandlungen und kontrovers geführter Diskussionen. A e b U
(1981) hat die Problematik der Wissensrepräsentation als eine
der "Medien des Denkens" bezeichnet und in Beziehung zur Internalisierung von Zeichensvstemen gesetzt, die der Kommunikation dienen. Da laut Posner (1985) jede Kommunikation auf Kommunikationsmittel angewiesen ist, die auch "Medien" genannt werden, wird mit der Internalisierung der Zeichensysteme ein unmittelbarer Bezug zwischen
Kommunikationsmitteln und den "Medien des Denkens"
hergestellt oder anders ausgedrückt:
es wird die sem1ot1sche
Funktion der
"Kommuni kat1onsmedlen" hervorgehoben. Wir bevorzugen den semiotlschen Medienbegriff für die Medienwirkungsforschung im Gegensatz
zu dem bislang
präferierten technologischen
Medienbe-
13 griff, da durch seine Verwendung Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen Medien analysiert werden können (vgl. hierzu Posner, 1985, S. 256 ff.; BöhmeDürr, 1987). Demzufolge wird in diesem Buch davon ausgegangen, daß der Symbol Charakter von vermittelten Zeichen für eine Analyse von Wissensveränderungen sinnvoller 1st als eine Grobkategorisierung wie etwa "Massenmedien" oder "Unterrichtsmedien" . Mindestens vier Charakteristika von Medien können grob unterschieden werden: Technologien, medienspezifische Darbietungsformen, Inhalte und typische soziale Situationen, in denen sie genutzt werden (vgl. Salomon, 1979, S. 14). Bis Anfang der achtziger Jahre hat die Kommunikationswissenschaft Ihr Hauptaugenmerk auf Inhalte, mitunter auch auf Technologien gerichtet. Erst in den letzten
Jahren
gewinnen
Präsentationsformen
mehr
Beachtung
(vgl.
Meyer,
1984). Wenig berücksichtigt blieben bislang die sozialen Situationen - untersucht wurden sie allenfalls in den sogenannten "qualitativen" Studien der Medienpädagogik. Alle vier Charakteristika können Wissenserwerb oder Wissensveränderungen beeinflussen. Allein schon aus finanziellen Gründen sind bestimmte Medientechnologien nur für bestimmte Gruppen erreichbar - somit ist der Wissenserwerb durch eben diese Technologien erschwert. Das beste Beispiel dafür, daß medienspezifische Charakteristika Wissensaneignung steuern können, ist die bekannte Fernsehserie "Sesamstraße". Sie war und 1st als Informations- und Bildungsprogramm konzipiert, trägt aber typische Merkmale von Unterhaltungssendungen wie
zum Beispiel
kurze Schnittfolgen
und Kamerabewe-
gungen, visuelle und akustische Spezialeffekte. Der in vielen Ländern beobachtete Effekt der "Sesamstraße" auf den Wissenszuwachs wird nicht nur auf die für Kinder adäquaten Inhalte, sondern vor allem auch auf die spezifischen Präsentationsformen zurückgeführt. Soziale Situationen, in denen Medien genutzt werden, können ebenfalls den Wissenserwerb nachhaltig beeinflussen. So 1st die Rezeption von Nachrichten im Radio während lauter Diskussionen nahezu unmöglich. In dem vorliegenden Buch werden von den genannten Charakteristika die Inhalte und medienspezifischen Präsentatlonsformen 1n den Vordergrund der Analyse gestellt.
Aufbau des Buchs Dieser Band enthält mit der Einführung 16 Kapitel. Der Einführung folgen sieben Teilbereiche.
Im ersten werden von Merten und Kledzlk theoretische
Grundlagen diskutiert. Merten geht davon aus, daß dsn Medien bei der Wissens-
14 Vermittlung eine
Immer wichtigere
Rolle zukommt.
Da sich
das
Aufmerksam-
keitspotential für Medien nicht beliebig steigern läßt, ist die Art der Wissensnutzung für die Verarbeitung von entscheidender Bedeutung. Am Beispiel der Nachrichten zeigt er, da3 Informationen für den Rezlplenten relevant sein müssen, um aufgenommen zu werden. Merten fordert die stärkere Berücksichtigung funktionaler
Faktoren.
Nicht der Wissens-,
sondern der
Medienbegriff
steht bei Kledzlk 1m Zentrum der Erörterungen. Der gebräuchliche technologische Medienbegriff sollte - so meint sie - durch den semiotischen Medienbegriff ergänzt werden. Denn semiotische Charakterisierungen tragen dazu bei, inter- und 1ntramed1är bedingte Unterschiede bei der Informationsvermittlung und Wissensaneignung besser erkennen zu können. Im zweiten Teil werden Ansätze der psycho!ogisehen Grund1agenforschung vorgestellt. Auch wenn sie möglicherweise von manchem Medienpraktiker oder Kommunikationswissenschaftler als zu wenig anwendungsorlentiert den, sind
die
doch
für
Fragen
zum Wissenserwerb
durch
beurteilt wer-
Massenmedien
von
weltreichender Bedeutung, da wechselseitige Abhängigkelten nur in sorgfältig geplanten Experimenten belegt werden können. Hinzu kommt, daß die Wissenspsychologie differenzierte Hypothesen und Untersuchungsmethoden entwickelt hat, die auch für die Erforschung der kognitiven Effekte von Massenmedien fruchtbar gemacht werden können. Vukovich und Krems haben überprüft, wie kognitive Schemata durch stilistische
in drei
Experimenten
Formulierungsvarianten
beeinfluBt werden. Sie weisen nach, daß auffassungswirksame
Reihungseffekte
auf die Bildung textspez1f1scher Erwartungen zurückzuführen sind. Derartige Befunde gelten nicht nur für ein Einzelmedium, sondern sind für die Aufbereitung von Informationen 1n verschiedenen Medien von Interesse. Einem außerordentlich spannenden Problem widmet sich Perrig 1n seinem Beitrag: Können Informationen, die nicht als bedeutungsvoll wahrgenommen werden und die - laut Aussagen der Versuchspersonen - nicht gesehen wurden, Verhalten beeinflussen? Die von Perrig berichteten Befunde, daß eben dies möglich 1st, sind ein wichtiger Beitrag für die Forschung zum 1nz1dentellen Lernen durch Medien. Der Frage, wie Sprache und B1ld bei der Informationsverarbeitung
zusammenwirken,
widmen sich Engelkamp und Zimmer. Sie argumentleren aufgrund ihrer Analysen experimenteller Befunde, daß es nützlich sei, modalItätsspezifIsche Verarbeitungssysteme und Prozesse für die Analyse des Zueinanders von Sprache und B1ld anzunehmen. Tergan kritisiert die bisherigen kommunikationswissenschaftlichen und psychologischen Forschungsansätze, da sie sich allenfalls am Rande mit Problemen der Wissensveränderung durch Medien befassen. Er plädiert deshalb für einen wissensdiagnostischen Ansatz, 1n dem vier eng verzahnte Diagnoseschritte
unterschieden werden:
Kognitive
Aufgabenanalyse, Auswahl
und
15 Einsatz eines Diagnoseverfahrens, Rekonstruktion der Individuellen Wissensrepräsentation und zuletzt deren Beschreibung/Bewertung. An einem Beispiel über die Funktionsweise eines Personalcomputers verdeutlicht er seinen Ansatz. Der dritte Teil behandelt kommun i kat i onswi ssenschaf11 i che Ansätze• die im allgemeinen eher pragmatisch orientiert sind und nicht unbedingt den Anforderungen psychologischer Grundlagenforschung entsprechen (wollen). Im ersten Beitrag diskutiert
Renckstorf
"Informations-"
und
"Gebrauchswert"-Zuschrei-
bungen des Publikums als (subjektive) Indikatoren des Wissenserwerbs. Unter dem "Informationswert" versteht er wichtige Informationen über Fakten, Hintergründe und Zusammenhänge sowie Anregungen für die eigene Urte1lsb1ldung; unter dem "Gebrauchswert" subsumiert er das Phänomen, daß jemand selbst von einem Thema betroffen 1st und sich dazu äußern möchte. Ein wichtiges Ergebnis seiner empirischen Studien ist, daß subjektive Beitragsbewertungen auch auf der Ebene der "objektiven" Erinnerung Ihre Entsprechung finden. In den beiden folgenden Beiträgen von Schönbach und Früh werden Ergebnisse aus Studien vorgestellt, die sich am "dynamisch-transaktionalen Modell" orientieren. (Kognitive) Medieneffekte werden Kreationen"
von
"Angebot"
in diesem Modell
-
(Medienbotschaften)
laut Schönbach - als
und
"Nachfrage"
"Ko-
(Bedürfnisse
und Motive des Publikums) verstanden. Schönbachs Studie untersuchte unter anderem, wie der Einfluß der Lokalberichterstattung durch das Urteil der Leser über die Journalisten verändert wird. Er fand, daß sowohl positive als auch negative Meinungen über Journalisten die Wirkungen des Zeltungslesens verstärken und zugleich die Bedeutung bestimmter Erwartungen an die übermittelte Information verringern. Einer ganz anderen Forschungsfrage hat sich Früh 1n seinem Projekt zugewandt: Wie werden Informationen aus verschiedenen Medien zum Bestandteil unserer Vorstellungen von der Wirklichkeit? Mit Hilfe der von ihm entwickelten "Semantischen Struktur- und Inhaltsanalyse"
(SSI) weist er
nach, daß neben einem starken Trend zur Informat ionsreduktlon auch Integrations- und Umorganisationstendenzen
bei der
Informationsverarbeitung
statt-
finden. Im vierten Teil wird ein vielfach bearbeitetes Feld der kognitiven Medienforschung angesprochen:
Wissensveränderungen
durch Nachrichten.
Wlnterhoff-
Spurk behandelt 1n seinem Beitrag die Effektivität von Fernsehnachrichten und kritisiert vor dem Hintergrund von Untersuchungsbefunden die Auffassung, die Produktion und
Rezeption von
Kommunikationssituation.
Nachrichten
konstituierten
eine
pädagogische
Er spricht sich dafür aus, den Bereich der Fern-
sehnachrichten 1n Forschung und Praxis vermehrt an werbepsychologischen Konzeptionen auszurichten,
um den
Rezipienten effiziente
Orientierungsanlässe
für elaborlertere Verarbeitungsprozesse zu bieten. Einem anderen Problem der
16
Fernsehnachrichten geht Ballstaedt nach: der Integration der visuellen und auditiven Informationen. Als erkenntnisleitend beurteilt er die kognitionspsychologlsche Grundlagenforschung, deren Relevanz er am Beispiel eines Modells der Informationsverarbeitung verdeutlicht. Sodann diskutiert er unterschiedliche Formen der konzeptuellen Integration bei der Gestaltung von Fernsehnachrichten. Brosius schließlich stellt die Ergebnisse eines Experimentes dar, die eine Wechselwirkung
der formalen Darstellung
und dem Inhalt von
Nachrichtenfilmen belegen. Im fünften Teil wird das Forschungsfeld Wissenserwerb durch Massenmedien bei Kindern und Jugendlichen angerissen: Böhme-Durr analysiert in ihrem Beitrag, ob das allgemeine Vorurteil, Fernsehen mache Kinder dumm und unkreativ, durch die empirische Forschung gestützt werden kann. Dazu diskutiert sie Studien zu Einflüssen des Fernsehens auf deklaratives bzw. Wissen und auf kognitive Operationsmodi
inhaltsspezifisches
(Intelligenz, Kreativität, Sprache,
Lesen). Der sechste Teil bringt Instruktionspsychologische Perspektiven zur Sprache: Issing stellt die Funktion von Bildern als Visualisierungen von Texten in den Vordergrund seiner Betrachtungen und berichtet Uber zwei explorative Untersuchungen zur
kognitiven Effizienz
von Bildanalogien.
Die
Ergebnisse
lassen die Schlußfolgerung zu, daß Bildanalogien das Verständnis eines Textes erleichtern, wenn sie selbst verstanden werden und eine eindeutige Beziehung zum begleitenden Text aufweisen. Den Abschluß des Buches bildet der Ausblick von Seel mit einer konstruktivistischen Analyse der Zusammenhänge von Wissen, Lernen und Kommunikation, die er als theoretischer Bezugsrahmen für die vorliegenden Beiträge versteht.
Danksagung Weder das Symposium noch das vorliegende Buch hätten ohne die finanzielle und ideelle Unterstützung durch zahlreiche Personen und Institutionen realisiert werden können. Zunächst danken wir dem Saarländischen Rundfunk für die Gastfreundschaft und
die
kostenlose
Bereitstellung
des
Konferenzgebäudes
inklusive
seiner
technischen Einrichtungen. Der "Stiftung Volkswagenwerk", der "Saarland-Toto GmbH" und der "Werbefunk Saar" verdanken wir einen Großteil der finanziellen Mittel für die Durchführung des Symposiums. Der Druck des vorliegendes Buches wäre ohne sie und die finanzielle Unterstützung durch das "Deutsche Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen" (DIFF) nicht möglich gewesen.
17 Bei der Herstellung der druckfertigen Vorlage haben wir Pia Dlebold, Lutz Leuendorf, Dirk Mauel, M.A. und Dipl.-Päd. Peter Warth für ihre Mitwirkung zu danken.
Im Saur-Verlag
fanden
wir
in Barbara Fischer eine
Partnerin, auch ihr sei herzlich gedankt.
verständnisvolle
WISSENSVERANDERUNG DURCH MEDIEN: THEORETISCHE GRUNDLAGEN
21
2
WISSENSVERANDERUNG DURCH MEDIEN - Aufr10 und Kritik Klaus Herten Universität Münster
I. Lernen als Aneignung von Wissen resp. Wissensveränderung 1st ein Prozeß, der ebenfalls - wie andere gesellschaftliche Prozesse - von der Evolution der Medien überschattet wird: Nichts geht mehr, was nicht mit Medien geht. Unter dieser Perspektive gewinnt die Vermittlung von Wissen durch Medien eine eminente und weiter wachsende Bedeutung. Untersuchungen über die Bedingungen der Vermittlung von Wissen durch Medien müssen jedoch - so die hier artikulierte Kritik - unvollständig bleiben, wenn sie sich auf formale Aspekte des zu vermittelnden Wissens beschränken. Exemplarisch wird daher am Beispiel von Nachrichten versucht zu zeigen, daß und wie eine Berücksichtigung der Inhalte des zu vermittelnden Wissens, der sie vermittelnden Medien und schließlich der am Vermlttlungsprozeß
beteiligten
Rezlpienten weitere Erkenntnisse über die Bedingungen der Wissensvermittlung durch Medien freilegen kann. Lernen 1st eine Form beabsichtigter oder unbeabsichtigter Wissensveränderung, die 1m klassischen Verständnis an einen Prozeß sozialer Interaktion gebunden 1st. Bereits 1n der Reformpädagogik des ausgehenden 19. Jahrhunderts findet sich der dafür kennzeichnende Begriff des "Unterrichtsgesprächs" (vgl. Jourdan, 1976, S. 63 ff.). Unter dem Stichwort der "künstlichen Intelligenz", des "programmierten Lernens" Jedoch wird deutlich, daß Wissensveränderung
auch ohne
Interaktion,
eben durch Medien möglich 1st (vgl. statt anderer etwa Baacke, 1973 a; Lenzen, 1973; Dlchanz, 1974). Diese Anblndung der Wissensveränderung an Medien hat zunächst zur Folge, daß auch hier die Evolution der Medien Ihre Schatten wirft, und dies zumindest auf zweierlei Welse: In der Vermehrung der Medien
22
selbst und in der dadurch Indirekt erzeugten Medienwirklichkeit. tion
von
Medien
läßt
sich
chronologisch
1n
der
Zunahme
von
Die EvoluMedien
pro
Zeiteinheit 1> überzeugend nachweisen (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: Evolution von 12 Medien in Abhängigkeit von der Zeit 12 11
Zahl
der Medi'
Evolution der Medien (1609-1978)
I 1978
12. K a b e l f e r n s e h e n Í
11. B i l d p l a t t e n Τ
10
1 9 7 6
10. K a s s e t t e n f 1 9 7 3
9
9. S a t e l l i t e n f e r n s e h e n
i--|g7-f
8. F a r b f e r n s e h e n _¿
8 7
7. Tonband , + 1951 6. F e r n e e h e n j / . j g g . j
6
δ
S
· Radi °/l91 1918
4. Film
4
+ 1895 ι .·-1872
2. E l e k t r i s c h e r Telegraph
3 2 1
"T1809
I.Zeitung
+1609 —
1600
1700
1800 .Inlir
1900
2000
Dieser Trend wird sogar noch überholt durch eine fachspezifische, segmentare Ausd1fferenz1erung von Medien und eine quantitativ gut nachvollziehbare Ausweitung von deren Berichterstattung nach Selten resp. nach Zeit
a
>.
Die
dadurch Initiierte Bindung von Vermittlungsleistungen, von Kommunikation, von Wahrnehmung an die Medien folgt nicht nur diesem Trend, sondern sie potenziert diesen dadurch, da3 der Zugang zur Wirklichkeit Insgesamt mehr und mehr Ober Medien erfolgt, so daß die Medien per se eine Def1n1tionsmacht ausüben, die ebenfalls progressiv anwächst (siehe Abbildung 2). Dies 1st - auf andere Weise - ein harter Beleg dafür, da0 der Übergang zur hochd1fferenz1erten, postmodernen Gesellschaft durch Entwicklung und Einsatz dazu korrespondierender Medien erst ermöglicht wird (vgl. dazu unter anderer Perspektive identisch Luhmann, 1981, S. 309 ff.). Verschärft wird diese Entwicklung schließlich durch die Tatsache, daß sich, anthropologisch
gesehen,
das
Potential
für
Aufmerksamkeit
nicht
beliebig
steigern läßt, so daß der einzelne einer solchen Entwicklung relativ hilflos gegenüberstehen muß. Einschlägige Untersuchungen zeigen mit großer Deutlichkeit, daß sich beispielsweise das Zeltbudget für die Nutzung relevanter Medien (z. B. Tageszeitung, Fernsehen, Hörfunk) nicht oder nur unwesentlich
23
Abbildung 2: Wirklichkeitskonstruktion durch Medien als Funktion der Medlatisierung 5r
/
2.3^3
1.5
0.111
0.1
0.25 0.2
0.429
0.3
0.667-
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
steigern läßt (vgl. etwa Berg/Klefer, 1982, S. 207 ff., S. 229). Solche Leistungssteigerung ist notwendig. Aber sie hat Ihren Preis und 1st daher - für Gesellschaften insgesamt geradezu typisch - nur über eine weitere Stelgerung von Selektivität durch reflexive Strukturierung erzielbar: Wissen über Wissen. Kein Zufall also, daß in der Form von Katalogen, von wissenschaftlichen Abstracts oder von Programmzeitschriften derartig Ie1stungsste1gernde Strukturen 1m Kommunikationssystem Installiert werden müssen.
II. Die bislang aufgezeigte Relevanz von Medien für die Vermittlung von Wissen rechtfertigt die Frage nach den Bedingungen, unter denen die Vermittlung von Wissen erfolgt.
Hierzu
Hegen
mittlerweile eine Reihe von
beeindruckenden
theoretischen und empirischen Befunden vor. Ausgangspunkt 1st zunächst die Analyse von schriftlich verfaßten Texten gewesen, deren Rezeption
1m Rahmen der sog.
readabllity-Forschung
um Flesch
(1951) untersucht wurde. Flesch bestimmte die Lesbarkeit eines Textes durch
24
eine lineare Kombination etwa der Zahl der Wörter pro Satz, der Zahl der Silben pro Wort etc. Diese Verfahren wurden später zwar verbessert, müssen aber dennoch als
rein empirische,
nicht theoriegestützte
Verfahren
gesehen
und
dementsprechend vorsichtig betrachtet werden (vgl. Merten, 1983, S. 174 ff.). Anspruchsvollere Verfahren zur Messung der didaktischen Qualitäten von Texten wurden später 1m Rahmen psychologischer Ansätze entwickelt, vor allem im Rahmen der Lernpsychologie (vgl. glerforschung
(vgl. Berlyne,
Bredenkamp, 1977), der Aktivations- und Neu1974) oder des
information-processing-Ansatzes
(vgl. Schroder, 1967). Früh (1980) hat, aufbauend auf diesen Ansätzen, eine Reihe von Textmerkmalen
wie Textkomplexität, graphische Struktur,
Wortfre-
quenz, Satzschachtelung etc. untersucht, also sämtlich formale Textmerkmale. Es lag nahe, den Begriff des Textes über den schriftlich fixierten Text hinaus zu erweitern auf alle zeichenhaften Strukturen. Schmidt (1976) verwendet daher konsequent den Begriff der Textualität und verweist auf den kommunikationstheoretischen Bezug:
"Wenn überhaupt
kommuniziert wird, wird
tex-
tual/texthaft kommuniziert" (Schmidt, 1976, S. 144). Folgerichtig werden daher neben dem schriftlich verfaßten Text auch nonverbale, optische und/oder akustische Texte in bezug auf deren Vermittelbarkeit einbezogen (vgl. Bentele & Hess-Lüttich,
1985).
Kepplinger
(1987) etwa analysiert systematisch
das
Verhältnis von Bildern (Photos) und zugehörigen Texten und die daraus sich ergebenden
Rezeptionsmuster
beim
Rezlpienten.
Ebenso
analysiert
WiIking
(1988, S. 78 ff.) Typen von B1 ldausschnltten und Ihre Relation in bezug auf deren Verwendungsmuster in der Presse. Jörg (1978) arbeitet an der Aufdeckung der Vermittlungsleistung sprachlicher Bezeichnungen in bezug auf die Wahrnehmung von Bildern. Diese Entwicklung setzt sich konsequent fort, so daß auch bewegte Texte (Filme, Blldsequenzen etc.) 1n die Betrachtung einbezogen werden, insbesondere auch für die Medien relevante Beziehungen zwischen einzelnen Textsorten resp. Kommunikationskanälen
(vgl. etwa Wember, 1976; Winter-
hoff-Spurk, 1986, S. 150 ff.). Von der Didaktik her kommend gibt es weitere Ansätze, die die Verständlichkeit von Texten zu bestimmen suchen (vgl. etwa Langer et al., 1974). Hier ist insbesondere die mediennah argumentierende und analysierende Untersuchung von Ballstaedt et al. (1981) hervorzuheben, die die Wissensaufnahme, das Textverstehen, als eine Text-Rez1pient-Interaktion deutet und theoretisch eine Fülle von Ansätzen, darunter auch schema-theoretische
Ansätze, aufgreift
und für
die Analyse praktischer Fragen der Textverarbeitung und -gestaltung umsetzt. Aus solchen und weiteren Entwicklungen heraus strukturiert sich derzeit eine Wissenspsychologie, die "den Erwerb, die Repräsentation, den Abruf, die Anwendung und die Veränderung von Wissen beim Menschen (beschreibt)" (Vorderer,
25 1987, S. 227). Dabei geht das Bestreben dahin, theoretische Modelle des Wissenserwerbs
und
der Wissensveränderung
per Computersimulation
zu erproben
(vgl. Mandl & Spada, 1984, S. 34 ff.) und damit präzise Aufschlüsse Uber die Gestaltung von Texten in bezug auf deren optimale Rezeption und Perzeption zu gewinnen. Freilich, und hier setzt die Kritik ein, beschränkt sich die Analyse von Wissenserwerb und Wissensveränderung - wie beschrieben - fast ausschließlich auf formale Aspekte von Wissen, vor allem in der Form schriftlich verfaßter Texte. Die Frage, ob Prozesse des Wissenserwerbs und der Wissensveränderung (durch Medien) indifferent gegen die zu vermittelnden Inhalte und Indifferent gegen die sie vermittelnden Medien sein können, bleibt dabei unerörtert. Genauer: Es bleibt offen, welche Implikationen sowohl die Struktur als auch die Funktion des zu vermittelnden Wissens auf den Prozeß der Vermittlung haben können. Das ist umso erstaunlicher, als die Soziologie des Wissens bereits sehr früh auf soziale Faktoren von Wissen aufmerksam gemacht hat (vgl. Scheler, 1924; Park, 1940). Im folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, strukturelle und funktionale Aspekte von Wissen 1n Bezug zu setzen zu den dafür möglichen und/oder notwendigen Vermittlungsstrukturen. Am Beispiel des Wissenstypus "Nachricht" soll sodann die Fruchtbarkeit solcher Inhaltlicher Überlegungen demonstriert werden.
III. Der Begriff des Wissens ist nicht eindeutig definiert. Etymologisch bedeutet er zunächst eine Information, die "gewlß" ist. Die Bindung von Information an Wahrhaftigkeit
impliziert jedoch eine soziale Garantie für Wahrhaf-
tigkeit - sei diese personal durch einen glaubwürdigen Kommunikator oder institutionell durch die Glaubwürdigkeit eines Mediums gegeben: Die Glaubwürdigkeit eines Kommunikators gilt, wie Campbell
(1965,S. 298 ff.) zutreffend
bemerkt, als "universal value in human societies". Wissen ist demnach ein Typus von Information, der sozial strukturiert ist - sei es, daß Wahrnehmungen und Erfahrungen, die ein Mensch macht, zugleich auch von anderen gemacht werden können, sei es, daß dies zumindest unterstellbar 1st, daß dies so sei. Wissen ist daher, anders gesagt, allemal Information mit zumindest einer sozialen Schnittstelle. Die daraus abzuleitenden Bedingungen für den Gebrauch von Wissen sind von der Wissenssoziologie deutlich herausgearbeitet worden (vgl. Berger & Luckmann, 1969, S. 36 ff. u. S. 197 ff.). Auch Wlssensverände-
26
rung, die als solche
zugleich
genuin
Information
darstellt
(vgl.
Garner,
1962) und damit Struktur generiert, bleibt somit an eine soziale Dimension gebunden. Wenn und sofern inhaltliche Dimensionen von Wissen einen Einfluß auf dessen Rezeption haben - was hier unterstellt wird - so müssen die dafür relevanten Dimensionen berücksichtigt
werden.
In Anlehnung an die
funktional-struktu-
relle Systemtheorie von Luhmann (1970, S. 42) sollen hier zunächst exemplarisch drei strukturelle Dimensionen skizziert werden: die sachliche, soziale und temporale Dimension. Die sachliche Dimension von Wissen bezieht sich dabei auf die Typisierung von Wissen, die soziale Dimension auf dessen Relevanz und die temporale Dimension auf dessen Lebensdauer. Wissen läßt sich in der Regel auf zwei
Welsen strukturleren:
segmentar oder
funktional. Segmentare
Differenzierung erlaubt eine nominale Diffenzierung, hat also nur eine einfache Ordnungsfunktion. Funktionale Differenzierung von Wissen bietet bei Bedarf zusätzliche Ordnungsleistungen - zum Beispiel die Bildung von spezifischen Hierarchien. Die von Maruyama (1966) vorgeschlagene Differenzierung von Wissen (bzw. Information) berücksichtigt diese Unterscheidung. Maruyama unterscheidet drei Arten von Wissen,
nämlich (a) klassifikatorisches Wissen,
(b) relationales Wissen und (c) relevanzbestimmtes Wissen. Klassifikatorisches Wissen ist charakterisiert durch folgende Eigenschaften: a) Es erlaubt die Sortierung in wechselseitig ausschließende Kategorien (Segmentierung). b) Es 1st tendenziell indifferent gegen die Zeit (unverderblich). Die Logik der Klassifikation, die nach differentia specifica und genus proxlmum (vgl. Sodeur, 1974, S. 24 ff.) differenziert, stellt einen gängigen Anwendungsfall klass1f1katorischen Wissens dar. Klassifikatorisches Wissen ist absolut, ist Bestand, ist "knowledge about something. Hence in schools the teaching and research are divided into 'subject matters', i.e. what the study is about" (Maruyama, 1966, S. 57). Relationale Information hingegen ist nicht substanzorientiert, sondern ereignisorientiert. Demgemäß setzt
relationale Information
(relationales Wis-
sen) notwendig einen Bezugspunkt (Vergleich eines Objekts mit anderen, Bezug des Objekts auf ein anders Subjekt oder Objekt etc.) voraus. Relationales Wissen 1st, mit anderen Worten, nicht hinsichtlich seines absoluten Wahrheitsanspruchs aktuell, sondern nur jeweils in bezug auf eine bestimmte Person, eine bestimmte Gesellschaft, eine bestimmte Epoche, eine bestimmte Situation etc. "In the classiflcational
universe, the basic question is 'what
1s 1t'? In the relational universe, on the other hand, the basic question is
27 'how does it relate to others'?". Der Unterschied zwischen klass1f1kator1schem und relationalem Wissen läßt sich auch graphentheoretisch darstellen (Abb. 3). Abbildung 3: Das Verhältnis absoluter zu relationalen Größen in Abhängigkeit von der Größe η
Punkt Graph
η
(O) 1 2
υ
Θ-Θ
Relation r ( G—3 ) 0
1
•Â
Fnnfrtiqp; r=
( H \ft(II - 11 ( 2l= - T -
Klassifikatorisches Wissen entspricht Positionen, und relationales Wissen entspricht Relationen
zwischen
Positionen.
Wie Abbildung
3
sehr deutlich
zeigt, erzeugt ein Zuwachs um das n-fache an klassi fikatorlschem Wissen einen Zuwachs um (n 2 ) des relationalen Wissens, d.h. die Differenz zwischen klasslfikatorlschem Wissen und dem (vergleichsweise wichtigeren) relationalen Wissen wird sich erst recht vergrößern, was nicht nur auf ein allgemeines "knowlegde gap" hinweist (vgl. Herten, 1985a, S. 56), sondern auch bedeutet, daß angesichts der
starken
Vergrößerung
relationalen Wissens
gerade
hier ge-
eignete - und das heißt: rigide - Mechanismen der Selektion zu erwarten sind. So kann man zum Beispiel die unter dem Stichwort "Med1enexplos1on" wahrnehmbare Vermehrung von Medien als eher schädlichen Auswuchs einer überflußgesellschaft betrachten - wie dies der Kulturpessimismus 1n ungebrochener Tradition tut. Oder auch als kommerzielles Abenteuer. Man kann diese Perspektive jedoch 1m Sinne obiger Überlegungen heuristisch auf den Kopf stellen: Evolution der Medien als nacheilende und daher tendenziell noch Immer nicht zureichende Anpassung an die Zunahme von Wissen.
28
Relevantes Wissen ist zunächst ebenfalls ein relationales Wissen, das darüber hinaus jedoch durch Angabe eines Sinngehalts, einer Bedeutung für einen Benutzer eine weitere Selektivität aufbringt, demgemäß eine höhere Anschlußselektlon aufweist
und
kostbarer
mehrfach relationiert, hat sowohl
ist. Relevante
Information
ist
insofern
sozial wie temporal mehr Randbedingungen,
ist verderblicher. "Most of the relevantal information is situational, applicable to specific individual cases at a specific time only. It is needed immediately for action"
(Maruyama, 1966, S. 60). Ein geradezu typisches Bei-
spiel für relevanzbestimmtes Wissen sind etwa Nachrichten, die als sozial relevante Wissensveränderung geringer temporaler Haltbarkeit
definiert werden
können (vgl. Merten, 1988). Relevanzbestimmtes Wissen hat durch seine weitere Relationierung gegenüber dem relationalen Wissen nochmals ein um den
Faktor (n2)
höheres Wachstum,
d.h. gerade hier sind die stärksten Selektionsmechanismen zu erwarten. Man könnte
dies
provokatlv
zuspitzen:
Das
relevanteste
soziale
Wissen
1st
zugleich das temporal verderblichste Wissen. Bereits auf der hier diskutierten sachlichen Ebene sind soziale und temporale Perspektiven sichtbar - ein Hinweis darauf, daß sich diese Dimensionen von Wissen wechselseitig stabilisieren. Die soziale Dimension von Wissen ist an den Begriff der Relevanz geknüpft. Dies Impliziert zunächst einen zugrundellegenden Sachverhalt, der einer weiteren Relationierung unterworfen wird. Relevanz
resp. Bewertung, bezeichnet dabei
also einem selektiven Prozeß, alle Indikatoren
für gesamtge-
sellschaftliche Bezüge. Typisches Beispiel hierfür sind etwa Nachrichten, deren Relevanz anhand einer Reihe von Nachrichtenfaktoren bestimmbar erscheint (vgl. Galtung & Ruge, 1965), z.B. Nennung von Elite-Nationen, Elite-Personen etc. Relevanz 1st jedoch in sich nochmals binär strukturiert, nämlich in den Ausprägungen positiv versus negativ. Da Position und Negation asymmetrisch verteilt sind zugunsten der Negation (vgl. Luhmann, 1981, S. 37 ff.), bedeutet dies, daß die Negation den Primat hat. Wissen über den Eintritt negativer Ereignisse - also etwa: Verletzungen zentraler Werte oder Normen, Kriege, Krisen, Bedrohungen aller Art von Leib und Leben oder alle Anzeichen dafür hat somit eine ungleich höhere Relevanz als das Wissen über positive Ereignisse und ist 1m übrigen selbst oft nur durch Negation als positiv darstellbar ("Es ist nichts passiert"). Zum anderen ist hier weiterhin zu berücksichtigen die Dauer der Vermittlung resp. des Lernprozesses,
die aufzubringen
1st, um einen bestimmten Bestand bestimmten Wissens zu rezipieren. Das Verhältnis dieser beiden temporalen Strukturen weist dabei direkt auf ein zentrales Problem der Wissensvermittlung
hin, das sich wie folgt formulieren
29 läßt: Je relevanter ein Stück Wissensveränderung, gesamtgesellschaftlich gesehen, ist, desto weniger Zeit bleibt, diese Veränderung zu rezipieren, zu lernen. Das aber heißt: Je relevanter (neues) Wissen, um so geringer die dafür zur Verfügung stehende Zeit.
IV. Die bislang entwickelten Überlegungen über soziale Strukturen von Wissen, die sich aus der Berücksichtigung der Inhalte von Wissen ergeben, erlauben eine Typ1s1erung von Wissen wie in Abbildung 4 ersichtlich. Abb. 4: Klassifikation von Wissen nach Fr1st1gkeit und Relevanz •s^elevanzΝ. grad F r i s t ig^s. keit \
klaesifikatorisches Viesen
relationales Viesen
relevan«bestimmtes Viesen
langfristig
Literatur, Kunst, Ewigkeitev i seen
Testamente, Biographien
Seheionisee
mittelfristig
Schulwissen
Viesens c h a f t , Erfahrungen (skills)
Viseen Über Angele ge nhe i te η Personen, Problese
kurzfristig
Schlager, aktuelle Routinen
Orientierung» wissen
Kachrichten, Börsenkurse etc·
Kunstwerke (Romane, Musikstücke, Bilder) sind etwa der Prototyp für klassif1kator1sches, langfristig beständiges Wissen, das man ein für allemal lernen kann. Dafür 1st Zelt vorhanden, so da|3 schulische Instanzen mit entsprechenden Strategien sich der Vermittlung solchen Wissens annehmen können. Wissenschaftswissen hingegen 1st als relationales Wissen zu typisieren
(Wissens-
fortschritte werden auf altes Wissen einer bestimmten Disziplin bezogen), altert, es 1st von begrenzter Lebensdauer. Das Medium der Vermittlung 1st daher - wiederum nicht untypisch - die Zeitschrift, der Vortrag - mit Je eigenen Vermittlungsformen. Mittelfristig
relevanzbestimmtes Wissen könnte dann etwa
taktisches Wissen über Personen, Vorgänge etc. sein. Wissen von höchster Re-
30 levanz ist - notwendig - zugleich verderbliches, schnell alterndes Wissen, beispielsweise als Nachricht, Börsenkursmeldung, Kriseninformation etc. Demgemäß sind die Strukturen seiner Vermittlung unter dem Eindruck hoher Eilbedürftigkeit resp. hoher Aktualität (vgl. Merten, 1973, S. 220 ff.) notwendig auf schnellste Vermittlung ausgelegt,
genauer: Der Zwang zu schneller Ver-
mittlung muß mit dem Verzicht auf Inhaltliche Tiefe, auf ästhetische Ausformulierung oder auf diskursive Erörterung bezahlt werden.
V. Überlegungen zur Vermittlung von Wissen beziehen weiterhin neben der didaktischen Perspektive auch die durch die Medien selbst gesetzten Randbedingungen ein. Schulz (1974) hat tentatlv solche Bedingungen aufgelistet. Dazu zählen nicht nur die bereits genannten medienspezifischen Kanal-Variablen, sondern erneut auch temporale Variablen der zeitlichen Verfügbarkeit bzw. Wiederholbarkeit des jeweiligen Inhalts. Zusätzlich unterscheidet Schulz etwa nach (a)
der Kompaktheit des zu vermittelnden Wissens,
(b)
dar Art der Übermittlung (materiell vs. immateriell),
(c)
der technischen Voraussetzungen,
(d)
der für die Vermittlung notwendigen Zeit,
(e)
des vom Rezipienten verlangten Ausmaßes an Verstehensleistung, sowie
(f)
der Universalität der zu vermittelnden Inhalte.
Unter sehr ähnlicher Problemstelung differenziert die Semiotik verschiedene Medientexte (etwa: Fernseh-Text, Film-Text, Bild-Text) ausdrücklich nach den dafür gesetzten
Bedingungen
die eben medienspezifisch 1985). Die von Ehlers
für die Vermittlung
determiniert
sind
(1985) angestellte
bestimmter
Wissensinhalte,
(vgl. Bentele & Hess-Lüttich,
Untersuchung etwa analysiert die
Vermittlungsleistung von V1deo-Text-Untertiteln 1m Medium Fernsehen für Hörbehinderte. Solche Untersuchungen sind notwendig und ermutigend, auch dann, wenn eine Theorie der Vermittlung von spezifischem Wissen durch bestimmte Medien an bestimmte Rezipienten mit angebbarem Erfolg noch weit entfernt zu sein scheint (vgl. Habermann, 1984). Denn der Einbezug medialer Bedingungen 1st ein erster und wichtiger Schritt zur Differenzierung des Vermittlungsbegriffs nach Typus von Wissen, Typus von Medium und Typus von Rezlpient.
31
VI. Vergleichsweise weit wichtiger, aber men sind funktionale
Faktoren
zugleich weitaus schwieriger zu bestim-
von Wissen.
Die klassische
Publizistikwissen-
schaft hält hierfür eine Trias von Funktionen als Information, Kommentar und Unterhaltung bereit: "Die Kriterien der kommunikativen Kategorie Inhalt sind: Information, Kommentar und Unterhaltung aus verschiedenen
Disziplinen
(I, K, U). Eine Anzahl Untersuchungen
haben die
Gültigkeit dieser
tigt" (Prakke et al., 1968, S. 65 f.). Dieses 1n der
Kriterien
bestä-
Publizistikwissenschaft
weit verbreitete klassifikatorische Verständnis von Inhalten kann bei näherer Hinsicht
(vgl. Merten, 1988) jedoch allenfalls als idealtypische Maxime gel-
ten. Sie geht an der kommunikativen Wirklichkeit aus mindestens zwei Gründen sorglos vorbei. Zum einen sind Funktionen nicht ontologisch zu bestimmen. Sie sind vielmehr einzunehmen:
Relationierungen,
unterhalten oder meinungsbildend viele weitere
die
Ein bestimmtes Wissen Funktionen
statuserhöhende
Funktion
haben,
es gestatten, (Inhalt)
kontlngente
Perspektiven
kann ja nicht nur
Informieren,
sein, sondern es kann im Prinzip unendlich z.B. eine gesprächsstiftende
(Herrschaftswissen),
eine
Funktion,
eine
wirklichkeitskonstrule-
rende Funktion (vgl. Schulz, 1976; Merten, 1985) etc. Dabei wäre auch zu unterscheiden, ob diese Funktionen in bezug auf den einzelnen Rezipienten zu sehen sind oder aber, auf einem aggregierten Level, 1n bezug auf Gesellschaften. Hier kann Wissen z.B. Funktionen der sozialen Kontrolle, der Konsensstiftung etc. ausüben. ständnis von Funktionen
unmittelbar,
Zum zweiten folgt aus diesem Ver-
daß diese wechselseitig
wie Kategorien bestimmt werden dürfen:
Ein Inhalt
nicht
exklusiv
(Wissen) läßt eben gerade
keine singulare und ausschließliche Bestimmung einer definitiven Funktion zu, sondern im Prinzip beliebig viele, so daß das ebenfalls der Logik der Klassifikation kann ein
folgende Exhaustionsprinzlp Inhalt
gleichzeitig
sowohl
hier nicht Informieren
angewendet werden als
auch
darf.
Meinungen
So
bilden
oder verändern als auch unterhalten - und anderes mehr. Welche Funktionen er - immer bezogen auf den jeweiligen Adressat, Immer bezogen auf eine bestimmte Situation - gerade oder vornehmlich ausübt, wäre jeweils Gegenstand sorgfältiger funktionaler Analyse und kann nicht durch kategorlale
ex-ante-Festset-
zung bestimmt werden. Funktionale Analyse, die mehr sein will als ein Katalog zu erbringender Leistungen, ist freilich aufwendig, so daß sich doch der Verdacht aufdrängt, daß allein dies Grund genug 1st, diese zu scheuen. Dies ist ebenso verständlich, wie es bedauerlich
ist. Denn Funktionen sind, wie Lüh-
32 mann (1970, S. 113 ff.) überzeugend nachweist, Strukturen gegenüber vorzuordnen, und zwar deshalb, well sie als Kontingente Bezugsgesichtspunkte für die Leistungen relativ inflexibel zu begreifender Strukturen gewählt werden können, dadurch ungleich mehr Variationen zulassen und mehr Möglichkeiten spezifizieren. Die hier tentativ entwickelte Kritik soll
im folgenden auf einen
Typus von Wissen angewendet werden, der ausweislich seine Nutzung zu den begehrtesten Wissensbeständen
zählt: auf Nachrichten.
Denn gerade
hier
läßt
sich eindrucksvoll belegen, daß und wie der Verzicht auf Analyse struktureller und insbesondere funktionaler Faktoren von Wissen - hier: Nachrichten die Diskussion um die Vermittlung dieses Wissens fehlgeleitet hat.
VII. Nachrichten, ursprünglich definiert als "Mitteilung zum Danachrichten" mit faktischem Wahrheitsanspruch (vgl. Riepl, 1913, S. 1) sind ein Typus von Wissen, von dem bereits Park (1940, S. 682) aus wissenssoziologischer Perspektive behauptet, sie seien
"One of the earliest and most elementary forms of
knowledge". Die Praxis bestätigt sehnachrichten mit einer
dies eindrucksvoll: So genießen die Fern-
über Jahre
hindurch konstant
hohen Einschaltquote
von etwa zwei Dritteln aller Bundesbürger mit weitem Abstand das höchste Interesse, die höchste Aufmerksamkeit
(vgl. Berg & Klefer, 1982, S. 80) aller
Typen von medienvermitteltem Wissen. Weil darin - zu Recht - vor allem eine Informationsleistung über politische Sachverhalte vermutet wird, ist die Gestaltung von Nachrichten - von Politikern auf der einen Seite, von Wissenschaftlern auf der anderen Seite - analog mit großer Aufmerksamkeit betrachtet worden (vgl. statt anderer etwa Setzen,
1971; Friedrich,
1974; Schatz,
1980; Lange, 1981). An die Gestaltung und Vermittlung von Nachrichten wurde dabei eine Reihe von Forderungen herangetragen, deren wichtigste die folgenden zu sein scheinen: (1)
Nachrichten müssen neu sein ("Jüngstes Gegenwartsgeschehen"),
(2)
Nachrichten müssen "objektiv" sein,
(3)
Nachrichten müssen "ausgewogen" sein,
(4)
Nachrichten müssen (polltische) Bildungsfunktion haben,
(5)
Nachrichten müssen verständlich sein. Diese Forderungen sollen zunächst expliziert werden.
Die Neuigkeit
Nachrichten 1st eine Forderung, die im Begriff der Aktualität
von
von Emil Dovi-
fat als "jüngstes Gegenwartsgeschehen" postuliert wurde (vgl. Dovlfat, 1962, S. 53). Im gleichen Sinn definiert Noelle-Neumann (1971, S. 195) die Nach-
33 rieht als "eine nach bestimmten Regeln gestaltete Mitteilung über einen Sachverhalt, von dem angenommen wird, daß er für den Empfänger ganz oder teilweise neu ist". Denn Neuigkeit als Kriterium für Nachricht ist ein notwendiges, aber sicher kein
hinreichendes
Kriterium.
Zumindest muß zur
ein weiteres, funktionales Kriterium der Relevanz hinzutreten.
3
>
Nachricht Neuigkeit,
auch wenn sie im Sinne der mathematischen Informationstheorie exakt formalisierbar ist, kann nicht ausreichen, um zugrundeliegende Sachverhalte
(Ereig-
nisse) nachrichtenwürdig zu machen (vgl. Merten, 1973, S. 219 ff.): Die Tatsache etwa, daß nebenan ein mittelgroßer Teller mit drei Scheiben Brot (belegt mit
Schwarzwälder
Riesling (trocken),
Schinken,
jedoch ohne
von beringter
Butter) sowie ein Bergsträsser
schöner Hand zelebriert, auf mich warten,
weil eben diese Zeilen noch auf eine 17,3-jährige Schreibmaschine eingetippt werden müssen, während die Uhr 23.46 zeigt und das Telefon endlich schweigt, ist ein hochinformatives Ereignis, das sich so und genau so nie wieder ereignen wird. Dennoch ist es völlig ungeeignet als Nachricht - well die Relevanz solcher Ereignisse für das Gros einer Population, für die Gesellschaft, definitiv gleich Null
sein dürfte. Anders
gesagt:
Erst die funktionale
Analyse
von Nachrichten liefert realitätsnahe Erkenntnisse. Objektivität von Nachrichten ist eine Forderung, die in einschlägigen Nachrichtenstatuten als Norm journalistischen
Handelns festgeschrieben
etwa Friedrich, 1974, S. 201 f., aber auch Tuchman, - verkürzt gesagt erfahren,
ist (vgl.
1972). Der Rezipient soll
in den Nachrichten ein objektives Bild der Wirklichkeit
sozusagen Momentaufnahmen
einer maßstabsgetreu
verkleinerten
Welt
wahrnehmen. Aus gegebenem resp. vorgeblichem Anlaß wird ein Mangel an Objektivität dann - meist beklagt.
von interessierten
Die Kritik wird
festgemacht,
- und das
also methodisch völlig
ist
Politikern oder
Interessengruppen -
bezeichnend - am
falsch angesetzt.
Selektionsprodukt
Nachrichten
verdanken
sich selektiven Strategien, deren Kriterien Neuigkeit und Relevanz von Ereignissen (Aktualität)
und andere,
am journalistischen Alltag orientierte
Pro-
duktionszwänge sind. Wenn nur etwa 1/10 Promille aller Meldungen auch von den Medien gebracht werden, kann man sich ausrechnen, wie stark die faktische Selektivität ist. Eine Überprüfung von Objektivität würde demnach entweder voraussetzen,
daß man die
Kriterien,
nach denen
selektiert wird,
entsprechend
präzise standardisieren und kontrollieren kann, oder aber, daß man fallweise das gesamte zur Verfügung stehende Material
(Input) kennt und vor diesem Hin-
tergrund fallbezogen den Output (die publizierten Nachrichten) auf Objektivität überprüft.
Da der Rezipient niemals den gesamten
Input kennen
kann
und
die Kriterien der Selektion ihm ebenfalls verborgen bleiben, ist eine Kritik
34
von Objektivität - zumal, wenn man aus statistischen Gründen noch eine Varianz zulassen muß - im besten Fall gut gemeint. Bezieht sich die Forderung nach Objektivität auf alle Elemente der zur Auswahl stehenden Grundgesamtheit von Ereignissen, so bezieht sich die Forderung nach Ausgewogenheit auf eine darin enthaltene Untermenge von wertenden oder Wertungen implizierenden Ereignissen derart, daß die Wertungen im Sinne meist weltanschaulicher Perspektiven "ausgeglichen"
saldiert und möglichst ausge-
glichen sein sollten - sozusagen ein journalistisches Nullsummenspiel
(vgl.
Ronneberger, 1977). Noch deutlicher als die Forderung nach Objektivität impliziert dies geradezu die Fälschung durch den Journalisten, etwa wie folgt: Ist über eine politische Gruppierung etwas Positives (Negatives) zu vermelden, so soll von der dazu konträr stehenden Gruppe entsprechend positiv (negativ) berichtet werden etc. Diese Forderung ist - wenn man sie ernst nehmen soll - geradezu eine Garantie dafür, daß die Nachrichten mit fiktiven Ereignissen bestückt werden müssen (vgl. Merten, 1988). Das auf dieser Basis vermittelte Wissen würde gerade der Forderung nach Objektivität direkt ins Gesicht schlagen müssen. Die Forderung nach politischer Bildung durch Nachrichten ist als idealtypische Norm sicherlich zu begrüßen. Sie wird jedoch sehr viel mehr als reale Forderung - in den Nachrichtenstatuten, von Praktikern, aber auch von Theoretikern - erhoben
(vgl. statt anderer
1974; Langenbucher,
Straßner,
1982, S. 49 ff.; Pätzold,
1974; Lange, 1981, S. 40 ff.). Diese Funktion - so die
Argumente - können die Nachrichten auf Grund der knappen Präsentationsdauer aber erst dann erfüllen, wenn sie durch mehr Hintergrundwissen, mehr Erklärungen, mehr Kontext verständlicher gemacht werden: "Um jeden Staatsbürger zu erreichen, müssen Informationen so gestaltet, so angeordnet, so präsentiert werden,
daß jeder
Interessierte
in der
Lage
ist, sie auch zu
verstehen"
(Straßner, 1982, S. 50). Als instruktives und zugleich vorbereitendes Beispiel für die nachfolgende Kritik sei hier verwiesen auf die einschlägigen Anstrengungen von Fritz Eberhard, den Begriff "Bundesrat", der, wie festgestellt wurde, von der Mehrzahl der Bundesbürger nicht erklärt werden konnte, durch eine Kampagne verständlicher zu machen: Auf Grund von Absprachen mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten wurde eine Zeitlang jedesmal dann, wenn der Begriff "Bundesrat" 1n den Nachrichten verwendet wurde, eine Erklärung (... "das ist die Vertretung der Länder in Bonn", o.ä.) dazu abgegeben (vgl. Eberhard, 1962, S. 150). Mit derartiger Hilfestellung, so diese Forderung, könnten die Nachrichten
als wesentliches Medium für politische Information
zugleich auch ihren politischen Bildungsauftrag erfüllen.
35 Die Forderung nach Verständlichkeit von Nachrichten ist für die Vermittlung von Wissen sicherlich die bedeutendste; sie knüpft direkt an die Forderung nach politischer
Bildung
an
(vgl. etwa Straßner,
1982, S. 312 ff.; Katz,
1977; Huth et al., 1977; Friedrich, 1974, S. 180 ff.). Die hierzu unternommenen Forschungsanstrengungen sind demgemäß besonders intensiv und haben eine Fülle von Ergebnissen erbracht, die für die formale Gestaltung von Nachrichten aussagekräftig sind. Ob sie freilich auch relevant sein können, bleibt zunächst offen.
VIII. Die grundsätzliche Kritik der hier aufgelisteten Forderungen läßt sich wie folgt formulieren: Solange über den Typus des zu vermittelnden Wissens keine Angaben vorliegen, solange also die Funktion bzw. die Funktionen des zu vermittelnden Wissens nicht geklärt sind, kann über nachgeordnete
wünschbare
formale und/oder normative Eigenschaften des zu vermittelnden Wissens keine valide Aussage riskiert werden. Von daher sind zunächst die wichtigsten Funktionen des zu vermittelnden Wissens zu bestimmen. Diese lassen sich bestimmen aus der Struktur des Nachrichtenwissens, der Struktur von dessen Verbreitung sowie - daraus folgend - aus der beim Rezipienten aufgebauten Erwartungsstruktur (vgl. Merten, 1988). Die Struktur von Nachrichtenwissen 1st zu kennzeichnen durch (a)
Aktualität (Überraschung und Relevanz),
(b)
Relationalität bzw. Relevanzbestimmtheit und
(c)
geringe Lebensdauer.
Die Struktur der Nachrlchtengebung ist - der Struktur von Nachrichtenwissen folgend - wie folgt zu kennzeichnen: Nachrichten sind (a) kurzfristig und (b) häufig und 1n bestimmter Frequenz zu aktualisieren. Theoretisch wäre es denkbar, daß immer dann Nachrichten verbreitet werden, wenn bestimmte Aktualitätsschwellen überschritten werden. Oder umgekehrt, daß die Häufigkeit der Nachr1chtenverbre1tung
flexibel
1m Sinne
des
Grenznutzengesetzes
geregelt
1st. De facto unterliegt die Nachr1chtenverbre1tung einer starren Frequenz resp. einem festen Rhythmus, der von den Produkt1onsbed1ngungen vorgegeben wird: Was sich bis zu einem gewissen Zeltpunkt (dead-Hne) an Nachrichten angesammelt hat, wird 1m jeweils gleichen Umfang verbreitet - unbeschadet bestimmter Aktualitätsschwellen. Die Erwartungsstruktur des Rezipienten für Nachrichtenwissen wiederum orientiert sich an den vorgegebenen Strukturen des Wassens und dessen Verbrel-
36 tung: Der Rezlpient entwickelt zunächst eine Erwartungshaltung, die am besten zu kennzeichnen wäre als "Erwartung für Unerwartetes" (Merten, 1977, S. 450). Man muß immer darauf gefaßt sein, daß etwas passiert, auch wenn normalerweise nichts passiert. Diese Paradoxie hat weitere Implikationen in bezug auf die beim Rezlpienten bereits vorhandene Wissensstruktur:
Diese muß durch Nach-
richten ja nicht erst aufgebaut werden, sondern sie ist bereits da, muß nur jeweils marginal verändert und adaptiert werden an einen sich laufend verändernden Horizont der Welten (vgl. Schütz, 1963, S. 12 ff.). Damit ergibt sich als weiteres Paradoxon, daß der Rezipient die Rezeption von Nachrichtenwissen kontrafaktisch betreibt:
Er erwartet, daß etwas
"passieren"
kann,
aber er
weiß zugleich, daß in der Regel nichts passiert. Nachrichtenwissen wird daher nicht kumuliert (wie etwa das Erlernen eines bestimmten Sachwissens), sondern es hat nur eine konservative updating-Funktion. Sowie diese erfüllt ist, ist das Nachrichtenwissen wertlos: Nachrichten sind zum Vergessen (vgl. Gunter, 1983).
IX. Nach dieser basalen Funktionsbestimmung für Nachrichtenwissen die oben skizzierten
normativen Aussagen
lassen sich
an die Nachrichtengestaltung
nun
präzise kritisieren. Zunächst kann damit erklärt werden, warum der Rezipient, wie empirisch gut belegt, Nachrichtenwissen so schnell vergißt (vgl. exemplarisch König, 1974, S.11 f.; Renckstorf, 1980, S. 29 ff.), resp. sich auch unmittelbar in Anschluß an die Sendung - wenn überhaupt - allenfalls unscharf erinnern kann (vgl. Merten, 1985, S. 137 ff.), obwohl er das Nachrichtenwissen ganz 1m Sinne der Typologie von Maruyama
(1966) als besonders wichtig
einschätzt: Es 1st sinnvoll und ökonomisch, wenn der Rezipient solches Wissen schnell ausmustert, denn nur dann kann er neues und Immer wichtiges Nachrichtenwissen aufnehmen: "Such Information is more vital to the well-being of the Individuals than the contents of all encyclopedias" (Maruyama, 1966, S. 59). Von daher ist die unter kulturkritischer Perspektive geübte Kritik am Vergessen von Nachrichten nicht nur völlig unberechtigt, sondern geradezu widersinnig. Die empirische Analyse zeigt zudem, daß Nachrichten 1n der Tat keinesfalls nur neu, sondern vor allem relevant sein müssen (vgl. Merten, 1985, S. 170 ff.). Auch die an die Nachrichten gestellte Forderung nach politischer Bildung erscheint unter diesem Aspekt in einem anderen Licht: Wenn Nachrichten zum Vergessen da sind, so kann man gerade von diesem Typ des Wissens keine Bil-
37 dungswirkung erwarten. Der oben beschriebene Text von Fritz Eberhard über die mit dem Ziel politischer Bildung vorgenommene Erklärung des Begriffs "Bundesrat" zeigt ja geradezu exemplarisch, daß die Bildungsfunktion - verständlicherweise - vom Rezipienten gar nicht akzeptiert werden kann. Dazu Eberhard (1962, S. 150): "Die Frage lag nahe: Kann der Rundfunk die staatsbürgerliche Information verbessern? Vom Herbst 1954 bis zum Frühjahr 1955 wurde das Wort "Bundesrat" in keiner Nachricht und in keinem Kommentar benutzt, ohne daß es in irgendeiner Weise deutlich erklärt wurde. Bei der Befragung im Mal wurde nicht
das
geringste
Ergebnis
(Hervorhebung
K.M.)
dieser
1955
Bemühungen
spürbar. " Gleicherweise muß die Forderung nach Objektivität resp. Ausgewogenheit von Nachrichten relativiert werden: Well der Reziplent - wie beschrieben - geradezu auf schnellste Entwertung des Nachrichtenwissens trainiert ist, wird er vergleichsweise wenig bis gar keine Aufmerksamkeit auf Einzelheiten von Nachrichten verschwenden. Daß etwas passiert,
ist wichtig, aber nicht das Wie
seiner Darstellung. Dies muß notwendig dann auch für die formale Gestaltung von Nachrichten gelten: Natürlich müssen Nachrichten angemessen
4
>
formuliert werden. Aber
alle Arten der Optimierung von Verständlichkeit resp. Visualisierung können angesichts des Stellenwerts, den der Inhalt und die Funktion von Nachrichtenwissen haben, allenfalls nachgeordnete Relevanz beanspruchen. Diese aus der funktionalen Analyse der Nachrichtenrezeption
abgeleitete
anhand einer Rezeptionsanalyse von Fernsehnachrichten stätigung: Ob sich der Rezlpient an eine Nachricht
5
Forderung
findet
ihre überzeugende Be-
> erinnert oder nicht,
wird neunfach stärker durch Variablen des Inhalts als durch Variablen der Form determiniert: Der Inhalt schlägt alles (vgl. Merten, 1985, S. 179; Merten, 1985b, S. 758). Wenn es zutrifft, daß empirische Fakten theoretische Annahmen widerlegen, dann ist die hier vorgetragene Kritik ernst zu nehmen: Sie widerlegt nicht nur eine Reihe von unzutreffenden Prämissen über die Funktion und die Vermittlung von Nachrichten, sondern sie stützt die hier exemplarisch vorgetragene Forderung nach Berücksichtigung funktionaler Faktoren von Wissen im Prozeß der Wissensvermittlung durch Medien.
X. Die Vermittlung von Wissen durch Medien wird zukünftig einen ständig steigenden Stellenwert einnehmen. Alle Anstrengungen
zur Verbesserung der Ver-
mittlung resp. der Verständlichkeit sind dann allemal als wichtige und uner-
38 läßHche Aufgabe zu würdigen. Die Optimierung von Vermittlungsleistungen gelingt jedoch nur dann, wenn der Typus des zu vermittelnden Wissens zuvor einer funktionalen Analyse unterzogen wird: Erst wenn sorgfältig geklärt worden ist, wozu der Rezipient Wissen nutzt, und wie er Wissen nutzt, können dazu optimale Strukturen der Vermittlung entwickelt werden. Unterbleibt die vorgeordnete funktionale Analyse, dann kann - wie hier am Beispiel von Nachrichtenwissen deutlich aufgewiesen - auch der von besten Intentionen getragene Versuch, Vermittlung zu verbessern (1m Fall von Nachrichten etwa: durch Beisteuerung von H1ntergrundw1ssen, Ansprüche an politische Bildung etc.) geradezu kontraproduktive Folgen haben.
Anmerkungen 1
> Der In Abbildung 1 gezeichnete Graph enthält auf seiner Ordinate die Jahreszahl der Erfindung des Mediums, auf der Abszisse jeweils den Zuwachs um 1, also den Zuwachs um das nächste neue Medium. 2 > Hier wäre eine Untersuchung hilfreich, die etwa rein quantitativ nachweist, wie sich - zu ganz bestimmten Themen etwa - die Zahl der darüber handelnden Zeltschriften als auch der Umfang des redaktionellen Anteils solcher Zeitschriften 1n der Zeit vergrößert hat. 3 > Fast symptomatisch 1st die Tatsache, daß gerade dieser Faktor ausgiebig unter wissenssoziologischen Aspekten von Alfred Schütz (1971) diskutiert und gewürdigt worden 1st. Im Sinne der Nachrichtentheorie ist die Relevanz als ein relationaler Faktor des Interesses resp. des Betroffenseins von Rezlpienten anzusprechen. Vgl. dazu die Operationalislerung von Nachrichtenfaktoren bei Galtung & Ruge (1965) sowie 1n der Tradition des "Aktualitätsbegriffs" Merten (1973) und Merten (1977, S. 450 ff.). 4 > Damit keine Mlßverständnisse aufkommen: Die verbale, akustische und/oder optische Vermittlung von Nachrichtenwissen wie von Wissen generell ist eine anspruchsvolle Leistung. Der Standard, den die Nachrichtengebung des Rundfunks hier aber bereits hat, 1st völlig zufriedenstellend, so daß die dazu geführte breite Diskussion mit zahlreichen Kontroversen unter den hier skizzierten Perspektiven ganz erheblich an Bedeutung verliert. Dies gilt freilich nur für den Typus des Nachrichtenwissens. Für andere Typen von Wissen gelten selbstredend jeweils andere Bedingungen, die vorweg durch analog durchgeführte funktionale Analyse zu präzisieren sind. 5 > Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden nicht im Labor, sondern im Feld gewonnen: Nur solche Rezlpienten, die an einem bestimmten Tag von sich aus die Fernsehnachrichten (nur ARD oder nur ZDF) eingeschaltet hatten, wurden - ohne dies vorher wissen zu können - unmittelbar nach Ende der Nachrichten befragt, wobei die Wiedererzählung der Nachrichtensendung durch den Rezlpienten mittels Kassettenrecorder vollständig aufgezeichnet wurde. Die dadurch gewonnenen Ergebnisse sind demgemäß realitätsnah, nicht reaktlvltätsbelastet und daher von großer Aussagekraft.
39
Abstract Within the media society the communication of knowledge by media is of steady growing importance. To improve this process, a lot of work has been done to optimize formal structures, for example by controlling sentence length, visual and acoustic channels. But this is the second step and it may be of little worth if the first step - the function of knowledge to be communicated - is overlooked. This problem is tackled and demonstrated further by an analysis of news - a type of relevant and quickly perishing knowledge.
40
3
SEMIOTISCHER VERSUS TECHNISCHER HEDIENBEGRIFF Das Medium als Konstituens des Zeichenprozesses Silke M. Kledzlk Bischöfliches Gymnasium Koblenz
Wird die Frage nach der "Wissensveränderung
durch Medien" gestellt, so
müßte, guter philosophischer Tradition folgend, der Wissens- wie der Medienbegriff ein Stück weit geklärt werden, bevor man sich der gestellten Frage direkt zuwenden kann. Da der Medienbegriff steht, und der Wissensbegriff
im Zentrum meiner Überlegungen
hier nicht eingehend erörtert
werden soll,
möchte ich zum letzteren wenigstens einige kurze Bemerkungen voranstellen. Belm heutigen Stand erkenntnistheoretischer, sprachphilosophischer und semiotischer Forschung läßt sich der Begriff des Wissens ohne Rekurs auf die zur Darstellung von Wissen notwendigen Zeichen(systeme) kaum genauer fassen. Jeder, der sich Wissen aneignen, jeder, der Wissen vermitteln will, kann dies nicht ohne die Verwendung von Zeichen bewerkstelligen. Das Wissen steckt gewissermaßen 1m Gebrauch der jeweils verwendeten Zeichen. Gemeint
1st hier
nicht nur propositionales Wissen, d.h. solches, das sich mit Hilfe wortsprachlicher Zeichen in Sätzen darstellen läßt. Auch "Wissen-wie", das sich in einem Können, 1n der Ausführung von Tätigkelten zeigt, also nicht-propositional ist, läßt sich ohne die Verwendung von Zeichen weder mitteilen noch aneignen. Wenn "kein begründeter Zweifel (...) daran bestehen (kann), daß der weitaus größte Teil des Wissens, über das der Mensch verfügt, dem n1cht-propositionalen Typus angehört" (Wieland 1982, S. 233), dann verdienen insbesondere "Formen delktischer Mitteilung" (ebd., S. 228) - auch bei der Untersuchung von Lehr-Lernprozessen - besondere Aufmerksamkeit. Erkenntnissen über die verschiedenartigen Zeichen, die wir 1n mannigfaltigen Handlungszuammenhängen produzierend wie rezipierend verwenden, kommt damit für Überlegungen, wie Wissen dargestellt,
angeboten, vermittelt und angeeignet werden kann,
eine grundlegende Bedeutung zu. Die Erforschung von Vermlttlungs- und Aneignungsprozessen unter Einbeziehung sem1ot1scher Fragestellungen und Ergebnisse steckt allerdings noch weltgehend 1n den Anfängen 1 >.
41 Die Frage
nach der Veränderung von Wissen stellt
sich vor diesem Hinter-
grund, semiotisch gesehen, dann weniger z.B. als Frage danach, worin sich die Übermittlung
eines
Wissens,
Sprache) und Fernsehen gestellt,
setzt diese
etwa
einer
(Kombination Frage nämlich
Nachricht
1n
Hörfunk
(gesprochene
von B1ld und Sprache) unterscheiden. So voraus,
daß
in beiden
Fällen
dasselbe
dargestellt wird, lediglich die "Hülle" eine andere 1st, und diese z.B. psychologisch auf ihre Wirkung auf den Zuhörer/Zuschauer untersucht werden kann. Geht man aber davon aus, daß die Darstellung, d.h. die zur eines
Wissens
verwendeten
"Hülle" zu sehen sind,
Zeichen(systeme)
nicht
nur
sondern in ihren Realisierungen
(Re-)Präsentatlon
als
bedeutungslose
Immer auch mehr oder
minder große Anteile dessen mitführen, was die Zeichen bedeuten, dann stellt sich die Frage nach der Wissensveränderung z.B. durch technische Medien wie das Fernsehen u.a. als Frage nach der Art des Wissens,
den
ren", die mit Hilfe visueller Zeichen erworben werden.
Auch hier führt die
Frage nach der Wirkung des technischen Mediums zurück Aspekt, zur Frage
"Wissensstruktu-
auf den
nach den mit Hilfe einer bestimmten Technik
sem1ot1schen 1m weitesten
Sinne realisierten Zeichen und Zeichenprozessen. Spätestens mit der Diskussion um den Einsatz technischer, diovisueller Medien headprojektoren
Im Unterricht
usw.)
ist
der
(Tonband, Kassetten,
Medienbegriff
auch
1n
insbesondere au-
BUdfollen der
für Over-
Erziehungswissen-
schaft zu einem zentralen, vor allem didaktischen Terminus geworden. Für die Kommunikationswissenschaft,
die Publizistik
Semiotlk gehört er ebenfalls
u.a. und
nicht zuletzt
für die
zum festen terminologischen Bestand. Allerdings
zeigt die Diskussion, nicht nur in der Semiotlk und 1n der
Erziehungswissen-
schaft, daß terminologische Klarheit ebenso wie sachlicher Konsens noch keineswegs zufriedenstellend erreicht und gesichert sind. Ziel der folgenden Überlegungen ist es, den Med1enbegr1ff ein Stück weit zu klären, wobei jedoch nicht der 1n der Mehrzahl der wissenschaftlichen plinen dominante technische Medienbegriff
1m Mittelpunkt
Diszi-
steht, sondern
ein
semiotlscher Med1enbegr1ff. Es soll gezeigt werden, welche Rolle das Medium, semiotisch verstanden, Im Prozeß der Zeichenerzeugung spielt (und damit auch für die Verwendung von Zeichen und die Darstellung von Wissen). Auf der Basis eines so gewonnenen differenzierteren Verständnisses von Zeichen als "Sinngebilden"
(H.Gomperz)
die Erforschung
kann dann
ein weiterer Ansatzpunkt
von Lehr- und Lernprozessen,
dien eingeschlossen.
sichtbar werden
die Verwendung
für
technischer Me-
42
Oer technische Hedlenbegrlff In seinem 1985 erschienenen Aufsatz Kommunikation" unterscheidet
"Nonverbale Zeichen
in öffentlicher
Posner 6 Medienbegriffe, wie sie
in der ein-
schlägigen Fachliteratur zur Charakterisierung von Zeichensystemen verwendet werden: einen biologischen, physikalischen, technologischen,
soziologischen,
kulturbezogenen und kodebezogenen Medienbegriff. Die "terminologische Inflation des Medienbegriffs" führt Posner auf eine "Ausrichtung nach den Modellen des
Informationsflusses
1n der
Nachrichtentechnik
und
die
unreflektierte
Übertragung dieser Modelle auf die viel komplexeren Zusammenhänge menschlicher Kommunikation" (Posner 1985, S. 257) zurück. Diese Medienbegriffe möchte ich aufgrund ihres nachrichtentechnischen und letztlich naturwlssenschaftl1ch-szient1stischen Ursprungs als "technisch" bezeichnen. In einem physikalisch-technischen Sinne etwa kann man von einem Medium sprechen, wenn
in der Optik in einer einfachen Versuchsanordnung ein
durchscheinendes Material, z.B. Glas, als Mittel verwendet wird, um Eigenschaften des Lichts wahrnehmbar zu machen. Der an einem Herbstabend über einer Landschaft liegende Dunst 1st im gleichen Sinne ein (natürliches) Medium, mit dessen Hilfe wir uns am Strahlenspiel der untergehenden Sonne erfreuen. Dieser Medienbegriff dient jedoch weder im Falle des optischen Experiments noch in dem des "Naturschauspiels" dazu, einen Zeichenprozeß zu charakterisieren; weder das Glas noch der Dunst machen die Lichtstrahlen zu Zeichen. Nicht das Zeichen als Sinngebilde, nicht die Rolle des Mediums (semlotisch verstanden) im ZeichenprozeS ist Ausgangspunkt für die Bestimmung des technischen Medienbegriffs. Wie der von Posner angeführte technologische Medienbegriff, um nur einen als Beispiel herauszugreifen, deutlich macht, dient die Technik, d.h. eine Apparatur oder z.B. das mit Ihrer Hilfe erzeugte Produkt als bestimmendes Merkmal:
Der technologische Medienbegriff
"charakterisiert
die Zeichensysteme nach den technischen Mitteln, die bei der Erzeugung von Zeichenprozessen zur Modifikation der Kontaktmaterie eingesetzt werden, die die physische Verbindung zwischen dem Produktionsorgan des Senders und dem Rezeptionsorgan des Empfängers herstellt." (Posner, ebd., S. 256). Zur Erläuterung: "In visuellen Zeichenprozessen dienen neben Bleistift und Papier, Brille ... als technische Mittel vor allem Schreibmaschinen mit Typoskrlpten, Druckmaschinen mit Druckerzeugnissen", Overhead- und Diaprojektoren mit dem entsprechenden Zubehör,
Kameras,
Lesegeräte
für Mikrofilme
usw.
"Entsprechend
43 den
verwendeten
Printmedien,
Apparaten
kann
Projektionsmedien,
man
visuelle
B1ldschlrmmedlen
Zeichensysteme u.
einteilen
1n
dgl.; entsprechend den
Produkten dieser Apparate spricht man von Schre1bmasch1nense1ten,
Drucktex-
ten, Photos, Dias, Filmen und Videokassetten als technischen Medien" (ebd., S. 256). Es wäre eine eigene Aufgabe, die verschiedenen (technischen) Medienbegriffe nicht nur aus der Sicht der mit
ihnen arbeitenden Wissenschaften,
sondern
auch unter semiotischem Aspekt zu diskutieren. Dabei müßte insbesondere geklärt werden, ob und was ein technischer Medienbegriff zum Verständnis des Zeichenbegriffs bzw. des Zeichenprozesses
beitragen kann.
Konkret
gefragt:
Was trägt ein an der Technik der Herstellungs- oder Wiedergabeapparatur des Fernsehens, was ein an physikalischen Zuständen wie elektromagnetischen Feldern oder optischen Wellen orientierter Med1enbegr1ff dazu bei, Zeichen als SlnngebiIde zu charakterisieren und Zeichensysteme zu unterscheiden? Verändert die Wahl der technischen Realisierung eines geschriebenen wortsprachlichen Textes, z.B. einer Nachricht, einer Sprachlektion, das verwendete Zeichensystem? Hat sie Auswirkungen
auf die Verständlichkeit
des Textes? Was
trägt es semiotlsch aus, ob ein Diagramm auf Papier gezeichnet und fotokopiert 1st oder von einem Dia oder einer Folie (Overheadprojektor) an die Wand projiziert wird? Die Diskussion um den Medienbegriff 1n den Medien- und in den Fachdidaktiken 1st vielleicht noch verwirrender, Insofern hierzu den aus den einschlägigen Fachwissenschaften übernommenen Medienbegriffen noch die fachdidaktischen Versuche der Entwicklung eigener Med1enbegr1ffe hinzukommen. Ich will dies am Beispiel der Geschichtsdidaktik skizzleren: "Als Geschichtslehrer und Geschichtsd1dakt1ker 1st man 1m allgemeinen davon überzeugt, daß man weiß, was ein schlägigen
'Medium' 1st. Bei einem Blick 1n die ein-
Publikationen der Medien-
und Kommun1kat1onsforschung
verfliegt
diese Gewlßheit sehr schnell. Dort erfährt man, daß das, was man bisher als 'Medium' bezeichnet hat, eigentlich gar kelns 1st. Die Medienforschung zählt nämlich im Gegensatz zur Gesch1chtsd1dakt1k Photographien, Schaubilder, Diagramme, Modelle, Quellenauszüge usw. nicht zu den Medien, da sie nicht 'Elemente 1n einem voraussagbaren Unterrichtsmuster' (...) sind. Einzelne Bilder oder Quellenauszüge sind tel', nur
1m Sinne der Medienforschung
lediglich
'Komponenten von Unterrichtsakten' oder bestenfalls
'Hilfsmit-
'Komponenten
von Medien' (...). Dieser von der Medienforschung benutzte Med1enbegr1ff versteht unter
'Medien' vorwiegend
(Pandel, 1986, S. 11).
audiovisuelle Mittler
und
Lehrmaschinen."
44
Die hier angesprochene Problematik führt Pandel weiter aus: In einer kommunikationstheoretisch orientierten Med1endidakt1k etwa "wird Medium definiert als 'Software mit entsprechender Hardware in einem kommunikativen (hier speziell: 1m unterrichtlichen) Kontext'" (ebd., S. 11). Versuche, diesen Medienbegriff 1n der Geschichtsdidaktik darin, Unterrichtsmittel
zu verwenden, bestehen vielfach lediglich
an diesem Leitfaden entlang zu klassifizieren. Das
Ergebnis sind Aufzählungen, die kaum etwas dazu beitragen, Erkenntnisse über lehr-lern-relevante Eigenschaften der verschiedenen Unterrichtsmaterialien zu gewinnen. Die Dominanz des technischen Aspekts ist weltgehend charakteristisch auch a
für didaktische Medienbegriffe
>. Die Orientierung am bzw. die Übernahme des
technischen Medienbegriffs behindert in der Didaktik bisher eine konsequent semiotlsche Betrachtungsweise, bei der etwa Speziflka unterschiedlicher Zeichensysteme
als
Klassifikationskriterien
schiedenen Unterrichtsmittel
herangezogen
werden,
um
die ver-
1m Zusammenhang der Möglichkeiten der Darstel-
lung von Wissen in Lehr-Lernprozessen zu analysieren. Pandel selbst macht zwar den Versuch, einen geschichtsdidaktischen Medienbegriff zu entwickeln, der sowohl die Möglichkeiten historischer Erkenntnisgewinnung als auch die durch verschiedenartige Zeichensysteme bedingten "unterschiedllche(n) Erkenntniswelsen und -techniken" (ebd., S. 15) berücksichtigt. Er beruft sich dabei auf Jerome S. Bruner und unterscheidet drei verschiedene "Formen von Erfahrung", "Formen der geistigen Vorstellung" t1v"),
bildlichen
("Iconic")
in denen wir
lernen, die sich mit drei
decken: der handlungsgebundenen
und
symbolischen
("symbolic")
("enac-
(cf.ebd.,S.
15/16). Auf der Grundlage dieser Unterscheidungen nennt Pandel drei Möglichkeiten der Darstellung historischen Wissens, ohne diese allerdings in ihrem Zeichencharakter näher zu bestimmen und auf sich daraus ergebende Fragen für ihre Verwendung 1n Lehr-Lernprozessen einzugehen. Historische Ereignisse können danach dargestellt werden "als Handlung (enaktlv: Rollensplel), als Bild (1kon1sch:
Karikatur,
Dokumentarfilm
usw.)
und
durch
die
Verwendung
von
sprachlichen Zeichen (symbolisch: Schrift und gesprochene Sprache)" (ebd., S. 16). Da es nun "geschehene Geschichte" nur als "Geschichts-Darstellung auf der Grundlage zeitgenössischer Zeugnisse und Überreste" (ebd., S. 13) gibt, müßte nach Pandel die Gesch1chtsd1dakt1k
1n erster Linie auf "Primärquellen" als
Medien zurückgreifen. Diese Forderung begründet er zum einen damit, daß wegen des geschichtsdidaktischen Interesses an Emanzipation die Schüler "den Gegenstand ihrer Kommunikation selbst erzeugen" (ebd., S. 13) sollten, zum anderen damit, daß Primärquellen "der erkenntnistheoretische Ausgangspunkt sowie die
45
Grundlage für unterrichtliche Erkenntnisse und Aneignungsprozesse"
(ebd., S.
14) sind. Beispiele für Primärquellen sind: "Quelle, FUmdokument, Tondokument, Denkmal, Überrest (Münzen, Sachquelle, Gegenstände)" (ebd., S. 19). Pandels Charakterisierung von Primärquellen (= Medien) als "Träger von Kognition", die "mit verschiedenen medialen Kodierungen (Schrift, Zahlen, Bildzeichen usw.)" (ebd., S. 15) arbeiten, legt nahe, daß er sie als Gegenstände mit Zeichencharakter auffaßt, wobei er nicht unterscheidet zwischen semiotlschen Artefakten wie Urkunden oder Filmdokumenten und Artefakten wie Vasen, Möbel, Werkzeug und Gerätschaften, etwa Schmiedehammer, Sense, Zaumzeug usw., die zunächst ebensowenig
'sagen' oder
Steine, Pflanzen u.ä. Pandel
'zeigen' wie natürliche Gegenstände,
geht mit keinem Wort darauf ein, daß etwa Ge-
brauchsgegenstände oder Oberreste z.B. von Gebäuden erst zu historischer Forschung gestellt werden müssen, damit sie einen dann sehr bestimmten Zeichencharakter erhalten. Pandels Versuch, bei der Bestimmung eines geschichtsdldaktischen Medienbegriffs den semiotischen Charakter von Unterrichtsmitteln zu berücksichtigen und verschiedene Darstellungsweisen historischen Wissens 1n Lehr-Lernprozessen an verschiedenen Zeichensystemen festzumachen, bleibt nicht zuletzt deshalb bereits im Ansatz stecken, weil es 1hm nicht gelingt, den seinen Überlegungen implizit zugrundeliegenden technischen Med1enbegr1ff zu überwinden und Prlmärquellen als
Unterrichtsmittel
im
Kontext historischer
Reflexion auf
lehr-lernrelevante sem1ot1sche Eigenschaften hin zu thematisieren.
Der se*i1ot1sche Medienbegriff Zunächst eine Vorbemerkung: "Zeichen" verwende Ich im folgenden synonym mit "Zeichenhandlung",
wobei
hinsichtlich der
Ausführung
von
Zeichenhandlungen
unterschieden werden kann zwischen solchen, die - wie etwa Gesten oder Vorführhandlungen - flüchtig sind, d.h. keine nach der Ausführung mehr wahrnehmbaren "Spuren" hinterlassen, und solchen, deren Resultate als Marken weiterhin zur Verfügung stehen - etwa die auf Papier oder an eine Tafel geschriebenen Wörter 3 >. Wie alle Handlungen treten auch Zeichenhandlungen nur 1n Aktualisierungen auf, die sich als Ihr "empirischer Anteil" ansehen lassen (Lorenz, 1984, S. 37) - Aktualisierungen werden verstanden als der singulare Aspekt einer Handlung, während das Handlungsschema - der universale Aspekt einer Handlung - als ihr "rationaler Anteil" (ebd., S. 37) die Erkennbarkelt und Verständlichkeit von Handlungen sichert.
46 Für alle Handlungen gilt auch, daß sie gegliedert, strukturiert sein, eine Form haben müssen, da sie sonst nicht unterscheidbar sind und sich an ihnen auch keine Unterscheidungen treffen lassen. In diesem Sinne sind alle Handlungen "Gebilde", d.h. geformt. Der Formbegriff ist unentbehrlich für unser "Weltbegreifen", dessen erster Schritt darin besteht, "die Mannigfaltigkeit des Seins, die sich der unmittelbaren Wahrnehmung darbietet, zu gliedern und sie nach bestimmten Gestalten, nach Klassen und Arten abzuteilen" (Cassirer, 1942, 1971, S. 87).
"Das Strukturlose
könnte nicht nur nicht gedacht, es
könnte auch nicht wahrgenommen oder objektiv
angeschaut werden"
(ebd., S.
18). Charakteristisch und konstitutiv für Zeichenhandlungen als Sinngebilde 1st mithin zum einen eine Form, zum anderen, daß sie etwas zu verstehen geben, etwas bedeuten. Bloße Handlungen geben zunächst ebensowenig zu verstehen wie Werkzeuge oder Geräte. Weder eine Sense noch ein M1t-einer-Sense-Grasschneiden bedeuten etwas. Werkzeuge oder Geräte können wie alle ηIchtsemiotischen Gegenstände erst dann etwas zu verstehen geben, etwas (re)präsentieren
4)
, wenn sie z.B. so
gebraucht werden, daß sie in eine Zeichenhandlung eingebunden sind, ein Teil der Zeichenhandlung werden. Dies ist - am Beispiel der Sense - etwa der Fall, wenn das M1t-einer-Sense-Grasschneiden
nicht nur ausgeführt, sondern vorge-
führt wird, wobei es zunächst unerheblich ist, ob der Ausführende diese Handlung vorführen, zeigen will, oder ob er sie nur ausführt, der Zuschauer sie aber als eine Vorführung auffaßt. (Im ersten Fall geht die Betrachtung vom Zeichenproduzenten aus, 1m zweiten vom Zeichenrezipienten, der jedoch, insofern er nicht bloß passiv 1st, ebenfalls als Zeichenpoduzent anzusehen 1st.) Well VorfUhrhandlungen Zeichenhandlungen sind, läßt sich mit Ihrer Hilfe Wissen vermitteln. Am Beispiel: Belm Zuschauen, wie jemand mit einer Sense Gras schneidet, läßt sich lernen, wie dieses Gerät gebraucht wird. Welche Rolle nun spielt das Medium, semiotlsch verstanden, im Prozeß der Zeichenproduktion bzw.-rezeption, also etwa bei Vorführhandlungen? Ganz allgemein gefragt: Wenn Zeichen Sinngebilde sind, welchen Part übernimmt das Medium 1m Zelchenprozeß bei der anschaulichen Gestaltung von Zeichen, die in ihren Aktualisierungen, d.h. empirisch, ja Immer in einer wahrnehmbaren Gestalt auftreten? Bleiben wir zunächst bei den Vorführhandlungen. Sie sind Zeichenhandlungen, die 1n einem gewissen Sinne "sich selbst bedeuten". Denn vorgeführt, gezeigt wird das 1n der Vorführung aktualisierte, realisierte Handlungsschema, Insofern die Aktualisierung das Schema darstellt. Das Vorführen gelingt dabei nur - dies ist eine notwenige, wohl aber nicht auch schon eine hinreichende Bedingung, wenn die Ausführung des Handlungsschemas gelingt. Am Beispiel des
47
Mit-einer-Sense-Grasschnelden(-Vorführen): Der Aus- und Vorführende muß z.B. das Gerät "richtig" halten, selbst "richtig" stehen bzw. sich bewegen; die Bewegungsphasen müssen "richtig" aufelnanderfolgen (ausholen, schneiden, zurückführen der Sense usw.). Die Realisierung der Zeichenhandlung, die Vorführhandlung also, macht von diesen für die Handlung konstitutiven Komponenten "für ihre Zwecke" Gebrauch, insofern sie sie als Mittler, als Medium einsetzt, um das Schema - hier: zeigend - zu vermitteln. Allgemein gesagt: Jedes Zeichenhandlungsschema ist zu seiner Realisierung auf ein Medium angewiesen, das als Mittler zwischen Schema und Aktualisierung fungiert, wobei die vorsem1ot1sche Struktur einer Handlung verwendet wird, um die semiotische Struktur einer Zeichenhandlung - diese könnte man vielleicht ihre Syntax nennen - zu gewinnen. Ich möchte versuchen, dies an zwei weiteren Beispielen näher zu erläutern. (a) Umgangswelsen mit Papier s > Papier ist ein Material, das wir in vielen Alltagssituationen verwenden: zum Einpacken, Abdichten, Zudecken, zum Basteln, Bemalen usw. Es lassen sich aber auch ganz andere Umgangsweisen mit Papier denken - erfinden - , wie es z.B. der Saarbrücker Künstler Oskar Holweck tut. Ihm geht es darum, "Papier auf seine spezifische Beschaffenheit hin zu untersuchen, dem Material Formen seiner eigenen Art abzugewinnen"; "in der Selbstäußerung des Materials" findet er "die Ausdrucksmöglichkeit
(...) (seiner) BUdsprache" (Holweck, 1987,
Bl. 1). Als Material ist Papier zunächst vormedial• Geht es nun z.B. darum, die Eigenschaften verschiedener Papiersorten - weißes Papier verschiedener Größe und Stärke, Pergamentpapier, Packpapier usw.- mit Hilfe von Reiß- oder Knüllhandlungen zu erkunden, d.h. wird so verfahren, daß das Papier Risse oder Knüllstellen zeigen soll, so wird es 1n zeichenbildender Absicht gebraucht. Risse und Knüllstellen treten dann als Resultate von Zeichenhandlungen, als Marken auf. Im Zelchenerzeugungsprozeß wird das vormediale Material Papier zum (visuellen) Medium ·>. Solche Zeichenhandlungen bzw. ihre Resultate sind - ebenso wie Vorführhandlungen - medienvarlant. da die Marken an der Bezeichnungsleistung des Materials, 1n dem das Zeichen medial auftritt, beteiligt sind. Durch das 1m Prozeß der Sem1otis1erung medial genutzte Material erst gewinnen Zeichen Ihre sinnliche Gestalt. Man kann dann sagen, daß sich die Risse und Knüllstellen in den Arbelten Oskar Holwecks zeigen: sljj.^to^ijftyteB hingegen zunächst nichts, was "außerhalb" Ihrer selbst liegt. S w %Väsent1e-
48 ran ein Wissen, das In diesem Falle künstlerischer Forschungsergebnisse erstmals mit der und durch die Zeichenerzeugung bereitgestellt wird. Vom Medium hängt es ab, über welchen unserer Sinne die semiotische Form einer Zelchenhandlungsrealislerung bzw. einer Marke erkennbar ist. Mit Hilfe dieses Kriteriums lassen sich visuelle, akustische, haptische u.a. Medien unterscheiden. Berücksichtigt man nun noch den Produktions- und den Rezeptionsaspekt, so läSt sich "Medium" bestimmen "als Mittler einerseits zwischen Trägermaterial
und
semlotischer
Form
(...)
(Produktionsaspekt),
andererseits
zwischen semiotischer Form und den Rezeptoren" (Rezeptionsaspekt) (Gerhardus 1984b, S. 829). Im Unterschied zu den bisher angeführten medienvarianten Zeichenhandlungen sind Zeichen medieninvarlant. wenn ihre Aktualisierung in verschiedenen Medien erfolgen kann. Hierher gehören vor allem konventionelle,
insbesondere
begriffliche Zeichen, d.h. solche, bei denen das Medium nicht (oder kaum) an der Bezeichnungsleistung
beteiligt 1st.
So kann z.B. Wortsprache
in ver-
schrifteter Form 1m visuellen wie im haptischen Medium (etwa eine in Stein gemeißelte Inschrift, die sich mit dem Finger nachfahren läßt, oder auch als Brailleschrift)
realisiert
werden.
Ein
Vortrag
kann
mündlich
vorgetragen
(z.B. ohne Manuskript gesprochen) oder als Manuskript nur vorgelegt werden. Damit bin Ich bei meinem zweiten Beispiel, der Wortsprache. (b) Zur Rolle der Laute 1n der Spracherzeugung An einigen Überlegungen Wilhelm von Humboldts möchte ich der Bedeutung der Lautlichkeit von Sprache und damit der Funktion des Mediums 1m Prozeß der Spracherzeugung nachgehen. Denn für Humboldt steht der artikulierte Laut gewissermaßen im Zentrum der Spracherzeugung; er sieht ihn als "die Grundlage und das Wesen allen Sprechens" an (Kawi-Werk 1830 - 1835/ 5 1979, S. 440). Sprache, verstanden als Tätigkeit des Sprechens (cf. ebd., S. 416 und 418), kann sich nur 1n einer sinnlich faßbaren Gestalt realisieren, weil schon "die Möglichkeit des Sprechens selbst durch Anrede und Erwiderung bedingt" ist (Dualis 1827/ 5 1979, S. 138). Allem Sprechen, auch dem innerlichen Mit-sichselbst-Sprechen, H e g t ein hörbares M1te1nander-Sprechen
zugrunde. Sprechen
1st das an einen anderen gerichtete Hervorbringen von Rede, wobei in jedem Wort
"eine doppelte Einheit,
des Lautes und des
Begriffs",
zusammenkommt
(Kaw1-Werk 1830 - 1835/ 5 1979, S. 448). Anders gesagt: es ist Versinnlichung des Denkens mit Hilfe des Lautes in einer standardisierten Form, wie wir sie z.B. 1n der lautlichen Gestaltung natürlicher Sprachen vorfinden. Das Denken als "Intellektuelle Tätigkeit (...) wird durch den Laut in der Rede äußerlich
49 und wahrnehmbar für die Sinne" (ebd., S. 426). Dieser Prozeß der Versinnllchung ist auch deshalb notwendig, weil das Denken "sonst nicht zur Deutlichkeit gelangen, die Vorstellung nicht zum Begriff werden" kann (ebd., S. 426). über den artikulierten Laut als Mittler besteht eine Wechselbeziehung
zwi-
schen Denken und Sprechen derart, daß Humboldt sie sogar als "eins und unzertrennlich voneinander"
(ebd., S. 426) bezeichnet. Ohne Verlautlichung wären
Denken und Sprechen letztlich nicht möglich; sie ist für beide konstitutiv, insofern als sie formstiftend nämlich sichert
die
auftritt.
"Wortform",
die
Die
Erzeugung
"vermittelst
des
artikulierter Tones"
Laute
(Buchstaben-
schrift, 1824/ 5 1979, S. 86) "gebunden" wird. Die Wortform, heißt das, wird im Lautlichen, d.h. als formstiftender
im akustischen Medium realisiert. Der artikulierte Laut Mittler gewährleistet,
daß wortsprachliche
Zeichen
ihre
Zeichenfunktion entfalten können. Er allein nämlich hat "die Fähigkeit zur Bedeutsamkeit, und zwar (...) zu der bestimmten durch Darstellung eines Gedachten" (Kawi-Werk, 1830 - 1835/ 5 1979, S. 440). Daß es sich bei diesem Prozeß der Spracherzeugung nicht um die Hervorbringung irgendwelcher Töne, sondern artikulierter Laute im Sinne eines Lautsystems handelt, ist insofern von besonderer Bedeutung, als die Artikulierthelt der Laute die Grundlage bildet für die Distinktheit und Gliederung der erzeugten Lautgebilde und damit auch für eine Strukturierung des Mediums. Dessen bestimmte Struktur wiederum ermöglicht eine Standardisierung
der wort-
sprachlichen Zeichen in ihrer Lautgestalt, was aufgrund der doppelten Funktion des akustischen Mediums, nämlich Versinnlichung von Vorstellungen und ihre Präzisierung zu Begriffen, zugleich zu einer gewissen Bedeutungskonstanz dieser Zeichen
beiträgt.
Die
lautliche Standardisierung
ist also als eine
Voraussetzung dafür anzusehen, daß sich der konventionelle sprachlicher Zeichen,
Charakter wort-
ihr begrifflicher Aspekt, weiterentwickeln
und damit
ihre Repräsentationsleistung ausbauen läßt. Die Erzeugung des Mediums stellt 1m Zelchenerzeugungsprozeß ein Konstituens dar, insofern Zeichen im Medium ihre Form, ihre anschauliche Gestalt erhalten. Diese wiederum ist Voraussetzung für ihre sinnliche Wahrnehmbarkeit und damit Grundlage dafür, daß Zeichenbenutzer mit ihrer Hilfe Verständigungsprozesse 1n Gang setzen können. In welchem Umfang das Medium darüberhinaus eine Bezeichnungsfunktion
übernimmt,
ist je
nach Zeichensystem
verschieden
und
kann sogar beim selben Zeichensystem je nach Verwendungswelse differieren. So läßt sich z.B. Wortsprache sowohl med1envar1ant wie medienInvariant benutzen - man denke nur an die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten: von der visuellen Poesie bis hin zum terminologisch strengen wissenschaftlichen Traktat. Da das Medium immer verantwortlich 1st für die anschauliche Gestalt der Zeichen
50 und
Insbesondere
bei
Zeichen,
die Wissen des nicht
propositionalen
Typus
transportieren, häufig wesentlich an deren Bezeichungsleistung beteiligt ist, so 1st die Darstellung und Vermittlung von Wissen über die Wahl der geeigneten Zeichen(systeme) immer auch ein Medienproblem. Auf dem Hintergrund dieser Überlegungen wäre es lohnend, ausgehend von einer Analyse der Zeichen, die lehr-lernrelevanten semlotischen
Eigenschaften
verschiedener Unterrichtsmaterialien
(Zeichnungen,
-
Texte,
Illustrationen
Fotos usw.), Dias, Lehrfilme u.a.m. - zu untersuchen. Was weiß man und wie weiß man etwas, wenn man zum selben Thema z.B. Arbeitslosigkeit, eine Anzahl von Diagrammen betrachtet, einen Text liest, einen Vortrag hört, einen Film ansieht, einen Besuch beim Arbeitsamt macht? Wie erweitern - oder verändern z.B.
Illustrationen
die wortsprachlich
Textes? Welche Unterschiede lassen
sich
mit
Hilfe
dargestellten
hinsichtlich
semiotlscher
"Informationen"
Wissensvermittlung
Unterscheidungen
eines
und -aneignung
ausmachen,
wenn
ein
(Theater-)Stück gelesen, als Hörspiel gehört, als Bühnenaufführung im Theater "miterlebt" oder als Fernsehinszenierung verfolgt wird? Um solche und ähnliche Fragen unter
Berücksichtigung
der jeweils verwendeten
Zeichen(systeme)
und ihrer u.U. unterschiedlichen Realisierungen beantworten zu können, bedarf es neben dem semlotischen Medienbegriff einer Reihe weiterer Unterscheidungen, d.h. einer Ausdifferenzierung des semiotischen Instrumentariums zur Analyse insbesondere nichtwortsprachlIcher Zeichen, deren sich ja auch die technischen Medien, die sogenannten Massenmedien eingeschlossen,
in vielfältiger
Weise bedienen.
Anmerkungen 1
> Zum Themenbereich Semlotik - Pädagogik wurde von mir 1985/86 eine Bibliographie erarbeitet, die mit einem Kommentar 1n der Zeitschrift für Semiotik erschienen ist. 2 > Cf. z.B. die Strukturierung des Medienbereichs bei Neidenbach (1978, S. 103), der 1n Anlehnung an einschlägige Fachliteratur zwischen vortechnischen (= konventionellen) und apparativen Medien unterscheidet. Zu den vortechnischen Medien gehören danach u.a. Tafel, Karten, Bilder, zu den apparativen etwa Diaprojektor (mit Dias), Mikroskop (mit Mikro-Präparaten). Semiotische Aspekte kommen bei dieser Einteilung überhaupt nicht 1n den Blick. 3 > Cf. zu "Marke": Gerhardus (1984 a): Marke. 4 > Cf. zur Unterscheidung von vertretenden (präsentierenden) und stellvertretenden (repräsentierenden) Zeichen: Gerhardus (1982): Philosophlsch-semioti sehe Bemerkungen. 5 > Cf. zum Folgenden: Gerhardus (1980): Erneuerung der Sprachlichkeit. ·> Cf. dazu und zum Folgenden: Gerhardus (1984 b): Medium (semiotisch).
51
Abstract The concept of medium used in a number of disciplines is modelled from technical procedures of conveying information. If one is to discern the specificities of different modes of representing knowledge, however, it is necessary to develop a semiotic conception of medium. Conceived semlotically, medium has a constitutive role in sign-process, and often it 1s also (partly) responsible for the ways in which the sign refers. Thus, a semiotical conception of medium is Indispensable for an analysis of characteristics by virtue of which the sign-systems refer and communicate.
PSYCHOLOGISCHE GRUNDLAGENFORSCHUNG
55
4
SCHEMATA DER WISSENSVERMITTLUNG Zur
kognitiven Wirkung stilistischer Formulierungsvarlanten
Adolf Vukovlch und Josef Krems Universität Regensburg
Von Presse, Rundfunk und Fernsehen 1st als Massenmedien deshalb die Rede, da sie sprachlich oder bildlich codierte Informationen an einen breiten Rez1pientenkreis herantragen. Sie sind Multiplikatlons- und Transportorgane von Informationen, die bereits
im Medium der Sprache oder
1n Bildern notiert
sind. Zu den Eigentümlichkelten der Vermittlung von Informationen an ein heterogenes, in seinem Kommuikationsverhalten
1m wesentlichen auf eine rezep-
tive Leistung beschränktes Publikum, gehört die mangelnde Fähigkeit zur aktuellen, verlaufsbegleitenden Abstimmung des Kommunikationsgeschehens zwischen den Autoren und den Adressaten.
Deshalb
ist es in der Wissensvermittlung
durch Massenmedien in weit stärkerem Ausmaß, als dies für den Alltagsdlalog, der auf die Moderation durch Partnersignale vertrauen kann, notwendig, generelle
Organisationsprinzipien
auffassungserlelchternder
Informationsgestal-
tung zu berücksichtigen. Im vorliegenden Beitrag werden einige Varianten klaren und verständlichen Formulierens, die für die Vermittlung von Informationen im Medium der natürlichen Sprache schlechthin gelten, aufgegriffen. Ist auch die für Massenmedien typische Kommunikationssituation 1n Vielem vom Informationsaustausch
zwischen
Gesprächspartnern
in
Alltagssituatlonen
ver-
schieden, so ist gleichwohl anzunehmen, daß die in der sprachpsychologischen Grundlagenforschung
Identifizierten Gesetzmäßigkelten
verständnisinduzieren-
den Kommunizierens auch hier gelten. Von Schemata, Scripts und Frames ist heute bei vielfältigen Fragestellungen in unterschiedlichen Teilgebieten der Psychologie, Linguistik oder Informatik die Rede. Phön1xgle1ch war diese alte Begriffsfamilie 1m Laufe der 70er Jahre amerikanischen Forschungslabors entstiegen, hatte, vom Flair des Fortschritts getragen, 1n Kürze Europa erreicht und interferierte hier einerseits mit den Überzeugungen frisch eingeschworener Behav1or1sten, die die kognitive Wende unter den überseeischen Vorbildern nicht nachvollziehen wollten, andererseits
56
mit den wesentlich differenzierten Resten an Methodologie-
und Kenntnisbe-
ständen der Phänomenologie, Gestaltlehre oder auch ganzheitlicher Typenkonzepte, die bis dahin in den USA nicht rezipiert worden waren. Der Grundsatz, nicht nur möglichst exakt Daten zu sammeln und Datenverbindungen zu quantifizieren, sondern nach dem Zusammenspiel von Einwirkungen und Transformationen zu fragen, die die beobachteten oder auch nur angenommenen Geschehensbeziehungen ermöglichen könnten, kurz: der systemtheoretische Ansatz war nicht das Ergebnis wissenschaftslogischer Besinnung, sondern die Konsequenz praxisnaher Erwägungen, die beispielsweise
in der Informatik die Entwicklung elektroni-
scher Rechenmaschinen aufgab. So überrascht es nicht, daß Leitsätze der "Cognitive Science" oder der "Artificial Intelligence" manchen Rückgriff auf bewährte Konzepte älterer Lehren der Informationsverarbeitung enthalten, insbesondere
Problemlösungstheorien
der
Duncker) und Handlungstheorien
Vorkriegszelt
(N.
Ach,
0.
Selz,
K.
(S. Freud, K. Lewin), die selbst wieder man-
chen Baustein aus der ehrwürdigsten Disziplin der Kommunikationswissenschaften übernommen hatten: Gemeint 1st die antike Rhetorik: Die Kunst des Vortrags und der Gruppenlenkung,
die Kunst,
mitreißend zu einer Hörerschar
informativ,
überzeugend
oder gar
zu reden, deren Kopfzahl einst überschaubar
war und heute oft nur mehr anhand der Einschaltquoten einer Stichprobe hochzurechnen ist. Das wichtigste Instrument der traditionellen Rhetorik
ist der Begriff der
Kommunikationsfigur: das "schema lexeos", die "figura orationis". Kommunikationsfiguren sind kognitive Einheiten, die durch einzelne Wörter,in der Regel aber durch Mittellungen darzustellen sind, die aus mehreren Sätzen bestehen. Wie physikalische Gleichungen - "die Geschwindigkeit im freien Sturz ist der Fallzelt proportional" - gestatten sie die verschiedensten
Arten konkreter
Einsetzung; was da - 1m luftleeren Raum - in die Tiefe fällt, ist für die Berechnung der
Geschwindigkeit
gleichgültig.
Ebenso wie
Gestalten
im Sinne
Wertheimers, Köhlers, Metzgers realisieren diese Einsetzungen aber nicht nur eine bestimmte Struktur; die Figur eines Äußerungsgebildes hat selbst wieder einen eigenen Informationswert
(Vukovlch, 1976). Wer z.B. eine kühne These,
gleichgültig welchen Inhalts, in den Raum stellt, der weckt die Erwartung, daß er Ihre Gültigkeit belegte, und tut er das, dann 1st der skeptisch gewordene Leser wieder befriedigt. Der M1tteilungsabschn1tt, der mit der herausfordernden Behauptung begann, gelangt zu seinem angemessenen Ende, er wird nicht als ergänzungsbedürftiges
Bruchstück
empfunden, die
Außerungssequenz
ist ein vollständiges Enthymem. Erst als Ganzes, erst als abgegrenzte Einheit mit einer bestimmten Binnenstruktur hat das Gebilde diesen Informationswert. Zusammen mit anderen Äußerungseinhelten kann es selbst wieder Funktionsträger
57
in umfassenderen
Schemata sein. Angreifen
und Abwehren, Verdeutlichen
und
Verdunkeln, Aufbauschen und Verniedlichen oder was sonst der Zweck einer Mitteilungsgestaltung sein kann, wird im Hinblick auf solche Form-Elemente studiert. Die Figur
ist in dieser Forschungstradition
das Instrument
und oft
auch die Endstufe der Gesprächsanalyse. Als Anleitung zum Bessermachen blüht die Rhetorik seit langem; ihre psychologische Begründung aber steckt in den Anfängen. Zunächst war das Begriffsrepertoire,
das ursprünglich
nur
auf Ansprache, Vortrag
oder
Predigt
zuge-
schnitten war, den Anforderungen von Gesprächssituationen anzupassen, die in den heutigen Medienprogrammen an Bedeutung zunehmen: das Interview, die Moderierung von Gesprächsrunden,
Smalltalk, ermunternde Zwischentexte,
die öf-
fentliche Debatte. Aus dem kommunikationspsychologischen Alphabet, das rund 150 elementare Schemata umfaßt, soll hier nur eine Auswahl von auffassungserleichternden
Redeformen
vorgestellt
und
ihre Wirkung
anhand
der
Untersu-
chungsbefunde von Labormethoden erörtert werden: Es 1st über Strukturierungsformen der Informationsgestaltung und des Informationsaustausches als Werkzeuge der Wissensvermittlung zu berichten. Dabei beschränken wir uns auf eine einzige Ergebnisvariable: die Klarheit. Sie ist Voraussetzung und notwendiges Begleitmerkmal
der Informationsverarbeitung.
Lansberg definiert
1m Anschluß
an Qulntllian 1m sprachübergreifenden Mischstil: "Ziel der Persplcuitas ist die intellektuelle Verständlichkeit, und zwar auch für den Fall, daß der 'Auditor' nicht
ganz
'attentus'
1st"
leichtverständliche von dunklen
(1960,
529).
Was
unterscheidet
und schwerverständlichen
klare,
Texten? Prominente
Autoren der Sprachpsychologie, Kintsch & van D1jk (1983), auch Clark & Clark (1977), haben zwar wiederholt die Bedeutung stilistischer Momente für die Effektivität der Sprachverarbeitung hervorgehoben. Im Vergleich zu der Menge an Veröffentlichungen, die der Satz-Semant1k und der "seelischen Realität" generativer Grammatiken gewidmet wurden, blieben Stil und Pragmatik zweitrangige Themen. Die Fragestellung hat Tradition, aber vieles 1st noch offen. Klarheit des Ausdrucks und die Verständlichkeit einer sprachlichen Darstellung sind selbstverständlich keine physikalischen Eigenschaften von Signalreihen, sondern Merkmale, die dem anschaulichen Text aufgrund von Eigenarten der Informationsverarbeitung zugesprochen werden, die Jene Signale beim Rez1plenten in Gang setzen. Das gilt auch für jedes andere sensorische Erlebnismerkmal:
elektromagnetische
Schwingungen
sind
nicht
farbig,
aber
die
Klatschmohnblüte, die einen bestimmten Spektrums-Ausschnitt reflektiert, wird als farbig wahrgenommen. Diese Feststellung 1st aus zwei Gründen wichtig: Zum einen, weil sie daran erinnert, daß jede Theorie über Erlebnisdaten und Gegenstände der anschaulichen Welt - etwa die Poetik, die Erwachsenenbildung,
58 die Personalführung - einen psychologischen Anteil hat. Man kann, wie einst Hilpert gefordert hatte, Mathematik ohne Relativierung auf das Denken betreiben, auch Physik und Chemie, aber man kann ohne Bezug auf den Rezipienten nicht begründen, warum Schachtelsätze schwer verständlich sind. Computer, die nicht als Simulationsmodelle des Menschen angelegt wurden, haben damit "keine Last". Wenn ihnen nicht eine knappe Merkspanne auferlegt wurde, kehren sie nach langen Schleifen unermüdet zur Marke am Abzweigungspunkt zurück. Letztlich ist auch eine Stilistik nur als Theorie menschlicher Informationsverarbeitung zu fassen. Wer dies außer acht läßt, hat bei den Listen unzusammenhängender Regeln und äußerlicher Rede-Empfehlungen stehen zu bleiben, die so schwer zu merken und noch schwerer zu befolgen sind, wie alles, was man nicht von Grund auf verstanden hat. Wenn man nicht aus den Augen verliert, daß der Gegenstand der Textstilistik
Eigenarten der menschlichen
Kommunikation
und
nicht etwa einer datentreuen sprachlichen Abbildung beliebiger Vorgänge ist, dann mangelt es auch nicht an einleuchtenden Erklärungen der Phänomene. Klarheit, Kürze und Präzision des Ausdrucks sind drei verschiedene Stiefel. "Je genauer desto klarer!" 1st kein generell richtiger Leitsatz der Verständigung. Es gibt überdetailliert umständliche Außerungsweisen, die so glasklar banal sind, daß sie geradezu einschläfern; es gibt Texte, die so glatthin zu überfliegen sind, daß man sie zwei-, dreimal lesen muß, ehe sich Ihre volle Bedeutung erschließt.
Aristoteles,
der
grundsätzlich das
Optimum
bei
den
mittleren Ausprägungsgraden suchte, hatte vermutet, daß es auch für die Verständlichkeit nicht bloß ein Zuwenig, sondern auch ein Zuviel an Deutlichkeit, Nachdruck und Bekräftigung gäbe: "Denn wer auf einen Begreifenden noch weiter einredet, beseitigt die Klarheit wieder" (Rhet. III.3). Bei mittlerer Auslastung funktioniere das Denken am besten. Daher würden "weder die auf der Hand Hegenden Schlüsse
zu geflügelten Worten, noch solche, die, wenn sie
ausgesprochen sind, doch nicht begriffen werden, sondern solche, die man hört und bald begreift, auch wenn man vorher nichts davon wußte, oder bei denen das Verständnis nur wenig hinterherläuft" (Rhet. III.10). Derartige Beobachtungen lenken das Interesse vom Text auf das kognitive System, für das diese Texte bestimmt sind. Ein zweiter Grund, nicht bloß Textstrukturen zu untersuchen, sondern die S1gnalw1rkung von Äußerungen zu studieren, sind die persönlichen Unterschiede in der Auffassung und 1m Verstehen von Mittellungen. Gerade bei Fragen nach der Durchsichtigkeit des Ausdrucks und dem Stellenwert der "clara et distincte percept1o" für die Oberzeugungskraft einer Erfahrung (Descartes) 1st die Tatsache unbestreitbar, daß es Intra- und Interindividuelle Unterschiede gibt, die man nicht wie die Farbenbl1ndhe1t als pathologischen Fall ausgren-
59 zen kann. Das ist das Problem aller Autoren, die ein breites Publikum ansprechen wollen. Die subjektive Verständlichkeit einer Mitteilung 1st eine Funktion der Sprachkompetenz des Reziplenten. Sie hängt auch davon ab, ob man bloß schlafmützig hingehört oder sich dem Sprecher aufmerksam zugewandt hat, und ob man einschlägig vorgebildet 1st oder sich erst mit geistigem Aufwand einen Reim auf die Dinge machen muß. Formulierungen, die ein aufgeweckter, sachkundiger und sprachlich gewandter
Hörer mühelos auffaßt und als durch-
sichtig empfindet, können für einen unkundigen, verbal unbedarften oder auch bloß übermüdeten Hörer unverständlich
sein. Für Juristen 1st das Juristen-
deutsch weniger kraus als für Laien. Es heißt sogar, viele Werke des Gesetzgebers böten dem Fachmann einen Lesegenuß!
Eingängige Formul1erungswe1sen Für die Alltagsrede trifft 1n erster Näherung die Behauptung zu: Mittellungen wirken verständlich, wenn sich Ihnen der Rez1p1ent Interessiert zuwendet, und wenn sie für Ihn außerdem klar und einleuchtend sind. Die Zuwendung 1st durch Vorteils-Argumente, durch ein Identifizierungsangebot - wie 1n einer Fami 1lenserle des Fernsehens - vom Ur-Großvater bis zum Enkelkind oder durch die Weckung von Neugier, durch die Herstellung von Rapport oder durch den belebenden Wechsel von Anspannung und Lösung zu gewinnen. Diesen Informationsduktus hatten schon Gorglas und Isokrates praktiziert, die Erzväter der Redekunst. Demetrius von Phaleron hatte um 320 v. Chr. der rhetorischen Perlode, die 1m Bogen rundumlaufend zuletzt auch wieder zu Ihrem Inhaltlichen Ausgangspunkt
zurückkehrt,
besondere Aufmerksamkeit
geschenkt.
Alle diese Maßnahmen sollen den "Privatcomputer 1m Nervensystem" anwerfen und gleichsam auf der richtigen Betriebstemperatur halten. Wie aber 1st Klarheit zu erzielen? Wer
1n Stilfragen
rasche Auskunft
benötigt, der wendet sich an Relners
(1943/1971). Für fast zwei Generationen von Managern, Studienräten und Journalisten war Ludwig Relners, doppelpromoviert 1n Rechts- und Politikwissenschaft, 1m Hauptberuf kaufmännischer Direktor, eine Autorität des guten Ausdrucks, ein Anwalt der Leser und Hörer, aber wie die meisten Hüter der Muttersprache nicht frei von der Neigung zu schulmeisterlichen Verurteilungen. Seine "StUkunst, ein Lehrbuch deutscher Prosa" erreichte seit 1943 eine Auflage von Uber 125.000. Das Motto des Bestsellers übernahm er - leicht gestrafft - von F. Nietzsche (Menschliches, Allzumenschliches, II. 131): "Den Stil verbessern - das heißt den Gedanken verbessern und (gar) nichts welter!"
60 Gestüzt auf Beispiele aus Literatur und Politik wetterte er gegen "Formeldeutsch"
und
"Modewörter",
gegen
"Stopfstil"
und
"Bandwurmsätze".
Seine
Ideale hatten alle Kennzeichen des "attischen Stils": Anschaulichkeit, Kürze, Klarheit, Echtheit und Leben.
Luther, Grimm,
Bismarck:
die verstanden Ihr
Handwerk ... Reiners ging nur selten auf die Ursprünge der europäischen Stiltradition zurück. Zeitgemäß verließ er sich bei seinen Bewertungen auf das eigene Sprachgefühl
und nicht auf Reihen-Experimente oder formalisierte Mo-
delle. Hinderlich sind der Klarheit dunkle Anspielungen, weit hergeholte Vergleiche, Abweichungen zwischen dem Verlauf einer Darstellung und dem Verlauf der darin geschilderten Geschehnisse; hinderlich sind Schachtelsätze, bei denen der Leser den Anfang vergessen hat, wenn er das Ende erfährt; hinderlich sind der Gebrauch der Pass1v-Form und die Einleitung von Sätzen durch Dativ-Objekte oder Genitive.
Unbefriedigend
sind häufig unscharf
abgegrenzte
oder
mehrdeutige Begriffe,
Insbesondere Fürwörter mit fragwürdigen Vertretungsre-
lationen. Unvollständige Formulierungen sowie die sonst so geschätzte Knappheit können ebenso leicht zum Gegner der Klarheit werden wie aufbauschender Wortschwall. Lieber einen Gedanken wiederholen, einen Anknüpfungspunkt erneut nennen, Heber eine Spur zu viel als eine Spur zu wenig sagen; Heber ein geläufiges als ein ausgefallenes Wort verwenden;
Heber eine Information drei
kurzen Sätzen anvertrauen als einem Satzungetüm. Und 1m Zweifel: lieber Umständlichkeit in Kauf nehmen als die Durchsichtigkeit opfern. All diese Prinzipien stehen auch
1m 8. Buch Quinti H a n s
oder
In den 400 Jahre
älteren
Schriften des Aristoteles. Moderne Autoren (Groeben, 1982; Schulz von Thun, 1975) haben sich Ihnen angeschlossen. Reiners behauptete voll erzieherischen Schwungs: "Fahrlässige Unklarheit 1st ein Vergehen, vorsätzlich ein Verbrechen" (1943/1971), S. 392). Reiners verwies aber auch auf den Zugang zu einer systemtheoretischen
Fassung dieser zentralen
StUvarlablen:
"Der Schlüssel
zur Klarheit 1st die Ordnung" (1943/1971, S. 380). Was für die menschliche Informationsverarbeitung wohlgeordnet 1st und was nicht, das ist zu explizieren. Zwei nicht ganz triviale Bedingungen, die den Eindruck der Klarheit einer Formulierung fördern, sind die Informat1onsbündelung und die anbahnungstreue Ergänzung der Vorinformation.
Beide
Formulierungstechnlken
erleichtern dem
Rezlpienten die Erfassung eines Textes, Indem sie günstige Ansatzstellen zur Effektivitätsstelgerung der Informationsverarbeitung bieten.
61
Prinzip und Varlanten der Inforwatlonsbündelung Als Informâtionsbündelung werden hier Vorgang und Ergebnis der Zusammenfassung von Einzelhelten zu einer eigenen Informationseinheit bezeichnet: "Heute kam er verspätet. Gestern mußten wir auf ihn warten. Vorgestern hielt er sich nicht an die Zeit ... Er 1st die Unpünktlichkelt in Person." (1) In der Gegenüberstellung von Komponenten und Resultante, von Bestandteil und Gesamtkomplex übernimmt diese Begriffsbestimmung die von Cantor betonte Abhebung der Elemente von der Menge, die aus diesen Elementen besteht: "Unter einer Mannigfaltigkeit oder Menge verstehe ich ... allgemein jedes Viele, welches sich als Eines denken läßt, d.h. jeden Inbegriff bestimmter Elemente, welcher
durch
ein
Gesetz
zu
einem
Ganzen
verbunden
werden
kann
..."
(1883/1962, S. 150). Worin dieses Gesetz im jeweiligen Fall besteht, bleibt dahingestellt.
Die Garbe, die aus Getreidehalmen und Unkräutern geschnürt
wird, und die wieder 1n die gemähten Einzelpflanzen zerfällt, sobald man das Band löst, ist die bildliche, namengebende Spezifizierung dieses Konzepts, aber es gehören auch andere Arten der Ergebnisbildung dazu, die personifizierende Typisierung ("UnpünktlIchkeit
in Person") ebenso wie die General1s1e-
rung ("unpünktlich") oder eine wertende Stellungnahme
("So kann das nicht
weitergehen"). Hier kommt es nur auf die Unterscheidung zwischen den vielfältigen
Ursachen-
oder
Ausgangskomponenten
und der
nach
Irgendeiner
Regel
vollzogenen Ableitung an, 1n die jene Komponenten münden. In mancher Hinsicht können Element und Menge, Bestandteil und Komplex natürlich auch übereinstimmen; die Bäche und der Fluß, 1n dem sie aufgehen, führen Wasser, aber 1m Fluß kann man vielleicht schwimmen, oder beim Vergleich der Garbe bleibend: die trockenen Halme wie auch das Erntebündel
1m Ganzen sind brennbar, aber man
kann mit Bündeln leichter hantleren, man kann sie leichter aufladen, abzählen, stapeln. Das trifft auch für Informatlonsgebilde zu: Mit der Resultante 1st oft einfacher umzugehen, sie 1st meistens auch rascher mit ein paar Worten zu übermitteln als die Unmenge von Details, die sie 1n sich schließt. Die Informationsbündelung vereinfacht, verkürzt, entlastet den Mitteilungsvorgang und wohl auch das sprachgebundene Denken. Man sagt "Insekt" und meint damit eine große Anzahl von Eigenarten, die diese Lebewesen 1n Körperbau und Verhaltensweise auszeichnet. Man sagt "Otto-Motor" und gemeint 1st eine Maschine zur Energieumwandlung, deren Unterscheidungsmerkmale erst unter mehreren Atemzügen zu erklären wären.
62 (2) Neben der
Informationsbündelung
durch Abstraktionen, führen,
oder
durch
durch verallgemeinerte
die schließlich die
Nennung
von
zu Namen
Formulierungen,
inhaltsreicher
Geschehensfolgen,
die
Oberbegriffe selbst
wieder
vielerlei Einflüsse in sich schließen und somit nur die Vereinigung von Ereignissen darstellen, deren Verlauf beschrieben wird, gibt es noch eine Variante, die an der Grenze zwischen Perzeption und Kognition liegt: die Aktivierung von Bildern und zwar nicht nur 1n Form von Metaphern, sondern auch von Vorstellungen, die dem Rezlpienten
leicht zugänglich sind. Man spricht vom
"Anblick der Peterskirche 1n Rom", von "unserem Bürgermeister", von "einer Ziegenherde, die die Straße kreuzt" und sagt damit mehr als die grammatikalisch korrekte Verknüpfung der Denotationen
angibt. Viele Bilder enthalten
einen oft erst zu erschließenden Reichtum an Informationen, so daß es sich als zweckmäßig erwiesen hat, 1n manchen Fällen von einer "doppelten Kodierung" umgangssprachlicher Mitteilungen auszugehen - als würde hin und wieder, bei dem einen oder anderen Ausdruck, gleichsam ein zweiter Motor zugeschaltet (Paivlo, 1986). (3) Eine auffällige, die Klarheit des Ausdrucks fördernde
Bündelungsweise
wurde 1m Anschluß an W. Wundt von Bühler (1934) 1n seiner Sprachtheorie herausgearbeitet: die hinweisende
Anknüpfung an Sachverhaltsschilderungen.
Anblndung 1m Gedankenraum, die textinterne
die
Bezugnahme. Bühler selbst sagt:
"De1x1s am Phantasma ... 1m modus der Anapher" (1934/1965, S. 121 ff.). Mit einem "Oies" oder "Das" wird ein ganzes Bündel von Einzelaussagen in die kognitive Repräsentation des nachfolgenden Textes gepackt.
Das
(und hier 1st
schon ein solcher anaphorlscher Anschluß!) ist ein altbewährter, entlastender Kunstgriff kompakter Information. Die verbalen Stellvertreter vorangegangener Mitteilungen bewahren den aktuellen Satz vor überfrachtung. "In dieser Sache habe ich die folgende Meinung
...". Danach 1st "diese Meinung" geschlossen
darzulegen; wer sie jedoch hat, nämlich der Sprecher, und worauf sie sich bezieht, nämlich auf die durch das pronominale "diese" 1m Rückverwels angesprochene Gegebenheit, das wurde schon mitgeteilt. Der ganze Satz 1st, so betrachtet, ein Bindeglied zwischen zwei thematischen Bündeln, dem Thema "Sache", von dem soeben die Rede war, und dem Thema "Meinung", das 1m Anschluß daran abzuhandeln 1st. Eine ähnliche Bündelungsweise 1st besonders bei Rundfunk· und Fernsehkommentaren anzutreffen: Der Satzbruch mit pronominaler Anknüpfung: "Der Präsident, urlaubsreif und von Hiobsnachrichten bedrängt, - er (!) war heute schlechter Laune." / "Der Einsatz von Textbearbeitungsprogrammen im Routinebetrieb eines Büros, - er (= dieser Einsatz) verlangt Konzentration und ein gewisses Vergnügen an technischen Spielereien."
63 Das Gegenstück zur Informationsbündelung, sozusagen Ihre Inverse, 1st die Gruppe der Ausgliederungs-,
Detaillierungs- oder Erläuterungsformen: zuerst
wird ein Allgemeinsatz behauptet, danach 1st von Beobachtungen die Rede, die diese Aussage rechtfertigen oder exemplifizieren. Die Rule-Example-Regel der programmierten Unterweisung praktiziert dieses Schema.
Prinzip und Varlanten anbahnungstreuer XußerungsergSnzung Eine wichtige Teilgruppe eingängiger Formulierungsweisen bilden anbahnungstreue Äußerungsergänzungen. Durchgängig
ist an diesen Kommunikatlonsfiguren
eine Vorinformation zu unterscheiden, auf die eine Zusatzinformation aufbaut. Bei einigen Mitteilungstypen ruft die Vorinformation eine bewußte Erwartung wach, die durch die nachfolgenden Zusatzinformationen gestillt wird. Dieser periodische Wechsel von Versprechen und Erfüllung, von Anspannung und Lösung mag zwar der Entstehung von Monotonie vorbeugen. Die Besonderheit der anbahnungstreuen Äußerungsergänzungen scheint aber 1m wesentlichen auf einem anderen Wirkungsaspekt zu beruhen: Durch den Erfolg der Anbahnung stößt die erwartete Zusatzinformation
auf günstigere
Dekodlerungsbedingungen,
auf eine
erleichterte Bedeutungsgenerlerung, auf eine Insgesamt verbesserte Informationsverarbeitung - so wie in Leistungsexperimenten Vorsignale die Reaktionszeit auf die Hauptreize verkürzen (vgl. Krems, 1986). Von den anbahnungstreuen Äußerungsergänzungen werden hier drei Varlanten vorgestellt: (1) Das Paar aus metakommunikativer Ankündigung und Einlösung des Informationsversprechens, einem einleitend ausgelegten roten Mitteilungsfaden, und dem nachträglich gelieferten Drumherum an Detailangaben, die Verbindung von Knochengerüst und Fleisch, von Fachwerk und Füllung. Wer am Anfang eines Eignungsinterviews den Bewerber wissen läßt, auf welche Punkte sich das Gespräch beziehen werde, der erspart sich nicht nur glättende Oberleitungen, er verwirrt und belastet seinen Partner auch weniger, wenn dieser beizelten absehen kann, was auf ihn zukommt. Einen ähnlichen Dienst erfüllen die rhetorischen Gegenstücke zu den Hinwelsschildern 1m Straßenverkehr. Vorweg etikettiert der Sprecher den Kommunikationsstatus oder die Mitteilungsfunktion nachfolgender Äußerungen, etwa wenn er ankündigt "Meine Auffassung lautet ..." - dann 1st der Hörer auf eine These eingestellt. "Was spricht dafür?" - Jetzt sind Belege, Beweise oder Zielangaben zu erwarten. "Aus der Vielzahl an Hinwelsen greife Ich nur drei Punkte heraus ..." - Hier
64 wird nach der Wen1g-aus-Vielem-Formel versichert, daß der Redner - falls erforderlich - zu weiteren Ausführungen 1n der Lage wäre, daß die These noch fester begründet sei als 1m Augenblick unter Beweis gestellt würde und vor allem, daß der Partner drei Punkte zu hören bekäme und daher mitzählen und abhaken könne. Die Rede wird durch diese Hinweisschilder strukturiert, genauer: vorstrukturiert. Hinweisschilder, die erst hinter der Abzweigung stehen - "Vor dreihundert Metern gings U n k s ab nach Kassel" sind bei weitem nicht so hilfreich wie Vorwegweiser! (2) Das Paar aus Leerstelle und Einsatzstücken, von Geigenkasten und Geige, oder, umgekehrt, von Einzelheiten
und einem begrifflichen Behälter, in dem
die Details unterzubringen sind. Ein Beispiel ist die Pronomensentfaltung: rungsbedürftige verbale
Im Aussagentext werden erläute-
Platzhalter eingebaut, denen erst
nachträglich die
für das Verständnis unumgängliche Bedeutung beigefügt wird. So heißt es von Morgensterns Hecht, den der hellige Anton zum Vegetarismus
bekehrt hatte:
"Und hinfort fraß er nur noch dies (!): Seegras, Seerose und Seegries." Nachträglich erst erfährt der Leser, was der
fromme Raubfisch sich
zugemutet
hatte. Oder: "Die Universität hat Im wesentlichen nur zwei Aufgaben: Die Ausbildung von Spitzenkräften
und die Förderung der
Forschung durch Vorbild,
Ideen und Kommunikation." Schon der erste Satz enthält eine Information, nämlich daß die Universität bloß zwei Hauptaufgaben habe, endete jedoch die Mitteilung hier, so wäre zwar der Grammatik, nicht aber dem Hörer Genüge getan. Inhaltlich 1st diese Aussage ein Rumpf ohne Gliedmaßen, eine Unterinformation, die
nach
Ergänzung
verlangt.
Von
der
bevorstehenden
Ersetzung
der
Platzhalter steht immerhin fest, daß es zwei Teile sein werden, daß es sich dabei um Aufgaben und nicht um etwas anderes handeln werde, und daß diese Aufgaben allem, was man sonst über Universitäten und den an sie herangetragenen Ansprüchen weiß, zu entsprechen haben. Durch vorübergehendes Unterinformieren kann übrigens der Interviewte in gewissen Grenzen die Wahl der Fragen steuern, die an Ihn gerichtet werden - vorausgesetzt der Fragesteller verläßt sich nicht völlig auf sein Tonband und hört bei den Antworten erst gar nicht zu. Auch rhetorische Fragen zählen zu den auffassungserleichternden Kommunikationsweisen, sofern sie an ein Publikum gerichtet werden, das den Inhalt der späteren Selbstbeantwortung durch den Redner absehen und damit auch die spätere, tatsächliche
Äußerung
rascher begreifen kann: Wer
in Anbetracht der
wirtschaftlichen Schwierigkelten eines Unternehmens vor versammelten Fachleuten die Frage aufwirft "Was 1st hier zu tun?", der gibt den Rahmen an, den einschlägige Stellungnahmen
ausfüllen sollten.
Bei verständigen Hörern
er-
65 weckt er wenigstens umrlßhaft die Antworten, die er selber 1n petto hat: "Eigenkapital erhöhen, Vorstand verjüngen, Produktpalette durchforsten, Rentabilität des Flllalnetzes Uberprüfen". Die Frage kündigt die Antwort an. (3) Das Paar aus
Komponenten verwandtschaftlicher
Nebenordnung,
vor allem
Parallelen, Gegensätzen und Abbildern realer Geschehensabläufe. In der Rhetorik wird seit dem fünften vorchristlichen Jahrhundert geraten, wichtige Redeabschnitte, Ideen, die besonders nachdrücklich vermittelt werden sollen, in Parallelformulierungen auszuarbeiten, deren Anfänge wörtlich übereinstimmen. Bei einem derartigen Aufbau erfolgt die Entschlüsselung der zweiten und aller weiteren Komponentensätze nach dem Bauplan des ersten Komponentensatzes. Aus einer Totenrede: "Er sah Not und versuchte, ihr abzuhelfen. Er sah Unrecht und bekämpfte es nach Kräften. Er sah Leiden und versuchte, sie zu lindern, so weit wir das als Mitmenschen überhaupt vermögen...". Hier werden bevorstehende Mittellungen nicht ausdrücklich angekündigt; es werden ihnen auch nicht durch Stellvertreter Plätze 1m kognitiven Raum reserviert, wie dies bei den oben erwähnten Kommunikationsweisen geschieht. Hier beruht der Serialeffekt auf den Nachwirkungen der Aufschlüsselungs- oder Verstehensvorgänge, die bei der Auffassung der zuvor übermittelten Aussagen aktiviert wurden. Die Ähnlichkeit ihre Dekodlerung.
Die
aufeinander folgender MittelIungse1nhe1ten erleichtert Ordnungsverwandtschaft
von Äußerungen
kann
sich
1m
Satzbau und im Inhalt, aber auch in den Satzfunktionen, d.h. hinsichtlich der Stellungen
zeigen,
einnehmen,
z.B.
die Einzelaussagen
einer
These
innerhalb eines
als Beleg
zu dienen
umfassenden
oder die
Schemas
Resultante
zu
gleichgesetzten und deshalb oft parallel formulierten Inhaltspunkten darzustellen. Dann ebnet nicht die grammatikalische Form, sondern die rhetorische Figur dem Verstehen den Weg. Semantlsche Beziehungen übernehmen die Anbahnung bei der spontanen Gegente1lsedukt1on. Die Antithese steht der These näher als irgendeine beliebige Aussage: "Gleichförmig" tungsmäßig weniger weit entfernt
als
1st von "ungleichförmig" bedeu-
"spitzwinkelig".
In einer
Kette von
Äußerungen sollte daher das Paar aus These und Antithese leichter aufzufassen sein als ein Paar gleichlanger,
gleichgebauter, aber
Inhaltsfremder Sätze.
Ein interessanter Sonderfall 1st die GegenteHsverneinung mit anschließender Posltivbehauptung. Diese Technik, an wichtigen Mittellungsstellen doppelt zu moppein, zeigt, daß wir uns mit den ungenauen, unklaren Kennzeichnungen durch bloße Gegentellsvernelnungen häufig nicht zufriedengeben. Wir verlangen nach einer positiven Charakterisierung: "Das 1st nicht neu, das sind bewährte Formulierungsregeln / Das war kein billiges Vergnügen, bis heute begegne Ich den Abzahlungsraten auf dem Monatsauszug meines Kontos!"
66
In einem sinnigen Studentenlied der Äskulap-Jünger heißt es: "Und wenn er dann gestorben 1st (kein Mensch weiß, was Ihn quälte), dann schneiden wir 1hm das Ränzleln auf und schauen, was 1hm fehlte." So gut haben es die Mediziner. In der sprachgestützten Informationsverarbeitung
1st jedoch auf anatomischem
Weg - selbst unter Einsatz der Mikoelektronlk - vorläufig kein Neuland zu erreichen. Das Räderwerk erschließt sich nicht. Man kann nur versuchen, die Eigenart der Kognition - die Teilschritte, die Filterungen, Umkodierungen, Verdichtungen - am Verhältnis der Anregungsbedingungen zu den Früchten zu erschließen, die sie bringen. Immerhin 1st die Frage, ob eine bestimmte Formu11erungswe1se klarer, flüssiger, einprägsamer 1st als eine alternative Ausdrucksform, nicht einfach der Autorität von Stilpäpsten zu überlassen, sondern kann Stück um Stück mit exper1mentalpsycholog1schen Untersuchungsverfahren beantwortet werden. Das soll auch hier geschehen. Im folgenden wird von einer Studie berichtet (Krems, 1984), die neben anderen, hier nicht erläuterten Zwecken, das Ziel hatte, textabhängige Serialeffekte zu objektivleren. Die Frage war, ob syntaktische Parallelität bei aufelnanderfolgend dargebotenen Sätzen die Texterfassung tert. Das Versuchsmaterial
nachweislich erleich-
bestand aus 360 verschiedenen
5-Wort-Sätzen. Im
Deutschen sind aus 5 Wörtern über 100 verschiedene Syntaxvarlantén zu bilden. Für 12 deutlich voneinander abweichende Satzmuster wurden je 30 verschiedene Konkretisierungen entworfen, insgesamt also 360. Um Unterschiede 1n der Informationsaufnahme zur Geltung zu bringen, wurden die einzelnen Sätze, gesteuert durch einen Z-80 Prozessor, nur Bruchteile einer Sekunde - zwischen 255 und 971 msec - auf einem Bildschirm gezeigt. Einer Gruppe von 32 Probanden wurde - 1m Einzelversuch - die Serie Satz um Satz in zufälliger Reihenfolge geboten. Nach Jeder zweiten Darbietung wurde die Expositionsdauer um 4 Millisekunden gesteigert. Abgesehen von übungselnflüssen, die durch Sättigung und Ermüdung gemildert werden, sollte schon allein deshalb die Chance korrekter Erfassung während der späteren Abschnitte des knapp elnstündigen Versuchs höher ausfallen als zu Beginn. Bei einer zweiten Gruppe von 35 Probanden wurden stets zehn 5-Wort-Sätze des gleichen Bauplans nacheinander auf dem Bildschirm geboten. Danach wurde zu einem anderen Ahnl1chke1tsmuster übergegangen, bis mit der 36. Aufgabengruppe das Ende der Reihe erreicht wurde. Da 1m übrigen bei dieser Probandengruppe auch der gleiche Darbietungsmodus verwendet wurde, nahm die Trefferquote 1m Laufe des Versuchs ebenfalls zu, wie dies die längere Darbietungsdauer vermuten H e ß .
Interpretati ν bedeutsam
sind dagegen die Unterschiede
zwischen den Ident1f1z1erungs1e1stungen von Kontroll- und Versuchsgruppe: Bei grammatikalisch homogenen Abschnitten der Aufgabenreihe, bei Jenen Sequenzen
67 aus 10 Sätzen, die sich 1m konkreten Text, 1n Wortwahl und Inhalt, nicht aber 1m Bauplan unterschieden, wurden von den Probanden sowohl mehr Einzelwörter wie auch mehr Sätze richtig Identifiziert als bei einem grammatikalisch bunt gemischten Angebot an 5-Wort-Sätzen. Der Grund scheint 1n der Einengung des Rate- oder Sensibl 11s1erungsbere1chs zu Hegen: Wenn 1n den Vorgängersätzen als erstes Wort ein Artikel stand, so wird bei der nächsten Aufgabe fOr die gleiche Position ein Bedeutungsträger mit derselben Satzfunktion erwartet und wenn bei den jüngsten Einheiten jedesmal an der dritten Stelle das Satzsubjekt und davor ein Adjektiv standen, dann wird auch beim nächsten Durchgang damit gerechnet. Bei der Erfassung aufelnanderfolgender
Informationseinheiten
wird anscheinend unter erschwerten Wahrnehmungsbedingungen bevorzugt das eben noch aktivierte Satzmuster zur Aufgliederung und Entschlüsselung der nächsten Zeichenreihen verwendet. Abb. 1: Identif1kat1onsle1stung der Versuchspersonengruppen (Anteil korrekt reproduzierter Wörter pro Vorgabesatz) bei Darbietung der Sätze 1n Ähnlichkeitsgruppen (durchgezogene Linie) und 1n gemischter Reihenfolge (gestrichelt). Trpfferquote
Erwartungsgemäß zeigten sich die Unterschiede zwischen Zufallsfolgen und mustertreuen Angeboten am deutlichsten bei den mittleren Schwierigkeitsgraden, wie dies Abb.
1 veranschaulicht.
Wenn die zugestandene
Beobachtungs-
spanne allzu kurz 1st, dann kommt es erst gar nicht zu einer auffassungser-
68 leichternden Hypothesenbildung; hat man dagegen fast eine Sekunde für das Lesen eines 5-Wort-Satzes zur Verfügung, dann können anfängliche Fehl auffassungen bequem korrigiert werden. Die Rolle, die der Voraktivierung von Ordnungsformen beim Verstehen der Umgangssprache zukommt, war 1n diesem Experiment am überzeugendsten bei der unter Zeltdruck vorgenommenen Decodierung nachzuweisen. Die Signifikanzprüfung erfolgte über Varianzanalysen mit anschließenden MittelWertsvergleichen durch t-Tests. Es 1st ein wesentlicher Befund dieser Studie, daß nicht nur die Länge, Geläufigkeit und VerbundwahrschelnlIchkeit von Einzelwörtern Ihre kognitive Erfassung beeinflussen, sondern daß dabei auch Ihre Stellung
im Satz und die
Aufeinanderfolge von Sätzen eine Rolle spielt. In einem zweiten Experiment sollte nicht die Bedeutung der syntaktischen Homogenität, sondern die Funktion satzübergreifender
Kommunikationsschemata
für die Schnelligkeit des Verstehens und Elnprägens untersucht werden. Drei Aussagen, die nicht nur gliederungsgleich und Inhaltlich verwandt waren, sondern bis auf wenige Variationsstellen sogar wörtlich übereinstimmten, wurden zusammen mit einer themengleichen, aber übergeordneten Aussage vorgelegt, die als Resultante der drei Basissätze verstanden werden konnte. In einem Fall stand die Resultante am Ende, 1n einem zweiten an vorletzter, in einem dritten an zweiter und 1n einem vierten schließlich an erster Stelle. Zu vier verschiedenen Themen wurden aus je vier Sätzen diese vier Sequenztypen gebildet und mit ablenkenden Texten vermischt 18 Personen zur Lektüre angeboten. Zwischendurch wurden Fragen zum Text gestellt, die den Versuch als Gedächtnlsprüfung auswiesen und die Probanden zur Aufmerksamkeit anhielten. Als Auswirkungsvariable der strukturellen Unterschiede
des
Informationsangebots
wurde bei dieser Studie die den Probanden anheimgestellte Lesezelt bestimmt. Durch Tastendruck konnte der Betrachter einen Satz nach dem anderen auf dem Bildschirm erscheinen
lassen und verweilte bei
jeder Vorgabe nach eigenem
Gutdünken. Die Zelt zwischen zwei Tasterkontakten wurde 1n Tausendstel Sekunden gemessen (siehe Abbildung 2). Im Schnitt wandten die Probanden für jeden Sequenztyp gleich lange Lesezeiten auf. Varianzanalytisch
gesicherte Unterschiede ergaben sich jedoch für
die Betrachtungsdauer der Resultantensätze: standen sie am Ende der Reihe aus drei
vergleichsweise elementaren Sätzen, dann wurden sie
rasch aufgefaßt.
Vermutlich war Ihr Inhalt schon erwartet worden. Augenfällig 1st das 1m Fall vorbegründeter Fragen: "Du willst nicht 1ns K1no. Du willst nicht 1ns Theater. Du willst nicht zum Essen ausgehen. Ja was willst Du denn eigentlich?" Im Schlußsatz steht somit Schwarz auf Weiß, was sich der Proband tatsächlich oder nahezu schon gedacht hatte. Trat die Resultante dagegen als erstes Glied
69
einer Vierergruppe auf, dann wurde Ihr relativ viel haltspunkte waren diese
allgemein gehaltenen
Zelt gewidmet. Ohne An-
Behauptungen oder
auch Fragen
nicht so leicht verständlich. Dafür wurden dann die Basissätze, die hier nur die Funktion konkretisierender
Belege hatten, umso rascher zur Kenntnis ge-
nommen. Abb. 2: Betrachtungsdauer (Lesezelt) für Sätze 1n Abhängigkeit von der Zugehörigkeit der Sätze zu vier Sequenzvarlanten
2.0 o 0) CO
0) Ώ O Ό CO σ> c !3 _C O
m
1.9
-
1.8
-
1.7
-
1.6
-
α, b, c:
Konkretisierungen
R:
Resultante
1.5 1.4
-
1.2
-
C
1.3
"
-
—
-
-
1.1 1.0
t
i
l
l
abc R ab.R.c a.R.bc R.abc Sequenz —Varianten
Auch bei dieser Studie 1st ein auffassungswirksamer Relhungseffekt festzustellen, der auf die Bildung textspez1f1scher Erwartungen zurückzuführen 1st. In einem dritten Experiment wurde die einfachste Form eines Informationsbogens, das sogenannte Thesensandwich· suchsanordnung auf die
mit Hilfe der eben geschilderten Ver-
Bedeutung erwartungsbedingter
Serlaleffekte
geprüft.
Der Informatlonsbogen 1st der Prototyp der rhetorischen Perlode. Von Leitartikeln und
Nachrlchtenkommentaren
1st diese Gliederungswelse
vertraut.
Der
Sprecher beginnt mit einer Behauptung, trägt dann Belege für deren Richtigkeit zusammen und wiederholt zuletzt bekräftigend die Anfangsthese. Das Thesensandwich 1st noch einfacher. Es besteht aus einer positiven Formulierung, der Antithese zu dieser Aussage und der Wiederholung der Anfangsbehauptung.
70
Gegenübergestellt wurde dieses Schema zwei anderen Sequenzvarlanten, wie dies Abbildung 3 zeigt. Abb. 3: Betrachtungsdauer für Sätze 1n Abhängigkeit von Ihrer Stellung In drei unterschiedlichen Sequenzvarlanten.
3.0 Γ 2.8
-
^ " υ zwischen beiden Forschungstraditionen; insbesondere
be
(absolute)
"...information
knowable
in
naturwissenschaftliBeschreibung
describes
an unbased
way"
a
reality (Dervin,
1983, 160), gilt der anderen Tradition "Information" als etwas, was (relativ zu einer subjektiv gegebenen Situation) 1n der Lage
ist, die umgebende Welt
zu strukturieren, Sinn herzustellen, Mittel und Wege zu beschreiben, die zur Erreichung von Zielen führen können. Die erkenntnistheoretische Position dieser zweiten Tradition 1st deutlich und neo-posit1vist1sch: "... no judge exists of what reality 1s; our perceptual equipment Is limited and controlled by our minds, so what 1s observed is constrained by what our minds envision;
people exists at different
point in time and space and
123 have the opportunity to observe only a fraction of what is possible" (Dervin, 1983, 169). Für das Konzept "Information" folgt daraus, daß nicht mehr die (absolute) Deskription einer objektiv gegebenen Realität, sondern der
(relative) Wert
bei der sinnvollen Strukturierung einer subjektiv gegebenen Umwelt 1m Zentrum steht: "The individual, in her time and space, needs to make sense, by definition. But the sense she needs to make is for her world, her time, and place. She needs to inform herself constantly. Her head is filled with questions. These questions can be seen as her 'information needs'." (Dervin, 1983, 170). Kurzum: Oie beiden eingangs beschriebenen Bilder vom Umgang von Menschen mit Information basleren - vor allem - auf unterschiedlichen Konzepten von Information: Während das erste Portrait einer Forschungstradition entstammt, die von einem absoluten Informationskonzept - mit Dervin's Worten dem "observer construct of information" (1983, 160 ff.) ausgeht, wird das zweite B1ld gezeichnet auf der Basis eines
relativistischen Informatlonskonzepts - dem
"user construct of information" (Dervin, 1983, 169 ff.), bei dem Zustände einer "need for Information", die aus (subjektiven) Situationen resultieren, besonders Rechnung getragen wird. Wir wollen hier Dervins eigene Überlegungen und deren Weiterungen nicht welter ausführen
3
>;
deutlich
ist gleichwohl,
daß
hier
ein
alternativer
(theoretischer) Bezugsrahmen Impliziert wird, der m.E. von großem Belang 1st, wenn wir das problematische Verhältnis von Menschen und Information erfolgversprechender strukturleren, beschreiben und erklären wollen. Wie aber hätte eine Forschung auszusehen, die von einem relativistischen Konzept von "Information" - dem "user construct of information" - ausgeht?
"Informationswert"
und "Gebrauchswert": Dimensionen
der "Akzeptanz" audio-
visueller Aussagen durch Ihr PubllkuM Im Rahmen eigener empirischer Studien (Renckstorf & Rohland, 1981; Renckstorf & Ehmcke, 1985; 1986) haben wir mehrfach von einem Instrument zur Ermittlung von "Akzeptanz" audiovisueller Aussagen durch ihr Publikum Gebrauch gemacht, das zu einem Teil auch 1m gegebenen Zusammenhang sinnvoll eingesetzt werden könnte. Ausgehend von der z.B. für den "Nutzenansatz" zentralen Annahme, daß Medienzuwendung - wie anderes soziales Handeln auch - als absichtsvolles, zielgerichtetes und 1ntent1onales S1ch-Verhalten aufzufassen
124
Abbildung 1: Zum Konzept der "Akzeptanz": Zusammenhang zwischen Begriff, Dimensionen und Indikatoren der Akzeptanz"
Dlaenslonen
Indikatoren P r t e l l s s k s l e n a l t dan Getensatzpaaren:
~
anschaulich - unantchaullch interessant - uninteressant abwechslungsreich - eintönig konkret - abstrakt
lang atifa W e s e n t l i c h e beschränkt - weitschweifig
Z u s t l a a un » / A b l e h n u n g Auasagent
der
Ich habe w i c h t i g e I n f o r m a tionen Uber Tataachen bekoaaen. D e r B e i t r a g hat a i r A n r e g u n g e n f ü r « e i n e i g e n e s Orteil gebracht. Ich habe I n f o r m a t i o n e n ü b e r Hintergründe und Zusaaaenhänge erhalten. Z u a T h e · · dea B e i t r a g s w u r d e ich a l c h s e l b s t g e r n ä u ß e r n , d a z u h ä t t e leb e t w a s z u sagen. Ich w e r d e s i c h sicher alt Freunden, Verwandten oder B e k a n n t e n U b e r die S a e h e unterhalten. D a s T h e · · , u a d a s es h i e r geht, betrifft alch selbst.
ist (vgl. Katz & Blumler, 1974; Rosengren, 1974; Renckstorf, 1977; etc.), haben wir versucht, Aussagen über künftiges Medienzuwendungsverhalten - zu bis dato neuen, unbekannten
(tells "innovativen")
lokalen und
regionalen Rund-
funkprogrammangeboten - abzuleiten aus (oder zu basieren auf) Urteilen, Bewertungen von
strategisch wichtigen
Teilgruppen des
(typischen)
Publikums
über (1m Rahmen von quasi-experlmentellen Anordnungen vorgeführten, 1n ihren wesentlichen Aspekten) typische Beispiele (Simulationen) künftiger audiovisueller
Programmangebote.
Die wesentlichen
dieser Publikums-Urteile
und Zu-
schauerbewertungen haben wir zu dem (theoretischen) Konzept "Akzeptanz" zusammengefaßt; schon
recht
und diese gut
gelang
"Akzeptanzmaße" - künftiges
(bzw. prognostizieren) helfen.
sollten - was z.T.
Medienzuwendungsverhalten
faktisch auch 4
>
erklären
125 Wir wollen hier das Konstrukt "Akzeptanz" nicht 1n aller Ausführlichkeit darstellen und diskutieren; aber der Zusammenhang zwischen Begriff, Dimensionen und Indikatoren der "Akzeptanz" soll hier gleichwohl zur Sprache kommen (vgl. Abbildung 1). Im Grunde wurden vom (Test-) Publikum zweierlei Urteile über eingespielte (Test-)Sendungen 5> abgegeben: (1) nämlich Gesamturteile über Testsendungen insgesamt (bzw. über ganze Teile der Testsendungen), die anhand von Wort-Gegensatzpaaren eines "semanti sehen Differentials" erfaßt wurden, (2) sowie Urteile über die einzelnen Beiträge der Testsendungen, die 1n Form von Zustimmung/Ablehnung einer Reihe vorformulierter Aussagen/Statements erhoben wurden. Die Urteile zum Gesamteindruck wurden als "Wahrnehmungen" bezeichnet, die beitragsbezogenen Urteile als "Bewertungen" gefaßt. Faktorenanalysen ergaben sowohl hinsichtlich der "Wahrnehmungen", als auch der "Bewertungen" Hinweise auf jeweils zwei Dimensionen. Für die "Wahrnehmungen"
- als Maße der
"Akzeptanz" einzelner Teile der
Testsendungen - wurden die Dimensionen "Anschaulichkeit" (= anschaulich, Interessant, abwechslungsreich, konkret) und "Prägnanz" (= kurz, aufs Wesentliche beschränkt) ermittelt: Tabelle 1: Maße der "Akzeptanz" einzelner Teile der Testsendung: "Wahrnehmung"; Dimensionen "Anschaulichkeit" (1) und "Prägnanz" (2); Faktorenladungen (N= 404). (1)
(2)
einfach*
Kompliziert
kurz aufs Wesentliche beschränkt
.87
lang
.60
weitschweifig
anschaulich
.69
interessant
.80
unanschaulich langwellig
abwechslungsreich
.66
eintönig
konkret
.59
abstrakt
*) Dieses Item wurde bei der Bildung der additiven Indices "AnschauHchke und "Prägnanz" nicht berücksichtigt, da sich bei der Faktorenanalyse ke ne hinreichend starken Ladungen ergaben Für die "Bewertungen" - als Maße der "Akzeptanz" einzelner Beiträge der Testsendungen - wurden die Dimensionen "Informationswert" (= wichtige Informationen
über Tatsachen, Anregungen
für ein eigenes Urteil,
Informationen
126
über Hintergründe und Zusammenhänge) und "Gebrauchswert" (= zum Thema selbst gern äußern, werde
mich über
die Sache
unterhalten, Thema
betrifft mich
selbst) festgestellt: Tabelle 2: Maße der "Akzeptanz" einzelner Beiträge: "Bewertung"; Dimensionen "Informationswert" (1) und "Gebrauchswert" (2); Faktorenladungen. (1)
(2)
Ich habe wichtige Informationen über Tatsachen bekommen.
.82* .72
Der Beitrag hat mir Anregungen für mein eigenes Urteil gebracht.
.73 .77
Ich habe Informationen über Hint$rflrtin - Auskunft geben, inwieweit ein bestimmter (massenmedial verbreiteter) Sendebeitrag dazu beigetragen sensstand zu verändern.
hat, den subjektiven Wis-
Das Zustandekommen eines bestimmten
"Informations-
wert'-Scores für einen bestimmten Beitrag (oder eine Beitragsform) kann dabei freilich auf deutlich unterschiedliche Gegebenhelten zurückzuführen sein
7
>;
in jedem Fall aber ist dieser Wert maßgeblich abhängig von der (subjektiven) Einschätzung -
im Hinblick auf den Stand des aktuell verfügbaren Wissens und
-
im Hinblick auf das Niveau des eigentlich erwünschten (notwendigen) Wissens bezüglich des gegebenen Themas. "Informations-" wie "Gebrauchswert'-Zuschreibungen als Indikatoren konkre-
ten subjektiven Wissenserwerbs können somit grundsätzlich als Ergebis eines subjektiven Einschätzungsprozesses verstanden werden; von den Faktoren, die das Resultat dieses Prozesses beeinflussen, sind allerdings erst einige bekannt: Zum Beispiel 1st die Rolle des Informationsinteresses (oder: the "need for
Information")
tionswert-",
als
sehr deutlich auch empirisch belegbar. auch
(stärker
noch)
Sowohl
"Informa-
"Gebrauchswert"-Zuschreibungen
sind
deutlich abhängig vom "Informationsinteresse" (vgl. Renckstorf & Ehmke, 1985, 193 ff), d.h. der Art und der Ausprägung des "need for Information". Andere Faktoren, von denen erwartet werden kann, daß sie 1n diesem Zusammenhang eine gewichtige
Rolle
spielen
-
sltuationale
Variablen
wie:
subjektives
'in-
volvement', gesehene Handlungsalternativen, Problemdefinition, etc. -, bedürfen allerdings weiterer Untersuchungen/Analysen.
128
Abschließend soll noch kurz die konkrete Anwendungsmöglichkeit oder praktische Relevanz von "Informations-" und "Gebrauchswert"-Messungen anhand eigener
empirischer
Befunde
zum
Einsatz
unterschiedlicher
Gestaltungsformen
("Filmbericht" vs. "Kommentar") illustriert werden (vgl. Renckstorf & Ehmke, 1986, 189-192): Bei
zwei von
sehnachrichtensendung
waren
und einem
(Test-)Publikum
insgesamt fünf Themen einer unterschiedliche
zur
regionalen Fern-
Darstellungsformen
"Bewertung" vorgeführt worden
e
>.
eingesetzt In beiden
Fällen, -
einem Beitrag zum Thema "Erdgas aus der Nordsee", wie
-
einem Beitrag zum Thema "Vernichtung junger Bäume",
wurde die (journalistische) Form des "Filmbeitrages" gegen die (journalistische) Form des "Kommentars" gesetzt. Die Ergebnisse der Publikumsbewertungen 1n den Dimlnsionen "Informationswert" und "Gebrauchswert" sind der Abb. 2 zu entnehmen. Die Veränderung der Darstellungsform führte in beiden Fällen zu deutlich anderen Publikumsbewertungen: -
Während die "Kommentar"-Vers1on des Beitrags "Erdgas aus der Nordsee" durchgängig (zumeist signifikant) schlechter bewertet wurde als die "Filmber1cht"-Fassung,
-
ergaben sich für die "Kommentar"-Version des Themas "Vernichtung junger Bäume" solche Verluste in der Publikumsbewertung im Vergleich zur "Filmber1cht"-Fassung nicht. Die an sich für die kürzeren, weniger anschaulichen Kommentar-Versionen zu
erwartenden deutlichen Verluste in der Publikumsbewertung stellten sich also nur bei einem Thema, "Erdgas 1n der Nordsee", ein, während bei dem anderen Thema,
"Vernichtung
junger
Bäume",
der erwartete
Effekt ausblieb,
so daß
"Kommentar"-Version und "F1lmbericht"-Fassung praktisch gleiche (gleichgroße) "Wert"-Zuschreibungen
erfuhren.
Offensichtlich
-
so
unsere
Interpretation
dieser Befunde - spielte das Thema (oder besser: die Thematik) der Beiträge, deren Form variierte,
eine entscheidende
Rolle für das Bewertungsverhalten
der Zuschauer: -
Während der Beitrag zur "Vernichtung junger Bäume" eine lang eingeführte Thematik (Zerstörung/Bedrohung der ökologischen Umwelt des Menschen) ansprach, und damit nicht nur auf nachweislich starkes Informationsinteresse des (Test-)Pub1ikums stieß (und vermutlich auf einen relativ hohen objektiven Informationsstand traf),
-
war dies bei dem (polltisch, ökonomisch, energiewirtschaftlich angelegten) Thema "Erdgas aus der Nordsee" nicht der Fall.
129
Abbildung 2: Die"Akzeptanz" ausgewählter Beiträge des Nachrichtenteils: "Bewertungen" des (Test-)Publikums in den Dimensionen "Informationswert" und "Gebrauchswert", Gesamt-Mittelwerte (N = 202) "Informationswert"
Diese Befunde auf der Ebene der subjektiven Beitragsbewertungen - oder: der subjektiven Einschätzungen der Wissens(stand)veränderungen - in den Dimensionen "Informations-" eher
objektiver
und "Gebrauchswert"
Erinnerungen
1986, 190). Diese Überlegungen
Ihre
fanden übrigens auch auf der Ebene
Entsprechung
(vgl.
legten für uns die
Renckstorf
&
Ehmke,
Hypothese nahe, daß die
"Kommentarfähigkeit" eines Themas von einer Reihe von Faktoren - insbesondere aber der Relevanz, dem Informationsstand sowie der "Elngeführtheit" also
130
-
der (subjektiven) Relevanz eines Themas,
-
dem (subjektiven) Wissens- und Informâtionsstand sowie
-
der (subjektiven) Verfügbarkelt von Informationen zum Thema
abhängen dürfte.
Schi uflbeMerkungen "Informations-"
und "Gebrauchswert"-Zuschre1bungen
- hier verstanden als
Indikatoren subjektiv wahrgenommener Informationszuwächse (und damit der Veränderung des subjektiven Wissensstandes) - stellen sicherlich nicht Endpunkte der Entwicklung eines Methoden- und Instrumentensets einer auf der Grundlage eines - wie eingangs skizzierten - relativistischen Informationskonzepts operierenden Kommunikationsforschung dar. Wir stehen vielmehr (wie Dervln und andere) erst am Beginn der vollen Entwicklung dieser Forschungstradition, die freilich auch theoretisch noch weiter zu unterbauen bleibt. Im Sinne einer Zwischenbilanz der Forschungsarbeiten Innerhalb des "relat1v1stic information framework" hebt Dervln u.a. folgende Befunde (und Thesen) hervor: -
Information can not be treated like a brick being thrown from system to user - but like clay the user can use for constructing his or her own sense ;
-
the questions people have about the situations they are in constitute their Information needs;
-
Information needs are always personalized, as there is no other way for them to be;
-
Information seeking and use can be predicted more powerfully by knowing the kind of situations users are 1n rather than knowing their personality or demographic attributes;
-
people seek Information when their U f e situations are such, that their old sense has run out ..." (Dervln, 1983, 173). Das 1st m.E. eine durchaus akzeptable Beschreibung vom Stand der Dinge.
131
Anmerkungen ') Unter "need" wird dabei im wesentlichen ein Zustand verstanden, in dem Soll- und Ist-Werte (temporär oder dauerhaft) nicht übereinstimmen, eine solche Übereinstimmung von einem handelnden Subjekt aber angestrebt wird (vgl. Dervin, 1983; Septrup, 1980); "needs" implizieren so gesehen stets "gaps" zwischen aktuellem und angestrebtem Zustand; der Term "Information need" bezieht sich somit auf "... a gap that can be filled by something the needing person calls 'Information'". (Dervin, 1983, 156). 2 > Neben dem gleich etwas ausführlicher zu diskutierenden Konzept "Information" (und "Wissen") handelt es sich hier insbesondere um das "concept of man", nämlich deutlich unterschiedliche Annahmen über menschliches, soziales Handeln. 3 » Die Affinität Dervin'scher Überlegungen mit Positionen der neueren Wissenssoziologie (z.B. Schütz, 1972; Berger & Luckmann, 1970; Zljderveld, 1974; Schütz & Luckmann, 1984), des Symbolischen InteraktionIsmus (Blumer, 1969; Wilson, 1973; Zljderveld, 1973), aber auch der kommunikat1onsw1ssenschaftlichen Forschungstraditionen, die vom Konzept des "aktiven" Publikums ausgehen (vgl. z.B. Altheide, 1985; Rosengren, Wenner & Palmgreen, 1985) scheint mir auf der Hand zu liegen. 4 > Bei der Analyse der Zuwendungsbereitschaft zu regionalen Nachrichtensendungen (-teilen) 1m Schleswig-Holstein-Fernsehen etwa ergab sich, daß rund 50* (!) der Variation der "Zuwendungsbereitschaft" durch die "Akzeptanz" erklärt wird"; zwischen der "Akzeptanz" und der als Voraussetzung für die tatsächliche Zuwendung anzusehenden ''Zuwendungsbereitschaft" bestehen gesichert vergleichsweise starke Zusammenhänge (vgl. Renckstorf & Ehmcke, 1986, 102 ff). 5 > Wir beschränken uns hier und im folgenden auf die Fernseh(Test-)sendungen, obwohl es in zwei der vorgenannten Studien tatsächlich auch um Hörfunk(Test-)Sendungen ging (vgl. dazu Renckstorf & Rohland, 1981; Renckstorf & Ehmcke, 1985). ·' Zur Relation Ka/Kn vgl. Sepstrup (1980); die Diskrepanz zwischen beiden Werten Indiziert dann selbstverständlich ein "need for Information". 7 > Ein niedriger Score kann z.B. darauf zurückzuführen sein, daß (1) Ka sehr hoch, (2) Kn sehr niedrig 1st, (3) Ka=Kn, etc. (vgl. "ceiling effects"; Ettema & K U ne, 1977). 8 > Zur Anlage der Studie vgl. Renckstorf & Ehmcke (1986, 6-31).
Abstract Referring to two alternative concepts of "Information", which Dervin (1983) distinguishes as an absolute, or "observer"- vs. a relat1v1st1c, or "userconstruct" of "Information", two measures of (subjective) 1nformat1ongain (i.e. "information"- and "utility value"-ascr1pt1ons) - corresponding with a relativ1st1c concept of Information - are presented and discussed.
132
9
TRANSAKTIONEN IM MEDIENWIRKUNGSPROZESS Kognitive Konsequenzen von Zeltungsnutzung und Zeltungsnutzen Klaus Schönbach unter Hitarbelt von Wolfgang Elchhorn Hochschule für Musik und Theater, Hannover
Vorbemerkung Publikumswirkungen der Massenmedien als Folge von Transaktionen zwischen Med1en1nhalten einerseits
und Rezlplentenerwartungen an die Nutzung dieser
Inhalte andererseits zu begreifen, 1st keine neue Idee. Wir finden sie schon in den 50er und 60er Jahren in den theoretischen Arbeiten von Bauer (1964) und Davison (1959). Aber erst seit ungefähr zehn Jahren hat das transaktionale Modell so weit an Bedeutung gewonnen, daß es hin und wieder zur Erklärung von Befunden der Medienwirkungsforschung herangezogen wurde (Kraus & Davis, 1976; Nimmo & Savage, 1976; Früh, 1980; Schönbach, 1981, 1983; Schönbach & Quarles, 1983; Schönbach & Weaver, 1985; Pike, 1985) und auch in die deutsche Kommunikationswissenschaft Eingang fand (Früh S Schönbach, 1982; Schönbach & Früh, 1984). Noch nie allerdings wurde der transaktlonale Ansatz forschungsleitend eingesetzt. Das heißt, er war 1m besten Falle Erklärungsrahmen sekundäranalytisch gewonnener Befunde, hat Jedoch nicht die Hypothesen und das Design einer Untersuchung bestimmt. Unser Aufsatz stellt nun exemplarisch einige der ersten Ergebnisse einer von zwei parallel durchgeführten Studien vor, die von vornherein dazu angelegt waren, die Ideen des "dynamisch-transaktionalen Modells" (Früh & Schönbach, 1982) auf ihre wissenschaftliche Fruchtbarkeit zu überprüfen. Die andere Untersuchung 1st die von Werner Früh, über die 1n diesem Band ebenfalls berichtet wird. Der eine der beiden wichtigen Vorläufer des transaktionalen Modells, der St1mu1us-Response-Ansatζ. nimmt einen direkten Elnfluß von Medienbotschaften auf ihr Publikum an. Diese Wirkung wird von Eigenschaften der Rez1p1enten höchstens, wenn überhaupt, modifiziert. Der andere Ansatz, das Uses-and-Gratifications-Modell. postuliert ein "aktives Publikum" und seinen grundsätz-
133 lieh freien und ungehinderten Umgang mit den Botschaften der Massenmedien. Dieses Publikum betrachtet, etwas vereinfacht, die Angebote von Radio, Fernsehen und Presse als Wahlmöglichkeiten unter vielen, denen man sich je nach Bedarf zuwenden kann oder auch nicht. Ohne Zweifel
gibt es extreme Situationen,
in denen jeweils das eine oder
das andere Modell allein geeignet ist, das Zustandekommen von Medienwirkungen hinreichend zu erklären (Schönbach & Früh, 1984, S. 317). In der Regel jedoch werden wir davon
ausgehen müssen, daß sowohl
Eigenschaften der Medienbot-
schaft als auch Erwartungen und Gewohnheiten des jeweiligen Rez1p1enten relativ gleichberechtigt zum Entstehen von Effekten beitragen. Das transaktlonale Modell hat deshalb den Anspruch, beide früheren Ansätze sinnvoll zu integrieren: Es betrachtet Medieneffekte als "Ko-Kreationen" (Larson, 1986, S. 5) von "Angebot" und "Nachfrage", den Botschaften der Massenmedien (Wirkungsperspektive)
und den Bedürfnissen und Motiven des Publikums
(Uses-and-Gratifica-
tions-Perspektive). Das transaktlonale Modell besagt also, daß die meisten Medieneffekte weder auftreten, weil sie ein aktives Publikum großzügig zuläßt, noch weil manipulierende Kommunikatoren dienbotschaften
Ihre völlig passiven Rezlpienten mit Hilfe von Me-
überrumpeln.
Med1enw1rkungen
sind
stattdessen
ein
Produkt
sowohl von Kommunikator- als auch Rezipienten-Akt1vi täten. Triebfeder dieser Aktivitäten 1m Wirkungsprozeß 1st das bewußte oder unbewußte Interesse aller Teilnehmer an der Max1m1erung des Nutzens, der daraus zu ziehen 1st (Bauer, 1964). Journalisten z.B. könnten ihr Publikum beeinflussen oder "nur" berühmt oder respektiert sein wollen. Rezlpienten auf der anderen Seite, wollen vielleicht informiert werden, etwas lernen - oder wollen "nur" Unterhaltung finden. Wenn die Erwartungen aller Teilnehmer am Kommunikationsprozeß erfüllt werden sollen, dann muß Jeder der Teilnehmer den anderen möglichst sorgfältig beobachten, die Reaktionen des jeweils anderen vorherzusehen versuchen und sie entsprechend bewerten: Welche Absichten haben die Kommunikatoren,
die
Journalisten, das Medium mit einem Beitrag, einer Sendung? Davon sollte man als Mitglied des Publikums eine Vorstellung haben um abzusehen, ob die Medienbotschaft die erwartete Information enthält oder die anspruchslose Unterhaltung, die man sich nach einem langen Arbeltstag wünscht, oder auch Beeinflussungsversuche, denen man sich Heber
entziehen möchte usw. Produzenten
von Medienbotschaften andererseits brauchen ebenfalls zumindest Ideen davon, wie Ihr Publikum beschaffen ist, wie aufnahmefähig und -willig es sein mag, und ob die beabsichtigten Wirkungen auch tatsächlich eingetreten sind. In der Beschreibung des dynamisch-transaktionalen Ansatzes (Früh & Schönbach, 1982)
134 postulierten wir, daß zu diesem Zweck eine kontinuierliche Beobachtung stattfindet, die über wirkliche und Kommunikatoren
läuft.
und imaginäre Feedback-Prozesse zwischen Publikum Wir
nannten diese
Prozesse
"Inter-Transaktionen"
(Schönbach & Früh, 1984). Einer der Informationsträger für die gegenseitige Beobachtung, derer es für die Maxlmierung von Kommunikationsgratifikationen schaft selbst.
Dem Publikum erlaubt
bedarf,
sie Aufschlüsse
ist die Medienbot-
über die möglichen
Ab-
sichten der Kommunikatoren, Absichten, denen die Rezipienten widerstehen oder nachgeben können. Ebenfalls wichtig sind hier Informationen aus anderen Quellen. Zu ihnen gehören etwa Programmzeitschriften, auch persönliche
Kontakte mit Produzenten
hin und wieder vielleicht
von Medienbotschaften,
hauptsäch-
lich aber der oft Immense Schatz an eigenen oder mitgeteilten fremden Erfahrungen mit Medien. All dies hilft dabei, die Kommunikationsabsichten bestimmter Medien und Journalisten abzuschätzen. Eine Sendung gar nicht erst einzu-
Abblldung 1: Ein transaktlonales Modell der Medienwirkungen
Hedieninstitutionen, Journalisten
135 schalten, eine bestimmte Wochenzeitung
nie wieder aufzuschlagen, können Fol-
gen solcher Erfahrungen sein. Analog dazu entwickeln auch Kommunikatoren spezifische Images von der Zusammensetzung und den Wünschen ihres Publikums und verändern sie, falls nötig. der
Medienbotschaften
Diese Images
beeinflussen.
können Ihrerseits die Konstruktion
Damit
wird
auch
das
Wirkungspotentlal
dieser Medieninhalte verändert. "Intra-Transaktionen", transaktionalen
so das zweite wesentliche
Modells,
sind
Interaktionsvorgänge
Postulat des
dynamlsch-
im kognitiven System der
jeweiligen Kommunikationspartner.
Beim Rezipienten
seiner Vertrautheit mit
Inhalt der Medienbotschaft einerseits
Form und
spielen sie sich zwischen und
seiner Aufmerksamkeit gegenüber, seinem Interesse an dieser Botschaft ("Aktivationsniveau") mindernd.
andererseits
Ähnliche Vorgänge
dazu Schönbach & Früh,
ab, einander wechselseitig vermuten
wir auch bei den
1984). Abbildung
steigernd oder Kommunikatoren
ver(vgl.
1 führt alle diese Ideen über die
transaktionale Struktur des Medienwirkungsprozesses modellhaft zusammen. Aus den
Ideen des dynamisch-transaktionalen
Modells greifen wir
exempla-
risch eine heraus, die Gegenstand der folgenden Analyse sein soll - die Idee nämlich, daß die Vorstellung des einzelnen Rezipienten von den Medienproduzenten,
hier den
Journalisten,
eine
wichtige Rolle
im
Medienwirkungsprozeß
spielt.
Journal1stenImages Nur wenige Studien haben bisher den Versuch Stereotypen
zu
beschreiben,
(z.B. Pool & Shulman,
die
Journalisten
1959; Flegel & Chaffee,
unternommen, die Images, die von
Ihrem
Publikum
besitzen
1971; Köcher, 1985; vgl. auch
den Überblick in Donsbach, 1982, S. 214 ff.). Noch weniger haben Erkenntnisse darüber gesammelt, was diese Publika ihrerseits von den Journalisten halten, die sie mit 232).
Das
Informationen
geringe
versorgen
Interesse
(z.B. Atwood,
an diesem
teilweise auf die Vermutung zurückzuführen, vermittelten
Kommunikationsprozesses
1970; Oonsbach,
Forschungsfeld
1st
sicher
1982, S. zumindest
daß es für die Teilnehmer eines
besonders
Images voneinander zu entwickeln: Journalisten
schwierig
sein
müsse,
kennen in der Regel
klare
nur win-
zige Teile ihres Publikums, etwa durch Leserbriefe oder Anrufe. Analog dazu können Rezipienten z.B. nur hen. Pressejournal1sten bekannt.
sind
im Fernsehen einige - wenige - Journalisten se1n aller Regel
ihrem Publikum kaum als
Person
136
Dennoch wissen wir, daß klar konturlerte Images gesellschaftlicher Gruppen, ja (unpersönlicher) Institutionen sogar bei denjenigen existieren, die keinen Kontakt mit auch nur einem der Mitglieder solcher Gruppen oder Institutionen besitzen. Ethnische Gruppen z.B. rufen oft sehr klare Stereotypen hervor, obwohl man nie mit jemandem aus solchen Gruppen zusammengekommen sein mag. Institutionen und Organisationen wie die Gewerkschaften, die katholische Kirche und Daimler-Benz erzeugen eindeutige Das
ist offenbar
auch
der
Presse" oder um bestimmte
Bilder in den Köpfen vieler Personen.
Fall, wenn es um Medieninstitutionen
wie
"die
Zeitungen, Fernsehstationen usw. geht (vgl. dazu
den ausführlichen Literaturüberblick in McLeod et al., 1986). Sicherlich mögen solche Stereotypen, gemessen an den Selbstbildern der von ihnen Betroffenen oder an den Erkenntnissen etwa von Medienexperten, "falsch" sein. Oft kann man sie vermutlich "Vorurteile" nennen. Typisch aber auch für Vorurteile 1st, daß diejenigen, die sie besitzen, oft nicht wissen (wollen), daß sie verzerrt sind, mehr noch: daß sie sich verhalten, als seien sie korrekt. So ist z.B. belegt, daß die lückenhaften Vorstellungen der Journalisten von ihrem Publikum durchaus zu Veränderungen des Medieninhaltes führen (Zimmermann & Bauer, 1956; Bauer, 1958; Schramm S Danlelson, 1958; Poll & Shulman, 1959). Plausiblerwelse müßte dieses journalistische Verhalten, aufgrund von Stereotypen des Publikums zustandegekommen, im nächsten Sohritt auch Konsequenzen für die W1rkung der so modifizierten Medienbotschaften haben. Veränderungen von Medieninhalten bedeuten ja auch ein modifiziertes Stimulus-Potentlal für Medienwirkungen. Einsichtig 1st sicher, daß auch die Vorstellungen des Publikums von den Produzenten der Medienbotschaften die Wirksamkeit dieser Botschaften beeinflussen. Man könnte z.B. annehmen, daß diejenigen, die die Journalisten einer bestimmten Zeitung als lügnerisch oder korrupt einschätzen, nicht sonderlich vom Inhalt dieser Zeltung beeindruckt sein mögen. Andere hingegen, die die gleichen Journalisten als ernsthafte, professionell arbeitende und ihr Bestes gebende Leute betrachten, sollten die Beiträge der Zeltung viel aufgeschlossener lesen. Hinweise auf die Richtigkeit dieser Idee finden sich 1n der Alltagserfahrung, aber auch schon früh in der Literatur der Persuasionsforschung (z.B. Hovland & Weiss, 1951; Hovland, Janls & Kelley, 1953; vgl. auch den überblick in Miller, 1987). In der folgenden Analyse untersuchen wir, wie der Einfluß von Medieninhalten durch die Images seiner Produzenten beim Publikum modifiziert wird. Wir nehmen dazu eine ziemlich alltägliche Medienwirkung: das Lesen des Lokalteils einer Zeltung
und seinen
Wohnort des Lesers.
Effekt auf Vorstellungen
zur
Kommunalpolitik
am
137
Die Untersuchung Die Daten für diese Analyse wurden
1984
in einer Panel-Umfrage von
Zei-
tungslesern in Dortmund gesammelt. Die Umfrage war Teil einer Multi-MethodenStudie. Diese enthielt ein zweites, paralleles Panel Journalisten,
die
für
"Ruhr-Nachrichten",
die
Lokalteile
"Westfälische
der
drei
Rundschau"
und
(mehr
Weischenberg,
als
1984).
16000
Die
Artikel) dieser
Studie
wurde
von
Tageszeitungen Nachrichten"
ist eine umfangreiche In-
Lokalteile
der
festangestellten
"Westfälische
arbeiteten. Eine dritte Komponente der Untersuchung haltsanalyse
aller
Dortmunder
(vgl.
Deutschen
Schönbach &
Forschungsgemein-
schaft im Rahmen des 1983 ins Leben gerufenen Schwerpunktprogramms "Publizistische Medienwirkungen" gefördert. Die Befragungswellen unserer Untersuchung wurden zeitlich um die Dortmunder Kommunalwahl am 30. September 1984 herum plaziert. Wir nahmen an, daß - neben anderen Vorstellungen journalisten
und Einstellungen
voneinander
haben,
- die Images, die Leser und
im Verlauf
eines
Wahlkampfs
Lokal-
aktiviert
und
stärker ins Bewußtseln gerückt werden würden. Eine Kommunalwahl (vor der Einrichtung lokaler Hörfunk- und Fernsehsender in der Bundesrepublik)
erlaubte
darüberhinaus, die möglichen Informationsquellen für Lokalpolitik gut zu kontrollieren: Sie konnten
1984 eigentlich nur - neben persönlichen Gesprächen
und dem Wahlkampfmaterial
der politischen Parteien - die Lokalteile der drei
Tageszeitungen sein. Im gegenwärtigen Auswertungsstadium dieser umfangreichen Untersuchung kann dieser Aufsatz (vgl.
zu
nur
ausgewählte
zusätzlichen
Analysen
Ergebnisse und
aus der
Ergebnissen
Leserbefragung
Schönbach
&
enthalten
Weischenberg,
1987). Diese Befragung war ein vierwelliges Panel mit persönlichen Interviews von je etwa 30 bis 40 Minuten Länge. Die Ausgangsstichprobe bestand aus drei gleich großen Unterstichproben
von je
730 nach
Zufallsprinzip
ausgewählten
Haushalten, jeweils repräsentativ für die Abonnenten einer der drei
Dortmun-
der Tageszeitungen. In den 2001 antreffbaren Haushalten wurden dann die Zielpersonen, ebenfalls nach dern ausgewählt,
die
Zufallsprinzip,
unter
denjenigen
(a) über 18 Jahre alt waren und
Haushaltsmitglie-
(b) die vom
Haushalt
abonnierte Tageszeitung wenigstens gelegentlich lasen. Die erste
Befragungswelle
begann am
1. August und endete am
1984, kurz bevor der Lokalwahl kämpf begann.
20.
August
1329 Zielpersonen wurden
inter-
viewt, 66 Prozent der Ausgangsstichprobe. Die zweite Welle ging am 28. August ins Feld und war am 10. September - In der Mitte des Wahlkampfs - abgeschlos-
138 sen. 979 Befragte nahmen an Ihr teil. Die dritte Welle begann elf Tage vor dem Wahltag (30. September) und endete am 29. September. 821 Personen wurden in ihr interviewt. Die vierte Welle schließlich war als Nachwahlwelle
konzi-
piert. Sie wurde zwischen dem 14. Oktober und dem 9. November durchgeführt. Immerhin noch 721 Befragte nahmen an ihr teil.
Das Hödel1 der Analyse In der folgenden Analyse werden Wirkungen des Lesens der Lokalzeitung auf Vorstellungen von
lokaler Politik
untersucht.
Wir nehmen an, daß diese
Ef-
fekte einerseits davon ausgehen, wie ausgiebig bzw. intensiv die Rezipienten ihre Tageszeitung
lesen. Andererseits werden Wirkungen sicher auch von spezi-
fischen Erwartungen an den Nutzen dieser Lektüre, von Motiven, die Zeitung zu lesen, ausgelöst. Alle diese
Faktoren, so vermuten wir, werden in ihrem Ef-
fekt durch soziodemographische Variablen wie Alter und Schulbildung (als Indikatoren für die kognitive Verarbeitungsfähigkeit des Rezipienten) und politischem Interesse (als generelles Zeichen für die Beschäftigung mit öffentlichen Angelegenheiten) modifiziert. So wie beschrieben, enthält dieses Design bisher zweifellos nur
Bestand-
teile aller "guten", d.h. umsichtig angelegten, Untersuchungen in der Tradition des Stimulus-Response-
bzw. Uses-and-Gratifications-Ansatzes.
Dazu
ge-
hört zum Beispiel auch, daß wir alternative Quellen politischer Vorstellungen berücksichtigen: persönliche Unterhaltungen mit Mitbürgern, Freunden oder der Familie
und
die
Veröffentlichungen
Wirklich "transaktional"
der
politischen
Parteien
1m Sinne unserer Vorbemerkung
im
Wahlkampf.
ist das hier verwen-
dete Analysedesign jedoch noch nicht. Dazu würde ja notwendigerweise die simultane Berücksichtigung
von Medienbotschaften und Rezept ionserwartungen ge-
hören. Für diese Auswertung jedoch werden Rezeptionserwartungen zwar ausführlich einbezogen (s.u.), Medienbotschaften aber - wie in fast allenbisherigen Wirkungsuntersuchungen - 1n ihrer Wirkungsmöglichkeit über Quantität und Qualität des Nutzungsverhaltens erschlossen. Zur Zeit laufende Analysen beseitigen diesen Mangel durch eine enge Verknüpfung der Leser- mit den Inhaltsanalysedaten. "Transaktional" schon an dieser explorativen Auswertung jedoch ist, daß wir ein Resultat des Beobachtungsprozesses
zwischen den Produzenten der
Medien-
botschaft und ihrem Publikum als wichtige Bedingung für den Wirkungsverlaufannahmen. Die Frage, die unsere Analyse beantworten soll, ist, ob und wie Bewertungen von Lokal journalisten durch ihre Leser die Wirkungen der Zeitungs-
139 nutzung modifizieren, wenn zugleich die Art dieser Nutzung, Rezeptionserwartungen, die Nutzung anderer Quellen und soziodemographische Faktoren kontrolliert werden.
Die Variablen der Analyse Abhängige Variablen: Unsere Leserbefragung enthält eine Fülle von Indikatoren politischer Vorstellungen. Für eine erste Analyse haben wir drei spezifische Kognitionen auf unterschiedlichen Komplexitätsniveaus ausgewählt. 1. Die einfachste Variable betraf die Kenntnis des Wahldatums. Dazu wurden die Antworten auf die entsprechende offene Frage folgendermaßen recodiert: Die Angabe des exakten Datums (30. September 1984) erhielt den Wert 2; Angaben innerhalb des Zeitraums eine Woche vor bis eine Woche nach dem Wahltag erhielten die Werte 1. Alle anderen Antworten wurden mit 0 verschlüsselt. 2. Sowohl die Grünen als auch die FDP waren bis zum 30. September nicht 1m Dortmunder Stadtparlament vertreten. Befragte, die im Wahlkampf wußten, daß beide Partelen keinen Sitz 1m Stadtparlament hatten, erhielten den Wert 2, eine richtige Antwort zählte 1, keine 0. Diese Variable - wahrscheinlich etwas schwieriger zu lernen als das Wahldatum - nannten wir Parteiwissen. 3. Zusätzlich zu diesen zwei Faktenwissen-Indikatoren untersuchten wir eine dritte politische Vorstellung,das wahrgenommene Interesse an der Wahl. Den Befragten wurde dazu folgende Frage vorgelegt (in Klammern die von uns vergebenen Skalenwerte): "Und was meinen Sie, wie stark die meisten Leute hier in Dortmund an der Kommunalwahl interessiert sind: Würden Sie sagen, die sind sehr Interessiert (4), ziemlich (3), wenig (2) oder überhaupt nicht interessiert (1)?"
Zeltungsnutzung: 1. Extensität der Zeitungsnutzung ist ein Index, für den die Häufigkeit des Zeitungslesens pro Woche und seine durchschnittliche Dauer pro gelesenem Exemplar multipliziert wurden. 2. Zusätzlich zu dieser eher unspezifischen Quantität der Zeitungsnutzung verwendeten wir auch die etwas spezifischere Intensität des Lesens. Anhand einer Liste mit acht Ze1tungsüberschr1ften aus den Jeweils vergangenen zwei
140
Wochen mußten die Befragten in jeder Panelwelle angeben, wie Intensiv sie jeden dieser Artikel gelesen hatten. Hier bildeten wir einen Index durch Aufsummierung der Intensitäten für jeden einzelnen Artikel. 3. Nach der Wahl wurden die Versuchspersonen noch spezifischer gefragt, wie oft sie etwas über die Kommunalwähl
in ihrer Tageszeitung
gesehen hätten:
"oft", "gelegentlich" oder "nie"? Diese Variable nennen wir Wahrnehmung der Wahl berichterstattung.
Persönliche Gespräche als Quelle politischer Vorstellungen: In jeder Panelwelle wurde den Befragten eine Liste mit 19 Gesprächsthemen gegeben. Dann stellte der Interviewer die Frage: "Auf dieser Liste stehen Themen, über die man sich mit anderen Leuten unterhalten kann. Denken Sie einmal an die letzten Tage: Über welche dieser Themen haben Sie sich da mit anderen Leuten unterhalten?" Eines der 19 Themen war "Politik 1n Dortmund". Befragte, die dieses Thema als Gesprächsgegenstand nannten, erhielten den Variablenwert 1, die anderen den Wert 0.
Wahlkampfmaterlal der Parteien als Quelle politischer Vorstellungen: Nach der Wahl wurde den Befragten eine Liste verschiedener Quellen der Wahl kämpfInformation
vorgelesen.
Außer
der
bereits
erwähnten
Lokalzeitung
(s.o.) gehörten dazu drei weitere Quellen solcher Information: "Flugblätter, Prospekte zur Kommunalwahl in Dortmund", "Anzeigen zur Kommunalwahl in Dortmund in Zeltungen und Zeitschriften" und "Plakate zur Kommunalwahl
in Dort-
mund". Auch hier, wie bei der Wahrnehmung der Wahlberlchterstattuno 1n den Tageszeitungen, wurde die Nutzung auf einer Dreierskala von "oft", "gelegentlich" und "nie" gemessen.
Motive des Zeltungslesens: 1. Ein relativ unspezifisches Motiv, die Zeltung zu lesen, war das allgemeine Interesse an der Lokalberichterstattung. Zu seiner Messung waren die Befragten gebeten worden, ihr Interesse am Lokalteil
ihrer Tageszeitung auf einer
141 6-Purkte-Skala von "überhaupt nicht interessiert" bis "sehr interessiert" anzugeben. 2. Ein zweites, spezifischeres Motiv nannten wir Interesse an der lokal politischen Berichterstattung. Es wurde als additiver Index aus zwei Antworten gebildet. Mit diesen Antworten gaben die Befragten an, wie wichtig ihnen persönlich zwei Funktionen des Lesens der Lokalzeitung waren: "Um über Entscheidungen des Dortmunder Stadtrates informiert zu werden" und "Um zu wissen, was die politischen Parteien in Dortmund vorhaben". Die Reaktionen darauf waren mit 2 für "sehr wichtig" kategorislert worden, mit 1 für "wichtig" und mit 0 für "nicht so wichtig". 3. Das dritte Motiv, die Lokalberichterstattung aufmerksam zu lesen, findet sich in der Literatur
als "vote guidance"
(vgl. z.B. Blumler & McQuall,
1968). Es ist das Orientierungsbedürfnis der Leser in bezug auf ihre Wahlentscheidung. Dieses recht spezifische Motiv wurde auf einer 6-Punkte-Skala gemessen als persönliche Wichtigkeit des Zeitungslesens, "um bei Wahlen richtig entscheiden zu können".
Sozlodenographlsche Variablen: Alter, Schulbildung und allgemeines politisches
Interesse sind die Kon-
trollvariablen in der folgenden Analyse. Alter wurde in Jahren gemessen und in insgesamt vier Gruppen eingeteilt, die drei
(Dummy-)Variablen bildeten.
Schulbildung wurde mittels einer 5-Punkte-Skala gemessen, auf der der höchste Schulabschluß anzugeben war. Auch diese Variable wurde 1n drei Kategorien zusammengefaßt, von denen zwei als Dummy-Variablen in unsere Analyse eingingen. Politisches Interesse wurde mit Hilfe der Frage ermittelt: "Ganz allgemein gesprochen: Interessieren Sie sich für Politik?" Die Befragten konnten mit "ja", "nicht besonders" oder "nein" antworten.
JournalIstenlmages Wir verwendeten ein semantlsches Differential, um die Vorstellungen der Leser von den Dortmunder Lokal journal1sten zu beschreiben. Die Frage dazu lautete: "Würden Sie sich bitte ... diese Liste ansehen? Sie sehen darauf eine Reihe gegensätzlicher Eigenschaften. Wenn Sie nun an die Journalisten denken, die
142 1n ihrer Zeitung über Dortmund berichten: Welche dieser Eigenschaften halten sie für zutreffend? Ich bitte Sie jetzt, bei jedem Eigenschaftspaar ein Kästchen zu markieren,
je nachdem, wie stark Sie eine von beiden
Eigenschaften
für zutreffend halten. Wenn Sie also z.B. meinen, die Journalisten, die
in
Ihrer Zeitung über Dortmund berichten, seien im großen und ganzen eher kritisch, dann markieren Sie weiter links, also näher an diesem Wort. Finden Sie das nicht, müßten Sie weiter nach rechts gehen. Überlegen Sie dabei nicht zu lange, sondern urteilen Sie ganz spontan." Die Interviewer
übergaben dann den Befragten eine Liste mit 18 Gegensatz-
paaren und sechs Kästchen zwischen jedem Paar. Eine Faktorenanalyse
zeigte, daß sich die Mehrzahl der
Eigenschaften, die
die Leser ihren Journalisten zuweisen, Im großen und ganzen auf einer Dimension beschreiben lassen. Man kann den Faktor, zu dem 13 der 18 Gegensatzpaare gehören, "positives Image vs. negatives Image" nennen. Wenn man die Werte des semantischen Differentials folgerichtig Skala
eine Skala
enthält
die
für die
13 Eigenschaftspaare
mit einer
Werte
der
hohen Reliabilität
jeweils
positiven
Pole
addiert, erhält (alpha =
der
.88).
man
Diese
Eigenschaftspaare
"kritisch - unkritisch", "politisch interessiert - polltisch uninteressiert", "aufgeschlossen - engstirnig", - gewissenhaft",
"kleinbürgerlich - weltoffen",
"oberflächlich
"gebildet - ungebildet", "ängstlich - selbstsicher",
lich - unehrlich",
"fleißig - faul",
"zugänglich - verschlossen",
"ehr-
"intelli-
gent - nicht intelligent", "einflußreich - einflußlos" und "verantwortungsbewußt - verantwortungslos".
Insgesamt
rangiert die Skala von
13 (13 mal
den
niedrigsten Wert für die positive Eigenschaft, eins) bis 78 (13 mal sechs die stärkste Zustimmung). Die durchschnittlichen in Dortmund chung
(in
9.4) unterscheiden
mittleren
Sympathiewerte und Varianzen der drei
der ersten
Skalenwerte
Befragungswelle
sich
57.0,
praktisch nicht voneinander.
im Verlauf
veränderten, gab es auch
Mittelwert
unserer
Panelbefragung
in dieser Veränderung
Leserpublika
Standardabwei-
Obwohl
leicht
per saldo kaum
sich die
nach
unten
Unterschiede
zwischen den drei Lesergruppen. Eine zusätzliche Analyse zeigte, daß die Sympathie für die Dortmunder Lokal journalisten nicht - wie vielleicht zu erwarten - mit der
Einschätzung der jeweiligen
Lokalzeitung
als
glaubwürdigstem
Medium der Lokalberichterstattung zusammenhing, wohl aber mit dem Alter, der Schulbildung und dem politischen
Interesse der Befragten. Vereinfacht ausge-
drückt hatten jüngere, höher gebildete und politisch interessierte Leser eine eher
negative
1987).
Vorstellung
von
den
Redakteuren
(Schönbach
&
Welschenberg,
143
Die Technik der Analyse Im folgenden Abschnitt präsentieren wir Ergebnisse multipler Regressionen. Dabei
sind
die
Skalenwerte
der
beschriebenen
politischen
Vorstellungen
am
Ende jeweils eines von zwei Zeitabschnitten die abhängigen Variablen: Die erste Periode war die zwischen den ersten beiden Panelwellen - also der Zeitraum, bevor der Wahlklampf einsetzte, bis zum Beginn der "heißen Phase". Der zweite Zeitabschnitt umfaßte diese "heiße Phase" (vom Anfang bis zum Ende des Wahlkampfs). Indikatoren für Zeitungsnutzung, für persönliche Gespräche über die Politik in Dortmund,
für die Kenntnisnahme von Wahlkampfmaterial der Partelen, aber
auch die Motive für das Lesen der Tageszeitung und die Charakteristika wurden
simultan
als
soziodemograhlschen
unabhängige Variablen
eingeführt;
Ihre
Einflüsse sollten einander kontrollieren. Wenn möglich, wurden nicht nur die Werte all dieser Faktoren am Anfang jeweils eines der beiden Zeitabschnitte unseres Panels in die Analyse aufgenommen, sondern auch Ihre individuelle Veränderung während dieser Zelt. Dies war der Fall
für alle
in jeder Panelwelle gemessenen Variablen: für
Intensität
des Zeitungslesens, persönliche Gespräche und alle drei Motive für das Lesen der Dortmunder Tageszeitung - mit einer Ausnahme:
Interesse an der Lokalbe-
richterstattung war nur in der ersten und dritten Panelwelle erfragt worden, nicht in der zweiten. Sinn des Einschlusses solcher Veränderungen
in unsere
Analyse: Wir können damit überprüfen, ob es nicht so sehr das Niveau eines Merkmals ist, das Zeitungswirkungen begünstigt oder abschwächt, sondern seine Dynamik. Um einen möglichen Plafond-Effekt ("ceiling"-Effekt, eine Begrenzung individueller Veränderungen durch entweder extrem
hohe oder
niedrige Ausgangs-
werte) zu berücksichtigen, wurde auch der Ausgangswert der jeweiligen abhängigen Variablen in die Analyse aufgenommen. In allen Regressionen war das jeweilige Journalistenimage der Rezipienten "contingent condition", d.h. wir rechneten die Regressionen getrennt für drei verschiedene Befragten-Gruppen,
definiert jeweils durch eine eher positive,
neutrale oder negative Meinung von den Dortmunder Lokal Journalisten am Beginn der jeweiligen Panelperlode. Zu diesem Zweck benutzten wir die oberi beschriebene Bewertungsskala. Diese Skala wurde so in drei Teile unterteilt, daß jeder ungefähr die gleiche Zahl von Befragten betraf.
144 Weiter haben wir die Stichprobe für diese Beispielanalyse nicht unterteilt, obwohl
sie
Ja
(s.o.)
aus drei
Teilstichproben
der
einzelnen
Leserschaften
aufgebaut war. Eine explorative Analyse hatte gezeigt, daß für die hier verwendeten Variablen 1m großen und ganzen keine Unterschiede zwischen den Wirkungen auf die drei Leserpublika auftraten.
Ergebnisse Die folgenden Tabellen zeigen, daß die Meinung der Leser von ihren Lokaljournalisten
in der Tat den Einfluß der
Lokalberichterstattung
modifiziert.
Das Journal1sten1mage ist mit unterschiedlichen Mustern für die Art und Weise verbunden, wie Zeltungsnutzung und Lesemotive lokalpolitische
Kenntnisse und
Vorstellungen verändern. Für faktisches Wissen erleichtert überraschenderweise nicht nur eine positive
Einstellung
gegenüber
den Lokal journalisten
Zeitungswirkungen,
sondern
auch eine negative. Befragte, die entweder eine gute oder eine schlechte Meinung von den Dortmunder
Lokal journal isten hatten,
lernten schon darin mehr,
wenn sie einfach die Tageszeitung regelmäßig lasen. In diesem Falle mußte die Erwartung,
Informationen
aus
der
Tageszeitung
zu erhalten,
nicht
oder so spezifisch sein wie für diejenigen mit einer neutralen
so
stark
Einstellung
gegenüber den Lokal journalisten. Dieses Muster wird z.B. in Tabelle 1 erkennbar. In der ersten Befragungsperiode finden wir für Befragte mit einem entweder guten oder schlechten Image von den Journalisten einen deutlichen Zusammenhang zwischen ausgiebigem Lesen der Tageszeitung und dem Erlernen des Wahldatums. Besonderes Interesse an der Lokal berichterstattung, an lokalpolitischen Informationen oder an den Beiträgen zur Kommunalwahl
machte für die Stelgerung dieses Wissens keinen Unter-
schied. In der neutralen Gruppe jedoch war "vote guidance" als Ansporn, die Tageszeitung zu lesen (das stärkste Motiv, das wir gemessen haben), der einzige Wirkungsfaktor, der eine Korrelation mit mehr Kenntnissen zeigte. Dieses Muster fanden wir auch für die zweite Befragungsperiode.
Überraschend dabei
der negative Zusammenhang zwischen der Veränderung des Wissens
und der Erin-
nerung, öfter etwas zur Kommunalwahl 1n der Tageszeitung gelesen zu haben.
145 Tabelle 1: Wahldatum: Einfluß von Zeitungsnutzung und Leseerwartungen. Ergebnisse multipler Regressionen (nur statistisch signifikante beta-Werte), aufgegliedert nach Journalistenimage.a) Journalistenimage: negativ
neutral
positiv
Anfang August Ende A u g u s t / A n f a n g September Nettoveränderung der abhängigen Variablen η
0.5 - 1.4
241 Extensität d e r Zeitungsnutzung .23**
0.4 - 1.4
0.4. - 1.5
238
228
Anwachsen d e s "vote guidance"Motivs .24*
Extensität der Zeitungsnutzung .25**
1.3. - 1.8
1.4. - 1.9
244
216
Wahrnehmung d e r Wahlberichterstattung -.16* Ende A u g u s t / Anfang S e p t e m b e r - Ende S e p t e m b e r Nettoveränderung der abhängigen Variablen η
1.4 - 1.8
223
"vote g u i d a n c e " Motiv .23« Anwachsen des "vote g u i d a n c e " Motivs .19» Wahrnehmung der Wahlberichterstattung -.24·* a * **
Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind K o n t r o l l v a r i a b l e n n i c h t dargestellt.
die
beta-Werte
der
b e t a - W e r t auf d e m 5%-Niveau signifikant b e t a - W e r t auf d e m 1%-Niveau s i g n i f i k a n t
In Tabelle 2 zeigt sich für die Einflüsse auf das Wissen, daß Grüne und Freie Demokraten nicht im Stadtrat vertreten waren, insgesamt ein ähnliches Muster wie in Tabelle 1. Eine Ausnahmme fällt auf: In der zweiten Befragungsperiode - derjenigen, die die "heiße Phase" des Wahlkampfs umschließt - hing auch in einer der beiden Gruppen mit einem nicht-neutralen Journalistenimage das hochspezifische Motiv der "vote guidance" mit Hinzulernen zusammen. Dennoch war in der neutralen Gruppe dieses Motiv immer noch ein stärkerer Katalysator für die Erhöhung des Wissens.
Eigentümlicherweise
tritt neben der
Wahrnehmung der Wahlberichterstattung in der Zeitung das generelle Interesse an lokalpolitischen Informationen als negativer Faktor 1n Erscheinung.
146
Tabelle 2: Parteiwissen: Einfluß von Zeitungsnutzung und Leseerwartungen. Ergebnisse multipler Regressionen (nur statistisch signifikante beta-Werte), aufgegliedert nach Journalistenimage.®) Journalistenimage: negativ
neutral
positiv
1.5. - 1.6.
1.5. - 1.6.
1.5 - 1.7
Anfang August - Ende A u g u s t / A n f a n g September Nettoveränderung der abhängigen variablen η
243
240
230
Intensität d e s Zeitungsleeens .26*
"vote guidance"M o t i v .22*
Anwachsen d e r Intens i t ä t des Zeitungslesens .23*
1.6 - 1.6
1.6 - 1.6
1.7 - 1.7
Ende A u g u s t / Anfang September - E n d e September Nettoveränderung der abhängigen Variablen η
a * **
227
247
218
"vote g u i d a n c e Motiv .46**
"vote g u i d ance" - M o t i v .24*
A n w a c h s e n
Vorgehenswelse Die Texte werden zunächst von Codierern 1n eine formale Metasprache überführt, die dann mit Hilfe spezieller Computer-Software ausgewertet wird. Die formale Metasprache besteht aus zwei grundlegenden Komponenten: Einem alphanumerischen Teil, der in Form von Buchstabenkombinationen und Klammerausdrükken die semantischen Bedeutungsbeziehungen angibt und einem numerischen Teil, der auf Inhaltsanalytischem Wege die Bedeutungsrelationen durch eine Kennziffer näher bestimmt. Z.B. A 916: A
= Akteur
916 = Peter
E 916: E
= Erfahrender
916 = Peter
157
Welche dieser Elemente miteinander 1n Beziehung stehen, wird durch Klammern gekennzeichnet. Eine Klammer schließt 1n der Regel Immer eine K-Propos1t1on oder
kommunikative
"Grundaussage"
ein. Texte werden als komplex
vernetzte
Propositionsmengen aufgefaßt und deshalb auch als Integrierte Liste solcher Grundaussagen dargestellt. Eine K-Proposition besteht aus einem Relationskonzept und einem oder mehreren sogenannten Argumentkonzepten. Z.B. "Hans schlägt Karl" schlagen - Relationskonzept Hans
- Argumentkonzept
Karl
- Argumentkonzept
Bei der Notation wird das Relationskonzept Immer zuerst geschrieben: (Vnn, Ann, Enn) (V130, A036, E045) Hans schlägt Karl 036 = Hans (V130, A045, E036) Karl schlägt Hans 045 = Karl 130 = schlagen Diese ganz einfache Proposition kann durch einige andere Argumentkonzepte erweitert werden: 1) Ortsangaben
L
Zeltangaben
Τ
MA - Attribute
Instrument
I
MB - (Möglichkeit, wenn)
Β
MD - (Wunsch, Absicht,
Begriff, Sache, Thema
2) Modifizierungen
MC - (Notwendigkeit, muß) Bereitschaft, will) ME - (Frage: wie) MF - (Frage: warum) MP - (Personale Bestimmung)
Beispiel: "Der kräftige Hans schlägt Karl heftig mit einem Stock": ((Vnn, MAnn) (Ann, MAnn) Enn, Inn) Je zwei dieser einfachen Propos1t1onen können zu komplexen Argumentationsfiguren verbunden werden. tionsfiguren:
Es gibt zwei Typen solcher komplexen Argumenta-
158
a) Konnektlve Relationen (Kx): Verbindung zweier Grundaussagen in Form einer quasi
"logischen" Verknüp-
fung (kausal, final, konsekutiv, adversativ, etc.). b) Referate bzw. referatähnliche Relationen (RA/RB): Verbindung zweier Grundaussagen, wobei die eine eine Kommunikationshandlung, die andere einen Sachverhalt ausdrückt. Häufigste Form: Referat; "Hans sagte, daß ..." aber auch:
"Peter leugnete, daß ..." "Peter lehnte ab, daß ..."
Beispiele: Konnektlve Relation (kausal) KB: Well Hans den Peter geärgert hat,
036 Hans
schlägt Peter Hans.
045 Peter 130 schlagen 200 ärgern
(KB (V20, A036, E045) (V130, A045, E036)) Ursache
Wirkung
Gemeinsam ist bei der Notation dieser Argumentationsfiguren, daß sie immer aus zwei einfachen K-Propos1tIonen bestehen, deren semantische Funktion erstens durch die vorangestellte Buchstabenkombination und zweitens durch ihre Reihenfolge eindeutig definiert ist. (Z.B. "Kausalrelation; erste Propositon = verursachender
Sachverhalt,
zweite Proposition = bewirkter
Sachverhalt).
Dies sind die Grundformen der komplexen Argumentationsfiguren. Sie
können nach
den üblichen
mathematischen
Regeln
der
Klammersetzung
systematisch zu Immer komplexeren semantischen Strukturen kombiniert werden. Es gibt jedoch makrostrukturelle Textbezüge, (z.B. Zusammenfassungen. Schlußfolgerungen aus vielen Items, etc.), die so komplex sind, daß dieses manuelle Notationsverfahren strukturen wurde semantische
an
Grenzen stößt.
deshalb
die
Strukturkomplex
Hinsichtlich dieser
Codierung
entlastet,
notiert wird,
tionsfiguren mit Verweisangaben.
indem
sondern nur
komplexen nicht
einzelne
Die komplexe Vernetzung
der
Makroganze
Argumenta-
besorgt dann der
Computer. Auf diesem Wege ist es möglich, daß in unseren Analysen mehr als 50 z.T. selbst schon vernetzte Propositionen In eine andere eingesetzt, d.h. mit ihr semantlsch vernetzt wurden. Die in dieser Weise in einer neuen semanti-
159 sehen Einheit auf höherer Abstraktionsstufe recodierten Aussagen werden durch die UND-Relation untereinander verbunden. Dies ist der erste Analyseschritt, die Codierung, bei der die Originaltexte in eine formale Metasprache überführt werden. Im zweiten Analyseschritt sind diese Zeichenketten so zu bearbeiten, daß sie sich mit den üblichen Computerprogrammen auswerten lassen. Als Zwischenschritt benötigt man dazu jedoch ein eigens für diesen Zweck geschriebenes Computerprogramm. Es liefert eine Reihe von Ausgaben,
die
bzw. miteinander
Inhalte und semantische vergleichen.
Ich erwähne
Strukturen von Texten beschreiben hier nur
jene
Strukturparameter,
die ich zur Darstellung der ausgewählten Befunde brauche.
Ergebnisse Die forschungsleitende Annahme lautet, daß Medieninformationen in einem aktiven Verarbeitungsprozeß den, wobei
zum
Bestandteil
unserer
RealItätsvorstellung
wer-
sie ihren medienspezifischen Charakter verlieren und in einer für
das Publikum typischen Form in die themenspezifische kognitive Struktur (Vorwissen) übernommen werden. Dennoch werden sich die subjektiven Vorstellungsbilder nicht
völlig
von der
Medienaussage
lösen;
diese
liefert
den Stoff,
eine Reihe von Inhalten und strukturierende Vorgaben, auch wenn diese Stimuli erst in der
rezeptiven Rekonstruktion
zu Stimuli
werden.
Reiz
und
Reaktion
lassen sich also im Rezeptionsprozeß nur artifiziell-analytisch trennen (sofern man den Reiz als Information und nicht als physikalische Größe betrachtet wie z.B.
Schallwellen).
Medienvermittelte Vorstellungen
entstehen
so
in
einem simultanen, interdependenten Stimulations-, Reaktions-, Selektions- und Konstruktionsprozeß, senskonzept nannten
diskontinuierlich
diese
tatsächlich
der nach
den oben dynamisch
Modellvorstellung
in diesem
entwickelten Vorstellungen verläuft.
Früh
&
"dynamisch-transaktlonal".
dynamisch-transaktionalen
Sinne
zur
zum
Wis-
Schönbach
(1982)
Wenn
Medien
die
Wissensvermitlung
beitragen, dann müßten die reproduzierten Vorstellungsbilder nicht nur in bezug auf Inhalte, sondern auch hinsichtlich der hier betrachteten semantlschen Strukturen sowohl Selektionen wie auch Transformationen aufweisen. Dabei zu unterscheiden
zwischen quantitativen und qualitativen
gen. Quantitative Veränderungen Verknüpfungen,
während
zeigen sich in der
qualitative
Veränderungen
Strukturveränderun-
Komplexität
die
ist
semantischer
Verknüpfungsart
(z.B.
kausal, final, additiv usw.) betreffen. Als Strukturparameter benutze Ich einige Kennwerte, die das SSI-Programm aus den codierten Strukturen errechnet. Diese Werte beziehen sich allesamt auf die interpropositionalen
semantischen
160 Relationen, d.h. die Bedeutungsbeziehungen
zwischen den
K-Propositionen; die
Tatsache, daß gerade die kommunikativen Propositionen auch eine recht unterschiedliche
interne
Komplexität
besitzen
können,
bleibt
tigt. Sofern man jedoch einen rezeptionstheoretisch
hier
unberücksich-
begründbaren Algorithmus
finden kann, ließen sich intra- und interpropositionale Komplexität leicht zu einem integrierten Kennwert verrechnen. In der folgenden Tabelle sind einige quantitative
Strukturindices
angegeben,
die
ich anschließend einzeln
erläu-
tern werde. Die Daten betreffen nur die Themen "Sterbehilfe" und "Parteispendenaffäre". Als Medienbeiträge ein Tagesschau-Beitrag
sowie
gingen eine PANORAMA-Sendung,
28 verschiedene Zeitungsartikel
ein Heutein die
und
Analyse
ein. Die PANORAMA-Sendung wurde von 49 Personen gesehen, die beiden Nachrichtensendungen dreimal
Jeweils von
10 Personen.
gleiche Nutzungen.
Bei den
Zeitungsartikeln
Jeder Medienbeitrag
ein, wie er genutzt wurde. Weiter
geht so
oft
gab
in die
betreffen die nun aufgeführten
es
nur
Analyse
Daten
die
auf diese Medienbeiträge bezogenen Reproduktionen von 100 Personen aus beiden Panelwellen. Tabelle 1: Statische Strukturindices Medienbeiträge
Reprod. 1
(n=100)
(n=100)
Ν
N/Text
Ν
N/Text
Reprod. 2 (n=100) Ν
N/Text
K-Propositionen (KP)
38.435
384
3.195
32
2.432
Relationen
27.659
277
1.708
17
1.201
24 12
10.059 Netze (separate Teilstrukt.)
101
1.487
15
1.218
12
Kohärenz (KP pro Netz)
3,7
1,9
1,9
Dichte
0,73
0,48
0,46
Reduktlons- und Desintegrationstendenzen reproduzierter Vorstellungsbilder (a) Selektion Erwartungsgemäß sehen wir große Unterschiede im Umfang der Texte: Während die Medienbeiträge durchschnittlich 384 K-Propositionen umfassen, sind es 1n der 1. Reproduktion nur noch 32 KP, In der 2. Reproduktion eine Woche später gar nur noch 24 KP pro Text. Eine vergleichbar drastische Reduktion 1st auch
161
bei den Relationen zu verzeichnen, die im Mittel pro Text von 277 über 17 (1. Repr.) auf 12 (2. Repr.) abnehmen. Diese Selektionsprozesse überraschen kaum, allenfalls noch das drastische Ausmaß könnte bemerkenswert sein. Nach der Selektionshypothese prüfen wir nunmehr die Desintegrationshypothese.
(b) Textkohärenz Die Texte (Medienbeitrag und Reproduktionen bzw. Vorstellungsbilder) können außer nach ihrem Umfang auch unter dem Aspekt beschrieben werden, in wieviele zusammenhängende Teilstrukturen
("Netze") die Gesamtstruktur
Solche Teilstrukturen sind Gruppen semantisch solchen
untereinander
kohärenten
verbunden
Teilstrukturen
drastischen Reduzierung des durchschnittliche Zahl auf
sind. um
Textumfangs
bzw.
12
In der Regel
"Sinnabschnitte". reduziert
der Teilstrukturen
15 (1.Reproduktion)
gegliedert ist.
von K-Propositionen, die durch Relationen handelt es 3
>
sich naturgemäß
(Netze) pro Text von
(2. Reproduktion).
sich bei
Entsprechend 101
Interessanter
der
auch die (Medien) ist
schon
die Größe der Teilstrukturen. Während in den Medienbeiträgen noch 3,7 K-Propositionen je Bedeutungskomplex
vorhanden
sind, enthalten die Teilstrukturen
der Reproduktionen durchschnittlich nur noch 1,9 Propositionen in beiden Wellen. Diese
Werte
müssen
jedoch nicht
unbedingt
eine
generelle
Desintegra-
tionstendenz anzeigen, weil die Größe der Teilstrukturen nicht ganz unabhängig vom Gesamtumfang des Textes sein dürfte. Wir suchen deshalb nach weiteren Indizien für eine Desintegration.
(c) Strukturdichte Die Dichte
bildet die
relative Vernetztheit der Propositionen ab.
Es 1st
ein standardisiertes Maß, das vom Textumfang unabhängig 1st. Die Maßzahl gibt den Anteil der tatsächlich im Text vorhandenen Relationen an, gemessen an der Anzahl
der Relationen,
die notwendig
wäre,
um
alle Propositionen
in einem
Baumgraphen miteinander zu verbinden. Je näher der gemessene Wert beim maximalen Dichtewert 1 liegt, umso stärker sind die K-Propos1tionen vernetzt. Die Dichte-Werte
(Tab. 1) liefern einen weiteren Hinweis auf eine zuneh-
mende Destrukturierung der Vorstellungsbilder. Während der Dichtewert der Medienbeiträge mit d - .73 noch relativ nahe am Maximalwert
liegt, orientieren
sich die Werte der beiden Reproduktionen mit d = .48 bzw. d = .46 schon eher zum Minimalwert hin. Offenbar findet die ursprünglich komplexe Medi eninforma-
162
tion nicht ihren Niederschlag in entsprechend komplexen Vorstellungsbildern, und die Dichte der semantischen Beziehungen zerfällt sogar noch zunehmend im Verlaufe der Zeit. Die bisherigen Befunde deuten also darauf hin, daß neben einer stark selektiven Tendenz auch eine Tendenz zur Desintegration des quantitativ bereits geschrumpften Vorstellungsbildes besteht. Dies sind zweifellos die offensichtlichsten, bei genauerer Analyse jedoch nicht die einzigen Befunde. Es gibt auch Anhaltspunkte für Tendenzen der Informationsverarbeitung, die eher in eine andere Richtung gehen. Sie zeigen sich, wenn man erstens die unterschiedliche Art semantischer Beziehungen berücksichtigt, d.h. eine qualitative Strukturbeschreibung
vornimmt, und wenn man zweitens die
strukturellen Beziehungen der Texte vor dem Hintergrund der oben erläuterten dynamisch-transaktionalen Modellvorstel1 ungen beschreibt.
Integrationstendenzen reproduzierter Vorstellungsbilder bei dynamisch-transaktionalen bzw. ho11st1schen Modellannahnen Bisher beschrieb Ich die semantischen Textstrukturen eher statisch als Resultat eines abgeschlossenen Kommunikationsvorgangs. Dies ist zwar die traditionelle und vertraute Art, Texte zu beschreiben, sie ist jedoch den oben kurz beschriebenen dynamisch-transaktionalen Modell vorstell ungen zur Wissensrezeption und Wissensverwendung nicht ganz adäquat. Eine Konsequenz aus dem dynamisch-transaktionalen Ansatz ist die Tatsache, daß Wissen z.B. in Form von individuellen Vorstellungsbildern oder Texten als konserviertes Produkt nicht existiert. Bedeutungen und Bedeutungsstrukturen (oder Wissen und Wissensstrukturen) werden vielmehr in einem dynamischen, interdependent-simultanen Reaktions- und Konstruktlonsprozeß
jeweils ad hoc neu realisiert. Der
Prozeß der produktiven / rezeptiven Bedeutungsrealisation ist also konstitutiver Bestandteil des in Medienbeiträgen oder individuellen Vorstellungsbi1dern enthaltenen Wissens. Dem hier besprochenen Zusammenhang angemessener 1st es deshalb, dynamische
(bzw. dynamikbezogene) Strukturindlces zu benutzen,
die bei der Strukturbeschreibung berücksichtigen, daß diese Textstruktur sich immer (übrigens auch bei der wissenschaftlichen Textanalyse) als eine Abfolge kognitiver Operationen manifestiert. Eine weitere Grundannahme des dynamischtransaktionalen Modells besagt, daß Informationen erst in kommunikativ gesteuerten Sinnzusammenhängen ihre Bedeutung erhalten (Früh 1983). Dies deckt sich mit
sog.
"holIstischen"
Modellvorstellungen
in der
Sprachpsychologie
(Schnotz, 1985). Um bei der Rezeption eine bestimmte Aussage zu verstehen, muß ich sowohl die bisher schon rezipierten und mit ihr verbundenen Aussagen
163 kognitiv präsent halten als auch Aussagen, die Ich aufgrund der bisherigen Information als plausible Komplettierung erwarte (Einfachster Fall: Wird eine Ursache genannt, erwartet man eine Wirkung oder Folge.). Stimuli können also wirksam werden, noch bevor sie konkret wahrgenommen wurden. Zur Konstruktion eines entsprechenden Strukturparameters, den ich "dynam1sch-transakt1onale Komplexität" (dtK) nenne, unterstelle Ich deshalb: 1) Textproduktion
wie -rezeption verlaufen sukzessiv
und
linear, d.h. die
Textbedeutung wird Proposition für Proposition (re)-konstrulert. 2) Bei der angemessenen (Re)konstruktlon jeder einzelnen Proposition müssen alle Propos1t1onen und Relationen, die
Innerhalb einer
kohärenten semantl-
schen Teilstruktur ("S1nnabschn1tt"; Baumgraph; siehe oben) miteinander verbunden sind, kognitiv berücksichtigt werden, sei es als bereits wahrgenommene Information, sei es als hypothetisch zu füllende Leerstelle bzw. "Strukturvalenz" . Um die Aussage des Koeffizienten zur dynam1sch-transakt1onalen Komplexität (dtK) anschaulich zu machen, betrachten wir folgendes Beispiel: Gegeben sei eine semantIsche Teilstruktur mit 5 K-Propos1t1onen, die durch 4 Relationen verbunden sind. Um P1 zu verstehen sind gemäB dem dtk-Postulat alle 4 Relationen 1m Baumgraphen zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für P2, P3, P4 und PS. Insgesamt ergeben
sich
also
für
die
sukzessive
Rekonstruktion
dieser
semantIschen
Struktur 5 χ 4 = 20 kognitive Verknüpfungssoperatlonen zuzüglich der analogen Bedeutungsrekonstruktion für die 5 Propos1t1onen. Da wir uns hier nur mit der Strukturanalyse
beschäftigen,
sind
1m dtK-Kennwert nur die Relationen
be-
rücksichtigt (der oben beschriebene Wert 1st also schlicht halbiert). Abb. 1: Beispiel einer semantlschen Teilstruktur
Es gibt eine absolute und eine standardisierte Variante von dtK. Der absolute Wert dtKabs gibt die Anzahl kognitiver Verknüpfungsoperationen an, die
164 erforderlich sind, um alle Textpropositionen zu sinnvollen semantischen Teilstrukturen zu integrieren. Damit ist dtKabs auch stark vom Textumfang abhängig. Der standardisierte Wert dtKrel gibt an, inwieweit die Summe
kognitiver
Verknüpfungsoperationen im Text näher am theoretischen Minimalwert oder näher am theoretischen Maximalwert
liegt. Die maximale dtKrel
einer gegebenen Anzahl semantischer Teilstrukturen
liegt vor, wenn bei
im Text n-1 Teilstrukturen
nur eine K-Proposition und keine Relation enthalten, während die verbleibende eine Teilstruktur
alle
restlichen
K-Propositionen
und alle
Relationen
ent-
hält. Der theoretische Minimalwert für dtK liegt vor, wenn bei einer gegebenen Zahl von Teilstrukturen im Text alle die gleiche Zahl von K-Propositionen und Relationen besitzen.
Indem die Zahl
der
im jeweiligen Text
vorhandenen
Teilstrukturen als gegebene Größe in dtKrel eingeht, ist diese Maßzahl hängig von der Dichte
bzw. es
ist ein
Maß für die Variation
der
unab-
Struktu-
rierung bei gegebener Dichte. 4 > dtK variiert zwischen 0 und 1.
Tabelle 2: Dynamisch-transaktionale Komplexität (dtK) Medienbeiträge N=100
Repr. 1
Repr. 2
(n=100)
(n=100)
dtk.bs
1602
69
61
dtkrel
0,01
0,24
0,24
Der drastische Abfall von dtKabs zwischen Medienbeiträgen und Reproduktionen 1st wohl weltgehend durch die starke Verminderung der Textumfänge erklärbar. Bemerkenswert dienbeiträgen
ist jedoch der 24-fache
und Reproduktionen,
Komplexitätsanstieg
der sich
zwischen
im standardisierten
Wert
Me-
zeigt,
bei dem die Textlänge keine Rolle spielt. Gemäß der Konstruktion dieses Kennwertes ist die Komplexitätszunahme offenbar auf eine Umstrukturierung bzw. eine veränderte Komplexitätsverteilung zurückzuführen: relativ
Während
die
gleichbleibender
Medienbeiträge Komplexität
in semantische
gegliedert sind,
Teil strukturen
dominieren
in den
Reproduktionen stärker einzelne Teilkomplexe. Dieser Konzentrationsprozeß wenige,
zunehmend
komplexe
und
viele,
zunehmend
setzt sich über die Zeit zur 2. Reproduktion
einfachere
von 1. auf
Tei 1 strukturen
offenbar nicht weiter fort. Es
wird also deutlich, daß 1) Medien die
Informationen homogener strukturiert anbieten als sie vom Pu-
blikum wahrgenommen werden. 2) Rez1p1enten sich eher an wenigen Kernaussagen orientieren, deren Komplexität relativ wenig abnimmt oder durch ausschmückende Details vielleicht sogar
165 noch ansteigt, während der große Rest sonstiger Informationen entweder ganz vergessen wird oder in isolierte Erinnerungsbruchstücke zerfällt. Die inhaltsbezogene Analyse der jeweils vom Desintegratone- und Integrationsprozeß betroffenen K-Propositionen wird zeigen, welche Inhalte davon betroffen sind, und ob von allen Personen
relativ vergleichbare
Inhalte als
zentrale Informationskomplexe ausgewählt werden.
Qualitative Strukturveränderungen Bisher betrachteten wir die semantische Vernetzung von Textaussagen (K-Propositionen) mehr oder minder abstrakt, ohne zu berücksichtigen, daß es hinsichtlich ihrer Bedeutung eine ganze Palette unterschiedlicher Vernetzungsarten gibt, wie z.B. kausale, kontrastive, konditionale, temporale etc. Relationen. Es könnte sein, daß sich auch hier charakteristische interne Veränderungen zeigen, die in der summarischen abstrakten Komplexitäts-Analyse nicht mehr erkennbar sind. Die folgende Tabelle 3 zeigt deshalb getrennt für die 3 Textgrupen die Häufigkeiten der einzelnen Relationstypen, wie sie von der SSI erfaßt werden. Außerdem wird als standardisiertes Maß der relative Anteil der einzelnen Relationstypen an der Gesamtheit aller Relationen des jeweiligen Texttyps ausgewiesen (siehe Tabelle 3). Der Anteil der Referate verringert sich kurzfristig von der Medienberichterstattung zur 1. Reproduktion nur zögernd, fällt dann nach einer Woche In der 2. Reproduktion aber doch deutlich von 50,1* auf 41,0* ab. Dies 1st ein Anhaltspunkt dafür, daß Informationsquellen - zumindest über einen Zeitraum von einer Woche - schneller vergessen werden als die
referierten Sachver-
halte. Die Zuschrelbung von Inhalten zu bestimmten Quellen oder Argumentträgern ist ein episodisches Wissensmerkmal, - eine Relativierung von Inhalten auf
ihre
konkrete
Entstehungssituation;
die
episodische
Zusatzinformati on
gibt Auskunft darüber, wann, wo, unter welchen Bedingungen und von wem man die Sachinformation erfahren hat. Die Daten belegen also, daß Medieninformationen bereits innerhalb einer Woche ihren episodischen Charakter mehr und mehr verlieren und in zunehmendem Maße ohne Relativierung gewissermaßen als subjektive Tatsachen 1n die Individuelle Realitätsvorstellung übernommen werden. Bei den übrigen semantischen Relationen gibt es ebenfalls eine Reihe deutlicher Unterschiede, an denen klar erkennbar 1st, daß das Publikum bei der Rekonstruktion thematischer Zusammenhänge andere Akzente setzt als die Journalisten in den Medienbeiträgen. Dominieren 1n der Zeitungs- und Fernsehbe
166
Tabelle 3: Qualitative Strukturveränderungen
8
ε*. α. χ
N N H oetn o o CM •i? ? 7 7 S ? ' ?
ΙΑ
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CM
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O CM
X ζ l/l
167 richterstattung
konditionale
(wenn-dann),
kausale
(well)
und
disjunktive
(oder) Verknüpfungen, so stehen in der 1. Reproduktion dagegen ganz deutlich kausale und kontrastive Beziehungen im Vordergrund. Während die kurzfristige Abnahme UND-Relationen zunächst
und spätere Wiederzunahme der
vielleicht
irritiert
addierten
und auf den ersten Blick nicht
interpretierbar erscheint, kann man die anderen Veränderungen durchaus unmittelbar plausibel erläutern: Journalisten sind in ihren Beiträgen bemüht, Themen möglichst von vielen Seiten zu beleuchten, Ursachen unterschiedlichster Art, Bedingungen
indem sie mögliche Varianten, und Alternativen aufzeigen, so
daß ein Thema häufig
in diskunktiven entweder-oder Beziehungen,
in kausalen
und
relativierenden
dargestellt
in
bedingenden,
wenn-dann
Zusammenhängen
wird. Das Publikum dagegen eliminiert offenbar häufig solche heterogenen oder disparaten Beziehungen. Es identifiziert Themen eher dadurch, daß es sie erstens durch Kontrastierung
von
ihrem jeweiligen
Problemumfeld
abgrenzt
bzw.
konturiert, daß es zweitens insbesondere nach Ursachen und Begründungen sucht und daß es
drittens
schließlich
bestrebt
ist,
Absichten,
Ziele
und
Zwecke
auszumachen ("Was haben die vor?" "Was steckt dahinter?"). Ein Blick auf die entsprechenden Werte der 2. Reproduktion zeigt, daß diese qualitativen Strukturakzente chen erhalten
des subjektiven Vorstellungsbildes
bleiben. Tendenziell
nimmt allenfalls der Anteil
im wesentlikontrastiver
Relationen wieder etwas ab, bleibt aber noch immer deutlich über dem Wert der Medienbeiträge.
Ebenso geht der Anteil konzessiver Relationen leicht zurück.
Zunahmen sind dagegen bei temporalen (nachdem, bevor etc.) und modalen Relationen zu verzeichnen.
Vielleicht
verändert das Publikum nach einiger
Zeit
etwas seine Strategie zur Identifizierung eines Themas: Einschränkende Bedingungen
werden
vergessen,
auch
gunsten von Ähnlichkeiten
Kontraste
verlieren
etwas
an
Bedeutung
und Vergleichen sowie einer zeitlichen
zu-
Einordnung
der einzelnen Sachverhalte. Diese Trends sind jedoch statistisch nicht signifikant. Vielleicht ist dazu die Fallzahl noch zu gering und/oder der Abstand von einer Woche zwischen beiden Panelwellen zu kurz, um eindeutige Resultate zu erhalten. Was die Veränderungen bei den additiven UND-Relationen betrifft, so möchte ich zum besseren Verständnis
noch einmal
darauf
aufmerksam machen, daß sie
SSI semantische Relationen unabhängig von der konkreten Formulierung
an der
Textoberfläche erfaßt. Die UND-Relation hier ist deshalb nicht Identisch mit dem Vorkommen des Wörtchens "und" in den Texten, das ja auch In Satzperioden und Aufzählungen die einzelnen Satzglleder lose aneinanderreiht. Die UND-Relation der SSI tionen
zu
einer
betrifft dagegen nur additive Komplexionen mehrerer Proposineuen,
komplexeren
semantischen
Figur.
Dies
1st
z.B.
der
168 Fall, wenn mehrere Argumente zusammengefaßt als Grund für eine abschließende Bewertung oder Entscheidung Aussage
(z.B.
in mehreren erläuternden die
genannt werden - oder wenn der Gegenstand einer
"Skandal" oder
zusammengefaßten
"Neuere Wirkungsforschung")
Aussagen
und
als
beschrieben ist.
neue
semantische
vorher
In solchen
Einheit
ausführlich
Fällen werden
benutzten
Aussagen
durch die UND-Funktion verbunden. Die Abnahme des relativen Anteils der UNDRelationen von der Medienberichterstattung
zur 1. Reproduktion
belegt
also,
daß verhältnismäßig weniger Argument-Komplexionen auf dieser mittleren Strukturebene erfolgen. Dies wird zwar kaum sonderlich überraschen, umso mehr jedoch der deutliche Anstieg nach
einer
anfänglichen
von der
1. zur
Destrukturierung
2. Reproduktion.
später
wieder
Offenbar
zunehmend
folgt
eine
Re-
strukturierung der Information in dem Sinne, daß mehrere Aussagen zu semantischen Einheiten höherer Ordnung recodiert werden. Dies ist also ein weiterer Beleg dafür,
daß nach einer anfänglichen
zunehmend ein wenigstens punktueller
Desintegrationsphase
Integrationsprozeß
später
bei der
wieder
Rekonstruk-
tion des themenspezlfIschen Wissens in Gang gesetzt wird.
Zusammenfassung und Sehlußbemerkung Ich ging von der Fragestellung aus, ob medienvermittelte Realitätsvorstellungen gegenüber dem Medienstimulus
eher "zerfallen" oder eher
der" werden.
ich
Dabei
unterstellte
im Sinne
des
"zusammenhängen-
dynamisch-transaktionalen
Ansatzes, daß Vorstellungsbilder aktive und oft diskontinuierliche subjektive ad-hoc-Konstruktionen thematischer Zusammenhänge sind. Indem durch eine Reihe methodischer Vorkehrungen bei Datenerhebung, -aufbereitung
und -auswertung
dieser
theoretischen
Perspektive
Rechnung
getragen
wurde, stellten wir fest, daß die Ausgangsfrage erwartungsgemäß in dieser dichotomen Form
(Zerfall
oder
Integration) nicht
zu beantworten
ist: Offenbar
gibt es neben einem sehr starken Trend zur Informationsreduktion und -désintégration in den verbleibenden
Informationsbeständen auch deutliche
tions- und Umorganlsationstendenzen, die überdies teilweise verlaufen.
Medien
Strukturierung orientiert,
stellen
Themen
dar, während sich
deren
Komplexität
in einer
relativ
dichten
und
das Publikum eher an wenigen
erhalten
bleibt
oder
durch
Integra-
diskontinuierlich homogenen
Kernaussagen
vielleicht
aus-
schmückende Details sogar noch ansteigt. Der große Rest sonstiger Information wird entweder vergessen oder er zerfällt in isolierte, einzelne
Erinnerungs-
bruchstücke. Doch wenn auch wenige Inhaltsstrukturen ihre relative tät quantitativ
Komplexi-
bewahren mögen, qualitativ findet auch hier eine Umstruktu-
169 rierung
statt,
bei
der
kausale,
disjunktive
und
später
auch
modale
Ver-
knüpfungen eindeutig dominieren. - Bei einigen Relationstypen - wie z.B. den Referaten - ist eine kontinuierliche Desintegration festzustellen, bei anderen Relationstypen - wie z.B. den UND-Relationen - ist dagegen eine diskontinuierliche Désintégrations- und spätere Integrationsphase zu beobachten.
Anmerkungen 11
Mit dem Begriff "Bilder" soll nicht unbedingt eine ikonische kognitive Repräsentation behauptet, aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Sich in dieser psychologischen Frage festzulegen erscheint in diesem Zusammenhang nicht notwendig. 2 > Die Abkehr vom derzeit wohl bekanntesten Propositionsmodell erfolgt sowohl aus pragmatischen wie auch aus theoretischen Überlegungen. Pragmatisch sind die Argumente, daß das Kintsch-Model1 Daten vermehrt, statt sie zu reduzieren; d.h. die propositionale Darstellung von Texten ist wesentlich umfangreicher als die Originaltexte. Außerdem ist die Notation der Propositonslisten nicht maschinenlesbar, so daß eine statistische Weiterverarbeitung nicht möglich ist. Theoretisch heißt der Einwand, daß das KintschModell nicht die einzige und nicht einmal die zwingendste Version ist, die die Valen.'theorie, bzw. Filimores Kasusgrammatik zuläßt. Selbst die empirischen Belege für eine psychologische Realität des Propositionskonzepts, die Kintsch anführt, beweisen m.E. nicht, daß seine Propositionsvariante als abgeschlossene kognitive Einheit in dieser Form existiert. Möglich wären auch mehr oder weniger weite und flexiblerer Propositionsgrenzen, welche nicht allein durch die Valenzen des isolierten Verbs, sondern auch durch dessen jeweilige kommunikative Verwendung im Kontext bestimmt werden. Möglich wäre also durchaus, daß die obligatorischen Argumente des Verbs im kommunikativen Zusammenhang durch jeweils relevante, kontextspe;>ifische akzidentelle Argumente ergänzt werden (siehe Filimores elementare Fragen: Wer tat etwas, wer oder was ist betroffen, wann tat er etwas, usw.). Es entstünden so komplexere Propositionen etwa im Sinne meiner kommunikativen Propositionen, wobei freilich auch deren psychologische Realität im Detail noch empirisch nachzuweisen ist. 3
> Dies trifft nicht ganz zu, weil auch einzelne, völlig isolierte Proposltiorien in diesem Sinne Teilstrukturen sind, üblicherweise aber nicht als Sinnabschnitte bezeichnet werden. 4 ' Die Standardisierung soll selbstverständlich auch Unabhängigkeit vom Textumfang sicherstellen. Dies scheint, gemäß der Konstruktion des Koeffizienten, auch klar zu sein. Dennoch prüfen wir z.Zt. in einem Evaluationstext, wie dtKrel auf extrem kleine Texte reagiert, die vielleicht nur aus 2 Netzen und 3 Propositionen bestehen.
170
Abstract A survey of 100 respondents shows how structures of knowledge about two mass mediatopics are developing. A dynamic-transactional effects model is assumed, implying also a dynamic concept of knowledge. The methodical consequences are that the data collection as far as possible maintains real life conditions, on the one hand, and that the data analysis is based on the "semantic structure- and content analysis" (SSI), on the other hand, a newly developed method for an integrated analysis of contents and structures of content based on both static and dynamic text models. At first glance, the results show - as expected - dramatic reductions and disintegrations of the media coverage in individual reproductions. In the reduced information basis, however, there are also significant integrational tendencies and specific transformations of structures. This is evidence for the active way the audience deals with the contents of mass communication, assumed by the dynamictransactional model.
WISSENSVERANOERUNGEN DURCH NACHRICHTEN
173
11
WISSENSVERMITTLUNG DURCH NACHRICHTEN? Zur Kritik der Lehrfilm-Metapher Peter W1nterhoff-Spurk Universität Saarbrücken
Nachrichtenübermittlung als pädagogische Koanun1kat1onss1tuat1on: Also lautet der Baschiuf], daB der Mensch was lernen mit) Was sollen Fernseh-Nachrichten? Dies gefragt, antwortete Karlheinz Rudolph vom ZDF knapp und eindeutig (vgl. Huth, 1977): "Informieren." Michael Abend, seinerzeit
leitender
Redakteur
der
ARD-Tagesschau,
beantwortete
dieselbe
Frage (vgl. Abend, 1977, S. 89): "Bürger über die Vorgänge 1n der Gesellschaft zu Informieren, dafür ... Interessleren und zur Teilnahme anzuregen." Gehen wir eine Ebene höher: Im Staatsvertrag über die Errichtung des ZDF vom 06. Juni 1961 u.a. (zitiert nach ZDF-Schr1ftenre1he
Nr. 17, 1981) 1st
festgeschrieben: "In den Sendungen der Anstalt soll den Fernsehteilnehmern 1n ganz Deutschland ein objektiver Oberblick über das Weltgeschehen, Insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden... Die Berichterstattung soll umfassend, wahrheitsgetreu und sachlich sein." In den Landesrundfunkgesetzen 1st dies 1n der Regel nicht sonderlich anders formuliert; ich zitiere ein Gesetz jüngeren Datums: "Die Programme sollen zur Information, Bildung und Unterhaltung beitragen und dadurch einer unabhängigen Meinungsbildung
dienen"
(Landesrundfunkgesetz
von
Rheinland-Pfalz
vom
24.
Juni 1986; vgl. Media Perspektiven, 11/1986, S. 82-93). Auch 1m Urteil des BVG vom
04.
November
1986 über das
N1edersächs1sche
Landesrundfunkgesetz
(vgl. Media Perspektiven, IV/1986, S.227) wird festgestellt: "Die Rundfunkfrelheit dient ... der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung
... Diese vollzieht sich 1n einem Kommun1kat1onsproze|3, 1n
welchem dem Rundfunk die Aufgabe eines "Mediums" und "Faktors" zukommt: es obliegt 1hm, 1n möglichster Breite und Vollständigkeit
zu Informieren, er
gibt dem Einzelnen und den gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit zu meinungsbildendem Wirken und 1st selbst an dem Prozeß der Meinungsbildung betel-
174 H g t . " Vergleichsweise einfacher fand
ich diese Auffassungen in einem Her-
kunfts-Wörterbuch ausgedrückt: "Nachricht: Mitteilung zum Danachrichten, 17. Jahrhundert" (Wasserzleher, 1974, S. 313). Die skizzierten Auffassungen legen nahe, Nachrichtenrezeption als pädagogische Situation aufzufassen, die beispielsweise Hofer (1986, S. 99) folgendermaßen definiert: "Jede pädagogische Situation 1st ... durch die Auseinandersetzung eines Lerners mit einer erzieherisch wirksamen
Lernumwelt
gekenn-
zeichnet. Prototyp 1st die direkte (soziale) Interaktion zwischen einem Erzieher und einem Lerner ... Sie (die Erziehung, PWS) kann auch Indirekt erfolgen, z.B. Uber Medien oder einfach über die Gestaltung der Lernumwelt. W1U
man also pädagogisch-psychologische Sachverhalte auf der Basis unter-
scheidbarer Komponenten des Erziehungsgeschehens aufteilen, dann sind ... zumindest die folgenden Komponenten ... zu berücksichtigen:
1. der Lerner, 2.
der Erzieher, 3. die soziale Interaktion zwischen Lerner und Erzieher, 4. die Lernumwelt, 5. die pädagogischen Medien."
(a.a.O., S. 99). Aus dieser Sicht
wäre der Redakteur der Lehrer, der Zuschauer der Lerner, die Lernumwelt der Raum mit dem TV-Gerät, die soziale Interaktion bestünde 1n den üblichen Begrüßungs- und Verabschiedungsfloskeln des Redakteurs bzw. 1n aufmerksamer Zuwendung des Rez1p1enten, und als pädagogische Medien würde man die gezeigten Bilder, Graphiken und Filme zu Interpretieren haben. Insofern kann beispielsweise Wolfgang Wunden vom SDR zu Recht von einer Pädagogik der Massenmedien sprechen (vgl. Wunden, 1984, S.16) oder Weidenmann (1986) Film und Fernsehen als Soz1a11sationsagenten
verstehen, den Nachr1chtenf1lm als "Lehrfilm des
Alltags" bezeichnen: Nicht für das Fernsehen, für das Leben lernen wir. Dieses Verständnis von Nachrichtenübermittlung wird durch ein zweites, 1n der Med1enprax1s wie -forschung gängiges Konstrukt gefördert: die Rede 1st vom Begriff der Massenkommun1kat1on. Uber die
Impliziten Vorannahmen
Ich will mich nicht damit aufhalten,
des Begriffs
"Masse" zur
Bezeichnung
von
Gruppen von Fernsehzuschauern zu sprechen (vgl. W1nterhoff-Spurk, 1985), sondern gleich auf die Kommunikation zu sprechen kommen. In der Sprach- und Sozialpsychologie (vgl. Engelkamp, 1974; Herrmann, 1982, 1985; Kunczlk, 1979; Merten 1977; Scherer, 1979) 1st interpersonale oder "Face-to-face"-Kommun1kat1on der
reziproke Prozeß,
1n dem ein Kommunikator
(oft: Sprecher)
seine
ηIchtsprachlichen Kognitionen und/oder Emotionen mit Hilfe verbaler und nonverbaler Zeichen einem oder mehreren Rezlpienten (Hörern) mitteilt, um dessen bzw. deren Emotionen und/oder Kognitionen und/oder Verhalten zielbezogen zu beeinflussen.
Zu den Voraussetzungen einer
1n diesem Sinne
erfolgreichen,
d.h. Informativen und Instrumentellen Kommunikation zählt die beiderseitige Verfügbarkelt zumindest eines partiell gleichen Zeichenvorrats, ein weltge-
175 hend störungsfreier Kanal (resp. die Möglichkeit der Nachfrage), eine zumindest ähnliche, allgemeine Situationsdefinition sowie eine mindestens zeitweise Abstimmung Sprecher- und hörerseitiger VerhaltensplSne. Aus dieser Sicht entspräche eine Nachricht einer Sprechhandlung vom Typ der Mitteilung, deren instrumentelle Funktion (mindestens) für den Redakteur 1n der Modifizierung des Zuschauer-Wissens besteht. Soll die Kommunikation gelingen, so müssen die Zuschauer das Gemeinte richtig rezipieren, richtig verstehen sowie das vom Sprecher Gewollte (hier: eine Abspeicherung der Nachricht im deklarativen und/oder prozeduralen Gedächtnis sowie ggf. eine Verhaltensänderung) vollziehen. Ich fasse zusammen: a) Nach dem Selbstverständnis von Journalisten, Rundfunkanstalten und nach den Rundfunkgesetzen sollen Nachrichten so Informieren, daß sich der Rez1p1ent eine Meinung bilden und ggf. sein Verhalten nach ihnen richten kann, b) Dies macht sie zu einer spezifischen Variante einer allgemeineren pädagogischen Situation mit den Elementen "Lerner", "Erzieher", "Interaktion zwischen Lerner und Erzieher", "Lernumwelt" und "pädagogischen Medien", c) Zugleich wird Nachrichtenübermittlung als kommunikativer Vorgang verstanden, 1n der der Reziplent das Gesagte und Gezeigte hören und sehen, das Gemeinte verstehen und das Gewollte tun soll, will und kann. Kurz: Nachrichtenübermittlung 1m Fernsehen wird als pädagogische
Kommunikationssitua-
tion interpretiert.
Empirische Untersuchungen zur Nachrichtenübermittlung: Nicht allein das ABC bringt den Menschen In die Höh* Gehen wir chronologisch vor und fragen - zehn Jahre nach dem Erscheinen des Themenheftes "Nachrichten 1m Fernsehen" der Zeltschrift Publizistik (1977) erneut nach empirischen Befunden zum Rezipieren, Verstehen, Behalten und Danachrichten bei
Fernseh-Nachrlchten.
Ich nutze zugleich diese Gelegenheit,
einige Mannheimer Untersuchungen unter diesem Raster einmal zusammenhängend zu skizzieren. a) Rezipieren. Zunächst einmal muß festgestellt werden, daß nicht alle Zuschauer die Nachrichten überhaupt sehen wollen. Polndexter (1980) fand 1n einer Befragung von 1200 erwachsenen Amerikanern heraus, daß etwa 50 Prozent sog. "non-news viewers" sind, die sich Ihre Informationen aus anderen Medien besorgen. Gehören TV-Zuschauer jedoch zu den Nachrichten-Nutzern,
so sehen
sie nicht Immer nur konzentriert auf den Bildschirm, wie Brenne (1977) nachwies. Die (visuellen) Kontaktquoten zum laufenden TV-Gerät bewegen sich bei
176
52 Familien 1m Verlaufe des Abends zwischen 20% und 70%; Nachrichten führen 1m Mittel zu einer Kontaktquote von 50*. Ähnlich niedrige Werte hinsichtlich der Zuwendung zum Gerät kennen wir von Kindern (vgl. Winterhoff-Spurk, 1986). Daß dies sowie zusätzliche Störungen anderer Art durchaus zu Informationsverlusten führt, haben wir in einer kleinen Untersuchung mit Ν = 24 Studenten geprüft, von denen zwölf eine Ausgabe der "Tagesschau" unter optimalen LaborBedingungen rezipieren konnten, zwölf andere aber simulierte Echt-Bedlngungen - mit Hintergrundlärm, Ansprache durch einen weiteren Zuschauer und ablenkenden Umgebungsinformationen - vorfanden. Eine statistische Überprüfung der Behaltenslelstungen im Anschluß (U-Test von Mann-Whitney) erbrachte eine hochsignifikant
bessere
Leistung
unter
der
Labor-Bedingung
(vgl.
Winterhoff-
Spurk, 1983). b) Verstehen. Hier lassen sich drei Aspekte unterscheiden: Textverstehen, Bildverstehen,
Text-BUdverstehen.
Hinsichtlich des
Textes wird
kritisiert
(vgl. etwa Bosshart, 1976; Straßner, 1982), daß dieser gegenüber der Umgangssprache zu lang sei,
zu komplizierte Satzkonstruktionen verwende, zu viele
Fremdwörter, Abkürzungen und fachsprachliche Begriffe einsetze und zu schnell verlesen oder gesprochen werde. Auch die nonverbalen Merkmale etwa der sonoren Stimme,
der
Verlautbarungsmimik,
der
reduzierten
Gestik
und
des
ge-
bremsten Blickverhaltens haben oft wenig Ähnlichkeit mit der interpersonalen Kommunikation. Diese und andere Befunde führen denn wohl auch dazu, daß Nachrichtensprecher und -redakteure mit Charakterisierungen wie "personifizierte Objektivität"
(Denker, 1975, S.
166) oder " Pseudo-Sakral1tät" daß 1n einer Untersuchung
157), "Beamtentyp" (von Lojewski, 1975, S.
(Geißner,
1975, S. 149) versehen werden, und
(vgl. Launer, 1979) über 60% der Befragten Herrn
Kopeke für den Sprecher der Bundesregierung hielten. Fragen des Bildverstehens werden in jüngster Zeit - wohl auch durch die Entwicklung entsprechender technischer Verfahren begünstigt - stärker untersucht (vgl. etwa Issing, Beyland, Haack & Mllckasch, 1985). Jedoch werden hier vermutlich weniger Verstehensprobleme auftauchen, da Bilder in der Regel leichter verständlich sind, und zudem die F1lmber1chterstattung stereotypisiert
sehr stark
1st. Straßner (1982) fand beispielsweise, daß etwa 75* der
Filme 1n Nachrichtensendungen durch ganze zehn Inhaltskategorien wie Konferenzen, Wahlakt1v1täten oder Akte der staatlichen Repräsentation
abgedeckt
werden können. Einen empirischen Beleg für hohe Stereotyp1s1erung des Bildmaterials und damit verbundenem geringerem kognitivem Aufwand sehen wir 1n einer bei uns durchgeführten Untersuchung (vgl. BUrkle, 1986), bei der studentischen Versuchspersonen ein Nachr1chtenf1Im über den Besuch des chinesischen Außenministers 1n Bonn gezeigt wurde. Nach dem Ansehen des Films und einer
177 15-minütlgen Distraktionsaufgabe bekamen die Versuchspersonen typische Szenen (ankommende
Wagenkolonne,
Begrüßung,
Pressekonferenz
etc.)
und
untypische
Szenen (ein Kellner brüht für die Journalisten Kaffee auf, ein Page steht vor einem großen Blumenstrauß 1m "Sofazimmer" des Kanzleramts etc.) vorgespielt und hatten anzugeben, ob sie diese im Originalfilm gesehen hatten oder nicht. Es zeigte sich, daß die typischen Szenen - unabhängig davon, ob sie wirklich gezeigt worden waren - allesamt eher als "gesehen" beurteilt wurden, während die untypischen
Szenen
zumeist
richtig als
"gesehen"
oder
"nicht gesehen"
eingeschätzt wurden. Zum Text-Bildverstehen denken wir alle an Wember und seine 1976 formulierte Text-Bild-Schere. Text und Bild bei Nachrichten seien oft so wenig aufeinander bezogen, daß der Rezipient nicht beide Informationsquellen vollständig
verarbeiten
kann;
in der
Konkurrenz
beider
gleichzeitig
gewinnt
das
B1ld
("picture superiority effect"; vgl. Seel & Strittmatter, 1984). In einer Studie von Boemak & Ohler (im Druck) mit 42 studentischen Versuchspersonen zeigten sich hinsichtlich des Behaltens (was das Verstehen voraussetzt) zwischen den drei Präsentationsformen Text, Text mit Standbild und Text mit BewegtbUd allerdings
keinerlei
Unterschiede.
Wir
selbst zeigten
vor
einigen Jahren
(vgl. Winterhoff-Spurk, 1983) einer Gruppe von Studenten einen Film über den Tod von L. Breshnjew, der 1m ZDF am 11.11.1982 gesendet worden war. In einer zweiten Experimentalgruppe hatten wir den Text der ZDF-Sendung mit Bildern aus einer ARD-Sendung
belegt, eine dritte Gruppe erhielt nur den ZDF-Text
vorgespielt. Nach allem Lärm um die Text-Bild-Schere hatten wir vermutet, daß die unpassende Bebilderung der zweiten Gruppe zu schlechteren Behaltenswerten des Textes führen sollte, die 0r1g1nalversion des ZDF sollte die besten Werte erbringen und die reine Textversion zwischen beiden liegen, überraschenderweise unterschieden sich jedoch die beiden B1ld-Vers1onen kaum voneinander, während die reine Textversion die schlechtesten Werte erzielte. Obwohl zum Teil
haarsträubende
Text-B1ld-D1skrepanzen
auftraten
(z.B.
berichtet
der
Sprecher vom Einmarsch in die CSSR, während 1m Bild Käuferschlangen vor einem Geschäft in Ost-Berlin gezeigt wurden), die durch Text-Ton-D1vergenzen verstärkt wurden (so wurden Breshnjew und Brandt zusammen bei einer Bootsfahrt gezeigt, während der Beifall einer großen Menschenmenge zu hören war), hatten die Versuchsteilnehmer dies nicht bemerkt und den Text kaum schlechter behalten als In der Originalversion. Zum Erinnern von Bildern hatten wir 1n einem anderen Laborexperiment (vgl. Hoffmann, 1985) mit 48 Studentinnen Identisches Bildmaterial aus einer Magazinsendung über die Hungerkatastrophe in Äthiopien sachlich vs. emotional
bzw. bildfern vs. bildnah betextet. Es zeigte sich,
daß auch bei Berücksichtigung einer Kovarlate "Interesse für das Thema" die
178 B1 Iderinnerungen (1m Film gezeigte sowie nicht 1m Film gezeigte Standbilder) bei blldnaher Betextung am höchsten sind; jedoch wurden auch hier nur knapp 40 Bilder (von Insgesamt 50 abgefragten) richtig Identifiziert; bei blldferner Betextung waren es etwa 36 richtige Identifizierungen, über diese Einzelbefunde hinaus 1st hier 1n jüngster Zelt auch die theoretische Aufarbeitung (vgl. etwa Levin, 1982; Strittmatter & Seel, 1984; die Übersicht bei Ballstaedt, Molltor & Mandl, 1.Dr.) 1n Bewegung geraten. c) Behalten.
Zu diesem
Punkt haben
wir wohl
die beste
Datenlage
und
zugleich die schlechtesten Ergebnisse. In einer Studie von Findahl & Höijer (1975) konnten über die Hälfte der Zuschauer unmittelbar nach der Präsentation einer Nachrichtensendung weniger als die Hälfte der Items zum Nachrichteninhalt beantworten; nur etwa 5% der Zuschauer erinnerten 90% des Gesehenen. Bei Wember (1976) hatten immerhin 20X der Zuschauer die entscheidenden Informationen richtig behalten. In einer Telefonbefragung 1n Israel (Katz et al., 1977) erinnerten schon eine Stunde nach einer Nachrichtensendung selbst bei Hilfestellungen durch den Interviewer die Befragten selten mehr als zwei bis drei - also 15 bis 20* - der insgesamt 15 Meldungen. Bei einer ähnlichen Untersuchung 1n Deutschland (vgl. Berry, Gunter & Clifford, 1980) waren es gar nur 6X. Renckstorf (1980) findet in seiner sehr gründlichen Studie über alle Nachrichtenformen und -themen mittlere Erinnerungsraten von ca. 50X. In einer Feldstudie Instruierten Stauffer,
Frost & Rybolt (1983) 170 zufällig
ausgewählte Versuchspersonen per Telefon, daß sie sich am Abend die von Ihnen bevorzugten Nachrichtensendungen danach von den Untersuchern
aufmerksam ansehen sollten, well
sie
kurz
angerufen würden. Weitere 423 Befragte wurden
ohne Vorwarnung angerufen. Bei den Behaltensleistungen zeigte sich zwar eine Überlegenheit der vorgewarnten Gruppe, 1n absoluten Zahlen waren es aber auch hier 1m Mittel nur drei von (1m Mittel) 13,3 Nachrichten. In der nicht instruierten Gruppe waren es nur 1,9 Items; die Zuschauer behielten also nur etwa 15X bis 20X. Wir selbst gingen noch einen Schritt welter und präsentierten 30 studentischen Versuchspersonen einen Nachrichtentext als (anzusehende) TV-Zeitungsmeldung. Die Teilnehmer wurden vorher
Instruiert, daß
Ihnen an-
schließend ein Behaltenstext (ein Text-Lückentext, bei dem Namen, Schauplätze etc. einzusetzen wären) vorgelegt würde. Selbst unter diesen hinsichtlich der Lernmöglichkeit kaum noch zu überbietenden Bedingung erzielten die Versuchspersonen 1n der TV- und der Textbedingung nur Erinnerungswerte von ca. 40X, 1n der Rad1o-Bed1ngung waren es sogar nur ca. 30X. In der schon genannten Studie, bei der wir Labor- mit simulierten Echt-Bed1ngungen bei der Nachrichtenrezeption verglichen,
waren
die
Ν =
24
studentischen
Versuchspersonen
ebenfalls darüber Informiert, daß Ihnen anschließend ein Behaltenstext vorge-
179 legt würde. Auch hier fanden sich nur Erinnerungsleistungen (Mult1ple-Cho1ceFragen und Lückentext) von ca. 60X (Laborbedingung) und ca. 35X (simulierte Echt-Bed1ngung; vgl. zu beiden Untersuchungen Wlnterhoff-Spurk, 1983). Einmal trotz unterschiedlicher Methoden, Versuchspersonen und Erhebungsverfahren zusammengefaßt,
erbringen
selbst
überdurchschnittlich
formal
gebildete
Zu-
schauer (hier: Studenten) unter optimalen Lernbedingungen (hier: Labor) und unter Vorgabe einer Lern1nstrukt1on 60X; für den TV-Normalverbraucher
im Mittel nur Erinnerungsleistungen von 1n der normalen Rezept1onss1tuat1on
er-
scheinen mir die genannten Werte von sechs bis 20% realistischer. Dies entspricht 1m übrigen auch US-amerikanischen Befunden: sichtsartikel
1m "Annual
Review of Psychology"
In
Ihrem
1981er Über-
schreiben Roberts & Bachen
(1981, S. 320), daß nahezu alle Untersuchungen zur "television-knowledge relationship" ohne positive Ergebnisse blieben."...
die Hoffnung, durch Be-
mühungen 1n den Massenmedien die Informiertheit der Öffentlichkeit zu verbessern, wäre naiv", stellte dazu Robinson (1967, S. 24) schon 1967 zusammenfassend fest, und Gunter (1987) betitelt seine zwanzig Jahre später erscheinende Übersicht lapidar "Poor Reception". d) Danachrichten. Ob Rez1p1enten Ihr gegenwärtiges oder zukünftiges Verhalten als Folge der Nachr1chtenrezept1on verändern, 1st 1m Vergleich zu den Behaltenslelstungen weniger intensiv untersucht worden. In der schon erwähnten Studie von Stauffer et al. (1983) geben die Zuschauer an, daß die Nachrichten kaum etwas mit ihrem persönlichen Leben zu tun hätten und Insofern Irrelevant sind. Wir selbst (Christmann, 1985) versuchten einmal, mit Hilfe der Methode des Lauten Denkens zu erkunden, welche Kognitionen durch Fernsehnachrichten beim Rez1p1enten aktiviert werden. In einer Laboruntersuchung zeigten wir 20 studentischen Versuchspersonen die aufgezeichnete Tagesschau-Sendung vom Vorabend und forderten sie auf, alles laut zu äußern, was Ihnen beim Betrachten durch den Kopf ging. Die so gewonnenen 222 Äußerungen klassifizierten wir mit einem dafür entwickelten Inhaltsanalytischen Verfahren, von dem ich hier nur die drei weitesten Kategorien "Verstehen", "Bewerten" und "Befolgen" erwähne. Es zeigte sich, daß die Versuchspersonen vor allem (etwa 50X) Äußerungen des Bewertens (hauptsächlich Mlßfallensäußerungen wie "Der soll doch endlich zurücktreten" oder "Immer das gleiche Geschwafel") und (etwa 40X) Verstehens (und zwar Fragen wie
"Was soll
das heißen?" oder Feststellungen wie
schneit's") manifestierte, während Äußerungen zum Befolgen persönliche Konsequenzen wie
"Da
(allgemeine und
"Der sägt an seinem eigenen Stuhl" oder "Die
würde Ich gern mal sehen die Ausstellung") nur mit etwa 10X vertreten waren. Darüber hinaus aber gibt es eine ganze Reihe von Befunden aus anderen Forschungsfeldern - ich nenne nur Stichworte wie "video malaise" (vgl. Robinson,
180
1976), "symbolic Impact hypothesis" (vgl. Tyler & Cook, 1984) - die zeigen, daß Rez1p1enten generell
nur sehr wenige Informationen aus den Medien zur
Veränderung Ihres persönlichen Verhaltens nutzen. "The impact of the media is strongest at the abstract level and weakest at the personal level", resümiert Tyler (1984, S. 32) die Lage. Ich fasse zusammen: Die Forschungslage zum Rezipieren, Verstehen, Behalten und Befolgen von Fernsehnachrichten zeigt auch heute noch übereinstimmend und unmißverständllch, daß die eingangs angeführten Funktionen von Nachrichten nicht erfüllt werden. Nicht alle TV-Zuschauer sehen sich Nachrichten an, wenn sie es aber tun, dann schauen sie nicht kontinuierlich zum Gerät; zudem werden sie durch zahlreiche weitere Umgebungsinformationen beeinflußt. Insbesondere durch wenig zuschauerfreundliche Betextung verstehen sie einen Teil der Nachrichten nicht, was sie verstehen, merken sie sich nicht ausreichend. Haben sie sich schließlich etwas - und zwar maximal 20% - gemerkt, so richten sie ihr eigenes Verhalten nicht danach aus.
Nachrichten als "spot-l1ghts": Das Gute, dieser Satz steht fest, 1st stets das Böse, das nan lfißt. Angesichts einer solchen Theorle-Empirie-Schere
könnte man sich fragen,
warum Rundfunkhäuser überhaupt noch Nachrichten senden. Die eingangs referierten Ziele und Ihre juristische Festschreibung lassen aber wohl keinen anderen Weg als die Suche nach Verbesserungsmöglichkelten.
Für die Richtung
wies Wember (1976, S. 66) den Weg: "Nicht die Zuschauer sind zu dumm, sondern die Informat1onsf1lme sind so gemacht, daß die Zuschauer wenig Chancen haben, die Informationen richtig mitzubekommen." Dies dachten auch andere, und insofern haben wir mittlerweile eine umfangreiche U s t e von Gestaltungsmerkmalen, die die Nachr1chtenrezept1on erleichtern sollen. Danach sind (vgl. Findahl & Holjer
1977)
Sprechtempo,
u.a.
häufige
Fremdwörter
Schnitte und
und
zu
Elnstellungswechsel,
hohes Sprachschichtniveau,
zu schnelles unpersönlicher
Stil der Texte, Präsentation einer Nachricht 1n der Mitte der Sendung und wohl
auch deutliche Text-B1ld-D1skrepanzen
bezüglich der
Behaltensleistung
hinderlich, während Illustrationen von Ursachen und Folgen eines Ereignisses ("cause-and-effect-p1ctures"),
Schrifteinblendungen
("supers"
und
"key-
words"), einfache Diagramme, kurze Pausen zwischen den Meldungen, Wiederholungen von Ursachen und Konsequenzen der Ereignisse die Erinnerungen befördern. Damit könnte man sich begnügen und nach einer entsprechenden Umgestaltung der gängigen Nachrichtenpräsentation
zum o.a. ersten Modell von Nach-
181
rlchtenübermittlung
als
pädagogischer
Kommunikationssituation
zurückkehren.
Diese Lösung erscheint mir die Lösung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu sein. Gehen wir einen Schritt welter: "How
important 1s presentation?" hatten
Findahl und Hoijer (1977) 1n einem Übersichtsartikel zu den Gestaltungsmerkmalen von Fernsehnachrichten gefragt. Karsten Renckstorf gibt 1980 die Antwort: Magere 5X der Behaltenslelstung unter Laborbedingungen gehen auf Gestaltungsmerkmale zurück. In
dieser Untersuchung
wird auch
einem zweiten
Verdacht
nachgegangen:
Liegt's möglicherweise am Rezlpienten oder zumindest an einzelnen Rez1p1entenmerkmalen? Genannt wird hier (vgl. Bürkle, 1986; Renckstorf, 1980; Salomon, 1979, 1984), daß etwa Zuschauer mit hoher formaler Bildung, jüngere Zuschauer, Männer mehr behalten als ältere Zuschauer, weibliche Zuschauer und solche mit geringer formaler Bildung. Salomon (1984) ergänzt diese Aufzählung durch die Konstrukte "perceived demand characteristics"
(Erfolg beim Lernen
mit Fernsehen wird dem Medium zugeschrieben, beim Text dem Lerner), "perceived self efficacy" (Kinder nehmen an, mit Fernsehen erfolgreicher zu lernen) und "amount of mental effort" (Lernen mit Fernsehen verlangt keine größere Anstrengung; vgl. die Übersicht bei Weidenmann, 1986). Als zentrale Variable dieses, als
"Trait-Treatment-Interaction
(TTI)"
bezeichneten Ansatzes wird
oft aber die Motivation und das Interesse des Rezlpienten angesehen. Um auch hier einige Zahlen zu nennen: Bei Renckstorf (1980) geht ein Viertel der Behaltenslelstung auf diese Variable zurück; Findahl und Höijer (1985) finden Erinnerungsleistungen von 66* bis über 80* bei psychologisch relevanten Nachrichtenitems. Dies erscheint somit als ein vielversprechender Ansatz, Jedoch 1st das mit den Zuschauerinteressen so eine Sache: In einer Studie von Dehrn (1984; vgl. auch Bosshart, 1976) wurde von den Befragten angegeben, daß sie überwiegend zur Unterhaltung fernsehen würden. Lediglich die formal höher Gebildeten trennen - zumindest 1n Ihren Fragebogenantworten - deutlich nach Unterhaltungs- und Informationssendungen;
dies findet sich übrigens auch 1n
amerikanischen Untersuchungen (vgl. Drew & Reeves, 1981) unter dem Stichwort "Fenster-zur-Welt". Dazu noch eine Fußnote aus unserer Forschung: Wir gaben 80 Versuchspersonen 1n vier Gruppen je ein Foto von Dagmar Berghoff, Ulrike von Möllendorff, Karl-Heinz Köpcke und Claus Selbel zur Beurteilung auf 22 Eigenschaftspaaren und 13 weiteren Fragen zur Person vor. Darüber hinaus haben wir auch Selbsteinschätzungen von Frau von Möllendorff sowie den Herren Köpcke und Selbel zu eben diesen Fragen erhalten. Es zeigte sich, daß die Sprecher
1n der
schiedliche
Selbsteinschätzung
Persönlichkelten
ausgeprägte
sind, daß
und
die befragten
teilweise
sehr unter-
Versuchspersonen
die
182
Sprecher zwar allesamt positiv beurteilen, sie aber zugleich oft weniger positiv sehen als diese sich selber, und daß sich grob zwei Typen (solide, seriös, zuverlässig vs. vital. Impulsiv, karrierebewußt) gruppieren lassen. Im gegenwärtigen Kontext besonders Interessant ist aber, daß die Versuchspersonen keinerlei Mühe hatten, auch die sehr weitreichenden Fragen nach der Automarke, den Rauchgewohnheiten, dem Hobby, den Haustieren, den Zeltschriften, den Urlaubsgebieten, den Getränken, ja sogar nach der Religion zu beantworten. Ergänzt man diese Befunde etwa um Ergebnisse aus amerikanischen Studien zur Wirkung von Nachrichtenmoderatoren (vgl. etwa Levy, 1979), so zeigt sich, daß Zuschauer sich oft sehr weltgehende Urteile Uber TV-Sprecher bilden, die parasozialen Bindungen schon sehr nahe kommen und sicher auch zur Unterhaltungsfunktion von Nachrichten beitragen. "Network news may be fascinating. It may be highly entertaining. But it is simply not Informative", stellen Patterson & McClure (1976, S. 54) dazu fest. Eine Orientierung an den Wünschen einer großen Zahl von Zuschauern nach Unterhaltung und/oder parasozialer Interaktion scheint mir - nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen - der Weg der amerikanischen Networks (und neuerdings wohl auch der privaten Anbieter bei
uns) mit
Ihrem Konzept von der
"News-Show" zu sein. Nun noch ein letzter Schritt: Wir sahen, daß das Modell von Nachrichtenübermittlung als pädagogischer Kommun1kat1onss1tuat1on allein durch die Optimierung des
Lernmaterials
nicht
zu
retten
war,
und
faßten
als
nächsten
Schritt den Lerner ins Auge. Das führte zur Entdeckung der Lerner-Mot1vat1on, hinter der sich - zumindest bei einem großen Teil der Zuschauer - der Wunsch nach Unterhaltung verbarg.
Unterhaltung 1st aber 1n aller Regel
nicht das
Ziel einer pädagogischen Kommun1kat1onss1tuat1on. Was also tun? Eine Möglichkeit besteht darin - wie es beispielsweise Weidenmann (1.Dr.) anregt - den Zuschauer zu mehr Ernsthaftigkeit beim Fernsehen zu erziehen. Ich möchte 1n die andere Richtung spekulieren: Sollte möglicherweise nicht das Material und nicht der Lerner, sondern unser Modell von Nachrichtenübermittlung unzutreffend sein? Ich wage aus folgenden Gründen ein "Ja": Zum einen 1st nach der oben skizzierten, gängigen Definition von Kommunikation die Nachrichtenübermittlung keine Komriun1kat1onssituat1on. Ihr fehlen die wesentlichen Merkmale der Reziprozität und Interaktivität, der gleichen S1tuat1onsdef1n1t1on, der Abstimmung Sprecher- und hörerseltlger Verhaltenspläne, ja oft sogar des hinreichend ähnlichen Zeichenrepertoires. Richtiger wäre, hier von Informationstransfer oder -distribution zu sprechen. Zum zweiten zeigt sich, daß zumindest ein großer Teil der Zuschauer gar nicht die Absicht hat, aus den Nachrichten oder anderen TV-Sendungen sonderlich viel zu lernen (vgl. "Low-In-
183 volvement-Model" von Hawkins & Pingree, 1982). Es erscheint mir auch zumindest bei Erwachsenen problematisch, dies durch Bildungsmaßnahmen zur Medienkompetenz verändern zu wollen. Daraus ergeben sich aber Konsequenzen: Das der Nachrichtenübermittlung unterliegende Modell
der pädagogischen
Kommunikati-
onssituation bzw. des Nachr1chtenf11ms als Lehrfilm des Alltags wäre ,ζυ ersetzen durch ein anderes Modell, das die wie oben skizzierte Realität der Nachrichtenübermittlung
getreuer
abbildet
und
Insofern
-
1m
Sinne
eines
falschen Bewußtselns - weniger Ideologisch 1st. Abschließend will sich
möglicherweise
Ich mit aller Vorsicht die Richtung skizzieren, 1n der Alternativen
für
Nachrichtenforschung
und -gestaltung
finden ließen: In der Werbepsychologie. Ich greife die zu Beginn gestellte Frage wieder auf: Was will Werbung? "Awareness, Interest, Desire, Action" beantworten die sog. AIDA-Regel
und einige
nachfolgende Modelle diese Frage
(vgl. Mayer, Däumer & Rühle, 1982). Auf das Produkt "Nachricht" übertragen, würde dies bedeuten: Nachrichten müssen so gestaltet sein, daß sie die Aufmerksamkeit des Rezlpienten erregen,
sie müssen sein Interesse wecken, den
Wunsch, seinen Informationsstand zu verbessern, und zu entsprechender Aktion führen. Sie hätten dann eher die Funktion des ersten "spot-lighting"
(vgl.
Roberts & Bachen, 1981) als der (u.a. den Pr1nt-Med1en vorbehaltenen) nachhaltigen, zeigt in
umfassenden
und
Ihrer Untersuchung
gründlichen
Information.
zum Kabelfernsehen
Noelle-Neumann
(1985)
im übrigen, daß viele Zu-
schauer diese Art des Medien-Mix bereits jetzt praktizieren. Mit diesem Konzept ließen sich wohl auch das, was der Rez1p1ent soll ("Informiert werden"), und das, was er will ("unterhalten werden") vermitteln; zwischen Verlautbarungsjournalismus und "News-Show" eröffnete sich auch praktisch ein dritter Weg. Ohne den Praktikern ins Geschäft reden zu können, will ich dazu einige unsystematische Gesichtspunkte zusammentragen: (a) Zum ersten müßte wohl die Auswahl von Nachrichten noch stärker als bisher nach dem Kriterium der mittelbaren und unmittelbaren Relevanz des Ereignisses für den Einzelnen erfolgen. Hier erscheinen mir Nachrichten über beispielsweise Gesundheitsfragen, neue Produkte und Erfindungen aus Wirtschaft, Technik und Wissenschaft, kulturelle und sportliche Ereignisse häufig wichtiger als ein Tornado 1n Texas oder ein Gerichtsverfahren gegen Iwan Herstatt. Vorhandene Ansätze zu z1elgruppenbezogenen, ergänzenden Nachrichtensendungen - etwa Nachrichten für Arbeitnehmer, Senioren, Kinder und Jugendliche, Frauen - könnten 1n den Dritten Programmen erprobt werden, (b) Zum zweiten würden sich auch neue Gestaltungsformen anbieten, die den Wunsch des Rezlpienten nach Unterhaltung stärker als bisher bedienen Wörden. Nach Ihnen ließe sich 1n Filmen, 1n der Werbung, 1n V1deo-Cl1ps, aber auch 1n der Sesam-Straße suchen, wie Katz (1977) es schon
184 vor 10 Jahren vorgeschlagen hat. Auch was Moderation und Kommentar angeht, würden sich unterhaltende und (Im Sinne des "spot-lighting")
informierende
Variationen denken lassen. Warum sollen nicht auch einmal Thomas Gottschalk oder Elke Heidenreich eine Sendung moderieren bzw. der Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft oder der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Nachricht kommentieren können?
(c) Schließlich die Forschung:
Hier wäre es an der Zelt, Abschied von den Behaltensleistungen als wichtigstem Erfolgskriterium für optimale Nachrichtenpräsentationen zu nehmen. Nach einem eher werbepsychologisch ausgerichteten Verständnis von Nachrichten wären entsprechende Copy-Tests zu konstruieren, mit denen zu untersuchen wäre, ob Aufmerksamkeit, Interesse, Motivation und Aktion des Rezipienten erreicht wurden. Zusammenfassend sei der Hinweis erlaubt, daß dies alles so neu auch wieder nicht 1st: Schon 1695 erschien von Kaspar Stieler ein Buch mit dem hier ausgesprochen passenden Titel "Zeitungs Lust und Nutz", in dem es zu den Funktionen des damals prominentesten Nachrichten-Mediums heißt: "Das meiste jedoch 1st, daß ich die Welt und
ihren Zustand daraus erforsche, die viele
Rathschläge, deren Fort- und Ausgang zur Wissenschaft bringe und dadurch im Reden und Urteilen klüger und geschickter werde... Wann auch schon dieses alles nicht wäre; so wäre doch dieser einzige Nutzen übergroß, daß mit den Zeitungen die
lange
Zelt
vertrieben oder
doch
versüsset
wird..."
(Stieler,
1969).
Abstract According to common conceptions, the functions of TV-news are to inform viewers and to enable them to modify their behavior 1f necessary. This conception defines news-production and -reception as a pedagogical communcation. TV-news are seen as "everyday educational films". Compared with this, the recent research-situation shows, that these functions are not satisfactory served: Not all viewers really watch TV-news, if they do 1t, they don't look continuously and undisturbed to the screen. Especially because of inadequate texts, thex don't understand and bear in mind a lot. If they remember something, they don't modify their subsequent behavior. As an alternative model to this unsatisfying situation possibly could serve an orientation along the ideas of the psychology of advertising: News should stimulate the viewers' attention, cause their interest and desire to gain further Information and lead to corresponding behavior. Thereby, news gain the function of a first "spotlighting", which may be followed by more extensive information with the help of other (e.g. print-) media.
185
12
INTEGRATIVE VERARBEITUNG BEI AUDIOVISUELLEN MEDIEN Steffen-Peter Ballstaedt Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen
Integration oder Selektion? Seit die audiovisuelle tenfilm
Präsentation als Lehr-, Dokumentär- oder Nachrich-
in der Wissensvermittlung
umstritten - und zwar forschung.
Bis
auf
eine Rolle spielt,
in der Medienpädagogik wie
den
heutigen
Tag
findet
ist
ihre
Einschätzung
in der empirischen Medien-
man
zwei
Argumentationsmuster
(Ballstaedt, 1977a): (1) Die AV-Präsentation von Informationen wird als eine Erweiterung der Kommunikations-
und
Lernmöglichkeiten
angesehen.
Die
gleichzeitige
Darbietung
von Sprache und Bild soll etwas qualitativ Neues hervorbringen, für das man wohlklingende Ausdrücke ler
Sekundärerfahrung,
geprägt hat: Tonbildsprache, integrative
audiovisuelle
19S3). Der optimistische Grundgedanke: Hören) bzw.
Zeichensysteme
Superstruktur
S-R-Theorie
(Sehen
im Gedächtnis verankert. Man hat
ausgedrückt:
Die
voraus, dap AV-Präsentation einen LernvorteH
und
an einem Lernprozeß beteiligt
plausible Idee in den Anfängen der Medienforschung 1iberalisierten
(Heimann,
Je mehr Sinnesmodalitäten
(Bild und Sprache)
sind, desto besser sind die Inhalte
Novum s inni ich-rationa-
diese
in der Terminologie einer
sog.
Summierunqstheorie
sagt
mit sich bringt, da das Lernen
auf mehr Hinweisreize (cues) aufbauen kann (Hartmann, 1961; Severin, 1967). (2)
Die
Gegenposition
sieht
in
schränkung des Lernens aufgrund
der
audiovisuellen
Präsentation
kognitiver Überforderung.
Grundgedanke: Eine große Informationsdichte
Informationsquel-
len und zwingen den Rezlpienten gerade zu einer oberflächlichen, hat bereits
Ein-
und die Vorgabe des Aufnahmetem-
pos bei AV-Präsentat1on verhindern eine Integration beider haften Verarbeitung;
eine
Der pessimistische
bruchstück-
ihm vergehen sozusagen Hören und Sehen. Auch diese Idee
in den Anfängen der Medienforschung Ihre theoretische
Vorformu-
lierung gefunden. Diesmal greift man auf das "Filtermodell" der Informationsverarbeitung von Broadbent bzw. Treisman
zurück.
Beide gehen von einer
be-
186
grenzten zentralen Verarbeitungskapazität aus, d.h. der Rezipient kann seine Aufmerksamkeit stets nur einer Informationsquelle vollständig zuwenden. Diese Se1ekt1onstheori e bedeutet für die AV-Kognit1on, daß entweder nur eine Sinnesmodalität berücksichtigt wird, oder daß fortwährend zwischen beiden Modalitäten hin- und
hergeschaltet werden
für eine audiovisuelle
muß
(switching).
Die
Integration sind also nicht gerade
Voraussetzungen
günstig
(Travers,
gegenüber
gestellt,
1970). Ich habe beide Positionen mehr aus
rhetorischen Gründen
obwohl sie nicht unbedingt ein Entweder-Oder darstellen müssen: So könnte bei großer Informationsdichte
1n beiden Modalitäten die Selektionstheorie zutref-
fen, bei geringer Informationsdichte
die Summierungstheorie. Doch die beiden
konträren Möglichkeiten - Integration versus Selektion - beherrschen die Diskussion um den Nutzen der AV-Med1en für den Wissenserwerb bis heute. Noch Immer werden Untersuchungen zu dieser Kontroverse durchgeführt.
Präsentat1onsformen Im Vergleich: Eine Sackgasse? Als einfachste Möglichkeit, Vor-
und Nachteile
der AV-Präsentation
Wissensvermittlung nachzuweisen, erscheint ein Vergleich von
bei
der
Lern- bzw.
Be-
haltensleistungen bei AV-Präsentation gegenüber anderen Formen der Darbietung wie z.B. Lesetext, Hörtext, unbetexteter Film. Da man aber kaum davon ausgehen kann, daß die Informationsquellen Text und B1ld inhaltlich völlig äquivalent sind, wird
die Fragestellung
meist auf
das Behalten
von
Textinhalten
ohne und mit zusätzlicher Bebilderung reduziert. Der Text ist das Leitmedium, die Bilder können
sein Behalten
fördern oder
behindern.
Diese
Frage
wurde
z.B. bei der Bewertung von Fernsehnachrichten gegenüber Nachrichten im Radio oder in der Zeitung
aufgeworfen.
bei den Fernsehnachrichten
Dieses Beispiel
möchte
ich aufgreifen,
die Probleme der audiovisuellen Kognition
da
in be-
sonderer Deutlichkeit zutage treten. Eine Reihe von Erhebungen hat teilweise drastische
Abweichungen
von
den
üblichen
Wahrnehmungsbedingungen
festge-
stellt. Wir rufen Bekanntes kurz zurück (Ballstaedt, 1977b): Im sprachlichen länge,
zahlreiche
Bereich findet man eine größere Satzkomplexität Fremd- und Fachwörter,
keit und einen Mangel
eine schnellere
und Satz-
Sprechgeschwindig-
an prosodischen Sprechmerkmalen. Im visuellen Bereich
sind die Einstellungen für eine Auswertung durch Blickbewegungen zu kurz und bieten
durch
sprachlichen
Wechsel
und
und bildlichen
Kamerabewegungen Inhalte sind
optische
oft nicht
Ablenkungsreize.
aufeinander
Die
abgestimmt,
die Text-Bild-Schere gilt als die größte Sünde der Nachrichtenmacher.
187 Ohne Zweifel hat sich in den letzten Jahren in der Präsentation vieles gebessert, aber eine große Informationsdichte wird weiter durch die kurze Sendezeit gegenüber der Menge der anfallenden Meldungen und durch bestimmte redaktionelle Arbeitsbedingungen begünstigt. Dazu kommt die medienspezifisch restriktive Rezeptionssituation, die das Aufnahmetempo vorgibt und keine Strategien der Verständnissicherung wie Wiederholung, Rückfrage usw. zuläßt. Unter Berücksichtigung dieser Abweichungen von der alltäglichen
Informations-
aufnahme wird die Frage verständlich, ob denn die AV-Präsentation von Nachrichten gegenüber dem Radio oder der Zeitung einen Vorteil habe. Dazu werden immer wieder Experimente durchgeführt, die verschiedene Formen der Präsentation miteinander
vergleichen
(vgl. die Übersichtsreferate
von Huth,
1979;
Gunter, Berry & Clifford, 1982). Oberblickt man diese Bemühungen, so steht man vor einem Flickenteppich von Befunden: Die AV-Präsentation schneidet beim Lernerfolg einmal schlechter, einmal besser ab als andere Formen der Präsentation, oft finden sich keine signifikanten Unterschiede. Nun vermag dies einen abgebrühten Experimental Psychologen nicht zuverwirren, der derartige Befundlagen gewohnt 1st und sie im allgemeinen durch die Einführung
neuer
Variablen
und
MeBverfahren
zu
entwirren
versucht.
Denn
selbstverständlich 1st die Präsentationsform als Untersuchungseinheit viel zu grob und kann in zahlreiche linguistische, visuelle und strukturelle Merkmale aufgegliedert werden, die beim Verstehen eine Rolle spielen. Eine unendliche Analyse von Varlablenzusammenhängen kann beginnen. Bei diesem Vorgehen gerät jedoch die grundwisenschaftl1che Frage nach der mentalen Integration von verbalen und visuellen Informationen aus dem Blick. Alle Untersuchungen, die mir bisher auf den Schreibtisch gekommen sind, bewegen sich im Rahmen einer theorielosen, anwendungsorientierten Experlmentalpsychologie. Ein aktuelles Beispiel bieten Boemak & Ohler (1986) mit Ihrer Arbelt "Zum Einfluß des Bildes auf die Rekogn1t1on verbal sprach11eher Nachrichtentexte" (was sind "verbalsprachliche Texte"?). Sie vergleichen drei Präsentationsformen (verlesener Text, Text mit Standbild, Text mit BewegtbUdern) und finden keinen signifikanten Effekt der visual1s1erten Versionen auf das Behalten des Textes. Die Untersuchung 1st zwar methodisch sorgfältig durchgeführt, bleibt aber theoretisch weit hinter dem gegenwärtigen Stand der Kognltionspsycholog1e zur Verarbeitung von Texten und Bildern zurück. Zwar werden einschlägige Werke angeführt,
aber kogn1tionspsycholog1sche
Erkenntnisse gehen nicht
1n
die Konzeption des Experiments ein. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, daß 1n anderen die Medien betreffenden Forschungsbereichen
spätestens seit
Salomon (1979) die kognitive Perspektive Beachtung gefunden hat.
188
In der kognitiven Wende So sehe ich den Hauptgrund für die Stagnation oder die mangelnde Wissenskumulation
in der Nachrichtenforschung
Grundlagenforschung.
Ich weiß,
in ihrem fehlenden Bezug zur
daß
ich mit
dieser
Behauptung
kognitiven
ein probates
Schema anwende. Seit Jahren ziehen Kognitionspsychologen durch die Lande und preisen ihren Ansatz
und
ihre Erkenntnisse
als
grundlegend
für
zahlreiche
wissenschaftliche Probleme an. Dies wirkt zugegeben etwas missionarisch, aber sie halten damit einen
strategisch wichtigen Platz besetzt: Alles
Erleben,
Denken, Handeln muß durch den Kopf, nichts geht ohne kognitive Prozesse! So muß jede psychologische Fragestellung früher oder später auf diese Analyseebene herunter. Die kognitive Grundlagenforschung hat die Probleme der audiovisuellen Kognition noch nicht zweifelsfrei beantwortet, aber doch wesentlich zu ihrer Präzisierung beigetragen. Darüber möchte Ich nun berichten. Unser Alltagsbewußtseln wirkt phänomenologisch stets integriert und ganzheitlich, wir nehmen keine unzusammenhängenden Daten aus verschiedenen Sinnesmodalitäten oder Zeichensystemen wahr. Diese Einheit des Bewußtseins erscheint uns zwar trivial, stellt uns aber kognitionspsychologisch und neurophysiologies vor schwierige Fragen (Kohler, 1966; Wall & Pick, 1981): (1) Wo in der Verarbeitungshierarchie findet die Interaktion bzw. Integration verschiedener Informationsquellen statt? (2) Wie und wo wird sie neurophysiologisch bewerkstelligt? (3) Gibt es eine die Sinne übergreifende modalItätsunspezifische Verarbel tung? Diese Fragen werden innerhalb der Psychologie der
Informationsverarbeitung
mit einem schlichten Paradigma erforscht, das jedoch für unser Problem der audiovisuellen
Kognition sehr
günstig
ist:
Man untersucht
die Verarbeitung
von einfachen verbalen und visuellen Vorgaben, Worten bzw. Sätzen und Bildern, unter verschiedenen experimentellen Bedingungen
(Engelkamp und Zimmer
stellen in Ihrem Beitrag einige dieser Experimente vor). Auch dieser Forschungsbereich ist alles andere als übersichtlich, ist
in diesem
Rahmen
unmöglich,
phistizierten Untersuchungen
alle
theoretischen
darzustellen
Verästelungen
(dazu Wippich,
1984).
Für
und es und
so-
unsere
Zwecke kann man das Dickicht jedoch etwas durchschaubarer machen, wenn die verschiedenen 1987).
Kontroversen
auf drei
Grundmodelle
reduziert
werden
(Farah,
189 Abbildung 1: Grundmodelle der Verarbeitung sprachlicher (S) und bildlicher (B) Informationen (nach Farah, 1987). I
II
III
zentrale Prozesse und Repräsentationen
periphere Prozesse und Repräsentationen
In allen Modellen werden jeweils drei Verarbeitungsebenen angenommen. Alle drei stimmen darin überein, daß auf der ersten Verarbeitungsebene (dazu gehören jedoch nicht nur die Aufnahmeorgane, sondern auch bereits Geh1rnte1le) getrennte
Prozesse
1n verschiedenen
Systemen
ablaufen.
Dann
unterscheiden
sich die Modelle jedoch. In Model 1 I werden die bildlichen und sprachlichen Informationen auch weiterhin in eigenen Systemen verarbeitet. Dieses Modell entspricht der dualen Kodierungstheorie von Paivlo (1971), in der ein imagínales und ein verbales System unterschieden wird. Erst auf der Stufe der sog. referentiellen Verarbeitung treten die beiden Systeme in Interaktion: Sprache kann Vorstellungen auslösen, und Bilder können verbalisiert werden. Nach A. Pa1v1o werden dabei Bilder leichter verbalislert als umgekehrt Worte Vorstellungen hervorrufen. Verbale Abstrakte lassen sich Uberhaupt nicht 1ns Visuelle übersetzen. Werden beide Verarbeitungssysteme genutzt, ist der Lerneffekt jedoch größer. Damit hat das Modell der doppelten Kodierung eine Affinität zur Summlerungstheorie der audiovisuellen Kognition. In Modell III hingegen mündet die periphere Verarbeitung zentral 1n ein gemeinsames, modalitätsunspeziflsches
System jenseits
von Sprache
und Bild,
dessen Repräsentationsform man sich als propos1t1onales Netzwerk aus Konzepten und Relationen zwischen Ihnen vorstellt. Bild und Sprache sind nur zwei verschiedene Zugänge zu einem einheitlichen Repräsentationssystem. Dieser Ansatz erfreut sich vor allem bei Psychologen aus dem Umkreis der KI-Forschung großer Beliebtheit, die das Gehirn als eine welche Ausführung eines Digitalcomputers sehen wollen. Am radikalsten wird er von Pylyshyn (1981) vorgetra-
190
gen. Im deutschen Sprachraum hat sich z.B. Bock (1983) diese Sicht zu eigen gemacht. Bei der amodalen Verarbeitung werden alle Informationen unabhängig von ihrem Ursprung
in ein propositionales Format überführt und sind damit
prinzipiell miteinander verknüpfbar bzw. Integrierbar. Denkbar ist jedoch ein Kapazitätsproblem beim Eingang in das amodale Repräsentationssystem, so daß nicht alle aus den Sinnesmodalitäten kommenden Informationen propositional1siert werden können. Damit hat dieses Modell eine Affinität zur Selektionstheorle der audiovisuellen Kognition. Das Modell II schließlich bietet einen Kompromlß zwischen der dualen und der monistischen Sicht der zentralen Verarbeitung: Es gibt sowohl eine Ebene der modal1tätsspez1fIschen Verarbeitung, als auch darüber eine Ebene der amodalen Verarbeitung 1n einem propositionalen Repräsentationssystem. Hier wird sozusagen im zweiten Stockwerk A. Paivlo und im dritten Z.W. Pylyshyn zufrledengestellt. Ich halte dieses Modell für zutreffend. Bevor es Im Hinblick auf die audiovisuelle Integration näher betrachtet wird, möchte ich die Gründe für meine Entscheidung wenigstens kursorisch andeuten: Zunächst gibt es zahlreiche experimentelle Befunde mit unterschiedlichen Materialien und Methoden, die mit einem Modell dieser Grundstruktur 1n Übereinstimmung gebracht werden können (Snodgrass, 1984). Allerdings muß man zugeben, daß etliche dieser Befunde auch 1m Lichte eines anderen Modells Interpretlerbar sind. Ich bin nun der Auffassung, daß aufgrund von kognitlonspsychologlschen Ergebnissen alleine keine Entscheidung über die funktionale Architektur des mentalen Systems getroffen werden kann. Das ist aber möglich, wenn man zusätzlich evolutionsbiologische,
entwicklungspsychologische
sowie
neurophyslologische Erkenntnisse heranzieht - was meist völlig unterbleibt. In diesem Fall spricht vieles für das Modell II, den Kompromlß zwischen den Extremen.
Verarbeitung von Text und B1ld: Ein Modell Ausgearbeitete Modelle mit dieser Grundstruktur liegen 1n einigen Varlanten vor (Wippich, 1981; Zimmer, 1983; Snodgrass, 1984; Kolers & Brlson, 1984). Ich möchte meinen weiteren Ausführungen das Modell von Joan Snodgrass zugrundelegen. Die Abbildung 2 zeigt ihr eigenes Diagramm, obwohl Ich mit einigen theoretischen Festlegungen, die die Beschriftungen Implizieren, nicht einverstanden bin.
191 Das Modell
ist auf den ersten Blick in das Paradigma der
Informationsverar-
beitung einzuordnen, denn mit Pfeilen verbundene Kästchen gehören zu den Darstellungskonventionen dieser Forschungsrichtung.
Man erkennt die Grundstruk-
tur des Modells II, allerdings in umgekehrter Anordnung: Drei Stufen der Verarbeitung, davon die zwei ersten modalitätsspezifisch, die letzte Stufe amodal. Wir wollen nun die Stufen unter dem Aspekt der Integration beider Informationsquellen untersuchen. Auf der ersten Stufe findet die sensorische Verarbeitung statt, die je nach Modalität verschiedene, noch bedeutungslose Attribute ("physical reitstellt:
codes") be-
Im auditiven System die Phoneme, im visuellen System die Picto-
gramme oder - semiotisch gesprochen: die ikonischen Figuren. Auf dieser Ebene arbeitet jedes System unabhängig vom anderen. Auf der zweiten Stufe werden Komplexe von sensorischen Attributen gegenüber gespeicherten Prototypen wöhnliche
getestet.
oder durchschnittliche
visuelle Prototypen
("Imagene"
Ding gewöhnlich aussieht.
Es gibt auditive Prototypen, die das ge-
Klangbild eines Wortes
repräsentieren,
und
nach A. Pa1v1o), die repräsentieren, wie ein
Zimmer (1983) hat dafür die Ausdrücke
"Wort-" und
"Bildmarken" eingeführt. Abbildung 2: Modell der Wort- und Bildverarbeitung von Joan Snodgrass (1984). AUDIO-
(Der "mismatch generator"
-VISUELL
in Abbildung 2 hat die Aufgabe,
ungewöhnliche Ab-
weichungen vom Prototyp zu registrieren, er interessiert in diesem Zusammen-
192
hang nicht weiter.) Wie die Prototypen im Gedächtnis repräsentiert sind, ist ein schwieriges Problem; die Stichworte "analog",
"ganzheitlich"
und
"holi-
stisch" sollen hier nur angeführt werden. Was den Vergleich zwischen Prototyp und Attributkomplex betrifft, so vermute ich, daß - abweichend von Joan Snodgrass - die Resonanztheorie zutrifft, die bereits Karl Duncker vorgedacht hat und die bei Wahrnehmungspsychologen
und Neurophysiologen
findet (Shepard, 1984). Dazu nur zwei erläuternde zu schwingenden
Saiten hilfreich
zunehmend
Sätze, wobei
Resonanz
die Analogie
ist: Ein Resonanzsystem wird am
stärksten
aktiviert, wenn genau das Muster erscheint, auf das es ab- bzw. eingestimmt ist. Es wird aber auch erregt, wenn das Muster schwach, abweichend oder unvollständig 1st. Die Repräsentationen auf der zweiten Stufe ermöglichen das innere Sprechen im auditiven System und die Generierung von Vorstellungen im visuellen System ("acoustic-visual
image generator").
Das Modell sieht auf der zweiten Stufe
eine direkte Verbindung zwischen beiden Systemen vor. Es handelt sich um eine Art Standleitung,
eine feste
Verdrahtung
zwischen Wort- und Bildmarke,
die
ohne Vermittlung des konzeptuellen Systems funktioniert, wenn die Verbindung einmal durch eine deiktische Zuordnung von Wort zu Objekt bzw. Bild geschaffen wurde. Wenn ich das Wort "Ball" höre, dann ruft dies unmittelbar die Vorstellung eines
Balles
hervor.
(Natürlich beziehen
Konzept, aber diese audiovisuelle
sich
beide
auf
dasselbe
Integration findet auf der dritten Verar-
beitungsebene statt!) Trotz dieser Standleitung arbeiten die beiden auf der
zweiten
Stufe
also
unabhängig
voneinander.
Wir
erinnern
Systeme uns,
daß
Paivlo eine Asymmetrie bei der Verbindung beider Systeme fand: Bilder werden eher
benannt
als
umgekehrt
Worte
Vorstellungen
auslösen;
viele
abstrakte
Worte haben überhaupt keinen anschaulichen Gegenpart. Es gibt aber auch eine Asymmetrie in umgekehrter Richtung, wenn man von den einfachen Objektbildchen und
ihren Benennungen
denen wir gewöhnlich
zu
den komplexen
konfrontiert
sind.
visuellen Anordnungen Diese enthalten
nur umständlich oder gar nicht in Sprache übersetzbar
übergeht,
mit
Informationen,
die
sind. Es handelt sich
um Informationen über sensorische Merkmale, räumliche Anordnungen und Transformationen,
die
im
"prototypical
visual
imagery store"
und die Grundlage für die Generierung von Vorstellungen
repräsentiert
tion In mentalen Modellen bilden. Diese spezifischen visuellen sind nicht im proposltlonalen den ein eigenständiges
Repräsentationssystem
Repräsentationssystem.
sind
und für die Simula-
integriert,
Informationen sondern bil-
Evolutionär stammt es aus der
vorsprachlichen, subhumanen Periode, als das visuelle System bereits komplexe Orientierungsaufgaben zu lösen hatte. Das auditive System brauchte damals nur einfache akustische Signale (Geräusche, Tierstimmen, Rufe) zu verarbeiten und
193 wurde erst später mit Entwicklung der Lautsprache
1n die Pflicht
genommen.
Die beiden Wahrnehmungssysteme haben sich also in der Evolution nicht parallel entwickelt. Bei Untersuchungen zum Wert der AV-Präsentation werden die Informationen 1m eigenständigen visuellen System durchweg übergangen, da das Behalten
allein
mit verbalen Methoden erhoben wird. Eine modalitätsspezifische Repräsentation erfordert aber auch modalitätsspezifische Leistungsprüfungen wie zum Beispiel Zeichentests, Bildergänzungsverfahren, Orientierungsaufgaben, mentale Simulation und dergleichen.
In der
Nachrichtenforschung
spielt
dieses Versäumnis
eine untergeordnete Rolle, obwohl auch hier durch Karten Wissen über geographische Zusammenhänge
vermittelt wird.
In Lehrfilmen zur Biologie oder Phy-
sik, mit denen oft. mentale Modelle räumlicher oder funktionaler Art aufgebaut werden sollen, sind visuelle Tests jedoch unverzichtbar.
Zur audiovisuellen Integration Nach dem bisher Ausgeführten ist klar, daß eine audiovisuelle
Integration
nur über die dritte, die konzeptuelle bzw. proposltionale Verarbeitungsstufe ("propositional store") möglich ist, wo bildliche und sprachliche Informationen in einem Format zusammengeführt werden. Allerdings werden nie alle visuellen
Informationen
propositionalisiert,
ein
Teil
bleibt
auf
der
zweiten
Stufe verfügbar. Wir unterscheiden drei Fälle der audiovisuellen Integration, die in der Abbildung 3 dargestellt sind. Abbildung 3: Audiovisuelle Integration durch Redundanz, durch Komplementarität und durch Inferenz
modal 1tätsspezifische Verarbel tung
amodale Verarbeitung
audiovisuelle Integration durch
Redundanz
Konplementarltät
Inferenz
194 Sie sollen an einfachen Beispielen verdeutlicht werden, wie sie
in Nach-
richtenfilmen vorkommen: (1) Integration durch Redundanz. Text (T) und Bild (B) werden über die Aktivierung desselben
Konzepts
oder derselben
Konzepte
integriert.
Dieser
Fall
setzt eine redundante Gestaltung der Text-Bild-Beziehung voraus. T: Bundeskanzler Kohl leitet die Sitzung des Kabinetts. B: Kohl sitzt am Kabinettstisch. (2) Integration durch Komplementarität. Text (T) und Bild (B) werden über die direkte Verknüpfung verschiedener aktivierter
Konzepte integriert.
Sie gehö-
ren zu einem Schema und ergänzen sich gegenseitig. T: Auf den Straßen gab es heute wieder verbreitet Glatteis. B: Verunglückte und zusammengestoßene Autos in einer Winterlandschaft. Zum aktivierten Konzept "Glatteis" dürfte in unserer autozentrierten Kultur "Autounfall"
als
Subschema
verunglückten Autos
aufgerufen
in winterlicher
werden.
Umgekehrt
Landschaft das
wird
Konzept
ein
Bild von
"Glatteis"
akti-
vieren. (3) Integration durch Inferenzen. Text (T) und Bild (B) werden über eine Inferenzkette
zwischen
verschiedenen
aktivierten
Konzepten
integriert.
Dieser
Fall setzt eine Text-Bild-Schere voraus! T: Die Folgen von Tschernobyl sind noch nicht überwunden. B: Ein Mann geht mit einem Korb voll Pilzen durch den Wald. Hier sind Text und Bild nur über eine Reihe von Sehlußfolgerungen
inte-
grierbar: In Tschernobyl passierte ein Gau. - Radioaktive Schwermetalle wurden frei. - Pilze nehmen Schwermetalle auf. - Pilze werden gesammelt und gegessen. - Im menschlichen Körper können radioaktive Stoffe Krebs hervorrufen. Es leuchtet unmittelbar ein, daß die drei Formen der Integration von Text und B1ld
einen
durch Redundanz
zunehmenden ist wohl
Art der audiovisuellen
Verarbeitungsaufwand
der einfachste
Integration
erfordern.
Die
Integration
Fall, auch im Alltag gibt es diese
durch deiktische
Zuordnung von Wort
und
B1ld bzw. Objekt, vor allem beim Erlernen einer Sprache. Derartige Verbindungen können durch AV-Präsentaton ersetzt werden, z.B. wenn in einem Lehrfilm ein Tier gezeigt wird und der Text mitteilt: "Dies 1st eine Beutel ratte". Die Integration durch Komplementarität setzt bereits ein Schema voraus, 1n dem durch Text und Bild aktivierte
Konzepte verknüpft sind.
Ist
derartiges
Vorwissen nicht verfügbar, fallen die beiden Informationsquellen auseinander, auch wenn vom Autor ein Text-BUd-Bezug von Text und Bild
intendiert war. Die
Komplementarität
im Sinne einer gemeinsamen oder sogar wechselseitigen
schließung der Gesamtbedeutung
dürfte
für die zukünftige
Er-
Forschung und die
Mediengestaltung eine wichtige Rolle spielen (Wippich, 1987; Ballstaedt, Mo-
195 litor & Mandl, 1987). Die Integration durch Inferenzen ist am anspruchsvollsten, da konzeptionelle Beziehungen erst konstruiert werden müssen. Zweifellos
liegen
hierin
jedoch
die
kognitiven
Potenzen
des
Audiovisuellen.
So
spricht man beim Spielfilm wie beim Dokumentarfilm von einer "vertikalen Montage" . in der Text und Bild in einer Weise kombiniert werden, daß sie den Zuschauer Inhalte erschließen lassen, die weder im Text angesprochen, noch 1m Bild gezeigt werden. Natürlich gibt es Grenzen der integratlven Verarbeitung, wenn die Text-Bild-Beziehungen
zu sehr den Idiosynkrasien
des Filmemachers
folgen, z.B. bei Jean-Luc Godard oder Alexander Kluge. Aber man sollte die Tendenz zur Sinnstiftung, den "efford after meaning" (Frederick Bartlett) der Zuschauer nicht unterschätzen. In einer Studie, die ich vor etwa zehn Jahren durchgeführt habe, wurde in einem Film über ein amerikanisches College ein Text aus einem Aufklärungsf11m unterlegt.
Von zehn Versuchspersonen
akzep-
tierten immerhin neun den Film, nur eine durchschaute die zufällige Kombination. Die anderen boten teilweise anspruchsvolle Interpretationen des Inhalts an, was allerdings einen gewissen Umgang mit dem Film voraussetzt. Abschließend zeigt sich, wie erwartet, daß die anfangs aufgestellte Kontroverse über Nutzen oder Schaden der AV-Medlen recht künstlich 1st. Eine kognitive Überforderung
ist wahrscheinlich nur
dichte gegeben. Etliche visuelle
1n Fällen extremer Informations-
Informationen sind mit den verbalen über-
haupt nicht 1ntegr1erbar, sie verbleiben auf der Stufe einer modalitätsspezifischen Repräsentation
("Imagery").
Die
audiovisuelle
Integration
auf der
konzeptionellen Stufe läßt sich über die Text-B1ld-Gestaltung alleine nicht steuern, da sie vor allem vom Vorwissen und von dem investierten Verarbeltungsaufwand des jeweiligen Rezlpienten abhängt. Dieser 1st auch 1m Alltag gewohnt, aus einer Fülle möglicher Informationen diejenigen zu entnehmen, die er für seine Bedürfnisse, Interessen und Probleme benötigt. Wahrnehmung 1st als Orientierungshandlung stets selektiv (Nelsser, 1976). Die Forderung, alle gebotenen sprachlichen und visuellen Inhalte zu behalten, gibt es nur 1m Labor. Selbst eine teledidaktlsch optimale Präsentaton träfe auf einen selektierenden und organisierenden Zuschauer. Dies zeigen eindrucksvoll die Untersuchungen zur Nachrichtenrezeption,
die das Thema als unabhängige Variable
berücksichtigen. Die Behaltenslelstung 1st vor allem vom Interesse am Jeweiligen Thema, kaum aber von der Präsentationsform abhängig (Renckstorf, ig76; Boemak & Ohler, 1986). Auch wer sich einer audiovisuell dargebotenen Nachricht Interessiert zuwendet, kann sich aus guten Gründen auf den Text oder auf die Bilder beschränken oder die Modalitäten nach Bedarf wechseln. Die Immer wieder erhobene Forderung nach einer rein redundanten Beziehung von Text und B1ld - wie sie z.B.
196
Bernward Wember exzessiv sie
die
kognitiven
und
demonstriert auch
hat - trivialisiert das Medium,
ästhetischen
Möglichkeiten
des
indem
Audiovisuellen
ausklammert. Die völlig redundante Text-Bild-Beziehung gehört in reine Lehrprogramme.
Abstract The role of audiovisual presentation for knowledge acquisition 1s still a matter of controversy. On the one hand, one expects to enhance learning by integrating both sources of information, on the other hand, one fears that cognitive overload might lead to fragmentary selection of information. Investigations on the processing of television news have shown that the Issue concerning audiovisual Integration can only be answered on the background of basic cognitive research. A model of word-picture-processing proposed by Joan Snodgrass is described, and Its Implications for audiovisual cognition are discussed. The model implies - in addition to modality specific representations of text and pictures - three forms of mental integration: Integration through redundancy, through complementarity and through inferences.
197
13
VERMITTLUNG VON INFORMATIONEN DURCH FERNSEHNACHRICHTEN Einfluß von Gestaltungsmerkmalen und Nachrichteninhalt Hans-Bernd Broslus Universität Mainz
Einleitung Einen zentralen Bereich der Medienwirkungsforschung bilden Untersuchungen über die Informationsvermittlung durch Rundfunknachrichten. Nicht nur 1n den USA (vgl. Stauffer, Frost & Rybolt, 1981) ist vor allem das Fernsehen eine der Hauptquellen, aus denen Bürger ihre politischen und sonstigen Informationen über das Tagesgeschehen entnehmen. Inwiefern es 1n Fernsehnachrichten gelingt, Informationen über gemeldete Sachverhalte zu vermitteln, 1st seit Jahren zunehmend stärker 1n den Blickpunkt empirisch arbeitender Kommunikationswlssenschaftler gerückt. Der Tenor der meisten Untersuchungen lautet, daß die Informationsvermittlung durch Fernsehnachrichten Insgesamt als äußerst gering veranschlagt werden muß (vgl. dazu Wilson, 1974; Neumann, 1976; Katz, Adoni & Parness, 1977). Daher rückt die Frage, welche Variablen die Informationsvermittlung positiv oder negativ beeinflussen, um so stärker 1n den Vordergrund. Wie so oft sind die Ergebnisse In den vorliegenden Studien alles andere als eindeutig: Zuschauer erinnern sich eher an Themen, die einen engen Bezug zum eigenen Alltag haben (Findahl & Höljer, 1985) oder von den Medien als wichtig herausgestellt werden (Merten, 1985; Schulz, 1982). Sie erinnern sich eher an singulare Ereignisse oder Personen, ohne aber Zusammenhänge, Ursachen oder Folgen zu behalten (Findahl & Höljer, 1985). Werden Einzelheiten einer Meldung durch Illustration oder durch Schlagzeilen hervorgehoben, führt dies zu einer besseren Erinnerungsleistung an diese Einzelheiten, allerdings auf Kosten der Erinnerung an den Rest der Meldung (Findahl & Höljer, 1981) oder auf Kosten der Erinnerung an die übrigen Meldungen (Bernard & Coldevln, 1985). Umstritten ist, ob die Illustration von Meldungen einen positiven oder negativen Effekt auf die Erinnerungsleistung hat. Während Findahl & Höljer (1975, 1977)
198 argumentieren, daB B U d e r den Informationstransfer nur stützen, wenn sie zum Text passen, andernfalls die
Informationsvermittlung
eher
beeinträchtigen,
konnte Winterhoff-Spurk
(1983) keinen Unterschied
in der Behaltungsleistung
bei zum Text passenden
und nicht passenden Bildern feststellen. Bebilderte
Meldungen führten in jedem Fall zu besseren Erinnerungsleistungen als reine Wortmeldungen. Gunter (1980 a, b; vgl. auch Gunter, 1983) konnte zeigen, da0 die Illustration von Meldungen zwar zu einer besseren Erinnerung an die Themen der Meldungen führt, aber die Erinnerung an Einzelheiten der Meldungen verschlechtert. Die vorliegende Untersuchung wird von mehreren Ausgangsüberlegungen geleitet: (1) Die bisherige Forschung zu Fernsehnachrichten hat sich hauptsächlich auf die Wirkung von Bildern auf die Informationsvermittlung beschränkt. Diese stellen zwar für die Fernsehnachrichten ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zu anderen Nachrichten dar, jedoch wird das Behalten von Informationen auch durch andere Gestaltungsmerkmale und vor allem durch den Inhalt der Meldungen gesteuert, wobei es darüber hinaus zu spezifischen Wechselwirkungen zwischen Gestaltungsformen und Inhalten kommt. (2) Betrachtet man die Inhalte der tatsächlichen Nachrichten, wie es zum Beispiel W1nterhoff-Spurk
(1983) tut, kann man diese 1n zwei große Gruppen
einteilen. Die eine Gruppe umfaßt unvorhergesehene ereignishafte Sachverhalte wie Unglücksfälle, Katastrophen etc. Im Mittelpunkt der entsprechenden Meldungen stehen 1m engeren Sinne Ereignisse. Die andere Gruppe umfaßt absehbare strukturelle Sachverhalte wie Pressekonferenzen, Debatten oder Staatsbesuche. Im Mittelpunkt der entsprechenden Meldungen stehen stärker personenbezogene Sachverhalte, vor allem das verbale Verhalten von Akteuren. Wie schon Winterhoff-Spurk vermutet, haben "Nachrichtenrezipienten angesichts dieser relativ konstanten Themenvorgabe mittlerweile entwickelt"
(1983, S.
722), die
(kognitive) Schemata oder Scripts ...
bei der
Rezeption
aktiviert
werden.
Die
sprachliche Formulierung von Nachrichten kann die Aktivierung des Schemas beeinflussen. (3) Neben Inhalt und Gestaltungs- bzw. Präsentationsform von Nachrichten entscheidet auch die gesamte Informationsmenge, die dargeboten wird, über die Qualität der Informationsvermittlung. Ausgehend von einem bestimmten Set von Meldungen kann die dargebotene Informationsmenge einmal innerhalb der Meldung durch zusätzliche Information, größert
werden.
Während
zum anderen über zusätzliche
zusätzliche
Meldungen
die
Meldungen ver-
Informationsvermittlung
eher beeinträchtigen dürfen, kann die zusätzliche Information innerhalb einer Meldung unterschiedliche Effekte haben. Zum einen kann das Behalten der Basisinformation
einer
Meldung
durch
zusätzliche
Information
verschlechtert
199 werden, da diese die Wahrnehmbarkeit der Basisinformation herabsetzt. Zum anderen kann die zusätzliche Information die Formierung eines kognitiven Schemas für
die
entsprechende
Meldung
verbessern,
so daß
die
Basisinformation
besser einzuordnen und damit leichter abrufbar ist. (4) Große Bedeutung kommt der abhängigen Variable zu. Die Art, wie die Informationsvermittlung gemessen wird, kann entscheidenden Einfluß auf die Ergebnisse einer Untersuchung ausüben. So findet zum Beispiel Gunter (1980a und 1980b) konträre Ergebnisse, was die Hinzufügung von Bildern für die Informationsvermittlung bedeutet.
Aufklären
läßt sich dieser Widerspruch, wenn man
berücksichtigt, daß er in beiden Experimenten differente untersuchte zu
(vgl.
verbesserten
Kepplinger & Holicki, 1987). "recai 1"-Leistungen,
jedoch
Leistungen. Hinter diesen unterschiedlichen
zu
Behaltensleistungen
Bebilderte Meldungen schlechteren
führten
"recognitlon"-
Erfassungsmethoden steht die ge-
nerellere Frage danach, welche Art von Wissen erfaßt wird. In bezug auf Fernsehnachrichten kann man hier
zumindest zwischen der reinen Themenerinnerung,
Wissen um Aspekte der Meldungen und Wissen um die Struktur der Meldungen unterscheiden. (5) Viele Untersuchungen (zum Beispiel Renckstorf, terial terne
tatsächliche Meldungen Validität
und
durch eingeschränkte variieren.
aus den
leichtere
Herstellbarkeit
Möglichkeiten,
Die Ergebnisse
1980) verwenden als Ma-
Nachrichtensendungen. des
experimentelle
dieser Studien
Die
Materials Faktoren
können aufgrund
höhere ex-
wird
erkauft
systematisch
der
zu
Konfundlerung
von Thema und Inhalt der Meldungen auf der einen und der Gestaltungsform auf der anderen Seite irreführend sein.
Vier Untersuchungsfragen ergeben sich aus diesen Überlegungen: (1) Wie wirkt sich bei Fernsehnachrichten die Vergrößerung der menge durch eine Erhöhung der Anzahl
Informations-
vorgelegter Meldungen auf verschiedene
Parameter der Informationsvermittlung aus? (2) Wie wirkt
sich die Vergrößerung der Informationsmenge durch eine
dante, ausführliche
Formulierung
redun-
der Meldungen 1m Vergleich zu einer einfa-
chen, kurzen Version auf die unterschiedlichen Parameter der Informationsvermittlung aus? (3) Welchen
Einfluß
personenbezogen)
hat die
Art der
im Zusammenspiel
mit
vorgelegten Meldungen ihrer Anzahl
(erelgnis- oder
und Formulierung
auf die
verschiedenen Parameter der Informationsvermlttlung? (4) Welchen
Einfluß besitzen zur Meldung vorgelegte
Bilder,
entweder mit der Art der Meldung übereinstimmen oder nicht?
zumal
wenn
sie
200
Methode Operational1s1erung der Variablen Die unabhängigen Variablen wurden wie folgt operationalisiert: der Meldungen ging 1n zweifacher Abstufung der
Versuchspersonen
erhielt
eine
Die Anzahl
in die Untersuchung ein: Ein Teil
Nachrichtensendung
mit
vier,
der
andere
Teil eine Sendung mit acht Meldungen vorgelegt. Vier Items liegen deutlich im Rahmen der Gedächtnisspanne des Kurzzeitgedächtnisses, acht gehen über diesen Rahmen hinaus bzw. an dessen Grenze. Die Ausführlichkeit der Meldungen wurde gleichfalls zweifach variiert. In der einfachen bzw. kurzen Version wurde der Text der Meldung
möglichst auf
die Kerninformation,
die
zum
Verstehen
des
dargestellten Sachverhaltes notwendig war,
beschränkt. Auf sprachliche sowie
inhaltliche Wiederholungen
verzichtet.
wurde
gänzlich
In der
ausführlichen
bzw. redundanten Version wurde die Kern informat i on durch sprachliche und Inhaltliche Wiederholungen
erweitert,
zusätzlich
wurden noch
Randaspekte
des
dargestellten Ereignisses, die für dessen Struktur und Verlauf eher unwesentlich waren,
mitgeteilt.
durchschnittlich drei Sätzen, wobei
der
Im
bis
Experiment
vier,
sprachliche
die
bestanden
die
redundanten Texte
Schwierigkeitsgrad
einfachen
Texte
aus sieben
möglichst
gleich
aus
bis acht gehalten
wurde. Die Art der Meldung war ebenfalls zweifach abgestuft. Es wurde unterschieden
zwischen
ereignls-
und
Meldungen waren ereignisbezogen
personenbezogenen
Meldungen.
(Tanker-Unglück, LKW-Unglück)
Jeweils
zwei
bzw. personen-
bezogen (Preisverleihung, Rede auf einer Bischofskonferenz). Jeweils eine der beiden Meldungen wurde
mit einem
versehen,
Art
das
mit
der
stimmte. Die Meldung
der
Bild
(als
Meldung
Standbild hinter
übereinstimmte
oder
dem nicht
Sprecher) überein-
über das Tanker-Unglück wurde mit einem B1ld versehen,
das ein Schiffsunglück zeigt (passend), die Meldung über das LKW-Unglück dagegen mit einem Portrait von Verkehrsminister Dollinger (nicht passend). Die Meldung über die Preisverleihung wurde mit dem Bild des Preisträgers gezeigt (passend), die Meldung Uber die Rede vor der Bischofskonferenz mit dem B1ld eines Gottesdienstes
(nicht passend).
die variierten Variablen.
Tabelle
1 zeigt den Versuchsplan
und
201
Tabelle 1: Reihenfolge der Präsentation der Meldungen Gruppe 1 4 Meldungen einfach 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Gruppe 2 4 Meldungen redundant
Gruppe 3 8 Meldungen einfach
Gruppe 4 8 Meldungen redundant
Personen-Meldung + Personen-Bild (Preisverleihung) -
EG-Getreidepreise
Ereignis-Meldung + Ereignis-Bild (Tankerunglück) -
Protestkundgebung in Ankara
Ereignis-Meldung + Personen-Bild (LKW-Unglück) -
Eröffnung einer Rheumaklinik
Personen-Meldung + Ereignis-Bild (Rede auf Bischofskonferenz) -
Segelregatta
Die Meldungen 2, 4, 6 und 8 wurden nur in den Gruppen 3 und 4 gezeigt.
Die Anzahl der vorgelegten Meldungen und die Ausführlichkeit der Meldungen wurden zwischen den Versuchspersonen
variiert, die Art der Meldung und die
Art der Bebllderung wurde innerhalb der Versuchspersonen variiert. Somit ergaben sich vier Versuchsgruppen, denen jeweils ein Nachr1chtenf1lm vorgelegt wurde, 1n dem Anzahl und Ausführlichkeit der Meldungen variiert waren.
Versuchsmaterlal Als Basis für den Versuch wurden neben den vier bereits erwähnten Testmeldungen vier weitere Meldungen verwendet. Alle Themen sollten möglichst realistisch sein, ohne jedoch einen Bezug zu den Tagesereignissen zu haben. Sie sollten untereinander möglichst verschieden sein, um Obertragungs- und Interferenzeffekte zwischen den einzelnen Meldungen zu vermelden. Die vier Füllmeldungen hatten als Themen: die EG-Getre1depre1se, eine Protestkundgebung 1n Ankara, die Eröffnung einer RheumakUnlk durch Strauß und eine Segelregatta 1n Australien. Zu jedem Thema wurde zunächst ein Basistext erstellt, der die notwendigen Kern1nformat1onen enthielt. Daraufhin wurde für jedes Thema eine Meldung geschrieben, einmal 1n einfacher, einmal 1n redundanter Form. Für die
202
Dreharbeiten stand ein semiprofessioneller Sprecher zur Verfügung, der alle acht Meldungen in einfacher und redundanter Form vortrug. Bei den Füllmeldungen war 1m Hintergrund der Schriftzug "tv 4 aktuell" eingeblendet.
Für jede
der vier Versuchsgruppen wurde ein VHS-Band hergestellt, das die entsprechenden Meldungen enthielt.
MefMnstrument Zur Erfassung der
Informationsvermittlung durch die Testfilme wurde ein
Fragebogen entwickelt, der aus zwei Teilen bestand. Im ersten Teil
sollten
die Versuchspersonen aufschreiben, welche Themen die Nachrichtensendung, die sie gerade gesehen hatten, behandelt hat. Die Reihenfolge der Angabe war den Versuchspersonen dabei freigestellt. Im zweiten Teil wurden zu jedem der vier Testmeldungen vier Fragen nach Einzelheiten gestellt. Jede Frage hatte vier Antwortalternativen, unter denen die Versuchsperson jeweils die richtige ankreuzen sollte. Die abgefragte Information war in jedem Fall in der einfachen und der redundanten Version einer Meldung enthalten. Die Art dieser Fragen schwankte von reinen Faktenfragen bis hin zu Struktur- bzw. Erschließungsfragen. Aufgrund der Beschränkung der Fragen auf die in allen Variationen enthaltene KernInformat ion war eine systematische Variation der angesprochenen Wissensarten nicht möglich. Das größte Problem bei der Auswahl der Fragen und der Antwortalternativen war die Wahl eines optimalen Schwierigkeitsgrades der Items. Zu leichte und zu schwierige Fragen verhindern jeweils, daß sich die experimentellen
Faktoren
auch
In
unterschiedlichen
Reproduktlonsleistungen
der einzelnen Gruppen niederschlagen. Daher wurden 1n einzelnen Vortests Fragen mit den dazugehörigen Antwortalternativen nach der Betrachtung der Nachrichtensendung vorgelegt. Zu leichte und zu schwere Fragen wurden abgeändert oder eliminiert.
VersuchsdurchfOhrung Die Experimentalfi Ime wurden vier Gruppen von Insgesamt 89 studentischen Versuchspersonen vorgeführt. Den Studenten wurde mitgeteilt, daß ein neuer privater Sender sich bei "Fachleuten" Informationen über die Gestaltung von Nachrichtensendungen einholen wollte. Die Studenten sollten nach dem Film angeben, ob die Nachrichtensendung
gut oder schlecht gemacht war. Hierdurch
sollte eine inzidentelle Lernsituation geschaffen werden, 1n der das Lernen
203 von Information,
wie
beim Alltagssehen, nicht
unmittelbar
im Vordergrund
steht. Tatsächlich haben die meisten Studenten die experimentellen Filme für eine reale Pilotsendung gehalten, wie anschließende Gespräche mit Ihnen zeigten. Unmittelbar
nach
der
Vorführung der
Sendungen
wurden
die
Studenten
zunächst gebeten, den ersten Teil des Fragebogens auszufüllen. Sie sollten niederschreiben, an welche Themen der Nachrichtensendung sie sich erinnerten. Ein Zeltlimit wurde nicht gesetzt. Zur Identifikation mit dem zweiten Fragebogenteil sollten sie zusätzlich ein Phantasiewort aufschreiben. Danach wurde der erste Fragebogenteil eingesammelt und erst dann der zweite Teil ausgegeben. Hier sollten die Studenten das gleiche Phantasiewort hinschreiben und dann die Fragen zu den vier Testmeldungen durch Ankreuzen der nach ihrer Meinung zutreffenden Alternative beantworten. Oie Zuordnung zwischen dem ersten und dem zweiten Teil gelang in jedem Fall zweifelsfrei. Vier einfache Meldungen sahen 17 Personen, 18 sahen vier redundante Meldungen. Acht Meldungen 1n einfacher Version sahen 26, acht redundante Meldungen 28 Personen.
Bildung der abhängigen Variablen Für die Datenanalyse wurden mehrere abhängige Variablen berechnet, die sich auf unterschiedliche Aspekte der Informationsvermittlung beziehen. Aus dem ersten Fragebogenteil wurden zwei Indizes gebildet, die die freie Wiedergabe von Themen der Meldungen (recall) betrafen. Zunächst wurde für jede Versuchsperson die Anzahl der Themen berechnet, die sie zumindest ungefähr wiedergegeben hatte. Es reichte aus, wenn die Versuchspersonen ein Stichwort pro Thema nannten, das zum Inhalt der entsprechenden Meldung paßte. Dieser Punktwert jeder Versuchsperson wird im folgenden als "allgemeine Wiedergabeleistung" bezeichnet. Sie beschreibt die Erinnerung an die Themen der Meldungen. Zusätzlich wurde ermittelt, an wieviele Meldungen sich die Versuchspersonen "genau" erinnerten. Für jede Meldung wurde hierzu vorab festgelegt, welche Konzepte in der Wiedergabe der Versuchspersonen enthalten sein mußten. Nur wenn alle Konzepte in der freien Antwort der jeweiligen Person enthalten waren, wurde ein Punkt vergeben. Dieser Punktwert wird 1m folgenden als "genaue Wledergabeleistng" bezeichnet. Sie beschreibt das Behalten der Struktur der Meldungen. Die Meldung "Bayerns Ministerpräsident Strauß eröffnet RheumakHnik" galt als "allgemein" wiedergegeben, wenn die Vpn den Namen "Strauß" oder "Rheumaklinlk" niederschrieben, als "genau" galt sie nur, wenn die drei Konzepte
"Rheumaklinik",
"Eröffnung"
und
"Strauß"
gleichzeitig
wiedergegeben
wurden. Sämtliche als Indikatoren vorgelegte Konzepte waren 1n der einfachen
204
und redundanten Version der Meldungen enthalten. Beide Wiedergabeleistungen werden als Anteil (in Prozent) der wiedergegebenen von allen vorgelegten Meldungen ausgedrückt. Aus dem zweiten Fragebogentei1 wurde für jede der vier Testmeldungen, zu denen Einzelheiten abgefragt wurden, der Prozentsatz der richtig angekreuzten Antworten berechnet. Dieser wird im weiteren als "Wiedererkennungsleistung" bezeichnet. Sie beschreibt das Behalten von Aspekten der Meldungen.
Ergebnisse Behaltenslelstungen bei den einzelnen Meldungen Die drei verschiedenen Indikatoren für die Behaltensleistung führen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen: belle 2: Behaltensleistung bei den einzelnen Testmeldungen allgemeine Wiedergabeleistung
genaue Wiedergabeleistung
Wiedererkennungsleistung
%
%
Preisverleihung
90
19
70
Bischofskonferenz
85
5
56
Tankerunglück
92
44
62
LKW-Unglück
86
16
66
E G-Getre i dep re i se*
50
2
-
Unruhen in Ankara*
30
6
-
Eröffnung Rheumaklinik*
30
1
-
Segelregatta*
78
34
-
* Basis: alle
%
Versuchspersonen, die acht Nachrichten gesehen haben
Die allgemeine Wiedergabeleistung für die vier Testmeldungen beträgt nahezu 90 Prozent, die Wiedererkennungsleistung schwankt zwischen 56 und 70 Prozent, die genaue Wiedergabeleistung fällt um einiges schlechter aus und liegt zwischen fünf und 44 Prozent. Die größere Spannbreite der Leistungen der genauen
205 Wiedergabe kann darauf zurückgeführt werden, daß möglicherweise die Kriterien für eine genaue Wiedergabe unterschiedlich "schwierig" zu erfüllen waren. Nimmt man einen Vergleich zwischen der allgemeinen und der genauen Wiedergabeleistung vor, scheinen sich die Befunde der früheren Studien zu bestätigen, daß der Informationstransfer insgesamt nur relativ gering 1st. Fast alle Meldungen werden kurz nach der Präsentation von weniger als 20 Prozent der Befragten
"genau"
wiedergegeben.
Möglich
scheint
lediglich
eine
ungefähre
Wiedergabe der Themen der Nachrichten, vor allem wenn man bedenkt, daß Studenten wahrscheinlich mehr behalten als andere Bevölkerungsgruppen. In gewissem Gegensatz zu diesem Befund stehen die recht guten Leistungen bei der Wiedererkennung. Hierfür gibt es zwei Erklärungen: Zum einen könnte man annehmen, daß die Wiedererkennensleistung nur deshalb gut 1st, well die Fragen zu
leicht oder
die falschen Antwortalternativen
zu
abwegig waren.
Hinzu kommt noch, daß bei vier Antwortalternativen die Zufallswahrscheinl1chkeit einer richtigen Antwort bereits 25 Prozent beträgt. Zum anderen kann man vermuten, daß bei der Wiedererkennung kognitive Ressourcen effektiver eingesetzt werden können. Aktiv ist die behaltene Information nicht wlederabrufbar, bei der Gabe von Hinweisreizen durch Fragetext und Antwortvorgaben kann die abgespeicherte Information jedoch reproduziert werden. In beiden Fällen läßt sich jedoch schlußfolgern, daß Wiedergabe- und Wiedererkennensleistung, und damit auch Studien, die unterschiedliche Leistungsmaße benutzen, nicht ohne weiteres vergleichbar sind, was die Qualität der Informationsvermittlung betrifft.
Bebllderung der Meldungen Für die vier Füllmeldungen ergeben sich generell niedrigere Leistungswerte. Hierfür gibt es zwei Erklärungen. Zum einen wurden die Füllmeldungen nur den Testgruppen mit acht Meldungen vorgelegt, so daß die größere Informationsmenge den Abfall verursachte. Zum anderen war den Füllmeldungen kein B1ld zugefügt, so daß deswegen - entsprechend den Ergebnissen von W1nterhoff-Spurk die Leistungen niedriger sind. Zur Überprüfung dieser beiden Hypothesen wurden die Wiedergabeleistungen der Test- und Füllmeldungen nur bei den Personen, die acht Meldungen gesehen hatten, mit Hilfe von t-Tests für abhängige Stichproben verglichen:
206 Tabelle 3: Wiedergabeleistung bei Meldungen mit und ohne Bild - nur Personen, die acht Nachrichten gesehen haben Wiedergabeleistung allgemein
genau
%
%
Preisverleihung
85
15
Bischofskonferenz
83
4
Tankerungliick
91
37
LKW-Unfall
81
13
Bildmeldungen insgesamt
85*
17**
Meldungen ohne Bild
45*
18**
* t-Wert (abhängig) ** t-Wert (abhängig)
= 10.87 = 0.13
ρ < 0.0001 n.s.
Auch hier unterscheiden sich die Ergebnisse, je nachdem, welche Wiedergabeleistung man zur Grundlage der Berechnung heranzieht. Bildmeldungen werden vom Thema her weitaus besser
behalten als Meldungen ohne
Bild
(allgemeine
Wiedergabeleistung), kein Unterschied zeigt sich jedoch bei der genauen Wiedergabeleistung. Dieses Ergebnis steht 1n Einklang mit den von Gunter (1980 a, b) berichteten Befunden: Die Illustration durch Bilder unterstützt die Erinnerung an die Themen von Meldungen, führt aber nicht zu einer besseren Behaltensleistung
von
Einzelheiten.
Dieses
Ergebnis
hat
jedoch
nur
einge-
schränkte Gültigkeit, da ebenso wie bei Gunter nicht die gleichen Meldungen mit und ohne Bild verglichen wurden. Dadurch kann der Inhalt der Meldung und die Bebilderung konfundiert sein. Aspekte von Meldungen mit passenden Bildern werden besser wiedererkannt als Aspekte
von
Meldungen
mit
nicht
passenden
Bildern
(t-Wert
für
abhängige
Stichproben = 2.45, ρ = .016). Die Prozentwerte betragen 68 und 61 Prozent. Für die Wiedergabeleistungen
ergibt sich kein Effekt. Der Befund
ist jedoch
nur eingeschränkt vera11 gemei nerbar, da die Basis hier nur jeweils zwei Meldungen sind. Inhaltliche Aspekte der Meldungen können hier Interferieren.
207
Anzahl und Ausf0hr11chke1t von Meldungen Für die verschiedenen Arten von Behaltensleistungen wurden zweifache Varianzanalysen mit der Anzahl und der Ausführlichkeit von Meldungen als unabhängige Variablen durchgeführt. Hierbei zeigt sich, daß Anzahl und Redundanz von Meldungen unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedenen Indikatoren für Informationsvermittlung haben: Tabelle 4: Einfluß von Anzahl und Redundanz der Meldungen auf die Informatlonsvermittlung
Anzahl
Wiedererkennensleistung %
Wiedergabeleistung allgemein genau % %
Redundanz einfach
91
16
64
redundant
96
36
69
einfach
63
16
63
redundant
67
18
63
4 Meldungen
8 Meldungen
Effekt: Anzahl der Meldungen
F=83..24 p< 0..001
F= 4..71 p< 0..05
F= 0..82 n.s.
Effekt: Redundanz der Meldungen
F= 1..93 n.s.
F= 4..88 p< 0..05
F= 0..27 n.s.
Effekt: Wechselwirkung
F= 0..01 n.s.
F= 4..62 p< 0..05
F= 0..70 n.s.
Während sich bei der Wiedergabeleistung Unterschiede zwischen den vier experimentellen Gruppen ergeben,
ist die Wiedererkennenslelstung
völlig
unab-
hängig von Anzahl und Redundanz der vorgelegten Meldungen. Auch bei den beiden Indikatoren für die Wiedergabeleistung ergibt sich ein Bild: Die allgemeine Wiedergabeleistung gen unabhängig von Meldungen sinkt
ihrer Formulierung
sie auf 65 Prozent
ein anderes B1ld. Vier Meldungen,
unterschiedliches
beträgt bei vier vorgelegten Meldunüber 90 Prozent. Bei
acht vorgelegten
ab. Die genaue Wiedergabeleistung 1n redundanter Form vorgelegt,
zeigt
verbessern
die genaue Wiedergabe des Meldungsinhaltes beträchtlich auf 36 Prozent gegen-
208
über den drei anderen Bedingungskonstellationen, wo die Leistung bei jeweils 16 Prozent lag. Auch bei dieser Auswertung führen die verschiedenen Indikatoren der Informationsvermittlung
zu unterschiedlichen
dargebotenen Informationsmenge
Ergebnissen.
Eine Vergrößerung
durch die Zufügung anderer Meldungen
der
beein-
flußt offensichtlich nur den aktiven Zugang zu den gespeicherten Informationen, ausgedrückt durch die allgemeine
und genaue Wiedergabeleistung,
nicht
jedoch die genaue Einspeicherung der Informationen selbst. Bei der Gabe von Hinweisreizen in der Wiedererkennenssltuation kann, unabhängig von der vorgelegten
Informationsmenge,
das
Wissen
gleich
gut
reproduziert
werden.
Die
Frage, ob die Zufügung von Informationen innerhalb von Meldungen das Behalten der KernInformâtIonen beeinträchtigt oder verbessert, kann aufgrund der Daten wie folgt beantwortet werden: Es ergibt sich kein Hinweis darauf, daß zusätzliche Informationen die Informationsvermittlung stören könnten. Was die genaue Wiedergabeleistung betrifft, sprechen die Ergebnisse sogar eher dafür, daß durch die zusätzliche Information das Verständnis von der Struktur der Meldungen verbessert wird.
Ereignis- und personenbezogene Meldungen Geht man der Frage nach, wie ereignis- und personenbezogene Meldungen in Abhängigkeit von der dargebotenen Informationsmenge behalten werden, ergibt sich auch hier ein differenziertes B1ld, was die verschiedenen
Indikatoren
der Informationsvermittlung betrifft. Dreifache Varianzanalysen mit der Anzahl, der Ausführlichkeit und der Art einer Meldung als unabhängigen Variablen und den verschiedenen Behaltensleistungen als abhängigen Variablen zeigen folgendes: Bezogen auf die allgemeine Wiedergabeleistung werden Ereignisund Personenmeldungen gleich gut behalten. Das ungefähre Erinnern an die Themen der Meldungen ist damit unter keiner experimentellen Bedingung abhängig vom Inhalt der Meldungen. Primär- und Sekundärereignisse werden hier gleich gut erinnert. Fehlende Unterschiede können auf einen Deckeneffekt zurückgeführt werden, da die Leistungen in allen Gruppen zwischen ca. 85 und 95 Prozent Hegen.
Für die genaue W1edergabele1stung
ergeben sich zwei Befunde:
(siehe Tabelle 5) Ereignismeldungen werden über die experimentellen Gruppen hinweg generell besser wiedergegeben als Personenmeldungen. Das kann darauf zurückgeführt
209
Tabelle 5: Einfluß von Anzahl, Redundanz und Art der Meldungen auf die Wiedergabeleistung
Anzahl
Personenmeidungen
Redundanz
Ereignismeidungen
einfach
12
21
redundant
20
53
einfach redundant
2 16
25 25
4 Meldungen
8 Meldungen
Effekt: Effekt: Effekt: Effekt:
Art der Meldung Anzahl X Art der Meldung Redundanz X Art der Meldung Anzahl X Redundanz X Art der Meldung
F=29.60 F= 0.71 F= 0.03 F= 8.16
ρ < 0.0001 n.s. n.s. ρ < 0.005
werden, da|3 für Ereignismeldungen ein klareres Schema oder Skript in den Köpfen der Rezipienten existiert, das für Personenmeldungen möglicherweise nicht so ausgeprägt ist. Dieses generelle kognitive Schema erleichtert entsprechend das Verständnis der Struktur einer Meldung, so daß die zentralen Bestandteile zusammenhängend wiedergegeben werden.
In der Wechselwirkung mit
der Anzahl
und der Redundanz der Meldungen ergeben sich für zwei Bedingungskonstellationen besonders extreme Leistungen. Ereignismeldungen werden überdurchschnittlich häufig genau wiedergegeben, wenn die Versuchspersonen nur vier Meldungen in redundanter
Formulierung
gesehen
haben. Personenmeldungen
werden
extrem
schlecht wiedergegeben, wenn die Versuchspersonen acht Meldungen 1n einfacher Formulierung gesehen haben. Für die Wledererkennensleistung ergibt sich wiederum ein anderes Bild: (siehe Tabelle 6). Bei Personen- und Ereignismeldungen werden die geschlossenen Fragen über alle experimentellen Bedingungen hinweg gleich gut beantwortet. Die Redundanz der Meldungen übt jedoch einen différentiellen beiden Meldungsarten aus.
Aspekte von
Effekt auf das Behalten von
Ereignismeldungen werden
dann besser
behalten, wenn die Meldungen einfach formuliert sind, d.h. wenn sie sich auf die Kerninformationen beschränken. Aspekte von Personenmeldungen jedoch werden dann besser behalten, wenn die Meldungen redundant formuliert sind, d.h. Wiederholungen und Randinformationen enthalten.
Dies ist der einzige Befund,
bei dem die Wledererkennensleistung einen Zusammenhang mit den unabhängigen
210
Tabelle 6: Einfluß von Anzahl, Redundanz und Art der Meldungen auf die Wiedererkennensleistung
Anzahl
4 Meldungen
8 Meldungen
Effekt: Effekt: Effekt: Effekt:
Variablen
Personenmeldungen
Ereignismeldüngen
einfach
57
71
redundant
71
67
einfach
58
69
redundant
67
59
Redundanz
Art der Meldung Anzahl X Art der Meldung Redundanz X Art der Meldung Anzahl X Redundanz X Art der Meldung
aufweist.
Oie
Erweiterung
der
F= 1.02 F= 0.36 F=12.92 F= 0.02
n.s. n.s. ρ < 0.0001 n.s.
Informationsmenge
innerhalb
einer
Meldung kann also das Wiedererkennen von Aspekten der Meldung sowohl verbessern als auch beeinträchtigen, je nachdem, um welche Art von Meldung es sich handelt. Die Darstellung von ereignisbezogenen Sachverhalten bedarf somit nur der Kern information, um ein optimales Behalten seiner Aspekte zu gewährleisten, darüber hinausgehende mittlung.
Die
Darstellung
Information beeinträchtigt von
die
Informationsver-
personenbezogenen Sachverhalten
hingegen
be-
darf, soll ein optimales Behalten ihrer Aspekte ermöglicht werden, Informationen, die über die Kerninformation hinausgehen. Dieser Befund kann wiederum mit der unterschiedlich starken Ausprägung der kognitiven Schemata für Personen· und Ereignismeldungen erklärt werden. Um das Schema bei Personenmeldungen weiter elaborieren zu können, helfen Wiederholungen und neue Informationen. Das Schema bei
Ereignismeldungen ist bereits aufgrund der Kerninforma-
tionen vollständig genug.
Diskussion Unter Berücksichtigung
der eingangs formulierten Überlegungen können aus
den Ergebnissen der Studie mehrere Schlußfolgerungen gezogen werden: (1) In der vorliegenden Studie wurden unterschiedliche Operationalislerungen von
Informationsvermittlung
durch
Fernsehnachrichten
verwendet:
Die al Ige-
211
meine und genaue Wiedergabeleistung als recai1-Maße und die Wiedererkennungsleistung als recognition-Maß. Je nachdem, welche Operationalisierung man als abhängige Variable der Informationsvermittlung verwendet, zeigen sich unterschiedliche Ergebnisse, sowohl was die allgemeine Qualität der Behaltensleistung als auch ihre Abhängigkeit von experimentellen Variablen betrifft. Offensichtlich erfassen diese Operationalisierungen
unterschiedliche
Wissens-
aspekte. Während die allgemeine Wiedergabeleistung das reine Erinnern an die Themen von Meldungen mißt, erfaßt die genaue Wiedergabeleistung das Wissen um die Struktur
der Meldungen,
die Wiedererkennenslelstung
die Erinnerung
Einzelhelten der Meldungen. Die Erinnerung an Themen sinkt bei
an
zunehmender
Anzahl von Meldungen. Dies ist bei den anderen beiden Wissensarten nicht der Fall. Das Verständnis der Struktur 1st am größten bei wenigen Meldungen, die zusätzlich redundant formuliert sind. Darüber hinaus ist es bei Ereignismeldungen größer als bei Personenmeldungen. Die Wiedererkennensleistung ist unabhängig von der Menge der vorgelegten Information, Aspekte von Ereignismeldungen werden jedoch besser wiedererkannt, wenn die Meldung einfach formuliert ist, Aspekte von Personenmeldungen besser, wenn die Meldung redundant formuliert ist. Der Vergleich von verschiedenen Studien über Fernsehnachrichten muß auf jeden Fall berücksichtigen, welcher Indikator für die
Informationsvermittlung
verwendet wurde. Hierdurch lassen sich zum einen widersprüchliche Ergebnisse (zum Beispiel die von Gunter 1980a und 1980b) erklären, zum anderen sind zusätzliche Erkenntnisse darüber ableitbar, welche Wissensarten 1n Abhängigkeit von bestimmten Gestaltungs- und Inhaltlichen Merkmalen durch Fernsehnachrlchten beelnflußt werden. (2)
Bebilderte
Fernsehnachrichten
werden
zwar
häufiger
wiedergegeben
als
Nachrichten ohne Bild, aber das Wissen um die Struktur der Meldung wird durch die Hinzufügung von Bildern nicht verbessert. Dies könnte man wie folgt Interpretieren: Bilder bei Meldungen führen nicht dazu, daß die Meldungen besser und elaborlerter verarbeitet werden, vielmehr scheinen die Rez1p1enten bebilderte Meldungen für subjektiv wichtiger zu halten, so daß sie sie bereitwilliger wiedergeben, ohne Ihre Struktur besser gespeichert zu haben. Der Bildvorteil dürfte damit eher 1n einer veränderten Wahrnehmung der Bedeutsamkeit von Meldungen und nicht In einer tieferen oder breiteren Verarbeitung der Meldungen an sich Hegen. Hier sind weitere Untersuchungen notwendig, die die wahrgenommene Wichtigkeit
von Meldungen und die Bebilderung unabhängig
von einander variieren. Ebenso muß der Frage nachgegangen werden, welche Informationen durch die Bilder an sich vermittelt werden. Unabhängig vom Text
212
vermitteln
Bilder nicht nur
Inhaltliche
Informationen,
sondern auch Stim-
mungs- und Anmutungsqualitäten. (3) Der Inhalt von Meldungen spielt für die verschiedenen Formen der Behaltensleistung eine wichtige Rolle. Ereignismeldungen
werden besser
in ihrer
Struktur wiedergegeben als Personenmeldungen. Redundante Information
in Per-
sonenmeldungen kann deshalb die Behaltensleistungen von Aspekten verbessern, bei Ereignismeldungen vermindert sie dagegen die Leistung. Oie Kategorisierung 1n Personen- und Ereignismeldungen ist sicherlich zu grob, das Ziel weiterer Arbeit muß es sein, eine bessere formale Klassifikation von Meldungsinhalten zu erstellen und Zusammenhänge zwischen der Gestaltung von Nachrichten und ihrem Inhalt herauszufinden. (4) In der vorliegenden Studie wurden aufgrund der homogenen Stichprobe Personenmerkmale der Rezlpienten nicht berücksichtigt. Sie spielen jedoch eine wichtige Rolle bei der Informationsvermittlung. Personenmerkmale können, wie Renckstorf (1980) ausführt, mehr Varianz der Behaltensleistung erklären als inhaltliche und Gestaltungsmerkmale. Zu wenig Berücksichtigung scheint auch bisher die Beziehung zwischen Nachrichteninhalten und der subjektiven Funktion von Fernsehnachrichten für die Rezipienten gefunden zu haben. Die geringe Vermlttelbarkeit von Informationen durch Fernsehnachrichten muß bei der Frage danach, welche Relevanz das vermittelte Wissen für den Rezipienten hat, nicht
unbedingt
beklagt werden
(siehe W1nterhoff-Spurk,
1983).
Vielmehr muß die Selektivität von Rezipienten bei der Vermittlung von Informationen berücksichtigt werden (vgl. dazu Noel1e-Neumann & Oonsbach, 1987). (5) Gerade Studien im Bereich der Informationsvermittlung durch Fernsehnachrichten stehen in einem starken Spannungsfeld zwischen der notwendigen Berücksichtigung der externen Validität auf der einen und der Kontrolle von Bedingungen auf der anderen Seite. Um zu wirklich eindeutigen Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit von Gestaltungsmerkmalen zu gelangen, ist die experimentelle Kontrolle von Variablen unerläßlich. Nichts desto weniger sind die Ergebnisse nur dann aussagekräftig, bezogen auf die tatsächliche Rezeptionssituation, wenn die experimentelle Situation Ihr möglichst nahe kommt. Bei einigermaßen vertretbarem Aufwand sind Kompromisse an diesem Punkt wohl unumgänglich. Je stärker das Ziel der Studie 1n der Beschreibung subjektiver Faktoren wie Rezeptionsstrategien
und Verarbeitungsvorlieben
liegt, desto
be-
deutsamer wird die Beachtung der externen Validität, je stärker Materialfaktoren wie Gestaltungsmerkmale und Inhalte von Nachrichten im Vordergrund stehen, desto bedeutsamer wird die experimentelle Kontrolle der beteiligten Variablen.
213 Im ersten Fall
1st eine heterogene, möglichst
repräsentative Stichprobe
notwendig, im zweiten Fall kann eine homogene Stichprobe die klareren Ergebnisse liefern. Eine breitere Variabilität von Studien 1n dieser Dimension erscheint angebracht, um das Phänomen Fernsehnachrichten 1n seiner ganzen Vielfalt zu erfassen. (6) Damit diese Vielfalt jedoch zur Erweiterung des vorhandenen Wissens und nicht zur Verwirrung beiträgt, sind Kommunikationsregeln bzw. Kriterien erforderlich, mit denen es möglich ist, Studien hinsichtlich Ihrer Merkmale zu vergleichen. Hierzu gehören die verwendeten unabhängigen und abhängigen Variablen, die Art der Probanden, die Rezeptionssituation und nicht zuletzt die Art der Meldungen. Ein Klassifikationsschema für kognltlonspsychologische Experimente bietet Jenkins (1979) an. Er kategorisiert die in Gedächtnisexperimenten verwendeten Variablen in vier Hauptgruppen: Personen-, Situations- und Materialvariablen als unabhängige und Kriteriumsvariablen als abhängige Variablen.
Er argumentiert, daß Verallgemeinerungen experimenteller
Ergebnisse
besonders anfällig gegenüber Falsifikationen sind, wenn nicht das Zusammenspiel aller vier Variablenkomplexe in die Analyse einbezogen wird. Die Wirkung beispielsweise von Materialfaktoren (wie den Gestaltungsmerkmalen) kann entscheidend davon abhängen, welche Personenmerkmale die Rezipienten haben, welche Orientierungen sie aus der Rezeptionssituation aufbauen und welche Behaltensleistungen untersucht werden. Aus dem Jenkins'schen Modell
kann man
folgern, daß zukünftige Studien möglichst alle vier Variablenkomplexe 1n mehreren Variationen berücksichtigen,
zumindest jedoch hinreichend beschreiben
müsen. Einfache Ursache-W1rkungs-Zusammenhänge sind dem komplexen Gegenstand "Fernsehnachrichten" nicht angemessen, nur durch Einbeziehung aller bedeutsamen Variablen kann man zu komplexeren, der Realität angemesseneren Gesetzmäßigkelten gelangen.
Die
Ergebnisse
der vorliegenden
Studie
liefern für
diese Sichtwelse hinreichende Belege.
Anmerkung Für tatkräftige Unterstützung bei der Durchführung der Studie möchte Ich mich bei Gregor Daschmann, Hussein Ghayuml, Georg Lllienthal, Dagmar Meißner, Markus Schug, Ute Shouckeh, Sigrid Storz und Elisabeth Topp bedanken. Die Studie hat durch wertvolle Hinwelse von Sabine Hol1ck1 ganz wesentlich gewonnen.
214
Abstract The effects of television news on Information transfer are primarily influenced - apart from audience variables and situational factors - by characteristics of the news Items themselves and the formal features of their representations. This study 1s based on two central assumptions: First, 1t 1s assumed that the Informaton transfer 1s the result of specific interaction effects between formal features and content of a news Item. Certain presentation forms are most effective for certain news items. Secondly, it is assumed that the measured Influence of presentation forms is dependent on the kind of knowledge analyzed, and therefore on the Instrument that is used to measure knowledge gain. In an experiment, four versions of news films were produced. 89 subjects saw these versions 1n an Incidental learning situation. The results support both assumptions stated above. Suggestions for further research are given.
WISSENSERWERB DURCH MASSENMEDIEN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN
217
14
FERNSEHKINDER: DUMM UND UNKREATIV? Karin Böhne-DOrr Universität München
In einer Untersuchung über Vorstellungen und Stereotypen, die Menschen von verschiedenen traditionellen und neuen Medien haben, wurden deutsche "Medienexperten"
(Kommunikationswissenschaftler
(Mediennutzer,
die
nicht
professionell
und Journalisten) über oder
für
und
Medien
"Medienlaien" arbeiten)
ge-
fragt, welches Medium die negativsten Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche habe. Die Antworten der Medienexperten und Medienlaien differierten nur unwesentlich:
62%
(N=313) nannten
"Fernsehen
und Video". Warum? Die
häufigsten
Argumente gegen diese beiden Medien, die vor allem von Medienwissenschaftlern gebracht wurden, waren:
"Fernsehen und Video machen
Kinder dumm und unkrea-
tiv". Andererseits sind 89* davon Uberzeugt, daß Fernsehen sehr nützlich sei, "weil es so viele
Informationen bietet und man dadurch etwas über die Welt
erfährt" (Böhme-Dürr, 1988a). Amerikanische Kommunikationswissenschaftler urteilen ähnlich wie ihre deutschen Kollegen. Bybee, Robinson & Turow (1982) schickten Mitgliedern angesehener
kommunikationswissenschaftlicher
Vereinigungen
einen
Fragebogen,
der
prüfen sollte, wie Kommunikationswissenschaftler Wirkungen des Fernsehens auf Kinder und Jugendliche
einschätzen.
Die Antwortmöglichkeiten
rangierten
von
sehr starken Effekten ("the cause"= Platz 1) bis zu keinen Effekten ("no relationship"^
Platz
18).
Den
deutlichsten
Einfluß
des
Fernsehens
sahen
die
amerikanischen Medienexperten darin, daß das Weltwissen wächst (Platz 1). Ihnen zufolge fördert Fernsehen zwar die primären verbalen Fähigkeiten Sprechen und Verstehen
(Platz
10),
hemmt aber die sekundären
6). Kreatives Denken beeinträchtigt Fernsehwirkungen
wurden
vor
allem
es ebenfalls bei
sozialen
Lesefähigkeiten
(Platz
(Platz 11). Weitere starke Verhaltensweisen
(wie
etwa
beim Kaufverhalten oder bei der Übernahme von Geschlechtsrollen) vermutet. Annahmen über Medienwirkungen
sind mitunter Vorurteile, die einer empiri-
schen Überprüfung nicht standhalten. Das gilt selbst für viele Medienwissenschaftler, da nicht jeder ein Experte für Fernsehwirkungsforschung
mit Kin-
218
dem
ist. Vorurteile können handlungsbestimmend sein. Wenn Eltern oder Pro-
grammverantwortliche glauben, Fernsehen sei schädlich für Kinder, schränken sie mitunter Kinderfernsehen ein oder verbieten es (für Beispiele siehe Bryce & Leichter,
1983; Palmer,
1986; Böhme-Dürr,
1986; Schmidbauer,
1987). Wer
hingegen meint, Fernsehen erweitere den Bildunghorizont von Kindern, könnte sich für vermehrten Fernsehkonsum und mehr Programmangebote einsetzen. Vermutungen, wie Fernsehen auf Kinder wirkt, werden nicht nur durch Programm Inhal te gespeist, sondern auch durch soziale und kulturelle Normen. Und natürlich auch durch die publizierte Forschung. Belegen denn empirische Untersuchungen, daß durch Fernsehkonsum zwar das allgemeine Weltwissen und primäre Sprachfähigkeiten gefördert, dafür aber andere kognitive Fähigkeiten wie Lesen, Intelligenz und Kreativität beeinträchtigt werden? Im folgenden wird untersucht, ob und inwieweit diese Annahmen durch die Forschung gestützt werden. Vor dieser Diskussion "Wissensveränderungen"
sowie
werden die methodische
zentralen Probleme
Begriffe
"Fernsehen"
erörtert.
Um
und
kognitive
Fernsehwirkungen besser verstehen zu können, wird auch ein Überblick über medienspezifische Lerneffekte gegeben.
Begrlffsklfirungen Was wird in den folgenden Untersuchungen unter den Begriffen
"Fernsehen"
und "Wissensveränderungen" verstanden? Im allgemeinen ist mit "Fernsehen" amerikanisches Fernsehen gemeint, das sich sowohl 1n den Inhalten ais auch in den formalen Angebotsweisen deutlich vom deutschen abhebt. Die Programme der kommerziellen
Fernsehgesellschaften
ABC, CBS und NBC sind - auch bei den Nachrichten - sehr viel stärker unterhaltungsorientiert
("1nfo-tainment")
und unterbrechen
ihre Programme
durch
Werbeblöcke. Die nicht-kommerziellen PBS-Sendungen, die solch populäre Kinderserien wie Sesame Street und The Electric Company ausstrahlen, sind eher blldungsorientiert und verzichten auf Werbeeinblendungen (vgl. hierzu Möller & Wimmersberg,
1988). Fast allen Programmen gemeinsam ist der hohe Einsatz
medienspezifischer Darstellungsmittel
(wie akustische und visuelle Spezialef-
fekte, Musik, Schnitte, Kamerabewegungen, Einblendungen), die die Aufmerksamkeit von Zuschauern steigern können (vgl. z.B. Rice, Huston & Wright, 1983). Auch wenn sich in den letzten Jahren amerikanische und deutsche Programme, vor allem die der Privatsender, immer mehr angleichen, so können die Ergebnisse der amerikanischen Studien nur bedingt generalisiert werden.
219 Hinzu kommt, daß die Fernseheinschaltzeit von amerikanischen Kindern ( 2bis 5-Jährige: 4 Std. im Schnitt täglich, 6-bis 12-Jährige: 3 1/2 Std., 10bis 15-Jährige: 3 1/4 Std.) die der deutschen Kinder mit und ohne Kabelanschluß übersteigt. 3- bis 7-Jährige ohne Kabelanschluß nutzen die deutschen Programme etwa 40 Minuten, 8- bis 13-Jährige ca. 1 1/2 Std. In Kabelhaushalten ist der Fernsehapparat für Kinder täglich 16 bis 35 Minuten länger eingeschaltet (für diese Daten, s. Horn, 1982; Darschln & Frank, 1986; Hurrelmann, Nowitzki & Possberg, 1988). Allerdings klaffen - gerade bei jüngeren Kindern - Einschalt- und Sehzeit auseinander. 15 bis 20X der Zeit, in der der Fernsehapparat eingeschaltet Vorschulkindern
(gemessen
ist, ist niemand im Zimmer. Die Aufmerksamkeit von wird
der
Augenkontakt)
fluktuiert
zwischen
8%
(Sportsendungen) und 87* (Kinderprogramme) (Anderson & Field, 1983; Anderson, Lorch, Field, Collins & Nathan, 1986). In vielen Untersuchungen geht es jedoch gar nicht darum, wie reguläre Fernsehprogramme wirken, sondern um die Effekte von Videoausschnitten. In Experimenten wird Kindern meistens ein Videofilm gezeigt, der nicht 1n ein Rahmenprogramm eingebettet ist. Es 1st jedoch zweifelhaft, ob die Ergebnisse der kurzzeitigen Experimente mit Ihren unmittelbaren Effektmessungen als "Fernsehwirkungen" interpretiert werden können (vgl. dazu Lowery & De Fleur, 1983; Böhme-Dürr, 1988b). Die größten Probleme wirft der Begriff "Wissensveränderung" auf. Die Termini "Wissensveränderung" und "Lernen" sollten nicht - wie in der Umgangssprache üblich - gleichgesetzt werden, da "Lernen" nicht nur kognitive Veränderungen meint, sondern auch den Erwerb emotionaler und sozialer Fähigkeiten. Diese begriffliche Trennung ist zwar nicht ganz unproblematisch (so kann z.B. die spielerische Übernahme von Berufsrollen durch einen bestimmten Fernsehinhalt auch als soziale Kognition hinterfragt werden), trägt aber zu einer thematischen Konzentrierung und Beschränkung bei. In der psychologischen Forschung zur Wissensentwicklung und zum Wissenserwerb unterscheidet man zwischen dem Erwerb spezifischer Inhalte durch Lernen und der Entwicklung
allgemeiner Denkstrukturen
(Welnert & Waldmann,
1988).
Inhaltsspezifisches Wissen wird 1n einigen Modellen der menschlichen Informationsverarbeitung in allgemeines Weltwissen und 1n bereichsspezifische Spezialkenntnisse unterteilt. Eine solche Unterscheidung 1st fragwürdig, weil
In
vielen Fällen eindeutige Abgrenzungskriterien fehlen. Als Weltwissen könnte man jene Kenntnisse
bezeichnen, für die man keine spezielle und Intensive
kognitive Auseinandersetzung benötigt (z.B. globales Faktenwissen). Bereichsspezifisches Wissen bezieht sich auf Kenntnisse in einem bestimmten Gebiet, für die man eine Ausbildung oder ein Training braucht (z.B. Expertenwissen 1n
220 der Physik oder in der Kochkunst). Fernsehnachrichten vermitteln sowohl Weltwissen als auch bereichsspezifische Kenntnisse.
Im folgenden wird exempla-
risch untersucht, ob und wie sie das Wissen von Kindern und Jugendlichen verändern können. Inhaltsspeziflsches Wissen kann sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis kognitiver Entwicklungsvorgänge sein. Generelle kognitive Operationsmodi werden durch globale Verhaltensscores ermittelt, die auch inhaltsspezifisches Wissen widerspiegeln. Sprache, Lesen, Intelligenz und Kreativität werden hier primär als Ausdruck allgemeiner Denkstrukturen verstanden, die von Entwicklungsmechanismen bestimmt werden (vgl. dagegen Weinert & Waldmann, ig88, S. 161: Lesenlernen 1st bei ihnen ein Beispiel für den "Erwerb spezifischer Inhalte"). Wissen 1st von Vorwissen abhängig. Vorwissen schränkt den Erwerb neuen Wissens ein. Die neuere Forschung geht davon aus, daß Einschränkungen ("constraints") "den Wissenserwerb strukturel1 beeinflußen, daß sie bereichsspezifisch sind, und daß sie angeborene Invarianten der Entwicklung darstellen." (Weinert & Waldmann, 1980, S.190, vgl. auch Keil, 1981). Einige Forscher wollen diese Annahmen - vor allem die, daß Einschränkungen angeboren sind nicht für alle Fälle gelten lassen. Einschränkungen können auch dadurch Zustandekommen, daß bei Kindern bestimmte relfungs- und altersabhängige kognitive Strukturen (wie etwa Fähigkeiten des Metagedächtnisses oder verschiedene Fähigkelten der Perspektivenübernahme) noch nicht ausgebildet sind. Da die Entwicklungspsychologie bislang kaum erforscht hat, wie sich Einschränkungen auf den Erwerb inhaltsspezifischen Wissens auswirken,
ist es
nicht verwunderlich, wenn auch die Medienwirkungsforschung noch keine Hypothesen dazu formuliert hat. Es reicht nicht aus zu fragen, welches Vorwissen ein Kind zu einer bestimmten Fernsehsendung mitbringt. Ebenso wichtig ist es nach der Art der Einschränkungen zu fragen, die einen inhaltsspezifischen Wissenserwerb durch Fernsehen erschweren oder gar unmöglich machen.
Methodische Probleme Vorwissen 1st in Medienuntersuchungen mit Kindern und Jugendlichen nur selten erhoben worden (vgl. jedoch Salomon, 1976). Es geht also zumeist um Wissen durch Medien und nicht um W1ssensveränderungen. Die Erfassung von Wissensveränderungen durch Medien bei Kindern ist ein äußerst schwieriges Problem. Bei relativ kurzfristigen Überprüfungen dürfen Vor- und Nachtest nicht identisch sein, da sonst Senslbi11s1erungs- und Erinnerungseffekte
wirksam
werden. Nimmt man jedoch Fragen oder Tests, die zwar zum selben Inhaltlichen
221
Bereich gehören, aber trotzdem verschieden sind, ist es fraglich, ob Pre- und Posttest dasselbe messen. Um valide Ergebnisse zu erzielen, ist ein ausgeklügeltes experimentelles Design einmaliger
Danach-Messung
(wie etwa ein Solomon-Design) notwendig. Bei
kann
ein
entwicklungsbedingter
Wissensvorsprung
nicht erkannt werden. Bei
langfristigen Überprüfungen von Wissensveränderungen durch Fernsehen
mußten Nichtseher und Seher mit verschiedener Nutzung (z.B. Wenigseher und Vielseher) einander gegenübergestellt werden.
Es ist fraglich, ob sich die
Stichproben der Nichtseher (In der BRD nur 4%) und Seher überhaupt parai lei 1sieren lassen, da sie sich auch in Ihren soziodemographischen Merkmalen und in ihren Verhaltensweisen unterscheiden (Edgar, 1977; Jackson-Beeck, 1977). Ein Forschungsglücksfall wie das fernsehfreie Dorf "Notel", das mit zwei sehr ähnlichen Dörfern
mit Fernsehempfang
("Unltel" und
"Multitel") verglichen
werden konnte und das zwei Jahre nach der Ersttestung Fernsehen erhielt (vgl. Williams, 1986), ist äußerst selten. Eine andere - wenngleich ethisch fragwürdige - Möglichkeit wäre die Kontrolle über den Fernsehkonsum von Geburt an.
Intermediärer Wissenserwerb In der Wissenspsychologie und in jüngster Zeit auch in der Medienwirkungsforschung
wird
zwischen
aufsteigender
oder
zeichengeleiteter
Verarbeitung
("bottom-up processing") und absteigender oder schemageleiteter Verarbeitung ("top-down-processing") differenziert (vgl. Mandl & Ballstaedt, 1982; Anderson & Lorch,
1983; Collins, 1983; Böhme-Dürr,
1985). Der Rezeptionsprozeß
wird als Inter- oder Transaktion dieser beiden parallelen Verarbeitungsrichtungen aufgefaßt. Welche medienspezifischen Elnflüße (zeichengeleitete Verarbeitung) steuern die kognitive Verarbeitung von Fernseh1nformat1onen bei Kindern? Medienspezifische Wirkungen können zwar bei einem Einzelmedium nachgewiesen, aber nicht kausal belegt werden. Deshalb überprüfen einige Forscher den Wissenserwerb durch Intermediäre Vergleiche. Furu (1971, S.124) räumt Ihnen einen zentralen Platz ein: "The problem concerning knowledge gain through TV does not H e so much in what and how much they (the children) learn from TV but in what and how much they learn from 1t 1n comparison with other media, and for what kinds of children TV has this particular effect.". In den Intermediären Vergleichen mit Kindern wurden 1m allgemeinen die Medieninhalte und die Rezeptionssituatlonen konstant gehalten. Variiert wurden
222
die Technologien. Bei einem Teil der Experimente wurde die Medienspezifität berücksichtigt. So gingen z.B. Forscher des Harvard Project Zero davon aus, daß Radio nicht Fernsehen ohne Bild 1st und bereiteten ihre Hörfunkversionen so auf, daß die meisten Bildinformationen, die in den Fernsehversionen zu sehen waren, verbal mitgeliefert wurden (vgl. Banker & Meringoff, 1982). Um die Effekte noch kontrastreicher studieren zu können, wurde in einigen Untersuchungen der Sprachanteil bei den Fernsehversionen reduziert oder weggelassen (vgl. z.B. Sturm & Jörg, 1980; Meringoff, Vibbert,
Char, Fernie, Banker &
Gardner, 1983). Es 1st fragwürdig, ob alle Ergebnisse der intermediären Studien externe Validität besitzen. Das unbeabsichtigte Lernen, das beim täglichen Fernsehkonsum eine so große Rolle spielt, wurde in nur zwei Untersuchungen kontrolliert (Hayes & Birnbaum, 1980; Hayes, Chemelski & Birnbaum, 1981). Entgegen der Erwartung der Autoren war bei Vorschulkindern der "visual
superiority effect"
(bessere Wiedergabe der gesehenen als der gehörten Informationen) bei der absichtlichen Erinnerung größer als beim inzldentellen Lernen. Vorschulkinder profitieren von Fernsehfilmen (d.h. von visuell komplexen. aktionsreichen Informationen) mehr als von Gehörtem. Die abhängige Variable "Wissen" wurde 1n verschiedenen Untersuchungen unterschiedlich gemessen: nonverbal durch Nachspielen
(Sturm & Jörg,
1980),
über Rekognition
(Hayes &
Birnbaum, 1980; Stoneman & Brody, 1983) oder über freie Wiedergabe (Pezdek & Hartmann, 1983; Field & Anderson, 1985; Gibbons, Anderson, Smith, Field & Fischer, 1986). Trotz der Dominanz der bewegten Bilder erinnern sich Vorschulkinder besser an Sprache (beim Vorlesen von Bilderbüchern) als ältere Kinder (Kelly & Meringoff, 1979). Einige Studien zeigen, daß auch Schulkinder bis zu zwölf Jahren bei Fernsehfilmen bessere Leistungen sich häufiger daran (free
zeigen als bei Radiogeschichten.
recall: Barrow & Westley,
Tests: Wetstone & Friedlander,
Sie erinnern
1959; multiple-choice-
1974) und können unterbrochene
Geschichten
besser zu Ende führen (Greenfield, 1984). Andere Untersuchungen fanden zwar In der Gesamtmenge
der Erinnerungen keine Unterschiede
Fernsehen, wohl jedoch in der Art der Wiedergabe.
zwischen Radio und
In der Untersuchung von
Beagles-Roos & Gat (1983) mit Sechs- bis Zehnjährigen zeigten sie sich 1n den Sehlußfolgerungen. Bei der Fernsehversion waren die Handlungsinferenzen besser und bei der Rad1overs1on die Sehlußfolgerungen, die sich nicht direkt aus der Geschichte selbst ergaben. Zu ganz ähnlichen Resultaten gelangten Vibbert & Meringoff (1981), die einen Film mit zwei Audioversionen (eine verbal ausführliche, eine verbal reduzierte) verglichen. Neun- und Zehnjährige, die den Film sahen, basierten ihre Sehlußfolgerungen mehr auf den Blldinformationen
223 als die beiden anderen
Gruppen.
enthielten mehr Filmelemente.
Aber nicht nur
Während
das: Auch
ihre
Zeichnungen
z.B. die Audiogruppen eine ganze
Ge-
stalt malten, zeichneten die Fernsehkinder nur ein Gesicht - und zwar so, wie sie es in Großaufnahme gesehen hatten. Meringoff
(1980)
kontrastierte
Fernsehen
und
Bilderbuch.
Die
sechs-
bis
zehnjährigen Fernsehkinder erzählten mehr von visuellen Aktionen und zeigten mehr Gestik als die Bilderbuchkinder, ten.
Dieses
Ergebnis
konnte
jedoch
die die Handlungen nicht gesehen hatin der
Studie
von
Banker
&
Meringoff
(1982) nicht repliziert werden. Zehn- und Elfjährige, die einen Film gesehen hatten, waren in ihrer Gestik gehemmter als Gleichaltrige, die andere Versionen vermittelt
bekamen
(Stummfilm, filmähnliche
Hörfunkversion,
Geschichten-
erzähler auf Tonband). Die Diskrepanz in den Resultaten läßt sich dadurch erklären, daß die älteren Kinder einen sehr viel abstrakteren, weniger aktionsreichen Film gesehen hatten. Ein Medium kann nicht nur die Art der direkten Erinnerung beeinflußen. Pezdek, Lehrer & Simon (1984) analysierten, wie Acht- bis Elfjährige gelesenen Text und Fernsehen
1m Vergleich zu gelesenem Text und Radio verstanden
und
erinnerten (recognition). In verschiedenen Aufgaben wurden zwischen gelesenem Text und Fernsehen keine Korrelationen gefunden, wohl aber zwischen gelesenem Text und Radio. Audiovisuelle formationsverarbeitungsprozesse
Informationen aktivierten als die akustischen.
Kinder 1n der Text-Fernseh-Bedingung
generell
andere
In-
Insgesamt schnitten die
besser ab als in der Text-Radio-Bed1n-
gung. Also auch hier ein "visual superiority effect". Die Dominanz des Visuellen ist keineswegs selbstverständlich, denn bei Diskrepanzen zwischen verbalen und nonverbalen Informationen und in einfacheren Reizsequenzen beachten und befolgen Kinder bis zu zehn Jahren, vor allem Vorschulkinder, auch als
verbale
Informationen
glaubwürdiger
(vgl.
1988). Die Vermutung H e g t
eher
Böhme-Dürr,
als
nonverbale
1985;
Hoffner,
und
beurteilen
Cantor
sie
8 Thorson,
nahe, daß visuell komplexe, aktionsreiche Fernseh-
filme eher global istisch, weniger komplexe B1ld-Ton-Kombinationen eher analytisch-sequentiell tungsstil
verarbeitet werden. Dies würde bedeuten, daß der Verarbei-
("performance style",
vgl. Witelson,
1977) nicht nur von der Dar-
bietung der Informationen abhängt, sondern auch von Ihrer Menge und Dichte.
Missen durch fernsehspezifische Presentationsfomen Außer
den
intermediären
Vergleichen
dienspezifischen Präsentationsformen,
klären
auch
Untersuchungen
welches Wirkungspotential
ein
zu
me-
bestimm-
224 tes Medium hat. Allerdings geht es in vielen medienspezifischen
Studien gar
nicht um die Frage, welchen Elnfluß verschiedene Gestaltungsmerkmale auf das Wissen von Kindern haben, sondern ob und ab welchem Alter Kinder sind, sie zu verstehen. Wie zu erwarten, fahrene Kinder Zooms, Einstellungsgrößen,
Kameraschwenks und Schnitte
als jüngere und fernsehunerfahrene (vgl. z.B. Salomon, ser,
1981; Acker &
Tiemens,
in der Lage
interpretieren ältere und fernseher-
1981; Krull,
1983;
besser
1979; Meringoff & Les-
Smith, Anderson &
Fischer,
1984; Pretis, 1986). Und natürlich fördern Interventionen in der Familie, Instruktionen und formaler Fernsehens
(vgl.
Unterricht das Wissen
z.B. Rapaczynski,
Kovaric & Kunkel, 1983; Baron,
über die
Singer & Singer,
1985; Oesmond, Singer,
Funktionsweisen des
1982;
Dorr,
Doubleday,
Singer, Calam & Coli-
more, 1985). Die meisten Untersuchungen zur kognitiven Verarbeitung schen Präsentationsformen bei Kindern
von medienspezifi-
betreffen die Aufmerksamkeit
immer als Blickkontakt operationalisiert
(die fast
wurde). Kindergartenkinder
und jün-
gere Schulkinder beachten Kindersendungen mehr, wenn sie akustische Reize wie lebhafte Musik, Toneffekte, gen/parasprachliche
Phänomene,
Reime, Wiederholungen sind auch visuelle
Kinderstimmen, verstellte
und
häufige
Sprecherwechsel,
Alliterationen
enthalten.
Reize wie Tempo/Wechsel
ren, Zeichentrlckflguren,
Inkongruenzen,
Stimmen,
Vokalisierun-
weibliche
Stimmen,
Aufmerksamkeitsfördernd
von Szenen, Themen und Charakte-
Blickkontakt
der Akteure und
visu-
elle Spezialeffekte. Wenig Effekte zeigen sich bei Schnitten, Zooms und Kameraschwenks.
Aufmerksamkeitshemmend
lichkeit, Männerstimmen
(!),
sind
langsame,
lange
Zooms,
Standbilder,
konventionelle Musik
und
Unbeweg-
langes
kom-
pliziertes Sprechen. Alle diese Befunde sind mehrfach repliziert worden (vgl. z.B. Rice,
Huston & Wright, 1983, besonders S. 31; Anderson & Field,
1983;
Krull, 1983). Der Einsatz von medienspezifischen grammen
genreabhängig.
samkeitshemmenden
"Seriöse"
ist
in den meisten
Kinderpro-
Informationen werden meistens mit
Darstellungsformen
mit aufmerksamkeitsfördernden
Mitteln
präsentiert
und
aufmerk-
Unterhaltungssendungen
(Huston, Wright, Wartella, Rice, Watkins, Camp-
bell & Potts, 1981). Medienspezifische Präsentationsformen sind auch für das Verstehen von Fernsehfilmen wichtig. Optimal heiten betonen
Untersuchung mit ausländischen
scheinen die zu sein, die die
zentralen Sinnein-
(Huston-Stein & Wright, 1979). So erwies sich z.B. sieben-
Film der
bis zwölfjährigen
Off-Kommentar
(der
schwedischen das Wichtigste
Schülern
in einer bei
einem
zusammenfaßt)
für
das Verstehen als günstiger als die synchronisierte oder die mit Untertiteln versehene Version (Feilitzen, Filipson & Schyller, 1979).
225 Umstritten ist noch, ob Aufmerksamkeitsprozesse für den Wissenserwerb notwendig
sind. Watt & Welch
(1983) fanden, daß
Komplexität von Kinderprogrammen die Aufmerksamkeit Dagegen
zeigten
verschiedene
die statische
sich
in der Studie
zwischen der Aufmerksamkeit und
der
von
Calvert,
bei medienspezifisch
Wiedererkennung
ähnliche Resultate halte,
dynamische erklärt,
der Kinder jedoch nur einen geringen Vorhersagewert hat. Huston, Watkins
(1982) bei Fünfjährigen, jedoch nicht bei Neunjährigen, starke formen
und
Erinnerungslelstungen
vgl.
Bryant,
von
nebensächlichen
Zillmann &
Brown,
die mit auffälligen medienspezifischen
relativ schneller
Bewegung)
auch von älteren
Kindern
solche mit weniger
auffälligen
aufmerksamer
fernsehtechnischem
Präsentations-
Filminformationen 1983).
Zentrale
Präsentationsformen
gekoppelt waren, wurden wahrgenommen Einsatz. Auch
& Wright
Korrelationen (für
Filmin-
(z.B.
mit
sowohl von jüngeren als und besser erinnert
als
in der Untersuchung von
Wright, Huston, Ross, Calvert, Rolandelli, Weeks, Raelssi & Potts (1984) wurden
Zusammenhänge
zwischen
fernsehspezifischen
Mitteln,
Aufmerksamkeit
und
Verstehen (freie Wiedergabe) beobachtet. Medienspezifische Präsentationsformen sind für das Verstehen von Fernsahinhalten also vor allem dann optimal, wenn sie "richtig" piaziert werden (durch Betonung der relevanten Informationen) und wenn sie von den Kindern verstanden werden. Sie sollten auch die Fntwicklung von kognitiven Prozessen berücksichtigen (Salomon, 1979). So verstehen ältere Kinder verschiedene Kameraeinstellungen, die durch einen Schnitt markiert werden, besser, wenn sie bereits von sich aus die entsprechenden räumlichen Koordlnations- und Perspektivenfähigkeiten entwickelt haben. tionsformen
Andererseits
kognitive Operationen
tionsfunktion"
wird erreicht,
die kognitive Operationsform
können
beeinflussen.
wenn eine ersetzt,
medienspezifische Eine
sogenannte
medienspezifische
Präsenta"Supplanta-
Präsentationsform
die das Kind selbst aktivieren
müßte
(Salomon, 1972). Ein Zoom z.B. verdeutlicht die mentale Operation, die notwendig ist, um die Relation zwischen Teil und Ganzem herzustellen. Präsentationsformen
fördern
vor
allem
bei
jüngeren
und
Filmische
fernsehunerfahrenen
Kindern die entsprechenden kognitiven Operationen (Salomon, 1974).
Der Erwerb von Weltwissen Der Erwerb von Weltwissen durch Fernsehen wird hier exemplarisch anhand der Nachrichtenrezeption
aufgezeigt.
Da
Fernsehnachrichten
nicht
für- bestimmte,
sondern für sehr heterogene Bevölkerungsgruppen konzipiert werden, vermitteln sie eher allgemeines Weltwissen als bereichsspezifische Spezialkenntnisse.
226
Kinder 1m Kindergarten oder in der Grundschule sehen nur selten Nachrichten (Atkln, 1978; Egan, 1978). Deshalb sind in den Wirkungsstudien zumeist ältere Schulkinder untersucht worden, die schon ein gewisses Vorwissen haben. Selbst dann, wenn Nachrichten
hauptsächlich
für Kinder
gemacht werden,
sind die
Journalisten, Reporter, Kameraleute und Redakteure Erwachsene, die z.T. ganz andere Wissensschemata haben als die jungen Zuschauer. Die Erwachsenennachrichten verstehen Kinder nur teilweise. Ein Grund sind die ungewohnten lexikalischen und morphosyntaktischen Strukturen Olson, 1977;
Felix,
1979; Craven,
1987).
In einer Studie mit
(vgl. dazu bayerischen
Hauptschülern wurde geprüft, ob Kinder Fremdwörter aus den Nachrichten überhaupt begreifen. Von 2259 gängigen Fremdwörtern in Tagesschau und heute (wie etwa "Apartheid" oder "Subvention") verstanden 251 Hauptschüler nur 94 (4,2 X) und gaben falsche
Erkärungen
(Hausner,
1988).
"Binnenwirtschaft"
wurde
z.B. als "Wirtschaft auf den Flüssen" oder als "Honigsammlung der Bienen für die Wirtschaft" definiert. Die Begriffe "Lobby" und "Diskontsatz" wurden von keinem verstanden. Die zelchengeleitete
Verarbeitung wird nicht
nur durch die Sprache er-
schwert. Der Ablaufzwang des Fernsehens, der schnelle Wechsel unzusammenhängender Einzelmeldungen und die Inhaltliche Schere zwischen Text und Bild hemmen besonders das Verstehen der jungen Zuschauer
(vgl. Huth, 1979). Emotio-
nale Inhalte fördern dagegen das Verstehen von Nachrichten (Cohen, Wigand & Harrison, 1977). Obwohl Findahl & Höljer (1975) annehmen, daß durch Fernsehnachrichten völlig neue Wissensstrukturen aufgebaut werden können, gehen die meisten anderen Forscher davon aus, daß neue mediale Informationen sich in bestehende Wissensstrukturen eingliedern (vgl. Wosnltza, 1982). Nachgewiesen ist, daß die schemageleitete
Verarbeitung
besonders
bei
Vorschulkindern
durch
fehlende
Wissensschemata ("supporting knowledge base") beeinträchtigt werden kann (Olson, 1977). Nachrichten, bei denen Kinder keinen Bezug zu ihrem Alltag haben, werden kaum verstanden und nur selten behalten. Industrie und Wirtschaft sind Ihnen z.B. fremd. Deshalb 1st es nicht erstaunlich, daß Wirtschaftsnachrichten relativ schlecht abschneiden. In der Untersuchung von Drew & Reese (1984) fungierten sie als Aufmacher. Trotzdem wurden sie von nur 9% der 16-Jährigen (N=198)
verstanden.
Etwas
bessere
Ergebnisse
erzielten
Findahl
&
Höljer
(1973) mit 15-Jähr1gen und älteren Jugendlichen. Ein Viertel von ihnen konnte Fragen zum Inhalt (z.B. zur Finanzierung von Wirtschaftsunternehmen) korrekt beantworten (für ähnliche Ergebnisse, vgl. Halloran & Eyre-Brook, 1970). Natürlich hat auch die kognitive Entwicklung einen Elnfluß auf den Wissenserwerb durch Nachrichten. Connell
(1971) ließ jüngere Schulkinder die Nach-
227
richten nacherzählen. Da sie noch nicht abstrahieren können, erinnerten sie sich fast nur an Details (häufig nonverbale F1lmelemente). Zusammenhänge, Motive und Ziele wurden Ignoriert. Das Interesse von Eltern an Nachrichten motiviert Kinder ebenfalls Nachrichten zu sehen (Atkin & Miller, 1981). Wenn bereits Wissen zu einem Bereich (z.B. Politik) vorhanden 1st, steigt das Interesse, noch mehr Informationen aus dem Fernsehen zu bekommen (Atkin » Gantz, 1974). Emotionale und motivationale Faktoren sind für die Nachrichtenrezeption kleinerer Kinder am entscheidendsten, während bei den größeren Intellektuelle Fähigkeiten den Ausschlag geben (Atkin, 1977). Am wenigsten lernen jüngere Kinder aus der Arbeiterklasse,
die
kaum
Interesse
zeigen
und
Fernsehnachrichten
nicht
mögen
(Atkin & Gantz, 1979). Aber gerade für sie wäre das Sehen von Nachrichtensendungen für den Erwerb von Weltwissen besonders wichtig,
da ihnen das Zei-
tunglesen sehr schwer fällt (Adoni, 1979). Bereits die Vertreter der Gestaltpsychologie
(Duncker, Maler) erkannten,
daß Wissen abhängig, bzw. begrenzt ist durch das Ziel, für das es erworben werden soll. Langfristig uninteressante Nachrichten werden von Jugendlichen schnell wieder vergessen
(Chaffee, Ward & Tipton,
1970; Conway, Stevens &
Smith, 1975). Das selektive Interesse bedingt, daß Nachrichten nur punktuell aufgenommen werden.
Nachrichten
vermitteln
Kindern allenfalls
"Qu1zw1ssen"
und nur selten "Zusammenhangswissen". Obwohl Fernsehnachrichten
für Kinder die wichtigste Quelle für das Ver-
ständnis der politischen Realität sind, leiten sie kein Handlungswissen daraus ab (Connell, 1971). Allerdings muß man Connells Befund relativieren, da die meisten Informationen in seinen Nachrichten (z.B. über den Vietnamkrieg) keinen direkten Bezug zu den Kindern hatten. Trotz der vielen Einschränkungen erwerben
Kinder und Jugendliche
durch
Nachrichten Weltwissen. Grundschulkinder meinen, sie seien durch das Fernsehen besser
über
aktuelle
Ereignisse
Informiert
(Schramm,
Lyle
&
Parker,
1961). Jugendliche, die regelmäßig Nachrichten sehen, wissen besser über Politik und prominente Personen bescheid (Chaffee, Ward & Tipton, 1970; Robinson, 1972). Und doch profitleren Kinder von Nachrichten für ihr Wissen weniger als von anderen Programmen (Blosser & Roberts, 1985). Wie die verschiedenen Studien zeigen, H e g t es zumeist am mangelnden Vorwissen der jungen Zuschauer, aber auch an den Präsentationsformen und Inhalten. Vor allem die Sprache sei unverständlich, so lautet die Kritik. Können Kinder denn überhaupt aus der Fernsehsprache Nutzen ziehen?
228
Spracherwerb Einige Linguisten vertreten zwar die Ansicht, Fernsehen habe keinen Einfluß auf die Entwicklung primärer sprachlicher Fähigkeiten (Sprachwahrnehmung und Sprachproduktion) (Clark & Clark, 1977; van der Geest, 1978; Hoff-Ginsberg & Shatz, 1982), doch gibt es eine Reihe von Studien, die einen Effekt nachweisen können. Allerdings sind die Befunde widersprüchlich. Die Sprachentwicklung von Vorschulkindern korreliert negativ mit dem Ausmaß des allgemeinen Fernsehkonsums (vgl. z.B. Nelson, 1973; Selnow & Bettinghaus, 1982; Rice, 1983). Eine ähnliche Relation wurde von Milkovich, Miller et al. (1975) bei Schulkindern beobachtet. Schramm, Lyle & Parker (1961) fanden jedoch, da0 ältere Fernsehkinder ein größeres Vokabular hatten als Kinder ohne Fernsehen. Aus ihren Untersuchungen schließen Harrison & Williams (1986), daß Fernsehen fast
keinen
Einfluß
auf eine
Erweiterung
des Wortschatzes
von
Schulkindern hat. Die von einigen Autoren vermuteten schädlichen Einflüsse von Fernsehen auf Sprache (vgl. z.B. Fisher, 1984) scheinen sich lediglich bei Vorschulkindern zu bestätigen, allerdings nur auf den ersten Bück. Denn die kausale Beziehung 1st 1n diesen Untersuchungen ungeklärt. Zudem können
(nicht erfaßte)
Drittvariablen wie Intelligenz oder elterliche Zuwendung beide Verhaltensweisen steuern. Auffallend sprachärmere
1st,
daß
Programme
Kinder, sehen,
die
In Sprachtests
während
die
schlecht
linguistisch
abschneiden,
Fortgeschrittenen
sprachlich anspruchsvolle Sendungen bevorzugen (Selnow & Bettinghaus, 1982). Kindersendungen variieren (Rice, 1979,
1987; Rice
sehr stark
& Halght,
in ihrer
sprachlichen
Komplexität
1987). Die populäre Serie Mr. Rogers'
Neighborhood eignet sich z.B. gut für Kinder, well sie 1n Ihrer Grammatik, Ihren Inhalten und Ihrem Diskurs Parallelen zu der Sprache, wie sie Mütter verwenden ("motherese"), aufweist. Analysiert man nicht nur den Fernsehkonsum oder die Nutzung von Genres allgemein, sondern
sprachlich
adäquate
Einzel Sendungen
(wie etwa die Sesam-
straße) • dann zeigt sich, daß Bables, Kinder und Jugendliche sehr wohl aus Programmen sprachlichen Nutzen ziehen können (vgl. z.B. Ball & Bogatz, 1970, 1972; Lahtinen & Talpale, 1971; Lemish & Rice, 1984, 1986; Shatzer, Korzenny & Griffis-Korzenny, 1985; Lemish, 1987; Rice & Woodsmall, 1987; Rice, Huston & Truglio, 1988). Die sprachlichen Zugewinne sind bislang nur 1m Bereich der
229
Semantik (neue und ungewöhnliche Wörter, Wortzusammensetzungen und Fremdwörter) klar belegt. Für Syntax und Pragmatik stehen Untersuchungen noch aus. Die z.T. widersprüchlichen Ergebnisse zu Sprachperzeptlon und -Produktion lassen sich durch unterschiedliche Meßmethoden erklären. Wenn bei der Überprüfung des Wortschatzes direkt auf die Sprache im Fernsehen Bezug genommen wird, ist verbaler Zuwachs möglich.
Lesenlernen Auch die Resultate zur Wirkung von Fernsehen auf die sekundäre sprachliche Fähigkeit Lesen sind inkohärent und gegensätzlich. Zwar deuten die meisten Studien, vor allem die nichtexperimentellen, bivariaten Untersuchungen, auf einen (leicht) negativen Zusammenhang zwischen Fernsehkonsum und Lesekompetenz (für Überblicke und eigene Untersuchungen vgl. Hornik, 1981; Morgan & Gross, 1982; Corteen & Williams, 1986; Ball, Palmer & Millward, 1986; Price, Ritchie, Roberts & Lieberman, 1986; Ritchie, Price & Roberts, 1987), aber einige, wenige erbrachten positive Relationen (Ball & Bogatz,
1970; Bryant,
Alexander & Brown, 1983; Murray & Kippax, 1978). Außer den Kurzzeltexperimenten verwenden
fast alle
Studien korrelations-
und
regressionsstatistische
Messungen. Eindeutige Kausalitätsschlüsse sind dadurch nicht möglich. In den langfristig angelegten Quasi-Experimenten von Hornik
(1978) und Corteen &
Williams (1986) sind Ursache-Wirkungs-Schlüsse eher nachweisbar: Wenn Fernsehen als neues Medium eingeführt wird, sinken die Leseleistungen. In den meisten Untersuchungen, in denen eine negative Korrelation zwischen Fernsehkonsum und Lesenlernen gefunden wurde, werden als Interpretationen die sogenannten
"Verdrängungs"
(displacement)-Hvpothesen
favorisiert
(Hornik,
1981; Fetler, 1985; Potter, 1987). Die quantitative Verdrängungshypothese besagt, daß jede Stunde, die ein Kind mit Fernsehen verbringt, für das Einüben von Fertigkeiten verlorengeht. Williams, Haertel, Haertel & Walberg (1982) nennen für amerikanische
Kinder
zehn Stunden Fernsehkonsum pro Woche als
Schwelle. Wird sie überschritten, kommen Kinder fast gar nicht mehr zum Lesetraining. Bei der qualitativen Verdrängungshypothese wird davon ausgegangen, daß Fernsehen sich negativ auf die Qualität von Verhaltensweisen auswirkt. Entweder lesen Fernsehkinder qualitativ Schlechteres (z.B. Comics) oder sie investieren weniger emotionale und kognitive Anstrengung beim Lesen und können daher aus der Zeit, die sie mit Lesen verbringen, keinen Gewinn ziehen. Beide Hypothesen wurden in den Stanford-Studien von Price et al. (1986) und von Ritchie et al. (1987) überprüft. Sie konnten aber nicht belegt werden.
230
Ihnen zufolge geht mehr
Fernsehnutzung zwar etwas mit weniger außerschuli-
schem Lesen einher (was für die quantitative Verdrängungshypothese spricht), aber außerschulisches Lesen hängt nicht mit späterer Leseleistung
zusammen.
Obwohl die Qualität außerschulischer Lektüre und spätere Leseleistung miteinander korrelieren, Qualität
gibt es keinerlei Beziehung
außerschulischer
Lektüre.
Die
zwischen
Fernsehnutzung
Fernsehen und
und der
spätere
Lese-
leistungen sind vom Comiclesen unabhängig. Auf den ersten Blick scheinen die Resultate einer Untersuchung von Neuman (1984) den Stanford-Ergebnissen zu widersprechen. Sie fand nämlich, daß Vielseher (mehr als drei Stunden täglich ), die wenig lesen, qualitativ schlechtere Lektüre bevorzugen.
Zwischen den Vielsehern, die viel
lesen,
und den
Kindern, die überhaupt nicht fernsehen, gab es jedoch keinen Unterschied. Als wesentliche Faktoren kristallisierten sich in den Stanford-Studien antezedente Prozesse heraus (wie die Einstellung gegenüber Lesen und Fernsehen). Die elterliche Einstellung gegenüber der Mediennutzung und die Medienverfügbarkeit scheinen keine Rolle zu spielen (Price et al., 1986). Da das kalifornische Gesetz die Erhebung von Intel 1igenzscores verbietet, konnte der Elnfluß der Intelligenz 1n den Stanford-Studien nicht ermittelt werden. Morgan & Gross (1980) konnten dagegen Intelligenztests durchführen. Sie erhielten auch dann noch signifikante negative Korrelationen zwischen Fernsehkonsum
und
Lesefähigkeiten,
wenn
andere
Variablen
(Geschlecht,
soziale
Klasse, Schulnoten, Intelligenz) herauspartialIsiert wurden (vgl. auch Potter, 1987). Wenn die Intelligenz kontrolliert wurde, waren die Korrelationen in der Morgan & Gross-Untersuchung allerdings deutlich reduziert. Obwohl bessere Leser 1m allgemeinen weniger vor dem Bildschirm sitzen, konnte dieser Befund nicht für alle Gruppen belegt werden.
Interessanterweise
die Morgan & Gross-Daten die kurvllineare Beziehung und Lesescores,
die auch
in anderen Projekten
bestätigen
zwischen Fernsehkonsum
beobachtet worden
ist
(für
einen Überblick vgl. Morgan & Gross, 1982). Zumindest für die jüngeren und weniger Intelligenten Kinder scheint ein wenig Fernsehen ganz positiv zu sein ("A small amount of viewing seems better than none, and a lot is worst of all", s. Morgan & Gross, 1982, S. 81). Für das "bißchen Fernsehen" eignen sich spezielle Leselernprogramme wie etwa die aus Sesame Street oder die aus The Electric Company offensichtlich am besten, da sie nachweislich die Graphem-Phonem-Kombinationen
fördern
(vgl. z.B. Ball
& Bogatz,
1970;
Bryant,
Alexander S Brown, 1983). Wie die Morgan & Gross-Untersuchung
zeigt, wird die Beziehung zwischen
Fernsehen und Lesen zumindest zum Teil von der Intelligenz beeinflußt. Wie aber sieht die Beziehung zwischen Fernsehen und Intelligenz aus ?
231
Intelligenz, Schullelstungen und Kreativität Konvergentes Denken, also Intelligenz, wird mit Hilfe von Intelligenztests erfaßt, die
verschiedene
Vorstellungsvermögen, dächtnisfähigkeiten)
Fähigkeiten
mathematisches messen
(wie etwa und
(Unterschiede
Wortflüssigkeit,
schlußfolgerndes
räumliches
Denken
oder
Ge-
in den Definitionen und Zugriffs-
weisen des Konstrukts "Intelligenz" sollen hier nicht diskutiert werden, vgl. dazu Roth, Oswald & Daumenlang, 1972; Gardner, 1983). Obwohl Schramm, Lyle & Parker (1961) fanden, daß 10- bis 13-Jährige mit hoher Intelligenz (IQ > 115) länger vor dem Bildschirm sitzen als die mit einem IQ unter 100 (für ähnliche Resultate s. Lyle & Hoffman, 1972), korrelieren in den meisten Untersuchungen Fernsehkonsum
und
Intelligenz
Gross, 1982; Huth, negativen
negativ
(für einen
Überblick
1982; Williams, Haertel, Haertel
Korrelationen
bleiben
auch
dann
vgl.
S Walberg,
erhalten,
wenn
Morgan &
1982). Diese
andere
Variablen
(Geschlecht, Klasse, Familiengröße, sozloökonomische Schicht) herauspartialisiert werden (wobei übrigens Intelligenz und Schichtzugehörigkeit
unabhängig
voneinander sind). Sie sind für Jungen stärker ausgeprägt als für Mädchen. Auffallend ist auch, daß bei den Wenigsehern verschiedene Intelligenzquotienten vertreten sind, bei den Vielsehern jedoch nur eine geringe Spannweite niedriger Intelligenzquotienten.
Vielsehende
Kinder und weniger
intelligente
Kinder werden deshalb häufig gleichgesetzt (vgl. Gross & Jeffries-Fox, 1978; Morgan & Gross, 1980). Morgan & Gross (1982) nehmen an, daß Vielsehen und Intelligenz einander beeinflußen. Vieles deutet darauf hin, daß der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang komplizierter ist, als es die Interpretationen von Morgan & Gross suggerieren. Die positiven
Korrelationen
zwischen
Fernsehkonsum
und
Intelligenz
bei
jüngeren
Kindern könnten auch durch Fernsehinhalte und formale Angebotsweisen erklärt werden. Sie entsprechen vermutlich eher den Interessen und Fähigkeiten kleinerer Kinder. Für ältere, intelligente Kinder sind die Programme nicht mehr so attraktiv wie für ältere, weniger intelligente (vgl. dazu Ball, Palmer & Millward, 1986). So fand z.B. Potter (1987), daß weniger Intelligente 14- bis 18-Jähr1ge vor allem Soap Operas
(wie etwa Dallas oder Denver)
bevorzugen.
Aus solchen Programmen können Jugendliche auch wenig für die kognitiven Bereiche lernen, die in Intelligenztests erfaßt werden. Während zu Beginn der Medienwirkungsforschung hauptsächlich nach dem Zusammenhang zwischen
Fernsehkonsum
letzten Jahren vor allem
und
Intelligenz gefragt
wurde,
wird
1n den
die Relation zwischen Fernsehen und Schulleistung
232 erforscht.
Kinder mit
Schulleistungen
hohem Fernsehkonsum
(vgl. z.B. Robinson,
McLeod, Atkin & Chaffee, Morgan & Gross,
erbringen
fast
immer
schlechtere
1972; Lefkowitz,
Eron & Walder,
1972;
1972; Sprafkin & Rubinstein,
1979; Medrich,
1979;
1980; Hornik,
1981).
negativ, wenn andere Variablen
Die Korrelationen
kontrolliert
werden
bleiben
selbst
dann
(Burton, Calonico & Mc-
Seveney, 1979; Peirce, 1983; Fetler, 1985). Allerdings kann der negative Zusammenhang
zwischen Sehhäufigkeit
und verschiedenen
verbalen
und
mathemati-
schen Leistungen z.T. durch andere Faktoren wie Alter, sozioökonomischer Status, Erziehungsstil
der Eltern und hauptsächlich durch die geringere Intelli-
genz der Schüler mit hohem Fernsehkonsum erklärt werden. Offensichtlich gibt es eine Schwelle, von der an Fernsehen besonders schädlich ist. Fetlers Daten mit über 10.000 amerikanischen Schülern weisen darauf hin, da0 Kinder, die mehr als sechs Stunden pro Tag fernsehen, miserable Noten haben (Fetler, 1985). Er fand eine kurvilineare Beziehung zwischen Fernsehkonsum und Schulleistungen.
Ein wenig Fernsehen
kann sogar
leistungsför-
dernd sein. Ähnliche Resultate ermittelte Potter (1987). Sitzen amerikanische Schüler
länger als
zehn Stunden
pro Woche
vor dem
Fernsehapparat,
ergeben
sich verheerende Folgen für die Schulleistungen. Außerordentlich negativ das Fernsehen
zu später Stunde. Sprechen,
Lesen und Rechnen sind zwar
1st auch
beeinträchtigt, aber längst nicht so sehr wie natur- und sozialwissenschaftliches Wissen. In einigen wenigen Untersuchungen ergaben sich jedoch insgesamt keine oder positive Zusammenhänge (vgl. dazu die entsprechenden Studien in Ball, Palmer & Millward,
1986 und Potter, 1987). Da sie vor allem bei jüngeren
und z.T.
weniger intelligenten Kindern gefunden wurden, kann man annehmen, daß die Art der Programme, die sie sahen, ausschlaggebend war. Kinder, die eskapistische Programme
(wie
etwa
Seifenopern,
filme und Musikvideos) tionssendungen
sehen
Spielfilme,
Sportsendungen,
Zeichentrick-
sehen, schneiden schlechter ab als die, die Informa(Potter,
1987;
für z.T.
ähnliche
Resultate
vgl.
Gad-
berry, 1977; Fetler, 1985). Auch zur Beziehung oder
schöpferisches
zwischen oder
Fernsehkonsum
originelles
und Kreativität
Denken)
liegen
etliche
(=
divergentes
Studien
vor.
Kreativität ist - vor allem bei niedriger Intelligenz - nicht mit Intelligenz gleichzusetzen.
Sie
hervorgebracht wird,
wird
als
psychischer
Prozeß
verstanden,
das durch andere akzeptiert wird
bei
dem
Neues
(vgl. z.B. Gardner &
Wolf, 1987; für verschiedene Operationalisierungen s. Böhme-Dürr,
im Druck).
Die meisten korrelativen Untersuchungen zeigen, daß Vielseher weniger kreativ sind
als
Wenigseher
(vgl.
z.B.
Furu,
1971;
Wade,
1971;
Singer
&
Singer,
1981). Die mit dem Fernsehen verbrachte Zeit spielt auch bei der Kreativität
233 eine Rolle. Kinder, die mehr als 50 Stunden pro Woche fernsehen, haben in Kreativitätstests wesentlich niedrigere Scores als Wenig- oder
Normalseher
(Peterson, Peterson & Carroll, 1986). Eine Reihe
von Experimenten weist
nach, daß Fernsehen die
Kreativität
hemmt. Zehn- bis Zwölfjährige, die Zeichentrickfilme sahen, zeigten seltener divergentes Denken (Stern 1973, zitiert in Peterson et al., 1986). Kinder, die einen Fernsehfilm sehen, geben seltener originelle Antworten als Audiooder
Printkinder
Meringoff,
(Meline,
1976;
Greenfield-Farrar
1980; Meringoff, Vibbert,
&
Beagles-Roos,
1986;
Char, Fernie, Banker & Gardner, 1983;
Brown, 1986). Am deutlichsten zeigt sich der negative Einfluß von Fernsehen auf die Kreativität von Kindern und Jugendlichen in dem Quas1-Exper1ment von Williams
(1986).
Nachdem
Fernsehen
in
Ihrem
Dorf
möglich
geworden
war,
schnitten die Kinder in verschiedenen Kreativitätstests (Alternate Uses TestPattern Meanings. Duncker Candle Problem. Nine Dot Problem) schlechter ab als zu der Zeit, als sie noch kein Fernsehen empfangen konnten. Kinder ohne Fernsehen waren generell
kreativer als die mit einem Programm und auch als die
mit mehreren Programmen. Einige wenige
Studien konnten einen kreativitätsfördernden
Fernsehen nachweisen (Berghaus,
Einfluß
von
1978; Dillon, 1977; Singer & Singer, 1976).
Es handelt sich dabei um spezifische Kindersendungen wie die Sesamstraße oder Mr. Rogers' Neighborhood, die Kinder zu originellem Denken und Handeln ermuntern. Die kreatlvitätshemmende Wirkung des Fernsehens wird 1n den meisten Untersuchungen durch die quantitative Verdrängungshypothese erklärt. Ein weitere Möglichkeit ist die, daß Fernsehen kaum Möglichkeiten zur Eigenaktivität von Kindern bietet. Geeignete
Kinderprogramme können zwar die Kreativität för-
dern, aber im allgemeinen korrelieren
Fernsehkonsum und divergentes Denken
negativ.
Zusammenfassung und Forschungsausblick Inwiefern treffen die Annahmen der Medienlalen und Medienexperten bezüglich kognitiver Fernsehwirkungen bei Kindern und Jugendlichen zu? Fördert Fernsehen Weltwissen und sprachliche Fähigkeiten,
hemmt es aber
Lesefähigkeiten,
allgemeine Intelligenz und Kreativität? Die Studien zur Nachrichtenrezeption verdeutlichen, daß Fernsehen zwar das Weltwissen erweitern kann, aber nur dann, wenn Kinder Interesse am Thema und
234 bereits etwas Vorwissen haben. Es fördert eher Detail- und Faktenwissen als Zusammenhangs- oder Handlungswissen. Die Befunde zum Spracherwerb durch Fernsehen sind auf den ersten Blick widersprüchlich. Einzel Sendungen können zwar den Wortschatz von Vorschulkindern aktivieren, aber generell schauen sprachlich weiter entwickelte Kinder weniger fern (und wenn, dann sprachlich anspruchsvollere Programme). Auch für den Einfluß des Fernsehens auf das Lesen(lernen) gibt es scheinbar widersprüchliche Befunde. Etwas Fernsehen scheint keine negativen Auswirkungen zu haben, wohl aber starker Fernsehkonsum. Wechselwirkungsprozesse wahrscheinlich.
Die
Einstellung
zu
verschiedenen
Medien
(Printmedien
sind und
Fernsehen) ist - so die Stanford-Untersuchungen - besonders wichtig (wobei es übrigens noch unklar ist, woher diese Attitüden kommen und wie sie sich entwickeln) . Auch für andere kognitive Operationen müssen Wechselwirkungen angenommen werden. Weniger intelligente und weniger kreative Kinder schauen im allgemeinen mehr fern. Das bedeutet jedoch nicht, daß sich Fernsehen in jedem Fall negativ auswirkt. Vor allem bei wenig Fernsehkonsum und adäquaten Kinderprogrammen zeigen Kinder intelligente und kreative (Schul-)Leistungen. Auch wenn die verschiedenen Studien zum Wissenserwerb durch Fernsehen bei Kindern und Jugendlichen wegen
ihrer unterschiedlichen
Fragestellungen
und
unterschiedlichen Methoden nicht direkt vergleichbar sind, so gibt es doch einige Übereinstimmungen bei den Ergebnissen. Die Art der audiovisuellen Darbietung kann den Wissenserwerb entscheidend beeinflußen. Konventionelle Fernsehprogramme enthalten Informationen, die vom Rezlpienten nicht verändert werden können. Einige davon werden wahrscheinlich in der vorgegebenen sprachlichen oder nonverbalen Form von Kindern übernommen. Begünstigend sind dabei medienspezifisch attraktive Hervorhebungen der zentralen Informationseinheiten. Auffallend ist, daß ein Wissenszuwachs am ehesten dann zu beobachten ist, wenn die Zeichen im Medium mit den Zeichen im überprüften Verhaltensbereich identisch sind. Das zeigt sich sowohl beim Weltwissen (z.B. beim Wissen über Prominente) als auch bei den kognitiven Operationen (z.B. beim Wort- und Leseerwerb und bei den kreativen Spielen nach anregenden Kindersendungen). Unterscheiden sich dagegen die Zeichen im Medium und im überprüften Verhaltensbereich, dann ist ein Wissenserwerb durch das Medium Fernsehen vermutlich weniger wahrscheinlich. Eine empirische Untermauerung dieser Annahme steht noch aus (vgl. auch Collins, 1981, S.43: "Television ... viewing may even shape the way in which nontelevision information is processed ... To date, no conceptual grasp of this possibility has penetrated the empirical literature in
235
a convincing way."), obwohl sie von populärwissenschaftlichen Autoren (Mander, 1978; Winn,
1979,
1987; Postman,
1979; Meyrowitz,
1987) bereits als
Wahrheit verkauft wird. Zwischen der Quantität der Fernsehinformationen und dem Wissenserwerb gibt es keine lineare Beziehung. Offensichtlich exisiert für den kindlichen Fernsehkonsum eine "magical number":
zehn Stunden pro Woche. Wenigseher zeigen
bessere Lese- und Schulleistungen als die NIchtseher. zehn
Stunden
Fernsehkonsum
Schule. Am schlechtesten
pro
Woche
sind die
sind
Kinder mit mehr als
wesentlich
schlechter
1n
der
Extremseher (mehr als sechs Stunden pro
Tag). Auf Grund der kurvi1inearen Beziehung zwischen Fernsehkonsum und Schulund Leseleistungen wäre zu prüfen, ob es ähnliche Relationen für andere kognitive Bereiche gibt. Natürlich spielen auch Interessen. Voreinstellungen und Vorwissen der Rezipienten eine große Rolle für den Wissenserwerb durch Fernsehen. Sie sind bislang noch viel zu selten untersucht worden. Wie die Untersuchungen der Stanford-Gruppe und von Gavriel Salomon zeigen, sind es zu einem erheblichen Teil die Stereotypen gegenüber Medien, die den Ausschlag für Wissensveränderungen geben. Wechselwirkungseffekte sind äußerst wahrscheinlich: Kinder und Jugendliche suchen sich die Medien(inhalte), die ihren affektiven, kognitiven, und sozialen Schemata und Fähigkeiten entsprechen, und Medlen(-inhalte) wiederum prägen und beeinflußen diese Schemata und Fähigkelten.
Deshalb hat die Über-
schrift dieses Aufsatzes zwei Interpretationsmöglichkeiten: "Sehen dumme und unkreative Kinder fern?" und Wie diese
Forschungssynopse
"Macht Fernsehen Kinder dumm und unkreativ?". zeigt, sind beide Fragen
in diesen pauschalen
Formulierungen nicht eindeutig beantwortbar. Die zukünftige Fernsehwlrkungsforschung wird noch mehr als bisher zwischen verschiedenen antezedenten Bedingungen beim Rezlpienten und zwischen verschiedenen Zeichen und Zeichenkombinationen bei Medien differenzieren müssen.
Abstracts Recent research has shown that German and American communication scientists have stereotypes concerning the effects of television on children and adolescents. They believe that 1t enlarges world knowledge, that it facilitates primary linguistic skills but inhibits reading, general Intelligence, and creativity. Do empirical Investigations confirm these assumptions? This article reviews studies on the impact of television with respect to the acquisition of declarative and procedural knowledge in children and adolescents.
INSTRUKTIONSPSYCHOLOGISCHE PERSPEKTIVEN
239
15
Visualisierung von Lehrtexten durch Bild-Analogien Ludwig J. Isslng Freie Universität Berlin
Einleitung In Lehrtexten für alle Adressatengruppen
findet man vielerlei bildliche
Darstellungsformen. In der Forschungsliteratur besteht seit einiger Zelt eine gewisse Übereinstimmung darüber, daB sich die im Instruktionsbereich verwendeten bildlichen Darstellungen semiotlsch folgenden Kategorien zuordnen lassen: - Abbildungen (realistische Bilder) - logische Bilder und - Bildanalogien (Know1ton, 1966; Issing, 1983; Alesandrinl, 1984; Levle, 1986). Abbildungen haben eine physikalische Ähnlichkeit mit den Dingen oder Konzepten, die sie repräsentieren. Der Grad der Ähnlichkeit eines Bildes zu seinem Bezugsobjekt 1st definiert durch die Anzahl von übereinstimmenden Elementen. Daraus resultiert der Realitätsgrad einer Abbildung, angefangen von der realitätsgetreuen Farbphotographie auf der einen Seite des Spektrums bis zur Strichzeichnung oder Skizze auf der anderen Seite. Wenn Abbildungen in Kombination mit Texten verwendet werden, dann stellen sie in der Regel den nominalen Inhalt des Textes dar. Abstrakte Konzepte wie Bewegung, Hitze oder Druck lassen sich nicht direkt darstellen, sondern werden nur durch konkrete Bezugsobjekte indirekt dargestellt, wie z.B. das Konzept Zelt durch die Darstellung einer Uhr. Es gibt eine Reihe von Belegen dafür, daß Abbildungen, die zum Lerninhalt einen ergänzenden und 1ntegrat1ven Bezug haben, den Lernerfolg erhöhen. Dieses Ergebnis konnte besonders bei Schulkindern nachgewiesen werden (Levin 1983), während Erwachserie ergänzendes Bildmaterial eher Ignorieren, wenn der Text für sich selbst bereits leicht verständlich 1st. Abbildungen finden sich Sehr häufig 1n Schulbüchern für die Grundschule und für die Sekundarstufe I und II sowie 1n populär-wlssenschaft-
240
lichen Büchern für alle Adressatengruppen, wenn das Lernziel darin besteht, den Lesern, die möglicherweise ein unterschiedliches Eingangsniveau besitzen, eine gemeinsame Anschauungsbasis zu vermitteln. Allerdings werden Abbildungen vielfach nur deshalb verwendet, um die Attraktivität und dadurch den Verkaufserfolg von Zeitschriften und Büchern zu steigern. Logische Bilder besitzen 1n der Regel keine äußere Ähnlichkeit mit den Dingen, die sie repräsentieren sollen. Sie sind Abstraktionen oder willkürliche Setzungen und haben nur einen logischen Bezug zu Ihrem Referenz-Objekt. Zu logischen Bildern zählen grafische Darstellungen, Schemata und Diagramme oder auch schon Tabellen mit grafischen Elementen.
Logische
Bilder
können aber
auch abbildhafte Elemente mitenthalten wie z.B. gegenständliche Darstellungen 1n piktogrammartiger Form innerhalb von Diagrammen. Die Funktion von logischen Bildern besteht 1n der vereinfachten Darstellung von Strukturen und Relationen der realen Welt sowie in der Darstellung von Konzepten, Theorien und Ideen. Logische Abbildungen werden in beinahe jeder Art von Schulbüchern und in sehr vielen wissenschaftlichen Texten verwendet, um komplexe Strukturen und Relationen 1n verständlicher Welse und platzsparender darzustellen, als dies mit Text allein geschehen könnte. In Lehrbüchern geht Ihre Verwendung bisweilen soweit, daß die logischen Bilder die Hauptmenge der Information vermitteln, während der Text eher eine Begleitfunktion zu den Bildern wahrnimmt. Bildanalogien sind in ihrer äußeren Gestaltungsform den Abbildungen sehr ähnlich, well
1n ihnen sehr realistische Gegenstände dargestellt sind; aber
sie beziehen sich nicht auf die abgebildeten Gegenstände selbst, sondern sie haben eine metaphorische
Bedeutung.
Analogiebilder verweisen auf
nicht-d1-
rekt-darstellbare Strukturen, Relationen oder Prozesse mittels einer metaphorischen Abbildung von direkt-beobachtbaren
und 1m allgemeinen sehr gut be-
kannten Sachverhalten. Der Betrachter soll aus realitätsnahen Bildern Bedeutungen entnehmen
und diese auf nicht dargestellte oder nicht darstellbare
Phänomene übertragen. Analogiebilder bedienen sich also der Gleichnlshaftigke1t bzw. der Analoglebrücke, der Hervorhebung von Ähnlichkeitsrelationen und der Beispielfunktion. Sie helfen dem Lernenden, neue Informationen dadurch zu verstehen, daß er auf bereits vorhandene Erfahrungen und Kenntnisse zurückgreift und diese auf neue Sachverhalte überträgt. Bildanalogien kann man 1n vielen einführenden Wissensbüchern für Kinder wie auch für Erwachsene finden. Oft enthalten diese Bilder humoristische oder stimulierende Elemente, wodurch sie sehr an Attraktivität gewinnen. Die Verwendung von Bildanalogien hat
in letzter
Zelt stark
zugenommen,
und zwar
241
nicht nur in Kinderbüchern, Schulbüchern und Lehrbüchern, sondern auch 1n Lehrfilmen und in populär-wissenschaftlichen Fernsehsendungen.
Psychologische Konzepte von Analogien Im Gegensatz zu zunehmenden Verbreitungen von B1ldanalogien in den Medien wird diese Art von bildlicher Darstellung 1n der psychologischen Literatur bisher noch relativ wenig untersucht. Es lassen sich aber für die Untersuchung von Bildanalogien eine Reihe von Erkenntnissen heranziehen, die im Bereich von Text-Analogien seit längerem untersucht werden. Die wissenschaftlichen Arbeiten zum Problem des Analogietransfers fallen 1n den Bereich der kognitiven Psychologie; hier sind vor allem die neueren Untersuchungen von Holyoak (1985) und Gentner (1983) zu erwähnen. Grundlegend für das Konzept der Analogie ist der Transfer von Erfahrung bzw. von Wissen: Wann immer wir etwas Neues erleben oder erfahren, versuchen wir zurückzugreifen auf ähnliche oder vergleichbare Erfahrungen und Wahrnehmungen, die wir bereits 1n der Vergangenheit gemacht haben. Dies gilt nicht nur für AlltagssituatIonen sondern auch für vorwissenschaftliches und wissenschaftliches Denken. Abb. 1: Das Atom-Modell (nach Rutherford bzw. Bohr) als Analogie zum Planetensystem; hier das Modell des Kohlenstoff-Atoms nach Bohr. Nach Geo Special (1983), 8, S. 92. Hamburg: Gruner & J a h r .
242
Eines der besten Beispiele für Analogien in der Wissenschaftsgeschichte ist das Atom-Modell, das Rutherford bzw. Bohr in Analogie zum Planetenmodell entwickelt haben (siehe Abbildung 1). Gentner (1982) hat das Beziehungsverhältnis zwischen dem Sonnensystem als Ausgangs- oder Basisdomäne und dem Wasserstoffatom als Zieldomäne 1n Form eines propositionalen Netzwerkes dargestellt (siehe Abbildung 2). Diese Netzwerkdarstellung zeigt, daß die Relationen, die in der Basisdomäne vorhanden sind, genauso für die Relation in der Zieldomäne gelten: Das zentrale Objekt hat mehr Masse als die Randobjekte, die um dieses Zentrum kreisen; die Randobjekte werden von diesem Zentralobjekt angezogen. Ein Analogieverhältnis
betrifft die Erhaltung von
Bezugsstrukturen
und
Funktionen der dargestellten Objekte und nicht Ihre äußeren Eigenschaften. Grundlegend für die kognitive Funktion einer Analogie 1st die Annahme, daß zwischen zwei ηicht-identischen Objektdomänen rationen bestehen.
Identische Relationen und Ope-
243
Abb. 2: Darstellung der Basis-Domäne "Sonnen-System" und der Ziel-Domäne "Atom" als propos1t1onales Netz nach Gentner, D. (1983) Flowing Waters or Teeming Crowds: Mental Models of Electricity. In: D. Gentner S A. L. Stevens (eds.): Mental Models, S. 103. Hillsdale, Ν. J.: Erlbaum Ass.
1.
Base
planet^
y
electron.
planet,
_
>
electron,
Domaine
(^ζ
,
( ™ ¡ )
sun
2.
Target
ν
( g
^
χ
nucleus
Domaine
çét) d^g)
Kllx und van der Meer (1980) haben die Grundstruktur einer analogen Beziehung 1n folgender Form dargestellt:
244
Abb. 3: Grundstruktur einer analogen Beziehung ( K U x und van der Heer 1980) Kl1x, F. & van der Meer, E. (1980) The Method of Analogy Recognition for the Determination of Semantic Relations 1n Long-term-Memory. In: F. K H x & J. Hoffmann (Eds.) Cognition and Memory. Amsterdam: North Holland.
Λ-o
( R i) ^ i j 1 K )
ii
i • ^ ß - t » · .(Ri)
l·
concepta (structures)
[Hilj{R12j.(Ri3}.[Ri4]
set of properties
states
Η Η Ή ' ί R1
,
R2
S
. s·
relatione "mapping"-operations
Diese Darstellung zeigt zwei Konzepte A und A' einer Basisdomäne, die durch eine Reihe von Eigenschaften (R1) charakterisiert sind. Das gleiche gilt für die Konzepte Β und B' der Zieldomäne. Die Relation zwischen A und A' wird ausgedrückt durch R1 und die Relation zwischen Β und B' wird ausgedrückt durch R2. Wenn R1 und R2 wenigstens teilweise Identisch sind, dann besteht eine Analogie zwischen den beiden Domänen. S und S' repräsentieren den Grad von Ähnlichkeit zwischen den beiden Domänen. Ähnlichkeit läßt sich nach Tversky (1977) definieren durch die Anzahl von kongruenten und/oder unterschiedlichen Elementen, sowohl hinsichtlich der dargestellten Objektrelationen als auch hinsichtlich der dargestellten Objekteigenschaften. Der Grad der Ähnlichkeit beelnfluBt den Grad der Schwierigkeit einer Analogie, wie auch Ihre metaphorische Originalität (Ortony 1979), d.h. Je unähnlicher die Basisdomäne und Zieldomäne sind, desto schwieriger 1st das Erkennen ihrer Analogiebeziehung - aber desto höher 1st u. U. die Originalität der Analogie. Holyoak und Kloh (1987) unterscheiden zwischen struktureller Ähnlichkeit und Oberflächen-Ähnlichkeit von Ausgangs- und Ziel-Domäne. Diese Unterschel-
245 dung scheint sehr wichtig für die Beschreibung von B1ldanalog1en, um den Inhalt, die bildliche Darstellung und die Interaktion zwischen beiden analysleren zu können. Ähnlichkeit muß hier verstanden werden als vom Betrachter erfaßte Ähnlichkeit und nicht als objektive Ähnlichkeit; dies hängt natürlich ab vom Erfahrungsgrad, den ein Lerner 1n der Ausgangsdomäne besitzt, weiterhin vom Kontext und von den Lernzielen. Eine Analogie übernimmt 1m wesentlichen eine strukturierende Funktion: Von einer gut bekannten Erfahrungsdomäne werden relevante Strukturen extrahiert und auf die zu verstehende und bis dato unbekannte Zieldomäne übertragen. Nach Curtis und Reigeluth (1984) lassen sich drei Arten von Analogien unterscheiden: strukturelle, funktionale und kombiniert strukturell-funktionale Analogien. Jede dieser drei Arten von Analogien soll durch ein Beispiel verdeutlicht werden. Abb. 4: Beispiel einer strukturellen Analogie: Ein Fahrstuhl-Knopf verhält sich größenmäßig zu einem Wolkenkratzer wie ein Atomkern zu seiner Elektronenhülle. Aderley, N. (1976) Atom und Energie, S. 6. Hamburg: Neuer Tessloff Verlag.
Dieses B1ld zeigt eine Größenanalogie zwischen zwei Objekten: Ein Atom, bestehend aus einem winzigen
Kern, umgeben von Elektronen, wird größenmäßig
verglichen mit einem Schalterknopf 1n einem riesigen Wolkenkratzer. Dieses Ana1og1eb1ld 1st ein Beispiel einer einzigen Dimension.
für eine ganz einfache Verhältnisanalogie in
246 Abb. 5: Beispiel für eine funktionale Analogie: "Wie ein Transistor arbeitet" Höck, H. (1979) Kosmos Elektronik-Junior, S. 17. Stuttgart: Frankh'sche Verlagsbuchhandlung.
Dieses B1ld zeigt 1n einer einfachen funktionalen Analogie, wie ein Transistor arbeitet: Der Kollektor und Emitter eines Transistors führen nur dann Strom, wenn an der Basis ebenfalls Strom anliegt. Dieser Zusammenhang wird 1n der Darstellung der Analogie zweier Kanäle gezeigt; der obere Teil des breiten Kanals 1st der Emitter, der untere der Kollektor. Die beiden Teile sind durch ein Schleusentor
getrennt. Wenn es geschlossen
1st, staut sich der
Strom 1m Emitter, und der Kollektor H e g t trocken dar. Unterhalb der Schleuse mündet ein kleinerer Kanal, die Basis, der mit einer kleineren Klappe verschlossen 1st. Die Klappe 1st fest mit dem großen Schleusentor verbunden und reguliert dieses. Sobald Strom durch den Baslskanal fließt, öffnet sich die kleine Klappe und mit Ihr das große Schleusentor. Nun kann aus dem Emitter Strom 1n den Kollektor fließen. Offnet sich die Klappe an der Basis nur ein wenig, dann wird auch das Schleusentor nur geringfügig angehoben. Geht die Klappe jedoch welter auf, dann öffnet sich auch die Schleuse weiter, und viel Strom kann vom Emitter zum Kollektor fließen. Wenn allerdings durch den Basiskanal zu viel Strom einfließt, besteht die Gefahr, daß die ganze Einrichtung unbrauchbar wird. Deshalb muß der Basisstrom Immer durch einen Widerstand unter Kontrolle gehalten werden. Natürlich sind im Inneren eines Transistors keine Klappen und Schleusentore; aber der Transistor arbeitet nach dem gleichen Prinzip. Das folgende B1ld stellt eine kombiniert strukturell-funktionale Analogie dar. Sie dient zur Erklärung der verschiedenen Teile eines Computers und Ihrer Funktionen.
247 Abb. 6: Beispiel für eine kombiniert strukturell-funktionale Analogie: "Zusammenwirken der Teile eines Computers" Smith, B.R. et al. (1983) Erstes Buch der Elektronik, S. 5. Ravensburg: Otto Maier Verlag.
Die Teile eines Computers ' V Zentraleinheit (CPU) D i e s e s B i l d zeigt d i e w i c h t i g s t e n T e i l e e i n e s C o m p u t e r s , d i e a l l e A r b e i t leisten. Jeder C o m p u t e r b e s t e h t a u s d i e s e n grundlegenden Teilen Allerdings hat ein G r o ß r e c h n e r viel g r ö ß e r e Speicher, u n d s e i n e Z e n t r a l e i n h e i t leistet m e h r als e i n kleiner C o m p u t e r .
Dies ist das KonlroUzentrum des Computers Alle Daten und Befehle kommen zuerst hierher und werden von da aus an die richtigen Stellen zur Verarbeitung geschickt. W e n n die Arbeil fertig ist. sammelt die Zentraleinheit die Ergebnisse ein und schickt sie zur Ausgabe.
tentralttnhtti SOom· rtrserjung
Δ Speicher Befehle, Daten und Ergebnisse werden hier von der Zentraleinheit „abgelegt", bis sie gebraucht I werden Ein Teil des Speidters, der I Datierspeicher, enthält die Arbeitsi attwcisuiißcn für den Computer
Eine .Uhr" mit Quarikristalf .tickl" millionenmal pro Sekunde und steuert die Aibeilsgcschwindigki-it des Computer» Eingabt
Ausgabt
Δ Eingabe
Δ Ausgabe
Hier kommen alle Informationen für den Computer herein, die von der Tastatur odei von anderen Eingaliegerälen geschickt werden.
Hier laufen alle Ergebnisse durch und werdet» weitergeschickt n» den Ausgabegeräten des C o m p i tiers.
Recheneinheit O Hier ai heilet der Computen Er rechnet, sodiort und vergleicht Daten
W i e die Teile arbeilen, erfährst dir auf den nächsten Seiten. Recheneinheit
Diese Analogie enthält Innerhalb der Welt des Computers eine zweite Welt von Robotern, was zu einem Problem der Dublizierung und damit zu Mlßverständnlssen Aniaß geben kann.
248 Curtis und Relgeluth (1984) haben bei einer Untersuchung von amerikanischen Schulbüchern 1m naturwissenschaftlichen
Sektor herausgefunden, daß 70* der
dort gefundenen Analogien funktionale Analogien waren, 25* waren strukturelle Analogien,
und
nur 5%
waren kombiniert
strukturell-funktionale
Analogien.
Curtis und Relgeluth schätzen den lernfördernden Effekt von kombiniert strukture! l-funkt1onalen Analogien am höchsten ein. 84% der in den Lehrbüchern gefundenen Analogien waren verbaler Art, und nur 16* waren plktorielle Analogien. Sie fanden jedoch einen relativ hohen Prozentanteil von Bildanalogien in Chemiebüchern für die unteren Klassenstufen. Der lernfördernde Effekt von Analogien ist in einer Reihe von Untersuchungen nachgewiesen worden. Simon (1984) konnte ζ. B. zeigen, daß in einem Kurs über Elektrizität die Versuchspersonen, denen Analogien angeboten wurden, 1m Verständnis komplexer Relationen den Versuchspersonen überlegen waren, die keine Analogien erhielten. Dieses Ergebnis ist ein Hinweis auf die strukturinduzierende Funktion von Analogien. In einem Experiment, das von Bromage und Mayer (1981) mit College-Studenten durchgeführt wurde, erzielten die Studenten, denen verbale und bidliche Analogien zum Verständnis der Arbeitsweise einer 35 mm-Kamera angeboten wurde, 1n bezug auf das Lernen der Fakten keine besseren Lernergebnisse als die Studenten der Kontrollgruppo; sie waren der Kontrollgruppe jedoch überlegen in bezug auf die Erklärung der Konzepte und auch in bezug auf die Durchführung einer nachfolgenden Problemlösungsaufgabe. Auch die Untersuchungen von Gick und Holyoak
(1980 und
1983) haben einen eindeutigen unterstützenden Effekt
von Analogien 1n bezug auf Problemlösen ergeben. Gentner und Gentner (1983) haben 1n einem Experiment mit zwei unterschiedlichen Analogien für den elektrischen Stromkreis gefunden, daß das Muster der Sehlußfolgerungen signifikant von dem verwendeten Typ der Analogie abhing. Die Versuchspersonen,
denen die
Analogie eines
Wasserkreislaufs
angeboten
worden war, verstanden die Wirkungswelse von parallel und seriell geschalteten Batterien besser. Versuchspersonen, denen auf der anderen Seite das Modell von sich bewegenden Menschenmassen angeboten worden war, waren besser in der Lage vorherzusagen, daß paralleler Widerstand, analog zu den 1m Modell verwendeten Türen, einen stärkeren Stromfluß gestatten. Diese Ergebnisse zeigen, daß eine adäquate Analogie eine "Kontur für das Wissen" (Dörner 1981), vermittelt. Mit dieser Kontur kann die neue Wissensdomäne kognitiv strukturiert und organisiert werden, so daß die erforderlichen Sehlußfolgerungen
für
den
Aufbau
eines
mentalen
Modells
der
Zieldomäne
herbeigeführt und kognitive Elaborationen generiert werden können. Man kann diesen Prozeß auch als eine Art "Schema-Umstrukturierung",
"Schema-Kreation"
249 (Rumelhart und Norman 1978) oder "Schema-Induktion" (G1ck und Holyoak 1980 und 1983) verstehen. Gentner (1982 und 1983) verwendet 1n seinen empirischen Untersuchungen über Analogien des Konzept von Mapp1ng-0perat1onen. Die Bildung von Schemata 1st zentral für das Verständnis, da sie den Aufbau einer kohärenten Struktur der Wissensdomäne unterstützt. Resnlck (1984) betont, daß die Schema-Konstruktion der wichtigste Prozeß für die Theorie der Kognition und des Lernens ist, daß aber bisher noch wichtige Erkenntnisse ausstehen.
Kriterien für Bildanalogien Den Zugängen von Gentner sowie von G1ck und Holyoak ist gemeinsam, daß sie Kriterien zur Beurteilung von Analogien enthalten. Es erscheint sinnvoll zu prüfen, ob und inwieweit diese Kriterien auf B1ldanaloglen anwendbar sind. Die Kriterien, die von Gentner zur Beurteilung von Analogien formuliert wurden, lauten: (1) Basis Spezifität (base specifity) - übersetzbar evtl. mit "Basis-Bekanntheit". Sie bezeichnet das Ausmaß, mit dem die Basis oder Ausgangsdomäne bekannt und verstanden ist bezüglich ihres strukturellen Beziehungsverhältnisses. Je tiefer die Basisdomäne analysiert 1st, desto größer ist der Anteil von Relationen, die extrahiert und übertragen werden können. (2) Klarheit, mit der die Objektbeziehungen definiert sind, d.h. wie weit die dargestellten Objekte den Objekten der Zieldomäne entsprechen, und wieviele der Prädikate übertragen werden können. Die Klarheit einer Analogie 1st reduziert, wenn die dargestellten Objekte sich auf mehr als ein Zielobjekt beziehen oder umgekehrt. Der Begriff "Klarheit" 1st 1n einem neuen Artikel von Gentner und Toupin (1986) durch den Begriff "Transparenz" ersetzt. (3) Reichhaltigkeit: Dieses Kriterium bezieht sich auf die durchschnittliche Anzahl der Prädikate je Objekt, die von der Basis auf die Zieldomäne übertragen werden können. (4) Systematik (bzw. Vernetztheit): Sie bezieht sich auf das Ausmaß, 1n welchem die Prädikate eines konzeptuellen Systems zueinander bezogen sind. (5) Abstraktheit: Sie bezieht sich auf das strukturelle Niveau, auf dem die Ausgangs- und Zieldomäne miteinander verglichen werden. Je größer der Anteil von Beziehungen höherer Ordnung 1n einer Analogie 1st, desto höher 1st Ihr Abst rakt1onsn1veau. (6) Validität: Sie bezieht sich auf die Richtigkeit der Prädikate in den beiden Domänen.
250
(7) Anwendbarkelt: Sie bezieht sich auf die Anzahl möglicher Fälle, in denen die Analogie valide angewandt werden kann. Je höher eine Analogie bezüglich dieser Kriterien eingeordnet werden kann, desto höher 1st ihre Güte zu beurteilen. Die Kriterien "Klarheit"
und "Systematik"
scheinen besonders wichtig zu
sein für die Beurteilung von Analogien 1n Text-Bild-Interakt1onen.
Gentner
und Toupln (1986) haben in einem Experiment mit 5- und 10-jährigen Kindern gefunden, daß Klarheit bzw. Transparenz
für den Transfer der Analogien 1n
beiden Gruppen entscheidend war, während Systematik nur bei der älteren Versuchspersonengruppe eine wesentliche Rolle spielte. Je niedriger eine Analogie 1n bezug auf Transparenz eingestuft wurde, desto höher war der Effekt der Systematik in der Transfer-Leistung. Die Brauchbarkeit der wichtigsten
Kriterien,
nämlich der
Klarheit, der
Reichhaltigkeit, Systematik und Abstraktheit sollen an einigen Beispielen von BUd-Analogien erläutert werden: Abb. 7: Beispiel für eine funktionale Analogie: "Kugelgelenk und Scharniergelenk" Kaufman, J. (1977) Mein erstes Buch vom Körper, S. 23. Ravensburg: Otto Maier Verlag.
Die Abbildung 7 zeigt zwei Analogien: Das Kugelgelenk eines Arms wird verglichen mit dem Kugelgelenk einer Fernsehantenne, die 1n alle Richtungen bewegt werden
kann.
Unten
auf dem
Bild wird
ein Ellbogengelenk
mit einem
Schrankgelenk verglichen. Diese Bild-Analogie kann beurteilt werden in bezug
251 auf Klarheit als hoch, 1n bezug auf Reichhaltigkeit als niedrig, 1n bezug auf Systematik als niedrig und In bezug auf Abstraktheit als niedrig. Abb. 8: Beispiel für eine funktionale Analogie: Reaktion der weißen Blutkörperchen auf schädliche Bakterien, die 1n eine Schnittwunde eingedrungen sind. Kaufman, J. (1977) 1d., S. 88.
Abbildung 8 zeigt eine funktionale Analogie 1n Form eines Kampfes von zwei Gruppen von Männchen. Oben wird eine Schnittwunde gezeigt und unten die resultierenden Abwehrmaßnahmen des Körpers gegen die eindringenden Bakterien. Die weißen Blutkörperchen sind als kleine weiße Männchen dargestellt, die gegen die violetten Männchen, d.h. gegen die Bakterien, kämpfen. Interessant 1st 1n dieser Darstellung die Inanspruchnahme der Welt von kleinen Männchen, um physiologische Vorgänge 1n der objektiven Welt zu Illustrieren. Diese Art der B1ld-Analog1e beinhaltet die Gefahr, daß der Adressat Uber den Kernbereich der Analogie hinaus weltergehende und damit falsche Sehlußfolgerungen anstellt. Zum Beispiel könnten kleine Kinder sich vorstellen, daß Innerhalb Ihres Körpers tatsächlich solche Lebewesen existieren.
Diese
Blld-Analogle
läßt sich beurtelen 1n bezug auf Klarheit als hoch, 1n bezug auf Reichhaltigkeit als mittel, 1n bezug auf Systematik als mittel und ebenso 1n bezug auf Abstraktheit als mittel. Diese BUd-Analogle zeigt deutlich, wie attraktiv B1ld-Analog1en für bestimmte Adressatengruppen gestaltet werden können, um grundlegende Konzepte
252
zu vermitteln,
daß aber
gleichzeitig
die Extraktion dieser Beziehungen
für
den Adressaten häufig nicht ohne Anleitung möglich 1st. Abb. 9: Beispiel für eine funktionale Analogie: "Wie ein Radio funktioniert" Smith, B. R. et al. (1983) Erstes Buch der Elektronik, S. 77, Ravensburg: Otto Maier Verlag.
So funktioniert dein Radio
Dein Radio muß die Wellen von» Sende» auffangen und die TrJgerweHe vom Tons» Rnal trennen, bevor es dai Tonsignal in örbaren Schall verwandeln kann Die einzelnen Schritte dahin kannst du dir wahr« scbeinlkh schwer votstellgn. wertfi" du ins Radio hineinscj)flus< Die Ballons und die ^Robgler-//aííñchcn ' ^
airf diesem Bild soÄen dir lieHcn. zu verstélwñ, was mit den Signalen auf dwetn VtfTg von der Radioan terme bis zym Lautsprecher ges< hiebt. Die Ballons jjellen die Trägerwellen dar, und die Noten sind die Tonsignale 2 Ist das Radio aul UKWEmpfang geschalt et, s> gelangen die Strömfl UKWSgndeTatrs der ^ntertfie Ins Radio Vte Abitimmeinhiit Wirft fait alte unenjunsctiten Tretjutmen 3 Stellst du in dem gewählten Wellenbereich mit dem Wdblknopf einen bestimmten Sender ein, so gelangen nur Wellen der gewünsditen Frequenz von der Antenne dweh die Abstimtncinheit zum .Mischer" Wellen anderer Frequenzen werden fast zurückgehalten.
1 Die Funksignale der MillebftHlensender erzeigen in der Ajitermenspule für I welle windige rickirische cKtrlsche Ströme. In diesejp Gimisch entspricht jedes .Slrötnchen" dem Signal eines Senders Die lang· wettensender tun das gleiche in der Antennenspule fur langweile Der Wellenbereichsschalter verbindet die Jeweilige Antenne mit den Schallkreisen des Radios. , Diese fangen an zu arbeiten, sobald du das Radio einschaltest und Batterien oder j Stromnetz die nötige Energie liefern ,
OtUkl. wtreten hfer
H,
um darauf gründend zu einer Explikation von "Wissen" zu gelangen: Lernen ist ein Induktiver Vorgang, der auf Seiten des Lernenden nicht nur die Oberzeugung voraussetzt, daß es 1n der Umwelt Regularitäten gibt, die es zu "entdecken" gilt, sondern darüber hinaus auch voraussetzt, daß der Lernende vermittels generalisierender Abstraktionen (i.S. der Herausbildung von "Schemata"), die im Grunde stets deskriptiv oder
konstruktiv sind,
1n der
Lage 1st, aus singulären Beobachtungen (a) vermittels einer
induktiven Generalisierung auf
(faktisch
existierende
oder konstruierte) Regulärltäten zu schließen, oder (b) auf zugrunde Hegende Gesetzmäßigkelten zu schließen, indem er einen Mechanismus induziert, der bei gleichen Bedingungskomplexen gleiche Ereignisse hervorbringt, um dann (c) unter der Annahme, daß der "Lauf der Dinge" gleichförmig sei, eine Extrapolation 1n die Zukunft zu vollziehen. Allgemein auf das Lernen bezogen impliziert die Induktion (als eine "Hypothek auf die Zukunft"), daß kognitive Strukturen ständig modifiziert und an vergangene Erfahrungen angepaßt werden - unter der Annahme, daß ähnliche Erfahrungen auch in der Zukunft gemacht werden. Ausgangspunkt und Grundlage des Lernens 1st demnach die Fähigkeit, bei aller Verschiedenartigkeit von Phänomenen der Umwelt Gleichartigkeiten festzustellen und generalisierende Abstraktionen (1m Sinne von Schemata) so vorzunehmen (vgl. von Glasersfeld, lange
assimiliert
werden
1987; Seel,
können,
wie
noch
1988), daß neue Erfahrungen so Gleichartigkeiten
feststellbar
sind; welchen die neuen Erfahrungen zu weit von den bestehenden Schemata ab, so daß keine Assimilation mehr möglich ist, stellt der Lernende binnen kurzer
265
Zeit eine neue Erfahrungsregularität her, indem er ein völlig neues Schema aufbaut, in das dann wiederum Erfahrungselemente eingepaßt werden können. Piaget faßt die Erzeugung neuer Schemata als einen Vorgang der Akkommodation auf, der vollzogen wird, wenn keine Assimilation in bereits bestehende Schemata möglich ist (vgl. Wetzel, 1980). Assimilation und Akkommodation erlauben lernfähigen Organismen, sich prompt an variierende Umweltbedingungen anzupassen. 4> Lernen als Anpassung an die Umwelt erfordert kein Bewußtseln, sondern kann als verhaltensgestaltende Form der Gewöhnung verstanden werden. Eine gegebene Umwelt aber aktiv zu einem günstigen Lebensraum umzugestalten, setzt über die Gewöhnung hinausgehende Stufen der "bewußten" Informationsaneignung und -auswertung voraus, und es scheint dann angebracht, von "kognitivem Lernen" zu sprechen, das einem Organismus größere Freiheitsgrade gegenüber seiner Umwelt einräumt. "Kognitives Lernen" setzt die Fähigkeit eines Organismus voraus, Informationen aus der Umwelt zu empfangen, in einer codierten Form zu speichern und bei späteren Gelegenheiten situations- und anforderungsspezifisch abrufen und anwenden zu können. Zum Vollzug dieser Operationen ist beim Menschen das Gehirn spezialisiert, wobei grundsätzlich zwischen der Struktur und der Funktion dieses Organs zu unterscheiden ist. Diese Unterscheidung führt rasch zu der Frage, wie kognitive Leistungen, die "intelligentes" Verhalten bedingen, mit spezifischen neurophysiologischen Aktivitäten des Gehirns zusammenhängen - eine Frage, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt und vermutlich auch in absehbarer Zukunft nicht
beantwortet werden
kann.
5
>
Ich habe deshalb andernorts
(Seel, 1988) dargelegt, daß die Struktur-Funktions-Beziehung des Gehirns wohl am treffendsten durch das theoretische Modell eines Systems der Informationsverarbeitung
zu beschreiben wäre,
wie es beispielsweise
von
der
PDP-For-
schungsgruppe entwickelt wurde (vgl. McClelland & Rumelhart, 1987; Rumelhart &
McClelland,
1987).
Danach
gewährleisten
elektrochemische
Vorgänge,
die
grundsätzlich modalitätsunspezifisch sind (vgl. dazu meine späteren Ausführungen), den Informationstransport
zwischen den Nervenzellen. Doch was ist
eigentlich die "Information", mit der das Gehirn zu tun hat? In der Informationstheorie versteht man unter "Information" eine Nachricht, die eine für den Empfänger belangvolle Neuigkeit enthält; der Informationsgehalt einer Nachricht ist dann umso größer, je unwahrscheinlicher der Eintritt eines Ereignisses ist. Aus biologischer Sicht 1st "Information" anders definiert, hier meint sie den Austausch von Merkmalen der Wirklichkeit zwischen Umwelt und dem Gehirn. Zwischen der physikalisch-chemischen Wirklichkeit der Umwelt und des Gehirns besteht aber absolut keine Wesensgleichheit:
Licht-
266 und Schallwellen, die Schwerkraft sowie andere Erscheinungen der materiellen Umwelt sind verschieden von den neurophysiologlschen Prozessen, die sie auslösen. Radikale Konstruktivsten
(wie Maturana,
von Glasersfeld oder Roth)
lehnen daher das Modell der Kommunikation zwischen Mensch und Umwelt ab und fassen das Gehirn als funktional geschlossenes System auf, das keinerlei direkten Zugang
zur Umwelt habe und selbstreferentiell
und
selbstexplikativ
sei. Aus dieser Sicht ist es ein Irrglaube anzunehmen, "Sinnesdaten" bildeten den Ausgangspunkt und die Grundlage der Erkenntnis der objektiven Wirklichkeit: Was dem Menschen in einem Sinneserlebnis bewußt wird, kann gar nicht von den Sinnen erzeugt werden, sondern stets nur vom Gehirn! Die Sinnesorgane nehmen als Nachrichten stets nur schmale Ausschnitte der Gesamtwirklichkeit der Umwelt auf - anders ausgedrückt:
Nur bestimmte
Merkmale
Wellen eines
(wie
z.B. elektromagnetische
physikalisch-chemische begrenzten
Frequenzbe-
reichs) werden von den Sinnesorganen als Nachrichten wahrgenommen, zu nervösen Signalen (bzw. Signalmustern) umgewandelt und als solche weiterverarbeitet. Das heißt: Das Zentrale Nervensystem hat nicht mit Weltwirklichem, sondern mit Abstraktionen bzw. radikal-konstruktivistisch zu Ende gedacht: nicht einmal mit Abstraktionen (von was eigentlich?), sondern nur mit sich selbst, d.h. mit den eigenen Konstruktionen zu tun! Die Wirklichkeit 1st demzufolge nichts anderes als ein Konstrukt des Gehirns. Welche Bedeutung
diese eplstemologische Konzeption für den theoretischen
Bezugsrahmen hat, der Im folgenden entwickelt werden soll, werde ich gleich thematisieren; hier genügt es festzustellen, daß die eigentlichen "Sinnesdaten" im Gehirn entstehen, und zwar als Produkt einer simultanen und sequentiellen Verarbeitung. Bedingung hierfür ist die Umformung einer Nachricht zu einem Signal(muster), was eine "Codierung" durch Zeichen eines Zeichensystems voraussetzt, denn im Zentralen Nervensystem sind alle Informationen und die Produkte deren Verarbeitung irgendwie
"verschlüsselt".
verwendet werden, will
Welche
Zeichensysteme für die
Codierung
Ich beschreiben, wenn Ich auf die Wissensrepräsenta-
tion zu sprechen komme. Hier soll festgehalten werden, daß den Nachrichten, wie sie durch die Sinnesorgane "zugänglich" werden, eine Repräsentanz zuerkannt wird, Indem die physikalisch-chemischen Merkmale der Umwelt 1n Formate einer neuralen "Sprache" transformiert werden, die für sich genommen völlig bedeutungsneutral ist. Das heißt, daß den Signalmustern, wie sie aus der sensorischen "Vorverarbeitung" resultieren, noch eine Bedeutung zugewiesen werden muß. Auch dies leistet das Gehirn, und zwar nach topologlschen Kriterien, die zum Teil angeboren und zum Teil ontogenetisch erworben sind.
267
Anders ausgedrückt: Well 1m Gehirn der signal verarbeitende und der bedeutungserzeugende bzw.-zuweisende Teil eins sind, können Signale Immer nur das bedeuten, was die Teile des Gehirns, die eben durch die Signale erregt werden,
Ihnen
an
Bedeutung
attribuieren.
e
>
Es
resultieren
"autoassoz1at1ve
Netzwerke", welche die neuralen "Reaktionen" des Gehirns, wie sie durch bestimmte Signalkonfigurationen (oder "Reizmuster") ausgelöst werden, aufzeichnen und konservieren (vgl. Feldman & Ballard, 1982; Kohonen, 1984). Um den Signalmustern Bedeutungen
zuweisen
zu können, interpretiert
das Gehirn die an sich bedeutungsfreien
Erregungsmuster:
und
"bewertet"
Ohne eine solche
"Bewertung" ist Information "sinnlos"! Neben der Bedeutungsbelegung (als semantlschem Aspekt) umfaßt die Bewertung auch eine Wirkungseinschätzung
(als pragmatischer Aspekt). Beides wird bei
jedem "kognitiven Lernen" vollzogen, angefangen bei der Wahrnehmung (als Gegenstandserkenntnis) bis hin zur reinen Imagination. Aus der bisherigen Argumentation wird klar, daß dieses Lernen eng verzahnt 1st mit den kognitiven Phänomenen der Merkfähigkeit (1m Sinne des Speicherns von Informationen) und des Erlnnerns.
Missen - eine Gedächtnisleistung Die Fähigkeit zur "verschlüsselten" Fixierung bewußter Erlebnis- und Erfahrungsinhalte 1n ihrem dächtnis" bezeichnet tungsprozessen
1n
raumzeitlichen
Kontext wird
1m allgemeinen
als "Ge-
und meint die Speicherung der Produkte von Verarbei-
(autoassoz1at1ven)
Netzwerken,
die
als
Gedächtnisspuren
über "Adressen" (als Konfigurationen sensorischer Attribute, die einer jeden Spur fest zugeordnet sind) akt1v1erbar sind, wenn eine "Passung" mit (reizse1t1gen) Signalmustern möglich 1st Gedächtnis und Erinnerungsvermögen Informationsquelle aus:
(vgl. Prinz, 1983). statten den Menschen mit einer weiteren
Er kann gedächtn1sse1t1g erzeugte
Informationen
1n
gleicher Welse bearbeiten wie Informationen aus der Umwelt; darauf werde Ich gleich noch zu sprechen kommen! Für die gedächtn1sse1t1ge Information, die erinnert, d.h. 1m Bewußtseln reproduziert werden kann, 1st auch die Bezeichnung "Wissen" üblich. Bevor Ich diesen theoretischen Begriff expliziere, möchte Ich die bisherige Argumentation zusammenfassen, da dies für das Verständnis von "Wissen" und seiner Begründbarkeit hilfreich 1st: (1) Die Welt wird als strukturiertes Ganzes, als ein System, verstanden, das wiederum Teilsysteme
umfaßt, die Kognitionen erzeugen können, weshalb sie
268 auch "kognitive Systeme" heißen. Trägerorgan der "kognitiven Systeme" ist das Gehirn, das aus der Sicht des radikalen Konstruktivismus
selbstreferentiell
und selbstexplikativ 1st und nur mit den eigenen Konstruktionen zu tun hat. 7)
(2) Es ist zu unterscheiden zwischen dem "kognitiven System" und den Produkten, die es hervorbringt. Diese werden auch "kognitive Phänomene" genannt und umfassen Wahrnehmung, Gefühle und Gedanken. Festzuhalten ist, daß die "kognitiven Phänomene" nicht aus sich selbst entstehen, sondern immer ein "kognitives System" voraussetzen. Denn die dem "kognitiven System" durch die Sinnesorgane zugängliche äußere Welt, die auch als die sinnlich erfahrbare Welt bezeichnet wird, und alles Wissen über sie ist - aus konstruktivistischer Sicht - Ja nichts anderes als ein Konstrukt des Gehirns. (3) Sowohl das "kognitive System" als auch die von 1hm erzeugten "kognitiven Phänomene" sind durchaus real, was aber nicht für Ihre Inhalte gilt. So kann ich beispielsweise an ein Fünfmarkstück denken, wobei der Gedanke durchaus real 1st, sein Inhalt aber nicht. Sonst könnte Ich nämlich durch bloßes Denken Fünfmarkstücke produzieren. Gleiches gilt auch für die Wahrnehmung. "Wissen" ist solch ein kognitives Phänomen, das von einem kognitiven System entweder erfahrungsbegründet, d.h. durch Reize der externen Welt ausgelöst, oder rational, d.h. ohne Fundament in "Sinneserlebnissen", erzeugt wird (vgl. Seel, 1988); es setzt Bewußtseln, Begründbarkeit und Referentialität voraus. Den 1n der philosophischen Terminologie bewanderten Leser mag es vielleicht verwundern, Bewußtseln als eine Voraussetzung für Wissen ansehen zu sollen, da er doch weiß, daß "Bewußtseln" grundstuf1 Ich gleichbedeutend mit "Wissen" und metastuflich als "Wissen des Wissens, Vorstellens und Meinens" (Blasche, 1980) verwendet wird. Die Verwendung des Bewußtselnsbegriffs 1st hier psychologisch motiviert und soll darauf hinweisen, daß er gewöhnlich 1n einen Zusammenhang mit den Begriffen der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses gesetzt wird. Für die Praxis experimenteller Psychologie reicht es aus, "Bewußtseln" mit einem Aufmerksamkeitskontrollsystem Wahrnehmungserlebnissen
aufgrund
gleichzusetzen, Ihrer
zeitlichen
das eine Abgrenzung von Beschränktheit
erlaubt
(vgl. dazu den Beitrag von Perrig). Für die Analyse von Bewußtseinsveränderungen reicht diese Auffassung nicht aus, denn hier stehen kognitive Leistungen (z.B. der Erzeugung von Vorstellungen oder des schlußfolgernden Denkens) im Mittelpunkt, so daß die inhaltliche Kapazität und Struktur des Gedächtnisses bestimmend werden. Das Konzept der begrenzten Kapazität wurde zuerst von William James auf eine psychologische Grundlage gestellt und später von Miller (1956) populär
269 gemacht; heute stellt es eine zentrale These der Theorie der Informationsverarbeitung dar, wobei gelegentlich auch eine Koinzidenz mit dem sog. Kurzzeitoder Arbeitsgedächtnis behauptet wird. Aber die Auffassung des Bewußtseins als einer
beschränkten
Aufmerksamkeitskapazität
fällt nicht
mit
dem sog.
Kurzzeitgedächtnis zusammen, sondern setzt dieses voraus: Was im "Kurzzeitgedächtnis" verfügbar ist, ist das Produkt eines konstruktiven Prozesses (vgl. Prinz, 1983), in dem und durch den sich Bewußtseln 1m Sinne von "Bewußtwerden" erst aufbaut. Als die (gedächtnisseitigen) Bausteine werden Schemata angenommen, die als abstrakte Operationseinhelten dazu dienen, Erfahrungen mit der Welt zu reaktivieren, wobei sie diese strukturieren
und zugleich von ih-
nen strukturiert werden. Bewußtsein (bzw. Wissen) wird konstruiert, und es stellt sich die Frage, worauf es sich begründen läßt. Denn jeder Mensch, der glaubt, Uber Wissen zu verfügen, wird auch der Meinung sein, daß sich dieses Wissen Irgendwie begründen läßt - oder anders ausgedrückt: Jedes Wissen muß, um Wissen zu sein, begründet sein, andernfalls liegt eine Behauptung oder Vermutung vor (vgl. dazu Lenzen, 1980). Die epistemologische Kernfrage, worauf menschliches Wissen beruht und wie es begründet werden kann, ist leichter zu beantworten, wenn sie mit der Frage nach der Referentialität des Wissens verknüpft wird. Nach der bisherigen Argumentation wird es den Leser nicht erstaunen, wenn ich nun keinen ontologlschen Rekurs auf ein Fundament der Welt versuche, aus dem sich alles und somit auch unser menschliches Wissen ergibt. Vielmehr werde Ich unter der Annahme, daß eine ontologIsche Letztbegründung von Kognition ohnehin nicht möglich ist, die Begründbarkelt des Wissens in der kognitiven Selbstreferenz suchen. Wissen, das sich stets in Irgendeiner Welse auf die Welt bezieht, ist als eine Konstruktion des kognitiven Systems niemals völlig gewlß, es 1st vielmehr grundsätzlich unsicher und mit der Möglichkeit des Irrtums und der Fehlerhaftigkeit verbunden. Eine Begründung von Wissen gibt es Immer nur, Indem es so 1n das allgemeine Weltwissen eingebettet werden kann, daß es von dem her, was dieses begründet, eine gewisse Plaus1b111tät und St1mm1gkeit erhält. Dies entspricht dem "kohärenzeplstemologlschen Standpunkt". wie er von Rescher (1973) vertreten wird, der - 1n völliger Übereinstimmung mit dem radikalen Konstruktivismus - slnguläres Wissen alleine durch eine stimmige (d.h. konsistente) sowie plausible Einbettung 1n allgemeineres Wissen begründet und auf diese Weise Wahrheitskriterien ableitet, die von der Korrespondenztheorie der Wahrheit abweichen (vgl. dazu meine Ausführungen 1n Seel, 1988). Wissen 1st demnach
darauf
angewiesen,
seine Gegenstände
selbst
zu
konstruieren.
270 Grundlage dafür 1st eine mentale Prozedur, die als Vorgang der Abstraktion auf der Merkmalsverdichtung aufbaut und invariante Gebilde der Erkenntnis erzeugt, die als Denkinhalte aufgefaßt und als "Begriffe" bezeichnet werden. Diese sind als semantlsche Grundkategorien zu verstehen, die Wissen ausdrükken ("sign1f1z1eren"), sich auf einen Gegenstand oder eine
Situation der
Welt beziehen und aufgrund dieser Referentialität eine Bedeutung aufweisen. Begriffliche Erkenntnis beruht also nicht auf einer ontologisch begründbaren Basis, sondern legt mehr oder weniger willkürlich fest, was als Basis des Wissens gelten soll. Daraus aber folgt, daß bereichsspezifisches Wissen stets nur relativ zu dem Wissen begründbar 1st, 1n das es "einbettbar" ist. Kognit1ons1nterne Kriterien für Wissen dieser Art sind (1) die Interne Konsistenz, d.h. W1derspruchsfreihe1t seiner Elemente, (2) die Kohärenz als Maß, wie gut einzelne Bestandteile des Wissens zuelnan der passen, (3) die PlausibHität als Grad der Bestätigung von Wissen durch vorauszuset zendes allgemeines Wissen und (4) der Erfolg von Wissen, Insofern das kognitive System so lange glaubt, et was zu wissen, wie es nicht gezwungen wird, Vorstellungen, Ideen und Mei nungen aufzugeben. Die Grundlage dafür bilden Aktivitäten des kognitiven Systems, die unter der Bezeichnung "Denken" subsumiert werden. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich festhalten, daß Ich 1m Hinblick auf den Stellenwert der radikal-konstruktlVIsti sehen Konzeption für die Theor1eb1ldung im Bereich kognitiver Medieneffekte noch unschlüssig bin; ich bin allerdings der Überzeugung, daß eine weitere Klärung dieser Frage für die Theoriebildung nicht nur notwendig ist, sondern auch effektiv sein wird.
Denken und Modellbildung "Denken" bezeichnet umgangssprachlich alle reflexiven Akte; 1n weltgehender Ubereinstlmmung damit bezieht sich "Denken" als Bestandteil der wissenschaftlichen Terminologie auf die selbständige Fähigkeit des Menschen, in der und durch die sich die Konstruktion von Wissen sowie dessen Nutzung vollzieht und zwar unabhängig davon, ob dies empirisch oder rational begründet geschieht. Im Denken benutzt der Mensch das gesamte bereits akkumulierte Wissen eigenständig und unabhängig von der praktischen Tätigkeit. Deshalb wird Denken auch als eine selbständige "Intellektuelle" Tätigkeit verstanden, vermittels derer kognitive Leistungen des Gehirns zu den Abstraktionshandlungen
271
o
der Begriffsbildung,
o
der "mentalen Modellbildung" und
o
des Urteilens und Schlußfolgerns
organisiert werden. Ausgangspunkt dieser (auf Kant zurückgehenden) Bindung von "Denken" an die Tätigkeit der Begriffsbildung
und des Schlußfolgerns 1st die Grundannahme,
daß die menschliche Informationsverarbeitung durch die Fähigkeit zur Abstraktion charakterisiert ist, die ihrerseits auf der Merkmalsverdichtung begründet ist. Da Denken immer in irgendeiner Form auf die objektive Wirklichkeit bezogen ist (das "kognitive System" will sie "erkennen" oder "sich vorstellen"), stellt sich die Frage, ob sich die objektive Wirklichkeit im Denken lediglich wiederholt oder sich eigentlich erst konstituiert. e> In Anbetracht meiner bisherigen Argumentation wird es den Leser nicht verwundern, daß ich die letztgenannte (deutungstheoretische) Sichtwelse favorisiere. Danach stellt ein Wahrnehmungsgegenstand auf einer multimodalen Stufe der Informationsverarbeitung,
in die
viele
physlkal1sch-sensor1sche,
also
an-
schaulich gebundene Objektmerkmale einfließen, ein aus selektierten Bestandteilen synthetisch erzeugtes abstraktes Produkt eben dieser Verarbeitung dar, das ein Modell, aber kein Abbild der Wirklichkeit ist. Denn Denken ist ein Prozeß des Bewußtwerdens der objektiven Welt, der, auch wenn er durch sinnliche Erfahrung ausgelöst wird, keine direkte Widerspiegelung der Objekte und Erscheinungen der realen Welt ist. Vielmehr ist die Wahrnehmung ein auf die Umwelt gerichteter
(intentionaler)
kognitiver Akt, der abstrakte
WirklIch-
keitsäquivalente eigenständig hervor- und 1n das Verhalten einbringt. D1e Invarianten Abstraktionsgebilde, die aus der Wahrnehmung (als kognitiver Leistung) hervorgehen, habe ich andernorts (Seel, 1988) 1n Anlehnung an Prinz (1983)
als
"Objektrepräsentationen"
bezeichnet,
aus
denen
das
kognitive
System vermittels analogischen Schlußfolgerns "Interne Außenweltmodelle" (als Teilmenge der Menge
"mentaler Modelle")
herleiten kann. Sie repräsentieren
das auf einen speziellen Bereich der Welt bezogene Wissen, das durch die Gesamtheit der in der sinnlichen Erfahrung bewährten Produkte des Denkens konstituiert wird. Im "Erkennen" eines Objektes ist mehr enthalten als die durch die vorprogrammierte Tätigkeit
des Gehirns
vermittelte
Perzeptlon
einer
reizseltigen Merkmalskonfiguration, nämlich das Identifizieren
Invarianten des Objektes
als Exemplar einer Klasse (z.B. einer Buche als Vertreter der Klasse "Baum"). Mit dieser Abstraktion wird die Wahrnehmung l.e.S. definitiv durch einen reflexiven Akt "überschritten",
nämlich durch die Konstituierung des Modells
eines 1n der Wirklichkeit nicht existierenden Objektes ("Baum").
272
Die Ergebnisse einer solchen Abstraktion werden
im allgemeinen als
"Be-
griffe" bezeichnet, die Kollektionen von Objekten auf Grund ihrer gemeinsamen Merkmale zu Klassen vereinen und ihnen somit eine gleiche Bedeutung attribuieren. Begriffe reduzieren eine enorme Informationsmenge und Vielfalt an Objekten auf eine kleinstmögliche Menge an relevanten Merkmalen, die aber stets das Ganze bedeutet. Ohne
im einzelnen
auf verschiedene
philosophische und
psychologische Ansätze zur Funktion von Begriffen einzugehen (vgl. dazu Hoffmann,
1986; Mittelstraß,
1980), möchte
ich sie
Außenweltmodelle", als Wirklichkeitskonstrukte,
als Symbole
für
"Interne
betrachten und damit hervor-
heben, daß sich Denken, selbst wenn es auf Anlässe der sinnlichen Erfahrung zurückgeht, grundsätzlich nur mit Hilfe von Zeichen vollzieht.
Das heißt:
Denkprozesse setzen eine gewisse Kompetenz des kognitiven Systems in der Nutzung von Symbolsystemen voraus, die semiotische Funktionen erfüllen. Je nachdem, ob die Symbolsysteme anschaulicher oder abstrakter Natur sind, spricht man auch von "anschaulichem" oder "abstraktem Denken". 9> Im allgemeinen werden Begriffe auch als Denkinhalte aufgefaßt, was dann die Frage aufwirft,
ob
Ihnen
in
der objektiven
spricht. Aus kohärenzeplstemologischer
Wirklichkeit
auch
etwas
ent-
(bzw. konstruktivistischer) Sicht ist
diese Frage irrelevant, bestenfalls sekundär und nicht entscheidbar.
,ü
> Denn
selbstverständlich gibt es auch kognitive Phänomene, deren Inhalte in der Realität keinerlei Entsprechung finden und auch nicht zu finden brauchen. Man denke zum Beispiel nur an die Objekte der Mathematik: Natürlich kann ich mir das System der natürlichen Zahlen ausdenken, ohne davon ausgehen zu müssen, daß es auch tatsächlich 1n der realen Welt existiert. Die mit solchen kognitiven Phänomenen verknüpften Inhalte, denen In der objektiven Wirklichkeit nichts entspricht bzw. zu entsprechen braucht, konstituieren -
aus
einer
realistischen Position
heraus
betrachtet
-
"fiktive
Welten", in denen es nicht nur Zahlen und andere abstrakte Symbole gibt, sondern auch Einhörner, Feen, Riesen und außerirdische Wesen wie E.T.
11
> Kogni-
tive Systeme können sich nicht nur das System der natürlichen Zahlen ausdenken, sondern auch Märchen - vorausgesetzt, sie verfügen über die dazu erforderliche semiotische Kompetenz zur Nutzung von Zeichensystemen, allen voran die Sprache. Sie ermöglicht eine
(metaneurale) Symbolbildung
und -nutzung,
die völlig neue Dimensionen der Kognition eröffnen, Indem über die Konstruktion von Modellen der Wirklichkeit hinausgegangen wird und unabhängig von konkreten Erfahrungen und aktuellen Situationen eigenständige kognitive Phänomene hervorgebracht werden, die als "Modelle möglicher Wirklichkeiten" Produkte des Induktiven und analogiebegründeten Schlußfolgerns darstellen (vgl.
273
Seel,
1988),
so
daß
ihnen
als
reinen
Gedankenkonstruktionen
1n der Welt
nichts zu entsprechen braucht. Die Konstruktion
rational
begründeter mentaler Modelle
setzt, wie
gesagt,
eine gewisse Kompetenz im Gebrauch von Symbolsystemen voraus, die dem kognitiven System erlaubt, gedanklich Objekte beliebiger Art zu entwerfen und so in Projektionen einzubringen, daß abstrakte Vergleiche zwischen Inhaltsbereichen, Kombinationen von Vorstellungen und Prognosen von Ereignissen möglich werden. In diesem Kontext meint "Denken" die bewußte Konstruktion von mentalen Modellen, die eine gewisse funktionale Realität begründen und ein Handeln mit diesen Modellwirklichkeiten erlauben. Anders ausgedrückt: Denken wird als Symbolbildung und -manipulation bzw. als Verhaltenssimulation vollzogen; es bewirkt Systeme stationärer und dynamischer Relationengebllde, die verfügbar gemacht werden, um Erscheinungen der Welt subjektiv plausibel zu machen, indem die Kohärenz und Stimmigkeit der gedanklichen Konstruktionen mit dem allgemeinen Weltwissen geprüft wird. Denken, wie es der mentalen Model Ibildung zugrunde
liegt, ist also von
"symbolischer Natur" und setzt die Verwendung von Zeichensystemen voraus. Dabei kommt der Sprache eine exponierte Bedeutung zu, und zwar sowohl für die "Repräsentation" von Wissen, wo sie eine "semiotlsche Funktion" erfüllt (als Mittel zur Markierung von Begriffen), als auch für die "Kommunikation", wo sie das gebräuchliche Mittel darstellt,
sich anderen Menschen mitzuteilen.
Aber nicht nur die Sprache weist diese doppelte Funktionalität auf; auch die anderen Zeichensysteme (wie z.B. Bilder und abstrakte Symbole) können "internal" semiotisch und "external" kommunikativ genutzt werden. Auf diese Funktionen will ich nun näher eingehen.
Repräsentation und Kaaaunlkatlon Wenn sich Denken mit Hilfe von Zeichen vollzieht, stellt sich die Frage, welche Zeichensysteme Menschen für die Verschlüsselung der Informationen beim Denken benutzen, d.h. in welcher Modalität sie sich Ihre Vorstellungen und gedanklichen Konstruktionen vergegenwärtigen. Mit dieser Problematik, die in der modernen Kognitionswissenschaft unter dem Begriff der "Wissensrepräsentation" subsumiert wird, befassen sich Philosophen und Psychologen bereits seit langem (vgl. A e b U , 1981; Fodor, 1981; Engelkamp, Lorenz & Sandig, 1987); sie läßt sich auf die Frage zuspitzen, ob sich menschliches Denken grundsätzlich nur amodal-abstrakt oder auch modal-anschaulich vollzieht.
12
>
274
Vor diesem Hintergrund erschließt sich der Begriff der "mentalen Repräsentation" anders als in manchen kognitionswissenschaftlichen Abhandlungen, wo er, wie mir scheint, nichts anderes als Vorstellungen bzw. Denkinhalte meint (vgl. zum Beispiel: Brewer, 1987; Schänk, 1982). "Repräsentationen" sind Abbildungen im Sinne von Zuordnungsvorschrlften ein Verständnis, das sich bereits bei Kiilpe (1923) findet und dreierlei voraussetzt: (a) Gegenstände als Bestandteile der Umwelt, die stationär sind, sich bewegen oder verändern. Ihre Erfahrung setzt - auch aus konstruktivistischer Sicht stets Bewußtseln voraus, denn "nur soweit wir von den Gegenständen ein Wissen, eine Erkenntnis
haben,
können sie dargestellt werden"
(Külpe,
1923,
123). (b) Darste11ungsmitte1 als Zeichen (eines Zeichensystems), die auf die Gegenstände hinweisen, und (c) eine Zuordnungsvorschrift• die Bedeutungen konstituiert, indem sie Gegenstände und Oarstellungsmlttel eindeutig aufeinander bezieht. Um dieses Verständnis von "Repräsentation"
zu präzisieren, empfehle ich
folgende Formalislerung: Sowohl der Gegenstandsbereich als auch die Darstellungsmittel
werden
als "strukturierte
Systeme" verstanden,
zwischen denen
eine injektlve Abbildung definiert ist, die einen Homomorphismus konstituiert. Sel O = (0, Ri) das System der Gegenstände und Ζ = (Ζ, Sj) das System der Oarstellungsmittel. Eine Repräsentation ist dann eine Zuordnungsvorschrift f, die 0 injektiv nach Ζ abbildet: f: 0 — Ζ
mit
Zn
und
Ri (01,..., On)
= f(On) =
Sj(Z1,..., Zn).
In einer scharfsinnigen Analyse zeigt von Foerster (1972/1985), daß Objekte und Ereignisse
keine primitiven
Erfahrungen sind, sondern
Repräsentationen
von Relationengebilden; d.h. die Umwelt, die durch Relationengebilde konstituiert wird, ist eine rein persönliche Angelegenheit, bestimmt durch die subjektiven Repräsentationen. Welche Zeichensysteme benutzt das kognitive System für sein Denken und für die Darstellung seiner gedanklichen Konstruktionen? Nach Bruner
(1974) verwenden Menschen enaktive,
1 konische und/oder
ab-
strakte Codes zur Verschlüsselung ihrer Denkinhalte. Dabei ist die sem1ot1sche Funktion der verschiedenen Zeichensysteme nach Plaget (1975) aber abhängig von der
intellektuellen
Entwicklung der
zeichenverwendenden
kognitiven
275 Systeme. Das heißt: Auch die semiotische Kompetenz eines kognitiven Systems ist das Ergebnis von Lernvorgängen Produkt einer fortgesetzten
(Im oben beschriebenen Sinne), also das
abstrahierenden
Transposition
von
Nachahmungs-
aktivitäten (objektbezogener Art). Welches Zeichensystem in einer bestimmten Situation für die Repräsentation
gedanklicher Konstruktionen
benutzt wird,
ist in erster Linie abhängig von den Erfahrungen, die das kognitive System bislang mit der Anwendung
und Nutzung der verschiedenen Zeichensysteme ge-
macht hat. Ich will an dieser Stelle nicht im einzelnen auf die "semiotlschen Funktionen" eingehen, die Piaget unterschieden hat, sondern nur festhalten, daß der Übergang von den sensomotorisehen (bzw. "enaktlven") Formen der Repräsentation zu höheren Formen der "kognitiven Repräsentation" eintritt, wenn sich die kognitiven Operationen von der sinnlichen Erfahrung lösen und nur mehr in der Vorstellung vollzogen werden. Deshalb stellt die Repräsentation von Wissen mit Hilfe von Sprache und abstrakten Symbolen den Endpunkt der Entwicklung semlotlscher Kompetenz dar, was nicht heißen soll, daß das kognitive System nicht auch beispielsweise 1kon1sche Zeichensysteme benutzen kann, wenn diese in einer bestimmten Situation als effektiver eingeschätzt werden. Menschliche Erkenntnis steht der Wirklichkeit somit nicht mittellos gegenüber, sondern vollzieht sich mit Hilfe von Zeichensystemen. Ausgangspunkt und Grundlage dafür ist, daß das erkennende Subjekt nicht nur den Erkenntnisgegenstand zu einem
integralen
Bestandteil
seines
kognitiven Systems macht,
sondern auch die Erkenntnismittel: Gegenstände und Mittel der Erkenntnis werden 1nternal1siert, d.h. funktional Inkorporiert. So lange aber die kognitive Welt durch die sinnliche Erfahrung begrenzt wird und folglich die Zahl der Gegenstände
und Mittel der
Erkenntnis be-
schränkt bleibt, kann es keine Weiterentwicklung kognitiver und semlotlscher Kompetenz geben. Das setzt voraus, daß mehr und andersartige Gegenstände und Mittel Ihrer Darstellung "erfahren" werden, wobei der Kommunikation eine besondere Bedeutung zukommt. Denn durch sie hat das eigene Bewußtseln Zugang zum Bewußtseln eines anderen kognitiven Systems, wodurch aber kein Gegenstand der Erkenntnis im bisherigen Sinne konstituiert wird. Das wird gleich deutlich werden! Im Alltag besteht nur wenig Zweifel, was unter "Kommunikation" zu verstehen 1st, nämlich einander mitteilen, was man denkt, fühlt, tut oder von einem anderen wünscht. Aus der Sicht der wissenschaftlichen Präz1s1erung dessen, was unter
Terminologie
"Kommunikation" zu verstehen
1st eine
1st, nicht so
einfach (vgl. dazu: Köck 1987). Um zu einem grundlegenden Verständnis des Begriffs der Kommunikation zu gelangen, greife Ich auf den Ansatz von Foersters (1972/1985) zurück.
276 Für den Konstruktivisten
von Foerster
Voraussetzung für die Kommunikation:
ist die Repräsentation
unabdingbare
Unter den mentalen Repräsentationen von
Objekten ObJ(xn) Innerhalb eines kognitiven Systems kann es auch eine Repräsentation eines anderen kognitiven Systems kehrt kann natürlich auch
in
Ω*
Ω * geben, also Obj( Ω * ) .
Umge-
eine Repräsentation ObJ*( Ω ) existieren.
Kommunikation 1st dann nichts anderes als die Interpretation einer Interaktion zwischen zwei kognitiven Systemen Ω ι
und Ω 2 durch einen Beobachter.
Es seien Ε ( Ω ι ) und Ε ( Ω 2 ) Sequenzen von Ereignissen mit Bezug auf die kognitiven Systeme
Ω1
Relation zwischen
und Ω 2 ,
den
beiden
und es sei Κ die mentale Repräsentation einer Ereignissequenzen durch
einen
Beobachter
B:
B(K(E ( Ω 1 )> Ε ( Ω 2 ) ) ) . Die kognitiven Systeme Ω ι und Ω 2 können jeweils für sich und zusammen Beobachter sein ( Ω ι = Βι, Ω 2 = B 2 ) ,
so daß der vorherige Ausdruck 1n
Ω1
oder
In Q i oder 1n beiden rekursiv wird. "Kommunikation" 1st somit die mentale Repräsentation einer Relation zwischen zwei kognitiven Systemen, zum Beispiel
mir selbst und jemand anderem.
Nach
diesem Verständnis von Foersters kann es keine Kommunikation ohne Repräsentation geben. Gleichwohl sind Repräsentation und Kommunikation zwei völlig verschiedene Funktionen, die aber, wenn sie miteinander verbunden werden, eine neue komplexere Funktion ergeben: die Symbolfunktion des Zentralen Nervensystems. Sie findet
in der Sprache
Ihre Vollendung und ermöglicht ebenso
ein
internes Manipulieren mit sprachlichen Symbolen 1m Denken wie ein übermitteln Innerer Zustände an ein anderes kognitives System. Bei der Repräsentation ist das denkende Subjekt alleine auf sich selbst geworfen, d.h. es muß aktiv die energetischen Zustände und Invarianzen untersuchen, um aus ihnen ein Modell der realen oder projizierten Welt zu konstruieren. Was Bedeutung hat' und was Bedeutung 1st, entsteht
1m Inneren des kognitiven Systems.
Demgegenüber be-
zeichnet der Begriff der Kommunikation eine Klasse 1ntent1onaler
Interaktio-
nen zwischen wenigstens zwei Lebewesen, einem "Sender" und einem "Empfänger", und setzt voraus, daß beide Instanzen über gleiche Zeichenvorräte verfügen, mit Hilfe derer sie ren, sondern
auch
Ihre gedanklichen
external1s1eren
"verstehen" sich kognitive Systeme. Die
Kommunikation
zwischen
Konstruktionen nicht nur repräsentie-
und einander 13
mitteilen
können.
Nur dann
>
kognitiven Systemen
1st eine
spezifische
In-
teraktion, nämlich eine vermittelte Interaktion, die über "Medien", d.h. mit Hilfe von Zeichen abläuft
(vgl. Köck, 1987). Voraussetzung
1st, daß die 1n-
teraglerenden Systeme über gleiche Zeichenvorräte und ein gemeinsames Bewußtse1n über die entsprechenden Bedeutungen verfügen. Denn nur dann kann ein Informationsempfangendes System den übermittelten
Signalen eine zumindest ähn-
277
liehe Bedeutung
attribuleren wie
das
informationsemittierende
System.
Oas
bisher Gesagte kann graphisch in folgender Weise zusammengefaßt werden: Abbildung 1: Kommunikation als zeichenvermittelte Interaktion zwischen kognitiven Systemen Kognitives 9yatea Ω ι Bereiche der Welt: Di bezogen auf
Wiaaensstrukturen Kl «]
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5
e
>
>
7)
Ich danke Frank Dlnter, M.A. (Saarbrücken) für seine konstruktive und kritische Mitarbeit beim Verfassen des vorliegenden Beitrages sowie Or. Sigmar-Olaf Tergan für seine Anregungen und Kritik. Damit greife ich eine Sichtweise auf, die auch Merten 1n seinem Beitrag beschreibt - allerdings im Kontext wissenssoziologischer Argumentation. Dabei schränke ich die Fähigkeit zu lernen nicht auf den Menschen ein, sondern verstehe sie als eine Grundeigenschaft biologischer Organismen, die sich auf einzelne Leistungen deren Verhaltens erstreckt, die Ihrerseits eine Einheit von Informationsverarbeitungsprozessen steigender Komplexität bilden und 1n der menschlichen Kognition einen (vorläufigen) Höhepunkt finden: Während sich das Verhalten primitiver Lebewesen auf der Ebene von Reiz und Reaktion bewegt und gehirntragende Lebewesen auf der Ebene von Wahrnehmung und Selektion operieren, handelt der Mensch auf der Ebene von Wissen und Wollen; Wahrnehmen, Denken und Handeln sind dann untrennbar verzahnte Leistungsbereiche innerhalb der Gesamtfunktion menschlichen Verhaltens, das aufgrund von Lernvorgängen ständig modifiziert und erweitert wird. Das trifft freilich nur für die ontogenetIschen Verhaltensmuster zu, die disponierend und modifizierend an die sich verändernden Umweltbedingungen angepaßt werden, nicht aber für die philogenetIschen Reaktionsmuster, über die der Organismus bereits bei seiner Geburt als Ergebnis der Evolution verfügt. Eine zeitweise vorhandene Zuversicht von Neurophyslologen, einen Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion des Gehirns aufzuzeigen, 1st Inzwischen einem allgemeinen Bekenntnis fast totaler Unwissenheit (und Ratlosigkeit) gewichen; denn man vermag zwar zu zeigen, daß bei gewissen kognitiven Leistungen gewisse Teile des Gehirns aktiv sind (vgl. Hellhammer, 1983; Rogge, 1981), doch es 1st unmöglich, ganz präzise die Strukturen des Gehirns abzugrenzen, die der menschlichen Kognition zugrunde Hegen. Die Informationsverarbeitung, wie sie das Gehirn leistet, beruht auf Veränderungen der Erregungsübertragung ("synflre chaining") zwischen Nervenzellen, die 1n einer Lokalisatlon des Gehirns konvergieren und 1n Ihrem spezifischen Erregungsmuster dem Inhalt der Nachricht, dem "Reizmuster", entsprechen (vgl. Abeles, 1982). Diese Sichtweise 1st mir, insbesondere wenn es um die Verarbeitung von Reizen der äußeren, "erfahrbaren" Welt geht, zu radikal. Natürlich vollzieht sich die Wahrnehmung der äußeren Welt 1m Gehirn als Trägerorgan eines "kognitiven Systems", das schließt aber nicht aus, daß 1n der Welt auch Dinge existieren, die dem "kognitiven System" nicht direkt zugänglich sind und zu denen es keine gedanklichen Konstruktionen bilden kann. Dies anerkennend, bevorzuge Ich eine gemäßigtere konstruktivistische Auffassung.
284 8
>
9
>
10
>
11
)
1Z
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13)
Damit stelle ich dem "abbildtheoretischen Standpunkt" die "deutungstheoretische Sichtweise" gegenüber (vgl. Prauss, 1980), die meiner kohärenzep1stemolog1sehen Argumentation entspricht. Begriffe werden gewöhnlich durch Sprachzeichen markiert, was auf den engen Zusammenhang von Denken und Sprache hinweist: Die Sprache fixiert in Worten die Ergebnisse des Denkens, die Produkte der Erkenntnistätigkeit kognitiver Systeme, ist aber keinesfalls mit dem Denken identisch: "Wenn der Mensch denkt, benutzt er das sprachliche Material, sein Denken erhält In der sprachlichen Formulierung seine Form." (Rubinstein, 1983, 188). Es handelt sich hierbei um eine typisch korrespondenztheoretische Frage, die das uralte UniversalIenproblem thematisiert, das seit tausend Jahren ungelöst 1st. Aus neuroeplstemologischer Sicht ist diese Frage leicht zu beantworten: Die "Sprache" des Nervensystems ist bedeutungsneutral, und alle "mentalen Phänomene" sind Leistungsprodukte neuraler Prozesse, die sich zu Erregungsmustern Integrieren, die vom kognitiven System erst eine Bedeutung zugewiesen bekommen. Konstruktivistisch betrachtet ist diese Behauptung, die vom kognitiven System erzeugte Welt sei letztlich eine Fiktion, natürlich problematisch: Relativ zu welcher Realität 1st sie eine Fiktion? Und wie wird eine objektive Wirklichkeit festgestellt, um eine erzeugte Welt als Fiktion zu entlarven? Ein kognitives System, das sich nicht nur Märchen ausdenken, sondern auch etwas wissen will oder handeln muß, wird rasch vor die Notwendigkeit gestellt, innerhalb seiner gedanklichen Konstruktionen zu unterscheiden zwischen Strukturen, die es für real ansehen will, d.h. von denen es begründet annimmt, daß ihnen bestimmte Strukturen in der Wirklichkeit entsprechen, und solchen Strukturen, die es grundsätzlich für unrealistisch, als lediglich erfunden, beurteilt. Die "kognitive Welt", die außer Fiktionen auch alle Vorstellungen bzw. deren Inhalte umfaßt, enthält dann einen Teilbereich, in dem Aussagen über die reale Welt getroffen werden, die grundsätzlich hypothetischer Natur sind, das heißt: Das kognitive System kann nie völlig sicher sein, daß die Aussagen über die Welt auch tatsächlich zutreffen. Ist dies der Fall, werden die entsprechenden Denkinhalte stabilisiert, und der Bestand an erfahrungsbegründetem Weltwissen wird vermehrt und gefestigt. Unterhalb dieser Ebene gibt es nur eine artspezifische "Biokommunikatlon" sensomotorlscher Natur, die aber noch keine Verständigung ist. Beispiele dafür bietet die Tierwelt in großer Anzahl; so zeigen verschiedene Insekten genetisch bedingte Verhaltenswelsen mit einem hohen Grad an Genauigkeit und Variabilität, ohne daß darin Bewußtseln enthalten ist. Es handelt sich hier um "reine" Kommunikation ohne Repräsentation!
Abstract This article describes a constructivlstic conception of the information processing elicited by media. That offers new insights Into the relationships between learning and knowledge and provides a theoretical framework for identifying cognitive procedures governing how Individuals acquire, organize, and modify their knowledge as a result of communications. An important aspect of this conception 1s to Illustrate the relevance of symbol systems as means for mental representation and comun1cat1on. In consequence, the semiotic features of media are emphasized.
ANHANG
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310
Sachregister
Abbildung 239 Abspeicherung 175 Abstraktheit 249, 251 Abstraktion 62 Abstraktion, generalisierende 264 Abstraktlonshandlung 270 Abstraktum, verbales 189 Adressatengruppe 240 Adressen 267 Ähnlichkeit 239, 244, 245 Ähnlichkeitsmuster 66 Ahnl1chkeitsrelat1on 240 AIDA-Regel 183 Akkommodation 265 Aktualisierung 47, 153 Aktualität 30, 33, 35 Aktualitätsbegriff 39 Akzeptanz 123, 125, 126 Alltag 174 Alltagsbewußtseln 188 Alltagserfahrung 136 Alltagsrede 59 Alltagss1tuat1on 44, 241 Alltagstheorie 154 Arnes 1epat lent 75 Analogie 241, 242 Analogie, funktionale 246, 250, 251, 253 Analogie, private 256 Analogie, strukturell-funktionale 246, 248 Analogie, strukturelle 248 Analogie-Charakter 255 Analogie-Element 256 Analogiebeziehung 244 Analog1eb1ld 240 Analogieverhältnis 242 Analyse, explorative 144 Anelgnungsprozeß 40 Anforderung, mentale 282 Anforderungssituation 103, 104, 108, 111, 113, 114 Ansatz, dynamlsch-transakt1onaler 152 Ansatz, wissensdiagnostischer 14
Anschaulichkeit 125 Antike Rhetorik 56 Anwendbarkelt 250 Anwendung 117 Arbeitsgedächtnis 74, 104, 269 Architektur des Gedächtnisses 101 Architektur, funktionale 99 ARD 39 Argumentatlonsf1gur 157 Arten von Analogien 245 Aspekt, qualitativ-struktureller 100 Assimilation 265 Assoziationsexperiment 152 Attribut 191 Aufgabenanalyse, kognitive 108 Aufklärungsfilm 195 Aufmerksamkeit 72, 87, 89, 224, 225 Aufmerksamkeitskontrollsystem 268 Aufmerksamkeitspotential 14 Aufmerksamkeitszuwendung 79 Aufnahmeorgan 189 Aufrechterhaltung von Invarianzen 12
Aufschlüsselungsvorgang 65 Ausdruck 58 Ausgewogenheit 37 Aussage 156, 168 Aussage, audiovisuelle 123 Aussagentext 64 Äußerungseinheit 56 Außerungsergänzung 63 AV-Präsentat1on 101, 185 Basis-Spez1f1tät 249 Basis-Struktur 259 Basisdomäne 242, 244 Bebilderung 205, 211 Bedeutsamkeit 49 Bedeutungsbelegung 267 Bedeutungsgenerierung 63 Bedeutungskomplex 161 Bedeutungsrekonstruktion 163 Bedürfnis des Publikums 15 Befragungsperlode 144, 147 Befragungswelle 137
311 Begriff 270, 272, 279 Begriffsbildung 271 Begrüßungsfloskel 174 Behalten 178 Behaltenslelstung 100, 102, 180, 181, 199, 204 Behauptung, semantische 95 Belsplelanalyse 144 Beitragbewertung 129 Beobachtungsspanne 67 Beschreibung, episodische 75 Betrachtungsdauer 68 Betrachtungswelse, konstruktiv 1 st i sehe 263 Bewertung 125, 126 Bewertungsmaßstab 109 Bewußtsein 74, 188, 265, 268, 274, 278 Bewußtseinslelstung 279 Bewußtselnsveränderung 268 B1ld 14, 24, 44, 55, 96, 169, 186, 189, 211, 278, 279 B1ld, bewegtes 222 Bild, logisches 239 Bildanalogie 16, 239, 240, 249, 250, 251, 253, 254, 258 B1ldanalogie, nützliche 259 Bildausschnitt 24 Bildbeschreibung 255 B1ldenkodierung 97 Bilder der Wirklichkeit 33 Bilderbuch 223 Bilderbuchkind 223 Bilderinnerung 178 Bildinformation 101, 112 Bildmarke 88, 91, 93, 95, 191 Bildmaterial 177 Bildmeldung 206 Bildschirm 66, 68, 78 Bildsequenz 24 Bildung 173 Bildung von Schemata 249 Bildung, politische 37 Bildungsauftrag 34 B1ldungsfunktlon 32 Bildverarbeitung 85 Bildverstehen 176 Brailleschrift 48 Cell1ng-Effekt 143 Charakteristika von Medien 13 Code, 1kon1scher 278 Code, sprachlicher 278 Codierung 266 cognitive science 10, 11, 56 Dämon 255 Dämonen-Modell 253 Danachrichten 32, 174, 179 Darbietung, audiovisuelle 234
Darbietung, unterschwellige 76 Darbietungsform 257 Darstellung 210 Darstellung von Wissen 40 Darstellungsform 128 Darstellungsform, bildliche 239 Darstellungsmittel 274, 282 Darste11ungsmi ttel, med i enspez1f1sches 218 Datenerhebungstechnik 110 Deckeneffekt 208 Denken 48, 188, 270, 271, 273, 276 Denken, konvergentes 231 Denken, wissenschaftliches 241 Denkinhalt 282 Denktradition 122 Destrukturierung 161 Diagnoseschritt 14 Diagnosesituation 103 Differential, semantisches 125, 142 Dimension, sachliche 26 Dimension, soziale 26 Dimensionen von Wissen 26 Effekt, lernfördernder 248 Effektmessung, unmittelbare 219 Elnflußfaktor 85 Einheitsüberlegung 73 Einschaltzeit 219 Elaboration, kognitive 248 Emotion 174 Entwicklung, kognitive 226 Env1s1oning-Prozeß 113 Ereignismeldung 209 Erfahrung 58 Erfahrung, frühere 256 Erfahrung, sinnesspezifische 88 Erfahrung, sinnliche 275 Erfahrungsinhalt 77 Erfolg 270 Erinnern 211 Erinnerung 129 Erinnerungsbruchstück 165 Erinnerungshilfe 155 Erinnerungsleistung 102, 179, 197 Erinnerungsleistung, bewußte 78 Erinnerungsrate 178 Erinnerungsvermögen 267 Erkennen 271 Erkenntnis, bewußte 72 Erkenntnisgegenstand 282 Erkenntnisgewinnung 44 Erkenntnismittel 282 Erkenntnisvorgang 82 Erleben 188 Erlebnisdaten 57 Ernsthaftigkeit 182 Erschließungsfrage 202 Erwachsenenbildung 57
312
Erwachsenennachrichten 226 Erwartungen 14 Erwartungshaltung 36 Erwartungsstruktur 35, 35 Erweiterung der Informationsmenge 210
Erziehungswissenschaft 41 Evolution 21 Exhaustionsprinzip 31 Experlmentalpsychologe 187 Expositionsdauer 66 Fähigkeit, verbale 217 Faktor, emotionaler 227 Faktor, motivatlonaler 227 Faktor, sozlodemographischer 139 Faktorenanalyse 142 Fals1fiz1erbarke1t 73 Fehlauffassung 68 Fernsehberichterstattung 167 Fernsehe1nschaltze1t 219 Fernsehen 9, 41, 217, 218, 229, 234 Fernsehfilm 222, 223, 224 Fernsehinhalt 219 Fernsehkind 223 Fernsehkommentar 62 Fernsehkonsum 218, 228, 229, 231, 232 Fernsehnachrichten 9, 15, 32, 173, 186, 197, 210, 220, 225, 226, 227 Fernsehnutzung 230 Fernsehsprache 227 Fernsehversion 221 Fernsehwirkung, kognitive 233 Fernsehwirkungsforschung 217 Fernsehzuschauer 9 Figur, ikonische 191 Figur, rhetorische 65 Film 24 Filminhalt 225 Filtermodell 154 Flexibilität der Verarbeitung 87 formale Aspekte von Wissen 25 formale Gestaltung von Nachrichten 35, 37 Formulierungstechnik 60 Forschung, angewandte 85 Forschungsparadigma 98 Forschungstradition 122, 130 Frame 55 Füllmeldung 205 Funktion 37 Funktion, wlrkUchkeitskonstruierende 31 Funktion, gesprächsstiftende 31 Funktionsbestimmung 36 Funktionsweisen des Fernsehens 224 Gebilde 46 Gebrauch von Wissen 25
Gebrauchswert 15, 123, 126, 128, 129 Gebrauchswertmessung 128 Gebrauchswertzuschreibung 126, 127 Gedächtnis 73, 267 Gedächtnisabruf 86, 88 Gedächtn i sforschung, psycholog i sehe 104 Gedächtnismaß 87 Gedächtnismodell 74 Gedächtnisphänomen 97 Gedächtnisprüfung 68 Gedächtnisspanne 200 Gedächtnisspeicher 152 Gedächtnisspur 267 Gedächtnisstörung 75 Gedanke 255 Gedankenkonstruktion 273 Gedankenräum 62 Gefühlsreaktion 76 Gegenstand 274 Gegenteilseduktion 65 Gegenwartsgeschehen 32 Generalisierung 61 Generalisierung, induktive 264 Geräte 46 Geschichtsdidaktik 43 Gespräch 140 Gesprächsanalyse 57 Gesprächsgegenstand 140 Gesprächssituation 57 Gestalten 283 Gestaltpsychologie 227 Gestaltungsform 183 Gestaltungsmerkmal 181, 212 Geste 45 Glaubwürdigkeit 25 Gleichartigkeit 264 Grad der Ähnlichkeit 244 Grammatik 64 Größenanalogie 245 Größeninformation 94 Grundlagenforschung 85 Grundlagenforschung, psychologisehe 12
Handeln 188 Handlung 44, 46 Handlungskonzept 156 Handlungsschema 45, 279 Handlungszusammenhang 40 Herrschaftswissen 31 Hintergrundwissen 34 Hinweisreiz 208 Hinweisschild 64 Homomorphismus 274 Hörfunk 41 Hörspiel 50
313 Identifikationsaufgabe, perzeptuelle 78 Identitätsannahme 73 Illustration 50, 180, 197 Illustration durch Bilder 206 Imagery 195 Indikatoren für Zeitungsnutzung 143 Induktion 264 Inferenz 194, 195, 282 Informatik, angewandte 10 Information 25, 31, 122, 123, 265 Information, audiovisuelle 223 Information, redundante 212 Information, visuelle 89 Informationsaufnahme 66, 70 Informationsaustausch 57 Informationsbündelung 60, 61, 63 Informationsdarbietung 283 Informationsdichte 185 Informationsduktus 59 Informationsfluß 113 Informationsgebilde 61 Informationsgestaltung 55, 57 Informationsinteresse 127 Informat i onskonzept, re1 at1 ν i st isches 123 Informationskonzept, absolutes 123 Informationsmenge 198, 199, 208 Informationsreduktion 15 Informationssendung 181 Informationstransfer 152, 182, 198 Informationsverarbeitung 16 Informationsverarbeitung, unbewußte 73, 80 Informationsverarbeitungssystem, visuelles 95 Informationsverlust 176 Informationsvermittlung 72, 197 Informationsversprechen 63 Informationswert 15, 56, 123, 125, 126, 128, 129 Informationswertmessung 128 Informationswertzuschreibung 126, 127 Informieren 173 Inhalt 86 Inhaltsanalyse 137 Inhaltsanalyse, semant1 sehe 15 Inhaltsanalysedaten 138 Inhaltsstruktur 168 Inkorporation, funktionale 279, 282 Instruktion 224 Integration 185 Integration, audiovisuelle 190 Intelligenz 230, 231, 232 Intelligenz, künstliche 21 Interaktion 276 Interaktion, soziale 21, 174
Interaktionismus, symbolischer 131 Interesse 141, 177, 227, 235 Interesse, generelles 145 Interferenz 91 Interferenzeffekt 95 Internalislerung von Zeichensystemen 12
Interpretation 256 Intra-Transaktion 135 Invariantenbildung 11 Invarianz 11 Journalist 34 Journalistenimage 135, 141, 146, 147, 149 Kanal 90 Kanal, auditiver 96 Kanal, visueller 96 Kapazität, begrenzte 268 Kapazitätsbelastung 74 Kasusgrammatik 155 Kausalitätsschluß 229 Kausalmodell 72 Kausal relation 158 Kernaussage 164 Kerninformation 200 KI-Forschung 104 Kinderprogramm 224 Kindersendung 228 Klarheit 249 Klarheit einer Analogie 249 Klassifikation 26 Klass1f1kat1onskriter1um 44 Klassifikationsschema 213 Kodierung, mediale 45 Kodierungsform 104 Kodierungsform von Wissen 99 Kodierungstheorie, duale 189 Kognition 11, 62, 267 Kognition, nlchtsprachl1che 174 Kognition, soziale 219 kognitive Effekte von Massenmedien 14 Kohärenz 270 Kommentar 31 Kommentarfähigkeit 129 Kommunikation 12, 266, 273, 275, 276 Kommunikation, menschliche 156 Kommunikationsabsicht 134 Kommunikatlonsfigur 56, 63 Kommunikationsforschung 130 Kommunikat1onsgrat1fikation 134 Kommun i kat1onskana1 24 Kommunikatlonsmedien 12 Kommunikationspartner 135 Kommunikationsprozeß 133 Kommunikationsschema 68 Kommunikationssituation 182
314 Konmuni kationsverhalten 55 Kommunikatlonsvorgang 152, 280 Kommunikationsweisen 64 Kommunikationswissenschaft 13 Kommunikator 25, 174 Kompaktheit 30 Kompetenz, kognitive 275, 282 Kompetenz, semloti sehe 275 Kompetenz, symbolische 278 Komplementarität 194 Komplexität 163 Komplexitätsverteilung 164 Konfiguration, räumliche 94 Können 10, 40 Konsistenz 270 Konstrukt 151 Konstrukt des Unbewußten 73 Konstruktion von Wissen 270 Konstrukt1v1st, radikaler 266 Kontext, diagnostischer 112 Kontrastierung 167 Kontrolle, experimentelle 212 Konzept 89 Korrespondenztheorie der Wahrheit 269 Kreativität 231, 232, 259 Kulturpessimismus 27 Kunstwerk 29 Kurzzeltgedächtnis 200 Laborexperiment 84 Lebensdauer 26, 35 Lehr-Lernprozeß 44 Lehrerfahrung 259 Lehrfilm 102, 174, 193 Lehrtext 239, 258 Leistung 234 Leistungsprüfung 193 Lerneffekt 75, 77 Lernen 16, 21, 264 Lernen, 1nz1dentelles 14 Lernen, kognitives 265 Lernen, optimales 282 Lernen, programmiertes 21 Lernerfolg 239 Lernergebnis 248 Lernphase 75 Lernprozeß 28, 185 Lernpsychologie 24 Lernsituation, 1nz1dentelle 202 Lernumwelt 175 Lernumwelt, optimale 282 Lernwirksamkeit 256, 258 Leseerwartung 145, 147 Lesefäh1gke1t 217 Leseinteresse 149 Lesekompetenz 229 Leseleistung 230 Lesemotive 144
Lesen 234 Lesenlernen 229, 234 Lesermeinung 149 Linguist 228 Lokalberichterstattung 141, 142 Lokalzeitung 138, 140 Low-Involvement-Model 183 Mapping-Technik 115 Harke 48 Massenmedien 13, 98, 151, 282 Maß, qualitatives 100 Materialfaktor 212 Medien 9, 21, 235 Medienbegriff 40 Medienbegriff, semiotischer 12, 14, 41 Medienbegriff, technologischer 12, 14, 42 Medienbeitrag 164 Medienberichterstattung 153, 165 Medienbotschaft 15, 133, 135, 136, 150, 153 Mediend1dakt1k 44 Medieneffekt 133 Medienexperte 217, 233 Medlenexplosion 27 Medienforschung 43, 102, 116 Med i enforschung, anwendungsori entlerte 99 Medienforschung, rezip1entenorientierte 263 Med1en1nhalt 235 Medieninsti tution 136 Medienlale 217, 233 Medienpädagogik 13 Medienproblem 50 Medientechnologie 13 Medienuntersuchung 220 Medienvariable 98, 99 Med1enw1rkl1chke1t 22 Medienwirkung 217 Med1enw1rkungsforschung 197, 221 Medienwirkungsprozeö 135, 150 Medienzuwendung 123 Medium 9, 223, 280 Meinung 62 Meldung 203 Meldungsinhalt 207 Merkfäh1gke1t 267 Merkmal, soziodemographisches 221 Merkmalsverdichtung 270 Metagedächtnls 220 Metapher 62 Methode des lauten Denkens 115, 179 Methoden der Datenerhebung 101 Methodik der Veränderungsmessung 10 Methodologie 103 Mikrophänomen 85
315 M1tte1lungsabschn1tt 56 MltteHungsgestaltung 57 Modalität 10, 84, 97 Modell der Informationsverarbeitung 85 Modell, dynam1sch-transakt1onales 15, 132, 135, 149 Modell, mentales 110, 112, 113, 271, 280 Modell, theoretisches 25 Modell, traditionelles 132 Modellblldung 109 Modellbildung, mentale 271, 273 Modell Vorstellung 162 Momentaufnahme 33 Monotonie 63 Montage, vertikale 195 Motivation 146 Motive des Publikums 15 Mult1pl1kat1onsorgan 55 Mustererkennung 253 Nachfrage 175 Nachricht 41, 43, 175 Nachrichten 9, 28, 32, 34, 37, 180 Nachrichtenfaktor 28, 38 Nachrichtenfllm 176, 183 Nachrichtenforschung 193 Nachrlchtengebung 35 Nachr1chten1nhalt 178 Nachrlchtenmoderator 182 Nachr1chtenrezept1on 37, 178, 227 Nachrichtensendung 9, 81, 84 Nachrichtentechnik 42 Nachrichtenübermittlung 173, 175, 182 Nachr1chtenverbre1tung 35 Nachrichtenwissen 35, 36 Netzwerk, autoassoz1at1ves 267 Netzwerk, propos1t1onales 242 Netzwerkansatz 106 Netzwerkrepräsentation 106 Neugierforschung 24 Neuigkeit 33, 265 News-Show 183 Nutzung 22 Nutzung von Medien 12 Oberbegriff 62 Objektivität 33, 34, 37 Objektrepräsentation 271 Operation 92 Operation, kognitive 225, 234, 275, 281 Operation, mentale 86 Operationsmodus 16 Operationsmodus, kognitiver 220 Optik 42 0rgan1sat1onspr1nz1p 55 Organisationsprozeß 75
Organismus, biologischer 264 Orientierungsanlaß 15 Orientierungsaufgabe 192 Orientierungsbedürfnis 141 Orientierungshandlung 195 Originalität 244 Pädagogik 10 Panelbefragung 154 Papier 47 Paradigma der Informationsverarbeitung 263 Parallelformulierung 65 Parallelität, syntaktische 66 Parameter 199 Parteiwissen 139 POP-Forschungsgruppe 265 Personalführung 58 Personenmeldung 208 Personenmerkmal 212 Perspektivenübernahme 220 Persuaslonsforschung 136 Perzeptlon 62 Phänomen, kognitives 268 Phänomen, psychisches 10 Phantasiewort 203 Philosophie 10 Phonem 191 P1ctogramm 191 Picture superiority effect 177 Platzhalter, verbaler 64 Plaus1b111tät 269, 270 Poetik 57 Prägnanz 125 Präsentation 178 Präsentationsdauer 34 Präsentationsform 13, 101, 177, 187, 198, 224, 225 Präsentat1onsform, medienspez1f1sehe 223 Präsentationsvariable 100 Präsentleren 46 Pr1märere1gn1s 208 Primärquelle 45 Problem, methodisches 116 Problemiöseprozeß 110 Produkt1onsbed1ngung 35 Produktionssystem 106 Programmlnhalt 218 Programmze1tschr1ft 134 Proposition 156, 157 Propos1t1onsmenge 157 Prototyp 192 Prozedur, kognitive 281 Prozee, automatisierter 74 Prozeßdlagnose, qualitative 115 PseudoWörter 77 Psychologie 10 Psychologie* experimentelle 82
316
Psychologie, kognitive 241 Publikum 153, 166 Publikumsbewertung 128 Publikumswirkung 132 Publizistik 41 Publ1z1st1kwissenschaft 31 Quasl-Experiment 229 Radio 186 Rad1ogesch1chte 222 Readabmty-Forschung 23 Realität 123 Realitätsgrad 239 Realitätsvorstellung 159, 168 Realitätswissen 11 Recai1-Le1stung 199 Recai1-Maß 211 Recognltion-Leistung 199 Recogn1t1on-Maß 211 Redundanz 194, 207 Referenti al1tät 269 Regression, multiple 143 Regularltät 264 Reichhaltigkeit 249, 251 Relhungseffekt 69 Reizbedingung 97 Reizmodal1tät 86, 91 Rekogn1t1on 187 Rekogn1t1onsze1t 93 Rekonstruktion 163 Relation 27 Relation, konnektlve 158 Relational1tät 35 Relationengebilde 274 Relationskonzept 157 Relationstyp 169 Reiat1vierung 165 Relevanz 35 Relevanzstruktur 121 Repräsentation 86, 192, 274, 276 Repräsentation von Wissen 103 Repräsentation, mentale 114, 276, 280 Repräsentation, propos1t1onale 107 Repräsentat1onsansatζ, mu111modaler 88 Repräsentationsform 104 Repräsentationsformen von Wissen 101 Repräsentationsmodell 106, 110, 112 Repräsentationssystem 106, 108, 116, 189 Repräsentat1onssystem, propos1t1onales 190 Repräsentieren 46 Reproduktion 164 Reproduktion, freie 87 Reprodukt1onsle1stung 202 Reproduktionsvorgang 155
Resonanzsystem 192 Resonanztheorie 192 Restrukturierung 168, 281 Rezeptionsanalyse 37 Rezeptionserwartung 139 Rezeptionsmuster 24 Rezeptlonsprozeß 221 Rezeptionssituation 179, 221 Rezeptionsstrategie 212 Rezipient 102 Rezipientenerwartung 132 Rezipientenvariable 100 Rezipieren 175 Rule-Example-Regel 63 Rundfunkfreiheit 173 Rundfunkkommentar 62 Rundfunknachrichten 197 S-R-Theorie 185 Sachverhalt 197 Sachverhalt, personenbezogener 210 Sachverhalt, struktureller 198 Satz 40 Satz-Semant1k 57 Satzfunktion 65 Satzkomplexität 186 Schema 47, 55, 57, 194, 210, 235, 264, 269 Schema, kognitives 14, 198 Schema, operatives 11 Schema-Induktion 249 Schema-Kreation 248 Schema-Umstrukturierung 248 Schlußfolgern 271 Schlußfolgern, analogisches 271 Schr1fte1nblendung 180 Schulkind 222 Schulleistung 232, 234 Script 55, 198 Sehzelt 219 Sekundärereignis 208 Selbstbild 136 Selbsteinschätzung 181 selbstexplikativ 268 Selbstkonrnunlkation 278 selbstreferentiell 268 Selbstreferenz, kognitive 269 Selbstverständnis 175 Selektion 159, 185 Selektionsmechanismus 28 Selektionsprozeß 161 Selektionstheorie 186, 190 Selektivität 23, 33 Semlot1k 30, 41 Sender 99 Serialeffekt 65 Sesam-Straße 183 Signal 192 Signalreihe 57
317 SignalWirkung von Äußerungen 58 Simulationsmodell 58 Simulationstheorie 70 Sinne 86 Sinnesdaten 266 Sinnesmodal1tät 91, 185, 186 Sinngebilde 41 Sinnzusammenhang 162 Situation, pädagogische 174 Situation, soziale 13 Soziologie 10 Soziologie des Wissens 25 Spannungsfeld 212 Spezialkenntnis 225 Sprache 14, 41, 48, 55, 189, 266, 275, 278, 279 Sprachentwicklung 228 Spracherwerb 228, 234 Spracherzeugung 48 Sprachkompetenz 59 Sprachlektlon 43 Sprachproduktion 229 Sprachrezeption 229 Sprachverarbeitung 85 Sprachverstehen 97 Sprechhandlung 175 Statusdiagnose 108, 115 Stereotype 136, 217 Stereotyp1s1erung des Bildmaterials 176 Stichprobe, homogene 213 Stil, attischer 60 Stil, kognitiver 153 St1ltrad1t1on, europäische 60 St1lvar1able 60 Stimulus 152 Stlmulus-Response-Ansatz 132 Strategien der Vermittlung 29 Struktur 32, 121 Struktur, kognitive 264 Struktur, semantlsche 159 Struktur, sem1ot1sche 47 Struktur, soziale 29 Struktur, vorsemlotIsche 47 Struktur-Funktions-Beziehung 265 Strukturanalyse, semantlsche 15 Strukturdichte 161 Strukturierung 154 Strukturindex 162 Strukturkomplex, semant1scher 158 Strukturparameter 159 Strukturveränderung 165 Summ1erungstheor1e 186 Superstruktur 185 Supplantat1onsfunkt1on 225 Supplantatlonshypothese 279, 282 Symbol 12 Symbol, abstraktes 275
Symbol, sprachliches 276 Symbolbildung 272 Symbolic Impact hypothesis 180 Symbol représentation 73 Symbol system 12 Syntax 47 System, kognitives 268 System, konzeptuelles 96 Systemtheorie 26 Systemverhalten 113 Tagesschau 176 Tageszeitung 137, 147 Tellstruktur 161 Testfilm 202 Text 23, 50, 96, 157, 186 Text-BUd-Bezug 194 Text-Bild-D1skrepanz 180 Text-B1ld-Schere 177 Text-Bildverstehen 176, 177 Text-Ton-D1vergenz 177 Textanalyse 162 Textanalyseverfahren 155 Textbezug, makrostruktureller 158 Text1nformat1on 101, 112 Textkohärenz 161 Textkomplexität 24 Textlänge 164 Textmerkmal 24 Textoberfläche 167 Textverstehen 24, 176 Theorie kognitiver Med1enw1rkungen 263 Theor1eb1ldung, psychologische 82 Thesensandwich 69 Traktat, wissenschaftlicher 49 Transfer von Erfahrung 241 Transferlelstung 250 Transformation 159, 192 Transparenz 249 Transportorgan 55 Typ1s1erung, personifizierende 61 Oberforderung, kognitive 185 Überzeugungskraft 58 Universalität 30 Unterhaltung 31, 173 Unterhaltungsfunktion 182 Unterhaltungssendung 181 Unter1nform1eren 64 Unterricht 41 Unterricht, formaler 224 Unterrichtsakte 43 Unterrichtsmedien 13 Urteilen 271 Urteilsbildung 15 Uses-and-Grat1f1cat1ons-Ansatz 138 Uses-and-Grat1f1cat1ons-Model1 132 Valenz 156, 169 Validität 249
318 Validität, externe 10, 199 Validität, psychologische 116 Variable, soz1odemograph1sehe 141 Variable, temporale 30 Varlablenkomplex 213 Varlablenzusammenhang 187 Varianzanalyse 207 Variation 32 Verabschledungsfloskel 174 Verarbeitung, modal1tätsunspez1fische 188 Verarbeitung, schemageleitete 226 Verarbeitung, sensorische 191 Verarbeitung, sequentielle 266 Verarbeitung, simultane 266 Verarbeitung, ze1chengele1tete 226 Verarbeitungsebene 189 Verarbeitungshierarchie 188 Verarbeltungskanal 92 Verarbeitungskapazität 96 Verarbeltungsprozeß 89, 91 Verarbe1tungsproze3, peripherer 90 Verarbe1tungsst11 223 Verarbeltungssystem 89, 91 Verarbeitungssystem, modalItätsspez1f1sches 14 Verarbeitungssystem, sinnesspezifisches 92 Verarbeitungssystem, verbales 94 Verarbeitungssystem, visuelles 94 Verarbeitungstiefe 78, 79 Verarbeitungsvorliebe 212 Verbal1s1erungsprotokoll 2S5 Verdrängungshypothese 229, 233 Verfügbarkelt 30 Verhalten 174 Verhalten, bewuetes 88 Verhaltensdaten 107, 110 Verhaltensplan 175 Verhaltenssteuerung 73, 80 VerhaltenssteuerungsprozeB 74 Verknüpfungsoperation 163 Verm1ttelbarke1t von Informationen 212 Vermittlung 37 Vermittlung von Weltmodellen 280 Vermittlung von Weltwissen 281 Vermittlung von Wissen 21 Verm1tt1ungsle1stung 30 Vernetzhelt 249 Vernetzung 154, 158, 165 Vers1nnl1chung 48 Verständlichkeit 35, 37, 37, 43, 58 Verständnis der Struktur 211 Verständnissicherung 187 Verstehen 84, 176, 224, 225, 259 Verstehensvorgang 65 Versuchsanordnung 42
Vertrautheit 77 Video 217 Video malaise 179 V1deo-Cl1ps 183 V1deof1Im 219 Vielseher 232 Visualisierung 16, 37 Voreinstellung 235 Vorführhandlung 45, 47 Vorinformation 60, 63 Vorschulkind 222 Vorstellung 62, 217, 255 Vorstellung des Publikums 136 Vorstellung, visuelle 92, 93 Vorstellungsänderung 149 Vorstellungsblld 152, 154, 155, 159, 161, 167, 168 Vorstellungsrelchtum 259 Vorstellungssystem 93 Vorurteil 136 Vorverarbeitung 266 Vorwissen 9, 87, 159, 220, 235 Wahrhaftigkeit 25 Wahrnehmen, unterschwellig 76 Wahrnehmung 11, 22, 125, 140, 145, 195 Wahrnehmung, subjektive 156 Wahrnehmungsaufgabe 90 Wahrnehmungsgegenstand 271 Wahrnehmungsperspektive 105 Wahrnehmungssystem 92, 193 Welterentwicklung 117 Welt 267 Welt, fiktive 272 Welt, kommunikative 277 Weltbegrelfen 46 Weltwissen 9, 11, 153, 217, 218, 219, 225, 227, 234 Werbeblöcke 218 Werbepsychologie 183 Werkzeug 46 Wesensgle1chhe1t 265 W1derspruchsfre1he1t 270 Wiedererkennung 205, 225 W1edererkennungs1e1stung 204 W1edergabele1stung 99, 203, 205, 207 Wiederholbarkelt 30 Wiederholungseffekt 75, 78, 79, 82 Wiederholungseffekt, unbewußter 80 Wirklichkeit 11 Wirklichkeit, objektive 272 W1rkl1chke1tsäqu1valent 271 W1rkl1chke1tsausschn1tt 152 W1rk11chkeltskonst rukt 272 Wirksamkeit, kognitive 281 Wirkung des Fernsehens 217 Wirkungseinschätzung 267
319 Wirkungsfaktor 147 Wirkungsforschung, traditionelle 100 Wirkungshypothese 154 Wirkungspotential 223 Wissen 9, 12, 25, 122, 151, 264, 268 Wissen über Wissen 23 Wissen, allgemeines 269 Wissen, altes 281 Wissen, begriffliches 81 Wissen, bereichsspezifisches 111, 219 Wissen, deklaratives 10, 281 Wissen, diskursives 11 Wissen, empirisches 11 Wissen, Implizites 77, 81 Wissen, klassifikatorlsches 26, 27 Wissen, neues 281 Wissen, proposltionales 40, 113 Wissen, prozedurales 11 Wissen, relationales 26, 27 Wissen, relevantes 28 Wissen, relevanzbestlmmtes 26, 28 Wissen, slnguläres 269 Wissen, soziales 28 Wissen, verderblichstes 28 Wissensarten 211 Wlssensäußerung 88 Wissensbegriff 10, 40 Wissensbestand 121, 153 Wissenschaftswissen 29 Wissensdiagnose 98, 103, 105 Wissensdiagnose, qualitative 107 Wissensentwicklung 219 Wissenserwerb 9, 13, 16, 225, 234 Wissenserwerb durch Massenmedien 14 Wissenserwerb, subjektiver 127 Wissenshierarchie 121 Wissensnutzung 105 Wissensorganisation 105 Wissenspsychologie 12, 14, 24, 104, 221 Wissensrepräsentation 12, 103, 107, 111, 266, 273 Wissensrepräsentation, analoge 110 Wissensrepräsentation, Individuel le 105, 111, 116 Wissensscheina 226 Wissensstand 127 Wissensstruktur 36, 162, 226, 281 Wissenssystem 72 Wissenstransfer 155 Wissensveränderung 9, 13, 15, 21, 25, 41, 87, 99, 218, 219, 264 Wlssensveränderung durch Medien 220 Wissensvermittlung 37, 50, 55, 57, 186
Wissensvermittlung durch Medien 71 Wissensverwendung 153 Wissensvoraussetzung 108 Wissenszuwachs 234 Wollen 264 Wortdarbietung 76 Wortform 49 Wortmarke 88 Wortschatz 228 ZDF 38, 177 Zeichen 40, 45 Zeichen, nonverbales 42 Zeichen, sprachliches 44 Zeichenbegriff 43 Zeichencharakter 45 Zelchenerzeugungsprozeß 47, 49 Zeichenhandlung 45, 47 Zeichenhandlungsschema 47 Zeichenkette 159 Zeichenproduzent 46 ZelchenprozeS 42 Zeichenprozeß, visueller 42 Zeichensystem 40, 42, 49, 266, 272, 273, 274 Zeichenträger 277 Zeltung 186 Zeltungslektüre 149 Zeltungsnutzung 139, 144, 145 Zeltungsüberschrift 139 Zentrales Nervensystem 266 Zieldomäne 242, 244 Zielsetzung 72, 86 Zuordnungsvorschrift 274 Zusatz1nformat1on 63 Zuschauer 175, 197 zuschauerfreundlich 180 Zuschauerlnteresse 181 Zuwendungsbereitschaft 131
INTERNATIONALES ZENTRALINSTITUT FÜR DAS JUGEND- UND BILDUNGSFERNSEHEN (IZI) SCHRIFTENREIHE Nr. 15 Gesundheitserziehung in Fernsehen und Hörfunk Beiträge zu einer internationalen Konferenz mit einer annotierten Auswahlbibliographie Herausgeber: Manfred Meyer 1982. 437 S. Br. DM 48,ISBN 3-598-20753-0 Nr. 16 Michael Schmidbauer/Paul Lohr Die Kabelpilotprojekte in der Bundesrepublik Deutschland Ein Handbuch 1983.175 S. Br. ISBN 3-598-20756-5 (Direkt beim IZI zu bestellen) Nr. 17 Wie verstehen Kinder Fernsehprogramme? Forschungsergebnisse zur Wirkung formaler Gestaltungselemente des Fernsehens Herausgeber: Manfred Meyer 1984.315 S. Br. DM 45,ISBN 3-598-20757-3 Nr. 18 Sabine Jörg Unterhaltung im Fernsehen Show-Master im Urteil der Zuschauer 1984.170 S. Br. ISBN 3-598-20758-1 (Direkt beim IZI zu bestellen)
Nr. 19 Arbeitslose Jugendliche eine Zielgruppe für Fernsehen und Hörfunk? Herausgeber: Paul Lohr 1985.157 S. Br. ISBN 3-598-20759-X (Direkt beim IZI zu bestellen) Nr. 20 Michael Schmidbauer/Paul Lohr Der Markt der kommerziellen Kindermedien Eine Dokumentation 1985.136 S. Br. DM 28,ISBN 3-598-20760-3 Nr. 21 Michael Schmidbauer Die Geschichte des Kinderfernsehens in der Bundesrepublik Deutschland Eine Dokumentation 1987.187 S. Br. DM 32,ISBN 3-598-20761-1 Nr. 22 Michael Schmidbauer/Paul Lohr Kinderfernsehen in der Bundesrepublik Deutschland Eine Dokumentation von Forschungsergebnissen 1959 -1988 1988.178 S. Br. DM 32,ISBN 3-598-20762-X
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