Wissen über Reproduktionsmedizin, Wissenstransfer und Einstellungen im Kontext von Migration und Internet 3515120122, 9783515120128

Was wissen Frauen, insbesondere solche mit Migrationshintergrund, über die Angebote der Reproduktionsmedizin? Wie hoch i

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INHALT
VORWORT
1 EINLEITUNG
1.1 HINTERGRUND UND FRAGESTELLUNG DES PROJEKTS
1.1.1 Der demografische Wandel und Personen mit Migrationshintergrund
1.1.2 Reproduktionsmedizin, Migration und Religion
1.1.3 Soziales Kapital und soziale Netzwerke
1.1.4 Bedeutung moderner Kommunikationsmedien, insbesondere Internet
1.2 ÜBERBLICK ÜBER DIE TEILSTUDIEN
2 FORSCHUNGSSTAND
2.1 METHODEN DER REPRODUKTIONSMEDIZIN UND RECHTLICHE FRAGEN
2.1.1 Aktuelle Daten zur Reproduktionsmedizin in Deutschland
2.1.2 Aktuelle Methoden der Reproduktionsmedizin
2.1.3 Rechtliche Situation und Probleme in Deutschland
2.1.4 Schlussfolgerungen
2.2 FRAUEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND IN DEUTSCHLAND
2.2.1 Einleitung
2.2.2 Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland
2.2.3 Frauen mit Migrationshintergrund
2.2.4 Aufenthaltsdauer
2.2.5 Herkunfts- und Bezugsländer
2.2.6 Staatsbürgerschaft und Migrationserfahrung
2.2.7 Familienstand
2.2.8 Bildungs- und Berufsabschlüsse
2.2.9 Beteiligung am Erwerbsleben
2.2.10 Armutsgefährdungsquote
2.2.11 Fazit
2.3 WISSEN ÜBER FERTILITÄT, ASSISTIERTE REPRODUKTION UND EINSTELLUNGEN
2.3.1 Wissen über Fruchtbarkeit und Assistierte Reproduktion
2.3.2 Einstellungen zur Reproduktionsmedizin
2.3.3 Zusammenfassung
2.4 DIE ROLLE DES INTERNETS UND DIGITALER SOZIALER NETZWERKE
2.4.1 Reproduktionsmedizin und Informationssuche
2.4.2 Vorgehensweise
2.4.3 Ausgewählte Studien
2.4.4 Vor- und Nachteile sowie Nutzungsmotive
2.4.5 Fazit
2.5 RELIGION UND REPRODUKTIONSMEDIZIN
2.5.1 Religiöse Pluralisierung in Deutschland
2.5.2 Religionsgemeinschaften und Reproduktionsmedizin
3 PERSPEKTIVE VON FRAUEN MIT UND OHNE MIGRATIONSHINTERGRUND
3.1 EINLEITUNG
3.1.1 Stand der Forschung
3.1.2 Fragestellung der Studie
3.2 METHODENBERICHT ZUM TELEFONSURVEY „FAMILIE, KINDER UND GESUNDHEIT“
3.2.1 Studiendesign
3.2.2 Stichprobenziehung
3.2.3 Erhebungsinstrument
3.2.4 Feldbericht
3.2.5 Generierte Variablen
3.2.6 Regionale Verteilung
3.3 DESKRIPTIVE ANALYSE
3.3.1 Soziodemografische Daten
3.3.2 Einstellungen zu Kindern, Familie und Gesundheit
3.3.3 Kinderwunsch und Fortpflanzungsmedizin
3.3.4 Wissenstransfer und Informationskanäle
3.4 VERTIEFENDE ANALYSEN
3.4.1 Determinanten von Wissen, Akzeptanz und Behandlung
3.4.2 Die Bedeutung der Religion
3.5 ZUSAMMENFASSUNG TELEFONSURVEY „FAMILIE, KINDER UND GESUNDHEIT“
3.5.1 Einstellungen zu Kindern und Familie
3.5.2 Kinderwunsch, Akzeptanz und Nutzung von Fortpflanzungsmedizin
3.5.3 Wissenstransfer und Informationskanäle
3.5.4 Die Rolle der Religion
3.5.5 Konsequenzen für Beratung und kultursensible Medizin
4 PERSPEKTIVE DER EXPERTINNEN UND EXPERTEN
4.1 VORSTUDIE: INTERVIEWS MIT EXPERTINNEN UND EXPERTEN
4.1.1 Methoden: Erhebungsinstrument und Stichprobe
4.1.2 Ergebnisse
4.2 BEFRAGUNG REPRODUKTIONSMEDIZINISCHER ZENTREN IN DEUTSCHLAND
4.2.1 Ziele der Erhebung
4.2.2 Methode
4.2.3 Ergebnisse
4.2.4 Diskussion
5 PERSPEKTIVE VON FRAUEN IN REPRODUKTIONSMEDIZINISCHER BEHANDLUNG
5.1 VORSTUDIE: BEFRAGUNG VON FRAUEN IN REPRODUKTIONSMEDIZINISCHER BEHANDLUNG
5.1.1 Methodik
5.1.2 Ergebnisse
5.2 PROFIL DER BEHANDELTEN FRAUEN IN DER ALLGEMEINBEVÖLKERUNG
5.2.1 Soziodemografische Verteilung bei Frauen in Behandlung
5.2.2 Bildung, Wissensstand und Informiertheit bei Frauen in Behandlung
5.2.3 Einstellungen zur Familie bei Frauen in Behandlung
5.3 STUDIE ZUR BEDEUTUNG PSYCHOSOZIALER BERATUNG
5.3.1 Einleitung und Stand der Forschung
5.3.2 Methode der Studie zur psychosozialen Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch
5.3.3 Ergebnisse der Befragung im Kinderwunschzentrum
5.3.4 Ergebnisse aus der Umfrage in den Beratungsstellen
5.3.5 Diskussion
5.4 ONLINE-FOREN ALS KANAL DES PEER-TO-PEER-WISSENSTRANSFERS
5.4.1 Stand der Forschung
5.4.2 Methodik
5.4.3 Deskriptive Ergebnisse
5.4.4 Zusammenfassung
5.4.5 Diskussion
6 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN
6.1 FORSCHUNGSMETHODEN
6.2 KINDERWUNSCH, AKZEPTANZ UND NUTZUNG VON FORTPFLANZUNGSMEDIZIN
6.3 WISSEN, WISSENSTRANSFER UND INFORMATIONSKANÄLE
6.4 KONSEQUENZEN FÜR BERATUNG UND KULTURSENSIBLE MEDIZIN
LITERATURVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
DIE AUTORINNEN UND AUTOREN
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Wissen über Reproduktionsmedizin, Wissenstransfer und Einstellungen im Kontext von Migration und Internet
 3515120122, 9783515120128

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K ultur Anamnesen

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SONJA HAUG / KARSTEN WEBER / MATTHIAS VERNIM / EDDA CURRLE

Wissen über Reproduktionsmedizin, Wissenstransfer und Einstellungen im Kontext von Migration und Internet

Wissenschaftsforschung Franz Steiner Verlag

Geschichte und Philosophie der Medizin und Naturwissenschaften

Sonja Haug / Karsten Weber / Matthias Vernim / Edda Currle Wissen über Reproduktionsmedizin, Wissenstransfer und Einstellungen im Kontext von Migration und Internet

K ultur A namnesen Schriften zur Geschichte und Philosophie der Medizin und der Naturwissenschaften Herausgegeben von Heiner Fangerau, Renate Breuninger und Igor Polianski Band 10

Sonja Haug / Karsten Weber / Matthias Vernim / Edda Currle

Wissen über Reproduktionsmedizin, Wissenstransfer und Einstellungen im Kontext von Migration und Internet Abschlussbericht zum Projekt „Der Einfluss sozialer Netzwerke auf den Wissenstransfer am Beispiel der Reproduktionsmedizin (NeWiRe)“

Franz Steiner Verlag

Umschlagabbildungen: Reihenlogo: Walter Draesner, „Der Tod und der Anatom“, Graphiksammlung „Mensch und Tod“ der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Abbildung: Person in front of virtual wall © Edler von Rabenstein – stock.adobe.com.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018 Druck: Laupp & Göbel GmbH, Gomaringen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12012-8 (Print) ISBN 978-3-515-12016-6 (E-Book)

INHALT Vorwort ...............................................................................................................

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1 Einleitung ..................................................................................................... 1.1 Hintergrund und Fragestellung des Projekts ........................................ 1.1.1 Der demografische Wandel und Personen mit Migrationshintergrund .............................................................. 1.1.2 Reproduktionsmedizin, Migration und Religion ...................... 1.1.3 Soziales Kapital und soziale Netzwerke .................................. 1.1.4 Bedeutung moderner Kommunikationsmedien, insbesondere Internet ................................................................ 1.2 Überblick über die Teilstudien .............................................................

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Forschungsstand ........................................................................................... 2.1 Methoden der Reproduktionsmedizin und rechtliche Fragen .............. 2.1.1 Aktuelle Daten zur Reproduktionsmedizin in Deutschland ..... 2.1.2 Aktuelle Methoden der Reproduktionsmedizin ....................... 2.1.3 Rechtliche Situation und Probleme in Deutschland ................. 2.1.4 Schlussfolgerungen .................................................................. 2.2 Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland .............................. 2.2.1 Einleitung ................................................................................. 2.2.2 Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ............. 2.2.3 Frauen mit Migrationshintergrund ........................................... 2.2.4 Aufenthaltsdauer ...................................................................... 2.2.5 Herkunfts- und Bezugsländer ................................................... 2.2.6 Staatsbürgerschaft und Migrationserfahrung ........................... 2.2.7 Familienstand ........................................................................... 2.2.8 Bildungs- und Berufsabschlüsse .............................................. 2.2.9 Beteiligung am Erwerbsleben .................................................. 2.2.10 Armutsgefährdungsquote ......................................................... 2.2.11 Fazit .......................................................................................... 2.3 Wissen über Fertilität, assistierte Reproduktion und Einstellungen .... 2.3.1 Wissen über Fruchtbarkeit und Assistierte Reproduktion ....... 2.3.2 Einstellungen zur Reproduktionsmedizin ................................ 2.3.3 Zusammenfassung .................................................................... 2.4 Die Rolle des Internets und digitaler sozialer Netzwerke .................... 2.4.1 Reproduktionsmedizin und Informationssuche ........................ 2.4.2 Vorgehensweise ........................................................................ 2.4.3 Ausgewählte Studien ................................................................

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Inhalt

2.4.4 Vor- und Nachteile sowie Nutzungsmotive .............................. 2.4.5 Fazit .......................................................................................... 2.5 Religion und Reproduktionsmedizin ................................................... 2.5.1 Religiöse Pluralisierung in Deutschland .................................. 2.5.2 Religionsgemeinschaften und Reproduktionsmedizin .............

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3 P erspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund ..................... 3.1 Einleitung ............................................................................................. 3.1.1 Stand der Forschung ................................................................. 3.1.2 Fragestellung der Studie ........................................................... 3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“ ................................................................................... 3.2.1 Studiendesign ........................................................................... 3.2.2 Stichprobenziehung .................................................................. 3.2.3 Erhebungsinstrument ................................................................ 3.2.4 Feldbericht ................................................................................ 3.2.5 Generierte Variablen ................................................................. 3.2.6 Regionale Verteilung ................................................................ 3.3 Deskriptive Analyse ............................................................................. 3.3.1 Soziodemografische Daten ....................................................... 3.3.2 Einstellungen zu Kindern, Familie und Gesundheit ................. 3.3.3 Kinderwunsch und Fortpflanzungsmedizin .............................. 3.3.4 Wissenstransfer und Informationskanäle ................................. 3.4 Vertiefende Analysen ........................................................................... 3.4.1 Determinanten von Wissen, Akzeptanz und Behandlung ........ 3.4.2 Die Bedeutung der Religion ..................................................... 3.5 Zusammenfassung Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“ ................................................................................... 3.5.1 Einstellungen zu Kindern und Familie ..................................... 3.5.2 Kinderwunsch, Akzeptanz und Nutzung von Fortpflanzungsmedizin ............................................................. 3.5.3 Wissenstransfer und Informationskanäle ................................. 3.5.4 Die Rolle der Religion .............................................................. 3.5.5 Konsequenzen für Beratung und kultursensible Medizin ........

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4 Perspektive der Expertinnen und Experten .................................................. 4.1 Vorstudie: Interviews mit Expertinnen und Experten .......................... 4.1.1 Methoden: Erhebungsinstrument und Stichprobe .................... 4.1.2 Ergebnisse ................................................................................ 4.2 Befragung reproduktionsmedizinischer Zentren in Deutschland ......... 4.2.1 Ziele der Erhebung ................................................................... 4.2.2 Methode .................................................................................... 4.2.3 Ergebnisse ................................................................................ 4.2.4 Diskussion ................................................................................

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Inhalt

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung .......... 5.1 Vorstudie: Befragung von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung .......................................................................................... 5.1.1 Methodik .................................................................................. 5.1.2 Ergebnisse ................................................................................ 5.2 Profil der behandelten Frauen in der Allgemeinbevölkerung .............. 5.2.1 Soziodemografische Verteilung bei Frauen in Behandlung ...... 5.2.2 Bildung, Wissensstand und Informiertheit bei Frauen in Behandlung ........................................................................... 5.2.3 Einstellungen zur Familie bei Frauen in Behandlung .............. 5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung ................................... 5.3.1 Einleitung und Stand der Forschung ........................................ 5.3.2 Methode der Studie zur psychosozialen Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch ....................................................... 5.3.3 Ergebnisse der Befragung im Kinderwunschzentrum .............. 5.3.4 Ergebnisse aus der Umfrage in den Beratungsstellen .............. 5.3.5 Diskussion ................................................................................ 5.4 Online-Foren als Kanal des Peer-to-Peer-Wissenstransfers ................. 5.4.1 Stand der Forschung ................................................................. 5.4.2 Methodik .................................................................................. 5.4.3 Deskriptive Ergebnisse ............................................................. 5.4.4 Zusammenfassung .................................................................... 5.4.5 Diskussion ................................................................................

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6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ................................................ 6.1 Forschungsmethoden ........................................................................... 6.2 Kinderwunsch, Akzeptanz und Nutzung von Fortpflanzungsmedizin ......................................................................... 6.3 Wissen, Wissenstransfer und Informationskanäle ................................ 6.4 Konsequenzen für Beratung und kultursensible Medizin ....................

253 254 254 256 258

Literaturverzeichnis ........................................................................................... Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... Tabellenverzeichnis ............................................................................................ Die Autorinnen und Autoren ..............................................................................

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VORWORT Die Inhalte der vorliegenden Monographie entstanden im Rahmen des Forschungsprojekts „Der Einfluss sozialer Netzwerke auf den Wissenstransfer am Beispiel der Reproduktionsmedizin (NeWiRe)“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm zur Förderung von Forschungsvorhaben zu den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten (ELSA) des Wissenstransfers zwischen den modernen Lebenswissenschaften und der Gesellschaft (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2016) von Dezember 2013 bis Juni 2017 gefördert wurde (Förderkennzeichnen 01GP1304). Vor dem Hintergrund einer hohen Zahl ungewollt kinderloser Paare und dem Anstieg der reproduktionsmedizinischen Behandlungen und angesichts eines steigenden Anteils von jungen Frauen mit Migrationshintergrund wächst hierbei auch der Bedarf an kultursensibler Beratung und Therapie. Die Inanspruchnahme dieser medizintechnisch hoch innovativen, rechtlich komplexen und ethisch umstrittenen Angebote hat durch die enge Verbindung mit kulturellen und religiösen Erwartungen an Familien auch soziale bzw. gesellschaftliche Implikationen. Bisher lagen kaum Erkenntnisse über den Themenkomplex Reproduktionsmedizin und Frauen mit Migrationshintergrund vor. Im Mittelpunkt des Projekts stand daher die Frage, wie Frauen – und hierbei insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund – Zugang zu Informationen über reproduktionsmedizinische Verfahren gewinnen und inwieweit sie Behandlungen in Anspruch nehmen wollen. Dabei standen auch die unterschiedlichen Hindernisse beim Zugang zu Informationsquellen und zu Wissen abhängig von Herkunft, Bildung oder Sprachkenntnissen im Fokus. Der „digital divide“ bzw. die digitale Spaltung spielt auch hier eine große Rolle. Der Forschungsansatz verknüpfte demografische und familiensoziologische mit medien- und technikwissenschaftlichen sowie gesundheitswissenschaftlichen und medizinischen Aspekten und zielte auf folgende Fragestellungen: Welche Methoden der Reproduktionsmedizin sind in der Bevölkerung bekannt? Wie informieren sich Frauen, die auf reproduktionsmedizinische Unterstützung zurückgreifen wollen? Welchen Einfluss haben das Internet und soziale Netzwerke bei der Verbreitung von Wissen über reproduktionsmedizinische Verfahren? Welchen Einfluss haben soziale oder religiöse Fragen auf die Akzeptanz von Verfahren? Inwieweit haben Frauen mit Migrationshintergrund einen gleichwertigen Zugang zu Informationen und medizinischer Behandlung? Die empirischen Analysen stützen sich auf unterschiedliche Quellen und Daten, die Aufschluss über drei verschiedene Untersuchungsgruppen bringen. Kernstück ist eine Telefonbefragung von Frauen mit Migrationshintergrund aus vier Herkunftsregionen zum Thema „Familie, Kinder und Gesundheit“. Die Befragung untersucht die Einstellungen zur Familie, die Kanäle, über die sich Frauen über Gesundheitsthemen informieren und das Wissen über reproduktionsmedizinische

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Vorwort

Verfahren sowie deren Akzeptanz. Eine zweite Teilstudie zielt auf Expertinnen und Experten aus dem Arbeitsfeld der Reproduktionsmedizin ab. So wurde unter anderem in einer internetgestützten Befragung in deutschen reproduktionsmedizinischen Zentren mit einem Fragenkatalog die genutzten Informationskanäle, die Zusammensetzung der Behandelten und migrationssensible Aspekte der Einrichtung erfragt. Eine dritte Zielgruppe sind Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung. So wurde neben Interviews mit behandelten Frauen eine Inhaltsanalyse der Einträge in einem Kinderwunsch-Forum durchgeführt, um die Bedeutung der Onlinemedien auf den Wissenstransfer zu eruieren. Die Studie liefert vielfältige Befunde, sowohl für die fachwissenschaftliche Diskussion als auch für Multiplikatoren, Behandlungszentren und die interessierte (Fach-)Öffentlichkeit. Sie bietet Erkenntnisse über die bislang wenig bekannte Zielgruppe Frauen mit Migrationshintergrund und soll so die Entwicklung zielgruppengerechter Angebote ermöglichen, die Bausteine einer kultur- und migrationssensiblen Medizin sind. Auch wurde der Einfluss neuer digitaler Medien im Medizinbereich untersucht und belegt. Zum Gelingen haben eine Reihe von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beigetragen. Hierbei sind insbesondere Matthias Vernim und Edda Currle zu nennen. Einzelne Projektarbeitsschritte wurden mit Unterstützung durch Thomas Schiffert und Nadine Kleine sowie die studentischen Hilfskräfte Nina Barska, Klaudia Domanska, Anna Koch, Rebekka Meier, Daniel Miehling, Laura Palma, Julia Paris, Corinna Schiegl und Simon Schmidbauer erstellt. Lesley D’Anna und Andrea Dümmler haben im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten zum Projekt beigetragen. Die Autorinnen und Autoren möchten zudem dem Herausgeber der Reihe „Kulturanamnesen“, Prof. Dr. Heiner Fangerau, für die Empfehlung zur Aufnahme des vorliegenden Buches in die Reihe herzlich danken. Dank geht auch an den Verbund der Ostbayerischen Technischen Hochschulen Regensburg und Amberg-Weiden für die finanzielle Förderung der Veröffentlichung im Rahmen des Forschungsclusters „Ethik, Technologiefolgenforschung und Nachhaltige Unternehmensführung (ETN)“. Prof. Dr. Sonja Haug, Prof. Dr. Karsten Weber Regensburg, Dezember 2017

1 EINLEITUNG 1.1 HINTERGRUND UND FRAGESTELLUNG DES PROJEKTS Die ELSA-Forschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) beschäftigt sich mit den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten in den Lebenswissenschaften (engl.: Ethical, Legal, and Social Aspects). Sie soll wissenschaftlich basierte Aussagen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der modernen Lebenswissenschaften ermöglichen. Sie ist damit ein wichtiger Beitrag für den öffentlichen Diskurs über Wissenschaft und für das Verständnis von Wissenschaft in der Öffentlichkeit. Inhaltlich umfasst die ELSA-Förderung des BMBF verschiedene Themengebiete, beispielsweise ELSA der Stammzellforschung, der Genom-Editierung oder der Neurowissenschaften. ELSA-Forschung ist interdisziplinär ausgerichtet; sie bezieht sowohl die Geistes- und Sozialwissenschaften als auch die Lebenswissenschaften ein. Der Förderbereich „Wissenstransfer“ im Rahmen des Schwerpunkts „ethische, rechtliche und soziale Aspekte der Lebenswissenschaften“ des BMBF zielt darauf ab zu untersuchen, wie neue biomedizinische Erkenntnisse und Technologien genutzt werden können und welche Chancen und Risiken sich dabei für die Gesellschaft ergeben. Einen Überblick über die aktuellen Schwerpunkte der ELSA-Förderung sowie einen Einblick in den Forschungsschwerpunkt „Wissenstransfer“ findet sich in BMBF (2016). In diesem Zusammenhang wurde von 2013 bis 2017 das Forschungsprojekt mit dem Titel „Der Einfluss sozialer Netzwerke auf den Wissenstransfer am Beispiel der Reproduktionsmedizin (NeWiRe)“ gefördert. Im Zentrum dieser Studie stehen soziale Aspekte des Wissenstransfers über aktuelle Fortschritte der Reproduktionsmedizin, der assistierten Reproduktionstechnik und Diagnostik. Die Rolle der sozialen Netzwerke und die Bedeutung des Internet für die Weitergabe von Informationen und die Wirksamkeit sozialer Normen werden beleuchtet. Hierbei werden die zunehmende Zahl an Frauen mit Migrationshintergrund und der damit verbundene Bedarf an Wissensvermittlung im Kontext einer kultursensiblen Medizin berücksichtigt. Im Mittelpunkt stehen Fragen, wie Menschen in Deutschland (insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund) Zugang zu Informationen über die moderne Reproduktionsmedizin gewinnen, was sie darüber wissen und wie akzeptiert dieser Zweig der Medizin in der Bevölkerung ist. Hierbei werden der Einfluss persönlicher und internetgestützter sozialer Netzwerke auf diese Fragen sowie der Einfluss sozialer, kultureller oder religiöser Faktoren analysiert. Auf der Basis der gewonnenen Informationen werden Handlungsempfehlungen für das Gesundheitswesen im Allgemeinen und reproduktionsmedizinische Einrichtungen im Besonderen formuliert. Im Folgenden wird zur Einleitung der Forschungshintergrund skizziert. Dies umfasst die Bereiche des demografischen Wandels und der Veränderung der Bevölkerungsstruktur, die unterschiedlichen sozialen Netzwerke und Gesundheitsas-

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1 Einleitung

pekte, Informationsstrategien und die Bedeutung moderner Kommunikationsmedien hierbei. In Kapitel 2 wird der Stand der Forschung in den relevanten Bereichen ausführlicher dargestellt. 1.1.1 Der demografische Wandel und Personen mit Migrationshintergrund Der demografische Wandel wird durch die drei Komponenten der Bevölkerungsentwicklung, die Anzahl der Geburten, der Sterbefälle und der Wanderungsbilanz bestimmt. Er zeigt sich in Veränderungen des Umfangs der Bevölkerung, der Alters- und Geschlechterstruktur, der ethnischen Zusammensetzung und der regionalen Verteilung und der Lebensformen.“ (Bundesministerium des Innern (BMI) 2011, S. 12 ff.) Ein Aspekt des demografischen Wandels ist die konstant niedrige Geburtenzahl. Die zusammengefasste Geburtenziffer (Total Fertility Rate, TFR) lag im Jahr 2015 in Deutschland bei durchschnittlich 1,5 Kindern je Frau (Statistisches Bundesamt 2016a). Auf relativ hohem Niveau bewegt sich in Deutschland hingegen die Kinderlosigkeit – 20 Prozent der Frauen des Geburtsjahrgangs 1965 sind kinderlos (BMI 2011, S. 18). Bei den 1960er Frauenjahrgängen liegt die Kinderlosigkeit im Schnitt bei 19,7 Prozent. Den höchsten Anteil weist der 1969er Jahrgang mit 22,1 Prozent auf. Bei den in den 1960er Jahren geborenen Frauen, die einen Hochschulabschluss besitzen, liegt der Anteil der kinderlosen Frauen bei rund 29 Prozent (Bujard, Diabaté 2016, S. 395). Die Kinderwünsche, im Durchschnitt über zwei, sind in allen Altersgruppen höher als die tatsächlich realisierte Kinderzahl. Drei Viertel der Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren in Deutschland geben in einer Befragung aus dem Jahr 2010 als ideale Kinderzahl zwei an (BMI 2011, S. 54). Bei der Verwirklichung der Kinderwünsche spielen finanzielle Aspekte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Infrastruktur, z. B. in Form der außerhäuslichen Kinderbetreuung, eine Rolle. Zunehmend gerät bei der Erklärung der ungewollten Kinderlosigkeit auch der medizinische Faktor in den Blick: „Die hohe Kinderlosigkeit hat sehr unterschiedliche Ursachen: Infertilität, fehlender Kinderwunsch und perpetuierender Aufschub der Familiengründung aufgrund der Rahmenbedingungen. Dabei gibt es zwischen diesen Gründen Interaktionen: Erstens kann sich der Kinderwunsch im Lebensverlauf im Kontext von Erfahrungen und Rahmenbedingungen verändern. Zweitens reduziert sich die Fruchtbarkeit mit zunehmendem Alter der Frau, sodass ein Aufschub des Kinderwunsches auf das Alter von 35 oder 40 Jahren dazu führen kann, dass Frauen aufgrund von Infertilität dauerhaft kinderlos bleiben.“ (Bujard, Diabaté 2016, S. 397). Es ist daher verständlich, dass die Demografiestrategie der Bundesregierung die finanzielle Unterstützung ungewollt kinderloser Paare bei der Inanspruchnahme von Maßnahmen der assistierten Reproduktion mit einbezieht (BMFSFJ 2015). Ein zweiter Aspekt des demografischen Wandels ist eine migrationsbedingte Bevölkerungsveränderung (Haug 2012). Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland steigt vor allem in den jüngeren Alterskohorten stetig an. Im Jahr 2015 lag dieser Anteil bei den 25- bis 35-jährigen bereits bei 26 Prozent.

1.1 Hintergrund und Fragestellung des Projekts

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Dabei gehörten 21 Prozent der ersten Zuwanderergeneration an, hatten also eigene Migrationserfahrung (Abbildung 1). Unterschiedliche Gruppen, z. B. die 3,2 Millionen (Spät-)Aussiedler (Haug, Sauer 2007) oder die derzeit ca. 4,5 Millionen muslimische Personen mit Migrationshintergrund (Stichs 2016) zeigen die Heterogenität der neuen Bevölkerungsgruppen. Diese Bevölkerungsveränderung hat Implikationen für alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und somit auch für das Gesundheitssystem. Im Hinblick auf die Fragestellung des Wissenstransfers ist die sprachliche Integration von Bedeutung. Es muss davon ausgegangen werden, dass Frauen mit Migrationshintergrund vor allem der ersten Generation zu großen Teilen nicht über schriftsprachliche Deutschkenntnisse verfügen (Haug 2008).

Abbildung 1: Bevölkerung in Deutschland nach Alter und Migrationshintergrund (2015)

1.1.2 Reproduktionsmedizin, Migration und Religion Es gibt keine Studie, die sich mit dem Themenkomplex Reproduktionsmedizin in Kombination mit Migration und hierbei auch mit Geschlecht und Religion intensiv befasst. Einige Studien betreffen reproduktive Gesundheit und Migration im weitesten Sinne und einzelne Ergebnisse beleuchten bestimmte Facetten. Eine telefonische Befragung zur Schwangerschaft bei 20- bis 44-jährigen Frauen stellte fest, dass die Lebenszeitprävalenz einer Phase der Infertilität unter den Frauen „at risk“ bei 21 Prozent lag. Davon haben 44 Prozent „Hilfe“ in Anspruch genommen, 55 Prozent nicht (Helfferich et al. 2011, S. 306). Hierbei sind Unterschiede zwischen Ost und West sowie zwischen höheren und niedrigen Bildungsgruppen feststellbar.

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1 Einleitung

Einige Religionsgemeinschaften sind bestrebt, durch soziale Normen Einfluss auf die Inanspruchnahme assistierter Reproduktion zu nehmen. Insbesondere in der katholischen Kirche werden die Techniken kritisch gesehen (Breburda 2010). In Deutschland gehören knapp 24 Millionen Personen der katholischen und knapp 23 Millionen der evangelischen Kirche an. Es ist wenig darüber bekannt, wie die tatsächliche Inanspruchnahme von Reproduktionsmedizin mit Religion bzw. Religiosität in Zusammenhang steht. Anhand einer Hochrechnung der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ (Haug, Müssig, Stichs 2009) lebten Ende 2008 ca. vier Millionen Muslime mit Migrationshintergrund in Deutschland. Eine aktuelle Hochrechnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz hat nun ergeben, dass durch die jüngsten Zuwanderungsbewegungen zum Ende des Jahres 2015 zwischen 4,4 Millionen und 4,7 Millionen Muslime in Deutschland leben (Stichs 2016, S. 5). In der mittleren Variante liegt die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime bei 4,5 Millionen. Der Islam ist somit nach der katholischen und evangelischen Kirche die drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland (vgl. Pollack, Müller 2013, S. 32). In der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ konnte bei Personen mit Migrationshintergrund aus fünfzig Herkunftsländern unterschiedlicher Religion – insbesondere bei Frauen – ein hohes Ausmaß an Religiosität festgestellt werden. Partner gehören meist der gleichen Glaubensgemeinschaft an und die Religion wirkt sich auf alle Fragen der Alltagspraxis aus (Haug, Müssig, Stichs 2009). Allerdings zeigen sich auch je nach Herkunftsland, Geschlecht oder Lebenskontext starke Unterschiede der Religiosität. Nach einer Berechnung anhand der amtlichen Statistik, des Ausländerzentralregisters und der gesetzlichen Rentenversicherung lag die zusammengefasste Geburtenziffer ausländischer Frauen in den Jahren 2002 bis 2008 durchgängig zwischen 1,6 und 1,7 Kindern je Frau, bei deutschen Frauen zwischen 1,3 und 1,4 Kindern je Frau (Schmid, Kohls 2016, S. 173). Die Faktoren Lebensform und Bildung bestimmen das generative Verhalten bei Migrantinnen. Die Geburtenhäufigkeit liegt in ehelichen Lebensformen höher als bei nichtehelichen und steigt mit sinkendem Ausbildungsniveau. „Bei Frauen mit Migrationshintergrund liegt die Spannweite der durchschnittlichen Kinderzahl zwischen 0,8 Kindern je Frau bei hochqualifizierten Alleinstehenden bis 2,4 Kinder [sic!] je Frau bei gering qualifizierten Verheirateten. Bei Frauen ohne Migrationshintergrund sind – auf etwas geringerem Niveau – dieselben Zusammenhänge zu beobachten.“ (Schmid, Kohls 2011, S. 174) Zwischen dem generativen Verhalten von Migrantinnen und Nichtmigrantinnen liegen zwar Unterschiede. „Allerdings deuten die Analysen daraufhin, dass das generative Verhalten von Migrantinnen in Deutschland sehr stark von Anpassungsprozessen an die Normen und Werte des ‚Niedrig-Fertilitäts-Landes‘ Deutschland geprägt ist.“ Somit erwarten die Autoren, „dass auch Migrantinnen, die ursprünglich mit einer „hohen“ gewünschten Zahl von Kindern nach Deutschland zuwanderten, mit zunehmender Aufenthaltsdauer die Realisierung dieser Kinderwünsche nicht im gleichen Umfang wie im Herkunftsland umsetzen“ (Schmid, Kohls 2011, S. 175, vgl. auch dazu Milewski 2007, 2010).

1.1 Hintergrund und Fragestellung des Projekts

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Im Rahmen der KiGGS-Kohorte (Kinder- und Jugendgesundheitsstudie des Robert-Koch-Instituts) werden unter anderem Zusammenhänge zwischen der reproduktiven Gesundheit und sozialen Einflussgrößen (z. B. soziale Lage, Familienstand), Schutz- und Risikofaktoren, gesundheitsförderlichen und riskanten Verhaltensweisen, der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie psychischen Symptomen (z. B. Depressivität) analysiert (Robert-Koch-Institut 2011, S. 59 f.). Nach einer Studie von David et al. (2009) ist der Kinderwunsch bei türkischstämmigen Paaren stärker von deren sozialem Umfeld geprägt als bei deutschen oder anderen westeuropäischen Paaren. Aufgrund der Erwartungen der Familie begeben sich Migrantinnen aus islamisch-patriarchalen Gesellschaften relativ früh in die reproduktionsmedizinische Behandlung. Bei der Aufklärung und Behandlung sind „spezifische Fertigkeiten und Herangehensweisen sowie kultursensitive Ansätze nötig, um den sozialen und kulturellen Besonderheiten im Umgang mit Sterilität bei betroffenen Migrantinnen bzw. Paaren mit Migrationshintergrund gerecht zu werden“ (David et al. 2009, S. 62). In der Studie „Familienleitbilder in Deutschland“ stellten Dorbritz und Diabaté zwei Leitbilder zur gewollten Kinderlosigkeit in Deutschland fest. Das Leitbild der risikovermeidenden Elternschaft beruht auf Ängsten der Befragten vor der Zukunft sowie auf Befürchtungen, die Verantwortung für ein Kind nicht tragen zu können bzw. die Belastung durch ein Kind nicht zu bewältigen. Diese Bedenken wurden häufig von Personen mit Migrationshintergrund, von Befragten mit niedrigerem Bildungsabschluss und Eltern geäußert. Das Leitbild der autonomiebetonten Kinderlosigkeit wird von Befragten geäußert, die Selbstbestimmung und Autonomie in einem Leben ohne Kinder mit privaten und beruflichen Freiheiten hervorheben. Zu den Vertreterinnen und Vertretern dieses Leitbildes zählen verstärkt Personen mit einem sehr hohen Bildungsabschluss und ohne Migrationshintergrund (Dorbritz, Diabaté 2015, S. 113 ff.). Verschiedene Migrantengruppen werden zudem in Zusammenhang mit einer schweren (medizinischen) Erreichbarkeit gebracht (Borde 2009). Ein geringer sozioökonomischer Status, ein niedriges Bildungsniveau und/oder eine andere Herkunftssprache können dazu beitragen. Zentral ist hierbei die Bedeutung der Sprachbarrieren, z. B. die Frage der Alphabetisierung oder des Sprachwortschatzes. Hilfreich erweisen sich medizinische Informationsmaterialien und Sprechstunden in unterschiedlichen Sprachen (Terzioglu 2006, S. 10). Daneben ist die kulturell geformte Art und Weise der Kommunikation bedeutsam (Razum et al. 2008, S. 109). Die interdisziplinäre Studie „Paare in Kinderwunschbehandlung (PiNK)“ ergründete, welche heterosexuellen Paare mit unerfülltem Kinderwunsch Reproduktionsmedizin nutzen und welche Einflussfaktoren die Dauer des Entscheidungsprozesses bedingen. Passet-Wittig (2017) stellte fest, dass etwa die Hälfte aller befragten Personen aus Akademikerinnen und Akademikern besteht. Die Mehrzahl der Paare ist kinderlos und wohnt bereits vor dem ersten Besuch in einem Kinderwunschzentrum zusammen. Die Entscheidungsdauer reproduktionsmedizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist bei Frauen mit Migrationshintergrund länger als bei Frauen ohne Migrationshintergrund. Ebenso wirkt sich der Status „unverheiratet“ verlängernd auf den Entscheidungsprozess aus. Zudem entscheiden sich

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1 Einleitung

Paare mit höherem sozioökonomischem Status schneller dafür, sich an ein Kinderwunschzentrum zu wenden, als Paare, welche ihren sozioökonomischen Status als niedriger erachten (Passet-Wittig 2017). 1.1.3 Soziales Kapital und soziale Netzwerke Die Bedeutung sozialer Netzwerke bei der Verbreitung von Wissen und bei sozialen Normen kann als Diffusionsmodell charakterisiert werden. Wichtig ist zunächst der Befund, dass die sozialen Netzwerke von Bevölkerungsgruppen sich unterscheiden. Dies hängt einerseits mit den Gelegenheitsstrukturen zusammen, d. h. den Möglichkeiten, die sich im Umfeld für die Kontaktaufnahme bieten. Andererseits spielen auch die Ressourcen eine Rolle, die in Form von finanziellen Mitteln vorliegen können, aber auch in Gestalt von bestehenden Kontakten, die weitere Beziehungen vermitteln („soziales Kapital“). Daraus resultieren unterschiedlich große und heterogene Verwandtschafts-, Freundschafts- oder Bekanntschaftsnetzwerke und eine unterschiedliche Ausstattung mit aufnahmelandspezifischem sozialem Kapital (Haug 2003; 2004). Soziale Normen entfalten ihre Wirksamkeit innerhalb sozialer Gruppen oder Gemeinschaften. Die Einbettung in soziale Netzwerke kann somit zur Konformität führen. Übertragen auf die Fragestellung kann dies in Form einer Zustimmung oder Ablehnung zu Methoden der Reproduktionsmedizin innerhalb der sozialen Beziehungsnetzwerke stattfinden. Mechanismen wie Einhaltung sozialer Normen wurden auch im Internet bei geringer sozialer Kontrolle nachgewiesen (wie am Beispiel der Reziprozitätsnorm, Haug, Weber 2003) oder Reputationsmechanismen (Diekman, Wyder 2002). Durch die Anonymität kann das Internet jedoch neue Informationskanäle bieten, die sich der Überwachung durch eine soziale Gruppe, ethnische oder religiöse Gemeinschaft entziehen. Insofern bietet es prinzipiell Möglichkeiten, zielgerichtet auch schwer erreichbare Gruppen zu kontaktieren. 1.1.4 Bedeutung moderner Kommunikationsmedien, insbesondere Internet Das Internet ist von wesentlicher Bedeutung für die moderne Kommunikation und den Wissenstransfer. Dies betrifft alle Ebenen der Kommunikation, wie per E-Mail, oder in Foren im Internet. Die Suche nach Informationen ist für große Teile der Inter netnutzer erheblich durch Google (zu Nutzerzahlen bspw. Weber 2011) oder die Wikipedia (Stegbauer 2009) gesteuert. Inzwischen sind die sozialen Medien, z. B. Facebook, für die Verbreitung und somit auch selektive Verbreitung von Informationen wichtig. In sozialen Netzwerken werden Wissen und Hinweise auf Neues unter Freunden ausgetauscht. Aber auch Institutionen stellen ihre Inhalte und Informationen bereit, die wiederum „abonniert“ werden – auch in Bezug auf Gesundheits- und Sexualitätsthemen (bspw. Kaliarnta et al. 2011; Levine 2011; Purdy 2011). Diese Prozesse können zu einer potenziellen Zersplitterung der Informationslandschaft beitragen (Weber et al. 2009). Informationen folgen sozialen

1.2 Überblick über die Teilstudien

17

Netzwerken, was zur Folge hat, dass eine Informationsungleichheit zwischen sozialen Milieus oder ethnischen Gruppen manifestiert und zementiert wird. Ausgehend von Untersuchungen zur Medienwirksamkeit (Donsbach 2012; Fisch, Gscheidle 2008) lässt sich seit geraumer Zeit eine Verlagerung der Nutzung herkömmlicher Informationskanäle wie Printmedien und Fernsehen hin zum Internet festhalten. Da vermutet werden kann, dass dieser Wandel im Umfeld der Reproduktionsmedizin ebenfalls stattfindet, wird im Folgenden untersucht, inwieweit dem Informationstransfer über soziale Medien eine Bedeutung zukommt. Die Chancen, die sich durch den freien und schnellen Zugriff auf Informationen durch das Internet ergeben, können durch unsichtbare Schranken wie Sprachbarrieren u. Ä. begrenzt sein (bspw. Zillien 2006). Auf der anderen Seite bietet das Internet die Möglichkeit, sich von zuhause zu informieren, ohne dass eine Sichtbarkeit auftritt, wie dies z. B. bei einem Besuch einer Beratungsstelle oder eines Arztes erforderlich ist. Der Wandel der Informationssuche und der Informationsquellen bzgl. Gesundheit ist ein Teil eines grundsätzlichen Umbruchs im Gesundheitsbereich, der bspw. unter Bezeichnungen wie „Health 2.0“, „Patient 2.0 Empowerment“ und „ePatient“ firmiert (bspw. Görlitz et al. 2010; Bos et al. 2008; Hartmann et al. 2011). 1.2 ÜBERBLICK ÜBER DIE TEILSTUDIEN Die Forschungsfragen des Projekts NeWiRe wurden in mehreren Teilstudien bearbeitet. Die Teilstudien, auf die im Folgenden näher eingegangen wird, berücksichtigen auf diese Weise nicht nur die Perspektive einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund, sondern beziehen sich auf die Sichtweise betroffener Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung und ergänzen diese um Aussagen von Expertinnen und Experten. Abbildung 2 zeigt eine Aufstellung der Zielgruppen, Teilstudien und Forschungsmethoden.

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1 Einleitung

Abbildung 2: Zielgruppen, Teilstudien und Methoden des Projekts NeWiRe

Bei der Bevölkerungsbefragung (Kapitel 3) wurde untersucht, wie Frauen mit und ohne Migrationshintergrund Wissen über Reproduktionsmedizin erlangen und wie soziale, kulturelle oder religiöse Faktoren auf die Akzeptanz reproduktionsmedizinischer Verfahren wirken. Dazu wurde eine deutschlandweite Telefonbefragung zum Thema Familie und Gesundheit von Frauen zwischen 18 und 50 Jahren (n = 1.001) türkischer, polnischer, ex-jugoslawischer, ex-sowjetischer sowie deutscher Herkunft durchgeführt und ausgewertet. Neben den allgemeinen Auswertungen wurde auch die Teilgruppe der Frauen, die eine reproduktionsmedizinische Behandlung hatten, gesondert ausgewertet (Kapitel 5.2). Die Online-Befragung reproduktionsmedizinischer Zentren (Kapitel 4.2) befasste sich mit den genutzten Informationskanälen, über die Kontakt zur Bevölkerung aufgebaut wird, mit der migrationssensiblen Ausgestaltung der Zentren sowie den Erfahrungen mit und Einschätzungen zu Frauen mit Migrationshintergrund als Zielgruppe der Reproduktionsmedizin. In einer Vorstudie wurden weitere Expertinnen und Experten (u. a. Hebammen) befragt (Kapitel 4.1). Die Expertengespräche dienten, wie die Gespräche mit den in reproduktionsmedizinischer Behandlung befindlichen Frauen, gleichzeitig als Vorstudie für die Telefonbefragung (Kapitel 3 und 5.2). Die Themen und Fragen, über die sich in Kinderwunschbehandlung befindliche Personen in Onlineforen austauschen, wurden mittels einer Inhaltsanalyse der Beiträge im Kinderwunschforum der Seite wunschkinder.net untersucht (Kapitel 5.4). Dafür wurden 1.259 zufällig ausgewählte Beiträge aus dem Jahr 2013 auf ihre Struktur und ihre zentralen Inhalte hin überprüft. Ergänzt wurden diese Auswertungen durch leitfadengestützte Interviews durch eine Vorstudie mit betroffenen Frauen (Kapitel 5.1) wie auch mit einer speziell auf die Thematik der psychoso-

1.2 Überblick über die Teilstudien

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zialen Beratung bezogenen Befragung von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung (Kapitel 5.3). Erste Entwürfe der Texte wurden im Laufe des Projekts erstellt und in Arbeitspapieren auf der Projektwebseite veröffentlicht. Diese Arbeitspapiere wurden für die vorliegende Buchversion stark überarbeitet. Kapitel 2.1 basiert auf dem NeWiRe-Arbeitspapier 1.01 (Vernim, Barska, Palma 2015), Kapitel 2.2 auf dem NeWiRe-Arbeitspapier 1.02 (Haug, Vernim 2015), Kapitel 2.3 auf dem NeWiReArbeitspapier 1.03 (Haug, Vernim, Weber 2015). Kapitel 2.4 beruht auf einer Veröffentlichung (D’Anna, Weber, Haug 2017) und Zusammenfassung eines Teils der Masterarbeit von Lesley D’Anna (2016). Kapitel 2.5 basiert auf Teilen des NeWiRe-Arbeitspapiers 1.04 (Haug, Vernim 2016), Kapitel 3.2 auf dem NeWiReArbeitspapier 2.01 (Haug, Vernim 2015a), Kapitel 3.3 auf dem NeWiRe-Arbeitspapier 2.02 (Haug, Vernim, Paris 2015) und Kapitel 3.4.23.4.2 auf Teilen des NeWiRe-Arbeitspapiers 1.04 (Haug, Vernim 2016). Kapitel 3.5 beinhaltet zusammenfassende Darstellungen, die in ähnlicher Form in Haug/Vernim/Weber 2017a und 2017b erschienen sind. Die Vorstudie in Kapitel 4.1 wurde mit Unterstützung durch Rebekka Meier, Corinna Schiegl und Julia Paris durchgeführt. Kapitel 4.2 basiert auf dem NeWiRe-Arbeitspapier 3.01 (Vernim, Paris 2015). Die Vorstudie in Kapitel 5.1 wurde mit Unterstützung durch Rebekka Meier und Julia Paris erstellt. Kapitel 5.2 enthält Datenauswertungen der Telefonbefragung (Kapitel 3); die Berechnungen wurden von Daniel Miehling und Thomas Schiffert erstellt. Kapitel 5.3 beinhaltet Textabschnitte und Daten der NeWiRe-Studie Psychosoziale Beratung 2016 aus der Bachelorarbeit von Andrea Dümmler (2017). Kapitel 5.4 basiert auf dem NeWiRe-Arbeitspapier 4.01 (Vernim, Weber, Haug 2016).

2 FORSCHUNGSSTAND In diesem Kapitel wird der Forschungsstand zu ausgewählten Themen dargestellt. Neben einer Darstellung der Methoden der Reproduktionsmedizin (Kapitel 2.1) und der Frauen mit Migrationshintergrund (Kapitel 2.2) wird auf das Wissen über Fertilität und assistierte Reproduktion (Kapitel 2.3), die Rolle des Internets (Kapitel 2.4) und den Themenkomplex Religion (Kapitel 2.5) eingegangen. Der Forschungsstand zum Thema Einstellungen zu Reproduktionsmedizin in der Allgemeinbevölkerung wird in Kapitel 3.1.1 nochmals zusammengefasst; eine Darstellung des Forschungsstands zur Bedeutung der psychosozialen Beratung bei Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung erfolgt in Kapitel 5.3 2.1 METHODEN DER REPRODUKTIONSMEDIZIN UND RECHTLICHE FRAGEN Der demografische Wandel, die steigende Lebenserwartung und gleichzeitig niedrige Geburtenraten sind stetige Themen der letzten Jahrzehnte in unserer Gesellschaft. Auch in der Politik lösen diese Themen ständigen Diskussionsbedarf aus. Viele sozioökonomische Faktoren tragen zum steigenden Erstgeburtsalter der Frauen (dieses liegt in Deutschland bei verheirateten Müttern inzwischen bei über 30 Jahren, Wischmann 2012, S. 29) und zur späteren Kinderwunscherfüllung der Paare bei. Mit steigendem Alter der Frauen vergrößert sich jedoch das Risiko der Unfruchtbarkeit (Leridon 2004; Bernardi et al. 2012, S. 28) und damit der ungewollten Kinderlosigkeit, die unter Umständen jedoch medizinisch behandelt werden kann. Durch die Entwicklung der Reproduktionsmedizin wurden und werden die Möglichkeiten zur Erfüllung des Kinderwunsches maßgeblich erweitert. Dabei beinhaltet die Reproduktionsmedizin alle Behandlungen und Verfahren (Kapitel 2.1.2), die den Umgang mit menschlichen Eizellen, Spermien oder Embryonen umfassen1 und eine Schwangerschaft sowie die Geburt eines Kindes zum Ziel haben (Wischmann 2012, S. 26). Ein großer Fortschritt im Bereich der Fortpflanzungsmedizin in Deutschland wurde durch die Verabschiedung des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) im Jahr 1991 erreicht. Trotzdem existieren viele ungelöste Herausforderungen – wie die finanzielle Unterstützung der Fortpflanzungsbehandlung durch die Krankenkassen, 1

Die alleinige Insemination (ohne hormonelle Stimulation) und die alleinige hormonelle Stimulation (ohne Insemination) zählen nicht zu den Methoden der assistierten Reproduktion (Wischmann 2012, S. 74). Eine Insemination ist das „Platzieren der Spermien des Mannes durch den behandelnden Arzt im Genitaltrakt der Frau zum fruchtbaren Zeitpunkt“ (Feibner, Khaschei 2012, S. 96).

2.1 Methoden der Reproduktionsmedizin und rechtliche Fragen

21

verschiedene religiöse Sichtweisen, ethische Fragen und schließlich rechtliche und organisatorische Lücken (Kapitel 2.1.3), die teilweise zur Suche nach Hilfe in anderen Ländern führen (Diedrich et al. 2008, S. 5; Deutsches IVF-Register (Deutsches In-vitro-Fertilisations-Register D. I. R.) 2016, S. 6 f.). Als grundlegende Voraussetzung für die künstliche Befruchtung in Deutschland gilt, dass vor allem die Gesundheit der Mutter und das Wohl des zukünftigen Kindes beachtet werden müssen (Diedrich et al. 2008, S. 92). 2.1.1 Aktuelle Daten zur Reproduktionsmedizin in Deutschland Laut dem Deutschem IVF-Register 2015 existieren in Deutschland 139 aktive IVFZentren sowie zwei weitere in Aufbau. 134 dieser Zentren werden von Mitgliedern des Deutschen IVF-Registers (D. I. R.) betrieben und erfüllen die internationalen Standards der Reproduktionsmedizin (Deutsches IVF-Register (D. I. R.) 2016, S. 6). Konservative reproduktionsmedizinische Behandlungsmethoden wie hormonelle Stimulation, Insemination und diverse mikrochirurgische Operationen führen oft nicht zur erwünschten Schwangerschaft. In diesen Fällen werden andere assistierte reproduktive Techniken (ARTs) eingesetzt. Die in Deutschland üblichen ARTs sind die Therapiemethoden der In-vitroFertilisation (IVF), der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) sowie die Kombination von beiden (IVF/ICSI) und weiterhin die Konservierung von Keimzellen – die sogenannte Kryokonservierung (Frommel et al. 2010, S. 4). Bei den IVF- und ICSI-Methoden handelt es sich jeweils um eine extrakorporale (also eine außerhalb des Körpers stattfindende) Befruchtung. Die Häufigkeit von und die Nachfrage nach ARTs (IVF-, ICSI- und Kryotransfer-Behandlungen) sind während der letzten 30 Jahre stark gestiegen: Von nur fünf Zentren, die 1982 am D. I. R. teilnahmen, ist die Zahl der Mitgliedszentren des Registers inzwischen auf 134 im Jahr 2015 angewachsen, in denen fast ausnahmslos alle drei Methoden angeboten werden (Deutsches IVF-Register (D. I. R.) 2016, S. 13). Die Qualität und Erfolgsraten der deutschen Reproduktionsmedizin werden durch statistische Daten festgehalten, die jedes Jahr im D. I. R.-Jahrbuch erscheinen. Die Schwangerschaftsrate pro Embryotransfer ist 2015 im Vergleich zum Vorjahr bei der IVF-Methode stabil geblieben: 32,5 Prozent (2014: 32,7 Prozent), bei den beiden anderen Methoden jedoch leicht gestiegen: ICSI: 31,7 Prozent (30,8 Prozent), Kryotransfer: 25,0 Prozent (23,5 Prozent) (Deutsches IVF-Register (D. I. R.) 2016, S. 6). Eine aussagekräftige Kennzahl für den Erfolg von künstlichen Befruchtungen stellt die sogenannte „Baby-take-home-Rate“ (BTHR) dar (Wischmann 2012, S. 81). Sie benennt die Wahrscheinlichkeit, dass eine künstliche Befruchtung zur Geburt eines Kindes führt und ist damit immer niedriger als die Wahrscheinlichkeiten für Schwangerschaften, da nicht jede Schwangerschaft zu einer Geburt (Fehlgeburten, Schwangerschaftsabbruch etc.) führt (Feibner, Khaschei 2012, S. 116). Die BTHR fällt bei den verschiedenen Behandlungsmethoden unterschiedlich aus: IVF (20,6 Prozent), ICSI (20,5 Prozent), IVF/ICSI (22,5 Prozent), Kryotransfer (16,1 Prozent) (Deutsches IVF-Register (D. I. R.) 2016, S. 18).

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2 Forschungsstand

Der Gesamtanteil der durch Reproduktionsmedizin geborenen Kinder ist trotz der vergleichsweise hohen Zahl von Behandlungszyklen relativ niedrig. Im Jahr 2013 kamen 2,5 Prozent aller in Deutschland geborenen Kinder infolge reproduktionsmedizinischer Maßnahmen zur Welt. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass die Daten des D. I. R. nicht die durch Insemination gezeugten Kinder berücksichtigen. Zudem ist die Ermittlung von Geburten von Paaren, die sich nicht mehr in Behandlung befinden, für die Kinderwunschzentren erschwert. Dadurch wird die Zahl der Geburten durch Reproduktionsmedizin tendenziell unterschätzt (Passet-Wittig 2017, S. 59). Der Anstieg der Geburten im Jahr 2003 sowie der Rückgang im darauffolgenden Jahr lässt sich auf die Reform der Regelungen zur Kostenerstattung zurückführen, die eine hohe Anzahl vorgezogener Behandlungszahlen in den Jahren 2002 und 2003 nach sich zog. Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz trat am 1. Januar 2004 in Kraft. Seitdem werden nur noch maximal 3 Behandlungszyklen von den Krankenkassen erstattet (Kapitel 2.1.3). Die Zahl der Geburten nach IVF, ICSI, IVF/ICSI und Kryotransfer steigt seit 2004 in Deutschland kontinuierlich wieder an (Deutsches IVF-Register (D. I. R.) 2016, S. 18, Abbildung 3).

Abbildung 3: Geborene Kinder nach reproduktionsmedizinischer Behandlung (2001–2014)

Zwischen 2004 und 2013 ist zudem ein steigender Anteil der geborenen Kinder nach IVF, ICSI, IVF/ICSI und Kryotransfer an allen geborenen Kindern von 1,48 Prozent auf 2,5 Prozent zu beobachten (Passet-Wittig 2017, S. 59).

2.1 Methoden der Reproduktionsmedizin und rechtliche Fragen

23

2.1.2 Aktuelle Methoden der Reproduktionsmedizin Voraussetzung einer zielführenden Behandlung ist die Abklärung der reproduktiven Gesundheit (Bals-Pratsch 2015). Dazu gehört neben der Behandlung erworbener Sterilitätsfaktoren wie beispielsweise Übergewicht, Rauchen, sexuell übertragbare Erkrankungen oder Endometriose auch die gesunde Ernährung. Die Untersuchung und medikamentöse Behandlung der reproduktiven Hormone, der Schilddrüse und des Glukosestoffwechsels bei Frauen können häufig bereits die Fruchtbarkeit erhöhen. Auch im Rahmen einer assistierten Reproduktion kann bei einer Reihe von Stoffwechselstörungen durch rechtzeitige Behandlung die Schwangerschaftsrate gesteigert und Risiken vermindert werden. Die Entwicklung der Reproduktionsmedizin hat zahlreiche differenzierte Methoden hervorgebracht – sowohl bei der Embryonenauswahl als auch bei der künstlichen Befruchtung selbst –, die im Folgenden kurz beschrieben werden sollen. Anschließend werden mögliche Komplikationen und Risiken skizziert, die mit den unterschiedlichen Methoden einhergehen. Methoden der Embryonenauswahl Die Wahrscheinlichkeit einer Lebendgeburt hängt sehr stark von der Anzahl der entwicklungsfähigen Embryonen ab, die wiederum mit dem Lebensalter der Frau korrelieren. Mit Hilfe der In-vitro-Kultivierung ist es möglich, die Kulturbedingungen für die Embryonenentwicklung zu verbessern. Mit einem Lichtmikroskop können Embryonen mit schneller Zellteilung und guten morphologischen Kriterien (Embryoscore) beobachtet und für den weiteren Transfer ausgewählt werden. Die Embryonen mit günstigen morphologischen Kriterien haben ein vergleichsweise hohes Einnistungspotenzial von 30 Prozent (fragmentierte Embryonen weniger als 5 Prozent) (Diedrich et al. 2008, S. 29 f.). Es gibt verschiedene Varianten der Embryonenauswahl: Die erste Variante ist die Kultivierung der Embryos bis zum Blastozystenstadium, das heißt bis zum 5./6. Tag nach der Befruchtung. Erst im 8-Zellen-Stadium des Embryos aktivieren sich Erbsubstanzen, die die weitere Einnistung und richtige Entwicklung beeinflussen. Aber nicht immer führt der morphologisch qualitativ gute Embryo auch zu einer Lebendgeburt (Diedrich et al. 2008, S. 32). Weitere wichtige Faktoren – wie die genetische Ausstattung – können eine Lebendgeburt erschweren. Um die Abortrate zu senken, wird eine weitere Methode der Embryonenauswahl – das Aneuploidie-Screening – verwendet, um die Chromosomen auf Veränderungen zu überprüfen. Für die Durchführung dieses Screenings müssen in Deutschland die Frauen über 35 Jahre alt sein. Außerdem müssen sich die Eizellen noch im Befruchtungsvorgang befinden und somit noch nicht als Embryos definiert sein (Diedrich et al. 2008, S. 33 f.). Es existieren weitere Methoden der Embryonenauswahl für die Bewertung der Embryos, wie zum Beispiel die Verwendung von Spezialmikroskopen oder Untersuchungen des Kulturme diums des Präimplantationsembryos auf embryonale Stoffwechselprodukte (Diedrich et al. 2008, S. 35).

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2 Forschungsstand

Nach der Embryonenauswahl und der Anwendung der jeweiligen ART wird nur eine bestimmte Anzahl der entstandenen Embryonen direkt in die Gebärmutter der Frau transportiert. Um das Mehrlingsschwangerschaftsrisiko zu vermeiden, wird in nordeuropäischen Ländern sehr häufig nur der Transfer eines einzelnen ausgewählten Embryos (eSET: elektive Single Embryo Transfer) durchgeführt. Allerdings findet eSET in Deutschland bisher keine Anwendung, da das 1991 in Kraft getretene Embryonenschutzgesetz (Kapitel 3) nach verbreiteter Einschätzung die Selektion von Embryonen verbietet (Diedrich et al. 2008, S. 35; Bernardi et al. 2012, S. 32 f.). Methoden der künstlichen Befruchtung Die In-vitro-Fertilisation (IVF) ist die älteste (1978, Großbritannien) der modernen Fortpflanzungsbehandlungen und stellt damit das „klassische“ Verfahren dar. Die durch Hormone stimulierten Eizellen der Frau werden mittels Punktion aus ihrem Körper entnommen und im Reagenzglas oder in der Petrischale mit dem (aufbereiteten) Samen des Ehepartners inkubiert (Diedrich et al. 2008, S. 26; Feibner, Khaschei 2012, S. 99 f.; Wischmann 2012, S. 26 f.). Nach einigen Tagen erfolgt dann der Rücktransfer von ein oder zwei (aber höchstens drei)2 befruchteten Eizellen in die Gebärmutter (Wischmann 2012, S. 27/75). Bis heute ist die „klassische“ IVF eine häufig genutzte Methode der Reproduktionsmedizin. Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 13.675 IVF-Zyklen durchgeführt (entspricht 23,1 Prozent aller Frischzyklen in 2014). Die durchgeführten Behandlungen mit zwei transferierten Embryonen endeten in 20,6 Prozent der Fälle mit dokumentierten Geburten (Babytake-home-Rate) (Deutsches IVF-Register (D. I. R.) 2016, S. 17 f.). Von Beginn der Behandlung bis zur gewünschten Geburt können viele Störfaktoren auftreten, wie zum Beispiel Aborte, Fehlbildungen oder induzierte Aborte bzw. fetale Reduktionen (Deutsches IVF-Register (D. I. R.) 2016, S. 18). Außerdem besteht die Möglichkeit, dass eine Kryokonservierung (Erläuterung s. u.) der Eizellen erfolgt oder die künstliche Befruchtung abgebrochen wird. Zusätzlich oder alternativ zur IVF wird inzwischen sehr häufig die sogenannte intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), die ihre Anfänge 1993 in Belgien fand, empfohlen und angewendet. Diese Methode empfiehlt sich primär für Fälle, in denen Männer mit eingeschränkter Anzahl der funktionsfähigen und qualitativ hochwertigen Samenmaterialien oder fehlenden Spermien im Ejakulat beteiligt sind (Diedrich et al. 2008, S. 26; Feibner, Khaschei 2012, S. 101). Aber auch in an2

Der Transfer von zwei Eizellen führt zu einer Verdoppelung der Schwangerschaftsraten. Bei einer Studie aus Großbritannien zeigte sich, dass der Transfer von drei Embryonen kein Verbesserungspotenzial (bei jüngeren Frauen) birgt, aber die Risiken einer Mehrlingsgeburt stark erhöht. Bei Frauen ab 40 Jahren bleibt die Rate auf gleichem Niveau. Deshalb zog die Bundesärztekammer im Jahr 2006 in Erwägung, bei Frauen ab dem 38. Lebensjahr drei Embryonen zu transferieren. Die damit einhergehenden enormen Risiken von Mehrlingsgeburten, Frühgeburten und geringen Geburtsgewichten sprechen jedoch gegen diese Empfehlung (Wischmann 2012, S. 83). Eine Studie zeigt Fortschritte auf und belegt, dass die Übertragung eines einzelnen Embryos sich bewährt (Henningsen et al. 2015).

2.1 Methoden der Reproduktionsmedizin und rechtliche Fragen

25

deren Fällen findet ICSI heutzutage eine häufige Anwendung, beispielsweise wenn eine herkömmliche IVF erfolglos blieb, wenn beide Partner von einer Fruchtbarkeitsstörung betroffen sind oder die Ursache für die Infertilität unbekannt ist (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2015). Die Vorbehandlung und der Rücktransfer der Eizellen verlaufen analog zur IVF, dazwischen erfolgt jedoch eine Injektion eines einzelnen Spermiums in die Eizelle unter einem Mikroskop. Der wesentliche Unterschied zwischen IVF und ICSI liegt folglich in der Auswahl des Spermiums, welches die Eizelle befruchtet: Bei der IVF wird es der Natur beziehungsweise dem Zufall überlassen, welches Spermium in der Petrischale die Eizelle erreicht. Bei der ICSI hingegen obliegt diese Auswahl dem Menschen (Feibner, Khaschei 2012, S. 101; Wischmann 2012, S. 27, 76). Mit ICSI wurden 2014 insgesamt 44.427 Zyklen (entsprechen 74,9 Prozent aller Frischzyklen) durchgeführt. Sie ist damit inzwischen die am häufigsten eingesetzte ART. Dabei kam es in 18 Prozent der Fälle zu dokumentierten Geburten (Deutsches IVF-Register (D. I. R.) 2016, S. 17 f.). Weibliche Eizellen und männliche Samen können außerdem durch Einfrierung in flüssigem Stickstoff, die sogenannte Kryokonservierung, noch lange erhalten bleiben. Anwendung findet diese Methode beispielsweise, wenn bei einer künstlichen Befruchtung mehr Eizellen erfolgreich befruchtet wurden als zurückgeführt werden dürfen. Wenn sich beim ersten Versuch dann keine Schwangerschaft einstellt, können die eingefrorenen Eizellen für einen weiteren Versuch verwendet und zugleich die erneute (belastende) hormonelle Stimulation umgangen werden (Feibner, Khaschei 2012, S. 106 f.). Außerdem ist die Kryokonservierung eine Option für Paare mit Kinderwunsch, bei denen sich einer der Partner einer Krebsbehandlung oder einer Operation im Genitalbereich unterziehen muss. Bestrahlungen oder Operationen können zu einer eingeschränkten Fruchtbarkeit führen. Durch das Einfrieren der Spermien oder der Eizellen kann der Kinderwunsch somit trotzdem zu einem späteren Zeitpunkt verwirklicht werden. Allerdings erlaubt das Embryonenschutzgesetz nur das Einfrieren unbefruchteter Eizellen. Bereits befruchtete Eizellen gelten als Embryonen, die geschützt und damit nicht kryokonserviert werden dürfen (vgl. Kapitel 3). Die Kombination von IVF oder ICSI mit kryokonserviertem Material zeigt eine geringere Schwangerschafts- bzw. Lebendgeburtenrate als mit frisch gewonnenen Eizellen, jedoch wurden bisher keine Unterschiede in Bezug auf die spätere Gesundheit der entstehenden Kinder festgestellt (Feibner, Khaschei 2012, S. 107; Wischmann 2012, S. 75, 82). Komplikationen und Risiken der Methoden Zu den möglichen Komplikationen bei der Eizellenentnahme zählen Blutungen (vaginale und intraabdominale), Darmverletzungen, Peritonitis (= Bauchfellentzündung) sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung oder operativen Versorgung. Laut D. I. R.-Statistik 2015 traten diese Komplikationen jedoch nur in 0,7 Prozent der Fälle auf, davon überwiegend Blutungen (65 Prozent) (Deutsches IVF-Register (D. I. R.) 2016, S. 37).

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2 Forschungsstand

Bei der hormonellen Behandlung der Eierstöcke besteht außerdem die Gefahr des ovariellen Hyperstimulationssyndroms (kurz: OHSS). Das bedeutet, dass zu viele Follikel zu sprungreifen Eibläschen heranreifen. Mit OHSS gehen Symptome wie Völlegefühl, Unterbauchschmerzen wie kurz vor der Regelblutung, Atemnot, Rückenschmerzen und Übelkeit einher. Das Risiko eines schweren OHSS ist zwar gering, es kann jedoch lebensbedrohlich sein. Leichtere Formen von OHSS treten bei fast jeder dritten Patientin auf, was darauf zurückzuführen ist, dass die Eierstöcke von Natur aus nicht dafür ausgelegt sind, übermäßig viele Eizellen gleichzeitig heranreifen zu lassen. Zur Vermeidung von OHSS werden die Eierstöcke deshalb zunächst mit niedrigen Hormondosierungen stimuliert und nur bei Bedarf erhöht (Feibner, Khaschei 2012, S. 83, 91 f.). Bei Frauen mit Risikofaktoren für einen Gestationsdiabetes und latentem Prädiabetes mellitus Typ 2 besteht das Risiko von Fehlgeburten, Fehlbildungen und Schwangerschaftskomplikationen; dieses kann bei rechtzeitiger Behandlung reduziert werden (Bals-Pratsch 2015, S. 55). 2.1.3 Rechtliche Situation und Probleme in Deutschland Juristische Grundlagen der Reproduktivmedizin in Deutschland beinhalten Vorgaben des Grundgesetzes, des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V), des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie des Gewebe- und des Embryonenschutzgesetzes (ESchG). Letztgenanntes ist von maßgeblicher Bedeutung für die künstliche Befruchtung. Das ESchG regelt den Umgang mit Embryonen und definiert das Strafmaß bei Verstößen (Feibner, Khaschei 2012, S. 119). Als Embryo wird dabei die bereits befruchtete, entwicklungsfähige Eizelle bezeichnet. Laut ESchG gilt eine Eizelle mit dem Beginn der Kernverschmelzung, ungefähr 24 Stunden nach dem Eindringen des Spermiums in die Eizelle, als entwicklungsfähig. Vorher wird sie als Prä-Embryo oder Eizelle im Pronukleus- bzw. Vorkernstadium bezeichnet (Wischmann 2012, S. 119). Darauf basierend steht jeder Embryo unter dem Schutz dieses Gesetzes. Eine Konkretisierung dieses Gesetzes für den behandelnden Arzt stellt die Richtlinie der Bundesärztekammer (BÄK) dar. Deren Regelungen beinhalten die Durchführung assistierter Befruchtungen (Definition der Behandlungsmethoden und wie diese durchzuführen sind) und verschaffen den behandelnden Ärzten Sicherheit in ethischen Fragen und hinsichtlich der Rechtsgrundlage (Beratungspflichten, Zulassungsbedingungen der Ärzte etc., Feibner, Khaschei 2012, S. 120). Finanzielle Fragen bezüglich der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen bei künstlichen Befruchtungen sind im Fünften Sozialgesetzbuch aufgeführt (Feibner, Khaschei 2012, S. 121; Wischmann 2012, S. 120). Folgende wichtige Regelungen zur Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenkassen sind zu nennen: Eine Kostenbeteiligung der Krankenkassen findet statt, wenn – ein Arzt die künstliche Befruchtung als für das Paar notwendig erachtet, – die Ärzte und Einrichtungen, die eine künstliche Befruchtung anbieten bzw. anraten, die Zustimmung des Paares vorlegen können,

2.1 Methoden der Reproduktionsmedizin und rechtliche Fragen

27

– die Kinderwunschpaare verheiratet sind, – die Altersgrenzen erfüllt werden (beide Partner mit Kinderwunsch müssen mindestens 25 Jahre alt sein; Frauen dürfen nicht älter als 40 Jahre, Männer nicht älter als 50 Jahre alt sein), – ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden, – beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen negativ auf HIV getestet wurden sowie ein ausreichender Schutz der Frau gegen eine Rötelinfektion besteht, – ein Behandlungsplan der Kinderwunschklinik vorliegt (Feibner, Khaschei 2012, S. 121 f.; Wischmann 2012, S. 79 f.). Werden diese Kriterien erfüllt, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Hälfte der Behandlungskosten. Die Methode der Behandlung wird dann allerdings nach vorgegebenen Kriterien durch die Krankenkassen bestimmt. Ansonsten müssen die kompletten Kosten selbst übernommen werden. Außerdem enden die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen nach drei erfolglosen künstlichen Befruchtungen (Feibner, Khaschei 2012, S. 121–125; Bernardi et al. 2012, S. 34). Die Motivation, die niedrige Geburtenrate in Deutschland zu erhöhen, führte bereits zu einigen Vorschlägen, wie z. B. der Anhebung der 50-Prozent-Grenze bei den Kosten, der Kostenbeteiligung aus Bundesmitteln oder der Beteiligung der öffentlichen Haushalte, um betroffenen Kinderwunschpaaren die hohen finanziellen Hürden zu erleichtern (Feibner, Khaschei 2012, S. 122). Manche gesetzlichen Krankenkassen übernehmen inzwischen mehr als 50 Prozent der Kosten3. Versuche der Kassen, auch die Behandlung unverheirateter Paare zu bezuschussen, wurde allerdings vom Bundessozialgericht aufgrund der aktuellen Rechtslage ein Riegel vorgeschoben4. Mit dem Inkrafttreten der geänderten Bundesförderrichtlinie am 07.01.2016 erhalten erstmals auch unverheiratete heterosexuelle Paare mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet für reproduktionsmedizinische Behandlungen eine finanzielle Unterstützung durch das Bundesfamilienministerium. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Paare ihren Hauptwohnsitz in einem Bundesland haben, das sich finanziell mit eigenem Landesförderprogramm beteiligt. Die Inanspruchnahme der reproduktionsmedizinischen Unterstützung muss im Wohnsitzbundesland erfolgen (BMFSFJ 2015). Das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017 trat am 01.10.2017 in Kraft. Nach Einschätzung von Hilland (2017) bedeutet dies jedoch nicht, dass Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bei gleichgeschlechtlichen Paaren von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden können, da gemäß § 27a SGB V diese Leistungen darauf beruhen, dass ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden.

3

4

Dies trifft beispielsweise für die Knappschaft zu, die mittlerweile die kompletten Behandlungskosten übernimmt. Dafür müssen beide Partner bei der Knappschaft versichert sein, ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehepartner verwendet und die Altersgrenzen der Partner eingehalten werden (Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, o. J.). Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 A 1 / 14 R.

28

2 Forschungsstand

Private Krankenversicherungen sind nicht an die Richtlinien für gesetzliche Krankenkassen gebunden. Die Höhe der Kostenbeteiligung richtet sich vielmehr danach, ob die künstliche Befruchtung aus medizinischer Sicht als notwendig erachtet wird oder nicht: Kann der Kinderwunsch laut eines Arztes nicht ohne medizinische Hilfe erfüllt werden, so übernehmen die privaten Krankenkassen meist mehr als die Hälfte der Behandlungskosten, teilweise werden sie sogar komplett übernommen. Zudem unterscheiden sich die privaten Krankenkassen im Vergleich zu den gesetzlichen Krankenkassen auch in ihrem Leistungsumfang, der zumeist größer ist (z. B. Übernahme der Kosten auch bei unverheirateten Paaren). Des Weiteren gibt es keine festen Grenzen in Bezug auf die Anzahl der Behandlungsversuche oder beim Alter des Paares. Bedeutend für die Kostenerstattung ist allerdings das Kriterium der Erfolgsaussichten: Die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft muss bei jedem Behandlungsversuch bei mindestens 15 Prozent liegen (Feibner, Khaschei 2012, S. 127 f.). Außerdem greift bei den privaten Krankenversicherungen das sogenannte Verursacherprinzip. Dies bedeutet, dass diejenige Krankenversicherung zahlen muss, deren Kunde Verursacher für die Kinderlosigkeit ist: Ist der Verursacher privat versichert, kommt seine private Krankenversicherung für die Behandlungskosten beider Partner auf – unabhängig davon, ob der gesunde Partner privat oder gesetzlich versichert ist. Im Falle, dass beide Partner Verursacher der Kinderlosigkeit sind, gilt grundsätzlich, dass die Versicherungen diejenigen Kosten übernehmen, die auf ihren Klienten zurückzuführen sind (Feibner, Khaschei 2012, S. 127 f.). Als verbotene Bereiche der Fortpflanzungsmedizin in Deutschland gelten die Durchführung des Klonens, der Eizellspenden und der Leihmutterschaft (Frommel et al. 2010, S. 3; Bernardi et al. 2012, S. 33 f.). Ebenfalls verboten sind die gezielte Erzeugung überzähliger Embryonen, die Einpflanzung von mehr als drei Embryonen auf einmal, die künstliche Entwicklung und der Transfer von Chimären5 oder Hybriden6. Die Verwendung der Eizellen einer Verstorbenen oder die wissentliche künstliche Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen sind ebenfalls verboten. Kryokonservierte Materialien von Verstorbenen müssen in der Regel vernichtet werden (Frommel et al. 2010, S. 7 f.). Es gibt rechtliche Bereiche, in denen die Verbote mit Rücksicht auf bestimmte Bedingungen oder Ziele begrenzt werden können. Dazu gehört die Erzeugung und Verwendung von Embryonen zu fremdnützigen Zwecken, insbesondere Forschungszwecken. Dies ist erst nach dem 2-Pronukleus-Stadium verboten (in der Eizelle befinden sich zwei Pronukleiden, die noch nicht zusammengewachsen sind, Frommel et al. 2010, S. 6 f.). Dagegen ist in Deutschland die sogenannte Embryonenspende erlaubt. Dies ergibt sich aus dem ESchG (§ 2), da die Spende dem Erhalt der Embryonen dient. Die Embryospende darf allerdings nicht schon bei der Befruchtung geplant werden (Frommel et al. 2010, S. 11). Für infertile Frauen ohne intakte Eizellen ergibt 5 6

Unter einer Chimäre ist ein Individuum, das aus genetisch verschiedenen Geweben zusammengesetzt ist, zu verstehen (Reiche 2003). Unter einem Hybrid sind alle aus der Kreuzung von zwei genetisch verschiedenen Individuen hervorgegangenen Nachkommen zu verstehen (Reiche 2003).

2.1 Methoden der Reproduktionsmedizin und rechtliche Fragen

29

sich somit in Deutschland die legale Möglichkeit, Embryonen, die während einer Kinderwunschbehandlung eines anderen Paares entstanden sind, die der Kinderwunschpatientin nicht eingesetzt werden konnten und im IVF-Zentrum gelagert wurden, in Form einer vertraglich geregelten Spende zu empfangen.7 Einen anderen kritischen Bereich betrifft die vorherige Festlegung des Geschlechtes des Kindes. Ausnahmefall für die sogenannte „präkonzeptionelle Geschlechtsselektion“ ist eine mögliche Erbkrankheit oder ART-Versagen von väterlicher Seite, die auf Basis der Anwendung gendiagnostischer präimplantativer Verfahren (Polkörperbiopsie) vermutet werden. Über solche Fälle wird vom Bundesgerichtshof individuell entschieden (Frommel et al. 2010, S. 9). Die Samenspende ist in Deutschland erlaubt, bedarf jedoch für die weitere Verwendung einer notariellen Bewilligung von allen Beteiligten. Die anonyme Verwendung des Spermas ist sittenwidrig und verletzt das Abstammungsrecht des Kindes. Dieses ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und beschreibt das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Herkunft. Es besteht die Möglichkeit, dass zivilrechtliche Schadenersatzansprüche, die den Unterhalt und den immateriellen Schaden umfassen, wenn durch Verwendung anonymen Samens die Feststellung der Vaterschaft erschwert oder unmöglich gemacht wird, erhoben werden können. Deshalb müssen die Daten des Samenspenders und der jeweiligen Empfängerin über eine Dauer von 30 Jahren aufbewahrt werden (Frommel et al. 2010, S. 8). Der fehlende Schutz des Samenspenders vor finanziellen Forderungen des Kindes bleibt daher bis heute als gesetzliche Lücke bestehen (Frommel et al. 2010, S. 3). Das Kindschaftsrechtsverbesserungsgesetz aus dem Jahr 2002 regelt zudem, dass die Vaterschaft von Kindern nach Spendersamenbehandlung nicht mehr durch ein Elternteil angefochten werden kann, sondern nur noch durch das Kind selbst. Dieses muss dafür allerdings volljährig sein. Dieses Gesetz bestärkt das Verbot der anonymen Samenspende und sorgt damit für eine gewisse Rechtssicherheit für Kinder bzw. Erwachsene nach Samenspenden (Wischmann 2012, S. 121). In einer ähnlichen Situation befindet sich der genetische Vater auch bei einer Embryonenspende, hier bezogen auf eine kostenlose, von einem Spenderpaar durch IVF-Verfahren entstandenen Embryonenspende und der darauffolgenden Übertragung in den Körper einer anderen Frau. Diese Frau gilt nicht als Ersatzmutter, sondern soll dem Embryo Lebensschutz gewährleisten, weshalb die Embryonenspende nach dem ESchG erlaubt ist. Im Gegensatz zur Adoption wird bei der Embryonenspende die dann gebärende Frau gesetzlich als Mutter anerkannt (BGB). Der genetische Vater ist derselben risikoreichen Situation wie ein Samenspender ausgesetzt (Frommel et al. 2010, S. 10 f.). In einer weiteren Diskussion steht die Gleichsetzung der Samen- und Eizellspende. Da erstere erlaubt ist, besteht die Forderung, auch die Eizellspende in Deutschland zu legalisieren und diese damit der Samenspende gleichzusetzen. Dieser Forderung wurde bisher allerdings nicht gefolgt, denn im Gegensatz zu einer Samenspende unterliegt die Eizellspende immer einem risikobehafteten operativen Eingriff der Frau. Neben diesen gesundheitlichen Risiken kommen die Gefahren 7

Vgl. www.netzwerk-embryonenspende.de, zuletzt besucht am 01.12.2017.

30

2 Forschungsstand

der Kommerzialisierung der Eizellspende, welche bereits in den USA und Europa beobachtet wurde, hinzu. Des Weiteren stellt die Frage nach der Identifizierbarkeit der Spenderin für das entstehende Kind eine große Herausforderung dar (Wischmann 2012, S. 120). Letztlich besteht weiterhin Diskussionsbedarf bei der Frage nach Kinderwunscherfüllung mittels der Reproduktionsmedizin bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Zwar gewinnen diese Partnerschaften in der heutigen Gesellschaft immer mehr an Akzeptanz, die Kinderwunscherfüllung bei gleichgeschlechtlichen Paaren, löst aber immer noch kontroverse Debatten aus. Schon allein die Regelung, dass nur verheiratete Paare Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst bekommen, zeigt die unklare und problematische Lage der Kinderwunscherfüllung bei Homosexuellen (Feibner, Khaschei 2012, S. 135 ff.). Für lesbische Paare bestehen abgesehen von der Möglichkeit, konservierten Spendersamen aus Samenbanken zu erhalten oder durch einen anderen freiwilligen Samenspender zu erhalten sowie durch Insemination eine Schwangerschaft herbeizuführen in Deutschland keine reproduktionsmedizinischen Möglichkeiten (Feibner, Khaschei 2012, S. 135 ff., Bernard 2014, S. 465). Für schwule Paare besteht die einzig legale Möglichkeit, Eltern leiblicher Kinder zu werden, darin, eine sogenannte „QueerFamilie“ zu gründen. Dies würde bedeuten, dass ein schwules und ein lesbischen Paar zusammenleben und ihre Kinder gemeinsam großziehen. Die Option einer Leihmutterschaft, das heißt, eine andere Frau trägt ein Kind aus, ist in Deutschland gemäß Embryonenschutzgesetz verboten. Die Richtlinien zur künstlichen Befruchtung grenzen folglich die Wünsche von gleichgeschlechtlichen Paaren aus und führen schließlich zur Diskriminierung dieser Gruppe. Eine Gleichstellung homosexueller Paare mit heterosexuellen Paaren wird in Deutschland daher (noch) nicht erfüllt (Feibner, Khaschei 2012, S. 135 ff.). Eine gesetzliche und rechtliche Klarstellung dieser Problematik erscheint wünschenswert. 2.1.4 Schlussfolgerungen Abschließend kann resümiert werden, dass die Methoden der Reproduktionsmedizin in Deutschland auf verschiedensten und komplexen Rechten und Gesetzen basieren. Allerdings bleiben einige rechtliche, soziale und ethische Fragen offen. Zu diesen gehören zusammenfassend: – Klärung der Forderung der Gleichstellung von Eizell- und Samenspende. – Erfüllung des Kinderwunsches gleichgeschlechtlicher Paare. – Sicherheit eines Samenspenders bzw. biologischen Vaters bei einer Embryonenspende vor finanziellen Forderungen des entstandenen Kindes. – Lücken bzw. Diskussionsbedarf in den Regelungen der Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen bezüglich unverheirateter Paare einschließlich gleichgeschlechtlicher Paare. Für Betroffene besteht die Notwendigkeit, sich im Vorfeld ausreichend über alle rechtlichen, aber auch medizinischen Vorgänge beim behandelnden Arzt zu in-

2.2 Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland

31

formieren. Im Vordergrund sollten dabei immer die Gesundheit und das Wohlergehen aller Beteiligten stehen. Hierbei stellt sich vor allem für Paare, die nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen, das Problem, zertifizierte Gesundheitsdolmetscher zu finden und diese Dienstleistung gegebenenfalls selbst zu finanzieren. Bezüglich der finanziellen Fragen empfiehlt es sich, individuelle Informationen bei der eigenen Krankenkasse über Leistungen und Besonderheiten einzuholen und Beratungsstellen zu konsultieren (Kapitel 5.3, Haug et al. 2017). Ein wesentlicher Problembereich stellen die Beratung und das Finden von Informationen über Behandlungsmöglichkeiten und Risiken für das Treffen einer informierten Entscheidung dar. 2.2 FRAUEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND IN DEUTSCHLAND 2.2.1 Einleitung Im Projekt NeWiRe wurden Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland analysiert. Im vorliegenden Kapitel wird diese Zielgruppe anhand von Daten aus dem Mikrozensus 2014 des Statistischen Bundesamtes (Statistisches Bundesamt 2015) soziodemografisch beschrieben. Diese Analysen dienten als Vorarbeiten zur Teilstudie der Telefonbefragung (Kapitel 3) im Jahr 2014 und 2015. Analog zu dieser NeWiRe-Bevölkerungsbefragung stehen im folgenden Kapitel die Herkunftsregionen ehemalige Sowjetunion, Türkei, Polen und das ehemalige Jugoslawien sowie die Altersgruppen der 18- bis 50-jährigen bzw. der 15- bis 45-jährigen im Berichtsjahrs 2014 besonders im Fokus. 2.2.2 Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland Ein Aspekt des demografischen Wandels ist die migrationsbedingte Bevölkerungsveränderung (Haug 2012). Die Zu- und Abwanderungen der letzten 60 Jahre haben zur Ansiedlung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Deutschland geführt. Daraus resultierend nimmt der Bevölkerungsanteil derer, die selbst oder deren Eltern zugewandert sind, stetig zu. Seit 2005 wird deshalb im Mikrozensus das Merkmal Migrationshintergrund erhoben.8 Unter den Personen mit Migrationshintergrund werden neben ausländischen Staatsbürgern auch Deutsche der ersten und 8

Zu den Menschen mit Migrationshintergrund zählen gemäß Definition des Mikrozensus „alle Ausländer und eingebürgerte[n] ehemalige[n] Ausländer, alle nach 1949 als Deutsche auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderte[n], sowie alle in Deutschland als Deutsche Geborene[n] mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil“. In den Zeitreihen des Mikrozensus wird zwischen Migrationshintergrund im engeren und weiteren Sinn unterschieden, da Informationen zum Migrationshintergrund im weiteren Sinn nicht in allen Jahren des Mikrozensus vorliegen. Aufgrund der erweiterten Analysemöglichkeiten wird in diesem Bericht die Definition im engeren Sinn zugrunde gelegt.

32

2 Forschungsstand

zweiten Zuwanderergeneration subsumiert. Für 2014 verzeichnet der Mikrozensus 16.386.000 Personen mit Migrationshintergrund – das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 20,3 Prozent (Statistisches Bundesamt 2015, Abbildung 4).

Abbildung 4: Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund nach Alter (2014)

Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland steigt vor allem in den jüngeren Alterskohorten stetig an. Bei den unter 5-jährigen liegt er bei über einem Drittel (Abbildung 4). In einzelnen Städten ist der Anteil sogar noch weitaus höher. So liegt er beispielsweise in Regensburg insgesamt bei 30 Prozent, in der Altersgruppe unter 15 Jahren bereits bei 45 Prozent, und von den unter 1-jährigen weist bereits über die Hälfte (50,1 Prozent) einen Migrationshintergrund auf (Haug et al. 2014, S. 22). In der Altersgruppe der 25- bis 34-jährigen hat deutschlandweit ein Viertel der Menschen einen Migrationshintergrund und ist überwiegend selbst zugewandert. In den jüngeren Alterskohorten gehört dagegen die Mehrheit zur zweiten Zuwanderergeneration, ist also in Deutschland geboren. In dieser zweiten Generation haben Neugeborene auch überwiegend die deutsche Staatsangehörigkeit, da die Eltern oft bereits durch Einbürgerung oder über den (Spät-)Aussiedlerstatus Deutsche wurden. Zusätzlich erhalten über die sogenannte Optionsregelung auch Kinder ausländischer Eltern in vielen Fällen mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit.

2.2 Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland

33

Abbildung 5: Frauenanteil in Deutschland nach Migrationshintergrund (2014)

Bei Personen ohne Migrationshintergrund zeigt sich ein leicht erhöhter Frauenanteil, der auf die höhere Lebenserwartung und die damit verbundene größere Anzahl hochbetagter Frauen zurückzuführen ist. Bei Personen mit Migrationshintergrund ist die Geschlechterverteilung, bedingt durch die jüngere Altersstruktur, insgesamt ausgeglichen (Abbildung 5). Deutsche Migranten der 1. Generation haben das höchste Durchschnittsalter aller hier verglichenen Gruppen (48,0 Jahre), weshalb sich der höhere Frauenanteil unter Hochbetagten hier verstärkt auswirkt. Zurückzuführen ist dies wohl hauptsächlich auf die Zuwanderung älterer (Spät-)Aussiedler. Eine weitere Erklärung könnte in der Heiratsmigration mit nachfolgender Einbürgerung liegen. Interessant ist der niedrige Frauenanteil bei der 2. Generation der Ausländer, einer Gruppe mit sehr junger Altersstruktur (Durchschnittsalter 24,5 Jahre). Hier könnte ein verstärkter Fortzug ins Ausland eine Rolle spielen. So ist bekannt, dass türkischstämmige Frauen, die in Deutschland geboren bzw. aufgewachsen sind, häufiger im Alter von bis zu 24 Jahren aus Deutschland fortziehen, während die Wanderungshäufigkeit der Männer erst ab dem Alter von 35 Jahren kontinuierlich steigt (Alscher, Kreienbrink 2014, S. 8). Eine Analyse türkischer Zensusdaten ergab entsprechend, dass junge, in Deutschland geborene Türkinnen unter den Zuwanderern in der Türkei überrepräsentiert sind. Es wird vermutet, dass von jungen Frauen eher erwartet wird, zusammen mit ihren Eltern „zurückzukehren“, während junge Männer noch ihre Ausbildung in Deutschland abschließen (Dustmann 2003).

34

2 Forschungsstand

2.2.3 Frauen mit Migrationshintergrund Ende 2014 leben in Deutschland insgesamt 8,2 Millionen Frauen mit Migrationshintergrund. Ihr Anteil an der gesamten weiblichen Bevölkerung steigt seit Einführung der statistischen Erfassung stetig an und liegt 2014 bei 19,8 Prozent. In den jüngeren Altersgruppen liegt der Anteil noch weitaus höher: Von den insgesamt 14,2 Millionen Frauen im Alter von 15 bis unter 459 Jahren weisen 26 Prozent (3,7 Millionen) einen Migrationshintergrund auf (Abbildung 6).

Abbildung 6: Migrationshintergrund bei weiblicher Bevölkerung nach Alter (2014)

Frauen mit Migrationshintergrund stellen in den westdeutschen Flächenländern sowie den Stadtstaaten zwischen 20 und 27 Prozent der weiblichen Bevölkerung. In den östlichen Bundesländern ist ihr Anteil dagegen mit 4 bis 5 Prozent weitaus geringer (Abbildung 7).

9

Diese Alterseingrenzung kommt jener in der Bevölkerungsbefragung im Rahmen des Projekts NeWiRe (18 bis 50 Jahre) sehr nahe.

2.2 Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland

35

Abbildung 7: Migrationshintergrund bei weiblicher Bevölkerung nach Bundesland (2014)

2.2.4 Aufenthaltsdauer Bezüglich der bisherigen Aufenthaltsdauer in Deutschland stellen sich die 2,6 Millionen zugewanderten Frauen zwischen 15 und 45 sehr heterogen dar. Der Großteil lebt aber bereits seit vielen Jahren in Deutschland: ca. 832.000 (32 Prozent) sind bereits vor über 20 Jahren zugewandert. Etwa 581.000 (21,9 Prozent) sind jedoch erst innerhalb der letzten fünf Jahre nach Deutschland gekommen (Abbildung 8).

Abbildung 8: 15 bis 45-jährige Frauen mit Migrationshintergrund nach Aufenthaltsdauer (2014)

36

2 Forschungsstand

2.2.5 Herkunfts- und Bezugsländer Informationen zu den Herkunfts- bzw. Bezugsländern liefert der Mikrozensus über das Merkmal der jetzigen bzw. früheren Staatsangehörigkeit. Personen mit Migrationshintergrund werden im Mikrozensus zusätzlich nach derzeitiger bzw. früherer Staatsangehörigkeit untergliedert nachgewiesen, wo immer dies methodisch unproblematisch möglich ist. Für Ausländer wird dabei die (erste) Staatsangehörigkeit, für Eingebürgerte die Staatsangehörigkeit vor Einbürgerung herangezogen. Für zugewanderte Deutsche (Aussiedler, ab 1999 auch die Statusdeutschen nach Art. 116 GG unter den Spätaussiedlern), die keine weitere Staatsangehörigkeit angegeben haben, sowie für im Inland geborene Deutsche mit beidseitigem Migrationshintergrund, deren Eltern nicht dieselbe derzeitige bzw. frühere Staatsangehörigkeit besitzen, ist dies nicht möglich. Hierbei wird deutlich, dass vier Herkunfts- bzw. Bezugsregionen besonders häufig vertreten sind: das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion mit 20 Prozent (insbesondere Russland und Kasachstan), die Türkei mit 19 Prozent, Polen mit 10 Prozent sowie das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien mit 9 Prozent. Zusammen genommen haben fast 60 Prozent der 15- bis 45-jährigen Frauen mit Migrationshintergrund Wurzeln in einer dieser vier Regionen (Abbildung 9).

Abbildung 9: 15 bis 45-jährige Frauen mit Migrationshintergrund nach Bezugsregion (2014)

2.2.6 Staatsbürgerschaft und Migrationserfahrung Die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung mit Migrationshintergrund besitzt einen deutschen Pass (56,8 Prozent) und ist selbst zugewandert (67,9 Prozent). Die Altersgruppe 15 bis unter 45 verfügt dagegen mehrheitlich nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft (52,4 Prozent), knapp 72 Prozent (oder 2,6 Millionen) sind selbst zugewandert. Hierbei zeigen sich große Differenzen je nach betrachteter Bezugs-

2.2 Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland

37

region: Unter Migrantinnen aus dem ehemaligen Jugoslawien beträgt der Ausländeranteil 54,2 Prozent, bei Türkeistämmigen (30,9 Prozent) und Frauen mit Bezug zur ehemaligen Sowjetunion (21,1 Prozent) ist er deutlich geringer (Abbildung 10).

Abbildung 10: 15 bis 45-jährige Frauen in Deutschland nach Migrationshintergrund (2014)

Hinsichtlich der Migrationserfahrungen bietet sich ein ähnlich heterogenes Bild: Frauen mit Bezug zur ehemaligen Sowjetunion oder zu Polen sind meist selbst zugewandert und gehören somit der ersten Generation an, während türkischstämmige Frauen zwischen 15 und 45 mehrheitlich in Deutschland geboren sind (Abbildung 11). Bei Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion ist der Ausländeranteil gering, da sie zumeist (Spät-)Aussiedlerinnen sind. Frauen mit türkischem Migrationshintergrund sind zu zwei Dritteln deutsche Staatsbürgerinnen, meist aufgrund einer Einbürgerung.

38

2 Forschungsstand

Abbildung 11: 15 bis 45-jährige Frauen. Ausländeranteil nach Bezugsregionen (2014)

2.2.7 Familienstand 61,5 Prozent der erwachsenen Frauen mit Migrationshintergrund unter 65 sind verheiratet (ohne Migrationshintergrund: 52,6 Prozent). Weitere 9,3 Prozent sind geschieden (10,1 Prozent), verwitwet sind 2,9 Prozent (dito). Tendenziell sind also Frauen mit Migrationshintergrund häufiger verheiratet und etwas seltener geschieden. Ehen zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund sind in Deutschland eher selten. Frauen ohne Migrationshintergrund sind zu über 90 Prozent mit

Abbildung 12: Frauen mit Migrationshintergrund: Ehemann ohne Migrationshintergrund (2014)

2.2 Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland

39

Männern ohne Migrationshintergrund verheiratet, Frauen mit Migrationshintergrund nur zu 21 Prozent (Abbildung 12). Auffällig sind die Unterschiede zwischen den Bezugsregionen: Frauen mit Bezug zur Türkei sind nur in 4,5 Prozent der Fälle mit einem Mann ohne Migrationshintergrund verheiratet, Frauen mit polnischem Bezug hingegen zu über 25 Prozent. 2.2.8 Bildungs- und Berufsabschlüsse Bei den höchsten erreichten Schulabschlüssen der Frauen mit Migrationshintergrund wird eine deutliche Spaltung sichtbar: Fast zehn Prozent haben die Schule ohne Abschluss, gut 23 Prozent mit dem Hauptschulabschluss verlassen (ohne Migrationshintergrund: 1,8 bzw. 14,4 Prozent). Gleichzeitig hat etwa ein Drittel das Abitur oder einen vergleichbaren Abschluss erreicht (ohne Migrationshintergrund: 36,1 Prozent, Abbildung 13). Der Anteil der Abiturientinnen ist also fast auf dem Niveau der Frauen ohne Migrationshintergrund, gleichzeitig haben aber weitaus mehr Migrantinnen die Schule ohne Abschluss oder mit Hauptschulabschluss verlassen.

Abbildung 13: 15 bis 45-jährige Frauen mit Migrationshintergrund nach Schulabschluss (2014)

Die Quote der Abiturientinnen weist wiederum je nach Bezugsregion eine große Spannweite auf. Unter Frauen mit polnischem Bezug liegt die Quote der Abiturientinnen bei 36 Prozent, bei Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion bei knapp 26 Prozent (Tabelle 1). Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei können dagegen nur selten das Abitur vorweisen.

40

2 Forschungsstand

Tabelle 1: Abiturientinnen und Frauen ohne Schulabschluss nach vier Bezugsregionen (2014) Bezugsregion

Frauen gesamt (nicht mehr schulpflichtig und aktuell nicht in schulischer Ausbildung, in 1.000)

davon … … mit Abitur o. ä.

… ohne Schulabschluss

Anzahl

Prozent

Anzahl

1.248

322

25,8 %

84

6,7 %

Türkei

970

101

10,4 %

321

33,1 %

Polen

674

242

35,9 %

35

5,2 %

ehem. Jugoslawien

547

76

13,9 %

101

18,5 %

ehem. Sowjetunion

Prozent

Quelle: Statistisches Bundesamt 2015. Eigene Berechnung und Darstellung

Bei Betrachtung der höchsten erreichten berufsqualifizierenden Abschlüsse fällt sofort ins Auge, dass über ein Drittel der 15- bis 45-jährigen Frauen mit Migrationshintergrund keinen Abschluss aufweist (Abbildung 14). Zum Vergleich: in der Gruppe ohne Migrationshintergrund liegt der Anteil bei 10,3 Prozent. Gleichzeitig sind Hochschulabschlüsse mit insgesamt gut 21 Prozent ähnlich häufig vertreten wie in der gleichen Altersgruppe ohne Migrationshintergrund (22,8 Prozent).

Abbildung 14: 15 bis 45-jährige Frauen mit Migrationshintergrund nach Berufsabschluss (2014)

2.2.9 Beteiligung am Erwerbsleben Von den knapp 2,2 Millionen weiblichen Erwerbspersonen mit Migrationshintergrund in der hier betrachteten Altersgruppe gelten ca. 174.000 als erwerbslos, was einem Anteil von 7,9 Prozent entspricht (Vergleichsgruppe ohne Migrationshinter-

2.2 Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland

41

grund: 4,4 Prozent). Unter den Erwerbstätigen fällt im Vergleich mit den Frauen ohne Migrationshintergrund besonders der deutlich höhere Anteil von Arbeiterinnen (18,5 gegenüber 6,9 Prozent) auf. Der Anteil der Angestellten (66,6 gegenüber 75,3 Prozent) und Beamtinnen (1,2 gegenüber 5,9 Prozent) ist hingegen weitaus geringer (Abbildung 15).

Abbildung 15: 15 bis 45-jährige erwerbstätige Frauen mit Migrationshintergrund (2014)

Die Frauen mit Migrationshintergrund sind im Vergleich häufiger in den Wirtschaftsbereichen „Produzierendes Gewerbe“ (14,5 gegenüber 13,8 Prozent) und „Handel, Gastgewerbe, Verkehr“ (32,2 gegenüber 24,7 Prozent) aktiv, dafür seltener im sonstigen Dienstleistungssektor (52,9 gegenüber 60,8 Prozent). 2.2.10 Armutsgefährdungsquote Als von (Einkommens-)Armut gefährdet gelten Personen, deren verfügbares Einkommen weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens (Bezugsgröße ist der Bundesmedian) beträgt. Ihr Anteil an der jeweiligen Bevölkerung ergibt die Armutsgefährdungsquote. Diese liegt für die weibliche Gesamtbevölkerung bei 16 Prozent (Männer: 14,8), bei Frauen mit Migrationshintergrund bei deutlich höheren 27,1 Prozent (Männer: 26,3) (Abbildung 16).

42

2 Forschungsstand

Abbildung 16: Armutsgefährdungsquoten von Frauen nach Altersgruppen (2014)

In der Altersgruppe zwischen 18 und unter 25 Jahren ist nahezu jede dritte Frau mit Migrationshintergrund betroffen (ohne Migrationshintergrund: 23,7 Prozent). In der Gruppe zwischen 25 und unter 50 Jahren liegt die Quote bei 24,1 Prozent (11,2 Prozent). Rund ein Viertel der Migrantinnen im Alter zwischen 25 und unter 50 Jahren ist also von Armut gefährdet. Im Vergleich der häufigsten Bezugsregionen sind Frauen mit türkischen Wurzeln besonders gefährdet (36,0 Prozent), gefolgt vom ehemaligen Jugoslawien (28,5) und der ehemaligen Sowjetunion (26,8). Bei Frauen mit polnischem Bezug liegt die Armutsgefährdungsquote bei vergleichsweise niedrigen 19,3 Prozent (Abbildung 17).

Abbildung 17: Armutsgefährdungsquoten nach ausländischen Bezugsregionen (2014)

2.3 Wissen über Fertilität, assistierte Reproduktion und Einstellungen

43

2.2.11 Fazit Durch ihren stetig wachsenden Anteil an der Bevölkerung gewinnen Frauen mit Migrationshintergrund auch als Zielgruppe der gesundheitlichen Versorgung zunehmend an Bedeutung. Das gilt insbesondere für das medizinische Teilgebiet der Reproduktionsmedizin, da Frauen mit Migrationshintergrund in den gebärfähigen Altersgruppen bei weiter steigender Tendenz bereits etwa ein Viertel der Bevölkerung stellen. Über die Thematik reproduktionsmedizinischer Behandlung bei Frauen oder Paaren mit Migrationshintergrund, insbesondere den Zugang der Gruppe im Bereich der Beratung zu assistierter Reproduktion und zu reproduktionsmedizinischer Behandlung liegen bislang im nationalen oder auch im internationalen Raum kaum Befunde vor (Weblus et al. 2014, S. 113). 2.3 WISSEN ÜBER FERTILITÄT, ASSISTIERTE REPRODUKTION UND EINSTELLUNGEN „Die Reproduktionsmedizin ist das medizinische Fachgebiet, das sich in den letzten Jahrzehnten am schnellsten weiterentwickelt hat“ (Bals-Pratsch 2015, S. 39). Als eine Disziplin der Humanmedizin stellt sie unterschiedliche Verfahren der „assistierten Fortpflanzung“ zur Verfügung (Wischmann 2012). Die aktuellen Methoden reproduktionsmedizinischer Techniken wurden bereits in Kapitel 2.1.2 dargestellt. Die stetige Weiterentwicklung bezieht jedoch nicht nur die Techniken der künstlichen Befruchtung oder Diagnostik ein, sondern auch damit verbundene frauengesundheitliche Aspekte. Durch Wissen über Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren wie bspw. Übergewicht und Fruchtbarkeit kann die Wahrscheinlichkeit einer gewünschten Schwangerschaft erhöht und somit der Behandlungserfolg verbessert werden. Besondere öffentliche Aufmerksamkeit hat die Reproduktionsmedizin in den letzten Jahren insbesondere durch die Debatte um das sogenannte „Social Freezing“, das vorsorgliche Einfrieren unbefruchteter Eizellen ohne medizinische Indikation, bekommen. Im Zentrum der Untersuchung im Projekt NeWiRe standen soziale Aspekte des Wissenstransfers über aktuelle Fortschritte der Reproduktionsmedizin, der assistierten Reproduktionstechnik und Diagnostik. Das Thema ist angesichts der demografischen Entwicklung in den Industrienationen besonders von Interesse, weil davon ausgegangen wird, dass mangelndes Fertilitätswissen und unrealistische Vorstellungen über die Möglichkeiten und Grenzen der Reproduktionsmedizin einen Beitrag zur steigenden Prävalenz ungewollter Kinderlosigkeit leisten (StöbelRichter et al. 2008). Ziel war es festzustellen, inwieweit Wissenslücken existieren und inwieweit ein Transfer von Wissen im Gesundheitsbereich stattfindet. Den sozialen Medien wird dabei ein hohes Potenzial bei der Verbreitung gesundheitsbezogenen Wissens zugesprochen (bspw. Lober, Flowers 2011; Neiger et al. 2013), so dass eine empirische Überprüfung entsprechender Erwartungen sinnvoll erschien. Die Untersu-

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2 Forschungsstand

chung des Wissenstransfers über soziale Netzwerke und soziale Medien war somit wichtiger Bestandteil des Projekts NeWiRe (Kapitel 3.3 und Kapitel 5.3). In den letzten Jahren wurde auf internationaler Ebene eine Vielzahl von Untersuchungen vor allem zum Wissensstand, aber auch zu den Einstellungen verschiedener Populationen zum Thema Fertilität im Allgemeinen sowie Reproduktionsmedizin bzw. Assisted Reproductive Technology (ART) im Speziellen durchgeführt. Das folgende Kapitel gibt einen Einblick in internationale wie nationale empirische Forschungsergebnisse. 2.3.1 Wissen über Fruchtbarkeit und Assistierte Reproduktion Internationale Studien Tough et al. (2006) fanden heraus, dass viele kanadische Frauen sehr wenig über die Risiken einer späten Geburt (Schwierigkeiten bei der Befruchtung, Mehrlingsgeburten, Kaiserschnitt, Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht) wissen. Ein niedriger Wissensstand ist dabei assoziiert mit ungeplanten Schwangerschaften, Rauchen und der Nicht-Nutzung von Fruchtbarkeitsbehandlungen. Demografische Charakteristiken, die den Wissensstand negativ beeinflussen, sind demnach ein höheres Alter und niedrigerer Bildungsstand. Hauptergebnis der Studie von Daniluk et al. (2012) war, dass die meisten Frauen in Kanada ihren Wissensstand zu Fertilität und In-vitro-Fertilisation (IVF) überschätzen. Die Autoren gehen davon aus, dass Frauen zunehmend ihren Kinderwunsch aufschieben, weil sie falschen Annahmen zu Fruchtbarkeit und IVF unterliegen. Auch hier zeigt sich ein stark positiver Einfluss des Bildungsgrads. Je höher der formale Bildungsabschluss, desto höher auch der Wissensstand zu diesen Themen. Bei einer Folgestudie zum oben aufgeführten „Fertility Awareness Survey“ wurde das Wissen bei kinderlosen Männern erhoben (Daniluk, Koert 2013). Hierbei zeigten sich deutliche Geschlechterunterschiede. Das Wissen über die Altersabhängigkeit der Fruchtbarkeit und über Behandlungsmöglichkeiten assistierter Reproduktion war bei den untersuchten Männern noch sehr viel geringer ausgeprägt als bei den voraus befragten Frauen. In Beratungssituationen sollte dieser geringere Informationsstand bei Männern berücksichtigt werden. Im Rahmen der International Fertility Decision-Making Study haben Bunting et al. (2013) das Wissen über Fruchtbarkeit sowie die Meinungen zu medizinischen Fruchtbarkeitsbehandlungen weltweit untersucht. Dabei ergab sich im Schnitt ein eher mittelmäßiger Wissensstand über Fertilität bei Personen mit aktuellem Kinderwunsch. Ein höherer Wissensstand korreliert signifikant mit dem weiblichen Geschlecht, einer Universitätsausbildung, Erwerbstätigkeit, einem sehr hohen Human Development Index (HDI) des jeweiligen Landes sowie einer vorherigen medizinischen Konsultation wegen Unfruchtbarkeit. Wyndham et al. (2012) geben einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin und weisen besonders auf den verbreiteten Irrglauben hin, ART könne die „biologische Uhr“ anhalten oder gar zurückdrehen. Das

2.3 Wissen über Fertilität, assistierte Reproduktion und Einstellungen

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Aufschieben der Mutterschaft sollte demnach eine freie Entscheidung im vollen Wissen über die Konsequenzen sein. Dieses Wissen ist aber bei vielen Frauen nicht vorhanden, irrtümliche Vorstellungen über die eigenen Fortpflanzungsorgane sowie die Effektivität von ART sind weit verbreitet. Ärzte und Experten im Gesundheitswesen seien aufgefordert, diese Wissenslücken bei ihren Patienten zu schließen. Die Vermeidung altersbedingter Unfruchtbarkeit ist somit für die Autoren ein gesamtgesellschaftliches Thema. Sabarre et al. (2013) haben für eine qualitative Studie halbstandardisierte Interviews mit Studentinnen und Studenten aus Ottawa geführt. In den Gesprächen wurden das Wissen über männliche und weibliche Risikofaktoren für Unfruchtbarkeit, die Diagnose und Behandlungsmethoden sowie eigene Handlungsoptionen im Falle einer zukünftigen Unfruchtbarkeit thematisiert. Zu den behandelten Aspekten war bei den Probanden zwar grundlegendes Wissen vorhanden, jedoch wurde die Fruchtbarkeit von Frauen über 30 und die Erfolgsrate von ART überschätzt. Darüber hinaus bestehen Lücken im Wissen zu reproduktiver Gesundheit und Menopause. Die meisten Befragten würden IVF oder internationale Adoptionen versuchen, wenn sie selbst unfruchtbar wären. Eine Studie, für die neuseeländische Studentinnen und Studenten zu ihrem Wissen über die Reduktion der weiblichen Fertilität und die Effektivität von ART befragt wurden, ergab ähnliche Ergebnisse. Die Erfolgsrate von ART wurde ebenfalls überschätzt. Allgemein wurde von einer höheren Wahrscheinlichkeit einer natürlichen spontanen Schwangerschaft oder einer Schwangerschaft durch IVF ausgegangen. Auch hier wurde der Rückgang der Fruchtbarkeit der Frau von den Studierenden zu einem späteren Zeitpunkt verortet, als dieser tatsächlich eintritt (Lucas et al. 2015). Von Studierenden einer dänischen Universität werden die weibliche Fertilität und deren Abnahme mit zunehmendem Alter ebenfalls unterschätzt. Zu diesem Ergebnis kamen Sørensen et al. (2016). Auch wurde die Altersgrenze für eine Behandlung mit IVF von Befragten beiden Geschlechts höher eingestuft, als sie tatsächlich ist. Wenn es zu Fruchtbarkeitsproblemen kommen würde, zögen die weiblichen Befragten allerdings eher die IVF-Methode in Betracht, wohingegen die männlichen Studierenden eher dazu tendierten, kinderlos zu bleiben. Hampton et al. (2013) haben in den Jahren 2007 und 2008 in zwei australischen reproduktionsmedizinischen Kliniken Frauen in Kinderwunschbehandlung befragt. Die überwiegende Mehrheit hat zum Zeitpunkt der Befragung bereits seit über einem Jahr versucht schwanger zu werden und sich bereits über eine oder mehrere Infor mationsquellen bemüht, ihr Wissen über Fertilität zu verbessern. Zwar glaubten fast 70 Prozent der Befragten, dass sie hauptsächlich in der besonders fruchtbaren Phase ihres Zyklus geplanten Geschlechtsverkehr hatten, jedoch konnten nur knapp 13 Prozent der Frauen dieses Zeitfenster korrekt benennen. Die Autorinnen folgern aus diesen Ergebnissen, dass mangelndes Wissen über Fertilität ein Grund für Unfruchtbarkeit bei Frauen sein kann. Eine Online-Befragung von 1.000 Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren in den Vereinigten Staaten zeigt, dass ein Drittel der Frauen nicht über den negativen Einfluss sexuell übertragbarer Krankheiten, von Übergewicht oder unregelmäßi-

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gen Menstruationszyklen auf die Fertilität informiert ist (Lundsberg et al. 2014). Ein Fünftel weiß nichts über den Einfluss des Alters, etwa 40 Prozent ist der genaue Ab lauf des Menstruationszyklus unbekannt. Insgesamt zeigen jüngere Frauen weniger Wissen, während höhere Altersgruppen zu verbreiteten Mythen und Fehlinforma tionen tendieren. Das Fertilitätswissen in der japanischen Bevölkerung haben Maeda et al. (2015) untersucht. Ein höherer Wissensstand korreliert hier mit weiblichem Geschlecht, jungem Alter, universitärer Ausbildung, einem gesünderen Lebensstil und einer guten sozioökonomischen Lage. Insgesamt ist der Wissensstand jedoch im Schnitt eher niedrig. Die Autoren mahnen bildungspolitische Maßnahmen an, gerade weil das vorhandene Wissen vorrangig aus den Massenmedien bezogen wird. Bodin et al. (2017) haben als Teilbereich einer schwedischen Längsschnittstudie zu Schwangerschaftsplanung die Schwangerschaftsplanung und das Wissen über Fruchtbarkeit bei Vätern betrachtet. Hierbei stellte sich heraus, dass die meisten befragten Männer keine Anpassung des Lebensstils zur Verbesserung von Gesundheit und Fruchtbarkeit vornehmen. Eine derartige Anpassung findet am ehesten bei Männern statt, welche zum ersten Mal Vater werden oder welche versuchen, unter Verwendung von Reproduktionsmedizin Vater zu werden. Auch in dieser Studie wird deutlich, dass ein übermäßiges Vertrauen in die Fruchtbarkeit der Frau vorliegt und die weibliche Fertilität somit überschätzt wird. Das Wissen über die Fruchtbarkeit der Frau steht hierbei im Zusammenhang mit dem Bildungsgrad: Je höher der Bildungsabschluss, desto weniger liegt eine Überschätzung der weiblichen Fertilität vor. Jedoch nicht nur Männer beurteilen die weibliche Fruchtbarkeit inkorrekt. Auch bei Frauen ist das Wissen über die eigene Fruchtbarkeit nicht ausreichend. Dies fanden García et al. (2015) in einer quantitativen Querschnittstudie heraus, bei welcher Frauen, die sich Informationen über eine Eizellenspende einholten, von medizinischem Fachpersonal befragt wurden. So schätzten nur etwas über die Hälfte den Zeitpunkt des Eisprunges richtig ein; ein Viertel der Frauen setzte die maximale Altersgrenze für ART zu hoch an. Eine Studie aus Dänemark zeigt, dass selbst Angestellte des Gesundheitswesens die altersbedingte Reduktion der weiblichen Fertilität in großen Teilen unterschätzen, bei gleichzeitiger Überschätzung der Erfolgsraten reproduktionsmedizinischer Maßnahmen (Mortensen et al. 2012). Auch hier weisen die Autoren darauf hin, dass dieses Wissen unbedingt notwendig ist, um informierte Entscheidungen über den Zeitpunkt der Familiengründung treffen zu können. Selbst niedergelassene Gynäkologen weisen laut einer Querschnittstudie von Yu et al. (2016) Wissensdefizite auf. Nahezu die Hälfte der im Rahmen der in den USA durchgeführten Studie der Befragten gibt ein zu hohes Alter für den Fertilitätsrückgang der Frau an. Ebenso überschätzt über drei Viertel die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft durch ART. Weiterhin stellten García et al. (2017) fest, dass das Wissen von Ärzten außerhalb des Fachbereichs Gynäkologie sowie des Pflegepersonals über die Fruchtbarkeit von Frauen, dem Zusammenhang mit dem Alter und über ART unzureichend ausfällt. Sie plädieren für einen aktuellen Wissensstand in Bezug auf Reproduktionsmedizin insbesondere von Hausärzten.

2.3 Wissen über Fertilität, assistierte Reproduktion und Einstellungen

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Deutschland Stöbel-Richter et al. (2012) führten 2003 eine bundesweite repräsentative Befragung von Männern und Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren durch, um das Wissen und die Einstellungen über verschiedene Aspekte der Reproduktionsmedizin in Deutschland zu untersuchen. Die Mehrzahl der Befragten hat zwar bereits etwas über die Reproduktionsmedizin gehört oder gelesen, Wissensdefizite sind aber besonders bei Männern sowie Personen mit niedrigem Bildungsgrad prävalent. Der Einfluss des Alters auf die weibliche Fertilität wird auch in Deutschland unterschätzt, die Zahl der ungewollt kinderlosen Paare sowie die Erfolgsquoten reproduktionsmedizinischer Behandlungen hingegen überschätzt. Die Studie zeigt deutliche Wissenslücken für die deutsche Bevölkerung bezüglich der Fertilität und der Reproduktionsmedizin auf. Zu einem Ergebnis gleicher Art kamen Meissner et al. (2016) anhand einer Querschnittstudie an den Hochschulen Hannovers, die zeigt, dass die befragten Studierenden über Grundwissen zum Thema Fertilität verfügen. Dennoch überschätzt die Mehrheit der Befragten die Wahrscheinlichkeit einer spontanen natürlichen Schwangerschaft bei Paaren unter 25 Jahren. Ebenso wird die Erfolgsrate für eine Schwangerschaft durch IVF als zu hoch eingestuft. Die Reduktion der weiblichen Fertilität wurde von einem Drittel der befragten Studierenden fälschlicher Weise jenseits des 40. Lebensjahres verortet. Eine Studie über 273 Paare, die 1994/95 reproduktionsmedizinische Behandlungen in Anspruch genommen haben, belegt, dass der Aufschub eines Kinderwunsches in einer bestehenden Partnerschaft der Hauptgrund für die Behandlung ist (Onnen-Isemann 2000a, 2000b). 62 Prozent haben den Kinderwunsch „jahrelang verschoben und sich dann, bei Entscheidung für ein Kind, überwiegend in einem Lebensalter mit geringerer Konzeptionsfähigkeit befunden“ (Onnen-Isemann 2000a). Eine Überblicksarbeit von Revermann und Hüsing (2011, S. 235) kommt zu dem Schluss, dass die Erfolgsaussichten der Reproduktionsmedizin überwiegend als zu hoch eingeschätzt werden, während hingegen die emotionale Belastung einer Behandlung unterschätzt wird. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die im Auftrag des BMFSFJ durchgeführte sogenannte „DELTA-Studie Kinderlosigkeit“ (Wippermann 2014). Ein Viertel der Teilnehmer der Repräsentativbefragung von 3.049 kinderloser, in Deutschland lebender Frauen und Männer zwischen 20 und 50 Jahren ist ungewollt kinderlos und wünscht sich sehr gerne jetzt ein Kind. Ein erheblicher Teil der Befragten verschiebt die Familienplanung jedoch auf einen späteren Zeitpunkt (Wippermann 2014, S. 12). Darüber hinaus wurde die sogenannte „DELTA-Studie Kinderlosigkeit von Frauen und Männern mit Migrationshintergrund“ (Smidt, Wippermann 2014) erstellt. Es handelt sich um eine Zufallsstichprobe von 1.271 kinderlosen Frauen und Männern mit Migrationshintergrund im Alter von 20 bis 50 Jahren, die dauerhaft in Deutschland leben, jedoch ohne Vergleichsgruppe von Personen ohne Migrationshintergrund. Systematisch darstellbar sind lediglich Teilergebnisse für Personen mit türkischem Migrationshintergrund sowie für Spätaussiedler.

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Die Tendenz, den Kinderwunsch und die Familienplanung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, ist bei den Befragten mit Migrationshintergrund noch stärker ausgeprägt (Smidt, Wippermann 2014, S. 11, 28 ff.). Die einzelnen Unterstützungsangebote der Reproduktionsmedizin sind in zum Teil erheblich unterschiedlichem Ausmaß bekannt. Frauen sind in der Regel besser informiert. Darüber hinaus erreichen die Befragten der DELTA-Studie Kinderlosigkeit graduell höhere Bekanntheitswerte als die Teilnehmer mit Migrationshintergrund der anderen Studie, welchen dieselbe Frage nach der Bekanntheit von Angeboten vorgelegt wurde. Ungewollt kinderlose Personen mit Migrationshintergrund sind besser informiert als gewollt kinderlose Befragte, wobei in den Medien präsente Themen wie Samenspenden und Auslandsadoptionen höhere Werte erreichen als ART-Methoden (Wippermann 2014, S. 108 ff.; Smidt, Wippermann 2014, S. 64 ff.). Vor gut 20 Jahren bekamen Frauen auf Behandlungsmöglichkeiten der Reproduktionsmedizin in Deutschland meist von niedergelassenen Ärzten, an zweiter Stelle stehen mit etwas Abstand die Massenmedien (Nave-Herz et al. 1996). Gleichzeitig geben aber viele Frauen an, in diesem Zusammenhang vom Gynäkologen wenig oder gar nicht über Details der Behandlung, alternative Möglichkeiten oder die psychischen wie physischen Belastungen informiert worden zu sein. Ärzte weisen hingegen darauf hin, dass die Patientinnen oft nicht richtig zuhörten, sich dann aber anschließend über zu wenig Aufklärung beschwerten. Das gewandelte Informationsverhalten durch die Verbreitung von Internet und sozialen Medien legt daher nahe, die Frage nach den Informationskanälen aktuell und neu zu stellen (Kapitel 3.3.4). Aktuelle Studien weisen denn auch folgerichtig darauf hin, dass es zwar immer noch die Gynäkologen sind, die an erster Stelle stehen, wenn es für Frauen darum geht, Informationen zur Realisierung ihres Kinderwunsches einzuholen. Bereits an zweiter Stelle folgen jedoch, gleichauf mit anderen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch, Blogs und Foren im Internet, dicht gefolgt von Internetseiten von Zentren für Reproduktionsmedizin (Wippermann 2014, 150 f.). 2.3.2 Einstellungen zur Reproduktionsmedizin Internationale Studien Daniluk und Koert (2012) haben Pläne und Einstellungen kinderloser kanadischer Männer und Frauen bezüglich ihres Kinderwunsches und der Nutzung assistierter reproduktionsmedizinischer Technologien untersucht. Beide Geschlechter rechnen damit, deutlich später Eltern zu werden, als sie selbst es für ideal halten. Falls zukünftig Fruchtbarkeitsprobleme auftreten sollten, wären sie gegenüber IVF-Methoden durchaus offen. Alternativen mit Beteiligung Dritter (heterologe Samen- oder Eizellenspende, Embryonenspende, Leihmutterschaft) werden hingegen insgesamt eher abgelehnt. Die Autoren vermuten, dass die Ergebnisse in weiten Teilen der westlichen Industrienationen ähnlich ausfallen könnten, weisen aber auf große Unterschiede sowohl in den rechtlichen Rahmenbedingungen als auch in den Finanzierungsmöglichkeiten hin.

2.3 Wissen über Fertilität, assistierte Reproduktion und Einstellungen

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Knapp 40 Prozent der von Yu et al. (2016) befragten niedergelassenen Gynäkologen sind der Ansicht, dass Kryokonservierung von ihnen aktiv angesprochen werden sollte. Um eine gute Beratung im Rahmen der Gesundheitsfürsorge ihrer Patientinnen gewährleisten zu können, sprechen sich ein Fünftel der Befragten dafür aus, dass ein Gespräch über Kryokonservierung ein Bestandteil der jährlichen Untersuchung sein solle. So könnte den Frauen eine fundierte Entscheidung in der Fortpflanzung ermöglicht werden. Vier Fünftel der Gynäkologen empfinden eine jährliche Frequenz jedoch als zu hoch, da so der Anschein entstehen könnte, sie würden Druck auf ihre Patientinnen erzeugen. Die Meinungen zu Fruchtbarkeitsbehandlungen hielten sich in der International Fertility Study insgesamt die Waage zwischen positiven und negativen Sichtweisen, ohne große Variationen zwischen einzelnen Ländern (Bunting et al. 2013). Die Autoren empfehlen die Entwicklung pädagogischer Angebote zur Verbesserung des Wissensstandes zur Fruchtbarkeit und weisen darauf hin, dass zukünftige Studien den Einfluss des Wissensstandes und der Meinungen zur Fruchtbarkeit auf das Kinderkriegen und die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten untersuchen sollten. Deutschland Trotz des insgesamt eher geringen Wissens über die Thematik zeigt sich die deutsche Bevölkerung gegenüber den Methoden der Reproduktionsmedizin durchaus aufgeschlossen (Stöbel-Richter et al. 2012). Ein Drittel der Befragten würde selbst alle Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin nutzen, um ein eigenes Kind zu bekommen, wenn es ihnen auf „natürlichem“ Wege nicht möglich wäre. Kinderlos zu bleiben oder auf Adoption zurückzugreifen, wäre in diesem Fall nur für jeweils 22 Prozent der Befragten eine Option. Der starke Wunsch nach einem eigenen leiblichen Kind kommt auch in qualitativen Interviews mit betroffenen Frauen in Deutschland zum Ausdruck (Nave-Herz et al. 1996). Häufig ist der Kinderwunsch der Grund für die Eheschließung oder zumindest stark damit verknüpft. Auch hier ist noch Forschungsbedarf vorhanden, inwieweit diese Aussagen heute noch Gültigkeit haben. Es handelt sich vorwiegend um Paare mit traditionellem Familienbild, die den Kinderwunsch unter anderem wegen Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienorientierung aufgeschoben haben. Hierbei ist „Familienbildung mit der leiblichen Mutter ein kulturelles Ziel mit hoher Priorität“ (Onnen-Isemann 2000a). Reproduktionsmedizin wird vor diesem Hintergrund als einzig verbleibende Anpassungsmöglichkeit an das kulturell vorgegebene Ziel Elternschaft gesehen, wohingegen alternative Möglichkeiten wie Adoption oder Pflegekind erst bei ausbleibendem Erfolg reproduktionsmedizinischer Maßnahmen als mögliche Option ins Auge gefasst werden. Meissner et al. (2016) haben Studierende ihrer Studie auch zu deren Haltung bezüglich reproduktionsmedizinischer Maßnahmen befragt. Je 60 Prozent beider Geschlechter sprechen sich gegen die Möglichkeiten der Kryokonservierung aus, jedoch wünschen sich knapp ein Viertel der Teilnehmenden gerne weiterführende

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Informationen zu dieser Technik. Bei Auftreten eines Fertilitätsproblems würde sich der Großteil der Studierenden für eine IVF und gegen eine Adoption entscheiden, wodurch der im Vordergrund stehende Wunsch nach einem leiblichen Kind, wie in den zuvor aufgeführten Studien, deutlich wird. Die auf dem Konzept sozialer Milieus basierende Studie des BMFSFJ kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Trend zur Kinderlosigkeit im Kontext des Generationenwandels hin zu den gehobenen sowie zu den soziokulturell jungen Milieus, die in letzten zwei Jahrzehnten stark gewachsen seien, verschoben habe. „Kinderlosigkeit ist damit keineswegs ein Phänomen gesellschaftlicher Randgruppen, sondern in allen Schichten und (fast) allen Milieus – vor allem in der Mitte der Gesellschaft – eine Normalität“ (Wippermann 2014, S. 36). Die grundsätzliche Nutzungsbereitschaft reproduktionsmedizinischer Angebote ist relativ hoch (Wippermann 2014, S. 121 ff.) Dies gilt auch und insbesondere für ungewollt kinderlose Frauen und Männer mit Migrationshintergrund, denen eine „grundsätzliche Offenheit für professionelle Hilfe in Bezug auf den eigenen Kinderwunsch“ attestiert wird (Smidt, Wippermann 2014, S. 70). Die in der Öffentlichkeit geführten Debatten um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, über Kinderwunsch und Kinderlosigkeit sowie nicht zuletzt über die Rollenbilder, die mit diesen Themen verbunden sind, haben sich in den vergangen zwanzig Jahren verändert. Auch die Einstellungen zur Reproduktionsmedizin und zu den Möglichkeiten, die sie bietet, haben im Laufe der Jahre einen Wandel durchlaufen. Lange unberücksichtigt geblieben sind die Einstellungen von Frauen mit Migrationshintergrund. Weder für Deutschland noch für andere europäische Länder liegen bislang Studien vor, die den Migrationshintergrund im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Zugang zu reproduktionsmedizinischen Angeboten berücksichtigen (Passet-Wittig 2017, S. 73). Die Auswertungen der Umfrage im Rahmen dieses Projekts werden dazu in den Kapiteln 3.3 und 3.4 sowie insbesondere 5.2 Aufschluss bieten. 2.3.3 Zusammenfassung Zum Wissensstand der Bevölkerung über die menschliche Fertilität wurden über die letzten zwanzig Jahre hinweg zahlreiche, vor allem internationale, Studien vorgelegt. Sie machen deutliche Defizite sichtbar, und zwar in anderen Ländern ebenso wie in Deutschland. Besonders problematisch zeigt sich in diesem Zusammenhang das fehlende Bewusstsein für die große Altersabhängigkeit der weiblichen Fruchtbarkeit. Im überzogenen Vertrauen auf die eigene Fertilität wird der eigene Kinderwunsch deshalb oft aufgeschoben. Hinzu kommt die weit verbreitete Überschätzung der Erfolgsraten reproduktionsmedizinischer Maßnahmen. Aus einer freiwilligen kann so in vielen Fällen eine ungewollte Kinderlosigkeit werden. Unwissenheit über den Ablauf des weiblichen Zyklus bzw. die fruchtbaren Tage kann hier ebenso ein Faktor sein. Als positiv mit dem Fertilitätswissen korrelierender Faktor kristallisiert sich in den Studien besonders die Höhe des formalen Bildungsgrades heraus. Weitere po-

2.4 Die Rolle des Internets und digitaler sozialer Netzwerke

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sitive Faktoren sind das weibliche Geschlecht, Erwerbstätigkeit sowie das Leben in einem Land mit sehr hohem Human Development Index (HDI). Falls Personen bereits wegen Fertilitätsproblemen mit einem Arzt in Kontakt waren, ist ebenfalls ein höheres Wissen zu verzeichnen. Die Ergebnisse verdeutlichen einen vorhandenen Bedarf für einen adäquaten Wissenstransfer zu den Themen (weibliche) Fertilität sowie Effektivität und Risiken der reproduktiven Medizin. „Eine gesellschaftliche Debatte ist auch hinsichtlich einer realistischen Einschätzung der Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin erforderlich“ (Trappe 2013, S. 348). Das Meinungsbild zur Reproduktionsmedizin stellt sich in den Studien durchaus positiv dar, die Akzeptanz ist sowohl international als auch in Deutschland hoch. Insbesondere eine Behandlung mit homologen Methoden können sich viele Befragte vorstellen, heterologe Vorgehensweisen werden hingegen eher kritisch gesehen10 (Daniluk, Koert 2012) (siehe hierzu Kapitel 3.3.3). Über die Thematik reproduktionsmedizinischer Behandlung bei Frauen oder Paaren mit Migrationshintergrund liegen bislang auch im internationalen Raum kaum Befunde vor (Weblus et al. 2014, S. 113). Durch die Ergebnisse des Projekts NeWiRe werden die überprüften potenziellen Einflussfaktoren durch Fragen zum Migrationshintergrund sowie zur Religionszugehörigkeit um kulturelle, ethnische und Sozialisationsaspekte erweitert. Im folgenden Kapitel wird deshalb zunächst der Einfluss von Religion auf die Inanspruchnahme assistierter Reproduktionsmedizin grundlegend thematisiert. 2.4 DIE ROLLE DES INTERNETS UND DIGITALER SOZIALER NETZWERKE Internet und digitale soziale Netzwerke verändern den Wissenstransfer und die Informationsbeschaffung im Gesundheitsbereich. Krankheitsbilder und Therapien lassen sich dort leicht recherchieren; Online-Foren bieten die Möglichkeit Informationen einzuholen und sich mit anderen Menschen über die jeweils eigene Situation auszutauschen – dies gilt auch für den Bereich der Reproduktionsmedizin. Wer ungewollt kinderlos ist, findet im Internet zahlreiche reproduktionsmedizinische Informationen und digitale soziale Netzwerke. Im Folgenden wird ein Überblick über existierende Studien zu Informationsquellen, Suchstrategien, Motiven und Auswirkungen des Wissenstransfers über das Internet und soziale Netzwerke gegeben (siehe auch den kurzen Literaturüberblick zur Einleitung der Analyse eines Online-Forums in Kapitel 5.4).

10 Bei homologen Methoden stammen Samen und Eizelle vom behandelten Paar, bei heterologen Methoden wird auf Keimzellen von Dritten zurückgegriffen, z. B. über eine Samen- oder Eizellspende.

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2.4.1 Reproduktionsmedizin und Informationssuche Informationsquellen zur Reproduktionsquellen sind das soziale Umfeld, Ärzte, Publikumszeitschriften und andere Massenmedien, Fachpublikationen, Krankenkassen, das Internet sowie soziale Netzwerke. Letztere können in zwei Kategorien unterteilt werden: soziale Nahbeziehungen sowie webbasierte Interaktions- bzw. Kommunikationsplattformen. Beide sind am Wissenstransfer bzgl. reproduktionsmedizinischer Themen beteiligt, doch für den vorliegenden Text sind digitale soziale Netzwerke von besonderem Interesse. Schachinger definiert sie „als ein Netzwerk aus Beziehungen und Interaktionsgeflechten zwischen Menschen unabhängig der verwendeten Kanäle“ (2014, S. 27). Digitale soziale Netzwerke sind demnach „wie soziale Netzwerke zu sehen, jedoch existieren und funktionieren diese innerhalb digitaler Medien“ und ermöglichen neue Formen der Vernetzung und Partizipation. Zillien et al. (2011) erarbeiteten eine erste Übersicht zum Forschungsstand bzgl. der Internetnutzung durch Kinderwunschpatienten. Dabei erweist sich das Internet als wichtige Informationsquelle für Betroffene, die während der Behandlung dort weitaus aktiver zu recherchieren scheinen als noch vor Therapiebeginn. Dabei suchen sie vorwiegend Informationen zu Infertilitätsursachen, Therapiemöglichkeiten und -kosten und nach Kinderwunschzentren. Offensichtlich empfinden die Betroffenen die Informationen, die ihnen etwa vonseiten des behandelnden Personals zur Verfügung gestellt werden, als nicht ausreichend. Darüber hinaus nutzen sie das Internet, um emotionalen, sozialen und psychologischen Beistand durch andere Betroffene während der Behandlung zu erhalten. Dazu nutzen sie öfter die Möglichkeiten, die digitale soziale Netzwerke bereitstellen, als jene von Internetseiten. Außerdem scheint das erfahrungsbasierte Wissen, das in Online-Foren verfügbar ist, für Laien wesentlich verständlicher als medizinisches Fachwissen und wird generell als authentisch eingestuft. Die Folgen der Internetnutzung für den reproduktionsmedizinischen Alltag werden in den untersuchten Studien teils positiv, teils negativ bewertet. Als positiv werden der emotionale Beistand, der Wissenszuwachs sowie die Zunahme der Kontrolle über die eigene Situation genannt. Einige Studien kommen dagegen zu dem Ergebnis, dass Internetnutzung das Risiko für Isolation oder Depressionen steigern kann. Außerdem werden Sorgen bzgl. der Qualität der im Netz verfügbaren Informationen geäußert. Insgesamt kommen Zillien et al. (2011) aber zu dem Schluss, dass die betrachteten Studien häufiger positive Aspekte und Folgen der Internetnutzung aufzeigen als negative. Allerdings weisen sie auch darauf hin, dass die Validität und Reliabilität einiger Studien unter anderem aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl oder bestimmter Fragestellungen zu hinterfragen seien. 2.4.2 Vorgehensweise Um diesen ersten Befund überprüfen zu können, wurde für die vorliegende Übersicht der existierenden Forschungsergebnisse ein Vorgehen gewählt, das eine Balance zwischen Aufwand und Ertrag sicherstellen sollte. Ausgehend von einer

2.4 Die Rolle des Internets und digitaler sozialer Netzwerke

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Schlüsselwortsuche mittels Zeitschriftendatenbanken wurden mithilfe der gefundenen Abstracts relevante Texte identifiziert, deren Literaturangaben dann zur Aufsuche weiterer Publikationen genutzt wurde. Damit wurde ein reduziertes BackwardSnowballing realisiert. Vorteil dieser Vorgehensweise ist die schnelle Sammlung zahlreicher und relevanter Fundstellen; der Nachteil dieser Methode ist darin zu sehen, dass keine vollständige Literaturübersicht erreicht wurde. Für eine möglichst umfassende Metastudie müsste daher zunächst eine systematische Festlegung relevanter Suchwörter stattfinden, danach müsste entschieden werden, mit welchen Daten banken zu arbeiten wäre (bspw. PubMed, Web of Science, IngentaConnect, ScienceDirect etc.) und ob zusätzlich ein Backward-Snowballing durchgeführt werden soll – insbesondere Letzteres bedeutet einen erheblichen zeitlichen Aufwand. 2.4.3 Ausgewählte Studien Lober und Flowers (2011) sehen den zentralen Aspekt digitaler sozialer Netzwerke für den Gesundheitsbereich darin, wie diese Netzwerke die Rolle des Patienten und die Beziehung zum behandelnden Arzt beeinflussen. Patienten seien in der Lage, jederzeit auf eine unüberschaubare Menge an Informationen zuzugreifen. Durch den damit einhergehenden Wissenszuwachs könnten Patienten ihre Situation besser einschätzen und hätten einen umfassenderen Überblick über die medizinischen Möglichkeiten, die im individuellen Krankheitsfall zur Verfügung stehen. Sie könnten folglich Entscheidungen bezüglich ihres Therapieverlaufs besser zusammen mit dem behandelnden Personal treffen. Laut Neiger et al. (2013) könnten digitale soziale Netzwerke das allgemeine Gesundheitsverhalten von Nutzern sowie die Compliance von Patienten positiv beeinflussen. Im Fokus steht die Fähigkeit von „health promotion organizations“ Nutzer so einzubinden, dass sich für Nutzer und Organisation Vorteile ergäben. Gesundheitsförderung mithilfe digitaler sozialer Netzwerke bedürfe den Autoren zufolge einer mehrdimensionalen Kommunikation sowie der Nutzereinbeziehung samt ihrer Interessen und gesundheitlichen Situation in die Gestaltung des Netzwerks. Andersen et al. (2012) untersuchten die Folgen vermehrter Nutzung digitaler sozialer Netzwerke für den dänischen Gesundheitsbereich. Zunächst erleichterten und verbesserten soziale Netzwerke den Zugang zu Informationen, können allerdings Kosten verursachen: Ein Mehr an Gesundheitsinformationen und allgemeinem Bewusstsein über Gesundheitsprobleme könnten Menschen vermehrt dazu bewegen, einen Arzt aufzusuchen. Des Weiteren zeigt die Studie, dass Patienten sich durch die Nutzung digitaler sozialer Netzwerke und den daraus folgenden Umgang mit ihrer Krankheitssituation mündiger und stärker einbezogen fühlten. Betont werden muss, dass Dänemark bzgl. digitaler Anwendungen im Gesundheitswesen einen besonderen Platz einnimmt. So steht ein vom dänischen Gesundheitsministerium entwickeltes Online-Portal (www.sundhed.dk) zur Verfügung, auf dem etwa individuelle Krankenakten oder umfangreiche Informationen unter anderem in Form von kostenlos ladbaren Fachpublikationen zur Verfügung stehen.

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Divecha et al. (2012) fanden in einer Studie über die Rolle neuer Medien bei der Kommunikation über sexuelle Gesundheit heraus, dass der Großteil der Befragten es bevorzugt, Gespräche darüber privat (persönlich oder am Telefon) zu führen. Dabei befragten sie vor allem junge Erwachsene mit niedrigem Einkommen. Die Internet- und Smartphone-Nutzung sowie die Nutzung von digitalen sozialen Netzwerken waren nach Angaben der Befragten hoch. Die Mehrheit gab zwar an, dass digitale soziale Netzwerke durchaus eine Rolle beim Austausch über Themen der sexuellen Gesundheit spielten, allerdings bezog sich die Angabe auf den Informationsaustausch mit Freunden. Es muss aber beachtet werden, dass sich die Studie dem Informationsaustausch über Themen sexueller Gesundheit im Allgemeinen widmete. Es ist also nicht auszuschließen, dass auch diese Befragten digitale soziale Netzwerke vorbereitend oder begleitend zu einer reproduktionsmedizinischen Behandlung nutzen würden, da sich der Bedarf an Informationen und psychologischem Beistand in diesem Fall erhöhen könnte. Byron et al. (2013) befassten sich mit dem Potenzial sexueller Gesundheitsförderung bei jungen Menschen über Facebook und andere digitale soziale Netzwerke. Obwohl der Großteil der Befragten angab, Facebook fast täglich zu nutzen, waren sie skeptisch, ob digitale soziale Netzwerke zur Informationsbeschaffung bzgl. sexueller Gesundheit geeignet seien. Das läge einerseits an der Stigmatisierung, die mit sexuell übertragbaren Krankheiten einherginge, und andererseits an einem gewissen Mobbingpotenzial, das die Befragten vor allem bei Facebook sehen. Die Befragten waren durchaus interessiert an Informationen zu sexueller Gesundheit, gaben allerdings auch an, diese Informationen nicht über digitale soziale Netzwerke erhalten zu wollen, unter anderem aus Angst, ihr Profil bzw. ihre Selbstdarstellung könnte davon beeinflusst werden. Die Autoren haben fünf zentrale Aspekte herausgearbeitet, die bei der sexuellen Gesundheitsförderung von jungen Menschen beachtet werden müssten: (1) der partizipatorische Charakter digitaler sozialer Netzwerke, (2) das Stigma, das sexuelle Gesundheitsprobleme umgibt, besonders bei sexuell übertragbaren Krankheiten, (3) die wohldurchdachte Selbstdarstellung, (4) Sorgen bezüglich der eigenen Privatsphäre sowie (5) die Wichtigkeit von Humor beim „sexual health messaging“. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Facebook und andere digitale soziale Netzwerke grundsätzlich geeignet für einen Wissenstransfer bzgl. dieser Thematik seien, jedoch ein umfassendes Verständnis digitaler sozialer Netzwerke und ihrer Funktionsweisen sowie deren Bedeutung für junge Menschen unabdingbar wären. 2.4.4 Vor- und Nachteile sowie Nutzungsmotive Da kinderlose Paare, die sich für reproduktionsmedizinische Maßnahmen interessieren, generell relativ jung sind und gleichzeitig gut informiert sein wollen, stellt das Internet eine Lösung für den Transfer reproduktionsmedizinischen Wissens dar (Haagen et al. 2003). Es bietet die Möglichkeit, schnell an viele Informationen zu kommen. Demgegenüber steht die Sorge, dass inkorrekte, irreführende oder unvollständige Informationen vermittelt werden (Preece 2000, Theodosiou, Green 2003,

2.4 Die Rolle des Internets und digitaler sozialer Netzwerke

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Haagen et al. 2003, Wingert et al. 2005, Andersen et al. 2012). Darüber hinaus sehen Haagen et al. (2003) die Gefahr, dass Kinderwunschpaare online ohne ärztliche Konsultation bspw. gefährliche fertilitätssteigernde Medikamente erwerben könnten, sowie die Gefahr der Verletzung von Datenschutzrichtlinien bei der Internetnutzung. Theodosiu und Green (2003) sehen aufgrund des Risikos der Falschinformation und der Online-Verfügbarkeit gefährlicher Medikamente die Notwendigkeit, dass professionelle Akteure sich an der im Internet stattfindenden Kommunikation bzw. dem Wissenstransfer beteiligten. Darüber hinaus sollten behandelnde Ärzte ihre Patienten auf die Möglichkeiten und Risiken der Internetnutzung zur Informationsbeschaffung hinweisen sowie die Internetnutzung durch unfruchtbare Paare berücksichtigen (Wischmann 2014). Außerdem sei unabdingbar, dass Ärzte und medizinische Fachangestellte vertraut sind mit dem Umgang und den Möglichkeiten digitaler sozialer Netzwerke im Gesundheitsbereich (Prasad 2013). Laut einer Studie von Haagen et al. (2003) suchten zwei Drittel der befragten Paare im Internet nach reproduktionsmedizinischen Informationen. Die Mehrheit (72 Prozent) nutzte das Netz mit dem Ziel, ihr Fertilitätsproblem besser zu verstehen, ein weiterer Teil (41 Prozent) suchte nach emotionalem Beistand. 64 Prozent der Befragten gaben an, dass die Internetrecherche ihr Wissen bezüglich Reproduktionsmedizin deutlich erweitert habe, und 39 Prozent hatten das Gefühl, die Recherche habe Entscheidungen erleichtert. Insgesamt gaben zwei Drittel der Paare an, dass Informationen zu diesen Themen leicht zu recherchieren seien, ungefähr die Hälfte bewertete die Informationen aus dem Internet als akkurat und vertrauenswürdig. Greil und McQuillan (2004) befragten 580 zufällig ausgewählte Frauen zum Thema Fertilität. Davon litten 123 an Fertilitätsstörungen bzw. versuchten, schwanger zu werden. Ein Großteil gab an, Informationen und Rat bzw. Hilfe bei Freunden und Verwandten oder anderen Betroffenen einzuholen. Der Anteil von Frauen, die Artikel über Fertilitätsstörungen in populären Printmedien, wissenschaftlichen Zeitschriften sowie Büchern gelesen haben, fiel fast genauso hoch aus. Lediglich ein Viertel nannte das Internet als Informationsquelle. Noch weniger gaben an, Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe oder Gesundheitsorganisation gesucht zu haben. Der Anteil von Frauen, die das Internet nutzten, war sehr gering, was darauf hindeutet, dass persönliche soziale Beziehungen für die Befragten wichtiger waren als digitale Vernetzungsformen. Allerdings muss beachtet werden, dass digitale soziale Netzwerke etwa in Form von Facebook oder Online-Foren zum Zeitpunkt der Studie eine weitaus geringere Rolle in der alltäglichen Internetnutzung spielten als heute. Wingert et al. (2005) analysierten mehrere tausend Mitteilungen in einem reproduktionsmedizinisch ausgelegten Online-Forum. Die Analyse ergab, dass ein Großteil der Mitteilungen auf psychosoziale Aspekte ausgerichtet war, wohingegen medizinische Aspekte kaum eine Rolle spielten. Interessant ist allerdings, dass die Nutzer des ausgewerteten Forums medizinische Fragen offensichtlich bevorzugt anderen Patienten stellten, anstatt Informationen von Ärzten, durch Fachpublikationen oder auf moderierten medizinischen Webseiten einzuholen.

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2 Forschungsstand

Van Selm et al. (2008) kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Sie analysierten Inhalte von Online-Chats zwischen Gesundheitsexperten und IVF-Patienten. Dabei zeigte sich, dass sich über die Hälfte der Gespräche der psychologischen Belastung der Kinderwunschtherapie widmete. Medizinische Themen wurden weit weniger häufig besprochen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass digitale soziale Netzwerke einen sozialen Raum eröffnen, der bei den Betroffenen das Bedürfnis nach Kommunikation mit anderen Patienten stillen hilft und diese somit die psychische Belastung besser verarbeiten können. Hinton et al. (2010) fanden mit einer qualitativen Befragung von 38 Personen (27 Frauen und 11 Männer zwischen 28 und 63 Jahren), die sich vor oder zum Zeitpunkt der Befragung in reproduktionsmedizinischer Behandlung befanden, heraus, dass Isolation und Angst die dominierenden Emotionen darstellen, die ungewollt kinderlose Paare empfinden. Die Befragten thematisierten die emotionalen und sozialen Folgen von Unfruchtbarkeit weit mehr als physische Aspekte, die mit der Behandlung einhergehen. Vor allem das Gefühl der Isolation von ihrem sozialen Umfeld spielte eine wichtige Rolle. Neben dem Partner scheinen Familienmitglieder und Freunde die wichtigsten Ansprechpartner für Betroffene zu sein, allerdings wurden Probleme bzgl. mangelndem Verständnisses bzw. mangelnder Empathie für die Betroffenen genannt. Schwangerschaften im Freundeskreis wurden ebenfalls als Grund für einen problematischen Umgang mit dem eigenen Leid genannt. Die Untersuchung zeigte, dass das Internet diese Gefühlslage positiv beeinflussen kann, da Betroffene anonym sowie zeitlich und räumlich flexibel auf Informationen und Erfahrungen anderer Betroffener zugreifen könnten. Dabei ermögliche das Internet eine neue Form der Kommunikation, die die „Offline-Welt“ ergänze und dabei einen Zugang zu erfahrungsbasiertem Wissen ermögliche, der ohne Internetnutzung unmöglich wäre. Die Verringerung des Isolationsgefühls sowie die Möglichkeit, über digitale soziale Netzwerke psychischen Beistand zu erfahren, sind laut der Studie Ergebnisse der Nutzung von Interaktionsplattformen im Internet. Malik und Coulson (2010) prüften ebenfalls Selbsthilfemechanismen von Online-Foren und kamen zu dem Schluss, dass die Interaktion zwischen Betroffenen in Online-Foren psychischen Beistand leisten könne und somit zunehmend als Alternative zu Offline-Selbsthilfegruppen und Erweiterung der Beratung und Behandlung von Infertilitätspatienten wahrgenommen werden müsse. In einer Analyse eines reproduktionsmedizinischen Online-Forums (wunsch kinder.net) im NeWiRe-Projekt (Vernim et al. 2015, 2016, Kapitel 5.4) wurde festgestellt, dass bei der Peer-to-Peer-Beratung neben der emotionalen die informationelle Komponente bedeutsam ist. Am häufigsten findet ein Erfahrungsaustausch statt (29 Prozent), gefolgt von Verständnisfragen (23 Prozent), häufig im Anschluss an Arztbesuche. 15 Prozent der spezifischen Themen betreffen die Medikation, 15 Prozent Testergebnisse und 13 Prozent medizinische Symptome. Kahlor und Mackert (2009) untersuchten in einer Studie mit 567 unfruchtbaren Frauen, über welche Kanäle und in welchem Maße diese sich über Infertilität informieren. Fast alle Befragten nannten das Internet als Hauptquelle, gefolgt von Büchern. Ärzte bzw. professionelle Ansprechpartner standen an dritter Stelle. Ein Großteil gab an, Online-Selbsthilfegruppen zu nutzen, aber nur etwa ein Viertel der

2.4 Die Rolle des Internets und digitaler sozialer Netzwerke

57

Frauen gab an Offline-Selbsthilfegruppen besucht zu haben. Ärzte wurden generell als gute Gesprächs- und Ansprechpartner für Fragen gesehen. Durch das Internet fühlten sich die Befragten besser informiert und empfanden die Online-Kommunikation mit anderen als Hilfe sowohl bzgl. eines Wissensgewinns als auch bzgl. emotionaler Aspekte. Zillien (2013) widmet sich in einer Studie der Nachfrage nach reproduktionsmedizinischem Wissen und Expertise, die mit den wachsenden medizinischen Möglichkeiten der Fortpflanzung einhergehen. Obwohl der behandelnde Arzt prinzipiell bei Fachfragen als der Experte galt, informierten sich betroffene Frauen und Männer zunehmend im Netz, vor allem in den zahlreichen im Internet verfügbaren Kinderwunschforen. Zillien hat in der Studie telefonische Leifadeninterviews mit ungewollt Kinderlosen geführt und ausgewertet; befragt wurden überwiegend Frauen. Dies lag allerdings nicht an einem vorher festgelegten Fokus auf weibliche Kinderlose, sondern daran, dass die „Nutzer [von Kinderwunschforen] laut Betreiberangaben zu über 90 Prozent aus Frauen bestehen“. In anderen Studien war der Frauenanteil ebenfalls überproportional groß (Andersen et al. 2012; Greil, McQuillan 2004; Hinton et al. 2010), so dass nahe liegt, dass vor allem betroffene Frauen Informationen und Erfahrungsaustausch im Internet suchen. Diese Annahme wird auch durch Haythornthwaite (2007) bestätigt; ihr zufolge nutzen Frauen das Internet wesentlich häufiger für die Recherche von Gesundheitsinformationen als Männer. Das Informationsbedürfnis der Befragten war insgesamt ausgesprochen hoch. Wesentlich scheint der Aspekt der Mündigkeit, den die meisten Patienten bei sich bestätigt sehen. Interessanterweise wurde der behandelnde Arzt als potentielle Informationsquelle an zweiter Stelle genannt, nach Internet und Online-Foren. Die Betroffenen sind besonders an medizinischen Themen (Unfruchtbarkeitsdiagnose, Nebenwirkungen von Medikamenten oder Details zu bestimmten Behandlungsmethoden) interessiert, aber auch die Fragen nach Erfolgsaussichten bestimmter Methoden oder dem allgemeinen Ablauf einer Behandlung sind von Interesse. Dabei werden die Menge an verfügbaren Informationen und die Möglichkeit der gezielten Suche nach Themen als positive Eigenschaften des Internets bewertet (Zillien 2013); das Internet wird häufig vor und nach einem Arztbesuch für die Informationssuche genutzt. Online-Foren bieten darüber hinaus den Austausch mit anderen Betroffenen, die jederzeit individuelle Anfragen beantworten. Besonders deren persönliche Erfahrungen sind für die ungewollt Kinderlosen von großer Wichtigkeit. Dabei wird der äußerst gute Informationsstand anderer Forennutzer geschätzt und der eigene Wissenszuwachs geschildert. Viele Befragte haben bereits Fachartikel gelesen und bewerten diese als seriöse Informationsquelle. Allerdings wird der Forenaustausch im Vergleich dazu als empathischer empfunden und bevorzugt, da der Bezug zum individuellen Fall leichter ersichtlich ist. Die Betroffenen in diesen Online-Foren sehen sich häufig aufgrund langer Behandlungserfahrung, umfassender Recherche und intensiver Forennutzung als Experten bezüglich der eigenen Situation und werden häufig auch als solche von anderen Forennutzern eingestuft; Foren bieten also die Verbindung zwischen sachlichen Informationen und Empathie. Genau darin scheint einer der Schlüsselfunktionen digitaler sozialer Netzwerke zu liegen, denn sie befriedigen „zwei der dringlichsten Bedürfnisse der

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2 Forschungsstand

Kinderwunschpatienten – das nach anwendungsorientiertem Fachwissen und jenes nach emotionaler Unterstützung“ (Zillien 2013, S. 191 f.). Zwar seien Foren und ihre Nutzer als verlässliche Informationsquelle sehr gefragt und trügen zur Entscheidungsfindung bezüglich Therapiefragen bei, doch stünden sie laut Zillien nicht in Konkurrenz zum behandelnden Arzt, da diesem nach wie vor die professionelle Kompetenz zugesprochen würde und medizinische Entscheidungen zusammen mit dem Arzt gefällt werden würden. Online-Foren und deren Nutzung ermöglichten den Betroffenen einen wertvollen Informationsgewinn, der den Therapieverlauf für sie maßgeblich einfacher und verständlicher gestalte. Zilliens Studie zeigt, dass digitale soziale Netzwerke als Ergänzung zur ärztlichen Expertise angesehen werden müssen, nicht als ein Ersatz – ähnliche Ergebnissen finden sich auch in anderen Untersuchungen. Sie sind bereits heute wichtige Faktoren beim individuellen Umgang mit Gesundheit und Krankheit. Digitale soziale Netzwerke ergänzen soziale Nahbeziehungen und das Verhältnis zum behandelnden Arzt und werden in Zukunft noch an Wichtigkeit zunehmen. 2.4.5 Fazit Auch wenn der vorliegende Ausschnitt existierender Forschungsergebnisse keinen vollständigen Überblick des Stands des Wissens liefern kann, lässt sich bereits auf der Basis der bisherigen Befunde feststellen, dass digitale soziale Netzwerke im Kontext der Infertilitätsbehandlung aus Sicht der (prospektiven) Patienten ein wichtiges Werkzeug sowohl zur Informationsbeschaffung als auch zur emotionalen Unterstützung darstellen. Durch ihre interaktive Funktionsweise bieten digitale soziale Netzwerke aus Nutzersicht offensichtliche Vorteile in Gestalt eines persönlicheren Zugangs zu Informationen und zu psychischem Beistand rund um die Uhr und unabhängig vom Aufenthaltsort – anders als bei Offline-Selbsthilfegruppen, die in der Regel zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort aufgesucht werden müssen. Den Informationen im Internet und in digitalen sozialen Netzen scheint oft ein höherer Grad an Authentizität und den dortigen Kommunikationspartnern ein höheres Maß an Empathie zugebilligt zu werden. Für die professionell Tätigen im Bereich der Reproduktionsmedizin könnte dies ein Hinweis auf Defizite in Bezug auf Beratung und Behandlung sein, dem in Zukunft durch eigene neue Angebote begegnet werden sollte. 2.5 RELIGION UND REPRODUKTIONSMEDIZIN Manche Religionsgemeinschaften sind bestrebt, durch soziale Normen Einfluss auf die Inanspruchnahme assistierter Reproduktion zu nehmen. Insbesondere in der katholischen Kirche wird die entsprechende Technik kritisch gesehen, wohingegen der Islam diese befürwortet, sofern keine Fremdspenden verwendet werden. Es ist jedoch wenig darüber bekannt, wie die Einstellungen zur Reproduktionsmedizin

2.5 Religion und Reproduktionsmedizin

59

oder die tatsächliche Inanspruchnahme assistierter Reproduktion mit Religion bzw. Religiosität in Zusammenhang stehen. Das anschließende Kapitel gibt einen Überblick über Religionsgemeinschaften in Deutschland im Kontext der Zunahme von Personen mit Migrationshintergrund. Nach einer allgemeinen Darstellung der religiösen Pluralisierung und der Haltung der Religionsgemeinschaften zur Reproduktionsmedizin wird auf Ergebnisse der Befragung zu „Familie, Kinder und Gesundheit“ eingegangen. Hierbei steht der Einfluss der Religion auf die Informiertheit oder die Akzeptanz der Verfahren im Mittelpunkt. 2.5.1 Religiöse Pluralisierung in Deutschland Religionsgemeinschaften In Deutschland gehören über 50 Millionen der ca. 82 Millionen Einwohner einer christlichen Kirche oder Religionsgemeinschaft an. Neben den beiden großen Kirchen, die zusammen etwa 48 Millionen Mitglieder umfassen, werden ca. 1,3 Millionen orthodoxe Christen, 331.000 Angehörige der evangelischen Freikirchen und 500.000 Gläubige anderer christlicher Gemeinden gezählt (Gabriel 2015, S. 14). Die Zahl der Mitglieder in der katholischen und evangelischen Kirche liegt 2015 jeweils bei knapp 24 bzw. knapp 23 Millionen. Nach Angaben des Zentralrats der Juden gehören ungefähr 100.000 Personen der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Die folgenden Ausführungen basieren teilweise auf den Studien „Religionsmonitor“ von Pollack und Müller (2013) sowie „Muslimisches Leben in Deutschland“ von Haug, Müssig, Stichs (2009). Die religiöse Vielfalt in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen; entscheidend geprägt wurde sie durch die Migrationsbewegungen seit den 1950er Jahren sowie die Wiedervereinigung. Direkt nach der Gründung der beiden deutschen Teilstaaten gehörten noch fast 96 Prozent der gesamtdeutschen Bevölkerung einer christlichen Kirche an, knapp 59 Prozent der evangelischen Konfession (Abbildung 18).

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2 Forschungsstand

Abbildung 18: Entwicklung religiöser Zugehörigkeiten in Deutschland (1950 bis 2010)

60 Jahre später hat sich dieses Verhältnis deutlich verschoben: Nur noch knapp 60 Prozent der Bevölkerung gehören einer christlichen Konfession an, wobei sich Katholiken und Protestanten die Waage halten. Der evangelische Bevölkerungsanteil ist also besonders stark zurückgegangen. Weitere 30 Prozent sind konfessionslos, in Ostdeutschland sogar über 70 Prozent. Sonstige Religionsgruppen haben inzwischen bei ca. zehn Prozent der Bevölkerung Anhänger; die größte dieser Gruppen bilden die (in sich wiederum sehr heterogenen) muslimischen Glaubensgemeinschaften (Pollack, Müller 2013). In Deutschland gehört somit eine Mehrheit der Bevölkerung einer der beiden großen christlichen Religionsgemeinschaften an. Die drittgrößte Religionsgemeinschaft ist der Islam. Nach offiziellen Angaben einer Studie im Auftrag der „Deutschen Islam Konferenz“ lebten Ende 2008 in Deutschland hochgerechnet etwa vier Millionen Muslime (mittlere Hochrechnung, basierend auf der Befragung „Muslimisches Leben in Deutschland“ mit einem Stichprobenumfang von 6.000 Personen mit Migrationshintergrund aus 49 mehrheitlich muslimischen Herkunftsländern, Haug, Müssig, Stichs 2009; Haug, Stichs 2015). Durch die Zuwanderungsbewegungen der jüngsten Vergangenheit ist die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime nach einer Hochrechnung Ende des Jahres 2015 auf inzwischen 4,5 Millionen (Stichs 2016) angestiegen. Bislang stellen Menschen türkischer Herkunft mit ca. 2,6 Millionen den mit Abstand größten Anteil. Aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt die zweitgrößte Herkunftsgruppe mit ca. 550.000 Personen (Abbildung 19). Der Anteil der Muslime aus dem Nahen Osten und Nordafrika ist seitdem angestiegen.

2.5 Religion und Reproduktionsmedizin

61

Abbildung 19: Muslime in Deutschland nach Herkunftsregion (2008)

Die Ergebnisse der direkten Befragung einer repräsentativen Stichprobe belegen, dass zum Teil erhebliche Anteile der Personen mit Migrationshintergrund aus den untersuchten Herkunftsländern sich nicht der Religionsgemeinschaft der Muslime zurechnen. Beispielsweise geben fast 40 Prozent der Personen mit iranischem Migrationshintergrund an, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören. Bei Personen mit türkischem Hintergrund liegt der Anteil der Muslime bei 81 Prozent und 15 Prozent gehören nach eigener Aussage keiner Religionsgemeinschaft an (Haug, Stichs 2015, S. 46). Aus anderen überwiegend muslimisch geprägten Herkunftsländern wie dem Irak oder afrikanischen Ländern sind verstärkt Angehörige religiöser Minderheiten wie Christen zugewandert. Insgesamt liegt der Anteil der Muslime bei 52 Prozent, wobei aus Zentralasien bzw. GUS praktisch keine Muslime zugewandert sind, aus der Türkei und Nordafrika ein höherer Anteil. Durchgängig wird deutlich, dass Religion und Herkunft nicht miteinander einhergehen müssen und es falsch wäre, bei Migranten von ihrem Herkunftsland oder ihrer Staatsangehörigkeit auf die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu schließen. Die größte konfessionelle Untergruppe der Muslime in Deutschland bilden die Sunniten mit 74 Prozent. Aleviten, die sich mehrheitlich als Muslime verstehen, stellen mit einem Anteil von 13 Prozent die zweitgrößte Gruppe (Abbildung 20).

62

2 Forschungsstand

Abbildung 20: Muslime in Deutschland nach Glaubensrichtung (2008)

Muslimische Migrantinnen und Migranten leben in signifikant größeren Haushalten als Angehörige anderer Religionsgemeinschaften oder Migranten generell. Sie leben durchschnittlich in Haushalten mit 3,9 Personen (Gesamtbevölkerung: 2,1). Besonders groß sind die Haushalte von Muslimen aus Südosteuropa, Süd- und Südostasien sowie dem Nahen Osten. Religiosität Aus der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft folgt nicht automatisch, dass diese auch eine bestimmende Rolle im Leben und Alltag ihrer Mitglieder spielt. Umgekehrt muss eine fehlende Bindung an eine Kirche oder Glaubensgemeinschaft nicht automatisch ein Indikator für die Abwesenheit von (subjektiver) Religiosität sein. In diesem Zusammenhang wird von einem Trend zur „Privatisierung der Religion“ (Pickel 2013) gesprochen. Für 64 Prozent der Katholiken und für 58 Prozent der Protestanten ist die Religion nach eigener Aussage ein wichtiger Teil ihres Lebens. Bei den Muslimen liegt dieser Anteil mit 89 Prozent deutlich höher. Knapp 40 Prozent der Muslime schätzen sich selbst als „ziemlich“ oder „sehr“ religiös ein. Dieser Wert liegt bei Katholiken (26 Prozent) und Protestanten (21 Prozent) weitaus niedriger. Im Alltag spielt für die Mehrheit der Anhänger aller Glaubensrichtungen die religiöse Praxis eine eher untergeordnete Rolle. So geht nur etwa ein Drittel der Katholiken regelmäßig in die Kirche. Ein ähnlicher Anteil der Muslime geht regelmäßig zum gemeinsamen Freitagsgebet. Sogar nur 18 Prozent der evangelischen

63

2.5 Religion und Reproduktionsmedizin

Gläubigen gehen regelmäßig in die Kirche. Besonders hervorzuheben sind die Ergebnisse in Bezug auf „Synkretismus“11 und „Dogmatismus“12: Katholiken und evangelische Glaubensanhänger ähneln sich hier stark, während bei den Muslimen der Anteil der Synkretisten fast doppelt so hoch, der Anteil der Dogmatiker sogar fast viermal so hoch ist. Knapp 40 Prozent der Muslime in Deutschland räumen ihrer Religion ein Wahrheitsmonopol ein. Gleichzeitig greifen über 40 Prozent auf die Lehren verschiedener religiöser Traditionen zurück. Letzteres lässt auf eine große Heterogenität in Glaubensfragen innerhalb der muslimischen Bevölkerung schließen. In der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland“ (Haug, Müssig, Stichs 2009) wurden ähnliche Befunde festgestellt. Die Studie gibt darüber hinaus differenziertere Auskünfte über die muslimische Glaubensgemeinschaft im Speziellen: Die Mehrheit der Muslime bezeichnet sich auch hier als stark oder eher gläubig. Besonders bei türkischstämmigen und nordafrikanischen Muslimen ist die Religiosität stark ausgeprägt, bei iranstämmigen dagegen kaum. Muslimische Frauen bezeichnen sich im Vergleich zu Männern tendenziell als gläubiger. 2.5.2 Religionsgemeinschaften und Reproduktionsmedizin Einen umfassenden Überblick zu den Einstellungen der verschiedenen Strömungen der Weltreligionen Islam, Christentum, Judentum, Hinduismus, Buddhismus zu reproduktionsmedizinischen Verfahren liefern Sallam und Sallam (2016). Wie in Tabelle 2 zu sehen ist, gibt es hierbei Unterschiede in der Bewertung (Sallam, Sallam 2016, S. 47)13. Tabelle 2: Zustimmung zu reproduktionsmedizinischen Verfahren bei Religionsgemeinschaften Religion

IUI

IVF/ICSI

PiD

Leihmutter

Gametenspende

Fetale Reduktion

Katholisch

Nein

Nein

Nein

Nein

Nein

Nein

Orthodox

Ja

Nein

Nein

Nein

Nein

Nein

Protestantisch

Ja

Ja

Nein

Nein

Nein

Nein

Anglikanisch

Ja

Ja

Nein

Nein

Nein

Nein

Koptisch

Ja

Ja

Ja

Nein

Nein

Nein

Jüdisch

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Sunnitischer Islam

Ja

Ja

Ja

Wird debattiert

Nein

Ja

11 Synkretische Religiosität bezeichnet eine Mischform aus verschiedenen Glaubenslehren. 12 Dogmatische Religiosität bezeichnet als Gegensatz zum Synkretismus eine starke Orientierung an einer Religion und deren Lehren. 13 IUI: Intrauterine Insemination. IVF/ICSI: In-vitro-Fertilisation / Intrazytoplasmatische Spermieninjektion. PID: Präimplantationsdiagnostik. Gametenspende: Eizellspende oder Samenspende. Fetale Reduktion: Entfernen zusätzlicher Embryonen, um die Schwangerschaft auf ein oder zwei Babys zu reduzieren.

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2 Forschungsstand

Religion

IUI

IVF/ICSI

PiD

Leihmutter

Gametenspende

Fetale Reduktion

Schiitischer Islam

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Hinduismus

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Buddhismus

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Japan

Ja

Ja

Ja

Nein

Nur Spermien

Ja

China

Ja

Ja

Ja

Nein

Nein

Ja

Quelle: Sallam, Sallam 2016, S. 47. Eigene Übersetzung.

Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Sichtweise der Religionsgemeinschaften, die in der Bundesrepublik Deutschland die meisten Mitglieder bzw. Anhänger aufweisen. Dies sind die römisch-katholische und die evangelische Kirche sowie der Islam. Christliche Kirchen Die christlichen Strömungen haben unterschiedliche Einstellungen zur Reproduktionsmedizin. Während der Vatikan die assistierte Reproduktion grundlegend ablehnt, bieten protestantische Religionsgemeinschaften hierzu ein heterogenes, teilweise sogar widersprüchliches Meinungsbild. Römisch-katholische Kirche Der Standpunkt des Vatikans ist eindeutig: Der Einsatz der Reproduktionsmedizin als Ersatz für den „ehelichen Akt“ wird nicht akzeptiert. Aktuelle Grundlage ist bis heute die „Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung“ der Kongregation für die Glaubenslehre (Ratzinger 1987). Demnach ist eine Befruchtung ausschließlich als Resultat des sexuellen Aktes zwischen Eheleuten erlaubt. Ein Kind darf nur durch einen natürlichen „Akt der Liebe“ gezeugt werden (Schenker 2005). Daraus folgt ein Verbot von IVF-Methoden, Leihmutterschaften und dem Einfrieren von Embryos zur späteren Übertragung. Eine assistierte Insemination mit den Spermien des Ehemannes wird ebenfalls nicht akzeptiert, weil dadurch der eheliche Akt ersetzt wird. Hinzu kommt die Tatsache, dass im Zuge einer IVF-Behandlung überzählige Embryonen vernichtet werden könnten, was gemäß katholischer Auffassung einer verbotenen Abtreibung gleichkäme. Auch das Einfrieren überzähliger Embryonen (Kryokonservierung) wird abgelehnt, da es die Embryonen „schwerwiegenden Gefahren des Todes oder der Schädigung ihrer physischen Integrität aussetzt, sie zumindest zeitweise der mütterlichen Aufnahme und Austragung entzieht und sie einer von weiteren Verletzungen und Manipulationen bedrohten Lage aussetzt“ (Ratzinger 1987).

2.5 Religion und Reproduktionsmedizin

65

Das „moralische Verbot“ heterologer künstlicher Befruchtung (Kapitel 2.1) wird mit Verweis auf die „Würde der Eheleute“ und die „Wahrheit der Ehe“ begründet, da es durch den Rückgriff auf Keimzellen einer dritten Person zu einem „Bruch der gegenseitigen Verpflichtung der Eheleute“ komme und die „Einheit der Ehe“ verletzt würde (Ratzinger 1987). Darüber hinaus verletzten diese Methoden die Rechte des Kindes und beraubten es seiner elterlichen Ursprünge. Es komme zu einem „Bruch zwischen genetischer Elternschaft, Austragungselternschaft und Erziehungsverantwortung“. Die künstliche Befruchtung einer unverheirateten Frau gilt ohnehin als moralisch nicht zu rechtfertigen. Folgerichtig werden sämtliche heterologen Methoden als moralisch unerlaubt beurteilt. Auf gleicher Grundlage wird auch die Ersatz- bzw. Leihmutterschaft abgelehnt. Heterologe Methoden widersprechen also nach katholischer Sicht der Einheit der Ehe, der Würde der Eheleute, der Bestimmung der Eltern sowie dem Recht des Kindes, in einer Ehe gezeugt und geboren zu werden. Zusätzlich werden Probleme bezüglich der Abstammung und der Entwicklung der persönlichen Identität gesehen. Daraus folgt die Ablehnung jeglicher Verwendung von Eizell- und Samenspenden Dritter sowie der künstlichen Befruchtung unverheirateter Frauen oder Witwen (Schenker 2005). Die Umstände einer homologen In-vitro-Befruchtung werden zwar weniger kritisch gesehen (Ratzinger 1987): „Man fragt sich, ob in diesen Situationen nicht die Gesamtheit des ehelichen Lebens genüge, um die der menschlichen Fortpflanzung entsprechende Würde zu sichern. […] falls es unmöglich wäre, die Sterilität, die Ursache von Leid ist, anders zu beheben, kann dann die homologe In-vitro-Befruchtung nicht eine Hilfe, ja sogar eine Therapie darstellen, und kann deshalb dann nicht deren moralische Zulässigkeit angenommen werden?“

Dennoch werden diese nicht als ausreichend für eine moralisch anderslautende Bewertung angesehen. Das Verfahren an sich gilt weiterhin als inakzeptabel, da es die Einfrierung oder gar Zerstörung menschlicher Embryonen (aus katholischer Sicht Abtreibungen) beinhalten könnte (s. o.) sowie eine Trennung von „ehelichem Akt“ und Fortpflanzung darstellt. Darüber hinaus würden dabei Fortpflanzung und Embryo den Medizinern und Biologen anvertraut, es komme zu einer „Herrschaft der Technik über Ursprung und Bestimmung der menschlichen Person.“ Demnach bliebe das IVF-Verfahren selbst dann moralisch nicht erlaubt, wenn es keine Verbindungen zu Abtreibungen durch Zerstörung von Embryonen oder zur Masturbation gäbe. Auch die den ehelichen Akt ersetzende homologe künstliche Insemination wird abgelehnt, da hier ebenfalls eine Trennung von Akt und Fortpflanzung vorliegt und außerdem Masturbation seitens des Ehemanns vonnöten ist. Falls technische Hilfsmittel den ehelichen Akt nicht ersetzen, sondern lediglich unterstützen, sind sie zulässig. Das Leid ungewollt kinderloser Paare ist demnach zwar anzuerkennen und zu verstehen. Die Ehe bringt aber, so der Vatikan, kein Recht auf Nachwuchs mit sich (Schenker 2000). Ein Kinderwunsch ist demnach „ein negatives, kein positives Recht“ (Mieth 2011). Mediziner dürfen die Eheleute beratend unterstützen, jedoch nicht aktiv als „Babymacher“ in den eigentlichen Vorgang der Befruchtung eingreifen.

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2 Forschungsstand

Evangelische Kirche Für die evangelische Kirche existiert kein weltlich-religiöses Oberhaupt, Hierarchien spielen eine weitaus geringere Rolle als etwa im Katholizismus. Das individuelle Gewissen und das Recht auf persönliche Selbstbestimmung haben im Protestantismus einen hohen Stellenwert. Im evangelischen Christentum existieren zur Reproduktionsmedizin deshalb unterschiedliche Auffassungen. In diesem Beitrag wird die Position der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) betrachtet, da diese in Deutschland bezogen auf die Mitgliederzahl die größte Relevanz besitzt (REMID 2015). In offiziellen Stellungnahmen äußern sich Vertreter der EKD gegenüber der (homologen) Reproduktionsmedizin zwar nicht kategorisch ablehnend, raten aber von ihrer Nutzung ab. Heterologe Methoden werden aus ethischen Gründen abgelehnt. Hierbei muss erwähnt werden, dass Vertreter der akademischen evangelischen Ethik sich teilweise deutlich aufgeschlossener geben (Körtner 2010; Kreß 2011). International gelten protestantische Konfessionen gegenüber homologen Methoden der Reproduktionsmedizin als eher liberal (Schenker 2005). Die weiterhin maßgeblichen Publikationen der EKD zum Thema sind die Handreichung „Von der Würde werdenden Lebens“ von 1985 sowie die Kundgebung „Zur Achtung vor dem Leben – Maßstäbe für Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin“ der Synode von 1987. Zeugung und Geburt gehören demnach auch für die EKD, dem christlichen Verständnis entsprechend, in den Kontext von Liebe und Ehe. Dieser Zusammenhang werde getrennt, wenn der Zeugungsakt durch medizinische Eingriffe ersetzt wird. Ein Kind habe ein Anrecht darauf, dass seine leibliche Mutter auch seine genetische ist. Außerdem habe es einen Anspruch darauf, zu wissen, wer seine leiblichen Eltern sind, weshalb anonyme Keimzellspenden abgelehnt werden. Bezüglich der IVF wird auch von der EKD die Problematik der möglichen Vernichtung überzähliger Embryonen gesehen, was dem „Schutz des werdenden menschlichen Lebens“ widerspräche. Allerdings wird die Technik deshalb nicht rundweg abgelehnt. Es wird aber auf den ethischen Konflikt hingewiesen und entsprechend hohes Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten eingefordert (Evangelische Kirche in Deutschland 1987): „Der medizinische Eingriff mutet eine größere Verantwortungslast zu als die natürliche Zeugung. Gewichtige Gründe lassen zu einer generellen Zurückhaltung raten: Bei einer extrakorporalen Befruchtung geht der Zusammenhang des Werdens menschlichen Lebens mit der leib-seelischen Ganzheit des Zeugungsvorgangs verloren. Nur begrenzt lässt sich sicherstellen, daß der Kinderwunsch dem vorrangigen Recht des Kindes in zureichendem Umfang Rechnung trägt. Unzählige Embryonen müssen sterben. Achtung vor der Würde und Individualität des Menschen müssen bei jeder Entscheidung den obersten Grundsatz bilden.“

Zusätzlich zu den Vorbehalten gegenüber künstlicher Befruchtung im Allgemeinen werden heterologe Methoden auch hier mit Verweis auf den „Einbruch in die Ehe“ und die „Verletzung der Ausschließlichkeit ehelicher Beziehungen“ abgelehnt. Mögliche Spannungen in der ehelichen Beziehung, wenn der Vater des Kindes nicht der Ehemann und Familienvater ist, werden angesprochen. Eine heterologe

2.5 Religion und Reproduktionsmedizin

67

extrakorporale Befruchtung wird, analog der Einschätzung der katholischen Kirche, ethisch ausgeschlossen. Islam Der sunnitische Islam (dem etwa drei Viertel der in Deutschland lebenden Muslime angehören) kennt keine übergeordnete juristisch-religiöse Autorität14. Das göttliche Gesetz („Sharia“) ist für praktizierende Muslime die grundlegende Vorgabe für ihre Handlungen, basierend auf vier Quellen (Atighetchi 2000): 1. Dem Koran, der als das direkte Wort Gottes angesehen wird. 2. Den Traditionen („hadith“) des Propheten Mohammed. 3. Dem ununterbrochenen und einstimmigen Konsens der islamischen Rechtsgelehrten (Mufti, Ulama, Fuqaha) und/oder der Gläubigen. 4. Der Ableitung über Analogien. Für Situationen, die nicht klar durch den Koran oder die Sharia geregelt sind, können sich Gläubige an einen Rechtsgelehrten wenden, der ein Rechtsgutachten („Fatwa“) erstellen kann. Islamische Pflichten werden von einzelnen Muslimen sehr unterschiedlich praktiziert, es existiert eine große Spannbreite. Für säkulare Muslime spielen sie kaum eine Rolle, praktizierende Muslime hingegen richten ihr Leben stark daran aus (dazu auch Haug, Müssig, Stichs 2009, S. 134 ff.). Hinzu kommen unterschiedliche Sitten, Einflüsse aus dem Volksglauben und diverse traditionelle Praktiken (David, Ilkilic 2010). In den primären Quellen der Sharia wird eine künstliche bzw. assistierte Form der Fortpflanzung nicht erwähnt. Allerdings verfestigen diese Quellen die Wichtigkeit der Ehe, der Familiengründung sowie der Fortpflanzung (Schenker 2005). Kinder werden als Gottesgeschenk erachtet (Atighetchi 2000). Diese Wertschätzung führt auch zu einer durchaus positiven Einstellung gegenüber der modernen Reproduktionsmedizin, die sich in der islamischen Welt rasant verbreitet (David, Ilkilic 2010). Dabei spielt sicher eine Rolle, dass eine Adoption im Islam, im Gegensatz zum Christentum, nicht als akzeptable Alternative gilt (Schenker 2005). Es bestehen also mehrheitlich keine Vorbehalte dagegen, dass betroffene verheiratete Paare ART in Anspruch nehmen; ob IVF, Spermienübertragung oder andere Techniken. Es muss aber sichergestellt sein, dass Eizelle und Spermien von den Ehepartnern stammen (Schenker 2000). Jede Vereinigung von Gameten außerhalb der Ehe, ob nun auf „natürliche“ Art und Weise oder mittels der Medizin, wird als Ehebruch angesehen und ist verboten (dazu auch Serour, Dickens 2001). Wenn die Ehe durch Scheidung oder den Tod des Ehemanns beendet wurde, dürfen seine Spermien nicht mehr für eine künstliche Befruchtung der Ex-Frau bzw. Witwe verwendet werden (Schenker 2005). 14 Die folgenden Ausführungen fokussieren die Sichtweisen im sunnitischen Islam. Im schiitischen Islam gibt es seit einigen Jahren teilweise deutlich abweichende Auffassungen, insbesondere bezüglich Samen- oder Eizellspenden von Dritten (dazu ausführlich Inhorn 2006).

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2 Forschungsstand

Ungewollte Kinderlosigkeit kann eine gesellschaftliche Stigmatisierung nach sich ziehen, da das erfolgreiche Gebären und die Fähigkeit, Kinder zu empfangen, eine große Bedeutung sowohl für das Selbstbild der Frauen als auch für ihr Ansehen in der Gemeinschaft haben (David, Ilkilic 2010). Deshalb schadet die Sterilität meist dem sozialen Ansehen, der Position und dem Selbstvertrauen insbesondere der Frauen, deren soziale Rolle traditionell stark mit ihrer Fähigkeit zur Fortpflanzung verbunden ist (Atighetchi 2000). Die externen Erwartungshaltungen und die Angst vor dauerhafter Kinderlosigkeit bringen z. B. türkeistämmige Paare dazu, sich deutlich früher um medizinische Hilfe zu bemühen und auch zu invasiven Eingriffen bereit zu sein (Çil 2008; Weblus et al. 2014). Insgesamt ist die Einstellung des Islam zur Reproduktionsmedizin positiv, solange das betroffene Paar verheiratet ist, eine Beteiligung Dritter ausgeschlossen ist, beide Ehepartner einwilligen und die Gesundheit der Mutter nicht gefährdet wird. Für Fachkräfte im Gesundheitswesen ist die Betreuung und Behandlung von Muslimen heute meist Arbeitsalltag. Dennoch zeigen sich immer wieder sprachliche und kulturelle Probleme, die eine optimale Versorgung behindern. Grundkenntnisse über den islamischen Glauben und dessen praktische Konsequenzen im Krankheitsfall sind deshalb hilfreich und erforderlich (David, Ilikilic 2010).

3 PERSPEKTIVE VON FRAUEN MIT UND OHNE MIGRATIONSHINTERGRUND 3.1 EINLEITUNG 3.1.1 Stand der Forschung Wie bereits in Kapitel 2 erwähnt, liegen bislang auch im internationalen Raum nur wenige Befunde zum Thema reproduktionsmedizinischer Behandlung bei Frauen oder Paaren mit Migrationshintergrund vor (Weblus et al. 2014, S. 113). In den letzten Jahren wurde auf internationaler Ebene, insbesondere im nordamerikanischen Raum, eine Reihe von Untersuchungen zum Wissensstand sowie zu Einstellungen verschiedener Populationen zum Thema Fertilität im Allgemeinen sowie zu Reproduktionsmedizin bzw. Assisted Reproductive Technology (ART) im Speziellen durchgeführt (Kapitel 2.3). Die Arbeiten von Bunting et al. (2013) und Hampton et al. (2013) sind exemplarisch zu nennen, speziell zum Wissensstand auch Daniluk et al. (2012) und Tough et al. (2006) sowie zu den Einstellungen gegenüber ART Daniluk und Koert (2012). Das Wissen und die Einstellungen speziell der deutschen Bevölkerung haben Stöbel-Richter et al. (2008; 2012) näher untersucht. Ferner geben die repräsentativen Studien im Auftrag des BMFSFJ (Wippermann 2014 und Smidt, Wippermann 2014) zu gewollt und ungewollt kinderlosen Frauen und Männern mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland einen Einblick in Bekanntheit, Akzeptanz und Nutzungsbereitschaft reproduktionsmedizinischer Behandlungen und insbesondere psychosozialen Beratungsangeboten bei unerfülltem Kinderwunsch. Die Studie differenziert jedoch nicht nach Herkunftsland oder Religion. Auch das gesellschaftliche Wissensniveau, das Meinungsklima oder die Nutzung digitaler Medien in der Allgemeinbevölkerung ist anhand der Daten nicht zu analysieren. Die Längsschnittstudie von Paaren in Kinderwunschbehandlung, die sogenannte PiNK-Studie, zielt ebenfalls insbesondere auf den Bekanntheitsgrad psychosozialer Unterstützungsangebote ab (Passet-Wittig et al. 2014, 2016, 2016a; Passet-Wittig, Schneider 2016; Passet-Wittig 2017). Die Schwerpunkte des NeWiRe-Projekts, Frauen mit Migrationshintergrund, Wissenstransfer und digitale Medien, stehen in der PiNK-Studie nicht im Fokus. Das Thema „Wissen und Einstellungen zu Reproduktionsmedizin und Fertilität“ ist angesichts der demografischen Entwicklung besonders deshalb von Interesse, weil davon ausgegangen wird, dass mangelndes Fertilitätswissen und unrealistische Vorstellungen über die Möglichkeiten und Grenzen der Reproduktionsmedizin einen Beitrag zur steigenden Prävalenz ungewollter Kinderlosigkeit leisten. Daten zu ungewollter Kinderlosigkeit sind schwer zu erhalten. Verschiedene Studien schätzen auf Grundlage der Nachfrage nach reproduktionsmedizinischen Behandlungen die Quote auf etwa 10 bis 14 bzw. 15 Prozent (Trappe 2013, S. 344).

70

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Nach Selbsteinschätzung von Befragten im deutschen Beziehungs- und Familienpanel (pairfam) waren 2008/9 in der Altersgruppe der 35- bis 39-jährigen 8 Prozent der Frauen und Männer körperlich unfruchtbar (Trappe 2013, S. 345). Passet-Wittig et al. (2016, S. 83) geben auf der Grundlage von Berechnungen von pairfam-Daten für die 1981–1983 geborenen Frauen eine Punktprävalenz von Infertilität von 6,3 Prozent an, für zwischen 1971–1973 geborenen Frauen von 7,9 Prozent. Für die jeweiligen Altersgruppen bei den Männern werden niedrigere Werte angegeben (4,8 bzw. 7,5 Prozent). Ferner wird, nach soziodemografischen Variablen differenziert, eine Analyse vorgenommen, welche Faktoren das Fertilitätsrisiko erhöhen (Passet-Wittig et al. 2016, S. 85 f.). Auf der Grundlage einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage gibt Wippermann (2014, S. 21) einen Anteil von 30 Prozent der Gesamtbevölkerung ab 20 Jahren an, der keine eigenen leiblichen Kinder hat. In der Grundgesamtheit kinderloser Frauen und Männer der Repräsentativbefragung von Kinderlosen, kurz DELTA-Kinderlosenstudie, im Alter zwischen 20 und 50 Jahren befinden sich 25 Prozent, die ungewollt kinderlos sind mit dem „momentanen Wunsch nach einem Kind“ (Wippermann 2014, S. 49). Verschiedene Studien machen die Defizite im Wissensstand der Bevölkerung über die menschliche Fertilität deutlich. Dies gilt für Deutschland genauso wie für andere Länder. Als besonders problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang das fehlende Bewusstsein für die große Altersabhängigkeit der (weiblichen) Fruchtbarkeit: In der Studie von Stöbel-Richter et al. (2012, S. 4) wurde die beginnende Abnahme der weiblichen Fertilität nur von 14,3 Prozent der 18- bis 50-jährigen Bevölkerung korrekt im Alter von 25 bzw. 30 Jahren15 verortet. Möglicherweise wird so der eigene Kinderwunsch im überzogenen Vertrauen auf die eigene Fertilität aufgeschoben. Dies wird durch Ergebnisse der DELTA-Kinderlosenstudie bestätigt, wonach auch bei lange unerfülltem Kinderwunsch das Zutrauen in die eigene Fertilität insbesondere bei Männern anhält. Selbst 27 Prozent der 40- bis 50-jährigen Frauen hegen keinen Zweifel an ihrer Fertilität (Wippermann 2014, S. 104 ff.). Nach wie vor hält der Trend zum Anstieg des Alters bei der Geburt des ersten Kindes an (Pötzsch 2013, S. 63). Aus einer freiwilligen kann so in vielen Fällen eine ungewollte Kinderlosigkeit werden. So ergab eine Studie über 273 Paare, die 1994/95 reproduktionsmedizinische Behandlung in Anspruch genommen haben, den Aufschub des Kinderwunsches in einer bestehenden Partnerschaft als Hauptgrund für die reproduktionsmedizinische Behandlung. 62 Prozent haben den Kinderwunsch „jahrelang verschoben und sich dann, bei Entscheidung für ein Kind, überwiegend in einem Lebensalter mit geringerer Konzeptionsfähigkeit befunden“ (Onnen-Isemann 2000a, S. 5; Smidt, Wippermann 2014, S. 11; Wippermann 2014, S. 12).

15 In der zitierten Studie von Stöbel-Richter et al. (2012) wird nur die Antwort „ab 25 Jahre“ als korrekt angesehen. In diesem Fall hätten sogar nur drei Prozent der Befragten eine richtige Einschätzung abgegeben. In anderen Quellen wird der graduelle Rückgang der weiblichen Fertilität allerdings erst ab einem Alter von 30 Jahren verortet (Kentenich, Weblus 2014, S. 18; Leridon 2004).

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

71

3.1.2 Fragestellung der Studie Als mögliche Einflussfaktoren für das Wissen über und die Einstellungen zu Fertilität und reproduktionsmedizinische Methoden wurden in bisherigen Studien das Geschlecht (Frauen verfügen zur Thematik tendenziell über größeres Wissen als Männer), der formale Bildungsgrad und die ökonomische Situation fokussiert. Durch die repräsentative Telefonbefragung im Projekt NeWiRe werden die überprüften potenziellen Einflussfaktoren durch Fragen zum Migrationshintergrund sowie zur Religionszugehörigkeit um kulturelle, ethnische und Sozialisationsaspekte erweitert. Kapitel 3.3 beginnt mit der Analyse der soziodemografischen Daten der NeWiRe-Studie. Die Einstellungsfragen zum Themenkomplex „Familie, Kinder und Gesundheit“ (Kapitel 3.3.2) lassen Rückschlüsse auf das Frauen- und Familienleitbild sowie allgemeine Lebensziele der befragten Frauen zu. Hier wird insbesondere der Bedeutung von Religion für die Familienplanung Rechnung getragen. In Bezug auf Einstellungsfragen zu reproduktionsmedizinischen Methoden (Kapitel 3.3.3) knüpft die Befragung an die Studie von Stöbel-Richter et al. (2012) an, differenziert die abgefragten Handlungsoptionen im Falle einer ungewollten Kinderlosigkeit jedoch weiter aus: Statt drei Handlungsoptionen (Nutzung aller reproduktionsmedizinischer Techniken, Adoption, Abfinden mit Kinderlosigkeit) werden die relevanten Techniken der Fortpflanzungsmedizin einzeln abgefragt: Welche Methoden assistierter Reproduktion sind den Zielgruppen bekannt? Wie beurteilen sie diese? Es wurde von der These ausgegangen, dass die hinsichtlich ihrer Invasivität und der genetischen Verbindung zwischen Eltern und Kindern sehr unterschiedlichen Methoden der Reproduktionsmedizin auf entsprechend unterschiedliche Akzeptanz stoßen. Kapitel 3.3.4 beinhaltet schließlich die Fragestellung, welche Informationskanäle Frauen nutzen, sich über medizinische Themen und Gesundheitsthemen Wissen zu beschaffen. In Kapitel 3.4 werden vertiefende Analysen zu Determinanten von Wissen und Akzeptanz (Kapitel 3.4.1) sowie zur Bedeutung von Religion (Kapitel 3.4.2) vorgenommen. 3.2 METHODENBERICHT ZUM TELEFONSURVEY „FAMILIE, KINDER UND GESUNDHEIT“ 3.2.1 Studiendesign Die Zielsetzung der Telefonbefragung zu den Themen „Familie, Kinder und Gesundheit“ war das Wissen und die Einstellungen von Frauen mit Migrationshintergrund über die Techniken der Reproduktionsmedizin zu erheben. Neben allgemeinen Fragen zum Migrationshintergrund, zur Familienbildung und Einstellungen zur Familie wurde beleuchtet, welche Methoden assistierter Reproduktion den Zielgruppen der Studie bekannt sind, wie sie diese beurteilen und wie sie sich über Medizin- und Gesundheitsthemen informieren.

72

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Im Auftrag des Instituts für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung (IST) an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) führte das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft dazu eine telefonische Befragung von Frauen mit Migrationshintergrund im Alter von 18 bis 50 Jahren durch. In einem quasi-experimentellen Forschungsdesign wurden fünf Untersuchungsgruppen, ausgewählt nach dem Kriterium Migrationshintergrund, verglichen. Die Zielgruppe der Befragung waren Frauen aus den vier in Deutschland meist verbreiteten ausländischen Herkunftsregionen (Ex-Sowjetunion, Ex-Jugoslawien, Türkei, Polen) sowie Frauen ohne Migrationshintergrund als Vergleichsgruppe. Die Stichprobe wurde zufällig aus dem Telefonverzeichnis gezogen, wobei für die Identifikation potentieller Interviewpartnerinnen aus den ausländischen Herkunftsregionen auf Methoden der Onomastik zurückgegriffen wurde. Der Fragebogen wurde in vier Sprachen (russisch, serbokroatisch, polnisch, türkisch) übersetzt, um auch Frauen ohne ausreichenden Deutschkenntnissen eine Teilnahme zu ermöglichen. Nach einem deutschsprachigen Pretest (n = 30), in dem die Feldfähigkeit der Befragung getestet wurde, folgte die Hauptstudie. Diese bestand aus computergestützten Telefoninterviews (CATI) und wurde zwischen dem 29.10.2014 und dem 24.01.2015 durchgeführt. Am Ende stand ein Datensatz von 1.001 auswertbaren Interviews. 3.2.2 Stichprobenziehung Die Grundgesamtheit bilden die in Deutschland in Privathaushalten lebenden Frauen mit Migrationshintergrund im Alter zwischen 18 und 50 Jahren aus den Herkunftsregionen Türkei, Polen, Ex-Jugoslawien und Ex-Sowjetunion. Personen mit Migrationshintergrund Informationen über Größe und Zusammensetzung der Personen mit Migrationshintergrund bietet seit 2005 der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes. Für die vorliegende Studie wurden die vier größten Gruppen nach Herkunft bzw. Sprachgruppe berücksichtigt (siehe Kapitel 2.2). Dies deckt etwa die Hälfte der in Deutschland lebenden Frauen mit Migrationshintergrund ab. Die Interviews sollten mit Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren durchgeführt werden, d. h. es war ein Screening nach Geschlecht und Alter erforderlich. Onomastisches Stichprobenziehungsverfahren Bei der Stichprobenziehung für Personen mit Migrationshintergrund hat sich das onomastische (namensbasierte) Verfahren seit längerem bewährt. Die Herausforderung bei einer onomastischen Stichprobe besteht darin, anhand des Namens möglichst treffgenau Personen bestimmter Herkunftsländer herauszufiltern. Weit entwi-

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

73

ckelt wurde dieses Verfahren von Humpert und Schneiderheinze (2000, 2002). Mit der Stichprobenziehung wurde Prof. Dr. Schnell beauftragt, der diese in Zusammenarbeit mit Dr. Andreas Humpert und Klaus Schneiderheinze GbR durchgeführt hat. Durch Erprobung neuer Verfahren unter Verwendung von Vor- und Nachnamen konnte er mit seinem Team sehr gute Trefferquoten erreichen (Schnell et al. 2011; Schnell et al. 2013). Anwendungsfelder des onomastischen Verfahrens sind Studien zur Migrations- und Integrationsforschung, bei denen die Stichprobe nicht auf Basis der Staatsangehörigkeit, sondern auf Basis des Migrationshintergrunds gezogen werden soll. Dies ist in Deutschland nicht nur aufgrund der hohen Zahl an Aussiedlern erforderlich (dazu Salentin 2007), sondern generell aufgrund hoher Einbürgerungsquoten bei vielen Zuwanderergruppen. Ein Beispiel ist die Befragung von Personen mit Migrationshintergrund aus mehrheitlich muslimischen Herkunftsländern (Haug, Müssig, Stichs 2009). Je nach Migrationshintergrund lassen sich mit dem onomatischen Verfahren unterschiedliche Trefferquoten erzielen. Diese hängen einerseits von der Trennschärfe des Namensverfahrens ab, andererseits, und besonders im Fall der Befragung von Frauen, auch von der Häufigkeit binationaler Ehen und Änderungen des Nachnamens. Die Trefferquote onomastischer Verfahren variiert zudem nach Herkunftsländern. Nach bisherigem Stand der Forschung funktioniert es am besten für türkische und am schlechtesten für russische Migranten (Schnell et al. 2011). Durch ein neueres Verfahren, welches Vor- und Nachnamen kombiniert, konnte die Trefferquote entscheidend verbessert werden und die Fehlerrate bei der Klassifikation ausländischer Staatsangehörigkeiten (am Beispiel Türkei, Russland, Italien, Polen, ehemaliges Jugoslawien und Griechenland) mit Hilfe des Namensverfahrens auf 6 Prozent und für die Klassifikation des Migrationshintergrunds auf 10 Prozent gesenkt werden. Ehen zwischen ausländischen Männern und deutschen Frauen, bei denen der Telefonanschluss über den Namen des Mannes läuft bzw. bei dem die Frauen den ausländischen Namen des Mannes angenommen haben, verringern die Trefferwahrscheinlichkeit und erhöhen die Quote der fälschlich ausgewählten Frauen. Mit Abstand am häufigsten geschieht dies bei Männern mit italienischem Migrationshintergrund, die zu 34 Prozent mit deutschen Frauen verheiratet sind (Haug 2010, 2011, Daten: Mikrozensus 2008). Bei den meisten anderen Gruppen, insbesondere Personen mit türkischem Migrationshintergrund, ist der Anteil der deutsch-ausländischen bzw. interethnischen Ehen weitaus geringer. Eine zweite Ausnahme sind Ehen mit einem deutschen Partner ohne Migrationshintergrund bei 29 Prozent der polnischen Frauen in Deutschland. Es wurde deshalb in der vorliegenden Studie eine nicht zu verhindernde Untererfassung polnischer Frauen mit deutschen Ehemännern durch das onomastische Verfahren erwartet.

74

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Auswahlrahmen und Stichprobenziehung Vorgesehen war die Befragung von 1.000 Frauen auf Basis einer disproportional mehrschichtig gezogenen Stichprobe mit jeweils etwa gleich vielen Befragten aus den vier Herkunftsgruppen Türkei, ehemalige Sowjetunion, ehemaliges Jugoslawien und Polen. Es wurde erwartet, damit jeweils etwa 200 Frauen der Zielgruppe zu erreichen, wobei zusätzlich etwa 200 Frauen ohne Migrationshintergrund als Vergleichsgruppe befragt werden. Die Auswahlrahmen wurde gebildet, indem mithilfe der Onomastik den Privathaushalten im aktuellen Telefonverzeichnis eine regionale Herkunft bzw. ein spezifischer Migrationshintergrund im Sinne des Mikrozensus zugeordnet wurde (Tabelle 3, Tabelle 4, Tabelle 5, Tabelle 6). Aus dem Auswahlrahmen wurde jeweils eine regional geschichtete Zufallsstichprobe gezogen. Die regionale Schichtung der Bundesländer basierte auf der Verteilung der Personen mit entsprechendem Migrationshintergrund im Bundesgebiet. Durch dieses Vorgehen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit deutlich, Frauen aus den gewünschten Herkunftsregionen am Telefon zu erreichen. Es kommt aber trotzdem vor, dass auch Frauen ohne Migrationshintergrund angerufen werden. Da diese Frauen für die späteren Analysen als Vergleichsgruppe dienen sollten, wurden auch sie befragt. Tabelle 3: Auswahlrahmen für türkeistämmige Befragte Bundesland Schleswig-Holstein Hamburg Niedersachsen Bremen Nordrhein-Westfalen Hessen Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Bayern Saarland Berlin Neue Bundesländer Deutschland

Anzahl

Prozent

Haushalte

Auswahlgrundlage Telefonanschlüsse

60.000

2,0

25

3.263

93.000

3,1

39

3.595

221.000

7,4

92

12.845

49.000

1,6

20

2.569

1.019.000

34,0

425

55.091

283.000

9,4

118

19.017

122.000

4,1

51

8.042

508.000

16,9

211

33.588

377.000

12,6

158

25.620

23.000

0,8

10

1.326

218.000

7,3

91

7.450

25.000

0,8

10

1.176

2.998.000

100,0

1.250

173.582

Quelle: Humpert/Schneiderheinze Gbr, Statistisches Bundesamt 2014

75

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“ Tabelle 4: Auswahlrahmen für Befragte aus der ehemaligen Sowjetunion Bundesland

Anzahl

Prozent

Haushalte

Auswahlgrundlage Telefonanschlüsse

Schleswig-Holstein

87.000

3,0

37

2.981

Hamburg

67.000

2,3

29

1.564

373.000

12,7

159

16.688

32.000

1,1

14

1.165

Nordrhein-Westfalen

713.000

24,3

305

29.035

Hessen

240.000

8,2

102

10.697

Rheinland-Pfalz

203.000

6,9

86

8.573

Baden-Württemberg

463.000

15,8

197

19.875

Bayern

394.000

13,5

169

18.089

Niedersachsen Bremen

Saarland

34.000

1,2

15

1.389

Berlin

112.000

3,8

47

3.120

Neue Bundesländer

211.000

7,2

90

6.885

2.929.000

100,0

1.250

120.061

Deutschland

Quelle: Humpert/Schneiderheinze Gbr, Statistisches Bundesamt 2014 Tabelle 5: Auswahlrahmen für Befragte polnischer Herkunft Bundesland

Anzahl

Prozent

Haushalte

Auswahlgrundlage Telefonanschlüsse

Schleswig-Holstein

48.000

3,1

39

2.205

Hamburg

51.000

3,3

41

1.996

141.000

9,1

114

7.747

20.000

1,3

16

1.087

Nordrhein-Westfalen

567.000

36,7

459

22.716

Hessen

141.000

9,1

114

5.987

63.000

4,1

51

3.359

Niedersachsen Bremen

Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg

182.000

11,8

147

7.534

Bayern

161.000

10,4

130

8.700

Saarland

14.000

0,9

11

686

Berlin

92.000

6,0

75

3.590

Neue Bundesländer

64.000

4,2

53

2.882

1.544.000

100,0

1.250

68.489

Deutschland

Quelle: Humpert/Schneiderheinze Gbr, Statistisches Bundesamt 2014

76

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 6: Auswahlrahmen für Befragte aus dem ehemaligen Jugoslawien

Bundesland

Anzahl

Prozent

Haushalte

Auswahlgrundlage Telefonanschlüsse

Schleswig-Holstein

17.000

1,1

14

1.221

Hamburg

43.000

2,7

35

1.579

105.000

6,6

82

5.498

12.000

0,8

10

548

Nordrhein-Westfalen

392.000

24,7

309

21.191

Hessen

159.000

10,0

125

10.077

56.000

3,5

44

4.220

Baden-Württemberg

377.000

23,8

297

26.550

Bayern

305.000

19,3

241

18.690

Saarland

15.000

1,0

12

733

Berlin

81.000

5,1

64

2.865

Neue Bundesländer

22.000

1,4

17

1.488

1.584.000

100,0

1250

94.660

Niedersachsen Bremen

Rheinland-Pfalz

Deutschland

Quelle: Humpert/Schneiderheinze Gbr, Statistisches Bundesamt 2014

Es stellte sich heraus, dass die Trefferquote des onomastischen Verfahrens bei fast allen Untersuchungsgruppen, mit Ausnahme der Frauen aus Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, sehr gut war. Sodann wurde eine spezielle Stichprobe von zunächst 800 Frauen ohne Migrationshintergrund zur Erstellung einer Vergleichsgruppe gezogen (siehe Tabelle 7). Tabelle 7: Auswahlrahmen für Deutsche ohne Migrationshintergrund Bundesland

Anzahl

Schleswig-Holstein

2.477.000

Hamburg Niedersachsen Bremen

Prozent

Haushalte

Auswahlgrundlage Telefonanschlüsse

3,8

30

531.807

1.308.000

2

16

206.997

6.504.000

9,9

79

1.542.498

471.000

0,7

6

98.494

13.444.000

20,5

164

3.003.294

Hessen

4.525.000

6,9

55

1.080.312

Rheinland-Pfalz

3.214.000

4,9

39

812.049

Baden-Württemberg

7.925.000

12,1

97

1.923.400

10.101.000

15,4

123

2.520.293

829.000

1,3

11

202.386

2.614.000

4

32

356.040

Nordrhein-Westfalen

Bayern Saarland Berlin

77

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

Bundesland

Anzahl

Prozent

Haushalte

Auswahlgrundlage Telefonanschlüsse

Neue Bundesländer

12.160.000

18,5

148

2.009.193

Deutschland

65.572.000

100

800

14.286.763

Quelle: Humpert/Schneiderheinze Gbr, Statistisches Bundesamt 2014

Seitens des Befragungsinstituts infas wurden im Laufe der Feldarbeit nochmals 1.000 Frauen ohne Migrationshintergrund hinzugenommen (Tabelle 8). Den Auswahlrahmen bilden alle gelisteten Festnetznummern, die sich proportional über alle Bundesländer verteilen. Insgesamt erwies sich die Realisierung der angezielten Interviews teilweise als schwierig, was auf die geringe Teilnahmebereitschaft zurückzuführen war, während sich gleichzeitig die Trefferquote des Namensverfahrens als sehr gut herausstellte. Zusammengefasst lag der Bruttostichprobenumfang bei knapp 16.000 Telefonnummern. Tabelle 8: Stichprobenumfang Häufigkeit

Ziehung 1

Ziehung 2

türkisch

3.098

1.048

1.250

russisch

2.362

1.112

1.250

polnisch

2.832

1.082

1.250

500

serbo-kroatisch

5.669

1.119

1.250

3.300 800

1.000

4.361

5.000

5.400

1.000

deutsch

1.800

Gesamt

15.761

Ziehung 3

Ziehung 4

800

Quelle: Ziehung 1 bis 3: Prof. Dr. Rainer Schnell und Humpert/Schneiderheinze Gbr; Ziehung 4: infas.

3.2.3 Erhebungsinstrument Der für die Telefonbefragung verwendete Fragebogen (vgl. NeWiRe-Arbeitspapier Haug, Vernim 2015a) basiert teilweise auf Studien, deren Ergebnisse bei der Zielgruppe Frauen mit Migrationshintergrund repliziert werden sollten. Hierzu wurden Fragen in abgewandelter Form übernommen. Hierbei sind insbesondere zu nennen: – Stöbel-Richter et al. (2008, 2012). – Nave-Herz et al. (1996) und Onnen-Isemann (2000a, 2000b). – Generations and Gender Survey (GGS) des Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB). – Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) von GESIS.

78

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Die Erhebung des Migrationshintergrunds orientiert sich an den Definitionen des Mikrozensus sowie des Zensus 2011. Als Frauen mit Migrationshintergrund gelten in der Befragung alle Ausländerinnen, alle Deutschen mit ausländischem Geburtsland sowie alle in Deutschland geborenen Deutschen, bei denen zumindest ein Elternteil nach 1949 ins heutige Gebiet der Bundesrepublik zugezogen ist.

Nicht zu den Personen mit Migrationshintergrund zählen: Frauen, die in Deutschland geboren sind und deren Eltern nicht nach 1949 zugezogen sind, die aber neben der deutschen noch eine ausländische Staatsangehörigkeit haben, Frauen, die in der dritten Generation in Deutschland leben, sofern sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Zusätzlich wurden auch die Staatsangehörigkeit(en) sowie die ausländischen Herkunftsländer erfragt, um die Zuordnung zu bestimmten Herkunftsländern bzw. -regionen zu ermöglichen. Es wurde eine Liste von Fragen für die vorgesehenen Fragedimensionen entwickelt, mit infas abgestimmt und anschließend von infas in einen CATI-Fragebogen (Computer Assisted Telephone Interview) programmiert. Im Anschluss an den Pretest wurde dieser noch leicht überarbeitet und gekürzt. Für das Hauptfeld wurde der Fragebogen darüber hinaus in vier Fremdsprachen übersetzt. Thematisch gliederte sich die Befragung wie folgt: – Alter der Befragten. – Einstellungsfragen. – Familienstand. – eigene Kinder und Kinderwunsch. – Medien, Institutionen und persönliches Umfeld als Informationsquellen zum Thema. – Hypothetische Fragen zur möglichen Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren. – Sprachverständnis deutsch. – Fragen zur Ermittlung des Migrationshintergrunds. – höchster formaler Schulabschluss und Religionszugehörigkeit. In der ersten Phase des Interviews wurde die Zielperson ausgewählt, es wurde also nach Frauen im gesuchten Alter gefragt. Sofern nur eine entsprechende Frau vorhanden war, wurde gleich um ein Interview gebeten, ansonsten wurde diejenige ans Telefon gebeten, die zuletzt Geburtstag hatte. Bei den (wenigen) Mobilfunknummern wurde die Hauptnutzerin befragt, falls sie zur Zielgruppe gehörte. Anschließend begann die zweite Phase, das eigentliche Interview.

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

79

3.2.4 Feldbericht Interviewerinnen und Interviewer und Informationen zur Studie Insgesamt wurden für die Studie 86 Personen als Interviewerinnen und Interviewer eingesetzt, davon 51 Frauen. Der überwiegende Teil war zwischen 18 und 34 Jahre alt. Im Durchschnitt führte eine Person zwölf Interviews. Die Probandinnen wurden erst bei der telefonischen Kontaktaufnahme über den Gegenstand der Untersuchung informiert. Für Rückfragen und zur Klärung von Unklarheiten war im Fragebogenprogramm eine Hilfeseite mit den relevanten Informationen zur Studie hinterlegt. Außerdem konnten sich die Zielpersonen bei Bedarf an eine kostenfreie infasHotline wenden, um sich über die Seriosität der Befragung zu informieren. Auch auf der infas-Website standen während der Feldphase Informationen zur Studie zur Verfügung. Stichproben, Nachziehung und Ausschöpfung der Stichprobe In den Festnetzstichproben wurden die Zielpersonen, falls mehrere Frauen im gesuchten Alter im Haushalt vorhanden, mit der „Last-Birthday“-Methode ausgewählt; in den Mobilfunkstichproben wurde die jeweilige Hauptnutzerin befragt. Die Probandinnen wurden nicht im Voraus über ein Anschreiben informiert. Sie hatten aber die Möglichkeit, sich bei Rückfragen telefonisch an infas zu wenden oder auf der infas-Website weitere Informationen über das Projekt einzuholen. Die vier Bruttoeinsatzstichproben für die Frauen mit Migrationshintergrund umfassten insgesamt 11.556 Telefonnummern. Die Realisierungsquote bei Frauen mit den vier gesuchten Herkunftsregionen war dabei höher als erwartet, weshalb für die Vergleichsgruppe der Frauen ohne Migrationshintergrund im Dezember 2014 noch eine weitere Zufallsauswahl aus dem Telefonverzeichnis gezogen wurde. Diese 1.800 Nummern bildeten die fünfte Teilstichprobe der Bruttoeinsatzstichprobe (Tabelle 9). Tabelle 9: Umfang der Bruttoeinsatzstichproben Teilstichprobenkennung

Bruttoeinsatzstichprobe

Türkei

2.536

Ex-Sowjetunion

2.077

Polen

2.424

Ex-Jugoslawien

4.519

Ohne Migrationshintergrund

1.800

Gesamt Quelle: Schiel et al. (2015)

13.356

80

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

In allen Teilstichproben war über die Hälfte der angerufenen Haushalte bzw. Personen nicht in der Zielgruppe (NE), was der Eingrenzung auf Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren geschuldet ist (Tabelle 10). In vielen Haushalten war keine entsprechende Person anzutreffen, weshalb diese dann „ausgescreent“ wurden („Nicht Zielgruppe“). Tabelle 10: Final Outcome nach AAPOR16, differenziert nach Teilstichproben Teilstichprobe

Türkei

Ex-Sowjetunion

Polen

Ex-Jugoslawien

Ohne Migrationshintergrund

N

%

N

%

N

%

N

%

N

%

Bruttostichprobe

2.536

100,0

2.077

100,0

2.424

100,0

4.519

100,0

1.800

100,0

Nicht Zielgruppe (NE)

1.303

51,4

1.056

50,8

1.234

50,9

2.396

53,0

993

55,2

Unbekannte Auswahl (UE)

240

9,5

215

10,4

274

11,3

563

12,5

258

14,3

Nonresponse – nicht befragbar (NR-NA)

4

0,2

6

0,3

5

0,2

4

0,1

1

0,0

Nonresponse – nicht erreicht (NR-NC)

72

2,8

89

4,3

144

5,9

121

2,7

50

2,8

Nonresponse – Verweigerung (NR-R)

688

27,1

445

21,4

542

22,4

2.177

26,0

412

22,9

Realisierte Interviews (I+IP)

229

9,0

266

12,8

225

9,3

258

5,7

86

4,8

Quelle: Schiel et al. (2015) (Rücklaufdatenbank)

Im Vergleich der Teilstichproben kam es bei „Ex-Jugoslawien“ vergleichsweise häufig vor, dass mit dem kontaktierten Haushalt in keiner der Zielsprachen (deutsch und serbokroatisch) eine Verständigung möglich war (rund vier Prozent, bei anderen Teilstichproben ein bis zwei Prozent). Diese Fälle wurden ebenfalls als „Nicht Zielgruppe“ definiert. Der Anteil der Nichterreichten (Unbekannte Auswahl, UE) beträgt in allen Teilstichproben ca. 10 bis 14 Prozent. Häufig nahm in diesen Fällen nie jemand ab oder es wurde sofort aufgelegt. Die Kategorien „nicht befragbar“ (NR-NA) oder „nicht erreicht“ (NR-NC) kamen nur selten vor, in den Gruppen „Ex-Sowjetunion“ und „Polen“ zeigt sich hier jedoch ein leicht erhöhter Anteil. Der Anteil verweigerter Interviews war in den Teilstichproben „Türkei“ (27 Prozent) und „Ex-Jugoslawien“ (26 Prozent) im Vergleich erhöht. Die höchste Ausschöpfung der Stichprobe verzeichnet die Zielgruppe „Ex-Sowjetunion“ (13 Prozent), gefolgt von „Polen“ und „Türkei“ (je neun Prozent), „Ex-Jugoslawien“ (sechs Prozent) und der Vergleichsgruppe „Ohne Migrationshintergrund“ (fünf Prozent). Bei Betrachtung der Kooperationsrate, also des Anteils der erfolgten Interviews an den erreich16 Die „Standard Definitions“ der American Association for Public Opinion Research stellen standardisierte differenzierte Rücklaufcodes zur Verfügung (linke Spalte der Tabelle).

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

81

ten und befragbaren Zielpersonen, fällt die hohe Bereitschaft der Teilstichprobe „Ex-Sowjetunion“ auf (ca. 37 Prozent); ebenfalls hoch war sie in den Stichproben „Polen“ (ca. 29 Prozent) und „Türkei“ (ca. 25 Prozent). In den Teilstichproben „ExJugoslawien“ (18 Prozent) und „Ohne Migrationshintergrund“ (17 Prozent) war die Kooperationsrate deutlich geringer. Interviewsprache, Interviewdauer Neben der Befragung auf Deutsch konnten die Zielpersonen auf Wunsch auch in einer der vier weiteren Sprachen Türkisch, Polnisch, Russisch und Serbokroatisch befragt werden, mit entsprechend übersetzten Fragebögen. Dies war durch den Einsatz zweisprachiger Interviewer sichergestellt, die zu jeder Zeit während eines Interviews einen Sprachwechsel vollziehen konnten. Am Ende jedes Gesprächs wurde von den Interviewern festgehalten, in welcher Sprache das Interview (vorrangig) geführt wurde. In den Teilstichproben „Türkei“, „Ex-Sowjetunion“ und „Polen“ wurden jeweils über die Hälfte der Interviews in der entsprechenden Fremdsprache geführt, in der Teilstichprobe „Ex-Jugoslawien“ hingegen nur zu neun Prozent. Bei Letzterem kommt sicher auch die Tatsache zum Tragen, dass sich in dieser Teilstichprobe relativ viele Deutsche ohne Migrationshintergrund befanden (Kapitel 3.3.1). Darüber hinaus war in der ex-jugoslawischen Stichprobe, wie bereits erwähnt, vergleichsweise oft weder auf Deutsch noch auf Serbokroatisch eine Verständigung möglich. Die Notizen der Interviewer zeigen, dass diese Personen oft albanisch sprachen. Es kann davon ausgegangen werden, dass in der Studie eine große Zahl von Frauen mit Migrationshintergrund erreicht werden konnte, die an einer rein deutschsprachigen Befragung nicht teilgenommen hätten bzw. nicht teilnehmen hätten können. Die auswertbaren Interviews nahmen im Schnitt 16,1 Minuten in Anspruch. Die Teilstichprobe „Polen“ verzeichnete mit 17,5 Minuten die längste durchschnittliche Dauer, gefolgt von „Türkei“ (16,4 Minuten) und „Ex-Sowjetunion“ (16,3). Unter dem Gesamtschnitt lagen die Teilstichproben „Ex-Jugoslawien“ mit 15,3 und „Ohne Migrationshintergrund“ mit 13,5 Minuten. Datenprüfung und Gewichtung Im Anschluss an die Feldphase wurden die erhobenen Daten formal überprüft. Dabei wurde nur eine geringe Zahl an Interviews (N = 5) als nicht auswertbar erkannt und aus dem Datensatz entfernt. Abschließend bestand der Datensatz aus 1.001 auswertbaren Interviews. Er wurde am 06.02.2015 verschlüsselt übergeben, zusätzliche Regionalinformationen einen Monat später in einem separaten Datensatz. Eine Berechnung der Auswahlwahrscheinlichkeit aus den verschiedenen Festnetzauswahlrahmen (Onomastik-Stichprobe) und den eingesetzten Fällen in der Einsatzstichprobe ergab unter Berücksichtigung der mittleren Realisierungswahrscheinlichkeit ein über alle Fälle einheitliches Designgewicht. Gleiches gilt für die

82

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Teilstichprobe „Deutsch ohne Migrationshintergrund“. Eine Designgewichtung, die die unterschiedliche Auswahlwahrscheinlichkeit der Befragten ausgleichen sollte, wurde deshalb nach eingehender Rücksprache nicht vorgenommen. 3.2.5 Generierte Variablen Für die weiteren Analysen wurden aus den erhobenen Variablen weitere Variablen gebildet. Beziehungsstatus Im Datensatz existieren bereits zwei Variablen, die Auskunft über den momentanen Beziehungsstatus der befragten Frauen geben. Zunächst wurde nach dem Familienstand gefragt. Alle Personen, die nicht verheiratet oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft waren, wurden anschließend separat gefragt, ob sie sich aktuell in einer festen Partnerschaft befinden. Aus diesen Informationen wurde eine neue Variable gebildet, mit den Werten „in einer Beziehung“ (verheiratet, eingetragene Lebenspartnerschaft oder in einer anderen festen Partnerschaft) und „alleinstehend“. Da alle 1.001 Befragten die beiden Fragen beantwortet hatten, konnten für alle Befragten Werte berechnet werden (Tabelle 11). Tabelle 11: Neue Variable Beziehungsstatus

in einer Beziehung alleinstehend Gesamt

Häufigkeit

Prozent

868

86,7

133

13,3

1.001

100,0

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

Gewünschte endgültige Kinderzahl Der Datensatz beinhaltet Informationen zur jetzigen Zahl der leiblichen Kinder der Befragten sowie zur Zahl der noch gewünschten Kinder. Diese Zahlen lassen sich in eine neue Variable addieren, so dass man die gewünschte endgültige Kinderzahl der befragten Frauen erhält (Tabelle 12).

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

83

Tabelle 12: Neue Variable Gewünschte endgültige Kinderzahl Häufigkeit keine Kinder

Gültige Prozente

41

4,1

1 Kind

133

13,4

2 Kinder

463

46,7

3 Kinder

263

26,5

4 Kinder

68

6,9

5 Kinder

13

1,3

6 Kinder

5

0,5

7 Kinder

3

0,3

8 Kinder

1

0,1

11 Kinder

1

0,1

14 Kinder Gesamt

1

0,1

992

100,0

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

Migrationshintergrund Aus den Werten der Variablen zu Staatsangehörigkeit, Geburtsland und Herkunftsland der Eltern lassen sich alle Informationen gewinnen, um die Befragten in Personen mit oder ohne Migrationshintergrund aufzuteilen. Abbildung 21 visualisiert die dazu gehörige Syntaxabfrage in SPSS und Tabelle 13 die Verteilung. Die Gruppe mit Migrationshintergrund umfasst 359 Ausländerinnen, 367 Deutsche mit eigener Migrationserfahrung sowie 82 Deutsche mit familiärem Migrationshintergrund. Zu diesen 808 Personen kommen noch vier weitere, die zwar nicht alle Fragen zur Herkunft beantwortet haben, aber dennoch zur Gruppe mit Migrationshintergrund gezählt werden können. Die Gruppe der Deutschen ohne Migrationshintergrund umfasst 182 Personen. Bei sieben Befragten ist der Migrationsstatus nicht bestimmbar.

84

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 21: Syntax zur Abfrage des Migrationshintergrunds

Die Gruppe mit Migrationshintergrund umfasst 359 Ausländerinnen, 367 Deutsche mit eigener Migrationserfahrung17 sowie 82 Deutsche mit familiärem Migrationshintergrund. Zu diesen 808 Personen kommen noch vier weitere, die zwar nicht alle Fragen zur Herkunft beantwortet haben, aber dennoch zur Gruppe mit Migrations-

17 Nach Definition des Mikrozensus gelten Personen als Menschen mit eigener Migrationserfahrung, die nach 1949 ins heutige Gebiet der Bundesrepublik zugewandert sind. Da keine der Befragten älter als 50 Jahre alt ist, können alle im Ausland Geborenen als Menschen mit eigener Migrationserfahrung gezählt werden.

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

85

hintergrund gezählt werden können18. Die Gruppe der Deutschen ohne Migrationshintergrund umfasst 182 Personen. Bei sieben Befragten ist der Migrationsstatus nicht bestimmbar (Tabelle 13).19 Tabelle 13: Neue Variable Migrationshintergrund Häufigkeit

Gültige Prozente

kein Migrationshintergrund

182

18,2

Migrationshintergrund

812

81,1

unbekannt Gesamt

7

0,7

1.001

100,0

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

Bezugsregionen der Befragten Aus den Angaben zum eigenen Geburtsland bzw. dem Herkunftsland der Eltern und zur Staatsangehörigkeit lassen sich nicht nur allgemeine Informationen zum Migrationshintergrund ablesen, sondern auch eine Variable für die Bezugsregion der Befragten bilden (Tabelle 14). Diese bezeichnet das Land bzw. die Region, in der die Befragte entweder selbst geboren ist, dessen Staatangehörigkeit sie besitzt oder aus der mindestens ein Elternteil nach 1949 in Deutschland eingewandert ist. Tabelle 14: Neue Variable Bezugsregion Bezugsregion

Häufigkeit

Gültige Prozente

Deutschland

182

18,2

Ex-Sowjetunion

252

25,2

Polen

188

18,8

Türkei

187

18,7

Ex-Jugoslawien

151

15,1

nicht zugeordnet

41

4,1

1.001

100,0

Gesamt

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

18 Im Einzelnen: Eine in der Türkei geborene Frau, die Angaben zur Staatsangehörigkeit sowie zum Zuzug der Eltern verweigerte; eine in der Ukraine geborene Frau, die Angaben zu ihrer Staatsangehörigkeit sowie zu ihrem Zuzugsjahr verweigerte; eine aus dem Ausland zugezogene Deutsche, die Angaben zu ihrem Geburtsland verweigerte; eine Frau, die Angaben zu ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Geburtsland sowie zum Zuzugsjahr verweigerte, aber angab, dass beide Eltern nach 1949 zugewandert sind. 19 Alle sieben sind in Deutschland geborene Deutsche, die entweder Angaben zu ihren Eltern verweigerten oder nichts dazu wussten.

86

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Ein Beispiel für polnischen Bezug: Die Befragte ist entweder selbst in Polen geboren, ist Ausländerin mit polnischer Staatsbürgerschaft oder ihre Mutter bzw. ihr Vater ist nach 1949 aus Polen nach Deutschland zugewandert. Für die Regionen Ex-Jugoslawien und Ex-Sowjetunion wurden die Nachfolgestaaten sowie explizite Nennungen von Jugoslawien und Sowjetunion zusammengefasst. In die Kategorie „nicht zugeordnet“ fallen alle Personen mit anderen Bezugsregionen (vergleichsweise häufig genannt: Albanien und Rumänien) sowie Personen, die keinerlei Angaben zu ihrem Geburtsland bzw. der Herkunft ihrer Eltern gemacht haben. Diese Bezugsregionen der Befragten können nun mit den Werten der anfänglichen onomastischen Stichprobe verglichen werden (Tabelle 15). Dabei fällt auf, dass die Treffergenauigkeit der onomastischen Stichprobe für die Bezugsregionen Türkei (87,7 Prozent), Polen (86.3 Prozent) und Ex-Sowjetunion (93,6 Prozent) sehr gut war, bei der Region Ex-Jugoslawien hingegen lediglich bei 60,7 Prozent lag. Knapp ein Drittel der Befragten aus letzterer Stichprobe wurden anhand ihrer Angaben im Interview als Deutsche ohne Migrationshintergrund erfasst. Tabelle 15: Onomastische Stichproben nach Bezugsregionen Onomastische Stichprobe Ex-Sowjetunion Polen Türkei

Gesamt

davon Bezugsregion … Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

nicht zugeordnet

N

251

12

235

0

0

1

3

%

100,0

4,8

93,6

0,0

0,0

0,4

1,2

N

212

16

6

183

1

0

6

%

100,0

7,5

2,8

86,3

0,5

0,0

2,8

N

211

14

3

1

185

1

7

%

100,0

6,6

1,4

0,5

87,7

0,5

3,3

7

2

1

148

15

Ex-Jugoslawien

N

244

71

%

100,0

29,1

2,9

0,8

0,4

60,7

6,1

Gesamt

N

1.001

182

252

188

187

151

41

%

100,0

18,2

25,2

18,8

18,7

15,1

4,1

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

3.2.6 Regionale Verteilung Im Zuge der telefonischen Bevölkerungsbefragung wurden auch regionale Informationen über die Telefonanschlüsse der befragten Personen festgehalten. Auf Grundlage dieser Informationen lassen sich Aussagen zur regionalen Verteilung der befragten Bevölkerungsgruppen treffen.

87

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

Befragte Personen nach Bundesland Von den 960 befragten Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren mit zugeordneter Bezugsregion leben wie erwartet die meisten (29,5 Prozent) im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Baden-Württemberg (18,3 Prozent) und Bayern (16,6 Prozent) (Tabelle 16). Mit etwas Abstand folgen Niedersachsen (9,3 Prozent), Hessen (8,0 Prozent) und Rheinland-Pfalz (5,0 Prozent). In den übrigen Ländern sind jeweils weniger als fünf Prozent der Befragten beheimatet. Tabelle 16: Befragte Frauen nach Bezugsregion und Bundesland Befragte nach Bezugsregion und Bundesland Bundesland

Bezugsregion Deutschland

Niedersachsen NRW Hessen Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Bayern Sonstige alte Länder mit Berlin

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

Gesamt

N

14

32

10

21

12

89

%

7,7 %

12,7 %

5,3 %

11,2 %

7,9 %

9,3 %

N

44

65

84

59

31

283

%

24,2 %

25,8 %

44,7 %

31,6 %

20,5 %

29,5 %

N

11

18

17

17

14

77

%

6,0 %

7,1 %

9,0 %

9,1 %

9,3 %

8,0 %

N

7

18

6

11

6

48

%

3,8 %

7,1 %

3,2 %

5,9 %

4,0 %

5,0 %

N

25

46

18

36

51

176

%

13,7 %

18,3 %

9,6 %

19,3 %

33,8 %

18,3 %

N

40

34

28

28

29

159

%

22,0 %

13,5 %

14,9 %

15,0 %

19,2 %

16,6 %

abs.

22

23

18

12

8

83

%

12,1 %

9,1 %

9,6 %

6,4 %

5,3 %

8,6 %

Sonstige neue Länder ohne Berlin

N

15

15

5

1

0

36

%

8,2 %

6,0 %

2,7 %

0,5 %

0,0 %

3,8 %

unbekannt

N

4

1

2

2

0

9

%

2,2 %

0,4 %

1,1 %

1,1 %

0,0 %

0,9 %

N

182

252

188

187

151

960

%

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Gesamt

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

88

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Diese Verteilung ähnelt den Ergebnissen des Mikrozensus20; der überproportional hohe Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in der Stichprobe sorgt allerdings für höhere Anteile in den großen westdeutschen Flächenländern und entsprechend geringere Prozentsätze in Ostdeutschland. Die vier befragten Migrantengruppen unterscheiden sich in ihrer regionalen Verteilung auf das Bundesgebiet teilweise stark: – Die Frauen polnischer Herkunft leben überproportional häufig in NordrheinWestfalen (44,7 Prozent), dafür seltener in Baden-Württemberg (9,6 Prozent) und Niedersachsen (5,3 Prozent). – Die türkische Gruppe ist ebenfalls relativ oft in Nordrhein-Westfalen anzutreffen (31,6 Prozent), aber auch in Baden-Württemberg (19,3 Prozent), seltener in Niedersachsen (11,2 Prozent) und Hessen (9,1 Prozent). In den ostdeutschen Ländern ist sie hingegen kaum vertreten. – Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion leben vergleichsweise öfter in Niedersachsen (12,7 Prozent), Rheinland-Pfalz (7,1 Prozent) und in den neuen Ländern (6,0 Prozent). Ihre Anteile für Nordrhein-Westfalen (25,8 Prozent) und Bayern (13,5 Prozent) liegen im Vergleich zu den anderen Herkunftsregionen niedriger. – Die Gruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien ist als einzige überwiegend in Baden-Württemberg beheimatet (33,8 Prozent), aber auch in Bayern (19,2 Prozent) und Hessen (9,3 Prozent) ist sie relativ stark vertreten. Entsprechen geringer ist der Anteil, der in Nordrhein-Westfalen lebt (20,5 Prozent). Ähnlich wie in der türkischen sind auch in dieser Gruppe die ostdeutschen Bundesländer kaum bzw. gar nicht vertreten. Auch diese Verteilung nach Bundesländern findet sich im Mikrozensus in ähnlicher Form wieder. Befragte Personen nach politischer Gemeindegrößenklasse Fast 30 Prozent der befragten Frauen leben in Gemeinden mit 5.000 bis 20.000 Einwohnern, ein weiteres Viertel in Städten mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern (Tabelle 17). In großen Metropolen mit über 500.000 Einwohnern leben 14 Prozent, weitere knapp 13 Prozent wohnen in Städten mit 100.000 bis 500.000 Einwohnern. Etwa jede zehnte Befragte bewohnt eine Stadt mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern. In Gemeinden unter 5.000 oder gar unter 2.000 Einwohnern lebt nur ein sehr kleiner Prozentsatz.

20 Bevölkerungsverteilung (weiblich, ohne Alterseinschränkung) laut Mikrozensus 2013: NRW 21,9 %; Bayern 15,5 %; Baden-Württemberg 13,1 %; Niedersachsen 9,7 %; Hessen 7,5 %; Sachsen 5,0 %; restliche Länder unter fünf Prozent (Statistisches Bundesamt 2014).

89

3.2 Methodenbericht zum Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“ Tabelle 17: Befragte Personen nach Bezugsregion und politischer Gemeindegrößenklasse Befragte nach Bezugsregion und Gemeindegrößenklasse Gemeindegröße

Bezugsregion Deutschland

unter 2.000 EW 2.000 bis u. 5.000 EW 5.000 bis u. 20.000 EW 20.000 bis u. 50.000 EW

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

Gesamt

N

6

7

5

0

2

20

%

3,4 %

2,8 %

2,7 %

0,0 %

1,3 %

2,1 %

N

26

14

10

5

8

63

%

14,6 %

5,6 %

5,4 %

2,7 %

5,3 %

6,6 %

N

54

89

34

58

47

282

%

30,3 %

35,5 %

18,3 %

31,4 %

31,1 %

29,7 %

N

37

68

48

48

36

237

%

20,8 %

27,1 %

25,8 %

25,9 %

23,8 %

24,9 %

50.000 bis u. 100.000 EW

N

14

27

25

19

8

93

%

7,9 %

10,8 %

13,4 %

10,3 %

5,3 %

9,8 %

100.000 bis u. 500.000 EW

N

18

25

32

27

21

123

%

10,1 %

10,0 %

17,2 %

14,6 %

13,9 %

12,9 %

500.000 und mehr EW

N

23

21

32

28

29

133

%

12,9 %

8,4 %

17,2 %

15,1 %

19,2 %

14,0 %

Gesamt

N

178

251

186

185

151

951

%

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

Auch hier macht sich der überproportionale Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in der Stichprobe bemerkbar. Während immerhin 18 Prozent der deutschen Frauen ohne Migrationshintergrund in kleineren Gemeinden unter 5.000 Einwohnern leben, ist dies bei den anderen Bezugsregionen eine große Ausnahme. Besonders Frauen mit türkischen oder ex-jugoslawischen Wurzeln leben extrem selten in derart kleinen Gemeinden. Frauen mit Bezug zur ehemaligen Sowjetunion sind vergleichsweise oft in kleineren Städten mit 5.000 bis 20.000 Einwohnern zu finden (35,5 Prozent), dafür äußerst selten in den großen Metropolen (8,4 Prozent). Die Gruppe mit polnischer Bezugsregion ist in allen größeren Gemeindeklassen überproportional stark vertreten, dafür vergleichsweise selten in den kleinen Städten mit 5.000 bis 20.000 Einwohnern (18,3 Prozent). Türkische Frauen sind wiederum häufiger auch in kleineren Städten vertreten, ebenso die Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Bei letzterer Gruppe ist der geringe Anteil von Bewohnern in Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern (5,3 Prozent) auffällig. Dafür leben die Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien am häufigsten in Metropolen mit über 500.000 Einwohnern (19,2 Prozent).

90

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Befragte Personen nach BIK-Regionsgrößenklassen Die sogenannten BIK-Regionsgrößenklassen beziehen über die Analyse von Pendlerbewegungen auch Stadt-Umland-Beziehungen mit ein, so dass Ballungsräume, Stadtregionen sowie Mittel- und Unterzentren abgegrenzt werden können. So wird die Ballung der befragten Personen in den großen Metropol- und Großstadtregionen noch deutlicher (Tabelle 18): In allen fünf verglichenen Gruppen lebt über die Hälfte in Regionen mit mindestens 100.000 Einwohnern. Tabelle 18: Befragte Personen nach Bezugsregion und BIK-Regionsgrößenklasse Befragte nach Bezugsregion und Regionsgrößenklasse Regionsgröße

unter 2.000 Einwohner

Bezugsregion Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

Gesamt

N

2

4

2

0

1

9

%

1,1 %

1,6 %

1,1 %

0,0 %

0,7 %

0,9 %

2.000 bis unter 5.000 Einwohner

N

7

6

5

2

3

23

%

3,9 %

2,4 %

2,7 %

1,1 %

2,0 %

2,4 %

5.000 bis unter 20.000 Einwohner

N

15

39

16

22

13

105

%

8,4 %

15,5 %

8,6 %

11,9 %

8,6 %

11,0 %

20.000 bis unter 50.000 Einwohner

N

25

39

19

23

19

125

%

14,0 %

15,5 %

10,2 %

12,4 %

12,6 %

13,1 %

50.000 bis unter 100.000 Einwohner

Anz.

18

31

21

20

17

107

%

10,1 %

12,4 %

11,3 %

10,8 %

11,3 %

11,3 %

100.000 bis unter 500.000 Einwohner

N

54

79

53

52

39

277

%

30,3 %

31,5 %

28,5 %

28,1 %

25,8 %

29,1 %

N

57

53

70

66

59

305

%

32,0 %

21,1 %

37,6 %

35,7 %

39,1 %

32,1 %

500.000 und mehr Einwohner Gesamt

N

178

251

186

185

151

951

%

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

Von den Frauen ohne Migrationshintergrund lebt knapp ein Drittel (32,0 Prozent) in Regionen mit über 500.000 Einwohnern. Übertroffen wird dieser Anteil aber noch von Frauen mit Bezug zum ehemaligen Jugoslawien (39,1 Prozent), zu Polen (37,6 Prozent) und zur Türkei (35,7 Prozent). Die Befragten aus der ehemaligen Sowjetunion sind als einzige deutlich seltener in diesen großen Metropolregionen heimisch (21,1 Prozent) und verteilen sich allgemein etwas gleichmäßiger auf die verschiedenen Regionsgrößen.

3.3 Deskriptive Analyse

91

3.3 DESKRIPTIVE ANALYSE Dieses Kapitel beinhaltet eine vollständige und einzelne Beschreibung der erhobenen Daten; vertiefende Analysen erfolgen in Kapitel 3.4, zusammenfassende Darstellungen in Kapitel 3.5. 3.3.1 Soziodemografische Daten In diesem Abschnitt werden zunächst allgemeine soziodemografische Angaben zur Lebenssituation der befragten Frauen dokumentiert. Alter Über alle Bezugsregionen hinweg haben die Befragten ein mittleres Alter von 38,02 Jahren. Zwischen den Gruppen der befragten Frauen aus den verschiedenen Herkunftsregionen zeigen sich keine großen Unterschiede, lediglich die Frauen mit türkischen Wurzeln sind mit 36,3 Jahren etwas jünger (Abbildung 22).

Abbildung 22: Altersdurchschnitt der befragten Frauen

Die Verteilung nach Altersgruppen (Abbildung 23) zeigt, dass der jüngere Altersdurchschnitt in der türkischen Gruppe vor allem dem vergleichsweise hohen Anteil von 18- bis 25-jährigen (18,2 Prozent) sowie dem eher niedrigen Anteil von 46- bis 50-jährigen (16,0 Prozent) geschuldet ist.

92

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 23: Verteilung nach Altersgruppen

Staatsangehörigkeit und Zuwanderungsgeneration Die befragten Deutschen ohne Migrationshintergrund besitzen definitionsgemäß zu 100 Prozent die deutsche Staatsbürgerschaft. Frauen mit Wurzeln in der ExSowjetunion sind größtenteils deutsche Staatsbürgerinnen (77,4 Prozent), vermutlich begründet in einer großen Zahl von (Spät-)Aussiedlerinnen in dieser Gruppe. Die Frauen mit polnischen Wurzeln weisen ebenfalls in knapper Überzahl die deutsche Staatsbürgerschaft auf (56,4 Prozent). Eher gering ist dieser Anteil unter den Befragten mit den Bezugsregionen Ex-Jugoslawien (39,7 Prozent) und Türkei (36,4 Prozent). Von den Frauen mit polnischen Wurzeln besitzen 63,2 Prozent noch eine weitere Staatsbürgerschaft. Dieser Anteil ist deutlich höher als in allen anderen Gruppen (Ex-Sowjetunion 23,1 Prozent, Türkei 19,1 Prozent, Ex-Jugoslawien 16,7 Prozent). Bei der Betrachtung des Geburtslandes (Abbildung 24) zeigt sich, dass die befragten Frauen aus der Ex-Sowjetunion fast ausschließlich im Ausland geboren sind, also Zuwanderinnen der ersten Generation sind, wohingegen die Frauen aus der Türkei oder Ex-Jugoslawien zu etwa einem Drittel in Deutschland geboren sind (zweite Generation).

3.3 Deskriptive Analyse

93

Abbildung 24: Geburtsland

Bildungsabschluss Tendenziell weisen Frauen mit polnischen Wurzeln und Deutsche ohne Migrationshintergrund die höchste Schulbildung auf. Die Hochschulreife ist der von den Frauen mit Bezugsregion Polen, Deutschland und Ex-Jugoslawien am häufigsten genannte Schulabschluss mit 57,2 Prozent (Polen) bis 39,6 Prozent (Ex-Jugoslawien, Abbildung 25). Von den Befragten mit den Bezugsregionen Ex-Sowjetunion und Türkei haben die meisten einen mittleren Schulabschluss (Ex-Sowjetunion 57,5 Prozent und Türkei 33,3 Prozent). Der Anteil von Haupt- bzw. Pflichtschulabsolventen ist in der türkeistämmigen Gruppe besonders hoch (29 Prozent), ebenso der Anteil derjenigen ohne Schulabschluss (6,5 Prozent).

94

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 25: Höchster allgemeiner Schulabschluss

Religion Bei der Religionszugehörigkeit zeigen sich sehr große Unterschiede zwischen den Gruppen (Tabelle 19). Die Befragten mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien bekennen sich in weiten Teilen entweder zum Islam (39,7 Prozent) oder zur römischkatholischen Kirche (34,4 Prozent), zudem zählen sich 12,6 Prozent von ihnen der christlich-orthodoxen Kirche zugehörig. Frauen mit Bezugsregion Türkei nennen als ihre Religionsgemeinschaft fast ausschließlich (zu 92,5 Prozent) den Islam, diejenigen mit Bezugsregion Polen die römisch-katholische Kirche (92,6 Prozent). Bei den Befragten mit der Bezugsregion Ex-Sowjetunion ergibt sich keine eindeutige Präferenz. Sie gehören zu 38,1 Prozent der evangelischen Kirche und zu 24,2 Prozent der christlich-orthodoxen Kirche an, aber auch die römisch-katholische Kirche und evangelischen Freikirchen werden aufgeführt. Tabelle 19: Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften Religionsgemeinschaft

Bezugsregion Deutschland

römisch-katholische Kirche evangelische Kirche

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

N

73

29

174

1

52

%

40,1 %

11,5 %

92,6 %

,5 %

34,4 %

N

53

96

1

2

2

%

29,1 %

38,1 %

,5 %

1,1 %

1,3 %

95

3.3 Deskriptive Analyse Religionsgemeinschaft

Bezugsregion Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

evangelische Freikirche

N

6

16

1

0

0

%

3,3 %

6,3 %

,5 %

0,0 %

0,0 %

Islam

N

4

1

0

173

60

%

2,2 %

,4 %

0,0 %

92,5 %

39,7 %

N

0

61

0

2

19

%

0,0 %

24,2 %

0,0 %

1,1 %

12,6 %

christlich-orthodox andere keine Angabe verweigert weiß nicht Gesamt

N

2

3

1

6

3

%

1,1 %

1,2 %

,5 %

3,2 %

2,0 %

N

42

45

9

3

14

%

23,1 %

17,9 %

4,8 %

1,6 %

9,3 %

N

2

1

1

0

1

%

1,1 %

,4 %

,5 %

0,0 %

,7 %

N

0

0

1

0

0

%

0,0 %

0,0 %

,5 %

0,0 %

0,0 %

N

182

252

188

187

151

%

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

Deutsche ohne Migrationshintergrund bekennen sich zumeist zur römisch-katholischen Kirche (40,1 Prozent), doch auch die evangelische Kirche wird häufig (zu 29,1 Prozent) genannt. Auffällig ist in der deutschen Gruppe, gerade im Vergleich mit Frauen aus der Türkei oder Polen, der hohe Anteil von Bekenntnislosen (23,1 Prozent, siehe dazu Kapitel 2.5.1). Sprachkenntnisse Um die deutschen Sprachkenntnisse der Frauen beurteilen zu können, wurden sie gebeten einzuschätzen, wie gut sie deutsche Texte in Zeitungen oder Zeitschriften verstehen (Abbildung 26). Die Gruppe aus Ex-Jugoslawien schätzt sich hier fast so gut ein wie die deutsche Vergleichsgruppe, 83,5 Prozent antworten mit „sehr gut“ oder „gut“. Die türkeistämmigen Frauen beurteilen ihr deutsches Textverständnis tendenziell am schlechtesten, wobei auch hier knapp über die Hälfte es als „sehr gut“ oder „gut“ einschätzt.

96

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 26: Verständnis deutscher Texte in Zeitungen oder Zeitschriften

Die Mittelwerte des Verständnisses von deutschen Texten sind in Abbildung 27 dargestellt. Die Befragten mit Bezugsregion Deutschland und Ex-Jugoslawien liegen mit Werten von 4,7 bzw. 4,5 im Bereich „sehr gut“, diejenigen aus Polen, Ex-Sowjetunion und Türkei alle noch im Bereich „eher gut“.

Abbildung 27: Verständnis deutscher Texte in Zeitungen oder Zeitschriften (Mittelwert)

3.3 Deskriptive Analyse

97

Familienstand und Beziehungsstatus Aus Abbildung 28 wird ersichtlich, dass Frauen aus allen Bezugsregionen zum größten Teil verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Die Anteile reichen von 81,3 Prozent (Ex-Sowjetunion) bis 64,3 Prozent (Deutschland).

Abbildung 28: Familienstand

Unter den Frauen mit Bezugsregion Deutschland ist dieser Anteil am geringsten, dafür ist der Anteil der Ledigen hier mit 25,8 Prozent deutlich höher. Geschiedene Frauen sind in den Gruppen aus der Türkei und Ex-Jugoslawien im Vergleich weitaus seltener. Alle Frauen, die bei der vorherigen Frage nicht „Verheiratet oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft“ angaben, wurden separat gefragt, ob sie sich derzeit in einer festen Partnerschaft befinden. Bei Befragten mit den Bezugsregionen Polen, Deutschland und Ex-Sowjetunion lassen sich hier keine großen Unterschiede ausmachen. Etwa die Hälfte oder etwas mehr von ihnen befinden sich in einer festen Partnerschaft, ohne verheiratet zu sein (Polen: 60,8 Prozent, Deutschland 58,8 Prozent, Ex-Sowjetunion 51,1 Prozent). Dieser Anteil ist bei Frauen mit der Bezugsregion Ex-Jugoslawien (33,3 Prozent) und besonders bei den Türkeistämmigen (16,7 Prozent) wesentlich geringer. Abbildung 29 fasst den Beziehungsstatus der Befragten zusammen. „In einer Beziehung“ wird als Variable gebildet aus denjenigen Frauen, die angeben verheiratet zu sein oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zu leben sowie aus denjenigen, die angeben, sich in einer festen Partnerschaft zu befinden. In allen Gruppen sind die Frauen größtenteils in einer Beziehung. Besonders hoch ist dieser

98

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Anteil bei den Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion (90,9 Prozent), vergleichsweise niedrig bei Frauen mit türkischen Wurzeln (81,3 Prozent).

Abbildung 29: Beziehungsstatus

3.3.2 Einstellungen zu Kindern, Familie und Gesundheit In der Befragung wurden den Frauen verschiedene Aussagen zu den Themen Kinder, Familie und Gesundheit vorgelegt. Sie sollten mit den Antwortmöglichkeiten „Stimme überhaupt nicht zu“, „Stimme eher nicht zu“, „Weder noch“, „Stimme eher zu“ und „Stimme sehr zu“ angeben, wie sehr sie den Aussagen zustimmen. Zudem gab es die Möglichkeit mit „Weiß nicht“ zu antworten oder die Antwort zu verweigern, wobei letztere Antworten aus der Berechnung ausgenommen werden. Kinder als Voraussetzung für ein erfülltes Leben „Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben.“ (Abbildung 30): Dieser These stimmen die Frauen aus den vier ausländischen Bezugsregionen mehrheitlich sehr oder eher zu. Hohe Werte erzielten hier besonders Frauen aus der Türkei (81,3 Prozent) und der Ex-Sowjetunion (79,7 Prozent). Bei Deutschen ohne Migrationshintergrund ist das Meinungsbild deutlich heterogener: Nur 48,1 Prozent stimmen sehr oder eher zu, 17,6 Prozent stimmen sogar überhaupt nicht zu.

3.3 Deskriptive Analyse

99

Abbildung 30: „Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben.“

Die Mittelwerte der Antworten zu dieser Frage verdeutlichen nochmals die unterschiedlichen Ansichten (Abbildung 31). Den höchsten Wert erreicht die Bezugsregion Ex-Sowjetunion mit 4,3 und den niedrigsten die Bezugsregion Deutschland mit 3,2.

Abbildung 31: „Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben.“ (Mittelwert)

100

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Wichtigkeit eigener Kinder Bei der Aussage „Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben“ (Abbildung 32) zeigt sich eine tendenzielle Zustimmung über alle Gruppen hinweg, wobei die höchste Zustimmung bei Befragten mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion (94,0 Prozent) vorliegt. Den niedrigsten Wert erzielen Deutsche ohne Migrationshintergrund (85,7 Prozent). Auffällig ist, dass in letzterer Gruppe über 10 Prozent dieser Aussage eher bzw. überhaupt nicht zustimmen. Ähnliche Ergebnisse erzielt ein Vergleich der Familienleitbilder von Personen mit deutschem und türkischem Migrationshintergrund in Deutschland, der darauf hindeutet, dass letztere der Familiengründung einen höheren Stellenwert beimessen (Diabaté, Beringer, Garcia Ritz 2016, S. 14).

Abbildung 32: „Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben.“

Auch bei den Mittelwerten zeigt sich die insgesamt hohe Zustimmung zu dieser Aussage mit Werten zwischen 4,8 (Ex-Jugoslawien) und 4,4 (Deutschland, Abbildung 33).

3.3 Deskriptive Analyse

101

Abbildung 33: „Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben.“ (Mittelwert)

Die Ergebnisse der „DELTA-Studie Kinderlosigkeit von Frauen und Männern mit Migrationshintergrund“ zeigen, dass deren Zielgruppe (kinderlose Migranten) einen festen Kinderwunsch für die Zukunft äußert, ein Leben mit Kindern stark positiv bewertet und Elternschaft als Teil ihrer Lebensplanung und Lebensziel betrachtet. Elternschaft wird als „elementarer Teil ihrer ganzheitlichen Identität“ gesehen. Für die überwiegende Mehrheit der Befragten ist die momentane Kinderlosigkeit lediglich eine befristete, biographisch bedingte Haltung (Smidt, Wippermann 2014, S. 10, 28 ff.). Insbesondere für Männer mit türkischem Migrationshintergrund ist das Thema aktueller Kinderwunsch über Altersgruppen, Lebenslagen und Partnersituationen hinweg ein präsentes Thema (Smidt, Wippermann 2014, S. 23). Dies kann auf die Relevanz der Fragen für die Frauen mit türkischem Hintergrund einen Einfluss ausüben. Bedeutung religiöser Vorschriften für die Familienplanung Inwieweit nimmt die religiöse Zugehörigkeit Auswirkungen auf die Familienplanung? Hier zeigen sich bei den Antworten zur Aussage „Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften“ große Unterschiede zwischen den Bezugsregionen (Abbildung 34).

102

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 34: „Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften“

Auffällig ist die besonders hohe Zustimmung bei Befragten mit Bezugsregion Türkei (81,2 Prozent). Für Frauen mit polnischen Wurzeln spielen religiöse Vorschriften ebenfalls mehrheitlich eine große Rolle, bei der ex-jugoslawischen Gruppe ist das Meinungsbild sehr heterogen. Eher gering ist die Zustimmung zu dieser These bei den Frauen aus der Ex-Sowjetunion (26,2 Prozent) sowie insbesondere bei

Abbildung 35: „Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften.“ (Mittelwert)

3.3 Deskriptive Analyse

103

den Deutschen ohne Migrationshintergrund (12,0 Prozent). In der letztgenannten Gruppe lehnt über die Hälfte die Aussage komplett ab. Das deutliche Gefälle in den Meinungen wird nochmals durch die Verteilung der Mittelwerte offensichtlich (Abbildung 35). Wichtigkeit gesunder Ernährung Abbildung 36 zeigt, inwieweit die befragten Frauen Wert auf eine gesunde Ernährung legen. Die Aussage „Ich achte sehr auf eine gesunde Ernährung.“ findet über alle Bezugsregionen hinweg eine tendenzielle Zustimmung.

Abbildung 36: „Ich achte sehr auf eine gesunde Ernährung.“

Bei Ex-Jugoslawien ist diese mit 92,7 Prozent am höchsten, bei der Ex-Sowjetunion fällt sie mit 66,3 Prozent vergleichsweise niedrig aus, was sich in den in Abbildung 37 dargestellten Mittelwerten widerspiegelt. Befragte mit den Bezugsregionen Ex-Jugoslawien, Deutschland, Polen und Türkei stimmen dieser Aussage mit Mittelwerten zwischen 4,4 und 4,2 im Schnitt eher zu, Befragte mit der Bezugsregion Ex-Sowjetunion liegen mit einem Mittelwert von 3,7 niedriger, sind aber ebenfalls tendenziell noch im Bereich von „Stimme eher zu“ anzutreffen. Insgesamt ist das Meinungsbild hier relativ homogen.

104

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 37: „Ich achte sehr auf eine gesunde Ernährung.“ (Mittelwert)

3.3.3 Kinderwunsch und Fortpflanzungsmedizin Der folgende Abschnitt behandelt zunächst die Angaben der befragten zu eigenen leiblichen Kindern sowie zum vorhandenen Wunsch nach (weiteren) Kindern. Anschließend werden das Wissen über und die Einstellungen zu den einzelnen Verfahren der Fortpflanzungsmedizin thematisiert sowie die Nutzungsbereitschaft der jeweiligen Verfahren analysiert. Leibliche Kinder Ob die Frauen in der Studie zum Zeitpunkt der Befragung leibliche Kinder hatten, zeigt Abbildung 38. Besonders hoch ist der Anteil von Frauen mit leiblichen Kindern unter denjenigen mit den Bezugsregionen Ex-Sowjetunion (91,3 Prozent) und Ex-Jugoslawien (86,8 Prozent), etwas niedriger bei denjenigen mit den Bezugsregionen Türkei (79,7 Prozent) und Polen (79,3 Prozent). Am niedrigsten ist der Anteil unter den Befragten mit der Bezugsregion Deutschland (74,2 Prozent).

3.3 Deskriptive Analyse

105

Abbildung 38: Leibliche Kinder vorhanden

Abbildung 39 zeigt die Mittelwerte der Anzahl leiblicher Kinder bei den Frauen, die bereits Mütter sind. Die Werte sind relativ ähnlich, wobei Frauen mit Bezugsregion Türkei mit durchschnittlich 2,5 leiblichen Kindern die höchste Kinderanzahl und Frauen mit Bezugsregion Polen und Deutschland mit knapp unter bzw. knapp über zwei die niedrigste Kinderanzahl aufweisen.

Abbildung 39: Anzahl leiblicher Kinder (Mittelwert)

106

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Kinderwunsch Die Frauen in der Studie wurden anschließend gefragt, ob sie sich (weitere) leibliche Kinder wünschen. Hierauf konnte mit „ja“, „noch unentschieden“, „nein“ und „weiß nicht“ geantwortet werden. Wie aus Abbildung 40 ersichtlich, zeigen sich hier keine sehr großen Unterschiede. Über alle Bezugsregionen hinweg wünscht sich ca. ein Viertel der Befragten weitere leibliche Kinder. Den größten Wert weisen Frauen mit Bezugsregion Polen mit 27,1 Prozent auf, den niedrigsten Wert Frauen mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien mit 23,2 Prozent.

Abbildung 40: Wunsch nach weiteren leiblichen Kindern

Abbildung 41 zeigt die Mittelwerte der Anzahl gewünschter weiterer Kinder je nach Bezugsregion. Bei den Frauen mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion, Deutschland, Ex-Jugoslawien und Polen zeigt sich ein sehr ähnliches Bild mit Werten von 1,72 (Deutschland) bis 1,85 (Ex-Sowjetunion). Auffällig ist ein deutlich höherer Wert von 2,40 unter den Befragten mit Bezugsregion Türkei.

3.3 Deskriptive Analyse

107

Abbildung 41: Anzahl gewünschter weiterer leiblicher Kinder (Mittelwert)

Aus den vorhergehenden Fragen kann die endgültig gewünschte Kinderzahl ermittelt werden (siehe auch Kapitel 3.2.5). Die Mittelwerte (Abbildung 42) sind bei den Frauen mit Bezugsregion Deutschland und Polen mit 1,96 und 2,03 sehr ähnlich. Die meisten Kinder wünschen sich die Befragten mit Bezugsregion Türkei mit durchschnittlich 2,62.

Abbildung 42: Endgültige gewünschte Kinderzahl (Mittelwert)

108

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Informiertheit und Wissen über Fortpflanzungsmedizin Es ist erkennbar, dass die befragten Frauen über alle Bezugsregionen hinweg zum Großteil zumindest schon einmal etwas über die Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen haben (Abbildung 43). Besonders unter den Befragten mit Bezugsregion Deutschland, Ex-Sowjetunion und Polen geben mit 92,9 Prozent bis 91,5 Prozent sehr viele Frauen dies an. Bei Ex-Jugoslawien trifft das etwas weniger zu (87,4 Prozent). In der türkeistämmigen Gruppe ist das Thema am wenigsten bekannt (73,3 Prozent). Zum Vergleich: in einer Befragung aus dem Jahr 2003 bejahten diese Frage 76,5 Prozent der Frauen in der deutschen Bevölkerung (StöbelRichter et al. 2008, S. 44).

Abbildung 43: „Haben Sie schon einmal etwas über Fortpflanzungsmed. gehört, gesehen, gelesen?“

Die Einschätzung des eigenen Wissensstands über Fortpflanzungsmedizin stellt Abbildung 44 dar. Hier zeigt sich bei den Antwortmöglichkeiten „sehr hoch“, „eher hoch“, „mittelmäßig“, „eher niedrig“, „sehr niedrig“ und „weiß nicht“ ein heterogeneres Bild über die Bezugsregionen hinweg. „Sehr hoch“ und „eher hoch“ schätzen insgesamt 35,7 Prozent der Frauen mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien ihren Wissensstand ein. Bei den Befragten mit den übrigen Bezugsregionen liegt der Wert dieses Anteils niedriger, am niedrigsten bei den Befragten mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion mit 11,1 Prozent. Über alle Bezugsregionen hinweg schätzen die meisten Frauen ihren Wissensstand am häufigsten als mittelmäßig ein (z. B. Polen: 56,4 Prozent, Ex-Jugoslawien: 41,7 Prozent).

3.3 Deskriptive Analyse

109

Abbildung 44: Einschätzung des eigenen Wissensstandes zur Fortpflanzungsmedizin

Aus den erfragten Angaben zum eigenen Wissenstand der Befragten ergeben sich Mittelwerte, die den mittleren Wissensstand je nach Bezugsregion angeben (Abbildung 45). Die Mittelwerte liegen zwischen 3,2 (Ex-Jugoslawien) und 2,7 (ExSowjetunion) und damit im Bereich „mittelmäßig“.

Abbildung 45: Selbsteinschätzung des Wissensstands über Fortpflanzungsmedizin (Mittelwert)

110

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Um einen Hinweis auf das tatsächliche Wissen der Frauen rund um den Themenkomplex Fortpflanzung und Fertilität zu bekommen, wurden die Frauen außerdem darum gebeten, ihre Meinung dazu abzugeben, ab wann die Fruchtbarkeit der Frau langsam abnehme. Sowohl „ab 25 Jahren“ als auch „ab 30 Jahren“ kann dabei als korrekte Antwort interpretiert werden (Kentenich, Weblus 2014, S. 18; Leridon 2004). Über alle verglichenen Gruppen hinweg gibt nur eine Minderheit der befragten Frauen eine zutreffende Antwort auf diese Frage (Abbildung 46). Der größte Anteil korrekter Antworten ist bei den Deutschen ohne Migrationshintergrund zu finden (zusammengenommen 43,4 Prozent), gefolgt von den Frauen aus Ex-Jugoslawien (29,1 Prozent). Bei den Frauen mit polnischem oder ex-sowjetischem Hintergrund ist nur noch jede Fünfte richtig über die altersbedingte Abnahme der Fertilität informiert, und von den türkeistämmigen Frauen konnten schließlich nur noch 13,4 Prozent die Frage korrekt beantworten. Zum Vergleich: in der Befragung aus dem Jahr 2003 wussten nur 3,4 Prozent der Frauen, dass die Fruchtbarkeit ab 25 Jahren abnimmt; ab 30 Jahren meinten 10,9 Prozent (Stöbel-Richter et al. 2008, S. 44). Insofern lag der Anteil mit 14,3 Prozent korrekter Antworten damals weit niedriger.

Abbildung 46: „Was denken Sie: Ab welchem Alter nimmt die Fruchtbarkeit der Frau langsam ab?“

Dennoch fällt das Interesse an weiteren Informationen zur Fortpflanzungsmedizin bei allen befragten Frauen eher mäßig aus. Über alle Bezugsregionen hinweg besteht in der Hauptsache ein eher geringes oder sehr geringes Interesse an weiteren Informationen zum Thema (Abbildung 47). Mit „sehr groß“ oder „eher groß“ antworten lediglich 14,6 Prozent (Ex-Jugoslawien) bis 2,7 Prozent (Deutschland) der Befragten.

3.3 Deskriptive Analyse

111

Abbildung 47: Interesse an weiteren Informationen zur Fortpflanzungsmedizin

Die Befragten mit dem am niedrigsten angegebenen Wissensstand zeigen nicht das höchste Interesse an weiteren Informationen. So zeigen die Frauen mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion den im Mittel geringsten Wissensstand, doch nur 4,0 Prozent von ihnen haben ein sehr oder eher großes Interesse an weiteren Informationen. Umgekehrt zeigen die Befragten mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien, die den höchs-

Abbildung 48: Interesse an weiteren Informationen zur Fortpflanzungsmedizin (Mittelwert)

112

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

ten mittleren angegebenen Wissensstand aufweisen, am häufigsten sehr oder eher großes Interesse an weiteren Informationen (14,6 Prozent). Abbildung 48 zeigt die errechneten Mittelwerte des Interesses an weiteren Informationen zur Fortpflanzungsmedizin je nach Bezugsregion. Die Werte liegen zwischen 2,3 (Türkei) und 1,6 (Deutschland) und damit im Bereich eines eher geringen Interesses. Einstellung zur Fortpflanzungsmedizin Um einschätzen zu können, wie aufgeschlossen die Befragten den Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin gegenüberstehen, wurden sie gebeten anzugeben, wie sehr sie der Aussage „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“ zustimmen. Auf der Antwortskala von „stimme sehr zu“, „stimme eher zu“, „weder noch“, „stimme eher nicht zu“, „stimme überhaupt nicht zu“ oder „weiß nicht“ verortet sich ein großer Anteil der Befragten auf der positiven Seite. Die Zustimmungswerte mit den Aussagen „sehr“ oder „eher“ zuzustimmen reichen von 64,8 Prozent (Deutschland) bis zu 85,7 Prozent (Polen) (Abbildung 49). Zum Vergleich: bei der Befragung von 2003 stimmten 50,3 Prozent der Frauen zu, dass ungewollt kinderlose Paare alle Techniken nutzen sollten (Stöbel-Richter et al. 2012). Es kann somit geschlussfolgert werden, dass das gesellschaftliche Klima gegenüber der Reproduktionsmedizin positiver geworden ist.

Abbildung 49: „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“

3.3 Deskriptive Analyse

113

Die etwas skeptischere Haltung der Frauen ohne Migrationshintergrund wird erkennbar in der Darstellung der Mittelwerte der Zustimmung in Abbildung 50. Jedoch klar deutlich ist die breite Zustimmung über alle Bezugsregionen hinweg zu erkennen, die bei mit Werten von 4,32 (Polen) bis 3,72 (Deutschland) im Bereich „stimme eher zu“ liegt.

Abbildung 50: „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“ (Mittelwert)

Nutzung von Verfahren der Fortpflanzungsmedizin Zunächst wurde die tatsächliche Anzahl der Frauen, die schon einmal in reproduktionsmedizinischer Behandlung waren, festgestellt. Tatsächliche Nutzung und Nutzungsbereitschaft lassen sich so gegenüberstellen. Abbildung 51 zeigt ein einheitliches Bild über alle Bezugsregionen hinweg: 8,5 Prozent (Polen) bis 6,0 Prozent (Ex-Sowjetunion) der Befragten geben je nach Bezugsregion an, schon einmal in fortpflanzungsmedizinischer Behandlung gewesen zu sein. 0,7 Prozent der Frauen mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien antworten mit „weiß nicht“, 0,5 Prozent der Befragten mit Bezugsregion Polen verweigern eine Antwort. Diese Zahlen zeigen, dass nur ein sehr kleiner Teil der befragten Frauen bislang die Angebote der Reproduktionsmedizin genutzt haben.

114

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 51: „Waren Sie schon einmal in fortpflanzungsmedizinischer Behandlung?“

Auch die „DELTA-Studie Kinderlosigkeit“ des BMFSFJ zeigt einen relativ geringen Nutzungsgrad der befragten Studienteilnehmerinnen: 8 Prozent der kinderlosen Frauen mit aktuellem Kinderwunsch haben einmal oder mehrmals reproduktionsmedizinische Maßnahmen bereits genutzt (Wippermann 2014, S. 118). Trotz vorliegender medizinischer Diagnose einer eingeschränkten Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit nahmen 63 Prozent (Frauen und Männer) eine Kinderwunschbehandlung nicht in Anspruch (Wippermann 2014, S. 120). Auch ein geringer Anteil der Migrantinnen mit aktuellem Kinderwunsch, die in der „DELTA-Studie Kinderlosigkeit von Frauen und Männern mit Migrationshintergrund“ befragt wurden, nutzten die verschiedenen reproduktionsmedizinischen Angebote nur zwischen 1 Prozent (Samenspende) und 8 Prozent (Hormonelle Stimulation der Eierstöcke, Smidt, Wippermann 2014, S. 69). Die Diskrepanzen lassen sich auf die oft vorhandene Überzeugung Kinderloser zurückführen, mit dem Kinderwunsch klappe es auch ohne medizinische Hilfe (Berlin-Institut 2007, S. 37; Wippermann 2014, S. 104 ff.; Smidt, Wippermann 2014, S. 62 f.). Nutzungsbereitschaft von Verfahren der Fortpflanzungsmedizin Um die tatsächliche Nutzungsbereitschaft der verschiedenen Verfahren, die die heutige Fortpflanzungsmedizin zur Verfügung stellt, zu eruieren, wurden diejenigen Frauen der vorliegenden Studie mit einer positiven Einstellung zur Nutzung von Verfahren der Fortpflanzungsmedizin herausgefiltert. Abbildung 52 wiederum bildet die Antworten der Frauen auf die Frage nach der Nutzungsbereitschaft medizinischer Verfahren ab, ein eigenes Kind zu bekommen, wenn auf „natürlichem“

3.3 Deskriptive Analyse

115

Weg keine Fortpflanzung möglich sei. Es wird deutlich, dass die Befragten über alle Bezugsregionen hinweg zum Großteil dazu bereit wären, die Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin zu nutzen. Bejaht („ja, sicher“ und „ja, vielleicht“) wird die Frage von 93,6 Prozent (Ex-Sowjetunion) bis 85,7 Prozent (Deutschland) der Befragten (siehe Abbildung 52). Damit werden die Ergebnisse der Befragung von 2003 weit übertroffen; in der deutschen Bevölkerung gaben 35,9 Prozent der Frauen an, dass sie alle Verfahren nutzen würden (Stöbel-Richter 2008, S. 46).

Abbildung 52: „Würden Sie medizinische Verfahren nutzen, wenn sie einen Kinderwunsch hätten, aber auf „natürlichem“ Wege nicht schwanger werden könnten?“

Diejenigen Frauen mit einem klaren Bekenntnis zur generellen Nutzungsbereitschaft von Reproduktionsmedizin wurden im Folgenden zur Nutzung bestimmter Verfahren interviewt. Die Befragten konnten darauf mit „ja, würde ich nutzen“, „nein, würde ich nicht nutzen“, „weiß nicht“ und „keine Angabe“ antworten, zudem die Antwort verweigern. Der Nutzung von Hormonen stimmt ein großer Anteil der Befragten (z. B. Polen: 94,7 Prozent, Ex-Sowjetunion 66,9 Prozent) zu. 1,7 Prozent der Frauen mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion und 1,5 Prozent mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien machen hierzu keine Angabe (Abbildung 53).

116

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 53: Nutzung von Methoden: Behandlung mit Hormonen

Die mögliche Nutzung der Insemination wird über alle Bezugsregionen hinweg gesehen noch häufiger bejaht: 94,7 Prozent (Polen) bis 85,2 Prozent (Ex-Jugoslawien) der Befragten antworten mit „ja, würde ich nutzen“ (Abbildung 54).

Abbildung 54: Nutzung von Methoden: Insemination

3.3 Deskriptive Analyse

117

Die Nutzung von künstlicher Befruchtung außerhalb des Körpers wird etwas weniger häufig befürwortet. Hier liegen die Werte zwischen 75,6 Prozent (Türkei) und 65,6 Prozent (Ex-Jugoslawien). Die relativen Häufigkeiten der genannten Antwortalternativen zu diesem Verfahren werden in Abbildung 55 ersichtlich.

Abbildung 55: Nutzung von Methoden: Künstliche Befruchtung außerhalb des Körpers

Wesentlich seltener als die zuvor genannten Verfahren wird bejaht, die Samenspende eines anonymen Spenders nutzen zu würden. Abbildung 56 zeigt, dass 18,8 Prozent der Frauen mit Bezugsregion Polen die höchste Nutzungsbereitschaft einer anonymen Samenspende aufweisen; mit 12,5 Prozent ist bei Frauen mit Bezug Ex-Jugoslawien diese Bereitschaft am geringsten. Insgesamt ist die Bereitschaft zu diesem erlaubten heterologen Verfahren gering.

118

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 56: Nutzung von Methoden: Samenspende eines anonymen Spenders

Auch nach den beiden in Deutschland verbotenen Verfahren Eizellspende (das Einsetzen einer befruchteten Eizelle einer anderen Frau in ihre eigene Gebärmutter) und Leihmutterschaft (das Austragen der Schwangerschaft durch eine andere Frau, siehe zu rechtlichen Aspekten Kapitel 2.1.3) wurde gefragt (Abbildung 57 und Abbildung 58). Über alle Bezugsregionen hinweg wird jedoch von einem sehr geringeren Anteil der Frauen angegeben, dass sie eine Eizellspende in Anspruch

Abbildung 57: Nutzung von Methoden: Eizellspende

3.3 Deskriptive Analyse

119

nehmen würden. Immerhin jede fünfte Frau mit Bezugsregion Polen würde diese Möglichkeit jedoch nutzen, wobei der Anteil höher als bei der Samenspende liegt. Bei deutschen Frauen ohne Migrationshintergrund ist die Bereitschaft zur potenziellen Inanspruchnahme einer Eizellspende mit 9,7 Prozent am niedrigsten. Die mögliche Nutzung einer Leihmutterschaft wird zu einem noch geringeren Anteil bejaht. Jede zehnte Frau (Bezug Türkei und Ex-Sowjetunion) zieht diese Möglichkeit in Betracht. Die übrigen Werte liegen im einstelligen Bereich (Abbildung 58).

Abbildung 58: Nutzung von Methoden: Leihmutterschaft

Auch diejenigen Befragten, die die Frage, ob sie Verfahren der Fortpflanzungsmedizin nutzen würden, wenn sie auf „natürlichem“ Wege keine eigenen Kinder bekommen könnten, verneint hatten, wurden gefragt, ob Alternativen (außerhalb der Reproduktionsmedizin) für sie infrage kommen würden. Sie konnten mit „ja“, „nein“ und „weiß nicht“ darauf antworten. Die Alternative der Adoption wird von den Befragten aller Bezugsregionen recht häufig bejaht und ist bei den meisten Bezugsregionen recht ähnlich (Abbildung 59). Zwei Drittel der Frauen der Bezugsregion Polen und 60,0 Prozent der deutschen Frauen stehen dieser Möglichkeit positiv gegenüber. Nur unter den Frauen mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion liegt der Wert mit 43,8 Prozent etwas niedriger. Von den Befragten mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion antworten zudem 6,3 Prozent unentschlossen. Zum Vergleich: in der deutschlandweiten Befragung von 2003 gaben 21,9 Prozent der Frauen an, dass sie bei unerfülltem Kinderwunsch und Unfruchtbarkeit eine Adoption in Betracht ziehen würden (Stöbel-Richter 2008, S. 46). Auch die Bereitschaft zu dieser Alternative ist stark angestiegen.

120

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 59: Weitere Möglichkeiten: Ein Kind adoptieren

Hinsichtlich der Möglichkeit, ein Kind in Pflege zu nehmen als weitere Alternative zur Fortpflanzungsmedizin, zeigen sich große Unterschiede zwischen den Bezugsregionen (Abbildung 60). Frauen mit Bezugsregion Türkei bejahen besonders oft diese Frage (84,6 Prozent). Besonders wenige sind dies unter den Befragten mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion (25,0 Prozent). Im Bereich dazwischen liegen die

Abbildung 60: Weitere Möglichkeiten: Ein Kind in Pflege nehmen

3.3 Deskriptive Analyse

121

Anteile unter den Befragten mit den Bezugsregionen Polen, Ex-Jugoslawien und Deutschland mit 66,7 Prozent (Polen) bis 48,0 Prozent (Deutschland). Auch auf die Option, sich mit der Kinderlosigkeit abzufinden, wird unterschiedlich geantwortet (Abbildung 61). Auffällig ist mit 92,0 Prozent der besonders hohe Anteil an Bejahung unter den Deutschen ohne Migrationshintergrund. Keine der Frauen zeigt sich hier unentschlossen. Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei den Befragten mit Migrationshintergrund. Bei ihnen liegt der Anteil derer, die angeben, dass sie sich mit der Kinderlosigkeit abfinden würden, zwischen 66,7 Prozent (Polen) und 50,0 Prozent (Ex-Sowjetunion). Von ihnen antworten jedoch vergleichsweise viele mit „weiß nicht“: Die Werte liegen zwischen 16,7 Prozent (Polen) und 5,9 Prozent (Ex-Jugoslawien). Zum Vergleich: 2003 gaben 19 Prozent der Frauen an, dass sie sich mit dem Schicksal der Kinderlosigkeit abfinden würden und 23,2 Prozent wissen nicht, was sie tun würden (Stöbel-Richter 2008, S. 46).

Abbildung 61: Weitere Möglichkeiten: Mit Kinderlosigkeit abfinden

3.3.4 Wissenstransfer und Informationskanäle Dieser Abschnitt behandelt den Wissenstransfer zu den Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin, also die Frage, auf welchen Wegen die Frauen an einschlägige Informationen kommen (können). Dazu sollten sie zunächst angeben, wie häufig sie in den letzten zwölf Monaten verschiedene Möglichkeiten, sich über Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin zu informieren, genutzt hatten. In diesem Zusammenhang wird auch analysiert, in welchen Sprachen diese Möglichkeiten genutzt werden. Abschließend steht das

122

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

persönliche Umfeld im Mittelpunkt, also mit wie vielen Personen die Frauen in ihrem sozialen Netzwerk über diese Themen sprechen (können) und wie viele dieser Personen qualifizierte Ratschläge geben können. Klassische und neue Massenmedien Die erste Kategorie von Informationskanälen umfasst sowohl klassische Massenmedien wie Fernsehen, Radio, Printmedien und auch das Internet und soziale Medien. Es wurde gefragt, ob diese oft, manchmal oder selten genutzt wurden, um sich über die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin zu informieren. Mit 87,2 Prozent zusammengefasstem Nutzeranteil unter den Befragten mit Bezugsregion Polen ist der Anteil der Frauen, die Berichte im Fernsehen zu diesen Themen angesehen haben, besonders hoch. Hier haben sogar 17 Prozent oft entsprechende Sendungen verfolgt (Abbildung 62). Etwas niedriger, aber immer noch recht hoch, ist der Nutzeranteil unter den Befragten aus den übrigen Bezugsregionen (z. B. Ex-Jugoslawien 77,5 Prozent, Deutschland 67,0 Prozent).

Abbildung 62: „Wie oft haben Sie in den letzten 12 Monaten Berichte im Fernsehen zu diesem Thema angesehen?“

Ein deutlich geringerer Anteil an Frauen gibt an, Berichte im Radio angehört zu haben (Abbildung 63). Die Werte hierzu liegen zwischen 43,0 Prozent (Ex-Jugoslawien) und 23,5 Prozent (Türkei).

3.3 Deskriptive Analyse

123

Abbildung 63: „Wie oft haben Sie in den letzten 12 Monaten Berichte im Radio zu diesem Thema angehört?“

Ein Großteil der Frauen mit den Bezugsregionen Polen, Ex-Jugoslawien, Deutschland und Ex-Sowjetunion gibt an, Artikel in gedruckten Zeitungen oder Zeitschriften gelesen zu haben (z. B. Polen 73,9 Prozent, Ex-Sowjetunion 65,0 Prozent).

Abbildung 64: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Artikel in gedruckten Zeitungen oder Zeitschriften zu diesen Themen gelesen?“

124

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Deutlich geringer ist dieser Anteil unter den Befragten mit Bezugsregion Türkei mit 48,6 Prozent (Abbildung 64). Das Lesen von Büchern zu den Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin wird hingegen über alle Bezugsregionen hinweg weniger häufig bejaht (Abbildung 65). Der Anteil der Befragten, die Bücher zu diesen Themen gelesen haben, liegt zwischen 36,5 Prozent (Ex-Jugoslawien) und 23,0 Prozent (Deutschland). Ein Großteil aller Befragten nutzt dieses Medium zur Informationsgewinnung nicht.

Abbildung 65: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Bücher zu diesen Themen gelesen?“

Auch die sozialen Medien im Internet wie z. B. Facebook, Twitter, Blogs oder Foren werden über alle Bezugsregionen hinweg selten genutzt (Abbildung 66), wenn es um die Informationsgewinnung zu den einschlägigen Themen geht. Unter den Frauen mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien und Polen ist dieser Anteil mit 37,7 Prozent bzw. 33,0 Prozent noch am höchsten, bei den Frauen mit Türkei, Ex-Sowjetunion und Deutschland ist er mit 25,7 Prozent (Türkei) bis 19,2 Prozent (Deutschland) niedriger.

3.3 Deskriptive Analyse

125

Abbildung 66: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten soziale Medien im Internet, wie z. B. Facebook, Twitter, Blogs oder Foren bezüglich dieser Themen genutzt?“

„Sonstige Informationen“ im Internet außerhalb der sozialen Medien werden etwas häufiger genutzt (Abbildung 67). Die Nutzungswerte liegen hier zusammengefasst zwischen knapp 40 Prozent (Polen) und 31,2 Prozent (Deutschland).

Abbildung 67: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten sonstige Informationen im Internet zu diesen Themen gelesen?“

126

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Befragt nach der Wahrnehmung von Werbung wie z. B. Anzeigen, Plakate oder TVSpots zu diesen Themen, ergibt sich folgendes Bild: Abbildung 68 zeigt, dass in etwa die Hälfte (51,1 Prozent) der Frauen ohne Migrationshintergrund Werbung zu diesen Themen wahrgenommen haben. Bei den anderen Befragten liegt dieser Anteil etwas niedriger, am geringsten ist er unter den Befragten mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion mit 36,2 Prozent.

Abbildung 68: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Werbung wie z. B. Anzeigen, Plakate oder TV-Spots zu diesen Themen wahrgenommen?“

Beratung und Informationsmaterialien Die zweite Kategorie der Informationskanäle, die in die Analyse eingehen, ist die Nutzung von Beratung und Informationsmaterialien. Die persönliche Beratung durch Ärzte wird eher selten in Anspruch genommen (Abbildung 69). Frauen mit Bezugsregion Polen und Türkei geben hier am häufigsten (Polen 26,1 Prozent, Türkei 25,7 Prozent) an, Beratung durch Ärzte genutzt zu haben. Etwas geringer ist dieser Anteil bei den anderen Bezugsregionen, wobei er unter den Deutschen ohne Migrationshintergrund mit 9,8 Prozent am niedrigsten ist.

3.3 Deskriptive Analyse

127

Abbildung 69: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten persönliche Beratung durch Ärzte zu diesen Themen in Anspruch genommen?“

Häufiger als die persönliche Beratung durch Ärzte werden Informationsmaterialien bei Ärzten genutzt (Abbildung 70). Am höchsten ist der Anteil, die dies „Oft“, „Manchmal“ oder „Selten“ genutzt haben, bei Frauen mit polnischer Bezugsregion (45,7 Prozent).

Abbildung 70: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Informationsmaterial bei Ärzten zu diesen Themen gelesen?“

128

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Eine nicht besonders häufig genutzte Informationsmöglichkeit ist die Beratung durch Krankenkassen. Wie aus Abbildung 71 ersichtlich wird, zeigen sich hier große Unterschiede zwischen den Bezugsregionen, wobei der Anteil derjenigen Frauen, die angeben, Beratung durch Krankenkassen genutzt zu haben, insgesamt und über alle Bezugsregionen hinweg recht niedrig ausfällt (z. B. Ex-Sowjetunion 6,0 Prozent), besonders niedrig bei Frauen aus Deutschland (2,2 Prozent). Verhältnismäßig hoch ist der Anteil unter den Befragten mit Bezugsregion Türkei mit 24,6 Prozent.

Abbildung 71: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Beratung durch Krankenkassen zu diesen Themen genutzt?“

Informationsmaterialien der Krankenkassen werden insgesamt deutlich häufiger genutzt. Der Anteil der Befragten, die Informationsmaterialien der Krankenkassen genutzt haben, liegt zwischen 29,9 Prozent (Türkei) und 12,6 Prozent (Deutschland, Abbildung 72).

3.3 Deskriptive Analyse

129

Abbildung 72: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Informationsmaterial von Krankenkassen zu diesen Themen genutzt?“

Eine persönliche Beratung in einer Apotheke in den letzten zwölf Monaten genutzt haben, geben relativ wenige Frauen an. Die Nutzungswerte dieser Informationsquelle liegen zwischen 13,9 Prozent (Türkei) und 3,2 Prozent (Deutschland, Abbildung 73). Außer der persönlichen Beratung können auch Informationsmaterialien aus Apotheken genutzt werden. Dies geschieht über alle Bezugsregionen hinweg deutlich häufiger (Abbildung 73).

130

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 73: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten persönliche Beratung in der Apotheke zu diesen Themen genutzt?“

Der höchste Anteil an Frauen, die diese Informationsquelle genutzt haben, liegt bei den Befragten mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien mit 33,8 Prozent vor, der niedrigste bei denjenigen mit Ex-Sowjetunion mit 21,0 Prozent (Abbildung 74).

Abbildung 74: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Informationsmaterial aus Apotheken zu diesen Themen gelesen?“

3.3 Deskriptive Analyse

131

Im Vergleich zu schriftlichem Informationsmaterial oder der persönlichen Information ist der Besuch von Informationsveranstaltungen sehr selten und kommt meist gar nicht vor (Abbildung 75).

Abbildung 75: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten öffentliche Informationsveranstaltungen wie z. B. Vorträge, Gesundheitstage oder Messen besucht?“

Beratungsstellen und öffentliche Einrichtungen Zuletzt wurden die Frauen befragt, wie oft sie sich in den vergangenen zwölf Monaten bei Beratungsstellen und öffentlichen Einrichtungen zu den Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin informiert haben. Der Anteil der Befragten, die sich „Oft“, „Manchmal“ oder „Selten“ in Beratungsstellen von Gesundheitsorganisationen wie bspw. dem Roten Kreuz oder pro familia informiert haben, ist über alle Bezugsregionen hinweg sehr gering. Die Werte liegen zwischen 12,6 Prozent (Ex-Jugoslawien) und 3,2 Prozent (Ex-Sowjetunion, Abbildung 76).

132

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 76: „Wie oft haben Sie sich in den letzten zwölf Monaten bei Beratungsstellen von Gesundheitsorganisationen wie bspw. dem Roten Kreuz oder pro familia zu diesen Themen informiert?“

Abbildung 77: „Wie oft haben Sie sich in den letzten zwölf Monaten bei staatlichen Organisationen wie bspw. der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder Gesundheitsämtern zu diesen Themen informiert?“

3.3 Deskriptive Analyse

133

Ebenfalls sehr selten informieren sich die befragten Frauen bei staatlichen Organisationen wie beispielsweise der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder bei Gesundheitsämtern. Abbildung 77 macht noch geringere Werte der Nennung von „Oft“, „Manchmal“ und „Selten“ erkennbar, sie liegen zusammen genommen zwischen 12,2 Prozent (Türkei) und 0,5 Prozent (Deutschland). Aus der Befragung wird deutlich, dass Angebote von Bildungseinrichtungen (z. B. Schulen, Universitäten oder Volkshochschulen) ebenfalls eher selten in Anspruch genommen werden. Der Anteil der Frauen, die angeben dies getan zu haben, liegt zwischen 17,2 Prozent (Ex-Jugoslawien) und 5,2 Prozent (Ex-Sowjetunion, Abbildung 78).

Abbildung 78: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Angebote von Bildungseinrichtungen (z. B. Schulen, Universitäten oder Volkshochschulen) zu diesen Themen in Anspruch genommen?“

Wie oft die befragten Frauen in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung ihre Religionsgemeinschaft, z. B. die Pfarrei oder einen Moscheeverein bezüglich der Thematik um Rat gefragt haben, zeigt Abbildung 79. Am höchsten ist hier der Anteil unter den Frauen mit Bezugsregion Türkei (11,2 Prozent), am niedrigsten bei den Befragten ohne Migrationshintergrund (1,1 Prozent).

134

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 79: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten ihre Religionsgemeinschaft, z. B. die Pfarrei oder einen Moscheeverein deswegen um Rat gefragt?“

Sprache und Sprachpräferenz bei Informationsquellen In Bezug auf die Informationsquellen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin wurde ferner erhoben, in welcher Sprache die Frauen diese Quellen genutzt haben. Die Antwortmöglichkeiten waren mit „nur auf Deutsch“, „meist auf Deutsch“, „meist in einer anderen Sprache“, „nur in einer anderen Sprache“ oder „weiß nicht“ vorgegeben, zudem konnte die Antwort verweigert werden. Bei den Frauen mit Bezugsregion Deutschland liegt der Anteil derjenigen, die sich nur oder meist auf Deutsch informiert haben, bei 98,2 Prozent. Keine von ihnen gibt „meist in einer anderen Sprache“ oder „nur in einer anderen Sprache“ an. Sehr ähnlich ist das Bild bei den Befragten mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien. Von ihnen geben insgesamt 7,5 Prozent an, sich meist oder nur in einer anderen Sprache informiert zu haben. 89,7 Prozent haben Informationen nur oder meist auf Deutsch genutzt. Knapp ein Drittel der Befragten mit den Bezugsregionen Ex-Sowjetunion, Polen und Türkei haben sich meist oder nur in einer anderen Sprache informiert (Ex-Sowjetunion 28,2 Prozent, Türkei 34,7 Prozent, Abbildung 80). Befragt nach der Sprachpräferenz in einem Beratungsgespräch mit Ärzten, würde der Großteil der Deutschen ohne Migrationshintergrund und der Frauen mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien am liebsten auf Deutsch mit Ärzten sprechen (Deutschland 98,4 Prozent, Ex-Jugoslawien 83,4 Prozent). Bei den Befragten mit den Bezugsregionen Polen, Ex-Sowjetunion und Türkei liegt dieser Anteil nur bei etwa der Hälfte der Fall (z. B. Polen 51,1 Prozent, Türkei 47,6 Prozent, Abbildung 81).

3.3 Deskriptive Analyse

Abbildung 80: Sprache der genutzten Informationen

Abbildung 81: Sprachpräferenz bei Ärzten

135

136

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Austausch mit Kontaktpersonen Neben ihrem Verhalten bezüglich Beratung und Wissenstransfer wurden die Frauen ferner dazu befragt, wie oft sie mit anderen Kontaktpersonen in den letzten zwölf Monaten über Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Fortpflanzungsmedizin gesprochen hatten. „Oft“, „manchmal“, „selten“ und „nie“. Am höchsten ist der Anteil derjenigen, die sich mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin über diese Themen ausgetauscht haben, unter den Frauen mit Bezugsregion Polen (62,5 Prozent). Unter den Befragten mit den anderen Bezugsregionen ist dieser Anteil mit 50,4 Prozent (ExJugoslawien) bis 42,8 Prozent (Ex-Sowjetunion) etwas geringer (Abbildung 82).

Abbildung 82: Häufigkeit des Austauschs mit dem Partner/der Partnerin über diese Themen

Für den persönlichen Austausch mit Familienangehörigen zeigt sich ein ähnliches Bild: Der Anteil derjenigen Frauen, die mit Familienangehörigen über diese Themen gesprochen haben, ist unter denjenigen mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien (59,6 Prozent) und Polen (54,8 Prozent) am höchsten. Etwas niedriger fällt er bei Frauen mit den Bezugsregionen Türkei, Ex-Sowjetunion und Deutschland mit 48,1 Prozent (Türkei) bis 42,8 Prozent aus (Deutschland, Abbildung 83).

3.3 Deskriptive Analyse

137

Abbildung 83: Häufigkeit des Austauschs mit Familienangehörigen über diese Themen

Über alle Bezugsregionen hinweg etwas öfter tauschen sich die Frauen mit Freunden zu diesen Themen aus: Zwei Drittel der Frauen mit Bezugsregion Ex-Jugoslawien sowie noch die Hälfte mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion tauschen sich mit Freunden über diese Themen aus (Abbildung 84).

Abbildung 84: Häufigkeit des Austauschs mit Freunden über diese Themen

138

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Bekannte z. B. am Arbeitsplatz oder im Verein oder Nachbarn, also sozial etwas weniger verbundene Personengruppen, werden deutlich seltener als Ansprechpartner zu den Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin genannt (Abbildung 85). Am höchsten ist der Anteil derjenigen, die angeben, mit dieser Personengruppe einen Informationsaustausch zu diesen Themen zu pflegen, unter den Befragten mit den Bezugsregionen Ex-Jugoslawien (51,6 Prozent) und Polen (51,0 Prozent). Ein wenig geringer ist er bei den Frauen mit den Bezugsregionen Türkei, Deutschland und Ex-Sowjetunion mit Werten zwischen 42,8 Prozent (Türkei) und 37,7 Prozent (Ex-Sowjetunion).

Abbildung 85: Häufigkeit Austauschs mit Bekannten

Um Informationen über die Offenheit im Umgang mit der Thematik zu erlangen, wurden die Frauen zudem dazu befragt, mit wie vielen persönlich bekannten Personen, sie offen über die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin sprechen können. Abbildung 86 zeigt die Mittelwerte der angegebenen Anzahl dieser Kontaktpersonen, mit denen offen gesprochen werden kann nach Bezugsregion. Es fällt ein im Vergleich besonders hoher Wert von im Mittel 10,8 Kontaktpersonen bei den Deutschen ohne Migrationshintergrund auf. Unter den Befragten mit Migrationshintergrund ist die mittlere Anzahl an Kontaktpersonen mit Werten zwischen 7,4 (Polen) und 6,7 (Ex-Jugoslawien) sehr ähnlich.

3.3 Deskriptive Analyse

139

Abbildung 86: Anzahl an Kontaktpersonen (Mittelwert)

Wie viele dieser Kontaktpersonen nach Einschätzung der Befragten gut oder sehr gut über das Thema Fortpflanzungsmedizin informiert seien, zeigt Abbildung 87. Der absolute Wert ist bei den Deutschen ohne Migrationshintergrund mit 5,7 am höchsten. Am niedrigsten fällt die angegebene Anzahl bei den Befragten mit Bezugsregion Polen mit 3,3 aus. Betrachtet man die Zahl der informierten Kontakt-

Abbildung 87: Anzahl der über Fortpflanzungsmedizin informierten Kontaktpersonen (Mittelwert)

140

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

personen als Ressource, so lässt sich feststellen, dass die Ausstattung mit sozialem Kapital bei Frauen ohne Migrationshintergrund am höchsten ist (Haug 2003). Werden die Mittelwerte der zuvor erfragten Anzahl an Kontaktpersonen mit einbezogen, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Von den durchschnittlich 10,8 Kontaktpersonen der Deutschen ohne Migrationshintergrund werden 5,7 als gut oder sehr gut informiert angesehen. Dies entspricht 52,8 Prozent. Ein niedrigerer Anteil an gut oder sehr gut informierten Personen unter den Kontaktpersonen ist nur bei den Befragten mit Bezugsregion Polen mit 44,6 Prozent zu finden. Bei den Frauen mit Bezugsregion Ex-Sowjetunion lässt sich ein Anteil gut oder sehr gut informierter Personen von 54,3 Prozent errechnen. Bei den Frauen mit den Bezugsregionen Türkei und Ex-Jugoslawien ist der errechnete Anteil an gut oder sehr gut informierten Kontaktpersonen mit 62,0 Prozent (Türkei) und 65,7 Prozent (Ex-Jugoslawien) sogar noch höher. 3.4 VERTIEFENDE ANALYSEN In den folgenden beiden Kapiteln werden anhand von bi- und multivariate Analysen Unterschiede bei Wissen über Reproduktionsmedizin und Akzeptanz sowie Nutzungsbereitschaft untersucht. 3.4.1 Determinanten von Wissen, Akzeptanz und Behandlung Einleitung Angelehnt an die Theorie des geplanten Verhaltens bei Ajzen (1991) wurde ein Modell zur Veranschaulichung der Einflussfaktoren entwickelt (Abbildung 88). Ajzens Theorie wird sehr häufig zur Modellierung von Fertilitätsentscheidungen in variierenden Ausführungen herangezogen (z. B. Kuhnt, Trappe 2013; Weblus et al. 2014, S. 113). Neben den klassischen Elementen Einstellung zum Verhalten, subjektive Norm, wahrgenommene Verhaltenskontrolle mit Einfluss auf die Verhaltensintention und auf das Verhalten werden hier zusätzlich die Aspekte Wissen und Religion hervorgehoben. Während Wissen vermutlich bildungsabhängig ist, stellt Religion einen eigenen Faktor dar, der auch mit dem Migrationshintergrund und der in Herkunftsländern prägenden Religionsgemeinschaft zusammenhängt (siehe dazu Kapitel 2.5 und 3.4.2). Soziodemografische Faktoren, insbesondere Migrationshintergrund und der Geburtsort, aber auch Bildung, Mediennutzung, Inanspruchnahme von Beratung und soziale Netzwerke als Ressource beeinflussen nach diesem Modell die subjektive soziale Norm und die Bereitschaft zur Nutzung (Einstellung zum Verhalten). Determinanten des Verhaltens werden am Ende dieses Abschnitts thematisiert. Weitere Analysen zum Profil von Frauen, die eine reproduktionsmedizinische Behandlung in Anspruch genommen haben, finden sich in Kapitel 5.2.

3.4 Vertiefende Analysen

141

Abbildung 88: Modell der Determinanten von Wissen und Akzeptanz der Reproduktionsmedizin

Soziodemografie der befragten Frauen Die Mehrheit der befragten Frauen hat bereits leibliche Kinder (Tabelle 20). Wie bereits in Kapitel 3.3.1 ausgeführt wurde, ist der Anteil von Frauen mit leiblichen Kindern unter denjenigen mit den Bezugsregionen ehem. Sowjetunion (91,3 Prozent) und ehem. Jugoslawien (86,8 Prozent) sehr hoch, etwas niedriger bei denjenigen mit den Bezugsregionen Türkei (79,7 Prozent) und Polen (79,3 Prozent). Am niedrigsten ist der Anteil unter den Befragten mit der Bezugsregion Deutschland (74,2 Prozent). Die aktuelle Kinderzahl liegt bei im Durchschnitt zwischen 1,5 (ohne Migrationshintergrund) und zwei Kindern (ehem. Jugoslawien, ehem. Sowjetunion und Türkei, Tabelle 20). Durchgängig bei allen Gruppen liegt die aktuelle Kinderzahl dabei jedoch unterhalb der Wunschkinderzahl.

142

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 20: Soziodemografische Merkmale

Durchschnittsalter*

Deutschland

Ehem. Sowjetunion

Polen

Türkei

Ehem. Jugoslawien

Signifikanz Gruppenunterschiede (p)

38,8

38,5

38,1

36,3

38,3

,039

Verheiratet***

64 %

81 %

73 %

78 %

80 %

,001

Leibliche Kinder***

74 %

91 %

79 %

80 %

87 %

,000

Anzahl leiblicher Kinder*** (Mittelwert)

1,5

2,0

1,6

2,0

2,0

,000

Wunschkinderzahl*** (Mittelwert)

2,0

2,4

2,0

2,6

2,4

,000

Höchster Schulabschluss*** Kein Abschluss oder Hauptschule

,000 9%

11 %

5%

37 %

21 %

Mittlerer Abschluss

43 %

59 %

34 %

35 %

39 %

Hochschulreife

48 %

31 %

61 %

29 %

40 %

N

182

252

188

187

151

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, N = 960, nicht enthalten: Befragte die keiner Bezugsregion zuzuordnen sind (N = 41) *p ,05; **p ,01; ***p ,001

Den höchsten Bildungsstand weisen die Frauen mit polnischem Hintergrund auf, bei jenen mit türkischen Wurzeln ist das niedrigste Bildungsniveau vorhanden. Frauen aus allen Bezugsregionen sind zum größten Teil verheiratet oder leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Die Anteile reichen von 81,3 Prozent (Ex-Sowjetunion) bis 64,3 Prozent (Deutschland) (siehe auch Kapitel 3.3.1). Informiertheit und Wissen Der Großteil der befragten Frauen (etwa 90 Prozent insgesamt) hat schon etwas über Reproduktionsmedizin gehört, gesehen oder gelesen. Lediglich in der Gruppe der türkeistämmigen Frauen liegt der Anteil mit 73 Prozent etwas niedriger (Tabelle 21). Besonders unter den Befragten mit Bezugsregion Deutschland, Ex-Sowjetunion und Polen gibt jeweils über 90 Prozent der befragten Frauen eine positive Antwort. Die Befragung zeigt, dass die meisten Befragten ihr eigenes Wissen zum Thema als gering einschätzen. Der Wissenstest, bei dem das Alter ausgewählt werden sollte, ab dem die weibliche Fertilität abnimmt, fällt entsprechend aus. Am besten schneiden hier die Frauen ohne Migrationshintergrund mit 43 Prozent der korrekten Antworten ab, gefolgt von Ex-Jugoslawien (29 Prozent), Ex-Sowjetunion und Polen (je 20 Prozent) und der Türkei (13 Prozent) (Tabelle 21). Sowohl „ab

143

3.4 Vertiefende Analysen

25 Jahren“ als auch „ab 30 Jahren“ kann hierbei als korrekte Antwort interpretiert werden (Kentenich, Weblus 2014, S. 18; Leridon 2004, S. 1584), wohingegen bei Stöbel-Richter et al. (2008, S. 43) nur „bereits ab 25 Jahren“ als korrekt betrachtet wird (siehe Kapitel 3.3.3). Die Antworten sind bei höherem Bildungsniveau signifikant häufiger korrekt. Tabelle 21: Bekanntheit, Wissen über Reproduktionsmedizin und Fertilität und Behandlung Deutschland

Gebiet ehem. Sowjetunion

Polen

Türkei

Gebiet ehem. Jugoslawien

Signifikanz Gruppenunterschiede (p)

Im Folgenden möchten wir mit Ihnen über die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin sprechen. In der Fortpflanzungsmedizin geht es um die natürliche und medizinisch unterstützte Empfängnis. Ein Teil davon ist die sogenannte Kinderwunschbehandlung, also zum Beispiel die künstliche Befruchtung bei Paaren, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können. Haben Sie schon einmal etwas über die Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen? ja***

93 %

92 %

92 %

73 %

87 %

,000

Wie hoch schätzen Sie selbst Ihren Wissensstand über die Fortpflanzungsmedizin ein? Sehr hoch, eher hoch, mittelmäßig, eher niedrig, sehr niedrig. eher/sehr hoch***

28 %

11 %

19 %

23 %

36 %

,000

Was denken Sie: Ab welchem Alter nimmt die Fruchtbarkeit der Frau langsam ab? *** ab 25 Jahren

14 %

2%

8%

2%

8%

ab 30 Jahren

29 %

17 %

12 %

12 %

21 %

ab 35 Jahren

29 %

32 %

36 %

26 %

28 %

ab 40 Jahren

15 %

29 %

25 %

37 %

25 %

ab 45 Jahren

7%

11 %

6%

12 %

9%

In den Wechseljahren

6%

7%

12 %

10 %

7%

,000

Waren Sie schon einmal in fortpflanzungsmedizinischer Behandlung? Ja/nein ja

8%

6%

9%

6%

8%

N

182

252

188

187

151

,796

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, *p ,05; **p ,01; ***p ,001

Es wurde in einer multivariaten Analyse getestet, welche Faktoren einen positiven Effekt auf die Informiertheit haben. Die logistische Regression ergab, dass unter Kontrolle von Alter und Geburtsort bei Frauen mit türkischem Migrationshintergrund keine signifikant niedrigere Informiertheit mehr vorliegt (Tabelle 22). Bei Frauen, die im Ausland geboren sind, ist Fortpflanzungsmedizin signifikant weniger bekannt. Auch das Bildungsniveau hat einen starken und hoch signifikanten positiven Effekt: Frauen mit niedrigem Schulabschluss haben seltener von Fortpflanzungsmedizin gehört. Die Hypothese, dass ein höheres Bildungsniveau sich positiv auf die Informiertheit auswirkt, bestätigt sich somit. Auch ein Netzwerkeffekt lässt

144

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

sich zeigen: Mit der Zahl an Kontaktpersonen mit Fachwissen im sozialen Netzwerk steigt die Wahrscheinlichkeit der Informiertheit signifikant. Bei denjenigen, die eine persönliche Beratung zu Kinderwunsch oder Schwangerschaft beim Arzt in Anspruch genommen haben, ist der Bekanntheitsgrad der Fortpflanzungsmedizin signifikant niedriger. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Befragung sich nicht auf die spezielle Zielgruppe der von ungewollter Kinderlosigkeit betroffenen Frauen richtet. Tabelle 22: „Schon einmal etwas von Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen“ (Logistische Regression) Unabh. Variablen

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Modell 5

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Bezugsregion (Ref.: Deutschland) Gebiet ehem. Sowjetunion

1,21

4,13*

4,39*

5,22**

5,59**

Polen

0,81

2,50

2,08

2,50

2,70

Türkei

0,20***

0,51

0,65

0,75

0,79

1,08

1,20

1,32

1,35

Geburtsort (Ref: in Deutschland geboren)

Gebiet ehem. Jugoslawien

0,43

0,29**

0,32**

0,32**

0,32**

Alter

1,06***

1,07***

1,07***

1,08***

0,24***

0,24***

0,26***

0,54*

0,54*

0,58

1,11*

1,11*

Schulabschluss (Ref.: Hochschulreife) Hauptschul-/Pflichtschulabschluss Mittlerer Abschluss Kontaktpersonen mit Fachwissen Soziale Medien im Internet

1,40

Informationen im Internet

1,84

Persönliche Beratung durch Ärzte

0,45*

Informationsmaterial bei Ärzten

1,51

Nagelkerkes R2

0,09

0,13

0,17

0,19

0,23

Fallzahl

807

807

807

807

807

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. Von Reproduktionsmedizin gehört: 0 = Nein, 1 = Ja. Signifikanz: *p 0,05. **p 0,01. ***p 0,001.

Ein ähnlicher Effekt zeigt sich bei der multivariaten Analyse des selbst eingeschätzten Wissens (Tabelle 23), wobei weder die Bezugsregion mit Ausnahme der ehemaligen Sowjetunion, der Geburtsort, das Alter oder das Bildungsniveau mit dem subjektiven Wissen signifikant zusammenhängen. Hoch signifikant ist ein positiver Effekt von Kontaktpersonen mit Fachwissen. Signifikant niedriger ist das selbst eingeschätzte Wissen bei denjenigen, die sich bei einem Arzt beraten ließen. Dies

145

3.4 Vertiefende Analysen

kann auch damit zusammenhängen, dass Ärzte zwar über eine Hormontherapie beraten, dies aber nicht in Zusammenhang mit Reproduktionsmedizin gebracht wird. Paradoxerweise geht auch die Nutzung sozialer Medien im Internet mit signifikant niedrigerem subjektivem Wissen über Fortpflanzungsmedizin einher. Dies könnte mit einem Wissensparadoxon zusammenhängen, wie es Heidenreich (2003) für die Wissensgesellschaft beschrieben hat, nach dem Motto: Je mehr Informationen, desto weniger Wissen, oder umgekehrt, „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Positiv mit dem subjektiven Wissensstand korreliert hingegen eine hohe Anzahl an Kontaktpersonen mit Fachwissen, ganz im Sinne der Netzwerktheorie, bzw. der Theorie des sozialen Kapitals. Tabelle 23: „Wie hoch schätzen Sie selbst Ihren Wissensstand über die Fortpflanzungsmedizin ein?“ (Ordinale Regression) Unabh. Variablen

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Modell 5

Schätzer/ Sign.

Schätzer/ Sign.

Schätzer/ Sign.

Schätzer/ Sign.

Schätzer/ Sign.

Bezugsregion (Ref.: Deutschland) -0,84***

-0,72***

-0,62*

-0,53

-0,55*

Polen

Gebiet ehem. Sowjetunion

-0,30

-0,19

-0,26

-0,20

-0,32

Türkei

-0,14

-0,04

0,00

-0,10

-0,13

Gebiet ehem. Jugoslawien

0,21

0,31

0,33

0,36

0,20

Geburtsort (Ref: in Deutschland geboren)

0,10

0,12

0,08

0,17

Alter

0,01

0,01

0,00

0,02

Schulabschluss (Ref.: Hochschulreife) Haupt-/Pflichtschulabschluss

-0,32

-0,13

-0,27

Mittlerer Abschluss

-0,30*

-0,27

-0,25

Kontaktpersonen mit Fachwissen

0,05***

0,05***

Soziale Medien im Internet

-0,72***

Informationen im Internet

-0,30

Persönliche Beratung durch Ärzte

-0,46*

Informationsmaterial bei Ärzten Nagelkerkes N

R2

0,12 0,04

0,04

0,04

0,08

0,13

953

949

901

80

808

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung; Wissensstand: 1 = „sehr niedrig“ bis 5 = „sehr hoch“. Signifikanz: *p 0,05. **p 0,01. ***p 0,001

Insgesamt ist die Nutzung von sozialen Medien jedoch relativ gering ausgeprägt, und bei Frauen ohne Migrationshintergrund signifikant seltener. Massenmediale Informationen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin konsumieren Frauen aller Gruppen primär über das Fernsehen und Zeitungen bzw.

146

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Zeitschriften (Tabelle 24). Fachliche Informationen und Beratung werden gruppenübergreifend am ehesten über Informationsmaterial bei Ärzten, Krankenkassen und Apotheken eingeholt. Auffällig ist, dass sich ein Viertel der polen- und türkeistämmigen Frauen im letzten Jahr durch Ärzte beraten ließ, von den Deutschen ohne Migrationshintergrund tat dies nur jede zehnte. Zwischen 50 und 60 Prozent der Frauen haben im letzten Jahr mit ihrem Partner, Familienangehörigen und/oder Freunden über diese Themen gesprochen (Kapitel 3.3.4). Tabelle 24: Informationsquellen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familienplanung Deutschland

Gebiet ehem. Sowjetunion

Polen

Türkei

Gebiet ehem. Jugoslawien

Signifikanz der Gruppenunterschiede (p)

Ich nenne Ihnen nun eine Reihe von Möglichkeiten, sich über die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin zu informieren. Unabhängig davon, ob diese Themen für Sie gerade aktuell sind oder nicht, sagen Sie mir bitte bei jeder Möglichkeit, wie oft Sie sie innerhalb der letzten 12 Monate genutzt haben. Zusammengefasst: oft/manchmal/selten; nicht dargestellt: nie. TV**

67 %

72 %

87 %

74 %

78 %

,001

Radio*

38 %

33 %

37 %

23 %

43 %

,031

Zeitungen oder Zeitschriften***

69 %

65 %

74 %

49 %

73 %

,000

Bücher

23 %

29 %

34 %

31 %

37 %

,121

Soziale Medien**

19 %

23 %

33 %

26 %

38 %

,001

Sonstiges im Internet

31 %

35 %

40 %

37 %

39 %

,458

Werbung*

51 %

36 %

48 %

48 %

46 %

,031

Weitere Möglichkeiten, sich über Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin zu informieren sind persönliche Beratungen oder fachliches Informationsmaterial. Wie oft haben Sie in den letzten 12 Monaten … Zusammengefasste Antwortmöglichkeiten: oft/manchmal/ selten; nicht dargestellt: nie. Persönliche Beratung durch Ärzte**

10 %

17 %

26 %

26 %

21 %

,001

Infomaterial bei Ärzten*

30 %

37 %

46 %

43 %

41 %

,040

Persönliche Beratung durch Krankenkassen***

2%

6%

8%

25 %

12 %

,000

Infomaterial der Krankenkassen**

13 %

18 %

25 %

30 %

24 %

,001

Persönliche Beratung in der Apotheke**

3%

6%

5%

14 %

9%

,004

Infomaterial aus der Apotheke

23 %

21 %

29 %

27 %

34 %

,056

147

3.4 Vertiefende Analysen

Öffentliche Informationsveranstaltungen**

Deutschland

Gebiet ehem. Sowjetunion

Polen

Türkei

Gebiet ehem. Jugoslawien

Signifikanz der Gruppenunterschiede (p)

7%

4%

7%

14 %

12 %

,002

Darüber hinaus gibt es auch öffentliche Einrichtungen, bei denen Informationen vorliegen oder Beratungsmöglichkeiten bestehen. Wenn Sie auch hier einmal an die letzten 12 Monate denken: Wie oft haben Sie sich in dieser Zeit zu einem der drei Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Fortpflanzungsmedizin beraten lassen oder informiert? Zusammengefasst: oft/manchmal/ selten; nicht dargestellt: nie. Beratungsstellen (z. B. pro familia)**

3%

3%

6%

9%

13 %

,003

Staatl. Organisationen (z. B. BZgA) ***

1%

2%

3%

12 %

11 %

,000

Bildungseinrichtungen**

5%

5%

10 %

12 %

17 %

,006

Rat von Kirchengemeinde/Religionsgemeinschaft***

1%

2%

4%

11 %

8%

,000

N

182

252

188

187

151

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, *p ,05; **p ,01; ***p ,001

35 Prozent der Türkeistämmigen informieren sich über Themen wie Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin vorrangig durch muttersprachliche Quellen (Tabelle 25). Bei Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion (28 Prozent), Polen (27 Prozent) und Ex-Jugoslawien (8 Prozent) sind diese Werte geringer. Der Anteil derjenigen, die bei Ärzten eine muttersprachliche Kommunikation bevorzugen, verteilt sich ähnlich: Etwa 50 Prozent in der türkischen, ex-sowjetischen und polnischen Gruppe sowie 16 Prozent in der ex-jugoslawischen Gruppe.

148

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 25: Sprache zur Information oder Beratung Deutschland

Gebiet ehem. Sowjetunion

Polen

Türkei

Gebiet ehem. Jugoslawien

Signifikanz der Gruppenunterschiede (p)

In welcher Sprache haben Sie sich Sie sich über die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Fortpflanzungsmedizin informiert? Antwortmöglichkeiten: meist in einer anderen Sprache / nur in einer anderen Sprache / nur auf Deutsch / meist auf Deutsch. Meist in einer anderen Sprache / nur in einer anderen Sprache ***

-

28 %

28 %

35 %

8%

,000

Wenn Sie es sich wünschen dürften: In welcher Sprache würden Sie am liebsten mit Ärzten sprechen? Auf Deutsch oder in einer anderen Sprache? In einer anderen Sprache ***

-

47 %

46 %

52 %

16 %

,000

Ich nenne Ihnen nun eine Reihe von Personengruppen, mit denen man sich darüber hinaus über die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin austauschen kann. Bitte sagen Sie mir zu jeder Personengruppe, wie oft Sie mit diesen Personen in den letzten 12 Monaten über eines dieser Themen gesprochen haben. Wie oft sprachen Sie darüber mit … Zusammengefasste Antwortmöglichkeiten: oft/manchmal/selten; nicht dargestellt: nie. Partner/Partnerin**

47 %

43 %

63 %

48 %

50 %

,003

Familienangehörigen**

43 %

44 %

55 %

48 %

60 %

,004

Freunden*

55 %

50 %

62 %

60 %

67 %

,046

Bekannten**

39 %

38 %

51 %

43 %

52 %

,009

N

182

252

188

187

151

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, *p ,05; **p ,01; ***p ,001

Subjektive Normen zur Nutzung von Reproduktionsmedizin Ein großer Anteil der befragten Frauen stimmt der Aussage zu, dass ungewollt kinderlose Paare alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen sollten (Abbildung 53, Kapitel 3.3.3). Die Zustimmungsraten fallen bei den befragten Migrantinnen höher aus. Zusammengefasst erreicht die Zustimmung 86 Prozent (Polen) über 80 Prozent (Türkei, Ex-Jugoslawien), wohingegen die Zustimmung in der Vergleichsgruppe von Frauen ohne Migrationshintergrund bei 66 Prozent liegt. Assistierte Reproduktionsmedizin ist somit zur Normalität geworden, es wird von einer Mehrheit erwartet, dass diese genutzt wird, sollte es die Notwendigkeit ergeben. Eine multivariate Analyse (ordinale Regressionsanalyse, Tabelle 26) ergab hierbei, dass die erhöhte Zustimmung bei türkischen und polnischen Frauen auch unter Kontrolle von Alter, Geburtsort, Bildungsniveau und Einstellungen zur Familie bestehen bleibt. Frauen, die in Deutschland geboren sind, haben eine sig-

149

3.4 Vertiefende Analysen

nifikant höhere Zustimmungsquote. Es zeigt sich ein negativer Bildungseffekt, d. h. Frauen mit niedrigem Schulbildungsniveau sind signifikant häufiger der Meinung, dass Reproduktionsmedizin von kinderlosen Paaren genutzt werden sollte. Besonders stark ist die Zustimmung bei Frauen, die die Ansicht vertreten, dass eine Frau Kinder braucht, um ein erfülltes Leben zu haben. Auch signifikant geringer ist die Zustimmung bei Frauen, die sich nach eigenen Aussagen sehr stark bei der Familienplanung an die Vorgaben ihrer Religion halten. Dies passt dazu, dass vor allem die katholische, aber auch die evangelische und islamische Religionsgemeinschaft eine eher restriktive Haltung zur Reproduktionsmedizin hat (siehe dazu Kapitel 2.4, und weitere Analysen zum Thema Religion in Kapitel 3.4.2). Tabelle 26: „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen“ (Ordinale Regression) Unabhängige Variablen

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Schätzer/ Sign.

Schätzer/ Sign.

Schätzer/ Sign.

Schätzer/ Sign.

Gebiet ehem. Sowjetunion

1,09***

0,54

0,51

0,38

Polen

1,20***

0,71**

0,77**

0,75*

Türkei

0,89***

0,56*

0,54*

0,67*

Gebiet ehem. Jugoslawien

0,87***

Bezugsregion (Ref.: Deutschland)

0,46

0,43

0,38

-0,57**

-0,59**

-0,50*

0,01

0,01

0,01

Hauptschul-/Pflichtschulabschluss

0,48*

0,40

Mittlerer Abschluss

0,17

0,12

Geburtsort (Ref: in Deutschland geboren) Alter Schulabschluss (Ref.: Hochschulreife)

Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben. (Ref. stimme sehr zu) stimme überhaupt nicht zu

-0,92**

stimme nicht zu

-0,83***

weder/noch

-0,70**

stimme zu

-0,57**

Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften. (Ref.: stimme sehr zu) stimme überhaupt nicht zu

0,48*

stimme nicht zu

0,68**

weder/noch

0,68*

stimme zu

0,66**

Nagelkerkes R2

0,06

0,07

0,09

0,13

N

945

942

892

880

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. Abhängige Variable: 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 5 = „stimme sehr zu“. Signifikanz: *p 0,05. **p 0,01. ***p 0,001

150

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Nutzungsbereitschaft und Akzeptanz von Reproduktionsmedizin (Einstellung zum Verhalten) In Bezug auf die Behandlungsbereitschaft unterscheiden sich Frauen mit Migrationshintergrund von Frauen ohne Migrationshintergrund. Sie geben signifikant häufiger an, medizinische Verfahren nutzen zu würden, um leibliche Kinder zu bekommen, wären sie selbst von Kinderlosigkeit betroffen (Tabelle 27, siehe auch Kapitel 3.3.3). Tabelle 27: Bereitschaft zur Nutzung von Assistierter Reproduktion Deutschland

Gebiet ehem. Sowjetunion

Polen

Türkei

Gebiet ehem. Jugoslawien

Signifikanz Gruppenunterschiede (p)

Einmal angenommen Sie hätten einen Kinderwunsch, könnten aber auf „natürlichem“ Wege keine Kinder bekommen. Würden Sie grundsätzlich medizinische Verfahren nutzen, um doch noch ein eigenes Kind bekommen zu können? ja sicher / ja vielleicht / nein. Ja sicher und ja vielleicht.

86 %

94 %

93 %

93 %

88 %

Ja, sicher.

56 %

71 %

79 %

75 %

64 %

Ja, vielleicht.

30 %

23 %

12 %

17 %

23 %

Nein.

14 %

6%

7%

7%

12 %

0,029

Ich nenne Ihnen jetzt eine Reihe dieser medizinischen Verfahren. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie diese nutzen würden. Ja, würde ich nutzen. Nicht dargestellt: nein, würde ich nicht nutzen. Behandlung mit Hormonen ***

78 %

63 %

86 %

78 %

70 %

0

Insemination*

80 %

81 %

86 %

81 %

72 %

0,023

Künstliche Befruchtung In-Vitro***

62 %

67 %

64 %

70 %

56 %

0

Samenspende**

11 %

17 %

17 %

13 %

11 %

0,006

Eizellspende***

8%

16 %

20 %

11 %

11 %

0

Leihmutterschaft**

5,5

10 %

9%

5%

5%

0,003

Anzahl

182

252

188

187

151

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, *p ,05; **p ,01; ***p ,001

Die multivariate Analyse zeigt ebenfalls eine signifikant erhöhte Bereitschaft bei Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Polen und aus der Türkei, Reproduktionsmedizin zu nutzen (Tabelle 28). Auch unabhängig von Alter und Geburtsort sowie weiterer Variablen ist die Nutzungsbereitschaft bei türkischen Frauen signifikant und stark erhöht. Die Nutzungsbereitschaft hängt mit der Bekanntheit der Reproduktionsmedizin zusammen, steht aber in keinem Zusammenhang mit dem Bildungsniveau. Die Hypothese, dass die Behandlungsbereitschaft bei höherem subjektivem Wissens-

151

3.4 Vertiefende Analysen

stand steigt, lässt sich bestätigen. Wer der Aussage zustimmt, dass betroffene Paare Reproduktionsmedizin nutzen sollten, würde diese selbst auch signifikant häufiger nutzen. Eine verstärkte Akzeptanz ist somit vor allem bei Frauen zu finden, die von reproduktionsmedizinischen Verfahren etwas gehört haben, mehr darüber wissen, und die meinen, dass betroffene Paare diese nutzen sollten. Tabelle 28: „Würde als Betroffene medizinische Verfahren nutzen, um doch noch ein eigenes Kind zu bekommen“ (Logistische Regression) Unabhängige Variablen

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Modell 5

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Bezugsregion (Ref.: Deutschland) Gebiet ehem. Sowjetunion

2,62**

1,82

1,73

1,75

1,23

Polen

2,50**

1,81

1,76

1,79

1,48

Türkei

2,62**

2,02

2,29

2,83

5,98**

1,07

0,83

0,86

0,96

0,66

Geburtsort (Ref: in Deutschland geboren)

1,44

1,48

1,49

2,15

Alter

0,99

0,99

0,99

0,99

Hauptschul-/Pflichtschulabschluss

0,63

0,74

0,53

Mittlerer Abschluss

1,16

Gebiet ehem. Jugoslawien

Schulabschluss (Ref.: Hochschulreife)

1,18

0,99

2,86**

2,07

0,40

0,15*

eher niedrig

0,37

0,13**

mittelmäßig

1,47

0,69

Bekanntheit Reproduktionsmedizin (Ref. nicht bekannt) Subjektives Wissen (Ref. Sehr hoch) sehr niedrig

eher hoch

0,50

0,31

Kontaktpersonen mit Fachwissen

0,99

0,98

Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen. (Ref. stimme sehr zu) stimme überhaupt nicht zu

0,05***

stimme nicht zu

0,06***

weder/noch

0,3*

stimme zu

0,93

Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben. (Ref.: stimme sehr zu) stimme überhaupt nicht zu

0,95

stimme nicht zu

1,31

152

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Unabhängige Variablen

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Modell 5

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

Exp(B)/ Sign.

weder/noch

1,79

stimme zu

1,53

Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften. (Ref.: stimme sehr zu) stimme überhaupt nicht zu

2,5*

stimme nicht zu

4,67*

weder/noch

12,41**

stimme zu Nagelkerkes N

2,95* R2

0,04

0,04

0,04

0,12

0,33

781

781

781

781

781

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. Abhängige Variabel: 0 = Nein, 1 = Ja. *p ,05; **p ,01; ***p ,001

Wie bereits bei der Analyse der allgemeinen Ansicht zur subjektiven Norm (Tabelle 26) zeigt sich auch bei der Nutzungsbereitschaft, dass Frauen die sich bei ihrer Familienplanung nicht an religiöse Vorschriften halten, signifikant häufiger medizinische Verfahren nutzen würden, um ein eigenes Kind zu bekommen. Bei bivariater Analyse zeigt sich, dass die Nutzungsbereitschaft signifikant mit der Bedeutung eigener Kinder korreliert (Spearmans Rho: 0,063*). Eine verstärkte Akzeptanz ist somit vor allem bei Frauen zu finden, die von reproduktionsmedizinischen Verfahren etwas gehört haben, aber nicht unbedingt mehr darüber wissen, die in Bezug auf die Familie traditionell eingestellt sind und die meinen, dass betroffene Paare diese nutzen sollten. Bei der konkreten Abfrage, welche Techniken die Befragten selbst nutzen würden, ergibt sich eine deutliche Ablehnung heterologer Verfahren (Tabelle 27). Determinanten reproduktionsmedizinischer Behandlung In diesem Kapitel wird untersucht, welche Faktoren mit einer höheren oder niedrigeren Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Behandlung einhergehen. Ebenso wie im gesamten Kapitel 3 beschränkt sich die Analyse auf Frauen, deren Migrationshintergrund zugeordnet werden kann. In Kapitel 5.2 wird umgekehrt das Profil der Frauen, die in Behandlung waren, dargestellt. In der Analyse (Tabelle 29) zeigt sich, dass sechs bis neun Prozent der Frauen bereits in reproduktionsmedizinischer Behandlung waren. Die höchsten Quoten sind bei Frauen ohne Migrationshintergrund oder aus Polen und dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien stammenden Frauen zu finden, und nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, bei Frauen aus der Türkei. Es bestehen signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen in der Nutzung von Fruchtbarkeitsmedizin.

153

3.4 Vertiefende Analysen Tabelle 29: „Schon einmal in fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung gewesen“ Deutschland

Ehem. Sowjetunion

Ja

8,2 %

6,0 %

8,6 %

6,4 %

8,0 %

70

Nein

91,8 %

94 %

91,4 %

93,6 %

92,0 %

888

182

252

187

187

150

958

N

Polen

Türkei

Ehem. Jugoslawien

N

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, Signifikanz *p ,05.

Bei der Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Behandlung zeigt sich, dass in der Altersgruppe der 18- bis 25-jährigen noch keine Behandlung erfolgt ist (siehe Tabelle 30). Eine höhere Inanspruchnahme lässt sich in den darauffolgenden Altersgruppen aufzeigen. Den höchsten Anteil zeigt die Gruppe der 41- bis 45-jährigen mit 9,7 Prozent (N = 23). Die Hypothese, dass ein Zusammenhang zwischen dem Alter und der Nutzung reproduktionsmedizinischer Behandlungen besteht, lässt sich belegen. Tabelle 30: „Schon einmal in fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung gewesen“ nach Alter Altersgruppen Ja Nein N

18–25 Jahre

26–30 Jahre

31–35 Jahre

36–40 Jahre

41–45 Jahre

46–50 Jahre

0,0 %

7,5 %

7,7 %

8,1 %

9,7 %

8,2 %

100,0 %

92,5 %

93,3 %

91,9 %

90,3 %

91,8 %

107

67

168

211

238

208

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, Signifikanz *p ,05

Bei der Analyse des Faktors Bildung (siehe Tabelle 31) zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zur reproduktionsmedizinischen Behandlung, dessen Richtung nicht bestimmt werden kann. So sind es die eher niedrig sowie die eher hoch gebildeten Frauen, welche schon einmal in reproduktionsmedizinischer Behandlung waren. Dieser Befund eines ungeklärten Zusammenhangs wird auch in anderen Studien bestätigt (Passet-Wittig 2017, 74 f.). Tabelle 31: „Schon einmal in fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung gewesen“ nach Bildung Schulabschluss

Haupt-/Volksschulabschluss, Pflichtschulabschluss

mittlerer Schulabschluss, z. B. Realschulabschluss, mittlere Reife

Hochschulreife, z. B. Fachhochschulreife, Abitur

Ja

8,8 %

6,3 %

8,0 %

Nein

91,2 %

93,7 %

92,0 %

136

413

398

N

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, Signifikanz *p ,05

154

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

In einer bivariaten Analyse zeigt sich ein signifikanter, aber sehr schwacher Zusammenhang zwischen der Zustimmung zur Frage, dass betroffene Frauen die Reproduktionsmedizin nutzen sollten (subjektive Norm) und der eigenen Behandlung. Hoch signifikant höher sind auch die Behandlungsquoten bei Frauen, die schon von Fortpflanzungsmedizin gehört haben, und die eine Nutzungsbereitschaft haben. Insofern bestätigt sich das Einstellungs-Verhaltens-Modell (siehe oben). Bei multivariater Analyse (logistische Regression, Tabelle 32) hingegen erweist sich keiner dieser Faktoren als signifikant. Es lassen sich auch mit der Bezugsregion, dem Geburtsland, dem Bildungsstand und dem Alter keine Zusammenhänge mit der Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren belegen. Auch die Einstellung zur Familie hat keinen signifikanten Einfluss. Ein Zusammenhang von Einstellung auf das Verhalten wie im Modell der Theorie des geplanten Verhaltens ist daher nicht zu erbringen. Die einzige Variable, die einen signifikanten Effekt hat, ist das subjektive Wissen: Frauen, die ihr Wissen als eher niedrig einschätzen, waren geringfügig seltener in Behandlung. Der Zusammenhang zwischen Wissen und Verhalten scheint somit sehr stabil zu sein. Die Erweiterung des Modells um die Wissenskomponente ist somit hilfreich. Es muss hierbei berücksichtigt werden, dass die Fallzahl der Nutzerinnen in dem multivariaten Analysemodell relativ gering ist und zudem seit der Behandlung längere Zeit verstrichen sein kann. Es könnte somit sein, dass das höhere Wissen erst im Zuge der Behandlung erworben wurde. Ein kausaler Wissenseffekt auf eine erhöhte Behandlungsquote kann nicht nachgewiesen werden. Tabelle 32: „Schon einmal in fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung gewesen“ (Logistische Regression) Unabh. Variablen

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Modell 5

Exp(B)/ Sig.

Exp(B)/ Sig.

Exp(B)/ Sig.

Exp(B)/ Sig.

Exp(B)/ Sig.

Gebiet ehem. Sowjetunion

0,83

1,23

1,29

1,55

1,19

Polen

1,05

1,49

1,51

1,60

1,23

Bezugsregion (Ref.: Deutschland)

Türkei

0,66

0,94

0,85

0,82

0,66

Gebiet ehem. Jugoslawien

1,09

1,49

1,45

1,44

1,22

Geburtsort (Ref: in Deutschland geboren)

0,69

0,68

0,70

0,63

Alter

1,04*

1,04*

1,04*

1,04

Hauptschul-/Pflichtschulabschluss

1,36

1,46

1,40

Mittlerer Abschluss

0,80

0,85

0,83

0,06**

0,08*

Schulabschluss (Ref.: Hochschulreife)

Subjektives Wissen (Ref. Sehr hoch) sehr niedrig

155

3.4 Vertiefende Analysen

Unabh. Variablen

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Modell 5

Exp(B)/ Sig.

Exp(B)/ Sig.

Exp(B)/ Sig.

Exp(B)/ Sig.

Exp(B)/ Sig.

eher niedrig

0,06***

0,07**

mittelmäßig

0,39*

0,39*

eher hoch

0,42

0,48

Würde reproduktionsmedizinische Verfahren nutzen

4,75

Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen. (Ref. Stimme sehr zu) stimme überhaupt nicht zu

0,00

stimme nicht zu

1,06

weder/noch

0,23

stimme zu

0,86

Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben. (Ref.: stimme sehr zu) stimme überhaupt nicht zu

0,76

stimme nicht zu

2,17

weder/noch

0,43

stimme zu

1,02

Für mich ist es wichtig eigene Kinder zu haben. (Ref.: stimme sehr zu) stimme überhaupt nicht zu

3,62

stimme nicht zu

0,00

weder/noch

1,72

stimme zu

0,91

Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften. (Ref.: stimme sehr zu) stimme überhaupt nicht zu

1,03

stimme nicht zu

0,99

weder/noch

1,35

stimme zu Nagelkerkes N

1,61 R2

0,00

0,02

0,02

0,10

0,18

864

864

864

864

864

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. Behandlung: 0 = Nein, 1 = Ja (N = 59). *p ,05; **p ,01; ***p ,001

3.4.2 Die Bedeutung der Religion In der Befragung wurden die Frauen unter anderem nach ihrer Religionszugehörigkeit befragt, wodurch eine Analyse des Antwortverhaltens nach Religion möglich

156

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

wird. Die Ergebnisse sind dabei nicht repräsentativ für Angehörige der jeweiligen Glaubensgemeinschaft (oder Konfessionslose) insgesamt, sondern erlauben lediglich Rückschlüsse auf die Gruppe aus den untersuchten Regionen. In der russischsprachigen Gruppe (Ex-Sowjetunion/Nachfolgestaaten/GUS) gehören die meisten der evangelischen Gruppe an, aber auch orthodoxe oder katholische Christen sind vertreten (Tabelle 33). In der polnischen Gruppe ist die überwiegende Mehrheit katholisch, in der türkischen Gruppe muslimisch und bei Frauen mit Herkunft aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien verteilen sich die Anteile auf katholisch (z. B. Kroatien), muslimisch (z. B. Bosnien-Herzegowina) oder auch christlich-orthodox (z. B. Serbien). Tabelle 33: Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften Religionsgemeinschaft

Bezugsregion Deutschland

römisch-katholische Kirche evangelische Kirche evangelische Freikirche Islam christlich-orthodox andere keine Angabe verweigert weiß nicht Gesamt

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

N

73

29

174

1

52

%

40,1 %

11,5 %

92,6 %

,5 %

34,4 %

N

53

96

1

2

2

%

29,1 %

38,1 %

,5 %

1,1 %

1,3 %

N

6

16

1

0

0

%

3,3 %

6,3 %

,5 %

0,0 %

0,0 %

N

4

1

0

173

60

%

2,2 %

,4 %

0,0 %

92,5 %

39,7 %

N

0

61

0

2

19

%

0,0 %

24,2 %

0,0 %

1,1 %

12,6 %

N

2

3

1

6

3

%

1,1 %

1,2 %

,5 %

3,2 %

2,0 %

N

42

45

9

3

14

%

23,1 %

17,9 %

4,8 %

1,6 %

9,3 %

N

2

1

1

0

1

%

1,1 %

,4 %

,5 %

0,0 %

,7 %

N

0

0

1

0

0

%

0,0 %

0,0 %

,5 %

0,0 %

0,0 %

N

182

252

188

187

151

%

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

100,0 %

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

In den folgenden Analysen werden nur die Religionsgruppen mit einer ausreichend großen Zahl von Befragten miteinander verglichen; dies sind die römisch-katholische Kirche, die evangelische Kirche in Deutschland (EKD), der Islam sowie

157

3.4 Vertiefende Analysen

Konfessionslose. Nicht gesondert eingegangen wird auf die Gruppe der christlichorthodoxen Religionsgemeinschaft, da die Fallzahl zu gering für eine aussagekräftige Auswertung war. Einstellungen zur Familie Kinderwunsch Die Gesamtheit der befragten Frauen hat im Schnitt aktuell 1,8 leibliche Kinder; die endgültig gewünschte Kinderzahl liegt bei 2,3 (Tabelle 34). Konfessionslose Frauen haben bisher die wenigsten Kinder bekommen (1,56) und wünschen sich als einzige Gruppe im Schnitt weniger als zwei Kinder. Bei römisch-katholischen und evangelischen Frauen liegt die mittlere Kinderzahl etwas höher (1,67 bzw. 1,73), die gewünschte Zahl etwas über 2. Die höchste bereits realisierte Kinderzahl sowie den höchsten Kinderwunsch weisen muslimische Frauen auf: Sie haben im Schnitt bereits 2,06 und wünschen sich endgültig 2,66 Kinder. Tabelle 34: Aktuelle und gewünschte Zahl leiblicher Kinder nach Religionszugehörigkeit Religionszugehörigkeit

Aktuelle Kinderzahl

Gewünschte endgültige Kinderzahl

Mittelwert

N

Standardabweichung

Mittelwert

N

Standardabweichung

Römisch-Katholisch

1,67

342

1,085

2,09

339

,892

Evangelisch (EKD)

1,73

158

1,025

2,08

157

,869

Islam

2,06

245

1,343

2,66

244

1,031

konfessionslos

1,56

122

1,091

1,93

121

1,026

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

Auffällig ist die starke Streuung der realisierten Kinderzahl unter Musliminnen. Unter ihnen findet man den höchsten Anteil von Kinderlosen aller konfessionellen Gruppen, aber auch den höchsten Anteil mit mindestens 3 Kindern. Es ist zu vermuten, dass ersteres mit der etwas jüngeren Altersstruktur dieser Gruppe zusammenhängt Das Boxplot-Diagramm21 zeigt, dass evangelische Frauen sehr stark auf das Ziel von zwei Kindern fokussiert sind (Abbildung 89). Römisch-katholische und muslimische Frauen wünschen sich in der Mehrzahl zwischen eins und vier Kindern, wobei Musliminnen zu einer etwas höheren Zahl (Median von 3 im Gegensatz

21 Die Boxen umfassen jeweils Werte vom unteren Quartil (kleinste 25 %) bis zum oberen Quartil (75 %), mittlerer Balken: Median (50 %). Linien: kleinster bzw. größter nicht ausreißender Wert. Kreise: Ausreißer. Sterne: Extremwerte. Die Abbildung wurde mit IBM SPSS Version 21 erstellt.

158

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

zu 2 bei Katholiken) tendieren. Konfessionslose geben im Normalfall zwischen null und 3 Kindern (Median 2) als Wunsch an, bei nur wenigen Ausreißern nach oben.

Abbildung 89: Gewünschte endgültige Kinderzahl nach Religionszugehörigkeit (Boxplot)

Familienbild und Familienplanung Die Frage, ob Frauen für ein erfülltes Leben unbedingt Kinder haben müssen, wird je nach Religionszugehörigkeit unterschiedlich beantwortet (Tabelle 35). Besonders heterogen ist das Meinungsbild bei Konfessionslosen, die zwar die niedrigste mittlere Zustimmung (3,4; entspricht „stimme weder zu noch nicht zu“), jedoch gleichzeitig die größte Streuung aller Gruppen aufweisen. In der römisch-katholischen und evangelischen Gruppe ist die mittlere Zustimmung etwas höher. Die höchste Zustimmung erfährt die These von muslimischen Frauen (4,25). Tabelle 35: Wichtigkeit von Kindern: Soziale Norm und persönlich (Mittelwerte) Religionszugehörigkeit

„Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben.“

„Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben“

Mittelwert

N

Standardabweichung

Mittelwert

N

Standardabweichung

Römisch-Katholisch

3,67

341

1,364

4,64

341

,805

Evangelisch (EKD)

3,74

155

1,381

4,66

158

,873

Islam

4,25

244

1,076

4,80

244

,526

konfessionslos

3,40

122

1,430

4,43

122

1,036

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. Skala: 1 = „Stimme überhaupt nicht zu“ bis 5 = „Stimme sehr zu“

Das Boxplot-Diagramm verdeutlicht das heterogene Meinungsbild konfessionsloser Frauen bei dieser Frage (Abbildung 90). Der Median liegt zwar, wie bei den christlichen Konfessionen, bei vier (entspricht „stimme eher zu“), die Antworten verteilen sich aber weitaus stärker über das gesamte Spektrum.

3.4 Vertiefende Analysen

159

Abbildung 90: „Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben.“ (Boxplot)

Für sich selbst finden die Frauen aller verglichenen Gruppen eigene Kinder sehr wichtig. Die Abstufung entspricht zwar den Ergebnissen der vorherigen Frage (Konfessionslose mit geringster Zustimmung, Musliminnen mit höchster), aber die Mittelwerte bewegen sich ausnahmslos im hohen Bereich zwischen 4,4 und 4,8. Das Boxplot-Diagramm verdeutlich diese Einigkeit nochmals (Abbildung 91); lediglich unter den Konfessionslosen gibt es eine relevante Zahl von Frauen, die der These nicht „sehr“ zustimmen.

Abbildung 91: „Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben.“ (Boxplot)

Die Bedeutung religiöser Vorschriften für die eigene Familienplanung ist je nach konfessioneller Gruppe sehr unterschiedlich ausgeprägt (Abbildung 92, siehe auch Abbildung 35 zu einer Übersicht nach Bezugsregion). Erwartungsgemäß spielen sie für Konfessionslose kaum eine Rolle (N = 121, MW = 1,5), aber auch für evangelische (N = 157, MW = 2,14) und katholische (N = 338, MW = 2,82) Frauen haben religiöse Vorschriften tendenziell für die Familienplanung eine eher geringe Bedeutung. Die befragten Musliminnen sind die einzige Gruppe, die sich im Schnitt eher an religiöse Vorschriften hält (N = 242, MW = 4,03).

160

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 92: „Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften“ nach Religionszugehörigkeit (Mittelwerte)

Betrachtet man nur die Angehörigen evangelischer Freikirchen, so zeigt sich, dass diese in weitaus höherem Maße zustimmen (Mittelwert 3,8). Der Zustimmungswert bei der Gruppe der Evangelischen liegt ohne diese Teilgruppe bei durchschnittlich 2,1. Der Wert der Angehörigen der christlich-orthodoxen Religionsgemeinschaft liegt bei 2,6. Die Streuung der Sichtweisen zu dieser Frage zeigt das Boxplot-Diagramm (Abbildung 93). Während das Meinungsbild bei muslimischen und konfessionslosen Frauen, trotz einiger Ausreißer, eindeutig im positiven bzw. negativen Spek-

Abbildung 93: „Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften“ (Boxplot)

3.4 Vertiefende Analysen

161

trum verortet ist, ist bei den christlichen Konfessionen das gesamte Meinungsspektrum in relevanter Zahl vertreten. Religion und gewünschte Kinderzahl Die befragten Frauen mit Religionszugehörigkeit wünschen sich also signifikant mehr Kinder als Konfessionslose; insbesondere gilt dies für Musliminnen. Es soll nun überprüft werden, inwieweit der Einfluss der Religionszugehörigkeit auf den Kinderwunsch auch unter Kontrolle anderer Faktoren bestehen bleibt, oder ob sich nicht vielmehr ein Bildungs- oder migrationsbedingter Effekt zeigt. Von Naderi (2015) wurde gezeigt, dass bei in Deutschland geborenen Frauen mit türkischen Wurzeln, die einen hohen Bildungsstand aufweisen, die Kinderzahl vergleichbar mit denen von gleich hoch gebildeten Frauen ohne Migrationshintergrund sind. Nur bei niedrigem Bildungsstand blieben Unterschiede zwischen den ethnischen Gruppen bestehen. Insofern wäre zu vermuten, dass Unterschiede bei Fertilität und Kinderwunsch auch bei Frauen mit Migrationshintergrund auf Bildungseffekte zurückzuführen sind. Häufig wird davon ausgegangen, dass die Fertilität von Migranten sich an die der nicht wandernden Bevölkerung anpasst (Adaptionsannahme). Andererseits ließe sich argumentieren, dass Zuwanderergruppen gemäß den sozialen Erwartungen ihrer Herkunftsgesellschaft eine unterschiedliche Fertilität aufweisen und eine unterschiedliche Fertilität von Gruppen demzufolge auf soziokulturelle Unterschiede zurückzuführen wäre (Bohk 2012). Nach einer Analyse von Milewski (2007, 2010) erhöht sich die Fertilität der Migranten in Deutschland kurzfristig nach der Migration, wie dies nach der Hypothese der Familien- bzw. Haushaltsgründung zu erwarten wäre. Langfristig ist in der zweiten Generation eine Anpassung an die Fertilität der Einheimischen feststellbar. Eine ordinale Regression zu dieser Frage (Tabelle 36) zeigt im Modell 1 nochmals diesen Zusammenhang und überprüft zusätzlich die Rolle des Geburtslandes. Eine Geburt außerhalb Deutschlands (vermutlich in den meisten Fällen zunächst verbunden mit einer Sozialisation im Ausland) hat einen zusätzlichen, höchstsignifikant positiven Effekt auf die gewünschte Kinderzahl. Im zweiten Modell wurde der höchste erreichte Bildungsabschluss hinzugenommen. Frauen mit niedrigem Bildungsniveau (ohne Schulabschluss bzw. mit Hauptschulabschluss) wünschen sich signifikant mehr Kinder als diejenigen mit Hochschulreife. Unter Kontrolle dieses Faktors sind die römisch-katholische und evangelische Konfession nicht mehr signifikant, wohingegen der Effekt des islamischen Glaubens sowie der Geburt im Ausland nur minimal zurückgeht. Im dritten Modell wurden zusätzlich der Beziehungsstatus und die Bedeutung religiöser Vorschriften für die Familienplanung kontrolliert. Alleinstehende Frauen wünschen sich höchstsignifikant weniger Kinder, während die Bedeutung religiöser Vorschriften einen höchstsignifikant positiven Effekt verzeichnet. Unter Kontrolle dieser Faktoren verschwindet der Einfluss der Geburt im Ausland nahezu vollständig. Der Einfluss des islamischen Glaubens geht etwas zurück, bleibt aber höchstsignifikant. Das gleiche gilt für das niedrige Bildungsniveau.

162

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund Tabelle 36: Gewünschte endgültige Kinderzahl (Ordinale Regression)

Ordinale Regression: Gewünschte endgültige Kinderzahl Modell 1 Schätzer

Modell 2

Effekt

Schätzer

Modell 3

Effekt

Schätzer

Effekt

Religion und Geburtsland Konfessionslos

Referenzkategorie

Referenzkategorie

Römisch-Katholisch

0,234*

+

0,206

Evangelisch (EKD)

0,280*

+

Islam

0,863***

+

im Ausland geboren

0,299***

+

Referenzkategorie

0

0,044

0

0,202

0

0,128

0

0,837***

+

0,602***

+

0,254**

+

0,067

0

Bildung (Fach-) Hochschulreife

Referenzkategorie

Referenzkategorie

Referenzkategorie

kein oder Hauptschulabschluss

0,282*

+

0,266*

+

mittlerer Abschluss

0,160

0

0,132

0

alleinstehend

-0,571***

-

„Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften.“

0,116***

+

Beziehungsstatus und Bedeutung religiöser Vorschriften

N Nagelkerkes R2

861

830

821

0,093

0,106

0,148

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. Signifikanz: *: p 0,05; **: p 0,01; ***: p 0,001

Zusammengefasst können insbesondere der muslimische Glauben, ein niedriges Bildungsniveau, eine starke Bedeutung religiöser Vorschriften sowie das Leben in einer Beziehung als Faktoren identifiziert werden, die einen Anstieg der gewünschten endgültigen Kinderzahl nach sich ziehen. Wissen und Einstellung zur Reproduktionsmedizin Bekanntheit der Reproduktionsmedizin Der subjektive Grad an Wissen zum Themenfeld bzw. die Bekanntheit der Reproduktionsmedizin ist relativ hoch. In allen konfessionellen Gruppen hat die deutliche Mehrheit bereits etwas von Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen (Abbildung 94). Allerdings beträgt dieser Anteil unter Musliminnen lediglich 74,3 Prozent, in allen anderen Gruppen deutlich über 90 Prozent.

163

3.4 Vertiefende Analysen

Abbildung 94: „Schon einmal etwas von Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen“ nach Religionszugehörigkeit

Insgesamt liegen diese Anteile deutlich höher als in der Referenzstudie, die Frauen in der Allgemeinbevölkerung die gleiche Frage stellte. Dort bejahten 76,5 Prozent die Aussage (Stöbel-Richter et al. 2008). Bei Angehörigen der muslimischen Gruppe zeigt sich somit ein relatives Informationsdefizit. Eine logistische Regression verdeutlicht diesen höchstsignifikanten Effekt im Modell 1 (Tabelle 37). Ob die Frauen im Ausland oder in Deutschland geboren sind, d. h. ob sie der ersten oder zweiten Zuwanderergeneration angehören, hat hingegen keinen signifikanten Einfluss. Tabelle 37: Informiertheit „Haben Sie schon einmal etwas von Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen?“ (Logistische Regression) Modell 1 Exp(B)/ Sign.

Modell 2

Effekt

Exp(B)/ Sign.

Modell 3

Effekt

Exp(B)/ Sign.

Effekt

Religion und Geburtsland Konfessionslos

Referenzkategorie

Referenzkategorie

Referenzkategorie

Römisch-Katholisch

0,443

0

0,523

0

0,540

0

Evangelisch (EKD)

0,649

0

0,830

0

0,783

0

0,120***

-

0,217**

-

0,229**

-

1,654

0

1,522

0

1,373

0

1,041**

+

1,037*

+

Islam in Deutschland geboren Alter und Bildung Alter

164

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Modell 1 Exp(B)/ Sign. kein Abschluss oder Hauptschule

Effekt

Referenzkategorie

Modell 2 Exp(B)/ Sign.

Modell 3

Effekt

Referenzkategorie

Exp(B)/ Sign.

Effekt

Referenzkategorie

mittlerer Abschluss

2,111**

+

2,034*

+

(Fach-)Hochschulreife

3,322***

+

3,198***

+

1,268*

0

1,228

0

1,119*

+

Deutsches Textverständnis Persönliches Netzwerk Anzahl Kontaktpersonen mit Fachwissen Konstante

21,521***

0,670

0,129

0,188

Fälle Nagelkerkes R2

0,669

773 0,207

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. Abhängige Variable: 0 = „Nein“, 1 = „Ja“. Signifikanz: *: p 0,05; **: p 0,01; ***: p 0,001

Im zweiten Modell wurden zusätzlich das Alter der Frauen sowie ihr Bildungsniveau und ihre Deutschkenntnisse berücksichtigt. Je älter die Frauen sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie schon etwas von Fruchtbarkeitsmedizin gehört, gesehen oder gelesen haben. Der Effekt ist hochsignifikant, aber gering. Weitaus stärker ist der Einfluss des Bildungsniveaus: Ein mittlerer Abschluss erhöht die Wahrscheinlichkeit bereits um den Faktor 2 (hochsignifikant), die (Fach-)Hochschulreife sogar um den Faktor 3 (höchstsignifikant). Unter Kontrolle dieser Variablen geht der Effekt der islamischen Religionszugehörigkeit leicht zurück, bleibt aber immer noch signifikant und deutlich ausgeprägt. Die Bedeutung sozialer Netzwerke bei der Verbreitung von Wissen und bei sozialen Normen kann als Diffusionsmodell charakterisiert werden. Wichtig ist zunächst der Befund, dass die sozialen Netzwerke von Bevölkerungsgruppen sich unterscheiden. Dies hängt einerseits mit den Gelegenheitsstrukturen zusammen, d. h. den Möglichkeiten, die sich für die Kontaktaufnahme und Beziehungspflege bieten. Andererseits spielen auch die Ressourcen eine Rolle, die in Form von bestehenden Kontakten und der Ausstattung der Kontaktpersonen Zugang zu Informationen und Wissen bieten können („soziales Kapital“, Haug 2003). Modell 3 zeigt abschließend, dass auch die Zahl der Kontaktpersonen mit Fachwissen über Gesundheitsthemen einen signifikant positiven, wenn auch nicht allzu starken, Einfluss hat. Hiermit bestätigt sich, dass entsprechend der These zur Wirkung sozialen Kapitals soziale Netzwerke als Ressource gesehen werden können, um Informationsfluss zu gewährleisten.

165

3.4 Vertiefende Analysen

Subjektive Norm und Nutzungsbereitschaft Es stellt sich die Frage, inwieweit die Nutzung der Reproduktionsmedizin bereits zur Normalität geworden ist, also inwieweit in der Bevölkerung die Ansicht vorherrscht, diese Techniken sollten genutzt werden. In einer Referenzstudie stimmten 50,3 Prozent der Frauen in der Allgemeinbevölkerung der Aussage zu, dass alle Techniken genutzt werden sollten (Stöbel-Richter 2012). Die Akzeptanz der Reproduktionsmedizin ist nach Ergebnissen der NeWiRe-Befragung auf noch höherem Niveau (siehe auch Kapitel 4.2): Ein großer Anteil der Befragten stimmt über alle Bezugsregionen der Aussage sehr oder eher zu. Die Werte reichen von 85,7 Prozent (Polen) bis 64,8 (Deutschland). Alle befragten Gruppen sind sich in der Tendenz einig, dass ungewollt kinderlose Paare alle fortpflanzungsmedizinischen Techniken nutzen sollten, um doch noch leibliche Kinder zu bekommen (Tabelle 38). Dieser Befund zur subjektiven sozialen Norm ist insbesondere vor dem Hintergrund der in Kapitel 2.1 geschilderten Auffassungen der Kirchen und Glaubensgemeinschaften überraschend. Die Unterschiede zwischen den Befragten unterschiedlicher Religionen in der mittleren Zustimmung sind gering, lediglich Konfessionslose stimmen der Aussage weniger zu. Tabelle 38: „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“ nach Religionszugehörigkeit Religionszugehörigkeit

Zustimmung zur Aussage (Mittelwert)

N

Standardabweichung

Römisch-Katholisch

4,14

339

1,045

Evangelisch (EKD)

4,14

153

,956

Islam

4,13

239

1,209

konfessionslos

4,02

122

1,016

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. Mittelwert: 1 = „stimme gar nicht zu“ bis 5 = „stimme sehr zu“

Das Boxplot-Diagramm zeigt die breitere Streuung der mittleren Zustimmung unter den konfessionslosen Frauen in visueller Form (Abbildung 95).

166

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Abbildung 95: „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“ nach Religionszugehörigkeit (Boxplot)

Falls sie selbst von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen wären, würde eine klare Mehrheit der Frauen auf medizinische Verfahren setzen, und zwar in allen konfessionellen Gruppen (Abbildung 96).

Abbildung 96: „Würde als Betroffene selbst medizinische Verfahren nutzen“ nach Religionszugehörigkeit

Am stärksten positionieren sich bei dieser Frage die Musliminnen: Von ihnen würden 76 Prozent sicher medizinische Verfahren nutzen, weitere knapp 16 Prozent zumindest eventuell. Aber auch in den anderen Glaubensgemeinschaften käme jeweils

167

3.4 Vertiefende Analysen

für über 90 Prozent der Frauen die medizinische Unterstützung zumindest vielleicht infrage. Lediglich unter den Konfessionslosen ist die Bereitschaft etwas geringer. Die logistische Regression zu dieser Frage zeigt im Modell 1 zunächst, dass das Geburtsland einen stärkeren Einfluss auf die Bereitschaft zur Nutzung medizinischer Verfahren hat als die Konfession (Tabelle 39). Frauen, die in Deutschland geboren sind, wären als Betroffene hochsignifikant weniger bereit zur Nutzung medizinischer Methoden als zugewanderte Frauen. Die Konfession zeigt unter Kontrolle dieses Faktors im Modell 1 keinen signifikanten Einfluss. Tabelle 39: „Würden Sie grundsätzlich medizinische Verfahren nutzen, um doch noch ein eigenes Kind bekommen zu können?“ (Logistische Regression) Modell 1 Exp(B)/ Sign.

Modell 2

Effekt

Exp(B)/ Sign.

Modell 3

Effekt

Exp(B)/ Sign.

Effekt

Religion Konfessionslos

Referenzkategorie

Referenzkategorie

Referenzkategorie

Römisch-Katholisch

1,359

0

1,445

0

2,111

0

Evangelisch (EKD)

2,339

0

2,537*

+

2,824*

+

1,609

0

2,308*

+

5,969***

+

0,418**

-

0,376***

-

0,448**

-

Islam in Deutschland geboren Bildung und Informiertheit kein Abschluss oder Hauptschule

Referenzkategorie

mittlerer Abschluss

Referenzkategorie 1,161

(Fach-)Hochschulreife

0

Referenzkategorie 1,158

0

1,52

0

1,973

0

3,119***

+

3,000**

+

„Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben.“

1,167

0

„Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben.“

1,321

0

„Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften.“

0,655***

-

„Betroffene Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“

2,116***

+

Fortpflanzungsmedizin bekannt Einstellungen

Konstante

10,115***

N Nagelkerkes R2

2,866*

0,056**

798 0,045

0,081

0,256

Datenquelle: NeWiRe Bevölkerungsbefragung. Abhängige Variable: 0 = „Nein“; 1 = „Ja, vielleicht“ bzw. „Ja, sicher“. Signifikanz: *: p 0,05; **: p 0,01; ***: p 0,001

168

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Im Modell 2 wurde zusätzlich der formale Bildungsgrad sowie die Informiertheit über Fortpflanzungsmedizin kontrolliert. Der erreichte Schulabschluss hat keinen signifikanten Einfluss, die Bekanntheit der Medizin hingegen sehr wohl. Haben die Frauen bereits von Reproduktionsmedizin gehört, gesehen oder gelesen, steigt die Wahrscheinlichkeit zur Bereitschaft um den Faktor 3 an (höchstsignifikant). Auffällig ist auch, dass unter Kontrolle dieser Faktoren der positive Einfluss der evangelischen und islamischen Konfession wieder signifikant wird. Im dritten Modell wurden weitere Einstellungsdimensionen mit aufgenommen. Eine hohe Bedeutung religiöser Vorschriften für die Familienplanung senkt demnach höchstsignifikant die Bereitschaft zur Nutzung fortpflanzungsmedizinischer Methoden. Wenn der Einsatz solcher Methoden allgemein als notwendig betrachtet wird, steigt auch höchstsignifikant die Bereitschaft zum Einsatz bei persönlicher Betroffenheit. Unter Kontrolle dieser Faktoren verstärkt sich der Einfluss des islamischen Glaubens nochmal deutlich auf nahezu den Faktor 6 (höchstsignifikant). In der differenzierten Abfrage einzelner reproduktionsmedizinischer Verfahren kristallisiert sich heraus, dass sich Frauen aller untersuchten Glaubensgruppen mehrheitlich eine Nutzung homologer reproduktionsmedizinischer Therapien vorstellen können (Tabelle 40). Die gleichen Muster der Nutzungsbereitschaft zwischen einzelnen Verfahren zeigen sich auch bei der Analyse der Untersuchungsgruppen nach Herkunft (siehe Kapitel 3.3.3). Dieser Befund entspricht auch einer Befragung ungewollt kinderloser Personen mit Migrationshintergrund (Smidt, Wippermann 2014, S. 73). Tabelle 40: „Ja, ich würde diese Verfahren nutzen.“ nach Religionszugehörigkeit Religionszugehörigkeit

Ja, ich würde … nutzen (in Prozent)

N

Behandlung mit Hormonen

Homologe Insemination

In-vitroBefruchtung

Heterologe Insemination

Heterologe Eizellspende

Leihmutterschaft

RömischKatholisch

78,9 %

81,9 %

63,5 %

15,5 %

16,1 %

7,3 %

342

Evangelisch (EKD)

69,6 %

78,5 %

58,2 %

12,0 %

10,8 %

7,0 %

158

Islam

75,9 %

79,6 %

65,3 %

12,2 %

13,1 %

4,5 %

245

konfessionslos

61,5 %

80,3 %

64,8 %

13,9 %

11,5 %

7,4 %

122

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

Bei heterologen Methoden, die nach Sichtweise der Kirchen (siehe Kapitel 2) nicht erlaubt oder gar in Deutschland verboten sind (Leihmutterschaft, Eizellspende) (Kapitel 2.1.2), fällt die Bereitschaft deutlich geringer aus. Dennoch kann sich aber in allen Gruppen eine relevante Zahl für sich selbst auch deren Nutzung vorstellen. Sogar die in Deutschland illegale Eizellspende würde je nach Religionszugehörigkeit zwischen zehn und 16 Prozent nutzen.

169

3.5 Zusammenfassung Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

3.5 ZUSAMMENFASSUNG TELEFONSURVEY „FAMILIE, KINDER UND GESUNDHEIT“ 3.5.1 Einstellungen zu Kindern und Familie Die Antworten der Befragten in diesem Bereich lassen Rückschlüsse sowohl auf deren allgemeines Frauen- und Familienbild als auch auf ihre individuellen Lebensziele zu und bringen durchaus deutliche Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen hervor. Alle vier ausländischen Herkunftsgruppen teilen mehrheitlich die Auffassung, dass Kinder eine unbedingte Voraussetzung für ein erfülltes Leben als Frau sind (Kapitel 3.3.2). Besonders stark ist diese bei Frauen mit türkischen oder ex-sowjetischen Wurzeln vertreten (Tabelle 41). Es ist von einer starken Wirkung dieser sozialen Norm auszugehen. Die deutschen Frauen ohne Migrationshintergrund sehen dies weitaus kritischer, knapp 18 Prozent lehnen die These sogar komplett ab. Tabelle 41: Zusammenfassung der Einstellungsfragen zu Kindern und Familie Herkunftsregion

Wunschkinderzahl

Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

Signifikanz d. Gruppenunterschiede

Mittelwert

1,96

2,44

2,03

2,62

2,39

p = 0,000

SD

1,013

1,370

0,938

0,975

1,116

3,21

4,26

3,83

4,20

3,91

1,387

1,087

1,325

1,122

1,296

„Eine Frau Mittelbraucht Kinder, wert um ein erfülltes SD Leben zu haben.“ „Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben.“

Mittelwert

4,42

4,75

4,60

4,77

4,79

SD

1,118

0,689

0,857

0,555

0,607

„Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften“

Mittelwert

1,85

2,41

3,23

4,18

2,87

SD

1,154

1,360

1,410

1,182

1,527

N

182

252

188

187

151

Gesamt

p = 0,000

p = 0,000

p = 0,000

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. Skala: 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 5 = „stimme voll zu“.

Für den eigenen individuellen Lebensentwurf spielen eigene Kinder in allen befragten Gruppen eine enorm wichtige Rolle. Der Anteil derjenigen, denen eigene Kin-

170

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

der nicht so wichtig sind, ist allerdings in der Gruppe ohne Migrationshintergrund deutlich erhöht (Kapitel 3.3.2). Betrachtet man die Religionszugehörigkeit, ergibt sich bei der Frage, ob Frauen für ein erfülltes Leben unbedingt Kinder haben müssen, folgendes Bild: Die höchste Zustimmung erfährt die These von muslimischen Frauen, gefolgt von der römischkatholischen und evangelischen Gruppe. Das Meinungsbild in der Gruppe der konfessionslosen Befragten erscheint besonders heterogen (Kapitel 3.4.2). Die Bedeutung religiöser Vorschriften für die Familienplanung variiert je nach Herkunftsregion sehr stark. Besonders groß ist sie für die türkeistämmigen Frauen, aber auch in der polnischen Gruppe spielt die Religion eine große Rolle. Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion und besonders Deutsche ohne Migrationshintergrund lehnen hingegen die Einhaltung von religiösen Vorschriften bei der Familienplanung in großer Mehrheit ab (Kapitel 3.3.2). Erwartungsgemäß spielen religiöse Vorschriften für die eigene Familienplanung für Konfessionslose denn auch kaum eine Rolle. Auch für evangelische und katholische Frauen haben religiöse Vorschriften tendenziell für die Familienplanung eine eher geringe Bedeutung, während die befragten Musliminnen die einzige Gruppe darstellen, die sich im Schnitt eher an religiöse Vorschriften bei der Familienplanung hält. In der multivariaten Analyse erweisen sich der muslimische Glauben, ein niedriges Bildungsniveau, eine starke Bedeutung religiöser Vorschriften sowie das Leben in einer Beziehung als Faktoren, die einen Anstieg der gewünschten endgültigen Kinderzahl nach sich ziehen (Kapitel 3.4.2). 3.5.2 Kinderwunsch, Akzeptanz und Nutzung von Fortpflanzungsmedizin Über alle befragten Gruppen hinweg hat der Großteil der 18- bis 50-jährigen Frauen bereits leibliche Kinder (Kapitel 3.4.1). Auf Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion trifft dies sogar zu über 90 Prozent zu, während in der deutschen Vergleichsgruppe etwa ein Viertel (noch) keinen Nachwuchs hat. Türkeistämmige Mütter haben im Schnitt die meisten Kinder (2,5), jene aus Polen die wenigsten (1,99). In allen ausländischen Herkunftsgruppen liegt die mittlere endgültig gewünschte Kinderzahl höher als die bisher realisierte, weshalb jeweils etwa ein Viertel der Frauen einen (weiteren) Kinderwunsch hat. Die deutsche Vergleichsgruppe wünscht sich als einzige im Schnitt weniger als zwei Kinder (1,96) (Kapitel 3.3.3). Konfessionslose Frauen haben bisher die wenigsten Kinder bekommen (1,56) und wünschen sich als einzige Gruppe im Schnitt weniger als zwei Kinder. Bei römisch-katholischen und evangelischen Frauen liegt die mittlere Kinderzahl etwas höher (1,67 bzw. 1,73), die gewünschte Zahl etwas über 2. Die höchste bereits realisierte Kinderzahl sowie den höchsten Kinderwunsch weisen muslimische Frauen auf: Sie haben im Schnitt bereits 2,06 und wünschen sich endgültig 2,66 Kinder (Kapitel 3.4.2). Über die Reproduktionsmedizin haben die befragten Frauen mehrheitlich bereits etwas gehört, gesehen oder gelesen (Kapitel 3.3.4, Tabelle 42). Die türkeistämmige Gruppe fällt hier im Vergleich allerdings deutlich ab, knapp 27 Prozent ha-

3.5 Zusammenfassung Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

171

ben noch nie etwas dazu wahrgenommen. Die multivariate Analyse (Kapitel 3.4.1) zeigt, dass die Bekanntheit der Fortpflanzungsmedizin hoch signifikant abhängig ist vom Bildungsniveau: Frauen mit niedrigem Schulabschluss haben seltener von Fortpflanzungsmedizin gehört. Bei Frauen, die im Ausland geboren sind, ist Fortpflanzungsmedizin signifikant weniger bekannt. Weiterhin lässt sich der Netzwerkeffekt nachweisen, da mit steigender Zahl der Kontaktpersonen mit Fachwissen im sozialen Netzwerk die Wahrscheinlichkeit der Informiertheit signifikant steigt. Bei denjenigen, die eine persönliche Beratung zu Kinderwunsch oder Schwangerschaft beim Arzt in Anspruch genommen haben, ist der Bekanntheitsgrad der Fortpflanzungsmedizin signifikant niedriger. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Befragung sich nicht auf die spezielle Zielgruppe der von ungewollter Kinderlosigkeit betroffenen Frauen richtet. Bei Angehörigen der muslimischen Gruppe zeigt sich ein relatives Informationsdefizit (Kapitel 3.4.2). Ihren eigenen Wissensstand zur Fortpflanzungsmedizin bezeichnen die Frauen tendenziell als mittelmäßig, wobei diejenigen aus Deutschland und Ex-Jugoslawien sich etwas besser informiert wähnen, jene aus der Ex-Sowjetunion eher schlechter. Die konkrete Wissensfrage zum altersbedingten Nachlassen der weiblichen Fertilität konnten dann auch die Frauen aus Deutschland und Ex-Jugoslawien am ehesten korrekt beantworten. Allerdings gaben hier alle befragten Gruppen mehrheitlich falsche Antworten, was auf teilweise eklatante Defizite im Fertilitätswissen hindeutet (Kapitel 3.3.4). Tabelle 42: Wissen über Reproduktionsmedizin und Einstellung Herkunftsregion

„Reproduktionsmedizin bekannt?“ „Ab welchem Alter nimmt die weibliche Fruchtbarkeit langsam ab?“*

Signifikanz d. Gruppenunterschiede

Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

Ja

92,9 %

92,1 %

91,5 %

73,3 %

87,4 %

p = 0,000 (X2)

Korrekte Antworten

43,4 %

19,5 %

20,2 %

13,4 %

29,1 %

p = 0,000 (X2)

3,72

4,30

4,32

4,06

4,17

p = 0,000 (ANOVA)

1,061

0,910

0,983

1,287

1,035

„Betroffene MittelPaare sollten wert alle mediziniSD schen Möglichkeiten nutzen, um doch eigene Kinder zu bekommen.“**

172

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Herkunftsregion Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

Sicher

55,5 %

71,0 %

78,7 %

75,4 %

63,6 %

Vielleicht

30,2 %

22,6 %

11,7 %

16,6 %

22,5 %

Bereits in Behandlung

Ja

8,2 %

6,0 %

8,5 %

6,4 %

7,9 %

Gesamt

N

182

252

188

187

151

„Wäre ich selbst betroffen, würde ich medizinische Verfahren nutzen.“

Signifikanz d. Gruppenunterschiede p = 0,000 (X2)

p = 0,516 (X2)

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. * korrekte Antworten gemäß Literatur: ab 25 und ab 30. Es könnte auch nur „ab 25“ als korrekte Antwort gezählt werden.** Skala: 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 5 = „stimme voll zu“.

Die Akzeptanz der Reproduktionsmedizin ist hoch: Falls sie selbst von Infertilität betroffen sein sollten ist eine breite Mehrheit der Frauen grundsätzlich bereit, medizinische Verfahren zu nutzen. Alle befragten Migrantinnen sind mehrheitlich der Meinung, dass ungewollt kinderlose Paare alle Techniken nutzen sollten, um doch noch leibliche Kinder zu bekommen (Tabelle 43). Die deutsche Vergleichsgruppe ist etwas zurückhaltender, ist aber ebenfalls tendenziell dieser Meinung. Je nach Gruppe waren zwischen 6 und 8,5 Prozent schon einmal in Behandlung (Kapitel 3.4.1). Auch über alle konfessionellen Gruppen hinweg betrachtet würde eine klare Mehrheit der Frauen, falls sie selbst von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen wären, auf medizinische Verfahren setzen, wobei sich in dieser Frage die Musliminnen am stärksten positionieren. Im differenzierten Meinungsbild zu den einzelnen Verfahren der Reproduktionsmedizin zeigt sich eine allgemein große Bereitschaft zur Behandlung mit Hormonen (in der ex-sowjetischen Gruppe auffällig geringer), Insemination mit dem Samen des Partners sowie der In-vitro-Befruchtung. Heterologe Techniken wie die Samenspende von Dritten, Eizellspende oder gar eine Leihmutterschaft werden eher abgelehnt. Allerdings zeigen Frauen aus osteuropäischen Herkunftsregionen (Ex-Sowjetunion, Polen) eine merklich höhere Bereitschaft, im Bedarfsfall auch diese Methoden zu nutzen. Wie bei der Analyse der Untersuchungsgruppen nach Herkunft zeigen sich die gleichen Muster der Nutzungsbereitschaft nach Religionszugehörigkeit: Frauen aller untersuchten Glaubensgruppen können sich mehrheitlich eine Nutzung homologer reproduktionsmedizinischer Anwendungsverfahren vorstellen.

3.5 Zusammenfassung Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

173

Tabelle 43: Akzeptanz einzelner Behandlungsformen „Würde als Betroffene diese Methoden nutzen.“ (Mehrfachnennung ist möglich) Methode

Bezugsregion Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

N

%

N

%

N

%

N

%

N

%

Hormonbehandlung

142

78,0 %

158

62,7 %

161

85,6 %

145

77,5 %

105

69,5 %

Insemination

145

79,7 %

203

80,6 %

161

85,6 %

152

81,3 %

109

72,2 %

Künstl. Befruchtung (extrakorporal)

112

61,5 %

169

67,1 %

121

64,4 %

130

69,5 %

84

55,6 %

Samenspende

20

11,0 %

43

17,1 %

32

17,0 %

24

12,8 %

16

10,6 %

Eizellspende

15

8,2 %

41

16,3 %

37

19,7 %

21

11,2 %

16

10,6 %

Leihmutterschaft

10

5,5 %

24

9,5 %

17

9,0 %

9

4,8 %

7

4,6 %

182

100,0 %

252

100,0 %

188

100,0 %

187

100,0 %

151

100,0 %

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung

Die multivariate Analyse (Kapitel 3.4.1) ergab, dass die erhöhte Zustimmung bei türkischen und polnischen Frauen auch unter Kontrolle von Alter, Geburtsort, Bildungsniveau und Einstellungen zur Familie bestehen bleibt. Frauen, die in Deutschland geboren sind, haben eine signifikant höhere Zustimmungsquote. Es zeigt sich ein negativer Bildungseffekt, d. h. Frauen mit niedrigem Schulbildungsniveau sind signifikant häufiger der Meinung, dass Reproduktionsmedizin von kinderlosen Paaren genutzt werden sollte. Besonders stark ist die Zustimmung bei Frauen, die die Ansicht vertreten, dass eine Frau Kinder braucht, um ein erfülltes Leben zu haben. Auch signifikant geringer ist die Zustimmung bei Frauen, die sich nach eigenen Aussagen sehr stark bei der Familienplanung an die Vorgaben ihrer Religion halten. Die einzige Variable, die einen signifikanten Effekt auf die tatsächliche Nutzung von Reproduktionsmedizin ausübt (Kapitel 3.4.1), ist das subjektive Wissen: Frauen, die ihr Wissen als eher niedrig einschätzen, waren geringfügig seltener in Behandlung. Allerdings sind die Zahlen der in die Analyse eingegangenen Fälle gering.

174

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

3.5.3 Wissenstransfer und Informationskanäle Wenn die befragten Frauen in den Medien Informationen über die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin wahrnehmen, dann meist im Fernsehen. Zeitungen oder Zeitschriften sind als Informationskanal ebenfalls weit verbreitet, bei den türkeistämmigen Frauen allerdings deutlich weniger. Beiträge im Radio werden weniger genannt, besonders die Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion und der Türkei scheinen dieses Medium seltener zu nutzen. Das Internet besitzt als Informationskanal zu den genannten Themen im Allgemeinen noch nicht die Bedeutung von TV oder Print. Hier gilt es aber zu bedenken, dass Frauen unabhängig von einem eventuell unerfüllten Kinderwunsch befragt wurden. Im Internet kann die Art der konsumierten Informationen generell aktiver und gezielter gesteuert werden, während man im TV oder in Zeitschriften eher zufällig auf entsprechende Inhalte stoßen kann. Das Internet allgemein wird etwas häufiger genutzt als sozialen Medien (Tabelle 44). Soziale Medien nutzen Frauen mit Migrationshintergrund signifikant häufiger als Informationsquelle (etwa ein Viertel der Frauen aus der Türkei und der Ex-Sowjetunion, etwa ein Drittel der Frauen aus Polen und Ex-Jugoslawien) im Vergleich mit Frauen ohne Migrationshintergrund (etwa ein Fünftel). Tabelle 44: Informationswege zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familienplanung: Medien Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

Signifikanz der Gruppenunterschiede

In den letzten 12 Monaten in diesen Medien Informationen ahrgenommen … TV**

67 %

72 %

87 %

74 %

78 %

p = 0,001

Radio*

38 %

33 %

37 %

23 %

43 %

p = 0,031

Zeitungen oder Zeitschriften***

69 %

65 %

74 %

49 %

73 %

p = 0,000

Bücher

23 %

29 %

34 %

31 %

37 %

p = 0,121

Social Media**

19 %

23 %

33 %

26 %

38 %

p = 0,001

Sonstiges im Internet

31 %

35 %

40 %

37 %

39 %

p = 0,458

Werbung*

51 %

36 %

48 %

48 %

46 %

p = 0,031

N

182

252

188

187

151

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, *p ,05; **p ,01; ***p ,001 (Gruppenunterschiede, Signifikanz überprüft mit ANOVA bzw. X2)

Im medizinischen Kontext werden am ehesten Informationsmaterialien bei Ärzten (z. B. ausliegende Zeitschriften, Flyer) gelesen, etwas seltener in Apotheken oder bei Krankenkassen (Tabelle 45). Eine konkrete Beratung zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin haben nur wenige in Anspruch genommen, aber wenn, dann am ehesten bei einem Arzt. Auffällig ist, dass die Frauen mit türkischen Wurzeln sich weitaus häufiger von Krankenkassen beraten lassen als alle anderen

3.5 Zusammenfassung Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

175

Gruppen. Andere Institutionen, auch spezialisierte Beratungsstellen, werden nur von wenigen genutzt. Das ist jedoch nicht überraschend, da Frauen ohne einen konkreten Anlass wohl kaum eine solche Einrichtung aufsuchen (Kapitel 3.3.4). Tabelle 45: Informationswege zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familienplanung: Beratung Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

Signifikanz der Gruppenunterschiede

In den letzten 12 Monaten Informationen eingeholt durch … Persönliche Beratung durch Ärzte**

10 %

17 %

26 %

26 %

21 %

p = 0,001

Infomaterial bei Ärzten*

30 %

37 %

46 %

43 %

41 %

p = 0,040

Persönliche Beratung durch Krankenkassen***

2%

6%

8%

25 %

12 %

p = 0,000

Infomaterial der Krankenkassen**

13 %

18 %

25 %

30 %

24 %

p = 0,001

Persönliche Beratung in der Apotheke**

3%

6%

5%

14 %

9%

p = 0,004

Infomaterial aus der Apotheke

23 %

21 %

29 %

27 %

34 %

p = 0,056

Öffentliche Informationsveranstaltungen**

7%

4%

7%

14 %

12 %

p = 0,002

Beratungsstellen von Gesundheitsorganisationen**

3%

3%

6%

9%

13 %

p = 0,003

Staatliche Organisationen***

1%

2%

3%

12 %

11 %

p = 0,000

Angebote von Bildungseinrichtungen**

5%

5%

10 %

12 %

17 %

p = 0,006

Rat von Kirchengemeinde oder Religionsgemeinschaft***

1%

2%

4%

11 %

8%

p = 0,000

Wahrnehmung der Informationen meist oder nur in nichtdeutscher Sprache***

28 %

28 %

35 %

8%

p = 0,000

Nicht-deutsche Sprachpräferenz bei Ärzten***

47 %

46 %

52 %

16 %

p = 0,000

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, *p ,05; **p ,01; ***p ,001 (Gruppenunterschiede, Signifikanz überprüft mit ANOVA bzw. X2)

176

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

Insgesamt werden meist deutschsprachige Informationen aufgenommen, ein Drittel der türkischen und jeweils ein Viertel der polnischen und ex-sowjetischen Frauen informiert sich aber eher oder ausschließlich in anderen Sprachen. In der Kommunikation mit Ärzten präferieren die Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien mehrheitlich die deutsche Sprache, in den anderen ausländischen Herkunftsgruppen bevorzugt jeweils etwa die Hälfte eine andere Sprache (Kapitel 3.3.4). Die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin sind im persönlichen Umfeld der Frauen aus Polen, der Türkei und Ex-Jugoslawien relativ häufig präsent, bei Frauen aus der Ex-Sowjetunion sowie in der Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund eher selten (Tabelle 46). Die Zahl der Personen, mit denen sie offen über die Themen sprechen können, schätzen die Nicht-Migrantinnen jedoch im Schnitt weitaus höher ein als alle anderen Gruppen (Kapitel 3.3.4). Tabelle 46: Gespräche zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familienplanung Deutschland

Ex-Sowjetunion

Polen

Türkei

Ex-Jugoslawien

Signifikanz der Gruppenunterschiede

In den letzten 12 Monaten darüber gesprochen mit … Partner/Partnerin**

47 %

43 %

63 %

48 %

50 %

p = 0,003

Familienangehörigen**

43 %

44 %

55 %

48 %

60 %

p = 0,004

Freunden*

55 %

50 %

62 %

60 %

67 %

p = 0,046

Bekannten**

39 %

38 %

51 %

43 %

52 %

p = 0,009

N

182

252

188

187

151

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung, *p ,05; **p ,01; ***p ,001 (Gruppenunterschiede, Signifikanz überprüft mit ANOVA bzw. X2)

3.5.4 Die Rolle der Religion Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Vorgaben religiöser Autoritäten und die Einstellungen der entsprechenden konfessionell gebundenen Befragten zum Thema Reproduktionsmedizin teilweise deutlich voneinander abweichen (siehe auch Kapitel 2.5.2). Die römisch-katholische Kirche lehnt jegliche Form der Fortpflanzung ab, die nicht eine direkte Folge des ehelichen Liebesaktes darstellt. Die römisch-katholischen Befragten hingegen sind mehrheitlich der Meinung, dass von ungewollter Kinderlosigkeit betroffene Paare sehr wohl reproduktionsmedizinische Hilfe in Anspruch nehmen sollten. Über 90 Prozent würden als selbst Betroffene zumindest eventuell darauf zurückgreifen, knapp 70 Prozent geben an, dies definitiv tun zu wollen. Besonders gegenüber homologen Verfahren ist die Offenheit groß; heterologe Verfahren, die auch von der Kirche mit noch größerer Vehemenz abgelehnt werden, können sich dagegen nur wenige der katholischen Frauen für sich vorstellen.

3.5 Zusammenfassung Telefonsurvey „Familie, Kinder und Gesundheit“

177

Die Evangelische Kirche in Deutschland vertritt eine weniger dogmatische Position gegenüber der Reproduktionsmedizin, rät aber von deren Nutzung ab und setzt auf die Eigenverantwortung der Gläubigen. Die evangelischen Frauen unterscheiden sich in ihren Antworten kaum von den römisch-katholischen: Auch sie sind mehrheitlich der Meinung, dass betroffene Paare alle Möglichkeiten nutzen sollten. Bei eigener Betroffenheit könnten sich wiederum über 90 Prozent die Zuhilfenahme reproduktionsmedizinischer Verfahren zumindest vielleicht vorstellen, knapp 70 Prozent definitiv. Die Einschätzungen zu den einzelnen Verfahren decken sich weitestgehend mit denen der katholischen Gruppe. Im Islam findet sich im Vergleich zu den christlichen Kirchen eine weitaus größere Zustimmung zur Reproduktionsmedizin, solange ausschließlich verheiratete Paare behandelt werden und eine Beteiligung außerehelicher Keimzellen ausgeschlossen ist. Damit entspricht in dieser Glaubensgruppe die vorherrschende Lehrmeinung deutlich stärker den Meinungen der gläubigen Frauen. Diese unterscheiden sich wiederum in ihren Einstellungen zur Reproduktionsmedizin kaum von den beiden christlichen Gruppen. Die konfessionslose Gruppe weist ein deutlich heterogeneres Meinungsbild gegenüber der Fortpflanzungsmedizin auf als die gläubigen Frauen. Auch hier ist die Mehrheit der Ansicht, dass betroffene Paare die medizinischen Möglichkeiten nutzen sollten, allerdings finden sich weitaus mehr unentschiedene oder gar ablehnende Stimmen. Die Bereitschaft zur Nutzung der Reproduktionsmedizin bei eigener Betroffenheit ist zwar ebenfalls geringer, wenn auch immer noch hoch (Kapitel 3.4.2). Angesichts dieser Ergebnisse lässt sich die Aussage treffen, dass religiöse Vorgaben auf die Einstellung von Frauen zur Reproduktionsmedizin einen eher geringen Einfluss ausüben. Der Wunsch nach eigenen, leiblichen Kindern scheint eine größere Rolle zu spielen. Christliche wie muslimische Frauen wünschen sich bei nur ganz wenigen Ausreißern nach unten nahezu durchgehend mindestens zwei eigene Kinder. Die Wichtigkeit eigener Kinder wird in allen befragten Gruppen stark betont. Zu diesem Ergebnis kommen auch Smidt und Wippermann (2014, S. 10). Migrantinnen (und Migranten) bewerten ein Leben mit Kindern stark positiv und betrachten Elternschaft als Teil ihrer Lebensplanung (siehe auch Kapitel 3.3.2). Die Bedeutung der Religion für die Familienplanung und ein Frauenbild, das sich stark über den Mutterstatus definiert, sind bei den befragten muslimischen Frauen der vorliegenden Studie jedoch weitaus stärker ausgeprägt als bei den christlichen oder konfessionslosen Frauen (Kapitel 3.4.2). Dies geht mit den Einstellungen zur Reproduktionsmedizin konform. Die christlichen Kirchen lehnen die Reproduktionsmedizin zwar (teilweise) ab, jedoch spielen bei den christlichen Frauen religiöse Vorgaben für die Familienplanung keine große Rolle. Muslimische Frauen nehmen religiöse Vorgaben sehr viel ernster. Da der Islam sich deutlich offener gegenüber (heterologen) reproduktionsmedizinischen Methoden zeigt, steht das verbreitete Einstellungsmuster weitaus mehr im Einklang mit der Religion als bei christlichen Frauen. Für das Wissen und die Einstellung der Frauen bezüglich der Reproduktionsmedizin spielt die Konfession durchaus eine Rolle, jedoch keine entscheidende

178

3 Perspektive von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund

(Kapitel 3.4). Für das Wissen konnte das Bildungsniveau als weitaus stärkerer Einflussfaktor identifiziert werden. Dieses Wissen über die Reproduktionsmedizin hat wiederum einen starken Einfluss auf die Bereitschaft, diese auch zu nutzen. 3.5.5 Konsequenzen für Beratung und kultursensible Medizin Die Ergebnisse zeigen eine generell hohe Akzeptanz der Reproduktionsmedizin, gerade auch bei Frauen mit Migrationshintergrund. Es deutet sich jedoch auch ein erhöhter sozialer Druck in einzelnen Herkunftsgruppen an, einem stark mit der Mutterrolle verknüpften Frauenbild zu entsprechen. Wenn dann der Nachwuchs ausbleibt, kann dies nochmals verstärkte psychische und soziale Probleme (Ausgrenzung, Stigmatisierung, Schamgefühle) mit sich bringen (Weblus et al. 2014, S. 115 f.; Çil 2008). Daraus kann man schließen, dass für diese Frauen im Falle eines unerfüllten Kinderwunsches sowohl beratende als auch therapeutische Angebote der Reproduktionsmedizin von besonderem Interesse sein dürften. Gerade bei türkischen oder polnischen Frauen dürfte es sehr wichtig sein, religiöse Aspekte rund um Fortpflanzung und Medizin sowohl in der Beratung als auch in der Therapie im Blick zu haben und entsprechendes Wissen aufzubauen. Das bestehende Beratungsangebot (Kleinschmidt et al. 2008) ist bisher in dieser Form noch nicht auf die neue Zielgruppe eingerichtet. Als Zielgruppe für beratende wie therapeutische Angebote rund um die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Reproduktionsmedizin werden Frauen bzw. Paare mit Migrationshintergrund sicher zunehmend wichtiger, und zwar nicht nur wegen ihres steigenden Bevölkerungsanteils, sondern auch weil der Kinderwunsch stärker ausgeprägt ist und tendenziell eine höhere Kinderzahl angestrebt wird als in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Beim Wissenstransfer zu diesen Themen deuten die Ergebnisse allerdings noch Verbesserungsbedarf an. Hier könnte sowohl an der Art der Wissensvermittlung (unter Berücksichtigung von Bildungsniveau und Deutschkenntnissen) als auch bei der Auswahl der verwendeten Informationskanäle angesetzt werden.

4 PERSPEKTIVE DER EXPERTINNEN UND EXPERTEN Im Kapitel 3 wurde deutlich, dass die Mehrheit der Frauen mit Migrationshintergrund reproduktionsmedizinische Verfahren nach eigenen Angaben als positiv erachtet und einer Nutzung bei Fertilitätsproblemen zustimmen würde. Ein nicht unbedeutender Teil dieser Frauen gibt an, sich bereits in der Sprache des eigenen Herkunftslandes über Reproduktionsmedizin informiert zu haben. Neue biomedizinische Erkenntnisse und Technologien können nur dann ihre volle Wirkung zum Wohle der Gesellschaft entfalten, wenn deren Chancen und Risi ken erkannt werden sowie ein steter Austausch zwischen den Akteuren aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft stattfindet (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2016). Wie bereits in den Kapiteln 2.2.2 und 2.2.3 ausführlich dargestellt wurde, steigt der Anteil von Menschen mit eigenem oder familiärem Migrationshintergrund an der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland stetig an. Ende 2014 weisen 19,8 Prozent aller in Deutschland lebenden Frauen einen Migrationshintergrund auf, wobei der Anteil ansteigt, je jünger die betrachtete Altersgruppe ist. Von den insgesamt 14,2 Millionen Frauen im Alter von 15 bis unter 45 Jahren – dies entspricht in etwa der Alterseingrenzung, die auch für die Bevölkerungsbefragung gewählt wurde – weisen etwas mehr als ein Viertel einen Migrationshintergrund auf (Statistisches Bundesamt 2015). Besonders hoch ist der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund in den westdeutschen Ballungsräumen sowie in Berlin. Mit dem wachsenden Bevölkerungsanteil geht ein Bedeutungszuwachs von Frauen mit Migrationshintergrund als Zielgruppe und Akteure in allen gesellschaftlichen Bereichen einher, so auch im Gesundheitssystem (Blum, Steffen 2013). Dementsprechend stellt das Themenfeld Gesundheit und Pflege einen wichtigen Teil der integrationspolitischen Agenda der Bundesregierung dar. Dabei wird die „Verbesserung des Zugangs von Migrantinnen und Migranten zu den Angeboten des Gesundheitswesens und der Pflege“ als die Hauptaufgabe angesehen, da eine unterdurchschnittliche Teilnahme dieser Gruppe an Präventions- und Versorgungsangeboten sowie eine Unterrepräsentation unter den Beschäftigten des Gesundheits- und Pflegewesens festgestellt und als Problem erkannt wurde (Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2011, S. 15). Der Bundesweite Arbeitskreis Migration und öffentliche Gesundheit22 hat in einem Positionspapier (2012, S. 6 ff.) ebenfalls empfohlen, die „besonderen Bedürfnisse der Migrantinnen und Migranten in allen Sparten der gesundheitlichen, 22 Der Arbeitskreis wurde im November 1994 ins Leben gerufen und wird vom Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration koordiniert. Die rund 50 Mitglieder kommen aus verschiedenen Fachbereichen des öffentlichen Gesundheitsdienstes und des Gesundheitswesens, der Kommunen, der Länder und des Bundes sowie aus fachlich spezialisierten Einrichtungen von Migranten.

180

4 Perspektive der Expertinnen und Experten

pflegerischen und psychosozialen Versorgung ebenso wie bei gezielten Angeboten zur Prävention und Gesundheitsförderung“ zu berücksichtigen, um Chancengleichheit in Bezug auf die Gesundheit zu erreichen. Als wichtigstes Ziel sieht der Arbeitskreis „die migrations- und kultursensible Öffnung der öffentlichen und lokalen Gesundheitsdienste“. Demnach sollen auf allen Ebenen die „Lebensbedingungen, Bedarfe und Unterschiede von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund berücksichtigt werden.“ Bezogen auf die Reproduktionsmedizin geht der Arbeitskreis sogar von einer überproportionalen Inanspruchnahme vonseiten der Menschen mit Migrationshintergrund aus, im Gegensatz zur Situation in den meisten Bereichen des Gesundheitswesens. Menschen mit Migrationshintergrund gelten als schwer erreichbare Zielgruppe, sowohl für das Gesundheitssystem als auch in der Gesundheits- und Sozialforschung (Borde 2009). Im englischsprachigen Raum firmiert diese Thematik unter dem Begriff „hard to reach“ und scheint in den letzten Jahren gesteigertes Interesse zu wecken. Je nach Kontext bezeichnet der Begriff unterschiedliche Probleme, z. B. in der Forschung „versteckte“ bzw. „unsichtbare“ Bevölkerungsgruppen oder in der Gesundheitsversorgung die „unterversorgten Gruppen“. Als Gründe für die schwere Erreichbarkeit von Migranten werden der tendenziell niedrigere sozioökonomische Status, geringere Bildung, die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit oder migrations- und soziokulturelle Faktoren angeführt bzw. eine Kombination dieser Faktoren, (Brandes et al. 2008; Maier et al. 2009). Borde weist jedoch darauf hin, dass diese Erklärungsmuster die Ursache in der Gruppe der Personen mit Migrationshintergrund vermuten. Dadurch werde ein Bild von „benachteiligten, unkooperativen und […] unerreichbaren Menschen“ konstruiert. Die Rolle unzulänglicher Datenerhebungs- und Gesundheitsförderungsansätze, die oft zum systematischen Ausschluss bestimmter Bevölkerungsgruppen führen, werde kaum beachtet (vgl. Rommelspacher, Kollak 2008). Nach Borde hängt die Erreichbarkeit von Bevölkerungsgruppen in der Gesundheitsforschung, Krankheitsprävention, Gesundheitsförderung und -versorgung von der Zugangsmethodik, dem Setting sowie der Kommunikations- und Zugangskompetenz der Wissenschaftler und anderer Fachkräfte ab. In Kapitel 4 wird die Sichtweise von Expertinnen und Experten betrachtet. Frauen mit Migrationshintergrund werden als Zielgruppe der Reproduktionsmedizin analysiert. Es wird unter anderem dargestellt, welchen Anteil an reproduktionsmedizinischen Verfahren Patienten mit Migrationshintergrund aus Sicht von Hebammen, medizinischen Fachangestellten und Sozialpädagogen (in der Vorstudie, Kapitel 4.1) und aus Sicht des medizinischen Fachpersonals in deutschen IVFZentren (Kapitel 4.2) einnehmen. 4.1 VORSTUDIE: INTERVIEWS MIT EXPERTINNEN UND EXPERTEN Zu Beginn des Projekts „Der Einfluss sozialer Netzwerke auf den Wissenstransfer am Beispiel der Reproduktionsmedizin (NeWiRe)“ wurde eine Reihe von Leitfadeninterviews mit Experten aus dem Bereich Familienplanung und Reproduktions-

4.1 Vorstudie: Interviews mit Expertinnen und Experten

181

medizin durchgeführt. Ziel der Vorstudie war es unter anderem, einen ersten Eindruck und Zugang zur komplexen Thematik des Forschungsprojekts aus Expertensicht zu gewinnen. 4.1.1 Methoden: Erhebungsinstrument und Stichprobe Die Befragung wurde mit zwei Versionen eines Interviewleitfadens durchgeführt. Eine erste Version wurde bei 11 Experteninterviews verwendet, eine nachgebesserte Version mit zusätzlichen Fragen bei weiteren zwei Gesprächen eingesetzt. Im Folgenden werden die Ergebnisse der insgesamt 13 Experteninterviews zusammengefasst dargestellt. Auf die Beantwortung der „neuen“ Fragen wird explizit im Text hingewiesen. Bei den befragten Expertinnen und Experten (N = 13) handelt es sich um neun Hebammen, eine medizinische Fachangestellte sowie drei Personen aus dem Bereich der Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik. Eine der Hebammen ist zudem Heilpraktikerin, eine weitere arbeitete zum Zeitpunkt der Befragung nicht aktiv als Hebamme, sondern absolvierte ein Masterstudium in Public Health. Je eine Person aus der Sozialarbeit und aus der Sozialpädagogik ist in der Kinderwunschberatung tätig, eine weitere Person aus der Sozialpädagogik in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftsberatungsstelle. 4.1.2 Ergebnisse Nach der Eingangsfrage wurden im erweiterten Fragebogen drei Fragen zur Einbindung in die Reproduktionsmedizin eingeschoben. Beide Befragten, die diesen Fragebogen beantworteten, sind nicht direkt in der Reproduktionsmedizin tätig, kommen aber nach eigener Aussage sechs- bis siebenmal pro Jahr bzw. zwei- bis dreimal pro Monat mit dem Thema in Kontakt. Einer der Befragten macht dazu keine näheren Angaben, der andere kooperiert mit reproduktionsmedizinischen Einrichtungen im Rahmen von Beratungsgesprächen in der psychosozialen Schwangerschaftsberatung. Eine Vermittlung zu entsprechenden Einrichtungen verneinen beide. Zwei der Experten arbeiten seit weniger als einem Jahr im Bereich der Reproduktionsmedizin, sechs seit ein bis zehn Jahren, einer seit elf bis 20 Jahren und zwei seit 21 bis 30 Jahren. Zwei weitere machen dazu keine Angabe. Die medizinische Fachangestellte ist als einzige der Befragten direkt in der Reproduktionsmedizin tätig. Sie gibt an, in ihrer Arbeit mit den Verfahren der intrauterinen Insemination (IUI), intratubaren Insemination (ITI), In-vitro-Fertilisation (IVF), intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI), Polkörperdiagnostik (PKD), Präimplantationsdiagnostik (PID) und Kryokonservierung in Berührung zu kommen.

182

4 Perspektive der Expertinnen und Experten

Behandlungsverfahren Sechs der Befragten geben an, dass Patienten bei ihnen gezielt nach Verfahren fragen, die sie bereits kennen. Dabei fügt ein Experte hinzu, dass dies bei ihm nur sehr wenige, in etwa ein bis zwei Patienten pro Jahr, tun würden. Fünf Befragte erklären, dass bei ihnen nicht gezielt nach bereits bekannten Verfahren gefragt wird und zwei machen keine Angabe. Tabelle 47 stellt die Häufigkeiten der bei den sechs Expertinnen und Experten nachgefragten Verfahren dar. Auffällig ist die relativ häufige Nennung von Nachfragen nach einer Eizellenspende, die in Deutschland verboten ist. Bei der Frage nach in ihrem beruflichen Umfeld am häufigsten gewählten und ihres Wissens angewandten Verfahren konnten neun der dreizehn Expertinnen und Experten Methoden angeben. Am häufigsten wird ICSI genannt; auch IVF, intracervikale Insemination (ICI) und IUI sowie allgemein und unspezifisch eine Befruchtung im Reagenzglas (mit eigenen oder fremden Spermien) wird erwähnt. Genannt werden zudem wiederum die (in Deutschland verbotene) Eizellenspende und künstliche Besamung. Tabelle 47: Häufigkeit der nachgefragten und angewandten Verfahren Bei der Hälfte der Expertinnen und Experten direkt nachgefragtes Verfahren

Eizellenspende

Bei einem Drittel direkt nachgefragtes Verfahren

IVF

Jeweils bei einem Sechstel direkt nachgefragte Allgemeine Informationen, Befruchtung Verfahren im Reagenzglas, „Social Freezing“, spez. Gameten-Spende, ICI, IUI, ICSI, PKD, PID, Alternative Medizin Von der Hälfte der Expertinnen und Experten genanntes angewandtes Verfahren

ICSI

Von zwei Fünftel genanntes angewandtes Verfahren

IVF

Von einem Fünftel genanntes angewandtes Verfahren

ICI, IUI, Befruchtung im Reagenzglas Eizellenspende, künstliche Besamung

Datenquelle: Vorstudie NeWiRe – Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Reproduktionsmedizin

Bei einer Kinderwunschbehandlung spielen der finanzielle Aspekt und damit die Kostenübernahme seitens der Krankenkassen eine große Rolle. Die interviewten Expertinnen und Experten waren sich aber nicht darüber einig, wie entscheidend dies ist. Einige vermuten hier durchaus eine Beeinflussung der Entscheidung für oder gegen eine Behandlung, andere führen aus, dass häufig der Kinderwunsch so groß sei, dass die Kosten keine Rolle mehr spielten. Vermutlich hängt dies stark mit den individuellen sozioökonomischen Verhältnissen und der eigenen Leidensgeschichte der Patienten sowie der spezifischen Indikation zusammen.

4.1 Vorstudie: Interviews mit Expertinnen und Experten

183

Die Angaben über die Höhe von Zuzahlungen, die Patienten üblicherweise maximal leisten müssen, schwanken zwischen 1.000 und 20.000 Euro. Die Höhe der Zuzahlungen sei, so die Experten, stark von den genutzten Methoden, Zusatzleistungen und der Dauer der Behandlung abhängig. Laut einer Nennung sind viele Patien ten Selbstzahler, da sie bereits über 40 Jahre alt sind, was zur Folge hat, dass die Krankenkasse ihre Behandlungskosten nicht mehr bezuschusst bzw. übernimmt. Informationswege Anschließend wird gefragt, ob Patientinnen und Patienten mit Vorwissen aus bestimmten Informationsquellen zu den Experten kommen. Tabelle 48 zeigt die Antwortmöglichkeiten sowie Häufigkeiten ihrer Nennungen. Den Aussagen zufolge spielen einschlägige Literatur und klassische Massenmedien nur eine untergeordnete Rolle als Informationsquelle, ebenso wie Selbsthilfegruppen. Die untergeordnete Rolle von Massenmedien entspricht nicht den Ergebnissen zu Informationsquellen im Telefonsurvey (Kapitel 3.3.4), wobei plausibel ist, dass das Verhalten der Betroffenen sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Die häufig genannten Informationsquellen fallen in drei Kategorien: – Als Hauptquelle wird das Internet bezeichnet. Besonders Kinderwunschforen scheinen eine große Rolle zu spielen. Explizit genannt werden hierzu die Foren von „wunschkinder.net“ (siehe auch die Auswertung Kapitel 5.4), „klein-putz. de“ und „Wunschkind e. V.“ Auch Websites von Kliniken werden in diesem Zusammenhang erwähnt. – In die zweite Kategorie fallen spezielle fachliche Anlaufstellen aus der Medizin und Beratung. – Die dritte Kategorie umfasst „Informationen von Freunden, Bekannten, Familienangehörigen“ oder sozialen Beziehungen allgemein. Tabelle 48: Allgemeine Informationsquellen von Patientinnen und Patienten (Sehr) häufig genannte Informationsquellen

Selten genannte Informationsquellen

Gar nicht genannte Informationsquellen

Internet

Gesundheitseinrichtungen

Andere Fachkräfte (Hebammen, Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern)

Diskussionsforen im Internet

Literatur

Bildungseinrichtungen (z. B. Hochschulen, Volkshochschulen wissenschaftliche Fachliteratur (Bücher, Fachzeitschriften), Schulen)

Ärzte (z. B. Arztpraxen, Kliniken)

Massenmedien

Populärmedizinische Veröffentlichungen (z. B. Apothekenumschau)

Beratungsstellen (Sozialarbeiter, Seelsorge)

Medizinische Wissensportale im Internet

Infobroschüren (z. B. Fachvereinigungen, Krankenkassen)

184

4 Perspektive der Expertinnen und Experten

(Sehr) häufig genannte Informationsquellen

Selten genannte Informationsquellen

Gar nicht genannte Informationsquellen

Soziale Beziehungen

Soziale Medien im Internet (z. B. soziale Netzwerke wie Facebook)

Berichte in Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften)

Informationen von Freunden, Bekannten, Familienangehörigen

Selbsthilfegruppen von Betroffenen

Berichte im Fernsehen (z. B. medizinische Ratgebersendungen)

Sonstiges

Informationen von anderen bekannten Betroffenen

Datenquelle: Vorstudie NeWiRe – Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Reproduktionsmedizin

Eine weitere Frage bezog sich darauf, wie die Patienten auf die Beratung bzw. Betreuung durch die Expertinnen und Experten aufmerksam wurden (Tabelle 49). Tabelle 49: Informationsquellen für Patientinnen und Patienten bei Experten (Sehr) häufig genannte Informationsquellen

Selten genannte Informationsquellen

Gar nicht genannte Informationsquellen

Internet

Literatur

Bildungseinrichtungen, Fachveranstaltungen

Soziale Medien im Internet

Informationsbroschüren

Fachpublikationen

Andere Ärzte oder Gesundheitseinrichtungen

Ärzteportale im Internet

Fernsehbeiträge

Beratungsstellen

Telefonbuch

Mundpropaganda durch Freunde, Bekannte, Verwandte

Massenmedien

Beziehungen

Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften)

Werbung

Mundpropaganda durch andere Betroffene

Flyer

Selbsthilfegruppen Sonstiges

Datenquelle: Vorstudie NeWiRe – Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Reproduktionsmedizin

In der Rubrik „Andere Ärzte oder Gesundheitseinrichtungen“ werden spezifisch reproduktionsmedizinische Zentren und Ärzte genannt. Eine befragte Person gibt an, dass die Empfehlung durch Kinderwunschzentren am relevantesten sei. Massenmedien werden hingegen als eher seltene Informationsquellen beschrieben, es gebe jedoch einige Publikationen. Ebenfalls als relativ unwichtig werden in diesem

4.1 Vorstudie: Interviews mit Expertinnen und Experten

185

Zusammenhang (persönliche) Beziehungen bezeichnet, zu Selbsthilfegruppen wird sogar gesagt, sie hätten „ausgedient“. Als Hauptquelle wird von den Experten das Internet mit Facebook sowie die eigene Homepage ausgemacht, außerdem Portale wie „wunschkinder.net“ oder „klein-putz.de“. In Bezug auf Flyer werden von den Befragten eine Hebammenliste genannt, die in Apotheken, Bioläden und bei Ärzten ausgelegt werden würden, sowie Online-Flyer. Neben den oben bereits genannten Informationsquellen kommt somit eine vierte Kategorie hinzu: – Internet. – fachliche Anlaufstellen. – soziale Beziehungen. – Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Frauen mit Migrationshintergrund In beiden Fragebogenversionen sollen die Expertinnen und Experten den Anteil der Frauen mit Migrationshintergrund in ihrem Arbeitsbereich einschätzen. Sechs Befragte sehen diesen bei ein bis zehn Prozent. Je zweimal werden die Bereiche 11 bis 20 Prozent, 21 bis 30 Prozent und 30 bis 50 Prozent genannt. Ein Experte gibt sogar einen Anteil von über 50 Prozent an. Eine Person gibt an, dass der Anteil an Migrantinnen eher gering sei, weil das Thema Reproduktionsmedizin nach wie vor mit einem Stigma behaftet sei. Die Angaben differieren stark. Die Antworten auf die Frage, aus welchen Ländern die Patientinnen mit Migrationshintergrund stammen, zeigt Tabelle 50. Die Türkei als Herkunftsland beschreiben die Expertinnen und Experten als eher selten, dennoch wird sie neun Mal genannt. Dass Muslime Reproduktionsmedizin in Anspruch nehmen, wird eher als Ausnahme geschildert. Russland und die GUS-Länder werden einmal als seltenes Herkunftsland angegeben, in einem anderen Interview wird hier hingegen eine Ballung genannt. Auch Polen, arabische Staaten und „sonstige“ bilden laut Aussagen eher die Ausnahme. Menschen aus anderen EU-Staaten werden von einem Gesprächspartner als der Beratung gegenüber sehr aufgeschlossen beschrieben. Häufig handele es sich um bikulturelle Paare. Als sonstige Herkunftsländer (bzw. -regionen) werden je einmal USA, Südamerika, Amerika, Asien und Brasilien genannt. Die Türkei, Russland und GUS-Länder, Polen und das ehemalige Jugoslawien entsprechen auch den häufigsten Herkunftsländern in Deutschland (vgl. Kapitel 2.2).

186

4 Perspektive der Expertinnen und Experten Tabelle 50: Länder, aus denen Patientinnen mit Migrationshintergrund stammen

Häufig genannte Länder

Weniger häufig genannte Länder

Am seltensten genannt

Türkei

Russland, GUS-Länder

Sonstiges

Polen

Arabische Staaten (z. B. Saudi-Arabien, Iran, Tunesien)

andere EU-Staaten

Ehem. Jugoslawien (Kroatien, Serbien, Bosnien, Kosovo, Slowenien, Mazedonien)

Datenquelle: Vorstudie NeWiRe – Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Reproduktionsmedizin

Neun von dreizehn Befragten denken, dass Patientinnen mit Migrationshintergrund bewusst einen Arzt oder Behandler der gleichen Herkunftsregion wählen. Dies führen sechs von ihnen auf ein erwartetes größeres kulturelles Verständnis, fünf auf eine leichtere sprachliche Verständigung und einer auf die Erwartung größeren Respekts bei der Untersuchung zurück. Eine Person gibt an, dies würde besonders islamische Frauen betreffen. Eine besondere Einrichtung stelle diesbezüglich das „Kinderwunschzentrum Darmstadt“ dar. Auf der anderen Seite führt eine Person aus, dass die Wahl eines Arztes bzw. eines Behandlers der gleichen Herkunftsregion eher schwierig sei. Gewünscht sei von den Frauen auch häufig die Behandlung von einer Ärztin. Eine weitere Frage im Fragebogen bezog sich auf die Erfahrungen mit aus dem Ausland anreisenden Patienten. Bei drei der Befragten lagen entsprechende Erfahrungen vor, sechs verneinen dies, weitere vier machen keine Angabe. Ein Experte empfiehlt, diese Frage mit den Kliniken zu erläutern, da sie ihm eher unklar sei. Ein anderer Befragter spezifiziert, dass Patienten nicht zur Beratung anreisen, jedoch sehr wohl aber für die medizinische Behandlung, da diese in Deutschland einen hohen Standard habe. Zwei der Personen, welche diese Frage bejahen, geben an, dass die aus dem Ausland stammenden Patienten meist aus Russland kommen, auch arabische Staaten werden genannt. Ein Befragter fügt hinzu, dass anreisende Patienten aus Russland bestimmte einschlägige Praxen für die Behandlung aufsuchten. Zudem existieren für anreisende Patienten aus arabischen Staaten z. B. in Hamburg und München fünf bis sechs einschlägige Zentren. In Düsseldorf gebe es außerdem ein spezielles Zentrum für Niederländer. Insgesamt würde für aus dem Ausland anreisende Personen stets der hohe medizinische Standard eine große Rolle spielen. Auf die Frage, ob umgekehrt Patienten für reproduktionsmedizinische Behandlungen dem Wissen der Experten nach ins Ausland reisen, antworten neun mit ja und drei mit nein, eine Person kann keine Angaben machen. Als Gründe für eine solche Reise ins Ausland werden im Fragebogen folgende Punkte vorgeschlagen: – Rechtliche Gründe (Behandlungen, die in Deutschland nicht erlaubt sind). – Migrationshintergrund, d. h. Patienten suchen Behandlung bevorzugt in ihrem Herkunftsland. – Kosten.

4.1 Vorstudie: Interviews mit Expertinnen und Experten

187

Rechtliche Gründe werden von zehn Experten bejaht, drei machen keine Angabe. Zusätzlich wird von den Befragten genannt, dass Deutsche in liberalere EU-Staaten (z. B. Spanien, Tschechien, Großbritannien, Finnland) reisen und dass viele Frauen zur Eizellenspende nach Tschechien oder Spanien reisen. Ein Migrationshintergrund als Grund wird von zwei Befragten bejaht, von sechs verneint. Fünf geben hierzu keine Antwort. Zusätzlich wird erwähnt, dass die Behandlung manchmal in der Türkei durchgeführt wird und dass Türkinnen zur Behandlung (Eizellenspende) in die Türkei oder nach Nordzypern reisen, da eine „christlich geprägte Spende“ abgelehnt werde. Kosten werden von acht Personen als möglicher Grund gesehen, von zwei nicht. Drei antworten hierauf nicht. Zum Thema Kosten erklärt eine/r der Befragten, dass die vermeintlich günstigere Behandlung im Ausland oft auf einem Irrglauben beruhe. Elf der dreizehn Befragten geben an, auf kulturelle Hintergründe ihrer Patienten bzw. Klienten einzugehen. Eine Person gibt an, nicht speziell auf kulturelle Hintergründe einzugehen und erklärt dies mit der fehlenden Notwendigkeit, da die Frauen schon sehr „etabliert“ seien. Fünf der elf Befragten mit einer positiven Antwort erkundigen sich konkret nach kulturellen Besonderheiten oder Bräuchen ihrer Patienten und richten ihre Arbeit daran aus. Folgende Faktoren wurden genannt: – Sprachliche Aspekte: Langsame und einfache Sprache; Fremdsprachige Fragebögen (englisch); Fremdsprachige Kollegin (russisch). – Interkulturelle Kompetenz: Akzeptanz, Toleranz und Einfühlsamkeit; Raum geben für individuelle Wünsche bzw. Bemerkungen; Andere Erklärungsansätze; Respekt bezüglich der Arten der Kinderversorgung. – Spezielle Bedürfnisse in Bezug auf Geschlechterbeziehungen: Anwesenheit der Männer bei der Beratung (manche würden dies nicht wollen); Art der Gesprächsführung (da z. B. Männer türkischer Herkunft „sehr still“ seien), „Mann-Behandlung“; Aufbau einer emotionalen Bindung zu den Frauen; Spezielle Gruppenangebote. Zehn der Interviewten rechnen sowohl mit einer steigenden Nachfrage nach Reproduktionsmedizin als auch mit einer wachsenden Zahl entsprechender Zentren. Als Grund werden das steigende Alter der Erstgebärenden und die dadurch notwendig werdende zunehmende Zahl reproduktionsmedizinischer Behandlungen genannt. Umweltfaktoren und Lebensweisen, welche die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen (Rauchen, ungesunde Ernährung) werden ebenfalls erwähnt. Darüber hinaus sehen einige der Befragten auch die Verdienstmöglichkeiten für reproduktionsmedizinische Zentren sowie die zunehmende Bekanntheit und Enttabuisierung des Themas in der Öffentlichkeit als Faktoren, welche die Nachfrage steigen lassen werden. Zwei Experten rechnen nicht mit einer steigenden Nachfrage. Die Frage, ob Menschen mit Migrationshintergrund einen ungleichen Zugang zu reproduktionsmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten haben, bejahen sieben und verneinen fünf der Expertinnen und Experten. Eine befragte Person trifft hierzu keine Aussage. Als mögliche Gründe werden je viermal Sprachkenntnisse und religiöse Aspekte, je fünfmal das Bildungsniveau sowie siebenmal das Einkommensniveau bzw. die Krankenversicherung genannt. Die Aspekte „Bildungsniveau“

188

4 Perspektive der Expertinnen und Experten

und „Einkommensniveau“ werden von zwei Experten als zusammenhängend beschrieben. Der Einfluss des Einkommensniveaus bzw. der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung sei zudem stark von der Stärke der Region abhängig. In Bayern stelle dies zum Beispiel weniger ein Problem dar. Vier Personen nennen den Wissensstand als Gründe für einen ungleichen Zugang. Das Wissensniveau sollte laut Aussage einer Person jedoch eigentlich kein Problem darstellen, da unter anderem Hausärzte zu der Thematik informierten. Kulturelle Aspekte werden von vier Befragten als Gründe genannt. Im Zusammenhang mit kulturellen und religiösen Aspekten wird von einer Person vermutet, dass in muslimischen Kreisen eine kritische Sicht auf die Reproduktionsmedizin vorherrsche und dass die christlichen Kirchen nach wie vor reproduktionsmedizinische Behandlungen verböten (vgl. dazu Kapitel 2.5). Zum Abschluss der Befragung weist eine/r der Expertinnen und Experten darauf hin, dass Einfühlsamkeit gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund und Informationen in mehreren Sprachen von Relevanz seien. Eine andere Person weist auf „Insiderwissen“ über eine unterschiedliche Qualität der IVF-Zentren hin. Für eine reproduktionsmedizinische Behandlung sollten Betroffene generell bereit sein zu reisen, da Schwangerschaftsraten zwischen 15 Prozent und 40 Prozent sehr schwankten. Differenzierte Analyse nach Berufsgruppen Im Folgenden wird der Einfluss der Berufsgruppen auf den geschätzten Anteil an Frauen mit Migrationshintergrund in ihrem Arbeitsbereich analysiert sowie das Eingehen auf kulturelle Hintergründe und auf die Zugangswege der Patienten zu den Experten. Sowohl die Hebammen als auch die Sozialarbeiter bzw. -pädagogen geben am häufigsten an, einen Anteil von einem bis zehn Prozent Frauen mit Migrationshintergrund in ihrem Arbeitsbereich zu betreuen. Die medizinische Fach angestellte geht von einem Bereich zwischen von elf und 20 Prozent aus. Von den Hebammen wird dies zu 11 Prozent angegeben, von den Sozialarbeitern bzw. -pädagogen gar nicht. 21 bis 30 Prozent wird nur von den Hebammen genannt und zwar zu 22 Prozent. Der Anteil von 31 bis 50 Prozent wird wiederum lediglich von 11 Prozent der Hebammen genannt. Sowohl die medizinische Fachangestellte als auch die Sozialarbeiter und -pädagogen geben ausnahmslos alle an, auf kulturelle Hintergründe ihrer Klienten einzugehen. Bei den Hebammen ist dies bis auf eine Ausnahme ebenso der Fall. Hierbei werden unterschiedliche Zugangswege genutzt, um potenzielle Patientinnen und Patienten auf sich aufmerksam zu machen. Von Hebammen häufig, von der medizinischen Fachangestellten und den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen allerdings nur selten oder gar nicht aufgeführt werden soziale Beziehungen und Flyer. Von der medizinischen Fachangestellten oft, von den anderen Berufsgruppen jedoch kaum oder nicht genannt werden Ärzteportale im Internet und Mundpropaganda durch Freunde, Bekannte, Verwandte oder durch andere Betroffene. Sozialarbeiter bzw. -pädagogen hingegen führen als einzige Berufsgruppe häufig

4.2 Befragung reproduktionsmedizinischer Zentren in Deutschland

189

Selbsthilfegruppen an. Hebammen und medizinische Fachangestellte nennen diesen Zugangsweg nicht. Mittelmäßig häufig werden Beratungsstellen, soziale Medien im Internet und Werbung von Hebammen und Sozialarbeitern und -pädagogen, gar nicht aber von der medizinischen Fachangestellten aufgezählt. Nur von den Hebammen, aber auch von ihnen nur sehr selten genannt werden Literatur, Informationsbroschüren, Printmedien oder das Telefonbuch. Hingegen nur von den Sozialarbeitern und -pädagogen, aber auch von ihnen kaum, werden Massenmedien als Zugangsweg angeführt. Immerhin knapp die Hälfte der Experten gibt an, dass Patienten bzw. Klienten bereits mit einem gewissen Vorwissen zu ihnen kommen und durchaus gezielt nach bestimmten reproduktionsmedizinischen Verfahren fragen. Das gilt auch für die in Deutschland verbotene Eizellenspende. 4.2 BEFRAGUNG REPRODUKTIONSMEDIZINISCHER ZENTREN IN DEUTSCHLAND Die Befragung zielt auf die Grundgesamtheit aller reproduktionsmedizinischen Zentren in Deutschland. 4.2.1 Ziele der Erhebung Das Ziel der Befragung von Experten der Reproduktionsmedizin war die Ergänzung der telefonischen Befragung von Frauen mit Migrationshintergrund (Kapitel 3) um die Perspektive von Reproduktionsmedizinern. Ausgehend von der eingangs erwähnten schweren Erreichbarkeit der stetig wachsenden Bevölkerungsgruppe der Personen mit Migrationshintergrund im Gesundheitsbereich konzentrieren sich die Themen der Untersuchung auf die von Kinderwunschzentren genutzten Informationskanäle, über die Kontakt zur Bevölkerung aufgebaut wird, auf die migrationssensible Ausgestaltung der Zentren, d. h. die Art und Weise, wie auf kulturelle und sprachliche Hintergründe einzugehen versucht wird, sowie auf die Erfahrungen mit und Einschätzungen zu Frauen mit Migrationshintergrund als Zielgruppe der Reproduktionsmedizin. Die zu überprüfenden Annahmen sind: 1. Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in der Gesamtbevölkerung spiegelt sich in der Zusammensetzung der Patienten von reproduktionsmedizinischen Einrichtungen wider. 2. Die herkunftsbezogene Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung spiegelt sich in den Herkunftsländern der Patienten mit Migrationshintergrund wider. 3. Medizintourismus spielt im reproduktionsmedizinischen Bereich eine große Rolle. 4. Das Internet als Kommunikationskanal spielt für den Wissenstransfer zwischen den reproduktionsmedizinischen Einrichtungen und der Bevölkerung eine große Rolle.

190

4 Perspektive der Expertinnen und Experten

5. Eine migrationssensible Ausrichtung der reproduktionsmedizinischen Einrichtungen ist noch nicht weit verbreitet. 6. Es bestehen Zugangsbarrieren für Frauen mit Migrationshintergrund, insbesondere verursacht durch sprachliche Probleme, ein tendenziell geringeres Bildungsniveau, geringeres Wissen über Reproduktionsmedizin, ein tendenziell geringeres Einkommensniveau sowie kulturelle und religiöse Aspekte. 4.2.2 Methode Für den Einsatz einer Online-Befragung sprechen generell die potenzielle Schnelligkeit sowohl der Kontaktaufnahme, der Datenerhebung als auch der späteren Weiterverarbeitung der Daten. Darüber hinaus gelten die relativ geringen Kosten, die vereinfachte Auswertung, die Unabhängigkeit von Zeit und Ort sowie die Erreichbarkeit der Zielgruppe (so denn eine regelmäßige Online-Präsenz vorausgesetzt werden kann) als Vorteil. Als kritisch im Vergleich mit anderen Erhebungsinstrumenten ist vor allem die Repräsentativität, verbunden mit der Erreichbarkeit nur internetaffiner Zielgruppen zu sehen (Maurer, Jandura 2009; Welker, Matzat 2009). In der vorliegenden Untersuchung ist jedoch die Größe der Zielgruppe genau definiert: Es handelt sich um alle im IVF-Register namentlich genannten Personen. Außerdem kann von einer Erreichbarkeit per E-Mail bei dieser speziellen Gruppe ausgegangen werden. Gegen die alternative Möglichkeit der Befragung in Form persönlich-mündlicher Interviews sprach die Verteilung der Zielpersonen über das gesamte Bundesgebiet, die für die Erhebung einen erheblichen personellen, finanziellen wie zeitlichen Aufwand bedeutet hätte. Gegen eine schriftlich-postalische Befragung sprach im Vergleich zur Online-Alternative vor allem der erhöhte finanzielle und zeitliche Aufwand für Porto und Verpackung der Fragebögen. Die Expertenbefragung fand deshalb internetgestützt über die Plattform SoSciSurvey (www.soscisurvey.de) statt. Sie wurde den Zielpersonen eine Woche im Voraus per E-Mail, verbunden mit der Bitte um Teilnahme, angekündigt. Die Feldphase erstreckte sich vom 17. November bis einschließlich 08. Dezember 2014. Die Teilnehmer erhielten per Mail ein Anschreiben mit einem personalisierten Link zur Befragung. Nach einer Woche wurden diejenigen, die bis dahin noch nicht an der Befragung teilgenommen hatten, per Mail erinnert und nochmals um Teilnahme gebeten. Der Zeitplan im Überblick: – 10.11.2014: Ankündigungsmail an alle im IVF-Register verzeichneten Institutionen. – 17.11.2014: Beginn der Feldphase, Versand der Serienmail mit personalisiertem Link zur Befragung an alle im IVF-Register aufgelisteten Personen. – 24.11.2014: Zwischenfazit; Erinnerungsmail an alle Personen, die den Fragebogen bisher noch nicht aufgerufen haben. – 01.12.2014: Angekündigtes Ende der Feldphase (inoffiziell ist eine zusätzliche Woche als Puffer für „Nachzügler“ eingeplant).

4.2 Befragung reproduktionsmedizinischer Zentren in Deutschland

191

– 08.12.2014: Abschluss der Feldphase; anschließend weiteres Zwischenfazit und Auswertung. Die Texte der Serienmails sind im Arbeitspapier Nr. 3.01 (Vernim, Paris 2015) zu finden. Die Daten der Online-Fragebögen wurden in einen Datensatz überführt, um sie anschließend in elektronischer Form auszuwerten. Die Datenauswertung erfolgte mit der Standardsoftware SPSS. Zielgruppe Untersuchungsgruppe der Studie ist das medizinische Fachpersonal in den deutschen IVF-Zentren, die in der Mitgliederliste des Deutschen IVF-Registers (D.IR.) (http://www.deutsches-ivf-register.de/, Stand November 2014)23 aufgelistet sind. Die Grundgesamtheit umfasst 437 Personen in 127 Einrichtungen. Die Befragung sollte als Vollerhebung realisiert werden. In der Mitgliederliste des D. I. R. ist für jedes registrierte Zentrum im Normalfall lediglich eine E-Mail-Adresse als Kontakt angegeben, obwohl in den Einrichtungen meist mehrere Personen als Fachpersonal erwähnt werden. Das erwies sich für die Durchführung der Studie problematisch, da in der Regel bei Online-Befragungen für alle Zielpersonen die E-Mail-Adressen bekannt sein sollten (Maurer, Jandura 2009). In diesen Fällen wurden an die im Register genannte Mail-Adresse mehrere personalisierte Anschreiben gesendet. Dieses Vorgehen wurde in der ersten Ankündigungsmail erläutert, verbunden mit der Bitte, die personalisierten Anschreiben an die entsprechenden Personen weiterzuleiten. Das Gleiche gilt für die Erinnerungsmails. Die Kontaktdaten des IVF-Registers konnten nicht 1:1 übernommen werden, sondern mussten an einigen wenigen Stellen bereinigt bzw. korrigiert werden. So arbeiten einige Personen in mehreren der gelisteten Einrichtungen, wären entsprechend mehrmals angeschrieben und hätten den Fragebogen mehrfach ausfüllen können. Doppelnennungen von Personen wurden deshalb aus der Liste entfernt. Darüber hinaus war in einigen Fällen die im Register genannte E-Mail-Adresse nicht (mehr) korrekt und wurde durch eine zutreffende ersetzt. Vereinzelt sind im Register auch Einrichtungen ohne Mail-Kontakt gelistet. In diesem Fall wurden die Kontaktdaten mittels Webrecherche vervollständigt.24

23 Die Teilnahme am IVF-Register ist für medizinische Einrichtungen in Deutschland, die Techniken der assistierten Reproduktion anwenden, gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer verpflichtend. 24 Dr. Ulrich Hilland, erster Vorsitzender des Bundesverbands Reproduktionsmedizinischer Zentren e. V., unterstützte die Erhebung in dankenswerter Weise durch einen Aufruf zur Teilnahme. Außerdem half die Rücksprache mit ihm dabei, die Liste der Zielpersonen auf den aktuellen Stand zu bringen.

192

4 Perspektive der Expertinnen und Experten

Aufbau des Fragebogens Der Fragebogen wurde nach den wissenschaftlichen Vorgaben zu Methoden der empirischen Sozialforschung erstellt (Schnell et al. 2014). Vor der Fertigstellung wurde er von verschiedenen Projektmitarbeitern sowie der Projektleitung im Rahmen eines Pretests auf verschiedenen Plattformen mit unterschiedlichen Internetbrowsern und verschiedenen Antwortvariationen getestet. Von einem größeren Pretest mit Einbindung von Experten aus Kinderwunschzentren wurde abgesehen, da diese Personen alle im Hauptfeld nochmals befragt werden würden. Der endgültige Fragebogen umfasste 16 Fragen in folgenden vier Rubriken: 1. Allgemeine Angaben (Dauer der Tätigkeit im Fachbereich; in der Praxis angewandte reproduktionsmedizinische Methoden). 2. Zugänge zur Reproduktionsmedizin (angewandte Methoden der Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationspartner). 3. Reproduktionsmedizin und Migrationshintergrund (Anteil von Patienten mit Migrationshintergrund, Herkunftsländer, Medizintourismus, migrationssensible Ausrichtung der Einrichtung, mögliche Zugangsbarrieren). 4. Abschluss (weitere Anmerkungen, Anfrage für ein persönliches Expertengespräch). Feldphase und Rücklauf Zur Online-Expertenbefragung erhielten die Ansprechpartner der Reproduktionszentren und -kliniken, die im IVF-Register aufgeführt sind, jeweils eine personalisierte Mail mit der Bitte zur Teilnahme und einem einmal aktivierbaren Link zur Befragung (mit der Möglichkeit die Befragung zu pausieren und später fortzusetzen) auf der Umfrageplattform www.soscisurvey.de. Von den insgesamt 437 angeschriebenen Personen in 127 Einrichtungen beantworteten 35 Personen aus 28 verschiedenen Einrichtungen die Fragen. Bezogen auf die Personen ergibt sich demnach eine Rücklaufquote von acht Prozent, bezogen auf die Einrichtungen beteiligten sich 22 Prozent an der Befragung. 4.2.3 Ergebnisse Allgemeine Angaben Der Großteil der befragten Experten (68,6 Prozent) ist bereits seit mindestens zehn Jahren im Bereich der Reproduktionsmedizin aktiv, weitere 31,4 Prozent seit ein bis zehn Jahren. Fast alle (97,1 Prozent) sind an Befruchtungen im Reagenzglas (In-vitro, z. B. IVF/ICSI) beteiligt (Abbildung 97). Auch Kryokonservierungen im Rahmen von Krebstherapien sind weit verbreitet (94,3 Prozent). Die Kryokonservierung aus sozialen Gründen („Social Freezing“) wird von etwas weniger Befragten durchgeführt (82,9 Prozent). An künstlichen Befruchtungen (in vivo, z. B. ICI)

4.2 Befragung reproduktionsmedizinischer Zentren in Deutschland

193

sind 77,1 Prozent beteiligt, an diagnostischen Verfahren wie PKD oder PID nur 57,1 Prozent. Alternative bzw. komplementäre Methoden werden lediglich von 48,6 Prozent angewandt.

Abbildung 97: Verfahren, die die Experten anwenden bzw. an denen sie beteiligt sind

Zugänge zur Reproduktionsmedizin 45,7 Prozent der Experten geben an, dass Patienten oft gezielt nach bestimmten Verfahren nachfragen, die sie bereits kennen. Weitere 54,3 Prozent geben an, dass das zumindest gelegentlich vorkommt. In vielen Fällen kommen die Patienten also bereits mit einem gewissen Grad an Vorwissen zur Behandlung ins Kinderwunschzentrum. Laut 85,7 Prozent der Experten wird dabei zumindest gelegentlich auch nach Methoden gefragt, die in Deutschland nicht erlaubt sind. Hinsichtlich ihrer Öffentlichkeitsarbeit messen alle Befragten dem direkten Bevölkerungskontakt (z. B. bei Informationsveranstaltungen oder Vorträgen) eine große bzw. mittlere Bedeutung bei (Abbildung 98). Besonders wichtig scheint auch die eigene Website der Einrichtungen zu sein, fast 86 Prozent messen ihr eine große Bedeutung bei.

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4 Perspektive der Expertinnen und Experten

Abbildung 98: Bedeutung von Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit

Artikel und Anzeigen in Printmedien oder im Internet werden ebenfalls noch als wichtig eingeschätzt, fallen aber im Vergleich zum direkten Kontakt und den eigenen Websites deutlich ab (Abbildung 99). Auftritte oder Werbung im TV oder Radio und die sozialen Medien im Internet spielen für die meisten Befragten eine eher geringe Rolle.

Abbildung 99: Bedeutung der genannten Kooperationspartner in der Öffentlichkeitsarbeit

4.2 Befragung reproduktionsmedizinischer Zentren in Deutschland

195

Besonders wichtige Kooperationspartner in der Öffentlichkeitsarbeit scheinen andere Ärzte (z. B. Vernetzung mit Hausärzten oder Gynäkologen) zu sein. Für 82,9 Prozent der Befragten haben sie eine große Bedeutung, für den Rest immerhin eine mittlere. Spezielle Beratungsstellen z. B. von pro familia spielen ebenfalls eine relativ große Rolle, 74,2 Prozent messen ihnen zumindest eine mittlere Bedeutung bei. Auch Pharmaunternehmen und Bildungseinrichtungen sind für die Mehrheit der Befragten bedeutsame Partner in der Öffentlichkeitsarbeit. Apotheken und Krankenkassen werden etwas weniger genannt, religiöse Einrichtungen (z. B. Pfarreien oder Moscheevereine) spielen kaum eine Rolle. Reproduktionsmedizin und Migrationshintergrund Die Experten sollten den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund unter den von ihnen behandelten Personen einschätzen. Zur Erläuterung wurde die Begriffsdefinition des Statistischen Bundesamtes angegeben. Für fast alle Befragten machen Menschen mit Migrationshintergrund einen bedeutsamen Teil der Patienten aus (Abbildung 100). Knapp ein Drittel gibt einen Anteil von elf bis 20 Prozent an, 40 Prozent schätzen ihn auf 21 bis 30 Prozent. Knapp 23 Prozent geben sogar einen Anteil von 31 bis 50 Prozent an. Die Antwortoptionen „mehr als 50 %“ oder „weiß nicht“ traten nicht auf.

Abbildung 100: Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund unter den Patienten

Nach Einschätzung der Experten stammen die Patienten mit Migrationshintergrund besonders oft aus der Türkei. Russland bzw. die ehemalige Sowjetunion steht mit deutlichem Abstand an zweiter Stelle, gefolgt von sonstigen europäischen Staaten,

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4 Perspektive der Expertinnen und Experten

dem arabischen Raum, dem ehemaligen Jugoslawien und Polen. Andere Herkunftsländer und -regionen sind sehr selten vertreten (Abbildung 101).

Abbildung 101: Häufigkeit der Herkunftsländer bei Patienten mit Migrationshintergrund

Medizintourismus aus dem Ausland nach Deutschland ist für alle Befragten ein Thema. Auf die Frage, ob sie auch Patienten aus dem Ausland haben, die für die Behandlung nach Deutschland kommen, antworten 17,1 Prozent mit „Ja, oft“ und 82,9 Prozent mit „Ja, gelegentlich“. Welche speziellen Maßnahmen oder Konzepte in Bezug auf Patienten mit Migrationshintergrund in den Einrichtungen der Expertinnen und Experten zum Einsatz kommen, zeigt Abbildung 102.

4.2 Befragung reproduktionsmedizinischer Zentren in Deutschland

197

Abbildung 102: Spezielle Materialien/Konzepte für Menschen mit Migrationshintergrund

Flyer bzw. Informationsmaterialien in verschiedenen Sprachen sind eine besonders häufig verwendete Maßnahme; 83 Prozent der Befragten bejahen dies für ihre Einrichtungen. Viele Kinderwunschzentren weisen auch Mitarbeiter auf, die selbst über einen Migrationshintergrund verfügen. Der von fast allen Befragten als sehr wichtig eingeschätzte Internetauftritt der Zentren (Abbildung 98) bietet in den meisten Fällen keine mehrsprachigen Inhalte. Spezielle Fortbildungen der Mitarbeiter, etwa zur interkulturellen Kompetenz, geben für ihre Einrichtungen nur 17,1 Prozent der Befragten an. Spezielle Integrationsbeauftragte nennen 14,3 Prozent, spezielle Angebote für Migranten (z. B. Gesprächskreise, Veranstaltungen) sind selten. 20 Prozent der Befragten denken, dass für Menschen mit Migrationshintergrund der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten in Deutschland erschwert ist. Als Ursachen hierfür werden vorrangig das Sprachniveau, ein geringer Wissensstand über Reproduktionsmedizin und das geringere Einkommensniveau genannt, etwas seltener das Bildungsniveau und kulturelle und/ oder religiöse Aspekte. Auf die Frage nach weiteren, bisher nicht genannten Erklärungen für Zugangsbarrieren wird der Versicherungsstatus erwähnt. Eine Nennung bezieht sich hingegen darauf, dass Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin prozentual im Vergleich zu Deutschen in viel jüngerem Alter und häufiger nutzen würden. Eine Mangel an Informationen bestünde demnach sicher nicht.

198

4 Perspektive der Expertinnen und Experten

4.2.4 Diskussion Die Ergebnisse erlauben eine Beantwortung der zu Untersuchungsbeginn formulierten Annahmen: 1. Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in der Gesamtbevölkerung spiegelt sich in der Zusammensetzung der Patienten reproduktionsmedizinischer Einrichtungen wider. Ausgehend von einem Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund von etwa 25 Prozent in der für die Reproduktionsmedizin relevanten Altersgruppe hat sich diese Annahme bestätigt. Die meisten befragten Experten schätzen für ihre Patienten einen Migrantenanteil von 21 bis 30 Prozent. Ein Drittel bleibt etwas unterhalb dieser Marke, knapp ein Viertel schätzt den Anteil sogar noch höher ein. Hierbei könnten regionale Unterschiede eine Rolle spielen. Migrantenanteile zwischen 31 und 50 Prozent stammen vermutlich aus westdeutschen Ballungsgebieten und/oder Berlin. Hiermit werden auch frühere Aussagen bestätigt, die die Reproduktionsmedizin als einen der wenigen medizinischen Bereiche identifizieren, in denen Personen mit Migrationshintergrund als Patienten überproportional stark vertreten sind (Bundesweiter Arbeitskreis Migration und öffentliche Gesundheit 2012). 2. Die herkunftsbezogene Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung spiegelt sich in den Herkunftsländern der Patienten mit Migrationshintergrund wider. Laut Mikrozensus 2014 weist weit über die Hälfte der Frauen mit Migrationshintergrund im Alter von 15 bis 45 Jahren Wurzeln aus vier Herkunftsländern bzw. -regionen auf (Kapitel 2.2.3): Ehemalige Sowjetunion (20 Prozent), Türkei (19,1 Prozent), Polen (9,8 Prozent) und ehemaliges Jugoslawien (9,3 Prozent). Die Türkei und die ehemaligen Sowjetrepubliken werden auch von den Experten als häufigste Herkunftsregionen genannt, gefolgt von Polen und dem ehemaligen Jugoslawien. Die herkunftsbezogene Zusammensetzung der Bevölkerung mit Migrationshintergrund spiegelt sich also auch bei den Patienten wider. Türkeistämmige Personen scheinen allerdings unter den Patienten noch stärker vertreten zu sein als in der Allgemeinbevölkerung. 3. „Medizintourismus“ spielt im reproduktionsmedizinischen Bereich eine große Rolle. Hierzu wurde in der Befragung lediglich der Medizintourismus nach Deutschland thematisiert, also die Frage in welchem Ausmaß Patienten aus dem Ausland anreisen, um in deutschen Kinderwunschzentren vorstellig zu werden. Die Annahme hat sich diesbezüglich bestätigt. Alle befragten Experten behandeln zumindest gelegentlich „Medizintouristen“; 17 Prozent geben an, dass dies oft vorkommt. Der ins Ausland gehende Medizintourismus, also die Behandlung von Patienten aus Deutschland im Ausland, wurde in der Befragung nicht thematisiert. Andere Publikationen (Thorn, Wischmann 2014) und die Berichterstattung in den Medien deuten aber darauf hin, dass auch dies ein relevantes Phänomen darstellt.

4.2 Befragung reproduktionsmedizinischer Zentren in Deutschland

199

4. Das Internet als Kommunikationskanal spielt für den Wissenstransfer zwischen den reproduktionsmedizinischen Einrichtungen und der Bevölkerung eine große Rolle. Aus Sicht der befragten Reproduktionsmediziner gilt dies auf jeden Fall für die eigenen Websites der Einrichtungen. Knapp 86 Prozent messen ihr eine große Bedeutung für die Öffentlichkeitsarbeit bei, das ist der mit Abstand höchste Wert aller abgefragten Kommunikationskanäle. Weitere 11 Prozent sprechen zumindest von einer mittleren Bedeutung. Soziale Medien im Internet wie Facebook, Twitter u. Ä. spielen in den meisten Einrichtungen keine große Rolle, der Fokus scheint auf der klassischen, eigenen Internetpräsenz zu liegen. 5. Eine migrationssensible Ausrichtung der reproduktionsmedizinischen Einrichtungen ist noch nicht weit verbreitet. Hier fallen die Ergebnisse zweischneidig aus. Auf der einen Seite haben mehrsprachige Informationsmaterialien inzwischen eine große Verbreitung gefunden, knapp 83 Prozent der Befragten bejahen dies für ihre Einrichtungen. Zusätzlich sind häufig Mitarbeiter mit Migrationshintergrund vorhanden, die unter Umständen andere Sprachkenntnisse und Sichtweisen einbringen können. Auf der anderen Seite sind weitere Aspekte migrationssensibler Ausrichtung (mehrsprachige Internetauftritte und Fachwörterbücher, entsprechende Fortbildungen für Mitarbeiter, Integrationsbeauftragte oder weitere spezielle Angebote) selten implementiert. 6. Es bestehen Zugangsbarrieren für Frauen mit Migrationshintergrund, insbesondere begründet durch sprachliche Probleme, ein tendenziell geringeres Bildungsniveau, geringeres Wissen über die Reproduktionsmedizin, ein tendenziell geringeres Einkommensniveau sowie kulturelle und religiöse Aspekte. Die Präsenz spezifischer Zugangsbarrieren für Menschen mit Migrationshintergrund im Bereich der Reproduktionsmedizin wird nur von 20 Prozent der Befragten bestätigt. Als Ursachen hierfür werden vor allem das Sprachniveau, ein geringerer Wissensstand über die Reproduktionsmedizin sowie das geringere Einkommensniveau angegeben. Der Großteil der Befragten sieht jedoch keine spezifischen Hürden für Migranten. Ein Experte gab dazu an, dass es sich ganz im Gegenteil in Bezug auf die Vermutung zu Zugangsbarrieren vielmehr so verhalte, dass Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin prozentual im Vergleich zu Deutschen schneller, d. h. in viel jüngeren Jahren und häufiger nutzen würden. Eine Mangel an Informationen bestünde nicht. Die große Offenheit und Akzeptanz gegenüber der Reproduktionsmedizin innerhalb der Migrantenbevölkerung zeigt sich auch in den Ergebnissen der telefonischen Bevölkerungsbefragung von Frauen (Kapitel 3.3.3). Informationsdefizite zeigten sich dort allerdings durchaus (Kapitel 3.3.4).

5 PERSPEKTIVE VON FRAUEN IN REPRODUKTIONSMEDIZINISCHER BEHANDLUNG Kapitel 5 setzt den Fokus auf Frauen, die sich in reproduktionsmedizinischer Behandlung befinden. In einer Vorstudie (Kapitel 5.1) wurde nach den bereits genutzten Behandlungsmöglichkeiten, nach Informationsquellen und nach der wahrgenommenen Informationsqualität gefragt. Welche Merkmale Frauen, die Reproduktionsmedizin genutzt haben, im Unterschied zu Frauen, auf die dies nicht zutrifft, aufweisen, beispielsweise im Hinblick auf die Bildung oder das Wissen über Reproduktionsmedizin ist Gegenstand der Analysen in Kapitel 5.2. Welche Bedeutung der psychosozialen Beratung im Rahmen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung zukommt, zeigt die Befragung der Paare in reproduktionsmedizinischer Behandlung in Kapitel 5.3. Hier wird das (geringe) Wissen um die Möglichkeit der kostenlosen Beratung genauso deutlich wie das (große) Potential eines solchen Angebots für Betroffene. Welche Bedeutung schließlich Online-Foren für Personen haben, die sich in Kinderwunschbehandlung befinden oder diese in Erwägung ziehen, wird bei der Untersuchung der Beiträge des Kinderwunschforums wunschkinder.net offenkundig (Kapitel 5.4). Dabei wird besonders auf die „Strukturtypen“ und „thematischen Bezüge“ der verfassten Beiträge eingegangen. 5.1 VORSTUDIE: BEFRAGUNG VON FRAUEN IN REPRODUKTIONSMEDIZINISCHER BEHANDLUNG Zu Beginn des Projekts wurden acht qualitative, leitfadengestützte Interviews mit Frauen durchgeführt, die sich zum Zeitpunkt der Befragung in reproduktionsmedizinischer Behandlung befanden oder befunden hatten. Wie die Expertengespräche (Kapitel 4.1) dienten die Gespräche mit den Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung gleichzeitig als Vorstudie für die Telefonbefragung (Kapitel 3.2). 5.1.1 Methodik Für die Vorstudie wurden acht Frauen gesucht und bewusst ausgewählt (N = 8). Die acht von reproduktionsmedizinischen Verfahren betroffenen Frauen wurden anhand eines Leitfadens befragt, der in zwei leicht unterschiedlichen Versionen vorliegt. Die zwei Versionen wurden für je eine Hälfte der Frauen genutzt. Sie unterscheiden sich lediglich darin, dass in der ursprünglichen Version Unterpunkte gezielt abgefragt und notiert wurden. Die Ergebnisse sind zusammengefasst dargestellt. Die Zusammenführung der Versionen wird jeweils im Folgenden erklärt.

5.1 Vorstudie: Befragung von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

201

5.1.2 Ergebnisse Die Befragten sind im Durchschnitt 34,6 Jahre alt (Minimum = 27 Jahre; Maximum = 42 Jahre; Standardabweichung = 4,9 Jahre). Vier von ihnen geben als Herkunftsland bzw. Staatsangehörigkeit deutsch an, zwei Kasachstan und deutsch und je eine ukrainisch und serbisch. Bei der Frage nach ihrer Religionsgemeinschaft nennen vier Frauen die römisch-katholische Kirche und je eine die evangelische Kirche, die orthodoxe Kirche sowie den Islam. Eine Befragte gibt an, konfessionslos zu sein. Vier der Interviewten besitzen als höchsten Bildungsabschluss ein abgeschlossenes Studium, je eine die Mittlere Reife beziehungsweise die Fachhochschulreife und zwei den (qualifizierenden) Hauptschulabschluss. Eine der Frauen hat in der Ukraine bereits einen Universitätsabschluss der russischen Literatur, der Philologie und der Schulpsychologie erworben und ist derzeit Studentin der Sozialen Arbeit in Deutschland. Eine der Befragten ist Gesundheits- und Krankenpflegerin, Sozialpädagogin und Gerontologin, eine Kauffrau für Kommunikation, eine Kauffrau für Einzelhandel, eine zahnmedizinische Fachangestellte, eine Postangestellte, eine Heilpädagogin und eine Wirtschaftsingenieurin. Behandlungsverfahren Nach der Abfrage der persönlichen Angaben wurden die Frauen um Angaben zur Anwendung reproduktionsmedizinischer Behandlungen gebeten. Hier unterscheiden sich die Fragebogenversionen dahingehend, dass in der ersten Version die Unterpunkte gezielt abgefragt und notiert wurden, während sie in der zweiten Version nur als Beispiele dienten und lediglich die genannten Überpunkte dokumentiert wurden. Tabelle 51 stellt die Häufigkeiten der Nennung der in den Leitfäden aufgelisteten reproduktionsmedizinischen Behandlungen in zusammengefasster Weise. Tabelle 51: Angewandte reproduktionsmedizinische Behandlungen Bei der Mehrzahl angewandte Behandlung

Befruchtung im Reagenzglas (z. B. IVF, IVM, ICSI)

Bei der Hälfte angewandte Behandlung

Einfrieren der Eizellen Kryokonservierung (bei Krebstherapie oder „Social Freezing“)

Seltener angewandte Behandlung

Künstliche Befruchtung (z. B. ICI, IUI, ITI); Diagnostik (z. B. PKD, PID); Alternativmedizin/Komplementärmedizin

Nicht angewandte Verfahren

Assistierte Befruchtung (z. B. GIFT, ZIFT)

Datenquelle: Vorstudie NeWiRe – Interviews mit Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Besonders häufig werden demnach die Befruchtung im Reagenzglas sowie Kryokonservierung durchgeführt. Weniger oft werden die künstliche Befruchtung, Diagnostik sowie Alternativmedizin bzw. Komplementärmedizin genannt. Letztere

202

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

wird von der Betroffenen genauer erläutert: sie habe Tees (Scharfgarbe, Frauenmantel, Himbeerblätter), Bachblüten, Moorbäder und Akupressur genutzt. Auf die Frage nach der angewandten reproduktionsmedizinischen Behandlung wird zudem von einer Befragten die Durchführung genetischer Tests angegeben. Eine andere Frau spezifiziert, bei ihr wären eine künstliche Befruchtung im Reagenzglas mittels ICSI durchgeführt sowie zweimal Eizellen eingefroren worden. Die Abfrage der einzelnen Methoden bei vier der Befragten auf Basis des differenzierten Leitfadens ergibt, dass unter den Verfahren der künstlichen Befruchtung eine intratubare Insemination (ITI) fällt. Besonders häufig (dreimal) wird die ICSI-Methode genannt, Kryokonservierung zweimal. Die Präimplantationsdiagnostik wird von einer Frau angegeben, ebenso Alternativ- bzw. Komplementärmedizin. Alle anderen möglichen Verfahren werden nicht genannt. Informationswege Anschließend wurden die Frauen gebeten anzugeben, auf welchen Wegen sie von den Behandlungsmethoden erfahren hätten. Auch hier unterscheiden sich die Leitfadenversionen (Tabelle 52). Die häufigste genannte Informationsquelle sind Gesundheitseinrichtungen. Hierzu wird von einer Interviewten speziell angegeben, dass sie durch Ärzte von den Behandlungsmöglichkeiten erfahren habe. In der Hälfte der Fälle wird das Internet genannt, soziale Beziehungen und Literatur spielen eine etwas geringere Rolle. Bei der Informationsquelle soziale Beziehungen hebt eine Befragte Freunde und Bekannte hervor. Eine der Frauen macht an dieser Stelle deutlich, dass es für sie ein langer und beschwerlicher Weg „zum Kind“ war. Tabelle 52: Allgemeine Informationsquellen zu Behandlungsmethoden Sehr häufig genutzte Informationsquelle

Seltener genannte Informationsquelle

Gesundheitseinrichtungen (z. B. Ärzte, Kliniken, andere Fachkräfte)

Literatur (Wissenschaftliche Bildungseinrichtungen (z. B. Fachliteratur, Populärmedizin, Hochschulen, VolkshochschuInfobroschüren) len, Schulen)

Internet (Medizinische WisSoziale Beziehungen sensportale, Diskussionsforen, (Freunde, Bekannte, andere Soziale Medien) Betroffene)

Gar nicht genutzte Informationsquelle

Beratungsstellen (Sozialarbeiter, Seelsorge) Massenmedien (Printmedien, Fernsehen) Selbsthilfegruppen von Betroffenen Sonstiges

Datenquelle: Vorstudie NeWiRe – Interviews mit Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

5.1 Vorstudie: Befragung von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

203

Betrachtete man die differenzierteren Ergebnisse mit Unterkategorien aus der ausführlichen Leitfadenversion (N = 4), so sind die häufigsten Nennungen Ärzte (z. B. Arztpraxen, Kliniken) und das Internet. Auch Gesundheitseinrichtungen; Medizinische Wissensportale im Internet, Diskussionsforen im Internet und Literatur werden genannt. Auch in diesem Fall zeigt sich die Relevanz von Gesundheitseinrichtungen, besonders von Ärzten, als Informationsquelle zu Behandlungsmethoden. Diese werden an erster Stelle genannt, wohingegen sie bei der Befragung von Expertinnen und Experten erst an zweiter Stelle kommen (vgl. dazu Kapitel 4.1.2). Das Internet wird ebenfalls aufgezählt. Eine dieser Frauen spezifiziert, dass sie Diskussionsforen im Internet genutzt habe, während eine andere, die das Internet zuvor nicht genannt hat, medizinische Wissensportale im Internet erwähnt. Zudem wird Literatur in einem Fall als Informationsquelle für die Behandlungsmethode bezeichnet. Bei der Frage, wie die Frauen speziell auf ihre behandelnde Praxis (reproduktionsmedizinisches Zentrum) aufmerksam wurden, zeigt sich ein ähnliches Bild (Tabelle 53). Tabelle 53: Informationsquellen für Patientinnen in Behandlungspraxis Sehr häufig genutzte Informationsquelle

Seltener genannte Informationsquelle

Gar nicht genutzte Informationsquelle

andere Ärzte oder Gesundheitseinrichtungen

Beziehungen (Mundpropaganda: Freunde, Bekannte, Verwandte, andere Betroffene)

Bildungseinrichtungen, Fachveranstaltungen

Internet (Ärzteportale, Soziale Sonstiges Medien)

Beratungsstellen Literatur (Fachpublikationen, Informationsbroschüren) Massenmedien (Printmedien, Fernsehbeiträge) Selbsthilfegruppen Werbung (Telefonbuch, Flyer)

Datenquelle: Vorstudie NeWiRe – Interviews mit Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Auch zu Behandlungspraxen können andere Ärztinnen und Ärzte und Gesundheitseinrichtungen, sowie das Internet als besonders wichtige Informationsquellen angesehen werden. Ebenfalls eine Rolle spielen Beziehungen und Sonstiges (Informationsbroschüren). Zum Thema Internet erklärt eine der Frauen, sie habe über Internetsuchmasken nach Kliniken gesucht, wobei diese in unterschiedlichem Maße auffindbar und vertreten waren. Das Internet wird als Überbegriff genannt und Ärzteportale im Internet werden ebenfalls erwähnt. Auf die Frage, welche Rolle das Internet bei der Suche nach einer Behandlung gespielt hat, geben drei der Betroffenen „gar keine“ an, zwei bezeichnen das In-

204

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

ternet als „zusätzliche Informationsquelle“ und weitere zwei als „einzige Informationsquelle“. Eine Befragte macht keine Angabe und erklärt dazu, dass das Internet für sie erst nach der Behandlung beziehungsweise nach einer Frühgeburt eine Rolle gespielt habe. Die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie spezielle Informationen und Methoden im Internet noch nachgeforscht hätten. Folgende Themen werden genannt: – Chancen und Erfolgsaussichten der Behandlung (auch bzgl. der vermutlich benötigten Anzahl an Anläufen). – Risiken der Behandlung (wie etwa mögliche Behinderungen der Kinder). – Ablauf der Behandlung. – Ursachen der Probleme. – alternative Behandlungsmethoden. – Informationen nach der Behandlung beziehungsweise nach einer Frühgeburt. – die Abrundung bereits bestehender Laieninformationen. – spezielle rechtliche und soziokulturelle Fragen (Vaterschaft). Eine Frau bejahte die Frage, ob nach speziellen Foren gesucht worden war, auch im Hinblick auf rechtliche und soziokulturelle Fragen zum Thema reproduktionsmedizinische Behandlung. Sie erklärt, sie habe nach Unterschieden zwischen privaten Samenspendern und Spendern durch eine Samenbank gesucht, und zwar in Hinblick auf soziale Fragen wie Vaterschaft, Verpflichtung zu Unterhaltszahlungen, wie andere gleichgeschlechtliche Paare dies beantworten und ob es wissenschaftliche Evidenz für ein besseres oder schlechteres Ergebnis für das Kind gibt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass entgegen der Perspektive der Expertinnen und Experten (vgl. Kapitel 4.1.2) das Internet bei betroffenen Frauen und ihrer Recherche nach Informationen oder einem Kinderwunschzentrum nicht an erster Stelle steht, aber dennoch nach den Gesundheitseinrichtungen eine wesentliche Quelle darstellt. Aus der Perspektive der Betroffenen reduziert sich das Suchspektrum auf zwei Kategorien: – Gesundheitseinrichtungen (Ärzte, Kliniken, andere Fachkräfte). – Internet (Medizinische Wissensportale, Ärzteportale, Soziale Medien, Diskussionsforen). Wenig informativ sind nach Angaben der betroffenen Frauen Massenmedien, die für Frauen in der Allgemeinbevölkerung eine wichtige Informationsquelle darstellen (vgl. 3.3.4) und auch die persönlichen Beziehungsnetzwerke. In beiden Leitfadenversionen wurden die Interviewten gefragt, ob sie mit Freunden und/oder Bekannten offen über die Thematik der reproduktionsmedizinischen Behandlung sprechen. Die Hälfte bejaht dies. Die Antworten deuten darauf hin, dass diese Personen nicht als Informationsquelle dienen, sondern umgekehrt sich für die Behandlung interessieren. So gibt eine Befragte an, neugierigen Fragern nur eine unverbindliche Antwort zu geben. Offen sprechen würde sie nur mit Personen, denen sie vertrauen, auch wenn sie nicht der Meinung ist, sich dafür schämen zu müssen, dass sie ein Kind per Samenspende bekommen habe. Eine andere gibt an, mit Freunden offen zu sprechen, eine weitere schränkt dies auf „ausgewählte“ Freunde ein.

5.1 Vorstudie: Befragung von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

205

Informiertheit und Probleme Ein Fragenblock bezog sich auf die Informationsqualität in Hinsicht darauf, ob die Frauen genügend Informationen zu speziellen Themen gefunden haben. Sieben der Befragten geben an, genügend Informationen über Erfolgsaussichten reproduktionsmedizinischer Verfahren gefunden zu haben. Von diesen sieben ist sich diesbezüglich jedoch eine Frau eher unsicher. Eine sieht dies nicht so, da sie nur Informationen über Eingriff und Ablauf erhalten habe. Eine Frau gibt an, die vorhandene Sprachbarriere sei kein Problem gewesen, da gute Ärzte (Reproduktionsmediziner, Gynäkologen) zur Verfügung gestanden hätten. Eine andere erklärt, die Informationen von einer Professorin erhalten zu haben. Alle acht Frauen sind der Meinung, genug Informationen über Risiken reproduktionsmedizinischer Verfahren, wie etwa Mehrlingsgeburten, bekommen zu haben, wohingegen nur ein Teil von ihnen angeben, genügend Informationen über die Möglichkeit einer psychologischen Betreuung gehabt zu haben. Anschließend wurde gefragt, auf welche Probleme die Betroffenen während ihrer gesamten Behandlungszeit gestoßen sind. Diese fallen in die Kategorien körperliche, finanzielle, psychische, moralische Probleme, Verständnisschwierigkeiten sowie Probleme mit dem Arbeitsumfeld. Die Hälfte der Befragten nennt körperliche Probleme.25 In einigen Fällen wurden auch finanzielle Probleme aufgezählt. So mussten etwa teure Zusatzleistungen oder Medikamente selbst gezahlt werden, da die Krankenkasse für die Kosten nicht aufgekommen war. Berichtet wurde auch je einmal von psychischen Problemen, moralischen Problemen (Eingriff in die Natur durch Planbarkeit des Schwangerschaftszeitpunktes), Problemen am Arbeitsplatz (häufige Fehlzeiten durch Arzttermine) und Verständnisproblemen (schwer verständliche Erklärungen der Ärzte trotz des eigenen medizinischen Hintergrundwissens). Im Zusammenhang mit der zuletzt genannten Problematik wird erklärt, dass auch ein „Behandlungsfahrplan“, der die gesamte Therapie übersichtlich zusammenfasst, schön gewesen wäre. Zudem werden weitere, auch übergreifende Probleme angesprochen: nicht näher definierte Probleme nach der Behandlung, eine ergebnislose Untersuchung der Ursache und die insgesamt körperlich und psychisch anstrengende Behandlung (hier war jedoch keine Hilfe erwünscht). Unabhängig von Problemen wurden weitere Themen angesprochen. So wurde die Zufriedenheit mit der behandelnden Klinik und auch die Relevanz der aktiven Beteiligung des Partners hervorgehoben. Auf die Frage nach Vorschlägen, um bessere Auskünfte über die Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin zu erhalten, sagte die Hälfte der Frauen, dass eine bessere Beratung über anwendbare (alternative) Behandlungsmethoden durch die (Frauen-)Ärzte nötig sei. Zudem sollten Ärzte laut Betroffenen besser über Anlaufstellen für Beratung (z. B. Selbsthilfegruppen, seriöse Websites) und Behandlung (Behandlungspraxen) informieren. Einmal wird angegeben, dass ein besserer Informationsaustausch zwischen Frauenarzt und Reproduktionspraxis wichtig wäre. 25 Z. B. starke Blutungen, eine genetische Problematik, dass nach der Eizellenentnahme nicht mehr [auf die Toilette] gegangen werden konnte oder Nebenwirkungen der Medikamente.

206

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Hinsichtlich der Informationskanäle werden Verbesserungsvorschläge unterbreitet: So solle es etwa mehr Bücher und Flyer sowie einen besseren sprachlichen Zugang geben. Es wird mehr Werbung gewünscht und dafür plädiert, soziale Netzwerke weniger zu nutzen, dafür mehr professionellen Rat oder professionelle Hilfe zu suchen. Von anderen Frauen werden die Informationskanäle jedoch als ausreichend beschrieben, da die Ärzte ausreichend Informationsmaterial besäßen; es sei keine Verbesserung nötig. Eine Befragte erklärt zu dieser Frage zudem, dass die Reproduktionsmedizin in Russland bzw. Osteuropa anders funktionieren würde, denn so seien dort zum Beispiel genetische Tests nicht üblich. Die Frage, ob bewusst ein Arzt oder ein Behandler aus der gleichen Herkunftsregion gewählt wird, wenn ein Migrationshintergrund bei der Befragten vorliegt, bezog sich nur auf Frauen mit Migrationshintergrund. Zur Erleichterung des Einschätzens, ob ein Migrationshintergrund vorliegt, war auf dem Leitfaden angegeben, welche Personengruppen dies laut Definition des Statistischen Bundesamtes umfasst. Drei Viertel der Frauen beantworteten diese Frage, wobei eine von sechs Interviewten dies bejaht und als Grund angibt, dass interkulturelle Strukturen bekannt sind. Zum Abschluss der Befragung wurde den Frauen die Möglichkeit eingeräumt für sonstige Mitteilungen. Eine Betroffene weist drauf hin, dass viele Kämpfe für das „Traumkind“ ausgefochten werden müssen. Es sei wichtig viele Alternativen zu probieren, mehrere Ärzte aufzusuchen und verschiedene Meinungen einzuholen. Eine andere gibt an, es sei wichtig nicht aufzugeben und es weiter zu versuchen. Sie selbst hätte nach drei Versuchen fünf Jahre Pause gemacht und dann zwei Jungen bekommen. Zwei Befragte erwähnen den finanziellen Aspekt. So hat eine der Befragten einen Krankenkassenwechsel zu einer Krankenkasse vollzogen, die 100 Prozent der reproduktionsmedizinischen Behandlungskosten übernimmt. Eine weitere gibt an, sie hätte sich mehr staatliche Förderung gewünscht sowie mehr Ano nymität von der Krankenkasse. Eine bessere Unterstützung des Staates wäre nötig, um Reproduktionsmedizin auch Geringverdienern zu ermöglichen. Sie erklärt, dass Reproduktionsmedizin zur Modeerscheinung wird: Zwanzigjährige Reiche würden ihre Eizellen für später einfrieren lassen, während Geringverdiener benachteiligt würden. Von einer Betroffenen als wichtig angesehen wird mehr Forschung in Bezug auf die Frage, inwieweit Gesundheitsgefahren oder -risiken für die Kinder bestehen. Eine andere Befragte teilt mit, dass sie Zwillinge hat. Ein weiteres Thema, das eine der Frauen anspricht, ist ein innerer Konflikt aufgrund der Angst vor einer weiteren Behandlung. Sie wünsche sich ein drittes Kind, habe aber schlechte Erinnerungen an eine frühere künstliche Befruchtung (Eileiterschwangerschaft, Fehlgeburt). Sie wisse nicht ob sie eine künstliche Befruchtung brauche und wolle eine andere Behandlung als bei ihrer zweiten Tochter.

5.2 Profil der behandelten Frauen in der Allgemeinbevölkerung

207

5.2 PROFIL DER BEHANDELTEN FRAUEN IN DER ALLGEMEINBEVÖLKERUNG Das folgende Kapitel zeigt, durch welche Merkmale (soziodemografische Merkmale, subjektives Wissen, Bekanntheit von Reproduktionsmedizin, Einstellungen zu Familie und Religion) Frauen charakterisiert sind, die sich bereits in einer fruchtbarkeitsmedizinischen Behandlung befanden. Hierbei orientiert sich die Untersuchung an bereits vergleichbaren Annahmen und Untersuchungen, fragt aber auch weitere Aspekte ab, die bislang in keiner Untersuchung betrachtet wurden. PassetWittig et al. (2016, S. 81) sehen es ebenfalls als eine wichtige Untersuchungsfrage an, ob sich Nutzerinnen der Reproduktionsmedizin von der Grundgesamtheit in soziodemografischen Merkmalen und Einstellungen unterscheiden. Da bislang kaum Untersuchungen über die Profile von Personen vorliegen, die sich bereits einer reproduktionsmedizinischen Behandlung unterzogen haben (Passet-Wittig 2016, S. 15), kann die Analyse eine Forschungslücke schließen. Die Daten beruhen auf einer bundesweiten Bevölkerungsbefragung in Form eines Telefonsurveys bei Frauen mit Migrationshintergrund aus vier Herkunftsländern und einer deutschstämmigen Vergleichsgruppe (Kapitel 3.2). Der folgende Abschnitt dient zur Beschreibung der Frauen in Behandlung im Vergleich zu Frauen ohne Behandlungserfahrung. Eine deskriptive Analyse der Häufigkeit einer Behandlung in Abhängigkeit von soziostrukturellen Merkmalen und Einstellungsmustern sowie eine multivariate Analyse der Determinanten der Behandlung finden sich in Kapitel 3.4.1. 5.2.1 Soziodemografische Verteilung bei Frauen in Behandlung Bestandteil vieler Studien ist die Untersuchung nach einem Zusammenhang zwischen dem Alter der Frau und der Nutzung reproduktionsmedizinischer Hilfen. Dieser Fokus resultiert aus der medizinisch erwiesenen biologischen Gegebenheit, dass sich die Fertilität der Frau mit zunehmenden Alter als rückläufig erweist (Passet-Wittig 2017, S. 72) (Kapitel 2.3.1 und 2.3.2, z. B. Lundsberg et al. 2014, Maeda et al. 2015). In der Analyse des Telefonsurveys zeigt sich ebenfalls, dass ein Zusammenhang zwischen der Nutzung reproduktionsmedizinischer Behandlung und dem Alter der Frau festzustellen ist (Kapitel 3.4.1). Im Gegensatz zu Passet-Wittigs Vorhaben, Unterschiede auch innerhalb aller infertilitätsbetroffenen Paare auf Gründe für die Nutzung und Nichtnutzung der Behandlung zu untersuchen (Passet-Wittig 2017, S. 87), beschränkt sich die vorliegende Untersuchung auf die Gruppen der Frauen mit oder ohne Behandlungserfahrung. Zum Zeitpunkt der Erhebung bejahen 75 Befragungsteilnehmerinnen, die Frage „Waren Sie schon einmal in fortpflanzungsmedizinischer Behandlung?“. Dies entspricht 7,5 Prozent (vgl. Kapitel 3.3.3 und 3.4.1, wobei zu berücksichtigen ist, dass dort nur Fälle ausgewertet wurden, deren Angaben zur Bezugsregion eine Einteilung in die fünf Untersuchungsgruppen zuließen; N = 70).

208

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Anhand der Analyse (Tabelle 54) ist zu erkennen, dass die Altersverteilung zwischen den zwei befragten Gruppen (Frauen mit fruchtbarkeitsmedizinischer Erfahrung auf der einen und Frauen ohne fruchtbarkeitsmedizinischer Erfahrung auf der anderen Seite) nicht signifikant voneinander abweicht (Chi-Quadrat-Test p 0.05). Besonders stark vertreten sind unter den Frauen mit fruchtbarkeitsmedizinischer Erfahrung die Altersgruppen 36 bis 40 Jahre mit 22,7 Prozent, 41 bis 45 Jahre mit 30,7 Prozent und ebenfalls mit 22,7 Prozent sind Frauen im Alter zwischen 46 und 50 Jahren repräsentiert. Auch in der Gruppe von Frauen ohne fruchtbarkeitsmedizinische Erfahrung stellt sich die Verteilung vergleichbar dar. So sind die am häufigsten vertretenen Altersklassen Frauen im Alter von 36 bis 40 Jahren mit einer Häufigkeit von 21 Prozent, 40 bis 45 Jahre mit 23,3 Prozent und 46 bis 50 Jahre mit 20,7 Prozent. Tabelle 54: Altersverteilung nach Behandlung Altersgruppen Behandlung Ja Nein N

18–25 Jahre

26–30 Jahre

31–35 Jahre

36–40 Jahre

41–45 Jahre

46–50 Jahre

Gesamt

0%

6,7 %

17,3 %

22,7 %

30,7 %

22,7 %

100 % (N = 75)

11,6 %

6,7 %

16,8 %

21,0 %

23,3 %

20,7 %

100 % (N = 924)

107

67

168

211

238

208

999

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,062

Die Ergebnisse spiegeln einerseits die Erkenntnisse von Passet-Wittig (2016, S. 81) wider, wonach reproduktionsmedizinische Verfahren bislang relativ wenig genutzt wurden, und diese tendenziell eher von älteren Personen. Andererseits kann aus der deskriptiven Analyse nach Alter kein Rückschluss auf das bevorzugte Behandlungsalter gezogen werden, da das Alter zum Zeitpunkt der Erhebung, nicht jedoch zum Zeitpunkt der Behandlung abgefragt wurde. Untersuchungen, inwieweit ein Migrationshintergrund die Inanspruchnahme medizinischer Anwendungen bei Infertilität beeinflusst, waren bis dato in Deutschland kein Bestandteil von Studien. Über Paare mit Migrationshintergrund in der Reproduktionsmedizin ist wenig bekannt (Weblus, David, Kentenich 2014). Vergleichbare Studien im europäischen Raum sind ebenfalls nicht vorhanden (vgl. Passet-Wittig 2016, S. 73). Eine Analyse der Behandlungshäufigkeit bei Frauen je nach Bezugsregionen zeigt Unterschiede (Kapitel 3.4.1). Aufgrund der disproportional geschichteten Stichprobenziehung mit den fünf Untersuchungsgruppen macht umgekehrt eine Analyse der Häufigkeitsverteilung der Bezugsregionen unter den Frauen in Behandlung keinen Sinn. Die Untersuchung (Tabelle 55) beschäftigt sich daher lediglich mit der Verteilung des Geburtsland (Deutschland bzw. Ausland). Frauen die im Ausland geboren sind, gehören der ersten Zuwanderergeneration an. Frauen die in

209

5.2 Profil der behandelten Frauen in der Allgemeinbevölkerung

Deutschland geboren sind, gehören zu den Personen ohne Migrationshintergrund oder zur zweiten Zuwanderergeneration. Bei der Untersuchung des Geburtslandes von Frauen mit fruchtbarkeitsmedizinischer Erfahrung wurden die Daten von 75 Frauen berücksichtigt. In dieser Gruppe gaben zwei Drittel (66,7 Prozent) an, im Ausland geboren zu sein, etwa ein Drittel (33,3 Prozent) gab an, in Deutschland geboren zu sein. Im Vergleich dazu sind bei Frauen ohne fruchtbarkeitsmedizinische Erfahrung 68 Prozent im Ausland geboren und 32 Prozent in Deutschland. Die Analyse ergab, dass sich die Gruppen (Frauen mit fruchtbarkeitsmedizinischer Erfahrung bzw. Frauen ohne fruchtbarkeitsmedizinische Behandlung) im Hinblick auf das Geburtsland nicht signifikant voneinander unterscheiden. Frauen in Behandlung sind somit nicht signifikant seltener im Ausland geboren als Frauen, die nicht in Behandlung waren. Dies entspricht dem Ergebnis, dass Frauen, die im Ausland geboren wurden, nicht signifikant seltener in Behandlung waren (vgl. Kapitel 3.4.1). Tabelle 55: Geburtsland nach Behandlung Geburtsland Behandlung Ja Nein N

Ausland

Deutschland

Gesamt

66,7 %

33,3 %

100 % (N = 75)

68,0 %

32,0 %

100 %* (N = 922)

677 (67,9 %)

320 (32,1 %)

997

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,881, d. h. p 0,05

5.2.2 Bildung, Wissensstand und Informiertheit bei Frauen in Behandlung Das Erstgebäralter variiert mit dem Bildungsgrad. Frauen, welche in Besitz eines akademischen Abschlusses sind, werden häufiger nach dem 35. Lebensjahr Mutter im Vergleich zu Frauen ohne akademischen Bildungsgrad (Bujard, Diabaté 2016, S. 400). Das zeigt, dass Akademikerinnen die Geburt des ersten Kindes in ein Alter aufschieben, in welchem eine reduzierte Fertilität bereits vorliegt (Kentenich, Weblus 2014, S. 18, Leridon 2004, S. 1584, Stöbel-Richter et al. 2008, S. 43). Studien zeigen, dass das Wissen über die weibliche Fruchtbarkeit unabhängig von Geschlecht oder Bildungsgrad unzureichend ist und der Fertilitätsrückgang der Frau einem höheren Alter zugeordnet wird als wissenschaftlich erwiesen. Zeitgleich wird der Erfolg von ART überschätzt (Kapitel 2.3.1). Dieses Phänomen zeichnet sich ebenso in den Auswertungen des Telefonsurveys ab. Reproduktionsmedizinische Verfahren sind zwar bei einem Großteil der befragten Frauen bekannt, jedoch schätzen diese ihren Wissenstand diesbezüglich als gering ein. Dies spiegelt sich in der (mangelhaften) Einschätzung des Zeitpunktes, an welchem der weibliche Fertilitätsrückgang eintritt, wider (s. Kapitel 3.3.4). Folgender Untersuchungsabschnitt bildet die Frage nach Bildung und Wissen auf

210

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

drei Ebenen ab: dem Schulabschluss, dem generellen subjektiv empfundenen Wissen über, sowie der generellen Bekanntheit von Reproduktionsmedizin. Die Ergebnisse belegen, dass lediglich 17,1 Prozent der behandelten Frauen einen Volksschul-, Hauptschul- bzw. Pflichtschulabschluss aufweisen, 37,1 Prozent haben einen mittleren Schulabschluss und 45,7 Prozent haben die Schule mit einer Hochschulreife abgeschlossen (Tabelle 56). Es zeigt sich bei der Verteilung der Schulabschlüsse kein signifikanter Gruppenunterschied zu Frauen, die kein reproduktionsmedizinisches Verfahren genutzt haben. So sind auch in der Gruppe von Frauen ohne fruchtbarkeitsmedizinische Erfahrung vergleichbare Verteilungen der Schulbildung zu verzeichnen. In dieser Gruppe haben 14,1 Prozent der Frauen einen Volksschul-, Hauptschul- bzw. Pflichtschulabschluss. 44,1 Prozent haben einen mittleren Schulabschluss und 41,7 Prozent haben die Schule mit einer Hochschulreife verlassen. Tabelle 56: Schulabschluss nach Behandlung Schulabschluss Behandlung

Volks-, Hauptschulabschluss, Pflichtschulabschluss

Mittlerer Schulabschluss, z. B. Realschule, Mittlere Reife

Hochschulreife, z. B. Fachhochschulreife, Abitur

Ja

17,1 %

37,1 %

45,7 %

100 % (N = 70)

Nein

14,1 %

44,1 %

41,7 %

100 % (N = 877)

136

413

398

947

N

Gesamt

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,502, d. h. p 0,05

Zunächst wurde die Bekanntheit von Reproduktionsmedizin im Allgemeinen erfragt (Tabelle 57). Für viele Frauen scheint Reproduktionsmedizin ein Begriff zu sein. Innerhalb der Gruppe von Frauen mit einem reproduktionsmedizinischen Behandlungshintergrund gaben 98,7 Prozent an, dass ihnen Reproduktionsmedizin bekannt ist, d. h. dass sie etwas darüber etwas gehört, gesehen oder gelesen haben. Erstaunlich ist allerdings, dass es offenbar einige gibt, die dies trotz ihrer Behandlung verneinen. Auch 87,2 Prozent der Befragten ohne eigene Erfahrung mit reproduktionsmedizinischer Behandlung ist Reproduktionsmedizin ein Begriff. Wie zu erwarten war, ist hier ein signifikanter Gruppenunterschied nachweisbar. So sind Frauen mit eigener Erfahrung von fruchtbarkeitsmedizinischen Behandlungen über die Bekanntheit von Reproduktionsmedizin besser informiert.

211

5.2 Profil der behandelten Frauen in der Allgemeinbevölkerung Tabelle 57: Bekanntheit von Reproduktionsmedizin nach Behandlung

„Im Folgenden möchten wir mit Ihnen über die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin sprechen. In der Fortpflanzungsmedizin geht es um die natürliche und medizinisch unterstützte Empfängnis. Ein Teil davon ist die sogenannte Kinderwunschbehandlung, also zum Beispiel die künstliche Befruchtung bei Paaren, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können. Haben Sie schon einmal etwas über die Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen?“ Behandlung

Ja

Nein

Gesamt

Ja

98,7 %

1,3 %

100 % (N = 75)

Nein

87,2 %

12,8 %

100 % (N = 922)

878

119

997

Anzahl

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,03, d. h. p 0,05

In der Untersuchung wurde der subjektive Wissenstand auf einer fünfstufigen Skala mit den Abstufungen „sehr niedrig, eher niedrig, mittelmäßig, eher hoch und sehr hoch“ erfasst. Es müsste erwartet werden, dass Frauen, die sich behandeln ließen, objektiv und auch subjektiv höheres Wissen über Reproduktionsmedizin erworben haben. Innerhalb der Gruppe der Frauen mit fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung gaben 39,2 Prozent an, dass sie über ein hohes bis sehr hohes Wissen über Reproduktionsmedizin verfügen (Tabelle 58). Der Anteil der Befragten in dieser Gruppe, welche einen niedrigen bis sehr niedrigen Wissenstand über reproduktionsmedizinische Verfahren besitzen, ist hingegen deutlich geringer mit 5,5 Prozent. Bei der befragten Frauengruppe ohne bisherige Behandlungserfahrung liegt eine hohe bis sehr hohe Wissenseinschätzung bei lediglich 21,3 Prozent, ein eher bis sehr niedriges Wissen hingegen bei 27,6 Prozent vor. Es besteht ein höchst signifikanter Zusammenhang zwischen der Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren und dem subjektiven Wissenstand der Befragten. Der Faktor Wissen steht somit in einem direkten Zusammenhang zur Nutzungswahrscheinlichkeit (Kapitel 3.4.1). Tabelle 58: Subjektives Wissen über Reproduktionsmedizin nach Behandlung Selbsteinschätzung Wissenstand / Subjektives Wissen Behandlung

Sehr niedrig

Eher niedrig

Mittelmäßig

Eher hoch

Sehr hoch

Gesamt

Ja

1,4 %

4,1 %

55,4 %

18,9 %

20,3 %

100 % (N = 74)

Nein

8,9 %

18,7 %

51,1 %

14,4 %

6,9 %

100 % (N = 918)

83

175

510

146

78

992

N

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,000

212

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

5.2.3 Einstellungen zur Familie bei Frauen in Behandlung „Für Deutschland liegen kaum Kenntnisse über soziale Selektion in die Kinderwunschbehandlung und die diesbezügliche Bedeutung von Motiven und Einstellungen vor.“ (Passet-Wittig et al. 2016, S. 81). Im Folgenden werden deshalb allgemeine Einstellungen zum Wunsch und der Wichtigkeit von Kindern in Familien in der Unterteilung von behandelten und nichtbehandelten Frauen dargestellt sowie den möglichen Einflussfaktor religiöser Vorschriften. Es wird erwartet, dass Frauen, die sich behandeln lassen, dem Kinderwunsch mehr Bedeutung zumessen als die Vergleichsgruppe. In Tabelle 59 findet sich die deskriptive Analyse der Nutzung von reproduktionsmedizinischen Verfahren in Gegenüberstellung zur Zustimmung der Aussage, „Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu führen.“ Untersucht wurde die Zustimmung auf einer fünfstufigen Skala mit den Abstufungen „stimme überhaupt nicht zu, stimme eher nicht zu, weder noch, stimme eher zu und stimme sehr zu“. Etwa ein Drittel der Frauen (29,7 Prozent), die selbst reproduktionsmedizinische Verfahren in Anspruch nahmen, stimmen dieser Aussage wenig bis überhaupt nicht zu. Der Anteil an Frauen derselben Gruppe, die dieser Aussage mehr Beachtung schenken und eher bis sehr zustimmen beträgt 63,5 Prozent. Auch der Großteil der Frauen ohne bisherige Inanspruchnahme von furchtbarkeitsmedizinischen Verfahren misst eigenen Kindern viel Bedeutung bei. So stimmten 70,4 Prozent eher bis sehr stark zu. Lediglich 18 Prozent fanden diese Aussage nicht oder eher nicht zutreffend. Im Chi-QuadratTest ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kinder für alle befragten Frauen eine große Rolle im Leben spielen. Tabelle 59: Eigene Kinder für erfülltes Leben nach Behandlung „Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben“ Behandlung

Stimme Stimme überhaupt eher nicht nicht zu zu

Weder noch

Stimme eher zu

Stimme sehr zu

Gesamt

Ja

13,5 %

16,2 %

6,8 %

24,3 %

39,2 %

100 % (N = 74)

Nein

8,2 %

9,8 %

11,6 %

25,1 %

45,3 %

100 % (N = 920)

85

102

112

249

446

994

N

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,131, d. h. p 0,05

Die Zustimmung der Aussage, ob ungewollte kinderlose Paare alle Techniken der Reproduktionsmedizin nutzen sollten, um leibliche Kinder zu bekommen, wurde auf einer fünfstufigen Skala mit den Abstufungen „stimme überhaupt nicht zu, stimme eher nicht zu, weder noch, stimme eher zu und stimme sehr zu“ untersucht. In der Gruppe von Frauen mit einem fruchtbarkeitsmedizinischen Behandlungshintergrund stimmten 90,2 Prozent dieser Aussage eher bis sehr stark zu (Tabelle 60), lediglich 5,6 Prozent lehnen diese Aussage eher ab. Auch in der Gruppe

213

5.2 Profil der behandelten Frauen in der Allgemeinbevölkerung

von Frauen ohne Behandlungshintergrund stimmen viele dieser Aussage zu oder sehr zu (79,4 Prozent), wobei jedoch auch 10 Prozent diese Aussage eher bis ganz ablehnen. Der zur Überprüfung erfolgte Signifikanztest ergab einen signifikanten Gruppenunterschied (p 0.05). Anhand dieser Ergebnisse lässt sich festhalten, dass Frauen, welche selbst fruchtbarkeitsmedizinische Behandlungen in Anspruch nahmen, es signifikant häufiger unterstützen, dass kinderlose Paare alle Techniken der Reproduktionsmedizin nutzen sollen (subjektive soziale Norm). Tabelle 60: Subjektive soziale Norm nach Behandlung „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen“ Behandlung

Ja Nein N

Stimme Stimme überhaupt eher nicht nicht zu zu

Weder noch

Stimme eher zu

Stimme sehr zu

Gesamt

0%

5,6 %

4,2 %

28,2 %

62 %

100 % (N = 71)

4,5 %

5,5 %

11,7 %

31,9 %

46,5 %

100 % (N = 913)

41

54

110

311

468

984

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,038

Es wurde weiterhin die Orientierung an religiösen Vorschriften bei der Familienplanung untersucht. Religion gilt als Bestandteil zur Konstruktion von Leitbildern (Naderi 2015a, S. 100). Dennoch gibt die Mehrheit der Befragten in der Studie „Familienleitbilder“ (FLB 2012) an, dass sie keinen Einfluss von Religion auf die Familienplanung bemerken würde. Ebenso wurde Religion als mögliche Einflussgröße auf die Vorstellung von Familie in einer offenen Frage nicht benannt (Gies, Dietrich 2015, S. 55 f.). Zwar wurde an dieser Stelle keine explizite Unterteilung bei den Frauen mit Behandlungshintergrund in eine Zugehörigkeit der Religionen vorgenommen (Kapitel 3.4.2), jedoch wurde untersucht, ob im Allgemeinen religiöse Vorschriften eine Beeinflussung auf die tatsächliche Behandlung haben können. Die Zustimmung wurde auf einer fünfstufigen Skala mit den Abstufungen „stimme überhaupt nicht zu, stimme eher nicht zu, weder noch, stimme eher zu und stimme sehr zu“ erhoben. Für 38,7 Prozent der Frauen mit fruchtbarkeitsmedizinischem Behandlungshintergrund sind religiöse Vorschriften für die Familienplanung eher bis sehr wichtig; für 52 Prozent hingegen eher bis überhaupt nicht (Tabelle 61). Hingegen stimmen 16,3 Prozent der Frauen nach reproduktionsmedizinscher Behandlung dieser Aussage eher nicht bis überhaupt nicht zu. Die Hypothese, dass ein Zusammenhang zwischen religiösen Vorschriften bei der Familienplanung und der Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren besteht, lässt sich nicht signifikant belegen.

214

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Tabelle 61: Orientierung an religiösen Vorschriften bei Familienplanung nach Behandlung „Bei der Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften“ Behandlung

Stimme Stimme überhaupt eher nicht nicht zu zu

Weder noch

Stimme eher zu

Stimme sehr zu

Gesamt

Ja

33,3 %

18,7 %

9,3 %

24,0 %

14,7 %

100 % (N = 75)

Nein

28,4 %

19,0 %

10,4 %

21,0 %

21,2 %

100 % (N = 911)

284

187

102

209

204

986

N

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,665, d. h. p 0,05

Zudem wurde die persönliche Wichtigkeit eigener Kinder unter der Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren untersucht (Tabelle 62). Es zeigt sich, dass 91,9 Prozent unter den Frauen mit Behandlungserfahrung dieser Aussage eher bis sehr zustimmen. Hingegen gaben 2,7 Prozent der gleichen Gruppe an, eigene Kinder als überhaupt nicht wichtig zu beurteilen. Die Vergleichsgruppe ohne bisherige Behandlung stimmen der Aussage ebenfalls mit 92,1 Prozent eher bis sehr zu. Hier zeigt sich aber auch eine etwas größere Gruppe, für die eigene Kinder eher bis überhaupt nicht wichtig sind (4,8 Prozent). Im Chi-Quadrat-Test zeigt sich ein signifikantes Ergebnis, was die Hypothese bestätigt, dass ein Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit von Kindern und der reproduktionsmedizinischen Behandlung besteht. Tabelle 62: Persönliche Wichtigkeit eigener Kinder nach Behandlung „Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben“ Behandlung

Stimme Stimme überhaupt eher nicht nicht zu zu

Weder noch

Stimme eher zu

Stimme sehr zu

Gesamt

Ja

2,7 %

0%

5,4 %

13,5 %

78,4 %

100 %*

Nein

1,3 %

3,5 %

3,1 %

12,5 %

79,6 %

100 %*

85

102

112

249

446

994

N

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,324, d. h. p 0,05

Untersucht wurde weiterhin die Frage, ob Frauen mit und ohne fruchtbarkeitsmedizinische Vorerfahrung reproduktionsmedizinische Verfahren überhaupt nutzen würden (Tabelle 63). Wie zu erwarten, erfährt diese Frage in der Gruppe von Frauen, die bereits in fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung sind oder waren, eine hohe Zustimmung. So stimmen 94,7 Prozent der Frauen in dieser Gruppe der Aussage zu, lediglich 5,3 Prozent lehnen sie ab. Diese hohe Zustimmung im Nachhinein könnte auch indirekt für ein hohes Maß an Behandlungszufriedenheit sprechen. In der Gruppe der Frauen ohne Behandlungserfahrung würde ebenfalls ein Großteil bei einem unerfüllten Kinderwunsch Reproduktionsmedizin nutzen (90,3 Prozent),

215

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

nur 9,7 Prozent würden keine reproduktionsmedizinischen Verfahren in Anspruch nehmen. Ein signifikanter Gruppenunterschied ist nicht zu verzeichnen. Tabelle 63: Konkreter Nutzungswunsch reproduktionsmedizinischer Verfahren nach Behandlung „Würde reproduktionsmedizinische Verfahren nutzen“ Behandlung

Ja

Nein

Gesamt

Ja

94,7 %

5,3 %

100 % (N = 75)

Nein

90,3 %

9,7 %

100 % (N = 910)

893

92

985

N

Datenquelle: NeWiRe-Bevölkerungsbefragung. p = 0,215, d. h. p 0,05

5.3 STUDIE ZUR BEDEUTUNG PSYCHOSOZIALER BERATUNG Die in diesem Kapitel dargestellte Studie schließt an die beiden Vorstudien an. Dort wurde aus Sicht von Expertinnen und Experten eine psychosoziale Beratung neben der ärztlichen Beratung als wichtigste Informationsquelle gesehen (Kapitel 4.1.2), wohingegen für befragte Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung eine Beratungsstelle nicht als Informationsquelle erwähnt wird (Kapitel 5.1.2) und auch für Frauen in der Allgemeinbevölkerung Beratungsstellen so gut wie keine Rolle spielen (Kapitel 3.3.4). Daher wurde die Bedeutung der Beratung speziell bei Frauen in Behandlung untersucht. 5.3.1 Einleitung und Stand der Forschung Die Notwendigkeit des Angebotes einer behandlungsunabhängigen Beratung für Paare bei unerfülltem Kinderwunsch wurde bereits im Jahr 2006 in einer Richtlinie der Bundesärztekammer festgehalten (BÄK 2006, A1396). Psychosoziale Kinderwunschberatung kann in ein reproduktionsmedizinisches Zentrum integriert sein oder extern angeboten werden, wenn es sich um ein Angebot einer Beratungsstelle oder einer Fachkraft außerhalb der Räumlichkeiten des Zentrums handelt (Wischmann, Thorn 2014, S. 15). In Deutschland ist ein integriertes, für Klientinnen auch kostenfrei mögliches Angebot einer im Reproduktionszentrum angestellten psychosozialen Fachkraft im Gegensatz zum angelsächsischen Raum wenig verbreitet. Psychosoziale Beratung im Rahmen der Reproduktionsmedizin findet denn auch folgerichtig in Deutschland eher selten statt. Als Grund wird die mangelnde Anbindung an die Reproduktionszentren vermutet (Wischmann, Thorn 2014, S. 24). Während ein Teil der in der Pilotstudie von Wischmann und Thorn (2014) befragten psychosozialen Fachkräfte sich für eine engere Anbindung an ein reproduktionsmedizinisches Zentrum aussprach, befürwortete derjenige Teil, der sich für eine externe und unabhängige Beratung außerhalb der Räumlichkeiten eines Zentrums aussprach, den emotionalen Abstand zur medizinischen Behandlung.

216

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Eine neutrale und vor allem ergebnisoffene Beratung sei nur extern möglich, doch gleichzeitig sei mit einer internen Beratung eine deutlich niedrigere Hemmschwelle verbunden (Wischmann, Thorn 2014, S. 24 f.). Die Integration des psychosozialen Angebotes in die medizinische Behandlung eines reproduktionsmedizinischen Zentrums stellt einen wichtigen Grundsatz in den Leitlinien des Beratungsnetzwerkes Kinderwunsch Deutschland e. V. zur psychosozialen Kinderwunschberatung dar. Die psychosoziale Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch ist dabei von einer nach den Qualifikationsrichtlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung – Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland e. V. (BKiD) zertifizierten, psychosozialen Fachkraft durchzuführen (Kleinschmidt et al. 2008, S. 121). Das BKiD wurde im Jahr 2000 als Zusammenschluss der psychosozialen Fachkräfte in Deutschland gegründet (Wischmann, Thorn 2014, S. 14). Bislang hat das BKiD drei Richtlinien verabschiedet (Wischmann, Thorn 2014, S. 33 f.): – Richtlinie „Psychosoziale Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch“ (BKiD 2007). – Leitlinie für die psychosoziale Beratung bei Gametenspende (BKiD 2008). – Leitlinie „Psychosoziale Beratung für Frauen und Männer, die eine Kinderwunschbehandlung im Ausland beabsichtigen“ (BKiD 2010). Eine Leitlinie für späte Elternschaft befindet sich in Arbeit. Um die Notwendigkeit psychosozialer Beratung zu verdeutlichen, wird im Folgenden ein kurzer Überblick über die verschiedenen Phasen des Erlebens nach der Diagnose gegeben. Im Anschluss werden die verschiedenen Bewältigungsmöglichkeiten des Kinderwunsches aufgezeigt, die von der Nutzung reproduktionsmedizinischer Verfahren über Adoption bis hin zum Trauerprozess nach erfolgloser Inanspruchnahme eben jener Verfahren reichen können. Da die Verfahren der Reproduktionsmedizin bereits in Kapitel 2.1.2 ausführlich dargestellt wurden, wird an dieser Stelle nur kurz auf die Chancen und Risiken der Reproduktionsmedizin eingegangen. Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Behandlung Wie bereits in Kapitel 2.1.1 ausgeführt wurde, stellt das Deutsche IVF-Register (D. I. R.) einen Zusammenschluss der medizinischen Zentren in Deutschland dar, die Kinderwunschbehandlungen durchführen. Er steht unter der Schirmherrschaft der deutschen Bundesärztekammer. Sein Zweck ist es, die Wissenschaft und Forschung von Kinderwunschbehandlungen zu fördern. Dieser wird durch die zentrale Erhebung aller Daten im Rahmen von Kinderwunschbehandlungen erfüllt. Diese Daten werden ausgewertet und stehen in einem Jahrbuch der Öffentlichkeit zur Verfügung (Deutsches IVF-Register 2016). Die Zahl der Frauen, die reproduktionsmedizinische Hilfe in Anspruch genommen haben, ist in den letzten Jahren gestiegen. Nachdem sich 1998 30.000 Frauen (D. I. R. 1999, S. 8) einer reproduktionsmedizinischen Behandlung unterzogen hat-

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

217

ten, lag die Zahl im Jahr 2006 bei 38.500 Frauen (D. I. R. 2007, S. 15), bei steigender Tendenz (Wischmann 2008, S. 33). Laut D. I. R. ließen sich im Jahr 2015 bereits etwa 58.000 Frauen in Deutschland reproduktionsmedizinisch behandeln. Das sind ungefähr neun Prozent der gerundet 15,5 Millionen Frauen zwischen 20 und 50 Jahren in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2016b, S. 33). Wenig ist bekannt darüber, welchen Zweifeln und Ängsten jene Frauen, die sich in reproduktionsmedizinischer Behandlung befinden, ausgesetzt sind und welche Rolle insbesondere den psychosozialen Beratungsangeboten zukommt. Reproduktionsmedizinische Behandlung ist ein Thema, das selten kommuniziert wird. Über die eigene Unfruchtbarkeit bzw. die ungewollte Kinderlosigkeit zu sprechen erzeugt negative Gefühle in Frauen und Männern. Hemmungen und Schamgefühle verhindern oftmals eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema im Freundes- und Familienkreis. Daraus resultiert das Gefühl, nicht verstanden zu werden und in der belastenden Situation allein gelassen zu sein. Der Umgang mit Ängsten und Sorgen bleibt gänzlich den Betroffenen überlassen. Jedoch wird die Möglichkeit mit einer außenstehenden Person über dieses Thema zu reden oft nicht in Anspruch genommen. Es existieren vielfach falsche Vorstellungen über das Ausmaß der körperlichen, emotionalen und partnerschaftlichen Belastungen, aber auch über die Kosten der Beratung bzw. der Kinderwunschbehandlung. Dazu kommt die Angst stigmatisiert zu werden. In der Studie des BMFSFJ (Wippermann 2014) wurden Männer und Frauen, die von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind, zu ihren Zweifeln gegenüber reproduktionsmedizinischen Behandlungen befragt. Mehr als 80 Prozent der Befragten hatten Angst vor psychischem Stress, 72 Prozent wünschten sich Erfahrungsberichte von Paaren, die die Behandlung bereits erlebten hatten und 69 Prozent der Befragten fürchteten hohe Kosten. Außerdem äußerte mehr als die Hälfte der Befragten Bedenken wegen möglicher Risiken während der reproduktionsmedizinischen Behandlung. Während den Frauen die Unsicherheit des Behandlungserfolgs, Bedenken bezüglich der eigenen psychischen Stabilität sowie die hohen Kosten größere Probleme bereiten, fehlt es Männern vor allem an Erfahrungsberichten zu Belastungen während einer Kinderwunschbehandlung (Wippermann 2014, S. 137 ff.). Diejenigen, die eine Kinderwunschbehandlung durchgemacht haben, sagen sehr deutlich, dass eine professionelle Beratung sehr wichtig und hilfreich gewesen ist bzw. wäre. Doch oft ist es die bloße Unwissenheit, warum die Beratung so selten in Anspruch genommen wird (BMFSFJ 2015, S. 12). Gerade die vielen Entscheidungsherausforderungen bezüglich der Bewältigungsmöglichkeiten, der Umgang mit unerfüllten Wünschen sowie eigenen Empfindungen bedeuten eine enorme emotionale Belastung. Es herrscht eine starke persönliche Verunsicherung, die selten kommuniziert wird (Mayer-Lewis 2015, S. 190 f.). Phasen des Erlebens nach der Diagnose Viele Frauen erleben die Diagnose einer Fruchtbarkeitsstörung als eine emotionale Krise, die dem Verlust eines nahestehenden Angehörigen gleichgesetzt werden kann

218

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

(Wischmann 2009, S. 287). Auch für Männer ist die Diagnose der Unfruchtbarkeit sehr belastend (Fisher et al. 2010, S. 579). Welche Reaktionen in verschiedenen Studien mit betroffenen Frauen und Männern sichtbar wurden, wird überblicksartig aufgezeigt. Phase 1: Erste Reaktion Die erste Reaktion auf die Mitteilung einer Fruchtbarkeitsstörung ist oftmals Schock. Es geht um die quälende Frage „Warum gerade ich?“, wenn erkannt wird, dass der eigene Körper oder der Körper des Partners nicht funktioniert wie erwartet. Erste Alternativen zur natürlichen Befruchtung (ohne Hilfe von außen) werden in Erwägung gezogen (Onnen-Isemann 2000a, S. 105). Oftmals kommt es durch die Mitteilung einer Fruchtbarkeitsstörung auch zu einer Wahrnehmungsverzerrung bei den Betroffenen. Andere Paare, die scheinbar ohne Probleme Kinder bekommen können, rücken in den Fokus; ausschließlich Familien und Kinder werden wahrgenommen. Phase 2: Scham und Geheimhaltung Auch im eigenen, eigentlich vertrauten sozialen Umfeld treten unangenehme Gefühle wie z. B. Scham auf. Gewöhnliche Familienfeste können aufgrund von Unwissenheit und Unsicherheit bezüglich möglicher Reaktionen des Umfelds auf die ungewollte Kinderlosigkeit zu kritischen Situationen werden. Zu groß kann die Angst vor Unverständnis und dem Gefühl der Hilflosigkeit werden. Viele Betroffene versuchen dem Thema Kinder auszuweichen, stehen allerdings vor der Schwierigkeit, dass Abgrenzung oft Ausgrenzung nach sich zieht. Wischmann und Stammer bieten aus ihren Erfahrungen aus Beratungsgesprächen heraus Lösungsansätze für solche Situationen an (Wischmann, Stammer 2010, S. 37 ff.; vgl. auch Schweizer-Arau 2009, S. 31 ff.). Phase 3: Auswirkungen auf das eigene Selbstbewusstsein Die qualitative Studie von Onnen-Isemann (2000a) zeigt, dass das Selbstbewusstsein der betroffenen Männer und Frauen stark von ihrem sozialen Umfeld abhängt. Je mehr Verständnis sie erfahren und je eher andere Beschäftigungen Ablenkung versprechen, desto leichter fällt es ihnen, die schwierige Situation anzunehmen. Dennoch erfahren viele Männer und Frauen die Unfruchtbarkeit als eine persönliche Niederlage. Die Infragestellung der eigenen Weiblichkeit bzw. Männlichkeit kann schließlich auch negative Auswirkungen auf die Partnerschaftsbeziehung haben (Onnen-Isemann 2000a, S. 106 ff.). Phase 4: Depressionen Von Depressionen sind mehr Frauen als Männer betroffen. Sie fühlen sich oftmals allein schuldig an der ungewollten Kinderlosigkeit. Das Erleben der Depression kann unterschiedliche Ausprägungen annehmen, angefangen von einem Mangel an Interesse am alltäglichen Leben bis hin zu einer generellen Lethargie. In der Studie von Onnen-Isemann (2000a, S. 115 ff.) haben 17,4 Prozent der Befragten eine Depression bestätigt.

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

219

Phase 5: Erleben der Partnerschaft Die Auswirkungen der ungewollten Kinderlosigkeit auf die Partnerschaft können ganz unterschiedlich sein. Die Bewältigung der Krise kann sowohl positive („Wir schaffen alles zusammen“) als auch negative Effekte („Bei uns klappt nie was“) auf Mann und Frau haben. Es gilt in der Krise neue Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten zu finden. Diese zu entdecken wird erschwert durch Kommunikationsstörungen in der Partnerschaft, die sich durch Verleugnung negativer Beziehungsaspekte äußern oder durch Nichtbeachtung positiver Beziehungsaspekte. Bei der Verleugnung von negativen Aspekten wird das Wunschkind zum „Sahnehäubchen“ der Beziehung gemacht, dem einzigen, das noch fehlt. Dabei passiert es, dass durch die sehr einseitige Sicht auf die Beziehung mögliche weiterführende Perspektiven nicht eingenommen werden können und die Partnerschaft stagniert, anstatt sich weiterzuentwickeln. Bei der Vernachlässigung positiver Aspekte in der Beziehung werden Paarkonflikte zur Ursache der Kinderlosigkeit erklärt; es kommt zu gegenseitigen Beschuldigungen. Das gewünschte Kind soll hier als Stabilisator der Paarbeziehung funktionieren: „Das Kind als Kitt“ (Wischmann, Stammer 2010, S. 40). Bei beiden Kommunikationsstörungen fehlt es an gegenseitiger emotionaler Unterstützung, um die Krise gemeinsam zu überwinden (Wischmann, Stammer 2010, S. 39 f.). Psychosoziale Kinderwunschberatung – Herausforderungen Thorn und Wischmann (2014, S. 25 f.) sprechen sich bei bestimmten vorliegenden Konstellationen und Kriterien für eine psychosoziale Kinderwunschberatung aus, die explizit empfohlen werden sollte. Dazu zählen neben dem Vorliegen psychischer Störungen bei den Klienten auch bevorstehende invasive medizinische Eingriffe, eine bestehende Mehrlingsschwangerschaft oder (wiederholte) Fehl- und Totgeburten. Daneben hat der BKiD Leitlinien für eine psychosoziale Beratung für Paare erarbeitet, die eine Kinderwunschbehandlung im Ausland planen (Thorn, Wischmann 2010). So wird beispielsweise angenommen, dass etwa ein bis zwei deutsche Paare wöchentlich nach Belgien reisen, um die in Deutschland verbotenen Verfahren durchführen zu lassen (Berlin-Institut 2007, S. 33). Auch die Ukraine wird im Hinblick auf die Durchführung einer Eizellspende oder Leihmutterschaft als häufig frequentiertes Land genannt (Bernard 2014, S. 354). Während bei circa der Hälfte aller Paare die reproduktionsmedizinische Behandlung erfolgreich verläuft, sieht sich die andere Hälfte mit einem weiterhin nicht erfüllten Kinderwunsch konfrontiert. Eine wichtige Aufgabe der psychosozialen Kinderwunschberatung ist es, frühzeitig und gemeinsam mit den Klienten nach Alternativen Ausschau zu halten, den sogenannten „Plan B“ zu entwickeln. Es geht darum, Pläne zu schmieden, Träume und Visionen zu entwickeln sowie Möglichkeiten zu finden, für den Fall, dass es mit einer Familie nicht klappt (Berlin-Institut 2007, S. 31). Häufige praktizierte Bewältigungsstrategien im Misserfolgsfall sind Verdrängung, Ablenkung oder der Einstieg in einen weiteren Behandlungszyklus ohne Pause, da ein dauerhafter Misserfolg für viele schwer zu akzeptieren scheint.

220

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Wichtigste Strategie zur positiven Bewältigung ist eine intensive Trauerarbeit und die Ausschau nach alternativen Lebenskonzepten (Verhaak et al., 2007). Auch der Trauerprozess nach erfolgloser reproduktionsmedizinischer Behandlung erfordert psychosoziale Beratungsangebote. Diese Zeit stellt für viele Paare eine schwere Zeit dar (Enchelmaier 2004, S. 13 f.). Manche entscheiden sich schließlich für ein Leben ohne Kinder, andere wählen den Weg der Adoption. Oftmals werden dabei die Möglichkeiten der psychosozialen Kinderwunschberatung nicht wahr- und angenommen. Daneben werden insbesondere die Belastungen unterschätzt, die durch einen weiterhin unerfüllten Kinderwunsch ausgelöst werden. Auch Ärzte im Kinderwunschzentrum können eine professionelle Kinderwunschberatung nicht ersetzen (BMFSFJ 2015, S. 12). Die psychosozialen Fachkräfte können jedoch eine große Entlastung für Kinderwunschpaare sein. Sie bieten Hilfe bei der Bewältigung der Situation, aber auch bei Abwägung für oder gegen eine Kinderwunschbehandlung sowie beim Entwickeln von alternativen Wegen (BMFSFJ 2015, S. 12; Boivin 2003, S. 2333 f.). Ein Stufenmodell der psychosozialen Versorgung findet sich bei Wischmann und Thorn (2014, S. 27). Informations- und Unterstützungsbedarf Das SARA-Projekt des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg analysierte zwischen 2010 und 2013 an einem Kinderwunschzentrum anhand einer Befragung aller Erstpatientinnen die Erfahrungen im Umgang mit Kinderwunsch. Ergänzt wurde die Erhebung durch die Dokumentation der Beratungsfachkräfte aller Paar- und Einzelberatungen sowie Gruppenangebote zum Thema Kinderwunsch an der beteiligten Beratungsstelle. Ferner wurden qualitative Interviews mit verschiedenen Personengruppen geführt, u. a. mit Experten der Reproduktionsmedizin, Paaren in Kinderwunschbehandlung sowie Paaren, die sich zur Adoption entschlossen hatten. Ziel war, ein gelingendes Beratungs- und Unterstützungsangebot für Frauen, Männer und Paare mit Kinderwunsch auszubauen (Mayer-Lewis 2014). Zwar schätzen sich 85 Prozent der Frauen und zwei Drittel der Partner bezüglich des Themas als relativ gut informiert ein. Mehr als die Hälfte wünscht sich allerdings mehr Informationen zu möglichen Ursachen von Kinderlosigkeit und zu finanziellen Aspekten oder Nebenwirkungen der Behandlung (Mayer-Lewis 2015, S. 200). Auf die Frage „Welche Unterstützung würde Ihnen gut tun?“ wurde anhand der Antworten deutlich, dass der Wunsch nach einer psychosozialen Unterstützung sehr groß ist. Hier äußerten die Befragten den Wunsch nach Hilfe beim Umgang mit Misserfolgen sowie bei der Stressbewältigung und im Bereich der emotionalen Unterstützung im Umgang mit der persönlichen Situation (Mayer-Lewis 2015, S. 203). Bekanntheit und Nutzung Der Bekanntheitsgrad von Angeboten professioneller psychosozialer Beratung bei Kinderlosigkeit ist gering. 58 Prozent der Frauen sowie 50 Prozent der Männer mit unerfülltem Kinderwunsch haben von psychosozialer Beratung gehört (53 Prozent der Gesamtheit der Befragten). Die Zunahme des Bekanntheitsgrades mit steigen-

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

221

dem Alter der Betroffenen bzw. fortschreitender Dauer des Kinderwunsches ist nur gering (Wippermann 2014, S. 141). Unter Personen mit Migrationshintergrund ist der Bekanntheitsgrad des Angebots noch geringer: Nur knapp die Hälfte der Migranten mit unerfülltem Kinderwunsch kennt die Möglichkeit, psychosoziale Beratungsangebote in Anspruch nehmen zu können (Smidt, Wippermann 2014, S. 83). Eine Studie von Fränznick und Wieners analysierte die Antworten von Frauen, die sich sowohl medizinisch, als auch alternativ bzw. nicht-medizinisch behandeln ließen, um die verschiedenen Umgangsweisen mit ungewollter Kinderlosigkeit in den Blick zu nehmen. Es wurde hier ebenfalls festgestellt, dass reproduktionsmedizinische Angebote sehr stark in Anspruch genommen wurden, während nicht-medizinische Angebote selten genutzt wurden. Diese wurden meist erst nach mehreren erfolglosen reproduktionsmedizinischen Behandlungen angenommen. Alle Studienteilnehmerinnen besaßen zwar Kenntnisse über medizinische Verfahren, aber nur wenige wussten über Beratungsangebote bzw. Selbsthilfegruppen Bescheid (Fränznick, Wieners 2001, S. 29 f.). Genutzt wurde die psychosoziale Beratung von 3,4 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Der Anteil der Männer lag bei unter einem Prozent. Der Nutzungsgrad bei Personen mit Migrationshintergrund liegt analog zum Bekanntheitsgrad noch niedriger: 2 Prozent der Frauen und ebenfalls weniger als ein Prozent der Männer mit Migrationshintergrund mit unerfülltem Kinderwunsch haben psychosoziale Beratungsangebote genutzt. Die geringe Nutzung der Männer wird auf das männliche Geschlechterrollenbild zurückgeführt, wonach die Inanspruchnahme einer psychosozialen Beratung als Schwäche gesehen wird (Wippermann 2014, S. 144 f.; Smidt, Wippermann 2014, S. 83). Dabei wird es als sinnvoll erachtet, wenn beide Partner gleichermaßen in den Prozess integriert werden. Dies unterstützt die Kommunikation beider Partner und hilft die emotionale Belastung auf beide Schultern gleichermaßen zu verteilen (vgl. Daniluk 1996; zitiert in Strauß et al. 2001, S. 8). Inhalte und Methoden des Beratungsprozesses Im Praxisprojekt SARA wurden die inhaltlichen Themen der Beratungseinheiten festgehalten. Aus Sicht der Berater kam mit 47,5 Prozent der Umgang mit Krisensituationen am häufigsten zur Sprache, aber auch die Frage nach medizinischen Behandlungsmöglichkeiten (35 Prozent) und Belastungen in der Paarbeziehung (27 Prozent) waren wichtige Themen (Mayer-Lewis 2015, S. 206). Wichtigste Hilfe im Beratungsprozess war die emotionale Unterstützung im Umgang mit der persönlichen Situation (69 Prozent), gefolgt vom Informationsangebot und der Unterstützung bei der Stressbewältigung (Mayer-Lewis 2015, S. 207). Aus den Äußerungen der Fachkräfte des SARA-Projektes lassen sich folgende Merkmale der wichtigsten Elemente der psychosozialen Beratung zusammenfassen (Mayer-Lewis 2015, S. 208): – Normalisierung der Situation. – Emotionale Stärkung und Ressourcenorientierung. – Empathie und Verständnis. – Zuhören und Akzeptanz der Erlebenswelt der Betroffenen.

222 – – – –

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Bereitstellung wichtiger Informationen und Netzwerke. Aufzeigen von Handlungsalternativen und Strukturierungshilfen. Spiegelung und Verbalisierung des Dargestellten. Hilfen zu Selbstreflexion.

Erwartungen an eine psychosoziale Kinderwunschberatung Sowohl bei den ungewollt kinderlosen Paaren, die bisher keine psychosoziale Beratung in Anspruch nahmen, als auch bei den Nutzern solcher Angebote sind die Erwartungen ähnlich: „Ansprüche und Erwartungen an eine psychosoziale Beratung sind kinderlosen Frauen und Männern nicht gleichgültig, sondern haben ein markantes, klares Profil.“ (Wippermann 2014, S. 145). Vor allem die fachspezifische, professionelle Qualifikation ist für 89 Prozent der Befragten „wichtig“ und für 64 Prozent sogar „sehr wichtig“. Ähnlich ausgeprägt ist der Wunsch nach einer engen Kopplung des Angebots an die medizinische Behandlung. 83 Prozent sprechen sich demzufolge für die Errichtung eines psychosozialen Beratungsangebotes im Kinderwunschzentrum aus, also für ein Haus mit kurzen Wegen mit qualifiziertem Personal, das sich inhaltlich austauschen kann. Viele, vor allem Frauen (82 Prozent), wünschen sich ein stärker auf Männer ausgerichtetes Angebot. Klare Präferenzen zeigen sich in Bezug auf die Formen der psychosozialen Beratung: 63 Prozent der Studienteilnehmer ist die Paarberatung am wichtigsten, gefolgt von 39 Prozent bei der Einzelberatung und nur 12 Prozent bei der Gruppenberatung (Wippermann 2014, S. 145 ff.). Bewertung der psychosozialen Beratung von Nutzern Dank des SARA-Projekts liegen Ergebnisse vor zur Frage, wie Betroffene das Angebot der psychosozialen Beratung bewerten. Es zeigte sich dabei eine hohe Zufriedenheit zwischen 95 und 100 Prozent bezüglich der Ausgestaltung der Beratungen, des Inhalts, der Kompetenz der Fachkräfte und der strukturellen Rahmenbedingungen (Ort und Zeit des Angebots). Alle Beratenen würden das Beratungsangebot weiterempfehlen. Anders war die Rückmeldung bei Gruppenangeboten. Hier stellten manche Teilnehmer fest, dass das Gruppenangebot nicht für sie passt. In einer offenen Frage durften Wünsche bezüglich weiterer Themen genannt werden. Zu diesen zählten u. a. der Umgang in der Familie, mit Freunden oder im Arbeitsumfeld, Wege der Vernetzung mit anderen betroffenen Männern und Frauen, Möglichkeiten der Entspannung, Umgang mit eigenem Druck, mit Frustrationen und mit Enttäuschungen, sowie Umgang in der Partnerschaft bei unterschiedlich stark ausgeprägtem Kinderwunsch (Mayer-Lewis 2015, S. 208 f.). 5.3.2 Methode der Studie zur psychosozialen Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch Diese im Rahmen des NeWiRe-Projekts durchgeführte Studie beschäftigt sich mit der Frage, welche Bedeutung eine psychosoziale Beratung bei Paaren mit uner-

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

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fülltem Kinderwunsch während einer reproduktionsmedizinischen Behandlung hat. Der Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass trotz nachgewiesener psychischer Belastungen während einer Behandlung nur sehr wenige Betroffene den Weg in die Beratung finden. Der Studie liegt ein quantitatives Forschungsdesign mit qualitativen Elementen (teilstandardisierte Befragung) zu Grunde (vgl. Schaffer 2014, S. 63 f.). Als Untersuchungsinstrumente wurden eine indirekte Beobachtung in Form einer schriftlichen Befragung gewählt sowie Gespräche mit Experten zum Thema unerfüllter Kinderwunsch. Außerdem fand eine Hospitation in einer Schwangerschaftsberatungsstelle statt. Um möglichst differenzierte Informationen über den Bedarf von betroffenen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch herauszufinden, wurden zwei Fragebögen entwickelt. Einer wurde auf den Kontext der Beratungsstellen26 abgestimmt, der zweite auf die Situation der betroffenen Paare, die Patienten im Kinderwunschzentrum27 sind. Der Fragebogen für das Kinderwunschzentrum enthält neben der Angabe des Geschlechts vierzehn Antwortmöglichkeiten. Davon sind neun Fragen geschlossen und fünf der Fragen offen (vgl. Schaffer 2014, S. 134). Der Fragebogen für die Beratungsstellen enthält ebenfalls vierzehn Antwortmöglichkeiten und beginnt mit der Frage nach dem Geschlecht. Des Weiteren enthält dieser Fragebogen sechs geschlossene Fragen und sieben offene Fragen. Im Fragebogen wurde das Wort „psychosozial“ aufgrund möglicher Vorurteile und Ablehnungen der Betroffenen vermieden. Es wurde daher der Begriff „Beratung“ verwendet; hiermit ist die „psychosoziale Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch gemeint. Ursprünglich war es vorgesehen, dass für den Einsatz jedes Fragebogens zwei Einrichtungen gewonnen werden, jedoch sagte ein Kinderwunschzentrum die Kooperation ab. Die Stichprobe bilden Patienten, die im Untersuchungszeitraum im ausgewählten Kinderwunschzentrum profertilita in Regensburg einen Termin hatten (21.11.2016 bis 25.11.2016) bzw. aus den Klienten zweier Beratungsstellen (pro familia und donum vitae Regensburg). Die Verteilung und das Einsammeln der Fragebögen in einem geschlossenen Umschlag erfolgten im Kinderwunschzentrum persönlich, in den Beratungsstellen teilweise postalisch. Im Folgenden wird die Gruppe der Beteiligten aus dem Kinderwunschzentrum von der Gruppe der Beteiligten aus den Beratungsstellen unterschieden. Befragung im Kinderwunschzentrum Die Teilnahmebereitschaft im Kinderwunschzentrum war sehr hoch. Insgesamt wurden von den 300 vorbereiteten Fragebögen 150 den Patienten in der Umfragewoche angeboten. Von den verteilten 150 Fragebögen wurden 73 ausgefüllt; damit betrug die Rücklaufquote fast 50 Prozent. Da die Umfrage an Paare gerichtet war, 26 Der Begriff „Beratung“ wird synonym für den Begriff „psychosoziale Kinderwunschberatung“ verwendet. 27 Der Begriff „Kinderwunschzentrum“ wird synonym für den Begriff „reproduktionsmedizinisches Zentrum verwendet.

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5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

wurden einige Fragebögen von Paaren gemeinsam ausgefüllt. Das wurde aufgrund einer Doppelnennung (Mann & Frau) bei der Frage nach dem Geschlecht bemerkt. Dieser Sonderfall wurde bei der Untersuchung der Umfragebeteiligung als Gruppe „Ehepaare“ vermerkt. Insgesamt nahmen ca. 84,6 Prozent Frauen, 6,5 Prozent Männer, 4,1 Prozent Ehepaare (d. h. beide Geschlechter wurden angekreuzt) teil. Bei 5,5 Prozent der Teilnehmenden erfolgte keine Angabe zum Geschlecht. Die Behandlungsdauer28 im Kinderwunschzentrum lag bei durchschnittlich 1,7 Jahren (Tabelle 64). Die meisten Patienten (46,5 Prozent) waren erst seit Kurzem (bis zu einem Jahr) im Kinderwunschzentrum. Die Behandlungsdauer betrug bei einem Viertel (25,4 Prozent) ein Jahr bis unter zwei Jahren. Insgesamt befanden sich 62 Prozent der Befragten bis zu einem Jahr in Behandlung. In Einzelfällen lag die angegebene Behandlungsdauer bei 5 oder 6 Jahren oder sogar 11 bzw. 15 Jahren. Im Durchschnitt bestand seit 3,6 Jahren ein unerfüllter Kinderwunsch (Median drei Jahre). Im Durchschnitt lagen 1,9 Jahre zwischen dem Aufkommen eines Kinderwunsches und der Inanspruchnahme einer medizinischen Hilfe. Die meisten der Befragten waren im ersten Jahr bzw. innerhalb von zwei Jahren Patienten im Kinderwunschzentrum. Nur wenige überschritten einen Zeitraum von zwei Jahren. Tabelle 64: Kinderwunschzentrum: Kinderwunschdauer, Behandlungsdauer und Differenz In Jahren

Kinderwunschdauer

Behandlungsdauer

Differenz

Mittelwert

3,6

1,7

1,9

Median

3,0

1,0

1,5

Datenquelle: NeWiRe-Studie Psychosoziale Beratung 2016. N = 71

Befragung in Beratungsstellen Die Stichprobe der Befragung in Beratungsstellen ist mit acht Umfrageteilnehmern relativ klein. Dies ergibt sich daraus, dass die Zahl der Klientinnen und Klienten im Befragungszeitraum sehr gering ist. Die Teilnahmequote lag bei fast 84 Prozent. Die Geschlechterverteilung unter den Befragten lag bei 75 Prozent Frauen, 12,5 Prozent Männern und 12,5 Prozent Ehepaaren, d. h. der Fragebogen wurde von beiden gemeinsam ausgefüllt. Die Hälfte der Befragten war kürzer als ein Jahr in der Beratungsstelle. Die Dauer des unerfüllten Kinderwunsches betrug durchschnittlich 3,8 Jahre (Tabelle 65, Median 4 Jahre). Die Dauer bis zur Inanspruchnahme der Beratung lag durchschnittlich bei 2,1 Jahren. Zusammengefasst waren Personen, die die psychosoziale Beratung in Anspruch nahmen, schon länger von einem unerfüllten Kinderwunsch betroffen und es ist mehr Zeit bis zur Beratung vergangen als bei Patienten in der Kinderwunschbehandlung.

28 Der Begriff „Behandlungsdauer“ bzw. „medizinische Behandlung“ wird synonym für den Begriff „reproduktionsmedizinische Behandlung“ verwendet.

225

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung Tabelle 65: Beratungsstelle: Kinderwunschdauer, Beratungsdauer und Differenz in Jahren

Kinderwunsch

Beratungsdauer

Differenz

Mittelwert

3,8

1,7

2,1

Median

4,0

0,8

2,9

Datenquelle: NeWiRe-Studie Psychosoziale Beratung 2016. N = 8

5.3.3 Ergebnisse der Befragung im Kinderwunschzentrum Die Ergebnisse der Umfrage im Kinderwunschzentrum werden zusammengefasst dargestellt, wobei auf die soziale Unterstützung der Betroffenen, den psychosozialen Bedarf der Betroffenen und die Bekanntheit und Nutzung des Angebots einer kostenlosen psychosozialen Beratung eingegangen wird. Die soziale Unterstützung der Betroffenen Die Frage, ob die Befragten (Männer und Frauen) einen Menschen (außer Partner/ in) haben, mit dem sie über dieses Thema sprechen können, bejahten 80,8 Prozent und 19,2 Prozent verneinten dies. Unter denjenigen, die Vertrauenspersonen außer dem Partner bzw. der Partnerin hatten, nannten 54,8 Prozent der Männer und Frauen den Freund bzw. die Freundin. Immerhin 35,6 Prozent sahen in den Eltern eine wichtige Vertrauensperson und rund 38,4 Prozent der Befragten vertrauten sich am meisten den Ärztinnen im Kinderwunschzentrum an (Abbildung 103).

Abbildung 103: „Wem vertrauen Sie am meisten über dieses Thema an?“

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5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Die Frage, wer die Betroffenen in dieser Situation am besten verstehen kann, wurde ähnlich beantwortet. So gaben 89 Prozent aller Befragten an, dass sie jemanden haben, bei dem sie sich verstanden fühlen. Nur 11 Prozent hatten keine Person, die sie versteht. Von den 89 Prozent wählten die meisten den Freund oder die Freundin als Verständnisträger (56 Prozent). Danach wurden die Eltern (27 Prozent) als Verständnisperson ausgewählt. Bereits an dritter Stelle folgte der Arzt oder die Ärztin im Kinderwunschzentrum (26 Prozent) (Abbildung 104).

Abbildung 104: „Wer kann Sie am besten in dieser Situation verstehen?“

Der psychosoziale Unterstützungsbedarf der Betroffenen Gefragt wurde ferner, ob der Wunsch besteht, auch einmal mit einem Außenstehenden zu sprechen, der mit mehr Gelassenheit auf das Thema blickt und als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Hier gab ein Drittel aller Befragten (33 Prozent) den Wunsch an, mit einem Außenstehenden über das Thema zu reden. Etwa 63 Prozent verneinten diesen Wunsch und ca. 4 Prozent machten keine Angabe. Etwa 67 Prozent aller Befragten fühlten sich durch den unerfüllten Kinderwunsch sehr stark unter Druck gesetzt. Sie sehnten sich nach Momenten, in denen der Druck wegfällt. Für knapp ein Drittel (29 Prozent) war der Druck aushaltbar. Vor allem im Bereich Finanzen wurde der Druck von 20,5 Prozent der Befragten als „stark“ belastend wahrgenommen. In den Bereichen Familie und Arbeit waren es immerhin noch 16,4 Prozent, die einen starken Druck verspürten. Eine mittlere Belastung wurde in den Bereichen des persönlichen Umfeldes (Freundeskreis, Familie und Partnerschaft) von ca. 34 bis 35 Prozent der befragten Personen erlebt. Aber auch im Kinderwunschzentrum wurde der Druck von ca. 25 Prozent der Befragten als mittlere und von 38 Prozent als geringe Belastung wahrgenommen. Hier mach-

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

227

ten auch mit ca. 23 Prozent die meisten der Befragten keine Angabe zum empfundenen Druck (Abbildung 105).

Abbildung 105: „In welchem Lebensbereich ist der Druck wie stark?“

Bekanntheit und Nutzung einer psychosozialen Beratung Abbildung 106 gibt Aufschluss darüber, wie viele derer, die den Wunsch geäußert haben, mit einem Außenstehenden über das Thema zu reden, überhaupt Kenntnis von einem kostenlosen Angebot haben. Die Frageformulierungen lauten „Wissen Sie, dass es ein kostenloses Angebot gibt, mit jemanden zu sprechen, der/die extra für Ihr Anliegen da ist?“ und „Wünschen Sie sich einen solchen Ansprechpartner?“ Die Hälfte derer, die einen Wunsch geäußert hatten, mit einem Außenstehenden zu sprechen, wusste um das kostenlose Beratungsangebot. Von den Befragten ohne solchen Wunsch waren sogar 76,1 Prozent über das kostenlose Beratungsangebot informiert.

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5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Abbildung 106: Wissen um das Angebot einer kostenlosen Beratung nach Informiertheit

Dass der Bekanntheitsgrad der psychosozialen Kinderwunschberatung mit Zunahme der Behandlungsdauer nur unwesentlich stieg, ist Abbildung 107 zu entnehmen. Unter den Kinderwunschpatientinnen mit einer Behandlungsdauer von bis zu einem Jahr wusste ungefähr zwei Drittel von dem kostenlosen Angebot. Unter Personen, die bereits länger als ein Jahr in Behandlung waren, waren nur etwa 3 Prozent mehr (69 Prozent) über das Angebot informiert.

Abbildung 107: Wissen um das Angebot einer kostenlosen Beratung nach Behandlungsdauer

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

229

Betrachtet man die Geschlechter, so wussten 60 Prozent der Männer und 70,5 Prozent der Frauen grundsätzlich von dem kostenlosen Angebot der Kinderwunschberatung in Regensburg. Frauen sind also in der Regel etwas informierter. Von den 33,3 Prozent der Befragten, die den Wunsch angegeben hatten, mit einem Außenstehenden zu sprechen, hatten knapp 17 Prozent eine Beratung durchgeführt. Die Mehrheit mit mehr als 83 Prozent der Befragten hatte hingegen keine Beratung in Anspruch genommen, obwohl sie den Wunsch dazu verspürte hatten. Von den 63 Prozent der befragten Personen, die keinen Wunsch angegeben hatten, hatten wiederum dennoch 6,5 Prozent eine Beratung in Anspruch genommen (Abbildung 108).

Abbildung 108: Inanspruchnahme einer Beratung nach Wunsch nach Ansprechpartner

Obwohl 66 Prozent der Befragten angaben, von dem kostenlosen Angebot einer Beratung zu wissen und 33 Prozent den Wunsch danach äußerten, nutzten das Angebot lediglich 9,6 Prozent. Von diesen wenigen Befragten, die das Angebot einer Beratung nutzten, suchten die meisten die Beratungsstelle pro familia auf. Weitere Nennungen waren die Beratungsstelle donum vitae, ein Beratungsangebot im Kinderwunschzentrum und eine Sitzung bei einer Psychologin. Auf die Frage, wie sie auf das Beratungsangebot aufmerksam wurden, antworteten acht Befragte. Davon gab die Mehrheit an, dass sie über ein Kinderwunschzentrum darauf aufmerksam wurden, eine Nennung bezog sich auch auf Informationen über einen Flyer eines Kinderwunschzentrums. In einem Fall wurden Informationen über das Internet gesucht und eine Person erfuhr davon durch den Facharzt für Gynäkologie. 65 der Befragten, die keine Beratung in Anspruch genommen hatten, machten Angaben zu den Gründen, die aus ihrer Sicht dagegensprachen. 19,4 Prozent hiel-

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5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

ten eine Beratung für noch nicht notwendig, 9,2 Prozent hatten Angehörige als Unterstützer. Weitere Gründe waren Entfernung, Hemmungen oder mangelnde Zeit. Nur wenige gaben an, nichts gewusst zu haben, genug eigene Kraft zu haben oder sich lieber mit anderen Betroffenen auszutauschen. Mehr als die Hälfte machte jedoch keine Angaben zu dieser Frage (Abbildung 109).

Abbildung 109: „Warum haben Sie das Angebot der Beratung nicht genutzt?“

5.3.4 Ergebnisse aus der Umfrage in den Beratungsstellen Während bei den Ergebnissen der Umfrage im Kinderwunschzentrum vor allem auf Bekanntheit und Nutzung des Angebots der psychosozialen Beratung eingegangen wurde, steht bei der Umfrage in den Beratungsstellen im Folgenden „die Gestaltung der Kontaktaufnahme“, im Mittelpunkt, und ferner, wie schon beim Kinderwunschzentrum, „der psychosoziale Unterstützungsbedarf“. Die Gestaltung der Kontaktaufnahme Zunächst wurde die Frage gestellt, wie die Befragten auf die Beratungsstelle aufmerksam wurden. Dabei wählten drei der Befragten die Antwortmöglichkeit „Freund/in“. Zwei der Befragten wurden über den Gynäkologen darauf aufmerksam. Zwei weitere wurden über die Ärztin im Kinderwunschzentrum informiert. Eine weitere Person erfuhr davon im Internet. Auf die Frage, ob es vor dem Besuch der Beratungsstelle Vorbehalte gab, äußerten sechs Personen keine Vorbehalte.

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

231

Auf die Frage, welche Themen Anlass für den Besuch der psychosozialen Beratungsstelle gaben, konnten Mehrfachnennungen abgeben werden. Alle Befragten gaben als Beweggrund den „Umgang mit eigenen Empfindungen“ an. Viele gaben auch den „Umgang mit der Partnerschaft“, den „Umgang mit Familie“ sowie „medizinische Aspekte“ als wichtigen Beweggrund an, die Beratungsstelle aufzusuchen. Des Weiteren gab die Hälfte an, dass sie die Themen „Umgang am Arbeitsplatz“ und „Umgang mit Freunden“ in die Beratung führten. Auch „ethische Bedenken“ und „rechtliche Aspekte“ wurden als Anlass erwähnt (Abbildung 110).

Abbildung 110: „Welche Themen führen Sie in die Beratungsstelle?“

Der psychosoziale Unterstützungsbedarf Auf die Frage, welches Thema für sie persönlich am wichtigsten ist, nannte die Hälfte der Befragten (TN 1, TN 3, TN 5, TN 7) den „Umgang mit eigenen Empfindungen“. Zwei entschieden sich für den „Umgang in der Partnerschaft“ (TN 4, TN 8), eine Person nannte die „medizinischen Aspekte“ (TN 6) und eine weitere Person nannte als persönlich wichtigstes Thema „Wege aus der Traurigkeit“ (TN 2). Zur Kategorie „Umgang mit den eigenen Empfindungen“ wurden vier ergänzende Angaben gegeben: – „Das Lebensmodell „Familie“, das man sich für sich gewünscht hat, wird nicht erfüllt“ (TN 1). – „Weil ich den Ausfall kaum akzeptieren kann“ (TN 3). – „Trotz eigener Probleme den Alltag meistern, lernen mit Problemen umzugehen, „Ruheinseln“ finden → zeitweilig Probleme lernen wegzuschieben„ (TN 5). – „Oft weiß ich nicht mehr, was ich will“ (TN 7).

232

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Im Hinblick auf das Thema „Umgang mit der Partnerschaft“ wurde weiterhin angegeben „wegen der Zukunft und des Lebensalters“ (TN 8). Zur Erhebung der Bedeutung der Beratung für die Betroffenen sollte ein Satz vervollständigt werden Alle Befragten beantworteten die Frage „Welche Bedeutung hat für Sie die Beratungsstelle in Ihrer Lebenssituation? Sie ist …“. Die Antworten lassen sich in vier Kategorien einteilen: – Zuhören: „ein sehr wichtiger Zuhörer und Berater in dieser schwierigen Situation geworden“ (TN 1), „eine Möglichkeit, mit einem unbeteiligten und erfahrenen Dritten zu reden“ (TN 2). – Entlastung: „entlastend“ (TN 7); „entlastend und hilfreich“ (TN 8). – Verbesserung der Lebensqualität: „ein wichtiger Bestandteil zur Verbesserung meiner Lebensqualität. Da ich weiß, dass es eine Anlaufstelle gibt, bei der ich mich jederzeit melden kann, wenn mir danach ist“ (TN 5). – Hilfe: „ich hoffe, dass sie mir hilft, mit meinem Verstand zu beschäftigen“ (TN 3), „Hilfe in dieser schweren Zeit und hilft zu ordnen“ (TN 4), „Hilfe im Alltag“ (TN 6). Abbildung 111 ist zu entnehmen, wie groß der Druck in den einzelnen Lebensbereichen bezüglich des unerfüllten Kinderwunsches wahrgenommen wird. Am stärksten wird der Druck im Bereich Finanzen erlebt. Eine „mittlere“ Belastung verspürten die Befragten vor allem im Kinderwunschzentrum und im Freundeskreis. In der Familie wird der Druck als eher gering erlebt. In den Bereichen Partnerschaft und Arbeit verteilen sich die Werte gleichermaßen.

Abbildung 111: „Wo verspüren Sie am meisten Druck im Alltag?“

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

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Im Anschluss wurden die Teilnehmer befragt, ob und wie sich der Druck durch den unerfüllten Kinderwunsch im Laufe der Beratung veränderte. Dazu wurden die acht Befragten in zwei Gruppen mit unter einem Jahr Beratungszeit und mehr als einem Jahr Beratungszeit aufgeteilt. Alle Befragten, die länger als ein Jahr in der Beratung waren, gaben an, dass der Druck im Laufe der Zeit weniger wurde. In der Gruppe, die weniger als ein Jahr in Behandlung befindet, blieb der Druck während der Beratung bei einer Person gleich, während die anderen vier hierzu noch keine Bewertung abgeben konnten. Auf die Frage, an welchen Beratungsangeboten die Studienteilnehmer Interesse hätten teilzunehmen, wählte die Mehrheit die Einzelberatung. Danach folgten die Kategorien „Paarberatung“ und „Austausch mit anderen Paaren“, die jeweils vier Stimmen erhielten. Immerhin zwei Befragte stimmten für den Austausch mit Frauen und eine Person wählte den Austausch mit Paaren, unterstützt durch ein Beraterpaar aus. Keine Stimme erhielt der Austausch unter Männern (vgl. Wippermann 2014, 148 f.) (Abbildung 112).

Abbildung 112: „An welchen Beratungsangeboten würden Sie teilnehmen?“

Auf die offene Frage, ob sie Erfahrungen teilen möchten, die für sie persönlich im Umgang mit dem unerfüllten Kinderwunsch sehr hilfreich waren, folgten zwei Antworten: – Die Gespräche mit der Beraterstelle und die Gespräche innerhalb der Familie sind sehr wichtig. (TN 1). – Mir tat es sehr gut, mit einer „außenstehenden“ Person, welche im Umgang mit Problemen geschult ist, über meine „Problemsituation“, Ängste und Sorgen zu sprechen. Das beruhigt und befreit einen, zumindest zeitweilig (TN 5).

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5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

5.3.5 Diskussion Der Anteil der an der Umfrage teilnehmenden Frauen war mit fast 84 Prozent im Kinderwunschzentrum sowie mit 75 Prozent in den Beratungsstellen sehr hoch. Dies spricht dafür, dass Frauen generell eher bereit sind, über das Thema Reproduktionsmedizin Auskunft zu geben als Männer. Das lässt aber nicht darauf schließen, dass Männer weniger von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind. Ergebnisse einer australischen Studie (Fisher et al. 2010, S. 579) zeigen, dass Männer genauso unter ungewollter Kinderlosigkeit leiden wie Frauen. Eine denkbare Erklärung könnte sein, dass Frauen sich eher zuständig fühlen, da sie im Mittelpunkt der medizinischen Behandlung stehen. Der Arzt oder die Ärztin im Kinderwunschzentrum wurde von vielen Befragten als Vertrauensperson bzw. als Person, von der sich Betroffene verstanden fühlen gewählt. Ärztinnen und Ärzte werden oft zum Hoffnungsträger für das Wunschkind. Ihr Wissen kann die Erfüllung des Kinderwunsches ermöglichen und erhöht damit auch die Vertrauensbereitschaft in die Profession. Ärztinnen und Ärzte gehen über faktische Untersuchungsergebnisse an das Thema heran; über Emotionen kann, muss aber nicht geredet werden. Die Frage bleibt, ob die Ärztinnen und Ärzte die nötige Zeit in ihrem Berufsalltag aufbringen können, um Kinderwunschpaare psychosozial ausreichend unterstützen zu können. Auch sind sie nicht speziell dafür ausgebildet. Die Hoffnung, die in eine medizinische Behandlung gesetzt wird, ist sehr groß. Chancen und Risiken einer Kinderwunschbehandlung müssen gleichermaßen geäußert und diskutiert werden, unabhängig von der behandelnden Person. Insofern ist es wünschenswert, dass Ärztinnen und Ärzte eine „unparteiische Beratung“ anbieten können. Neben den medizinischen Chancen und Risiken wie z. B. Erfolgsquoten der IVF ist auch eine Beratung über andere gesundheitliche und verhaltensbezogene Risikofaktoren erforderlich (Bals-Pratsch 2015). Dass psychosozialer Unterstützungsbedarf besteht, zeigt der Wunsch von einem Drittel der Befragten, mit einer außenstehenden Person zu sprechen, die mit mehr Gelassenheit auf das Thema blickt. Auffällig war, dass die Ergebnisse der Umfrage in den Beratungsstellen zeigten, dass ausnahmslos alle Befragten das Thema „Umgang mit eigenen Empfindungen“ als Anlass sahen, eine Beratung aufzusuchen und die Hälfte es sogar als wichtigstes Thema wählten. Dies deckt sich mit den Ergebnissen aus dem SARA-Projekt, in dem der größte Unterstützungsbedarf von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch beim „Umgang mit Misserfolgen“, der „Stressbewältigung“ und der „emotionalen Unterstützung im Umgang mit der persönlichen Situation“ lag. Die Umfrage im Kinderwunschzentrum ergab eine mittlere Belastung im persönlichen Umfeld von Partnerschaft, Familie und Freundeskreis. Es zeigt die große Unsicherheit bezüglich des Verständnisses der ungewollten Kinderlosigkeit im Freundes- und Bekanntenkreis. Viele der Betroffenen meiden daher das Thema, obgleich Gesprächsbedarf besteht, was zu psychischem Druck führt. In der Partnerschaft kann es aufgrund von Kommunikationsstörungen zu einer mangelnden gegenseitigen emotionalen Unterstützung kommen (Wischmann, Stammer 2010). Ein

5.3 Studie zur Bedeutung psychosozialer Beratung

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im Kinderwunschzentrum empfundener Druck, nicht zuletzt ausgelöst durch die nervenzehrenden Wartezeiten auf die Behandlungsergebnisse, wurde von immerhin fast einem Viertel der Befragten als mittel eingestuft (vgl. Schweizer-Arau 2009). Die Finanzen stellten einen nicht unerheblichen Belastungsfaktor für die betroffenen Paare dar. Im Kinderwunschzentrum wurde der Druck in diesem Bereich von etwa 20 Prozent der Befragten als stark belastend empfunden. In den Beratungsstellen gaben mehrere der Befragten an, dass sie sich im Bereich Finanzen stark unter Druck gesetzt fühlen. Dies ist auf an die fehlende finanzielle Unterstützung durch die Krankenkassen nach dem dritten Behandlungszyklus zurückzuführen (Kapitel 2.1.3). Die Kenntnis über das Bestehen eines kostenlosen psychosozialen Beratungsangebots nimmt mit der Behandlungsdauer nicht zu. Die Ergebnisse der Erhebung zeigten allerdings kaum Unterschiede zwischen Paaren, die bis zu einem Jahr in Behandlung waren, zu Paaren, die länger als ein Jahr in Behandlung waren. Immerhin ist die Bekanntheit des Beratungsangebotes damit etwas höher als in der DELTAStudie (53 Prozent). Insgesamt wurde das Angebot psychosozialer Beratung nur von knapp 10 Prozent der Befragten bislang genutzt. Das ist ebenfalls mehr, als in der Erhebung des BMFSFJ (Wippermann 2014) festgestellt wurde (3,4 Prozent der Frauen und 0,4 Prozent der Männer). Von diesen knappen zehn Prozent, die das Angebot nutzten, waren die meisten über das Kinderwunschzentrum (Arzt/Ärztin bzw. Flyer) auf das Angebot aufmerksam geworden. Ähnliche Ergebnisse zeigt die DELTA-Studie: 43 Prozent aller Patienten erinnerten sich, einen Hinweis von dem behandelnden Arzt oder der Ärztin bekommen zu haben (BMFSFJ 2015, S. 15). Die Ergebnisse der Beratungsstellen zeigen, dass persönliche Empfehlungen größeren Stellenwert besitzen als die Medien. Auch das Internet spielt bei Recherchen über Beratungsstellen keine größere Rolle. Bei der Frage, warum das Angebot nicht angenommen wurde, machten die meisten keine Angabe. Dies deutet darauf hin, dass hier Gründe vorliegen, die nicht gerne angegeben werden, wie z. B. Scham. Immerhin gab rund ein Fünftel der Umfrageteilnehmer an, noch keine Notwendigkeit für eine Beratung zu sehen. Die psychosoziale Beratung hat für Paare Bedeutung insofern, als bei denjenigen Paaren, die länger als ein Jahr in der Beratung waren, das Druckempfinden bezüglich des unerfüllten Kinderwunsches weniger geworden war (Abbildung 111). Dass der Druck erst nach einem Jahr spürbar nachlässt, deutet darauf hin, dass es eine Zeit des Vertrauensaufbaus braucht, um offen über das Thema sprechen zu können. Außerdem zeigen die Aussagen, welche persönliche Bedeutung die Beratung für den Einzelnen hat. Offenbar ist für viele Befragte ein unbeteiligter Dritter als Ansprechpartner wichtig. Auch trägt die Beratung zu einer Verbesserung der Lebensqualität bei. Die positiven Effekte im Hinblick auf die psychische Befindlichkeit konnten auch in anderen Studien nachgewiesen werden (vgl. Boivin 2003). Durch die gut-funktionierende Zusammenarbeit mit den an der Umfrage beteiligten Kinderwunschzentren konnte eine hohe Rücklaufquote erzielt werden. Jedoch bleiben anhand der Ergebnisse die Unterschiede zwischen Männern und

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5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Frauen nach wie vor unklar, da jedes Paar im Kinderwunschzentrum nur einen Fragebogen erhielt. Stärkerer Forschungsbedarf wird darüber hinaus im Bereich der emotionalen Belastung für Paare durch den unerfüllten Kinderwunsch gesehen. Zudem ist der psychosoziale Bedarf von Männern mit unerfülltem Kinderwunsch unterforscht, obwohl auch hier Interesse an Angeboten besteht. 5.4 ONLINE-FOREN ALS KANAL DES PEER-TO-PEERWISSENSTRANSFERS Das Internet ist von wesentlicher Bedeutung für die moderne Kommunikation und den Wissenstransfer. Die Suche nach Informationen ist für große Teile der Bevölkerung inzwischen erheblich durch Online-Dienste wie Google oder Wikipedia gesteuert. Auch die sozialen Medien wie Facebook oder Twitter sind für die Weitergabe und somit auch selektive Verbreitung von Informationen wichtig. In sozialen Netzwerken wird Wissen und Hinweise auf Neues unter Freunden, Gleichgesinnten oder flüchtig Bekannten ausgetauscht. Auch Institutionen stellen Inhalte und Informationen bereit, die wiederum „abonniert“ werden können – auch in Bezug auf Gesundheits- und Sexualitätsthemen. Bei der Analyse von Botschaften „klassischer“ Massenmedien kann die Forschung meist auf eine „ritualisierte Publikationspraxis“ sowie eine systematische Archivierung zurückgreifen, da die Medienanbieter institutionalisiert sind. Diese Grundsätze gelten für den Untersuchungsgegenstand der Online-Forschung nicht oder nur eingeschränkt. Dieser lässt sich grob in zwei Kategorien unterteilen. Zum einen die klassischen „One-Way“-Inhalte, die den Nutzern institutionalisiert und professionell als Angebot zum Konsum zur Verfügung gestellt werden. Hierzu zählen Nachrichtenseiten, Websites öffentlicher oder privatwirtschaftlicher Institutionen, professionelle Informationsportale, die Onlineauftritte von Kliniken usw. Zum zweiten der sogenannte „user generated content“, also Inhalte, die von Nutzern selbst ohne institutionelle Einbindung erstellt und dynamisch verändert werden können. Hierzu zählen unter anderem Online-Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Die Grenzen zwischen diesen beiden Kategorien sind allerdings durchaus fließend bzw. durchlässig. Unerfüllter Kinderwunsch und dessen Therapie ist ein Thema, über das Betroffene eher ungern offen sprechen. Sie fühlen sich unverstanden, haben Schamgefühle, möchten oft selbst im näheren sozialen Umfeld nicht über das Thema sprechen (Albert 2008). Viele nutzen deshalb das Internet, das inzwischen eine Vielzahl von Angeboten zur Information, Beratung und zur Kommunikation sowohl mit Experten als auch anderen Betroffenen zur Verfügung stellt. Der schriftsprachliche Austausch in weitgehend anonymer Form in Online-Foren scheint eine gute Möglichkeit für betroffene Personen, über ihre eigene Situation zu sprechen und darüber mit anderen Peers in Kommunikation zu treten (Wesemann, Grunwald 2010). Auch in der Befragung von Expertinnen und Experten (Kapitel 4.1.2) sowie der Befragung von Frauen in Behandlung (Kapitel 5.1.2) wurde festgestellt, dass das Internet für Betroffene eine zentrale Rolle als Informationsmedium spielt. Inwie-

5.4 Online-Foren als Kanal des Peer-to-Peer-Wissenstransfers

237

weit hierbei Internetforen die Bedeutung von Informationsportalen oder fachlicher Beratung erlangen, konnte anhand der qualitativen Methodik nicht geklärt werden. In diesem Kapitel wird daher die Nutzung eines Online-Forums für Reproduktionsmedizin analysiert. Konkrete Forschungsfragen sind: Mit welchen Anliegen wenden sich Nutzerinnen an andere Betroffene? Welche Themen werden im OnlineForum diskutiert? Welche Funktionen erfüllen Online-Diskussionsforen für die Nutzerinnen? Und welche Bedeutung haben Online-Foren für den Wissenstransfer? 5.4.1 Stand der Forschung Aspekte der Kommunikation in Online-Foren werden in unterschiedlichen wissenschaftlichen Fachrichtungen erforscht, beispielsweise der Ethnologie, der Sprachwissenschaft oder der Soziologie. Auch zum spezifischen Komplex der Online- Foren für ungewollt kinderlose Menschen bzw. Menschen in reproduktionsmedizinischer Behandlung wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht (Kapitel 2.4). Kahlor und Mackert (2009) untersuchten in einer Studie mit 567 unfruchtbaren Frauen, über welche Kanäle und in welchem Maße sie sich über Infertilität informieren. Nahezu alle Befragten nannten das Internet als Hauptquelle, gefolgt von Büchern. Ärzte bzw. professionelle Ansprechpartner standen an dritter Stelle. Ein Großteil gab an, Online-Selbsthilfegruppen zu nutzen. Gleichzeitig hat nur etwa ein Viertel der Frauen angegeben, eine „Offline-Selbsthilfegruppe“ besucht zu haben (Kahlor, Mackert 2009, S. 86). Ärzte wurden generell als gute Gesprächspartner und Ansprechpartner für Fragen gesehen (Kahlor, Mackert 2009, S. 85). Durch das Internet fühlten sich die Befragten besser informiert und empfanden die OnlineKommunikation mit anderen als Hilfe sowohl bzgl. eines Wissensgewinns als auch bzgl. emotionaler Aspekte (Kahlor, Mackert 2009, S. 88). Albert (2008) untersuchte in einer ethnologischen Studie kulturelle Unterschiede zwischen deutschen und US-amerikanischen Frauen im Umgang mit Kinderlosigkeit und legte dabei den Fokus auf die Rolle von Internetforen für ungewollt kinderlose Frauen. Die Autorin stellt fest, dass medizinische Unterstützung in beiden Ländern als legitimes Mittel zur Überwindung ungewollter Kinderlosigkeit gesehen wird. Das eigene Kind gilt in beiden Kulturen als Selbstverständlichkeit. Große Differenzen zeigen sich aber in der Bewertung von Freundschaft und der Bedeutung von Religion. Die amerikanischen Frauen sehen sich aufgrund ihres gemeinsamen Schicksals sehr schnell als Freundinnen an, während deutsche Frauen zunächst von Forumsbekanntschaften sprechen, die sich erst durch intensiven, dauer haften Austausch zu Freundschaften entwickeln. Im deutschen Forum spielen religiöse Aspekte keine Rolle, während die untersuchte amerikanische Plattform deutlich von christlichen Inhalten und Ansichten durchdrungen ist, obwohl sie sich nicht als explizit christliche Website versteht. Als für die Frauen bedeutsame Aspekte der Internetforen arbeitet Albert ein Empowerment durch den Erfahrungsschatz der Benutzerinnen und die dadurch reduzierte Abhängigkeit von betreuenden Ärzten sowie die Vernetzung mit Betroffenen heraus. Dabei führe die Nutzung

238

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

der Foren nicht zur Abschottung von der Außenwelt, sondern erleichtere sogar in vielen Fällen die Kommunikation mit dem persönlichen Umfeld. Viele Frauen empfinden ein Online-Forum als zeitgemäße Alternative zu klassischen Selbsthilfegruppen. Der Wunsch nach persönlichem Austausch mit anderen Betroffenen im lokalen Umfeld bleibt aber vorhanden. Beutler (2013) hat die Kommunikationspraxis in einem Internetforum zum Thema Reproduktionsmedizin untersucht. Er kommt zu dem Fazit, dass „das Forum aufgrund seiner spezifischen medialen Eigenschaften eine sehr weitgehende Form der kommunikativen Vergemeinschaftung der Erfahrung einer reproduktionsmedizinischen Behandlung ermöglicht“. Er geht davon aus, dass die forenspezifische Art mit dem Thema umzugehen auch auf andere Kontexte (Familie, Paarbeziehung, Klinik, Verhältnis zwischen Ärzten und Patientinnen) ausstrahlt, die dann wiederum die Behandlungserfahrung prägen. Wingert et al. (2005) analysierten das Verhalten von ART-Nutzern mit Hilfe eines Konsum-Entscheidungsmodells. Hierbei wurden mehrere tausend Beiträge eines einschlägigen Online-Forums in den USA als Datenbasis genutzt. Die Analyse ergab, dass ein Großteil der Mitteilungen auf psychosoziale Aspekte ausgerichtet war, wohingegen medizinische Aspekte kaum eine Rolle spielten. Interessant ist auch, dass die Nutzer medizinische Fragen offensichtlich bevorzugt anderen Patienten stellen, anstatt Informationen von Ärzten, durch Fachpublikationen oder auf moderierten medizinischen Webseiten einzuholen (Wingert et al. 2005, S. 474). Die Autoren weisen besonders auf die Wichtigkeit der Validität der verbreiteten Informationen hin und plädieren deshalb für professionell moderierte Foren. Selm et al. (2008) kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Sie analysierten Inhalte von Online-Chats zwischen Gesundheitsexperten und IVF-Patienten. Dabei fanden die Autoren heraus, dass sich über die Hälfte der Gespräche der psychologischen Belastung der Kinderwunschtherapie widmete. Medizinische Themen wurden weit seltener besprochen (Selm et al. 2008, S. 676). Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass soziale Netzwerke einen sozialen Raum eröffnen, der bei den Betroffenen das Bedürfnis nach Kommunikation mit anderen Patienten stillen und somit die psychische Belastung besser verarbeiten kann. Malik und Coulson (2010) untersuchten in einer Studie die Selbsthilfemechanismen von Online-Foren und kamen zu dem Schluss, dass die Interaktion zwischen Betroffenen in Online-Foren psychischen Beistand leisten kann und somit zunehmend als Alternative zu Offline-Selbsthilfegruppen und Erweiterung in der Beratung und Behandlung von Infertilitätspatienten wahrgenommen werden muss (Malik, Coulson 2010, S. 318). Zillien et al. (2011) legten eine systematische Literaturübersicht über Motive und Auswirkungen der Internetnutzung von Kinderwunschpatienten vor. Die zentralen Motive ihrer Internetnutzung sind demnach die Informationsvielfalt des Internets, das Bedürfnis nach Unterstützung (emotional, sozial und psychologisch) sowie das Selbsthilfepotenzial des Mediums. Als wichtigste positive Konsequenzen der Internetnutzung identifizieren die Autoren einen Wissenszuwachs aufseiten der Patienten, eine Verbesserung ihrer psychosozialen Verfassung und ein erhöhtes Selbstvertrauen, insbesondere in Entscheidungssituationen. Als negative Folgen werden Fehlinformationen oder emotionale Belastungen genannt.

5.4 Online-Foren als Kanal des Peer-to-Peer-Wissenstransfers

239

In einer weiteren Arbeit hat Zillien (2013) mittels Leitfadeninterviews mit ungewollt kinderlosen Frauen und Männern aktuelle Veränderungen der Patientenrolle thematisiert, insbesondere hinsichtlich der Nutzung des Internets als Quelle von Gesundheitsinformationen. Sie stellt fest, dass von einer „Laisierung“ der Patien tenschaft heutzutage keine Rede mehr sein kann. Im Gegenteil hat eine „Exper tisierung“ eingesetzt, die bei Kinderwunschpatienten besonders ausgeprägt ist. Sie wenden sich zunehmend an andere Betroffene, obwohl ihnen professionelle Beratung zur Verfügung steht. Die Autorin arbeitet heraus, dass die expertisierten Laien Qualitäten aufweisen, die das professionelle Wissen nicht bieten kann: eine ständige verfügbare Möglichkeit zum Austausch persönlicher Behandlungserfahrungen, Körperwissen und Empfindungen. Die Informationen werden dennoch primär als wissenschaftliches Wissen kommuniziert und rezipiert, erkennbar am verwendeten Fachvokabular und der geringen Relevanz nicht-schulmedizinischer Behandlungsalternativen. Experten- und Laienwissen wird kaum als in einem Konkurrenzverhältnis stehend wahrgenommen, sondern als ein „ergänzendes Zusammenspiel verschiedener Wissensformen.“ 5.4.2 Methodik Die Teilstudie zur Wissensbeschaffung aus sozialen Medien besteht aus einer qualitativen Inhaltsanalyse der Einträge in einem der meistfrequentierten deutschen Kinderwunschforen (wunschkinder.net), das von einem Facharzt für Reproduktionsmedizin betrieben wird. Gewählt wurde dieses Forum aus vorrangig drei Gründen: 1. Das Forum ist stark frequentiert und bietet damit eine große Datenbasis. Es umfasste am 06. Februar 2015 190.973 Themen mit insgesamt ca. 1,4 Millionen Beiträgen. 2. Die Seite ist bei Online-Suchanfragen zum Thema Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin konstant unter den ersten Ergebnissen und damit für Betroffene auf der Suche nach einer Austauschmöglichkeit vermutlich eine der ersten Adressen. 3. Die vergleichsweise komfortable Exportfunktion für Beiträge ins PDF-Format erleichtert die weitere Verarbeitung. 4. In der Vorstudie wurde das Forum auch von Expertinnen und Experten als häufig von ihren Patienntinnen genutzte Informationsquelle genannt (Kapitel 4.1.2). Die Internetseite „wunschkinder.net – Die Kinderwunsch-Seite“ ist eine Informationsplattform zum Thema Kinderwunsch (Abbildung 113). Geschäftsführer und verantwortlich für Technik und Inhalt der Seite ist Dr. med. Elmar Breitbach, ein Facharzt für Frauenheilkunde, Reproduktionsmedizin und Endokrinologie am Zentrum für IVF und Reproduktionsmedizin Bad Münder in Hannover. Neben Nachrichten und umfassenden Informationen rund um Kinderwunsch, Schwangerschaft und Reproduktionsmedizin bietet die Seite mehrere thematisch gegliederte

240

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Foren, in denen sich Besucher registrieren und austauschen oder auch nur als nicht registrierte „Mitleser“ die Diskussionen verfolgen können.

Abbildung 113: www.wunschkinder.net: Forenliste (Stand 28.04.2016)

Die einzelnen thematischen Foren sind: – „Kinderwunsch-Forum“ (für Fragen zum unerfüllten Kinderwunsch, die sowohl von anderen Mitgliedern als auch vom Team der Kinderwunsch-Seite gele sen und beantwortet werden), – das „Zyklus-Forum“ (Themen rund um den weiblichen Zyklus und natürliche Familienplanung), – das Forum „Heterologe Insemination und Adoption“ (Themen rund um die Therapie mit Spendersamen oder Adoption, nur für registrierte Mitglieder), – das Forum „Kostenerstattung GKV und PKV“ (Fragen rund um die Kostenübernahme der Krankenkassen bei Kinderwunschbehandlungen, ein spezialisierter Rechtsanwalt steht als Ansprechpartner zur Verfügung), – das Forum „… endlich schwanger?“ (Themen rund um Schwangerschaft und Geburt nach geglückter Behandlung), – das Forum „Abschied vom Kinderwunsch“ (Möglichkeit zum Austausch wenn Kinderwunsch nicht erfüllt werden kann, ein offenes und ein geschlossenes Unterforum), – „Eltern-Foren“ (Austausch über Leben mit dem Nachwuchs, mit Unterforen zu Frühchen, Babys und Kleinkindern, geschlossen), – Kindergarten und Vorschule, Schulkinder (geschlossen), Pubertät (geschlossen),

5.4 Online-Foren als Kanal des Peer-to-Peer-Wissenstransfers

241

– Mehrlingsmamas und -papas sowie – einem Wichtelforum (geschlossen) – und weiteren Foren zu „Fehlgeburten“, „Kummerkasten“, „Gemeinsam Abnehmen“, „Offtopic“, „Trollwiese“ und „Termine“. Für die Beantwortung der Forschungsfragen bietet sich unter dieser Vielfalt an Foren das Kinderwunsch-Forum aufgrund seines thematischen Schwerpunkts am ehesten zur Analyse an. Es bleibt aber zu beachten, dass auf der Seite für einzelne Themen, die bei der Kinderwunschbehandlung eine Rolle spielen (z. B. Kostenübernahme, weiblicher Zyklus) spezielle Foren existieren und dadurch die Frequenz dieser Themen im allgemeinen Kinderwunsch-Forum vermutlich etwas reduziert wird. Grundgesamtheit und Stichprobe Da die Gesamtzahl aller bestehenden Themen im Kinderwunsch-Forum von wunschkinder.net (fast 200.000) für eine Inhaltsanalyse zu groß wäre, wurde die Grundgesamtheit auf die neu erstellten Themen innerhalb eines Jahres (2013) beschränkt. Um die Datenmenge für die Untersuchung überschaubar zu halten, wurde eine Stichprobe aus der Gesamtmenge der Beiträge gezogen. Die Ziehung erfolgte über ein zufallsbasiertes Verfahren auf Grundlage der Wahrscheinlichkeitsrechnung (Meier et al. 2010). Die genaue Gesamtzahl der im Jahr 2013 erstellten Themen war nicht verfügbar. Um dennoch jedem Thema die gleiche Chance auf einen Platz in der Stichprobe zu geben, wurde beschlossen, aus den 365 Tagen des Jahres eine Zufallsstichprobe von 37 Tagen (entspricht ca. 10 Prozent) zu ziehen und dann alle neuen Themen dieser Tage in die Analyse aufzunehmen. Daraus ergab sich eine Stichprobengröße von 1.259 Themen, d. h. es wurden im Schnitt 34 neue Themen pro Tag erstellt. Erhebungswerkzeug und Codesystem Die im Jahr 2013 neu erstellten Themen im Kinderwunsch-Forum wurden mithilfe qualitativer Methoden der Empirischen Sozialforschung ausgewertet. Dabei wurden die Grundformen qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) angewendet. Die Analyseeinheit war hierbei der erste Beitrag eines Threads in seiner Gesamtheit, da dieser das Anliegen des Verfassers beinhaltet und das Thema der Diskussion vorgibt. Das spätere Kategoriensystem wurde induktiv aus den Forenbeiträgen heraus entwickelt. Dazu wurde ein Pretest durchgeführt, für den aus allen Tagen im September 2014 eine Zufallsstichprobe von sieben Tagen gezogen und anschließend alle 147 neu erstellten Threads dieser Tage in das Programm MaxQDA importiert wurden (Abbildung 114). Die ersten Beiträge dieser Threads wurden in einem ersten Analyseschritt thematisch codiert. Als nächstes wurden die gleichen Beiträge

242

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

den zuvor erstellten Codes thematisch zugeordnet. Ziel war hier, die Aussagekraft und Trennschärfe der Codes zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Im dritten Schritt wurde das Codesystem anhand der Pretest-Ergebnisse modifiziert und erweitert.

Abbildung 114: Ablauf der Pretest-Phase

Anschließend wurden die 1.259 Threads im Hauptfeld anhand des im Pretest entstandenen Codesystems kategorisiert. Analyseeinheit war jeweils der gesamte erste Beitrag eines Themas. Ziel war es, mit möglichst wenigen Codes den zentralen Inhalt des Beitrags zu erfassen. Bei einigen Beiträgen war dies bereits mit einem Code möglich, häufig mit zwei. In Einzelfällen konnten drei oder vier zentrale Codes identifiziert werden. Im Lauf der Codierung tauchten einige Themen auf, auf die keiner der vorgegebenen Codes passte. In diesen Fällen sowie bei unsicheren Themen und sonstigen Fragen wurden von den auswertenden Personen kurze Memos erstellt. Diese wurden im Anschluss im Forschungsteam diskutiert und das Codesystem gegebenenfalls angepasst oder erweitert. Nach Abschluss der Codierungsarbeiten lag ein Kategoriensystem vor, das sich in die zwei Bereiche „Strukturtypen“ und „Thematischer Bezug“ aufteilen lässt (Tabelle 66). Die Strukturtypen bezeichnen den grundsätzlichen Charakter des Beitrags, man könnte auch von der „Stoßrichtung“ sprechen. Es wurde versucht, die grundlegende Intention für die Erstellung des Threads zu kategorisieren. Dabei ergaben sich sechs Codes, mit denen nahezu alle Beiträge der Stichprobe kategorisiert werden konnten: „Allgemeines Statusupdate“, „Bitte um Beistand“, „Entscheidungsfindung“, „Erfahrungsaustausch“, Schilderung des Gefühlszustands“ sowie „Verständnisfragen“. Innerhalb dieser Codes wurden besonders häufige Ausprägungen mit Subcodes versehen, um diese im Anschluss differenzierter analysieren zu können.

5.4 Online-Foren als Kanal des Peer-to-Peer-Wissenstransfers

243

Tabelle 66: Strukturtypen im Codesystem der Inhaltsanalyse Codes

Kategorie

Erläuterung

1.

Allgemeines Statusupdate

Neuigkeiten zur eigenen Situation bzw. zur laufenden Behandlung

Subcode

„PIEP-Threads“

Regelmäßige Update-Threads zum Stand der Behandlung

2.

Bitte um Beistand

Bitte an die Community um (emotionalen) Beistand

Subcode

„Daumenfang“

Regelmäßige Threads, in denen Personen kollektiv die Daumen gedrückt werden, z. B. vor einem wichtigen Behandlungsschritt

3.

Entscheidungsfindung

Hilfe bei Entscheidungen zw. verschiedenen Optionen

Subcode

Behandlung fortsetzen

Soll eine bereits laufende Behandlung weiter fortgesetzt werden?

Subcode

Behandlung starten

Soll eine Kinderwunschbehandlung gestartet werden oder nicht?

Subcode

Entscheidung zw. Behandlungsalternativen

Entscheidung zwischen verschiedenen Behandlungsalternativen.

4.

Erfahrungsaustausch

Explizite Fragen nach Erfahrungen von anderen Community-Mitgliedern

5.

Schilderung des Gefühlszustands

Beschreibungen der aktuellen Gefühlslage

Subcode

Traurigkeit

Trauer über schlechten Verlauf der Behandlung, negative Testergebnisse, Schwangerschaftsabbrüche usw.

Subcode

Anderen Mut machen

Anderen Mitgliedern Mut machen

Subcode

Frustration

Frustration über Probleme in der Behandlung, persönliche Situation usw.

Subcode

Freude

Freude über guten Verlauf, positive Ergebnisse, Schwangerschaft etc.

6.

Verständnisfragen

Verständnisfragen zur laufenden Behandlung, z. B. zu Fachbegriffen, Testergebnissen, Aussagen von Ärzten usw.

Datenquelle: Projekt NeWiRe – Inhaltsanalyse wunschkinder.net

Im Bereich „Thematischer Bezug“ wurden die Codes zusammengefasst, die das spezifische Thema eines Beitrags kategorisieren. Hier kristallisierten sich im Verlauf der Analysen acht Kategorien heraus: „Kosten, Finanzierung, Krankenkassen“, „körperliche Symptome“, „Medikation“, „Natürliche Familienplanung“, „Schwangerschaftstests“, „Soziales Umfeld“, „Tests und Testergebnisse“ sowie „Ärzte, Praxen und Kliniken“. Sehr vereinzelt wurden Beiträge ohne Bezug zur Kinderwunsch-Thematik gepostet, die als „Sonstiges“ codiert wurden (Tabelle 67).

244

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung Tabelle 67: Themenbezug im Codesystem der Inhaltsanalyse

Codes

Kategorie

Erläuterung

1.

Kosten, Finanzierung, Krankenkassen

Fragen zu Behandlungskosten und Finanzierung sowie Kostenübernahme

2.

körperliche Symptome

Fragen zu körperlichen Symptomen verschiedenster Art.

Subcode

Zyklus

Spezifische Fragen zum weiblichen Zyklus.

3.

Medikation

Fragen und Diskussionen rund um die Medikation, z. B. Erfahrungen mit verschiedenen Medikamenten, Fragen zu Dosierungen usw.

4.

Natürliche Familienplanung

Ohne medizinische Behandlung schwanger werden (z. B. Temperaturmessung, rezeptfreie Hilfsmittel; Geschlechtsverkehr nach Plan)

5.

Schwangerschaftstests

Fragen und Diskussionen rund um Schwangerschaftstests im privaten Bereich, z. B. zu den verschiedenen Herstellern, was Ergebnisse bedeuten.

6.

Soziales Umfeld

Wechselwirkung zwischen unerfülltem Kinderwunsch/ Kinderwunschbehandlung und sozialem Umfeld

Subcode

Partnerschaft

Kinderwunsch und Partnerschaft, z. B. Verhalten des Partners, Meinungsverschiedenheiten, Geschlechtsverkehr während der Behandlung.

Subcode

Persönliches Umfeld

Weiteres persönliches Umfeld. Umgang mit Familie oder Freundeskreis, z. B. ob man über die Behandlung spricht, Reaktion des Umfelds

Subcode

Vereinbarkeit von Behandlung und Beruf

Rund um Kinderwunschbehandlung und Beruf, z. B. Krankschreibungen, zeitliche Vereinbarkeit von Behandlung und Beruf, Kommunikation des Themas gegenüber Arbeitgeber und Kollegen.

7.

Tests und Testergebnisse

Diskussion und Fragen zu Tests und Testergebnissen. Häufig Auflistung eigener Werte und Bitte um Meinungen dazu.

8.

Ärzte, Praxen und Kliniken

Erfahrungen und Empfehlungen zu Ärzten, Kliniken oder Kinderwunschzentren.

Subcode

Behandlung im Ausland

Diskussionen über Behandlung im Ausland; auch zu Methoden die in Deutschland nicht erlaubt sind.

9.

Sonstiges

Alles was nicht direkt mit dem Thema Kinderwunsch zu tun hat.

Subcode

Tauschbörse

Subcode

Medienberichte

Datenquelle: Projekt NeWiRe – Inhaltsanalyse wunschkinder.net

245

5.4 Online-Foren als Kanal des Peer-to-Peer-Wissenstransfers

5.4.3 Deskriptive Ergebnisse Insgesamt konnten im Verlauf der Analyse den 1.259 untersuchten Beiträgen 2.034 Codes zugeordnet werden (Tabelle 68 und Tabelle 69). Tabelle 68: Häufigkeiten der Codierungen: Strukturtypen Code

Subcodes

Anzahl

Summe Codes + Subcodes Anzahl (Anteil an allen Codierungen)

Anteil an allen Beiträgen (N = 1.259)

Erfahrungsaustausch

364

364 (17,9 %)

28,9 %

Verständnisfragen

291

291 (14,3 %)

23,1 %

7

200 (9,8 %)

15,9 %

200 (9,8 %)

15,9 %

83 (4,1 %)

6,6 %

57 (2,8 %)

4,5 %

Schilderung des Gefühlszustands Traurigkeit

44

Anderen Mut machen

14

Frustration

68

Freude

67

Allgemeines Statusupdate

105

„PIEP-Threads“

95

„Daumenfang“

25

Bitte um Beistand

58

Entscheidungsfindung

6 Behandlung fortsetzen

8

Behandlung starten

4

Entscheidung zw. Behandlungsalternativen

39

Datenquelle: Projekt NeWiRe – Inhaltsanalyse wunschkinder.net Tabelle 69: Häufigkeiten der Codierungen: thematischer Bezug Code

Subcodes

Anzahl

Summe Codes + Subcodes

Medikation

196

196 (9,6 %)

15,6 %

Tests und Testergebnisse

189

189 (9,3 %)

15,0 %

102

160 (7,9 %)

12,7 %

68 (3,3 %)

5,4 %

körperliche Symptome Zyklus Schwangerschaftstests

58 68

246

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Code

Subcodes

Ärzte, Praxen und Kliniken

Summe Codes + Subcodes

Anzahl 50

Behandlung im Ausland

65 (3,2 %)

5,2 %

15

Kosten, Finanzierung, Krankenkassen

55

55 (2,7 %)

4,4 %

Soziales Umfeld

5

38 (1,9 %)

3,0 %

Partnerschaft

8

Persönliches Umfeld

12

Vereinbarkeit von Behandlung und Beruf

13

Natürliche Familienplanung

12

12 (0,6 %)

1,0 %

Sonstiges

41

56 (2,8 %)

4,4 %

Gesamt

Tauschbörse

6

Medienberichte

9 2.034 (100 %)

Datenquelle: Projekt NeWiRe – Inhaltsanalyse wunschkinder.net

Der häufigste Strukturtyp war dabei der Erfahrungsaustausch mit 364 Codierungen (entspricht 28,9 Prozent aller untersuchten Beiträge, Abbildung 115). Auf Rang zwei folgen Verständnisfragen (291 Codierungen oder 23,1 Prozent), häufig im Anschluss an Arzttermine oder eigene (Internet-)Recherchen. Große Themen sind hier die Interpretation von Testergebnissen, nicht vollständig verstandene Aussagen von Ärzten sowie genauere Informationen zu bestimmten Krankheitsbildern oder körperlichen Symptomen. Schilderungen des eigenen Gefühlzustands sowie allgemeine Statusupdates kommen auf je 200 Codierungen (15,9 Prozent). Bitten um den (emotionalen) Beistand anderer Benutzer zeigten sich in 84 Instanzen (6,7 Prozent), um Hilfe bei Entscheidungsfindungen wurde 57-mal gebeten (4,5 Prozent).

5.4 Online-Foren als Kanal des Peer-to-Peer-Wissenstransfers

247

Abbildung 115: Strukturtypen nach Häufigkeit

Das häufigste spezifische Thema ist mit 196 Instanzen (15,6 Prozent) die Medikation im Zusammenhang mit der Kinderwunschbehandlung, dicht gefolgt von Tests und Testergebnissen (189 Codierungen oder 15,0 Prozent), wobei hier ausschließlich von medizinischem Fachpersonal in den Praxen bzw. Kliniken durchgeführte Tests gemeint sind (Abbildung 116). Ebenfalls häufiges Thema sind körperliche Symptome (160 Codierungen oder 12,7 Prozent).

Abbildung 116: Thematische Bezüge nach Häufigkeit

248

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

Schwangerschaftstests für den Heimgebrauch (im Gegensatz zu z. B. Bluttests in der Arztpraxis) wurden in 68 Beiträgen thematisiert (5,4 Prozent). Häufig ging es dabei um die Zuverlässigkeit der Testgeräte, die korrekte Verwendung oder Unterschiede zwischen verschiedenen Modellen. Die Finanzierung der Behandlung bzw. die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung kommt auf 55 Codierungen (4,4 Prozent), das soziale Umfeld auf 38 (3,0 Prozent). Methoden der natürlichen Familienplanung (in Abgrenzung zur reproduktionsmedizinischen Behandlung) wurden in zwölf Threads bzw. einem Prozent aller Beiträge diskutiert. Mit der Kontingenzanalyse soll festgestellt werden, ob bestimmte Textelemente gehäuft im gleichen Zusammenhang auftauchen oder miteinander verbunden sind. Dadurch können miteinander assoziierte Textelemente herausgefiltert werden (Mayring 2010, S. 16). Im Folgenden wird ein Blick auf die Kontingenz zwischen Strukturtypen und thematischen Bezügen geworfen (Tabelle 70). Als relevant wurde eine Kontingenz definiert, wenn sie in mindestens einem Prozent der 1.259 untersuchten Beiträge zu finden war. Tabelle 70: Kontingenz mit „Erfahrungsaustausch“ Kontingenz Erfahrungsaustausch nach Häufigkeit Medikation

72

körperliche Symptome

52

Ärzte, Praxen, Kliniken

40

Tests, Testergebnisse

29

Finanzierung, Krankenkassen

14

Datenquelle: Projekt NeWiRe – Inhaltsanalyse wunschkinder.net

Der bei weitem häufigste Strukturtyp „Erfahrungsaustausch“ ist besonders oft in Verbindung mit den Themen „Medikation“, „körperliche Symptome“ und „Ärzte, Praxen, Kliniken“ anzutreffen:29 Erfahrungsaustausch / Medikation „Da wir uns ja ein Kind wünschen, verschrieb mir meine Gynäkologin Chlormadinon. Dies nehme ich nun seit einem halben Jahr immer vom 15.–24. Zyklustag! Meine Hormonwerte (auch das Testosteron) sind jetzt gut – alles im Normal Bereich :-) Dies freut mich natürlich sehr, aber mit einer Schwangerschaft hat es leider noch nicht geklappt :-(Meine Zykluslänge schwankt zwischen 28 und 31 Tage. Hat jemand Erfahrungen mit Chlormadinon oder hat es schon mal jemandem geholfen bei einer Schwangerschaft??“ (forumthread_7329553)

Erfahrungsaustausch / körperliche Symptome „Ich habe erst Mi[ttwoch] Punktion und jetzt schon Schmerzen obwohl ich erst morgen Abend den Eisprung auslösen muss. Ausfluss (sorry) ist auch schon viel da .Hoffentlich springt nichts vorher … Ging es hier jemandem ähnlich?“ (forumthread_7651661)

29 Die Rechtschreibung der zitierten Forumseinträge wurde vorsichtig korrigiert, ohne den Sinngehalt der Einträge zu verändern. Dies soll der besseren Lesbarkeit dienen.

5.4 Online-Foren als Kanal des Peer-to-Peer-Wissenstransfers

249

Erfahrungsaustausch / Ärzte, Praxen, Kliniken „Ich wollte jetzt die Praxis wechseln, weil ich gehört habe, dass die Erfolgschancen in der neuen besser sein sollen. Was soll ich sagen: Ich klammere mich an jeden Strohhalm. Jetzt meine Fragen: Hat jemand schon mal die Klinik/Praxis gewechselt und sich seine Befunde von dort mitgeben lassen? Ich trau mich nicht so richtig. Andererseits denke ich, kann man es mir nicht verübeln die Praxis zu wechseln. Wie war das bei Euch? Worauf habe ich überhaupt Anspruch? Und zweitens: Kann jemand was zur Praxis Dr. Peter Sydow (Berlin) sagen? Bisher haben mir zwei Freundinnen diese Praxis ans Herz gelegt.“ (forumthread_7321834)

„Verständnisfragen“ zeigt besonders starke Kontingenz mit den Themen „Tests, Testergebnisse“, „Medikation“ sowie „körperliche Symptome“ (Tabelle 71). Tabelle 71: Kontingenz mit „Verständnisfragen“ Kontingenz Verständnisfragen nach Häufigkeit Tests, Testergebnisse

48

Medikation

44

körperliche Symptome

40

Datenquelle: Projekt NeWiRe – Inhaltsanalyse wunschkinder.net

Verständnisfrage / Tests, Testergebnisse „Könnt ihr mir bitte sagen wie schlecht (gut) das Spermiogramm meines Mannes ist?! Wir waren nun bei 2 Ärzten :(und beide sagen uns was anderes … Der eine sagt: kein Stress das Ergebnis ist ok … Und der andere sagt, es sei sehr sehr schlecht … Nun suche ich bei euch Hilfe :(wir versuchen es nun seit 2 1/2 Jahren … Und sind am Boden zerstört :-(danke euch ;) Konzentration: 9,05 Mill.spermatozin/ml. Gesamtzahlen: 38,9 Mill.spermatozin Karenzzeit: 3 Tage.// Volumen: 4,3 ml// Farbe: grau opaleszent //Konsistenz: normal // PH-wert: 7,9// […]“ (forumthread_7355740)

Verständnisfrage / Medikation „Ich fasse es nicht, nun freue ich mich so sehr, dass es bald endlich mit der Stimmu losgehen kann, und was ist??!!! Ich habe Angst ohne Ende vor dem Spritzen *ohnmacht* 2 Dicke Gonal F Pens liegen in meinem Kühlschrank und warten auf das GO der Kiwu … Ich habe echt panick … Tut es weh? Was wenn doch mal Luft gespritzt wird? Man kann doch so viel falsch machen …“ (forumthread_7597713)

Verständnisfrage / körperliche Symptome „Seit gestern habe ich einen leichten Blähbauch, der nun heute mehr geworden ist. Dazu ist mir leicht schlecht und ich es zwickt überall. Kann das eine Überstimu[lation] sein? Und wenn ja, wann sollte man besser mal zum Arzt gehen?“ (forumthread_7336426)

Der Strukturtyp „Gefühlszustand“ ist vor allem in Bezug zu „Tests, Testergebnisse“ vertreten (Tabelle 72).

250

5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung Tabelle 72: Kontingenz mit „Gefühlszustand“ Kontingenz Gefühlszustand nach Häufigkeit Tests, Testergebnisse

84

körperliche Symptome

15

Soziales Umfeld

14

Datenquelle: Projekt NeWiRe – Inhaltsanalyse wunschkinder.net

Gefühlszustand / Tests, Testergebnisse „Das gibt es doch gar nicht … das hätte ich ja nicht gedacht. Nach 4 ICSI und einem Kryo, ist der 2. Kryo-Versuch positiv! Wir freuen uns so sehr und können es noch gar nicht richtig glauben. Gerade bei diesem Versuch?! Im Kryo ist die Chance eh schon geringer als im Frischversuch und dann waren es „nur“ B-Kandidaten. Sch … auf die Statistik!!! HcG liegt bei 663!! (ES+16)“ (forumthread_7316640) „Ich habe gerade die Nachricht bekommen, dass der SST negativ ist. Ich bin so traurig. Wie soll es bloß weitergehen? Das ist meine 5. IVF, ich bin 40 und ich weiß nicht, was ich machen soll. Nochmal probieren? Eine EZS versuchen? Ach Mensch, ich hatte so gehofft … “ (forum thread_7354026)

„Statusupdate“ zeigt keine auffällige Kontingenz zu bestimmten Themen, ebenso „Bitte um Beistand“ und „Entscheidungsfindung“. Neben diesen Verbindungen zwischen Strukturtypen und thematischen Bezügen findet sich in den Code-Relationen auch eine gehäufte Assoziation zweier thematischer Bezüge, nämlich die Verbindung „Medikation/körperliche Symptome“ mit 28 Instanzen: Medikation / körperliche Symptome „Seit ich L-Thyrox nehme sind meine Muskeln irgendwie ganz steif und ich fühle mich total unbeweglich. Ist das normal oder werde ich einfach alt??“ (forumthread_7652168) „Seit Tag der PU [Punktion] die am 02.12.13 war, nehme ich CRIONE ein. Anfangs war es ein durchsichtiger flüssiger AUSFLUSS der auch manchmal nur weiß war. Seit ca. 3 TG ist er gelblicher geworden, es kommen aber nicht immer Krümmelchen mit raus. Nun bin ein wenig unentspannt da wir uns ja um die Einnistungszeit bewegen. Ich habe Angst, das das gelbliche vllt eine Entzündung (habe sonst keine Probleme) ist und die Einnistung verhindert. Bin schon den ganzen Tag ein wenig daun deswegen. Danke im Voraus“ (forumthread_7744830)

5.4.4 Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen: – Personen in reproduktionsmedizinischer Behandlung haben großen Bedarf an informationeller wie emotionaler Unterstützung. – Das Online-Forum deckt Bedarf nach Austausch mit anderen Betroffenen unter Wahrung der Anonymität.

5.4 Online-Foren als Kanal des Peer-to-Peer-Wissenstransfers

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– Es besteht keine Konkurrenz zur fachlichen Beratung und Therapie, sondern sinnvolle Ergänzung (vgl. Zillien 2013). – Fachliche Administration und Moderation ist notwendig, um Stärken zu forcieren und problematische Aspekte einzudämmen. – Eigenbetrieb durch Kinderwunschzentren o. Ä. ist empfehlenswert. – Die detaillierte Analyse gibt Hinweise auf mögliche Schwächen in der Behandlung und Verbesserungspotenziale. Die Studie ermöglicht Aussagen über Inhalte des untersuchten Forums, die jedoch nicht für die Gesamtheit aller Online-Foren verallgemeinerbar sind. Bei Inhaltsanalysen von Online-Foren ist außerdem zu beachten, dass der Untersuchungsgegenstand einer Reihe möglicher Verzerrungs-Faktoren unterliegt. So verbergen Ersteller von Threads möglicherweise ihre eigentliche Intention oder platzieren verdeckte Werbebotschaften (Albert et al. 2014). Darüber hinaus ist klar, dass die Analyse der erstellten Beiträge aktiver „Poster“ keine Aussagen über nur mitlesende sogenannte „Lurker“ zulassen (Liao, Chou 2012). Die aktiven Poster des Forums auf wunschkinder.de zeigen einen großen Bedarf an informationeller wie emotionaler Unterstützung. Online-Foren können diesen unter Wahrung der Anonymität zumindest teilweise decken. Als zentrale Anliegen der Nutzer können anhand der Ergebnisse identifiziert werden: der Austausch von Erfahrungen mit anderen Betroffenen, das Klären von Verständnisfragen, sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten sowie sich über die Gefühlswelt im Verlauf der Behandlung auszutauschen. Themen von herausragender Bedeutung sind dabei der Umgang mit Medikamenten und deren Wirkungsweisen, Tests und Testergebnisse im Behandlungsverlauf und körperliche Symptome. Dies verdeutlicht die hohe Bedeutung, die der Peer-to-Peer-Beratung sowohl bei medizinischen wie auch psychosozialen Fragen beigemessen wird. Religion und Religiosität spielt interessanterweise kaum eine Rolle, im Gegensatz zu ähnlichen Foren in den USA (Albert 2008). Auch wird kaum Bezug genommen auf ethische, juristische oder politische Debatten rund um die Fragen der Reproduktionsmedizin, höchstens indirekt durch Fragen im Zusammenhang mit der Finanzierung durch Krankenkassen. 5.4.5 Diskussion Vorrangige Funktionen des Forums scheinen für die User die Vernetzung („Ich bin nicht allein“), Empowerment (Reduktion der Abhängigkeit von Empfehlungen und Aussagen der Ärzte) sowie schnelle, unkomplizierte Hilfe (immer verfügbar, terminunabhängig) zu sein. Anhand der Auswertung kann nicht festgestellt werden, inwieweit vor allem die schnelle und leichte Verfügbarkeit oder ein starkes Vertrauen in das Wissen anderer Betroffener ausschlaggebend ist. Aus den Inhalten des Diskussionsforums lässt sich jedenfalls eine „Expertisierung von Laien“ (Zillien 2013) ablesen. Ansatzpunkte für diese These finden sich auch in der repräsentativen Telefonbefragung. Bei Fragen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Reproduk-

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5 Perspektive von Frauen in reproduktionsmedizinischer Behandlung

tionsmedizin wurde deutlich seltener eine Beratung durch Ärzte in Anspruch genommen als dass Informationen in sozialen Medien genutzt wurden (Kapitel 3.3.4). Das Online-Forum stellt sich in vielerlei Hinsicht als moderne Variante der Selbsthilfegruppe dar. Dabei tritt es nicht in Konkurrenz zur fachlichen Beratung und Therapie, sondern bietet eine sinnvolle Ergänzung. Die persönliche Interaktion ist zwar auf den schriftsprachlichen Austausch beschränkt, das Online-Forum bietet jedoch gegenüber klassischen Selbsthilfegruppen örtliche wie zeitliche Unabhängigkeit, eine größere Sammlung von Wissen und Erfahrung durch die höhere Teilnehmerzahl sowie die fortwährende Verfügbarkeit auch älterer Beiträge. Die Anonymität ist gerade bei einem Thema wie ungewollter Kinderlosigkeit bzw. Unfruchtbarkeit ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Der Bedarf an informationeller wie emotionaler Unterstützung wird teilweise durch das Angebot von Online-Foren gedeckt, wobei sich auf informationeller Ebene die Frage nach der Validität der Informationen stellt. Darüber hinaus bieten die Ergebnisse, gerade die hohe Zahl der Verständnisfragen, Hinweise auf mögliche Schwächen in der Behandlung und Verbesserungspotenziale. So bleiben bei vielen Betroffenen nach Behandlungsterminen noch Fragen offen oder Erläuterungen der Ärzte werden nicht verstanden, besonders im Zusammenhang mit durchgeführten Tests und deren Ergebnisse, mit der Medikation und mit im Laufe der Behandlung auftretenden körperlichen Symptomen. Soziale Medien stellen eine wichtige Möglichkeit der Diskussion mit anderen Betroffenen dar. Eine damit verbundene Gefahr besteht darin, dass die Peer-to-PeerBeratung so glaubwürdig und für das eigene Handeln bedeutungsvoll erscheint, dass fachliche Ratschläge aus Expertensicht weniger angenommen werden. Für die verantwortungsvolle Informationsvermittlung durch fachlich qualifizierte Personen sind daher moderierte Foren vorzuziehen; sie können dann eine sinnvolle Ergänzung sein. Fachliche Administration und Moderation ist geboten, um die Stärken des Kommunikationskanals zu forcieren und problematische Aspekte einzudämmen. Ein Eigenbetrieb von Foren durch ein Kinderwunschzentrum oder einen Facharzt, wie im analysierten Beispiel, oder eine einschlägige Beratungsstelle oder durch einen Zusammenschluss mehrerer Einrichtungen ist empfehlenswert, um die fachliche Administration sicherzustellen. Den neuen sozialen Medien kommt eine große Bedeutung zu, weil sie vielfach und zunehmend genutzt werden. Sollen Informationen zu der Zielgruppe gelangen, empfiehlt es sich daher, auf diese Medien zu setzen. Dies gilt insbesondere bei kurzfristigen Informationen, z. B. Termine oder aktuelle Informationen. Allerdings kann bisher nicht davon ausgegangen werden, dass Massenmedien wie Fernsehen oder Printmedien an Bedeutung verlieren, wenn es um den Wissenstransfer von Informationen über Gesundheitsthemen geht (siehe Kapitel 3.3.4).

6 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN Der Bericht fasst Ergebnisse des Forschungsprojekts „Der Einfluss sozialer Netzwerke auf den Wissenstransfer am Beispiel der Reproduktionsmedizin (NeWiRe)“ zusammen. Das Projekt mit medizinsoziologischer Ausrichtung mit Schnittstellen zur empirischen Familien-, Gesundheits- und Mediennutzungsforschung beinhaltet unterschiedliche methodische Ansätze. In mehreren Teilstudien wurden die drei Zielgruppen Frauen in der Allgemeinbevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund, Experten aus der Reproduktionsmedizin sowie Frauen und Paare in Behandlung untersucht. Dabei standen Fragen des Wissens, der Informationswege und der Rolle des Internets beim Wissenstransfer, aber auch der Akzeptanz von assistierter Reproduktion und der Inanspruchnahme von Beratungs- und Behandlungsangeboten im Zentrum. Einen Schwerpunkt stellen mögliche Barrieren beim Informations- und Behandlungszugang dar. Der „digital divide“ bzw. die digitale Spaltung spielt auch hier eine große Rolle. Hintergrund der Studie ist die zunehmende Bedeutung von ungewollter Kinderlosigkeit, insbesondere im Hinblick auf medizinische Faktoren. In der Leitlinie zu Fertilitätsstörungen, die in Abstimmung mit reproduktionsmedizinischen Fachvereinigungen erstellt wurde, wird zugrunde gelegt, dass 20 bis 30 Prozent aller Paare einmal unter verminderter Fruchtbarkeit leiden, 6 bis 9 Prozent aller Paare in Mitteleuropa ungewollt kinderlos sind und ca. 3 Prozent dauerhaft ungewollt kinderlos bleiben (Kentenich et al. 2014). Nach Selbsteinschätzung von Befragten im deutschen Beziehungs- und Familienpanel (pairfam) sind 8 Prozent der 35- bis 39-jährigen Frauen und Männer körperlich unfruchtbar (Trappe 2013). Ein wichtiger Aspekt des demografischen Wandels ist eine migrationsbedingte Bevölkerungsveränderung (Haug 2012). Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland steigt vor allem in den jüngeren Alterskohorten an. Ende 2014 lebten in Deutschland insgesamt 8,2 Millionen Frauen mit Migrationshintergrund. Nach wie vor wächst ihr Anteil an der gesamten weiblichen Bevölkerung. Die Fertilität von Frauen mit Migrationshintergrund ist im Vergleich zu Frauen ohne Migrationshintergrund höher. Durch ihren stetig wachsenden Anteil an der Bevölkerung gewinnen Frauen mit Migrationshintergrund als Zielgruppe der gesundheitlichen Versorgung zunehmend an Bedeutung. Das gilt insbesondere für die Reproduktionsmedizin, da Frauen mit Migrationshintergrund in den gebärfähigen Altersgruppen, bei weiter steigender Tendenz, bereits etwa ein Viertel der Bevölkerung stellen. Zum Wissensstand der Bevölkerung über die menschliche Fertilität wurden über die letzten zwanzig Jahre hinweg zahlreiche, vor allem internationale Studien vorgelegt. Sie machen deutliche Defizite und Wissenslücken sichtbar, insbesondere ein fehlendes Bewusstsein für die große Altersabhängigkeit der weiblichen Fruchtbarkeit sowie eine weit verbreitete Überschätzung der Erfolgsraten repro-

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6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

duktionsmedizinischer Maßnahmen. Als positiv mit dem Fertilitätswissen korrelierender Faktor kristallisiert sich in den Studien besonders die Höhe des formalen Bildungsgrades heraus. Das Meinungsbild zur Reproduktionsmedizin stellt sich in den Studien durchaus positiv dar, die Akzeptanz ist sowohl international als auch in Deutschland hoch. Da über die Thematik reproduktionsmedizinischer Behandlung bei Frauen oder Paaren mit Migrationshintergrund bislang auch im internationalen Raum kaum Befunde vorliegen, schließt der vorliegende Bericht eine Forschungslücke. Durch die Ergebnisse des Projekts NeWiRe werden die überprüften potenziellen Einflussfaktoren durch Fragen zum Migrationshintergrund sowie zur Religionszugehörigkeit um kulturelle, ethnische und Sozialisationsaspekte erweitert. 6.1 FORSCHUNGSMETHODEN Die Forschungsfragen des Projekts wurden in mehreren Teilstudien bearbeitet. Kernstück ist eine standardisierte bevölkerungsrepräsentative Telefonbefragung bei tausend Frauen mit Migrationshintergrund aus dem Sprachraum Polen, Türkei, Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und des ehemaligen Jugoslawien in Deutschland, die mit Hilfe eines Namensverfahrens aus dem Telefonbuch ausgewählt und einer Vergleichsgruppe von Frauen ohne Migrationshintergrund gegenübergestellt wurden. Die Perspektive von Experten wurde durch teilstandardisierte Interviews und eine Online-Befragung reproduktionsmedizinischer Fachzentren eruiert. Zudem wurden Frauen und Paare in Behandlung qualitativ und mittels eines teilstandardisierten Fragebogens befragt. Hinzu kam eine Inhaltsanalyse der Diskussionen zu reproduktionsmedizinischer Behandlung in einem Online-Forum. 6.2 KINDERWUNSCH, AKZEPTANZ UND NUTZUNG VON FORTPFLANZUNGSMEDIZIN Für den eigenen individuellen Lebensentwurf spielen eigene Kinder nach Angaben der Repräsentativbefragung von Frauen eine enorm wichtige Rolle. Während alle vier untersuchten Herkunftsgruppen mehrheitlich die Auffassung teilen, dass Kinder eine Voraussetzung für ein erfülltes Leben als Frau seien, sehen die Frauen ohne Migrationshintergrund dies seltener so. In allen untersuchten Herkunftsgruppen liegt die mittlere endgültig gewünschte Kinderzahl höher als die bisher realisierte. Gleichzeitig gibt es deutliche Defizite im Fertilitätswissen in allen untersuchten Herkunftsgruppen, und zwar besonders bei Frauen mit Migrationshintergrund. Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang das fehlende Bewusstsein für die Altersabhängigkeit der weiblichen Fruchtbarkeit sowie die Überschätzung der Erfolgsraten der reproduktiven Medizin. Möglicherweise wird so der eigene Kinderwunsch im überzogenen Vertrauen auf die eigene Fertilität und die Möglichkeiten der modernen Medizin aufgeschoben: Aus einer zunächst gewollten kann dann eine ungewollte Kinderlosigkeit werden.

6.2 Kinderwunsch, Akzeptanz und Nutzung von Fortpflanzungsmedizin

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Über die Reproduktionsmedizin haben die befragten Frauen mehrheitlich bereits etwas gehört, gesehen oder gelesen. Die Bekanntheit der Fortpflanzungsmedizin ist hoch, allerdings signifikant abhängig vom Bildungsniveau. Allgemein sind eine stark ausgeprägte Akzeptanz der Reproduktionsmedizin sowie eine hohe Bereit schaft zu deren Nutzung im Fall der eigenen ungewollten Kinderlosigkeit sowohl über die Herkunftsgruppen als auch über die Glaubensgemeinschaften hinweg festzustellen. Kulturelle bzw. religiöse Differenzen zeigen sich aber in der Akzeptanz einzelner Techniken. Die Nutzung von Techniken der assistierten Reproduktion (ART) bei ungewollter Kinderlosigkeit ist zur gesellschaftlichen Normalität geworden. Dass Paare diese anwenden, ist weitgehend akzeptiert und zwischen 86 und 94 Prozent der Befragten würden ART im Fall ungewollter Kinderlosigkeit selbst anwenden. Dieser Befund deckt sich mit Ergebnissen einer Befragung von Kinderlosen mit Migrationshintergrund (Smidt, Wippermann 2014) und der Allgemeinbevölkerung aus dem Jahr 2003 (Stöbel-Richter et al. 2008, 2012), wobei die Akzeptanz in den letzten Jahren gestiegen ist und bei Frauen mit Migrationshintergrund noch deutlich seltener als bei Frauen ohne Migrationshintergrund Vorbehalte bestehen. Die Bedeutung religiöser Vorschriften für die persönliche Familienplanung variiert je nach Herkunftsregion und Religionszugehörigkeit, wobei für Frauen aus der Türkei bzw. muslimische Frauen religiösen Vorschriften eine signifikant höhere Bedeutung zukommt. Die christlichen Kirchen und hierbei vor allem die katholische Kirche lehnen die Reproduktionsmedizin zwar ab, jedoch spielen bei den christlichen Frauen religiöse Vorgaben für die Familienplanung keine große Rolle. Die restriktive Haltung der katholischen Kirche schlägt sich bei katholischen Frauen nicht in einer grundsätzlichen Ablehnung von Techniken der assistierten Reproduktion nieder. Muslimische Frauen nehmen religiöse Vorgaben zwar ernster, dafür zeigt sich der Islam deutlich offener gegenüber (heterologen) reproduktionsmedizinischen Methoden. Türkischstämmige Frauen stimmen somit signifikant häufiger zu, dass ART von betroffenen Paaren genutzt werden sollten. Allgemein zeigen Frauen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren sind, eine signifikant höhere Akzeptanz von ART. Besonders stark ist die Zustimmung bei Frauen, die die Ansicht vertreten, dass eine Frau Kinder braucht, um ein erfülltes Leben zu haben. Auch zeigt sich ein negativer Bildungseffekt, d. h. besonders Frauen mit niedrigem Schulbildungsniveau sind der Meinung, dass Reproduktionsmedizin von kinderlosen Paaren genutzt werden sollte. Dahingegen hängt die Antwort auf die Frage, ob im Fall von eigener Betroffenheit die Reproduktionsmedizin genutzt würde, nicht vom Bildungsgrad ab. Die Analysen ergaben bei Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Polen und aus der Türkei im Vergleich zu Frauen ohne Migrationshintergrund eine erhöhte Bereitschaft Reproduktionsmedizin zu nutzen, wobei dieser Befund für Frauen aus der Türkei auch unter Kontrolle anderer Erklärungsfaktoren stabil ist. Die Nutzungsbereitschaft hängt auch mit der Bedeutung eigener Kinder im Lebensentwurf zusammen. Frauen, die sich bei ihrer Familienplanung nicht an religiöse Vorschriften halten, würden signifikant häufiger medizinische Verfahren nutzen, um ein eige-

256

6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

nes Kind zu bekommen. Die Nutzungsbereitschaft hängt mit der Bekanntheit der Reproduktionsmedizin zusammen und bei höherem subjektivem Wissensstand ist auch die Behandlungsbereitschaft höher. Wer der Aussage zustimmt, dass betroffene Paare Reproduktionsmedizin nutzen sollten, würde diese selbst auch signifikant häufiger nutzen. Eine verstärkte Nutzungsbereitschaft ist somit vor allem bei Frauen zu finden, die von reproduktionsmedizinischen Verfahren etwas gehört haben und mehr darüber wissen, die in Bezug auf die Familie traditionell eingestellt sind und die meinen, dass betroffene Paare ART nutzen sollten. Bei der konkreten Abfrage, welche Techniken die Befragten selbst nutzen würden, ergibt sich eine deutliche Ablehnung heterologer Verfahren. In der NeWiRe-Studie hat sich gezeigt, dass ein relativ hoher Anteil der Befragten (sechs bis neun Prozent) bereits eine reproduktionsmedizinische Behandlung in Anspruch genommen hat. Die ermittelten Behandlungsquoten sind im Vergleich zu früheren Studien (z. B. Trappe 2013, Smidt, Wippermann 2014) sogar höher. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass mit einer steigenden Prävalenz gerechnet werden muss – auch und vor allem bei Migrantinnen. 6.3 WISSEN, WISSENSTRANSFER UND INFORMATIONSKANÄLE Das eigene Wissen über Reproduktionsmedizin schätzen Migrantinnen vergleichsweise niedrig ein. Trotz hoher Akzeptanz und hoher Behandlungsquoten bei Migrantinnen ist das Wissen über Fertilität und Reproduktionsmedizin relativ niedrig (Informationsbarriere). So wird das Alter, in dem die Fruchtbarkeit nachlässt, noch häufiger als in der Allgemeinbevölkerung unterschätzt und auch die Reproduktionsmedizin ist weniger bekannt. Mit höherem Wissen geht eine höhere Akzeptanz assistierter Reproduktion, eine höhere Behandlungsbereitschaft und höhere Behandlungsquote einher. Multiplikatoren sind für den Wissenstransfer bedeutsam, denn die Befunde zeigen, dass der Informations- und Wissensgrad steigt, wenn viele Kontaktpersonen etwas über Reproduktionsmedizin wissen (Netzwerkeffekt). Ein Bildungseffekt ließ sich nur teilweise nachweisen. Der Befund einer kanadischen Studie, dass mit einem niedrigen Bildungsgrad das Wissen niedriger ist, wurde bestätigt (Daniluk, Koert, Cheung 2007). Mit dem Bildungsgrad steigt die Bekanntheit von Verfahren assistierter Reproduktion, das Wissen über Fruchtbarkeitsthemen (Fertilitätswissen) sowie die Größe des persönlichen Netzwerks, mit dem die Frauen über Kinderwunsch, Schwangerschaft und Reproduktionsmedizin sprechen können. Bildung steht jedoch nicht im Zusammenhang mit dem selbst eingeschätzten Wissen, der Nutzungsbereitschaft oder Nutzung der Reproduktionsmedizin. Informationen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft, Familienplanung und Reproduktionsmedizin erhalten die Frauen primär durch Massenmedien (maßgeblich Fernsehen/Zeitungen/Zeitschriften). Das Internet wird hingegen nur halb so häufig wie das Fernsehen als Quelle genannt, wobei auch häufiger auf das Internet allgemein als speziell auf soziale Medien im Internet zugegriffen wird. Frauen mit Migrationshintergrund nutzen soziale Medien signifikant häufiger zur Information

6.3 Wissen, Wissenstransfer und Informationskanäle

257

(etwa ein Viertel der Frauen aus der Türkei und der Ex-Sowjetunion, etwa ein Drittel der Frauen aus Polen und Ex-Jugoslawien) als Frauen ohne Migrationshintergrund (etwa ein Fünftel). Auch wenn in der Befragung von Frauen in der Allgemeinbevölkerung die Nutzung sozialer Medien als Informationsquelle gegenüber Massenmedien zurücksteht, haben diese inzwischen doch eine bedeutende Rolle als Informationsmedium für betroffene Frauen bzw. Paare in Behandlung. Befragte Expertinnen und Experten (Kapitel 4.1) sehen das Internet als Hauptinformationsquelle ihrer Klientinnen und Klienten, hierbei besonders Kinderwunschforen oder Webseiten von Kliniken. Als zweite Kategorie nennen sie fachliche Anlaufstellen aus dem Gesundheitswesen und der Beratungslandschaft und als dritte Kategorie persönliche soziale Beziehungsnetzwerke. Dieses Ergebnis wird von befragten Patientinnen und Patienten (Kapitel 5.1 und Kapitel 5.3) bestätigt, wobei vor dem Internet (Medizinische Wissensportale, Ärzteportale, Soziale Medien, Diskussionsforen) Einrichtungen des Gesundheitswesens (Ärzte, Kliniken, andere Fachkräfte) als erste Ansprechpartner genannt werden. Medizinische Fachdienste und das Internet ergänzen sich somit bei Beratung und Wissenstransfer. Die durchgeführte Inhaltsanalyse eines Online-Diskussionsforums (Kapitel 5.4) ergab, dass der Erfahrungsaustausch rund um ungewollte Kinderlosigkeit und Kinderwunschbehandlungen der vorrangige Grund ist, warum sich Nutzerinnen und Nutzer an andere Betroffene wenden. Besonders oft geht es dabei um Erfahrungen mit Medikamenten, körperlichen Symptomen oder Ärzten. Ebenfalls wichtig sind Verständnisfragen, häufig im Anschluss an Arzttermine oder zur Medikation, und Schilderungen des eigenen Gefühlszustands, der im Behandlungsverlauf oft von Frustration, Traurigkeit, aber auch immer wieder von Freude über abgeschlossene Behandlungsschritte oder positive Resultate geprägt ist. Online-Foren können unter Wahrung der (weitgehenden) Anonymität den großen Bedarf an informationeller wie emotionaler Unterstützung teilweise decken. Soziale Medien stellen eine wichtige Möglichkeit der Diskussion mit anderen Betroffenen dar. Diese Peer-to-PeerBeratung erhält somit eine hohe Glaubwürdigkeit und Bedeutung im Sinne eines Empowerments von Patientinnen und Patienten. In der Konsequenz lässt sich eine „Expertisierung von Laien“ (Zillien 2013) feststellen. Das medizinische Personal muss sich darauf einstellen, dass Patienten teilweise über hohe Expertise verfügen und Befunde auch mit anderen Experten diskutieren. Eine mit der zunehmenden Peer-to-Peer-Beratung in Online-Netzwerken verbundene Gefahr besteht darin, dass fachliche Ratschläge aus Expertensicht weniger angenommen werden. Für die verantwortungsvolle Informationsvermittlung durch fachlich qualifizierte Personen sind daher moderierte Foren vorzuziehen; sie können dann eine wichtige und sinnvolle Ergänzung sein. Die Telefonbefragung zeigte, dass im medizinischen Kontext am häufigsten Informationsmaterialien bei Ärzten (z. B. ausliegende Zeitschriften, Flyer) gelesen werden, etwas seltener in Apotheken oder bei Krankenkassen. Eine konkrete Beratung zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzungsmedizin haben nur sehr wenige der Befragten bereits in Anspruch genommen, bevorzugt bei Ärzten. Das psychosoziale Beratungsangebot wird nach wie vor nur selten wahr- und an-

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6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

genommen, obwohl bei der Befragung von Paaren in reproduktionsmedizinischer Behandlung der Bedarf deutlich wurde. Hierbei mangelt es auch an Kenntnissen über vorhandene kostenlose Beratungsangebote. 6.4 KONSEQUENZEN FÜR BERATUNG UND KULTURSENSIBLE MEDIZIN Es ist eine wichtige Aufgabe der Institutionen der modernen Reproduktionsmedizin und des Gesundheitssystems im Allgemeinen, mit ihren Beratungs- und Informationsangeboten möglichst die gesamte Bevölkerung zu erreichen. Dazu gehört angesichts der demografischen Entwicklung die kultursensible Ansprache von Personen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Als Zielgruppe für beratende wie therapeutische Angebote rund um die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft und Reproduktionsmedizin werden Frauen bzw. Paare mit Migrationshintergrund zunehmend wichtiger und dies nicht nur aufgrund ihres steigenden Bevölkerungsanteils, sondern auch aufgrund ihres zum Teil stärker ausgeprägten Kinderwunsches; tendenziell wird eine höhere Kinderzahl angestrebt als in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Die Möglichkeit der Information und Beratung ist bei Migrantinnen relativ begrenzt. Viele präferieren die Kommunikation in ihrer Muttersprache, in der das Bera tungsangebot weitaus geringer ist. Es zeigt sich, dass die Bereitschaft zur persönlichen Information in allen befragten Gruppen relativ hoch ist. Auch andere Studien zeigen diese Relevanz. Besonders aus der Türkei stammende Frauen informieren sich seltener auf Deutsch und bevorzugen nicht Deutsch für die Kommunikation mit Ärzten. Gerade deshalb ist ein kultursensibler Umgang mit dieser Zielgruppe im medizinischen Alltag erforderlich. Die Ergebnisse verdeutlichen eine generell hohe Akzeptanz der Reproduktionsmedizin, vor allem bei Frauen mit Migrationshintergrund. Es deutet sich jedoch auch ein erhöhter sozialer Druck in einzelnen Herkunftsgruppen an, einem stark mit der Mutterrolle verknüpften Frauenbild zu entsprechen. Wenn dann der Nachwuchs ausbleibt, kann dies psychische und soziale Probleme wie Ausgrenzung, Stigmatisierung und Schamgefühle mit sich bringen (Weblus et al. 2014, S. 115 f., Çil 2008). Für diese Frauen sind im Falle eines unerfüllten Kinderwunsches sowohl beratende als auch therapeutische Angebote der Reproduktionsmedizin sowie ein zielgruppenorientiertes psychosoziales Beratungsangebot von besonderem Interesse. Gerade bei türkischen oder polnischen Frauen scheint es von besonderem Interesse, religiöse Aspekte rund um Fortpflanzung und Medizin sowohl in der Beratung als auch in der Therapie im Blick zu haben und entsprechendes Wissen aufzubauen. Das bestehende Beratungsangebot (Kleinschmidt et al. 2008, Wischmann, Thorn 2014) ist bisher in dieser Form noch nicht auf die neue Zielgruppe eingerichtet. Die Online-Befragung bei den im Deutschen In-vitro-Fertilisations-Register (D. I. R.) als Mitglieder gelisteten Zentren (Kapitel 4.2) ergab, dass sich der Anteil und die herkunftsbezogene Zusammensetzung in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund auch bei den Patienten dieser Zentren widerspiegeln. Dem Internet

6.4 Konsequenzen für Beratung und kultursensible Medizin

259

wird für die Öffentlichkeitsarbeit eine hohe Bedeutung zugewiesen. Mehrsprachige Informationsmaterialien haben inzwischen eine große Verbreitung gefunden, knapp 83 Prozent der Befragten bejahen dies für ihre Einrichtungen. Zusätzlich sind häufig Mitarbeiter mit Migrationshintergrund vorhanden, die unter Umständen andere Sprachkenntnisse und Sichtweisen einbringen können. Auf der anderen Seite sind weitere Aspekte migrationssensibler Ausrichtung (mehrsprachige Internetauftritte und Fachwörterbücher, entsprechende Fortbildungen für Mitarbeiter, Integrationsbeauftragte oder weitere spezielle Angebote) selten implementiert. Insofern zeigt sich, dass das Bewusstsein für diese Zielgruppe vorhanden ist und teilweise mehrsprachige Kommunikation stattfindet. Spezielle Fortbildungen für Mitarbeiter sind jedoch (noch) selten. Als Begründung für mögliche Zugangsbarrieren werden vor allem das Sprachniveau, ein geringerer Wissensstand über die Reproduktionsmedizin bei den betreffenden Frauen sowie das geringere Einkommensniveau angegeben. Die Inanspruchnahme von Leistungen der Reproduktionsmedizin ist bei Migrantinnen ausgeprägt, das Wissen und die Möglichkeiten der Informationseinholung jedoch relativ begrenzt. Beim Wissenstransfer zu diesen Themen deuten die Ergebnisse noch Verbesserungsbedarf an. Hier kann sowohl an der Art der Wissensvermittlung (unter Berücksichtigung von Bildungsniveau und Deutschkenntnissen) als auch bei der Auswahl der verwendeten Informationskanäle angesetzt werden. Ein Ansatz könnte die verstärkte Ausbildung im Bereich professioneller Sprachmittlung und Gesundheitsmediation sein (Wolter, Stark 2009) wie beispielsweise die Angebote des Bayerischen Zentrums für Transkulturelle Medizin e. V. Für die Behandlungsberatung ist darüber hinaus eine zertifizierte Dolmetscher-Dienstleistung erforderlich, sofern Paare nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügen. Eine Basis wäre auch die vermehrte Übersetzung allgemein verständlicher Informationsmaterialien zu Familienplanung oder Reproduktionsmedizin in Herkunftssprachen. In diesem Sinne wären auch weitere Schritte die bestehende Beratungslandschaft entsprechend zu sensibilisieren, zu informieren und über Behandlungsmöglichkeiten zu schulen (Haug et al. 2017a). Der Aufbau lokaler Netzwerke aus psychosozialen Beratungsstellen und reproduktionsmedizinischen Einrichtungen ist hierbei hilfreich (Wischmann, Thorn 2014). Beispiele gibt es in unterschiedlichen Städten, wie zum Beispiel das „Netzwerk Kinderwunsch Regensburg“ oder das „Netzwerk Kinderwunsch Amberg“.

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30: Abbildung 31: Abbildung 32: Abbildung 33: Abbildung 34: Abbildung 35:

Bevölkerung in Deutschland nach Alter und Migrationshintergrund (2015) ............................................................................................ Zielgruppen, Teilstudien und Methoden des Projekts NeWiRe ....................... Geborene Kinder nach reproduktionsmedizinischer Behandlung (2001–2014) ................................................................................. Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund nach Alter (2014) .................. Frauenanteil in Deutschland nach Migrationshintergrund (2014) ................... Migrationshintergrund bei weiblicher Bevölkerung nach Alter (2014) ........... Migrationshintergrund bei weiblicher Bevölkerung nach Bundesland (2014) ........................................................................................... 15 bis 45-jährige Frauen mit Migrationshintergrund nach Aufenthaltsdauer (2014) ................................................................................... 15 bis 45-jährige Frauen mit Migrationshintergrund nach Bezugsregion (2014) ........................................................................................ 15 bis 45-jährige Frauen in Deutschland nach Migrationshintergrund (2014) ............................................................................................ 15 bis 45-jährige Frauen. Ausländeranteil nach Bezugsregionen (2014) ......... Frauen mit Migrationshintergrund: Ehemann ohne Migrationshintergrund (2014) ............................................................................................ 15 bis 45-jährige Frauen mit Migrationshintergrund nach Schulabschluss (2014) ...................................................................................... 15 bis 45-jährige Frauen mit Migrationshintergrund nach Berufsabschluss (2014) .................................................................................... 15 bis 45-jährige erwerbstätige Frauen mit Migrationshintergrund (2014) ..... Armutsgefährdungsquoten von Frauen nach Altersgruppen (2014) ................ Armutsgefährdungsquoten nach ausländischen Bezugsregionen (2014) ......... Entwicklung religiöser Zugehörigkeiten in Deutschland (1950 bis 2010) ...... Muslime in Deutschland nach Herkunftsregion (2008) ................................... Muslime in Deutschland nach Glaubensrichtung (2008) ................................. Syntax zur Abfrage des Migrationshintergrunds .............................................. Altersdurchschnitt der befragten Frauen .......................................................... Verteilung nach Altersgruppen ......................................................................... Geburtsland ...................................................................................................... Höchster allgemeiner Schulabschluss .............................................................. Verständnis deutscher Texte in Zeitungen oder Zeitschriften .......................... Verständnis deutscher Texte in Zeitungen oder Zeitschriften (Mittelwert) ...... Familienstand ................................................................................................... Beziehungsstatus .............................................................................................. „Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben.“ ....................... „Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben.“ (Mittelwert) ...................................................................................................... „Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben.“ ......................................... „Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben.“ (Mittelwert) .................... „Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften“ ......... „Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften.“ (Mittelwert) ......................................................................................................

13 18 22 32 33 34 35 35 36 37 38 38 39 40 41 42 42 60 61 62 84 91 92 93 94 96 96 97 98 99 99 100 101 102 102

274 Abbildung 36: Abbildung 37: Abbildung 38: Abbildung 39: Abbildung 40: Abbildung 41: Abbildung 42: Abbildung 43: Abbildung 44: Abbildung 45: Abbildung 46: Abbildung 47: Abbildung 48: Abbildung 49: Abbildung 50: Abbildung 51: Abbildung 52: Abbildung 53: Abbildung 54: Abbildung 55: Abbildung 56: Abbildung 57: Abbildung 58: Abbildung 59: Abbildung 60: Abbildung 61: Abbildung 62: Abbildung 63: Abbildung 64: Abbildung 65: Abbildung 66: Abbildung 67: Abbildung 68: Abbildung 69:

Abbildungsverzeichnis „ Ich achte sehr auf eine gesunde Ernährung.“ ................................................. „Ich achte sehr auf eine gesunde Ernährung.“ (Mittelwert) ............................. Leibliche Kinder vorhanden ............................................................................. Anzahl leiblicher Kinder (Mittelwert) .............................................................. Wunsch nach weiteren leiblichen Kindern ....................................................... Anzahl gewünschter weiterer leiblicher Kinder (Mittelwert) .......................... Endgültige gewünschte Kinderzahl (Mittelwert) ............................................. „Haben Sie schon einmal etwas über Fortpflanzungsmed. gehört, gesehen, gelesen?“ ........................................................................................... Einschätzung des eigenen Wissensstandes zur Fortpflanzungsmedizin ........... Selbsteinschätzung des Wissensstands über Fortpflanzungsmedizin (Mittelwert) ...................................................................................................... „Was denken Sie: Ab welchem Alter nimmt die Fruchtbarkeit der Frau langsam ab?“ .................................................................................................... Interesse an weiteren Informationen zur Fortpflanzungsmedizin .................... Interesse an weiteren Informationen zur Fortpflanzungsmedizin (Mittelwert) ...................................................................................................... „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“ ............. „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“ (Mittelwert) ...................................................................................................... „Waren Sie schon einmal in fortpflanzungsmedizinischer Behandlung?“ ....... „Würden Sie medizinische Verfahren nutzen, wenn sie einen Kinderwunsch hätten, aber auf „natürlichem“ Wege nicht schwanger werden könnten?“ ............................................................................................. Nutzung von Methoden: Behandlung mit Hormonen ...................................... Nutzung von Methoden: Insemination ............................................................. Nutzung von Methoden: Künstliche Befruchtung außerhalb des Körpers ...... Nutzung von Methoden: Samenspende eines anonymen Spenders ................. Nutzung von Methoden: Eizellspende ............................................................. Nutzung von Methoden: Leihmutterschaft ...................................................... Weitere Möglichkeiten: Ein Kind adoptieren ................................................... Weitere Möglichkeiten: Ein Kind in Pflege nehmen ........................................ Weitere Möglichkeiten: Mit Kinderlosigkeit abfinden ..................................... „Wie oft haben Sie in den letzten 12 Monaten Berichte im Fernsehen zu diesem Thema angesehen?“ ......................................................................... „Wie oft haben Sie in den letzten 12 Monaten Berichte im Radio zu diesem Thema angehört?“ ........................................................................... „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Artikel in gedruckten Zeitungen oder Zeitschriften zu diesen Themen gelesen?“ .............................. „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Bücher zu diesen Themen gelesen?“ ............................................................................ „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten soziale Medien im Internet, wie z. B. Facebook, Twitter, Blogs oder Foren bezüglich dieser Themen genutzt?“ ............................................................................................ „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten sonstige Informationen im Internet zu diesen Themen gelesen?“ .......................................................... „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Werbung wie z. B. Anzeigen, Plakate oder TV-Spots zu diesen Themen wahrgenommen?“ ........ „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten persönliche Beratung durch Ärzte zu diesen Themen in Anspruch genommen?“ ..............................

103 104 105 105 106 107 107 108 109 109 110 111 111 112 113 114 115 116 116 117 118 118 119 120 120 121 122 123 123 124 125 125 126 127

Abbildungsverzeichnis Abbildung 70: „ Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Informationsmaterial bei Ärzten zu diesen Themen gelesen?“ ........................................................... Abbildung 71: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Beratung durch Krankenkassen zu diesen Themen genutzt?“ ................................................... Abbildung 72: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Informationsmaterial von Krankenkassen zu diesen Themen genutzt?“ ............................................ Abbildung 73: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten persönliche Beratung in der Apotheke zu diesen Themen genutzt?“ .................................................. Abbildung 74: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Informationsmaterial aus Apotheken zu diesen Themen gelesen?“ .................................................... Abbildung 75: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten öffentliche Informationsveranstaltungen wie z. B. Vorträge, Gesundheitstage oder Messen besucht?“ ............................................................................................. Abbildung 76: „Wie oft haben Sie sich in den letzten zwölf Monaten bei Beratungsstellen von Gesundheitsorganisationen wie bspw. dem Roten Kreuz oder pro familia zu diesen Themen informiert?“ ..................................................... Abbildung 77: „Wie oft haben Sie sich in den letzten zwölf Monaten bei staatlichen Organisationen wie bspw. der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder Gesundheitsämtern zu diesen Themen informiert?“ ............. Abbildung 78: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten Angebote von Bildungseinrichtungen (z. B. Schulen, Universitäten oder Volkshochschulen) zu diesen Themen in Anspruch genommen?“ .................................................. Abbildung 79: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten ihre Religionsgemeinschaft, z. B. die Pfarrei oder einen Moscheeverein deswegen um Rat gefragt?“ .............................................................................................. Abbildung 80: Sprache der genutzten Informationen .............................................................. Abbildung 81: Sprachpräferenz bei Ärzten .............................................................................. Abbildung 82: Häufigkeit des Austauschs mit dem Partner/der Partnerin über diese Themen ............................................................................................................. Abbildung 83: Häufigkeit des Austauschs mit Familienangehörigen über diese Themen ....... Abbildung 84: Häufigkeit des Austauschs mit Freunden über diese Themen .......................... Abbildung 85: Häufigkeit Austauschs mit Bekannten .............................................................. Abbildung 86: Anzahl an Kontaktpersonen (Mittelwert) ......................................................... Abbildung 87: Anzahl der über Fortpflanzungsmedizin informierten Kontaktpersonen (Mittelwert) ...................................................................................................... Abbildung 88: Modell der Determinanten von Wissen und Akzeptanz der Reproduktionsmedizin ..................................................................................... Abbildung 89: Gewünschte endgültige Kinderzahl nach Religionszugehörigkeit (Boxplot) .......................................................................................................... Abbildung 90: „Eine Frau braucht Kinder, um ein erfülltes Leben zu haben.“ (Boxplot) ....... Abbildung 91: „Für mich ist es wichtig, eigene Kinder zu haben.“ (Boxplot) ........................ Abbildung 92: „Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften“ nach Religionszugehörigkeit (Mittelwerte) ...................................................... Abbildung 93: „Bei meiner Familienplanung halte ich mich an religiöse Vorschriften“ (Boxplot) .......................................................................................................... Abbildung 94: „Schon einmal etwas von Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen“ nach Religionszugehörigkeit ............................................................. Abbildung 95: „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“ nach Religionszugehörigkeit (Boxplot) ........................................................... Abbildung 96: „Würde als Betroffene selbst medizinische Verfahren nutzen“ nach Religionszugehörigkeit ............................................................................ Abbildung 97: Verfahren, die die Experten anwenden bzw. an denen sie beteiligt sind ..........

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127 128 129 130 130 131 132 132 133 134 135 135 136 137 137 138 139 139 141 158 159 159 160 160 163 166 166 193

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 98: Bedeutung von Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit ................................. Abbildung 99: Bedeutung der genannten Kooperationspartner in der Öffentlichkeitsarbeit ... Abbildung 100: Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund unter den Patienten ............. Abbildung 101: Häufigkeit der Herkunftsländer bei Patienten mit Migrationshintergrund ....... Abbildung 102: Spezielle Materialien/Konzepte für Menschen mit Migrationshintergrund ..... Abbildung 103: „Wem vertrauen Sie am meisten über dieses Thema an?“ ............................... Abbildung 104: „Wer kann Sie am besten in dieser Situation verstehen?“ ................................ Abbildung 105: „In welchem Lebensbereich ist der Druck wie stark?“ .................................... Abbildung 106: Wissen um das Angebot einer kostenlosen Beratung nach Informiertheit ....... Abbildung 107: Wissen um das Angebot einer kostenlosen Beratung nach Behandlungsdauer ............................................................................................ Abbildung 108: Inanspruchnahme einer Beratung nach Wunsch nach Ansprechpartner .......... Abbildung 109: „Warum haben Sie das Angebot der Beratung nicht genutzt?“ ........................ Abbildung 110: „Welche Themen führen Sie in die Beratungsstelle?“ ..................................... Abbildung 111: „Wo verspüren Sie am meisten Druck im Alltag?“ .......................................... Abbildung 112: „An welchen Beratungsangeboten würden Sie teilnehmen?“ .......................... Abbildung 113: www.wunschkinder.net: Forenliste (Stand 28.04.2016) .................................. Abbildung 114: Ablauf der Pretest-Phase .................................................................................. Abbildung 115: Strukturtypen nach Häufigkeit ......................................................................... Abbildung 116: Thematische Bezüge nach Häufigkeit ..............................................................

194 194 195 196 197 225 226 227 228 228 229 230 231 232 233 240 242 247 247

TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: A biturientinnen und Frauen ohne Schulabschluss nach vier Bezugsregionen (2014) .......................................................................................... Tabelle 2: Zustimmung zu reproduktionsmedizinischen Verfahren bei Religionsgemeinschaften ....................................................................................................... Tabelle 3: Auswahlrahmen für türkeistämmige Befragte ....................................................... Tabelle 4: Auswahlrahmen für Befragte aus der ehemaligen Sowjetunion ............................ Tabelle 5: Auswahlrahmen für Befragte polnischer Herkunft ................................................ Tabelle 6: Auswahlrahmen für Befragte aus dem ehemaligen Jugoslawien ........................... Tabelle 7: Auswahlrahmen für Deutsche ohne Migrationshintergrund .................................. Tabelle 8: Stichprobenumfang ................................................................................................ Tabelle 9: Umfang der Bruttoeinsatzstichproben .................................................................... Tabelle 10: Final Outcome nach AAPOR, differenziert nach Teilstichproben ......................... Tabelle 11: Neue Variable Beziehungsstatus ............................................................................ Tabelle 12: Neue Variable Gewünschte endgültige Kinderzahl ................................................ Tabelle 13: Neue Variable Migrationshintergrund .................................................................... Tabelle 14: Neue Variable Bezugsregion .................................................................................. Tabelle 15: Onomastische Stichproben nach Bezugsregionen .................................................. Tabelle 16: Befragte Frauen nach Bezugsregion und Bundesland ............................................ Tabelle 17: Befragte Personen nach Bezugsregion und politischer Gemeindegrößenklasse .... Tabelle 18: Befragte Personen nach Bezugsregion und BIK-Regionsgrößenklasse ................. Tabelle 19: Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften ........................................................... Tabelle 20: Soziodemografische Merkmale .............................................................................. Tabelle 21: Bekanntheit, Wissen über Reproduktionsmedizin und Fertilität und Behandlung ............................................................................................................. Tabelle 22: „Schon einmal etwas von Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen“ (Logistische Regression) ......................................................................... Tabelle 23: „Wie hoch schätzen Sie selbst Ihren Wissensstand über die Fortpflanzungsmedizin ein?“ (Ordinale Regression) ............................................. Tabelle 24: Informationsquellen zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familienplanung ................................................................................................................... Tabelle 25: Sprache zur Information oder Beratung ................................................................. Tabelle 26: „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen“ (Ordinale Regression) ........ Tabelle 27: Bereitschaft zur Nutzung von Assistierter Reproduktion ....................................... Tabelle 28: „Würde als Betroffene medizinische Verfahren nutzen, um doch noch ein eigenes Kind zu bekommen“ (Logistische Regression) ......................................... Tabelle 29: „Schon einmal in fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung gewesen“ .................. Tabelle 30: „Schon einmal in fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung gewesen“ nach Alter ............................................................................................................... Tabelle 31: „Schon einmal in fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung gewesen“ nach Bildung .......................................................................................................... Tabelle 32: „Schon einmal in fruchtbarkeitsmedizinischer Behandlung gewesen“ (Logistische Regression) ........................................................................................ Tabelle 33: Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften ........................................................... Tabelle 34: Aktuelle und gewünschte Zahl leiblicher Kinder nach Religionszugehörigkeit ..........................................................................................................

40 63 74 75 75 76 76 77 79 80 82 83 85 85 86 87 89 90 94 142 143 144 145 146 148 149 150 151 153 153 153 154 156 157

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 35: W ichtigkeit von Kindern: Soziale Norm und persönlich (Mittelwerte) ................. Tabelle 36: Gewünschte endgültige Kinderzahl (Ordinale Regression) ................................... Tabelle 37: Informiertheit „Haben Sie schon einmal etwas von Fortpflanzungsmedizin gehört, gesehen oder gelesen?“ (Logistische Regression) ..................................... Tabelle 38: „Ungewollt kinderlose Paare sollten alle Techniken der Fortpflanzungsmedizin nutzen, um leibliche Kinder zu bekommen.“ nach Religionszugehörigkeit .......................................................................................................... Tabelle 39: „Würden Sie grundsätzlich medizinische Verfahren nutzen, um doch noch ein eigenes Kind bekommen zu können?“ (Logistische Regression) .................... Tabelle 40: „Ja, ich würde diese Verfahren nutzen.“ nach Religionszugehörigkeit .................. Tabelle 41: Zusammenfassung der Einstellungsfragen zu Kindern und Familie ...................... Tabelle 42: Wissen über Reproduktionsmedizin und Einstellung ............................................ Tabelle 43: Akzeptanz einzelner Behandlungsformen .............................................................. Tabelle 44: Informationswege zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familienplanung: Medien .................................................................................................................... Tabelle 45: Informationswege zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familienplanung: Beratung ................................................................................................................. Tabelle 46: Gespräche zu Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familienplanung ................. Tabelle 47: Häufigkeit der nachgefragten und angewandten Verfahren ................................... Tabelle 48: Allgemeine Informationsquellen von Patientinnen und Patienten ......................... Tabelle 49: Informationsquellen für Patientinnen und Patienten bei Experten ......................... Tabelle 50: Länder, aus denen Patientinnen mit Migrationshintergrund stammen ................... Tabelle 51: Angewandte reproduktionsmedizinische Behandlungen ....................................... Tabelle 52: Allgemeine Informationsquellen zu Behandlungsmethoden ................................. Tabelle 53: Informationsquellen für Patientinnen in Behandlungspraxis ................................. Tabelle 54: Altersverteilung nach Behandlung ......................................................................... Tabelle 55: Geburtsland nach Behandlung ............................................................................... Tabelle 56: Schulabschluss nach Behandlung ........................................................................... Tabelle 57: Bekanntheit von Reproduktionsmedizin nach Behandlung ................................... Tabelle 58: Subjektives Wissen über Reproduktionsmedizin nach Behandlung ...................... Tabelle 59: Eigene Kinder für erfülltes Leben nach Behandlung ............................................. Tabelle 60: Subjektive soziale Norm nach Behandlung ........................................................... Tabelle 61: Orientierung an religiösen Vorschriften bei Familienplanung nach Behandlung ............................................................................................................. Tabelle 62: Persönliche Wichtigkeit eigener Kinder nach Behandlung .................................... Tabelle 63: Konkreter Nutzungswunsch reproduktionsmedizinischer Verfahren nach Behandlung ............................................................................................................. Tabelle 64: Kinderwunschzentrum: Kinderwunschdauer, Behandlungsdauer und Differenz ................................................................................................................. Tabelle 65: Beratungsstelle: Kinderwunschdauer, Beratungsdauer und Differenz ................... Tabelle 66: Strukturtypen im Codesystem der Inhaltsanalyse .................................................. Tabelle 67: Themenbezug im Codesystem der Inhaltsanalyse ................................................. Tabelle 68: Häufigkeiten der Codierungen: Strukturtypen ....................................................... Tabelle 69: Häufigkeiten der Codierungen: thematischer Bezug .............................................. Tabelle 70: Kontingenz mit „Erfahrungsaustausch“ ................................................................. Tabelle 71: Kontingenz mit „Verständnisfragen“ ..................................................................... Tabelle 72: Kontingenz mit „Gefühlszustand“ .........................................................................

158 162 163 165 167 168 169 171 173 174 175 176 182 183 184 186 201 202 203 208 209 210 211 211 212 213 214 214 215 224 225 243 244 245 245 248 249 250

DIE AUTORINNEN UND AUTOREN Prof. Dr. Sonja Haug, Ko-Leiterin des Instituts für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Regensburg, Professorin für Empirische Sozialforschung. Prof. Dr. Karsten Weber, Ko-Leiter des Instituts für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung der OTH Regensburg, Honorarprofessor für Kultur und Technik BTU Cottbus-Senftenberg. Matthias Vernim, M.A., Abteilungsleiter im Amt für Integration und Migration der Stadt Regensburg. Edda Currle, Dipl.-pol., Projektmanagerin, virtuelle Hochschule Bayern (vhb).

Thomas Müller (Hg.)

Zentrum und Peripherie in der Geschichte der Psychiatrie Regionale, nationale und internationale Perspektiven

kulturanamnesen – banD 9 Der herausgeber Thomas Müller, Arzt und (Medizin-) Historiker, forschte und lehrte von 1998–2006 an der Charité-Universitätsmedizin Berlin und 2006–2007 an der Universität Ulm. 2007 begründete er den von ihm geleiteten Forschungsbereich für Geschichte der Medizin am Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg der Universität Ulm. Habilitation im Fach Geschichte und Ethik der Medizin, Charité Berlin, 2014. Leiter des Württembergischen Psychiatriemuseums sowie des Verlags Psychiatrie und Geschichte.

2017 243 Seiten mit 1 s/w-Abbildung, 4 s/w-Fotos, 2 s/w-Grafiken und 1 Tabelle 978-3-515-10833-1 kart. 978-3-515-11854-5 e-book

Verschiedene Perspektiven der Psychiatriegeschichte zusammenzuführen – dieses Ziel haben sich die Autorinnen und Autoren dieses Bandes zur Aufgabe gemacht. In ihren Beiträgen thematisieren sie die regionale Ebene ebenso wie die nationale oder die globale, immer mit dem Blick auf die multipolaren Dynamiken zwischen Zentren und Peripherien. Hierzu gehören unter anderem die Beziehungen zwischen den Wissenszentren der Psychiatrie sowie transnationale Netzwerke der Akteure und deren wissenschaftliche Konzepte mit ihren medizinischen und therapeutischen Funktionen. Das Spannungsfeld zwischen globalen und lokalen psychiatrischen Praktiken findet in den einzelnen Beiträgen ebenso Beachtung wie ein Vergleich akademischer und nicht-akademischer Psychiatrie oder die Frage nach den Konsequenzen staatlicher oder privater Verantwortlichkeit für einschlägige Institutionen. Nicht zuletzt wird auch der Einfluss medizinischer Laien auf psychiatrische Lebenswelten untersucht. Die thematische Vielfalt der Beiträge findet ihre Entsprechung in den verschiedenen disziplinären Perspektiven, die dieser Band versammelt – von der Allgemeingeschichte, der Medizin- und Wissenschaftsgeschichte, der Empirischen Kulturwissenschaft, den Medienwissenschaften und der Museologie bis hin zur Kunstgeschichte, Architektur und Anthropologie. mit beiträgen von Julia Grauer, Uta Kanis-Seyfried, Livia Prüll, Sebastian Kessler, Heiner Fangerau, Monika Ankele, Stefan Wulf, Waltraud Ernst, Akira Hashimoto, Akihito Suzuki, Celia Di Pauli & Lisa Noggler & Eric Sidoroff, Thomas Müller

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Was wissen Frauen, insbesondere solche mit Migrationshintergrund, über die Angebote der Reproduktionsmedizin? Wie hoch ist die Bereitschaft, reproduktionsmedizinische Maßnahmen tatsächlich zu nutzen? Auf der Grundlage umfangreicher empirischer Studien können die Autorinnen und Autoren erstmals Antworten auf diese Fragen geben. Ihre Ergebnisse lassen Aussagen zu über Informationswege und die Rolle des Internets beim Wissenstransfer sowie über die Akzeptanz assistierter Reproduktion und die Inanspruchnahme von Beratungs- und Behandlungsangeboten.

Die Studie verknüpft auf der Grundlage einer einzigartigen Methodenvielfalt medizinsoziologische Fragestellungen mit solchen der empirischen Familien-, Gesundheits- und Mediennutzungsforschung. In Teilstudien wurden Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in einem Telefonsurvey befragt, aber auch ärztliches Personal sowie Expertinnen und Experten aus reproduktionsmedizinischen Zentren. Darüber hinaus wurde eine qualitative Analyse eines Internetforums durchgeführt und eine umfangreiche Literaturauswertung vorgenommen.

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag

ISBN 978-3-515-12012-8

9 7835 1 5 1 20 1 28