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German Pages 170 [171] Year 2013
Mit Beiträgen von Yvonne Bergerfurth, Michaela Bill-Mrziglod, Anne Conrad, Nicole Priesching, Andreas Rutz, Susanne Schulz.
ISBN 978-3-402-11091-1
KLK Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 73
ANNE CONRAD (HG.) welt-geistliche frauen in der frühen neuzeit
Der „welt-geistliche Stand“ als weibliche Lebensform „zwischen Kloster und Welt“ – jenseits des Klosters, aber auch außerhalb der konventionellen Einbindung in Ehe und Familie – hat eine lange, wenn auch nicht unumstrittene Tradition. Die Diakonissen im frühen Christentum sind ebenso wie die mittelalterlichen Beginen bekannte Beispiele für einen „mittleren Weg“, für den sich in der Forschung der Begriff „Semireligiosentum“ durchgesetzt hat. In der Frühen Neuzeit gewinnt diese Lebensweise eine neue Qualität. Herausforderungen durch die katholische Konfessionalisierung, Impulse der jesuitischen Spiritualität, Restriktionen im Anschluss an das Konzil von Trient und nicht zuletzt das wachsende Selbstbewusstsein (weiblicher) Laien angesichts der allgemeinen Klerikalisierung bilden die Voraussetzung für eine Entwicklung, deren Erforschung noch in den Anfängen steckt. Der vorliegende Band reflektiert den Forschungsstand, verweist auf offene Fragen und versucht so eine Annäherung an das Phänomen aus unterschiedlichen Perspektiven: Kirchenrechtliche Grundlagen, Spiritualität und soziale Praxis zwischen Bildungswesen und Seelsorge stehen dabei im Mittelpunkt. Hinzu kommen die Frage nach der Heterogenität der „welt-geistlichen“ Lebensformen und die Problematik ihrer Abgrenzung bzw. Verortung im weiteren Kontext des frühneuzeitlichen Katholizismus.
Anne Conrad (Hg.)
Welt-geistliche Frauen in der Frühen Neuzeit Studien zum weiblichen Semireligiosentum
WeLT-geistliche frauen in der frühen neuzeit STUDIEN ZUM WEIBLICHEN SEMIRELIGIOSENTUM Herausgegeben von Anne Conrad
Zu den Erträgen der Territorien-Reihe
WeLT-geistliche frauen in der frühen neuzeit Studien zum weiblichen Semireligiosentum
Mit Beiträgen von Yvonne Bergerfurth Michaela Bill-Mrziglod Anne Conrad Nicole Priesching Andreas Rutz Susanne Schulz
Herausgegeben von Anne Conrad
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Vorwort
Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung Vereinsschriften der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum Herausgegeben von Peter Walter
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Zur Abbildung auf dem Einband: Titelblatt von: Hermann Busenbaum, Lilien vnder den Doerneren / daß ist / Gott verlobter Jungfrawen vnnd Witwen Welt=geistlicher Standt, Köln 1660 (Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur: Asc. 871).
© 2013 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, Münster 2013 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞ ISSN 0170–7302 ISBN 978–3–403–11091–1
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Inhalt
Ein „mittlerer Weg“. Welt-geistliche Frauen im konfessionalisierten Katholizismus von Anne Conrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Der Diskurs über den welt-geistlichen Stand. Überlegungen zur rechtlichen Lage semireligioser Gemeinschaften von Susanne Schulz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Spiritualität im Semireligiosentum. Frömmigkeitsformen, literarische Zeugnisse und Lektürepraxis von Michaela Bill-Mrziglod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Devotessen in Katechese, Elementarunterricht und Sozialfürsorge in Nordwesteuropa. Forschungsstand und Perspektiven von Andreas Rutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 „Sodalitäten“ und „Gesellschaften“. Jesuitisches Semireligiosentum in Köln von Yvonne Bergerfurth. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Gehören Beginen zum „Semireligiosentum“? Laienfrömmigkeit und Ordensideale von Nicole Priesching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Mitwirkende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
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Ein „mittlerer Weg“. Welt-geistliche Frauen im konfessionalisierten Katholizismus von Anne Conrad „Ob der standt der in der Welt verlobten Jungfrawen vnd Wittiben geistlich vnd ein standt der vollkommenheit sey?“1 – fragte der Jesuit Hermann Busenbaum im Jahr 1660. Er brachte damit auf den Punkt, was das gleichermaßen Attraktive wie Provozierende einer Lebensform ausmachte, die in allen Epochen der Kirchengeschichte nachweisbar ist, von der sich insbesondere Frauen angesprochen fühlten und die durch katholische Reform und Konfessionalisierung eine neue Bedeutung gewonnen hatte.2 Gemeint war mit „dem Stand der in der Welt verlobten Jungfrauen und Witwen“ eine „welt-geistliche“ Lebensform, die im zeitgenössischen Sprachgebrauch auch als „gemischte Lebensweise“ („vita mixta“), „mittlerer Weg“ („via media“) oder (geistlicher) „Mittelstand“ bezeichnet wurde und für die sich in der Forschung der Begriff „Semireligiosentum“ etabliert hat.3 Das Phänomen selbst ist zwar recht heterogen, weist aber doch einige, allen Varianten gemeinsame Grundzüge auf. Unverkennbar ist zudem, dass die „gemischten“ Lebensformen gerade im frühneuzeitlichen Katholizismus eine Hochkonjunktur erlebten. Im Kontext der katholischen Konfessionalisierung und befördert durch die Popularisierung jesuitischer Spiritualität entstanden seit dem 16. Jahrhundert spezifische Formen von „Welt-Geistlichkeit“, die in ihrer Zeit innovativ waren und in der Konkurrenz der Konfessionen einen 1
Lilien under den Doerneren / daß ißt / Gott verlobter Jungfrawen unnd Wittwen Welt=geistlicher Standt. Mit gruendtlichem bericht und Schutzschrifft erklaert durch R. P. Hermannvm Bvsenbavm der Gesellschaft Jesu Priestern vnd S. Theol. Licent., Köln 1660, S. 228; online als pdf-Datei verfügbar unter: http://books. google.com/books?id=Ir87AAAAcAAJ&printsec=frontcover&dq=lilien+busen baum&hl=de#v=onepage&q=&f=false (hier: pdf, S. 357). Vgl. dazu: Susanne Schulz, Seelsorge in der Tradition Freidrich Spees. Hermann Busenbaums „Lilien under den Dörneren“, in: Spee-Jahrbuch 17/18 (2010/11), S. 139–160, sowie Matthäus Bernards, Kölns Beitrag zum Streit um die religiöse Frauenfrage im 17. Jahrhundert, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 177 (1975), S. 76–91. 2 Zum weiteren Hintergrund vgl. Anne Conrad, Aufbruch der Laien – Aufbruch der Frauen. Überlegungen zu einer Geschlechtergeschichte der Reformation und katholischen Reform, in: dies. (Hg.), „In Christo ist weder man noch weyb“. Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform, Münster 1999 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung, 59), S. 7–22. 3 Zur Begrifflichkeit vgl. auch Anne Conrad, Netzwerke „frommer Seelen“. Frühneuzeitlicher Katholizismus im Blick europäischer Genderforschung, in: Wolfgang Behringer (Hg.), Krise und Aufbruch in der Geschichte Europas, Trier 2013, S. 97–107, hier: S. 99f.
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„modernen“ Katholizismus repräsentierten. Im Folgenden soll die Eigenart des frühneuzeitlichen Semireligiosentums kurz charakterisiert und der Blick auf einige noch offene Fragen gerichtet werden.
Semireligiosentum – Ein „Zwischen“-Stand „Semireligiosentum“ als Forschungsbegriff spielt an auf den „Zwischenstatus“ zwischen etablierten, klar konturierten Lebensformen. Als „Religiose“ wurden Mönche, Nonnen, Ordensleute bezeichnet, die mit ihrer Lebensweise und ihrer Spiritualität einen eigenen „Stand“ („status religiosus“) konstituierten und damit den Welt-Leuten, den „laici“ gegenüberstanden. „Semireligiose“ meint, an dieses Verständnis anschließend, all jene, die dem Stand der „Religiosen“, aber auch dem Stand der Laien nur „halb“ („semi“) angehörten, all jene also, für die einerseits eine eindeutige Zuordnung zum Ordensstand sachlich und rechtlich nicht möglich war, die aber andererseits ihrem „weltlichen“ Leben eine ebenso eindeutige „geistliche“ Orientierung gaben und – wie es die Zeitgenossen formulierten – „in der Welt nit weltlich leben“4 wollten. Ihre Lebensweise glich einerseits jener von Geistlichen und Ordensleuten, weil sie wie diese ehelos lebten und an bestimmte Vorschriften (gemeinsames Leben bzw. regelmäßige Treffen, Verpflichtung auf eine bestimmte geistliche Praxis) gebunden waren. Andererseits waren sie jedoch nicht formell auf die drei Evangelischen Räte (Keuschheit, Armut, Gehorsam) der Ordensleute verpflichtet und gehörten auch keinem der anerkannten Orden an. Kirchenrechtlich waren sie daher eher den „Laien“ als dem geistlichen Stand zuzuordnen. In diesem Sinn wurde der Begriff „Semireligiosentum“ zunächst für entsprechende Lebensformen im Mittelalter verwendet und z.B. auf Beginen
4 Zit. nach Anne Conrad, Die Kölner Ursulagesellschaft und ihr „weltgeistlicher Stand“. Eine weibliche Lebensform im Katholizismus der Frühen Neuzeit, in: Wolfgang Reinhard/Heinz Schilling (Hg.), Die katholische Konfessionalisierung, Münster1995, S. 271–295, hier: S. 280. Vgl. zur Kölner Ursulagesellschaft vor allem Anne Conrad, Zwischen Kloster und Welt. Ursulinen und Jesuitinnen in der katholischen Reformbewegung des 16./17. Jahrhunderts, Mainz 1991, S. 102–169, sowie Andreas Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln. Mitgliederentwicklung, Sozialprofil und Mobilität der Ursulagesellschaft 1606–1791, in: ders./Tobias Wulf (Hg.), O felix Agrippinia nobilis Romanorum Colonia. Neue Studien zur Kölner Geschichte – Festschrift für Manfred Groten zum 60. Geburtstag, Köln 2009, S. 149–181.
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und Begarden5 oder Terziaren und Terziarinnen6 bezogen. In der deutschen Forschung setzte sich der Begriff vor allem seit Kaspar Elms Untersuchungen zum Spätmittelalter durch.7 Elm stellte heraus, dass es sich zwar um eine „regulierte Lebensweise“ („vita regularis“) – ähnlich jener der traditionellen Ordensgemeinschaften – handelte, allerdings „ohne eine Regel“ („sine regula“) im traditionellen Sinn. Das heißt, jene, die sich auf dieses Leben einließen, mussten sich zwar an Ordnungen und Vorschriften halten und lebten insofern „reguliert“, waren aber nicht an eine der üblichen Ordensregeln gebunden. Neuere Forschungen zu den mittelalterlichen Beginen kritisieren den Begriff „semireligios“ als abwertend und stellen demgegenüber heraus, dass die Frauen selbst sich durchaus als „mulieres religiosae“ verstanden (und nicht als „semi“ oder defizitär) und als solche auch von führenden Klerikern unterstützt wurden.8 Festzuhalten ist demgegenüber aber auch, dass ihre Lebensweise aufgrund der unklaren rechtlichen Gegebenheiten in den Augen der Zeitgenossen fragwürdig und erklärungsbedürftig blieb. Selbst wenn Beginen und andere Semireligiose gesellschaftlich anerkannt und wegen ihrer Verdienste geschätzt wurden, war ihr Status rechtlichtheologisch keine Selbstverständlichkeit, sondern musste begründet und legitimiert werden. Die kirchenrechtlichen und praktisch-theologischen Schwierigkeiten, die mit einer solchen Lebensform verbunden waren, wurden – je nach Zeitgeist und Problembewusstsein – in den verschiedenen Epochen der Kirchengeschichte unterschiedlich intensiv diskutiert. Die Beispiele reichen von den asketisch-diakonischen Lebensformen in der Alten Kirche,9 über die mittel5 Der Begriff „semireligios“ taucht bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Beginenbewegung auf. Edward Maslin Hulme schrieb im Hinblick auf die Verhältnisse in den Niederlanden: „It was there that the semireligious bodies of the Beghards and the Beguines arose, associations of men and women who desired to lead a religious and communal life without being irrevocably removed from the world by the vows of monasticism.“ (Edward Maslin Hulme, The Renaissance, the Protestant Revolution and the Catholic Reformation in Continental Europe, New York 1915, S. 169). 6 Zu Terziarinnen in der Frühen Neuzeit vgl. Monika Frohnapfel, Terziarinnen in Zamora und die Durchsetzung der Klausur nach dem Konzil von Trient, in: SpeeJahrbuch 17/18 (2010/2011), S. 161–182; Ute Ströbele, Zwischen Kloster und Welt. Die Aufhebung südwestdeutscher Frauenklöster unter Kaiser Joseph II., Köln 2005. 7 Vgl. Kaspar Elm, Die Stellung der Frau in Ordenswesen, Semireligiosentum und Häresie zur Zeit der heilige Elisabeth, in: Sankt Elisabeth. Fürstin, Dienerin, Heilige, hg. v. d. Philipps-Universität Marburg, Sigmaringen 1981, 7–28; ders., Vita regularis sine regula. Bedeutung, Rechtsstellung und Selbstverständnis des mittelalterlichen & frühneuzeitlichen Semireligiosentums, in: František Šmahel (Hg.), Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter, München 1998, S. 239–273. 8 Vgl. z. B. Jörg Voigt, Beginen im Spätmittelalter. Frauenfrömmigkeit in Thüringen und im Reich, Köln, Weimar, Wien 2012, S. 1f.; 436f. 9 Vgl. z.B. die instruktiven, Männer und Frauen gleichermaßen in den Blick
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alterlichen Reformbewegungen10 bis hin zur Gründung geistlich-karitativer „Gesellschaften“ im frühen 16. Jahrhundert.11 Auch die Kongregationen und Säkularinstitute des 19. Jahrhunderts gehören in diese Tradition, unterscheiden sich von früheren Formen jedoch grundlegend dadurch, dass mit ihnen nun neue kirchenrechtliche Voraussetzungen geschaffen wurden.12 Im Vergleich zur kaum noch überschaubaren Forschung zu entsprechenden mittelalterlichen Bewegungen hat das frühneuzeitliche Semireligiosentum bislang weit weniger Beachtung gefunden. In den vergangenen Jahrzehnten sind jedoch einige Fallstudien entstanden, die Verbreitung und Selbstverständnis einzelner Gemeinschaften weiter erhellen. Untersuchungen liegen vor zum Rheinland und insbesondere zu Köln,13 zu
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nehmenden Beiträge von Pia Luislampe, Makrina die Jüngere (ca. 327–380). Gründergestalt des frühen Mönchtums in Kleinasien, in: Adelheid M. von Hauff (Hg.), Frauen gestalten Diakonie, Bd. 1: Von der biblischen Zeit bis zum Pietismus, Stuttgart 2007, S. 169–178, und Livia Neureiter, Diakoninnen im Umfeld des Johannes Chrysostomus, ebd., S. 179–191. Martina Wehrli-Johns, Vita mixta und vita media im spätmittelalterlichen Diskurs. Neue Forschungen zum sogenannten Semireligiosentum, in: Spee-Jahrbuch 17/18 (2010/11), S. 101–120; Anne Bollmann, Zwischen Kloster und Welt. Die „Schwestern vom gemeinsamen Leben“ am Rande der Neuzeit, ebd., S. 121–138; dies., Frauenleben und Frauenliteratur in der Devotio moderna. Volkssprachige Schwesternbücher in literarhistorischer Perspektive, Groningen 2004; ebenfalls zur Devotio moderna vgl.: Monika Costard, Spätmittelalterliche Frauenfrömmigkeit am Niederrhein. Geschichte, Spiritualität und Handschriften der Schwesternhäuser in Geldern und Sonsbeck, Tübingen 2011 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 62). Beispiele dafür sind die „Compagnia di Divino Amore“ und die „Compagnia della Pace“ in Brescia, die als karitativ-geistliche Gemeinschaften den Hintergrund für Entstehung und frühe Entwicklung der Ursulinen bilden. Vgl. dazu Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 20f., 43–45; dies., Angela Merici (1470/75–1540). Karitas als „geistliche Barmherzigkeit“, in: Adelheid M. von Hauff (Hg.), Frauen gestalten Diakonie, Bd. 1: Von der biblischen Zeit bis zum Pietismus, Stuttgart 2007, S.285–293. Zur Prägung Angela Mericis durch die vortridentinische Spiritualität vgl. auch Querciolo Mazzonis, Spirituality, Gender, and the Self in Renaissance Italy. Angela Merici and the Company of St. Ursula (1474–1540), Washington, D.C. 2007, S. 137–177. Relinde Meiwes, „Arbeiterinnen des Herrn“. Katholische Frauenkongregationen im 19. Jahrhundert, Frankfurt/Main 2000. Andreas Rutz, Bildung – Konfession – Geschlecht. Religiöse Frauengemeinschaften und die katholische Mädchenbildung im Rheinland (16.–18. Jahrhundert), Mainz 2006; Conrad, Die Kölner Ursulagesellschaft und ihr „weltgeistlicher Stand“; dies., Die weiblichen „Devoten“ als Instrumente der Konfessionalisierung in Frankreich und Deutschland, in: Heinz Schilling/Marie-Antoinette Gross (Hg.), Im Spannungsfeld von Staat und Kirche. „Minderheiten“ und „Erziehung“ im deutschfranzösischen Gesellschaftsvergleich. 16.–18. Jahrhundert, Berlin 2003 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 31), S. 191–214;
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Frankreich,14 Italien15, den Niederlanden16 und Spanien17. Herausgestellt wurde dabei vor allem die Bedeutung der Semireligiosen für Schulwesen und Mädchenbildung.18 Andere Aspekte wie ihre Rolle als Mäzenatinnen19 oder auch die Vernetzung der Gemeinschaften und der komplizierte kirchen14 Philippe Annaert, Entre Jésuitesses et Ursulines. Les jésuites et les religieuses enseignantes à l’aube du XVIIe siècle, in: Vie Consacrée 62 (1990), S. 259–265; Elisabeth Rapley, The Dévotes. Women and Church in Seventeenth Century France, Montreal u. a. 1990; dies., A Social History of the Cloister. Daily Life in the Teaching Monasteries of the Old Regime, Montreal 2001; Barbara B. Diefendorf, From Penitence to Charity. Pious Women and the Catholic Reformation in Paris, Oxford, 2004. 15 Gabriella Zarri: Le sante vive. Per una tipologia della santità femminile nel primo Cinquecento, in: Annali dell’Istituto italo-germanico in Trento 6 (1980), S. 371–445; Joyce Pennings: Semi-Religious Women in 15th Century Rome, in: Medelingen van het Nederlands Institute te Rome 47 (1987), S. 115–145. 16 Elisja Schulte van Kessel, Geest en vlees in godsdienst en wetenschap. Vijf opstellen over gesagsconflicten in de 17de eeuw, Den Haag 1980; dies., Jungfrauen und Mütter zwischen Himmel und Erde. Frauen im frühmodernen Christentum, in: Arlette Farge/Natalie Zemon Davis (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 3: Frühe Neuzeit, Frankfurt a. M. 1994, S. 150–188; Maurice de Vroede, Kwezels en Zusters. De geestelijke dochters in de Zuidelijke Nederlanden, 17de en 18de eeuw, Brüssel 1994; ders., Religieuses et béguines enseignantes dans le Pays-Bas méridionaux et la principauté de Liège aux XVIIe-XVIIIe siècles, Löwen 1996; Marit Monteiro: Geestelijke maagden. Leven tussen klooster en wereld in Noord-Nederland gedurende de zeventiende eeuw, Hilversum 1996. 17 Zu Spanien ist eine Untersuchung in Vorbereitung von Michaela Bill-Mrziglod. Erste Studien dazu: Michaela Bill-Mrziglod, „¿Cómo vives, sin quien vivir no puedes?“ / „Wie lebst du, ohne den du nicht leben kannst?“. Die mystische Poesie Luisa de Carvajal y Mendozas (Spanisch-Deutsch), Hamburg 2010; dies., Luisa de Carvajal y Mendoza (1566–1614). Individueller Bildungsgang und pädagogischer Anspruch, in: Juliane Jacobi/Jean-Luc Le Cam/Hans-Ulrich Musolff (Hg.), Vormoderne Bildungsgänge. Selbst- und Fremdbeschreibungen in der Frühen Neuzeit, Köln 2010, S. 263–278. 18 Die Forschungen dazu gehen zurück auf Josef Kuckhoff, Das Mädchenschulwesen in den Ländern am Rhein im 17. und 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts (= N. F. der Mitteilungen der Gesellschaft für Erziehungs- und Schulgeschichte) 22 (1932), S. 1–35. Jetzt vor allem: Rutz, Bildung – Konfession – Geschlecht; ders., Semireligiosentum und elementare Mädchenbildung. Zur Unterrichtstätigkeit von Devotessen im frühneuzeitlichen Köln, in: Alwin Hanschmidt/Hans-Ulrich Musolff (Hg.), Elementarbildung und Berufsausbildung 1450–1750, Köln 2005, S. 247–264. Vgl. dazu auch den Beitrag von Andreas Rutz in diesem Band. 19 Andreas Rutz, Weibliches Bildungsmäzenatentum in der Frühen Neuzeit. Devotessen als Stifterinnen und Förderinnen des katholischen Schulwesens im Rheinland, in: Jonas Fölter/Christian Ritzi (Hg.), Bildungsmäzenatentum. Privates Handeln – Bürgersinn – Kulturelle Kompetenz seit der Frühen Neuzeit, Köln 2007, S. 85–10; Anne Conrad, Stifterinnen und Lehrerinnen. Der Anteil von Frauen am jesuitischen Bildungswesen, in: Rainer Berndt (Hg.), Petrus Canisius SJ (1521–1597). Humanist und Europäer, Berlin 2000, S. 205–224.
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rechtliche Diskurs werden erst allmählich in den Blick gerückt.20 Ebenfalls erst ansatzweise untersucht ist die intensiv präsente, zugleich aber auch sehr ambivalente Bindung an die Jesuiten.21
Das Modell der Jesuiten Zu den unmittelbaren geistes- und theologiegeschichtlichen Wurzeln des frühneuzeitlichen Semireligiosentums gehören die spätmittelalterliche Devotio Moderna22, die Evangelismus-Bewegung in Italien23 und im Zusammenhang damit auch die bereits von dem 5. Laterankonzil (1512–1517) ausgehenden katechetischen Impulse, die dann im Gefolge des Konzils von Trient systematisch umgesetzt wurden.24 Spätestens seit dem 17. Jahrhundert bildeten sich dabei Charakteristika heraus, die das Semireligiosentum 20 Lediglich im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um den „jesuitischen“ Ordenstyp Mary Wards und das Verbot von „Jesuitinnen“ gerieten solche Aspekte in den Blick. So bei Joseph Grisar, Das Urteil des Lessius, Suarez und anderer über den neuen Ordenstyp der Mary Ward, in: Gregorianum 38 (1957), S. 658–712, und Robert Lemoine, Le droit des religieux du Concile de Trente aux Instituts séculiers, Paris 1956; Paul Wesemann, Die Anfänge des Amts der Generaloberin. Dargestellt an der verfassungsrechtlichen Entwicklung des Instituts der Englischen Fräulein bis zur Konstitution Papst Benedikts XIV „Quamvis iusto“ vom 30.4.1749, München 1954. Vgl. dazu auch den Beitrag von Susanne Schulz in diesem Band. 21 Zum komplizierten Verhältnis des Ignatius von Loyola zu „jesuitisch“ orientierten Frauen vgl. Hugo Rahner, Ignatius von Loyola. Briefwechsel mit Frauen, Freiburg i. Br. 1956. 22 Vgl. dazu die Dokumentation zweier Tagungen (2009/10): Dick H. de Boer/ Iris Kwiatkowski (Hg.), Die Devotio Moderna: Sozialer und kultureller Transfer (1350–1580), Bd. 1: Frömmigkeit, Unterricht und Moral. Einheit und Vielfalt der Devotio Moderna an den Schnittstellen von Kirche und Gesellschaft, vor allem in der deutsch-niederländischen Grenzregion, Münster 2013; Iris Kwiatkowski/ Jörg Engelbrecht (Hg.), Die Devotio Moderna. Sozialer und kultureller Transfer (1350–1580), Bd. 2: Die räumliche und geistige Ausstrahlung der Devotio Moderna – Zur Dynamik ihres Gedankenguts, Münster 2013. 23 Eva-Maria Jung, On the Nature of Evangelism in 16th-Century Italy, in: Journal of the History of Ideas 14 (1953), S. 511–527; Jung beschreibt die evangelistische Bewegung in Italien als Übergangsphänomen der 1530er Jahre, in dem sich jene katholische Reforminitiativen sammelten, die dann in die Gründung von Gemeinschaften wie Theatiner, Kapuziner, Jesuiten mündeten. Daran anschließend auch: Klaus Ganzer, Aspekte der katholischen Reformbewegungen im 16. Jahrhundert, Stuttgart 1991 (Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse / Akademie der Wissenschaften und der Literatur; 13), bes. S. 12–16 („Evangelismo“ und „Spirituali“ – gemeinsame Anliegen). 24 Anne Conrad, Der Katholizismus, in: Kaspar von Greyerz/Anne Conrad (Hg.), Handbuch der Religionsgeschichte im deutschen Sprachraum, Bd. 4: 1650–1750, Paderborn 2012, S. 17–142, hier S. 29–34. Zum Zusammenhang von Katechese und Elementarbildung vgl. Karen E. Carter, Creating Catholics. Catechism and Primary Education in Early Modern France, Notre Dame, Indiana 2011.
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für Frauen ebenso attraktiv wie problematisch machten. Zum einen ist im Vergleich zum Mittelalter, als vor allem Krankenpflege und Armenfürsorge zu den Tätigkeiten der Semireligiosen gehörten, eine Interessen- und Bedeutungsverschiebung zu erkennen: Seelsorge, Glaubensverkündigung und Katechese rückten als Aufgaben in den Vordergrund, woraus sich bei den weiblichen Semireligiosen ein Schwerpunkt im Bereich der Mädchenbildung entwickelte. Zum andern ist in theologisch-spiritueller Hinsicht eine eindeutige Präferenz festzustellen: Maßgeblich wurde für die frühneuzeitlichen Semireligiosen die Orientierung am Modell der Jesuiten. Die Gesellschaft Jesu, von Ignatius von Loyola 1535 gegründet,25 war 1540 vom Papst als Orden approbiert worden, obwohl sie sich in wesentlichen Punkte von den traditionellen Ordensgemeinschaften unterschied: Die Jesuiten lebten nicht in einem Kloster und waren weder durch die „Stabilitas Loci“, also die dauerhafte Zugehörigkeit zu einem Ordenshaus, noch durch gemeinsames Chorgebet oder eine bestimmte Ordenskleidung miteinander verbunden. Sie trugen den üblichen Talar der Priester, zeichneten sich durch eine hohe Mobilität und Flexibilität aus und widmeten sich der Glaubensverkündigung. Dabei stützten sie sich auf alle Methoden und Medien, die ihnen aktuell zur Verfügung standen.26 Dazu gehörte auch die Gründung von Bruderschaften und Kongregationen für alle Stände und Gruppierungen der Bevölkerung.27 Diese Laiengruppen, die sich unter der Leitung eines Jesuiten regelmäßig zu gemeinsamer Lektüre, zu Gottesdiensten oder andere geistlichen Aktivitäten trafen, sollten als Multiplikatoren der katholischen Konfession in die Gesellschaft hineinwirken. Aus diesen strategisch wohl überlegten Maßnahmen erwuchs eine breite, an der jesuitischen Spiritualität orientierte Frömmigkeitsbewegung, in der Bü25 Zu Ignatius von Loyola und der Geschichte des Ordens vgl. Helmut Feld, Ignatius von Loyola. Gründer des Jesuitenordens, Köln, Weimar, Wien 2006; Michael Müller, Die Jesuiten (SJ), in: Friedhelm Jürgensmeier/Regina Schwerdtfeger (Hg.), Orden und Klöster im Zeitalter von Reformation und katholischer Reform. 1500–1700, 3 Bde., Münster 2005–2007 (KLK 65–67), hier: Bd. 2, S. 193–214. 26 Sie nutzten nicht nur ausgiebig und effektiv den Buchdruck, um religiöse Inhalte durch Literatur zu vermitteln, sondern auch durch Spiele, Wettbewerbe, Theater, Musik und Lieder sollte die Attraktivität der katholischen Kirche und die Frömmigkeit der Katholiken befördert werden Beispiele dafür sind das Schul- und Katechismustheater, Rätsel und Wortspiele mit theologischen Inhalten oder das Dichten neuer geistlicher Texte auf bekannte weltliche Melodien. – In den Schriften und im Umfeld Friedrich Spees finden sich dafür zahlreiche Beispiele. Vgl. dazu auch Conrad, Katholizismus, S. 27–46 („Medien der Glaubensvermittlung“). 27 Vgl. etwa Bernhard Schneider, Wandel und Beharrung. Bruderschaften und Frömmigkeit in Spätmittelalter und früher Neuzeit, in: Hansgeorg Molitor/ Heribert Smolinsky (Hg.), Volksfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Münster 1994, S. 65–87; Johan Patrick Donnelly/Michael W. Mahrer (Hg.), Confraternities and Catholic Reform in Italy, France and Spain, Kirksville 1999. Vgl. dazu auch den Beitrag von Yvonne Bergerfurth in diesem Band.
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cher wie Franois de Sales’ „Introduction à la vie dévote“ (1609) zum Bestseller avancierten.28 Eine andere Entwicklungslinie lässt sich bis zur Compagnia di Sant’Orsola in Brescia zurückverfolgen, aus der die Ursulinen hervorgingen.29 Auch bei ihnen handelte es sich ursprünglich um „welt-geistliche“ Frauen, die erst mit der Zeit zu einem „Orden“ wurden. In Frankreich, wo neben und mit Jesuiten und Ursulinen besonders auch Oratorianer und Karmelitinnen einflussreich waren, nannte man jene, die sich dieser Bewegung anschlossen, „les Dévots“.30 Während die französische Bezeichnung Männer und Frauen gleichermaßen umfasst, wurden die lateinische Variante „Devotae“ wie auch der eingedeutschte Begriff „Devoten“ vor allem auf Frauen angewandt; am Niederrhein hießen die semireligiosen Frauen auch „Devotessen“ oder – wegen ihrer Nähe zu den Jesuiten – „Jesuitessen“ und „Jesuitinnen“.31
„Lilien unter den Dornen“ – Selbstverständnis und Aussenperspektive Selbstverständnis und Fremdwahrnehmung der frühneuzeitlichen Semireligiosen spiegeln sich im Titel der Schrift Hermann Busenbaums32: „Lilien under den Doerneren / daß ißt / Gott verlobter Jungfrawen unnd Witwen Welt-geistlicher Standt. Mit gruendtlichem bericht und Schutzschrifft erklaert“. Hermann Busenbaum hatte diesen Titel offenbar mit Bedacht gewählt und damit zugleich eine programmatische Beschreibung des „weltgeistlichen Standes“ gegeben. 28 Vgl. dazu auch den Beitrag von Michaela Bill-Mrziglod in diesem Band. 29 Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 19–63; dies., Mit Klugheit, Mut und Zuversicht. Angela Merici und die Ursulinen, Mainz 1994 (bearb. 2. Aufl, Leutesdorf 2003); dies., Ursulinen, in: Jürgensmeier / Schwerdtfeger (Hg.), Orden und Klöster im Zeitalter von Reformation und katholischer Reform, Bd. 1, S. 243–254. 30 Louis Châtellier, L’Europe des dévots, Paris 1987; Elisabeth Rapley, The Dévotes; Anne Conrad, Die weiblichen „Devoten“. – Als Bezeichnung für die radikalen französischen Katholiken stand „les Dévots“ einerseits für eine parteipolitische Orientierung, andererseits für einen bestimmten Lebensstil, der für die katholische Oberschicht im Frankreich des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts typisch war. 31 Wegweisend wurde: Joseph Grisar, „Jesuitinnen“. Ein Beitrag zur Geschichte des weiblichen Ordenswesens von 1550–1650, in: Erwin Iserloh/Konrad Repgen (Hg.), Reformata Reformanda, Bd. 2, Münster 1965, S. 70–113; vgl. auch ders., Maria Wards Institut vor römischen Kongregationen, Rom 1966; etliche Hinweise auch schon bei Bernhard Duhr, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge, Bde. 1–3, Freiburg 1907–1921. 32 Hermann Busenbaum (1600–1668) war 1619 in den Jesuitenorden eingetreten und in Münster, Köln und Hildesheim tätig. Berühmt wurde er vor allem durch sein Werk „Medulla theologiae moralis“, ein Standardwerk jesuitischer Moraltheologie im 17. und 18. Jahrhundert, das vielfach neu aufgelegt und bearbeitet wurde. Auch sein „Lilien-Buch“ wurde – allerdings in bearbeiteter und gekürzter Form – bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehrfach neu aufgelegt.
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„Lilien unter den Dornen“ ist ein Zitat aus dem alttestamentlichen Hohenlied, einem der beliebtesten und umstrittensten Bücher der Bibel, literarisch eine Sammlung von (weltlichen) Liebesgedichten, die in der jüdischchristlichen Tradition meist allegorisch gedeutet wurden, vor allem aber in der Mystik allen „Gott Liebenden“ Identifikationsangebote machten. In der Frühen Neuzeit knüpfte man daran an und legitimierte damit einen unmittelbaren Zugang zur Gotteserfahrung – unabhängig von anderen „geistlichen“ Autoritäten und hart an der Grenze zur Heterodoxie. Beispiele dafür sind die Hohelied-Übersetzung des spanischen Mystikers Luís de León (1527–1591) von 1561, die unmittelbar nach Erscheinen indiziert und verboten wurde, die daran anschließende Auslegung Teresas von Ávila (1515–1582) und nicht zuletzt die Verbindung der Hohelied-Motive mit den ignatianischen „Geistlichen Übungen“ in der Dichtung Friedrich Spees (1591–1635).33 Vor allem die Spiritualität Friedrich Spees, ebenfalls Jesuit und in Köln auch Lehrer Hermann Busenbaums, wird auf diesen nicht ohne Einfluss gewesen sein.34 Die Lilie galt als Symbol für Reinheit und sexuelle Unversehrtheit35 – Eigenschaften, die in erster Linie mit Frauen verbunden wurden,36 allen voran 33 Teresa von Avila, Von der Liebe Gottes, hg. v. André Stoll, Frankfurt am Main 1984; darin das Nachwort von André Stoll: Poetische Rückeroberung der irdischen Paradiese des Ichs. Elemente einer (weiblichen) Liebestheorie, ebd. S. 86–176, zu León ebd., 120; zu Ignatius ebd., 126. Zu Friedrich Spee vgl. Martina Eicheldinger, Friedrich Spee – Seelsorger und poeta doctus. Die Tradition des Hohenliedes und Einflüsse der ignatianischen Andacht in seinem Werk. Tübingen 1991 (Studien zur deutschen Literatur, 110). Zu den von Teresa von Ávila reformierten Karmeliten vgl. Nicole Priesching, Unbeschuhte Karmeliten, in: Jürgensmeier/Schwerdtfeger (Hg.), Orden und Klöster im Zeitalter von Reformation und katholischer Reform, Bd. 2, S. 111–123. 34 Spee war geistlicher Begleiter der semireligiosen Ursulagesellschaft in Köln. Für diese hatte er die Texte seines „Güldenen Tugend-Buchs“ verfasst. Vgl. Anton Arens, Friedrich Spee und die „Jesuitinnen“ von Köln. Zur Entstehungsgeschichte des „Güldenen Tugend-Buches“, in: Karl Hillenbrand/Medard Kehl (Hg.), Du führst mich hinaus ins Weite. Erfahrungen im Glauben – Zugänge zum priesterlichen Dienst, Würzburg 1990, S. 404–436; Anne Conrad, Hexen und Heilige in Köln. Zum Entstehungshorizont von Friedrich Spees „Güldenem Tugendbuch“. In: Spee-Jahrbuch 3 (1996), S. 135–151; dies., Welch ein Publikum?! Friedrich Spee und seine „welt-geistlichen“ Leser(innen), in: Spee-Jahrbuch 19/20 (2012/2013, im Druck). 35 Der eigentliche Wortsinn des Hohelied-Zitats „Wie eine Lilie unter den Dornen ist meine Freundin unter den Mädchen“ (Hld 2,2) bezieht sich lediglich auf einen Vergleich der geliebten Frau mit anderen „Mädchen“ und stellt ihre Schönheit heraus. Das im Hohenlied beschrieben Liebesverhältnis wurde in der jüdischchristlichen Tradition alllegorisch als Beschreibung der Liebe Gottes zu seinem Volk oder der Liebe Christi zu seiner Kirche interpretiert. 36 Anne Conrad, Heiligkeit und Gender. Geschlechtsspezifische Reinheitsvorstellungen im Christentum, in: Peter Burschel/Christoph Marx (Hg.), Reinheit, Wien 2011 (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Anthropologie e.V., 12), S. 143–156.
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mit Maria, der unversehrten und reinen Mutter Jesu, dann aber auch mit den Märtyrerinnen und Heiligen, die diesem Ideal weiblicher Vollkommenheit nahekamen. Diesen Vorbildern sollten Frauen auch im realen Leben nacheifern. Als ideale Lebensform galt daher der „jungfräuliche Stand“, das ehelose Leben, meist möglichst zurückgezogen in einer klösterlichen Gemeinschaft. Diese Distanz zur „Welt“ wurde traditionell in den einzelnen Konventen unterschiedlich stark eingefordert, selten jedoch grundsätzlich in Frage gestellt. In der Deutung Busenbaums erhält das Zitat von den Lilien und den Dornen jedoch einen ganz anderen Akzent. Jetzt, da in den Konfrontation der Konfessionen das religiöse Bekenntnis, konfessionelle Überzeugungskraft und öffentlichkeitswirksames Auftreten gefordert wurde, gewann die Hinwendung zur „Welt“ einen neuen, positiven Wert. Auch für Frauen sollte es nun ein Ziel sein, gerade nicht weltabgeschieden, sondern mitten „in der Welt“, in den „Dornen“, ihr geistliches Leben zu gestalten, als „Lilien“ in „Reinheit“ zu leben und als solche in Welt und Gesellschaft hinein zu wirken. Dass sie sich „Gott verlobt“ hatten, war Voraussetzung dafür, dass sie in den „Gefahren“ der „Welt“ bestehen konnten. Die deutsche Entsprechung des lateinischen „(Deo) Devota“ spielt darauf an, dass sich die angesprochenen Frauen durch ein Gelübde („votum“) der Jungfräulichkeit Gott „verlobt“ hatten.37 Die „devotae Deo Virgines“38 wussten sich dann als „Braut Christi“, „sponsa Christi“39 oder „Gespons Christi“40, innig mit Jesus Christus verbunden. Quellen aus dem 17. Jahrhundert zeigen, dass der mit dem Virginitätsversprechen gegebene „status coelibatus“ von den Zeitgenossen sehr selbstverständlich als Analogie zum Klerikerzölibat wahrgenommen wurde.41 Verstärkt wurde dies noch dann, wenn die weiblichen Semireligiosen sich einen klerikalen Habitus aneigneten: dunkle Kleidung und eine Kopfbedeckung, die an 37 Inwieweit auch Ehefrauen als „Devotae“ angesehen werden konnten war denn auch unter den Zeitgenossen umstritten. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts führte diese Frage in der semireligiosen Kölner Ursulagesellschaft zu einem heftigen Konflikt, der mit der Ausgrenzung der Ehefrauen endete. Vgl. Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 118–120. Zum Konzept der „Jungfräulichkeit“ in der Frühen Neuzeit und seinen Konsequenzen vgl. Ulrike Strasser, State of Virginity. Gender, Religion, and Politics in an Early Modern Catholic State, Ann Arbor 2007. 38 So eine Bezeichnung aus den Litterae Annuae der Jesuiten über Frauen im nieder rheinischen Emmerich; Oorschot, Nachwort, in: Friedrich Spee, Güldenes TugendBuch, hg. v. Theo G. M. van Oorschot, München 1968, S. 678. 39 Vgl. z. B. Busenbaum, Lilien, S. 229 (= pdf, S. 258). 40 Vgl. z. B. ebd., S. 319 (= pdf, S. 358); so auch der Sprachgebrauch in der Kölner Ursulagesellschaft, vgl. Conrad, Kölner Ursulagesellschaft, S. 280; vgl. auch: Spee, Güldenes Tugend-Buch, passim 41 Ein Beispiel dafür ist das keineswegs kritische, sondern sehr wohlwollende Schreiben des Bischofs Maximilien Villain von Tournai an den Nuntius Fabio de Lagonissa über Semireligiose in seiner Diözese im Jahr 1628; ediert in: Ursula Dirmeier (Hg.), Mary Ward und ihre Gründung. Die Quellentexte bis 1645, 4 Bde., Münster 2007 (Corpus Catholicorum, 45–48), hier: Bd. 2, S. 379 (Nr. 828); dazu auch Conrad, Semireligiosentum und Laienspiritualität, S. 143.
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das Birett der Kleriker erinnerte.42 Wie diese erschienen sie dann als „WeltGeistliche“, „geistliche“ Frauen in der „Welt“. Wie weit damit ein „Stand“ konstituiert wurde, war unter den Zeitgenossen allerdings umstritten.43 Der Wandel des Kleriker-Bildes im Gefolge von Reformation und Tridentinum und die Entstehung neuer Kleriker-Gemeinschaften44 hatte einen Diskurs über Selbstverständnis und rechtliche Einordnung von „clerici saeculares“ und „clerici regulares“ befördert, der auch die Debatte über den „status“ der weltgeistlichen Frauen beeinflusste. Damit gewann das frühneuzeitliche Semireligiosentum gegenüber den vergleichbaren mittelalterlichen Varianten eine neue Qualität: Die neue Wertschätzung des Klerikerstandes ließ das Semireligiosentum als zeitgenmäße Alternative erscheinen, der eine ebenso hohe Wertschätzung zukam.45 Beispiele dafür sind neben Hermann Busenbaums Schrift, auch Friedrich Spees Bemerkungen über die Standeswahl jener, „die sich in einem Mittelstand Gott verlobt haben“,46 und nicht zuletzt die Auslassungen eines unbekannten Jesuiten über die Kölner Ursulagesellschaft. Dieser kam zu dem Schluss, dass die Mitglieder der semireligiosen Ursulagesellschaft sowohl den „Regular-Klerikern“ als auch den „Welt-Klerikern“ zu vergleichen seien. Wie die „Regulier Clerisey“ lebten sie nach einer „Regel“, wenn auch nicht nach einer der traditionellen Ordensregeln, sondern nach einer auf sie individuell zugeschnitten Lebensordnung, die in vielen Details an der Regel der Jesuiten orientiert war. Für die Analogie zur „weltliche Clerisey“ spreche allerdings, dass sie zwar zölibatär lebten, aber weder ein Armuts- noch ein Gehorsamsgelübde ablegten und wie die Welt-Kleriker in der Seelsorge, insbesondere im Bereich von Schule und Katechese tätig seien.47 Problematisch sei der welt-geistliche Status nicht wegen dieser Analogie zu den (männlichen) Klerikern, sondern wegen des von den Frauen daraus abgeleiteten Anspruchs auf Unabhängigkeit. Die Frauen fühlten sich nämlich wie die Jesuiten alleine dem Papst verantwortlich und entzögen sich damit faktisch einer unmittelbaren Autorität. Selbst wohlwollende Zeitgenossen – und auch Hermann Busenbaum – betonten daher, dass eine Führung durch männliche Geistliche und die Unterordnung unter die bischöfliche Jurisdiktion zwingend sei.48 42 Vgl. zur Kleidung z. B. ebd.: „nigro, et modesto saeculari habitu“. Zur Kopf bedeckung: Conrad, Semireligiosentum und Laienspiritualität, S. 146. 43 Vgl. dazu den Beitrag von Susanne Schulz, Seelsorge in der Tradition Friedrich Spees. 44 Beispiele sind Jesuiten, Barnabiten, Theatiner und Oratorianer. Conrad, Katholizis mus, S. 51–53. 45 Dies wird besonders deutlich in den Ausführungen Busenbaums über den Vergleich zwischen Welt-Geistlichen und „Kloster-Geistlichen“, also Ordensfrauen im eigentlichen Sinn. Er behauptet hier (mindestens) eine Gleichwertigkeit des welt-geistlichen Standes. 46 Vgl. z. B. Spee, Güldenes Tugend-Buch, S. 494. 47 Vgl. die Zitate in: Conrad, Kölner Ursulagesellschaft, S. 287. 48 So z. B. Busenbaum, Lilien under den doernern, S. 322–340 (= pdf, S. 361–378). Vgl. Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 258–264; dies., Semireligiosentum und Laienspiritualität, S. 142–144.
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Konfliktpotenzial Die trotz der Parallelen und Analogien sich hier zeigende unterschiedliche Bewertung von männlichen und weiblichen Formen von „Geistlichkeit“ verweist auf eine grundsätzliche Schwierigkeit, die für die weitere Entwicklung prägend werden sollte: Nach katholischem Kirchenrecht wurde der entscheidenden Unterschied zwischen „Geistlichen“ und „Laien“ durch die (Kleriker-)Weihe markiert. Da diese aber ausschließlich für Männer möglich war, gehörten Frauen per se zur Gruppe der „Laien“ und eine „gemischte“ Lebensweise bewegte sich rechtlich in einer Grauzone. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass Hermann Busenbaum sein Buch nicht nur als „gründlichen Bericht“, sondern auch als „Schutzschrift“ verstanden wissen will. Er will „berichten“, wie der „welt-geistliche“ Stand sich darstellt, welche Leistungen er vorweisen kann und – für die Legitimation besonders wichtig – auf welche Traditionen er zurückblicken kann. Darüber hinaus hebt er immer wieder hervor, wie sinnvoll und notwendig die konkreten Tätigkeiten der Frauen in Seelsorge, Katechese und Schule gerade in dieser Zeit sei. In diesem Sinn ist sein „Bericht“ zugleich eine „Schutzschrift“, mit der er die „welt-geistlichen“ Frauen gegen Kritik verteidigt, und ein Plädoyer für eine Integration dieser Lebensform in das kirchliche System. Der Bezug auf die Praxis, ein für ihn zentrales Argument, ist dabei eng verbunden mit dem frühneuzeitlichen Verständnis von Geistlichkeit.49 Für alle Konfessionen charakteristisch und auch für die Wirksamkeit der Semireligiosen bestimmend wurde eine tiefgreifende christliche Durchdringung aller Lebensbereiche. Familie, Arbeit, Bildung, Erziehung – all jene Bereiche, die bislang eher „weltlich“ konnotiert waren, erlebten im Kontext der Konfessionalisierung eine „Christianisierung“. Gleichzeitig wandelte sich das Verständnis von Geistlichkeit. Nicht mehr nur von Klerikern und Ordensleuten, sondern von jedem und jeder Einzelnen wurde erwartet, „geistlich“ zu leben und den Alltag dem Evangelium gemäß zu gestalten. Im Protestantismus gründete dies in der Überzeugung vom „Allgemeinen Priestertum aller Gläubigen“ mit der Konsequenz, dass die „Welt-Leute“ in die Pflicht genommen wurden, für eine Verchristlichung der Gesellschaft zu sorgen.50 Im Katholizismus zeigte sich diese Tendenz spätestens mit den 49 Instruktive Zugänge dazu auch bei: Dorothee Kommer, Reformatorische Flugschriften von Frauen, Flugschriftenautorinnen der frühen Reformationszeit und ihre Sicht von Geistlichkeit, Leipzig 2013, und Caroline Gritschke, „Via media“: Spiritualistische Lebenswelten und Konfessionalisierung. Das süddeutsche Schwenckfeldertum im 16. und 17. Jahrhundert, Berlin 2006 (Colloquia Augustana, 22). Auch die „via media“ der Schwenckfelder war ein „welt-geistlicher“ Weg, der sich nicht nur zwischen den Konfessionen, sondern auch zwischen mystischer Innerlichkeit einerseits und Leben in der Welt andererseits bewegte (vgl. ebd., S. 383). 50 In den Schriften Martin Luthers aus den 1520er Jahren wird dies bereits deutlich formuliert: Territorialherren und städtischem Magistrat sollte es obliegen, nicht nur
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Reformdekreten des Konzils von Trient.51 Auch hier gingen Weltliches und Geistliches in allen Bereichen eine Symbiose ein; der weltliche Stand der Ehe erhielt, wie die katholischen Ehe-Handbücher zeigen, auch im Katholizismus religiöse Funktionen (vor allem die christlich-katholische Glaubensvermittlung und Stabilisierung der Konfession innerhalb der Familie), und Bildung war orientiert an christlichen Inhalten und wurde in kirchlichen Einrichtungen vermittelt. Auch die Hochschätzung des geistlichen Standes gründete letztlich in diesem Weltbezug insofern, als es zur Hauptaufgabe der Geistlichen wurde, sich der Welt zuzuwenden und dort zu wirken. Reformbewegungen innerhalb der traditionellen Orden (z. B. die Kapuziner) und Neugründungen (z. B. die Jesuiten), aber auch das auf dem Tridentinum neu modellierte Bild des idealen Priesters als „Pastor Bonus“, also als „guter Hirte“, der sich mit aller Kraft seiner auf ihn angewiesenen „Herde“ widmet, bringen dies zum Ausdruck. Seelsorge und Indoktrination gingen dabei Hand in Hand, und der Weltzugewandtheit der Geistlichen entsprach eine „Klerikalisierung“ der Laien:52 Auch katholische Laien sollten ihren Alltag geistlich gestalten, und zwar individuell durch eine im Idealfall von einem Priester spirituell begleitete innerliche Frömmigkeit, aber auch kollektiv in geistlichen „Gesellschaften“ und „Bruderschaften“. Vor diesem Hintergrund eröffnete die welt-geistliche Lebensform gerade für Frauen neue Perspektiven. Als Seelsorgerinnen und Lehrerinnen wurden sie zuständig für die katholischkonfessionelle Sozialisation der weiblichen Bevölkerung.
Semireligiosentum und Mädchenbildung In Mädchenschulen sollten Mädchen und junge Frauen jene christliche Bildung erhalten, die sie befähigte, ihrerseits als Multiplikatorinnen des katholischen Glaubens zu agieren – als Erzieherinnen ihrer Kinder in der Familie, als Vorsteherinnen des Hauses oder auch selbst wieder als (geist liche) Lehrerinnen. 53 für weltliche, sondern auch für die geistlichen Belange der Untertanen zu sorgen; Schulen sollten christliche Bildung vermitteln; Zweck der Ehe war es, Kinder im christlichen Glauben zu erziehen. 51 Vgl. Conrad, Katholizismus, passim. 52 Vgl. Conrad, Semireligiosentum und Laienspiritualität, S. 152. 53 Die besondere Bedeutung der (Ehe-) Frau im Kontext der Glaubensvermittlung wird auch in den „Hauspredigten“ des Franziskaners Johannes Nas (1534–1590) hervorgehoben. Nas, einer der populärsten kontroverstheologischen Volksprediger, empfahl die Ehe als „hochloblich hailig wunderbarlich groß Sacrament“ und erging sich in höchstem Lob für die in Zucht und Ehrbarkeit lebende Ehefrau: Sie sei „der menschen narung / des Manns zier / die Kuenigin des Hauß / der jugent Docterin / des gesinders maisterin / ein mundtere huetterin des hauses“.
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Initiiert wurden entsprechende Schulen bereits im 16. Jahrhundert unter Carlo Borromeo in der Diözese Mailand. Im Laufe des 17. Jahrhunderts verbreiteten sie sich flächendeckend in den katholischen Ländern.54 Dort, wo eine entsprechende Nachfrage bestand, wurden neben Elementarschulen auch weiterführende Schulen für Mädchen der höheren Gesellschaftsschichten eingerichtet.55 Die welt-geistlichen Frauen fanden hier ihr wichtigstes Arbeitsfeld. Von kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten wurden sie in der Regel gefördert; Konflikte entstanden dort, wo genauer nach der kirchenrechtlichen Verortung der Semireligiosen gefragt wurde. Um in dieser Hinsicht klarere Verhältnisse zu schaffen, bemühten sich einige ursprünglich semireligiose Gemeinschaften um eine ordensähnliche Verfassung und um die Approbation durch Papst oder Bischof. Modellcharakter hatten die von Angela Merici im norditalienischen Brescia 1534 gegründeten Ursulinen. Um die Wende zum 17. Jahrhunderts entstanden weitere, ähnliche Gemeinschaften. Bekannt sind vor allem die Katharinerinnen,56 die Als „docterin“ der Jugend, aber auch als „maisterin“ des Gesindes lag bei ihr die Verantwortung für die religiöse Unterweisung ihres Hauses. Dass die Frau dieser Aufgabe auch theologisch gewachsen sei, begründete Nas mit der heilsgeschichtlichen Bedeutung der Frau, ihrer Nähe zu Christus und Liebe zum Wort Gottes. Nas’ Lob des Ehestandes gipfelt darin, dass er diesem die gleiche Qualität zuspricht wie dem Ordensstand. Zit. nach Ulrike Hörauf-Erfle, Wesen und Rolle der Frau in der moralisch-didaktischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Frankfurt am Main u. a. 1991, S. 195–197. Vgl. dazu Anne Conrad, Ehe, Semireligiosentum und Orden. Frauen als Adressatinnen und Aktivistinnen der Gegenreformation, in: Victoria von Flemming (Hg.), Aspekte der Gegenreformation, Frankfurt am Main 1997 (Zeitsprünge. Forschungen zur Frühen Neuzeit, Bd. 1, Heft 3/4, Sonderheft), S. 529–545. 54 Zum Zusammenhang von Mädchenbildung und katechetischer Unterweisung seit dem späten 16. Jahrhundert vgl. auch Xenia von Tippelskirch, Der Kleriker und die Leserin. Kontrollierte Lektüre im nachtridentinischen Italien, in: Monika Mommertz/Claudia Opitz-Belakhal (Hg.), Das Geschlecht des Glaubens. Religiöse Kulturen Europas zwischen Mittelalter und Moderne, Frankfurt am Main 2008, S. 257–282. 55 Im konfessionellen Vergleich kam den Katholiken zugute, dass sie die Tradition des Ordenswesens nutzen konnten. Mädchenschulen waren zwar auch von den Protestanten von Anfang an gefordert worden, eine flächendeckende, systematische Etablierung gelang jedoch zunächst in den katholischen Territorien, wo ledige „geistliche“ Frauen zur Verfügung standen. Noch wenig untersucht ist der Beitrag lediger evangelischer Frauen zur Konfessionalisierung. Beispiele dafür sind evangelische Frauenklöster wie auch die Biographien einzelner Frauen, die wie Margarete Blarer in Konstanz unverheiratet oder wie Katharina Zell kinderlos blieben und dadurch Freiräume hatte, um sich aktiv an der reformatorischen Bewegung zu beteiligen. Vgl. Kommer, Reformatorische Flugschriften von Frauen, S. 174–234 (zu Katharina Zell); Urte Bejick, Margarete Blarer, in: Adelheid M. von Hauff (Hg.), Frauen gestalten Diakonie. Bd. 1: Von der biblischen Zeit bis zum Pietismus; Stuttgart 2007, S. 295–304; vgl. auch http://frauen-und-reformation.de/index.php?skip=true. 56 Barbara Gerarda Śliwińska, Geschichte der Kongregation der Schwestern der heiligen Jungfrau und Martyrin Katharina, 1517–1772, Münster 1999 (Zeitschrift
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„Congrégation de Notre-Dame“ in Lothringen („Welschnonnen“)57 und die von der Engländerin Mary Ward gegründete Gemeinschaft, deren Mitglieder „virgines Anglae“, „Englische Fräulein“, genannt wurden.58 Allen gemeinsam war, dass sie ihre ursprüngliche Motivation in der Glaubensverkündigung, in Seelsorge und Katechese sahen. Ihre Adressaten waren Frauen und Mädchen, und die konkrete Umsetzung ihrer Tätigkeit mündete in die Gründung von Mädchenschulen und in die Etablierung eines differenzierten Schulsystems. Streitpunkt war und blieb jedoch, ob diese Gemeinschaften, um als „Orden“ anerkannt zu werden, sich zur Einhaltung der Klausur verpflichten mussten. Von „Religiosen“ wurde in der Regel ein Leben in Klausur verlangt, also mit deutlicher Distanz zur „Welt“. Das Konzil von Trient und daran anschließende päpstliche Verlautbarungen hatten diese Vorschrift verstärkt, dabei aber wegen begrifflicher Unschärfen Interpretationsspielräume gelassen.59 Faktisch ließ sich angesichts der Aufgaben, denen sich die Frauen widmeten, eine strenge Klausur nicht umsetzen.60
für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands, Beiheft 14). Für die weitere Entwicklung vgl. Relinde Meiwes, Von Ostpreußen in die Welt. Die Geschichte der ermländischen Katharinenschwestern (1772–1914), Paderborn 2011. 57 Hélène Derréal, Un missionaire de la Contre-Réforme. Saint Pierre Fourier et l’Institution de la Congrégation de Notre-Dame, Paris 1965; zu neueren Fragestellungen vgl. Andreas Rutz, Bildungsanspruch und Unterrichtspraxis religiöser Frauengemeinschaften im frühneuzeitlichen Rheinland am Beispiel der Bonner Congrégation de Notre-Dame, in: Rheinische Vierteljahresblätter 67 (2003), S. 212–263; ders., Essen – Congrégation de Notre-Dame, in: Manfred Groten u.a. (Hg.), Nordrheinisches Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815, Teil 2, Siegburg 2012, S. 282–287. 58 Ursula Dirmeier (Hg.), Mary Ward und ihre Gründung. Die Quellentexte bis 1645, 4 Bde., Münster 2007 (Corpus Catholicorum, 45–48); dies., Congregatio Jesu, in: Jürgensmeier / Schwerdtfeger (Hg.), Orden und Klöster im Zeitalter von Reformation und katholischer Reform, S. 214–229; Anne Conrad, Die „Englischen Jesuitinnen“ und die „Frauenfrage“. Zur Besonderheit des Bildungskonzepts Mary Wards, in: Münchner Theologische Zeitschrift 60 (2009), S. 110–120. 59 Zu den verschiedenen Varianten, die sich daraus ergaben, vgl. Anne Murphy, Clausura and Reform. Women religious in early modern Catholicism, in: Sapere teologico e unità della fede (Studi in onore del Prof. Jared Wicks), Rom 2004, S. 504–519. 60 Dies gilt weithin auch für die traditionellen monastischen Orden. Vgl. dazu die Beiträge in: Cordula van Wyhe (Ed.), Female Monasticism in Early Modern Europe. An Interdisciplinary View, Aldershot (Hampshire) 2008; Brigitte Mazohl/ Ellinor Forster, Frauenklöster im Alpenraum, Innsbruck 2012, sowie Veronika Čapská/Ellinor Forster/Janine Christina Maegraith/Christine Schneider (Hg.), Between Revival and Uncertainty. Monastic and Secular Female Communities in Central Europe in the Long Eighteenth Century, Opava 2012; darin bes. Jan Zdichynec, Quia sic fert consuetudo? Die Klausur in den Zisterzienserinnenklöstern der Frühen Neuzeit: Vorschriften, Wahrnehmung und Praxis, ebd., S. 37–68.
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Angesichts der komplizierten Rechtslage entschieden sich etliche der neuen semireligiosen Gemeinschaften für Kompromisslösungen: Sie übernahmen eine der traditionellen Ordensregeln – oft die Augustinus-Regel,61 da diese vergleichsweise wenige Vorgaben machte – und umgingen die Klausurvorschrift, indem sie zwischen „innerer“ und „äußerer“ Klausur unterschieden und so trotz Klausur die Schulen weiter betreiben konnten. Während Ursulinen, Welschnonnen und Katharinerinnen sich langfristig mit diesem Weg identifizieren und so tatsächlich als „neue Orden“ durchsetzen konnten, scheiterte Mary Ward. Ihre Gemeinschaft wurde 1628 durch Papst Urban VIII. verboten, ihre Niederlassungen sollten aufgelöst werden.62 Die Nachforschungen, ob außer ihnen auch andere „Jesuitinnen“ in den einzelnen Diözesen bekannt seien, setzte dann auch die anderen an der jesuitischen Spiritualität orientierten Semireligiosen unter Legitimationsdruck. Auch vor diesem Hintergrund ist die „Schutzschrifft“ Hermann Busenbaums zu sehen. Die in diesem Band versammelten Beiträge versuchen eine Annäherung an das frühneuzeitliche Semireligiosentum aus unterschiedlichen Perspektiven. Kirchenrechtliche Grundlagen, Spiritualität und soziale Praxis zwischen Bildungswesen und Seelsorge stehen zunächst im Mittelpunkt: Susanne Schulz widmet sich dem kirchenrechtlichen Diskurs, Michaela Bill-Mrziglod der Spiritualität, wie sie sich in der Lektürepraxis widerspiegelt, Andreas Rutz gibt Einblick in das für die Semireligiosen zentrale Tätigkeitsfeld des Unterrichts. Die Frage nach der Heterogenität der „welt-geistlichen“ Lebensformen, die Problematik ihrer Abgrenzung bzw. Verortung im weiteren Kontext des frühneuzeitlichen Katholizismus und im Zusammenhang damit auch die Frage nach geeigneten methodischen Zugängen scheinen vor allem in den Beiträgen von Yvonne Bergerfurth und Nicole Priesching auf. Yvonne Bergerfurth verdeutlicht am Beispiel Kölns den Hintergrund des jesuitischen Semireligiosentums und ermöglicht so eine Positionierung der weiblichen Semireligiosen im Gegenüber zu den männlichen Junggesellen- und Bürgersodalitäten. Nicole Priesching unternimmt schließlich einen Vergleich mit Beginengemeinschaften, die auch in der Frühen Neuzeit noch fortbestanden, und fragt nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden. 61 So etwa der größte Teil der Ursulinengemeinschaften. Auffällig ist, dass der Anschluss an traditionelle Gemeinschaften wie die ebenfalls auf die Augustinerregel verpflichteten Kanonissen, die eine größere Offenheit gegenüber der „Welt“ hatten, für die frühneuzeitlichen Semireligiosen offenbar keine Alternative darstellte. Vgl. dazu auch den Beitrag von Nicole Priesching in diesem Band. 62 Faktisch blieben einzelne Niederlassungen der „Englischen Fräulein“ als „Institute“ mit Mädchenschulen bestehen, im 18. Jahrhundert waren sie als solche formell anerkannt, durften aber nicht Mary Ward als Stifterin bezeichnen. Erst im 20. Jahrhundert erfolgte schrittweise eine Anerkennung mit jesuitischen Konstitutionen im Sinne der Gründerin. Vgl. Dirmeier, Congregatio Jesu, S. 228.
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Auch in ihrem Beitrag wird deutlich, was für die Thematik insgesamt gilt: Es muss darum gehen, die Vielfalt einer Bewegung wahrzunehmen, die in der Frühen Neuzeit eine außerordentlich breite Basis hatte und die dennoch viele Fragen offen lässt. Die Beiträge dieses Bandes mögen dazu einladen, dem weiter nachzugehen.
Der Diskurs über den welt-geistlichen Stand. Überlegungen zur rechtlichen Lage semireligioser Gemeinschaften von Susanne Schulz Der Anspruch der weiblichen Semireligiosen, ein „geistliches“ Leben in der „Welt“ zu führen, war stets konfrontiert mit der Frage, wie ihr „Stand“ rechtlich einzuordnen und wie er überhaupt zu bezeichnen sei. In den Rechtstexten des 16./17. Jahrhunderts finden sich die Kategorien „quasi-religios“1, „fast religios“ oder „religios im weiteren Sinne“2. Als häufigste Umschreibung findet sich die Formulierung „imitatio vitae religiosae“, „eine Lebensweise, die das Ordensleben nachahmt“3. Die begriffliche Unsicherheit rührte unter anderem von der Mehrdeutigkeit des Wortes religio her. Konnte mit dem Begriff religio im frühen Mittelalter noch Bezug zu jeder Person genommen werden, die ein gottgeweihtes Leben führte, wurde er spätestens seit dem 12. Jahrhundert enger gefasst und bezeichnete von nun an rechtlich ein Leben in einem Orden. Obwohl im allgemeinen Sprachgebrauch die weiter gefasste Bedeutung von religio erhalten blieb, ist es daher im Zusammenhang mit dem Kirchenrecht gerechtfertigt, religio mit „Orden“ zu übersetzen.4 Seit der Amtszeit Bonifatius’ VIII. (1294–1303) stand fest, dass der Stand der Religiosen juridisch durch drei Elemente eindeutig bestimmt war: 1.) die drei Gelübde der Keuschheit, 1
„[…] nempe S. Philippus (ut sic loquar) quasi religiosus utpote institutor Congrega tionis Patrum Oratorij […]“: Francesco Pellizzari, Manuale Regularium in quo continentur tractatus quinque. 1. De statu religioso in communi. 2. De Regularium Nouitiatu. 3. De Religiosa Professione. 4. De Votis Religiosis. 5. De praecipuis Regularium Obligationibus, Venedig 1647. 2 Ein hierfür oft zitierter Text ist Hostiensis: Summa aurea, III, De regularibus trans euntibus ad religionem ii, Religiosus largo modo quis dicatur, Venedig 1574. Vgl. auch: Elizabeth Makowski, A Pernicious Sort of Woman, Washington 2005. 3 Auch in der Fragestellung der beiden später zu untersuchenden Rechtsgutachten findet sich dieser Ausdruck. 4 Der Begriff ordo bezog sich zunächst ganz allgemein auf eine bestimmte Ordnung, wurde aber im öffentlichen Leben schnell angewandt auf eine geordnete, eingestufte Körperschaft und nahm hier im Mittelalter besonders Bezug auf kirchliche Ämter und Stände. Ordo als Zusammenschluss verschiedener Häuser unter einer gleichen Regel findet sich erst im 12. Jahrhundert zur Zeit Alexanders III., bleibt aber in den Texten singulär. Der weitaus häufigere Begriff ist religio. So spricht etwa das vierte Laterankonzil nur von religio, während im zweiten Konzil von Lyon religio und ordo gleichberechtigt Verwendung finden. Auch das Konzil von Trient verwendet in dem Dekret De regularibus et monialibus beide Begriffe parallel. Vgl. Peter Landau, Der Begriff ordo in der mittelalterlichen Kanonistik, in: Irene Crusius/Helmut Flachenecker, Studien zum Prämonstratenserorden, Göttingen 2003, S. 185–194.
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des Gehorsams und der Armut, 2.) die feierliche Profess dieser Gelübde und 3.) die Approbation (formelle Anerkennung) durch den Papst. Fehlten eine oder mehrere dieser Bedingungen, so hatte man es in der Rechtssprache des Mittelalters mit Quasi-Religiosen zu tun. In der neueren Forschung werden diese Gemeinschaften als „Semireligiose“ bezeichnet. Durch ihre besondere Stellung zwischen Welt und Kloster und den sich daraus ergebenden Unsicherheiten, waren quasi-religiose Gemeinschaften immer wieder Anfeindungen ausgesetzt und liefen Gefahr verboten zu werden. In der frühen Neuzeit verschärfte sich die Diskussion um ihre Erlaubtheit angesichts der Gründung neuer semireligioser Frauengemeinschaften und konzentrierte sich auf drei Kernprobleme: erstens, ob es neben Orden andere gelockerte Formen religiösen Lebens geben könne, zweitens, ob diese ohne Klausur und feierliche Gelübde auskämen, und drittens, eng damit verbunden, ob Frauen eine Berechtigung zum Apostolat, d.h. für Seelsorge und Glaubensverkündigung, hätten. Im Folgenden soll genauer beleuchtet werden, wie diese Elemente im zeitgenössichen Diskurs gewertet wurden. Dazu werden zwei Gutachten herangezogen, die die Rechtsgelehrten Leonard Lessius5 und Francisco Suárez6 im Bezug auf die Englischen Fräulein7 im Jahr 1615 angefertigt hatten. Das Gutachten des Lessius ist der frühere Text und wurde vermutlich vom 5
Marcel Gielis, Art. Lessius, in: Lexikon für Theologie und Kirche 6 (31993/2001), S. 851–854. Leonard Lessius (1554–1623) lehrte bis 1600 in Löwen. Seine Ausbildung erhielt er bei Suárez in Rom. Als Lehrbuch verwendete er die Summa Theologiae des Thomas von Aquin, kann also ebenso wie Suárez der Spätscholastik zugerechnet werden. Sein einflussreichstes Werk De iustitia et iure caeterisque virtutibus cardinalibus setzte sich, wie der Titel schon andeutet, mit Recht und Moral auseinander. In ihm zeigt er sich relativ aufgeschlossen gegenüber aktuellen ökonomisch-ethischen Problemen. Gerade seine hier entwickelte Wirtschaftsmoral gilt als epochemachend. Für unseren Zusammenhang ist zudem eine Schrift wichtig, die er unter dem Pseudonym Leo Huberti verfasste: De Bono Status eorum qui vovent et colunt Castitatem in seculo, Köln 1615. 6 Johann Sommerville, Art. Suárez, Francisco, in: Theologische Realenzyklopädie 32, (2001), S. 290–293. Jose Pereira, Suárez. Between Scholasticism and Modernity. Marquette 2007. Francisco Suárez (1548–1617) unterrichtete Philosophie und Theologie in Salamanca, am Collegium Romanum, in Alcalá und Coimbra. Sein bedeutendstes Werk ist De legibus, ac Deo legislatore (1612), das seine Ethik und Rechts- und Staatstheorie umfasst. Es fand nicht nur Resonanz in der katholischen Literatur, sondern wurde auch in protestantischen Ländern rezipiert. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass Suárez Thomist war, aber durch seine scharfsinnige Argumentationslogik eigene Ansätze ausbildete. Für den hier vorgestellten Zusammenhang interessant ist zudem sein Werk De virtute et statu religionis (1608–1609) 7 Die korrekte Bezeichnung dieser Gemeinschaft lautet heute „Congregatio Jesu“, eine frühere Bezeichnung war „Institutum Beatae Mariae Virginis“. Da die Gründerin, Mary Ward (1585–1645), und ihre Mitarbeiterinnen englische Adlige waren, setzte sich allerdings bald die Bezeichnung „Englische Fräulein“ (lat. Virgines Anglae) durch, die bis in die Gegenwart üblich war. Diese findet sich auch in der Fragestellung der zu untersuchenden Gutachten.
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Bischof von St.-Omer, Jacques Blaes, in Auftrag gegeben, der eine rechtliche Grundlage für den Fortbestand der Englischen Fräulein in seinem Bistum legen wollte. Das Gutachten des Suárez ist als Gegenentwurf zu Lessius gestaltet und entstand wohl ein halbes Jahr später auf Anfrage englischer Jesuiten, die der Neugründung als „weiblichem Pendant“ zu ihrem Orden abwehrend gegenüberstanden.8 Gerade diese beiden Gutachten eignen sich besonders gut, die Argumente von Befürwortern und Gegnern der welt-geistlichen Lebensform herauszustellen, weil sie sich mit einer Frauengemeinschaft befassen, die das Ideal eines geistlichen Lebens in der Welt, wie sie es im Vorbild der Jesuiten verwirklicht sah, absolut konsequent und kompromisslos in einem Orden realisieren wollte. Viele andere Gemeinschaften wiesen zwar ordensähnliche Züge auf, waren aber formalrechtlich als Bruderschaften approbiert, so dass sie, was Kirchenrecht und weltliches Recht betraf, letzterem unterstellt waren. Die Englischen Fräulein strebten dagegen an, ihr Selbstverständnis als Orden, der wie die Gesellschaft Jesu „in der Welt“ wirken sollte, auch juridisch durchzusetzen. Dadurch traten alle Probleme, mit denen auch andere Gruppierungen zu kämpfen hatten, besonders stark hervor. Darüber hinaus zeigen beide Gutachten deutlich, wie eng moraltheologische und rechtliche Argumente aufeinander bezogen wurden. Um die beiden Gutachten analysieren zu können, sollen daher zunächst die allgemeinen kirchlichen Rechtsgrundlagen dargestellt und die Beziehung von Recht und Moral in der Frühen Neuzeit geklärt werden, bevor dann im Detail auf die Argumentation der beiden Kanonisten eingegangen wird.
Kirchenrechtliche Entwicklungen und Bestimmungen für semireligiose Frauengemeinschaften bis zur Bulle Ascdendente Domino (1584)9 Von Italien ausgehend beginnt seit der Fertigstellung des Corpus Iuris Canonici 1317, das die Rechtstexte des Mittelalters zusammenfasste, in den 8 Vgl. Joseph Grisar, Das Urteil des Lessius, Suarez und anderer über den neuen Ordenstyp der Mary Ward, in: Gregorianum 38 (1957), S. 658–712. Grisar widmete sich vor allem den Fragen nach der zeitlichen Einordnung der Gutachten und ihrem Stellenwert in der Geschichte der „Englischen Fräulein“. Das Gutachten des Lessius wird zwar inhaltlich wiedergegeben, aber nicht genauer analysiert. Da Grisar zudem vor allem daran gelegen ist, die Schaffung eines neuen „Ordenstyps“ durch Mary Ward herauszustellen, ist auch der weitere „welt-geistliche“ Kontext der hier beschriebenen Phänomene allenfalls ansatzweise im Blick. 9 Eine umfassende Darstellung versucht: Lynn Jarrel O.S.U., The Development of Legal Structures for Women Religious Between 1500 and 1900: A Study of Selected Institutes of Religious Life for Women (Dissertation), Washington 1984. Allerdings betrachtet sie nur die grundlegenden Rechtstexte, d. h. Konzilsentscheidungen und päpstliche Erlasse, und lässt die davon oft stark differierende (mittelalterliche) Praxis, die sich beispielsweise in Rechtsgutachten zeigt und zum großen Teil verantwortlich für die Schwierigkeiten in der Frühen Neuzeit war, außer Acht.
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folgenden Jahrhunderten die institutionelle Durchsetzung von Recht über Texte und deren Anwendung. Die früher übliche Berufung auf mündliche Überlieferungen wurde damit ausgeschlossen10 und spätestens seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts fanden die Rechtstexte durch die Erfindung der Buchdruckerkunst in ganz Europa Verbreitung.11 Im Verlauf der tridentinischen Reformen im 16. Jahrhundert empfahl Papst Gregor XIII. in der Bulle Cum pro munere vom 1. Juli 1580 das Corpus Iuris Canonici als approbierte Sammlung für die kirchliche Rechtspraxis.12 Es umfasste das Decretum Gratiani, die Dekretalen Gregors IX. (Liber Extra), den Liber Sextus Bonifaz’ XIII., die Clementinen Clemens’ V. und zwei Privatsammlungen, die Extravagantes Johannes’ XXII. und die Extravagantes communes.13 Damit wurde das Corpus Iuris Canonici zusammen mit Sammlungen päpstlicher Bullen zur Hauptquelle des geltenden katholischen Rechts. Notwendig geworden war die Vereinheitlichung des Rechts unter anderem durch den beständig wachsenden Handelsverkehr, der regionale rechtliche Unterschiede zu einem Risiko werden ließ. Obwohl in der Vereinheitlichung der rechtlichen Texte viele offensichtliche Vorteile lagen, blieben doch drei Probleme bestehen: Da die Sammlung sehr umfangreich war, war ihre Anwendung in der Praxis oft schwierig und mit einem langwierigen Studium verbunden. Außerdem enthielt sie neben allgemeingültigen Gesetzen und Verordnungen auch solche für einzelne Fälle, deren Übertragung auf die allgemeine Rechtsnorm nur Juristen möglich und nicht immer eindeutig war. Darüber hinaus enthielt das Corpus Rechtstexte, die schon lange überholt waren, aber weil sie im Corpus standen, nicht aufgehoben werden konnten. Mit der Verschriftlichung des Rechtes gewannen ausgebildete Juristen und ihre Einschätzung bestimmter Rechtsfälle immer mehr an Bedeutung, da das Problem entstand „wie ein Fall unter einen Gesetzesbegriff zu subsumieren sei“,14 so dass sich als Hilfe für die Gerichte und praktizierenden Juristen eine neue Gattung, die Rechtsprechungs- oder „Konzilien“-Sammlung (Consilia) durchsetzte. Diese neuen Texte enthielten Rechtsauskünfte zu praktischen Fragen – waren also „moraltheologisch“ motiviert – und wurden zusammen mit den Buß-Summen nicht nur von Juristen, sondern vor allem von Beichtvätern verwendet. Dadurch kam es zu einer immer tieferen Verquickung von Moraltheologie und kanonischem Recht. 10 Andreas Görgen, Rechtssprache der Frühen Neuzeit, Frankfurt/Main 2002, S. 41. 11 Wolfgang Sellert, Zur Rezeption des römischen und kanonischen Rechts in Deutschland von den Anfängen bis zum Beginn der frühen Neuzeit: Überblick, Diskussionsstand, Ergebnisse, in: Hartmut Boockmann u. a. (Hg.), Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Bd. 1, Göttingen 1998, S. 115–166. 12 Libero Gerosa, Das Recht der Kirche, Paderborn 1995, S. 73. 13 Emil Friedberg (Hg.), Corpus Iuris Canonici, Graz 1959. 14 Görgen, Rechtssprache, S. 81.
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Für die im Mittelalter verbreiteten semireligiosen Gemeinschaften wie Beginen, Terziarinnen oder auch Kanonissen fehlte zunächst ein klar umrissener rechtlicher Status. Das bedeutete einerseits ein gewisses Maß an Freiheit und lieferte Handlungsspielräume, gleichzeitig machte es ihre Stellung in der Kirche auch sehr unsicher. Zur Rechtfertigung des welt-geistlichen Standes gab es hauptsächlich zwei Möglichkeiten. Entweder man berief sich auf die Tradition der vergangenen Jahrhunderte und auf Gewohnheitsrecht, wie dies beispielsweise die Kanonissen taten, oder man sicherte sich die öffentliche Anerkennung durch den Papst, wie es in den Drittorden geschah. Konnte keine dieser beiden Möglichkeiten wahrgenommen werden, so war das Weiterbestehen der entsprechenden Gemeinschaft gefährdet. Die rechtlichen Schwierigkeiten, mit denen die Gemeinschaften zu kämpfen hatten, ergaben sich hauptsächlich daraus, dass sie den Anschein eines Ordens erweckten, ohne wirklich ein Orden zu sein. Da Mitglieder des Ordensstandes einen anderen rechtlichen Status genossen als Laien, konnte eine solche Unsicherheit nicht einfach hingenommen werden. Weil die vita mixta zudem eine große Popularität genoss, wurde ihr rechtlicher Status für die Kanonisten interessant. Die als unüberblickbar empfundene Flut an neuen Orden und Gemeinschaften seit dem 11. Jahrhundert hatte zunächst das Bedürfnis geweckt, wenigstens das eigentliche Ordensleben in geregelte Bahnen zu lenken.15 So wurde auf dem vierten Laterankonzil 121516 beschlossen, dass neue Orden nur noch mit Zustimmung des Papstes gegründet werden dürfen, eine Person nur in einen auf diese Weise kirchlich approbierten Orden eintreten darf und Orden, die approbiert werden wollen, eine der vier kirchlich approbierten Regeln annehmen müssen.17 Darüber hinaus wurde festgelegt, dass kein Mönch mehreren Klöstern angehören und kein Abt mehreren Klöstern vorstehen dürfe.18 Diese Aussagen wurden 1274 auf dem zweiten Konzil von Lyon19 bestätigt. Zudem wurden durch das Verbot der 15 Grundlegend zum (katholischen) kanonischen Recht immer noch: Willibald Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, 5 Bde. Wien 1959–1969. Hans Erich Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte – Die katholische Kirche, Weimar 1972. Einen Überblick über literarische Aspekte der Rechtsgeschichte liefert: Johann Friedrich von Schulte, Die Geschichte der Quellen und Literatur des Canonischen Rechts von Gratian bis zur Gegenwart, 3 Bde. Stuttgart 1875–1880 (Neudruck 1956). 16 Decretal. Gregor. IX. lib. III, tit. XXXVI: De Religiosis Domibus, cap. 9, RichterFriedberg II, 607, eine deutsche Übersetzung findet sich in: Josef Wohlmuth (Hg.), Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 2: Konzilien des Mittelalters vom ersten Laterankonzil (1123) bis zum fünften Laterankonzil (1512–1517), Paderborn 2000, S. 241f. 17 Gemeint waren die Regeln von Benedikt, Augustinus, Basilius oder Franziskus. 18 Die Formulierung ist hier nur auf Männer bezogen, angewendet wurden die Aussagen aber auf Frauen und Männer gleichermaßen. 19 Sexti Decretal. lib. III, tit. XVII: De Religiosis Domibus, cap. 1, Richter-Friedberg II, 1054–1055, deutsche Übersetzung: Wohlmuth, S. 326f.
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Aufnahme neuer Mitglieder und des Empfangs von Almosen all jene Orden unterdrückt, die bisher ohne päpstliche Erlaubnis entstanden waren.20 Dass diese erneute Bekräftigung notwendig war zeigt, dass die Rechtsprechung des vierten Laterankonzils wohl in der Praxis nicht immer angewandt wurde. Das für den weiteren Verlauf der Rechtsprechung entscheidende Ergebnis der beiden Konzilien ist ein Wandel des Begriffes religio. Bezeichnete er vor den Konzilien eher den Eintritt in eine bestimmte Lebensweise, so beschrieb er nun im kanonischen Sprachgebrauch den Eintritt in einen rechtlichen Status. Das erste entscheidende Dokument, das sich, wenn auch indirekt, mit dem Semireligiosentum auseinandersetzte, war das von Bonifaz VIII. 1298 im Liber Sextus veröffentlichte Dekret Periculoso.21 Anlass dafür war die seit dem 11. Jahrhundert einsetzende vita apostolica et evangelica-Bewegung, die bedingt durch die Auflösung des Feudalsystems und die Entstehung städtischer Gemeinschaften sowie aufgrund der allgemein einsetzenden Tendenz, gegenüber dem Überhand nehmenden Klerikalismus das laikale Element aufzuwerten, einerseits neue Impulse für das Ordensleben lieferte und andererseits eine Vielzahl von semireligiosen Zwischenformen zwischen Laientum und Kloster hervorbrachte.22 Frauen, die dieser Bewegung angehörten, hatten weder die Profess abgelegt noch lebten sie in Klausur, waren also im kirchenrechtlichen Sinn keine Religiosen. Dennoch wurden sie von der Bevölkerung als mulieres religiosae bezeichnet und als Religiose oder Nonnen betrachtet, was auch ihrem Selbstverständnis entsprach. Da Religiose andere Rechte und Pflichten hatten als Laien – so waren sie beispielsweise der kirchlichen und nicht der weltlichen Gerichtsbarkeit unterworfen – veröffentlichte Bonifaz VIII. das Dekret Periculoso, um eine klare Grenze zu ziehen. Inhaltlich legte das Dokument fest, dass die strenge aktive und passive Klausur23 künftig ein Wesensmerkmal des weiblichen Ordenslebens sein solle. Die Aufsicht über die Einhaltung der Bestimmungen wurde nun auch den Bischöfen und nicht mehr wie zuvor allein den Ordensoberen auferlegt. Während die akademischen Juristen jener Zeit und späterer Jahrhunderte die Worte des Dekrets streng auslegten, änderte sich in der Praxis für die Frauen in semireligiosen Gemeinschaften sehr wenig. Eine gewisse recht20 Eine Folge dieser Rechtssprechung war die Einschränkung der Gewalt des Bischofs über Orden in seiner Diözese. Dies sei hier nur angemerkt, da die Frage nach den Machtbefugnissen von Papst und Bischof im Bezug auf religiöse Gemeinschaften auch nach Trient eine entscheidende Rolle spielte. 21 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Dokument und seinen Kommentaren bietet Elizabeth Makowski, Canon Law and Cloistered Women. Periculoso and its Commentators, 1298–1545, Washington 1997. Dort finden sich auch der lateinische Originaltext sowie eine englische Übersetzung. 22 Dazu und zum folgenden vgl. Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 237ff. 23 Aktive Klausur verbietet den Nonnen das Verlassen des Klosters, während passive Klausur Besuche im Kloster verbietet.
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liche Sicherheit erhielten sie durch die Tatsache, dass unter den Päpsten des 13. und 14. Jahrhunderts (Innozenz III., Honorius III. und Gregor XI.) der status penintentiae (Bußstand) als dritter Stand anerkannt wurde, der ein religiöses Leben außerhalb des Klosters gewährleistete. Er unterschied sich vom Ordensstand dadurch, dass keine Gelübde, sondern einfache Versprechen abgelegt wurden. Als status medius, wie er seit dem 15. Jahrhundert genannt wurde, bildete er jedoch rechtlich keine neue Kategorie, denn die Angehörigen wurden eindeutig der weltlichen Gerichtsbarkeit zugeordnet.24 So lebten die Frauen weiterhin als Laien, wurden aber von der Bevölkerung als Religiose betrachtet, auch wenn ihnen die formalen Bedingungen für einen solchen Stand fehlten. Damit gelang es zwar, die gewünschte Trennlinie zwischen Religiosen und Semireligiosen wenigstens rechtlich zu ziehen, es fehlten jedoch klare Aussagen darüber, was bei einer „mittleren“ Lebensweise erlaubt war und was nicht. Diese Situation blieb durch das ganze Mittelalter hindurch und auch noch in der Frühen Neuzeit bestehen. 1317 fand das Corpus Iuris Canonici, das große Werk des klassischen kanonischen Rechts, seinen Abschluss. Seit 1140 hatten die „großen Juristenpäpste“ die entscheidenden Rechtstexte ihrer Zeit gesammelt und zu einem Kompendium zusammengefügt, das mehrmals ergänzt worden war.25 Obwohl in der Zeit nach 1317 das Gewohnheitsrecht, Einzelsammlungen von Privilegien bestimmter Orden und Reformdekrete der Konzilien dominierten, legten die Kanonisten des 14. und 15. Jahrhunderts weiterhin die klassischen Gesetze aus, indem sie „Glossen“ und „Apparate“ verfassten.26 Gegen Ende des 14. Jahrhunderts begann man dann Traktate27 zu verfassen, die einen größeren Praxisbezug hatten und deswegen besonders von Studenten und Richtern dankbar angenommen wurden. Dies war die theoretische Seite. Doch wirklich in Berührung mit dem Recht kamen die Menschen im Gerichtssaal, und so wurden die rechtlichen Gutachten (die Consilia oder Vota) zum entscheidenden Bindeglied zwischen theoretischem Recht und Praxis. In Bezug auf Personen, die den Anschein von Religiosen erweckten, obwohl sie keine waren, kann man sagen, dass die Kanoniker in Glossen und 24 Vgl. Martina Wehrli-Johns, Vita mixta und via media im spätmittelalterlichen Diskurs: Neuere Forschngen zum sogenannten Semireligiosentum, in: Spee-Jahrbuch 17/18 (2010/2011), S. 101–119. 25 Auch das Dekret Periculoso war Teil dieser Rechtssammlung, und zwar Teil des 1298 veröffentlichten Liber Extra. Bemerkenswert ist, dass es nirgendwo sonst auftaucht, sondern wohl speziell für den Liber Extra formuliert wurde, vgl. Makowski, Canon Law, S. 21f. 26 Glossen waren Kommentare, die man üblicherweise an den Rand eines Rechtstextes schrieb und die einzelne Worte oder Phrasen erklären sollten. Apparate waren im Prinzip Glossen, die ohne den Text selbst aufgeschrieben wurden. Übersichten über die Situation der Kanonistik und Rechtssprechung im 14. und 15. Jh. findet sich in den Einleitungen der beiden Bücher von Makowski. 27 Traktate beziehen sich auf ein bestimmtes Thema, das sie anhand so vieler Rechtstexte wie möglich umfassend zu behandeln versuchen.
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Apparaten durchweg ihre Zustimmung zu Periculoso ausdrückten, während der Text in der konkreten Rechtsprechung und somit auch in den Gutachten wenig Beachtung fand.28 Das Konzil von Trient (1545–1563) versuchte nun wieder Ordnung in die unüberblickbare Vielfalt der Einzelentscheidungen zu bringen, nicht zuletzt um die Position der katholischen Kirche im Zeitalter der Konfessionalisierung klarer herauszustellen.29 Obwohl die Beschlüsse von Periculoso kaum in die Praxis umgesetzt wurden, hatte doch die Unterstützung des Dekrets durch die Kanonisten des 14. und 15. Jahrhunderts dazu beigetragen, zumindest das Ideal lebendig zu halten, bis es seine erfolgreichere Umsetzung in den Reformbemühungen des Konzils von Trient finden konnte. Das Konzil beschäftigte sich in seiner letzten Sitzung (Sess. XXV) 1563 mit den Orden30 und bestätigte im Rückbezug auf Periculoso die strenge Klausur für alle weiblichen Ordensgemeinschaften mit feierlichen Gelübden. Die hier geforderten Klausurbestimmungen richteten sich allerdings nur an sanctimoniales, bezogen also weder Terziarinnen noch andere in der Welt lebende Frauen, die karitativseelsorgerische Tätigkeiten wahrnahmen, mit ein. Explizit ausgenommen waren jene Frauen, die man als poenitentes und conversae bezeichnete. Durch diese Einschränkung auf eigentliche Orden führte die Durchsetzung des Dekrets von Anfang an zu Schwierigkeiten. Die Fragen, die Trient offen ließ, waren: Gibt es einen dritten Stand? Und falls ja, welche rechtlichen Grundlagen brächte er mit sich? So wurden die Rechtstexte des Konzils schon zwei Jahre später durch die Konstitution Circa Pastoralis (1565)31 erweitert. Sie sollte die Frage beantworten, ob die existierenden Laiengruppen Orden waren und ob sie dementsprechend vom Papst oder vom Bischof approbiert werden müssten. Es wurde festgelegt, dass alle Frauen, die sich als Religiose bezeichneten, die Vorschriften von Periculoso und Trient befolgen mussten; darüber hinaus mussten sich alle Personen, die feierliche Gelübde ablegten, also hier insbesondere die Terziarinnen, der strengen Klausur unterwerfen. Danach legte das Dokument noch einige praktische Richtlinien fest: Da Frauenkonvente nun endgültig der strengen Klausur unterworfen und somit nicht mehr 28 So etwa, wenn es um die Rechtsprechung für Beginen oder Kanonissen ging. Vlg. Makowski, A Pernicious Sort of Woman, S. 89–113. Auch Lessius und Suárez beziehen sich in ihren Gutachten nicht auf dieses Dokument, obwohl es gerade im Konzil von Trient wieder bekräftigt wurde. 29 Vgl. Paolo Prodi, Das Konzil von Trient in bezug auf Politik und Recht der Neuzeit: Eine Einleitung, in: Ders./Wolfgang Reinhard (Hg.), Das Konzil von Trient und die Moderne, Berlin 2001, S. 7–22. 30 Decretum de regularibus et monialibus, c. 5, die deutsche Übersetzung findet sich in: Wohlmuth, Josef (Hg.), Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 3: Konzilien der Neuzeit, Paderborn 2002, S. 777–779. 31 Zu den genauen Umständen, die zur Konstitution führten, vgl. Nikolaus Onstenk, De constitutione S. Pii V. „Circa Pastoralis“ super clausura monialium et Terziariarum, Rom 1951. Für männliche Gemeinschaften wurden ähnliche Regelungen in der Konstitution Lubricum vitae genus getroffen.
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in der Lage waren, durch Betteln oder andere Tätigkeiten Geld zu verdienen, durften sie nur so viele Mitglieder aufnehmen, wie sie ohne fremde Hilfe unterstützen konnten. Außerdem wurde die Durchsetzung dieser Bestimmungen den örtlichen Autoritäten anheimgestellt. Ob eine Gemeinschaft ein Orden war, wurde jetzt endgültig am äußeren Anschein festgemacht. Trugen Frauen einheitliche Kleidung oder lebten sie in Gemeinschaft, so waren sie als Religiose anzusehen und mussten entweder klausuriert werden oder ihre Gemeinschaft auflösen. Ferner sollte verhindert werden, dass einfache Gelübde öffentlich abgelegt wurden.32 Ergänzt wurde Circa Pastoralis durch das Dekret Decori (1566), das die Gründe, die das Verlassen der Klausur rechtfertigten, konkret beschrieb: Feuer, Lepra oder eine Epidemie. Obwohl beide Dokumente eine weitere Klarstellung der Verhältnisse anstrebten, blieben sie doch auf halber Strecke stehen, da sie sich nur an Terziarinnen richteten. Explizit ausgeschlossen wurden Frauen, die die drei Gelübde ohne Zugehörigkeit zu einem Orden ablegten, oder solche, die sich als „Religiose“ verstanden, aber nicht in einer Gemeinschaft lebten.33 Das letzte entscheidende Dokument für den hier betrachteten Zeitraum war die Bulle Ascendente Domino (1583), die die Ernennung der Gesellschaft Jesu zu einem Orden 1582 rechtfertigte. Die Jesuiten waren in Kritik geraten, weil einige Mitglieder ihres Ordens nur einfache Gelübde ablegten, aber trotzdem als Religiose betrachtet wurden. Ascendente Domino brachte nun zum Ausdruck, dass der Zusammenhang von feierlichen Gelübden und Ordensstand nur eine kirchliche Regelung sei, die verändert werden könne, dass also – jedenfalls konkret im Hinblick auf die Gesellschaft Jesu – auch durch einfache Gelübde die Zugehörigkeit zum Ordensstand gegeben war.
Moral und Recht Kennzeichnend für das Rechtsverständnis im 16. Jahrhundert ist der enge Zusammenhang von Kanonistik und Moraltheologie, einer Disziplin, die sich gerade erst herauszubilden begann. Für das Mittelalter gilt: „[Solange] es noch keine Universitäten gab und die Dialektik sich noch nicht der Theologie bemächtigt hatte, unterschied man nicht sonderlich zwischen Glaubens- und Sittlichkeitsfragen, da ja auch Glaubenssätze ihrer Natur nach zu einem bestimmten sittlichen Verhalten führten.“34 In der Scholastik waren es dann Thomas von Aquin und Petrus Lombardus, die die Moraltheologie geschlossen behandelten, ohne jedoch 32 Zur Problematik der Gelübde vgl. unten. 33 Onstenk, Circa Pastoralis, S. 7. Damit waren wohl insbesondere Personen gemeint, die dem status penitentiae angehörten. 34 Johann Theiner, Die Entwicklung der Moraltheologie zur eigenständigen Disziplin, Regensburg 1970, S. 344.
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den Blick auf die Theologie als Gesamtes zu verlieren. Einen großen Einschnitt in der Entwicklung markierte das Konzil von Trient, das mit der geistlichen Erneuerung auch eine höhere Bildung des Klerus forderte, damit die Reformen durchgesetzt werden konnten. Außerdem legte es großen Wert auf die Beichte als Hilfsmittel zur Erneuerung des religiösen und sittlichen Lebens der Menschen. Beide Forderungen zusammen führten zur Einrichtung von Priesterseminaren, in denen die Kandidaten neben der Auslegung der Schrift z. B. auch lernen sollten, das Bußsakrament richtig zu spenden. Besonders die Jesuiten taten sich neben den Dominikanern und Franziskanern in der Entwicklung neuer Lehrpläne für junge Priester hervor. Man wollte diese entsprechend der tridentinischen Anforderungen „in das Geheimnis der Lösung der Gewissensfälle“35 einführen. Kanonisten begannen, Beichtmanuale zu veröffentlichen, und der Ruf nach einem einheitlichen Handbuch zur Morallehre wurde laut.36 Man unterschied wie schon im Mittelalter zwischen praktischer und spekulativer Theologie und wollte erstere in einem solchen Handbuch vertreten sehen. So wollen die ersten Lehrbücher der Moraltheologie soviel Spekulation wie nötig, aber soviel Kasuistik wie möglich darstellen.37 Dabei bezog man juristische und kanonistische Elemente ein, wenn sie bei der Behandlung von Gewissensfällen brauchbar waren. Gefördert wurde die Kasuistik auch durch die Forderungen des Konzils von Trient, die Sünden nach Art, Anzahl und Umständen zu beichten.38 Solange es noch kein eigenes moraltheologisches Lehrbuch gab, bildete die Grundlage dafür die Summa Theologiae des Thomas von Aquin. Der Zusammenhang zwischen Recht und Moral zeigt sich auch in den zahlreichen Traktaten, die den Titel De iustitia et iure39 tragen. Die Moraltheologen waren zunächst eigentlich Kanonisten, „ja eine kirchenrechtliche Qualifikation [war] geradezu Voraussetzung für eine Berufung ins Lehramt der Moraltheologie“40. Auch das Kirchenrecht war im 16. Jahrhundert noch keine eigene Disziplin in dem Sinne, dass es an einem ordentlichen Lehrstuhl unterrichtet wurde.41 So vertraten insbesondere die Jesuiten die Auffassung, der Stoff des Kirchenrechts sei notwendig mit dem der „Moraltheologie“ 35 Ebd., S. 347. 36 Ein erstes Lehrbuch der Moraltheologie wurde wohl erst 1577 verlangt. Vgl. KarlHeinz Kleber, Historia Docet. Zur Geschichte der Moraltheologie, Münster 2005. 37 Theiner, Moraltheologie, S. 356. 38 Vgl. Heinrich Denzinger, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, ins Deutsche übertragen und herausgegeben von Peter Hünermann, Freiburg 2001, Nr. 1707, S.1551 39 So zum Beispiel auch das Hauptwerk des Leonard Lessius. 40 Kleber, Historia Docet, S. 26. Suárez zum Beispiel kommentierte einerseits die Summa Theologiae, formulierte andererseits aber auch seine staatstheoretischen und naturrechtlichen Überzeugungen in dem Werk De legibus ac deo legeslatore. 41 Erst 1625 wurde in Dillingen vorübergehend eine Professur für kanonisches Recht eingerichtet. Theiner, Moraltheologie, S. 289.
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zu verbinden.42 Begründet wurde dies damit, dass Beichtväter, für die man die Morallehre ja allgemein verständlich machen wollte, üblicherweise dort angesprochen wurden, wo Rechtsfragen nicht mehr eindeutig durch das kanonische Recht geklärt werden konnten. Auch seitens der Kanonisten wurde der enge Zusammenhang von Moral und Recht gesehen und angewandt. Zum einen war die praktische Rechtsprechung eine stark kasuistisch ausgerichtet Wissenschaft und wurde den angehenden Juristen auch anhand der Analyse einzelner Fälle vermittelt. Hier findet sich eine Parallele zu den Gewissensfällen der Moraltheologie. Darüber hinaus waren, wie im vorigen Abschnitt dargestellt wurde, besonders im 14. und 15. Jahrhundert die Gutachten im angewandten Recht entscheidend. Sie enthielten oft Themen, die die Grenzen zwischen weltlichem und kanonischem Recht überschritten und so mussten die Verfasser von Gutachten in beiden Rechten bewandert sein. Außerdem wurden selbstverständlich auch moralische Argumente herangezogen.43 Gutachten wie die von Lessius und Suárez wurden oft von den Parteien vor Gericht oder dem Gerichtshof selbst in Auftrag gegeben. Die Vorgehensweise bei der Anfertigung von Gutachten und juristischen Texten überhaupt war, eine Kette von logischen Schlussfolgerungen auszubauen, die in jedem Glied mit Beweistexten oder zuverlässigen Aussagen unterstützt wurden. Diese unterstützenden Texte konnten aus dem römischen Recht, dem Recht der Antike, frühen Konzilien der Kirche, Lehren der Kirchenväter, Vorlesungsmitschriften oder Meinungen zeitgenössischer Theologen und Juristen stammen. Speziell die Gutachten waren dabei meistens schon auf ein bestimmtes Ergebnis hin ausgerichtet und ihre Autoren verwendeten deswegen nur Beweistexte, die dieses Ergebnis unterstützten, oder ihrer Meinung entgegenlaufende Texte, die sie widerlegen konnten. Ein Gutachten sollte keine umfassende Darstellung aller Texte sein, die zu einem Thema verfasst wurden, sondern eben eine Darstellung zu einem bestimmten Ziel und Zweck. So war es nicht ungewöhnlich, wenn die Verfasser der Gutachten beispielsweise grundlegende akademische Kommentare außen vor ließen, wenn sie ihre These nicht unterstützten.
Wesentliche Elemente des Diskurses über den welt-geistlichen Stand Der fehlende formalrechtliche Status des Semireligiosentums blieb auch nach dem Konzil von Trient und den beiden Dekreten Circa Pastoralis und Decori ein Problem. Einen Höhepunkt fand der Diskurs über den welt-geist42 Besonders Martin de Azpilcueta (1492–1586) tat sich hier hervor, indem er begann, die Teile der Dekretalen Gregors IX. zu erklären, die sich auf Sakramente und geistliche Themen bezogen. Theiner, Moraltheologie, S. 299–303. 43 Ein Hauptargument der Gegner des Semireligiosentums war etwa, dass Frauen ohne Klausur leichter der Häresie verfallen konnten als klausurierte Nonnen.
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lichen Stand in der Auseinandersetzung mit den Englischen Fräulein, die versuchten, ihre Ziele des Mädchenunterrichts und der Mission in einem weiblichen Gegenstück zum Jesuitenorden zu verwirklichen. Die Argumente, die für und gegen ein Fortbestehen der Gemeinschaft sprachen, weisen dabei besonders deutliche Züge der typischen Debatte für und gegen semireligiose Gemeinschaften auf. Zusammengefasst werden sie in den Rechtsgutachten von Lessius und Suárez. Die Fragen, die beiden Rechtsgelehrten vorgelegt wurden, waren „1. ob dieses Institut (die Englischen Fräulein) erlaubt und fromm ist. 2. ob ein Bischof es approbieren und bestätigen kann. 3. ob dieses Institut für einen Stand gehalten werden kann, so dass die Jungfrauen, die jenes annehmen, als Personen angesehen werden können, die einen unumstößlichen Stand und Lebenswandel erreicht haben.“44 Damit steht die Frage nach der Art der religiösen Lebensweise, die hier zu finden ist, im Mittelpunkt. Die Argumentation ist im Folgenden zentriert um die Frage, wodurch der welt-geistliche „Stand“ definiert wird. Konstitutiv dafür war seit dem Mittelalter der enge Zusammenhang mit zu leistenden Gelübden.
Stand und Gelübde in der mittelalterlichen Tradition Der Begriff „Stand“45 bezog sich in der Frühen Neuzeit im allgemeinen Sprachgebrauch entweder auf eine Lebenslage des Menschen im Allgemeinen, unabhängig davon, wie lange er sich darin befand, oder auf einen dauerhaften im Wesentlichen unveränderlichen Zustand im menschlichen Dasein. Schon im Mittelalter war die Gesellschaft auf unterschiedlichste Art untergliedert und die Menschen wurden nach den verschiedensten Kriterien klassifiziert. Diese Kriterien konnten sich teilweise überschneiden oder sogar gegensätzlich sein. Es gab Freie oder Unfreie, Ritter oder Bauern, Kaufleute 44 Die nun folgenden lateinischen Texte sind zitiert nach Ursula Dirmeier (Hg.), Mary Ward und ihre Gründung. Die Quellentexte bis 1645, Bd. 1 (Corpus Catholicorum 45), Münster 2007, Nr. 110, S.234 und 118, S. 265. „1° An hoc institutum sit licitum ac pium. 2° An Episcopus possit id approbare et confirmare 3° An hoc institutum debeat censeri status, ita ut virginesillud amplexae possint censeri accepisse statum et vitae rationem immobilem.“ (Hervorhebungen von mir; Übers. ins Deutsche hier und im Folgenden von mir). 45 In den lateinischen Texten finden sich die Begriffe: conditio, genus, gradus und status. Vgl. zum Folgenden Paul Wesemann, Die Anfänge des Amtes der Generaloberin, München, 1954, S. 71–76; vgl. auch Robert Lemoine, Le Droit des Religieux du Concile de Trente aux intituts séculiers, Bruges 1956, S. 14–20.
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oder Handwerker; die für den kirchlichen Bereich ausschlaggebende Untergliederung war aber die in die drei Stände der Kleriker, der Ordenspersonen und der Laien.46 Dabei ist zu beachten, dass es oft eine große Diskrepanz gab zwischen den konkreten gesellschaftlichen Bedingungen und der Theorie, wie sie die einzelnen Autoren in ihren Werken festhielten. In den meisten Texten beziehen sich die Begriffe religio oder vita religiosa auf ein Leben in einem Orden. In der Realität passten sich viele „religiose“ Männer und Frauen in dieses Raster ein. Mit dem Begriff mulieres religiosae konnten so zum einen Nonnen im engeren Sinn bezeichnet werden. Auf der anderen Seite bezog er sich aber auch auf Frauen, die im Dienst Gottes lebten, deren religiöses Leben aber durchaus auch „in der Welt“ stattfand. Dieser „dritte“, zölibatäre Stand in der Welt, wie er im zeitgenössischen Sprachgebrauch bezeichnet wurde,47 überschritt die in den Gesetzestexten klar gezogene Grenze zwischen Laien und Ordenspersonen und war somit immer wieder dem Verdacht der Häresie ausgesetzt. Die am weitesten verbreitete Definition eines Standes, wie sie in fast allen Rechtstexten immer wieder aufgegriffen wird, geht auf Thomas von Aquin zurück. Ein Stand sei von der Wortbedeutung her etwas, das aufgrund der eigenen Planung eine gewisse Beständigkeit oder Ruhe aufweist.48 Darüber hinaus sei für die Kirche und das kanonische Recht entscheidend, dass hier nicht nur ein innerer Zustand vorliegt, sondern auch etwas nach außen in Erscheinung tritt.49 In Leonard Lessius’ Schriften ist ein Stand im engeren Sinne ein dauerhafter, im Wesentlichen unveränderter Zustand im menschlichen Dasein.50 Damit lässt er die rechtliche Komponente der 46 Giles Constable, The Orders of Soiety, in: ebd.: Three Studies in Medieval Religious and Social Thought, Cambridge 1998. 47 Vgl etwa. Leo Huberti, De Bono Status eorum qui vovent et colunt Castitatem in seculo, Köln 1615. – In einer für semireligiose Frauen verfassten Verteidigungsschrift heißt es etwa im Bezug auf die Entscheidungsfindung für eine bestimmte Lebensweise: „Sie sey allein auff einer gefährlichen reyse / an einem orth / da drey weg sich scheiden / deren zween abwege seind / und unter die Räuber / und Mörder führen / einer aber richtig und sicherlich zu ihrem gesuchten Vaterlandt / und diesen begehre sie ein zu gehen / unnd keinen andern / wan sie ihnen nur erkennen / und wissen möchte.“ Diese drei Wege sind Ehe, Orden und geistliches Leben in der Welt. Hermann Busenbaum, Lilien under den Dörneren / daß ist / Gott verlobter Jungfrawen unnd Witwen Welt=geistlicher Standt. Mit gründtlichem bericht und Schutzschrifft erklärt Durch R. P. Hermannvm Bvsenbavm der Gesellschaft Jesu Priestern / und S. Theol. Licent., Köln 1660, S. 279 online unter: http://books. google.com/books?id=Ir87AAAAcAAJ&printsec=frontcover&dq=lilien+busenbau m&hl=de#v=onepage&q=&f=false 48 Thomas von Aquin, Die deutsche Thomas-Ausgabe, übersetzt von Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Österreichs. Bd. 24, Heidelberg 1952, STh. II–II. q.183. 1 c. 49 STh. II–II. q.184. 4 c, q. 184. 5 c. 50 Lessius, De iustitia et iure caeterisque virtutibus cardinalibus, Antwerpen 1609. Lib 2, c.41.
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Öffentlichkeit erst einmal außer Acht. Suárez geht im Rückgriff auf Thomas von Aquin weiter und stellt fest, dass die Dauerhaftigkeit eines Standes nicht nur tatsächlich gegeben, sondern der Stand auch vom Menschen gewollt und außerdem „durch Umstände objektiver Art, z. B. bindende Verpflichtungen oder rechtliche Vorschriften, dauerhaft gemacht“51 sein müsse. Gehörte man einem Stand an, waren Rechte und Pflichten klar festgelegt, weswegen auch der Eintritt und Austritt als Rechtsakte zu betrachten waren, deren Formalitäten genau geregelt waren. Diese Regelungen erfolgten üblicherweise durch die kirchliche Obrigkeit, so dass ein Mensch ohne diese in keinen Stand gelangen konnte. Man trat beispielsweise in einen Orden ein, indem man feierlich Keuschheit, Armut und Gehorsam gelobte und darüber hinaus ein Ordensgewand anlegte. Damit galt das Laie-Sein im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch im Kirchenrecht nicht als Stand, da man nicht durch einen Rechtsakt zum Laien wurde. In den Rechtstexten findet sich jedoch die Differenzierung in drei kirchliche Stände: den Klerikerstand, den Ordensstand und den Ehestand. Für Frauen, die per se keine Priester werden konnten, blieben in dieser Kategorisierung also nur die beiden Stände der Eheleute oder der Ordenspersonen, „Mann oder Mauer“, wie zeitgenössische Texte griffig formulieren. Frauen, die Gelübde in semireligiosen Gemeinschaften ablegten, traten rechtlich gesehen nur dann in einen neuen Stand ein, wenn die entsprechenden Gelübde von der Kirche anerkannt wurden. Private Versprechungen, auch wenn sie den gleichen Inhalt hatten, führten nicht zu einer Veränderung des Standes. Für die Mitglieder des mittleren Standes war es darüber hinaus von Bedeutung, ob der mutmaßliche Stand, in den sie eintraten, als „Stand der Vollkommenheit“ (status perfectionis) zu bezeichnen wäre. War dies der Fall, fielen sie unter die kirchliche Gerichtsbarkeit, andernfalls unter die weltliche. Der Begriff der „Vollkommenheit“ eines Standes wird ebenfalls bei Thomas von Aquin geklärt.52 Die Vollkommenheit des christlichen Lebens liege demnach besonders in der Liebe zu Gott.53 Der Mensch habe zwei Möglichkeiten, diese Vollkommenheit zu erreichen. Zum einen könne er in seinem Leben alle Hindernisse ausräumen, die dieser Liebe im Wege stehen, wie etwa die Todsünden, aber auch alle weltlichen Dinge, die den Geist daran hindern könnten, sich ganz der Liebe Gottes zu widmen.54 Zum anderen könne er sich aber auch in den Stand der Vollkommenheit (status perfectionis) begeben. In diesen Stand trete man ein, wenn man sich in feierlicher Weise zu etwas 51 Wesemann, Generaloberin, S. 71. Wie sich diese unterschiedlichen Auffassungen im Bezug auf die Argumentation der beiden Gelehrten bezüglich des dritten Standes auswirkten, wird sich im nächsten Abschnitt zeigen. 52 STh. II–II. q. 184, eine übersichtliche Darstellung findet sich in: Ulrich Horst, Wege in die Nachfolge Christi. Die Theologie des Ordensstandes nach Thomas von Aquin, Berlin 2006. 53 STh. II–II. q. 184. 1 c 54 STh. II–II. q. 184. 2 c
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mit der Vollkommenheit Verbundenem verpflichte.55 Ordensgemeinschaften galten als die reale Verwirklichung des Standes der Vollkommenheit, auch unabhängig von der inneren Verfassung einzelner Mitglieder. Nicht die persönliche Heiligkeit war also wichtig, sondern die „objektive Zugehörigkeit“ zu einem Stand.56 Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer im Stand der Vollkommenheit, also Mitglied eines Ordens, war, galt als vollkommen, aber es gab auch unabhängig von der Standeszugehörigkeit Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen. Das Anliegen aller Orden, die Vollkommenheit zu ermöglichen, konnte nach Thomas von Aquin in der Zielsetzung eines Ordens auf unterschiedlichste Arten formuliert werden; daher gebe es Orden zum Zweck des Gebets und der Kontemplation, der Krankenpflege oder der Predigt.57 Dabei habe die Kirche das Recht, bei veränderten Bedingungen in der Gesellschaft neue Orden zu gründen, die sich den Gegebenheiten anpassen, auch wenn es hierfür keine Vorläufer gab. Nach Thomas von Aquin konnten einige Orden nun vollkommener sein als andere, nämlich dann, wenn entweder ihr Ziel besonders geeignet war, die Liebe Gottes zu erreichen, oder wenn die gewählten Mittel, das Ziel zu erreichen, besonders passend erschienen. Als solche Mittel galten unter anderem die Evangelischen Räte, das heißt die Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams. Damit hatten die Gelübde keinen absoluten Charakter, das heißt, ihre Einhaltung führte nicht schon in die Vollkommenheit. Wenn sie allerdings in feierlicher Profess in einem Orden abgelegt wurden, bewirkten sie die Mitgliedschaft im Stand der Vollkommenheit. Wo standen in dieser Aufteilung nun die semireligiosen Gemeinschaften? Sie konnten per se eigentlich nicht zum Stand der Vollkommenheit gehören, weil beim Beitritt keine feierliche Profess abgelegt wurde. Die feierlichen Gelübde des Gehorsams, der Keuschheit und der Armut waren nämlich den von der Kirche approbierten Orden vorbehalten. Waren feierliche Gelübde ab dem 12. Jahrhundert, wo dieser Begriff zum ersten Mal auftritt, wirklich jene Gelübde, die in aller Regel mit einer gewissen öffentlichen Feier gewürdigt wurden, so hatte sich ihre Bedeutung spätestens unter Bonifaz VIII. (1294–1303) geändert. Nach den Dekretalen lag ein feierliches Gelübde nur dann vor, wenn es in einem päpstlich approbierten Orden oder beim Empfang der höheren Weihen abgelegt wurde. Einfache und feierliche Gelübde waren für den, der sie ablegte, unauflöslich. Der Unterschied zwischen beiden lag in den Rechtsfolgen. Legten Frauen feierliche Gelübde ab, so folgte daraus spätestens seit dem Konzil von Trient die strenge Klausur.58 55 STh. II–II. q. 184. 4 c. 56 Horst, Wege in die Nachfolge Christi, S. 85. 57 STh II–II. q. 188. 58 Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Wesemann, Generaloberin, S. 78–84, und Lemoine, Le Droit des Religieux, S. 42–49.
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Versprechen oder einfache Gelübde, d. h. solche, die unabhängig von den bestehenden Orden abgelegt wurden, zogen hingegen keine Klausur nach sich, führten aber nach den bisherigen Gegebenheiten rechtlich auch nicht in einen neuen Stand. Umgekehrt waren allerdings feierliche Gelübde nicht zwingende Voraussetzung für den Eintritt in einen Orden, auch wenn dies lange Zeit die vorherrschende Meinung war. Einige Mitglieder der neu entstandenen Gesellschaft Jesu legten nur einfache Gelübde ab, dennoch wurde ihr Institut als Orden anerkannt.59 Diese Regelung schien auch für andere Gemeinschaften neue Möglichkeiten zu eröffnen.
Stand und Gelübde in der Argumentation von Lessius und Suárez Die vorliegende Gestalt der Gemeinschaft In ihren Gutachten zu der Gemeinschaft der Englischen Fräulein, geben die beiden Rechtsgelehrten Leonard Lessius und Francisco Suárez zunächst eine knappe Beschreibung der Gemeinschaft: „Viele Jungfrauen Englands, die ihre Heimat, welche von Häresie bedrängt war, verlassen hatten, versammelten sich allmählich zu einer Einheit, und aus Verlangen nach eigener Vervollkommenung und dem Heil ihrer Nächsten haben sie sich eine bestimmte Lebensregel zur Nachahmung des Ordenslebens geschaffen und wählen aus ihrer Mitte eine Oberin [superior], die sie Mutter nennen. Dieser versprechen sie ewigen Gehorsam gemäß jener Regel durch ein Gelübde, zu dem sie sich verpflichten, gleichzeitig durch ein zusätzliches Gelübde der Keuschheit und Armut. Ziel dieses Instituts ist es, frei zu sein für ihr Heil und die Vollkommenheit und sich vor allem der Erziehung von Mädchen zu widmen, die von England zu ihnen geschickt werden.“60
59 Offiziell wurde diese Anerkennung zunächst durch die Bulle Quanto frucuosius, die wiederum durch die Bulle Ascendente Domino (1583) bekräftigt wurde. 60 „Multae virgines Anglae patriam suam haeresi oppressam egressae sensim in unum coiverunt, et desiderio propriae perfectiones et salutis proximorum confecerunt sibi certam vevendi formulam ad imitationem vitae religiosae et ex suo corpore deligunt superiorem, quam vocant Matrem. Huic promittunt obedientiam perpetuam secundam illam regulam voto se ad hoc obstringentes, addito simul voto castitatis et paupertatis. Finis huius instituti est, vacare suae saluti et perfectioni et incumbere potissimum in instructionem puellarum quae ad eas ex Anglia mittuntur.“
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Nach dieser Beschreibung handelt es sich um einen Zusammenschluss von Frauen, die das Ordensleben nachahmt, selbst aber kein Orden ist, also genau jene Art von unbestimmtem Status zwischen Kloster und Welt besitzt, die rechtlich neu zu bestimmen ist. Was diese spezielle Gemeinschaft auszeichnet ist, dass die Mitglieder eine gewisse Lebensregel befolgen und sich auf die drei Evangelischen Räte des Gehorsams gegenüber der Oberin, der Keuschheit und der Armut verpflichten. Darüber hinaus wird ganz im thomistischen Sinne das Ziel der Gemeinschaft angegeben, mit dessen Hilfe die Vollkommenheit erreicht werden soll, nämlich der Unterricht von Mädchen aus England, so dass die traditionellen Wesensmerkmale des (männlichen) Ordensstandes vollständig verwirklicht sind. Der einzige Unterschied zu einem eigentlichen Orden findet sich in der Bezeichnung – es handele sich um ein „Institut“. Hier zeigt sich das besondere Selbstverständnis der Englischen Fräulein und der Unterschied zu vielen anderen semireligiosen Gemeinschaften, deren Ziel auch die „Vollkommenheit“ war, die sich dazu aber oft nur auf ein privates Versprechen oder Gelübde der Keuschheit verständigten. Dieser besondere eigene Status wird mit einem Rückbezug auf die Gesellschaft Jesu gerechtfertigt. Der Begriff „institutum“ hatte nämlich seinen festen Platz im Sprachgebrauch der Jesuiten und meinte einerseits die Weise ihres Lebens und Wirkens, andererseits die schriftlichen Dokumente, durch die diese Lebens- und Arbeitsweise authentisch und verbindlich dargestellt wird. 61 Wie selbstverständlich wird hier auch die neue Gemeinschaft der Englischen Fräulein als Institut bezeichnet. Im Folgenden versucht nun Lessius den Beweis zu erbringen, dass die Gruppierung mit einer Approbation durch einen Bischof dauerhaft bestehen bleiben darf und somit zwar kein Orden im eigentlichen Sinne ist, aber dennoch eine Existenzberechtigung hat und sogar einen „neuen Stand“ konstituiert. Suárez ist dagegen der Auffassung, dass die Englischen Fräulein in ihrer Konzeption einem Orden so nahe kommen, dass sie auch noch den letzten Schritt gehen müssten und die Approbation des Papstes einfordern sollten. In ihrer jetzigen Lage hätten sie jedoch keine Existenzberechtigung. Ziel und Mittel In seiner Argumentation geht Lessius zunächst ganz im thomistischen Sinne auf Ziele und Mittel des Instituts ein, um über den Nachweis ihrer Heiligkeit, den speziellen Stand der Englischen Fräulein zu rechtfertigen. Sind Ziele und Mittel heilig, so konstituiert die Lebensweise der Gemeinschaft nach Lessius nicht nur einen eigenen Stand, sondern dieser kann auch ein Stand 61 Vgl. Günther Switek, Die Eigenart der Gesellschaft Jesu im Vergleich zu den anderen Orden in der Sicht des Ignatius und seiner ersten Gefährten, in: Michael Sievernich/Günther Switek (Hg.), Ignatianisch. Eigenart und Methode der Gesellschaft Jesu, Freiburg im Breisgau 1990, S. 204–232.
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der Vollkommenheit sein, da nach seiner Auslegung des Thomas von Aquin eben dies die Vollkommenheit des Ordensstandes bewirkt. „Zur ersten Frage scheint kein Zweifel zu bestehen, dass dieses Institut nicht nur für erlaubt, sondern auch für fromm gehalten werden muss. Es wird gebilligt, weil das Ziel sehr heilig und jenem Reich [England] sehr heilsam ist: Es ist nämlich unglaublich, wie viel des Guten die vornehmen Mädchen, die von jenen Jungfrauen rechtschaffen unterrichtet wurden, leisten können, wenn sie nach England zurückgehen, sowohl bei Ehemännern und der Nachkommenschaft, wenn sie sich für den Stand der Ehe entscheiden, als auch bei anderen Blutsverwandten und angeheirateten Verwandten, selbst wenn sie unverheiratet bleiben. Auch alle Mittel sind erlaubt und heilig: Es ist nämlich heilig, sich auch im Diesseits durch das Gelübde der Keuschheit zu verpflichten, wie nach der Schrift, den Vätern und der durchgehenden Praxis aller Generationen vom Anfang der Kirche bis zu dieser Zeit kontinuierlich feststeht. Heilig und lobenswert ist es, sich von den Gewohnheiten der weltlichen Menschen fernzuhalten und sich mit Kameradinnen desselben Vorsatzes an einen Ort zurückzuziehen. Es ist heilig, gemäß einer bestimmten Form und Regel gut zu leben. Es ist heilig, eine Oberin zu wählen, die die Gemeinschaft nach jener Regel leitet, und dieser den Gehorsam in jenen Angelegenheiten zu versprechen, die gemäß der Regel sind.“62 Das Ziel, Mädchen zum Glauben zu erziehen, sieht Lessius als fromm und wertvoll an, besonders, da wegen dieser Erziehungsarbeit die jungen Frauen, die nach ihrer Schulzeit in die Heimat zurückkehren, als Multiplikatoren für die katholische Lehre dienen können. Der Wert solcher Argumente ist gerade im Zeitalter der Konfessionalisierung nicht zu unterschätzen. Noch bis in die 62 „Ad primum nullum videtur subesse dubium quin hoc institutum censeri debeat non solum licitum sed etiam pium. Probatur, quia finis sanctissimus est et illo regno saluberrimus : incredibili enim dictu est, quantum boni puellae Nobiles ab illis virginibus probe institutae cum in Angliam redierint, praestare queant, tum apud maritos et proles si statum matrimonii elegerint, tum etiam apud alios consanguineos et affines etiamsi caelibis manserint. Media quoque omnia sunt licita et sancta: sanctum enim est se voto castitatis etiam in saeculo obstringere, ut ex scripturis et Patribus et usu omnium saeculorum ab initio Ecclesiae ad hoc tempus continuato constat. Sanctum, et laudabile est a saecularium hominum consuetudine, se abstrahere, et in unum locum cum sociis eiusdem propositi se recipere. Sanctum est certam bene vivendi formulam ac regulam sequi. Sanctum est superiorem deligere quae communitatem secundum formulam illam regat, eique obedientiam quae in iis secundum regulam sunt promittere.“
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Mitte des 17. Jahrhunderts fehlte es an Priestern, die im Sinne des Konzils von Trient ausgebildet wurden.63 So wussten Bischöfe und katholische Landesherren die Dienste der Frauen in ihren Territorien zu schätzen, was auch zu den Erfolgen der Frauen um Mary Ward und ähnlicher Gemeinschaften beitrug. Ein weiteres Ziel, das die Englischen Fräulein selbst formulieren, die konkrete Predigt und Verkündigung des katholischen Glaubens in England,64 wird hier nicht erwähnt. Vermutlich unterschlägt Lessius das zweite Ziel des Instituts an dieser Stelle absichtlich, um keinen Angriffspunkt für Gegner zu bieten, die gerade durch die Missionstätigkeit die Klausur und damit die moralische „Reinheit“ der Frauen verletzt sahen.65 Die Mittel, das oben genannte Ziel zu erreichen, sind für Lessius ebenfalls gut und heilig, nämlich die drei Evangelischen Räte zu befolgen und diese auch durch Gelübde zu bekräftigen. In seiner Argumentation geht er allerdings nur auf das Gelübde der Keuschheit, das auch „in der Welt“ als ehrbar anzusehen sei, und das Gelübde des Gehorsams ein. Das Armutsgelübde spielt keine Rolle. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass er sich in seiner Vorgehensweise an den mittelalterlichen Gutachten für die Kanonissen orientierte, die nicht zur Armut verpflichtet waren. Auch die Begründung mit der apostolischen Praxis seit „Anfang der Kirche“ deutet in diese Richtung. Für Lessius mit seinem eher moralischen Ansatz genügen Güte von Zielen und Mitteln, um einen vor Gott und damit auch vor dem menschlichen Recht gültigen Status zu besitzen. Was den Wert der Ziele und Mittel des Instituts angeht, stimmt Suárez mit Lessius überein. Doch während Lessius daraus schon den Schluss zieht, dass das Institut als erlaubt gewertet werden kann, kommt Suárez zu dem Ergebnis, dass für die Erlaubtheit noch die Approbation des Papstes notwendig sei. Dies liegt nicht zuletzt an der Auffassung von Willen und Recht bei Suárez.66 Für Suárez setzen alle Verpflichtungen, auch alle moralischen Verpflichtungen, einen rechtlichen Akt voraus, das heißt die Verpflichtung durch eine höhergestellte Person (im Fall der Moral letztlich durch Gott). Damit die Verpflichtung auf Ziele und Mittel der Gemeinschaft in einen rechtlich gültigen Status führt, fehlt eben noch die Zustimmung jener höhergestellten Person, 63 Vgl. z. B. für die Verhältnisse in den Niederlanden: Marit Monteiro, Paragons of Piety: Spiritual Virgins and thei Private Devotion in the Northern Netherland during the Seventheenth Century, in: Ferdinand van Ingen/Cornelia Niekus Moore (Hg.): Gebetsliteratur der frühen Neuzeit als Hausfrömmigkeit, Wiesbaden 2001, S. 93–112 hier: S. 98. 64 Vgl. schon den ersten Entwurf von Regeln, den sogenannten Institutsplan Schola Beatae Mariae, Dirmeier, Mary Ward, Bd. 1, Nr. 77, S. 171–184. 65 Ähnlich geht auch Bischof Blaes von Saint-Omer in seinem Verteidigungsbrief für die Englischen Fräulein vor, vgl. Henriette Peters, Mary Ward. Ihre Persönlichkeit und ihr Institut, Innsbruck u.a. 1991, S. 254–255. Der Brief ist abgedruckt in Dirmeier, Mary Ward, Bd. 1, Nr. 114, S. 247–257. 66 Thomas Pink, Action, Will and Law in Late Scholasticism, in: Jill Kraye/Risto Saarinen (Hg.), Moral Philosophy on the Threshold of Modernity, Dordrecht 2005, S. 31–50.
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des Papstes. Es gibt keine Ausnahmen. Die Kategorien „gut“ und „schlecht“ beziehen sich nur auf Ratschläge (consilia) und ziehen noch keine rechtliche Verpflichtung nach sich. So kann er hier die Ziele und Mittel des Instituts als gut und erlaubt beschreiben, ohne dass damit auch schon gleich das Institut als solches einen rechtlich gültigen Status erlangt: „Trotzdem glaube ich, dass diese Art zu leben – sei es, dass sie gleich einem ewigen Stand ist, sei es, dass sie durch permanente Nachfolge gefestigt ist, oder sei es, dass sie Mädchen aufnimmt ohne die Approbation des höchsten Pontifex – nicht erlaubt ist; insoweit ist ein ähnliches neues Institut nach dem Laterankonzil unter Inozenz III. nach kirchlichem Recht verboten, […] wo mit Bestimmtheit verboten wird, dass niemand in Zukunft einen neuen Orden erfinden wird, sondern dass jeder, der sich zu einem Orden hinwenden will, einen der approbierten annehmen soll etc. Dieses Verbot bestätigt Gregor X. auf dem Konzil von Lyon, indem er noch strikter verbietet, dass jemand in Zukunft einen neuen Orden oder eine neue Religionsgemeinschaft erfindet oder den Habit eines neuen Ordens annimmt; gegen dieses Verbot ist offensichtlich besagtes Institut, wenn es ohne die Approbation des höchsten Pontifex angenommen wird, und in den Brauch und die Gewohnheit eingeführt wird.“67 Suárez bestätigt neben Ziel und Mittel also auch andere Merkmale der Lebensweise, die von Befürwortern quasi-religioser Gemeinschaften ins Feld geführt werden, wie die Berufung auf eine lange Tradition. Doch auch diese Merkmale sagen nach seiner Auffassung nichts über die Erlaubtheit des Instituts an sich aus. Suárez begründet dies mit dem vierten Laterankonzil und dem zweiten Konzil von Lyon. Wie oben schon dargelegt wurde, verbot das vierte Laterankonzil, dass neue Orden ohne die Approbation des Papstes gegründet werden. Diese Bestimmungen wurden im Konzil von Lyon bestätigt und verschärft. In der Formulierung des Verbotes von neuen Orden in den Konzilien gab es allerdings einen Unterschied. Während das Laterankonzil 67 „Nihilominus tamen censeo hunc vivendi modum, seu statum tamquam perpetuum, seu stabilem per continuam successionem, seu receptionem puellarum sine approbatione Summi Pontificis non esse licitum; qua similis nova institutio post Concilium Lateranensem sub Inocentio 3. est iure Eccleseiastico prohibita, […] ubi firmiter prohibetur, ne quis de caetero novam Religionem inveniat, sed quicumque ad religionem converti voluerint, unam de approbatis assumant etc. Quam prohibitionem confirmat Gregorius 10. cum Concilio Lugdunensi, districtius inhibentes, ne aliquis de cetero novum ordinem, aut religionem adinveniat, vel habitum novae religionis assumat; contra quam prohibitionem erit aperte dicta institutio, si absque approbatione Summi Pontificis assumatur, et in usum et consuetudinem introducatur.“
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von „religio“ sprach, verwendete das Konzil von Lyon den Ausdruck „ordo vel religio“. Dies deutet Suárez zusammen mit den meisten Kanonisten seiner Zeit dahingehend, dass, während das Laterankonzil nur neue Orden verbiete, das Konzil von Lyon auch andere Religionsgemeinschaften, insbesondere die Dritten Orden und ordensähnliche Gemeinschaften, mit einschlösse.68 Suárez war somit entgegen Lessius der Meinung, dass eine Lebensweise, die sich über Generationen bewährt hat, deswegen noch nicht erlaubt sein muss. Damit vertrat er die typische Auffassung der Kanonisten seiner Zeit, die im Zuge der tridentinischen Reformbewegung Gewohnheitsrecht durch klare allgemeingültige Regeln ersetzen wollten. Äußere Gestalt Um diese Argumente zu entkräften, weist Lessius nun in einem nächsten Schritt nach, dass es sich bei der vorliegenden Gemeinschaft nicht um einen Orden (religio) handele und somit diese Rechtstexte auch keine Anwendung finden können. Er bezieht die Dokumente also nur auf Orden im eigent lichen Sinne. „Auf das erste kann ich antworten, dass jenes Institut nach außen hin nicht die Gestalt eines eigentlichen Ordens hat, sondern die Gestalt eines Kollegiums frommer Jungfrauen, weil sie kein eigenes Ordensgewand haben, sondern das Gewand rechtschaffener Jungfrauen, die im Diesseits dem Herrn Jungfräulichkeit gelobt und weltlichen Schmuck abgelegt haben: von daher hält das Volk sie nicht für Nonnen: auch wenn es passieren sollte, dass jemand der ihren fällt (was Gott verhüten möge) oder entlassen wird, geht dieses nicht auf den üblen Ruf der monastischen Orden über. Ferner: obwohl es hinsichtlich der Regel, der Zucht und der Gelübde eine gewisse Gestalt und Ähnlichkeit hat mit einem Orden, ist es trotzdem nicht ein Orden [religio] schlechthin (so wie dieser Name in der Kirche benutzt wird und das Konzil jenen billigt), und sie wollen auch nicht, dass es für einen Orden gehalten wird, sondern es ist ein frommes Institut, derart beschaffen, wie es auch von Männern, die sich einmütig zum Dienst an Gott und der Kirche zusammenschließen, geformt und genutzt werden kann, ähnlich wie das Institut des Oratoriums der Priester in Italien und die Beginen, die Fraterherren und gewisse Hospitaliter(innen) in Belgien, Institute, die trotzdem viel näher an die Form eines Ordens herankommen, wenn man die Kleidung betrachtet.“69 68 Wesemann, Generaloberin, S. 86. 69 „Ad primum Respondeo illud institutum non habere exterius speciem Religionis propriae sed collegii devotarum virginum, cum nullum habeat peculiarem habitum
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Um zu beweisen, dass die Englischen Fräulein kein Orden sind, argumentiert Lessius hauptsächlich mit der äußeren Gestalt. Hier hat er wohl, wenn er es auch nicht zitiert, das Dekret Circa Pastoralis im Hinterkopf. Da die Frauen kein Ordensgewand tragen, würden sie von der Bevölkerung auch nicht als Nonnen betrachtet.70 Deswegen könne auch aus dem Fehlverhalten einzelner Mitglieder kein Schaden für den Ordensstand als solchen entstehen. Das Institut sei deswegen kein Orden, weil es nicht für einen solchen gehalten werden wolle. Der Moraltheologe Lessius kann somit eine klare Trennung von innerer Einstellung und Rechtsprechung vornehmen.71 Der ersteren nach ist dieses Institut ein Orden, darf aber der äußeren Form nach als Kollegium frommer Jungfrauen nicht für einen solchen gehalten werden. Obwohl fromme Laiengemeinschaften für Frauen gerade in den nördlichen Ländern, aus denen Lessius selbst stammte, einen festen Platz im religiösen Umfeld hatten, zeigt sich doch an den Beispielen, die er zur Untermauerung religionum, sed honestarum virginum, quae in saeculo Domino virginitatem voverunt, et ornamenta saecularia deposuerunt: unde populus non habet eas pro monialibus: neque si contingat aliquam illarum cadere (quod Deus averat) vel dimitti, id non cederet in infamiam Religionum monialium. Deinde etiamsi quoad regulam, disciplinam, et vota habeat aliquam speciem et similitudinem, cum religione, non tamen absolute est Religio (prout hoc nomen modo in Ecclesia usurpatur et Consilium illud accipit) neque pro Religione illud haberi volunt, sed est pium institutum, quale et a viris in unum ad serviendum Deo et Ecclesiae conspirantibus formari et usurpari potest, sicut Institutum sacerdotum Oratorii in Italia et Beguinarium et Fratrentium et quorundam hospitalium in Belgio, quae tamen Instituta magis accedunt ad Religionis formam si habitum spectes.“ 70 Zur Kleidung der Englischen Fräulein vgl. Peters, Mary Ward, S. 278–281. Offenbar vollzog sich zu dem Zeitpunkt, als die beiden Schreiben verfasst wurden (also um 1615), gerade ein Wandel in der Kleiderordnung der Englischen Fräulein. Während sie vorher nur einfache, schlichte Kleidung trugen, versuchten sie ab dieser Zeit, ihre Kleidung immer mehr jener der Jesuiten anzupassen. „Die Englischen Fräulein trugen kein Ordenskleid in kirchenrechtlichem Sinn. Sie wollten als Jesuitinnen gekennzeichnet sein. Daher trugen sie ein einfaches, schwarzes, im Schnitt unauffälliges Kleid, ohne jegliche Verzierung oder jeglichen Aufputz, dem Talar der Jesuiten ähnlich. Sie trugen es alle und deswegen erweckte dieses Kleid den Anschein einer Ordenstracht“. (Ebd., S. 281) Dadurch entstand zumindest für Außenstehende der Eindruck eines Ordensgewandes. 71 Bei obiger Argumentation des Lessius ist allerdings erstaunlich, dass er gegen das Selbstverständnis der Englischen Fräulein argumentiert, die durchaus als Orden gelten wollten. In der „Ratio Instituti“, einem ersten Regelentwurf des „Instituts“, an dem Mary Ward wohl maßgeblich mitgearbeitet hatte und der kurz nach den Gutachten des Lessius und des Suárez entstanden ist, wird um die Approbation als Orden gebeten: „[...] erbitten wir, dass dieses unser Institut, das vom Apostolischen Stuhl bestätigt ist, durch die Lorbeeren des Ordensstandes (religiosae vitae) oder wenigstens mit dem Namen eines frommen Instituts gekrönt wird.“ „[..]petimus ut institutum hoc nostrum ab Apostolica Sede confirmatum religiosae vitae laureolo vel saltem pii instituti nomine coronetur.“ Ratio Instituti. In: Dirmeier, Mary Ward, Bd.1, Nr. 126, S. 293–303. Somit wird die Erreichung des Ordensstandes als höchstes Ziel angesehen, die Anerkennung als frommes Institut wäre nur eine Notlösung.
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seiner These anbringt, dass Ziele, wie sie die Englischen Fräulein hatten, nämlich die Erziehung junger Mädchen im katholischen Glauben und die Predigt der katholischen Werte, keine allgemeine Zustimmung fanden. So hatte das „Oratorium“ des Philipp Neri zwar eine ähnliche Zielsetzung, richtete sich aber an Männer, die die oben genannten Ziele selbstverständlich verfolgen durften. Außerdem legten die Oratorianer ebenso wie die Beginen keine Gelübde ab und galten deswegen nicht als Orden im strengeren Sinn. Fraterherren (Brüder und Schwestern vom Gemeinsamen Leben) und Hospitaliter(innen) 72 hatten keine einheitliche Verfassung, so dass es sowohl Häuser gab, in denen keinen Gelübde abgelegt wurden, als auch solche, in denen einfache Versprechen oder sogar einfache Gelübde üblich waren. In ihren Anfängen legten beide Gemeinschaften Wert darauf, keine Gelübde abzulegen. Auf diese Forderung kamen sie im Laufe der Zeit, insbesondere dann, wenn ihr ordensähnliches Leben in der Kritik stand, immer wieder zurück.73 So gesehen standen die Englischen Fräulein mit ihren von Anfang an in den Institutsplänen integrierten einfachen Gelübden einem wirklichen Orden durchaus näher als diese Vereinigungen. Auch Lessius verfolgte mit seiner Argumentation nicht das Ziel, dies in Frage zu stellen. Aber gerade dadurch wurde er angreifbar. So schreibt Suárez74: „Jene Dekrete verbieten also, dass ohne die Approbation des Papstes und durch die Praxis eine solche Art des Lebens beibehalten wird, die an sich einem Orden genügen würde, falls die Approbation des Papstes hinzukäme. 72 Max Heimbucher, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, Bd. 2, Paderborn, München, Wien 1980. Oratorianer: S. 562–566, Beginen: S. 637–642, Hans-Joachim Schmidt, Brüder vom Gemeinsamen Leben, in: Friedhelm Jürgensheimer/Regina Elisabeth Schwerdtfeger, Orden und Klöster im Zeitalter von Reformation und katholischer Reform 1500–1700, Bd. 1, Münster 2005, S. 199–215. 73 Für die Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben vergleiche etwa den Traktat von Gerard Zerboldt von Zutphen: Super modo vivendi devotorum hominum simul commorantium. Zu finden in A. Hyma, Het tractaat „Super modo vivendi devotorum hominum simul commorantium.“ in: Archief voor de Geschiedenis van het Aartsbisdom Utrecht. Twee en vijftigste Deel, Utrecht 1925. 74 Für seine Argumentation zieht er zwei Beispiele von Kanonikern heran. Dies ist typisch für Suárez. Während Lessius meistens Beweistexte anführt, die der Moraltheologie näher stehen, argumentiert Suárez mit kanonischen Texten, die den juridischen Charakter stärker betonen. An dieser Stelle sind das Franciscus Zabarella (z. B. in seiner Lectura super Clementinis, Venedig 1499. Dort vertritt er in einem Kommentar zu Attendentes die Auffassung, dass der Stand der weltlichen Kanonissen als ordensähnliche Gemeinschaft gefährlich und deswegen auch nicht approbiert, sondern nur erlaubt sei. In Übereinstimmung mit Suárez kommt er zu dem Ergebnis, dass die Erlaubnis nichts über den Wert aussage. Während aber für Zabarella der Stand der Kanonissen an sich als schlecht empfunden wird, sieht Suárez bei den Englischen Fräulein die grundsätzliche Heiligkeit des Standes gegeben.) und Felinus Sandei.
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Also darf in jenen Dekreten der Name eines neuen Ordens nicht auf diese strenge Bezeichnung beschränkt werden, nämlich auf die eines wahren Ordens, der bereits approbiert ist. Denn auf diese Weise würde sowohl eine Sache als verboten verstanden, die nicht verboten werden kann, als auch das Verbot nutzlos und umsonst sein: denn man kann eine beliebige neue Art zu leben nach eigenem Urteil fromm und heilig und mit allen Anforderungen an einen heiligen Stand, abgesehen von der Approbation, einführen und ruhigen Gewissens bleiben, ohne die Approbation erbeten zu haben, indem man sich sagt, dass man jenes Gesetz nicht verletzt, weil man keinen Orden im eigentlichen Sinn einführt; das wäre höchst absurd, denn was wäre der Nutzen eines solchen Verbotes? Denn sie können nach jener Auslegung ebenso neue Orden einführen, wie das früher geschehen ist; weil auch früher Orden nicht approbiert wurden, die neu erfunden wurden. Daher diese Verwirrung, dass eine Religionsgemeinschaft, die das Konzil durch ein Verbot zu vermeiden versucht, nach jenem trotzdem in der Kirche fortbesteht, ja sogar weiter gestärkt und freier ausgeübt wird; sie sagen nämlich, dass Erfinder derartiger neuer Orden keinen eigentlichen und strengen Orden einführen wollen und deswegen auch keine Approbation erbitten wollen oder jener bedürfen.“75 Suárez schreibt hier also, dass man nicht an Bezeichnungen festhalten soll, sondern die vorliegende Gemeinschaft unabhängig von ihrem Namen, nach ihrer Lebensweise und ihren Richtlinien beurteilen muss. Wäre das Verbot, neue Orden zu gründen, nur davon abhängig, ob eine neugegründete Ge75 „Prohibent ergo illa decreta ne absque approbatione Pontificis et usu teneatur talis vivendi modus, qui de se ad religionem sufficiat, si Pontificis approbatio accedat. Igitur in illis decretis nomen religionis novae non debet limitari ad eam significationem rigorosam, quae dicitur de vera religione iam approbata. Nam hoc modo vel intelligeretur prohibita res quae prohiberi non potest; vel inutilis et frustratoria esset prohibitio: nam potest quilibet novum modum vivendi suo iudico pium, et religiosum, et cum omnibus requistis ad statum religiosum praeter approbationem instituere, et securus in conscientia manere non petita approbatione, dicens se non violasse legem illam quia non introducit religionem rigorose sumptam; ad hoc absurdissimum est, alioquin qui esset fructus prohibitionis illius? Nam iuxta illam interpretationem aeque possunt novae religiones induci, ut prius fiebant; quia etiam prius religiones noviter inventae non erant approbate.“ „Unde eadem confusio religionem, quam Concilium per eam prohibitionem studuit evitare post illam in Ecclesia permansisset, immo magis esset confirmata, et liberius fieret: dicerent enim huiusmodi inventores novarum religionum se nolle propriam ac rigorosam religionem introducere, et ideo neque velle approbationem ullam petere neque illa indigere.“
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meinschaft den Namen „Orden“ trägt oder nicht, so argumentiert er, könne ja jeder nach Belieben Ordensgemeinschaften gründen, und diese wären erlaubt, wenn man sie nur nicht Orden nennen würde. Dann wäre aber, meint er weiter, die Gesetzgebung, die das Verbot, neue Orden zu gründen, ausspricht, überflüssig und eben jene Gemeinschaften, die zum Wohl der Kirche unterdrückt werden sollen, könnten sich freier und sicherer ausbreiten als zuvor. Die Englischen Fräulein mit ihren drei Gelübden entsprachen aber bis auf die Approbation des Papstes in vollem Umfang einem Orden. Im gesamten Gutachten sieht Suárez kein grundsätzliches Problem in ihrer neuen Gemeinschaftsform. Auch wenn die Gründung neuer Orden verboten sei, so argumentiert er, könnten die Vorgänger nicht in die Rechtsprechung des amtierenden Papstes eingreifen. Deswegen seien die betreffenden Rechtstexte so auszulegen, dass, falls der Papst einen neuen Orden als solchen akzeptiere, dieser auch fortbestehen dürfe. Notwendigkeit eines neuen Standes Auch Lessius selbst erkennt die Angriffspunkte seiner Argumentation. Wenn das zur Debatte stehende Institut der inneren Einstellung nach ein vollkommener Orden ist, warum treten die Mitglieder dann nicht in einen der bereits existierenden Orden ein? Lessius beantwortet diese Frage folgendermaßen: „Auf das zweite antworte ich, der Hauptgrund, warum diese Jungfrauen sich nicht auf einen alten und approbierten Orden einlassen, ist, dass das Hauptziel, dem sie sich empfohlen haben, verhindert würde, nämlich die Erziehung und der Unterricht adliger Mädchen, die aus jenem Reich geschickt werden. Hinzu kommt noch, dass aus Anlass ihrer Aufträge jene manchmal nach England reisen müssen, damit ein Nutzen, den sie sich in Aussicht stellen, verfolgt werden kann. Schließlich gibt es keinen Orden von Frauen, der sich ähnliche Ziele gesetzt hat; denn alle kümmern sich so viel um sich selbst und nicht um den Nächsten, deshalb ist es ein großer Verlust für die Kirche und jenes Reich, falls, wenn ein solches Vorhaben und ein solches Institut abgeschafft werden sollte, jemand von ihnen in einen Orden eintreten würde.“76 76 „Ad alterum Respondeo praecipua causa cur istae virgines non ingrediantur aliquam Religionem antiquam et approbatam, est, quia praecipuus finis quem sibi propositum habent impediretur, nempe educatio et institutio filiarum Nobilium, quae ex illo regno mittuntur. Accedit quod interdum in Angliam negotiorum causa sit illis excurrendum, ut fructum quem sibi propositum habent consequatur.
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Dies ist die einzige Stelle im Gutachten, in der Lessius auf das Problem der fehlenden Klausur eingeht, das bei den Gegnern semireligioser Gemeinschaften für Frauen eine zentrale Rolle spielte. Als Grund für die Klausurlosigkeit gibt Lessius zum einen die Mädchenerziehung an, die in einem approbierten Orden unmöglich wäre. Im Zeitalter der Konfessionalisierung scheint dieses Argument durchaus auf eine breitere Zustimmung gestoßen zu sein. Den zweiten Grund, nämlich den des Apostolats und der Mission in England, spielt Lessius herunter, indem er zunächst darauf verweist, dass dies nur „manchmal“ geschehe und immer „aus Anlass ihrer Aufträge“. Diese Aufträge erfolgten immer aus einem hier nicht genauer spezifizierten „Nutzen, den sie sich in Aussicht stellen“. So wird die Missionstätigkeit, die sich Mary Ward für ihr Institut wünscht, bewusst reduziert und die Formulierung undeutlich gehalten.77 In seinem als Gegenstück zu Lessius formulierten Gutachten stellt Suárez diesen Punkt dann auch klarer heraus: „Es kommt hinzu, dass es, wie in jener Schrift gesagt wird, oft notwendig ist, dass besagtes Institut die sich bekennenden Jungfrauen über England verstreut; dies vergrößert aber nicht wenig die besagte Gefahr, und es gibt große Bedenken, ob dies einer Gemeinschaft von Frauen erlaubt werden darf; und obwohl große Mäßigung für nützlich befunden wurde, muss auch Vorsicht angewendet werden; und damit dieses erfolgreich geschehe, ist die Autorität des Papstes notwendig. Schließlich wird in jener Schrift angedeutet, dass dieses Institut von Frauen durch sich selbst beauftragt ist [institutum foeminarum per se ordinari] mit der Sorge um das Heil der Nächsten, was sicherlich mit dem weiblichen Geschlecht nicht ausreichend vereinbar ist, und wird nicht durch Paulus in 1 Kor 14 gesagt, die Frauen sollen in der Kirche schweigen, es ist ihnen nämlich nicht erlaubt zu sprechen, sondern [sie sollen] sich unterordnen: es ist nämlich verwerflich, wenn die Frauen in der Kirche sprechen, also wenn in diesem Institut irgend etwas diesbezüglich erlaubt werden soll, darf dies nicht ohne das Wissen und die Erlaubnis des Papstes geschehen.“78 Denique nulla est Religio faeminarum quae similem sibi scopum habeat; omnes enim sibi tantum vacant, non proximo, itaque cederet in magnum Ecclesiae et illius regni detrimentum si omisso tali proposito et instituto aliquam ex illis religionibus ingrederentur.“ 77 Bischof Blaes geht in seinem Verteidigungsschreiben für die Englischen Fräulein sogar noch einen Schritt weiter. Demnach reisten sie nur aus privaten Gründen nach England. Grisar, Anklagen, S. 19. Dirmeier, Mary Ward, Bd. 1, Nr. 114, S. 247–257. 78 „Accedit quod, ut in eodem scripto dicitur, saepe necessarium est Virginibus dictum institutum profitentibus per Angliam discurrere; hoc autem non parum auget dictum periculum, et magnae considerationis est an communitati faeminarum id permitti debeat; et quamvis iudicaretur expediens magna moderatio, et cautio
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Hier wirft Suárez den Englischen Fräulein zweierlei vor: einerseits einen zu freien Verkehr mit der Welt und Spielen mit den Gefahren und andererseits Anmaßung priesterlicher Funktionen.79 Im Gegensatz zu Lessius sieht Suárez im Verzicht auf die Klausur sehr wohl ein Problem für die Erlaubtheit der Gemeinschaft. Gerade Frauen müssen seiner Meinung nach in die Schranken der Klausur verwiesen werden, da sie aufgrund ihres Geschlechts eine Tätigkeit in der Seelsorge nicht gefahrlos ausüben könnten. Damit treten moralische Argumente vor das rein juridische Urteil. Es schwingt auch die Befürchtung mit, Frauen könnten sich des Priesteramtes bemächtigen, das heißt predigen oder missionieren, beides Tätigkeiten, die Männern vorbehalten waren. Diese angebliche Anmaßung wird geradezu klassisch mit 1 Kor 14 zurückgewiesen. Interessant ist, dass nach Suárez all diese Einwände in sich zusammenfielen, wenn das Institut vom Papst approbiert würde. Innere Verfassung Nachdem Lessius nun also die äußeren Unterschiede zwischen einem Orden (religio) und dem „Institut“ der Englischen Fräulein dargelegt und dessen Notwendigkeit begründet hat, bestimmt er den genauen Status der Gemeinschaft, indem er zunächst die grundsätzliche innere Gleichheit eines Instituts mit einfachen Gelübden und einem Orden herausstellt: „Ich antworte, dass es nicht immer verdienstvoller ist, in einen Orden wirklich einzutreten, als nicht einzutreten; ja, oft ist es ein größerer Verdienst nicht einzutreten, wie dann, wenn durch den Eintritt die Ehre Gottes, das Heil der Seele und die Ausbreitung des Glaubens verhindert würde; und durch Nichteintritt wird keiner an Übungen der Frömmigkeit gehindert, noch hat er weniger Zeit für sein Heil und den Gottesdienst, als wenn er in einem Orden wäre.[...] Weiter müssen Tugend und Verdienst ganz nach der Gesinnung nicht nach dem Werk beurteilt werden, [...] Denn das Institut jener Jungfrauen ist hinsichtlich aller Übungen der Tugenden einem Orden so sehr verwandt, dass man sie kaum von diesem unterscheiden kann: jene Jungfrauen haben also den adhibenda esset; et ut hoc efficiatur efficaciter auctoritas Pontificis necessaria est. Denique in eodem scripto significatur hoc institutum feminarum per se ad proximorum salutem procurandam ordinari, quod certe femino sexui non satis consentaneum est, nec Paulo dicente, 1 Corinth. 14 mulieres in Ecclesia taceant, non enim permittitur eis loqui, sed subditas esse: turpe est enim mulieri loqui in Ecclesia, ergo si in hoc instituto aliquid peculiare in hoc permittendum est, sine scientia et auctoritate Pontificis fieri non debet.“ 79 Vgl. dazu auch Grisar, Josef, Die ersten Anklagen in Rom gegen das Istitut Maria Wards (1622), Rom 1959, S. 80–83, 104–118.
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Verdienst des Ordensstandes nicht zu einem geringem, sondern zu einem außergewöhnlichen Grad. Dazu kommt noch, dass die Vollkommenheit und die Art des Verdienstes nicht in Namen und Titel von Orden bestehen und deren Privilegien oder Altehrwürdigkeit (wie sehr diese auch zu schätzen und der Verehrung würdig sind), sondern in der Liebe gegenüber Gott und dem Nächsten und der Abtötung ihrer Leidenschaften; die Verleugnung ihrer selbst ist hier größere Vollkommenheit und Verdienst. Außerdem garantiert dieses Institut jene drei Arten des Heils, wegen derer ein Orden hauptsächlich empfohlen wird. Die erste von diesen ist, dass es fast alle Hindernisse des Heils ausräumen würde und es den Menschen von all jenen befreit, zweitens dass es alle Hilfe und Stütze zur Erreichung des Heils mit sich bringen würde, drittens dass es die Schuld, mit der wir an Gott gebunden sind, auf diese Weise, die dem Menschen Gesetz ist, tilgen würde. Ein Orden gewährt aber diesen dreifachen Nutzen nicht, weil er diesen Namen hat oder weil er approbiert wurde, in der Weise, dass er Orden genannt und als solcher betrachtet werden dürfe, sondern weil er die drei wesentlichen Gelübde und eine bestimmte Lebensregel enthält: Und die Einrichtung jener Jungfrauen enthält sowohl den festen Grundsatz des Lebens als auch dieselben drei wesentlichen Gelübde und eine ähnliche Lebensregel; also garantiert sie die gleichen Vorteile. Schließlich ist dieses Institut so sehr dem Ordensstand ähnlich und verwandt, wenn die Vollkommenheit der Tugenden und die Regel rechtschaffen zu leben beachtet werden, dass ihm nichts fehlt, wodurch es zu einem vollkommenen Orden gemacht wird abgesehen von der Approbation des Papstes, die nur eine äußere Bewilligung für die Vollendung der Wahrheit ist und auch nicht immer in der Kirche notwendig war.“80 80 „Respondeo non semper esse magis meritorium ingredi Religionem reipsa, quam non ingredi; imo saepe magis meritum est non ingredi, ut quando per ingressum impediretur honer Dei, salus animarum, fidei propagatio; et non ingrediendo non impeditur quis ab exercitiis pietatis, nec minus vacat saluti suae et cultui divino quam si esset in Religione. […] Porro virtus et meritum omne ex animo non ex opere spectandum, [...] Nam Institutum illarum virginum quoad omnia virtutum exercitia adeo est affine religioni, ut vix ab ea possit distingui: habent ergo illae virgines meritum Religionis non in infimo sed eximio gradu. Accedit quod perfectio et ratio meriti non consistit in nomine vel titulo religionis eiusque privilegiis et antiquitate (quamvis haec etiam sunt aestmanda et veneratione digna) sed [in] charitate Dei et proximi et suarum passionum mortificatio;
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Lessius unterscheidet offensichtlich zwischen einer inneren Ausrichtung auf das Ordensideal und einer äußeren juridischen Erfüllung des Ordensstandes. Ersteres ist bei den Englischen Fräulein sehr wohl gegeben, während letzteres nach seiner Auffassung weder angestrebt wird, noch rechtmäßig zu erreichen ist. So wähnt er auch den Verdienst, den das Institut einbringt, auf gleicher Stufe mit dem eines Ordens. Für Lessius als „Moraltheologe“ wird die innere Einstellung, wie auch in der vorherigen Beweisführung schon durchgeklungen ist, immer über die äußeren Umstände gesetzt. Die apostolische Zielsetzung ist für ihn wichtiger als die Beachtung überlieferter Formen, so dass er am Ende sogar sagen kann, bis auf die Bewilligung des Apostolischen Stuhls wäre die Gemeinschaft gleich einem Orden. Genau hier ist aber die Argumentation des Lessius angreifbar. Hatte er nicht vorher die Verschiedenheit des Instituts von den Orden verteidigt, um es als erlaubt und fromm gelten zu lassen? Um nun aber die Verdienste dieses Standes herauszuarbeiten besteht er auf der Wesensähnlichkeit zwischen Institut und Orden. Hier schlägt Suárez Lessius mit seiner eigenen Argumentation. Wenn das Institut der Englischen Fräulein doch bis auf die Approbation gleich einem Orden ist, so fällt es selbstverständlich unter die Bestimmungen der Konzilien, die solche Gemeinschaften verbieten. Wie Lessius sieht Suárez die Evangelischen Räte und eine Regel, die treu befolgt wird, im Einklang mit dem Kirchenrecht als Zeichen des Ordensstandes: Denn der wahre Grund des heiligen Standes besteht gerade nicht in Namen oder Titel des Ordens, noch in seinen Privilegien, sondern in den drei wesentlichen Gelübden unter einer bestimmten Form und in den Regeln zu einem frommen Ziel durch die entsprechenden ordentlichen Mittel, wie ich hinzufüge unauflöslich und öffentlich; es ist ja sogar für einen wahren Orden keine bestimmte Kleidung sui abnegatio ibi est maior perfectio et meritum. Praeterea hoc institutum praestat illa tria genera commodorum, propter quae potissimum comendatur Religio. Quorum primum est quod omnia pene salutis impedimenta removeat hominemque omnibus illis expediat, 2° quod omnia adiumenta et salutis praesidia secum adducat, 3° quod debito quod Deo adstricti sumus, eo modo quo fas est homini, satisfaciat. Praestat autem haec tria commoda, Religo, non quia hoc nomen habet, vel quia approbata est, ut religio nominetur ac censeatur, sed quia tria vota essentialia, et talem vivendi formulam continet: Atque illarum virginum institutum, et ratio vivendi eadem vota essentialia continet et similem vivendi formulam; ergo eadem commoda praestat. Denique hoc institutum adeo est simile et affine Religioni, si perfectio virtutum et regula recte vivendi spectetur, ut nulla re aegeat, qua fiat absoluta Religio praeter Summi Pontificis approbationem, quae approbatio extrinseca est perfectioni veritatis; neque semper in Ecclesia fuit neccesaria.“
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einer Farbe notwendig, oder ein Aussehen verschieden von der Kleidung jedes Laien [...].81 Erneut betont er hier, dass es nicht genügt, sich auf einige Äußerlichkeiten wie etwa die Kleidung zu berufen, um die Verschiedenheit zum Ordensstand zu beweisen. Was die Gelübde betrifft, kommen hier zum ersten Mal die Merkmale „unauflöslich“ und „öffentlich“ zum tragen. Welche Bedeutung dies für die Englischen Fräulein hat, untersuchen beide Rechtsgelehrte im weiteren Verlauf ihrer Gutachten. Art der Gelübde Zunächst ist festzusstellen, dass Lessius und Suárez darin übereinstimmen, dass es sich bei den Versprechen der Englischen Fräulein um einfache Gelübde handelt, die im Bezug auf den Ordensstand nicht geringer einzustufen sind als feierliche. Lessius argumentiert dabei folgendermaßen: „Und es macht auch nichts aus, dass die Gelübde nicht ebenso unerschütterlich erscheinen wie in einem approbierten Orden; weshalb sie keinen Grund zur Profess, sondern nur zu einfachen Gelübden haben. Dieses, sage ich, macht nichts aus, weil (wie ich unerwähnt lasse, dass die einfachen Gelübde beim Bekenntnis eines Ordens genügen können wie in der Gesellschaft [Jesu] festgelegt ist) auf Seite jener in Gegenwart Gottes die Verpflichtung nicht geringer ist, diese Gelübde ewig einzuhalten, als wenn sie die Profess in einem approbierten Orden abgelegt hätten: es ist nämlich eine Verpflichtung unter der schwersten Todsünde, diese Verpflichtung können sie selbst nicht aufheben: auch wenn es nicht verhindert, dass sie entlassen werden können, weil dasselbe von der Gesellschaft [Jesu] wahrgenommen wurde.“82
81 „Nam imprimis vera ratio status religiosi non in nomine aut titulo religionis, nex in privilegiis eius, sed in tribus substantialibus votis sub certa forma, et regula ad pium finem per consentanea media ordinata consistit, ut tamquam certum et manifestum suppono; immo etiam ad veram religionem neccessarius non est peculiaris habitus in colore, aut figura ab habitu omnium laicorum diversus; [...]“ 82 „Nec obstat quod vota non videantur adeo firma sicut in Religione approbate; unde etiam non habent rationem professionis sed votorum simplicium. Hoc inquam non obstat, quia (ut omittam, quod vota simplicia ad Religionis rationem possunt sufficere ut constat in societate) ex parte illarum coram Deo non minor est obligatio per haec vota, ad perpetuo ea servanda, quam si essent professae in Religione approbata: utrobique enim est obligatio sub gravissimo peccato mortali, quam obligationem ipsae non possunt tollere: Nec obstat quod possint dimitta quia idem cernitur in Societate.“
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In Übereinstimmung mit der allgemeinen Auffassung von einfachen Gelübden erklärt Lessius hier, dass die Gelübde von Seiten derjenigen, die sie ablegen, unauflöslich sind. Die einzige juridische Ausnahme bildet die Aufhebung durch den Papst bei schwerwiegenden Gründen. Vor Gott und dem Gewissen jedoch bleiben sie für den Moraltheologen Lessius dauernd und bindend.83 Von Seiten der Gemeinschaft allerdings können die Gelübde gelöst werden, falls Kandidaten ungeeignet erscheinen – eine Vorgehensweise, die bei feierlichen Gelübden nicht möglich wäre und die für die Zeit durchaus ungwöhnlich ist. Diese spezielle Interpretation einfacher Gelübde wurde auch von Mary Ward in der Ratio Instituti im Rückbezug auf die Gesellschaft Jesu vorgenommen.84 Für Lessius' Argumentation spielt die Möglichkeit, die Gelübde zu lösen, nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen legt er den Schwerpunkt auf die Unauflöslichkeit der Gelübde seitens der Mitglieder, um erneut die geistige Nähe des Instituts zu einem Orden herauszuarbeiten. Auch Suárez besteht auf dieser Unauflöslichkeit, wenn auch aus anderen Gründen: „Denn diese Jungfrauen sprechen die drei wesentlichen Gelübden aus, wie im vorliegenden Fall unterstellt wird, und es sind zum Teil ewige Gelübde, und sie können nicht freiwillig zurückweichen, ohne die Gelübde zu übertreten, wie in besagter Schrift berichtet wird. Es wird aber dort hinzugefügt, dass solche Personen ohne Gelübde entlassen werden. Jedoch wird durch diese Wahrheit, die vollständig besprochen wurde, die Unauflöslichkeit nicht verhindert, und das Fortbestehen im religiösen Stand, welches genügt, wie Gregor XIII. im Grundsatz der Gesellschaft [Jesu] erklärt. Deshalb kannst du folgerichtig nicht bestreiten, dass diese Jungfrauen eine Profess ablegen, die von sich aus ausreicht zum Ordensstand, denn einst durfte der Ordensstand nicht angenommen werden außer durch die mittels feierlicher Gelübde abgelegten Profess; heute aber wird schon verkündet, dass mit einfachen Gelübden von sich aus ewige gemacht werden können und vor allem, wenn sie in irgendeiner Gemeinschaft abgelegt wurden, die von der Gottesverehrung bestimmt wird, der sich alle hingeben und sich auf ihre Weise ergeben, die solche Gelübde ausgesprochen haben.“85 83 Grisar, Urteil, S. 674. 84 Wesemann beschreibt die Vorstellung, die Mary Ward von den Gelübden hatte: „Diese einfachen Gelübde hatten nach dem Entwurf Maria Wards eine doppelte Wirkung: alle, die sie ablegten, wurden dadurch der Gemeinschaft einverleibt, d.h. sie sollten schon mit einfachen Gelübden Ordensmitglieder, also Religiosen, werden: Jenes Privileg, das der Hl. Stuhl […] bis dahin ausschließlich der Gesellschaft Jesu zugestanden hatte. Außerdem waren diese Gelübde von Seiten der Mitglieder ewige Gelübde, von Seiten der Gemeinschaft aber lösbar.“ Wesemann, Generaloberin, S. 99. 85 „Nam hae Virgines tria vota substantialia emittunt, ut in casu supponitur, et ex parte
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Auch für ihn ändert die Möglichkeit des Instituts, Mitglieder zu entlassen, nichts an der Unauflöslichkeit der Gelübde. Unauflösliche Gelübde aber führen in einen ewigen Stand, der nach Suárez nur der Ordensstand sein kann, da es rechtlich gesehen neben Orden keinen unauflöslichen Stand gibt, der sich in einer Gemeinschaft begründet. Dass der Ordensstand auch mit einfachen Gelübden erreicht werden kann, beweist er genau wie Lessius aus den Statuten der Jesuiten. So kommt er wieder zu dem Schluss, dass die Gemeinschaft als Orden vom Papst approbiert werden müsse. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lessius in der speziellen Lebensweise der Englischen Fräulein einen neuen Stand sieht, der zwischen Laientum und Orden anzusiedeln ist. Die Rechtfertigung seiner Auffassung sieht er in der Dauerhaftigkeit und Unauflöslichkeit, wie er am Ende seines Gutachtens noch einmal in einem Vergleich mit Ehe- und Ordensstand betont: „[...] wenn die Hochzeit mit einem sterblichen Menschen, die nach kurzer Zeit enden muss, den Menschen in einen Stand stellt, warum nicht auch die Hochzeit mit Christus, die niemals endet, sondern in alle Ewigkeit sicher fortdauern wird? […] Und es steht auch nicht im Wege, dass das Gelübde der ewigen Jungfräulichkeit gelockert werden kann und dass daher dieser Stand als nicht fest und unveränderlich erscheint; erstens weil die Lockerung nur durch den Papst eingeräumt werden kann und selten gegeben wird, und dann auch nur wegen schwerwiegender Gründe; im übrigen ist sie im Angesicht Gottes ungültig: weil es auch nur in der Macht des Papstes steht, das uns Unmögliche mit Recht zu beschließen, und demnach beschädigt es nicht die Unauflöslichkeit des Standes; es genügt nämlich, dass er auf unserer Seite fest und unauflöslich ist, so dass er von uns nicht verändert werden kann, sonst ist auch die religiöse Gemeinschaft kein Stand, weil der Papst gegebenenfalls dem Mönch das Band zum Orden lösen und eine Ehe erlauben kann; zweitens weil die Ehe ein wirklicher Stand ist und trotzdem auf viele Arten gelöst werden kann, nämlich vor dem voventium perpetua sunt, nec possunt ipsae sine transgressione voti voluntarie retrocedere, ut in dicto scripto refertur. Additur vero ibi huiusmodi personas sine votis dimitti. At vero hoc absolute loquendo non impedit stabilitatem, ac perpetuitatem ad statum religiosum sufficientem ut in instituto Societatis Gregorius 13. declaravit. Unde consequenter negari non potes quin istae Virgines professionem faciant de se sufficientem ad statum religiosum, nam licet olim status religiosus non assumeretur nisi per professionem factam per solemnia vota; hodie tamen iam declaratum est posse fieri cum votis simplicibus de se perpetuis, et praesertim cum fiant in aliqua communitate divino cultui dictata, cui se offerunt et suo modo se tradunt omnes, qui talia vota emittunt.“
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Vollzug durch den Eintritt in einen Orden; dann nach dem Vollzug durch den Tod der Ehefrau: ebenso ist bei einer ehebrecherischen Ehefrau das Recht der Scheidung gegeben, durch welche die Ehe und der Bund selbst aufgelöst wird, als ob er nie existiert hätte, auch wenn das Band üblicherweise bleibt.“86 Wesentliche Kennzeichen dieses Standes zwischen Laientum und Orden sind für Lessius von seinem Wesen her das religiöse Wirken in der Welt, d.h. ein ordensähnliches Leben ohne Klausur, und von seinem rechtlichen Status her die Unterordnung unter einen Bischof. Folglich räumt er dem Bischof das Recht zur Billigung und zur Visitation entsprechender Gemeinschaften ein: „Zur zweiten Frage antworte ich, dass der Ortsbischof ein solches Institut auch approbieren und bestätigen kann freilich nicht als Orden, oder so, dass es für einen Orden gehalten wird: sondern so, dass es für ein frommes Institut und nützlich für die Kirche gehalten wird. Er wird sie [= die Mitglieder des Instituts] auch besuchen können und sie, die ihm vollständig unterworfen sind, falls ihr Tun zu korrigieren wäre, maßregeln.“87 Inwieweit dieser Stand zwischen Kloster und Welt ein Stand der Vollkommenheit ist, hängt für Lessius von der Nähe der entsprechenden Gemeinschaft zu einem Orden ab. Über die Lebensweise der Englischen Fräulein kann er sagen: 86 „[...] si coniugum cum homine mortali breve finiendum constituit hominem in statu, cur non etiam coniugium cum Christo quod nunquam finietur, sed in omnem aeternitatem firmum permanebit? Nec obstat quod in votum perpetuae virginitatis possit cadere relaxatio ac proinde non videatur status iste firmus et immobilis; 1° quia relaxatio tantum per summum Pontificem concedi potest, et raro datur, nec nisi ob gravissimas causas; alioquin non valet coram Deo: quod autem est in solius Summi Pontificis potestate iure censetur nobis impossibile, ac proinde non officit immobilitati status; sufficit enim ut ex parte nostra sit firmus et immobilis, ita ut per nos non possit mutari, alioqui etiam Religio status non esset, quia si causa subsit, posset Summus Pontifex vinculum Religionis monacho relaxare, et permittere coniugium: 2° quia coniugium est vere status tamen multis modis dissolvi potest, nimirum ante copulam per ingressum Religionis; deinde post copulam per mortem coniugis: item per coniugis adulterium datur ius divortii, quo solvitur ipsum matrimonium et coniugale perinde ac si nunquam extitisset, etsi vinculum habituale remaneat.“ 87 „Ad secundum Respondeo Episcopum loci posse etiam tale institutum approbare et confirmare non quidem tanquam Religione, sive ut censeatur Religio: sed ut habeatur pium institutum et utile Ecclesiae. Poterit etiam easdem visitare, et si opus sit corrigere, qui plenae sunt ei subiectae.
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„Deshalb ist sie nicht nur ein Stand, sondern ein vollkommener Stand, der nahe an den Ordensstand herankommt und diesem ebenbürtig ist, wenn die Vollkommenheit der Gelübde, der Exerzitien und der Verdienste in Betracht gezogen werden.“88 Dennoch kann er im Bezug auf andere Gemeinschaften durchaus Abstufungen der Vollkommenheit feststellen.89 Dies liegt vor allem an seiner moralisch-inneren Auffassung eines Standes. Im Gegensatz zu Lessius beruft sich Suárez auf die juridische Auffassung eines Standes. Unter diesem Gesichtspunkt gibt es in der damaligen Gesetzgebung der Kirche für Gemeinschaften aber nur den Ordensstand oder Laienstand. Da die Englischen Fräulein die Kennzeichen eines Ordensstandes in markanter Weise erfüllen, müssen sie seiner Meinung nach diesem auch klar zugeordnet werden und sich seinen rechtlichen Bedingungen unterwerfen. „[…] und deswegen sage ich nicht unbedingt, dass diese Einrichtung, wie in diesem Fall vorgeschlagen, ohne die Approbation des Papstes ein Stand ist, sondern ich sage nur, dass sie seitens der Gelübde die Beschaffenheit hat, die zur Begründung eines Standes ausreiche, falls die übrigen Notwendigkeiten hinzukommen; am notwendigsten ist es jedoch, dass die Approbation des Papstes hinzukommt, wenigstens nachdem es verboten wurde, einen neuen Orden ohne Approbation des Papstes einzuführen. [...] aber in der Tat sind ein heiliger Stand und ein Orden in diesem Sinn, der eine Art zu leben einführt, dasselbe, wie aus dem Gebrauch des Wortes offensichtlich ist; wenn also dieses Institut eingeführt und unabhängig von der Approbation des Papstes ein Stand der Vollkommenheit und ein Orden ist, wird es ein neuer, nicht vom Papst approbierter und daher verbotener Orden sein.“90 88 Itaque non solum est status sed etiam status perfectionis, proxime ad statum Religionis accedens eique non impar, si perfectio votorum, exercitiorum et meritorum spectetur. 89 In seinem Werk De bono status eorum qui vovent et colunt castitatem in seculo beschäftigt er sich mit jenen Frauen, die das Gelübde der Keuschheit außerhalb eines Ordens, also in der Welt abgelegt haben, und kommt zu dem Schluss, dass auch sie in einen neuen Stand eintreten, der zwischen Kloster und Welt anzusiedeln ist. Dieser Stand ist der Ehe überlegen, allerdings kein Stand der Vollkommenheit, wie er in einem Orden zu finden ist, da die beiden anderen Gelübde und eine feste Lebensregel fehlen. 90 “[…] et ideo non dixi absolute hoc institutum prout in casu proponitur carens approbatione Pontificis esse statum, sed solum dixi ex parte votorum habere rationem sufficientem ad statum constituendum, si cetera necessaria concurrant; maxime vero necessarium est, ut Pontificis approbatio accedat, saltem postquam prohibitum est ne sine approbatione Pontificis novae religiones introducantur. [...] at vero status religiosus, et religio in ea significatione, quae modum vivendi importat idem sunt, ut ex usu vocum manifestum est, ergo si hoc institutum
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Ohne die Approbation des Papstes muss die Gemeinschaft aufgelöst werden, da sie keinem Stand klar zugeordnet werden kann.
Fazit Die Gutachten von Lessius und Suárez machen deutlich, wo der Versuch, die welt-geistlichen Lebensformen kirchenrechtlich zu fundieren, an seine Grenzen stieß. Als es um die Anerkennung der Englischen Fräulein ging, schenkte man an der römischen Kurie der Argumentation des Lessius kein Gehör91, und man verweigerte auch die aus Sicht des Suárez notwendige Approbation. Die Englischen Fräulein und mit ihnen alle „Jesuitinnen“ wurden 1631 formell verboten.92 Die intenisve Rezeption der Schrift des Lessius in den folgenden Jahrzehnten zeigt aber auch, dass der Status der Semireligiosen weiterhin ein klärungsbedürftiges Thema war. Vor diesem Hintergrund wäre es, um ein klareres Bild der konkreten Situation quasi-religioser Frauengemeinschaften in der Frühen Neuzeit und ihrer Bedeutung für die Konfessionalisierung zu erhalten, einerseits wünschenswert, weitere Gutachten, die im Bezug auf andere Gemeinschaften wie die Katharinenschwestern oder die Brüder und Schwesten vom gemeinsamen Leben angefertigt wurden, vergleichend zu untersuchen. Andererseits bietet sich auch eine Gegenüberstellung der dort vorgebrachten Argumente mit dem Selbstverständnis der Frauen, wie es in Briefen oder eigens für die Frauen von ihren Beichtvätern verfassten Andachtsbüchern zutage tritt, an. Abschließend ist festzuhalten, dass die rechtliche Unsicherheit semireligioser Frauengemeinschaften noch bis 1900 bestehen blieb. Rechtlich galten die Angehörigen der entsprechenden Gemeinschaften als Laien, in ihrem Selbstverständnis und aus der Sicht Dritter wurden sie jedoch als Religiose betrachtet. Erst mit der Konstitution Conditae a Christo Leos XIII., der „kanonische[n] Verfassungsurkunde der Kongregationen mit einfachen Gelübden“93, änderte sich dieser Status. Einfache Gelübde wurden nun als ausreichend zum Eintritt ins Religiosentum erachtet. In der Folgezeit unterschied man wie schon Lessius in seinem Gutachten, wenn auch mit neuen introductum, et separatum ab approbatione Pontificis est status perfectionis, et religiosus, erit etiam nova religio non approbate a Pontifice, ac proinde prohibita.” 91 Dies lag unter anderem auch daran, dass sich die Englischen Fräulein in ihrem Selbstverständnis als Orden im jesuitischen Sinn nicht in der Argumentation des Lessius wiederfanden. 92 Das Gutachten des Suárez lag zu diesem Zeitpunkt an der Kurie wohl noch nicht vor, wurde aber in den Jahren danach dort bekannt und „sehr gelobt“. Bei der Bestätigung des Verbots von „Jesuitinnen“ im Jahr 1749 scheint es wieder eine Rolle gespielt zu haben. (Grisar, Urteil, S. 695). 93 Peter Bastien, Kirchenrechtliches Handbuch für die religiösen Genossenschaften mit einfachen Gelübden. Freiburg im Breisgau 1911, S. v.
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Begrifflichkeiten, zwischen Orden im strengen Sinn (ordo) und religiösen Gemeinschaften mit einfachen Gelübden (congregatio religiosa), die aber beide dem Ordensstand (status religiosus) zugeordnet wurden. Die Frage nach dem Apostolat der Frau bleibt bis in die Gegenwart umstritten.
Spiritualität im Semireligiosentum – Frömmigkeitsformen, literarische Zeugnisse und Lektürepraxis von Michaela Bill-Mrziglod Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Semireligiosentum war bislang vor allem von historischem oder kirchenrechtlichem Interesse bestimmt. Theologische sowie frömmigkeitsgeschichtliche Fragestellungen fanden demgegenüber eher wenig Resonanz. Dabei führt gerade die Beschäftigung mit dem Semireligiosentum zu einer spezifisch neuzeitlichen Spiritualität, die ihre Wurzeln bereits im Mittelalter erkennen lässt und als europaweites Phänomen betrachtet werden kann. Bis heute bleibt ihr Wesen jedoch recht unbestimmt. Zwar besteht Konsens darüber, dass die Spiritualität frühneuzeitlicher Laien- und Ordensgemeinschaften mystisch-kontemplative wie auch aktiv ausgerichtete Komponenten enthält, darüber hinaus wurde es aber insbesondere auf katholischer Seite bisher versäumt, diese Spiritualität und „Frömmigkeitstheologie“1 mit konkreten Inhalten zu füllen und in ihrer Vielfalt und Ganzheit zur Sprache zu bringen. Wegweisend wurden dagegen Arbeiten zur Religiosität des Spätmittelalters und ihrer Bedeutung für die Reformation seitens der evangelischen Kirchengeschichte,2 die sich auch für die Spiritualität des Semireligiosentums fruchtbar machen lassen. Vorweg ist bereits festzuhalten, dass sich die Spiritualität frühneuzeitlicher semireligioser Frauen nicht einfach im Ideal der Jungfräulichkeit als non plus ultra religiöser Lebensweise erschöpft. Sie umfasst vielmehr polymorphe Facetten individualisierter Selbstreflexion, gelehrter Schrift(en)interpretation und -erstellung sowie bildorientierter religiöser Versenkung als Ursprung jeder damit zusammenhängenden praxis pietatis. Zudem sollte eine parallele 1 In der Bedeutung des Begriffes „Frömmigkeitstheologie“ folge ich der Definition Berndt Hamms, der diese näher ausführt als „eine für Predigt und Seelsorge konzipierte und in Predigt und Seelsorge umgesetzte Theologie, die dem rechten Vollzug eines christlichen Lebens, seiner geistlichen Vertiefung und ordnenden Gestaltung dienen will.“ In: Berndt Hamm, Religiosität im späten Mittelalter. Spannungspole, Neuaufbrüche, Normierungen (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 54), Tübingen 2011, S. 163. 2 Vgl. dazu besonders die Arbeiten von Berndt Hamm und Volker Leppin. Exemplarisch seien genannt: Hamm, Religiosität im späten Mittelalter; Volker Leppin, Von der Polarität zur Vereindeutigung. Zu den Wandlungen in Kirche und Frömmigkeit zwischen spätem Mittelalter und Reformation, in: Gudrun Litz/ Heidrun Munzert/Roland Liebenberg (Hg.), Frömmigkeit – Theologie – Frömmigkeitstheologie. Contributions to European church history. Festschrift für Berndt Hamm zum 60. Geburtstag (Studies in the history of Christian traditions 124), Leiden 2005, S. 299–316.
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Betrachtung der Spiritualität von Frauen und Männern den Kern der Analyse ausmachen, lassen sich doch gerade hier übergeschlechtliche Charakteristika ausmachen, die die Rede von einer ‚männlichen‘ oder ‚weiblichen‘ Spiritualität in Frage stellen. Nach der Klärung der Frage nach der Definition christlicher Spiritualität im Allgemeinen und mit Blick auf Besonderheiten monastischer, mystischer und lebenspraktisch-seelsorglich ausgerichteter Spiritualität seit dem Mittelalter werden Grundaspekte der Spiritualität nach ihrem für das frühneuzeitliche Semireligiosentum relevanten Gehalt befragt. Das Spannungsfeld gelebter Spiritualität „zwischen Kloster und Welt“ stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Zuletzt werden literarische Zeugnisse von europäischen Vertretern der „welt-geistlichen“ Bewegung der Frühen Neuzeit auf ihren spirituellen Gehalt sowie auf ihre zeitgenössische Resonanz hin untersucht, und es wird auf Parallelen und Unterschiede zu ihren mittelalterlichen Wurzeln aufmerksam gemacht. Im Zentrum dieses dritten Teils stehen drei Werke, die speziell für semireligiose Frauen geschrieben, dann aber auch von einem breiteren (Laien-)Publikum rezipiert wurden und die exemplarisch Einblick in das schriftstellerische religiöse Schaffen in Europa geben: Diego Perez de Valdivias „Aviso de gente recogida / Ratgeber für in sich gekehrt lebende Menschen“ (1585), François de Sales’ „Philothea / Introduction à la vie dévote“ (1609) und Friedrich Spees „Güldenes Tugend-Buch“ (1628/1649).3
Monastische Spiritualität verlässt das Kloster. Historische Wurzeln der Spiritualität des frühneuzeitlichen Semireligiosentums Die Devotio moderna gilt als Initialzündung einer Spiritualität, die zunehmend aus dem Kloster heraustrat, um dann spätestens in der Frühen Neuzeit den Weg zu größeren Kreisen interessierter Laien zu finden. Das mittelalter liche Mönchsideal des saeculum relinquere („die Welt verlassen“) wurde nun als rein zeitlicher und nicht mehr räumlicher Begriff verstanden, der erstmals wieder deutlich ein aktives Handeln in der Welt mit einschloss, ohne sich in einer dezidiert religiösen Haltung der Welt im Sinne des Zeitlichen und Vergänglichen zu sehr anzunähern. Mit der Devotio moderna verbinden sich Namen wie Jan van Ruysbroek (1293–1382), Gerhard Zerbolt van Zutphen (1367–1398), Geert Grote (1340–1384) und Thomas von Kempen (1380– 1471), Gemeinschaften wie die „Schwestern und Brüder vom Gemeinsamen Leben“ oder die „Windesheimer Kongregation“ sowie Werke wie das Thomas von Kempen zugeschriebene De imitatione Christi4. Ihr Leben orientierte sich 3 Spee verfasste sein „Güldenes Tugend-Buch“ bereits 1628, gedruckt wurde es allerdings erst 1649. 4 Die Autorschaft Thomas von Kempens konnte bis heute nicht eindeutig verifiziert werden.
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zwar noch deutlich am klösterlichen Gemeinschaftsleben, stellte aber dennoch eine Alternative geistlicher Lebensweise dar. Neu war beispielsweise ein groß angelegtes Bildungsbemühen, und auch bei Frauen standen Seelsorge, Gebet und Arbeit inmitten der Stadt nach dem Vorbild der Urkirche hoch im Kurs. Die Klausur kam daher nicht in Frage. Mystische Spiritualität spielte eine große Rolle. Diese erfuhr jedoch zunehmend eine Wandlung. Die von den spätmittelalterlichen Devoten selbst postulierte Charakterisierung ihrer Frömmigkeit als „modern“ oder „neu“ sollte jedoch nicht dazu führen, diese Spiritualität mit postmodernen Maßstäben zu messen und dadurch gar abzuwerten. So charakterisierte K.-H. Menke die Inanspruchnahme Christi als Asketen durch die modernen Devoten und deren damit zusammenhängende Frömmigkeit einseitig als welt-flüchtig und heilsindividualistisch, dabei zugleich noch als anti-inkarnatorisch und somit antikirchlich.5 Bei dieser Hypothese wird schnell die dezidierte Sakramentenfrömmigkeit der Devoten vergessen und ihr aktives Glaubensleben statt eines einseitig ausgerichteten Strebens nach Glaubenswissen, wie es die scholastische Theologie anstrebte. „Ihre Kirchentreue ist verbunden mit Kritik am Zerfall des christ l[ichen] Lebens im Papsttum (Zentralismus, Luxus, Schisma), im Weltklerus (Anhäufen von Pfründen), in den Orden (Privatbesitz, Unhäuslichkeit), im Priestertum (Konkubinat, Bildungsmangel) und unter den Laien (Häresie, Aberglaube, Unsitten) sowie an dem Bruch zwischen theolog[ischer] Gelehrtheit und gelebter Frömmigkeit.“6 Man wird der Devotio moderna fernerhin nicht gerecht, wenn ihr lediglich eine theoretisch angedachte, jedoch praktisch kaum umgesetzte Spiritualität attestiert wird, deren Grundsatz der Nächstenliebe eigentlich nur der Funktion der in der Nachfolge Jesu gedachten Selbstheiligung des Individuums diene.7 Die Ambivalenz von Innerlichkeit und Äußerlichkeit des Glaubenden tritt nach dieser Auffassung zugunsten der Bevorzugung der Innerlichkeit in den Vordergrund. Demnach sei Christus den Devoten letztlich „nur der nach innen führende Weg, der […] die äußerliche Welt als nicht existent abqualifiziert“8. Neuere Forschungen versuchen nun diesen rein asketischen 5 Vgl. Karl-Heinz Menke, Devotio moderna und Devotio postmoderna, in: Internationale katholische Zeitschrift Communio 24 (1995), S. 61–72. 6 Rudolf Van Dijk, Devotio moderna, in: Peter Dinzelbacher (Hg.), Wörterbuch der Mystik, 2., erg. Aufl., Stuttgart 1998, S. 109–111, hier: S. 111. 7 Vgl. Hans Jürgen Milchner, Nachfolge Jesu und Imitatio Christi. Die theologische Entfaltung der Nachfolgethematik seit den Anfängen der Christenheit bis in die Zeit der devotio moderna – unter besonderer Berücksichtigung religionspädagogischer Ansätze (Religionspädagogische Kontexte und Konzepte 11), Münster 2004, S. 343, S. 379 und S. 386. 8 Ebd., S. 380.
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Privatheits- und Individualismuscharakter der Spiritualität der Devotio moderna zu widerlegen und die innovative Kraft der spätmittelalterlichen Devotenreformen herauszustellen9, vor allem auch das außerordentlich große und reformerisch ausgerichtete seelsorgliche Wirken von Frauen aus dem Umfeld der via media beziehungsweise des status medius10. Längst wurde der Zusammenhang der Devotio moderna mit dem Semireligiosentum erkannt.11 Dabei ist es jedoch wichtig, die Frömmigkeit zwar als eine langsam aus dem Kloster heraustretende religiöse Lebenshaltung zu charakterisieren, die gleichzeitig aber keine Laienfrömmigkeit gewesen ist: „Die Spiritualität der Devotio moderna ist eine Spiritualität von Religiosen und Semireligiosen. Sie ist keine Laienspiritualität. Die Texte, die die modernen Devoten verbreiteten, sind keine Laientexte.“12 Es kann jedoch nicht geleugnet werden, dass gerade spätmittelalterliche Frauenbewegungen einer spirituellen Existenz Raum gaben, deren Suche nach Gott jenseits des monastischen Milieus in einen Status mündete, der sich auch ausdrücklich den Belangen der Welt widmete. Dabei wurde nicht selten mystisches Erbe in den bürgerlichen Alltag zu integrieren versucht. Auch Laien hatten ein großes Bedürfnis nach religiöser Kompetenz, dem von Seiten der Theologen der Devotio moderna zunehmend in neu9 Vgl. Manfred Gerwing, Devotio moderna oder: Zur Spiritualität des Spätmittelalters, in: Jan Aertsen/Martin Pickavé (Hg.), „Herbst des Mittelalters“? (Miscellanea medievalia 31), Berlin 2004, S. 594–616; Rudolf Van Dijk, Spiritualität der „innichheit“. Mystik und Kirchenkritik in der Devotio Moderna, in: Mariano Delgado/Gotthard Fuchs (Hg.), Die Kirchenkritik der Mystiker. Prophetie aus Gotteserfahrung, Bd. II: Frühe Neuzeit (Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte 3), Freiburg (Schweiz)/Stuttgart 2005, S. 9–38. 10 Anhand der Lebensbeschreibungen devoter Frauen erarbeitete A. Bollmann die große Bandbreite ihrer sozial-karitativen und erzieherisch-belehrenden Aktivitäten im ausgehenden Mittelalter: Anne Bollmann, „Apostolinne van Gode gegeven“. Die Schwestern vom Gemeinsamen Leben als geistliche Reformerinnen in der Devotio moderna, in: Gudrun Litz/Heidrun Munzert/Roland Liebenberg (Hg.), Frömmigkeit – Theologie – Frömmigkeitstheologie. Contributions to European Church History. Festschrift für Berndt Hamm zum 60. Geburtstag (Studies in the History of Christian Traditions 124), Leiden 2005, S. 131–144. Eine weitere Studie speziell zur Frauenspiritualität des spätmittelalterlichen Semireligiosentums liegt vor von: Monika Costard, Spätmittelalterliche Frauenfrömmigkeit am Niederrhein. Geschichte, Spiritualität und Handschriften der Schwesternhäuser in Geldern und Sonsbeck (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 62), Tübingen 2011. 11 Vgl. Kaspar Elm, Die Bruderschaft vom Gemeinsamen Leben. Eine geistliche Lebensform zwischen Kloster und Welt, Mittelalter und Neuzeit, in: Ons Geestelijk Erf 59 (1985), S. 470–496; ders., Die ‚Devotio moderna‘ und die neue Frömmigkeit zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit, in: Marek Derwich/Martial Staub (Hg.), Die ‚Neue Frömmigkeit‘ in Europa im Spätmittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 205), Göttingen 2004, S. 15–30; Thom Mertens, Texte der modernen Devoten als Mittler zwischen kirchlicher und persönlicher Reform, in: Niederdeutsches Wort 34 (1994), S. 63–74, hier: S. 74; Gerwing, Devotio moderna, S. 604; Van Dijk, Spiritualität der „innicheit“, S. 15. 12 Mertens, Texte der modernen Devoten, S. 74.
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konzipierten Schriften begegnet wurde. Diese Inanspruchnahme verstärkter Laienverantwortung – insbesondere auch in Bruderschaften und anderen religiösen Laienverbindungen – sei, so V. Leppin, letztlich in das ‚Priestertum aller Gläubigen‘ gemündet.13 Auch auf katholischer Seite wird neuerdings eine zunehmende ‚Klerikalisierung‘ gerade semireligios lebender Frauen in nachreformatorischer Zeit angenommen.14 Eine intensive Lektüre dieses umfangreichen Schriftangebots auch für Laien – zunächst jedoch ausschließlich für Laien höherer gesellschaftlicher Stände, da die Werke noch auf Latein verfasst waren – ist Charakteristikum dieser spätmittelalterlichen Frömmigkeit, die immer deutlicher populäre Formen anzunehmen begann und sich populärer Medien wie auch Gattungen bediente.15 Bereits B. Hamm mahnte an, dass sich die Forschung bisher zu sehr mit den Schriften einer Theologenelite beschäftigt habe, was zur Vernachlässigung der Schriften mit besagtem praktischem Hintergrund führte.16 Zu solcher Literatur zählen Predigten und Erbauungsschriften, deren theologischer und spiritueller Gehalt zu den Desideraten der Forschung gehört. Frömmigkeitstheorie begegnete hier jenseits klassischer Schultheologie der Frömmigkeitspraxis des einzelnen Christen – und hier insbesondere des „mittleren“ Status –, die einmal mehr individuell-innerlich, aber eben auch als Kollektiv überindividuell-praktisch ausgerichtet sein konnte. Der Scholastik war man vielerorts überdrüssig, denn sie konnte auf die Fragen der heilssuchenden gläubigen Christen keine Antwort geben. So konnte letztlich eine in Anfängen noch ordensorientierte Frömmigkeitstheologie bald auch in interessierten Laienkreisen Fuß fassen, spätestens in Folge von Reformation und Konfessionalisierung. Ziel einer solchen Theologie war die Frömmigkeit als Eckpunkt praktischer Lebensgestaltung. B. Hamm spricht in diesem Zusammenhang treffend von einer „Entgrenzung der Ideale geistlicher Lebensformung in die Laienwelt hinein“17. Kennzeichen spätmittelalterlicher Spiritualität im Semireligiosentum Durch umfassendes schriftstellerisches Schaffen und rege Buchkultur vermittelt uns die Bewegung der Devotio moderna einen ausführlichen Einblick in spirituelle Anliegen des späten Mittelalters. Askese, affektive und insbe13 Leppin, Von der Popularität zur Vereindeutigung, S. 307 und S. 314. 14 Vgl. Anne Conrad, Die Schwestern Xainctonge. Zum familiären, politischen und rechtlichen Hintergrund zweier Ursulinengründungen im 17. Jahrhundert, in: Ute Küppers-Braun/Thomas Schilp (Hg.), Katholisch, lutherisch, calvinistisch. Frauenkonvente im Zeitalter der Konfessionalisierung (Essener Forschungen zum Frauenstift 8), Essen 2010, S. 179–197. 15 Vgl. Leppin, Von der Popularität zur Vereindeutigung; Hamm, Religiosität im späten Mittelalter, S. 109. 16 Vgl. Hamm, Religiosität im späten Mittelalter, S. 109. 17 Ebd., S. 135.
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sondere christozentrische Mystik sowie der praktisch ausgerichtete radikale Einsatz für das Reich Gottes durch Tugendstreben und Nächstenliebe und die regelmäßige Einübung in dieselben durch geistliche Lektüre, Meditation und Gebet schufen die Grundlagen nicht alleine für eine Individualisierung der Frömmigkeit, sondern auch für Reformansätze zur Überwindung der kirchlichen Krise des späten Mittelalters. So erwies sich die Devotio moderna „als eine Spiritualität, die sich in der Krise etablierte und zugleich Wege aus der Krise zu weisen wusste“18. Schriften dieser Frömmigkeitsbewegung drehen sich allesamt um die vollkommene Nachbildung des Lebens Jesu in spiritueller Praxis und seelsorglicher Nächstenliebe. Keine theologischen oder dogmatischen Abhandlungen liegen hier vor, stattdessen handelt es sich um Erbauungs- und Meditationsliteratur, die dem gläubigen Menschen Anweisungen für sein spirituelles Fortkommen bieten wollte. In einer Hinwendung zum Selbst soll der Mensch zur Selbsterkenntnis gelangen und dann die Erfahrung der gnadenhaften Hinwendung Gottes zum Menschen in der Welt und am Mitmenschen sichtbar werden lassen. Die Bandbreite an Lebensformen vorwiegend welt-geistlicher Art, die die Devotio moderna hier miteinander vereinen konnte, auch wenn sie ursprünglich eine klösterliche Lebensweise sein wollte, verdeutlicht das ungeheure reformerische Potenzial, das ihr inne wohnte, langsam alle gesellschaftlichen Schichten zu durchdringen vermochte und gerade für Frauen attraktiv war.19 In erster Instanz ist die neue Frömmigkeitsbewegung des Spätmittelalters jedoch eine zutiefst mystisch geprägte, wenn auch die Art der Mystik gegenüber derjenigen des 14. Jahrhunderts eine Umwandlung erfahren hat. Weder handelt es sich um eine rein spekulative Mystik, noch strebt sie eine Aufhebung der Grenzen zwischen Gott und der Seele an. Stattdessen ist die seinshafte Differenz zwischen Gott und dem menschlichen Geschöpf zentral. Eine unio mystica findet in Form eines erkennenden Liebens und eines liebenden Erkennens statt. Charakteristika der modernen Frömmigkeit wie die zunehmende Betonung der Moral bei gleichzeitiger mystischer Gottinnigkeit führten im Leben der Devoten zur Erweiterung des traditionell dreistufigen mystischen Weges. So führte Jan van Ruysbroek erstmals die Zuwendung zum Nächsten als vierte mystische Stufe auf dem persönlichen Weg zu Gott ein. Er schrieb: „Der Mensch, der im Sinne der heiligen Kirche vollkommen leben will, muß ein ernsthaft guter Mensch und ein innerlicher geistlicher Mensch und ein herausgehoben Gott schauender [gemeiner] Mensch und ein sich in der Selbstmitteilung verströmender Mensch sein.“20 18 Gerwing, Devotio moderna, S. 611. 19 Vgl. Bollmann, „Apostolinne“, S. 141. 20 Zitat entnommen aus: Bernhard Fraling, Mystische Einigung als ekklesialer
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Neben der via purgativa, die den ‚gereinigten‘ Menschen als „gut“ erscheinen lässt, der via illuminativa des „innerlich geistlichen Menschen“ und der via unitativa des „Gott schauenden Menschen“ erscheint hier noch der „sich in Selbstmitteilung verströmende Mensch“. Die „gemeine“ Selbstmitteilung bedeutet dabei nicht einfach eine Person, die sich selbst verbal mitteilt, sondern die sich in den Dienst des Nächsten stellt und sich aufgrund der Liebe zu Gott auch dem Mitmenschen ganz hingibt. Mystik wird zudem populär und steht nicht mehr nur einem elitären Kreis zu, gleichzeitig erfährt sie dadurch aber auch eine gezielte Normierung, die auf die Imitatio der via passionis in Form gesteigerter Christusliebe zielt und sich dabei mitunter auch dem gemeinen Christen in seiner gewohnten Lebensweise öffnet, statt mystische Grenzerfahrungen anzustreben.21 Nach R. v. Dijk sei es gerade die Positionierung an der Schwelle zwischen Kloster und Welt gewesen, die die „Vergemeinschaftlichung der Mystik zwischen Spätmittelalter und Neuzeit“22 hervorgerufen hat. Nichtsdestotrotz forderte die Frömmigkeit des Mittelalters zunehmend eine deutliche Verinnerlichung, erkennbar an neuen Gebetspraktiken neben dem liturgischen und dem gesprochenen Gebet, die vor allem auf das emotionale Sich-Einlassen auf Jesu Passion abzielten und somit als dezidierte Passionsfrömmigkeit in Erscheinung traten. Beten sollte zugleich „innerliches Verstehen“23 sein – und damit ist im Mittelalter weniger das später durch Teresa von Ávila populär gewordene mentale Gebet als vielmehr die Rekapitulation des liturgischen Textes gemeint –, wodurch es zu einem Aufschwung an volkssprachlichen Erklärungen der liturgischen Gebete sowie zu begleitenden Andachtstexten kam, auch wenn sich die Volkssprachlichkeit letztlich erst mit der Reformation durchsetzte. Neben der praktisch ausgerichteten Frömmigkeit, deren Weg durch die individuelle und radikale Nachfolge Jesu verwirklicht werden sollte, spielte gerade die im Spätmittelalter häufig anzutreffende äußerliche und bisweilen auch veräußerlichte Frömmigkeit sowie die bloße theoretische Reflexion über theologische Themen – das Metier der Scholastiker – in der Devotio moderna keine Rolle. Stattdessen werden die frommen Mittel des Gebets und der spirituellen Lektüre zum Maßstab, die in spirituellen Übungen vom Einzelnen eingeübt werden sollen, um letztlich vor Gott, den Mitmenschen Vollzug und Grundlage prophetischer Kritik: Jan van Ruusbroec, in: Mariano Delgado/Gotthard Fuchs (Hg.), Die Kirchenkritik der Mystiker. Prophetie aus Gotteserfahrung, Bd. I: Mittelalter (Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte 2), Freiburg (Schweiz)/Stuttgart 2004, S. 293–313, hier: S. 300. 21 Vgl. hierzu ausführlicher Berndt Hamm, „Gott berühren“: Mystische Erfahrung im ausgehenden Mittelalter. Zugleich ein Beitrag zur Klärung des Mystikbegriffs, in: Berndt Hamm/Volker Leppin (Hg.), Gottes Nähe unmittelbar erfahren (Spätmittelalter und Reformation N. R. 36), Tübingen 2007, S. 111–138, hier: S. 112. 22 Vand Dijk, Spiritualität der „innicheit“, S. 15. 23 Arnold Angenendt, Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 68), München 2004, S. 38.
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und sich selbst ein frommes Leben führen zu können. Die Devoten waren der Überzeugung, dass erst aus der inneren Reform des einzelnen Menschen eine allgemeine Reform der Kirche erwachsen konnte.
Apostolische Spiritualität zwischen Kloster und Welt im Zeitalter der Glaubensspaltung Basis der Spiritualität im frühneuzeitlichen Semireligiosentum ist die spätmittelalterliche Frömmigkeitskultur. Hier lassen sich zahlreiche Kontinuitäten ausmachen, die jedoch in Folge von Reformation und Konfessionalisierung mit neuen Akzentuierungen und Vertiefungen in speziellen Bereichen einhergingen. Die theologische Frage nach der Wahrheit des Glaubens wurde durch die sich herausbildenden Konfessionen zunehmend auch für eine breite Öffentlichkeit virulent. Gelebte Frömmigkeit wurde vermehrt zum Maßstab religiösen Bekenntnisses. Gleichzeitig erfuhr die Frömmigkeitsausübung eine Reglementierung durch Literaturproduktion, Predigt und Katechese, die letztlich zu einer Steuerung des geistlichen Lebens vor allem auch des einzelnen Laien führen sollte. Von einer Laienfrömmigkeit im Sinne einer ausufernden Volksfrömmigkeit kann jedoch nicht die Rede sein, handelte es sich doch vielmehr um eine von oben gesteuerte Frömmigkeitsform, die nun verstärkt die Laien im Blick hatte. Private Andachtsformen orientierten sich dabei an Angeboten von außen, so zum Beispiel an den Vorgaben weltgeistlicher Orden und Gemeinschaften oder bruderschaftlicher Vereinigungen wie auch der religiösen Inszenierung der Theateraufführungen oder der religiösen Prozessionen. Hinzu kamen Predigtanleitungen, Laienbreviere, Gebetbücher, Lieddrucke, illustrierte Flugblätter, Andachtsbilder und fromme Devotionalien wie der Rosenkranz. Semireligiose (Frauen-) Gemeinschaften orientierten sich in ihrer praxis pietatis maßgeblich an den Vorgaben ihrer Beichtväter wie auch an entsprechender religiöser Literatur.24 Nicht selten wurde die Ausübung der Frömmigkeit zu einer von den neuen Reformorden (Gesellschaft Jesu, Unbeschuhte Karmeliten, Kapuziner) gesteuerten Devotion, die einerseits mittelalterliche Traditionen forcierte, um andererseits der protestantischen Konzentration auf das religiöse Subjekt die Konzentration auf die „Realpräsenz“ des Sakralen entgegenzusetzen.25 Dennoch handelte 24 Alle in Kap. 3 besprochenen Werke sind solche Ergebnisse seelsorglicher Hinwendung eines Beichtvaters zu einer Frau oder Frauengemeinschaft, die als semireligios zu charakterisieren ist. 25 Vgl. Andreas Holzem, Art. Volksfrömmigkeit V/2, in: TRE 35, Berlin/New York 2003, S. 234–240, hier: S. 235. Sehr ausführlich zur Frömmigkeitskultur speziell des Katholizismus in der Frühen Neuzeit sowie insbesondere zu den Medien der Glaubensvermittlung im deutschsprachigen Raum vgl. Anne Conrad, Der Katholizismus, in: Peter Dinzelbacher (Hg.), Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum in 6 Bänden, Bd. 4: 1650–1750, hg. v. Kaspar von
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es sich bei der Vermittlung „katholischer“ Frömmigkeitsmerkmale und der Schaffung adäquater Erbauungsliteratur nicht nur um eine Disziplinarpraxis. Für den christlichen Laien stellte das Angebot christlicher Zeugnisse eine willkommene Richtlinie in einer Zeit höchster religiöser Unsicherheit dar. Zudem verarbeiteten viele spirituell offene Laien und semireligiose Personen die angebotenen religiösen Motive und Verhaltensformen auf ganz eigenständige Weise. Private Devotion mittels Andachtsbildern und -büchern war zum einen die Fortschreibung spätmittelalterlicher Tradition, andererseits wurden aber auch neue Inhalte und Ausformungen erschlossen.26 Die Ansätze einer praxisorientierten Frömmigkeit, wie sie in der Devotio moderna theoretisch grundgelegt wurden, kumulierten in einer wahrhaft apostolisch orientierten Anwendung mit konfessionsspezifischem Anspruch. Heute ist aus historischer Distanz jedoch mit Blick auf das 17. Jahrhundert verstärkt auch ein konfessionsübergreifendes Moment zu beobachten, nach C. Dahlgrün ist es das Moment des „Priestertums aller“27: „Jeder Christ, gleich in welchem Beruf oder Stand, gleich in welchen Lebensumständen ist zu einer praxis pietatis mit dem Ziel der Vereinigung mit Christus in seinem Alltag in dieser Welt gerufen, und sie ist ihm möglich, natürlich nicht ohne die Gnade Gottes, ebenso nicht ohne Anleitung, nicht ohne geistliche Führung oder Begleitung, aber doch in einer gewissen Selbständigkeit […].“28 Dies war einer der Hauptgründe, warum die Klausurforderung des Trienter Konzils für religiöse Frauengemeinschaften gerade welt-geistlich orientierten Frauen undenkbar schien. Sie wollten sich in den umfassenden Konfessionalisierungsschub auf ihre eigene Weise einbringen, nicht selten durch neue Formen von Bildung für Mädchen und Frauen nach jesuitischem Vorbild.29 Und gerade hier war das Erziehungsziel nicht vornehmlich religiöse Bildung in Form theologischen Wissens, sondern Frömmigkeit mittels Einübung in dieselbe, nicht selbstgenügsame Hinwendung zu Gott, sondern gelebte Frömmigkeit in tätiger Nächstenliebe. Die semireligiosen Frauen wurden somit zu wichtigen Mittlerinnen welt-geistlicher Spiritualität. Neben der Wendung nach Innen prägte sich nun zunehmend eine soziale Gestalt christGreyerz/Anne Conrad, Paderborn 2012, S. 15–142. Ebenso aussagekräftig sind die weiteren Beiträge des Bandes: Sabine Holtz, Das Luthertum, S. 143–308, Kaspar von Greyerz, Das Reformiertentum, S. 309–410 sowie interreligiös lohnenswert der Beitrag von Avriel Bar-Levav, Ausdrucksformen jüdischer Religiosität in Deutschland zu Beginn der Neuzeit, S. 411–464. 26 Vgl. Holzem, Volksfrömmigkeit, S. 236. 27 Corinna Dahlgrün, Christliche Spiritualität. Formen und Traditionen der Suche nach Gott, Berlin 2009, S. 300. 28 Ebd. 29 So die „Englischen Fräulein“ um Mary Ward oder die Kölner Ursulagesellschaft.
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licher Frömmigkeit aus. Auch hier lassen sich eindeutige Parallelen zwischen asketischem und der Ehre Gottes dienendem Arbeitsethos protestantischer Prägung30 und katholischer frommer Askesepraxis erkennen. Das gesamte Leben des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Menschen war letztlich auf Reue und Buße ausgerichtet und forderte ein entsprechend gestaltetes frommes Leben des Einzelnen. Neue Formen der Heiligenverehrung durch forcierte welt-geistliche Spiritualität Neben der zentralen Verehrung Gottes in seiner Dreifaltigkeit und der besonderen Aufmerksamkeit gegenüber dem leidenden Christus stand wie im Mittelalter die Heiligen- und Märtyrerverehrung im Zentrum katholischer Frömmigkeit. Die auf der Legenda aurea des Mittelalters gründenden frühneuzeitlichen Heiligenviten legen darüber beredtes Zeugnis ab. Doch auch die Verehrung der Bilder der Heiligen und der Reliquien stellen Produkte der Frömmigkeit dar, die bisher als Quellengattung kaum berücksichtigt oder ausgewertet wurden. Dazu gehört unter anderem auch die Verwendung kleiner Andachts- oder Votivbilder, die gerade durch die Jesuiten Verbreitung fanden.31 Doch was machte die Heiligenverehrung für die gesteuerte Frömmigkeit so bedeutsam? Durch Heiligenviten konnte auf konturierte Modelle christlichen Lebens verwiesen werden. Und hierzu boten sich insbesondere die nachtridentinischen Reformheiligen an, die die „moderne“ Frömmigkeit des späten Mittelalters vorbildlich umgesetzt und somit populär gemacht hatten.32 Diesem Heiligkeitsideal des Ineinandergreifens von weltflüchtiger Kontemplation bei gleichzeitiger karitativ-apostolischer Hinwendung zur Welt versuchten die semireligiosen Frauengemeinschaften gerecht zu werden. Nur die unklausurierte Lebensweise ermöglichte diese Form des Vollkommenheitsstrebens zwischen vita contemplativa und vita activa bei erstmals deutlicher Übergewichtung des innerweltlichen Aktivismus in der Frühen Neuzeit. Orientierte man sich im Mittelalter noch vorwiegend an Heiligen der Antike, rückten in der Frühen Neuzeit zunehmend auch zeitgenössische Heilige wie Teresa von Ávila, Ignatius von Loyola, Carlo Borromeo, Franz 30 Nähere Ausführungen zur protestantischen Frömmigkeit des Konfessionellen Zeitalters finden sich bei Heinz Schilling/Stefan Ehrenpreis (Hg.), Erziehung und Schulwesen zwischen Konfessionalisierung und Säkularisierung. Forschungsperspektiven, europäische Fallbeispiele und Hilfsmittel, Münster 2003. 31 Mit dieser kirchlichen Steuerung gingen zugleich auch unerwünschte Praktiken wie der magische Gebrauch dieser Devotionalien einher. Ausführlicher hierzu vgl. Conrad, Katholizismus, S. 86–92. 32 Auf die Modernität frühneuzeitlicher Heiliger verwies Peter Burschel, „Imitatio sanctorum“. Oder: Wie modern war der nachtridentinische Heiligenhimmel?, in: Paolo Prodi/Wolfgang Reinhard (Hg.), Das Konzil von Trient und die Moderne (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 16), Berlin 2001, S. 241–259, hier: S. 247.
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Xaver oder zu einem späteren Zeitpunkt auch François de Sales in den Blick. Insgesamt fällt eine besondere Gewichtung jesuitischer Heiliger auf. Zudem war es auch die Gesellschaft Jesu, die verstärkt Theaterspiele über Heilige aufführte und gezielt einsetzte, um damit gegenreformatorische Propaganda zu betreiben. Heiligenverehrung wurde zum wesentlichen Differenzierungsmerkmal gegenüber dem Protestantismus, ebenso die Marienverehrung. Maria wurde zu einer „politischen Heiligen“33, die mit dem mittelalterlichen Heiligkeitsmodell kaum noch etwas gemein hatte. Die Katholiken sollten durch die Verehrung der Maria konfessionell gestärkt werden, Maria wurde also instrumentalisiert. Dies ist insbesondere auch in semireligiosen Frauengemeinschaften zu beobachten, deren Devotion durch die dezidierte Orientierung an der Gesellschaft Jesu generell Jesus galt. Die offizielle Unterstellung unter Mariens Schutz34 diente meist der Kompensierung des Verbotes, namentlich eine weibliche „Gesellschaft Jesu“ gründen zu dürfen.35 Apostolizität, Pilgerschaft und Mission Kennzeichen apostolischen Wirkens schlechthin ist die Mission. Mit dem jesuitischen Ideal der Pilgerschaft ging nicht nur die Neugewichtung des Wallfahrtswesens im Katholizismus einher, sondern insbesondere das missionarische Moment schuf neue Räume semireligiosen Engagements in der Welt. Durch die Attraktivität des welt-geistlichen Ordens der Jesuiten und dessen zahlreiche Missionsreisen inspiriert, ließen weibliche semireligiose Missionsreisende nicht lange auf sich warten. Eine der ersten unter ihnen war die Spanierin Luisa de Carvajal y Mendoza (1566–1614), die 1605 nach England ging, um dort die Menschen wieder vom katholischen Glauben zu überzeugen.36 33 Ebd., S. 255. 34 Dies ist ablesbar an den Namensgebungen einzelner Frauengemeinschaften: Luisa de Carvajals Londoner Gemeinschaft Compañía de la soberana Virgen María, Nuestra Señora (Gesellschaft der souveränen Jungfrau Maria, Unserer Herrin) und Mary Wards Insitutum Discipularum Scholae Beatae Mariae. 35 Darauf wies bereits A. Conrad in einer entsprechenden Studie hin: Anne Conrad, Nähe und Distanz – katholische Frauen im Spannungsfeld der frühneuzeitlichen Mariologie, in: Claudia Opitz u.a. (Hg.), Maria in der Welt. Marienverehrung im Kontext der Sozialgeschichte 10.–18. Jahrhundert, Zürich 1993, S. 175–190. 36 Hierzu liegt im Rahmen meiner Dissertation eine eigene Untersuchung vor. Titel der Dissertation ist: Luisa de Carvajal y Mendoza (1566–1614) und ihre Gesellschaft Mariens. Spiritualität, Theologie und Konfessionspolitik in einer semireligiosen Frauengemeinschaft des 17. Jahrhunderts, Saarbrücken 2013. Speziell zu ihrer mystischen Frömmigkeit liegen bereits zwei Veröffentlichungen vor: Michaela Bill-Mrziglod, „¿Cómo vives, sin quien vivir no puedes? – Wie lebst du, ohne den du nicht leben kannst?“ Die mystische Poesie Luisa de Carvajal y Mendozas (Religionsgeschichtliche Studien 2), Hamburg 2010; Michaela Bill-Mrziglod/ Claudia Thomé, Lyrik im Dienst der Seelsorge –Luisa de Carvajal y Mendoza und Friedrich Spee, in: Spee-Jahrbuch 17/18 (2010/2011), S. 183–215.
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Das Ideal der peregrinatio pro Christo, dessen für die Frühe Neuzeit wesentlichen Grundzüge durch Thomas von Kempens De imitatione Christi grundgelegt waren, erfuhr erneut einen praktischen Schwung durch die Anwendung auf den Missionsgedanken. Die Imitatio Christi verband sich wesentlich mit dem apostolischen Gedanken der Aussendung und der Mission. Und diese Mission habe nur – so W. Brückner – über neue aktive Gruppierungen stattfinden und eine Breitenwirkung erreichen können.37 Bruderschaften hingegen, die dem Semireligiosentum zwar nahe standen, diesem jedoch in ihrer Breite nicht gänzlich zugerechnet werden können aufgrund ihres Selbstverständnisses ausschließlich als Laien, orientierten sich nach wie vor eher an einer anderen traditionellen Form der Pilgerschaft: dem Wallfahrtswesen. Dieses bot in der Abgrenzung zum Protestantismus die ideale Form eines religiösen Erfahrungsrituals in Form einer „heiligen Handlung“ für jeden Einzelnen.38 Mit dem Ideal der Pilgerschaft geht noch ein weiteres Moment einher: die geistliche Pilgerschaft in Form der Selbst- und Gewissenserforschung des religiösen Subjekts, wie sie besonders in den Exerzitien Ignatius von Loyolas gefordert wurde. Es handelt sich dabei um eine ehemals antike Selbsttechnik, die sich – so W. Nitsch – in reformatorischer und katholischer Prägung als Bußpraxis in eine „systematisch organisierte[…] und oktroyierte[…] Übung“39 wandeln sollte. Doch schuf gerade eine solche die Grundlage für das fromme Subjekt, sich aus einem gereinigten Gottes- und Selbstverständnis heraus wieder aktiv der Welt zuwenden zu können. Und dies wurde speziell in der Frühen Neuzeit öffentlich durch welt-geistliche Orden und Gruppierungen betrieben. Apostolizität drückte sich jedoch zunehmend auch im Eifer für die Erziehung des Mitmenschen zum christlichen Individuum aus. Das Bildungsbemühen der Devotio moderna wurde vor allem bei den Jesuiten und den an ihnen orientierten Frauengemeinschaften wie den „Englischen Fräulein“ oder der Kölner „Ursulagesellschaft“ in die entsprechenden Ordens- und Gemeinschaftsregeln inkorporiert, wodurch die enorme Breitenwirkung gerade jesuitischer Spiritualität in der Frühen Neuzeit verständlich wird, die auch andere Orden beeinflussen sollte. Literatur mit Geistlichen Übungen 37 Wolfgang Brückner, Die Neuorganisation von Frömmigkeit des Kirchenvolkes im nachtridentinischen Konfessionsstaat, in: Paolo Prodi/Wolfgang Reinhard (Hg.), Das Konzil von Trient und die Moderne (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 16), Berlin 2001, S. 147–173, hier: S. 171. 38 Vgl. ebd., S. 153–156. Beispiele frühneuzeitlicher Wallfahrtspraxis finden sich bei Conrad, Katholizismus, S. 80–83. 39 Wolfram Nitsch, Das Subjekt als peregrino. Selbstbehauptung und Heteronomie in Góngoras Lyrik, in: Wolfgang Matzat/Bernhard Teuber (Hg.), Welterfahrung – Selbsterfahrung. Konstitution und Verhandlung von Subjektivität in der spanischen Literatur der frühen Neuzeit (Beihefte zur Iberoromania 16), Tübingen 2000, S. 363–378, hier: S. 363.
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nach dem Vorbild der Exerzitien des Ignatius von Loyola wurde populär und bestimmte zunehmend auch das geistliche Leben von Laien. Der einzelne Gläubige sollte im Glauben geschult werden, zu individueller Religiosität gelangen, dabei aber gleichzeitig auch in die katholische Gemeinschaft eingegliedert werden. Lehrmeister und Lehrmeisterinnen dieser Frömmigkeitsvermittlung kamen vorwiegend aus welt-geistlichen Gemeinschaften. Evangelische Räte und „welt-geistliches“ Leben Zur spezifisch semireligiosen Spiritualität gehören Armut, Keuschheit und Gehorsam in der Regel dazu. Ohne diese wesentlichen Evangelischen Räte und etwaige darüberhinausgehende Gelübde und Versprechen ist der individuelle religiöse Weg nicht denkbar, eines Klosters bedurfte es hierzu jedoch nicht. Auch verbinden sich im weiblichen Semireligiosentum damit keineswegs mehr ewige Gelübde. Meist legten die an „welt-geistlicher“ Lebensweise interessierten Frauen lediglich einfache Gelübde oder Versprechen ab, um in der Welt ihren eigenen Beitrag zur konfessionellen Identitätsfindung und –formung leisten zu können. Selbst verheirateten Laien wurde nun das Ideal der Evangelischen Räte zur Nachahmung vor Augen geführt, was ein Beleg dafür ist, wie sehr die noch deutlich klösterlich geprägten Ansätze der Devotio moderna zunehmend den gemeinen Christen erreichten. Dennoch bedurfte es gerade in semireligiosen Gemeinschaften der in einer Ehe schlecht umsetzbaren sexuellen Askese, ein speziell in den konfessionellen Spaltungen forciertes katholisches Ideal. Und auch wenn François de Sales zu Beginn des 17. Jahrhunderts neben dem mittleren Stand der Semireligiosen auch den alleine weltlichen Stand des Laien im Blick hat, kommt er bei den Ansprüchen einer genuin religiösen Lebensweise von Laien schnell an Grenzen. Auch er weiß um die Schwierigkeit der Umsetzbarkeit, rät aber dennoch: „Was aber die Verheirateten angeht, so ist gerade ihnen die Keuschheit sehr notwendig, obwohl einem dies zunächst nicht recht einleuchten will. Für sie besteht sie nicht darin, sich der sinnlichen Lust zu enthalten, sondern darin, sie zu zügeln.“40 Erreichbar sei dieses Ziel durch eine dezidiert eucharistische Passionsfrömmigkeit:
40 Franz von Sales, Philothea. Anleitung zum frommen Leben, Aufl. 97. bis 99. Tausend, Eichstätt 2009, S. 176 (III, 12).
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„Halte dich immer ganz nahe beim gekreuzigten Jesus, geistig durch die Betrachtung und in Wirklichkeit durch die heilige Kommunion. Wer sich auf das Kraut ‚Agnus castus‘ (keusches Lamm) bettet, wird selbst keusch und schamhaft. So wird auch dein Herz von jedem Makel und böser Lust gereinigt, wenn es im Heiland ruht, dem wahrhaft reinen und makellosen Lamm.“41 Hier zeigt sich in besonderer Weise der stetig ansteigende Versuch der Kirche, mittels spiritueller Ratgeber reglementierend auf den einzelnen Christen einzuwirken und das Leben der Gläubigen konfessionell zu formen. Die volle Entfaltung wahrhaft welt-geistlicher Spiritualität, die sich auch an den Evangelischen Räten – jedoch nicht unbedingt als feierliche Gelübde – orientierte, konnte letztlich jedoch tatsächlich nur in Form der via media funktionieren und muss als genuines Merkmal spezifisch semireligioser Spiritualität charakterisiert werden. Ein Zwischenstand zwischen Ehe und Kloster bei stärkerer Gewichtung der monastischen Lebensform war hierzu insbesondere bei Frauen notwendig. Martyrium Das Martyrium ist ein Spezifikum frühneuzeitlicher Frömmigkeit, das sich gerade in weltzugewandten Gruppierungen Bahn brechen konnte, da das Zeugnis des Glaubens stets die Öffentlichkeit des Zeugnisablegens mit einbezieht. Dabei handelte es sich um ein genuin konfessionelles Zeugnis, das der/die Einzelne lebte und für das er/sie zu sterben bereit sein sollte, wie es in zahlreichen Erbauungsschriften wiederholt und pointiert eingefordert wird, wenn auch mit einem Unterschied zwischen Männern und Frauen, denn Frauen sollten das radikale Zeugnis Jesu, das Blutzeugnis, lediglich affektiv-intellektuell, also geistig nachempfinden. Es überrascht nicht, dass aber gerade semireligiose Frauen in ihrem innerweltlichen Engagement das tatsächliche Sterben für den (konfessionellen) Glauben in ihrer spirituellen Lebensausrichtung idealisierten.42 Die Klausur wäre auf dem Weg hin zum Martyrium schlichtweg ein Hindernis gewesen. In den Erbauungsschriften finden sich nicht selten Märtyrerlegenden und Erzählungen über neuere Märtyrer, Märtyrerlieder und Ähnliches als Form einer aggressiv betriebenen Martyriumspolitik durch Märtyrerpropaganda. 41 Ebd., S. 181 (III, 13). 42 Ein gutes Beispiel hierfür ist Luisa de Carvajal y Mendoza, die sogar ein Marty riumsgelübde ablegte und in Rezeptionsschriften um ihre Person Debatten um den Martyriumsbegriff anheizte. Ihr Martyriumsgelübde liegt uns heute vor in: Luisa de Carvajal y Mendoza, Escritos autobiográficos de la Venerable doña Luisa de Carvajal y Mendoza, hg. v. Juan Flors, eingel. u. komment. v. Camilo Ma Abad, Barcelona 1966, S. 245.
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Religiöse Lektüre Ziel jeglicher aedificatio war die Anleitung zur Imitatio Christi des einzelnen Individuums, dem sich das Erkennen dessen, was Christus ist, intellektuellemotional ins Herz schreiben sollte. Dabei war die religiöse Lektüre – bisweilen auch in Form illustrierter Andachts- und Emblembücher – unumgänglich. Waren in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch vorwiegend lateinische Erbauungsbücher, Predigtanleitungen und Neuauflagen älterer Werke der Antike und des Mittelalters im Umlauf, die sich insbesondere an fromme gebildete Männer richteten, so ist um die Mitte desselben Jahrhunderts eine Wende im Lektüreangebot wie in der Lektürepraxis auszumachen. Aktuellere Werke und Veröffentlichungen in der Vernakularsprache führen zu einem deutlich heterogeneren Leserkreis. Nicht zuletzt durch den Anspruch des Konzils von Trient, die Religiosität wieder stärker im Alltag zu verwurzeln, lebte die Spiritualität des katholischen Glaubens wieder auf. Ein entsprechendes Angebot an Büchern wurde dem Kirchenvolk zur Verfügung gestellt. Nun kann nicht von der Gattung der Erbauungsliteratur gesprochen werden, vielmehr muss eine Klassifizierung erbaulicher Werke vorgenommen werden. Versuche hierzu liegen unter anderem von G. F. Merkel43 und W. Brückner44 vor. Während Merkel eine recht offen gehaltene erste Orientierungshilfe bietet, indem er lediglich fünf Gruppierungen unterscheidet – Gebet- und Trostschriften, Gesangbücher, Erbauungsbücher im engeren Sinn, Predigtsammlungen, Hausbücher –, kategorisiert Brückner verschiedenartige Schriften unter drei Zweckbereiche: 1) Verkündigung der Frohen Botschaft als propaganda fidei, worunter auch Legenden- und Historiensammlungen fallen, 2) Belehrung / Katechese und 3) die eigentliche aedificatio. Zu den katechetischen Schriften zählt er insbesondere die Predigt, da sie intellektuell ausgerichtet sei. Anders die eigentliche Erbauungsschrift, die zur meditativen Andacht und Betrachtung führen, eine geistige Erregung im Einzelnen wecken und letztlich in eine konkrete praxis pietatis münden solle. Die Grenzen zwischen den einzelnen Zweckbereichen sind natürlich fließend. Vor allem die letzte Kategorie Brückners spiegelt die Frömmigkeit im Semireligiosentum wider. Gerade die Erbauungsschriften wurden von „Welt-Geistlichen“ in besonderem Maße produziert, rezipiert und verbreitet. Drei dieser Erbauungsschriften speziell für semireligiose Frauen stehen im folgenden Kapitel exemplarisch im Mittelpunkt.
43 Gottfried Felix Merkel, Deutsche Erbauungsliteratur. Grundsätzliches und Methodisches, in: Jahrbuch für internationale Germanistik 3 (1971), S. 30–41. 44 Wolfgang Brückner, Thesen zur literarischen Struktur des sogenannt Erbaulichen, in: ders. (Hg.), Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland, Wiesbaden 1985, S. 499–507.
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Welt-geistliche Erbauungsliteratur der Frühen Neuzeit. Spiegel der Spiritualität im europäischen Semireligiosentum Diego Perez de Valdivias „Aviso de gente recogida“ (1585) 45 Diego Perez de Valdivia (~1525–1589) war Schüler Juan de Ávilas (1499– 1569)46, dessen Frömmigkeit jüngst in einer detaillierten Studie zum Gesamtwerk von R. Roldán-Figueroa untersucht wurde.47 R. Roldán-Figueroa hob insbesondere den sozialreformerischen Aspekt der zutiefst asketisch ausgerichteten Laienspiritualität hervor, deren Kern sich in einem Programm geistlicher Übungen mit dem Herzstück des mentalen Gebetes ausdrücke und die Spiritualität eines Ignatius von Loyola, Johannes vom Kreuz oder einer Teresa von Ávila wesentlich prägte. Das Hauptwerk des Ávila-Schülers Perez de Valdivia, der „Ratgeber für in sich gekehrt lebende Menschen“, worin Juan de Ávilas Tradition fortgeschrieben wird, nahm zeitgenössisch zwar eine geringere Bedeutung im Gesamtdiskurs ein48, wurde jedoch von semireligiosen Frauen rezipiert49 und übte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf religiöse Laien aus. Der „Ratgeber“ leistet damit einen wichtigen Beitrag zum tieferen Verständnis einer reformorientierten und auf Selbsterkenntnis angelegten Spiritualität, die gleichwohl nicht außerhalb der sakramentalen Heilsvermittlung der Kirche gedacht werden darf.
45 Diego Perez de Valdivia, Aviso de gente recogida y especialmente dedicada al servicio de Dios. En el qual se dan consejos, y remedios contra los peligros y tentaciones, que en el camino del cielo se suelen offrecer. Y se da orden de vida para qualquier estado de persona en todos los tiempos del año. Compuesto por el muy Reuerendo Padre Doctor Diego Perez Cathedratico de scriptura en la Vniuersidad de Barcelona. Dirigido al Illustrissimo y Reuerendissimo Señor don Ioan de Ribera Patriarcha Antiocheno, Arçobispo de Valencia, Barcelona 1585. – Alle spanischen Zitate wurden von der Autorin ins Deutsche übertragen. 46 Juan de Ávila wurde im Oktober 2012 zusammen mit Hildegard von Bingen zum römisch-katholischen Kirchenlehrer erhoben. Dies unterstreicht die Relevanz der dezidierten Hinwendung zu seinem wohl bedeutendsten Schüler und dessen an Ávila orientierter Spiritualität, die insbesondere semireligiose Frauen Spaniens, die sogenannten Beatas, in den Fokus nahm. 47 Rady Roldán-Figueroa, The Ascetic Spirituality of Juan de Ávila (1499–1569) (Studies in the History of Christian Traditions 150), Leiden/Boston 2010. 48 A. Jacobson Schutte nimmt an, dass eine deutlichere Rezeption seines Werkes am Adressatenkreis gescheitert sei, der ja hauptsächlich aus Laien bestanden habe. Zudem seien die Länge und der repetitive Stil des Werkes abschreckende Faktoren gewesen. Vgl. Anne Jacobson Schutte, Aspiring Saints. Pretense of Holiness, Inquisition, and Gender in the Republic of Venice, 1618–1750, Baltimore 2001, S. 51. 49 So orientierte sich beispielsweise die Semireligiose Luisa de Carvajal y Mendoza sowohl am „Audi filia“ Juan de Ávilas wie auch am „Aviso“ des Diego Perez de Valdivia.
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Die wenigen neueren Untersuchungen zu Werk und Person Diego Perez de Valdivias diskutieren allenfalls in Ansätzen seine Spiritualität 50, noch weniger scheint seine Hinwendung zum welt-geistlichen Stand bisher auf Interesse gestoßen zu sein51. Einzelstudien widmen sich vorwiegend der Bedeutung Valdivias für die Universität Baeza52, dem Humanismus in seinem Werk De sacra ratione concionandi53 sowie seiner Mariologie in seinem Traktat über die „Unbefleckte Empfängnis Mariens“54. Diego Pérez de Valdivia55 wurde 1526 im spanischen Baeza geboren. Dieser Stadt blieb er zeitlebens zutiefst verbunden, sei es zu Studienzwecken (1548–1549), als Professor für Bibelstudien (1549–1578) oder auch als herausragender Prediger und Beichtvater. Darüber hinaus war er von 1569–1574 Erzdiakon von Jaén. Schon früh in seinem Leben traf er auf Juan de Ávila, der ihn in seiner Spiritualität maßgeblich prägte und sich für seine Ausbildung einsetzte. So sandte dieser ihn 1547 zum Studium nach Salamanca. Durch Perez de Valdivias deutliche Hinwendung zu Laien und wegen seiner Bevorzugung des „mentalen Gebetes“ wurde 1577 ein inquisitorischer Prozess gegen ihn in Gang gesetzt, bei dem gegen ihn der Vorwurf der Alumbradismus56 erhoben wurde. Das Jahr des Prozesses, der letztlich einen guten Ausgang nahm, ist bekannt aus einem Brief Teresas von Ávila vom 18. Februar 1577 aus Toledo, in dem sie die Hoffnung auf seine Freilassung betonte. Trotz der Freilassung bewirkte der Prozess in ihm den Wunsch nach einem Ortswechsel, und so trat er 1579 eine Professur für Bibelwissenschaft in Barcelona an, die er bis zu seinem Tod 1589, und schon zu diesem Zeitpunkt im Ruf der Heiligkeit stehend, inne hatte. 50 Eine wegweisende Untersuchung liegt vor von: J. Esquerda Bifet, Diego Pérez de Valdivia, maestro de espiritualidad en el siglo XVI, discípulo de San Juan de Ávila, Rom 1972. 51 Eine knappe Berücksichtigung dieser Thematik findet sich bei Pedro M. Cátedra, ‚Bibliotecas‘ y libros ‚de mujeres‘ en el siglo XVI, S. 21–23. (http://ler.letras.up.pt/ uploads/ficheiros/artigo12551.pdf [20.06.2012]) 52 Als neueste Beispiele seien genannt: M. D. Rincón González, In gratiam concionatorum. La Universidad de Baeza y la formación del predicador (retóricas, manuales y otros recursos). Humanismo y pervivencia del Mundo Clásico. Homenaje al Profesor Antonio Prieto. Alcañiz 2005; Andrés Molina Prieto, El doctor baezano Diego Pérez de Valdivia y epistolario inédito, in: Boletín del Instituto de Estudios Giennenses 80 (1974), S. 85–136. 53 Exemplarisch ist die neueste Studie hervorzuheben: P. M. Pérez Aguilera, De Sacra ratione concionandi de Diego Pérez de Valdivia (Baeza, 1524 – Barcelona 1589), in: Boletín del Instituto de Estudios Giennenses 191 (2005), S. 119–135. 54 Exemplarisch zu nennen ist: J. Esquerda Bifet, El tratado de la Inmaculada de Diego Pérez de Valdivia (discípulo del Bto. Ávila), Madrid 1964. 55 Die nachfolgenden biographischen Eckdaten gestalten sich in Anlehnung an Molina Prieto, Diego Pérez de Valdivia, S. 8–90. 56 Beim Alumbradismus handelt es sich um eine spirituelle Laienbewegung im frühneuzeitlichen Spanien, die durch häretische Strömungen die Inquisition auf den Plan gerufen hatte und deren Anhänger verfolgt wurden.
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Seine Lebensweise entsprach weitestgehend derjenigen Juan de Ávilas, denn er führte mit anderen Klerikern ein kommunitäres Leben, war dabei den Kapuzinern eng verbunden, unterstützte gleichzeitig aber auch die karmelitische Reform57 und widmete sich humanitären Projekten58. Seine eng an Juan de Ávila angelehnte Spiritualität ist affektiv ausgerichtet und hat stets die bußfertige innere Haltung des Einzelnen im Blick. A. Molina Prieto spricht gar von einer „absoluten spirituellen Identität“59 Diego Pérez de Valdivias und Juan de Ávilas. Doch auch die Seelsorge stand im Zentrum seiner spirituellen Bemühungen. In der eigens von ihm gegründeten Schule für herausragende Priesteramtsanwärter legte er den Fokus auf eine gute Seelsorgeausbildung, in der sich ärmliche Lebensweise, Erbauung der Schüler, öffentliche und missionarisch ausgerichtete Predigt sowie karitative Werke verbanden. Strenge Askese in Form von Keuschheit, Evangelischer Armut und Selbstkasteiung war für ihn Grundvoraussetzung eines religiösen Lebens, das sich mit der Hoffnung auf das Martyrium verband.60 Im Zentrum seines religiösen Interesses standen vor allem Aspekte der Mariologie, insbesondere seine Sicht Mariens als „Mutter der Kirche“ sowie vielfältige pastorale Themen. Zu letzteren gehörten vornehmlich das mentale Gebet, Buß- und Beichtpraktiken, der häufige Kommunionempfang sowie die Verkündigung des Wortes Gottes an die Gläubigen.61 Sein ebenfalls an religiöse Laien – insbesondere an die spanischen Beatas – gerichteter „Ratgeber“ zeichnet sich im Gesamten durch ein ausnahmsloses Interesse an den spirituellen Bewegungen des 16. Jahrhunderts aus. Das Werk gliedert sich in vier Teile. Teil 1 richtet sich vorwiegend an jene, die Keuschheit gelobt haben, „speziell die Nonnen und Beatas“62. Thema des zweiten Teils ist die Erläuterung der Beschaffenheit der von den religiösen Individuen angestrebten Vollkommenheit. Hier bezieht Pérez de Valdivia alle gesellschaftlichen und kirchlichen Stände mit ein. Im dritten Teil legt er schließlich dar, wie diese Vollkommenheit zu erreichen sei, zum einen für einen jeden Stand, insbesondere aber erneut für religiöse „Frauen, die außerhalb der Klostermauern leben“63, also Welt-Geistliche. In Teil 4 stellt er zuletzt noch zahlreiche Gefahren dar, die den Weg zur Erlangung der Vollkommenheit behindern können. Die zwar für alle Menschen geltenden Anleitungen des Buches sind eigentlich für die Beatas gedacht. In erster Linie geht es Pérez de Valdivia 57 Dies ist ablesbar an seiner Korrespondenz mit dem Karmeliten Jerónimo Gracián de la Madre de Dios (1545–1614). 58 So errichtete er beispielsweise 1581 das „Hospital de la Misericordia“. 59 Molina Prieto, Diego Pérez de Valdivia, S. 102 („absoluta identidad spiritual“). 60 Vgl. ebd., S. 100. 61 Vgl. ebd., S. 108 f. 62 Perez de Valdivia, Aviso (s. „Particion de todo el libro“) („en especial las religiosas y beatas“). 63 Ebd. („mugeres que viuĕĕ fuera de Monasterios“).
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um die Lebensausrichtung und spirituelle Leitung wahrhaft semireligios lebender Frauen. In den Beatas erkennt Pérez de Valdivia einen eigenen Stand neben den Nonnen einerseits und den Ehefrauen sowie Witwen andererseits. Sie hätten den hohen und seit der Antike nachweisbaren Stand der Jungfrau inne.64 Hierzu führt er weiter aus: „Nicht alle Jungfrauen der Urkirche lebten im Kloster. Auch erhielten nicht alle den Schleier durch einen Bischof, aber alle bezeichneten sich als Jungfrauen und sagten, sie hätten den Stand der Jungfrau inne, so wie sie es in ihrer Kleidung und Lebensweise ausgedrückt hätten. Und dies, obwohl einige die Freiheit hatten, nach draußen zu gehen, wie wir es zudem über die Anfänge des Ordens des glückseligen Heiligen Franziskus und der Heiligen Clara lesen können.“65 Im letzten Satz klingt das mönchische Ideal der peregrinatio pro Christo an, die auch von Frauen wahrgenommen werden könne und auch wurde. Da die Frauen folglich einen eigenen religiösen ‚Zwischenstand‘ einnähmen, sei es nur konsequent, ihnen eine Handreichung zur Erlangung religiöser Vollkommenheit anhand geistlich geführter Übungen zu bieten. Grundlegende Quellen, aus denen Pérez de Valdivia hier schöpft, sind die christlichen Gebote der Gottes- und Nächstenliebe, der Dekalog sowie die Anordnungen geistlicher und weltlicher Herrscher, die Grundpfeiler des gesellschaftlichen Zusammenhalts seien.66 Nächstenliebe äußere sich in Werken der Barmherzigkeit und der Tugend. Letztlich stehe dabei jedes gute Werk in der Gnade Gottes, doch es gebe Mittel, diese Gnade zu fördern: „Gebet, Beichte, Kommunion, Buße, Lektüre, das Hören des Wortes Gottes, und an Tagen, an denen wir nicht die Verpflichtung haben, die Messe zu hören: Gebete sprechen und sich unseren Herrn ständig vor Augen führen, jeden Tag mindestens ein Mal sein Gewissen erforschen, jeden Tag den heiligen Vorsatz erneuern und beabsichtigen, auf dem Weg unseres Herrn Fortschritte zu machen“67. 64 Vgl. ebd., 1r. 65 Ebd., 1v („Y no todas las virgines dela primitiua yglesia, viuian en religion: ni todas recibian velo de mano de Obispo: y todas se llamauan virgines, y se dezia tener estado de virgines, como lo ouiessen professado con vestidos y modo de vida: aun que si tenian algunas libertad para salirse a fuera, como aun enlos principios dela religion del biĕĕauĕturado sant Frăcisco, y sancta Clara leemos“). 66 Vgl. ebd., 3r. 67 Ebd., 6v („oracion, confession, communion, penitencia, lectiõ, oyr palabra de Dios, y en dia que no tenemos obligacion oyr missa, rezar, y traher a nuestro Señor siempre delante de los ojos, examinarse cada dia por lo menos vna vez, y renouar cada dia el sancto proposito, y proponer de yr adelante enel camino de nuestro Señor“).
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Seine Lektüreempfehlungen sind beredtes Zeugnis seiner eigenen Frömmigkeit: Heiligenviten (vor allem das Leben des heiligen Franz von Assisi), Bücher des Luis de Granada und des Juan de Ávila, Francisco de Osunas Tercer Abecedario, Bernardino de Laredos Subida del Monte Sión, Schriften Angelas von Foligno sowie Katharinas von Siena, die Leiter zum Paradiese des Johannes Climacus und letztlich alle Briefe der Gesellschaft Jesu mit Berichten aus den Missionsgebieten.68 Geistliche Lektüre zur Unterstützung der eigenen frommen Lebensausrichtung ist dabei niemals rein kontemplativ, denn wahre Heiligkeit bestehe im „Fortschritt [sowohl] im Absterben von der Welt [als auch] in der Gottes- und Nächstenliebe“69. Insgesamt greift das Werk Pérez de Valdivias François de Sales’ Philothea in einigen Punkten voraus. Nicht zu Unrecht wurde er zeitgenössisch als „Apostel Kataloniens“ bezeichnet. Sein spirituelles und dabei in hohem Maße welt-geistliches Programm gibt einen Einblick in die gesamteuropäische spirituelle Reform der Frühen Neuzeit, die sich zunehmend zunächst semireligiosen Personen, dann aber insbesondere auch Laien öffnete. Die folgende Textpassage zu „Zwölf geistlichen Übungen“ aus Perez de Valdivias Werk verdeutlicht seine spirituelle und zugleich weltlich ausgerichtete Grundlinie in besonderem Maße: „Von allen genannten Dingen, die nach meiner Zählung zwölf Übungen umfassen, gehören folgende sechs quasi einer Familie an: das gesprochene Gebet, Augenblicke der Betrachtung der Meditation oder des Gebets, das ständige Sich-Gott-vor-Augen-Führen, die Selbstprüfung, die Erneuerung heiliger Vorsätze und das Vorhaben, jeden Tag in der wahren Heiligkeit Fortschritte zu machen, indem man sowohl im Absterben von der Welt wie auch in der Gottes- und Nächstenliebe Fortschritte macht. In diesen Übungen ist vieles inbegriffen und sie sind von der Art, dass sie auch ein Dienstmädchen oder eine Dienerin, die den ganzen Tag über beschäftigt ist, absolvieren kann: ganz unvermittelt im Herzen und ohne von jemandem gehindert zu werden, schweigend, die Hände tätig, aber mit dem Herzen im Himmel. Die anderen sechs Übungen sind folgende: Beichte, Gebet, Lektüre, das Hören der Predigt, das Hören der Messe während der Woche und die Buße; sie sind außerordentlich heilig. Und immer wenn wir die Möglichkeit haben, sie auszuführen, müssen wir dies in jedem Fall tun; können wir sie jedoch nicht ohne Hindernis ausführen, machen wir diese sechs Übungen im Geiste. Die Bräute Jesu Christi sollen sich an große heilige Frauen erinnern, die all dies entbehren mussten, weil sie gefangen oder eingesperrt waren, oder weil man ihnen weder 68 Vgl. Cátedra, Biblioteca y libros de mujeres, 22 f. 69 Pérez de Valdivia, Aviso, 7r („cresciendo enla mortificaciõ y amor de Dios y del proximo“).
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Raum noch Zeit zugestand. Aber sie ließen sich davon nicht entmutigen, noch beklagten sie sich darüber oder waren deswegen beunruhigt oder beunruhigten andere. Stattdessen gaben sie sich mit dem Wunsch danach zufrieden, während sie Jesus Christus unseren Herrn lobten und priesen. Und all das fanden sie im inneren Gebet, indem sie sich mit allem an Jesus Christus unseren Herrn wandten und im Geiste bei ihm waren mit innerem Frieden und innerer Freude. Und dort nahm sich der mächtige und treue Herr der demütigen und stillen Herzen an. So vertrauten sie auf ihn und so gibt er ihnen heute und jeden Tag bis in alle Ewigkeit bezüglich jener heiligen Übungen (die sie aus Liebe zu ihm nicht machten oder machen konnten) die Möglichkeiten, die er ihnen geben musste oder zu geben hätte, falls sie sie absolvieren könnten. Und vielleicht vergönnt er ihnen noch mehr, nämlich mehr innere Gelassenheit und keine Hindernisse, an denen es nur selten mangelt, bei den äußerlichen Übungen, vorausgesetzt, sie werden in großer Umsicht und äußerlicher und innerer Demut begangen. Denn gewöhnlich bringen äußerliche Übungen den Umgang mit anderen Personen mit sich, und das an den unterschiedlichsten Orten, wo es nicht an Gelegenheiten zur Ablenkung mangelt. Viele Einsiedler seien uns Beispiel, ebenso die unter Heiden gefangenen Jungfrauen, eine Heilige Maria aus Ägypten oder ein erster eremitisch lebender Hl. Paulus: gefangen in Ländern wie dem der Mauren sind sie gute Christen geblieben. Es sei unserem Herrn damit gedient, dass sie mit demütigem und gläubigem Herzen diese Lehre lesen. […] Über all diese heiligen Übungen wurden so zahlreiche Bücher geschrieben, dass ich in dieser Zusammenfassung schon ziemlich ausführlich bin hinsichtlich des Referierens einer so bekannten und erklärten Sache. Und so beziehe ich mich auf die Lektüre frommer und gottergebener Bücher, von denen es in unserer Zeit eine Fülle gibt, wodurch dieses Wissen und Schrifttum derart zugenommen hat. Es möge unserem Herrn Vergnügen bringen, auf dass sich solche Handlungen vermehren werden.“70 70 Pérez de Valdivia, Aviso, 7r–8r „De todas estas cosas dichas, que son a mi cuen/ ta doze generos de exercicios, los seys dellos quasi son de vn mismo linage: como son rezar vocalmente, tener vn rato o ratos de consideraciõ, o meditaciõ, o oracion, traher siempre a nuestro Señor delante, hazer examen, renouar el sancto proposito, y proponer de cada dia yr adelante en la verdadera sanctidad, cresciendo enla mortificaciõ y amor de Dios y del proximo. Enlos qua/les exercicios va mucho: y son de tal condicion, que aunque sea vna moça de seruicio, o esclaua, o la occupen todo el dia: dentro en su coraçon, sin que lo sienta, ni impida nadie: callando, y las manos enla hazienda, y el coraçon enel cielo, los puede hazer. Los otros seys exercicios que son: Confession, oracion, lection, oyr sermon, y oyr missa entre se/mana, y hazer penitencia: son sanctissimos. Y si buenamente podemos, en todo caso los hemos de exercitar: Y si no podemos sin inconveniĕtes;
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François de Sales’ „Introduction à la vie dévote/Philothea“ (1609) In der Auseinandersetzung mit der Spiritualität des François de Sales (1567– 1622) insbesondere in seiner Philothea fehlt bislang eine Einordnung in die semireligiosen Bewegungen der Frühen Neuzeit.71 Dies erstaunt, handelt es sich doch gerade bei der Philothea um ein Werk, das aus Überarbeitungen von Briefen und Schriften an die zeitweise semireligios lebende Louise de Charmoisy entstanden ist. Nicht die eigene Zeit – so die bisherige Forschung – habe François de Sales zur Abfassung seiner Schrift inspiriert, er stehe vielmehr in der humanistisch ausgerichteten Tradition der Devotio moderna, die die „devotio salesiana“72 direkt beeinflusst habe und die Frömmigkeit „freundlich und menschlich“73 machen wollte. Dem ist entgegenzuhalten, dass doch gerade die Philothea eine genuine Antwort auf die zutiefst „welt-geistlichen“ Fragen seiner Cousine Louise de Charmoisy zu geben versucht – als Spiegel der wesentlichen Fragen eines religiösen Menschen des 16. und 17. Jahrhunderts, die C. Dahlgrün wie folgt zusammenfasst:
hagamos estos seys exercicios en spiritu. Acuer/den se las esposas de Iesu Christo, de grădes san/ctas que carecian de todo esto: por estar captiuas o presas, o no darles lugar ni tiĕpo: y no por esso desmayauan, ni ragañauan, ni inquietauă a si, ni a nadie: sino alabando y bendiziendo a Iesu Chri/sto nuestro Señor se conformauan con su volun/tad; y lo hallauă todo enla oraciõ interior, yendo se a Iesu Christo nuestro Señor cõ todo, viestan/do en spiritu con el, interiormente en paz y alegria: y alli les daua el poderoso y fiel Señor alos coraçones humildes y mansos; y que confian en el, y oy y cada dia les da y les dara para siempre, lo que en aquellos sanctos exercicios (que por su amor dexauan de hazer, o no podian hazer) les hauia de dar y diera, si lo hizieran. Y por ventura da mas: y cõ mas sossiego interior, y sin ningunos inconuenientes: de los quales pocas vezes carecen, los exercicios exteriores, sino son hechos cõ gran prudencia y mortificacion exterior y interior. Porque ordinariamente los exercicios exteriores traen consigo tratos con otras personas, y en differentes lugares, lo qual no carece de algunas occasiones de distraction. Sean nos exemplo de esto tantos padres en aquellos hiermos, tătas virgines entre Gentiles presas, vna sancta Maria Egipciaca, vn Sant Pablo primero hermitaño: y captiuos q en tierra de moros son buenos Christianos. Sea nuestro Señor seruido, que lean con mortificado y credulo coraçon esta doctrina: en la qual les va mas delo q yo les sabre dezir, y ellas pueden atinar. De todos estos sanctos exercicios ay tantos libros escriptos, que en esta summa soy largo por referir cosa tan sabida y tan escripta: y ansi me remitto ala lection delos libros piadosos y deuotos, delos quales ay mucha abundancia en nuestro tiempo, que tanto ha crescido el saber, y el escreuir: plegue a nuestro Señorque assi cresca el obrar.“ 71 Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Person und Werk François de Sales’ fand bisher vornehmlich auf der Plattform des „Jahrbuchs für salesianische Studien“ statt. 72 Paolo Pession, Anleitung zum vollkommenen Leben nach der Philothea des hl. Franz von Sales, in: Jahrbuch für salesianische Studien 15 (1979), S. 24–40, hier: S. 30. 73 Ebd., S. 33.
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„Wie kann ein Mensch in der Welt leben, ohne sich dabei an die Welt zu verlieren und ihr Wesen anzunehmen? Wie kann er Gottes Nähe suchen und ihn lieben, ein Leben der Hingabe an Gott führen, ohne die Welt zu fliehen, sondern gleichzeitig den vielfältigen Aufgaben seines Alltags, seines Berufes und den unterschiedlichen Erfordernissen seines Standes wirklich gerecht zu werden?“74 Es stellt sich hier die Frage, in welcher Tradition François de Sales stand. Darüber hinaus gilt es noch zu klären, wie sich das personelle und spirituelle Netzwerk gestaltete, in dem er sich gerade bei der Abfassung der Philothea bewegt hatte. Ohne die offensichtlichen spätmittelalterlichen Einflüsse negieren zu wollen, da sie doch Ursache aller reformorientierten und welt-geistlich ausgerichteten Schriften des Konfessionellen Zeitalters sind, scheinen die einzelnen Stufen seiner „Geistlichen Übungsanleitung“ weit mehr an ähnlichen Werken des 16. und 17. Jahrhunderts, beispielsweise eines Ignatius von Loyola, orientiert gewesen zu sein. François de Sales (1567–1622) entstammt dem französischen Adel in Savoyen und erhielt dementsprechend eine profunde schulische Ausbildung. Neben Rechtsphilosophie studierte er auch Theologie, was ihn letztlich dazu bewegte, ein religiöses Leben zu führen. Höhepunkt seiner geistlichen Karriere war sein Amt als Fürstbischof von Genf seit 1602. Als Träger dieses Amtes war ihm stets die Seelsorge wichtig, insbesondere die katechetische Unterweisung von Kindern und die religiöse Bildung Erwachsener. Aus seiner tiefen spirituellen Freundschaft mit der Witwe Jeanne Françoise Frémyot de Chantal, die er 1604 kennengelernt hatte, ging die Gründung des Ordens der „Schwestern von der Heimsuchung Mariens“ (Ordo Visitatio Mariae, OVM) – heute besser bekannt als Salesianerinnen oder Visitantinnen – hervor. Es handelte sich den Ursprüngen nach um eine Gemeinschaft, die beschauliches Leben und aktive Tätigkeit miteinander in Einklang zu bringen gedachte. Das Konzept wurde bald nach der Gründung abgelehnt und der ehemals „welt-geistliche“ Orden in einen rein kontemplativen und der Klausur verpflichteten Orden umgewandelt. Im Zentrum der Spiritualität des François de Sales stehen genau wie bei Diego Perez de Valdivia die in die sakramentale Ordnung der Kirche eingebettete Suche der individuellen Seele nach Vollkommenheit und die Selbsterkenntnis, die das Leben des Einzelnen im Hier und Jetzt lenken sollte.75 Als wesentliche Übungsform erkannte François de Sales das innerliche, betrachtende Gebet76, ähnlich der von spanischen Zeitgenossen wie Perez de Valdivia bevorzugten oración mental, einem Nachsinnen über einen bestimm74 Dahlgrün, Christliche Spiritualität, S. 265. 75 Vgl. hierzu die von Pession vorgestellen Frömmigkeitsstufen ebd., S. 35–38. 76 Vgl. zur näheren Beschreibung der Betrachtungsmethode Paolo Rime, Das betrachtende Gebet, in: Jahrbuch für salesianische Studien 15 (1979), S. 40–54.
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ten Gegenstand mittels Verstand, Herz und Willen, das heilsame Affekte und Entschlüsse im Einzelnen bewirken sollte. Doch Mystik bedeute bei de Sales – so Paolo Rime – keinesfalls eine ausschließlich kontemplativ ausgerichtete Spiritualität: „War er Mystiker, so im Sinne aktiven Apostolats.“77 François de Sales’ spirituelles Programm wird bereits im Vorwort seiner Philothea deutlich, wenn er schreibt: „So will ich dir zeigen, wie Menschen von starkem Charakter in der Welt leben können, ohne weltliches Wesen anzunehmen“78. Das aktive Moment wahrer Frömmigkeit tritt anders als in der Devotio moderna nicht hinter dem innerlichen Leben des spirituellen Individuums zurück, sondern steht pointiert im Vordergrund seiner Definition der Frömmigkeit: „Frömmigkeit ist nichts anderes als Gewandtheit und Lebendigkeit im geistlichen Leben. Sie lässt die Liebe in uns oder uns in der Liebe tätig werden mit rascher Bereitschaft und Freude. Die Liebe bewirkt, dass wir alle Gebote Gottes beobachten; die Frömmigkeit, dass wir sie hurtig und bis ins Kleinste erfüllen.“79 Voraussetzung jeglicher Frömmigkeitsausübung ist die Liebe, wodurch das fromme Leben eine noch höhere Stufe der „Jakobsleiter als treffendes Bild frommen Lebens“80 einnimmt als die Liebe selbst. Hat man diese Stufe erreicht, erscheine auch das Befolgen der Evangelischen Räte, die Übung der „Abtötung“81 als Form des Absterbens von allem Weltlichen, sowie in letzter Instanz auch das frühneuzeitlich forciert in den Blick gerückte Martyrium als leicht.82 Und diese Frömmigkeit sei letztlich mit jedem beruflichen, gesellschaftlichen und kirchlichen Stand vereinbar83, da die pure „beschauliche und klösterliche Frömmigkeit“84 nicht ausschlaggebendes Moment zur Erlangung der Vollkommenheit sei. Vielmehr eigne sich für zahlreiche Menschen das fromme Leben inmitten der Gesellschaft sogar besser als die Einsamkeit. Hierzu zeichnet de Sales ein authentisches Bild insbesondere der Tätigkeitsfelder frühneuzeitlicher Semireligioser:
77 Ebd., S. 41. 78 Franz von Sales, Philothea, S. 17. Vgl. auch den Text der deutschen Gesamtausgabe auf www.philothea.de. 79 Ebd., S. 26 (I, 1). 80 Ebd., S. 28 (I, 2). 81 Ebd. 82 Vgl. ebd., S. 26–28 (I, 2), S. 142 (III, 3). 83 Vgl. ebd., S. 29–31 (I, 3). 84 Ebd., S. 31 (I, 3).
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„So widmen sich von den Dienern Gottes die einen dem Krankendienst, die anderen den Armen, diese der religiösen Unterweisung der Kinder, der Bekehrung der verlorenen und in die Irre gegangenen Seelen, jene dem Schmücken der Kirchen und Altäre, andere der Vermittlung von Frieden und Eintracht zwischen den Menschen.“85 Ziel jeglicher Frömmigkeit sei die „Liebesvereinigung mit Gott“86. Hierin erweist sich de Sales als dezidierter Mystiker, dies jedoch ebenfalls in bewusster Abkehr von einem mittelalterlichen Mystikverständnis, denn eine zu starke Verinnerlichung in pseudo-mystischem Gewand wie „Ekstasen, Verzückungen, Verklärungen, Schwebezustände und Ähnliches“87 schade letztlich nur der Tugend der Nächstenliebe. Fromme Affekte stünden zudem in der Gefahr, einer falschen Frömmigkeit anzuhaften, die im Individuum zwar in der geistlichen Übung fromme Gefühle erwecke, sich in der realen Welt jedoch nicht bewähre. Selbstlose gute Werke – und hier ist die konfessionelle Vereinnahmung klar erkennbar – seien Spiegel wahrer Frömmigkeit, denn das „Herz ist gut, wenn es gute Affekte hervorbringt, und die Affekte und Leidenschaften sind gut, wenn sie in uns gute Wirkungen und heilige Taten sprießen lassen“88. Die Wirkungen solcher Affekte, die mit der Annahme einer geistlichen Berufung einhergehen und mittels verschiedener „Betrachtungen“89 und mentaler Gebetsweise90 herbeigeführt werden sollen, seien enorm, müssten aber stets neu eingeübt, reflektiert und mittels einer Gewissenserforschung91 in Form einer Prüfung der Haltung gegen Gott (V, 4), gegen sich selbst (V, 5) und gegen den Nächsten (V, 6) überdacht werden. So führt de Sales das dazu notwendige spirituelle Repertoire speziell frühneuzeitlicher Frömmigkeit dem religiösen Subjekt am Ende seiner Philothea mittels einer rhetorischen Frage erneut vor Augen: „Hältst du es nicht für ein Glück, im Gebet mit Gott sprechen zu können, ihn lieben zu dürfen, viele Leidenschaften gedämpft zu sehen, die dich beunruhigten, von vielen Sünden und Gewissens85 Ebd., S. 131 (III, 1). 86 Ebd., S. 29 (I, 2). 87 Ebd., S. 135 (III, 2). 88 Ebd., S. 313 (IV, 12.II). 89 Vgl. ebd., S. 42–63 (I, 9–18). 90 Vgl. ebd., S. 76 (II, 1). De Sales meint hier das betrachtende mentale Gebet in Form einer bildhaften Meditation bzw. Kontemplation. Er nennt es „das Gebet des Geistes und des Herzens, ganz besonders jenes, das zum Gegenstand das Leben und Leiden des Heilands hat“. Die Imitatio Christi spielt auch in den spirituellen Vollzugsformen die entscheidende Rolle. 91 Diese „Gewissenserforschung“ ist bereits zentraler Bestandteil eines eigenen Kapitels, vgl. ebd., S. 93–95 (II, 11).
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nöten verschont zu sein, so oft die heilige Kommunion empfangen und dich darin mit der reichsten Quelle ewig währender Gnaden vereinigt zu haben?“92 Neben dieser ausdrücklich eucharistischen Frömmigkeit93 spielt zudem das Sakrament der Buße und der damit einhergehenden Reinigung der Seele eine zentrale Rolle94, das an die Beichte95 und somit an die Leitung eines Beichtvaters geknüpft sei, wie de Sales wiederholt in seinem Werk betont96. Zu weiteren gewünschten Tugenden neben derjenigen der Nächstenliebe gehören für de Sales auch die Evangelischen Räte. Auf seine Schwierigkeit des Umgangs mit der Forderung der Keuschheit auch bei rein weltlichen Personen wurde bereits aufmerksam gemacht. So scheint sein Werk in erster Linie auch speziell für welt-geistliche Personen gedacht gewesen zu sein, die sich selbst mehr dem Religiosen- als dem Laienstand angehörig sahen. Neben der Keuschheit sind noch der Gehorsam sowie die Armut evident zur Erlangung der religiösen Vollkommenheit, sie seien die „drei Arme des geistlichen Kreuzes“97. Nicht als Gelübde seien sie wichtig, denn im Stand der Vollkommenheit als Mönch oder Nonne zu stehen bedeute noch lange nicht, tatsächlich vollkommen zu sein. Erst die Praxis, die konkrete Ausübung dessen, was Inhalt der Gelübde ist, sei entscheidendes Merkmal der Vollkommenheit.98 Ähnlich wie bei Diego Perez de Valdivia finden sich in de Sales’ Philothea zahlreiche Lektüreempfehlungen, die auch hier Zeugnis eines allgemeinen religiösen Klimas sind, das insbesondere das welt-geistliche Moment im Blick hatte. Im Vordergrund seiner Buchempfehlungen stehen etwa Werke von Luis de Granada99, Francisco Arias100, Luis de la Puente101, Bonaventura102, Juan de Ávila103, Hieronymus104 sowie im Allgemeinen Heiligenviten. Heiligen- und 92 Ebd., S. 331 (V, 2). 93 Er plädiert dabei für den häufigen Kommunionempfang, vgl. ebd., S. 118–122 (II, 20). 94 Vgl. hierzu verschiedene Kapitel des ersten Teiles seines Werkes. 95 Der Beichte widmet er ein ganzes Kapitel, vgl. ebd., S. 114–118 (II, 19). 96 Hierzu verfasste er sogar ein gesondertes Kapitel: „Zum frommen Leben ist ein Seelenführer notwendig“, vgl. ebd., S. 32–34 (I, 4). 97 Ebd., S. 171 (III, 11). 98 Vgl. ebd. 99 Ebd., S. 37 (I, 6), 77 (II, 1), 110 (II, 17). 100 Ebd., A. 37 (I, 6), 85 (II, 6), 110 (II, 17). 101 Ebd., S. 77 (II, 1), 110 (II, 17). Luis de la Puente war ebenfalls spiritueller Ratgeber semireligioser Frauen wie beispielsweise von der Beata Marina de Escobar oder von Luisa de Carvajal y Mendoza. 102 Ebd., S. 77 (II, 1), 110 (II, 17). Franziskanische Spiritualität ist neben der jesuitischen ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der frühneuzeitlichen Frömmigkeitsausrichtung. 103 Ebd., S. 110 (II, 17). Über Juan de Ávila, den Lehrer Diego Perez de Valdivias, und deren beider Bedeutung für das frühneuzeitliche Semireligiosentum wurde bereits einiges im vorangehenden Kapitel ausgesagt. 104 Ebd., S. 110 (II, 17).
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insbesondere Märtyrerverehrung sind für de Sales wesentlicher Bestandteil der Frömmigkeit und somit erneut konfessionell gefärbt.105 Namentlich wird allein Ignatius von Loyola im Kapitel zur „Verehrung und Anrufung der Heiligen“ genannt.106 Zudem erhalten gerade auch Märtyrerinnen der Kirchengeschichte bei de Sales in seinem Kapitel über das Beispiel der Heiligen (V, 12) eine spezielle Würdigung als exempla fidei: „Gott, welchen Starkmut hat doch gerade das schwache Geschlecht oft gezeigt! […] Warum sollten wir das nicht auch tun können in unserem Stand und Beruf, für unseren heiligen Vorsatz und die liebevolle Beteuerung?“107 De Sales schließt sein Buch mit einem Appell, der ganz im Zeichen seiner typisch katholisch ausgerichteten Spiritualität steht: „Zum Schluss beschwöre ich dich bei allem, was dir heilig ist im Himmel und auf Erden, bei deiner Taufe, bei der allerseligsten Jungfrau, beim heiligsten Herzen, das dich liebt, bei der Barmherzigkeit Gottes, auf die du hoffst: Bleib treu und beharrlich bei deinem Vorhaben eines frommen Lebens!“108 Nicht allein die mystische Begnadung einer sich religiös berufen fühlenden Person meist des Kleriker- oder Mönchsstandes führe zu geistlicher Reife, sondern die Einübung in die spirituelle Lebensweise, die jedem Menschen egal welchen Standes offen stehe.
Friedrich Spees „Güldenes Tugend-Buch“ (1628/1649) Der vor allem durch sein Wirken gegen die Hexenprozesse bekannt gewordene Friedrich Spee (1591–1635) schlug bereits früh den Weg jesuitischer Spiritualität ein. 1605 wurde er Mitglied der Marianischen Kongregation, 1610 trat er in die Gesellschaft Jesu ein. Nach der Ablehnung seines Wunsches, sich in der Heidenmission zu engagieren, und nach einem Philosophiestudium in Köln betätigte er sich als Lehrer der Grammatik, Rhetorik und Poetik. In Mainz schloss er 1619 ein Theologiestudium an, empfing 1622 die Priesterweihe und wurde neben seinen Anstellungen als Professor für Logik, Physik, Metaphysik (Paderborn) und Kasuistik (Köln, Trier) auch ein herausragender Seelsorger, was sich insbesondere an seinen Kirchenliedern, 105 Vgl. ebd., S. 108 (II, 16), 344 f. (V, 12). 106 Vgl. ebd., S. 109 (II, 16). 107 Ebd. 108 Ebd., S. 353 (V, 18).
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seiner Poesie und seinem seelsorglichen Hauptwerk, dem Güldenen Tugendbuch, zeigt.109 Geschrieben für eine 1606 gegründete semireligiose Kölner Devotessengemeinschaft, die eine Katechismusschule unterhielt und deren Vorsteherin Ida Schnabels Spee 1628 um Andachtsübungen gebeten hatte, erschien das Werk erst 1649 in zensierter und veränderter Form im Druck. Es handelt sich um ein Erbauungs-, Übungs- und Andachtsbuch, in dem Spee seine geistlichen Töchter an seiner eigenen jesuitischen wie zugleich weltgeistlichen Spiritualität in Form eines Frage-Antwort-Spiels zwischen Beichtvater und geistlicher Tochter Anteil nehmen lässt. Das Buch richtet sich also in erster Linie nicht an christliche Laien, sondern hatte Frauen im Blick, die ein teilmonastisches Leben führten. Es bot Hilfen gerade für die Besonderheit semireligioser Lebensweise, indem Spee nicht nur Orientierung auf dem (mystisch-spirituellen) Weg zu Gott offerierte, sondern gleichzeitig zu tätiger Nächstenliebe und „sozialer Verantwortung“110 anregte und konkrete Vorschläge für den Alltag machte. Friedrich Spees Wirken zu Beginn des 17. Jahrhunderts fällt in eine Zeit des geistigen Übergangs, der mit bahnbrechenden Einsichten in alten und neuen Bereichen der Wissenschaft, vor allem aber der Naturwissenschaften einherging. Doch bei aller Nutzbarmachung der den Menschen umgebenden Natur und beginnenden künstlichen Eingriffen in dieselbe blieb das Weltbild der beginnenden Neuzeit im Schöpfungsdenken verankert. Dies wird in allen Schriften Spees deutlich, verweise doch alles in der Schöpfung letztlich auf den Schöpfer.111 Die damit einhergehende Naturmystik Spees ist ein hervorstechendes Charakteristikum seiner Frömmigkeit. Doch evidenter noch zeichnet sich im Werk Spees eine ganz andere Debatte ab, nämlich die Auseinandersetzungen, die mit der Konfessionalisierung einhergingen. Als Schriftsteller ordne er sich – so Bernhard Schneider – „in die Programmatik […] der Konfessionalisierung ein“112. Kontroverstheologie spiegelt sich im Güldenen Tugend-Buch insbesondere in der Märtyrerthematik, aber auch in der zunehmenden Anthropologisierung der Theologie durch Analysemethoden des individuellen Glaubens 109 Für eine chronologische Übersicht über die Lebensdaten Spees vgl. Theo G. M. Van Oorschot, Friedrich Spees Leben, in: Dieter Kunze (Hg.), Friedrich SpeeLesebuch (Vergessene Theologen 6), Berlin 2010, S. 30–59. 110 Diesen Terminus wählte H. Müskens in seiner Einleitung zum Spee-Lesebuch: Heinz Müskens, Einführung, in: Dieter Kunze (Hg.), Friedrich Spee-Lesebuch (Vergessene Theologen 6), Berlin 2010, S. 9–21, hier: 15. 111 Zu Spees dezidierter Schöpfungsspiritualität vgl. Balthasar Fischer, Friedrich Spee als Erzieher zur Schöpfungsfrömmigkeit, in: ders., Frömmigkeit der Kirche. Gesammelte Studien zur christlichen Spiritualität (Hereditas 17), hg. v. Albert Gerhards/Andreas Heinz, Bonn 2000, S. 278–296. 112 Bernhard Schneider, Friedrich Spee und die katholische Konfessionalisierung. Ein Versuch über die biographische Dimension der Geschichte und ihre Vermittlung, in: Spee-Jahrbuch 8 (2001), S. 9–32.
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in geistlichen Übungen.113 Doch hinterließ Spee hier keine umfassende summa theologiae, vielmehr spiegeln sich theologische Aspekte in seiner schöpferischen Sprachgewalt dichterischer Prägung wider, die trotz Eingebundenheit in das spirituelle Kontrollsystem der Zeit einige Eigentümlichkeiten aufweisen. Zum einen entwirft er das Bild eines durch und durch barmherzigen Gottes, das Spee zu einer großen Empathie mit den Mitmenschen bewegt und zum karitativen Handeln in der Welt aufruft.114 Andererseits möchte er den religiösen Mitmenschen auch zu einer Verinnerlichung seiner Frömmigkeit führen, indem er zu gedanklicher und affektiver Beschäftigung mit den in den Übungen vorkommenden Gebeten anregte und so eine Einheit von Affektivität und Rationalität anstrebte115, erkennbar an seiner Aufforderung, ein zuvor gesprochenes Gebet in einem zweiten Schritt „mit dem hertzen [zu] bedencken“116 und dabei Jesus am Kreuz vor Augen zu haben. Nach Friedrich Zoepfl117 gründet sich Spees Spiritualität auf seiner vom Konzil von Trient beeinflussten Theologie, die bei ihm jedoch auf individuelle Weise als rationale Theologie „mit der Macht des Gefühls und dem Wohlklang des Wortes“118 ringe. Letztlich sei sie „Herzens- und Gefühlsfrömmigkeit“119, wobei sich Spee bewusst gewesen sei, „daß sich die Frömmigkeit nicht in Schalmeienklängen und schmachtenden Gefühlen, nicht in Jubelhymnen und Mitleidsseufzern erschöpfen dürfe, sondern daß sie Tat sein müsse, Erfüllung des göttlichen Willens, Mitarbeit am Schöpfungs- und Erlösungswerk, Dienst am Reiche Gottes“120. Spezifika seiner somit welt-geistlichen Spiritualität seien die Ambivalenz von Weltabkehr und „tatbereiter“ Zuwendung zu Welt und Mitmensch in der Nächstenliebe, der eine mystisch-seelische Verbindung des Menschen mit Gott vorausgegangen sein müsse.121 Weltabkehr und neuerliche Zuwendung zur Welt formuliert Spee folgendermaßen:
113 Vgl. Heribert Smolinsky, Friedrich Spee und die geistigen Strömungen seiner Zeit, in: Gunther Franz (Hg.), Friedrich Spee als Theologe, Trier 1997, S. 9–30, hier: S. 28. 114 Vgl. ebd., S. 29 f. 115 Vgl. van Oorschot, Spees Leben, S. 40 f. 116 Zitiert nach: van Oorschot, Spees Leben, S. 41. 117 Vgl. Friedirch Zoepfl, Die Frömmigkeit Friedrichs von Spe, in: Geist und Leben 20 (1947) 1, S. 36–53. Es ist die bisher einzige Schrift, die sich dezidiert der Frömmigkeit Spees widmet. 118 Ebd., S. 43. 119 Ebd. 120 Ebd., S. 48. 121 Vgl. ebd., S. 37 f., 49, 51.
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„Eja verlasse das geschöpff, so findestu den Schöpffer. Er allein ist aller liebe werd, er wird allein dein hertz ersättigen vnd erfüllen konnen. Er ist allein der dich redlich liebet, vnd nach dir verlanget: liebe auch du vnd verlange nach ihm allein.“122 „Wolan mein liebes kind, weil du […] Christum liebest, sage an, wiltu nicht diese woch schawen, daß du einen auß seinen geringsten tröstest, ihme behülfflig seyest, tränckest, speisest, dienest, oder der gleichen? Weistu nit irgend wo eine gelegenheit deinem nechsten zu helffen? Bedencke dich was kanstu thun nach deinem stand?“123 Im Zentrum dieser Frömmigkeit steht Jesus Christus, und hier speziell der bereits in der Krippe leidende Heiland, dem ähnlich zu werden das ganze Streben des Menschen bis hin zum Martyrium gewidmet sein müsse124: „Vbestu auch zugleich die werck der liebe, in deme du für ieden articul bereit bist vmb Gottes deines geliebten willen ein Martyrer zu sein, vnd den kopff zu verlieren.“125 So sei der Mensch in diesem Werk der Liebe von den Sünden gerechtfertigt. Um diese Vollkommenheit und Rechtfertigung auf anderem Wege zu erreichen, seien die Sakramente – insbesondere Eucharistie und Buße (mit angeschlossener Beichte) – und nicht zuletzt die Lektüre religiöser Werke (Heilige Schrift, liturgische Gebete, Väterliteratur und mittelalterliche Texte (insbesondere Thomas von Kempens De Imitatione Christi)) notwendig.126 Der Lektüre solle stets eine Text- oder Bildmeditation angeschlossen sein: „Bewürb dich vmb ein bilder-buch; […] darin das gantze leben, vnd leiden Christi, oder andere historien der heiligen schrifft begriffen seind. […] Täglich zu bestimptem viertelstündlein, setze dich auff die knie, mache das Creutz, bette den glauben, vnd schlage gemeltes Buch auff, nim das erste bild, (Exempel weiß, die Verkündigung Mariae) besiehe es wol, vnd wan du es also besehen, vnd die augen belüstiget hast, so hebe dein hertz zu Gott […]:“127 Im Gesamten wertet Zoepfl Spees Frömmigkeit als „Spiegelbild der barocken Frömmigkeit überhaupt, freilich in ihrer besten und überzeugendsten Ausformung“128. Mit barocker Frömmigkeit meint er vor allem die 122 Friedrich Spee, Güldenes Tugend-Buch, hg. v. Theo G. M. van Oorschot (Friedrich Spee, Sämtliche Schriften, hist.-krit. Ausg. in drei Bänden 2), München 1968, S. 136. 123 Ebd., S. 351. 124 Vgl. Zoepfl, Frömmigkeit Friedrichs von Spe, S. 39, 47, 50. 125 Spee, Güldenes Tugend-Buch, S. 41. 126 Vgl. Zoepfl, Frömmigkeit Friedrichs von Spe, S. 40 f., 51 f. 127 Spee, Güldenes Tugend-Buch, S. 72. 128 Zoepfl, Frömmigkeit Friedrichs von Spe, S. 53.
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Gefühlsbetontheit und den damit zusammenhängenden „seufzerlichen Überschwang“129. Darüber hinaus zielt die Spiritualität Spees jedoch insbesondere auf die religiöse Praxis und auf eine apostolisch, missionarisch sowie konfessionspolitisch ausgerichtete Frömmigkeit als Spiegel seines jesuitischpädagogischen Anspruchs und seines hohen religiösen Engagements in der Welt. Einige Textstellen aus dem Güldenen Tugend-Buch belegen dies. Insbesondere folgende Passage drückt den hohen pädagogischen wie seelsorglichen Anspruch Spees an sich selbst wie auch an seine geistlichen Töchter aus: „Sage nun du an, mein kind, wan du ein herr der gantzen welt werest, wöltestu nicht in allen landen vnd fürnehmen Stätten, da es am meisten vonnöthen were, schulen vnd zuchthäusser auffrichten vnd stifften, damitt die Jugend in gelehrtheit, tugend vnd andacht vnterrichtet würde? Ja entfindestu nicht in dir einen solchen eyffer, daß wan sonsten keine andere vorhanden weren, du selbsten gern alle Jugend, auch die aller armeste vnd schlechteste kinder zur ehren Gottes, mitt aller liebe vnd gedult im ABC, vnd in der Christlichen lehr vnterweisen woltest? […] Sintemahl kein aug gesehen hatt, kein ohr gehöret hatt, noch in keines menschen hertz gestiegen ist, was Gott in iener welt bereitt hatt denen, die allhie in dieser welt ihn von hertzen lieben, vnd den nechsten vmb seinet willen.“130 Hilfestellung zum Engagement in der Welt erhielten gerade diejenigen, die sich nach den Evangelischen Räten – jedoch nicht zwingend in Form von Gelübden131 – richteten und „albereits einen gewissen Geistlichen oder Mittelstand angenommen“132 beziehungsweise sich „im geistlichen oder mittelstand, Gott […] allbereit verlobt“133 hätten sowie durch die Teilnahme an der Messfeier und dem „kräftigenden Mittel“ der Eucharistie. Diese dezidiert eucharistische Frömmigkeit verbindet sich somit bei Spee wie bei den anderen hier vorgestellten Autoren mit dem Anspruch spiritueller Reglementierung und Inkorporierung jeglicher Frömmigkeitspraxis inmitten der Kirche.
129 Ebd., S. 47. 130 Spee, Güldenes Tugend-Buch, S. 363. 131 Vgl. Anton Arens, Einführung, in: Spee, Güldenes Tugend-Buch, S. 11–39, hier: S. 25. 132 Spee, Güldenes Tugend-Buch, S. 493. 133 Spee, Güldenes Tugend-Buch, S. 494.
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Fazit Durch zunehmende Reglementierung der Spiritualität für alle kirchlichen und gesellschaftlichen Stände und das zunehmende Interesse einer breiten Laienschicht am eigenen individuellen Heilsweg in einer kirchlichen Krisenzeit wurde die spätmittelalterliche Frömmigkeit der Devoten, die sich an der via media der Semireligiosen orientierten, in der Zeit der Konfessionalisierung allumfassend populär, bisweilen sogar konfessionsübergreifend. Dennoch kann nicht geleugnet werden, dass seit Mitte des 16. Jahrhunderts gerade die neu gegründeten welt-geistlichen Orden – allen voran die Jesuiten – und semireligiose (Frauen-) Gemeinschaften Träger und Multiplikatoren der nun überall vorherrschenden welt-geistlichen Frömmigkeitskultur wurden, die konfessionell geprägt war und sich durch den steigenden Bildungsanspruch erstmals deutlich mit der Theologie verband. Die geradezu spektakulär steigende Produktion und Verbreitung entsprechender Erbauungsliteratur – vor allem in Form von Geistlichen Übungen nach ignatianischem Vorbild – lag insbesondere in den Händen einer weltgeistlich ausgerichteten Frömmigkeitselite, die bei aller Hinwendung auch zu interessierten Gläubigen ganz offensichtlich gerade semireligiose Personen als Adressaten im Blick hatte. Davon legen zahlreiche Schriften in ganz Europa eindrücklich Zeugnis ab. Die hier exemplarisch vorgestellten Werke des Spaniers Diego Perez de Valdivia, des Franzosen François de Sales und des Deutschen Friedrich Spee sind allesamt aus der seelsorglichen Betreuung semireligioser Frauen hervorgegangen, um diese in ihrer Spiritualität zu stärken. Doch handelte es sich zugleich um Frauen, die ebenfalls einen Beitrag zur konfessionell-spirituellen Identitätsfindung und –sicherung des Katholizismus leisteten und die damit einhergehende welt-geistliche Frömmigkeitskultur an andere Menschen durch Mission, Katechese und Seelsorge weitervermittelten. Folglich kommt dem Semireligiosentum der Frühen Neuzeit ein innovatives Potenzial zur Etablierung und Stärkung einer welt-geistlich und zugleich konfessionell ausgerichteten Frömmigkeitskultur zu. Dass diese bis in die Gegenwart nachwirkt, ist nicht zuletzt erkennbar am wiederaufkeimenden Interesse an den Exerzitien eines Ignatius von Loyola oder an der Erhebung Juan de Ávilas, des Lehrers von Diego Perez de Valdivia, eines Welt-Geistlichen und Seelsorgers semireligioser Frauen, zum Kirchenlehrer.
Devotessen in Katechese, Elementarunterricht und Sozialfürsorge in Nordwesteuropa. Forschungsstand und Perspektiven von Andreas Rutz Für Margret Wensky zum 65. Geburtstag Die weiblichen Semireligiosen zählen zu den wichtigsten Protagonisten und Trägern der katholischen Reform und Konfessionalisierung im Nordwesten Europas.1 Diese Stellung kommt ihnen nicht etwa zu, weil sie auf der großen Bühne von Politik und Kirche Einfluss genommen hätten. Vielmehr leisteten sie Arbeit an der Basis, indem sie vor Ort in Katechese, Elementarunterricht und gelegentlich auch in der Sozialfürsorge tätig waren und auf diese Weise das von ihnen gelebte Glaubens- und Frömmigkeitsideal unmittelbar in die Gesellschaft trugen. Vorbild einer solchen ‚vita activa‘ waren zum einen die Jesuiten und zum anderen die Angehörigen der verschiedenen Bettelorden, die häufig als Beichtväter der Frauen fungierten und sie in ihrer praktischen Tätigkeit unterstützten. Im Gegensatz zu den zahlreichen weiblichen Orden, die im 16. und 17. Jahrhundert gegründet wurden, um in Schule und Krankenpflege tätig zu werden, standen die Semireligiosen gleichsam zwischen Kloster und Welt: Sie gehörten keinem regulierten Orden an, legten keine feierlichen Gelübde ab und waren dementsprechend auch nicht den strengen Klausurbestimmungen für weibliche Religiose unterworfen, die das Trienter Konzil (1545–1563) erlassen und nachfolgende päpstliche Konstitutionen präzisiert hatten.2 Vielmehr lebten sie ein geistliches Leben in ihrem 1 So für die Niederlande auch Marit Monteiro, Een maagd zonder regel is als een schip zonder stuurman. Richtlijnen voor geestelijke maagden in den Noordelijke Nederlanden in de zeventiende eeuw, in: Trajecta. Tijdschrift voor de geschiedenis van het katholiek leven in de Nederlanden 1 (1992), S. 332–351, hier S. 335: „Vanwege hun grote betekenis voor kerk en geestelijkheid, worden de kloppen gerekend tot de kernleden van de Noordnederlandse katholieke kerk in de zeventiende eeuw.“ 2 Vgl. zum weiblichen Semireligiosentum in der Frühen Neuzeit grundlegend Anne Conrad, Zwischen Kloster und Welt. Ursulinen und Jesuitinnen in der katholischen Reformbewegung des 16./17. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 142), Mainz 1991; außerdem Kaspar Elm, Vita regularis sine regula. Bedeutung, Rechtsstellung und Selbstverständnis des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Semireligiosentums, in: František Šmahel (Hg.), Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 39), München 1998, S. 239–293; Anne Conrad, Semireligiosentum und Laienspiritualität. Perspektiven jesuitischer Frauengemeinschaften in der Frühen Neuzeit, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 27 (2008), S. 127–152. Zur Bedeutung des Tridentinums für die weiblichen Orden vgl. auch
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angestammten bürgerlichen Umfeld und gingen hier ihrem innerweltlichen Engagement nach. Die jesuitischen Frauen werden im Rheinland als ‚Devotessen‘ oder gelegentlich auch als ‚Jesuitessen‘ bezeichnet. Nur selten begegnet der Begriff ‚Devotesse‘ auch für Frauen, die außerhalb von Klöstern nach einer mendikantischen Drittordensregel lebten; diese treten in den Quellen eher als Terziarinnen oder Drittordensschwestern auf.3 Im Niederländischen werden alle weiblichen Semireligiosen, also sowohl die jesuitischen Devotessen als auch die Terziarinnen der Bettelorden und andere ‚devote‘ Frauen, mit den Sammelbegriffen ‚kloppen/klopjes‘, ‚kwezels‘ oder ‚geestelijke maagden‘ bezeichnet.4 Eine genauere Unterscheidung ist also nur dann möglich, wenn in den Quellen die befolgten Regeln angegeben oder die Ordenszugehörigkeit der Beichtväter genannt wird. Sicherlich nicht zuletzt aufgrund der nicht immer ganz eindeutigen Zuordnung behandelt die niederländische Forschung das Phänomen der ‚Kloppen‘ zumeist übergreifend, also ohne Rücksicht auf die jeweilige Ordensanbindung. Bei der Analyse des Selbstverständnisses der Frauen und ihrer Frömmigkeitspraxis, aber auch der Zielsetzungen ihres innerweltlichen Engagements ist dies meines Erachtens problematisch.5
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den Forschungsüberblick von Gisela Muschiol, Die Reformation, das Konzil von Trient und die Folgen. Weibliche Orden zwischen Auflösung und Einschließung, in: Anne Conrad (Hg.), „In Christo ist weder man noch weyb“. Frauen in der Zeit der Reformation und katholischen Reform (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 59), Münster 1999, S. 172–198. Vgl. zur Begrifflichkeit Andreas Rutz, Bildung – Konfession – Geschlecht. Religiöse Frauengemeinschaften und die katholische Mädchenbildung im Rheinland (16.–18. Jahrhundert) (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 210), Mainz 2006, S. 197f. Eugenia Theissing, Over klopjes en kwezels, Utrecht/Nimwegen 1935, S. 70f., nennt ‚klopjes‘ der Dominikaner, Franziskaner, Norbertiner (Prämonstratenser) und Jesuiten; die Karmeliter haben in der Regel keine ‚klopjes‘ betreut. Die Autorin bringt einen Beleg für den Terminus „Jesuytinnen“ aus den nördlichen Niederlanden von 1639 und erwähnt die Verwendung des Begriffs ‚devotarisse‘ in den südlichen Niederlanden im 18. Jahrhundert, ebd., S. 3, 200. Vgl. insg. auch Maurice de Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“. De geestelijke dochters in de Zuidelijke Nederlanden. 17de en 18de eeuw (Verhandelingen van de Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van België. Klasse der Letteren 56, 152), Brüssel 1994, S. 17, 25. Neben den Frauen sind gelegentlich auch ‚klopbroeders‘ belegt, Theissing, Over klopjes, S. 4f.; Marit Monteiro, Geestelijke maagden. Leven tussen klooster en wereld in Noord-Nederland gedurende de zeventiende eeuw, Hilversum 1996, S. 89. Vgl. insb. Theissing, Over klopjes; Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“; Monteiro, Geestelijke maagden, sowie jüngst noch einmal zusammenfassend Marit Monteiro, Power in piety. Inspiration, ambition and strategies of spiritual virgins in the Northern Netherlands during the seventeenth century, in: Laurence Lux-Sterritt/Carmen M. Mangion (Hg.), Gender, catholicism and spirituality. Women and the Roman Catholic church in Britain and Europe 1200–1900, New York/Basingstoke 2011, S. 115–130; sowie aus kunsthistorischer Sicht Evelyne M.F. Verheggen, Beelden
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Denn es machte einen Unterschied, ob eine semireligiose Frau sich in jesuitischen Kreisen bewegte, eine Drittordensregel befolgte oder aber sich einem Weltkleriker anvertraute, was gerade in den nördlichen Niederlanden nicht selten war.6 Im Folgenden möchte ich mich weitgehend auf das jesuitische Semireligiosentum konzentrieren, dessen Angehörige ich als Devotessen bezeichne. Nach einem Überblick zu Verbreitung und Verflechtung werden die Tätigkeitsfelder der Frauen skizziert und die Bedeutung ihres Engagements für die Konfessionalisierung in Nordwesteuropa diskutiert. Der Überblick schließt mit Überlegungen zu den Perspektiven künftiger Forschung.
Verbreitung und Verf lechtung Der Organisationsgrad der Devotessen war vergleichsweise gering, so dass ein auch nur annähernd vollständiger Überblick über ihre Zahl und Verbreitung kaum möglich ist. Anhaltspunkte für die systematische Recherche bieten einerseits die in den Archiven in der Regel umfassend dokumentierten Niederlassungen und Missionen der Gesellschaft Jesu, in deren Akten auch die im jesuitischen Umfeld agierenden Frauen begegnen. Andererseits ist die Überlieferung zu Katechese, Schulwesen und Sozialfürsorge in Stadt- und Pfarrarchiven heranzuziehen, die die Tätigkeit einzelner Frauen in den betreffenden Bereichen dokumentiert. Eine entsprechende, archivbasierte Erforschung des jesuitischen Semireligiosentums wurde bislang allerdings nur ansatzweise realisiert. Nach aktuellem Kenntnisstand handelt es sich bei den Devotessen um ein weitgehend auf den Nordwesten des Alten Reiches und die Niederlande beschränktes Phänomen.7 Vergleichbare Formen religiösen Engagements finden sich in Frankreich, Spanien und Italien, ohne dass
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voor passie en hartstocht. Bid- en devotieprenten in den Noorderlijke Nederlanden, 17de en 18de eeuw, Zutphen 2006. Elisja Schulte van Kessel, Geest en vlees in godsdienst en wetenschap. Vijf opstellen over gezagsconflicten in de 17de eeuw (Studien van het Nederlands Instituut te Rome 7), Den Haag 1980, S. 57f., 101–107, unterscheidet zwischen ‚freien‘ Kloppen und solchen, die einem Drittorden angehörten oder in einer Gemeinschaft lebten. Darüber hinaus differenziert sie zwischen ‚wereldkloppen‘ und ‚paterskloppen‘, also Frauen, die von Weltgeistlichen und solchen, die von Klostergeistlichen spirituell betreut wurden. Vgl. kritisch hierzu Monteiro, Geestelijke maagden, S. 23; außerdem die Hinweise auf unterschiedliche Zugehörigkeiten und Organisationsformen ebd., S. 65–75. Andreas Rutz, Der Primat der Religion. Zur Entstehung und Entwicklung separater Mädchenschulen in den katholischen Territorien des Reiches im 17. Jahrhundert, in: Hans-Ulrich Musolff/Juliane Jacobi/Jean-Luc Le Cam (Hg.), Säkularisierung vor der Aufklärung? Bildung, Kirche und Religion 1500–1700 (Beiträge zur Historischen Bildungsforschung 35), Köln/Weimar/Wien 2008, S. 275–288, hier S. 281. Vgl. auch Theissing, Over klopjes, S. 15: „De overeenkomst tussen Duitse devotessen en de Nederlandse klopjes is in vele opzichten aan te wijzen.“
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bislang allerdings Verbindungen oder Beeinflussungen in die eine oder die andere Richtung nachweisbar wären.8 Für das Reich liegen ansonsten keinerlei Nachweise vor, was umso mehr erstaunt, als die Jesuiten ihre Aktivitäten keineswegs auf den Nordwesten beschränkten, sondern in allen katholischen Territorien des Reiches aktiv waren.9 Es ist freilich nicht auszuschließen, dass systematische Forschungen weitere Nachweise erbringen würden. Die ersten Belege für Devotessen in unserem Untersuchungsraum finden sich in den Niederlanden. Zusammen mit den übrigen weiblichen Semireligiosen erfuhren sie hier seit den 1570er Jahren eine erstaunliche Verbreitung.10 Dementsprechend beklagt der reformierte Theologe Gisbertus Voetius (1589–1676) im zweiten Band seiner „Politica ecclesiastica“ von 1669, dass die „Cloppen/Queselen“ nicht nur die ‚papistischen‘ Lande, sondern auch die protestantischen überschwemmen würden.11 Nimmt man jesuitische Devotessen, die Drittordensschwestern der Bettelorden und andere Formen des weiblichen Semireligiosentums zusammen, lebten in den 8 Vgl. Joseph Grisar, „Jesuitinnen“. Ein Beitrag zur Geschichte des weiblichen Ordenswesens von 1550–1650, in: Erwin Iserloh/Konrad Repgen (Hg.), Reformata Reformanda. Festgabe für Hubert Jedin zum 17. Juni 1965 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte. Supplementbd. 1), Bd. 2, Münster 1965, S. 70–113; Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“, S. 11–14, 83f.; Anne Conrad, Die weiblichen ‚Devoten‘ als Instrumente der konfessionellen Erziehung in Frankreich und Deutschland, in: Heinz Schilling/Marie-Antoinette Gross (Hg.), Im Spannungsfeld von Staat und Kirche. ‚Minderheiten‘ und ‚Erziehung‘ im deutsch-französischen Gesellschaftsvergleich 16.–18. Jahrhundert (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 31), Berlin 2003, S. 191–214; vgl. auch die Hinweise bei Michaela Bill-Mrziglod: „Wie lebst du, ohne den du nicht leben kannst?“ Die mystische Poesie Luisa de Carvajal y Mendozas (Religionsgeschichtliche Studien 2), Hamburg 2010, S. 30, Anm. 7. 9 Als besten regionalen Überblick vgl. immer noch die grundlegende Studie von Bernhard Duhr, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge, 4 Bde., Freiburg/München 1907–1928. 10 Belege für das erste Auftreten der ‚Kloppen‘ in den Niederlanden bei Theissing, Over klopjes, S. 34f. 11 Gisbert Voetius, Politica ecclesiastica, Bd. 2, Amsterdam: Waesberge 1669, S. 209 [ULB Bonn: Gd 13]: „Cum hisce haereticorum mulierculis, adjutricibus non male comparari possent hodiernae illae circumeuntes garrule dictae Cloppen/Queselen, quarum examina inundant non tantum Papales, sed reformatorum terras: de quibus alibi nonnulla diximus.“ Die Passage findet sich im Abschnitt „De mulieribus“ (Teil 2, Buch 1, Traktat 4, S. 179–212) im Zusammenhang mit der Frage „An mulieres sint propensiores in haereses“. Der Autor verweist im Anschluss auf eine anonyme jansenistische Streitschrift aus Löwen, in der die große Zahl von Mädchen und Büßerinnen erwähnt wird, die die Jesuiten „en captivité & en servitude“ hielten, „jusques à les contraindre de faire des voeux d’une obeissance aveugle, & leur defendre d’ouïr des Sermons, lire des livres, & recevoir des advis d’autres que les Iesuites“, Response d’un ecclesiastique de Louvain a l’advis, qui luy a esté donné sur le sujet de la Bulle pretenduë du Pape Urbain VIII. contre le livre du Monsieur Jansenius, eveque d’Ipre, Löwen 31650, S. 49 [Lyon, Bibliothèque municipale: 335078].
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nördlichen Niederlanden im 17. Jahrhundert etwa 5.000 devote Frauen.12 In den südlichen Niederlanden dürfte die Zahl aufgrund der konfessionspolitischen Situation sogar noch größer gewesen sein.13 Wie die Semireligiosen in anderen Regionen hatten sich die Frauen zu einem geistlichen Leben nach den evangelischen Räten verpflichtet und praktizierten eine gemeinsame Frömmigkeit in Form von Messbesuchen und Gebeten. Sie wohnten in kleinen Wohngemeinschaften oder bei ihren Familien und verdienten ihren Lebensunterhalt vor allem durch sozial-karitative Dienste und die Unterrichtung von Kindern und insbesondere Mädchen. Bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts entwickelten sich aus dieser sehr losen Form geistlicher Gemeinschaft erste Zusammenschlüsse, in denen insgesamt ca. 10 Prozent der ‚geestelijke maagden‘ lebten.14 Die wohl größte Gemeinschaft in den nördlichen Niederlanden stellte die 1583 gegründete ‚Vergadering in den Hoeck‘ in Haarlem dar.15 Es handelte sich dabei zwar nicht um eine Gemeinschaft von Devotessen, sie sei aber gleichwohl aufgrund ihrer Bedeutung kurz vorgestellt: In der ‚Vergadering’ waren ca. 200 semireligiose Frauen unter einer ‚moeder-generaal‘ organisiert, die die Alltagsgeschäfte führte. Kleinere Teilgemeinschaften, die in einzelnen Häusern zusammenwohnten, sogenannte ‚particuliere vergaderingen‘, wurden von einer ‚particuliere moeder‘ geleitet. Die oberste Aufsicht führte ein männlicher Priester. Trotz dieser hierarchischen, an klösterliche Gemeinschaften erinnernden Struktur wahrten die ‚Vergadering in den Hoeck‘ und vergleichbare Zusammenschlüsse einen offenen Charakter. Die Frauen pflegten in den verschiedenen Häusern zwar eine ‚vita communis‘ und organisierten ihren Alltag gemeinsam, es gab aber auch Frauen, die außerhalb wohnten und lediglich an Sonn- und Feiertagen mit den anderen in die Kirche gingen und dann bei ihnen übernachteten. Für ihren Lebensunterhalt mussten alle Frauen selbst sorgen.16 Neben dem ‚Hoeck‘ ist in Haarlem auch eine Devotessengemeinschaft belegt, die allerdings sehr viel kleiner war. Weitere Zusammenschlüsse von Devotessen in Form von 12 Zu Anzahl und Verbreitung vgl. Monteiro, Geestelijke maagden, S. 51–56; vgl. auch die Angaben bei Theissing, Over klopjes, S. 64–67, mit der zusammenfassenden Festellung: „In bijna iedere plaats in de Republiek, zowel in het Westen als in het Oosten waren klopjes aanwezig, zoals blijkt uit talrijke kleine gegevens. Een juist cijfer is niet aan te geven, maar zeker is, dat geen gering aantal katholieke meisjes het klopjesleven verkoos, hetzij wonend bij haar familie, hetzij in kleine groep of grote vergadering.“ 13 Vgl. die Angaben zur Verbreitung und zu einzelnen Gemeinschaften sowie die Zahlen für einzelne Städte bei Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“, S. 49–53, 92, 97–115. 14 Monteiro, Geestelijke maagden, S. 58. 15 Hierzu jetzt ausführlich Johanna Willemina Spaans, De levens der maechden. Het verhaal van een religieuze vrouwengemeenschap in de eerste helft van de zeventiende eeuw, Hilversum 2012; außerdem Theissing, Over klopjes, S. 39–56, 64f., zu anderen Gemeinschaften ebd., S. 56–67; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 58–60. 16 Theissing, Over klopjes, S. 131–135.
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Kongregationen unter Leitung der Jesuiten gab es in Alkmaar, Groningen, Gouda, Leiden, Rotterdam und Culemborg.17 Wie bei anderen geistlichen Gemeinschaften lässt sich auch bei den Devotessen eine Diffusion von Westen nach Osten beobachten, das heißt die Ausbreitung innovativer Ordens- bzw. Vergemeinschaftungsformen von Frankreich über die Niederlande in das Reich, in unserem Falle ins Rheinland und dann weiter nach Westfalen.18 Gewährsmann für das erste Auftreten niederländischer Devotessen in Köln ist der Chronist Hermann Weinsberg (1518–1597), der 1578 zwei „jonfern von Delft“ in seinem Haus beherbergte und in seinen Aufzeichnungen über ihre Frömmigkeit berichtet: Sie seien häufig zur Predigt gegangen, hätten viel gelesen und seien insgesamt „gut jesuitischs“ gewesen, was sich wohl nicht zuletzt darin äußerte, dass sie recht streitbar und missionarisch auftraten.19 Bei den Frauen handelte es sich, wie bei den meisten Niederländern in Köln und im Rheinland in dieser Zeit, um Glaubensflüchtlinge.20 Inwieweit die ‚Jungfern‘ in Köln tatsächlich missionierten, ist nicht bekannt. Immerhin berichtet Weinsberg nur ein Jahr später, dass auch seine Schwägerin und deren Nichte „gut jesuitisch“ seien und jesuitische Autoren läsen.21 Eine interessante Verbindung der erwähnten 17 Vgl. die Hinweise bei Theissing, Over klopjes, S. 58–60, 62; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 74. 18 Vgl. für dieses Phänomen allg. Rutz, Primat der Religion, S. 281. 19 Das Buch Weinsberg. Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhundert, 5 Bde. (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 3, 4, 16), Bonn/ Leipzig 1886–1926, ND Düsseldorf 2000, hier Bd. 5, S. 126; vgl. auch ebd., S. 119, 122, 133. Zu der Beobachtung Weinsbergs, dass die Frauen recht disputierfreudig gewesen seien, passt die Bemerkung des spanischen Hauptmanns Alonso Vázquez von 1616, der die niederländischen Frauen insgesamt als theologisch sehr gebildet charakterisiert, vgl. Judith Pollmann, Women and religion in the Dutch Golden Age, in: Dutch crossing. A journal of Low Countries studies 24 (2000), S. 162–182, hier S. 176. 20 Im Mittelpunkt der Forschung stehen die protestantischen Flüchtlinge, vgl. immer noch grundlegend Heinz Schilling, Niederländische Exulanten im 16. Jahrhundert. Ihre Stellung im Sozialgefüge und im religiösen Leben deutscher und englischer Städte (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 187), Gütersloh 1972; vgl. speziell für Köln auch die Edition von Rudolf Löhr, Jan Pieter van Dooren (Bearb.), Protokolle der niederländisch-reformierten Gemeinde in Köln von 1651–1803, 2 Bde. (Inventare nichtstaatlicher Archive 12–13), Köln/Düsseldorf 1971; Rudolf Löhr (Bearb.), Protokolle der wallonischen Gemeinde in Köln von 1600–1776 (Inventare nichtstaatlicher Archive 17), Köln/Bonn 1975; außerdem Joachim Deeters, Klaus Militzer (Bearb.), Belgien in Köln, Köln 1981, S. 71–121, die auch die ansonsten kaum erforschten katholischen Glaubensflüchtlinge berücksichtigen. Vgl. darüber hinaus jüngst Cornel Zwierlein, Religionskriegsmigration, Französischunterricht, Kulturtransfer und die Zeitungsproduktion im Köln des 16. Jahrhunderts, in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 37 (2010), S. 97–129. 21 Buch Weinsberg, Bd. 3, S. 55; Bd. 5, S. 143 (Zitat), 186, 416; zu einer weiteren jesuitischen Frau ebd., S. 189f.
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‚Vergadering in den Hoeck‘ nach Köln ist ebenfalls belegt.22 Deren Oberster, der Weltgeistliche Nicolaas Wiggers Cousebant (1555–1628), trat 1603 in der Reichsstadt den Franziskanern bei. Bei seiner Übersiedlung folgten ihm acht ‚geestelijke maagden‘ aus Haarlem, um in Köln zunächst ohne Gelübde nach der franziskanischen Drittordensregel zu leben und schließlich Klarissen zu werden. Zwei Kölnerinnen schlossen sich den Frauen an. Zwar handelt das Beispiel nicht von Devotessen, aber es unterstreicht die Bedeutung der Niederlande für das weibliche (Semi-)Religiosentum im Rheinland, die sicherlich noch weiter zu erforschen wäre. Genauere Informationen über das weibliche Frömmigkeitsmilieu im Umkreis der Kölner Jesuiten im 16. Jahrhundert gibt es nicht.23 Erst kurz nach der Jahrhundertwende wird es aufgrund seiner Institutionalisierung in der Kölner Ursulagesellschaft besser fassbar. Diese Gemeinschaft bildete bis an das Ende des Alten Reiches den organisatorischen Rahmen des weiblichen Semireligiosentums in Köln und zumindest ansatzweise auch darüber hinaus.24 Die Ursulagesellschaft wurde 1606 von einer Gruppe von zehn Devotessen gegründet und verfolgte zunächst das ambitionierte Ziel, eine geistliche Lebensform für Frauen in der Welt zu etablieren, was aber nach zahlreichen Auseinandersetzungen bereits in den 1640er Jahren vom Kölner Generalvikariat und der Gesellschaft Jesu unterbunden wurde. Gleichwohl existierte die Ursulagesellschaft fort, wenn auch mit einer kirchenrechtlich eindeutigeren, bruderschaftsähnlichen Verfassung mit strikter Unterordnung und Kontrolle durch die Jesuiten. Die Ursulagesellschaft hatte ihren Mittelpunkt in Köln, institutionelle Verbindungen sind nach Neuss und Emmerich nachweisbar, wo 1618 und 1625 Gemeinschafen nach Kölner Vorbild gegründet wurden. Außerdem entstanden Ursulagesellschaften in Aachen (1623), Trier (1630) und Xanten 22 Theissing, Over klopjes, S. 14, 42. 23 Zu den Kölner Jesuiten vgl. jüngst den Forschungsbericht von Yvonne Bergerfurth, Jesuitica im Historischen Archiv der Stadt Köln, in: Geschichte in Köln. Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte 57 (2010), S. 39–56; außerdem dies., Die Bruderschaften der Kölner Jesuiten 1576 bis 1773, Diss. Bonn 2012, sowie den Beitrag der Autorin in diesem Band. 24 Zu Geschichte und Spiritualität der Gemeinschaft vgl. ausführlich Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 109–165; zusammenfassend Anne Conrad, Die Kölner Ursulagesellschaft und ihr „weltgeistlicher Stand“ – eine weibliche Lebensform im Katholizismus der Frühen Neuzeit, in: Wolfgang Reinhard/Heinz Schilling (Hg.), Die katholische Konfessionalisierung (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198), Gütersloh 1995, S. 271–295; Rutz, Bildung, S. 191–195; zur Mitgliederentwicklung Andreas Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln. Mitgliederentwicklung, Sozialprofil und Mobilität der Ursulagesellschaft 1606–1791, in: ders./Tobias Wulf (Hg.), O felix Agrippina nobilis Romanorum Colonia. Neue Studien zur Kölner Geschichte – Festschrift für Manfred Groten zum 60. Geburtstag (Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins 48), Köln 2009, S. 149–181.
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(1729). Inwieweit diese mit den Kölnerinnen Kontakt hatten, ist allerdings nicht zu eruieren.25 Neben den institutionellen bestanden auch personelle Verflechtungen zwischen den Devotessen in Köln und im Rheinland, die allerdings noch nicht systematisch untersucht worden sind. Immerhin lässt sich zumindest für einzelne rheinische Devotessen nachweisen, dass sie aus Köln stammten und Mitglied der Ursulagesellschaft waren. Besonders hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf den Eintritt einer Kölner Devotesse in das von Margaretha Lynnerie gestiftete Haus ‚Zum Salvator‘ in Münstereifel.26 Und auch der umgekehrte Fall, dass Devotessen aus rheinischen und westfälischen Städten nach Köln kamen und in die Ursulagesellschaft eintraten, ist belegt und zeugt von der Ausstrahlungskraft und Bedeutung der Gemeinschaft für das jesuitische Semireligiosentum in diesem Raum.27 In diesen Zusammenhang gehört auch das mir erst jüngst bekannt gewordene Beispiel der Agnes van Heilsbach (1597–1640) aus Wassenberg im Herzogtum Jülich, die zunächst in Köln ein Noviziat bei den Zisterzienserinnen begann, dann aber aus Gesundheitsgründen in ihre Heimatstadt zurückkehrte und dort Kinder und Erwachsene im Katechismus unterrichtete und zur Beichte in die Kirche führte.28 In dieser Zeit hatte sie engen Kontakt zu den Jesuiten in Roermond im Gelderner Oberquartier, wo sie sich um 1624 als ‚geestelike dochter‘ niederließ, um dort unter der Leitung der Patres mit zwei Mitschwestern zu leben und armen Kindern Katechismusunterricht zu erteilen.29 Ihre von dem Jesuiten Daniël Huysmans (1643–1704) verfasste Lebensbeschreibung verweist interessanterweise darauf, dass sie hierzu angeregt worden sei „door t’exempel dat sy dies aengaende inde gheestelijcke Dochters te Ceulen ghesien hadde: Ende wenschte het selve oock te Ruremonde te sien.“30 Auch 25 Vgl. Rutz, Bildung, S. 196f. Zu den Emmericher Devotessen vgl. jetzt Manuel Hagemann, Art. ‚Emmerich – Devotessen‘, in: Manfred Groten u.a. (Hg.), Nordrheinisches Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815 (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 37), bislang 2 Bde., Siegburg 2009/2012, hier Bd. 2, S. 206f. 26 Vgl. Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke, S. 177f.; zum Salvatorhaus vgl. Andreas Rutz, Art. ‚Bad Münstereifel – Haus Zum Salvator’, in: Groten, Klosterbuch, Bd. 1, S. 267–270. 27 Vgl. Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke, S. 178f. 28 Zu ihrer Biographie vgl. Monteiro, Geestelijke maagden, S. 208–215. 29 Marit Monteiro, Den middelen stat. Waarom vrouwen in de vroegmoderne tijd kozen voor een semi-religieus bestaan, in: dies. (Hg.), De dynamiek van religie en cultuur. Geschiedenis van het Nederlands katholicisme, Kampen 1993, S. 138–161, hier S. 152; dies., „Ick ben gekomen inde werelt om vuur te brenghen.“ Inspiratie, ambitie en strategie van katholieke geestelijke maagden in de vroegmoderne tijd, in: Annelies van Heijst (Hg.), Terra incognita. Historisch onderzoek naar katholicisme en vrouwelijkheid, Kampen 1994, S. 57–86, 182–189, hier S. 70f.; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 213–215. 30 Daniël Huysmans, Leven ende deuchden van de weerdighe Agnes von Heilsbagh gheestelycke dochter onder de bestieringhe der Societeyt Jesu, Antwerpen: Michiel Knobbaert 1691, S. 88 [UB München: 8 Döll. 14132].
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wenn der Autor keine genaueren Angaben macht, dürfte unzweifelhaft sein, dass es die Devotessen der Ursulagesellschaft waren, die sich Heilsbach als Vorbild für ihr weltliches Engagement nahm, was einmal mehr deren zentrale Bedeutung für die Devotessen im Rheinland belegt. Eine Mitgliedschaft der Roermonder ‚geestelijke maagd‘ in der Gesellschaft ist allerdings nicht belegt.31 Insgesamt lassen sich die Devotessen im Rheinland, wenn nicht flächendeckend, so doch in zahlreichen größeren und kleineren Städten sowie gelegentlich auch auf dem Lande nachweisen. Ihre Gesamtzahl ist nicht genau abzuschätzen, systematisch erfasst und ausgewertet sind aber die Belege für schulehaltende Devotessen in den Herzogtümern Jülich, Berg und Kleve, im Kurfürstentum Köln, im Stift Essen sowie in Köln und Aachen, also im nördlichen Rheinland.32 Eine besonders hohe Präsenz lässt sich in den beiden Reichsstädten feststellen, außerdem im kölnischen Erzstift und im Herzogtum Jülich. Im trikonfessionellen Berg hingegen scheint der Bedarf an katholischen Mädchenschulen und auch die Präsenz von Devotessen geringer gewesen zu sein. Bemerkenswerterweise waren die Devotessen auch im Herzogtum Kleve präsent, das seit dem frühen 17. Jahrhundert von den protestantischen Hohenzollern regiert wurde. Noch nicht aufgearbeitet ist das Devotessenwesen dagegen in Westfalen, wo wir nur Zufallsfunde vermerken können: In den Schatzungsregistern der Stadt Münster sind um 1685 und um 1770 zahlreiche Devotessen belegt, sie waren als Lehrerinnen, aber auch als Näherinnen oder Tagelöhnerinnen tätig.33 Darüber hinaus werden unter den Wohltäterinnen verschiedener Schwesternhäuser im Bistum Münster Devotessen genannt, so für Marienbrink in Coesfeld, Mariental genannt 31 Vgl. die Angaben zu den Mitgliederverzeichnissen bei Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke, S. 153–157. 32 Vgl. zum Folgenden die bei Rutz, Bildung, S.198–211, zusammengetragenen Belege; dort S. 197, Anm. 440, auch verstreute Belege für weitere Territorien im Rheinland (Grafschaft Blankenheim, Stift Burtscheid, Herrschaft Elsen, Herzogtum Geldern, Kurfürstentum Trier), die noch näher zu untersuchen wären. Vgl. auch die ergänzenden Hinweise bei Frank Pohle, Glaube und Beredsamkeit. Katholisches Schultheater in Jülich-Berg, Ravenstein und Aachen (1601–1817) (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertsysteme 29), Münster 2010, S. 717–723, insb. S. 721. 33 Vgl. die Editionen von Helmut Lahrkamp (Hg.), Münsters Bevölkerung um 1685 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster N.F. 6), Münster 1972, S. 182, s. v. Devotesse; ders. (Hg.), Bevölkerung und Topographie Münsters um 1770 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster N.F. 10), Münster 1980, passim; vgl. auch Mechthild Siekmann, Die Stadt Münster um 1770. Eine räumlich-statistische Darstellung der Bevölkerung, Sozialgruppen und Gebäude (Siedlung und Landschaft in Westfalen. Landeskundliche Karten und Hefte 18), Münster 1989, S. 124, 253, 336, Beilage 4, die die Zahl der Devotessen im Schatzungsregister von 1770 auf 77 beziffert, hierunter aber auch Terziarinnen zählt.
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Niesing in Münster und Maria Rosa in Ahlen.34 Auch in der Verwandtschaft der Angehörigen des Münsteraner Domstifts St. Paulus und der Kollegiatstifte Alter Dom St. Pauli und Mauritz vor Münster sowie des freiweltlichen Damenstifts Freckenhorst und des Benediktinerklosters Liesborn begegnen immer wieder Devotessen.35 Unklar ist allerdings, ob es sich tatsächlich um jesuitische Frauen handelte, hier wären die Kontexte noch genauer zu recherchieren.36 Denn der Sprachgebrauch in Westfalen scheint weniger eindeutig gewesen zu sein als im Rheinland, vielfach wurden die Begriffe ‚Devotesse‘ oder auch ‚Kloppe‘ ähnlich wie in den Niederlanden ganz allgemein für weibliche Semireligiose und insbesondere Terziarinnen verwandt.37 Festzuhalten ist gleichwohl, dass die semireligiosen Frauen zumindest in Münster auch als Lehrkräfte tätig waren. Ob sie eine vergleichbare Rolle im Mädchenbildungswesen der Region spielten wie im Rheinland, wäre noch 34 Wilhelm Kohl, Das Bistum Münster 1: Die Schwesternhäuser nach der Augustinerregel (Germania Sacra. Historisch-statistische Beschreibung der Kirche des Alten Reiches N.F. 3), Berlin/New York 1968, S. 105, 124, 129, 173, 337, 349. 35 Wilhelm Kohl, Das Bistum Münster 4: Das Domstift St. Paulus zu Münster (Germania Sacra. Historisch-statistische Beschreibung der Kirche des Alten Reiches N.F. 17), Bd. 3, Berlin/New York 1989, S. 269, 281, 286, 313f., 322, 328, 347, 386, 421; Klaus Scholz, Das Bistum Münster 6: Das Stift Alter Dom St. Pauli in Münster (Germania Sacra. Historisch-statistische Beschreibung der Kirche des Alten Reiches N.F. 33), Berlin/New York 1995, S. 303, 313, 317f., 334f., 503f.; Wilhelm Kohl, Das Bistum Münster 9: Das Kollegiatstift St. Mauritz vor Münster (Germania Sacra. Historisch-statistische Beschreibung der Kirche des Alten Reiches N.F. 47), Berlin/New York 2007, S. 318; ders., Das Bistum Münster 3: Das (freiweltliche) Damenstift Freckenhorst (Germania Sacra. Historisch-statistische Beschreibung der Kirche des Alten Reiches N.F. 10), Berlin/New York 1975, S. 489f.; Helmut Müller, Das Bistum Münster 5: Das Kanonissenstift und Benediktinerkloster Liesborn (Germania Sacra. Historisch-statistische Beschreibung der Kirche des Alten Reiches N.F. 23), Berlin/New York 1987, S. 282. 36 So werden etwa in den genannten Belegen mehrere Beginen des Hauses Hofringe in Münster als Devotessen bezeichnet, Scholz, Stift Alter Dom, S. 303, 334; ebenso eine Angehörige des Terziarinnenklosters Stolterinck in Coesfeld, Kohl, Schwesternhäuser, S. 124, 129; sowie eine Angehörige des Benediktinerinnenklosters Vinnenberg, Scholz, Stift Alter Dom, S. 504. Vgl. zu den genannten Konventen Wilhelm Kohl, Art. ‚Münster – Beginenhaus Hofringe‘, in: Karl Hengst (Hg.), Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 44; Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2), Bd. 2, Münster 1994, S. 132–134; Peter-Johannes Schuler, Art. ‚Coesfeld – Beginenhaus Stolterinck‘, in: ebd., Bd. 1, S. 212f.; Paul Leidinger, Art. ‚Vinnenberg – Zisterzienserinnen, dann Benediktinerinnen‘, in: ebd., Bd. 2, S. 389–396. Für den Beginenkonvent Hofringe ergibt sich eine interessante Querverbindung zur Kölner Ursulagesellschaft, denn zwischen 1734 und 1736 kamen sechs Frauen dieses Konvents nach Köln und traten in die Gesellschaft ein, Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke, S. 179f. 37 Freundlicher Hinweis von Wilhelm Krüggeler (Paderborn) betr. die weiblichen Semireligiosen in der Grafschaft Rietberg.
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genauer zu untersuchen, erscheint aber durchaus plausibel. Sozialkaritatives Engagement von Devotessen lässt sich hingegen weder im Rheinland noch in Westfalen nachweisen. Dies scheint ein Spezifikum der niederländischen ‚Kloppen‘ gewesen zu sein, die sich neben dem Schulwesen und der Katechese zumindest teilweise auch in diesem Bereich engagierten.
Devotessen in Katechese, Elementarunterricht und Sozialfürsorge Für die rheinischen Devotessen stellte der Unterricht von Kindern und insbesondere Mädchen das zentrale Tätigkeitsfeld dar.38 Die umfassendsten Informationen zu ihrer Lehrtätigkeit liegen für Köln vor.39 Die Verpflichtung zu Unterweisung und Unterricht war in den Statuten der Ursulagesellschaft festgeschrieben. So heißt es bereits in der ersten, vorläufigen Regel der Gemeinschaft aus der Gründungszeit, dass die Devotessen „der kinderlehr in den catechismis undt sonsten mit sonderem fleiß auß warten und beforderen“ sollen.40 Detaillierter ausgeführt wird dieses, vor allem auf den Katechismus fokussierte Engagement dann in der Regel von 1640:41 Es soll „die christliche lehr, daß ist die underweißung der kinder und jugendt, so von der Societet Jesu in sanct Ursulen kirche oder sunst anders wo gehalten wurdt, auch dieser Ursulanischer Gesellschafft sonderlich als ein löblicher und der cöllnischer gemeindt sehr nutzliches, ja notwendiges ding anbefohlen sein; also daß sich alle und iede so viel muglich understehen, daßelbig werck zur ehren gottes unnd der seelen häil angestelt, ohn verdros mit christlicher lieb unnd einfalt zu befordern unnd auff sulche der seelen eyfer ihrem standt gemäß erzeigen; iedoch mit dieser bescheidenheit, daß sich keine ohn erlaubung der obristen etwa bey andern geistlichen, so neben der Societet Jesu sich auch der kinderlehr annehmen, einiger weiß indring oder inlasse.“42 Eine entsprechende Passage 38 Vgl. hierzu ausführlich Rutz, Bildung, S. 189–218. 39 Vgl. die bei Rutz, Bildung, S. 204–206, zusammengetragenen Belege, sowie ausführlich Andreas Rutz, Semireligiosentum und elementare Mädchenbildung. Zur Unterrichtstätigkeit von Devotessen im frühneuzeitlichen Köln, in: Alwin Hanschmidt/Hans-Ulrich Musolff (Hg.), Elementarbildung und Berufsausbildung 1450–1750 (Beiträge zur Historischen Bildungsforschung 31), Köln/Weimar/ Wien 2005, S. 247–264. Zur Geschichte der Mädchenbildung in Köln vgl. außerdem grundlegend Margret Wensky, Mädchenbildung zwischen Kommerz und Religion. Das Mädchenschulwesen in der Reichsstadt Köln vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, in: Georg Mölich/Gerd Schwerhoff (Hg.), Köln als Kommunikationszentrum. Studien zur frühneuzeitlichen Stadtgeschichte (Der Riss im Himmel. Clemens August und seine Epoche 4), Köln 2000, S. 271–285. 40 Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 295, 222, fol. 4r. 41 Vgl. zu den verschiedenen Fassungen der Regel Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 117–123, 137–169. 42 Historisches Archiv der Erzdiözese Köln, Dep. Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 10, S. 78f. Eine in den Vatikanischen Archiven aufbewahrte
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findet sich auch in der Regel von 1646, die nach der Reform der Gemeinschaft Mitte der 1640er Jahre im Auftrag des Kölner Generalvikariats aufgesetzt wurde.43 Neben den Bestimmungen zur Katechese begegnet hier nun aber erstmals auch der Elementarunterricht als mögliches und wünschenswertes Tätigkeitsfeld der Frauen: „Und weil under andern Mittelen deß Seelen–Eyffers / insonderheit der Jugent zu helffen / das beste Mittel ist / Schul halten / und mit täglichem underweisen die schwache Kinder anführen / so werden die Jungfrawen und Wittiben gewißlich am fürtrefflichsten ihrem Beruff nachkommen / wan sie im schreiben / lesen / und anderen standmässigen Künsten / sich selbst ersten wol üben / und dieselbige nachmals auch andern in den Schulen sampt der Gottesfurcht mitzutheilen understehen“.44 In der Praxis der Devotessen war dies freilich selbstverständlich, weil die Jesuiten die Frauen schon frühzeitig im Elementarunterricht eingesetzt hatten.45 Der erste Beleg für die katechetische Tätigkeit der Ursulagesellschaft fällt in das Jahr 1622;46 bereits 1625 wurden den „piis virginibus“ mehrere von den Jesuiten gegründete Mädchenschulen übertragen.47 Diese enge Zusammenarbeit setzte sich in den folgenden knapp zwei Jahrhunderten fort: Die Jesuiten förderten bis zu ihrer Aufhebung im späten 18. Jahrhundert das Mädchenschulwesen in Köln, führten die Aufsicht über die entsprechenden Schulen und beriefen Devotessen der Ursulagesellschaft als Lehrerinnen. Die Frauen hatten dadurch innerhalb kürzester Zeit eine Monopolstellung im Mädchenschulwesen der Reichsstadt inne. Weltliche Lehrerinnen und schulehaltende Angehörige verschiedener weiblicher Drittorden lassen sich zwar bereits im 15. und 16. Jahrhundert in Köln nachweisen, nach 1630 – also unmittelbar nachdem die Devotessen im Verbund mit den Jesuiten als Elementarschullehrerinnen tätig geworden waren – allerdings nicht mehr. Erst in den 1780er Jahren, vielleicht nicht zufällig nach der Auflösung der Gesellschaft lateinische Fassung der Regel enthält laut Grisar, Jesuitinnen, S. 104, den Hinweis auf ein Unterrichtshandbuch mit dem Titel „Institutiones et modus habendi scholas“, das die Devotessen eifrig lesen sollten. 43 Die Regel liegt gedruckt vor: Regulen / Statuten / und Satzungen der löblichen Gesellschaft der Heiligen Jungfrawen und Martyrinnen Ursulae. Für die andächtige GOttverlobte Jungfrawen und Wittiben / so selbiger Gesellschafft in St. Ursulae Kirchen binnen der Statt Cölln einverleibt seind / oder ins künfftig einverleibt werden, Köln 1674 [Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln, Sondersammlung Ursulinen, AD 101]; eine (frühere?) handschriftliche Fassung findet sich im Amtsbuch der Ursulagesellschaft, Historisches Archiv der Erzdiözese Köln, Dep. Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 45. 44 Regulen / Statuten / und Satzungen, S. 19. 45 Vgl. zum Folgenden ausführlich und mit detaillierten Belegen Rutz, Semireligiosentum. 46 Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 223, A 9, fol. 274r; weitere Belege bei Andreas Schüller, Die Volkskatechese der Jesuiten in der Stadt Köln (1586–1773), in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 114 (1929), S. 34–86. 47 Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 223, A 9, fol. 282r.
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Jesu, liegen dann wieder entsprechende Belege vor.48 Neben den Devotessen waren in weiten Teilen des 17. und 18. Jahrhunderts lediglich die Ursulinen in Köln in der Mädchenbildung aktiv. Sie waren seit 1639 in der Stadt ansässig und unterhielten zwei Mädchenschulen, eine externe Elementarschule und eine interne Pensionatsschule, wobei insbesondere in der Frühzeit Konkurrenzkämpfe mit den Devotessen nicht ausblieben.49 Offenbar intervenierten die Jesuiten zugunsten ‚ihrer‘ Devotessen und versuchten in ihrer Funktion als Beichtväter der Pensionärinnen und Schülerinnen die Mädchen „aus unseren schulen zu ihren devotessen zu locken“ – so zumindest die Unterstellung der Ursulinen in ihrer Klosterchronik.50 Dieser Monopolanspruch des jesuitischen Mädchenschulwesens konnte nach Aufhebung des Jesuitenordens nicht mehr aufrecht erhalten werden. Dennoch bestimmten die Devotessen auch Ende des 18. Jahrhunderts zumindest noch den öffentlichen Mädchenschulsektor in Köln (Pfarrschulen, Armen- und Sonntagsschulen), während sie im Privatschulsektor unterrepräsentiert waren.51 Auch in den Niederlanden engagierten sich die Devotessen sehr intensiv in Katechese und Elementarbildung.52 In Utrecht etwa fanden 1661 an neun Orten Katechesen statt. Sie wurden von Männern und Frauen abgehalten, die unter Leitung der Jesuiten standen.53 Nach Aussage des Jesuitenpaters Norbert Aerts katechisierten 1665 im Rhein-Maas-Gebiet Devotessen aus Nimwegen täglich 300 bis 400 Dorfbewohner. Diese Aufgabe war ihnen bereits 1628 von den Jesuiten übertragen worden.54 Auch in Amsterdam, Geertruidenberg, Groningen, Leiden, Oudewater und in der Umgebung von Breda hielten jesuitische Frauen Katechesen.55 Mit Blick auf die Kinder war diese Tätigkeit gerade in den nördlichen Niederlanden von besonderer 48 Vgl. die detaillierten Nachweise bei Rutz, Bildung, S. 175, 178, 185f., 225. 49 Zu den Schulen der Ursulinen vgl. ausführlich Barbara Weber, Die Geschichte der Kölner Ursulinenschule von 1639–1875, Köln 1930; zum Ursulinenkloster demnächst Andreas Rutz, Art. ‚Köln – Ursulinen‘, in: Groten, Klosterbuch, Bd. 3 (in Vorbereitung). 50 Chronica oder jahr-buch, Archiv der Erzdiözese Köln, Dep. Konvent der Ursulinen in Köln 3, S. 85. 51 Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 350, 5856; Abschrift mit wichtigen Ergänzungen bei Hermann Josef Schumacher, Das niedere Schulwesen in der ehemaligen Reichsstadt Köln zur Französischen Zeit (1794–1814), Diss. (masch.) Köln 1923, S. 168–177. 52 Mit Blick auf die Katechese konstatiert dies Eddy Put, Een niew pastoraal model, in: Eddy Put / Maurits Wynants (Hg.), De Jezuïeten in den Nederlanden en het Prinsdom Luik (1542–1773), Brüssel 1991, S. 49–60, hier S. 60, zit. nach Monteiro, Den middelen staet, S. 160; vgl. außerdem dies., Geestelijke maagden, S. 90. Zur Unterrichtstätigkeit der ‚Kloppen‘ insg. vgl. Theissing, Over klopjes, S. 147–154, 199–204; Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“, S. 40f., 143–150, 162–177; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 88–99. 53 Monteiro, Geestelijke maagden, S. 89. 54 Theissing, Over klopjes, 149; vgl. auch Monteiro, Geestelijke maagden, S. 92. 55 Monteiro, Geestelijke maagden, S. 90–94.
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Bedeutung, waren sie hier doch täglich mit Protestanten konfrontiert und besuchten vielfach nicht-katholische Schulen.56 Die Devotessen hielten natürlich nicht nur freie Katechesen, sondern unterrichteten den Katechismus auch in ihren Schulen. Neben einfachen Elementarschulen, die sowohl in den südlichen als auch in den nördlichen Niederlanden recht zahlreich gewesen zu sein scheinen,57 unterhielten sie Mädchenkostschulen, also pensionatsähnliche Einrichtungen, die im Rheinland lediglich von den weiblichen Lehrorden bekannt sind. Eine solche ‚meisjeskostschool‘ findet sich 1628 in Gouda; sie wurde von acht Devotessen aus adeligen oder sehr vornehmen Familien versehen und von Schülerinnen aus allen Teilen der Generalstaaten besucht.58 In der Mädchenkostschule der Devotessen in Culemborg, die seit eben dieser Zeit belegt ist, lernten darüber hinaus auch Schülerinnen aus Ostende, Brüssel, Köln und dem Herzogtum Sachsen.59 1632 ist hier – entsprechend den Pensionaten der weiblichen Lehrorden im Rheinland – Französisch- und Musikunterricht belegt.60 Neben der Kostschule bestand auch eine Schule für bedürftige Kinder der Stadt. Ein von Devotessen geführtes und unter der Aufsicht der Jesuiten stehendes ‚gynicaeum‘ wurde schließlich 1677 in Delft eröffnet.61 Während die Schulen und Katechesen der Devotessen in den nördlichen Niederlanden unter fortwährender Beobachtung und Kritik seitens der protestantischen Magistrate und der reformierten Institutionen standen,62 dürften sie in den südlichen Niederlanden aufgrund der günstigeren konfessionellen Verhältnisse eine weitaus größere Wirkung im Schulsektor entfaltet haben. Die diesbezügliche Literatur differenziert allerdings die einzelnen semireligiosen Gruppierungen nicht hinreichend, um den spezifischen Anteil der jesuitischen Devotessen abzuschätzen.63 Gleichwohl dürfte davon auszugehen sein, dass 56 Zur Bedeutung der Frauen für die Konfessionalisierung in den nördlichen Niederlanden vgl. Monteiro, Geestelijke maagden, S. 103–107, 117–120. 57 Vgl. nur die diesbezüglichen Klagen der reformierten Synoden bei Theissing, Over klopjes, S. 199; außerdem Monteiro, Geestelijke maagden, S. 95. 58 Theissing, Over klopjes, S. 59, 153; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 96f. 59 Theissing, Over klopjes, S. 62, 148, 151–153; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 97–99. Die Herrschaft Culemborg war reichsunmittelbar und wurde erst 1720 von den Generalstaaten erworben. Die Schule wirkte aber auch zuvor bereits in die Niederlande. 60 Vgl. zur Unterrichtung dieser Fächer in den Mädchenschulen religiöser Frauengemeinschaften Rutz, Bildung, S. 355–362. 61 Theissing, Over klopjes, S. 154; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 99. Vgl. dar über hinaus die Belege für die südlichen Niederlanden bei Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“, S. 144–147, die allerdings – soweit ich sehe – nicht die Schulen jesuitischer Frauen betreffen. 62 Vgl. hierzu die Hinweise bei Theissing, Over klopjes, S. 152–154, 199–204, die insbesondere die Mädchenkostschule der Devotessen in Culemborg betreffen; außerdem Monteiro, Geestelijke maagden, S. 89, 95f. 63 Vgl. etwa Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“.
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zumindest überall dort, wo in den südlichen Niederlanden Jesuiten tätig waren, auch Devotessen als Lehrerinnen wirkten. Die Tätigkeit der Devotessen in Katechese und Elementarbildung fügt sich ein in die breite Bildungsbewegung der katholischen Konfessionalisierung, die in gegenreformatorischer Abwehr des Protestantismus das Potential der zahlreichen neugegründeten Orden und religiösen Gemeinschaften nutzte, um das für die konfessionelle Sozialisation als zentral erkannte Schulund Bildungswesen auf eine neue Grundlage zu stellen.64 Die Jesuiten sind in diesem Zusammenhang die bekannteste Kraft.65 Für das männliche Schulwesen sind im Nordwesten des Reiches unbedingt auch die Mendikanten zu nennen, die hier eine weitaus wichtigere Rolle spielten als die Gesellschaft Jesu.66 Im Mädchenbildungswesen waren zum einen weibliche Lehrorden wie Ursulinen, Welschnonnen (Congrégation de Notre Dame) und Englische Fräulein tätig, zum anderen die Terziarinnen der mendikantischen Drittorden sowie schließlich die Devotessen.67 Im Gegensatz zur traditionellen Erziehung von Mädchen im Kloster, wie sie von den alten Orden auch in der Frühen Neuzeit weiter betrieben wurde, ging es den neuen Gemeinschaften um eine Ausbildung der Kinder in sogenannten ‚äußeren‘ Klosterschulen oder auch in öffentlichen städtischen oder Pfarrschulen.68 Eine entsprechende Offensive in der Mädchenbildung ist auf protestantischer Seite nicht festzustellen, trotz der viel bemühten Äußerungen Martin Luthers zu 64 Vgl. übergreifend Johannes Kistenich, Geistliche Orden und öffentliches Schul wesen im Rheinland 1250–1750, in: Andreas Rutz (Hg.), Das Rheinland als Schulund Bildungslandschaft 1250–1750 (Beiträge zur Historischen Bildungsforschung 39), Köln/Weimar/Wien 2010, S. 118–151. 65 Vgl. für unseren Untersuchungsraum in jüngerer Zeit Pohle, Glaube und Beredsamkeit; Alain Deneef / Xavier Rousseau (Hg.), Quatre siècles de présence jésuite à Bruxelles, Brüssel/Löwen 2012; Rob Faesen (Hg.), The Jesuits of the low countries. Identity and impact (1540–1773) (Bibliotheca Ephemeridum theologicarum Lovaniensium 251), Löwen 2012. 66 Vgl. ausführlich Johannes Kistenich, Bettelmönche im öffentlichen Schulwesen. Ein Handbuch für die Erzdiözese Köln 1600 bis 1850 (Stadt und Gesellschaft. Studien zum Rheinischen Städteatlas 1), 2 Bde., Köln/Weimar/Wien 2001; außerdem den Überblick von Kistenich, Geistliche Orden. 67 Vgl. ausführlich Rutz, Bildung; außerdem zu religiösen Frauengemeinschaften in der Konfessionalisierung die wichtigen Monographien von Elizabeth Rapley, The Dévotes. Women & church in seventeenth-century France (McGill-Queen’s Studies in the History of Religion 4), Montreal/London/Buffalo 1990; Conrad, Zwischen Kloster und Welt; Elizabeth Rapley, A social history of the cloister. Daily life in the teaching monasteries of the Old Regime (McGill-Queen’s studies in the history of religion 17), Montreal 2001. 68 Zur mittelalterlichen Mädchenerziehung im Kloster vgl. allg. Claudia Opitz, Erziehung und Bildung in Frauenklöstern des hohen und späten Mittelalters (12.–15. Jahrhundert), in: Elke Kleinau / Claudia Opitz (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, Bd. 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt a.M./New York 1996, S. 63–77.
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diesem Thema und den entsprechenden Forderungen in den Schul- und Kirchenordnungen der Zeit.69 Die Devotessen spielten in der katholischen Bildungsoffensive der Konfessionalisierung eine entscheidende Rolle, denn anders als die Angehörigen der weiblichen Lehrorden waren sie nicht an ein Kloster gebunden und konnten dementsprechend an sehr viel mehr Orten wirken. Für eine Klostergründung wurde nicht nur Kapital benötigt, sondern auch die Zustimmung der geistlichen und weltlichen Obrigkeiten. Eine fromme Frau, die sich zu einem devoten Leben und zur Unterrichtung von Kindern in ihrem eigenen Haus entschloss, war dagegen sehr viel unabhängiger. Während die Klostergründungen der weiblichen Lehrorden im Rheinland vor allem in das 17. Jahrhundert fallen, verbreiteten sich die Devotessen insbesondere auch noch im 18. Jahrhundert und richteten in immer neuen Städten und teilweise sogar Dörfern Mädchenschulen ein. Durch die Gründung von Zweigschulen intensivierten sie darüber hinaus ihre Präsenz in den größeren Städten, wo sie häufig an mehreren Standorten unterrichteten.70 Eine entsprechende Entwicklung ist für die südlichen Niederlande und das Bistum Lüttich zu konstatieren, wo die Devotessen ebenfalls sehr viel präsenter waren als die Lehrorden.71 Die Innovation des konfessionskatholischen Modells von Mädchenbildung beruhte gerade in der Befassung religiöser Frauengemeinschaften mit dieser Aufgabe.72 Hierdurch wurde ein grundsätzliches Problem des vormodernen Elementarschulwesens gelöst, nämlich das des Unterhalts des Lehrpersonals. Sofern es sich bei den Lehrerinnen um Ordensfrauen handelte, gehörten sie notwendigerweise einem Konvent an, der für ihren Lebensunterhalt aufkam und Unterrichtsräume zur Verfügung stellte. Für die Devotessen gilt dies zwar nicht, ihre spezifische Form der Vergemeinschaftung schuf gleichwohl einen sozialen Zusammenhalt, der es auch ärmeren Frauen ermöglichte, ein frommes Leben zu führen und in Katechese und Mädchenbildung tätig zu werden. Anhand ausgewählter Testamente konnte nachgewiesen werden, dass in Köln wohlhabendere Devotessen weniger vermögende Schwestern 69 Vgl. Rutz, Bildung, S. 100–114; die jüngere Literatur bei Rutz, Primat der Religion, S. 284, Anm. 36; außerdem Juliane Jacobi, Zwischen „nöthigen Wissenschaften“ und „Gottesfurcht“. Protestantische Mädchenschulen von der Reformation bis zum 18. Jahrhundert, in: Musolff/Jacobi/Le Cam, Säkularisierung vor der Aufklärung?, S. 253–274. Zur Geschichte der frühneuzeitlichen Mädchenbildung insgesamt vgl. knapp zusammenfassend auch Andreas Rutz, Art. ‚Mädchenschule(n)‘, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 7, Stuttgart/Weimar 2008, Sp. 1075–1079. 70 Vgl. Rutz, Bildung, S. 297–313. 71 Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“, S. 163, 279f.; Maurice de Vroede, Religieuses et béguines enseignantes dans les Pays-Bas méridionaux et la principauté de Liège aux XVIIe-XVIIIe siècles (Studia Paedagogica 20), Löwen 1996, S. 152; ders., Meesters en meesteressen. Een social geschiedenis van de leerkrachten lager onderwijs in België, Bd. 1: Het Ancien Régime (Symbolae Facultatis Litterarum Lovaniensis B/14), Löwen 1999, S. 43, 51f. 72 Vgl. zum Folgenden zusammenfassend Rutz, Primat der Religion, S. 284–287.
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in ihre Häuser aufnahmen und Rahmenbedingungen schufen, um die so entstandenen Gemeinschaften über ihren Tod hinaus zu sichern und den nachfolgenden Frauen die Möglichkeit zu geben, weiter als Lehrerinnen tätig zu sein.73 Zudem hatten die Devotessen die Möglichkeit, Stiftungen und Schenkungen von frommen Testatoren einzuwerben, wie dies auch andere geistliche Gemeinschaften zur Sicherung ihres Auskommens und ihrer Aktivitäten taten.74 Neben der Finanzierung löste das Engagement religiöser Frauengemeinschaften in der frühneuzeitlichen Mädchenbildung ein weiteres Grundproblem vormoderner Elementarschulbildung: Die Gemeinschafen konnten nicht nur neue Lehramtskandidatinnen aus ihren eigenen Reihen rekrutieren, sondern diese auch in den eigenen Schulen und unter der Kontrolle erfahrener Lehrerinnen ausbilden.75 Im Gegensatz zu den meisten privaten und öffentlichen Elementarschulen verfügten die Schulen der religiösen Frauengemeinschaften somit in der Regel über mehrere Lehrerinnen. Dies dürfte die Qualität des Unterrichts nicht unwesentlich beeinflusst haben, denn es ermöglichte die Einteilung der Schülerinnen in konsekutive Klassen sowie die Spezialisierung einzelner Lehrerinnen auf bestimmte Fächer. Dies gilt in eingeschränkterem Maße auch für die Schulen der Devotessen.76 Der Unterrichtskanon in den Devotessenschulen entsprach dem anderer Elementarschulen, die Mädchen seit dem späteren Mittelalter besuchen konnten: Unterrichtet wurden Lesen, Schreiben, Handarbeit und natürlich der Katechismus.77 Nur in Einzelfällen ist auch Rechen- und Französischunterricht belegt.78 In praktischer Hinsicht diente das Programm einer rudimentären Ausbildung zur Bewältigung des familiären Alltags. In diesen Zusammenhang gehört wohl auch der Handarbeitsunterricht, der nur äußerst selten explizit auf den „nothtürftigen brodgewinn“ ausgerichtet war.79 73 Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke, S. 173–175; vgl. auch die Beispiele für das übrige Rheinland bei Andreas Rutz, Weibliches Bildungsmäzenatentum in der Frühen Neuzeit. Devotessen als Stifterinnen und Förderinnen des katholischen Schulwesens im Rheinland, in: Jonas Flöter/Christian Ritzi (Hg.), Bildungsmäzenatentum. Privates Handeln – Bürgersinn – kulturelle Kompetenz seit der Frühen Neuzeit (Beiträge zur Historischen Bildungsforschung 33), Köln/Weimar/Wien 2007, S. 85–105, hier S. 87–93, 98f.; sowie für die nördlichen Niederlande Monteiro, Geestelijke maagden, S. 97. 74 Rutz, Bildung, S. 337–341. 75 Rutz, Bildung, S. 333–335. 76 Vgl. übergreifend Rutz, Bildung, S. 364–368; sowie das Beispiel einer Kölner Devotessenschule bei Rutz, Semireligiosentum, S. 257. 77 Rutz, Bildung, S. 349–362; Rutz, Semireligiosentum, S. 258–262; zur Mädchenbildung im Spätmittelalter vgl. grundlegend Margret Wensky, Mädchen- und Frauenbildung in der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Stadt, in: Wilhelm Janssen/Margret Wensky (Hg.), Mitteleuropäisches Städtewesen in Mittelalter und Frühneuzeit. Edith Ennen gewidmet, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 21–40. 78 Rutz, Bildung, S. 352f., 356; vgl. auch Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“, S. 168. 79 Archiv der Erzdiözese Köln, Dep. Pfarrarchiv Köln, St. Maria im Kapitol, Best. Pfarrei Klein St. Martin, B II 57.
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Während das Curriculum also eher konventionell gestaltet war, kann das übergeordnete Ziel des Unterrichts bei den Devotessen wie auch anderen religiösen Frauengemeinschaften als neu und innovativ bezeichnet werden. Der Unterricht zielte nicht bloß auf die Aneignung einer rudimentären Alphabetisierung und nützlicher weiblicher Fertigkeiten sowie wichtiger Grundsätze in der christlichen Religion. Diese Alltagsfertigkeiten waren vielmehr Vehikel für eine umfassende konfessionelle Sozialisation der Mädchen, deren Aufgabe es später einmal sein sollte, ihre eigenen Kinder in eben dieser Konfession zu erziehen.80 Am wichtigsten war in diesem Zusammenhang sicherlich die Vorbildwirkung der Lehrerinnen. Sie verkörperten ein genuin katholisches Weiblichkeitsideal, dem freilich nicht jedes Mädchen in letzter Konsequenz nacheifern, das aber gleichwohl als Richtschnur und Vorbild für das eigene Leben und Handeln dienen konnte.81 Darüber hinaus war der Unterricht selbst in einen religiösen Rahmen eingebunden, bestehend aus Gebeten, Katechismusstunden, geistlichen Lektüren, Liedern und gemeinsamen Kirchgängen. Und auch die Elementarfächer wurden anhand von religiösen Texten unterrichtet, Lieder und Gebete begleiteten die Handarbeitsstunden.82 Die Schulen der Devotessen und anderer geistlicher Gemeinschaften wurden auf diese Weise zu herausragenden katholischen Sozialisationsorten. Neben Katechese und Elementarunterricht versahen insbesondere die niederländischen Klopjes vielfältige weitere Aufgaben. Aufgrund der prekären Lage der katholischen Kirche in den Generalstaaten beherbergten und versorgten sie vielfach die Priester, stellten ihre Häuser als Kirchenräume zur Verfügung, kümmerten sich um Küsterdienst und Kirchenchor und halfen nicht zuletzt in der Seelsorge aus.83 Zu Letzterer gehörte auch die Fürsorge für Arme und Kranke.84 Die Jesuiten überließen diese Aufgabe den semireligiosen Frauen, wenn ihnen selbst die Zeit dazu fehlte, wobei die Devotessen nicht nur Almosen verteilten, sondern die Menschen, die sie besuchten, auch mit Worten und Lesungen zur Frömmigkeit anhielten. Auch die katholische Armenverwaltung in Städten wie Rotterdam oder Utrecht setzte die Frauen ein und übertrug ihnen die Verteilung der Almosen. 80 Vgl. Rutz, Bildung, S. 385–422; Andreas Rutz, „Man wird Euch lehren, zu gleicher Zeit für Gott und für die Welt zu leben“. Katholische Mädchenschulen als Orte konfessioneller Sozialisation in der Frühen Neuzeit, in: Thomas Kaufmann /Anselm Schubert/Kaspar von Greyerz (Hg.), Frühneuzeitliche Konfessionskulturen. Kontexte und Grenzen von Konfession und Kultur – die Ergebnisse der 1. Nachwuchstagung (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 207), Gütersloh 2008, S. 137–151. 81 Rutz, Bildung, S. 393f., 406–408. 82 Rutz, Bildung, S. 350–352, 363–368. 83 Theissing, Over klopjes, S. 137–146; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 82–86. 84 Vgl. zum Folgenden Theissing, Over klopjes, S. 146f.; Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“, S. 141–143; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 86–88.
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Darüber hinaus unterstützten die Devotessen Kranke durch alltägliche Versorgung und Pflege und hielten gegebenenfalls auch die Totenwachen. In den südlichen Niederlanden übernahmen die Frauen auch die Versorgung von Alten, vor allem indem sie sie in ihre Häuser zur Kost aufnahmen.85 Trotz der Vielfalt der benannten Aufgaben scheint die Sozialfürsorge auch für die niederländischen Devotessen nicht annähernd die Rolle gespielt zu haben wie das Engagement in Katechese und Elementarbildung. Dies lässt sich sicherlich mit der Ausrichtung des für die Frauen zentralen Jesuitenordens auf Katechese, Mission und Bildung erklären. Zudem agierten auf dem betreffenden Feld speziell für die Krankenpflege gegründete Orden, wie etwa die Elisabethinnen, und es existierte bereits seit dem Mittelalter ein etabliertes System von Hospitälern und anderen Fürsorgeeinrichtungen.86
Perspektiven Die Untersuchung des Engagements der jesuitischen Devotessen und anderer semireligioser Frauen in Katechese, Elementarunterricht und Sozialfürsorge ist grundsätzlich mit dem Problem mangelnder oder nur sehr verstreut vorliegender Quellen konfrontiert. Der Organisationsgrad der Frauen war zu gering, als dass eigene Archive eingerichtet oder zumindest umfangreichere Akten und Amtsbücher geführt werden mussten oder konnten. Die Kölner Ursulagesellschaft ist hier sicherlich eine Ausnahme, wenngleich auch sie nur vergleichsweise wenige schriftliche Unterlagen produziert hat. Nur durch intensive Recherchen in den einschlägigen Beständen der kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten, also in der Überlieferung der Bistümer, Territorien und Städte, sowie in den Archiven der Jesuitenniederlassungen, ist es möglich, die Existenz von Devotessen vor Ort sowie ihr Tätigkeitsprofil zu eruieren. Wie meine Recherchen im (nördlichen) Rheinland gezeigt haben, lässt sich aus vielen Einzelbelegen ein zusammenhängendes Bild 85 Vroede, „Kwezels“ en „Zusters“, S. 141. 86 Vgl. in jüngerer Zeit nur Lukas Clemens/Alfred Haverkamp/Romy Kunert (Hg.), Formen der Armenfürsorge in hoch- und spätmittelalterlichen Zentren nördlich und südlich der Alpen (Trierer Historische Forschungen 66), Trier 2011; Benjamin Laqua, Bruderschaften und Hospitäler während des hohen Mittelalters. Kölner Befunde in westeuropäisch-vergleichender Perspektive (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 58), Stuttgart 2011; Martin Uhrmacher, Lepra und Leprosorien im rheinischen Raum vom 12. bis zum 18. Jahrhundert (Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte 8; Publications du Centre Luxembourgeoise de documentation et d’études médiévales 36), Trier 2011. Speziell zu den erwähnten Elisabethinnen vgl. Rutz, Bildung, S. 179–182; sowie in jüngerer Zeit die Artikel zu den betreffenden Klöstern in Aachen, Blankenheim, Düren und Jülich in Groten, Klosterbuch, Bd. 1, S. 51–59 (Claudia Rotthoff-Kraus), 320–326 (Hans-Otto Brans), 518–523 (Hans-Otto Brans), Bd. 2, S. 529–531 (Chantal Kröber, Wolfgang Rosen).
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des semireligiosen Engagements ‚in der Welt‘ entwerfen, das freilich sowohl regional als auch inhaltlich zu erweitern bzw. zu vertiefen wäre. Regional stellt vor allem die systematische Erforschung des Devotessenwesens in Westfalen ein dringendes Desiderat dar. Aufgrund der bislang bekannten Einzelbelege sowie der auch für andere geistliche Gemeinschaften belegten Ausbreitung von Westen nach Osten ist durchaus wahrscheinlich, dass in Westfalen ein quantitativ wie qualitativ mit den Niederlanden und dem Rheinland vergleichbares jesuitisches Semireligiosentum existierte. Die Erforschung desselben dürfte auch zur näheren Kenntnis des westfälischen Elementar- und insbesondere Mädchenschulwesens beitragen, über das wir bislang kaum informiert sind.87 Gleiches gilt für das südliche Rheinland und den Mittelrhein.88 Der Schwerpunkt der Forschungen zu den niederländischen ‚Kloppen‘ liegt auf der Spiritualität und Frömmigkeit der Frauen, wobei die Unterrichtstätigkeit im Rahmen der ‚guten Werke‘ abgehandelt 87 Vgl. zur Mädchenbildung Alfred Hartlieb von Wallthor, Höhere Schulen in Westfalen vom Ende des 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Westfälische Zeitschrift 107 (1957), S. 1–105, hier S. 82–87; sowie die Hinweise zu den Mädchenschulen religiöser Frauengemeinschaften bei Rutz, Primat der Religion, S. 279. Die Studie von Monika Fiegert, Pragmatische Geschlechtertrennung. Die Anfänge elementarer Mädchenbildung im geistlichen Fürstentum Osnabrück. Ein Beitrag zur historischen Mädchenbildungsforschung (Interdisziplinäre Frauenforschung 1), Bochum 1999, behandelt vor allem das 19. Jahrhundert. Vgl. zum Elementarschulwesen Monika Fiegert, Die Schulen von Melle und Buer im Hochstift Osnabrück vom Westfälischen Frieden bis zur Säkularisierung. Eine Regionalgeschichte des niederen Schulwesens im Prozeß der Konfessionalisierung (Osnabrücker Geschichtsquellen und Forschungen 32), Osnabrück 1992; Monika Fiegert/Christine Freitag (Hg.), „… des Morgens bäthet der Lehrer zu erst.“ Eine kommentierte Quellensammlung zur Geschichte des ländlichen Schulwesens im Osnabrücker Raum 1690 bis 1865 (Schriften zur Kulturgeschichte des Osnabrücker Landes 10), Osnabrück 1999; Alwin Hanschmidt (Hg.), Elementarschulverhältnisse im Niederstift Münster im 18. Jahrhundert. Die Schulvisitationsprotokolle Bernard Overbergs für die Ämter Meppen, Cloppenburg und Vechta 1783/84 (Geschichtliche Arbeiten zur westfälischen Landesforschung B/3; Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 22), Münster 2000. 88 Vgl. zur Mädchenbildung Lenelotte Möller, Höhere Mädchenschulen in der Kurpfalz und im fränkischen Raum im 18. Jahrhundert (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte 5), Frankfurt a.M./Berlin/Bern 2001; Gisela Schreiner, Mädchenbildung in Kurmainz im 18. Jahrhundert, unter besonderer Berücksichtigung der Residenzstadt (Geschichtliche Landeskunde 65), Stuttgart 2007. Vgl. zum Elementarschulwesen Edgar Christoffel, Die Geschichte der Volksschule im Raum des heutigen Regierungsbezirks Trier, Bd. 1, Trier 1975; sowie in jüngerer Zeit zusammenfassend Andrea Fleck, Das einfache Schulwesen, in: Bernhard Schneider (Hg.), Geschichte des Bistums Trier, Bd. 3: Kirchenreform und Konfessionsstaat 1500–1801 (Veröffentlichungen des Bistumsarchiv Trier 37), Trier 2010, S. 404–411; Helga Schnabel-Schüle, Bildungsoffensiven, in: Lukas Clemens/Franz J. Felten/ Matthias Schnettger (Hg.), Kreuz – Rad – Löwe. Rheinland-Pfalz – Ein Land und seine Geschichte, Bd. 1: Von den Anfängen der Erdgeschichte bis zum Ende des Alten Reiches, Mainz 2012, S. 767–780, hier S. 769–771.
Devotessen in Katechese, Elementarunterricht und Sozialfürsorge
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wird.89 Umfangreichere Studien, die die Schulen der Frauen genauer in den Blick nehmen und in den Kontext des jeweiligen lokalen und regionalen Bildungswesens einordnen, wären zweifellos eine wichtige Ergänzung. Die von mir schon vor einigen Jahren erstmals geäußerte Vermutung, es handele sich bei den Devotessen um ein auf den Nordwesten des Reiches beschränktes Phänomen, ist bislang weder verifiziert noch falsifiziert worden. Wünschenswert wäre es, insbesondere für Bayern und Österreich, wo eine Vielzahl von Jesuitenniederlassungen bestanden, die Jahresberichte und Wohltäterlisten dieser geistlichen Institutionen, aber auch die Quellen zum Elementarschulwesen systematisch nach ‚devoten‘ Frauen durchzusehen. Aus nordwesteuropäischer Perspektive, wo regelmäßig jesuitische Frauen im Umfeld der Patres der Gesellschaft Jesu begegnen, scheint es kaum vorstellbar, dass dies in anderen Teilen des (katholischen) Reiches nicht ebenfalls der Fall gewesen sein sollte. Und wenn es diese Frauen dort gab, wäre es mehr als naheliegend, dass sie ebenfalls zu Katechese und Unterricht eingesetzt wurden. Hier gilt es, die Fixierung der schul- und bildungsgeschichtlichen Forschung auf die Lehrorden und bedeutenderen Schulen aufzugeben und sich auch den kleinsten und einfachsten Unterrichtsformen zu widmen.90 Dies bedeutet nicht zuletzt eine intensivere Beschäftigung mit der allgemeinen Geschichte des Elementarschulwesens im Reich, die – im Gegensatz etwa zu Frankreich oder auch den Niederlanden – immer noch in weiten Teilen unerforscht ist.91 Für unsere Kenntnis des Semireligiosentums wären Fortschritte auf diesem Sektor in zweierlei Hinsicht aufschlussreich: Zum einen dürften sich auf diese Weise weitere Belege für die Schultätigkeit der Devotessen finden, zum anderen ist das allgemeine Elementarschulwesen 89 Vgl. die in Anm. 52 genannte Literatur. 90 Vgl. zur Mädchenbildung in Bayern und Österreich Gabriele Weigand, Die weiblichen Schulorden, in: Max Liedtke (Hg.), Handbuch der Geschichte des bayerischen Bildungswesens, Bd. 1: Geschichte der Schule in Bayern von den Anfängen bis 1800, Bad Heilbrunn 1991, S. 605–621; Christl Knauer, Frauen unter dem Einfluß von Kirche und Staat. Höhere Mädchenschulen und bayerische Bildungspolitik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Miscellanea Bavarica Monacensia 165), München 1995; Christa Schillinger-Prassl/Ilse Brehmer, Mädchenerziehung in Innerösterreich vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zur Schulreform unter Maria Theresia und Joseph II. (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs 24), Graz 2000. 91 Vgl. aber die in Kürze im Druck erscheinende Habilitationsschrift von Stefan Ehrenpreis, Kulturen der Alphabetisierung. Erziehungsdiskurs und Elementarschulwesen im Alten Reich, in der Niederländischen Republik und England 1600–1750, Habil. HU Berlin 2007; außerdem den Forschungsbericht von dems., Das frühneuzeitliche Elementarschulwesen. Forschungsergebnisse und neue Fragestellungen, in: Juliane Jacobi (Hg.), Zwischen christlicher Tradition und Aufbruch in die Moderne. Das Hallesche Waisenhaus im bildungsgeschichtlichen Kontext (Hallesche Forschungen 22), Tübingen 2007, S. 147–167; sowie die diesbezüglichen Kommentare von Hans-Ulrich Musolff, in: ebd., S. 169–176, und Veronika Albrecht-Birkner, in: ebd., S. 177–181.
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ein unerlässlicher Vergleichsmaßstab, um die Bedeutung der Schulen semireligioser Frauen einschätzen zu können. In ähnlicher Weise gilt dies für die Geschichte der Sozialfürsorge, deren genauere Erforschung sicherlich ebenfalls weitere Erkenntnisse über das diesbezügliche Engagement der Devotessen geben dürfte.92 Eine inhaltliche Vertiefung könnte durch die systematische Analyse neuer Quellengruppen realisiert werden. Hier sind insbesondere die erwähnten Jahresberichte und Wohltäterlisten zu nennen. Mit ihrer Hilfe ist es möglich lokale Frömmigkeitsnetzwerke zu ermitteln, die sich um die Jesuitenniederlassungen bildeten.93 Darüber hinaus sind Testamente eine bislang nur ansatzweise für die Geschichte semireligioser Frauen und ihrer Aktivitäten in Unterricht und Sozialfürsorge herangezogene Quelle. Sie liefern zum Teil erstaunlich detaillierte Hinweise auf die innere Struktur der Devotessengemeinschaften, persönliche Verflechtungen im katholischen Milieu sowie die Organisation des Schulbetriebs.94 Eine für die Geschichte der niederländischen Devotessen bereits intensiv ausgewertete Quellengruppe stellen die sogenannten ‚kloppenboeken‘ dar – Bücher, die speziell für die ‚geestelijke maagden‘ geschrieben wurden und Anweisungen für eine devote Lebensweise und Frömmigkeit oder auch die Viten von Schwestern enthalten.95 Insbesondere die Viten basieren auf Selbstaussagen, die Devotessen wie der oben erwähnten Agnes van Heilsbach von ihren jesuitischen Beichtvätern abverlangt wurden.96 Entsprechende Literatur wurde für das Rheinland und Westfalen bislang kaum ausgewertet. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen einige wenige Werke herausragender Theologen, die auch das weltliche
92 Vgl. in diesem Zusammenhang den anregenden Beitrag von Monika Escher-Apsner, „Paupercule femine, sorores et beggine“. Aspekte weiblicher Fürsorge und Seelsorge im Kontext nordalpiner spätmittelalterlicher Städte, in: Clemens/Haverkamp/ Kunert, Formen der Armenfürsorge, S. 215–236. 93 Vgl. Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke. Zur Vernetzung des europäischen Semireligiosentums allg. vgl. Anne Conrad, Netzwerke „frommer Seelen“. Frühneuzeitlicher Katholizismus im Blick europäischer Genderforschung, in: Wolfgang Behringer (Hg.), Krise und Aufbruch in der Geschichte Europas (Geschichte und Kultur. Saarbrücker Reihe 3), Trier 2013, S. 97–107, hier S. 102–104. 94 Vgl. erste Ansätze zu einer systematischen Erforschung bei Rutz, Weibliches Bildungsmäzenatentum; Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke, S. 170–176. 95 Vgl. Monteiro, Een maagd zonder regel; Monteiro, Geestelijke maagden, S. 122– 133, sowie die Liste der betreffenden Bücher und Biogramme der Autoren ebd., S. 355–366. 96 Monteiro, Geestelijke maagden, S. 205–208.
Devotessen in Katechese, Elementarunterricht und Sozialfürsorge
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Engagement der Frauen reflektieren.97 Hier weiteres Material überhaupt aufzufinden und bibliographisch zu erfassen, wäre ein wichtiger erster Schritt. Insgesamt bietet die Auseinandersetzung mit dem innerweltlichen Engagement der weiblichen Semireligiosen und der hier in den Mittelpunkt gerückten jesuitischen Devotessen zahlreiche Perspektiven, die neben Erkenntnissen über die Frauen und ihre Lebensweise auch ein tiefergehendes Verständnis der Bildungs- und Sozialgeschichte der Epoche erwarten lassen.
97 Vgl. etwa Anton Arens, Friedrich Spee und die „Jesuitinnen“ von Köln. Zur Entstehungsgeschichte des „Güldenen Tugend-Buches“, in: Karl Hillenbrand/Medard Kehl (Hg.), Du führst mich hinaus ins Weite: Erfahrungen im Glauben – Zugänge zum priesterlichen Dienst, Würzburg 1991, S. 405–436; Anne Conrad, Hexen und Heilige in Köln. Zum Entstehungshorizont von Friedrich Spees „Güldenem TugendBuch“, in: Spee-Jahrbuch 3 (1996), S. 135–142; Susanne Schulz, Seelsorge in der Tradition Friedrich Spees. Hermann Busenbaums „Lilien under den Dörneren“, in: Spee-Jahrbuch 17/18 (2010/11), S. 139–160.
„Sodalitäten“ und „Gesellschaften“. Jesuitisches Semireligiosentum in Köln von
Yvonne Bergerfurth
Das Kölner Jesuitenkolleg war von überregionaler Bedeutung, und das in mehrfacher Hinsicht: Von der Übernahme der städtischen Burse im Jahr 1557 bis zur Auflösung der alten Societas Jesu am 21. Juli 1773 durch ein päpstliches Breve bzw. dem Bekanntwerden dieses Breve am 3. September 1773 in Köln hatte die Gesellschaft Jesu in Köln rund 200 Jahre auf verschiedenen Feldern der Seelsorge gewirkt und ein Gymnasium betrieben, das Gymnasium Tricoronatum, dessen oberste drei Klassen zusammen mit denen der anderen zwei Gymnasien der Stadt die Artes-Fakultät der Kölner Universität bildeten.1 Zahlreiche Sammlungen legten die Kölner Jesuiten an.2 Zugleich war Köln auch das Zentrum zunächst der niederdeutschen, rheinischen und schließlich seit 1626 der niederrheinischen Ordensprovinz.3 All dies macht die Stellung Kölns für die Erforschung der alten Gesellschaft Jesu im deutschen Sprachraum deutlich, ist jedoch an dieser Stelle erst einmal zweitrangig. Der folgende Artikel befasst sich mit einem kleinen Ausschnitt jesuitischen Lebens und jesuitischer Kultur in Köln: den von den Jesuiten betreuten Bruderschaften.4
1
Josef Kuckhoff, Kurfürst Max Friedrich und der Streit um den Besitz des Kölner Jesuitenkollegs (1773–1777), in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 118 (1931), S. 72–104, hier: S. 75. 2 Gunter Quarg, Die Sammlungen des Kölner Jesuitenkollegiums nach der Aufhebung des Ordens 1773, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 62 (1991), S. 154–173; Yvonne Bergerfurth, Jesuitica im Historischen Archiv der Stadt Köln, in: Geschichte in Köln 57 (2010), S. 39–56. 3 Am 7. Juni 1556 gründete Ignatius von Loyola, der Ordensgründer und erste Generalobere des Ordens, zwei deutsche Ordensprovinzen, Ober- und Niederdeutschland. Köln gehörte zur niederdeutschen Provinz. Diese wurde 1565 geteilt in eine niederdeutsche und eine rheinische Ordensprovinz, zu der auch Köln zählte. Die rheinische Provinz wurde wiederum 1626 in eine niederrheinische und eine oberrheinische Ordensprovinz geteilt. Köln war von da an Teil und Zentrum der niederrheinischen Ordensprovinz (Bernhard Duhr SJ, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge, 4 Bde., Freiburg, München, Regensburg 1907–1927, hier: Duhr, 1, S. 92; ebda. S. 93–94; Duhr 2,1, S. 15). 4 Die folgenden Überlegungen fußen maßgeblich auf meiner von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn angenommenen Dissertation mit dem Arbeitstitel „Die Bruderschaften der Kölner Jesuiten 1576 bis 1773“. Die Druckversion der Dissertation wird voraussichtlich 2014/2015 erscheinen.
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Yvonne Bergerfurth
Tabelle 1: Marianische Sodalitäten der Kölner Jesuiten Gründung
Forschungsbegriff Lateinische Bezeichnung
Deutsche Bezeichnung
Mitglieder
„[Sodalitas] Ecclesiastica B.M.V“1
Kleriker
vor 15942
„Sodalitas Maior“3
„[Sodalitas] Maior Annunciata B.M.V.“4
Studenten der Philoso phie und Graduierte
15955 oder 15966
„Sodalitas Minor“7
„[Sodalitas] Annunciata Minor B.M.V.“8
ältere Gymnasial schüler mit Latein kenntnissen
15959 „Angelica“12 10 1607 oder 160911 bestätigt
„[Sodalitas] Angelica“13
jüngste Gymnasialschüler
160814
„Bürgersodalität“ „Bürgerbruderschaft“ „Bürger-Sodalität“15
„Sodalitas „bürger Ciuica, B.M.V. bruderet SS. Trium schafft“17 Regum“16
verheiratete Handwerker
161018
„Junggesellen sodalität19
„Sodalitas „[Sodalitas] unverheira Adolescentum Iuniorum, vul- tete HandOpificium“20 go der iungen werker gesellen“21
vor 162722
„Bruderschaft der Lehrlinge und Knechte“23
„[Sodalitas] Tironum“24
Lehrlinge und Knechte
um 163925
„Soldaten bruderschaft26
„Militum Sodalitas“27
Soldaten
um 163928
„Sodalitas Gallicana“29
„Sodalitas Gallicana“30
Franzosen, französische Soldaten
Jesuitisches Semireliogiosentum in Köln
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Anmerkungen zu Tabelle 1 1 Gelenius, Aegidius, De admiranda, sacra, et civili magnitudine Coloniae Claudiae Agrippinensis Augustae ubiorum urbis. libri IV. Köln 1645, S. 515. 2 Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (UStBK), Sign. GBIV 4703, S. 6. 3 Rebekka von Mallinckrodt, Struktur und kollektiver Eigensinn. Kölner Laienbruderschaften im Zeitalter der Konfessionalisierung (Veröffent lichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte Bd. 209), Göttingen 2005, S. 105. 4 Gelenius, De admiranda, S. 515–516. 5 Kuckhoff, Die Geschichte des Gymnasium Tricoronatum: Ein Querschnitt durch die Geschichte der Jugenderziehung in Köln vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, Köln 1931, S. 253. 6 Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK), Best. 223, A 54. 7 Mallinckrodt, Struktur, S. 105. 8 Gelenius, De admiranda, S. 516. 9 Kuckhoff, Die Geschichte des Gymnasium Tricoronatum, S. 253. 10 HAStK, Best. 223, A 53, fol. 1r. 11 Kuckhoff, Die Geschichte des Gymnasium Tricoronatum, S. 256. 12 Mallinckrodt, Struktur, S. 105. 13 Gelenius, De admiranda, S. 516. 14 Gelenius, De admiranda, S. 516. 15 Mallinckrodt, Struktur, passim. 16 Gelenius, De admiranda, S. 516 17 Historisches Archiv des Erzbistums Köln (AEK), Archiv der Kölner Bürgersodalität (AKB) 1, S. 354. 18 AEK, AKB 1, S. 22. 19 Mallinckrodt, Struktur, S. 105. 20 AEK, AKB 1, S. 163. 21 Gelenius, De admiranda, S. 516.
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Yvonne Bergerfurth
Tabelle 2: Andere Bruderschaftstypen unter der Betreuung der Kölner Jesuiten Gründung
Forschungsbegriff Lateinische Bezeichnung
149431
„Achatiusbruderschaft der Goldschmiede“32
„[sodalitas] aurifabros in S. Achatij templo“33
1606
Ursulagesellschaft
„Sodalitas Ursulana“34 „Sodalitas S. Ursulae Devotarum [...] Sodalitas Saecularium matronarum S. Ursulae“35
Deutsche Bezeichnung
Mitglieder unbekannt
„Geselschafft S. Überwiegend unverheiratete Ursulae“36 Frauen, die ein einfaches Keuschheitsgelübde ablegten, sogenannte „virgines devotae“
1646 geplant
Sodalität „Jesus und Maria“37
unbekannt
1680
„Todesangstbruderschaft“38
„[Sodalitas] agonia Christi“39
„Bruderschafft alle Gläubider Todt-Angst gen unseres am heil. Creutz sterbenden Heylands Jesu Christi, und seiner schmertzhafften Mutter Mariae“40
171041
Seelenbruderschaft
„Sodalitas Animarum“42
„SeelenBruderschafft“43
alle Gläubigen
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Anmerkungen zu Tabelle 2 22 Kuckhoff, Die Geschichte des Gymnasium Tricoronatum, S. 252–253, Anmerkung 28, nach dem Hist. Coll, S. 112. 23 Mallinckrodt, Struktur, S. 105. 24 Gelenius, De admiranda, S. 516. 25 Gelenius, De admiranda, S. 516; AEK, AKB 1, S. 211; HAStK, Best. 223, A 9, fol. 365r). 26 Mallinckrodt, Struktur, S. 106. 27 Gelenius, De admiranda, S. 516. 28 HAStK, Best. 223, A 9, fol. 365r). 29 Mallinckrodt, Struktur, S. 106. 30 HAStK, Best. 223, A 9, fol. 365r. 31 Mallinckrodt, Struktur, S. 105. 32 Mallinckrodt, Struktur, S. 105. 33 Gelenius, De admiranda, S. 516. 34 HAStK, Best. 223, A 9, fol. 365r. 35 AEK, AKB 1, S. 210. 36 AEK, PfA St. Ursula, A II 45, fol. 3r. 37 HAStK, Best. 223, A 2192. 38 Mallinckrodt, Struktur, S. 106. 39 HAStK, Best. 223, A 642, fol. 214v; Paginierung wegen Wasserschäden fast unlesbar. HAStK, Best. 223, A 646, fol. 71v. 40 UStBK, Sign. Bäumker 1390. 41 HAStK, Best. 223, A 646, fol. 33v. 42 HAStK, Best. 223, A 60, fol. 3r. 43 UStBK, Sign. Bäumker 1250, S. 67.
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Bruderschaften und Semireligiosentum, wie passen diese zwei Dinge genau zusammen? An dieser Stelle werden die Forschungsbegriffe „Semireligiosentum“ und „Semireligiosen“ nicht vorgestellt, das haben andere bereits zur Genüge getan.5 Sicher kann man grundsätzlich hinterfragen, ob nachtridentinische Bruderschaften bzw. das Bruderschaftswesen dem Semireligiosentum zuzurechnen sind, legen doch Bruderschaftsmitglieder in der Regel keinerlei Gelübde ab, ja beruht die Idee der Bruderschaften im Großen und Ganzen auf einem Zusammenschluss von Laien, wenn es auch Klerikerbruderschaften und Kleriker als Mitglieder von Bruderschaften gab. Die Zugehörigkeit zu einer Bruderschaft war freiwillig und konnte jederzeit ohne Aufwand und auch stillschweigend gelöst werden. Der Grund, warum der Begriff „Semireligiosentum“ auf jesuitische Bruderschaftsmitglieder angewendet werden kann und in diesem Aufsatz angewandt wird, ist denkbar simpel: Die von den Kölner Jesuiten betreute Kölner Ursulagesellschaft, eine Frauenbruderschaft, wurde, völlig zu Recht, bereits von Anne Conrad und Andreas Rutz dem „Semireligiosentum“ zugerechnet. Diese aber als solche, die übrigen Kölner Jesuitenbruderschaften dagegen kommentarlos nicht als „semireligios“ zu bezeichnen, wäre nicht nur willkürlich, es würde uns die Chance nehmen, das Phänomen weiblicher und männlicher Jesuitenbruderschaften vergleichend zu untersuchen. Eine Untersuchung der einen ohne die anderen ist beschränkend. So verwende ich den Begriff „Semireligiosentum“ hier, um auf das Phänomen von jesuitischen Laienbruderschaften mit unterschiedlich starken ordensähnlichen Zügen in der Frühen Neuzeit in der Reichsstadt zuzugreifen. Doch sollen die Kölner Jesuitenbruderschaften zunächst einmal vorgestellt werden. Untersucht man das jesuitische Semireligiosentum in Form der Bruderschaften der Kölner Jesuiten, so fällt schnell die Vielfältigkeit der Strukturen ins Auge. Etwa 13 Bruderschaften betreuten die Jesuiten: eine spätmittelalterliche Bruderschaft, die 1494 in der von den Jesuiten übernommenen Achatiuskirche in Köln gegründet worden war, verschiedene Marianische Sodalitäten, die Ursulagesellschaft, die sie eigentlich gar nicht betreuen durften, da ihnen die Frauenseelsorge verboten war, sowie die Arme-Seelenund die Todesangstbruderschaft. Über die spätmittelalterliche Achatiusbruderschaft der Goldschmiede ist über ihre Existenz hinaus nichts weiter 5 Hier sei auf die Diskussion des Begriffs bei Anne Conrad hingewiesen: Anne Conrad, Die weiblichen „Devoten“ als Instrumente der Konfessionalisierung in Frankreich und Deutschland, in: Heinz Schilling/Marie-Antoinette Gross (Hg.), Im Spannungsfeld von Staat und Kirche. „Minderheiten“ und „Erziehung“ im deutsch-französischen Gesellschaftsvergleich. 16.–18. Jahrhundert, Berlin 2003 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 31), S. 191–214; dies., Semireligiosentum und Laienspiritualität. Perspektiven jesuitischer Frauengemeinschaften in der Frühen Neuzeit, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 27 (2008), S. 137–152.
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bekannt; die 1645 geplante Bruderschaft „Jesus und Maria“ wurde wohl nicht gegründet. Im Unterschied zu anderen Ordensbruderschaften, wie etwa der Skapulierbruderschaft der Karmeliter oder den Rosenkranzbruderschaften der Dominikaner, gaben die Jesuiten die Kontrolle über ihre Marianischen Sodalitäten nicht auf. Lediglich die weniger bedeutsamen Todesangst- und Arme-Seelen-Bruderschaften sind in Pfarren nachzuweisen. Anders als die Forschung unterschieden die Jesuiten und ihre Zeitgenossen im Wortgebrauch nicht zwischen Marianischen Sodalitäten und anderen Bruderschaften. Mit der Bezeichnung „sodalitas“ wurden Bruderschaften unabhängig von ihrem rechtlichen Status bezeichnet, was ihre Identifizierung bisweilen schwierig macht. Der Unterschied zwischen Marianischen Sodalitäten und allen übrigen Bruderschaften, jesuitischen wie nicht-jesuitischen, liegt in der Differenzierung ihrer Mitglieder nach Stand, Alter und Bildungsgrad und in ihrem differenzierten Ämterbau und Regelwerk, den die Ursulagesellschaft in modifizierter Form übernahm. Todesangst- und Arme-Seelen-Bruderschaft verfügten über gar keine Ämter, die die Mitglieder hätten bekleiden können. Darüber hinaus unterschieden sich Marianische Sodalitäten von den übrigen Bruderschaften rechtlich und organisatorisch: Sie wurden seit 1584 der sogenannten Prima Primaria am römischen Jesuitenkolleg als Erzbruderschaft förmlich angeschlossen; der Generalobere des Jesuitenordens hatte vollen Zugriff auf diese Sodalitäten.6 Sie wurden von Jesuitenpatres und den von den Mitgliedern gewählten Vorständen geleitet, wobei diese dem Pater unterstanden. Die vom Generaloberen Aquaviva 1587 erlassenen Statuten galten prinzipiell für alle Sodalitäten weltweit, konnten aber lokal modifiziert werden.35 Die Vorstände wiederum kontrollierten die Mitglieder zusammen mit dem Pater. Nur Jungen und Männer durften den Marianischen Sodalitäten beitreten. Der hohe Grad der Differenzierung am Kölner Kolleg ist der Zahl der Bewohner Kölns geschuldet, Kollegien in kleineren Städten der Niederrheinischen Ordensprovinz waren meist weniger stark differenziert.7 Diese Art der Seelsorge ist als „Standesseelorge“ bezeichnet worden, die in dieser Form mindestens in Bezug auf Bruderschaften als singulär zu bezeichnen ist. Die hierarchische Trennung der Gruppen widersprach einer schichtenübergreifenden Brüderlichkeit, wie sie mittelalterliche Bruderschaften betrieben,8 6
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1584 und in den folgenden Jahren verliehen die Päpste den Generaloberen das Recht, an allen Niederlassungen des Ordens Marianische Sodalitäten zu errichten, sie der Prima Primaria anzugliedern, ihnen Statuten zu geben und sie wieder aufzulösen (Elder Mullan, Die Marianische Kongregation dargestellt nach den Dokumenten, Wien 1913, S. 231–238.) Duhr 2,2, S. 83. Nicolas Terpstra, De-institutionalizing Confraternity Studies: Fraternalism and Social Capital in Cross-Cultural Contexts, in: Christopher Black/Pamela Gravestock (Hg.), Early Modern Confraternities in Europe and the Americas. International and Interdisciplinary Perspectives, Toronto 2003, S. 264–283, hier S. 267.
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wenngleich wohl nicht in dem Ausmaß, wie Terpstra vermutet, da der Grad der Trennung ja durchaus lokal variierte. Die Ursulagesellschaft hingegen war eine rechtlich unabhängige Bruderschaft, die dem Ortsbischof unterstand, sich allerdings in der Organisation und religiösen Praxis sehr eng am Vorbild der Marianischen Sodalitäten orientierte. Die Todesangst- und Arme-Seelen-Bruderschaften waren wieder Schöpfungen der Jesuiten. Anders als bei Marianische Sodalitäten gab es keinerlei Zulassungsbeschränkungen. Sie wurden allein von Jesuitenpatres geleitet; eine Verwaltung der Bruderschaften durch Laienvorstände gab es nicht, wohl weil außer den Spenden der Mitglieder keine Güter oder großen Geldsummen zu verwalten waren. Dies war wiederum eine wichtige Neuerung: Die Marianischen Sodalitäten hatten im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert mit mittelalterlichen Bruderschaften insofern gebrochen, dass sie Klerikern unterstellt waren. Sie verfügten aber immer noch auch über Laienvorstände wie ihre mittelalterlichen Vorgänger, es gab sogar deutlich mehr Vorstandsmitglieder mit differenzierten Aufgabenverteilungen als in anderen Bruderschaften.9 Es bleibt auch nach wie vor zu untersuchen, welche Konsequenzen daraus folgten bzw. zu ziehen sind. Alle jesuitischen Bruderschaften gelten als klerikal, weil sie unter strenger Leitung der Jesuitenpatres standen, um eine etwaige Annäherung der Katholiken an protestantische oder andere als häretisch einzustufende Ideen im Keim zu ersticken.10 Gerade aber das genaue Verhältnis zwischen den Jesuitenpatres und den Bruderschaftsmitgliedern und -vorständen muss noch eingehender untersucht werden, da die Einschätzung einer „strengen Leitung“ der Jesuiten den normativen Quellen, konkret den Regeln der Vorstandsmitglieder, entnommen ist und auf ihre praktische Anwendung und Durchsetzung überprüft werden muss.
Der Forschungsstand Die Kölner Jesuiten und ihre Bruderschaften wurden bereits mehrfach und unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht. Die ältere Literatur ist institutionengeschichtlich orientiert. Dazu gehört das immer noch unverzichtbare Standardwerk Bernhard Duhrs SJ zu allen Ordensniederlassungen in deutschsprachigen Gebieten, der bereits Informationen zum Bruderschaftswesen im Allgemeinen und zu den Marianischen Sodalitäten im Speziellen gab, die heu9
Mullan, Die Marianische Kongregation, S. 273; Andreas Müller stellt die Ämter der Kölner Bürgersodalität vor (Andreas Müller, Die Kölner Bürger-Sodalität 1608–1908, Paderborn 1909, S. 32–41). 10 Terpstra, De-institutionalizing Confraternity Studies, S. 267.
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te noch nützlich sind.11 Ein weiterer Jesuit, Elder Mullan SJ, gab eine Quellenedition zur Geschichte der Marianischen Sodalitäten seit ihrer Gründung bis ins frühe 20. Jahrhundert heraus.12 Eine gründliche Untersuchung dieser edierten Quellen in Bezug auf die genaue Entwicklung der ersten Marianischen Sodalitäten im Kontext der Beziehungen zwischen den einzelnen jesuitischen und nicht-jesuitischen Akteuren steht immer noch aus.13 So ist beispielsweise bisher der Einfluss der Statuten der ersten Marianischen Sodalitäten in Douai und Köln auf die der römischen, die der Generalobere Aquaviva 1587 erließ und die für alle der römischen Prima Primaria angeschlossenen Marianischen Sodalitäten weltweit galten, nicht genauer bekannt.14 Josef Kuckhoffs umfassende Schulgeschichte des Kölner Kollegs befasst sich nur in geringem Umfang mit den Schülersodalitäten, die Arbeit des Jesuitenpaters Johann Baptist Kettenmeyer SJ hingegen besticht mit ausführlichen, übersetzten Quellenzitaten in seiner Untersuchung der Anfänge der Marianischen Sodalitäten in Köln 1576 bis ca. 1580, seine doch recht 11 Duhr, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge. Zum Wirken Duhrs: Clemens Brodkorb, Leben und Wirken von Pater Bernhard Duhr SJ (1852–1930), in: Rolf Decot (Hg.), Konfessionskonflikt, Kirchenstruktur, Kulturwandel. Die Jesuiten im Reich nach 1556, Mainz 2007, S. 185–204. 12 Mullan, Die Marianische Kongregation. Es handelt sich überwiegend um Quellen rechtserheblichen Inhalts wie päpstliche Bestätigungen. Modernen Standards der Quellenedition hält das Werk nicht stand, da die Angaben zur Herkunft der Quellen bisweilen fehlen, trotzdem ist das Werk mangels Alternative unverzichtbar. Daneben gab Mullan auch einige heute als veraltet zu betrachtende Aufsätze heraus: ders., The Story of the Sodality Rules, in: Woodstock Letters 40 (1911), S. 323–328; ders., History of the Prima Primaria Sodality of the Annunciation and Sts. Peter and Paul from the Archives, St. Louis 1917; ders., The Nobles’ Sodality of Our Lady of the Assumption of the Gesù in Rome, St. Louis 1918. 13 Zu den am römischen Kolleg der Jesuiten gegründeten ersten Bruderschaften forschten vor allem Lazar und Maher. Lazar konzentriert sich vollständig auf die Mitte des 16. Jahrhunderts gegründeten Bruderschaften und lässt somit die Marianischen Sodalitäten vollständig außen vor. John O’Malley behandelt in seinem Standardwerk zu den frühen Jesuiten die Bruderschaften gar nicht. Lance Gabriel Lazar, The First Jesuit Confraternities and Marginalized Groups in Sixteenth-Century Rome, in: Nicholas Terpstra (Hg.), The Politics of Ritual Kinship (Cambridge studies in Italian history and culture), Cambridge 2000, S. 132–149; ders., Working in the Vineyard of the Lord. Jesuit Confraternities in Early Modern Italy, Toronto, Buffalo, London 2005; John O’Malley SJ, The First Jesuits, Cambridge, Mass. 31994; Michael Maher SJ, Reforming Rome. The Society of Jesus and Its Congregations, PhD dissertation, University of Minnesota, 1998; ders., How the Jesuits Used their Congregations to Promote Frequent Communion, in: John Donnelly/Michael Mahern (Hg.), Confraternities and Catholic Reform in Italy, France and Spain (Sixteenth Century Essays & Studies 44), Kirksville, Mo. 1999, S. 75–95; Mark Lewis, The Development of Jesuit Confraternity Activity in the Kingdom of Naples in Sixteenth and Seventeenth Century, in: Terpstra (Hg.), The Politics of Ritual Kinship, S. 210–227. 14 Mullan, Die Marianische Kongregation, S. 253–274.
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einseitige Analyse vermag jedoch nicht zu überzeugen.15 Ein ähnliches Urteil ist über Müllers Festschrift zum 300jährigen Bestehen der Kölner Bürgersodalität zu fällen, der zwar ebenfalls Quellenzitate bringt, bei dem die Auswahl der zitierten Quellen aber auch kritische Distanz vermissen lässt, da er selbst Vorsteher der Sodalität war. Nützlich war seine Arbeit dennoch, zumal die Hauptquelle zur Untersuchung der Kölner Bürgersodalität hundert Jahre lang verschollen war. Diese und spätere Untersuchungen zu einzelnen Bruderschaften verführen recht leicht dazu, die gewonnenen Erkenntnisse epocheübergreifend und vor allem institutionenübergreifend zu verallgemeinern. Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise das Engagement der ersten Marianischen Sodalen des 16. Jahrhunderts in der Verkündigung der katholischen Lehre, wie es Kettenmeyer vorstellte, meist schlicht in Ermangelung anderer Beiträge, auf die Nachfolger dieser Marianischen Sodalität im 17. und 18. Jahrhundert übertragen wurde.16 So wurden aus Marianischen Sodalen durch Jesuiten fremdgesteuerte, einheitlich agierende „Gegenreformationsautomaten“ bzw. Agenten der Konfessionalisierung, ohne dass Widersprüchliches, Spannungen, Individuelles, Veränderndes und Konservierendes in den Marianischen Sodalitäten ausreichend wahrgenommen wurden. Seit den 1970er Jahren interessieren sich die Sozial-, Wirtschafts- und Kirchengeschichte vermehrt für mittelalterliche und neuzeitliche Bruderschaften. In Deutschland war Ludwig Remlings Arbeit zu Bruderschaften in Franken Ausgangspunkt17 zu vergleichenden Studien, die aber unverkenn15 Johann Baptist Kettenmeyer, Die Anfänge der marianischen Sodalität in Köln 1576– 1586 (Katholisches Leben und Kämpfen im Zeitalter der Glaubensspaltung), Münster 1928. Die umfassendste Darstellung zum Kölner Jesuitenkolleg ist: Kuckhoff, Die Geschichte des Gymnasium Tricoronatum. Einige neuere Aufsätze informieren auf der Basis Kuckhoffs straffer: Siegfried Schmidt, Das Gymnasium Tricoronatum unter der Regentschaft der Kölner Jesuiten, in: Heinz Finger (Hg.), Die Anfänge der Gesellschaft Jesu und das erste Jesuitenkolleg in Köln. Eine Ausstellung der Diözesan- und Dombibliothek Köln in Zusammenarbeit mit der deutschen Provinz der Jesuiten zum Ignatianischen Jahr 2006, Köln 2006, S. 71–186; Götz-Rüdiger Tewes, Das höhere Bildungswesen im alten Köln. Zu den Bursen und Gymnasien der alten Kölner Universität, in: Bildung stiften. Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds, Köln 2000, S. 8–33. 16 Louis Châtellier, L’Europe des dévots, Paris 1987. The Europe of the Devout. The Catholic Reformation and the Formation of a New Society, übersetzt von Jean Birrel, Cambridge 1989; Anne Conrad, Zwischen Kloster und Welt. Ursulinen und Jesuitinnen in der katholischen Reformbewegung des 16./17. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Abt. Religionsgeschichte Bd. 142), Mainz 1991. 17 Ludwig Remling, Bruderschaften als Forschungsgegenstand, in: Jahrbuch für Volkskunde N. F. 3 (1980), S. 89–112; ders., Bruderschaften in Franken: Kirchenund sozialgeschichtliche Untersuchungen zum spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bruderschaftswesen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg Bd. 35), Würzburg 1986; ders., Sozialgeschicht-
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bar einen mittelalterlichen Schwerpunkt aufweisen. Bernhard Schneider wandte sich den nachtridentinischen Bruderschaften zu, darunter auch den Marianischen Sodalitäten der Jesuiten im Trierer Sprengel. Diese die städtischen und ländlichen Bruderschaften des Trierer Erzbistums behandelnde Studie gibt eine gute Übersicht über den Forschungsstand zur Bruderschaftsforschung bis 1989, wenn auch mit Schwerpunkt auf der deutschen und französischen Literatur, sowie eine Bruderschaftstypologie, in der Schneider alle ihm bekannten Bruderschaftstypen Europas grob kategorisiert und die Bruderschaften der Jesuiten, wie auch die meisten anderen nachtridentinischen Ordensbruderschaften, als Devotionsbruderschaften, also Bruderschaften, die sich auf die Verrichtung des Gottesdienstes konzentrieren, von anderen Bruderschaften, wie etwa Zunft- oder Schützenbruderschaften trennt.18 Einen ähnlichen Weg schlug Louis Châtellier ein, der sich auf die Marianischen Sodalitäten Europas konzentriert und eine vergleichende Studie zu Teilen Frankreichs, des Rheinlands, der Schweiz, Süddeutschlands, Belgiens und Norditalien vorstellt, die vor allem in ihrer englischen Übersetzung großen Nachhall findet.19 Darin verwendet er, wie auch Elizabeth Rapley20 den Begriff der ‚Dévots‘ und ‚Dévotes‘. Geschlechtergeschichtliche Forschungen lassen Differenzierungen zwischen „‚Geistlichen‘ und ‚Laien‘, ‚Orden‘ und ‚Bruderschaften‘, ‚Religiosen‘ und ‚Semireligiosen‘ fragwürdig oder gar hinfällig“21 erscheinen. Die Kategorien der ‚Dévots‘ und ‚Dévotes‘22 dagegen ermöglichen eine deutlich breiter
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liche Aspekte des spätmittelalterlichen Bruderschaftswesens in Franken, in: Peter Johanek (Hg.), Einigungen und Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt, Köln 1993, S. 149–169. Bernhard Schneider, Bruderschaften im Trierer Land. Ihre Geschichte und ihr Gottesdienst zwischen Tridentinum und Säkularisation (Trierer Theologische Studien, Bd. 48), Trier 1989; ders., Volksfrömmigkeit, katholische Reform und die Sodalitäten und Bruderschaften der Jesuiten im Herzogtum Luxemburg im 17. und 18. Jahrhundert, in: Hémecht- Zeitschrift für Luxemburger Geschichte 46 (1994) S. 141–163; ders., Wandel und Beharrung. Bruderschaften und Frömmigkeit in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Hansgeorg Molitor/Heribert Smolinsky (Hg.) Volksfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Münster 1994, S. 65–87; ders., Kirchenpolitik und Volksfrömmigkeit. Die wechselhafte Entwicklung der Bruderschaften in Deutschland vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Saeculum 47 (1996) S. 89–119. Châtellier, The Europe of the Devout. Elizabeth Rapley, The Dévotes. Women and Church in Seventeenth-Century France (McGill-Queen’s Studies in the History of Religion 4), Kingston 1990. Anne Conrad, Die weiblichen „Devoten“ als Instrumente der Konfessionalisierung in Frankreich und Deutschland, in: Heinz Schilling/Marie-Antoinette Gross (Hg.), Im Spannungsfeld von Staat und Kirche. „Minderheiten“ und „Erziehung“ im deutsch-französischen Gesellschaftsvergleich. 16.–18. Jahrhundert, Berlin 2003 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 31), S. 191–214, hier S. 191. ‚Les devots‘ steht „einerseits für eine parteipolitische Orientierung, andererseits für einen bestimmten Lebensstil [der katholischen Oberschicht] [...] und schließlich
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gefasste Perspektive, so wie sie Anne Conrad in den frühen 1990er Jahren in ihrer Dissertation über die verschiedenen Zweige der Ursulinen und „Jesuitinnen“ im nachtridentinischen Zeitalter weiter ausbauen konnte.23 Châtellier und Schneider, stärker konzentriert auf die Jesuiten und ihre Institutionen, untersuchen die Bruderschaften im Zeitalter der Gegenreformation und der katholischen Reform, verwenden also das von Hubert Jedin entwickelte Paradigma,24 während sich Conrad am von Reinhard und Schilling entwickelten Konfessionalisierungsparadigma orientiert, also den Blick auf das Werden einer katholischen Gesellschaft als gesamtgesellschaftliches Phänomen wendet und damit die Mitglieder zum Objekt der Untersuchung macht.25 nicht zuletzt für die Spiritualität katholischer Laien, die die zeitgemäße Interpretation der katholischen Glaubenslehre mit innerkatholischen Reformen und einer individuellen Frömmigkeit zu verbinden suchten.“ (Conrad, Die weiblichen „Devoten“, S. 192). 23 Conrad, Zwischen Kloster und Welt; dies., Die Kölner Ursulagesellschaft und ihr „weltgeistlicher Stand“ – eine weibliche Lebensform im Katholizismus der Frühen Neuzeit, in: Wolfgang Reinhard/Heinz Schilling (Hg.), Die katholische Konfessionalisierung (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Bd. 198), Gütersloh 1995, S. 271–295; dies., Aufbruch der Laien – Aufbruch der Frauen. Überlegungen zu einer Geschlechtergeschichte der Reformation und katholischen Reform, in: dies. (Hg.), „In Christo ist weder man noch weyb“. Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung, 59), Münster 1999, S. 7–22; dies., Semireligiosentum und Laienspiritualität. Perspektiven jesuitischer Frauengemeinschaften in der Frühen Neuzeit, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 27 (2008), S. 137–152. 24 Hubert Jedin, Katholische Reformation oder Gegenreformation? Ein Versuch zur Klärung der Begriffe; nebst einer Jubiläumsbetrachtung über das Trienter Konzil, Luzern 1946. 25 Klassiker der Konfessionalisierungsforschung sind: Wolfgang Reinhard/Heinz Schilling (Hg.), Die katholische Konfessionalisierung (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198), Gütersloh 1995; Wolfgang Reinhard, Was ist katholische Konfessionalisierung?, in: ders./Heinz Schilling (Hg.), Die katholische Konfessionalisierung, S. 419–452. Andreas Rutz untersuchte die Kölner Ursulagesellschaft im Kölner bzw. rheinischen Kontext vor allem in Bezug auf die Lehrtätigkeit der Frauen der Ursulagesellschaft. Andreas Rutz, Bildung – Konfession – Geschlecht. Religiöse Frauengemeinschaften und die katholische Mädchenbildung im Rheinland (16. – 18. Jahrhundert) (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 210), Mainz 2006; ders., Semireligiosentum und elementare Mädchenbildung. Zur Unterrichtstätigkeit von Devotessen im frühneuzeitlichen Köln, in: Alwin Hanschmidt/Hans-Ulrich Musolff (Hg.), Elementarbildung und Berufsausbildung 1450 – 1750 (Beiträge zur Historischen Bildungsforschung 31), Köln, Weimar, Wien 2005, S. 247–264; ders., Weibliches Bildungsmäzenatentum in der Frühen Neuzeit: Devotessen als Stifterinnen und Förderinnen des katholischen Schulwesens im Rheinland, in: Jonas Flöter/ Christian Ritzi (Hg.): Bildungsmäzenatentum. Privates Handeln – Bürgersinn – kulturelle Kompetenz seit der Frühen Neuzeit (Beiträge zur Historischen Bildungsforschung 33), Köln, Weimar, Wien 2007, S. 85–105; ders., Frömmigkeitsnetzwerke
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Den Zugriff durch das Konfessionalisierungsparadigma wählte auch Mallinckrodt, als sie eine vergleichende, mikrohistorische Studie zu den Bruderschaften im frühneuzeitlichen Köln publizierte, in der sie die These Militzers, dass die nachtridentinischen Bruderschaften die spätmittelalterlichen verdrängten,26 untersucht und verneint. Mallinckrodts Studie enthält ein umfangreiches Kapitel zur Marianischen Bürgersodalität und eine kurze Untersuchung der Todesangstbruderschaft der Kölner Jesuiten.27 Die Arbeit überzeugt rundum, offenbart allerdings eine Schwäche des Konfessionalisierungsparadigmas: Mallinckrodt versteht Konfessionalisierung, aufbauend auf Reinhard und Schilling als sozialgeschichtlichen Fundamentalprozess, als „eine solche Variante der Sozialdisziplinierung“.28 Diese etwas einseitige Reduzierung verdeckt die genuin religiösen Seiten historischer Phänomene und ist zudem so eng mit der Frage der Obrigkeit verknüpft, dass das Konfessionalisierungsparadigma allein für eine Untersuchung von Jesuitenbruderschaften in einer freien Reichsstadt nicht ausreicht. Weiterhin sind die Begriffe der „katholischen Reform“ und der „Gegenreformation“ nötig, um die Jesuitenbruderschaften beschreiben zu können.29
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im frühneuzeitlichen Köln. Mitgliederentwicklung, Sozialprofil und Mobilität der Ursulagesellschaft 1606 – 1791, in: ders./Tobias Wulf (Hg.), O felix Agrippina Romanorum Colonia. Neue Studien zur Kölner Geschichte. Festschrift für Manfred Groten zum 60. Geburtstag, Köln 2009, S. 149–183. Klaus Militzer, Ursulabruderschaften in Köln, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 66 (1995), S. 35–45; ders., Laienbruderschaften in Köln – eine Einführung, in: ders. (Hg.), Quellen zur Geschichte der Laienbruderschaften vom 12. Jahrhundert bis 1562/63, Bd. 1, Düsseldorf 1997, S. XI–CXXIII; ders., Einleitung zu den Nachträgen, in: ders. (Hg.), Quellen zur Geschichte der Laienbruderschaften vom 12. Jahrhundert bis 1562/63, Bd. 3, Düsseldorf 1997, S. IX–XXIII; ders., Laienbruderschaften Köln im 16. Jahrhundert, in: Georg Mölich/Gerd Schwerhoff (Hg.), Köln als Kommunikationszentrum (Der Riss im Himmel 4), Köln 2000, S. 254–270; ders., Kölner Bruderschaften am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Beharren und Neuansätze, in: Rheinische Vierteljahresblätter 65 (2001), S. 241–255. Mallinckrodt, Struktur. Mallinckrodt, Struktur, S. 16, Anm. 4. Beim Konfessionalisierungskonzept „geht es [...] um die planmäßige und allumfassende Änderung menschlichen Verhaltens mit beträchtlichen Folgen für die Politik, besonders die Staatsbildung. Daher verstehen wir ‚Konfessionalisierung‘ im Gegensatz zur ‚Konfessionsbildung‘ nicht mehr als partiellen kirchengeschichtlichen, sondern als universalen sozialgeschichtlichen Prozeß, das heißt aber mehr oder weniger als eine Variante von ‚Sozialdisziplinierung‘“. (Reinhard, Was ist katholische Konfessionalisierung?, S. 421). „Zur adäquaten Beschreibung der historischen Phänomene werden neben dem präzisierten Konfessionalisierungsbegriff auch ältere forschungsleitende Grundbegriffe weiterhin unverzichtbar sein, so für die katholischen Entwicklungen die Begriffe ‚Gegenreformation’, ‚katholische Restauration, Erneuerung oder Reform‘ bzw. Hubert Jedins Doppelbegriff ‚katholische Reform und Gegenreformation‘.“ (Anton Schindling, Konfessionalisierung und Grenzen der Konfessionalisierbarkeit, in: ders. (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, 1997, S. 9–44, hier: S. 42) Schmidt hingegen sieht das Problem
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Die internationale Bruderschaftsforschung entwickelte sich weitgehend unabhängig von deutschen Untersuchungen.30 Als Organ dient die seit 1990 zweimal jährlich erscheinende Zeitschrift „confraternitas“ des Centre for Reformation and Renaissance Studies an der Universität Toronto für die Society for Confraternity Studies.31 Anders als die deutsche Forschung, tendiert die englischsprachige Bruderschaftsforschung dazu, vergleichend sowie epochenund institutionenübergreifend zu arbeiten; während die deutsche Forschung in Ermangelung eines ähnlichen Publikationsorgans wie der „confraternitas“ etwas fragmentarisch und lokal verbleibt. Insgesamt verlieren sich viele Forschungsarbeiten, deutsche wie auch andersprachige, wie Terpstra einmal anmerkte, zum Teil ohne Analyse und Kritik und verbleiben Essays einer „Geschichte guter Vorsätze“.32 in der engen Verknüpfung der Konfessionalisierung mit Oestreichs Paradigma der Sozialdisziplinierung. Vgl. Heinrich Richard Schmidt, Sozialdisziplinierung? Ein Plädoyer für das Ende des Etatismus in der Konfessionalisierungsforschung, in: Historische Zeitschrift 265 (1997), S. 639–682; darauf antwortete Reinhard: Wolfgang Reinhard, „Konfessionalisierung“ auf dem Prüfstand, in: Joachim Bahlcke/ Arno Strohmeyer (Hg.): Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, Stuttgart 1999, S. 75–88. 30 Black gibt einen guten Überblick über die internationale Bruderschaftsforschung bis 1999, d.h. die englischsprachige, die in engem Austausch zur spanischen, französischen, italienischen und lateinamerikanischen Bruderschaftsforschung steht: Christopher F. Black, The Development of Confraternity Studies over the past Thirty Years, in: Terpstra (Hg.), The Politics of Ritual Kinship, S. 9–29. 31 http://www.crrs.ca/Confraternitas/index.html Stand 22.3.2013. Auf der Homepage stehen alle erschienenen Aufsätze bis zur letzten erschienenen Ausgabe von 2011 zur freien Verfügung. 32 Terpstra, De-institutionalizing Confraternity Studies, S. 264. Olschewskis Studie zu westfälischen Bruderschaften der frühen Neuzeit zählt beispielsweise einfach mehrere Bruderschaften ohne Analyse auf (Ursula Olschewski, Bruderschaften und geistliche Gemeinschaften im neuzeitlichen Westfalen zwischen Kontinuität und Paradigmenwechsel, in: Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen- und Ordensgeschichte 4 (2008), S. 65–123). Ebner dagegen nennt durchaus Merkmale fränkischer Bruderschaften des Barock und unterzieht sie einer exemplarischen Prüfung anhand von Sakraments- Skapulier-, Rosenkranz-, Dreifaltigkeits- und Maria-Hilf-Bruderschaften in fränkischen Städten und Dörfern. Dabei treten interessante Erkenntnisse zutage: So kann Ebner zwar Orden als Förderer bestimmter Frömmigkeitsformen und Glaubensartikeln, dagegen kaum als Gründer von Bruderschaften ausmachen; diese sind meist Landesherrn und führende Köpfe in Städten und Dörfern. Dies lässt die auf Ordensbruderschaften konzentrierten Untersuchungen in neuer, nämlich in untergeordneter Perspektive erscheinen. Allerdings relativiert Ebner unbemerkt eben diese Erkenntnis wieder, wenn er darauf hinweist, dass die Befugnisse der Ortsordinarien abnahmen, weil die Barockbruderschaften häufig Zentralstellen in Rom angeschlossen waren und sich daher der Jurisdiktion der Bischöfe entzogen. Dies war nämlich deshalb der Fall, weil eben diese Bruderschaften zwar nicht auf Betreiben der Orden gegründet wurden, aber sich den von ihnen betriebenen Erzbruderschaften der Ablässe wegen anschlossen. Die Orden hatten demnach einen entscheidenden Einfluss
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Eine relativ neue internationale Forschungsrichtung ist die Fraternalismusforschung, die Untersuchung von „Verbrüderungen“ oder „Vergemeinschaftung“ von Menschen, die nicht blutsverwandt sind und die sich zu „ritual kinships“, rituellen Verwandtschaften, zusammentun. Diese Richtung erfordert Grundlagenforschung, da sie alle Epochen seit dem frühen Mittelalter bis heute vergleichend untersucht und sich nicht auf Bruderschaften beschränkt, sondern auf jede Art von freiwilliger Vergemeinschaftung. Terpstra stellt diese Ansätze in einem Aufsatz vor, in dem er Untersuchungen zu frühneuzeitlichen jesuitischen, jüdischen, lateinamerikanischen, asiatischen und protestantischen Bruderschaften vergleicht, um deren Potenziale, vor allem als Mittel sowohl der Akkulturation von tridentinischen bzw. jesuitischen Glaubensinhalten und Frömmigkeitsformen durch Bruderschaften in der Gesellschaft als auch des Widerstands gegen solche Akkulturationsbestrebungen, aber auch gegen die Kolonialpolitik allgemein, aufzuzeigen.33 Hauptschlagwörter sind „Akkulturation“ und „Widerstand“, zumal in einer Zeit des „revolutionären“ Wandels, als die die Frühe Neuzeit unter dem Eindruck der Reformation, der Bewegung von Europa nach Amerika und der Bemühungen der Europäer, marginale Gruppen zu ordnen, zu kontrollieren und zu sozialisieren, verstanden werden kann.34 Solche Fragestellungen sind aus der Konfessionalisierungsforschung nicht unbekannt, fragten doch schon unter anderem Conrad und Mallinckrodt nach der Funktion der untersuchten Bruderschaften und Frauenorden, aber auch der Jesuiten selbst, für die Implementierung tridentinischer Normen in ihrer Gesellschaft, also für eine Akkulturation der katholischen Reformbestrebungen in der Gesellschaft. Die Fraternalismusforschung ist daher eher ergänzend zur Konfessionalisierungsforschung für die frühneuzeitliche Bruderschafts- und Ordensforschung heranzuziehen; vorteilhaft ist dabei, dass die Fraternalismusforschung zwar durchaus nach disziplinierenden Zügen der Gemeinschaften fragt bzw. diese erkennt, sich aber nicht in auf den Aspekt des Vorhandenseins einer Sozialdisziplinierung versteift, sondern offener nach den kultischen und der auf die religiöse Ausrichtung der Bruderschaften, wenn auch nicht auf mögliche politische Geschicke. Der Befund, dass diese Bruderschaften keine ständischen Barrieren kannten und Mitglieder aller Schichten anzogen, ist der Auswahl der untersuchten Bruderschaften geschuldet. Wären Marianischen Sodalitäten in diese miteinbezogen worden, sähe das Ergebnis etwas anders aus (Robert Ebner, Charakteristika des fränkischen Bruderschaftswesens im Barock, in: Dieter J. Weiss (Hg.), Barock in Franken (Bayreuther Historische Kolloquien 17), Dettelbach 2004, S. 255–269). 33 Terpstra, De-institutionalizing Confraternity Studies, S.266–267. Die Studie baut auf Clawsons Konzept des „Fraternalism“ auf, das sie im Zuge ihrer Untersuchung der Masons, Odd Fellows und Knights of Pythias in den USA des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelte. Clawson ermutigt Historiker dazu, Fraternalismus als kulturelle Form und soziale Ressource anzusehen (Mary Ann Clawson, Constructing Brotherhood: Class, Gender, and Fraternalism, Princeton 1989, S. 5–18, 88). 34 Terpstra, De-institutionalizing Confraternity Studies, S. 265.
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sozialen Dimensionen der Gemeinschaften forscht sowie nach den, durchaus verschiedenartigen und sich widersprechenden, Potenzialen, die solche Gemeinschaften entfalten können.
Fragestellungen In einer vergleichenden Studie zu den Kölner Jesuitenbruderschaften sollten ihre kultischen und sozialen Formen und Funktionen eingehend untersucht und eben auch die Frage nach disziplinierenden Elementen in den Blick genommen werden. Im Ergebnis interessieren aber mehr die Potenziale dieser jesuitischen Bruderschaft und ihre Einordnung in die Lebensumstände der Mitglieder, wobei nicht erwartet werden sollte, dass die Bruderschaften nur die einen oder anderen bestimmten Potenziale und Charakteristika vorweisen konnten, denn Terpstra stellt fest: „It is helpfull to recall here that fraternalism could be simultaneously transformative and reactionary, egalitarian and elitist, a vehicle of resistance or of acculturation.“35 Dies gilt sicherlich auch für jede einzelne Bruderschaft. Ziel einer Untersuchung jesuitischen Semireligiosentums ist es also nicht, oder sollte es zumindest nicht sein, Jesuiten als Reaktionäre oder als radikale Reformer mit einem klaren religiösen und sozialen Ziel oder die Bruderschaftsmitglieder als Eliten oder als arme Leute auszumachen, sondern zu schauen, welche religiösen, sozialen und politischen Potenziale die Bruderschaften im Laufe ihres Bestehens entwickeln und erfüllen konnten und welche Rolle individuelle Mitglieder spielten– mit allen Widersprüchen und Gemeinsamkeiten, die über einen derartig langen Zeitraum wie 200 Jahre zu erwarten sind, immer bedenkend, dass nie alle Fragen und Phänomene geklärt werden können. Die Fragestellungen an eine vergleichende Untersuchung der Kölner Jesuitenbruderschaften können vielfältig sein. Hier sollen nun einige vorgestellt und in einem zweiten Schritt anhand einer Problematisierung der Quellen kritisch überprüft werden. Die – anfangs wechselnden – rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Kölner Bruderschaften gegründet wurden und denen sie unterworfen waren, sind darzulegen. Sodann sind die Intentionen der Bruderschaftsgründer und –initiatoren für die Gründung zu klären. Geeignet sind dazu, in Ermangelung konzeptioneller Schreiben aus den Federn der Gründer, die Statuten der Bruderschaften. Dabei gilt es dann, die Genese der Statuten im Laufe der Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte darzustellen und untereinander zu vergleichen, um die Einflüsse der verschiedenen Kölner Bruderschaften aufeinander zu erkennen. Durch eine solche Analyse können zusammen 35 Terpstra, De-institutionalizing Confraternity Studies, S. 277.
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mit erzählenden Quellen die von den Jesuiten intendierten Aufgaben und Ziele der Bruderschaften und der Sodalen und die späteren Modifikationen aufgezeigt werden. Die quantitative und soziale Mitgliederstruktur der Bruderschaften, zu denen auswertbares Material wie Mitgliederlisten, Vorstandslisten und Rechnungsbücher vorliegen, sollten analysiert werden, um im Vergleich mit der Kölner Bevölkerung die Akzeptanz der Bruderschaften innerhalb Kölns bzw. bei bestimmten Bevölkerungsgruppen, erahnen zu können. Besonders die Vernetzung der Bruderschaftsmitglieder in der Stadt und in die Stadtpolitik ist von Interesse. Die Analyse der Vorstandslisten kann die „Karrieren“, die Männer innerhalb der Marianischen Sodalitäten (für die Ursulagesellschaft sind keine Vorstandslisten überliefert) machten, und die soziale Zusammensetzung der Vorstände erkennbar machen. Das religiöse Leben der Bruderschaften, welche Riten und Bräuche von den Jesuiten propagiert und von den Mitgliedern akzeptiert oder gefordert wurden und inwiefern sie sich von mittelalterlichen Bruderschaften unterschieden, kann anhand der Statuten und von Jahresberichten dargelegt werden. Hier sind unter anderem die religiösen Standards der Jesuiten und die Implementierung dieser Standards im Bruderschaftsleben und darüber hinaus herauszufiltern; u.a. die Frage der „Werke der Nächstenliebe“, zum Beispiel im Umgang mit dem, was die englischsprachige Forschung als „the Other“,36 also als den „Anderen“ bezeichnet, womit marginalisierte Gruppen wie Andersgläubige, Prostituierte, Waisen, Gefangene gemeint sind. Betrieben die Kölner Jesuitenbruderschaften eine Politik der Akkulturation dieser Randgruppen, wie dies bei den frühen Bruderschaften in Rom erkennbar ist?37 Die Regeln für Vorstandsmitglieder und andere „Beamte“ der Marianischen Sodalitäten und der Ursulagesellschaft können dahingehend ausgewertet werden, wie sich die Bruderschaftsmitglieder organisierten, welche nach innen und außen gerichteten Kommunikationsstrukturen es gab und wie die Geschäfte der Bruderschaften zum Beispiel hinsichtlich der Finanzen geregelt wurden. Hinzukommen Hinweise aus den Annalenberichten, wie die Jesuitenpatres und die Mitglieder, insbesondere natürlich die Vorstandsmitglieder in den Bruderschaften miteinander umgingen, arbeiteten und sich beeinflussten. Ganz konkret stellt sich die Frage, wie klerikal die Marianischen Sodalitäten und die Ursulagesellschaft waren und in welchem Ausmaß die Mitglieder die religiöse und organisatorische Ausrichtung ihrer Bruderschaften mitbestimmten und ob und in welchem Umfang besonders die Marianischen Sodalen derartig sozial und religiös kontrolliert, reguliert und diszipliniert wurden. Die Wirkung von Bruderschaften als möglichen „Spielwiesen“ der 36 Terpstra, De-institutionalizing Confraternity Studies, S. 266. 37 Gabriel Lance Lazar, The First Jesuit Confraternities and Marginalized Groups in Sixteenth-Century Rome, in: Terpstra (Hg.), The Politics of Ritual Kinship, S. 132–149.
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Demokratie, als die Châtellier Marianische Sodalitäten, speziell die Handwerkersodalitäten, Europas begreift, wäre noch weiter zu untersuchen.38 Ein Grundmotiv des bruderschaftlichen Lebens der Frühen Neuzeit, auch der jesuitischen Bruderschaften, war die autoritäre Einmischung seitens weltlicher und geistlicher Herrscher, und so wurden Bruderschaften durch das Trienter Konzil den Ortsbischöfen unterstellt. Genauso erkennbar ist allerdings die Abwehr dieser Autorität durch die Mitglieder, seien es Männer oder Frauen.39 Auch der Anschluss der Marianischen Sodalitäten an die in Rom sitzende Erzbruderschaft zielte auf Zentralisierung, Akkulturation und Standardisierung ab.40 Daher gilt es, den Grad und den Erfolg oder den möglichen Widerstand gegen ebendiese Zentralisierung, Akkulturation und Standardisierung zu ermitteln. Eine weitere wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Frage, ist die nach dem Anteil der männlichen und weiblichen Bruderschaftsmitglieder an der Konfessionalisierung bzw. der Akkulturation tridentinischer Frömmigkeitsformen und Konzepte in die Bevölkerung. Es ist aber leider eine Frage, die kaum zu beantworten sein wird, denn wie misst sich der Anteil der Konfessionalisierung überhaupt? Man kann bestimmte Kriterien aufstellen, um den Grad der Konfessionalisierung der Kölner Bevölkerung und 38 Terpstra, De-institutionalizing Confraternity Studies, S. 275–276; Châtellier, The Europe of the Devout, passim. Dagegen tendiert Schneider dazu, Marianische Sodalitäten als eher elitäre, obrigkeitliche Strukturen unterstützende Bruderschaften anzusehen (Schneider, Bruderschaften im Trierer Land, passim). Ähnlich wie Châtellier beschreibt Dylan Reid die Bruderschaft von der unbefleckten Empfängnis in Rouen. Reid nahm Robert Putnams Studie zu Sozialkapital und bürgerlicher Gemeinschaft im modernen Italien auf, wandte dessen These an, dass in Gegenden Italiens, in denen es eine lange Tradition des ständigen Miteinanders und Austauschs von Menschen in wirtschaftlichen, religiösen, sportlichen und intellektuellen Institutionen, wie z.B. Bruderschaften, gab, der Aufbau regionaler Regierungen in den 1970er Jahren in Italien deutlich erfolgreicher war als in anderen Regionen. Er sieht diese Institutionen als Mittel, um soziales Kapital zu bilden, also etwas, was sich in Vertrauen, Loyalität und Verlässlichkeit niederschlägt (Dylan Reid, Piety, Poetry and Politics: Rouen’s Confraternity of the Immaculate Conception an the French Wars of Religion, in: Black/Gravestock (Hg.), Early Modern Confraternities in Europe and the Americas, S. 151–170; Robert D. Putnam/Robert Leonardi/Raffaella Y. Nanetti, Making democracy work: civic traditions in modern Italy, Princeton, NJ [u.a.] 1993). 39 Eine viel genutzte Möglichkeit, den Zugriff der Ortsbischöfe abzustreifen, war der Anschluss von Bruderschaften an eine römische Zentralstelle, beispielsweise eine Erzbruderschaft (Ebner, Charakteristika des fränkischen Bruderschaftswesens, S. 268). Auch die Kölner Ursulagesellschaft bemühte sich jahrelang, aber letztlich erfolglos, die Einmischungen des Kölner Generalvikars abzuwehren (Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 128–134). 40 Ebner weist darauf hin, dass die Bindung an das römische Vorbild und damit eine Zentralisation und Vereinheitlichung der Bruderschaften ein typisches Merkmal nachtridentinischer Bruderschaften war (Ebner, Charakteristika des fränkischen Bruderschaftswesens, S. 260).
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der Mitglieder der jesuitischen Bruderschaften in Ansätzen zu beschreiben, beispielsweise der Zuwachs des Empfangs der Sakramente, insbesondere des Bußsakraments und der Eucharistie, das Stattfinden von Prozessionen und Wallfahrten und die Teilnahme daran, die Annahme bestimmter Gebete wie des Vierzigstündigen Gebets, die Verehrung (bestimmter) Heiliger, besonders der Jungfrau Maria. Die Frage ist aber, ob und wie man die Zu- oder Abnahme dieser Erscheinungen den Bruderschaftsmitgliedern und/oder den Jesuiten zuschreiben kann; nur innerhalb der Bruderschaften kann dies einigermaßen sicher ermittelt werden. Auch der Zuwachs oder die Abnahme der Mitglieder der Bruderschaften kann ein Hinweis darauf sein, dass die Bevölkerung immer „konfessionalisierter“ wurde, aber auch, dass sie zum Teil ihre Katholizität erst mit dem Beitritt beweisen sollten. Die Abnahme der Mitgliederzahlen kann sowohl ein Hinweis darauf sein, dass die Spiritualität der Bruderschaften insgesamt an Reiz verlor, aber auch, dass die Mitgliederpolitik der Bruderschaften geändert wurde, Konkurrenten in Form neuer Bruderschaften auftauchten oder es interne Streitigkeiten gab, über die die Quellen nicht immer berichten. Eine weitere Frage wäre die nach dem Ausmaß apostolischer Aktivitäten der Bruderschaftsmitglieder oder auch ihrer finanziellen Unterstützung der Jesuiten. Was Letzteres betrifft, stechen nämlich, wie Rutz feststellt,41 die weiblichen gegenüber den männlichen Bruderschaftsmitgliedern hervor. Wie ist dies aber zu interpretieren: Waren die Frauen „konfessionalisierter“ als die Männer? Oder ist die Erklärung darin zu suchen, dass Frauen weitaus weniger Möglichkeiten besaßen, außerhalb eines Haushaltes ein aktives Leben zu führen und die religiöse Betätigung den einzigen Zugang zu einem solchen Leben ermöglichte? Dann wären die Voraussetzungen für den Eintritt in die und das Engagement in der Bruderschaft zwar unterschiedlich, das Ergebnis aber das gleiche, nämlich dass die weiblichen Bruderschaftsmitglieder „konfessionalisierter“ waren als die männlichen. Grundsätzlich stellt sich Frage nach Unterschieden zwischen den einzelnen Bruderschaften und Widersprüchen in den Theorien der Jesuiten und den Wünschen der Bruderschaftsmitglieder. Waren die Mitglieder eher passive Rezipienten oder auch aktive Gestalter des religiösen und organisatorischen Lebens der Bruderschaften?
41 Die in der Kölner Jesuitenkirche begrabenen Wohltäter waren, laut Nekrolog der Jesuiten, überwiegend Frauen, von denen wiederum die meisten als „devotae virgines“ bezeichnet wurden (HAStK, A 25). Allgemein taten sich solche „Devotessen“ oder „Jesuitessen“ als Stifterinnen hervor (Rutz, Weibliches Bildungsmäzenatentum, S. 95–99).
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Die Quellen Die Problematik der Untersuchung liegt – abgesehen von der genauen Interpretation der Ergebnisse – in der Analyse selbst: Wie vergleicht man Bruderschaften bei einer unterschiedlichen Quellenbasis? Und wie sind die Ergebnisse einer vergleichenden Studie zu werten, wenn nur über fünf Bruderschaften der Kölner Jesuiten überhaupt nennenswertes Material vorliegt? Die Quellenlage zu den Kölner Jesuitenbruderschaften ist gut. Nahezu alle ungedruckten Quellen und gedruckten Andachtsbücher entstammen der Feder oder dem engen Umfeld der Kölner Jesuiten. Über die Anfänge der ersten Marianischen Sodalität in Köln informieren vier Jahresberichte sowie Mitgliederverzeichnisse von 1576 bis 1586.42 Der Haken bei diesen Jahresberichten ist, dass sie nicht zur Information des Kölner Kollegs oder der römischen Ordenszentrale dienten, sondern als Briefe an andere Jesuitenkollegien geschickt wurden und als Ermunterung zur Gründung weiterer Marianischer Sodalitäten zu verstehen sind, also als eine Art „Werbebroschüren“. Als solche sind sie denn auch zu behandeln. Nach der Aufsplittung der Marianischen Sodalität in verschiedene Sodalitäten nach 1586 setzt eine Überlieferungslücke ein. Über die Klerikersodalität und die Sodalitas Maior, die später gegründete französische Sodalität und die Soldatensodalität ist über ihre bloße Existenz hinaus praktisch nichts überliefert. 43 Die Todesangstbruderschaft kann immerhin neben einer Liste der verstorbenen Mitglieder von 1758 bis 1764 mit einem Rechnungsbuch aufwarten, das Wohltäter der Bruderschaft, jährliche Spendeneinkünfte und Ausgaben sowie Zinsen der Jahre 1684 bis 1724 nennt und das hinsichtlich der sozialen Struktur und Finanzkraft der Mitglieder ausgewertet werden kann.44 Rechnungsbücher und Mitgliederlisten geben Auskünfte über die soziale und quantitative Mitgliederstruktur der Bruderschaften, wobei allerdings die Gefahr besteht, die entsprechenden Erkenntnisse auch auf Zeiten vor oder nach Beginn der Aufzeichnungen dieser Bücher zu übertragen und so die Möglichkeit und sogar Wahrscheinlichkeit von Veränderungen doch zu übersehen bzw. diese zu überdecken. Zusammen mit Andachtsbüchern, die ebenfalls in erklecklicher Zahl für die Bürger-, Junggesellen- und einige Schülersodalitäten sowie die Ursulagesellschaft, die Todesangst- und die 42 HAStK, Best. 223, A 51; A 52b; A 52. 43 Ein Bruderschaftsbuch der Sodalität der jüngsten Schüler, auch Engelsodalität genannt, ist erhalten, erhält aber neben Satzungen und einem Inventar lediglich die Liste der Mitglieder von 1595 bis 1657 ohne weitere Angaben zur Herkunft der Jungen, was bedeutet, dass es über eine quantitative Erhebung hinaus wenig verwertbare Informationen bietet (HAStK, Best. 223, A 53). Das Gleiche gilt für die Sodalitas Minor (HAStK, Best. 223, A 54). 44 HAStK, Best. 223, A 59b; A 59. Die Todesangstbruderschaft wurde von von Mallinckrodt dahingehend ausgewertet. Auch ein Rechnungsbuch der Arme-SeelenBruderschaft von 1729 bis 1777 ist überliefert (HAStK, Best. 223, A 60).
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Arme-Seelen-Bruderschaft vorliegen, kann bereits ein verhältnismäßig gutes Bild über diese gewonnen werden. Die Auswertung der Mitgliederstatuten, die fast immer in den Andachtsbüchern abgedruckt wurden, sowie der Aufbau und die Aussagen der Texte, Gebete und Erläuterungen geben zumindest Aufschluss darüber, welche Ziele die Jesuiten in ihren Bruderschaften verfolgten, zu welchen Frömmigkeitsformen, Gebeten und Ritualen sie ihre Bruderschaftsmitglieder führen wollten, welchen Bildungsstand diese ihrer Einschätzung nach hatten und wie sich dies im Laufe des Untersuchungszeitraums, also innerhalb von etwa 200 Jahren änderte oder mindestens modifiziert wurde. Der Löwenanteil der Quellen zu den Kölner Jesuitenbruderschaften entstammt nur drei Bruderschaften: der Junggesellensodalität, der Bürgersodalität und der Ursulagesellschaft. Auch hier sind die Quellengattungen durchaus unterschiedlich und erstrecken sich auf begrenzte Zeitabschnitte: Die Junggesellensodalität, die 1610 von der 1608 gegründeten Bürgersodalität abgeteilt wurde, überließ der Nachwelt ein unscheinbares Handbuch, das erst durch den Vergleich mit den Quellen der Bürgersodalität sein Potenzial entfalten kann. Das Bruderschaftsbuch der Junggesellensodalität wurde von den betreuenden Jesuitenpatres 1637 bis 1740 geführt und enthält Listen der amtierenden Vorstände und von Wohltätern, Regeln der Vorstandsmitglieder sowie Gebräuche der Sodalität. Die Patres nahmen Veränderungen der Regeln und Statuten auf und hinterließen ausführliche Randnotizen und Einschübe, in denen sie ihre Nachfolger im Amte auf Probleme, nicht funktionierende Regeln und Reibungspunkte mit den betreuten Sodalen und den Vorstandsmitgliedern hinwiesen, die das Bruderschaftsleben sehr lebhaft darstellen. Aufschlussreicher werden die Randglossen aber, wenn man sie mit der wahrscheinlich singulären Quelle der Bürgersodalität vergleicht: das Annalenbuch, das seit 1908 und bis 2008 verschollen war und daher von der Forschung nicht direkt ausgewertet werden konnte.45 Das beinahe 900 Seiten starke Buch beinhaltet eine Vielzahl von Informationen. Es wurde auf Initiative des Jesuitenpaters Adam Kasen, der die Sodalität mit Unterbrechung von 1636 bis 1656 leitete, um 1643 angelegt.46 Nachträglich auf unbekannter Quellenbasis wurden die Jahresberichte von 1608 bis 1643 verfasst sowie (unvollständige) Listen der eingetretenen Mitglieder, der Vorstände und die zum Teil mehrmals abgeänderten Regeln der Beamten aufgenommen. Der Stil ist eher erbaulicher Natur, kritische Reflexion ist nicht zu finden, trotzdem sind viele Informationen zum Bruderschaftsleben zu entnehmen. Die geplante Weiterführung der Jahresberichte wurde aber nicht einmal von Kasen selbst nach 1643 betrieben, sondern erst 1708/1709 und dann ab 1712 von seinen Nachfolgern P. Hermann Steinsieck und P. Caspar Reuter. Reuter schrieb 1712 45 AEK, AKB 1. 46 AEK, AKB 1, S. 880.
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bis 1735 alle Jahresberichte nieder und trug noch Informationen zum späten 17. Jahrhundert auf der Grundlage von Diarien seiner Vorgänger nach. Seine und Steinsiecks Jahresberichte legen sehr offen die Schwierigkeiten dar, die beide Patres mit ihren widerspenstigen Sodalen und besonders mit ihren Vorständen hatten. Sogar Konflikte mit den eigenen Vorgesetzten wurden, wenn auch vorsichtig, angerissen. Ein tagebuchartiger Charakter ist ihnen nicht abzusprechen; wenig Ähnlichkeit zeigen sie mit den formalisierten Jahresberichten, die jede Niederlassung und Provinz des Jesuitenordens weltweit abfassen und nach Rom senden mussten. Reuters Nachfolger wiederum trugen nur sporadisch Notizen ein. Listen der Vorstandsmitglieder und der eintretenden Mitglieder hingegen sind beinahe lückenlos bis 1773 bzw. 1778 erhalten. Das vielfältige Material ermöglicht eine breit angelegte und vergleichende Untersuchung der Bürgersodalität und der Junggesellensodalität. Die Mitgliederlisten der Bürgersodalität können quantitativ und qualitativ ausgewertet werden, letztere allerdings nur mit gewissen Einschränkungen: Die Mitgliederlisten enthalten nur die latinisierten Vornamen und die Nachnamen der Mitglieder, keine Hinweise auf die Wohnungen oder das Handwerk oder die verwandtschaftlichen Beziehungen der Sodalen. Es ist also nicht ohne Weiteres möglich, Aussagen zur topographischen Verteilung der Sodalen innerhalb der Stadt Köln, zu ihrer Herkunft und Finanzkraft, ihrem sozialen Status und ihrer Vernetzung in der Kölner Gesellschaft und Politik, also beispielsweise mit dem Rat der Stadt, den Gaffeln als politischer Organisation der Handwerker, mit anderen Bruderschaften etc. zu machen. Erst eine Aufnahme des Namenmaterials in Datenbanken und ein Abgleich mit gedrucktem und ungedrucktem Material wie dem Ratsherrenverzeichnis, den Neubürgerlisten und dem Bestand „Testamente“ des Kölner Stadtarchivs könnte solche Informationen ans Licht bringen.47 Und hier zeigt sich eine Problematik einer solchen Untersuchung: Die Bemühungen sind insbesondere mit Hinblick auf die verschiedenen Schreibweisen von Namen in der frühen Neuzeit nicht nur zeitraubend, es ist auch schwierig abzuwägen, wie aussagekräftig diese Untersuchung tatsächlich wäre, weil frühneuzeitliche Listen tückisch sind; so sind auch die Neubürgerlisten nicht gänzlich zuverlässig: Die Edition suggeriert eine Einheitlichkeit der Verzeichnung der Neubürger, die es so nicht gibt. Das Register bietet, etwas künstlich nach Herkunftsort der neuen Bürger sortiert, nur einen unpraktischen Zugriff auf das Material. Da auch, ohne dies kenntlich zu machen, Informationen aus den Kölner Schreinsbüchern enthalten sind, ist nicht klar, ob sich das jeweils angegebene Datum auf den 47 HAStK, Best. 110a bis 110z; Herbert Schleicher, Ratsherrenverzeichnis von Köln zu reichsstädtischer Zeit von 1396 – 1796, Köln 1982; Hugo Stehkämper (Bearb.), Kölner Neubürger 1356–1798, Bd. 1–4 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 61–64), Köln 1975–1983.
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Tag der Einbürgerung oder des im Schreinsbuch verzeichneten Häuserkaufs bezieht. Bei der Edition der Neubürgerlisten wurden die Informationen, die in den zugrunde liegenden Bürgerbüchern vorhanden waren, nicht vollständig übernommen, sondern erheblich gekürzt auf Namen und zum Teil Beruf. Die Personen sind daher gar nicht eindeutig auszumachen. Da die Mitgliederlisten der Bürgersodalität selbst zudem außer dem bloßen Namen keine weitere Information zur Person geben, fällt es schwer, die entsprechenden Personen überhaupt identifizieren zu können.48 Die Testamente zudem sind aufgrund des Einsturzes des Kölner Stadtarchivs auf unbestimmte Zeit nur als Mikrofilme an Lesegeräten mit entsprechendem Aufwand einsehbar. Ein enormer Aufwand steht also einem letztlich nicht genauer spezifizierbaren Nutzen entgegen: Wie stellt man fest, wer ein „Ioannis Schmidten“ aus der Mitgliederliste überhaupt war? In den Neubürgerlisten könnte ein Johann/ Johannes/Hans/Hennes etc Schmidt/ Schmitt/Schmitz auftauchen. Und woher kann man wissen, ob es sich bei den Namen nicht um den Vater, den Sohn, einen anderen Verwandten oder gar einen gänzlich anderen Mann handelt? Und was sagt es uns, wenn er in den Neubürgerlisten, den Ratsherrenlisten, den Testamenten nicht oder nicht eindeutig zuzuordnen ist? Gewinnbringender erscheint da schon das ungleich geringere Namensmaterial der Vorstände der Bürgersodalität, das zudem schon Anmerkungen zu etwaigen Zugehörigkeiten zum Rat der Stadt Köln enthält. Auch die Auswertung der Vorstandslisten sowohl der Bürger- als auch der Junggesellensodalität ohne Abgleich mit fremden Namensmaterial und nur mit Blick auf die Vergabe der Posten an unterschiedliche oder eben sich immer wiederholende Personenkreise und Angaben zur Ratszugehörigkeit ist schon erfolgversprechend: Welche Männer aus welchen Netzwerken bewarben sich um die Vorstandsämter der Sodalität? Wie verliefen Karrieren innerhalb der Sodalitäten, wenn es denn solche gab? Nimmt man dann noch die normativen Vorgaben zur Wahl ebendieser Beamten und ihrer Aufgaben- und Kompetenzverteilung aus den Bruderschaftsbüchern hinzu, nähert man sich den interessanten Fragen der Konfessionalisierungs- und Fraternalisierungsforschung an, wie sich Kölner Laien der Frühen Neuzeit in den Marianischen Sodalitäten organisierten oder wie sie organisiert wurden. Welchen Anteil die Sodalen selbst daran hatten, wie verschiedene Sodalen in die Organisation und Ausrichtung der Sodalität eingreifen oder diese mitgestalten konnten. Wie die Kommunikation zwischen den Sodalen, den Vorständen und den Jesuitenpatres aussehen sollte, ob die Sodalen kontrolliert und bestraft wurden und, wenn ja, von wem und in welchem Ausmaß. 48 Eine direkte Kritik der Neubürgerlisten gibt es nicht, lediglich der Einleitung Stehkämpers und dem Aufsatz Deeters’ kann man bestimmte problematische Punkte entnehmen (Stehkämper, Kölner Neubürger, Bd. 1); Joachim Deeters, Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln seit 1396, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 104 (1987), S. 1–83, passim.
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Kontrollierten sie sich gegenseitig oder waren die Jesuiten selbst die Kontrolleure? Welche Bereiche des bruderschaftlichen Lebens wurden durch die Vorstandsmitglieder oder die Jesuiten kontrolliert und welche nicht? Die Quellen der Ursulagesellschaft unterscheiden sich wieder deutlich von der Junggesellen- und der Bürgersodalität. Zunächst einmal entstammen nicht alle Quellen jesuitischer Feder, sondern einige der Provenienz des Kölner Generalvikariats und der Ursulagesellschaft selbst, wenn auch die Schreiber selbst nicht bekannt sind.49 Die Kölner Ursulagesellschaft wurde nach heftiger Gegenwehr 1646 zwangsweise durch den Kölner Generalvikar reformiert, wobei bislang unbekannt ist, welche Rolle die Kölner Jesuiten in dieser Phase spielten. Glücklicherweise sind sowohl allgemeine Statuten für die Mitglieder als auch Regeln der Beamten in mehreren Entwicklungsstufen von 1612 bis 1649, also über die Zwangsreform hinaus, sowie ein ca. 1649 angelegtes Mitgliederverzeichnis von 1606 bis 1791 überliefert.50 Der exakte Vergleich der verschiedenen Entwicklungsstufen der Statuten und der Beamtenregeln miteinander und mit denen der Junggesellen- und der Bürger sodalität kann stabile Aussagen zur inneren Entwicklung der Bruderschaften besonders in den Anfängen ihrer Existenz und ihres Wirkens in der Kölner Gesellschaft und ihren Einfluss aufeinander geben. Bereits an dieser Stelle wird klar, dass die Quellen keine vollständige Untersuchung des Bruderschaftswesens der Kölner Jesuiten erlauben, sondern nur fragmentarische, sachlich z.T. unterschiedliche Untersuchungen einzelner Bruderschaften in begrenzten Zeitabschnitten. Aufschlussreich dürften die Untersuchungen von P. Klaus Schatz SJ zu den Marianischen Sodalitäten im Rahmen seines vierbändigen Werks über den Jesuitenorden in deutschsprachigen Ordensprovinzen des 19. und 20. Jahrhunderts sein. Im 19. Jahrhundert baute der wiedererstandene Jesuitenorden das Sodalitätswesen aus, ließ Frauen als Mitglieder von Frauensodalitäten zu, obwohl die Jesuiten sich auch in diesen zwei Jahrhunderten bewusst weniger den Frauen zuwandten.51 Marianische Sodalitäten konnten an nicht-jesuitischen Institutionen gegründet und vom Weltklerus betreut werden. Auf diese Weise wurde das Sodalitätswesen erst im 19. Jahrhundert zu einem echten Massenphänomen. Sicherlich wird man der Untersuchung auch für die Frühe Neuzeit zahlreiche Anregungen und Ideen entnehmen können, die die Quellen dieser Epoche nicht bieten können. 49 Bis auf eine Quelle (AEK, PfA Ursula, A II 45) wurden alle Quellen der Ursulagesellschaft von Anne Conrad ausführlich vorgestellt (Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 110–113). 50 AEK, PfA Ursula, A II 10; AEK, PfA Ursula, A II 45; HAStK,, Best. 295, A 222; Rutz, Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln. 51 An dieser Stelle sei P. Schatz SJ gedankt, der diese Auskünfte erteilte. Sein Werk wird voraussichtlich 2014 pünktlich zum 200jährigen Jubiläum der Wiedererrichtung des Ordens erscheinen.
Gehören Beginen zum „Semireligiosentum“? Laienfrömmigkeit und Ordensideale von Nicole Priesching Die Geschichte der Beginen scheint sich für eine Perspektive weiblicher Religiosität zwischen Kloster und Welt geradezu anzubieten. Schon die umfänglichen Forschungsarbeiten über Beginen im Spätmittelalter scheinen meist auf der Vorstellung zu basieren, dass eine vita religiosa von Frauen außerhalb des approbierten Ordenswesens ein Problem war. Sie scheinen weder den Religiosen noch den Laien zugeordnet zu sein und stören somit die Ordnung einer spätmittelalterlichen Gesellschaft. Erscheint ihre Situation somit bereits strukturell als prekär, so wird dieser Eindruck noch verschärft, indem ihnen eine Anfälligkeit gegenüber Häresien unterstellt wurde oder sie doch zumindest für den zeitgenössischen Argwohn in dieser Hinsicht prädestiniert erschienen. „Diese Deutung, nach der die ‚Nichtintegrierbarkeit‘ das Wesensmerkmal ordensungebundener religiöser Lebensformen darstellte, wurde in den 1960er und 1970er Jahren vor allem von der häresiegeschichtlichen Forschung aufgenommen und sowohl durch übergreifende Studien als auch durch Falluntersuchungen amerikanischer, deutscher und französischer Wissenschaftler auf das Beginenwesen des 14. und 15. Jahrhunderts übertragen.“1 Bestätigung fand dieses Bild in der Vorstellung, dass das Konzil von Vienne (1311/12) eine umfassende Verfolgungswelle der Beginen in den Diözesen nördlich der Alpen nach sich gezogen hätte. Ferner seien in den 1360er Jahren erneut inquisitorische Maßnahmen gegen Beginen ergriffen worden, diesmal von der Kurie und vom Kaiser. Dieser weitgehend in allen Darstellungen zu Beginen übernommenen Vorstellung hat jüngst Jörg Voigt in seiner bahnbrechenden Arbeit „Beginen im Spätmittelalter“ überzeugend widersprochen. Nach Voigt etablierte sich im frühen 13. Jahrhundert eine unregulierte vita religiosa, die vom Ordens- und Weltklerus gefördert wurde. Im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts breiteten sich diese mulieres religiosae weiter 1
Jörg Voigt, Beginen im Spätmittelalter. Frauenfrömmigkeit in Thüringen und im Reich (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Bd. 32), Köln u.a. 2012, S. 4f. Zu nennen sind hier: Gordon Leff, Heresy in the Later Middle Ages. The Relation of Heterodoxy to Dissent c. 1250–c.1450, Manchester 1967; Robert E. Lerner, The heresy of the Free Spirit in the Later Middle Ages, Berkeley/Los Angeles/London 1972; Alexander Patschovsky, Straßburger Beginenverfolgungen im 14. Jahrhundert, in: DA 30 (1974), S. 56–198; Jean-Claude Schmitt, Mort d’un hérésie. L’Église et les clercs face aux béguines et aux béghards du Rhin supérieur du XIVe au XVe siècle, Paris 1978; Richard Kieckhefer, Repression of Heresy in Medieval Germany, Liverpool 1979.
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aus. Erstmals wurde für sie die Bezeichnung „Begina“ verwendet. 2 Die Bemühungen Jakob von Vitrys, die mulieres religiosae nach dem 4. Laterankonzil (1215) in das Kirchensystem zu integrieren, blieben ohne greifbare Auswirkungen.3 Dies war auch gar nicht nötig, da die Lebensweise dieser Frauen gerade unter Reformklerikern großen Anklang fand. Die Annahme Grundmanns, dass fast alle „religiösen Bewegungen des Mittelalters (...) ihren Niederschlag in religiösen Orden oder häretischen Sekten gefunden haben“ ist nach Voigt zu modifizieren.4 Beides war parallel möglich, die Gründung von reinen Frauenorden und die Entstehung des Beginenwesens. Eine Verfolgung der Beginen habe im 14. Jahrhundert nicht stattgefunden, denn die Normen des Konzils von Vienne seien nachweislich im Hinblick auf die Beginen nicht umgesetzt worden. Deshalb ist auch die Transformation mancher Beginen in Drittordensgemeinschaften5 nicht als Schutzmaßnahme zu deuten.6 Die Beginen standen nicht unter latentem Häresieverdacht. Ihre Lebensform ist vielmehr Ausdruck einer generellen Ausdifferenzierung religiöser Lebensformen für Frauen und Männer seit dem 13. Jahrhundert. Es war für Frauen im Spätmittelalter also durchaus möglich, eine vita religiosa zu führen, ohne einem Orden anzugehören.7 Gilt das auch für die Frühe Neuzeit? Auch hier scheint die Betrachtung der Vielfalt weiblicher religiöser Lebensentwürfe auf den ersten Blick von einem Konzil abzuhängen: Das Konzil von Trient (1545–1563)8. So führt Gisela Muschiol aus, dass es davor noch eine vielfältige Ordenslandschaft gegeben habe, und „nicht zuletzt gab es auch an der Wende zum 16. Jahrhundert noch Beginengemeinschaften, vor allem im niederdeutschen und niederländischen Raum und im Rheinland.“9 Einige Frauenklöster überlebten auch die 2 Voigt, Beginen im Spätmittelalter, S. 44. 3 Ebd., S. 436f. 4 Ebd., S. 437. 5 „Terziarinnen- oder Terziarenvereingungen, die sogenannten ‚Dritten Orden‘ (lat. ‚tertius ordo‘), sind von ihrem Ursprung her Laienvereinigungen für Männer und Frauen und als solche eng mit den entsprechenden männlichen (Ersten) und weiblichen (Zweiten) Orden verbunden. Zielsetzung dieser seit dem 12. Jahrhundert entstehenden Gemeinschaften war die Verwirklichung monastischer Ideale im weltlichen Leben, begleitet von barmherzigen, meist sozial-karitativen Werken“ (Andreas Rutz, Bildung-Konfession-Geschlecht. Religiöse Frauengemeinschaften und die katholische Mädchenbildung im Rheinland, 16.–18. Jahrhundert, Mainz 2006, S. 169). 6 Voigt, Beginen im Spätmittelalter, S. 440–443. 7 Ebd., S. 447. 8 Zum Konzil von Trient im Überblick: Klaus Schatz, Allgemeine Konzilien – Brennpunkte der Kirchengeschichte, Paderborn 1997. 9 Gisela Muschiol, Die Reformation, das Konzil von Trient und die Folgen. Weibliche Orden zwischen Auflösung und Einschließung, in: Anne Conrad (Hg.), „In Christo ist weder man noch weyb“. Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 59), Münster 1999, S. 172–198, 178.
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Reformation, wobei ihr Beitrag für die anschließende katholische Konfessionalisierung noch nicht erfasst sei. Mehr Aufmerksamkeit erfuhren hingegen die neu gegründeten Frauengemeinschaften im 16. und 17. Jahrhundert.10 Diese grundlegenden Hinweise zum Forschungsstand gelten immer noch. Die Beginenforschung ist in der Frühen Neuzeit noch nicht wirklich angekommen. Eine Einordnung in das Spektrum weiblicher Religiosität steht noch aus. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Perspektive eines „Semireligiosentums“11 als Sammelbegriff für weibliche religiöse Lebensentwürfe zwischen Kloster und Welt, ausgehend von neuen Frauengemeinschaften wie Ursulinen oder „Jesuitinnen“12. Inwiefern Beginen dazu gehören, ist unklar. Und auch der Begriff „Semireligiosentum“ selbst ist mittlerweile in die Kritik geraten.13 Er 10 Wegweisend ist hier vor allem Anne Conrad, Zwischen Kloster und Welt. Ursulinen und Jesuitinnen in der katholischen Reformbewegung des 16./17. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 142), Mainz 1991. 11 Als Forschungsbegriff wurde „semireligios“ (nicht zu verwechseln mit „semi religiös“) zunächst für mittelalterliche Gemeinschaften verwendet. Vgl. Kaspar Elm, Die Stellung der Frau in Ordenswesen, Semireligiosentum und Häresie zur Zeit der heiligen Elisabeth, in: Sankt Elisabeth. Fürstin, Dienerin, Heilige, hg. v. der Philipps-Universität Marburg, Sigmaringen 1981, S. 7–28. Der Begriff soll jene bezeichnen, die dem Ordensstand nur „halb“ in ihrer Lebensweise entsprachen. Es geht im Grunde um eine vita religiosa außerhalb des approbierten Ordenswesens. 12 Als „Jesuitinnen“ bezeichnet Anne Conrad Frauengemeinschaften, die sich nach dem Vorbild der Jesuiten organisierten. Vgl. Anne Conrad, Semireligiosentum und Laienspiritualität. Perspektiven jesuitischer Frauengemeinschaften in der Frühen Neuzeit, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 27 (2008), S. 137–152, 138f. Das bekannteste Beispiel ist die von Mary Ward 1610 gegründete Gemeinschaft der Englischen Fräulein. Trotz der Initiativen von Frauen und einzelnen Jesuiten, einen weiblichen Zweig zu gründen, blieben die Jesuiten in der Frühen Neuzeit ein reiner Männerorden. Insofern spiegelt der Begriff „Jesuitinnen“ einerseits das Selbstverständnis der Frauen im Sinne einer Utopie wider. Andererseits wehrten sich auch Frauengemeinschaften, wie die Katharinenschwestern in Brüssel 1629, als „Jesuitinnen“ bezeichnet zu werden (vgl. ebd., S. 144). Nachdem die Kongregation De Propaganda Fide 1628 in einem Dekret die „Jesuitissae“ – gemeint waren die Englischen Fräulein – grundsätzlich verboten hatte, wurde dieser Begriff zum Häresiebegriff, von dem man sich besser abgrenzte. Der Begriff bezeichnet also je nach Kontext Unterschiedliches und ist nur mit großer Vorsicht zu verwenden. 13 Im Fokus dieser großen Erzählung stehen Frauengemeinschaften wie die Ursulinen, die Congrégation de Notre-Dame, die Englischen Fräulein und die Katharinenschwestern. Sie werden häufig als „semireligiose Frauengemeinschaften“ zusammengefasst, das heißt weder dem Kloster noch der Welt ganz zugehörig, eine Art Mittelposition. Ob dieser Begriff freilich ihr Selbstverständnis trifft, ist fraglich. Ihre Lebensform war für sie kein Kompromiss und auch nichts „Halbes“. Insofern besteht in diesem Begriff die Gefahr einer latenten Abwertung. Gleichzeit ebnet er die Vielfalt religiöser Lebensentwürfe für Frauen auf eine „Dreiheit“ ein: Kloster, Welt und „Dazwischen“. Dies wirft Fragen nach einer angemessenen Bewertung der Frömmigkeit von Laien auf, die in unterschiedlichen Formen (Bruderschaften, Dritte Orden, Gebetsvereinigungen etc.) am kirchlichen Leben Anteil nahmen. Auch sie leisteten einen Beitrag zur katholischen Reform. Auch hier war eine vita
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wird auch hier in kritischer Distanz verwendet, um sich dem grundlegenden Problem von Zuordnungen eines äußerst vielfältigen weiblichen Religiosentums anzunähern. Viele im 16. Jahrhundert entstandene neue Frauengemeinschaften brachten wieder mehr Vielfalt in das Spektrum religiöser Lebensformen. Sie grenzten sich in ihrer Gründungsphase deutlich von den traditionellen Orden ab und suchten „nach einem zeitgemäßen Neuanfang innerhalb der katholischen Kirche“14. Zeitgemäß meint in diesem Zusammenhang ein apostolisches Wirken in der Welt, wie es besonders der Reformorden der Jesuiten verkörperte. Dies ließ sich jedoch nicht mit der Vorstellung einer Klausur15, wie diese in kontemplativen Orden umgesetzt wurde, verbinden. Und genau hier setzt die Bedrohung durch das Konzil von Trient ein, das den Frauen wieder die Klausur einschärfte. „Nach einem Beschluß des Konzils von Trient (1545–1563) und einer Verfügung von Pius V. von 1566 war der Zusammenschluß von Frauen zu einem Orden mit feierlichen Gelübden nur unter der Voraussetzung der strengen Klausur möglich. Indem man nun die Frauen mit mehr oder weniger großem Druck dazu nötigte, die feierlichen Gelübde abzulegen, zwang man sie indirekt auch dazu, die Klausur anzunehmen.“16 Es folgt ein Selbstbehauptungskampf einzelner Frauengemeinschaften, manche führten bereits die Bezeichnung „Kongregation“17, die versuchten, die Klausurvorschrift zu umgehen. „Den selbstbewußtesten religiosa möglich, die weder Kongregation noch Orden, aber dennoch eine religiöse Lebensform darstellte. Die Beginen sind hier ein wichtiges Beispiel. 14 Conrad, Zwischen Kloster und Welt, S. 6. 15 Der Begriff Klausur umfasst mehrere Ebenen. Auf einer asketisch-mystischen Ebene bedeutet Klausur einen „Vorort des Himmels, Gemach für die innig ersehnte Vermählung mit Gott. Damit verbunden ist ihre Nebenbestimmung als Schauplatz des geistlichen Kampfes. Klausur als Ort der Freiheit vor der Versklavung [durch die Sünde, N.P.] und Ablenkung, die die Welt immer wieder fordert“ (Alkuin Schachenmayr, Die Klausur in der Benediktsregel, im historischen und im geltenden Kirchenrecht, in: Analecta Cisterciensa 61 (2011), S. 3–8, 3). Die konkrete Umsetzung dieses spirituellen Verständnisses von Klausur führte u.a. zu baulichen Maßnahmen wie Gitter und Scheidewand in Klöstern. Hinzu kommen rechtliche Bestimmungen, die regeln, wann ein „Klausurbruch“ vorliegt. Die Observanz der Klausur wurde ein wichtiges Kriterium für Reformen in Klöstern. Zu unterscheiden ist also auch der Bereich der Norm von der Praxis, auch wenn diese beiden Ebenen miteinander in enger Beziehung stehen. 16 Anne Conrad, Ordensfrauen ohne Klausur? Die katholische Frauenbewegung an der Wende zum 17. Jahrhundert, in: Feministische Studien. Zeitschrift für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung 5/1 (1986), S. 31–45, 38. 17 Zum Beispiel die Congrégation de Notre-Dame, gegründet von Alix Le Clerc (1576–1622) und Pierre Fourier (1565–1640) in Lothringen. Es handelt sich um Augustiner-Chorfrauen. Hier meint Kongregation einfach „Zusammenschluss“. Im Mittelalter kannte man Kongregationen als Zusammenschlüsse mehrerer Klöster zu Verbänden. In der Frühen Neuzeit bekommt der Begriff über solche Frauengemeinschaften allmählich eine neue Bedeutung. Hier entwickelte sich das, was dann im 19. Jahrhundert als Frauenkongregation gelten kann.
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und konsequentesten Widerstand leisteten dabei die Englischen Fräulein.“18 Allerdings endete dieser Widerstand mit erzwungener Umwandlung oder Untertauchen. „Erst im 18./19. Jahrhundert wurde die neue Ordensform der ‚Kongregationen‘ ohne Klausur zum Zweck des Apostolats für Frauen wieder populär und kirchenamtlich gutgeheißen.“19 Wieder erscheint die ‚Nichtintegrierbarkeit‘ als Wesensmerkmal ordensungebundener religiöser Lebensformen. Wieder ist zu fragen, wie ein Konzil, das Konzil von Trient, auf das Problem der kirchenrechtlichen Zuordnungen reagiert hat und wie das Konzil dann in dieser Hinsicht rezipiert wurde. Aus der Perspektive der Geschichte des weiblichen Religiosentums in der Frühen Neuzeit stellt sich die Frage nach dem Einfluss des Konzils vom Ergebnis her: Lassen sich die zu beobachtenden Verklösterlichungstendenzen in einzelnen Gemeinschaften auf den Außendruck in Folge des Konzils zurückführen oder gibt es – wie auch im Falle von Vienne – andere Erklärungen? Im Hinblick auf die Beginen ist zu fragen, inwiefern diese von den Entwicklungen der Frauenkongregationen überhaupt erfasst wurden oder nicht. Bevor näher auf das Verhältnis von Beginen und andere Formen weiblichen Religiosentums ohne ordo eingegangen werden soll, sind einige Bemerkungen zu den Beginen in der Frühen Neuzeit selbst zu machen.
Beginen in der Frühen Neuzeit – ein Forschungsdesiderat Das Beginenwesen in der Frühen Neuzeit gehört zu den Forschungsdesideraten. Die meisten Studien über Beginen hören im Spätmittelalter auf.20 Es ist zwar bekannt, dass einige ihrer Häuser sowohl die (angeblichen) Verfolgungen im Spätmittelalter als auch die Stürme der Reformation überlebt haben müssen, denn in der einen oder anderen Stadt gab es ja nachweislich weiterhin Beginen. Aber diese Beginen der Frühen Neuzeit erscheinen wie Relikte einer großen Vergangenheit. Es fehlt eine Einordnung in ihre Zeit. Das würde vor allem bedeuten, die Beginen in die Zusammenhänge des Konfessionalisierungsprozesses einzuordnen.21 18 Conrad, Ordensfrauen ohne Klausur?, S. 41. 19 Ebd., S. 41. 20 Dies gilt nicht für das Beginenwesen in Belgien und Holland, das hier nicht berücksichtigt wird. Erste Zugänge bietet Pascal Majérus, Ces femmes qu’on dit béguines ..., guide des béguinages de Belgique, bibliographie et sources d’archives (Introduction bibliographique à l’histoire des couvents Belges antérieure à 1796, 9), Brüssel 1997. 21 Gegen das Konfessionalisierungsparadigma wurden einige Einwände vorgebracht. So forderte Anton Schindling 1997, die Konfessionalisierungsforschung müsse um einen wahrnehmungs- und erfahrungsgeschichtlichen Ansatz erweitert werden. Sonst werde Religion funktionalistisch (reduktionistisch) in die Gesellschaft eingeführt. Außerdem werden beim Ansatz von Reinhard/Schilling bisher Huma-
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Im Unterschied zum Mittelalter ist für die Zeit nach der Reformation Folgendes grundsätzlich zu beachten: Das Alte Reich war in der Frühen Neuzeit konfessionell gespalten. Frank-Michael Reichstein hat in seinem Buch „Das Beginenwesen in Deutschland“ eine Tabelle erstellt, in welcher Beginenkonvente nach Orten aufgeführt sind, jeweils mit Erstnennung und Letztnennung22. Auch wenn diese Tabelle teilweise sachlich fehlerhaft und keinesfalls zuverlässig ist, so kann sie als Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen und Überprüfungen dienen. Versucht man, die bei Reichstein aufgeführten Orte nach ihrer Konfessionszugehörigkeit zu untersuchen, ergibt sich folgendes Bild: In 53 Fällen sind die Orte katholisch oder überwiegend katholisch, in 31 Fällen evangelisch oder überwiegend evangelisch. In 9 Fällen ist das Verhältnis paritätisch oder die Mehrheit stark wechselnd. Auch wenn es freilich Unterschiede im Konfessionalisierungsgrad der einzelnen Regionen gab, auch wenn man Entwicklungen und Schwankungen jeweils berücksichtigen muss, der grundsätzliche Befund ist eindeutig: Es ist damit zu rechnen, dass es sowohl in katholischen als auch in evangelischen Städten Beginen gab. Zumindest kann dies nicht von vorne herein ausgeschlossen werden. Die folgenden drei Beispiele sollen die Verflechtung der Beginen in die konfessionelle Lage des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation verdeutlichen: die katholische Stadt Bamberg, die evangelische Stadt Minden und die Beginen in der evangelischen Stadt unter einer katholischen Fürstäbtissin in Essen.
nismus und Mystik vernachlässigt. Vgl. Anton Schindling, Konfessionalisierung und Grenzen der Konfessionalisierbarkeit, in: Ders./Walter Ziegler (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650, Bd.7: Bilanz – Forschungsperspektiven – Register (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 57), Münster 1997, 9–44. Andreas Holzem unterstützte 1999 die Forderung Schindlings. Auch sei die Fixierung auf Staat und Kirche aufzugeben. Holzem plädiert stattdessen für ein Schnittmengenmodell, welches die Rollen von Staat, Kirche und Gemeinde für den jeweiligen Wandel ausleuchtet. Das Szenario müsse ergebnisoffen sein, d.h. die Modernisierung als Leitkategorie innerhalb der Konfessionalisierungstheorie müsse aufgegeben werden. Solche Modifikationen des Konfessionalisierungsansatzes wären dementsprechend auch in der Beginenforschung zu berücksichtigen. Vgl. Andreas Holzem, Die Konfessionsgesellschaft. Christenleben zwischen staatlichem Bekenntniszwang und religiöser Heilshoffnung, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 110 (1999/1), S. 53–85 sowie Ders., Religion und Lebensformen. Katholische Konfessionalisierung im Sendgericht des Fürstbistums Münster 1570–1800 (Forschungen zur Regionalgeschichte 33), Paderborn 2000. 22 Frank-Michael Reichstein, Das Beginenwesen in Deutschland, Studien und Katalog (Wissenschaftliche Schriftenreihe Geschichte 9), Berlin 2001, S. 374–378 (Vergleichende Aufstellung von Beginenkonventen).
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Beginen in Bamberg Christina Festerling hat in ihrer 2005 eingereichten Dissertation über „Schwesternhäuser in Bamberg (13.–19. Jh.) Möglichkeiten und Grenzen weiblicher Lebenserfahrung“ den Versuch unternommen, die Beginengemeinschaften in Bamberg in einer longue durée Perspektive aufzuarbeiten, denn das Besondere des Beginenwesens in Bamberg ist, dass fünf der aus dem Mittelalter stammenden Gemeinschaften sich bis ins 19. Jahrhundert behaupten konnten und eine weitere, das sogenannte Stahlsche Schwesternhaus, erst 1651 gegründet wurde.23 Das 1651 gegründete Stahlsche Schwesternhaus in Bamberg besitzt einen Stiftungsbrief24, aus dem etwas zu den Aufnahmebedingungen der Frauen hervorgeht. Sie sollten zwar vermögend sein, aber auch Frauen ohne Vermögen sollten ausdrücklich die Möglichkeit einer Aufnahme bekommen. Die Person sollte geprüft und in ihrem Lebenswandel als geeignet erscheinen, „Gott in ewiger Keuschheit zu dienen“. Zudem sollte sie gesund sein.25 Sie sollte in der Krankenpflege aktiv sein. Und sie sollte selbstverständlich für die Stifterin beten. Frauen aus der Verwandtschaft und Freundschaft der Stifterin waren bei gleicher Eignung zu bevorzugen.26 Der Hinweis auf eigene Gesundheit und Aktivität in der Krankenpflege zeigt, dass diese Beginen 23 Christina Festerling, Schwesternhäuser in Bamberg (13.–19. Jahrhundert). Möglichkeiten und Grenzen weiblicher Lebenserfahrung, Diss. Bamberg 2005 (masch.). Zur Gesamtentwicklung der Beginen in Bamberg: Vom 13. bis zum 16. Jahrhundert wurden hier Schwesterngemeinschaften gegründet und aufgelöst. Der Gründungsboom lag in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in der zweiten Hälfte werden sogar noch etwas mehr Häuser gegründet, aber fast ebenso viele auch aufgelöst, danach wenig Gründungen und Auflösungen. Im gesamten 16. Jahrhundert übersteigen dann die Auflösungen die Gründungen. Hier ist also ein Rückgang festzustellen, wenngleich kein Verschwinden (vgl. ebd., S. 216). Das Beispiel Bamberg bestätigt den Trend, dass Beginengemeinschaften im gesamten Spätmittelalter zurückgingen. So betont Festerling, dass „die immer wieder für das Verschwinden verantwortlich gemachte Reformation als singuläres Ereignis“ ausscheidet, denn bereits im 15. Jahrhundert gab es immer weniger Beginengemeinschaften und die Zahl der Auflösungen übertraf die Zahl der Neugründungen. Das 16. Jahrhundert habe also einen längeren Trend verstärkt (ebd., S. 221). 24 „Das Testamentswerk der Margarethe Stahl besteht aus dem eigentlichen Stiftungsbrief des Schwesternhauses vom 24.3.1651, einem Zusatz vom 8.11.1655, einem von dem Notar M. Sebastian Reusch beglaubigten „Einlegzettel“ vom 5.12.1655, einem von 7 Zeugen bestätigten und dem Notar Nicolaus Reiblein beurkundeten Testament vom 21.5.1657, einem von demselben Notar beglaubigten Nachtrag vom 20.3.1664 und einem vom Notar Johann Jakob Textor beglaubigten Nachtrag vom 28.5.1664, außerdem einer letztwilligen Verfügung, die am 26.3.1651 von Fürstbischof Melchior Otto Voit von Salzburg, am 27.10.1659 von Fürstbischof Philipp Valentin Voit von Rieneck und am 22.2.1696 von Fürstbischof Lothar Franz Grafen von Schönborn bestätigt wurde. StadtA, B 12, Nr. 96“ (ebd., S. 262, Anm. 94). 25 Ebd., S. 321f. 26 Ebd., S. 333.
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kein Versorgungsinstitut für alte und kranke Frauen sein sollten. Sie wurden vielmehr selbst eingebunden in die städtische Caritas. Die Fürbitte für die Stifterin gehört zur traditionellen katholischen Stiftungsfrömmigkeit. Für das 17. und 18. Jahrhundert existieren nur sehr wenige Hinweise über die Motivationen der Anwärterinnen. Aus den wenigen überlieferten Gesuchen geht hervor, dass sowohl eine persönliche Notlage als auch das Motiv, „Gott besser dienen zu können“, eine Rolle spielten.27 Dies lässt darauf schließen, dass das Beginenhaus auch als Versorgungsinstitut für in Not geratene Frauen betrachtet wurde, wenngleich dies nicht seinem Gründungszweck entsprach. Inwiefern die frommen Motive ein Zugeständnis an diesen Gründungszweck darstellten oder die Motivation der Anwärterinnen prägten, ist kaum zu sagen, zumal sich beide Anliegen nicht ausschließen. Erst für das 19. Jahrhundert ist feststellbar, dass sich das Schwesternhaus endgültig zur Versorgungsanstalt für arbeitsunfähige Dienstmägde gewandelt hat. Die Beginenhäuser waren über das ganze Stadtgebiet verteilt. Die Schwestern blieben in der städtischen Gesellschaft aktiv. Einen Großteil ihres Lebens hatten sie außerhalb der Gemeinschaft verbracht. Dementsprechend verfügten sie über eine Außenwahrnehmung und Außenkontakte.28 Im Unterschied zu klausurierten Nonnen waren die Schwestern mobil. Sie verkauften ihre Erzeugnisse auf dem Markt. Sie reisten ins Umland, wenn sie z.B. ihre Verwandtschaft besuchten.29 Am Abend hatten sie sich wieder im Schwesternhaus einzufinden, außer sie waren in der Krankenpflege tätig. Diese Durchlässigkeit hatte zur Folge, dass die Schwestern auf ihren guten Ruf zu achten hatten.30 27 So zum Beispiel im Aufnahmegesuch von Barbara Zapfin aus Kronach vom April 1695. Sie wandte sich an den Bamberger Rat und bewarb sich um Aufnahme in das St. Martin-Schwesternhaus (Stadt A, B12, Nr. 14, 29.4.1695; vgl. Festerling, 346). Es gehört zu den Schwächen der Arbeit von Festerling, dass die wenigen Belege aus unterschiedlichen Jahrhunderten synchron präsentiert werden und keine Aufmerksamkeit auf mögliche Entwicklungen gelegt wird. Insgesamt wurden für das Kapitel 8.4.3 (Bewerbungsgründe) 56 Gesuche mit Bewerbungsgründen gesichtet. In Anm. 118 (S. 342) werden sie im Unterschied zum Haupttext chronologisch aus 40 archivalischen Dokumenten aus Stadtarchiv und Staatsarchiv Bamberg angegeben: StadtA, B 12, Nr. 14 (18.10.1669, 11.7.1664, 5.4.1669, 1.6.1691, 29.4.1695, 25.1.1699, 27.5.1707, 2.12.1714, 14.2.1729, 24.4.1744, 16.3.1772, 1.1.1773, 19.3.1759, 31.8.1763, 3.2.1772, 13.6.1795), Nr. 97 (17.4.1798); StaatsA, B 106, Nr. 90 (14.4.1795), B 133, Nr. 60 (24.8.1803); AOP, Rep. II, Nr. 470 (6.1.1814, 1.12.1816, 9.7.1817, 16.11.1817, 12.3.1818, 6.8.1824), Nr. 472 (11.12.1816, 12.1.1818, 29.12.1817, 25.2.1823), Nr. 473 (8.2.1817, 23.9.1817, 15.11.1817, 12.3.1818, 9.1.1819, 21.5.1819, 20.11.1822, 17.11.1823), Nr. 474 (16.12.1822, 11.1.1823, 9.8.1824). Die meisten Gesuche fallen somit in das 19. Jahrhundert. 28 Vgl. ebd., S. 485. 29 Ebd., S. 486. „Die Stahlschen Schwestern unternahmen sogar mehrtägige Reisen, holten die aus den Kreditgeschäften der Stiftung anfallenden Zinsen zum großen Teil selbst bei den Schuldnern ab und kamen so auch mit der Landbevölkerung zusammen“ (ebd.). 30 Vgl. ebd.
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Neben der Arbeit prägte auch die Frömmigkeit ihr Leben. Sie beteiligten sich am religiösen Leben der Stadt, schmückten Passionswege und Altäre. Manche Prozessionen machten bei ihnen Station. Auch sind Klagefrauen unter ihnen belegt.31 Interessant wäre es, die Mitgliedschaften von Schwestern in Bruderschaften zu untersuchen, die im Laufe des 17. Jahrhunderts wieder neuen Aufschwung erhielten. Die Schwesternhäuser profitierten von der Neubelebung der Laienfrömmigkeit im Sinne der katholischen Reform. Sie waren Teil der Konfessionalisierung und eines blühenden Barockkatholizismus. Als Beichtväter kamen Pfarrklerus wie Ordensmänner in Frage.32 Häufig wurden im 17. Jahrhundert Jesuiten ihre Beichtväter.33 Aber auch die Verbindungen zu den Bettelorden intensivierten sich im 17. Jahrhundert. Manche Begine wurde nun auch Mitglied in einem Dritten Orden.34 Dies schloss sich interessanterweise nicht aus: Man konnte Begine und Drittordensschwester gleichzeitig sein.
Das Beginenhaus in Minden Ein anderes Beispiel für Beginen in der Frühen Neuzeit ist das Beginenhaus in Minden.35 Dieses war 1295 als Stiftung des Ritters Wulbrand Mane gegründet worden.36 Im Spätmittelalter konnte sich das Mindener Beginenhaus neben denen in Münster und Osnabrück auch ohne Ordensregel erhalten.37 Minden öffnete sich der Reformation. 1530 erließ der Rat eine evangelische Kirchenordnung. Sie galt auch für die Mindener Beginen. Sie waren bürgerliche Gemeindemitglieder der Pfarrgemeinde St. Martini. Leider fehlen Zeugnisse zur Reformation im Beginenhaus selbst.38 Wie vollzogen die Frauen den Wandel hin zu einer evangelisch-lutherischen Einrichtung? Die Frauen sollten nach der Kirchenordnung von 1530 jedenfalls den Hilfsbedürftigen helfen.39 31 Vgl. ebd., S. 397. 32 Vgl. ebd., S. 494. 33 „Die Jesuiten waren 1610 nach Bamberg gekommen und setzten sich mittels Volksmission und Christenlehre (katechetische Unterweisung) intensiv für die katholische Reform ein“ (ebd.). 34 Vgl. ebd., S. 495. 35 Hans Nordsiek, Vom Beginenhaus zum Armenhaus. Zur Geschichte der Mindener Beginen (1295–1839), in: Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins 61 (1989), S. 19–44. 36 Ebd., S. 20. 37 Ebd., S. 23. 38 „Über die Reformation des Beginenhauses bzw. den Glaubenswechsel der Beginen gibt es keinerlei Zeugnisse bzw. Hinweise. Er scheint ebenso selbstverständlich zusammen mit der Bürgerschaft erfolgt zu sein, wie das Beginenhaus mit allen seinen Insassinnen in späterer Zeit als ev.-luth. Einrichtung in Erscheinung tritt“ (ebd., S. 25). 39 Ebd., S. 25.
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Das heißt, dass auch in einer evangelischen Stadt, und Minden blieb dies, Beginenhäuser überlebten. Aus dem Jahr 1715 ist eine Äbtissin mit sieben weiteren Beginen erwähnt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren es insgesamt sechs. Die Altersstruktur lässt nicht unbedingt auf ein Versorgungsinstitut für ältere Frauen schließen. Die wenigen Erwähnungen zeigen, dass Frauen zwischen 27 und 60 Jahren dort lebten. Manche wohnten 50 Jahre darin.40 Im 18. Jahrhundert veränderte sich die soziale Zusammensetzung der Gemeinschaft. Nun finden sich hier nur noch schreibunkundige Frauen aus der kleinbürgerlichen Schicht. Die Aufnahmegesuche aus dem 18. Jahrhundert zeigen, dass viele Frauen Hoffnungen auf ein Versorgungsinstitut hegten. Hier scheint es also Parallelen zwischen katholischen und evangelischen Städten zu geben. Der Rat versuchte seit dem Spätmittelalter, die Beginen unter seine Kontrolle zu bringen. Dieser Trend setzte sich in der Frühen Neuzeit fort. Der Rat bemühte sich nun, Beginen zu bestimmten Leistungen und für schulische Aufgaben heranzuziehen. Der Syndikus Johann Wentrup vermachte den Beginen 1588 400 Taler unter der Bedingung, dass sie auch Kinder unterrichten mögen. Man kann deshalb vermuten, dass die Beginen Ende des 16. Jahrhunderts eine kleine Elementarschule hatten. 1712 setzte die Stadt dem Beginenhaus ein Waisenhaus auf ihr Grundstück mit der Erwartung, dass die Beginen sich auch um die Waisenkinder kümmern mögen. Aber hier zeigte sich, dass die Einflussnahme der Stadt auf die Beginen nur bedingt erfolgreich war. 1715 wiesen sie das Anliegen des Rates zurück, das Waisenhaus zu übernehmen. Offenbar sahen sich die Beginen selbst nicht in erster Linie als Sozialarbeiterinnen. Sie wollten keinen „armen Kindern Rat“ schaffen, sondern verwiesen auf ihre Privilegien (die Stiftungsurkunde von 1295 und ihre 1487 erneut beurkundeten Rechte) und dass sie selbst Aufwartung und Pflege nötig hätten.41 Dennoch bestand der Rat darauf, dass sich einige Beginen auch um Waisen kümmern und verwies seinerseits auf die Intention der Stiftung von 1295. Es ist jedoch unklar, wie dieser Streit ausgegangen ist. Angesichts solcher Konflikte erstaunt es nicht, dass der Magistrat seit 1730 über die Aufnahme in das Beginenhaus entschied. 1828 wurde das „Begineninstitut“ in Minden aufgelöst und 1839 abgebrochen.42
Die Beginen in Essen Die Beispiele Bamberg und Minden sind konfessionell eindeutig zuzuordnen. Im folgenden Beispiel Essen besteht eine besondere Situation, da die evangelisch dominierte Stadt unter der Herrschaft einer katholischen Fürst 40 Vgl. ebd., S. 25–27. 41 Nordsiek, Vom Beginenhaus zum Armenhaus, S. 29f. 42 Ebd., S. 42.
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äbtissin stand. Die Beginen Essens gerieten in den Sog der konfessionellen Auseinandersetzungen. Die Beginen in Essen blickten auf eine lange Tradition zurück. „Am Ende des 13. Jahrhunderts wurden in kurzer Folge sechs Beginenkonvente in Essen gegründet: Im Kettwig, beim Turm, im Dunkhaus, der Zwölfling, im Alten Hagen, im Neuen Hagen.“43 Sie leisteten einen wichtigen Beitrag im sozialen Fürsorgesystem der Stadt, indem sie Kranke pflegten und Kinder unterrichteten. Dafür wurden ihnen auch zahlreiche Schenkungen gemacht. Als das Stift in immer größere Konflikte mit der Stadt um die landesherrliche Gewalt geriet, wurden die Beginen auch politisch instrumentalisiert. Seit 1614 stritten sich die Stadt und das Stift um die Jurisdiktion über die Beginenkonvente. Die Beginen selbst standen zwischen den Fronten. Einerseits bestanden sie aus Bürgerstöchtern der Stadt. Diese hatte sich 1563 der Reformation zugewandt44 und versuchte andererseits seither, ihre geistlichen Aktivitäten einzuschränken. Hier suchten sie wiederum den Beistand der katholischen Fürstäbtissin. Versuchte diese jedoch, ihre Selbstverwaltung zu beschneiden, wandten sie sich wiederum hilfesuchend an den Rat.45 Aber die Beginen in Essen sind nicht nur als politisches Instrument in einem Rechtsstreit von Interesse. Ihr eigener Beitrag in dieser konfessionellen Gemengelage wäre einmal zu untersuchen. Während die Essener Äbtissinnen im 16. Jahrhundert noch mit dem evangelischen Bekenntnis sympathisiert hatten, setzte zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit Äbtissin Elisabeth vom Berge (1605–1614) eine katholische Konfessionalisierung ein. Die Landesherrin versuchte energisch, den Protestantismus in der Stadt zu verdrängen und gleichzeitig eine katholische Reform einzuführen. 1613 holte sie zwei Jesuiten in die Stadt, 1614 ferner Kapuziner. Letztere predigten in der Stiftskirche. Es wurden wieder feierliche Prozessionen durch die
43 Sandra Deibl, Die Auflösung des Beginenkonvents Im Neuen Hagen und ihre Folgen. Ein Beitrag zur Geschichte von Stadt und Stift Essen am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Essener Beiträge. Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen, hg. v. Historischer Verein für Stadt und Stift Essen e.V. Heft 108 (1996), S. 61–112, 65. 44 Die Essener Äbtissinnen hegten zwar in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Sympathien für die Reformation, aber aus politischer Klugheit blieben sie beim alten Bekenntnis. In Essen griff so der „geistliche Vorbehalt“ des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Danach konnte ein geistlicher Landesherr – hier die Äbtissin – die Konfession wechseln, verlor dann aber auch ihre Herrschaft. Die Untertanen blieben somit katholisch. Die Äbtissin duldete die Reformation nur stillschweigend. Allerdings versuchte die Stadt Essen bald, die Konfessionsfrage zu nutzen, um ihr altes Streben nach Reichsunmittelbarkeit wieder aufzunehmen. 1586 klagte die Äbtissin vor dem Reichskammergericht in Speyer gegen die Stadt. Es folgte ein langer Prozess „Essen gegen Essen“ (Wilhelm Damberg/Johannes Meier, Das Bistum Essen 1958–2008. Eine illustrierte Kirchengeschichte der Region von den Anfängen des Christentums bis zur Gegenwart, Münster 2008, S. 89f.). 45 Deibl, Die Auflösung des Beginenkonvents, S. 66.
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Stadt abgehalten.46 Wo waren in dieser Phase katholischer Erneuerungsbemühungen die Beginen in Essen? In welchem Verhältnis standen sie zu den Jesuiten und zu den Kapuzinern? Was bedeuteten diese Bemühungen für ihre Situation in der Stadt? Blieben sie selbst evangelisch oder wandten sie sich zwischenzeitlich auch wieder dem Katholizismus zu? Bisher wurden die Beginen in Essen vor allem auf der Seite der evangelischen Stadt verortet, ohne deren eigene Auseinandersetzungen mit ihrer Situation zwischen den Bekenntnissen eigens zu untersuchen oder gar zu problematisieren. Unter Äbtissin Maria Clara von Spaur aus Tirol (1614–1644) wurden die katholischen Konfessionalisierungsmaßnahmen noch weiter verstärkt. In einem Edikt von 1616 befahl sie, dass alle Eingesessenen in Stadt und Land Essen zur katholischen Kirche zurückkehren müssten.47 Betraf dies auch die Essener Beginen? Inmitten der Bemühungen um die Umsetzung des Ediktes fiel der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Auch hier blieb die Äbtissin ihrem Kurs treu. 1628 ließ sie die evangelische Marktkirche St. Gertrud räumen. Der Stadtrat wurde in ein katholisches Gremium umgewandelt. Doch 1629 musste die Äbtissin vor den niederländischen Truppen fliehen. Im Frieden von 1648 wurde das Jahr 1624 als Normaljahr festgelegt – und damals hatten trotz aller Maßnahmen immer noch die Evangelischen in der Stadt überwogen. Dieser Zustand wurde dann im Westfälischen Frieden garantiert.48 Damit ist deutlich, dass auch die Geschichte der Beginen in den Rahmen unterschiedlicher Konfessionalisierungsphasen einzuordnen wäre. Dies gilt für alle Formen weiblichen Religiosentums in der Frühen Neuzeit, ob in den Orden oder außerhalb. Für sie alle ist zu klären, welchen Beitrag sie zur Konfessionalisierung geleistet haben. Im Folgenden soll nun versucht werden, das Spezifische der Beginen als Lebensform zwischen Kloster und Welt herauszuarbeiten. Dabei soll eine kirchenrechtsgeschichtliche Perspektive von einer frömmigkeitsgeschichtlichen unterschieden werden.
Beginen zwischen Kloster und Welt? Eine kirchenrechtsgeschichtliche Spurensuche Wie sind Beginen kirchenrechtlich einzuordnen? Sie basieren auf frommen Stiftungen, wie auch Klöster, wobei die Städte seit dem Spätmittelalter zunehmend die Kontrolle über die Beginenhäuser übernahmen. Dass die Einflussnahme der Städte auf die Beginen in der Frühen Neuzeit noch zunahm, haben alle drei erwähnten Beispiele gezeigt. Rechtlich unterstanden Beginen somit der Stadt, das heißt dem Rat oder Magistrat. Es waren insofern städtische Einrichtungen, keine bischöflichen. Das galt nicht nur für 46 Damberg/Meier, Das Bistum Essen, S. 94. 47 Ebd., S. 94. 48 Ebd., S. 94.
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Beginen unter protestantischen Vorzeichen. Auch in katholischen Städten hatte der Bischof nur eine geistliche Oberaufsicht. Kirchenrechtlich zählten Beginen zu den Laien. Als Laiinnen lebten Beginen eine vita religiosa – außerhalb eines Klosters, aber mit ein paar Ähnlichkeiten. Ordensideale hatten schon im Mittelalter auch Laienfrömmigkeit geprägt, so dass hier Anleihen nicht verwunderlich sind. Ist daraus eine „Mittelstellung (...) in der kirchlichen Standeslehre“ abzuleiten?49 Auch wenn sie an Formen monastischer Spiritualität teilhatten, so waren es doch keine Ordensfrauen. Umgekehrt bedeutet das freilich nicht, dass sie nach ihrem Selbstverständnis nicht dennoch eine vollwertige vita religiosa führten, auch wenn sie keinem Orden angehörten. Eine Kluft zwischen dem kirchenrechtlichen Status und dem Selbstverständnis der Akteure ist wohl möglich. Es gehörte im Spätmittelalter durchaus nicht zur Ausnahme, dass Laien eine starke Spiritualität und eigene fromme Lebensentwürfe entfalteten. Die Devotio moderna ist hierfür ein eindrückliches Beispiel.50 Diese Laienspiritualität verlief nicht nur in Abgrenzung zu den Orden, sondern auch in Zusammenarbeit mit diesen. So nahmen sowohl Orden als auch Regularkleriker die Reformimpulse der Devotio moderna auf und bildeten eigene „Kongregationen“ im Sinne von Klosterzusammenschlüssen, die sich der Reformbewegung anschlossen.51 Diese Bedeutung sollte er auch in der Frühen Neuzeit behalten, als mit dem Konzil von Trient wieder Reformimpulse gesetzt werden sollten.52 49 Vgl. Relinde Meiwes, „Arbeiterinnen des Herrn“. Katholische Frauenkongregationen im 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2000, S. 57. 50 Zur Devotio moderna siehe u.a. Monika Costard, Spätmittelalterliche Frauenfrömmigkeit am Niederrhein. Geschichte, Spiritualität und Handschriften der Schwesternhäuser in Geldern und Sonsbeck (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 62), Tübingen 2011; Susanne Krauss, Die „Devotio moderna“ in Deventer: Anatomie eines Zentrums der Reformbewegung (Vita regularis, Abhandlungen 31), Berlin 2007. 51 So entstand im 14. Jahrhundert im Geiste der Devotio moderna eine reformierte Augustiner-Chorherrengemeinschaft, die sich „Windesheimer Kongregation“ nannte. Benannt ist sie nach dem Kloster Windesheim bei Zwolle. Vgl. dazu Aloysia Elisabeth Jostes: Die Historisierung der Devotio moderna im 15. und 16. Jahrhundert. Verbandsbewußtsein und Selbstverständnis der Windesheimer Kongregation, Groningen 2008. Ein anderes Beispiel wäre die „Bursfelder Kongregation“ als Zusammenschluss von Benediktinerklöstern im Geist der Reformbewegung. Vgl. Walter Ziegler, Die Bursfelder Kongregation, in: Ulrich Faust/Franz Quarthal (Bearb.): Die Reformverbände und Kongregationen der Benediktiner im deutschen Sprachraum (Germania benedictina 1), St. Ottilien 1999, S. 315–407. 52 So heißt es im „Dekret über die Regularen und Nonnen“ in Kapitel 8: „Alle Klöster, die keinen Generalkapiteln oder Bischöfen unterstehen und die keine anständigen Visitatoren ihres Ordens haben, [...], sind dazu gehalten, innerhalb eines Jahres nach Ende dieses Konzils und von da an alle drei Jahre sich in Kongregationen zusammenzufinden [...]“ (Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Josef Wohlmuth, Bd. 3: Konzilien der Neuzeit, Paderborn 2002, S. 779). Es geht also vor allem um die Durchführung von Visitationen, die für den Reformprozess der
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Laienspiritualität und Ordensspiritualität gehen in Phasen religiöser Aufbruchs- und Reformbewegungen Hand in Hand. So entstanden seit dem 12. Jahrhundert zahlreiche sogenannte Dritte Orden, wobei seit dem 13. Jahrhundert vor allem die Dritten Orden der Franziskaner und Dominikaner an Bedeutung gewannen. Das Ziel dieser Dritten Orden war es, Laien die Möglichkeit zu geben, Ordensideale auch im weltlichen Leben zu verwirklichen. Auch die Beginen, die seit ihren Anfängen in regen Beziehungen zu den Bettelorden standen, nahmen dieses Angebot gern an. Viele nahmen eine Drittordensregel an. Dass diese Umwandlung wohl nicht aus Zwang geschah, sondern im Kontext der spätmittelalterlichen Reformbemühungen zu sehen ist, hat Jörg Voigt jüngst herausgestellt.53 Es ist aber auch möglich, dass einzelne Beginen sich einem Dritten Orden anschlossen und Beginen blieben. Dies hat das Beispiel der Beginen in Bamberg in der Frühen Neuzeit gezeigt. Es gehört zu den Eigenheiten der Dritten Orden, dass sie auch eigene Klöster ausgebildet haben. Viele Terziarinnen „entfernten sich zunehmend von ihrer Lebensweise ‚in der Welt‘, schlossen sich zu klösterlichen Gemeinschaften zusammen und legten im Laufe der Zeit auch Gelübde ab. Diese wurden 1480 von Papst Sixtus IV. als ‚feierliche Gelübde‘ anerkannt, sie stellten neben dem gemeinschaftlichen Leben den wesentlichen Unterschied zu den säkularen Drittordensleuten dar.“54 Demnach gab es also zwei Formen von Dritten Orden: In Gemeinschaft lebende Drittordensleute mit feierlichen Gelübden55 und in der Welt lebende Drittordensleute mit einfachen Gelübden. Beide Fälle kamen auch in der Frühen Neuzeit vor. Dies bedeutet, dass sich Beginenwesen und Drittordenswesen nicht unbedingt ausschließen, denn eine Begine konnte auch zu den „säkularen Drittordensleuten“ gehören.56 Welche Bedeutung kommt nun dem Konzil von Trient im Hinblick auf die Vielfalt des weiblichen Religiosentums zu? Für heftige Auseinandersetzungen sorgte die Klausurvorschrift. Betrachten wir den Text näher. In der dritten Konzilsperiode, in der 25. Sitzung, wurde in Trient das „Dekret über die Regularen und Nonnen“ verabschiedet. Im ersten Kapitel wird die Regelobservanz eingeschärft: „Alle Regularen, ob Männer oder Frauen, oriOrden so zentral sind. Von Frauenkongregationen im Unterschied zu Frauenorden ist hier nicht die Rede. 53 Voigt, Beginen im Spätmittelalter, S. 427–434. 54 Rutz, Bildung-Konfession-Geschlecht, S. 169f. 55 Die Situation von Drittordensschwestern in einem Kloster führte zu Abgrenzungsproblemen gegenüber den klassischen Orden. Nach außen hin waren sie für viele nicht mehr von Nonnen zu unterscheiden. Aber sie lebten ohne strenge Klausur, was ihnen Tätigkeiten wie Krankenpflege und Schulunterricht ermöglichte. Hier liegt eine Schnittmenge sowohl mit karitativ tätigen Beginen als auch mit den neuen Frauengemeinschaften. 56 Der Begriff „säkulare Drittordensleute“ ist zwar zur Unterscheidung hilfreich, gleichzeitig kann er auch missverständlich im Hinblick auf das Selbstverständnis sein.
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entieren ihr Leben und ordnen es nach der Vorschrift der Regel, zu der sie sich in der Profess verpflichtet haben.“57 Begründet wird dies mit dem Verweis auf Missstände in den Klöstern, in denen die regelentsprechende Disziplin zusammengebrochen ist. So wird ein altes Anliegen der katholischen Reform aufgegriffen, wie es schon vor der Reformation bestanden hatte. In den folgenden Kapiteln 2 und 3 werden Fragen des Privat- und Klosterbesitzes geregelt. Kapitel 4 verbietet das Verlassen des Konventes für Regularen ohne Erlaubnis des Oberen. Dies ist z. B. für Jesuiten relevant, die sich so nicht einfach in den Dienst eines Fürsten, einer Universität etc. stellen können, ohne vom Oberen dazu bestellt worden zu sein. Hier fehlt der übliche Zusatz, ‚ob Männer oder Frauen‘, sondern es ist nur von Regularen die Rede. Dass hier nur an Männer zu denken ist, zeigt das fünfte Kapitel über die Durchsetzung der Nonnenklausur. Danach werden die Bischöfe eindringlich („unter Androhung ewiger Verdammnis“) ermahnt, „die Klausur der Nonnen [clausuram sanctimonialium], wo sie verletzt wurde“, wiederherzustellen und da, wo sie unverletzt ist, diese zu erhalten. Die Ungehorsamen dürfen sogar unter „Zuhilfenahme des weltlichen Arms in die Schranken“ gewiesen werden. Die Vorschrift besagt: „Keiner Nonne [nemini sanctimonialium] ist es erlaubt, nach der Profess das Kloster auch nur für kurze Zeit – gleich unter welchem Vorwand – zu verlassen, außer aus einem rechtmäßigen, vom Bischof zu billigenden Grund, und zwar ungeachtet aller Indulte und Privilegien“.58 Umgekehrt wurde auch der Zutritt in den Klausurbereich der Nonnen von außen strikt verboten. In den Kapiteln 9 bis 14 wird die Rolle des Bischofs als Aufseher der Nonnenklöster herausgestellt. Die Bischöfe hatten die Vollmacht zu strengsten Strafsanktionen. Wie wurde diese Vorschrift nun von den Bischöfen umgesetzt und konnte dies auch für Beginen Relevanz haben? Dass gerade die Bischöfe in der Folgezeit zu den wichtigsten Förderern von Frauengemeinschaften wurden, zeigt das Beispiel der Katharinenschwestern, denen der Bischof von Płock59 im Februar 1630 ein Gutachten ausstellte, um die Klausurvorschrift des Konzils zu umgehen.60 Diese bisher in der Forschung noch wenig bekannte Quelle soll kurz vorgestellt werden. Unterschiedliche kirchenrechtliche Fragen werden darin vom Bischof beantwortet. Gleich die erste Frage lautet: „Ob ein bischoff in seinem geistlichen gebiette könne verhindren oder verbietten ein convent oder versammlung etlicher jungfrauen, die in gemein 57 Wohlmuth, S. 776. 58 Ebd., S. 778. 59 Zwischen 1626 und 1635 war Braunsberg, die Heimat der Katharinenschwestern, von schwedischen Truppen besetzt. Sie flohen deshalb (wie auch die Jesuiten) zum größten Teil nach Polen, vor allem nach Pułtusk, dem Sitz des Bischofs von Płock. 60 Der Text dieses Gutachten findet sich in: Ernst Manfred Wermter, Quellen zur Geschichte der ersten Katharinenschwestern und ihrer Gründerin Regina Protmann gest. 1613, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands, Beiheft 2 (1975), S. 101–113.
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leben mit 3 gelübter ohn streng clausur.“61 Der Bischof macht dies von ihrem Ruf abhängig. Solange sie sich ehrlich verhalten „ohn alle böse nachrede, können sie von keinem verhindert“ werden, sonst könne er sie bestrafen und vertreiben.62 Es folgt eine Beweisführung der Antwort mit kirchenrechtlichen Belegen. Hierbei werden nun auch Beginen in die Betrachtung einbezogen: „Merke, das in geistlichem recht etliche beginnen [Beginen] und jungfrau convent verbothen und verworffen werden, dieweil sie ärgerlich gelebt und in irthumb und ketzerey gerathen.“63 Das Kirchenrecht kennt also die Bestimmung, dass Frauenkonvente, ob Beginen oder andere, vom Bischof verbannt werden können, aber nur, wenn sie sich etwas zuschulden kommen ließen. Bleibt die Frage der Zuordnung dieser „Konvente“ mit drei Gelübden und ohne strenge Klausur. Unter Berufung auf Silvester Prierias (1456–1523)64 führt der Bischof aus, dass es zwar nicht erlaubt sei, eine „neye religion“, d.h. einen neuen Orden ohne päpstliche Bewilligung zu stiften, aber „andre congregation und convent nicht unter dem titel des approbierten religionsstand, sondern aus christlicher andacht und gottesfürchtigkeit ist nicht verbothen zu stifften auch ohne zulaß des bischoffs“65. Solange es sich also um keine Frauenorden handelt, können Frauengemeinschaften sogar ohne Approbation durch den Bischof und den Papst gestiftet werden. Diese sollen dann nicht „religiosae“ oder „ordenspersonen“ genannt werden, sondern sie seien „im geistlichen recht canonicae seculares“ und sollen „weltliche Jungfrauen“ genannt werden.66 Interessant ist die Begriffsbildung „canonicae seculares“, was man mit säkularen Kanonikerinnen übersetzen könnte. Es war offenbar zeitgenössisch kein Problem, die „Jungfrauen“ auch als „Kanonikerinnen“ zu bezeichnen. Die Vorstellung, dass es keine weiblichen Kanonikerinnen hätte geben können, trifft nicht zu, auch wenn diese freilich nicht dieselben Rechte besaßen wie männliche Kanoniker. Einen weiteren Beleg für die Verwendung dieses Begriffs findet sich in der Erzbischöflichen Bibliothek in Paderborn, in der sich „Die wahre Satzungen deren Geistliche der Congregation Unserer Lieben Frawen durch den Hochwürdigen Pater Petrum Fourerium [Pierre Fourier, N.P.], deroselben Stiffter und der Congregazion Salvatoris nostri Generalem auffgesetzt Undt hernacher von ihro Päbstlichen Heylichkeit Innotentio, dieses namens dem X. bestettiget. Anno 1645“ befindet. Es handelt sich um die Statuten der Augustiner-Chorfrauen in Paderborn, die 1645 vom Papst bestätigt wurden. Darin heißt es: „Sie [die Augustiner-Chorfrauen] 61 Ebd., S. 103. 62 Ebd. 63 Ebd., S. 103. Er bezieht sich dabei auf das 3. Buch der Clementinen „de domibus religiosis tit.11“. 64 Silvester Prierias, Summa summarum, quae Silvestrina nuncupatur, Lyon 1519. 65 Wermter, Quellen zur Geschichte der ersten Katharinenschwestern, S. 105. 66 Ebd.
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sollen das Institutum Canonicorum Regularium annehmen, sich Canonessen Regulares des hl. Augustinus nennen.“67 Sowohl die Katharinenschwestern im Ermland als auch die Augustiner-Chorfrauen von Paderborn wurden also offiziell als Kanonikerinnen bzw. Kanonessen bezeichnet, wobei hier nochmals zwischen seculares und regulares differenziert werden konnte. Säkularkanonikerinnen (canonicae seculares) unterscheiden sich von Ordensfrauen darin, dass sie nur einfache Gelübde ablegen. Diese Unterscheidung hatte auch schon in der kirchenrechtlichen Debatte in den 1580er Jahren eine große Rolle gespielt. Unter Gregor XIII. (1572–1585) war die Streitfrage aufgekommen, ob Personen, die keine ewigen feierlichen Gelübde ablegten, überhaupt als Ordensleute bezeichnet werden sollen. Der Papst entschied, auch einfache Professen als Ordensleute anzuerkennen.68 Das hier vorgestellte bischöfliche Gutachten widerspricht dieser Ansicht und erwähnt auch keine diesbezügliche päpstliche Entscheidung. Entweder kannte der Verfasser eine solche nicht oder er verschwieg sie absichtlich. Hier wäre eine weitere kirchenrechtsgeschichtliche Klärung, die im Rahmen dieses Beitrags nicht geleistet werden kann, notwendig. Hier soll das bischöfliche Gutachten weiter betrachtet werden, das nun auf das Konzil von Trient zu sprechen kommt. Dieses befehle den Bischöfen streng, „das sie mit fleiß auff die zucht und clausur der klosterfrauen sollen acht geben“69. Dies wird folgendermaßen ausgelegt: „Es ist offenbahr aus den worten des concilii, das da nur meldung geschieht von den professen in einer approbirten religion und nicht von den unprofeß convent jungfrauen, von welchen keine meldung hie geschieht, derohalben wie zuvor von alters her ihnen ihr convent ist zugelassen ohn clausur [...]“70. Nur wenn die Gelübde in einem approbierten Orden abgelegt wurden, sind sie keine einfachen Gelübde. Es gibt daneben aber auch nicht approbierte Frauengemeinschaften, auf die diese Klausurvorschrift nicht zutrifft. Hierzu zählen sowohl Beginen als auch die Katharinenschwestern. Hat das Konzil für diese wirklich keine Konsequenzen?71 Können diese Frauen nun gezwungen werden, feierliche Gelübde abzulegen und damit auch die Klausur? Die Antwort des Bischofs ist eindeutig: „Keiner kan sie darzu zwingen, wo sie aber anfangen ärgerlich zu leben, so kan die hohe obrigkeit solche straffen, auch ihre Versammlung zerstreien, wo sie sich nit bessren, 67 EAB, Studienfond Paderborn, Akten, I 45. Hier werden in der für Paderborn angefertigten deutschen Übersetzung der Statuten die „canonicae regulares“ als Regular-Kanonessen (Canonessen Regulares) wiedergegeben. 68 Willibald Plöchl, Geschichte des Kirchenrechts, Bd. III: Das katholische Kirchenrecht in der Neuzeit. Erster Teil, Wien 1959, S. 477. 69 Wermter, Quellen zur Geschichte der ersten Katharinenschwestern, S. 107. 70 Ebd., S. 107. 71 „Andre frag, ob Bäpstliche Heiligkeit oder ein concilium können gebietten und zwingen alle, die in solchen unapprobirten conventen leben, profession und clausur anzunehmen.“ (Ebd., S. 107)
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aber nicht zur profession und clausur zwingen.“ 72 Sie können also bei schlechtem Lebenswandel gestraft und sogar aufgelöst werden, aber nicht gezwungen werden, feierliche Gelübde und Klausur anzunehmen. Da bringt der Bischof einen Einwand vor. Wäre es nicht nützlich zur Einhaltung der Keuschheit, wenn alle Jungfrauenkonvente die Klausur annehmen würden? Die Antwort darauf lautet: „Es kan ihnen gerathen werden, aber keiner kan sie dazu zwingen, dan in dem fall seynd sie frey und ungezwungen, wie oben vermeldet.“73 Sodann geht er auf die Bulle von Pius V. ein74, wonach der Bischof „vagas et regularem observantiam praedentendes feminas“ nicht in seiner Diözese dulden solle. Der Bischof interpretiert dies so, es gehe hier um „umblauffende unbeständige weibspersohnen“, die vorgeben, „als weren sie ordens profeß persohnen“75. Dies treffe aber nicht auf die Frauenkonvente wie die Katharinenschwestern aus Braunsberg zu, da diese weder für „Umläuferinnen“ im Sinne von vagabundierenden Frauen gehalten werden können, noch geben sie sich als Ordensfrauen aus. Vielmehr befolgten sie zahlreiche private Regelungen und Vorschriften, die sie der geistlichen Obrigkeit zeigten und unter deren Schutz und Weisung sie sich stellten.76 Nun wurden die „Braunbergischen Jungfrauen“ von einem päpstlichen Legat approbiert mit Brief und Siegel. Dies ist für den Bischof rechtsgültig. Zudem existiere der Konvent bereits seit fast sechzig Jahren und der Bischof des Ermlands sei bisher ihr Wohltäter gewesen. Sie würden nicht umherziehen, sondern nie allein ausgehen oder ohne Erlaubnis ihrer Oberin. Die Bulle von Pius V. treffe also nicht auf sie zu. Diese gelte nur für Personen ohne feste Bleibe. Da die Frauen also einen guten Ruf hätten und nun vom Feind vertrieben in sein Gebiet geflohen seien, ist es für den Bischof ein Akt der Gerechtigkeit und Nächstenliebe, diese aufzunehmen und ihnen Schutz zu gewähren.77 Damit endet das Gutachten. Interessant ist, dass dieser Schutz nicht mit der Auflage verbunden ist, dass die Katharinenschwestern feierliche Gelübde ablegen und die Klausur übernehmen. Auch wenn die Schwestern als Konvent mit ihrer spezifischen Lebensform approbiert wurden, so sind sie keine Ordensfrauen im kirchenrechtlichen Sinne. Indirekt kann man aus dieser bischöflichen Stellungnahme auch eine Haltung gegenüber Beginen ableiten, denn diese werden an einer Stelle explizit mit den Frauenversammlungen außerhalb der Orden genannt. Auch für ihre Stiftungen wären demnach keine bischöflichen oder päpstlichen Approbationen notwendig. Der Bischof hat eine geistliche Oberaufsicht 72 Ebd., S. 107. 73 Ebd., S. 109. 74 Pius V. Bulle „Decori et honestati omnium santimonialum“ vom 24. Januar 1570 (Magnum Bullarium Romanum T. 4,3, S. 96f). 75 Wermter, Quellen zur Geschichte der ersten Katharinenschwestern, S. 111. 76 Vgl. ebd., S. 111. 77 Vgl. ebd., S. 113.
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über sie und kann sie bei schlechtem Lebenswandel oder Häresie auch bestrafen. Aber da auch sie keine Ordensfrauen sind, hat die Klausurvorschrift von Trient keine Bedeutung für sie. Dieses bischöfliche Gutachten zeigt, wie die Klausurvorschrift von Trient wirkungslos bleiben konnte. Es ist allerdings damit nicht ausgesagt, dass alle Bischöfe dieselbe Meinung in dieser Frage vertraten. Hier wären vergleichbare Gutachten und Quellen weiter auszuwerten. Möglicherweise werfen sie auch indirekt einen Blick auf die Lage der Beginen in den unterschiedlichen Diözesen. Festzuhalten bleibt, dass sich trotz der Klausurvorschrift von Trient das weibliche Religiosentum weiter entfaltete. Die Verurteilung der Englischen Fräulein von 1628 bedrohte zwar in der Folgezeit viele Frauengemeinschaften, die im Verdacht standen „Jesuitinnen“ zu sein. Es hing jedoch vor allem von den Bischöfen ab, inwiefern sie solchermaßen „verdächtige“ Frauengemeinschaften aus der Schusslinie brachten. Die meist sehr geschätzte Nützlichkeit der Frauengemeinschaften in der Mädchenerziehung sowie ihr guter Ruf motivierten viele Bischöfe, für diese einzutreten.78 Es ist diskursgeschichtlich interessant, dass der Begriff „jesuitisch“ in diesem Kontext eine häresieverdächtige Bedeutung erhielt, die dem sonst in der katholischen Konfessionalisierung so strahlenden Klang des Wortes widersprach, diesen Wohlklang aber insgesamt nicht trübte.
Fazit: Beginen und „Semireligiosentum“ Eine Verhältnisbestimmung zwischen Beginen und dem „Semireligiosentum“ steht vor einer Reihe methodischer Schwierigkeiten. Zunächst ist die Geschichte der Beginen in der Frühen Neuzeit in Deutschland noch ein Forschungsdesiderat. Dann ist die Kategorie des „Semireligiosentums“ insgesamt fragwürdig. Zu unterscheiden sind kirchenrechtliche Perspektiven und das Selbstverständnis der Frauen. Beide Ebenen werden durch den Begriff nivelliert. So hilfreich er war, um das Spektrum des weiblichen Religiosentums zu erweitern (drei Formen sind besser als zwei), so hinderlich ist er nun, dieses weiter zu differenzieren (drei ist nicht genug). Zudem besteht die Gefahr einer latenten Abwertung durch das „Semi“. Auch in kirchenrechtlicher Hinsicht scheint der Begriff mehr Verwirrung als Klärung zu stiften. Hier gibt es zunächst nur „Laien“ oder „Geistliche“, keinen „Mittelstand“. Das bedeutet nicht, dass es keine Reflexion darüber gegeben hätte, ob es einen solchen „Mittelstand“ – auch in kirchenrechtlicher Hinsicht – geben 78 So fragte der belgische Nuntius 1628 bei seinen Bischöfen nach, ob in ihren Diözesen „Jesuitinnen“ lebten. Zu den erhaltenen Antwortschreiben der Bischöfe von Antwerpen, Brügge und Tournai siehe Conrad, Semireligiosentum und Laienspiritualität, S. 142–145.
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könnte. Theologen wie Leonhard Lessius und Hermann Busenbaum verfassten Schriften, in denen sie darüber reflektierten, wie ein solcher mittlerer Stand kirchenrechtlich einzuordnen wäre und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.79 So verfasste Lessius 1614/15 ein Gutachten über die kirchenrechtliche Legitimität der „gemischten Lebensweise“ (vita mixta) der Englischen Fräulein.80 Dass eine solche Reflexion im Vorfeld der Verurteilung der Englischen Fräulein angestellt wurde, liegt nahe. Genutzt hat es ihnen freilich nicht. Vom Jesuiten und seit 1660 Beichtvater des Fürstbischofs von Münster81 Hermann Busenbaum (1600–1668) stammt das Buch „Lilien unter den Dörneren daß ist gottverlobter Jungfrawen und Witwen Welt-geistlicher Standt“ (Köln 1660). Im Untertitel erklärt Busenmann, dass es sich um eine „Schutzschrift“ für „welt-geistliche“ Frauen handelt. Er verteidigt den „mittleren Weg“ (via media) für Frauen zwischen Ehe und Kloster. Die Lebensweise dieses mittleren Weges wird als „Stand“ beschrieben, zu dem man eine Berufung haben kann. Er bietet den Frauen zur Entscheidungshilfe geistliche Übungen an, die an denen des Ignatius von Loyola orientiert sind. Adressat ist die Ursulagesellschaft in Köln, deren Selbstverständnis als geistliche Frauen gegen das Kirchenrecht, nach dem sie Laien waren, unterstützt wird.82 Es sind also stets die Spannungen zwischen dem Selbstverständnis frommer Frauen und dem Kirchenrecht, die zu solchen Reflexionen Anlass bieten. Die Vorstellung eines „mittleren Standes“ ist eine Reaktion der Seelsorge auf die Entwicklung weiblicher Frömmigkeit. Die an jesuitischer Spiritualität orientierte Intensivierung der Frömmigkeit, die auch ordensähnliche Ausdrucksformen einschließt, wird somit gegenüber den davon entfernten Laien in der Welt aufgewertet. Dass manche Frauen ein Leben führten, das in der Wahrnehmung der Zeitgenossen und ihrer eigenen zwischen Kloster und Welt angesiedelt war, lässt sich vielfach belegen. Das weibliche Religiosentum war stets vielfältiger als das Ordensrecht. Dennoch scheint das Kirchenrecht erst im 19./20. Jahrhundert dieser Entwicklung gerecht geworden zu sein. Noch im 19. Jahrhundert gab es keine verbindlichen Richtlinien, die sich ausschließlich mit Kongregationen befassten. So beklagte Bernard Sels 1858 „einen Mangel an gültigen Bestimmungen, der dazu führe, dass häufig die Vorschriften des kanonischen Rechts für Frauenorden auf die Kongregationen angewandt würden.“83 Erst 1900 wurde dem Anliegen, besondere rechtliche 79 Conrad, Semireligiosentum und Laienspiritualität, S. 145. 80 De Statu vitae, Dirmeier, Nr. 110, Bd. I, S. 234–242. 81 Dies war Christoph Bernhard von Galen (1606–1678). 82 Susannes Schulz, Seelsorge in der Tradition Friedrich Spees: Hermann Busenbaums Lilien under den Dörneren, in: Spee Jahrbuch 17/18 (2010/2011), S. 139–160. 83 Bernard Sels, Die neueren religiösen Frauen-Genossenschaften nach ihren rechtlichen Verhältnissen, Schaffhausen 1857 (vgl. Meiwes, „Arbeiterinnen des Herrn“, S. 59).
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Bestimmungen hinsichtlich der neuen Genossenschaften einzuführen, entsprochen, indem Leo XIII. die Bulle „Conditae a Christo“ erließ. „Bis 1900 entschied der Heilige Stuhl weiterhin von Fall zu Fall, da es noch keine allgemeingültigen kanonischen Regeln für das Anerkennungsverfahren dieser religiösen Gemeinschaften gab.“84 Erst so spät wurde ein Frauenkongregationswesen im Kirchenrecht verankert und somit ein „Mittelstand“ eingeführt, der dieses nun von kontemplativen Orden scharf abgrenzte. Insofern ist auch hier der Begriff eines „Mittelstandes“ diskursabhängig zu verwenden. Es handelt sich nicht um eine frühneuzeitliche Rechtsgrundlage. Dies ist auch im Hinblick auf den Begriff „Semireligiosentum“ zu bedenken, insofern damit ein solcher „Mittelstand“ gemeint ist. Er suggeriert leicht eine kirchenrechtliche Kategorie, die es in der Frühen Neuzeit so noch nicht gab.85 Auf der Ebene der konkreten Verfassungen religiöser Gemeinschaften sind wiederum viele Regelungen, Ausnahmen, Rechte und Pflichten möglich. Die durchaus schon Zeitgenossen verwirrende Vielfalt religiöser Lebensformen lässt sich phänomenologisch nicht immer eindeutig einem Stand (Laien oder Geistliche) zuordnen.86 Ähnlichkeiten ziehen Abgrenzungen nach sich. Klärungen und Differenzierungen werden notwendig. Das „Dazwischen“ besteht bei näherer Betrachtung in einer Fülle von Ähnlichkeiten, die jedoch nicht notwendig ein „Drittes“ schaffen, sondern eine verwirrende Anzahl von je eigenen Lebensformen offenbaren. Selbst der heute klare Begriff der „Frauenkongregationen“ ist für die Frühe Neuzeit und seine Vielfalt weiblicher religiöser Lebensformen noch zu undifferenziert. 84 Ebd. 85 Für das Mittelalter ist die Diskussion über die kirchenrechtliche Anerkennung eines „mittleren Standes“ vor längerer Zeit geführt worden. So vertrat Kaspar Elm im Gegensatz zu seinem Lehrer Herbert Grundmann die Auffassung einer solchen Anerkennung. Vgl. Kaspar Elm, Vita regularis sine regula. Bedeutung, Rechtsstellung und Selbstverständnis des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Semireligiosentums, in: František Šmahel (Hg.), Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter, München 1998, S. 239–273, 256–268. John van Engen hat dagegen zum 15. Jahrhundert festgehalten, dass das Kirchenrecht den Begriff „status medius“ nicht kennt, ihn allenfalls im ternaren Ständeschema der „Jungfrauen, Witwen und Verheirateten“ verwendet. Vgl. John van Engen, Friar Johannes Nider on Laypeople Living as Religious in the World, in: Franz J. Felten und Nikolas Jaspert (Hg.), Vita Religiosa im Mittelalter, Berlin 1999, S. 612. Zur Forschungskontroverse siehe auch Martina Wehrli-Johns, Vita mixta und vita media im spätmittelalterlichen Diskurs: Neuere Forschungen zum sogenannten Semireligiosentum, in: Spee Jahrbuch 17/18 (2010/2011), S. 101–119. 86 Der Kontrast zwischen statischem ordo und gesellschaftlicher Entwicklung ist ein grundsätzliches Problem im „Ständedenken“. So wird zum Beispiel vor der Französischen Revolution alles als „Dritter Stand“ zusammengefasst, was nicht zum Adel oder zum Klerus gehört. Dennoch gab es phänomenologisch und sogar rechtlich Überschneidungen. So stammte der obere Klerus aus dem Adel und der niedere Klerus fühlte sich vielfach durchaus dem Dritten Stand zugehörig.
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Nicole Priesching
Im Grunde entsteht hier erst so etwas wie ein Typus „Frauenkongregation“, der sich dann, wie erwähnt, langsam im 19./20. Jahrhundert kirchenrechtlich unter anderen Bedingungen durchsetzen wird. In der Frühen Neuzeit sind die Dinge noch im Fluss. Kanonikerinnen bzw. Kanonessen bestehen mit oder ohne Regel neben Terziarinnen mit oder ohne Regel. Dem regulierten Modell steht häufig ein säkulares Alternativmodell gegenüber. Das Selbstverständnis der Frauen bahnt sich in der konkreten Ausgestaltung von Lebensentwürfen einen Weg durch kirchenrechtliche Klärungsprozesse und umgekehrt suchen Förderer (meist die Bischöfe) kirchenrechtliche Lösungen und Gegner Schranken aufzurichten. Die Beginen scheinen in diesem Spektrum als Laiinnen unstrittig zugeordnet worden zu sein. Sie markieren damit eine Seite des Spielfeldrandes, die unverdächtig bleiben kann, da sie nicht in die Verklösterlichung drängt. Insgesamt wären diese kirchenrechtlichen Klärungsprozesse weiter zu erforschen und das große Feld des weiblichen Religiosentums weiter zu differenzieren. Auch wenn Beginen wohl nicht zwischen Kloster und Welt standen, gehörten sie doch in das breite Spektrum weiblicher religiöser Lebensentwürfe. Inwiefern diese ihrem Selbstverständnis nach einen „mittleren Weg“ gingen oder in zeitgenössischen Reflexionen über einen solchen „dritten Weg“ einbezogen wurden, ist noch zu untersuchen. Nicht nur in einer (kirchen-)rechtlichen, sondern auch in einer frömmigkeitsgeschichtlichen Perspektive wären vergleichende Studien interessant, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener religiöser Lebensentwürfe von Frauen genauer herauszuarbeiten. Hierbei ist auch nach dem Beitrag der einzelnen Gemeinschaften für die Konfessionalisierung und katholische Reform zu fragen. Die Beginen bieten sich hier besonders als Untersuchungsgegenstand an, da sie unter verschiedenen konfessionellen Vorzeichen bestehen konnten. Aber auch im Vergleich zu katholischen Lebensentwürfen sind noch viele Felder zu bearbeiten. Eine Schnittmenge zwischen verschiedenen Gemeinschaftsformen bildete in der Frühen Neuzeit zum Beispiel die Mädchenbildung. Frauenorden, Frauenkongregationen, Terziarinnen und Beginen leisteten hierfür einen Beitrag – allerdings in sehr unterschiedlichem Grad. War der Unterricht vor 1600 noch auf wenige Schülerinnen aus gehobenen Schichten beschränkt, so verfolgten die neu gegründeten Frauengemeinschaften das Ziel, nun möglichst viele Mädchen aus allen Bevölkerungsschichten zu erziehen. Ihr Vorbild waren dabei die Jesuiten. Neben den neu gegründeten Frauengemeinschaften wie den Ursulinen und den Katharinenschwestern unterrichteten aber auch zahlreiche Terziarinnengemeinschaften. Sie unterhielten im Rheinland schon im 15. und 16. Jahrhundert Schulen und gingen den neuen Gemeinschaften insofern voraus. Einerseits intensivierten sie ihre Unterrichtstätigkeit im Sog der katholischen Reformbewegung im 17. Jahrhundert, andererseits stellte der Unterricht für sie nur eine weltliche Aktivität neben anderen dar, wäh-
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rend die weiblichen Lehrorden sich neben dem Chorgebet vor allem um Mädchenbildung kümmerten. Diese war für ihr Selbstverständnis wesentlich zentraler.87 Bei den Beginen scheint es dagegen nur in Ausnahmen dazu gekommen zu sein, dass diese auch Mädchenunterricht übernahmen. Die Frage nach dem weiblichen Beitrag zur Bildungsgeschichte in der Frühen Neuzeit hängt demnach nicht von der Klausurfrage ab. Alternative Lebensformen hätte es gegeben. Der Kampf, den hier viele Frauengemeinschaften um ihre Anerkennung als Ordensgemeinschaft führten, lässt sich nicht darauf zurückführen, dass sie keine anderen Möglichkeiten gehabt hätten, um als Frauengemeinschaft ein apostolisches Leben zu führen, sondern vielmehr auf ihren Wunsch, zum Ordensstand gerechnet zu werden. Gerade das Beginenwesen hätte sonst einen etablierten Ausweg geboten. Doch diese Alternative erschien offenbar nicht mehr als attraktiv. Die religiöse Erneuerungsbewegung war von einem Aufschwung der Ordensideale gekennzeichnet, gegenüber denen die Beginen abfielen. Auch diesem Trend wäre in Einzeluntersuchungen noch näher nachzugehen.
87 Rutz, Bildung – Konfession – Geschlecht, S. 231–233.
Mitwirkende Dr. Yvonne Bergerfurth, Historikerin; Master of Arts in Medieval and Early Modern History an der University of Bristol (UK); mehrjährige Mitarbeit im Historischen Archiv der Stadt Köln, Vorbereitungsdienst für den höheren Archivdienst in Schwerin und Marburg; Veröffentlichungen: Die Bruderschaften der Kölner Jesuiten 1576 bis 1773 (Phil. Diss., Bonn 2012; im Druck); Jesuitica im Historischen Archiv der Stadt Köln, in: Geschichte in Köln 57 (2010). Dr. des. Michaela Bill-Mrziglod, kath. Theologin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Kirchengeschichte am Institut für Kath. Theologie der Universität Koblenz-Landau; Veröffentlichungen: „¿Cómo vives, sin quien vivir no puedes? – Wie lebst du, ohne den du nicht leben kannst?“ Die mystische Poesie Luisa de Carvajal y Mendozas (2010); Luisa de Carvajal y Mendoza (1566– 1614) und ihre semireligiose Frauengemeinschaft des 17. Jahrhunderts (Phil. Diss., Saarbrücken 2013; Druck in Vorbereitung); Luisa de Carvajal y Mendoza (1566–1614). Individueller Bildungsgang und pädagogischer Anspruch, in: J. Jacobi / J.-L. Le Cam / H.-U. Musolff (Hg.), Vormoderne Bildungsgänge. Selbst- und Fremdbeschreibungen in der Frühen Neuzeit (2010); Geschlecht als Thema katholischer Leichenpredigten des 17. Jahrhunderts. Das Beispiel des Sermón fúnebre zum Tode Luisa de Carvajals (1566–1614), in: S. Blumesberger / I. Korotin (Hg.), Frauenbiografieforschung. Theoretische Diskurse und methodologische Konzepte (2012). apl. Prof. Dr. Anne Conrad, kath. Theologin und Historikerin, Universität des Saarlandes, Saarbrücken; Forschungen zur Konfessionalisierung, zur Aufklärung, zur Bildungsgeschichte und zur Frauen- und Geschlechtergeschichte; Veröffentlichungen u.a.: Zwischen Kloster und Welt. Ursulinen und Jesuitinnen in der katholischen Reformbewegung des 16./17. Jahrhunderts (1991); Rationalismus und Schwärmerei. Studien zur Religiosität und Sinndeutung in der Spätaufklärung (2008); Hg.: „In Christo ist weder man noch weyb“. Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform (1999); Hg. (mit Kerstin Michalik): Quellen zur Geschichte der Frauen, Bd.3: Neuzeit (1999); Hg. (mit Peter Burschel): Vorbild, Inbild, Abbild. Religiöse Lebensmodelle in geschlechtergeschichtlicher Perspektive (2003); Hg. (mit Kaspar von Greyerz): Handbuch der Religionsgeschichte im deutschen Sprachraum, Bd. 4:1650–1750 (2012). Prof. Dr. Nicole Priesching, kath. Theologin, Professorin für Kirchengeschichte und Religionsgeschichte an der Universität Paderborn; Forschungen zur Frömmigkeitsgeschichte, Ordensgeschichte, Geschichte der Sklaverei,
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Mitwirkende
Beziehungen zwischen Christentum, Islam und Judentum; Veröffentlichungen u. a.: Maria von Mörl (1812–1868). Leben und Bedeutung einer „stigmatisierten Jungfrau“ aus Tirol im Kontext ultramontaner Frömmigkeit (2004); Von Menschenfängern und Menschenfischern. Sklaverei und Loskauf im Kirchenstaat des 16.-18. Jahrhunderts (2012); Hg. (mit Wolfgang Zimmermann): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart (2003); Hg. (mit Andreas Henkelmann): Widerstand? Forschungsperspektiven auf das Verhältnis von Katholizismus und Nationalsozialismus (2010). Dr. Andreas Rutz, Historiker; Wissenschaftlicher Assistent an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Geschichtswissenschaft, Abt. für Rheinische Landesgeschichte; Forschungsschwerpunkte: Geschichte des Alten Reiches und seiner Territorien, Reformation und Konfessionalisierung, Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte, Frauen- und Geschlechtergeschichte, Vergleichende Landes- und Stadtgeschichte; Veröffentlichungen u.a.: Bildung – Konfession – Geschlecht. Religiöse Frauengemeinschaften und die katholische Mädchenbildung im Rheinland (16.-18. Jahrhundert) (2006); Hg. (mit Stefan Elit / Stephan Kraft): Das ‚Ich‘ in der Frühen Neuzeit. Autobiographien – Selbstzeugnisse – Ego-Dokumente in geschichts- und literaturwissenschaftlicher Perspektive (zeitenblicke. OnlineJournal für die Geschichtswissenschaften 1 (2002), Nr. 2); Hg. (mit Manfred Groten): Rheinische Landesgeschichte an der Universität Bonn. Traditionen – Entwicklungen – Perspektiven (2007); Hg. (mit Tobias Wulf): O felix Agrippina nobilis Romanorum Colonia. Neue Studien zur Kölner Geschichte (2009); Hg.: Das Rheinland als Schul- und Bildungslandschaft (1250–1750) (2010). Susanne Schulz, kath. Theologin und Diplom-Mathematikerin; Studienrätin für katholische Religion, Englisch und Mathematik; bis 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Saarbrücker Forschungsprojekt „Das weibliche Semireligiosentum im Katholizismus des 17. Jahrhunderts“; Promotionsprojekt an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken: „Der Diskurs über den welt-geistlichen Stand im 17. Jahrhundert“; Veröffentlichung: Seelsorge in der Tradition Friedrich Spees. Hermann Busenbaums „Lilien under den Dörneren“, in: Spee-Jahrbuch 17/18 (2010/2011).
Register Aachen 99, 101, 111 Aerts, Norbert 105 Ahlen 102 Akkulturation 131, 133f. Alkmaar 98 Allgemeines Priestertum aller Gläubigen 18, 65 Amsterdam 105 Andachtsbilder / Andachtsliteratur 59, 67–70, 75, 88, 136f. Antwerpen 159 Apostolat 26, 50, 60, 84, 145 Apostolizität 71f. Arme-Seelen-Bruderschaft 122–124, 136f. Ascendente Domino (Bulle) 33, 40 Augsburg 151 Augustiner-Chorfrauen 144, 156f. Augustiner-Chorherren 153 Augustinus-Regel 22, 29 Ávila, Juan de 76–78, 80, 86, 92 Ávila, Teresa von 15, 67, 70 Aviso de gente recogida 62, 76 Bamberg 146–150, 154 Barnabiten 17 Beatas 76, 78f., 86 Begarden 9 Beginen 8f., 22, 29, 32, 45, 47, 102, 141–163. Berg, Herzogtum 101 Bettelorden/Mendikanten 93f., 96, 107, 149, 154 Blarer, Margarete 20 Borromeo, Carlo 20, 70 Braunsberg 155, 158 Breda 105 Brescia 10, 14, 20 Bruderschaft 13, 19, 27, 65, 68, 72, 99, 117–140, 149
Brügge 159 Brüssel 106, 143 Bürgersodalität 22, 118f., 124, 126, 129, 137–140 Busenbaum, Hermann 7, 14–18, 22, 37, 160, 166 Caritas 148 Carvajal y Mendoza, Luisa de 11, 71, 74, 76, 86, 96 Circa Pastoralis (Konstitution) 32f., 35, 46 Coesfeld 101f. Congrégation de Notre-Dame 21f., 107, 143f. Corpus Iuris Canonici 27f., 31 Cousebant, Nicolaas Wiggers 99 Decori (Dekret) 33, 35 Delft 98, 106 Devote/Devotessen 11, 14, 62–64, 66, 68, 82, 88, 92–115, 127f., 135 Devotio moderna 10, 12, 62–67, 69, 72f., 82, 84, 153 Devotionsbruderschaften 127 Dritter Orden → Terziarinnen Elementarschule 20, 105f., 109, 150 Elisabeth vom Berge, Fürstäbtissin 151 Elisabethinnen 111 Emmerich 16, 99, 100 Englische Fräulein 12, 21f., 26f., 30, 36, 40–60 Erbauungsliteratur 65f., 69, 74–78, 88, 92 Ermland 157f. Essen 101, 146, 150–152 Evangelische Räte 73 Fourier, Pierre 144, 156 Frankreich 11, 14, 95, 98, 113, 127 Franziskaner 19, 34, 94, 99, 154
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Register
Freckenhorst 102 Frömmigkeit 13, 19, 51, 61–94, 97–99, 110, 112, 114, 128–131, 134, 137, 141, 143, 148f., 152f., 160, 162 Galen, Christoph Bernhard von 160 Gebet 13, 39, 46, 63, 66–68, 75–81, 83, 85, 89f., 97, 110, 135, 137, 143, 163 Geertruidenberg 105 Gegenreformation 126, 128f. Gelübde 16f., 25f., 31–60, 73f., 86, 91, 93, 99, 120, 122, 144, 154, 156–158 Glaubensflüchtlinge 98 Gouda 98, 106 Gregor XIII. 28, 55, 157 Groningen 98, 105 Grote, Geert 62 Güldenes Tugend-Buch 15, 62, 87–91 Haarlem 97, 99 Häresie 35, 37, 40, 63, 141–143, 159 Heilige/Heiligenverehrung 16, 70f., 77–81, 86, 135 Heiligkeit 39, 41, 47, 70f., 77, 80, 157 Heilsbach, Agnes von 100f., 114 Hoheslied 15 Huysmans, Daniël 100 Ignatius von Loyola 12f., 15, 70, 72f., 76, 83f., 92, 117, 160 Imitatio Christi/Nachfolge Jesu 63, 67, 72, 75, 85 Italien 11f., 20, 27, 45, 95, 127, 134 Jakob von Vitry 142 Jesuiten 12–19, 27, 33f., 36, 41, 46, 56, 70–72, 92–140, 143f., 149, 151f., 155, 160, 162, 165 Jesuitinnen 8, 12, 14f., 21f., 46, 59, 128, 143, 159 Jülich 100f., 111 Junggesellensodalität 137–139 Kanoniker 31, 47 Kanonikerinnen 156f., 162
Kapuziner 68, 78, 151f. Karmeliten 15, 68, 78, 94, 123 Karmelitinnen 14 Katechese 12f., 17f., 21, 68, 75, 92–115 Katharinerinnen/Katharinenschwestern 20, 22, 59, 143, 155, 157f., 162 katholische Reform 7, 93, 128f., 131, 143, 149, 151, 155, 162 Kirchenrecht 8–10, 18, 20, 22, 25–60, 99, 145, 152f., 155–162 Klarissen 99 Klausur 21f., 26, 30, 32f., 35, 39f., 43, 50f., 57, 63, 69f., 74, 83, 93, 144f., 148, 154–159, 163 Kleve 101 Köln 10, 14–17, 22, 69, 72, 87f., 95, 98–111, 117–140, 160 Konfessionalisierung 7f., 10, 18, 20, 32, 42, 50, 59, 65, 68–70, 88, 92f., 95, 99, 106–108, 112, 126, 128–131, 134, 139, 143, 145f., 149, 151f., 159, 162, 165 Kongregation 10, 13, 59, 62, 87, 98, 144f., 153f., 160–162 Lagonissa, Fabio de 16 Laien 8, 13, 18f., 29–32, 37f., 46, 54, 56–92, 119, 122, 124, 127–129, 139, 141–163 Laterankonzil, Fünftes 12 Laterankonzil, Viertes 25, 29f., 44f., 142 Lehrerinnen 19, 93–115 Lektüre 13, 22, 61–92, 110 Leo XIII. 161 Léon, Luís de 15 Lessius, Leonard 12, 26f., 32–37, 40–60, 160 Liesborn 102 Lilien under den Doerneren 7, 14–17, 37, 160 Luther, Martin 18, 107, 149
Register
Lüttich 108 Lynnerie, Margaretha 100 Lyon, Zweites Konzil von 25, 29, 44f. Mädchenbildung 11, 13, 19f., 102– 109, 112f., 162f. Mailand 20 Maria, Mutter Jesu 16, 71, 83, 90, 120, 123, 130, 135 Marianische Sodalität/Marianische Kongregation 87, 118, 122–140 Martyrium 74–78, 84, 90 Mendikanten → Bettelorden Merici, Angela 10, 14, 20 Minden 146, 149f. Mission 36, 43, 50f., 71f., 80, 87, 91f., 95, 98, 111 Münster 14, 101f., 149, 160 Münstereifel 100 Mystik 15, 66f., 84, 88, 146 Nas, Johannes 19f. Neuss 99 Niederlande 9, 11, 43, 93–113 Nimwegen 105 Oratorianer 14, 17, 47 Ostende 106 Oudewater 105 Paderborn 87, 156f. Pensionat 105f. Peregrinatio/Pilgerschaft 71f., 79 Perez de Valdivia, Diego 79, 92 Periculoso (Dekret) 30–32 Petrus Lombardus 33 Philothea/Introduction à la vie dévote 14, 62, 73, 80, 82–86 Pius V. 144, 158 praxis pietatis 61, 68f., 75 Prierias, Silvester 156 Prozession 68, 135, 149, 151 quasi-religios 25f., 44, 59 Reformation 17, 61, 65–68, 130f., 143–151, 155 Reiblein, Nicolaus 147 Reusch, Sebastian 24
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Rheinland 10, 94, 98–115, 127, 142, 162 Roermond 100f. Rotterdam 98, 110 Ruysbroek, Jan van 62, 66 Sachsen 106 Sales, François de 14, 62, 71, 73, 80, 82–87, 92 Schönborn, Lothar Franz Graf von 147 Schule/Schülerinnen 17–22, 78, 88, 91, 93–115, 118, 125, 136, 150, 162 Sels, Bernard 160 Sixtus IV. 154 Sozialdisziplinierung 129–131 Sozialisation, konfessionelle 19, 107–110 Spanien 11, 76f., 95 Spaur, Maria Clara von, Fürstäbtissin 152 Spee, Friedrich 7, 9f., 13–17, 62, 87–92 Speyer 151 Spiritualität 7f., 10, 13, 15, 22, 61– 92, 99, 112, 128, 135, 153f., 160 Stahl, Margarete 147f. Suárez, Francisco 25–60 Terziarinnen/Dritter Orden 9, 29, 32f., 45, 94, 101f., 107, 142f., 149, 154, 162 Textor, Jacob 147 Theatiner 12, 17 Thomas von Aquin 26, 33f., 37–39, 42 Thomas von Kempen 62, 72, 90 Todesangstbruderschaft 120, 122, 129, 136 Tournai 16, 159 Trient, Konzil von 12, 17, 19, 21, 25, 30, 32–35, 39, 43, 69f., 75, 89, 93f., 128, 134, 142–145, 153f., 157, 159 Trier 87, 99, 101, 127
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Register
Ursulagesellschaft 15–17, 69, 72, 99–104, 111, 120–124, 128, 133– 137, 140, 160 Ursulinen 10, 14, 20, 22, 105, 107, 128, 143, 162 Utrecht 105, 110 Vienne, Konzil von 141f., 145 Villain, Maximilien 16 Voetius, Gisbertus 96 Voit von Rieneck, Philipp Valenti 147 Voit, Melchior Otto 147 Ward, Mary 12, 21f., 26f., 43, 50, 55, 69, 71, 143 Wassenberg 100
Weinsberg, Hermann 98 Welschnonnen → Congrégation de Notre-Dame Wentrup, Johann 150 Westfalen 98, 101–103, 112, 114 Westfälischer Friede 152 Windesheim 62, 153 Xanten 99 Zapfin, Barbara 148 Zell, Katharina 20 Zerbolt van Zutphen, Gerhard 62 Zisterzienserinnen 100 Zwolle 153