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German Pages [380] Year 2013
Der Hof
MUSIK – KULTUR – GENDER Herausgegeben von Annette Kreutziger-Herr, Dorle Dracklé, Dagmar von Hoff und Susanne Rode-Breymann
Band 12
Kultur ist Kommunikation: Wörter, die gelesen werden, ein literarisches oder filmisches Werk, das interpretiert wird, hörbare und unhörbare Musik, sichtbare oder unsichtbare Bilder, Zeichensysteme, die man deuten kann. Die Reihe Musik – Kultur – Gender ist ein Forum für interdisziplinäre, kritische Wortmeldungen zu Themen aus den Kulturwissen schaften, wobei ein besonderes Augenmerk auf Musik, Literatur und Medien im kultu rellen Kontext liegt. In jedem Band ist der Blick auf die kulturelle Konstruktion von Geschlecht eine Selbstverständlichkeit.
Der Hof Ort kulturellen Handelns von Frauen in der Frühen Neuzeit
Herausgegeben von Susanne Rode-Breymann und Antje Tumat
2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Mariann Steegmann Foundation
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Unbekannter Maler (Albert Freyse?): Das Gambenkonzert mit Herzogin Sophie Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel (Ausschnitt) mit der Herzogin am Cembalo, um 1645. Braunschweig, Landesmuseum.
© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: General Druck, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier. Printed in Hungary ISBN 978-3-412-21102-8
Inhalt
Susanne Rode-Breymann Einleitung .......................................................................................... 9 I. Höfisches Handeln ........................................................................... 19 Heide Wunder »Die Fürstin bei Hofe« im Heiligen Römischen Reich (16.–18. Jahrhundert) ......................................................................... 21 Susanne Rode-Breymann Höfe als Orte der Musik. Komponierende Fürstinnen und andere »musicallische Weibspersohnen«............................................. 52 II. Rollen – Identitäten ......................................................................... 65 Christine Fischer Höfische Wirkungsbedingungen. Aspekte musikalischen Handelns von Komponistinnen.......................................................... 67 Helen Watanabe-O’Kelly Consort and Mistress. A Successful Job-Share? ................................. 90 Cornelia Niekus Moore Spiegel weiblicher Tugenden. Die Fürstin als Vorbildliche ................ 100 Pernille Arenfeldt »The Queen has Sent Nine Frisian Cows«. Gender and Everyday Cultural Practices at the Courts in Sixteenth-Century Germany ............................................................................................ 116 Ute Küppers-Braun »Il n’y a rien de Si agreable que d’etre Sa propre maitresse«. Äbtissinnen als Fürstinnen des Reiches ............................................. 132
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Inhalt
Ulrike Gleixner Fürstäbtissin, Patronage und protestantische Indienmission. Das Stiften sozialer Räume im »Reich Gottes« ......................................... 157 Katrin Keller Das Frauenzimmer. Hofdamen und Dienerinnen zwischen Transfer und kultureller Praxis ........................................................... 185 III. Raumkonzepte – Handlungsräume ............................................ 207 Veronica Biermann Königin Christina von Schweden in ihrem römischen Palast. Zum Verhältnis von Innenraum und Selbstverständnis .............................. 209 Ruth Müller-Lindenberg Wilhelmine von Bayreuth. Raumimagination und Selbstkonzept ..................................................................................... 238 Michael Wenzel Beauties, Wits and Fools. Die Schönheitengalerie der Königin Maria II. von England als Repräsentationsort weiblicher Handlungsräume ................................................................................ 256 Helga Meise Das Schloss als Handlungsspielraum. Landgräfin Elisabeth Dorothea von Hessen-Darmstadt, geb. Herzogin von Sachsen-Gotha (1640–1709).............................................................. 274 Andreas Waczkat Die Imagination der Ent-Ortung in Charpentiers Médée .................. 285 IV. Netzwerke ........................................................................................ 293 Jill Bepler Women’s Books and Dynastic Networks in Early Modern Germany.. Female Practices of Collecting and Bequeathing ............................... 295 Beatrix Bastl Briefe als Trost. Zur Überwindung von Raum und Zeit..................... 314
Inhalt
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Judith P. Aikin Devotional Songs by Women of the Ruling Families in Seventeenth-Century Lutheran Germany. Authorship, Dissemination, Compilation, Publication .......................................... 335 Mara R. Wade Princess Magdalena Sibylle (1617–1668) and Court Ballet in Denmark and Saxony ......................................................................... 352 Abbildungsverzeichnis ............................................................................. 376 Autorinnen und Autoren ......................................................................... 380
Susanne Rode-Breymann
Einleitung
Die europäischen Höfe der Frühen Neuzeit waren Orte einer spezifischen sozialen Praxis und mit ihr verwobenen Kultur. Martin Warnke definiert diesen Ort in seinem Hofkünstler (1985) als ein in sich »spannungsreiches Gebilde, in dem Fürsten und Prinzen, Günstlinge und Minister, bürgerliche Räte und adelige Kammerdiener, Frauen und Parvenüs, Zwerge, Narren und Handwerker aufeinander einwirken; als ein Umschlagplatz der Gesellschaft pflegt der Hof Beziehungen sowohl zu den Untertanen wie zu den nahen und fernen, befreundeten oder verfeindeten, umworbenen oder konkurrierenden Höfen. Aus dieser Konfiguration ergeben sich Ansprüche, Normen und Bedürfnisse, welche die Kunst zu objektivieren, auszugleichen oder zu definieren hat.«1
Warnke rückt die Akteure in den Blick. Eingereiht zwischen den Kammerdienern und den Parvenüs nennt er immerhin Frauen als Beteiligte auf diesem Umschlagplatz. Ihnen, den höfischen Akteurinnen, gilt die Aufmerksamkeit des vorliegenden interdisziplinären Bandes, in dem die Erträge des Internationalen Kongresses »Der Hof. Ort kulturellen Handelns von Frauen in der Frühen Neuzeit« (2010) publiziert werden.2 Die sechs Beiträge des II. Kapitels »Rollen – Identitäten« von Helen Watanabe-O’Kelly, Cornelia Niekus Moore, Pernille Arenfeldt, Ute Küppers-Braun, Ulrike Gleixner und Katrin Keller behandeln exemplarisch verschiedene Frauen-Rollen an frühneuzeitlichen Höfen, von der Fürstin, sei sie Gemahlin oder Äbtissin, bis zu den Hofdamen und Dienerinnen. Diese sechs Beiträge beleuchten die Wirkungsmöglichkeiten dieser Frauen und führen facettenreich die kulturelle Praxis von Frauen an Höfen vor Augen, und dies nicht nur mit Blick auf die herausgehobene kulturelle Praxis, wie sie sich etwa in höfischen Festen dokumentiert, sondern auch im Bestreben, »Every1 Martin Warnke, Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, Köln 1985, S. 13. 2 Der Band erscheint in einer musikwissenschaftlich angelegten Reihe, in dem die Quellen den internationalen RISM-Siglen entsprechend zitiert werden. Aufgrund der großen Bandbreite der versammelten Disziplinen sind in einzelnen Anmerkungen jedoch zusätzlich zu den RISM-Siglen Bibliotheksnamen und -orte in den Fußnoten angegeben.
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day Cultural Practices« zu rekonstruieren, wie es Pernille Arenfeldt titelt und höchst anschaulich einlöst. Die europäischen Fürstenhöfe der Frühen Neuzeit waren Orte der Macht und zugleich Orte der Kultur: Dichtung, bildende Kunst, Baukunst, Gartenarchitektur standen europaweit an den Höfen hoch im Kurs, und auch musikbezogen tat sich ein breites Handlungsfeld für Instrumentalisten, Sänger, Tänzer, Bühnenarchitekten und Komponisten auf. An den allermeisten Höfen, aber eben nicht immer, stand ein Fürst im Zentrum dieser kulturellen Aktivitäten. In seiner Typologie deutscher Höfe im 17. und 18. Jahrhundert lenkt Volker Bauer, einer der Mitorganisatoren des Kongresses, den Blick auf den Musenhof als einen Ort, an dem den Künsten und der Gelehrsamkeit reiche Entfaltungsmöglichkeit gegeben wurde, wobei die Kunstpolitik zumeist der Kompensation fehlender politischer Macht gedient habe: »Die Kompensationsfunktion, die […] den Musenhöfen […] zukam«, so Bauer, »tritt noch deutlicher hervor, wenn man sich klarmacht, dass viele Beispiele für diesen Idealtyp von den ›Nebenhöfen‹ gebildet wurden, die sich um die Gattinnen, Witwen oder zweitgeborenen Prinzen fürstlicher Häuser gruppierten.«3 Solche Musenhöfe boten Frauen, besonders »als Herrscherin eigenen Rechts, als Regentin für einen unmündigen Sohn, als Ehefrau eines schwachen, zum Herrscher wenig geeigneten Mannes«,4 einen Freiraum zu kulturellem Handeln und zur Entfaltung künstlerischer Begabung. Zu den Akteurinnen innerhalb der höfischen Kultur gehörten eine ganze Reihe komponierender Frauen, die Werke aller Gattungen vom geistlichen Lied bis hin zu Musiktheaterwerken komponierten (vgl. die Beiträge von Judith P. Aikin, Christine Fischer und Susanne Rode-Breymann). Der Kreis der musik- und kulturbezogenen Akteurinnen an den Höfen endet jedoch nicht mit den Komponistinnen, sondern ist erheblich weiter zu schlagen. Fürstinnen prägten während der Regentschaft ihrer Gatten die höfische Kultur mit, waren Auftraggeberinnen von Kunst und Musik, übernahmen ein aktive Rolle im europäischen Netz von Musiker-Anwerbungen und trugen damit zur Internationalisierung der Hofkapellen bei. Als diejenigen, die mit der Heirat an einen anderen Hof wechselten, wurden sie zu Initiatorinnen und Schlüsselfiguren kulturellen Transfers. Sie tanzten in Schlussballet3 Volker Bauer, Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie, Tübingen 1993, S. 75 f. 4 Peter Fuchs, »Der Musenhof. Geistesleben und Kultur in den Residenzen der Neuzeit«, in: Residenzen: Aspekte hauptstädtischer Zentralität von der frühen Neuzeit bis zum Ende der Monarchie, hrsg. von Kurt Andermann, Sigmaringen 1992 (= Oberrheinische Studien, Bd. 10), S. 127–158, hier: S. 138.
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ten von Opern zusammen mit Hofdamen und waren Vermittlerinnen von (Tanz-)Kultur an andere Höfe (vgl. den Beitrag von Mara Wade). Sie waren Baumeisterinnen (vgl. dazu die Beiträge von Veronica Biermann und Ruth Müller-Lindenberg). Sie sangen, spielten ein oder mehrere Instrumente, unterhielten nach dem Tod ihrer Männer eigene Hofmusikkapellen. Sie dichteten, riefen Akademien ins Leben, sammelten Bücher (vgl. den Beitrag von Jill Bepler). Oftmals als künstlerischer Mittelpunkt des Hofes hoch geachtet, standen den Fürstinnen weitreichende Handlungsmöglichkeiten zu Gebote: Eleonora II. etwa konnte am Wiener Hof »als Maklerin fürstlicher Gunst« tätig werden, war »prominent in die sozialen Netzwerke des Hofes einbezogen« und gestaltete »solche Netzwerke«5 selbst mit, wobei ihr durch ihre spezifische Rolle ein besonderer kultureller Handlungsraum offenstand, wie es Katrin Keller plastisch beschreibt: »Da die Kaiserin jedoch zwischen den […] Fixpunkten des Tagesablaufes kaum Staatsgeschäfte im engeren Sinne zu erfüllen hatte, vermutlich nicht an den Sitzungen von Ratsgremien teilnahm – außer im Falle der Regentschaft und vielleicht auch bei Abwesenheit des Kaisers – und wahrscheinlich nicht täglich selbst Audienzen gab, blieb ihr viel Zeit für repräsentative Frömmigkeit und Beschäftigung in Muße, das heißt im Frauenzimmer im Kreis ihrer Hofdamen: Lektüre und Handarbeiten, Musik […] Malerei und Dichtung.«6
Die weitreichenden Handlungsmöglichkeiten höfischer Frauen sind erstmals von Werner Paravicini unmissverständlich auf den »Raum« hin fokussiert worden: das »Frauenzimmer« war Thema des 6. Symposiums der ResidenzenKommission 1998. Der 2000 erschienene Tagungsband dieses Symposiums gibt Einblicke in Topographie, Organisation, Ordnungen, Rollen im »Frauenzimmer« als einem »Zentrum einer eigenen Kultur«, in das Paravicini fragend hineinführt: »Denn wenn der Mann auf die Jagd gezogen war oder in den Krieg (das eine noch öfter als das andere), war dann die Frau nicht beim Hören, Lesen und Diktieren?«7 5 Katrin Keller, Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2005, S. 204. 6 Ebd., S. 127. 7 Werner Paravicini, »Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe im Spätmittelalter und früher Neuzeit«, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hrsg. von Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini, Stuttgart 2000 (= Residenzenforschung, Bd. 11), S. 13–25, hier: S. 21.
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Die historische Imagination kulturellen Handelns, das in bestimmten Räumen stattfand, ist ein Weg, der auch im vorliegenden Band beschritten wird. Hof meint eine Vielzahl von Räumen: Palast, Lustschloss, Frauenzimmer, Musikzimmer, Studiolo, Hauskapelle, Garten, Grotte, imaginierte Räume – diesen (Frauen-)Räumen und den darin sich bietenden kulturellen Handlungsmöglichkeiten widmen sich die fünf Beiträge des III. Kapitels »Raumkonzepte – Handlungsspielräume« von Veronica Biermann, Ruth MüllerLindenberg, Michael Wenzel, Helga Meise und Andreas Waczkat. Die Perspektive auf höfische Räume sei nicht missverstanden als nur konkrete Zimmerfolge, also als physischer Raum, sondern meint vor allem auch den sozial konstituierten Raum: »Raum entsteht aus dem Prozess der Zuweisung von Positionen. Wie und in welcher Weise sich die sozialen Elemente zueinander verteilen, in welchen Abständen sie sich befinden, gibt die innere Struktur eines Raumes an und seine Grenzen nach außen. So […] ist auch ›der soziale Raum durch die gegenseitige Exklusion oder Distinktion der ihn konstruierenden Positionen definiert.‹«8
Höfische Kultur ist ein Paradebeispiel für Prozesse sozialer Raumkonstituierung, für Prozesse des ›spacing‹, wie es Martina Löw9 nennt. Auch darin waren Frauen in der höfischen Kultur Akteurinnen, keineswegs nur Zuschauerinnen oder Platzierte, was nochmals an Eleonora II. exemplifiziert sei. Sie wurde von Johann Basilius Küchelbecker als »eine Höchst verständige […] Dame« von »sonderbahre[r] Klugheit«10 gelobt und scheint diese Klugheit u. a. für eine kulturell integrierende Arbeit am Hof genutzt zu haben. Darauf lässt ein Brief von Kaiser Leopold vom 11. Mai 1667 schließen, in dem er erwähnt, dass am Vortage »auch die verwitibte Kaiserin ein Fest gehalten« habe, »wobei mein Schatz lustig gewest. Schaue halt, sie lustig zu erhalten, dass sie allen Content habe.«11 Feste boten Gelegenheiten zu agieren – und wenn Eleonora die Initiative ergriff und ein Fest organisierte, eröffnete sie 8 Sighard Neckel, »Felder, Relationen, Ortseffekte: Sozialer und physischer Raum«, in: Kommunikation – Gedächtnis – Raum. Kultuwissenschaften nach dem ›Spatial Turn‹, hrsg. von Moritz Csáky und Christoph Leitgeb, Bielefeld 2009, S. 45–55, hier: S. 49. 9 Vgl. Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt am Main 2001. 10 Johann Basilius Küchelbecker, Allerneueste Nachricht vom Römisch=Kayserl. Hofe. Nebst einer ausführlichen historischen Beschreibung der Kayserlichen Residentz=Stadt Wien, und der umliegenden Oerter, Hannover 1730, S. 152 f. 11 Privatbriefe Kaiser Leopold I. an den Grafen F. E. Pötting 1662 bis 1673, hrsg. von Alfred Francis Pribram und Moritz Landwehr von Pragenau, Wien 1904 (= Fontes Austriacarum 2, Abt. 57), S. 299.
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damit ihrer Schwiegertochter eine Chance zu zeremonalisierter Kommunikation und zugleich eine Möglichkeit, sich am neuen Hof zu verorten und dementsprechend sich »lustig« zu fühlen. Hof-Definitionen, so hat Mark Hengerer mit Blick auf die Entwicklung der Hofforschung formuliert, haben sich verschoben »von der Institution hin zum Ereignis«.12 Er begreift Hof als einen in der »Einheit des Raumes hergestellten Interaktionszusammenhang«.13 Damit wird Hofforschung Kommunikations-, bzw. Medienforschung, was Volker Bauer in seinem jüngst erschienen Aufsatz »Strukturwandel der höfischen Öffentlichkeit« ausgehend von der Kurzformel »Kommunikation unter Anwesenden« konsequent weitergedacht hat. An den Fürstenhöfen des 16. bis 18. Jahrhunderts, so Bauer, »fand also primär Interaktion statt, das heißt Kommunikation unter Anwesenden. Sie zielte darauf, Rangunterschiede sinnlich wahrnehmbar zu machen, also die Landeshoheit und Zentralität des Fürsten, die Statusunterschiede innerhalb der Hofgesellschaft und deren Exklusivität gegenüber den sonstigen Untertanen vor allem zu visualisieren. Jegliche Teilhabe am höfischen Geschehen war an Präsenz gebunden, und die wichtigsten Ereignisse waren nur für jene beobachtbar, die an ihnen mitwirkten. Dieser Personenkreis umfasst in erster Linie die je lokale Hofgesellschaft, die freilich durch auswärtige Gäste, die zufällig oder mit einem bestimmten Anliegen die betreffende Residenz besuchten, ergänzt wurde.«14
Bauer formuliert geschlechtsneutral. Natürlich bestand jede Hofgesellschaft aus Männern und Frauen. Männer wie Frauen wirkten an der Kommunikation unter Anwesenden mit, was bis hin zu höfischen Musiktheater-Aufführungen ging, in denen beide Geschlechter bisweilen Mitspielende, Mitmusizierende, oft Mittanzende waren, also Mitbeteiligte an der Produktion sozialer Räume und aktiv eingebunden in die Wahrnehmung symbolischer Ordnungen. Das IV. Kapitel des Bandes, »Netzwerke«, wendet sich mit vier Beiträgen von Jill Bepler, Beatrix Bastl, Judith P. Aikin und Mara R. Wade exemplarisch dem zu, was Volker Bauer als Strukturwandel der höfischen Öffentlichkeit be12 Mark Hengerer, Kaiserhof und Adel in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Eine Kommunikationsgeschichte der Macht in der Vormoderne, Konstanz 2004 (= Historische Kulturwissenschaft, Bd. 3), S. 340. 13 Ebd., S. 343. 14 Volker Bauer, »Strukturwandel der höfischen Öffentlichkeit. Zur Medialisierung des Hoflebens vom 16. bis zum 18. Jahrhundert«, in: Zeitschrift für Historische Forschung 38/4 (2011), S. 585–620, hier: S. 587.
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zeichnet: »Das Festhalten an der Präsenzmedialität« sei in der Frühen Neuzeit der zunehmenden »zwischenhöfischen Verflechtung kaum mehr gewachsen«15 gewesen, so dass eine »druckförmige Wiedergabe« notwendig geworden sei: »In den höfischen Publikationen wurde Herrschaft eben nicht mehr als Interaktion ausgeübt, sondern nur noch als deren bloße Beschreibung abgebildet […]. Genau darin besteht der […] Strukturwandel der höfischen Öffentlichkeit hin zu einer Sphäre, in der die entscheidende Kommunikation nicht mehr an den, sondern zwischen den Höfen stattfand und daher auf den distanzmedialen Text- und Bilddruck angewiesen war, der wiederum dem gesamteuropäischen Charakter der Fürstengesellschaft Rechnung trug.«16
Tanz, also das im Körper eingeschriebene Können als Transport-Medium, Brief, als handschriftliches Medium »Zur Überwindung von Raum und Zeit« (wie Beatrix Bastl titelt), Lied(-Druck) und Buch sind die Medienformen, die das IV. Kapitel aufruft, Abstufungen also innerhalb der grundsätzlichen Veränderung von der höfischen Präsenzmedialität zur Distanzmedialität.17 Mit den höfischen Akteurinnen, den sozial konstituierten Räumen und der Veränderung von der Kommunikation unter Anwesenden hin zur Distanzmedialität nähert sich der vorliegende Band auf drei Blickachsen dem Hof als einem Ort kulturellen Handelns von Frauen in der Frühen Neuzeit. Darin liegt der über die bisherigen Forschungserträge einer sehr lebendigen Hofforschung hinausgehende Aspekt: Das Frauenzimmer-Symposium 1998 folgt der Raum-Perspektive, aber von Musik ist nicht die Rede. Die Geschichte komponierender Frauen begann fern von einer raumsoziologischen und medienhistorischen Perspektive. Indem der vorliegende Band den drei Blickachsen folgt, entstehen vielfältige Schnittpunkte zwischen Hofgeschichte, Musikgeschichte, Frauenidentitäten und Handlungsräumen von Frauen. Das I. Kapitel schafft dafür mit drei Beiträgen von Heide Wunder, Susanne RodeBreymann und Christine Fischer ein Panorama. Die Vielfalt der Schnittpunkte entwuchs der Interdisziplinarität des Symposiums: Keine Disziplin dominiert, vielmehr sind Musikwissenschaft (Christine Fischer, Ruth Müller-Lindenberg, Susanne Rode-Breymann, Andreas Waczkat), Geschichte (Beatrix Bastl, Ulrike Gleixner, Katrin Keller, Ute Küppers-Braun, Heide Wunder), Germanistik ( Judith P. Aikin, Jill Bepler, Helga Meise, Mara R. Wade, Helen Watanabe-O’Kelly) gleich stark 15 Ebd., S. 590. 16 Ebd., S. 598. 17 Vgl. ebd., S. 598.
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vertreten, ergänzt von Literatur-, bzw. Kulturwissenschaft (Pernille Arenfeldt, Cornelia Niekus Moore) und Kunstgeschichte (Veronica Biermann, Michael Wenzel). Mit diesen Forscherinnen und Forschern aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, England und den USA kamen Beiträgerinnen und Beiträger zusammen, die zumeist auf eine langjährige Frühneuzeit-Forschung zurückblicken. Außerdem sind viele unter ihnen, die über viele Jahre in der Herzog August Bibliothek forschten und nun die Erträge und Positionen, die aus ihren langjährigen Frühneuzeit-Forschungen in dieser Forschungs- und Studienstätte für Europäische Kulturgeschichte erwuchsen, in eine lebhafte interdisziplinäre Diskussion einbrachten. Cornelia Niekus Moore ruft in ihrem Beitrag die Langjährigkeit auf: »Vor vielen Jahren habe« sie »in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel zu zeigen versucht, dass die adelige Mutter im frühmodernen Deutschland selbstverständlich als Erzieherin ihrer Kinder auftrat«, nun 2010 wolle sie »diese Erziehungsaufgabe weiter ausführen, und zwar an Hand der vielen Veröffentlichungen, die seitdem über die Rolle der Frau am Hofe erschienen sind – wozu die« am Kongress und Tagungsband Beteiligten »das Ihrige beigetragen haben«. Die Beiträge des vorliegenden Bandes sind in diesem Sinne Resümees langjähriger Forschungen und zugleich Kondensate des Forschungsstandes in den jeweiligen Disziplinen. Es würde den Rahmen dieser Einleitung sprengen, wollte man für alle diese Disziplinen einen Überblick über den Forschungsstand geben. Im vorliegenden Band werden die Vorträge des Kongresses »Der Hof. Ort kulturellen Handelns von Frauen in der Frühen Neuzeit« publiziert, der vom 31. Mai 2010 bis 2. Juni 2010 als Kooperation des Forschungszentrums Musik und Gender an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, zuerst in der Augusteerhalle der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, dann in der Hochschule für Musik und Theater Hannover stattfand. Der Wechsel vom inspirierenden Wissensraum zwischen frühneuzeitlichen Büchern zum Klangraum im Beton der Gegenwart in der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover war absichtsvoll konzipiert: Diese Entfernung zwischen Räumen während einer Tagung zu durchmessen ist Erkenntnis stiftend, weil auf diese Weise räumliche und ästhetische Distanzen bewusst werden. Der Kongress war nach den Kongressen zum Thema Stadt (2006) und Kloster (2008) als Orten kulturellen Handelns von Frauen in der Frühen Neuzeit der dritte, abschließende Kongress zum »Orte der Musik«-Projekt: Dieses Projekt wurde 2002 konzipiert, 2004 in einer Nachwuchsforschungsgruppe
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an der Hannoveraner Hochschule etabliert18 und ab 2005 von der Mariann Steegmann Foundation finanziert. Das Projekt entstand in Nordrhein-Westfalen. Es war seinerzeit nicht absehbar, dass sich im Zuge der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Orten kulturellen Handelns niedersächsische Orte auf diese Weise öffnen würden – einerseits niedersächsische Frauenklöster im Zuge der Kooperation mit der Klosterkammer Hannover, andererseits der Wissensraum einer frühneuzeitlichen Fürstenbibliothek im Zuge der Kooperation mit der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, wofür ich dem Direktor der Herzog August Bibliothek, Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer, herzlich danke. Durch die Kooperationen und die niedersächsische Verortung hat sich das ursprüngliche Konzept modifiziert: Hof schien ein ›populäres‹ Thema mit Breitenwirkung zu sein, Kloster schien eher für einen kleinen Spezialistinnen-Kongress geeignet und Stadt sollte ein großer, internationaler Abschluss-Kongress des Projekts werden. Die Kooperationen initiierten Modifikationen: Das Kloster-Thema wurde mit enormer Breite rezipiert, was besonders für den abschließenden internationalen Kongress zum Ort Hof gilt. Die abstrakte Projekt-Idee bekam durch die Begegnung mit Menschen Konturen, erhielt Feinzeichnungen, entfaltete sich in beglückender Weise. Kongress und vorliegender Band verdanken sich dem Gedankentausch mit Dr. Jill Bepler, Dr. Volker Bauer und Prof. Dr. Ulrike Gleixner von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, denen mein besonderer Dank gilt. Im Herbst 2008 begannen wir gemeinsam, den Kongress inhaltlich zu konzipieren. Wir diskutierten mögliche Beitragende, wählten aus und gruppierten. Die Einvernehmlichkeit während dieser Zusammenarbeit war ebenso positiv wie die Tatsache, dass es auf unsere Einladungen hin nur sehr wenige Absagen gab. Dank gilt allen Referentinnen und Referenten für ihre Vorträge sowie ihre Texte für den vorliegenden Band. Dank gilt weiterhin den Mitarbeiterinnen des Forschungszentrums Musik und Gender (Dr. Katrin Eggers, Anne Fiebig, Dr. Nina Noeske, Birgit Saak, Karina Seefeldt), ohne deren Unterstützung der Kongress und die Publikation nicht hätten realisiert werden 18 Die Dissertationen von Jan Bäumer, The Sound of a City? New York City und Bebop (1941–1949); Anna Langenbruch, Topographien musikalischen Handelns im Pariser Exil. Eine Histoire croisée des Exils deutschsprachiger Musikerinnen und Musiker im Paris der 30er Jahre; Carolin Stahrenberg, ›Hot Spots‹ von Café bis Kabarett. Grundrisse und Ansichten musikalischer Handlungsräume im Berlin der Weimarer Republik, Katharina Talkner, Singen und Sammeln. Liedpraktiken in den Lüneburger Klöstern der Frühen Neuzeit sind unterdessen abgeschlossen, verteidigt und bereits publiziert, bzw. in der Vorbereitung zum Druck.
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können. Besonderer Dank gilt schließlich (inzwischen Dr.) Carolin Stahrenberg, der organisatorisch Hauptverantwortlichen während der Vorbereitung und Durchführung des Kongresses, und Dr. Antje Tumat, der redaktionell Hauptverantwortlichen für den Tagungsband. Beide haben mit großer Verlässlichkeit, Wachheit und menschlicher Zugewandtheit in jedem Moment dem Gelingen des Vorhabens zugearbeitet. Last but not least gilt mein großer Dank der Mariann Steegmann Foundation für die Finanzierung des Symposiums und die Drucklegung des vorliegenden Kongressbandes.
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»Die Fürstin bei Hofe« im Heiligen Römischen Reich (16.–18. Jahrhundert)
Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation konzentrierten sich die kulturellen Aktivitäten – anders als in Frankreich, England oder Spanien – nicht an einem Ort, etwa am kaiserlichen Hof in Wien, vielmehr entfaltete sich in der polyzentrischen Struktur des frühneuzeitlichen Reiches ein eigener politischer und kultureller Kosmos mit spezifischen Handlungsbedingungen. Die Differenz zwischen Kaisertum und Reichsfürstenamt führt die Stellung von Kaiserin und Reichsfürstin klar vor Augen. Eine verwitwete Reichsfürstin konnte die vormundschaftliche Regentschaft für einen unmündigen Erben übernehmen, einer verwitweten Kaiserin hingegen stand diese Position nicht offen, weil das Kaisertum nicht erblich, sondern eine Wahlmonarchie war. Im Mittelpunkt meines Beitrags stehen die weltlichen Reichsfürsten und das kulturelle Potential ihrer Höfe mit der Fürstin als weiblicher Zentralfigur.1 An den Höfen der geistlichen Fürsten gab es entsprechend ihrem geistlichen Stand keine fürstliche Gemahlin,2 die Fürstäbtissinnen der Reichsstifter und Reichsklöster regierten ohne Gemahl.3 Es handelt sich also um die eng umrissene Personengruppe, die im verfassungsgeschichtlichen Sinn als Fürsten bezeichnet werden. Eine solche Begrenzung unterscheidet sich von der geläufigen undifferenzierten Nutzung des Begriffs ›Fürst‹ für sehr verschiedene Adelsgruppen einschließlich Kaisern und Königen, die die Hierarchie dieser Herrschaftsträger und die daran gebundenen Formen des Hofes und der Repräsentation nicht zur Kenntnis nimmt. Demgegenüber erlaubt die Beschränkung, sich den reichsfürstlichen Höfen entsprechend dem zeitgenössischen Verständnis und dem dokumentierten fürstlichen Selbstverständnis anzunähern.4 1 Vgl. dazu Ute Daniel, »Zwischen Zentrum und Peripherie der Hofgesellschaft. Zur biographischen Struktur eines Fürstinnenlebens der Frühen Neuzeit am Beispiel der Kurfürstin Sophie von Hannover«, in: L’Homme 8 (1997), S. 208–217. 2 Vgl. jedoch Pauline Puppel, »›Mon mari‹ – ›Ma chère femme‹. Fürstäbtissin Maria Kunigunde von Essen und Erzbischof Clemens Wenzeslaus von Trier«, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, NF 15/16 (2008), S. 43–66. 3 Siehe den Beitrag von Ute Küppers-Braun in diesem Band, S. 132–156. 4 Johann Christian Lüning, Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum oder HistorischPolitischer Schau-Platz Aller Ceremonien, 3 Tle., Leipzig 1719–1720.
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Von der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft ist die Fürstin bei Hofe vor etwa zwei Jahrzehnten im Kontext der Hof- und Residenzenforschung neu entdeckt worden. War noch 1995 in Rainer A. Müllers Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit von der Fürstin kaum die Rede, stand 1998 ›Das Frauenzimmer‹ im Mittelpunkt des Dresdener Symposiums der ResidenzenKommission. In der Ankündigung hieß es programmatisch: »Dabei wollen wir nicht die isolierte Fürstin in den Mittelpunkt des Interesses rücken, oder die ›höfische Frau‹ an sich, sondern die Fürstin als Vorsteherin einer weiblichen (und immer auch männlichen) Personengruppe, bzw. den Hof aus der Perspektive der Hofdamen, Hoffräulein und anderen Frauen bei Hofe betrachten – und der Personenverbände, die durch sie repräsentiert werden.«5
Mit dieser Zielvorgabe wurden Forschungen vieler Disziplinen zusammengeführt: traditionelle Fürsten- und Dynastiegeschichte, Sozial- und Alltagsgeschichte des Hofes, Kunst-, Musik- Literatur- und Wissenschaftsgeschichte, wobei im Zuge des ›cultural turn‹ vor allem der über Zeremoniell, Ritual und Verhaltenscodes übermittelten symbolischen Kommunikation ein vertieftes Verständnis der höfischen Gesellschaft zu verdanken ist. Waren in der Mitte des 19. Jahrhunderts diese Aspekte noch ungeteilt präsent, so in Eduard Vehses Geschichte der deutschen Höfe in 51 Bänden (1851–1860),6 traten sie danach auseinander in eine landes- und kulturgeschichtlich orientierte Personenforschung sowie in eine Kulturgeschichte des Hofes. Erst mit der Rezeption von Norbert Elias’ Höfische Gesellschaft (1969) wurde der Fürstenhof in der deutschen Geschichtswissenschaft ein relevanter Forschungsgegenstand.7 Gleichwohl blieb die ›Höfische Kultur‹ zunächst noch Domäne der ›Kulturwissenschaften‹ im engeren Sinne, während Historiker nur bestimmte Aspekte 5 Werner Paravicini, »6. Symposium der Residenzen-Kommission«, in: Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 7 (1997), Nr. 1, S. 8–11, hier: S. 9. 6 Eduard Vehse, Geschichte der deutschen Höfe, 48 Bde., Hamburg 1851–1860. 7 Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Darmstadt/Neuwied 1969; Volker Bauer, Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Tübingen 1993; Aloys Winterling; »Die frühneuzeitlichen Höfe in Deutschland. Zur Lage der Forschung«, in: Internationales Archiv für die Sozialgeschichte der deutschen Literatur 21 (1996), S. 181–189; Marian Füssel, »Fest – Symbol – Zeremoniell. Grundbegriffe zur Analyse höfischer Kultur in der Frühen Neuzeit«, in: Soziale und ästhetische Praxis der höfischen Fest-Kultur im 16. und 17. Jahrhundert, hrsg. von Kirsten Dickhaut, Jörn Steigerwald und Birgit Wagner, Wiesbaden 2009, S. 31–53.
»Die Fürstin bei Hofe«
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Abb. 1 »Abbildung der Session im Fürsten=Rath auf Reichs=Tagen«, in: Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, Artikel »Reichs=Tag in Deutschland«, Bd. 31, Halle/Leipzig 1732, Sp. 177f.
ergänzten, wie der große Wolfenbütteler Kongress »Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert« offen legte.8 Eine solche Addition ist schnell einer produktiven neuen kulturgeschichtlichen Forschung gewichen; die einschlägige Literatur ist kaum mehr zu überblicken.9 Zur Situierung des »kulturellen
8 Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert, 3 Bde., hrsg. von August Buck u. a., Hamburg 1981. 9 Siehe die Auswahlbibliographien der Residenzen-Kommission.
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Handelns«10 der Fürstin bei Hofe seien eingangs die reichsfürstlichen Höfe im europäischen Kontext vorgestellt (I.), anschließend Status, Rollen und materielle Spielräume einer Reichsfürstin skizziert (II.), schließlich wird das Spektrum ihres kulturellen Handelns ›bei Hofe‹ schlaglichtartig beleuchtet (III.). I. Fürsten und Höfe Das im späten Mittelalter ausgebildete System der Reichsfürsten wies eine innere Hierarchie auf, wie die Zusammensetzung aus Kurfürsten, Herzögen, Landgrafen, Markgrafen und gefürsteten Grafen sowie deren Rang- und Sitzordnung auf dem Reichstag zeigt11 (Abb. 1). Im Verlauf der Frühen Neuzeit veränderten sich die Proportionen der verschiedenen Fürstengruppen durch weitere Fürstungen, etwa der Eggenberg und Lobkowitz, den Aufstieg von Herzögen und Landgrafen zu Kurfürsten (1623/48 Bayern, 1692/1708 Hannover, 1803 Hessen-Kassel). Gleichzeitig vermehrte sich die Zahl der Herzöge und Landgrafen durch Landesteilungen, wodurch innerhalb dieser fürstlichen Häuser ein Gefälle zwischen dem regierenden Fürsten und seinen Brüdern entstand, die zwar den Titel ihres Hauses führten, aber nicht die Landeshoheit besaßen, so in Hessen-Kassel die Landgrafen der Rotenburger Quart oder in Kursachsen die Herzöge der Sekundogenituren.12 Darüber hinaus erfuhren der Kurfürst von Sachsen 1697 mit der Wahl zum polnischen König und der Kurfürst von Brandenburg-Preußen 1701 mit der Erhebung zum König in Preußen eine Rangerhöhung, deren territoriale Basis außerhalb des Reichsverbandes lag. Es handelt sich gerade um die Kurfürstentümer, deren Höfe 10 Orte der Musik. Kulturelles Handeln von Frauen in den Stadt, hrsg. von Susanne RodeBreymann, Köln/Weimar/Wien 2007, Einleitung, S. 1–7. 11 Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, hrsg. von Johann Heinrich Zedler, Artikel »Reichs=Tag in Deutschland«, Bd. 31, Halle/Leipzig 1732, Sp. 177 f.; Barbara Stollberg-Rilinger, »Zeremoniell als politisches Verfahren. Rangordnung und Rangstreit als Strukturmerkmale des frühneuzeitlichen Reichstags«, in: Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hrsg. von Johannes Kunisch Berlin 1997, S. 91–132. Annette v. Stieglitz, »Der teuerste Hut des Reiches. Hannovers Ringen um die Kurwürde«, in: Ehrgeiz, Luxus & Fortune. Hannovers Weg zu Englands Krone, Redaktion Sabine Meschkat-Peters/Rüdiger Hillmer/Thomas Schwark, Hannover 2001, S. 68–83. 12 Uta Löwenstein, Die Rotenburger Quart, Marburg/L. u. a. 1979; Sachsen und seine Sekundogenituren. Die Nebenlinien Weißenfels, Merseburg und Zeitz 1657–1746, hrsg. von Martina Schattkowsky/Manfred Wilde, Leipzig 2010; Helga Zöttlein, Dynastie und Landesherrschaft. Politischer Wandel in der Grafschaft Waldeck zwischen 1680 und 1730, Bad Arolsen 2004, S. 106 f., 191–196.
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in Dresden und – zeitweise – Berlin als besonders glänzend gelten. Herzog Ernst August von Hannover (1629–1698), der als größter Fürst im Reich die Kurfürstenwürde erstrebte und dazu gemeinsam mit seiner Gemahlin Sophie einen glänzenden Hof führte,13 wurde 1692 mit der Kurfürstenwürde belehnt, aber erst sein Sohn Georg Ludwig (1660–1727) erlangte 1708 die tatsächliche ›Introduktion‹. Da er 1714 englischer König wurde und sich überwiegend in London aufhielt, verlor der Hof in Hannover seinen eigentlichen Mittelpunkt, wenn auch weiterhin eine Hofhaltung bestand.14 Die Kultur der reichsfürstlichen Höfe wurde von den großen Höfen in Madrid, Paris und Wien, den Schaltstellen europäischer Politik, beeinflusst, aber auch durch dynastische Beziehungen etwa zu italienischen Fürstenhäusern, zum Hof der Oranier in Den Haag15 oder zum dänischen Königshof,16 wobei vor allem im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert die Konfession der regierenden Fürsten und Fürstinnen eine wichtige Rolle in der kulturellen Orientierung spielte. Doch blieb die traditionelle Bedeutung Italiens für Kunst und Musik konfessionsübergreifend bestehen. Gleichwohl besaßen die reichsfürstlichen Höfe je eigene kulturelle Prägungen, wie bereits zeitgenössisch beobachtet wurde. Herzogin Sophie von Hannover (1630–1714), die jüngste Tochter des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz (1596–1633) und der englischen Prinzessin Elizabeth Stuart (1596–1662), bezeichnete rückblickend in ihren Memoiren (1680) den Heidelberger Hof ihres Bruders Karl Ludwig von der Pfalz (1617–1680), wo sie fast zehn Jahre bis zu ihrer Verheiratung lebte, und weitere Höfe als ›deutsch‹.17 Sie war mit einigen ihrer Geschwister in Leiden an einem ›ganz nach deutscher Art eingerichteten Hof‹ erzogen worden, den die Fünfzigjährige als sehr formell, mit streng geregeltem Tageslauf und ausgespro13 Georg Schnath, Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674–1714, Bd. 2, Hildesheim 1976, S. 382–408. 14 Carl-Hans Hauptmeyer, »Die Residenzstadt«, in: Geschichte der Stadt Hannover, hrsg. von Klaus Mlynek und Waldemar R. Röhrbein, Bd. 1, Hannover 1992, S. 137–264, hier: S. 225–228. 15 Onder den Oranje Boom. Niederländische Kunst und Kultur im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen. Ausstellung der Stadt Krefeld der Stiftung Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und des Stichting Paleis Het Loo, Nationaal Museum, 2 Bde., München 1999. 16 Mara Wade, Triumphus Nuptialis Danicus. German Court Culture and Danmark. The Great Wedding of 1634 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 27), Wiesbaden 1996. 17 Die Mutter der Könige von Preußen und England. Memoiren und Briefe der Kurfürstin Sophie von Hannover, hrsg. von Robert Geerds, München/Leipzig 1913, S. 12.
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chen kalvinistischer Prägung erinnerte. Zwar war am Heidelberger Hof bereits 1613, als ihre Mutter dort einzog, das Französische als Hofsprache eingeführt worden,18 aber weitere Kennzeichen des höfischen Lebens wie das Tanzen19 war an dem streng kalvinistischen Hof zwischen der böhmischen Königin und der Hofgeistlichkeit umstritten.20 Erst im Alter von etwa zehn Jahren kam Sophie von Leiden an den kleinen Hof ihrer verwitweten königlichen Mutter, der sich in Den Haag neben dem vom französischen Vorbild geprägten Hof der oranischen Statthalter befand und ihre Maßstäbe prägte. Bereits auf der Schiffsreise an den Hof ihres Bruders in Heidelberg lernte sie in Düsseldorf das ›altertümliche‹ Schloss des Herzogs von Pfalz-Neuburg und seinen Hof kennen.21 Der Hof des Landgrafen Ernst (1623–1693) in Rheinfels erschien ihr fast als unfürstlich, an das Haus eines ›Privatmanns‹ erinnernd.22 Am Heidelberger Hof verwunderte sie das Verhalten ihres Bruders und ihrer Schwägerin, die ihre Zuneigung zu einander in aller Öffentlichkeit zeigten, aber auch die Schwägerin, die sich über den Ehemann beklagte, Verhaltensweisen, die Sophie als ganz und gar unstandesgemäß kritisierte.23 Der Hof in Stuttgart, an den sie der Herzog einlud, war zwar prächtig, aber ›es fehlte an Lebensart‹.24 Sogar die Geselligkeit beim Reichstag in Regensburg, den sie mit Bruder und Schwägerin besuchte, erschien ihr ›deutsch‹: »Es wurde auch eine Oper, ein Karneval und eine Wirtschaft bei dem Kaiser veranstaltet, wobei Seine Majestät der Wirt und die Kaiserin die Wirtin war. Alle waren sehr geputzt, aber man tanzte wie die deutschen Bauern.«25 Schließlich unterbrach sie die Reise, die sie nach ihrer Vermählung mit Herzog Ernst August von BraunschweigLüneburg (1629–1704) von Heidelberg nach Hannover antrat, in Darmstadt, wo die Formen sehr streng gewahrt wurden. »Am Abend tanzte sie [Landgräfin Sophie Eleonore, 1609–1671] mit allen ihren Kindern ein Ballett, worüber 18 Frieder Hepp, »›der Pfaltz Haupt flecken‹. Heidelberg um 1600«, in: Der Winterkönig Friedrich V. Der letzte Kurfürst aus der oberen Pfalz. Amberg – Heidelberg – Prag – Den Haag, Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2001, hrsg. von Peter Wolf u. a. Augsburg 2003, S. 75–82, hier: S. 80. 19 Vera Jung, Körperlust und Disziplin. Studien zur Fest- und Tanzkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2001, hier: S. 292–320. 20 Simon Groeneveld, »Könige ohne Staat: Friedrich V. und Elizabeth als Exilierte in Den Haag 1621 – 1632 – 1661« in: Wolf, Winterkönig (wie Anm. 18), S. 162–186, hier: S. 175 f. 21 Geerds, Mutter (wie Anm. 17), S. 29. 22 Ebd., S. 30. 23 Ebd., S. 32 f. 24 Ebd., S. 36. 25 Ebd., S. 39.
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man mir sagte, ich mich nicht wundern sollte, da ihre Frau Mutter [die sächsische Kurfürstin Magdalena Sibylla, 1586–1659] es zu ihrer Zeit ebenfalls getan habe.«26 Offensichtlich war dies in Den Haag nicht üblich, obwohl doch Ludwig XIV. im ›ballet de cour‹ tanzte, ebenfalls die Fürstlichkeiten am kursächsischen Hof in Dresden und am dänischen Königshof.27 Der von Herzogin Sophie betonte Unterschied der Hofkulturen lässt sich bereits im 16. Jahrhundert finden, als die sächsische Prinzessin Anna (1544–1577) nach ihrer Verheiratung mit dem (noch) katholischen Grafen Wilhelm von Oranien (1533–1584) an dessen Hof in Breda übersiedelte und sich häufig am Brüsseler Hof der habsburgischen Statthalterin Margarethe von Parma (1522–1586) aufhielt.28 Die am streng lutherischen sächsischen Kurhof erzogene Anna, einziges überlebendes Kind aus der Ehe des Kurfürsten Moritz von Sachsen (1521–1553) mit Agnes von Hessen (1537–1555), stimmte der Gemahl bereits bei der Hochzeit in Torgau auf die andere ›Kourtoisie‹ in den Niederlanden ein.29 Tatsächlich gewöhnte sich Anna von Sachsen schnell an die neue Lebensart, während zwei sächsische Hoffräulein, die ihr nach Breda geschickt wurden, es dort nur wenige Wochen aushielten: »Die gutten Mädelein hätten sich gar züchtig und wohl verhalten als ehrliche Jungfrauen«, berichtete Annas Hofmeisterin Sophie von Miltitz nach Hause, »sonderlich sich nicht wollen küssen lassen«.30 Allerdings zeigten nicht alle Fürstenhöfe die gleiche Sittenstrenge, wie es überhaupt große Unterschiede zwischen den deutschen Fürstenhöfen gab,31 nicht zuletzt abhängig vom jeweiligen Fürsten. Bezeichnend ist der Wechsel an demselben Hof von einer prächtigen Hofhaltung zu einer sparsamen, z. B. in Bayern von Herzog Wilhelm V. (1548–1626) zu Herzog Maximilian I. (1573–1651), in Hannover von Herzog Ernst Au26 Ebd., S. 58; vgl. dazu Jill Bepler/Birgit Kümmell/Helga Meise, »Weibliche Selbstdarstellung im 17. Jahrhundert. Das Funeralwerk der Landgräfin Sophie Eleonora von Hessen-Darmstadt«, in: Geschlechterperspektiven. Forschungen zur Frühen Neuzeit, hrsg. von Heide Wunder und Gisela Engel, Königstein/Ts. 1998, S. 452 f. 27 Helen Watanabe O’Kelly, Court Culture in Dresden. From Renaissance to Baroque, Basingstoke 2003, bes. S. 132–140, 174–189; s. a. Ute Essegern, »Und hette ich eine freywillige ungezwungene Liebe angesponnen«, in: Landesgeschichte und Archivwesen. Festschrift für Reiner Groß zum 65. Geburtstag, hrsg. von Renate Wißuwa u. a., Dresden 2002, S. 241–266, hier: S. 261. 28 Hans Kruse, »Wilhelm von Oranien und Anna von Sachsen. Eine fürstliche Ehetragödie des 16. Jahrhunderts«, in: Nassauische Annalen 54 (1934), S. 1–184, hier: S. 25, 33. 29 Ebd., S. 23. 30 Ebd., S. 37. 31 Vgl. die Beiträge in Queenship in Europe 1660–1815, hrsg. von Clarissa Campell Orr, Cambridge 2004.
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gust zu Herzog Georg Ludwig.32 Selbst während der Regierungszeit eines Fürsten veränderte sich die Bedeutung des Hofes: so reduzierte sich nach dem Tod der Landgräfin Christina von Hessen (1506–1549) in Kassel oder der bayrischen Kurfürstin Henriette Adelaide (1636–1676) in München das höfische Leben.33 Die Höfe der Reichsfürsten unterschieden sich vom Kaiserhof und von den europäischen Königshöfen durch die geringere Größe des Hofstaates, die begrenzten Mittel sowie die Zusammensetzung des Hofadels, die Zahl der anwesenden Diplomaten wie der durchreisenden fürstlichen Gäste.34 Gleichwohl waren sie politische Zentren, für die die gleichen Techniken und Mechanismen der Machtgewinnung und Machtwahrung wie an den großen Höfen galten. Königliche und reichsfürstliche Höfe verband eine Reihe von Grundgemeinsamkeiten. Es handelte sich um einen Großhaushalt, der neben der Herrscherfamilie und deren persönlichem Gefolge die Hofbeamtenschaft, die Leibärzte, die Hofgeistlichen, die Mitglieder der Hofkapelle, die Räte und deren Personal sowie die Dienerschaft i. e. S. umfasste. Die Hofhaltung war räumlich wie personal ein eigener Rechtsbereich mit eigener Gerichtsbarkeit und Hofkirche für die Hofangehörigen. Kein Angehöriger des Hofes, selbst nicht die Fürstin, durfte den Hof ohne Erlaubnis verlassen und niemand ohne Erlaubnis den Hof betreten. Hinzu kam eine Mauer des Schweigens: Mit ihrem Diensteid verpflichteten sich die persönlichen Bediensteten von Fürst und Fürstin zur Verschwiegenheit über das, was sie sahen und hörten. Hofordnungen35 regelten die Rangordnung und stellten einen Verhaltenscodex auf, der Friede bei Hofe garantieren sollte und den fürstlichen Hof über alle anderen Stände erhob. Norbert Elias hat am Beispiel des französischen Hofes die höfische Gesellschaft als spezifische Form der Vergesellschaftung herausgestellt,36 deren Akteure (Herrscher, seine Gemahlin, evt. die fürstlichen Söhne und Töchter, Hofadel, Favoriten (Mätressen), Minister usw.) in spezifischen Kon32 Schnath, Geschichte Hannovers (wie Anm. 13), Bd. 3, Hildesheim 1978, S. 496–524. 33 Manfred Rudersdorf, Ludwig IV. Landgraf von Hessen-Marburg. Landesteilung und Luthertum in Hessen, Mainz 1991, S. 62; Georg Friedrich Preuß, »Adelheid (Kurfürstin von Bayern)«, in: ADB, Bd. 50 (1905), S. 198–200. 34 Zahlen bei Bauer, Höfische Gesellschaft (wie Anm. 7), S. 89–99, vgl. dazu Winterling, Frühneuzeitliche Höfe (wie Anm. 7), S. 185 f.; Katrin Keller, »Der Hof als Zentrum adliger Existenz? Der Dresdner Hof und der sächsische Adel im 17. und 18. Jahrhundert«, in: Der europäische Adel im Ancien Régime. Von der Krise der ständischen Monarchie bis zur Revolution (ca. 1600–1789), hrsg. von Ronald G. Asch, Köln u. a. 2001, S. 207–233, hier: S. 213–217. 35 Höfe und Hofordnungen 1200–1600, hrsg. von Holger Kruse und Werner Paravicini (= Residenzforschungen, Bd. 10), Sigmaringen 1999. 36 Elias, Höfische Gesellschaft (wie Anm. 7).
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figurationen und mit einem spezifischen Verhaltsrepertoire agierten, um die divergierenden Interessen aufzufangen. Der Hof stellte somit einen mehrfach dimensionierten Handlungsraum dar. Die politische Dimension des Hofes brachte 1739 der Autor des Artikels »Hof« in Zedlers Grosses Vollständiges Universal-Lexikon auf den Begriff: »Hof, wird genennet, wo sich der Fürst aufhält. Durch sich alleine kann der Landes=Fürst den Staats-Cörper nicht bestreiten, er sey auch so klein als er wolle. Doch das ist noch nicht genug. Der Fürst muß bey Fremden sowohl, als Einheimischen Ansehen haben. Fehlet dieses, wer wird seinen Befehlen gehorchen? Wären alle Untertanen von der tiefen Einsicht, dass sie den Fürsten wegen innerlichen Vorzuges verehrten, so brauchte es keines äußerlichen Gepränges; so aber bleibet der gröste Theil derer gehorchenden an dem äußerlichen hängen. Ein Fürst bleibet derselbe, er gehe alleine oder habe einen grossen Comitat bey sich.«37
Ein solcher kritischer Blick auf den ›Hof‹ findet sich nicht nur in der Aufklärung, sondern epochenübergreifend, bezieht sich hier jedoch auf die deutschen Fürsten und auf das Spektrum ihrer Höfe vom kleinen Hof einer Reichsäbtissin, etwa in Quedlinburg,38 bis zum glänzenden Hof in Dresden.39 Gleich ob klein oder groß, der Fürst war – in der Sicht des Autors – nicht in der Lage, allein die Aufgaben von Regierung und Verwaltung zu bewältigen, er brauchte absolut vertrauenswürdige Diener, die daher ganz von seiner Gunst abhingen. Um jedoch seinen Befehlen bei den ›Gehorchenden‹ Autorität40 zu verschaffen, war er auf »äußerliches Gepränge« angewiesen, also auf die repraesentatio majestatis, die den fürstlichen Rang in vielen Medien vor Augen führt, aber von der Hofkritik41 als Verschwendung und unnötiger Luxus verdammt wurde. Aber gerade dieses »äußerliche Gepränge« machte den Hof zum Ort ›kulturellen Handelns‹: Schlossanlagen mit Bibliothek, Theater, Opernhaus und Sammlungsräumen, mit Gärten, Parks, vielfältigen tagtägliche Divertissements und großen Festen, deren Gestaltung häufig in Festbeschreibungen festgehalten, gedruckt und zum Ruhme des jeweiligen Hofes verbreitet wur37 Zedler (wie Anm. 11), Bd. 13, 1739, Sp. 405. 38 Marc von der Höh, »Der Hof der Äbtissinnen von Quedlingburg im Spätmittelalter«, in: Kayserlich – frey – weltlich. Das Reichsstift Quedlinburg im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Clemens Bley, Halle (Saale) 2009, S. 167–188, hier: S. 175–178. 39 Wantanabe-O’Kelly, Court Culture (wie Anm. 27). 40 Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Artikel »Ansehen«, Neudruck München 1984, Bd. 1, Sp. 457 f. 41 Heinrich Kiesel, ›Bei Hof, bei Höll‹. Untersuchungen zur literarischen Hofkritik von Sebastian Brant bis Friedrich Schiller, Tübingen 1979.
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de.42 Neben den ›Freudenfesten‹ bot die Beerdigung eines Fürsten oder einer Fürstin in besonderer Weise Anlass, den oder die Verstorbene in umfangreichen Funeralwerken zu würdigen und diese der reichsfürstlichen Öffentlichkeit zukommen zu lassen.43 Der Hof, personifiziert in der Figur des Fürsten, war das Zentrum der politischen Macht, der Ort ihrer Inszenierung und alltäglichen performativen Reproduktion – gleich ob in der Residenz, im sommerlichen Fürstenlager oder auf Reisen. Die Fürstin wird in Zedlers Artikel »Hof« nicht erwähnt, doch der Hof war selbstverständlich ebenso ihr Handlungsfeld: Als Gemahlin stand sie dem Fürsten am nächsten, von ihr als Mutter der fürstlichen Kinder hing die Weiterführung der Dynastie ab, schließlich repräsentierte sie als Teil des fürstlichen Paares die Dynastie, deren Status es zu legitimieren und in der Fürstengesellschaft des Reiches zu wahren galt. Sie besaß einen eigenen Hofstaat, mit dem sie in eigenen Räumlichkeiten, dem »Frauenzimmer«,44 seit dem 17. Jahrhundert – nach französischem Vorbild – im Damenappartement, residierte.45 Sie vor allem verlieh dem Hofleben Glanz und bestimmte den Ton bei Hofe. II. Die Fürstin bei Hofe Mit der ›Fürstin bei Hofe‹ ist die regierende Fürstin gemeint, nicht die Fürstin als Regentin für einen unmündigen Sohn, die meist über weitaus größere Handlungsspielräume verfügte als die Gemahlin zu Lebzeiten des fürstlichen Gemahls;46 es sei denn, sie wurde bei längerer Abwesenheit oder Erkrankung 42 Thomas Rahn, ›Festbeschreibung‹. Funktion und Topik einer Textsorte am Beispiel der Beschreibung höfischer Hochzeiten (1568–1794), Tübingen 2006. 43 Jill Bepler, »Zeremonieller Hof und Musenhof: protestantische höfische Begräbniskultur im Spiegel der Funeralpublikationen Thüringens«, in: Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaft, Bd. 4, hrsg. von Rudolf Lenz, Stuttgart 2004, S. 157–178. 44 Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit (= Residenzforschung, Bd. 11), hrsg. von Jan Hirschbigel und Werner Paravicini, Stuttgart 2000; Margit Ksoll, »Der Hofstaat der Kurfürstin von Bayern zur Zeit Maximilians I.«, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 52 (1989), S. 59–69. 45 Cordula Bischoff, »›… und ist ein anders das männliche, ein anders das weibliche Decorum‹. Fürstliche Damenappartements und ihre Ausstattungen um 1700«, in: Dynastie und Herrschaftssicherung. Geschlechter und Geschlecht (= Zeitschrift für Historische Forschung, Bd. 28), hrsg. von Heide Wunder, Berlin 2002, S. 161–180, hier: S. 168. 46 Barbara Gaehtgens, »Amalia von Solms und die oranische Kunstpolitik«, in: Onder den Oranje Boom (wie Anm. 15), Textband, S. 265–285.
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Abb. 2 »Golgata«. Kreuzigung Christi mit dem Wolfenbütteler Hof, Ölgemälde von Tobias Querfurt, um 1697, Museum Schloss Wolfenbüttel, Leihgabe des Braunschweigischen Landesmuseums, Braunschweig; Foto: Jutta Brüdern, Museum Schloss Wolfenbüttel.
des Fürsten mit seiner Vertretung betraut.47 Die fürstliche Witwe auf ihrem von der Haupt- und Residenzstadt mehr oder weniger weit entfernten Wittum war zwar ihr ›eigener Herr‹, vor allem wenn sie über hinreichende Mittel verfügte, aber sie war aus dem Zentrum der Macht an deren Peripherie versetzt.48 Eine Anschauung von der Fürstin bei Hofe vermittelt das großformatige (4.10 x 3.35 m) Altarbild Golgatha, das ursprünglich in der Wolfenbütteler Schlosskapelle über dem Kanzelaltar und unterhalb der Orgelempore hing49 47 Pauline Puppel, Die Regentin. Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500–1700, Frankfurt/New York 2004, S. 161. 48 Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, hrsg. von Martina Schattkowsky, Leipzig 2003; Ute Essegern, Fürstinnen am kursächsischen Hof. Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Leipzig 2007, S. 44–48; Mara Wade, »Widowhood as a space of Patronage. Hadevig, Princess of Denmark and Electress of Saxony (1581–1641)«, in: www.renaessanceforum.dk. 4 (2008) [Zugriff 25.10.2012]. 49 Hans-Henning Grote, Schloss Wolfenbüttel. Residenz der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg, Braunschweig 2005, S. 149.
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Abb. 3 Kanzelaltar in der Wolfenbütteler Schlosskapelle, Kupferstich von Jacob Wilhelm Heckenauer 1725/26, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Top 3d:1.
(Abb. 2) und damit Herzog und Herzogin aus ihrer Loge im zweiten Geschoss der Kapelle immer vor Augen stand (Abb. 3). Es wird dem Wolfenbütteler Hofmaler Tobias Querfurt zugeschrieben und auf 1697 datiert. Dieses Gemälde hat bislang keine kunsthistorische Interpretation gefunden, aber es gibt Vorschläge, die dargestellten Personen mit Hilfe von erhaltenen Porträts zu identifizieren und das ikonographische Programm zu entziffern.50 Sie bieten Anhaltspunkte, die Intentionen des Auftraggebers und damit zugleich das in dem Gemälde zum Ausdruck kommende fürstliche Selbstverständnis zu eruieren. 50 Hans Christian Mempel, in: Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 155.
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Abb. 4 Herzog Julius und seine Familie, Ölgemälde von Hans Vredemann de Vries, um 1590, Herzog August Bibliothek Wolfen- büttel, B 72.
Das Gemälde zeigt im oberen Viertel die Kreuzigungsszene, dahinter in hellem Licht Jerusalem, in der unteren Hälfte die beiden 1697 regierenden Fürsten hoch zu Ross, die Fürstinnen und deren unverheiratete und verheiratete Kinder, Schwiegerkinder und Enkel: links Herzog Rudolf August (1627–1704) mit seinem Neffen und Adoptivsohn sowie dem Schwiegersohn, rechts sein Bruder Herzog Anton Ulrich (1633–1714) hoch zu Ross mit seinen Söhnen und Schwiegersöhnen, in der Mitte des Vordergrundes die fürstlichen Frauen sitzend mit den Prinzessinnen – abgesehen von einem Enkel Rudolf Augusts. An die Gruppe fürstlicher Personen schließt sich in der Mitte das ›Frauenzimmer‹ (i. e. S. Hofstaat der Fürstinnen) an, links und rechts hinter den Fürsten die Hofbeamten, Räte und Geistlichen. Vor Rudolf August stehen vermutlich der ihm freundschaftlich verbundene Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Preußen (1620–1688)51 und dessen Sohn Friedrich III. (1657– 1713), der spätere König Friedrich I. in Preußen. Die Präsenz verstorbener Personen verweist darauf, dass hier nicht der Wolfenbütteler Hofes porträtiert wurde, vielmehr setzte der Hofmaler drei Generationen von Herzögen und 51 Für diesen Hinweis danke ich Frau Dr. Maria Munding (Wolfenbüttel).
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Herzoginnen in ihren dynastischen Netzwerken ins Bild. Es handelt sich nicht um ein ›Familienbild‹ wie etwa das epitaphartige Vorgängerbild an dieser Stelle der Schlosskapelle von 1590 (Abb. 4), das Herzog Julius (1528–1589) und Herzogin Hedwig von Brandenburg (1540–1602) mit ihren Kindern zeigt, sondern um eine Darstellung des fürstlichen welfischen Hauses. Darauf deutet auch das Bildprogramm zwischen der fürstlichen Gruppe und Golgatha, das allerdings schwer zu erkennen ist. Auf der rechten Seite handelt es sich wohl um berühmte Gelehrte der 1574 von Herzog Julius gegründeten Landesuniversität Helmstedt. Die jüngeren Damen, die sich links anschließen, lassen sich als Stiftsdamen und Kostfräulein des 1691 von den beiden Herzögen neu gegründeten adelig freiweltlichen Stifts Steterburg deuten; die statuarisch sitzende weibliche Figur in altertümlicher Tracht und mit langen Zöpfen wäre dann Frederunda, die erste Äbtissin des um 1000/1001 von ihrer verwitweten Mutter Gräfin Hathewig von Olsburg gegründeten Kanonissenstifts.52 Die jungen Kavaliere links davon werden als Mitglieder der 1687 in Wolfenbüttel gegründeten Ritterakademie gedeutet.53 So spekulativ die Entzifferung des ikonographischen Programms ist, das Gemälde ist als dynastisches Bild zu deuten, auf dem sich die Wolfenbütteler Fürsten im Zeichen des Erlösers als legitime, christliche Herrscher präsentieren, die Gelehrsamkeit und Wissenschaften ebenso fördern wie die adelige Jugend auf der Ritterakademie und die unverheirateten adeligen Damen im adelig freiweltlichen Damenstift. Diese programmatische Selbstdarstellung ist als Reaktion auf die Verleihung der neunten Kurwürde 1692 an die Hannoverschen Welfen zu verstehen, von der die Wolfenbütteler Welfen ausgeschlossen waren.54 Das vorgestellte Gemälde führt die Bedeutung der ›Fürstin bei Hofe‹ eindrücklich vor Augen. Die Fürstinnen stehen im Mittelpunkt, bilden das Herz des Bildes. Selbst Herzogin Christine von Hessen-Eschwege (1648– 1702), die Witwe des 1687 verstorbenen Herzogs Ferdinand Albrecht I. (geb. 1636), dem Halbbruder Rudolf Augusts und Anton Ulrichs, gehörte zur Selbstrepräsentation der Dynastie im eigenen Herrschaftsgebiet wie im Reich. Die Rollen der fürstlichen Frauen für das Weiterbestehen und den Glanz der 52 Margot Ruhlender, Die Damen vom Stift Steterburg. 1000 Jahre Stift Steterburg, Braunschweig 2009, S. 149–154; zur Überlieferungsgeschichte siehe Tanja Kohwagner-Nikolai, ›per manus sororum…‹ Niedersächsische Bildstickereien im Klosterstich (1300– 1583), München 2006, S. 394–397. 53 Sammler, Fürst, Gelehrter. Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg 1579–1666. Katalog der niedersächsischen Landesausstellung in Wolfenbüttel vom 26. Mai–31. Oktober 1979, Redaktion Paul Raabe, Nr. 491a, S. 246; zur Ritterakademie siehe Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 195–198. 54 Schnath, Geschichte Hannovers (wie Anm. 13), Bd. 2, S. 19–22 und S. 102–120.
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Dynastie erscheint hier im hellsten Licht. Es lassen sich drei Aspekte unterscheiden. (1) Dokumentiert wird die vornehme fürstliche Herkunft der Fürstinnen aus mittleren und kleineren Fürstentümern (z. B. Anhalt-Zerbst, Kurland, Mecklenburg-Güstrow, Pommern, Schleswig-Holstein-Plön, Schleswig-Holstein-Sonderburg-Norburg, Württemberg-Neuenstadt). Die Heirat braunschweigischer Prinzessinnen ›nach oben‹ – an den Kaiserhof, nach Preußen oder Russland – ist erst eine Angelegenheit des 18. Jahrhunderts. Angestrebt wurde die möglichst standesgleiche Verbindung; mit ersten Planungen begannen die fürstlichen Eltern und nahe Verwandte bereits im frühen Kindesalter.55 Mesalliancen (›Missheiraten‹) sollten möglichst verhindert werden, sie führten bei Fürstensöhnen zum Ausschluss von der Herrschaftsnachfolge.56 Die eingeheiratete Fürstin ist nicht als Einzelperson zu betrachten, sondern als Repräsentantin ihrer Herkunftsdynastie. Daher wurde ihr Verhalten wie ihre Behandlung von den Eltern und gegebenenfalls ihren Geschwistern sehr genau beobachtet. Kam es zu Konflikten, sei es mit dem Gemahl, sei es mit dessen Eltern und Geschwistern, wenn diese bei Hofe waren, konnte die Fürstin mit der Unterstützung ihrer Herkunftsdynastie rechnen, selbst bei offensichtlichem Fehlverhalten. Sie war also nicht allein von der Gunst des Gemahls abhängig. So bedurfte die kursächsische Prinzessin Anna, Tochter des Moritz von Sachsen, immer wieder der Vermittlung ihrer Verwandten, allerdings letztlich ohne Erfolg.57 Demgegenüber konnte die Ehebrecherin Herzogin Anna Sophie (1598–1659), Gemahlin von Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Lüneburg (1591–1634), dank des Rückhalts bei ihrer kurfürstlichen Herkunftsfamilie in Berlin als ›Witwe von Schöningen‹ ein standesgemäßes Leben auf ihrem Witwensitz führen.58
55 Anne-Simone Knöfel, Dynastie und Prestige. Die Heiratspolitik der Wettiner, Köln/Weimar/Wien 2009. 56 Michael Stolleis, »Die Prinzessin als Braut«, in: Verfassung – Philosophie – Kirche. Festschrift für Alexander Hollerbach zum 70. Geburtstag, hrsg. von Joachim Bohnert u. a., Berlin 2001, S. 45–57, hier: S. 56; Michael Sikora, »Über den Umgang mit Ungleichheit. Bewältigungsstrategien für Mesalliancen im deutschen Hochadel der Frühen Neuzeit. Das Haus Anhalt als Beispiel«, in: Zwischen Schande und Ehre. Erinnerungsbrüche und die Kontinuität des Hauses. Legitimationsmuster und Traditionsverständnis des frühneuzeitlichen Adels in Umbruch und Krise, hrsg. von Martin Wrede und Horst Carl, Mainz 2007, S. 97–124. 57 Kruse, »Wilhelm von Oranien« (wie Anm. 28), S. 25–41. 58 Jill Bepler, »Tugend- und Lasterbilder einer Fürstin: die Witwe von Schöningen«, in: L’Homme 8 (1997), S. 218–231.
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Die fürstlichen Eltern oder deren Vertreter trugen ebenfalls für die angemessene materielle Absicherung ihrer Tochter Sorge, da sie den Ehevertrag mit dem Bräutigam und dessen Familie aushandelten, allerdings durchaus mit den Bedenken der Räte rechnen mussten. Es ging nicht allein um Mitgift und Aussteuer, sondern um die angemessene Widerlage des Bräutigams für die Absicherung im Witwenstand.59 Die Höhe der Mittel, über die die Fürstin selbst verfügen konnte, wurde ebenfalls im Ehevertrag festgelegt. Diese Mittel waren sehr wichtig für ihre Stellung bei Hofe, weil sie Geld vor allem für ihre Klientel- und Patronagepolitik benötigte.60 Darüber hinaus verfügten viele Fürstinnen über Kapital, das sie als Kredite vergaben, nicht zuletzt an den Gemahl, wie z. B. Kurfürstin Anna von Brandenburg (1506–1625) an Kurfürst Johann Sigismund (1572–1619/20)61 oder Landgräfin Juliane von Hessen-Kassel (1587–1643) an Landgraf Moritz (1572–1632).62 (2) Unmittelbar auf dem Gemälde zu erkennen ist die Rolle der Fürstin als Mutter von Prinzen und Prinzessinnen, womit sie die dynastische Kontinuität sicherte. Bei der Erziehung der Kinder, besonders der Prinzessinnen, war sie unverzichtbar. Unter diesem Vorzeichen stand auch die Regentinnenrolle, die die verwitwete Fürstin für einen unmündigen Sohn einnahm, wenn sie eine solche testamentarische Bestimmung des Gemahls durchsetzen konnte.63 Die auf dem Gemälde gezeigte Witwe Christine von Braunschweig-Lüneburg in Bevern z. B. wurde von den beiden Herzögen, den Halbbrüdern ihres Gemahls, gezwungen, auf die von ihrem Gemahl testamentarisch verfügte Vormundschaft über ihre Söhne zu verzichten.64 Sie sind auf dem Gemälde nicht zu finden, wohl weil sie nicht für die Herrschaftsnachfolge vorgesehen waren; ironischerweise folgte dann doch Christines Sohn Ferdinand Albrecht II. zu Bevern (1680–1735) auf die ohne männliche Erben gebliebenen beiden Söhne 59 Markus Hillenbrand, Fürstliche Eheverträge. Gottorfer Hausrecht 1544–1773, Frankfurt am Main 1996; Ute Essegern »Kursächsische Eheverträge in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts«, in: Witwenherrschaft, hrsg. von Schattkowsky (wie Anm. 48), S. 115–135; Rita Scheller, »Fürstliche Heiratsverträge des 16. und 17. Jahrhunderts aus Königsberg«, in: Zeitschrift für Ostforschung 27 (1978), S. 16–66. 60 Geerds, Mutter (wie Anm. 17), S. 26. 61 Ernst Daniel Martin Kirchner, Die Churfürstinnen und Königinnen auf dem Throne der Hohenzollern, im Zusammenhang mit ihren Familien- und Zeit-Verhältnissen; aus den Quellen, 2. T., Berlin 1867, S. 153. 62 Margret Lemberg, Juliane Landgräfin zu Hessen (1587–1643). Eine Kasseler und Rotenburger Fürstin aus dem Hause Nassau-Dillenburg in ihrer Zeit, Darmstadt/Marburg 1994, S. 322. 63 Puppel, Regentin (wie Anm. 47), S. 42–57. 64 Jill Bepler, Ferdinand Albrecht Duke of Braunschweig-Lüneburg (1636–1687), Wiesbaden 1988, S. 343 f.
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Herzog Anton Ulrichs und brachte das Haus Bevern an die Regierung.65 In der Rolle der Mutter besaß die fürstliche Gemahlin auch dann noch eine Zugangsmöglichkeit zum Fürst, wenn er sich von ihr abgewandt hatte. Zeichnete sich dagegen Kinderlosigkeit ab, gefährdete dies ihre Stellung als Gemahlin und damit ihren Einfluss auf den Fürsten.66 Nahm der Fürst eine Mätresse, konnte diese die Fürstin marginalisieren, wie dies z. B. Christina Wilhelmina von Grävenitz (1685–1744)67 am Hof des Herzogs Eberhard Ludwig von Württemberg (1676–1733) oder Gräfin Clara Elisabeth von Platen (1648– 1700) – als ehemaliger Hofdame und Rivalin von Kurfürstin Sophie – am Hof in Hannover68 gelang. Selbstverständlich fehlt auf dem Wolfenbütteler Gemälde die Chirurgentochter Rosina Elisabeth Menthe (1663–1701), die Herzog Rudolf Augusts 1681 nach dem Tod seiner ersten standesgemäßen Gemahlin Christina Elisabeth von Barby-Mühlingen (1634–1681) heiratete.69 (3) Auf dem Gemälde lassen sich auch Aspekte des politischen Handelns der Fürstinnen ausmachen. Sie selbst stehen für die dynastischen Netzwerke, die das Ergebnis der fürstlichen Heiratspolitik waren, an der Fürstinnen einen erheblichen, vielfach bezeugten Anteil hatten. Die Fürstin trug entscheidend die Kommunikation mit ihrer Herkunftsdynastie sowie mit verwandtschaftlich oder freundschaftlich verbundenen Höfen,70 sie spielte darüber hinaus im Herrschaftszeremoniell eine wichtige Rolle, da Gesandte häufig zuerst von ihr empfangen wurden, bevor sie Zutritt zum Fürsten erhielten. Das meist prächtiger ausgestattete Appartement der Fürstin71 bot sich zudem auch aus
65 Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 44 f. 66 Helga-Maria Kühn, Eine »unverstorbene Witwe«. Sidonia, Herzogin zu BraunschweigLüneburg, geborene Herzogin zu Sachsen, 1518–1575, Hannover 2009, S. 88–93. 67 Sybille Oßwald-Bargende, »Sonderfall Mätresse? Beobachtungen zum Typus des Favoriten aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive am Beispiel der Christina Wilhelmina von Grävenitz«, in: Der zweite Mann im Staat. Oberste Amtsträger und Favoriten im Umkreis der Reichsfürsten in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Michael Kaiser und Andreas Pečar, Berlin 2003, S. 137–154. 68 Daniel, »Zwischen Zentrum und Peripherie« (wie Anm. 1), S. 215; Joachim Lampe, Aristokratie, Hofadel und Staatspatriziat in Kurhannover. Die Lebenskreise der höheren Beamten an den kurhannoverschen Zentral- und Hofbehörden 1714–1760, Bd. 1, Göttingen 1963, S. 174–179; Schnadt, Geschichte Hannovers (wie Anm. 13), Bd. 2, S. 401–408: La Cour de Linden. 69 Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 34. 70 Katrin Keller, »Frauen und Politik in der höfischen Gesellschaft des Alten Reiches zwischen 1550–1750«, in: zeitenblicke 8, Nr. 2 [Zugriff 30.06.2009], S. 6–8; siehe auch Knöfel, Dynastie (wie Anm. 55). 71 Bischoff, »Decorum« (wie Anm. 45), S. 168.
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zeremoniellen Gründen als Ort abendlicher Geselligkeit mit Gästen an.72 Gerade beim politischen Handeln der Fürstinnen treten die Rangunterschiede zwischen den Reichsfürsten klar hervor. Bei der bayerischen Kurfürstin Henriette Adelaide von Savoyen, die großen Einfluss auf die Außenpolitik des Gemahls Kurfürst Ferdinand Maria (1636–1679) gegenüber Frankreich nahm, handelte es sich um die Nichte des französischen Königs Ludwig XIII. Die bayerische Kurfürstin Therese Kunigunde Sobieska (1676–1730) agierte auf Grund ihrer königlichen Herkunft in einem hochrangigen Politikfeld;73 die sächsische Kurfürstin Maria Antonia Walpurga (1724–1780) konnte selbst nach dem Regierungsantritt ihres Sohnes eine politische Rolle im Kampf um die polnische Königskrone spielen.74 Politisches Handeln erscheint ebenso verkörpert im ›Frauenzimmer‹, den Hofdamen,75 das hinter den Fürstinnen aufgestellt ist. Die junge Fürstin brachte in der Regel nur wenige Fräulein aus der Heimat mit, vielmehr wählten der Gemahl oder die Schwiegermutter die Hoffräulein unter den Töchtern des (landsässigen) Adels und den Töchtern hochgestellter adeliger Beamter aus. In den folgenden Jahren nahm die Fürstin selbst Einfluss auf die Zusammensetzung ihres Frauenzimmers, zumal die Fräulein einen direkten Zugang zu ihr und damit eine Vertrauensstellung besaßen.76 Die Hoffräulein vervollständigten am Hof ihre Bildung und Ausbildung, darüber hinaus boten sich ihnen gute Heiratschancen mit vom regierenden Fürstenpaar protegierten Heiratskandidaten, bei denen es sich um verdiente und loyale Diener handelte.77 So gehörte 1694 die Doppelhochzeit zweier Kammerfräulein der Wolfenbütteler 72 Ebd., S. 174 f. 73 Michel Komaszynski, »Die politische Rolle der bayerischen Kurfürstin Theresia Kunigunde«, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 45 (1982), S. 555–573. 74 Alois Schmidt, »Maria Antonia Walpurga, Kurfürstin von Sachsen, geborene Prinzessin von Bayern«, in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 198–200 [Onlinefassung, Zugriff 25.10.2012]; Moritz Fürstenau, »Maria Antonia Walpurgis«, in: Allgemeine Deutsche Biographie 20 (1884), S. 371–374 [Onlinefassung, Zugriff 25.10.2012]. 75 Zu den Hofdamen am kaiserlichen und am königlich-preußischen Hof siehe Beatrix Bastl/Gernot Heiss, »Hofdamen und Höflinge zur Zeit Kaiser Leopolds I. Zur Geschichte eines vergessenen Berufsstandes«, in: Opera Historica 5 (1998), S. 187–265; Katrin Keller, Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts, Wien 2005; Veronica Biermann, »›Ma chère Pelnits‹. Henriette Charlotte von Pöllnitz (um 1670–1722) – ›Erstes Kammerfräulein‹ Sophie Charlottes«, in: Sophie Charlotte und ihr Schloß. Ein Musenhof des Barock in Brandenburg-Preußen, München u. a. 1999, S. 76–82. 76 Johannes Voigt, Deutsches Hofleben im Zeitalter der Reformation, Dresden 1927, S. 181– 183; Keller, Hofdamen (wie Anm. 75), S. 165–169; Essegern, Fürstinnen (wie Anm. 48), S. 78. 77 Voigt, Hofleben (wie Anm. 76), S. 185.
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Herzogin Juliane Elisabeth (1634–1704) mit einem fürstlichen Geheimen Rat und dem Dompropst zu den Festen der feierlichen Einweihung des Lustschlosses Salzdahlum.78 Die Verheiratung einer Hofdame konnte jedoch auch dazu dienen, sie weiterhin in Dienst zu behalten. Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg (1710–1767) korrespondierte regelmäßig mit ihrer gebildeten Hofdame Friederike von Wangenheim (gest. 1752), nachdem diese 1751 Friedrich Samuel Graf von Montmartin (1712–1778), den gothaischen Gesandten beim Immerwährenden Reichstag in Regensburg, geheiratet hatte. Zum einen führten Fürstin und Gesandtengattin damit die Gesprächsgeselligkeit am Gothaer Hof fort, zum anderen ging es um die Gesellschaft der Regensburger Gesandten: »Es gehen Gerüchte um, dass Herr von Herring entweder als dänischer oder anhaltinischer Gesandte herkommt. Herr von Montmartin hält diese überall kursierende Nachricht für so wenig begründet, dass er sie in seinen Relationen nicht erwähnen wollte und sie eher meiner Feder für würdig erachtet. Er meint, sie gehöre zu der Sorte politischer Themen, die in mein Ressort fallen.«
Frau von Montmartin fügt hinzu: »Dies sind seine Worte, Madame. Ich finde sie etwas schockierend, aber was muss man sich nicht alles von einem Ehemann gefallen lassen.«79 Die frühere Hofdame nutzte ihre in Gotha erworbene Übung der Menschenbeobachtung und Personencharakterisierung auch in Regensburg und informierte die Fürstin eingehend über gesellige Ereignisse, Intrigen und Gerüchte, so dass in Gotha neben den offiziellen Gesandtschaftsberichten des Gatten die eher personenbezogenen und atmosphärischen Schilderungen seiner Gattin eingingen. III. Kulturelles Handeln bei Hofe Aus dem Dargelegten lassen sich zwei Dimensionen »kulturellen Handelns« bei Hofe erkennen: 1. Die auf das Fürstenpaar zentrierte höfische Gesellschaft verkörperte dessen Eminenz in einem System von Unterordnung und Abhängigkeiten. Die Aufrechterhaltung einer solchen Hierarchie bedurfte der ständigen ›Pflege‹ 78 Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 224. 79 Der Briefwechsel zwischen Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg und Friederike von Montmartin, übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Bärbel Raschke, Gotha 2009, S. 93 f.
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und ist als ›Kultur‹ im wörtlichen Sinn zu verstehen. Instrumente waren zum einen das Zeremoniell, ein Formular für Präzedenz und Distanz in personalen Begegnungen bei Hofe wie zwischen Fürstenhöfen,80 zum anderen die ›Höflichkeit‹,81 die klug berechnende, von Manierlichkeit und Zierlichkeit in Rede und Gestik geprägte Kommunikationsweise. Affektkontrolle und Körperdisziplin erforderte insbesondere die Begegnung der Geschlechter bei Hofe, zu dessen Kennzeichen die geschlechtergemischte Geselligkeit gehörte. Für eine solche ›Zivilisierung der Geschlechterbeziehungen‹ kam der Fürstin und ihren Hoffräulein eine zentrale Rolle zu, wie in den Ordensgründungen explizit zum Ausdruck kam.82 Baldesar Castiglione hat bereits 1528 das Verhaltensprogramm für den Hofmann und die Dame bei Hofe formuliert und die hohe Bedeutung der Bildung für den geselligen Umgang bei Hofe herausgestellt.83 Dieses zunächst in Italien gepflegte Konversationsmodell wurde im deutschen Sprachbereich Vorbild für die von dem Nürnberger Patrizier Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658) und Mitbegründer des Pegnesischen Blumenordens der Pegnitz-Schäfer verfassten »Frauenzimmer Gesprächspiele« (1641–1648), deren Gebrauch vor allem an den deutschen Fürstenhöfen nachgewiesen ist.84 Diese Verhaltensstandards stellten an alle Beteiligten hohe Anforderungen. Nicht nur Diener und Dienerinnen mussten ihre Aufgaben erlernen, noch 80 S. z. B. Mark Hengerer, »Hofzeremoniell, Organisation und Grundmuster sozialer Differenzierung am Wiener Hof im 17. Jahrhundert«, in: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jh.). Société de cour et courtisans dans l’Europe de l’époque moderne (XVe–XVIIIe siècle), hrsg. von Klaus Malettke und Chantal Grell Münster 2001, S. 337–368; zur Zeremonialwissenschaft siehe Miloš Vec, Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat. Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation, Frankfurt am Main 1998. 81 Der Artikel »Höflichkeit« in Zedlers Universallexikon (wie Anm. 11), Bd. 13, 1739, Sp. 353 f., betont wie der Artikel »Hof« die »äußerliche Bezeigung« und »äusserliche Aufführung«. Vergleiche auch Manfred Beetz, Frühmoderne Höflichkeit. Komplimentierkunst und Höflichkeitsrituale im altdeutschen Sprachraum, Stuttgart 1970. 82 Sabine Koloch, »Neue Befunde zu dem habsburgischen Damenorden ›Sklavinnen der Tugend‹«, in: BDOS-Jahrbuch 1999 (Orden und Ehrenzeichen), S. 29–31. 83 Baldesar Castiglione, Das Buch vom Hofmann, übers., eingeleitet und erläutert von Fritz Baumgart, Bremen 1960. 84 Rosmarie Zeller, »Die Rolle der Frauen im Gesprächspiel und in der Konversation«, in: Geselligkeit und Gesellschaft im Barockzeitalter, hrsg. von Wolfgang Adam, Wiesbaden 1997, S. 495–504, hier: S. 539–541; Heide Wunder, »Bildung und Adeligkeit im historischen Wandel. Das ›Studieren‹ der ›Weibs-Bilder‹ in Wolf Helmhards von Hohberg ›Georgica Curiosa Aulica‹«, in: Bilder – Wahrnehmungen – Konstruktionen. Reflexionen über Geschichte und historisches Lernen, hrsg. von Markus Bernhardt u. a., Schwalbach/ Ts. 2006, S. 34–45; Konversationskultur in der Vormoderne. Geschlechter im geselligen Gespräch, hrsg. von Rüdiger Schnell, Köln/Weimar/Wien 2008.
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viel mehr galt dies für Fürst und Fürstin, die darin von Kindesbeinen eingeübt wurden,85 wie für deren jeweiligen Hofstaat.86 2. Die fürstliche Lebensweise sollte sich von der weitgehend von Handel und körperlicher Arbeit geprägten Lebenswelt der Bürger und Bauern abheben. Freiheit von körperlicher Arbeit, ›Muße‹, war mithin Kennzeichen der fürstlichen Existenzweise. Gleichwohl war das höfische Leben keineswegs nur »totales Fest«,87 vielmehr strukturierte die alltägliche Liturgie fürstlicher Selbstinszenierung das Hofleben: Gottesdienste, Mahlzeiten, Zeiten für die Erledigung fürstlicher Pflichten und Zeiten der Rekreation, etwa bei der Jagd oder beim Scheibenschießen, bei Ballspiel und Tanz, Glücksspielen und Divertissements, Routinen, die von der Festfolge des Kirchenjahres bestimmt wurden und im Winter anders als im Sommer, in der Residenz anders als auf Reisen gelebt wurden.88 Die Muße von Fürst und Fürstin bedeutete für alle anderen Personen bei Hofe – Arbeit, angefangen von den Inhabern der Hofämter, den Hofdamen und Hofkavalieren bis zu den Dienern und Dienerinnen in Kammer und Küche, für die sie besoldet89 und entlohnt wurden. 3. Darüber hinausgehend eröffnet der Blick auf den Hof als Ort des »äußerliche[n] Gepränge[s]«, der »Ansehen« im Lande, bei den fürstlichen Nachbarn und im Reich verschaffen sollte, eine weitere Dimension kulturellen Handelns, die vor allem Gegenstand der Beiträge dieses Bandes ist. An erstere Stelle steht das »Gehäuse der höfischen Gesellschaft«,90 die repräsentativen Gebäude für die Hofhaltung mit der Hofkirche, ergänzt von Rennbahn, Ballhaus, Theater/Opernhaus und großzügigen Parkanlagen und Orangerien. Als Bauherr der Residenz fungierte meist der regierende Fürst, doch traten Fürstinnen beim Bau der ihnen geschenkten Lustschlösser ebenfalls als Bauherrinnen auf: Am bekanntesten sind die bayerische Kurfürstin Henri-
85 Geerds, Mutter (wie Anm. 17), S. 13 f. 86 Zu England siehe Barbara Harris, English Aristocratic Women 1450–1550, Oxford 2002, S. 230–240. 87 Richard Alewyn, »Die höfischen Feste«, in: Das große Welttheater. Die Epoche der höfischen Feste, hrsg. von dems., München 2. Aufl. 1985, S. 7–17, hier: S. 14: »Das höfische Leben ist totales Fest. In ihm gibt es nichts als das Fest, außer ihm keinen Alltag und keine Arbeit, nichts als die leere Zeit und die lange Weile. Und es sieht aus, als ob es der Horror vacui sei, der das höfische Fest erzeugt habe.« 88 Siehe z. B. den Tagesrhythmus von Herzog Anton-Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, in: Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 199 f. 89 Keller, Hofdamen (wie Anm. 75), S. 157–165. 90 Michael Stürmer, »Gehäuse der höfischen Gesellschaft. Ein Forschungsbericht«, in: Zeitschrift für Historische Forschung 7 (1980), S. 216–228.
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ette Adelaide von Savoyen mit ihrem Lustschloss Nymphenburg91 und Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (1709–1758) mit ihrer »Eremitage«.92 Bei der Gestaltung der Innenräume, z. B. der Wahl der Bildprogramme, der Ausstattung der Gemächer mit kostbaren Möbeln, Vorhängen, Tapisserien und Kunstwerken, kam der Fürstin eine wichtige Rolle zu, insbesondere für die Gestaltung ihrer Privaträume. Orientierte sich Kurfürstin Henriette Adelaide dabei an italienischen Vorbildern, so waren es im Fall der oranischen Prinzessinnen Louise Henriette (1627–1667) und Henriette Katharina (1637–1708) die elterliche Residenz in Den Haag, aus der sie bei ihrer Verheiratung nach Brandenburg-Preußen und Anhalt Dessau die Kabinette mit kostbarem chinesischem Porzellan mitbrachten.93 Nicht wenige Fürstinnen trugen selbst mit ihren Hoffräulein zur Ausstattung bei,94 wie etwa Sophie von Hannover, die Möbelbezüge mit selbst entworfenen Mustern bestickte95 oder Herzogin Elisabeth Juliane von Braunschweig-Lüneburg, die Bezüge für mehrere Sitzgarnituren im Wolfenbütteler Schloss und im Lustschloss Salzdahlum stickte.96 Zum »Gehäuse« gehörten schließlich die fürstlichen Gewänder aus kostbaren Stoffen, oft mit Perlen und Edelsteinen bestickt und mit kostbaren Schmuckstücken ergänzt, die den Rang und Reichtum ihrer Träger und Trägerinnen zur Schau stellten.97 Dieses »Gehäuse« gab den Rahmen für die permanente Inszenierung fürstlicher Eminenz bei Hofe ab. Die repraesentatio majestatis als Gesamtkunstwerk forderte nicht nur den professionellen Hofkünstler, sondern dass Fürst, Fürstin, die fürstlichen Kinder samt dem Hofstaat an deren Erschaffung mit91 Bischoff, »Decorum« (wie Anm. 45), S. 170. 92 Ebd. 93 Ebd., S. 172; Simon Groenveld, »Beiderseits der Grenze. Das Familiengeflecht bis zum Ende der ersten oranisch-nassauischen Dynastie«, in: Onder den Oranje boom (wie Anm. 15), Textband S. 139–156, hier: S. 151–153. 94 Friederike Wappenschmidt, »Nutzbringende Frauenergötzung. Das Kunstschaffen adeliger Damen im 18. Jahrhundert«, in: Weltkunst 67 (1997), S. 1592–1593. 95 Christine van den Heuvel, »Sophie von der Pfalz (1630–1714) und ihre Tochter Sophie Charlotte (1668–1705)«, in: Deutsche Frauen der Frühen Neuzeit. Dichterinnen, Malerinnen, Mäzeninnen, hrsg. von Kerstin Merkel und Heide Wunder, Darmstadt 2000, S. 77–92, hier: S. 91; Bischoff, »Decorium« (wie Anm. 45), S. 172. 96 Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 37, 203. 97 Martin Dinges, »Von der ›Lesbarkeit der Welt‹ zum universalistischen Wandel durch individuelle Strategien. Die soziale Funktion der Kleidung in der höfischen Gesellschaft«, in: Saeculum 44 (1993), S. 90–112; sehr materialreich für das 16. Jahrhundert Voigt, Hofleben (wie Anm. 76), S. 203–211; Monika Kurzel-Runtscheiner, Glanzvolles Elend. Die Inventare der Herzogin Jacobe von Jülich-Kleve-Berg (1558–1597) und die Bedeutung von Luxusgütern für die höfische Frau des 16. Jahrhunderts, Wien u. a. 1993.
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wirkten und damit zugleich eine dementsprechende Bildung und Ausbildung besaßen. Seit dem 16. Jahrhundert bildete sich ein vielfältiges Unterhaltungsrepertoire für die Gestaltung von Hochzeiten, Taufen, hohen Fürstenbesuchen aus, die mehrere Tage, wenn nicht gar Wochen dauerten. Man veranstaltete Turniere, Ringstechen, Feuerwerke, Wirtschaften, Maskeraden, Schlittenfahrten, Bällen, szenische Aufführungen, in denen nicht selten Ballett, Theater und Singspiel verbunden waren, sowie Opern.98 Einzelne Elemente dieses Katalogs wurden ebenfalls für die dichte Folge von Geburts- und Namenstagen der bei Hofe anwesenden Fürstlichkeiten oder für jahreszeitliche Vergnügungen, insbesondere den an protestantischen wie katholischen Höfen beliebten Karneval, genutzt.99 Das Fürstenpaar stand im Mittelpunkt der Wirtschaften, Maskeraden, Schlittenfahrten und Bälle: Die Fürsten bestritten die Turniere und Ringreiten, Fürstinnen und Fürsten tanzten Ballette,100 übernahmen wie die fürstlichen Kinder Rollen bei Theateraufführungen, Fürstinnen traten auch als Sängerinnen hervor und gelegentlich im Damenringreiten. Doch waren viele Fürstinnen nicht nur Ausführende, sondern auch Autorinnen, Komponistinnen und Leiterinnen der Aufführungen, wie etwa Herzogin Sophie Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg (1613–1676) am Wolfenbütteler Hof,101 die bayerische Kurfürstin Henriette Adelaide (1636–1676) am Münchener Hof102 und die sächsische Kurfürstin Maria Antonia Walpurgis (1724–1780) am Hof in Dresden.103 Diese Fürstinnen waren keine Einzelerscheinungen, sondern Exponentinnen einer Hofkultur, in der Musik die führende Rolle für »Reputation« und »Ergötzlichkeit«104 übernahm. Gehörte eine Hofkapelle zur Standardausstattung des Fürstenhofes, so gab es im Hinblick auf die aktive Musik98 Zu Dresden vom 16. bis zum beginnenden 18. Jahrhundert: Watanabe O’Kelly, Court Culture (wie Anm. 27); zu Wolfenbüttel: Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 162–185. 99 Vgl. z. B. Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 177. 100 Siehe die Beschreibung der Einweihung des Schlosses Salzdahlum 1694 bei Grote, Schloss Wolfenbüttel (wie Anm. 49), S. 226; Linda Maria Koldau, Frauen – Musik – Kultur. Ein Handbuch zum deutschen Sprachgebiet der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 100; vgl. dazu Bepler/Kümmell/Meise, »Weibliche Selbstdarstellung« (wie Anm. 26), S. 452 f. 101 Karl Wilhelm Geck, Sophie Elisabeth Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg (1613– 1676) als Musikerin, Saarbrücken 1992. 102 Koldau, Frauen (wie Anm. 100), S. 229–232. 103 Christine Fischer, Instrumentierte Visionen weiblicher Macht – Maria Antonia Walpurgis’ Werke als Bühne politischer Selbstinszenierung, Kassel u. a. 2007; siehe auch Koldau, Frauen (wie Anm. 100), S. 234. 104 Zitiert nach Koldau, Frauen (wie Anm. 100), S. 134.
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pflege von Fürst und Fürstin erhebliche Unterschiede zwischen den Höfen. Fast durchgehend belegt ist die Musikübung am herzoglichen, später kurfürstlichen Münchener Hof, für das 17./18. Jahrhundert am kurfürstlichen Hof in Dresden sowie seit Ende des 17. Jahrhunderts am Berliner Hof. Nicht zufällig handelt es sich um die Höfe der drei ambitioniertesten Kurfürsten: Sachsen und Brandenburg stiegen zum Königtum auf, Bayern war mit den Musik liebenden Höfen der Habsburger in Wien, Innsbruck und Graz sowie den Höfen der oberitalienischen Medici, Gonzaga, Este und Savoyen dynastisch mehrfach verbunden. 105 Ein spätes Dokument für die Bedeutung der Musik in der fürstlichen repräsentativen Selbstdarstellung ist ein Gemälde, das den 1760 im Siebenjährigen Krieg exilierten sächsischen Hof zusammen mit dem verwandten Münchener Hof bei höfischem Zeitvertreib zeigt.106 Nicht nur die Heiratskreise der Kurfürsten erweisen sich als kulturelle Austausch- und Diffusionssysteme, Vergleichbares lässt sich für die mittleren Höfe beobachten: Vom Kasseler ›Musenhof‹ des Landgrafen Moritz gingen wichtige Impulse an norddeutsche protestantische Höfe aus, da seine vielseitig gebildete Tochter Elisabeth (1596–1625) Herzog Johann Albrecht II. von Mecklenburg heiratete und am Güstrower Hof ihre Stieftochter Sophie Elisabeth, die bereits genannte dritte Gemahlin von Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg (1579–1666), förderte.107 Fürstinnen traten in einem zweiten Feld höfischer Kultur eigenständig hervor. Im Zeichen des humanistischen Ideals des gelehrten Fürsten gewannen Bibliotheken als Medium reichsfürstlicher Reputation an Bedeutung. Umfang und thematische Schwerpunkte der Bibliothek einer Fürstin waren von ihren Aufgaben als christliche Gemahlin, Mutter und Landesmutter geprägt. Es dominierten Bibelausgaben und Katechismen, theologische Werke, Anleitung- und Erbauungsliteratur sowie ›Sachliteratur‹, vor allem zu praktischen Wissenschaften wie Ökonomie, Botanik oder Genealogie;108 im 17. und 105 Überblick bei Koldau, Frauen (wie Anm. 100), S. 39–109; dies., »Familiennetzwerke, Machtkalkül und Kulturtransfer: Habsburgerfürstinnen als Musikmäzeninnen im 16. und 17. Jahrhundert«, in: Grenzüberschreitende Familienbeziehungen. Akteure und Medien des Kulturtransfers in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Dorothea Nolde und Claudia Opitz, Köln u. a. 2008, S. 55–72; Der Innsbrucker Hof. Residenz und höfische Gesellschaft in Tirol vom 15. bis 19. Jahrhundert, hrsg. von Heinz Noflatscher und Jan Paul Niederkorn, Wien 2005; Susanne Helene Betz, Von Innerösterreich in die Toskana. Erzherzogin Maria Magdalena und ihre Heirat mit Cosimo de’ Medici, Frankfurt am Main u. a. 2008. 106 Adalbert Prinz von Bayern, Die Wittelsbacher. Geschichte unserer Familie, München 1979, Abb. 58. 107 Claudia Knispel, Das Lautenbuch der Elisabeth von Hessen, Frankfurt am Main 1994. 108 Ursula Schlude, »Naturwissen und Schriftlichkeit. Warum eine Fürstin des 16. Jahrhunderts nicht auf den Mons Ventoux steigt und die Natur exakter begreift als die
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18. Jahrhundert finden sich vermehrt historische Darstellungen, Reiseberichte und politische Werke.109 Die Büchersammlung einer Fürstin wurde nach ihrem Tod in die Hofbibliothek eingegliedert, konnte jedoch auch an Töchter fallen und deren Bibliothek erweitern.110 Landgräfin Sophie Eleonore von Hessen-Darmstadt (1609–1671) hat im Funeralwerk auf ihre Mutter Kurfürstin Magdalena Sybille von Sachsen (1586–1659) deren Bedeutung als Sammlerin von Büchern und Kunstwerken hervorgehoben.111 Diese Kurfürstin hat somit nicht nur ihre Liebe zum eher ephemeren Balletttanzen an die Tochter weitergegeben, sondern war ebenso Vorbild für deren Bücherleidenschaft.112 Gewürdigt werden bisher vor allem die Bibliotheken protestantischer Reichsfürstinnen, während die systematische Erforschung der Bibliotheken katholischer Fürstinnen noch am Anfang steht.113 Eine Antwort auf die Frage, ob es bei diesem wie bei anderen Sammelinteressen bezeichnende Unterschiede zwischen protestantischen und katholischen Höfen gab und ob solche
›philologischen Landwirte‹«, in: »Die Natur ist überall bey uns«. Mensch und Natur in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Sophie Ruppel und Aline Steinbrecher, Zürich 2009, S. 95–108. 109 Sabine Heißler, »Christine von Ostfriesland (1643–1699) und ihre Bücher. Oder lesen Frauen anders?«, in: Daphnis 27 (1998), S. 335–418; Eva Schlotheuber, »Fürstliche Bibliotheken – Bibliotheken von Fürstinnen«, in: Herzogin Elisabeth von BraunschweigLüneburg (1510–1554). Herrschaft – Konfession – Kultur, Hannover 2011, S. 207–221; Jill Bepler, »Die Lektüre der Fürstin. Die Rolle von Inventaren für die Erforschung von Fürstinnenbibliotheken in der Frühen Neuzeit«, in: Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der Freien Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürsten- und Fürstinnenbibliotheken der Zeit, hrsg. von Jill Bepler und Helga Meise, Wiesbaden 2010, S. 201–225. 110 Lemberg, Juliane (wie Anm. 62), S. 408; Jill Bepler, »Die fürstliche Witwe als Büchersammlerin: Spuren weiblicher Lektüre in der Frühen Neuzeit«, in: Der wissenschaftliche Bibliothekar. Festschrift für Werner Arnold, hrsg. von Detlev Hellfaier, Helwig SchmidtGlintzer und Wolfgang Schmitz, Wiesbaden 2009, S. 19–40. 111 Jill Bepler, »›im dritten Gradu ungleicher Linie Seitwarts verwandt‹. Frauen und dynastisches Bewusstsein in den Funeralwerken der Frühen Neuzeit«, in: Wunder, Dynastie (wie Anm. 45), S. 135–160, hier: S. 151. 112 Dazu siehe Essegern, Fürstinnen (wie Anm. 48), S. 361. Diese Spur lässt sich noch weiter zurück ins 16. Jahrhundert verfolgen, denn Magdalena Sybille war die jüngste Tochter von Herzogin Maria Eleonore von Preußen, die am Musik und Bücher liebenden Königsberger Hof die Bibliothek ihrer Schwiegermutter Anna Maria von Preußen vorfand und erheblich vergrößerte (Nadezda Shevchenko, Eine historische Anthropologie des Buches. Bücher in der preußischen Herzogsfamilie zur Zeit der Reformation, Göttingen 2007, S. 257). 113 Siehe Bepler/Meise, Sammeln (wie Anm. 109).
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Unterschiede im Wandel der Hofkulturen zurücktraten, könnten erst weitere Forschungen erweisen. Die Sprache der Musik war katholischen und protestantischen Höfen gemeinsam ebenso – bis ins 17. Jahrhundert – das Lateinische als Sprache gelehrter Bildung114 und der Hofpoeten. Unterschiede gab es jedoch in der Wahl der modernen Sprachen. Generell kann von einer Mehrsprachigkeit bei Hofe ausgegangen werden, als Umgangssprache dominierten neben der Muttersprache das Italienische und das Französische, Sprachen, in denen zugleich die bei Hofe goutierte Literatur verfasst war. An den protestantischen Höfen übte das Deutsche als Kirchensprache einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf das Schreiben von Fürstinnen aus. Sie traten als Autorinnen von geistlichen Liedern und Schriften hervor, die sie wie bereits Herzogin Elisabeth von Calenberg (1530–1558)115 gegebenenfalls im Druck erscheinen ließen, viele schrieben ihr eigenes Gebetbuch.116 Landgräfin Magdalena von Hessen-Darmstadt (1552–1587) verfasste ein Gebetbuch für ihre Kinder.117 Dieses Schreiben in deutscher Sprache war eingebunden in eine persönliche praxis pietatis, die zugleich auf Kommunikation unter verwandten und befreundeten Fürstinnen gerichtet war. Zur praxis pietatis gehört auch das von der Darmstädter Landgräfin Sophie Eleonore initiierte umfangreiche gedruckte Funeralwerk Mausolaeum auf ihren verstorbenen Gemahl Landgraf Georg II. (1605–1661), in dem sie selbst in der »Vorrede« und in einem Gedicht spricht.118 – Welchen Platz deutsche Gebete und Lieder in der praxis pietatis katholischer Fürstinnen einnahmen, ist nicht erforscht. Nach dem Tod der österreichischen Erzherzogin Maria, geborene Herzogin von Bayern (1551–1608), fand man – ihrem Biographen Friedrich Huerter zufolge – handschriftliche Gebete und geistliche Lieder, die wohl zu ihrer persönlichen praxis pietatis gehörten.119 Hingegen brachte Kaiserin Eleonora Magdalena Theresa, geborene Prinzessin von Pfalz-Neuburg (1655–1720), Psalmen in deutsche Reime, soll geistliche Lieder ver114 Die Töchter Herzog Albrecht Friedrichs von Preußen (1553–1618) und seiner Gemahlin Maria Eleonora von Jülich-Kleve (1550–1608): Anna, Maria, Sophia, Eleonore, Magdalene Sybille erhielten Lateinunterricht: Shevchenko, Historische Anthropologie (wie Anm. 112), S. 215. 115 Siehe Koldau, Frauen (wie Anm. 100), S. 185–189. 116 Voigt, Hofleben (wie Anm. 76), S. 193 f.; Bepler, »Lektüre der Fürstin« (wie Anm. 109), S. 224. 117 Winfried Noack, Landgraf Georg I. von Hessen und die Obergrafschaft Katzenelnbogen (1567–1596), Darmstadt 1966, S. 84. 118 Bepler/Kümmell/Meise, »Weibliche Selbstdarstellung« (wie Anm. 26), S. 447 f. 119 Friedrich v. Huerter, Maria, Erzherzogin von Oesterreich, Schaffhausen 1860, S. 380.
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fasst haben und stellte Gebete und Litaneien für den Tages- und Jahreslauf zusammen, die im Druck erschienen sind.120 Davon ist im Artikel über sie in Zedlers Universallexikon keine Rede, während ihre politische Tätigkeit mit Berufung auf die 1721 gedruckte Biographie eines Jesuiten in deutscher Sprache dargestellt wird.121 Neben solchen möglicherweise konfessionsübergreifenden Gemeinsamkeiten der praxis pietatis in deutscher Sprache gab es eine protestantische Besonderheit, nämlich die Reform der deutschen Sprache in patriotischer Absicht. Nach dem Vorbild italienischer Akademien gründeten protestantische Reichsfürsten 1617 die Fruchtbringende Gesellschaft, die sich wie andere Sprachgesellschaften die Vereinheitlichung und Vervollkommnung der deutschen Sprache zum Ziel setzte. Die sprachkompetenten Mitglieder wählten vor allem den Weg der Übersetzung italienischer, französischer und spanischer Werke, um mit deren ›Verdeutschung‹ die Ausdrucksmächtigkeit der deutschen Sprache als Literatur- und Wissenschaftssprache weiter zu entwickeln.122 Fürstinnen, die qua Geschlecht von der Fruchtbringenden Gesellschaft ausgeschlossen waren, gründeten eigene Sozietäten, unter denen die 1619 von Gräfin Anna Sophia von Schwarzburg-Rudolstadt (1584–1652), Schwester des Oberhaupts der Fruchtbringenden Gesellschaft Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen (1579–1660), gegründete Tugentliche Gesellschaft wohl die größte Bedeutung zukommt.123 Ihr programmatischer Leitspruch »Tugend bringt Ehre« verpflichtete die Mitglieder, ihren Aufgaben als Fürstinnen nachzukommen, ein Konzept, das sie in Zusammenarbeit mit Wolfgang Ratke (1571–1635), dem Reformer des Sprachunterrichts, entwickelte.124 Zur Beförderung der Tugend gehörten nicht allein das persönliche Vorbild, sondern auch die Anleitung durch die entsprechende Literatur, vor allem fran120 Christian Gottlieb Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Bd. 2, Leipzig 1750, Sp. 308– 310; Jean M. Woods und Maria Fürstenwald, Künstlerinnen und gelehrte Frauen des Barock. Ein Lexikon, Stuttgart 1984, S. 77 f.; s. a. Koldau, Frauen (wie Anm. 100), S. 100–102. 121 Zedler, Universallexikon (wie Anm. 11), Bd. 8, Sp. 780 f. 122 Ulrike Gleixner, »Sprachreform durch Übersetzen. Die Fruchtbringende Gesellschaft und ihre ›Verdeutschungsleistung‹ in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts«, in: Werkstatt Geschichte 48 (2008), S. 7–23. 123 Siegrid Westphal, »Frauen der Frühen Neuzeit und die deutsche Nation«, in: Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg, hrsg. von Dieter Langewiesche und Georg Schmidt, München 2000, S. 363–386; Gabriele Ball, »Die Tugendliche Gesellschaft – Programmatik eines adeligen Frauennetzwerkes in der Frühen Neuzeit«, in: Bepler/Meise, Sammeln (wie Anm. 109), S. 337–361. 124 Ball, »Tugendliche Gesellschaft« (wie Anm. 123), S. 344–348.
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zösischer und italienischer Werke, die übersetzt wurden,125 wie dies ebenfalls zum Programm von Harsdörffers Pegnesischem Blumenorden und des österreichischen Stubenbergkreises gehörte.126 Diese Bestrebungen haben sicher mit dazu beigetragen, dass die Hofpoeten der kleineren Höfe nicht länger lateinische, sondern deutsche Gedichte und Reden verfassten.127 Gleichwohl konnte diese Entwicklung den Siegeszug des Französischen an den deutschen Fürstenhöfen nicht aufhalten. Der Blick auf die dynastischen, politischen und konfessionellen Strukturen der reichsfürstlichen Höfe zeigt ein breites Spektrum kulturellen Handelns von Fürst und Fürstin. Eine Fürstin konnte als Patronin und Stifterin die ›Wissenschaften und Künste‹ fördern und darüber hinaus ihre persönlichen musischen, literarischen und wissenschaftlichen Interessen in einem Maß entfalten, wie dies in keinem anderen Stand möglich war. Im Zeichen der repraesentatio majestatis wurden dem kulturellen Handeln der Fürstin jedoch auch Grenzen gesetzt, die der vollen Ausbildung ihrer Begabungen entgegenstanden. ›Muße‹ war die Voraussetzung für ihre Teilhabe an kulturellem Handeln; sie erlaubte es, einen gewichtigen Teil ihres Zeitbudgets für Bildung und besonders für Musik oder Malerei zu verwenden. Zugleich sollte diese Beschäftigung jedoch nicht ›Arbeit‹ sein, wie bei professionellen Künstlern und Künstlerinnen, sondern standesgemäßer ›Zeitvertreib‹. Der Status einer Fürstin erlaubte es nicht, nur für die Kunst zu leben, vielmehr war ihr kulturelles Handeln Teil einer standesgemäßen Lebensweise. Bildungsideal war nicht das einer Gelehrten oder Spezialistin in einer Sparte, sondern eine möglichst vielseitige Bildung und Sprachgewandtheit für den geselligen Austausch in der Hofgesellschaft. Im 18. Jahrhundert entspricht dem die Fürstin als ›Liebhaberin‹ der Künste und Wissenschaften, als Dilettantin, verkörpert in Markgräfin Caroline Luise von Baden-Durlach (1723–1783) (Abb. 5) oder der sächsischen Kurfürstin Maria Antonia Walpurgis.128 Solche Optionen standen regierenden Fürstinnen des 16. und 17. Jahrhunderts nur teilweise zur Verfügung, weil die Ausbildung zur ›Hausmutter‹ und ›Landesmutter‹ einen erheblichen Teil der verfügbaren Zeit beanspruchte129 125 Ebd., S. 350–356. 126 Martin Bircher, Johann Wilhelm von Stubenberg (1619–1663) und sein Freundeskreis. Studien zur österreichischen Barockliteratur protestantischer Edelleute, Berlin 1968. 127 Bepler, »Zeremonieller Hof« (wie Anm. 43), S. 164 f. 128 Jan Lauts, Karoline Luise von Baden. Ein Lebensbild aus der Aufklärung, Karlsruhe 1980; siehe auch Kerstin Merkel, »Caroline Luise, Markgräfin von Baden-Durlach (1723– 1783)«, in: Merkel/Wunder, Deutsche Frauen (wie Anm. 95), S. 153–167. 129 Voigt, Hofleben (wie Anm. 76), S. 194–203, 211–215.
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Abb. 5 Prinzessin Caroline von Hessen-Darmstadt, verh. Markgräfin von Baden-Durlach, Pastell* von Jean Liotard, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. Nr. 2692.
und die späthumanistische Bildung der Prinzessinnen130 vor allem auf Religion und die Frömmigkeitspraxis ausgerichtet war, denn Frommsein gehörte zu den wichtigsten Pflichten der regierenden Fürstin.131 Im Laufe des 17. Jahrhunderts bewirkte eine Reihe von Veränderungen die Neuverteilung des fürstlichen Zeitbudgets. Nachdem die deutschen Fürstenstaaten im Westfälischen Frieden von 1648 die faktische Souveränität erlangt hatten, setzten sich französische Standards der fürstlichen Repräsentation und des kulturelles 130 Shevchenko, Historische Anthropologie (wie Anm. 112), S. 212–229. 131 Jill Bepler, »Die Fürstin als Bethsäule – Anleitung und Praxis der Erbauung am Hof«, in: Morgen-Glantz. Zeitschrift der Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft 12 (2002), S. 249–264; Pernille Ahrenfeldt, The Political Role of the Female Consort in Protestant Germany, 1550–1585. Anna of Saxony as »Mater Patriae«, Diss. Florenz 2005, S. 112 f.; Katrin Keller, »Hüterin des Glaubens. Fürstin und Konfession in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts«, erscheint im Tagungsband der Tagung »Fürstinnen und Konfession. Beiträge hochadliger Frauen zur Religionspolitik und Bekenntnisbildung«, die vom 24. bis 26. März 2011 in der Forschungsbibliothek Gotha stattfand.
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Handelns durch, die einen höheren Mußeetat der Fürstin forderten. Die politischen Veränderungen fielen zusammen mit dem administrativen Ausbau der Fürstenstaaten, der die Fürstin von landesmütterlichen Pflichten entlastete, und der beginnenden Frühaufklärung mit ihrem naturrechtlichen Geschlechterdiskurs, der die gleiche Bildbarkeit des weiblichen und männlichen Geschlechts favorisierte. An vielen Höfen dominierte das Französische als Hof- und Korrespondenzsprache und bewirkte eine unmittelbare Rezeption französischer Literatur. Am bereits erwähnten gothaischen Hof führte Herzogin Luise Dorothea nach dem Vorbild der Preziösen das gesellige poetische Schreiben ein, das gemeinsame Lektüre und Diskussion philosophisch-literarischer Werke voraussetzte.132 Zugleich versuchte sie, den ständeübergreifenden Freundschaftskult der Preziösen in dem von ihr 1739 gegründeten Eremitenorden (Ordre des Hermites de bonne humeur) zu verwirklichen und auf den gesamten Hof auszudehnen.133 Das Spannungsfeld von »Freundschaftsideologie und realer Standeshierarchie«134 belegt der bereits angeführte Briefwechsel zwischen Fürstin und ehemaliger Hofdame. In noch höherem Maße nahmen aufklärerische Diskurse Einfluss auf die fürstliche Lebenspraxis, die Beziehungen der Eheleute und die der Eltern, besonders der Mutter zu den Kindern. Wie ihre Bibliotheken ausweisen, sahen Fürstinnen in der Erziehung der Kinder eine ihrer Hauptaufgaben, wobei sie sich bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts an französischer Erziehungsliteratur orientierten und somit Rousseaus Emile noch im Jahr seines Erscheinens 1762 lasen.135 Der Entwurf der neuen Mutterrolle wurde z. B. von Markgräfin Caroline Luise von Baden-Durlach schnell rezipiert, wenn sie auch nicht alle Aufgaben, etwa das Selbststillen, selbst übernahm. Darüber hinaus kam das Interesse ihres Gemahls Markgraf Karl Friedrich (1728–1811) an pädagogischen Reformprojekten nicht allein dem Schulwesen des Landes zu Gute, sondern die künftigen Prinzenerzieher wurden im von Johann Bernhard Basedow (1725–1790) begründeten Philanthropin in Dessau ausgebildet, so dass Prinzen und Prinzessinnen nach ›modernen‹ pädagogischen Erkenntnissen erzogen und gebildet wurden.136 Bei der Bewertung dieser Offenheit gegenüber aufklärerischen Diskursen und ›modernen‹ Reformprojekten ist zu bedenken, dass die Intentionen der fürstlichen Rezipienten sich nicht auf eine 132 Raschke, Briefwechsel (wie Anm. 79), S. 10. 133 Ebd., S. 14. 134 Ebd., S. 16. 135 Claudia Kollbach, Aufwachsen bei Hof. Aufklärung und fürstliche Erziehung in Hessen und Baden, Frankfurt am Main 2009, S. 63. 136 Ebd., S. 244–272.
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Reformierung der gesellschaftlichen Verhältnisse richtete, sondern vielmehr auf die Absicherung ihrer überkommenen Herrscherrolle. Die fürstliche Mutter stellte sich, gestützt auf ihre Teilhabe an aktueller Bildung, ganz in den Dienst dieser neuen Form der Dynastiesicherung.137
137 Auch in dieser Hinsicht ist mit Ute Daniel von der Wandlungsfähigkeit der Höfe zu sprechen: Ute Daniel, »Höfe und Aufklärung in Deutschland – Plädoyer für eine Begegnung der dritten Art«, in: Hofkultur und aufklärerische Reformen in Thüringen. Die Bedeutung des Hofes im späten 18. Jahrhundert, hrsg. von Marcus Ventzke, Köln u. a. 2002, S. 11–31, hier: S. 29.
Susanne Rode-Breymann
Höfe als Orte der Musik Komponierende Fürstinnen und andere »musicallische Weibspersohnen«
1699 – in Wien wird die Hochzeit von Joseph I. und Amalia Wilhelmine von Braunschweig-Calenberg gefeiert. Es ist ein europaweit beachtetes Ereignis, über das umfassend berichtet wird: »die überaus prächtige serenade«, die am Samstag, den 28. Februar, auf »dem grossen platz der Kayserlichen burg« stattfindet, wird »wegen ihrer ausserordentlichen invention« gerühmt. Die Detailbeschreibung der Triumphwagen leitet zum Thema dieses Beitrages: »Auff dem rechten wagen ließ sich sehen Apollo, das gegenwärtige seculum, die zeit, die freude, die lüste, Diana, Europa, Asia, Africa, America, mit einem gefolge von poeten beyderley geschlechts, welche mit lorbern gecrönet waren, und sich wegen ihrer sonderbahren arbeit in der poesie beliebt gemacht hatten. […] Auff jeder seite [...] waren noch 5 andere [Wagen], welche alle mit sängern und sängerinnen angefüllet waren: diese waren sämtlich als heydnische götter und göttinen bekleidet, und jedes mit einem musicalischen instrument versehen. So bald sie in die mitte des platzes kamen, unter begleitung einer unzählichen menge fackeln, formirten sie einen crayß, naheten sich nach dem Kayserlichen und Königlichen appartemens, und die musicanten fiengen ihr concert an, welches [...] 3 gantze stunden währte. Der gantze hof, die Cardinäle, die Botschaffter, die Ministri, die Herren und Damen, hatten die fenster eingenommen, und das volck in unglaublicher menge sich dabey eingefunden.«1
Sänger und Sängerinnen mit Instrumenten waren beteiligt, traten vor großer Öffentlichkeit auf, und davon wird mit großer Selbstverständlichkeit berichtet. Frappierend, dass das Wissen über musizierende Frauen an den Höfen der Frühen Neuzeit verloren ging und heute zurück gewonnen werden muss. Nicht die Quellen zogen, wie dieses Beispiel zeigt, den Riss in der Wissenstradierung nach sich. Instanz von Tradierungsentscheidungen sind die Frage1 Eucharius Gottlieb Rinck, Josephs des Sieghafften Röm. Kaysers Leben und Thaten. In zwey theile abgefasset, und mit bildnißen gezieret, Köln 1712, S. 351 f.
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stellungen der Quellen-Lesenden – Vergessen in diesem Fall also das Resultat von Fragestellungen einer Musikgeschichtsschreibung, deren Aufmerksamkeit lange überwiegend der Geschichte musikalischer Werke galt. Nur an den Rändern der Fragehorizonte ging es um musikalische Praxisformen. Folglich geht es nun um eine Wiedergewinnung verloren gegangenen Wissens über die Teilhabe von Frauen an der musikalischen Kultur der Frühen Neuzeit auf der Grundlage einer Relektüre von Quellen. Musikbezogenes kulturelles Handeln adliger Frauen war an Höfen der Frühen Neuzeit nichts Ungewöhnliches: Sie erlernten und spielten Instrumente, sangen, gaben Werke in Auftrag, empfahlen oder rekrutierten Musiker, manche von ihnen komponierten, alle mussten sie tanzen können. Hörend waren diese Frauen in eine Kultur eingebunden, in der zu vielen Anlässen Repräsentationsmusik gespielt wurde und es in der Kirche zu regelmäßigem Kontakt mit Musik kam. Denkt man sich in viele Gemälde den Klang hinein, auf den die Bilder verweisen, beginnt man zu ahnen, wie viel Musik in der frühneuzeitlichen höfischen Kultur erklang. Auf dem Ölgemälde einer Doppelhochzeit zweier Hofdamen 1627 am Hof von Kaiser Ferdinand III. etwa, das Katrin Keller in ihrer Studie über die Hofdamen publiziert,2 nimmt die Festtafel nur unwesentlich mehr Raum ein als ein großer langer schmaler, mit rotem Tuch bedeckter und von zwei Leuchtern erhellter Tisch, um den vier Sänger und fünf Instrumentalisten (Violine, Zink, Laute, Gambe und Cembalo) gruppiert sind und aus gut sichtbaren Stimmbüchern musizieren. Für die Präsenz von Musik in der frühneuzeitlichen höfischen Kultur gibt es reichlich Quellen: Festbeschreibungen, Zeremonialprotokolle oder Gesandten-Briefe. Man könnte diese Belege auf einer europäischen Landkarte eintragen. Damit würde die Quantität kultureller Teilhabe adliger Frauen dokumentiert und die von der Geschichtsschreibung verursachte Vorstellung von einem Ausschluss von Frauen eindrücklich revidiert. In diese Richtung geht das weitere Nachdenken nicht, denn allein der Nachweis kultureller Mitwirkung von Frauen führt nicht an deren künstlerische – seien es kreative, reproduktive oder rezeptive – Qualitäten heran. Ausgehend von der These einer grundsätzlich gegebenen Musikalisierung adeliger Frauen geht es vielmehr um die Frage, in wie weit hinter den durch Quellen transportierten Imagebildungen die tatsächlichen künstlerischen Potenziale adeliger Frauen überhaupt präzise erkennbar werden. Dieser Frage sei auf dem Weg einer Diskussion historischer Quellen und musiktheatraler Befunde nachgegangen. 2 Katrin Keller, Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts, Wien/ Köln/Weimar 2005, Abbildungsteil, S. 19, Farbtafel 305.
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I. Musikalische Praxisformen Das Singen von Lautenliedern war eine in der Frühen Neuzeit europaweit etablierte musikalische Praxisform – auch von Frauen. Von vielen Fürstinnen ist bekannt, dass sie Laute spielten. Es ist eine Praxisform, die zum Unspektakulär-Alltäglichen, also wenig Quellen Produzierenden zählt. Wie können wir uns diese Musiziersituation vorstellen? Wird sie über das Musiktheater greifbar? Dazu seien hier exemplarische Überlegungen zur Lautenliedszene in Der Großmütige Obsiger Titus Quintius Flaminius angestellt: In der 1692 zum Namenstag von Leopold I. aufgeführten Oper geht es um das Thema des sich selbst überwindenden Fürsten, der hin- und hergerissen ist zwischen zwei Frauen, Flavia, der ihm versprochenen fürstlichen Braut, und Eluia, einer Sklavin. Er liebt diese Sklavin aus tiefstem Herzen, bleibt seiner Braut gegenüber kühl, kann seinen Affekten nicht Herr werden, entbehrt also auf diesem Gebiet all der Tugenden, die er als Kriegsmann mustergültig verkörpert. Quälend langsam findet er auf einen tugendhaften Weg zurück. Anders die beiden tugendstarken Frauen: Die Fürstin, die allen Grund zu Eifersucht und Zorn hat und diese Empfindungen auch tatsächlich in ihrem Herzen trägt, weiß diese Affekte nach außen hin perfekt zu kontrollieren. Zu Beginn des II. Akts wird sie Zeugin, dass Quintius Flaminius die Hand der Sklavin küssen will. Diese rettet die Situation, indem sie behauptet, er habe ihr gerade die Blumen abnehmen wollen, die sie für Flavia gesammelt habe. Flavia steigt trotz ihrer wachsenden Eifersucht auf diese erkennbare Ausrede ein und erweist sich der Sklavin gegenüber voll Großmütigkeit. Auch Eluia ist von Edelmut und überschreitet in keinem Moment die Grenzen, die ihr als Sklavin auferlegt sind – und dies, obwohl ihr die Zuneigung von Quintius Flaminius nicht verborgen bleibt und sie sich aus einer Liebesbeziehung mit einem ranghöheren Mann allerlei Vorteil versprechen könnte. Dass die beiden Frauen, die in dieser Situation eigentlich Anlass hätten, Erzkonkurrentinnen zu sein, die Kraft aufbringen, ohne Feindseligkeit, ja voller Zuneigung miteinander umzugehen, wird in einer Lautenlied-Szene verdichtet, die in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist.3 Erstens wird das Lautenlied-Singen (diegetisch) in der Opernhandlung vorgeführt. Zweitens singt eine Frau zur Laute. Drittens wird einer Sklavin Raum für ein klangsymbolisches Abbild ihrer Tugendhaftigkeit gegeben. Viertens verlangt die Fürstin in einer Situation von Konkurrenz und Affektgeladenheit nach dem »angenehmen Gesang mit dem lieblichen 3 Das Notenbeispiel ist abgedruckt in: Susanne Rode-Breymann, Musiktheater eines Kaiserpaars. Wien 1677 bis 1705, Hildesheim 2010, S. 280 f.
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Lauten=Klang«4 ihrer ›Konkurrentin‹, und beide sind für einen Moment durch das Lied als einer Klangchiffre von Harmonie vereint. Es ist ein seelenvoller, intimer Moment – und bezeichnenderweise hat Kaiser Leopold I. selbst dieses Lautenlied komponiert. Die für ihre Fürstin ein intimes Lautenlied singende Sklavin – spiegelt die Oper hier eine höfische musikalische Praxisform? Können wir aus dieser Szene schließen, dass es üblich war, dass rangniedere Frauen für ihre Fürstinnen sangen? Oder ist es gerade nicht so, denn am Ende stellt sich heraus, dass Eluia eines der vielen Findelkinder von eigentlich höherem Stand ist. Das Lautenlied-Singen-Können könnte also als musikalische Chiffre auf ihren wahren, in diesem Moment in der Oper noch nicht bekannten Stand hinweisen, das musikalische Können, das Singen zur Laute, könnte signalisieren, dass sie eine höfische Erziehung genossen haben muss. II. Qualität musikalischen Handelns Die englische Königin Elizabeth I. nutzte ihr Virginalspiel gezielt zur Imagebildung. Sie verbarg sich hinter einem Vorhang, der planvoll einen Spalt offen ließ, durch den sie spielend (oder auch tanzend) sichtbar war. Überliefert ist, dass sie 1564 Sir James Melville, den Abgesandten von Königin Maria von Schottland, zum vermeintlich heimlichen Zuhörer machte. Von »Lord Hudson auf eine Galerie« geführt, wurde er Zeuge ihrer Selbstdarstellung bis sie, als bemerke sie plötzlich den heimlichen Zuhörer, das Virginalspiel abbrach, zu ihm ging und versicherte, »daß sie nicht vor Leuten, sondern nur alleine spiele, um die Melancholie zu verscheuchen. Melville entschuldigt sich, betont, daß er von ihrem Spiel hingerissen sei; sie spiele weit besser als seine eigene Königin«.5 Eine Inszenierung im Dienste der Eindrucksmanipulation, bei der das Ferngerückte, scheinbar Heimliche die Bewunderung der künstlerischen Leistung steigert. Das Bild der musizierenden und ihren ›Auftritt‹ inszenierenden Königin lässt sich mit dem Repertoire verknüpfen, das sie vorspielte, also dem Repertoire der Virginalbooks dieser Zeit. Die Kombination von historischer Beschreibung und Klangimagination dieser Virginalmusik lässt konträre Deutungen zu: Entweder: Dieses Repertoire kann man nur spielen, wenn man 4 Nicolò Minato, Der Großmüthige Obsiger Titus Quintius Flaminius, Libretto, dt. Übersetzung, Wien 1692 (A-Wn 4.934-A M), S. 20. 5 Rudolf Braun/David Gugerli, Macht des Tanzes. Tanz der Mächtigen. Hoffeste und Herrschaftszeremoniell 1550–1914, München 1993, S. 25.
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grundlegend ausgebildet ist und beständig übt. Wird eine Perfektion erreicht, die man für eine solche Situation des inszenierten Vorspiels benötigt, braucht es Begabung und Übung. Wir können von der Beschreibung also auf Elizabeths hohe künstlerische Begabung schließen sowie auf die Zeit, die der Musik in ihrem Leben zugemessen war. Oder despektierlich: Vielleicht hat Elizabeth nur die leichtesten dieser Stücke gespielt, vielleicht hatte sie nur ein paar davon parat, die gerade für die Länge dieser Szene reichten, in der sie sich musizierend inszenierte, vielleicht spielte sie diese wenigen Stücke nicht einmal brillant. Da man das über sie nie hätte berichten dürfen, wären die Quellen dementsprechend Ausdruck einer Mythosbildung. Über die wirklichen musikalischen Fähigkeiten der Königin gäben sie uns keine verlässliche Auskunft. Das Entweder-Oder macht deutlich, wie schwer die Qualität des Musizierens von Frauen an frühneuzeitlichen Höfen zu greifen ist. III. Kontinuität musikalischen Handelns Quellen belegen, dass Eleonore Magdalena, die dritte Gattin von Kaiser Leopold I., komponierte. Während der Verhandlungen um ihre Vermählung wandte sich der neuburgische Unterhändler an den Wiener Hofkanzler und ließ ihn wissen, dass »er ein von Eleonore komponiertes Regina Coeli in Händen habe, das man bei Gelegenheit dem musikliebenden und selbst sehr gute Kompositionen schaffenden Kaiser zuspielen könne«.6 Der Hofkanzler lehnte das ab, denn »als man seinerzeit dem Bild der nun verstorbenen Kaiserin Claudia Felicitas ein von dieser komponiertes Lied beigeheftet habe, da sei ein großer Widerstand am Hofe gegen sie erwachsen aus Angst, sie möchte den Kaiser zu häufigem Theaterbesuch und ähnlichem verführen«.7 Das wollte man sich kein zweites Mal einhandeln und betonte deswegen lieber die Frömmigkeit und die Gelehrsamkeit Eleonore Magdalenas und verschwieg ihre kompositorischen Ambitionen. Danach ist, nach jetzigem Kenntnisstand, niemals mehr davon die Rede, dass Eleonore Magdalena komponierte. Hat sie das Komponieren tatsächlich mit der Eheschließung beendet oder nur nicht mehr 6 Hans Schmidt, »Zur Vorgeschichte der Heirat Kaiser Leopold I. mit Eleonore Magdalena Theresia von Pfalz Neuburg«, in: ders., Persönlichkeit, Politik und Konfession im Europa des Ancien Régime: Aufsätze und Vorträge zur Geschichte der frühen Neuzeit, Hamburg 1995 (= Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte, Bd. 13), S. 259–302, hier: S. 298 f. 7 Ebd.
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publik werden lassen? Oder hat sie das Komponieren fortgesetzt und stammen möglicherweise einige Leopold zugeschriebene Arien aus Musiktheaterwerken (vielleicht das beschriebene Lautenlied) von ihr? Dieser Gedanke ist nicht mehr als historische Imagination, die jedoch hilft, Irritation zu stiften und zur Problematisierung von Deutungen der durch Quellen belegten Tatsachen zu führen, denn warum soll eine Frau aufhören zu komponieren, wenn sie das so gut kann, dass das während der Eheschließungsverhandlungen mit einem Musikkenner wie dem Kaiser angepriesen wird? Und wenn sie nicht aufgehört hat, wo sind dann die Kompositionen geblieben? Um es fragend zuzuspitzen: Ließen adlige Frauen bei ihren Lebensabschnittswechseln Möglichkeitsformen hinter sich, verzichteten sie auf die weitere Entfaltung künstlerischer Potenziale oder wurde ihr Tun lediglich der öffentlichen Wahrnehmbarkeit entzogen? Das Beispiel Eleonore Magdalenas ist erhellend bezüglich der Korrespondenz zwischen der Gemahlin, der Regentin, der Witwe und den damit einhergehenden wechselnden musikbezogenen Zuschreibungen und wechselnden musikalischen Handlungsfeldern. Vor der Eheschließung war das Komponieren adliger Frauen an Höfen möglich, an denen wie in Wien aus Italien übernommene humanistische Traditionen weiterwirkten und ein Milieu boten, in dem Frauen Bildung erlangen konnten und ihnen eine Entfaltung ihrer musikalischen Begabung ermöglicht wurde. Anders trat die Gemahlin im höfischen Akteurssystem in Erscheinung: Sie rekrutierte oder empfahl Musiker, hatte also Einfluss auf Musikerbiographien und die Zusammensetzung von Klangkörpern, sie gab Werke in Auftrag, prägte also die musikalische Kultur. Es war dies ein kulturelles Handeln, das ohne musikalische Kenntnisse nicht denkbar ist, und die wuchsen – nicht genau greifbar – beim Musizieren in den Innenräumen der Höfe: Claudia Felicitas, so wird berichtet, habe gesungen und »auf Instrumenten wohl«8 gespielt. Für Eleonore Magdalena ist überliefert, dass sie zusammen mit dem Kaiser musizierte.9 Der Witwenstand10 ging mit einem wiederum anderen musikalischen Image einher: Franz Wagner beschreibt Eleonore Magdalenas Identität verändernden 8 Esais Pufendorf, Bericht über Kaiser Leopold, seinen Hof und die Österreichische Politik 1671–1674, hrsg. und erläutert von Hustav Helbig, Leipzig 1862, S. 61. 9 Vgl. Franz Wagner, Leben / und Tugenden Eleonorae Magdalenae Theresiae, Römische Kayserin. Von einem der Gesellschaft Jesu Priestern zusammgetragen, Wienn 1721, S. 60. 10 Nach dem Tode ihrer Männer unterhielten die kaiserlichen Witwen in Wien eigene Hofmusikkapellen: Die Hofmusikkapelle von Eleonora I. bestand aus 24 Musikern. Der Musikkapelle von Eleonora II. gehörten der Kapellmeister Giuseppe Tricarico und sein Bruder Antonio Tricarico, ein Violinist, an. Nach deren Rückkehr nach Italien wurden
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Schritt in den Witwenstand detailreich: Sie habe sich »aller Seiden=Zeug«11 entschlagen, habe alle Tiere abgeschafft, die sie lediglich gehabt habe, weil »der Kayser bey überhäufften Krieg- und Reichs-Sorgen dergleichen Zeitverkürzungen zu einer Gemüths-Erringerung bedürfftig ware«12, und auch die Musik betreffend sei der Schritt in den Witwenstand ein Einschnitt gewesen: »Sie ware auch in der Sing=Kunst / und Music nicht unerfahren; nach dem Todt Leopoldi aber enthielte sie sich derselben / und wollte hinführo kein andere Music anhören / als / welche zu dem Lob Gottes / und dessen Heiligen angestimmet wurde; wann es sich nun zugetragen / dass in der Nähe von weltlichen Dingen etwas gesungen / oder gespielet wurde / pflegte sie alle Fenster zu zuschließen […]; sie aber selbst beliebte / absonderlich die letzte Jahr hindurch die Psalmen Davids in Teutschen Reimern ausgesetzt / vor dem Schlaff alleinig zu einiger Gemüts=Erquickung abzusingen.«13
Haben wir es mit Images zu tun, mit Konstruktionen von Erinnerung, durch die ein Herrscherinnenbild generiert wurde? Oder verweisen solche Quellen tatsächlich auf abgebrochene künstlerische Potenziale adliger Frauen? Ist also möglicherweise die Diskontinuität musikbezogenen Handels von Frauen an den Höfen das frühneuzeitliche Gegenstück zum fehlenden Zugang zu (musikalischer) Bildung von Frauen in späteren Jahrhunderten? IV. Professionalisierung Das Musiktheater am Wiener Hof im 17. Jahrhundert war »keine Produktionsstätte von Scheinwirklichkeiten, sondern ein Teil der höfischen Realität«, Pietro Andrea Ziani und Antonio Draghi aus Italien angeworben. Beide wurden nach dem Tod Eleonoras von Leopold I. in seine Hofmusikkapelle übernommen. Amalia Wilhelmine engagierte für die ihr nach dem Tod Josephs. I. zustehende Hofkapelle Johann Joseph Fux als Kapellmeister. Vgl. dazu Herbert Seifert, »Die Musiker der beiden Kaiserinnen Eleonora Gonzaga«, in: Festschrift Othmar Wessely zum 60. Geburtstag, hrsg. von Manfred Angerer u. a., Tutzing 1982, S. 527–554, Marko Deisinger, »Eleonora II. und die Gründung ihrer Hofkapelle. Ein Beitrag zur Geschichte des kulturellen Lebens am Wiener Kaiserhof«, in: Frühneuzeit-Info 18 (2007), S. 45–54 und ders., »Ein Leben zwischen Musik, höfischem Zeremoniell und Politik. Zur Biographie und Kompositionstechnik Giuseppe Tricaricos«, in: Studien zur Musikwissenschaft 55 (2009), S. 7–52. 11 Wagner, Leben / und Tugenden Eleonorae Magdalenae Theresiae, (wie Anm. 9), S. 175. 12 Ebd., S. 82. 13 Ebd., S. 78.
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ein »Unterschied zwischen Darsteller und Zuschauer«14 im heutigen Sinne existierte nicht. Vielmehr waren die bisweilen mitmusizierenden,15 oft mittanzenden ›ZuschauerInnen‹16, wie von Katrin Keller am Beispiel der Hoffräulein exemplifiziert, aktiv eingebunden: »Ein wichtiger Bestandteil des höfischen Alltags der Hoffräulein, wenn auch wohl keine regelrechte Amtspflicht, war die aktive Teilnahme an höfischen Ballett- und Komödienaufführungen. Natürlich partizipierten die Fräulein dabei teilweise als Zuschauerinnen im […] Sinne des repräsentativen Gefolges der Kaiserin. Sehr häufig traten jedoch mehrere oder sogar alle von ihnen in derartigen Aufführungen als Akteurinnen in Erscheinung, und zwar sowohl im internen, nur der Kaiserfamilie und deren engster Umgebung zugänglichen Kreis wie in einer gewissen höfischen Öffentlichkeit, beispielsweise bei der festlichen Ausgestaltung von Krönungs- oder Hochzeitsfeierlichkeiten.«17
Adelige Mitmusizierende im Orchester, adelige Mitwirkende in höfischen Festen – nach Belegen für die musikalische Teilhabe adeliger Frauen an der höfischen Kultur muss man nicht allzu lange suchen. Allerdings liegt das alles fern ab von professionellem Tun als Musikerin. Umso interessanter sind die Professionalisierungsansätze in diesem Umfeld, die sich zum einen am Aufkommen bezahlter Berufsmusikerinnen dingfest machen lassen: Die Hofzahlamtsbücher des Wiener Hofes belegen, dass es dort nach 1640 bezahlte »musicallische Weibspersohnen«18 in der Hofkapelle gegeben hat. Und nach 1700 14 Hubert Ch. Ehalt, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. und 18. Jahrhundert, München 1980 (= Sozial- und wirtschaftshistorische Studien, Bd. 14), S. 79. 15 Vgl. dazu Paul Nettl, »Die Wiener Tanzkomposition in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts«, in: Studien zur Musikwissenschaft. Beihefte der Denkmäler der Tonkunst in Österreich 8 (1921), S. 45–175; Nettl erwähnt auf S. 102, dass »in den Opern und Ballettmusiken auch gelegentlich adelige Dilettanten das Orchester verstärkten«. 16 Vgl. dazu auch Jörg Jochen Berns, »Trionfo-Theater am Hof von Braunschweig-Wolfenbüttel«, in: Höfische Festkultur in Braunschweig-Wolfenbüttel 1590–1666, hrsg. von Jörg Jochen Berns, Amsterdam 1982 (= Daphnis 10/4), S. 663–710, hier: S. 705: »Übrigens waren diese Laienakteure ja nicht Laien im strikten Sinn. Als Angehörige des Hochadels und der höfischen Elite waren sie Rollenträger im weltlichen Geschehen. So spielten sie in den Trionfo-Maskeraden nur in allegorischer Transposition jene Rollen, die sie kraft ihrer realen Stellung in der höfischen Gesellschaft ohnedies schon wahrzunehmen hatten.« 17 Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 105. 18 Vgl. dazu Jeroen Duindam, Vienna and Versailles: The courts of Europe’s dynastic rivals, 1550–1780, Cambridge 2003, der als Beleg folgende Quellen anführt: Hofkammer-
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waren gleich mehrere Komponistinnen am Wiener Hof tätig, die Oratorien komponierten.19 Zum anderen verschob sich die Grenze zwischen dilettantischem Mitwirken und professionellem Auftreten im späteren 17. Jahrhundert offenkundig bis hin zu einem Punkt, an dem alltägliches kulturelles Handeln adeliger Frauen von künstlerisch-professionellem Tun abgelöst wurde. Exemplarisch lässt sich das festmachen an einer in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Musiktheateraufführung zum Namenstag von Kaiser Leopold I. 1688. Il Silentio di Harpocrate, zu dieser Zeit mit einem komischen Dienerpaar ästhetisch veraltet, wurde ungewöhnlicherweise nach elf Jahren nochmals aufgeführt und bei der Wiedereinstudierung von »Frauen=Zimmern und Cavalliern Wälsch gesungener vorgestellt«, wie aus dem Titelblatt der deutschen Librettoübersetzung20 zu erfahren; »vorgestellet« werde die Oper, so führt die Vorrede »An den Leser« weiter aus, »von Frauenzimmern und Cavalliern hohes Standes und ansehentlichster Würden / welche die Zierde der Music auß guter Neigung und Geschicklichkeit deß hohen Geists / nicht auß Ubung und mühsamer Erlernung besitzen«21. Il Silentio di Harpocrate ist ein Lehrstück, in dem Einsichten, Bewertungen, Rollenbilder (nicht den Gesetzen von Handlungslogik folgend) nebeneinander gestellt werden, um Anleitungen zur Affektkontrolle und in diesem Fall sprachlicher Selbstkontrolle zu geben. Die Erziehung zum Schweigen als einer unverzichtbaren Maxime höfischen Sprachverhaltens,22 so macht das Stück
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archiv Wien, Hofzahlamtsbücher 1640/86, fols. 85v–86v und Hofzahlamtsbücher 1662/107, fols. 236v–237 r. (S. 78). Im Rahmen des Symposiums fand am 2. Juni 2010 eine Morgenmusik statt, bei der Studierende und Lehrende der Musikhochschulen Hannover und Bremen Ausschnitte aus Maria Margharita Grimanis La visitazione di santa Elisabetta (1718) und Camilla de Rossis S. Alessio (1710) aufführten. Die editorischen Vorarbeiten entstanden im Zuge der Masterarbeit von Heidrun Voßmeier. Zum Oratorium am Wiener Hof vgl. Marko Deisinger, »Römische Oratorien am Hof der Habsburger in Wien in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Zur Einführung und Etablierung des Oratoriums in der kaiserlichen Residenz«, in: Musicologica Austriaca 29 (2010), S. 89–114. Nicolò Minato, Das Stillschweigen Deß Harpocrates. Libretto-Druck, dt. Übersetzung, Wien 1688 (A-Wn, 25.830-A M). Ebd., ohne Seitenzählung. Vgl. dazu Claudia Benthien, Barockes Schweigen. Rhetorik und Performativität des Sprachlosen im 17. Jahrhundert, München 2006, S. 24: »In der bisherigen Forschung zur Frühen Neuzeit wurde das Thema Schweigen nur marginal berücksichtigt. Der einzige Autor, der ihm aus germanistischer Perspektive einige Aufmerksamkeit widmet, ist Wilhelm Kühlmann, der in seiner Studie über Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat das Thema unter der Überschrift ›Das bedachte Verstummen als Maxime politischen Sprachverhaltens‹ behandelt.«
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deutlich, ist allerdings äußerst mühevoll, denn Geschwätzigkeit scheint die Regel am Hof, vor allem bei den Frauen. Bei genauerem Hinsehen erweisen sich die Frauen dann jedoch in sehr verschiedenem Maße des Schweigens mächtig: Cleta, das junge Hoffräulein, kann und will nicht schweigen. Ganz anders allerdings die Hofdame Elidora, die sogar ihrer Königin Lincea gegenüber im Schweigen standhaft bleibt. Diese deutet das Schweigen der rangniederen Hofdame Elidora ihr gegenüber als Eigensinn, aber Harpocrates widerspricht vehement: »Nennest du sie eigensinnig? Und giebest der schönsten Tugend den Titel eines Lasters? Schweigen ist weit sicherer als reden / O Königin.«23 Was war geschehen, dass nicht professionelle Sänger, also Männer und für die Sopranstimmen Kastraten, sondern Dilettantinnen, Frauenzimmer hohen Standes, die Wiedereinstudierung sangen? Woher hatten diese Frauen das sängerische Können? Stellvertretend dazu ein Blick auf eine Arie der Königin Lincea, in der sie reflektiert, wie schwer es ist, sich selbst zu regieren – also zu schweigen, wenn es nötig ist. Die ersten drei Takte dieser Arie mögen für eine Dilettantin, die lange genug geübt hat, machbar sein, dann aber erreicht die Singstimme durch Melismen und Ambitus einen Schwierigkeitsgrad, der nur von einer versierten Sängerin zu meistern ist. Ein doppelter Boden öffnet sich, indem die Vorrede glauben machen will, die Aufführung habe nichts mit »Ubung und mühsamer Erlernung« zu tun – außer man stellt sich vor, dass die Aufführung qualitativ sehr schlecht war. Wir stehen wiederum vor der bereits aufgeworfenen Qualitätsfrage. V. Ökonomisierung Die Oper etablierte sich, orientiert am Vorbild der musiktheatralen Kultur an den oberitalienischen Fürstenhöfen, nach den Kriegen und politischen Krisen des Jahrhundertanfangs ab den 1650er Jahren europaweit. Dabei tat sich nicht nur an führenden Höfen wie Wien, Dresden, Versailles, sondern auch an wesentlich kleineren Fürstenhöfen ein enormes musikalisches Betätigungsfeld für Instrumentalisten, Sänger und Komponisten auf, von dem auch die Frauen profitierten. War ihr Gesang zuvor Teil der höfischen Erziehung gewesen, hatten sie nun Möglichkeiten, das Singen zu professionalisieren. An den an der italienischen Kultur orientierten Höfen in Europa hielten, wie Rechnungsbücher belegen, Sängerinnen im Laufe des 17. Jahrhunderts Einzug. In Hannover z. B. erscheint zwischen 1669 und 1677 Ann Sophie Bonne als französische Sängerin in den Rechnungsbüchern. Als Mitglied der Hofka23 Minato, Das Stillschweigen Deß Harpocrates (wie Anm. 20).
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pelle erhielt sie 250 Reichstaler pro Jahr und war damit deutlich schlechter bezahlt als die Stars, nämlich die italienischen Diskantisten und Altisten, die 600 Reichstaler erhielten.24 Frappierend dann der qualitative Sprung um die Jahrhundertwende: Plötzlich gibt es Primadonnen mit Spitzengehälter. Dazu noch einmal ein Blick nach Wien: »Ein Kapellmeister verdiente pro Jahr zwischen 1.000–2.000 fl., was an die Bezahlung eines Staatsamtes zumindest nahe herankam, ein ›musikalischer Hoftrompeter‹ immerhin noch 360 fl. jährlich. Sänger lagen mit ihrem Lohn knapp unter dem Verdienst des Kapellmeisters, etwa bei 1.100 fl., wobei auch die Möglichkeit bestand, bis zu 1.800 fl. als Kastratensänger zu erlangen. Primadonnen [wie] Maria Kunigunde Siglin und Anna Maria Lisi Badia […], wurden dann auch schon einmal mit 4.000 fl. pro Jahr bezahlt.«25
Die Sopranistin Anna Maria Lisi heiratete 1700 Carlo Agostino Badia, einen am Wiener Hof höchst angesehenen Komponisten. Er hatte zunächst in Diensten von Karl von Lothringen und Herzogin Eleonore Maria in Innsbruck gestanden. Offenbar war es Eleonore Maria gewesen, die ihn 1690 an den dortigen Hof geholt hatte. Auf ihre Empfehlung hin ging er, als sie 1693 nach dem Tod von Karl von Lothringen nach Wien zurückkehrte, ebenfalls nach Wien. Leopold I. nahm ihn nicht nur als Musik-Compositeur in Dienst,26 sondern sandte ihn auch zu weiteren Studien nach Rom. Nachdem er 1697 von dort zurück gekehrt war, begann eine ebenso produktive wie erfolgreiche Zeit für Badia in Wien – bald gemeinsam mit seiner Gattin Anna Maria Lisi Badia. Hatte man bis dahin Kastraten singen lassen, so begeisterte man sich nun plötzlich für Sopranistinnen: Anna Maria Lisi Badia wurde sogleich nach ihrer Heirat in Hofdienste genommen, zählte wie auch Kunigunde Sutter zu den hoch bezahlten Stars und sang Rollen wie z. B. die Calpurnia in Il Ritorno di Giulio Cesare. Auch unter Joseph I. und Karl VI. blieben die Badias Hofmusiker. Wie ist in diesem Kontext der Kantatendruck Badias einzuordnen? Die zwölf 1699 in Nürnberg in Kupfer gestochenen Kantaten (ein Exemplar die24 Vgl. Christoph Harer, Il Rosigniolo. Italiener in der hannoverschen Hofkapelle unter Herzog Johann Friedrich, Hannover 2008 (= MusikOrte Niedersachsen, Bd. 2), S. 52. 25 Rouven Pons, »Wo der gekrönte Löw hat seinen Kayser-Sitz«. Herrschaftsrepräsentation am Wiener Kaiserhof zur Zeit Leopolds I., Egelsbach et al. 2001, S. 108. 26 Vgl. Johann Steinecker: Artikel »Carlo Agostino Badia«, in: MGG 2, Personenteil, Bd. 1, Kassel et al. 1999, Sp. 1598–1601, hier: Sp. 1598 und Linda Maria Koldau, Frauen – Musik – Kultur. Ein Handbuch zum deutschen Sprachgebiet der Frühen Neuzeit, Köln et al. 2005, S. 109.
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ses Druckes befindet sich in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel), versehen mit wunderbaren Initialen, sind Leopold I. gewidmet, dem Badia zu Dank verpflichtet war. Bedenkt man, wie gering die Zahl der Musikdrucke Wiener Komponisten in dieser Zeit war, so lädt dieser zu Spekulationen ein: Korrespondieren der ungewöhnliche Druck, der Gattungswechsel und der stimmästhetische Wechsel möglicherweise miteinander? Badia hatte zunächst Oratorien und Serenaten komponiert und wandte sich um 1700 der Kantate zu. Zeitgleich begannen sich Hörerinnen und Hörer, die Kastratenstimmen gewöhnt waren, für Sopranstimmen von Frauen zu begeistern – verkörpert von Stars wie Anna Maria Lisi. Ist dies ein Zufall oder besteht hier ein Zusammenhang? Möglicherweise ist der Druck gar nicht in erster Linie eine Ehrenbezeugung Leopold gegenüber, sondern Ausdruck Badias gezielter Distributionsabsichten, um ihn als Komponisten der neuen (von seiner Frau gesungenen) Gattung bekannt zu machen. Möglicherweise markiert also auch dieser so ungewöhnliche Druck den Moment der Ökonomisierung, an dem das Komponierte aus dem höfischen Funktionalitätszusammenhang heraustrat, an dem nicht länger über Komponiertes in Festbeschreibungen berichtet wurde, sondern an dem das überall Singbare europaweit verbreitet wurde.
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Höfische Wirkungsbedingungen Aspekte musikalischen Handelns von Komponistinnen
Weibliche musikalische Komposition bei Hofe ist ein bereits lange bearbeitetes Thema – viele der Komponistinnen, von denen wir inzwischen wissen und von denen uns im günstigsten Fall auch Kompositionen überliefert sind, wirkten in der frühen Neuzeit an Höfen.1 Angesichts eines Themas, das stark in der Frauengeschichtsschreibung wurzelt, soll es hier darum gehen, methodisch aktuelle, um den Handlungsraum Hof zentrierte Verhandlungsfelder zur Annäherung an komponierende Frauen bei Hofe aufzumachen. Im Umgang mit den Spezifika höfischen (musikalischen) Raums und ihrem Verhältnis zur Kompositionstätigkeit von Frauen kristallisierten sich drei sich überlappende Diskursfelder als Charakteristika heraus. Bevor drei Fallbeispiele einer Annäherung an komponierende Frauen im höfischen Raum vorgestellt werden, stehen deshalb am Beginn meines Textes sicherlich nicht in allen Fällen erschöpfende Zugänge zu den spezifisch höfischen Bedingungen weiblichen kulturellen Handelns und deren – bisher noch nicht in allen Fällen gezogenen – Verbindungslinien in die musikalische Komposition hinein. Verhandlungsfeld 1: Musikaufführungen im Kommunikationssystem Hof Mit der Definition des frühneuzeitlichen Hofs als Hauptschauplatz der Eliteinteraktion, an dem in einem Kommunikationssystem der Ausübung von Herrschaft auf verschiedenste Art und Weise hierarchische Sozialgefüge 1 Vgl. z. B. bereits Eva Weissweiler, Komponistinnen aus 500 Jahren. Eine Kultur- und Wirkungsgeschichte in Biographien und Werkbeispielen, Frankfurt am Main 1981; Antje Olivier, Komponistinnen von A-Z, Düsseldorf 1988; Annäherungen an sieben Komponistinnen. Mit Berichten, Interviews und Selbstdarstellungen, hrsg. von Brunhilde Sonntag, Kassel 1986–2003; oder für den englischsprachigen Raum Women Making Music. The Western Art Tradition: 1150–1950, hrsg. von Jane Bowers und Judith Tick, Urbana 1987; Diane Peacock Jezic, Women Composers. The Lost Tradition Found, New York 1988.
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eingeübt, dargestellt und verhandelt werden,2 gewinnen hauptsächlich zwei Facetten für die musikalische Betätigung von Frauen an Gewicht: zum einen die Bedeutung von Nähe beziehungsweise Distanz zum Zentrum der Macht und somit die Rolle der Komponistin innerhalb des Zeremoniells als höfischem Situierungskonzept; und zum anderen bewusste Setzungen von musikalischen Handlungen im Spannungsverhältnis von »geheim« und »allgemein zugänglich«. Die ephemere höfische, auch musikalische Interaktion wurde unterfüttert durch eine Vermittlung an die Außenwelt mithilfe von gedruckten Texten, Noten und Bildern. Wie das höfische Geschehen an Empfänger jenseits des Hofes vermittelt wurde, musste einem bewusst gestalteten Konzept eingepasst werden, da mit der Informationsvermittlung und damit Übertragung in eine andere Medialität immer auch die Gefahr des Kontrollverlustes über die Deutung der vermittelten Inhalte einherging.3 Frauenräume fungierten bei Hofe primär als kaum nach außen kommunizierte Handlungsräume. Das Frauenzimmer als geschlossener Raum, dessen Grenze zur höfischen Außenwelt bewusst, auch architektonisch, inszeniert wurde,4 konturierte hier eine geschlechterspezifische Inszenierung des Geheimen. Dies geschah als Gegenkonzeption zum vieldiskutierten »Öffentlichen«, indem das Geheime, wie Barbara Stollberg-Rillinger beschreibt, »Kommunikation nicht verhindert, sondern vielmehr organisiert, strukturiert, ja überhaupt ermöglicht, indem es Grenzen von Kommunikations- und Handlungsräumen 2 Vgl. z. B. Rudolf Schlögl, »Der frühneuzeitliche Hof als Kommunikationsraum. Interaktionstheoretische Perspektiven der Forschung«, in: Geschichte und Systemtheorie. Exemplarische Fallstudien, hrsg. von Frank Becker, Frankfurt am Main 2004 (= Campus Historische Studien, Bd. 37), S. 185–225. 3 Vgl. u. a. Volker Bauer, »Strukturwandel der höfischen Öffentlichkeit. Zur Medialisierung des Hoflebens vom 16. bis zum 18. Jahrhundert«, in: Zeitschrift für Historische Forschung 38 (2011), S. 585–620, hier: S. 585; Thomas Rahn, Festbeschreibung. Funktion und Topik einer Textsorte am Beispiel der Beschreibung höfischer Hochzeiten (1568–1794), Tübingen 2006, hier: S. 40–41. 4 Sybille Oswald-Bargende, »Der Raum an seiner Seite. Ein Beitrag zur Geschlechtertopographie der barocken Höfe am Beispiel von Schloss Ludwigsburg«, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. 6. Symposium der Residenz-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hrsg. von Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini (= Residenzforschung, Bd. 11), Stuttgart 2000, S. 205–231; Anja Kircher-Kannemann, »Organisation der Frauenzimmer im Vergleich zu männlichen Höfen«, in: ebd., S. 235–245; Katrin Keller, Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2005, hier: S. 91–93; allgemeiner Architecture and the Politics of Gender in Early Modern Europe, hrsg. von Helen Hills, Aldershot/Burlington 2003.
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stiftet. [Es] organisiert Ständegrenzen, Berufsgrenzen, Geschlechtergrenzen, Grenzen der Herrschaftsteilhabe«.5 Räumlich gesehen ist das musikalische Wirken von Frauen so im Spannungsfeld von Exklusion und Inklusion, zwischen Wirken im Verborgenen und einer zu überwindenden Schwelle hin zu außerhöfischen Kommunikationsbereichen zu situieren.6 Mit dem Bild von begrenzten Räumen tritt auch die Verbindung von Tugendhaftigkeit und Eingeschlossen-Sein in den Fokus.7 Eine musikalische Aufführung, die außerhalb des geschlossenen Raumes stattfand und an der eine Frau teilhatte, geriet sofort in den Verruf, nicht dem Decorum zu entsprechen. Wenn Aufführungen außerhalb der weiblichen Räume stattfanden, waren sie in den allermeisten Fällen nur dem engsten Hofkreis direkt zugänglich. Der Begriff der musica reservata,8 der in neueren Definitionen immer mehr weg von einer stilistischen und hin zu einer sozialen Definition des restriktiven Zugangs tendiert, und demnach immer mehr mit den Inhalten von musica secreta zu überlappen scheint,9 erweist sich hier als musikspezifischer Fokus der Schnittmenge von Geheimhaltung und weiblicher Tugendhaftigkeit. Dass weibliche professionelle Autorschaft an Aufführungen sich zuvorderst über diesen reservata-Bereich Zugang zum höfischen Leben schuf, überrascht deshalb kaum. 5 Barbara Stollberg-Rillinger, »Das Verschwinden des Geheimnisses. Einleitende Bemerkungen«, in: Das Geheimnis am Beginn der europäischen Moderne, hrsg. von Gisela Engel, Brita Rang, Klaus Reichert und Heide Wunder, Frankfurt am Main 2002, S. 229–233, hier: S. 229. 6 Linda Maria Koldau spricht von einer »fast vollkommen verborgene[n] Kultur« des musikalischen Handelns von Frauen in der frühen Neuzeit, vgl. »Frauen in der deutschen Musikkultur der Frühen Neuzeit«, in: Archiv für Musikwissenschaft 62 (2005), S. 220–248, hier: S. 220; wie Nähe und Distanz zum Hof das Selbstverständnis komponierender Frauen prägte, ist bereits beschrieben bei Melanie Unseld, »Lesarten einer Widmung. Gedanken zur autobiographischen Standortbestimmung der Komponistin Antonia Bembo«, in: Orte der Musik. Kulturelles Handeln von Frauen in der Stadt, hrsg. von Susanne Rode-Breymann, Köln/Weimar/Wien 2007 (= Musik – Kultur – Gender, Bd. 3), S. 127–139. 7 Vgl. z. B. Pablo Schneider, »Raumbegrenzung als Tugendmotiv«, in: Räume, hrsg. von Michael C. Frank, Bettina Gockel, Thomas Hauschild, Dorothee Kimmich und Kirsten Mahlke, Bielefeld 2008 (= Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Bd. 2), S. 101–112; Keller, Hofdamen (wie Anm. 4), S. 95. 8 Vgl. Bernhard Meier, »musica reservata«, in: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie, hrsg. von Hans Heinrich Eggebrecht und Albrecht Riethmüller, Wiesbaden 1977 (5. Lieferung). 9 Oft synonym zu musica reservata gebraucht, bezeichnet musica secreta Musik, die durch limitierten Zugang zu den Aufführungssituationen und Verhinderung der schriftlichen Weitergabe höfischen Geheimhaltungsbestrebungen unterlag.
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Verhandlungsfeld 2: Rollentheorie Von der Annahme der soziologischen Rollentheorie als prägendem Analysekriterium frühneuzeitlichen Hoflebens lassen sich vielfältige für unsere Fragestellung maßgebliche Verbindungslinien zum musikalischen Handeln von Frauen bei Hofe ziehen. Professionelle Möglichkeiten, kompositorisch bei Hofe zu wirken, gab es für Frauen nicht innerhalb von klar definierten Berufsmöglichkeiten, etwa des Stellenprofils eines Hofkomponisten oder Hofkapellmeisters. Füllten Frauen vergleichbare Funktionen aus, geschah dies zumeist über anstellungstechnische Umwege oder im Rahmen dessen, was wir heute als freiberufliche Tätigkeit bezeichnen würden. Weibliche musikalische Autorschaft war in dieser Hinsicht zumeist ›rollenloser‹ Freiraum, der im konkreten Einzelfall jeweils neu ausgestaltet wurde. Für Sängerinnen und Tänzerinnen ergaben sich dagegen, besonders nach der Institutionalisierung stehender höfischer Opernensembles, vermehrt Möglichkeiten musikalischen Wirkens innerhalb professioneller Rollenbilder. Auch die Musikausübung selbst war auf verschiedenen Ebenen vom Rollendenken durchzogen: Sei es die Trias geistlich/pastoral/heroisch, die das musikalische Wirken bei Hofe inhaltlich prägte, und zwar in Vokal- wie Instrumentalgattungen,10 oder sei es die durch die musikalische Aufführung beabsichtigte und im Kompositionsvorgang festgelegte affektive Beeinflussung des Publikums, die kategorisch gefasst war. Rollendenken besaß zudem eine zentrale Bedeutung in der symbolischen Kommunikation einer Aufführung selbst, in der aufgeführte Rollen, besonders in Opern, in Interaktion mit höfischen Rollen gebracht wurden und aufeinander bezogen symbolisch-allegorisch Bedeutung generieren konnten.11 Die soziale ›Herkunftsrolle‹ von Komponistinnen scheint ebenfalls deutlich strukturiert: Einerseits stand vertiefte musikalische Bildung vor allem den weiblichen Angehörigen des Hochadels offen, so dass es wenig überrascht, 10 Vgl. Conrad Wiedemann, »Heroisch – Schäferlich – Geistlich. Zu einem möglichen Systemzusammenhang barocker Rollenhaltungen«, in: Schäferdichtung. Referate der fünften Arbeitsgruppe beim zweiten Jahrestreffen des Internationalen Arbeitskreises für deutsche Barockliteratur vom 28. bis 31. August 1976 in Wolfenbüttel, hrsg. von Wilhelm Vosskamp (= Dokumente des Internationalen Arbeitskreises für Deutsche Barockliteratur, Bd. 4), Hamburg 1977, S. 96–122, und darauf Bezug nehmend Christine Fischer, Instrumentierte Visionen weiblicher Macht. Maria Antonia Walpurgis’ Werke als Bühnen politischer Selbstinszenierung, Kassel 2007 (= Schweizer Beiträge zur Musikforschung, Bd. 7), S. 40. 11 Vgl. hier zu z. B. Michael Walter, »Gesang als höfische Rollen-Vernunft. Kastraten in der opera seria«, in: Historische Anthropologie 8 (2000), S. 208–235.
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dass sich unter dem höfischen Komponistinnenpersonal auffallend viele Mitglieder von Herrscherfamilien finden.12 Ein weiterer Weg, der für Frauen in die musikalische Komposition offenstand, war die Geburt in eine Musikerfamilie hinein.13 Hier war der Zugang zu musikalischer Bildung bereits innerhalb der Familienbande eine Selbstverständlichkeit. Zudem erhöhte sich durch eine Anstellung männlicher Familienmitglieder in musikalischen Ämtern bei Hofe die Wahrscheinlichkeit, dass die überdurchschnittliche musikalische Veranlagung weiblicher Angehöriger dort wahrgenommen, weitergebildet und honoriert wurde. Damit überlappend stellten sich Geschlechterrollenanforderungen stets als wichtige Kriterien zur Bestimmung von Handlungsräumen als Komponierende dar: Kollidierte die musikalische Tätigkeit mit dem Decorum einer Frauenrolle – sei dies beispielsweise Herrschende14 oder Witwe15 – musste sie entsprechend angepasst werden. Selbstgestaltete Rollen, die durch das höfische Zeremoniell und vor allem durch höfische Kunst vermittelt werden konnten, wurden von sozial hochstehenden Frauen aber auch dazu eingesetzt, dem vorherrschenden sexualisierten Verständnis von öffentlicher weiblicher Rhetorik entgegenzuwirken.16
12 Beispielsweise die bereits ausführlich rezipierte Kompositionstätigkeit von Sophie Charlotte von Hannover zu Preussen, Sophie Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg zu Wolfenbüttel, Anna Amalia von Preussen, Maria Antonia von Bayern zu Sachsen, Wilhelmine von Preussen zu Bayreuth. 13 Beispielsweise Francesca Caccini, Elisabeth Jacquet de la Guerre, Maria Carolina Benda. 14 Die Vorbereitungen Maria Theresias von Österreich, an einer Opernaufführung anlässlich der Hochzeit ihrer Schwester teilzunehmen, wurden im Jahr 1744 abgebrochen, da man den Auftritt einer Herrscherin auf der Opernbühne als nicht mit dem Decorum vereinbar befand, vgl. Johann Joseph Khevenhüller-Metsch, Theater, Feste und Feiern zur Zeit Maria Theresias, 1742–1776, nach den Tagebucheintragungen des Fürsten Johann Joseph Khevenhüller-Metsch, Obersthofmeister der Kasierin, hrsg. von Elisabeth Grossenegger, Wien 1987 (= Veröffentlichungen des Instituts für Publikumsforschung, Bd. 2), S. 22: »[…] einig-movirte Scruplen, als ob es contra decorum lauffen würde, wann eine regierende Königin sich en spectacle geben wollte.« 15 Francesca Caccini musste mit dem Tod ihres ersten Mannes ihr professionelles musikalisches Wirken am Florentiner Hof beenden, vgl. Suzanne G. Cusick, Francesca Caccini at the Medici Court. Music and the Circulation of Power, Chicago/London 2009, S. 247–262; auch Maria Antonia Walpurgis beendete nach dem frühen Tod ihres Mannes, der für sie mit dem Verlust politischer Teilhabe an der Macht einherging, ihr kompositorisches Wirken, vgl. Fischer, Instrumentierte Visionen (wie Anm. 10), S. 397–398. 16 Vgl. z. B. Susan McClary, »Constructions of Gender in Monteverdi’s Dramatic Music«, in: dies., Feminine Endings. Music, Gender, Sexuality, Minnesota/Oxford 1991, S. 35–52, hier: S. 38.
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Verhandlungsfeld 3: musikalische Autorschaft und musikalische Praxis Ohne eine breit angelegte Autorschaftsdiskussion anstreben zu wollen, sei an dieser Stelle auf einige Spezifika frühneuzeitlicher Musikpraktiken verwiesen, die eine Unterscheidung zwischen praktischer Ausübung von Musik und musikalischer Komposition, wie sie dem heutigen Sprachgebrauch zugrunde liegt, deutlich relativieren muss.17 Was heutzutage als improvisatorische Praxis bezeichnet wird, war damals selbstredend Bestandteil jeglicher Musikausbildung. Die Beschränkung des Musikunterrichts auf eine möglichst genaue Wiedergabe eines notierten (und damit komponierten) Musikstücks ist eine Praxis der Romantik, die in das heutige Musikleben hineinreicht. Die damalige durch Verzierungstechniken, Generalbassspiel und nicht zuletzt instrumentale und vokale Improvisationsformen über Bassmodellen geprägte Praxis kann nicht in einer strengen Trennung zwischen Komposition und Wiedergabe gefasst werden. Vielmehr umfasste die damalige Spielpraxis zahlreiche Elemente, die in einem heutigen Sinne als ›kompositorisch‹ begriffen werden können. Die schriftliche Überlieferung von Musikstücken kann somit nicht als einziges Kriterium weiblichen kompositorischen Handelns bei Hofe gewertet werden. Das bezieht sich nicht nur auf eine überlieferungstechnische Dunkelziffer – so manches Schriftliche mag verloren gegangen sein –, sondern auch auf die kompositorischen Anteile von Frauen bei höfischen Musikaufführungen: auf spezifischen – manchmal auch geschlechtsspezifischen – Klang, auf Verzierungstechniken und Ensemblezusammensetzung. Ein zu beobachtender Professionalisierungsprozess im Bereich der ausübenden Musikerinnen bei Hofe bedeutet demnach auch eine breitere Akzeptanz weiblicher musikalischer Autorschaft – und eine für den höfischen Raum erhöhte Chance, dass Aufführungen von Frauenkompositionen schriftliche oder bildliche Spuren hinterließen. Beispiel 1: Concerto delle dame Der Hofmann Alessandro Lombardini unterrichtete Cardinal Luigi d’Este während dessen Abwesenheiten regelmäßig über die Vorkommnisse am Ferrareser Hof. Für den 23. Juli 1583 beschreibt er folgende, wohl kurz zuvor anlässlich des Besuchs des Herzogs von Joyeuse stattgehabte Aufführungssituation: 17 Vgl. z. B. Improvisatorische Praxis vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert, hrsg. von Regula Rapp und Thomas Drescher, Winterthur 2010 (= Basler Jahrbuch für Historische Musikpraxis, Bd. 31).
Höfische Wirkungsbedingungen
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»Dann nahm der Herzog [Alfonso II d’Este] ihn [Herzog von Joyeuse] mit in die Zimmer der Herzoginnen, die zusammen waren, und nach einigen Zeremonien und ohne sich hinzusetzen, gingen sie in den ersten Raum, wo Luzzaschi am Cembalo war. La Turcha, La Guarina und die andere, d’Arca, kamen auch herein und alle drei sangen sehr schön, alleine, in Duetten, in Trios alle zusammen; sie sangen Echo-Dialoge und viele andere schöne und liebreizende Madrigale. Ihre Hoheit hatte ein Buch in die Hände Ihrer Exzellenz gelegt, in dem all die Dinge standen, die die Damen vortrugen, wofür sie vom Prinzen und den anderen Edelmännern sehr gepriesen wurden. Nach dieser Musik, die eine gute Weile dauerte, ließen sie das Zwergenpaar tanzen, was den Edelmännern sehr gefiel. Tatsächlich war es eine schöne Sache, besonders die kleine Frau, denn man konnte sicherlich keine kostbarere Sache betrachten als den Anmut und die Geschicklichkeit ihres Tanzes. Dann zogen sich die Edelherren auf ihre Zimmer zurück.«18
Beschrieben ist hier eine Aufführung des Concerto delle dame von Ferrara, das in der Musikgeschichte, wie hinlänglich beschrieben,19 ein mehrfaches Novum darstellte: Erstmals wurden in den späten 1570er Jahren Hofdamen im Frauenzimmer der Herzogin Margherita aufgenommen, denen dieser Status von ihrem Geburtsstande nicht zugestanden hätte. Sie wurden allein wegen ihrer Fertigkeiten in Gesang an den Hof berufen. Obwohl sie de facto Profi-Musikerinnen waren, wurde dieser Status in der Bestallung nicht genannt. Gut ausgebildete Frauenstimmen, die Laura Peverara, Anna Guarini und Livia d’Arco besaßen, galten – wie uns der Aufführungsbericht Lombardinis nahelegt – als ebenso bestaunenswert wie der sich gleich an das 18 Alessandro Lombardini an Kardinal Luigi d’Este, 23. Juli 1583, in: Anthony Newcomb, The Madrigal at Ferrara, 2 Bde., Princeton 1980, Bd. 1, hier: S. 262: »[…] poi Sua Altezza lo meno delle Sre Duchese che erano così mendre insieme e così fato un poco di ceremonie senze sedere usirne nel primo camarone dove era Luzasco con il manacordo dove gli vene la Turcha la Guirina e laltra darcha e tute tre cantono molto gentilmente, solle, a doe, e a tre insieme cantando dialoghi di Echo e molte altre belle e dolce madrigalli avendo sua Altezza fato dar in mano a sua Ecca un libro di tutte quelle cosse che le dame cantavano dove furno molto laudate da quel principe, e da quelli altri sigri dapoi questa musica che dura un gran pezo et hore ferno balar la nanina e il nano li quali satisfecerno così a quel Se che fu cossa grande e massime della putina che certo non si pol veder cosa piu rara con la gratia e garbatura che ella balla dapoi questo si ritirorno ale lor stancie.« 19 Vgl. ebd.; Elia Durante und Anna Martellotti, Cronistoria del concerto delle Dame principalissime di Margherita Gonzaga d’Este, Firenze 1989 (= Archivum musicum. Collana di studi A); Elio Durante und Anna Martelotti, »Una musica secreta che si va preparando d’alcune Dame della Corte«, in: dies., Madrigali segreti per le Dame di Ferrara. Il manoscritto musicale F. 1358 della Biblioteca Estense di Modena, Bd. 1, Firenze 2000, S. 7–62.
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Konzert anschließende Auftritt des Zwergenpaares – besonders die anmutigen Bewegungen der Zwergenfrau. Diese wohl unter dem Gesichtspunkt der ›curiositas‹ vorgenommene Kombination von Aufführungselementen mag darauf verweisen, dass die ›virtuosa‹, die stimmliche Hochseilartistin, der kleinwüchsigen Tänzerin kaum in »Anmut und Geschicklichkeit« nachstand.20 Liebe und die Macht des Stimmklangs Dass die Weiblichkeit der Aufführenden und der Klang ihrer Stimmen essentieller Bestandteil der Aufführungssituation waren, kann man auch den für die Auftritte des Concerto überlieferten Kompositionen entnehmen – so zum Beispiel dem von Luzzasco Luzzaschi vertonten Madrigal »T’amo mia vita« von Giovanni Battista Guarini für drei Soprane und basso continuo: »T’amo mia vita«, la mia cara vita Dolcemente mi dice, e in questa sola Si soave parola Par che trasformi lietamente il core, Per farmene signore.
»Ich liebe dich, mein Leben«, sagt mir mein teures Leben mit zarter Stimme, und durch dieses einzige so liebliche Wort scheint es, als verwandle sich das Herz fröhlich, um mich zu seinem Herren zu machen.
O voce di dolcezza, e di diletto! Prendila tosto, Amore; Stampala nel mio petto, Spiri solo per lei l’anima mia. »T’amo mia vita« – la mia vita sia.
O süße und entzückende Stimme! Amor, halte sie fest und präge sie meinem Herzen ein, nur für sie möge meine Seele atmen. »Ich liebe dich, mein Leben« – sei mein Leben.
Giovanni Battista Guarini
Übersetzung der Autorin
20 Zum Status der Zwerge bei Hofe, die zeitenweise als Vergnügungsobjekte in ähnlichen Kategorien wie tierische Menageriebewohner gelistet und beschrieben wurden, vgl. Gerhard Petrat, »Zwerge, Riesen, Mohren«, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, hrsg. von Werner Paravicini, 2 Bde., Ostfildern 2005 (= Residenzforschung, Bd. 15.2), Bd. 1, S. 425–426.
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Höfische Wirkungsbedingungen Notenbeispiel 1a
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Notenbeispiel 1b Notenbeispiele 1a/1b Luzzasco Luzzaschi, »T’amo mia vita« aus Luzzasco Luzzaschi, Madrigali per cantare et sonare a uno, doi, e tre soprani (wie Anm. 24), Takte 7–19 (1a) bzw. Takte 1–7 und 24–29 (1b) im Vergleich.
»T’amo mia vita«, das klingende Liebesgeständnis der Angebeteten ist es, das den Adressaten verwandelt: Auf »trasformi« ändert sich die Satzstruktur erstmals von polyphon imitierenden Stimmeinsätzen hin zum gleichzeitigen Deklamieren aller Stimmen (Notenbeispiel 1a, ab Takt 12). Auf gleiche Weise satztechnisch hervorgehoben wird »voce di dolcezza«, also das Mittel der
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Transformation selbst, wobei hier durch die unvermutete Klangfortschreitung C/B im c-tonalen Kontext (tief alterierte 7. Stufe) auf klanglicher Ebene auf einen Transformationsprozess verwiesen wird (Notenbeispiel 1a, Takt 18). Durch das Liebesgeständnis werden die Machtverhältnisse wieder gerade gerückt: Der Zuhörer ist nach dieser klanglich-musikalischen Erfüllung wieder Herr seiner selbst, Herr über sein Herz – nachdem er zuvor in der Bittstellung gegenüber der Angebeteten war. Dieser Akt der Transformation, der Erfüllung des Begehrens durch Klang und das damit verknüpfte Zurückerlangen der Macht, löst beim männlichen Zuhörer solches Entzücken aus, dass er diesem Vorgang seine Seele verschreibt. »T’amo mia vita« wird, um dies zu illustrieren, motivisch wörtlich auf den Beginn des Madrigals Bezug nehmend, quasi als Zitat wieder aufgenommen (vgl. Notenbeispiel 1b). So wird die klangliche Rückgebundenheit des Liebesgeständnisses nochmals hervorgehoben, aber auch der im Text vorgeformte Zitatcharakter der wörtlichen Rede musikalisch übersetzt. Die Perspektivierung der Komposition auf die – hier ausnotierten – Verzierungen hin, auf eine Virtuosität, die Klanglichkeit in den Vordergrund rückt,21 stellt die Rolle, die die drei weiblichen Aufführenden am Hofe von Ferrara hatten, deutlich ins Zentrum. Der Zauberklang der Erfüllung entstammt während der Aufführung den drei realen Kehlen der virtuosen Sängerinnen und ist somit unauflöslich an diese – als Curiosum bestaunte – Aufführungssituation rückgebunden.22 Die Autorschaft der drei Damen an der Aufführung wird somit zum zentralen Element. Musik im Geheimen Der Vermerk, die Aufführung habe in den Zimmern der Herzoginnen, also im Frauenzimmer, stattgefunden, verweist auf eine weitere Eigenheit der Aufführungssituation, die in enger Verbindung mit der weiblichen Autorschaft an 21 Sebastian Klotz, »Wie klang der Frühling um 1600? Madrigale von Monteverdi, Luzzaschi und Sigismondo d’India im mentalitätsgeschichtlichen Vergleich«, in: »Vanitatis fuga, aeternitatis amor«. Wolfgang Witzenmann zum 65. Geburtstag, hrsg. von Sabine Ehrmann-Herfort und Markus Engelhardt, Laaber 2005 (= Analecta Musicologica, Bd. 36), S. 113–138, hier: S. 125, 137; für die zu vermutende Lücke zwischen notierten und ausgeführten Verzierungen bei diesen Madrigalen Luzzaschis vgl. Döring, »›Concerto delle dame‹. Die Madrigale Luzzaschis am Hof von Ferrara«, in: Traditionen – Neuansätze. Für Anna Amalie Abert (1906–1996), hrsg. von Klaus Hortschansky, Tutzing 1997, S. 193–202, hier: S. 201. 22 Vgl. den Verweis auf die mimische und gestische Untermalung des Gesangsvortrags bei Döring, »›Concerto delle dame‹« (wie Anm. 21), S. 198.
Höfische Wirkungsbedingungen
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der Aufführungssituation zu sehen ist: Die Aufführungen waren nur erlesenen Hofkreisen und hohen Gästen zugänglich; nur hoch gestellten Besuchern – wie dem Herzog von Joyeuse – war es gestattet, dieser Besonderheit beizuwohnen, diese im Frauenzimmer verborgene Kostbarkeit zu betrachten. Die Strategien zur Privilegisierung der Aufführung gingen über Besucherbeschränkungen hinaus: So durfte die vorgetragene Musik nicht veröffentlicht oder verbreitet werden.23 Luzzasco Luzzaschi, der als Komponist eines guten Teils des Repertoires viele Aufführungen am Cembalo begleitete, veröffentliche erst beinahe zwei Jahrzehnte nach der hier beschriebenen Aufführung und weit nachdem das Ensemble seine Berühmtheit überlebt hatte, das Repertoire, das er für das Concerto niedergeschrieben hatte – darunter auch »T’amo mia vita«.24 Zuvor wurde das Repertoire als Materialisierung der verborgenen, geheimen Aufführung unter Verschluss gehalten. Dass der Herzog von Joyeuse Einblick in das Notat der vorgetragenen Stücke erhielt – wie unsere Quelle es beschreibt – ist demnach als ein weiteres Privileg zu betrachten, ein als Ausdruck der Wertschätzung gewährter Einblick in das künstlerische Arcanum am Ferrareser Hof. Doch für den Herzog galt es nicht nur, die Niederschrift der Musik und Texte zu beschränken und zurückzuhalten, sondern auch die Produzierenden: Sie gehörten dem Hofstaat körperlich an und waren ihm zueigen. Tugendhaftigkeit war zwingende Voraussetzung für die Einstellung als singende Hofdame. So wurden nur unverheiratete Sängerinnen eingestellt, und das Anstellungsverhältnis endete, sobald Zweifel an der Tugendhaftigkeit aufkommen konnten – im Falle der Ferrareser Sängerin Tarquinia Molza erfolgte eine unehrenhafte Entlassung, da ihr Liebesverhältnis mit dem Komponisten Giaches de Wert bekannt wurde. Autorschaft und Rolle Die weibliche Autorschaft der Sängerinnen an den Aufführungen des Concerto delle dame machte den zentralen Teil des Erfolgs dieses Ensembles aus, das bald Nachahmung an vielen norditalienischen Höfen fand. Sogar in Wien 23 Zu Geheimhaltung der Aufführungen und des Repertoires sowie der Begriffe musica resercata und secreta in Bezug auf das Concerto delle dame vgl. Warren Kirkendale, »Alessandro Striggio und die Medici: Neue Briefe und Dokumente«, in: Festschrift Othmar Wessely zum 60. Geburtstag, hrsg. von Manfred Angerer, Tutzing 1982, S. 325–353. 24 Luzzasco Luzzaschi, Madrigali per cantare et sonare a uno, doi, e tre soprani. Roma 1601, hrsg. von Elio Durante, Anna Martellotti, Reprint, Firenze 1980 (= Archivum musicum, Bd. 35); zur Zuordnung der Kompositionen zum Repertoire des Concerto delle dame vgl. Döring, »›Concerto delle dame‹« (wie Anm. 21), S. 196.
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plante man ein vergleichbares Ensemble. Gleichzeitig wurde die weibliche Autorschaft jedoch als zu kanalisierende Grenzüberschreitung empfunden, da sie die Autorität über eine Aufführungskonstellation, über ein Repertoire beanspruchte: Ähnlich wie im Madrigaltext beschrieben, begannen so die Machtverhältnisse von der männlichen fürstlichen Zentralinstanz weg zu tendieren. Dieser Machtgewinn durch Stimmklang führte zu Rollenbildungen, im Falle weiblicher Autorschaft vermehrt zur Stilisierung der Vortragenden als Sirenen, die mit ihrem Gesang verzauberten.25 Diese Rollenzuordnung als Zauberklang hervorbringende Sirenen liegt auch dem folgenden Madrigal des Venezianers Alessandro Gatti zugrunde, das basierend auf der etymologischen Verwandtschaft von Gesang und Verzauberung, von »canto« und »incanto« im Italienischen, die Sängerinnen des Concerto panegyrisch zu Sirenen überhöht:26 È canto, o pur incanto Quel ch’hora godo e sento Angelico contento?
Ist es Gesang, oder doch Verzauberung, das, was ich jetzt genieße und höre mit engelsgleicher Zufriedenheit?
Se canto, è di Sirena, Ch’a dolce morte mena Chi d’udirlo s’appaga;
Wenn es Gesang ist, stammt er von einer Sirene, die denjenigen zu einem süßen Tod führt, der sich erdreistet, sie zu hören;
S’incanto, è di gran Maga Lasso, dirò ben io, ch’incanto è l canto, Da che veggio che fia La Cantatrice incantatrice mia.
wenn es Verzauberung ist, stammt sie von einer großen Zauberin. Ich werde sagen, dass der Gesang Verzauberung ist, bei dem ich sehe, dass die Sängerin diejenige sein wird, die mich verzaubert.
Alessandro Gatti26
Übersetzung der Autorin
Die Inszenierung des Ensembles als geheimer Besitz des Ferrareser Hofes überlappte somit einerseits mit einem Unsagbarkeitstopos der Musik, die das auszudrücken vermag, was die Sprache nicht benennen kann, und andererseits 25 Susan McClary, »Fetisch Stimme: Professionelle Sänger im Italien der frühen Neuzeit«, in: Zwischen Rauschen und Offenbarung. Zur Kultur- und Mediengeschichte der Stimme, hrsg. von Friedrich Kittler, Thomas Macho und Sigrid Weigel, Berlin 2002, S. 199–214; zum Sirenentopos im Zusammenhang mit weiblicher Autorschaft allgemein vgl. Sigrid Nieberle, FrauenMusikLiteratur. Deutschsprachige Schriftstellerinnen im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1999 (= Ergebnisse der Frauenforschung, Bd. 51). 26 Aus Alessandro Gatti, Madrigali, Venedig 1604, zitiert nach Durante, Cronistoria (wie Anm. 19), S. 226.
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Höfische Wirkungsbedingungen
mit einer unergründlich, gleich dem Gesang der Sirenen zauberhaft anziehenden Weiblichkeit. Beispiel 2: Francesca Caccini Mann und Frau27 Melissa Maga in forma d'Atlante, che desta Ruggiero addormentato al canto della Sirena
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Notenbeispiel 2 Melissa Maga in La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina (wie Anm. 27), S. 19.
Ecco l’ora, ecco il punto Da trar di servitù l’alto guerriero, Ecco il giorno fatale omai ch’è giunto, Sorgi, sorgi Ruggiero. La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina, Ferdinando Saracinelli27
Jetzt ist die Stunde da, jetzt der Augenblick gekommen, den edlen Krieger aus der Knechtschaft zu befreien. Jetzt ist der schicksalshafte Tag gekommen: Wach auf, steh auf Ruggiero. Übersetzung der Autorin
In der Gestalt eines Mannes, des Zauberers Atlante, tritt uns hier die Zauberin Melissa entgegen: Sie war auf die Insel ihrer Gegenspielerin Alcina gekommen, um den edlen Ritter Ruggiero aus deren Liebesfängen zu befreien und heim zu Ritterpflicht und der wartenden Verlobten Bradamante zu führen. Die Wirkung dieses Auftritts ist überwältigend: Nach nur wenigen Sätzen, die den zu den Liebesklängen einer Sirene eingeschlafenen Ruggiero wecken, 27 Ferdinando Saracielli, La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina, Balletto Rapp.to in Musica, Florenz 1625, Nachdruck Florenz 1998 (= Archivum Musicum. Musica Drammatica, Bd. 4), S. 19.
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erkennt der Ritter sein Fehlverhalten, bereut und folgt Melissa. Die Taktik Melissas ist demnach aufgegangen: Dem Krieger in dieser Situation nicht als Frau, sondern als Mann zu begegnen, war bewusst gewähltes Vorgehen, das sich auch musikalisch, in der Komposition Francesca Caccinis, die in einer bekannten Florentiner Musikerfamilie mit engen Kontakten zum Hof aufgewachsen war, widerspiegelt: Ihre Rezitativpassagen sind in knappem Ambitus, streng der Sprachrhythmisierung und formalen Texteinschnitten folgend, abgefasst. Die Musik ist an dieser Stelle so geformt, dass sie den Fokus auf das Wort, den intellektuellen Gehalt, lenkt, nicht auf den Klang28 – wie es das Inbild der Weiblichkeit, die Sirena, im musikalischen Auftritt, der dieser Passage Melissas direkt voran ging, dem Publikum präsentierte. Suzanne Cusick führte bereits eindrücklich vor Augen, dass in Melissa eine Stellvertreter-Figur für Maria Magdalena von Österreich auf der Bühne stand, die 1625, zur Zeit der von ihr in Auftrag gegebenen Uraufführung von La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina, gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Christine de Lorraine bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes ad interim regierte. Sie vermittelte mit der Aufführung dieser Ballettoper, dass sie als Herrscherin sowohl als Frau als auch als Mann eindrucksvoll auftreten und ihre politischen Ziele erreichen konnte.29 Das Ideal der perfekten Unterordnung unter die der Situation entsprechende gesellschaftliche Rolle überträgt Maria Magdalena (als Melissa) auch auf die Geschlechterrolle. La liberazione kann somit auch als Rechtfertigung für Maria Magdalenas Übergriff in den männlichen Raum der politischen Machtausübung gelesen werden. Transformation Ähnlich wie sich das Zauberreich Alcinas von einer anfänglich lieblichen Insel in eine abstoßende Felslandschaft verwandelt – durch ein Feuer, das Alcina angesichts der Ausweglosigkeit ihrer Lage selbst entzündet hat –, deutet die affektive Konzeption der Ballettoper darauf hin, dass die Zuschauenden einem Transformationsprozess unterworfen werden sollten.30 Francesca Caccinis Musik diente dazu, das Publikum in die moralisierende Handlung affektiv einzubeziehen, gemäß dem Stilideal, das ihr Vater Giulio Caccini ausführlich beschrieben hatte: In Anlehnung an antike Vorlagen sollte mit Musiktheater ein Reinigungsprozess bei den Zuschauenden in Gang gesetzt werden, aus 28 Vgl. Cusick, Francesca Caccini (wie Anm. 15), S. 231–233. 29 Ebd., S. 207–209. 30 Ebd., passim für diesen Abschnitt.
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dem sie geläutert hervorgehen und in dem musikalische Stilistik, die Sprachorientierung der Musik, das recitar cantando, eine zentrale Rolle spielte.31 Die Befreiung Ruggieros, die die Zuschauenden mitverfolgen können, ist in La liberazione nur der Beginn eines längeren Befreiungsprozesses, in den letztlich auch das Publikum eingebunden wird. Die beiden balli am Ende der Handlung, die die Befreiung des gesamten Hofstaats Alcinas feiern, wurden vom Medici-Hofstaat bestritten. Zudem wurden auch die nicht tanzenden Zuschauenden körperlich aktiv, indem sie von einem Aufführungsort, dem Innenhof der Villa Poggio Imperiale, in dem die Handlung gegeben wurde, weiterzogen zum zweiten Aufführungsort: zu den Terrassen und Fenstern des ersten Stocks, von wo aus das abschließende Pferdeballett im Vorhof der Villa betrachtet wurde. Dass sie dabei einen Raum durchschritten, der in der erst kurz zuvor im Auftrag Maria Magdalenas fertig gestellten neuen Innenausstattung deutlich auf weibliche Herrschafts- und Glaubensvorbilder in Geschichte und Mythologie verwies, verlieh der geschlechterpolitischen Aussage der Aufführung eine weitere Nuancierung.32 Durch das Exempel Ruggieros und durch eigene körperliche Aktion sollten auch die Zuschauenden von der Anhängerschaft Alcinas ferngehalten und auf die Seite der Tugendwelt Melissas gebracht werden, die für Affektunterdrückung und Pflichterfüllung stand. Die Transformation des Publikums durch die Aufführung (und damit auch durch die Musik Francesca Caccinis) wird zur Herrschaftsaussage Maria Magdalenas. Diese affektive Kraft zur Transformation durch den Vortrag ist auch zahlreichen zeitgenössischen Berichten zu Aufführungen zu entnehmen, bei denen Caccini selbst gesungen hat: »Aber was wage ich es, so unzählige kostbare Eigenschaften von ihr und ihrem hochvollendeten Gesang und Spiel zu verhandeln und zu benennen, von dieser wahrhaft bestaunenswerten und einzigartigen Frau? Fortwährend spielend oder singend oder auf angenehmste Weise erzählend, setzte und setzt sie auf unglaubliche Weise Auswirkungen auf die Seelen der Zuhörer um, die diese zu völlig anderen Menschen machen […] Wir hörten die bewundernswerte Frau, wie sie mit so viel Anmut ihren verzierten Gesang begleitete, sowohl am Cembalo wie an der Laute oder der Theorbe, und damit solch überraschende Auswirkungen auf die Seelen der Zuhörer auslöste, dass sie sie manchmal nachgiebig und vergnüglich 31 Vgl. z.B. Silke Leopold, »Al modo d’Orfeo«. Dichtung und Musik im italienischen Sologesang des frühen 17. Jahrhunderts, Laaber 1995. 32 Zur Ausstattung und Bedeutung des ikonographischen Programms in der Villa Poggio Imperiale vgl. Ilaria Hoppe, Die Räume der Regentin. Die Villa Poggio Imperiale zu Florenz, Berlin 2011.
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stimmte, und manchmal auf so mannigfaltige andere Art, dass es verblüffte und beinahe unglaublich war.«33
Vermutlich bezog dieses Lob auf die Wirkungsmacht ihrer Darbietung auch eigene Kompositionen ein, da zu vermuten bleibt, dass Caccini gerade bei den innerhöfischen Veranstaltungen vermehrt eigene Musik vortrug.34 Explizit auf ihre Rolle als Komponistin wird hier jedoch nicht Bezug genommen, diese tritt hinter ihre Rolle als Ausführende zurück (und ist vermutlich in ihr enthalten). Bei den seltenen expliziten Verweisen in zeitgenössischen Quellen auf die Kompositionstätigkeit Caccinis stehen dagegen die intellektuelle Seite ihrer Musikschöpfungskraft und ihr fleißiges Studium im Vordergrund: »Sie widmete den Geist dem Kontrapunkt und den Verzierungen: Und in kurzer Zeit komponierte sie, unter der Anleitung des einen oder anderen, Stücke, die von den ersten Männern der Profession und von großen Herrschern aufs Höchste geschätzt, nachgefragt und erbeten wurden.« 35
Die Rolle der Komponistin Francesca Caccini bleibt abgelöst von ihrer Leistung als Vortragende leer, obwohl sie sie überzeugend und professionell ausfüllte.36 Jedenfalls gewann Caccini als Komponistin und Musikerin in der politischen Einbindung dieses durch ihre Kunst mit verursachten Transformationsprozesses ein grosses Machtpotential: Sie trug einen entscheidenden Anteil zur Machtausübung durch Musik am Hof der Medici bei, was ihr eine Machtstellung verschuf, die stark zu ihrer tatsächlichen sozialen Rolle im Kontrast stand: Als musica, eine Position, die sie als große Ausnahme im zeitgenössischen Kontext seit 1607 am Hof der Medici inne hatte, galt sie 33 »Ma che oso io ragionare e dire di tante e tante rare qualità e parti di lei e della somma eccellenza nel canto e suono di questa veramente […] maravigliosa e singolar Donna? […] E sempre sonando o cantando o piacevolmente favellando, oprava ed opra efetti di maniera stupendi negli animi degli ascoltanti, […] che gli trasmutava da quelli che erano […] udimmo la meravigliosa donna accompagnare con tanta grazia, quando al suono d’un arpicordo, quando d’un liuto o di una tiorba, il suo canto Frigio, e operare effetti tanto stupendi negli animi degli ascoltanti che ora pieghevoli e piacevoli ed ora in tante altre guise gli disponeva, ché era un stupore e cosa nel vero quasi che incredibile«, zitiert nach Cusick, Francesca Caccini (wie Anm. 15), S. 332; Übersetzung der Autorin. 34 Ebd., S. 63. 35 »[…] applicar l’animo al contrappunto e a passaggi: e in breve tempo, essendo impadronita dell’uno e degli altri, fece composizioni tali che da primi uomini della professione e da Principi grandi furono poi sommamente stimate, richieste e pregiate.«, zitiert nach Cusick, Francesca Caccini (wie Anm. 15), S. 335; Übersetzung der Autorin. 36 Vgl. ebd., S. 77–78 zur Stilisierung der Sängerin Caccini als weiblicher Amphion.
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als Dienerin und hatte als solche jederzeit auf Abruf bereit zu stehen, um die Herrschaften musikalisch zu unterhalten. Zudem war diese Machtstellung aufgrund ihres Lebenslaufes als Frau jederzeit der Kompromittierbarkeit ausgesetzt: So stand sie nach dem Tod ihres ersten Mannes vor dem beruflichen Aus, da sie als Witwe in ihrer Stellung als musica nicht haltbar blieb. Ihre Verheiratung und finanzielle Absicherung gewann daher über ihre nach der Aufführung von La liberazione auch international in Gang kommende Karriere als Komponistin die Oberhand.37 Privat und öffentlich Die meisten belegten Auftritte von Francesca Caccini fanden im engeren Hofkreis statt.38 Mit der Aufführung, vor allem aber der Drucklegung von La liberazione di Ruggiero noch im Jahre der Uraufführung 162539 weitete sich der Rezeptionskreis von Caccinis Musik erheblich. Sie trat aus den verschlossenen Zirkeln des Florentiner Frauenhofes heraus. Dass Caccinis Musik im Druck erschien, belegt die zentrale politische Bedeutung, die der Veranstaltung zukam. Die Memoriaverlängerung der Aufführung im Druck, über die beim Ereignis anwesenden Hofkreise hinaus, war offenbar zentrales Anliegen – inklusive der weiblichen Autorschaft daran. Dass Maria Magdalena, der der Partiturdruck gewidmet ist, mit der publik gemachten weiblichen musikalischen Autorschaft an der politisch funktionalisierten Aufführung eine Aussage bezüglich der Eignung von Frauen zu politischer Machthabe traf, ist nirgends explizit beschrieben, aber sehr wahrscheinlich. Mit diesem Schritt aus den Hofkreisen heraus öffnete sich nicht nur Caccinis Wirkungskreis im zeitgenössischen Kontext – sie erhielt beispielsweise Kompositionsaufträge aus Polen, da dem polnischen Prinzen Ładisław zu Ehren die Uraufführung stattgefunden hatte. Der Initiative Maria Magdalenas zur Drucklegung verdanken wir heute auch die einzige Überlieferung von Kompositionen Caccinis zu einem Musiktheater – obwohl belegt ist, dass sie kompositorisch an mehreren Divertissements des Florentiner Hofes wirkte, ist hierzu keine Musik erhalten geblieben.
37 Cusick, Francesca Caccini (wie Anm. 15), S. 247–258. 38 Ebd., S. 71–72. 39 Francesca Caccini, La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina. 1625, Firenze 1625, Reprint Firenze 1998 (= Archivum Musicum. Musica drammatica, Bd. 4).
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Beispiel 3: Maria Antonia Walpurgis Maria Antonia Walpurgis, geborene Prinzessin von Bayern und seit 1747 durch Heirat mit dem sächsischen Kurprinzen Angehörige des Wettiner Hauses, war seit den späten 1750er Jahren gemeinsam mit ihrem Mann an der Regierungsarbeit wesentlich beteiligt: Ihr Schwiegervater, Friedrich August II., der als August III. auch die polnische Königswürde trug, verlegte seinen Hof während des Siebenjährigen Krieges nach Warschau, um den Kriegswirren zu entgehen, die auch das sächsische Territorium und Dresden stark betrafen. Er setzte das Kurprinzenpaar als Stellvertreter ein, wobei Maria Antonia nachweislich einen Großteil der Regierungsverantwortung trug.40 1763 stellte mit dem Friedensschluss zu Hubertusburg und der Rückkehr des Schwiegervaters aus Warschau ein Schlüsseljahr im Leben Maria Antonias dar. Es blieb zu entscheiden, wie nach dem Friedensschluss und angesichts eines in die Jahre gekommenen sächsischen Kurfürsten und seines von Krankheit gezeichneten Premierministers Heinrich von Brühl künftig Regierungsverantwortung geteilt würde. Autorschaft und Gelehrsamkeit Anlässlich der Rückkehr Friedrich Augusts II. nach Dresden ließ Maria Antonia in diesem Jahr ihre Oper Talestri, regina delle amazzoni erstmals aufführen. Sie hatte nicht nur das Libretto selbst gedichtet und die Musik eigens verfasst, sondern sang zudem die Hauptrolle der Talestri, führte die weibliche Autorschaft an der Oper also in dreifacher Perspektive vor. Da Maria Antonia selbst aufführte, war es nicht möglich, das nach dem Krieg bereits wieder bespielbare große Opernhaus als Aufführungsort zu wählen. Opernveranstaltungen dort standen auch außerhöfischen Kreisen offen, und eine singende Kurprinzessin durfte nur innerhöfischen Kreisen zu Gesicht oder zu Gehör kommen. So fand die Uraufführung von Talestri im an den kurprinzlichen Palast auf dem Taschenberg angrenzenden Reithaus statt, in dem Maria Antonia ein kleines Theater hatte einrichten lassen.41
40 Carl von Weber, Maria Antonia Walpurgis, Churfürstin zu Sachsen, geb[orene]. Kaiserliche Prinzessin in Bayern. Beiträge zu einer Lebensbeschreibung derselben, 2 Bde. Dresden 1857, Bd. 1, hier: S. 112. 41 Zu den Konnotationen dieses Aufführungsortes vgl. Fischer, Instrumentierte Visionen (wie Anm. 10), S. 384–386.
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Maria Antonia übermittelte mit der Aufführung eine sehr konkrete politische Botschaft an den Hofstaat und den bei der Aufführung ebenfalls anwesenden Friedrich August II. Indem sie weiblichen Herrschaftsanspruch und weibliche Autorschaft fokussiert in der Amazonenkönigin Talestri überblendete, schuf sie sich eine Herrscherrolle als Abbild ihrer selbst auf der Opernbühne. Die Stilisierung von adligen Frauen aus Herrscherfamilien zu Amazonen steht in einer langen Tradition der höfischen Künste,42 die auch im unmittelbaren Umfeld Maria Antonias Spuren hinterließ: So ist ein Bildnis Adelaide von Savoyens, der Kurfürstin von Bayern (1652–1679), mit Brustpanzer und Helm überliefert.43 Und auch Christina von Schweden, der sich Maria Antonia besonders verbunden wusste,44 verwendete weibliche Wehrhaftigkeit zur Selbststilisierung: Bei ihr schwang in dieser ikonographischen Tradition vornehmlich das Bild der Gelehrten mit, indem sie sich mit ihrer wehrhaften Ausstattung auf die Zeus’sche Kopfgeburt Minerva bezog. Auch bei Maria Antonia tauchen beide Facetten der femme forte-Ikonographie auf, wenn sie sich einerseits als Talestri auf der Opernbühne zeigte und andererseits als Vorbild für Gelehrsamkeit – aufgrund ihrer mehrfachen Autorschaft in den Künsten und ihrer Mitgliedschaft in der römischen Arkadierakademie – gefeiert wurde. So beschreibt sie Peter Paul Finnauer in dem ihr gewidmeten und 1761 in München erschienenen Allgemeinen historischen Verzeichniß gelehrter Frauenzimmer im Widmungstext als »vollkommenes Muster einer außerordentlichen Gelehrsamkeit« und redet sie darum mit »grossmüthige 42 Vgl. hierzu u. a. Christa Schlumbohm, »Der Typus der Amazone und das Frauenideal im 17. Jahrhundert. Zur Selbstdarstellung der Grande Mademoiselle«, in: Romanistisches Jahrbuch 29 (1977), S. 77–99; dies., »Die Glorifizierung der Barockfürstin als ›Femme forte‹«, in: Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert. Vorträge und Referate gehalten anlässlich des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung und des Internationalen Arbeitskreises für Barockliteratur in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 4. bis 8. September 1979. Vorträge, Hamburg 1979 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 8), S. 113–122; Bettina Baumgärtel, »Zum Bilderstreit um die Frau im 17. Jahrhundert. Inszenierungen französischer Regentinnen«, in: Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung 1997, Bd. 2: Die europäische Querelle de femmes. Geschlechterdebatten seit dem 15. Jahrhundert, hrsg. von Gisela Bock und Margarete Zimmermann, Stuttgart/Weimar 1997, S. 147–182. 43 Jean Delamonce zugeschrieben, Porträt der bayerischen Kurfürstin Henriette Adelaide von Savoyen in Amazonentracht, um 1675, Öl auf Leinwand, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen. 44 Aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Accademia dell’Arcadia, in die Maria Antonia 1747 wegen eines italienischen Gedichtes aufgenommen wurde, stellte man sie panegyrisch in die Nachfolge Christina von Schwedens, die die römische Vorgängerakademie der Arkadia begründete, vgl. Fischer, Instrumentierte Visionen (wie Anm. 10), S. 76–78.
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Minerva« an.45 Sich in der Rolle der Gelehrten zu stilisieren, ließ Maria Antonia auch auf politischer Ebene glänzen, denn Gelehrsamkeit war ein weithin anerkanntes Herrschaftsattribut. Geschlechterpolitik Die Handlung der Amazonenoper trägt deutlich tagespolitische Züge. Maria Antonia konstruiert hier eine neue Herrschaftsform aus der männerhassenden gynokratischen Amazonenkultur heraus: das gemeinsame regierende Miteinander zwischen Mann und Frau. Auch in diesem Fall ist also Transformation durch die Aufführung Programm. Die zu Beginn der Oper gekrönte Talestri lernt, zur guten, um das Wohl ihres Volkes besorgten Herrscherin zu werden. Dies bewerkstelligt sie, indem sie vom althergebrachten Männerhass ablässt und ihren Staat um Prinzipien der Geschlechterparität herum neu konzipiert. Ermöglicht wird ihr das durch eine neue Männergeneration, von der keine Gefahr mehr für die Autonomie des Amazonenstaates ausgeht – verkörpert durch Oronte, den Prinzen der benachbarten Skythen, und dessen Freund Learco. Maria Antonia erweist sich nicht nur als Librettoautorin, sondern auch als Komponistin als mit allen Finessen der politischen Repräsentation durch Musik vertraut. Sie operiert gekonnt mit den verschiedenen Hierarchiesystemen, die opere serie in ihrer Aufführung bei Hofe zum politischen Kommunikationsmittel werden ließen. Und sie liefert zudem eine deutliche musikalische Charakterisierung der Geschlechterwelten: einerseits der Amazonen, die ein breites Affektspektrum vor Ohren führen; und andererseits der Männer, die sich in stets ähnlichen Arientempi und Tonarten dem höfischen Ideal der Selbstbeherrschung vollkommen unterordnen und selbst den Tod für ihre verbotene Liebe zu den Amazonen gerne in Kauf nehmen.46 Diese, auch musikalische Konzeption bedingt nahezu zwangsläufig, dass es am Ende von Talestri nicht um die Zerstörung weiblicher Herrschaft durch Heirat und Unterordnung der Amazonen geht – wie in nahezu allen anderen Amazonenstoffen auf der Opernbühne zuvor:47 Auch in Talestri wird geheiratet, aber von einer Unterordnung oder Herrschaftsaufgabe ist keine Rede. Nachdem sie selbst ihre 45 Peter Paul Finauer, Allgemeines historisches Verzeichniß gelehrter Frauenzimmer. Erster Band, München 1761 [nicht paginiert, 3. Seite des Widmungstextes »Durchlauchtigste Churprinzeßinn, Gnädigste Fürstinn und Frau«]. 46 Fischer, Instrumentierte Visionen (wie Anm. 10), S. 298–305. 47 Vgl. Andrea Garavaglia, Il mito delle Amazzoni nell’opera barocca italiana, 2 Bde., masch., Doktorarbeit, Università degl studi di Padova 2007.
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Hand dem Prinzen der benachbarten Skythen zur Ehe gereicht hat, fordert Talestri ihre Untertaninnen auf:48 Seguite pur mie fide L’esempio mio seguite, è tempo, è giusto. Se da consorti infidi Nàcque già l’odio, or da Fedeli sposi Rinasca l’amistà – non mai soggette, Ma de’ vicini amiche Saremo in avvennir. Concordie eterno Fra noi si stringa alfin.
Folgt nur, meine Getreuen, meinem Beispiel, folgt ihm, es ist an der Zeit, es ist richtig. Wenn von untreuen Gefährten einst Hass entstand, so erwache jetzt durch treue Ehemänner die Freundschaft – niemals Unterworfene, sondern Freunde der Nachbarn werden wir in Zukunft sein. Ewige Eintracht herrsche von nun an unter uns.
Maria Antonia Walpurgis, Talestri, Regina delle amazzoni3
Übersetzung der Autorin
Abb. 1 Anonym nach Benjamin Müller, »Reggia da un lato. Fortificazioni esterne dall’altro già occupato dagli Sciti«, Bühnenansicht zum dritten Akt, letztes Bild von Talestri, regina delle amazzoni, Leipzig 1765, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, D-Dl, U31/97 Nr. 195 (Mus. 3119-F-500), mit freundlicher Genehmigung. 48 E[rmelinda]. T[alea]. P[astorella]. A[rcade], Talestri regina delle amazoni. Opera Drammatica, München 1760, III.10.
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Und auch die Ausstattung der Bühne, die uns als Stich in der gedruckten Partiturausgabe der Oper annäherungsweise vermittelt wird, unterstreicht diese Textaussage bildlich (vgl. Abb. 1): Die Brücke im Hintergrund, auf der Oronte, der zukünftige Mann Talestris geht, verbindet das – männliche – Reich der Skythen jenseits des Grenzflusses mit dem Amazonenreich. Die Demarkationslinie zwischen den Geschlechtern, der blanke Boden, der die links vor ihrer Festung zur Entscheidungsschlacht aufgezogenen Amazonen von den rechts gegen sie antretenden Skythen trennt, wird im wahrsten Sinne des Wortes durch den Geschlechtergrenzgänger Oronte überbrückt: Es kommt zur Hochzeit und zum Friedensschluss zwischen den Geschlechtern. Der Schlusschor führt dies auch musikalisch vor, indem Amazonen und Männer, die zunächst getrennt vortragen, am Ende gemeinsam das neue Miteinander besingen. Memoriaverlängerung Maria Antonia nimmt eine Ausnahmestellung ein, was die Inszenierung weiblicher musikalischer Autorschaft bei Hofe betrifft: Mit ihrer mehrfachen Autorschaft an Talestri ordnete sie ihr musikalisches Schaffen nicht als dilettantische Nebenbeschäftigung ihrer Bestimmung als zukünftige Kurfürstin unter, sondern setzt sie als machtpolitisches Mittel in der Ausübung ihrer politischen Funktion ein. Mit Talestri führte sie dem sächsischen Hof ihre Eignung als Herrscherin vor, die einen im Krieg unterlegenen und durch Repressionszahlungen nieder gepressten sächsischen Staat durch befriedende Außenpolitik aufzurichten weiß. Sie machte ihren Anspruch auf Teilhabe an der sächsischen Regierung bereits in der Aufführung zu einem für ihre soziale Stellung ungewöhnlichen Maß rezipierbar. Dass sie die Partitur zu ihrer Oper in einer Prachtausgabe drucken ließ, erscheint nur als logische Konsequenz dieses Stilisierungskonzepts als weibliche Autorin, die nicht im Verborgenen handeln wollte.49 Für ihre Veröffentlichungen wählte sie ihr arkadisches Pseudonym Ermelinda Talea und nicht ihren Herrschernamen. Dem Publizitätsgrad ihrer Autorschaft verlieh sie damit aber nur pro forma ein Deckmäntelchen. Denn die Empfänger ihrer Partitur, vornehmlich politische und geistliche Würdenträger,50 die den Druck quasi als diplomatisches Geschenk übersandt 49 E[rmelinda]. T[alea]. P[astorella]. A[rcade], Talestri regina delle amazzoni. Dramma per musica, 3 Bde., Leipzig 1965. 50 Zur Verbindung mit dem Verlagshaus Breitkopf, das die Opern Maria Antonias verlegte, vgl. Fischer, Instrumentierte Visionen (wie Anm. 10), S. 249–263; zu den erhalte-
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bekamen, wussten selbstredend, wer sich hinter dem Decknamen verbarg. Maria Antonia band mit diesem Schachzug ihr öffentliches Auftreten stark an die intellektuelle Rolle der Gelehrten zurück, die sie vor Anfeindungen hinsichtlich der ungewöhnlichen Publizität ihres Schaffens angesichts ihres sozialen Status und ihres Geschlechts noch am ehesten zu schützen vermochte.
nen Empfängerlisten der Drucklegung ihrer ersten Opernpartitur (Il trionfo della fedeltà von 1756) vgl. ebd., S. 414–419.
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Consort and Mistress A Successful Job-Share?
One of the striking features of many early modern courts, particularly from the middle of the seventeenth to the middle of the eighteenth century, is the frequent co-existence of a consort and a mistress. The question this paper addresses is whether the two women concerned fulfilled complementary functions and whether the arrangement worked well for them or for all three parties concerned. Let us first examine the function of the consort. She was usually a virgin younger than her husband. There are, of course, exceptions to this rule. Widows sometimes remarried, for instance, Magdalena Sibylle of Saxony, widowed Princess of Denmark (1617–1668), who took Friedrich Wilhelm II of SaxonyAltenburg (1603–1669) as her second husband in 1654. Occasionally a consort might be older than her husband, an example being Wilhelmine Amalia of Braunschweig-Lüneburg (1674–1742), who was four years older than Emperor Joseph I (1678–1711). The vast majority of consorts, however, were young virgins and therefore supposedly malleable. ›Elle a l’esprit souple, qui prendra la forme et la figure qu’on voudra‹, commented the chevalier de Méré, sent to vet Princess Maria Leszczyńska (1703–1768) as possible bride for Louis XV.1 The consort also preferably had to come from a family professing the right religion and therefore belonging to the right power bloc. The Catholic kings of France took Medici brides on two notable occasions in the sixteenth century – Catherine de’ Medici (1519–1589) and Maria de’ Medici (1575–1642) –, while Lutheran Electoral Saxony chose marriage partners from the princely houses of Denmark, Württemberg, Brandenburg, and Brandenburg-Bayreuth. But the consort should ideally bring what has been called »dynastic capital« into the marriage, in other words, she should ensure for her bridegroom an alliance with a powerful family, leading to his advancement and the advance-
1 John Rogister, »Queen Marie Leszczyńska«, in: Queenship in Europe 1660–1815. The Role of the Consort, ed. by Clarissa Campbell Orr, Cambridge 2004, pp. 186–218, here: p. 190.
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ment of his family.2 Hopes were high when Friedrich August I (August the Strong, 1670–1733) arranged a marriage between Maria Josepha (1699–1757), the elder daughter of Emperor Joseph I, and his own son, Friedrich August II, later August III, King of Poland (1696–1763). This marriage certainly allied the Wettins with the Habsburgs but it did not lead, as it might have done, to August III becoming Holy Roman Emperor. Sometimes, however, the bride’s »dynastic capital« paid dividends beyond the wildest dreams of those who brokered the marriage. In 1658, Ernst August (1629–1698), the youngest of four sons of Georg of Braunschweig-Calenberg (1582–1641), married Sophie of the Palatinate (1630–1714), the twelfth and last child of the Winter King and Winter Queen, that is, Friederich of the Palatinate (1596–1632) and Elizabeth of England (1596–1662). At that time Ernst August could not know that, over forty years later, Sophie would be declared heir to the British throne in the Act of Settlement of 1701 on the death of Queen Anne. It is her lineage that made it possible for her son Georg Ludwig to become George I, King of Great Britain, when the British refused to have a Catholic on the throne. When a consort was not considered to be of adequate lineage by the family she had married into, she could be ostracised at court and insulted by her mother-in-law. This happened to Sophie Dorothea of Braunschweig-Lüneburg (1666–1726), the child of a morganatic marriage, who was forced to marry the aforementioned Georg Ludwig. In other cases, the consort’s children could be cut out from the succession, as happened to Sophie Albertine von Beichlingen (1728–1807), consort of Ludwig Eugen of Württemberg (1731–1795).3 Once married, the consort was expected to protect her husband’s interests with the more powerful dynasty she came from and to garner important and useful information or smooth diplomatic negotiations through her informal networks. The most important duty of a consort was to produce an heir (or, as the phrase goes in English, »an heir and a spare«). Some early modern consorts managed easily to produce a whole brood of children who lived to adulthood: Charlotte of Mecklenburg-Strelitz (1744–1818), consort of George III of Great Britain, produced 15 children with no stillbirths or miscarriages. She was the exception. No matter how many children she had lost already and no matter how adulterous or violent the behaviour of the prince, it was the consort’s duty to allow him his conjugal rights and continue to bear children. Maria Theresa of Spain (1638–1683), consort of Louis XIV (1638–1715), had six pregnancies between 1661 and 1672, while Louis was simultaneously hav2 Clarissa Campbell Orr, »Introduction«, in: Queenship in Europe (see note 1), p. 12. 3 Peter H. Wilson, »Women and Imperial Politics: The Württemberg Consorts 1674– 1757«, in: Queenship in Europe (see note 1), pp. 221–251, here: p. 227.
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ing sex with a series of mistresses and fathering at least another eight children by them. Marie-Thérèse, as she was known in France, welcomed the fact that the king still slept with her, as it confirmed her official and unassailable position, and he often came straight to her bed from that of a mistress. When she died in 1683, Louis remarked that this was the first time his wife had caused him any bother.4 Other consorts failed to produce a son and were censured and sometimes lost their influence at court as a consequence. Wilhelmine of Prussia, Margravine of Brandenburg-Bayreuth (1709–1758), blamed Henriette Marie of Brandenburg-Schwedt (1702–1782), the consort of Friedrich Ludwig of Württemberg (1698–1731), for not producing more than one son, so that, when the heir Eberhard Friedrich died at the age of one in 1719, the Duchy of Württemberg passed from the Protestant to the Catholic line. Neither Wilhelmine Amalia, consort of Joseph I (1705–11), nor her cousin Elisabeth Christine of Braunschweig-Wolfenbüttel (1715–1797), consort of the Emperor Charles VI (1711–40), were able to produce male heirs who survived to adulthood and this, even though the Habsburgs had conducted a medical inspection of the potential bride before the marriage. Charles VI, for instance, sent his Jesuit confessor and a doctor to Salzdahlum to verify the fertility of the fifteen-year-old Elisabeth Christine – which presumably meant checking that she had regular periods.5 Both Wilhelmine Amalia and Elisabeth Christine felt what they saw as their »failure« very keenly and various measures from medical treatment to pilgrimages were attempted to improve their fertility. What of the consort as mother once the children were born? Though she was often painted surrounded by them and had to function as the visible symbol of motherhood, extending that function to her role as »Landesmutter«, we should not imagine her bathing babies or nursing them through their illnesses. Servants could carry out these tasks. Her role was rather to oversee the education of the children, especially of the girls, but even then a consort’s role as mother did not take precedence over her role as wife. Her place was at her husband’s side, if he so desired. Maria Josepha, consort of August III, King of Poland and Elector of Saxony, is a good example. She bore her husband fourteen children in the course of their 38–year marriage. She and her husband left Dresden for Poland in January and February 1734 for their coronation as King and Queen of Poland, leaving their seven children behind in Dresden. While they were absent, their second daughter Maria Margarete died at the 4 Antonia Fraser, Love and Louis XIV. The Women in the Life of the Sun King, London 2006, p. 236. 5 Charles W. Ingrao and Andrew L. Thomas, »Piety and Power: The Empresses-Consort of the High Baroque«, in: Queenship in Europe (see note 1), pp. 107–130, here: p. 114.
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age of six and a half. August and Maria Josepha had to return to Poland in November of the same year and stayed there continuously until August 1736. During this period of almost two years, Maria Josepha did not see her children back in Dresden at all, but gave birth instead to two more daughters, one in February 1735 and another in February 1736. During this time, however, she wrote her children countless letters, always in French and always in a standard form, assuring them of her love for them and enquiring after their health and progress in their schooling.6 Oversight of their education could proceed from a distance. One of the official duties of the consort was visibly to embody certain virtues. The first of these was chastity – utter faithfulness to her husband, no matter how unfaithful he was. The history of early modern courts is full of the draconian punishments meted out to those consorts who took a lover or who were thought to have taken one, even when this was the consequence of a forced or unhappy marriage. We only have to think of the aforementioned Sophie Dorothea of Braunschweig-Lüneburg, who, in order to unite the divided Guelph territories, was forced into a marriage by her father with her first cousin Georg Ludwig. The marriage did not prosper, Sophie Dorothea was treated with contempt by the family she had married into, and her relationship with her husband seems to have been stormy, even violent. Sophie Dorothea formed a close relationship with Philip Christoph von Königsmarck (1665–1694), which probably turned into an affair, and he is thought to have been about to help her to run away. Whatever the facts of this marital tragedy, he was murdered in 1694 and Sophie Dorothea was held captive in Schloss Ahlden for thirty years until her death. Another virtue that the consort had to demonstrate was piety and this applied equally to Protestant and Catholic consorts. Habsburg consorts and their daughters were expected to display publicly the so-called pietas austriaca. Eleonore of Pfalz-Neuburg (1655–1720), the third and last consort of Leopold I, and her daughters-in-law Wilhelmine Amalia and Elisabeth Christine were all assiduous in their religious observance, both in public and in private, and this even though Elisabeth Christine had to convert from Lutheranism on her marriage. Wilhelmine Amalia schooled her daughter Maria Josepha in a range of pious and penitential practices which Maria Josepha continued and developed as Electress of (Lutheran) Saxony and Queen of (Catholic) Poland, attending Mass twice a day and, in the last years of her life, sometimes even three or four times. Her mother-in-law Christiane Eberhardine adopted a different strategy (1671–1727). She was clearly very shocked and hurt by August the 6 They are preserved in the Sächsisches Hauptstaatsarchiv under »Fürstennachlässe«.
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Strong’s philandering and, in my interpretation of events, used his conversion to Catholicism to allow her to live virtually apart from him for thirty years, sometimes seeing him for a few hours a couple of times a year, sometimes not for years at a time.7 She herself remained steadfastly and visibly Lutheran and was known and revered in Saxony as »Sachsens Betsäule«.8 Once it became clear that August was not going to divorce her, Christiane Eberhardine led a life that apparently suited her very well. She had the status of a wife, a Queen and an Electress but the day-to-day freedom of a widow. She had only one pregnancy which produced the requisite male heir who lived to succeed his father but she took a series of young kinswomen as substitute daughters into her household whom she educated, in many cases arranging a match for them and presiding over the wedding festivities. Here the consort was allowed to get on with her own life, leaving her spouse to his mistresses. One can speculate that some consorts really did find religion a consolation in their many tribulations – loss of children, philandering husbands, loneliness in their new life at a foreign court – but in other cases reports of piety probably have the same factual accuracy as reports of great beauty. The consort simply had to be pious, just as she had to be beautiful. In addition to functioning as an emblem of fecundity, chastity, faithfulness and piety, the consort also had a representative role to play in court ceremonial, appearing in public on certain important occasions at her husband’s side. Even Christiane Eberhardine emerged from her seclusion in her Dower House at Pretzsch near Torgau for the two most important events at the Dresden court during the years of her marriage: the visit of the Danish King Frederik IV in 1709 and the marriage of her son Friedrich August II in 1719. On such occasions, the consort had to appear as the very embodiment of her husband’s wealth and magnificence, elaborately dressed and coiffed and covered in jewels. That consorts were important cultural practitioners and patrons is beyond doubt. Whether this is a necessary part of their role in the way that piety or child-bearing are is open to question. And what of the political function of the consort? She may have had influence, but she did not have power, and her influence could fluctuate so much that the instability of her position has been compared to that of the favourite.9 Once she had produced an heir, she had 7 Helen Watanabe-O’Kelly, »Religion and the Consort: two Electresses of Saxony and Queens of Poland (1697–1757)«, in: Queenship in Europe (see note 1), pp. 252–275. 8 See Jill Bepler, »Die Fürstin als Betsäule – Anleitung und Praxis der Erbauung am Hof«, in: Morgen-Glantz 12 (2002), pp. 1–15. 9 Ute Daniel, »Zwischen Zentrum und Peripherie der Hofgesellschaft: Zur biographischen Struktur eines Fürstinnenlebens der Frühen Neuzeit am Beispiel der Kurfürstin
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fulfilled her purpose, and her access to her husband could diminish.10 She only had a political function in the sense of openly and legitimately exercising power when she was appointed regent, either on the death of her husband and during the minority of her son or else during her husband’s absence abroad, visiting another territory, for instance, or on military campaign. Even then she usually had a male co-regent at her side and, even when the heir was a minor, it was not at all a foregone conclusion that the widowed consort would be allowed to act as regent. When Christian I, Elector of Saxony, (1560–1591) died suddenly in 1592, his wife Sophie of Brandenburg (1568–1622) was not made regent during the minority of Christian II and his brothers. This task was given to Friedrich Wilhelm of Sachsen-Weimar (1562–1602). A consort could, however, have considerable influence behind the scenes over a sick, weak or ageing king. Philip V (r. 1700–1746) of Spain was guided by both his wives, first by Marie Louise Gabrielle of Savoy (1688–1714) and then by Elisabetta Farnese (1692–1766). Philip and Elisabetta seem seldom to have been parted for more than a few hours at a time and she was allowed to take part in audiences with ministers, playing an increasingly important part in ruling the kingdom.11 After a long visit to the Spanish court in 1722, the duc de Saint-Simon describes how the couple combined work and private life in the manner of a modern academic couple, discussing political matters together in their bedchamber, covering the bed with papers, receiving ministers or advisers in their dressing gowns.12 The king’s precarious health, both mental and physical, left a vacuum that Elisabetta came to fill. When Ferdinand VI (r. 1746–1759), Philip’s son by his first wife, succeeded to the throne, his consort was María Bárbara of Bragança (1711–1758). Again the king was a man in poor health and again his wife ruled the roost. The French ambassador remarked that »it is rather Bárbara who succeeds Elizabeth than Ferdinand succeeding Philippe«.13 Anyone can see that a consort was necessary, but why did so many princes have a mistress? What function did they serve? Clearly, it did not just consist in fulfilling a sexual need, since most of the princes who had mistresses also had what we today would call »casual sex« with a range of other women: peasSophie von Hannover«, in: L’Homme 8 (1997), pp. 208–217, here: p. 212. 10 Daniel (see note 9), p. 211. 11 Charles C. Noel, »›Bárbara succeeds Elizabeth … ‹: the Feminisation and Domestication of Politics in the Spanish monarchy, 1701–1759«, in: Queenship in Europe (see note 1), pp. 155–185, here: p. 167. 12 Noel (see note 11), pp. 168–169. 13 Noel (see note 11), p. 174.
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ant girls, serving maids and even middle class women. At the same time as Ernst August of Braunschweig-Lüneburg, the first Elector of Hanover, was married to Sophie of the Palatinate and had as his mistress Clara Elisabeth, Countess of Platen-Hallermund (1648–1700), he fathered at least one child with a Venetian woman on one of his regular sojourns in that city.14 Of course the mistress provided sex, but it was sex with an aristocratic woman, someone who was closer to the monarch’s own class and who had knowledge of his world, and she surely also often provided better sex than he could have with his wife. The consort had been brought up according to strict religious principles, with no sexual experience before marriage and with chastity as one of the virtues she was supposed to exemplify. This did not necessarily make her a good sexual partner. The striking unhappiness of many early modern dynastic marriages and the incompatibility of the spouses cannot have led to a happy sex life either. In contrast, Charles II, King of Great Britain (1630–1685), enjoyed the liveliest of sexual relations with his mistress Barbara, Countess of Castlemaine (1641–1709), just as Louis XIV did with Mme de Montespan (Françoise-Athénaïs de Rochechouart de Mortemart, 1641–1707) and Louis XV with Madame de Pompadour ( Jeanne Antoinette Poisson, 1721–1764). But sex alone would not be enough to hold a monarch’s interest, especially once the mistress’s beauty had begun to wane and the first sexual fervour had worn off, so it does not explain the long relationships between many princes and their mistresses. What a mistress had to have was wit and intelligence, qualities again not always found in a wife chosen according to dynastic principles. August the Strong clearly grew tired of Christiane Eberhardine after the first year of their marriage. It is easy to see what attracted August, with his eye not just for beauty but also for vivacity and brains, to Aurora von Königsmark (1662–1728). She bore him a son, who was later legitimized as Moritz von Sachsen and has gone down in the history books as Maurice de Saxe, Marshal of France (1698–1750). He was born only 11 days after Christiane Eberhardine gave birth to August the Strong’s heir, Friedrich August II (August III). Intelligent conversation without the trammels of ceremonial that constrained the relationship between prince and consort seems to have been as important an attraction for many princes as good sex. If a wife’s position could at times be insecure, how much more unstable was the position of a mistress. This resembled that of any favourite at court – protected and promoted at one moment, dismissed the next. If the mistress did not have the skill to assemble a series of supporters at court or if she over14 Georg Schnath, Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674–1714, vol. I: 1674–1692, Hildesheim and Leipzig 1938, p. 378, note 3.
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reached herself by attempting to exert too much influence, her end could be savage. One of the best known examples of an adored mistress who came to a painful end is Anna Constantia von Brockdorff, Countess Cosel (1680–1765). She spent almost 50 years as a prisoner in Burg Stolpen after she was convicted of treachery at the end of her nine-year relationship with August the Strong. A mistress’s status was always insecure, no matter how long the affair lasted or how strongly the prince doted on her while it was at its height. This meant that many mistresses went to a lot more trouble than consorts did to hold their royal lovers by entertaining them, pandering to their whims and at times creating an alternative world to the official one of the court, a world to which the monarch could retire and which enabled him to live more freely than when bound by court ceremonial. This is how some mistresses managed to become wives and even, in a few cases and at the end of our period, actual consorts. Mme de Maintenon (Françoise d’Aubigné, 1635–1719) is the most remarkable example of the former. She got to know and grow close to Louis XIV not because of any youthful beauty – she was a 40-year-old widow when she became his mistress – but because she was the loving governess of his children by his then mistress Mme de Montespan. In particular, she loved the duc du Maine (Louis Auguste de Bourbon, 1670–1736), Louis’s favourite illegitimate son. Because all ceremonial was lifted when the monarch discussed the upbringing of his children with their educators, Louis learned the charm of talking freely and frankly to an intelligent and cultured woman, away from the court behind the walls of no. 108, rue Vaugirard, where the children and Mme de Maintenon were secretly living.15 When the duc du Maine was too grown-up to need a governess, Louis could not do without Mme de Maintenon’s company and made her lady-in-waiting to the new Dauphine, his daughter-in-law. On the death of Queen Marie-Thérèse in 1683, it is now generally accepted that Louis married Mme de Maintenon, a marriage that lasted for more than 30 years. Louis was transformed into a faithful husband, reformed his way of life and became more pious, and turned Mme de Maintenon more or less into his first minister. As Mark Bryant has shown, Louis held important councils of state in her rooms and permitted her from 1699 on to receive and even appoint ambassadors. From 1700 on she became more and more of a conduit to Louis.16 In Bryant’s words: »Maintenon’s role was therefore more complicated than that of queen, confidante, or counsellor and
15 Fraser, Love and Louis XIV (see note 4), pp. 188–191. 16 Mark Bryant, »Mme de Maintenon: Partner, Matriarch, and Minister«, in: Queenship in Europe (see note 1), pp. 77–107.
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more demanding than that of minister, mistress, or master«.17 She played an important role, as many mistresses did, in moderating Louis’s behaviour and in mediating between him, the Grand-Dauphin, and his other children. Though she became Louis’s wife, she never became his consort, something she herself would have felt to be improper. Some princes did succeed in making their mistresses their consorts. Among them are Georg Wilhelm of BraunschweigLüneburg (1624–1705) with Eleonore d’Olbreuse (1639–1722), Karl Eugen of Württemberg (1728–1793) with Franziska von Hohenheim (1774–1811), and Peter the Great of Russia (1672–1725) with Marta Helena Skowrońska, the Swedish Livonian washerwoman whom he transformed into Catherine I, Empress of Russia (1684–1727). Did the job-share ever work? It may have worked for the prince who had his official consort to produce the heir and his mistress for solace and erotic adventure. For the women involved their co-existence ranged from difficult to intolerable. A particularly stormy example is that of Eberhard Ludwig, Duke of Württemberg (1676–1733). He married Johanne Elisabethe of Baden-Durlach (1680–1757) in 1697 and, like many princely marriages, this one did not work. The couple seems to have become estranged after the birth of their only child Friedrich Ludwig in 1698. Eberhard Ludwig took Christina Wilhelmina von Grävenitz (1686–1744) as his mistress, seems really to have loved her, and announced in 1707 that he had married her bigamously. This preciptated a crisis in Württemberg and Johanne Elisabethe appealed to the Emperor. The mistress was banished to Switzerland, the consort was reconciled with her husband, but at a price: she, the wronged wife, had to acknowledge her guilt, which he graciously accepted.18 However, Christina Wilhelmina returned in triumph in 1711. Johanne Elisabethe did the only thing she could do which was to offer passive resistance, so she retreated prematurely into the life of a dowager in the old castle in Stuttgart, playing no part in the life of the court, which had moved to Ludwigsburg. Eberhard Ludwig did everything he could to discipline his wife, installing his people to oversee her household and opening her letters. He also withheld her allowance from 1713 to 1722 in order, one presumes, to starve her into submission. Christina Wilhelmina, meanwhile, was playing the part of a consort, living in the duchess’s apartments at Ludwigsburg and being showered with money and gifts. Her relationship with Eberhard Ludwig lasted thirty years and it is thought that her fall in 1731 came about because her supporters at court realised that Eberhard Ludwig was nearing the end of his life and that, after his death, she would no longer have any influence. She 17 Bryant, ibid., p. 99. 18 Wilson, »Women and Imperial Politics« (see note 3), p. 234.
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was banished from court by Eberhard Ludwig’s son while Eberhard Ludwig was still alive, and Johanne Elisabethe resumed her role as consort for two years until her husband’s death in 1733. Where a consort had to live at court in the full knowledge of her husband’s affair, meet his mistress every day and witness his favours to her, she usually found it both painful and humiliating. Nor was it always a bed of roses for the mistress. Louise de la Vallière (1644–1710) was a pious and unmarried virgin when Louis XIV made her his first mistress. Genuinely virtuous, she deeply felt her sinfulness in having sexual relations with a married man and tried to leave the court and take the veil. When she gave birth to her first child by Louis on 19 December 1663 she had to do so in secret, the child was taken away from her immediately and she had to resume her duties at court some days later as though nothing had happened, in spite of a long and painful labour. When she gave birth to her third child by Louis in 1667, she again had to do so secretly and attend the midnight court supper that very same evening.19 Dynastic marriages in the period I have been discussing rarely resembled the solid working partnership between August, Elector of Saxony (1526–1586), and Anna of Denmark (1532–1585) described by Katrin Keller.20 Young girls were married off to practising homosexuals, to known drunks and to violent, even deranged men. When their husbands took a mistress, they had to put a brave face on it and remain chaste themselves. The mistress had a few years of glory, bore her lover a number of children whom she hoped he would legitimise, and could end her days, if she was lucky, in a convent or a Stift. If she was unlucky, she ended them in prison. However it worked for the prince, the job-share did not work for the women involved.
19 Fraser, Love and Louis XIV (see note 4), pp. 123–124. 20 Katrin Keller, »Kurfürstin Anna von Sachsen (1532–1585). Von Möglichkeiten und Grenzen einer ›Landesmutter‹«, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit, ed. by Jan Hirschbiegel and Werner Paravicini, Stuttgart 2000, pp. 263–85, here: p. 263.
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Spiegel weiblicher Tugenden Die Fürstin als Vorbildliche
Vor vielen Jahren habe ich in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel zu zeigen versucht, dass die adelige Mutter im frühmodernen Deutschland selbstverständlich als Erzieherin ihrer Kinder auftrat, weil sie dieses als ihr gottgegebenes Recht und ihre gottgegebene Aufgabe ansah.1 Heute möchte ich diese Erziehungsaufgabe weiter ausführen, und zwar an Hand der vielen Veröffentlichungen, die seitdem über die Rolle der Frau am Hofe erschienen sind – wozu die Autorinnen des vorliegenden Bandes das Ihrige beigetragen haben. Es geht mir darum zu zeigen, dass die erzieherische Aufgabe einer Fürstin mehr war als ›nur‹ Erzieherin ihrer Kinder. Es geht mir vor allem darum, dass das Ende eines Fürstinnenlebens als Resultat eines lebenslangen (Selbst-)Erziehungsprozesses bewertet wurde, und dass dieses Resultat dann als ›Exempel‹, als vorbildlich für andere, gelten sollte. Die Fürstenspiegel der Frühen Neuzeit reflektieren über die Rolle des Fürsten mit biblischen und klassischen Beispielen, mit religiösen und weltlichen Argumenten.2 Die meisten wurden von Gelehrten, d. h. von Bürgern geschrieben. Auch wenn sie dies nicht explizit ausdrücken, sind es Wunschbilder aus bürgerlicher Sicht, die umschreiben, welche Art von Herrschern für den Bürger (das heißt den Untertan) erwünscht oder erträglich ist. Das ist z. B. im Regentenspiegel (1607) des Predigers Thomas Birck der Fall, der mit alttestamentarischen Beispielen ein Idealbild des Herrschers entwirft.3 In seinem 1 Cornelia Niekus Moore, »Die adelige Mutter als Erzieherin: Erbauungsliteratur adeliger Mütter für ihre Kinder«, in: Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert, hrsg. von August Buck u. a., Hamburg 1981, S. 505–510. Ich danke der Herzog August Bibliothek für die stetige Hilfe bei meiner Forschung. 2 Rainer Müller, »Die deutschen Fürstenspiegel des 17. Jahrhunderts: Regierungslehren und Politische Pädagogik«, in: Historische Zeitschrift 240 (1985); Barbara Maigler-Loeser, Historie und Exemplum im Fürstenspiegel: Zur didaktischen Instrumentalisierung der Historie in ausgewählten Fürstenspiegeln der Frühmodernen, Neuried 2004; Fürstenspiegel der Frühen Neuzeit, hrsg. von Hans-Otto Mühleisen u. a., Frankfurt am Main 1997. 3 Thomas Birck, Regentenspiegel/ Darinnen alle fromme Regenten/ ihre Räht/ unnd Beampte/ bey vielen denckwürdigen Exempeln der Alten/ augenscheinlich zu sehen haben, Frankfurt
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Werk ist das Ideal religiös, d. h. biblisch, fundiert. Aber auch bei nichtklerikalen Autoren beobachtet man eine starke Tendenz, das fürstliche Handeln mit religiös-ethischen Argumenten auf den Zweck des Gemeinwohls zu beziehen.4 Nur ein tugendhafter Fürst konnte zum Wohl der Untertanen regieren.5 Bei allen steht die auf das Fürstenideal zielende Erziehung des jungen Fürsten im Vordergrund, denn nur so konnte die Basis für das erwünschte Handeln gelegt werden.6 Über die Rolle der Fürstin wird in den Fürstenspiegeln nur wenig geschrieben, weil von ihr erwartet wird, dass sie keinen Einfluss auf das Regieren nehmen wird. Wenn sie überhaupt erwähnt wird, dann meistens gemäß dem biblischen Ideal der früh aufstehenden Hausfrau, die mit Wolle und Flachs umgeht, für die Aufsicht über ihr Frauenzimmer und ihren Hofstaat verantwortlich ist, das Regieren jedoch ihrem Mann überlässt.7 Eine Ausnahme bildet Veit Ludwig von Seckendorff. In seinem Fürsten-Staat (1656) zeigt er, dass er als Adeliger weiß, wie es am Hofe zugeht bzw. zugehen sollte.8 Er geht im Detail auf die Erziehung beider Geschlechter ein. In Kapitel VII gibt er »summarische und nützliche Anzeigen, in welchen Stücken junge Herrschaften und Fräulein unterwiesen werden sollen.« Man müsse fürstliche Kinder sorgfältig erziehen, sagt er, denn sie werden über Leute regieren, die von ihrer Güte abhängig sind. Er erwähnt notwendige Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, und wenn man dazu Lust habe, auch Latein. Er tritt auch für eine weitere
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am Main 1607. Siehe Michael Götz, »Gottes Wort als Anleitung zum Handeln für den lutherischen Fürsten: Thomas Bircks Tugendspiegel«, in: Politische Tugendlehre und Regierkunst: Studien zum Fürstenspiegel der Frühen Neuzeit, hrsg. von Hans Otto Mühleisen und Theo Stammen, Tübingen 1990, S. 117–139. Z. B. bei dem Prinzenerzieher und Kanzler Ahasverus Fritsch, Princeps Peccans (1674). Siehe: Brigitte Herpich, »Bürgerliche Hofkritik und bürgerliche Karriere […] Ahasverus Fritsch«, in: Politische Tugendlehre und Regierungskunst (wie Anm. 3), S. 197–228. Wolfgang Weber, Prudentia gubernatoria: Studien zur Herrschaftslehre in der deutschen politischen Wissenschaft des 17. Jahrhunderts, Tübingen 1992, insbes. S. 107. Z. B. Christoff Vischer, Bericht aus Gottes Wort und verstendiger Leut Büchern, wie man junge Fürsten und Herren dermassen aufferzihen solle/ das sie hie nützliche Gefes und heilsame Regenten/ und dort in jenem Leben Himelsfürsten werden mögen. Auch dem gemeinen Mann zur Kinderzucht nützlich zu gebrauchen, Schmalkalden 1573. Siehe Rita Multer, Pädagogische Perspektiven in deutschen Fürstenspiegeln und Erziehungsinstruktionen von Fürstinnen und für Fürstinnen in der Frühen Neuzeit, Diss. Eichstätt 1998. Veit Ludwig von Seckendorff, Teutscher Fürsten=Stat/ Oder: Gründliche und kurtze Beschreibung/ Welcher Gestalt Fürstenthümer/ Graff= und Herrschaften im H. Römischen Reich Teutscher Nation […] haben […] Zum beliebigen Gebrauch und Nutz hoher Standespersonen, Hanau 1656. Alle folgenden Zitate beziehen sich auf diesen Text.
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Erziehung von Fürstentöchtern ein, zur »Erweckung ihres Verstandes, und zur Anständigkeit und Nutzbarkeit«, weil sie vielleicht als Regentinnen oder als Witwen selbst regieren werden. Er ist einer der wenigen, die auch für Fürstentöchter eine »Wissenschaft oder Beschreibung des Landes« empfiehlt. Er erwartet, dass die spätere Fürstin lernt, persönliche wie auch förmliche Briefe zu schreiben, aber auch, dass sie »Frawenzimmer Arbeit lernt wie Confecturen, Arzneyen, gebrandenes Wasser, was zu ihrem Herrn Gemahl Beliebung gereichen kann«. Er ist für leibliche Übungen und eine »geziemende Ergetzlichkeit in Gebärden und Tanzen«. Unter Aufsicht soll die junge Frau auch an der Jagd oder am Fischfang teilnehmen, Komödien anschauen oder bei Familientreffen darin selbst spielen. Seine Ratschläge beschäftigen sich also mit einer schulischen Erziehung, mit höflichen Umgangsformen, mit Freizeitbeschäftigung sowie mit haushalterischen Pflichten, die auf die spätere Aufgabe und Rolle der Fürstin zugeschnitten sind. Sein Werk erscheint zu einer Zeit, als auch andere Autoren anfangen, sich für eine allgemeine Weitererziehung der (jungen) Frau einzusetzen – so etwa Harsdörffers Frauenzimmer Gesprächsspiele (1644).9 Als Grundlage aller Erziehung sieht Seckendorff die Entwicklung jener christlichen Tugenden, die sonderlich eine fürstliche Person braucht, mit Namen: Bescheidenheit, »Fürsicht«, Freundlichkeit, Demut, Wahrheit, Mäßigkeit und Höflichkeit. In der religiös-moralischen Literatur der Zeit werden Attribute wie »tugendhaft« und »Tugend« gerade für Frauen so oft erwähnt, dass man sie fast als Gemeinplätze interpretieren könnte. Sie sind aber weit mehr. In der christlichen Moral der Frühen Neuzeit sind sie Bestandteile eines sich auf Aristoteles stützenden, nach Belieben zu erweiternden Katalogs von erwünschten Eigenschaften, die man sich als gläubiger Mensch erwirbt, an deren Vervollkommnung man arbeitet und die dann zu einem guten Benehmen und gutem Handeln führen.10 Später, im 18. Jahrhundert, wird Johann Heinrich Zedler, Christian Thomasius zitierend, diesen Aristotelismus als heidnisch und uninstruktiv verwerfen: »Denn Christen hätten sich schämen sollen, eine heydnische Tugendlehre anzunehmen […] welche […] nicht einmal zur Sitten-Lehre gehöret, sondern nur einen Theil der Politic ausmachet.«11 Damit verzerrt er jedoch das Tu9 Georg Philip Harsdörffer, Frauenzimmer-Gesprächspiele (1644), hrsg. von Irmgard Böttcher, Tübingen 1968. 10 Paula Gottlieb, The Virtue of Aristotle’s Ethics, New York 2009, insbes. S. 73–91. 11 Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, hrsg. von Johann Heinrich Zedler, Bd. 45, Halle/Leipzig 1745, S. 1471–1518, hier: S. 1491. Christian Thomasius, »Über die Christliche Sittenlehre«, in: Kleine Teutsche Schriften (1701), hrsg. von Werner Schneiders u. a., Hildesheim 1994, S. 72–116.
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gendbild der vorhergehenden Zeit. Für das 16. und 17. Jahrhundert war der Tugendkanon etwas Handfestes, an dem man die Vervollkommnung seiner selbst und die der Andern messen konnte. Er stützte sich sehr wohl auf eine christliche Grundlehre, wie die oft zitierten biblischen Beispiele illustrieren. Die damalige Erbauungsliteratur präsentierte dieses Bild auf anschauliche Weise, wie zum Beispiel Hieronymus Ortelius’ Geistlicher Frauenzimmer-Spiegel auß Alten und Neuen Testament oder Gabriel Rollenhagens Sinn-Bilder, ein Tugendspiegel.12 In einem Fürstenspiegel ist eine Erwähnung der Tugenden angebracht, weil das auf Tugenden und möglichen Untugenden ruhende Handeln seine unmittelbare Auswirkung auf die Umgebung, einschließlich Hof und Untertanen habe, von Zedler als »Politic« abgetan, aber vom 17. Jahrhundert auf die »politeia« bezogen, ohne die spätere negative Bedeutung von »Politic«. In den Fürstenspiegeln jener Zeit wird das erwünschte Handeln immer wieder als sichtbare Ausführung innerer Tugenden angesehen, von Rainer Müller in seiner Besprechung der Oeconomus von Florinus ein »christliches Tugendkorsett« genannt, ein erstrebenwertes, aber schwer zu verwirklichendes Ideal.13 Erst Samuel Pufendorf stellt 1675 der »vera politica« ein »artificium politi-
12 Hieronymus Ortelius, Geistlicher Frauenzimmer-Spiegel auß Alten und Neuen Testament, 1654; Gabriel Rollenhagen, Sinn-Bilder: Ein Tugendspiegel (1611–1613), hrsg. von Carsten-Peter Warncke, Harenberg 1983; Georg Fellau, Neu vermehrter geistlicher Frauen-Zimmer Spiegel: Alten und neuen Testaments an denen erleuchteten Weibes-Bildern und schönen Historien Erinnerungen und Gebeten, Hamburg 1682; Salomon Liscovius, Christlichen Frauenzimmer geistlicher Tugendspiegel zur Übung heiliger Gottseeligkeit. Auß Heiliger Schrift nach Anleitung etlicher tugendhafter Weibes-Bilder, Leipzig 1719; Wolfgang Theodor Volgstädt, Frommer Edelleute Tugendspiegel, Arnstadt 1679; Johann Rotlöben, Christlicher Tugendspiegel, in welchem der Tugenden Art und Eigenschaften, zur Übung der Gottseeligkeit mit Sprüchen göttlicher heiliger Schrift erkläret werden, Lüneburg 1630; vgl. Ferdinand von Ingen, »Frauentugend und Tugendexempel: Zum Frauenzimmer-Spiegel des Hieronymus Ortelius und Philipp von Zesens biblischen Frauenporträts«, in: Chloe 3 (1984), S. 345–383. 13 Rainer Müller, »›Die Oeconomia ist eine Monarchia‹: Der Deutsche Fürstenhof der Frühmoderne als Objekt der Hausväter und Regimentsliteratur«, in: Hof und Theorie, hrsg. von Reinhardt Butz u. a., Köln 2004, S. 145–163, insbes. S. 152; vgl. Müllers Besprechung der Agatharchia von Jakob Wimpheling als eine ethisch fundierte Sozialdisziplinierung, ebd. S. 154. Heinz Duchhardt behauptet, dass sich die Tugendlehren der Frühen Neuzeit ausschließlich an den alten virtutes und nicht an den »modernen politiktheoretischen Diskussionen«, wie etwa denen des Italieners Niccolò Machiavelli, orientierten. Siehe Heinz Duchhardt, »Das protestantische Herrscherbild«, in: Das Herrscherbild im 17. Jahrhundert, hrsg. von Konrad Repgen (= Schriftenreihe der Erforschung der neueren Geschichte, Bd. 19), Münster 1991, S. 26–42, hier: S. 29.
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cum« entgegen.14 Er bevorzugt Ersteres, räumt jedoch die Möglichkeit des Letzteren ein. In den vom Hofe erteilten Instruktionen zur Erziehung einer Fürstentochter, die mal mehr, mal weniger jene von Seckendorff widerspiegeln, wird angenommen, dass das vorgelegte Erziehungsmodell die Tochter zu einer tugendhaften Frau und Fürstin machen wird.15 Im Religionsunterricht wie auch im Lese- und Schreibunterricht sollten die jungen Leserinnen mit den erwünschten moralischen Vorbildern bekannt gemacht werden. Aber nicht nur das Unterrichtsmaterial sollte die tugendhafte Erziehung fördern. Bei Fürstentöchtern war es auch wichtig, dass sie an einem Hof erzogen wurden, an dem es weibliche Vorbilder gab. Dafür kam zuerst die Mutter in Frage. Sie galt gerade für Töchter als die Erzieherin par excellence. In den stets wechselnden familiären und politischen Verhältnissen fanden sich jedoch viele heranwachsende Fürstinnen in einem fremden Frauenzimmer an einem fremden Hofe. Gerade Höfe mit einer Fürstin als Haupt galten als ausgezeichnete Erziehungsanstalten für eine junge Fürstin, wie der von Hedwig, Witwe des jung verstorbenen Christian II. von Sachsen,16 oder später der von Christiane Eberhardine von Sachsen, der Frau August des Starken.17 Ursula von Sachsen-Lauenburg verbrachte einen Teil ihrer Jugend am Hofe von Sidonia, der verlassenen Gattin von Erich II. von Calenberg, und wurde danach mit ihren Schwestern im Frauenzimmer ihrer Mutter erzogen. Die Fräulein seien »zur Gottseligkeit/ Fürstlichen Tugenden unnd zu solchen Übungen unnd Arbeit/ die ein Fürstliches Fräwlein ziehren und wohl anstehen/ gewehnet unnd gehalten worden.«18 14 Samuel Pufendorf, De concordia verae politicae Dissertationes academicae selectores, Lund 1675, S. 545; vgl. Innocent Gentillet. Regentenkunst oder Fürstenspiegel: Gründtliche Erklärung welcher massen ein königreich und jedes Fürstenthumb rechtmeßig […] könne und solle bestellet und verwaltet werden; geschrieben wider den […] italienischen Scribenten Nicolaum Machiavellum, Frankfurt und Straßburg 1580; vgl. Volker Selin, »Politik«, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, Stuttgart 1978, S. 789–874, insbes. S. 808; Herpich, »Ahasverus Fritsch« (wie Anm. 4); Robert Bireley, The Counter-Reformation Prince: Anti-Machiavellianism or Catholic Statecraft in Early Modern Europe, Chapel Hill 1990. 15 Multer, Pädagogische Perspektiven (wie Anm. 7), insbes. S. 73. 16 Ute Essegern, Fürstinnen am Kursächsischen Hof: Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts; Hedwig von Dänemark, Sibylla Elisabeth von Württemberg und Magdalena Sibylla von Preußen, Leipzig 2007, S. 298 f. 17 Karl Czok, August der Starke und das schwache Geschlecht, Wittenberg 2005; Franz Otto Stichart, Galerie der sächsischen Fürstinnen: biogr. Skizzen sämtlicher Ahnfrauen des kgl. Hauses Sachsen, Leipzig 1857. 18 Andreas Gödike, Ehrengedächtnis, LP für Ursula von Sachsen-Lauenburg (1545–1620) oo Heinrich von Braunschweig-Lüneburg. Lüneburg 1620, S. Cij. Ursula wird nachge-
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Meistens wurde früh geheiratet, und die junge Prinzessin kam an einen fremden Hof, an dem ihr Mann einer der jungen Prinzen war und die Schwiegereltern den Ton angaben. Oder sie war die zweite oder dritte Gattin eines fürstlichen Witwers und fand einen wohl etablierten Hof, an dem sie ihre eigene Rolle finden musste.19 In beiden Fällen konnte eine Erziehung, die gerade den höflichen Umgang mit Anderen als Ausdruck der Tugendhaftigkeit ansah, gute Dienste leisten. Die Erziehung der eigenen Kinder war jedoch das ureigene Gebiet, das sich auf Religion und Tugendlehre stützte. In den Instruktionen wie in den Leichenpredigt-Lebensläufen wird der tatkräftige Einfluss der fürstlichen Mutter auf die religiös-moralische Erziehung ihrer Kinder bestätigt und gelobt:20 »Unsre gewesene gnedige Landeßmutter hat allen müglichen fleiß angewand/ daß ihrer F.G. liebe junge Herrn und Fräwlein zur wahren Christlichen Religion/ zu aller Gottseligkeit/ und Erbarkeit, zu guten Künsten/ zur zucht und redlichkeit/ mit sonderlichem fleisse und ernste müchten erzogen werden. Denn es sind ihrer Fürstl. Gn. nicht unbewust gewesen/ wie mercklich viel an fleissiger/ guter und Christliche Aufferziehung Fürstlicher Kinder gelegen/ als welche hernacher uber die rechte Religion halten/ und Land und Leute regieren müssen.«21
Wie oben angemerkt, sollte man an der Entwicklung der als Tugenden bezeichneten guten Eigenschaften sein Leben lang arbeiten. Wie wichtig und rühmt, dass sie die manchmal geringen Einkünfte so gewirtschaftet hat, »dass sie müchte ihrem Stande und Herkommen gemeß Fürstlich Hoffhalten/ und die Unterthanen dennoch nicht beschweren und in Verderb setzen/ dazu große Vorsichtigkeit und Fleiß von nöten gewesen« (S. D). Für Sidonia von Calenberg vgl. Andrea Lilienthal, Die Fürstin und die Macht: Welfische Herzoginnen im 16. Jahrhundert, Hannover 2007, S. 183–240. 19 Queenship in Europe 1660–1815: The Role of the Consort, hrsg. von Clarissa Campbell Orr, Cambridge 2004; HRH Princess Michael of Kent, Crowned in a Far Country: Portraits of Eight Royal Brides, New York 1986; Cordula Nolte, »›ir seyt ei frembs weib, das solt ir pleiben, dieweil ihr lebt‹: Beziehungsgeflechte in fürstlichen Familien des Spätmittelalters«, in: Geschlechterdifferenzen im interdisziplinären Gespräch, hrsg. von Doris Ruhe, Würzburg 1998, S. 11–42. 20 Was auch eine vom Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha zusammengestellte Instruktion zeigt: Johann Heinrich Gelbke, Herzog Ernst genannt der Fromme, Bd. 3, Gotha 1810, S. 154–158. Die Belege über den kurfürstlichen Hof in Dresden zeigen aktive Mütter. Vgl. Das Erziehungswesen am Hofe der Wettiner Albertinischer (Haupt)Linie, hrsg. von Julius Richter, Berlin 1913; vgl. auch Geschichte der Erziehung der Pfälzischen Wittelsbacher, hrsg. von Friedrich Schmidt, Berlin 1899. 21 Johannes Timmius, Die andere Predigt, LP für Dorothea von Dänemark (1546–1617) oo Wilhelm d. J. von Braunschweig-Lüneburg, Lüneburg 1617, S. 35.
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verbreitet dieses Ideal auch für erwachsene Fürstinnen war, zeigt sich in der 1619 von Anna Sophia von Anhalt mit noch acht anderen adeligen Frauen initiierten Gesellschaft für »Weibespersonen Fürstlichen und Gräflichen Standes«, »die Tugendliche Gesellschaft« genannt.22 Ihr Bruder Ludwig hatte zwei Jahre zuvor mit mehreren verwandten Fürsten die »Fruchtbringende Gesellschaft« gegründet. Das Ziel dieser »Fruchtbringenden Gesellschaft« war die Pflege der deutschen Sprache. Die Schwester und ihre Gesellschaft hatten jedoch ein anderes Ziel, nämlich, wie der Titel schon ausdrückt, die Pflege der Tugend unter ihren Mitgliedern. »Weil denn ihr muth und sinn ieder Zeit nach Ehr und Tugend gestrebet, Sie auch sich selbst erinnert, daß hoher Leute Zusammenkunften nicht eben weltlicher ergetzlichkeit halben, Sondern vielmehr erbaulichen gesprächs und fruchtbarlicher Verrichtung wegen angestellet sein sollen, Haben Sie einmütiglich geschlossen, Andern zur Anreitzung und nachfolge eine Gesellschaft anzufangen, welche sie von ihrem grunde der Tugend die Thugendliche Gesellschaft genennet haben […] anzuzeigen dass ieglichem Weibsbilde nechst rechter erkenntnis Christi nichts höheres anliegen soll, alß sich der Thugend zu befleißigen und gebührlich nach Ehre zu streben, […] haben hiermit diese erinnerung erwecken wollen, daß durch Thugend auch das weibliche Geschlecht zu Scepter und Crohn, daß ist zu den höchsten Ehren in der Welt durch Gottes Verleyhung gedeyen.«23
Die erzieherischen Absichten der Gründerinnen zeigen sich auch in den Satzungen, worin sie die eigene und gegenseitige Tugendbildung als einen steten Prozess reflektieren. Denn es heißt u. a.: »Tugentlich ist wenn sich gewisse Personen wegen den mercklichen Tugenden unnd Löblichen wandel miteinander in eine Verbindung einlassen zu dem Ende, daß sie andern zum Exempel oder Beispiel ein tugendreiches und rühmbliches Leben stets führen wollen.«24 Wie in der »Fruchtbringenden Gesellschaft« erhielten auch die Mitglieder jener Gesellschaft Namen, die die Vorsitzende für sie passend fand, 22 Klaus Conermann, »Die Tugendliche Gesellschaft und ihr Verhältnis zur Fruchtbringenden Gesellschaft: Sittenzucht, Gesellschaftsidee und Akademiegedanke zwischen Renaissance und Aufklärung«, in: Daphnis 17 (1988), S. 514–626; Gabriele Ball, »Die Tugendliche Gesellschaft: Zur Programmatik eines adeligen Frauennetzwerkes in der Frühen Neuzeit«, Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der Frühen Neuzeit, hrsg. von Jill Bepler und Helga Meise, Wiesbaden 2010, S. 337–361. 23 Franz Dix, »Die tugendliche Gesellschaft«, in: Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig 6, Leipzig 1877, S. 43–146, hier: S. 48–49. 24 Ebd., S. 65.
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hier waren es allerdings immer speziell zugeschriebene Tugenden. So hieß die erste Gründerin, Anna Sophia von Anhalt, »die Getreue«, Anna Amalia von Anhalt »die Demütige«, die um das Aufsichtsrecht ihres Sohnes kämpfende Eleonora Maria von Anhalt »die Tapfere«25 usw. Schon zwei Jahre zuvor (1617) hatte Anna von Bentheim, mit dem Bruder der Anna Sophia, Christian I. von Anhalt-Bernburg, verheiratet, ihre Noble Académie des Loyales oder Güldener Palm-Orden gegründet. Auch hier waren die Regeln ganz auf ein tugendhaftes Benehmen unter den Mitgliedern abgestellt. Man sollte schon bei der Aufnahme »tugentsam zu aller Zucht und Ehrbarkeit geneigt sein«, sollte einander nach Vermögen behilflich sein, einander aufrichtig lieben, dem Anderen seine Mängel mit Sanftmut andeuten, und selber Vermahnungen dankbar annehmen, bei Zusammenkünften der Abwesenden zu ihrem Besten gedenken, und im eigenen Benehmen nie Anlass zu böser Nachrede geben. Bei gezeigten Lastern wie »öffentlichem Hass, heimtückischem Neid, Hinterlist, Stachelwort und aller Falschheit« konnte man als »unwürdig« aus der Gesellschaft geschlossen werden, »damit sich dergleichen Laster in dieser löblichen Gesellschaft nicht finden.«26 Wie die Tugenden sind also auch die gerügten Laster ganz auf die Gesellschaft und den Umgang mit anderen bezogen. Am Ende eines Lebens wurde Bilanz gezogen. Die oft reich illustrierten Leichenpredigtsammlungen für Fürsten und Fürstinnen dienten der Familie dazu, die dynastische und politische Lage in ein möglichst günstiges Licht zu stellen. Sie boten die Gelegenheit, das Leben einer der Ihrigen so glorios zu beschreiben, dass es Ruhm und Ehre für ganze Familie bedeutete, die politischen dynastischen Ansprüche rechtfertigen oder skandalösen Behauptungen entgegenwirken konnte.27 Der für die Leichenpredigt zuständige Prediger hatte auch diese Intentionen, aber das Bezeugen, Trösten und Formulieren eines Vorbilds waren ihm grundsätzlich vorbehalten. Dies brachte den Prediger in die Lage – die ihm als geistlicher Hirt zustand – nicht nur die Überlebenden zu trösten, sondern auch ein Zeugnis davon abzugeben, dass nach seiner 25 Heinrich Schmettau, Fürstliches Thränen und Trawergedächtnüß, LP für Eleonora Maria von Anhalt (1600–1657) oo Johann Albrecht II. von Mecklenburg, Liegnitz 1657. 26 Für die Gesetze der Noble Académie siehe: Johann Christoph Beckmann, Historie des Fürstenthums Anhalt in Sieben Theilen verfasset, Zerbst 1710, Teil V, S. 335–337; vgl. auch: Die Deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts. Fruchtbringende Gesellschaft, Bd. 3: Briefe der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen, hrsg. von Klaus Conermann u. a., Tübingen 2003, S. 380 f., Nr. 310108. 27 Siehe Jill Bepler, »Die Fürstin im Spiegel der protestantischen Funeralwerke der Frühen Neuzeit«, in: Der Körper der Königin: Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500, Frankfurt am Main 2002, S. 135–161.
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Meinung die Verstorbene im Glauben gestorben war. Er entwirft dazu ein Bild der Verstorbenen, misst diese an dem selbst entworfenen Idealbild einer Fürstin und kommt dann zu dem Ergebnis, dass die Verstorbene sehr wohl diesem Idealbild entsprach. Auf der einen Seite wird akzeptiert, dass das Handeln vom gesellschaftlichen Status der Ausführenden bestimmt ist: »Die Oberkeiten und Häupter der Welt werden Götter genannt/ wegen des göttlichen Amt das sie tragen, da sie von Natur aus arme Menschen und gebrechliche Adamskinder sind, so sollten sie sich göttlichen Tugenden als der Gerechtigkeit und Güte mit mehreren Ernst annehmen.«28 Der didaktische Wert einer Diskussion über das Handeln eines Fürsten oder einer Fürstin liegt andererseits aber gerade darin, dass die diesem Handeln zugrunde liegenden Eigenschaften an sich nicht standesspezifisch sind. Die im Folgenden aufgezählte Liste in der Leichenpredigt für Sibylla von Braunschweig-Lüneburg, von dem Prediger »ein Spiegel weiblicher Tugenden« genannt, beinhaltet meist allgemeine Tugenden, wenn auch die daraus folgenden Handlungen mit ihrer Rolle am Hofe verbunden sind: Gottesfurcht, Demut, Hofdisziplin, Freundlichkeit, Barmherzigkeit, Mitleid, Geduld, »Gutthätigkeit«, Zufriedenheit und ein vorbildhaftes Sterbebett.29 Als pädagogisches und rhetorisches Hilfsmittel fungierten solche Listen ausgezeichnet, halfen sie doch in aller Kürze ein anschauliches, beispielhaftes Bild abzugeben, mit dem gleichzeitig die biographischen Fakten reflektiert werden und damit bezeugt werden konnte, was das Idealbild war, welche religiöse Basis es hatte und wie nah die Verstorbene diesem Bild gekommen war. Unter Barmherzigkeit wird z. B. ihre Hilfe von Exulanten, wie auch ihr Mitleid mit Kranken erwähnt. So wird eine Leichenpredigt zu einem Fürsten- oder Fürstinnenspiegel, allerdings mit einem Unterschied: Der Fürst(inn)enspiegel ist ein Wunschbild, eine Utopie. Die Leichenpredigt stützt sich jedoch auf ein schon realisiertes Vorbild, das der Prediger (als Untertan, als Bürger, als Geistlicher), als ein Vorbild für andere Fürsten, wie auch alle Zuhörer bzw. Leser darstellt. Fürstenspiegel gehören zur Speculumliteratur, einer Gattung, die enzyklopädisches Wissen über ein Thema in einem Werk zusammenfasste, um es dann als
28 Caspar Ulrich, Macht und Lob des Herrn aus dem Munde der Kinder, LP für Anna Amalia von Anhalt (1597–1605), Tochter von Christian von Anhalt, Zerbst 1604. 29 Johannes Fienius, Aller Sterbenden bester Trost, LP für Sibylla von Braunschweig-Lüneburg (1584–1652), Witwe von Julius Ernst von Braunschweig-Lüneburg, Mühlhausen 1656.
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Spiegel paränetisch den Lesern vorzuhalten.30 In der Leichenpredigt sind die biographischen Einzelheiten jedoch etwas Besonderes, weil der Spiegel hier nur das Bild einer Person reflektiert, die als nachzuahmendes Beispiel funktionieren soll. So gleicht der Leichenpredigt-Lebenslauf einem katholischen Heiligenleben und zwingt den Prediger immer wieder dazu, zu verneinen, dass er aus der Besprochenen eine Heilige habe machen wollen.31 Katholische Leichenpredigten gibt es weniger, aber auch dort werden die gleichen Tugenden erwähnt.32 Man könnte die Leichenpredigten für Bürger genau so gut ›Bürgerspiegel‹ nennen, allerdings mit dem Unterschied, dass diese als Vorbild für den eigenen Stand gelten sollten. Die fürstlichen Leichenpredigten erhielten ihre Prägnanz gerade wegen des hohen Standes der Verstorbenen: »Die Fürsten werden fürstliche Gedanken haben.« ( Jes.38:8). Dieser oft zitierte Satz betont, dass Fürst und Fürstin besondere Positionen im Lande haben, die eine für sie eigene Handlungsweise beanspruchen. Und wenn solches Handeln auf christlichen Tugenden basiert, die jeder Mensch sich aneignen konnte und sollte, dann seien sie leuchtende Vorbilder für die Untertanen.33 »Es ist der Fürstliche Stamm deum genus«, sagt die Leichenpredigt für die mit 23 Jahren gestorbene Amalia Hedwig von der Pfalz (1584–1607): »Derowegen hat er […] etwas Übernatürliches unnd heyliges, welches sich bei gemeinen Leuten nicht so klar und fürtrefflich pflegt zu finden«. Aber die weiblichen Tugenden, die in der Predigt erwähnt werden, sind nicht nur eine Grundlage fürstlichen Handelns, sondern könnten auch von andern entwickelt werden: Wahre christliche Ehrbarkeit, Guttätigkeit gegen andere, Maß, Zucht 30 Z. B. Der Frawenspiegel in wöllichem Spiegel sich das weÿblich bild, jung oder altt beschauwn oder lernen, zu gebrauchen die woltat gegen irem Eelichen gemahel, Augspurg 1522. 31 Z. B. Sebastian Artomedes, Leichpredigt, LP für Elisabeth von Brandenburg (1540– 1578) oo Georg Friedrich Markgraf von Brandenburg, Königsberg 1578. S. Div; vgl. Beth Kreitzer, Reforming Mary: Changing Images in the Lutheran Sermons of the Sixteenth Century, Oxford 2004. 32 Siehe Leben und Sterben der Gottseligen Königin Margaritae Königlicher Mayestät inn Hispanien, Philippi III. geliebteste Gemahlin inn zweyen herzlichen Predigen verfasset und als ein rechter Spiegel der Tugend und unfehlbare Form die Krohn ewiger Seeligkeit zu erobern/ nicht allein für Hoher und Adeliger Personen/ sondern auch für alle Menschen Hertzen zu bewegen kräftig und mächtig, Ingolstadt 1616. Florentius Schilling, Todten–Gerüst/ Das ist Wolgegründte Ehren-Gedächtnuß/ Hochadelicher Cavalliern/ Herren und Frauen/ Deren Hoch-Adeliches Herkommen/ Christlöbl. Thaten und seel. Tod in unterschiedlichen Leich=Predigten mit angenehmen Verfassungen der Welt zum Tugendspiegel vorgestellet worden, Sulzbach 1676. 33 Ulrich, Macht und Lob (wie Anm. 28).
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und Keuschheit, Fleiß und Freundlichkeit in dem Umgang mit Anderen.34 So schwankt der Prediger in der Würdigung einer Fürstin immer zwischen Lob auf den hohen Rang der Verstorbenen und der Behauptung, dass man sich dennoch (oder gerade darum) an ihr ein Vorbild nehmen könne und solle. So kann auch die im Kindbett verstorbene zweite Frau von Herzog August von Braunschweig-Lüneburg, Dorothea von Anhalt, als Exempel fungieren, obwohl – oder gerade weil – ihr das gleiche Los wie das vieler anderer Frauen zu Teil wurde.35 Ihre vielen Tugenden werden nacheinander erwähnt, wie auch die darauf basierenden Handlungen: Es sind Gottesfurcht, Freundlichkeit, Friede und Einigkeit, demütiger Gehorsam, eheliche Liebe, Sorgfalt für die Kinder, Hofdisziplin, ein mütterliches Herz, christliche Demut, Geduld, und Vertrauen zu Gott. Obwohl ihr Leben in vielerlei Hinsicht anders war als das der Zuhörenden bzw. Lesenden und die auf den Tugenden basierenden Eigenschaften von ihr anders umgesetzt wurden, wird doch versucht, die höfischen Aspekte zu mildern. Dabei ist die biblische Esther, die ihren Schmuck nur anlegte, wenn es die Umstände verlangte, das auserwählte Vorbild. Als Zeichen ihrer Demut wird zum Beispiel erwähnt: »IFG habe sich zwar fürstlich gehalten, doch wie Esther den herrlichen Schmuck nicht geachtet.«36 Die Prinzessin wird dafür gelobt, dass sie »die verdrießliche und beschwerliche Einmengung in Land- und Regimentgeschäfte« vermieden habe.37 Die biblische Esther war sich jedoch eines möglichen Einflusses auf Regierungssachen sehr wohl bewusst, und so wird auch der Fürstin eine Rolle eingeräumt, nämlich die Strenge oder den Zorn ihres regierenden Gatten zu mildern und für ihre Untertanen vorzusprechen.38 Wie effektiv die Kurfürstin Anna von Sachsen dies bei ihrem Gatten August getan hat, ist dokumentiert,
34 David Schram u. a., Drey Christliche Leichenpredigten, LP für Amalia Hedwig von der Pfalz (1584–1607), Laugingen 1607, S. Eiij. 35 Johannes Becker, Christfürstliche Ehrenkrone, LP für Dorothea von Anhalt (1607–1634), Lüneburg 1635. 36 Ebd., S. 37. Vgl. Sammler Fürst Gelehrter: Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg 1579–1666, Ausstellung der Herzog August Bibliothek 1979, S. 80–82. Seite 81 erwähnt den letzten Brief von Dorothea an ihren Gatten, worin sie u. a. um Gnade für einen Verbrecher bittet. Der Brief ist einzusehen in: Staatsarchiv Wolfenbüttel, D-Wa, 1 Alt 23, Nr. 246. 37 Johann Harboe, Der auf den Winter folgende Lenz und Sommer der Braut Christi, LP für Christiana von Sachsen (1679–1722) oo Philipp von Schleswig-Holstein, Flensburg 1723. 38 Heinrich Kraus, Großer Glaube, LP für Anna Maria von Mecklenburg (1627–1669) oo August Herzog zu Sachsen, Erfurt 1670.
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und sie wird auch in ihrer Leichenpredigt dafür gerühmt.39 Das Exempel der biblischen Esther, das sich auf Demut und Freundlichkeit stützende Benehmen und der sich auf die Untertanen günstig auswirkende Erfolg rechtfertigten demnach diese sonst oft als ›weibliche Neigung‹ verworfenen Aktionen, sich in alles einzumischen. Bei Regentinnen muss gerade dieses Einmischen erklärt und verteidigt werden. Und darum wird ihr Handeln in Regierungssachen oft in das Kleid der mütterlichen Fürsorge gekleidet. Dorothea Maria von Anhalt, zu deren Beerdigung die Fürsten unter Leitung ihres Bruders die Fruchtbringende Gesellschaft errichteten, war sieben Jahre Mit-Regentin (Der Kurfürst von Sachsen hatte die eigentliche Vormundschaft).40 Zusammen mit ihrer Schwester, der schon erwähnten Anna Sophia, Stifterin der Tugendlichen Gesellschaft, war sie eine der frühen Förderer von Wolfgang Ratichius,41 wofür sie in einer der Leichenpredigten, nämlich die von Johann Kromayer (der selbst mit der daraus folgenden Schulreform betraut war), sehr gelobt wird. Damit habe das Land »eine rechte Mutter« an ihr gehabt.42 Interessant in dieser Predigt ist, dass Kromayer meint, die verstorbene Regentin gegen die Anschuldigung verteidigen zu müssen, sie sei geizig gewesen, weil sie gut auf den Hofhaushalt Aufsicht gehalten habe.43 Er nennt solches nicht Laster, sondern 39 Katrin Keller, »Kurfürstin Anna von Sachsen: Von Möglichkeiten und Grenzen einer Landesmutter«, in: Das Frauenzimmer: Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. von Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini, Stuttgart 2000, S. 263–285; Heide Wunder, »Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit: Geschlechter und Geschlecht«, in: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Heide Wunder, Berlin 2002, S. 9–27. 40 Bernhard Röse, »Dorothea Maria«, in: Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste, Bd. 27, hrsg. von Johann S. Ersch und Johann G. Gruber, Leipzig 1836, S. 170–173. Über Regentinnen vgl. Simone Buckreus, Die Körper einer Regentin: Amelia Elisabeth von Hessen-Kassel 1602–1651, Köln 2008; Pauline Puppel, Die Regentin: Vormündliche Herrschaft in Hessen 1500–1700 (= Geschichte und Geschlechter, Bd. 43), Frankfurt am Main/New York 2004. 41 Gerhard Dünhaupt, »Wolfgang Ratke (1571–1635)«, in: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock, Bd. 5, Stuttgart 1991; Theodor Steinmetz, Die Herzogin Dorothea Maria und ihre Beziehungen zu Ratke und seiner Lehrart: Ein Beitrag zur Geschichte des Ratichianismus, Langensalza 1895. 42 Johann Kromayer, »Die Siebendte Predigt«, in: Albertus Grawerus u. a., Dreyzehn Christliche Leich= und Begräbnußpredigten, LPen für Dorothea Maria von Anhalt (1574– 1617), Witwe von Johann Herzog von Sachsen, Jena 1617; vgl. Gabriele Ball, »Terenz in Weimar: Johann Kromayers Bearbeitung der Sechs FrewdenSpiel und die Ratichianische Schulreform«, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 36 (2009), S. 39–54. 43 Gerade die Viehzucht hatte ihre Aufmerksamkeit. Siehe weiter den Beitrag von Pernille Arenfeldt in diesem Band.
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eine »rühmliche Tugend für gottselige Hausmütter« und rühmt dann ihre großzügige Unterstützung der Schulen und Universitäten und ihre karitative Sorge für die Untertanen. In den für sie gehaltenen Leichenpredigten vermischen sich die Figuren der trauernden Witwe, die ihren Schmuck nicht mehr trägt, der Mutter, die für ihre Kinder sorgt, und der Regentin, die sich um das Wohl der Untertanen bemüht. Der Terminus ›Landesmutter‹ wird aber nicht nur auf Regentinnen bezogen.44 Auch andere Fürstinnen werden mit dieser Benennung gelobt. Dieses Bild stimmt mit dem des Landes als einer Oeconomia Christianae, in der die Regenten als Vater und Mutter fungieren, überein. Von der im Kindbett gestorbenen Elisabeth von der Pfalz heißt es 1680: »So dass I. Hochseel. F. Durchl. gewesen ein herrliches Beispiel einer recht Gottesfürchtigen Christlichen sorgfältigen und mit allen Tugenden hochbegabten Fürstin und Landesmutter/ dero Lob und Tugenden in unseren Herzen nimmer ersterben.«45
Wie die Gebote des biblischen Dekalogs kann man auch die Tugenden in zwei Kategorien einteilen: die Haltung gegenüber Gott und die Haltung gegenüber dem Nächsten. Beide sind integral miteinander verbunden, wird doch eine tiefe Religiosität als Grundlage aller Tugenden angesehen. Gottesfurcht ist darum gerade für Fürstinnen so wichtig, weil es zu ihren fürstlichen Aufgaben gehört, dem Land im Beten vorzustehen, Schirm und Schutz des Herrn zu erbitten und auf diese Weise Unheil abzuwenden. So fungiert die Fürstin als Vorbild und Schild und wird mit einer Betsäule, einer Mauer, oder einer Burg verglichen.46 Die Tugenden, die dem täglichen Verkehr mit Anderen zu Grunde liegen, sind hierbei in jeder Erwähnung, jeder Liste und jeder Aufzählung in der Mehrheit. Man kannte die Verstorbene aus ihrem Umgang, war oft von ihrem Handeln abhängig, profitierte von ihrer Güte, litt unter ihren Ausbrüchen, ihrem verschwenderischen oder geizigen Benehmen.47 44 Johann Valentin Liefegang, Ehrensäule, Ode für Klara von Braunschweig-Lüneburg (1571–1658), Nordhausen 1658, S. av: »Die Bedienten stehen hier mit sehr trübem Augenliechte, und mit nassem Angesichte […] der gemeine Pöbel weint/ daß die Mutter ist verlohren, die zum Schutze war gebohren/ und ihn hertzlich hat gemeint/ als der Landes Knecht uns jagte/ und der bleiche hunger plagte.« 45 Theodorus Cautius, Klage Trost und Danksagung, LP für Elisabeth von der Pfalz (1642– 1677) oo Viktor Amadeus von Anhalt, Köthen 1677. 46 Jill Bepler, »Die Fürstin als Betsäule: Anleitung und Praxis der Erbauung am Hof«, in: Morgen-Glantz, Zeitschrift der Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft 12 (2002), S. 249–264; vgl. auch Wunder, »Dynastie und Herrschaftssicherung« (wie Anm. 39). 47 Zedler, Universal-Lexikon (wie Anm. 11).
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Man erwähnt also gerne die Tugenden, die zu einem positiven Benehmen dem Gatten, den Kindern, dem Hof und den Untertanen gegenüber führten. Die biographischen Beschreibungen fungieren in solcher Liste als Anekdoten, die diese Tugenden in der Person der (jetzt) Verstorbenen illustrieren. So wird die Beschreibung ein potentieller Fürstenspiegel für andere Fürstinnen. Obwohl die biographischen Anekdoten meist standesspezifisch sind, ist der dargebotene Tugendkanon so allgemein, dass dieser auch als Grundlage für das Benehmen anderer gelten konnte. Die Tugenden einer hohen Standesperson gelten dann als leuchtendes Vorbild nicht nur für »Fürsten und Herren«, sondern auch für »uns andere«, so der Prediger bei der Beerdigung von Anna von der Pfalz 1586: »Dise Historien aber von unser lieben Fürstin unnd Landesmutter/ geburt/ leben unnd sterben/ hab ich geliebte/ im HERrn Christo/ desto lieber und außführlicher erzehlen wollen/ um allen ursach zu geben/ Gott für dermassen hohe treffentliche diser frommen Fürstin erzeigte Gaben zudancken/ unnd uns andern ein lebendig Exempel fürzustellen/ in Ihrer F.G. Fußstapfen zutretten/ unnd dero eiferigem Geistreichem Wandel löblich nachzufolgen. Dann ob sie schon jetzt also todt im Sarch ligt […] so rufft unnd predigt sie nichts destoweniger mit ihren schönen Tugenden/ gleichsam mit lebendiger Stimme daß meniglich von ihr lehrnen solle. Fürsten und Herren dörffen sich nicht schämen/ von ihr ein Exempel zunemen/ wie man die Regierung löblich anstellen/ unnd gebürliche maß gegen den Unterthonen verhalten/ die frommen schützen/ die klagenden hören/ retten unnd helffen/ Gott unnd dem Nächsten dienen solle.«48
Wie oben gesagt, lassen sich die weiblichen Tugenden mit ebenso vielen biblischen Exempeln belegen, nicht nur als rhetorische Floskeln – sie beziehen vielmehr das Konstrukt auf die Religion. Hier wird die Bibel, besonders das Alte Testament zur Exempelsammlung aneinander gereihter HeldinnenGeschichten, die man nach Belieben auswerten kann. So kann es sein, dass eine Fürstin als Maria gelobt wird ( Jesus zu Füßen), als eine Lydia, welche von dem heiligen Geist ein erleuchtetes Herz gehabt hat, als eine fromme Lois oder Eunice, als eine rechtschaffene Tabea. In ihrem Fräulein-Stande sei sie eine freundliche Rebecca, in ihrem Ehestande eine tugendsame Rahel, in
48 Petrus Bilfingerus, »Die ander Leichpredigt«, in: Johann Jetzstein u. a., Drey Leichpredigten, Tübingen 1586. LPen für Anna von der Pfalz (1540–1586), Witwe von Karl Markgraf von Baden, S. 60.
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dem Witwenstande eine Hanna gewesen.49 Dieses Lob für die 1680 gestorbene Sophia Augusta von Schleswig-Holstein, Witwe von Johann Fürst von Anhalt, zeigt, dass dieses mit biblischen Exempeln ausgeschmückte Tugendideal auch noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts weiter bestand. Obwohl die meisten Oratoren biblische Exempel vorzogen, kamen auf der Suche nach passenden Vorbildern auch Exempel aus der Geschichte in Frage. In einer Leichenpredigt für Barbara von Württemberg (gest. 1627) wird z. B. berichtet, dass Heinrich I. seiner Frau auf dem Sterbebett gedankt habe, dass sie ihm gegenüber lieblich und freundlich gewesen sei, seinen Zorn oft gelindert, guten Rat und Trost gegeben, daran erinnert habe, die Gerechtigkeit walten zu lassen, und ihn um Hilfe für die Armen gebeten habe. Das dient dann wieder als Anleitung, auch die Verstorbene selbst zum Tugendexempel zu erheben, um damit ein weiteres Vorbild für die Überlebenden zu geben: »Warumb wolte dann der Eyfer/ den I.F.G. zu GOttes Wort gehabt/ nicht auch billich meniglich zum Exempel der Nachfolge hoch gehalten und gelobet werden.« 50 Diese biographische Porträt-Sammlung hat viele Hersteller. Ihre Objekte sind entweder reich, arm, stark oder schwach. So, wie sie in dieser Ahnengalerie abgebildet werden, haben alle ihr Leben erfolgreich gelebt und erfolgreich (d. h. im Glauben) beendet. Die Basis dieses Erfolgs war ein Gerüst von Tugenden, die sich auf den christlichen Glauben stützten. Es ist erstaunlich, wie mit diesem flexiblen Kanon, in dem Frauen eine immer wieder andere Kombination von guten Eigenschaften zugemutet werden kann, das ideale Frauenbild zwei Jahrhunderte hindurch konstant bleibt. So werden diese fürstlichen Porträts den Überlebenden nicht nur als schmeichelnde Darstellung eines erfolgreichen Lebens gezeigt, sondern auch als ein nachahmungswertes Vorbild. Also schließen wir mit dem Archidiakon Bernhard Scheer in Jever in seiner Leichenpredigt für die schon erwähnte Sophia Augusta von Anhalt, geborene von Schleswig-Holstein: »Nun meine lieben Zuhörer/ Wir haben hier ein herrliches Exempel der Nachfolge für Augen. Fromme Unterthanen sehen auff Ihre fromme Obrigkeit, und folgen Derselben in der Gottseligkeit und allen Christlichen Tugenden.« 51 49 Samuel Cnuppius, Davidi’sche Andacht im Glauben und Leben, LP für Sophia Augusta von Schleswig-Holstein (1630–1680) oo Johann Fürst von Anhalt, Zerbst 1682, S. Bij. 50 Johannes Georgius Wibel, »Die Vierte LP«, in: Tobias Lotter u. a., Sechs Christliche Leichenpredigten, Durlach 1627. LPen für Barbara von Württemberg (1593–1627) oo Friedrich von Baden-Durlach, S. 262–267. 51 Bernhard Scheer, Fürstliche Ehren- und Gedächtnis-Predigt, LP für Sophia Augusta von Schleswig-Holstein (1630–1680) oo Johann Fürst von Anhalt, Zerbst 1681, S. Eij.
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Abb. 1 und 2 Titelblatt und Porträt eines fürstlichen Leichenpredigtdrucks: Theodorus Cautius, Klage Trost und Danksagung, Leichenpredigt für Elisabeth von der Pfalz (1642–1677) oo Viktor Amadeus von Anhalt, Köthen 1677, Herzog August Bibliothek, mit freundlicher Genehmigung.
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»The Queen has Sent Nine Frisian Cows« Gender and Everyday Cultural Practices at the Courts in SixteenthCentury Germany
In early October 1566, Anna, Electress of Saxony informed her court mistress, the widow Gertrud Carlowitz, that, »unsere gneidge hertzliebe fraw Mutter die koniginne zu Dennemarck witwe hat vns vff vnser bitt Neun grosse frisische fahle kueh sampt einem rinde zugeschickt«.1 The electress further explained that two cows had been left behind along the way, one in Lüneburg and one close to Torgau, but that the others were currently in Lochau and were due to arrive in Dresden shortly. When the »seven cows and the bull arrive«, they were to be placed in one of the »Forwerke« (home-farms) under Anna’s control and were to be tended to with diligence in order to ensure that »we can raise them and breed them«. In addition to instructions related to these clearly very precious Frisian cows, Anna told the court mistress to expect the arrival of another ninety-six pieces of »mixed livestock«: forty five older cows, two bulls, thirty old oxen, nine three-year-old oxen, six two-year-old oxen, two three-year-old calves, and two particular pigs. She explained that these should be placed in »our outermost home-farm by the [river] Elb«. If necessary, additional maids could be recruited, though the current »Käsemutter« (dairy mis-
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Some of the ideas included in this essay were presented at the conference »Der Hof. Ort kulturellen Handelns von Frauen in der Frühen Neuzeit« at the Duke August Library, Wolfenbüttel and the Hochschule Musik und Theater, Hanover, in May-June 2010. I would like to thank Professor Dr. Susanne Rode-Breymann, the Forschungszentrum Musik und Gender at the Hochschule für Musik und Theater, Hanover, and the coorganizers of the conference at Duke August Library, Wolfenbüttel, for their generous invitation to contribute to the conference and for preparing this volume. I am indebted to Ravidran Sriramachandran and Kevin Mitchell for insightful comments on earlier drafts of this paper. 1 Our gracious beloved mother, the Danish dowager queen has […] sent nine large spotted Frisian cows and a bull, translation by the author, Anna of Saxony to »Gerdrut Carlewitzÿnn withwe Hoffmeisterin zu Dresd«, Senftenberg 5 October 1566, Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Dresden, D-Dla, Kop. 512, fol. 142–143.
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tress) should remain in charge and would be accountable for the milk, butter, and cheese produced.2 The content of this prologue may, at first sight, appear very »un-courtly«. However, the aim of this paper is to demonstrate that meticulous concerns about and activities relating to cows, other farm animals, and various wild herbs were at the heart of sixteenth-century court culture and women’s cultural practices at the courts. Focusing on sixteenth-century Saxony (but with references to other German principalities and to Denmark), the paper focuses attention on the seemingly mundane activities that dominated the everyday lives of the female consorts with a view to demonstrating the economic/material and political significance of these same cultural practices. Gender, Courts, and Court Culture Although efforts have been made to study the everyday life at the medieval and early modern European courts,3 the historiography on European court culture continues to be dominated by a disproportionate emphasis on extravagant luxuries, court festivals, and patronage of the arts.4 While these activities did constitute important elements of court culture, their prominence varied greatly across time and space. Indeed, in sixteenth-century Germany, these elements appear to have been relatively marginal. When attempting to quantify the prominence of different topics in the letter books preserved from Anna, Electress of Saxon (1550–1585), cattle, pigs, chicken, and/or wild herbs appear on nearly every page and, in contrast, the approximately 6.000 letters contain 2 Ibid. I am grateful to Judith Caesar for providing advice regarding the English term »dairy mistress«. 3 See for example the contributions to Alltag bei Hofe, ed. by Werner Paravicini, Göttingen 1995 (= Residenzenforschung 5). 4 Werner Paravicini introduces (on the cover), the recent volume Luxus und Integration with the following words: »Höfisches Leben war bis tief ins 19. Jahrhundert die erstrebenswerteste Daseinsform nicht nur Europas und ist untrennbar mit dem Luxus als einer Kultur des Überflusses verbunden«, see Luxus und Integration. Materielle Hofkultur Westeuropas vom 12. bis zum 18. Jahrhundert, ed. by Werner Paravicini, Munich 2010. The emphasis on patronage has had a significant impact on the research on women at the courts; see for example the contributions to Queenship in Europe 1660–1815. The Role of the Consort, ed. by Clarissa Campbell Orr, Cambridge 2004, and the special issue of Renæssanceforum dedicated to Renaissance Women as Patrons of Art and Culture, ed. by Hannemarie Ragn Jensen, Minna Skafte Jensen and Lene Østermark-Johansen, Renæssanceforum 4 (2008).
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only a handful of references to music, paintings, and related forms of »expressive culture«.5 The early modern court is an elusive institution and the literature abounds with attempts to establish definitions.6 Scholars have stressed that the economic, political, and indeed »cultural« (in the nineteenth-century definition of the term) dimensions of early modern courtly life were intrinsically linked. Others have examined the character and workings of the court as a household. While the court can be defined as a household of particular political, economic and »cultural« significance, it is important to recognize that in sixteenthcentury Germany (and Scandinavia), it was not necessarily a single »domus«/ dwelling and membership fluctuated. The significance of this particular household was a result of the fact that the court – through its key figures – marked the »locus« where two hugely important political institutions intersected: the dynasty and the territory. As a result of this particular structural characteristic, one cannot define clear boundaries between the court, the dynasty, and the territory. The three institutions overlapped and because these overlaps impacted life at court, they must be taken into account when approaching the study of women’s cultural practices at the courts. Drawing on the work by Pierre Bourdieu, I employ a practice-oriented conception of culture. As summarized by David Swartz, »Bourdieu … rejects the idea that social existence can be segmented and hierarchically organized into distinct spheres, such as the social, the cultural, and the economic.« He seeks to emphasize the »unity of social life« through an approach that combines the material and symbolic dimensions of practices.«7 Hence, the intention of Bourdieu’s approach is to overcome the constraints associated with narrow – or segmented – definitions of culture. While Bourdieu’s work has 5 For further details see Pernille Arenfeldt, »Gendered Patronage and Confessionalization: Anna of Saxony as a ›Mother of the Church‹«, in: Renæssanceforum 4 (2008), pp. 1–26. 6 See for example the contributions to Hof und Theorie. Annäherungen an ein historisches Phänomen, ed. by Reinhardt Butz, Jan Hirschbiegel and Dietmar Willoweit, Köln et al. 2004 (= Norm und Struktur 22) and to Hof und Macht. Dresdener Gespräche II zur Theorie des Hofes, ed. by Reinhardt Butz and Jan Hirschbiegel, Münster et al. 2007 (= Vita curialis. Form und Wandel höfischer Herrschaft 1). For a greater emphasis on »court culture« (as opposed to »court«), see Joachim Ehlers, »Hofkultur – Probleme und Perspektiven«, in: Luxus und Integration (see note 4), pp. 13–24. 7 David Swartz, »Bridging the Study of Culture and Religion: Pierre Bourdieu’s Political Economy of Symbolic Power«, in: Sociology of Religion 57/1. Special issue: Sociology of Culture and Sociology of Religion (Spring 1996), pp. 71–85, here: p. 73. Swartz draws here on Pierre Bourdieu, Distinction: A Social Critique of the Judgement of Taste, Cambridge 1984.
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often been employed with a view to bringing attention to the symbolic importance of practices, his insistence on the »unity of social life« is equally useful when one seeks to re-connect symbolic and representative actions to a material reality. Because the existing literature on women at the courts frequently emphasizes the symbolic and representative importance of women’s patronage, it is pertinent to also consider the equally important participation in the material reality. As a result, I will emphasize some of the daily cultural practices that had tangible material goals, but simultaneously served ideological purposes.8 In the context of this paper, the usage of a practice-oriented conception of culture implies that, rather than seeking to position women in the context of the court as a predefined political, economic, or cultural institution, the practices performed by some of the key figures at the court will serve as a point of departure. In keeping with the focus of this volume, the emphasis is on the daily practices performed by the central female figures: the female consorts. In addition to challenging the segmented conceptualization of culture, this approach can help prevent the inadvertent tendency to re-inscribe women into an anachronistically defined court and court culture (dominated by lavish luxury) and the insights that can be gained through this exercise can contribute to a refined and gender-inclusive view of everyday culture at the early modern court. This point will be elaborated in the closing discussion of the paper. Frisian Cattle, Marsh Hogs, and Acorn Pigs Shortly after the Saxon electress had informed her court mistress of the pending arrival of both Frisian cattle and other »mixed lifestock«, she wrote to Bartel Wagner, the bailiff at the electoral fief in Lochau. The Frisian cattle were currently under his authority, but Anna requested that they be brought to Dresden.9 Ten days later, Anna sent a detailed report to her mother, the Danish dowager queen Dorothea, and explained that six of the Frisian cows had arrived in Dresden. Some of the youngest cows had struggled with the journey: one had been left behind in Lüneburg, a second had been taken into care by the judge in Koßdorf (close to Torgau), and a third had remained with 8 It may be pertinent to stress that this approach does not imply a Marxist materialist approach that conceptualizes culture as a simple derivative of material life. On the contrary, it is the insistence on the unity of social life that is significant; see Swartz (see note 7), p. 73. 9 Anna of Saxony to the »Schlosser zur Locha« [Bartel Wagner], Senftenberg 5 October 1566, D-Dla, Kop. 512, fol. 143.
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the bailiff in Lochau in order to regain its strength before completing the last leg of the journey.10 She would make arrangements to have the last two brought to Dresden, while the third – in Lüneburg – would be returned safely to Dorothea’s dowager residence in Kolding.11 Although Anna made careful arrangements to have the last two cows delivered to Dresden, this did not happen. Eighteen months later, she sent a stern letter to Bartel Wagner instructing him to immediately make arrangements for the transfer of the cows and their calves. Anna scolded him for having profited from the precious cattle (that is, presumably using the milk from the two cows) during this long period of time, and reprimanded him for his negligence, which – she ensured him – would not be forgotten.12 Two and a half years later (March 1569), the Saxon electress arranged to have more Frisian cattle brought to Saxony. This time, the cattle came from Mortiz Rantzau in Holstein and, as in the example above, the acquisition was handled by Anna herself, though the »Hofrat« (councillor) Abraham Bock and the secretary Hans Jenitz were instructed to handle the payment.13 The Saxon electress did not limit her agricultural activities to cattle. Around the same time ( June 1568), she confidentially revealed to her close friend and distant relative Elisabeth of Mecklenburg that she had taken command of several farms. In conjunction with this expansion of her responsibilities, she wished to purchase »a thousand or, at the least, five hundred pigs«. She knew of no better place to search for these than in Mecklenburg and requested that Elisabeth kindly let her know if she could procure approximately a thousand »marsh hogs or acorn pigs«. The electress also inquired about the cost and, assuming that Elisabeth indeed would be able to accommodate the request, she wanted to know when she could collect them.14 During the 1570s, Anna of Saxony added Swiss, Italian, and Polish cattle to the »herd«, and acquired large numbers of other farm animals (sheep, turkeys, chicken, hens, et cetera). From the late 1570s, her responsibilities also included the wine production in Saxony. The vast correspondence of the Saxon electress contains numerous other examples that document her continuous personal involvement in all practical matters related to the agricultural and horticultural 10 Anna of Saxony to Bartel Wagner, Stolpen 16 October 1566, D-Dla, Kop. 512, fol. 151, and Anna of Saxony to Dorothea of Denmark, Stolpen 16 October 1566, D-Dla, Kop. 512, fol. 150. 11 Ibid. 12 Anna of Saxony to Bartel Wagner, Dresden 23 March 1568, D-Dla, Kop. 513, fol. 29. 13 Anna of Saxony to Abraham Bock, Dresden 23 March 1569, D-Dla, Kop. 514, fol. 19. 14 Anna of Saxony to Elisabeth of Mecklenburg, Dresden 3 June 1568, D-Dla, Kop. 513, fol. 62–63.
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production, including the recruitment and training of servants and employees at the home-farms on the electoral fiefs and in her extensive gardens,15 and the active pursuit of knowledge through personal networks and manuscripts.16
15 The electress’s involvement in agriculture is well documented in the historiography. In existing literature, the accounts provided by Karl von Weber and Johannes Falke contain the most detailed empirical overviews; see Karl von Weber, Anna, Churfürstin zu Sachsen geboren aus Königlichem Stamm zu Dänemark: Ein Lebens- und Sittenbild aus dem sechzehnten Jahrhundert, Leipzig 1865, pp. 127–162 and Johannes Falke, Die Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen in volkswirthschaftlicher Beziehung, Leipzig 1868, pp. 102–121. However, as demonstrated by Ursula Schlude and Heide Inhetveen, Falke relied on von Weber and both struggled to overcome the gender ideology of their own nineteenth-century bourgeois context. As a result, the depiction of the electress’s management is – in parts – almost condesencing and contributes to a »de-professionalization« of women’s work; see Ursula Schlude and Heide Inhetveen, »Kursachsen – agrargeschichtlich – weiblich. Ein Göttinger Forschungsprojekt über Kurfürstin Anna von Sachsen (1532–1585)«, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 74/75 (2003/2004), pp. 423–429, here: p. 427. For specific examples from the letters, see the following: regarding problems with a »dairy mistress« at the home-farm Stolberg, see Anna of Saxony to Friedrich von der Olsnitz, Dresden 11 September 1568, D-Dla, Kop. 513, fol. 113; regarding the recruitment of a new »dairy mistress«, see her letter to Olsnitz, Dresden 27 September 1578, D-Dla, Kop. 513, fol. 118; the recruitment of a gardener is addressed in the electress’s letter to Kilian Külwein, »Richter zu Leipzigk«, Annaburg 25 March 1577, D-Dla, Kop. 520, fol. 14. 16 Anna of Saxony often turned to »colleagues« for advice. The most prominent example is her request for guidance to Katharina of Brandenburg-Küstrin in the late 1560s; see von Weber (as note 15), pp. 141–142; Konrad Sturmhoefel, Kurfürstin Anna von Sachsen. Ein politisches und sittengeschichtliches Lebensbild aus dem 16. Jahrhundert, Leipzig 1905, p. 278; Ursula Schlude and Heide Inhetveen (see note 15), pp. 423–429; Ursula Schlude, »Agrarexpertin am fürstlichen Hof. Überlegungen zur Sozial- und Geschlechtergeschichte des Agrarwissens in der Frühen Neuzeit«, in: Zeitschrift fuer Agrargeschichte und Agrarsoziologie 56 (2008), pp. 33–48; and Katrin Keller, Kurfürstin Anna von Sachsen 1532–1585, Regensburg 2010, pp. 116–117. In addition, the electress’s personal library contained several titles on agriculture; for example, entry nos. 167–173 are titled, »von ackerbau vnd haushaltung«, see Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, D-Dl, Bibl.-Arch. IB, vol. 24a Nr. 62. Finally, her role in relation to the manuscript titled »Haushaltung in Vorwerken« (c. 1569) has been discussed in detail, see Haushaltung in Vorwerken. Ein Landwirtschaftliches Lehrbuch aus der Zeit des Kurfürsten August von Sachsen, ed. by Hubert Ermisch and Robert Wuttke, Leipzig 1910 and Schlude and Inhetveen’s discussion of the same in the »Forschungsbericht« listed above.
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Blue Violets, Juniper Berries, and Angelica Roots A large part of the electress’s garden was dedicated to herbs with medicinal properties and cultivated for apothecarial production. In order to facilitate the comprehensive and continual production of remedies, elaborate »Distillierhäuser« (laboratories) were built no less than four of Anna and August’s most favored residences (Annaburg, Dresden, Stolpen, and Torgau).17 In addition to the cultivation of herbs, she managed a large-scale logistic operation in order to ensure that she had sufficient supplies of the wild plants that were required. As in the case of her animal husbandry, the electress relied on an extensive network of friends, employees, local administrators, and Saxon subjects in order to maintain her apothecarial production and, as in the agricultural activities, the electress was personally involved in all phases of the process from requisition through production. From the early 1560s Anna issued large-scale annual orders for spring flowers by the local administrators throughout Saxony. In 1577 she requested, «[...] nach dem numehr die Plauen Violn vnnd hernach baldt zaucken blumblein [...] herfur kommen vnd blumen werden, dere wir eine gute notturff in vnser distillierhaus zur artznej bedurffen, Als begehren wir vnnd befhelen dir hiermitt, du wollest [...] diese verordning vnnd bestellung thuen die alle violn vnnd zauken blumblein [...] auff einen gewissen tagk zu bracht dieselben als dan durch eigene bothen [...] in saubern korben verbunden anhero schicken, Vnd d doctor Kleinen vberantworttenn lassen.«18
17 Regarding the laboratories, see Georg Sommerfeldt, »Zu den Anfängen der Kurfürstin Anna als Medizinerin«, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 45 (1924), pp. 138–144, here: pp. 140–142 and Alisha Rankin, »Becoming an expert Practitioner. Court Experimentalism and the Medical Skills of Anna of Saxony (1532–1585)«, in: Isis. Journal of the History of Science Society 98 (2007), pp. 23–53. 18 [A]s the blue violets and soon hereafter the lilies of the valley are coming forth and will flower, [and because] we have a great need for these for remedies in our distillation houses, we request and command that you will arrange for all violets and lilies of the valley to be brought to you on one given day and [that you will] send the same, bound in clean baskets, by a personal messenger and have them entrusted to Doctor Kleinin (translation by the author). Anna to the administrators at Torgau, Eilenburg, Weissenfels, Leipzig, Lieberswerda, Meissen, Dresden, Pirna, Stolpen, Radeberg, Moritzburg and Dippoldiswalde, dated Annaburg 16 March 1577, D-Dla, Kop. 520, fol. 13.
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Almost identical letters can be found from 1563, 1566, 1568, 1571, 1572, 1581, 1584, and 1585.19 When one or more of the administrators neglected the order, the electress reiterated her needs with insistence.20 Corresponding to the spring delivery of violets and lilies, juniper berries were requested in the fall. In 1583 Anna requested no less than ten bushels of fresh juniper berries from Thilo von Trotha, the electoral commander at Weida.21 The berries were to be delivered to the bailiff at Augustusburg, who was responsible for their transport to Anna’s gardener Georg Winger at Annaburg. All three steps were managed through direct instructions issued by Anna,22 and the requests for juniper berries recur the following year.23 When requesting raw materials, Anna depended on the administrative infrastructure of the territory, but the examples leave no doubt about her active participation in both the acquisition of raw materials and the production of remedies.24 Although she delegated clearly defined responsibilities for the production or distribution of a specific remedy to Katharina Kleine, Doctor Neefe, 19 See the following requests: Dresden 5 April 1563, D-Dla, Kop. 511, fol. 81; Dresden 25 February 1566, D-Dla, Kop. 512, fol. 97–98; Dresden 22 March 1568, D-Dla, Kop. 513, fol. 26; Dresden 24 February 1571, D-Dla, Kop. 515, fol. 6; Dresden 17 May 1572, D-Dla, Kop. 515, fol. 38; Dresden 13 February 1581, D-Dla, Kop. 522, fol. 107: Dresden 13 April 1584, D-Dla, Kop. 526, fol. 35; and Dresden 1 March 1585, D-Dla, Kop. 527, fol. 65. 20 Anna to administrator in Meissen, Dresden 5 April 1563, D-Dla, Kop. 511, fol. 81; and Anna to »Ambtleutte vnd Schossere« (administrators and bailiffs) at Eilenburg, Torgau, Lieberswerda, Meissen, Dresden, Pirna, Stolpen, Radeberg, Moritzburg, Dippoldiswalde, Hohnstein, Tharandt, Dresden 6 May 1585, D-Dla, Kop. 527, fol. 103. 21 Anna of Saxony to Thilo von Trotha, Klotzsche 6 October 1583, D-Dla, Kop. 525, fol. 139–140 (original pagination fol. 49–50). Similar requests were sent to von Trotha in 1581 and 1584, dated Schneeberg 16 September 1581, D-Dla, Kop. 522, fol. 157 (original pagination fol. 65) and Dresden 19 October 1584, D-Dla, Kop. 526, fol. 117. 22 The three steps that were required to obtain the delivery were: (i) the electress to Thilo von Trotha, (ii) the electress to the »Schosser« (administrator) at Augustusburg, and (iii) the electress to Georg Winger, the gardener at Annaburg. All three letters are dated Klotzscha 6 October 1583, D-Dla, Kop. 525, fol. 139–140. 23 The scale of these deliveries varied and depended on the yields of the particular year: in 1584 Trotha could only supply two (rather than ten) bushels, but the annually recurring nature of the need for juniper berries was made explicit in the communications of the same year; see Anna of Saxony to Thilo von Trotha, Dresden 19 October 1584, D-Dla, Kop. 526, fol. 117. The electress did not explicate that the juniper berries were required for remedies, but this is revealed by other instructions, see Anna of Saxony to Katharina Kleine, Borssenstein 30 July 1577, D-Dla, Kop. 520, fol. 40–41. 24 The actual production of remedies is rarely visible in the letters, presumably because it took place where Anna resided and it is therefore likely that she communicated verbally with others who were involved. This is suggested by the content of the following letter
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or the electoral apothecary,25 the vast majority of the production and the distribution – as in the case of the farms – remained under her personal control. The demands on the consort were greatly amplified when the territory was affected by the plague. In the fall of 1566, Anna thanked the forester at Hohnstein for a large delivery of berries, leaves and roots. In the same letter, she instructed him to send – in great haste – baskets full of »Angelica wurtz, Steinwurtz od Engelsüsswurtz, Swalmen wurtzel vnd Meister wurtzel«.26 All of the plants mentioned were recognized as effective remedies against the plague27 and the urgency with which Anna needed the roots at Stolpen was presumably due to the outbreak, which is continually present in her correspondence during the fall of 1566.28 During the previous year (1565), several German territories were afflicted by an epidemic and, when Mecklenburg was affected, Elisabeth asked for Anna’s help. Anna consulted with the physician Johann Neefe who provided »ein gantzen bericht wie man sich in solchen leuften halten soll«.29 In accordance
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Anna of Saxony wrote to Johann Jacob von Khuen-Belasy, Archbishop of Salzburg in 1573, Dresden 7 March 1573, D-Dla, Kop. 517, fol. 22–23. See for example Anna of Saxony to Katharina Kleine, Borssenstein 2 August 1577, D-Dla, Kop. 520, fol. 41; Vienna 18 February 1572, D-Dla Kop. 515, fol. 33, and Borssenstein 30 July 1577, D-Dla Kop. 520, fol. 40–41. One of the electress’s instructions to the apothecary appear in her letter to Andreas Peißker, Weissenfels 5 November 1583, D-Dla, Kop. 525, fol. 149–150 (original pagination fol. 59–60). An example of her instructions to Johann Neefe appears in Anna’s letter to him dated Sitzenroda 11 December 1572, D-Dla, Kop. 515, fol. 71. Angelica root, Agrimony, Hog’s fennel and/or Masterwort, Anna to Nickel Müller, the forester at Hohnstein, without date (Senftenberg between 18 September and 5 October 1566), D-Dla, Kop. 512, fol. 142. Sommerfeldt (see note 17), pp. 139–140. Anna of Saxony to Agnes of Solms, Senftenberg 10 October 1566, D-Dla, Kop. 512, fol. 146. See also the more detailed account of the epidemic and its spread throughout Saxony in the electress’s letter to Elisabeth of Mecklenburg, Stolpen 21 October 1566, D-Dla, Kop. 512, fol. 151–152; Anna of Saxony to Dorothea of Denmark, Stolpen 2 November 1566, D-Dla, Loc. 8501/5, fol. 334. Regarding the epidemics of the 1560s, see Edward A. Eckert, The Structure of Plagues and Pestilences in Early Modern Europe. Central Europe, 1560–1640, Basel 1996, pp. 78–86. A full account of how one is to behave is such a pandemic, the sentence above is quoted from Anna of Saxony’s letter to Elisabeth of Mecklenburg, Dresden 6 March 1565, DDla, Kop. 512, fol. 9–10. However, a printed (and later) version of the same »bericht« is listed as entry no. 192 in the inventory of electress’s library, »Ein bericht wie man sich in sterben leuffen halten sol durch Johan Neffen dresden 66. 4° schwartz leder vergult mit gelbe benden«, D-Dl, Bibl.-Arch. IB vol. 24 a Nr. 62. This is Johann Neeffen, Ein kurtzer Bericht: Wie man sich in denen itzo vorstehenden Sterbensleufften mit der Praeservation oder Vorwahrungen […] verhalten soll, Dresden 1566, VD16 N 40. In VD16 the author
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with Doctor Neefe’s recommendations, the electress sent Elisabeth a portion of the electuary he had prescribed, the recipe for the same, and a »schechtlein voller vnsers gifftpuluers«.30 Assuming that the duchess would need more of the powder, Anna explained that the main ingredient was Agrimony or, alternatively, Angelica. Agrimony, she explained, usually grows in rocky soil, is yellow on the inside, has thick hard leaves and tastes sweet. She was convinced that Elisabeth could easily obtain this.31 The straightforward manner with which Anna explained the composition of the powder reveals that the duchess, at least in Anna’s estimation, had the skills that were required for the prompt production of more »Giftpulver« and that she was expected to provide remedies for a larger number of people. A decade later (1577), the plague again raged in Saxony.32 This time the area around Anna’s newly built castle Annaburg in her dowager fief was hit particularly hard. From September until November the »Schlosser« (administrator) at Annaburg sent frequent reports concerning the rising death tolls to Anna33 and, from the early stages of the outbreak, the electress admonished him to make sure that »die artznej so wir verordnen lassen vleissig gebrauch«.34 These are but a few examples from the electress’ correspondence. However, they suffice to illustrate the intensely practical nature of courtly life and the ways in which practical concerns are reflected in the practices performed by high-ranking women at the courts. The consorts’ daily lives were to a great
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appears in the Latinized form »Naeve« (see Pernille Arenfeldt, »Wissensproduktion und Wissensverbreitung im 16. Jahrhundert. Fürstinnen als Mittlerinnen von Wissenstraditionen«, in: Historische Anthropologie 20/1 (2012), pp. 4–29 for further analysis of this title and Anna of Saxony’s role in its publication). Regarding the identification of this epidemic as bubonic plague, see Eckert (note 28), pp. 78–86. Small box filled with our powder against the poison, Anna of Saxony to Elisabeth of Mecklenburg, Dresden 6 March 1565, D-Dla, Kop. 512, fol. 9–10. The electress’s »powder against the poison« could be used as both a prophylactic and a cure and the letter contained detailed instructions about the different usages. Anna of Saxony to Elisabeth of Mecklenburg, Dresden 6 March 1565, D-Dla, Kop. 512, fol. 9–10. According to Eckert (see note 28), pp. 87–93, this too was an outbreak of the bubonic plague. The impact of the plague is addressed in the electress’s letters to various local administrators, dated 20 September-25 November 1577, D-Dla, Kop. 520, fol. 47, 48, 49, 50, and 54, dated September-November 1577. See also her earlier letter, dated Mühlberg 27 August 1575, to Elisabeth of Mecklenburg in which she explains that all servants have been evacuated from Annaburg because of the »bose Fieber vnd Hauptkranckheit«. The remedies we have prescribed are used assiduously, Anna of Saxony to the bailiff at Annaburg, Glücksburg 20/26 September 1577, D-Dla, Kop. 520, fol. 47–48.
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extend structured by the practical tasks that enabled them to fulfill the responsibilities associated with their office and by the seasonal cycles on which the same tasks depended (for example, the availability of plants and seasonal requirements associated with farming). Gendered Practices and Court Culture The women’s involvement in agricultural production and in health care were integral – and closely interrelated – components of their gendered responsibilities in the early modern society and shaped the court culture in profound ways.35 Although they often struggled to overcome the gender ideology of their own bourgeois context,36 the nineteenth-century biographers of the Saxon electress rightly stressed both her agricultural and her apothecarial activities.37 Having proved her competence during the 1560s and 1570s, von Weber noted that Anna acquired full control of all home-farms at the electoral fiefs from 1577 or 1578.38 In light of the emphasis in the biographical literature, the examples presented above should not be surprising. However, it is rarely the daily involvement with livestock that first comes to mind when one makes reference to a female consort and court culture, and Anna of Saxony’s strong commitment to medicine and health remedies and her elaborate agricultural activities
35 The interdependency between the two components appears from the taxonomy of knowledge that structures the library inventory of the electoral library; the section of the library titled, »Gartenbuchlein, Feldbaw vnnd Haushaltung« (Gardening Books, Agriculture, and Oeconomia) also contains recipes for »herbal wines«, see D-Dl, Bibl.Arch. IBa vol. 20 (1574) Nr. 19, fol. 69–72. 36 Schlude and Inhetveen (see note 15), p. 427 37 See for example von Weber (see note 15), Falke (see note 15), Sturmhoefel (see note 16). 38 Von Weber (see note 15), p. 143. The home-farm Ostra had been under the electress’s management since shortly after her husband’s succession as Elector of Saxony in 1553 and during the late 1560s she was granted responsibilities for additional farms, von Weber (see note 15), p. 139. As a reflection of the increased responsibilities from the late 1560s, one finds a separate set of letter books dedicated solely to agricultural management in the electress’s name developed from 1568, see »Copiale In Forwerkssachen« from 1568–1572 and Abraham von Thumbshirn was appointed as Anna’s »Hofmeister und oberster Verwalter der Vorwerke« (Court master and highest administrator of the home-farms), see Schlude and Inhetveen (see note 15), p. 426. The chronology presented by von Weber regarding the gradual increase in the electress’s activities reappears in the existing literature, see for example Falke (see note 15), pp. 102–111 and Keller (see note 16), pp. 115–117.
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have often been presented as something exceptional.39 Certainly, her interest and competence in both fields are well documented and she was frequently approached by relatives, friends and subjects for advice or with requests for a specific mixture. However, one can find innumerable parallels between the Saxon electress and other high-ranking women. In the apothecarial activities Anna collaborated closely with Dorothea of Mansfeld, Anna of Hohenlohe and her daughter-in-law, Sabina of Hessen-Kassel, and Anna of Bavaria. And, as the examples discussed above reveal, the electress also assumed that Elisabeth of Mecklenburg had the knowledge and experience that would enable to produce the required remedies on the basis of her and Doctor Neefe’s brief written instructions. Similarly, with regard to agricultural production, Elisabeth of Mecklenburg was viewed as a reliable supplier of swine, while the dowager queen in Denmark generously sent Frisian cattle. Queen Sophia of Denmark (daughter of Elisabeth of Mecklenburg) was also actively involved in the management of her dowager fief at Nykøbing Falster,40 and the Saxon electress first turned to a another female consort, namely Katharina von Brandenburg-Küstrin, for written advice on the employment conditions of servants and the management of crops, cattle, and sheep, and everything else related to »Haushaltung« (agricultural production) when her responsibilities expanded in 1568.41 In a recent discussion, Ursula Schlude suggests that similar involvement of the female consorts was visible in Ansbach, Munich, Stuttgart, Kassel, Braunschweig, Copenhagen, Stettin, and Königsberg.42 In the introduction, I stressed that the cultural practices associated with animal husbandry, gardening, and the collection of wild herbs had both economic/material and political significance. In the study of early modern courts, one often finds references to exotic animals and their representative 39 Most recently, the extraordinary nature of Anna of Saxony’s involvement has been reiterated by Keller (see note 16), pp. 119–120. 40 The »Kopibøger« (letter books) from Queen Sophie’s dowager fief, 1588–1617 contain numerous examples that document her involvement; see for example the dowager queen’s request to Claus Glambek for twenty for of »the best and most beautiful dairy cows« that are at Halsted, sent from Kronborg 1 October 1588 (p. 17–18); the letter to Knut Urne regarding the six cows she granted him for his household with instructions to sell the calves they have had and account for the income, sent from Nykøbing 27 May 1598 (p. 228); and instructions to Knut Urne regarding the greater number of cattle and swine in her household that requires the recruitment of additional servants, Nykøbing 22 September 1595 (p. 179) in Frederik II’s Enke Dronning Sophies Kopibøger 1588–1617, ed. by Svend Thomsen, Selskabet for Udgivelse af Kilder til Dansk Historie, Copenhagen 1937, pp. 17–18, p. 179, and p. 228. 41 Von Weber (see note 15), pp. 141–142 and Ursula Schlude (see note 16), pp. 46–47. 42 Schlude (see note 16), pp. 33–48.
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roles in the context of the court culture.43 The consorts’ active involvement in animal husbandry should not be confused or conflated with this phenomenon. While the female consorts’ agricultural activities did have symbolic importance, the goal was not merely to assemble an impressive herd. Rather, the animals were prudently managed with a view to both breeding and providing a stable dairy production. The dairy production was partly for consumption and, as the electress’s instruction to her court mistress regarding the accountability of the »dairy mistress« reveals, partly for income generation. Reflecting the early modern »domain economy«, the income was substantial and considered important:44 according to Sturmhoefel, the income from Ostra home-farm and the garden in Dresden alone amounted to almost 1,550 Guilders in 1568,45 though much smaller amounts, as for example the purchase of manure for six Guilders in 1574 and an income of six Florins and 9 Groschen for cheese produced from sheep’s milk in 1580, were also carefully noted46 (as a point of comparison, a milk-maid was paid about five Guilders per year).47 Reflecting the importance of the income, the electress negotiated and re-negotiated contracts with subjects and merchants to obtain favorable conditions for the sales of dairy products and other yields.48 Similarly, the goal of the apothecarial production was not only to impress relatives with knowledge of arcane recipes; the regularity of the production as well as the urgency with which additional remedies were produced during the outbreaks of epidemics highlight that the key purpose was to save lives and alleviate pain. By virtue of her specific position within the court, the territory and the dynasties, a female consort had access to both the knowledge and, through the logistic support provided by the administrative infrastructure across the 43 See for example Inge Auerbach’s account of the exchanges of exotic animals between princes, Inge Auerbach, »Lebendige Tiere als fürstliche Geschenke im 16. und 17. Jahrhundert«, in: Jahrbuch für Volkskunde, Neue Folge 25 (2002), pp. 161–188. 44 See Rainer A. Müller’s discussion of the »Political Testament« by Melchior von Osse, one of the most prominent figures at the Saxon court until his death in 1557, and its emphasis on the household management, Rainer A. Müller, »Die Oeconomia ist ein Monarchia. Der (deutsche) Fürstenhof der Frühmoderne als Objekt der Hausväter- und Regimentsliteratur«, in: Hof und Theorie (see note 6), pp. 145–163, here: pp. 156–157. 45 Sturmhoefel (see note 16), p. 276 and Keller (see note 16), p. 118. 46 Von Weber (see note 15), pp. 132 and 146–147. See also the detailed instructions from the electress to Hans von Auerswald regarding the exact conditions for the sale of butter and cheese, dated Sitzenroda 13 July 1568, D-Dla, Kop. 513, fol. 85–87. 47 Von Weber (see note 15), p. 148. 48 Ibid, p. 147, Falke (see note 15), p. 104 and Keller (see note 16), p. 118.
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territory as well as her dynastic network, the resources that enabled her to embody the perfect – that is, the industrious, prudent, benevolent – »mother of the house« as defined in the »Hausvaterliteratur« (Oeconomia literature/house manuals). In this respect, the symbolic (political and religious) significance of these seemingly mundane activities should not be underestimated. However, this symbolic importance is profoundly different from the one associated with exoticism and splendor that generally is emphasized in conjunction with court culture. In this case, the purpose was not to mark an unbridgeable divide in terms of material and cultural logics between rulers and ruled. On the contrary, the goal was to serve as a worthy role model that could be emulated by the subjects. As a result of the material divide (that may be viewed as a function of political distinctions), actual emulation by the subjects remained impossible. This meant that the practices – however mundane they may seem to the reader in the twenty-first century – did constitute performances of status and confirmations of hierarchies. However, an emulation of the virtues that were signified by the same practices remained possible and, as highlighted in the normative literature, it was intended.49 Rather than suggesting that the material purpose was more important that the symbolic significance of the practices (or vice-versa), I would like to return to Bourdieu’s insistence on the unity of social life. According to Bourdieu, all practices are »interested«, that is, aimed at particular material or symbolic goals.50 However, and as it appears in the case of the consorts’ daily practices (and as also emphasized by Bourdieu on the theoretical level) the material and the symbolic interests were intrinsically linked; the significance of the one de49 This is very pronounced in a treatise on female virtues published by the Protestant theologian Joachim Magdeburg (1525–after 1587); the text contains striking similarities to the widely circulated household and marriage manuals and, although Magdeburg lists virtues that are specific to noble/princely women, he emphasizes twenty virtues that all women should aspire towards; see Joachim Magdeburg, Die ware und in Gottes wort gegründte Lere 1. Vom rechten Adel der Fürstinnen, und aller erbarn Matronen, und tugetsamen Ehefrawen. 2. Von allen nötigsten stücken, den heiligen Ehestand belangend 3. Von christlicher Haushaltung und Narung, Eisleben: Gaubisch 1563, Herzog August Bibliothek, D-W, A: 1003.6 Theol.(4), here especially pp. B2–B5(7). See also Jill Bepler, »Women in German Funeral Sermons: Models of Virtue or Slice of Life?«, in: German Life and Letters 44/5 (1991), pp. 392–403 and Rainer A. Müller, »Die Oeconomia ist ein Monarchia. Der (deutsche) Fürstenhof der Frühmoderne als Objekt der Hausväter- und Regimentsliteratur«, in: Hof und Theorie (see note 6), pp. 145–163. 50 Pierre Bourdieu, Outline of a Theory of Practice, Cambridge 1977, p. 178; Pierre Bourdieu, The Logic of Practice, Stanford 1990, p. 209. See also David Swartz’s discussion in Bridging the Study of Culture and Religion (see note 7), especially pp. 74–75.
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pended on the other, and both granted significance to the daily activities of the consorts. Equally important, both contributed to the foundation upon which the consort’s authority rested. In the historiography on early modern courts, one encounters numerous examples of the ways in which symbolic (political-representative) interests ran counter to material interests. The emphasis on conspicuous consumption and its devastating economic consequences for the court, the territory, and the families that participated in the competition for status has been a recurring topos since the Enlightenment.51 While the demonstrative display of wealth may capture a central characteristic of the culture at the European baroque courts, it is misleading when attempting to develop an understanding of life at the Protestant courts in Northern Germany during the sixteenth century. In this context, it is more helpful to rely on the pre-Enlightenment meaning of the term »culture/cultura« that referred to cultivation. As highlighted by Raymond Williams, »until the eighteenth century [culture] was still a noun of process: the culture of something – crops, animals, minds.« And, because of this link to the cultivation of crops and animals, it was obviously inseparable from the concept of »economy/oeconomia«, that is, the management of a household and a community.52 This brief analysis and discussion of selected daily practices performed by the Saxon electress, a female consort at one of the most prominent German courts during the sixteenth century, brings attention to the ways in which a combination of a gender perspective and a practice-oriented approach can contribute to a reconsideration of the »court« and »culture«. The court did not have fixed boundaries and the »culture« did not exist in separation from other domains of life. Both concepts have often been defined in ways that have impeded a systematic engagement with everyday life and perpetuated the fascination with courtly ceremonial and conspicuous consumption as articulated during the Enlightenment. 51 See for example the account provided in Zedler’s general encyclopedia (Universal-Lexicon, published 1732–1750) in which the court is compared to a »stage set« as discussed in Reinhardt Butz and Lars-Arne Dannenberg, »Überlegungen zur Theoriebildungen des Hofes«, in: Hof und Theorie (see note 6), pp. 1–42, here: p. 3. See also Norbert Elias’ classic study The Court Society (New York 1983, first German edition 1969) and the discussions by Jeroen Duindam, Myths of Power. Norbert Elias and the Early Modern European Court, Amsterdam 1995 and Jeroen Duindam, »Norbert Elias und der frühneuzeitliche Hof – Versuch einer Kritik und Weiterführung«, in: Historische Anthropologie 6/3 (1998), pp. 370–387. 52 See Raymond Williams’ insightful discussion of »culture« in Marxism and Literature, Oxford 1977, pp. 11–20, here pp. 11–13. Rainer A. Müller echoes this in »Die Oeconomia ist ein Monarchia. Der (deutsche) Fürstenhof der Frühmoderne als Objekt der Hausväter- und Regimentsliteratur«, in: Hof und Theorie (see note 6), pp. 145–163.
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Moreover, the political activities that unfolded at the court conditioned the historiography (at least until a few decades ago) by an implicitly male-gendered perspective. The political was anachronistically perceived as the exclusive domain of men, thereby obscuring the importance of both the oikos and the dynasties (and women’s central positions within both) as institutions that were part and parcel of and/or closely linked to the court and, as a result, contributed to a malegendered definition of the court and the court culture. If one departs from this definition of the court and the court culture when seeking to understand how women lived and shaped the same, one is in fact trying to insert women into the very parts of the court culture in which they were least present and, as a result, the women may very well appear as marginal figures. However, the same is likely to happen to the men at the court, if one departs from the sources produced by women and the gendered practices they performed. Hence, the prevailing definitions have led to a continued underestimation of women’s daily contributions in terms of intrinsically linked material and ideological interests. As pointed out by Heide Wunder, »the ruling couple [in early modern Germany] regarded itself as an ›office-holding couple‹, as the father and mother of the land – analogous to the position of the master and mistress of the house.«53 Corresponding to this, princely women did – as their male counterparts – actively and often successfully pursue both material and symbolic interests that served the collective benefit of the courts, the dynasties, and the territories. However, their economic and political responsibilities differed from those of men’s and, as a result, cannot be adequately grasped unless the women’s daily activities are the focus of attention. When this is the case, the anachronistic and implicitly gendered definitions of court and culture can be overcome and the women’s very real and significant contributions (that is, cultural contributions as in having both economic and symbolic importance) through which the consorts acquired power and were able to obtain/maintain recognition as authorities become visible. While the splendor of the courts and the scale of most courtly activities – including animal husbandry and apothecarial production – were impressive, the daily life at the court was intensely practical and the court culture was dominated by the prudent management of a vast and, in many respects, self-sufficient household. As a result of both material need and moral responsibility, meticulous attention was necessary to ensure that a single Frisian cow left behind in Lüneburg was safely returned to the Danish dowager queen.
53 Heide Wunder, He is the Sun, She is the Moon: Women in Early Modern Germany, Cambridge 1998 (first German edition 1992), p. 162.
Ute Küppers-Braun
»Il n’y a rien de Si agreable que d’etre Sa propre maitresse« Äbtissinnen als Fürstinnen des Reiches
Als Johanna Felicitas Maria Walburga Gräfin von Manderscheid-Blankenheim – sie selbst nennt sich kurz Jeannette – 1772 im Alter von 19 Jahren im Reichsstift Elten zur Koadjutorin der Fürstäbtissin gewählt werden sollte, schrieb sie ihrer verheirateten Schwester Augusta Gräfin von Sternberg nach Prag: »[...] je suis enthousiasmée de ma Coadjutrice, il n’y a rien de Si agreable que d’etre Sa propre maitresse«. Es sei weitaus besser, als »vierge et martire« zu sterben, als eine schlechte oder mittelmäßige Ehe einzugehen, z. B. mit dem Prinzen von Hohenlohe, dem Grafen von Montfort oder einem Grafen von Öttingen. Sie träume davon, mit Schwester und Schwager im Schatten der von ihr gesäten Tannen in Elten, ihrem »empire future«, zu flanieren.1 Ganz anders beurteilte Friedrich Wilhelm I. in Preußen solch eine Position; er sah darin keineswegs die Chance einer Frau, »sa propre maitresse« zu sein. Anlässlich der Geburt seiner sechsten Tochter schrieb er 1720 an den Fürsten von Anhalt-Dessau: »[...] man muss sie versauffen oder Nonnen daraus machen, menner kriegen sie nit alle«.2 Ähnlich beurteilte auch 1 Narodni-Museum Prag, Archiv, Bestand Sternberg-Manderscheid, Karton [Film] 58, fol. 51–24 (Köln, 1772 April 13) und fol. 3–6 (Essen, 1774 Juni 20), Verfilmung im LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum, Abtei Brauweiler, in Pulheim. Ausführlich zu dieser Wahl im Jahre 1772 und ihrer späteren Resignation Ute Küppers– Braun, Frauen des hohen Adels im kaiserlich-freiweltlichen Damenstift Essen (1605–1803). Eine verfassungs- und sozialgeschichtliche Studie. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Stifte Thorn, Elten, Vreden und St. Ursula in Köln, Münster 1997 (= Quellen und Studien. Veröffentlichungen des Instituts für kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen, Bd. 8), S. 259–262. Weitere Quellen zu dieser umstrittenen Wahl liegen im Bistumsarchiv Münster, Pfarrarchiv St. Martinus [Elten] A 37: Kapitelsprotokoll 1710–1778 (ohne Paginierung). Ich danke Herrn Dr. Volker Tschuschke, Vreden/Borken, nicht nur für diesen Hinweis; er hat diesen Beitrag tatkräftig unterstützt, indem er mir in äußerst großzügiger und uneigennütziger Weise eigene Quellenfunde und weiterführende Literatur zur Verfügung stellte. 2 Zit. nach: Teresa Schröder, »›[…] man muss sie versaufen oder Nonnen daraus machen, Menner kriegen sie nit alle […]‹, Die Reichsstifte Herford und Quedlinburg im Kontext dynastischer Politik«, in: Genealogisches Bewusstsein als Legitimation. Inter-
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der Mediävist Heinrich Fichtenau die Aufgabe der freiweltlichen Damenstifte, die gegründet worden seien, um dort »überzählige Töchter des Adels zu deponieren.«3 Doch da die eingangs zitierte Jeannette wusste, was sie im Stift erwartete, lohnt es sich, einmal genauer hinzusehen, welche Chancen mit dem Amt einer Fürstäbtissin verbunden waren. Zunächst gilt es den Rahmen abzustecken. Jeannette’s »empire future« war eines der kleinsten Reichsstifte, in denen eine Frau – ins Amt der Äbtissin gewählt – zur Fürstin des Reiches aufsteigen konnte. Auf katholischer Seite boten sich dafür neben Elten4 die kaiserlichfreiweltlichen Damenstifte in Essen, Thorn in der Nähe von Roermond in den heutigen Niederlanden und in Schwaben Buchau am Federsee an;5 für lutherische Frauen empfahlen sich Gandersheim6 und Quedlinburg7 und für reformierte die Reichsabtei Herford8. In allen sieben Reichsstiften9 wurden in
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und intragenerationelle Auseinandersetzungen sowie die Bedeutung von Verwandtschaft bei Amtswechseln, hrsg. von Hartwin Brandt, Katrin Köhler und Ulrike Siewert, Bamberg 2009, S. 225–250, hier: S. 225. Digitalisiert abrufbar unter http://www.opus-bayern.de/ uni-bamberg/ [Zugriff 25.09.2010]. Heinrich Fichtenau, Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts. Studien über Denkart und Existenz im einstigen Karolingerreich, Stuttgart 1984, Nachdruck München 1992, S. 305 f. John Thoben, Urkundenregesten Stift Elten, hrsg. vom Emmericher Geschichtsverein, Emmerich u. a. 2007. Zu diesen Stiften mit ausführlichen Literaturangaben Ute Küppers-Braun, »Zur Sozialgeschichte katholischer Hochadelsstifte im Nordwesten des Alten Reiches im 17. und 18. Jahrhundert«, in: Studien zum Kanonissenstift, hrsg. von Irene Crusius. (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 167, Studien zur Germania Sacra, Bd. 24), Göttingen 2001, S. 349–394. Vgl. den Sammelband Gandersheim und Essen. Vergleichende Untersuchungen zu sächsischen Frauenstiften, hrsg. von Martin Hoernes und Hedwig Röckelein (= Essener Forschungen zum Frauenstift, Bd. 4), Essen 2006 (mit der älteren Literatur). Vgl. den Sammelband Kayserlich – frey – weltlich. Das Reichsstift Quedlinburg im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Clemens Bley unter Mitarbeit von Werner Freitag (= Studien zur Landesgeschichte, Bd. 21), Halle (Saale) 2009. Vgl. u. a. Helge Bei der Wieden, »Die Äbtissinnen der Reichsabtei Herford in der Neuzeit«, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 2000, Bielefeld 1999, S. 31–54; ders., »Die Dekanessen und Koadjutorinnen der Reichsabtei Herford in der Neuzeit«, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 103 (2007), S. 109–130; ders., »Die konfessionellen Verhältnisse in der Reichsabtei Herford«, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte 102 (2004), S. 267–279; Thorsten Heese, »Trägerinnen und Träger des Herforder Damenstiftsordens«, in: Beiträge zur westfälischen Familienforschung 51 (1993), S. 225–249. Die ebenfalls hochadelig besetzten Stifte St. Ursula in Köln und St. Felicitas in Vreden im westlichen Münsterland werden hier nur peripher berücksichtigt, da die dortigen Äbtissinnen nicht gefürstet waren.
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der Frühen Neuzeit nur Frauen des hohen Adels, also Reichsgräfinnen und Prinzessinnen, aufgenommen, die zuvor ihre Abstammung von gleichrangigen Standesgenossen und -genossinnen bewiesen hatten.10 Dabei möchte ich mich auf drei Bereiche des höfischen Lebens einer Fürstäbtissin beschränken: 1. Möglichkeiten politischen Handelns; 2. wirtschaftliche Grundlagen; 3. ständisch-gesellschaftliche und kulturelle Aspekte. Möglichkeiten politischen Handelns11 Anders als weltliche Fürsten, bei denen in der Regel die Nachfolge durch die Geburt geregelt war, wurden geistliche Fürsten und Fürstinnen in ihr Amt gewählt. Wahlberechtigt waren die jeweiligen Stiftskapitel (hochadelige Stiftsdamen und bürgerliche Kanoniker), deren Zahl von Stift zu Stift stark variierte.12 In einer Wahlkapitulation hatte die Gewählte sich schriftlich zu verpflichten, die vorher verabredeten Vorgaben einzuhalten, z. B. die Rechte des Kapitels zu wahren und von abteilichem und/oder stiftischem Besitz nichts zu veräußern. Nachdem der Papst sie als rechtmäßig gewählte oder postulierte Äbtissin des jeweiligen Stifts bestätigt hatte, verlieh der Kaiser ihr als Fürstin des Reiches die Regalien zur Ausübung der weltlichen Macht.13 Auf diese Weise errang die neue Fürstäbtissin in geistlicher Hinsicht eine 10 Ausführlich dazu Küppers-Braun, Frauen (wie Anm. 1), S. 52–60, 275–302; dies., »Kanonissin, Dechantin, Pröpstin und Äbtissin – Quedlinburger Stiftsdamen nach der Reformation«, in: Kayserlich – frey – weltlich (wie Anm. 7), S. 30–104; zur Prosopographie der Gandersheimer Stiftsdamen vgl. Hans Goetting, Das reichsunmittelbare Kanonissenstift Gandersheim, Berlin/New York 1973 (= Germania Sacra N. F., Bd. 7: Das Bistum Hildesheim, Bd. 1). 11 Politisch soll hier nicht im kulturwissenschaftlichen Sinne verstanden werden, sondern meint den engen verfassungsrechtlichen Rahmen, den auch Matthias Schnettger beschrieben hat. Zu den verschiedenen Ansätzen vgl. z. B. Barbara Stolberg-Rilinger, »Einleitung: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?«, in: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, hrsg. von Barbara Stolberg Rilinger (= Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 35), Berlin 2005, S. 9–24; Matthias Schnettger, »Weibliche Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Einige Beobachtungen aus verfassungs- und politikgeschichtlicher Sicht«, in: zeitenblicke 8 (2009, Nr. 2), abrufbar unter http://www.zeitenblicke. de/2009/2/schnettger. [Zugriff 14.02.2011]. 12 Zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten dieser Stifte (auch hinsichtlich der Zahl der Präbenden) vgl. Küppers-Braun, »Sozialgeschichte« (wie Anm. 5). 13 Für Quedlinburg sind die Urkunden gedruckt in Antiquitates Qvedlinburgenses, Oder Keyserliche Diplomata, PÄbstliche Bullen und andere Uhrkunden […] Aus den Abteylichen und Pröbsteylichen Archiv, hrsg. von Friedrich Wilhelm Kettner. Leipzig 1712, passim.
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quasi-episkopale14 Position und hatte im weltlichen Bereich das Recht auf Steuererhebung, Münzprägung, Zölle, Jurisdiktion, Bergregal und Judengeleit. In der Funktion einer Fürstin des Reiches hatten die Äbtissinnen von Essen, Buchau, Quedlinburg, Herford, Gandersheim und Thorn bei Reichsversammlungen Sitz und Stimme auf der Rheinischen Prälatenbank, dem Kollegium der nichtfürstlichen Geistlichen auf dem Reichstag.15 Die Mitglieder dieser Bank hatten allerdings alle zusammen nur eine gemeinschaftliche Kuriatstimme. Immerhin wurde diese im Jahre 1792 mehrheitlich von Frauen bestimmt, da sie zehn von 19 Prälaturen stellten.16 Im 16. Jahrhundert soll die Essener Fürstäbtissin Sibylla von MontfortRothenfels (1534–1551) mehrmals in eigener Person zum Reichstag nach Regensburg gefahren sein.17 Dass sie dort auftrat, ist wohl eher unwahrscheinlich. Die späte Quelle, die davon berichtet, ist deswegen auch weniger ein Beweis für die Richtigkeit der Aussage als ein Hinweis auf die Wertschätzung und Hochachtung des Amtes der Fürstäbtissin im 18. Jahrhundert. Obwohl alle Stiftskapitel versuchten, ihrer zu wählenden Äbtissin den Handlungsrahmen vorzugeben, hatten diejenigen, die es wollten, genügend eigene Gestaltungsmöglichkeiten, zumal Papst Innozenz XII. 1695 mit der 14 Vgl. Michael Freiherr von Fürstenberg, »Ordinaria loci« oder »Monstrum Westphaliae«? Zur kirchlichen Rechtsstellung der Äbtissin von Herford im europäischen Vergleich. Paderborn 1995; ders.: »Die kirchenrechtliche Stellung der Äbtissin von Elten. Eine Entwicklung zur quasibischöflichen Jurisdiktion«, in: Liber amicorum Raphaël de Smedt. 3: Historia, ed. Jacques Paviot, Leuven 2001 (= Miscellanea Neerlandica, Bd. XXV), S. 23–29. 15 Zur Teilnahme der Fürstäbtissinnen an den Reichsversammlungen vgl. Ute KüppersBraun, »Dynastisches Handeln von Frauen in der Frühen Neuzeit«, in: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht, hrsg. von Heide Wunder, Berlin 2002 (= Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 28), S. 221–238, insbes. 223 ff. 16 Die Reichsversammlung setzte sich zusammen aus 1. dem Kurfürstenkolleg (8 bzw. 9 Kurfürsten), 2. dem Reichsfürstenrat, dessen Mitglieder getrennt saßen auf der a) Geistlichen Bank (37 Mitglieder inklusive der Schwäbischen Prälaten [36. Stimme] und der Rheinischen Prälaten [37.]) und b) der Weltlichen Bank (63 Mitglieder, von denen die 60–63 ebenfalls Kuriatstimmen inne hatten, Wetterauische, Schwäbische, Fränkische und Westfälische Grafen); das Kollegium der Städte teilte sich ebenfalls in die Rheinische und Schwäbische Bank. Vgl. dazu die ausführliche Übersicht in Gerhard Köbler, Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien und reichsunmittelbaren Geschlechter vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 7. vollständig überarbeitete Auflage, München 2007, Einleitung. 17 Auch zum Folgenden Ute Küppers-Braun, »Katholisch – lutherisch – calvinistisch – katholisch. Stift Essen im Zeitalter der Konfessionalisierung«, in: Frauenkonvente im Zeitalter der Konfessionalisierung, hrsg. von Ute Küppers-Braun und Thomas Schilp (= Essener Forschungen zum Frauenstift, Bd. 8), Essen 2010, S. 19–47, hier: S. 30.
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Konstitution »Ecclesiae catholicae« alle Wahlkapitulationen für ungültig erklärte.18 Nur selten äußerte eine Anwärterin selbst, dass sie ein solches Amt anstrebe. Eine Ausnahme bildete Maria Franziska von Truchsess-Waldburg (1630–1693), die ihrem Bruder 1689 mitteilte, »ich gebe nit so an Daglicht, daß ich gern Reichsfürstin wär«.19 Allerdings – im Gegensatz zu ihr selbst – hielten die Essener Wählerinnen und Wähler sie für dieses Amt wenig geeignet. Sie erreichte ihr Ziel im Stift Buchau erst 1692, ein Jahr vor ihrem Tod. Ganz entgegengesetzt verhielt sich Luise Albertine Prinzessin von Schwarzburg-Sondershausen, die sich 1739 im Hinblick auf die Besetzung des Äbtissinnenamtes in Quedlinburg dahingehend äußerte, »sie möchte ihre Theils nicht einst wünschen, Abbatissin zu sein«, da sie an der amtierenden Fürstäbtissin, die klug und standhaft sei, sehe, welche Sorgen ihr die Leitung des Stifts bereite.20 Wie der fürstabteiliche Handlungsrahmen ausgefüllt wurde, war immer von der jeweiligen Herrscherin abhängig. Katharina von Spaur, Fürstäbtissin in Buchau, mischte sich gar in der Weise in die große Politik ein, dass sie persönlich nach Wien fuhr, um dem Kaiser einen Vorschlag zur Ermordung Wallensteins zu unterbreiten.21 Auch ihre Schwester, Maria Clara von Spaur, die in ihren Stiften Essen, Metelen und Nottuln äußerst rigide gegen die Protestanten vorging und zur Durchsetzung ihrer Religionsordnungen sogar spanische Truppen zu Hilfe rief, hatte genügend Selbstbewusstsein, den Kaiser in einem Handschreiben zu bitten, ihr zum Zwecke der Rekatholisierung auch noch die Reichsstifte Herford und/oder Gandersheim zu übertragen.22 Die Thorner (1645–1690), später Essener (1690–1691) Fürstäbtissin Anna Salome von Manderscheid-Blankenheim (1628–1691) wandte sich in den 60er Jahren persönlich an den Reichstag in Regensburg, um ihr Stift vor Schaden 18 Vgl. auch Hans-Jürgen Becker, Art. »Wahlkapitulation«, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 5, Berlin 1994, S. 1086–1089. 19 Auch zum Folgenden: Ute Küppers-Braun, »›undt wollte tausendmahl lieber zu Buchaw sein‹. Selbstverständnis und Frömmigkeit hochadeliger Frauen in den Damenstiften Nordwestdeutschlands«, in: Adelige Damenstifte Oberschwabens in der Frühen Neuzeit. Selbstverständnis, Spielräume, Alltag, hrsg. v. Ditemar Schiersner, Volker Trugenberger u. Wolfgang Zimmermann (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde, Reihe B, Bd. 187). Stuttgart 2011, S. 147–163. 20 Küppers-Braun, »Kanonissin« (wie Anm. 10), S. 83, Nr. E 43d. 21 Vgl. dazu Michael Mayr-Adlwang, »Ein Vorschlag zur Ermordung Wallensteins vom Jahre 1628«, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Erg.Bd. 5, 1896, S. 164–172, Edition S. 171 f. Zur Person Bernhard Theil (Bearb.), Das (freiweltliche) Damenstift Buchau am Federsee, Berlin u. a. 1994 (= Germania Sacra N. F., Bd. 32), S. 234–237. 22 Küppers-Braun, »Katholisch« (wie Anm. 17), S. 31 f.
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zu bewahren.23 Sie hinterließ eine beeindruckende Bibliothek von mehr als 100 Titeln, darunter historische, juristische, medizinische, aber auch theologische und unterhaltsame Literatur.24 Insbesondere in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren Frauen aus reichsgräflichen Häusern (Anna Salome von Salm-Reifferscheidt [1622– 1688], Äbtissin in Essen; ihre Schwester Maria Sophia [1620–1674], Äbtissin in Elten und Vreden; Bernardine Sophia von Ostfriesland und Rietberg [1654–1726]; Äbtissinnen aus dem weit verzweigten Eifeler Grafengeschlecht derer von Manderscheid-Blankenheim) bemüht, in ihren Reichsstiften – parallel zu den Domherren in den exklusivsten Reichsstiften für Männer, in Köln und Straßburg – die Interessen des Reichsgrafenstandes zu wahren und das Netzwerk des Standes, z. B. durch die Vermittlung von Heiraten, auszubauen.25 Andere, wie z. B. Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach, Fürstäbtissin in Essen und Thorn, waren Marionetten in den Händen ihrer jesuitischen Beichtväter.26 Wirtschaftliche Grundlagen Die ›Höfe‹ dieser doch immerhin auf den Reichstagen vertretenen Fürstäbtissinnen sahen meist wenig fürstlich aus – zumindest gilt dies bis weit ins 18. Jahrhundert hinein für die katholischen Einrichtungen. Auch wenn z. B. in Essen die Abtei nach dem Dreißigjährigen Krieg völlig neu aufgebaut wurde, blieb sie bis zur Säkularisation eher ein größerer Gutshof. Im Parterre befanden sich Backhaus, Brauhaus, Schlachthaus, Viehställe und Remisen für die Kutschen (als Reichsfürstinnen stand den Äbtissinnen eine sechsspännige 23 Akten der Prinzipalkommission des Immerwährenden Reichstages zu Regensburg 1663 bis 1806. Berichte – Weisungen – Instruktionen. Mikrofiche-Edition, hrsg. vom Österreichischen Staatsarchiv, Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, München u. a. 1993, Fiche 0118, Bilder 011401–011450. 24 Inventar ihrer Bibliothek in Küppers-Braun, Frauen (wie Anm. 1), S. 416–425. 25 Ebd., S. 267–302. 26 Ute Küppers-Braun, »Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach«, in: Christen an der Ruhr, hrsg. von Alfred Pothmann und Reimund Haas, Bottrop/Essen 1998, S. 61–82; dies. und Rainer Walz, »Die ›Litterae annuae‹ der Jesuitenmission in Steele (1770–1772). Edition, Übersetzung, Kommentar«, in: Essener Beiträge 122 (2009), S. 33–76. Unveröffentlichte Briefe, die belegen, wie sehr der Beichtvater Christoph Neander SJ hinter dem Rücken der Fürstäbtissin arbeitete, liegen im Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 48: Reichsherrschaft, Reichsgrafschaft u. Reichsfürstentum von der Leyen, Akte 178 (ohne Paginierung).
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Kutsche zu). Die Dienerschaft der Essener Fürstäbtissin bestand im 17., aber auch noch im 18. Jahrhundert aus 20–25 Personen inklusive Gärtner, Vorreiter, Wäschemagd, Mundkoch, Küchenjungen, Spinnmagd und Hoflakaien, die gleichzeitig Schreiner, Schneider und Tapezierer waren.27 Entsprechend der von Volker Bauer entwickelten Typologie der deutschen Höfe wäre die Essener Abtei etwa als »hausväterlicher Hof« einzuordnen.28 Die Territorien der Fürstäbtissinnen waren so klein, dass sie kaum genügend Geld für eine fürstliche und repräsentative Hofhaltung abwarfen. Besonders extrem ist das Beispiel der Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach: Nachdem sie unter Aufwendung hoher Kosten 1717 in Thorn zur Äbtissin gewählt worden war, zeigte sich, dass schon eine recht einfache und bescheidene Hofhaltung dort mehr Geld verschlang, als im Stift erwirtschaftet werden konnte. Sie bat deswegen ihren Vater, zeitweise am elterlichen Hof in Sulzbach leben zu dürfen. Doch dessen Antwort war ernüchternd. Er empfahl seiner Tochter, zur Kostenersparnis die Hofhaltung aufzulösen und auf Zeit in ein nahegelegenes Kloster zu gehen.29 Erst nachdem Franziska Christine 1726 auch in Essen zur Fürstäbtissin gewählt worden war, besserten sich die finanziellen Verhältnisse. In der Regel aber wurden Rolle und Identität der Fürstäbtissinnen sowohl in finanzieller als auch in politischer und kultureller Hinsicht weit eher durch ihr Herkunftshaus als durch das Amt, in das sie gewählt wurden, bestimmt. Ständisch-gesellschaftliche und kulturelle Aspekte Im 16. und 17. Jahrhundert entstammten die Stiftsdamen und Äbtissinnen der hier interessierenden Stifte dem Reichsgrafenstand. In einer solchen Institution zur Reichsfürstin aufzusteigen, bedeutete daher nicht nur für die betreffende Frau eine Standeserhöhung, sondern mehrte auch das Ansehen 27 Für Gandersheim vgl.: Kurt Kronenberg, »Die Lakaien im Gandersheim der Rokokozeit«, in: Gandersheimer Chronikblätter. Heimatbeilage zum Gandersheimer Kreisblatt 16/11 (1985), S. 41 f. und 48 f. 28 Volker Bauer, Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Tübingen 1993 (= Frühe Neuzeit, Bd. 12: Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext), S. 55–80. 29 Ausführlich dazu Ute Küppers-Braun und Marc Hulsbosch, »Een Beierse prinses wordt vorstin van Thorn. De vroegste jaren van Francisca Christina von Pfalz-Sulzbach (1717–1776)«, in: De Kroetwès. Tijdschrift geschieden hemmkundige kring »Het Land van Thorn« 13/3 (2005), S. 142–150, insbes. S. 148 f.
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und die Ehre ihres Hauses. Porträts von Frauen aus reichsgräflichen Häusern zeigen sie im 17. Jahrhundert noch eher in privater Kleidung ohne irgendwelche Rangabzeichen oder herrschaftliche Symbole; doch anlässlich der Beisetzungen wurde im »castrum doloris« und im Wappen strotzenden Epitaph der hohe Stand der Verstorbenen demonstriert. Die Art des Herrscherinnenporträts änderte sich seit Beginn des 18. Jahrhunderts, als Frauen aus fürstlichen Häusern (Pfalz, Braunschweig, Sachsen, Preußen) anstelle der Reichsgräfinnen als Fürstäbtissinnen an die Spitze der stiftischen Korporationen drängten. Sie ließen sich mit Herrschaftsinsignien wie Hermelin, Fürstenhut und dem seit dem frühen 18. Jahrhundert obligatorischen, meist sehr kostbaren Stiftsorden30 porträtieren, wenn möglich auch mit Darstellung der von ihnen geschaffenen Bauwerke und kulturellen Leistungen; wenn vorhanden, durfte auch der Kammermohr nicht fehlen.31 An erster Stelle dieser ›modernen‹ Herrscherinnen ist sicher Elisabeth Ernestine Antonia Prinzessin von Sachsen-Meiningen (1681–1766), Enkelin Anton Ulrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel und Fürstäbtissin von Gandersheim, die von 1713–1766 regierte, zu nennen. Unter dieser kunstsinnigen Fürstäbtissin erlebte Gandersheim eine neue Blüte durch ihre kostspieligen Bibliotheksgründungen,32 Kunstsammlungen (Gemälde, Skulpturen, Naturalien), den Ausbau der Abtei und den Umbau des nahegelegenen Klosters Brunshausen zur Sommerresidenz, um nur wenige Beispiele zu nennen. Sie war die letzte Fürstäbtissin, die in Gandersheim residierte und beigesetzt wurde. Eine ähnlich wichtige Bedeutung kommt der Gräfin Maria Karolina von Königsegg (1707–1774) als Fürstäbtissin in Buchau (gewählt 1742) zu. Sie ließ sich mit ihrem gesamten Kapitel in repräsentativer 30 Thorsten Heese, »Mit Schulterband und Schleife ›…zum Lustre Unsers Stifts …‹. Ehre, Eitelkeiten und Intrigen im Zeichen des Herforder Damenstiftsordens«, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford (1994), S. 65–10; Kurt Kronenberg, »Gandersheimer Ordensträger. Geschichte der Orden und Ehrenzeichen«, in: Gandersheimer Chronikblätter (wie Anm. 27) 2/3-4 (1971), S. 17 f. 31 Ute Küppers-Braun, »Kammermohren: Ignatius Fortuna am Essener Hof und andere farbige Hofdiener«, in: Das Münster am Hellweg 54 (2001), S. 17–49. 32 Curt Höfner, »Zur Geschichte der Gandersheimer Büchersammlungen. Ein Beitrag aus Coburg«, in: Buch und Welt. Festschrift für Gustav Hofmann zum 65. Geburtstag dargebracht, Wiesbaden 1965, S. 197–210; »Predigerseminar der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Braunschweig – Stiftsbibliothek Gandersheim«, in: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner, hrsg. von Bernhard Fabian, Hildesheim 2003: http://www.b2i.d/fabian?Stiftsbibliothek_Gandersheim [Zugriff 18.09.2010].
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Stiftskleidung auf einem Deckengemälde in der Buchauer Stiftskirche darstellen.33 Während auch Maria Karolina von Königsegg ihrem kleinen Stift durch rege Bautätigkeit (Fürstenbau, Kavaliersbau) ein letztes Mal zu neuer Blüte verhalf und ›vor Ort‹ lebte, sahen die meisten anderen Fürstäbtissinnen des 18. Jahrhunderts ihr Amt eher als ehrenhafte Pfründe, die es ihnen erlaubte, als ledige Frau ein unabhängiges Leben zu führen. In Essen stiftete die vorletzte Fürstäbtissin Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach unter dem kaum zu überschätzenden Einfluss ihrer jesuitischen Beichtväter ein Waisenhaus für katholische Jungen und Mädchen, das im Vergleich zu ähnlichen Anstalten modernsten pädagogischen Grundsätzen entsprach. Der relativ prachtvolle Bau (begonnen 1769), der gleichzeitig auch als fürstliche Residenz und als Jesuitenmission für die angrenzenden protestantischen Territorien geplant war, ist heute in Essen neben dem Borbecker Schloss, der ehemaligen Sommerresidenz der Fürstäbtissinnen, der letzte Profanbau aus stiftischer Zeit. Die geschickt formulierte Gründungsurkunde garantierte den Fortbestand der Einrichtung über die Säkularisation hinaus, so dass sie heute noch als Fürstin Franziska Christine-Stiftung sozial-karitative Aufgaben wahrnehmen kann, zumal die Fürstin die Stiftung in ihrem Testament noch als Universalerbin bedacht hatte.34 Die letzte Essener Fürstäbtissin, Maria Kunigunde Prinzessin von Sachsen, Königliche Hoheit von Polen etc. (1740–1826), investierte aus ihrer Privatschatulle in neue Straßen und Eisenhütten, aus denen schließlich die Gutehoffnungshütte als Wiege der Schwerindustrie im Ruhrgebiet hervorging. Besseres gewohnt als Essen bis dahin zu bieten hatte, wünschte sie den Neubau eines Schlosses, in dem sie nach der französischen Revolution, die auch das Rheinland nicht verschont hatte, gemeinsam mit ihrem aus Trier und Koblenz vertriebenen Bruder hätte leben können. Es liegen Pläne des Architekten Krahe vor, der auch das Theater in Koblenz gebaut hatte und in Braunschweig in fürstlichem Auftrag arbeitete; sie wurden aber nie umgesetzt, denn die Essener Landstände verweigerten die dafür notwendigen Mittel.35 Derartige Unliebsamkeiten trugen selbstverständlich dazu bei, dass sowohl die 33 Marieluise Kliegel, »Gut betucht – Zum Selbstverständnis adeliger Stiftsdamen in Gewand und Stand«, in: Adlige Damenstifte (wie Anm. 19), S. 203–222. 34 Kinder, Krätze, Karitas. Waisenhäuser in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Claus Veltmann und Jochen Birkenmaier, Halle 2009 (= Kataloge der Franckeschen Stiftungen, Bd. 23), insbes. S. 35 und 40 (mit weiterführender Literatur). 35 Ute Küppers-Braun, »Prinzessinnen brauchen ein Schloss. Schloss Borbeck – Residenz der Fürstäbtissinnen im Essener Norden«, in: Fremde Impulse – Baudenkmale im Ruhrgebiet, hrsg. von Markus Harzenetter u. a., Münster 2010, S. 191–196.
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Essener Fürstäbtissin als auch die letzen Herrscherinnen von Gandersheim, von Quedlinburg, von Herford und Elten nicht vor Ort lebten. Man kann ihnen sicher nicht absprechen, dass sie sich aus der Ferne um die Belange ihrer Untertanen kümmerten (Schulwesen, Hygiene, Polizei); doch sie lebten lieber außerhalb ihrer Stifte, dort, wo kulturelle Vielfalt und Unterhaltung geboten wurden: in Braunschweig, Berlin, Koblenz, Augsburg. Theater und Musik an fürstabteilichen Höfen Zu allen Zeiten spielten Gesang und Musik an freiweltlichen Damenstiften eine besondere Rolle.36 Allerdings muss deutlich zwischen geistlicher und weltlicher Musik unterschieden werden. Wichtigste Aufgabe (neben der memoria) der Stiftsdamen im Bereich der geistlichen Musik war es seit Anbeginn,37 täglich am Chordienst teilzunehmen und die Horen zu singen; in Essen gab es noch in der Frühen Neuzeit einen »scholaster comitissarum«, der die angehenden Kapitularinnen im Chorsang unterwies. Leider ist das dazu benutzte »Sangbuch« bis heute unbekannt; unterstützt wurden sie durch sogenannte Choralen, Knaben, die – wohl in Ermangelung einer genügend großen Zahl von Stiftdamen – halfen, den Wechselgesang zu intonieren.38 Die Musik während der Messe bestimmte lange Zeit vornehmlich die Orgel. Für 1540 ist eine seltene Quelle überliefert, die sehr detailliert das neu anzuschaffende Instrument beschreibt.39 Seitdem finden sich in den Essener Kirchenrechnungen immer wieder Hinweise auf die Orgel in der Münsterkirche. Bis zur Aufhebung des Stifts musste sie etwa alle 100 Jahre 36 Neuerdings dazu Jörg Bölling, »Musik und Thaeter am Hof der Essener Fürstäbtissinnen in der Barockzeit«, in: Frauen bauen Europa, hrsg. von Thomas Schilp (= Essener Forschungen zum Frauenstift, Bd. 9), Essen 2011, S. 435–449. 37 Vgl. Edith Boewe-Koob, Das Antiphonar der Essener Handschrift D 3, Münster 1997 (= Quellen und Studien. Veröffentlichungen des Instituts für kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen, Bd. 7); R[ob] J. M. van Acht, ›Officia propria noblium virginum Thorensium‹. De muzikale en liturgische gebruiken in de oude adelijke abdij Thorn, Den Haag 1986. 38 Für Vreden vgl. dazu Volker Tschuschke, Die Orgelmacherfamilie Böntrup-Martens und der Stiftsorganist Johann Balthasar Söntgen in Vreden, Vreden 2004 (= Beiträge des Heimatvereins Vreden zur Landes- und Volkskunde, Bd. 66), S. 84–87 und 100f. (Anstellungsvertrag für Johann Söntgen als Organist der Stiftskirche St. Felicitas zu Vreden vom 14. November 1746). 39 Vertrag über den Bau einer neuen Orgel für das Münster zu Essen, in: Urkunden und Akten des Essener Münster-Archivs, hrsg. von K[arl] Heinrich Schaefer und Franz Arens, Essen 1906 (= Essener Beiträge, Bd. 28), S. 172–174, Nr. 320.
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erneuert werden.40 Damals wie heute war auch in den anderen bekannten Stiftskirchen die Orgel das zwar wichtigste, aber auch immer wieder reparaturbedürftigste Instrument. In Gandersheim musste Nikolaus Ephraim Bach in seiner Eigenschaft als Organist um eine Entschädigung dafür bitten, dass er in den vergangenen elf oder zwölf Jahren Reparaturen an der Orgel immer selbst vorgenommen hatte.41 Aus Rechnungen der Essener Münsterkirchenfabrik erfahren wir, dass spätestens seit dem Ende des 17. Jahrhunderts auch jeweils zwei oder drei Instrumentalisten von Streichinstrumenten angestellt waren. Für besondere Anlässe, z. B. Prozessionen und hohe Festlichkeiten brauchte man auch Trompeter und Pauker.42 Interessant ist eine Supplik des Essener Kanonikers und Kirchmeisters Aloys Brockhoff43 an die in Koblenz weilende Fürstäbtissin: Er bittet (um 1788) um Genehmigung, an den zehn vornehmsten Feiertagen (Neujahr, Erscheinung des Herrn, Mariä Lichtmess, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten, Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt, Cosmas & Damian und Weihnachten) die Kirchenmusik wieder einführen und von einer Konzertgesellschaft ausführen zu lassen; ältere Fabrikrechnungen, die dafür pro Jahr 30 Rtlr angäben, zeigten, dass es sich dabei um nichts Neues handele. In einem Kanzleigutachten heißt es dazu: »Es ist gewis wunderlich, daß eben zur Zeit, wo man an so vielen Orten die Kirchenmusik als zweckwidrig einzuschränken oder gänzlich abzuschaffen bemüd ist, von Essen aus der Antrag gemacht wird, die selbe aufs neue einzuführen. Alle Liebhaber von Essen zusammengenommen werden nicht imstande sein, eine erträgliche Kirchenmusik zu liefern«.44
40 Franz Feldens, Musik und Musiker in der Stadt Essen. Die Geschichte der Musik in der Stadt Essen seit ihrer Gründung im 9. Jahrhundert, Essen 1936, S. 30–49 (mit detaillierten Beschreibungen der Instrumente, Nennung der Organisten und ihrer Besoldung). 41 Kurt Kronenberg, Kunst der Barockzeit in Bad Gandersheim. Katalog einer Ausstellung, [Bad Gandersheim] 1976, S. 30. 42 Bernd Sikora, »Lesefrüchte zur Musikgeschichte des Westmünsterlandes«, in: Westmünsterland. Jahrbuch des Kreises Borken 2005, S. 183–187; Landesarchiv NordrheinWestfalen, Abteilung Rheinland (im Folgenden abgekürzt LA NRW Rh): Stift Essen, Akten Nr. 329; weitere Angaben (Namen von Musikern und Gehälter) ebd., Nr. 331, 394, 398, 399, 400, 404, 415, 416. 43 Reimund Haas, »Der letzte Stiftsoffizial Aloys Joseph Wilhelm Brockhoff (1739– 1825)«, in: Christen an der Ruhr, Bd. 1, hrsg. von Alfred Pothmann und Reimund Haas. Essen-Bottrop 1998, S. 96–137. 44 LA NRW Rh (wie Anm. 42), Stift Essen, Akten 331 (ohne Pag.).
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Einen Monat später widerrief die Essener Fürstäbtissin, Maria Kunigunde von Sachsen, ihre unter Missfallen im Februar erteilte Genehmigung. Selten wird mitgeteilt, was gespielt wurde. Die Essener Fabrikrechnung zum Jahr 1729/1739 weist 7 Rtlr 18 Stbr aus »pro opere musico authore Rhathgeber« sowie »decem missis muscal[i]b[us] sambt Einband«.45 Man darf vermuten, dass sich hinter diesem Namen der Benediktinerpater Valentin Ratgeber (1682–1750), Organist und Chorleiter im fränkischen Kloster Banz, verbirgt, der zu seiner Zeit ein vielbeachteter Komponist war. Sein ungewöhnlicher Erfolg erklärt sich wohl aus der Einfachheit und leichten Aufführbarkeit seiner Kompositionen.46 Er selbst beschrieb 1721 sein erstes Werk in der Vorrede folgendermaßen: »Es ist ein kleines, aber ganz dem neuen Stil unserer Zeit angepaßtes Werk […] Nicht ein außergewöhnliches Kunstwerk habe ich mir vorgestellt, sondern ein Werk voll lieblicher Harmonie, die dem Zuhörer ja sowieso meist besser gefällt, als eine kunstvolle handwerkliche Arbeit. Auch habe ich von einer großen Besetzung im Chor und von seltenen Instrumenten abgesehen, weil es den meisten Chören an Musikern fehlt […]. Wichtig sind die zwei Violinen und das Violoncello. Die Musik ist technisch nicht schwierig, weil ich mich bemüht habe, mich leicht und kurz zu fassen.«47
Genauere Hinweise darüber, was aufgeführt wurde, finden sich fast nie. Daher ist es ein seltener Glücksfall, dass aus dem Reichsstift Vreden, in dem im frühen 18. Jahrhundert zum großen Teil die gleichen Stiftsdamen wie in Essen, Thorn und Elten präbendiert waren, die Partitur einer Missa Nova in einem auf das Jahr 1742 datierten Graduale erhalten geblieben ist.48 Verfasser war der im Stift Vreden als Organist angestellte Johann Christoph Söntgen, der dieses Werk anlässlich der Amtseinführung eines neuen Pfarrers komponiert hatte. In den protestantischen Damenstiften konnte man durchaus auf Lieder einzelner Stiftsdamen zurückgreifen, die diese selbst gedichtet und kom45 LA NRW Rh (wie Anm. 42), Stift Essen, Akten Nr. 416, fol. 23 zit. n. Sikora, »Lesefrüchte« (wie Anm. 42), S. 186. 46 http://www.erzabtei.de/html/Jahrbuch/2002/Rathgeber/Rathgeber.html [Zugriff 06.02.2011]. 47 Wie Anm. 44. 48 Volker Tschuschke, »Eine Barockmesse aus Vreden. Die ›Missa Nova‹ des Vredener Organisten Johann Christoph Theodor Söntgen«, in: Westmünsterland. Jahrbuch des Kreises Borken 2009, S. 235–239; vgl. ders., Orgelmacherfamilie (wie Anm. 38) mit zwei Faksimiles (Antiphonen und Graduale, S. 66 f.).
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poniert hatten. In Quedlinburg konnte sich Anna Sophia Pfalzgräfin bei Rhein (1619–1690) als Kirchenlieddichterin einen solchen Namen machen, dass noch in heutigen Gesangbüchern ihre Lieder zu finden sind.49 Auch andere Quedlinburger Stiftsdamen wie z. B. Anna Sophia Pfalzgräfin bei Rhein (1619–1680) und Aurora von Königsmarck50 (1662–1728) taten sich als Kirchenlieddichterinnen hervor. Letzter widmeten Komponisten wie Johann Mattheson (1662–1728) und Reinhard Keiser ihre Werke, was von Experten als »Anerkennung als Musikerin oder zumindest als Musikkennerin« gedeutet wird.51 Moser meint, man dürfe das Musikleben in Quedlinburg zur Zeit der Pröpstin Aurora von Königsmarck »den übrigen mitteldeutschen Residenzen als musikalisches Zentrum wohl ebenbürtig zur Seite stellen«.52 In Gandersheim schließlich lebte Prinzessin Sophie Eleonore von Braunschweig-Lüneburg (1674–1711) als Kanonisse, deren Gesangbuch Die Rechte des Herrn 1713 posthum erschien und 1735 in zweiter Auflage gedruckt wurde.53 Doch auch hier ließen es die Finanzen nicht zu, eine eigene ›Hofkapelle‹ zu unterhalten. Für besonders festliche Ereignisse, z. B. die Amtseinführung der vorletzten Fürstäbtissin Therese Natalie von Braunschweig-Lüneburg (1728–1778) am 3. Dezember 1767, entsandte man aus Braunschweig nebst allem, »was zur Küche, Keller, Silber-Cammer und Conditorey gehörig« die fürstliche Kapelle.54 Der feierliche Einzug wurde durch eine »Symphonie« be49 Teresa Schröder, »Integration stiftischer Lebensweise in lutherische Glaubenspraxis. Das Beispiel der Andachtsschriften Anna Sophias von Hessen-Darmstadt«, in: Frauenkonvente im Zeitalter der Konfessionalisierung (wie Anm. 17), S. 87–114; Küppers-Braun, »Kanonissin« (wie Anm. 10), S. 66 f. 50 Die internationale Tagung auf Schloss Agathenburg bei Stade im November 2012 zum Thema »Maria Aurora von Königsmarck - ein adeliges Frauenleben im Europa der Barockzeit« lässt neue Ergebnisse erwarten (Tagungsband geplant). 51 Dietz-Rüdiger Moser, »Aurora von Königsmarck und die Musik ihrer Zeit am Kaiserlich Freien Weltlichen Stift Quedlinburg«, in: Mitteldeutschland im musikalischen Glanz seiner Residenzen: Sachsen, Böhmen und Schlesien als Musiklandschaften im 16. und 17. Jahrhundert, Beeskow 2005, S. 81–93. Zur Beurteilung ihrer politischen Tätigkeit in Quedlinburg vgl. auch Küppers-Braun: »Kanonissin« (wie Anm. 10), S. 63–65 und 72 f. mit weiterführender Literatur. 52 Moser, »Aurora« (wie Anm. 51), S. 92; ders.: 1000 Jahre Musik in Quedlinburg. Ein kulturgeschichtlicher Grundriß, München 1994. 53 Kurt Kronenberg, »Eine Schwester der Roswitha. Das Leben der Kanonisse Sophie Eleonore (1674–1711)«, in: Gandersheimer Chronikblätter 2/11-12 (1971), S. 57–61; 3/1 (1972), S. 6 f. 54 Auch zum Folgenden Kurt Kronenberg, »Der gute Herzog Ferdinand. Der Feldherr des Siebenjährigen Krieges weilte oft in Gandersheim«, in: Gandersheimer Chronikblätter, 3/4 (1972), S. 17–22.
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gleitet, während des Gottesdienstes ertönte »Instrumental- und Vocalmusik«. Ähnlich wie bei den sächsischen Geschwistern entwickelte sich zwischen dieser Gandersheimer Fürstäbtissin und ihrem unverheirateten Bruder Ferdinand ein inniges geschwisterliches Verhältnis. Es fällt auf, dass man angesichts anhaltender konfessioneller Streitigkeiten im Hinblick auf die Musik erstaunlich großzügig verfuhr: Die katholische Essener Stiftsdame Magdalena Sibylla von Limburg-Stirum55 (1693–1762) berichtet ihrem Neffen nach Gemen von der feierlichen Ordination eines von dort stammenden lutherischen Pastors in Essen und sendet ihm den Text der aufgeführten Kantate, die der Kantor der lutherischen Pfarrei St. Gertrud, Christian Friedrich Melchert, verfasst und zum Druck gebracht hatte; die Noten sind leider verschollen.56 Selbst zu festlichen Anlässen der Essener Kapuziner griff man auf protestantische Musiker zurück. Die Konsekration ihrer neuen Kirche, einer »Begebenheit, so in Jahrhunderten dieser Orten nicht zu sehen ist«, wird in den Annalen folgendermaßen beschrieben: »Nach Beendigung der Konsekration zelebrierte der Abt das Pontifikalamt, bei welchem der Gesang von einer aus 24 Personen gebildeten Musikkapelle begleitet wurde. Bei dem Beginn der Messe, bei dem Evangelium, bei der Wandlung und bei dem letzten Evangelium wurde jedesmal aus 6 Böllern geschossen.« 57
Am Nachmittag fand im Refektorium des Klosters eine Festtafel statt, zu welcher der Guardian zahlreiche Einladungen hatte ergehen lassen (Stiftsdamen, benachbarte Adelige, Kanoniker, Pfarrer aus benachbarten Pfarreien, Vertreter der Stadt). »Während und nach dem Mahl wurden verschiedene Toaste auf die Gesundheit der Ehrengäste ausgebracht, welche jedesmal mit Böllerschüssen, Pauken und Trompeten begleitet wurden. Die Freuden des Mahles wurden erhöht durch eine prächtige Tafelmusik. Um 5 Uhr hielt der Abt in der Kirche eine feierliche Danksagungsandacht, bei welcher die Lauretanische Litanei und der Ambrosianische Lobgesang mit Musikbegleitung gesungen wurden. Das Abendessen wurde um 7 Uhr eingenommen. Am Schlusse desselben erschien der Essener lutherische Musikchor, dessen Mitglieder sich die Ehre erbeten hatten, dem Abt ihre Hoch-
55 Küppers-Braun, Frauen des hohen Adels (wie Anm. 1), S. 354. 56 Sikora, »Lesefrüchte« (wie Anm. 42), S. 185. 57 Franz Arens, »Das Essener Kapuzinerkloster«, in: Essener Beiträge 29 (1907), S. 75–125, hier: S. 95.
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schätzung zu beweisen. Sie ergötzten die Festgenossen bis 11 Uhr mit ihren musikalischen Darbietungen.«58
Auch die Essener Stiftsdamen beteiligten sich – allerdings eher privat – an diesen Festivitäten. Die Gräfin von Harrach gab zu Ehren der Kapuziner »ein prächtiges Festmahl«, das in den Annalen folgendermaßen (in freier Übersetzung) beschrieben wird: »Die Köstlichkeiten der Speisebretter, das Konzert der Musiker und die Pracht von allem erfreute die Gäste; und der Donner der Geschütze ließ die benachbarten Häuser erzittern und versetzte die Bürger in Staunen, denn in 6 Stunden flogen 60 Pfund Pulver in die Lüfte.«59
Am nächsten Morgen fand noch einmal ein Empfang statt (einschließlich der Patres 40 Personen), der ebenfalls von Tafelmusik und beim Ausbringen der Toaste von »Böllern« begleitet wurde.60 Wer die Musiker waren, wird selten gesagt. Man bleibt auf Vermutungen angewiesen und wird am ehesten an die Benediktiner der Abtei Werden zu denken haben, die auch die Einweihung des von Fürstäbtissin Franziska-Christine von Pfalz–Sulzbach (1696–1776) gestifteten Waisenhauses musikalisch begleiteten. Auf die Werdener Benediktiner wird der Guardian auch 1784 zurückgegriffen haben, als Laurentius von Brundisium selig gesprochen wurde; die Annalen der Essener Kapuziner berichten: Am 4. Sonntag nach Ostern war »die Kirche war auf das Prächtigste geschmückt. […] Nach dem Geschmack der damaligen Zeit durfte bei einer solchen kirchlichen Feier die Instrumentalmusik nicht fehlen. Der Guardian hatte deshalb eine Anzahl musikalisch gebildeter Herren um ihre Mitwirkung ersucht und eine Musikkapelle von 20 Personen zusammengebracht«, von denen sechs aus der lutherischen Bürgerschaft stammten. Aber auch der fürstliche Kammermohr Ignatius Fortuna und der fürstliche Trompeter Hartmann, der als »Musikdirektor« fungierte, waren mit von der Partie.61
58 Ebd., S. 97 f. 59 »Ferculorum lautitia, musicorum symphonia et rerum magnific[e]antia recreavit hospites; et tor[m]entorum boatus trem[e]fecit vicinas domus et in stupor[e]m rapuit civium animos, namque 6 horarum spatio 60 librae incensi nitrati pulveris evolarunt in auras.« Zit. nach ebd., S. 98 Anm. 1. 60 Ebd., S. 99, vgl. auch S. 109. 61 Ebd., S. 112.
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Anlässlich der Beisetzung der Fürstin Franziska Christine hatte man 1776 für 3 Rtlr zwei Musiker engagiert, »welche bei gehaltenem musicalischen Hohen Amt gegenwärtig gewesen« (der Küster erhielt für das sechswöchentliche Läuten der Glocken in der Münsterkirche 54 Rtlr).62 »Bei denen in hiesiger hohen Münster-Kirche gehaltenen Exequien weiland I. Dlcht hochseeligen Andenkens denen Musikanten ausgezahlt 11 Rtlr 15 stb. Die Zehrungskosten deren zu dieser Musique von Werden hirhin beforderten Herrn laut Quittung 24 Rtlr.«63
Geistliche und weltliche Musik waren, insbesondere bei wichtigen, d. h. repräsentativen Anlässen, nicht klar zu trennen. Die Musik, die zu repräsentativen Anlässen geboten wurde, konnte sicher nicht das Niveau erreichen, das an größeren Höfen selbstverständlich war. Es scheint allerdings, dass das Spiel der Pauker und Trompeter, das häufig durch das teure Abfeuern von »Böllern« unterstützt wurde, ein nicht unwichtiges akustisches Kennzeichen der Repräsentation war und heute leicht unterschätzt wird. So berichtet z. B. Dominicus über den Koblenzer Hof, wo die Essener Fürstäbtissin Maria Kunigunde von Sachsen bei ihrem Bruder Clemens Wenzeslaus, Erzbischof-Kurfürst von Trier beständig weilte, man habe »das Namensfest des Kurfürsten […] mit höchst gebührender Ehre gefeiert. Morgens celebrirte der Official Hurth ein musikalisches Amt, dann versammelte sich die ganze Noblesse zu unterthängistem Glückwunsch im Schlosse bei dem Statthalter, empfahl sich zu höchsten Gnaden und blieb mit den Damen zur Tafel, bei der ›die Bandhoboisten bliesen‹; Pauken und Trompeten wurden nicht zugelassen, da sich dies bei Abwesenheit höchster Personen nicht schickt.«64
Bei der Einfahrt der Herrscherin und bei wichtigen Prozessionen und Jubiläen zierten Girlanden die Straßen; dann sorgten Pauken und Trompeten für die entsprechende Klangkulisse bis schließlich fast immer lang anhaltender Lärm durch Böllerschüsse solche Ereignisse beendete.65 62 LA NRW Rh (wie Anm. 42), Stift Essen, Akten 46, fol. 285. 63 LA NRW Rh (wie Anm. 42), Stift Essen, Akten 46, fol. 287. 64 Al[exander] Dominicus, Coblenz unter dem letzten Kurfürsten von Trier Clemens Wenzeslaus 1768–1794, Koblenz 1869, S. 133 f. 65 Vgl. J. H. H. Hennissen, »Muziek in Thorn vòòr 1800«, in: De Maasgouw 123 (2004/4), S. 155–159. Marc Hulsbosch, Brüssel, und Peter Roost, Thorn, haben mich auf diesen Aufsatz aufmerksam gemacht und ihn mir zur Verfügung gestellt; ihnen sei herzlich gedankt.
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Doch in ihren Stiften ließ sich von dieser Musikkultur offensichtlich nicht viel umsetzen. Über den prächtigen Einzug der Fürstin, die schon vor den Toren der Stadt von einer »ansehnliche[n] Junggesellen-Compagnie mit Ihrer Feldmusic, klingende[m] Spiel und fliegender Fahne« empfangen wurde, berichtet die »Essendische Zeitung« am 17. Oktober 1777: Innerhalb der Stadt »paradierten die sämtlichen Bürgercompagnien; und die beständig abwechselnde Musique von dem, so auf dem Thurn der Evangelischlutherischen Stadtkirche zu St. Gertrudis gestelltem Chor Trompeter und Pauker, als auch dem auf dem Markt befindlichen Corps Hautboisten, zeugten von der allgemein herrschenden Freude.«66
Ähnlich gestalteten sich Empfang und Inthronisation der letzten Fürstäbtissin von Gandersheim, Augusta Dorothea Prinzessin von Braunschweig (1749– 1810), als sie am 11. März 1776 in ihr Amt eingeführt wurde.67 Auch in Thorn wurde der Regierungsantritt Maria Kunigundes von Sachsen im September 1778 mehrere Tage lang festlich begangen: Doch wir erfahren nur wenig über die Musik:68 In mehreren Straßen hatte man große Triumphbögen errichtet, die Häuser waren festlich illuminiert. Selbst aus den entfernteren Städten Lüttich, Aachen und Köln kamen Gäste. Während abends »eine 3 mal wiederholte Kanonade« den offiziellen Teil beschloss, »dauerten das lärmen, singen, tanzen und musiciren des frohen Volkes in allen Straßen und vielen Häusern der Stadt die ganze nacht hindurch« an. Über die Musik bei Hofe erfahren wir nicht mehr als dass »zu Mittage […] unter einem vollstimmigen Concert abermall grosse Tafel« gehalten wurde. Es war vermutlich die traditionellste und billigste Art fürstlicher Repräsentation, auf die in den Damenstiften bei allen festlichen Anlässen (z. B. 66 Essendische Zeitung v. 17. Oktober 1777, in: LA NRW Rh (wie Anm. 42), Stift Essen, Akten 48, fol. 430–431. 67 Kurt Kronenberg, »Die letzte Äbtissin kommt nach Gandersheim«, in: Gandersheimer Chronikblätter 8/7 (1977), S. 25–27 nach einem zeitgenössischen Bericht im Staatsarchiv Wolfenbüttel: 11 Alt Gan Findbuch 1 III 69. 68 Ausführliche Nachricht / sämmtlicher Feierlichkeiten / welche / in der hochfürstlichen Residenzstadt Thorn / bei Gelegenheit / des feierlichen Einzuges / Sr. Königlichen Hoheit / der Fürst-Abtissinn / Marien Cunegunden / unter Begleitung / Ihro Churfürstl. Durchl. Von Trier / Höchstdero Herrn Brudern, / an dem 23ten und folgenden Tägen Monats 7bers / laufenden Jahres 1778. / sich ereignen. Köln, bei Henrich Simonis, Buchhändlern. Insbes. S. 12–14. Das einzige bekannte Exemplar ist unvollständig und liegt im Gemeentearchief Maastricht. Ich danke Herrn Marc Hulsbosch, Brüssel, für den Hinweis darauf.
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hohe Festtage, Prozessionen, Inthronisationen, Empfänge) zurückgegriffen wurde: Trompeten, Pauken und immer wieder lautstarke Böller. Auf diese Art der akustischen Repräsentation gehen die meist von bürgerlichen Autoren verfassten Zeremonialbücher nur in unzureichender Weise ein.69 Für künstlerisch hochstehende Konzerte, Opern und Singspiele fehlte in den freiweltlichen Damenstiften das Geld. Doch ganz wollte man auch hier nicht auf Vergnügungen und Unterhaltungen verzichten. In der Regel musste man auf fahrende Schausteller und Spielleute warten.70 Selbst als zu Beginn des 17. Jahrhunderts so wichtige Persönlichkeiten wie der Markgraf von Brandenburg und der Pfalzgraf von Neuburg mehrere Tage im Stift weilten, brachten sie zum abendlichen Spiel (z. B. Blinde Kuh, Pfänderspiele) und Tanz ihre eigenen Violinen mit.71 Ein besonderer Brauch hielt sich im Stift Vreden, wo die jungen Männer des Ortes noch im späten 16. Jahrhundert zu Fastnacht an drei Abenden hintereinander Schwerttänze (wie sie schon Tacitus beschrieben hat) aufführten.72 Im 17. und 18. Jahrhundert gab es in Essen alljährlich Theateraufführungen der Schüler des Jesuitengymnasiums, die in didaktisch-moralischer Absicht verfasst waren und sich selbstverständlich biblischen Themen widmeten.73 Während wohl im Coesfelder Jesuitenkolleg der Musikpflege ein wichtiger Rang zukam74, folgte man in Essen immer noch dem »Jesuita non cantat« des Ordensgründers.75 Nur einmal heißt es zum Jahre 1659, »die Gräfflichen 69 Diese Bewertung wird zumindest nahe gelegt, wenn man den einschlägigen Aufsatz von Juliane Riepe zugrunde legt, vgl. dies., »Hofmusik in der Zeremonialwissenschaft des 18. Jahrhunderts«, in: Händel-Jahrbuch 49 (2003), S. 27–52. 70 Feldenz, Musik in Essen (wie Anm. 40), passim. 71 Ausführlich dazu Küppers-Braun, Frauen des hohen Adels (wie Anm. 1), S. 242–246. 72 [Franz] Darpe, »Aus dem Leben des nordwestlichen Westfalen«, in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde 50 (1892), S. 115–126, bes. S. 123 f.; Hermann Terhalle, »Frühe Nachrichten über Schützen und Schützenfeste in Vreden«, in: Vivat Rex … Es lebe die Königin. Vier Jahrhunderte Schützenwesen in Vreden. Festschrift hrsg. vom Jubiläumsvorstand des Allgemeinen Bürgerschützenvereins zu Vreden, Vreden 1994, S. 65–82, bes. S. 67 f.; dazu auch: Georg von Detten, »Über Schwerttänze im nordwestlichen Deutschland«, in: Westfälische Zeitschrift 64/II (1906), S. 153–158. 73 Die Einstellung der Jesuiten zur Musik erscheint sehr zwiespältig. Einerseits findet sich die Anweisung des ›Ordensgründers‹, »Jesuita non cantat«, andererseits machte sich gerade die (amerikanische) Mission die Musik zunutze; für die vorliegende Fragestellung völlig unergiebig Max Wittwer, Die Musikpflege im Jesuitenorden unter besonderer Berücksichtigung der Länder deutscher Zunge, Grimmen 1934. 74 Sikora, »Lesefrüchte« (wie Anm. 42), S. 184 f.; Tschuschke, Orgelmacherfamilie (wie Anm. 38), S. 63–75. 75 Melanie Wald, »Jesuiten«, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6, 2007, Sp. 36–40.
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[hätte] inter se comoedie auff der Abdie de Herode gehalten und mitt ballett beschlossen.«76 Dass bisher so wenig über Musik in hochadeligen Damenstiften bekannt ist, mag an der Verzeichnung durch die Archivare liegen, aber auch an den Fragestellungen der Historiker und Historikerinnen. Erst allmählich zeigen die mühsam auffindbaren Mosaiksteinchen, dass es mehr gegeben haben muss, als die Findbücher sichtbar machen. Wohl weit mehr Gräfinnen und Prinzessinnen als gemeinhin bekannt spielten ein Instrument. Im Nachlass der Essener Stiftsdame Imagina von Öttingen (gestorben 1558) befand sich »ein musikinstrument, genant ein hackebreth«.77 Henriette Christine von Braunschweig-Lüneburg (1669–1753), Fürstäbtissin in Gandersheim, spielte Gitarre.78 Ernestine Elisabeth Antonia von Sachsen-Meiningen, ebenfalls Fürstäbtissin von Gandersheim, konnte das Clavichord spielen und komponierte wohl auch geistliche Arien.79 In einer zuvor fehlgeschlagenen Brautwerbung wird sie durch den französischen Geschäftsträger folgendermaßen charakterisiert: »[…] Sie spricht vortrefflich französisch, singt außerordentlich gut, besonders italienisch, worinn sie sich vorzüglich auszeichnet, da sie mit der schönsten Stime eine bewunderungswürdige Leichtigkeit des Vortrags verbindet; sie liebt die Musik in hohem Grade, welche Neigung sich für eine Prinzessin auch recht schön paßt. Im Tanze triumfiert sie, was nicht anders seyn kann, da sie die vollkommenste und schönste taille besitzt, welche man sehen kann.«80
76 Küppers-Braun, Frauen des hohen Adels (wie Anm. 1), S. 240. 77 Hermann Schröter, »Stiftsdame Imagina von Öttingen, gestorben 1558 in Essen«, in: Das Münster am Hellweg, Essen 1982 (= Mitteilungsblatt des Vereins für die Erhaltung des Essener Münsters, Bd. 35), S. 113–152, hier: S. 152. 78 Ute Küppers-Braun, »Fürstäbtissin Henriette Christine von Braunschweig-Lüneburg (1669–1753) oder: Kann eine Frau ohne ihr Wissen schwanger werden?«, in: Gandersheim und Essen (wie Anm. 6), S. 229–244, hier: S. 232. 79 Höfner, »Gandersheimer Büchersammlungen« (wie Anm. 32), S. 201; Johannes Zahlten, »Bildprogramme als Bildungsprogramm. Ein Porträt der Gandersheimer Äbtissin Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen und ihr Schloß Brunshausen«, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 16 (1977), S. 69–82. 80 Zit. n. Georg Emmrich, »Elisabeth Ernestine Antonie, Aebtissin von Gandersheim«, in: Archiv für die herzogl. S. Meiningischen Lande 2, 1834–1838, S. 135–156, hier: S. 126 f. In ihrem Nachlass wird allerdings nicht ein einziges Musikinstrument erwähnt, nur, dass sie 500 Rtlr. »zur Reparirung der Orgel und des dazu nöthigen Pedals« (S. 148) ausgesetzt habe.
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Von Aurora von Königsmarck, Pröpstin im Stift Quedlinburg, wird berichtet, dass sie »die Tonkunst fleißig übte […] trefflich sang, die Laute und Gambe mit wunderungswürdiger Fertigkeit spielte und für dieses Intrument manche Weisen setzte.«81 Die Thorner Stiftsdame Maria Theresia von Thurn und Taxis (1755–1810), die später (1780) den dänischen Grafen Ferdinand von Ahlefeld heiratete und sich in Kopenhagen als Komponistin einen Namen machte, soll während ihrer kurzen Verweildauer in Thorn für das Hoftheater in Regensburg eine Übersetzung aus dem französischen angefertigt haben. Zeitweise lebte sie am Ansbacher Hof und gehörte hier zum Kreis um Lady Elizabeth Craven. Ihr bekanntestes Werk ist das Opernballett Telemark und Calypso.82 Meist aber muss man sich bei der Frage nach den Musikinteressen von Fürstäbtissinnen und Stiftsdamen bisher oft mit so kleinen Hinweisen zufrieden geben wie z. B. dass 1723 dem »Organisten Tobbers, so Gräfin Charlotte bist Junium 3 Monath instruiert auff das Clavecingell zu spielen«,83 6 Rtlr zustanden. Die spätere Herforder Fürstäbtissin Friederike Charlotte von Brandenburg-Schwedt (1745–1808) und ihre Schwester Luise (1750–1811), die beide am Berliner Hof erzogen wurden, galten als sehr talentiert und beherrschten das Spiel auf dem Klavier, der Mandoline, der Harfe und den Gesang; kein Geringerer als der Schweizer Mathematiker und Physiker Leonhard Euler war ihr Lehrer.84 Von der Essener und Thorner Fürstäbtissin Maria Kunigunde von Sachsen (1775–1791/1802) heißt es, dass sie eine gute Pianistin war. Strambergs Rheinischer Antiquarius berichtet, sie sei »auf dem Clavier dem Kurfürsten, ihrem Bruder, eine Rivalin [gewesen], und das will viel sagen: Clemens Wenceslaus spielte das Instrument in Vollkommenheit, war dabei ein Meloman. Der jungen Damen vier, wenn sie im öffentlichen Concert
81 Zit. nach Moser, 1000 Jahre Musik (wie Anm. 52), S. 30. 82 Anne Fleig, Handlungs – Spiel – Räume. Dramen von Autorinnen im Theater des ausgehenden 18. Jahrhunderts, Würzburg 1999 (= Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 270); vgl. Urte Härtwig, Artikel »Ahlefeldt, Maria Theresia Gräfin«, in: MGG 2, Personenteil, Bd. 1, Kassel u. a. 1999, Sp. 246–248. 83 LA NRW (wie Anm. 42), Abteilung Westfalen, Dep. Landsberg-Velen, Akten 32094, fol. 51 v, zit. nach Sikora, »Lesefrüchte« (wie Anm. 42), S. 183. 84 Mit weiteren Ausführungen dazu Thorsten Heese, »Getrübtes Familienidyll, zu einem Gruppenporträt mit der letzten Herforder Äbtissin«, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 13 (2006), S. 40–57, insbes. S. 49. Ihre Schwester Luise spielte 1764 im Berliner Schloss die Klytemnästra in Racines Iphigenie auf Aulis, ebd.
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sich hören ließen, was auch die Prinzessin nicht selten that, genossen allezeit der Ehre, daß der Kurfürst ihnen die Noten umschlug.«85
Zu dieser Darstellung will es wenig passen, wenn Stramberg kolportiert, sie habe den Takt nicht halten können.86 Die Schwierigkeiten, das musikalische Engagement von Frauen zu entdecken – seien sie Stiftsdamen, Fürstäbtissinnen, Maitressen oder Ehefrauen –, lassen sich exemplarisch trefflich aufzeigen im Umfeld dieser sächsischen Prinzessin. Wie fast alle Fürstäbtissinnen des 18. Jahrhunderts kam sie von einem kunstsinnigen Hof, wo sie früh mit anspruchsvoller Musik insbesondere durch ihre Schwägerin Maria Antonia Walburga,87 Kurfürstin von Sachsen (1724–1780), in Kontakt gekommen war.88 Da das mehr als bescheidene Leben in Essen sie kaum befriedigen konnte, hielt Maria Kunigunde sich in der Regel bei ihrem Bruder Kurfürst Clemens Wenzeslaus in Trier, Augsburg oder Koblenz auf; gemeinsam hielten sie hier Hof als »mon mari« und »ma chère femme«.89 Wer von beiden die treibende Kraft für ein vielfältiges Musikleben90 am Trier-Koblenzer Hof war, lässt sich nicht feststellen. Ähnlich machten es im späten 18. Jahrhundert die Quedlinburger Fürstäbtissin, Anna Amalia von Preußen,91 die die meiste Zeit in Berlin lebte, oder die letzte Gandersheimer Fürstäbtissin, Auguste Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel (1749–1810), die als Hauptwohnsitz Braunschweig bevorzugte. Da ›Hof‹ da ›stattfand‹, wo die Fürstin sich aufhielt, kann man davon ausgehen, dass es in 85 Christian von Stramberg, Denkwürdiger und nützlicher rheinischer Antiquarius, Koblenz 1845–1871, hier: 1. Abt. 1. Bd., S. 652 f. 86 Die diesbezügliche Anekdote ebd., S. 653. 87 Vgl. Christine Fischer, Instrumentierte Visionen weiblicher Macht. Maria Antonia Walpurgis Werke als Bühne politischer Selbstinszenierung (= Schweizer Beiträge zur Musikforschung, Bd. 7), Kassel u. a. 2007. 88 Thomas Schilp, »Äbtissin Maria Kunigunde von Essen, eine Opernssängerin? Zur Uraufführung der Oper ›Talestri, regina delle amazzoni‹ am Hof des Kurfürsten von Sachsen«, in: Frauen bauen Europa (wie Anm. 36), S. 451–461. 89 Pauline Puppel, »›Mon mari‹‚ – ›Ma chère femme‹. Fürstäbtissin Maria Kunigunde von Essen und Erzbischof Clemens Wenzeslaus von Trier«, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur 15/16 (2008), S. 43–66. 90 Klaus Wolfgang Niemöller und Stefan Weiss, Musikinstitutionen seit dem Mittelalter, Köln 2002 (= Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft XII/5), S. 5 f. und 30–32 (mit weiterführender Literatur). 91 Vgl. zu ihrem großen musikalischen Betätigungsfeld Küppers-Braun, »Kanonissin« (wie Anm. 10), S. 8 f. mit weiterführender Literatur; demnächst auch Teresa Schröder, Fürstäbtissinnen im Alten Reich – Spielräume und Grenzen politischen Handelns (Arbeitstitel), Diss. Münster.
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den Fürstabteien des 18. Jahrhunderts praktisch kein ›Hofleben‹, also auch keine ›Hofmusik‹ gab. Maria Kunigunde von Sachsen – um auf die Essen-Thorner Fürstäbtissin zurückzukommen –, weilte bei ihrem Bruder in dessen Residenzen in Koblenz oder Trier. Für diesen Hof ist die Musikpflege recht gut erforscht, und man kennt die meisten Musiker nicht nur namentlich, sondern kann auch ihre Biographien einschließlich ihres musikalischen Werdegangs rekonstruieren.92 Eine Personalliste aus dem Jahre 1788 nennt für den kurtierischen Hof an erster Stelle den Kapellmeister Pietro Pompejo Sales und den Konzertmeister und Violinisten Johann Georg Lang.93 Es folgen zunächst die Namen von fünf Sängerinnen (Madame Reisinger, Madame Sales, Madame Hergen, Madame Foelix und Mademoiselle Kaltenborn), die im Gehalt dem Kapellkonzertmeister am nächsten standen; dann werden die Namen genannt von fünf Sängern, zwei Organisten, 13 Violinisten, zwei Musikern, die die Viola spielten, zwei Flötisten, drei Oboisten, vier Violoncellisten, drei Hornisten, zwei Klarinettisten, zwei Fagottisten, vier Trompetern und zwei Paukern. Madame Foelix, 47 Jahre alt, hatte neun Kinder und bezog immerhin noch ein Jahresgehalt von 296 Rtlr; Mademoiselle Kaltenborn erhielt 400 Rtlr, Madame Sales 450 (zuzüglich »Quartiergeld«); ihr Gatte verdiente als Kapellmeister 649 Rtlr. Der älteste dieser Musiker war der Violinist Sconioffsky mit 78 Jahren, der jüngste der Violinist Rief jun. mit 15 Jahren. Beiliegend zu dieser Liste gibt es ein »Inventario deren Oratorien-, Operen- und Opretten-Bücher pro Anno 1787«, das einen Eindruck vermittelt, welche Musik Maria Kunigunde und ihr Bruder anhörten.94 Nachgetragen ist in dieser Personalliste noch eine weitere Sängerin, Mademoiselle Carnoli, die wieder zu Maria Kunigunde von Sachsen zurückführt. Katharina Carnoli95 war am Mannheimer Hof ausgebildet worden; da ihre Stimme »sonorisch« und »ausdrucksvoll« gewesen sein soll, machte sie – so Gerber in seinem Historisch-biographischen Lexikon der Tonkünstler (1790) – durch »ihren meisterhaften Vortrag Hoffnung zu einer der ersten deutschen Sängerinnen« zu werden. Sie blieb jedoch nur kurz in kurtrierischen Diensten; Clemens Wenzeslaus gab sie frei und überließ sie 1789 seiner Schwester als 92 Gustav Bereths, Die Musikpflege am kurtrierischen Hofe zu Ehrenbreitstein, Mainz 1964 (= Beiträge zur mittelrheinischen Musikgeschichte, Bd. 5), hier: insbes. S. 68–114. 93 Auch zum Folgenden: Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 1 C Nr. 947 Serie U Rest, fol. 86–88. 94 Siehe Liste im Anhang. Vgl. aber auch Bereths, Musikpflege (wie Anm. 92), S. 230–240; Dominicus, Coblenz (wie Anm. 64), S. 135–139. 95 Auch zum Folgenden Bereths, Musikpflege (wie Anm. 92), S. 70, 106–108, 217, 258; Dominicus, Coblenz (wie Anm. 64), S. 137.
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deren Kammerzofe. Mit anderen Worten: Sie war ständige Begleiterin der Fürstäbtissin, wurde wohl auch aus deren Mitteln bezahlt, trat aber weiter am kurtrierischen Hof als Sängerin auf.96 Ähnlich steht es um einen gewissen »Cammerdiener Köhler«, der am kurtrierischen Hof als Komponist von Kirchen- und Kammermusik und Serenaden, die selbst dem österreichischen Erzherzog Maximilian gut gefielen,97 wirkte und ein angesehener Musiker war.98 Er trat als Solist (Pianist) auf und betätigte sich auch – sehr erfolgreich – als Gesangslehrer. In dem Diarium des kurtrierischen Statthalters von Kesselstatt wird er mehrfach außerordentlich lobend erwähnt, ohne dass man ihn bisher dem Hof in irgendeiner Weise zuordnen konnte. Dagegen zeigen die Essener Akten, dass er ebenfalls in Diensten Maria Kunigundes stand und in herausragender Position half, ihr ›Hofleben‹ zu arrangieren.99 Zusammenfassung Obwohl in nahezu allen neueren Arbeiten über geistliche Territorien die von Frauen regierten geflissentlich ignoriert werden, bleibt festzuhalten, dass den Äbtissinnen von Reichsstiften als Fürstinnen des Reiches trotz ihrer kleinen Territorien erstaunliche Handlungsspielräume im politischen Bereich offenstanden. Die Wahrnehmung solcher Möglichkeiten hing von der jeweiligen Person ab. Katholische Fürstäbtissinnen konnten ihre Unabhängigkeit länger behaupten als protestantische. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Stifte erlaubten allerdings keine ihrem Stand entsprechende Repräsentation. Standesgemäße Hofhaltung war nur möglich, wenn man auf Unterstützung 96 97 98 99
Bereths, Musikpflege (wie Anm. 92), S. 297–300. Dominicus, Coblenz (wie Anm. 64), S. 133–134. Auch zum Folgenden ebd. 112–114, 191, 213, 215–218. Anlässlich des feierlichen Einzugs in ihrem Fürstentum Essen bediente Kammerdiener Köhler gemeinsam mit dem »Cammer-Mohren« Ignatius Fortuna, der die Schleppe der Fürstin zu tragen und während der Messe immer einige Schritte hinter ihr stehen musste, bei der Kaffeetafel. Vielleicht musizierten beide, doch das ist nicht expressis verbis überliefert. Köhler war auch für den Champagner und den »Bourgundier mit den silbernen Etiquets« verantwortlich und hatte zu beachten, dass bei Ankunft der Gäste »die stopfen an denen bouteillen schon offen seyn«. Köhler war es auch, der die Bediensteten während des Festmahls zu beaufsichtigen und später zu bezahlen hatte (»[…] daß jeder dieser Männer […] 20 stüber als ein Geschenk zu empfangen haben solle«). LA NRW Rh (wie Anm. 42), Stift Essen, Akten 48, fol. 413v, 415, 416v, 418.
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aus dem Herkunftshaus rechnen konnte. Im Bereich der Musik musste man sich bei repräsentativen Anlässen meist auf das aus dem Mittelalter überkommene Zeremoniell der Pauker und Trompeter beschränken. Messen und Gottesdienste wurden seit dem 16. Jahrhundert durch Orgel- und Violenspiel bereichert. Einzelne Frauen, die schon in Kindheit und Jugend musikalisch vorgebildet waren, pflegten diese Fertigkeiten auch im Stift. Insbesondere im 18. Jahrhundert, als die Fürstäbtissinnen vorwiegend aus fürstlichen Häusern kamen, zogen sie einen kulturell interessanteren Wohnort vor. Sie lebten außerhalb ihrer Stifte in den ›Metropolen‹ und besuchten nur hin und wieder die kleinen Territorien, die sie als Fürstinnen des Reiches regierten. Wie kaum andere Frauen der damaligen Zeit konnten sie nach eigenen Wünschen im Rahmen der Standesgrenzen ein relativ ungebundenes Leben führen, eben »sa propre maitresse« sein. »Inventario deren Oratorien-, Operen- und Oprettenbücher pro anno 1787«100 Titel Oratorio la conversationi di St. Agostino Oratorio Il Pellegrini al sepolcro Oratorio St. Elena Oratorio La Passione sign. Sales Oratorio Isaaco Oratorio Gioas Oratorio Gieste Oratorio Giuseppe Oratorio la Betulia liberata sign. Bernasconi Oratorio Mater Jesu juxta Crucem Oratorio Suspiria de vota dolentem inter et amantem animam Oratorio La Passione sign. Schuster Oratorio affectus amantis Oratorio Betulia liberate sign. Sales Oratorio daß Erste Ungewitter Oratorio de Passione domini nostri Jesu Christi sign. Holtzbauer Oratorio der Tod Jesu Oratorio der sterbende Jesu 100 Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 1 C Nr. 947 Serie U Rest, fol. 83.
Stückzahl 270 156 157 228 503 228 164 544 287 305 4 480 84 334 4 3 280 270
156 Opera Il Re Pastore Opera la Buona figliola Maritata Opera la Semplice Opera la Contadina in corte Opera Isola disabitata Opera Isola d’Amore Opera l’Endimione Opera la Religione esultante Oprett Il Gioco del Pichetto [wohl mit Bezug auf Vorjahre]101 An Operen und Licenzen An französischen Operets und Arietten An blasende Instrument Partien Coblentz 17. Februarij 1788 [gez.] Johann Michael Meder, Calcantus [gez.] Sales
101 Ebd., fol. 82.
Ute Küppers-Braun
159 54 328 187 52 126 30 101 16 76 25 60
Ulrike Gleixner
Fürstäbtissin, Patronage und protestantische Indienmission Das Stiften sozialer Räume im »Reich Gottes«
Die Förderung einzelner künstlerisch und literarisch tätiger Personen im Umfeld des Hofes wie die Unterstützung wissenschaftlicher, sozialer und religiöser Einrichtungen war in der Frühen Neuzeit ein einflussreiches Feld politischkulturellen Handelns von Fürstinnen. Diese Patronagepraxis war zum einen in der Rollenanforderung an eine fürstliche Landesmutter angelegt und in dem damit verbundenen Repräsentationsbestreben der eigenen Person. Zum anderen war die Patronage von Fürstinnen Bestandteil einer dynastischen Politik zur Stärkung des Hauses, dessen Zugehörigkeit durch Geburt, Heirat oder Amt definiert war.1 Die ältere historische Forschung hat diese politisch bedeutsame Patronage selten mit fürstlichen Frauen verbunden, da in der Regel die polyzentrische Topographie des frühneuzeitlichen Hofes wenig reflektiert wurde, der nie exklusiv auf den regierenden Fürsten ausgerichtet war.2 Diese Reduktion in der Forschungstradition der Patronage gründete auch auf der Fehlannahme, fürstliche Frauen hätten über keine eigenen finanziellen Mittel verfügen können. In den letzten beiden Dekaden haben jedoch eine Reihe von 1 Jörg Jochen Berns, »Zur Frühgeschichte des deutschen Musenhofes oder Duodezabsolutismus als kulturelle Chance«, in: Frühneuzeitliche Hofkultur in Hessen und Thüringen, hrsg. von dems. und Detlef Ignasiak, Erlangen/Jena 1993, S. 10–43. Zur neueren Diskussion um das Thema Patronage vgl. Princes, Patronage, and the Nobility: The Court at the Beginning of the Modern Age, c. 1450–1650, hrsg. von Ronald Asch und Adolf Birke, Oxford 1991; Heiko Droste, »Patronage in der Frühen Neuzeit – Institution und Kulturform«, in: Zeitschrift für historische Forschung 30 (2003), S. 555–590; Birgit Emich u. a., »Stand und Perspektiven der Patronageforschung«, in: Zeitschrift für historische Forschung 32 (2005), S. 233–265. 2 Queenship in Britain 1660–1837: Royal patronage, court culture and dynamic politics, hrsg. von Clarissa Campbell Orr, Manchester/New York 2002; Heide Wunder, »Dynastie und Herrschaftssicherung«, in: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit, hrsg. von ders., Berlin 2002 (= Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 28), S. 9–27; Katrin Keller, »Hofdamen, Fürstinnen, Mätressen. Frauen und Politik in der höfischen Gesellschaft«, in: Mächtig verlockend: Frauen der Welfen: Ausstellungskatalog, Berlin 2010, S. 91–105.
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Forschungen die aktive Rolle fürstlicher, königlicher und kaiserlicher Frauen im Bereich von Stiftungen und Patronage hervorgehoben. Neben den verehelichten Fürstinnen haben hier vor allem regierende und vormundschaftlich regierende Fürstinnen sowie fürstliche Witwen und ledige fürstliche Frauen ein frühneuzeitliches Politikfeld gestaltet. War diese Förderung in der Regel auf das durch Heirat oder Herkommen definierte Territorium und den lokalen Hof bezogen, so erweiterte sich insbesondere seit dem späten 17. Jahrhundert dieser Handlungsrahmen auch auf außereuropäische Räume. Fürstliche Personen aller christlichen Konfessionen unterstützten aus ihrer jeweiligen konfessionspolitischen Verantwortung wie aus persönlicher Frömmigkeit heraus christliche Missionsprojekte in Übersee.3 Ihren Handlungsraum dehnten sie dabei vom eigenen Territorium auf die neuen Welten aus. Am Beispiel der fürstlichen Äbtissin des freien Reichsstiftes Gandersheim, Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen (1681–1766), möchte ich diesen neuen globalen Rahmen der Stiftungspraxis und Patronage von Fürstinnen vorstellen. Über mehr als dreißig Jahre unterstützte die fürstliche Äbtissin die protestantische Indienmission von Gandersheim aus. Interessanterweise nahm der Hof, von dem sie kam, ebenfalls an der protestantischen Indienmission Anteil. Ihre Mutter, die verwitwete Herzogin Elisabeth Eleonore von SachsenMeiningen (1658–1729), geborene Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel, und die Ehefrau des Hofleibarztes Anna Maria Zinck (1665–1733)4 sowie die Brüder der Fürstäbtissin, Carl Friedrich und Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen, engagierten sich als Abonnenten der in Halle verlegten protestantischen Missionszeitschrift.5 Die erste protestantische außereuropäische Mission war durch das dänische Königshaus angestoßen und mit Hilfe der Franckeschen Stiftungen in Halle auf den Weg gebracht worden. In der Hafenstadt Tranquebar, heute Taragambadi, hatte das dänische Königshaus 1706 die erste dauerhafte protestantische Mission in dem dänischen Handelsstützpunkt in Südindien begründet. Neben dem dänischen Königshaus, welches das Salär der Missionare 3 Für die katholische Mission vgl. Ronnie Po-Chia Hsia, Noble Patronage and Jesuit Missions: Maria Theresia von Fugger-Wellenburg (1690–1762) and Jesuit Missionaries in China and Vietnam, Rome 2006; für die protestantische Mission vgl. Ulrike Gleixner, »Expansive Frömmigkeit. Das hallische Netzwerk der Indienmission im 18. Jahrhundert«, in: Mission und Forschung, hrsg. von Heike Liebau, Andreas Nehring und Brigitte Klosterberg, Halle 2010, S. 57–66. 4 Ihr Ehemann war Georg Christoph Zinck (1648–1729), Rat und Leibarzt am Hof in Meiningen. 5 Archiv der Franckeschen Stiftungen zu Halle (AFSt), M 3 L 1: Subskriptionsliste der Halleschen Berichte 1729.
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übernahm, förderte die englische Missionsgesellschaft Society for Promoting Christian Knowledge (SPCK) sowie ein reichsweites Unterstützernetzwerk den Ausbau der Mission im Laufe des 18. Jahrhunderts.6 Elisabeth Ernestine führte einen 34-jährigen Briefwechsel mit Gotthilf August Francke (1696–1769), Sohn des berühmten August Hermann Francke, über die wichtigsten Belange der protestantischen Indienmission. Auch die Gandersheimer Stiftsdame Margaretha Sybilla Prinzessin von Schwarzburg-Rudolstadt (1707–1795) korrespondierte mit Francke, und auch sie stiftete Gelder für die Mission.7 Der jüngere Francke war nach dem Tod seines Vaters zum erfolgreichen Organisator und Erneuerer des Unterstützernetzwerkes der Indienmission avanciert. Er führte daher mit den unterstützenden Eliten eine regelmäßige Korrespondenz. Patronage, soziale Fürsorge und Rollenerfüllung Insbesondere in der Renaissanceforschung gibt es zur weiblichen Patronage im Bereich Kunst und Architektur eine längere Forschungstradition, beginnend mit den Frauen der Medici. Ab Mitte der 1990er Jahre wuchs die Forderung nach einer Geschichte der frühneuzeitlichen Patronage, die das breite weibliche Engagement nicht länger ignoriert.8 Sammelbände und Monographien zeigten, dass wohlhabende Patrizierinnen, Königinnen, Fürstinnen und Äbtissinnen mäzenatisches Handeln als Ausdruck ihrer Person einsetzten.9 6 Johannes Ferdinand Fenger, Geschichte der Trankebarschen Mission, übers. von Emil Francke, Grimma 1845; Daniel Jeyaraj, Inkulturation in Tranquebar. Der Beitrag der frühen dänischhalleschen Mission zum Werden einer indisch-einheimischen Kirche (1706–1730), Erlangen 1996; Geliebtes Europa // Ostindische Welt. 300 Jahre interkultureller Dialog im Spiegel der Dänisch-Halleschen Mission, hrsg. von Heike Liebau, Halle 2006; Halle and the Beginning of Protestant Christianity in India, 3 Bde., hrsg. von Andreas Gross u. a., Halle 2006. 7 Sie kam mit 15 Jahren in das Stift und blieb dort bis zu ihrem Tod. 8 Jaynie Anderson, »Rewriting the history of Art Patronage«, in: Renaissance Studies 10 (1996), S. 129–138. 9 David Roberts, The Ladies: Female Patronage of Restoration Drama 1660–1700, Oxford 1989; Catherine E. King, Renaissance Women Patrons: Wives and Widows in Italy c. 1300– 1550, Manchester/New York 1998; Women and the Art in Early Modern Europe: Patrons, Collectors and Connoisseurs, hrsg. von Cynthia Lawrence, University Park Pennsylvania 2 1998; Art, Memory, and Family in Renaissance Florence, hrsg. von Giovanni Ciappelli und Patricia Lee Rubin, Cambridge 2000; Beyond Isabella: Secular Women Patrons of Art in Renaissance Italy, hrsg. von Sherly E. Reiss und Davis G. Wilkins, Kirksville 2001; Barbara Stephenson, Power and Patronage of Marguerite de Navarre, Aldershot 2004; Katherine A. McIver, Women, Art and Architecture in Northern Italy, 1520–1580: Negotiating Power, Aldershot 2006; Henrietta Maria: Piety, Politics and Patronage, hrsg. von
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Sie bauten, häufig innerhalb eines dynastischen oder amtsbezogenen Interessenhorizontes, Schlösser, Kirchen und Klöster und statteten diese aus. Sie ließen repräsentative Grabmäler für ihre Gatten errichten, gründeten soziale wie religiöse Stiftungen, beteiligten sich an Schulgründungen und richteten Bildungsstipendien ein. Insbesondere Witwen, aber auch verheiratete und ledige Frauen sowie Äbtissinnen verfügten über ein eigenes Vermögen durch Mitgiften, Erbschaften und Einkünfte, das ihnen diese Patronage ermöglichte.10 Für den deutschsprachigen Raum kamen wichtige Impulse aus der Witwenforschung.11 Die testamentarische Verfügung von Witwen aus den Reihen des städtischen Patriziats und des Adels erfolgten häufig zugunsten religiöser und sozialer Zwecke. In einem System der Reziprozität stand für die kontinuierliche Sozialleistung als Gegengabe das Gebet der Armen für das Seelenheil von Stifterinnen und Stiftern. Die testierenden Frauen stifteten Legate für Arme und Bedürftige, begründeten Hospitäler oder Seelhäuser; es gab Schenkungen für die Ausstattung von Pfründen, von Kirchenräumen und Altären: Kunstgegenstände, Messbücher, Kelche, liturgische Gewänder. Änderte sich mit der Reformation allmählich die religiöse Einbettung von frommen sozialen Stiftungen, so scheint die Stiftungspraxis und die damit verbundene Memorialfunktion doch von großer Kontinuität gekennzeichnet, über alle konfessionellen Grenzen hinweg. Britta Kruse hat beispielsweise für Nürnberg zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert mehr als sechzig Stiftungen
Erin Griffey, Aldershot 2008; Suzanne G. Cusick, Francesca Caccini at the Medici Court: Music and the Circulation of Power, Chicago 2009; Rebecca Mills, »›To be both Patroness and Friend‹: Patronage, Friendship, and Protofeminism in the Life of Elizabeth Thomas (1675–1731)«, in: Studies in Eighteenth-Century Culture 38 (2009), S. 69–89. 10 Carolyn Valone, »Matrons and Motives: Why Women Built in Early Modern Rome«, in: Reiss, Isabella (wie Anm. 9), S. 317. 11 Barbara Welzel, »Die Macht der Witwen: Zum Selbstverständnis niederländischer Statthalterinnen«, in: Das Frauenzimmer: Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hrsg. von Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini, Stuttgart 2000, S. 287–309; Witwenschaft in der Frühen Neuzeit: Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, hrsg. von Martina Schattkowsky, Leipzig 2003; Britta-Juliane Kruse, Witwen: Kulturgeschichte eines Standes in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Berlin/ New York 2007; Jill Bepler, »›im dritten Gradu ungleicher Linie seitwärts verwandt‹: Frauen und dynastisches Bewusstsein in den Funeralwerken der Frühen Neuzeit«, in: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit: Geschlechter und Geschlecht, hrsg. von Heide Wunder, Berlin 2002 (= Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 28), S. 135–160; Jill Bepler, »Enduring loss and memorializing women: The cultural role of dynastic widows in early modern Germany«, in: Enduring loss in early modern Germany, hrsg. von Lynne Tatlock, Leiden/Boston 2010, S. 133–160.
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zugunsten »armer Frauen und Witwen« nachgewiesen.12 Nach der Reformation nahmen Bildungsstipendien mit dem Ziel, die jeweilige konfessionelle Ausrichtung zu stabilisieren, insgesamt zu. Fürstliche Witwen engagierten sich häufig für die schulische und universitäre Ausbildung von Theologiestudenten.13 Eine Reihe von hochadeligen Frauen unterstützten seit dem späten 17. Jahrhundert Schulprojekte wie die Schulen des Halleschen Waisenhauses durch regelmäßige und umfangreiche Spenden.14 Henriette Katharina von Gersdorff (1648–1726) initiierte und finanzierte 1705 ein Stift mit Schule in Altenburg für Mädchen, junge Frauen und Witwen des unvermögenden protestantischen Adels. Mit dem »Magdalenenstift« ermöglichte sie diesen Frauen ein standesgemäßes Leben.15 Die jung verwitwete Markgräfin Christiane Charlotte von Brandenburg-Ansbach (1694–1729)16 verfolgte gar das ehrgeizige Projekt einer Universitätsgründung. Dem Stiftungsfond vermachte sie 1729 die stolze Summe von 150.000 Gulden aus ihrem Privatvermögen.17 Sowohl der mikrohistorische Forschungsansatz als auch die empirische Hofforschung zu fürstlichen Frauen zeigen in der Summe, wie zentral das System der Patronage als Bestandteil des Rollenhandelns fürstlicher Frauen
12 Kruse, Witwen (wie Anm. 11), S. 439–443. 13 Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, 2 Bde., hrsg. von Elke Kleinau und Claudia Opitz, Frankfurt am Main/New York 1996; Anne Conrad, »Stifterinnen und Lehrerinnen: Der Anteil von Frauen am jesuitischen Bildungswesen«, in: Petrus Canisius SJ (1521–1597): Humanist und Europäer, hrsg. von Rainer Berndt, Berlin 2000, S. 205– 224; Bildungsmäzenatentum: Privates Handeln – Bürgersinn – kulturelle Kompetenz seit der Frühen Neuzeit, hrsg. von Jonas Flöter und Christian Ritzi, Köln/Weimar/Wien 2007; Kruse, Witwen (wie Anm. 11), S. 461; Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 2: 18. Jahrhundert: Vom späten 17. Jahrhundert bis zur Neuordnung Deutschlands um 1800, hrsg. von Notker Hammerstein und Ulrich Herrmann, München 2005; Schulstiftungen und Studienfinanzierung: Bildungsmäzenatentum in den böhmischen, österreichischen und ungarischen Ländern, 1500–1800, hrsg. von Joachim Bahlke, Wien 2011. 14 Ulrike Witt, Bekehrung, Bildung und Biographie: Frauen im Umkreis des Halleschen Pietismus, Tübingen 1996. 15 Für diesen Zusammenhang vgl. ebd., S. 151–167; Robert Langer, Pallas und ihre Waffen: Wirkungskreise der Henriette Catharina von Gersdorff, Dresden 2008, S. 111–122; Lucinda Martin, »Öffentlichkeit und Anonymität von Frauen im (Radikalen) Pietismus – Die Spendentätigkeit adliger Patroninnen«, in: Der radikale Pietismus: Perspektiven der Forschung, hrsg. von Wolfgang Breul, Lothar Vogel und Marcus Meier, Göttingen 2010, S. 385–401. 16 1723 übernahm sie nach dem frühen Tod ihres Gatten 29-jährig für sechs Jahre die vormundschaftliche Regierung für ihren knapp 11-jährigen Sohn Carl Wilhelm Friedrich. 17 Andrea Schödl, Frauen und dynastische Politik: 1703–1723: Die Markgräfinnen Elisabeth Sophie von Brandenburg und Christine Charlotte von Ansbach, Kulmbach 2007.
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gewertet werden muss.18 Hedwig von Dänemark, Kurfürstin von Sachsen (1581–1641), führte eine neunjährige kinderlose Ehe und zog nach dem Tod des Kurfürsten 1611 auf ihren Witwensitz, die Lichtenburg in Sachsen nahe der Stadt Prettin. Als junge Witwe und im Laufe ihrer 30-jährigen Witwenzeit entwickelte die Kurfürstin eine beeindruckende Energie für den Ausbau des Schlosses, als Kunstmäzenatin und bei der Fürsorge ihrer zur Residenz gehörenden Ämter. Sie unterstützte beispielsweise Bau, Renovierung und Ausstattung von Kirchen in ihren Wittumsämtern. Im Dreißigjährigen Krieg sorgte sie hier für die Armenfürsorge, und während der Pestepidemie 1637 stellte sie ihre Apotheke dem in der Stadt Prettin eingerichteten Lazarett zur Verfügung.19 Die bedeutendste Stiftung zu ihren Lebzeiten aus dem Jahre 1624 umfasste ein Kapital von 2000 Gulden. Die jährlichen Zinsen in Höhe von 120 Gulden sollten für Kirchendiener, Unterhalt und Büchergeld für bedürftige Schüler, Kleidung und Unterstützung für Arme sowie Renovierungsarbeiten an den Kirchen verwendet werden. Die Stiftung existiert heute noch als Hedwigsstiftung.20 Damit nicht genug, förderte sie auch noch die Karrieren einzelner Künstler und Musiker. Auch fürstliche Äbtissinnen waren in das System der Patronage eingebunden. Sie waren vor allem als Stifterinnen aktiv. Patronage für die protestantische Indienmission Dass insbesondere der Reichsadel den Pietismus und die halleschen Waisenhausprojekte unterstützte, ist als Beobachtung nicht neu, eine umfassende Aufarbeitung steht jedoch weiterhin aus.21 Für die Einordnung der mikrohis18 Deutsche Frauen der Frühen Neuzeit: Dichterinnen, Malerinnen, Mäzeninnen, hrsg. von Kerstin Merkel und Heide Wunder, Darmstadt 2000; Magdalena Drexl, Weiberfeinde – Weiberfreunde?: Die Querelle des femmes im Kontext konfessioneller Konflikte um 1600, Frankfurt am Main 2006; Ute Essegern, Fürstinnen am kursächsischen Hof: Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Leipzig 2007. 19 Essegern, Fürstinnen am kursächsischen Hof (wie Anm. 18), S. 134. 20 Ebd., S. 206. 21 Carl Hinrichs, Preußentum und Pietismus. Der Pietismus in Brandenburg-Preußen als religiös-soziale Reformbewegung, Göttingen 1971; Benjamin Marschke, Absolutly Pietist: Patronage, Factionalism, and State-Building in the Early Eighteenth-Century Prussian Army Chaplaincy, Tübingen 2005; Gendering Tradition: Erinnerungskultur und Geschlecht im Pietismus, hrsg. von Ulrike Gleixner und Erika Hebeisen, Korb 2007; Jutta TaegeBizer, »Adeliges Selbstverständnis und pietistische Reform: Reichsgräfin Benigna von Solms-Laubach (1648–1702)«, in: Adel in Hessen: Herrschaft, Selbstverständnis und Lebensführung vom 15. bis ins 20. Jahrhundert, hrsg. von Eckart Conze, Alexander Jendorff und Heide Wunder, Marburg 2010, S. 293–314.
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torischen Fallstudie zur Fürstäbtissin Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen ist der Befund, dass auch andere protestantische Fürstenhäuser und dazu zwei Königshäuser die Indienmission finanziell und ideell unterstützten, von Bedeutung. Einige Höfe investierten sehr hohe Geldsummen in das Missionsprojekt, andere spendeten kleinere Beträge, und dritte bezogen allein die mehrmals im Jahr erscheinende und in Halle herausgegebene Missionszeitschrift Ausführliche Berichte, die mit werbender Absicht die Erfolge und Schwierigkeiten in der Mission dokumentierte sowie landeskundliche und kulturelle Berichte aus Indien abdruckte.22 Häufig gehörten auch Hofdamen, Hofbeamte und deren Ehefrauen zum Unterstützerkreis, so wie auch die männlichen Mitglieder der Dynastien zum Abonnentenkreis der Missionszeitschrift zählten. Die Liste der Subskribenten aus dem Jahr 1729 weist einen großen höfischen Personenkreis auf.23 Ausgehend vom dänischen Königshof lassen sich neben dem Missionsbegründer König Friedrich IV. von Dänemark und Norwegen als Subskribentinnen und Subskribenten auch seine Schwester Prinzessin Sophie Hedwig (1677–1735), seine Tochter Prinzessin Charlotte (1706–1782), das Kronprinzenpaar Sophia Magdalena (1700–1770), geb. Herzogin von Brandenburg-Bayreuth, und Christian VI., ab 1730 König (1699–1746), sowie die Hofmeisterin von Holsten und verschiedene Hofdamen ausmachen. Am preußischen Königshof in Berlin waren die Königin Sophie Dorothea (1687–1757) mit ihren Töchtern Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine (1709–1758), spätere Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth, und Prinzessin Philippine Charlotte (1716–1801), spätere Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel, involviert. Hinzu kam noch die in der Vermittlung zwischen Hof und Halle überaus aktive verwitwete Ilse Anna von Kameke (1675–1749), Oberhofmeisterin der preußischen Königin, und weitere Hofdamen. Aber auch der königliche Ehemann Friedrich Wilhelm I. und die Prinzen Friedrich und August Wilhelm waren Abonnenten der Missionszeitschrift. Darüber hinaus lassen sich eine Vielzahl von fürstlichen Frauen und Hofmitgliedern kleinerer Höfe als Abonnenten ausmachen, beispielsweise die aus dem preußischen Königshaus stammende Markgräfin Friederike Luise von
22 Der vollständige Titel der Zeitschrift lautet: Der Königl. Dänischen Missionarien aus OstIndien eingesandter Ausführlichen Berichten, Von dem Werck ihres Amts unter den Heyden, angerichteten Schulen und Gemeinen, ereigneten Hindernissen und schweren Umständen. Beschaffenheit des Malabarischen Heydenthums, gepflogenen brieflichen Correspondentz und mündlichen Unterredungen mit selbigen Heyden, Continuation 1–108, Halle, in Verlegung des WaysenHauses, 1710–1770; URL: http://192.124.243.55/digbib/hb.htm. [Zugriff 15.7.2012]. 23 AFSt (wie Anm. 5), M 3 L 1: Subskriptionsliste der Halleschen Berichte 1729.
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Brandenburg-Ansbach (1714–1784),24 auch die Herzogin Luise von Stollberg-Gedern (1693–1767), geborene Gräfin von Nassau-Saarbrücken,25 und aus Sachsen die Herzogin Auguste Luise von Sachsen-Weißenfels-Barby (gestorben 1739), geborene Herzogin von Württemberg-Oels, dann die verwitwete Reichsgräfin Gisela Agnes von Anhalt-Köthen (1670–1740), geborene von Rath,26 ihre Tochter Christiane Charlotte (1702–1745), der Sohn August Ludwig, ab 1728 regierender Fürst zu Anhalt-Köthen, und seine Gattin Emilie (1708–1732), geborene Reichsgräfin von Promnitz. Dazu kam das Hoffräulein der fürstlichen Witwe Charlotte Sophie von Dennstädt (1700–1744), die als Schülerin das Hallesche Gynäceum besucht hatte und eine intensive Beziehung zu Halle unterhielt. Einige Fürstenpaare bezogen die Zeitschrift in jeweils separaten Exemplaren, wie die Herzogin Hedwig Friederike von Anhalt-Zerbst (1691–1752), geborene Herzogin von Württemberg-Weiltringen, und ihr Ehemann Johann August von Anhalt-Zerbst, auch das Herzogspaar Sophie Caroline von Ostfriesland (1707–1764), geborene Markgräfin von BrandenburgKulmbach, und ihr Ehemann Georg Albrecht sowie der Sohn Herzog Carl Edzard und die verwitwete Hofmeisterin Anna Ursula von Wurm. Ein weiteres Paar mit Hofbediensteten als Abonnierende waren die Herzogin Christiane Friederike von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1686–1743) und ihr Gatte Herzog Christian Ernst, dazu die Hofdame Frau von Schwarzenfels, geborene von Koss. Aus den Linien des reichsgräflichen Hauses Reuss im Vogtland bezogen die Missionszeitschrift folgende Personen: eine Gräfin von Reuß in Dresden, deren Ehemann Generalfeldmarschall war, die ledige Reichsgräfin Luise Benigna Maximiliane von Reuß-Köstritz (1710–1756), ihr Vater Heinrich XXIV. von Reuß-Köstritz (er starb 1748) und ihr Bruder Heinrich VI. sowie ihre Tante, die verwitwete Reichsgräfin Auguste Dorothea von ReußSchleiz (1678–1740), und die verwitwete Reichsgräfin Beate Henriette von Reuß-Lobenstein (1696–1757), geborene von Söhlenthal.27 Auch die Reichsgräfin von Wurmbrand-Stuppach aus niederösterreichischem Adel, geboren in Breslau um 1713 und seit 1729 im Vogtland, war Subskribentin. Konfessionelle Identität und herrschaftlich-politische Verantwortung markieren die zentralen Gründe, warum Reichsfürstinnen sich für die protestantische Sache engagieren. Die außereuropäische Mission bot seit dem beginnen24 Sie war seit 1729 mit Markgraf Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach verehelicht. 25 Sie war verehelicht mit Herzog Friedrich Carl. 26 Sie heiratete 1692 den Herzog Emanuel Leberecht von Anhalt-Köthen und wurde 1694 in den Reichsgrafenstand erhoben. 27 Sie war verehelicht mit Heinrich XXIII. von Reuß-Lobenstein (1680–1723).
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den 18. Jahrhundert dafür einen neuen Raum. Äbtissinnen und Stiftsdamen wie beispielsweise Herzogin Sophie Wilhelmine von Waldeck (1686–1749),28 die Äbtissin des Stiftes Schaaken, unterstützten die protestantischen Missionen auch aus dem Selbstverständnis heraus, Inhaberin eines geistlichen Amtes zu sein. Die Gandersheimer Äbtissin als Unterstützerin der Indienmission Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen (1681–1766) wurde 1713 mit 22 Jahren Äbtissin des protestantischen freien Reichsstiftes Gandersheim und behielt die Position bis zu ihrem Tod.29 Über ihre Mutter30 war die Äbtissin mit dem Hause Braunschweig-Wolfenbüttel als Nichte des regierenden Fürsten Anton Ulrich eng verwandt und von daher eine politisch ideale Besetzung für das Fürstentum. Ihre Amtszeit war von glücklicheren Umständen geprägt als die ihrer Vorgängerin und Tante Henriette Christine (1669– 1753), der jüngsten Tochter von Herzog Anton Ulrich von BraunschweigWolfenbüttel, die 1712 auf Grund einer nichtehelichen Schwangerschaft als Äbtissin zurücktreten musste. Nach der Geburt des Kindes konvertierte sie zum Katholizismus und verbrachte ihr weiteres Leben in dem belgischen Kloster Roermond an der Maas.31 Seit Beginn des 15. Jahrhunderts stammte etwa 28 Tochter von Herzog Christian Ludwig von Waldeck und seiner zweiten Ehefrau Johanna von Nassau-Idstein aus der Residenz Arolsen. 29 Johann Georg Leuckfeld, Antiquitates Gandersheimenses oder Historische Beschreibung des uralten kayserlich Freyen Weltlichen Reichs-Stiftes Gandersheim, Wolfenbüttel 1709; Georg Emmrich, »Elisabeth Ernestine Antoinette Äbtissin zu Gandersheim«, in: Archiv für die Herzoglich Sachsen-Meiningischen Lande 2 (1834), S. 135–156; Kurt Kronenberg, Die Äbtissinnen des Reichsstiftes Gandersheim, Gandersheim 1981; Alfred Erck, »Prinzessinnen als Stiftsdamen: Elisabeth Ernestine Antonia von Sachsen-Meiningen«, in: Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen 1485–1918, hrsg. von Konrad Scheurmann und Jördis Frank, Mainz 2004, S. 380–385; Stefanie Walther, »Zwischen Emotionen und Interessen: Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen als Schwester, Schwägerin und Tante«, in: WerkstattGeschichte 46 (2007), S. 25–40; Ute Küppers-Braun, »Aufklärung in Damenstiften?: Eine historische Annäherung an ein weitgehend unbeachtetes Forschungsfeld: Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen (1681– 1766), Fürstäbtissin in Gandersheim«, in: Frauen, Philosophie und Bildung im Zeitalter der Aufklärung, hrsg. von Sabine Koloch, Berlin 2010, S. 257–259 und 272–275. 30 Elisabeth Eleonore (1658–1729), die älteste Tochter des Wolfenbütteler Fürstenpaares Anton Ulrich und Elisabeth Juliane, in zweiter Ehe verheiratet mit Herzog Bernhard I. von Sachsen-Meiningen (1649–1706). 31 Ute Küppers-Braun, »Fürstäbtissin Henriette Christine von Braunschweig-Lüneburg (1669–1753) oder: Kann eine Frau ohne ihr Wissen schwanger werden?«, in: Ganders-
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die Hälfte der Gandersheimer Äbtissinnen aus dem Hause BraunschweigWolfenbüttel. Das Herzoghaus, zu dessen Territorium Gandersheim gehörte, war nie ohne Einfluss auf die Besetzung dieser Stelle gewesen. In der niedersächsischen Kirchengeschichte gilt Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen als die bedeutendste Gandersheimer Äbtissin der Neuzeit, künstlerisch und wissenschaftlich versiert.32 Bisher unbekannt sind ihre sozialen und religiösen Stiftungen sowie ihre Patronage für die protestantische Indienmission. Mit ihrem Hofstaat, den sie teilweise aus Meiningen mitgebracht hatte, wie ihren Oberhofmeister Johann Anton von Kroll und seine Schwester Esther von Kroll, die ihre erste Hofdame wurde, und Künstler wie der Bildhauer Caspar Käse und der Musiker Nikolaus Ephraim Bach, gestaltete die kunstsinnige und tatkräftige Äbtissin die Abtei Gandersheim zu einer spätbarocken Residenz um. Diesen Umbau unternahm sie zusammen mit ihrem zeitlebens unverheiratet gebliebenen Oberhofmeister Johann Anton Kroll von Freyen (1666–1749). Die Äbtissin legte in ihrer 53-jährigen Gandersheimer Regierungszeit wichtige kulturhistorische Sammlungen an, darunter eine bedeutende Skulpturen- und Gemäldegalerie.33 Sie begründete ab 1728 eine umfangreiche neue Stiftsbibliothek.34 Das Gemälde, das der Memorialkultur adeliger Geschichtsschreibung folgt, spielt auf die von der Äbtissin angelegten Sammlungen und ihre Bautätigkeit an. Die Gemälde- und Skulpturensammlung, die Naturalien- und Münzheim und Essen: Vergleichende Untersuchungen zu sächsischen Frauenstiften, hrsg. von Martin Hoernes und Hedwig Röckelein, Essen 2006, S. 229–244; Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 8. bis 18. Jahrhundert, hrsg. von Horst-Rüdiger Jarck, Braunschweig 2006, S. 338 f. 32 Hans Goetting, Das Bistum Hildesheim, Bd. 1: Das Reichsunmittelbare Kanonissenstift Gandersheim, Berlin/New York 1973 (= Germania Sacra: Historisch-Statistische Beschreibung der Kirche des alten Reiches, Neue Folge, Bd. 7: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz), S. 141–142 und 289–358. 33 Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel (NSTA–WF), D-Wa, 11 Alt Gand Fb 1, Nr. I. 23: Nachrichten über das Land der Äbtissin Elisabeth Ernestine Antonie in Brunshausen und die dort befindlichen naturgeschichtlichen Sammlungen von der Hand des Oberhofmeisters von Kroll, S. 410–413; Johannes Zahlten, »Bildprogramme als Bildungsprogramm: Ein Porträt der Gandersheimer Äbtissin Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen und ihr Schloß Brunshausen«, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 16 (1977), S. 69–81; Kurt Kronenberg, Brunshausen: Vom Missionskloster zum Sommerschloss einer Fürstäbtissin, Gandersheim 1983. 34 D-Wa, 6 Urk 1268: Statuten der neuen Stiftsbibliothek; Curt Höfner, »Zur Geschichte der Gandersheimer Büchersammlungen«, in: Buch und Welt: Festschrift für Gustav Hofmann, hrsg. von Hans Striedl und Joachim Wieder, Wiesbaden 1965, S. 197–210; Gabriele Canstein, »Die Stiftsbibliothek Gandersheim«, in: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Katholisch-Theologischer Bibliotheken 46 (1999), S. 47–57.
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Abb. 1 Johann Peter Harburg, Elisabeth Ernestine Antoinette von Sachsen-Meiningen (um 1734), Öl auf Leinwand, 150 x 240 cm. Stift Gandersheim (Kaisersaal), mit freundlicher Genehmigung.
sammlung, die Stiftsbibliothek sowie Noten und Klavichord zitieren die Interessen und Fähigkeiten der Äbtissin. Durch das Fenster blickt man auf ihren Schlossneubau in Brunshausen. Die Äbtissin repräsentiert sich als barocke, gelehrte Fürstin.35 Elisabeth Eleonore hatte nicht nur einen barocken Flügelanbau für die Abtei errichten lassen und an vielen Stellen die Renovierungen des Stiftes aus ihrem 35 Zur Bildbeschreibung siehe auch Anne-Katrin Race, Die kunstsinnige Äbtissin Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen, http://www.portal-zur-geschichte.de/eea. html [Zugriff 14.01.2011].
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privaten Vermögen mitfinanziert, sondern auch einen Schlossbau mit Garten auf der Ruine des zum Stift gehörenden Klosters Brunshausen realisiert. Den Arbeitslohn hierfür finanzierte sie ebenfalls aus ihrem privaten Vermögen, die Baumaterialien wurden aus dem Stiftskapital beglichen. Im Testament begründet sie den Schlossbau mit einem kaiserlichen Mandat von 1576, das der Gandersheimer Äbtissin verordne, das Amt auch in Brunshausen zu versehen und dort gelegentlich zu residieren.36 Die Sommerresidenz Brunshausen war mit einer Vielzahl von Wandgemälden ausgestattet, die die thematischen Bereiche Stifts- und Reichsgeschichte, Genealogie der Äbtissinnen, heraldische Ahnenprobe der väterlichen und mütterlichen Vorfahren der Bauherrin, römische Kaiser und Kaiserinnen, antike Götter und Ansichten von Ägypten, Persepolis und Jerusalem und römische Bauwerke sowie wissenschaftliche Themen umfassten.37 In den zwei oberen Stockwerken des Sommerschlosses hatte sie ihre Sammlungen zu repräsentativen und pädagogischen Zwecken aufstellen lassen, vornehmlich für die Schüler und Lehrer der Stiftsschule, wie sie in ihrem Testament erklärte. Der Einfluss der Pädagogik hallescher Prägung ist für diese Projekte greifbar. August Hermann Francke hatte für den halleschen Schulkosmos ein Naturalienkabinett eingerichtet und den Realienunterricht für seine neue Pädagogik verpflichtend gemacht. An dieser Stelle lässt sich der gesellschaftliche und kulturelle Transfer von einer bürgerlich-religiösen Schulreform an einen fürstlichen Sitz nachvollziehen. Die gebildete, kunstsinnige, fromme und pädagogisch interessierte Fürstin konnte wohl deshalb das Stift zu einer spätbarocken Residenz ausbauen, weil sie zugleich eine gute Ökonomin war. Sie reorganisierte das Stift nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich und errichtete eine Reihe von rentablen Betrieben wie eine Öl- und Sägemühle sowie eine Fischzucht mit Teichen, und sie ließ neue Gebäude wie Vorwerk, Scheunen und Ställe anlegen. Die Äbtissin war jedoch nicht nur Bauherrin, Kunstmäzenin und Bibliotheksgründerin, sondern sie errichtete auch eine Vielzahl von sozialen und religiösen Stiftungen, die sie aus ihrem persönlichen Vermögen finanzierte. Ihre Einrichtung von Stiftungen bezieht sich zum einen auf ihre Lebenszeit und zum anderen auf testamentarische Verfügungen.38 Stiftungen, die auf Dauer angelegt waren, basierten in der Regel auf einem angelegten Stiftungskapital 36 Thüringisches Staatsarchiv Meiningen (ThSTA Mgn), D-MEIl, Geheimes Staatsarchiv XV Q Nr. 21. 37 Johannes Zahlten, »›Die herrlichen Anstalten zu Brunshausen‹: Ein barockes Lustschloss als Museum und Schule«, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 15 (1976), S. 139–160. 38 Fromme und soziale Stiftungen von Äbtissinnen waren sehr üblich, vgl. dazu Ulrich Löer, »Symbolische Repräsentation zur Barockzeit im adligen Kanonissenstift: Anna Luberta von Calenberg, Äbtissin zu Geseke (1703–1756)«, in: Westfälische Zeitschrift 160 (2010) S. 71–89.
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oder auf Immobilien; der jährliche Zinsertrag von meist fünf Prozent wurde entsprechend des Stiftungszweckes ausgeschüttet. Die Gandersheimer Äbtissin dehnte ihre soziale Stiftungspraxis auf drei Orte aus: Meiningen, Gandersheim und Tranquebar in Südostindien. Vier Jahre nach ihrem Amtsantritt als Äbtissin im Jahr 1717 errichtete Elisabeth Ernestine eine Stiftung von 160 fränkischen Gulden für »Blinde Kinder und arme Witwen« in Meiningen, der Residenzstadt ihrer Herkunft,39 und 1757 gründete sie dort eine Stiftung von 500 Reichstalern für »Witwen und elende seßhafte Personen«.40 Im Juli 1733 errichtete die Äbtissin in ihrem Amtssitz Gandersheim eine Stiftung zu Gunsten »Lahmer und blinder Personen«. Sie begründete ihr Handeln mit einem biblischen Zitat aus einem apokryphen Buch des Alten Testaments (Tobias 4, 7–9): »Von deinen Gütern hilff den Armen, und wende dich nicht von den Armen. Wo du kanst so hilff den Dürftigen. Hast Du viel, so gieb reichlich, hast Du wenig, so Gieb das wenige mit treuem Herzen.«41
Im Anschluss an das Schriftzitat vermerkte die Äbtissin: »Dieser Erinnerung zu Folge, habe denn auch ich von meinem Wenigen, Gott zu Ehren, und der Armuth zu Dienst, dasjenige was hiernächst verzeichnet stehet, witmen wollen«.42 Wohl kurz nach ihrem Amtsantritt hatte die Äbtissin in Gandersheim eine Armenstiftung errichtet, von der jährlich an ihrem Geburtstag am 10. Dezember den Armen eine Ausschüttung in Höhe von zehn Reichstalern zukam, die in kleinen Geldbeträgen und Naturalien (Gekochtes, Wildbret, Bier und Brot) ausgegeben wurde.43 Im November 1735 errichtete die Fürstin eine Stiftung von 75 Reichstalern für »Arme Witwen« in der Missionsgemeinde im indischen Tranquebar.44 Auch an die armen, zum Christentum bekehrten Witwen in Indien sollten Speisen, Trank und Kleidung ausgeteilt werden. In einem ihrer Briefe an Gotthilf August Francke in Halle begründete die Äbtissin diese Witwenstiftung in Südindien als Bestandteil der »Erweiterung des Reiches Jesu Christi«.45 39 40 41 42 43 44 45
D-MEIl (wie Anm. 36), Geheimes Staatsarchiv XV Q Nr. 10. Ebd., Nr. 30. Ebd., Nr. 39. Ebd. Ebd., Nr 21. AFSt (wie Anm. 5), M 1 J 14:41. AFSt (wie Anm. 5), M 1 J 14:41: Brief von Elisabeth Ernestine Antonie vom 22. November 1735, betrifft ihre Witwenstiftung zugunsten der Mission in Tranquebar.
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Mit ihrem Stiftungshandeln bewegt sich die Äbtissin vor dem normativen Tugendhorizont einer Fürstin, Landesmutter und geistlichen Amtsperson, zu dem Mildtätigkeit und die Sorge um die Armen gehörte.46 Gehen Fürstenspiegel auf die Position der Fürstin ein, wie beispielsweise der Text von Johann Willing von 1570, dokumentieren sie, dass Armenfürsorge, Krankenhilfe und Unterstützung der Kirche von einer Fürstin erwartet wurden.47 Meine Durchsicht von Leichenpredigten von Äbtissinnen protestantischer Stifte des 17. Jahrhunderts zeigt, dass Elisabeth Ernestine dem von ihr erwarteten Rollenmuster völlig entsprach. Äbtissinnen sind Spiegel der Tugend und werden in den Erinnerungstexten für ihre gute Stiftsverwaltung gelobt. Ihr hoher Bildungsgrad, ihr Fleiß in Gebet, Predigtbesuch und christlicher Lektüre werden stets akzentuiert, ihre Armenstiftungen, insbesondere für Witwen, Stiftsgeistliche und Lehrer, hervorgehoben und ihre Bautätigkeit zur Erhaltung des Klosters unter Einsatz des privaten Vermögens gerühmt. Das Spezifische und Neue in der Stiftungspraxis der Fürstäbtissin Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen besteht in der räumlichen Verbindung zwischen dem Ort ihrer Herkunft Meiningen, ihrem Amtssitz Gandersheim und dem pietistischen Utopia Tranquebar. Das Dreieck Meiningen – Gandersheim – Tranquebar beschreibt den Aktionsraum ihrer Patronage und in gewisser Weise ihren Herrschaftsraum als geistliche Amtsinhaberin. Die religiös-soziale herrschaftliche Stiftungspraxis entspricht einem mental mapping, das ein protestantisches »Reich Gottes« in der Welt befördern soll.48 Mit ihrem Handeln schafft Elisabeth Ernestine Verbindungslinien zwischen den drei Orten und entwirft 46 Zur neueren Literatur zu adligen Damenstiften vgl. Marietta Meier, Standesbewusste Stiftsdamen: Stand, Familie und Geschlecht im adligen Damenstift Olsberg 1780–1810, Köln/Weimar/Wien 1999; Ute Küppers-Braun, Frauen des hohen Adels im KaiserlichFreiweltlichen Damenstift Essen (1605–1803): Eine verfassungs- und sozialgeschichtliche Studie, Aschendorff 1997; dies., 1000 Jahre Herrschaft adliger Frauen in Essen, Essen 4 2008; Katholisch – Lutherisch – Calvinistisch: Frauenkonvente im Zeitalter der Konfessionalisierung, hrsg. von Ute Küppers-Braun und Thomas Schilp, Essen 2010; Elisabeth von der Pfalz: Äbtissin von Herford, 1618–1680, hrsg. von Helge Bei der Wieden, Hannover 2008; Clemens Bley, Kayserlich – frey – weltlich: Das Reichsstift Quedlinburg im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, Halle 2009; Ulrich Schoenborn, Mit Herz und Verstand: Biographie und Lebenswelt der Töchter Herzog Jakobs von Kurland in HessenHomberg, Herford und Hessen-Kassel: Eine historische Studie, Hamburg 2010. 47 Vgl. Rita Multer, Pädagogische Perspektiven in deutschen Fürstenspiegeln und Erziehungsinstruktionen von Fürstinnen und für Fürstinnen in der Frühen Neuzeit, Phil. Diss. Universität Eichstätt 1998, S. 119. 48 Vgl. Frithjof Benjamin Schenk, »Mental Maps: Die Konstruktionen von geographischen Räumen in Europa seit der Aufklärung«, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 493–514.
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Abb. 2 Peninsula Indiae citra Gangem […] (1733), nach einer Vorlage von Guillaume de l’Isle von 1723, Kupferstich, 52 x 46 cm. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (K 23,30a).
damit einen protestantischen Raum, der durch ihr sozial-religiöses Stiftungshandeln entsteht, und der mit ihrem Namen verbunden ist. Die genannten Stiftungen machen aber nur einen Teil ihrer gesamten Stiftungspraxis aus. Der Pfarrer der Gandersheimer Stiftskirche erhielt beispielsweise ein Legat, und für die Stiftskirche gab die Fürstäbtissin einen vergoldeten Abendmahlskelch, zwei Kerzenleuchter und ein silbernes Taufbecken, in das der Name der Stifterin graviert war. In ihrem Testament richtete die Äbtissin dann eine Vielzahl von sozialen Vermächtnissen und Stiftungen für das Stift Gandersheim ein, die sich in die Bereiche Abtei, Stiftsbibliothek, Stiftskirche, Pfarrwitwen, Arme und Schulen aufspalten.49 Dazu kamen noch 49 Der Abtei vermachte sie 3.000 Reichstaler und der Domkirche 200 Reichstaler in bar; 500 Reichstaler legierte sie zur Erhaltung der Gandersheimer Orgel und der Begräbniskapelle. Drei Stiftungen zu je 100 Reichstalern rief sie ins Leben für die Witwe des Hofpredigers, für eine weitere Pfarrei in Gandersheim und für die von ihr eingerichtete Stiftsbibliothek: »um jährl ein gutes Opus anzuschaffen, damit die von mir angefangene Sammlung wachse«. An Armenstiftungen verfügte sie, dass jährlich am 1. Dezember 12 alte Männer und 12 alte Frauen »gespeiset« und zwei Knaben und zwei Mädchen »gekleidet« werden sollten. 15 arme Frauen sollten alle Quartale je 12 Groschen und Kleidung bekommen. Der Stiftsschule vermachte sie 200 Reichstaler Kapital, dessen Zinsen der Einkommens-
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Stiftungen für die Hof- und Stadtpfarreien in Meiningen. Eine Stiftung von 2000 Reichstalern für das Waisenhaus in Halle versah sie mit einem testamentarischen Kommentar. Da sie kein eigenes Waisenhaus in Brunshausen mehr habe errichten können, wie es immer ihre Intention gewesen sei, sollen von den Zinsen dieses Kapitals jährlich einige Kinder in den Halleschen Anstalten zu ihrem Andenken angenommen werden.50 Kulturtransfer, Raum und Frömmigkeit Auch die kleineren und mittleren fürstlichen Höfe bilden im Alten Reich wichtige Knoten im Netz des kulturellen Transfers. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass Frauen hierbei zu wichtigen Vermittlungsinstanzen wurden. Durch Heirat oder Amt in fremde Territorien gelangt, waren sie Botinnen und Praktikerinnen eines kulturellen Austausches. Die Besuche und Reisen sowie der lebenslange Briefkontakt zum Hof ihrer Herkunft und zu den europaweit verheirateten Schwestern generierten einen lebendigen Austausch. Es waren fürstliche Frauen in jeder Lebensphase, ob als Prinzessinnen, verheiratete Fürstinnen, Witwen oder Hofdamen, die als Mittlerfiguren in überregionalen, kulturellen Netzwerken agierten.51 Mara Wade hat die kunst- und musikmäzenatischen Aktivitäten der Kurfürstin Hedwig von Sachsen, geb. Prinzessin von Dänemark (1581–1641), insbesondere ihre aktive Förderung von Miverbesserung der schlecht besoldeten Lehrer zugute kommen sollte, vgl. Stiftstestament 1757, D-MEIl (wie Anm. 36), Geheimes Staatsarchiv XV Q Nr. 21, bestätigt nach ihrem Tod. 50 Ebd. 51 Susan Groag Bell, »Medieval Women Book Owners: Arbiters of Lay Piety and Ambassadors of Culture«, in: Signs 7/4 (1982), S. 742–768; Stephan Hoppe, »Fürstliche Höfe im Alten Reich als Knotenpunkte des Kulturtransfers am Beginn der Neuzeit: Überlegungen zur Methodik und einschlägige Beispiele«, in: Städte, Höfe und Kulturtransfer: Studien zur Renaissance am Rhein, hrsg. von dems. u. a., Regensburg 2010, S. 47–68; Thomas DaCosta Kaufmann, Court, Cloister, and City: The Art and Culture of Central Europe 1450–1800, Chicago 1995 (dt. Ausgabe 1998); Karl-Heinz Spieß, »Unterwegs zu einem fremden Ehemann: Brautfahrt und Ehe in europäischen Fürstenhäusern des Spätmittelalters«, in: Fremdheit und Reisen im Mittelalter, hrsg. von Irene Erfen und dems., Stuttgart 1997, S. 17–36; Hirschbiegel/Paravicini, Das Frauenzimmer (wie Anm. 11); Grenzüberschreitende Familienbeziehungen: Akteure und Medien des Kulturtransfers in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Dorothea Nolde und Claudia Opitz, Köln/Weimar/Wien 2008; Margarete Zimmermann, »Kulturtransfer in Salons des 16. Jahrhunderts«, in: Höfe – Salons – Akademien: Kulturtransfer und Gender im Europa der Frühen Neuzeit, hrsg. von Gesa Stedman und Margarete Zimmermann, Hildesheim/Zürich/New York 2007, S. 41–63.
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chael Praetorius und Heinrich Schütz, die zu einem Musiktransfer zwischen Dänemark, Wolfenbüttel und Dresden führte, in den Zusammenhang eines europäischen Kulturtransfers durch Fürstinnen gestellt und eine enorme Bedeutung des weiblichen Mäzenatentums für den Kulturtransfer konstatiert.52 Susanne Rode-Breymann hat die zentrale Bedeutung der Habsburger Fürstinnen als Initiatorinnen für den kulturellen Transfer im Bereich der Musikpatronage herausgestellt. Vier aufeinanderfolgende Generationen sicherten dynastische Verbindungen zu den italienischen Fürstenhäusern der Medici und der Gonzaga und belebten den italienischen Kulturtransfer am Wiener Hof. Eine nachhaltige Verbindung von Wien nach Norden zum Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, einem Zentrum des deutschen Barocktheaters, bildete sich über die Heirat von Prinzessin Amalia Wilhelmine von Braunschweig-Calenberg mit Joseph I. im Jahr 1699 und derjenigen von Christine von Braunschweig-Lüneburg mit dem späteren Kaiser Karl VI. im Jahr 1708.53 Als Patronin der Indienmission schafft die Gandersheimer Äbtissin Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen eine geographische Vernetzung zwischen Gandersheim, Halle und Tranquebar und befördert damit die Durchlässigkeit dieser verschiedenen Soziotope. In ihrem Engagement für die pietistische Indienmission unterstützt sie neu bekehrte tamilische Witwen und richtet christliche Bildungsstipendien für bekehrte tamilische Kinder ein. 1730 schreibt die Äbtissin an Gotthilf August Francke: Sie habe aus ihrer Lektüre der Missionszeitschrift entnommen, dass die Erziehung eines indischen Kindes in der Missionsstation in Tranquebar zehn Reichstaler jährlich koste, und daher wolle sie ein Legat errichten, gemäß dem sie jährlich zwanzig Reichstaler für zwei Kinder oder einen Katecheten stifte. Das Geld werde sie jährlich an dem Datum ihrer Amtseinführung als Äbtissin nach Halle senden.54 In ihrem weiteren Briefwechsel mit Francke bezieht sie sich immer wieder auf diese Stiftung, im Juli 1732: »absonderlich freue ich mich über meine beiden schwarzen Kinder, Gott lässt sie doch zu seiner Ehre, und in seiner Furcht aufwachsen, und wandeln biß an ihr Ende, dass ich sie mit Freuden in der Ewigkeit sehen möge. Das Geld vor ihren Unterhalt auff dießes Jahr folget hierbey«.55 52 Mara Wade, »Witwenschaft und Mäzenatentum: Hedwig, Prinzessin von Dänemark und Kurfürst von Sachsen (1581–1641)«, in: Orte der Musik: Kulturelles Handeln von Frauen in der Stadt, hrsg. von Susanne Rode-Breymann, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 219–231. 53 Vgl. Susanne Rode-Breymann, Musiktheater eines Kaiserpaars: Wien 1677 bis 1705, Hildesheim/Zürich/New York 2010, S. 79–91. 54 AFSt (wie Anm. 5), M 1 J 14:1: Brief von Elisabeth Ernestine Antonie, 9. November 1730. 55 AFSt (wie Anm. 5), M 1 J 14:14: Brief von Elisabeth Ernestine Antonie, Juli 1732.
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Im Mai 1733 schreibt sie an Francke, dass die Kinder zu Christen erzogen und zum Dienst an ihren Landsleuten als Katecheten eingesetzt werden sollen.56 Im August desselben Jahres übersendet ihr Francke als Dank das Neue Testament in tamilischer Sprache für ihre Stiftsbibliothek.57 Es passt ins Muster höfischer Geselligkeit, dass Elisabeth Ernestine ihren Oberhofmeister Johann Anton von Kroll und die eine Generation jüngere Kanonisse Prinzessin Magdalena Sibylle von Schwarzburg-Rudolstadt für die Patronage zugunsten der Indienmission wirbt. Von Kroll und Magdalena Sibylle errichten ebenfalls je eine Stiftung für ein indisches Kind. In der Stiftungspraxis der Äbtissin werden christliche Religion und Bildung zu Gütern des Transfers. Das Ziel ist die Ausbreitung des »Reiches Gottes« in Indien, und die konfessionell motivierte Patronage ermöglicht den kulturellen Transfer. Diese pietistische Chiffre des »Reiches Gottes« ist mit einer chiliastischen Grundierung versehen.58 Im großen Unterstützernetzwerk der Indienmission fungiert sie als die zentrale semantische Figur. In der pietistischen Utopie eines sich ausbreitenden »Reiches Gottes« wird in Europa und Indien der christliche Raum durch konkrete Projekte geschaffen, die Äbtissin sowie ihre Hofund Stiftsgesellschaft sind an dem Projekt der Ausbreitung des Protestantismus beteiligt. Das Projekt der Indienmission bietet die Möglichkeit, innerhalb eines Netzwerkes standesübergreifend für die protestantische Sache zu arbeiten. Die Fürstäbtissin fungiert als Figur der Verbindung und steht für den räumlichen Transfer. Es fließen Gelder nach Indien, und aus Indien werden Briefe, Berichte und Arbeitstagebücher der Missionare nach Halle gesandt, dessen pietistische Theologen daraus eine werbende Missionszeitschrift kompilieren. Dass der Gegenstand des Transfers die protestantische Religionskultur und der Zielort Indien ist, ist für das 18. Jahrhundert neu – die Techniken und die Praktiken des Kulturtransfers hingegen sind lang erprobt. Stiftungen, Memoria und Subjektposition Hochadelige Frauen der Frühen Neuzeit verorten ihre Bautätigkeit gerne in der Tradition antiker Vorbilder. Sie stellen ihre baulichen Aktivitäten in die Tradition von Dido, die Karthago erbauen ließ, oder Artemisia, die für 56 AFSt (wie Anm. 5), M 1 J 14:17. 57 AFSt (wie Anm. 5), M 1 J 14:19. 58 Udo Sträter, »Der hallische Pietismus zwischen Utopie und Weltgestaltung«, in: Interdisziplinäre Pietismusforschung: Beiträge zum Ersten Internationalen Kongress für Pietismusforschung 2001, Bd. 1, hrsg. von dems., Tübingen 2005, S. 19–36.
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ihren verstorbenen Gatten Mausolos ein überaus großes Grabmal errichten ließ.59 Auch soziale Stiftungen erlauben es, Traditionen zu begründen, wie das Beispiel der Gandersheimer Äbtissin zeigt. Sie stellt sich mit ihren frommen Stiftungen in die Tradition der mittelalterlichen Landgräfin Elisabeth von Thüringen (1207–1231). Ein im Folioformat in braunes, dickes Leder gebundenes Stiftungsbuch präsentiert am Beginn der Buchführung den Eintrag der Fürstäbtissin: »Die Hl. Elisabeth von Thüringen hat auch ein Armenhospital gegründet aus ihrem Leibgedinge«.60 Die berühmte hochmittelalterliche Landgräfin wird zum öffentlichen Vorbild für die christlich-soziale Praxis der frühneuzeitlichen Fürstäbtissin gleichen Namens. Damit wird eine weibliche Stifterinnentradition geschaffen, in die sich die Äbtissin einreihen kann. Die schriftliche Selbsterklärung für das eigene Handeln findet dann 1748 eine monumentale Manifestation in der Errichtung eines zentral gelegenen Stiftsbrunnens, auf dem sich die Fürstäbtissin als heilige Elisabeth darstellen lässt.61 Das zunächst Bescheidenheit signalisierende christliche Muster, sich mit dem eigenen Handeln in eine Tradition einzureihen, stellt auf der anderen Seite der Medaille eine standesbewusste Selbstrepräsentation der Äbtissin dar. Es zeugt von der Kontinuität in den Stiftungspraktiken vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass eine Reihe von Armenstiftungen der Äbtissin zu persönlichen Gedächtnistagen wirksam werden: am Geburtstag,62 dem Jahrestag der Amtseinführung63 und dem jährlichen Todestag.64 Das soziale Vermächtnis bleibt stets mit dem Gedenken an die Stifterin verbunden. Die Fürstäbtissin verbindet ihre Patronage mit dem kontinuierlichen Ausbau einer frommen Selbstrepräsentation. Mit ihren Stiftungen wird die eigene Memoria sichergestellt und zugleich eine weibliche Tradition begründet.65 Für die Erinnerungspolitik von Elisabeth Ernestine 59 60 61 62
Valone, »Matrons and Motives« (wie Anm. 10), S. 319–321. D-MEIl (wie Anm. 36), Geheimes Staatsarchiv XV Q Nr. 39. Goetting, Das Bistum Hildesheim (wie Anm. 32), S. 141. Zu ihrem Geburtstag, dem 14. Dezember, richtete sie beispielsweise in Gandersheim eine jährliche Armenspeisung ein: Zwölf arme Frauen erhielten Kleidung, und für zehn Reichstaler wurde unter den Armen Gekochtes, Wildbret, Bier und Brot ausgeteilt, vgl. D-MEIl (wie Anm. 36), Geheimes Staatsarchiv XV Q Nr. 21. 63 Die zwanzig Reichstaler zur Erziehung zweier Kinder werden jährlich an dem Datum ihrer Amtseinführung als Äbtissin nach Halle geschickt. 64 Eine der testamentarischen Stiftungen anlässlich des Gedenkens an ihren Tod ermöglicht zwölf bedürftigen Männern und zwölf bedürftigen Frauen ein reiches Mahl und Kleidung, vgl. D-MEIl (wie Anm. 36), Geheimes Staatsarchiv XV Q Nr. 21 Stiftstestament. 65 Otto Gerhard Oexle, »Memoria in der Gesellschaft und in der Kultur des Mittelalters«, in: Modernes Mittelalter: Neue Bilder einer populären Epoche, hrsg. von Otto Gerhard, Frankfurt am Main/Leipzig 1994, S. 297–323; Memoria als Kultur, hrsg. von Otto Ger-
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Antonie von Sachsen-Meiningen steht jedoch nicht ihre Herkunftsdynastie im Vordergrund, sondern die Memorialfunktion einer Genealogie von weiblichen fürstlichen Stifterinnen und Äbtissinnen. Einen Teil ihrer Stiftungen stellt die Fürstäbtissin daher auch in die lokale Gandersheimer Stiftstradition. Denn wie es bei einer ihrer Vorgängerinnen, der Äbtissin von Mecklenburg gehalten worden sei,66 so solle es auch bei ihr gehalten werden, und alle Jahr auf ihren Sterbetag die Zinsen von einem Legat von 100 Reichstalern ausgeteilt werden. Um die Vorgängerin noch zu übertrumpfen, erhöht Elisabeth Ernestine das Legat um weitere 50 Reichstaler und auch die Beginenpfründe hebt sie um 60 Reichstaler an.67 Festhalten lässt sich, dass auch fürstliche Äbtissinnen ihre rollenadäquate Patronage mit persönlichen Interessen verbanden. Schon die Auswahl des zu unterstützenden Projektes aus dem Spektrum der Möglichkeiten trägt eine persönliche Handschrift. Auch die Stiftungspraxis, die eigene Person in eine weibliche hochadelige Genealogie und in die Tradition des Amtes zu stellen, ist Ergebnis persönlicher Reflexion.68 Stiftungen von Äbtissinnen sind öffentlicher Ausdruck der eigenen Person.69 In diesem Handeln ist ein persönlicher Innen- mit einem gesellschaftlichen Außenraum verbunden. Die Stifterin handelt innerhalb eines Rollenkonzeptes mit einer persönlichen Motivation in einem öffentlichen Rahmen. Durch diese Praxis erschafft sie einen sozial-politischen Raum in der Gesellschaft. Die selbstbewusste Repräsentation über die eigene Lebenszeit hinaus zu sichern, ist Bestandteil der Patronageaktivitäten fürstlicher Äbtissinnen. In der Stiftungspraxis entsteht ein Handlungsraum, in dem sich Subjektposition und Rolle verbinden und einen gemeinsamen Ausdruck finden. Für eine künftige Forschung zur Patronage und zum Stiftungshandeln von Fürstinnen wäre es lohnenswert, nach mäzenatischen Profilen zu fragen, die innerhalb der Frühen Neuzeit nach Status, Stand, Zeit und Raum differenziert zu betrachten wären.
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hard Oexle, Göttingen 1995 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 121). Gemeint ist vermutlich Marie Elisabeth von Mecklenburg-Schwerin (1646–1713), Tochter von Herzog Adolf Friedrich I. von Mecklenburg und seiner Ehefrau Maria Katharina von Braunschweig-Dannenberg; sie trat 1685 ins Stift ein. D-MEIl, Geheimes Staatsarchiv XV Q Nr. 21. Dazu grundsätzlich Lawrence, Women and the Art (wie Anm. 9), Introduction, S. 1–20. Zur kulturellen Subjektkonstitution vgl. Andreas Reckwitz, Subjekt, Bielefeld 2008.
Wunder, Die Fürstin bei Hofe
Abb. 2 »Golgata«. Kreuzigung Christi mit dem Wolfenbütteler Hof, Ölgemälde von Tobias Querfurt (um 1697). Museum Schloss Wolfenbüttel, Leihgabe des Braunschweigischen Landesmuseums, Braunschweig; Foto: Jutta Brüdern, Museum Schloss Wolfenbüttel.
Abb. 4 Herzog Julius und seine Familie, Ölgemälde von Hans Vredemann de Vries (um 1590). Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur B 72.
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Wunder, Die Fürstin bei Hofe
Abb. 5 Jean Liotard, Markgräfin Caroline Luise von Baden-Durlach (1723–1783). Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv. 2692 © 2012, mit freundlicher Genehmigung.
Gleixner, Fürstäbtissin, Patronage und protestantische Indienmission
Abb. 1 Johann Peter Harburg, Elisabeth Ernestine Antoinette von Sachsen-Meiningen (um 1734), Öl auf Leinwand, 150 x 240 cm. Stift Gandersheim (Kaisersaal), mit freundlicher Genehmigung.
Abb. 2 Peninsula Indiae citra Gangem […] (1733), nach einer Vorlage von Guillaume de l’Isle von 1723, Kupferstich, 52 x 46 cm. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (K 23,30a), mit freundlicher Genehmigung.
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Müller-Lindenberg, Wilhelmine von Bayreuth
Abb. 3 Musikzimmer Eremitage (Foto im Tafelteil), aus: Eremitage zu Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Anm. 4, S. 239), Tafelteil, S. 12, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
Abb. 4 Altes Musikzimmer, aus: Neues Schloss Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Anm. 24, S. 244), S. 86, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
Wenzel, Beauties, Wits and Fools
Abb. 1 Peter Lely, Porträt von Margaret Brooke, Lady Denham (ca. 1666/67), Öl/Lwd., 124,5 x 101 cm, Hampton Court Palace, The Royal Collection, © 2013 Her Majesty Queen Elizabeth II., mit freundlicher Genehmigung.
Abb. 2 Godfrey Kneller, Porträt von Margaret Cecil, Countess von Ranelagh (1690–1693), Öl/ Lwd., 232,4 x 143,5 cm, Hampton Court Palace, The Royal Collection, © 2013 Her Majesty Queen Elizabeth II., mit freundlicher Genehmigung.
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Bastl, Briefe als Trost
Abb. 1 Porträt Juan de Hoyos (verheiratet mit Judith von Ungnad), um 1550, Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl.
Abb. 2 Porträt Judith von Ungnad (verheiratet mit Juan de Hoyos), um 1550, Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl.
Bastl, Briefe als Trost
Abb. 3a Detail: Maria Rosa von Harrach (1721– 1785), halb links neben ihr ihre Schwester Anna Viktoria (1726– 1746) aus dem Familienbild Harrach (frühes 18. Jahrhundert), Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl.
Abb. 3b Detail: Maria Anna von Harrach (rechts, 1725–1780) und Anna Josepha von Harrach (1727– 1788) aus dem Familienbild Harrach (frühes 18. Jahrhundert), Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl.
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Wade, Princess Magdalena Sibylle
Ill. 2 Painting of a ballet performed in 1662 with Magdalena Sibylle, Princess of Sachsen-Altenburg, with her three children, Christian, Johanna Magdalena, and Friedrich Wilhelm III, in ballet costumes. Photo reproduced by the kind permission of the Schloss- und Spielkartenmuseum, Inv. Nr. SM 118.
Katrin Keller
Das Frauenzimmer Hofdamen und Dienerinnen zwischen Transfer und kultureller Praxis
Das ›Frauenzimmer‹ – dieser Begriff besaß in der Frühen Neuzeit mehrere, durchaus differente Bedeutungen.1 Als Frauenzimmer bezeichnete man nicht nur in einem räumlichen Sinne die Zimmer oder Teile des Hauses, in denen Frauen bürgerlicher oder adeliger Familien ihre Aufenthaltsräume hatten. Im deutschen Sprachraum wurde der Begriff zudem zwischen dem ausgehenden 15. und etwa der Mitte des 18. Jahrhunderts auch als generelle Bezeichnung für das weibliche Geschlecht, also als Komplementärbegriff zu ›Männer‹ oder ›Mannspersonen‹, gebraucht. Vor allem aber bezeichnete Frauenzimmer in einem dritten Wortsinn ein konkretes soziales Gebilde, in dem die Elemente Geschlecht und Raum zusammenkamen: Das Frauenzimmer war in einer engeren Wortbedeutung auch der Hofstaat von Damen des höheren respektive des fürstlichen Adels, und dieses Frauenzimmer ist es, dem ich mich im Folgenden widmen möchte. Dabei werde ich in einem ersten Schritt auf quantitative und strukturelle Aspekte dieses Frauenzimmers im Sinne des Hofstaates eingehen, weil sich damit Rahmenbedingungen für kulturelles Handeln von Frauen in der höfischen Gesellschaft, die eben nicht Mitglied der fürstlichen Familie waren, umreißen lassen. In einem zweiten Schritt soll dann auf drei Gruppen dieser Frauen eingegangen und versucht werden, anhand einiger Beispiele kulturelle Handlungsräume zu beschreiben, wobei mein Interesse sich vorrangig, aber nicht ausschließlich auf Musik und Theater richtet. Dabei kann dies nur eine erste Annäherung darstellen, denn nicht nur, dass sich die historische Forschung ebenso wie die musik-, theater- oder literaturwissenschaftliche Forschung bislang kaum die Frage gestellt hat, welcher Stellenwert der personellen Umgebung der Fürstin in deren mäzenatischem Wirken zukommt.2 Exemplarisch müssen meine Betrachtungen auch deshalb 1 Katrin Keller, »Frauenzimmer«, in: Enzyklopädie der Neuzeit, hrsg. von Friedrich Jäger, Bd. 3, Stuttgart 2006, Sp. 1121–1123. 2 Zu den Frauenhofstaaten im deutschsprachigen Raum Katrin Keller, Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2005; Christa Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert. Hofdamen, Stiftsdamen, Salondamen
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bleiben, weil die Quellenlage bis weit ins 18. Jahrhundert hinein problematisch ist: Wir verfügen meist erst seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert über einigermaßen aussagekräftige Verzeichnisse der Mitglieder des fürstlichen Frauenzimmers. Chroniken, diplomatische Berichte und Reiseberichte geben jeweils nur für einige wenige Gelegenheiten Auskunft über Aktivitäten von Frauen außerhalb des Frauenzimmers im räumlichen Sinne. Briefwechsel von adligen Frauen sind im deutschsprachigen Raum gewöhnlich erst aus dem 18. Jahrhundert in größerem Umfang erhalten und auch dann oft mit großen Lücken überliefert. Und für die Frauen, die im Hofstaat der Fürstin in dienenden Positionen tätig waren, fehlen erzählende Quellen oder gar Ego–Dokumente fast völlig.
1800–1870, Frankfurt am Main 1998; Margit Ksoll, »Der Hofstaat der Kurfürstin von Bayern zur Zeit Maximilians I.«, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 52 (1989), S. 59–69; Susan Richter, »Hofdamen – ein Beruf für Frauenzimmer? Betätigungsfelder adeliger Damen am Beispiel des kurpfälzischen Hofes im 18. Jahrhundert«, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 153 (2005), S. 441–480; Ute Essegern, Fürstinnen am kursächsischen Hof. Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Hedwig von Dänemark, Sibylla von Württemberg und Magdalene Sibylla von Preußen, Leipzig 2007 (= Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde, Bd. 19); Sylvia Schraut, »Frauen an den Höfen der Neuzeit. Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten«, in: Frauen bei Hof. Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten in Südwestdeutschland, hrsg. von Otto Borst, Tübingen 1998, S. 9–27; siehe auch die Münchner Dissertation von Britta Kägler, Frauen am Münchner Hof 1651–1756, Kallmünz/Opf 2011. Außerdem: Dieter A. Berger, »Aristokratische Geschlechter-Räume in der englischen Restaurationskomödie«, in: Geschlechter-Räume: Konstruktionen von ›gender‹ in Geschichte, Literatur und Alltag, hrsg. von Margarethe Hubrath, Köln/Weimar/Wien 2001 (= Literatur – Kultur – Geschlecht, Große Reihe, Bd. 15), S. 37–50; Robert O. Bucholz, The Augustan Court. Queen Anne and the Decline of Court Culture, Stanford 1993; Queenship in Britain 1660– 1837. Royal patronage, court culture and dynastic politics, hrsg. von Clarissa Campbell Orr, Manchester/New York 2002; Barbara Harris, »The View from My Lady’s Chamber: New Perspective on the Early Tudor Monarchy«, in: Huntingdon Library Quarterly 60 (1999), S. 215–247; Hans-Georg Hofmann, »Höfisches Zeremoniell und Repräsentation im mitteldeutschen Singballett des 17. Jahrhunderts«, in: Musik als Spiegel der Lebenswirklichkeit im Barock, hrsg. von Günter Fleischhauer, Blankenburg 2001, S. 125– 140; Vera Jung, Körperlust und Disziplin. Studien zur Fest- und Tanzkultur im 16. und 17. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2003 sowie Beiträge in Maids and Mistresses, Cousins and Queens. Women’s Alliances in Early Modern England, hrsg. von Susan Frye und Karen Robertson, New York/Oxford 1999 und Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hrsg. von Jan Hirschbiegel und Werner Paravicini, Stuttgart 2000 (= Residenzenforschung, Bd. 11).
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Das Frauenzimmer Die Größe von Hofstaaten europäischer Fürstinnen im 17. und 18. Jahrhundert:3 Fürstin Jahr Anna von Mecklenburg-Güstrow 1603 Juliane von Hessen 1604 (?) Magdalena Sibylla von Sachsen 1614 Maria Anna von Bayern 1640 Henrietta von England 1641 Marie Therèse von Frankreich 1660 Kaiserin Margarita Teresa 1673 Kaiserin Wilhelmine Amalie 1705 Maria Josepha von Sachsen und Polen 1735
Anzahl der Personen im Hofstaat 30 35 39 45 170 643 87 79 53
Blickt man zunächst auf die quantitative Dimension fürstlicher Frauenzimmer, so fällt schnell ins Auge, dass sich in dieser Hinsicht starke Unterschiede je nach fürstlichem Rang, aber auch nach höfischen Strukturmodellen ergeben. Im gesamten deutschsprachigen Raum und in Skandinavien4 waren die fürstlichen Frauenzimmer deutlich kleiner als die Hofstaate der Fürsten selbst, und es gab in ihnen keine oder nur sehr wenige männliche Amtsträger. Die 3 Steffen Stuth, Höfe und Residenzen. Untersuchungen zu den Höfen der Herzöge von Mecklenburg im 16. und 17. Jahrhundert, Bremen 2001 (= Quellen und Studien aus den Landesarchiven Mecklenburg-Vorpommerns, Bd. 4), S. 129; Margret Lemberg, Juliane Landgräfin zu Hessen (1587–1643). Eine Kasseler und Rotenburger Fürstin aus dem Hause Nassau-Dillenburg in ihrer Zeit, Darmstadt/Marburg 1994, S. 201; Essegern, Fürstinnen (wie Anm. 2), S. 282; Ksoll, »Hofstaat der Kurfürstin« (wie Anm. 2), S. 68 sowie Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kurbayern Hofzahlamt, Nr. 678: Besoldungsbuch 1640, Bl. 40–46v, 92–95v; Caroline Hibbard, »The Role of a Queen Consort. The Household and Court of Henrietta Maria 1625–1642«, in: Princes, Patronage and the Nobility. The Court at the Beginning of the Modern Age c. 1450–1650, hrsg. von Ronald G. Asch und Adolf M. Birke, Oxford 1991, S. 393–414, hier: S. 398; Jeroen Duindam, Vienna and Versailles. The Courts of Europe’s Dynastic Rivals 1550–1780, Cambridge/New York 2003, S. 58; Stefan Sienell, »Die Wiener Hofstaate zur Zeit Leopolds I.«, in: Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jahrhundert), hrsg. von Klaus Malettke und Chantal Grell, Münster 2001 (= Forschungen zur Geschichte der Neuzeit. Marburger Beiträge, Bd. 1), S. 89–112, hier: S. 99, 109; Königlich pohlnischer und churfürstlich sächsischer Hoff- und Staats-Calender, Dresden 1735, unpag. 4 Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 27 f.
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Frauenhofstaate war hier quantitativ von Frauen dominiert, und Frauen waren es auch, die als Hofmeisterin, Aya und Hoffräulein die repräsentativen Ämter inne hatten bzw. als Kammerfrauen die vertrautesten Dienste bei der Fürstin versahen. Bei den adligen Amtsträgerinnen handelte es sich im Wesentlichen um verwitwete (Hofmeisterinnen) bzw. unverheiratete Damen. Der Hofstaat der Fürstin, das Frauenzimmer also im oben genannten Sinne, bestand freilich keineswegs ausschließlich aus Frauen; je höher der Stand der Herrin des Frauenzimmers, desto mehr Männer waren darin anzutreffen als Dienstpersonal, aber auch in Ämtern wie dem des Sekretärs oder des Beichtvaters. Dabei deuten die angeführten Zahlen auf einen Zusammenhang von fürstlichem Rang und Größe des Frauenzimmers hin, wenn man etwa die Angabe zur Herzogin von Mecklenburg mit der zur Kaiserin vergleicht. Je kleiner der Hof generell, desto kleiner auch das Frauenzimmer und die Zahl der adligen Amtsträgerinnen. Verfügte die Kaiserin im 17. Jahrhundert noch über durchschnittlich ein Dutzend Hoffräulein, eine Fräuleinhofmeisterin, die die direkte Aufsicht über diese adligen Mädchen führte, und eine Obersthofmeisterin als Vorsteherin des Frauenzimmers, so gehörten zum Gefolge einer Fürstin wie der Landgräfin von Hessen vier, zu dem der Gemahlin eines regierenden Reichsgrafen vielleicht ein oder zwei adlige Mädchen, und die Hofmeisterin war nicht selten zugleich die Ehefrau des Hofmeisters des Gemahls der Fürstin. Finanzielle und zeremonielle Aspekte standen hinter dieser Hierarchie der Frauenhofstaate, die sich freilich im 18. Jahrhundert durch eine Reduktion der Amtsträgerinnen wie des Personals auch an den großen deutschen Höfen etwas abgeschwächt haben dürfte.5 Erhebliche Größenunterschiede, hinter denen auch strukturelle Differenzen stehen, lassen sich nach Ausweis der Tabelle dabei zwischen den verschiedenen europäischen Höfen feststellen. In Frankreich und England6 waren die Hofstaate der Königinnen relativ gesehen deutlich größer als im deutschsprachigen Raum, auch wenn sie hinter denen der Könige in quantitativer Hinsicht ebenfalls weit zurück blieben. Der Anteil von Frauen unter Dienstpersonal und Amtsträgern war hier ebenfalls deutlich geringer. Die Ämterstruktur der Frauenhofstaate in Paris, Versailles und London war umfangreicher als in 5 Katrin Keller, »Die Hofstaaten der Kaiserinnen und der Kaiserin-Witwen (1500– 1780)«, erscheint in: Verwaltungsgeschichte der Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit, Bd. 1, hrsg. von Thomas Winkelbauer, Michael Hochedlinger und Petr Maťa; zu den Höfen in München und Dresden vgl. Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Hofzahlamt, Besoldungsbücher bzw. Königlich pohlnischer und churfürstlich sächsischer Hoff- und Staats-Calender, Dresden 1727 ff. 6 Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 28–30.
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Wien, Dresden oder Stockholm; es gab dort sowohl Ämter, die von adligen Männern besetzt wurden, wie solche, die verheiratete adlige Damen innehatten. War das neuzeitliche fürstliche Frauenzimmer somit auch kein Raum ohne Männer, so unterlagen die Kontakte zwischen Frauen und Männern doch ebenso klaren Reglementierungen wie die Bedingungen der Amtsinhabe. Während die männlichen wie weiblichen Bediensteten der niederen Stufe das Frauenzimmer der Fürstin nur tagsüber betraten und zumindest die verheirateten unter ihnen auch außerhalb des Schlosses wohnten, war das bei den adligen Amtsträgerinnen anders. Im deutschsprachigen Raum lebten diese für die Dauer ihres Dienstes, also oft jahrelang, direkt im fürstlichen Schloss. In England und Frankreich konnten die verheirateten Amtsinhaberinnen sich wegen familiärer oder geschäftlicher Belange dagegen zeitweise aus dem Dienst zurückziehen, so wie das in allen Fällen männliche adlige Amtsinhaber tun konnten. Die unverheirateten adligen Fräulein, die als Hofdamen oder Hoffräulein, als maids-of-honour oder filles d’honneur das repräsentative Gefolge der Fürstin bildeten, unterlagen dagegen innerhalb des Frauenzimmers ähnlichen Reglementierungen wie im elterlichen Haushalt, die Frauenzimmerordnungen seit dem 15. Jahrhundert immer wieder zu definieren suchten.7 Sichtbar werden in diesem Zusammenhang ein weiteres Mal Unterschiede zwischen dem deutschsprachigen Raum, wo die Öffnung des Frauenzimmers deutlich langsamer vor sich ging, und Frankreich oder Italien, wo schon im 16. Jahrhundert die Abgrenzung des Frauenhofstaates im Sinne von Zugangsbeschränkungen erheblich durchlässiger war. In Spanien8 dagegen blieb das Frauenzimmer bis ins beginnende 18. Jahrhundert ein weitgehend abgeschlossener Raum, und die sozialen Kontakte der Hoffräulein waren sehr stark begrenzt. Aus den so grob umrissenen Strukturen und Charakteristika des fürstlichen Frauenzimmers ergeben sich notwendigerweise Unterschiede hinsichtlich der Möglichkeiten von Frauen im fürstlichen Dienst, an kulturellen Transfers zu partizipieren bzw. zu diesen beizutragen. Eine grundlegende Unterscheidung ist dabei notwendig hinsichtlich der Zugehörigkeit der Personen zu ›estat‹ 7 Beispiele für solche Frauenzimmerordnungen bieten: Paul-Joachim Heinig, »›Umb merer zucht und ordnung willen‹. Ein Ordnungsentwurf für das Frauenzimmer des Innsbrucker Hofs aus den ersten Tagen Kaiser Karls V. (1519)«, in: Das Frauenzimmer (wie Anm. 2), S. 311–323; Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts, hrsg. von Arthur Kern, Bd. 2: Sachsen, Berlin 1907, S. 36 f.; Iselin Gundermann, Herzogin Dorothea von Preußen 1504–1547, Köln/Berlin 1965, S. 71–75. 8 Las relaciones discretas entre las monarquías hispana y portuguesa. Las casas de las reinas (siglos XV–XIX), hrsg. von José Martínez Millán und Paula Marçal Lourenço, Madrid 2008 (= La corte en Europa: Temas 1), Bd. 1: Historia de las Casas.
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bzw. ›service‹ einer Fürstin; eine Differenzierung, die schon Christine de Pizan9 zu Beginn des 15. Jahrhunderts vorgenommen hatte. Zum ›estat‹ gehörten dabei Hoffräulein bzw. Hofdamen, Hofmeisterinnen und die männlichen Amtsträger von Adel wie Hofmeister, Stallmeister oder Mundschenken sowie die Hofgeistlichen. Zum ›service‹ zählte dagegen das dienende Personal weiblichen wie männlichen Geschlechts, also die Personen, die die tägliche Versorgung und Betreuung der Fürstin, ihrer Kinder und der adligen Damen des Hofstaates aufrecht erhielten. Dabei handelte es sich etwa um Kammerdienerinnen, Wäscherinnen, Mägde, Kinderwärterinnen, Ammen, Mundköchinnen bzw. -köche, Kammerdiener, Türsteher, Tafeldecker, Stubenheizer, Knechte usw. Außer dem Leibschneider, der Kreserin und einigen Näherinnen oder einer Stickerin sind zumindest in Frauenhofstaaten des deutschen Sprachraumes kaum Handwerker anzutreffen; hier scheint man allgemein auf Hofhandwerker oder solche aus der Residenzstadt zurückgegriffen zu haben. Les femmes du service: Bedienstete Für die Frauen und Mädchen aus dem Bereich der Bediensteten war die Teilhabe an höfischer Kultur aus verschiedenen Gründen beschränkt: Zum einen wegen ihrer sozialen Herkunft – sie stammten ja mehrheitlich aus bürgerlichen oder bäuerlichen Familien; Frauen aus niederem Adel waren höchstens als Kammerfrauen hochrangiger Fürstinnen anzutreffen. Zum anderen aber auch deshalb, weil sie sich nur zu bestimmten Zeiten in der Umgebung der Fürstin aufhielten – beim An- oder Auskleiden und Frisieren etwa – oder weil ihre Dienste zwar zur Aufrechterhaltung der fürstlichen Lebensqualität und Repräsentation wichtig waren, aber eben nicht im direkten Beisein von Mitgliedern der fürstlichen Familie verrichtet wurden. Hier ist nicht zuletzt an die Wäscherinnen oder Köchinnen zu denken. Viele der Frauen des Dienstpersonals waren zudem verheiratet und hielten sich schon deshalb nicht ständig in der Nähe der Fürstin auf, weil sie nicht bei Hof wohnten, sondern dort ›nur‹ arbeiteten. Allerdings bleibt in diesem Kontext darauf hinzuweisen, dass meist einige der Frauen des dienenden Personals, gewöhnlich eben diejenigen, die den engsten Kontakt zur Fürstin hatten und ihre persönliche Bedienung übernahmen, von deren Heimathof mit an den Hof kamen, an den die junge Frau heiratete. Hier lassen sich zwar erhebliche Unterschiede je nach Herkunft feststellen – eine Erzherzogin wie Maria Anna, die 1635 nach München heiratete, 9 Zit. nach Richter, »Hofdamen« (wie Anm. 2), S. 445.
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oder Maria Josepha, die 1719 den Kurprinzen von Sachsen ehelichte, brachte umfangreicheres Personal mit als eine herzogliche Prinzessin. Auffällig ist etwa auch die große Zahl von Dienstpersonal, das die spanischen Habsburgerinnen jeweils nach Wien begleitete – bei Margarita Teresa waren das 1666 mindestens 43 Personen.10 Einzelne dieser Personen übernahmen dabei eine besondere Rolle bei der Erschließung des neuen Hofes durch die junge Fürstin: Sowohl von Kaiserin Maria Anna, einer geborenen Infantin von Spanien, wie bei Kaiserin Eleonora Gonzaga d. J. sind Frauen als Dolmetscherinnen bekannt.11 Sie dürften als Sprachvermittlerinnen auch in kulturelle Vermittlungs- und Anpassungsprozesse eingebunden gewesen sein, über deren Details wir freilich nichts wissen. Meist handelte es sich bei diesem Begleitern und Begleiterinnen von Hof zu Hof jedoch nur um wenige Personen, die dann nicht selten lebenslang im Dienst der Fürstin standen und wohl auch dafür Sorge trugen, dass manche heimatliche Gewohnheit der Braut mit an den neuen Hof verlagert wurde. So lässt sich etwa bei Kurfürstin Anna von Sachsen, einer dänischen Königstochter, die 1548 nach Sachsen heiratete, erkennen, dass sie in ihrem Frauenzimmer Mädchen aus Dänemark hatte, die für sie Weißnäherei nach dänischem Muster herstellten. Und noch im Jahr ihres Todes (1585) suchte die Fürstin nach dänischen Frauen, die dieser Kunst mächtig waren und nach Dresden kommen sollten, um dort an der Aussteuer von Annas beiden jüngeren Töchtern zu arbeiten.12 Wenn auch textile Handarbeiten in fast allen Fällen zum Bildungshorizont fürstlicher Frauen und Mädchen zählten,13 so kam doch in
10 Sienell, »Die Wiener Hofstaate« (wie Anm. 3), S. 998. 11 Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598–1667), hrsg. von Katrin Keller und Alessandro Catalano, Wien/Köln/Weimar 2010 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 104), Bd. 5, S. 158; Österreichisches Staatsarchiv, Hofkammerarchiv, Hofzahlamtsbuch 110, Bl. 520v. Zum Sprachproblem siehe auch Katherine Walsh: »Verkaufte Töchter? Überlegungen zu Aufgabenstellung und Selbstwertgefühl von in die Ferne verheirateten Frauen anhand ihrer Korrespondenz«, in: Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereins 135 (1991), S. 129–144. 12 Katrin Keller, Kurfürstin Anna von Sachsen, Regensburg 2010, S. 50 f. 13 Heide Wunder, »›Gewirkte Geschichte‹: Gedenken und ›Handarbeit‹: Überlegungen zum Tradieren von Geschichte im Mittelalter und zu seinem Wandel am Beginn der Neuzeit«, in: Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, hrsg. von Joachim Heinzle, Frankfurt am Main/Leipzig 1994, S. 324–354; Susan Frye, »Sewing Connections. Elizabeth Tudor, Mary Stuart, Elizabeth Talbot and Seventeenth-Century Anonymous Needleworkers«, in: Maids and Mistresses, Cousins and Queens (wie Anm. 2), S. 165–182.
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Hinblick auf derartige Ausstattungsfragen auch und gerade dienendem Personal eine erhebliche Bedeutung zu. Ähnliches gilt natürlich auch für Mundköchinnen und -köche, die eben speziell für die Versorgung der Fürstin Sorge zu tragen hatten.14 Stammten sie aus deren Herkunftsregion, so waren sie sicher dafür zuständig, Gewohntes und Geschätztes zu kochen. Dies war wohl vorrangig im Sinne zeitgenössischer Gesundheitsvorsorge gedacht, dürfte aber von Fall zu Fall auch den Effekt des Transfers von Rezepten und Lebensmitteln gehabt haben. An diesem Transfer, der seinen Teil zur Neugestaltung einer höfischen Esskultur beitrug, haben ja auch viele Fürstinnen sich beteiligt. Vor allem im 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als die Rolle als Hausmutter im zeitgenössischen Ideal der Fürstin noch stark betont wurde,15 war der Austausch von Koch- und Arzneirezepten ein wichtiger Bestandteil von Korrespondenzen. Bekannte Beispiele für Fürstinnen mit Ambitionen in dieser Hinsicht waren etwa Kurfürstin Anna von Sachsen, der nicht zufällig das erste bedeutende deutschsprachige Kochbuch gewidmet wurde,16 Juliana von Nassau, Stammmutter des Hauses Nassau-Oranien, oder Anna Maria von Württemberg.17 Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass Frauen aus dem Bereich des dienenden Personals auch Einfluss auf die zeremonielle Ausgestaltung höfischen Lebens nehmen konnten. Kammerfrauen etwa kamen damit im Zuge ihres Dienstes in Berührung. Am Kaiserhof gab es – wohl nach spanischem Vorbild – die Funktion der Guarda Damas,18 die die Hoffräulein bei Ausfahrten begleitete und darauf achtete, dass sie selbst wie ihnen begegnende Personen die Regeln des Zeremoniells beachteten. Das war offenbar gerade beim Zusammentreffen differierender Systeme höfischen Zeremoniells von Bedeutung, wie ein Zwischenfall zeigt, der 1666 von der Brautreise der spanischen Kaiserin Margarita Teresa berichtet wird. Als die spanischen Hofdamen der kaiserlichen Braut bei einem Nachtlager in Tirol im strömen14 So brachte etwa Henriette Adelaide von Savoyen eine Mundköchin mit nach München (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Hofzahlamt Nr. 698; Besoldungsbuch 1660, Bl. 32–38v), ebenso Maria Anna von Spanien nach Wien (Österreichisches Staatsarchiv, OMeA SR 76, Nr. 8, 1636–1644; ebd. OMeA SR 184, H. 81, 1639). 15 Claudia Opitz, »Hausmutter und Landesfürstin«, in: Der Mensch des Barock, hrsg. von Eugenio Garin, Frankfurt am Main 1996, S. 344–370. 16 Marx Rumpolt, Ein new Kochbuch, Frankfurt 1581, Neudruck 2002. 17 Otto Renkhoff, »Gräfin Juliana von Nassau-Dillenburg«, in: Nassauische Biographie, Wiesbaden 1992, S. 550–52; Keller, Anna von Sachsen (wie Anm. 12), S. 112 f., 173. 18 In diesem Amt lassen sich sowohl Männer wie Frauen nachweisen, siehe www.oesta. gv.at/site/6662/default.aspx [Die Wiener Hofgesellschaft während der Regierungszeit Kaiser Leopolds I. (1657–1705), Zugriff 28.07.2010].
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den Regen die Kutschen verließen, eilten die österreichischen Kavaliere des Gefolges herbei: »Die cavalieri haben wollen höflich sein, haben den damas auß den wägen geholfen, sie mitt ihren hüeten vor dem regen bedeckhet, und die stiegen hinauf bei der handt führen wollen, es hatt ihnen aber der guarda damas also baldt zuegeschrieen, Señores non tocare, welches ihnen greülich verschmacht hatt, und den lust vergehen gemacht ihnen ein anderesmahll in dergleichen nöthen mehr zu assistiren.«19
Freilich treten unter dem Dienstpersonal im Frauenzimmer auch hin und wieder Personen auf, die für die Ausgestaltung höfisch-repräsentativer Kultur im engeren Sinn eine Rolle spielten und dazu besondere Kenntnisse und Fähigkeiten mitbrachten: Die bekanntermaßen an Musik höchst interessierten Kaiserinnen Eleonora d. Ä. und d. J. im Wien des 17. Jahrhunderts verfügten als Witwen über eigene Hofkapellen,20 deren Musiker auch bei öffentlichen Aufführungen in Erscheinung traten. 1662 erwähnt Eleonora II. auch ein zwölfjähriges Mädchen aus Italien, das hervorragend singe21 und das sie in einer Komödie in der Favorita habe auftreten lassen. Aber auch früher schon können Musiker und Musikerinnen sowie Sängerknaben in deren Hofstaat nachgewiesen werden.22 Die Kurfürstin von Bayern zählte 1675 zu ihrem Frauenzimmer eine Zimbelspielerin und 1730 zwei Sängerinnen, die das Salär einer Kammerdienerin bezogen,23 und Kurfürstin Hedwig von Sachsen hatte zu Beginn des 17. Jahrhunderts ebenfalls eigene 19 Kardinal Harrach (wie Anm. 11), Bd. 7, S. 748 f. 20 Herbert Seifert, »Die Musiker der beiden Kaiserinnen Eleonora Gonzaga«, in: Festschrift Othmar Wessely zum 60. Geburtstag, hrsg. von Manfred Angerer et al., Tutzing 1982, S. 527–554; Katharina Fidler, »Mäzenatentum und Politik am Wiener Hof: Das Beispiel der Kaiserin Eleonora Gonzaga-Nevers«, in: Innsbrucker Historische Studien 12/13 (1990), S. 41–68, hier: S. 56–58; Marko Deisinger, »Eleonora II. und die Gründung ihrer Hofkapelle. Ein Beitrag zur Geschichte des kulturellen Lebens am Wiener Kaiserhof«, in: Frühneuzeit-Info 18 (2007), S. 45–54; Linda Maria Koldau, Frauen – Musik – Kultur. Ein Handbuch zum deutschen Sprachgebiet der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 82–90; Susanne Rode-Breymann: »Die beiden Kaiserinnen Eleonora oder: Über den Import der italienischen Oper an den Habsburger Hof im 17. Jahrhundert«, in: Aspetti musicali. Musikhistorische Dimensionen Italiens 1600 bis 2000. Festschrift für Dietrich Kämper zum 65. Geburtstag, hrsg. von Norbert Bolin, Christoph von Blumröder und Imke Misch, Köln 2001, S. 197–204. 21 Herbert Seifert, Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert, Tutzing 1985 (= Wiener Veröffentlichungen zur Musikwissenschaft, Bd. 25), S. 672. 22 Kardinal Harrach (wie Anm. 11), Bd. 2, S. 131; Bd. 3, S. 307; Bd. 5, S. 88. 23 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Hofzahlamt 713: Besoldungsbuch 1675, Bl. 50; Hofzahlamt 770: Besoldungsbuch 1730, Bl. 94v.
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Musiker, die sie selbst besoldete.24 Hinzuweisen bleibt hier aber auch darauf, dass Sängerinnen oder, wie es zeitgenössisch heißt, »musicallische Weibspersohnen«25 auch in den Hofstaatsverzeichnissen des Kaisers selbst auftauchen: Francesca Rossi beispielsweise wird von 1661 bis 1666 als Musikerin bei Kaiser Leopold I. erwähnt, und Kunigunde Sigl, verehelichte Suter von Rosenfeld, erscheint 1704 und 1705 im Hofstaatsverzeichnis des Kaisers.26 Les femmes d’estat: Hofdamen Ein relativ gesehen größeres Potential als die Frauen und Mädchen des Dienstpersonals, auf die Fürstin bzw. mit der Fürstin an kulturellem Transfer und der Gestaltung des Hoflebens zu wirken, stand vermutlich den Hoffräulein und Hofmeisterinnen zu Gebote. Dabei fiel einerseits ihre Abkunft ins Gewicht – die Inhaberinnen dieser Ämter bei Hofe waren samt und sonders adliger Herkunft. Ihre Ämter, vor allem das der (Oberst-)Hofmeisterin und der Kammerfräulein, brachten sehr weitgehende Zutrittsrechte zur Fürstin mit sich. Viele dieser Frauen und Mädchen standen jahrelang im Dienst einer Fürstin, wobei im 18. Jahrhundert eine deutliche Tendenz dahin zu erkennen ist, dass Hofdamen einen großen Teil ihres Lebens bei Hof verbrachten und selbst nach dem Tod der Fürstin als Pensionärinnen dort verblieben.27 Andererseits, und dies dürfte in unserem Zusammenhang genauso wichtig sein, war es Aufgabe der Hoffräulein, die Fürstin als deren repräsentatives Gefolge überall hin zu begleiten, dieser bei jeder Gelegenheit Gesellschaft zu leisten.28 Der Tagesablauf eines Hoffräuleins wie der Hofmeisterinnen wurde vorgegeben durch den der Fürstin. Somit verbrachten diese jungen Frauen von Adel fast den gesamten Tag an der Seite der Fürstin, teilten Kirchenbesuche und Mahlzeiten ebenso wie Belustigungen und Divertissements von der Jagd 24 Essegern, Fürstinnen (wie Anm. 2), S. 78. 25 Duindam, Vienna and Versailles (wie Anm. 3), S. 78. 26 Belege siehe http://www.austria.gv.at/site/6662/default.aspx [Die Wiener Hofgesellschaft während der Regierungszeit Kaiser Leopolds I. (1657–1705), Zugriff 28.07.2010]. 27 Dies belegen etwa die Besoldungsbücher für München (Bayrisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Hofzahlamt), die Hofzahlamtsbücher für Wien (Österreichisches Staatsarchiv, Hofkammerarchiv) oder die Hof- und Staatskalender für Dresden (Königlich pohlnischer und churfürstlich sächsischer Hoff- und Staats-Calender, Dresden 1727 ff.). Siehe auch Ronny Po-chia Hsia, Noble Patronage and Jesuit Missions: Maria Theresia von Fugger-Wellenburg (1690–1762) and Jesuit Missionaries in China and Vietnam, Rom 2006 (= Monumenta Historica Societatis Iesu, Series Nova 2), S. 320. 28 Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 105–107.
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über das Kartenspiel bis zum Opernbesuch. Nur wenn sich die Fürstin im Kindbett befand, waren Zutrittsrechte gegebenenfalls eingeschränkt. Durch diese fast permanente Nähe teilten Hofdamen also viele, wenn nicht alle Aktivitäten der Fürstin. Dies gab ihnen prinzipiell die Möglichkeit, im Gespräch oder in der Praxis eigene Vorstellungen und Fähigkeiten in die Ausgestaltung höfischer Kultur einzubringen. Zugleich sehen wir das Frauenzimmer aber auch als Ort des Lernens durch Sehen und Mitwirken; aus der Nähe zur Fürstin, aus der Teilhabe an deren Aktivitäten als Mäzenin oder in der Aufführungspraxis konnte auch kulturelle Kompetenz resultieren. Dies macht etwa eine Mitteilung der Maximiliana von Scherffenberg deutlich, die von 1651 bis 1660 als Fräuleinhofmeisterin bei Kaiserin Eleonora Gonzaga d. J. amtierte. Sie berichtete 1658, man habe vor zwei Tagen in camera die neuen Musiker der Kapelle der Kaiserin gehört, bevor diese ihren Dienst anträten. Ihr Urteil war freilich eher vernichtend: »ein castrat und ein conterält, die gehen woll hin, die andern aber seint nit vill nutz.«29 Die Bildungsfunktion des Frauenzimmers ist seit längerem bekannt.30 Sie erstreckte sich jedoch nicht nur auf das Beherrschen des Zeremoniells und die Verfeinerung weiblicher Tugenden – man denke an Berichte über Sticken, Spinnen und Nähen, die in den Frauenzimmern des 16. Jahrhunderts noch vielfach praktiziert wurden, oder an eine Bemerkung darüber, dass Kaiserin Eleonora Gonzaga d. Ä. Wert darauf legte, dass ihre Hoffräulein kochen konnten.31 Eine spezielle Bildungsfunktion des frühneuzeitlichen Frauenzimmers lässt sich auch im musischen Bereich erkennen, indem die Fürstin Hoffräulein mit besonderen Begabungen oder Interessen auswählte bzw. derartiges bei ihnen zu erzielen suchte. Dabei ist schon aus spätmittelalterlichen Beispielen bekannt, dass Hoffräulein durch ihren Gesang oder das Spielen eines Instruments zum Zeitvertreib der Fürstin beitragen konnten. In den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts ist beispielsweise für Königin-Witwe Dorothea von Dänemark belegbar, dass sie ihre Hofdame Anna Hardenberg nur höchst ungern aus ihrer Umgebung ließ, weil Anna durch Gesang und Tanz der Fürstin die Zeit vertrieb und ihre melancholischen Stimmungen aufzuhellen vermochte.32 In dem Maße, wie im 29 Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Familienarchiv Harrach, Karton 446, unpag. (13.04.1658). 30 Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 31–35. 31 Kardinal Harrach (wie Anm. 11), Bd. 2, S. 748. 32 Zur Person siehe www.kvinfo.dk/side/170/bio/174/query/anne corfitzdatter/ [Zugriff 28.7.2010]. Die gleiche Hofdame war es auch, die wegen ihrer Stick- und Nähkünste regelmäßig von Dorotheas Tochter Anna nach Kursachsen gebeten wurde.
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deutschsprachigen Raum Frauen bei höfischen Festen allmählich aktive Rollen einnehmen konnten, stieg auch der Stellenwert musikalischen und tänzerischen Könnens der Hoffräulein. Waren es bis ins beginnende 17. Jahrhundert an deutschen Höfen noch Männer, die bei Maskenaufzügen und ersten Balletten auch in Frauenrollen auftraten,33 so änderte sich dies im zweiten Drittel dieses Jahrhunderts. Insbesondere am Wiener Hof ist schon für die zwanziger Jahre erkennbar, in welcher Häufigkeit Hoffräulein – teilweise gemeinsam mit Kaiserin Eleonora Gonzaga d. Ä. oder den Erzherzoginnen – bei Balletten und kleinen Singspielen in Erscheinung traten. Das begann bereits 1622 mit einem Ballett der Hofdamen.34 1624 tanzte die Kaiserin zusammen mit den Erzherzoginnen Maria Anna und Cecilia Renata sowie fünfzehn weiteren Damen maskiert ein Ballett zu Ehren des durch Wien reisenden polnischen Kronprinzen Władisław Wasa.35 1625 ließ Eleonora Gonzaga d. Ä. aus Anlass des Geburtstages ihres Gemahls, Kaiser Ferdinands II., in der Neuen Burg in Wien eine Komödie aufführen, bei der Hofmusiker spielten, aber je zwölf Hofdamen und Hofkavaliere tanzten, sangen und einzelne Instrumente spielten wie Lauten und Gitarren.36 Herbert Seifert sieht in dieser Inszenierung das wahrscheinlich erste Musikdrama, dass in Wien zur Aufführung kam.37 Die Liste der Auftritte von Hoffräulein in Balletten oder Singspielen bei Hof ließe sich zumindest bis zum Tod von Kaiserin Eleonora Gonzaga d. J. 1686 fast beliebig verlängern. Danach scheint die Zahl ihrer Auftritte geringer geworden zu sein38 – wahrscheinlich vorrangig 33 Claudia Schnitzer, Höfische Maskeraden. Funktion und Ausstattung von Verkleidungsdivertissements an deutschen Höfen der Frühen Neuzeit, Tübingen 1999 (= Frühe Neuzeit, Bd. 53), S. 190–192; Otto G. Schindler, »›Die wälischen comedianten sein ja guet …‹ – Die Anfänge des italienischen Theaters am Habsburgerhof«, in: Slavnosti a zábavy na dvorech a v rezidenčnich městech raného novověku, hrsg. von Václav Bůžek und Pavel Král, České Budějovice 2000 (= Opera historica 8), S. 107–136, hier: S. 120; Franz Christoph Khevenhüller, Annales Ferdinandei, oder: Warhaffte Beschreibung Kaysers Ferdinandi des Andern […] von Anfang des 1578 biß auf das 1637 Jahr vorgelauffenen Handlungen und denckwürdigen Geschichten, Leipzig 21725, Bd. 7, Sp. 477: Sophia Pálffy tanzt 1612 in Frankfurt als einziges der Hoffräulein in einem Ballett am Tag nach der Krönung der Kaiserin. 34 Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 589. 35 Ebd., S. 127; Die Reise des Kronprinzen Władysław Wasa in die Länder Westeuropas in den Jahren 1624/1625, hrsg. von Bolko Schweinitz, Weimar 1988, S. 50. 36 Khevenhüller, Annales Ferdinandei (wie Anm. 33), Bd. 7, Sp. 714. 37 Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 26 f. Siehe dort auch zahlreiche weitere Belege für die Jahre bis 1686. 38 Siehe aber ebd., S. 818, 823, 843, 532, 534, 543 f., 573; zahlreicher dagegen werden offenbar die Auftritte der kaiserlichen und kleinen Theaterinszenierungen, siehe ebenda für die 80er und 90er Jahre des 17. Jhs. (S. 808–859).
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deshalb, weil mit der allmählichen Professionalisierung von Gesang und Tanz die Rolle adliger Mitwirkender insgesamt zurück ging. Auftritte von Hofdamen blieben in der Folgezeit wahrscheinlich eher einem engeren, familiäreren Kreis vorbehalten wie etwa 1701, als zur Faschingszeit wegen der Hoftrauer nach dem Tod Karls II. von Spanien eine »Festa da Musica« im Appartement der Kaiserin, also in intimen Kreis, gehalten wurde, bei der ihre Kinder musizierten, mehrere Hofdamen aber sangen.39 Derartige Veranstaltungen sind nicht immer gut dokumentiert, und vor allem ist es schwer feststellbar, ob sich hinter der allgemeinen Bezeichnung »dame di corte«40 tatsächlich Hoffräulein im Sinne der Amtsträgerinnen verbargen. Angesichts der zeitlichen Verortung des Einsetzens der Hofdamenballette darf man davon ausgehen, dass die junge Kaiserin Eleonora 1622 aus Italien nicht nur ihre musikalische Sozialisierung und selbst die Fähigkeit des Tanzens mitbrachte, sondern vor allem auch die Vorstellung, dass ein derartiges Engagement zum Bild der Hofdame gehöre, eine Vorstellung, die sich an anderen deutschsprachigen Höfen erst im Laufe des 17. Jahrhunderts durchsetzen sollte. Voraussetzung dafür war freilich, dass die adligen Fräulein mit einer tänzerischen Grundausbildung bei Hof erschienen und dass dort weiter an diesen Fähigkeiten gearbeitet wurde. Über die Art und Weise dieser weiteren Ausbildung erfahren wir freilich nichts außer der gelegentlichen Mitteilung in Briefen oder Diarien, dass man bei Hof ein Ballett vorbereite, oder der Erwähnung eines Tanzmeisters wie etwa bei Kaiserin Maria Anna 1646.41 Wenn aber 1674 der Wiener Hofkomponist Johann Heinrich Schmelzer klagte, »dasz eine grosze Comoedi, wozu ich zu 3 Baleten Arien gemacht, zurückh bliben, umb willen ein par Actores davon übel auf, besser aber zu sagen faul worden, und ihren drill, der etwas lang, nit lehrnen wollten«42, so belegt dies deutlich, dass Ballette bei Hof mit erheblichem Übungsaufwand verbunden sein konnten. Am Beispiel des Ballettes in Wien zeigt sich also recht eindrücklich die prägende Wirkung, die eine Fürstin zumindest für bestimmte Formen höfischer Kultur haben konnte. War es in Wien das höfische Ballett und die »comoedie« nach italienischem Vorbild, so war es in Sachsen-Altenburg die spezifische Festform des Damenringrennens, die mit Magdalena Sybilla von 39 Ebd., S. 567, 843, 873. 40 Ebd., S. 736, ebenso 818, 840, 842: Die tanzenden Damen wurden von der Königin und der Kaiserin ausgewählt »aus gewissen Ursachen, nicht aber zufällig«. 41 Kardinal Harrach (wie Anm. 11), Bd. 5, S. 423; Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv OMeA SR 184, H. 81; Bl. 2v (1639). 42 Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 744.
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Dänemark nach deren Eheschließung 1652 dort Einzug hielt.43 Wollte sie ihre Vorstellungen umsetzen, brauchte die Fürstin freilich Mitwirkende – und das Wiener Beispiel zeigt, dass hier den Hoffräulein und den fürstlichen Kindern eine wichtige Rolle bei der Realisierung solcher Vorstellungen zukam. Für das Zusammenspiel von Fürstin und Hofdamen bei der Ausgestaltung höfischer Kultur gibt es jedoch noch ein anderes Wiener Beispiel, welches die Damen des Frauenzimmers stärker als aktiven Part zeigt. Dabei geht es um die Uraufführung des Stückes El vellocino de oro von Lope de Vega, die Königin Maria Anna, Tochter König Philipps III. von Spanien und Ehefrau Ferdinands III., im Jahre 1633 initiierte.44 Dieses Stück und ein weiteres, zwei Jahre später aufgeführtes, sind nicht nur die ersten Beispiele spanischer Theaterkultur in Wien. Sie zeigen uns auch wieder Hofdamen in Aktion, und zwar in diesem Falle mehrere der spanischen Hofdamen, die Infantin Maria Anna 1631 nach Wien begleitet hatten, aber auch die vier österreichischen Damen, die erst am kaiserlichen Hof in ihren Dienst getreten waren. Vier der spanischen Damen tanzten im Zuge der Aufführung als Soldaten gekleidet ein Turnier.45 Am bedeutsamsten dürfte jedoch sein, dass eine der Hofdamen Maria Annas, Leonor de Pimentel Moscoso y Toledo, bereits 1622 in Madrid die Uraufführung des Stückes geleitet hatte. Auch an der Wiener Inszenierung nahm sie regen Anteil. Nach 1666, als Kaiser Leopold I. mit Infantin Margarita Teresa erneut eine spanischen Prinzessin geehelicht hatte, sind in Wien weitere Inszenierungen spanischer Theaterstücke nachweisbar,46 an denen vor allem die Obersthofmeisterin der Kaiserin, Margarita Teresa de Eril, federführend beteiligt war. Diese Beispiele führen noch eine andere Facette der Möglichkeit kulturellen Wirkens von Hofdamen vor Augen: Nicht nur unter dem dienenden Personal des Frauenzimmers konnten sich Personen aus der Herkunftsregion einer Fürstin befinden, sondern auch unter den adligen Amtsträgerinnen. 43 Helen Watanabe-O’Kelly, »Das Damenringrennen – eine sächsische Erfindung?«, in: Sachsen und die Wettiner. Chancen und Realitäten, Dresden 1990, S. 307–312. Siehe auch den Beitrag von Mara Wade in diesem Band. 44 Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 616; Andrea Sommer-Mathis, »Spanische Festkultur am Wiener Kaiserhof. Ein Beitrag zum europäischen Kulturtransfer im 17. Jahrhundert«, in: Frühneuzeit-Info 11 (Wien 2001), S. 7–15, hier: S. 8; Dies., »Ein ›pícaro‹ und spanisches Theater am Wiener Hof zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges«, in: Wien im Dreißigjährigen Krieg. Bevölkerung, Gesellschaft, Kultur, Konfession, hrsg. von Andreas Weigl, Wien/Köln/Weimar 2001 (= Kulturstudien, Bd. 32), S. 655–694, hier: S. 675. 45 Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 130. 46 Ebd., S. 718, 725, 741, 743; Sommer-Mathis, »Spanische Festkultur« (wie Anm. 45), S. 10 f.
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Zwar wissen wir von vielen Fällen, in denen man sich bemühte, deren Zahl so gering wie möglich zu halten – und zwar nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch aufgrund zahlreicher Konflikte, die sich am neuen Hof aus der Anwesenheit fremden adligen Personals ergeben konnten. Die entsprechenden Streitigkeiten im Wien der Frühen Neuzeit insbesondere zwischen Spaniern und Deutschen sind vielfach belegbar und entzündeten sich nicht selten an kulturellen Differenzen wie dem Essen, aber auch an Umgangsformen (dem ›Stolz‹ der Spanier), Fragen der Ehre, des Zeremoniells und des Zutritts.47 Auch der Eklat zwischen Karl I. von England und dem französischen Gefolge seiner Gemahlin Henriette Maria im Jahr 1626 ist bekannt.48 Ungeachtet dessen gab es aus Spanien, Italien oder Dänemark stammende Hofdamen an den Höfen in Wien, Innsbruck, München oder Dresden49 und umgekehrt Damen aus dem Alten Reich in Madrid, Mantua oder Neapel,50 aber auch in Krakau.51 Gewöhnlich nahm die Zahl der adligen Amtsinhaberinnen aus dem Herkunftsland der jungen Fürstin freilich sukzessive ab, da sich Hoffräulein verehelichten und nur selten welche aus den Herkunftsregionen nachreisten.52 Aber gerade in der Anfangszeit konnte ihre Anwesenheit die kulturellen Aktivitäten der Fürstin unterstützen, so wie wir es am Beispiel des spanischen Theaters in Wien gesehen haben. Verschiedene Belege für langjährige Verbun47 Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 100 f.; Katrin Keller, »Spanish politics and cultural transfer in the diaries of Ernst Adalbert of Harrach«, in: La Dinastía de los Austria: Las relaciones entre la Monarquía católica y el Imperio, hrsg. von José Martínez Millán und Rubén González Cuerva, Madrid 2011, Bd. 2, S. 1023–1043. 48 Hibbard, »The Role of a Queen Consort« (wie Anm. 3), S. 393 und 403–406. 49 Claudia Ham, Verkaufte Bräute. Die spanisch-österreichischen Hochzeiten im 17. Jahrhundert, Diss. Wien 1996, Bl. 5–26; Heidemarie Hochrinner, Bianca Maria Sforza. Versuch einer Biographie, Diss. masch. Graz 1966, Bl. 106–108; Sabine Weiss, Claudia de’ Medici, eine italienische Prinzessin als Landesfürstin von Tirol (1604–1648), Innsbruck 2004, S. 88, 272 und 114–116; Essegern, Fürstinnen (wie Anm. 2), S. 119; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Hofzahlamt 733: Besoldungsbuch 1695, Bl. 30–32. 50 Guido Guerzoni, »La corte gonzaghesca in età moderna. Struttura, ordini e funzioni«, in: I Gonzaga. Moneta Arte Storia, hrsg. von Silvana Balbi de Caro, Mailand 1995, S. 90–96, hier: S. 94; Eric Bousmar, Monique Sommé, »Femmes et espaces féminins à la cour de Bourgogne au temps d’Isabelle de Portugal (1430–1471)«, in: Das Frauenzimmer (wie Anm. 2), S. 47–78, hier: S. 52 und 74–76. 51 Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 70 f. 52 Beispiele für eine Ergänzung des Hofstaates aus der Herkunftsregion gibt es etwa für Kaiserin Eleonora II. (Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Familienakten, Karton 77: Nachlaß und Erbschaft der Kaiserin Eleonora d. J. 1686–1692, Bl. 257v) und Kaiserin Maria Anna, die 1643 eine neue spanische Obersthofmeisterin erhielt (Keller, Hofdamen [wie Anm. 2], S. 275), aber auch für eine aus Dänemark stammende sächsische Kurfürstin (Essegern, Fürstinnen [wie Anm. 2], S. 80).
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denheit zwischen Fürstin und mitgereister Hofdame, auch wenn diese durch Heirat den Hof verlassen hatte,53 lassen einen besonderen Stellenwert dieser Hofdamen für die Fürstin vermuten. Ihrem Stellenwert für die Vermittlung kultureller Praktiken und Güter an andere Hofdamen und auch über den Hof hinaus wäre künftig einmal gezielte Aufmerksamkeit zu widmen. Ein letztes Beispiel für das kulturelle Wirken einer höfischen Amtsträgerin führt uns schließlich über den Bereich von Musik und Theater hinaus und an den Münchner Hof des 18. Jahrhunderts. Zugleich rückt mit einer Obersthofmeisterin die andere Gruppe der adligen Damen bei Hof noch einmal besonders ins Licht. Maria Theresia Fugger war eine geborene Gräfin Truchseß von Waldburg zu Zeil und hatte 1705 Maximilian Anton Fugger geheiratet.54 Bereits nach zwölf Ehejahren verwitwet, verwaltete sie zunächst in Vormundschaft ihres Sohnes die Familiengüter; nach der Mündigkeit des Sohnes lebte die verwitwete Gräfin meist in Augsburg. Bis zu dem Zeitpunkt – September 1748 – als die Gräfin Fugger, mittlerweile beinahe 60 Jahre alt, Obersthofmeisterin der Kaiserin-Witwe Maria Amalia von Bayern wurde, war ihre Biographie insofern charakteristisch für viele dieser Amtsträgerinnen an Höfen des deutschsprachigen Raumes. Ihre Erfahrung in der Haushaltsführung qualifizierte Maria Theresia Fugger besonders für dieses Amt, ebenso wie ihr exemplarischer Lebenswandel als Witwe. Eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen beiden Frauen, die für die Berufung der Gräfin an den Münchner Hof wahrscheinlich ebenfalls eine Rolle spielte, war beider ausgeprägte Frömmigkeit, die sich auch darin ausdrückte, dass sowohl die Kaiserin-Witwe wie die Gräfin Mitglieder des Sternkreuzordens waren.55 Die Gräfin Fugger brachte an den Hof jedoch nicht nur ihre Erfahrung in der Haushaltsführung und einen frommen, tugendhaften Lebenswandel mit. Anders als bei vielen anderen adligen Damen hatte sich ihre fromme Gesinnung nicht nur in täglichem Gebet und Kirchgang, vielleicht einer Meßstiftung zugunsten des verstorbenen Gemahls manifestiert. Sie stand vielmehr bereits seit 1736, seit dem Ende der Vormundschaft für ihren Sohn, in engem Kontakt mit Jesuiten, die in der Missionsarbeit in China und Vietnam tätig waren.56 Ausgangspunkt dafür war der Wunsch der Gräfin gewesen, einen 53 Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 167 und 171 f. Ein weiteres Beispiel wäre Johanna Theresia von Lamberg, die Hoffräulein der Königin von Spanien gewesen war und mit dieser auch nach ihrer Eheschließung in engem brieflichen Kontakt stand: Susanne Claudine Pils, Schreiben über Stadt. Das Wien der Johanna Theresia Harrach, Wien 2002 (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 36), S. 18–20 und 232 f. 54 Hsia, Noble Patronage (wie Anm. 27), S. 26–31. 55 Ebd., S. 62 f. 56 Ebd., S. 31–35.
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Teil ihres Vermögens in ein Kloster oder eine fromme Stiftung zu investieren. Durch den Kontakt mit zwei aus Böhmen nach Asien reisenden Jesuiten, den beide Seiten über Jahre durch Briefe aufrecht erhielten, wurde ihr Augenmerk auf die Mission gelenkt. Ihr besonderes Interesse, das sie auch durch Lektüre gedruckter Schriften verfolgte, galt dabei der Taufe ausgesetzter Kinder, die sie ab 1744 immer wieder durch Geldsendungen nach China zu unterstützen suchte.57 Als Maria Theresia Fugger nun 1748 ihr Amt bei Hof antrat, unterbrach das ihr Engagement keineswegs. Vielmehr gelang es ihr, die Unterstützung der Kaiserin-Witwe für die Mission zu erlangen; 1753 stiftete diese einen festen jährlichen Betrag für die Taufe ausgesetzter Kinder in China.58 Außerdem regte die Obersthofmeisterin die Kaiserin-Witwe zur Lektüre der jesuitischen Lettres édifiantes an und informierte sie regelmäßig über ihre neuen Nachrichten aus China.59 Hilfreich dürfte für diese Einflussnahme der Obersthofmeisterin auf ihre Fürstin nicht nur die gemeinsame fromme Gesinnung gewesen sein. Vielmehr setzte die Gräfin Fugger gezielt Geschenke, die ihr die Missionare aus China sendeten, dazu ein, das Interesse der Kaiserin-Witwe und des Hofes für ihr Anliegen zu wecken,60 ebenso wie ausführliche briefliche Berichte über die Missionstätigkeit und die Ereignisse in China. Mit diesen Geschenken, die die Korrespondenz der Gräfin mit Asien bereits seit den vierziger Jahren begleiteten, nutzte sie eine in der Zeit der Chinoiserie-Mode sicher besonders vielversprechende Möglichkeit, ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Zugleich fungierte die Gräfin Fugger als Vermittlerin zwischen Europa und China, denn auch sie sandte Geschenke nach Bejing: Kupferstiche geistlichen Inhalts, Bücher, Musikinstrumente und Arzneien, aber auch ein Altarblatt und geistliche Ornate. Sie erhielt ihrerseits Lackgeschirr, Lederarbeiten, Halbedelsteine, Tee und Fächer; im Jahr 1744 sogar ein Porträt des Qianlong-Kaisers von dem italienischen Jesuiten und Hofmaler Giuseppe Castiglione.61 Mit ihrem Briefwechsel, ihrer Lektüre und vor allem mit ihren Bemühungen, das Interesse anderer an der Mission in China zu wecken, trug sie auch dazu bei, das Wissen über China in ihrem Umfeld zu vergrößern bzw. zu verändern. Damit ist ihr Wirken in München zugleich ein Beispiel dafür, dass und wie eine Hofmeisterin Einfluss auf ihre Fürstin erlangen konnte. In unserem Fall wirkte sich das etwa auf die Lektüre der Fürstin aus, die nun regelmäßig die Be57 58 59 60 61
Ebd., S. 40 f. und 47. Ebd., S. 63, 67 und 72. Ebd., S. 154. Ebd., S. 66, 202; fast wörtlich formuliert dies die Gräfin 1753 selbst, ebd., S. 227. Ebd., S. 94, 184, 292, 304, 320, 324.
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richte der Jesuiten aus Asien bezog. Zwar war das Interesse für Chinoiserie und Kunstgegenstände aus China um 1750 nichts Neues in Europa, aber die direkte Beziehung der Gräfin nach Bejing dürfte doch dazu beigetragen haben, dass es sich im Umfeld ›ihrer‹ Fürstin noch einmal verstärkt, zumindest aber – durch regelmäßige zusätzliche Nachrichten und Geschenke – verändert hat. Zwischen Hof und Stadt: Adlige Damen der Hofgesellschaft Damen, die bei Hof im Kontext künstlerischer Aktivitäten in Erscheinung traten, waren freilich nicht immer nur Hofdamen im Sinne der adligen Amtsträgerinnen und damit Mitglieder des Frauenzimmers, sondern auch und in erheblicher Zahl die Ehefrauen der bedeutenderen Amtsträger des fürstlichen Hofstaates. Diese Frauen waren gewöhnlich über längere Zeit in der Residenz anwesend, in der ihr Gemahl ein hohes oder mittleres Amt im Hofstaat des Fürsten, in Militär oder Verwaltung ausübte. Zwar reisten viele von ihnen regelmäßig auf die Familiengüter, um deren Verwaltung zu überwachen, um Verwandte zu besuchen oder auch um Wallfahrten oder Bäderreisen zu unternehmen. Die Anwesenheitspflicht ihres Mannes rief sie jedoch immer wieder an den Fürstenhof zurück, wo sie an höfischen Festlichkeiten teilnahmen und Geselligkeit mit anderen Damen der Hofgesellschaft pflegten. Manche von ihnen waren vor ihrer Eheschließung selbst Hoffräulein gewesen, hatten so gegebenenfalls eine gewisse kulturelle Prägung am Hof erfahren und konnten Zutrittsrechte zur Fürstin nutzen. Diese Frauen und ihre Töchter finden wir nun ebenfalls in verschiedenen Konstellationen im Kontext höfischer Aktivitäten. Eine erste dieser Konstellationen war die der Zuschauerin, die sie nicht selten bei größeren Aufführungen und Festen mit den Hoffräulein teilten, wie die etwa der Bericht über einen Unfall im Wiener Fasching des Jahres 1660 zeigt: »Zu Wienn hatt sich bei der ersten comedi, welche die wälsche erst neülich dahin khomene comedianten in gegenwart der khayserlichen persohnen selbsten gehalten, ein sehr unglückhseeliger casus zuetragen, in deme gleich bei dem schluß der comedi, alß sich die [Hof-]damas umbsehen wollen, wer unten von stattdamas bei der comedi gewesen, drey von ihnen so sich zu starckh angelainet, sambtt den lainbrettern under das volckh ein 2 garn hoch hinabgefallen sein. Zu großen glückh hatt sich kheine weder zutodt weder khrumb gefallen, doch sonsten zimblich ubell zuegerichtet.«62 62 Kardinal Harrach (wie Anm. 11), Bd. 6, S. 738 f.; Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 656 f.
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Die Damen durften freilich nicht nur öffentlichen Aufführungen beiwohnen, sondern wurden in etlichen Fällen als exklusives Zuschauerpublikum geladen, gerade wenn es um Aufführungen unter Mitwirkung von Hoffräulein ging,63 wie etwa 1697 in Wien oder 1680 in Linz, als eigens 15 adelige Damen zu Hof geladen wurden, um einem Ballett der Erzherzogin Maria Antonia und der Hofdamen beizuwohnen.64 Und schon 1631 hatte man zu einem Ballett anlässlich der Hochzeit der Infantin Maria Anna mit dem künftigen Kaiser Ferdinand III. 180 »Stadt-Frauen« als Zuschauerinnen geladen.65 Die oben für die Hoffräulein konstatierte, über Zusehen realisierte Bildungsfunktion kann damit also auch in Hinblick auf die Damen der höfischen Gesellschaft reklamiert werden. Und ebenfalls wie im Falle der Hofdamen erschöpfte sich deren Partizipation an Musik und Theater bei Hofe keineswegs in der Rolle der passiven Zuschauerin – wie die Hoffräulein, wenn auch deutlich weniger häufig als diese, waren die »Stadt-Damen« als Akteurinnen bei musikalischen oder theatralen Aufführungen anzutreffen. So führten »lauter Edel-Damen«66 anlässlich des Freudenfestes aus Anlass des Prager Friedens 1635 eine Komödie auf, und im Fasching des folgenden Jahres trat »das Adeliche Frawenzimmer auß der Statt« mit einem Ballett bei Hof in Erscheinung. Unter den Damen befanden sich mit Fürstin Anna Maria von Dietrichstein und mit Gräfin Giovanna Martinitz die Gemahlinnen des Obersthofmeisters der Kaiserin und des böhmischen Vizekanzlers.67 Vor allem zur Faschingszeit werden auch später immer wieder adlige Damen der höfischen Gesellschaft erwähnt: Im Jahr 1666 nahmen etliche Damen an einer Accademia teil, die die italienischen Hofkavaliere veranstalteten;68 im Februar 1667 wird eine Aufführung »nella gran Sala di Corte« erwähnt »in forma di teatro comparuero con introdutione in musica le Dame principali della Città in habito di More […] esprimendo il giubilo loro per la venuta dell’Imperiale Sposa [Margarita Teresa], con un allegro, e ben concertato Balletto […]«.69 Und 1673 traten im Fasching die Fürstinnen Maria Ernestina und Maria Eleonora von Eggenberg sowie die
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Beispiele dafür siehe Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 759, 813, 834. Ebd., S. 843 und 782. Khevenhüller, Annales Ferdinandei (wie Anm. 33), Bd. 7, Sp. 1510 f., 1513. Ebd., Bd. 7, Sp. 1671. Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 621 und 623. Ebd., S. 685, 821, 829. Galeazzo Gualdo Priorato, Historia di Leopoldo Cesare, Bd. 3, Wien 1674, S. 101. Siehe auch Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 703–706.
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Gräfin Maria Elisabeth von Waldstein mit sechs anderen Damen in einem Ballett auf.70 Bei der Gräfin Waldstein handelte es sich dabei nicht nur um ein ehemaliges Hoffräulein, sondern auch um die Gemahlin des Vizehofmeisters der Kaiserin-Witwe, die zugleich die Schwester des kaiserlichen Obersthofmarschalls war. Ihr Beispiel belegt damit die anhaltende Präsenz ehemaliger Hofdamen im Umfeld des Hofes, die auch unser letztes Beispiel vor Augen führt: Susanna Eleonora von Kollonitsch hatte 1633 zu den deutschen Hofdamen der Kaiserin Maria Anna gehört, die in die spanische Theateraufführung in Wien involviert waren. Zwei Jahre später heiratete sie den Obersthofmeister der Kaiserin, Franz Christoph Khevenhüller. Aber auch nach ihrem Abschied vom Hof blieb sie der Kaiserin verbunden, lud diese zu kleinen Festen ein und wurde von ihr in Vertretung der verstorbenen Obersthofmeisterin mit der Beaufsichtigung der Hoffräulein bei Festen außerhalb der Hofburg beauftragt.71 Später, nach dem Tod ihres Ehemannes, hielt sich die Gräfin meist auf ihrem Gut Kirchberg im Walde im Waldviertel auf, das durch ihre Anwesenheit in den fünfziger und sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts zu einem kleinen Musenhof wurde, denn Susanna Khevenhüller erfreute ihre zahlreichen Gäste durch Ballette, Komödien mit Musik und Gesang sowie Theateraufführungen, in denen junge Frauen von Adel agierten, die sie zur Erziehung und Ausbildung zu sich nahm.72 Im Sommer 1658 wurde aus Anlass des Besuches des Prager Kardinal-Erzbischofs, der mit der Gräfin seit langem befreundet war, sogar eine Accademia gehalten, »[…] in deme sie [das Frauenzimmer] unß mitt den cavalieren und unseren leüthen in 2 squadriglien, die eine von türckhen, die andere von gartnern, vertheilet erschinen, und eine differenz, ob nemblich die schönheit oder der geist bei einer dama mehrers zu achten, khürtzlich auß disputirt, und deß cardinalß urtheill weiter underworfen. Der hatt gleich für kheine partei außgesprochen, sondern weill er die ganze compagnia mitt geist und schönheit verainiget gefunden, das urtheill verschoben, biß sie ihme eines ohne das andere vorführen.«73
70 Seifert, Oper (wie Anm. 21), S. 743. Weitere Beispiele ebd., S. 814, 830, 897. Zur Gräfin Waldstein siehe Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 280 f. 71 Keller, Hofdamen (wie Anm. 2), S. 289 f.; Khevenhüller, Annales Ferdinandei (wie Anm. 33), Bd. 7, Sp. 1953; Kardinal Harrach (wie Anm. 11), Bd. 4, S. 624. 72 Beispiele siehe Kardinal Harrach (wie Anm. 11), Bd. 6, S. 469 f. 73 Ebd., Bd. 6, S. 470; Bd. 7, S. 699.
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Zusammenfassung Wie eingangs angekündigt, habe ich versucht, mich dem Thema zu nähern, indem ich zunächst die personelle und organisatorische Struktur des fürstlichen Frauenzimmers knapp dargestellt und dann drei Gruppen von Frauen im Frauenzimmer bzw. im Umfeld desselben Aufmerksamkeit gewidmet habe. Anhand mehrerer Beispiele konnte ich aufzeigen, dass in allen personellen Bereichen Frauen tätig waren, denen ihre Herkunft und ihre Fähigkeiten sowie ihre Position am Hof Möglichkeiten kulturellen Handelns eröffneten. Unter diesen Beispielen dominierte der Bereich Musik und Theater, wobei das nicht allein als Referenz auf das Thema des Bandes zu verstehen ist. Vielmehr finden wir für diese Bereiche zumindest für das 17. Jahrhundert, auf dem zeitlich gesehen mein Fokus lag, auch die meisten Quellen, weil festliche Inszenierungen bei Hof sowohl in Dokumenten des Hofes selbst (Hoftagebüchern, Festbeschreibungen, Rechnungen, Zeremonialtexten) wie in Reisebeschreibungen, diplomatischem Briefwechsel und Privatkorrespondenz besondere Aufmerksamkeit und damit Erwähnung fanden. Andere Betätigungsbereiche der Fürstin und ihrer direkten Umgebung im Frauenzimmer fehlten dagegen, etwa Literatur, Bildende Kunst, Innenausstattung, Gartenkultur.74 Dabei ist zu vermuten, dass Literatur im Sinne von Lektüre, vor allem aber von eigener literarischer Produktion im deutschsprachigen Raum erst im 18. Jahrhundert an Bedeutung gewann. Insgesamt aber braucht es eine weitere Spurensuche nach Belegen für das kulturelle Handeln von Frauen aus der Umgebung der Fürstin, denn selbst wenn jemand sich detailliert den Aktivitäten einer Fürstin widmete,75 wurde bislang selten nach Hofdamen und Bedienten gefragt. Ebenso wenig ist die Rolle von Hofdamen nach ihrer Eheschließung respektive die von anderen Damen der höfischen Gesellschaft in diesem Kontext bislang zusammenfassend gewürdigt worden. Die angeführten Beispiele können immerhin belegen, dass sich auch für diese Gruppe von Frauen im Umfeld des Frauenzimmers Spielräume kulturellen Handelns ergaben. Noch 74 Siehe etwa das diesbezügliche Panorama bei Joachim Berger, Anna Amalia von SachsenWeimar-Eisenach (1739–1807). Denk- und Handlungsräume einer ›aufgeklärten‹ Herzogin, Heidelberg 2003, S. 295–387. 75 Z. B. Christiane Coester, Schön wie Venus, mutig wie Mars. Anna d’Este, Herzogin von Guise und von Nemours (1531–1607), München 2006 (= Pariser historische Studien, Bd. 77); Ulrike Hammer, Kurfürstin Luise Henriette. Eine Oranierin als Mittlerin zwischen den Niederlanden und Brandenburg-Preußen, Münster et al. 2001 (= Nordwesteuropa, Bd. 4); Dagmar Eichberger, Leben mit Kunst. Wirken durch Kunst. Sammelwesen und Hofkunst unter Margarete von Österreich, Regentin der Niederlande, Turnhout 2002 (= Burgundica, Bd. 5).
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interessanter wäre es freilich, wenn man für eine größere Zahl von Frauen feststellen könnte, ob, und wenn ja, wie sie Eindrücke aus ihrer Zeit bei Hof später ein- und umsetzten, so wie es das Beispiel der Gräfin Kevenhüller zeigte. Dies würde es erlauben, Aussagen über die Rolle von Frauen bei der Ausgestaltung adligen Lebens nach höfischem Vorbild zu machen und vielleicht die kulturellen Transferfunktionen von adligen Frauen im regionalen Rahmen genauer zu fassen. Dabei bleibt freilich jetzt schon festzuhalten, dass sich Möglichkeiten kulturellen Handelns und der Einflussnahme auf höfische Kultur nach den einzelnen Gruppen von Frauen bei Hof differenzieren lassen. Eine solche Differenzierung ist, wie die vorangehenden Ausführungen zeigen, zwischen den Frauen der Bereiche ›Service‹ und ›Estat‹ vorzunehmen. Eine weitere Differenzierung wäre entsprechend der Nähe zur Fürstin notwendig, die eine Frau als Person bzw. qua Amt erlangte, und den daraus resultierenden Möglichkeiten, an höfischer Kultur zu partizipieren bzw. auf diese Einfluss zu nehmen. Eine dritte Differenzierung wäre schließlich nach dem Stand der jeweiligen Person und den damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten erforderlich. Hier denke ich eben nicht nur an die Unterscheidung von Dienstpersonal und Amtsträgerin, sondern auch an die Unterscheidung der adligen Damen in Ehefrauen (in Frankreich oder England), Witwen und unverehelichte Fräulein. Status, Lebenserfahrung und Bewegungsmöglichkeiten im höfischen Umfeld ließen für letztere eher das Handeln als Ausführende oder Lernende wahrscheinlich werden als eine aktive Rolle bei der Invention von Fest, Musik und Tanz. Die Obersthofmeisterinnen als verwitwete Damen, die eigene Vorlieben und Erfahrungen im Umgang mit Elementen höfischer Kultur mitbrachten, vor allem aber als Personen mit einem weit reichenden Zugang zur Fürstin, konnten hingegen, wie das Beispiel der Gräfin Fugger zeigte, eine wesentlich höhere Wirkungskraft entfalten.
Veronica Biermann
Königin Christina von Schweden in ihrem römischen Palast Zum Verhältnis von Innenraum und Selbstverständnis
Roms hohe Erwartungen galten im Winter 1655 der Ankunft einer Königin, die außergewöhnliche Entscheidungen getroffen hatte. Am 6. Juni 1654 hatte sie im fernen Uppsala ihrer Herrschaft freiwillig entsagt, um am 24. Dezember 1654 in Brüssel insgeheim und am 3. November 1655 in Innsbruck öffentlich dem lutherischen Glauben der Väter abzuschwören. Dieser so unverhofften Trophäe eines erbittert geführten, seit 1648 jedoch endgültig verlorenen Kampfes bereitete Alexander VII. mit ihrem adventus einen buchstäblich königlichen Empfang. Doch bereits kurze Zeit nach ihrem Einzug wurde mit Enttäuschung gewahrt, dass dem an Radikalität kaum mehr zu überbietenden Schritt der schwedischen Königin, dem ererbten Thron zu entsagen um die Religion wechseln zu können, keine dieser Entscheidung angemessene Glaubenspraxis der Konvertitin folgte. Christina ließ besondere private Andacht ebenso vermissen wie ein kirchenpolitisches Engagement für die Rekatholisierungsprojekte der Nordischen Länder.1 Ihre geringen finanziellen Mittel flossen nicht in die Stiftungen neuer Klöster, in Kirchen und Kapellen, sondern in den Umbau eines Palastes, der ihr ab Ende 1662 einen provisorischen und ab 1668 den wichtigsten Spielraum ihres kulturellen Handelns in Rom bot. In den letzten beiden Jahrzehnten sind der römische Palast Christinas und ihr Wirken in ihm wieder verstärkt in den Fokus der Forschung geraten. Enzo Borsellino ist die Kenntnis der Quellen zu verdanken, auf deren Basis Christinas Residenz in Rom rekonstruiert werden kann.2 Tomaso Montanari hat mit 1 Oskar Garstein, Rome and the Counter-Reformation in Scandinavia. The Age of Gustavus Adolphus and Queen Christina of Sweden 1622–1656, Leiden u. a. 1992, S. 766–770. 2 Vgl. Enzo Borsellino, Palazzo Corsini alla Lungara. Storia di un cantiere, Fasano 1988. Borsellino konnte im Archivio di Stato di Roma (im Folgenden I-Ras) und in der Biblioteca Comunale di Jesi (im folgenden I-IE) diejenigen Inventare und Baugutachten ausfindig machen, die eine relativ präzise Rekonstruktion ermöglichen. Durch diese Funde konnte er ältere Arbeiten wesentlich ergänzen und korrigieren, so insbesondere Stig Vänje, »Palazzo Riario«, in: Christina Queen of Sweden – a personality of European civilization, Stockholm 1966, S. 318 ff. und Alba Costamagna: »La storia del Palazzo
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akribischer Genauigkeit die Zusammensetzung und das Schicksal großer Teile ihrer Sammlungen ans Licht gebracht.3 Mehrere Kongresse konnten nach der noch immer maßgeblichen Arbeit Per Bjurströms das Engagement und die Bedeutung Christinas für das Theater und die Musik ihrer Zeit herausarbeiten.4 Hier soll der bisher fehlende Zusammenhang von Ort und Handlung etwas genauer in den Blick genommen werden, um auf der Basis einer strukturellen Analyse die Bedeutung zu erweisen, die Christina den Spielräumen ihres kulturellen Handelns für die Repräsentation ihrer Heiligen Majestät beigemessen zu haben scheint. Vom abschließenden Blick aus dem Fanum kulturellen Handelns der abgedankten Königin in Rom in das Arkanum der politisch handelnden Herrscherin in Uppsala wird sich in diesem Aufsatz erhofft, eine neue Perspektive auf Christina von Schweden und ihr Selbstverständnis zu eröffnen.5 Christina blieb nach ihrem adventus für viele Jahre eine ambulante Königin, die auch innerhalb der Ewigen Stadt mehrfach ihren Wohnsitz wechselte. Erst im Juni 1659 unterschrieb ihr engster Berater und künftiger Universalerbe, Kardinal Decio Azzolino, den Mietvertrag für ihren endgültigen Wohnsitz: den Palazzo Riario an der Lungara.6 Transtiberinisch am Fuße des Gianicolo gelegen, handelte es sich um einen suburbanen Palast mit großer Gartenanlage, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts von den Nepoten
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Corsini alla Lungara«, in: La galleria Corsini a cento anni dalla sua acquisizione allo Stato, Rom 1984, S. 11–19. Für eine ausführlichere Rekonstruktionsgeschichte des Palazzo Riario und eine präzisere Würdigung des Materials, als hier wiedergegeben werden kann vgl.: Veronica Biermann, Von der Kunst abzudanken. Die Repräsentationsstrategien Königin Christinas von Schweden, Köln u. a. 2012. Vgl. insbes. Tomaso Montanari, »Il cardinale Decio Azzolino e le collezioni d’arte di Cristina di Svezia«, in: Studi secenteschi 38 (1997), S. 185–264 und Tomaso Montanari, »La dispersione delle collezioni di Cristina di Svezia. Glia Azzolino, gli Ottoboni e gli Odescalchi«, in: Storia dell’Arte 90 (1997), S. 250–300; vgl. auch Enzo Borsellino, »Cristina di Svezia collezionista«, in: Ricerche di Storia dell’arte 54 (1994), S. 416 u. ders.: »I quadri di Alberto Duro et d’altri maestri alemanni li darei tutti per un paro di Raffaello: Cristina e le arti«, in: Letteratura, arte e musica alla corte romana di Cristina di Svezia, hrsg. von Rossana Maria Caira u. Stefano Fogelberg Rota, Rom 2005, S. 161–207. Vgl. Per Bjurström, Feast and Theater in Queen Christina’s Rome, Stockholm 1966; Cristina di Svezia e la Musica, convegno internazionale Roma (= Accademia Nazionale dei Lincei, Atti dei convegni lincei 138), Rom 1998; Letteratura, arte e musica (wie Anm. 3) sowie Katrin Losleben, Musik – Macht – Patronage, Kulturförderung als politisches Handeln im Rom der Frühen Neuzeit am Beispiel der Christina von Schweden (1626–1689), Köln 2012. Vgl. hierzu auch Biermann, Von der Kunst abzudanken (wie Anm. 2). Der von Kardinal Decio Azzolino unterschriebene Mietvertrag befindet sich in I-Ras, A.C. 5924, fol. 1018 und wurde von Borsellino, Palazzo Corsini (wie Anm. 2), S. 29 bekannt gemacht.
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Julius II. della Roveres errichtet wurde und von Beginn seines Bestehens an ein begehrtes Mietobjekt war.7 Nach dem Tod Königin Christinas im April 1689 und nach jahrzehntelangen Rechtsstreitigkeiten wurde der Palast 1736 an die Nepoten Papst Clemens XII. Corsini verkauft, die die von Christina bewohnten Teile des Altbaus ihrem Neubau durch Ferdinando Fuga integrieren ließen.8 Eine derartige Weiterverwendung älterer Bauteile war übliche Praxis des Palastbaus in Rom, dennoch kann man sich in diesem spezifischen Fall nicht des Eindrucks erwehren, einem monumentalen Reliquiar gegenüber zu stehen, das bis auf den heutigen Tag königliche Überreste birgt, die helfen sollten, Palast und Familie der neuen Besitzer zusätzlich zu nobilitieren. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit Azzolino barg das Gemäuer des Palazzo Riario ein Appartement im piano nobile, das seit seiner Entstehung offensichtlich mehrfach verändert und modernisiert, 1659 jedoch hoffnungslos veraltet war.9
7 Vgl. Christoph Luitpold Frommel, Der römische Palastbau der Hochrenaissance, 3 Bde., Tübingen 1973, Bd. 2, S. 281–291. 8 Zur Baugeschichte unter der Bauleitung Ferdinando Fugas vgl. insbes. Borsellino, Palazzo Corsini (wie Anm. 2) und Elisabeth Kieven, Ferdinando Fuga e l’architettura romana del Settecento: i disegni di architettura dalle collezioni del Gabinetto Nazionale di Stampe, Rom 1988, und dies.: »Ferdinando Fuga«, in: Storia dell’architettura italiana, hrsg. von Francesco Dal Co, Mailand 2000, S. 540–555. 9 Eine Rekonstruktion der ursprünglichen Räume ist auf der Basis eines dem Mietvertrag beigefügten Inventars des Ist-Zustandes von 1645 möglich. Das Inventar findet sich in I-Ras, Decius Gazzinus, a. 1645, vol. 138, fol. 660 ff. (im folgenden I-Ras, Inventar 1645), als Kopie auch I-IE, AA, b. 122, fol. 526–47 (im folgenden I-IE, Inventar 1645). Hinzu kommen Baugutachten, die nach dem Tode Christinas 1689 im Rechtsstreit zwischen ihren Erben und den Besitzern notwendig wurden. Das Baugutachten von 1696 findet sich in I-IE AA V, b. 211, fol. 549–583 (im folgenden I-IE, Baugutachten 1696), dasjenige von 1699 in I-Ras, A.C. Laurentius Bellus, a. 1699, vol. 943 (im folgenden I-Ras, Baugutachten 1699). Ausfindig gemacht wurden diese Archivalien von Borsellino, Palazzo Corsini (wie Anm. 2), S. 29 f. Jacqueline Strzeletz danke ich vielmals dafür, die Rekonstruktionspläne gezeichnet zu haben, vgl. hierzu Biermann, Von der Kunst abzudanken (wie Anm. 2), Kap. 2.
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Abb. 1 Palazzo Riario, Grundriss des piano nobile, Rekonstruktion des Zustandes zum Zeitpunkt der Anmietung durch Kardinal Azzolino 1659 (Rekonstruktion: Veronica Biermann, Zeichnung: Jacqueline Strzeletz, mit freundlicher Genehmigung der Autorin).
Sein Zentrum okkupierte eine eingeschossige und hofseitig gelegene sala grande (B), die vom breiten Absatz (A) in direkter Achsverlängerung zur Haupttreppe erreicht wurde. Als Empfangs- und Verteilerraum konzipiert, öffneten sich von hier aus vier Türen:10 Unmittelbar linker Hand vom Haupteingang befand sich der Zugang zur credenza (C).11 Diese muss sich bereits einem modernisierenden Umbau verdankt haben, da erst ab Mitte des 16. Jahrhunderts die abschließbare credenza in der sala das bis dahin im salotto stehende Silberbüffet abzulösen begann.12 Am entgegen gesetzten Ende der östlichen Saallängswand öffnete sich ebenfalls eine Tür. Sie gewährte den Zutritt in den mit Abstand größten Raum (L), der von der sala aus erreicht werden konnte, weshalb es sich hierbei wohl um den salotto gehandelt haben wird, das wichtigste Empfangszimmer eines Palastes des frühen 16. Jahrhunderts in Rom.13 Dem Haupteingang zur sala schräg gegenüber lag der Eingang 10 I-Ras, Inventar 1645, fol. 662/62r. 11 Ebd., fol. 667. 12 Vgl. Frommel, Römischer Palastbau (wie Anm. 7), Bd. 1, S. 70 u. für das 17. Jahrhundert Patricia Waddy, »The Roman Apartment from the Sixteenth to the Seventeenth Century«, in: Architecture et Vie Social a la Renaissance: l’organisation intérieure des grandes demeures à la fin du Moyen Age et à la Renaissance, hrsg. von Jean Guillaume, Paris 1994, S. 155–166, hier: S. 161. 13 Zum salotto bzw. zur seconda sala vgl. Frommel, Römischer Palastbau (wie Anm. 7), Bd. 1, S. 70.
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zur Palastkapelle. Eine der sala direkt angeschlossene Kapelle, die von allen Eintretenden unmittelbar gesehen werden konnte, war typisch für das Appartement eines Kardinalspalastes des 16. Jahrhunderts.14 Unmittelbar neben dem Eingang zur Kapelle und dem Hauptzugang zur sala direkt gegenüber befand sich eine vierte Tür. Sie führte zur Galerie (E) des Palastes, die erst zwischen 1590 und 1594 durch Giacomo della Porta für die Riarios angebaut wurde und offenbar zu einer ihrer letzten Modernisierungsmaßnahmen gehörte.15 Wie die einzelnen Räume auf der Ostseite des Palastes entlang der Lungara (M-R) und auf der Südseite entlang des giardino segreto (K-F) genau bespielt wurden, ist ebenso unklar, wie die Anzahl der Appartements, die hier letztlich untergebracht waren. Vorstellbar ist sowohl ein Appartement, das sich vom salotto aus in Nordrichtung entwickelte und mit den Räumen O/R kleinteiliger wurde, als auch ein zweites Appartement, das sich ins südwestliche Palastende ausdehnte und hier in der Raumgruppe H/G/F seinen Abschluss fand. Wie dem auch immer gewesen sein mag, ein kurzer Rundblick aus der sala grande auf ihre fünf Zugänge reicht aus, um das gravierendste Problem bloßzulegen, das dieser Palast des 16. Jahrhunderts Königin Christina bereitet haben muss: Die zentrale Lage des Hauptsaales erschwerte eine Erschließung des Appartements en filade nicht einfach nur, sie machte dies praktisch unmöglich. Die vorgefundenen Strukturen erlaubten daher kein Zeremoniell, wie es die aktuelle römische Etikette in den Palästen vorschrieb. Wie Patricia Waddy in ihrer brillanten Analyse der römischen Barockpaläste gezeigt hat, war es jedoch zwingend notwendig, dass der jeweilige Rang der Bewohner im Abschreiten möglichst langer Enfiladen körperlich erfahrbar wurde.16 Kein Wunder daher, dass für die Königin zu einer Radikallösung gegriffen wurde, bei der die räumlichen Grenzen, die der Palast mit seinen Mauern zog, entweder über hölzerne Brückenkonstruktionen umgangen oder ganz einfach niedergerissen wurden. Dem alten Palast der Riarios wurde recht buchstäblich auf Biegen und Brechen diejenige Struktur abgetrotzt, die dem Rang 14 Zur Lage von Palastkapellen in römischen Renaissancepalästen vgl. Kathleen WeilGarris und John F. D’Amico, »The Renaissance Cardinal’s Ideal Palace: a Chapter from Cortesi’s De Cardinalatu«, in: Studies in Italian Art and Architecture, 15th through 18th Centuries, hrsg. von Henry A. Millon, Cambridge/London 1980, S. 45–123, hier: S. 82 f.; zu den Veränderungen ihrer Lage im Barock vgl. Waddy, Roman Apartment (wie Anm. 12), S. 160 f. und dies.: »Inside the Palace: People and Furnishings«, in: Life and the Arts in the Baroque Palaces of Rome. Ambiente Barocco, hrsg. von Stefanie Walker, New Haven/London 1999, S. 29. 15 Vgl. Borsellino, Palazzo Corsini (wie Anm. 2), S. 26 f. 16 Patricia Waddy, Seventeenth-Century Roman Palaces. Use and the Art of the Plan, Cambridge (Mass.), 1990, S. 313 und S. 67–69.
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der Königin angemessen war und ihren Ansprüchen und Bedürfnissen zu genügen vermochte. Die Tatsache, dass es sich lediglich um ein Mietobjekt handelte, das derartig fundamentale Eingriffe verbot, war für die Königin ein irrelevantes Kriterium; die firmitas der Architektur jedoch, deren Festigkeit die Dauer über Generationen gewährleistete, ein für sie seit der Abdankung obsoleter Aspekt. Die radikalsten Veränderungen am Palastganzen gründeten in einer relativ banal anmutenden Entscheidung: Der einzige funktionsfähige Achsbezug des Altbaus zwischen Eingangstreppe und Hauptzugang zu piano nobile und sala grande wurde aufgegeben, der ehemalige Eingang vermauert und stattdessen auf der linken Seite neu angelegt.17 So schlicht diese Kehrtwende um 90° auch anmuten mag, erst sie ermöglichte es, die Erschließung des gesamten Appartements vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Abb. 2 Palazzo Riario, Grundriss piano nobile, Rekonstruktion des Zustandes zum Zeitpunkt des Todes Königin Christinas 1689 (Rekonstruktion: Veronica Biermann, Zeichnung: Jacqueline Strzeletz, mit freundlicher Genehmigung der Autorin).
Um eine neue sala zu erhalten, wurden alle im nordöstlichen Palastende liegenden Einbauten entfernt, die credenza (C), der Zugang zur scala segreta (Q)
17 I-IE, Baugutachten 1696, fol. 556: »principiando nel capo schala al primo piano nobile, si vede, che a’tenore del detto Inventario essere stato murato il Vano della Porta che per prima passava dalla detta schala allo stanzione detta la Sala che resta sopra le loggie terrene verso il cortile«.
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und zwei weitere kleinere Räume (O/R).18 Dies galt auch für die Wand, die die Räume N und P voneinander getrennt hatte, allerdings wurde mit ihr die wichtigste tragende Mauer dieses Flügels abgerissen.19 Kein Wunder, dass ein Großteil der Ausgaben für den Palast spätestens von 1672 an in Konsolidierungsmaßnahmen flossen, sprich, in Zuganker, Entlastungsbögen und tragende Balken, die diesen ruinösen Teil vor dem endgültigen Kollaps bewahren sollten.20 Gerechtfertigt erscheint ein derartig einschneidender Eingriff nur durch den immensen Nutzen, der aus ihm erwuchs: Königin Christina erhielt hierdurch eine konkurrenzfähige sala grande. Sie war zwar nicht zweigeschossig, doch immerhin vierachsig und somit groß genug, um es in ihren Proportionen mit den römischen Eingangssälen der bedeutendsten Familienpaläste aufzunehmen.21 Erst durch die neu angelegte sala war zugleich auch ein standesgemäßer Auftakt zu einer Raumfolge möglich geworden, die fast lehrbuchmäßig dem Modell eines römischen Kardinalspalastes des Barocks entsprach.22 Auf sie folgten jetzt drei Vorzimmer (M/L/K) en filade, deren Blickachse durch den Anbau der neuen scala segreta hindurch sogar noch um einen Raum verlängert war und bis zur Aurelianischen Stadtmauer gereicht haben wird.23 Vom zweiten Vorzimmer (L) aus gab es zudem den vorschriftsmäßigen Zugang zur Palastkapelle (D). Den drei Vorzimmern schloss sich ebenfalls vorschriftsmäßig das Audienzzimmer ( J) an. An dieses grenzte die stanza dove stava Sua Maesta (I) und der Alkoven Christinas (H/G), die formal ebenfalls den Modellvorgaben von Rückzugsraum und Schlafzimmer entspra-
18 Auf diesen Eingriff verwies erstmals Borsellino, Palazzo Corsini (wie Anm. 2), S. 33, ohne jedoch auf die strukturellen Konsequenzen zu verweisen und ohne diese zu analysieren. Vgl. auch I-IE, Baugutachten 1696, fol. 559/60 und I-Ras, Baugutachten 1699, fol. 886. 19 Vgl. ebd. 20 Vgl. ebd., fol. 550 und fol. 575–577r. Im Teilauszug der Rechnungsbücher Königin Christinas wird erstmals 1672 in Konsolidierungsarbeiten investiert, vgl. I-IE, AA, vol. V, b. 211, fol. 597r. 21 Vgl. Waddy, Roman Palaces (wie Anm. 16), S. 231 ff. Die sala grande des Palazzo Borghese maß ca. 11m x 17,5m, diejenige Christinas maß ca. 12m x ca. 16m; diejenige des Palazzo Barberini alle Quattro Fontane misst 25m x 15 x 15m, sie lief für Christina außer Konkurrenz. 22 Zur Raumfolge des römischen Barockappartements vgl. ebd., S. 313 mit Abb. 1. 23 Da die ehemalige scala segreta im Nordflügel abgerissen worden war, musste ein Inkognito Zugang zur Lungara am südöstlichen Ende des Palastes neu angelegt werden. In fast allen Plänen hat sie einen Zugang, der auf der Zimmerflucht liegt und ist durchfenstert. Der Tiefenblick über die Palastgrenze bis tief in die Stadt und/oder Landschaft hinein gewinnt im Barock zunehmend an Bedeutung, vgl. hierzu ebd., S. 34 f.
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chen. Gleichwohl beginnen sich an genau dieser Stelle auch Unterschiede zum römischen Modell abzuzeichnen. Um diese Unterschiede besser in den Blick nehmen zu können, muss zum dritten Vorzimmer (K) zurückgekehrt werden. Zwar verdankte sich seine Lage in der südöstlichen Ecke nur einem glücklichen Zufall, doch scheint dieser bewusst zur Markierung eines Dreh- und Angelpunkts ausgenutzt worden zu sein. Denn mit der Kehrtwende zum ersten Audienzzimmer ( J) als Ziel und Ende der Annäherung an die Königin muss mit dem sich hierbei öffnenden zweiten Tiefenblick in die gartenseitige Enfilade zugleich die Erkenntnis einhergegangen sein, keineswegs an einem Ende, sondern im Gegenteil, am Anfang von etwas Neuem gestanden zu haben. Während die Raumfolge des äußeren Parcours der römischen Etikette entsprach und Christina dem sozialen Kontext Roms deutlich lesbar integrierte, wurde ab diesem Punkt demnach Verschiedenheit vor Augen geführt. Weshalb dem inneren Parcours ebenfalls kurz Aufmerksamkeit gewidmet sei. Bis in die Mitte der 60er Jahre des 17. Jahrhunderts pflegte das erste Audienzzimmer den Schlusspunkt der Annäherung zu markieren, hier verlief in römischen Palästen eine deutliche Grenze zwischen öffentlich zugänglichem und privatem Bereich.24 Ab Ende der 60er Jahre und in den großen Umbauten der 70er Jahre kam es in römischen Palästen jedoch zu Veränderungen an dieser Grenze, und ein Auslöser hierfür könnte im Palast Christinas gelegen haben, der für einige Familien zu einem Modell geworden zu sein scheint.25 Der Prozess der Annäherung musste nun noch mehr in die Länge gestreckt, der Weg durch noch mehr Räume geführt werden. Im Appartement Christinas zeichnen sich für eine derartige Streckung zwei Möglichkeiten ab. Indem die beiden Kabinette H/G zusammengelegt und eine neue Türöffnung zum anschließenden Raum (F) durchbrochen wurde, erhielt man nun auch im Südflügel eine Sichtachse, die durch alle Räume dieser Flucht bis tief in den orto grande verlaufen sein wird. Ob dieser neuen Sichtachse auch eine Laufachse entsprach, ist schwer zu sagen, zu seltenen Gelegenheiten wird dies wahrscheinlich der Fall gewesen sein. Auf ihr hätten dann das bereits erwähnte Aufenthaltszimmer der Königin (I), ihr Paradezimmer (H/G) mit den beiden eingestellten Säulen, einer Balustrade und dem Bett und abschließend die sogenannte stanza dei quadri bzw. die stanza del tempo (F) gelegen. Die Laufrichtung umkehrend wäre man von hier in die große Galerie (E) gelangt, um zum Schluss, ein weiteres Mal die Laufrichtung ändernd, in die ehema24 Vgl. ebd., S. 4 und Waddy, Roman Apartment (wie Anm. 12), S. 156 f. 25 Vgl. ebd.; für eine ausführliche Argumentation vgl. auch Biermann, Von der Kunst abzudanken (wie Anm. 2), Kap. 2.
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lige alte sala des Palastes zu treten, die nun das zweite Audienzzimmer (B) Christinas war. In dieser udienza dei Principi stand auf dreistufigem Podium, unter einem Baldachin, von Balustraden abgeschrankt und von zwei Löwen mit Globen bewacht, ihr Thron, ihm zur Seite zwei Tabouretts, die je nach Bedarf vor ihm aufgestellt werden konnten; die ehemalige sala grande war zu einem regelrechten Thronsaal mutiert, der nun den Höhe- und Schlusspunkt der Annäherung bildete.26 Der übliche Weg im inneren Parcour verlief jedoch genau umgekehrt. Ein zwischen Christina und Azzolino intensiv diskutierter, schmaler Gang, der sogenannte andito, der zwischen Kapelle und großer Galerie verlief, vermittelte zwischen erster und zweiter Audienz.27 Von dieser führte der Weg dann weiter durch die große Galerie, in der ein Großteil der Gemäldesammlung Christinas hing, bis in die stanza dei quadri, die unter Ausstattungsgesichtspunkten den unbestreitbaren Höhepunkt des Appartements bildete. Christinas Alkoven und ihre Kammer waren üblicherweise nicht so ohne Weiteres zu betreten. War sie jedoch in ihr Sommerappartement ins Erdgeschoss umgezogen, gelangten Besucher auch hier herein.28 26 I-Ras, Nachlassinventar 1689, S. 282: »due leoni di legno dorati con due palle grosse e di legno dorate sotto ad una zampa« und S. 285: »due pezzi di baluastrati [sic] di legno scorniciato per tutto con balaustri torniti, il tutto dorato«; »in der grösten audientz cammer stundt ihr fauteuil in der mitten, undt ein tabourett auf jede seite, so vor den cardinalen dienen, die hernacher mitten vor gesetzt werden«, Tessin, Nicodemus d. J., Travel Notes 1673–77 and 1687–88, hrsg. von Merit Laine und Börje Magnusson, Stockholm 2002, S. 320. 27 Beschrieben wird er in I-Ras, noti AC 934, fol. 656. Kardinal Azzolino tauschte sich mit Christina intensiv über diverse Planungen im Palast aus, so insbesondere über die Anlage ihres »appartement de bain« und über ihr Schlafzimmer, vgl. hierzu Enzo Borsellino, »Alessandro VIIe Cristina di Svezia«, in: Alessandro VII. Chigi (1599–1667). Il Papa Senese di Roma Moderna (Ausstellungskatalog), hrsg. von Alessandro Angelici, Monika Butzek und Bernardina Sani, Siena 2000, S. 202–207, insbes. S. 204–207. Auch der andito war wichtig genug, um diskutiert zu werden, vgl. Riksarkivet Stockholm, S-Sr, 28 K 421 5d) Piéces regardant l’Economie de la maison de la Reine, ohne Seitenangaben: »Perche si leverebbe à S.M. il comodo di sentir la messa per queste finestra che hoggi risponde nella stanza del baldacchino paonazzo, viene in taglio nell’angolo della Galeria un bel pensiero, e questo è Lasciato accanto la Cappella per entrar nella Stanza grande dell’Udienza un andito di conveniente larghezza, il quale si può far nobile tanto che non vi sia in casa alcuna cosa più nobile.« 28 Beispielsweise gelangte auf Wunsch Kardinal Leopoldo de’ Medicis und über Vermittlung Ciro Ferris ein Zeichner in den Alkoven Christinas. Dort musste er seine Arbeit jedoch unterbrechen, da die Königin noch nicht ihr Sommerappartement bezogen hatte: »Il Disegno della Stanza della Regina non s’è potuto finir così presto non essendosi potuto haver commodità di lavorarci intorno la settimana passata perché la regina non era
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So weit die Rekonstruktion des strukturellen Zusammenhangs im piano nobile Königin Christinas in Rom. Die Höhepunkte königlicher Repräsentation wurden in diesem Palast vor allen Dingen in dessen Zentrum gesetzt, wodurch endlich auch diejenigen Räume in den Blick gelangen, in denen Königin Christina kulturell handelte oder handeln ließ. Von der zweiten Audienz aus machte ein Durchstich durch tragendes Mauerwerk Christinas Münzkabinett (U) zugänglich.29 Wie beim Umbau der neuen sala auch, scheint der Nutzen dieses unscheinbaren Zugangs die schon bald unübersehbar werdenden Gefahren des Eingriffs überwogen zu haben: Christinas berühmte Münzsammlung war eine viel studierte, antiquarische Sensation, die von den versiertesten Kennern ihrer Zeit betreut wurde, nicht zuletzt vom ehemaligen Antiquar der Päpste, Giovan Pietro Bellori.30 In ihr verflochten sich aber auch persönliches Interesse und Kenntnis der Königin, Sammlerleidenschaft und Inhalt der Münzbilder zu einem komplexen Programm königlichen Selbstverständnisses, das offenbar in die Nähe des Throns gehörte und von hier aus direkt zugänglich sein sollte. Dem Münzkabinett schloss sich ihr alchemistisches Kabinett (T) an, das ein veritables chemisches Labor beherbergte, in welchem Christina selbst nach der Möglichkeit Gold zu produzieren fahndete. Vor dem Raum der stilleria und auf dem Gelände des ehemaligen Hühnerhofs war eine Loggia errichtet worden, die einen tiefen Blick in den Garten gewährte und dort insbesondere auf den königlichen Reit- und Turnierplatz.31 Umringt von acht Kardinälen wohnte sie hier Turnieren bei, die der Contestabile Colonna ihr zu Ehren ausrichtete.32 Während der strengen Pontifikate Clemens X. Altieris und Inno-
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calata all’Appartamento da basso«, Lettere di Ottavio Falconieri a Leopoldo De’ Medici, hrsg. von Laura Giovannini, Florenz 1984, S. 272. Vgl. hierzu Arredi principeschi del Seicento fiorentino. Disegni di Diacinto Maria Marmi, hrsg. von Paola Barocchi und Giovanna Gaeta Bertelà, Turin 1990, S. 54 und S. 112 sowie Tomaso Montanari, »Bernini e Cristina di Svezia. Alle origini della storiografia berniniana«, in: Alessandro Angelici: Gian Lorenzo Bernini e i Chigi tra Roma e Siena, Siena 1998, S. 328–477, hier: S. 427. Zum Durchstich vgl. I-IE, Baugutachten 1696, fol. 552 r. Zum Münzkabinett Christinas vgl. Montanari, »Bernini e Cristina« (wie Anm. 28), S. 356 und Tessin, Travel Notes (wie Anm. 26), S. 321 f. Zum Loggienanbau vgl. I-IE, Baugutachten 1696, fol. 560/1, zum abgerissenen Hühnerstall vgl. ebd., fol. 571r. »Nel giardino della regina Cristina fu fatto il cavalleresco essercitio della biscia da molti cavalieri sotto la condotta del signor contestabile Colonna ad effetto di emendare con una ricca comparsa la parsimonia usata nella Biscia del carnevale passato […] Sua Maestà vi assistette ad un balcone con otto cardinali«, avviso v. 22. April 1684, zitiert nach: Renata Ago, »Sovrano Pontefice e Società di Corte. Competizioni cerimoniali e politica nella seconda metà del XVII secolo«, in: Cérémonial et rituel à Rome: XVIe–XIXe siècle, hrsg. von Maria Antonietta Visceglia, Rom 1997, S. 233.
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zenz XI. Odescalchis fand die adlige Gesellschaft Roms im Palast der Königin offenbar ihren höfischen Ort. Am hiervon entgegen gesetzten Ende der zweiten Audienz lagen die bereits erwähnte große Galerie (E) mit einem Teil der Gemäldesammlung Königin Christinas sowie die sogenannte stanza dei quadri (F), der nicht nur unter kunsthistorischen Gesichtspunkten wohl bedeutendste Raum des ganzen piano nobile. Dem Nachlassinventar folgend standen hier eine kleine Tischorgel mit Holzpfeifen und ein Cembalo mit drei Registern, dieser Raum diente demnach als camera da musica für musica da camera.33 Laut Alessandro Scarlatti gefielen Christina insbesondere »madrigali a tavolino, compiacimento di purgatissimo conoscimento dell’arte speculativa del comporre« und Philip Skippon bestätigt in seiner kurzen Reisenotiz von 1664, dass dieser Art Musik in diesem Raum mehr oder minder andächtig gelauscht wurde: »This evening (Dec. 28) we went to the queen of Sweden’s palace, and came into a chamber (hang with immodest pictures of women) where queen Christina set, and cardinal Azzolino by her, and much company in the room; for the space of two hours instrumental and vocal music entertained them, and the queen played with her little dog, talked sometimes with the cardinal, and sometimes with the strangers […].«34
Doch nicht nur dies, die stanza dei quadri war, wie ihr Name bereits bezeugt, ein exzeptioneller Sammlungsraum, der dem Gedächtnis der Kunstgeschichte
33 I-Ras, Nachlassinventar 1689, fol. 537 ff.: »Un cembalo á tre registri di cipresso con sue corde, tastatiera, e saltarelli con sua cassa di legno, foderata di corame rossa, e tutta rabessata (?) d’oro, e longo palmi nove (538) e mezzo, e largo palmi tre et un quarto, e d° cembalo si dice che sia di Girolamo con il suo piede di legno tutto rintagliato à palme, e festoni con sette puttini, che fanno diversi atti, e tre leoni parimenti indorati,et intagliate con quattro maniglie di ferro à piede di d.o piedestallo, longo palmi dieci, et alto palmi tre. […] Un organo piccolo con canne di legno, e d’avanti un quadro con Santa Cecilia e David, e diversi angiolini in atto di cantare, e suonare, largo d’organo palmi quattro e mezzo, e poco meno detto quadro e l’altezza del medesimo quadro un palmo e due terzi con tagli e mantici d’oro«. 34 Philip Skippon zitiert nach Hough Honour, »Queen Christina of Sweden as a Collector«, in: The Connoisseur CLXIII (1966), S. 9. Die stanza dei quadri müsste der Raum sein, von dem Arnaldo Morelli spricht, wenn er darauf hinweist, dass Königin Christina auch im piano nobile einen Musikraum unterhielt, in dem sie im Unterschied zum cappellone hoch intellektuelle Kompositionen spielen ließ. Das Zitat stammt ebenfalls aus, ders: »Il mecenatismo musicale di Cristina di Svezia. Una riconsiderazione«, in: Cristina e la Musica (wie Anm. 4), S. 336.
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als solcher allerdings fast völlig entfallen zu sein scheint.35 In ihm hingen diejenigen Gemälde, auf denen nicht allein der Ruhm der königlichen Gemäldesammlung insgesamt, sondern derjenige der Königin selbst fußte. Die hier versammelten Werke Veroneses, Tizians, Corregios, Caraccis und Raffaels galten ihren Zeitgenossen als Belege ihrer ausgewiesenen Kennerschaft, ihres exquisiten Geschmacks und ihres unbestechlichen Qualitätssinns. Nur am Rande sei angemerkt, dass ein Großteil der hier hängenden Bilder zudem dem berühmten Prager Beutegut entstammten – von den 50 Gemälden, die Christina in Stockholm hiervon in ihren Privatbesitz überführen ließ, befanden sich zwischen 19 und 22 Bilder in diesem Raum.36 Und last but not least war als erster und bedeutendster Ausstattungsgegenstand des gesamten Palastes 1662 ein 1,80 x 1m großer, allegorischer Spiegel in der stanza dei quadri bzw. camera del tempo montiert worden, den niemand Geringeres als Gian Lorenzo Bernini für die Königin entworfen hatte.37 Der Gott der Zeit enthüllte dem Blick der Königin einen Spiegel, der ihr in ihrer Gegenwart sie selbst als ›nackte Wahrheit‹ offenbarte. So spannend es ist, danach zu fragen, was ihre Wahrheit denn gewesen sein mag, so wenig kann hier einer Antwort nachgegangen werden: Nur so viel sei gesagt, die stanza dei quadri mit ihrem Spiegel, den alle Wände einschließlich der Decke bedeckenden Gemälden, die Teil einer Kriegsbeute waren und den sie füllenden Tönen eines komplexen Musizierens war in diesem Palast buchstäblich der Reflexionsraum Ihrer Majestät.38
35 Zur stanza dei quadri und einem ersten Versuch ihrer Rekonstruktion und Interpretation vgl. Veronica Biermann, »The Virtue of a King and the Desire of a Woman? Mythological representations in the collection of Queen Christina«, in: Art History 24/2 (2001), S. 213–230; vgl. auch dies., Von der Kunst abzudanken (wie Anm. 2), Kap. 3. 36 Stefano Pignatelli betont, dass Christina anders als Alexander d. Gr., dem sie doch so ähnele, die Künste derart durchdrungen habe, dass sie als deren Meisterin anzusprechen sei. Der schlagendste Beweis sei die von ihr getroffene Auswahl der Gemälde, die sie von Schweden nach Rom überführen ließ, ders.: »Quanto più alletti la bellezza dell’animo che la bellezza del corpo«, Rom 1680, S. 7 f., zitiert nach Montanari, Bernini e Cristina (wie Anm. 28), S. 354 f., der diese Quelle wieder ins Bewusstsein gerufen hat. 37 Vgl. hierzu Rudolf Wittkower und Heinrich Brauer, Die Zeichnungen des Gianlorenzo Bernini, Berlin 1931, S. 151; ders.: Gian Lorenzo Bernini. The sculptor of the Roman Baroque, London 1955, S. 203 f.; Montanari, Bernini e Cristina (wie Anm. 27), S. 373 konnte in den Rechnungsbüchern Ercole Ferrata als den ausführenden Künstler ausfindig machen, montiert wurde der Spiegel im Sommer 1662. Vgl. auch Borsellino, »I quadri di Alberto duro« (wie Anm. 3), S. 161–207, hier: S. 182 f.; Lilian H. Zirpolo, »Christina of Sweden’s patronage of Bernini: the mirror of truth revealed by time«, in: Woman’s art journal 26 (2005), S. 38–43. 38 Vgl. hierzu ausführlich Biermann, Von der Kunst abzudanken (wie Anm. 2), Kap. 3.
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Der Platz im piano nobile reichte bei weitem nicht aus, um der Königin denjenigen Spielraum zu bieten, den sie für ihr kulturelles Handeln benötigte, sie wich hierfür auf alle Stockwerke und auf das gesamte Gelände aus. Auf die wichtigsten Räume sei nur mehr kursorisch verwiesen: im Erdgeschoss lagen ihr Sommerappartement und das apartement de bain, die ihre Antikensammlung beherbergten.39 In den ehemaligen Remisen auf der Nordseite des Gartens unterhielt Christina ihre eigene Bildhauerakademie. Einen Bernini konnte sie sich finanziell zwar nicht leisten, dafür aber ermöglichte sie seinen Schülern Zugang zu ihren Sammlungen.40 Im Obergeschoss des Palastes, dort, wo ehemals die Familiaren der Mieter in kleinen mit Holzwänden abgetrennten Räumen untergebracht worden waren, lagen die neben der sala grande und der zweiten Audienz größten Säle des gesamten Palastes. Da auch im Obergeschoss die tragende Wand oberhalb der neuen sala grande abgerissen werden musste, um kein Vakuum zu belasten, entstand hier ein vergleichbar großer Raum. In ihm wurde die hoch bedeutende Bibliothek Christinas untergebracht.41 Über der hofseitigen, alten sala jedoch, der zweiten Audienz der Königin, wurde ab 1664 ein mindestens ebenso großer, wenn nicht sogar noch größerer Raum geschaffen.42 Da dieser zudem zusätzlich um 3m erhöht wurde, war auch dies kein Eingriff, der eben zur Stabilisierung der Architektur beitrug. Sein Nutzen war allerdings immens, Christina erhielt hierdurch einen zweigeschossigen Saal, den sogenannten Cappellone, der multifunktional eingesetzt werden konnte und tatsächlich auch massentauglich war.43 In ihm fanden die großen Oratorien und Konzerte statt. Zum Empfang des englischen Botschafters am Heiligen Stuhl, Lord Castlemain, spielte 1687 hier beispielsweise eine 100köpfige Kapelle, der über 39 Vgl. Borsellino, Palazzo Corsini (wie Anm. 2), S. 33. Vgl. auch Wolfger A. Bulst, »Die Antiken-Sammlungen der Königin Christina von Schweden«, in: Ruperto Carola XIX/41 (1967), S. 121–135. 40 Vgl. hierzu ausführlich Montanari, Bernini e Cristina (wie Anm. 28), S. 427–477. 41 I-Ras, Nachlassinventar 1689, fol. 685 ff. u. I-IE, Baugutachten 1696, fol. 550. 42 Der Saal des Obergeschosses scheint auch die Fläche, die oberhalb der kleinen Palastkapelle und dem Andito des piano nobile lag, miteingeschlossen zu haben, I-IE, Baugutachten 1696, fol. 551r und I-Ras, Baugutachten 1699. fol. 890 f. 43 Vgl. Bjurström, Feast and Theatre (wie Anm. 4), S. 89 und S. 132; Borsellino, Palazzo Corsini (wie Anm. 2), S. 34. Als Cappellone wird der Saal in den Baugutachten bezeichnet, dessen Bauschäden erheblich waren, vgl. I-IE, Baugutachten 1696, fol. 551/52. Das Nachlassinventar in I-Ras 1989 kennt zwei Bezeichnungen: »stanza dove si faceva la musica« und »stanza dove si faceva l’accademia«. Dass damit ein und der gleiche Raum gemeint waren belegt die Beschreibung in Nicodemus d. J. Tessin, Traictè dela decoration interieure 1717, hrsg. von Patricia Waddy, Stockholm 2002, S. 171–172.
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600 geladene Gäste lauschten.44 Der Cappellone war auch der Saal, in welchem ab 1674 die Sitzungen der königlichen Akademie tagten, die Christina einem großen Auditorium – einem »ampissimo anfiteatro« – zugänglich machte.45 Aller Wahrscheinlichkeit nach bot er auch die Räumlichkeiten für das im Stockholmer Mobilieninventar von 1674 verzeichnete teatro per commedie.46 Christina von Schweden war bekanntermaßen eine ungewöhnlich vielseitig interessierte wie vielseitig gebildete Königin. Dennoch ist eine Sichtweise, die ihr kulturelles Handeln als eines interpretiert, das einzig und allein um des kulturellen Handeln Willens geschah, korrekturbedürftig. So gut wie immer nahm sie es für ihre königliche Repräsentation in den Dienst, weshalb ihr kulturelles Handeln auch für Rom in seiner politischen Dimension zur Kenntnis genommen werden sollte. Die Königin als planende Bauherrin im Palazzo Riario soll dies beispielhaft belegen. Das Nachlassinventar führt in der stanza dove stava Sua Maestá ein Kniebänkchen auf, in dessen Schubfach mehrere Grundrisse »von Häusern« gefunden wurden.47 Welche genau diese waren, ist irrelevant, aber der Ort, wo sie gefunden wurden, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Pläne Christina wichtig genug waren, um bis in den innersten Bereich ihres Palastes und dort in das Zentrum ihres Nachdenkens zu gelangen. Vermutlich werden sie den über 200 Grundrissplänen ihres Palastes und seiner Umgebung geähnelt haben, die sich bis heute in zwei gebundenen Konvoluten der Vaticana erhalten haben und ursprünglich Bestandteil ihrer Bibliothek waren.48 Kunsthistorisch nur von begrenzter Bedeutung, bildeten sie offenbar eine wichtige Arbeitsgrundlage, auf 44 Vgl. Elena Povoledo: »Aspetti dell’allestimento scenico a Roma al tempo di Cristina di Svezia«, in: Cristina di Svezia e la Musica (wie Anm. 4), S. 181–186. 45 Vgl. Arnaldo Morelli: »Il mecenatismo musicale di Cristina di Svezia. Una riconsiderazione«, in: Cristina di Svezia e la Musica (wie Anm. 4), S. 340. 46 S-Sr (wie Anm. 27), AS, 48 K 441, fol. 241248; vgl. Bjurström, Feast and Theater (wie Anm. 4), S. 89 und Povoledo, »Allestimento scenico« (wie Anm. 44), S. 181 ff. 47 I-Ras, Nachlassinventar 1689, fol. 652: »Nella stanza contigua alla stanza dell’Audienza dove stava S.M. vi è […] un inginocchiatore di radiche d’olive con cornicette nere con cinque tiratori d’avanti, con […] dentro in un tiratore certe piante di Case usato.« 48 Die Planungskonvolute Reg. Lat. 774 und Reg. Lat. 1884 tauchen als Conografia complurium aedificiorum in der von Jeanne Bignami Odier publizierten Edition du catalogue de numéros 2112–2216 des manuscrits de la Reine auf, vgl. dies.: »Les manuscrits de la Reine Christine au Varican«, in: Queen Christina of Sweden, Documents and Studies, hrsg. von Magnus von Platen, Stockholm 1966, S. 37, Nr. 2210 und 2211. Zu ihnen gehören auch drei großformatige Pläne, die heute im Stockholmer Nationalmuseum verwahrt werden, Inv. 1045/1960. Vgl. hierzu: Vänje, A personality (wie Anm. 2), S. 738 und Stig Vänje, »Queen Christina and the Vitruvian Theatre«, in: Queen Christina of Sweden, Documents and Studies, hrsg. von Magnus von Platen, Stockholm 1966, S. 376–389, insbes.
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deren Basis im Palazzo Riario an Organisationsstrukturen gefeilt wurde. In vielen dieser Pläne finden sich Kommentare und Einzeichnungen Christinas, die in neue Pläne übertragen und dort wiederum korrigiert wurden.49 An der aktiven Teilhabe der Königin an Überlegungen, die den Gesamtzusammenhang des Palastes wie das Kleinteilige des Festalltages in den Blick nahmen, kann nicht gezweifelt werden. In einer Vielzahl utopischer Planspiele sieht man sie über die Lage eines neuen Treppenhauses am westlichen Ende des Nordflügels nachdenken, eine monumentale, zweigeschossige sala grande und weitere Vorzimmer entwerfen. Mit vergleichbarer Verve scheint sie sich in vielen Blättern auch um das korrekte Arrangement von mobilen Balustraden, Bänken und die Zugänge markierende Positionierung von Pyramiden gekümmert zu haben.
Abb. 3 V-CVbav, Reg. lat. 774, 19, Grundriss mit Kommentaren Christinas, vermutlich als Teil von Planungen für eine ihrer öffentlichen Akademiesitzungen (Foto © 2012 Biblioteca Apostolica Vaticana).
Entziffert man die in Eile auf Blatt 19 vermerkten Notizen erfährt man viel über ihre Denkweise:
S. 379 f. Keiner dieser Pläne bildet den zu rekonstruierenden Ist-Zustand exakt ab, in allen wird über Um- und Anbauvarianten nachgedacht. 49 Vgl. hierzu ausführlich Biermann, Von der Kunst abzudanken (wie Anm. 2), Kap. 2.
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»Vi copiatemi questo polito con le 4 piramide comme si vedere qui acenati, e fattemi il scandalli o quante persone posono capir sopra li banchi dentro al recinto del follio, senza occupare il vano. Doppo finito gia ho visto che si capino 80 persone non so se intendete di sedie ò di Banchi, ma avvertite che bisogna sapere che non vi hanno da essere altro che banchi.«50
Christina insistiert auf dem Detail der Zierpyramiden, zusätzlich wünscht sie aber eine genaue Erhebung der anvisierten Personenzahlen, deren Angaben auf dem Blatt sie offensichtlich erst auf den zweiten Blick zur Kenntnis nimmt. Ihr Interesse zielt auf die Anzahl derjenigen, die zwar zum abgeschrankten Bereich Zutritt haben, dort aber die Leerfläche vor dem Thron nicht hätten füllen dürfen und auch nicht auf einzelnen Stühlen, sondern ausschließlich auf – alle Anwesenden hierarchisch nivellierenden – Bänken vor der Wand Platz genommen hätten. So befremdend ihre Detailversessenheit auch anmuten mag, ihre hellwache Aufmerksamkeit, ihre zählenden und zeichnenden Korrekturen galten sehr prinzipiellen Dingen: nämlich der Organisation von Distanz und Distinktion im unmittelbaren Nahbereich der leibhaftig anwesenden Königin. Genau diese Fragen unterlagen ihrer Kontrolle und ihren Befehlen, genau hierum ging es in diesem Palast und seinem piano nobile. Darum sei an diesem Punkt rasch die Choreographie der Annäherung an Königin Christina im Palazzo Riario durchlaufen: Da der ursprüngliche Hauptzugang vermauert worden war, gelangte man nicht mehr direkt von der Straße aus in den Palast, sondern musste zunächst in den zu einem großen Vorhof planierten, ehemaligen Garten einfahren, der eine ausgedehnte ›Prestigefläche‹ bot und so einem hohen Kutschenaufkommen gerecht zu werden vermochte.51 Von hier aus umrundete man den nördlichen Palastflügel und erreichte den ehemaligen Innenhof, in welchem man direkt auf den im Zen50 V-CVbav, Reg. lat. 774, 19: »Kopiert mir dieses ins Reine mit den vier Pyramiden so wie sie hier eingezeichnet sind, und macht mir eine Berechnung, wie viele Personen auf die Bänke innerhalb der Abschrankung auf dem Blatt passen, ohne die Leerfläche zu besetzen. Nachdem ich geendet habe sehe ich gerade, dass 80 Personen hineinpassen, ich verstehe aber nicht, ob sie einzelne Stühle meinen oder auf Bänke. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass es wichtig ist zu wissen, dass dort nichts anderes zu sein hat, als Bänke.« 51 Auf die Vermauerung des Hauptzugangs verwies erstmals Vänje, Palazzo Riario (wie Anm. 2), S. 376 f., vgl. auch I-IE, Baugutachten 1696, fol. 572r–73r. Die Analyse der Choreographie der Annäherung und die Differenzierung unterschiedlicher Prestigeund Distanzflächen orientiert sich an: Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Frankfurt am Main 81997, S. 120–154.
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trum liegenden Thron der zweiten Audienz des piano nobile zufuhr. Funktional wie formal muss der Innenhof nun eher wie der Ehrenhof einer zwar asymmetrischen doch für Rom außergewöhnlichen Dreiflügelanlage gewirkt haben. Über die Treppe, deren Lage unverändert blieb, erreichte man die sala grande der Königin. Für römische Verhältnisse war diese relativ bescheiden ausgestattet, sie beherbergte zwar vorschriftsmäßig einen großen Baldachin mit Balustrade, doch fand sich in ihr weder wandfeste noch mobile Malerei. Erstaunlicherweise fehlte in dieser sala jeder malerische Hinweis auf den Ruhm des Hauses und die Heldentaten der Bewohnerin. In Rom jedoch war die sala grande der Ort, an dem der Uradel sein dynastisches Selbstbewusstsein mit Aplomb offenbarte und damit eine Repräsentationspolitik betrieb, welche die Parvenüs der zu Macht und Ansehen gelangten Papstnepoten in Verlegenheit setzen musste.52 Zur Kompensation betrieben diese einen immensen ökonomischen, künstlerischen und programmatischen Aufwand, den sie in die riesigen Deckengemälde ihrer Eingangssäle investierten.53 Christina verzichtete auf diese Konkurrenz keineswegs, sie verlagerte sie allerdings aus der neuen sala grande in die alte sala grande. Erst in der zweiten Audienz betrat man bei ihr den Raum, in dessen mobilem Bildprogramm sie als Königin und ehemalige Herrscherin sichtbar wurde.54 Während in den römischen Palästen alle repräsentative Kraft in einen Staunen erregenden Auftakt gelegt wurde, verschlug es den Besuchern Christinas erst in der stanze dei quadri endgültig den Atem, erfuhr man erst im Zentrum ihrer Residenz, wer sie war.55 Dieses von Rom verschiedene Konzept einer kontinuierlichen Steigerung scheint System gehabt zu haben. Je tiefer man in den Palazzo Riario eindrang, je mehr man sich der Gegenwart der Königin annäherte, desto mehr wurde dies zu einer Nähe, in der sich Distanz in vielfacher Weise zu verdichten begann. Auffällig ist die signifikante Steigerung stark reflektierender, Licht intensivierender Medien, der die qualitative Steigerung der in der Palasttiefe zugängli52 Vgl. Strunck, Christina, »Die Konkurrenz der Paläste: Alter Adel versus Nepoten im Rom des Seicento«, in: Die Krise der Nepoten. Neue Forschungen zu alten und neuen Eliten Roms in der Frühen Neuzeit, Bern 2001, S. 203–233, hier: S. 204–206. 53 Vgl. ebd. 54 I-Ras, Nachlassinventar 1689, S. 106–235. 55 Die Choreographie der Annäherung scheint in Christinas Residenz demnach sogar den Empfehlungen Berninis widersprochen zu haben, von dem Tessin d. J. die Empfehlung notierte: »In ogni fabbrica la primaria cosa è da osservare bene la prima forma, acciochè il primo intuitu renda qualche stupore e meraviglia«, in: Osservationi dal discorso dell Sig:or Cav:re Bernini, zitiert nach Björn R. Kommer, Nicodemus Tessin der Jüngere und das Stockholmer Schloß. Untersuchungen zum Hauptwerk des schwedischen Architekten, Heidelberg 1974, S. 158–161.
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chen Bildmedien entsprach: Bestand die Balustrade der sala nur aus polierten Holz, waren diejenigen in der zweiten Audienz und im Alkoven vergoldet.56 Die Nähte und Fransen der aufwendigen Wandbespannung aus karmesinrotem, blumen- und sternengemustertem Damast in der sala blieben unvergoldet, bis zum dritten Vorzimmer waren sie einfach vergoldet, ab diesem Zimmer verdoppelten sich die vergoldeten Nähte und Fransenreihen.57 Spiegeln begegnet man ab dem andito vor der Kapelle, von da an sind alle Türen und Fensterbrüstungen mit ihnen geschmückt, so wie in der großen Galerie und in der stanza dei quadri große Spiegel hingen.58 Verdichtend wirkten mit Sicherheit auch die Türrahmen, die ab dem Übergang zwischen dritten Vorzimmer und erster Audienz schmaler und niedriger wurden, so wie auch der andito als körperlich erfahrbare Verengung fungiert haben muss, die in die um so größer und prächtiger wirkenden Räume der zweiten Audienz und Galerie überleitete.59 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass an keinem Punkt im piano nobile die Absonderung ins Private, ins Intime interessierte. Die in römischen Palästen so scharf gezogene Grenze war im Palast der Königin durchlässiger, auch im von ihr tatsächlich als Schlafstatt genutzten Alkoven, vermutlich sogar in ihrem Rückzugsraum, der stanza dove stava Sua Maestà. Die Tiefen des königlichen Palastes waren (fast) ebenso öffentlich zugänglich, wie die Vorzimmer auf der Enfilade der Lungarafront. Doch die signifikante Steigerung aller Mittel ebenso wie die beständig unzugänglichen Raum im Raum organisierenden Eingriffe der Königin wie in Blatt 19 können keinen Zweifel daran gelassen haben, dass sich an der Qualität eben dieser Öffentlichkeit etwas änderte, in der die zugänglich gemachte Nähe nur desto größere Entfernung zu signalisieren vermochte. Es ist dieser Befund, der es angebracht erscheinen lässt, auf die Verwendung des Begriffspaars öffentlich/privat im piano nobile Königin Christinas zu verzichten und stattdessen auf das Begriffspaar profan/ sakral zurückzugreifen. Geht man bis auf die etymologische Wurzel des profanen zurück, wird damit eine räumliche Kategorie eingeführt, die zwischen dem pro-fanum und dem fanum unterscheiden hilft.60 Damit scheint auch die Situation im Palazzo Riario treffend charakterisiert zu sein, in dem es Räume 56 I-Ras, Nachlassinventar 1689, S. 256 und ebd., S. 285. 57 Ebd., S. 255ff. und Tessin, Travel Notes (wie Anm. 26), S. 320. 58 I-Ras, Baugutachten 1699, S. 886; I-Ras Nachlassinventar 1689, S. 529; S-Sr (wie Anm. 27), Mobilieninventar 1674, S. 297. 59 Auf der inneren Gartenachse verengten sich die Türen gegenüber denjenigen auf der Lungaraachse von 12¾ x 6¼ palmi auf 11 x 5½ palmi. Dass es sich um eine irreversible Veränderung aus der Zeit Christinas handelt, belegt I-Ras, Baugutachten 1699, fol. 886. 60 E. Stiglmayr, »profan«, in: Lexikon für Theologie und Kirche, hrsg. von Josef Höfer und Karl Rahner, Sonderausgabe Freiburg im Breisgau 21986, Bd. 8, s.v.
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gab, die vor einem heiligen Bezirk lagen – wie eben die Enfilade der Vorzimmer – und Räumlichkeiten, die den Kernbereich des Appartements, sein fanum bildeten, das allerdings keinen liturgischen Kultraum, wohl aber ein königliches Heiligtum barg.61 Das Fanum des Palastes zeichnet sich zumindest schemenhaft als ein Ort repräsentativer Öffentlichkeit ab, der Christina ihren Spielraum kulturellen Handelns bot und dem die Aura des Sakralen verbunden war.62 Damit ist wesentliches zum Selbstverständnis der abgedankten Königin in Rom gesagt. Schärfere Kontur erhält dieses Selbstverständnis jedoch erst, wenn nicht nur in das Fanum ihres römischen Palastes, sondern auch in das Arkanum der Herrscherin geschaut wird, dorthin also, wo die aus eigenem Recht regierende Königin politisch handelte. Kaum ein anderer auch räumlich greifbarer Ort eignet sich hierfür so gut, wie der Reichssaal des Schlosses zu Uppsala, in welchem die schwedische Monarchin am 6. Juni 1654 im hoch sollenen actus abdicationis ihrem ererbten Thron entsagte. Der actus abdicationis war ein Zeremoniell, mit dem das Abdankungsinstrument Königin Christinas in sein Recht gesetzt wurde.63 In ihrem vollen 61 Dem »Öffentlichen« im Palast wäre so nicht das »Private« antithetisch verbunden, sondern das »Geheimnis« oder Geheime, vgl. hierzu Lucian Hölscher, Öffentlichkeit und Geheimnis: eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zur Entstehung der Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1979. 62 Zum Begriff der »repräsentativen Öffentlichkeit« vgl. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt am Main 61999, S. 60–65. Vgl. auch die Kritik von Jörg Jochen Berns an Habermas, mit dem Hinweis, dieser habe der Kategorie der Aura zu wenig Bedeutung beigemessen, ihrer Entkoppelung vom liturgischen Kultraum, ihrer Verbindung mit der zeremoniellen Hofkultur des Absolutismus und der damit einhergehenden Frage, ob die behauptete Aura nun als Steigerungs- oder eher als Minderungsform der behaupteten Sakralität zu interpretieren und daher ein Säkularisierungsphänomen sei, vgl. ders.: »Der nackte Monarch und die nackte Wahrheit. Auskünfte der deutschen Zeitungsund Zeremoniellschriften des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts zum Verhältnis von Hof und Öffentlichkeit«, in: Daphnis 11/12 (1982), S. 315–349, hier: S. 343 f. 63 Hierzu bisher am ausführlichsten: Markus Bauer, »Das große Nein – Zum Zeremoniell der Resignation«, in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. von Jörg Jochen Berns und Thomas Rahn, Tübingen 1995, S. 98–124, insbes. S. 113–121. Zu neuen Ansätzen in der historischen Politikforschung und der Bedeutung, die dort dem Zeremoniell als Recht setzendem Publikationsakt zukommt, vgl. Bernhard Jussen, »Um 2005. Diskutieren über Könige im vormodernen Europa. Einleitung«, in: Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. von dems., München 2005, S. XI–XXIV, insbes. S. XIV–XVII. Die ausführlichsten Quellen, die eine exakte Rekonstruktion des Zeremoniellverlaufs ermöglichen sind: Johann Georg Schleders, Irenico-Polemographia sive theatri Europaei
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Krönungsornat zog sie vor der Reichsöffentlichkeit in den Saal ein, nur in ein weißes Kleid gewandet verließ sie ihn wieder. Zwischen Ein- und Auszug lag die rituelle Kernhandlung – die re-signatio – in der Christina dem Reich die Insignien restituierte, in die sie während ihrer Stockholmer Krönung investiert worden war. Als deren Inversion gestaltet, verdeutlichte die Resignation der Reichsöffentlichkeit die juristische Reversibilität ihrer Herrschaft.64 Diesem unmissverständlichen Akt symbolischer Kommunikation war jedoch auch die Wirkmacht eines Rituals verbunden.65 Der Krönung vergleichbar war die Resignation ebenfalls ein Schwellenritual und als solches ersetzte es den natürlichen Tod der Königin.66 Wie beim Ausruf le Roi est mort. Vive le Roi! übertrug continuati septennium, Frankfurt am Main 1685, S. 638–639; Johann Christian Lünig, Theatrum Ceremoniale historico politicum oder historisch- und politischer Schau-Platz aller Ceremonien […] Leipzig 1719, Bd. 2, S. 813–814; Geschichte der Begebenheiten nach dem Tode des großen Gustavs, so wohl in Deutschland als in Schweden, bis zu Christinens Abdankung im Jahre CICDCLIV, abgedruckt in: Johann Arckenholtz, Historische Merkwürdigkeiten die Königinn Christina von Schweden betreffend [...], 4 Bde., Leipzig/Amsterdam 1760, Bd. 3, S. 58–178. 64 Zu rituellen Inversionen als symbolischem Verfahren der Reversibilität vgl. Barbara Babcock, »Introduction«, in: The Reversible World. Symbolic Inversion in Art and Society, hrsg. von ders., Ithaca/London 1978. 65 Zum Zeremoniell als spezifischer Form ritualisierter, symbolischer Kommunikation vgl. insbes. Barbara Stollberg-Rillinger, »Berichte und Kritik: Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neuere Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit«, in: Zeitschrift für historische Forschung 27/3 (2000), S. 389–405 mit den dort besprochenen Arbeiten. 66 In der Differenzierung von eher affirmativem Abdankungszeremoniell und transformierendem Resignationsritual folge ich dem Definitionsversuch Victor Turners: »I may state here, partly as an aside, that I consider the term ›ritual‹ to be more fittingly applied to forms of religious behaviour associated with social transitions, while the term ›ceremony‹ has a closer bearing on religious behaviour associated with social states, where politico-legal institutions also have greater importance. Ritual is transformative, ceremony confirmatory«, ders.: »Betwixt and Between: The Liminal Period in Rites des Passage«, in: ders., The Forest of Symbols. Aspects of Ndembu Ritual, Ithaca N.Y. 1967, S. 95. Zu Schwellenritualen im Allgemeinen vgl. noch heute die Arbeiten von: Arnold van Gennep, The Rites of Passage, London 1960; Victor W. Turner, The Ritual Process. Structure and Anti-Structure, o. O. 2008 (1969) und Edward Muir, Ritual in Early Modern Europe, Cambridge 1997. Königliche Krönungen hat Marc Bloch als erster als Schwellenritual beschrieben, allerdings ohne die Arbeiten van Gennep gekannt zu haben, vgl. ders.: Die wundertätigen Könige [Les rois thaumaturges. Études sur le caractère surnaturel attribué à la puissance royale particulièrement en France et en Angleterre], München 1998, insbes. Kap. 3, vgl. auch das Vorwort zur Neuauflage von Jacques Le Goff, S. 33 f. Zur Bedeutung der Ritualforschung für das Verständnis königlicher Krönungen vgl. auch János M. Bak, »Introduction«, in: Coronation Studies – Past, Present, and Future und die Artikel im Tagungsband Coronations. Medieval and Early Modern
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sich im Moment der Herrschaftsaufgabe Christinas die Königswürde charismatisch auf ihren Nachfolger. Carl X. Gustav entspross somit einem ganz und gar außergewöhnlichen Schöpfungsakt.67 Seine königliche Würde verdankte er nicht der Gnade hoher Geburt, keiner Hochzeit mit Christina und nicht der Gnade der Granden des Reichs, sondern der Entsagung der Königin, sprich, einzig ihrer Gnade und derjenigen Gottes. Wie er seinen Krönungsmedaillen einprägen ließ, war er Rex Carolus Gustavus a Deo et Christina. bzw. Carolus Gustavus Dei Gratia et Christine Rex.68 Fragt man danach, aus welchen innenpolitischen Gründen eine derartige Lösung notwendig geworden sein könnte, gerät Christina als eine Königin in den Blick, die von je her der schwedischen Erbmonarchie und ihrem Erhalt verpflichtet gewesen zu sein scheint. Deren Kontinuität und Stabilität sah sie offenbar mehrfach gefährdet: nämlich durch die mangelnde dynastische Absicherung ihrer Nachfolge, durch die Partikularinteressen einer opponierenden und sehr mächtigen Nobilität und durch die Erbansprüche der katholischen Wasas in Polen.69 Dieser aus eigenem Recht regierenden Königin scheint es ein politisch motiviertes Anliegen gewesen zu sein, ihre unangreifbare Souveränität zu wahren, indem sie sich einer Vermählung entzog
Monarchic Ritual, hrsg. von János M. Bak, Berkeley u. a. 1990, S. 115 und neuerdings der Sammelband: Investitur- und Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich, hrsg. von Stefan Weinfurter und Marion Steinicke, Köln/Weimar 2005. Zum königlichen Tod als Schwellenritual vgl. Ralph E. Giesey, The Royal Funeral Ceremony in Renaissance France, Genf 1960. Zur Abdankung als »Herrschertod« vgl. Susan Richter, »Zeremonieller Schlusspunkt. Die Abdankung als Herrschertod«, in: Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. von Susan Richter und Dirk Dirbach, Köln u. a. 2010, S. 75–94. 67 Eine Randbemerkung Königin Christinas stützt die Vermutung, dass sie die Sukzessionregelung als einen regelrechten Schöpfungsakt ansah. In ihrem Exemplar einer Geschichte Schwedens von 1682 schreibt sie, Carl Gustav »sei ein König, den sie selbst geschaffen habe – genauso wie (ohne einen Vergleich ziehen zu wollen) Gott den ersten Menschen geschaffen hat«, zitiert in: Sven Stolpe, Christine von Schweden, Wiesbaden 1964, S. 292. 68 Vgl. A personality (wie Anm. 2), Nr. 519–522. 69 Zum problematischen Verhältnis der Krone Schwedens zu ihrer Nobilität und Christinas konsequent betriebener Sukzessionspolitik ist noch immer maßgeblich die Arbeit von: Curt Weibull, Christina of Sweden, Göteborg 1966. Problematisch an dieser Arbeit bleibt jedoch das Beharren Weibulls auf der Annahme, die Konversion der Königin sei für die Abdankung handlungsleitend gewesen, vgl. hierzu: Veronica Biermann, »The Art of Asserting Sacrality: Queen Christina of Sweden’s Abdication and Conversion«, in: Conversion as Confessional Interaction in Early Modern Europe, Tagungsband Leipzig 2009, im Druck.
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und so den König weiblichen Geschlechts niemandem untertan machte.70 Der aus diesem Grunde notwendig werdenden und mit höchster Konsequenz betriebenen Sukzessionspolitik verdankte sich nicht nur der Schutz ihrer persönlichen Unversehrtheit, sondern auch die dynastische Kontinuität des Erbkönigtums trotz Eheverzichts.71 Die andauernde Stabilität der schwedischen Erbmonarchie vermochte allerdings ihre Herrschaftsaufgabe am besten und umfassendsten zu garantieren. Denn nur durch eine Abdankung konnte es vermieden werden, den Erbvertrag mit den Ständen neu aushandeln zu müssen, was die Monarchie wieder geschwächt haben würde. Und nur durch eine Resignation waren die Erbrechte ihres Nachfolgers ganz und gar unanfechtbar vor Gott und den Menschen legitimiert. Sie bot dem Königshaus die größte mögliche Sicherheit, auch falls der Hochadel nach dem Tod Christinas die Erbrechte ihres Nachfolgers hätte anfechten wollen.72 Unerbittlich gegen ihre eigene Person und ihr Geschlecht vertrat Königin Christina als schwedische Monarchin demnach königliche Positionen, die mit den staatsrechtlichen Theorien ihrer Zeit korrelierten. Sie war der souveränen Unantastbarkeit des Königs, der dynastischen Kontinuität
70 Zur aus eigenem Recht regierenden Herrscherin vgl. Matthias Schnettger, »Weibliche Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Einige Beobachtungen aus verfassungs- und politikgeschichtlicher Sicht«, in: Zeitenblicke 8/2 (30.06.2009), S. 119, URL: http://www. zeitenblicke.de/2009/2/schnettger/index_html [Abruf 17.7.2012]. 71 Zur Bedeutung der dynastischen Herrschaftssicherung vgl. Der dynastische Fürstenstaat. Zur Bedeutung von Sukzessionsordnungen für die Entstehung des frühmodernen Staates, hrsg. Johannes Kunisch und Helmut Neuhaus, Berlin 1982 und insbes.: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht, hrsg. von Heide Wunder, Berlin 2002. 72 Königin Christina war sich immer darüber im Klaren, dass ihre Nobilität eine Rückkehr zur Wahlmonarchie favorisierte und sogar eine Adelsrepublik ins Auge gefasst hatte. Ihr war ebenfalls klar, dass die größte Konkurrenz aus den Häusern Brahe und Oxenstierna erwuchs, vgl. Curt Weibull, Christina of Sweden, Stockholm 1966, S. 47 und Mémoires de ce qui s’est passé en Suéde et aux provinces voisines, Depuis l’année 1645 jusque en l’année 1655. Ensemble le demêlé de la Suéde avec la Pologne. Tirés des depesches de Monsieur Chanut Ambassadeur du Roy en Suède, 3 lib., hrsg. von Pierre Linage de Vauciennes, Köln 1677, Bd. 1, S. 411–416. Von Seiten der Nobilität war im Übrigen nie ein Hehl daraus gemacht worden, die Erbfolge Carl Gustavs nach dem Tod Christinas anfechten zu wollen, vgl. ebd., S. 33. Christina selbst im Reichsrat 1649: »[…] Heirathe ich den Herzog Karl, so würdet ihr seine Kinder ohnfehlbar als Kronerben ansehen: sterbe ich aber, so will ich meine beiden Ohren verwetten, daß er niemals zum Throne gelanget«, Arckenholtz, Historische Merkwürdigkeiten (wie Anm. 63), Bd. 1, S. 170.
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des Königtums und einem ausgeprägten Legitimationsstreben verpflichtet.73 Ihre Abdankung scheint daher der Preis gewesen zu sein, den die Königin zu zahlen bereit war, um den entscheidenden Sieg des Königshauses und der Erbmonarchie gegen die eigene, eine Wahlmonarchie favorisierende Nobilität und die katholischen Wasas davon zu tragen. Bekanntermaßen ist der Abdankung Königin Christinas ihre Konversion untrennbar verbunden, doch erst vor einem Hintergrund, vor dem sich die schwedische Königin als der Staatsräson verpflichtete und die arcana imperii mustergültig beherrschende Monarchin abzuzeichnen beginnt, wird auch das ganze Ausmaß des Rätsels erkennbar, vor das einen die Konvertitin Christina stellt.74 Die Vorstellung einer an letztgültiger Wahrheit interessierten Gläubigen, die für ihr individuelles Seelenheil sogar auf ihre Krone verzichtet, lässt sich dem Bild der souveränen Herrscherin nicht überzeugend integrieren.75 Und dennoch ist unabweisbar, dass der Königin während ihrer Regierung konfessionelle Fragen derart wichtig zu werden begannen, dass sie unmittelbar vor ihrer Krönung im Oktober 1650 den Kontakt nach Rom suchte, diesen konsequent ausbaute und nur wenige Monate nach der Abdankung konvertierte.76 Geht man nun entgegen der allgemein vertretenen Meinung davon aus, dass die Konversion selbst nicht der ursächliche Grund war, um abzudanken, sondern die unanfechtbare Legitimierung ihres erbberechtigten Nachfolgers, dann wird es sinnvoll danach zu fragen, ob die Konversion womöglich eine Konsequenz der Abdankung war. Durch einen derartigen Perspektivewechsel geraten konfessionelle Unterschiede in den Blick und damit die Frage, ob es an der Entscheidung abzudanken einen Aspekt gab, der die Königin in ihrer lutherischen Glaubensüberzeugung derart zu erschüttern vermochte, dass die Konversion zum katholischen Glauben existentiell notwendig wurde.
73 Vgl. hierzu Nils Runeby, »Die Macht des Königs und die Verteilung der Macht unter Königin Christina«, in: Queen Christina of Sweden, Documents and Studies (wie Anm. 48), S. 322–331, insbes. S. 325. 74 Zu Christina als Neu-Stoikerin auf dem Thron vgl. Gerhard Oestreich, Antiker Geist und moderner Staat bei Justus Lipsius (1547–1606), Göttingen 1989, S. 210. Zur Bedeutung der arcana imperii, vgl. Michael Stolleis, »Arcana imperii und Ratio status. Bemerkungen zur politischen Theorie des frühen 17. Jahrhunderts«, in: ders., Staat und Staatsräson in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts, Frankfurt am Main 1990, S. 37–72. 75 So beispielsweise Heinz Schilling, in: ders.: Aufbruch und Krise. Deutschland 1517–1648, Berlin 1994, S. 461–463. 76 Vgl. Garstein, Counter-Reformation in Scandinavia (wie Anm. 1), insbes. S. 607–641 und S. 692–699.
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Für eine Antwort lohnt es sich, einen zweiten Blick in das Arkanum der Königin zu werfen und das Resignationsgeschehen noch einmal genauer zu betrachten. Hierfür sei auf drei Beschreibungen von Augenzeugen zurückgegriffen: auf das Tagebuch des englischen Botschafters am schwedischen Hof, in welchem Lord Commissioner Bulstrode Whitelocke den Bericht des Generals Wrangel wiedergibt; auf die Geschichte des Braheschen Geschlechts des Reichsdrosten Per Brahe, der am Resignationsgeschehen unmittelbar beteiligt war, und auf die Darstellung des ersten katholischen Biographen der Königin, Gualdo Prioratos 1656 publizierte Historia della Sacra Real Maestà di Cristina. Allen drei Berichten gemeinsam ist ihr anekdotischer Charakter, allen drei gemeinsam ist ebenfalls, dass sie einem Moment Beachtung schenken, in dem die Rückgabe der königlichen Zeichen kurz unterbrochen worden zu sein scheint: Whitelocke kolportiert, die Königin habe befohlen, man möge ihr die Krone vom Kopfe nehmen, aber niemand sei ihrem Verlangen gefolgt. Daraufhin habe sie den Grafen Tott und den Baron Steinbergh energisch angewiesen zu helfen, doch auch diese seien ihrer Aufforderung nicht eher nachgekommen, als bis sie ihr Verlangen voller Ernst noch einmal befohlen habe. Erst jetzt seien sie hinzugetreten und hätten ihr die Krone abgenommen.77 Brahe hingegen erzählt, ihm sei von der Königin mehrfach befohlen worden, ihr die Krone abzunehmen, doch er hätte sich standhaft geweigert ihr zu helfen. Erst als Christina sie sich selbst vom Haupte genommen habe, sei er hinzugetreten um sie von ihr in Empfang zu nehmen.78 Gualdo Priorato zeichnet dagegen das Bild einer Königin, die sich all ihrer Insignien zügig entledigte.79 Nur noch 77 Bulstrode Whitelocke, A Journal of the Swedish Ambassy In The Years M.DC.LIII. And M.DC.LIV. From the Commonwealth Of England, Scotland, And Ireland, 2 Bde., London 1772, Bd. 2, S. 260 f.: »[…] The queen desired that some of them would take the crown from off her head, butt none would do it: she then called to Grave Tott and the baron Steinbergh, exprestly commanding them to doe it; butt they refused, till againe earnestly commaunded by her; they then tooke the crown from off her majesty’s head, and layd it down upon the fifth cushion on the table.« 78 Merkwürdigkeiten des brahischen Geschlechts, zitiert nach: Arckenholtz, Historische Merkwürdigkeiten (wie Anm. 63), Bd. 1, S. 430, Anm. * [sic!]: »Daher geschahe es auch, dass als Christina den königlichen Schmuck ablegte, und der Obermarschall sowohl als die Königinn selbst dem Drosten zu verschiedenenmalen zu winkten, er dennoch nicht wich noch wankte, und die Königinn also genöthiget wurde, die Krone selbst von ihrem Haupte zu nehmen; als sie dieselbe aber in der Hand hielte, so trat Graf Brahe hinzu, um sie von ihr zu übernehmen.« 79 Galeazzo Gualdo Priorato, Historia della Sacra Real Maestà di Christina Alessandra Regina di Svetia, Modena 1656, S. 15: »Havendo Sua Maestà accettate le lettere, si levò in piede, e toltasi de la Corona di testa, la diede in mano al Conte Pietro Braech Gran Prefetto del Regno e primo Senatore. Lo Scettro, la spada, il globbo d’oro, e la chiave fu-
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im Krönungsmantel gewandet hätte sie auf dem Thronpodium gestanden und ein Zögern der Umstehenden gewahrt, sich ihr zu nähern und zu helfen, weshalb sie sich den Mantel schließlich allein von den Schultern gezogen und zu Boden geworfen habe, um sich lachend ihren Hofdamen zuzuwenden.80 Keine dieser Anekdoten taugt dazu, den Zeremoniellverlauf exakt zu rekonstruieren, dazu beschreiben die einzelnen Autoren die Situation viel zu verschieden. Erkennbar geht es diesen Zeugen nicht darum, objektive Zeremoniellreportagen abzuliefern, vielmehr instrumentalisieren sie das subversive Potenzial ihrer Anekdoten für ihre jeweiligen, subjektiven Interessen.81 Der englische Botschafter belegt in seinem Journal einmal mehr, wie gut er über die schwedischen Geschehnisse informiert war, obwohl er ihnen nach seiner Entlassung persönlich doch gar nicht mehr beigewohnt hatte. Seiner Eitelkeit mag geschuldet sein, dass er wohl ein wenig naiv auf Hofklatsch hereinfällt, den ihm sein Informant, General Wrangel, aufgetischt zu haben scheint, denn Graf Tott und Baron Steinbergh waren zwar Favoriten der Königin, am Resignationsgeschehen jedoch nicht beteiligt. Einer der größten Verlierer der Innenpolitik Christinas, der Reichsdrost Brahe, nutzt seine Darstellung der Familiengeschichte, um zumindest im Text ein letztes Mal die eigene Macht demonstrieren zu können. Ob ihm die offensive Demonstration persönlichen Unmuts über die Abdankung Christinas in einem derart ausgefeilten Ritual möglich gewesen sein würde, bleibt äußerst fragwürdig. Der Katholik Gualdo hingegen bedient mit seiner Version ganz offenkundig katholische Erwartungen: In Aussicht auf ihre mit Freuden ersehnte Konversion kann es der ungeduldigen Königin mit der Resignation nicht schnell genug gehen. Von einer lachenden Christina auf dem Thronpodium oder Hofdamen gar berichtet ansonsten niemand. Ein Augenblick des Innehaltens und Abwartens – so verschieden ihn die Autoren auch interpretieren, er ist ihnen offenbar allen drei aufgefallen, was dafür spricht, dass es im Resignationsverlauf ein zwar unerklärtes doch unübersehbares Moment des Zögerns gegeben haben muss. Das allerdings ist erklärungsbedürftig, Giorgio Agamben öffnet in seinem als Profanierungen rono da lei pur consegnati quattro Gran personaggi, e Ministri del Regno, cioè al Conte Gustavo Horn Generale della militia, al Conte Gabriel Oxestern, al Conte d’Oxestern Gran Cancelliere, & al Conte Magno Gabriel della Garda Gran Tesoriere.« 80 Ebd.: »Non restava alla Regina altro da spogliarsi, che la veste Reale, e vedendo essa, che coloro, a quali spettava tardavano a scioglierla, ella medesima se la sciolse, e nel gettarla giù, scherzando con le sue Dame, rise piacevolmente con esse […].« 81 Zur Bedeutung zeitgenössischer Zeitungsberichte als »Zeremoniell-Reportagen«, vgl. Berns, Der nackte Monarch (wie in Anm. 62), S. 341. Als solche haben die in Anm. 63 genannten Quellen zu gelten.
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betitelten Buch einen gangbaren Weg. In seiner hilfreichen Anmerkung zur Definition von ›Religion‹ verweist er darauf, dass die etymologische Wurzel von religio nicht im religare läge, in dem also, was das Menschliche und Göttliche zusammenbinde und vereine, sondern im relegere. Das ›Wiederlesen‹ verweise auf die »Aufmerksamkeit, die bei den Beziehungen zu den Göttern walten solle, und auf das besorgte Zögern […] vor den Formen – und Formeln – […], an die man sich halten muss, wenn man die Absonderung zwischen Heiligem und Profanem respektieren will. Religio ist nicht das, was Menschen und Götter verbindet, sondern das, was darüber wacht, dass sie voneinander unterschieden bleiben.«82
Das Zögern im Umgang mit dem Sakralen scheint mir eine wichtige Interpretationshilfe zu sein, um den Augenblick abwartender Unentschlossenheit während der Resignation Königin Christinas erklären zu können. Obwohl sie ungeduldig wartete, obwohl sie es sogar mehrmals befahl, trat niemand zur Königin, um ihr mit Krone oder Mantel zu helfen. Das ist mehr als nur ungewöhnlich, das ist eine ganz und gar unerhörte Situation: einem königlichen Befehl wird nicht unmittelbar gehorcht. Plausibel begründen lässt sich dies meines Erachtens dadurch, dass in diesem Moment zwei widerstreitende Befehle miteinander kollidiert sein müssen, die beide mit höchster Aufmerksamkeit gegeneinander abgewogen gehörten: der Befehl der Königin und derjenige eines Höherrangigen. Ihrem königlichen Befehl kann aber nur ein Gebot Gottes übergeordnet gewesen sein: nolite tangere Christos meos – tastet meine Gesalbten nicht an (Ps. 104, 15). Der Widerstreit zweier Befehle, zu ihr zu treten und ihr zu helfen einerseits und sie nicht antasten zu dürfen andererseits, scheint im Verlauf der Resignation demnach eine bedeutungsvolle Handlungslücke geöffnet zu haben. In ihr wurde offenbar derjenige Platz geschaffen, der notwendig war, um wahrnehmen zu können, dass die Zaudernden die sakrale Absonderung der Königin mit größter Sorgfalt beachteten und ihre Unberührbarkeit respektierten. Nur so konnte ungenannt bleiben, was dennoch erfahrbar werden sollte: die Gegenwart einer Gesalbten des Herrn. In der gleichen Handlungslücke wurde zudem eine Leerstelle in ihrer Leere bloß gelegt. Im Hin und Her von Befehl und Befehlsverweigerung verstrich Zeit langsam, ohne dass irgendetwas geschah, bevor dann die Krone und/oder der Mantel von der Königin abgelegt wurden. Erst das Stocken der Handelnden ließ wahrnehmbar werden, was 82 Giorgio Agamben, »Lob der Profanierung«, in: Profanierungen, Frankfurt am Main 2005, S. 70–91, insbes. S. 71 f.
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stillschweigend übergangen wurde: Die Salbung war das Zeichen, das von der Königin nicht zurück gegeben und vom Reich nicht zurück genommen werden konnte. Das dialektische Potenzial rituellen Handelns scheint für die Gestaltung der Resignation Königin Christinas ganz ausgeschöpft worden zu sein. In beredtem Schweigen blieb unerklärt, was zwar wahrnehmbar offen gelegt aber ebenso wahrnehmbar geheim gehalten wurde.83 Notwendig wurde dieses Verfahren, weil erkennbar gemacht werden musste, dass im Ritual geschützt und bewahrt wurde, was durch dieses Ritual zugleich gefährdet und verletzbar war: die Sakralität der Königin, die wie bei allen Heiligen Majestäten, seien sie nun katholisch oder evangelisch, in ihrer Salbung gründete.84 Zwar invertierte die Resignation die Krönung, doch allein die Herrschaft der Königin war reversibel, ihre Herrscherweihe hingegen nicht.85 Sie war irreversibel, nur deshalb konnte Christina sich Rang, Titel und Würde einer Heiligen Majestät trotz Abdankung bis zu ihrem Tod erhalten. Vor dem Hintergrund einer aufmerksamen Ritualanalyse zeichnet sich hinlänglich deutlich ab, dass es Königin Christina ganz offenbar bewusst war, sich mit ihrer Resignation einer Bedrohung auszusetzen, die sie wohl fürchtete: profaniert zu werden. Erst durch den im Ritual betriebenen Aufwand zu ihrem Schutz rücken daher die unantastbare Sakralität der Majestät, die irreversible Herrscherweihe der Königin und die andauernde Salbung Christinas ins Bewusstsein, und damit solche Aspekte ihrer königlichen Würde, über die sie sich zwar nie geäußert zu haben scheint, die aber unübersehbar an fundamentalen Glaubensfragen rühren. Herrscherweihe und Königssalbung sind seit je der Priesterweihe und dem Altar verbunden, sie gehören der Sphäre 83 Zum medialen Vorzug des Rituals, Beredtes in seinen gegensätzlichen Formen sowohl als Ausgesprochenes wie als Verschwiegenes erfassen zu können vgl. Niklas Luhmann, »Geheimnis, Zeit und Ewigkeit«, in: Reden und Schweigen, hrsg. von Niklas Luhmann und Peter Fuchs, Frankfurt am Main 1989, S. 101–137. 84 Zur Bedeutung der königlichen Salbung und der Sakralität der Könige über das Mittelalter hinaus ist immer noch fundamental die Arbeit von Bloch, Die wundertätigen Könige (wie Anm. 66), während Ernst H. Kantorowicz diesen Aspekt in seinem nicht minder fundamentalen Werk Die zwei Körper des Königs so gut wie ganz ausgeblendet hat. 85 Die Problematik von reversibler Herrschaft und irreversibler Weihe ist besonders deutlich an forcierten Abdankungen (Depositionen) nachzuweisen, vgl. hierzu insbes. die Arbeiten von Frank Rexroth, »Tyrannen und Taugenichtse. Beobachtungen zur Ritualität europäischer Königsabsetzungen im späten Mittelalter«, in: Historische Zeitschrift 278 (2004), S. 27–53 und ders.: »Um 1399. Wie man einen König absetzte«, in: Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. von Bernhard Jussen, München 2005, S. 241–254.
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kirchlicher Liturgie an, nicht derjenigen königlichen Zeremoniells.86 So komplex das Verhältnis königlicher Weihe und Salbung zu den Sakramentenlehren beider Konfessionen auch sein mag – und dieses Verhältnis ist alles andere als eindeutig geklärt – an den character indelebilis ihrer Sakramente, an die priesterliche und eben dadurch auch an die königliche Salbung als unauslöschliche, dauerhafte und unzerstörbare Einprägung durch den Heiligen Geist glaubt nur die katholische Kirche.87 An dem Punkt, an dem es um den Aspekt von Dauer und Unzerstörbarkeit trotz Veränderung gegangen zu sein scheint, wird daher eine Ahnung der Bedrängnis greifbar, in die eine protestantische Königin geriet, die ihrem Thron zu entsagen gedachte. Die von einem lutherischen Bischof gesalbte Christina konnte auf die Dauer dieser Einprägung nach ihrer Abdankung nicht hoffen. Es beginnt daher Sinn zu machen, dass sie nur wenige Monate vor ihrer Krönung im Oktober 1650 den direkten Kontakt nach Rom aufbaute und so die Absicherung ihrer Herrscherweihe im rechten Glauben aktiv vorzubereiten begann.88 Sehr vieles spricht meines Erachtens dafür, dass Königin Christina für den Erhalt ihrer Heiligen Majestät einen vergleichbar hohen Preis zu bezahlen bereit war, wie für den Erhalt der Erbmonarchie in Schweden – es scheint, als habe es sie den Glauben ihrer Väter gekostet. In Rom zog am 23. Dezember 1655 eine politisch denkende und mit Kalkül agierende Königin ein, die alles Menschenmögliche dafür getan zu haben scheint, sich Titel, Rang und Würde einer Heiligen Majestät trotz Abdankung unangetastet zu erhalten. Was jedoch in einem sie gefährdenden Ritual bewahrt worden war und ihr Selbstverständnis maßgeblich bestimmte, büßte wohl dennoch einen Teil seiner Selbstverständlichkeit ein, weshalb sie in Rom nur um so insistierender auf ihrem andauernden Königtum beharrte. Ihre besondere soziale Stellung gründete nicht vorrangig darin, eine Konvertitin zu sein, sondern darin, in Rom, im Kirchenstaat, ja, in ganz Italien die einzige weltliche Dynastin gewesen zu sein, die gesalbt war. Als erbberechtigter und ehemals aus eigenem Recht regierender Königin gebührte ihr in einer Wahlmonarchie, in der es zudem von gesalbten und Königen ranggleichen Kardinälen nur so wimmelte, und in einer Stadt, die einen ihr an Anciennität zwar 86 Reinhard Elze: »Herrscherweihe«, in: Lexikon für Theologie und Kirche (wie Anm. 60), Bd. 5, s.v. 87 J. Mulders: »Charakter, sakramentaler«, in: Lexikon für Theologie und Kirche (wie Anm. 60), Bd. 2, s.v. 88 Der Krönungstermin Christinas zu einem Zeitpunkt, da sie ihre Konversion aktiv einleitete, gilt als eine ›Ironie der Geschichte‹, doch womöglich war er Strategie, vgl.: Marie Louise Rodén, Queen Christina, Lund 1999, S. 15.
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weit überlegenen Adel aufbot, der aber lediglich prinzlichen, nicht königlichen Geblütes war, deshalb ein besonderer Rang: nach dem Papst und dem Kardinalsdekan war sie die dritte Würde Roms.89 So gering ihre finanziellen Mittel auch waren, sie investierte sie in Strukturen und in Medien, die dem gerecht werden mussten. Kulturelles Handeln war bei ihr daher, bei allem offenkundigen persönlichen Interesse und dem ihr attestierten Kenntnisreichtum, politisches Handeln im Dienste einer Repräsentation, die Ihre Majestät und deren sakrale Aura sinnlich unmittelbar erfahrbar machen sollten.
89 Vgl. Pier Bartolo Romanelli: »Etichetta e precedenze a Roma durante il soggiorno di Cristina di Svezia«, in: Il Giornale di Politica e di Letteratura 7/13 (1931), S. 35–74, hier: S. 45.
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Wilhelmine von Bayreuth Raumimagination und Selbstkonzept
Fürstliche Appartements sind für die Kunstwissenschaft1 in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich: Sie geben ikonologische Programme zur Entschlüsselung auf, sie lassen sich architektonisch beschreiben und im Bezug auf herrschaftliche Repräsentation interpretieren.2 Die feministische Forschung nahm auch Damenappartements in den Blick, um die besondere kulturelle Leistung von Frauen und die Modellierung des Bildes von weiblicher Herrschaft zu akzentuieren. Cordula Bischoff hat an den Unterschieden zwischen Fürsten- und Fürstinnenappartements herausgearbeitet, wie sich die jeweiligen Rollen im Sinne einer ›Arbeitsteilung‹, aber auch im Sinne der Konstitution von weiblichem und männlichem Herrscherprofil herausbildeten.3 Die vorliegenden Überlegungen knüpfen daran an und versuchen die bereits geleistete Forschung an einer ausgewählten Fallstudie um den Aspekt der räumlichen – genauer: der musikalischen – Praxis zu ergänzen. Raum1 Vorbemerkung: Der kunstwissenschaftliche Anteil an vorliegendem Text konnte nur dank der kollegialen Unterstützung von Frau PD’in Cordula Bischoff, Dresden, seriös bearbeitet werden. Ich danke Frau Bischoff herzlich für ihre Bereitschaft, an diesem Aufsatz mitzuwirken und alle kunstwissenschaftlichen Erläuterungen mit ihrer Expertise abzusichern. 2 Trotz der kritischen Bemerkungen von Wolfgang Stopfel, »Architektur und Zeremoniell. Beobachtungen zu ihrem Verhältnis im Schloßbau des Barock«, in: Jahrbuch der Ständigen Konferenz der mitteldeutschen Barockmusik 2002, S. 75–88, wird hier daran festgehalten, dass Architektur im Bezug auf herrscherliche Repräsentation nicht nur eine semiotische Dimension hat, sondern auch durch Raumpraxis auf sie bezogen ist. 3 Vgl. hierzu die Arbeiten von Cordula Bischoff, insbesondere: »… so ist ein anders das männliche, ein anders das weibliche Decorum …«. Fürstliche Damenappartements und ihre Ausstattungen um 1700 (Habilitationsschrift Trier 2001, unpubliziert); dies., »›… so ist ein anders das männliche, ein anders das weibliche Decorum …‹. Fürstliche Damenappartements und ihre Ausstattungen um 1700«, in: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Heide Wunder, Berlin 2002, S. 161–179 (= Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 28); dies., »Fürstliche Appartements um 1700 und ihre geschlechtsspezifische Nutzung«, in: Wohnformen und Lebenswelten, hrsg. von Magdalena Droste und Adolf Hoffmann, Frankfurt am Main u. a. 2004, S. 67–79.
Wilhelmine von Bayreuth
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und zeichentheoretische Überlegungen bilden den Ausgangspunkt für einen Vorschlag zur Qualifizierung der Musikräume, die Markgräfin Wilhelmine (1709–1758) sich in und um Bayreuth schuf. Wilhelmine Friederike Sophie von Preussen kam am 3. Juli 1709 als zweites Kind des Kronprinzen und späteren Königs Friedrich Wilhelm I. (des so genannten ›Soldatenkönigs‹, 1688–1740) und der hannoverschen Kurprinzessin Sophie Dorothea (1687– 1757) zur Welt. Mit 22 Jahren wurde sie an den Bayreuther Erbprinzen und späteren Markgrafen Friedrich (1711–1763) verheiratet und zog Anfang des Jahres 1732 nach Bayreuth, wo sie – mit einigen Unterbrechungen – bis zu ihrem Tode am 14. Oktober 1758 lebte. Sie hatte ein einziges Kind, die am 30. August 1732 geborene Tochter Elisabeth Friederike Sophie. 1735 wurde Wilhelmine nach dem Tod ihres Schwiegervaters Markgraf Georg Friedrich Carl (1688–1735) Markgräfin. In diesem Jahr erhielt sie von ihrem Ehemann die Eremitage zum Geschenk, ein Waldgelände nahe Bayreuth, das bereits Markgraf Georg Wilhelm (1678–1726) in den Jahren 1715–1718 entsprechend der Eremitenmode hatte ausgestalten lassen.4 Da die Erziehung ihres Kindes Wilhelmine nicht allzu sehr beanspruchte und die Pflicht zur Repräsentation am kleinen Bayreuther Hof eine überschaubare Aufgabe darstellte, blieb ein beträchtlicher Freiraum für ästhetische und »wissenschaftliche Aktivitäten« verschiedenster Art.5 Auf dem Gebiet der Musik waren das Gesang, Cembalo-, Lauten- und Violinspiel, außerdem Komposition; auf dem Gebiet des Theaters und der Hofmusik konzentrierte Wilhemine sich auf Engagement und Ausbau ihrer Hofkapelle und italienischen Operntruppe,6 ferner einer Tanz- und einer französischen Schauspieltruppe. Sie schrieb, übersetzte und richtete Opern- und Schauspieltexte ein, malte Pastellbilder, plante und gestaltete ihre Schlösser aus, philosophierte,7 korrespondierte, vor allem mit 4 Vgl. Eremitage zu Bayreuth. Amtlicher Führer, bearbeitet von Erich Bachmann und Lorenz Seelig, hrsg. von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München 1987; Peter O. Krückmann, »Die Eremitage«, in: ders., Paradies des Rokoko. Das Bayreuth der Markgräfin Wilhelmine, München/New York 1998, S. 25–67. 5 Die erste selbstständige Publikation zu diesen Themen stammt von der Verfasserin: Wilhelmine von Bayreuth. Die Hofoper als Bühne des Lebens, Köln u. a. 2005; vgl. auch dies., »Wilhelmine von Bayreuth« in: MuGI, Musikvermittlung und Genderforschung: Musikerinnen-Lexikon und multimediale Präsentationen, hrsg. von Beatrix Borchard, Hochschule für Musik und Theater Hamburg 2003 ff., www.mugi.hfmt-hamburg.de [Abruf 17.7.2012]. 6 Vgl. dazu Sabine Henze-Döhring, Markgräfin Wilhelmine und die Bayreuther Hofmusik, Bamberg 2009. In diesem Buch werden eine Reihe neuerer wertvoller Quellenfunde mitgeteilt. 7 Vgl. das unveröffentlichte Konvolut »Pièces provenant de feue la Margr. de Bareuth. Eigenhändige Niederschriften (Geschichte, Philosophie, Dichtkunst)« in Wilhelmi-
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ihrem Lieblingsbruder Friedrich, dem späteren Preußenkönig Friedrich II. (1712–1786),8 aber auch mit Voltaire,9 sammelte Bücher10 und – gemeinsam mit dem Markgrafen – Gemälden, Plastiken,11 Münzen und Gemmen. Dieses Spektrum deckt sich mit der üblichen Praxis von Fürstinnen. Man kann Wilhelmine beispielsweise mit Maria Antonia Walpurgis, der sächsischen Kurfürstin, vergleichen.12 Während Maria Antonia, Mutter von sieben Kindern, jedoch in weit größerem Umfang dynastische Pflichten wahrnehmen musste, zudem an einem bedeutenderen Hof, war Wilhelmine aus den genannten Gründen in der Lage, ihren Interessen konzentriert und engagiert nachzugehen, und ihr Selbstkonzept bestand in dem Anspruch, die genannten Tätigkeiten auf möglichst hohem Niveau auszuüben. In diesem Konzept spielen Raumimaginationen und Raumgestaltungen eine bislang kaum beachtete Rolle. Der Komplex, in dem sie mit der ästhetischen Praxis zusammen fließen,
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nes Nachlass, das im Geheimen Staatsarchiv Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin, D-Bga, unter der Signatur BPH Rep 46 W 26, fol. 1–56, verwahrt wird. Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth [sic!], hrsg. von Gustav Volz, deutsch von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, 2 Bände, Leipzig 1924 und 1926. Diese Ausgabe ist unvollständig, da der Herausgeber nach eigenen Angaben alles wegließ, was ihm unwesentlich erschien. Dazu gehören beispielsweise zahlreiche Passagen zu den Themen Musik und Theater. Sie wird im Folgenden zitiert als Briefe I und Briefe II. Die Ausgabe der Werke von Friedrich II. (Œuvres de Frédéric le Grand, hrsg. von Johannes Preuss, 30 Bände, Berlin 1846–56) verzeichnet die Briefe Wilhelmines unvollständig, wenn auch im französischen Original. Die Korrespondenz mit Voltaire findet sich in Les Œuvres complètes de Voltaire/The complete works of Voltaire. Correspondence and related documents, Bd. 85–135, hrsg. von Théodore Bestermann, Oxford 1969–1978; außerdem in deutscher Übersetzung: Voltaire und die Markgräfin von Baireuth, hrsg. von Georg Horn, Berlin 1865. Zu Wilhelmines Bibliothek vgl. Daniela Barthel, Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth und die historischen Bücher ihrer Bibliothek, Magisterarbeit Erlangen-Nürnberg 1994; Daniela Harbeck-Barthel und Gisela Schlüter, »›Meine Bibliothek ist jetzt geordnet‹. Der Aufbau von Wilhelmines französischer Bibliothek«, in: Wilhelmine von Bayreuth heute. Das kulturelle Erbe der Markgräfin, hrsg. von Günter Berger, Bayreuth 2009, S. 151–172 (= Archiv für Geschichte von Oberfranken, Sonderband 2009). Auf ihrer Italienreise 1754/55 erwarb Wilhelmine eine Reihe antiker Plastiken, die sie später testamentarisch ihrem Bruder Friedrich vermachte. Dieses Erbe bildete den Grundstock der Berliner Antikensammlung. Vgl. dazu Gordian Weber, »Die italienische Reise der Markgräfin Wilhelmine und ihre Antikenankäufe«, in: Galli Bibiena und der Musenhof der Wilhelmine von Bayreuth, hrsg. von Peter Krückmann, München/New York 1998, S. 58–64. Vgl. dazu Christine Fischer, Instrumentierte Visionen weiblicher Macht. Maria Antonia Walpurgis’ Werke als Bühne politischer Selbstinszenierung, Kassel u. a. 2007 (= Schweizer Beiträge zur Musikforschung, Bd. 7); dies., »Maria Antonia Walpurgis« in MuGI (wie Anm. 5).
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lässt sich zunächst anhand von Selbstaussagen Wilhelmines zu Räumen, Orten und zu dem Gebrauch, den sie davon macht, rekonstruieren. Lebenserinnerungen und Briefe geben Anhaltspunkte dafür, wie sie sich verortet, platziert und damit auch inszeniert. Parnass und Retraite Unter ›Verortung‹ sollen Strategien der tatsächlichen Platzierung, aber auch der allegorischen und metaphorischen Ansiedlung verstanden werden. Dieser Ansatz erlaubt es, die Bedeutungsdimension, die Räume und Orte in solchen Kontexten haben, mit der manifesten räumlichen Praxis zu verbinden. Eine in mehrfacher Hinsicht prominente Rolle spielt in Wilhelmines Raum- und Ortsdenken ein mythologischer Ort: der Parnass. In ihren Lebenserinnerungen beschreibt Wilhelmine die Eremitage: »Dieser Ort ist auf einer Anhöhe gelegen. Man kommt dorthin auf einer Allee und einer Chaussee, die der Markgraf hat anlegen lassen. Am Eingang zur Eremitage zeigt sich der Parnass. Es handelt sich um ein von vier Säulen getragenes Gewölbe, auf dem Apollo und die neun Musen zu sehen sind, die alle Wasser speien. Dieses Gewölbe ist so kunstvoll gebaut, dass man es für einen wirklichen Felsen halten könnte.«13
Wie der Parnass14 dem, der das Gelände der Eremitage betritt, eine Art Hauptmotiv vorgibt, so kehrt er vielfach im Zusammenhang mit Kunstausübung wieder: etwa in der Formulierung »petit Parnasse«, mit der Wilhelmine ihre Hofmusik bezeichnet. So macht sie dem Bruder ein Tischchen zum Geschenk, auf dem »ihr Parnass« abgebildet ist.15 Sie selber beschreibt sich als Komponistin
13 Memoiren einer preußischen Königstocher. Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, hrsg. von Günter Berger, Bayreuth 2007, S. 340. 14 Der Parnass wurde zwar bereits 1718 angelegt (vgl. dazu Erich Bachmann und Lorenz Seelig, Eremitage zu Bayreuth [wie Anm. 4], S. 18). Das mindert seine Bedeutung für Wilhelmines Konzept jedoch nicht, denn sie hätte ihn ja nicht übernehmen müssen. 15 Brief Wilhelmines an Friedrich vom 23. Oktober 1739: »Ich erlaube mir, Dir ein kleines Tischchen für Deinen Musiksaal zu schicken. Der Entwurf stammt von mir, und es sieht recht hübsch aus. Ich habe den kleinen hiesigen Parnass darauf anbringen lassen, obwohl er dieses Namens noch nicht würdig ist. Unsere arme Kapelle ist sehr lückenhaft geworden […]« (Briefe I, wie Anm. 8, S. 424.) Das Tischchen ist verschollen; eine Abbildung findet sich in Briefe I (wie Anm. 8), S. 424.
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ihrer Oper Argenore als unwürdig, den Parnass zu betreten.16 Der Parnass ist außerdem verknüpft mit der Stilisierung des Bruders Friedrich als Apoll. Für dieses im Absolutismus geläufige Motiv, das sich von Louis XIV herschrieb, liefert Wilhelmines Korrespondenz zahlreiche Beispiele. So beschreibt Wilhelmine ihren Plan, die Eremitage umzugestalten, in einem Brief an den Bruder mit den Worten: »Consacré a Apolon comme vous en serez La Divinité.«17 Der Musensitz wird aber auch imaginiert als Schauplatz für eine allegorische Festa teatrale zum Geburtstag des Markgrafen Friedrich, wohl im Jahre 1736.18 Schließlich verfasste Wilhelmine 1751/52 den Entwurf für den Text zu einer Festa teatrale mit dem Titel Deukalion und Pyrrha. Gemäß der Erzählung im ersten Buch von Ovids Metamorphosen erwachen die beiden Titelgestalten nach einer Art Sintflut, die durch den Kampf der Titanen ausgelöst wurde, auf einem Berg, dem Parnass. Der Parnass figuriert also in verschiedenen Gestalten und Sinnzusammenhängen: als Kothurn für den verehrten Bruder Friedrich, als Eingangspforte zum Eremitage-Gelände, als Bezeichnung für die und Darstellung der Hofmusiker und als Bühnenbild für Festaufführungen. So eröffnet »Parnass« einen imaginären Handlungsraum und ist zugleich real als Ort vorhanden. Ein ebenfalls allegorisch zu verstehender Ort, an den Wilhelmine sich selbst versetzt, ist die Retraite: Zahlreiche Briefe an den Bruder Friedrich beginnen mit der – vom Herausgeber der Briefe üblicherweise unscharf übersetzten oder ganz weggelassenen – Einleitungsformel »Ensevelie dans ma petite retraite […]«.19 Das Verb »ensevelir« (begraben, bestatten) verrät, dass die Retraite, also der Ruhe- und Rückzugsort, auch als letzte Ruhestätte gedacht werden kann, und stellt die Verbindung her zu der in Wilhelmines Briefwechsel mit dem Bruder topischen Figur der Todessehnsucht. Hier ist freilich genau zu trennen zwischen einer etwa anzunehmenden Suizidneigung 16 Brief Wilhelmines an Friedrich vom 25. März 1740: »In acht Tagen erwarte ich unsere neue Truppe aus Italien, die das neue Opernhaus hier einweihen soll. Ich fürchte, sie werden sich wenig Mühe geben; denn der Komponist verdient den Zutritt zum Parnass nicht.« (Briefe I, wie Anm. 8, S. 441). 17 D-Bga, BPH Rep 46 W 17 Bd. II,1, fol. 17 recto. 18 »Der Saal stellt den Parnass mit den neun Musen dar. Unser Sänger gibt den Apollo. Nach der Musik sollen die Musen ein Ballett tanzen. Viele Gäste werden da sein, alle als Götter und Göttinnen verkleidet. Wie glücklich wäre ich, könntest Du daran teilnehmen; dann könnten wir Dich gleich als den Apollo unseres Zeitalters feiern.« (Briefe I, wie Anm. 8, S. 319; wohl Mai 1736). 19 So beginnt Wilhelmine einen Brief an Friedrich am 27. Februar 1751 mit den Worten: »Ensevelie dans ma petite retraite […]« (D-Bga, BPH Rep 46 W 17 Bd. III, 2, fol. 19 recto). Gustav Volz (Briefe II, wie Anm. 8, S. 197) übersetzt: »In meiner kleinen Klause vergraben«.
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der empirischen Person und dem von eben dieser Person als einer Autorin modellierten Selbstkonzept. Ort dieser Modellierungen ist etwa die Korrespondenz mit dem Bruder. Die hyperbolische Formel der Todessehnsucht bzw. Lebensverachtung steht dort häufig im Kontext der Zuneigung zum Bruder oder der Sorge um ihn. Wilhelmines Retraite, die Eremitage, ist Gegenort zur Repräsentation im höfischen Zeremoniell.20 Hier möchte die Fürstin »sie selber« sein. Sie beschreibt das in einem Brief aus dem Jahre 1752: »Une petite Société bien choisie, accompagnée d’une aimable retraite sont des plaisirs confformes a mon age.«21 Die Musikräume und -orte in den Bayreuther Schlössern Die beiden räumlich/örtlichen Grundmotive in Wilhelmines Selbstkonzept, Parnass und Retraite, sind auch in den von der Markgräfin selbst gestalteten Musikzimmern im Alten Schloss der Eremitage und im Neuen Schloss zu Bayreuth gegenwärtig bzw. in die Musikzimmer verschachtelt.22 Bereits im Frühjahr 1736 hatte Wilhelmine mit Um- und Anbauten am Schloss der Eremitage begonnen,23 und diese Arbeiten erstreckten sich bis zum Jahre 1750. Der Grundriss der Eremitage (Abb. 1) lässt zunächst erkennen, dass das Fürstinnenappartement sich auf der heraldisch ausgezeichneten rechten Seite des Schlosses befindet. Das Musikzimmer ist von außen nur zu erreichen, wenn man vorher das Vorzimmer, das Audienzzimmer und das japanische Kabinett durchschritten oder vom Hof kommend Toilettekammer [sic!], Schlafzimmer der Markgräfin und Spiegelkabinett durchquert hat (Abb. 2). Dies ist bereits das Ergebnis der zweiten Bauphase von 1750. In der 20 Vgl. dazu etwa die zeitgenössische Definition von »Eremitage«: »[…] dass man darinnen der Einsamkeit pflegen oder frische Luft schöpfen möge«, in: Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 8, Leipzig 1734, Sp. 1590; ferner ausführlich: Christian Cay Lorenz Hirschfeld, »Einsiedeleyen«, in: Theorie der Gartenkunst, Bd. 3, Leipzig 1780, S. 96–108. 21 D-Bga, BPH Rep 46 W 17 Bd. III,3, fol. 59 verso. 22 Zum Folgenden grundlegend: Cordula Bischoff, »Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (1709–1758)«, in: Deutsche Frauen der Frühen Neuzeit, hrsg. von Kerstin Merkel und Heide Wunder, Stuttgart 2000, S. 153–167; dies., »Fürstliche Appartements« (wie Anm. 3), sowie die in Anm. 3 genannte Literatur. 23 Vgl. Bachmann und Seelig, Eremitage zu Bayreuth (wie Anm. 4), S. 4. Lorenz Seelig (Friedrich und Wilhelmine. Die Kunst am Bayreuther Hof 1732–1963, München und Zürich 1982) gibt an, dass Wilhelmine 1736/37 dem Schloss beiderseitig je einen Flügel anfügen ließ (S. 29), und weist auf die »gänzlich unregelmäßige Anordnung der außerordentlich kleinen Räume hin« (S. 32).
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2. Vorzimmer 3. Audienzzimmer 4. Japanisches Kabinett 5. Musikzimmer 6. Chines. Spiegelkabinett 7. Schreibkabinett/Ankleidezimmer 8. Schlafzimmer 9. Toilettekammer
Abb. 1 Grundriss der Eremitage und Vergrößerung der Damenappartements, nach Eremitage zu Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Anm. 4), S. 21, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
ersten wurden immer zwei Räume als zusammen gehörig angelegt (offiziell: Vor- und Audienzzimmer; halboffiziell: Kabinett/Musikzimmer; privat: Ankleide- Schlafzimmer); später entstehen mit dem japanischen Kabinett, dem Musikzimmer und dem chinesischen Spiegelkabinett drei Gesellschaftsräume. Damit geht eine Ausdifferenzierung einher, die aus multifunktionalen Räumen wie dem Vorzimmer Räume mit klar zugewiesener Funktion macht. Ab 1753 beschäftigte Wilhelmine sich nach dem Brand des Alten Schlosses im Januar mit Planung und Ausgestaltung ihrer Wohnung im neu zu erbauenden Schloss, das ebenfalls ein Musikzimmer erhalten sollte.24 Zu dieser Zeit lagen bereits rund zwanzig Jahre reges Musik- und Theaterleben hinter ihr. Im Unterschied zum Alten Schloss gab es im Neuen Schloss eine Privatwohnung.25 Während im Alten Schloss wie in einem Kloster die einzelnen 24 Zur Baugeschichte vgl. Neues Schloss Bayreuth. Amtlicher Führer von Erich Bachmann. Überarbeitet von Alfred Ziffer, Bayreuth 1995, S. 9–15. 25 Sylvia Habermann hat darauf hingewiesen, dass Wilhelmine sich beim Umzug verbesserte. Sie beschreibt die Verhältnisse im Alten Schloss so: »Wohnen war nur eine der
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5. Audienzzimmer 6. Spiegelscherbenkabinett 7. Salon mit Golddecke 8. Japanisches Zimmer 9. Pastellzimmer 10. Teezimmer 11. Musikzimmer
Abb. 2 Grundriss des Neuen Schlosses und Vergrößerung der Räumlichkeiten der Markgräfin, nach Neues Schloss Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Anm. 24), nicht paginiert, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
Zimmer über einen Gang erreicht wurden, der sich über die ganze Länge der Flügel erstreckte, zeigt der Grundriss des Neuen Schlosses eine Raumanlage ähnlich derjenigen in der Eremitage (Abb. 2). Ausstattung der Musikzimmer Wilhelmine berichtet über das Musikzimmer der Eremitage26 in ihren Lebenserinnerungen: »Es ist ganz aus weißem Marmor mit grünen Feldern. In jedem Feld gibt es eine vergoldete, sehr fein gearbeitete Musikinstrumententrophäe. Porträts von mehreren schönen Frauen, die ich gesammelt habe, von der Hand der fähigsten Nutzungen und nicht einmal die mit der größten Fläche. Vorratsräume, Wirtschaftsräume und Sammlungen nahmen große Flächen ein, auch diverse Schreibstuben gab es. Diese Nutzungen hatten zur Folge, dass viele Leute unterschiedlichsten Standes, also auch Untertanen, im Schloss ein- und ausgingen […].« (Sylvia Habermann, »Repräsentation und Privatleben in den Schlössern von Markgraf Friedrich und Markgräfin Wilhelmine«, in: Wilhelmine von Bayreuth heute. Das kulturelle Erbe der Markgräfin [wie Anm. 10], S. 283–288; hier: S. 285). 26 Dieses Zimmer wurde in zwei Phasen 1736/37 und 1745 ausgestattet; vgl. Michael Wenzel, Heldinnengalerie – Schönheitengalerie: Studien zu Genese und Funktion weiblicher Bildnisgalerien 1470–1715, Phil. Diss. Heidelberg 2001, S. 397.
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Abb. 3 Musikzimmer Altes Schloss Eremitage (Foto im Tafelteil), aus: Eremitage zu Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Anm. 4), Tafelteil, S. 12, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
Meister, sind über diesen Trophäen platziert und in verzierten und vergoldeten Rahmen in die Wand eingelassen. Der Grund der Decke ist weiß. Die Reliefs stellen Orpheus dar, wie er auf seiner Leier spielt und die Tiere anlockt. All diese Reliefs sind vergoldet; mein Spinett und alle anderen Musikinstrumente sind in diesem Zimmer aufgestellt, an dessen Ende mein Arbeitszimmer ist. Es ist mit braunem Grund lackiert und mit echt aussehenden Miniaturblumen bemalt. Dort bin ich auch jetzt noch beschäftigt, meine Memoiren zu schreiben und verbringe viele Stunden mit Nachdenken. Durch eine andere Tür gelange ich vom Musikzimmer ins Ankleidezimmer, das ganz einfach ist, und von dort betrete ich mein Schlafzimmer […].«27 27 Memoiren einer preußischen Königstocher (wie Anm. 13), S. 341 f.
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Die Ausstattung hat zwei dominante Gestaltungskomponenten: Damenbildnisse und Musikinstrumentendarstellungen. Die Damenbildnisse, die sich in den Traditionszusammenhang der Schönheitengalerien einschreiben und 1737 erstmals angebracht wurden,28 umfassen Porträts aus Wilhelmines Familie und von ihren Hofdamen und Freundinnen.29 Die Musikinstrumente sind auf sieben Panneaus dargestellt. Es handelt sich um folgende Kombinationen: jeweils zwei Trompeten und Pauken; Pardessus de Viole, Cister, Altblockflöte und Oboe; Violoncello, Fagott, zwei Traversflöten; Laute, Violine, Klarinette und Oboe; Jagdhorn, Klarinette, zwei Chalumeaux Jagdhorn, Klarinette, Violine, Traversflöte, Oboe; Violine, Altblockflöte, Traversflöte, Oboe.30
Die Ausstattung im Neuen Schloss, etwa 15 Jahre nach der Eremitage konzipiert, zeigt einen ähnlichen Katalog an Instrumenten, allerdings weniger betont: Sie werden nicht wie in der Eremitage durch einzelne Panneaus hervorgehoben, sondern befinden sich auf dem Gesims zwischen Wand und Decke. Es handelt sich um: Gambe, Laute, Horn, Trompete, Drehleier, Tambour, Triangel, Violoncello, Flöte, Dudelsack, Trommeln, Trompeten; in der Umrahmung des Deckengemäldes finden sich Stuckaturen von einer Harfe, einer Lyra und einem Fagott.31 Die Porträts zeigen Darstellerinnen und Darsteller der am Bayreuther Hof tätigen Ensembles:32 Sängerinnen und Sänger, Tänzerinnen, Mitglieder der französischen Schauspieltruppe. Im Einzelnen handelt es sich bei den identifizierbaren Porträts um: den Ballettmeister Franz Schuhmann; die ersten Tänzerinnen Anna Fiorina, Rosina Balby, Jacinthe und Eupis de Camargot; den 28 Vgl. Wenzel, Heldinnengalerie (wie Anm. 26), S. 397 und passim. 29 Vgl. dazu Martina Homolka, »Das Musikzimmer der preußischen Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine, Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth«, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken 74 (1994), S. 317–326. 30 Vgl. Gunther Joppig, »Die Komponistin Wilhelmine und die Instrumentendarstellungen in den Musikzimmern der Bayreuther Schlösser«, in: Galli Bibiena (wie Anm. 11), S. 44–49; Joppig erwähnt nicht die in dieser Aufstellung unter 6.) aufgeführte Oboe. Abbildungen bei: Josef Focht, Die musische Aura der Markgräfin Wilhelmine. Musikinszenierung in der Kunst des Bayreuther Rokoko, Passau 1998, S. 26–36. 31 Vgl. Bachmann und Ziffer, Neues Schloss Bayreuth (wie Anm. 24), S. 87. 32 Diese Ausstattung nahm Wilhelmine nach 1754 vor; vgl. Wenzel (wie Anm. 26), S. 403.
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Abb. 4 Altes Musikzimmer, aus: Neues Schloss Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Anm. 24), S. 86, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
Kastraten Giacomo Zaghini und den Sänger Stefanino Leonardi; die Sängerin Maddalena Gerardini, genannt La Sellarina; die Schauspieler Madame Froment, Mme Denise Lebrun und Mme Fleury, Monsieur Merval und Blondevat.33 Zumindest zum musikalischen Personal hat Sabine Henze-Döhring neuerdings biographische Angaben machen können.34 Die Geschichte des Tanzensembles am Bayreuther Hof ist bislang unerforscht.
33 Alle Angaben nach: Erich Bachmann, »Die ›Comoediantenbildnisse‹ der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth«, in: Im Glanz des Rokoko. Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth. Gedenken zu ihrem 200. Todestag, hrsg. von Wilhelm Müller, Bayreuth 1958, S. 186–193 (zuerst in: Maske und Kothurn 3/1957). 34 Henze-Döhring, »Hofmusiker in Bayreuth« (wie Anm. 6), S. 118–161.
Wilhelmine von Bayreuth
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Semiotik der Räume und Raumpraxis Die Ausführungen geben Hinweise darauf, wie sich die ausdifferenzierte ikonographische Programmatik der Räume ›lesen‹ lässt. Wilhelmine zeigt, indem sie die Tradition der Porträtgalerie zweimal in abgewandelter Form aufruft, wichtige Facetten ihres Selbstkonzepts: Von den Wänden blicken die Darstellungen von Freundinnen (in der Eremitage) und von Personen, die am Hofe künstlerisch tätig waren (im Neuen Schloss) – eine Art fiktiver Hofstaat.35 Damit knüpft die preußische Prinzessin, Autorin einer Botschaft aus Bildern, an die ab 1711 entstandene Schönheitengalerie ihrer Mutter Sophie Dorothea auf deren Sommerschloss Monbijou in Berlin an und macht zweierlei deutlich: den königlichen Anspruch und die Traditionslinie, die sie zwischen ihrer eigenen und der Hofkultur ihrer Mutter zieht.36 Zum Konzept, eine Porträtgalerie mit Künstlerinnen und Künstlern auszustatten, hat Cordula Bischoff ausgeführt, dass Wilhelmine damit bereits früh das Standesporträt durch das Gesellschaftsporträt ablöse und frühaufklärerische Ideen aus England aufgreife.37 Hervorzuheben ist einerseits der Zug ins Private – nicht die Dynastie zeigt sich an den Wänden – und andererseits der Verweis auf die bei Hof ausgeübten Künste. Raumsemiotisch lässt sich auch die Kontextualisierung der Musikzimmer mit dem Schreibkabinett, dem Pastellzimmer, den japanischen Kabinetten verstehen: Diese Räume verbindet es, dass sie Schauplatz von Wilhelmines ästhetischen Aktivitäten sind. Ein unmittelbarer Kontext für die Instrumentendarstellungen fand sich für diejenigen, die Schlösser zu lesen wussten, in den ab 1744 entstandenen vergleichbaren Darstellungen in Friedrichs II. Schloss Sanssouci, dort vor allem im Konzertzimmer, aber auch im Marmorsaal, im Vestibül und in der Bibliothek.38 Verglichen mit denjenigen in Potsdam/Sanssouci, die ab 1744 entstanden, zeigen die Bayreuther Darstellungen eine Eigenart: Während in Sanssouci zahlreiche Fantasie-Instrumente die Musik in ihrer allegorischen 35 Zur Stellvertreterfunktion des Porträts im Sinne einer symbolischen Anwesenheit vgl. Gabriele Baumbach und Cordula Bischoff, »Einleitung«, in: Frau und Bildnis 1600– 1750, hrsg. von Gabriele Baumbach und Cordula Bischoff, Kassel 2003, S. 7–13, hier: S. 7. 36 Vgl. Wenzel, Heldinnengalerie (wie Anm. 26), v. a. S. 398 ff. 37 Cordula Bischoff, »Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth« (wie Anm. 22), S. 153–167, hier: S. 165: »Adlige, die sich dem aufstrebenden Bildungsbürgertum und dessen emanzipatorischem Gedankengut nahestehend fühlten, umgaben sich mit Bildnissen von Schauspielern, Dichtern und Gelehrten«. 38 Vgl. dazu den mit opulenten Abbildungen ausgestatteten Band: Hans-Joachim Giersberg, Schloss Sanssouci: die Sommerresidenz Friedrichs des Großen, Berlin 2005.
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Dimension und ihren mythischen Ursprüngen aufrufen,39 figurieren in Wilhelmines Schlössern neben den auch in Sanssouci vorhandenen Herrschaftsinsignien (Pauken und Trompeten) fast ausschließlich reale Instrumente, die auf die dort ausgeübte Musikpraxis verweisen. Diese Instrumentenpanneaus bilden gemeinsam mit den Damenbildnissen die beiden dominanten Ausstattungselemente; in Sanssouci hingegen überwiegen Szenen mit handelnden Personen, beispielsweise den Musen, die Instrumente spielen (in der Bibliothek). Im Konzertzimmer stehen Musik- und Musizierszenen neben Jagddarstellungen. Dagegen wirken die Ausstattungen von Wilhelmines Musikräumen sehr konkret, indem sie auf die tatsächliche Musikpraxis in den Schlössern verweisen. Obwohl die Schnittmenge zwischen den Instrumenten in Sanssouci und Bayreuth groß ist, fällt doch auf, dass sich in Sanssouci noch Darstellungen älterer, außer Gebrauch geratener Instrumente finden wie Zink und Portativ, die für die fürstliche Kammermusik keine Rolle gespielt haben dürften. Wilhelmine hingegen lässt Stuckaturen von Klarinetten, Hörnern und Chalumeaux anbringen, die erst seit Beginn des Jahrhunderts in Gebrauch waren, und beweist damit, dass sie auf der Höhe der Zeit ist.40 Auch die Anlage der Räume, soweit sie auf Wilhelmine zurück geht, hat eine zeichenhafte und darin deiktische Dimension: Vergleicht man die symmetrisch angelegten Räume im Markgrafenflügel des Eremitageschlosses mit denjenigen Wilhelmines, so wird deutlich, dass letztere zahlreicher sind und einen charakteristisch anderen Zugang als beim Markgrafen haben: Dem Musikzimmer bei Wilhelmine entspricht das Vorzimmer bei ihm, das von außen zu betreten ist; es führt durchs Eckkabinett ins Audienzzimmer, in welches man durch das Vorzimmer gelangt. Wilhelmines Räume haben also gewissermaßen nur eine Richtung. während die Räume des Markgrafen Besuchern einen Durchgang ermöglichen. In dieser Hinsicht sind Wilhelmines Räume weit moderner als die ihres Mannes (und das ist typisch für alle Damenappartements): Wilhelmine schafft bereits private Räume, die ein gewisses Maß an Intimität zulassen. Um der Raumpraxis näher zu kommen, soll auf Michel de Certeaus Unterscheidung zwischen Raum und Ort zurück gegriffen werden: »Ein Ort ist die Ordnung […], nach der Elemente in Koexistenzbeziehungen aufgeteilt werden. Damit wird also die Möglichkeit ausgeschlossen, dass sich zwei Dinge an derselben Stelle befinden. […] Ein Ort ist also eine momentane Konstellation von festen Punkten. Er enthält einen Hinweis auf eine mögliche Stabilität. 39 Vgl. Conny Restle, »Musikinstrumente«, in: Giersberg (wie Anm. 38), S. 117–122. 40 Joppig, »Die Komponistin Wilhelmine« (wie Anm. 30), S. 44–49.
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Ein Raum entsteht, wenn man Richtungsvektoren, Geschwindigkeitsgrößen und die Variabilität der Zeit in Verbindung bringt. Der Raum ist ein Geflecht von beweglichen Elementen. […] Er ist also ein Resultat von Aktivitäten, die ihm eine Richtung geben, ihn verzeitlichen und ihn dahin bringen, als eine mehrdeutige Einheit von Konfliktprogrammen und vertraglichen Übereinkünften zu funktionieren. […] Im Gegensatz zum Ort gibt es also weder eine Eindeutigkeit noch die Stabilität von etwas ›Eigenem‹. Insgesamt ist der Raum ein Ort, mit dem man etwas macht.«41
De Certeau thematisiert damit die Dynamik des Handelns, die aus einer Konfiguration von Orten Räume macht, und er akzentuiert eben das Handeln als konstitutiv für Raum. Henri Lefebvre knüpft offenkundig daran an, wenn er in Anlehnung an Noam Chomskys Generative Transformationsgrammatik definiert, dass diese Dynamik des Handelns, die er räumliche Praxis nennt, sowohl eine gewisse Kompetenz wie eine bestimmte Performanz habe. Es gebe ein generelles Handlungsrepertoire im Bezug auf Räume, die Kompetenz; im einzelnen Fall werde eine Auswahl aus diesem Repertoire getroffen, die Performanz. In dieses Feld sei die Dreistelligkeit des Raumes eingeschrieben: die Dialektik zwischen dem Wahrgenommenen, dem Konzipierten und dem Gelebten.42 Komplement der raumsemiotischen Dimension und der Entzifferung des Konzipierten wie des Wahrgenommenen ist also die räumliche Praxis – das Gelebte –, die Lefebvre als Performanz bezeichnet. Projiziert auf Wilhelmines Örtlichkeiten und Räume, führt dieses Denkmodell zu folgenden vorläufigen Ergebnissen:43 Der Blick auf die räumliche Praxis von Wilhelmines Appartements zeigt, dass die Räume nicht leicht zugänglich sind: Es sind Schwellen zu überwinden und es sind Grenzen nach außen gesetzt. Die Räume sind in geradezu demonstrativer Weise abgeschlossen, einige Räume sind ›gefangene Zimmer‹. Es werden also abweichend von der Tradition, wie sie sich in der Raumordnung des Markgrafen spiegelt, private Räume geschaffen. Von hier ergibt sich ein Blick auf die Zuweisung von Aufgaben bzw. Tätigkeiten eines Fürstenpaares: Die Räume des Markgrafen sind in beiden Schlössern Emp41 Michel de Certeau, Kunst des Handelns. Aus dem Französischen übersetzt von Ronald Vouillé, Berlin 1988, S. 218. 42 Henri Lefebvre, Auszug aus: »La production de l’espace, Paris 1974«, in: Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, hrsg. von Jörg Dünne und Stephan Günzel, Frankfurt am Main 2006, S. 330–340; insbesondere S. 336. 43 Vorläufig deshalb, weil einerseits die Quellenlage zur tatsächlichen räumlichen Praxis dünn ist und andererseits die raumsemiotische Seite durch Vergleiche mit anderen fürstlichen Appartements weiter zu präzisieren wäre.
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12. Audienzzimmer 13. Inneres Vorzimmer 14. Pagodenkabinett 15. Audienzzimmer 16. Audienzzimmer 17. Palmenzimmer 18. Spalierzimmer 19. Musikzimmer 20. Schlafzimmer 21. Durchgangszimmer 22. Toilettenzimmer
Abb. 5 Appartements des Markgrafen im Neuen Schloss (nach Neues Schloss Bayreuth. Amtlicher Führer [wie Anm. 24], nicht paginiert), mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. 21. Garderobe 22. Schlafzimmer des Markgrafen 23. Nebenzimmer 24. Vorzimmer 25. Seitenkabinett 26. Eckzimmer 27. Audienzzimmer 28. Vorzimmer
Abb. 6 Appartements des Markgrafen in der Eremitage (nach Eremitage zu Bayreuth. Amtlicher Führer [wie Anm. 4], S. 21), mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
fangsräume, die einen Durchgang gestatten, sehen in ihrer Anordnung also keine Privatheit vor. Die Ausstattung – die Pastellbilder im Neuen Schloss – ist teils von Wilhelmines eigener Hand verfertigt. Sie selbst schreibt sich also in diese Räume ein und versammelt abweichend von der traditionellen Praxis in effigie diejenigen Personen, die sie zur Kunstausübung an ihren Hof geholt hat – nicht Porträts mit dynastischer Zeige- und Erklärungsfunktion. Eine vorsichtige Schlussfolgerung könnte also lauten: In der Performanz ihrer Raumpraxis löst Wilhelmine sich von den Standards ihrer Zeit. Gleichzeitig sind die Räume vor allem in der Eremitage sehr klein, zeigen also keinerlei repräsentative »grandeur«.44 Ein aus mehreren Personen bestehendes Publikum ist vor allem dort kaum vorstellbar, zumal ja die Instrumente auch noch Platz finden muss44 Dies ist konstitutiv für den Bautyp Eremitage.
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ten. Wichtiger als die tatsächliche physikalische Beschaffenheit der Räume ist aber Wilhelmines Konzept davon, und in diesem Zusammenhang fällt auf, wie häufig sie betont, dass die Räume klein seien. Über den Plan ihres Schlosses schreibt sie beispielsweise an Friedrich, dass er puppenhaft sei.45 Parnass und Retraite zeigen sich also in der Privatheit, ja Abgeschiedenheit. Indem die Autorin der Raumkonstellation diese lokalen Eigenschaften mit einem hohen Anspruch an die Ausübung der Künste und das Studium von Wissenschaft und Literatur verbindet, definiert sie den Bautyp Eremitage um: Er dient als Kulisse dafür, dass Wilhelmine sich in erster Linie als ›intellektuelle‹ Person, nicht so sehr als repräsentierende Fürstin auszeichnet, und ein wichtiges Element scheint dabei zu sein, dass sie allein und konzentriert an ihren Themen arbeitet. In diesen Kontext gehört auch das bekannte Gemälde von Antoine Pesne (1750), das die Markgräfin im Pilgergewand zeigt, umgeben von Hinweisen auf Musik, Malerei und Literatur.46 Sie selbst beschreibt den Radius ihrer Tätigkeiten, die »application«, dem Bruder so: »[…] j’ai Comencé a apprendre aussi un peu Les Regles de L’Architectures [!] je Battis des Chateaux Magniffiques mais qui resteront cellon toute apparance sur Le papier après je Compose un nouvell Opera don’t j’ai fait moy meme Le Plan. Je donne la Matinée a la Phisique et á la Philosophie et quelques heures L’aprés midy a des Livres D’histoire Le temps ce passé si vite avec ce genre de vie que je souhaiterais bien que les jours durent 24 heures.«47
Was die musikalische Praxis im Besonderen angeht, so ist darüber viel vermutet und spekuliert worden. Das hängt mit der unzureichenden Quellenlage zusammen, aber auch damit, dass Wilhelmine sich in den Briefen an den Bruder oft vage und teils widersprüchlich äußert. Die folgende Aufstellung wertet die Volzsche Briefausgabe aus.
45 Briefe II (wie Anm. 8), S. 248; Brief Wilhelmines vom 6. März 1753. 46 Zur Interpretation vgl. Heike Talkenberger, »Selbstverständnis und bildliche Repräsentation bei Sophie von Hannover und Wilhelmine von Bayreuth«, in: Baumbach und Bischoff, Frau und Bildnis (wie Anm. 35), S. 133–159; vor allem S. 147 ff.; ferner neuerdings: Andreas Gipper, »›Je ne me suis jamais piquée d’être philosophe …‹. Philosophie und aristokratischer Habitus in der Korrespondenz Wilhelmines von Bayreuth«, in: Wilhelmine von Bayreuth heute (wie Anm. 10), S. 71–86, vor allem S. 74 ff. 47 D-Bga, BPH Rep 46 W 17 ad Bd. I, fol. 6 verso-7 recto; vgl. Briefe II (wie Anm. 8), S. 26. Die Mehrzahl der aufgeführten Aktivitäten lässt sich an Wilhelmines Korrespondenz und an Quellen aus ihrem Nachlass belegen.
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Ruth Müller-Lindenberg
Abs. Datum
Fundort
Inhalt
W
18.10.32
I, 105
W widmet sich der Musik (Clavierspiel)
W
29.11.32
I,113
W spielt Laute.
W
16.12.32
I,121
W komponiert eine Fuge.
F
(Apr. 33)
I,140
F bezeichnet W als Schülerin von Quantz.
W
17.10.33
I,164
W
27.10.33
I,166
W spielt Laute und beabsichtigt mit dem Generalbass anzufangen. W berichtet darüber, täglich Musik zu haben.
W
19.12.33
I,188
W berichtet über ihr neues Pantalon-Clavier.
W
(Feb. 34)
I,194
W dankt F für die Übersendung von Noten.
W
2.5.1734
I,213
F
10.8.34
I,234
W nimmt Kompositionsunterricht bei ihrem Hofkapellmeister Johann Pfeiffer. F dankt für ein »Solo« und bezeichnet sich gegenüber W als den schlechteren Komponisten.
W
15.2.35
I,276f.
W lernt Violine spielen.
W
14.1.36
I,308
W
28.2.36
I,311
W spielt sehr gut Laute und beginnt mit dem Generalbass. W berichtet über allabendliche Musik.
W
(Apr. 36)
I,316
W berichtet über allabendliche Musik.
W
(Nov. 36)
I,342
W
(Mär. 37)
I,352f.
W dankt F dafür, ihr ein Clavierkonzert komponieren zu wollen. W nimmt Gesangsunterricht bei Paganelli.
F
16.9.38
I,385
W
(Aug. 40)
II,26
F möchte W’s Komposition sehen und von ihr spielen hören. W komponiert eine Oper.
W
15.10.43
II,63
W komponiert für die Oper.
W
27.2.51
II,197
W verbringt ihre Tage mit Lektüre und Musik.
W
19.5.52
II,227
W
4.12.52
II,236
W beschäftigt sich »wieder« mit Komponieren und Malen. W berichtet über Komponieren und Lesen als einzige Beschäftigungen.
Abb. 7 Musikalische Praxis von Wilhelmine und Friedrich nach der Volzschen Briefausgabe, W = Wilhelmine; F = Friedrich
Wilhelmine von Bayreuth
255
Diese Aussagen lassen sich durch folgende ergänzen, wenn man Wilhelmines Briefe im Original studiert: 31.10.1733: »Je deviens extrememant forte sur le Lutt et comancerai bientot la Basse generale.«48 Ferner hat Wilhelmine im Jahre 1734 einige von Friedrichs Hofmusikern aus Rheinsberg in Bayreuth empfangen und berichtet dem Bruder am 27. Juli: »Tous les Disciples D’Apolon sont aussi ici depuis quelques Jours et je ne saurois assez vous remercier mon tres Cher Frere de toutes les Graces que vous me temoignez ils font merveille et ont assez a faire La Musique Comanccent a 4 heures et finissant a 7 heures et demy.«49 Es wurde also dreieinhalb Stunden täglich musiziert. Drei Wochen später schreibt sie: »Je joints ici La Belle production de ma Caboche dont je fais une offrande a La Principessa car il n’est pas encore digne d’etre offert au Protecteur du Parnasse.«50 Demnach hätte Wilhelmine eine eigene Komposition für Flöte an Friedrich gesandt. Ferner berichtet sie am 25.10.1738: »Je fais lire l’apres midy jusqu’à 6 heures que La Musique Comance et Le matin je Compose.«51 Diese Äußerungen sind, da sie nur aus einer Quelle stammen, nicht unmittelbar als historische Daten zu lesen. Dennoch geben sie einen Einblick in die Art und Weise, wie Wilhelmine ihre Musik gegenüber dem Bruder darstellen wollte. Bezogen auf die Räume lässt sich folgern: Eine höfische Praxis, die besonders den Frauen zugeschrieben war – ästhetische Aktivitäten im weitesten Sinne –, findet an Orten und in Räumen statt, die aufgrund ihrer Lage und Dimensionierung eine eher geringe repräsentative Ausstrahlung haben, sich mit dem Element der Vereinzelung verbinden und zudem zum Experimentierfeld einer innovativen Raumkonzeption und -praxis werden – einer Praxis, durch die die Markgräfin ihr Selbstkonzept beglaubigt.52 Darin, dass die Räume lesbar und in einer spezifischen Weise begehbar sind, bildet sich dieses Konzept, das durch semiotische ebenso wie durch materielle Anteile modelliert wird, umfassend ab.
48 D-Bga, BPH Rep 46 W 17, Bd. I,1, fol. 110 verso. 49 D-Bga, BPH Rep 46 W 17 Bd. I,2, fol. 64 recto. 50 Mit der »Principessa« ist im Dialog der Geschwister die Traversflöte gemeint. D-Bga, B Rep 46 W 17, Bd. I,2, fol. 67 verso. 51 D-Bga, BPH Rep 46 W 17 Bd. II,4, fol. 131 recto. 52 Cordula Bischoff verdanke ich den Hinweis darauf, dass künstlerische Neuerungen, wie beispielsweise die Schaffung neuer Räume, in der Regel zunächst an unauffälliger Stelle (hier also in der Eremitage) gewissermaßen ›ausprobiert‹ werden.
Michael Wenzel
Beauties, Wits and Fools Die Schönheitengalerie der Königin Maria II. von England als Repräsentationsort weiblicher Handlungsräume
Zu den frühneuzeitlichen höfischen Porträtgalerien gehört der Typus der Schönheitengalerie. Darin wurden (zunächst in aristokratischem Kontext) Frauen-Bildnisse gesammelt, die neben der Dokumentation der eigenen Herkunft und Familie (Ahnengalerie) auch der Repräsentation der politischen und gesellschaftlichen Strukturen (Herrscher- und Zelebritätengalerien) gewidmet waren. Bei der Entstehung solcher Galerien standen zunächst genealogische Aspekte im Zentrum, später traten andere Gesichtspunkte wie etwa die individuelle Berühmtheit und/oder körperliche Schönheit der Dargestellten oder die Ausübung eines bestimmten (Hof-)Amtes hinzu. In Schönheitengalerien war Schönheit das zentrale Kriterium bei der Zusammenstellung der Dargestellten. Eine der prononciertesten Schöpfungen dieser Art waren die um 1666/67 für die Duchess und den Duke von York – den Bruder des englischen Königs – geschaffenen Windsor Beauties (vgl. Abb. 1, siehe Farbbildteil, S. 181).1 Der vorliegende Beitrag behandelt jedoch nicht diese berühmten Beispiele der Porträtkunst des englischen Restaurationshofes, sondern widmet sich den Hampton Court Beauties (vgl. Abb. 2 im Farbbildteil, S. 181, sowie Abb. 3 und 5 im folgenden Text), dem kaum weniger bedeutenden Nachfolgeprojekt der Tochter der Duchess von York, Queen Mary. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Situierung von Schönheitengalerien innerhalb des höfischen Wohn- und 1 Vgl. zur Entstehung und Entwicklung von Frauenporträtgalerien im höfischen Kontext: Michael Wenzel, Heldinnengalerie – Schönheitengalerie. Studien zu Genese und Funktion weiblicher Bildnisgalerien 1470–1715, Diss. Heidelberg 2001, hier: S. 165–404 (der vorliegende Beitrag greift auf dort bereits enthaltenes Material und dortige Argumentationslinien zurück); zu den Windsor Beauties vgl.: Michael Wenzel, »The Windsor Beauties by Sir Peter Lely and the collection of paintings at St. James’s Palace, 1674«, in: Journal of the History of Collections 14 (2002), S. 205–213; Catharine MacLeod und Julia Marciari Alexander, »The ›Windsor Beauties‹ and the Beauties Series in Restoration England«, in: Politics, Transgression, and Representation at the Court of Charles II, hrsg. von Julia Marciari Alexander und Catharine MacLeod, New Haven/London 2007 (= Studies in British Art, Bd. 18), S. 81–120.
Die Schönheitengalerie der Königin Maria II. von England
257
Abb. 3 Godfrey Kneller, Porträt von Frances Whitmore, Lady Middleton (1690–1693), Öl/Lwd., 233,7 x 142,9 cm, Hampton Court Palace, The Royal Collection, © 2013 Her Majesty Queen Elizabeth II., mit freundlicher Genehmigung.
Repräsentationsraums und den daraus abzuleitenden Aspekten der Bedeutung und Funktion einer solchen Galerie als Markierung eines weiblichen Handlungsraums (der Königin und der weiblichen Angehörigen ihrer Hofhaltung). Darüber hinaus wird die überkommene Deutung der unterschiedlichen Kodierung von Körperlichkeit und Verführung bei den Windsor und Hampton Court Beauties im Sinne aristokratischer und bürgerlicher Moralvorstellungen kritisch hinterfragt werden. Nach dem Sturz von Jakob II. von England in der Anglo-Dutch Revolution von 1688/892 wurden dessen Schwiegersohn aus dem Haus Nassau-Oranien als 2 Zum Begriff der Anglo-Dutch Revolution vgl. Dale Hoak, »The Anglo-Dutch Revolution of 1688–89«, in: The World of William and Mary. Anglo-Dutch Perspectives on the Revolution of 1688–89, hrsg. von Dale Hoak und Mordechai Feingold, Stanford 1996, S. 1–26.
258
Michael Wenzel
Abb. 4 Anthonis van Wyngaerde, Ansicht von Hampton Court von der Flussseite her, im Vordergrund die Water Gallery (1558), Zeichnung, Ashmolean Museum, University of Oxford / The Bridgeman Art Library, mit freundlicher Genehmigung.
Wilhelm III. und seine Gemahlin, Jakobs protestantisch gebliebene erstgeborene Tochter, als Maria II. (1662–1694) König und Königin von England. Das neu installierte Königspaar bevorzugte den Kensington Palace und vor allem den flussaufwärts in einiger Entfernung zum Stadtzentrum von London an der Themse gelegenen Hampton Court Palace als Residenzen. Dieser Auszug aus der Stadt als dem traditionellen Zentrum der Macht ist deutlich an Versailles orientiert, und so wurde der barocke Umbau des alten tudorzeitlichen Gebäudekomplexes von Hampton Court nur kurze Zeit nach Regierungsantritt 1689 durch Christopher Wren auf der Grundlage verschiedener französischer Vorbilder (Versailles, Louvre) begonnen. Die Planung – Wrens grand scheme – sah zunächst den nahezu vollständigen Abriss des Tudorpalastes vor (mit Ausnahme der Great Hall Heinrichs VIII.). Ausgeführt wurden aber nur zwei neue Flügel auf der Gartenseite: im Süden die auf den Privy Garden und die Themse ausgerichtete Kings’s Side mit der Wohnung des Königs und im Osten die Wohnung der Königin in der auf den Park gehenden Queen’s Side.3 Gleichzeitig mit dem Beginn des Umbaus des Hauptschlosses und der naturgemäß dadurch verursachten Minderung des Wohnkomforts ließ sich 3 Vgl.: Hampton Court Palace 1689–1702, Oxford 1927 (= The Wren Society, Bd. 4); ein Supplement dazu in: The Royal Palaces of Winchester, Whitehall, Kensington and St. James’s 1660–1715, Oxford 1930 (= The Wren Society, Bd. 7), S. 197–205; Kerry Downes, English Baroque Architecture, London 1966, S. 34–43; H. M. Colvin u. a., The History of the King’s Works, Bd. 5: 1660–1782, London 1976, S. 153–174; Simon Thurley, Hampton Court. A Social and Architectural History, New Haven/London 2003, S. 151–221.
Die Schönheitengalerie der Königin Maria II. von England
259
Königin Maria ab Juli 1689 einen zum Schlosskomplex gehörigen Bau aus dem 16. Jahrhundert als persönlichen Rückzugsort zu Zwecken der privateren Unterhaltung einrichten: Dieses Gebäude war etwas vom Kernbau entfernt zwischen Privy Garden und Themse gelegen, lang gestreckt und unregelmäßig mit Türmen und Pavillons versehen. Es wurde als Thamse bzw. Water Gallery bezeichnet, da dessen ursprüngliche Funktion die eines ›privaten‹ Landeplatzes für die auf der Themse eintreffenden Bewohner und Besucher von Hampton Court war, die auf diese Weise auf halber Strecke trockenen Fußes bis an den Privy Garden heran zum Schloss geführt wurden (Abb. 4). Die Water Gallery wurde 1700 abgerissen, um der Erweiterung des Privy Garden Platz zu machen. Im Wesentlichen geben zwei Reisebeschreibungen aus dem letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts Auskunft über Gestalt und Ausstattung der Gallery. Um 1696 besuchte Celia Fiennes Hampton Court und die Water Gallery: »[...] the old buildings were on the other side the Privy Garden; there was the Water Gallery that opened into a ballcony to the water and was decked with China and fine pictures of the Court Ladyes drawn by Nellor; beyond this came severall roomes and one was pretty large, at the four corners were little roomes like closets or drawing roomes one pannell’d all with Jappan another with Looking Glass and two with fine work under pannells of Glass; there was the Queens Bath and a place to take boat in the house; […].«4 4 Celia Fiennes, The Journeys, hrsg. von Christopher Morris, 2. Aufl., London 1949, S. 59–60.
260
Michael Wenzel
Daniel Defoe berichtet in seiner zuerst 1724–1727 publizierten Tour Through the Whole Island of Great Britain über die Water Gallery: »This her Majesty Queen Mary was so sensible of, that while the King had ordered the pulling down the old apartments, and building them up in that most beautiful form, which we see them now appear in, her majesty, impatient of enjoying so agreeable a retreat, fixed upon a building, formerly made use of chiefly for landing from the river, and therefore called the Water Gallery. [Here she ordered all the little, neat, curious Things to be done, which suited her own Conveniency; and made it the pleasantest little Palace within Doors, that could possibly be made; though its Situatuion would not allow it to stand after the Great Building was finished.] The Queen had here her gallery of beauties, being the pictures, at full length, of the principal ladies attending upon her majesty, or who were frequently in her retinue; and this was the more beautiful sight, because the originals where all in being, and often to be compared with their pictures. Her majesty had here a fine apartment, with a set of lodgings, for her private retreat only, but most exquisitely furnished, particularly a fine chintz bed, then a great curiosity; another of her own work, while in Holland, very magnificent, and several others; and here was also her majesty’s fine collection of Delft ware, which indeed was very large and fine; and here was also a vast stock of fine china ware, the like whereof was then not to be seen in England; the long gallery, as above, was filled with this china, and every other place, where it could be placed, with advantage.«5
Beide Beschreibungen benennen ein achtteiliges Set von Frauenporträts von Godfrey Kneller (um 1646–1723) als ein bedeutendes, wenn nicht als das wichtigste Merkmal der Ausstattung der Water Gallery. Und in beiden Fällen werden die Dargestellten durch ihre Rolle am Hof, bei Defoe darüber hinaus über ihre körperliche Schönheit definiert, was ihn von einer Gallery of Beauties sprechen lässt. In dieser Hinsicht bestätigt die frühe Rezeption der Hampton Court Beauties die Konzeption der Windsor Beauties von Königin Annas Mutter Anne Hyde.6 Das Thema der Schönheitengalerie wurde mit dieser annähernd 30 Jahre zuvor von Peter Lely gemalten Serie von Damenporträts aus dem Umfeld der Hofhaltung von Jakob Stuart und Anne Hyde, Duke und Duchess von York (des Bruders und Nachfolgers des englischen Königs 5 Daniel Defoe, A Tour through the Whole Island of Great Britain, hrsg. von Pat Rogers, Harmondsworth 1971, S. 183, vgl. auch die Ausgabe London 71769, Bd. 1, S. 266. 6 Vgl. hierzu Wenzel, Heldinnengalerie (wie Anm. 1), S. 271–298, und Wenzel, »Windsor Beauties« (wie Anm. 1).
Die Schönheitengalerie der Königin Maria II. von England
261
Karl II. und dessen nicht standesgemäßer Gemahlin) in England als eigenständige Gattung der Porträtmalerei etabliert. Die Hampton Court-Serie konnte somit ein bereits bekanntes Sujet aufgreifen, ohne dass noch wie im Falle der Windsor Beauties eine gleichwertige Serie männlicher Pendants – die heute in Greenwich aufbewahrten Porträts von Offizieren der englischen Marine (»flagmen«)7 – hergestellt werden musste. Die Frauenporträtserie wurde dadurch zu einem von männlichen Porträtserien unabhängigen Verfahren zur Repräsentation von weiblichen Mitgliedern der höfischen Gesellschaft, wogegen sich das heroische Modell männlicher Repräsentation offensichtlich in England in einer Krise befand bzw. durch British Worthies ersetzt wurde, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht mehr mit den auf den Hof orientierten Frauenporträtgalerien kompatibel sind.8 Wie die Windsor Beauties sind die für die Water Gallery von Hampton Court geschaffenen Gemälde originale Porträts. Kneller schrieb am 16. Januar 1690 an Pepys, dass »the duchess of Grafton comes to set for the Queen at 2 of the Clok«,9 wobei es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um das Porträt aus der Hampton Court-Serie handelte. Weniger eindeutig ist die Frage zu beantworten, ob zu diesem Zeitpunkt bereits der Auftrag zur gesamten Serie bestand oder ob dieses Gemälde noch als Einzelstück konzipiert war. Am unteren Rand ist ein Streifen angestückt, der das Bild auf die Höhe der übrigen Bilder des Sets anpasst, doch kann dies sowohl durch eine nachträgliche Erweiterung 7 Vgl. zu diesem Set: Wenzel, Heldinnengalerie (wie Anm. 1), S. 282–283. 8 Zu den British Worthies siehe u. a. Adrian von Buttlar, Der englische Landsitz 1715–1760. Symbol eines liberalen Weltentwurfs, Mittenwald 1982 (= Studia Iconologica, Bd. 4), S. 157–164. – Kneller malte später zusammen mit Dahl für Königin Anna und ihren Gemahl Georg von Dänemark eine Folge von 14 Admiralen, die in der Little Gallery des Kensington Palace hingen (vgl. Oliver Millar, The Tudor, Stuart and Early Georgian Pictures in the Collection of Her Majesty the Queen, London 1963, S. 25, 142, 151–152, Kat.-Nr. 386–394). Diese Folge kann als Fortsetzung von Lelys Flagmen verstanden werden, doch bestanden zwischen den Auftraggebern und den Dargestellten keine persönlichen Beziehungen – zumindest nicht in ähnlicher Weise wie zwischen den Flagmen und dem Duke von York –, noch gab es zu dieser Folge ein weibliches Pendant. Die Serie repräsentierte jetzt die englische Seemacht und deren Erfolge im Spanischen Erbfolgekrieg in einem abstrakteren Sinn. In ähnlicher Weise abstrakt-ideologisch bzw. parteipolitisch begründet war auch das verbindende Band zwischen den Mitgliedern des Kit-cat Clubs, einer Vereinigung von der Whig party nahestehenden Politikern, Schriftstellern und Militärs, die Kneller ab 1697 in einer berühmten Porträtserie darstellte (vgl. John Douglas Stewart, Sir Godfrey Kneller and the English Baroque Portrait, Oxford 1983, S. 65–68, und Robert Orland Bucholz, The Augustan Court. Queen Anne and the Decline of Court Culture, Stanford 1993, S. 241–242). 9 Zit. nach Millar, The Tudor, Stuart and Early Georgian Pictures (wie Anm. 8), S. 146, Kat.-Nr. 351–358.
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zur Serie als auch durch die Tatsache bedingt sein, dass der Raum der Water Gallery, für den die Gemälde bestimmt waren, zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt war und sich die Anpassung aufgrund der Wandgliederung ergab. Jedenfalls sprechen noch einige andere, noch zu erwähnende Argumente dafür,10 dass die Hampton Court Beauties – im Gegensatz zu den von Lely für Anne Hyde gemalten Bildnissen und auch zu ihrer späteren Hängung im Hauptschloss – in der Water Gallery tendenziell wandfest angebracht und möglicherweise auch in eine Vertäfelung eingesetzt waren. 1693 wurde Kneller dann für das komplette Set von acht Gemälden (»Eight pictures drawne att Length viz. The Dutchess of Grafton, The Countesse of Monmouth The Countesse of Dorsett The Lady Stowoll The Lady Diana Vere The Lady Mary Benting The Lady Middleton and Mrs. Scroop«) bezahlt.11 Auch dies spricht dafür, dass zu Jahresbeginn 1690 bereits die Schönheitengalerie komplett in Auftrag gegeben war.12 Die Auftragsvergabe für die Hampton Court Beauties war demnach eine der ersten Handlungen im Rahmen der Kunstpatronage der Königin Maria in England. Die Bildnisse folgen dem durch Godfrey Kneller im vorhergehenden Jahrzehnt verbreiteten ganzfigurigen Typus, der Elemente offizieller Porträts (etwa das Format und einzelne Motive wie den Hermelinbesatz z. B. im Bildnis der Duchess von Grafton) mit der von Lely übernommenen Tendenz 10 Siehe unten die Ausführungen zum Innenausbau der Water Gallery (wie Anm. 23). 11 Zit. nach Susan Shifrin, ›A Copy of my Countenance‹: Biography, Iconography, and Likeness in the Portraits of the Duchess Mazarin and her Circle, Diss. Bryn Mawr College 1998, S. 230, Anm. 366. 12 Vgl. grundlegend Millar, The Tudor, Stuart and Early Georgian Pictures (wie Anm. 8), S. 146 ff., Kat.-Nr. 351–358 (dort 1691 als Datum der Vollendung). – Aufgrund der Tatsache, dass die Mezzotinto-Bildfolge nach den Hampton Court Beauties von John Faber jun. zusätzlich noch Bildnisse von Königin Maria, den Duchesses von Manchester und Marlborough und der Countess von Clarendon aufgenommen hat, geht Stephanie Goda Tasch, Studien zum weiblichen Rollenporträt in England von Anthonis van Dyck bis Joshua Reynolds, Weimar 1999, S. 239 davon aus, dass die ursprüngliche Zahl der Bildnisse unklar sei (ebenso nimmt Nora Schadee, Galante galerijen. Een poging tot karakterisering van de schoonhedengalerij, doctoraalscriptie Leiden o. J. [1974] [unpubliziert], S. 59, fälschlicherweise an, dass vier Bildnisse verloren sind). Dies ist aber aufgrund der Übereinstimmung der Anzahl in Knellers Bezahlung von 1693 und im Inventar der Königin Anna von etwa 1705–1710 nahezu auszuschließen. Die Ergänzung der Stichfolge u. a. um die Königin und die Duchess von Marlborough, die erst später als Vertraute Königin Annas Berühmtheit erlangen sollte, folgt der Logik des Mediums Druckgraphik, das eine Erweiterung zulässt. Die Serie wird folglich um Personen erweitert, die aus der Retrospektive als den Hampton Court Beauties zugehörig erscheinen bzw. das in diesen ausgesprochene Schönheits- und Weiblichkeitsideal ebenso erfüllen.
Die Schönheitengalerie der Königin Maria II. von England
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zum déshabillé in der Kleidung verbindet.13 Die Stillage dieser Porträts lässt sich mit dem Begriff der grandeur umschreiben; Kneller verdankt diese Stilbildung der Verbindung seiner nordeuropäischen Herkunft mit seiner römischen Schulung durch Carlo Maratta.14 Knellers Formensprache entspricht einem höfischen Klassizismus, wie er auch unter Ludwig XIV. ab etwa 1670 in Versailles gepflegt wurde.15 Deutlich ist die Weiterentwicklung im Vergleich zu den Lösungen van Dycks und Lelys in den Bereichen des pastoralen und des Identifikationsporträts, wobei die Allusionen verhaltener angegeben werden und nur noch selten eine Identifikation von Dargestellter und Rolle erfolgt. Der Verweis auf die Rolle wird dagegen in einer für den Betrachter relativ offenen Konstruktion gezeigt, meist als Hintergrund-Motiv (etwa das Sockelrelief bei der Countess von Dorset oder die Statue der Minerva, auf die die Countess von Peterborough mit einer Geste ihrer Hand verweist).16 Knellers Porträttyp einschließlich seiner ideologischen Verortung war also bereits zum Zeitpunkt des Hampton Court-Auftrags vollständig entwickelt.17 Die eigentlichen Anforderungen an den Maler bestanden in der Konzeption der Porträts als thematisch verhältnismäßig geschlossenem Bildzyklus und ihrer Verortung in einem in besonderer Weise auf den Außen- bzw. Naturraum bezogenen Gebäude. Die dargestellten Frauen sind in ihrer Stellung zum Hof den Windsor Beauties vergleichbar: Einige wie Mary Compton (Lady of the Bedchamber der Königin Maria) hatten wichtige Hofämter inne, andere hatten einflussreiche Hofleute geheiratet, waren wie Mary Bentinck Kinder solcher Hofleute oder galten wie die bürgerliche Mary Scrope als die schönste Frau des Hofes. Die Bildnisse waren ein sichtbares Zeichen für den gesellschaftlichen Erfolg der Generation der Windsor Beauties. Die Countess von Dorset war die zweite Gattin von Charles Sackville, der in erster Ehe mit einer der Dargestellten 13 Vgl. hierzu Stewart, Sir Godfrey Kneller (wie Anm. 8), S. 26–27. Frühere Beispiele ganzfiguriger Frauenporträts bei Kneller ebd., S. 102, Kat.-Nr. 229 (Countess von Dorchester, Abb. 28c), S. 124, Kat.-Nr. 581, 583f. (Duchess von Portsmouth, Farbtaf. I, Abb. 28b). – Vgl. außerdem Katrin Herbst, Schönheit als Tugend. Sir Godfrey Kneller und die englische Porträtmalerei um 1700, Diss. Berlin 2002. 14 Zu Knellers Italien-Aufenthalt vgl. Stewart, Sir Godfrey Kneller (wie Anm. 8), S. 6–10. 15 Der Verf. setzt sich damit von der bisherigen Forschung ab, die die Stilbildung des Malers vor allem mit der antihöfischen Whig-Ideologie vor und nach der sogenannten Glorious Revolution in Verbindung bringt. 16 Vgl. hierzu die exemplarischen Bildanalysen bei Tasch, Studien zum weiblichen Rollenporträt in England (wie Anm. 12), S. 72–75. 17 Tasch (ebd., S. 72) sieht dagegen einige der beschriebenen stilistischen Elemente aus der besonderen Konkurrenzsituation zu Lelys Windsor Beauties heraus entstehen.
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der Windsor-Serie, Mary Bagot, verheiratet war. Diana de Vere ist die Tochter von Diana Kirke – aus deren (für den Bräutigam) nicht standesgemäßen Ehe mit dem Earl von Oxford; ihre Tochter heiratete einen illegitimen Sohn Karls II. von dessen Mätresse Nell Gwynn:18 ein deutliches Zeichen für Kontinuität der höfischen Gesellschaft von der Restaurationszeit bis zur Epoche Wilhelms III. – trotz der »Glorious Revolution«. Die innere Disposition der Water Gallery ist, bedingt durch den frühen Abriss, nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur ungenügend überliefert. Durch die Rekonstruktion des Privy Garden in den Jahren bis 1995 konnten zumindest der ehemalige Standort und das zugehörige Quellenmaterial eingehender gesichtet werden. Die langgestreckte Anlage – eine Folge von turmartigen Pavillons und Trakten – bildete eine im Süden von Hampton Court gelegene diagonale Zugangsachse zum Schloss, die die auf dem Wasser Ankommenden vom Fluss zum Privy Garden führte. Schon 1689 stand der Tudorbau einer Erweiterung des Privy Garden im Weg, die aber zu diesem Zeitpunkt fallen gelassen wurde, entweder weil das Projekt hinter den Schlossausbau zurückgestellt wurde oder weil Queen Mary das Gebäude bereits okkupiert hatte und nicht aufgeben wollte.19 Die Neustrukturierung von Hampton Court hätte eine vollkommene Umorientierung der Schlossanlage zur Folge gehabt: Die Modernisierung nach dem Vorbild von Versailles bedeutete auch, dass die Zugangssituation auf das modernere Verkehrsmittel der Kutsche und auf eine repräsentative Achse hin ausgerichtet werden sollte. Die bisherige Eingangsseite vom Fluss her wurde folglich zur privateren Gartenseite. In der Praxis wird aber auch noch zur Zeit Wilhelms III. die Themse der bevorzugte Verkehrsweg nach Hampton Court gewesen sein. Die Flussseite behielt somit ihren Charakter von eingeschränkter Öffentlichkeit, und es erscheint zunächst merkwürdig, dass Königin Maria die hier gelegene Water Gallery als ihren – wie die Quellen immer wieder betonen – privaten Rückzugsort wählte. Dies gilt in besonderen Maßen, da bereits 1689 für die Planer des barocken Hamp18 Vgl. zu den Biographien die bereits angeführten Angaben bei Millar, The Tudor, Stuart and Early Georgian Pictures (wie Anm. 8), S. 146–148, wichtige Hinweise und Rückschlüsse bei Tasch, Studien zum weiblichen Rollenporträt in England (wie Anm. 12), bes. S. 73–74. Die Autorin stellt ebenfalls fest (S. 75), dass die Dargestellten der Hampton Court Beauties mit 20–25 Jahren durchschnittlich etwa fünf Jahre älter sind als die der Windsor-Serie. Sie vermutet, dass die Hofdamen möglicherweise später in den Hofdienst kamen, was aber erst durch weitere Forschung zur Sozialstruktur des englischen Hofes geklärt werden kann. 19 Vgl. David Jacques, »The history of the Privy Garden«, in: The King’s Privy Garden at Hampton Court Palace 1689–1995, hrsg. von Simon Thurley, London 1995, S. 23–42, hier: S. 27 m. Abb. 39b.
Die Schönheitengalerie der Königin Maria II. von England
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ton Court feststehen musste, dass das Gebäude möglichst bald zu verschwinden habe: Es war stilistisch altmodisch, hatte seine ursprüngliche Funktion verloren und versperrte die für die Erscheinung der Gesamtanlage so wichtige Blickachse zum Fluss, indem es eine Erweiterung des Privy Garden nicht zuließ. Der Ausbau der Water Gallery für Queen Mary war demnach entweder von vornherein nur eine Übergangslösung, oder sie hatte, möglicherweise während der Abwesenheit ihres Gatten, vollendete Tatsachen geschaffen und sich über die anstehenden Planungen hinweggesetzt.20 Der Umbau der Thamse Gallery geschah unter großem Aufwand; es wurden Teile des Äußeren überarbeitet und vor allem die Fenster modernisiert, allein 21 neue Fenster wurden im Obergeschoss eingebaut. Die Innendisposition lässt sich nur aufgrund der genannten Beschreibungen und teilweise auch mittels der erhaltenen Rechnungen erschließen: Im Untergeschoss befanden sich ein Badezimmer, die Molkerei oder »Milchwirtschaft« und eine Grotte in einem ehemaligen Treppenturm. Das Hauptgeschoss beinhaltete unter anderem »a great room next the Thames« und eine gallery als Haupträume sowie vier closets in den Ecken dieser gallery (nach der Beschreibung von Fiennes und den Rechnungsbelegen); die Räumlichkeiten wurden vor allem nach ihren Ausstattungsgegenständen bzw. -materialien benannt, darunter ein Marmorzimmer (marble room), Lackzimmer (japan room), Spiegelkabinett (looking-glass room) und ein Delft Ware Closet. Blau–weiße Delfter Kacheln, entworfen von Daniel Marot, zierten teilweise diese Räume. Die Water Gallery der Queen Mary transformierte also einen galerieähnlichen Gebäudetrakt mit den seit der Renaissance dem Bautypus »Galerie« entsprechenden Funktionen eines halböffentlichen Wandelraums in eine Galerie als Sammlungsgebäude, insbesondere, was den Teil der Gallery betrifft, der vorzugsweise zur Aufbewahrung der Sammlungen der Königin diente.21 20 Für Letzteres spricht, dass die Water Gallery 1694 in einer zweiten Bauphase weiter ausgebaut wurde. 21 Vgl. Hampton Court Palace 1689–1702 (wie Anm. 3), S. 26–29 und 44–45; Colvin, The History of the King’s Works (wie Anm. 3), S. 157–258, und Thurley, Hampton Court (wie Anm. 3), S. 172–173. – Zur Ausstattung mit Porzellan und Delfter Fayencen sowie zu Marias diesbezüglicher Sammlung: Arthur Lane, »Daniel Marot: Designer of Delft Vases and of Gardens at Hampton Court«, in: Connoisseur 123 (1949), S. 19–24; Arthur Lane, »Queen Mary II’s Porcelain Collection at Hampton Court«, in: Transactions of the Oriental Ceramic Society 25 (1949–1950), S. 21–31; John Ayers, »The ceramics surviving at Hampton Court«, in: Apollo (August 1994), S. 50–54, und A. M. Louise E. Erkelens, ›Delffs Porcellijn‹ van koningin Mary II. Ceramiek op Het Loo uit de tijd van Willem III en Mary II, Ausst.-Kat. Apeldoorn, Zwolle 1996; zur weiteren Ausstattung und den beteiligten Künstlern siehe u. a.: Marianna Takács, »Néhány adalék Bogdány Jakab és Stranover Tóbiás angliai müködéséhez«, in: Müvészettörténeti érte-
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Die Schönheitengalerie war in dem auf der Flussseite gelegenen Pavillon untergebracht, in dem »great room next the Thames« – einem der beiden größten Räume der Water Gallery – »opened into a ballcony to the water«. Somit war keineswegs eines der kleinen Kabinette mit den Frauenporträts ausgestattet, sondern einer der großen repräsentativen Räume, der direkt auf den traditionellen Zugangsweg nach Hampton Court hin ausgerichtet war und möglicherweise als Empfangsraum für die auf der Themse Ankommenden diente.22 Die Gemälde waren hier wahrscheinlich in eine wandfeste Dekoration eingelassen,23 zumindest aber auf eine festgelegte Hängungssituation hin zugeschnitten, wofür nicht nur die bereits erwähnte Erweiterung des Bildnisses der Isabella Bennet, sondern auch das etwas schmalere Format der Porträts von Diana de Vere und Mary Bentinck spricht. Die Bildanlage der Hampton Court Beauties ist ganz auf diese landschaftlich besondere Situierung der Galerie mit ihrem Blick auf Land und Wasser hin ausgerichtet: Die Frauen sind im Bildraum mehrheitlich an einer Nahtstelle zwischen Innen und Außen platziert, der Ausblick öffnet sich auf eine Landschaft oder – bei Mary Bentinck – auf ein Schiff in der Ferne einer Wasserfläche, und auch die modifizierende Übernahme des pastoralen Motiv– und Identifikationsrepertoires von van Dyck und Lely dient dieser Intention.24 Die Water Gallery war also mehr als eine maison de plaisance der Königin Maria: Die Gallery fungierte gleichzeitig als Sammlungsgebäude, in dem – sítö 37 (1988), S. 194–202 (Bogdány wurde 1694 für Malereien im Spiegelkabinett bezahlt) und Adriana Turpin, »A table for Queen Mary’s Water Gallery at Hampton Court«, in: Apollo ( Januar 1999), S. 3–14. – Zur Sammlungs- u. Geschmackskultur in England unter Königin Maria II. und König Wilhelm III. allgemein vgl.: Paintings from England. William III and the Royal Collections, hrsg. von Rieke van Leeuwen, Ausst.-Kat. Den Haag 1988; Lois G. Schwoerer, »The Queen as Regent and Patron«, in: The Age of William III & Mary II. Power, Politics, and Patronage 1688–1702, hrsg. von Robert P. Maccubbin und Martha Hamilton-Phillips, Ausst.-Kat. Williamsburg et al. 1989, S. 217–224, und Martha Hamilton-Phillips, »Painting and Art Patronage in England«, in: ebd., S. 244–258. 22 Die mangelhafte Quellensituation, vor allem das Fehlen von Ansichten aus dieser Bauphase, verhindert genauere Aussagen hierzu. Die jüngste Übersicht über das Gebäude auf der Grundlage der vorhandenen schriftlichen Überlieferung bietet Thurley, Hampton Court (wie Anm. 3), S. 172–173. Thurley geht davon aus, dass die Königin die Water Gallery im Wesentlichen zum Speisen nutzte. 23 Die wandfeste Dekoration war nach den erhaltenen Rechnungen eher schlicht gehalten; für den great room sind u. a. »Italian Picture frame Mouldings with 3 Inrichments« über zwei Kaminstücken überliefert (vgl. Colvin, The History of the King’s Works [wie Anm. 3], S. 157 f.). 24 Diese wichtigen Beobachtungen bei Tasch, Studien zum weiblichen Rollenporträt in England (wie Anm. 12), S. 73 und S. 75.
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soweit ersichtlich – die Gegenstände vor allem nach ihrer materiellen Beschaffenheit arrangiert waren, und repräsentierte so den Sammlungsuniversalismus einer fürstlichen Kunstkammer. Bei der Auswahl der Objekte (vor allem Ostasiatika, Lack und Porzellan) war offenkundig die niederländische Sammlungskultur und Geschmacksbildung infolge der 1677 geschlossenen Ehe der Fürstin mit dem oranischen Prinzen Wilhelm maßgebend. Unter Umständen ist der Auftrag für die Schönheitengalerie ebenfalls aus einer englisch-niederländischen Traditionsbildung heraus zu verstehen. Dass in dem prestigeträchtigen Sammlungsprojekt der neuen Königin, das zu diesem Zeitpunkt noch kein Äquivalent in England hatte, die Gattung der Malerei im Wesentlichen durch die Schönheitengalerie Knellers repräsentiert wurde, zeigt den Stellenwert, den diese Sammlungsform um 1700 beim englischen Fürstenhaus einnahm. Aufgrund der Funktion des Gebäudes als maison de plaisance und auch wegen seiner aufwendigen Ausstattung hat die Forschung Bezüge zum Trianon de Porcelaine in Versailles gesehen und der Water Gallery einen bedeutenden Platz in der Entwicklungsgeschichte der maison de plaisance zwischen Trianon und den Parkbauten des deutschen Rokoko zugewiesen.25 Selbst wenn man die Funktion der Water Gallery auf den einer maison de plaisance reduziert und den Aspekt der Nutzung als Sammlungsgebäude unberücksichtigt lässt, ist dies nicht ganz stichhaltig. Queen Mary begibt sich mit ihrer Nutzung des Gebäudes als Ort des Rückzugs vom offiziellen Hauptschloss in eine eingeschränkte Öffentlichkeit nicht etwa in die Tradition des Versailler Trianons, sondern setzt eine Nutzung fort, die durch eine vorhergehende Bewohnerin installiert wurde: Bereits für Barbara Villiers, die Mätresse Karls II., wurde ein neuer Balkon angebaut und 1663 eine »Milchwirtschaft« 25 Downes, English Baroque Architecture (wie Anm. 3), S. 41, und Tasch, Studien zum weiblichen Rollenporträt in England (wie Anm. 12), S. 71. Nach dem Abriss der Thames Gallery wurde von dem Architekten William Talman um 1700 ein neuer Pavillon u. a. in der Achse des Schlosses jenseits des Flusses geplant, aber nicht realisiert. Es ist nicht gesichert, ob diese so genannten »Trianon«-Projekte überhaupt die Funktionen der alten Water Gallery übernehmen sollten, auch wenn von dieser altes Baumaterial wieder verwendet werden sollte. Zu den diesbezüglichen Plänen vgl. John Harris, »The Hampton Court Trianon Designs of William and John Talman«, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 23 (1960), S. 139–149; Downes, English Baroque Architecture (wie Anm. 3), S. 41–42, und Colvin, The History of the King’s Works (wie Anm. 3), S. 167. – Die Definition einer maison de plaisance bezieht sich hier nicht auf das umfassendere Verständnis des Begriffs, den Katharina Krause – als Ort der Villeggiatur – aus der Betrachtung der Ile-de-France im 17. Jahrhundert gewonnen hat, sondern auf einen u. a. zu Wohnzwecken dienenden Pavillon als Satellit einer größeren Schlossanlage. Vgl. Katharina Krause, Die Maison de plaisance. Landhäuser in der Ile-de-France (1660–1730), München/Berlin 1996 (= Kunstwissenschaftliche Studien, Bd. 68), S. 8–9.
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Abb. 5 The King’s Private Dining Room, Hampton Court, © Historic Royal Palaces, Photo: Robin Forster 2004, mit freundlicher Genehmigung.
eingerichtet.26 Angrenzende Türme aus der Tudorzeit wurden als Sommerhäuser, einer möglicherweise als Badehaus genutzt.27 Somit war außer einer nicht nachzuweisenden früheren Nutzung als Sammlungsraum nahezu das gesamte Nutzungsprofil der Water Gallery durch die Mätresse Karls II. vorgebildet. Wenn an einer Funktionsbestimmung als »Trianon« festgehalten werden soll, so nur als ein »Trianon«, das zeitlich dem Versailler Trianon vorausgeht. Diese Tradition in der Nutzung der Water Gallery durch eine Frau in bevorzugter Stellung am Hof – durch eine Mätresse und später durch eine legitime Köni26 Dieses Phänomen, das häufig dem 18. Jahrhundert als Symptom eines Eskapismus »zurück zur Natur« zugewiesen wird, sollte stärker innerhalb der höfischen Festkultur des 17. Jahrhunderts gesehen werden: Karl II. hielt beispielsweise Kühe im St. James’s Park, deren Milch er mit Wein mischte. Vgl. Jacques, »The history of the Privy Garden« (wie Anm. 19), S. 26. 27 Vgl. ebd. – Das Appartement der Duchess von Cleveland befand sich im Südosten des Palastes.
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gin – zeigt auf, wie die höfische Kultur der Restaurationszeit quasi bruchlos in die Regierungszeit Marias II. und Wilhelms III. übergeht. Nach dem Tod der Königin 1694 ruhten die Bautätigkeiten in Hampton Court für einige Jahre. Ab 1697 wuchs das Interesse Wilhelms III. an dem Projekt, und die Königswohnung im Südflügel wurde fertig gestellt.28 Das Staatsappartement des Königs nimmt die gesamte Breite des Obergeschosses nach Süden hin ein, darunter befindet sich im Erdgeschoss das private Appartement Wilhelms mit der Orangerie. Der westlichste dieser Räume ist der Private Dining Room, wohin der König die Hampton Court Beauties nach dem Abriss der Water Gallery 1700 verbringen ließ (siehe Abb. 5). Wieder ist es Celia Fiennes, die einen der frühesten Berichte über das neue Appartement überliefert (ca. 1701/03): »[...] out of the cloysters you enter the private appartment under the chambers of the private lodgings, where is an anty-room full of cane chaires; next is the constant dineing-roome where are hung all the pictures of the Ladyes of the Bed Chamber in Queen Maryes time that were drawn by Nellor and were then hung in the Water Gallery before that was pulled down; within this is a drawing room with pictures – I think here was the old Queen Mother [sc. Henrietta Maria] with some of her Children over the Chimney – this appartment goes out into a tarress walk of gravel and so into the flower garden […].«29
Fiennes betrat das Privatappartement durch das Speisezimmer von den Innenhöfen her; Wilhelm III. stand am Ende seiner offiziellen Raumfolge im Obergeschoss – anschließend an das Kabinett – eine private Hintertreppe zur Verfügung, über die er in das Erdgeschoss gelangen konnte. Die privaten Räumlichkeiten des Königs verteilten sich zu gleichen Teilen auf beide Enden der lang gestreckten Galerie: Von der Hintertreppe gelangte man in drei Closets, die ebenfalls – in des Königs Abwesenheit – durch den Earl von Albemarle genutzt werden konnten und als Malereikabinette eingerichtet waren. Das Staatsappartement im Obergeschoss zeigte eine Auswahl von Mitgliedern der Stuart-Dynastie, die beispielsweise im East Closet des privaten Appartements mit van Dycks Ölskizze zum Reiterporträt Karls I. ihre Fortsetzung fand. Der intimere Modus der Ölskizze koinzidiert hier mit dem privaten Charakter der Räumlichkeit. Insgesamt zeugt die Auswahl an Porträts in den Königsappartements von dem Versuch, den Oranier in einer legitimen 28 Vgl. zuletzt Simon Thurley, »The building of the King’s Apartments«, in: Apollo (August 1994), S. 10–20, und Thurley, Hampton Court (wie Anm. 3), S. 193–199. 29 Fiennes, The Journeys (wie Anm. 4), S. 356–357.
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Nachfolge der Stuart-Monarchie zu präsentieren. Wenn die Beobachtung von Fiennes zutrifft, wurde das Ausstattungskonzept der Kabinette – mit einem Porträt der Gemahlin und der Kinder Karls I. – im Private Drawing Room am anderen Ende der Orangerie weitergeführt.30 Die Wohnräume sind durchgehend vertäfelt; in der offiziellen Raumfolge dominieren allerdings Tapisserien und Wandbehänge, wogegen in den Privaträumen das Holz als Träger des kleinteiligeren Gemäldebestands eine größere Rolle spielt.31 Die Gemäldeausstattung des Private Dining Room differiert somit in mehrfacher Hinsicht von der des übrigen Appartements: Dem Bildprogramm liegt weder – abgesehen von der Demonstration höfischer Kontinuität – eine politische Ikonographie zugrunde, noch handelt es sich um eine Ansammlung alter Meister, die auch nach künstlerischen Kriterien ausgewählt wurden, wie in den vorhergehenden Räumlichkeiten. Die Datierung der Ausstattung des Dining Room lässt darauf schließen, dass die Wandtäfelung eigens für die Aufnahme des Porträtzyklus angepasst werden konnte.32 Es liegt nahe, dieses Esszimmer – mit seinem spezifischen, aus den Porträts der Hofdamen der verstorbenen Königin bestehenden Bildprogramm – als einen fast schon in modernem Sinne privaten Memorialraum Wilhelms III. zu deuten – ›privat‹ zumindest im Sinne von reduziert öffentlich.33 Zu den acht ganzfigurigen Bildnissen Knellers kam hier noch das halbfigurige Bildnis der Mrs. Lawson von Wissing als Kaminstück. Unter Königin Anna wurde dieses jedoch durch ein anderes Frauenporträt – vermutlich ein
30 Im Gegensatz zu den übrigen Räumen ist die Ausstattung dieses Raumes nur ungenügend überliefert. 31 Vgl. zu Überlieferung, Rekonstruktion und Deutung des Gemäldebestands des Königsappartements: Susan Jenkins, »A sense of history. The artistic Taste of William III«, in: Apollo (August 1994), S. 4–9. – Es gibt allerdings dokumentarische Hinweise (von Januar 1700) auf Wandbehänge im Private Eating Room (vgl. Susan Jenkins, »William III at Hampton Court. The King’s private eating room«, in: Apollo (November 1993), S. 311–315, hier: S. 314, Anm. 24). Wie dies mit dem Bildzyklus der Hampton Court Beauties in Übereinstimmung zu bringen ist, ist unklar. Möglicherweise hingen die Bilder über den Textilien, oder die Behänge wurden durch die Bilder ersetzt. 32 Vgl. zu den Daten der Ausstattung: Jenkins, »The King’s private eating room« (wie Anm. 31). 33 Die lange und aufrichtige Trauer Wilhelms III. um seine Gattin ist durch eine ganze Reihe zeitgenössischer Zeugnisse belegt. Nicht nur der große Einschnitt in das Bauprogramm von Hampton Court, sondern auch der Bruch mit seiner langjährigen Mätresse Elizabeth Villiers zu diesem Zeitpunkt und einige persönliche Zeugnisse sind Anzeichen hierfür. – Vgl. Schwoerer, »The Queen as Regent and Patron« (wie Anm. 21), S. 223–224.
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Bildnis Wissings von Königin Maria34 – ersetzt und das Porträt der Mrs. Lawson den Windsor Beauties bei ihrer Überführung aus dem Prinzessinnen- in das Staatsappartement von Windsor hinzugefügt.35 Dies zeigt nicht nur die Kompatibilität der beiden Schönheitengalerien, sondern auch die Konkurrenz zwischen beiden Serien oder vielmehr zwischen ihren Besitzerinnen auf. Die Hampton Court Beauties sind somit nicht allein ein Äquivalent zu den Windsor Beauties – und Königin Maria ist nicht nur Auftraggeberin in imitatio ihrer Mutter Anne Hyde: Der Auftrag sollte vermutlich auch Queen Mary in den Besitz einer eigenen Schönheitengalerie bringen und die ältere Serie Lelys im Anspruch übertreffen – jene ältere Serie, die sich im Besitz ihrer – ungeliebten – jüngeren Schwester Prinzessin Anna befand.36 Der Besitz der Serie als ›Erbe‹ Jakobs II. konnte somit in diesen ersten schwierigen Jahren der noch nicht gesicherten Legitimität des neuen Herrscherpaares von symbolischer Bedeutung sein. Die Rezeption der Hampton Court Beauties löste sich bald vom höfischen Entstehungskontext und richtete sich auf das durch diese Porträts verkörperte Schönheits- und Weiblichkeitsideal. Kneller selbst sah in den Bildnissen offenkundig ideale Beispiele seiner Bildnismalerei: Ergänzt um weitere Frauenporträts hingen in seinem Landhaus in Whitton »12 small Copies in oyl. ye beauties of Hampton Court«.37 Für Daniel Defoe waren die Porträts »the more beautiful sight, because the originals where all in being, and often to be compared with their pictures« (s. o.), er bezog also sein ästhetisches Vergnügen noch aus dem Vergleich zwischen Abbild und Wirklichkeit. Ein halbes Jahrhundert später repräsentierte die Porträtserie vor allem eine ideale Konzeption weiblicher Schönheit, besonders auch als Habitus- und Bewegungsideal: Henry Fielding zitierte die Beauties als visuelle Metapher, als er in Tom Jones die Eigenschaften der Sophie Western beschrieb: »She was most like the picture of Lady Ranelagh« (vgl. Abb. 2).38 34 Millar, The Tudor, Stuart and Early Georgian Pictures (wie Anm. 8), S. 139, Kat.-Nr. 324. 35 Zur Hängung vgl. das Inventar »A List of Her Majesties Pictures in Kensi[n]gton Hampton Court and Windsor Castle« von 1705/10 im Royal Collection Trust, Surveyor’s Office, St. James’s Palace, Stable Yard House, London, ohne Signatur, Nr. 96–103. 36 Die Beziehungen zwischen dem Königspaar und der voraussichtlichen Thronerbin Anna waren äußerst gespannt, was auch im unvermeidbaren täglichen Umgang zu Problemen führte. Vgl. u. a. Jenkins, »The King’s private eating room« (wie Anm. 31), S. 314. 37 George Vertue, Note Books, 6 Bde., Oxford 1930–1955 (= Walpole Society, Bd. 18, 20, 22, 24, 26, 29, 30), Bd. 2, S. 68. 38 Zitiert nach Millar, The Tudor, Stuart and Early Georgian Pictures (wie Anm. 8), S. 148, Kat.-Nr. 356. – Eine deutsche Ausgabe nach der Übersetzung von Bode hat diesen Ver-
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Defoe dagegen rezipierte um 1700 die Schönheitengalerie von Hampton Court noch im tradierten Sinn eines Länderparagone, nur dass die verschiedenen Nationen und Regionen nicht in einer Galerie versammelt waren. Bei seiner Beschreibung von Windsor bemerkt er zu einem Porträt der Louise de Kéroualle, Duchess von Portsmouth, der aus Frankreich stammenden Mätresse Karls II.: »[…] of which ’twas said, King Charles II. should say, ’Twas the finest Painting, of the finest Woman in Christendom; but our English Ladies of Queen Mary’s Court, were of another Opinion, and the Gallery of Beauties, […] which her Majesty placed in the Water Gallery at Hampton Court, shews several as good Faces, and as good Painting.«39
Abschließend sei die Problematik der Funktion einer solchen Schönheitengalerie innerhalb der höfischen Gesellschaft anhand einer angeblichen Beurteilung Wilhelms III. über die Porträtgalerie seiner Gemahlin in der Water Gallery verdeutlicht. In den Anecdotes of Painting berichtet Horace Walpole über den Auftrag zu den Hampton Court Beauties durch Königin Maria und die angebliche Reaktion Wilhelms III. darauf: »They were painted in his reign, but the thought was the queen’s, during one of the king’s absences; and contributed much to make her unpopular, as I have heard from the authority of the old Countess of Carlisle [sc. Schwägerin der Hampton Court Beauty Mary Bentinck], daughter of Arthur, Earl of Essex, who died within these few years, and remembered the event. She added, that the famous Lady Dorchester advised the queen against it saying, ›Madam, if the King were to ask for the portraits of all the wits in his court, would not the rest think he called them fools?‹«40 gleich dann bezeichnenderweise herausgekürzt. Vgl. Henry Fielding, Tom Jones. Roman. Nach der Übersetzung von J. J. Chr. Bode, bearbeitet von Fritz Güttinger, Zürich 1995. 39 Zitiert nach Millar, The Tudor, Stuart and Early Georgian Pictures (wie Anm. 8), S. 147. – Zur hier zum Ausdruck kommenden komparativen Rezeptionsweise in der Tradition des 16. und 17. Jahrhunderts vgl. Wenzel, Heldinnengalerie (wie Anm. 1), S. 165–180, 190–220, und ders., »Frauengalerien im Kontext der enzyklopädischen Porträtsammlung in den Kunst- und Wunderkammern – die Beispiele München und Innsbruck«, in: (En) gendered: Frühneuzeitlicher Kunstdiskurs und weibliche Porträtkultur nördlich der Alpen, hrsg. von Simone Roggendorf und Sigrid Ruby, Marburg 2004, S. 87–110. 40 Horace Walpole, Anecdotes of Painting in England, 3 Bde., London 1888, Bd. 2, S. 206– 207, Anm. 2. – Zum Begriff der wits als Bezeichnung eines sozialen Typus bzw. einer sozialen und literarischen Gruppe im ausgehenden 16. und im 17. Jahrhundert vgl. Michelle O’Callaghan, The English Wits. Literature and Sociability in Early Modern England, Cambridge u. a. 2007, S. 44–49, bes. S. 45: »The ›wits‹ were part of a complex habitus made
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Walpole gibt einen nach vielen Jahren aus der Erinnerung niedergeschriebenen Bericht einer anderen Person wieder, der zudem noch die Aussage einer weiteren Person enthält. Warum soll der Auftrag zur Schönheitengalerie von Hampton Court Königin Maria »unbeliebt« gemacht haben, und wenn ja, bei wem? Aus dem Fortgang der Anekdote wird deutlich, dass dies zuerst nur der König, dann aber auch ihr eigener weiblicher Hofstaat gewesen sein kann. Als Grund möchte man zunächst den vielleicht eigenmächtigen Umbau und die Ausstattung der Water Gallery mit der Hampton Court-Serie durch Mary annehmen, aber aus der Aussage der Lady Dorchester geht eindeutig hervor, dass die Porträts selbst und noch mehr die darin Dargestellten Anlass für den angeblichen Unmut Wilhelms III. gewesen sein müssen. Der wesentliche Kritikpunkt lag in der notgedrungen vorgenommenen Auswahl an Hofdamen für die Galerie, wodurch natürlich eine Zurücksetzung anderer weiblicher Mitglieder ihres Hofes verbunden war. Ein bewährtes Mittel des frühneuzeitlichen Hofes, das der Gunstbezeugung, hatte hier offenbar zu Spannungen innerhalb des Londoner Hofes geführt, die entgegen dem Zweck einer solchen Maßnahme die Herrschaftsausübung erschwerten anstatt erleichterten und den König mit unerwarteten Problemen belasteten. Das Gegensatzpaar wits und fools kann aber auch als ironische Anspielung auf die ›Nichtigkeit‹ einer solchen an Schönheit und öffentlicher Stellung von Frauen orientierten Porträtgalerie gelesen werden – ganz im Sinn der neuen, angeblich durch die Anglo-Dutch Revolution vermittelten bürgerlichen Moralund Wertvorstellungen. Dann aber hätte, wenn man der hier angezweifelten, ›bürgerlichen‹ Lesart der englischen Porträtmalerei des ausgehenden 17. Jahrhunderts folgen würde, der Porträtstil Knellers als Transportmittel dieser nach der Revolution angeblich vorherrschenden Ideologie vollständig versagt, wobei dieses Argument schon aufgrund des anhaltenden Erfolgs des Malers ohne jede Überzeugungskraft ist. Und warum hätte sich Wilhelm III. nach dem Tod seiner Gemahlin in seinem Private Dining Room mit den Porträts von »all the wits of his court« umgeben sollen, wenn diese nicht eine zentrale Funktion an seinem Hof eingenommen hätten? Die moralische Differenzierung zwischen den Frauenporträts Knellers und Lelys ist also allenfalls graduell aufrechtzuerhalten, aber in keiner Weise im Sinne einer Unterscheidung zwischen sinnlicher Verführung durch die Restauration versus augusteische Strenge nach 1688/89. up of shared linguistic codes, rules of behavior and social communication, leisure pursuits, taste in objects, songs, and ways of dressing.« – Die Gleichsetzung der Dargestellten einer Porträtgalerie mit den wits durch Lady Dorchester meint nicht die Zuordnung derselben zu einer bestimmten literarischen Gruppe, sondern nur, dass sich der Auftraggeber einer solchen Galerie ähnlicher Verfahren von Inklusion und Exklusion bediene.
Helga Meise
Das Schloss als Handlungsspielraum Landgräfin Elisabeth Dorothea von Hessen-Darmstadt, geb. Herzogin von Sachsen-Gotha (1640–1709)
Als Elisabeth Dorothea von Sachsen-Gotha (1640–1709) als zweite Gemahlin Landgraf Ludwigs VI. von Hessen-Darmstadt (1630–1678) zu Beginn des Jahres 1667 in Darmstadt einzog, setzte der Hof auf das Ende der Trauer, die Ludwig VI. seit dem Tod Maria Elisabeths, geb. von Schleswig-HolsteinGottorf (1634–1665), seiner ersten Gemahlin, 1665 trug. Dass die neue Landgräfin sich keineswegs damit begnügen sollte, lediglich ein fehlendes Glied in der »Verkettung«1 des Fürsten zu ersetzen, sondern sowohl aus dem Schatten ihrer Vorgängerin als auch aus dem ihres Gemahls treten würde, wurde beim Tode Ludwigs VI. im Jahr 1678 und dem seines Nachfolgers nur vier Monate darauf auch reichsweit bekannt, in dem Augenblick nämlich, als Elisabeth Dorothea entschlossen und wohlberaten die vormundschaftliche Regierung für ihren eigenen, noch unmündigen Sohn Ernst Ludwig übernahm.2 In den 10 Jahren ihrer Regentschaft, bis zur Volljährigkeit des Sohnes 1688, setzte sie die finanzielle Konsolidierung der Landgrafschaft ins Werk, eine Leistung, die von der historischen Forschung erst in Ansätzen zur Kenntnis genommen worden ist.3 1 Vgl. dazu Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie. Mit einer Einleitung: Soziologie und Geschichtswissenschaft, Frankfurt am Main 1983, S. 178–222. 2 Helga Meise, »›habe ich die politica bei H. Richter angefangen‹. Herrschaftsalltag und Herrschaftsverständnis der Landgräfin Elisabeth Dorothea von Hessen-Darmstadt (1640–1709)«, in: Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 28: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht, hrsg. von Heide Wunder, Berlin 2002, S. 113–135. 3 Jürgen R. Wolf, »Joseph Süß Oppenheimer (›Jud Süß‹) und die Darmstädter Goldmünze. Ein Beitrag zur hessisch-darmstädtischen Finanzpolitik unter Landgraf Ernst Ludwig«, in: Neunhundert Jahre Geschichte der Juden in Hessen. Beiträge zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben, hrsg. von Christiane Heinemann, Wiesbaden 1983 (= Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, Bd. 6), S. 215–263, hier: S. 220.
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Die eigenhändigen Schreibkalenderaufzeichnungen der Fürstin, die sie 1656, im Alter von 16 Jahren, beginnt und mit absoluter Regelmäßigkeit über 53 Jahre hinweg bis zu ihrem Tode 1709 fortführt,4 belegen, dass und in welcher Weise das Schloss Handlungsspielraum für Elisabeth Dorothea ist. Das Schloss, so möchte ich in einem ersten Abschnitt zeigen, ist zu allererst Gegenstand der eigenen Arbeit. Gleichzeitig ist es immer auch, wie der zweite und der dritte Abschnitt verfolgen, Mittel von Selbstdarstellung und Selbsttechnik. Der stete Ausbau des Innenraums soll die Repräsentation der Bewohnerin sichern, kehrt sich aber in der Witwenschaft zunehmend gegen sie: Die in eben diesem Innenraum nach der neuesten Mode errichteten »Gehäuse«5 – gemeint sind Alkoven, Cabinet und Retirade – tragen nicht länger zur Steigerung ihres Prestige bei, sondern müssen vor Statusverlust und Identitätskrise Schutz bieten. Handlungsspielraum und Verbarrikadierung fallen in eins, Abkapselung und Ausschluss setzen die Fürstin schachmatt. Das Schloss – Vergegenständlichung der eigenen Rolle in »guter Ordnung«6 und Arbeit Elisabeth Dorothea, geboren 1640 als ältestes von insgesamt 18 Kindern Ernsts I. von Sachsen-Gotha (1601–1675) und seiner Gemahlin Elisabeth Sophia von Sachsen-Altenburg (1619–1680), bringt eine Mitgift in die Ehe mit, die als Unterbau der folgenden Ausführungen immer mitgedacht werden muss. Kindheit und Jugend der Herzogin sind ganz und gar von den politischen Ordnungsbestrebungen des Vaters geprägt, des »zu einem protestantischen Heiligen verklärten […] und Muster des guten deutschen Landesfürsten schlechthin«.7 In Darmstadt setzt Elisabeth Dorothea die Methoden 4 Die Schreibkalender werden im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt (StAD) aufbewahrt, Großherzogliches Hausarchiv, D 4 Nr. 254/3–258/7: 1656–1709, 1685 und 1700 fehlen. Alle im Folgenden angeführten Zitate stammen aus diesem Bestand, werden aber lediglich unter dem Datum angeführt. Vgl. zu Elisabeth Dorothea und ihren Schreibkalendern auch Helga Meise, Das archivierte Ich. Schreibkalender und höfische Repräsentation in Hesse-Darmstadt 1624–1790, Darmstadt 2002 (= Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission Neue Folge, Bd. 21), S. 346–474. 5 Michael Stürmer, »Gehäuse der höfischen Gesellschaft. Ein Forschungsbericht«, in: Zeitschrift für historische Forschung 7 (1980), S. 219–228. 6 Der Begriff »gute Ordnung« findet sich bei Veit Ludwig von Seckendorff, Teutscher Fürsten Stat, Franckfurt am Mayn 1675, S. 11, 207–238. 7 Robert Lieb, »Erziehungspraxis am Hof Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha am Beispiel der Ausbildung seines Sohnes Albrecht vom Juni 1664 bis März 1665«, in:
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des Vaters, die genaue Regelung aller Verrichtungen durch Verordnungen und die parallel dazu vorgenommene Inventierung aller Handlungen und Güter, um, wie sich in allen Lebensphasen von neuem zeigt. Die Herzogin ist bereits 26 Jahre alt, als sie 1667 in Darmstadt einzieht. Ihre Rolle als ›fürstliche Landesmutter‹ nimmt sie unmittelbar in Angriff. Weisen die ersten zehn Kalender, die Elisabeth Dorothea bereits in Gotha geführt hatte, noch große Lücken auf,8 so geht sie nun zur absolut lückenlosen Verzeichnung über. Sie kommt mit dem Platz, den ihr die Quartkalender bieten, zunächst aus, legt aber schon bald freie Schreibseiten ein und greift ab 1671 ausnahmslos zu Kalendern mit Durchschuss. Was sie fortan verzeichnet, lagert sich an zwei Themen an: die Einnahme der Mahlzeiten und die Verrichtung der eigenen Frömmigkeitsübungen. Während der Ehe kommt es lediglich einmal zu einer Unterbrechung der Aufzeichnungen, und zwar im Sommer 1670 bei der dritten Niederkunft Elisabeth Dorotheas, der Geburt von Zwillingen: »Mi., den 6.[7.1670] befund mich die gantze Nacht vorher nicht wohl, ließ frü Morgens um 4 die Hebamme hohlen, um 6 ließ ich den Schirm und Wochenbett in mein Gemach schlagen, um 8. ging die Predigt an, ich kahm aber nicht in die Predigt, um 12. zu mittag begab ich mich aufs Wochenbett, kahm die Frau Mutter und andere Weiber zu mir, halbe zwei nachmittag bescherte mir Gott eine junge Dochter wurde auch gleich gedauft und Sophia Louissa genennet, hernacher noch den gantzen Tag und Nacht in gar hartten und gefährlichen Kindsbanden;
Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 35 (1990), S. 165–222, hier: S. 167. Vgl. auch Andreas Klinger, Der Gothaer Fürstenstaat. Herrschaft, Konfession und Dynastie unter Herzog Ernst dem Frommen, Jena 2002; Veronika Albrecht-Birkner, Reformation des Lebens. Die Reformen Herzogs Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha und ihre Auswirkungen auf Frömmigkeit, Schule und Alltag im ländlichen Raum (1640–1675), Leipzig 2002 (= Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie, Bd. 1). Zu Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg (1646–1691), Elisabeth Dorotheas jüngerem Bruder und Nachfolger des Vaters, vgl. Friedrich I. von SachsenGotha und Altenburg. Tagebücher 1667–1686, 3 Bde., hrsg. von Roswitha Jacobsen unter Mitarbeit von Juliane Brandsch, Weimar 1998, 2000, 2003 (= Veröffentlichungen aus Thüringischen Staatsarchiven, Bd. 4/1–3); dies., »Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg 1674/75–1691«, in: Herrscher und Mäzene. Thüringer Fürsten vom Hermenefred bis Georg II., Rudolstadt und Jena 1994, S. 223–241; dies., »Fürstenfreundschaft. Landgraf Ludwig VI. von Hessen-Darmstadt und Herzog Friedrich I. von SachsenGotha und Altenburg in ihren Selbstzeugnissen«, in: Ars et Amicitia. Festschrift für Martin Bircher zum 60. Geburtstag, hrsg. von Ferdinand van Ingen und Christian Juranek, Amsterdam 1998 (= Chloe, Bd. 28), S. 475–503. 8 Meise, Das archivierte Ich (wie Anm. 4), S. 347–356.
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Do., den 7.[7.1670] früh morgens um 1. gelag ich mit einem doten Sohn, schickte die Frau Mutter nach meinem Herrn, spätabends den 9. kahm mein hl. Herr abends um 9 Uhr von Stuckgart wieder her; Fr., den 15.[7.1670] Kahm der Hertzog von Holstein-Wießingsburg9 anhero, nachmittags aber wieder weg, abends halbeng 10. wurde mein totes Söhngen in der Stille beygesetzet; Do., den 21.[7.1670] zog mein Herr früh morgens um 4. mit der Frau Mutter nach Kranichstein, kahmen abends um 6. Uhr wieder herüber.«
Erst nach drei Wochen, am 13. August, setzt die regelmäßige Verzeichnung wieder ein: »Sa., den 13.[8.1670] ließ ich den Schirm aus meinem Gemach thun und aufreumen; So., den 14.[8.1670] hielt ich meinen christlichen Kirchgang; Mo., den 15.[8.1670] nehete ich vor und nachmittags, schrieb nach Gotha.«
Aber der Übergang zur absolut lückenlosen Aufzeichnungen ist definitiv.10 Die beiden Stichworte »Kirchgang« und »nehen« zeigen an, dass die Fürstin ihr Tagwerk wieder aufnimmt, die Sorge für die »Ökonomik«.11
9 Philipp Ludwig von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Wiesenburg (1620–1689). 10 Nur noch zweimal werden Unterbrechungen eintreten, einmal im Oktober/November 1684 in Folge einer Krankheit, sodann vom 21.–31. Dezember 1696. Es ist anzunehmen, dass das Schreibpapierdoppelblatt für den Rest des Jahres 1696 eingelegt war, aber verloren ging. 11 Zum zeitgenössischen Verständnis von Johann Colers (1566–1639) Oeconomia Oder Hausbuch von 1593/1601 bis zu Wolf Helmhard von Hohbergs (1612–1688) Georgica curiosa von 1682 und Franz Philipp Florins (?1630–1703) Oeconomus prudens et legalis. Oder Allgemeiner Klug- und Rechts-Verständiger Haus-Vatter von 1702 bzw. dessen Oeconomus prudens et legalis Continuatus. Oder Grosser Herren Stands und Adelicher Haus-Vatter von 1722 vgl. Irmintraud Richarz, Oikos, Haus und Haushalt. Ursprung und Geschichte der Haushaltsökonomik, Göttingen 1991, S. 137 ff.; zu den – erst später einsetzenden – Debatten um die Ökonomie eines Hofes und die finanziellen und ökonomischen Kosten des Hoflebens, vor allem den »negativen Folgen höfischer Repräsentation«, vgl. Volker Bauer, »Zeremoniell und Ökonomie. Der Diskurs über die Hofökonomie in Zeremonialwissenschaft, Kameralismus und Hausväterliteratur in Deutschland 1700–1780«, in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hrsg. von Jörg Jochen Berns und Thomas Rahn, Tübingen 1995 (= Frühe Neuzeit, Bd. 25), S. 21–56, hier: S. 23; zum Typ des »hausväterlichen Hofes« vgl. auch Volker Bauer, Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert. Versuch einer Typologie, Tübingen 1993 (= Frühe Neuzeit, Bd. 12), S. 66–70.
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Verrichtungen der Haushaltung12 waren in Gotha nicht verzeichnet worden, halten aber schon bald nach der Ankunft in Darmstadt massiv Einzug in die Schreibkalender. Was erscheint, ist das gesamte Spektrum der Tätigkeiten, die in einem ›fürstlichen‹ Haushalt anfallen. Elisabeth Dorothea hält die Verrichtung der Arbeiten als solche fest sowie die Angelegenheiten, die Frauenzimmer, Kinderstube und Hofstaat betreffen, die dort tätigen Beamten oder Diener sowie die dort gültigen Ordnungen.13 Demgegenüber treten die Beziehungsgeflechte, in denen sie sich bewegt, zurück. Ehemann, Ehe und Familie kommen nur dann vor, wenn Zeit gemeinsam verbracht wird oder wenn für sie zu sorgen ist. Dann heißt es einfach, den Umstand als solchen hervorhebend: ›war mein Herr stehts bei mir‹. Offensichtlich sind Kontakte zu den Kindern selten: Die Landgräfin verzeichnet zwar die Maßnahmen vor der Geburt – »badete ich zum erstenmahl«, »badete wieder«14 – sowie die Begegnungen mit den Kindern: »zu den Kindern«15. Wird Ernst Ludwig, ihr erstgeborener Sohn, in seinen ersten Lebensjahren noch täglich ins eigene Gemach geholt, wo er an den anstehenden Verrichtungen teilhat, wird dies bei den nachfolgenden Kindern nicht mehr festgehalten. Dagegen ist die Aufsicht über die Wäsche der Kinder, die Bestellung von Ammen und Präzeptoren sowie die Einführung der Kinder in den höfischen Alltag und das religiöse Leben beständiges Thema. 12 Die »Ökonomiken« suchen das Wissen um die richtige Führung eines Haushaltes mit dem um die Landwirtschaft zu verbinden, letzteres aber spielt in den Notaten Elisabeth Dorotheas keine Rolle. 13 Vgl. Seckendorff, Fürsten Stat (wie Anm. 6), I, T. 3, Cap. V: Von Bestellung und Verfassung einer Fürstlichen und dergleichen Hof=Statt, S. 576 f.; vgl. dagegen Caroline M. Hibbard, »The Role of a Queen Consort. The Household and Court of Henrietta Maria, 1625–1642«, in: Princes, Patronage, and the Nobility: the Court at the Beginning of the Modern Age, hrsg. von Roland Asch und Adolf M. Birke, Oxford 1991 (= Studies of the German Historical Institute London), S. 393–415. 14 So ab dem 10. April 1669; dem 19. November 1672; dem 26. August 1674; dem 1. April 1676; dem 1. September 1677. 15 Der Vater hatte verordnet: »1. Aufsicht auf die Kinderzucht. Vors erste hätte sie fleißig Aufsicht auf der sämmtlichen Kinder, sonderlich aber der Fräulein und der gar kleinen Auferziehung zu haben: daher sie dann nicht allein oft Erkundigungen darüber einzuziehen, sondern auch selbst zu ihnen zu kommen, und etwan die Woche einmal die Kinderstube zu besuchen und zu vernehmen, wie es in einem und anderem hergebe, und ob auch denen Ordnungen, welche sowohl vor die Kinder als dero Bedienten verfasset sind, eigentlich nachgelebet werde; Zu dem Ende dann Ihro ein kurzer Auszug deren darinnen enthaltenen Puncten verfertiget und zugestellet werden soll.« Zit. nach Herzog Ernst genannt der Fromme zu Gotha als Mensch und als Regent, 3 Bde., hrsg. von Johann Heinrich Gelbke, Gotha 1810, Bd. 3, S. 154.
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Gleichsam jenseits aller Beziehungen hält Elisabeth Dorothea die eigenen, ökonomischen Aktionen fest. Diese dokumentieren ihren Platz an der Seite des Regenten. Die Landgräfin weist sich durch die gewissenhaft verzeichneten Arbeiten selbst – in Analogie zum »Landesvater«16 – als »Landesmutter« aus, ein Begriff, der in einer Verordnung Ernsts I. von Sachsen-Gotha für seine Gemahlin ausdrücklich fällt: Instruction Vor eine Fürstin als Landesmutter was sie bey Hof sowohl bey denen Fürstl[ichen] Kindern und deren Erziehung als auch sonsten zu thun.17 Den Beweis, dass damit eine der Voraussetzungen eines »guten Regiments, eben die rechte Gubernation der Ökonomie«18 erfüllt ist, erbringt die Landgräfin täglich. Ausgangspunkt ist die ›Inventirung‹ der Dinge. Dies betrifft zunächst die, die ihr selbst gehören. »Do., den 8.[6.1671] […] schrieb ich in mein Inventarium; Di., den 22.[10.1672] […] ließ ich in alle in meine Kästen liegenden Sachen inventiren; Mo., den 21.[9.1674] war immer alleine mit meinem Herrn in meinem Gemach, schrieb hernacher in mein Inventarium, schrieb nach Vöhl und Orttenberg; Mi., den 15.[9.1675] […] backete ich meine Sachen aus und legte ein jedes an seinen Ort; 16 Vgl. Paul Münch, »Die ›Obrigkeit im Vaterstand‹ – Zu Definition und Kritik des ›Landesvaters‹ während der frühen Neuzeit«, in: Daphnis 11/1–2 (1982), S. 15–41. Die Verlagerung des Begriffes »Landesvater« auf den des »Hausvaters« vollzieht sich erst bei Florinus, Gotthardt Frühsorge, »Oeconomie des Hofes. Zur politischen Funktion der Vaterrolle des Fürsten im ›Oeconomus prudens et legalis‹ des Franz Philipp Florinus«, in: Daphnis 11/1–2 (1982), S. 41–49, hier: S. 41. 17 Zit. nach Gelbke, Herzog Ernst (wie Anm. 15), III, S. 154–158, hier: S. 154; das Original konnte ich noch nicht einsehen, Gelbke nennt leider kein Datum. – Die Amalgamierung zu der Formel von der »Fürstlichen Hausmutter« erfolgt ebenfalls im Zusammenhang mit der »Staffel Gottvater-Landesvater-Hausvater« und der Rezeption Seckendorffs bei Florinus, vgl. Richarz, Oikos (wie Anm. 11), S. 164 f. – Die Arbeiten Elisabeth Dorotheas entsprechen de facto denen der »Hausmutter« bei Coler, Renate Dürr, »Von der Ausbildung zur Bildung. Erziehung zur Ehefrau und Hausmutter in der Frühen Neuzeit«, in: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, hrsg. von Elke Kleinau und Claudia Opitz, 2 Bde., Frankfurt am Main 1996, Bd. 1, S. 189–207, hier: S. 191. 18 Dass das Gothaer Verständnis vom »Landesvater« durch Seckendorff zusätzlich begründet und abgestützt wird, versteht sich von selbst, Münch, »Obrigkeit« (wie Anm. 16), S. 21; Michael Stolleis, »Veit Ludwig von Seckendorff«, in: Staatsdenker in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Michael Stolleis, München 31995, S. 157: »ein maßstäblich vergrößerter Hausvater, der die ›Ökonomie‹ seiner Mittel zu bedenken hat«; zum Stellenwert von »Oeconomie und Haushaltung« unter Ernst I. vgl. auch August Beck, Ernst der Fromme. Herzog zu Sachsen-Gotha und Altenburg. Ein Beitrag zur Geschichte des 17. Jahrhunderts, 2 T., Weimar 1865, S. 336 f.
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Do., den 16.[9.1675] […] ließ ich meine Bücher aufschreiben … durchging ich mein Inventarium; Mo., den 20.[9.1675] […] ließ mein Inventarium abschreiben; Di., den 21.[9.1675] […] hatte den Heinrich bey mir, daß er das Inventario vollend forttschreibe; Mi., den 10.[1.1677] […] hatte ich den Heinrich aus der Rentkammer bey mir, muste mir mein Inventarium fortschreiben; Mi., den 4.[4.1677] […] ließ meine Sachen vollend aufschreiben; Mo., den 11.[6.1677] […] ließ ich mein Zinnwerck aufschreiben; Di., den 11.[9.1677] […] war ich als alleine, schrieb in mein Inventarium; Fr., den 28.[12.1677] […] ließ ich mein Silbergeschirr aufschreiben.«
Das ›Inventiren‹ erschließt sowohl den eigenen Besitz wie auch das gesamte Schloss. Nach den eigenen Dingen wird der Besitz »meines Herrn« aufgenommen, dann der der sechs noch lebenden Kinder aus der ersten Ehe Ludwigs VI. sowie alles, was sich in den Räumen des Schlosses befindet, vom Keller bis zur Lichtkammer. Erfassung und Haushaltung gehen Hand in Hand: Elisabeth Dorothea ist immer tätig, sie ist überall, in Kinderstube und Frauenzimmer, Küche, Apotheke und Keller, Gewand-, Licht- und Silberkammer. Jedes Ding, von der Kleidung bis zur Vorratshaltung, ist Gegenstand von Arbeit und Zuwendung. Seine Erfassung in einem Bestandsverzeichnis bringt beides, Arbeit und Zuwendung, erst zum Abschluss. Das Schloss als Mittel der fürstlichen Repräsentation Dinge sind nicht nur Gegenstand von »guter Ordnung« und Arbeit, sie sind auch wichtig, weil sie ostentativ sind, zumal wenn sie modisch sind. Neuanschaffungen sind allgegenwärtig: »Mi., den 5.[4.1671] […] ging mit meinem Herrn ins grüne Württemberger Gemach, ließ er die neuen Matratzen ausbacken, die aus Holland kommen waren; Mi., den 6.[9.1671] […] kahm meines Herrn frantzösches Bett mit aller Zugehör von Franckfurth; Do., den 7.[9.1671] Zog mein Herr früh morgens um 5. wieder nach Wembach, War ich den gantzen Vor- und Nachmittag mit Aufschlagung deß frantzöschen Betteß beschäftiget.«
Das Bett wird fortan allen Besuchern vorgeführt, es stellt aus, dass man auf der Höhe der Zeit ist. Ihm treten weitere Objekte an die Seite, moderne
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Möbel, aber auch Bücher, Karten, Kupferstiche. Ökonomische und repräsentative Maßnahmen halten einander durchweg die Waage. Auch in der Regentschaft lässt Elisabeth Dorothea regelmäßig inventieren. Sie kontrolliert Ein- und Ausgaben persönlich, geht täglich »in Rat« und »unterschreibt die Postsachen«.19 Gleichzeitig sitzt sie Malern und der »Wachspoussiererin«,20 schafft Wagen für Reisen an, lässt Silberzeug und Kleidung aus Paris kommen, erwirbt Kupferstücke und Bücher für eine »Kunstkammer«21 und veranstaltet Feste bei Hof. Als die Fürstin 1688, bei Volljährigkeit des eigenen Sohnes, ihren Witwensitz in Butzbach bezieht, kann der Umzug trotz des Vorrückens der Franzosen im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekrieges nach Elisabeth Dorotheas Ordnungsvorstellungen vor sich gehen. Die Herrschaft wird durch Huldigung und Burgfrieden, Hof- und Tafelordnung22 abgesichert. Das Butzbacher Schloss wird Baustelle. Inneres und Äußeres werden um- und ausgebaut, der Stand des Erreichten immer wieder überholt (»5.8.1701. War mit Ordinierung der Gemächer geschäftigt«) und stetig überwacht – auf Runden durch Haus und Hof. In den 1690er Jahren sind »mein Gemach«, »mein neues Vorgemach«, »mein kleines Gemach«, »retirade«, »cabinetgen«, »cammer«, »audientzgemach« und »alcoven«23, »laboratorium«, Bibliothek und Kunstkammer immer wieder Thema. Die Ausstattung – »Stuccaturer«, »gedäfel«, »dapeten«, »boden«, »vergülden« – wird ebenso regelmäßig festgehalten wie die Inneneinrichtung – Teppiche, Vorhänge, Öfen, Stühle, »dischgen«, »gueridons«, Spiegel, Uhren, Bilder. Ein undatiertes, offensichtlich aus der Witwenschaft stammendes Emblemprogramm für eine »Galerie« im Gartenhaus, das ihr der Hofmaler Johann Heinrich Leuchter vorlegt, bezeugt Elisabeth Dorotheas Interesse an Fragen von Raumausstattung und -wirkung zusätzlich.24 Die Sorge, die sie den 19 Vgl. Meise, »hab ich die politica« (wie Anm. 2), S. 119–127. 20 30. Mai 1682, vgl. auch Meise, Das archivierte Ich (wie Anm. 4), S. 417 f. 21 28. Juni 1681, vgl. auch Meise, Das archivierte Ich (wie Anm. 4), S. 418. 22 Meise, Das archivierte Ich (wie Anm. 4), S. 437. Zu Butzbach als kleiner Residenzstadt im Verlauf des 17. Jahrhunderts vgl. auch Holger Th. Gräf, »Arolsen und Butzbach. Beobachtungen zum alten und neuen Typus der kleinen Residenzstadt im Alten Reich«, in: Ein zweigeteilter Ort? Hof und Stadt in der Frühen Neuzeit, hrsg. von Susanne Claudine Pils und Jan Paul Niederkorn, Wien 2005 (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 44), S. 27–55, hier: S. 30–33. 23 Amaranthes, Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon […], Leipzig 1715, Sp. 49: »Alcove, Ist eine unbewegliche Betstadt, oder ein erhöheter und von dem übrigen Platz eines Schlaffgemachs in etwas abgesonderter und durch eine kleine Galerie oder andere Zierrathen abgesonderter Ort, dergleichen sich das Frauenzimmer in ihre Putz und Schlaff-Cammern zum Staat anlegen läßt.« 24 StAD (wie Anm. 4), D 4 Nr. 266/8.
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eigenen Räumen entgegenbringt, überträgt sie überdies auf die Gemächer, die den Gästen vorbehalten sind, allen voran Ernst Ludwig und seinen Kindern. Auch diese werden den neuen Standards öffentlicher und privater Räume angepasst. Wieder werden »alcoven« und »cabinet« genau geplant, wieder sind umfangreiche Um- und Einbauten erforderlich. Wie schon in Darmstadt spielen Schränke und deren Innenleben eine wichtige Rolle: »10.3.1690. […] schlugen die Schreiner meine neuen Schränke in meinem kleinen Gemach auf, ging zu ihnen; 11.5.1690. […] ließ in meine neue Schränke die Nägel zu die Kleider vollend anschlagen; 3.6.1690. […] ließ ich meine Kleider in meine neuen Schränke in meiner retirade hängen; 7.8.1690. […] räumte ich mein großes Contor ein; 24.8.1698. […] Langte ich aus dem Rondeel die Schachtel mit meinen goldenen Sachen; 13.7.1699. […] ließ mein großes Condor durch den Schreiner außbessern […].«
Schellen sind vonnöten: »5.1.1692. […] hatte ich den Schloßer bey mir, mußte mir meine Schellen in meiner Cammer anmachen 1.4.1692. […] hatte ich den Schloßer bey mir, muste mir einen Zug zum Schellen ins Vorgemach in mein Cabinet machen; 2.6.1692. […] mußte mir der Schloßer eine Schelle in mein gemach anmachen; 24.7.1709. […] ging bey die Maurerarbeiter in meiner retirade, hatte allerhand zu thun, hatte den Schloßer bey mich, mußt mir die trätter Zu den Schellen in meiner retirade abmechen, fingen die Maurer an, meine retirade zu dünchen.«
Gitter, Schlösser und Schlüssel sind anzubringen und bereitzustellen: »10.7.1690. […] machte der Schlosser mir die eisernen Stangen an die auswendigen fenster an meinem audientzgemach zurechte; 30.7.1690. […] Kahm der schloßer von darmstadt mit denen schlössern her, fing an, dieselben anzuschlagen; 1.8.1690. […] war der Schloßer von darmstadt die gantze zeit Wieder über denen Thüren in meinem audientzgemach; 2.8.1690. […] Wurd der Schloßer von Darmstadt mit allen Thüren fertig; 11.12.1690. […] ließ ich die eiserne stangen zu die dapeten an meine schränke in meinem Gemach anschlagen;
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22.7.1699. […] ging mit dem Schloßer in die Cammer am Eßgemach, probirten allda Schlüßel.«
Parallel zum Innenausbau des Schlosses werden Schlosskirche, Wirtschaftsgebäude und Gärten umgestaltet und die zur Herrschaft gehörigen Ämter überholt. Von den Innenräumen ausgehend, ist ein Ende der Bau- und Renovierungsarbeiten nicht in Sicht. Beim Tode Elisabeth Dorotheas am 24. August 1709 sind »cabinet«, »retirade« und »alcoven« gerade wieder in Arbeit: »26.7.1709 […] hatte den Schreiner und Schloßer bey mir, musten sie beyde waß anmachen, als der Schreiner ein doppeltes Bücherbretgen etwas darauff zu stellen; 12.8.1709 […] ließ den boden in meinem alcoven aufbrechen.«
Das Schloss als Selbsttechnik Insgesamt erweist sich die Witwenschaft Elisabeth Dorotheas in Butzbach als Abfolge immer neuer Kränkungen, die ihre Identität und Souveränität als Fürstin zunehmend untergraben. Die schwierige finanzielle Lage spitzt sich von Jahr zu Jahr zu, auch weil Ernst Ludwig ihr aus Darmstadt wenig Unterstützung zukommen lässt. Hinzu kommen Konflikte mit Amtsleuten und Dienerschaft. Immer öfter bleibt die Landgräfin in der »retirade«, heißt es: »tate mich nicht an«, »aß allein«. Einsamkeit und Melancholie sucht sie mit dem Abhalten der »Hauskirche«, vor allem aber mit Schreiben und Lektüre – am 28. September 1690 heißt es: »laß mir der Hoffmeister in deß Dr. Pfeiffers seinem Antimelancholico« – sowie mit Klistieren beizukommen. Im Kalender finden sich nun, unwillkürlicher Reflex der täglichen Schriftlichkeit, immer öfter explizite Aussagen über das eigene Befinden. 1707 hält die Landgräfin ihren Streit mit einer ihrer »Dames« über von ihr zurückzuzahlende Schulden zunächst im Kalender fest: »Di, den 3.[5.1707] stunde ich umb 5. Uhr auff, betete, laß in der Bibel, thate mich an, hatte den Cammerschreiber bey mich, hatte allerhand zu thun, aßen zu mittag und abends im Eßgemach, nach dem wahre die Berbistorffin lange bey mir, NB wegen ihres mir geliehenen Capitals, und anderer schon längst passirten Dinge, worbey sie sich sehr prostituirt, und den Respect vergeßen hatt, wahr ich deßhalben den gantzen Nachmittag betrübt, kahm mein Hofmeister zu mir, laß in der Bibel, abends nach dem Eßen thate ich mich gleich aus, hielte betstunde, brauchte wieder ein Clistier;
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Mi., den 4.[5.1707] stunde ich ümb 1 Uhr auff, schrieb ein Zettelgen an den Amtmann, setzte der Berbistorffin Discurs weitläufftig auff, schrieb daran biß vier Uhr, legte mich wieder nieder, um 7 stunde ich wieder auff, betete, laß in der Bibel, thate mich an, hatte den Cammerschreiber lange bey mich … .«
In ihrem »Zettelgen« an den Amtmann heißt es: »allein ich muß euch doch klagen daß mir vor einer halben Stunde so unhöflich von der B. wegen ihres Capitals und anderer Dinge, ist so unhöfflich begegnet worden, als mir noch von keiner von meinen Dames wiederfahren ist, und bin ich deßhalben gantz auseinander, darff es auch sonsten niemandem klagen, dann mir doch keine Hülffe wiederfähret […] .«25
Ihr ›Aufsatz‹ führt den Streit in allen Einzelheiten aus. Die Landgräfin versichert sich vor sich selbst ihrer Rolle und ihrer Identität: »Sie wehre viel zu klein dazu, mich zu reprochiren […] Wem mein Thun und Wesen nicht anstünde, könnte ja sein Glück anderswo suchen […] Ich bliebe bey meinem alten Thun, kehrete mich an niemanden und würde nie nicht anders […] .«26
Fern von der Residenz, abgesondert im Inneren des Butzbacher Schlosses, erlauben nur mehr die hier eingerichteten Gehäuse »retirade«, »alcoven« und »cabinet« die Abschottung gegen ein Umfeld, das die eigene Identität nicht länger zurückspiegelt. Das Schloss ist nicht länger Handlungsspielraum für Besitzerin und Bewohnerin. Höfische Repräsentation und Selbstwahrnehmung fallen auseinander, Melancholie tritt an die Stelle von ›guter Ordnung‹ und Arbeit.
25 StAD (wie Anm. 4), D 4 Nr. 272/1. 26 StAD (wie Anm. 4), D 4 Nr. 259/4.
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Die Imagination der Ent-Ortung in Charpentiers Médée
Der Begriff der »Entortung« hat sich seit einigen Jahren in der kulturwissenschaftlichen Forschung etabliert.1 Untersuchungen über die unterschiedlichsten Kontexte des displacement nehmen ihren Ausgangspunkt bei Fragen der kulturellen Identität; auch in der literaturwissenschaftlichen, vornehmlich der germanistischen Forschung hat der Begriff inzwischen einen festen Platz. Besonders gut verankert ist er hier in der Exilliteraturforschung. Einer der wohl wichtigsten Beiträge dazu ist Elisabeth Bronfens Aufsatz »Entortung und Identität«,2 den sie 1994 veröffentlicht hat, und in dem sie allgemein feststellt: »Exil umfasst sowohl die erzwungene wie auch die freiwillige Trennung eines Menschen von dem ihm vertrauten, natürlichen Ort.«3 Den Begriff des Ortes versteht sie dabei nicht geographisch. Ein Ort ist vielmehr durch seine sozialen Strukturen und Handlungssysteme definiert: So lässt sich auch die umgangssprachlich bekannte ›innere Emigration‹ als freiwillige Trennung eines Individuums von den vertrauten und natürlichen sozialen Strukturen verstehen. Die gemeinsame Kaffeepause etwa, um ein alltägliches Beispiel zu wählen, kann zu den natürlichen sozialen Strukturen in einer Abteilung eines Unternehmens gehören; Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die zunächst an dieser Kaffeepause teilnehmen, später aber dazu Distanz halten, trennen sich von diesem Ort. Kennzeichnend für die Erfahrung der Entortung im Exil ist nach Elisabeth Bronfen jedoch, dass der ursprüngliche Ort nicht einfach durch einen anderen ersetzt wird. Vielmehr handelt es sich in Analogie zu Homi Bhabas Theorie des thirdspace beim Exil um einen dritten Bereich »zwischen einem ursprünglich verlorenen und einem sekundär erworbenen Ort«.4 Mithin bleibt der Aspekt des Verlustes zentral, und so verbindet Elisabeth Bronfen drei Möglichkeiten eines metaphorischen Exilzustands damit: die Metapher der 1 Mit besonderem Bezug zur Musik vgl. jüngst etwa Music and Displacement. Diasporas, Mobilities, and Dislocations in Europe and Beyond, hrsg. von Erik Levi und Florian Scheding, Lanham et al. 2010. 2 Elisabeth Bronfen, »Entortung und Identität«, in: Germanic Review 69 (1994), S. 70–78. 3 Ebd., S. 71. 4 Ebd.
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Autorin oder des Autors als Exilantin oder Exilant, die religiös unterminierte Assoziation des Exils mit einer Endzeiterwartung (man denke etwa an das babylonische Exil, in dem sich das Volk Israel befunden hat, namentlich in der Darstellung des 4. Esra-Buches) und den tiefenpsychologischen Vergleich des Exils mit der ödipalen Trennung des Individuums von der Mutter. Diese Möglichkeiten sind Elisabeth Bronfen zufolge simultane Umdeutungen des Exils und als solche einer von zwei Strängen eines Exildiskurses, dessen anderer Strang von der konkreten individuellen Erfahrung des Exils – z. B. eines aus politischen Gründen aufgesuchten Exils – bestimmt ist. Der Begriff der Entortung lässt somit eine Vielzahl von Implikationen erkennen, die auf die mythologische Figur der Medea adaptierbar sind. Nach der Fassung der antiken Tragödie Medeia, wie sie zuerst bei Euripides greifbar wird5 – wenngleich Einigkeit besteht, dass bereits Euripides auf ältere Traditionen zurückgegriffen haben muss –, ist die Protagonistin bereits zu Beginn der Handlung eine Exilantin. Medea und ihr Mann Jason befinden sich in Korinth, nachdem sie aus Kolchis haben fliehen müssen, wo Medea für den Tod des Pelias verantwortlich gewesen ist. Dieses freiwillig erworbene Exil bedeutet eine erste Erfahrung der Entortung, aus der allerdings zunächst keine erkennbaren Konsequenzen erwachsen: Euripides lässt seine Fassung der Tragödie überhaupt erst in Korinth beginnen, und es gibt keine Zweifel, dass Medea und Jason nebst ihren beiden Kindern, die sie inzwischen haben, Korinth als sekundär erworbenen Ort betrachten. Die Lösung von den sozialen Strukturen dieses Orts geschieht zunächst durch den Ehebruch Jasons mit Krëusa: Medea nimmt das allerdings nicht hin, sondern sinnt vielmehr auf Rache an Krëusa, die sie durch ein vergiftetes Kleid und ein vergiftetes Diadem, die sie als vermeintliche Hochzeitsgeschenke überreicht, tötet. Um Jason noch tiefer zu treffen, tötet sie anschließend auch noch die beiden gemeinsamen Söhne. Nach dieser Tat flieht Medea schließlich zu Aigeus, dem König Athens, dessen Asyl sie sich zuvor erbeten hat. Konkrete und metaphorische Entortung gehen hier miteinander einher: Indem Medeas weiteres Schicksal in Athen nicht mehr Teil der Tragödie ist, führt Medeas Flucht sie in einen dritten Bereich, der weder ein ursprünglicher noch ein erworbener Ort ist. Die der Flucht vorangegangene Tötung der Kinder gehört zum metaphorischen Exildiskurs. Einerseits zerstört Medea damit endgültig die sozialen Struktu5 Hans Strohm, »Medea (Medeia)«, in: Lexikon der Weltliteratur: Hauptwerke der Weltliteratur in Charakteristiken und Kurzinterpretationen, hrsg. von Gero von Wilpert. 2., erw. Aufl., Stuttgart 1980, S. 881 f.; vgl. auch Kurt von Fritz, »Die Entwicklung der IasonMedea-Sage und die ›Medea‹ des Euripides«, in: ders.: Antike und moderne Tragödie, Berlin 1962, S. 322–429.
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ren, die den Ort Korinth für sie ausgezeichnet haben, andererseits bewirkt sie damit – freilich als aktiv Handelnde – die ödipale Trennung ihrer Kinder von sich selbst. Die zahlreichen literarischen und danach auch musikdramatischen Umsetzungen dieser Tragödie – ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien genannt Francesco Cavallis Giasone (1649), Marc-Antoine Charpentiers Medée (1696), Jean Georges Noverres Tragischer Tanz Medea und Jason (1763, Musik von Jean Josephe Rodolphe), Jiři Antonín Bendas Melodram Medea (1784), Gaetano Marinellis La vendetta di Medea (1792), Luigi Cherubinis Médée (1797), Johann Simon Mayrs Medea in Corinto (1813), Saverio Mercadantes Medea (1851), Darius Milhauds Médée (1939), Birgit Cullbergs Ballett Medea (1950, Musik von Béla Bartók), Johanna Doderers Die Fremde (2001) und Aribert Reimanns Medea (2010)6 – lassen Motive der Emigration oder des Exils Medeas in unterschiedlicher Weise anklingen. Von Interesse ist hier Thomas Corneilles Einrichtung der Tragödie als Libretto für die Tragédie mise en musique Médée, die Marc-Antoine Charpentier 1693 für die Pariser Oper komponiert hat,7 denn sie hält innerhalb der französischen tragédie en musique einige ungewöhnliche Merkmale parat, auf die Benjamin Pintiaux unlängst hingewiesen hat.8 Charpentiers Médée, trotz einer sehr positiven Rezension im Mercure de France selbst vergleichsweise erfolglos, war demnach das Vorbild für Hilaire-Bernard de Longepierres Schauspiel Médée, der am häufigsten gespielten Médée des gesamten 18. Jahrhunderts in Frankreich.9 Gleichzeitig war es ein, wie Pintiaux es nennt, »Anti-Model« für JosephFrançois Salomons Oper Médée et Jason aus dem Jahr 1713, die einen ungleich größeren Erfolg als Charpentiers Bezugswerk hatte. Salomon hatte 1693 bei den Aufführungen von Charpentiers Médée im Opernorchester basse de viole gespielt und somit nicht allein das Werk, sondern auch die Reaktionen darauf 6 Vgl. die Verweise in dem von Uwe Steffen konzipierten und zusammengestellten Register von Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, hrsg. von Carl Dahlhaus, München 1997, S. 460. 7 Für die ausführlichen Diskussionen zu diesem Gegenstand sei Anja-Rosa Thöming sehr herzlich gedankt, gleichzeitig auf ihren Beitrag »Anmutig, würdevoll, entspannt und natürlich. Charpentiers Médée und das Menuett als Ausdruck der Affektbeschwichtigung«, in: Concerto. Das Magazin für Alte Musik 28 (2010), Nr. 235, S. 27–31 verwiesen. Die Ausführung zum Menuett als Tanztypus und seiner Bedeutung als Chiffre der Affektbeschwichtigung sind ganz wesentlich ihren Überlegungen verpflichtet. 8 Benjamin Pintiaux, »Médée within the Repertory of the tragédie en musique: Intertextual Links and the ›Posterity‹ of Charpentier’s Opera«, in: New Perspectives on MarcAntoine Charpentier, hrsg. von Shirley Thompson, Farnham 2010, S. 251–268. 9 Ebd., S. 262.
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unmittelbar kennen gelernt. Für Médée et Jason benutzte er ein Libretto von Simon-Joseph Pellegrin, das seinerseits recht eng mit Longepierres Schauspiel verwandt ist. Die Unterschiede, die Pintiaux zufolge auch den größeren Erfolg bedingen, liegen in der Moralisierung der Handlung, ihrer Umformung als Lehrstück bei Pellegrin, der seine Protagonistin zudem der meisten ihrer zauberischen Fähigkeiten beraubt. Corneille indes sucht mit bestimmten Eingriffen in die Tragödie eine psychologische Spannung zu erzeugen, die über das Maß der antiken Tragödie wie auch der zeitgenössischen tragédie en musique deutlich hinausreicht. So hegt Médée bei Corneille zwar schon im ersten Akt den Verdacht, dass Jason ihr untreu sei. Erst im dritten Akt jedoch wird dieser Verdacht bestätigt. Dazwischen fällt der Versuch Créons, des Vaters von Créuse, Médée aus Korinth zu verbannen, da das Volk sie als Zauberin fürchte und ihre Entfernung verlange. Damit korrespondiert die Handlung des vierten Akts, in dem Créon von Médée in einer kriegerischen Auseinandersetzung besiegt wird. Médée hat sich der Verbannung also erfolgreich widersetzt, die Zerstörung Korinths durch einen Feuerregen am Schluss der Oper kommt somit der völligen Zerstörung dieses Ortes gleich. Die Tötung der eigenen Kinder bleibt eine ungeheuerliche Tat, wird aber vor diesem Hintergrund – wenn man das so sagen darf – in gewisser Weise relativiert. Da auf diese Weise kein rational erkennbarer Zusammenhang zwischen den persönlichen Verfehlungen der Protagonistinnen und Protagonisten und ihrem persönlichen Schicksal mehr vorhanden ist, widerspricht der Schluss der zeitgenössischen Moral. In einem streng regulierten Wertesystem wie dem der tragédie en musique muss eine derartige Abweichung aufgefallen sein und kann daher sicher als bewusste Entscheidung Corneilles und Charpentiers angesehen werden. Die völlige Zerstörung Korinths und die damit gleichsam physisch sichtbar verbundene Entortung Médées ist ein Skandalon, das dem poetologischen Regelkanon ebenso zuwiderläuft wie der christlich – oder noch präziser: jesuitisch10 – unterminierten Moral. Wie aber korrespondiert die musikalische Gestaltung damit? Ein Schlüssel zur Interpretation ist die Wahl der Tonarten einzelner Szenen, da Charpentier selbst ein detailliertes Schema über die Bedeutung von Tonarten in seinen Règles de Composition aufgestellt hat.11 Folgt man der Prota10 Charpentier war Schüler Giacomo Carissimis am jesuitischen Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom, später Kapellmeister an der Kirche Saint-Louis und Musiklehrer am Collège Louis-le-Grand; beide Positionen unterstanden Einrichtungen des Jesuitenordens. 11 Überschrieben als »Énergie des Modes«; vgl. die (Teil–)Edition von Claude Crussard, »Marc-Antoine Charpentier théoricien«, in: Revue de Musicologie 24 (1945), S. 49–68, hier: S. 64. Ein Faksimile der Règles ist ediert von Lillian M. Ruff, »Marc Antoine Charpentiers Règles de composition«, in: The Consort 24 (1967), S. 233–270.
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gonistin mit Hilfe dieses Schemas durch die Handlung, zeigt sich, dass Charpentier dieser auf subtile Weise folgt. Médées Auftritt in der ersten Szene, in dem sie gegenüber ihrer Vertrauten Nérine den Verdacht von Jasons Untreue äußert, steht in F-Dur, einer Tonart, die Charpentier als »Furieux & emporté« – wütend und zornig – beschreibt. Die anschließende zweite Szene, in der Médée diesen Verdacht gegenüber Jason noch zurückhält, beginnt in d-Moll. Diese Tonart gilt Charpentier als »Grave & dévot« – ernsthaft und andächtig. Das gleiche d-Moll bestimmt auch die dritte Szene des dritten Akts: Médée beschließt hier, Jason noch einmal für sich zurückzugewinnen, bevor sie in der vierten Szene von Nérine erfährt, dass Jasons Hochzeit mit Créuse bereits beschlossen ist. Diese Szene steht in B-Dur, nach Charpentier »Magnifique & joyeux« – prachtvoll und freudig –, was dem angenommenen Charakter dieser Szene zweifellos zunächst entschieden widerspricht. Die folgende fünfte Szene jedoch, in der Médée die »Divinités terribles« beschwört, steht über weite Strecken in g-Moll und schließt wiederum in B-Dur. Charpentier nennt g-Moll »sérieux & magnifique« – ernsthaft und prachtvoll – und widerspiegelt damit die enge harmonische Verwandtschaft mit B-Dur, vor allem aber wird die feine Dramaturgie dieser Spiegelachse der gesamten Oper sichtbar. Die zentrale Szene des zentralen Akts der Oper ist von zwei Solo-Szenen Médées umrahmt, die ihre Verwandlung von der fromm-unterwürfigen Haltung gegenüber Jason hin zur machtvollen Zauberin, die den Betrug Jasons zu rächen trachtet, zeigen. Das vereinende »magnifique« von B-Dur und g-Moll steht somit zuerst für Médées Stärke und Unabhängigkeit. Médée bleibt diesen Tonarten im weiteren Verlauf der Oper assoziiert. Sehr plastisch ist der Zusammenhang im vierten Akt: Médée beschwört in der siebten Szene die fantômes, mit deren Hilfe sie Créon zu besiegen hofft, in d-Moll; ihre Überlegenheit – »Mon pouvoir t’est connu. J’ai mis ta garde en fuite« – verkündet sie Créon in der anschließenden Szene in B-Dur. Und dieses B-Dur bleibt auch die Tonart der letzten Szene der Oper, in der Médée Feuer über Korinth bringt und zudem Jason eröffnet, dass sie die gemeinsamen Söhne getötet hat. Diese ultimative Rache aufgrund der Tonart mit den Attributen ›prachtvoll und freudig‹ zu verbinden, ist Teil von Charpentiers Verstoß gegen die regulierte Moral, mit dem er letztlich aber nur der Vorgabe des Librettos folgt. Pintiaux nennt das B-Dur konsequenterweise »immoral by association«12 und belegt gleichzeitig mit Vergleichsbeispielen, wie ungewöhnlich Charpentiers Entscheidung hier ist. Vor allem ist wieder an Salomons Gegenentwurf Médée et Jason zu denken, in dem das mit rationaler Moral gebaute Ende in F-Dur steht. Eine nach Charpentiers Tonartencharakteristik 12 Ebd., S. 263.
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Andreas Waczkat
als ›wütend und zornig‹ gedeutete Protagonistin gehorcht nicht nur eher den Regeln der Wahrscheinlichkeit, sondern lässt sich auch moralisch einfacher rechtfertigen, indem diese Begriffe bereits beinhalten, dass Médée die höfische contenance verloren hat. Während Pintiaux ebenfalls bemerkt, dass Médées Charakter in Salomons Oper vom zweiten Akt an durch die Tonart F-Dur typisiert wird,13 übersieht er, dass dies in Charpentiers Oper mit der Tonart B-Dur nahezu analog vorgegeben ist. Damit wiederum zeigt sich Charpentiers Médée als überlegen, da sie ihren anfänglichen Zorn auf Jason schnell überwindet und vielmehr Stärke beweist. Dass in der Mäßigung Stärke liegt, wird im Operntext unmittelbar angesprochen: »Forcez vos ennuis au silence; Un courroux violent ne doit jamais parler. On perd la plus sûre vengeance, Si l’on ne sait dissimuler.«14
So lässt Corneille Nérine zu Médée sprechen, und Médée zögert nicht, sich diese Erkenntnis zu eigen zu machen. Bemerkenswert ist nun aber die Art und Weise, in der Charpentier die musikalische Repräsentation höfischer contenance realisiert: Nérine singt diesen Text in einem auftaktigen Air im 3/4-Takt, dessen erste Strophe in eine regelmäßige Struktur von acht plus zweimal sechs Takten eingepasst ist. Die zweite Strophe, nun mit Médée, stellt eine variierende Wiederholung der ersten beiden Verse dar. Die beiden letzten Verse sind zunächst Médée allein vorbehalten, sie werden abschließend von beiden Frauen noch einmal wiederholt, bevor ein ausführliches Ritournelle, das bekannte Material variierend, die gesamte Szene zu Ende führt. Catherine Cessac kommentiert diese Musik: »The calm triple meter of the air is in contrast to the preceding outburst of violence.«15 Damit indes geht sie ein wenig zu flüchtig darüber hinweg, dass es sich bei dem »calm triple meter« um ein Menuett handelt – ein Menuett, das nicht explizit so bezeichnet ist, weil der Tanztypus als allenthalben bekannt vorausgesetzt werden kann. Das Menuett ist nun nicht allein ein Inbegriff des Höfischen in der Musik, sondern mehr noch gerade der höfischen contenance. Denn im Menuett verbinden sich
13 Ebd., S. 265. 14 Thomas Corneille, Médée: tragédie en musique, représentée par l’Académie royale de musique, Paris 1693, S. 14. 15 Catherine Cessac, Marc-Antoine Charpentier, Portland 1995, S. 349.
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Komplexität und Artifizialität mit der Notwendigkeit größter Kontrolle. So führt Monika Woitas aus: »Der perfekt stilisierte Gang [im Menuett] demonstriert die absolute Kontrolle über Schritte und Körperhaltung. Der […] Grundschritt verlangt nicht nur Disziplin und Musikalität, da vier Schritte auf sechs Zählzeiten zu verteilen sind, wobei Bewegungsfluss und Balance in keinem Moment außer Kontrolle geraten dürfen; er offenbart auch jeden Fehler, da keinerlei technische Tricks als Bluff zur Verfügung stehen. In der noblen Haltung und den unprätentiösen Bewegungen des Menuetts spiegelt sich so das Ideal perfekter innerer wie äußerer Haltung wider.«16
Über Eleganz und Entspanntheit auf der einen, Kontrolle und Haltung auf der anderen Seite mussten nicht nur die Tänzerinnen und Tänzer verfügen, sondern diese Art kontrollierter Entspanntheit entsprach der öffentlichen Grundhaltung höfischer contenance. Nicht so sehr durch die verbal artikulierte Maxime mit den Schlüsselworten »silence« und »dissimuler« erkennt das Publikum den abrupten Positionswechsel Médées in dieser Szene, sondern durch das musikalisch-soziale Mittel des mit spezifischen Assoziationen besetzten Tanzes. Nérine und Médée demonstrieren mit ihrem gesungenen Menuett ihren Willen zur Affektbeschwichtigung. Um auf Elisabeth Bronfens Begriffspaar »Entortung und Identität« zurückzukommen, zeigt sich hier ein Aspekt von Médées Identität. Den meisten Theorien kultureller und sprachlicher Identität zufolge spielt dabei die Auseinandersetzung des Eigenen mit dem Anderen stets eine zentrale Rolle. Charpentiers Médée assimiliert das Andere nicht. Ihre Stärke bleibt ihr vielmehr unabhängig von Betrug und Intrige erhalten, fast scheint sie damit daran zu wachsen. Der schließlich vollständige Verlust ihres Ortes, der sozialen Handlungsstrukturen der Ehe, der Familie und des gesamten Gemeinwesens münden damit in einen Zustand, der als Ent-Ortung treffend beschrieben werden kann: Médée beschließt ihr Bühnenschicksal als displaced person.
16 Monika Woitas, »Tänze und Märsche. Mozarts Tanzkompositionen«, in: Mozart-Handbuch, hrsg. von Silke Leopold, Kassel 2005, S. 618.
Jill Bepler
Women’s Books and Dynastic Networks in Early Modern Germany Female Practices of Collecting and Bequeathing
The dynastic library was one of the institutions of a court. Studies of its development in the early modern period have concentrated on the collections of male protagonists, handed down over generations, housed in representative public rooms and usually managed by a professional librarian or court historian.1 The dynastic library formed part of the formal space of the court,2 and its accessibility and use was governed by rules. It constituted the »Hofbibliothek« in contrast to »Kammerbibliotheken«, which were small personal collections located in the private apartments of members of the dynasty.3 Sources telling us what these informal collections actually contained are hard to come by, and neither their use nor their finance and development were part of the »institutionalised« court. Male-owned »Kammerbibliotheken« usually eventually 1 Aloys Bömer, »Von der Renaissance bis zum Beginn der Aufklärung«, in: Handbuch der Bibliothekswissenschaft, ed. by Georg Leyh, vol. 3.1, Wiesbaden 1955, pp. 499–681; Ladislaus Buzás, Deutsche Bibliotheksgeschichte der Neuzeit (1500–1800), Wiesbaden 1976; Uwe Jochum, Kleine Bibliotheksgeschichte, Stuttgart 21999; Werner Arnold, »Fürstenbibliotheken«, in: Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte, ed. by Werner Arnold, Wolfgang Dittrich, Bernhard Zeller, Wiesbaden 1987, pp. 398–419; Uwe Jochum, »Am Ende der Sammlung. Bibliotheken im frühmodernen Staat«, in: Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, ed. by Richard van Dülmen and Sina Rauschenbach, Köln 2004, pp. 273–294. 2 On formality/informality at court see: Volker Bauer, »Informalität als Problem der Frühneuzeitlichen Geschichte. Überlegungen vornehmlich anhand der deutschsprachigen Hofforschung«, in: Informelle Strukturen bei Hof. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes, ed. by Reinhardt Butz and Jan Hirschbiegel, Berlin 2009, pp. 41–56. 3 Kathrin Paasch, »Die Hofbibliothek des Herzogtums Sachsen-Gotha(–Altenburg). Ihre Funktion und Nutzung im 17. und 18. Jahrhundert«, in: Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis in der Frühen Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürsten- und Fürstinnenbibliotheken der Zeit, ed. by Jill Bepler and Helga Meise, Wiesbaden 2010 (= Wolfenbütteler Forschungen 126), pp. 183–198; Helga Meise, »›Ein buch schlecht in braun pappier gehefft darin noch nichts geschrieben‹ – Von der ›Kammer-‹ zur Privatbibliothek. Fürstinnenbibliotheken in Hessen-Darmstadt vom ausgehenden 16. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert«, in: ibid., pp. 243–252.
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Jill Bepler
found their way into the main court library when their owners died and their property reverted to the central dynastic court. This, however, was not always the case with books owned by the female members of dynastic families, as will be discussed below. Books and book ownership formed an important part of a woman’s cultural identity at court. Women clearly perceived themselves both as collectors in a dynastic sense and as contributors to a female tradition of book ownership and use.4 The following will examine three aspects of female book ownership and use at court – the significance of the physical spaces in which women interacted with their books, what these spaces could signify in property terms, and the female networks which can be traced in their book ownership.5 The main sources on which my findings are based are unpublished inventories, library catalogues and wills.6 4 Jill Bepler, »Early Modern German Libraries and Collections«, in: Early Modern German Literature 1350–1700, ed. by Max Reinhart, Woodbridge 2007 (= Camden House History of German Literature 4), pp. 697–735, here: p. 724; Jill Bepler, »Die fürstliche Witwe als Buchsammlerin: Spuren weiblicher Lektüre in der Frühen Neuzeit«, in: Der wissenschaftliche Bibliothekar: Festschrift für Werner Arnold, ed. by Detlev Hellfaier, Helwig Schmidt-Glintzer and Wolfgang Schmitz, Wiesbaden 2009 (= Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 44), pp. 19–40; Ulrike Gleixner, »Die lesende Fürstin. Büchersammeln als lebenslange Bildungspraxis«, in: Vormoderne Bildungsgänge. Selbst- und Fremdbeschreibungen in der Frühen Neuzeit, ed. by Juliane Jacobi, Jean-Luc Le Cam and Hans-Ulrich Musolff, Köln et al. 2010 (= Beiträge zur historischen Bildungsforschung 41), pp. 207–224. 5 For other aspects of the topic see: Jill Bepler, »Enduring Loss and Memorializing Women. The Cultural Role of Dynastic Widows in the Early Modern Period«, in: Enduring Loss in Early Modern Germany. Cross Disciplinary Perspectives, ed. by Lynne Tatlock, Leiden 2010, pp. 133–160. 6 There is no systematic study or bibliography of the wills of early modern German dynastic women. The excellent study by Susan Richter (Fürstentestamente der Frühen Neuzeit. Politische Programme und Medien intergenerationeller Kommunikation, Göttingen 2009) concentrates exclusively on wills by rulers, but also includes two wills by women. In her examination of the wills of several Habsburg Empresses from the 17th century Almut Bues (»Das Testament der Eleonora Gonzaga aus dem Jahre 1651. Leben und Umfeld einer Kaiserin-Witwe«, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 102 (1994), pp. 316–358, p. 317) commented on this lack of research despite the availability of sources. Beatrix Bastl, Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit, Wien 2000, is based on intensive examination of wills by women from the high aristocracy in the Austrian Habsburg territories and Anke Hufschmidt, Adlige Frauen im Weserraum zwischen 1570 und 1700: Status, Rollen, Lebenspraxis, Münster 2001, uses wills by women of the lower aristocracy in the Weser region. On wills in an English context, see Amy Louise Erickson, Women and Property in Early Modern England, Abingdon 1993.
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Books and their Spaces: Reading and Writing Like their male counterparts, princesses received their initial education in the »Frauenzimmer«, a space within the castle especially reserved for the female entourage.7 Unlike their brothers, they usually remained in this female environment until they married. Even if princesses were sent to relatives to be educated they exchanged one »Frauenzimmer« for another. Within the »Frauenzimmer« reading and being read to were not just limited to times of household devotions – mornings, midday and evening – but accompanied activities such as needlework. We may assume from the evidence of inventories that the »Frauenzimmer« contained its own books for this purpose and that they were the property of the »Fürstin« and formed part of her private collection. From an early age, the children of the ruling couple owned books as personal property. This would have begun with a catechism, a prayer book, a book of psalms and a hymnal. In the course of the formal education given to dynastic children books were acquired for the schoolroom, but also specifically to form collections belonging to the children themselves. An inventory of the chamber libraries in Darmstadt from 1587 provides lists separately documenting the books belonging to Landgraf Georg I. (1547–1596), his wife Magdalena zur Lippe (1552–1587) and their son and daughters, aged 10, 9 and 8.8 In Wolfenbüttel in the late 1640s the ducal children all had individual book collections for which Duke August (1579–1666) regularly ordered new works from his agents and booksellers.9 The act of reading was intricately linked with that of writing – excerpting, paraphrasing and translating. It began with devotional reading and the selection of verses from the Bible to be compiled into personal prayer manuals, or translation exercises from French or Latin versions of the Bible, especially the Psalms.10 This writing was conducted in personal spaces, and rooms into which women retreated to read and to write and practice their 7 Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe im Spätmittelalter und früher Neuzeit, ed. by Jan Hirschbiegel and Werner Paravicini, Stuttgart 2000 (= Residenzforschung 11); see especially: Stephan Hoppe, »Bauliche Gestalt und Lage von Frauenwohnräumen in deutschen Residenzschlössern des späten 15. und des 16. Jahrhunderts«, in: ibid., pp. 151–174. 8 Meise (see note 3), p. 245. 9 Barocke Sammellust. Die Bibliothek und Kunstkammer des Herzogs Ferdinand Albrecht zu Braunschweig und Lüneburg (1636–1687), ed. by Jill Bepler, Weinheim 1988 (= Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek 57), p. 25 ff. 10 An example of this is the manuscript model written by Paul Scheiner for Magdalene Sibylle of Sachsen-Weißenfels: Fürstliche Jugend Praxis Pietatis das ist Gebeths- und Andachtsübung bestehend in den vornehmbsten Biblischen Sprüchen, und schönen Reimgebethlein, wie auch summarischen Evangelischen Predigt Verslein […], bound into a volume
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devotions are regularly mentioned in funeral books,11 reflecting a practice that could begin in childhood. The funeral book for Sophie of Sachsen-Altenburg (1563–1590), for example, mentions that her father, Christoph of Württemberg (1515–1568), sent her to be educated at her sister Elisabeth of Henneberg’s court. The preacher, who had known Sophie in Henneberg, testified to her early piety by referring to the young child’s retreat into her »Schreibstube«: »Dann ire F.G. von jugend auff ir gottselig Gebet in ihrem Schreibstüblein alleine gar herrlich und fleissig gethan/ und neben der Predigt für sich auch selbst Gottes wort gern gelesen«.12 The room plan reconstructed by Liliane Châtelet-Lange for the castle built at Birlebach by Johann Kasimir of PfalzZweibrücken (1589–1652) in 1620, the »Catharinenburg«, shows that Johann Kasimir and his wife Katharina both had their own »Stube«, a living room, and a »Cabinet«, a study.13 There is ample evidence that it was considered usual for dynastic women to have their own studies. When Johann Ludwig of NassauHadamar (1590–1653) was planning a new castle in 1611 he asked his aunt, Wild- und Rheingräfin Juliana zu Dhaun (1565–1630), what rooms she considered appropriate. She wrote back with a detailed list, enumerated by Liliane Châtelet-Lange: »[…] ein Großer Saal, […] Herrensaal genannt, ein täglicher Eßsaal, ein Gesindesaal, eine Gesindestube; für den Herrn: eine Stube, eine Schreibstube, eine Kammer mit Kleiderkammer, ein Stüblein mit Kammer für die Jungen; für die Gemahlin: eine Stube, ein Schreibstüblein, eine Mägdestube, eine Kammer, Kammern für Leinwand und Lichter, eine Silberkammer, eine Küche, eine Apotheke, eine Rumpelkammer, ein Trockenboden, ein Kräuterboden.«14
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in 1666 with printed devotional works. Forschungsbibliothek Gotha, D-GOl, Phil. 8° 1037/1. Cornelia Niekus Moore, »Erbauungsliteratur als Gebrauchsliteratur für Frauen im 17. Jahrhundert: Leichenpredigten als Quelle weiblicher Lesegewohnheiten«, in: Le livre religieux et ses pratiques: Etudes sur l’histoire du livre religieux en Allemagne et en France à l’epoque moderne, ed. by Hans Bödeker, Gerald Chaix and Patrice Veit, Göttingen 1991, pp. 291–315. Thomas Schaller, Der schöne Trawr und Trostgesang/ Esaiae am 26. Cap. […] Gepredigt zu Maynungen […] den 29. eiusdem […] Durch Thomam Schallern/ ermelter Fürstlicher Graveschafft Consistorialen und Pfarrherrn alldar, Schmalkalden: Michael Schmidt 1590, fol. Ciiv. Liliane Châtelet-Lange, Die Catharinenburg. Residenz des Pfalzgrafen Johann Casimir von Pfalz-Zweibrücken. Ein Bau der Zeitenwende 1619–1622, Stuttgart 2000, p. 115. Ibid., p. 108.
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This gives us a graphic picture of the rooms of the consort, which takes for granted the inclusion of her »Schreibstüblein« or study. Room inventories sometimes make it possible to actually reconstruct where women kept particular books.15 Their locations suggest whether they were in daily use and even in some cases whether they were connected to a woman’s own writing. At her widow’s seat in Kranichfeld Anna Sophia of Schwarzburg-Rudolstadt (1584–1652) clearly combined the activities of reading and writing and this took place in her bedchamber.16 As well as many bound notebooks with estate accounts kept in her own hand, in the inventory the notary recorded finding in a drawer in the bedchamber: »1. Büchlein mit weißen Pergament (diß ist dem Herrn Hofprediger, sich dessen bey der Fürstl. Leich-Predigt habende zugebrauchen zugestellet worden) so I. F. g. mit eigenen Händen geschrieben, und darin Ihren Lebens-Lauff zeit Ihres Wittben standes uffgezeichnet.«17
Room inventories can place writing materials and books in close proximity. In the »Stube« or main living room belonging to the Wolfenbüttel duchess in 1623 the notary recorded a large table with a silver writing set next to a German Bible, a German-French dictionary and a French edition of the New Testament and Psalter, indicating that like many others the Duchess practiced her French by translating Biblical texts.18 The inventory of the rooms of Magdalena Sibylle of Württemberg (1652–1712) in Stetten and Kirchheim, where she spent most of her time in her final years, shows that her bedchamber was also her study. In Stetten it was here that her writing desk stood, which as the notary records was full of her own literary and devotional writings: 15 Jill Bepler, »Die Lektüre der Fürstin. Die Rolle von Inventaren für die Erforschung von Fürstinnenbibliotheken in der Frühen Neuzeit«, in: Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis in der Frühen Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürsten- und Fürstinnenbibliotheken der Zeit, ed. by Jill Bepler and Helga Meise, Wiesbaden 2010 (= Wolfenbütteler Forschungen 126), pp. 201–227. 16 Inventory of the estate of Anna Sophia of Schwarzburg-Rudolstadt, Thüringisches Staatsarchiv Gotha, D-GOtsa, Geheimes Archiv N (Mond) VI, Nr. 6, fol. 12r. See: Jill Bepler, »Inventare lesen. Quellen zu Fürstinnenbibliotheken des 17. Jahrhunderts und ihre Erschließung«, in: Repräsentation – Wissen – Öffentlichkeit. Bibliotheken zwischen Barock und Aufklärung, ed. by Claudia Brinker-von der Heyde and Jürgen Wolf, Kassel 2011, pp. 9–21. 17 Inventory of the estate of Anna Sophia of Schwarzburg-Rudolstadt (see note 16), fol. 12v. 18 Bepler (see note 15), p. 222.
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»In der Ersten Schubladen zur Rechten Seiten Papier. In der Zweyten 1. großer Blutstein 1. Adler Stein. In der Dritten Papier. In der Vierten Papier. In der Fünfften Papier. In der Sechßten Allerhand Geistl: Betrachtungen geschrieben. In der Schubladen ob der Capell Lauter geschriebene Predigten. Auf der Lincken Seiten oben herunter Erste Schubladen Allerhand geschriebene vers und 2 Bücher. In der Zweyten. Lauter recepten und Artzneyen. In der dritten Geschriebene Rätzel. In der Vierten. SchreibPapier. In der fünfften. 1. Geschrieben Geistl: Buch mit Silber Beschlagen. 1. Geschriebenes Confect Buch. Etlich gedruckte Sachen von der Pietisterey. In der Sechßsten Schubladen Schwartze Spanisch Wachs. Etliche geschriebene vota und Personalien. In der Unteren Schubladen. Allerhand geschriebene Predigten. 1. Alter Calender. Etliche Artzney Pulver Vornen her in dem Schreibfach Görlitzisch Gesangbuch Württemb: Klein gesangbuch […] In denen Neben Schubladen in solchem Schreibtisch […] Allerhand Geschriebene Sachen Von Ihro HochFürstl: Dhl: eigenen Hand. Allerhand Zettul und geschriebene Sachen. In der Nußbaumenem SchreibPult. Dr. Gabelhofers ArtzneyBuch. 1. geschriebenes Confect Buch und gar Vihl Von Ihro Dhl. Hochseel: geschriebene Geistl: vers. Etwas Spanisch Wachß.«19
Among the printed books which Magdalena Sibylle had around her as she worked were a number of her own publications and songbooks as well as devotional works by others. Books and their Spaces: Property and Inheritance The location of a dynastic woman’s books in »private« spaces was not just a matter of their use, but could also signal their definition in terms of property. Just as the male ruler differentiated between the court library and his chamber library, when a dynastic woman formed a »library« that she had shelved separately and for which she had a catalogue made, it could signal that she intended this to become part of dynastic heritage. Sophia Eleonora of HessenDarmstadt (1609–1671),20 for example, possessed a large book collection that 19 Landesarchiv Baden-Württemberg – Hauptstaatsarchiv Stuttgart, D-HStA, G 124 Bü 20, unfol. 20 On Sophia Eleonora see Helga Meise, Das archivierte Ich: Schreibkalender und höfische Repräsentation in Hessen-Darmstadt 1624–1790, Darmstadt 2002. This and other publications by Meise were unfortunately not consulted by Linda Maria Koldau, Frauen – Musik – Kultur. Ein Handbuch zum deutschen Sprachgebiet der Frühen Neuzeit, Köln/Wien/Weimar 2005 for her section on Hessen-Darmstadt.
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she built up during her 45 years in Darmstadt. A Saxon princess, she brought many works with her from Dresden when she married in 1627 and she inherited part of her mother’s library in 1659. In the funeral work for her mother that she had published in Darmstadt the curriculum vitae describes both her mother’s love of books21 and her own: »In welchem Stück dann Ihrer […] hertzgeliebten Frauen Mutter gäntzlich nachschläget/ die Durchläuchtigste unsere gnädigste Fürstin und Frau/ Frau Sophia Eleonora […] Welche an Bibliothecken und Büchern eine sonderbahre Freude hat/ und dahero nicht ohne hohes Lob bißhero eine solche fürtreffliche Bibliotheck zusammen gebracht/ daß an Schönheit dieselbe keiner nichts nachgeben wird/ sie seye auch wo sie wolle, Zugeschweigen der grossen Mänge/ welche kaum in etlichen Gemächern kann ordentlich eingefasset werden/ und ich nicht ohne Ursach im Zweifel stehe/ ob solche nicht der jenigen zu Florentz/ oder die zu Rom auf dem Vaticano verhalten wird/ nicht Trutz bieten könne/ wo nit mit der Anzahl/ jedoch an Gütigkeit und Fürtreflichkeit der Materien.«22
In her will Sophia Eleonora made careful provision for her library and her musical instruments, all of which were to go to her son the ruling Landgraf, Ludwig VI (1630–1678). Her library, which she terms her »Bibliothek«, is mentioned twice in the will. Sophia Eleonora stipulated that her books were to remain in the residence at Darmstadt in perpetuity. Her son was to inherit: »[…] unsere Bibliothek und Rüstkammer und dann unsere Kutschen unnd Pferde, was wir darvon nicht anderst wohin vermachen werden, Item unsere Orgeln, positiven und andere Musicalische instrumenta doch dergestalt und also, das was vorerwehnte Liegender und ohnbewegliche Güther, sodann die güldene geschir und güldene gefäse, wie auch den trawring und obbenandte Zwey Diamanta Kleinoden, das Einhorn, und dann die Bibliothek anlangt, solche stück sambt und sonders bey diesem Regierenden Fürstl. Hauß Heßen Darmbstatt zu allen und jeden Künfftigen Zeiten bleiben, und von obhochermeltes unsers geliebten ältern Sohns, Herrn 21 »[...] welche Sie mit ansehnlichen Kosten zusammen gebracht/ von allerhand Materien/ mehrentheils himmlischer und geistlicher Sachen/ woran Sie ein sonderbares Belieben getragen.« In: Ehren-Gedächtnüß/ Der […] Fürstin […] Magdalenen Sibyllen […] Welches Höchstgedachter Ihrer Churfürstl. Durchl. als Deren hochgeehrten hertzliebsten Fraw Mutter […] Die Durchläuchtigste Fürstin und Frau/ Frau Sophia Eleonora/ Gebohrne Hertzogin auß Churfürstlichem Stamm zu Sachsen/ etc. Landgräfin zu Hessen/ etc. etc. Zu Bezeugung Dero immerwehrenden/ unaußlößlichen Kindlichen Lieb und Treu/ und höchstseeligem Andencken auffsetzen und in Truck verfertigen lassen, o.O. 1659, p. 41. 22 Ibid., p. 42.
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Landgraf Ludwigs zu Hessen Ld. auf dero Sohn welcher nach Ihro Regierender Fürst sein wird, allein und also fort an, jeder Zeit auf den Regierenden Fürsten dieses Fürstl. Hauses Heßen Darmbstatt kommen soll.«23
Sophia Eleonora clearly saw both her books and her artefacts as valuable contributions to the dynastic collections of the house of Darmstadt. Libraries like that owned by Sophia Eleonora, kept in special rooms fitted with bookcases, were distinct from the books which women kept in intimate spaces for everyday use as personal collections. The latter were mainly inherited by their female relatives as part of what was known as their »Gerade« and was understood as the property kept in women’s private chambers. The late medieval Sachsenspiegel, the first codification of Saxon law, defines the »Gerade« as the personal property of a woman and all the household items which she has at her disposal, specifically mentioning her devotional books.24 The »Gerade« belonged to the woman irrespective of her dowry or marriage settlement, which was a separate feature of her inheritance rights, and only she had control over it. This is not the same as a woman’s »paraphernalia« in English law, which could be disposed of by her husband at any time during their marriage and only belonged to her after his death.25 The »Gerade« was a portion inherited by daughters, or the female descendents of a woman’s female relatives, to the exclusion of the daughters of her brothers. The »Gerade« is an exclusively female affair. Saxon law was, of course, far from being applicable everywhere in Germany, but it was in common usage and appears to have guided many as accepted practice in the formulation of wills and special bequests, especially in cases where women were childless, and I shall continue to use it here in describing the patterns of behaviour I have observed. One of the most important ways of identifying items belonging to the »Gerade« was their physical location and whether the woman in question had keys to the places in which they were stored.26 Thus, it can be of relevance whether books were stored in the private rooms of a dynastic woman and 23 Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, D-DSsa, D4 190/3, Will and testament of Sophia Eleonora of Hesse-Darmstadt, dated 29 July 1661, unfol. 24 Hufschmidt (see note 6), pp. 416–423; Karin Gottschalk, »Does property have a gender? Household goods and conceptions of law in late medieval and early modern Saxony«, in: The Medieval History Journal 8 (2005), pp. 7–24. 25 Ibid., p. 8, fn. 1. 26 Karin Gottschalk, »Schlüssel und ›Beschluss‹ – Verfügungsmacht über Verschlossenes in der Frühen Neuzeit«, in: Comparativ. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung 15 (2005), pp. 21–32.
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whether in her will and bequests she herself terms them a »library« in the institutional sense or speaks of »my books«. An example of this is Magdalena Sibylle of Württemberg (1652–1712), mentioned earlier. She was widowed in 1677 after only three years of marriage and acted as regent for her son.27 Magdalena Sibylle built up a library at Stuttgart that remained separate from the main court library. The collection was located in a special room with its own cabinets and it was catalogued in 1698 and 1702.28 The Duchess willed her Stuttgart library of about 800 works to her son to be added to the dynastic collection. These were, however, not the only books she owned and the Stuttgart library did not contain her autograph manuscripts. As dowager, Magdalena Sibylle had a house in Stuttgart and residences in Stetten and Kirchheim. In all these places she kept books and manuscripts that were separate from her main collection. The notaries making the estate inventory used Magdalena Sibylle’s library catalogue in order to identify the books that were in her rooms, but belonged to her »dynastic« collection and they clearly distinguish between personal books and »library« books. The inventory states: »Hier ist zu wißen, daß über Jenige Bücher, so zu der Bibliothec gehören, Ein besonderer Catalogus, so hierbey liegt, vorhanden, worauß zusehen, in was vor Stücken solche Bücher bestehen; Waß aber die andere zur solchen Bibliothec nicht gehörige und in der HochFürstlichen SchlaffZimmer und Garderobe erfundene Bücher betrifft, seyn solche hienach specifizirt.«29
27 Gerhard Raff, Hie gut Wirtemberg allewege III. Das Haus Württemberg von Herzog Wilhelm Ludwig bis Herzog Friedrich Carl, Stuttgart 2002, pp. 156–197. Also the basis for the section on Magdalena Sibylle in: Linda Maria Koldau, Frauen – Musik – Kultur (see note 20), pp. 256–261. On Magdalena Sibylle and her political role see: Peter H. Wilson, »Women and Imperial politics: the Württemberg consorts«, in: Queenship in Europe, 1660–1685. The role of the consort, ed. by Clarissa Campbell Orr, Cambridge 2004, pp. 221–251, here: pp. 226–229. 28 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, D-Sl, Cod. hist. 8° 305. For an account of the works connected with music in the collection see: Joachim Kremer, »Pietistisches Bekenntnis und öffentliche Repräsentation: Musik zum Begräbnis der Herzogswitwe Magdalena Sibylla von Württemberg (1712)«, in: Jahrbuch Musik und Gender 1 (2008), pp. 45–59. Hans Westphal (Kernen im Remstal) is preparing an extensive documentation of the sources for the programme of emblematic decoration commissioned by Magdalena Sibylle for the church at Stetten and has made extensive use of her library catalogue for this purpose. 29 Landesarchiv Baden-Württemberg – Hauptstaatsarchiv Stuttgart, D-HStA, G 124 Bü 20, unfol.; for example in Stuttgart: »Das Groß Badische Gesangbuch in 8 Banden,
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In autograph codicils to her will Magdalena Sibylle made provision for her personal books, which she left to her daughter, the Markgräfin of Baden-Durlach. The terms she used in her codicil show that she considered her books part of her »Gerade«, and she linked their identification as such to their physical location: »Meiner Hertzlieben Fraw Tochter, Princeßin Magdalena Wilhelmina, Marggräfin zu Baaden Durlach […] gebe Ich […] auch alles was in Meinem Zimmer zu finden ist […] zu Kirchheim, außgenommen die Tapetten, Stühl und Bett-Überzüge, alß welche auf dem Wittum bleiben müßen, was aber sonsten allda in dem Kleinen Cabinet, Garderobe oder sonst in Meinen Zimmern zugegen, wo ich ordinarié logire, es mag Nahmen haben wie es wolle an Candorn, Spiegel, Tischen, Uhren, Büchern oder was es ist, das soll alles der Fraw Marggräfin verbleiben, wie auch allen Meubles so zu Stethen in meinem Schlaff-Zimmer zu finden, alles was darinnen ist, es sei Candor, Bücher, Tisch, Bett, Tapetten, Spiegel und alles was darinnen ist, wie auch was daselbst in der Garderobe ist; wie auch alle Meine Meubles, so zu Stuttgardt in meinem Hauß sich finden werden, nichts davon außgenommen, auch gebe ich Ihr alle Meine genähete Sachen.«30
It is important to stress that there was no automatism whereby a dynastic woman’s books were incorporated into a court library after her death. They were her personal property and she had to make provision for them in her will. The tradition of the »Gerade« seems to have provided a mental context that made it seem normal for her female relatives to inherit them. This was particularly complex in the case of women who died without issue, as their property sometimes went to far-flung female relatives. Gräfin Clara of SchwarzburgFrankenhausen (1571–1658), who remained childless and died at the age of 87, is a case in point. In 1641 Clara drew up an official document dividing her »Gerade« among four female relatives – her sisters Dorothea, Margaretha and Sibylle, and her great niece, Dorothea’s granddaughter, Maria Magdalena of Pfalz-Zweibrücken. After her sister Margaretha died childless in 1643, Clara settled Margaretha’s portion of her »Gerade« on her niece Sophie of Hohenlohe-Neuenstein. In 1654, after the death of her sisters Dorothea and Sibylle, war in dem Hohen Kästlin Von MaserHoltz.« [Am Rande:] »Ist in dem Bibliothec Catalogo begriffen und dahin gestelt worden«. 30 Codicil to the last will and testament of Magdalena Sibylle of Württemberg, Stetten 5. Juli 1712. Landesarchiv Baden-Württemberg – Hauptstaatsarchiv Stuttgart, D-HStA, G 124 Bü 19, unfol. Magdalena Sibylle’s son, the ruling Duke, contested his sister’s rights to this property and in fact she did not receive all the items from her mother’s private chambers, which explains why many of her manuscripts remained in Stuttgart.
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Clara rewrote her will and her instructions for her »Gerade« and deposited them in an official ceremony with the mayor and council of Heringen. Now, Clara settled one quarter of her »Gerade« on Dorothea’s heirs, two quarters on her niece Sophie of Hohenlohe and the last quarter on her great niece Maria Magdalena, who was now Countess of Schwarzburg-Sondershausen.31 Clara’s books are included in a list of separate legacies attached to her will.32 Maria Magdalena of Schwarzburg-Sondershausen and her sister Anna Sophia, the Abbess of Quedlinburg, were to share the contents of Clara’s apothecary and her »kleine Küche« along with the medical books shelved in her »Stube«. Ten theological works went to the church library in Heringen and all the other books were to be divided among Sophie of Hohenlohe, Maria Magdalena of Schwarzburg-Sondershausen, Anna Sophia Abbess of Quedlinburg and Eleonora Clara of Hohenlohe, a great niece who had been living with Clara for ten years. This confusing enumeration and the dispersal of property it records may suffice to explain why the search for books from dynastic women’s libraries can be so arduous. The tradition of division and dispersal seen at work here operated over large geographical areas. In the reconstruction of early modern female book collections women’s bloodlines and their female networks are more important than straight lines of agnatic succession.33 Women’s Books and Women’s Networks Work on the concept of cultural transfer in the early modern period has brought the role of dynastic women into clear focus.34 Princesses sometimes travelled considerable distances when they were sent to other courts to be educated. For 31 Peter Kuhlbrodt, Clara von Schwarzburg: eine geborene Herzogin von Braunschweig-Lüneburg in Heringen (Helme), Auleben 2009, vol. 1, pp. 258–259. 32 Kuhlbrodt, ibid., vol. 2, p. 172. 33 See in general on this theme: Michaela Hohkamp, »Sisters, Aunts and Cousins: Familial Architectures and the Political Field in Early Modern Europe«, in: Kinship in Europe: Approaches to Long-Term Developments (1300–1900), ed. by Jon Mathieu, Simon Teuscher and David Sabean, New York 2007, pp. 128–145; Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte weiblicher Kommunikation, ed. by Eva Labouvie, Köln/Weimar/ Wien 2009. 34 Dorothea Nolde and Claudia Opitz-Belakhal, »Kulturtransfer über Familienbeziehungen. Einige einführende Überlegungen«, in: Grenzüberschreitende Familienbeziehungen. Akteure und Medien des Kulturtransfers in der Frühen Neuzeit, ed. by Dorothea Nolde und Claudia Opitz-Belakhal, Köln 2008, pp. 1–14; see also: Kulturtransfer. Kulturelle Praxis im 16. Jahrhundert, ed. by Wolfgang Schmale, Innsbruck 2003; Kultureller Austausch. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung, ed. by Michael North, Köln 2009.
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the majority, it was marriage that took them far from home and brought them permanent separation from their families. Their lives were often spent in the tension between the desire to be loyal to the traditions of their origins and a need to assimilate to their new surroundings. Women maintained ties with their families by letter writing, and they played a central role in the informal communication between courts.35 In this context, however, the role that books played in reinforcing these networks deserves closer attention. There are several ways in which women’s library catalogues could be used in order to examine their networks. One would be to take seriously the fact that women’s libraries were full of funeral works, particularly those for members of their own and other dynasties. These were publications not usually purchased on the open book market. They were part of the informal gift and dedication culture of book acquisition so important to the development of early modern book collections.36 The exchange of dynastic funeral books between courts was an important facet of self-representation, but also a method of reinforcing dynastic identity and alliances. Who owned which funeral works within a given period signals these alliances and their communication. A second approach would be to examine women’s library catalogues to reconstruct which books they may have taken from their home courts to their new environment by looking at the older works that their collections contained. Where catalogues and inventories give details of bindings and decoration these too can be indicators of the esteem in which particular works were held. This is particularly interesting with regard to devotional books which were »steady sellers«37 from the 16th to the late 17th century. I have chosen to concentrate on a number of libraries belonging to women with connections to the house of Württemberg in the early 17th century and explore how their libraries reflect female networks concerned with upholding the Lutheran traditions of their dynasties. Eleonora of Hessen-Darmstadt (1552–1618) plays a central role among these women. Her activities as a bulwark of Lutheranism at the beginning 35 Moving Elites: Women and Cultural Transfers in the European Court System (= EUI Working Paper HEC 2010/02), ed. by Guilia Calvi and Isabelle Chabot, San Domenico di Fiesole 2010; Sophie Ruppel, »›Das Pfand und Band aller Handlungen‹ – Der höfische Brief als Medium des kulturellen Austauschs«, in: Grenzüberschreitende Familienbeziehungen. Akteure und Medien des Kulturtransfers in der Frühen Neuzeit, ed. by Dorothea Nolde and Claudia Opitz, Köln 2008, pp. 211–223. 36 Matthew P. Brown, The Pilgrim and the bee. Reading rituals and book culture in early New England, Philadephia 2007, p. 25, speaks of market economy versus gift economy in book distribution. 37 For this term see: Matthew P. Brown, »The Thick Style: Steady sellers, textual aesthetics, and early modern devotional reading«, in: PMLA 121/1 (2006), pp. 67–86.
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of the seventeenth century can be compared to that of her contemporaries Dorothea Susanna of Sachsen-Weimar or Anna of Brandenburg.38 Hitherto she has only been known as the author of a popular medical work, Sechs Bücher Auserlesener Artzney und Kunst-Stück, first published in Torgau in 1600 and reprinted at least four times up to 1620.39 However, the deepest imprint made by Eleonora on the libraries within her own female network can be traced to the confessional publications which she had printed in her struggle against Calvinism. Eleonora was one of eight daughters of Christoph of Württemberg (1515– 1568), who introduced the Reformation into his territories and became its iconic figure.40 She married Joachim Ernst of Anhalt (1536–1586) in 1571. His uncle, Georg of Anhalt (1507–1553), was an intimate of Luther and Melanchthon and Georg became the iconic figure of Anhalt Lutheranism. As Protestant Bishop of Merseburg he published his own sermons and other theological works.41 When Joachim Ernst died in 1586, Eleonora had a work printed in Zerbst under her husband’s name commemorating his own adherence to Lutheranism, a volume of religious poetry: Sacra poemata. Das ist Geistliche Gedicht (Zerbst: Schmidt 1587). The work was dedicated to her stepchildren and children as a New Year’s gift and Eleonora wrote a signed preface in the tradition of the »mütterliche Vermahnung«, exhorting them to always remain true to the example of their father’s piety. In 1589, Eleonora married Georg of Hessen-Darmstadt and moved to Darmstadt. In 1596 her stepson Johann Georg of Anhalt and her own sons by Joachim Ernst, as yet still under the guardianship of their ruling stepbrother, became Calvinists. Her daughters, who were married in Holstein, Weimar and Rudolstadt, remained staunchly Lutheran. In the conflict which Eleonora carried out from Darmstadt with 38 Bepler (see note 5), pp. 155–160. 39 Peter Assion, »Das Arzneibuch der Landgräfin Eleonore von Hessen-Darmstadt. Ein Beitrag zum Phänomen medizinischer caritas nach der Reformation«, in: Medizin Historisches Journal 17 (1982), pp. 317–341. Eleonora’s stepdaughter Sibylle of Württemberg, herself a gifted apothecary, owned a copy of Eleonora’s Sechs Bücher printed in Jena in 1608. The work is listed in the catalogue of Sibylle’s library: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, D-Sl, Cod. hist. 2° 1070, fol. 27r. 40 Matthias Langensteiner, Für Land und Luthertum. Die Politik Herzog Christophs von Württemberg (1550–1568), Köln/Weimar/Wien 2008 (= Stuttgarter Historische Forschungen 7). 41 500 Jahre Georg III. Fürst und Christ in Anhalt: Beiträge des Wissenschaftlichen Kolloquiums anlässlich des 500. Geburtstages von Fürst Georg III. von Anhalt, ed. by Achim Detmers and Ulla Jablonowski, Köthen 2008 (= Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Landeskunde 17).
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her Anhalt stepsons and sons she published a confessional text by their father under the title Kurze Bekenntnis vom Abendmahl, together with two sermons by their great uncle Georg of Anhalt. The volume was printed in Frankfurt in 159842 and Eleonora re-issued the work again in Darmstadt in 1606.43 1606 was the year in which her sons took possession of their own territories in Anhalt and pledged to uphold Calvinism. In her fiery preface to the Bekenntnis, again a »mütterliche Vermahnung«, she publicly exhorted her Anhalt sons to return to the Lutheran faith of their fathers: »Derwegen/ so habe ich Erstlich stracks zu dem Intent/ diß Werck zusammen trucken lassen wöllen/ damit Ihr meine auserkohrne liebste Söhne/ euch allerseits wol darinn ersehete/ unnd euch nicht so liederlich von der alten verfluchten Schlangen und ihren Ottergezicht/ in verdammliche Blindheit verleiten lasset: Sondern vielmehr in Ewers lieben Gottseligen Herrn Vatters/ und Vätterns/ Christliche Fußstapffen trettet/ und nach ihrem Hochlöblichen Exempel/ bey dieser wahrhafftigen glaubigen Bekandtnuß/ biß an euwer seliges Ende beständiglich bleibet.«44
Eleonora likens herself both to Monica and to the woman in the parable who has lost ten pieces of silver: »Wil auch mit meinen bittern Thränen/ Flehen unnd Seufftzen/ nit ehe auff diese Welt nachlassen/ biß daß sie durch alle Wolcken/ für den allerhöchsten Gott zur Erhörung getrungen/ und ich mit dem Evangelischen Weiblein/ meine sechs verlorne lebendige Groschen/ durch seine Gnade/ in Frewden widerumb gefunden/ und euch sämptlichen/ auß den schweren Irrthumben/ wiederum zu recht gewunnen habe.«45
42 Joachim Ernst von Anhalt, Kurtze, runde vnd einfältige Christliche Bekäntnuß Vom H. Abendmal, Franckfurt am Mayn: Spieß 1598, Zweigbibliothek Alvensleben ULB Halle, D-HAu, Ba 150 (2). 43 Joachim Ernst von Anhalt, Kurtze/ runde und einfältige Christliche Bekändtnuß Vom H. Abendmal/ […] Auffs new wider auffgelegt/ auß Anordnung/ Befelch und Verlag/ der Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fürstin und Frawen/ Frauwen Eleonoren/ Landgrävin zu Hessen/ […] geborne Hertzogin zu Würtenberg und Teck/ [et]c. Witwen. Mit vorgesetzter Irer F. G. Vorrede/ an die Hochgeborne Fürsten zu Anhalt. Gedruckt zu Darmbstatt/ durch Balthasar Hofmann/ Im Jahr 1606, Forschungsbibliothek Gotha, D-GOl, Druck 8° 00829(04). 44 Ibid., fol. Aiiir-v. 45 Ibid., fol. Aiiiir-v.
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In 1606 Eleonora also re-published Joachim Ernst’s Sacra poemata in Darmstadt.46 It is within the context of her Anhalt activities that her commission for a folio volume of the collected works of Georg of Anhalt, the Reformation Bishop, published in Darmstadt in 1610 »auß Anordnung/ Befelch und Verlag/ der […] Fürstin […] Eleonoren, Landgrävin zu Hessen«47, should be seen. Eleonora’s dynastic concern to uphold Lutheran identity also expressed itself in another publication which can be attributed to her. Balthasar Bidenbach’s eulogising biography of her own father, Christoph of Württemberg, with its account of his role in the Württemberg Reformation, had first been published in Tübingen in 1570,48 but it was printed again at Darmstadt, probably at Eleonora’s expense, in 1607.49 These publishing activities have been ignored by historians writing on confessional politics in Anhalt at the turn of the 17th century and Eleonora’s role within these conflicts has remained largely unexamined.50 In addition to her concern for developments in Anhalt, »die alte Landgräfin«, as Eleonora was known, obviously supported the publication of anti-Calvinist tracts in Hessen. Balthasar Mentzer, professor of theology in 46 A copy of this edition has yet to be traced, but there is evidence of its publication. It is mentioned in the catalogue of her stepdaughter Sibylle’s library (see note 39), fol. 22v, and advertised in the 1606 Frankfurt book fair catalogue Catalogus Universalis pro nundinis Francofurtensibus vernalibus, de anno 1606 […], Frankfurt [1606], fol. Ei verso. 47 Catalogus Universalis pro nundinis Francofurtensibus vernalibus, de anno 1606, ibid., fol. 2r. There is a copy in Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, D-WRz (S 3: 9v): Predigten und Schrifften Deß […] Herrn Georgen/ Fürsten zu Anhalt […]: Darinnen die Summa Christlicher Lehre ohne alle Corruptelen […] verfasset und erkläret; Sampt etlichen […] Schrifften und Consilien […] so in vorigem Druck nicht zufinden; Alles nach Ordnung deß Lateinischen Volumnis, so Anno 1570. außgangen/ mit trewen fleiß ins Deutsche zusammen bracht: Durch M. Abraham Ulrich Cranach/ Superintendenten zu Zerbst, Darmstadt: Hofmann 1610. 48 Kurtzer unnd warhafftiger Bericht/ von dem hochl[oe]blichen und Christlichen leben/ auch seligem absterben/ Weilundt des Durchleüchtigen/ Hochgebornen Fürsten unnd Herrn/ Herrn Christoffen/ Hertzogen zu Wirtemberg vnnd Theck/ […] hochl[oe]blicher und seliger Gedechtnuß/ Durch Ihr F.G. Hofprediger/ Balthasar Bidenbach/ getrewlich verfaßt, Tübingen 1570. 49 A copy of this edition has yet to be traced. It is mentioned in the catalogue of her stepdaughter Sibylle’s library (see note 39), fol. 21r, and advertised in the 1607 Frankfurt/Leipzig book fair catalogue: Indicis generalis Continuatio, quo continetur designatio librorum qui nundinis Francofurtensibus & Lipsensibus Anni 1607 […] prodierunt […] Leipzig: Lamberg [1607], fol Fiiv. 50 See Klaus Conermann, »Köthen«, in: Handbuch kultureller Zentren der Frühen Neuzeit ed. by Wolfgang Adam und Siegrid Westphal, Boston/Berlin 2012, vol. 2, pp. 1211– 1252, here: p. 1218 ff. in which the confessional stance of the Anhalt dynasty both before and after the adoption of Reformed ritual and Eleonora’s role are discussed.
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Marburg and Gießen, dedicated his Collatio Oder Gegeneinanderhaltung und Vergleichung der Augspurgischen Confession und der Zwinglischen oder Calvinischen Lehr und Glaubens to Eleonora in 1606, when it was first printed in Giessen. The work was reprinted in 1609 and 1618. In 1581, Eleonora’s stepdaughter Sibylle (1564–1614), an Anhalt princess, married Friedrich of Württemberg (1557–1608). Like Eleonora she was a skilled herbalist and is well known for her apothecary at Leonberg, her widow’s seat.51 In the 1620s, 374 books from Sibylle’s collections were incorporated into the Stuttgart library. The detailed catalogue made at this time contains not only the titles of the works but also years and places of publication and information on bindings.52 It shows that Sibylle owned many works associated with Anhalt and with Eleonora’s publishing campaign and several books with Darmstadt imprints are as yet only known from this catalogue and the book fair catalogues. The catalogue lists a gold fore-edged copy of the folio volume of the complete works of Georg of Anhalt printed in Zerbst in 1577, which Sibylle may well have brought to Stuttgart as part of her dowry in 1581.53 She also owned a copy of the edition that Eleonora had reprinted in Darmstadt in 1610.54 Sibylle’s collection contained three copies of the Kurze Bekenntnis vom Abendmahl by her father Joachim Ernst of Anhalt published by Eleonora in Frankfurt in 1597 with her admonitory preface. One of Sibylle’s copies was clearly a present, for it was bound in black velvet with silver clasps.55 The two other copies were more simply bound and could have been meant for distribution to others. Sibylle also owned the same text, her father’s Kurze Bekenntnis, and his Sacra Poemata in the 1606 Darmstadt editions.56 Eleonora obviously also sent Sibylle a copy of the biography of her father, Christoph of Württemberg, which she had printed in Darmstadt in 1607.57 Sibylle’s books show that Eleonora was engaged in an intensive exchange with her stepdaughter on confessional matters based on their common concern for Anhalt. Five of Eleonora’s sisters had died before her stepsons and sons in Anhalt became Calvinists in 1596. She and her sisters Dorothea Maria of PfalzSulzbach (1559–1639) and Anna of Liegnitz-Brieg (1561–1616), all of whom 51 Margot Dongus, »Sibylla von Anhalt – Profil einer vielseitigen Persönlichkeit«, in: Nonne, Magd oder Ratsfrau. Frauenleben in Leonberg aus vier Jahrhunderten, ed. by Renate Dürr, Leonberg 1998, pp. 43–52. 52 Catalogue of Sibylla’s library (see note 39). 53 Ibid., fol. 1v. 54 Ibid., fol. 2r. 55 Ibid., fol. 20r. 56 See note 46. 57 See note 48.
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were widows, experienced not just this Anhalt break with dynastic tradition, they also saw their nephew Moritz of Hessen-Kassel, son of their sister Sabine (1549–1581), introduce Calvinism in Kassel and Marburg in 1605. Anna of Liegnitz-Brieg died in 1616, but three years prior to this her dead husbands’ successors, Johann Christian of Brieg und Georg Rudolf of Liegnitz, became Calvinists. They were the sons of another stepdaughter of Eleonora’s, Anna Maria of Anhalt (1561–1605), daughter of Joachim Ernst, married 1577 to Joachim Friedrich of Liegnitz-Brieg (1550–1602), and regent from 1602– 1605. The inventory of Anna’s book collection in Haynau in Silesia lists 345 volumes.58 It shows that she and her sister Eleonora shared a deep anti-Calvinism and that Anna kept abreast not just of the developments in Silesia, but also in Hessen and Anhalt. Helwig Garth’s59 Christlicher […] Bericht/ Von den streitigen Artickeln/ zwischen der Augspurgischen Confessionverwandten/ oder Lutherischen/ und den Sacramentschwermern/ oder Calvinischen was published in Frankfurt in 1604 and dedicated both to Eleonora and her sister Anna. Copies were present in both of their book collections.60 Anna’s library contained a number of texts dealing with the confessional situation in Silesia, but she also had the often reprinted protest published by the estates and towns of Anhalt when Calvinism was first introduced in 1596, Erinnerungs Schrifft etlicher vom Adel vnd Stedten/ An den Durchleuchtigen […] Herrn Johann Georgen/ Fürsten zu Anhalt,61 which was of course also part of Eleonora’s own library. Anna also owned the work justifying the refusal of Marburg theologians to accept the introduction of Reformed ritual by Moritz of Hessen-Kassel in 1606 Nothwendige Erzehlung der Motiven und Ursachen.62 58 Inventory of the estate of Anna von Liegnitz-Brieg (Haynau 1614), Thüringisches Staatsarchiv Gotha, D-GOtsa, N (Mond) VI Nr. 5, fol. 264v–283v. 59 Garth held an oration on the death of Eleonora’s son Heinrich, Frankfurt 1601, and was preceptor in Darmstadt. 60 Inventory of the estate of Eleonora of Hessen-Darmstadt, appendix: List of books inherited by Anna Sophia von Schwarzburg-Rudolstadt, Thüringisches Staatsarchiv Gotha, D–GOtsa, N (Mond) VI Nr. 5, fol. 72v–79v, here 77v; Inventory of the estate of Anna von Liegnitz-Brieg (see note 58), fol. 278v. 61 Erinnerungs Schrifft etlicher vom Adel vnd Stedten/ An den Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten vnd Herrn/ Herrn Johann Georgen/ Fürsten zu Anhalt/ Graffen zu Ascanien/ Herrn zu Zerbst Vnd Bernburg/ etc. Sampt darauff erfolgten gnediger verantwortung vnd erklerung, Zerbst: Schmidt 1596. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, D–W, H: J 268i.4° Helmst. (5); Inventory of the estate of Anna von Liegnitz-Brieg (see note 58), fol. 278r. 62 Nothwendige Erzehlung der Motiven und Ursachen, warumb die zu Marpurg im Monat Julio 1605 beurlaubte Theologi […] die […] hessische Synodalische Abschiede, dessgleichen die Ceremonien des Brotbrechens im H. Abendtmal […] anzunemmen sich billich verweigert
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When Eleonora of Hessen-Darmstadt died in 1618 she only had one surviving daughter, Anna Sophia of Schwarzburg-Rudolstadt (1584–1652), known to us today as the founder of the Tugendliche Gesellschaft.63 Anna Sophia inherited about 120 books from her mother’s library and the list of this portion of the library seems to be the only extant documentation of the collection.64 Anna Sophia inherited a number of works dealing with the confessional strife in Anhalt and Hessen. She also received her father’s Sacra Poemata in two different copies and both her mother’s folio edition of Georg of Anhalt’s complete works printed in Zerbst in 1577 and Eleonora’s own Darmstadt edition, bound in black velvet with silver clasps.65 Thirty years later, in 1648, we find Anna Sophia still reading the works of Georg of Anhalt and corresponding with her brother Ludwig, head of the Fruchtbringende Gesellschaft, on questions her reading provoked.66 And to round off this list of Anhalt women, in Silesia in 1680, Luise of Liegnitz-Brieg (1631–1680), a great-granddaughter of Joachim Ernst of Anhalt, still owned the major works of her Anhalt forebears connected to Eleonora of Hessen-Darmstadt. The inventory of Luise’s library in Ohlau records that among the 310 titles she owned were the folio works of Georg of Anhalt and Joachim Ernst’s Sacra Poemata.67 This close study of just a few works and their presence in the libraries of women from several generations, separated by the large distances between Stuttgart, Darmstadt, Rudolstadt and Silesia, indicates how the circulation of women’s books in early modern Germany reinforced networks and created traditions of female book ownership. The status of books as personal property, haben, Giessen: Hampelius 1606; Inventory of the estate of Anna von Liegnitz-Brieg (see note 58), fol. 278r. 63 Klaus Conermann, »Die Tugendliche Gesellschaft und ihr Verhältnis zur Fruchtbringenden Gesellschaft. Sittenzucht, Gesellschaftsidee und Akademiegedanke zwischen Renaissance und Aufklärung«, in: Daphnis 17 (1988), pp. 513–626; Gabriele Ball, »Die Tugendliche Gesellschaft – Zur Programmatik eines adeligen Frauennetzwerkes in der Frühen Neuzeit«, in: Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis in der Frühen Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürsten- und Fürstinnenbibliotheken der Zeit, ed. by Jill Bepler and Helga Meise, Wiesbaden 2010 (= Wolfenbütteler Forschungen 126), pp. 337–356. 64 The complete catalogue, which formed an appendix to all the inventories of Eleonora’s estate, is missing in the archives in Darmstadt, Dessau and Gotha, as is the separate inventory of her apothecary. 65 This corresponds to Sibylle of Württemberg’s copy of Eleonora’s edition of Joachim Ernst’s Kurtzes Bekenntnis (see note 54). 66 Conermann, »Die Tugendliche Gesellschaft« (see note 63), p. 596. 67 Gotthard Münch, Charlotte von Holstein-Sonderburg. Ein Lebensbild aus dem schlesischen Barock, Breslau 1941 (= Zur schlesischen Kirchengeschichte 44), p. 91.
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like jewellery, clothing and other household items, meant that they were transported, distributed and dispersed accordingly. Dynastic women’s collections in the early modern period were not just smaller than those of their male counterpart, they also appear to have been more liable to be broken up on their owner’s death, leaving only scant traces of their existence.
Beatrix Bastl
Briefe als Trost Zur Überwindung von Raum und Zeit
Was ist ein Brief? Unter allen Schriftgutgattungen, die der historischen Quellenkunde bekannt sind, blieb der Brief erstaunlich wenig beachtet.1 Vielleicht auch deswegen, weil die Bezeichnung ›Brief‹ im Zuge der historischen Entwicklung in vielfältigen, zu Unklarheiten und Missverständnissen führenden Bedeutungen auftrat. Die Selbstbezeichnung ›Brief‹ sagt, darüber hinaus, nur sehr wenig über den tatsächlichen Briefcharakter eines Schriftstückes aus. Im klassischen Latein standen für den Brief die Termini »epistola« oder »littera(e)« zur Verfügung, wobei der letztere vor allem für Urkunden benutzt wurde. Als entsprechende Übersetzung wurde »brief« im Mittelhochdeutschen für Schriftstücke urkundlichen Charakters gebraucht. Seit dem 16. Jahrhundert verengte sich der Wortgebrauch im Zuge der Differenzierung des Urkunden- und Aktenwesens auf die Bedeutung, die sich in der Gegenwart durchgesetzt hat. Neben subjektiven Elementen innerhalb des frühneuzeitlichen Briefwesens stehen rhetorische, stilistische und formale Gemeinsamkeiten und eine Fülle von Hinweisen auf gruppenspezifische Werthaltungen und Vorstellungen, die Briefe zu einer idealen Quelle für mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen machen. Der Widerspruch zwischen Individualität und Gruppenverhalten ist freilich nur ein scheinbarer – denn Individualität schließt soziale Prägung nicht aus. Innerhalb der ihnen eigenen Briefwelt ist es adeligen Frauen möglich, Gefühle auszudrücken und gleichzeitig einen Brief von gutem Geschmack
1 Beatrix Bastl, »Formen und Gattungen frühneuzeitlicher Briefe«, in: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jh.). Ein exemplarisches Handbuch, hrsg. von Josef Pauser, Martin Scheutz und Thomas Winkelbauer, Wien/München 2004, S. 801–812; Der Brief. Eine Kulturgeschichte der schriftlichen Kommunikation, hrsg. von Klaus Beyrer und Hans-Christian Täubrich, Heidelberg 1996; Lesen und Schreiben in Europa 1500–1900. Vergleichende Perspektiven, hrsg. von Alfred Messerli und Roger Chartier, Basel 2000.
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zu verfassen:2 »So viel ist gewiß, dass wir in einem Briefe mit einem andern reden, und dass dasjenige, was ich einem auf ein Blatt schreibe, nichts anders ist, als was ich ihm muendlich sagen wuerde, wenn ich koennte oder wollte.«3 Christian Fürchtegott Gellert, dessen 1751 veröffentlichtes Werk als die Entstehung des modernen Briefes gilt, richtet den Briefstil am mündlichen Gespräch aus, das keine festen Formen kennt, das aus der Situation heraus neue, manchmal ungelenke, ungekonnte Wendungen erfindet. Der Brief soll eine ›Nachahmung des Gesprächs‹ sein. Damit schleicht sich in die Schrift die Zufälligkeit der Rede und in den persönlichen Ausdruck die Einmaligkeit der individuellen Erfahrung ein. Diese Mündlichkeit macht das Briefeschreiben zur Kunst. Der Brief ist somit eine schriftliche Form der Rede – was in der epistolographischen Reflexion zunächst eine rein äußerliche Bestimmung ist. Als stummer Ersatz der Gesprächspartnerin oder des Gesprächspartners hebt der Brief die Abwesenheit des anderen durch die graphische Repräsentation seiner Rede auf. Das ist seine spezifische Funktion, die als solche so elementar ist, dass die Unterschiede zwischen persönlichem und unpersönlichem, interaktionsnahem und sachbezogenem Schreiben nicht eigens wahrgenommen zu werden brauchen – und in der europäischen Brieftheorie de facto auch nicht wahrgenommen werden.4 Die Schreiber geraten in das Dilemma spontan sein zu müssen, jedoch Formlosigkeit und Geschwätz zu vermeiden.5 Letzteres wäre zu bedauern, da darin oft der seltene Reiz der frühen Privatbriefe liegt. Die Gellert’schen Anforderungen greifen hier nicht, die Spontaneität der adeligen Briefschreiberinnen ist ungebrochen. Wenn nun die geschriebene Rede nicht mehr die Sprache der Höflichkeit imitiert, so bilden die Briefe die mündliche Rede des Alltags ab. Mündlichkeit ist/wird Stil. Da der zwischenmenschliche Bereich von der Zuspitzung des Gesprächs auf die Eigenschaften der individuellen 2 Beatrix Bastl, »Zur Relevanz des (Teil-)Editionsvorhabens ›Quellengruppen‹ für das Forschungsvorhaben ›Tugend, Liebe, Ehre‹ – adelige österreichische Frauen in der Frühen Neuzeit«, in: Umgang mit Quellen heute. Zur Problematik neuzeitlicher Quelleneditionen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, hrsg. von Grete Klingenstein, Fritz Fellner und Hans Peter Hye, Wien 2003, S. 74–79 und 248–252. 3 Christian Fürchtegott Gellert, Die epistolographischen Schriften. Faksimiledruck nach den Ausgaben von 1742 und 1751, mit einem Nachwort von Reinhard M. G. Nickisch, Stuttgart 1971, S. 177. 4 Robert Vellusig, Schriftliche Gespräche. Briefkultur im 18. Jahrhundert, Wien 2000, S. 30 und Anm. 18. 5 Susanne Claudine Pils, Schreiben über Stadt: Das Wien der Johanna Theresia Harrach: 1639–1716, Wien 2002; Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Albrechts von Harrach, hrsg. von Katrin Keller und Alessandro Catalano, Wien 2010.
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Person lebt, lassen sich bestimmte Qualitäten des Alltagsgesprächs als protopoetisch begreifen.6 Die geschriebene Rede des Briefes imitierte zwar nicht mehr die prächtige Sprache der Höflichkeit, die sich den Ornat rhetorischen Prunks umhängt, ebenso wenig die mündliche Rede des Alltags: Denn der Hofadel begann, mit der Zunahme von Zentralfunktionen neue Standards der Selbstdarstellung auszubilden und ein höfisches Symbolsystem zu etablieren, mit dem er sich nach innen verständigte und zugleich nach außen hin abgrenzte. Die Erziehung im Adelshaus wurde ergänzt und überlagert durch die Sozialisation am Hof, durch die Ausformung von höfischen Verhaltensstandards, Lebensformen und Sprachregelungen. Diese galten nicht unbegrenzt und wurden manchmal gnadenlos dechiffriert. So bemerkt Judith Sabina von Starhemberg gegenüber ihrer Schwiegermutter über das Wiener Hofleben, den Wiener Humor und die Folgen für diejenigen, die sich mit dieser Art der Kommunikation nicht anfreunden können: »Und hab witer lautter gnedige fraun und freillen in der Wienstad ihre erzeigung und sagen nach, ins herz khan man kein sehen, sunst wolt ich eimb die Wienerischen humor zimblich peschreiben, ich glaub nit, das ein soliche falscheit in der kristenheit ist als hie, und wer das nit khan, der mus doch hie lernen oder er khumbt zu kurz.«7
Offenkundig kann man mit Worten zwar lügen, aber die Sprache des Körpers und der Gesten besitzt eine eigene Realität und kann Worte Lügen strafen. Dies funktioniert nur, wenn die Betrachterin oder der Betrachter darauf vertraut, dass Denken und Sprechen eine Identität bilden, der Körper und seine Gesten hingegen eine völlig andere Identität darstellen. Der Brief wird zur literarischen Gattung, die auf den gesellschaftlichen Umgang zurückwirkt und dessen gekünstelte Sprache im intimen Bereich der Geschwisterlichkeit moniert wird. Als Aloys Thomas Raymund Graf Har6 Wolf-Dieter Stempel, »Bemerkungen zur Kommunikation im Alltagsgespräch«, in: Das Gespräch, hrsg. von Karlheinz Stierle und Rainer Warning, München 1984, S. 151–169, hier: S. 156. 7 [Und ich habe wieder vielen gnädigen Damen und Fräulein in Wien meine Aufwartung gemacht und muss dazu sagen, dass man niemanden in das Herz sehen kann, denn sonst müsste ich diesen Wiener Humor extra beschreiben, da ich nicht glaube jemals vorher eine solche Falschheit in der gesamten Christenheit gesehen zu haben, und wer da nicht mithalten kann, der muss es lernen, sonst kommt er zu kurz.] OÖLA, Familienarchiv Starhemberg, Bestand Riedegg, Karton 47: eigenhändiger Brief der Judith von Starhemberg an ihre Schwiegermutter Juliana in Nieder-Wallsee (Wien, 16. März 1630), hier und im Folgenden Übersetzung der Autorin.
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rach seinen Schwestern Maria Josepha und Rosa Angela einen sehr formellen Weihnachtsbrief 1699 schreibt, erwidert letztere empört: »Ain brieff so dw mir und der schwester zw gleich geschriben habe zw recht erhalten er mich abr nicht erfreudt dann es ist der gemainste feyrtag wüntsch der ganzen welt.«8 Und so geht es uns manchmal noch heute, wenn man Weihnachts- oder sonstige Glückwunschpost bekommt, deren Verlust – bedingt durch ihre Inhaltsleere – auf dem Postweg man nur als Bereicherung empfinden kann. Privatbriefe der frühen Neuzeit sind kaum literarisch gestaltet und ähneln einem Telefongespräch; in der Vielfalt der Themen, die sie ansprechen sind sie bestens geeignet, die Komplexität sozialer Beziehungen und Bezugssysteme innerhalb vormoderner Gruppen und Verbände offen zulegen, wodurch jedoch der Brief methodisch schwer zu erfassen ist. Der Brief ist die Grundform der Kommunikation zwischen dem Absender einer schriftlichen Mitteilung und deren Empfänger. Eine Definition des Briefes ist nur dann zu gewinnen, wenn man ihn als historisches Dokument betrachtet, welches er zunächst und in erster Linie ist. Zu einer literarischen Gattung kann der Brief erst werden, wenn er eine entsprechende inhaltliche und sprachliche Qualität erreicht hat. Stellt man den Brief jedoch in den größeren Zusammenhang aller schriftlichen Zeugnisse der Vergangenheit, dann wird deutlich, dass er eine historische Quelle unter vielen anderen darstellt, die seit langem durch entsprechende historische Hilfswissenschaften definiert und beschrieben worden ist. Gefühle Der sogenannte emotional turn zeichnete sich in den Geschichtswissenschaften seit dem Jahr 2000 ab.9 In der Germanistik und Mediävistik hingegen hatte 8 [Den Brief den du mir und der Schwester geschrieben hast, den habe ich erhalten, jedoch konnte er mich nicht erfreuen, da er wohl den inhaltslosesten und gewöhnlichsten Brief darstellt, den ich je erhalten habe.] Ebd., S. 74. 9 Zu einem kleinen Forschungsüberblick vgl. Nina Verheyen, »Geschichte der Gefühle«, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 18. Juni 2010, URL: http://docupedia.de/zg/Geschichte_ der_Gef.C3.BChle?oldid=75518 [Abruf 15.7.2012], allerdings unter Ausklammerung der Mediävistik oder Frühneuzeit-Forschung. Zum Terminus »emotional turn« vgl. Thomas Anz, »Emotional Turn? Beobachtungen zur Gefühlsforschung«, in: literaturkritik.de 8 (2006). Seit 2008 stellt die ›Geschichte der Gefühle‹ einen Forschungsbereich am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin unter der Direktion von Ute Frevert dar, der vom 2.–4. Dezember 2010 zu einer interdisziplinären Tagung »Die Bildung der Gefühle« in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster ›Languages
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dieser turn schon lange, in den frühen Neunzigerjahren, stattgefunden.10 Als die ersten Lehrveranstaltungen zu diesem Thema am Wiener Institut für Geschichte 1993 angeboten wurden, füllten sich die Lehrsäle mit einer so großen Zahl an Studierenden, dass diese in zwei parallelen Veranstaltungen gehalten werden mussten.11 Für viele Hörer lag wohl auch eine Nähe zur »Geschichte der Sexualität« vor, sodass dem Interesse ein gewisser voyeuristischer Zug zueigen war.12 Wie auch immer: Die zuerst als eher unwissenschaftliches Thema am Rande behandelten »Gefühle« wurden jetzt plötzlich mit Aufmerksamkeit bedacht und sollten nicht nur eine Nische füllen, sondern neue Einblicke in verschiedenste Bereiche vermitteln.13
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of Emotion‹ an der freien Universität Berlin einlud. Vgl. auch Ute Frevert, Gefühlswissen: eine lexikalische Spurensuche in der Moderne, Frankfurt am Main 2011. Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, hrsg. von Peter Dinzelbacher, Stuttgart 1993, 22008. In Frankreich ist dies hingegen ein ganz frühes Thema in den Annales. Histoire, Sciences Sociales, wie es Lucien Febvre in »Sensibilität und Geschichte. Zugänge zum Gefühlsleben früherer Epochen« (in: Schrift und Materie. Vorschläge zu systematischen Aneignung historischer Prozesse, hrsg. von Claudia Honegger, Frankfurt am Main 1977, S. 313–333) bereits im Jahr 1941 beschrieben hatte. Beatrix Bastl und Monica Kurzel-Runtscheiner (WS 1993/94), Arbeitsgemeinschaft und Seminar für Neuere Geschichte »Liebe außerhalb der Ehe – Liebe außerhalb der gesellschaftlichen Norm?«; dieselben (SoSe 1994), Arbeitsgemeinschaft und Seminar für Neuere Geschichte »Liebe innerhalb der Ehe – Liebe innerhalb der gesellschaftlichen Norm?«; Beatrix Bastl (SoSe 1995), »Metamorphosen der Ehre. Formen von Ehre und verletzter Ehre«; dieselbe (SoSe 2002), Seminar für Neuere Geschichte »Geschichte der Emotionen II: Liebe«, dieselbe (SoSe 2003), »Geschichte der Emotionen II: Angst – Schmerz – Zorn«. Es gab zu dieser Zeit die erste internationale Konferenz zu einer »Geschichte der Sexualität« in Ottawa/Kanada, 11.–14. Mai 1994: Second Carleton Conference on the History of the Family (Sexuality) mit einem Vortrag von Beatrix Bastl: »Just for the Sake of Procreation? Lust and Sin in Early Renaissance Marriage«; Beatrix Bastl, »Eheliche Sexualität in der frühen Neuzeit zwischen Lust und Last. Die Instruktion des Fürsten Karl Eusebius von Liechtenstein«, in: Archiv für Kulturgeschichte 78/2 (1996), S. 227– 301; dieselbe, »Macht der Emotionen? Refugien der Intimität?«, in: Aristokratické rezidence a Dvory, hrsg. von Vaclav Buzek und Pavel Král, Budweis 1999, S. 495–534. Barbara Rosenwein, »Worrying about Emotions in History«, in: The American Historical Review 107 (2002), S. 821–845; Alexandra Przyrembel, »Sehnsucht nach Gefühlen. Zur Konjunktur der Emotionen in der Geschichtswissenschaft«, in: L’Homme 16 (2005), S. 116–124; Martina Kessel, »Gefühle und Geschichtswissenschaft«, in: Emotionen und Sozialtheorie, hrsg. von Rainer Schützeichel, Frankfurt am Main 2006, S. 29–47; Daniela Saxer, »Mit Gefühl handeln. Ansätze der Emotionsgeschichte«; in: Traverse 2 (2007), S. 15–29; Ute Frevert, »Was haben Gefühle in der Geschichte zu suchen?«, in: Geschichte und Gesellschaft 35 (2009), S. 183–208.
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Was versteht man unter Gefühlen? Nina Verheyen verweist in ihrem Artikel Geschichte der Gefühle darauf, dass die »spezifisch westlich-moderne Konzeptualisierung von Gefühlen als irrational, unsichtbar und universal […] ihre Überzeugungskraft […] in den letzten Dekaden auf breiter Front eingebüßt hat. […] Vielmehr sind emotionale und kognitive Operationen unmittelbar aufeinander angewiesen und Gefühle verfügen über ihre eigene Rationalität.«14 Gerade in den Kulturwissenschaften werden Gefühle als soziale Phänomene angesehen, die mittels Gesten, Mimik oder auch Worten vermittelt werden können. Darüber hinaus ist auch auf die kulturelle Variabilität von Gefühlen zu verweisen, die kulturell gelernte und angeeignete Fähigkeiten darstellen. In den Geschichtswissenschaften – zum Beispiel von Ute Frevert – wird immer wieder darauf verwiesen, dass diese Varianten in Zeit und Raum sind und damit eine eigene Geschichte haben. Wie und mit welchen Parametern können Gefühle entschlüsselt und untersucht werden? Ein möglicher Ausgangspunkt können die Gefühlswortschätze, also die historische Semantik, sein. Daneben wäre auch die Pragmatik der Gefühlsworte – also ihr Eintreten in die soziale Praxis – zu beleuchten. Wechselwirkungen zwischen der inneren emotionalen Befindlichkeit und der sprachlichen Äußerung sind zu beobachten: »Mit ihrer Hilfe scheinen Akteure ihr Gefühlsleben weder deskriptiv abzubilden noch performativ herzustellen, sondern eher – wie bei einem Schiff auf hoher See – mit unsicherem Ausgang zu ›navigieren‹.«15 Somit werden Fühlen und Ausdrücken nicht in ein hierarchisches, sondern in ein dynamisches Verhältnis gesetzt. Ein wesentlich konventionellerer Ausgangpunkt ist die Untersuchung der historischen Veränderungen innerhalb der Regeln der Gefühle, die in einer bestimmten sozialen Gruppe als legitim und vorgeschriebenen sich erweisen und deren Intensität, Ausdruckskraft und Form, Dauer und soziale ›Korrektheit‹ behandeln. Dieses Wissen über bestimmte soziale Gruppen und deren Regeln des Fühlens muss sich aber nicht notgedrungen innerhalb normativer Schriften manifestieren, sondern kann sich langsam und bedächtig bewegen, über Jahrhunderte hinweg schleichen, Regelmäßigkeiten entwickeln, sich dann darin zeigen, dass man sich in bestimmten Situationen nicht nur angemessen verhält, sondern auch angemessen fühlt. Die von Barbara Rosenwein für das Mittelalter entwickelten emotional communities würden dann auch bestimmte systems of feeling herausbilden.16 Wenn man dies weiterdenkt, dann kann man diese emotional communities als eine 14 Wie Anm. 9. 15 Wie Anm. 9. 16 Rosenwein, »Worrying about Emotions« (wie Anm. 13), S. 842.
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Abb. 1 Porträt Juan de Hoyos (verheiratet mit Judith von Ungnad), um 1550, Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl.
Verlängerung sozialer Strukturen lesen, wobei sich Gefühle an soziale Stände und Schichten heften oder Gruppen, die gemeinsame Denk- und Fühlweisen durch gemeinsames Sprechen und Handeln ermöglichen.17 Das Risiko dieses Programms ist evident: Es suggeriert, dass ähnliche soziale Gruppen auch ähnlich emotional verbunden sind. Aber diese Verbundenheit lässt sich empirisch schwer prüfen, da gleiche Wortwahl, wie wir wissen, nicht automatisch gleiches Gefühl beinhaltet. Innerhalb einer Geschichte der Gefühle kommt auch den audiovisuellen Quellen eine besondere Bedeutung zu, da sie Gefühle nicht nur abbilden, sondern auch erzeugen, Deutungen beeinflussen und Praktiken verändern. Betrachtet man Porträts aus dem 16. Jahrhundert und aus dem 20. Jahrhundert, dann fällt die jeweils soziale Normiertheit auf. Begriffliche Konzepte, um der 17 Hans-Ulrich Wehler, »Emotionen in der Geschichte: Sind soziale Klassen auch emotionale Klassen?«, in: Europäische Sozialgeschichte. Festschrift für Wolfgang Schieder, hrsg. von Christof Dipper, Lutz Klinkhammer und Alexander Nützenadel, Berlin 2000, S. 461–473.
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Abb. 2 Porträt Judith von Ungnad (verheiratet mit Juan de Hoyos), um 1550, Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl.
Gefühle habhaft zu werden, zeichnen die in der Geschichtswissenschaft diskutierten Ansätze aus, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. In methodischer Hinsicht kommt noch das Defizit hinzu, das den Körper entweder als nicht vorhanden oder völlig stabil in diese Überlegungen mit einbezieht. Denkt man an die Umgangssprache, in der es heißt »mit gebücktem Rücken« oder »mit eingefallenem Gesicht« bzw. »mit strahlenden Augen«, dann weiß man um die körperliche Dimension des Fühlens; »allerdings hat die noch junge Teildisziplin der Körpergeschichte auf die Historizität körperlicher Erscheinungsformen und Wahrnehmungen verwiesen.«18
18 Wie Anm. 9 und Eva Labouvie, »Leiblichkeit und Emotionalität«, in: Handbuch der Kulturwissenschaften, hrsg. von Friedrich Jaeger, Burkhard Liebsch und Jörn Rüsen, Bd. 3: Themen und Tendenzen, Stuttgart 2004, S. 79–91.
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Die historische Emotionsforschung, die ein bisschen wie Sysiphos arbeitet, allerdings in der glücklichen Version von Albert Camus (Der Mythos des Sysiphos 1940–1941 geschrieben), muss ihre Produktivität noch unter Beweiß stellen.19 Trost In der Mitte des 16. Jahrhunderts schrieb Juan de Hoyos an seine Frau Judith von Ungnad (Abb. 1): »Wan ich nur bei dier sein mecht / würden mier alle beschwerden leichter.«20 Juan de Hoyos ist als Kommandeur der Festung Gradisca (Gradisca d’Isonzo, Friuli-Venezia Giulia, Gorizia) dort stationiert, seine Frau befindet sich in Österreich. Der Briefwechsel dieses Paares wird, über weite Teile, aus sehr emotionalen Gründen – aus Liebe und vor allem um Trost zu erhalten – geführt. Die Überwindung von Raum und Zeit, zur Linderung des Trennungsschmerzes, wird hier explizit vor Augen geführt. Kein anderes Motiv ist in diesen Briefen mit solcher Vehemenz ausgedrückt und zeigt einen so direkten Briefstil.21 Juan de Hoyos (1506–1561) wurde in Burgos (Spanien) geboren, wo er mit Erzherzog Ferdinand (1503–1564) seine Jugendzeit verbrachte und mit ihm 1518 Spanien verließ. Er absolvierte eine außerordentliche Ämterlaufbahn und lernte vor 1547 Judith Elisabeth (†1572) kennen, die Tochter des steirischen Landeshauptmannes Hans von Ungnad auf Sonegg und der Anna von Thurn.22 Juan de Hoyos tituliert Judith Elisabeth in seinen Briefen mit: »Judith 19 Martina Kessel, »Gefühle und Geschichtswissenschaft«, in: Emotionen und Sozialtheorie. Disziplinäre Ansätze, hrsg. von Raimer Schützeichel, Frankfurt am Main 2006, S. 29–47. 20 Beatrix Bastl, »›Wan ich nur bei dier sein mecht / würden mier alle beschwerden leichter‹. [Wenn ich nur bei Dir wäre, würden mir alle Beschwerden leichter fallen.] Zur Bedeutung von Ehe und Liebe innerhalb des Österreichischen Adels in der Frühen Neuzeit«, in: Wolfenbüttler Barocknachrichten 22/1 (1995), S. 9–15; erweiterte Fassung in: »Unsere Heimat«. Blätter für Landeskunde von Niederösterreich 66/1 (1995), S. 4–14. 21 Beatrix Bastl, »Un discours entre proximité et distance: les portraits et les correspondances de la famille Harrach au XVIIIe siècle«, in: Éloignement Géographique et Cohésion Familiale (Xve–XXe Siécle), hrsg. von Jean-Francois Chauvard und Christine Lebeau, Strasbourg 2006, S. 139–151. 22 Carl Leeder, Geschichte des Hauses Hoyos in Österreich, Wien 1914, S. 43–59; Schloss Horn, FA Hoyos, 382/18 und 396/71: Briefe, Testamente und Nachlassinventare von Judith Elisabeth von Hoyos-Ungnad und Juan de Hoyos.
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mein hertzliebster trost«.23 Die Zeiten der langen Trennungen werden als extrem schmerzvoll empfunden, nicht nur wegen des mangelnden Trosts durch die Gefährtin vor Ort, sondern wegen der Ungewissheit um das Wohlergehen von Frau und Kindern. So schreibt Juan an Judith über deren Schwangerschaft und kommende Entbindung: »Zu erhaltung deß fruchts ist scharlach gut, schraib das er dier scharlach schick, das haist spanisch grana o starlata ist ein pulver und das er anzeig wie villen man machs […] damit beuil ich dich und unser heuffel got dem hern, der verkehr das du mein lieb dich und mich pald Erfrayet«.24
Die Zeit des Alleinseins, der Trennung von der gesamten Familie, die Überwindung dieser Distanzen – dem allen sind Juan de Hoyos Briefe gewidmet; die Korrespondenz dient sozusagen der Verkürzung von Distanzen und der Verkürzung von Zeitspannen, sie wird eingesetzt als ›Stunden- und Entfernungsfresser‹, welche die Zeit bis zum Wiedersehen minimieren soll. Juan de Hoyos schreibt am 6. Jänner 1550 an seine Frau: »Judit mein hertz aller liebster trost ich hab deine 2 schreiben deß dat. 8. vnd 12. dezembers empfangen die mich alhie recht verlassen Jn disen neuen Jar / dan ich dier gantz geluekenlich winschen thue / nit wenig erfreut hab, so ich aber darauf verste das du mein lieb von der beschwerlich fieber geplagt werdest kann ich nit froelich sein, zu dem das du mier schreibst vnser dochterlin sey auch nit gesundt/ wan ich nur pej dier sein mecht würden mier alle beschwerden leichter« [Herv. d. A.].25
23 Schloß Horn, FA Hoyos, 382/18, zweiundzwanzig Briefe von Juan de Hoyos und Judith von Ungnad zwischen 1548 und 1555. 24 [Zur Erhaltung Deiner Leibesfrucht nimm Muskatellerkraut ein. Schreibe ihm, dass er Dir dies senden möge; es heißt auf Spanisch Grana o Starlata und ist in Form eines Pulvers, und er möge Dir sagen, wie man es ein nimmt, damit befehle ich Dich und unsere Kinder Gott dem Herrn, der es dahin bewenden möge, dass Du und ich bald durch (ein gesundes Kind) erfreut werden.] Schloss Horn, FA Hoyos, 382/18 Briefe vom 3. November 1549 und vom 11. August 1549. 25 [ Judith mein herzallerliebster Trost, ich habe Deine 2 Briefe mit Datum vom 8. und 12. Dezember erhalten und diese, die mich ungemein erfreut haben, werden mich in das neue Jahr geleiten, wobei ich Dir auch ein glückliches neues Jahr wünsche. Ich habe aber aus Deinen Schreiben entnommen, dass Du an einem unangenehmen Fieber leidest, worüber ich gar nicht glücklich bin, noch dazu, wo Du schreibst, dass unsere Tochter auch nicht gesund sei; wenn ich nur bei Dir sein könnte, dann wären mir alle Beschwerden leichter.] Schloss Horn, FA Hoyos 382/118.
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In diesem Zusammenhang enthält der ›Trostbrief‹ auch Elemente und Charakteristika des klassischen Liebesbriefes, von dem man meint, dass es ihn zu diesem Zeitpunkt und in diesem Jahrhundert noch gar nicht gegeben haben könnte.26 Warum kommt man zu dieser Annahme? Scheinbar setzte man den sogenannten Individualisierungsprozess – was auch immer man darunter verstehen mag – sehr spät im 18. oder gar 19. Jahrhundert an und war lange Zeit nicht gewillt, Menschen früherer Jahrhunderte Empfindungen zuzugestehen. Innerhalb einer Geschichte der Emotionen stellt dies schon lange kein Diskussionsthema mehr dar und wird in den verschiedensten Publikationen widerlegt.27 Zur Sprache der Texte und der Bilder: Kommunikation auf Distanz Korrespondenzen tragen zur Identität der Familie bei und reduzieren örtliche und zeitliche Distanzen. Im größeren Kontext ermöglichen Gemälde/Porträts und Texte/Briefe, die Abwesenden physisch und psychisch zu vergegenwärtigen. Innerhalb einer Welt, die mittels schriftlicher, mündlicher und bildlicher Mitteilungen erst durchlässig gemacht werden musste, stellte der schriftliche Austausch einen Weg dar, um den Kontakt aufrecht zu erhalten. Aus dieser Lage speisen sich der nur auf den ersten Blick heterogene Inhalt als auch die vielfältigen Formen und Formeln dieser Kommunikationsart.28 Der Brief, als geschriebener Diskurs, bestimmt auch den Zugang zur und den Umgang mit der Außenwelt: »La lettre, formé écrite du discours, est aussi déterminée de l’extérieur. Elle remplace un partenaire devenu muet et annule en quelque sorte son absence. Cette function est si évidente que les differences entre le discourse et l’écrit sont minimes et que les 26 Vgl. dazu auch Erminia Irace, »Le scritture della nobiltà. Forme e pratiche della legittimazione nell’Italia cittadina die secoli XVI e XVII«, in: Lesen und Schreiben in Europa 1500–1900. Vergleichende Perspektiven, hrsg. von Alfred Messerli und Roger Chartier, Basel 2000, S. 65–85. 27 Siehe dazu die entsprechenden Kapitel in Europäische Mentalitätsgeschichte, hrsg. von Peter Dinzelbacher, Stuttgart 22008. Vgl. dazu z. B. Xenia von Tippelskirch, »Reading Italian Love Letters around 1600«, in: Reading, Interpreting and Historicizing: Letters as Historical Sources, hrsg. von Regina Schulte und Xenia von Tippelskirch, Badia Fiesolana/San Domenico 2004, S. 73–87. 28 Beatrix Bastl, »›Ins herz khan man kein sehen‹. Weibliche Kommunikations- und Beziehungskulturen innerhalb der adligen ›familia‹ der frühen Neuzeit«, in: Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte weiblicher Kommunikation, hrsg. von Eva Labouvie, Köln u. a. 2009, S. 305–319.
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Abb. 3a Detail: Maria Rosa von Harrach (1721– 1785), halb links neben ihr ihre Schwester Anna Viktoria (1726–1746) aus dem Familienbild Harrach (frühes 18. Jahrhundert), Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl.
théories du XVIIIe siècle en font meme abstraction. En effet, selon Gottsched qui reprend à son compte les théories des Anciens, la lettre n’est qu’un discourse écrit adressé à un absent.«29
Alle Töchter des Ehepaares Friedrich August von Harrach (1696–1749) und der Maria Eleonora von Liechtenstein (1703–1757) bestimmen den Brief29 [Der Brief als schriftliche Form des Diskurses wird auch durch sein äußeres Erscheinungsbild bestimmt. Er ersetzt einen stumm gewordenen Partner und hebt gewissermaßen seine Abwesenheit auf. Diese Funktion ist dermaßen augenscheinlich, dass der Unterschied zwischen dem Diskurs und dem geschriebenen Wort minimal ist und in den Theorien des 18. Jahrhunderts nicht einmal Erwähnung findet. Tatsächlich ist der Brief gemäß Gottsched, der sich seinerseits an antike Vorbilder anlehnt, lediglich ein geschriebener Diskurs, der an eine abwesende Person gerichtet ist.] Beatrix Bastl, »Un discours entre proximité et distance« (wie Anm. 21), S. 141–142. Robert Vellusig, Schriftliche Gespräche. Briefkultur im 18. Jahrhundert, Wien u. a. 2000, S. 23–25. Für Hilfe bei den Übersetzungen aus dem Französischen sei Frau Mag. Renata Granat (Wien) gedankt.
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wechsel der Familie Harrach. Friedrich August und Maria Eleonora heirateten 1719, und ihre Ehe währte 30 Jahre, während der 16 Kinder geboren wurden, wovon elf das Erwachsenenalter erreichten. Friedrich August Gervasius Protasius von Harrach war ein Sohn des Alois Thomas Raimund von Harrach und dessen zweiter Ehefrau Cäcilia von Thannhausen. Friedrich August ist zwar nur der drittgeborene Sohn, überlebt aber im Gegensatz zu seinen zwei älteren Brüdern die Kindheit und wird so zum Protagonisten der Linie. Er häuft Titel und Ehren, Ämter und Würden an wie Oberster Erblandstallmeister in Österreich unter der Enns (= Niederösterreich) und Ritter des Goldenen Vlieses. Von 1732 bis 1741 ist er Obersthofmeister und Oberstkämmerer der Erzherzogin Maria Elisabeth von Österreich (1680–1741), einer Tochter Kaiser Leopolds I. und der Eleonore von Pfalz-Neuburg, der Statthalterin in den Niederlanden (1724–1741), und wird nach deren Tod von 1741 bis 1743 interimistischer Statthalter.30 Besonders aufschlussreich sind jene Schreiben, welche von Maria Rosa (1721–1785) und ihrer Schwester Maria Anna (1725–1780) handeln und bestimmt werden. Am differenziertesten, im wahrsten Sinne des Wortes, ist unser Bild von Maria Rosa (Abb. 3a), denn sie tritt uns in ihren eigenen Briefen an den Großvater Alois Thomas Raimund von Harrach sowie in den Briefen ihrer Mutter Maria Eleonore an denselben und in den brieflichen Mitteilungen ihrer Großmutter Maria Ernestine von Harrach entgegen. Wie die meisten Adeligen im 18. Jahrhundert schreibt sie den Großteil ihrer Briefe in französischer Sprache. Alle Briefe, die sie selber schreibt, oder die von ihr handeln, nehmen ihr Aussehen zum Anlass. Sie selbst sieht sich als hässlich und von Feuchtblatternnarben entstellt und beschreibt sich ihrem Großvater wie folgt: »[...] á craindre de vous ennujer infiniment pour ma figure j’ai peur que personne ne vous l’aye representé, aussi laid quelle est. Je suis trés marqué des petits veroles, le front et le nez en ont soufert affreusement, il est meme beaucoup grossi, ma gorge, et la taille ont l’air trés flamande, les mains sont epouventables, tant paraport á leurs grandeur que paraport á leur rougeur, voila le portrait de celle qui a l’honneur d’etre avec tout l’amour, et le respect imaginable.«31 30 Vgl. zur kulturellen Bedeutung Friedrich August von Harrachs vor allem Doris Binder, Bilder von Historien. Die Tapisserien der Familie Harrach als moralisches Hochzeitsgeschenk? Unveröffentl. Diplomarbeit, Universität Wien 2008. 31 [Ich befürchte, Sie mit meinem Aussehen unendlich zu langweilen, doch so hässlich, wie es ist, hat es Ihnen bislang wohl noch niemand beschrieben. Ich bin übersäht mit kleinen Pockennarben, vor allem Stirn und Nase haben entsetzlich unter der Krankheit gelitten, die Nase ist zudem stark angeschwollen und mein Hals und meine Taille wirken äußerst flämisch, die Hände sehen grauenvoll aus, sowohl in Anbetracht ih-
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Diese Form der Selbstkritik war zweifelsohne völlig übertrieben, denn ihre Großmutter schreibt zu diesem Thema: »[…] das porter das man von ihr gemacht hat füntet sich wohl ganz anders, dan sie wohl allerlibst ist, unt haben die bladern sie wohl ein wenig verterbet, welches aber wenig machet, ich finte alt dz sie der mutter gleich sicht, unt die freüntlichkeit unt lustigen humor von vattern hatt.«32
Den folgenden Brief schreibt Maria Eleonora Catharina von Harrach, geborene Liechtenstein, an ihren Schwiegervater Alois Thomas Raimund von Harrach. Alois Thomas war Botschafter in Spanien, Landmarschall und Landesoberster in Österreich unter der Enns (= Niederösterreich), Vizekönig in Neapel – aus dieser Zeit stammt ein großer Teil an Gemälden, die sich heute noch in Familienbesitz befinden, und Konferenzmeister in Wien.33 Er war drei Mal verheiratet und hatte insgesamt 13 Kinder. Maria Rosa (1721–1785), die älteste Tochter von Maria Eleonora und Friedrich August von Harrach, lebte in Wien und in Brüssel und wurde dann im Herbst 1739 zur Ergänzung und Verfeinerung ihrer Erziehung wieder nach Wien, zu ihren Großeltern, geschickt. Zu diesem Anlass schreibt ihre Mutter den Großeltern nach Wien einen Brief, in dem sie ihrem Schmerz Ausdruck gibt, wie schwer es ihr fällt, ihr Kind in solch einer Distanz und familiären Ferne zu wissen; allein dass es die Großeltern sind, zu denen sie ihr Kind schickt, vermag ihr Leid etwas zu lindern, denn zu niemand anderem hätte sie ihre Tochter ziehen lassen: »Hohgebohrner reichs graff Gnädiger herr vatter Ewer gd. kann ich nicht bergen wie hertz beschwerdt es mir ankomet meine tochter rosa von mir weckzulassen, also zwar das es mir nicht möglich gewesen wäre, jemandt andern als Euer gdt. allein das sacrificie davon zw machen, ich erkenne rer Größe als auch im Hinblick auf ihre Rötung, das also ist das Porträt jener, die die Ehre hat mit aller Liebe und dem erdenklichsten Respekt zu verbleiben.] Briefe Adeliger Frauen aus Wiener Neustadt, Ausstellungskatalog Stadtarchiv Wiener Neustadt 16. März– 29. September 2000, Wiener Neustadt 2000, S. 9. 32 [Das Porträt, welches man von ihr gemalt hat, sieht ganz anders aus, da sie doch aller liebst aussieht und die Pocken haben sie nur ein wenig verdorben, was aber gar nichts ausmacht. Ich finde sie gleicht ihrer Mutter im Aussehen und hat die Freundlichkeit und den lustigen Humor vom Vater geerbt.] Ebd. 33 Vgl. dazu den von Elisabeth Garms-Cornides kuratierten Ausstellungskatalog: Cortelazzara: relazione a Maria Teresa sui reali di Napoli / Giuseppe II d’Asburgo. A cura di Elisabeth Garms-Cornides, Sorrento 1992.
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dan noch das glück gar wohl so sie dabey hat, die ubirge zeit ihrer erziehung unter euer gdt. Gnädigen augen zubringen zw können, getröste mich auch sie werde durch ihren gehorsam und gutn willn, sich die jenige sorgfalth bestens zw nutzn zw machen suchen, die euer gnd. Für ihre künfftige erzihung zw tragen gnädig beliebn werden, da sie aber dennoch dermahlen in solhen jahren ist, wo mann nicht wohl volkommen von aller handt jugendt fählern befrewet seyn kann, als hoffe euer gdt. Werden ihr, besonders anfangs, bis sie sich ein wenig in die grosse welth wird haben schiken können die selben gnädig verzeihen, und ihr gleich wie mir mit vorhofft vätterlichen gnadtn jederzeith gewogen verbleiben, die ich mich allerdencklichster lieb und respect abzw dienen zeith lebens beflissen sey wird, wie ich dann auch mit einem wahren kündlichen vertrauen und volkommener verehrung bis in todt zw verharren gedenke Euer gdt. Paris dn 11 7ber 1739 unterthänig gehorsame Dienerin und tochter Eleonora g. von. Harrach«34
Maria Rosa zieht also 1739 18jährig wieder nach Wien zu ihren Großeltern und lernt dort ihren um 13 Jahre älteren Onkel Ferdinand Bonaventura II. kennen, vor dem sie sich zuerst fürchtet.35 In diesem Zusammenhang schreibt 34 [Hochgeborener Reichsgraf, Gnädiger Herr Vater, Ich kann Euer Gnaden nicht verhehlen, wie sehr mein Herz beschwert ist durch die Tatsache, dass ich meine Tochter Rosa von mir weglassen muss und dass ich niemand anderem als Euer Gnaden dieses Opfer hätte bringen können. Ich erkenne zwar das Glück, dass sie hat, in dem sie die übrige Zeit ihrer Erziehung unter den Augen von Euer Gnaden zubringen darf, tröste mich auch damit, dass sie Ihnen Gehorsam und mit gutem Willen sich jene Sorgfalt zueigen machen wird, mit der Euer Gnaden ihre zukünftige Erziehung bestimmen wird; da sie aber noch so jung an Jahren ist, wo man keinesfalls von allen Jugendfehlern befreit sein kann, so hoffe ich, dass Euer Gnaden ihr anfangs, bis sie sich in die große Welt schicken wird, ihr diese gnädig verzeihen werden und ihr trotzdem mit väterlicher Gnade gewogen bleiben. Ich selbst werde Zeit meines Lebens beflissen sein, Ihnen mit aller Liebe und allem Respekt zu dienen sowie mit wahrem kindlichen Vertrauen und vollkommener Verehrung bis in den Tod Ihnen gegenüber zu verbleiben. Euer Gnaden Paris den 11 September 1739 Eure untertänige und gehorsame Dienerin und Tochter Eleonora Gräfin von Harrach] Ausstellungskatalog Wiener Neustadt (wie Anm. 31), S. 7. 35 Vgl. dazu Elisabeth Garms-Cornides, »›O n’a qu’a vouloir, et tout est possible‹ oder i bin halt wer i bin. Eine Gebrauchsanweisung für den Wiener Hof, geschrieben von Friedrich August Harrach für seinen Bruder Ferdinand Bonaventura«, in: Adel im »langen«
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Abb. 3b Detail: Maria Anna von Harrach (rechts, 1725–1780) und Anna Josepha von Harrach (1727–1788) aus dem Familienbild Harrach (frühes 18. Jahrhundert), Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl.
ihre Großmutter an die gesamten Familienmitglieder zum Vorlesen und auch als Trost, damit die Kommunikation aufrecht bleibt und die Synergien in der Familie gebündelt werden. Die Reputation der Familie, die Akkumulation von sozialem Kapital, dies war die Aufgabe der jungen Maria Rosa von Harrach, wie es ihre Großmutter beschreibt: »Von der rosa khan ich versichern das sie general aprobacion hatt, so wohl bey hoff als statt, unt muss man wohl sagen der öpfel fahlet nit weit von baum, unt khan ich mit wahrheit sagen das sie sich ihn alln recht guet auff führet, und zeiget das sie ein gutn humor hatt, dan die gesellschafft…gefahln ihr unsinnig wohl…der kayserin gefahlet sie recht wohl, unt lobt ihr modesti«.36 18. Jahrhundert, hrsg. von Gabriele Haug-Moritz, Hans-Peter Hye und Marlies Raffler, Wien 2009, S. 89–111. 36 [Von der Rosa kann ich nur versichern, dass sie sozusagen die allgemeine Approbation bei Hof und in der Stadt hat, und man kann nur sagen, dass der Apfel nicht weit vom
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Maria Rosa heiratet ein Jahr später, am 9. Oktober 1740, ihren Onkel Ferdinand Bonaventura II., vor dem sie sich anfänglich so fürchtete, und hat mit ihm zwei Töchter: Maria Eleonore, die jedoch bereits als Kind stirbt, und Maria Rosa Aloisia Catharina, die später Joseph Fürst Kinsky heiraten wird. Maria Anna (Marianne) von Harrach (1725–1780) (Abb. 3b) ist die zweitälteste Tochter des Friedrich August von Harrach und der Maria Eleonore Katharina von Liechtenstein. Sie wird in Wien geboren, wo sie auch einige Jahre lebt, dann geht sie mit den Eltern und Geschwistern nach Brüssel.37 Sie wird von ihrem Vater im Alter von 14 Jahren in ein Kloster in Paris zur weiteren Erziehung gebracht; eine Tatsache, die sie kaum verkraftet und die sie in vielfachen Briefen mit dramatischen Worten, voll Schmerz, Leid und ohne Trost durch die Familie, thematisiert: »sa me fait une paine horible Dieut sait la peine que je sent dans mon coeur.«38 Kein Trost wird ihr zuteil oder lindert ihr elendes Leben in diesem unerträglichen Konvent: »[…] de ne point oublier une pauvre affligé comme si vous le faites vous en serez recompensé de Dieu car vous aurez fait un oeuvre de misericorde je ne peus pas vous en ecrcriire davantage car je suis toute en larmes.«39
Sie schreibt, dass sie Tag und Nacht weint und vor Schmerz und Kummer über die Trennung von der Familie sterben wird, wenn sie im Kloster bleiben muss. Maria Annas Vater würde ein Gott wohlgefälliges Werk tun, wenn er sie wieder aus dem Kloster nähme. Sie kann ihren Vater schlussendlich mit dem Hinweis auf ihre schlechte Gesundheit dazu überreden, dass sie das Kloster Stamm fällt. Wahrheitsgemäß versichere ich, dass sie sich außerordentlich gut benimmt und zeigt, was sie für einen guten Humor hat, denn die Gesellschaften […] gefallen ihr außerordentlich gut […] auch der Kaiserin gefällt sie sehr und diese lobt ihre Bescheidenheit.] Ausstellungskatalog Wiener Neustadt (wie Anm. 31), S. 9. Vgl. dazu auch Beatrix Bastl, »Weder Fisch noch Fleisch: Wenn alle Gaben zwischen symbolischem und realem Kapital schwanken«, in: Luxus und Integration. Materielle Hofkultur Westeuropas vom 12. bis zum 18. Jahrhundert, hrsg. von Werner Paravicini, München 2010, S. 123–138. 37 Beatrix Bastl, »›Ich kenne alle europäischen Länder‹. Die Briefe der Maria Anna von Harrach an ihren Vater (1733–1748)«, in: In der Vergangenheit viel Neues. Spuren aus dem 18. Jahrhundert ins Heute, hrsg. von Harald Heppner, Alois Kernbauer und Nikolaus Reisinger, Wien 2004, S. 213–216. 38 [Dies bereitet mir entsetzliche Schmerzen, Gott allein weiß über diesen Schmerz, den ich tief im Inneren meines Herzens verspüre] Bastl, »Un discours entre proximité et distance« (wie Anm. 21), S. 142. 39 [Ich bitte Sie lediglich, sich einer armen, traurigen Kreatur anzunehmen, täten Sie dies, so würde Gott es Ihnen verzeihen, denn Sie hätten ein Werk der Barmherzigkeit vollbracht; ich kann nicht weiterschreiben, da ich voller Tränen bin.] Ebd.
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verlassen und zunächst in Paris zu einer Tante ziehen darf, bis sie sich wieder in Brüssel bei ihrer Familie einfindet, deren Nähe sie lange Zeit schmerzlich entbehren musste. Am 30. Mai 1745 heiratet sie Niclas Sebastian Graf von Lodron (1719–1792) zu Gmünd. Mit ihm hat sie sieben Kinder, zwei Töchter und fünf Söhne. Zur Überwindung von Raum und Zeit Zur Überwindung großer persönlicher und damit auch räumlicher Distanzen verwendete man im 20. Jahrhundert sehr spezifische intime Formulierungen. Der Briefwechsel zwischen Paul Celan und Ingeborg Bachmann, in dem plötzlich nach einer neuen Intimität in der Betonung der gemeinsamen Zeit gesucht wird, belegt dies ausdrücklich: »In Celans Briefen ab Mitte Oktober 1957 setzt eine überschwängliche Evokation des Lesens ein […]. Die Grenzen von Kunst und Leben sind durchlässig geworden […]. ›Herzzeit‹ nennt er in ›Köln, Am Hof‹ die neue Erfahrung der Übereinstimmung, und sie nennt die Gedichte von Sprachgitter‚ ›Gedichte, wieder aus unserer Zeit‹ […], alles wird in diesen Jahren Teil ihrer gemeinsamen Zeit, die getrennten Räume und Zeiten gehen ineinander über in eine von Korrespondenzen erfüllte Welt.«40
Die Verringerung von räumlichen und zeitlichen Distanzen ist dem geschriebenen Brief immanent; gleichzeitig kann die vorgegebene ›Mündlichkeit‹ des Briefes nicht den unmittelbaren sprachlichen Gedankenaustausch ersetzen. So schreibt Elisabeth (1544–1580), eine Tochter des Erasmus von Starhemberg (1503–1560), und der Anna von Schaunberg (1513–1551), an Magdalena von Starhemberg, geborene Lamberg, nach Wildberg: »ich woltt gar gern ein mall bey dier sein mein lieb den ich het vill mit dier zu reden.«41 40 Ingeborg Bachmann und Paul Celan, Herzzeit. Briefwechsel, Frankfurt am Main 2008, S. 237. Hans Höller und Andrea Stoll: »Das Briefgeheimnis der Gedichte. Poetologisches Nachwort«, in: Ingeborg Bachmann/Paul Celan: Herzzeit. Briefwechsel, hrsg. von Betrand Badiou, Hans Höller et al., Frankfurt a. M. 2009, S. 224–243, hier: S. 237. 41 [Ich wäre so gerne einmal bei Dir, denn ich habe so viel mit Dir zu besprechen und zu reden] OÖLA, FA Starhemberg, Bestand Riedegg, Karton 40, 10. September 1564 aus Steyr. Beatrix Bastl, »›Wer wird schon Gellert sein? Hier schreibe ich!‹ Geschriebene Äußerungen als mündliche Herausforderungen«, in: Reading, Interpreting and Historicizing. Letters as Historical Sources, hrsg. von Regina Schulte und Xenia von Tippelskirch, Fiesole/Firenze 2004, S. 89–106.
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Man war zwar versucht, dieses Manko auszugleichen, in dem man den Brief vorlas, aber auch dies sollte auf Schwierigkeiten stoßen. Silvia Hölbl gibt im Rahmen ihrer Dissertation zu Privatkorrespondenzen im deutschsprachigen Raum gute Beispiele zur Kultur des Vorlesens von Briefen und seines Wandels innerhalb des Verwandten- und Freundeskreises: »Nichtwahr Du wirst nicht Alles, was ich Dir schreibe vorlesen«, kommentiert Maria Margarethe von Harrach in einem Brief an ihre Schwester, Johanna von Schönborn, »denn dann lacht Ihr über meine Briefe wo ich dir meine Bemerkungen und Beurteilungen schreibe und ich weiß nicht warum, ich meine nicht Alles im Scherz was ich schreibe, ich theile Dir meine Gedanken mit als ob ich sie Dir sagen würde.«42 Schriftliche Mündlichkeit und Intimität: Zum Überschreiten einer Grenze Einen Aspekt, jenen der Kontradiktion schriftlicher Mündlichkeit und deren Form bzw. Verletzung von Intimität, zeigt ebenfalls der Briefwechsel zwischen den Schwestern Margarethe von Harrach und Johann von Schönborn.43 Das Schreiben von Briefen wird im 19. Jahrhundert als privater Akt empfunden, der ein intimes Gespräch mit einem anderen Menschen darstellt. Diese Intimität wird durch Vorlesen verletzt und dadurch zu einem andauernden Konflikt zwischen den beiden Schwestern: »A propos noch etwas über die Briefangelegenheit über die Du mich übel verstanden hast denn ich meinte nicht, dass Du der Bü meine Briefe nie vorlesest ich meinte nur, dass du nicht Alles ihr und besonders nicht den Brüdern zum Besten gibt; denn es ist mir, wie gesagt, nur das unangenehm wenn über Sachen, die ich nicht im Spaß schreibe gelacht wird.«44
So wird nicht nur der Akt des Schreibens, sondern jener des Lesens zu einem spezifischen Ort der Intimität, der unser persönliches Universum umschließt, 42 Maria Margarethe Gräfin Harrach, geborene Prinzessin Lobkowicz, an ihre jüngere Schwester Johanna Gräfin Schönborn, geborene Prinzessin Lobkowicz, 5. November 1860, Hrádek. Österreichisches Staatsarchiv, AVA, FA Harrach, Karton 656. Zitiert nach Silvia Hölbls Arbeit innerhalb des Forschungsseminars »Europa/Bilder. Was verstehen wir unter europäisch?« (WS 07/08, SoSe 08, wie Anm. 11). 43 Silvia Hölbl, Liebe, Ehe, Alltag im Hause Harrach Mitte des 19. Jahrhunderts. Korrespondenzen von Maria Margaretha, geborene Prinzessin Lobkowicz und Johann Nepomuk Franz von Harrach, Unpublizierte Diplomarbeit, Wien 2006. 44 Österreichisches Staatsarchiv, AVA, FA Harrach, Karton 656, 6. November 1860.
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und der als Teil unseres Selbst verstanden und verteidigt wird. Als Medium dafür dient uns unsere Sprache – und dabei unsere Muttersprache – jene Sprache, die unser Zuhause darstellt und in der wir uns vorrangig wohlfühlen, sodass wir sie nicht nur zum Sprechen, sondern auch zum Schreiben benützen, damit man sie lesen kann. Alberto Manguel beschreibt dies in seiner Geschichte des Lesens folgendermaßen: »Wenn wir einen Text in unserer Muttersprache lesen, wird er selbst zur Barriere. Wir können ihn soweit erfassen, wie es die Wörter erlauben […] aber wir können uns nicht der Tatsache entziehen, dass seine Sprache unser geistiges Universum umgrenzt.«45 Und Manguel schreibt weiter, dass »der Akt des Lesens […] eine intime, körperliche Beziehung zum Buch [herstelle], an der alle Sinne teilhaben.«46 Dies lässt sich leicht auf eine Geschichte des Briefschreibens übertragen, wenn man vergleicht, dass manche privaten Briefe auch von Schreibern niedergeschrieben wurden (wie im 16. Jh. und später), aber auch den eigenhändigen Liebes- und Trostbriefen, bis zu der Zeitschwelle, die sich im Briefwechsel der Schwestern Lobkowicz (verehelichte Harrach und Schönborn) manifestiert, zu der man bewusst Stellung gegen das Vorlesen nahm. Möglicherweise zog man dies früher nicht so in Betracht? War dies ausgeschlossen? Oder vielmehr durchaus üblich? Nicht einmal die Briefe zwischen Juan de Hoyos und Judith Elisabeth von Ungnad blieben von anderen ungelesen; sonst wüssten wir nicht von jenen seltenen Orten der Intimität, die Briefe nun einmal darstellen.47
45 Alberto Manguel, Eine Geschichte des Lesens, Hamburg 2000, S. 322. 46 Ebd., S. 285. 47 Vgl. etwa in Ingeborg Bachmann/Hans Werner Henze, Briefe einer Freundschaft, hrsg. von Hans Höller mit einem Vorwort von Hans Werner Henze, München 2004 und Ingeborg Bachmann/Paul Celan, Herzzeit [wie Anm. 40] den Nachweis der Verwendung gegenseitiger Gedichte in den Briefen. Denn »das Liebespaar, das da im Mai 1948 im besetzten Wien zusammenfand, hatte Schicksale, die so verschieden waren wie nur irgend möglich: Die Philosophie studierende Tochter eines frühen österreichischen Mitglieds der NSDAP und ein staatenloser Jude deutscher Sprache aus Czernowitz […].« (Barbara Wiedemann und Betrand Badiou: »›Lass uns die Worte finden‹. Zum Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan«, in: Ingeborg Bachmann/ Paul Celan: Herzzeit, 2009 [wie Anm. 40], S. 215–223, hier: S. 215). Und: »Was Bachmann in den Briefen registriert, dass sie ›immer etwas erstickt‹ hielt, nicht ›unähnlich‹ dem, was ›unsere Briefe bisher trug‹, auch das immer wieder konstatierte Verstummen und die komplementären Evokationen des Atmens, das ist in den sieben Versen von ›Die gestundete Zeit‹ in einer Szene von bedrängender persönlicher und geschichtlicher Dramatik zusammengefasst.« (Hans Höller und Andrea Stoll: »Das Briefgeheimnis der Gedichte. Poetologisches Nachwort« [wie Anm. 40], S. 233–234).
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Dieses grundsätzliche Dilemma des Handelns drückt wiederum Ingeborg Bachmann aus: »Ich möchte das Briefgeheimnis wahren. Aber ich möchte auch etwas hinterlassen.«48
48 Ebd., S. 224.
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Devotional Songs by Women of the Ruling Families in Seventeenth-Century Lutheran Germany Authorship, Dissemination, Compilation, Publication
Anyone who peruses the lexicon of early modern women writers, scholars, and artists assembled by Jean Woods and Maria Fürstenwald will notice that numerous women from the ruling families of Lutheran Germany wrote and published devotional songs.1 In fact, the women regents, consorts, and unmarried sisters and daughters of rulers created hundreds, perhaps thousands, of original verse texts designed to be sung to existing hymn melodies. They shared their devotional songs with other women, included them in published compilations and official hymnals that they sponsored, and promoted the songs written by other women from their networks of friends and relations. Those who did not themselves author devotional songs often collected and organized them into devotional compilations that they published. Many rulers’ consorts and widows appear to have sponsored official hymnals for use in their court chapels and in churches throughout the principality, and hints abound that they had played an active role in the selection of both traditional hymns and new songs.2 1 Jean M. Woods and Maria Fürstenwald, Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und gelehrte Frauen des deutschen Barocks. Ein Lexikon, Stuttgart 1984. 2 Some royal women who compiled and sponsored the publication of hymnals and devotional songbooks under their own names include two daughters of the Elector of Saxony, Johann Georg I: the widowed duchess Maria Elisabeth von Schleswig-Holstein (the socalled Husumer Gesangbuch), and Magdalena Sibylla, widowed princess of Denmark and duchess of Sachsen-Altenburg (two editions of a Gebet- und Gesangbüchlein). On these women and their publishing activities, see Ada Kadelbach, »Zeugnisse höfischer Frömmigkeit und Repräsentation: Gesangbücher im Gottorfer Umfeld«, in: Gottorf im Glanz des Barock. Kunst und Kultur am Schleswiger Hof 1544–1713, ed. by Heinz Spielmann and Jan Drees, Schleswig 1997, vol. 1, pp. 306–311; and Mara R. Wade, »Invisible Bibliographies: Three Seventeenth-Century German Women Writers«, in: Women in German Yearbook 14 (1998), pp. 41–69. But most women who compiled and published compilations of devotional songs were more circumspect, even when it was just a matter of compiling and publishing the works of others. In the cases of Sophia Christiana von Brandenburg-Culmbach and Magdalena Sibylla von Württemberg-Stuttgart, their devotional song compilations employ monograms and circumlocutions to conceal – and
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The devotional authorship and compilership activities of seventeenth-century women of the ruling class have begun to draw interest, as evidenced by the many oral presentations and published articles and essays by such scholars as Gudrun Busch, Jill Bepler, Mara Wade, Cornelia Niekus Moore, Ada Kadelbach, and myself. In this study I will focus on the activities of various women from the ruling dynasties of the counts of Schwarzburg in Thüringen as examples that can further our understanding of the lives of women at court. These women include Aemilia Juliana von Schwarzburg-Rudolstadt (1637– 1706), who was ruler’s consort; her unmarried sisters-in-law Ludaemilia Elisabeth (1640–1672) and Sophia Juliana (1639–1672); and the ruler’s consort in neighboring Arnstadt, Sophia Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt (1624– 1685), together with her daughters. I will begin with the better documented activities of the three women of Schwarzburg-Rudolstadt.3 In providing an account of the authorship, compilation, and publication activities of these women, I will address a number of questions: How did these women go about authoring devotional songs? What did they do with them, once they had written them down? What were the reasons and circumstances for authorship? With whom did they share their original songs, and why? What moved them to publish the songs they wrote themselves and those that they collected, sometimes from other women authors? How did they learn how to write devotional songs and to design songbooks for daily use in private devotions? Who encouraged them to reveal – their identities. These songbooks, which include many songs authored by Aemilia Juliana and Ludaemilia Elisabeth von Schwarzburg-Rudolstadt as well as other women, also contain many new songs that cannot be connected with any other author, and the compilers may well have authored some of these song texts themselves. On Sophia Christiana’s compilation, see my article: Judith P. Aikin, »Songs by and for Women in a Devotional Songbook of 1703: Women’s Voices for Women’s Voices«, in: Daphnis 31 (2002), pp. 593–642. On both compilations and their relationship to the Freylinghausen hymnal, see my essay: Aikin, »Die Beteiligung von Frauen am ›geist=reichen‹ Gesang um 1700: Herzens=Music 1703, Andachts=Opffer 1705 und Freylinghausens Geist=reiches Gesangbuch 1704 mit dessen Zugabe 1705«, in: ›SJngt dem HErrn nah und fern‹. 300 Jahre Freylinghausensches Gesangbuch, ed. by Wolfgang Miersemann and Gudrun Busch, Tübingen 2008 (= Hallesche Forschungen 20), pp. 123–142. 3 As I have concentrated in my published articles and in my forthcoming book on Aemilia Juliana’s authorship of ca. 700 of these songs, I will take this opportunity to examine instead the song production of her sisters-in-law and her promotion of these songs by the women in her family, together with the activities at the neighboring court. For a preliminary study of the authorship and compilership activities of Aemilia Juliana, see my article: Aikin, »Der Weg zur Mündigkeit in einem Frauenleben aus dem 17. Jahrhundert. Genesis und Publikationsgeschichte der geistlichen Lieder der Gräfin Aemilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt«, in: WBN 29 (2002), pp. 33–59.
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do so, and why? In what ways could the authorship and publication of devotional songs by women of the ruling families promote dynastic interests? It should be pointed out that authoring devotional song texts designed to be sung to an existing hymn melody works differently from authorship of other types of verse. Education in Martin Opitz’s principles of versification might be desirable, but it was by no means necessary; instead, an author could plug new words into a well-known melody, matching the syllables and accents to the notes and rhythms of the original. Several years ago I was invited to lead a workshop in Amana, Iowa, at which German-speaking elders in the separatist Pietist sect that still operates there wanted instruction in translation so they could transform German hymns into English for the use of younger church members. At the end of a discussion of verse forms and Pietist language, I observed the participants attacking a group translation project – translating a favorite hymn from their Freylinghausen-based hymnal – not by counting beats or syllables, but by humming the well-known melody and then gradually filling in the notes with English words. Only after creating an entire strophe, which they then sang aloud, did they pause to write down the result. I expect that most of the women authors of devotional songs in the seventeenth century employed the same method, for their songs almost invariably depend on an existing hymn tune. In the case of the various women of the Schwarzburg dynasty who authored songs, only a few handwritten first drafts survive, but these examples appear to confirm that contrafacture was the process employed. The originals exist as loose sheets, or as later insertions in previously bound manuscript books. They are characterized by a naturally flowing hand, and they tend to include the date when they were created. These first renditions contain few revisions or corrections, a sign that the song, like the translation I observed, was finished prior to writing it down. Although the sheet on which Aemilia Juliana wrote down her most famous song, »Wer weiß, wie nahe mir mein Ende«, appears to have disappeared, it was described in detail by an early eighteenth-century hymnologist, who reported that the song text, in Aemilia Juliana’s handwriting, was inscribed on the front and back of a single sheet with only a few minor emendations and included the date it was written, September 17, 1686.4 4 Johann Martin Schamelius, Vindiciae Cantionum S. Ecclesiae Evangeliscae, Leipzig 1712, pp. 18–19. Schamelius also transcribed handwritten notations at the bottom made in 1707 by Gerhard Lindner, pastor in Gera, where the sheet was preserved in the church library, concerning its provenance. It had been handed to Lindner by its owner, the widowed countess Anna Dorothea von Reuss-Gera, who had told him that the author was Aemilia Juliana. It seems likely that Aemilia Juliana had made a gift of the original to her recently widowed friend in the nearby Reuss residence not long after she had written the song.
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Songs initially written down on loose sheets in this manner would have been copied into a bound manuscript book for private devotional use and, as in this instance, the original was probably sent or given to a female relative or friend, who might copy it into her own bound manuscript book and pass the original along to another. The two manuscript devotional books that Aemilia Juliana created as an adult contain complete devotional programs, with songs, both new and old, inserted in appropriate contexts on sheets that had been prepared in advance to receive songs on that topic. To judge from the carefully penned printlike script, the songs appear to have been copied from an original or other copy. On the other hand, these manuscript songbooks were also a site for jotting down initial drafts of original songs and rhymed prayers during her travels, complete with the place and date they were written, either in the margins or inside the front and back covers.5 The funerary sermons and biographies of all three women from Schwarzburg-Rudolstadt attest that each had created for her own use such a bound manuscript collection of devotional songs, including those she had authored herself as well as favorites culled from other sources, and that these collections served them in their daily devotional hours and on their deathbeds.6 One section in a manuscript book Aemilia Juliana used daily is made up entirely of songs written by her sister-in-law Ludaemilia Elisabeth, each copied into the collection in Aemilia Juliana’s careful script.7 She has organized 123 of her sister-in-law’s songs according to topic and created an alphabetical index of incipits, or first lines, at the end.8 By the devotional structure Aemilia 5 Preserved in the Thüringisches Staatsarchiv in Rudolstadt, D-RUl, under the signatures Geheimes Archiv A XIII 2, Nr. 1 and Nr. 2. 6 Unverwelckliche Myrten-Krone, Rudolstadt 1672, contains the funerary materials for Ludaemilia Elisabeth and her sister Sophia Juliana, who predeceased her by several weeks, as well as a third sister and their mother. The reference to Sophia Juliana’s songwriting activities and hand-written devotional songbook appears in the second pagination, p. 50. The reference to Ludaemilia Elisabeth’s oeuvre of more than 200 songs is on pp. 75–76, and to the manuscript book she created for her own use on p. 79. The references to Aemilia Juliana’s song-writing and publications, as well as to the hundreds of still unpublished original songs that existed in her manuscripts at the time of her death, are ubiquitous in her funerary volume, Schwartzburgisches Denckmahl einer Christ-Gräflichen Lammes-Freundin/ nehmlich Der Hochgebohrnen Gräfin und Frauen/ Fr. Aemilien Julianen/ Gräfin zu Schwartzburg und Hohnstein, Rudolstadt 1707. While the handwritten devotional books of Aemilia Juliana survive, those of her sisters-in-law have disappeared. Similar manuscript devotional books and songbooks are occasionally mentioned as still existing in the archives of other courts. 7 D-RUl (see note 5), Geheimes Archiv A XIII 2, Nr. 2. 8 Some of Ludaemilia Elisabeth’s songs instead appear in other sections of this volume or in the other manuscript devotional book that Aemilia Juliana created. And some of
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Juliana used to arrange the songs, it is clear that she was collecting them for her own use in private and household devotional sessions. But many of the 419 pre-numbered pages are blank, still waiting for additional songs that never arrived, for Ludaemilia Elisabeth died in a measles epidemic before she reached the age of 32, two weeks after attending the deathbed of her elder sister, Sophia Juliana.9 From several comments in letters Aemilia Juliana wrote to Sophia Juliana, who lived with Ludaemilia Elisabeth and their other unmarried sisters until their premature deaths, we can see how such a body of work was transmitted. In a letter written early in 1667 Aemilia Juliana states in a postscript: »L[udaemilia] E[lisabeth] laße ich umb die Abschreibung ihrer Lieder dienstl[ich] bitten«.10 Presumably the poet responded with a copy of all of the songs that she considered good enough to share, but she also continued to write new songs. These likewise managed to reach Aemilia Juliana via copies, for several years later in yet another postscript Aemilia Juliana sends along her thanks for a copy of a single song: »L[udaemilia] E[lisabeth] sage ich zu unzehligen mahlen dienstl[lichen] dank vor dero hier erst gefundenes schönes Lied«.11 Songs were shared among women by enclosing them in letters. Three years after the deaths of her sisters-in-law, Aemilia Juliana commissioned Leutenberg court pastor Johann Georg Roth to publish, as a commemorative to their piety, a sermon that he had delivered a few months prior to their deaths, Süsse Gnaden-Milch und kräfftiges Trost-Honig, together with the songs that the women had authored as a response to the sermon. The subtitle page introducing the two songs by Sophia Juliana and three songs by Ludaemilia Elisabeth, »Anhang Schöner Gedancken/ zweyer Nunmehr in Gott seelig-ruhenden Christgräfflichen Schwester-Hertzen«, relates how the songs had come into existence: »wie sie öffters gepflogen/ den Inhalt oder die Haupt-Sache derer Predigten/ in andächtige Gesänge abzufassen/ also [haben sie] dem wohlempfundenen Geschmack de[s] kurtz vor Dero Abzuge aus those that are included in the »complete works« edition published in 1687, which has 206 songs, do not appear in any of Aemilia Juliana’s existing manuscript books. 9 A third sister-in-law, Christiana Magdalena, also died in the 1672 epidemic; there is no indication that she wrote devotional songs. 10 Aemilia Juliana’s letters to her sister-in-law Sophia Juliana, who then conveyed the contents to her sisters and mother who lived with her in the dower house in Leutenberg, about 30 kilometers from Rudolstadt, are preserved in a bundle of unbound correspondence in the D-RUl (see note 5), Geheimes Archiv A XIII, 152. As the individual letters are unnumbered, I have provided numbers for them in the order in which they appeared in the packet of Aemilia Juliana’s letters. This postscript is from Letter [65]. 11 Letter [358] (see note 10).
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Dero Hochseeligen Frau Mutter gewesenen Wittums-Residenz zu Leutenberg/ vorgetragenen Gnaden-Milch und Trost-Honigs/ in andächtigen Liedern und Reden entdecket«.12 The implication is that devotional activities on Sundays after church often included authoring original devotional songs that constituted meditations on the subject of the sermon. While Sophia Juliana’s songs are not noteworthy, those of Ludaemilia Elisabeth, by far the better poet, were found worthy of republication in other contexts. One year later yet another memorial volume appeared, in this instance explicitly in commemoration of the fourth anniversary of Sophia Juliana’s death and dedicated to the family members, including Aemilia Juliana: Epilogi Pie De Mortuorum, Oder: Exemplarische Sterbe-Schule.13 The author, Christoph Sommer, a local deacon, narrates the marvelously pious deaths of the sisters-in-law, together with the deathbed scenes of various ancestors, in a devotional book designed for use in advance preparations for death. In his report of Ludaemilia Elisabeth’s final days, he includes the text of her last song, »Christliche Gedancken im CreutzLabyrinth«, which she had written at the bedside of her dying sister: »1. Was/ meine Seele! denckst du doch? Daß du allhier must leben noch/ da es offt geht so wunderlich/ und wunderlich/ Gott rettet dich. Was denkst du in dem Labyrinth? Ich dencke/ ich bin Gottes Kind. 2. Wenn dir die Sonne scheinet itzt/ wenn es bald regnet/ schneyet/ blitzt/ bald Freude da ist/ bald auch Noth/ und also mit dir wechselt GOTT/ was denckst du in dem Labyrinth? Gott spielet wohl mit seinem Kind.
12 Johann Georg Roth, Süsse Gnaden-Milch Und kräfftiges Trost-Honig/ Aus Gottes Holdseligen Munde und Lieb-vollen Hertzens-Grunde/ über Ephraim geflossen/ Hernach aufgefangen/ und Trost-begierigen Seelen Bey der Hochgr. Schwartzb. Hoff-Kirchen zu Leutenberg Am 11. Augusti 1671. vorgetragen/ Nun aber Auf gnäd. Begehren ferner mitgetheilet, Rudolstadt 1675. The »Anhang« containing the five songs and short narratives about their production and use appears on pages 97–112. 13 Christoph Sommer, Epilogi Pie De Mortuorum, Oder: Exemplarische Sterbe-Schule/ in sich haltend Denckwürdige letzte Reden und Seufzer Christi und über vierhundert seiner Gläubigen, Rudolstadt 1676.
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3. Wenn aber Gott die Ruthe dir hält öffters/ als den Zucker/ für/ wenn Er dich tränckt mit Wermuth Wein/ und täglich mehret deine Pein/ was denckst du in dem Labyrinth? Je schärffer Ruth/ ie lieber Kind. 4. Wenn du auch fleißig schauest an/ was Gott dir thut/ und hat gethan/ da Er dich durch das Creutze übt/ darbey Gedult und Freude gibt/ was denckst du in dem Labyrinth? Nimm/ Vater! Danck von deinem Kind. 5. Wenn du noch länger hier solt seyn/ wenn Freud und Leid sich stellet ein/ wenn dich der Tod wil holen ab/ und du dich legen solst ins Grab/ was denckst du in dem Labyrinth? Ich bin und bleibe Gottes Kind.«
Sommer’s account of the deathbed scenes and inclusion of the text Ludaemilia Elisabeth had authored at one such deathbed serves not only to memorialize the pious actions and words of both women, but also to provide evidence of yet another context for authorship of devotional songs. Intensely emotional experiences could lead to poetic authorship, albeit in the form of a text addressed to her own soul or to God or Jesus, and designed to be sung to a hymn melody.14 When Aemilia Juliana began, in the early 1680s, to compile devotional books and hymnals that made hundreds of her own songs available to the public, she also introduced appropriate texts from her private collections of
14 Ludaemilia Elisabeth’s song »Was meine Seele denckst du doch« appears in Sommer’s work on pp. 153–154. Two other intensely personal songs by Ludaemilia Elisabeth, both of them written during a time of great perturbation, are those in which she is deciding whether, at the age of 31, to accept the marriage proposal of her distant cousin, Christian Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen. In the case of Aemilia Juliana, there are around 200 autobiographical songs (out of the 702 in her œuvre) that were created in response to some emotionally charged (and readily identifiable) situation.
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Ludaemilia Elisabeth’s songs. The Rudolstadt hymnal of 1682, Christliches Gesang-Büchlein, contains eleven songs by Ludaemilia Elisabeth.15 In 1685, Aemilia Juliana published a large-scale devotional handbook for daily use, Tägliches Morgen- Mittags- und AbendOpffer.16 Among its many songs she included eighteen by Ludaemilia Elisabeth.17 Appended to it in all exemplars is a shorter work that constitutes a separate devotional program based almost entirely on Ludaemilia Elisabeth’s songs. Titled Kühlwasser in grosser Hitze des Creutzes und der Trübsalen,18 it is designed for use during a week when troubles and afflictions abound. The program begins with three songs for use when troubles first arise (»Bey ankommenden Creutze«), all authored by Ludaemilia Elisabeth, followed by two songs by Aemilia Juliana that prepare for a formal devotional session. Then come »Sieben Creutz-Lieder« for the morning prayer session for each day of the week, and »Sieben Lieder/ Davon des Mittags bey den BetStunden täglich eins zu gebrauchen«, all by Ludaemilia Elisabeth. After insertion of several prayers, a psalm, and one song by Aemilia Juliana introducing the evening prayer session, there are another seven songs by Ludaemilia Elisabeth, »Sieben Lieder/ Davon eins alle Abend zu singen«. Aemilia Juliana adds one song of her own to use »Bey nächtlicher Erwachung«. The final section contains seven songs for use after the trouble or suffering has passed, »Sieben Danck-Lieder/ nach ausgestandenen Creutze«, 15 [Aemilia Juliana and] Johann Georg Roth, Christliches Gesang-Büchlein, Darinnen die gewöhnlichen alten Lieder Herrn D. Martin Luthers/ und anderer geistreichen Leute/ Nebenst unterschiedl. schönen neuen Gesängen/ In nützlicher Ordnung abgefasset/ Zu bequemen Gebrauch vor die HochGräfl. Schwartzb. Hof-Capelle zu Rudolstadt/ Oder auch sonst in Kirchen und Schulen; zu Hause oder auf der Reise; Auf hohe Verordnung also eingerichtet, Rudolstadt 1682. This hymnal also contains 26 of Aemilia Juliana’s songs. The second edition, Gesang-Büchlein, Rudolstadt 1688, contains 13 songs by Ludaemilia Elisabeth and 56 by Aemilia Juliana. 16 [Aemilia Juliana], Tägliches Morgen- Mittags- und AbendOpffer/ bestehend in GebetSeuffzern und geistlichen Liedern, Rudolstadt 1685. As far as I know, this edition survives solely in the Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle, D-HAu, which possesses four exemplars. 17 This devotional handbook also contains 37 of Aemilia Juliana’s original songs, as well as many of her favorites culled from various hymnals. There are six additional songs by Ludaemilia Elisabeth in the expanded edition of this book that Aemilia Juliana published in 1699, Tägliches Morgen- Mittags- und Abend-Opffer/ bestehend in Gebet/ Seufftzern und Geistlichen Liedern/ Zum andern mahl auffgeleget und vermehret mit Liedern und Gebetern auf alle Stände/ Zeiten und Fälle, Rudolstadt 1699. This edition, which contains 225 of Aemilia Juliana’s original songs, survives in Halle, Gotha, and the Historische Bibliothek in Rudolstadt. 18 Kühlwasser in grosser Hitze des Creutzes und der Trübsalen/ oder Christliche CreutzLieder und Sprüche, Rudolstadt 1685.
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of which the first four are by Ludaemilia Elisabeth, two by Aemilia Juliana, and one borrowed from another source. At the end of the sequence, following more prayers and another psalm, Aemilia Juliana adds one more song of her own, »Ein geistlich Lied/ sich seinem Gott täglich zu ergeben«. Thus of the 36 songs in this work, 28 are by Ludaemilia Elisabeth and 7 by Aemilia Juliana. This week of special pleas in times of trouble is designed to replace or augment the standard program Aemilia Juliana provides in the larger work to which this is appended. There are no authors’ names given for any of the songs in these anonymously published works of the early 1680s, and thus they do not serve to recognize Ludaemilia Elisabeth’s authorship in the way that the commemorative volumes authored by pastors in the 1670s had done. Aemilia Juliana’s initial attempts to honor her sister-in-law’s genius were subjected to the same modesty and self-effacement that characterized her presentation of her own authorship: anonymity and silence.19 Yet it can be assumed that when she presented copies of the books to relatives and friends as gifts, she let the recipients in on the secret. That publishing these selections of her sister-in-law’s songs anonymously only whetted her appetite can be seen in Aemilia Juliana’s next publication project, Die Stimme der Freundin/ Das ist: Geistliche Lieder. This book that she published in 1687 presented all of Ludaemilia Elisabeth’s songs, once again structured as a devotional handbook, but identifying the author on the title page, and including a preface that praised her piety and her talent.20 Today Die 19 There is one exception. A song by Ludaemilia Elisabeth, »Hilff/ Vater in des Himmels-Thron«, which Aemilia Juliana included in her 1683 devotional book for pregnant and birthing women and midwives, Geistliches Weiber-Aqua-Vit, is provided with an oblique authorial identification at the end: »F. L. E.« (Fräulein Ludaemilia Elisabeth). [Aemilia Juliana], Geistliches Weiber-Aqua-Vit/ Das ist/ Christliche Lieder und Gebete/ Vor/ bey und nach Erlangung Göttlichen Ehe-Segens, Rudolstadt 1683, pp. 59–60. This handbook also includes 40 original songs by Aemilia Juliana, most of them tailored explicitly for use during pregnancy, childbirth, and the six weeks following birth. On this work, see my article: Aikin, »Gendered Theologies of Childbirth in Early Modern Germany and the Devotional Handbook for Pregnant Women by Aemilie Juliane, Countess of Schwarzburg-Rudolstadt (1683)«, in: The Journal of Women’s History 15/2 (2003), pp. 40–67. 20 Die Stimme der Freundin/ Das ist: Geistliche Lieder/ Welche/ aus brünstiger und biß ans Ende beharreter JESUSLiebe/ verfertiget und gebraucht Weiland Die HochGebohrne Gräfin und Fräulein/ Fr. Ludämilia Elisabeth/ Gräfin und Fräulein zu Schwartzburg und Hohnstein u.s.w. Christseligen Andenckens, Rudolstadt 1687. One song clearly by Ludaemilia Elisabeth, present in Aemilia Juliana’s manuscript collection devoted entirely to her oeuvre, is unaccountably left out: »Ich weiß es wohl/ daß ich Gottes bin«. This song
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Stimme der Freundin is found in libraries across Lutheran Germany – especially but not exclusively those that derive from courtly contexts. In the seventeenth century its wide distribution quickly made Ludaemilia Elisabeth’s songs accessible to dozens of hymnal-editors who included them in their compilations beginning already in 1687, her identity now accompanying her texts. Devotional songs authored by women were a valuable commodity in the ceremonial exchange of gifts. Individual songs, with or without acrostics, could serve as gifts to friends and relatives, and both Ludaemilia Elisabeth and Aemilia Juliana authored songs containing acrostic initials of the recipient or other elements that stamped the song a gift for a particular individual. Ludaemilia Elisabeth must have designed at least six of her songs as gifts for relatives and friends, for they contain acrostics that employ the larger capital letters adorning the start of each strophe to identify the recipient and thus personalize the song. Identifiable recipients include her brother Albert Anton and her fiancé Christian Wilhelm von Schwarzburg-Sondershausen, as well as Aemilia Juliana’s sister Antonia Sibylla von Barby und Mühlingen and several countesses of Mörseburg. It seems likely that she had authored other acrostic songs that did not enter Aemilia Juliana’s manuscript collection, instead being given or sent directly to the recipient without making a copy. Aemilia Juliana, during her long life, likewise made much use of acrostics in crafting devotional songs that were to serve as gifts she presented or sent to dozens of individuals. Some recipients were close family members, but many were women with whom she was more distantly related or who interacted or corresponded with her. Out of a total of ca. 700 songs that can be attributed to Aemilia Juliana, 54 contain an acrostic. Of these, 5 refer to herself, while 4 spell out »JESUS«. The remaining 45 were designed as gifts. But there was another and more lavish sort of gift-giving involving devotional songs: the presentation of nicely bound printed books. In the case of Aemilia Juliana, these books included some that she had compiled and edited herself, containing hundreds of her own songs and those of Ludaemilia Elisabeth, as well as books compiled at her request that likewise included many songs by the two Rudolstadt countesses.21 In some cases the gift books, like appears in Aemilia Juliana’s manuscript book, D-RUl (see note 5), Geheimes Archiv A XIII 2, Nr. 2 (1), p. 179. 21 For the most part, those that survive in the Herzog August Bibliothek were gifts to Ferdinand Albrecht, which he recognized with handwritten notes on the title pages or inside the front covers. But she must have given most of them also to Rudolf August, her brother-in-law with whom she remained close even after the death of her sister, Christiana Elisabeth, in 1681. And Anton Ulrich’s wife Elisabeth Juliana, who was the recipient of one of her acrostic songs, was also a likely recipient, as was Aemilia Juliana’s
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several that survive in Gotha, were embellished with handwritten songs or rhymed prayers authored by Aemilia Juliana and inscribed in her handwriting inside the cover.22 The function of such gifts, whether presented to the members of a network of dynastic relationships, to the rulers of neighboring states and their consorts, or to the officials of city-states, was to augment the status of the ruling family among its peers and to cement political relationships with other polities.23 Authoring and publishing original devotional songs thus became an important contribution to the dynastic interests of the ruling family that the rulers’ consorts, unmarried sisters, and daughters could provide. Two surviving collections of devotional songs, one in manuscript and the other printed, can serve to show the background out of which the authorship and publication activities of women at court emerged. The first is the handwritten devotional book that Aemilia Juliana created for herself when she was fifteen years old.24 On the title page, the schoolgirl who created this book imitated printed books by writing her name as author, »Aemilia Juliana, Gräfin von und Fräulein zu Barby und Mühlingen«, and the date, »Anno 1652«, centered in five lines arranged down the page on the cover sheet. The manuscript niece Christina Sophia, who married the eldest son of Anton Ulrich and Elisabeth Juliana. At least one of the books that survives in Halle was a gift to a countess of Stolberg, as a notation by the recipient affirms. 22 One exemplar of Aemilia Juliana’s 1687 edition of Ludaemilia Elisabeth’s songs, Die Stimme der Freundin, contains a handwritten copy of Aemilia Juliana’s song »Wer weiß, wie nahe mir mein Ende« inscribed in her handwriting inside the back cover (Forschungsbliothek Gotha, D-GOl, Cant. spir. 8o 127). A Gotha exemplar of the 1692 devotional book by Rudolstadt Superintendent Justus Söffing, dedicated to Aemilia Juliana and including 53 songs by her and 12 by Ludaemilia Elisabeth, contains three handwritten rhymed prayers inside the front cover, plus another pleading on behalf of an unnamed duchess of Sachsen-Gotha inside the back cover, dated Gotha, June 1, 1692, and signed »Ihre durchl. gehorsambste und demütigste Magd Aemilia Juliana«. Justus Söffing, Rudolstädtisches Hand-Buch, Rudolstadt 1692, Forschungsbliothek Gotha, D-GOl, Theol. 8o 00703/08. 23 In the case of Schwarzburg, there is evidence of a gift of books containing songs by Aemilia Juliana and Ludaemilia Elisabeth, as well as the manuscript copy of at least one unpublished song, in Nordhausen, an imperial free city to the northwest of Rudolstadt, where Aemilia Juliana’s husband had ceremonial obligations on behalf of the Holy Roman Emperor. Songs written by the two countesses appear in the Nordhausen hymnal of 1687, Schrifftmässiges CCC. Geistl. Lieder haltendes Gesangbuch, Nordhausen 1687. One can assume similar gifts to the other two city-states with which the Rudolstadt couple had the same relationship, namely Mühlhausen and Goslar. 24 D-RUl (see note 5), Geheimes Archiv A XIII 2, Nr. 3. Pure juvenilia, it shows few signs of use later in Aemilia Juliana’s lifetime, even though many blank pages would have allowed for later entries.
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book appears to have been a repository for her schoolroom assignments, and was perhaps created at the suggestion of the court tutor or her foster mother, widowed Regent of Schwarzburg-Rudolstadt Aemilia Antonia, who was overseeing the education of her own daughters and her foster daughter who would later become her daughter-in-law. The entire book is structured in advance, with rubrics pre-inscribed for texts to be added, and in many cases there are pages and sheets that remain partially or entirely blank, the devotional program it was designed to contain left unfinished. There is even an index only partially filled in that leaves space under each letter of the alphabet to list any future additions. Where the girl filled in the blanks, there are prose and rhymed prayers on a variety of topics that appear in many cases to be original; short Bible passages that may represent favorites or that reflect an assigned topic; traditional hymns copied from hymnals, perhaps not only for personal devotional use but also for practice at constructing verse; and a few hesitant starts of original devotional songs of her own. In most cases these new songs end after a single (rather unsuccessful) strophe, leaving the remainder of the page blank, with only the »2« for the second strophe indicating that she had intended (or had been instructed) to write a multi-strophic song on the topic. There is one nearly completed original song in many strophes, rather stilted and mannered, much like the experimental teenaged handwriting that also characterizes this text and several others in the book.25 This song appears to have been a work in progress, which she was writing down on these pages as she composed it, for there are lines and words crossed out and replaced, in some cases apparently as she wrote, in others after a strophe, at least, was complete. One of the strophes trails off at the end as she lost track of the rhyme scheme; she appears to have abandoned it and gone on to the next strophe. There is no indication of melody, and she may well have been attempting to follow Opitzian precepts as taught to her by the tutor, rather than employing the method of using an existing melody to structure her verse that she appears to have used later in life. The other collection of devotional songs compiled by schoolgirls, assembled ten years later in 1662, comes from the neighboring court of Arnstadt: Sechzig Schöne Geistliche/ und zur Andacht nützliche Trostlieder/ Aus etlichen Christlichen und Geistreichen Gesangbüchern zusammen gesuchet/ und in eine Ordnung mit angehengtem Register auff alle Tage in der Wochen/ Morgends und Abends/ und sonst anderer Zeit zu gebrauchen/ Eingerichtet auf Befehl und Unkosten Der Hochwolgebornen Gräffin und Frauen/ Frauen Sophien Dorotheen, vermählten Gräffin 25 »In schwartz will ich mich bekleiden«, pp. 55–58 (see note 24).
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zu Schwartzburg.26 This title tells us that Sophia Dorothea von SchwarzburgArnstadt had issued the order that the songs be collected and organized for use, and then printed at her expense. According to the preface addressed to the reader, the compilers were her three eldest daughters, Sibylla Juliana (who was sixteen years old), Sophia Dorothea (fifteen), and Clara Sabina (fourteen). Once again, a schoolroom project must be assumed. The girls were to collect their favorite songs of consolation, organize them for use during twice-daily devotional sessions for all of the days of the week, and provide the user with an alphabetical index for easy access. Of the sixty songs, about forty are wellknown hymns and devotional songs that had indeed made their way into various hymnals that the title claims are the source. However, the other twenty are new. Contrary to the claim in the title, these songs probably represent the creations of the three girls and perhaps of their mother. None of these songs is particularly distinguished, and none ever made it into official hymnals for this locality or any other, but the point is that they are original songs in all likelihood produced by the daughters and wife of the ruler.27 In this instance, the mother has had the songbook published, perhaps to demonstrate the piety, organizational skills, and talents of her daughters. The Arnstadt mother, Sophia Dorothea, was a member of the Tugendliche Gesellschaft, a sister society of the Fruchtbringende Gesellschaft, as was Aemilia Antonia von Schwarzburg-Rudolstadt, the mother of Ludaemilia Elisabeth and Sophia Juliana, and foster mother of Aemilia Juliana. The Tugendliche Gesellschaft, founded in Rudolstadt by another countess of Schwarzburg in 1619, is closely associated with pedagogical reforms, in particular those fostering the education of girls.28 Sophia Dorothea’s hands-on pedagogical ap26 Sechzig Schöne Geistliche/ und zur Andacht nützliche Trostlieder, Arnstadt 1662. The exemplar in the Forschungsbibliothek Gotha, D-GOl, Cant. spir. 80 0125, lacks a title page, but a contemporary or near contemporary has filled in some information gleaned from the preface or from personal knowlege on a cover sheet: »Geistliche Psalmen und Lieder, welche zu eignen und andrer frommen von Nutzen zusammengetragen und drucken lassen drey hochgräffl. Schwartzb. Schwestern, Fräul. Sibylla Juliana, Sophia Dorothea, Clara Sabina. Arnstadt, A.C. 1662«. The exemplar in the Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart has a complete title page (D-Sl, Theol. oct. 18231). The exemplar once in Berlin is recorded as »Kriegsverlust«. 27 Examples of the incipits of these apparently original songs include »Jetzo muß des Nachtes Schrecken«, »Wolauff/ die liebe Sonne Des Tages Licht führt her«, »Ich hab nun hinbracht diesen Tag«, »Mit Gott ich nun versöhnet bin«, »Die Sonn ist nunmehr verstrichen«, and »Ach bleib bey uns Herr Jesu Christ, das End der Welt schon kommen ist«. 28 Anna Sophia von Schwarzburg-Rudolstadt, née Fürstin von Anhalt. On this society see the classic article by Klaus Conermann, »Die Tugendliche Gesellschaft und ihr Ver-
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proach to the education of her daughters is clear in the title of the published songbook. Aemilia Antonia’s explicit pedagogical directions for the tutor of her daughters and foster daughter still survive in the archive in Rudolstadt.29 She instructed him that the lessons were to take two hours each morning and each afternoon, starting and ending with prayer and Bible reading. The contents of the lessons in reading and writing were devotional: the primary focus was »dess Lutheri kleiner Catechismus mit seiner ausslegung«. »Auch die Psalmen, Sprüche der heiligen Schrifft undt gebethlein, so sie gelernet haben, und noch zue lernen hetten, [sollten] in ein besonders buch zusammengetragen und auss demselbigen repetiret werden«. The funerary sermons of Aemilia Juliana, Ludaemilia Elisabeth, and Sophia Juliana all provide additional details about the
hältnis zur Fruchtbringenden Gesellschaft«, in: Sprachgesellschaften – Galante Poetinnen, ed. by Erika A. Metzger and Richard E. Schade, Amsterdam 1989, pp. 95–208. Conerman addresses the pedagogical issues associated with the society, pp. 102–103. See also Gabriele Ball, »Die Tugendliche Gesellschaft – Zur Programmatik eines adeligen Frauennetzwerkes in der Frühen Neuzeit«, in: Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der Frühen Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürsten- und Fürstinnenbibliotheken der Zeit, ed. by Jill Bepler and Helga Meise, Wiesbaden 2010 (= Wolfenbütteler Forschungen 126), pp. 337–361. I am grateful to Dr. Ball for sharing this essay with me prior to publication and for corresponding with me about the research she and her group at the Herzog August Bibliothek are conducting on the Tugendliche Gesellschaft and Fruchtbringende Gesellschaft. – Sophia Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt, née von Mörseburg, sister and wife of members of the Fruchtbringende Gesellschaft, was admitted to the Tugendliche Gesellschaft in 1644 as »Die Barmherzige«. Aemilia Antonia von Schwarzburg-Rudolstadt, née von Oldenburg und Delmenhorst, the younger sister-in-law of co-founder Anna Sophia, was admitted in 1638 as »Die Segnende«. She was likewise sister and wife of members of the Fruchtbringende Gesellschaft. All of her sisters, including Aemilia Juliana’s deceased mother Sophia Ursula, were also members of the Tugendliche Gesellschaft. Aemilia Antonia was lauded in her funerary biography for fostering the girls’ school in Rudolstadt, a project that her predecessor in Rudolstadt, Anna Sophia, had also energetically pursued. 29 D-RUl (see note 5), Geheimes Archiv B I 2 a, Nr. 1. It contains detailed instructions for Georg Hauk in 1661 pertaining to two younger daughters, allegedly copied from those for Johannes Hedwig, the earlier tutor of Aemilia Juliana, Ludaemilia Elisabeth, and Sophia Juliana. I quote from Johann Traugott Löschke, Denkschrift über Gräfin Ludoämilia Elisabetha, Leipzig 1872, pp. 7–8. On the possible relationship of the goals of the Tugendliche Gesellschaft to the pedagogical plan of Aemilia Antonia, see Susanne Schuster, Aemilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt und Ahasver Fritsch. Eine Untersuchung zur Jesusfrömmigkeit im späten 17. Jahrhundert, Leipzig 2006 (= Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte 18), pp. 82–83.
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education these women had received under Aemilia Antonia’s oversight, including instruction in Latin, modern foreign languages, and poetry-writing.30 These rulers’ daughters in Rudolstadt and Arnstadt were taught to write verse, encouraged to author and collect devotional songs, and asked to organize devotional programs that featured songs, precisely because these activities would be expected of them in their eventual role as ruler’s consorts or unmarried sisters of the ruler. Jill Bepler has discussed how the ruler’s consort was cast as the Pillar of Prayer, whose devotional activities on behalf of the principality, ruling dynasty, and inhabitants played an important role in the wellbeing of the state.31 In a division of labor between the members of the ruling couple, it was the countess or duchess who appears to have overseen the devotional sessions for the courtiers and servants and their families, as well as for the inhabitants of the Frauenzimmer, and she was the one who commissioned, organized, compiled, and even supplied original song texts for daily devotions and for mandated devotional sessions to ward off the plague, fend off foreign armies, or honor the Sabbath. In the frontispiece that adorns the official Rudolstadt hymnals of 1682 and 1688, Aemilia Juliana and her husband are depicted in tandem as sponsors and providers of the songbook. But the emphasis is on Aemilia Juliana, for it is she who holds an open book in her hands – it is unclear whether it is the hymnal or the Bible on which the »schriftmässige« Lutheran song texts depend, but in either case, it is she, not her husband, who appears to be in charge of overseeing the selection of texts. And the emblem depicting the salvific acts to which both sponsors point likewise asserts the claim that responsibility for the hymnal project was hers, for it appears within a blooming rosebush that reflects the coat of arms of her family of birth, the dynasty of Barby counts that had had its residence in »Rosenburg«. That the hymnal also contained many of her own original songs was probably known to members of the court and to many other users, even though no authorship identifications are provided. 30 In Aemilia Juliana’s funerary biography, »Lebens Wandel«, pp. 342 ff. in the memorial volume Schwartzburgisches Denckmahl (see note 6), the account of her education that included poetry-writing, rhetoric, and modern foreign languages, as well as the use of literary models for her own writing, appears on p. 347. Ludaemilia Elisabeth’s training in using the German language for song-writing (as well as Latin for learned discourse) appears in a funerary sermon in the second pagination of the combined funerary volume Unverwelckliche Myrten-Krone (see note 6), p. 114. Sophia Juliana’s education is described in her »Lebens-Lauf« in the same volume, pp. 48–50. 31 Jill Bepler, »Die Fürstin als Betsäule – Anleitung und Praxis der Erbauung am Hof«, in: Morgen-Glantz 12 (2002), pp. 249–264. She also uses this phrase in other essays and papers.
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Ill. Frontispiece, Christliches Gesang-Büchlein, Rudolstadt: Löwe, 1688. Courtesy of the Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle (Saale): AB B 3352.
In these examples from the small but ambitious principalities of Schwarzburg, it can be seen that women – and girls – at court authored devotional songs, collected songs for their own use and that of others, disseminated their own songs by presenting them or sending them to other women in manuscript
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form, designed devotional programs reflected in their manuscript and printed books, commissioned and sponsored publication of hymnals and other devotional books containing songs, and presented these printed books to others, often in support of the political interests of their husbands and children. While some of these women may have found that these activities served above all as expressions of their own creativity and religiosity, or that they offered an outlet for the stirrings of a pastoral calling that was denied to them on account of their gender, the production and dissemination of devotional songs also played an important role in the success of their husbands, brothers, and fathers in their self-representation as pious patriarchs in their principalities and as worthy peers of the neighboring dukes and counts.
Mara R. Wade
Princess Magdalena Sibylle (1617–1668) and Court Ballet in Denmark and Saxony
A detailed examination of the activities of Princess Magdalena Sibylle (1617– 1668) in the context of ballet at Dresden, Copenhagen, Nykøbing, and Altenburg illustrates the role of the princely female in creating ballets and in an exemplary way demonstrates the variety of ballet forms at court. Through the investigation of a single royal woman at several courts, a pattern emerges that serves to illuminate aspects of gender and ballet, offering insights into the purpose and popularity of this widespread form of court entertainment, especially in German-speaking lands, during the seventeenth century.1 German Court Ballet According to Castiglione, ballet formed the centerpiece of a courtier’s training, and this certainly held true for the princes themselves.2 All members of the ruling family had to learn gender appropriate comportment from a tender age, and the ballet was a mechanism by which to train these qualities. A particular form of ballet, the Singballett, predominated at the largely Protestant courts of central and northern Germany.3 The princely woman determined the topic of the ballet and is said to have »invented« it, while the dancing master, court poet, and musicians executed her plan. One of the defining characteristics of these performances is the active participation of the court in the dancing, a feature that links them with the English masque. The cameo roles were 1 That these supposedly innocuous little entertainments might have a potentially explosive political background is amply demonstrated by Jill Bepler, »Tugend und Lasterbilder einer Fürstin: die Witwe von Schöningen«, in: L’Homme 8 (1997), pp. 218–231. 2 Margaret McGown, »Tanz und Gesellschaft« under »Ballet de cour«, in: MGG2, Sachteil, vol. 1, Kassel et al. 1994, cols. 1168–1169. 3 Hans-Georg Hoffmann, »Singballet«, in: MGG2, Sachteil, vol. 8, Kassel et al. 1998, cols. 1409–1412. For a discussion of the genre, see Werner Braun, »Zur Gattungsproblematik des Singballets«, in: Gattung und Werk in der Musikgeschichte Norddeutschlands und Skandinaviens, ed. by Friedhelm Krummacher und Heinrich Schwab, Kassel 1982 (= Kieler Schriften zur Musikwissenschaft 26), pp. 41–51.
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reserved for the highest-ranking persons at court, while the court’s dancing master performed the more acrobatic roles. Both men and women danced in these performances. Of particular interest is the fact that the series of entrees comprising the ballet often concluded with social dancing in the form of a ball. Thus, members of the audience physically enacted the hierarchies patterned in the ballet immediately upon its conclusion. The ballet was closely tied to court festivities and could range from gala events for dynastic weddings to more modest performances of children’s ballets for a birthday at court. The gendered space of the Singballett is noteworthy because of the particular opportunities for cultural agency it provided for princely women. German court ballet, especially that performed at the smaller courts of the empire, has long been considered the odd step-child of court studies, a sort of homespun genre of amateur entertainment in which princes and members of their court danced in their own productions. The fact that princely women were often the »inventors,« or initiators, of these ballets also contributed to their low regard as well, coding them as feminized and non-professional. The Singballett flourished at German-speaking courts, because, unlike the case with opera and singing, members of the court were expected to be able to dance reasonably well and to perform in these spectacles. The ballets were instruments of socialization for the dynasty, and often showcased the young people of a marriageable age. There were also ballets for young children that helped them discover and »play« their future roles at court. These entertainments flourished at seventeenth-century courts where German was spoken. The printed programs for a series of German-language Singballette performed for the Danish court document the popularity of the genre there.4 The fact that Danish monarchs invariably married German princesses unscores the strong connection of gender and genre in the case of the Singballett. In Denmark ballet before 1800 is understudied,5 and the definitive work by Torben Krogh from 1939 has yet to be superseded.6 4 Libretti: Verzeichnis der bis 1800 erschienenen Textbücher, ed. by Eberhard Thiel and Gisela Rohr, Frankfurt am Main 1970. I am planning a comprehensive study of these texts and the occasions for which they were performed. See also Mara R. Wade, »Das Lied als Cartell«, in: Studien zum deutschen weltlichen Kunstlied des 17. und 18. Jahrhunderts, ed. by Gudrun Busch and Anthony Harper, in Chloe 12 (1992), pp. 7–34. 5 For a recent example in English, see Jennifer Homans, Apollo’s Angels. A History of Ballet, New York 2010, whose chapter on Scandinavia begins with August Bournonville (1805–1879). Most Danish ballet histories begin with Bournonville as well. Henning Urup offers a brief overview of earlier dance in his book Dans i Danmark. Danseformere ca. 1600 til 1950, Copenhagen 2007, pp. 43–52. 6 Torben Krogh, Hofballetten under Christian IV og Frederik III, Copenhagen 1939.
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The role of dancing and the ballet at court in the seventeenth and early eighteenth centuries has enjoyed increasing scholarly appreciation as demonstrated in publications by Marie–Thérèse Mourey,7 Stephanie Schrödter,8 and Sara Smart.9 Research on courts like Darmstadt,10 Wolfenbüttel,11 Weißenfels,12 and Gottorf13 confirm that their ballets are important artefacts of court culture and provide fresh insights into the role of courtly dance. This scholarship establishes that dance served as a system of princely representation 7 Marie-Thérèse Mourey, »Galante Tanzkunst und Körperideal«, in: Bewegtes Leben, ed. by Rebekka von Mallinckrodt Wolfenbüttel 2008, pp. 85–103; »Tanzkultur am Wolfenbütteler Hof«, in: Barocktanz im Zeichen französisch-deutschen Kulturtransfer, ed. by Stephanie Schroedter, Marie Thérèse Mourey, and Giles Bennett, Hildesheim 2008, pp. 198–225; »Antagonistische Körperbilder und -konzepte in der Frühen Neuzeit: Tanzen als kulturelle Konstruktion von Identität«, in: Bild, Rede, Schrift, ed. by Michael Curschmann and Jean Marie Valentin (= Akten des XI. Internationalen Germanistenkongresses 7), Bern 2008, pp. 187–192. 8 Tanz im Musiktheater – Tanz als Musiktheater: Bericht eines Internationalen Symposions über Beziehungen von Tanz und Musik im Theater, ed. by Thomas Betzwieser, Anno Mungen, Andreas Münzmay and Stephanie Schroedter, Würzburg 2009; see also Stephanie Schroedter, »Die französische Tanzkunst im Spiegel deutschsprachiger Tanzlehrbücher des frühen 18. Jahrhunderts«, in: Barocktanz (see note 7), pp. 226–273. 9 Sara Smart, Doppelte Freude der Musen: Court Festivities in Brunswick-Wolfenbüttel, Wiesbaden 1989 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 19) and The Ideal Image: Studies in Writing for the German Court 1616–1706, Berlin 2005. See also Sara Smart, »Die Darstellung der Affekte im frühdeutschen Hofballet«, in: Passion, Affekt und Leidenschaft in der Frühen Neuzeit, 2 vols., ed. by Johann Anselm Steiger et al. Wiesbaden 2005 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 43), pp. 761–771. 10 Helga Meise, »›tanzten den gantzen Tag‹: der höfische Tanz als Didaxe und Botschaft«, in: Morgen-Glantz 12 (2002), pp. 207–230 and »Affektdiskurs und ›Hertzneigung‹. Die Ballette des Landgrafen Ludwig VI. von Hessen Darmstadt 1649–1674«, in: Passion, Affekt und Leidenschaft in der Frühen Neuzeit (see note 9), pp. 773–786. 11 Bepler (see note 1). See also Karl Wilhelm Geck, Sophie Elisabeth Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg (1613–1676) als Musikerin, Saarbrücken 1992 (= Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft, N.F. 6), pp. 44–49 and pp. 78–91. 12 Roswitha Jacobsen, Weißenfels als Ort literarischer und künstlerischer Kultur im Barockzeitalter, Amsterdam 1994 (= Chloe 18). For a general introduction into court culture in Thuringia during this period see, Roswitha Jacobsen, »Die Blütezeit der Residenzkultur im 17. und 18. Jahrhundert«, in: Neu Entdeckt. Thüringen, Land der Residenz, ed. by Konrad Scheurmann and Jördis Frank, Mainz 2004, pp. 52–64. 13 Mara R. Wade, »Emblems and German Protestant Court Culture: The Duchess Marie Elisabeth’s Ballet in Gottorf (1650)«, in: Emblematica 9 (1995), pp. 45–109. See also Helga Meise, »Gefühl und Repräsentation in höfischen Selbstinszenierungen des 17. Jahrhunderts«, in: Emotionalität: zur Geschichte der Gefühle, ed. by Claudia Benthien, Köln 2000, pp. 119–141 and Das Archivierte Ich, Schreibkalender und höfische Repräsentation in Hessen-Darmstadt, 1624–1790, Darmstadt 2000, pp. 214–253.
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functioning on several levels: Firstly, to reveal and reinforce court hierarchies through the physical constellations of dancers; secondly, to present allegories of legitimacy and dynasty; and thirdly, to give voice to »the norms and ideals of court society.«14 Owing to her mobility among the courts of Dresden, Copenhagen, Nykøbing on Falster, and Altenburg, Princess Magdalena Sibylle’s activities provide insights into the various kinds of ballet at court and its contexts from the perspective of gender studies. Magdalena Sibylle of Saxony and Court Ballet At the age of sixteen Magdalena Sibylle married Prince-Elect Christian (1603–1647) of Denmark in October of 1634 at Copenhagen, where the event was marked by two weeks of splendid court festivals, including a magnificent ballet.15 Thirteen years later in 1647, when the Danish royal couple was visiting her family in Dresden, Prince-Elect Christian apparently suffered a stroke and died at the age of forty-four. Magdalena Sibylle spent the years until 1652 at her widow’s seat at Nykøbing on the island of Falster. She traveled to Dresden for her betrothal to Friedrich Wilhelm of Sachsen-Altenburg (1603–1669), whom she married there in 1652. Magdalena Sibylle became the mother of three children: Christian (1654–1663), Johanna Magdalena (1656–1686), and Friedrich Wilhelm III (1657–1672). With the latter’s death the line of Sachsen-Altenburg extinguished. As the daughter of the Saxon Elector, Magdalena Sibylle had enjoyed a good education and had been writing for a long time.16 A manuscript florelegium dated to 1628 illustrates her habit of compiling Biblical passages and prayers, some in verse, into a personal compendium at an early age.17 At 14 Meise (see note 10). 15 Mara R. Wade, Triumphus Nuptialis Danicus. German Court Culture and Denmark. The ›Great Wedding‹ of 1634, Wiesbaden 1996 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 27). See also Mara R. Wade, »Prinzessin Magdalena Sibylle«, and »Dänischsächsische Hoffeste der frühen Neuzeit«, in: Mit Fortuna Übers Meer. Sachsen und Dänemark – Ehen und Allianzen im Spiegel der Kunst (1548–1709), ed. by Jutta Kappel and Claudia Brink, Berlin 2009, pp. 63–69 and pp. 174–179. 16 Mara R. Wade, »Invisible Bibliographies: Three Seventeenth-Century German Women Writers«, in: Women in German Yearbook 14 (1998), pp. 41–69. 17 Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden, D-Dl, MS J440. See Franz Schnorr von Carolsfeld, Katalog der Handschriften der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden, vol. 2., rpt. Dresden 1981, p. 152, item 440. See also Franz Schnorr von Carolsfeld, Manuscripta mediaevalia, vol. 1., rpt. Dresden 1979, p. vi, item 4: »Catalogus
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the Saxon court the children compiled such works as part of their education, and the practice is not exceptional for a girl of her rank.18 The manuscripts by Magdalena Sibylle and her relatives preserved today demonstrate that a solid knowledge of the Bible and the tenets of Lutheranism was a central part of their education as princely offspring, training them to become the protectors of the faith and to find consolation in the Scriptures during adversity.19 Magdalena Sibylle’s oblong-octave volume bound in parchment provides concrete evidence of her lifelong engagement with writing and collecting texts. While her published works appeared only after she became a widow and remarried, she clearly developed her practice of reading and writing from an early age. Approximately concurrent to the dating of her devotional manuscript, Magdalena Sibylle became on 11 July 1630 a member of the »Tugendliche Gesellschaft« as »Die Gütige«, daughter of »Die Milde« (her mother was also named Magdalena Sibylle). The Tugendliche Gesellschaft was the female counterpart to the Fruchtbringende Gesellschaft, the most important German language academy of the seventeenth century.20 Her husband Friedrich Wilhelm II was known as »Der Unschätzbare« in the latter society.21 Her admission to the Tugendliche Gesellschaft marked the recognition of her early promise and suggests that she had the abilities to create the concept for and to organize court entertainments, including ballets. It is also noteworthy that the Singbal-
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manuscriptorum Biblioteca Electoralis.« My thanks to Dr. Uta Künzl, Schloss– und Spielkartenmuseum Altenburg, for alerting me to this manuscript and to Kerstin Schellbach, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek, for providing me with the bibliographic information. Later generations of girls from the burgher class in Altenburg could read the Bible and recorded sermons and Bible passages in collections of their own arrangement; see Anna Carrdus, Das ›Weiblich Werck‹ in der Residenzstadt Altenburg 1672–1720. Gedichte und Briefe von Margaretha Susanna von Kuntsch und Frauen aus ihrem Umkreis, Hildesheim 2004, p. 39. See Carolsfeld (1981), p. 152, who lists similar manuscripts by August (1589–1615), Christian I (1560–1591), and Christian II (1583–1611). Gabriele Ball, »Die Tugendliche Gesellschaft – Zur Programmatik eines adeligen Frauennetzwerkes in der Frühen Neuzeit«, in: Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der Frühen Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürsten- und Fürstinnenbibliotheken der Zeit, ed. by Jill Bepler and Helga Meise, Wiesbaden 2010 (= Wolfenbütteler Forschungen 126), pp. 337–361. Briefe der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen: die Zeit Fürst Ludwigs von AnhaltKöthen 1617–1650, ed. by Klaus Conermann with Gabriele Ball and Andreas Herz, vol. 3, Tübingen 2003, here pp. 148–186. See also Klaus Conermann, »Die Tugendliche Gesellschaft und ihr Verhältnis zur Fruchtbringenden Gesellschaft. Sittenzucht, Gesellschaftsidee und Akademiegedanke zwischen Renaissance und Aufklärung«, in: Daphnis 17 (1988), pp. 513–626.
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lett flourished at courts where there were strong connections to the Fruchtbringende Gesellschaft.22 Magdalena Sibylle fulfilled her literary promise and later published many of her writings. While a widow at Nykøbing, she compiled a devotional work, the second version of which, called Gebet-und Gesäng-Büchlein, was published in 1667 in her husband’s territories at Coburg.23 At Altenburg Magdalena Sibylle organized a women’s tournament marking the baptism of her son Christian and was responsible for its publication.24 She also wrote funeral poetry for the boy’s death in 1663 and compiled and organized the publication of his funeral sermons.25 Magdalena Sibylle was educated as a princess and recognized the obligations of her rank, one of which was organizing ballets. A comparable figure to Magdalena Sibylle is Duchess Sophie Elisabeth of BraunschweigLüneburg (1613–1676), who was central to the performances at the Wolfenbüttel court.26 By portraying Magdalena Sibylle’s exposure to ballet at her childhood court in Dresden and then examining her own activities concerning ballet performance, first in Denmark and then in Saxony, I demonstrate that the German court ballet fulfilled essential functions as an instrument of social discipline in shaping the court. It created communities and expressed their hierarchies and connections. The court ballet provided princely women, as the educators of young children and as the persons who often initiated dynastic matches for 22 Hoffmann (see note 3). 23 Gebet- und Gesäng-Büchlein, in welchem enthalten schöne Gebete, auserlesene Psalme, und geistliche Lieder, welche Magdalena Sibylla, zu Dennemarck […] königliche Princeßin […] auf Dero damaligen Witwenthumbs-Residentz Nyköpen Anno 1649 zusammen gelesen, auch zu selbst eigenem Gebrauch, Anno 1650 drücken numehr aber verm. in diese Form bringen, u. wieder auf-legen lassen, Coburg 1667. See Das Verzeichnis der im deutsche Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts. Available online at: www.vd17.de [consulted 28 September 2012]. Hereafter cited as VD17 with the item number. Here, VD17 39:156166S. 24 [Magdalena Sibylle], Auffzüge und Ritterspiele So bey Des […] Herrn Friederich Wilhelms Hertzogen zu Sachsen […] Jungen Printzens/ Hertzogs Christian, Fürstlichen Kindtauffs Feste […] gehalten worden, Schleswig 1658. See http://diglib.hab.de/drucke/36–13–2geom-2f/start.htm [consulted 28 September 2012]. 25 Mara R. Wade, »Paper Monuments and the Creation of Memory: The Personal and Dynastic Mourning of Princess Magdalena Sybille of Saxony«, in: Enduring Loss, ed. by Lynne Tatlock (= Studies in Central European Histories 50), Leiden 2010, pp. 161–186. 26 Sophie Elisabeth Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg, Dichtungen, ed. by HansGert Roloff, Frankfurt 1980 (= Arbeiten zur mittleren deutschen Literatur und Sprache 6). See also Joseph Leighton, »Die Wolfenbütteler Aufführung von Harsdörffers und Stadens Seelewig im Jahre 1654«, in: Wolfenbütteler Beiträge 3 (1978), pp. 115–128. See also Geck (see note 11).
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their own offspring, for the children of their extended family, and for their courtiers, with a vehicle for carefully scripted social encounters and displays. The organization and performance of ballets was an important part of the princess’ role, especially as the mother and the guardian of the dynasty’s children and as head of her extended household. These ballets, precisely because members of the court organized and danced in them, were critical instruments in establishing court hierarchies and portraying the court to its subjects as well as its guests. The ballets offer insights into the role of the ruling female at court and can be considered the purview of the highest-ranking woman, providing her with a recognized public space for her cultural activity. Magdalena Sibylle at Dresden At Dresden Magdalena Sibylle grew up in a culture of court ballet. When she was still a small child, the court engaged a dancing master, Gabriel Möhlich (also Mölich, ca. 1595–1657). The son of the court musician Michael Möhlich, Gabriel was himself a composer and musician as well as the dance master. His teacher was Heinrich Schütz (1585–1672), the renowned Dresden Kapellmeister. In 1620 Johann Georg I sent Möhlich to Paris with a salary of 800 florins to learn dancing.27 A series of ballets was initiated at the Dresden court in 1622, suggesting that Möhlich must have returned before this time in order to prepare the ballets and train the dancers. The Elector’s actions confirm that being able to perform in a ballet was increasingly seen as a significant courtly accomplishment and as essential to the education of the princes and princesses. The children of the Elector were born between 1609 and 1619 and ranged in age from approximately 3–12 years when Möhlich returned from Paris, thereby providing a circle of pupils and dancers for his art. The electoral household needed to prepare its princely children for their future roles at court and that included dancing in ballets. During the decade following Möhlich’s return, ballet flourished at the Dresden court, with performances recorded for 1622, 1624, 1625 and beyond.28 Ballets were performed regularly through 1638 for the weddings of Magdalena Sibylle’s siblings.29 A ballet on the theme of Atalanta und Meleager was performed for her sister Sophie Eleonore’s (1609–1671) wedding in 1627 to Landgrave 27 Moritz Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, rpt. Hildesheim 1971, vol. 1, p. 91. 28 Ibid. 29 Wade (see note 16).
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Georg of Hessen-Darmstadt (1605–1661),30 while an unnamed ballet marked Marie Elisabeth’s (1610–1684) wedding in 1630 to Duke Friedrich of Holstein-Gottorf (1597–1659). For the wedding in 1638 of the next elector Johann Georg II (1613–1680) to Magdalena Sibylle of Brandenburg (1612–1687) there was a ballet on the theme of Orpheus, and the Ballet von dem Paride und der Helena was performed for the double wedding in 1650.31 While it is true that the Thirty Years’ War lead to a general decline in the frequency of ballet performance at court, the long series of ballets in Dresden confirms that dance was nevertheless considered a necessary component of court celebrations. Only during the worst decade of the war for Saxony – during the decade after 1638 – was ballet not performed in Dresden. Magnificent court festivals celebrating the return of peace and the double wedding of Dukes Christian (1615–1691) and Moritz (1619–1681), including a splendid ballet, resumed in 1650. Thus, from approximately five years of age until her departure to Denmark at sixteen Magdalena Sibylle would have experienced dancing instruction and seen court ballets. It is likely that she herself performed in ballets for her sisters’ weddings in 1627 and 1630. Magdalena Sibylle and Ballet in Denmark Beginning with Magdalena Sibylle’s arrival in Denmark, a series of ballets were performed at both the royal court in Copenhagen and at the Prince-Elect’s court at Nykøbing. Although there were dance masters at the Danish court before Magdalena Sibylle’s arrival, there is no record of ballet performance. Clearly, the Danish court recognized the need to teach its children to dance, but lacking the ranking woman, few, if any ballets, were performed.32 The performance of ballet is strongly linked to Magdalena Sibylle’s presence, and the
30 Mara R. Wade, »Zwei unbekannte Seitenstücke zu Opitz’s Dafne«, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 19 (1992), pp. 12–22. 31 Cartel Des Ballets/ Vom Paride und Helena/ etc.: Welches […] Herr Johann Georg/ Hertzog zu Sachsen […] Dero […] Brüdern […] Herrn Christian/ Und Herrn Moritzen/ Hertzogen zu Sachsen […]Und Denen […] Bräuten […] Fräulein Christianen/ Und Fräulein Sophien Hedewig/ Geschwisterten Hertzoginnen zu Schleßwig/ Hollstein/ Stormarn/ […] Auff dero beyderseits Hoch-Fürstliche Beylagere […] auff dem Churfürstl. Schlosse im RiesenSaale vorstellete/ den Decem. 1650, Dresden 1650. See http://diglib.hab.de/drucke/132– 7-quod-2f-6/start.htm?image=00001 [consulted 28 September 2012]. 32 See Krogh (see note 6). Given the presence of two dance masters in Denmark it is entirely possible that additional archival research might yet reveal ballets before 1634.
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record of evidence begins with her wedding in 1634. Early ballet in Denmark must be studied in this gendered context. Magdalena Sibylle was intended to become the next queen of Denmark, although the premature death of her husband Prince-Elect Christian of Denmark prevented this. Before her arrival Denmark had had no queen for twenty-two years, as Queen Anna Catharina died in 1612. During her years in Denmark, Magdalena Sibylle strove to position her princely household at Nykøbing on Falster to become the next royal court. To speak with Heide Wunder, Magdalena Sibylle was part of a royal Arbeitspaar, that is, as princess royal, she had her responsibilities, among them the important activity of coordinating and producing ballets. While men also organized and performed in court ballets,33 women were especially noted for their involvement in this form of entertainment. At the courts of Magdalena Sibylle’s sisters Sophie Eleonore of Hessen-Darmstadt34 and Marie Elisabeth of Holstein-Gottorf, ballet flourished.35 By organizing ballets for her family members and courtiers to perform, Magdalena Sibylle performed essential women’s work at court and fulfilled her obligations as a Landesmutter. A brief overview helps to contextualize ballet at the Danish court.36 A French dance master Jacques Fréville was engaged at the Danish court in 1614 for Prince-Elect Christian. King Christian IV clearly considered it necessary that his sons, including Prince-Elect Christian, the future husband of Magdalena Sibylle, be prepared to engage in all of the accomplishments of European princes, including dancing. When Fréville left the Danish court in 1623, a new 33 Landgrave Ludwig of Hessen, son of Sophie Eleonore and thus Magdalena Sibylle’s nephew, invented a ballet for his own wedding at Gottorf. [Ludwig von Hessen], Der Menschen vnterschiedliche Inclination vnd Zuneigung: Ballet Auff dem HochFürstlichen Beylager […] Herrn Ludowig/ Landgraffen zu Hessen […] Mit […] Fräwlein Maria Elisabeth/ Hertzogin zu Schleßwig […]; Von S.F.Gn. dem Herrn Landgraffen selbst an […]/ den 29. November [1650]. See http://diglib.hab.de/drucke/lo-4f-264–20/start.htm [consulted 28 September 2012]. 34 See, for example, the three entertainments (items 154, 155, 156) listed under Darmstadt: http://www.hab.de/bibliothek/wdb/festkultur/dig-inha.htm#Darmstadt [consulted 28 September 2012]. 35 See for Gottorf, [Marie Elisabeth], Von Vnbeständigkeit der Weltlichen Dinge Vnd Von Herrligkeit vnd Lobe der Tugend: In einem Fürstlichen Ballet Auff dem HochFürstlichen Beylager Des […] Herrn Ludowigen, Landgraffen zu Hessen/ etc. Mit […] Fräwlein Mariæ Elisabeth/ geborne Hertzogin […] [1650]. See http://diglib.hab.de/drucke/lo-4f-264–19/ start.htm [consulted 28 September 2012]. 36 Krogh’s study (see note 6), is now very outdated and a new study of court ballet is a desideratum for future research. The discussion below is based on Wade (see note 15), pp. 61–88.
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dancing master Alexander Kückelsom was engaged, who remained until 1643. Kückelsom was the dancing teacher of Christian IV’s second son Duke Frederik (1609–1670) at Sorø.37 Frederik, whose royal title was Duke of Holstein, presented the ballet for the wedding of his brother Prince-Elect Christian and Magdalena Sibylle in Copenhagen in 1634, and this performance has the distinction of being the first recorded ballet in Denmark.38 The ballet performed for the »Great Wedding« of 1634 in Copenhagen, as Magdalena Sibylle’s nuptial celebrations were known, completely aligns with German court ballets of the period. The printed textbook in German confirms a similar structure of an introduction, a series of entrees, and a grand ballet, in which the dancers first performed the intertwined letters of the initials of the bridal couple’s names before members of the royal audience joined in the dancing. There were solo songs for Apollo, Mercury, and Orpheus. While professional musicians played and sang the music, members of the Danish court danced in the ballet, as confirmed by Christian IV’s letters requiring members of the nobility to send their daughters and sons to Copenhagen to practice the ballet for the wedding. The ballet was of a European standard as Charles Ogier, a member of the French embassy to the wedding, wrote in his diary that »from there we moved into the Great Hall, where a masked dance, a ballet, was to be held; it was indeed most elegant and lasted two hours.«39 The merging of the ballet proper and the social dancing reflects the intimate ties between the performers and the audience of the Singballett. Ballet at Nykøbing (Falster) While in Denmark Magdalena Sibylle and Prince-Elect Christian fostered the performance of ballets at their court of Nykøbing on Falster. The ballets for which printed programs have been located confirm that German-language ballet was the norm in Denmark throughout the 1650’s. The small court at Nykøbing became a flourishing center for the performance of ballets after the »Great Wedding«, while at the royal court in Copenhagen daughters of King
37 Kückelsom first served as the dancing master at the royal academy at Sorø (est. 1623) from 1624–1626 and then at court as the teacher for Christian IV’s children with Kirsten Munk; Duke Frederik would have also had the opportunity to become acquainted with ballet in France during his fourteen-month sojourn there in 1629–1630. 38 Kurtzer Einhalt und Bedeutung des Ballets […], o.O. 1634. 39 Wade, German Court Culture and Denmark (see note 15), p. 85.
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Christian IV were married among spectacular festivities, including ballet, in 1636, 1639, and 1642, respectively. In keeping with contemporary court practices, the daughters of Christian IV and Kirsten Munk were sent to Nykøbing to be educated under the careful supervision of the only woman of rank at court, Princess Magdalena Sibylle.40 A dancing master, an organist, and a schoolteacher were engaged there for their instruction. The girls were present during the flourishing of ballet at Nykøbing from 1636–1642,41 and probably included Leonore Christine (1621–1698), who in 1636 married Corfitz Ulfeldt (1606–1664); Elisabeth Augusta (1623–1677), who in 1639 married Hans Lindenow (1616–1659); and the twins Hedevig and Christine (1626–1678), who in 1642 married Ebbe Ulfeldt (1610–1654) and Hannibal von Sehested (1609–1666), respectively. As the educator of these young women, Magdalena Sibylle fulfilled one of the important functions in her role as one half of a princely Arbeitspaar: the education of the next generation of women. Her duties to her extended family also included the supervision of her brothers Moritz (1619–1681) and Christian (1615–1691) during their visit as part of their grand tour of the North in the first half of the 1640’s, and she was clearly instrumental in arranging their double wedding to the sisters, Sophie Hedwig (1630–1652) and Christiane (1634–1701), Duchesses of Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Although her Danish marriage remained childless, Magdalena Sibylle played a key role in the education of the next generation as well as in arranging the weddings of her extended families. Within a year of her wedding and arrival in Denmark, activities for staging ballets began at Nykøbing. A series of letters and travel passes from late 1635 and early 1636 indicate the performance of costumed dramas with music and dancing for the wedding of courtiers in January 1636. In the autumn of 1636 two of Magdalena Sibylle’s ladies in waiting were married amid similar festivities. While little is known about these performances – there are no printed programs – it is clear that music, poetry, and dancing in costumes were features of the works that required the presence of royal musicians. A key figure in both events is the court violinist Jakob Foucart, who was responsible for collecting the costumes from storage and for the performance of the royal musicians at Nykøbing. Foucart was at the Danish court from 1624 (that is, he arrived the same time as the dance master Alexander Kückelsom) until his death in 1641.42 40 Wade, German Court Culture and Denmark (see note 15), p. 281. 41 C.F. Bricka and J.A. Fridericia, Kong Christian den Fjerdes Egenhæandige Breve, 8 vols. Copenhagen 1887–1889, rpt. 1969–170, here: vol. 3, p. 316. 42 Angul Hammerich, Musiken ved Christian den Fjerdes Hof, Copenhagen 1892, p. 214.
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Ill. 1 Painting of a ballet performed at Nykøbing Falster, Denmark, July 1637, portraying Prince–Elect Christian of Denmark (center), Duke Friedrich III of Gottorf (left), and Duke Hans Christian of Holstein-Sønderburg (right). The painting is heavily damaged and was exhibited at Frederiksborg, Denmark, on the occasion of the conference »Reframing the Danish Renaissance« in 2006. Photo courtesy of Frederiksborg and reproduced by kind permission of Baron N. Iuel-Brockdorff, Valdemars Slot, Taasinge, Denmark.
He was present at the »Great Wedding« of 1634 where he engaged in a violin contest with Johann Schop (ca. 1590–1667) that was observed and recorded by Johann Rist (1607–1667).43 A manuscript at the Academy of Sciences in St. Petersburg contains a »Ballet Jacob Fuckart« as well as dances and other works by Foucart, Schop, and Gabriel Voigtländer (ca. 1596–1643).44 Owing to the constellation of composers represented in this work, all of whom have a close connection to Denmark and the court of the Prince-Elect, I suggest that this ballet be considered in the context of the Nykøbing ballets arranged by Jacob Foucart. In July of 1637 a more fully documented ballet was held at Nykøbing. Prince-Elect Christian sent letters to the Saxon court inviting Magdalena 43 Wade, German Court Culture and Denmark (see note 15), pp. 248–249. 44 See Pieter Dirksen, Heinrich Scheidemann’s Keyboard Music: Transmission, Style and Chronology, Aldershot 2007, p. 50, St. Petersburg, Biblioteka Rossijsko Akademii Nauk, RUS-Span, MS QN 204. I would like to extend my sincere thanks to Pieter Dirksen for providing me with a copy of this music. The ballet can be found on ff. 3r-5r.
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Sibylle’s family, the Elector Johann Georg I and the Electress Magdalena Sibylle together with the »junge Herrschaften« [Moritz and Christian], to Denmark for the wedding of two members of the court. Invitations also were sent to Duke Friedrich III and Duchess Marie Elisabeth of Holstein-Gottorf, Magdalena Sibylle’s sister and her husband. The event was being organized as a family reunion at her new court. In the weeks before the wedding on July 10, 1637, the prince’s letters contain references to music and musicians, costumes, stage machinery, and to the »masques.« All available evidence confirms that the court at Nykøbing was preparing for a major cultural event. While in the end no one came from Dresden, Friedrich III and Marie Elisabeth of Gottorf as well as Duke Hans Christian of Holstein-Sønderborg (1607–1653) attended. Approximately 150 persons came to Nykøbing, including Christian’s half-brother Ulrik Christian Gyldenløve (1611–1640), who three years earlier had a cameo role in the ballet at the »Great Wedding.« While Prince-Elect Christian ordered that a total of 400 copies of this ballet be printed, I have not located a copy of any text that I can with confidence attribute to this occasion. However, I have been able to identify a painting, now held at Valdemars Slot, as a portrayal of the princes of Denmark, Gottorf, and Sønderborg at Nykøbing in July 1637 (see Ill. 1).45 All of the figures are dressed in ballet costumes for a pastoral entertainment. Among many other figures, including young people and small children, the painting positions three high-ranking men prominently. The central male is certainly Prince Christian of Denmark with Duke Friedrich of Gottorf on his right. The other man, on the prince’s left, can thus be identified as Prince Hans Christian of Sønderborg, and the woman at his side is probably his wife. By comparison with other portraits at the time, I have also been able positively to identify the other ranking woman in the background as Christian IV’s daughter, Leonore Christine (1621–1698), who is always depicted wearing a hat.46 Furthermore, I suggest that the two girls at the far left-hand side of the painting are the young daughters of Christian IV, probably the twins Christiane and Hedevig. 45 Krogh (see note 6), uses the painting as an illustration of a contemporary »Schäferei«, without attributing it to any specific occasion. He makes no attempt to identify the persons in the picture. 46 See, for example, Karel van Mander III’s portrait of Leonore Christina from 1643 at Det Nationalhistoriske Museum Frederiksborg, Hillerød, Denmark, inventory item: A 7435 (Marie Elisabeth of Gottorf was highly pregnant at the time, and the picture does not resemble contemporary portraits of Magdalena Sibylle). See http://www.denstoredanske.dk/Kunst_og_kultur/Billedkunst/Billedkunst,_%C3%B8vrig_barok_og_ rokoko/Kunstnere,_hollandske/Karel_van_Mander_3 [consulted 28 September 2012].
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If this is the case, the men behind them are likely the older men to whom they were betrothed at an early age: Ebbe Ulfeldt and Hannibal Sehested. Another court wedding was held at Nykøbing in late June of 1639 and, while there were no foreign guests, the Prince’s letters again reveal that the violinist Jacob Foucart was a central figure in the celebrations. In October 1639 Christian IV’s daughter Elisabeth Augusta, one of the girls likely entrusted to Magdalena Sibylle at Nykøbing, married, and the entire prince’s court was attended this event. There are no printed ballet texts from these two events, although based on comparable documentation from the events where ballets were known to have been performed, and especially owing to Foucart’s involvement, it is very likely that ballets were a part of these court festivities as well. A printed ballet program attests to a major celebration at Nykøbing in 1640: Triumphus Rationis In einem Ballet Vorgestellet in Beysein vieler Fürstlichen Persohnen/ Auff den Hochst-Fürstlichen Residentz Schlos Nykøbing. Durch Jakob Foukardt/ Königl Mayest. obersten Violistin/ den 4. Augusti Anno 1640.47 This is a large ballet divided into three sections, each containing several entrées, with an introduction by Orpheus. In addition to the dance, vocal music played an important role in this ballet. Two Lieder by Gabriel Voigtländer, a musician, composer, and poet long associated with the Danish court and in the prince’s employ since 1636, are appended to this publication.48 The main action of the ballet focuses on the struggle between the vices and the virtues culminating in the triumph of »recta ratio«.49 The court records demonstrate that special seats for the audience and stage scenery for the ballet were constructed. As with past events, this ballet was occasioned by the wedding of members of Christian’s and Magdalena Sibylle’s court. Owing to the rather unexpected visit to Nykøbing of the Dowager Queen of Sweden Marie Eleonora (1599–1655), the occasion must have been even more splendid than the 1637 ballet when members of the Gottorf and Sønderborg courts were present.50 Triumphus Rationis is 47 Copenhagen [1640]. The only known copy is uncatalogued at the Karen Brahe Bibliotek, Odense, Denmark, (located at the Landesarkiv for Fynen, Odense, Denmark). 48 Mara R. Wade, »Performance, Publication, Piracy. Gabriel Voigtländer’s Erster Theil Allerhand Oden vnnd Lieder (1642)«, in: Musik und Szene. Festschrift für Werner Braun, ed. by Bernhard Appel, Karl Wilhelm Geck und Herbert Schneider, Saarbrücken 2001 (= Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft NF 9), pp. 539–548. 49 Wörterbuch der philosophischen Begriffe, ed. by Rudolf Eisler (1904) defines »recta ration«, »orthos logos« or »right reason« as »sittliche Vernunft«. See http://www.textlog. de/4787.html [consulted 5 June 2011]. 50 The widow of Gustav Adolf II (1594–1632), Queen Marie Eleonore (1599–1655), fled Sweden in 1640 after the Swedish Council of the Realm removed her from her daughter Christina (1626–1689). Christian IV was displeased with the arrival of Marie Eleonore in
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an extremely important document for the history of ballet in Denmark. The comparative wealth of evidence around the performance of Triumphus Rationis provides, together with records of payments and other court documents, the basis for interpreting information surrounding other ballets at the court of Nykøbing. A heretofore unknown ballet in Denmark, it is the second printed ballet text after Duke Frederik’s ballet for the Great Wedding of 1634. Christian and Magdalena Sibylle spent the summer of 1642 in Holstein, including a week-long visit to the Gottorf court. Upon their return they organized the festivities for another wedding at court in October 1642. These spectacles were planned such that persons attending this late October event at Nykøbing could then travel to Copenhagen for the royal wedding of Christian IV’s twin daughters Hedevig and Christiane on 6 November. Magdalena Sibylle’s brother Moritz and Christian’s brother Duke Frederik, now Archbishop of Bremen, were among the attendees at both events. The records strongly suggest that a ballet was performed for this occasion. The following year, Duke Frederik, married Sophie Amalie of Braunschweig-Lüneburg (1628–1685) on 1 October 1643 at Glückstadt, and King Christian IV, Prince-Elect Christian, and Magdalena Sibylle were all present for the wedding. The prince-elect and princess stopped in Gottorf both going to and returning from the wedding.51 The close ties between the royal court in Copenhagen, the princely court at Nykøbing, and the court at Gottorf confirm an active festival culture with a great deal of cultural exchange. Two important musicological facts should be mentioned in the context of all of this festival activity: first, Prince Christian concurrently authorized the printing, but not the publication, of Gabriel Voigtländer’s immensely popular Allerhand Oden und Lieder,52 and second, Heinrich Schütz returned to the Danish court in 1641–1642 as royal Danish Kapellmeister.53 The origin in Dresden of several of the musicians for the Danish princley Kapelle as well as the Electoral Saxon heritage of both Marie Elisabeth at Gottorf and Magdalena Sibylle at Nykøbing suggest a strong international culture of court festival with a special focus on the ballet. The arrival of Princess Magdalena Sibylle in Denmark in 1634 brought with it the performance of ballet, suggesting a strong connection between gender and genre. That ballet flourished at Nykøbing suggests that the space of court ballet also had a strong gender component. Of particular interest to my Denmark and was irritated when Prince-Elect Christian accompanied Marie Eleonore to Gottorf. See Breve (see note 41), vol. 4, pp. 386–387. 51 Wade, German Court Culture and Denmark (see note 15), p. 288. 52 Wade (see note 48), pp. 539–548. 53 Wade, German Court Culture and Denmark (see note 15), p. 281.
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argument about ballet is that there was no Danish queen from the death of Anna Catharina in 1612 until 1648, when Frederik III’s wife Sophie Amalie of Braunschweig-Lüneburg became queen. The nearly forty-year absence of a female monarch correlates strongly to the near total absence of documented ballets at the main Danish court and suggests that the lack of a princely woman accounts for the lack of ballets in Copenhagen. The printed record of ballets – Magdalena Sibylle’s wedding ballet from 1634 and Triumphus Rationis in 1640 – reveals only a partial history of ballet in Denmark. At her court at Nykøbing on Falster ballets were preformed regularly, often more than once a year, from 1637 through 1642/1643. However, in 1642 Jacob Foucart, the moving force behind the princely ballets and the author of Triumphus Rationis, died after more than two decades in Danish service. The other French dancing master Alexander Kückelsom died the following year in 1643 after a similarly long period of service. The deaths of the two dance masters in close succession meant the end of ballet at Nykøbing. Torstensson’s invasion of Holstein in the winter of 1643–1644 during this same time period also brought the arena of war dangerously close and spelled the end of the rich cultural exchange with Gottorf and the performance of ballet. The death of Prince-Elect Christian in 1647 and the accession of the new King Frederik III in 1648 realigned the dynasty and initiated a new postwar court culture. At her court at Nykøbing Magdalena Sibylle created both a physical and cultural space for the performance of ballet. As a princely wife, it was her social, even political, obligation to preside over these entertainments. As educator of the next generation of royal girls and mistress over her royal household, organizing ballets was part of her responsibilities as Landesmutter. Court Ballet at Altenburg Magdalena Sibylle and Friedrich Wilhelm of Sachsen-Altenburg (1603–1669) were married at the Electoral court in Dresden on 11 October 1652, although the splendid festivities planned for their wedding were canceled on account of official mourning.54 For their betrothal Schütz had contributed a composition, the Lied Wie wenn der Adler sich aus seiner Klippe schwingt,55 while for their wedding several entertainments were planned, including Amyntas by Chris54 There was a period of official mourning owing to the premature death of Sophie Hedwig, her brother Moritz’s bride of only two years before. 55 SWV, 434. The text (pp. 125–126) and the music (pp. 565–566) are contained in David Schirmer, Rauten-Gepüsche, Dresden 1663.
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toph Demand56 and the ballet by David Schirmer, Der Triumphirende Amor that has five acts and concludes with a grand ballet.57 The ballet was clearly a form of entertainment strongly associated with Magdalena Sibylle. As Sara Smart writes in her entry on court ballet in Spectaculum Europaeum: »It has been established that ballets were staged at Altenburg in the 1660’s, while Christian Dedekind’s Singspiel, staged on the birthday of the couple’s son in 1667, involved numerous scenes of dance, of interest structurally for the link they provided between the plot and the subplot. With the deaths of the Duchess and the Duke in 1668 and 1669 respectively festive life was brought to an end.«58
The record of ballets at Altenburg is only now beginning to emerge. For example, sometimes the so-called »cartel,« or program, of these ballets was published, while in most cases the performance of a ballet must be painstakingly established on the basis of other kinds of evidence, such as chronicles, records of expenses and payments, diaries, letters, and other archival sources. These sources taken together produce a picture of the brief flourishing of ballet at Altenburg. Magdalena Sibylle’s new union produced three children in rapid succession: Christian (1654–1663), Johanna Magdalena (1656–1686), and Friedrich Wilhelm III (1657–1672). To celebrate Christian’s birth she organized a series of court spectacles, including a tournament. The most striking part of the tour56 Christoph Demand [Demantius], Amyntas/ Das ist: Sonderbahres Kleinod/ Auff Des […] Herrn Friederich Wilhelm/ Hertzogen zu Sachsen […] Mit der […] Frauen Magdalenen Sibyllen/ Zu Dennemarcken […] verwittibten Princeßin/ Gebohrnen aus Churf. Stamm Sachsen […] den 11. Octobr. 1652. in […] Dreßden […] wohlangestellete Trau-Fest: Von diesen drey Hold-Göttinnen/ als Uranien der Gottseligkeit/ Agenorien der Weißheit/ und Chloride der Fürtreffligkeit […] ersonnen […] und in gewisse Melodeyen gezogen. [N.p. n.p. n.d.] A copy is preserved at the Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek, Dresden, D-Dl (Hist. Sax. B. 206, 12). See VD17: 14:011679M (see note 23). 57 David Schirmer, Rauten-Gepüsche, Dresden 1663, pp. 173–224. Additionally, poetry for this occasion can be found on pp. 124–145 and pp. 149–171. Rifkin states that Schütz probably also composed music for these festivities, Joshua Rifkin, The New Grove North European Baroque Masters, New York 1985, pp. 52–53. 58 Sara Smart, »Ballet in the Empire«, in: Spectacvlvm Evropævm: (1580–1750), Theatre and Spectacle in Europe = Histoire du spectacle en Europe, ed. By Pierre Béhar and Helen Watanabe O’Kelly, Wiesbaden 1999 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 31), pp. 547–570, here: p. 559. Althaniens werthester Hirtenknabe Filareto by Constantin Christian Dedekind was performed for Friedrich Wilhelm III’s birthday in 1665, see Judith P. Aikin, A Language for German Opera, Wiesbaden 2002 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 37), p. 147.
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nament was a Damenringrennen, a form of ladies running at the ring, a genre of court entertainment that I believe she brought from Denmark.59 Most importantly, she had the texts and illustrations recording all of the tournaments performed for this important dynastic event published in a splendid folio volume by Adam Olearius at Gottorf.60 While the first half of the book contains the tournaments for the men, the second half contains the ladies tournament devised by Magdalena Sibylle herself and marked by a special title page: Auffzug Ihr. Durchl. Princessin M. S. Hertzogin zu Sachsen/ Jülich/ Cleve...In welchem vorgebildet wird Ein Im Glück und Unglück Frewde und Traurigkeit Gedult und Hoffnung zum gewünschten Ende Geübter Mensch.61 In the preface to the volume Olearius comments on the relationship of these allegorical tournaments to plays and ballets: »Unter die Schawspiele und Auffzüge können auch gerechnet werden die Ballete vnd andere Tantze/ welche auch neben dem/ was die Schawspiele besagter massen vermügen. … Ja, Socrates hat es für nützlich angesehen/ daß man tantzen/ lernen sollte/ weil neben dem/ daß die Bewegung zur Gesundheit dienlich/ eine sonderliche Geschickligkeit vnd Zierligkeit in einer förmlichen Bewegung vnd Stellung des Leibes zu befinden/ sonderlich wenn in den jetzt üblichen Balleten ihrer etliche gegen vnd mit einander tantzen vnd in formirung der Figuren einer sich gegen den andern wol zu schicken weiß/ was den Zusehern/so zu reden/ eine so schöne Harmoni in die Augen/ als eine schöne Music in die Ohren gibt. Worbey man sichs fast einbilden kann/ wie es zugegangen sey/ daß/ (wenns wahr ist) nach Amphions Leyren Klang die Steine sich umb die Stadt Thebe zu einer Maur zierlich an einander gefüget.«62
This women’s tournament, in which Madgalena Sibylle and ladies from her court appeared as allegorical figures, must be studied in the context of her ballets. The elegant movement of the princely body in the tournament and its graceful presentation to the public is consistent with the schooled comportment learned in the ballet. Magdalena Sibylle’s son Prince Christian was exposed to ballet from his earliest years. In 1655 three ballets and a series of other entertainments were 59 Helen Watanabe O’Kelly, »Damenringrennen, eine sächsische Erfindung?«, in: Dresdener Hefte: Sachsen und die Wettiner, Chancen und Realitäten (1990), pp. 307–312. Wade (see note 15), p. 294. 60 See note 24. Also Wade (see note 16). 61 See note 24. The introduction by Olearius contains a treatise on plays, including a section on ballets, sig. DiiB-EiA. As I have established elsewhere, Magdalena Sibylle is the author of this work (see note 16). 62 See note 24, sig. DiiB-EiA.
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performed in Dresden to celebrate the birthday of his grandfather.63 Sophie Eleonore and her entire family danced in the ballet with her brother Electoral Prince Johann Georg II and his family at Dresden for the joint birthdays of their father Johann Georg I and her husband Landgrave Georg of Hessen. As the youngest grandchild of the elderly Elector, the one-year-old Prince Christian was present. Several generations of the electoral family attended, confirming the vigor of the Saxon Rautenkranz, the allegorical plant of the Albertine line and a metaphor for its fertility. Prince Christian, and later his siblings, danced in ballets at the court in Altenburg, and Magdalena Sibylle can be considered the author of the ballets performed during the brief flowering of court culture there. As a five-year-old in 1659, Prince Christian performed the role of Hercules in a ballet for his father Friedrich Wilhelm II’s birthday called simply Vers des Ballets […].64 In this ballet Prince Christian appeared in cameo roles as »die Kindheit«, »der junge und zweiffelnde Hercules«, and finally as »Hercules«. It consists of a prelude sung by a »Bauer an die Frauenzimmer« and concludes with a strophic song played to lute accompaniment followed by praises to the duke sung by the »four Seasons«, »Romans«, and Spaniards«. For Friedrich Wilhelm’s birthday in 1660 again all the children danced in a ballet.65 The focus of this ballet was »Die Fruchtbarkeit der Liebe«, and it contains strophic songs in German and French. Apparently, from 1660 forward, when the youngest child Friedrich Wilhelm III would have been three years old, all of the princely children danced in court ballets at Altenburg. In November 1661 Prince Christian journeyed to Meiningen, where he accepted on behalf of his father the allegiance of the county of Henneberg, in whose coat of arms a hen figures prominently.66 From there Christian and his 63 See [David Schirmer], Entwurff Derer Chur- und Hoch-Fürstlichen Ergetzlichkeiten Welche an Denen Chur- und Hoch-Fürstlichen Ein- und Zusammenkunften Bey gleich mit eingefallenen höchstgewüntscheten […] Herrn Johann Georgens/ Hertzogens zu Sachsen […] ChurFürstens Vnd auch […], Dresden 1655. See http://diglib.hab.de/drucke/238–4quod-4/start.htm [consulted 28 September 2012]. 64 [Altenburg 1659]. The only recorded copy is at the Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, see VD17 23:270726F (see note 23). See http://diglib.hab.de/drucke/p-497–2fhelmst-30s/start.htm [consulted 28 September 2012]. 65 Vers Des Ballets Welches bey frölicher Wiedergedächtnus des am 12. Februarii feyerlich begangenen Geburts-Tages Des […] Friedrich Wilhelms Hertzogen zu Sachsen […] Von Der […] Frauen Magdalenen Sibyllen […] vermählten Princessin zu Sachsen […] Und […] denen Dreyen Hochfürstlichen Kindern […] Den 16 Februarii/ Jahrs 1660. [Altenburg] 1660. See VD17 3:677632R (see note 23). 66 Friedrich Wilhelm acquired the Grafschaft Henneberg with Meiningen, Themar, and Behrungen in 1660. The prince received a golden cup on this occasion inscribed with the
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Ill. 2 Painting of a ballet performed in 1662 with Magdalena Sibylle, Princess of Sachsen-Altenburg, with her three children, Christian, Johanna Magdalena, and Friedrich Wilhelm III, in ballet costumes. Photo reproduced by the kind permission of the Schloss- und Spielkartenmuseum, Altenburg, Inv. Nr. SM 118.
mother continued to the ducal territory at Coburg, where there were further celebrations.67 Prince Christian demonstrated his courtly accomplishments in riding as well as in his handling of the partisan, pike, and flag. He is also reported to have performed well in several ballets during this trip.68 Shortly after the territories paid homage to the gifted young prince, an entertainment was performed for his father’s birthday on 12 February 1662, in which a large papier mâche hen entered the ballroom and laid three eggs, from which emerged following verses »Als Henneberg die Huldt zu Möningen Geschworen [/] hat Coburg neben ihm mich zum Geschenck Erkohren.// Man Brachte meinen Werth mit Fleis die Forme Bey: [/] Der Erg [=Erb] Printz sieht an mir den Unterthanen Trew.« The cup is held at the Schlossmuseum Gotha, item K 13. See Uta Künzl, Am Hofe von Friedrich Wilhelm II.: Ältere Altenburger Linie 1603–1672, Altenburg 2004, p. 46 and p. 56. 67 The professors at the Gymnasium there greeted him with a Latin oration that the sevenyear-old prince answered in Latin, causing all to marvel at his erudition and poise. After the prince’s death Friedrich Wilhelm II sent a portrait of the prince commemorating this occasion; it is still hanging in the Gymnasium Casimirianum at Coburg. See Künzl (see note 66), p. 45 and p. 52. 68 The information about Prince Christian in this paragraph is drawn from Künzl (see note 66), pp. 22–24. I would like to thank Dr. Jill Bepler, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, for providing me with a copy of this work.
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the three children who then performed a ballet. 69 This ballet clearly celebrates the acquisition of Henneberg and the ducal couple’s success in creating a family and ensuring the continuity of the dynasty. A large painting preserved in the castle museum in Altenburg depicts Magdalena Sibylle with her three children in ballet costume (see Ill. 2).70 While the ballet for the duke’s birthday featuring a hen was clearly on a light hearted note, the ballet commemorated on the painting treated a mythological or Classical theme, as the little boys are dressed as Roman heroes.71 The inscription above Magdalena Sibylle gives her titles and some information about the ballet: »Von Gottes Gnaden Wir Magdalena Sibÿlla Gebohrne aus Churfürstlichen Stam und vermählte Princessin zu Sachßen, Jülich, Cleve und Bergen Wie Wir uns mit unsern Hier … stehenden Fürstlichen Kindern zum Gedächtnus uff hiesiges Rathhaus Anno 1662 abmahlen lassen.« Each child is also identified on the painting. This portrait of the princely mother and her children can be associated with the 1662 performance of an unknown ballet, perhaps held at the town hall, in which all children danced: eight-year-old Christian, six-yearold Johanna Magdalena, and the five-year-old Friedrich Wilhelm III. If the curtain behind them is meant to represent the interior of the town hall, the background of the ballet painting establishes the court and the dynasty in its portrayal of the most important towns of Friedrich Wilhelm’s territories, the castle at Altenburg on the left and the Veste Coburg on the right.72 The depiction of the family in their ballet costumes in front of Altenburg and Coburg must be associated with celebrations for the expansion of the territories of the Altenburg duke, Magdalena Sibylle’s husband Friedrich Wilhelm II. The iconography of the painting is significant: one notes especially the little princes as Romans, while Magdalena Sibylle and her daughter Johanna Magdalena are splendidly attired in ball dresses. Christian holds the staff of rule in his right 69 Alte Erinnerungen aus Nobitz, Vol. 2, Magister Samuel Haberland 1651–1688, Haberlands Erinnerungen Buch Nr. 4 – 2. Teil. See http://www.kg-nobitz.de/cms/front_content. php?idcat=68 [consulted 8 June 2011]. 70 I want to thank Judith Aikin for bringing this painting to my attention. It is attributed to Christian Schörlitz; see Künzl (see note 66), p. 37 and p. 51, Altenburg, Schloss- und Spielkartenmuseum, Inv. Nr. SM 1178b. 71 Carrdus documents an unnamed ballet in which all three children danced from 1662. It is unclear whether this is meant to refer to the »hen« ballet or the one on Roman themes. Carrdus (see note 18), p. 29. 72 This painting deserves comparison to the painting of Prince Christian’s funeral procession from one year later that establishes the connection between town and court. See Künzl (see note 66), p. 37 and p. 53, Altenburg, Schloss- und Spielkartenmuseum, Inv. Nr. SM 118.
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hand, while Friedrich Wilhelm III holds a spear in his left. The children hold hands, and Magdalena Sibylle’s protective arms gather her children together between the images of the two castles. On 30 September 1662 a play was performed at the school in Altenburg before the entire princely family.73 Later this same year Magdalena Sibylle experienced a nearly fatal illness that weakened her considerably. There is no evidence that she organized ballets after 1662.74 When Prince Christian died from measles at nine-years-old in June 1663, Magdalena Sibylle experienced a blow from which she really never recovered. After his funeral she occupied herself with a new publication of her devotional Gebet- und Gesäng Büchlein that appeared in large print in 1667, shortly before her death on 6 January 1668.75 Gender and Ballet: A Space for Women’s Cultural Agency The case of Magdalena Sibylle shows a consistent pattern of ballet performance, and the development of a flourishing ballet culture at Nykøbing can 73 See Christian Funcke, Entwurff des Engel- und DrachenStreits: welcher in Beyseyn […] des […] Herrn Friederich Wilhelms/ Hertzogens zu Sachsen […] Frauen Magdalenen Sibyllens […] vermehlten Princessin zu Sachsen […] Herrn Christianens/ Herrn Friederich Wilhelms/ Hertzogen zu Sachsen […] Fräulein Johannen Sibyllens/ Hertzogin zu Sachsen […] Frauen Dorotheens/ Verwittbeten Hertzogin zu Sachsen […] wie auch anderer Hohen/ bey feyerlicher Begehung der Schul-Einweihung ist vorgestellet worden im Jahr MDCLXII. XXX. Septembers, Altenburg 1662. See VD17: 39:126301R (see note 23). 74 Ballets were performed at Altenburg after Christian’s death for visits by the Elector Johann Georg II. The children Friedrich Wilhelm III and Johanna Magdalena danced in Vers des Ballets, welches, alß […] Johann George, der Andere […] Churfürst […] den 27. Junii, auff der Fürstl. Residentz Altenburg einzukommen geruhen wollen / von Heinrich Mareschall, Altenburg 1665; see VD17 3:668995V (see note 23). Another ballet was also performed by courtiers, Kurtzer Entwurff des Ballets oder Possierlichen Tantzes so am S. Martins Abend […] Vor Ihro Churfl. Durchl. […] Johan Georgen, Dem Andern/ Herzogen Sachsen… abgelegt worden Auffm Schloß Altenburg im Jahr 1665. [Altenburg] 1665; see VD17 3:675843G (see note 23). 75 See note 23. A first version most certainly existed, as the title page states, according to her funeral sermon: »Nunmehr aber vermehret in diese Form bringen/ und wieder auf-legen lassen«. I have been unable to locate a copy of the earlier publication in either Denmark or Germany. Johann Christfried Sagittarius’ account of her life in her funeral sermon states: »wie denn auch Ihre Fürstl. Durchl. vor geraumen Jahren/ als Sie noch in Dennemarck gewesen/ ein eigenes Betbuch verfertiget/ dasselbe seither denn vermehret/ und nicht lang vor dero seligen Absterben in grössern Druck wieder herfür geben lassen.« See Johann Christfried Sagittarius, Der Menschen Streit/ Knechtschafft/ und Arbeiten […], Altenburg [1668], p. 70.
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be directly attributed to her. As the first woman of rank at the Danish court in decades, she competently fulfilled her role as princess royal, organizing ballet performances for the younger members of the royal family, for the weddings of prominent members of her court, and for visitors from other courts. Thus, ballet constituted an essential medium of communication among the courts. At Altenburg Magdalena Sibylle continued fulfilling her role as a princess in exemplary fashion by organizing ballets for performance by her children. That one such occasion was commemorated in a massive oil painting underscores the elevated status of these events and the desire to commemorate these important occasions. The ephemeral nature of dance was thus captured in dynastic portraits of the princely family in its ballet attire to articulate the ideals of the court in a lasting manner. Dancing in ballets was an important social accomplishment for noble youth and children that revealed court hierarchies and disciplined the body. The dances for the older youths were generally intended for the unmarried or the newly married members of court and were significant vehicles for the expression of court hierarchies and their norms. These ballets were also a significant component of the court’s marriage politics. For example, the ballets at Nykøbing physically integrated the newly married couple into the court hierarchy while providing the older children the experience of courtly comportment and the practice of decorum in a setting for mixed genders. The themes of the ballets, as far as they are presently known, position the princely court at Nykøbing as an important player in North German politics at the close of the Thirty Years’ War. The children’s ballets at Altenburg were important contributions to court culture and instilled the appreciation for dance and the ability to perform dances in the young people of the court, while socializing them to their future roles. The genre of Kinderballett, as a subgenre of court ballet, has also been neglected, although it, too, fulfilled a critical function at court. As Jill Bepler has written about the performance in 1643 of Schottleius’ Friedens-Sieg, such performances were only apparently naïve social occasions.76 These ballets were not just slight entertainments made by women for children, they were often extremely important statements of the court’s intentions in the political arena and celebrated signal events in the dynasty. Magdalena Sibylle’s ballets at Nykøbing and Altenburg have been long neglected for several reasons. Because women were often the driving force behind the performance of ballet at German-speaking courts, this has lead to a feminization, and often devaluation, of the genre. The fact that the ballet was 76 See note 1.
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also an important instrument of marriage politics also more firmly embeds it in the women’s sphere. The practical reason for the neglect of her important contributions to Danish and Saxon ballet lies however in the first instance with the material evidence. Few of the ballets were published. Nevertheless, the court ballets performed in her circles are quite important. Like the English masque, the Singballett popular in German-speaking lands and Denmark, was the only genre in which members of the court appeared on stage. Since princesses and ladies at court danced in the ballets, the dance is the one arena of court festivals that from the beginning included both women and men, both girls and boys. Ballet socialized the court not only to its social and political roles, but also to its gender roles. The example of Magdalena Sibylle demonstrates that court ballet offers an important avenue for the investigation of female cultural agency in the early modern period.
Abbildungsverzeichnis
Wunder, Die Fürstin bei Hofe Abb. 1 »Abbildung der Session im Fürsten=Rath auf Reichs=Tagen«, aus: Artikel »Reichs=Tag in Deutschland«, in: Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, hrsg. von Johann Heinrich Zedler, Bd. 31, Halle/Leipzig 1732, Sp. 177f. Abb. 2 »Golgata«. Kreuzigung Christi mit dem Wolfenbütteler Hof, Ölgemälde von Tobias Querfurt (um 1697). Museum Schloss Wolfenbüttel, Leihgabe des Braunschweigischen Landesmuseums, Braunschweig; Foto: Jutta Brüdern, Museum Schloss Wolfenbüttel. Abb. 3 Kanzelaltar in der Wolfenbütteler Schlosskapelle, Kupferstich von Jacob Wilhelm Heckenauer (1725/26). Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur Top 3d:1. Abb. 4 Herzog Julius und seine Familie, Ölgemälde von Hans Vredemann de Vries (um 1590). Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur B 72. Abb. 5 Jean Liotard, Markgräfin Caroline Luise von Baden-Durlach (1723– 1783). Staatliche Kunsthalle Karlsruhe Inv. 2692 © 2012, mit freundlicher Genehmigung. Fischer, Höfische Wirkungsbedingungen Abb. 1 Anonym nach Benjamin Müller, »Reggia da un lato. Fortificazioni esterne dall’altro già occupato dagli Sciti«, Bühnenansicht zum dritten Akt, letztes Bild von Talestri, regina delle amazzoni, Leipzig 1765. Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, U31/97 Nr. 195 (Mus. 3119–F–500), mit freundlicher Genehmigung. Moore, Die Fürstin als Vorbildliche Abb. 1 und 2 Titelblatt und Porträt eines fürstlichen Leichenpredigtdrucks: Theodorus Cautius, Klage Trost und Danksagung, Leichenpredigt für Elisabeth von der Pfalz (1642–1677) oo Viktor Amadeus von Anhalt, Köthen 1677, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, mit freundlicher Genehmigung.
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Gleixner, Fürstäbtissin, Patronage und protestantische Indienmission Abb. 1 Johann Peter Harburg, Elisabeth Ernestine Antoinette von SachsenMeiningen (um 1734), Öl auf Leinwand, 150 x 240 cm. Stift Gandersheim (Kaisersaal), mit freundlicher Genehmigung. Abb. 2 Peninsula Indiae citra Gangem […] (1733), nach einer Vorlage von Guillaume de l’Isle von 1723, Kupferstich, 52 x 46 cm. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (K 23,30a), mit freundlicher Genehmigung. Biermann, Königin Christina von Schweden in ihrem römischen Palast Abb. 1 Palazzo Riario, Grundriss des piano nobile, Rekonstruktion des Zustandes zum Zeitpunkt der Anmietung durch Kardinal Azzolino 1659 (Rekonstruktion: Veronica Biermann, Zeichnung: Jacqueline Strzeletz), mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Abb. 2 Palazzo Riario, Grundriss piano nobile, Rekonstruktion des Zustandes zum Zeitpunkt des Todes Königin Christinas 1689 (Rekonstruktion: Veronica Biermann, Zeichnung: Jacqueline Strzeletz), mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Abb. 3 V-CVbav, Reg. lat. 774, 19, Grundriss mit Kommentaren Christinas, vermutlich als Teil von Planungen für eine ihrer öffentlichen Akademiesitzungen (Foto © 2012 Biblioteca Apostolica Vaticana). Müller-Lindenberg, Wilhelmine von Bayreuth Abb. 1 Grundriss der Eremitage und Vergrößerung der Damenappartements, nach Eremitage zu Bayreuth. Amtlicher Führer. Bearbeitet von Erich Bachmann und Lorenz Seelig, hrsg. von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München 1987, S. 21, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Abb. 2 Grundriss des Neuen Schlosses und Vergrößerung der Räumlichkeiten der Markgräfin, nach Neues Schloss Bayreuth. Amtlicher Führer von Erich Bachmann. Überarbeitet von Alfred Ziffer, Bayreuth 1995, nicht paginiert, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Abb. 3 Musikzimmer Eremitage (Foto im Tafelteil), aus: Eremitage zu Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Abb. 1), Tafelteil, S. 12, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.
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Abb. 4 Altes Musikzimmer, nach Neues Schloss Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Abb. 2), S. 86, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Abb. 5 Appartements des Markgrafen im Neuen Schloss Bayreuth, nach Neues Schloss Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Abb. 2), nicht paginiert, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Abb. 6 Appartements des Markgrafen in der Eremitage, nach Eremitage zu Bayreuth. Amtlicher Führer (wie Abb. 1), S. 21, mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen. Wenzel, Beauties, Wits and Fools Abb. 1 Peter Lely, Porträt von Margaret Brooke, Lady Denham (ca. 1666/67), Öl/Leinwand., 124,5 x 101 cm. Hampton Court Palace, The Royal Collection, © 2013 Her Majesty Queen Elizabeth II. Abb. 2 Godfrey Kneller, Porträt von Margaret Cecil, Countess von Ranelagh (1690–1693), Öl/Leinwand, 232,4 x 143,5 cm. Hampton Court Palace, The Royal Collection, © 2013 Her Majesty Queen Elizabeth II, mit freundlicher Genehmigung. Abb. 3 Godfrey Kneller, Porträt von Frances Whitmore, Lady Middleton (1690– 1693), Öl/Leinwand, 233,7 x 142,9 cm. Hampton Court Palace, The Royal Collection, © 2013 Her Majesty Queen Elizabeth II, mit freundlicher Genehmigung. Abb. 4 Anthonis van Wyngaerde, Ansicht von Hampton Court von der Flussseite her, im Vordergrund die Water Gallery (1558), Zeichnung. Ashmolean Museum, University of Oxford / The Bridgeman Art Library, Oxford, mit freundlicher Genehmigung. Abb. 5 The King’s Private Dining Room. Hampton Court Palace, © Historic Royal Palaces, Photo: Robin Forster 2004, mit freundlicher Genehmigung. Bastl, Briefe als Trost Abb. 1 Porträts von Juan de Hoyos (verheiratet mit Judith von Ungnad), um 1550, Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl. Abb. 2 Porträt Judith von Ungnad (verheiratet mit Juan de Hoyos), um 1550, Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl. Abb. 3a Detail: Maria Rosa von Harrach (1721–1785), halb links neben ihr ihre Schwester Anna Viktoria (1726–1746) aus dem Familienbild Harrach (frühes 18. Jahrhundert), Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl.
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Abb. 3b Detail: Maria Anna von Harrach (rechts, 1725–1780) und Anna Josepha von Harrach (1727–1788) aus dem Familienbild Harrach (frühes 18. Jahrhundert), Privatbesitz, Fotonachweis: Beatrix Bastl. Aikin, Devotional Songs by Women of the Ruling Families Ill. Frontispiece, Christliches Gesang-Büchlein, Rudolstadt: Löwe, 1688. Courtesy of the Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle (Saale): AB B 3352. Wade, Princess Magdalena Sibylle Ill. 1 Painting of a ballet performed at Nykøbing Falster, Denmark, July 1637, portraying Prince–Elect Christian of Denmark (center), Duke Friedrich III of Gottorf (left), and Duke Hans Christian of Holstein-Sønderburg (right). Photo courtesy of Frederiksborg and reproduced by kind permission of Baron N. Iuel-Brockdorff, Valdemars Slot, Taasinge, Denmark. Ill. 2 Painting of a ballet performed in 1662 with Magdalena Sibylle, Princess of Sachsen-Altenburg, with her three children, Christian, Johanna Magdalena, and Friedrich Wilhelm III, in ballet costumes. Photo reproduced by the kind permission of Uta Künzl, Schloss- und Spielkartenmuseum, Inv. Nr. SM 118.
Autorinnen und Autoren
Judith Aikin (Ph.D. University of California at Berkeley 1974) is Professor of German Emerita at the University of Iowa, USA. She has authored four books and over forty articles and chapters on German drama, opera, and devotional song of the seventeenth century. Her recent research and publications center on devotional song texts authored and published by noblewomen of seventeenth- and early eighteenth-century Lutheran Germany. Currently, she is working to complete several books on a woman author responsible for over seven hundred devotional song texts and a number of devotional handbooks, Aemilia Juliana, Countess of Schwarzburg-Rudolstadt (1637–1706). The first deals with her activities in her role as ruler’s consort, including her song-writing and publishing. The second will focus on her songs and those of her sisterin-law Ludaemilia Elisabeth of Schwarzburg-Rudolstadt as reflections of their lives and pious practices. Pernille Arenfeldt is Assistant Professor of History, Department of International Studies, American University of Sharjah, United Arab Emirates. She obtained her PhD at the European University Institute, Florence, Italy, and has studied, taught, and conducted research across Europe and North America. Scholarly interests are centered on two areas: women and gender relations in early modern Europe, particularly Scandinavia and the German-speaking territories, and women and gender relations in the modern/contemporary Middle East. Her most recent publications include the article »Wissensproduktion und Wissensverbreitung im 16. Jahrhundert. Fürstinnen als Mittlerinnen von Wissenstraditionen« in Historische Anthropologie (2012) and a co-edited volume (with Nawar Al-Hassan Golley) entitiled Mapping Arab Women’s Movements. A Century of Transformations from Within (American University in Cairo Press, 2012). Beatrix Bastl (Dr. phil. 1982), Universitätsdozentin für Neuere Geschichte (2001); 1982 bis 1986 Forschungsassistentin (Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Wien), 1992 bis 1994 Forschungsassistentin am Institut für Geschichte Wien, 1995 bis 2004 Leiterin des Referates Museum, Archiv, Bibliothek und Denkmalschutz Wiener Neustadt/NÖ; seit 2005 Direktorin der Universitätsbibliothek und des -archivs der Akademie der bildenden Künste Wien. Forschungsschwerpunkte: Frauen-, Sozial-, Wirtschafts-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte der Frühen Neuzeit, Architektur-, Kultur-, Jüdische- und Sozial-
Autorinnen und Autoren
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geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Publikationen u. a.: Tugend, Liebe, Ehre. Die adelige Frau in der Frühen Neuzeit, Wien 2000; »›Freywillig=aufgesprungener Granat=Apffel.‹ Zum kulturellen Beitrag der Ernährung und Medizin adeliger österreichisch/böhmischer Hausherrinnen«, in: Jill Bepler/Helga Meise (Hg.), Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der Frühen Neuzeit, Wiesbaden 2010, »Wiener Jugendstilvestibüle«, in: Beatrix Bastl u. a. (Hg.), Zeitreisen, Wien 2010, gemeinsam mit Mark Hengerer, »Les funérailles impériales des Habsbourg d’Autriche (15.-18. Jh.)«, in: Julius A. Chroscicki et al (Hg.), Les funérailles princières en Europe, Paris 2012. Jill Bepler has been head of the Fellowship Programmes at the Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel since 1990. She received her doctorate in German Literature from the University of Bristol for a dissertation entitled »Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Lüneburg 1636–1687. A traveller and his travelogue«, a study of the role of book and art collecting in princely education and travel in the 17th century. Her research has continued to focus on the history of the book and aristocratic travel and on the genre of German funeral sermon in particular the role of dynastic funeral works as a medium of dynastic representation. Her interest centres on the role of women in court culture and she has published on dynastic women as educators, writers and book collectors. Veronica Biermann, PD Dr. phil., 1995 Promotion mit einer Arbeit zum Architekturtraktat Leon Battista Albertis an der Technischen Universität Berlin (Ornamentum. Studien zum Traktat Leon Battista Albertis), 2008 Habilitation mit einer Arbeit über Königin Christina von Schweden an der Technischen Universität München (Von der Kunst abzudanken. Die Repräsentationsstrategien Königin Christinas von Schweden, 2012). Nach einer mehrsemestrigen Gastdozentur an der Humboldt Universität zu Berlin vertritt sie seit 2012 die Professur für Architektur und Städtebau am Kunsthistorischen Institut der Universität Leipzig. Ihre bisherigen Forschungsschwerpunkte liegen auf der Architektur und Architekturtheorie des 15.–20. Jahrhunderts, sowie auf der gattungsübergreifenden Hof- und Residenzenforschung des 15.–18. Jahrhunderts. Derzeit forscht sie zu Berliner Grossbaustellen im technischen Bild des 19. Jahrhunderts. Christine Fischer studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Italianistik in München und Los Angeles (als Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes). Nach freiberuflicher Tätigkeit beim Bayerischen Rundfunk war sie seit 1997 Assistentin am Institut für Musikwissenschaft der Universität Bern. Sie promovierte 2004 mit einer Arbeit zum kompositorischen Schaffen der sächsischen Kurprinzessin Maria Antonia Walpurgis (Kas-
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Autorinnen und Autoren
sel 2007). Seit Mai 2007 ist sie Förderungsprofessorin des Schweizerischen Nationalfonds an der Schola Cantorum Basilienis. Mit der Leitung eines interdisziplinären Forschungsteams zu italienischer Oper an deutschsprachigen Höfen des 17. und 18. Jahrhunderts teilt sich ihre Arbeit zwischen der Entwicklung einer wissenschaftlichen Methodik zur Annäherung an historische Opernaufführungen einerseits und der Konzeption und wissenschaftlichen Begleitung der jährlichen Projekte der Opernklasse der Schola Cantorum andererseits. Ulrike Gleixner, Historikerin: Nach der Habilitation im Jahre 2002 nahm sie verschiedene Gast- und Vertretungsprofessuren in den USA, Österreich und der Schweiz wahr. Seit 2007 ist sie Leiterin der Abteilung Forschungsplanung und Forschungsprojekte der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. 2009 wurde sie zur Apl. Professorin an der TU Berlin ernannt. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen die Geschichte der Kriminalität in der ländlichen Gesellschaft; die Frömmigkeits- und Kulturgeschichte des Pietismus, das (Auto-) biographische Schreiben, die Geschlechtergeschichte und den Beitrag von Frauen zu Kultur und Bildung, die Wissens- und Bildungsgeschichte sowie die Verflechtungsgeschichte von Europa und Asien. Sie ist Mitherausgeberin von WerkstattGeschichte, Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Ideengeschichte und Mitglied des Internationalen Beirats des Interdisziplinären Zentrums für Pietismusforschung sowie des wissenschaftlichen Beirats für das Exzellenznetzwerk Aufklärung Religion Wissen an der Martin Luther Universität Halle. Katrin Keller, Studium in Leipzig, Promotion 1987 mit einer Studie zur Leipziger Handwerksgeschichte, danach bis 1997 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Universität Leipzig. Habilitation zur Stadtgeschichte in Kursachsen im 18. Jahrhundert. 1997 bis 1999 Bereichsleiterin im Institut für sächsische Geschichte und Volkskunde Dresden. Seit 2001 Dozentin an der Universität Wien. Ihre Arbeitsgebiete sind Frauen in der höfischen Gesellschaft, Adel und Hof in der Frühen Neuzeit; derzeit ist sie tätig im Projekt Die Fuggerzeitungen. Ein frühneuzeitliches Informationsmedium und seine Erschließung am Institut für österreichische Geschichtsforschung Wien. Ute Küppers-Braun, Studium der Geschichte, Germanistik und Pädagogik; Schuldienst bis 1989; Promotion 1995 an der GHS-Universität Essen; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Prof. Dr. Paul Münch bis 2005; Mitglied des Beirats des Instituts für kirchengeschichtliche Forschung des Bistums Essen und des Arbeitskreises Essener Forschungen zum Frauenstift; Arbeitsschwerpunkte: Adels-, Sozial und Geschlechtergeschichte (Schwerpunkt
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Frauenstifte), Konfessionalisierung und Geheimprotestantismus, Missionsgeschichte (Europa-Afrika). Helga Meise, Studium der Germanistik und Politik an der Philipps-Universität Marburg/Lahn. 1982 Dr. phil. Die Unschuld und die Schrift. Deutsche Frauenromane im 18. Jahrhundert, Marburg 1982 (Frankfurt/M. 1992). 1997 Habilitation Das archivierte Ich. Schreibkalender und höfische Repräsentation in Hessen-Darmstadt 1624–1790 (Darmstadt 2002). 2006 Habilitation à diriger des recherches »L’Aufklärung en Bohême«, Université Paul Valéry Montpellier 3. Seit 2007 Professur für Neuere deutsche Literatur und Ideengeschichte an der Université de Reims Champagne-Ardenne. Publikationen u. a.: Sophie von La Roche Lesebuch, Königstein/Ts. 2005, Fräuleinwunder literarisch. Literatur von Frauen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Frankfurt/M. 2005, hrsg. mit Christiane Caemmerer und Walter Delabar; Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der Frühen Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürstenund Fürstinnenbibliotheken der Zeit, Wiesbaden 2010, hrsg. mit Jill Bepler. Aufsätze zur deutschsprachigen Literatur des 16.-21. Jahrhunderts. Ruth Müller-Lindenberg, geboren und aufgewachsen in Bayreuth, Studium der Musikwissenschaft, Germanistik, Theaterwissenschaft und Italianistik in Erlangen und Berlin, Promotion 1988 bei Carl Dahlhaus mit einer Arbeit zur Musikästhetik im späten 18. Jahrhundert; Postdoktorandenstipendium der DFG am Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth, Tätigkeiten in Kulturmanagement, Kulturverwaltung und -politik in Berlin: Orchestermanagement, Referatsleiterin in der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten. 2002 Gastprofessur an der Universität Paderborn/Hochschule für Musik Detmold, 2003 Habilitation mit der Schrift Weinen und Lachen über Opéra-comique und Opera buffa 1750–1790 (publiziert 2006) an der Universität Bayreuth, 2003–2006 Referatsleiterin im Bundespräsidialamt, 2005 drittes Buch: Wilhelmine von Bayreuth. Die Hofoper als Bühne des Lebens, seit 2007 Professorin für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Cornelia Niekus Moore wurde in Amsterdam geboren und emigrierte 1962 mit ihrem amerikanischen Ehemann in die Vereinigten Staaten. Ihr amerikanisches Universitätsstudium schloss sie mit einem BA und MA an der University of Colorado (1966) und einem PhD an der Indiana University (1971) ab. Von 1971–1999 war sie zunächst Assistent, Associate und schließlich Full Professor an der University of Hawaii, davon fünfzehn Jahre als Associate Dean und Dean. Ihre Forschungs-Schwerpunkte sind die Erschließung der
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Lese- und Schreibgewohnheiten von Frauen in der frühen Neuzeit. In engem Zusammenhang damit steht auch ihre Forschung zur damaligen Erbauungsliteratur und der Tradition der Leichenpredigten. Veröffentlichungen unter anderen: The Maidens Mirror. Reading Materials for German Girls in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, Wiesbaden 1987, und The Lutheran Funeral Biography in Early Modern Germany, Wiesbaden 2006. Susanne Rode-Breymann, Musikwissenschaftlerin und seit 2010 Präsidentin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, studierte in Hamburg Alte Musik sowie Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Bayreuth und Bonn und erhielt Forschungsstipendien von der Paul Sacher Stiftung Basel sowie dem Österreichischen Fonds für wissenschaftliche Forschung. Nach der Habilitation 1996 lehrte sie in Hannover, dann 1999 bis 2004 als Ordinaria für Historische Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik Köln. In gleicher Funktion wechselte sie 2004 an die Hochschule in Hannover und gründete dort 2006 das Forschungszentrum Musik und Gender. Sie hat über Alte Musik, Neue Musik, Gender Studies und Musiktheater publiziert, ist (Mit-)Herausgeberin verschiedener Jahrbücher und Reihen und Fachherausgeberin Musik der Enzyklopädie der Neuzeit. 2010 kam ihr Buch Musiktheater eines Kaiserpaars. Wien 1677 bis 1705 heraus. Andreas Waczkat studierte Musiktheorie, Musikwissenschaft und Theologie in Berlin und Detmold/Paderborn. Von 1994 bis 2004 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent an der Universität Rostock. Hier promovierte er 1997 mit einer Arbeit über deutsche Parodiemessen im 17. Jahrhundert (Kassel 2000) und habilitierte sich 2005 mit einer Studie über Johann Heinrich Rolles musikalische Dramen (Beeskow 2007). 2005/06 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, im Anschluss Professurvertreter an den Universitäten Münster und Lüneburg. Seit 2008 ist er als Professor der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover Inhaber des Lehrstuhls für Historische Musikwissenschaft an der Universität Göttingen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt die Einbettung der Musik in die Kultur- und Wissensgeschichte vornehmlich des 16.–18. Jahrhunderts. Monographisch erschienen ist zuletzt eine Werkmonographie zu Händels Messias (Kassel 2008). Mara Wade is Professor of Germanic Languages and Literatures and in the Programs for Comparative and World Literatures, Media and Cinema Studies, Gender and Women’s Studies, International Studies, Jewish Society and
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Culture, Library Administration, and the European Union Center at the University of Illinois at Urbana-Champaign. She is chair of the Society for Emblem Studies and with Dr. Thomas Stäcker, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, PI of the joint DFG/NEH digitalization project »Emblematica Online«: http://emblematica.grainger.illinois.edu/. She is a member of the editorial boards of the journals Emblematica and Renaissance Quarterly, and of the monograph series Spektrum. She edited Portals, Tools, and Data: Conducting Digital Research with Renaissance Texts and Images. Special Issue, Early Modern Literary Studies, 2012: http://extra.shu.ac.uk/emls/emlshome.html. Currently, she is editing with Sara Smart, Exeter University, The Palatine Wedding of 1613, Context, Celebration and Consequence of an Anglo-German Alliance, which will appear in Wolfenbütteler Arbeiten zur Renaissanceforschung 2013. Helen Watanabe-O’Kelly is Professor of German Literature at the University of Oxford and a Fellow of Exeter College, Oxford. She works on early modern court culture, German literature and gender questions. Among her books are Melancholie und die melancholische Landschaft (1978), Triumphal Shews. Tournaments at German-Speaking Courts in their European Context 1560–1730 (1992) and Court Culture in Dresden from Renaissance to Baroque (2002). She has edited The Cambridge History of German Literature (1997), Spectaculum Europaeum. Theatre and Spectacle in Europe, (1580–1750) with Pierre Béhar (1999) and Europa Triumphans. Court and Civic Festivals in Early Modern Europe with J.R. Mulryne and Margaret Shewring (2004). Her most recent book is Beauty or Beast? The Woman Warrior in the German Imagination from the Renaissance to the Present (2010). In 2012 she was elected a Fellow of the British Academy. Michael Wenzel, Studium der Europäischen und Ostasiatischen Kunstgeschichte sowie Klassischen Archäologie in Heidelberg und Jena. 1995 Magister Artium mit der Arbeit Adam Friedrich Oeser und Weimar, 2001 Promotion zu dem Thema Heldinnengalerie – Schönheitengalerie. Studien zu Genese und Funktion weiblicher Bildnisgalerien 1470–1715. 2000 bis 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kunsthistorischen Seminar der Universität Jena, 2002 bis 2004 wissenschaftlicher Volontär am Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig und 2004 bis 2008 in leitender Funktion am WinckelmannMuseum Stendal. 2008 bis 2010 Erschließung der Gemäldesammlung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, ab 2011 ebendort Bearbeitung des DFG-Projekts »Handeln mit Kunst und Politik: Philipp Hainhofer – Kunstunternehmer und diplomatischer Akteur der frühen Neuzeit«. Forschungsschwerpunkte: Sammlungsgeschichte der Frühen Neuzeit, Porträt und Geschlechtergeschichte, Frühklassizismus und Kunstakademien in Deutschland.
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Heide Wunder studierte Geschichte, Anglistik und Philosophie in Hamburg und war 1977–2004 Professorin für Sozial- und Verfassungsgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Kassel. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf der Geschichte der ländlichen Gesellschaft, der Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie der Adelsgeschichte. Publikationen u. a. Geschichte der ländlichen Gemeinde in Deutschland (1986), »Er ist die Sonn’, sie ist der Mond«. Frauen in der Frühen Neuzeit (1992), (Hg.) Dynastie und Herrschaftssicherung: Geschlechter und Geschlecht (2002), sowie zahlreiche Aufsätze (www. heide-wunder.de).
Musik – kultur – Gender hE R Aus g E g E B En Von An n Et t E kREut z i g ER-hERR, doRlE dRACklé, dAgmAR Von hoff und susAnnE RodE-BREymAnn
EinE AuswAhl
Bd. 10 | floRiAn hEEsCh, kAtRin loslEBEn (hg.)
Bd. 6 | susAnnE RodE-BREymAnn (hg.)
Musik und Gender
Musikort kloster
ein reader
Kulturelles Handeln von Frauen
2012. 313 s. EinigE notEnBsp. BR.
in der FrüHen neuzeit
isBn 978-3-412-20785-4
2009. Vi, 274 s. 34 s/w-ABB. und 11 fARB. ABB. mit musik-Cd. BR. isBn 978-3-412-20330-6
Bd. 11 | koRdulA knAus, susAnnE koglER (hg.) autorschaFt – Genie – Geschlecht
Bd. 7 | CARstEn wERgin
MusiKaliscHe scHaFFensprozesse
kréol Blouz
von der FrüHen neuzeit Bis zur
MusiKaliscHe inszenierungen von
gegenwart
identität und Kultur
2013. 284 s. 28 s/w-ABB. und
2010. Vii, 212 s. 9 fARB. ABB. Auf 4 tAf.
notEnBsp. BR. | isBn 978-3-412-20902-5
und musikBsp. Auf BEigElEgtER Cd. BR. | isBn 978-3-412-20442-6
Bd. 12 | susAnnE RodE-BREymAnn, AntJE tumAt (hg.)
Bd. 8 | mARion gERARds
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Frauen in der FrüHen neuzeit
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2013. 387 s. 34 s/w- u. 14 fARB. ABB.
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BR. | isBn 978-3-412-21102-8
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Bd. 13 | dAniEllE RostER,
2010. Viii, 364 s. 41 s/w-ABB. und
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Bd. 9 | JuliA hEimERdingER,
lou Koster (1889–1973)
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isBn 978-3-412-20625-3
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