Washington und Rom: Der Katholizismus in der amerikanischen Kultur [1 ed.] 9783428483228, 9783428083220

Die amerikanischen Katholiken, lange Zeit eine um Anerkennung kämpfende Minderheit, sind heute in das Zentrum der amerik

111 97 28MB

German Pages 292 Year 1995

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Washington und Rom: Der Katholizismus in der amerikanischen Kultur [1 ed.]
 9783428483228, 9783428083220

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MICHAEL ZÖLLER

Washington und Rom

Soziale Orientierung Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission bei der Katholischen Sozialwissenschaftlichen ZentralsteHe Mönchengladbach

In Verbindung mit

Karl Forster · Hans Maier • Rudolf Morsey herausgegeben von

Anton Rauscher

Band 9

Washington und Rom Der Katholizismus in der amerikanischen Kultur

Von

Michael Zöller

Duncker & Humblot · Berlin

Redaktion: Günter Baadte

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme ZöJier, Michael: Washington und Rom : der Katholizismus in der amerikanischen Kultur I von Michael Zöller. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Soziale Orientierung ; Bd. 9) ISBN 3-428-08322-9 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6917 ISBN 3-428-08322-9

Inhaltsverzeichnis Katholizismus in Amerika- eine kulturelle Unwahrscheinlichkeit (Vorwort) ................. . .................................. .. ... . Kapitell Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit (1492- 1789) 1. Von Florida bis Sanoma - Der spanische Gürtel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolumbus und die "edlen Wilden" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die spanische Mission zwischen der Herrschaftsidee der Krone und dem neuen Feudalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 6 6

7

2. Von Arcadia bis Louisiana- der französische Bogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die französische Mission zwischen europäischen Rivalitäten und indianischen Erbfeindschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachruhm und Nachwirkung der "Schwarzröcke" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

3. England unter veränderten Vorzeichen: Die Kolonien an der Atlantikküste . Der Pluralismus religiöser Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neu-England als Experiment in Politischer Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ungeplante Demokratisierung der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das "katholische" Maryland und seine kurze Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 22 25

15 18

27

33

Kapitell/ Selbstbehauptung in der Neuen Welt (1789- 1865) 1. Revolution und Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiwilligkeit und Konkurrenz: Die religiöse Landschaft nach der Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 40

42 Disestablishment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Religion, Zivilreligion und Republik : Die Verfassungsdiskussion . . . . . . . . . . 44

2. Aufbau kirchlicher Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Priestermangel, Konflikte "alter" und "neuer" Einwanderer, ungeklärte Rechtsfragen: John Carrolls Bericht von 1785 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Das erste College, das erste Priesterseminar, der erste Bischof . . . . . . . . . . . . 52

VI

Inhaltsverzeichnis Die Kirche zwischen großen Chancen und der Gefahr von Machtkämpfen und Nationalitätenkonflikten: Ambrose Marechals Bericht von 1818 . . . . . . . 55 Auseinandersetzungen um den trusteeism und Durchsetzung der bischöflichen Amtsautorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

3. Amerikanisierung der amerikanischen Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuer religiöser Stil und neue religiöse Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodisten und Baptisten als Frontier-Religionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religiöser Individualismus und moralistischer Konsens . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 65 66 68

4. Katholizismus als Einwandererkirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ethnische Pfarrei als Schutzraum und als Agentur der Amerikanisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . John England, John Hughes, John Martin Henni und John Martin Spalding: Ein neuer Typ von Bischöfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die drei Wellen der Einwanderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

5. Kulturkampf in Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nativismus und antikatholische Kulturpropaganda in den Jahrzehnten bis zum Bürgerkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Know-Nothing-Party . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Straßenschlachten in Boston, Philadelphia und St. Louis ..... ... . . .. .

80

71 71 77

80 83

84

6. Nord und Süd, Weiß und Schwarz, Progressiv und Konservativ ... .... . . . . 85 Die Trennlinien der religiösen Landschaft nach dem Bürgerkrieg 86 Kapitellll

Kampf um die Bestimmung des eigenen Standortes: Die "große Krise" (1865 - 1908) I. Apologetik und Vorboten der Konflikte: "Katholisch werden und amerika-

89

nisch bleiben" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brownson, Hecker und die Paulists . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amerikanisch werden und katholisch bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erste und zweite Plenarversammlung der Bischöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90 90 93 94

2. Die Antagonisten und die Streitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei kirchenpolitische "Fraktionen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die "Krise" in der kirchengeschichtlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Americanists: James Gibbons, Dennis J. O'Connell, John Ireland, John Lancaster Spatding und John J. Keane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zwei-Mann-Partei der "Konservativen" : Michael A. Corrigan und Bemard J. Quaid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die "Fraktion" der Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Falsche Alternativen auf allen Seiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 97 98 99 108 110 111

Inhaltsverzeichnis

VII

Die dritte Plenarversammlung von 1884 und die Verfassung der Bistümer 115 Knights of Columbus und Unterscheidung von Gewerkschaft und Sozialismus ....................... . . . ....... ........ . . .............. . .. .... 116 Der irisch-nationalistische Sozialismus und die clerical radicals von New York ..... . ................................................... . ..... 117 3. Abstand und Nähe zur amerikanischen Kultur: Der Kern des Konflikts . ... Der Streit um die ethnische Seelsorge: Die Abbelen-Denkschrift und der Kongreß von Luzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Streit um die katholischen Schulen: Irelands Rede und ihr Echo .... .. O'Connell, Satolli und "der Feind" ................... . ........... . . .. . Arbeiten, als hinge alles von uns ab, und Beten, als käme es nur auf Gott an ........................................ . .................... . .. . Amerikanismus als Vorform des Modernismus? ..................... .. .. 4. Das katholische Milieu . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Höhepunkt der Einwanderung . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religion als akzeptierte Unangepaßtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der ethnischen Pfarrei zur Konfession: Stufen der Integration und der abstrakteren Selbstbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kirchliche Volljährigkeit: Amerikas Entlassung aus dem Missionsstatus ...

119 120 122 124 126 130 134 134 135 136 138

Kapitel IV

Auf dem Weg in die Mitte Amerikas (1908- 1963)

140

1. Das kulturelle Klima nach dem Ersten Weltkrieg . . . ................. ... . 140

Protestantischer Selbstzweifel und katholische Zuversicht ............... . 140 Die zwei Lager innerhalb des Protestantismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

2. Die Entstehung einer nationalen katholischen Öffentlichkeit .. . ...... . .... Vom National Catholic War Council zur National Catholic Welfare Conference: Erste Schritte der Zentralisierung ...... ... .................. .... Going big: O' Connell, Dougherty, Mundelein: Die amerikanische Spielart der Romanita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klerikale Aktivisten als neue Akteure auf der nationalen Bühne ..... . ... . Sozialbewegungen ...... . ............... . ............... . ....... . . . . . Politisierende Erfahrungen: Der Schulstreit von Oregon, die Kandidatur des Al Smith, der Spanische Bürgerkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Als die Welt noch in Ordnung war .................. . ............ . .... G-I-Bill of Rights ............................................... . .. . . Der religiöse Boom der 50er Jahre ........ . . .... .. . ...... . .. . ... . .. .. . Peace of Mind und "Positives Denken" ... . . . . ... ..... . . .. .............

143 145 152 156 158 160 161 162 163 166

VIII

Inhaltsverzeichnis

John Courtney Murrays Kritik am Konzept der Zivilreligion: Die Verfassung als Friedensformel, nicht als Glaubensbekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4. "Wohlhabend und langweilig?" . .... .. .. . .. . ...... .. .. . .... .. ... . ..... Das katholische "Imperium" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spellman, der "amerikanische Papst" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die katholische Hoffnung auf Normalität: McCarthy und Kennedy . . . . . . . . Der Stimmungsumschwung ... . .............. . .. . . .. ......... ..... ... .

170 170 171 173 175

Kapitel V

Eine Welt ohne Nonnen (1963 - 1986)

180

1. Das Erdbeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fish on Friday oder Humanae Vitae: Die Diskussion um die Ursachen ... . Wahlmöglichkeiten, Zukunftsperspektiven und individuelle Lebensplanung : Versuch einer Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Individualismus und Voluntarismus auf katholische Art . ......... . .......

180 181

2. Kirchenmäuse - Die Soziologie des Aktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterer Ausbau der nationalen kirchlichen Organisation ......... .... ... Die bischöfliche Dreiklassengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vervielfältigende Abbildung der Strukturen .... . ... . ..... . . . ..... ... ... . Bildung zweier Lager auch im Katholizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das katholische Kulturprinzip und die Soziologie des Aktivismus . . . . . . . . .

190 191 193 195 196 198

185 187

3. Mißlungene Mobilisierung . .... . ............. .. ...... . ......... .... .. . 201 Die Detroit-Justice-Conference ........... .. . . .................. ... .. . 202 Die politischen Hirtenbriefe der 80er Jahre ..... . ...... . ........ . . . ... . . 204

Kapitel VI

Katholisch in Amerika

210

1. Das Ende der Talfahrt . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . 2 10 Statistische Erholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Der Durchschnittskatholik im demoskopischen Vergleich ... ... . . .. .. . .. . 211 2. Die neuen ethnics .. . . ... . . . . . . . . . . . ..... . .. . ....... . . . .... . . .... . ... Indianer und die Religion des weißen Mannes . .. .............. . . .... ... Schwarze Katholiken: Versäumnisse und neue Hoffnungen . ... . . . .. .. . .. . Hispanics auf dem Weg der Amerikanisierung ..... .. . .... ....... .... .. .

214 2 15 216 2 19

3. Priester, Priesterbildung und Theologie .... . ........ ... . . ..... . . . ... .. . 223 Entwicklung der Priesterseminare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Inhaltsverzeichnis

IX

Prognosen zum Priestermangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Selbsteinschätzung und Einstellungen junger Priester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Die professionelle Theologie und ihre Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4. Schulen und Universitäten: Das soziale Kapital des amerikanischen Katholizismus ..... . ............. . . .. ........... . . . . .... . .......... .... . . .. Vom Baby-Boom zum Bildungsboom ........... ... . . .......... . .. . . . .. Community als Erfolgsrezept: Das Beispiel Chicagos . . .................. Das College als neues Milieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 235 238 240

Der religiöse Individualismus und das Kulturprinzip Kirche: Der amerikanische Weg nach Rom (Nachwort) . ... . ........... . .......... . ....... 244 Anhang

Statistische Angaben für die Zeit von 1950 bis 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Statistische Tafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3. Verzeichnis der Tabellen ..... .. . ....... . ....... . ...... . ...... . . ... ... 250

Liste der amerikanischen Bistümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Hinweise zur Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Kommentierte Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

Personen- und Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Katholizismus in Amerika eine kulturelle Unwahrscheinlichkeit (Vorwort) "Consider, for instance, the American Catholics, . . . This faith . . . is ancient, metaphysical, poetic, elaborate, ascetic, autocratic, and intolerant. lt confronts the boastful natural man, such as the American is, with a thousand denials and menaces. Everything in American life is at the antipodes to such a system. Yet the American Catholic is entirely at peace. His tone in everything, even in religion, is cheerfully American." George Santayana 1

Amerika hat seit 500 Jahren die Phantasie der Europäer weit mehr beschäftigt als irgend ein anderer Weltteil, und noch in diesem Jahrhundert sprach ein Historiker von der Entdeckung Amerikas als dem wichtigsten Ereignis nach der Verbreitung des Christentums2 • Besonders in den vergangeneo hundert Jahren entstand eine Flut von Büchern, in denen Europäer versuchten, die Neue Welt zu enträtseln. Amerika oder die Neue Welt wurden dabei zu Bezeichnungen für die Vereinigten Staaten, und dieser Teil Nordamerikas ist auch gemeint, wenn im folgenden von Amerika gesprochen wird. Je nach Standpunkt fanden die europäischen Reisenden in Amerika das, was sie für ihre eigenen Länder befürchteten oder erhofften. Jedenfalls verstanden sie den Blick nach Amerika auch als einen Blick in die eigene Zukunft, und das machte diese Literatur interessanter als Reiseberichte aus anderen, noch so exotischen Gegenden. Autoren und Leser stimmten dabei unbewußt jenen sozialwissenschaftliehen Theorien zu, die für moderne Gesellschaften westlichen Typs nur einen gemeinsamen Weg vorsahen, auf dem einige zwar schneller vorankamen, weil sie wenig Ballast mit sich schleppten, den die anderen aber früher oder später ebenfalls zurücklegen würden. Amerika wäre also eine vorauseilende Fortsetzung europäischer Geschichte. Amerikanische Intellektuelle wehrten sich dagegen, indem sie die Andersartigkeit oder den Ausnahmecharakter Amerikas betonten. Diese 1 2

Santayana, 1920, 47. Arciniegas, 1975, 5.

I Zöller

2

Vorwort

Exceptionalists, wie sie deshalb genannt wurden, erinnerten daran, daß es im 18. Jahrhundert zwei westliche Revolutionen mit deutlich unterscheidbaren Wirkungen gegeben hatte. So gesehen wäre Amerika nicht der Vorreiter der Moderne, sondern Ausnahme oder Modell einer anderen Art von Moderne, jedenfalls Anhaltspunkt für die Hoffnung, daß auch Alternativen zur europäischen Entwicklung denkbar sind.

Besonders die religiöse Kultur Amerikas scheint ein Beispiel für diesen amerikanischen Sonderweg zu bieten und die Erwartung zu widerlegen, daß mit dem Fortschreiten der Modernisierung, also mit der Lockerung sozialer Bindungen, die Religion verschwinden werde. Mittlerweile wird daher auch wieder Tocquevilles Prognose zitiert, daß die Religion in Amerika nicht nur überleben, sondern blühen werde, und manchmal tun dies dieselben Autoren, die Amerika zuvor als secular city geschildert hatten. Andere tragen stattdessen als eine veränderte Fassung der Säkularisierungsthese die Kritik an einer individualisierten und daher öffentlich nicht mehr präsenten Religion vor und berufen sich dabei ebenfalls auf Tocqueville, obwohl sie dessen Argumente damit auf den Kopf stellen. Er hatte ja seine Befürchtung, die Demokratie könne zum Privatismus, also zum Rückzug aus der Öffentlichkeit, verleiten, ausdrücklich nur auf den Bereich der Politik bezogen, weil er die Individualisierung der Religion als eine Voraussetzung ihrer kulturellen und politischen Bedeutung ansah, die ihm nur noch als indirekte Wirkung denkbar schien. Die Religion nimmt den Umweg über das Gewissen der Individuen, und sie wird umso einflußreicher, weil sie "über die Herzen herrscht". Der Individualismus ist ein unübersehbares Kennzeichen der politischen und religiösen Kultur Amerikas, doch ist es fraglich, ob er die politischen und religiösen Institutionen wirklich geschwächt hat oder ob nicht eher das Gegenteil zutrifft. So oder so gilt, daß Westeuropa seine Religionsgeschichte hinter sich hat und allenfalls noch an der amerikanischen teilhaben wird. Zwar ähnelte diese amerikanische Entwicklung zunächst durchaus der englischen, doch schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts bildeten sich neue, spezifisch amerikanische Formen heraus, und dabei wirkten die unterschiedlichsten Strömungen gemeinsam dahin, daß der einzelne nicht nur seine religiöse Zugehörigkeit frei bestimmte, sondern auch selbst die Kompetenz beanspruchte, seine religiöse Qualifikation zu beurteilen. Alle religiösen Bewegungen, auch diejenigen, die sich gegen die Entmachtung der Gemeinde und ihrer Institutionen wandten, trugen also am Ende zu dieser Individualisierung bei. Mein Interesse an dieser Mühle, zu der alles Wasser fließt, entstand erst, als ich begriffen hatte, daß den kulturellen und politischen Umbrüchen Amerikas meist ein religiöses Vorspiel vorausgegangen war, weshalb Religionsgeschichte und Religionssoziologie als Schlüssel zur politischen Kultur dienen können. Solche Überlegungen durfte ich nach und nach in

Katholizismus in Amerika - eine kulturelle Unwahrscheinlichkeit

3

Brown-Bag-Lectures vor amerikanischen Kollegen testen, um sie dann in einigen kleineren Veröffentlichungen anzuwenden, woraus überaus ergiebige Kontakte zu Kollegen in Chicago und Stanford und manchmal Freundschaften entstanden. Auch während einer Gastprofessur in Notre Dame gewann ich Freunde, aber vor allem begegnete ich dort einer kulturellen Unwahrscheinlichkeit, dem amerikanischen Katholizismus.

Versetzt die religiöse Kultur Amerikas den europäischen Beobachter ohnehin in Staunen, so wirkt ein amerikanischer Katholizismus wie ein Widerspruch in sich. Denn, ob man ihn als theologisches System oder als Kulturprinzip beschreibt, der Katholizismus mit seiner Verbindung von anthropologischer Skepsis und Gnadengewißheit, seinem historischen Bewußtsein und seiner Betonung der Institutionen, die uns vor uns selbst bewahren sollen, scheint in jeder Hinsicht das Gegenprinzip zur amerikanischen Kultur zu verkörpern. Tatsächlich war der amerikanische Katholizismus in den ersten hundert Jahren seiner Geschichte damit beschäftigt, sich gegenüber Rom wie gegenüber Washington zu rechtfertigen und intern um die Gewichtung der beiden Loyalitäten zu kämpfen. Auf diesem Weg hat er freilich auch Fähigkeiten erworben, die in sogenannten katholischen Ländern nie erforderlich waren und dort heute schmerzlich vermißt werden. Jedenfalls begann ich mich für das Spannungsverhältnis zwischen Katholizismus und Amerika zu interessieren. Das Land selbst faszinierte mich seit langem, und daran änderte sich auch nichts, als ich seine Probleme genauer kennenlernte; denn so naiv es wäre, darüber hinwegzusehen, so offenkundig ist es auch, daß die Europäer froh wären, bestimmte Probleme überhaupt noch zu haben. In Amerika geht es nicht um die Frage, ob das Christentum weiterlebt, sondern darum, ob eine demokratisierte und individualisierte Religion sich das Kulturprinzip Kirche zu eigen machen kann, so daß sie mehr wäre als nur der großgeschriebene kleine Mann. So habe ich mich in den vergangenen Jahren mit der Religionsgeschichte Amerikas und dem amerikanischen Katholizismus vertraut gemacht, wobei die genannten abstrakten Fragen nach und nach in der historischen Darstellung aufgingen. Dabei profitierte ich von einer reichen Literatur, und deshalb nenne ich in einer kurzen Erläuterung des Literaturverzeichnisses diejenigen Bücher, denen ich nicht nur Kenntnisse, sondern auch Einsichten verdanke. Hier dagegen sind diejenigen hervorzuheben, die mir geholfen haben, das Abenteuer zu bestehen. Dazu gehören Menschen, die mit mir Geduld hatten, wie meine Frau und meine Mitarbeiter, aber auch Institutionen, die mich unterstützt haben: Die Wissenschaftliche Kommission der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle unter dem Vorsitz des Kollegen Anton Rauscher, deren anhaltendes Interesse mir erst den Mut gegeben hat, mich auf diese Arbeit einzulassen; die Fritz-Thyssen-Stiftung, der ich einen langen Aufenthalt in I*

4

Vorwort

den Bibliotheken Stanfords verdanke; die Gerda-Henkel-Stiftung, ohne die das Archiv unserer Amerika-Forschungsstelle diese Bezeichnung nicht verdient hätte; die Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung, bei der ich einige Eindrücke von meinen amerikanischen Pilgerfahrten vortragen durfte, und schließlich auch der Freistaat Bayern, der mir ein rettendes Freisemester bewilligt hat, das ich als ein Privileg empfand, obwohl es als ein Anrecht gilt.

Kapitel I

Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit (1492 - 1789)

Die Geschichte des Christentums in Amerika beginnt mit der Ankunft des Christoph Kolumbus - auch wenn man von einem Felsvorsprung Neuenglands auf diese Geschichte blickt -, und die schwankenden Stimmungen Amerikas und der westlichen Kultur drücken sich in der wechselnden Bewertung des Entdeckers aus. 1892 veranstalteten die Vereinigten Staaten in fortschrittsgewissem Stolz auf das Erreichte eine an Kolumbus erinnernde Weltausstellung, die World's Columbian Exposition. Hundert Jahre später wurde vorgeschlagen, den Columbus-Day in einen Trauertag zu verwandeln 1. Der ganze Inhalt eines besonders erfolgreichen Buches, das zu diesem Jubiläum erschien, war in dem Titel The Conquest of Paradise zusammengefaßt: Kolumbus habe ein Paradies erobert und dies dabei zerstört, indem er den Ureinwohnern, die im Frieden miteinander und mit der Natur lebten, Krieg, Völkermord und Umweltzerstörung brachte2 . Zweifellos ist auch die Entdeckung und Eroberung Amerikas voller Licht und Schatten, a mix of good and evil, wie man im Norden des Kontinents sagen würde. Als moralische Anklage macht die Legende vom zerstörten Paradies dennoch wenig Sinn. Das zeigt sich, sobald man die Alternative formuliert: Sie hätte darin bestanden, Amerika lieber nicht zu entdecken. Doch diese Legende ist nicht nur sinnlos, sondern auch irreführend, weil sie die Beteiligten enthistorisiert, ganz gleich, ob ihnen die Rolle der Täter oder die der Opfer zugedacht ist. Sie unterstellt den spanischen Entdeckern, Eroberern, Kolonisatoren und Missionaren einheitliche Motive und Handlungsweisen, so daß deren Konflikte unverständlich erscheinen, und sie schildert die Indianer so, als ob diese nicht schon vor dem Kontakt mit den Weißen ihre eigene Geschichte voller Gewalt und Unterdrückung gehabt hätten. Es ist wichtig, solche allzu einfachen Darstellungen zu korrigieren, und dies nicht, weil es darum ginge, Schuld gegen Schuld aufzurechnen, sondern weil nur so verständlich wird, wie in der Bilanz der spanischen 1

2

Royal, 1992, VII. Sale, 1990.

6

Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

Kolonialisierung der Karibik und Mittelamerikas die Forderung nach dem Schutz der Indianer neben der Ausbeutung von Indianern stehen konnte, warum Indianer von Spaniern (und später von Franzosen, Holländern oder Engländern) Schutz vor anderen Indianern erwarteten und weshalb schließlich die Missionsanstrengungen bei einigen Stämmen zeitweilig erfolgreich und bei anderen ganz und gar vergeblich waren.

1. VonFloridabis Sonoma- Der spanische Gürtel Kolumbus und die "edlen Wilden" Die ersten Indianer, auf die Kolumbus stieß, die Tainos, gehörten zu den arawak sprechenden Stämmen, und Kolumbus schildert sie in einem Brief an König Ferdinand und Königin Isabella als friedfertige und freundliche Menschen, bei denen keine Anzeichen von Götzendienst zu entdecken seien. Daher empfiehlt er seinen königlichen Auftraggebern, die Christianisierung dieser Indianer zu veranlassen. All das schreibt Kolumbus etwa drei Wochen nach seiner Ankunft, zu einer Zeit, zu der weder er noch seine Begleiter die Sprache der Eingeborenen verstanden. Vermutlich sind also in diese ersten Berichte nicht nur die Beobachtungen vor Ort eingegangen, sondern auch die mitgebrachten Vorstellungen. Ebenso wie seine heutigen Kritiker scheint Kolumbus zunächst gesehen zu haben, was er erwartet hat, nämlich ein friedliches Paradies und Menschen in einem unschuldigen Naturzustand. Später erschienen auch die Tainos in einem weniger vorteilhaften Licht, und vor allem wurde deutlich, daß sie keineswegs in ungestörtem Frieden lebten, sondern in ständiger Furcht vor einem Verband anderer Indianer, deren Sprache, das Carib, der ganzen Region den Namen gab. Es handelte sich dabei um besonders kriegerische und auch sonst unerfreuliche Nachbarn, die sich auf ihren Raubzügen mit Konkubinen und den künftigen Opfern ihres Kannibalismus versorgten. Letztere, insbesondere Knaben, sollen sie wie Schlachtvieh gemästet haben3 . Kolumbus stieß jedenfalls nicht auf die "edlen Wilden", sondern auf unterschiedlich organisierte Stämme von Indianern mit deutlich verschiedenen Lebensformen, deren Beziehungen alles andere als idyllisch waren und von Gewalt und Ausbeutung bestimmt wurden. Wiederum folgt daraus keine Rechtfertigung für die Gewalt und Ausbeutung, die von spanischen Eroberern und neuen Feudalherren ausgeübt wurde, doch es erklärt, weshalb in der Karibik wie in Mittel- und Nordamerika die jeweils unterlegenen Indianer dazu neigten, in den weißen Eroberern und deren Gott Bünd3

Royal, 1992, 3.

1. VonFloridabis Sonoma- Der spanische Gürtel

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nisgenossen oder Schutzherren zu sehen. Deren Gott verlangte keine Menschenopfer, sondern opferte sich für die Menschen. Dies wurde noch deutlicher, als die Spanier im mittelamerikanischen Hochland auf die durchorganisierten Großreiche der Azteken und der Inkas stießen. Diese Reiche ruhten auf der dauerhaft organisierten Unterdrückung derer, die nicht nur Tribut zu leisten, sondern auch die zu Menschenopfern bestimmten jungen Männer zu stellen hatten. Es ist daher nicht erstaunlich, daß die Spanier bei der Eroberung der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlan zwanzigtausend Mann indianischer Hilfstruppen einsetzen konnten. Daß die spanischen Expeditionskorps nur mit Hilfe indianischer Verbündeter und der nicht eingeplanten Epidemien die Reiche der Inkas und Azteken in so kurzer Zeit niederwerfen konnten, war auch dem gedankenlosesten Haudegen bewußt, und die überseeische Politik der spanischen Krone ging von dieser Einsicht aus. Die spanische Mission zwischen der Herrschaftsidee der Krone und dem neuen Feudalismus

Bereits 1493 hatte Papst Alexander VI. die Neue Welt und die Verantwortung für deren Christianisierung auf die Könige von Spanien und Portugal aufgeteilt, die er als katholische Könige und Prinzen apostrophierte. Er tat dies, indem er in der Bulle Inter Caeteris eine Linie beschrieb, die westlich der Azoren verlief. Dadurch wurde den Portugiesen der Besitz der Azoren und der Kapverdischen Inseln sowie weiterer künftiger Entdeckungen östlich der Linie bestätigt, während die Karibik und der amerikanische Kontinent an Spanien fielen. Im folgenden Jahr einigten sich die beiden Mächte darauf, die Grenzlinie noch etwas weiter nach Westen zu verlegen, so daß auch Portugal eine amerikanische Kolonie, nämlich das spätere Brasilien, erhielt. Ganz Mittel- und Nordamerika blieb im Besitz der spanischen Krone, die den Auftrag zur Christianisierung sehr ernst nahm. Die spanischen Könige hatten nicht nur die Einrichtung von Handelskompanien oder die Ausbeutung von Gold- und Silberminen im Sinne, sondern sie wollten die überseeischen Besitzungen voll und ganz in ihr Reich integrieren. Dies hieß zuallererst, daß die Indianer zu christianisieren waren. Die Vorstellung eines kulturellen und religiösen Pluralismus lag der Zeit fern, und gerade Ferdinand und Isabella gingen von der modernen Idee aus, daß Religion zur Rechtfertigung eines zentralisierenden Herrschaftsanspruches genutzt werden kann: Das Jahr der Entdeckung Amerikas hatte mit der Eroberung Granadas, also mit dem Schlußpunkt der Reconquista, begonnen. Es war ein Gründungsmythos entstanden, der zwischen den Herrschern des aus der Reconquista entstandenen Reiches und den Untertanen eine unmittelbare Beziehung herstellte. Diese neuartige Herrschaftsidee, die den

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Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

christlichen Regenten in eine direkte Beziehung zu seinen christlichen Untertanen setzte, sollte offenbar soweit wie möglich auf die Neue Welt übertragen werden. Es ging darum, die Indianer nicht nur zu christianisieren, sondern sie mit Hilfe ihrer Christianisierung in das spanische Reich zu integrieren. Die spanische Kolonisierungs- und Missionierungspolitik war also von zwei entgegengesetzten Elementen geprägt. Die Krone verfolgte ein zentralisierendes und vereinheitlichendes Konzept, doch dagegen standen die Interessen derer, die etwa aus der Ärmlichkeit der Mancha aufgebrochen waren, weil sie erwarteten, als Lohn der Gefahren in der Neuen Welt das Leben eines Herrn zu führen, der andere für sich arbeiten läßt. Dazwischen bewegten sich die mit der Indianermission beauftragten Orden, besonders die Dominikaner und Franziskaner. In mancher Hinsicht setzten sie unterschiedliche Akzente. So waren die Franziskaner eher bereit, sich auf die Überlieferungen der Indianer einzulassen und deren Gebräuche in ihre Missionstätigkeit einzubeziehen, während die Dominikaner eine striktere Abkehr von der heidnischen Vergangenheit forderten. Sie behielten gegenüber den Neubekehrten ein deutliches Mißtrauen, weshalb sie auch die Entstehung eines einheimischen Klerus nicht förderten. Abgesehen von solchen Akzentsetzungen, waren Dominikaner und Franziskaner sich aber darin einig, daß ihre Missionsanstrengungen nur dann zum Erfolg führen konnten, wenn Indianer und Weiße voneinander getrennt blieben, was dem Integrationskonzept der Krone widersprach. Umgekehrt wurden sie wieder zu Verbündeten dieser Politik, indem sie sich für die rechtliche Gleichstellung der Indianer einsetzten. Jedenfalls sollten die Indianer in eigenen, neu angelegten Siedlungen an ein Leben des geregelten Wechsels zwischen Arbeit und christlichen Festen gewöhnt werden und von den Weißen getrennt leben. Es war schon schwer genug, die Indianer zu den christlichen Lebensformen zu bekehren, und diese Aufgabe wurde durch den Kontakt mit den in der Kolonie anzutreffenden Weißen - nicht eben einer Auswahl der tugendhaftesten Söhne Spaniens - kaum erleichtert. Zu diesem Konzept der getrennten Entwicklung gehörte auch die Beibehaltung der unteren Ränge des indianischen Adels. Die Kaziken erhielten ihr Haus im Zentrum der auf dem Reißbrett entworfenen Siedlung, ein Zugeständnis an feudalistische Ordnungsstrukturen, zu dem sich die Krone vermutlich unabhängig von den missionstaktischen Überlegungen hatte bereit finden müssen. Ein Systemkonflikt entstand jeweils dann, wenn solche Siedlungen aus ökonomischen Gründen in die landwirtschaftlichen Güter weißer Kolonisten einbezogen oder von diesen abhängig wurden. Die Herren dieser encomiendas waren dann bestrebt, aufbauend auf ihrem Grundbesitz, eine feudalistische Grundherrschaft einschließlich der Rechtsprechung und Verwaltung zu entwickeln und dabei

I. Von Florida bis Sonoma - Der spanische Gürtel

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auch die Funktionen des niedrigen indianischen Dienstadels an sich zu ziehen. Horst Pietschmann hat herausgearbeitet, daß die Krone eine Kolonisierung Amerikas nur mit den Indianern und nicht gegen die Indianer für möglich hielt. Entsprechend zahlreich waren die Aufforderungen, die Indianer gut zu behandeln, das heißt, sich um ihre Bekehrung zu kümmern, ohne Zwang anzuwenden, eine gerechte Entlohnung zu garantieren und die Abgaben auf eine zurnutbare Höhe zu begrenzen. Pietschmann verweist auf die Dienstanweisungen, die im Jahre 1501 dem ersten Gouverneur von La Espanola, dem späteren Haiti, gegeben wurden4 , und König Ferdinands Instruktionen für Ponce de Leon, den Entdecker und ersten Gouverneur Floridas, die in Gaustads Dokumentensammlung abgedruckt sind5 , sprechen die gleiche Sprache. Solche Aufforderungen belegen, daß es reichlich Grunde für Beanstandungen gab, sie zeigen aber auch, daß es der Krone ernst war, teils weil sie pragmatische Grunde sah, die Indianer zu schonen, teils weil sie von der Auffassung der Dominikaner beeindruckt war und diese als kongenial zu der eigenen Herrschaftsidee empfand. Ausdruck des pragmatischen Kalküls ist zum Beispiel ein Dekret von 1512, in dem es heißt: " ... ihr wißt, der ganze Reichtum jener Gebiete sind Indianer, und wenn sie zugrunde gehen, werden jene Gegenden unbesiedelt bleiben"6 . Die spanische Krone hat jedoch auch zur weiteren Herausarbeitung und Bekräftigung einer Rechtsidee beigetragen, vor der die spanische Praxis ebensowenig Bestand haben konnte wie die der gleichzeitigen europäischen und außereuropäischen Reiche - von den Verhältnissen im prähispanischen Amerika ganz zu schweigen. Der einzelne soll unabhängig von seiner Zurechnung zu größeren Ordnungen als Rechtssubjekt gelten, er soll Rechte nicht erst als Spanier oder als Christ besitzen. James Muldoon hat in seinem Buch über Päpste, Rechtsgelehrte und Ungläubige gezeigt, wie sich im Laufe des Mittelalters bei Theologen und Rechtslehrern allmählich die Auffassung herausbildet, daß auch Nichtchristen in der Lage seien, respektable bürgerliche Ordnungen zu entwickeln, weshalb sie legitimen Anspruch auf den Genuß ihrer Freiheit und die Garantie ihres Eigentums erheben können 7 . Sowohl auf diese Lehrmeinungen als auch auf ihren Ordensbruder Francisco de Vitoria, der alte Lehren zum gerechten Krieg analog auf das Recht der Eroberung anwandte, konnten sich die Dominikaner Montesinos und Las Casas stützen, als sie die Ausbeutung der Indianer anprangerten. Montesinos hielt in Santo Domingo 1511 eine Weihnachtspredigt, die zu den Edikten von 4 5

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Pietschmann, 1992, 5. Gaustad, 1982, Bd. I, 63. Pietschmann, ebd. Muldoon, 1972.

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Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

Burgos aus dem folgenden Jahr wesentlich beigetragen haben soll. In diesen Bestimmungen wurde jedenfalls festgehalten, daß die Indianer als freie Untertanen der Krone zu behandeln seien. Dem entsprach auch weiterhin die Politik der Krone, die zum Beispiel die Heirat zwischen Spaniern und Indianern zu fördern suchte. Nach und nach gelang es unter Ferdinands Nachfolger, Karl V., auch, die zu Feudalherren gewordenen Emporkömmlinge der Neuen Welt zu entmachten und die Zentralgewalt durch die Einsetzung von Vizekönigen zu stärken. Die Krone wurde schließlich im Jahre 1537 auch durch Papst Paul III. in ihrer Politik bestätigt. In der Bulle Subfirnis Deus, die zugleich eine Anerkennung des Wirkens von Las Casas ist, hält der Papst noch einmal fest, daß die Indianer und andere noch zu entdeckende Völker ihrer Freiheit und ihres Besitzes nicht beraubt werden dürfen, ob sie den christlichen Glauben annehmen oder nicht 8 • Darin, daß es der Papst für nötig hält, noch einmal herauszustellen, was ein Vierteljahrhundert zuvor schon proklamiert worden war, ist freilich auch ein Hinweis auf die Realität enthalten. Die Missionstätigkeit der Dominikaner und Franziskaner und die Herrschaft der spanischen Krone waren also eng aneinander gebunden. Missionsidee und Herrschaftsidee entsprachen einander insofern, als Einheit des Reiches und Gleichheit der getauften und ungetauften Untertanen einander bedingten. Daher reichte der Arm der Kirche nur so weit wie der der Krone. Nur dort, wo es der Zentralgewalt gelang, die Indianer seßhaft zu machen und die Selbständigkeit ihrer Siedlungen zu sichern, war auch die Missionstätigkeit erfolgreich. Umgekehrt sanken die Erfolgsaussichten der Missionare mit zeitlicher und räumlicher Entfernung von der Macht der Krone. Die spanische Herrschaft zerfiel, aber die spanischen Herren blieben. Auch im 16. Jahrhundert, auf dem Höhepunkt der spanischen Macht, war den Missionaren um so weniger Erfolg beschieden, je weiter sie auf das nordamerikanische Festland ausgriffen, wo sie meist auf nomadisierende Stämme stießen. Nur selten gelang es, die Indianer um eine Missionsstation herum anzusiedeln. Da war zunächst Florida, das der schon erwähnte Ponce de Leon am Ostersonntag (Pascua Florida) des Jahres 1513 entdeckt hatte. Die Spanier hielten Florida anfangs für eine weitere große Insel, doch nachdem sich dies als Irrtum herausgestellt hatte, wurde die Halbinsel zum Ausgangspunkt für Expeditionen, wie die des Hernando de Soto, der den Südwesten Nordamerikas erkundete, und die des Cabezo de Vaca, die über Texas nach Mexiko führte. Größere Aufmerksamkeit fand Florida im Jahre 1564. Erstmals stieß Spanien in Amerika auf einen europäischen Konkurrenten, und erstmals begeg8

Ellis, 1967, Bd. I, 63.

I. Von Florida bis Sanoma - Der spanische Gürtel

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neten sich Katholizismus und Protestantismus, als französische Hugenotten im Nordosten Floridas in der Nähe des späteren Jacksonville eine befestigte Siedlung, das sogenannte Fort Caroline gründeten, was als Bedrohung einer spanischen Schiffsroute empfunden wurde. Der spanische General Pedro Menendez de Aviles wurde ausgesandt, diese Gefahr zu beseitigen, und landete 1565 am Fest des Heiligen Augustinus am Cap Carneveral. Von ihrem Landeplatz aus, den sie nach dem Heiligen benannten, eroberten die Spanier das französische Fort, wobei alle Verteidiger fielen. Menendez wurde Gouverneur von Florida, und im Unterschied zu seinem Vorgänger Ponce de Leon, der den Titel in Anerkennung seiner Entdeckung erhalten hatte, übte er dieses Amt tatsächlich aus und bemühte sich daher auch um Missionare. 1549 war in der Nähe des heutigen Tampader Dominikaner Luis Cancer an Land gegangen, wo er unter den Augen der Schiffsbesatzung von Indianern erschlagen wurde. Seither hat es keine Missionsaktivitäten mehr gegeben. Menendez wandte sich an die Jesuiten, und diese schickten auch eine Gruppe von Patres. Deren Schiff verirrte sich bei der Ankunft, und als ihr Superior Pater Pedro Martinez zusammen mit einigen Matrosen 1566 auf der Insel San Juan zu Erkundigungen an Land ging, wurden er und seine Begleitung von den Indianern getötet. Das gleiche Schicksal fanden acht weitere Jesuiten, die vier Jahre später unter Führung von Juan Segura von Sankt Augustin aus nach Virginia vorgedrungen waren. Sie starben in der Nähe von Jamestown, wo später die englische Kolonisierung Virginias begann. Die hohe Zahl der Opfer und die Vergeblichkeit der Missionsanstrengungen veranlaßten schließlich den Jesuitengeneral, Franciscus Borgia, im Jahr 1571 dazu, seineMänneraus Florida zurückzuziehen. Menendez holte nun Franziskaner ins Land, deren erste Erfahrungen kaum ermutigender waren als die der Jesuiten. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts aber verstärkten die Franziskaner ihre Anstrengungen, vervielfachten die Zahl der Patres und etablierten etwa vierzig Missionsstationen auf zwei Routen, nämlich entlang der Atlantikküste in den heutigen Staaten Florida und Georgia und landeinwärts nach Westen in den Golf von Mexiko. Diese Missionen hatten, einmal etabliert, wiederum nach zwei Seiten zu kämpfen. Es war schwer, die Indianer seßhaft zu machen und sie von ihren Bräuchen, wie dem der Polygamie, abzubringen. So kam es 1597 in mehreren Ansiedlungen entlang der Küste von Georgia zu dem sogenannten Guale-Aufstand, als der Pater Pedro de Corpo einem Häuptlingssohn die Übernahme der Häuptlingswürde nur unter der Bedingung gestatten wollte, daß er auf seine Nebenfrauen verzichte. Von den sechs Franziskanern, die bei den Guale tätig waren, wurden fünf in dem folgenden Aufstand getötet. Das Schicksal des sechsten, des Pater Francisco de Avila, verweist auf das andere Dauerproblem, mit dem die spanischen Missionare nicht nur in Florida zu kämpfen hatten: Er wurde von den Indianern als

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Sklave gehalten, weigerte sich aber, nach seiner Befreiung auszusagen, weil er nicht dazu beitragen wollte, daß die Anführer des Aufstandes hingerichtet würden. Einige Gouverneure versuchten, die Indianeraufstände durch eine Abschreckungsjustiz im Keim zu ersticken. Lange nach dem Guale-Aufstand erreichten die Franziskaner im Jahr 1656 die Absetzung des Diego de Rebolledo, der einen Aufruhr mit der öffentlichen Hinrichtung von elf Häuptlingen beantwortet hatte9 . Westlich von Florida blieb das Land über weite Entfernungen hin zunächst unerschlossen. Zwar unternahm Francisco Vasquez Coronado in den Jahren von 1640 bis 1642 von Mexiko aus seinen sagenumwobenen Zug, der ihn in die Regionen beiderseits des Mississippi führte. Doch er kehrte um, da er weder Gold fand, noch auf irgendwelche Städte stieß. Als Coronado wieder nach Süden marschierte, blieben in der Gegend des heutigen Kansas drei Franziskaner zurück, die darauf hofften, die Indianer zu bekehren. Über einen von ihnen, den Pater Juan de Padilla, ist bekannt, daß er bald darauf von den Indianern getötet wurde. Von den beiden anderen, dem Pater Juan de la Cruz und dem Bruder Luis de Ubeda, fehlt jede Nachricht. Noch weiter westlich, im heutigen New Mexico, glich die Situation wieder der Entwicklung, die Florida bereits früher genommen hatte. Die Kolonisierung begann 1595 unter dem Gouverneur Don Juan de Onate und was der Franziskaner Juan de la Escalona über die Behandlung der Indianer durch die Truppen des Gouverneurs in einem Brief an den Vizekönig berichtet, klingt bekannt: Es sei nahezu unmöglich geworden, das Evangelium zu predigen, da die Soldaten den Indianern nicht einmal einen Teil der Maisernte ließen und Widerstand gegen die Ausplünderung mit äußerster Grausamkeit beantwortet werde 10• Immerhin schien New Mexico die eine vielversprechende Besonderheit aufzuweisen, daß die Pueblo-Indianer bereits seßhaft waren und man auf ihre Dorforganisation aufbauen konnte. So führten die Franziskaner die Rinderzucht ein und bemühten sich auch sonst, die Landwirtschaft zu fördern. Tatsächlich wurden bis 1630 über 50000 Indianer getauft, und der wirtschaftliche Aufschwung der Region war an der Entwicklung von Santa Fe abzulesen, des einzigen spanischen Vorpostens im Südwesten, der allmählich das Aussehen einer Stadt annahm. Doch diese Blüte währte nicht lange. In dem großen Aufstand der Pueblo-Indianer von 1680 wurden die Spanier vertrieben und alle Missionsstationen zerstört, wobei 21 Franziskaner ums Leben kamen. 9

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Hennesey, 1981, 13. Gaustad, 1982, Bd. 1, 71.

1. Von Florida bis Sonoma - Der spanische Gürtel

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Die Spanier kehrten freilich nach und nach zurück, und im Laufe des 18. Jahrhunderts bildete sich aus spanischen Franziskanern und einheimischen Priestern indianischer Abstammung ein Klerus heraus, dessen Lebensstil und Amtsauffassung der mehr als tausend Meilen entfernt residierende Bischof von Durango nur zur Kenntnis nehmen konnte. Dieser Klerus hielt das kirchliche Leben über die mexikanische Unabhängigkeit von 1821 hinweg in jenem Zustand verschlafener Heruntergekommenheit, aus dem es dann Mitte des 19. Jahrhundert nach der Annektierung des Gebietes durch die Vereinigten Staaten von französischen Priestern immerhin wieder zu neuem Leben erweckt werden konnte. Hierbei handelte es sich um den aus der Auvergne stammenden Jean Bernard (später John B.) Lamy, der nach zehn Jahren Missionstätigkeit bei den Buron-Indianern 1851 auf Empfehlung seines kanadischen Bischofs als Apostolischer Vikar nach New Mexico geschickt wurde. Als Lamy nach Jahrzehnten als Erzbischof von Santa Fe starb, hatte er wahre Wunder bewirkt. Ähnliches wäre aus der gleichen Zeit von Jean Marie Odin zu berichten, der als Apostolischer Vikar in der Republik Texas die dortige Kirche reorganisierte und 1847 zum ersten Bischof von Galveston geweiht wurde. Über Lamy wissen wir allerdings mehr, weil er Modell gestanden hat für den Erzbischof Jean Marie Latour in Willa Cathers Roman Death comes to the Archbishop, in dem die Autorin die Quellen zur Geschichte der Kirche des Südwestens verarbeitet hat 1 1• Ganz im Westen schließlich sahen die Spanier sich, wie zuvor schon in Florida, erst durch die Aktivitäten anderer Europäer zu einer systematischeren Erschließung des Landes veranlaßt Zwar war Cabrillo bereits 1542 in der Bucht vor dem späteren San Diego gelandet und hatte von dort aus die Küste Kaliforniens erkundet, doch erst als die Russen im 18. Jahrhundert von Alaska aus immer weiter nach Süden vorstießen, arbeiteten sich die Spanier nach Norden vor, indem sie, in San Diego beginnend, die Kette von befestigten Militärposten (presidios) und Missionsstationen errichteten, die schließlich in Sonoma, dem heutigen Weinbaugebiet nördlich von San Francisco, bis in die Nachbarschaft des südlichsten Stützpunktes der russischen Pelzhandelskompanie reichte. Von 1768 an entstanden 21 solcher Missionen. Neun davon wurden von Junipero Sera gegründet, der 1749 mit 36 Jahren seine Professur an einem Priesterseminar auf Mallorca verließ und für weitere 35 Jahre, bevor er 1784 in der Mission San Carlos in Monterey starb, in unermüdlicher Organisationstätigkeit unterwegs war 12 . Die Franziskaner bildeten diese Missionen zu großen landwirtschaftlichen Kommunen aus, und man schätzt, daß zur Blütezeit der kaliforniseben Franziskanermission 40000 getaufte Indianer, über die die Patres auch die 11

Cather, 1971.

tz Ellis, 1967, Bd. 1, 34.

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weltliche Herrschaft ausübten, als Handwerker und Landarbeiter beschäftigt waren und von Soldaten zurückgebracht wurden, wenn sie versuchten, aus dem benediktinisch geregelten Leben dieser Klostersiedlungen zu entfliehen13. Mit der mexikanischen Unabhängigkeit von 1821 begann nicht nur der Zusammenbruch des mit harter Hand zusammengehaltenen Systems, sondern auch der Niedergang ganz Kaliforniens. Die spanischen Patres, die nicht bereit waren, den Eid auf die Republik zu leisten, verließen das Land, und die Säkularisierung von 1834 brachte keineswegs den Indianern den angekündigten Landbesitz, sondern schuf riesigen Besitz in den Händen mexikanischer Politiker und ihrer Freunde, der sogenannten Californios. Als 1840 die Diözese Los Angeles gegründet wurde und im Norden der Jesuit, Peter De Smet, der später durch seine Indianerbücher bekannt wurde, mit der Mission bei den Oregon-Indianern begann, präsentierte sich die Kirche in dem gesamten spanischen Gürtel, der von Florida über Texas und New Mexico bis zum Pazifik reichte, in dem gleichen, wenig vorteilhaften Zustand. Das Schicksal der spanischen Mission war, wie schon gesagt, von dem der spanischen Herrschaft nicht zu trennen. Sie teilte mit der Krone deren ausgreifende Ambitionen und die Vision von der Gleichheit christlicher Untertanen, und sie scheiterte zusammen mit der Krone bei dem Versuch, diese Idee auch gegen die Behörden und Soldaten eben dieser Krone und gegen die neuen Feudalherrn der Neuen Welt durchzusetzen. So blieben die Missionare, die im Gefolge der Soldaten gekommen waren, auf den Schutz eben dieser Soldaten angewiesen, die ihre Arbeit immer wieder zunichte machten. Von der besonderen spanischen Herrschaftsidee blieb in der Praxis auch deshalb wenig übrig, weil die Kolonialverwaltung sich in ihrem Ausgriff überdehnt hatte. So waren an den weit entfernten Rändern die Vizekönige ebensowenig in der Lage, die Gouverneure und Generäle zu kontrollieren, wie die Bischöfe ihre Priester. Hinzu kommt freilich, daß Spanien den Höhepunkt seiner Macht überschritten hatte. Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht das Beispiel Floridas, das 1663 mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges unter britische Herrschaft kam, aber 20 Jahre später als Ergebnis der amerikanischen Revolution wieder an Spanien fiel , um schließlich 1821 Teil der Vereinigten Staaten zu werden. Spanien konnte sich längst nicht mehr auf jene Linie westlich der Azoren berufen, die Papst Alexander im Jahr nach der Entdeckungsfahrt des Kolumbus gezogen hatte, und auch als "katholische Macht" war Spanien längst nicht mehr konkurrenzlos. So hat es symbolische Bedeutung, daß im Südwesten der Vereinigten Staaten zunächst französische Bischöfe die Aufgabe übernahmen, die von den Spaniern hinterlassenen Scherben aufzulesen. 13

Hennesey, 1981 , 20.

2. Von Arcadia bis Louisiana - der französische Bogen

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2. Von Arcadia bis Louisiana - der französische Bogen In der Zeit zwischen dem Zerfall der spanischen Kolonialkirche und der Amerikanisierung der amerikanischen Kirche durch die Iren sind es besonders die Franzosen, die als Missionare, Organisatoren und Ausbilder künftiger Priester das Überleben der katholischen Kirche in der Neuen Welt tragen, und dieser Teil der hier zu erzählenden Geschichte beginnt schon lange vor der Zeit der Bischöfe Lamy und Odin.

Die französische Mission zwischen europäischen Rivalitäten und indianischen Erbfeindschaften Nachdem bereits der italienische Kapitän Verrazano im französischen Auftrag Erkundungsfahrten an der nordamerikanischen Ostküste unternommen hatte, stieß Jacques Cartier 1534 noch weiter nördlich bis zur Mündung des St. Lorenz-Stromes vor. Von dort aus folgten die Franzosen den Wasserwegen ins Landesinnere, zunächst bis zu den großen Seen und dann den ganzen Mississippi hinab bis in das Land am Golf von Mexiko, das ihnen den Namen Louisiana verdankt. Es ging ihnen darum, diese Transportverbindungen für ihren Handel, besonders den Pelzhandel, zu sichern, und wer französische Portraitstiche des 17. und 18. Jahrhunderts, z.B. das Konterfei des Jean Jacques Rousseau, betrachtet, der versteht die Bedeutung dieses Pelzhandels. Für das Jahr 1760, in dem der amerikanische Kolonialkrieg zwischen Engländern und Franzosen mit der Kapitulation der Franzosen in der Nähe von Montreal endet, schätzt man - 30 Jahre vor der Einführung offizieller Volkszählungen - die Bevölkerung der britischen Kolonien auf 1,5 bis 2 Millionen und die der französischen Gebiete auf etwa 70000 Einwohner14. Doch obwohl sich die Franzosen nur sicher durch das Land bewegen wollten, ohne es zu besiedeln, entstanden entlang des Weges vom St.-Lorenz ins Mississippi-Delta nicht nur Stützpunkte. Ein befestigter Landeplatz entwickelte sich rasch zu einer Ansiedlung, und wenn man auf der Bühne der Weltpolitik mitspielen will, ist es ohnehin schwer, die Unauffälligkeit von Händlern zu bewahren. Die französische Präsenz führte jedenfalls am Anfang und am Ende des langen französischen Bogens und um die großen Seen herum zu wichtigen Gründungen. Zunächst bildete sich im Osten des heutigen Kanada das französische Acadia. Von dem dortigen Port Royal aus gründete Samuel de Champlain vier Jahre später Quebec. Mit Champlain beginnt auch schon jene Verwicklung in die Feindschaften indianischer Bündnisse, die sowohl die französische Kolonialpolitik in Amerika als auch die französischen Missionsanstrengungen geprägt hat. Champlain verband sich mit den Ottawa, einem Bündnis verschiedener 14

Hertling, 1954, 314.

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Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

Indianerstämme unter der Führung der Huron. Diese blieben bis zum Ende treue Verbündete der Franzosen, und selbst nach der französischen Kapitulation versuchte der Häuptling Pontiac, zusammen mit einigen anderen Ottawa-Stämmen, den Krieg gegen die Engländer weiterzuführen. Wer die Huron und deren Bündnisgenossen zu Freunden hatte, der brauchte auch seine Feinde nicht lange zu suchen. Es handelte sich um die Irokesen, ein von den Mohawk angeführtes Bündnis von Stämmen. Diese waren schon vor der Ankunft der Franzosen von den Ottawa aus der Gegend um den St. Lorenz-Strom nach Süden abgedrängt worden und beherrschten nun Gebiete, die vom Norden des heutigen New York bis zum Eriesee reichten. Während die Franzosen daran interessiert waren, die Irokesen auf dieses Gebiet zu begrenzen, um sie von ihren Handelswegen fernzuhalten, fanden diese wiederum Unterstützung bei den Holländern, die sich seit Anfang des 17. Jahrhunderts entlang des Hudson festgesetzt hatten, indem sie 1609 das Fort Orange (Albany) und dann 1618 auf Manhattan das Fort Amsterdam gründeten. Die Freundschaft der Irokesen ging später auf die neuen Herren des Hudson-Tales über. Dabei qualifizierten sich die Holländer ebenso wie die Engländer als Feinde der Freunde des Feindes. So verbanden sich die indianischen Erbfeindschaften mit den Rivalitäten europäischer Mächte in einer Weise, die nicht nur den Spielraum der französischen Kolonialpolitik bestimmte, sondern auch die Tätigkeit der französischen Missionare begrenzte. Die Arbeit dieser Missionare zeigte praktisch nur bei den indianischen Verbündeten der Franzosen Erfolg. Mißerfolg und meist auch das Martyrium war dagegen gewiß, wenn die französischen Patres versuchten, die Mohawk und deren Bündnisgenossen zu bekehren, oder wenn sie diesen auf dem Weg zu den Huron in die Hände fielen. Die Missionserfolge dagegen verschärften nicht nur die Feindschaft der Indianer, da die christlichen Huron den Mohawk nur umso verhaßter waren, sondern sie verliehen den amerikanischen Konflikten der europäischen Mächte noch einen konfessionellen Akzent. Ein extremes Beispiel dafür bietet das Schicksal des Jesuitenpaters Sebastien Rall zur Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges, den die Engländer als Queen Anne's War kennen. Während der Kriege dieses Jahrhunderts zahlten die europäischen Kriegsparteien ihren indianischen Verbündeten Prämien für Skalps. Die Abenaki-Indianer, deren Gebiet nördlich von Massachusetts im heutigen Maine lag, waren nicht nur mit den Franzosen verbündet, sondern hatten unter dem Einfluß von Pater Rall den katholischen Glauben angenommen. Als daher die Abenaki im Jahr 1704 den Ort Deerfield in Massachusetts heimsuchten und alle Einwohner umbrachten, wirkte das Ereignis nicht nur als ein IndianerüberfalL Aus Boston wurde ein protestantischer Missionar geschickt, der aber nichts ausrichtete. Die Abenaki hatten klare Vorstellungen von Freund und Feind

2. Von Arcadia bis Louisiana - der französische Bogen

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und vertrauten nur den wirklichen "Schwarzröcken". So setzten die Kolonialbehörden von Massachusetts nun eine Prämie von 200 Dollar auf die Gefangennahme des Pater Rall aus. Doch erst 20 Jahre nach dem Massaker von Deerfield überfiel eine gemischte Streitmacht aus sogenannter Neuengland-Miliz und Mohawk-lndianern die Missionsstation des Pater Rall im Gebiet der Abenaki, tötete ihn und trug anschließend seinen Skalp durch Boston. Die oft erzählte Geschichte findet sich auch in dem Buch des Jesuiten James Hennesey, der heute in Boston am Boston College Geschichte lehrt 15 • Die Missionare wurden nolens volens in Nebenkriege Englands und Frankreichs verwickelt, in denen es zu Anfang des 18. Jahrhunderts bereits um den Besitz Kanadas ging, eine Auseinandersetzung, die im Nordosten Amerikas in Etappen ausgefochten wurde, bis der bereits genannte Kolonialkrieg 1760 die Entscheidung brachte, die durch das Ergebnis des Siebenjährigen Krieges dann 1763 festgeschrieben wurde. Acadia und das sogenannte Ohio-Land wurden britisch. Nachruhm und Nachwirkung der französischen Mission blieben jedoch aus zwei Gründen nicht an die Präsenz der französischen Könige gebunden und überlebten diese. Ein Grund besteht darin, daß die Indianermission der französischen Jesuiten und der französischen Diözesanpriester aus Quebec weit nach Westen ausgriff. Sie entfernte sich dabei nicht nur von dem geographischen Zentrum des englisch-französischen Kolonialkonfliktes, sondern auch von den nachwirkenden Parteilichkeiten. Daß die Jesuiten gewissermaßen als Nebenprodukt ihrer Missionstätigkeit an den großen Seen das Gebiet der späteren Staaten Wisconsin, Illinois Indiana und Michigan erschlossen und daß man von St. lgnace (an der Durchfahrt zwischen den beiden Halbinseln Michigans) bis nach St. Louis auf ihre Spuren stößt, das war viel leichter in die amerikanische Sicht der eigenen Geschichte zu integrieren als etwa die Tätigkeit und das Schicksal des Paters Rall. Entsprechend ist der Staat Wisconsin in der Wandelhalle unter der Kuppel des Capitols durch eine Statue des Jacques Marquette repräsentiert, der sich dafür nicht als Jesuit, sondern durch die Erkundung des Mississippi qualifiziert hat. Ebenso wie die Leistungen in der Geographie und Kartographie fanden die Missionsberichte der Jesuiten ihren Platz in der amerikanischen Geschichte. Die Relationes, die regelmäßigen Berichte der Jesuiten, bilden die wahrscheinlich wichtigste Quelle für die frühe Geschichte des mittleren Westens. Sie sind deshalb zusammen mit einigen sachlich verwandten Einzeldokumenten anderen Ursprungs in 73 Bänden veröffentlicht worden 16, 1s 16

Hennesey, 1981, 24. Thwaites, 1896- 1901 und Moore 1985.

2 Zöller

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und diese Quellenedition bildete die Grundlage für Brian Moores mehrfach neuaufgelegten und verfilmten Roman Blackrobe. Moore hat diese meist nüchtern gehaltenen Berichte dramatisiert und dabei nicht nur der aufopfernden Disziplin und Energie der französischen Jesuitenmissionare ein Denkmal gesetzt, sondern auch die Vergeblichkeit der Strapazen herausgearbeitet. Schon 1611, als die Franzosen noch kaum über ihre Stützpunkte an der Atlantikküste hinaus gekommen waren, berichtet Pater Pierre Baird von Port Royal aus, das Land sei eigentlich nur ein Wald und die Indianer fühlten sich weder durch Verwandtschaftsverhältnisse noch durch Behausung an einen Ort gebunden. Ab etwa 1620 entfaltet sich dann die Missionstätigkeit der Jesuiten in dem riesigen Gebiet der Huron rund um die großen Seen. Egal, welches Ziel man habe, schreibt Pater Jean de Brebeuf, der zwei Jahre damit zugebracht hatte, Sprache und Lebensgewohnheiten der Huron zu studieren, man sei stets mehrere Wochen unterwegs. Seine Ordensbrüder sollten sich darauf einstellen, jeden Tag erneut so in ein Kanu eingepackt zu werden, daß man sich nicht rühren könne und bei Tag der Sonne, nachts aber den Moskitos ausgesetzt sei 17 . Pater Brebeuf hat dieses Leben ebenso wie die anderen Patres der Missionsstationen an den Seen viele Jahre lang ertragen, bis die Irokesen in den Jahren 1648 und 1649 in einem Vernichtungskrieg gegen die Huron alles zerstörten. Diesem Amoklauf fielen 10000 Huron zum Opfer, und man nimmt an, daß viele von ihnen auf bestialische Weise gefoltert wurden. Brebeuf fiel 1649 im Norden des Staates New York den Mohawk in die Hände 18. Aus den Berichten geht jedoch auch hervor, wie relativ die Missionserfolge bei den Musterkindern der Jesuiten waren. Die Huron konnten die von ihnen bewunderten Schwarzröcke in ihr eigenes Koordinatensystem von Freund und Feind einordnen. Ansonsten stießen unvereinbare Kulturen aufeinander, weshalb den Huron jede Voraussetzung zum Verständnis der von den Jesuiten gepredigten Ethik fehlte. Daß diese die unbekümmerte Promiskuität der Indianer mißbilligten und selbst kein Interesse an entsprechender Betätigung erkennen ließen, konnte nur durch einen Zauber erklärt werden, den sie verheimlichten. Das gleiche galt offenbar für das Auftauchen von Krankheiten, die man zuvor nicht gekannt hatte.

Nachruhm und Nachwirkung der .,Schwarzröcke" Die Indianermission der Jesuiten sowie anderer französischer Orden und Priestergemeinden wurde nach 1649 noch weitergeführt, und spätere Auswirkungen sind auch noch nach der französischen Kolonialzeit zu verzeich17

18

Ellis, 1967, Bd. 1, 81. Gaustad, 1982, Bd. l , 77.

2. Von Arcadia bis Louisiana - der französische Bogen

19

nen. So versuchten in den ersten Jahren nach 1763 im Nordosten einige der Stämme, die zuvor mit den Franzosen verbündet waren, wie zum Beispiel die zu den Abenaki gehörenden Penobscots, sich mit den Behörden von Massachusetts zu arrangieren. Verschiedene Stämme baten bei dieser Gelegenheit darum, ihnen einen Priester zu schicken, wobei diese Bitte in mehreren Fällen durch Entsendung protestantischer Geistlicher beantwortet wurde. Die Reaktion der Indianer bestand in einer Konkretisierung der Bitte. Man wolle einen Pater oder französischen Priester und sei nicht gewillt, Gebete aus dem alten England zu hören 19. Noch im Jahr 1831 schickten Indianer aus der Nähe von Montreal eine Delegation zum Bischof von St. Louis, und deren Sprecher, ein Mann mit Namen Old Ignace, bat um Entsendung eines Priesters20. Diese Episoden waren freilich nur noch ein schwaches Echo der französischen Indianermission. Dennoch reichte der Einfluß des französisch geprägten Katholizismus über die französische Kolonialzeit und auch über die Missionstätigkeit der Jesuiten hinaus. Ein Grund besteht darin, daß die Franzosen in den 100 Jahren zwischen dem Massaker an den Huron und ihrer eigenen Niederlage gezwungen waren, die Spuren ihrer Präsenz in dem Gebiet westlich der Atlantikkolonien im wörtlichen Sinne zu befestigen. Vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stießen Franzosen und Engländer in Amerika immer wieder aufeinander. Sie führten nicht nur die europäischen Kriege dieser Zeit auf den amerikanischen Nebenkriegsschauplätzen weiter, sondern sie kämpften von 1754 bis 1760 auch um die Kontrolle des amerikanischen Nordostens. Ganz gegen ihre ursprünglichen Absichten waren die Franzosen dabei gezwungen, deutlich über die Befestigung einiger Schwerpunkte hinauszugehen. So unterstrichen sie ihren Anspruch auf das gesamte Tal des Mississippi, indem sie 1718 durch die Gründung von New Orleans den Bogen von der nördlichen Atlantikküste bis in den Golf von Mexico zu Ende führten. Der französische Charakter des Mississippi-Deltas wurde anschließend wesentlich verstärkt, als die Engländer 1755 damit begannen, die Katholiken aus Acadia, also aus dem Osten des späteren Kandas, zu vertreiben. Ein großer Teil dieser Acadier siedelte sich in Louisiana an und hatte auf dessen weitere Entwicklung großen Einfluß. Andere zogen nur bis in das damals noch französische Gebiet östlich der großen Seen, wo Antoine de la Mothe Cadillac schon im Jahre 1700 einen Stützpunkt errichtet hatte, aus dem später die Stadt Detroit entstand. Deren Automobilindustrie hat wiederum nicht nur den Stadtgründer verewigt, sondern auch einen treuen Verbündeten der Franzosen, den Häuptling Pontiac. Doch erst 1754, bereits während des Kolonialkrieges, versuchten die Franzosen, dieses sogenannte Ohio-Land gegen die 19

2o 2'

Marty, 1984, 105. Hennesey, 1981 , 132.

20

Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

aus dem Nordosten hereindrängenden Engländer zu befestigen, indem sie am Ohio das Fort Duquesne bauten, das zum Kern der späteren Stadt Pittsburgh wurde. Bald darauf wurden Kanada und das Ohio-Land britisch, und Louisiana fiel für den Rest des Jahrhunderts an Spanien, um im Jahr 1800 wieder französisch zu werden, bis Napoleon es nach nur drei Jahren für 15 Millionen Dollar an die Vereinigten Staaten verkaufte. Diese hatten mit der Neuerwerbung ihr Territorium in einem Schlag mehr als verdoppelt und damit Raum für die erste Welle ihrer Expansion nach Westen erhalten. Als Erbe aus der französischen Zeit blieben aber nicht nur französische Ortsnamen, sondern auch ein französisch orientierter Katholizismus, der sich an beiden Enden des französischen Bogens, in Louisiana und in Quebec, etablierte. Die kirchliche Organisation vollzog wie üblich den Wandel der politischen Verhältnisse nach. So gab es zunächst ab 1658 den Apostolischen Vikar für das sogenannte Neue Frankreich, der 1764 mit Errichtung der Diözese zum Bischof von Quebec wurde. Unter dessen Jurisdiktion blieben die amerikanischen Gebiete der französischen Krone bis 1763. Ab dann unterstand das spanische Louisiana ebenso wie Florida dem Bischof von Santiaga auf Kuba, bis 1793 eine eigene Diözese Louisiana mit Bischofssitz in New Orleans gegründet wurde. Es gibt freilich noch einen anderen wichtigen Grund dafür, daß der französische Katholizismus in Amerika die anderthalb Jahrhunderte des amerikanischen Neufrankreich überdauert hat. Denjenigen Bischöfen, Priestern und Ordensleuten in Frankreich, die sich nach der Französischen Revolution nicht mit den neuen Herren und den neuen Verhältnissen arrangieren wollten, bot Amerika eine Alternative. Dort galt es, französische Strukturen mit Leben zu erfüllen, bevor sie zerfielen, und dabei bot die Neue Welt je nach theologischer und ideologischer Orientierung sogar die Wahl zwischen zwei deutlich unterschiedenen kulturellen Milieus, denn die amerikanische Revolution hatte auch zu einem Austausch intellektueller Eliten geführt. Loyalisten, denen nach der Revolution in Amerika das Leben schwer gemacht wurde, gingen nach Kanada, kanadische Progressive setzten sich nach Massachusetts und New York ab, und beide Wanderungsbewegungen trugen zur Homogenisierung des jeweiligen "Meinungsklimas" bei 21 . In Kanada, von wo noch 20 Jahre vorher Katholiken vertrieben wurden, gab der Quebec Act des englischen Parlaments den Katholiken 1774 die Garantie unbehinderter Religionsausübung und darüber hinausgehende Privilegien in mehrheitlich katholischen Regionen, wie in Quebec. Konserva7 tive französische Priester konnten sich also leicht mit dem Gedanken anfreunden, dem Bischof von Quebec ihre Dienste anzubieten. Modemisten dagegen fanden in der neuen amerikanischen Republik eine revolutionäre 21

Lipset, 1983.

2. Von Arcadia bis Louisiana - der französische Bogen

21

Tradition, die nicht gegen die Religion gerichtet war, und eine Verfassungsinterpretation, die auf freie Entfaltung konkurrierender Religionen abzielte. Außerdem wurde eine Kirche aufgebaut, der es sichtlich an Priestern und Theologieprofessoren fehlte, weshalb 1791 die Pariser Priestergemeischaft der Sulpicianer damit beauftragt wurde, in Baltimore das erste Priesterseminar einzurichten. Tatsächlich fiel französischen Bischöfen, Gemeindepriestern, Professoren und Schulschwestern eine wichtige Rolle zu, als die Kirche bald darauf mit der sich nach Westen ausdehnenden Republik wuchs, ein eigener irisch-amerikanischer Klerus aber sich eben erst zu bilden begann. John England, einer der ersten Bischöfe aus diesem Nachwuchs und einer der eifrigen Amerikanisierer, schrieb deshalb noch 1827 in einem Bericht nach Rom, die Franzosen könnten niemals Amerikaner werden und verstünden es nicht, den Katholizismus als eine mit amerikanischen Prinzipien zu vereinbarende Religion zu präsentieren22 . Ein ungerechtes, aber typisches Urteil, in dem bereits der Kern jenes Konflikts aufscheint, der die amerikanische Kirche Jahrzehnte später in Atem hielt. Die Missionstätigkeit der Spanier hinterließ einen Gürtel, der von Florida bis nach Kalifornien reichte, und die Franzosen zogen ihren Bogen vom Osten Kanadas zum Golf von Mexiko. Diese zunächst isolierten Kapitel der Vorgeschichte wurden bald darauf von der amerikanischen Geschichte eingeholt. Deren Zentrum aber lag vorerst, das heißt für zwei Jahrhunderte, in einem vergleichsweise schmalen Streifen entlang der Küste, denn während des 16. Jahrhunderts stießen die Spanier nördlich ihrer karibischen und mittelamerikanischen Kolonien noch nicht auf europäische Konkurrenz, und die Westausdehnung der Vereinigten Staaten kam erst ab 1803 in Gang. Am Anfang des 17. Jahrhunderts aber bildeten sich in rascher Folge europäische Handelsstützpunkte und Niederlassungen, die zum Teil schon erwähnt wurden. Die Franzosen begannen 1604 mit der ersten und nördlichsten Gründung, ihrem Port Royal in Acadia. Die britische Virginia-Kompanie folgte 1607 mit Jamestown, und da in Virginia von Anfang an die Plantagenwirtschaft im Vordergrund stand, lieferten die Holländer, die schon seit einem Jahrhundert, in Konkurrenz mit den Portugiesen und in Zusammenarbeit mit afrikanischen Häuptlingen und arabischen Karawanen, den Sklavenhandel nach Mittelamerika betrieben, ab 1610 afrikanische Negersklaven nach Virginia. Vergleichsweise kurzlebig und weniger einträglich waren die holländischen Unternehmungen in Nordamerika. Die Stützpunkte am Hudson (ab 1609 und 1618) und am Delaware (ab 1655) gingen bald in den englischen Gebieten unter, von denen sie umgeben waren, und der schwedischen Kolonie am Delaware (ab 1638) erging es ebenso. 22

Cogley, 1986, 33.

22

Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

3. England unter veränderten Vorzeichen: Die Kolonien an der Atlantikküste Aus Stützpunkten europäischer Handelskompanien wurden jedenfalls im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts britische Kolonien, weshalb die Religionsgeschichte dieser Kolonien weitgehend eine Fortsetzung der englischen Geschichte war, freilich unter veränderten Vorzeichen und in bescheidenen Größenordnungen. Waren in England die Anglikaner stark und die verschiedenen Gruppen der dissenter, also der Presbyterianer, Kongregationalisten, Baptisten und Quäker vergleichsweise schwach, so galt in den Kolonien das Gegenteil, und diese Tendenz wurde durch die Zuwanderung deutscher, böhmischer, holländischer und skandinavischer Protestanten verstärkt. Selbst die staatsfrommen Lutheraner entwickelten in Amerika nolens volens eine freikirchliche Struktur, die der Organisationsform der Kongregationalisten näher stand als der der Anglikaner. Die Zahlen waren generell gering, was zum einen daran lag, daß die dissenter insgesamt von einem sehr viel selektiveren und restriktiveren Mitgliedschafts- und Kirchenbegriff ausgingen, als etwa Anglikaner oder Katholiken. Man verstand sich nicht als eine inklusive Kirche, sondern als eine exklusive "Gemeinde der Heiligen" und nahm nur diejenigen auf, die sich durch eine entsprechende Lebensführung qualifizierten. Zum anderen aber hatten alle Religionsgemeinschaften nur sehr geringe Mitgliederzahlen aufzuweisen. Theodor Caplow hat die zugänglichen Daten in einer Tabelle zusammengefaßt, aus der abzulesen ist, daß im 18. Jahrhundert nur sehr wenige Amerikaner einer Religionsgemeinschaft angehörten, daß aber der Anteil der religiös Gebundenen seither unentwegt zugenommen hat23 . Der Pluralismus religiöser Monopole

Abgesehen von dem Experiment der Puritaner in Neuengland machte also Amerika zu Beginn der Kolonialzeit keineswegs den Eindruck einer religiös geprägten Gesellschaft. Auch in der englischen Kolonialpolitik war keine religionspolitische Absicht erkennbar. Zwar fehlte es nicht an entsprechenden Forderungen, doch bewirkten diese offenbar wenig. Richard Hakluyt, ein anglikanischer Geistlicher, der zur Zeit Elisabeths für missionarische Anstrengungen Englands warb, soll mit seinen Schriften und Predigten besonders die Königin selbst, aber auch die Brüder Raleigh beeindruckt haben. In seinem 1584 erschienenen Discourse of Western Planting vertrat er die Ansicht, es sei die Pflicht der christlichen Könige Englands, in der westlichen Hemisphäre für die Verbreitung des richtigen Glaubens zu sorgen. Zu diesem Zweck sollten sie ein oder zwei Kolonien gründen, damit Missio23

Caplow, 1983, 29.

3. England unter veränderten Vorzeichen: Kolonien an der Atlantikküste

23

Tabelle 1 Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften (1650 - 1978) 14% 12%

1650 1700 1776 1800 1810 1820 1830 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1967 1970 1974 1978

8% 7% 9% II% 13% 14% 16% 23% 18% 20% 22% 36% 43% 43% 47% 49% 57 % 64% 64% 62% 62% 61 % 0

10

20

30

Prozent

40

50

60

70

Quelle: Th. Caplow (1983), S. 29.

nare dort zunächst in Sicherheit die Sprache und Gewohnheiten der Indianer studieren könnten, um dann nach sorgfältiger Vorbereitung mit deren Bekehrung zu beginnen. Andernfalls drohe den englischen Missionaren das Schicksal der spanischen Patres in Florida. Auch die Spanier hätten mittlerweile gelernt und immerhin drei Bistümer und 200 religiöse Institutionen aller Art gegründet. Wenn aber die Spanier in ihrem Aberglauben (in their superstition) so große Dinge bewirkten, wieviel mehr dürften dann diejenigen erhoffen, die in der Lage seien, eine wahre und aufrichtige Religion zu verkünden (what may we hope for in our true and sincere religionf4 . 24

Gaustad, 1982, Bd. I, 54.

24

Kap. I: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

Der Text läßt das englische Klima der Zeit erkennen, doch hat Hakluyts Aufruf keine erkennbaren Aktivitäten ausgelöst. Zu der Gründung von Kolonien, die er anregte, kam es noch lange nicht. Als es dann soweit war, übertrugen die konfessionellen Konflikte Englands sich nicht unmittelbar auf Amerika. Mit dem Recht zur Gründung von Kolonien, das Einzelpersonen oder Gesellschaften übertragen wurde, stellte sich in Vorwegnahme des Prinzips cuius regio ein Pluralismus nebeneinander existierender Religionen ein. Daß eine Religion sich etablierte, bedeutete dabei mehr als eine faktische Mehrheitsposition: Es hatte die Folge konkreter politischer und rechtlicher Privilegien, die vom Einzug der Kirchensteuer bis zur Reservierung öffentlicher Ämter für Angehörige der betreffenden Religion reichten. So konnte ein Quäker oder ein Baptist in Virginia, wo die Kirche von England "etabliert" war, durchaus unbehelligt leben, wenn er kein Amt anstrebte und bereit war, Abgaben zugunsten einer anderen Kirche zu bezahlen. Besonders die wenigen Katholiken und Juden bekamen jedoch zu spüren, daß ihre Tolerierung nicht auf rechtlichen Garantien, sondern auf einer nachlässig wohlwollenden Praxis beruhte. Die Lage der Katholiken wurde immer dann prekär, wenn die öffentliche Meinung von einer der wiederkehrenden antikatholischen Stimmungen beherrscht war. Dafür sorgten zunächst die Fernwirkungen englischer Ereignisse, wie der Revolution von 1688. Immer häufiger aber machte sich auch eine aggressive Überfremdungsfurcht bemerkbar. Einerseits stellte die zunehmende Einwanderung den protestantischen Charakter Amerikas in Frage, und andererseits fand der immer vielfälligere amerikanische Protestantismus oft nur in der Negation, also in einer antikatholischen Kulturpropaganda, einen gemeinsamen Nenner. In den britischen Kolonien gab es jedenfalls in religiöser Hinsicht zwar kein Monopol, doch herrschte auch noch keine Konkurrenz gleichberechtigter Religionen, vielmehr bestanden in den einzelnen Kolonien Gebietsmonopole von ganz unterschiedlichem Charakter. Das "katholische" Maryland bot eine Religionsfreiheit, die anderen Kolonien unbekannt war, denn selbst in Maryland fanden sich die Katholiken von Anfang an in der Minderheit, also in einer Lage, die zur Toleranz geneigt macht. Freilich geriet diese nominell katholische Kolonie sehr bald in den Sog des englischen Bürgerkrieges, so daß die Ausnahme nicht von langer Dauer war. Am anderen Ende des Spektrums standen die Puritaner von Neuengland, die ihr Gebietsmonopol mit äußerster Konsequenz ausgestalteten. Sie faßten die königliche Charta als eine Vollmacht auf, in ihrer Kolonie ein Experiment in politischer Theologie durchzuführen, und sie setzten dabei eine ganz andere Entwicklung in Gang, nämlich die Herausbildung des individualistisch verstandenen und pluralistisch organisierten Typs amerikanischer Religion, der im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts den amerikani-

3. England unter veränderten Vorzeichen: Kolonien an der Atlantikküste

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sehen Protestantismus veränderte. Diese Geschichte kann als Beispiel dafür dienen, daß gesellschaftliche Verhältnisse nicht das Ergebnis bewußter Planung, also nicht die Folge eines Willens zur Schaffung eben dieser Gegebenheiten sind. Sie entstehen aus den unbeabsichtigten Wirkungen ganz anders gemeinter Handlungen. So ist auch die amerikanische Kultur nicht einfach als säkularisierter Puritanismus oder als popularisierter Naturrechtsliberalismus zu verstehen. Der wesentliche Beitrag, den das Experiment der Puritaner zu dieser Kultur beigesteuert hat, entstand vielmehr aus dem gescheiterten Versuch der Etablierung eines Regimes der Heiligen, den dadurch ausgelösten Reaktionen und den erneuten Gegenreaktionen. Es ist also wichtig, die Vorstellungen der Pilgrims zu kennen, aber nicht, weil darin, wie manche glauben, die amerikanische Ideenwelt bereits enthalten wäre25 , sondern um zu verstehen, warum es ganz anders kam, als es die frommen Auswanderer geplant hatten. Neu-England als Experiment in Politischer Theologie

Bekanntlich wurde Neuengland von Auswanderern besiedelt, die ihre englische Heimat nicht aus wirtschaftlicher Not verließen. Den Gründem der Kolonien von Massachusetts-Bay, Plymouth, New Haven und Connecticut ging es darum, ihre Vorstellungen von einer gottgewollten Lebensform ungehindert zu verwirklichen. Wie die schottischen Presbyterianer folgten sie den Lehren des John Knox, der während der Herrschaft der Queen Mary nach Genf geflohen war. Ebenso wie die Kirche von England hatte er den Anspruch des Papstes verworfen, doch ging er darüber hinaus, indem er auch das Bischofsamt ablehnte. Die nötigen Entscheidungen sollten unter Anleitung durch die Bibel von der Gemeinde selbst (der Kongregation) oder den gewählten Kirchenältesten (den Presbytern) getroffen werden. Durch diese Form des Kirchenregiments unterschieden die dissenter sich am auffälligsten, und daher stammen auch ihre Namen. Als Puritaner wurden sie bezeichnet, weil sie nicht nur in der Frage der Gemeindeformen darauf aus waren, die Kirche von allem Unnötigen zu befreien. In der Sakramentenlehre erschien auch die englische Kirche noch zu römisch. Die Sakramente sollten nach John Knox reduziert werden auf Baptism and the holy supper of the Lord Jesus. Alles, was darüber hinaus ging, war idolatry, Götzendienst, und eine Erfindung von Menschen. Wie alle Reformer wollten die englischen dissenter die Kirche also nicht spalten, sondern erneuern. Sie legten sogar großen Wert auf die Einheit, denn ein Pluralismus von Konfessionen lag ebenso außerhalb ihrer Vorstellungen wie eine Trennung von Staat und Kirche, die sie als Zwillinge, als two twinnes, ansahen. So stritten die dissenter lange um die Frage, ob es möglich 25

Zöller, 1992.

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Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

sei, innerhalb der Kirche von England für die gewünschten Reformen einzutreten26. Die Verlockung der Neuen Welt bestand daher in der Hoffnung, der Alternative von kirchlicher Einheit und dogmatischer Reinheit entgehen zu können. Außerdem schien es möglich, unbelastet von historischen Vorgaben eine Gemeinde der gottesfürchtigen Gläubigen und gesetzesfürchtigen Bürger zu verwirklichen, in der Religion und Politik eine Einheit bildeten. John Winthrop, der Anführer der Pilgrims, die im Jahr 1630 mit der Arabella in der Nähe des späteren Boston landeten, war ebenso wie die anderen prominenten Puritaner Neuenglands kein Theologe. Er verstand sich jedoch auch als religiöser Führer dieser Auswanderergruppe und begann bereits auf dem Schiff mit jenen Ansprachen und Predigten, die später zum Teil veröffentlicht wurden. Immer wieder betonte er, wie nötig es sei, daß die Gemeinde einen engen Zusammenhang entwickle, um den Zweck der neuen Kolonie erfüllen zu können. Dieser bestehe darin, die eigene Lebensführung zu verbessern, um dem Herrn besser dienen zu können und sich selbst wie auch die Nachkommen vor der Verderbtheit der Welt zu bewahren (to improve our lives, to do more service to the Lord ... that ourselves and posterity may be better preserved from the common corruptions of this evil world). Freiheit konnte daher, wie Winthrop es formulierte, nur als die Erlaubnis verstanden werden, das zu tun, was gut, gerecht und ehrenhaft ist. Oder in den Worten von Nathaniel Ward : Gewissensfreiheit ist nichts anderes als Freiheit von Sünde und Irrtum. In Übereinstimmung mit dem Kirchenvater Augustinus, der bei den Puritanern auch sonst in Ehren stand, hielten sie die libertas errandi, die Nachsicht gegenüber Irrtümern, für eine kaum zu überschätzende Gefahr. Derjenige, der in Fragen der Religion Freiheit walten lasse, stelle auch die moralischen Verbindlichkeiten zur Diskussion, sagt Ward. Deshalb nimmt er es auch auf sich, der Welt im Namen Neuenglands zu erklären, daß die Anhänger verschiedenster Irrlehren die Freiheit besäßen, sich fernzuhalten oder sich je eher desto besser davonzuscheren 27. Ob nun in der lutherisch-kräftigen Sprache des Nathaniel Ward oder in der viel gesetzteren des Charles Winthrop, die Vorstellungen der Pilgrims qualifizieren sich kaum als die Quelle der amerikanischen Ideen, des American Creed, auch wenn Gunnar Myrdal und viele Schulbücher diesen Eindruck erwecken 28 .

26

27

28

Marty, 1984, 64. Winthrop und Ward in: Brown, 1983, 18 und 33. Myrda1, 1975.

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Die ungeplante Demokratisierung der Religion Das Denken der Puritaner beginnt mit der Betonung der Erbsünde und richtet sich antiindividualistisch gegen die Idee der Selbsterlösungsfähigkeit und Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen. Daraus folgt nicht nur der strenge "Kirchenzwang", der freilich als sehr unmittelbare soziale Kontrolle durch die Gemeinde und nicht von einer entfernteren, anstaltlieh geordneten Kirche ausgeübt wird. Die Gemeinde unterscheidet darüber hinaus auch ganz antiegalitär zwischen anerkannten Mitgliedern von erwiesener, religiöser und moralischer Qualifikation und sonstigen Personen von zweifelhafter Reputation. Die meist ungewollten, aber folgenreichen Auswirkungen dieses Systems ergaben sich alle aus dem Zwillingsverhältnis von Recht und Religion, das den Gründervätern so wichtig war. Diese Verbindung von Staat und Kirche war das unübersehbare Kennzeichen Neuenglands, und sie wurde für die radikalsten Orthodoxen, wie für Roger Williams, ebenso zum Problem wie für die wachsende Zahl der nicht religiös motivierten Zuwanderer. Während Roger Williams fand, daß die Kirche durch ihre Nähe zum Staat zu einem filthy dunghill und whorehouse pervertiert werde 29 , mußten andere lernen, daß das aktive und das passive Wahlrecht an die Mitgliedschaft in der Gemeinde der Heiligen gebunden war. Zusätzlich zu dieser aus England bekannten Praxis des Establishment wurden jedoch ab 1637 nicht nur diese Bürgerrechte, sondern alle bürgerlichen Rechte, beginnend mit der Einwanderung, von der Rechtgläubigkeit der Personen abhängig gemacht. Diese Verknüpfung von religiöser Qualifikation und rechtlichem Status rächte sich freilich darin, daß nun die Religion mehr und mehr für nichtreligiöse Zwecke in Anspruch genommen wurde. Die erhoffte Heiligung des Profanen bewirkte eher die Profanierung der Religion. Es war also nicht nur der Boden für eine politische Kultur bereitet, in der es sich empfahl, Interessen aller Art in religiöse Terminologie zu kleiden. Indem alle rechtlichen Grundlagen einer bürgerlichen Existenz von einer religiösen Qualifikation abhingen, die wiederum nur in der Zugehörigkeit zur Gemeinde der Heiligen sichtbar und wirksam werden konnte, geriet das elitäre religiöse Selbstverständnis der Gemeinde in Konflikt mit den bürgerlichen Ansprüchen derer, die vor der Tür gehalten wurden. Die Kompromisse begannen 1662 mit dem Halfway-Covenant, und dieses "Entgegenkommen auf halbem Wege" bestand in der Zulassung zu einem der beiden Sakramente, nämlich der Taufe. So wurden aus Bürgern zweiter Klasse wiederum nur Kirchenmitglieder zweiter Klasse, die nicht zum Abendmahl zugelassen waren und kein Stimmrecht besaßen. Diese 29

Marty, 1984, 78.

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Zwischenlösung stellte weder jene alten Mitglieder zufrieden, denen es darum ging, die Exklusivität der Gemeinde zu bewahren, noch die neuen, die auf volle Anerkennung bedacht waren, und so wurde der nächste Schritt nur umso unausweichlicher. Es war der berühmte Prediger Solomon Stoddard, der diesen Schritt tat, weshalb das Zugeständnis bis heute mit seinem Namen verbunden ist. Stoddardism bezeichnet die Auffassung, daß alle Getauften das Recht auf volle Mitgliedschaft haben. Der Begriff wurde wie üblich von den Gegnern dieser Praxis aufgebracht, aber der Name und die entsprechende Verfahrensweise setzten sich bis zur Jahrhundertwende allgemein durch. Diese Öffnung, die Zulassung immer weiterer Mitglieder, an deren Qualifikation keine besonderen Ansprüche mehr gestellt wurden, bewegte nun aber wieder andere dazu, sich in exklusiveren Gemeinden zusammenzuschließen. Dabei wird anband dieses Wechselspiels zwischen der Liberalisierung der etablierten Religion und der Protestreaktion gegen diese Liberalisierung bereits das Grundmuster jener immer weiteren Differenzierung der organisatorischen Gestalt des amerikanischen Protestantismus deutlich, die dessen weitere Geschichte bestimmt hat: Sobald die staatliche Privilegierung einzelner Religionen aufgegeben wird, sind der weiteren Vervielfältigung nur noch finanzielle Grenzen gesetzt. Tiefreichende Konflikte müssen daher nicht ausgekämpft werden, sondern können durch die Verselbständigung der Fraktionen, also durch Abspaltung der opponierenden Minderheit, "gelöst" werden- und so erhöht sich die Zahl der protestantischen Denominationen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf über 300. Die Puritaner provozierten jedenfalls jenen Pluralismus, den sie vermeiden wollten. Aber auch für andere, nachfolgende religiöse Bewegungen gilt, daß sie ganz unabhängig von ihren originären Zielen Wasser auf die gleiche Mühle geleitet haben. Die immer individuelleren und emotionaleren Formen der Religiosität einerseits und ihre flexible organisatorische Verfassung andererseits bedingten und verstärkten sich gegenseitig. Schon die umstrittene Öffnung der Congregational Churches von Neuengland zog einen neuen Stil der Verkündigung nach sich, der die Befürchtungen der Kritiker bestätigte. War es zuvor Sache des einzelnen, seine Erweckung, sein persönliches Bekehrungserlebnis, glaubhaft zu machen, weil seine Aufnahme davon abhing, so waren nun die fortschrittlichen Geistlichen in Beweisnot Nachdem sie die Kirchenbänke mit unbekehrten Sündern gefüllt hatten, mußten sie wenigstens nachträglich alles unternehmen, um aus den neuen Mitgliedern auch neue Menschen zu machen. Wieder soll es Stoddard gewesen sein, der seinen Amtsbrüdern den Weg wies, indem er versuchte, seine Gemeinde durch emotionale Predigten aufzurütteln. Vorherrschend wurde dieser Stil durch die beiden Erweckungsbewegungen des 18. und des 19. Jahrhunderts, besonders durch das Great

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Awakening, das zwischen 1730 und 1760 zwar alle Kolonien erfaßte, das sich aber nach zeitgenössischen Berichten bei den holländisch-deutschen Calvinisten der mittleren Atlantikregion und bei deren Glaubensverwandten in Neuengland wie eine Epidemie verbreitete.

Der Vergleich ist auch insofern angebracht, als über die Folgen weitgehende Einigkeit besteht, während es offenbar schwieriger ist, den Erreger und die Art der Übertragung genauer zu beschreiben. Daß die Erweckungsbewegungen, besonders das Erste Awakening, das auch als das "Große" bezeichnet wird, weit über die religionsgeschichtliche Bedeutung hinaus auf die amerikanische Kultur eingewirkt haben, ist seit den Büchern von Perry Miller30 und Edwin Scott Gaustad 31 unbestritten. Schwierigere und kaum eindeutig beantwortbare Fragen, die hier aber wenigstens erwähnt werden sollen, warf William G. McLoughlin auf. Während Gaustad nur das Great Awakening in Neuengland darstellte und Milleres in eine kultur- und mentalitätsgeschichtliche Schilderung des New England Mind einbezog, unterschied McLoughlin vier amerikanische Erweckungsbewegungen, die er in seinem Buch darstellte 32 . Dieses Buch hat daher auch Diskussionen ausgelöst, in denen alle jene Probleme auftauchten, die sich mit dem Begriff des Awakening oder der Erweckungsbewegung verbinden. Dazu gehören weniger grundsätzliche Fragen wie die, ob die Unterscheidung von vier Bewegungen im einzelnen überzeugt und ob die Zusammenhänge mit entsprechenden europäischen Entwicklungen berücksichtigt und richtig geschildert sind. Das Hauptproblem besteht jedoch in der Vergleichbarkeit der verschiedenen amerikanischen Vorgänge und in der eng damit verbundenen Annahme eines zyklischen Verlaufs der amerikanischen Religions- und Kulturgeschichte. Abgelehnt wird eine solche Interpretation, wie zu erwarten, von denen, die einen kontinuierlichen Prozeß gesellschaftlicher Modernisierung und damit einhergehend der Säkularisierung unterstellen. Dagegen hat Samuel P. Huntington33 sich offenbar von McLoughlin dazu animieren lassen, die politische Geschichte in ähnlicher Weise darzustellen. Sie erscheint bei ihm als eine Abfolge aufgeregter und beruhigter Zeiten, wobei die religiösen Erweckungsbewegungen jeweils den größeren politischen Umbrüchen vorausgehen und die neuen Konflikte in religiöser Terminologie vorwegnehmen. Trotz solcher Unklarheiten sind aber zwei allgemeine Feststellungen möglich: In dem Great Awakening setzt sich erstens ein neuer religiöser Stil durch, der in den vorherigen Konflikten freilich bereits erkennbar geworden war, und diese Veränderung führt zweitens zu einer Stärkung derjenigen "neuen" Kirchen, die diesen Stil propagieren. Als Vor30 31

32 33

Miller, 1956. Gaustad, 1957. Huntington, 1981. Hudson, 1981, 67.

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Iäufer dieser großen Erweckungsbewegung gilt der junge Prediger Theodor Frelinghuysen, der bereits in den 1720er Jahren bei den holländisch reformierten Gemeinden in New Jersey und New York großen Zulauf fand. Aber als Höhepunkt der Bewegung werden die Predigten genannt, die Jonathan Edwards, ein Enkel des Solomon Stoddard, ab 1734 in verschiedenen Städten Neuenglands hielt. Ab dem Ende dieses Jahrzehnts kam dann auch der englische Prediger George Whitefield dazu, der zum Vorbild vieler itinerant preachers wurde, weil er auf seinen weitläufigen Reisen überall große Menschenmengen anzog. Alle drei, auch der eher intellektuell orientierte Edwards, pflegten einen aufrüttelnden, emotionalen Stil und appellierten an eine individuelle, enthusiastische Religiosität, manchmal auch an pure Sentimentalität. Viele Gemeinden seien deshalb so tot, weil "tote Männer" ihnen predigten (dead men preach to them), befand Whitefield, dem es nicht an Selbstbewußtsein fehlte 34 . An die Stelle von Doktrin, kontrollierter Lebensführung und Gemeindedisziplin setzten diese Prediger die Echtheit und Spontaneität des subjektiven religiösen Erlebens, das sich der Beurteilung durch andere entzieht. Auf diese Weise war nicht nur faktisch der Status der Qualifiziertheit und Auserwähltheit auf alle protestantischen Amerikaner übergegangen, aus dem Halfway-Covenant wurde auch ein neuer umfassender Bund, dem Jonathan Edwards sogar einen Missionsauftrag zuschreibt, indem er Protestantismus und Amerika aufeinander bezieht. Sei das Christentum ursprünglich ein Geschenk Europas an die Neue Welt gewesen, so habe sich inzwischen das Verhältnis von Gebern und Empfängern umgekehrt. Dies entspreche auch der göttlichen Vorsehung, denn Amerika sei eben deshalb solange verborgen geblieben, damit der Protestantismus von hier aus den Kampf gegen die große christliche Irrlehre, den Katholizismus, führen könne 35 . Der neue religiöse Stil richtete sich also an die spirituellen und emotionalen Bedürfnisse des einzelnen. Gleichzeitig präsentierte er sich als selbstbewußter Ausdruck einer eigenständigen amerikanischen Kultur. Es ist daher nicht erstaunlich, daß die Resonanz im Norden zunächst deutlich stärker ausfiel. Die Kirche von England mißtraute emotionaler Verkündigung, und sie trug damit zur Verbreitung des Methodismus bei, der sich unter der Führung der Brüder John und Charles Wesley und des Wanderpredigers George Whitefield von ihr löste. Als Enthusiast durfte Whitefield in vielen englischen Kirchensprengeln nicht auftreten, womit er sozusagen auf das amerikanische Wirkungsfeld abgedrängt wurde. Doch auch dort verhielt die Kirche von England sich reserviert. Aus dem Süden kamen keine Einladungen, und außerdem fehlte das Publikum, das die Prediger im Norden vorfanden. Anders als in den südlichen Kolonien, in denen sich neben der Pflanzerari34

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Marty, 1984, 116. Hennesey, 1981 , 39.

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stokratie kaum selbständige Schichten entwickelt hatten, war im Norden innerhalb von hundert Jahren sowohl auf dem Lande wie in den zahlreichen kleinen Städten doch bereits eine vergleichsweise wohlhabende und selbstbewußte Mittelschicht entstanden. Deren religiöse Vorstellungen hatten sich in den langen Auseinandersetzungen um das calvinistische Prinzip der religiösen Qualifizierung gebildet, und diesem Prinzip gaben sie nun eine demokratisierte Wendung: Religion dient der individuellen Lebensbewältigung und ist, richtig dargeboten, auch jedermann zugänglich. Sie muß nur so organisiert werden, daß sie auf die grundsätzlich gleichartigen Bedürfnisse der Menschen antwortet, daß sie responsive wird. Mit diesem Religionsverständnis war der Weg zu einem Markt konkurrierender Denominationen geöffnet, in dem die verschiedenen Protestantismen gerade durch ihren Wettbewerb am Ende so ähnlich werden sollten wie die Predigten des Kongregationalisten Edwards und des Methodisten Whitefield. Vorerst waren diesem Wettbewerb Grenzen gesetzt. Grundsätzlich profitierten die Methodisten und die Baptisten von der Popularität des neuen Stils. Die Methodisten hatten sich im Zeichen dieser Erneuerung von der Kirche in England gelöst und schienen sie stärker als andere Gruppen zu repräsentieren. Die Baptisten hatten sich aber schon 1638 in Rhode Island niedergelassen, das sowohl in Boston als auch in Neuamsterdam als ein Zufluchtsort für Sektierer aller Art galt. Die amerikanische Form des Baptismus entstand erst, als lsaac Backus und seine Anhänger sich 1750 vom Kongregationalismus Neuenglands lösten. Im Gegensatz zu den Methodisten, die darin gewissermaßen noch anglikanisch waren, kannten die Baptisten keinen Bischof und auch sonst keine hierarchische Struktur über der Gemeinde, worin sie ebenfalls in ihrer Tradition, nämlich der der Congregational Church blieben. Sie konnten deshalb sehr schnell auf örtliche Gegebenheiten und neue Entwicklungen reagieren. Backus selbst wurde auch im wörtlichen Sinne zum Vorreiter eines neuen Typus von Predigern, des circuit rider, der auf seinem Pferd von einer Farm zur nächsten durch ein weites Gebiet immer wieder die Runde macht und der als Symbolfigur mit der Erschließung des Westens verbunden blieb. Bis dahin, also bis die Ausdehnung nach Westen mit aller Konsequenz begann und die Methodisten und Baptisten miteinander wetteiferten, konnten letztere nur jene Lücken nutzen, die das System der etablierten Gebietsmonopole ihnen ließ. Im Süden konnten sie gelegentlich die Kirche von England unterlaufen, was aus zwei Gründen zunehmend leichter wurde. Zum einen blieben die von der Nachfrage weitgehend unabhängigen, weil öffentlich finanzierten anglikanischen Geistlichen bei ihrer Ablehnung enthusiastischer Formen und ließen dadurch eine "Marktlücke" entstehen. Zum anderen fiel es aber auch zunehmend schwerer, das Monopol mit den

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Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

Zwangsmitteln des Staates durchzusetzen, und von Beginn der Revolution an stand es nur noch auf dem Papier. Dies galt freilich nur für die Kirche von England und sozusagen nur deshalb, weil sie die Kirche von England war. Das Prinzip der rechtlichen Privilegierung je einer Religion in je einem Staat hielt sich auch über die Revolution hinaus und blieb in einzelnen Staaten noch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein bestehen. Es ist, wie schon gesagt, zweifelhaft, ob England bei der Gründung der amerikanischen Kolonien religiöse Ziele verfolgte oder gar die von Richard Hakluyt geforderte Indianermission im Auge hatte. Die königliche Charta zur Gründung einer Kolonie gab den Inhabern eine sehr weitreichende Gestaltungsfreiheit, und dabei blieb es gewöhnlich, bis entweder in der Kolonie selbst Auseinandersetzungen entstanden und eine der Konfliktparteien in London Unterstützung suchte oder bis die Ergebnisse der englischen Wirren des 17. Jahrhunderts sich jeweils auch in den Kolonien bemerkbar machten. Grundsätzlich aber ist es berechtigt, den Begriff Charta als Freibrief zu übersetzen, und so boten die anglikanischen Kolonien, also Virginia, das noch ungeteilte Carolina, ab 1674 auch New York und schließlich ab 1702 ebenfalls Maryland, ein völlig anderes Bild als die Neuengland-Kolonien, in denen die Pilgrims mit äußerster Konsequenz darangingen, die Gesellschaft zu gestalten, um dann von den unvorhergesehenen Rückwirkungen überrollt zu werden. Die Kirche von England war rechtlich etabliert, doch wurde dieses Monopol so gehandhabt, wie es dieser in sich bereits recht vielfältigen Kirche entsprach. Sie ist als Staatskirche groß geworden und war keineswegs darauf vorbereitet, sich als Freikirche selbst um ihren Unterhalt zu sorgen. Ohnehin kein Sammelpunkt religiösen Eifers und missionarischen Tatendrangs neigte die anglikanische Kirche auch nicht dazu, die Neue Welt als eine von der Vorsehung eingeräumte Chance des Neubeginns zu betrachten und deshalb alle Energien daranzusetzen, um dieses christliche Experiment auch vor den Augen der Welt zu einem Erfolg zu führen. Aus der Sicht des anglikanischen Klerus war die Neue Welt eine vorerst recht wenig anziehende Fortsetzung der Alten. Zwar beschloß das Parlament Virginias schon 1619, daß die anglikanische Geistlichkeit aus dem Staatshaushalt zu entlohnen sei, doch die Klagen darüber, daß der Aufbau von Pfarreien nicht voran komme, wiederholen sich in vielen Berichten. Die Gläubigen wohnten weit zerstreut, und der Kirchenbau machte nur zaghafte Fortschritte, obwohl neben dem Baugrund auch noch kircheneigenes Ackerland zur Verfügung gestellt wurde, aus dessen Ertrag die Kirche unterhalten werden sollte. Geistliche waren schwer zu gewinnen, und trotz vieler Petitionen wurde kein eigenes amerikanisches Bistum eingerichtet, was bei einer so verfaßten Kirche als Entwicklungshindernis wirkte.

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Das "katholische" Maryland und seine kurze Geschichte

Während also die Puritaner Neuenglands ihr Monopol als einen Auftrag verstanden, nahm die Kirche von England das ihre als ein selbstverständliches Privileg in Anspruch. In dem "katholischen" Maryland dagegen kam es nie in Frage, den Katholizismus zur etablierten Religion zu machen. Selbst wenn die Krone bereit gewesen wäre, das Entstehen einer solchen Kolonie zu dulden, wäre daraus nicht viel geworden, weil die Katholiken auch in Maryland eine Minderheit darstellten, die an Duldung, nicht an Dominanz interessiert sein mußte. Sieht man genauer hin, so zeigt sich auch, daß es sich um eine Kolonie handelt, für die der Gründer nicht deshalb eine Charta erhielt, weil er katholisch war, sondern obwohl dies der Fall war. George Calvert hatte unter König Jacob als secretary of state gedient und genoß die Gunst des Königs. Ihm diese Gunst auch zu erweisen, wurde dem König freilich dadurch erschwert, daß Calvert zum katholischen Glauben konvertierte. Der Umweg bestand darin, daß er die Baronie von Baltimore in Südwestirland erhielt und auf diese Weise als Lord Baitimore zu den irischen Peers des Königreichs gehörte. Lord Baltimore, der sich zuvor schon mit Erfolg an überseeischen Unternehmungen beteiligt hatte, bat um einen Freibrief zur Gründung einer amerikanischen Kolonie und erhielt schließlich ein Gebiet zur Besiedelung und Entwicklung zugesprochen. Der Name Maryland sollte an die Königin Henrietta Maria erinnern. Der Inhaber der Vollmacht starb freilich, bevor der Verwaltungsvorgang abgeschlossen war, und so wurde die Urkunde schließlich auf seinen Sohn Cäcilius, den zweiten Lord Baltimore, ausgestellt. Dieser ermahnte 1634 die Katholiken, die mit den ersten Schiffen nach Maryland segeln sollten, ihre Religion in möglichster Privatheit zu praktizieren und alles Ostentative zu vermeiden 36. Mit den beiden Schiffen, der Ark und der Dove, kamen nach einigen Wochen 320 Personen in Amerika an, obwohl die englische Hafenbehörde eine wesentlich geringere Zahl festgehalten hatte. Martin Marty, der dies berichtet, gibt auch eine einleuchtende Erklärung: Die Behörden hatten nicht nur Angaben über Passagiere und Fracht festzuhalten, sondern nahmen den englischen Bürgern, die in die Kolonien ausreisten, auch einen Treueid ab, der eine ausdrückliche Verurteilung des Papstes und des katholischen Glaubens enthielt. Entweder war also der betreffende Inspektor bestochen worden, oder die Katholiken gingen erst an Bord, nachdem er seines Amtes gewaltet hatte 37 • Zusammen mit den Siedlern reisten auf den beiden Schiffen Leonard Calvert, der jüngere Bruder des zweiten Lord Baltimore, als dessen Vertreter 36

37

Marty, 1984, 83. Hennesey, 1981, 41.

3 Zöller

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Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

in Maryland, und drei Jesuiten, Pater Andrew White, Pater John Althorn und Bruder Thomas Gervase. Maryland entwickelte, ähnlich wie es in Virginia der Fall war, ein Plantagensystem, in dem fast ausschließlich Tabak angebaut wurde. Die Pflanzer hatten den Calverts Abgaben zu leisten, und diese teilten die Macht mit ihnen, indem nach dem Muster Virginias ein Landtag (Maryland Assembly) eingerichtet wurde. Diese gesetzgebende Versammlung erklärte 1639, in dieser Provinz sollten Kirchen (im Plural) alle ihre Rechte und Freiheiten genießen38 . Doch diese aus klugem Realismus entstandene Toleranz war nicht lange aufrechtzuerhalten, weil die Calverts und ihre Politik mit dem Beginn des englischen Bürgerkrieges immer mehr in Bedrängnis gerieten. In der Kolonie selbst wuchs durch Zuwanderung die Stärke der Puritaner, die zudem Unterstützung aus Virginia erhielten. Dort hatte William Claibome als Anführer der Puritaner auch die politische Macht unter seine Kontrolle gebracht. Er führte 1645 persönlich eine Invasion Marylands an, und die von ihm befehligte Miliz Virginias verbannte die Jesuiten, konfiszierte das Vermögen der Katholiken und hielt das Land für zwei Jahre besetzt, bis Calvert seinerseits eine Truppe aufgestellt hatte und die Eindringlinge wieder vertrieb39. Die wiedereingerichtete Legislative verabschiedete dann 1649 den Act Concerning Religion, der als Toleranzakte von Maryland bekannt wurde. Dieser Ruf hält jedoch der genaueren Betrachtung nicht stand, denn die Bestimmungen gehen deutlich hinter die Gesetze von 1639 zurück. Es handelt sich um einen Kompromiß zwischen der katholischen Minderheit und den inzwischen politisierten Puritanern. Die Toleranzformel erhielt die Fassung, niemand, der seinen Glauben an Jesus Christus bekenne, solle wegen seiner Religion belästigt werden. Nach dem Vorbild der ein Jahr zuvor in England verabschiedeten Gesetze wurden Gotteslästerung und Irrglauben unter drastische Strafen, wie Auspeitschung oder Gefängnis, gestellt. Tatsächlich kam es 1658 zu einem Prozeß gegen einen jüdischen Arzt, der von einem Quäker beschuldigt worden war, noch auf den Messias zu warten. Ob er dazu in Maryland berechtigt sei oder nicht, wollte das Gericht am Ende nicht entscheiden, weshalb der Prozeß eingestellt wurde40 . Jedenfalls markiert die sogenannte Toleranzakte weniger den Höhepunkt einer Religionsfreiheit, durch die Maryland sich von anderen Kolonien unterschied, als den Anfang vom Ende einer kurzlebigen Sondersituation. Der englische Bürgerkrieg und dann besonders die Glorious Revolution von 1688 lösten eine erste Welle antikatholischer Propaganda aus, und schon im kolonialen Amerika war dies die eindeutigste und leicht popularisierbare Gemeinsamkeit eines Pro38 39

40

Cogley, 1986, 14. Hennesey, 1981, 42. Hertling, 1954, 41.

3. England unter veränderten Vorzeichen: Kolonien an der Atlantikküste

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testantismus, dessen Vielfalt sich ansonsten in den Kolonien ungehindert entfaltete. Für die Protestanten des 17. Jahrhunderts und darüber hinaus war der Katholizismus die Korrumpierung der christlichen Botschaft schlechthin. Diese Beurteilung beruhte vor allem bei den englischen Protestanten weniger auf der reformatorischen Theologie als auf der wachgehaltenen Erinnerung an die Herrschaft von Queen Mary. Besonders die Toten von Smithfield, die 300 Protestanten, die in den Jahren nach 1555 verbrannt wurden, verwiesen auf den gemeinsamen Feind, der die Vorfahren zu Märtyrern gemacht hatte. Deshalb war es wichtig, das Andenken an die protestantischen Märtyrer zu pflegen und vor den anhaltenden Machenschaften des Papstes, der Jesuiten und der katholischen Mächte, Spanien und Frankreich, auf der Hut zu sein. Besonders John Foxe hielt mit seinem Buch Actes and Monuments die Erinnerung wach. Dieses ab 1563 mehrfach neu aufgelegte Buch, das gemeinhin als das Buch der Märtyrer bekannt war, scheint besonders in Neuengland kaum weniger verbreitet gewesen zu sein als die Bibel. Einer Fülle anderer Literatur fiel dann besonders im 19. Jahrhundert die Aufgabe zu, die Fortdauer einer katholischen Bedrohung glaubhaft zu machen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dagegen reichte das Echo der englischen Ereignisse aus, um in den Kolonien der Atlantikküste einen antikatholischen Eifer zu erzeugen, der in einem merkwürdigen Gegensatz zu den Zahlen steht. Selbst in Maryland und Pennsylvania, den beiden Kolonien mit nennenswerter katholischer Bevölkerung, blieb der Anteil der Katholiken im 17. und 18. Jahrhundert immer unter 10 Prozent, und 1790 ergab die erste Volkszäh1ung in den Vereinigten Staaten 35 000 Katholiken bei einer Gesamtbevölkerung von nahezu 4 Millionen, also einen Anteil von weniger als einem Prozent41 . Dennoch übertrug die englische Furcht vor katholischen Komplotten und Machenschaften des Papstes sich ebenso auf die Kolonien, wie auch die englischen Begriffe übernommen wurden. Katholiken waren recusants oder popish recusants, Personen die nicht mit der Kirche von England konform gingen. Diesen popish recusants war in Virginia schon 1641 die Wahrnehmung aller öffentlichen Ämter untersagt worden, und auch popish priests durften sich nicht länger als fünf Tage in der Kolonie aufhalten. New York, das erst später zur britischen Kolonie wurde, erließ im Jahre 1700 ein entsprechendes Gesetz, das nun nach der Glorious Revolution in Ton und Inhalt eine deutliche Verschärfung erkennen läßt. Schon der Begriff popish priests erhält die einzig denkbare Steigerung, indem von Jesuiten und anderen popish priests die Rede ist. Diese oder sonstige vom Papst eingesetzte 41

3*

Gaustad, 1982, Bd. 1, 96 und 148.

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Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

Personen, die sich durch Predigt, Lehre oder Ausführung römischer ceremonies and rites als solche zu erkennen gäben, sollten als Störer des öffentlichen Friedens und der Sicherheit zur Rechenschaft gezogen und zu lebenslanger Haft verurteilt werden, bzw. im Falle ihrer Flucht und Wiederergreifung mit dem Tode bestraft werden. Wer jedoch einem Jesuiten oder sonst einer ecclesiastical person of the romish clergy Unterschlupf gewähre, solle mit einer Geldstrafe von 200 Pfund belegt werden, von der der Informant die Hälfte erhalte42. Nach 1688 waren in Maryland auch die Kompromißformeln der sogenannten Toleranzakte von 1649 nicht mehr zu halten. Anti-katholische Agitatoren in Virginia und Maryland gründeten die sogenannte Protestant Association (Association in Arms for the Defense of the Protestant Religion and Assisting the Rights of King William and Queen Mary). Daß es sich um eine association in arms handelte, wurde im Jahr darauf unter Beweis gestellt, als dieser Verteidigungsverein Maryland besetzte. Die Charta der Calverts wurde von King William aufgehoben. Die Kolonie erhielt den Status einer königlichen Provinz, womit sie direkt der Krone unterstellt war, und die Kirche von England wurde 1712 auch in Maryland etabliert. Den vom öffentlichen Leben ausgeschlossenen Katholiken Marylands blieb ein möglichst unauffälliges Praktizieren ihrer Religion, z.B. durch Eucharastiefeiem in Privathäusem, und die Konzentration auf ihre wirtschaftliche Betätigung. Einige von ihnen waren darin so erfolgreich, daß sie den Agitatoren erneut Anlaß zur Verfolgung boten. Tatsächlich hat die noch von den Calverts bestimmte Zuteilung von Land den Grundstein für Reichtum und Einfluß mancher Familien von Pflanzeraristokraten gelegt, doch für die Familie der Carrolls, deren amerikanische Urahnen erst 1688 in Maryland eintrafen, gilt diese Erklärung schon nicht mehr. Der dritte in der Generationenreihe, Charles Carroll of Carrollton, wie er sich selbstbewußt nannte, galt bereits als der reichste Mann Amerikas und wurde von seinen Glaubensbrüdern wie auch von den Behörden ganz selbstverständlich als der Sprecher der Katholiken in Maryland angesehen. Ob sein Reichtum nun richtig eingeschätzt wurde oder nicht, er war jedenfalls von Änderungen des Steuerrechts stärker betroffen als andere, und daher soll er mit der Absicht gespielt haben, den Familiensitz nach Louisiana zu verlegen, als die Schikanen gegen die Katholiken noch durch ein weiteres Drehen an der Steuerschraube gesteigert wurden. Die popish recusants, die ohnehin schon wie auch protestantische dissenter Abgaben für die Kirche von England zu leisten hatten, sollten nach einem Gesetz von 1757 in Maryland auch noch durch einen verdoppelten Steuersatz verschreckt werden. Die Carrolls blieben in Maryland, statt sich in Louisiana zu den vertriebenen Acadiem zu gesellen. Zum einen hätten sie beim Verkauf ihres Ver42

Ellis, 1967, Bd. 1, 137.

3. England unter veränderten Vorzeichen: Kolonien an der Atlantikküste

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mögens wohl erhebliche Verluste erlitten, zum anderen begann das Blatt sich zu wenden. Daß nun ein sehr viel toleranteres Klima entstand, ging freilich nicht auf einen Meinungsumschwung zurück, sondern auf eine veränderte Interessenkonstellation. Bislang hatten England und Frankreich um den Nordosten Amerikas konkurriert. Nun aber kämpften England und amerikanische Revolutionäre um die Loyalität der Amerikaner. Von dieser neuen Konstellation profitierten die Katholiken in Quebec ebenso wie in Pennsylvania oder Maryland, und dabei wurden zwei Carrolls der vierten Generation prominent. Es handelt sich um Charles, den Sohn des Charles Carroll von Carrollton, und um seinen Cousin John Carroll. Beide gehörten in den 1740er Jahren zu den ersten Schülern von Bohemia Manor, einem Jesuiteninternat der Chesapeake Bay, und beide wurden anschließend nach Europa geschickt, um in Flandem ein Jesuitenkolleg (St. Omer) zu besuchen. John blieb auch anschließend in Europa, trat dem Jesuitenorden bei, wurde zum Priester geweiht und kehrte 1773 nach Maryland zurück, als der aus dem Franziskanerorden kommende Papst Clemens XIV. den Jesuitenorden aufgelöst hatte. Charles Carroll dagegen war bereits 1665 zurück und löste seinen Vater in der Führung der Geschäfte wie auch als inoffizieller Sprecher der Katholiken ab. Ein öffentliches Amt war für Katholiken immer noch nicht zugänglich, aber Charles machte sich einen Namen, indem er sich in Blättern wie der Maryland Gazette zur Wort meldete. Zusehends gerieten nun die Bestimmungen ins Wanken, die einer politischen Betätigung der Katholiken entgegenstanden. Außerdem bildeten sich nun neben den offiziellen Ämtern die revolutionärpatriotischen Komitees, die zu einer inoffiziellen, aber öffentlichkeitswirksamen Grauzone politischer Einflußnahme wurden. 1774 trat der erste, allerdings kurzlebige Kontinentalkongreß der Kolonien zusammen, und in den beiden folgenden Jahren fielen in denjenigen britischen Kolonien Amerikas, in denen es nennenswerte katholische Minderheiten gab, die entsprechenden Beschränkungen. Das begann in dem 1763 an England gefallenen Kanada mit dem bereits erwähnten Quebec Act von 1774, und 1776 fanden sich auch Virginia, Pennsylvania und Maryland zur Korrektur ihrer Gesetze bereit. Virginia setzte eine Bill of Rights in Kraft, die das Prinzip der Religionsfreiheit proklamierte. In der Declaration of Rights, die ein Vierteljahr danach in Pennsylvania verabschiedet wurde, war die Gewissensfreiheit als Grund dafür genannt, daß niemand gezwungen werden dürfe, in irgendeiner Weise zur Aufrechterhaltung einer Kirche gegen seinen freien Willen beizutragen, und daß niemand, der die Existenz Gottes anerkenne, wegen seiner Religion eines Bürgerrechtes beraubt werden dürfe43 . 43

Cogley, 1986, 19.

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Kap. 1: Europäische Vorposten im Amerika der Kolonialzeit

Charles Carroll machte sich die neuen Strukturen zunutze. Er beteiligte sich in Maryland an verschiedenen Komitees und wurde 1776 in den zweiten Kontinentalkongreß der dreizehn Kolonien entsandt, so daß er zu den 56 Unterzeichnern der Declaration of lndependence gehört. Es lohnt sich, die konfessionelle Zusammensetzung dieser Gruppe festzuhalten, denn sie spiegelt zum letzten Mal die religiöse Situation des kolonialen Amerika, die sich sehr bald deutlich verändern sollte. Nach Angaben, die sich bei John Cogley finden, gehörte gut die Hälfte der Unterzeichner, nämlich 29 von ihnen, der Kirche von England an. Weitere 23, also nur etwas weniger als die Hälfte, waren Mitglieder der verschiedenen, in Neuengland dominierenden Varianten des Kongregationalismus. Die restlichen vier Unterschriften stammten von je einem Baptisten und Quäker, von Benjamin Franklin, der sich als Deist einstufte, und von dem Katholiken Charles Carroll44• John Carroll, der seit seiner Rückkehr in Maryland lebte und dort als Seelsorger tätig war, wurde 1776 ebenfalls in die revolutionäre Politik hineingezogen. Es handelte sich dabei um eine Episode, in der deutlich wird, wie umworben die Katholiken sich plötzlich fühlen durften und welche Probleme die Außenpolitik der amerikanischen Republik von den ersten Gehversuchen an damit hatte, sich zwischen den Prinzipien der eigenen Moral und den Realitäten der Machtkonstellation zu bewegen. Die amerikanischen Revolutionäre hofften, Kanada als die vierzehnte Rebellenprovinz auf ihre Seite zu ziehen. Dieses Unternehmen stand schon zur Zeit des ersten Kontinentalkongresses von 1774 unter ungünstigen Vorzeichen. Einerseits hatte dieser Kongreß das englische Parlament dafür kritisiert, durch den Quebec Act in dem "weitläufigen Land, das jetzt Kanada genannt" werde, die katholische Religion etabliert zu haben, was für "die protestantische Religion, die Bürgerrechte und die Freiheiten aller Amerikaner im höchsten Maße gefährlich" sei. Andererseits richtete er bald die Botschaft an die Bewohner Quebecs, sie sollten sich über Kleinigkeiten, wie religiöse Unterschiede, hinwegsetzen und sich zu einer herzlichen Freundschaft mit den amerikanischen Aufständischen entschließen. Daran sollten sie sich nicht durch Dankbarkeit für den Quebec Act hindem lassen; denn Religionsfreiheit und Freiheit des Gewissens seien schließlich von Gott gegeben und kein Geschenk des englischen Parlaments. Die Gegner der Revolution versäumten nicht, auf die Widersprüche zwischen den verschiedenen Beschlüssen des Rebellenparlaments hinzuweisen und erinnerten auch daran, daß es sich bei den meisten Mitgliedern nicht eben um alte Anhänger der Religionsfreiheit handelte. Hinzu kam, daß amerikanische Truppen im folgenden Jahr in Kanada einfielen. Montreal kapitulierte, aber Quebec widerstand der Belagerung, so daß die amerikani44

Hennesey, 1981, 57 und 64 ff.

3. England unter veränderten Vorzeichen: Kolonien an der Atlantikküste

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sehen Truppen sich im Sommer 1776 nach etwa einem Jahr wieder zurückzogen. Noch vor diesem Rückzug schickte der zweite Kontinentalkongreß drei seiner Mitglieder, nämlich Charles Carroll, Samuel Case und Benjamin Franklin, auf eine diplomatische Mission nach Kanada. Wohl um den Quebequois zu zeigen, daß die Katholiken der dreizehn Kolonien mit der Revolution keine Schwierigkeiten hatten, wurde John Carroll gebeten, die Gruppe zu begleiten. Doch das ganze Unternehmen erwies sich als so vergeblich, wie es zu erwarten war, und Carroll nutzte die Gelegenheit, mit dem erkrankten Benjamin Franklin vorzeitig zurückzukehren. Als der Vatikan bald darauf wegen der Ernennung des ersten Bischofs in der amerikanischen Republik Kontakt zu deren Regierung suchte, war es Benjamin Franklin, der damalige Botschafter der Vereinigten Staaten in Paris, der in diese Sondierungen eingeschaltet wurde. Er stellte sich eindeutig hinter Carroll, der von einem Priesterrat als Kandidat benannt worden war.

Kapitel II

Selbstbehauptung in der Neuen Welt (1789 - 1865)

Die amerikanische Revolution konnte die religiösen Gegensätze nur unvollkommen und deshalb nur vorübergehend überbrücken. Sie veränderte aber sowohl das Erscheinungsbild der Religionen als auch deren öffentliche Funktion, indem sie zu einer neuartigen Politisierung der Religion führte und auch das relative Gewicht der verschiedenen Religionen in Amerika deutlich veränderte. Daß die Revolution sich im Laufe der 1770er Jahre von den Kanzeln herab ankündigte, ist in verschiedenen Darstellungen herausgearbeitet worden. Dabei spielt Neuengland schon deshalb eine besondere Rolle, weil es dort seit John Winthrops Zeiten üblich war, die Predigten auszuarbeiten und sie, wenn möglich, auch zum Druck zu geben. Schriftlichkeit mag zu einer verzerrten Widerspiegelung der Verhältnisse führen: Ebenso wie uns die ausgiebig dokumentierte Missionstätigkeit der Jesuiten leichter zugänglich ist als die anderer Orden, kennen wir zahlreiche Predigten, die in den Kirchen Neuenglands gehalten wurden. Wir sind aber nicht in der Lage, sie mit anglikanischen Predigten aus Virginia zu vergleichen. 1. Revolution und Religion

So hat Donald Weber in seinem Buch Rhetoric and History für die Zeit unmittelbar vor der Revolution die Predigten mehrerer Geistlicher Neuenglands untersucht. Ebenso wie andere Autoren konnte Weber zeigen, daß die Prediger in den 70er Jahren einen großen Beitrag dazu leisteten, den naturrechtlichen Freiheitsbegriff des John Locke und die entsprechende Vorstellung eines Widerstandsrechtes zu popularisieren 1• Ein besonders bekanntes Beispiel dieser Art ist die Gration on the Beauries of Liberty, die John Allen 1772 in Bostons Second Baptist Church gehalten hat. Freiheit sei das Geburtsrecht (native right) der Amerikaner und das von ihren Vorvätern mit Blut erkaufte Eigentum. Der Versuch, die Amerikaner zu unterdrücken, sei ebenso sehr gegen das Gesetz der Natur gerichtet, als wolle man der Welt das Licht der Sonne vorenthalten 2 • 1

2

Weber, 1988. Gaustad, 1982, Bd. I, 251.

I. Revolution und Religion

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Das Verlangen nach politischer Unabhängigkeit und die Freiheitsrhetorik fanden bei den Baptisten besonders großen Anklang, denn diese politischen Forderungen erschienen als plausible Fortsetzungen ihres eigenen Kampfes um kirchliche Unabhängigkeit. Isaac Backus hatte schließlich seinen Widerstand gegen die etablierte Kirche der Kongregationalisten mit der Frage begonnen, warum diese für sich selbst gegenüber der Kirche von England eine Freiheit beanspruchten, die sie ihrerseits anderen verweigerten. Deshalb ist es richtig, die Rolle der Baptisten und der republikanischen Predigten der Revolutionszeit hervorzuheben, doch die Geschichte der Baptisten enthält zugleich auch den Hinweis darauf, daß diese Interpretation des Römerbriefes schon seit langem vorbereitet war. Ebenso wie später der König zum Inbegriff der Unterdrückung und der Willkürherrschaft wurde, so erschien schon in den Jahrzehnten zuvor ein möglicher Bischof der Kirche von England als Symbol für eine Bedrohung der religiösen Freiheit sowie als verlängerter Arm der englischen Krone und damit als eine Gefahr auch für die bürgerlichen Freiheiten. Als Beispiel kann Jonathan Mayhew dienen, der in den 50er Jahren einer der bekanntesten Prediger und Publizisten Bostons war. Schon er führte, wenn auch sehr viel vorsichtiger und akademischer als der Baptistenprediger Allen, ein naturrechtlich begründetes Recht zum Widerstand in seine Predigten und Traktate ein. So veröffentlichte er 1750 einen Discourse Concerning Unlimited Submission and Non-Resistance to the Higher Powers, indem er betonte, die Herrscher hätten von Gott keine Autorität erhalten, Unrecht zu tun, und daher müsse man deren Anordnungen mißachten, sofern diese der Vernunft und der Religion widersprächen. Es ist daher nicht erstaunlich, daß Mayhews Schriften bei John Adams und Thomas Jefferson hoch im Kurs standen. Bekannt wurde er jedoch dadurch, daß er in Boston eine langanhaltende Kontroverse um die drohende Gefahr einer Bischofsernennung auslöste. Die Tatsache, daß ein anglikanischer Geistlicher aus England kam und mit dem Bau eines Hauses begann, das angeblich auch einem Bischof als Residenz hätte dienen können, genügte Mayhew, um eine Kampagne zu starten. Die sogenannte Bischofsfrage hatte nichts mehr mit den pragmatischen innerkirchlichen Überlegungen der Anglikaner zu tun. Gegen Bischöfe zu sein, wurde, wie Gaustad schreibt, zu einem Ausweis von Patriotismus3 , und umgekehrt reduzierte sich das Verlangen nach einem Bischof für manche zu einer Gelegenheit, ihre Loyalität zu demonstrieren. Vor der Revolution wurde jedenfalls kein Bischof mehr ernannt - weder von der anglikanischen oder methodistischen Kirche noch von Rom.

3

Gau stad, 1982, Bd. I, 246.

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Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

Freiwilligkeit und Konkurrenz: Die religiöse Landschaft nach der Revolution Schließlich hat die Revolution auch die relative Stärke der Religionen wesentlich beeinflußt. Gestärkt gingen aus dem Unabhängigkeitskrieg die Befürworter der Revolution hervor. Das gilt besonders für die Baptisten, aber auch für deren religionsgeschichtliche Verwandtschaft, die Congregational Churches. Hart getroffen wurden pazifistisch orientierte Religionsgemeinschaften, wie die Mennoniten und die Quäker. Den empfindlichsten Verlust an Mitgliedern und Ansehen mußten aber die Anglikaner hinnehmen, die "auf der falschen Seite" gestanden hatten. Vor und nach der Revolution herrschte ein hysterisches Klima, das bereits in den Aufregungen über angebliche Komplotte, wie die Einsetzung eines anglikanischen Bischofs, zu erkennen war, und die Behandlung tatsächlicher oder vermeintlicher Loyalisten gehört nicht zu den Ruhmesblättern der Revolution. Die Patrioten hätten sich für die Maxime entschieden "wer nicht für mich ist, ist gegen mich", schreibt Charles Inglis von der Trinity Church in New York City im Oktober 1776 an die Society for the Propagation of the Gospel, die anglikanische Missionsgesellschaft. Selbsternannte Komitees hätten Geistliche wegen angeblicher Verschwörung verhaftet, manche Geistliche seien vom Lesepult oder von der Kanzel weggezerrt worden, und wieder andere hätten mitansehen müssen, daß unter dem Vorwand einer Hausdurchsuchung ihr Haus geplündert wurde4 . Das Ende der Kirche von England in Amerika wurde durch die Gründung einer amerikanischen Nachfolgerio besiegelt. Im Mai 1785 versammelte sich der anglikanische Klerus von Virginia und konstituierte sich als Protestant Episcopal Church of the United States of America, betonte also die protestantische und amerikanische Identität der Kirche. Es blieb die kaum lösbare Frage, wie die einstmals privilegierte Kirche rechtlich zu behandeln sei, denn vermutlich wegen der rechtlich privilegierten Stellung der Kirche von England hielt die englische Rechtstradition zwischen der etablierten Kirche einerseits und dem Verein als einem Personenverband andererseits keine andere Rechtsform bereit. Konstrukte wie die juristische Person oder die rechtsfähige Körperschaft waren im englischen Recht damals noch unbekannt. Als Hilfskonstruktion konnte die sogenannte Inkorporierung dienen, die mit der Eintragung in ein Vereinsregister vergleichbar war. Auf diese Weise entstand eine Rechtsfähigkeit, die zum Beispiel die Frage der Rechtsnachfolge im Hinblick auf den Kirchenbesitz zu lösen schien. Der Staat Virginia inkorporierte jedenfalls die neue Episcopal Church und sprach ihr den Besitz der anglikanischen Kirche zu. Spätere Auseinandersetzungen, besonders in der katholischen Kirche, zeigten, daß 4

Gaustad, 1982, Bd. 1, 243.

1. Revolution und Religion

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keineswegs geklärt war, ob durch solche Inkorporierung die einzelne Kirchengemeinde, die Kirche als ganzes oder bestimmte Personen rechtsfähig geworden waren. Die dissenter nahmen sowohl Anstoß an der Inkorporierung als solcher wie auch an der Regelung der Vermögensfragen; denn das Gesetz Gottes und nicht das des Staates konstituiere eine Kirche, betonten die Baptisten. Dabei ging es um die sogenannten glebe Lands oder glebes, d.h. um ein größeres Stück Land, das die jeweilige Kirchengemeinde zusätzlich zu dem relativ kleinen Grundstück für Kirche, Pfarrhaus und Friedhof erhalten hatte und das sie selbst bewirtschaften oder verpachten konnte, um aus dem Ertrag die Unkosten der Pfarrei zu bestreiten. Diese Grundstücke, die aus dem Gemeindeeigentum stammten, "einer einzelnen Sekte" zu überlassen (so mußte die ehemalige Kirche von England sich jetzt nennen lassen), sei ein "zu auffälliges Stück Ungerechtigkeit, um unbemerkt durchzugehen oder in einem freien Land weiterhin geduldet werden zu können", schrieben Virginias Presbyterianer5 . Disestablishment

Solche Versuche, noch zu retten, was zu retten war, änderten nichts daran, daß wegen der geschwächten Stellung der Anglikaner das Rechtsinstitut der staatlich privilegierten Kirche 1785 zuerst in Virginia abgeschafft wurde. Der erste Zusatz zur Bundesverfassung, der dem Kongreß untersagte, eine Religion zu etablieren, folgte erst 1791, und einzelne Staaten ließen sich damit sehr viel Zeit. In Neuengland verstand man das disestablishment offenbar nicht als eine Konsequenz der Religionsfreiheit, sondern als die gerechte Strafe dafür, daß die Kirche von England es an amerikanischem Patriotismus hatte fehlen lassen. Die Congregational Church hielt sich in Connecticut bis 1818 als etablierte Kirche und in Massachusetts gar bis 1833. Und selbst dort, wo Freiwilligkeit und Konkurrenz nun offiziell als die Organisationsprinzipien der Religion anerkannt waren, gab es noch diskriminierende Gesetze, die einigen der Konkurrenten den Zutritt zum Markt verweigerten. Weiterhin galten Gesetze, die Juden unausdrücklich -dadurch, daß alle entsprechenden Rechte Christen zugesprochen wurden - und Katholiken ausdrücklich von öffentlichen Ämtern ausschlossen. Solche Anti-PoperyBestimmungen waren in New Hampshire noch bis 1877 in Kraft. Die Revolution hat eine neue Art von Öffentlichkeit erzeugt und dadurch das geistige Zentrum zunächst einmal von Neuengland nach Virginia verschoben. Vom Beginn der Kolonisierung bis zu den Anfängen der revolutionären Unruhe spielten die intellektuellen Auseinandersetzungen sich in Boston und dessen Umgebung ab. Sie drehten sich im weitesten Sinne um 5

Gaustad, 1982, Bd. 1, 270ff.

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Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

Religion, und geführt wurden diese Diskussionen von den in Harvard ausgebildeten Geistlichen der etablierten Kongregationalisten und deren betont unakademischen Kritikern, den populistischen Baptistenpredigern. Religion, Zivilreligion und Republik: Die Verfassungsdiskussion Nun aber bot Neuengland das Bild einer geschlossenen Gesellschaft, in der die etablierten Kirchen der Puritaner an ihrem Besitzstand festhielten, in der eine geistige Auseinandersetzung aber nicht stattfand. Virginia dagegen schien wie aus einer Betäubung erwacht, und die Mitte der neuen Republik lag - nicht nur geographisch - irgendwo zwischen Philadelphia und Virginia. Von der Einberufung des ersten Kontinentalkongresses 1774 bis zur Verabschiedung der Verfassungszusätze von 1791 entstand eine lange Phase der Verfassungsdiskussion, in der die Verhältnisse fließend und gestaltbar erschienen. Jedenfalls ging es stets um Politik im weitesten Sinne, und ganz anders als in Neuengland stand auch eine historisch und literarisch gebildete, europäisch beeinflußte Elite bereit, den eben erst entstandenen Raum auszufüllen. Dieser Spielraum, den die neue Elite nun zu ihrer eigenen Bühne, nämlich zu der moralisch-politischen Öffentlichkeit ausbaute, konnte in der Mitte der Republik aus zwei Gründen noch besonders leicht erweitert werden. Einmal gab es keine kulturelle und politische Gegenmacht und auch keine Gegenelite, da die anglikanische Kirche und ihr Klerus jedenfalls jetzt diese Rolle nicht mehr spielen konnten. Zum anderen hatten sich die Betätigungschancen der neuen politischen Klasse durch die Vermehrung der Institutionen und durch deren räumliche Konzentration vervielfacht. Der gleiche relativ kleine Personenkreis bestritt die Verfassungsdiskussion in den Staaten Virginia, Maryland und Pennsylvania, aber auch auf Bundesebene; er besetzte die Ämter der neuen Bundesregierung sowie der Einzelstaaten und stellte die Mitglieder der Parlamente. Wie Neuengland für mindestens ein Jahrhundert als religiöses und kulturelles Labor Amerikas diente, was zu ebenso ungeplanten wie ungewollten Ergebnissen führte, so bildete nun Virginia in der Umbruchszeit der 1770er und 1780er Jahre das geistige und politische Zentrum, und in der General Assembly of Virginia wurde vorformuliert und vorentschieden, was der Rest des Landes in den kommenden Jahrzehnten nachvollzog. In den Diskussionen der Virginia Assembly tauchten aber auch intellektuelle Kontroversen auf, die durch gesetzgebensehe Entscheidungen nicht zu erledigen sind, sondern immer wieder neu entstehen. So ging dem disestablishment von 1785 eine grundsätzliche Debatte voraus, in der bereits die künftigen Auseinandersetzungen über das Verhältnis von Religion und Politik und über

I. Revolution und Religion

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den verfassungsrechtlichen Status von Religion erkennbar wurden. Wäre es nur um die Alternative establishment oder disestablishment gegangen, also um die Frage, ob es zulässig sei, eine einzelne Religionsgemeinschaft staatlich zu privilegieren, so hätte tatsächlich keine Diskussion mehr entstehen können, da niemand ein establishment in diesem Sinne noch länger verteidigen konnte. Allenfalls hätte es Auseinandersetzungen um die Modalitäten des disestablishment geben können, also Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise der Nachfolgeregelungen, wie sie als Reaktion auf die relativ großzügige Behandlung der episcopalians ja auch entstanden. So einfach lagen jedoch die Dinge nicht, denn diejenigen, die in den Debatten der Virginia Assembly und später in den Geschichtsbüchern allzu verkürzend als opposition to disestablishment bezeichnet wurden 6 , waren jedenfalls keine Befürworter des establishment im bisherigen Sinne, sie wollten keine der konkurrierenden Religionen gegenüber allen anderen bevorzugen. Sie hingen eher jenen merkwürdigen Konzepten an, die von Intellektuellen des 18. Jahrhunderts zuerst in Frankreich und in Amerika als religion civile oder religion of the republic eingeführt wurden, und die unter wechselnden Bezeichnungen, z.B. civic religion, immer wieder von neuem auftauchten, bis schließlich in den 1970er Jahren die wörtlichen Übersetzungen des ursprünglich von Rousseau eingeführten französischen Begriffes, also religion civile oder Zivilreligion, sich durchsetzten. Solche Vorstellungen wurden zunächst von denjenigen vorgetragen, die wie Jean Jacques Rousseau oder Benjamin Franklin nicht gerade religiös im herkömmlichen Sinne waren, die aber umso mehr den öffentlichen Nutzen der Religion betonten, denen es also um Religion als solche und um deren Beitrag zur gesellschaftlichen Integration ging. Die Puritaner Neuenglands hatten, wie dargestellt, ein Experiment in politischer Theologie veranstaltet. Ihr Ziel war es, ganz im Sinne der antiken politischen Theorie, die Voraussetzungen eines guten, gottgefälligen Lebens zu schaffen. Dabei hatte die Politik der Religion zu dienen, und der Zugang zur Religionsgemeinschaft wurde so restriktiv gehandhabt, daß eine exklusive Gemeinschaft entstehen konnte. Es ging um Reinheit der Lehre, nicht um Einheit der Gesellschaft. Hundert Jahre später rückte das genaue Gegenteil in den Vordergrund. Zivilreligion sollte den Gesellschaftsvertrag untermauern, also den Zusammenhalt der bürgerlichen Gesellschaft und der Republik garantieren. Die Religion hatte der Politik zu dienen, und die Zugangshürden sollten möglichst niedrig gehalten werden. In diesem inklusiven Konzept rangierte die Einheit eindeutig vor der dogmatischen Kohärenz. Rousseau propagierte daher ein rein "staatsbürgerliches Glaubensbekenntnis", und dessen Dogmen sollten "einfach, gering an Zahl und gemeinverständlich" sein7 . 6 7

Marty, 1984, 162. Rousseau, 1959, 119.

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Franklin hatte bereits in seinen "Vorschlägen zur Erziehung der Jugend in Philadelphia" eine öffentliche Religion, eine public religion, als nützlich bezeichnet. Eine solche öffentliche Religion sollte keineswegs antichristlich sein, sondern werde eher die Überlegenheit des Christentums erweisen. Wie viele andere ließ Franklin die Frage offen, ob er an eine neue, eklektische Religion denke, die sich mit eigenem Glaubensbekenntis und eigenen Riten - wie die römische Zivilreligion - als eine Sakralisierung der Staatsgesinnung über die anderen Religionen spannen würde, oder ob er nur daran dachte, die zivile Nützlichkeit aller christlichen Religionen zu betonen, so daß deren gemeinsamer Nenner zum Inhalt der Zivilreligion würde. Im letzteren Sinne hatte die kulturelle Dominanz des amerikanischen Protestantismus während des gesamten 19. Jahrhunderts die Funktion einer Zivilreligion, und erst als dieses kulturelle Establishment durch die Auswirkungen der Masseneinwanderung in Frage gestellt wurde, tauchten auch die Themen der 1770er und 1780er Jahre wieder auf, ging es wieder um die gesellschaftliche Integration und um den Beitrag, den die Religion dazu leisten sollte. Die Diskussionen in Virginias General Assembly, in denen sich 1785 und 1786 schließlich die in dieser Hinsicht übereinstimmenden Vorstellungen Jeffersons und Madisons durchsetzten, begannen 1779 mit einem Gesetzentwurf, in dem Patrick Henry versucht hatte, die Notwendigkeit des disestablishment und den Wunsch nach einer Zivilreligion miteinander zu verbinden. Henry wollte gesetzlich bestimmen, daß die christliche Religion für alle kommenden Zeiten die established religion of this commonwealth sei. Jeder einzelne sollte aber frei darüber entscheiden, welcher Kirche seine eigenen Abgaben zugute kämen. Henry wollte also alle Kirchen etablieren und die eine Pflichtkirche durch eine Kirchenpflicht bei freier Wahl ersetzen. Gegen seine Pläne schrieb James Madison eine ausführliche Denkschrift (Memorial and Remanstrance against Religious Assessments). Religion müsse eine Angelegenheit der individuellen Überzeugung und des persönlichen Gewissens bleiben. Wenn eine staatliche Autorität befugt sei, die christliche Religion unter Ausschluß aller anderen Religionen zu etablieren, dann könne sie genauso gut, wie gehabt, eine christliche Sekte unter Ausschluß aller anderen etablieren. Der Gesetzentwurf sei abzulehnen, weil er entweder unterstelle, daß weltliche Amtsinhaber kompetent seien, religiöse Wahrheiten zu beurteilen, oder weil er davon ausgehe, daß Religion als eine Antriebskraft in den Dienst der Politik gestellt werden könne (religion as an engine of civil policy ). Ersteres hielt Madison für eine arrogante Anmaßung, die durch widersprüchliche Meinungen der Machthaber aller Zeiten widerlegt sei, und letzteres pervertiere den Sinn der Erlösung 8 • 8

Gaustad, 1982, Bd. I, 262 ff.

2. Aufbau kirchlicher Strukturen

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Das Parlament von Virginia lehnte Patrick Henrys Gesetzentwurf ab, erleichterte aber der ehemals etablierten Kirche in der bereits geschilderten Weise den Übergang. Im Jahr darauf, 1786, verabschiedete es einen von Thomas Jefferson entworfenen Text über Religionsfreiheit als Bill for Establishing Religious Freedom. Darin wurde unzweideutig festgehalten, niemand dürfe zur Mitgliedschaft in einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder zu deren Unterstützung gezwungen werden, und umgekehrt dürfe niemand wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Religion benachteiligt werden. Die Bundesverfassung von 1787 kommt nur dort auf Religion zu sprechen, wo sie vorsieht, daß Beamte einen Eid auf die Verfassung schwören sollen, ein religious test durfte aber nicht verlangt werden. Damit war das auch in den Kolonien geltende englische Gesetz gemeint (Test Act von 1673), das Amtsinhabern nicht nur die Teilnahme am anglikanischen Gottesdienst vorgeschrieben hatte, sondern auch eine schriftliche Erklärung dogmatischen Inhalts verlangte, z.B. die Verneinung der Transsubstantiation. Die Verfassung sagt also zur Religion und ihrer rechtlichen Stellung nicht viel. Dafür hat das Verfassungsgericht, der Supreme Court, sich in den beiden folgenden Jahrhunderten zu keinem anderen Problembereich so oft geäußert. Er hat dabei immer wieder die einzige verfassungsrechtliche Vorschrift interpretiert, die sich wirklich mit dem Verhältnis von Staat und Religion befaßt, den ersten Verfassungszusatz von 1791: Congress shall make no law respecting the establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof Dem Kongreß und damit dem Bund wird also untersagt, die Unterstützung einer bestimmten Religionsgemeinschaft, bzw. die Teilnahme an deren Gottesdiensten zu verlangen oder umgekehrt die Ausübung einer bestimmten Religion zu verbieten. Dieser Verfassungszusatz verpflichtet aber zunächst nur den Bundesgesetzgeber, und die Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit wird gar nicht erwähnt. Auch die sogenannte Trennwand (wall of separation), die oft als Formel für die angeblich geforderte Trennung von Kirche und Staat angeführt wird, kommt in der Verfassung nicht vor. Der Ausdruck findet sich in einem Brief Jeffersons, aber er wird weder dem Wortlaut des First Amendment noch der Vorgeschichte gerecht. Es ging um non-establishment, um den Verzicht darauf, eine bestimmte Religion zum Nachteil anderer Religionen durch Zwangsmitgliedschaft zu privilegieren. Gemeint war nicht mehr und nicht weniger als die Wettbewerbsfreiheit der Religionen und die Wahlfreiheit des einzelnen. 2. Aufbau kirchlicher Strukturen Die ohnehin noch recht schwach ausgebildete Struktur der katholischen Kirche in Amerika geriet seit 1760 immer mehr in Unordnung. Im Süden bildete der Mississippi die Grenze zwischen der Jurisdiktion des Bischofs

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von Havanna und der des ebenfalls weit entfernten Bischofs von Quebec. Dieser war auch zuständig für die Katholiken in dem mittlerweile britisch gewordenen Ohio-Land, zu dem er keinen Zutritt mehr hatte. Die britischen Atlantikkolonien unterstanden dem Apostolischen Vikar in London, der sich lange Zeit auf den religious superior der Jesuiten in Maryland gestützt hatte, da alle katholischen Priester in Maryland und Pennsylvania zunächst Jesuiten waren. Seit der Auflösung des Ordens im Jahre 1773 war dieses Arrangement kaum noch aufrecht zu erhalten. Außerdem wurde nun deutlich, daß auch die britische Kolonialzeit ihrem Ende entgegenging, daß also ein in London residierender Bischof oder Vikar bald in einer ähnlich schwierigen Lage sein würde wie ein kanadischer Bischof. Die päpstliche Kongregation De Propaganda Fide, die über alle Missionsgebiete die direkte Aufsicht ausübte, begann daher mit den Vorbereitungen für eine Reorganisation. Offenbar wandte sie sich zunächst an Joseph Olivier Briand, den damaligen Bischof von Quebec und bat ihn, sich vor Ort zu informieren. Dieser schaltete einen in Kanada tätigen Jesuiten ein, den Pater Bernard Well, der wiederum an seine Ordensbrüder in Maryland und Pennsylvania schrieb, um herauszufinden, wie die Einsetzung eines Bischofs zu beurteilen sei und ob ein Besuch des Bischofs Briand ratsam erscheine. All dies geht jedenfalls aus dem Antwortbrief hervor, den der deutsche Jesuit Ferdinand Farmer, der ursprünglich wohl Bauer hieß, am 22. April 1773 in Philadelphia schrieb. Er schildert kurz den Zustand der Mission in Maryland und Pennsylvania, wo, anders als in den restlichen Kolonien, der katholische Glaube geduldet sei, wenn auch öffentliche Ämter den Katholiken verwehrt blieben. Farmer sagt sehr deutlich, daß er von einem Besuch des Bischofs nur Nachteile erwarte, er fürchte sogar, daß die prekäre Stellung der Katholiken dadurch gefährdet werde, denn in Maryland beruhe die gegenwärtig praktizierte Tolerierung nicht auf einer rechtlichen Grundlage, wie dies in Pennsylvania immerhin der Fall sei. Auch von der Einrichtung einer Diözese unter Ernennung eines Bischofs könne man nur abraten. Keineswegs wollten seine Mitbrüder und er selbst den Gläubigen die Firmung vorenthalten, aber wenn man die Amerikaner kenne, wisse man (it is plain to our eyes, being given especially the character of Americans), daß bei einer solchen Gelegenheit die Würde des bischöflichen Amtes nicht gewahrt werden könnte. Das Echo der Auseinandersetzungen um einen Bischof für die Kirche von England wird hörbar, wenn Farmer hinzufügt, man könne sich nicht vorstellen, wie verhaßt den Nichtkatholiken in Amerika schon der Begriff Bischof sei (the very name of bishop), und das gelte sogar für die Anglikaner (members of the church which is called Anglican). Nach diesen Hinweisen, die alle auf die Mahnung hinauslaufen, unnötiges öffentliches Aufsehen zu vermeiden, unterschreibt Farmer als Ferdinand Farmer S.J., fügt aber noch ein P. S. hinzu, in welchem er darum bittet, weitere Korrespon-

2. Aufbau kirchlicher Strukturen

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denz an Mister Ferdinand Farmer, Walnut Street, Philadelphia zu adressieren9. Doch wenigstens diese Sorge, die sich aus der Auffälligkeit der beiden Buchstaben ergab, sollte ihm der Papst bald abnehmen. Wenn der Bischof von Quebec in den britischen Territorien nicht tätig wurde, ein eigener Bischof nur gegen Widerstände und gegen die Empfehlung des eigenen Klerus installiert werden konnte und auch die Hierarchie des Jesuitenordens nicht mehr als Ersatz für eine kirchliche Verwaltung diente, dann war auch Rom vorerst mit seinem Latein am Ende, und tatsächlich blieben die amerikanischen Verhältnisse nun für ein Jahrzehnt in der Schwebe. Erst als Großbritannien in dem vorläufigen Vertrag von 1782 die Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien anerkannt hatte und Frankreich sich als Sachwalter der amerikanischen Revolution in Europa profilierte, wurde Lorenzo Kardinal Antonelli, der damalige Präfekt der Propaganda, wieder aktiv. Er schaltete den Nuntius in Paris ein, und in langwierigen Sondierungen, an denen auch Benjamin Franklin beteiligt war, wurden schließlich 1784 die Weichen gestellt. Es entstand eine eigene kirchliche Administration in Amerika, auch wenn zunächst, eingedenk der Warnungen, Unauffälligkeit gewahrt wurde. John Carroll wurde zum superior der amerikanischen Missionen ernannt. Mit seinem Schreiben vom 9. Juni 1784 unterrichtete Antonelli John Carroll von der Ernennung und erläuterte ihm die damit verbundenen Vollmachten und die weiteren Überlegungen: Seine Heiligkeit und die Kongregration hätten es für angemessen erachtet, zur Bewahrung und Verteidigung der katholischen Kirche in den 13 Vereinigten Staaten Nordamerikas einen Hirten zu benennen, der sich auf Dauer den geistlichen Bedürfnissen der dortigen Herde widmen könne und der keiner anderen kirchlichen Gewalt unterstehen solle als der genannten Kongregation. Man wisse, daß diese Ernennung vielen Mitgliedern der Republik, besonders Mister Franklin, genehm sein werde. Die Kongregation übertrage Carroll und den anderen Priestern im Gebiet dieser Staaten im Namen Seiner Heiligkeit die nötigen Vollmachten, wobei es ihm vorbehalten bleibe, Firmungen vorzunehmen. Alle diese Regelungen seien jedoch nur als vorläufige Ordnung gedacht, denn Seine Heiligkeit habe die Absicht, bald einen Apostolischen Vikar einzusetzen. Inzwischen werde Carroll um eine relatio, einen Bericht, gebeten 10 .

9 10

Ellis, 1956, 126 ff. Ellis, 1967, Bd. I, 142 ff.

4 Zöller

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Priestermangel, Konflikte "alter" und " neuer" Einwanderer, ungeklärte Rechtsfragen: lohn Carrolls Bericht von 1785

Carroll nahm sich reichlich Zeit und antwortete dann am 1. März 1785 mit einem sehr nüchtern gehaltenen Bericht, dem jedoch die strukturellen Probleme der jungen Kirche zu entnehmen sind. Der erste Abschnitt ist überschrieben On the Number of Catholics und faßt die wenigen Zahlen zusammen, über die Carroll verfügte. In Maryland seien es ungefähr 15 800 und in Pennsylvania ungefähr 7000 Personen. Über die wenigen Katholiken, die südlich und nördlich dieses Zentrums verstreut leben, kann Caroll nur sehr vage Angaben machen. Er weiß von etwas mehr als 200 Seelen in Virginia, denn diese werden vier- oder fünfmal pro Jahr von Priestern aus Maryland besucht. Für die Region New York hat er die Zahl 1500 nennen hören. Neuengland erwähnt er nicht, und man darf in dieser Hinsicht wohl auf das Urteil von John Adams vertrauen, der gesagt haben soll, Katholiken seien in diesem Teil der Welt so selten wie ein Erdbeben oder ein Komet 11 . Als letzte Gruppe erwähnt er "viele Katholiken, ehemals Kanadier, die Französisch sprechen". Schon während dieser Aufzählung führt Carroll jeweils in beiläufigen Hinweisen Themen ein, mit denen er selbst und seine Nachfolger sich noch länger beschäftigen sollten. So berichtet er, die Katholiken in New York hätten auf eigene Kosten einen Franziskaner aus Irland kommen lassen, und er findet es in diesem Fall nötig, eigens hinzuzufügen, daß über dessen Bildung und Lebenswandel nichts Nachteiliges bekannt sei. Bei den "früheren Kanadiern" sei ein Karmelit aus Frankreich aufgetaucht, der aber über keine Dokumente verfüge, aus denen man erkennen könne, ob er von seinen Oberen dorthin geschickt worden sei. Trotz des großen Priestermangels sei gegenüber den auf eigene Faust einreisenden Priestern, meist Ordensleuten, eine gewisse Vorsicht geboten. Der Verdacht liege nahe, daß sie mit ihrem Bischof in Streit lebten oder der Disziplin ihres Ordens entkommen wollten. Iren stünden zudem zu Recht oder zu Unrecht in dem Ruf der Trunkenheit und mangelhafter Ausbildung. Davon abgesehen, daß es schwer genug war, für einen qualifizierten und disziplinierten Klerus zu sorgen, blieb oft ungeklärt, wer nötigenfalls für Ordnung zu sorgen hatte. So findet sich anschließend an die Erwähnung der Frankokanadier und ihres aus Frankreich kommenden Paters der Hinweis, früher habe sich die Rechtsprechung des Bischofs von Quebec auf dieses Gebiet erstreckt, er, Carroll, wisse aber nicht, ob dieser dort irgend eine Autorität ausüben wolle, da die betreffenden Gegenden ja nun zu den Vereinigten Staaten gehörten. II

Hennesey, 1981, 77.

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Der zweite Abschnitt (Condition, Piety and Defects etc. of Catholics) versucht eine Bewertung des kirchlichen Lebens. Dabei tritt ein wichtiger Unterschied zwischen Maryland und Pennsylvania hervor. Zu den 15 800 Katholiken in Maryland hatte Carroll angemerkt, daß sich darunter etwa 3000 Sklaven afrikanischer Herkunft (called negroes) befänden, wohingegen es bei den Katholiken Pennsylvanias nur sehr wenige seien (very few of whom are negroes). Tatsächlich lag der Schwerpunkt der sich entwickelnden amerikanischen Kirche im geographischen wie im übertragenen Sinne auf der Grenze zwischen Norden und Süden. Carroll erwähnt diesen Unterschied, obwohl es ihm dabei um etwas anderes geht. In Maryland gebe es vor allem Plantagenbesitzer, planters, und unter ihnen wohlhabende Familien, die noch immer dem von ihren Vorfahren eingeführten katholischen Glauben anhingen, während in Pennsylvania, abgesehen von den Kaufleuten und Handwerkern in Philadelphia, fast alle Farmer seien. Im großen und ganzen zeigten sie alle in Ausübung ihrer Religion, etwa in der Teilnahme an den Sakramenten, eine ausreichende Bereitschaft, doch lähme es den Eifer, daß manche Gemeinden wegen des Priestermangels und der weiten Entfernungen das Wort Gottes etwa nur einmal im Monat hörten. All das gelte aber nur für die hier geborenen Katholiken, nicht für die Katholiken, die in großen Zahlen aus verschiedenen Ländern Europas hereinströmten. Während unter den eingesessenen Katholiken, den native catholics, nur wenige zu finden seien, die nicht wenigstens einmal jährlich, besonders in der Osterzeit, zur Beichte und zur Kommunion gingen, erfülle von den Neuankömmlingen kaum einer seine religiösen Pflichten. Die Frage, wie man auf die Situation der Einwanderer reagieren soll, wird die Kirche noch länger als irgendeine andere beschäftigen. Je mehr Einwanderer ins Land strömen, desto mehr zeigen die katholischen Kirchengemeinden jene sozialstruktureilen Merkmale, die zuvor schon in Pennsylvania zu beobachten waren. Die einwandemden Katholiken zählten sich zu den von Carroll genannten Kaufleuten, Handwerkern und Farmern. Sie hatten weder die Chance noch die Mittel, in Maryland oder Virginia eine Plantage zu erwerben, und deshalb blieben sie auch beisammen. Sie machten sich schnell als ein neues Element in bereits bestehenden Pfarreien bemerkbar, wo sich nun Konflikte zwischen Eingesessenen und Zuwanderern mit den Reibungen zwischen verschiedenen Sprachgruppen überlagern. Als Carroll seinen Bericht schrieb, gab es freilich noch eine wirksame Nötigung zum Kompromiß: Die verschiedenen Gruppen waren zu klein und zu arm, um eigene muttersprachliche Pfarreien für realisierbar zu halten, und es standen dafür auch nicht genügend Priester zur Verfügung. Um diese geht es in dem dritten Teil On the Number of the Priests, their Qualifications, Character and Means of Support. Es gebe - so Carroll - 19 4'

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Priester in Maryland und fünf in Pennsylvania, zwei davon seien schon über 70 Jahre alt und drei weitere nur wenig jünger. Ihren Unterhalt bezögen sie aus den estates, also aus Ländereien, was aber nur für den Besitz der Jesuiten in Maryland galt, die auch Sklaven hatten, oder sie seien auf die Großzügigkeit der Laien angewiesen. In diesem Zusammenhang streift Carroll ein Problem, das noch große Bedeutung erhalten sollte, weil es sich mit den angedeuteten Auseinandersetzungen in einzelnen Pfarreien verbinden ließ. Genaugenammen existiere gar kein kirchlicher Besitz, aus dem der Unterhalt von Priestern bestritten werden könne. Als Eigentümer kämen nur Personen in Frage, die den stellvertretend verwalteten Besitz dann testamentarisch wieder auf andere Treuhänder übertragen könnten. Carroll schließt mit einem Hinweis auf die Notwendigkeit von Bildungseinrichtungen, der ebenso knapp ausfällt wie der gesamte Bericht. In Maryland entstünden zwei Colleges, die auch von Katholiken besucht werden könnten, und er hoffe, daß einige dieser Studenten sich für den geistlichen Stand, den ecclesiastical state, entschieden. Deshalb denke er daran, ein Priesterseminar einzurichten 12 .

Das erste College, das erste Priesterseminar, der erste Bischof In den folgenden 30 Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 1815 leitete Carroll den Aufbau der amerikanischen Kirche, wobei er mit großer Beharrlichkeit besonders zwei Ziele verfolgte, die bereits in seinem Bericht zu erkennen waren. Vorrang hatte die Errichtung einer eigenen amerikanischen Kirchenorganisation, deren Einheit mit dem Bischof von Rom nicht zur Diskussion stand, die sich aber in Selbständigkeit und Selbstbewußtsein mit den europäischen Lokalkirchen messen sollte. Damit eng verbunden war die Weichenstellung zu einem eigenen katholischen Bildungswesen. Bei dem organisatorischen Aufbau der Kirche ging es zunächst darum, die kirchlichen Grenzen an die staatlichen anzupassen, also die Jurisdiktion des Bischofs von Quebec auf Kanada zu begrenzen und John Carrolls Zuständigkeit auf das gesamte Gebiet der Vereinigten Staaten auszudehnen. Dabei war in Amerika mit Beifall zu rechnen, und auch im Vatikan konnte Carroll Zustimmung erwarten, da es römischem Denken und römischer Praxis entsprach, die politischen Realitäten anzuerkennen. Der zwangsläufig folgende nächste Schritt dagegen, die Stärkung und Ausdifferenzierung der amerikanischen Kirchenhierarchie, führte in ein Dilemma. Er offenbarte die Spannung zwischen Katholizismus und Nationalismus, die sich in mehrheitlich protestantischen Ländern auf eine bedrohliche Weise bemerkbar machte. So mußte die römisch-katholische Kirche Amerikas den Amerika12

Ellis, 1967, Bd. I, 144.

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nern versichern, daß sie amerikanisch war, und gleichzeitig den Römern glaubhaft machen, daß sie dabei römisch blieb. Für Carroll bedeutete dies, daß die amerikanische Kirche versuchen mußte, den Status einer Missionskirche abzustreifen und sich aus der Aufsicht der De Propaganda Fide zu lösen. Das einzige Argument aber, das den Präfekten dieser Kongregation hätte dazu bewegen können, seine Zuständigkeit aufzugeben, wäre die Versicherung gewesen, daß diese Selbständigkeit die Entwicklung der amerikanischen Kirche befördern werde. Größere Eigenständigkeil aber bedeutete mindestens die Ernennung eines Bischofs, und davon hatten die Amerikaner ja gerade abgeraten. Umgekehrt war der amerikanischen Öffentlichkeit eine gewisse Bigenständigkeil der Kirche am Ende nur durch die Ernennung eines amerikanischen Bischofs zu beweisen, der aber seine Stellung wieder von einer ausländischen Autorität herleitete und eine Kirchenstruktur repräsentierte, die alles andere als kongregationalistisch war. Der weitere Ausbau der kirchlichen Organisation war jedoch als unausweichliche Folge des Wachstums vorgezeichnet, und so konzentrierte Carroll sich auf sein zweites Ziel, die Einrichtung eines eigenen katholischen Bildungswesens. Dabei ging es zunächst um den Priesternachwuchs und insofern wieder um die Eigenständigkeil der amerikanischen Kirche. Im Unterschied zu späteren Zeiten, in denen ein junger Priester, der einigen Ehrgeiz oder bischöfliche Protektion besaß, sich in Europa den "letzten Schliff' holte, betrachtete Carroll sowohl die Beschäftigung europäischer Priester als auch das Studium junger Amerikaner in Europa als eine Zwischenlösung. Sobald wie möglich sollte die Ausbildung in Amerika stattfinden und sich an den amerikanischen Verhältnissen orientieren. Carroll hatte aber von Anfang an ein Bildungswesen für alle Katholiken im Auge. Eigene Schulen waren nicht nur deswegen gerechtfertigt, weil sie auch der Rekrutierung künftiger Seminaristen dienten, sie boten vielmehr eine Chance, die gesellschaftliche Stellung der Katholiken zu stärken. Wenn die Katholiken sich schon in einer prekären Minderheitssituation befanden und von ihrer Umwelt mißtrauisch beobachtet wurden, dann sollten sie, wenn es nach dem Aristokraten Carroll ging, jedenfalls nicht inferior sein. Der geistliche Oberhirte der amerikanischen Katholiken betrachtete daher, wie aus seinem Bericht herauszuhören ist, die katholischen Einwanderer als einen zweifelhaften Segen - und doch waren es am Ende gerade diese Einwanderer, die das bewirkten, was Carroll im Auge hatte: Die Schaffung eines einzigartigen privaten Bildungswesens und die Amerikanisierung der katholischen Kirche Amerikas. Carroll betrieb jedenfalls über viele Jahre hinweg die Gründung einer Universität und eines Priesterseminars, und er hoffte, Orden ins Land zu

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holen, die bereit waren, Schulen zu gründen. Bereits 1787 widersprach er einigen seiner Priester, die alle wie er selbst dem aufgelösten Jesuitenorden angehörten und die nun aus ihrer Tätigkeit in der Seelsorge andere Dringlichkeilen sahen als die Gründung einer Universität: Der nützlichste Dienst, den der Orden geleistet habe, sei die Bildungs- und Erziehungsarbeit gewesen. 1791 konnte er sowohl Georgetown gründen als auch mit Hilfe der französischen Priestergemeinschaft der Sulpicianer in Saltimore das erste Priesterseminar eröffnen. Dieses St. Mary's Seminary begann mit einem aus fünf französischen Priestern bestehenden Lehrkörper und fünf französischen Seminaristen. Für sein Priesterseminar, wie für die von Anfang an weit teurere Universität, die zunächst Georgetown Academy hieß, ging Carroll persönlich bei der wohlhabenden Verwandtschaft und bei anderen katholischen Familien betteln, und auch darin wurde er zu einem Vorbild für spätere amerikanische Bischöfe. Daß aus dem superior ein Bischof werden sollte, erschien entgegen den ursprünglichen Befürchtungen schließlich sowohl Carroll und den Priestern seines Zuständigkeitsbereiches wie auch dem Vatikan als zwingend. Dabei half es, daß die Episcopal Church inzwischen mit der Einsetzung eines Bischofs vorausgegangen war, ohne daß es zu dem befürchteten Proteststurm gekommen wäre. Nach der Revolution und dem disestablishment konnte ein Bischof nicht mehr als Gefahr für die bürgerlichen Freiheiten dargestellt werden. Die Diskussion zwischen Rom und Saltimore drehte sich daher auch nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie einer Bischofsernennung, und damit war ein dauerhaftes Thema geboren. Das Recht der direkten Ernennung besaß der Papst damals nur für den Vatikanstaat und für die Missionsterritorien, zu denen Amerika noch zählte - ein weiterer Grund für die Amerikaner, ihren Status "normalisieren" zu wollen. So sandten einige Priester, vermutlich mit Wissen Carrolls, eine Petition nach Rom, bei der sie um Errichtung einer Diözese baten. Sie schlugen außerdem vor, die Wahl des ersten Bischofs einer Versammlung der amerikanischen Priester zu überlassen, und die künftige Auswahlprozedur später zu regeln. Rom kam den Amerikanern in wichtigeren und weniger wichtigen Punkten entgegen: Sie durften in diesem Falle auch eine Einerliste, einen Vorschlag mit nur einem Kandidaten, präsentieren und die Bischofsstadt bestimmen. Am Auswahlrecht des Papstes und an dem Missionsstatus Amerikas, also an der Aufsicht der De Propaganda Fide, wurde aber nicht gerüttelt. So fand schließlich im Mai 1789 eine Priesterversammlung statt, die sich mit 24 gegen 2 Stimmen für John Carroll entschied, der dann im November zum ersten Bischof von Saltimore ernannt wurde. Dieses Bistum umfaßte nahezu 20 Jahre lang das gesamte Territorium der Vereinigten Staaten, bis es 1808 auf Vorschlag Carrolls geteilt wurde. Dadurch entstanden die Bistümer Boston, New York, Philadelphia und Bardstown, später Louisville

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in Kentucky. Baltimore wurde Erzbistum. Als John Carroll 1815 starb, gab es im Bereich seines Erzbistums sechs Diözesen, denn zu den fünf, die aus Teilung des ersten Bistums entstanden, war durch den Louisiana Purehase die riesige Diözese Louisiana (New Orleans) hinzugekommen. Die Kirche zwischen großen Chancen und der Gefahr von Machtkämpfen und Nationalitätenkonflikten: Ambrose Marechals Bericht von 1818

Auf Carroll folgte dessen Weihbischof Leonard Neale, der bereits nach zwei Jahren starb. Dessen Nachfolger wurde als dritter Erzbischof von Baitimore der noch in Frankreich geborene Sulpicianer Ambrose Marechal, dem eine Amtszeit von 10 Jahren (1818 bis 1828) vergönnt war. Marechal schreibt nun, ebenso wie Carroll es vor mehr als 30 Jahren getan hatte, seinen Bericht nach Rom, wo inzwischen Lorenzo Kardinal Litta als Präfekt der De Propaganda Fide amtierte. Im Unterschied zu Carroll scheint Marechal diese Bestandsaufnahme aber nicht als eine lästige Pflicht empfunden zu haben. Er beschränkt sich daher nicht auf die Mitteilung weniger Tatsachen, also die Zahl der Katholiken, Beteiligung am kirchlichen Leben, Zahl der Priester, sondern gibt eine Analyse aus der Sicht eines Ausländers, der allerdings eine Zuneigung zu Amerika und zu den Amerikanern empfindet. Darin gleicht er seinem Landsmann Tocqueville, der drei Jahre nach Marechals Tod durch das Erzbistum reist, und manche der Beobachtungen, die Marechal dem Kardinal im Jahr 1818 mitteilt, klingen so vertraut, als habe Tocqueville diesen Brief gekannt. Marechals Bericht eignet sich jedenfalls zu einem Rückblick auf die gut drei Jahrzehnte, in denen unter John Carrolls unbeirrbarer Führung die amerikanische Kirche und deren künftige Probleme Gestalt angenommen hatten. Marechal beginnt seinen ersten beschreibenden Teil mit der Darstellung der Diözesangliederung und der Aufzählung der Staaten und Territorien, die trotz der Aufteilung noch immer zu seinem eigenen Bistum gehören. Dabei war im Jahr seines Berichtes noch eine wesentliche Änderung eingetreten, weil die Vereinigten Staaten 1818 auch noch Florida und die bei Spanien verbliebenen Teile Louisianas erworben hatten. Zu dem Bistum gehörten also außer Maryland, Virginia, North und South Carolina, Georgia und Tennessee nun auch Florida und die Territorien bis zum Mississippi. Marechal betont die große Erweiterung, die sein Bistum im Süden erfahren hat, und bereitet auf diese Weise den Vorschlag vor, der am Ende seines Berichts steht, nämlich die Einrichtung eines eigenen Bistums für den Südosten in Charleston. Dies geschah zwei Jahre später, und der bereits mit seiner Meinung über den französischen Klerus zitierte John England wurde dabei zum ersten Bischof von Charleston ernannt.

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Marechal schätzt, vor der Revolution habe es in diesem Gebiet allenfalls 10000 Katholiken gegeben, und nun seien es mindestens 100000, die von insgesamt 52 Priestern betreut würden. Diese Priester kämen aus 7 verschiedenen Nationen, nämlich aus Italien (1), Deutschland (3), England (4), Belgien (7), Irland (11), Amerika (12) und Frankreich (14). Jeder dieser Priester habe eine Stammkirche, die meist nur aus Holz, manchmal auch schon aus Ziegeln oder aus Naturstein gebaut sei. Keine reiche jedoch für die wachsende Zahl der Gläubigen aus, und deshalb hoffe er darauf, daß im kommenden Jahr 10 Neubauten eingeweiht würden. Nach einer Schilderung der vier Kirchen in der Stadt Baitimare erwähnt Marechal auch die von Carroll begonnene Kathedrale. Zweifellos werde diese durch ihre Größe und Großartigkeit bei weitem alles übertreffen, was Protestanten oder Katholiken bislang im amerikanischen Kirchenbau geleistet hätten, so daß auch die Protestanten Baitimares Stolz empfänden. Es folgt eine Schilderung des Bildungs- und des Erziehungswesens, wobei zunächst deutlich wird, daß das Priesterseminar inzwischen nach dem französischen Vorbild des "großen" und des "kleinen" Seminars organisiert worden war. In Emmitsburg außerhalb von Baitimare unterhielten die Sulpicianer nun ein kleines Seminar mit 80 Schülern, von denen 15 bereits eine Tonsur erhalten hätten, während die geistliche Berufung der anderen noch nicht ausreichend erkennbar sei, und ein großes Seminar, in dem die fortgeschritteneren Kandidaten Philosophie und Theologie studierten. Dieses Seminar sei mit einem College, dem vorerst einzigen in Maryland, verbunden. Daneben gebe es Georgetown, a magnificent co/lege ... directed by the Fathers of the Society of Jesus. Die Jesuiten, deren Orden wieder hergestellt war, hatten Georgetown inzwischen auch offiziell übernommen. So berichtet Marechal, in Georgetown habe es zwei Hauptgebäude. In dem einen seien die weltlichen Studenten untergebracht, in dem anderen die 33 Novizen des Ordens. Auch die Jesuiten versuchten also, ihr eigenes Seminar mit einem College zu kombinieren. Alle wunderten sich, erfährt der Präfekt der Propaganda Fide, warum die römischen JesuitenOberen nicht sechs oder acht Ordensleute nach Georgetown schickten, denn nirgendwo in der katholischen Welt könne die Gesellschaft Jesu in größerer Sicherheit existieren und fruchtbarere Arbeit leisten. Schon zu Carrolls Zeiten hatten sich Karmeliterinnen in Maryland niedergelassen. Der Bischof hatte sie freundlich empfangen, obwohl er enttäuscht war, da er auf Schulschwestern gehofft hatte. Die Ursulinerinnen, die er sich gewünscht hatte, gab es inzwischen in Philadelphia, und Marechal berichtet, in seinem Bistum bestünden außer dem Kloster der Karmeliterinnen, in dem 23 Nonnen lebten, je ein Haus der Schwestern der Heimsuchung mit 50 Schwestern und der Vinzentinerinnen mit 32 Schwestern. Beide Konvente hätten mit dem Aufbau von Mädchenschulen begonnen.

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Der Erzbischof beschließt den statistischen und institutionellen Überblick mit der Ankündigung, bis zum bevorstehenden Winter werde er in der Stadt Baltimore Schulen für Mädchen und Buben einrichten, die von katholischen und protestantischen Schülern besucht werden könnten, falls die Eltern dem Religionsunterricht zustimmten. Schließlich leitet Marechal zu den ungelösten Problemen der amerikanischen Kirche über. Dabei schildert er zunächst die Mentalität und die religiöse Kultur der Amerikaner in einer Weise, die sich bei vielen späteren Autoren wiederfinden wird. Der amerikanische Protestantismus kümmere sich wenig um die Lehren Luthers oder Calvins, und jetzt, da der Anglikanismus keine Kraft mehr besitze, werde eine Tendenz zum Socinianismus deutlich. Der ehemalige Theologieprofessor Marechal spielt damit auf Faustus Socinus an, der zu den Ahnherren jener rationalistisch unitarischen Tendenz gezählt wird, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts vom Kongregationalismus Neuenglands löste. Etwas zu optimistisch hält er die tolerante Stimmung, die mit der Revolution eingekehrt war, für dauerhaft: Die Vorurteile gegen den Katholizismus seien so gründlich ausgeräumt, daß die wenigen Unbelehrbaren sich zurückhielten oder sofort auf Widerspruch stießen. Es folgen jene Beschreibungen des amerikanischen Charakters, in denen viele spätere Urteile vorweggenommen sind: Die Amerikaner seien mit einem lebhaften Geist und mit der Fähigkeit des Argumentierens begabt, und sie strebten mit größtem geistigem und körperlichem Einsatz nach Reichtum. Fähigkeiten und Fertigkeiten des Alltags ebenso wie die Annehmlichkeiten des Lebens fänden sich im Überfluß, doch zeichne sich andererseits kaum jemand durch ungewöhnliches Wissen aus. Dennoch könne man sagen, daß die Masse der Menschen in ihrer Bildung, in der Zivilisiertheil ihres Betragens und auch in der Übung des Intellekts die Völker Europas bei weitem übertreffe. Die Freiheit, die sie besäßen, verehrten sie in geradezu religiöser Weise. Das erwähnte Streben nach Reichtum zähle zu den Lastern der Amerikaner, doch nennt Marechal, auch darin viele spätere Darstellungen vorwegnehmend, zwei Gegengifte. Die Amerikaner seien begierig nach religiöser Unterweisung, und daher könne auch ein nur mäßig eloquenter Prediger damit rechnen, eine große Zahl aufmerksamer Zuhörer anzulocken. Ebenso auffällig erscheint ihm die Rolle der amerikanischen Frauen. Diese zeichneten sich nicht nur durch einen untadeligen Lebenswandel aus (Ehebruch und Unzucht kämen in seinem Bistum, wenn überhaupt, nur selten vor, glaubt der Erzbischof zu wissen), sondern die Weiblichkeit der Neuen Welt achte einerseits so auf sich und ihre Erscheinung, daß zwischen den Töchtern eines amerikanischen Schusters und europäischen Damen von Rang

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Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

kein Unterschied festzustellen sei. Andererseits aber überschreite dieses Selbstbewußtsein keineswegs die Grenze zur Unbescheidenheit. Wie später bei Tocqueville ist es die Religion im Bunde mit der amerikanischen Frau, die den an sich gesitteten, aber vom Erwerbstrieb gesteuerten amerikanischen Mann domestizieren soll. Nirgendwo in der Welt bestünden daher ähnlich günstige Aussichten für die Religion und für die katholische Kirche im besonderen, wenn es ihr nur gelinge, eine ausreichende Zahl qualifizierter Priester aufzubieten und Abspaltungen zu vermeiden. Unter diesen Stichworten behandelt Marechal nun als Kontrast zu dem rosigen Bild, das er zuvor gezeichnet hat, die bedrohlichen Entwicklungen, die in der amerikanischen Kirche immer deutlicher hervortraten. Es geht dabei einerseits um den Nationalitätenkonflikt, der sich vorerst um die Frage der Ersetzbarkeil oder Unentbehrlichkeit kontinental-europäischer Priester dreht, und andererseits um den ersten Abschnitt in einer langen Kette von Auseinandersetzungen, um Art und Reichweite der bischöflichen Autorität. Im Falle der Auswahl von Priestern verraten die gereizte Ausdrucksweise und die defensive Argumentation, daß der eben erst installierte Erzbischof sich von unten wie von oben bedrängt fühlt. Der ansonsten ausgesucht höfliche geistliche Herr aus Frankreich belehrt die heilige Kongregation geradezu barsch, wenn sie ihn dränge, Engländer (gemeint sind wohl native speakers, also Engländer, Iren oder Amerikaner) an die Spitze der verschiedenen Missionen zu stellen, dann verlange sie ganz und gar Unmögliches von ihm. Er verfüge nur über wenige und wisse nicht, wie er weitere beschaffen solle. Auch ihm sei bekannt, daß die Amerikaner gerne amerikanische Priester hätten, die mit ihrer Art und ihren Lebensgewohnheiten vertraut seien, doch könne er nicht mehr tun, als durch den Ausbau der Priesterseminare den einheimischen Klerus zu fördern. Einstweilen aber müsse man Gott danken für die europäischen Priester, die "den Ozean überquerten". Die Belgier, Franzosen und Deutschen hätten sich als die besten Missionare erwiesen, die sich durch Eifer in dem Kampf um Seelen, durch Reinheit ihrer Lebensgewohnheiten und durch ihre Vorliebe für kirchliche Disziplin auszeichneten. Einige von ihnen hätten Schwierigkeiten mit der englischen Sprache, nicht aber mit dem Wort Gottes. Die wenigen, schon in Amerika ausgebildeten Priester dagegen habe man zwar mit dem nötigsten Wissen ausgerüstet, sie dann aber so intensiv mit der Seelsorgearbeit beschäftigt, daß zur Fortbildung keine Zeit geblieben sei. Daher falle es ihnen schwer, über Themen zu sprechen, die eine gewisse Gelehrtheit erforderten. Die Iren zeigten Eifer und eine beachtliche rhetorische Begabung, und deshalb würde er noch mehr irische Priester mit offenen Armen aufnehmen - doch das verlange in jedem einzelnen Falle eine sorgfältige Prüfung, weil zuviele von ihnen mit dem Laster der Trunkenheit behaftet

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seien. Außerdem hat Marechal die Erfahrung gemacht, daß die Iren nicht nur Trunkenbolde, sondern auch Unruhestifter seien, und beides gehe Hand in Hand. Versuche man nämlich einen irischen Priester, der zum Ärgernis geworden sei, wieder aus seinem Amt zu entfernen, so gelinge es diesem oft, seine Landsleute um sich zu scharen. Es sei erstaunlich, welche Autorität solche Priester bei ihren Landsleuten besäßen, so daß diese ihnen bis zu einer Trennung von der Kirche folgten. Bei innerkirchlichen Auseinandersetzungen seien es auch nie die anderen ethnischen Gruppen gewesen, die den Frieden gestört hätten, sondern die dem Ehrgeiz und der Trunksucht ergebenen Priester aus Irland. Noch einmal betont Marechal, er sei keineswegs grundsätzlich gegen die Iren eingenommen. Schließlich habe er bereits 10 Iren zum Priester geweiht, und auch die Mehrheit der Studenten in dem Priesterseminar seiner Diözese seien Iren. Aber der Stachel sitzt tief, weil Marechal zwischen den beiden Hauptproblemen der Kirche, nämlich der Qualifikation der Priester und der Gefahr von Abspaltungen, einen Zusammenhang sieht. Bei den genannten Konflikten in Charleston, Norfolk und Philadelphia, aber auch in anderen Städten, ging es um die Verfügung über das Eigentum der Kirchengemeinden und um das Recht zur Benennung oder Suspendierung von Pfarrern. Marechal findet, man könne den Laien oder ihren Treuhändern getrost die Verfügung über das Vermögen der Kirchengemeinden überlassen, die Geistlichen dürfe man ihnen aber auf keinen Fa:II ausliefern. In dieser Hinsicht sei Bischof Carroll anfangs zu nachgiebig gewesen, was er später bereut habe. Marechal sieht also sehr wohl, daß ungeklärte Rechtsfragen zum Anlaß von Machtkämpfen zwischen einflußreichen Laien und dem jeweiligen Bischof werden. Er zeigt aber Verständnis für rebellische Laien und gibt die Schuld den Priestern. Die Laien seien durch die bekannte Freiheitsliebe der Amerikaner geprägt und seien es gewohnt, die höchsten und wichtigsten staatlichen Ämter in demokratischen Wahlen zu vergeben, so daß die amerikanischen Katholiken, das Beispiel der Protestanten vor Augen, versucht seien, die gleichen Prinzipien auch auf kirchliche Ämter anzuwenden. Clevere und unfromme Priester redeten ihnen ein, sie besäßen das Recht, ihre Pfarrer nach Gutdünken auszuwählen oder auch wieder zu entlassen. Auch den Leser entläßt Marechal mit diesem Hinweis 13 . Ganz gleich aber, ob die aufmüpfigen trustees von renitenten irischen Priestern verführt wurden oder umgekehrt, mit dem Problem des trusteeism, also mit dem Anspruch der Laien, nicht nur über das Vermögen der Kirchengemeinde zu bestimmen, kündigen sich die beiden Auseinandersetzungen an, die im Laufe des 19. Jahrhunderts die innerkirchliche Entwicklung des amerikani13

Ellis, 1967, Bd. I, 202 ff.

Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

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sehen Katholizismus bestimmen werden: Der Kampf um die Durchsetzung der bischöflichen Autorität, also der katholischen Kirchenstruktur einerseits und die Nationalitätenkonflikte andererseits. Auseinandersetzungen um den trusteeism und Durchsetzung der bischöflichen Amtsautorität Es ist offenkundig, warum die Probleme, von denen der Erzbischof berichtete, zunächst nur an ganz bestimmten Orten entstehen konnten. Nur wenige katholische Pfarreien waren wohlhabend genug, um das Kirchenvermögen als einen Hebel zu nutzen, und wenige waren so groß und ethnisch oder sozial zugleich so differenziert, daß sie zu Gruppenbildung eingeladen hätten. Beides kam, wenn überhaupt, in den Hafenstädten der Ostküste vor. Dort hatten die vorerst kleinen Wellen der Einwanderung ethnische Schwerpunkte hinterlassen, und dort hatte sich in anderthalb Jahrhunderten auch Handel und Gewerbe konzentriert. So fanden sich die ältesten und vielfältigsten Gemeinden in Städten wie Baltimore, Philadelphia und New York, aber auch in Riebmond und Norfolk, den Hafenstädten Virginias. Diese alten Gemeinden waren in der Lage, Selbstbewußtsein und Initiative zu entwickeln, und so hatte ja John Carroll schon 1785 davon gehört, daß die New Yorker auf eigene Kosten einen irischen Franziskaner angeworben hätten. Daß es zu Machtkämpfen zwischen etablierten Laien und den Bischöfen kam, erklärt sich zum Teil auch aus dem amerikanischen kulturellen Klima. Die Amerikaner waren sozusagen von Natur aus Kongregationalisten, sie neigten also dazu, die Kirche von unten zu organisieren. Das irritierte nicht nur katholische Bischöfe, sondern auch andere, wie den Deutschen Lutheraner Heinrich Melchior Mühlenberg, der als Henry MuhJenberg in Pennsylvania viele Spuren hinterließ, wie z.B. das nach ihm benannte College im heutigen Allentown. Doch diese Demokratisierung der Religion hatte noch lange nicht alle ethnischen Gruppen und auch nicht alle Konfessionen erfaßt, am wenigsten die aus Europa einwandernden Katholiken. Deshalb war es sicher nicht nur die neu gewonnene religiöse Freiheit, die nach John T. Ellis einigen Katholiken zu Kopf stieg (the heady wine of their newly won religious freedom) 14 • Ausschlaggebend war wohl eher das zeitliche Zusammentreffen einer ungewohnten, ethnischen und kulturellen Vielfalt in wenigen Städten und einer ebenfalls neuen und vorerst nur in bestimmten Staaten entstehenden Rechtslage. Für ersteres, nämlich für die ethnisch pluralistische Situation in der katholischen Kirche, sorgten die französischen Priester als ein Klerus ohne 14

Ellis, 1967, Bd. I, 150.

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Gemeinde und die ersten einwandemden Iren, damals noch eine Gemeinde ohne Klerus. Letzteres dagegen, die neue staatskirchenrechtliche Situation, ergab sich als Nebenfolge aus den ersten Anfängen des disestablishment, also aus dem Niedergang der anglikanischen Kirche. Ob überhaupt eine Notwendigkeit dafür bestand, nach der Aufhebung des Monopols nun die rechtliche Stellung der Religionsgemeinschaften zu regeln, konnte man bezweifeln. Die Baptisten Virginias etwa fanden, daß der Staat Virginia mit der Inkorporierung der Episcopal Church wiederum seine Kompetenzen überschreite. Dennoch erließen mehrere Staaten sogenannte Laws of General lncorporation. In dem New Yorker Gesetz aus dem Jahre 1784, das zum Muster für die nachfolgenden Gesetze anderer Staaten wurde, war vorgesehen, daß die männlichen Erwachsenen einer Kongregation oder Pfarrei trustees wählten und auf diese Weise eine Korporation mit administrativen Vollmachten bildeten. Dazu gehörte auch das Right of Patronage, das Recht, die Geistlichen auszuwählen 15 • Diese Zuständigkeit freilich war nach dem kanonischen Recht ein unverzichtbarer Teil der bischöflichen Vollmacht, wie Erzbischof Marechal der Gemeinde von Norfolk später in einer ausführlichen Darstellung des Kirchenrechts erklärte 16 . Doch diese Belehrung bewirkte wenig, denn seit in den 1780er Jahren die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen waren, versuchten unzufriedene Gruppen ihre Probleme zu lösen, indem sie eine neue homogenere Gemeinde gründeten. Diese Art der Verselbständigung aber, die im amerikanischen Protestantismus als Mittel der Konfliktbewältigung taugte, bewirkte in der katholischen Kirche das Gegenteil. Den Bischöfen wurde damit ein Kampf aufgezwungen, den sie zu Ende führen mußten, wenn sie am katholischen Kirchenverständnis festhalten wollten. Der erste Vorfall, in dem die trustees eine Rolle spielten, ereignete sich in New York, wo seit 1784 an der St. Peter's Church ein irischer Kapuziner, Charles Wheelan, amtierte. Vermutlich ist Wheelan jener Franziskaner, über den Carroll gehört hatte. Im folgenden Jahr tauchten Andrew Nugent, ein weiterer Kapuziner und ebenfalls ein Ire in New York auf, und bald war die Gemeinde in zwei Fraktionen geteilt. Die trustees entließen Wheelan und stellten Nugent ein, der als der bessere Prediger galt 17 . Die direkte Konfrontation mit den trustees blieb Carroll vorerst erspart, denn Wheelan ging in den Ruhestand, und gegen Nugent erhoben dieselben trustees, die ihn angeheuert hatten, kurz darauf belegbare persönliche Vorwürfe, so daß Carroll ihn suspendierte. Nugent besaß jedoch nach wie vor die Unterstützung eines Teils der Gemeinde, und so erklärte er, er beuge 15

16 17

McNamara, Art. Trusteeism. Ellis, 1967, Bd. I, 220. Ellis, 1956, 150.

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Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

sich weder dem Papst noch sonst jemandem außer Christus und den weltlichen Autoritäten New Yorks. Seine Anhänger hinderten den superiorund die trustees am Betreten der Kirche, und deshalb kam es schließlich zu einem Prozeß. Das Gericht verurteilte Nugent wegen Hausfriedenbruchs und erklärte ihn für untauglich, ein geistliches Amt in der katholischen Kirche auszuüben, da er "deren Doktrinen" ablehne 18• Mit dieser Entscheidung aus dem Jahr 1787 korrigierte das New Yorker Gericht gewollt oder ungewollt das Inkorporierungsgesetz, indem es den einzelnen Religionsgemeinschaften eine Art Tendenzschutz zuerkannte. Wenn es von der Übereinstimmung mit den "Doktrinen" abhing, ob jemand für den Dienst in einer Religionsgemeinschaft qualifiziert war, dann wurde die Entscheidung geradezu einer dritten, von Priester und Gemeinde unabhängigen Instanz zugeschoben, vorausgesetzt die betreffende Religion kannte eine solche, zur Interpretation von Doktrinen befähigte und befugte Institution. Zur gleichen Zeit beschlossen in Philadelphia die deutschen Katholiken, sich zu verselbständigen. Sie waren 30 Jahre lang von Pater Ferdinand Farmer betreut worden, und als Farmer 1786 starb, fühlten sie sich in St. Mary's Church, wo nun in französischem Englisch der Pater Robert Molyneux predigte, nicht mehr zu Hause. Die deutsche Mehrheit der Pfarrei, darunter die meisten der schon länger ansässigen wohlhabenden Familien, beschlossen deshalb, eine neue Gemeinde zu gründen. Bevor sie aber trustees wählten und die Inkorporierung beantragten, holten sie Carrolls Erlaubnis ein. Auch den deutschen Kapuziner, den sie ausfindig gemacht hatten und dessen Name als Charles Helbron überliefert ist, stellten sie nicht eigenmächtig ein. Sie baten vielmehr den superior, dies zu tun. Während der New Yorker Fall nur deshalb im Sande verlief, weil die dortigen trustees anschließend froh waren, den Priester, den sie selbst angestellt hatten, wieder loszuwerden, stellten die deutschen trustees in Philadelphia die bischöflichen Rechte nicht in Frage, so daß Carroll nicht gezwungen war, sich dem Plan entgegenzustellen. Er hätte zwar das Prinzip der ethnischen Pfarrei ablehnen können, doch abgesehen davon, daß es Pfarreien als kirchenrechtlich geordnete Einrichtungen in dem amerikanischen Missionsgebiet noch gar nicht gab, ging es vorerst um die Rechts- und Machtfragen und noch nicht um die Alternative zwischen Amerikanisierung oder Beibehaltung der ethnischen Subkultur. So entstand in Philadelphia eine neue deutschsprachige Kirchengemeinde, die freilich von den Behörden Pennsylvanias 1788 als Holy Trinity Church inkorporiert wurde. Doch die irischen Einwanderer, die nun ins Land strömten, konnten ihre Probleme nicht auf diese relativ geräuschlose Weise lösen. Sie stützten sich 18

Hennesey, 1981, 77.

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nicht auf ihren Wohlstand, sondern auf ihre Zahl, und sie baten nicht um die Erlaubnis zur Absonderung, sondern kämpften um die Macht. Dabei hatten sie nicht nur einen taktischen Vorteil, sondern auch ein gutes Gewissen, weil ihr Gruppeninteresse sich zugleich als die objektive Notwendigkeit einer Amerikanisierung der Kirche beschreiben ließ. Dabei suchten sich die Iren in Charleston und in New Orleans gegen die Franzosen und in Buffalo gegen die Deutschen durchzusetzen. Diese eindeutig interethnischen Trennlinien wurden allerdings später, wie Patrick W. Carey in seinem Buch über die sozialen Aspekte des trusteeism gezeigt hat, noch durch intraethnische Gegensätze überlagert. Bereits in Philadelphias Holy Trinity Church machte sich bald ein Unterschied zwischen sozialen Schichten bemerkbar. High Germans, die wohlhabenden, alten Familien, neigten zu einer antiklerikalen Haltung und pochten auf die Rechte der trustees, während low Germans, die sogenannten einfachen Leute, eher bereit waren, die Autorität des Bischofs anzuerkennen und entsprechend bischofstreue Kandidaten zu trustees zu wählen. Von den Deutschen in Cincinnati wird berichtet, daß der wichtigste Unterschied darin bestand, ob man vor 1848 oder danach eingewandert war, und auch in älteren irischen Gemeinden, z.B. in Philadelphias St. Mary's, wo nach dem Auszug der Deutschen die Iren dominierten, entwickelten sich solche Strukturen. Diese soziale Differenzierung bot den Bischöfen einen ersten Ansatz: Sie konnten die Mehrheit auf ihre Seite bringen und diejenigen, die das Recht der trustees verteidigten, mit deren eigenen Waffen schlagen. Der New Yorker Bischof John Dubois etwa, ein noch in Frankreich geborener Sulpicianer wie Marechal, hatte während seiner Amtszeit von 1826 bis 1842 mit den trustees seiner Kathedrale zu kämpfen, die schließlich damit drohten, ihm das Gehalt zu sperren. Dubois gab nicht nach, doch kam er nie auf die Idee, seinerseits die trustees einzuschüchtern oder gegen sie vorzugehen. 1839 aber, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte, wurde ihm sein späterer Nachfolger John Joseph Hughes als Koadjutor beigegeben. Wie um Hughes zu testen, verwehrten die trustees bald nach seiner Ankunft in New York einem von Dubois ernannten Katecheten den Zutritt zur Kathedrale. Daraufhin lud Hughes die Mitglieder der Gemeinde zu einer Versammlung ein, die er selbst leitete und brachte die Anwesenden dazu, sämtliche trustees abzuwählen. Die New Yorker erhielten auf diese Weise einen Vorgeschmack vom Stil dieses fulminanten Bischofs, doch konnte die Lösung des Trustee-Problems auf die Dauer wohl nicht darin bestehen, daß die Bischöfe sich mit Hilfe der Demokratisierung gegen die Demokratisierung zu Wehr setzen. Andere Mittel standen allerdings kaum zur Verfügung. John England versuchte es in seiner Diözese Charleston mit einer Bistumsverfassung, in der die kirchenrechtlich gebotenen Verfahrensweisen festgehalten wurden. Frei-

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lieh wirkten solche Appelle nur bei denen, die bereit waren, derartige Regeln zu respektieren. Das Problem mit den trustees bestand aber darin, daß sie sich auf außerkirchliches Recht stützten und sich z. B. gegenüber dem Katecheten, der in der Kathedrale Sonntagsschule abhalten sollte, auf ihr Hausrecht beriefen, zu dessen Durchsetzung sie sich an die Polizei wenden konnten. Abhilfe war also nur von einer Änderung der entsprechenden Gesetze zu erwarten, doch die Bischöfe zögerten, sich dafür einzusetzen. Daß solche Vorsicht berechtigt war, zeigte sich, als die allerdings kurzlebige American Party (auch Know-Nothing-Party) Gesetzesvorschläge einbrachte, die darauf zielten, die Inkorporierung und das Trustee-System gesetzlich zwingend vorzuschreiben 19. Erst in den 1860er Jahren, nach dem Höhepunkt des Nativismus und nach dem Bürgerkrieg, als die Stimmung sich geändert hatte und deutlich wurde, daß mit den katholischen Bischöfen auch in der Politik zu rechnen war, wurden die Inkorporierungsbestimmungen der einzelnen Staaten nach und nach geändert. Nun drehte sich das Blatt vollkommen. Das entsprechende Gesetz des Staates New York von 1863 etwa bestimmte, daß das Gremium der trustees bei katholischen Kirchengemeinden aus dem Bischof, dem Generalvikar, dem Pfarrer und zwei Laien bestehe, wobei die drei Exofficio-Mitglieder gar noch das Recht besaßen, die beiden Laien auszuwählen20. Am Ende des Kampfes zwischen Bischöfen und trustees stand also im Sinne des Hausrechts wie im übertragenen Sinne fest, wer Herr im Hause war. Doch dieser Ausgang verlagerte die Probleme lediglich auf eine andere Ebene. Für viele Nichtkatholiken bestätigte sich das Vorurteil, daß die "amerikanischen Freiheiten" und der Katholizismus nicht unter einen Hut zu bringen seien, und auch innerkirchlich kündigte sich eine Auseinandersetzung um die Frage der Vereinbarkeit von Amerika und Katholizismus an. Bis dahin, also von Marechals Schilderung der Schismen, für die er die renitenten Iren verantwortlich macht, bis zu den innerkirchlichen Auseinandersetzungen zu Ende des 19. Jahrhunderts, war freilich noch ein weiter Weg. Dieser Weg führte durch ein ganzes Jahrhundert amerikanischer Geschichte, und dennoch wurden dabei in verschiedenen Bereichen vergleichbare Entwicklungen deutlich, die man verallgemeinernd und paradox formulierend als die Amerikanisierung Amerikas bezeichnen könnte. Überall tritt nicht nur ein neuer Stil, sondern auch ein neuer repräsentativer Typus hervor, der sich in den in die Neue Welt verpflanzten europäischen Strukturen bereits vorbereitet hat. Indem die Vereinigten Staaten sich nach Westen ausdehnen und die Prärien seit dem Homestead-Act von 1862 in unzählige Einzelfarmparzellen aufgeteilt werden, löst der Farmer den Pflanzer ab. In den Kategorien gesprochen, die John Carroll benutzt hatte: Der 19

Billington, 1938, 39.

zo McNamara, Art. Trusteeism.

3. Amerikanisierung der amerikanischen Religion

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Gesellschaftstypus a la Pennsylvania verdrängt den a la Maryland. Bereits 1835 notiert Tocqueville, daß ganz unabhängig von der moralischen Stellung zur Sklaverei, schon bei oberflächlicher Betrachtung deutlich werde, wie die Landwirtschaftsformen auf beiden Seiten des Ohio sich unterschieden und daß nur die vom Eigentümer selbst betriebene Farm eine Zukunft haben werde. Schon lange, bevor Jeffersons Monticello und Washingtons Mount Vernon in große Freilichtmuseen verwandelt wurden, war der Typus Maryland als Gesellschaftstypus und als Wirtschaftsstil museumsreif. Damit aber tritt auch der populistische Politiker an die Stelle des Gentlemanpolitikers aus Virginia, und wie der common man (dessen Name im Englischen nichts Gemeines an sich hat) die Ökonomie und die Politik bestimmt, so beherrscht er nun auch die Kultur. Darin berühren und ergänzen sich der religiöse und politische Populismus, die beide nicht müde werden, Kompetenz und Tugend des gemeinen Mannes zu preisen. Auch die amerikanische Religion ist nicht mehr einfach die Fortsetzung der europäischen Religionsgeschichte unter anderen Umständen. Statt des in Harvard oder Yale ausgebildeten Theologen dominiert der Baptistenprediger von nebenan oder der Methodistenprediger zu Pferde. Statt der französischen Theologieprofessoren residieren in katholischen Bistümern die irischen Bischöfe, die sich als autokratische Führer und Verteidiger des katholischen "Kleinen Mannes" begreifen. Protestantismus und Katholizismus sind damit keineswegs verwechselbar geworden, aber sie haben die ihrer jeweiligen Tradition entsprechende, amerikanische Form angenommen. Diese Amerikanisierung Amerikas macht sich nicht nur seit der amerikanischen Revolution in verschiedensten Bereichen bemerkbar, sondern sie wird auch selbst zum Thema der amerikanischen Kultur. Das reicht von der literarischen Darstellung des Amerikaners als Typus über die historisch politische Betonung der Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit Amerikas und des Amerikanischseins bis zur aggressiven Ablehnung alles vermeintlich Unamerikanischen.

3. Amerikanisierung der amerikanischen Religion Neuer religiöser Stil und neue religiöse Institutionen

Trotz der Unzuverlässigkeit der Zahlen besteht Einigkeit darüber, daß Amerika in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen religiösen Aufschwung erlebte. Vor der Revolution war die Religionszugehörigkeit in einigen Kolonien erfaßt worden, doch in den Volkszählungen, die seit 1790 von der Bundesregierung durchgeführt wurden, durfte danach nicht mehr gefragt werden. Man schätzt, daß zu Beginn des Jahrhunderts nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung einer der Religionsgemeinschaften ange5 Zöller

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hörten und daß dieser Anteil sich in den ersten 40 Jahren auf 15 Prozent verdoppelte21 . Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß Mitgliedschaft höchst unterschiedlich definiert wurde. Die Baptisten etwa, die besonders großen Zulauf hatten, hielten anders als die Kongregationalisten Neuenglands, von denen sie sich gelöst hatten, an einer sehr restriktiven Aufnahmepolitik fest. Daher vermutet Winthrop Hudson, daß um 1830 "normalerweise dreimal so viele Personen" an einem Gottesdienst teilnahmen, als die betreffende Gemeinde an Mitgliedern zählte 22 . Als Beleg für die wachsende Bedeutung der Religion gelten das sogenannte Zweite Awakening mit Schwerpunkt im Westen und einem zeitlichen Höhepunkt in den 1830er Jahren und die revivals der 1850er Jahre, die vor allem in den Städten des Nordostens beobachtet wurden. Daneben sind jedoch auch unitarianism und universalism als eine kleine, aber intellektuelle einflußreiche Richtung innerhalb des amerikanischen Protestantismus dieser Zeit zu nennen, die für das amerikanische Religionsverständnis wichtig wurden.

Methodisten und Baptisten als Frontier-Religionen Das Zweite Awakening folgt der Besiedelung des Mittleren Westens und ist deshalb auch als dessen Christianisierung beschrieben worden 23 . Die ersten Berichte über diese neue religiöse Bewegung stammen aus dem Kentucky der 1820er Jahre. Die Zahl solcher Schilderungen steigt in den Jahren um 1830 und konzentriert sich auf die Gebiete westlich des Ohios. Die revivals der 1850er Jahre dagegen finden in den Städten des Nordostens statt, und in den Schilderungen der Beobachter, aber auch der Akteure, z.B. des Predigers Charles G. Finney, wird hervorgehoben, daß es sich um ein "gehobenes" Publikum gehandelt habe. Prediger wie Finney oder Lyman Beecher fanden mit ihrem neuartigen, emotional aufrüttelnden Stil besonders dort Resonanz, wo das religiöse Establishment sich am langsamsten auflöste und die Strukturen lange Zeit unverändert geblieben waren. In Neuengland etwa hatten lange Zeit nur die Baptisten eine Alternative geboten, aber bei diesen Dissenter-Gemeinden handelte es sich um eine Alternative des einfachen Stils und der einfachen Leute. Inzwischen freilich war auch für die etablierten Schichten der soziale Wert einer Zugehörigkeit zu den ehemals etablierten Kirchen gesunken, so daß auch sie sich nun dem individuelleren und emotionaleren religiösen Stil öffneten.

21

22 23

Caplow, 1983, 29. Hudson, 1981, 136 ff. Marty, 1984, 169.

3. Amerikanisierung der amerikanischen Religion

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Mußten in Neuengland zuerst einmal Strukturen aufgelockert werden, damit diese individualistisch-enthusiastische Religiosität sich entfalten konnte, so fehlten weiter im Westen alle Strukturen, und von dieser Situation profitierten besonders diejenigen Religionsgemeinschaften, die ihrerseits entsprechend flexibel waren oder gerade erst damit begannen, ihre kirchliche Organisation aufzubauen. Die Baptisten kannten zumeist noch keine ordinierten Geistlichen, sondern stützten sich auf Laienprediger, die ihr Amt nebenberuflich ausübten. Ihnen genügte die Bibel und ein geeigneter Platz am Flußufer (down by the riverside). So entstanden die camp meetings, eine mehrere Tage andauernde Form der Volksmission, zu der die Interessenten aus der weiteren Umgebung anreisten. Die Methodisten dagegen, die eine fester gefügte Kirchenstruktur kannten, ließen nicht die Leute zu einer Furt kommen, sondern schickten ihre hauptamtlichen Prediger von Farm zu Farm auf die Runde, auf den circuit, weshalb diese reitenden Prediger, die circuit riders, zu einem weiteren Symbol des Mittleren Westens wurden. Wie man in Deutschland ein schlechtes Wetter durch die Floskel illustriert, man schicke keinen Hund mehr vor die Türe, so sagten die Amerikaner, es seien nur noch Methodistenprediger unterwegs. Beide Frontier-Religionen improviSierten also in der unterschiedlichen Art und Weise, die durch ihre jeweilige Organisationsstruktur vorbestimmt war. Zugleich griffen sie aber auch gemeinsam auf Formen zurück, die der Lage in den eben erst besiedelten Gebieten angemessen waren, und versuchten darüber hinaus, einige Probleme gemeinsam zu lösen, wodurch sie den Anstoß zu einer gemeinsamen nationalen Organisationsstruktur gaben, die sich über die immer ausgeprägtere Vielfalt des amerikanischen Protestantismus legte. Eine im Prinzip bekannte Institution, die aber im Mittleren Westen in den Gemeinden der Methodisten und Baptisten nun eine neue Bedeutung erhielt, war die Sonntagsschule. In diesem Falle waren auch die Methodisten bereit, Laien einzusetzen. Die Sonntagsschule wurde deshalb nicht nur zu einer Vorform der örtlichen Kirchengemeinden, sondern sie schuf gleichzeitig die Voraussetzungen dafür, daß Frauen sehr frühzeitig eine hervorgehobene Rolle übernahmen. Je wichtiger Freiwilligkeit und Laienbeteiligung wurden, desto mehr wurden nicht nur Bibeln, sondern auch zusätzliche Anleitungen benötigt. So enstanden nationale protestantische Organisationen, wie die 1816 gegründete American Bible Society, die Spenden sammelte, um Bibeln oder Druckplatten nach Westen zu schicken, die American Sunday School Union von 1824 oder die American Tract Society von 1825, die Geld und Materialien, eben Traktate, bereit stellte. 5'

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Ganz anders erscheint auf den ersten Blick die Lage im Nordosten, wo nicht Farmer zu Farmern predigten, sondern Berühmtheiten wie Charles G. Finney oder Lyman Beecher, die ihrerseits aus Predigerdynastien stammten, sich in dem neuen enthusiastischen Stil an ein städtisches Publikum wandten. Im Winter 1857/58, als Finney sich in Boston aufhielt, wurde in der im Zentrum liegenden Old South Church während der Mittagszeit als Experiment ein business men 's prayer meeting angeboten, das solchen Zulauf fand, daß es von da ab täglich stattfand24 . So schilderte im Jahr 1854 der aus Berlin stammende Theologieprofessor Philipp Schaff seine Eindrücke aus Amerika in einem Bericht, den er an seine Berliner Kollegen adressierte. Er ließ mancherlei Vorbehalte gegen einen allzu engen Literalismus und gegen den emotionalen und individualistischen Zug der revivals erkennen, doch war er zugleich voller Bewunderung. Die Vereinigten Staaten seien ganz eindeutig das religiöseste und christlichste Land der Welt, und Kirchenmitgliedschaft sei von moralischer und gesellschaftlicher Anerkennung nicht zu trennen. Gäbe es in Berlin 40 schlecht besuchte Kirchen für 450000 Einwohner, so stünden den 600000 New Yorkern über 250 immer gut gefüllte Kirchen zur Verfügung25 . Religiöser Individualismus und moralistischer Konsens

So unvergleichbar ein camp meeting am Mississippi und ein business men 's prayer meeting in Downtown Boston auch erscheinen mögen, und so unterschiedlich die theologischen Ausgangspositionen der verschiedenen Religionsgemeinschaften waren, so ähnlich wurden nun doch Stil und Inhalt der jeweiligen Verkündigung. Hier wie dort wurde nicht die Doktrin, sondern das religiöse Erleben in den Vordergrund gestellt, und die Lehre wurde der unmittelbaren Begegnung mit Gott und dem individuellen Bekehrungserlebnis untergeordnet. Auch die Kongregationalistenprediger Neuenglands öffnen sich der neuen Bewegung, indem sie die calvinistische Tradition herunterspielen und das Element der individuellen Wahl betonen, das in dieser Tradition nicht eben im Vordergrund gestanden hatte. Auch bei ihnen ist der einzelne nun unmittelbar zu Gott, und sie betonen ebenso die Selbstheiligung und Selbstvervollkommnung. Ihre Predigten zeigen zwar nicht den populistischen Zungenschlag der Baptistenprediger, die den gemeinen Mann, also sich selbst und ihr Publikum, für fähig und berechtigt halten, ihre eigene Vervollkommnung und alle ihre Angelegenheiten in die eigene Hand zu nehmen. Dennoch wird nun allgemein der Grundsatz anerkannt, daß jeder einzelne auserwählt ist und daß über die Besserung des einzelnen auch die Gesellschaft reformiert werden kann. Es ist dieser inzwi24

25

Gaustad, 1982, Bd. I, 403. Hudson, 1981, 170 ff.

3. Amerikanisierung der amerikanischen Religion

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sehen zum protestantischen Konsens gewordene Glaube an die Vervollkommnungsfähigkeit des einzelnen und Amerikas, der Harriett BeecherStowe, der Tochter Lyman Beechers, und ihrem Buch Onkel Toms Hütte Resonanz verschafft. Ähnlich wie die protestantischen Hilfswerke zu einer organisatorischen Klammer wurden, legte sich nun die Pflicht zur Verbesserung der Verhältnisse als eine moralisch-ideologische Brücke über die Vielfalt der Denominationen: Der kreuzzugartige Kampf gegen gesellschaftliche Übel wie die Sklaverei, aber auch den Alkohol und diejenigen, die mit dem Alkoholgenuß identifiziert wurden, entwickelte sich zu einer moralischen Gemeinsamkeit des amerikanischen Protestantismus, der sich auf diese Weise seinerseits mit der amerikanischen Kultur identifizierte. Im Prinzip der Individualisierung und auch in dieser moralisierenden Tendenz, freilich nicht in der Betonung emotionaler Formen, berührten sich die revivals schließlich sogar mit dem entgegengesetzten Ende des theologischen Spektrums, nämlich mit dem liberalen Kongregationalismus, der gegen den Enthusiasmus eine rationalistische Theologie zu setzen versuchte. Diese überraschende Annäherung wurde dadurch möglich, daß die elitären Liberalen eine Revision der calvinistischen Lehren betrieben, deren Ergebnisse den entsprechenden Anpassungsbemühungen der revivals recht ähnlich sind. Das beginnt auf einer schon bei Stoddard erkennbaren Linie mit dem sogenannten Universalismus des Bostoner Kongregationalistenpredigers Charles Chauncy. Chauncy veröffentlichte 1784 eine Schrift, deren Botschaft bereits im Titel enthalten ist: The Salvation of alt Men - The Grand Thing Aimed at in the Scheme of God. Chauncy betont also nicht im Sinne der calvinistischen Tradition die Gerechtigkeit Gottes, sondern die Güte Gottes. Man könne sich nichts anderes vorstellen, als daß Gott eine universale Erlösung der Menschen und der Welt vorherbestimmt habe. Warum hätte er die Menschheit schaffen sollen, wenn es nicht seine Absicht gewesen wäre, to make them finally happy. Erweitert wurde dieses Argument schließlich noch von den Unitariern, deren Name darauf verweist, daß sie die Trinität bestreiten, deren Wirkung aber eher darin bestand, daß sie die Verwandlung des Calvinismus in eine positive, aufbauende Lehre noch ein Stück weitertrieben. Statt der Erbsünde betonten sie Vernunft und Fortschrittsfähigkeit des Menschen, sie schätzten Formeln, wie die brotherhood of men und fatherhood of god, was schon im 19. Jahrhundert zu dem Spott führte, sie glaubten vor allem an die neighbourhood of Boston 26 • Wortspiele dieser Art wurden von Journalisten in diesem Jahrhundert wieder aufgenommen, als der New Yorker Gouverneur Nelson Rockefeiler allzu oft von der brotherhood of men under the fatherhood of god sprach. Aus dem Akronym dieser ganzen Formel wurde das Verbum bomfog, und bomfogging galt nun als Synonym für humanitäre Phrasendrescherei. 26

Hudson, 1981, 154.

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Kap. li: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

Sowohl der Unitarianism als auch der Universalism entwickelten sich zu eigenen Denominationen, aus denen wiederum zwei einflußreiche Gruppierungen von Intellektuellen entstanden. Auf der einen Seite spaltete sich die Free Religious Association ab, die eine Religion of Humanity vertrat und stark vom französischen Positivismus beeinflußt war27 , auf der anderen Seite bildete sich der sogenannte Transcendentalism, eine lose Gruppierung, deren Name lediglich ausdrücken sollte, daß die Mitglieder nicht materialistisch oder naturalistisch dachten. Zu den Transcendentalists zählten sich Ralph Waldo Emerson, der als Geistlicher bei den Unitarians in Boston begonnen hatte, und anfangs auch Orestes Brownson.

4. Katholizismus als Einwandererkirche Der amerikanische Katholizismus dagegen bot auf den ersten Blick ein ganz anderes Bild. Es schien ihm nicht darum zu gehen, neue, den Umständen entsprechende Institutionen zu entwickeln, sondern die altbekannten, unveränderlichen Strukturen durchzusetzen. Der Streit um die Stellung der trustees gab dafür ja ein Beispiel, und das pressewirksame Schauspiel, daß Bischöfe und Laien unter Einbeziehung der Polizei um das Recht stritten, Kirchen zu betreten, hatte viele in ihrem Vorurteil über Katholizismus und "amerikanische Freiheiten" bestätigt. Tatsächlich trat nun ein Typus von Bischöfen hervor, dessen Profil recht genau der Aufgabe entsprach, die katholische Kirchenstruktur durchzusetzen, also den kirchlichen Apparat aufzubauen, zu verwalten und, wenn nötig, auch intellektuell zu verteidigen, wobei manchmal das administrative und politische Talent, manchmal mehr die schlagfertige Apologetik überwog, offenbar aber beide Begabungen karrierebestimmend waren. Diese macht- und selbstbewußten Bischöfe stützen sich auf eine wachsende und zunehmend von Einwanderem geprägte Kirche, deren Mitglieder vorerst gegen den Kongregationalismus und andere Ausdrucksformen des amerikanischen Freiheitsverständnisses weitgehend immun waren. Eines der beiden Gegengifte gegen ein amerikanisiertes Religions- und Kirchenverständnis ergab sich aus der feindseligen Art und Weise, in der der damalige amerikanische Protestantismus auf die Masseneinwanderung von Katholiken reagierte. Der Antikatholizismus wurde zum stärksten Element der Gemeinsamkeit eines ansonsten schon unüberschaubar vielfältigen Protestantismus. Umgekehrt entwickelten die Katholiken das Bewußtsein einer Minderheit, die sich gegen Widerstände erst ihren Platz in Amerika erkämpfen mußte. Dazu gehörte auch, daß von den Bischöfen starke Führung und würdige Repräsentation einer auf Anerkennung pochenden Gruppe erwartet wurden. 27

Lears, 1981, 120 ff.

4. Katholizismus als Einwandererkirche

71

Die ethnische Pfarrei als Schutzraum und als Agentur der Amerikanisierung

Ein zweites Gegengift ergab sich aus der nachträglichen, nostalgisch verklärenden Zurechnung zu einer nationalen Heimatkultur, in die auch eine traditionelle Kirchlichkeit eingeschlossen wurde. Pfälzer und Sizilianer, die oft schon ausgewandert waren, bevor die Ideologie des Nationalismus ganz Europa erfaßt hatte, machten erst jetzt die Erfahrung, daß ihre Sprache sie zu Deutschen oder Italienern bestimmte. Ebenso wurden diese Einwanderer von einer feindlich gesonnenen Umwelt darauf gestoßen, daß die unamerikanische Religion, die sie mitbrachten, Teil ihrer Identität war, ganz gleich, wie schwach die Kirchenbindung in der alten Heimat gewesen sein mag. So waren die Einwanderer einerseits geneigt, die Kirche als Repräsentantin ihrer Ansprüche und Hoffnungen zu sehen und sich der Autorität der irischen Bischöfe unterzuordnen. Andererseits erwarteten sie aber, daß Sprache und Bräuche der alten Heimat in der Pfarrei gepflegt würden.

lohn England, lohn Hughes, lohn Martin Henni und lohn Martin Spalding: Ein neuer Typ von Bischöfen

Dennoch erwiesen Institutionen wie die ethnische Pfarrei und das eigene Schulwesen sich am Ende nicht nur als Schutzräume, sondern mindestens ebenso sehr als wirksame Instrumente der Integration und der schrittweisen Amerikanisierung. Dabei wurden zunehmend die Kennzeichen eines amerikanischen religiösen Stils sichtbar, so daß nicht nur römische Beobachter, sondern auch einige amerikanische Bischöfe zu fragen begannen, wie amerikanisch der amerikanische Katholizismus werden dürfe, wenn er noch katholisch bleiben solle, oder wie amerikanisch er zu sein habe, um in Amerika überleben zu können. Aus diesen Fragen entwickelten sich die Konflikte der Jahrzehnte nach dem Bürgerkrieg. Zunächst aber ging es darum, den wachsenden Strom der Einwanderer zu integrieren und dabei nach innen die Einheit der Kirche zu wahren und nach außen den Anspruch auf Gleichberechtigung anzumelden. Dazu waren die Bischöfe John England und John Hughes eher entschlossen und gerüstet als ihre französischen Vorgänger, deren Zeit auch nach Meinung von Marechal nun abgelaufen war. England und Hughes sind dabei Vorläufer eines neuen Typs von Bischöfen, der nach dem Bürgerkrieg zunehmend über ein eigenes Netz amerikanischer Institutionen rekrutiert wurde. Diese zunehmende Institutionalisierung eines eigenen Karriereweges begann damit, daß einzelne Bischöfe, oft noch aus der Generation der Franzosen, einen jungen Mann förderten, indem sie ihn auf ihr eigenes früheres Seminar in Europa schickten. Schon bald entstanden jedoch in Washington und in Rom eigene Ein-

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Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

richtungen der amerikanischen Bischöfe, durch die ein immer größerer Teil der künftigen Bischöfe geschleust wurde. John England, der noch in Irland aufgewachsen und dort zum Priester geweiht worden war, kam 1820 mit 34 Jahren als erster Bischof nach Charleston, wo er über sein Bistum hinaus eine rastlose Tätigkeit entfaltete. Er versuchte, den Aufbau einheitlicher Kirchenstrukturen voranzutreiben und den antikatholischen Vorurteilen durch intensive Öffentlichkeitsarbeit entgegenzuwirken. So führte er eine Bistumsverfassung ein, die zwar alle Entscheidungsbefugnisse des Bischofs unberührt ließ, den Laien aber eine Repräsentation gab. Das Problem der trustees war dadurch allerdings nicht zu lösen. Auch die ersten Bischofskonferenzen gehen auf Englands Betreiben zurück, doch blieben diese Versammlungen vorerst auf die Kirchenprovinz Baltimore begrenzt. Erst 1852, nach Englands Tod, fand die erste nationale Bischofskonferenz statt. Derartige gemeinsame Einrichtungen schienen ihm nicht nur wegen der Vereinheitlichung der Seelsorge, sondern auch wegen der Vertretung nach außen als wichtig. Er gründete die erste katholische Zeitung und nahm jede Gelegenheit wahr, vor einem nichtkatholischen Publikum, wie vor Bostoner Geschäftsleuten oder New Yorker Journalisten, als Redner aufzutreten und die antikatholische Propaganda ironisch zu kommentieren28. Er starb allerdings schon 1842, in dem Jahr, in dem der weniger subtile John Hughes Bischof von New York wurde. Ebenfalls noch in Irland geboren, kam Hughes als 20jähriger nach Pennsylvania. Von dort aus bewarb er sich um Aufnahme in das von den Sulpicianern geführte St. Mary's Seminary in Emmitsburg bei Baltimore. Zunächst freilich waren alle Plätze besetzt, und deshalb arbeitete John Hughes als Gärtner, bis der Rektor des Priesterseminars, Pater John Dubois, der spätere Bischof von New York, ihn als Gärtner des Priesterseminars anstellte. Schließlich rückte er auf einen der freigewordenen Plätze nach und wurde nach Abschluß des Studiums 1826 in Philadelphia zum Priester geweiht. Dort war er auch in den nächsten 12 Jahren als Pfarrer tätig, doch beschränkte er sich schon damals nicht auf die damit verbundenen Aufgaben. Er führte öffentliche Streitgespräche mit einem Pastor der Presbyterianer, der den Katholizismus als Hindernis für religiöse und bürgerliche Freiheit dargestellt hatte, und er gründete eine Zeitung, die später von der Diözese übernommen wurde. Besonders kennzeichnend für seinen Stil und seine Lust an der Provokation ist jedoch die Art, in der er die Wochenzeitung The Protestant bloßstellte. Dieses in New York von protestantischen Geistlichen herausgegebene Blatt hatte sich auf antikatholische Agitation spezialisiert und publizierte die abstrusesten Verschwörungstheorien und 28

Gaustad, 1982, Bd. I, 451 ff.

4. Katholizismus als Einwandererkirche

73

Skandalgeschichten. Hughes erfand nun einige besonders krasse Enthüllungen und bot sie, unter Pseudonym, den Herausgebern an, die in die Falle tappten und das Ganze druckten. Später in New York führte er vor allem den Kampf für die katholischen Schulen und zeigte während des Höhepunktes der nativistischen Ausschreitungen die Unerschrockenheit, für die er bereits bekannt war. Kurz nachdem Hughes in New York 1842 seinem früheren Seminarrektor Dubois als Bischof nachgefolgt war, wurden zwei andere Bischöfe ernannt, die weniger bekannt, aber in vieler Hinsicht bemerkenswert sind. John Martin Henni (1805 - 1881) wurde 1843 der erste Bischof der Diözese Wisconsin mit Bischofssitz in Milwaukee, und John Martin Spalding folgte 1850 seinem Förderer Benedict Flaget, einem anderen Sulpicianer, als Bischof von Kentucky nach. Der Lebenslauf beider Bischöfe weist große Ähnlichkeiten auf. Manches deutet auf ähnliche Neigungen und einen vergleichbaren Stil, und dennoch wurden beide ohne eigenes Zutun und auf ganz unvermeidliche Weise zu Wegbereitem der Konflikte der nächsten Generation und zu Förderem einiger Protagonisten dieser Auseinandersetzungen. Der 1805 in der Schweiz geborene Johann Martin Henni begann mit seinen Studien in Luzem und Rom, beendete seine Ausbildung aber in Bardstown, Kentucky. Am dortigen St. Thomas Seminary wurde er 1829 für das Bistum Ohio zum Priester geweiht. Es ist nicht erkennbar, ob dem jungen Mann die Lage in der Schweiz schon damals wenig aussichtsreich für einen katholischen Theologen mit intellektuellen Interessen erschien oder ob er während seines Studiums in Rom zur Betreuung der vor allem nach Ohio einwandemden deutschsprachigen Katholiken verpflichtet wurde. Den umgekehrten Weg ging John Martin Spalding, der 1810 in Kentucky geboren wurde. Er stammte aus einer alten Familie von Maryland-Katholiken, die 20 Jahre vorher nach Kentucky weitergewandert war. Weshalb er dennoch 40 Jahre später so viele Verwandte in Kentucky hatte, daß daraus Bedenken gegen seine Ernennung zum Bischof erwuchsen, wird verständlich, wenn man liest, daß er zusammen mit 20 Geschwistern aufwuchs. Spalding besuchte zunächst das Priesterseminar St. Thomas und wurde dann von Bischof Flaget nach Rom an das Kolleg der De Propaganda Fide geschickt. Dort beendete er als erster Amerikaner sein Studium mit einer Promotion in Theologie. Nach Hause zurückgekehrt, wurde er 1834 fünf Jahre nach dem ebenso viele Jahre älteren Henni in Bardstown zum Priester der Diözese Kentucky geweiht. Beide traten als junge Priester durch Veröffentlichungen hervor, obwohl sie bereits umfangreiche Aufgaben in der Seelsorge und in der Verwaltung der jeweiligen Bistümer übernommen hatten. Henni betreute zunächst 5

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Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

Jahre lang auf dem circuit die deutschen Katholiken in Ohio und erwarb sich dabei den Titel Apostle of the Germans. 1834 wurde er Generalvikar des Bistums und fand dennoch Zeit, eine Geschichte der katholischen Kirche in Amerika zu schreiben, die 1836 unter dem Titel Ein Blick ins Tal des Ohio in München erschien. Er gründete auch die Zeitung Der Wahrheitsfreund, deren Kurs er über mehrere Jahre hinweg durch seine eigenen Beiträge bestimmte. Die Stellung des Wahrheitsfreundes war kennzeichnend für die schwierige Lage eines deutschsprachigen katholischen Liberalen. Anders als Carroll, England oder Spatding waren Henni und der Wahrheitsfreund eindeutig gegen die Sklaverei, gegen die Prohibition und gegen Preußen oder jede Autokratie, "die den Fuß an den Schuh anpaßt, statt umgekehrt". Andererseits wehrte Henni sich später gegen jene 48er unter den deutschen Emigranten, die Liberalismus mit antireligiöser Propaganda verwechselten. Der Wahrheitsfreund spielte jedenfalls eine große Rolle in dem sogenannten deutschen Dreieck des amerikanischen Katholizismus, das seit den 1830er Jahren in dem Gebiet zwischen Cincinnati, St. Louis und Milwaukee entstand, und er war auch nach dem Bürgerkrieg noch vorzeigbar. Spalding betreute derweil nach einer Zeit als Präsident eines Colleges in Bardstown verschiedene weiträumige missions des Bistums Kentucky und wurde 1844 dessen Generalvikar. Bis dahin schrieb er eine History of the Great Reformation in Germany and Switzerland, die erstmals 1844 erschien und später in einer erweiterten Fassung als The History of the Protestant Reformation neu aufgelegt wurde. Außerdem gründete er ebenso wie Hughes und Henni seine Zeitung, und deren Name, The Catholic Advocate machte besonders deutlich, daß in Kentucky anders als im relativ friedlichen deutschen Dreieck irische Einwanderer auf native Americans stießen. Beide Generalvikare wurden schließlich zu Bischöfen: Spalding im Bistum von Kentucky, dessen Sitz inzwischen nach Louisville verlegt worden war, und Henni in dem neu errichteten Bistum von Wisconsin mit der Bischofsstadt Milwaukee. Beide bauten an der westlichen Grenze des damaligen Amerika für die irischen und deutschen Einwanderer die kirchlichen Strukturen auf, betonten die Bedeutung des Bildungswesens und gründeten mit Hilfe von Orden, die sie zur Niederlassung in ihren Bistümern ermunterten, Schulen und Colleges. Doch beide stellten auch, indem sie auf die unterschiedlichen Verhältnisse in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich reagierten, die Weichen in entscheidender Hinsicht anders. Die Schwierigkeiten, mit denen Henni zu kämpfen hatte, drehten sich um das Problem der Sprache. Dabei war einerseits ganz offenkundig, daß die Einwanderer in Amerika nur in dem Maße Fuß fassen würden, als sie das Englische wirklich beherrschten, eine Einsicht, die Henni dazu brachte, Englischkurse für Erwachsene einzurichten. Andererseits befürchteten viele,

4. Katholizismus als Einwandererkirche

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daß der Einwanderer mit seiner Muttersprache auch seinen Glauben verlieren werde. So verfaßte Henni selbst in deutscher Sprache einen Katechismus für Kinder. Ihm war klar, daß er keine abgeschirmte deutsche Subkultur aufrechterhalten konnte, doch setzte er auf das Konzept der Zweisprachigkeit. Als Bischof und später als Erzbischof von Milwaukee gründete er nicht nur den Seeboten, sondern auch den Catholic Citizen, und die deutsche Sprache war ihm am Ende weniger wichtig als die gegenseitige Ergänzung katholischer Institutionen. Ebenso wie schon als Generalvikar in Cincinnati, setzte er in Milwaukee durch, daß in allen Pfarreien eigene Schulen gegründet wurden. Nur in armen ländlichen Pfarreien ließ er Ausnahmen zu. Selbst in den städtischen Pfarreien Cincinnatis oder Milwaukees, wo die Katholiken die Mehrheit der Bevölkerung stellten und daher theoretisch die Aufsichtsgremien der öffentlichen Schulen beherrschen konnten, wurden katholische Schulen eingerichtet. Für die gehorsamen Gläubigen bedeutete dies, daß sie ihre Kinder in die eigenen Schulen schickten und mit ihren finanziellen Beiträgen sowohl diese katholischen Privatschulen als auch die öffentlichen Schulen zu unterhalten hatten. Henni gründete ein Priesterseminar St. Francis, das nicht nur für seine Diözese den Priesternachwuchs ausbildete, so daß dort schon 1869 36 Absolventen aus 12 Bistümern geweiht wurden. Er förderte die Gründungen von Colleges und Universitäten, vor allem, indem er Grundstücke bereit stellte oder beim Kauf von Grundstücken behilflich war, aber er mischte sich sonst nicht ein. So entstand die Marquette University der Jesuiten, und die Schweizer Benediktiner aus Einsiedeln, die zuvor schon in Indiana die Abtei St. Meinrad gegründet hatten, ließen sich in Greenbay, dem späteren Collegeville, nieder29 . Spalding investierte nicht soviel Energie in derartige Neugründungen, was zunächst damit zu erklären ist, daß er immerhin schon einige Institutionen vorfand, zu denen etwa das von Spalding und Henni besuchte Priesterseminar zählte. Außerdem wurde er 1863 als Erzbischof nach Haitimore berufen, wodurch er die Gelegenheit erhielt, seinen Prioritäten noch stärkeren Nachdruck zu verleihen, wozu sicher nicht die Förderung der Zweisprachigkeit zählte. Für Spalding, wie für die von ihm direkt und indirekt geförderten Bischöfe der nächsten Generation, die allesamt irischer Abstammung waren, gab es keinen Zweifel daran, daß die Kirche so schnell wie möglich jeden französischen oder deutschen Akzent verlieren sollte - und sie glaubten zunächst auch, daß die übrigen Amerikaner zwischen einem irischen und einem amerikanischen Akzent nicht mehr unterschieden. Ebenso wie schon John England hielt Spalding es für wichtig, zentrale Institutionen zu schaf29

White, 1989, 116.

Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

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fen, um auf diese Weise die Amerikanisierung der Kirche zu erleichtern und zu beschleunigen. So beteiligte er sich noch von Louisville aus an der Vorbereitung der ersten nationalen Bischofskonferenz von 1852, und in Baitimore ging er sofort an die Vorarbeiten für eine zweite amerikanische Bischofskonferenz, die dann bereits 1866 unter seiner Leitung stattfand. Auf der gleichen Linie liegt Spaldings Beitrag zur Schaffung einer zweiten Ebene der Nachwuchsbildung, die nach und nach aus jenen Institutionen entstand, die die amerikanischen Bischöfe in Europa und Amerika gründeten und gemeinsam unterhielten. Spalding beteiligte sich intensiv an den Diskussionen um ein American College in Rom, und er gründete zusammen mit dem aus Belgien stammenden Bischof von Detroit, Peter Lefevere, schon 1857 ein amerikanisches College in Leuven. Dieses College in Belgien kam sozusagen auf einem römischen Umweg zustande. Der Jesuit Peter Kindekens hatte von Lefevere und Spalding den Auftrag erhalten, in Rom wegen der Gründung eines amerikanischen Colleges zu sondieren. In der Ewigen Stadt, die seit 1854 von den Franzosen besetzt war, erreichte Kindekens nichts. Doch auf dem Rückweg machte er in seiner belgiseben Heimat und seiner eigenen Universität Station, und dort stieß er auf Interesse. Und so wurden von 1857 an junge amerikanische Kleriker nach Belgien geschickt. Als 1907 die ersten 50 Jahre gefeiert wurden, war die Zahl der jungen Amerikaner, die dort ihre Ausbildung beendet hatten, auf 700 angestiegen. Noch größere Bedeutung erhielt zweifellos das American College in Rom, das 1859 gegründet wurde 30 . Einer der ersten Studenten, die nach Leuven geschickt wurden, war John Lancaster Spalding, ein Neffe des Mitgründers, und dieser jüngere Spalding setzte sich später als der erste Bischof von Peoria, Illinois, besonders für die Gründung einer gemeinsamen Universität der amerikanischen Bischöfe ein. Nach langem Hin und Her wurde diese schließlich als die Catholic University of America 1887 gegründet. Ab den 1860er Jahren begann jedenfalls die Karriere eines künftigen amerikanischen Bischofs meist damit, daß dessen Bischof ihn nach Abschluß des Seminars zur Fortsetzung der Ausbildung nach Rom oder nach Leuven schickte, wo er promovierte und zwar nach Möglichkeit im kanonischen Recht. Später kam die Möglichkeit hinzu, an die Catholic University in Washington zu gehen, was manchmal eine Alternative zu der europäischen Fortsetzung der Ausbildung war, manchmal auch damit kombiniert wurde. So entstand eine "Hauptstraße" der Bischofsrekrutierung, neben der nur noch für begrenzte Zeit eine deutsche "Nebenstraße" aufrechterhalten wurde. Henni, der aus Rom nach Amerika gekommen war, als Spalding gerade nach Europa aufbrach, wurde nun durch die Logik seiner eigenen Aufbauarbeit auf einen Weg verwiesen, der ihn nicht nach Rom, sondern nach München und nach Wien 30

Ellis, 1969, Bd. 1, 315.

4. Katholizismus als Einwandererkirche

77

führte. Der Ludwigs-Missionsverein in München, der sich mit Unterstützung des bayerischen Königshauses und der bayerischen Bischöfe um die Seelsorge für die deutschsprachigen Katholiken in Amerika bemühte, konzentrierte seine Hilfe immer stärker auf Hennis Bistum. Der Missionsverein vermittelte ganze Gruppen von Ordensleuten, die bereit waren, in Wisconsin oder in den angrenzenden Präriestaaten Niederlassungen zu gründen, und er half immer wieder mit Geld und mit der Entsendung von jungen Priestern. Einer dieser bayerischen Priester war der 1840 in Eichstätt geweihte Michael Heiss, der ab 1844 als Sekretär für Henni arbeitete, ab 1856 das neugegründete Priesterseminar leitete und 1878 zum ersten Bischof der Diözese La Crosse geweiht wurde. Henni setzte schließlich auch durch, daß Heiss zu seinem Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge wurde und ihn schließlich 1881 als Erzbischof von Milwaukee ablöste. In diesem Amt wurde Heiss zum Anführer der sogenannten deutschen Bischofsfraktion. In Baltimore dagegen war seit 1875 der junge Priester James Gibbons als Sekretär des Erzbischofs Spalding tätig. Dank Spatdings Förderung machte Gibbons eine ungewöhnlich schnelle Karriere, die ihn schließlich 1877 auf den Stuhl des Erzbischofs von Baltimore führte. Er repräsentierte den amerikanischen Katholizismus für mehr als vier Jahrzehnte, und während dieser ungewöhnlich langen Amtszeit strömten Millionen europäischer Einwanderer nach Amerika. Die drei Wellen der Einwanderung

Die Vereinigten Staaten führten seit 1790 alle zehn Jahre eine Volkszählung durch. Ab 1820 hielten die Hafenbehörden fest, welcher Staat die Papiere der einreisenden Passagiere ausgestellt hatte, so daß eine Einwanderungsstatistik entstand, die noch mancherlei Ungenauigkeiten aufwies. Sie ignorierte die allerdings geringe Zuwanderung auf dem Landweg, sie unterschied nicht zwischen Reisenden und Einwanderem und sie erfaßte die ethnische Zuordnung nur indirekt über die Staatsangehörigkeit, so daß ein Mazedonier zum Türken und ein Pole zum Russen werden konnte. Auch als in den 1860er Jahren die transatlantischen Dampfschiffahrtslinien aufkamen, wurde die Statistik der Hafenbehörden nur in sofern verfeinert, als man begann, zwischen Reisenden, Einwanderem und Auswanderern zu unterscheiden. Hier genügt es jedoch, die Größenordnung der Einwanderung, ihren Anteil am Bevölkerungswachstum und die zeitlichen Höhepunkte festzuhalten. In der Tabelle Nr. 2 sind daher die offiziellen Zahlen zusammengefaßt, auf die bereits Hertling und andere Autoren sich gestützt haben 31 • 3I

Hertling, 1954, 158ff.

Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

78

Tabelle 2 Hundert Jahre Einwanderung (1821 - 1921)

Gesamt - Bevölkerung

Zuwanderung

1820

9638000

1821 - 1830

1830

12866000

1831- 1840

600000

1840

17069000

1841 - 1850

1700000

1850

23192000

1851 - 1860

2600000

1860

31443000

1861 - 1870

2300000

1870

39818000

1871- 1880

2800000 5200000

140000

1880

50156000

1881 - 1890

1890

62948000

1891 - 1900

3900000

1900

75995000

1901- 1910

8600000

1910

91972000

1911- 1920

1900000

Quellen: Hertling (1954), S. 158ff. und USA-Pioetz (1985), S. 90.

Aus dieser Tabelle geht hervor, daß nun, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, auf die Gebietsausdehnung ein Bevölkerungswachstum folgt, das in erster Linie durch die Einwanderung verursacht ist. Zwischen 1850 und 1900 steigt die Einwohnerzahl von 23 Millionen auf 76 Millionen, also auf mehr als das Dreifache. Die höchsten Zahlen sind in dem Jahrzehnt nach der Jahrhundertwende zu verzeichnen, und diese starke Zuwanderung setzt sich während des Ersten Weltkriegs und danach noch fort, bis 1921 und 1924 restriktive Einwanderungsgesetze in Kraft treten. Betrachtet man die relative Stärke der Einwanderung, also das Verhältnis von vorhandener Bevölkerung und Zustrom, so wird ein wellenförmiger Verlauf mit drei Höhepunkten in den 1850er Jahren, den 1880er Jahren und am Anfang dieses Jahrhunderts erkennbar. In diesen Abschnitten macht die Zahl der Einwanderer jeweils mehr als ein Zehntel der Einwohnerzahl aus, die zu Beginn des jeweiligen Jahrzehnts ermittelt wurde. Mit der ersten Welle, die ihren Höhepunkt in den Jahren vor und nach 1850 erreichte, kamen vorwiegend Einwanderer aus Nord-West-Europa. Ein erheblicher Teil der Engländer und Franzosen ging nach Kanada. Unter denjenigen, die in die Vereinigten Staaten einwanderten, bildeten die Iren und die Deutschen die größten Gruppen, wobei der Anteil der Iren sich nach der irischen Hungersnot von 1847 vervielfältigte. Von den Deutschen wird behauptet, daß sie im Durchschnitt weniger verarmt waren und eine bessere landwirtschaftliche oder handwerkliche Ausbildung mitbrachten, weshalb sie eher bereit waren, nach Westen weiterzuziehen. Die Iren

4. Katholizismus als Einwandererkirche

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dagegen waren meist gezwungen, in den Städten des Ostens zu bleiben, wo sie hoffen konnten, Lohnarbeit zu finden. Mit der Zeit kam ein anderes Charakteristikum der Stadt hinzu: Nur dort ließ die numerische Größe einer Gruppe sich in Beschäftigungschancen verwandeln, wenn man es verstand, das Instrument der politischen Organisation zu nutzen. So fanden sich recht bald schon unter Tausenden von New Yorker Polizisten fast ausnahmslos nur noch Iren. Die zweite Welle brachte eine Intensivierung der deutschen Einwanderung Ende der 70er Jahre und während der 80er Jahre. Diese deutschen Zuwanderer strömten besonders in das schon existierende deutsche Dreieck, also in Städte wie Cincinnati, Toledo und Milwaukee, aber sie siedelten sich auch in den benachbarten ländlichen Regionen dieses Dreiecks an und verlängerten es durch ihre Farmen entlang des Mississippi über St. Louis hinaus nach Süden und von Wisconsin aus über Minnesota nach Nordwesten in die Präriestaaten hinein. Die dritte Welle schließlich bestand aus den etwa 20 Millionen, die von der Jahrhundertwende bis zur gesetzlichen Begrenzung des Zuzugs, besonders aus Süd- und Osteuropa, einwanderten. Sie kamen zu einer Zeit, in der die Besiedelung des Mittleren Westens und Westens abgeschlossen war, aber die Industrialisierung noch keineswegs ihr Ende erreicht hatte. Noch mehr als die Iren konzentrierten sich daher diese Armen des europäischen Kontinents in den Städten des Nordostens und der Atlantikküste. Die Juden aus Galizien und Rußland begannen in den Textilfabriken New Yorks, die Slowaken in der Stahlindustrie Pittsburghs oder in der Automobilindustrie von Detroit und die Polen im Waggonbau Chicagos. Für die katholische Kirche bedeuteten die 100 Jahre der Einwanderung ein großes absolutes und relatives Wachstum, weil der Anteil der Katholiken unter den Einwanderem wesentlich größer war als unter der amerikanischen Bevölkerung von 1820, wobei freilich die mangelnde Genauigkeit der kirchlichen Zahlen wiederum Probleme schafft. Im Jahre 1790, als der erste Zensus eine Bevölkerungszahl von 4 Millionen ergab, schätzte John Carroll seine Herde auf 35 000 Menschen, was einen Anteil von weniger als einem Prozent entsprach. Als Erzbischof Gaetano Bedini 1853 im Auftrag des Vatikan eine Reise durch Amerika unternahm, nannten die amerikanischen Bischöfe ihm eine Zahl von etwa 2 Millionen, was schon auf etwa ein Zehntel der damaligen Bevölkerung hinauslief. Hennesey meint, bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges sei die Zahl der Katholiken auf 3 Millionen angewachsen, wovon jeder dritte erst im vorausgegangenen Jahrzehnt eingetroffen sei32 .

32

Hennesey, 1981, 159.

80

Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

Geht es um die ethnische Zusammensetzung dieser Zahl von drei Millionen Katholiken, so ist man auf Schätzungen angewiesen, weil weder bei der Einreise noch bei der Volkszählung nach der Religionszugehörigkeit gefragt wurde. Wiederum bleibt nur die Annäherung über die Nationalität, wobei freilich Autoren wie Fitzpatrick33 oder Shaughnessy34 etwas voreilig alle Iren für Katholiken halten. Dennoch kann man unterstellen, daß die Iren als die ohnehin größte Einwanderergruppe zu etwa 85 Prozent katholisch waren. Bei den Deutschen dagegen lag der entsprechende Anteil wohl unter 40 Prozent, und der Zustrom der Deutschen erreichte auch erst gegen Ende des Jahrhunderts seinen Höhepunkt. Die Iren bestimmten also für lange Zeit die Entwicklung und das Erscheinungsbild des amerikanischen Katholizismus. Sie machten sich noch bemerkbarer, als es ihrer ohnehin beachtlichen Zahl entsprach, und für diese zusätzliche Auffälligkeit gab es vor allem zwei Gründe. Zum einen hatten die Engländer die Iren auf unbeabsichtigte Weise gerüstet, indem sie ihnen sowohl die englische Sprache als auch politisches Bewußtsein mitgaben. Zum anderen ließen die Iren sich vor allem in den Städten des Nordostens nieder, wo sie zu den ökonomischen Konkurrenten der schon ansässigen Unterschicht und zu einem Thema für die entsprechende Presse wurden. Auch der Erzbischof Bedini wies nach seiner Inspektionsreise darauf hin, daß der Durchschnittsamerikaner bislang noch keinen anderen Katholiken als den armen und ungebildeten Iren begegnet sei. Seit die Katholiken davon profitiert hatten, daß John Carroll als ein polished gentleman galt, waren einige Jahrzehnte vergangen, und es ist vorstellbar, daß die Iren dem amerikanischen Katholizismus eine plebejische Note hinzufügten. Doch schon zu Carrolls Zeiten hatte sich in der turbulenten Geschichte Marylands eine antikatholische Grundstimmung bemerkbar gemacht, die nicht erst von den Iren erzeugt werden mußte.

5. Kulturkampf in Amerika Nativismus und antikatholische Kulturpropaganda in den Jahrzehnten bis zum Bürgerkrieg

Diese Stimmung entlud sich zwischen 1834 und 1855 in Boston, Philadelphia und Louisville in gewaltsamen Ausschreitungen. Dabei betätigte sich zwar ein schon amerikanisierter protestantischer Mob, den das anwachsende irisch-katholische Proletariat irritiert haben mag, doch hinter diesen 33 34

Fitzpatrick, 1987. Shaughnessy, 1925.

5. Kulturkampf in Amerika

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Vorgängen wurden Organisationsstrukturen sichtbar, ohne die es zu einer solchen Verdichtung der Aggressionen kaum gekommen wäre. Es handelte sich dabei zunächst um ein Netzwerk antikatholischer Propagandainstitutionen, das Ray Allen Billington in seinem Buch The Protestant Crusade 1800 - 1860 geschildert hat. Daneben entstanden zu dieser Zeit aber auch politische Organisationen des Nativismus, der nicht notwendig antikatholisch ist, der aber durch die Verbindung der beiden Motive des Nativismus und des Antikatholizismus in den 1850er Jahren zu einer politischen Kraft wurde. Den Grundstock dieses Propagandanetzwerks bildeten Wochenzeitungen wie The New York Observer oder The Recorder, die sich auf Skandalgeschichten über das Leben hinter Klostermauem spezialisiert hatten. Sie lebten von dem Stoff, der auch das Buch der Maria Monk oder die Romane der Rachel McCrindell (z.B. School Girl in France) zu Erfolgen machten. Die Awful Disdosures of Maria Monk, die 1836 erstmals erschienen und danach 20 Neuauflagen mit insgesamt 300000 Exemplaren erreichten, stammten, wie sich bald herausstellte, von einer jungen Frau, die als Mädchen mit Hilfe eines jungen Mannes aus einem von Nonnen geführten Heim für straffällige Jugendliche geflohen war. In ihrem Buch stellte sie sich als Novizin eines Klosters in Montreal dar. Dort sei sie, wie andere Nonnen auch, zum Verkehr mit Priestern gezwungen worden. Weil sie verhindem wollte, daß ihr Kind, wie in dem Kloster üblich, gleich nach der Taufe getötet und im Keller vergraben würde, sei ihr nur die Flucht geblieben. Eine Gruppe von Geistlichen schickte Maria Monk mit dieser Geschichte auf Vortragstourneen zu protestantischen Kirchengemeinden35. Eine etwas gehobenere, nämlich politischere Qualität erhielten diese Kampagnen durch das Blatt The Protestant, das der Bischof Hughes durch seinen Bluff hereingelegt hatte. Diese Zeitung, die 1830 in New York von einer Gruppe protestantischer Geistlicher gegründet wurde, verzichtete zwar nicht auf Geschichten nach Art der Maria Monk, hatte aber dennoch eher die Zielrichtung, die in der Kopfzeile durch den Untertitel Expositor of Popery angegeben wurde. Hier ging es also um angebliche Anschläge auf die amerikanischen Freiheiten und die amerikanischen Institutionen, und unter solchen Stichworten konnten sich auch viele beteiligen, die einen Ruf zu wahren hatten. Samuel F. B. Morse, Erfinder des Telegrafen und Sohn des kongregationalistischen Geistlichen Yedidiah Morse, der als "Vater der amerikanischen Geographie" gilt, war auch der Erfinder der "ausländischen Verschwörungen gegen die amerikanische Demokratie". In seinem Buch von 1834, dessen Titel den Inhalt nahezu erschöpfend wiedergibt (A Foreign Conspi35

Cogley, 1986, 38.

6 Zöller

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racy Against the Liberties of the United States), beschreibt er eine Verschwörung unter Führung des Vatikans und der Habsburger, die darauf abziele, die katholischen Einwanderer als Unterwanderer der amerikanischen Demokratie einzusetzen. Auf dieser Linie lagen auch die protestantischen Gesellschaften, die nun gegründet wurden, um die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit zu organisieren und zu unterstützen. 1840 bildete sich eine American Society to Promote the Principles of the Protestant Reformation, die es als ihr Ziel bezeichnete, Informationen über die Unterschiede zwischen Protestantismus und Papismus (protestantism and popery) zu verbreiten und die Papisten zum Christentum zu bekehren (to convert the papists to christianity). Dazu sollten Vortragsserien organisiert und Traktate verbreitet werden36 . Zwei Jahre danach gründeten hundert protestantische Geistliche die Protestant Association. Sie erklärten, daß Papismus die bürgerliche und religiöse Freiheit untergrabe und deshalb mit vereinten Kräften zu bekämpfen sei. Die Mitglieder sollten nicht nur ihre Gemeinden über die Gefahren aufklären, sondern sich auch an die Öffentlichkeit wenden und die Verbreitung antikatholischer Bücher fördern 37 • Propagandistischer Kulturkampf dieser Art war also längst keine Angelegenheit einiger fanatischer Außenseiter mehr, sondern hatte im Laufe der 20er und 30er Jahre zusehends an Reputierlichkeit gewonnen. Lyman Beecher übernahm die Verschwörungstheorien des Samuel Morse und warnte in seinen Predigten davor, daß die Vereinigten Staaten aus dem Tal des Mississippi heraus aufgerollt werden könnten. Horace Bushnell, das Schulhaupt der liberalen Theologie, befand, die größte Gefahr sei barbarism, nämlich der Zustrom von Ausländern, aber die römische Gefahr komme gleich danach 38 . Eine explosive Mischung entstand jedoch erst, als der religiöse Nativismus sich mit dem politischen verband. Diese Kombination war, wie bereits gesagt, keineswegs zwingend. Vor 1841 gab es auch in New Orleans Versuche zur Gründung einer nativistischen American Party, die für eine gesetzliche Begrenzung der Einwanderung eintreten sollte. Diese Gruppe trennte sich von entsprechenden Organisationen in New York und Philadelphia, als deren antikatholische Ausrichtung deutlich wurde39 . An der Ostküste dagegen entstanden 1842 die Zeitschrift The Native American, die der Bewegung den Namen geben sollte, und 1843 die American Republican Party, die im Jahr darauf bei den Wahlen im Staat New York die Mehrheit erzielte. Die Hauptforderung der Partei bestand darin, 36 37

38

39

Gaustad, 1982, Bd. I, 464. Billington, 1938, 183. Hennesey, 1981, 119ff. Uthmann, 1992.

5. Kulturkampf in Amerika

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öffentliche Ämter nur mit Personen zu besetzen, die in Amerika geboren waren. Außerdem sollte gegen alle Proteste der Katholiken und ihres Bischofs Hughes auch weiterhin die protestantische King-James-Version der Bibel für den Unterricht in den öffentlichen Schulen verwendet werden40. Die Know-Nothing-Party

Die Erfolge der American Republican Party blieben auf New York, die angrenzenden Teile Neuenglands und New Jersey begrenzt, doch entwikkelte sich in den folgenden Jahren eine patriotische Geheimgesellschaft, die gerade wegen ihres vorgeblich geheimen Charakters großes öffentliches Interesse auslöste. Dieser Order of the Star Spangled Banner sollte sich nicht direkt in der Politik betätigen, sondern in den bestehenden Parteien zugunsten nativistischer und antikatholischer Kandidaten Einfluß nehmen. Die Satzung bezeichnete es als den Zweck des Ordens, Widerstand gegen die hinterhältige Politik der Kirche von Rom und gegen andere Bedrohungen der republikanischen Institutionen zu leisten und dafür zu sorgen, daß öffentliche Ämter nur in die Hand von native born protestant citizens kämen. Während die New Yorker Partei sich jedenfalls in ihren offiziellen Aussagen noch auf die eigentlich nativistische Forderung beschränkt hatte, daß erst ein Sohn von Einwanderem als wählbar galt, kam nun eine konfessionelle Qualifikation im Sinne der alten Anti-Popery-Laws des 17. Jahrhunderts hinzu. Wenn sie nach den Zielen ihrer Organisation befragt wurden, sollten die Mitglieder freilich erklären, sie wüßten von nichts. Unter diesem Begriff, als Know-Nothings, und nicht unter dem pompösen Namen ihres Ordens, wurden sie bekannt und populär. In den 1850er Jahren gab es Streichhölzer und Teesorten mit der Bezeichnung KnowNothing, und auch Schiffe wurden auf diesen Namen getauft. Die schließlich doch 1854 auch auf nationaler Ebene gegründete Partei, die American Party, wurde wie der vorausgegangene Geheimorden nicht unter dem offiziellen Namen, sondern als die Know-Nothing-Party bekannt. Lincoln besiegelte bald darauf das Ende dieser Partei, indem er die politischen Prioritäten änderte, und die Nativisten halfen ihm unfreiwillig bei der Konstruktion seiner Republikanischen Partei, indem sie das bestehende Parteiensystem durch ihre Wahlerfolge sprengten. Bis zu diesem Schlußpunkt aber sorgte das Zusammenwirken der antikatholischen Propaganda und der nativistischen Parteipolitik für eine stürmische Zeit, die im Bewußtsein der amerikanischen Katholiken noch über mehrere Generationen fortwirkte. 40 6*

Billington, 1938, 38.

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Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

Die Straßenschlachten in Boston, Philadelphia und St. Louis

Anlässe zur Erregung fand die öffentliche Meinung der jungen Republik, die sich immer noch von den reaktionären Kräften der gesamten Welt bedroht sah, in den unterschiedlichsten Ereignissen. Wie schon das TrusteeProblem, sorgten die Auseinandersetzungen zwischen Bischöfen und Schulbehörden für eine andauernde Publicity, die den Eindruck erzeugte, daß die katholische Kirche tatsächlich nicht in das amerikanische politische System passe. In New York etwa, wo der Bischof Hughes immer für eine Nachricht gut war, ging praktisch der gesamte Schuletat der Stadt an eine Public School Society, deren Name für den Bischof noch kein ausreichender Grund war, diese Vereinigung auch als eine Vertretung allgemeiner Interessen anzusehen. Daß in den Schulen, die diese Gesellschaft mit öffentlichen Geldem förderte, die Bibel als Grundlage eines Unterrichts diente, der als nonsectarian bezeichnet wurde, machte das Ganze dem Bischof und vielen katholischen Eltern auch nicht schmackhafter. Um aber zu verstehen, daß nonsectarian noch lange nicht überkonfessionell bedeutete, sondern den geringsten gemeinsamen protestantischen Nenner bezeichnete, oder um zu begreifen, wie Christen in einem an der Bibel orientierten Unterricht ein Problem sehen konnten, mußte man wahrscheinlich selbst schon einen anderen Religionsunterricht genossen haben. So hatten die katholischen Positionen ohnehin einen schwachen Stand in der öffentlichen Meinung. Damit aber nicht genug, wuchs gleichzeitig auch die Fremdenfeindlichkeit So wurde schon in den 30er Jahren immer häufiger über Zusammenhänge zwischen Einwanderung, wachsender Belastung der Allgemeinheit durch Kosten der Armenfürsorge und zunehmende Kriminalität berichtet41 . Es genügten zu dieser Zeit kleine und kleinste Anlässe, um schwerwiegende Zwischenfälle zu provozieren. Die Serie solcher Vorfälle begann 1834 damit, daß in Charlestown, heute ein Stadtteil von Boston, 50 Männer ein Kloster der Ursulinen stürmten und das Kloster mitsamt der Schule in Brand steckten. Die Gebäude brannten unter dem Beifall einer großen Zuschauermenge ab, doch konnten die Schwestern zusammen mit ihren Schülerinnen rechtzeitig ins Freie entkommen. Sehr viel weniger glimpflich verliefen zehn Jahre später die Unruhen von Philadelphia. Die neugegründete American Republican Party, die auch außerhalb New Yorks bekannt werden wollte, hielt im Mai in dem von Iren bewohnten Fabrik- und Wohnviertel Kensington eine Versammlung ab, die, wie offenbar erhofft, in einer Schlägerei endete. Die Nativisten kündigten daraufhin eine weitere Veranstaltung an, die einige Tage später am gleichen Ort stattfinden sollte, und baten die Öffentlichkeit um Unterstützung. Diese Unterstützung erhielten sie, und der zweite Anlauf endete in einer entsprechend schwereren Stra41

Billington, 1938, 35.

6. Nord und Süd, Weiß und Schwarz, Progressiv und Konservativ

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ßenschlacht, bei der es einen Toten gab. Der Tote und einige Verletzte avancierten zu den "protestantischen Märtyrern von Kensington". Bald darauf wurde zu einem Schweigemarsch aufgerufen, um das Andenken der Märtyrer von Kensington zu ehren. Als bekannt wurde, daß die Miliz bereit stand, die katholischen Kirchen vor Übergriffen zu schützen, und daß zu diesem Zweck in einer der Kirchen auch schon Waffen aus dem staatlichen Zeughaus gelagert waren, versuchten einige Kundgebungsteilnehmer diese Kirche zu stürmen. Daraus entstand eine Straßenschlacht, die eine ganze Nacht andauerte und 14 Tote forderte. Der Bischof von Philadelphia, Francis Kenrick, tat, was man von ihm erwarten durfte. Er mahnte zum Frieden, forderte alle auf, den Anordnungen der Behörden zu folgen, und versuchte zu vermitteln. Bischof Hughes in New York, der damit rechnen mußte, daß die Gewalt nicht auf Philadelphia beschränkt bleiben werde, reagierte dagegen auf seine Weise. Er verlangte ein Treffen mit dem Bürgermeister Morris und dessen designiertem Nachfolger, dem Zeitungsverleger Harper, der mit Hilfe der Nativisten gewählt worden war. Dabei erklärte er den beiden - 32 Jahre nach Napoleons Rückzug aus Moskau -, wenn eine der katholischen Kirchen New Yorks Feuer fangen sollte, werde New York ein zweites Moskau. Anschließend sorgte er dafür, daß die Kirchen von Freiwilligen bewacht wurden und ermahnte diese, sich nicht provozieren zu lassen und selbst niemanden zu provozieren. Tatsächlich gab es in New York keine Neuauflage des heißen Sommers von Philadelphia, und Hughes konnte dies wiederum als Bestätigung seines jedenfalls furchtlosen Stils verstehen. In den 50er Jahren, als die Know-Nothing-Party auf dem Höhepunkt ihres Einflusses stand und mit über 70 Abgeordneten im Kongreß vertreten war, kam es jedoch noch einmal zu einem Ausbruch der Gewalt. In Louisville war ein Know-Nothing zum Bürgermeister gewählt worden, und dieser versuchte bei den nächsten Wahlen, die er in der Stadt zu organisieren hatte, die Einwanderer auszuschließen. Daraus entstanden Unruhen, die als der "blutige Montag" registriert sind, denn es kamen dabei nach ungenauen Berichten mehr als 20 Personen um. Bischof Spatding konnte ebenso wie sein Amtsbruder Kenrick nur zur Mäßigung mahnen und abwarten, bis der Sturm sich gelegt hatte42 .

6. Nord und Süd, Weiß und Schwarz, Progressiv und Konservativ Der ganze Spuk endete mit dem Bürgerkrieg. Damit war zwar der Antikatholizismus als eine Erbkrankheit der amerikanischen Kultur noch lange nicht überwunden, doch es kam nicht mehr zu offenen antikatholischen 42

Cogley, 1986, 37ff. Marty, 1984, 274ff. Cohalan, Art. Hughes.

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Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

Kampagnen, die von protestantischen Geistlichen organisiert und von protestantischer Theologenprominenz mit Reputierlichkeil versehen wurden. Außerdem gab es keine öffentlich agierenden politischen Organisationen mehr, die religiösen und politischen Nativismus miteinander verbanden. Beides wurde wieder zur Sache von Geheimbünden, und der geheime Orden der Know-Nothings fand seine Nachfolger Ende des 19. Jahrhunderts in der American Protective Association und schließlich in den 1920er Jahren im Ku-Klux-Klan. Es blieben jedoch zwei äußerst dauerhafte Auswirkungen. Zum einen verstärkte der Nativismus das mißtrauische katholische Sonderbewußtsein, die Neigung, nur auf die eigenen Glaubensgenossen und die eigenen Institutionen zu bauen, kurz, die sogenannte GhettoMentalität, die allerdings auch die Ursache großer Leistungen des amerikanischen Katholizismus wurde. Zum anderen entstand aus diesen Auseinandersetzungen ein Problem der amerikanischen politischen Kultur, das bis heute noch nicht überwunden ist. Der Kulturkampf, der seit dem Ende des Bürgerkrieges in die Grauzone von Geheimgesellschaften verwiesen war, taucht immer wieder auf Nebenbühnen oder in Ersatzkämpfen auf. Das gilt für die Prohibition, die nicht nur die Moral der amerikanischen Familie retten soll, sondern auch ein Signal gegen das setzt, was als die Kultur der Iren und der Deutschen gesehen wird, und es gilt besonders für die Schulpolitik. Die öffentliche Schule wird mehr und mehr zum Symbol für die amerikanischen Institutionen, die man vor ausländischem Einfluß bewahren muß, und so versuchte z.B. in den 1920er Jahren der Ku-Klux-Klan, eine schulpolitische Auseinandersetzung in Oregon zu einem nationalen Thema auszuweiten und die antikatholischen Stimmungen noch einmal politisch zu bündeln, indem er sich zum Verteidiger des öffentlichen Schulwesens aufwarf. Über eine Arbeitsteilung zwischen privaten und öffentlichen Schulen kann jedenfalls in der amerikanischen Politik noch heute niemand ohne Hintergedanken und ohne historische Erinnerungen sprechen.

Die Trennlinien der religiösen Landschaft nach dem Bürgerkrieg

Mit dem Sieg des Nordens veränderte sich nicht nur die politische Landschaft, sondern auch die religiöse Szene, und davon war besonders der amerikanische Protestantismus betroffen. Zwar bestand noch immer eine protestantische Färbung der Kultur, insofern als auch die nichtreligiöse Sprache durch biblische Bilder und durch die calvinistische Rhetorik von Sündenfall, Umkehr und Bewährung bestimmt war. Da aber anti-slavery und antipopery, die negativen Gemeinsamkeiten der 40er und 50er Jahre, nicht mehr im Vordergrund standen, traten immer deutlicher die innerprotestantischen Gegensätze hervor, die quer durch die Denominationen hindurch reichten. So herrschte immer noch der emotionale Stil der revivals vor, doch stieß er

6. Nord und Süd, Weiß und Schwarz, Progressiv und Konservativ

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keineswegs auf ungeteilte Zustimmung, und dabei ging es um mehr als um Geschmack oder Temperament. Mit den unterschiedlichen Arten der Verkündigung waren auch unterschiedliche theologische Denk- und Argumentationsweisen verbunden. Ein enthusiastisch-emotionaler Stil verband sich mit einer einfachen und eng an der Bibel orientierten Theologie, während umgekehrt die Kritik an den revivals der Ausdruck einer rationalistischen, "liberalen" Theologie war. In diesen Konflikten wurde bereits ein konservativ-individualistisches und ein progressiv-politisches Lager erkennbar. Nach dem Ende des Sezessions-Krieges kamen nun zwei weitere Unterscheidungen hinzu. Indem die Schwarzen sich aus den von Weißen kontrollierten Kirchen zurückzogen und ihre eigenen Gemeinden gründeten, entstand, besonders bei den Baptisten und Methodisten des Südens, das Nebeneinander weißer und schwarzer Kirchen. Dies wiederum machte es den Weißen in den protestantischen Kirchen der Südstaaten leichter, auch sonst alles beim alten zu lassen und sich als besiegt, aber nicht widerlegt zu verstehen. Umgekehrt waren auch in den Kirchen des Nordens die aufgebauten Aversionen noch lange nicht überwunden. So kam es oft auch noch zu nördlichen und südlichen Zusammenschlüssen der jeweiligen Kirche. Jedenfalls reichten nun drei verschiedene, wenn auch teilweise gleich verlaufende Trennlinien durch die Vielfalt der protestantischen Denominationen hindurch: Der Gegensatz von konservativ und progressiv, das Nebeneinander von Schwarz und Weiß und das Gegeneinander von Nord und Süd. Für die katholische Kirche bedeutete der Krieg keinen solchen Einschnitt. Nicht anders als bei den Protestanten war die Einstellung der katholischen Bischöfe stark von der nördlichen oder südlichen Herkunft der einzelnen bestimmt gewesen, und vor allem war die Bereitschaft, einen Krieg zur Aufrechterhaltung der Union zu unterstützen, deutlich stärker ausgeprägt als die vorwiegend negative, aber nicht sehr dezidierte Beurteilung der Sklaverei. Ganz abgesehen davon, daß die katholische Kirchenstruktur einer Verselbständigung von Teilen entgegenstand, hatten die unterschiedlichen politischen Sympathien einige Gereizheiten, aber keine tiefgreifenden Gegensätze hinterlassen. Der katholischen Kirche fiel es also leichter, die Einheit zu bewahren, doch diese Einheit hatte auch ihren Preis. Schon damals lagen die Schwerpunkte des amerikanischen Katholizismus sehr viel mehr im Norden und in den Städten, als es der durchschnittlichen Verteilung entsprach, das heißt, die bis dahin fast ausschließlich im Süden lebenden Schwarzen kamen mit der katholischen Kirche weniger in Kontakt. Doch auch dort, wo dies der Fall war, wie etwa in Maryland oder in Louisiana, bot die katholische Kirche weder das nötige Maß an Autonomie noch die entsprechende Freiheit liturgischer Formen, um für Schwarze attraktiv zu sein. In England hatte sich ein neuer Orden, die St. Joseph's Society, gebildet und diese

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Kap. II: Selbstbehauptung in der Neuen Welt

Josephites, wie man sie nannte, wurden auch in Amerika in der Seelsorge für Schwarze tätig, nachdem Erzbischof Spatding sich an sie gewandt hatte. Hennessy berichtet, daß der erste schwarze Amerikaner 1888 nach einem Studium in Rom zum Priester geweiht wurde. Die meisten Bischöfe aber fanden wohl, daß die Kirche schon genug damit zu tun habe, die Unterschiede zwischen den europäischen Einwanderem zu verkraften. Die katholische Kirche wurde jedenfalls nie zu einer Kirche der Schwarzen. Lange blieb sie gegen manche Entwicklungen der amerikanischen Kultur abgeschirmt, weil sie einerseits wegen ihrer ausgeprägten institutionellen Form nach außen abgegrenzt war und weil sie sich andererseits als eine Gemeinschaft verschiedener Einwanderergruppen stark nach innen orientierte und mit sich selbst beschäftigte. Dennoch verloren die beiden oben genannten Gegengifte gegen die Amerikanisierung mit der Zeit ihre Wirkung. Der militante Antikatholizismus existierte jedenfalls nicht mehr als organisierte politische Kraft, und die Anhänglichkeit an die Kultur der alten Heimat verwandelte sich spätestens für die jeweilige zweite Generation der Einwandererfamilien in die Aufgabe, die eigene Herkunft mit den Bedingungen einer amerikanischen Zukunft in Einklang zu bringen.

Die Diskussion um die Vereinbarkeit von Katholizismus und Amerika folgte also zwangsläufig aus der inneren Entwicklung des amerikanischen Katholizismus, aber sie konnte nicht geführt werden, solange eine feindselige Mehrheit der Amerikaner die Unvereinbarkeit beider Traditionen behauptete. Als freilich der äußere Druck nachließ, konnte auch die innerkatholische Auseinandersetzung offen geführt werden, und selbst der bislang nur gegen die Katholiken insgesamt geäußerte Verdacht, nicht wirklich amerikanisch zu sein, wurde dabei zu einem Argument in der innerkirchlichen Auseinandersetzung. Damit war aber keineswegs die öffentliche Konfrontation beendet und durch die innerkirchliche Diskussion ersetzt, sondern es herrschte auch insofern ein völlig neues kulturelles Klima, als erstens das gleiche Thema gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen anstand und zweitens der bisherige Maßstab, nämlich die selbstverständliche Gleichsetzung von Protestantismus und Amerika, erstmals in Frage gestellt wurde.

Kapitell/1

Kampf um die Bestimmung des eigenen Standortes: Die "große Krise" (1865 - 1908)

Die katholische Kirche mußte lernen, sich gleichzeitig nach außen und nach innen zu erklären, also den katholischen Glauben sowohl den auch religiös höchst unterschiedlich vorgebildeten Einwanderem als auch einer protestantisch geprägten Öffentlichkeit zu erläutern. Plötzlich erschien es nicht nur denkbar, die Identifizierung von Protestantismus und Amerika in Frage zu stellen, sondern man konnte sogar die Verbindung von Katholizismus und amerikanischer Demokratie als die kulturelle Formel der Zukunft darstellen. Ein solches Denken war freilich keineswegs repräsentativ und traf die amerikanische Kulturintelligenz ebenso unvorbereitet wie die katholische Kirche. Dennoch ist es bemerkenswert, daß solche Überlegungen aus den intellektuellen Diskussionen Neuenglands entstanden und deshalb ernst genommen wurden. Jedenfalls spiegelte sich das neue kulturelle Klima zunehmend auch in einer anderen Art der katholischen Selbstdarstellung, der es nun vorwiegend um die Vereinbarkeil und gegenseitige Ergänzungsbedürftigkeit von Katholizismus und Amerika, Kirche und Demokratie geht. Dabei entsteht nicht nur eine nach innen und nach außen gerichtete Botschaft, sondern ebenso ein neues Selektionskriterium. Zur Führung in dieser Kirche erscheint geeignet, wer diese Botschaft glaubhaft vertreten kann. Zu den Repräsentanten des originär amerikanischen Katholizismus, der sich nun in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum erstenmal bildet, werden deshalb intellektuelle Kritiker, die diese neue Form der Apologetik beherrschen, wie Orestes Brownson und lsaac Hecker, die zunächst eher wie Fremdkörper wirken. Aber auch die zweite Generation der irischen Bischöfe ist dazuzurechnen, die sich die Amerikanisierung der Kirche zur Aufgabe gestellt haben, allen voran der spätere Kardinal Gibbons, dessen Erläuterung des Katholizismus (The Faith of our Fathers, 1876) noch zu seinen Lebzeiten in zwei Millionen Exemplaren verbreitet wurde.

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Kap. III: Die "große Krise"

1. Apologetik und Vorboten der Konflikte: "Katholisch werden und amerikanisch bleiben"

Brownson, Hecker und die Paulists

Der 1803 in Vermont geborene Brownson trat mit 19 Jahren der Presbyterian Church bei, die er wegen der Auserwähltheitslehre zwei Jahre später wieder verließ, um sich den Universalists anzuschließen, weil diese die universal salvation of alt mankind, die Erlösung der gesamten Menschheit, vertraten. Zwei Jahre später wurde er bereits als Geistlicher dieser Kirche ordiniert und gab die Zeitschrift The Gospel Advocate heraus. Wegen seiner zunehmend liberalen Ansichten in theologischen Fragen gab er jedoch sein Amt auf und betätigte sich nur noch als freier Autor. Er beteiligte sich an der Gründung einer kurzlebigen Partei, der Workingmen 's Party, und kehrte nach einiger Zeit wieder in die Seelsorge zurück, diesmal als Geistlicher der Unitarians, für die er nun je zwei Jahre lang eine Gemeinde in New Hampshire und eine in Massachusetts betreute. Danach gründete er 1836 in Boston eine Art eigener Kirche, die Society for Christian Unity and Progress, und gab ab 1838 die Boston Quarterly Review heraus, die er für kurze Zeit mit der New Yorker Democrarie Review vereinigte, um sie dann schließlich als Brownson 's Quarterly Review in Boston weiterzuführen. In diesen Bostoner Jahren war er mit allen liiert, die zum sogenannten Liberalismus Neuenglands zählten, also mit der Familie Thoreau, mit Emerson und den Transcendentalists, mit der von den Transcendentalists geführten Brook-Farm, die sich aus einer Intellektuellen-Kommune in ein EliteInternat verwandelte, und schließlich mit Channing und Bancroft. So erschien es zumindest überraschend, als er 1844 katholisch wurde, und das Dictionary of American Biography vermutet, der Vorgang habe etwa den gleichen "Schock" ausgelöst wie Newmans Konversion im folgenden Jahr. Immerhin war der Schritt aber intellektuell vorbereitet und zwar in Brownsons Meinungen über den Zusammenhang zwischen Demokratie und Religion, die auch für den Wandel seiner religiösen Überzeugungen entscheidend waren. In einer Artikelserie für die Democrarie Review argumentierte Brownson gegen die Volkssouveränität in einer Weise, die für die radikalen Leser schwer zu verdauen war, weshalb auch die Vereinigung der beiden Blätter wieder rückgängig gemacht wurde. Brownson hob hervor, der Vertragsidee fehle das Element der Selbstbeschränkung und Selbstkontrolle, das für das vorreformatorische common law der englischen Tradition kennzeichnend gewesen sei. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt zur Identifizierung zweier demokratischer und zweier religiöser Traditionen, die Brownson nun gegenüberstellte. Der Protestantismus sei in der Lage, Freiheit zu begrün-

1. Apologetik und Vorboten der Konflikte

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den, nicht aber sie aufrechtzuerhalten (protestantism though it may institute, cannot sustain popular liberty). Er sei je nach Land ein Ausdruck entweder des Willens der Regierung oder der öffentlichen Meinung und müsse deshalb entweder der einen oder der anderen gehorchen. Nötig sei aber zur Aufrechterhaltung der demokratischen Regierungsform eine Religion, die nicht mit dem Volk identisch sei und sich seiner Kontrolle entziehe (above the people exempt from their control) 1. Ganz anders als dieser Lebenslauf eines Intellektuellen aus Neuengland schien zunächst der Weg des Isaac Hecker zu verlaufen, der 1819 als jüngstes Kind deutscher Einwanderer in New York geboren wurde, wo er ohne religiöse Erziehung aufwuchs und auch sonst nur die nötigste Ausbildung erhielt. Mit 11 Jahren wurde er aus der Schule genommen, um in der von seinen Brüdern betriebenen Bäckerei zu helfen. Nun begannen Lehrjahre im doppelten Sinne, nämlich ein ständiges Hin und Her zwischen Ausbrüchen aus der Backstube und Rückkehr in den Arbeitsrhythmus der Familie. Der junge Hecker schloß sich der Workingmen 's Party an und kam auf diese Weise früh mit Brownson in Kontakt. Erstes Ergebnis dieser Bekanntschaft war eine Einladung auf die Brook-Farm, wo Hecker sich ein halbes Jahr mit Philosophie beschäftigte, um anschließend nach New York zu seinen Brüdern zurückzukehren. Etwa ein Jahr später schloß er sich der Familie Thoreau an, mit der er längere Zeit lebte. Der Transzendentalismus der damals tonangebenden Intellektuellen Neuenglands erschien ihm jedoch zu individualistisch, und nach langen Diskussionen mit Henry Thoreau, der ihm allerdings darin nicht folgte, entschloß er sich 1844, im gleichen Jahr wie Brownson, katholisch zu werden. Er bewarb sich um Aufnahme bei den Redemptoristen, die in New York in der Seelsorge für deutsche Einwanderer tätig waren, und wurde angenommen. So ging er, nun als Isaac Thomas Hecker, nach Belgien in ein Seminar der Redemptoristen und kehrte 1851, zum Priester geweiht, nach Amerika zurück, wo er wie die meisten seiner Ordensbrüder einige Jahre in deutschen Pfarreien arbeitete. In dieser Zeit schrieb er zwei Bücher (Questions of the Soul und Aspirations of Nature), die den katholischen Glauben für englischsprechende Nichtkatholiken verständlich machen sollten. Diese Aufgabe erschien ihm immer wichtiger, und die vier Mitbrüder, mit denen er zusammenarbeitete, bestärkten ihn darin. So faßte er den Plan, seinen Ordensoberen die Eröffnung eines englischsprachigen Missionshauses nahezulegen. Er versicherte sich der Rückendeckung durch Erzbischof Hughes und machte sich auf den Weg nach Rom. Dort wurde er jedoch aus dem Orden ausgeschlossen, da er gekommen war, ohne um Genehmigung seiner Reise zu bitten. Er fand allerdings einen Gönner in Alessandro Kardinal 1

Brownson, 1972, 375 und 378 ff.

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Kap. 111: Die "große Krise"

Barnabo, dem Präfekten der De Propaganda Fide, der den Papst für Hekkers Plan gewann. Pius IX. entband Hecker und seine vier New Yorker Mitbrüder von ihren ursprünglichen Gelübden und erlaubte ihnen, sich in einem neuen Orden zusammenzuschließen. Dieser, The Missionary Priests of St. Paul the Apostle, bekannt geworden als die Paulists, wurde 1858 gegründet, und Hecker leitete ihn als der erste Superior bis zu seinem Tod im Jahr 1888. In diesen 30 Jahren kümmerte er sich nicht nur um die Organisation des neuen amerikanischen Ordens, sondern gründete die Zeitung Catholic World und die Catholic Publication Society. Zusammen mit Brownson versuchte er einen kräftigen amerikanischen Akzent zu setzen, und in der Korrespondenz, die beide miteinander und mit dritten führten, wird die kommende Krise sichtbar, die aus der Auseinandersetzung um den sogenannten Amerikanismus entstehen sollte. Dabei neigt Hecker zu etwas pathetisch formulierten Schilderungen seiner Visionen, während Brownson stets polemisch zuspitzt, dabei aber die Probleme treffend auf den Punkt bringt. In einem Brief aus dem Jahr 1859 beschreibt Hecker die Hoffnungen, die er auf seinen Orden setzt und erklärt, weshalb die Amerikanisierung der katholischen Kirche ihm so wichtig erscheint : In der Vereinigung von katholischem Glauben und amerikanischer Zivilisation stehe beiden eine Erneuerung bevor, und der Kirche winke dabei eine Zukunft, die strahlender sein werde als irgendein Teil ihrer Vergangenheit. Das sei, kurz gesagt, sein Credo2 . Daß Amerika ihm dabei auch als ein Modell für die künftige europäische Entwicklung erscheint, geht aus einem langen Brief an Brownson aus dem Jahr 1870 hervor. Die politischen Veränderungen in Europa müßten für die Religion keineswegs nachteilig sein, schreibt Hecker, sie könnten von der Vorsehung vielmehr dazu bestimmt sein, der Religion die Zuneigung der europäischen Völker zurückzugewinnen. Die Kirche werde für den Verlust der staatlichen Unterstützung entschädigt, denn in Zukunft werde die Religion auf jenen Grundlagen stehen, auf denen sie nach dem Willen des Schöpfers ruhen sollte, auf der Überzeugung des einzelnen und seiner Opferbereitschaft. (. .. to place the foundations of religion where our maker intended they should be, on the convictions of each individual soul and on personal sacrifices) 3 . Wo Hecker fortschrittsgewiß auf das amerikanische Prinzip des Voluntarismus setzt, argumentiert Brownson polemisch und aus einer aktuelleren Perspektive. Ein großer Teil der Katholiken und besonders der Klerus sei durch den Nativismus (these silly Know-Nothing-movements) und durch den französischen Einfluß in ihrer anti-republikanischen Tendenz bestärkt 2

3

Ellis, 1967, 2. Bd., 341. Gower/Leliaert, 1979, 280ff.

1. Apologetik und Vorboten der Konflikte

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worden. Das gelte besonders für die Europäer im amerikanischen Katholizismus (the European party amongst us). Deshalb müsse Rom sich entscheiden, wie es sich zu denen stelle, die Amerika liebten und seine Bekehrung wünschten, dabei aber nicht in eine politische Ordnung europäischer Art geraten wollten (without being brought under the political system of Europe). Es gehe um die Frage, ob die Amerikaner katholisch werden und gleichzeitig amerikanisch bleiben könnten (Can our people become catholics without ceasing to be Americans?

t.

Amerikanisch werden und katholisch bleiben Im Vordergrund stand freilich vorerst nicht die Frage, wie man es den Amerikanern erleichtern könne, katholisch zu werden. Unaufhörlich kamen weitere Katholiken ins Land, und damit diese katholisch bleiben konnten, mußte die Kirche den Einwanderem folgen. Das bedeutete, daß im Westen ein relativ weitmaschiges Netz immer weiter ausgedehnt wurde, während es im Nordosten, besonders in Pennsylvania, New York und Ohio immer dichter geknüpft wurde. Die Aufteilung der Bistümer orientierte sich seit der Unabhängigkeit an den Staatsgrenzen, so daß nach und nach jeder Staat ein Bistum erhielt. Dort aber, wo die Zahl der Katholiken besonders groß war, entstanden mehrere Bistümer in einem Staat, so daß die Geschichte der Bistumsgründungen den Verlauf der Einwanderung recht genau widerspiegelt. In den ersten 50 Jahren nach John Carrolls Ernennung entstanden 17 Diözesen, davon lagen 8 im Norden und 9 im Süden und Südwesten. Zwischen 1840 und 1860 kamen bereits 29 Diözesen hinzu, drei Viertel davon im Norden (22 zu 7). Bis 1890 wurden dann noch weitere 38 Bistümer eingerichtet, davon fünf Sechstel im Norden (32 zu 6). Die Katholiken konzentrierten sich also zunehmend im Norden, doch kam es dabei zu erheblichen Unterschieden zwischen dem dicht besiedelten Nordosten und dem Mittleren Westen und Nordwesten. So entstanden 1843 die Bistümer für Illinois und Wisconsin mit Sitz in Chicago und Milwaukee und 1850 die Diözese von Minnesota in St. Paul. Zur gleichen Zeit wird aber in Pennsylvania und in Ohio schon das zweite und in New York das vierte Bistum gegründet5 . Anders als in den älteren und bevölkerungsreichen Diözesen des Nordostens, die inzwischen über die nötigste Ausstattung verfügten, eben deshalb aber oft auch verschuldet waren, ging es im Mittleren Westen sehr ärmlich zu, weshalb die Bischöfe vorerst besonders auf die Hilfe der europäischen Missionsgesellschaften angewiesen waren. Nicht jeder Bischof 4

5

Gower/Leliaert, 199ff. Hertling, 1954, 148.

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Kap. 111: Die "große Krise"

verfügte dabei über so gute Beziehungen wie Henni, der vom bayerischen Ludwigsverein unterstützt wurde. Nebenan in Chicago etwa fand der belgische Jesuit James 0 . Van de Velde, der 1849 zum Bischof dieser neuen Diözese geweiht wurde, 80 000 Katholiken und 57 Priester vor. Diese Priester sollten aber nicht nur die in der Stadt Chicago dicht beisammen wohnenden Katholiken betreuen, sondern auch den gesamten Staat Illinois. Der Bischof wandte sich jedenfalls an die in Lyon ansässige Missionsgesellschaft (Societe pour Ia Propagation de Ia Foi), und sein Bericht vermittelt einen Eindruck von der Lage im Landesinneren, auch wenn in diesem Falle der Verfasser vielleicht versucht war, sein Bistum noch ärmer erscheinen zu lassen, als es zweifellos war. Er berichtet, daß ein einzelner Priester bis zu acht Kirchen zu versorgen habe, und da an den verschiedenen Stationen kein liturgisches Gerät vorhanden sei, müsse er stets alles mit sich führen. Daher sei es überflüssig, nun auch noch seine bischöfliche Residenz zu schildern, denn sie passe in das Bild6 . Die erste und zweite Plenarversammlung der Bischöfe 1852 fand die bereits erwähnte erste Plenarversammlung der amerikanischen Bischöfe statt, zu der 32 Bischöfe nach Baitimare kamen. Diese Bischofsversammlung gab keine Erklärungen ab, was auch ratsam war, weil weder in der Frage der Sklaverei, noch in der Schulpolitik völlige Einheit bestand. Ansonsten wurde noch die Einrichtung von zehn weiteren Diözesen vorgeschlagen, die der Vatikan im Jahr darauf vollzog. Der Erzbischof von Baitimare spielte de facto die Rolle eines "Primas", obwohl es genaugenommen einen solchen in dem amerikanischen Missionsgebiet nicht gab. So lud auch Spalding, der 1864 von Louisville nach Baitimare berufen wurde, als Beauftragter des Papstes zu einer Plenarversammlung ein, sobald dies möglich war, nämlich nach dem Sezessionskrieg. Zu diesem zweiten Plenary Council versammelten sich 1866 in Baitimare 47 Bischöfe. Sie versuchten, den Inhalt des Syllabus von 1864 in eine für Amerikaner verständliche Sprache umzusetzen, und empfahlen wiederum, wie schon 1852, die Einrichtung weiterer Bistümer. Auch in diesem Falle folgte der Vatikan den Empfehlungen. Besonders nachdrücklich unterstrich die zweite nationale Bischofsversammlung die Autorität dieses Gremiums und seiner Mitglieder. Die amerikanischen Bischöfe betonten, Bischöfen sei von oben herab (from on high) die Gabe der Unfehlbarkeit verliehen (the gift of inerrancy), ob sie sich nun in allgemeinen Konzilien versammelten oder über die Welt verstreut seien (whether they are gathered in general councils or dispersed throughout the world). Sie beanspruchten diese Unfehlbarkeit freilich nur unter den beiden 6

Ellis, 1967, 2. Bd., 30 I.

1. Apologetik und Vorboten der Konflikte

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Bedingungen, daß die Bischöfe unter sich und mit dem Papst übereinstimmten, denn mit ihm zusammen seien sie eingesetzt, die Kirche Gottes zu regieren (agreeing and judging tagether with its head on earth the Roman Ponlifff. Es ging also nicht darum, die kollegiale Autorität der Bischöfe gegen die des Papstes zu setzen, sondern die in Saltimore versammelten Bischöfe hofften eher darauf, mit Hilfe Roms ihre eigene Stellung nach unten hin weiter zu festigen. Der Konflikt mit den Trustees war zugunsten der Bischöfe entschieden, aber die auseinanderstrebenden Interessen verschiedener ethnischer Gruppen innerhalb der Kirche, die schon dabei eine Rolle gespielt hatten, traten jetzt immer deutlicher hervor und lieferten ein zusätzliches Argument für die Stärkung der Bischöfe. Dabei kam es den Bischöfen entgegen, daß in der amerikanischen Kirche vieles noch im Fluß war und manche Vorschriften des kanonischen Rechts noch nicht anwendbar erschienen. In einer Kirche, die immer noch den Status eines Missionsgebietes hatte, gab es keine Pfarreien und daher auch keine prinzipiell unabsetzbaren Pfarrer, weshalb wiederum das Mitbestimmungsrecht des Klerus auf sehr schwachen Füßen stand8 • Bischof Hughes pflegte darauf hinzuweisen, daß die bischöfliche Autorität von oben komme, nicht von unten, und er erklärte dem konvertierten Brownson, er werde in seiner Diözese niemanden dulden, der sich seiner Kontrolle entziehe und dennoch beanspruche, in kirchlichen Dingen mitzureden. Entweder werde er den Betreffenden kleinbekommen oder dieser ihn (/will either pul him down, or he shall pul me downl. Die meisten Bischöfe hätten sich vermutlich weniger drastisch ausgedrückt, aber sie hätten sicher dem Hinweis auf den Ursprung ihrer Autorität zugestimmt. Bischof Hughes war der erste und vielleicht der farbigste in der langen Prozession der autokratischen Bischöfe, die nach und nach fast überall an die Stelle der französischen Geistlichen traten, um die amerikanische Kirche für ein Jahrhundert zu beherrschen. Ganz abgesehen von seiner Persönlichkeit, repräsentierte Hughes diesen Typ, dessen Vorläufer er war, und in dem gespannten Verhältnis zwischen Hughes und Brownson wird bereits ein Dilemma offenbar, das ebenfalls von den persönlichen Eigenarten der beiden Antagonisten unabhängig ist. Genau diese, vom Volk unabhängige, nämlich "von oben" abgeleitete Autorität war es ja, was sich Brownson und andere intellektuelle Bewunderer der römischen Kirche vom Katholizismus erhofften, wobei sie dazu neigten, die unverblümte Direktheit als Ausdruck irischer Grobheit zu verstehen. Andererseits rebellierten sie aber unter Berufung auf amerikanische Prinzipien gegen die Unbedingt7

8 9

Hennesey, 1981, 160. Curran R. E., 1980 und Trisco, 1988. Gower/Le1iaert, 228.

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heit und Kompromißlosigkeit, die sich offenbar nicht auf persönliche Eigenarten oder auf Nationalcharakter zurückführen ließen. Hughes starb 1864, also noch vor dem Ende des Sezessionskrieges und dem Beginn einer besseren Zeit für seine amerikanische Kirche, an deren römischem Charakter es für ihn nie einen Zweifel gab und der er mit unbedingtem Einsatz diente. Doch obwohl er nicht nur der Erzbischof der größten Kirchenprovinz, sondern auch die herausragende Figur unter den amerikanischen Bischöfen seiner Zeit war, blieb ihm trotz eines Vorstoßes, den Lincoln in Rom unternahm, die Kardinalswürde versagt. An der zweiten Plenarversammlung, die 1866 stattfand, nahm als Erzbischof von New York bereits John McCloskey teil, der zunächst als Koadjutor mit Hughes zusammengearbeitet hatte und dann bis zu dessen Tod sein Suffragan-Bischof in Albany gewesen war. McCloskey erhielt schließlich 1875 den roten Hut, als auch Spalding gestorben war und der Vatikan die Bedeutung der Erzdiözese New York hervorheben konnte, ohne noch nachträglich mit der Auszeichnung von Spalding oder Hughes den Anhängern des Nordens oder des Südens eine Genugtuung zu verschaffen. Auch sonst herrschte in dieser Zeit, die in der politischen Geschichtsschreibung als die Reconstruction Period bezeichnet wird, die kirchenpolitische Logik des Überganges und der behutsamen Konsolidierung. Dort, wo das durch die Einwanderung bedingte Wachstum sich konzentrierte, nämlich in Baltimore und New York als den damals noch einzigen Kirchenprovinzen des Ostens, im Erzbistum Cincinnati und in Wisconsin, dem damaligen Vorposten der Besiedlung des Nordwestens, herrschten Männer, die über 60 Jahre alt waren und denen das institutionelle Wachstum der Kirche die Möglichkeit zur Personalpolitik gab. Erzbischöfe wie McCloskey (New York), Spalding (Baltimore), Pureeil (Cincinnati) und Henni (Milwaukee) verfügten damals über ein reiches Instrumentarium der Förderung. Im Idealfall konnten sie einen begabten jungen Mann zum Studium nach Rom oder nach Leuven schicken, ihn nach seiner Rückkehr zum Sekretär machen, den Sekretär als Bischof einer der Suffragan-Bistümer ihrer Kirchenprovinz vorschlagen und schließlich noch in Rom erreichen, daß dieser Bischof zu ihrem Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge ernannt wurde. Der von Spalding geförderte Gibbons wurde dessen Sekretär und sein Suffragan-Bischof in Richmond. Spatdings Nachfolger Bayley machte Gibbons zum Koadjutor und damit zu seinem Nachfolger. Für Bayley wiederum rückte in dessen vorigem Bistum Newark der von ihm geförderte und nach Rom zum Studium geschickte Corrigan nach, und Gibbons Nachfolge in Richmond trat der von Gibbons favorisierte Keane an, der ebenso wie schon Gibbons den jungen Priester O'Connell förderte. In Cincinnati folgte auf Pureeil dessen Koadjutor Eider, und Henni baute, wie berichtet, seinen Sekretär Heiss als seinen Nachfolger auf.

2. Die Antagonisten und die Streitpunkte

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2. Die Antagonisten und die Streitpunkte Aus dieser Förderung durch die alten Herren entstand ab dem Anfang der 1870er Jahre eine neue Gruppe jüngerer Bischöfe, die überwiegend Amerikaner irischer Abstammung waren. Eine Minderheit, vielleicht jeder fünfte, kam aus deutschsprachigen Ländern. Daneben gab es noch vereinzelt Bischöfe aus Frankreich, Belgien und Holland. Die Mehrheit war in Amerika geboren oder jedenfalls dort aufgewachsen und war bei der Bischofsweihe noch keine 40 Jahre alt. Innerhalb dieser Generation, die nun über die Jahrhundertwende hinaus bis zum Ersten Weltkrieg die amerikanische Kirche beherrschte, entstanden drei Fraktionen, die in den Konflikten der 80er und 90er Jahre eine Rolle spielten.

Drei kirchenpolitische "Fraktionen" Die erste dieser drei Fraktionen, in der Literatur meist als die Americanists bezeichnet, beherrschte zweifellos die Szene, obwohl sie genaugenommen nur aus fünf Personen bestand, wobei wiederum zwischen drei Hauptrollen und zwei Nebenrollen zu unterscheiden ist. Den Kern dieser Gruppe bildeten Gibbons, Ireland und O'Connell mit einer deutlichen Arbeitsteilung, die sich aus Temperament, Rang und Funktion ergab. Daneben ist John Lancaster Spalding zu erwähnen, der aber eher ein einzelgängerischer Intellektueller war. Außerdem gehörte der ebenfalls schon genannte John J. Keane aufgrund seiner Loyalität zu Gibbons und später in seiner Funktion als erster Rektor der Catholic University of America dazu. Das Etikett Americanists oder Americanist Party überzeugt eher als der Sammelbegriff lrish Party, der ebenfalls zur Kennzeichnung dieser Gruppe benutzt wird. Irisch war nämlich auch die zweite Fraktion, die der Konservativen. Sie bestand freilich nur aus zwei handelnden Personen, nämlich aus dem New Yorker Erzbischof Michael Corrigan und dem Bischof von Rochester, Bernard J. McQuaid. Die beiden sind nur deshalb als Gruppe zu bezeichnen, weil sie in den Vorstellungen der Americanists als solche figurierten. Dabei richtete deren Aufmerksamkeit sich vor allem auf Corrigan, den besonders Ireland in einer kaum noch nachvollziehbaren Weise als den "Feind" empfand. McQuaid trat gelegentlich zur Entlastung Corrigans als dessen alter ego in Erscheinung und war, ebenso wie Ireland auf der Gegenseite, für die etwas kräftigeren Äußerungen zuständig. Wo es um kirchenpolitische Fragen ging, die eine Unterscheidung traditionalistischer und progressiver Standpunkte erlaubten, konnten die Konservativen in aller Regel auf die Zustimmung einer diffusen konservativen Mehrheit der Bischöfe und vor allem auf den ]3lock der deutschen Bischöfe rechnen; 7 Zöller

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doch solche eindeutigen Zuordnungen waren, wie sich zeigen wird, nicht immer möglich. Außerdem muß man im Auge behalten, daß in den Auseinandersetzungen, die zum Ende des Jahrhunderts um das Selbstverständnis der amerikanischen Kirche geführt wurden, nur etwa 10 von mehr als 70 Bischöfen in irgendeiner Weise aktiv hervortraten. Die dritte Gruppe wird allgemein als die "Deutschen" bezeichnet, und tatsächlich handelte es sich um diejenigen Bischöfe, die aus Deutschland, der Schweiz und Österreich gekommen waren, um in der Seelsorge für deutschsprachige Auswanderer die von Henni begonnene Arbeit fortzusetzen. Sie traten deshalb auch als eine Gruppe in Erscheinung, deren Verhalten von den Eigenarten der handelnden Personen weitgehend unabhängig war. Die "Krise" in der kirchengeschichtlichen Literatur Um das Geflecht aus Zukunftshoffnungen, politischen und kirchenpolitischen Einstellungen und persönlichen Eigenarten etwas zu entwirren, empfiehlt es sich also zunächst, die Personen und dann die Anlässe des unruhigen Jahrhundertendes genauer zu betrachten. Sich über die handelnden Personen zu informieren ist nicht schwer, da die amerikanische Kirchengeschichtsschreibung lange Zeit fast nur aus Biographien bestand. Es dominierten Arbeiten wie John Tracy Ellis' The Life of lames Cardinal Gibbons, eine zweibändige Biographie aus dem Jahre 1952, James Moynihan's The Life of Archbishop lohn Ireland von 1953 oder Patrick H. Ahem' s The Life of lohn 1. Keane von 1954. Solche Biographien erweisen sich besonders dann als nützlich, wenn sie, wie Frederick J. Zwierlein's The Life and Letters of Bishop McQuaid oder die ebenfalls von Zwierlein besorgte Ausgabe der Briefe Corrigans an McQuaid, Gelegenheit geben, die Auseinandersetzungen zwischen den drei Fraktionen einmal nicht aus der Sicht der Americanist Party und der mit ihnen sympathisierenden Biographen geschildert zu finden. Das gleiche gilt für Colman Barry's Buch über The Catholic Church and German Americans, auf das alle anderen Autoren sich stützen, wenn es um die sogenannte deutsche Partei und deren Denkschriften geht. Erst in dem veränderten Klima der 70er Jahre dieses Jahrhunderts entstand eine größere Zahl von Arbeiten, die über die Schilderungen exemplarischer Lebensläufe hinausgingen. Zum einen machte sich nun auch in der Religions- und Kirchengeschichte eine sozialgeschichtliche Betrachtungsweise bemerkbar. Nachdem Autoren wie Oscar Handlin und Kathleen Conzen in der allgemeinen Geschichtsschreibung und Nathan Glazer zusammen mit Daniel P. Moynihan in der Soziologie den Zusammenhang von Einwanderung und ethnischer Kultur wiederentdeckt hatten und die Sozialgeschichte blühte, entstand eine Art Kirchengeschichte "von unten".

2. Die Antagonisten und die Streitpunkte

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Beispiele dafür sind besonders die Arbeiten von Jay P. Dolan. In The Immigrant Church schilderte er New Yorker Pfarreien der Iren und der Deutschen um die Mitte des 19. Jahrhunderts, und auch in seinen späteren Büchern versuchte er, die Entwicklung des amerikanischen Katholizismus als eine Geschichte sozialer Milieus darzustellen. Daneben erschien in den 1970er Jahren auch eine Reihe von Veröffentlichungen, die zwar als Biographien angelegt sind, denen es aber darum geht, frühere Krisen und die Vorstellungen der Akteure als Vorläufer der heutigen ideologischen Polarisierung zu begreifen. So ging es in Robert E. Curran's Corrigan Biographie eher um das, was der Untertitel ankündigt, nämlich um The Shaping of Conservative Catholicism in America 1878- 1902. Ein solches Verfahren ist durchaus legitim und kann dazu dienen, komplizierte Entwicklungen um den Lebenslauf eines Beteiligten herum zu ordnen. Genau dies ist Gerald P. Fogarty mit seinem Buch über The Vatican and the Americanist Crisis gelungen, das deshalb nur im Untertitel als Biographie präsentiert wird: Dennis 1. O'Connell, American Agent in Rome 1885- 1903. Fogarty gibt die beste Darstellung dieser wichtigen Zeit, weil er amerikanische und römische Quellen auswertet und O'Connell's "Agenten"-Tätigkeit als einen zuverlässigen Spiegel der sogenannten Amerikanismus-Krise nutzt. Die Americanists: lames Gibbons, Dennis 1. O'Connell, lohn 1reland, lohn Lancaster Spatding und lohn 1. Keane

James Gibbons stand von seiner Ernennung zum Erzbischof von Baitimore im Jahre 1877 bis zu seinem Tod im Jahre 1921 im Mittelpunkt. Er galt in Rom und in der amerikanischen Öffentlichkeit als der Repräsentant der katholischen Kirche Amerikas, und manche bezeichnen daher diese vier Jahrzehnte als die Gibbons-Ära. Obwohl in Amerika geboren, wurde Gibbons noch zum irischen Einwanderer. Er kam 1834 im Schatten seiner späteren Kathedrale zur Welt, nachdem seine Eltern wenige Jahre zuvor aus Irland nach Baltimore eingewandert waren. James war das vierte von sechs Kindem und der erste Sohn der Eheleute Thomas und Bridget Gibbons. Der Vater Thomas Gibbons kam in seiner Arbeit für eine Handelsgesellschaft zu Wohlstand, und so wohnte die Familie in der Nähe der Kathedrale in einem Viertel, das damals zu den besseren Wohngegenden zählte. Allerdings machte das Klima dem Vater zu schaffen, weshalb er schließlich eine Farm in Irland erwarb und mit der Familie dorthin zurückkehrte, als James drei Jahre alt war. In Irland besuchte James eine private classical school, doch als er 13 Jahre alt war, starb der Vater. Die Mutter versuchte zunächst, die Farm weiterzuführen, gab aber nach einigen Jahren diesen Versuch auf und wanderte mit ihren Kindem noch einmal nach Amerika 7*

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Kap. III: Die "große Krise"

aus, diesmal nach New Orleans. James fand eine Anstellung in einem Lebensmittelladen und bewies dort, ebenso wie sein Vater, Geschäftstalent, so daß der Besitzer ihn zum Teilhaber machen wollte. Inzwischen hatte James aber den Entschluß gefaßt, Priester zu werden, und so ging er mit 21 Jahren nach Baltimore auf ein College. Anschließend wurde er in das Priesterseminar der Sulpicianer aufgenommen. 1861 zum Priester geweiht, arbeitete er vier Jahre an verschiedenen Kirchen der Stadt Baltimore, bis Erzbischof Spalding ihn 1865 zu seinem Sekretär machte. Seine erste Aufgabe bestand in der organisatorischen Vorbereitung der zweiten Bischofsvollversammlung, die im folgenden Jahr stattfinden sollte. Die Arbeit, die er vor und während dieses Konzils leistete, wurde anerkannt, und Spalding schlug vor, ihm das Apostolische Vikariat North Carolina zu übertragen, das zusammen mit acht neuen Bistümern 1868 entstand. Gibbons wurde noch im gleichen Jahr ernannt und von Spalding geweiht. In den kommenden Jahren unternahm er lange Reisen durch North Carolina, predigte in Gerichtssälen, unter freiem Himmel und manchmal in protestantischen Kirchen und sammelte Eindrücke von einer Welt außerhalb des katholischen Milieus, in dem er sich zuvor bewegt hatte. 1870 nahm er als der jüngste Bischof der Kirche am Vatikanischen Konzil teil und entsprach dieser Rolle insofern, als er nicht das Wort ergriff. Bei der Abstimmung über die päpstliche Unfehlbarkeit, auf die sich von Mai bis Juli die Diskussionen der in Rom versammelten Bischöfe konzentriert hatten, gehörte er zu den 25 Amerikanern, die zustimmten. Etwa die gleiche Zahl amerikanischer Bischöfe hielten eine solche Erklärung zwar für denkbar, aber für inopportun und waren vor der Abstimmung nach Hause gereist, um nicht dagegen stimmen zu müssen. Nur Bischof Edward Fitzgerald von Little Rock gab eine der insgesamt zwei-Nein-Stimmen ab. 1872 wurde Gibbons zum Bischof von Riebmond ernannt, was vermutlich die letzte Entscheidung war, an der der Erzbischof Spalding sich beteiligen konnte. Anders als in North Carolina fand er in dem 50 Jahre alten Bistum Riebmond schon geordnete Verhältnisse vor. Er verbrachte weniger Zeit auf Rundreisen, sondern setzte nun die Eindrücke der vergangeneo Jahre in seiner bereits erwähnten Glaubenslehre, The Faith of our Fathers, um, die 1877 erschien. Die spätere Bekanntheit des Autors hat dem Absatz des Buches wohl nicht geschadet, doch der Stil dürfte für den außergewöhnlichen Erfolg noch wichtiger gewesen sein. Gibbons argumentiert völlig voraussetzungslos und entwickelt seine Argumente, indem er in der Art der scholastischen Erörterung die gängigen Vorbehalte gegen den katholischen Glauben und die Struktur der katholischen Kirche aufführt, die er so ernsthaft und seriös wiedergibt, wie es ihm nur möglich ist. Er antwortet dann auf diese Einwände in einer milden Art und bemüht sich um Analogien zu amerikanischen Institutionen, Gepflogenheiten und Redeweisen. Die soeben

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bekräftigte Lehre von der päpstlichen Unfehlbarkeit etwa versucht er durch einen Hinweis auf die Funktion des Supreme Court verständlich zu machen. In Baltimore residierte inzwischen James Roosevelt Bayley, der 1872 auf den nur vier Jahre älteren Spalding gefolgt war. Selbst erst 1842 konvertiert, hatte er von 1853 bis 1872 das neue Bistum Newark geleitet und dort sowohl McQuaid wie auch den jungen Corrigan gefördert. Hier nun, in Baltimore, übernahm er von seinem Vorgänger die Gewohnheit, in allen schwierigen Fragen den jungen Bischof Gibbons heranzuziehen, der schließlich als Diözesanpriester von Baltimore die Gegebenheiten kannte und ein besonnener Mann von angenehmer Art war. Als seine Gesundheit nachließ, erreichte Bayley in Rom, daß Gibbons zum Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge wurde, und auf diese Weise erhielt Gibbons ein halbes Jahr Zeit, sich einzuarbeiten, bevor er Ende 1877, nach dem Tode Bayleys, mit 43 Jahren Erzbischof auf dem ältesten Bischofssitz Amerikas wurde. In Baltimore verhielt er sich wie jemand der damit rechnet, viel Zeit zu haben. Er nutzte die Nähe Washingtons, das damals auch noch zu seinem Bistum gehörte, und entwickelte gute persönliche Beziehungen zu allen Präsidenten, die während seiner langen Amtszeit regierten. Innerhalb der Kirche war er durchaus gewillt, die weitere Vereinheitlichung voranzutreiben und die Einberufung einer Bischofsversammlung als das Mittel zu nutzen, das ihm dazu vor allem zur Verfügung stand. Er zog es jedoch vor, die Beschlüsse eines solchen nationalen Konzils vorher in Rom abzusichern, denn die römische Politik war vorerst noch nicht klar genug erkennbar. Der Vatikan hatte gleich nach Gibbons Installierung den irischen Bischof Conroy auf eine Rundreise durch Amerika geschickt. Doch bevor dessen Bericht ausgewertet war oder Konsequenzen erkennbar wurden, starb Pius IX., weshalb Gibbons erst 1880 nach Rom reiste. Dort fand er guten persönlichen Kontakt zu Leo XIII. und war beruhigt zu hören, daß der neue Papst mit dem Ende der alten Ordnung Europas rechnete und deshalb, nach Gibbons Eindruck, versuchte, die Kirche soweit wie möglich von deren Niedergang zu lösen. Das dritte Plenary Council von Baltimore, das nach gründlicher Vorbereitung dann 1884 stattfand, festigte Gibbons Stellung in Amerika und in Rom. Ein Jahr nach dieser Bischofsversammlung, nach dem Tode McCloskey's, wurde Gibbons von Leo XIII. zum zweiten Kardinal der Vereinigten Staaten ernannt. In Rom hielt er bei der Einführung in seine Titularkirche Santa Maria in Trastevere eine Ansprache, in der er ein programmatisches Bekenntnis abgab: Der große Fortschritt, den die katholische Kirche in seiner Heimat gemacht habe, sei zu einem guten Teil der amerikanischen Freiheit zuzuschreiben. Er sei dankbar dafür, in einem Land zu leben, wo die Regierung der Kirche Schutz biete, ohne sich einzumischen,

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und er fügte hinzu, in seinem Land bestehe Freiheit ohne Beliebigkeil und Autorität ohne Willkür (liberty without license and authority without despotism) 10. Gibbons Stellung blieb auch von den Konflikten der folgenden Jahre unberührt. Der Papst hatte eine hohe Meinung von dem amerikanischen Kardinal, und außerdem spielte sich innerhalb der Americanist Party eine Arbeitsteilung ein, die nicht nur ein Gebot der Klugheit war, sondern auch den Eigenarten der Beteiligten entsprach. John Ireland war für provozierende öffentliche Vorstöße zuständig, und O'Connell, der eigentlich nur als Beauftragter aller amerikanischen Bischöfe das Amerikanische College in Rom leiten sollte, betätigte sich in einer Weise, die weit über seinen Auftrag hinaus ging und die oft weder durch die ausdrücklichen Beschlüsse dieser Bischöfe noch durch ihren Konsens gedeckt war. Ireland und O'Connell konnten jedoch, als sie zwangsläufig in Schwierigkeiten gerieten, darauf rechnen, daß der Kardinal sie nicht im Stich ließ. Diese Verteilung der Rollen ergab sich aber nicht nur aus Klugheit, sondern sie entsprach auch Gibbons Persönlichkeit. Der Kardinal glaubte zwar an das Programm, das er in Santa Maria in Trastevere angedeutet hatte, aber anders als der stets aggressive und auftrumpfende Ireland, war er ein wohlwollender Oberhirte, der seine Stellung genoß und in den "Deutschen" oder den "Konservativen" nicht seine Feinde sah. Dennis J. O'Connells Karriere war, von den vielversprechenden Anfängen bis zu dem relativ bescheidenen Ende, stets an Gibbons Wohlwollen gebunden. Dennis wurde noch in Irland geboren, aber drei Jahre nach seiner Geburt wanderten die Eltern nach Columbia, South Carolina, aus, wo drei Brüder des Vaters O'Connell schon als Priester tätig waren. Diese förderten den jungen Dennis und brachten ihn mit Gibbons in Verbindung, der ihm 1872 einen Platz im amerikanischen College verschaffte. Nach vier Jahren beendete O'Connell seine Studien mit Auszeichnung und wurde zur Promotion zugelassen, die nach einem weiteren Jahr ebenfalls abgeschlossen war. 1877, noch in Rom geweiht, kehrte er in seine Heimatdiözese Riebmond zurück. Diese Diözese wurde damals noch von Gibbons mitverwaltet, der bereits als Erzbischof von Baltimore benannt war und nun nach Rom reisen sollte, um das Pallium als Zeichen seiner Jurisdiktionsgewalt entgegenzunehmen. Stattdessen erhielt O'Connell den Auftrag, gleich wieder nach Rom zu reisen, um alle Formalitäten zu erledigen, und in diesen wie in künftigen Fällen war der mittlerweile neu ernannte Bischof von Richmond, John J. Keane, selbstverständlich bereit, den ihm unterstehenden Diözesanpriester O'Connell freizustellen. Dieser erhielt dann auch in den folgenden Jahren immer wieder solche Sonderaufträge, bis es Gibbons schließlich gelang, ihn in Rom zu stationieren. 10

Ellis, 1952, 2. Bd., 65.

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1884 kehrte also O'Connell als Rektor in das Amerikanische College zmück, das er vor nicht ganz sieben Jahren als Absolvent verlassen hatte. In dieser Funktion blieb er nun für 11 Jahre, bis Ireland und er gescheitert waren und er selbst über seine eigene Geschwätzigkeit stolperte. Nachdem der Papst persönlich verlangt hatte, daß er vom Amt des Rektors zurücktrete, fiel O'Connell wieder ganz auf die Gunst seines Gönners zurück, der ihn zunächst zum Kurator seiner römischen Titularkirche machte, ihn dann als Rektor der Catholic University in Washington durchsetzte und sicher auch nicht unbeteiligt daran war, daß O'Connell schließlich 1912 Bischof von Riebmond wurde, wo er ebenso wie Keane zu Gibbons Nachfolgern zählte und wo er 1927 starb. Betrachtet man nur diese Stationen als solche, so war das für den Sohn eines armen irischen Einwanderers, auch unter amerikanischen Verhältnissen, eine ganz beachtliche Karriere. Dennoch hat Fogarty wohl recht, wenn er O'Connell als eine tragische Figur betrachtet. Selten habe in der Geschichte der amerikanischen Kirche jemand so große Erwartungen geweckt und so viel Einfluß ausgeübt, aber gleichzeitig doch so wenig Bleibendes erreicht 11 . John lreland, die farbigste Figur in dem Triumvirat der Americanists, wurde 1838 in Irland geboren und kam im Alter von 14 Jahren nach Zwischenstationen an der Ostküste und in Chicago nach St. Paul, wo erst zwei Jahre zuvor ein Bistum enstanden war. Die Widersprüchlichkeit dieser Frontier-Zeit ist schon daran zu erkennen, daß St. Paul zu dieser Zeit einerseits noch als Trading Post bezeichnet wurde, andererseits aber eine Kathedrale in Bau war und die Dompfarrei bereits eine Schule unterhielt, die der junge John besuchte, nachdem er morgens zunächst Milch ausgetragen und dann an manchen Tagen ministriert hatte. Er fiel jedenfalls dem ersten Bischof von St. Paul, dem Franzosen Joseph Cretin, auf, und dieser schickte ihn nach Frankreich, wo John Ireland die vier Jahre des Kleinen und die anschließenden vier Jahre des Großen Seminars (Petit Seminaire und Grand Seminaire) absolvierte, die als Muster für die Zweiteilung der amerikanischen Priesterseminare dienten. 1861 kehrte er in die Kälte Minnesotas zurück und wurde kurz vor Weihnachten von Bischof Thomas L. Grace geweiht, der dort residierte, seit Joseph Cretin 1857 gestorben war. Ireland wurde zunächst einmal Militärkaplan und zog mit einem Infanterieregiment, den 5th Minnesofa Volunteers, nach Mississippi, bis er wegen eines Anfalls von Gelbfieber den Dienst quittieren mußte. Wie es bei Kriegsveteranen nicht selten vorkommt, wuchs diese Zeit später sowohl in ihrer Dauer als auch in ihrer Bedeutung, so daß Ireland von seiner relativ kurzen Militärdienstzeit als von den glücklichsten und fruchtbarsten Jahren seines geistlichen Berufs sprach (the happiest and most fruitful years of my ministry) 12 . II

12

Fogarty, 1974, 317. O'Connell, 1989, 106.

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Zurück in St. Paul, war er zunächst verschiedenen Kirchen zugeteilt und wurde 1867 Pfarrer der Kathedrale. In dieser Zeit machte er sich einen Namen durch seine deutliche Sprache und durch den Einsatz für die Catholic Total Abstinence Union. Er setzte sich stets für Abstinenz ein und verlangte, daß jedenfalls bei kirchlichen Festen wie der Erstkommunion oder der Priesterweihe kein Alkohol ausgeschenkt werde, blieb aber immer ein Gegner der Prohibition. Auch als Anhänger Lincolns und der Republikanischen Partei trat er in dieser Zeit hervor. Bischof Grace schickte ihn 1870 als Beobachter nach Rom und erreichte fünf Jahre später, daß Ireland als Koadjutor eingesetzt wurde, was er neun Jahre lang blieb, bis er schließlich 1884 zum Nachfolger des Bischofs wurde. Damit war er nun auch in der Lage, seiner Lust zum Reisen stärker nachzugeben, als es bisher möglich war, und vor allem die Beziehungen nach Frankreich zu pflegen. Im gleichen Jahr fand auch die dritte Plenarversammlung von Saltimore statt, die zum ersten Mal die ganze Gruppe der Americanists für längere Zeit zusammenführte. St. Paul wurde 1888 zu einer eigenen Kirchenprovinz erhoben, der auch die beiden Dakota-Staaten angehörten. Durch diese Umorganisation, die zustande kam, nachdem Gibbons über O'Connell mehrfach in Rom interveniert hatte, gewann Ireland Unabhängigkeit von dem "deutschen" Erzbistum von Milwaukee, dem er zuvor als Suffragan-Bischof angehört hatte. Als dort 1881 Michael Heiss auf Henni gefolgt war, hatte dies außerhalb des deutschen Dreiecks deutliche Kritik ausgelöst. Im ganzen Westen gebe es keine amerikanischen Bischöfe, hatte der Historiker John G. Shea geklagt, und seine Feststellung hatte große öffentliche Resonanz gefunden 13 . Nun gab es einen amerikanischen Bischof im Westen, der diese seine Eigenschaft auch stets betonte und für die Amerikanisierung seiner Kirche kämpfte. Außerdem gehörte er nun auch dem Club der Erzbischöfe an, der mit der wachsenden Zahl der Bischöfe zu einem immer mächtigeren, inoffiziellen Koordinierungsgremium geworden war. Als die Americanist Party schließlich 1895 zerfiel, hatte dies für Ireland weniger schwerwiegende Folgen als für O'Connell. Ireland war auf seine Funktion als Erzbischof reduziert und genoß, gerade wegen der innerkirchlichen Niederlage, eine gewisse Popularität auch außerhalb der Kirche, wo er, besonders wegen seines Eintretens für die öffentlichen Schulen, als ein Verteidiger der amerikanischen Institutionen galt. So erhielt er 1901 mit dem juristischen Ehrendoktor der Yale-University eine Auszeichnung, auf die ein katholischer Bischof sonst zu dieser Zeit nicht rechnen durfte. Er war freilich weder theologisch noch kirchenpolitisch ein Liberaler in 13

Barry, 1953, 112.

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irgendeinem Sinne des Begriffes. An seiner Unterstützung des Papstes ließ er in Reden und Artikeln keinen Zweifel, und wie er die Autorität des Papstes anerkannte, so setzte er sich, mit Hinweis auf die amerikanische Situation, stets dafür ein, die Stellung der Bischöfe zu stärken. Dies sei, wie er in einem Brief an den Präfekten der De Propaganda Fide schrieb, das einzige Mittel, die verschiedenen Elemente der so bunt gemischten amerikanischen Kirche zusammenzuhalten 14• In seiner autoritären Denkweise und dem entsprechenden Stil, in seiner Lust an der Provokation und auch in seinen politischen Ansichten glich John Ireland dem John Hughes, nur hatte die Lage sich geändert. Nicht die Allianz zwischen politischem und religiösem Nativismus, sondern die vermeintlich antiamerikanischen Kräfte in der Kirche selbst erschienen nun als das Hindernis, das der Integration der Katholiken entgegenstand. Auch Ireland war jedenfalls stets so streitbar wie umstritten, und daher teilte er mit Hughes das Schicksal, daß er trotz oder wegen aller Bekanntheil nie Kardinal geworden ist. Hier endet freilich auch der Vergleich. Denn während Hughes nur ein streitlustiger Kämpfer war, dem jede Spur von Romanita fehlte, und Rom, zu seinem Nachteil, zwischen den Bürgerkriegsparteien neutral bleiben wollte, disqualifizierte Ireland sich in den innerkirchlichen Auseinandersetzungen allzu oft durch die Wahl seiner Methoden und seiner Argumente. Daß er zum Beispiel die deutschsprachigen Katholiken als "Agenten Preußens" und als "Handlanger Bismarcks" bezeichnete, war nicht nur absurd, sondern gehörte zu den Ausrutschern, die von den deutschen Jesuiten in der De Propaganda Fide sorgfältig registriert wurden. So blieb er nach dem Ende der Auseinandersetzungen für weitere 20 Jahre auf die Rolle eines amerikanischen Kirchenfürsten beschränkt. Er konnte den Bau einer zweiten, noch größeren Kathedrale vollenden, und als 1910 die zweite Diözese in Nord-Dakota und die fünfte in Minnesota eingerichtet wurde, stieg die Zahl der zu seiner erst 1888 geschaffenen Kirchenprovinz gehörenden Bistümer auf neun. Man mag es als Ironie der Geschichte werten, daß darunter auch der erste Bischof der Diözese Bismarck in Nord-Dakota war. John Laueaster Spalding wurde 1840 in Kentucky geboren. Nachdem er in Leuven sein Studium abgeschlossen hatte und zum Priester geweiht worden war, kehrte er 1865 zunächst als Bischofs-Sekretär nach Louisville zurück und übernahm dann in New York die Leitung der katholischen Schulen. In dieser Zeit veröffentlichte er eine Biographie seines Onkels (The Life of the Most Reverend M. J. Spalding, 1873) und legte gleichzeitig, als gerade 36jähriger, eine Sammlung eigener Aufsätze und Vorträge vor (Essays and Reviews, 1876). 1877 wurde er zum ersten Bischof des 14

O'Connell, 1989, III.

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neuen Bistums Peoria in Illinois geweiht, und dieses Amt übte er mehr als 30 Jahre aus, bis er 1908 nach einem Schlaganfall zurücktrat, um noch für weitere acht Jahre in Peoria im Ruhestand zu leben. Während seiner Zeit als Bischof forcierte er besonders den Ausbau der katholischen Schulen, deren Zahl er von 12 auf 70 steigerte, und beschäftigte sich auch theoretisch mit dem Gegenstand. Er nahm die Gewohnheit der Kongregationalisten Neuenglands an, fast alle Predigten und Vorträge zu veröffentlichen. Daher ist leicht erkennbar, daß er sich in seinen letzten Jahren als Bischof stärker mit politischen Fragen und der sozialen Ordnung beschäftigte, während davor schon an den Titeln der entsprechenden Bände abzulesen ist, wie wichtig ihm die Erziehungstheorie und Erziehungspolitik waren (Education and the Higher Life 1890, Means and Ends of Education 1895, Thoughts and Theories of Life and Education 1897). Insofern als er die amerikanische Republik pries, gehörte Spatding sicher zu den Americanists, die öffentliche Schule jedoch zählte er nicht zu den unverzichtbaren amerikanischen Institutionen. Anders als Ireland hatte er sich in die Schulfragen praktisch und theoretisch eingearbeitet, und er widersprach deshalb dem Konzept von Ireland, das darauf hinauslief, für den Verzicht auf eigene Schulen die Duldung des Religionsunterrichts einzuhandeln. Spalding, der mit dem Thema der Bildung und Erziehung seine Nische gefunden hatte, konzentrierte sich jedoch auf diese eigene Rolle. Er ist der Erfinder des Schlagwortes vom katholischen Bildungsdefizit, einem unerschöpflichen Thema, das auch Spaldings Biograph, John Tracy Ellis, in den 50er Jahren dieses Jahrhunderts wieder aufgegriffen hat. Immer wieder wies Spalding auf die intellectual weakness der Katholiken hin, und über lange Zeit hinweg warb er, wie schon sein Onkel, für eine katholische Universität, die von den Bischöfen gemeinsam getragen werden sollte. Daß diese schließlich gegründet wurde, ist Spaldings Verdienst, denn er wiederholte nicht nur unermüdlich die Forderung, sondern beschaffte auch eine erste nennenswerte Spende, durch die seine Bischofskollegen in Zugzwang gerieten. Dann jedoch der erste Rektor dieser Catholic University zu werden, lehnte Spalding ab. Als Ersatzkandidaten präsentierte Spatding John J. Keane, den Bischof von Richmond, der dort 1878 auf Gibbons gefolgt war. Keane mußte die nicht sehr dankbare Aufgabe übernehmen, da sonst Gefahr bestand, daß die (damals) konservativen Jesuiten sich der neuen Universität bemächtigten. Die Jesuiten, unter denen viele Deutsche waren, und die über direkte Kontakte nach Rom verfügten, wären in der Lage gewesen, die meisten benötigten Professoren aus ihren eigenen Reihen zu rekrutieren. Mit der Niederlage seiner "Partei" endete auch Keanes Rektorat. Der Vatikan bestätigte ihn 1897 nicht mehr im Amt und gab als Begründung

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lediglich an, in solchen Fällen sei ein gelegentlicher Wechsel ratsam. Wie in dem Verzeichnis der amerikanischen Bischöfe nachzulesen ist, war Keane nun von 1897 bis 1900 Berater der De Propaganda Fide (Consultor of Congregation for Propagation of the Faith), eine Umschreibung der Tatsache, daß man vorerst keine Verwendung für ihn hatte 15 . Im Jahre 1900 wurde er dann zum Erzbischof von Dubuque, Iowa, ernannt und führte, ähnlich wie Ireland, noch elf Jahre lang das Leben eines Bischofs in den wachsenden Farmstaaten des Nordwestens. Die Americanists besaßen kein ausformuliertes Programm und von dem ihnen oft unterstellten Liberalismus ist, wie schon angedeutet, weder im europäischen noch im amerikanischen Sinne des Begriffes etwas zu entdekken. Auch irgendwelche theologisch-modernistischen Tendenzen sind nicht zu erkennen. Die Gemeinsamkeit bestand tatsächlich in dem Verlangen nach konsequenter Amerikanisierung der Kirche, was in der gängigen Benennung der Gruppe angedeutet ist. Daher kommt eine Erklärung, die Ireland und Keane 1887 als Antwort auf die sogenannte Abbeten-Denkschrift verfaßten, einer Programmschrift noch am nächsten. Gibbons, Ireland, Keane und O'Connell hatten im Frühjahr 1887 mehrere Wochen lang gemeinsam im amerikanischen College in Rom gewohnt und hatten während dieser Zeit auch über die Denkschrift deutschsprachiger Priester aus Cincinnati und Milwaukee beraten, in der eine Absicherung muttersprachlicher Seelsorge gefordert worden war. In der Stellungnahme dazu heißt es, der Kampf für die Rechte der Deutschen werde mit einer Hartnäckigkeit geführt, die "für die Landsleute Bismarcks" typisch sei, der man aber im Interesse der Kirche nicht nachgeben dürfe. In Amerika sei nämlich eine deutliche Bewegung zur Kirche hin zu beobachten, und um diese nutzen zu können, müsse die Kirche sich, wo immer dies ohne Verletzung ihrer Grundsätze möglich sei, in einer Weise präsentieren, die sie für Amerikaner anziehend mache. Nachdem sie in Amerika als eine fremde Institution und als eine Bedrohung dargestellt worden sei, dürfe sie nicht erwarten, daß derartige Vorurteile verschwänden, wenn sie selbst die Amerikanisierung der Nachkommen von Einwanderem behindere, indem sie Männer in den Vordergrund stelle, die ohne Sympathie für die Gewohnheiten und die legitimen Ideen des Landes seien und die Sprache nur unvollkommen beherrschten 16.

15 16

Catholic Almanac, 1991, 472. Barry, 1953, 296 ff. und Hertling 1954, 189.

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Kap. III: Die "große Krise" Die Zwei-Mann-Partei der "Konservativen": Michael A. Corrigan und Bernard J. Quaid

So wie früher schon den Bischöfen französischer Abstammung vorgeworfen wurde, ohne Sympathie für die amerikanischen Ideen zu sein, taucht nun das nativistische Argument in der innerkirchlichen Auseinandersetzung wieder auf. Es wendet sich freilich nicht nur gegen diejenigen, die das Konzept einer zweisprachigen amerikanischen Kirche vertreten, sondern auch gegen solche Bischöfe irischer Abstammung, denen der römische Charakter der Kirche wichtiger ist als der amerikanische. Betrachtet man aber die beiden Personen, die gewöhnlich als die Repräsentanten der "konservativen" Fraktion genannt werden, so ist deren Konservatismus ebenso unbestimmt wie der Liberalismus der Americanists, dem er als Gegenstück dienen soll. Corrigan und sein Mentor und Freund McQuaid sind in ihrer Auslegung der Glaubenslehre und in der Auffassung ihres Amtes so traditions- und autoritätsorientiert wie die übrigen Bischöfe, einschließlich der Americanists. Will man partout nach theologischen Indizien für Liberalismus oder Konservatismus suchen, so steht am Ende McQuaid liberaler da als Gibbons, weil er sich gegen die Verkündung der päpstlichen Unfehlbarkeit gewandt hatte. Auch die Lebensläufe bieten keinen auffälligen Kontrast, es sei denn die Tatsache, daß Corrigan und McQuaid beide bereits in Amerika, und zwar im Ballungsraum New York aufgewachsen sind, und sie die faktische Amerikanisierung der Kirche offenbar schon unterstellten. Michael Augustine Corrigan wurde 1839 in der Stadt Newark als das fünfte Kind von neun Geschwistern geboren. Sein Vater, Thomas Corrigan, war elf Jahre zuvor aus Irland eingewandert und hatte in Newark ein Lebensmittelgeschäft eröffnet, mit dem er so erfolgreich war, daß er bald als einer der wohlhabenden Männer der Stadt galt. Er bot der Familie einen bürgerlichen Lebensstil und investierte in die Ausbildung seiner Kinder. Michael besuchte das mit dem Priesterseminar in Maryland verbundene College in Emmitsburg, das er mit Auszeichnung abschloß. Auf Empfehlung des damaligen ersten Bischofs von Newark, James Roosevelt Bayley, wurde er als einer der ersten zwölf Studenten des American College nach Rom geschickt, wo er von 1859 bis 1863 studierte und zum Priester geweiht wurde. Nach einem Jahr wurde er promoviert, worauf sein Bischof ihn zurückrief und ihn als Dozenten an das neu errichtete Priesterseminar in Seton Hall, New Jersey, schickte. Dieses Seminar, zu dem, wie damals üblich auch ein College gehörte, wurde von Bernard J. McQuaid geleitet, der als Sohn irischer Einwanderer, allerdings unter etwas ärmlicheren Verhältnissen als Corrigan, in New York aufgewachsen war. Wie Bayley war

2. Die Antagonisten und die Streitpunkte

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McQuaid von John Hughes gefördert worden, und Bayley holte ihn nach New Jersey, als er sein eigenes Priesterseminar gründete. Corrigan erwies sich dort als ein besonders gewissenhafter Lehrer und gewann die Freundschaft des 16 Jahre älteren McQuaid, so daß dieser ihn als seinen Nachfolger vorschlug, als er selbst 1868 Bischof von Rochester wurde. Zusätzlich zur Leitung von College und Seminar übernahm Corrigan bald darauf auch die Funktion des Generalvikars, so daß er praktisch bereits das Bistum leitete, als Bayley sich 1871 wegen des Konzils in Rom aufhielt. 1872 schließlich, als Bayley nach Baltimore ging, wurde in Newark der Generalvikar zum Nachfolger des Bischofs bestimmt, weil der Kardinal McCloskey und der Bischof McQuaid sich dafür einsetzten, die Jugend des Kandidaten zu ignorieren. Der 35jährige wurde Bischof, und bald darauf beriet der Kardinal, der stets die Kollegialität betonte, mit seinen Suffragan-Bischöfen über die Regelung seiner Nachfolge, wobei Einigkeit darüber erzielt wurde, daß Corrigan als Koadjutor eingesetzt werden solle. Nachdem er diese Tätigkeit bis zum Tode McCloskeys fünf Jahre ausgeübt hatte, wurde er im Jahre 1885 Erzbischof von New York. Dabei hatte McQuaid zum dritten Mal an einem Karrieresprung seines Freundes mitgewirkt, diesmal mit der Folge, daß der Jüngere ihn überholte. Corrigan, der stets für das eigene katholische Schulwesen eintrat und vom Klerus politische Zurückhaltung verlangte, geriet in New York bald in Konflikt mit einer Gruppe von politisierenden Pfarrern, die sich mit Henry George und dessen aus irischem Nationalismus und Sozialismus gemischtem Programm identifizierten und sich gegen katholische Schulen aussprachen. Daß der Anführer der Gruppe, der Pfarrer Edward McGlynn, mit Corrigan zusammen in Rom studiert hatte, trug keineswegs zur Entspannung bei. Die öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzungen überschatteten von Anfang an die ansonsten unbestritten erfolgreiche Amtszeit des Erzbischofs Corrigan, der 1902 im Alter von 63 Jahren starb. Manche Autoren, wie etwa Robert E. Curran, sehen deshalb die Auseinandersetzungen um McGlynn und den clerical radicalism der 1880er und 1890er Jahre als eine Vorstufe zur Bildung zweier politischer Lager im amerikanischen Katholizismus an. Tatsächlich deutet sich hier, eher als in kirchenpolitischer Hinsicht, die Herausbildung zweier Tendenzen an. Während die kanadischen Bischöfe und einige amerikanische Bischöfe die Kirche deutlich von sozialistischen Ideen, den Gewerkschaften und dem Geheimbund der Knights of Labour distanzieren wollten, verhinderte Gibbons in Rom einen Vorstoß der Kanadier, der auf Verurteilung solcher Organisationen und auf das Verbot der Mitgliedschaft gezielt hatte. Doch handelt Gibbons hier, wie auch sonst, aus pastoraler Klugheit und nicht aus ideologischer Überzeugung, und wenn Corrigan und McQuaid dem Machtapparat der New Yorker Demokraten nahestehen, während Ireland sich,

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zum Ärger der beiden, als Anhänger der Republikaner in die New Yorker Schulpolitik einzumischen versucht und dabei den Konflikt zwischen McGlynn und Conigan anheizt, so hat das wenig mit den späteren ideologischen Zurechnungen und viel mit den beteiligten Personen zu tun. Die "Fraktion" der Deutschen

Ganz anders verhält es sich mit der Gruppe der deutschsprachigen Bischöfe, die, wie schon die aus Frankreich stammenden Bischöfe, in dem Verdacht standen, ohne Sympathie für die amerikanischen Ideen und Institutionen zu sein. Nimmt man die Teilnehmerliste der dritten Plenarversammlung von Baitimare als eine Momentaufnahme, so sieht es zunächst auch so aus, als gäbe es noch eine eigene französische Gruppe. 1886 kamen 69 Bischöfe nach Baltimore. Deren Abstammung gliedert Hennesey folgendermaßen auf: irisch 35, deutsch 15, französisch 11, englisch 5, holländisch, schottisch und spanisch je 117 . Die französischen Bischöfe, die vor allem im Südwesten zu finden waren, kamen nicht aus Frankreich, um französische Einwanderer zu betreuen, und hatten auch nur selten einen französischen Protege. Stattdessen förderten sie, wie es Bischof Dubois mit Hughes oder Cretin mit Ireland getan hatte, eifrige junge Iren. Ein Bischof deutscher Abstammung konnte dagegen ebenso ein in Amerika aufgewachsener Nachfahre deutscher Einwanderer sein, der, wenn überhaupt, nur noch mangelhaft deutsch sprach, wie auch ein in Europa ausgebildeter Priester, der zur Unterstützung der amerikanischen Kirche über den Atlantik geschickt wurde. Man muß also genauer hinsehen, und dazu bietet wiederum nur das Verzeichnis der amerikanischen Bischöfe eine Grundlage. Sucht man aus diesem Katalog alle amerikanischen Bischöfe heraus, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ernannt wurden und nach den Angaben des Verzeichnisses entweder aus Deutschland, der Schweiz, Österreich oder Luxemburg stammen oder einen deutschen Nachnamen haben, so stößt man auf insgesamt 23 Namen. Nur vier der "deutschen" Bischöfe dieser Zeit sind bereits in Amerika geboren, nämlich Thomas Becker (Bischof von Wilmington ab 1886), lgnatius Horstmann (Bischof von Cleveland ab 1892), William Grass (Bischof von Savannah ab 1873) und Josef Rademacher (Bischof von Nashville ab 1883). In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts findet man unter der weiter gewachsenen Zahl von amerikanischen Bischöfen noch einmal ungefähr ebenso viele Bischöfe, die im weitesten 17

Hennesey, 1981 , 194.

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Sinne deutscher Abstammung sind, wobei sich das Verhältnis umgekehrt hat. Nur noch wenige sind in Europa geboren, aber es finden sich Namen wie Henry Moeller, und Moeller ist auch insofern typisch, als er zunächst 1900 Bischof von Columbus, Ohio, und dann 1904 Erzbischof von Cincinnati, Ohio, wurde. Auch in den 1880er Jahren, als die Auseinandersetzung um die Amerikanisierung der Kirche geführt wurde, waren nur wenige Bischöfe deutscher Herkunft außerhalb des deutschen Dreiecks tätig. Unter diesen wenigen aber fanden sich drei der vier schon in Amerika geborenen, nämlich Becker, Rademacher und Gross. Die anderen hingegen waren zur Hälfte in der Kirchenprovinz Milwaukee tätig 18 • Bischöfe, die selbst noch als Einwanderer erkennbar waren, dominierten also auch innerhalb des deutschen Dreiecks nur dort, wo gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Schwerpunkt der deutschen Einwanderung lag. In Ohio dagegen, wohin schon seit langer Zeit viele Deutsche eingewandert waren, bestimmten die Iren in der kirchlichen Hierarchie, obwohl sie als ethnische Gruppe in der Minderheit waren. In Cincinnati etwa, das 1821 gegründet und 1850 zum Erzbistum erhoben wurde, regierten während des ganzen 19. Jahrhunderts Bischöfe irischer Herkunft, die sich dann aber um einen deutschen Weihbischof oder Generalvikar, wie Henni, bemühten. Auch in den später eingerichteten weiteren Bistümern dieser Provinz versuchte man offenbar, die Balance zwischen den beiden großen ethnischen Gruppen demonstrativ aufrechtzuerhalten. In Cleveland hießen vor und nach der Jahrhundertwende die Bischöfe Gilmour, Horstmann, Farelly, und in Columbus waren es Watterson, Moeller und Hartley.

Falsche Alternativen auf allen Seiten Mit der Herausbildung dieser drei Fraktionen war die Bühne bereitet, auf der in den 80er und 90er Jahren jene Auseinandersetzungen stattfanden, die von amerikanischen Kirchenhistorikern als die große Krise (McAvoy: Great Crisis), die Amerikanismuskrise (Fogarty: Americanist Crisis) oder als das Vorspiel zu späteren ideologischen Polarisierungen (Cross: Emergence of Liberal Catholicism) geschildert wurden. Tatsächlich wirkten die verschiedenen Entwicklungen, die in solchen Buchtiteln angedeutet sind, ineinander. Zunächst kann man insofern von einer Entwicklungskrise sprechen, als nach langem Wachsturn Strukturentscheidungen anstanden, die sich durch die Einrichtung immer weiterer Diözesen keineswegs erledigt hatten. Dabei ging es um die innere Verfassung der Kirche, also auch um Machtfragen. Hinzu kam die sogenannte Amerikanismuskrise, die jedoch mit der Frage, 18

Catholic Almanac, 1991,472.

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ob die Kirche amerikanisiert werden solle oder nicht, nur oberflächlich umschrieben ist. Keiner der Beteiligten konnte daran zweifeln, daß diese Amerikanisierung längst in vollem Gange war. Die Kirche wäre schlecht beraten gewesen, nun ihrerseits einen Gegensatz zwischen katholischem Glauben und amerikanischer Kultur zu konstruieren und die Einwanderer vor die Wahl zu stellen. Abgesehen davon, hielten jedoch auch "deutsche" Bischöfe, wie Henni, die Integration der Einwanderer nicht nur für unvermeidlich, sondern auch für wünschenswert, weil sie davon überzeugt waren, daß die Religion in Amerika eher eine Zukunft haben werde als in Europa. Zur Amerikanisierung gab es also gar keine Alternative. Genau genommen wurde deshalb nur um das Mischungsverhältnis von Identität und Differenz gestritten, also darum, welchen Grad von Anpassung die egalitäre amerikanische Gesellschaft erzwingt und wieviel Distanz der Katholizismus auch in der distanzlosesten modernen Kultur noch bewahren muß, um unterscheidbar zu bleiben. Diese Frage, nach der Möglichkeit des kulturellen Pluralismus und der Autonomie des Religiösen, wurde freilich zunächst nur auf die Situation der Einwanderer bezogen und deshalb immer wieder in die Form falscher Alternativen gepreßt. Dabei unterstellte die eine Seite, daß der Katholizismus, wenn er so schnell und so gründlich wie möglich jeden fremden Akzent ablege, nicht nur akzeptiert werde, sondern sogar auf Zulauf aus alteingessenen Gruppen und aus nichtkatholischen Einwandererfamilien hoffen könne. Die andere Seite versteifte sich auf die These, der Einwanderer sei, sobald er seine Sprache verliere, selbst für die Kirche verloren. Ein Argument, das wiederum den Verdacht auslöste, hier werde nicht die Sprache der Religion dienstbar gemacht, sondern die Religion diene als Mittel zur Aufrechterhaltung einer deutschen oder, in späteren Jahren, einer polnischen Subkultur. Immer dann, wenn der Eindruck entstand, es gehe um Germanisierung, waren sich deshalb Konservative wie Corrigan und McQuaid mit den Americanists in der Ablehnung entsprechender Forderungen einig. Auf beiden Seiten herrschten also nationalistische Verkürzungen des Problems vor, doch dagegen war kaum ein Kraut gewachsen. In einer Zeit, in der Nationalismus als Fortschritt galt, und Rom und Wien als die Repräsentanten des Gegenprinzips in Bedrängnis waren, blieb auch die katholische Kirche nicht von dieser Epidemie verschont. Dabei hätte spätestens die Diskussion um Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit eigener Schulen zeigen müssen, daß es gar nicht um Germanisierung oder Amerikanisierung ging, sondern um die Frage, ob der Katholizismus für seine weitere Entwicklung auf die Stütze eigener Institutionen angewiesen war. Dies war zunächst die Funktion der ethnischen Pfarrei (samt ihrer Englischkurse) und dann zunehmend des nicht mehr ethnisch, sondern nur noch konfessionell definierten eigenen Schulwesens.

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Als dritte Krise kam schließlich die allmähliche Herausbildung zweier politisch ideologischer Lager hinzu, also das, was etwa Cross, aber auch Curran, als die Entstehung eines progressiv links-liberalen Katholizismus interpretieren 19 . Eine solche Deutung kann sich allerdings vorerst nur auf die radikalen New Yorker Priester stützen, die vor allem durch McGlynn repräsentiert wurden. Ansonsten zeigt sich vor allem an diesen politischen Vorgängen, wie sehr die verschiedenen Konfliktlinien sich gegenseitig überlagern. Die als progressiv eingestuften Bischöfe etwa sind so autoritär wie Corrigan, aber dessen bischöfliche Autorität wird durch Priester mit irisch-nationalistischen und sozialistischen Tendenzen herausgefordert, die in der Schulfrage mit Ireland übereinstimmen. Die meisten Bischöfe wiederum stehen in dieser Frage nicht auf der Seite Irelands, sind aber verunsichert, ob es den "Deutschen" dabei mehr um die deutsche Sprache als um die Religion gehe. Einerseits fügen also die Vorgänge der sogenannten "großen Krise" sich schon deshalb nicht zu einem einheitlichen Bild, weil drei ungelöste Probleme, nämlich Fragen der innerkirchlichen Diziplin, des kulturellen Pluralismus und der Stellung der Kirche zur Politik, zu unterschiedlichen Koalitionen führen. Andererseits werden die Auseinandersetzungen auch dadurch noch unübersichtlicher, daß alle Beteiligten stets auch mit einem Blick auf Rom agieren, wo ebenfalls unterschiedliche Tendenzen und Überlegungen am Werke sind. So ist offenbar das Verhalten der Beteiligten oft von der Absicht bestimmt, die Gegenpartei in Rom zu diskreditieren. Zugleich kann aber keine der beteiligten Parteien sich in dem ständigen Hin und Her vollständig durchsetzen, um die amerikanische Kirche dauerhaft unter ihre Kontrolle zu bringen. Daher verläuft diese für die Zukunft entscheidende Zeit der innerkirchlichen Konflikte auch nicht wie eine griechische Tragödie, in der alles unaufhaltsam auf eine Klärung zusteuert, sondern es folgt, wie in einem Entwicklungsroman, eine Episode auf die andere, und am Ende gibt es nicht Sieger und Besiegte, sondern die Probleme verlagern sich auf eine andere Ebene. Wie ein Auftakt wirkt der Bericht des irischen Bischofs George Conroy, den der Vatikan 1878 nach Amerika geschickt hatte. Wegen mangelnder Landeskenntnis - und vennutlich auch wegen intensiver Betreuung durch die Gastgeber - beschränkte Conroy sich auf die klassischen Gesichtspunkte einer Innenrevision, wie Verwaltung und Finanzen, Qualifikation des Klerus und Qualität des Verhältnisses zwischen Bischöfen und Klerus. Doch auch schon auf diese Weise kamen einige Probleme ins Blickfeld. Conroy, dem Gibbons den gerade aus Rom zurückgekehrten Dennis O'Connell als Begleitung mitgab, reiste einige Wochen lang durch die Vereinigten Staaten und war von der allgemeinen Entwicklung der amerikanischen Kirche beeindruckt, ohne jedoch die hierbei auftretenden Probleme 19

Cross Robert, 1968 und Curran R. E., 1978.

8 Zöller

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zu übersehen. So verwies er auf den Zusammenhang zwischen der Finanzverfassung der Kirche und ihrer Personalpolitik. Die Kirche sei wegen der rapiden Expansion und der relativen Armut der Einwanderer stark verschuldet. Deshalb müßten die Geistlichen unentwegt um Geld betteln, statt ihre Predigten anderen Themen zu widmen, und die geschäftlichen Fähigkeiten spielten auch eine zu große Rolle bei der Auswahl von Bischöfen. Die Bischöfe ihrerseits beurteilten und förderten die ihnen unterstellten Priester zu sehr nach diesem Gesichtspunkt. Zu oft besäßen die Kandidaten, die man dem Heiligen Stuhl vorschlage, mehr die Qualitäten eines Bankiers als die eines Seelenhirten. Unter den 68 Bischöfen fänden sich vielleicht zehn besonders talentierte, der Rest sei Mittelmaß, und was das theologische Niveau angehe, eher noch darunter (in theological knowledge they do not even reach mediocrity). Außerdem bezeichnete Conroy Spannungen zwischen Bischöfen und Priestern als eine Belastung der ansonsten positiven Entwicklung. Bei der Benennung von Bischofskandidaten herrsche eine Geheimniskrämerei, die der Begünstigung von Proteges Vorschub leiste, und die Vorschriften des kanonischen Rechts, die dem Klerus gewisse Rechte einräumen, würden von den Bischöfen ignoriert20. Dieser Bericht spielte eine Rolle, als Kardinal Simeoni, der Präfekt der Propaganda Fide, die damals zwölf amerikanischen Erzbischöfe nach Rom bat. Zu den vier Erzbistümern, die inzwischen entlang der Ostküste aus dem ersten Bistum entstanden waren, nämlich Baltimore, Philadelphia, New York und Boston, und der ebenfalls schon älteren Erzdiözese New Orleans, waren nach und nach die Kirchenprovinzen Cinncinati, St. Louis, Chicago, Milwaukee, Santa Fe, Portland und San Francisco hinzugekommen. Elf der zwölf amerikanischen Kirchenfürsten machten sich nun 1883 auf den Weg nach Rom, wobei einige von ihnen einen Sekretär oder einen theologischen Berater zu ihrer Unterstützung mitbrachten. Auf diese Weise reisten in Begleitung des Kardinals McCloskey der Bischof Corrigan und in Begleitung des Erzbischofs Gibbons der nun schon unentbehrliche Dennis O'Connell. Zu den wichtigsten Themen, die während des mehrwöchigen Romaufenthalts der Erzbischöfe diskutiert wurden, gehörten Vorschriften zur Verfassung der Bistümer und die Schulpolitik. Die Vorschläge des Vatikans sahen vor, daß jede Diözese einen Priesterrat mit unabsetzbaren Mitgliedern einsetzen sollte, dessen Zustimmung zur Einrichtung oder Auflösung von Pfarreien und beim Verkauf oder Erwerb von Kircheneigentum erforderlich war. Nach Meinung der Erzbischöfe sollten die Bischöfe das Recht haben, die Diözesanräte auch wieder zu entlassen. Dagegen akzeptierten sie die Forderung, daß, wo immer möglich, katholische Schulen eingerichtet werden sollten.

° Fogarty, 1974, 27ff. und Hennesey, 1981, 178ff.

2

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Die dritte Plenarversammlung von 1884 und die Verfassung der Bistümer Ein Jahr später, im November 1884, fand dann in Baltimore im Priesterseminar der Sulpicianer, die dritte Vollversammlung der amerikanischen Bischöfe statt, die fast einen Monat dauerte. Zur Verfassung der Bistümer wurden Schiedsgerichte und eine feste Quote unabsetzbarer Pfarrer pro Bistum beschlossen. Die Stellung des Priesterrates allerdings wurde weiter abgeschwächt. Der Bischof mußte nur bei Vermögensgeschäften und bei Einrichtung oder Aufhebung von Pfarreien den Rat dieses Gremiums einholen. Jede amerikanische Pfarrei sollte innerhalb von zwei Jahren eine eigene Grundschule einrichten. Außerdem einigten sich die Bischöfe auf die Gründung der Catholic University of America und setzten ein entsprechendes Komitee ein. Zur Seelsorge wurde schließlich beschlossen, einen weiteren Ausschuß mit der Vorbereitung eines einheitlichen Katechismus und eines Gebetbuches zu beauftragen, und schließlich wurde auch eine Richtlinie verabschiedet, die für Sonn- und Feiertage regelmäßige, vorbereitete und kurze Predigten forderte 21 . Diese Ergebnisse mußten nun wieder in Rom erläutert werden, um sie möglichst unverändert zu erhalten. Dazu wurden einige Bischöfe nach Rom entsandt, und Dennis O'Connell erhielt den Auftrag, sie zu begleiten. Während diese Delegation sich in Rom aufhielt, bestätigte der Vatikan den Vorschlag, O'Connell als Rektor des amerikanischen College einzusetzen, so daß dieser die für die Rückreise gebuchte Kabine nicht mehr benötigte. Von jetzt an war er für ein Jahrzehnt der amerikanische Beauftragte in Rom, wie Fogarty ihn nennt, aber diese Bezeichnung ist nur deshalb gerechtfertigt, weil die katholische Kirche Amerikas nun für lange Zeit mit Gibbons gleichgesetzt wurde. Daß O'Connells Aufgabe weniger darin bestand, sich um die amerikanischen Studenten und um die Verwaltung des College zu kümmern, geht schon aus den ersten Aufträgen hervor, die der neue Rektor erhielt. Er sollte die Statuten der neugegründeten Catholic University erläutern, sowie deren Genehmigung erreichen, und außerdem sollte er bewirken, daß St. Paul zur Kirchenprovinz wurde und Ireland auf diese Weise in den Club der Erzbischöfe einzog.

21

8*

Fogarty, 1974, 42ff.

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Knights of Columbus und Unterscheidung von Gewerkschaft und Sozialismus In Amerika wurde inzwischen deutlich, daß politische Konflikte, die schon lange polarisierend in den amerikanischen Protestantismus hineinwirkten, sich nun auch in der katholischen Kirche bemerkbar machten. Besonders in den Auseinandersetzungen um die Rolle von Gewerkschaften und um die Bedeutung sozialistischer Ideen, die in der Mitte der 80er Jahre kulminierten, konnte die katholische Kirche schon deshalb nicht mehr unbeteiligt bleiben, weil katholische Gewerkschaftler und politisierende katholische Geistliche zu den Hauptakteuren gehörten. Einen Vorgeschmack gab die Diskussion über die Knights of Labour, die sich nach Art einer Loge organisierten, zugleich aber auch durch ihre Sprecher öffentlich in Erscheinung traten. Ebenso wie angeblich die Mehrheit der Mitglieder war der Vorsitzende Terence Powderly ein Katholik, und nicht nur mit seinem Namen, sondern mit seiner Organisation verband sich Pulvergeruch. Seit die Knights mit vielen, gewaltsam verlaufenden Streiks identifiziert wurden und besonders seit dem Haymarket-Zwischenfall in Chicago, bei dem am I. Mai 1886 mehrere Polizisten getötet wurden, half es wenig, daß Powderly stets betonte, sie lehnten Gewalt ab und seien auch keine Sozialisten. Die kanadischen Bischöfe hatten sich in Rom für eine Verurteilung der Knights eingesetzt, und man darf annehmen, daß die meisten amerikanischen Bischöfe ihnen zustimmten. James Augustine Healey jedenfalls, Bischof von Portland, Maine, der erste schwarze Bischof der Vereinigten Staaten, bedrohte die Mitglieder mit Exkommunikation. Entsprechend ihrer Selbstdarstellung hatte Healey die Knights als Freimaurer behandelt und hatte diejenigen Konsequenzen angekündigt, die in der vatikanischen Instruktion De Secta Masonum von 1884 vorgesehen waren. Gibbons betonte jedoch in einer Denkschrift für Kardinal Simeoni, daß die Knights keine Geheimgesellschaft im Sinne der vatikanischen Instruktion seien und rückte das Argument in den Vordergrund, die Kirche dürfe nicht den Anschein erwecken, sie wolle die Arbeiter daran hindern, ihre Interessen zu vertreten. So entschied Rom, die Knights bis auf weiteres zu dulden (Societatem Equitum Laboris pro nunc tolerari), solange sie sich nicht als Geheimgesellschaft betätigten und keine sozialistischen Ideen propagierten22. Bis es zu diesem römischen Bescheid kam, spielten die Knights schon kaum eine Rolle mehr. Dennoch war diese Tolerierung langfristig sehr wichtig, weil sie die Unterscheidung zwischen gewerkschaftlicher Interessenvertretung und Sozialismus einführte, die nicht nur den katholischen 22

Hertling, 1954, 201.

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Gewerkschaftsfunktionären den Rücken stärkte, sondern von Laien wie auch vom katholischen Klerus geradezu als Aufforderung verstanden wurde, sich in den amerikanischen Gewerkschaften zu betätigen, damit diese nicht von Sozialisten beherrscht würden. Zusammen mit dem Fehlen einer nennenswerten sozialistischen Partei hat diese Weichenstellung dazu beigetragen, daß der amerikanische Katholizismus als eine stark von städtischen Industriearbeitern geprägte Kirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, anders als in allen übrigen lndustrieländern, bestimmenden Einfluß auf die Gewerkschaften ausübte. Der irisch-nationalistische Sozialismus und die clerical radicals von New York Sehr viel schwieriger verlief die Auseinandersetzung mit den Anhängern des irisch-nationalistischen Sozialismus im Klerus, die oft so dargestellt wird, als ob es sich dabei einfach um einen Konflikt zwischen einem autoritären Bischof und einem progressiven Geistlichen handele. Daß der neue Erzbischof Corrigan und sein Studienkollege McGiynn außer dieser Vergangenheit wenig Gemeinsames hatten, war schon deutlich geworden, als der Koadjutor Corrigan sich besonders für die katholischen Schulen einsetzte. 1886 steuerte der Gegensatz dann auf einen Höhepunkt zu, denn obwohl Corrigan ihn zu politischer Zurückhaltung ermahnt hatte, warb McGiynn bei vielen Gelegenheiten für Henry George und betätigte sich auch im Wahlkampf, als dieser 1866 in New York für das Amt des Bürgermeisters kandidierte. Henry George hielt das Eigentum an Grund und Boden für die Wurzel allen Übels, insbesondere der irischen Misere. Er trat deshalb dafür ein, den Bodenwert so zu besteuern, daß privates Landeigentum unattraktiv würde und andere Steuerquellen nicht mehr erforderlich wären. McGlynn übernahm diese Ideen und stellte sie in seinen Reden als die Quintessenz des Christentums dar. Walter Rauschenbusch, die spätere Leitfigur des protestantischen Social Gospel, damals ein junger Pastor der Second German Baptist Church in New York, erinnerte sich daran, wie McGiynn in seinen öffentlichen Vorträgen die soziale Gerechtigkeit als den eigentlichen Kern aller Religionen bezeichnete und welchen Eindruck er auf das Publikum machte, wenn er darlegte, daß dies der Sinn der Bitte sei "Dein Wille geschehe auf Erden'm. Je mehr McGiynn sich nicht nur in den New Yorker Zeitungen beachtet fand, desto weniger war er geneigt, sich seinem Bischof zu beugen, der seinerseits die Bedeutung des Eigentums unterstrich. So wurde McGlynn 23

Rauschenbusch, 1912, 91 und Marty, 1984, 350.

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schließlich nach Rom beordert, doch gab er an, dieser Aufforderung wegen schlechter Gesundheit, Geldmangels und familiärer Verpflichtungen nicht nachkommen zu können. In einen Brief an Corrigan teilte er außerdem mit, solange er lebe, werde er die Lehre verbreiten, daß Privateigentum an Grund und Boden gegen die natürliche Gerechtigkeit verstoße, ganz gleich durch welche bürgerlichen oder kirchlichen Gesetze es gerechtfertigt werde, und niemand, "Bischof, Propaganda oder Papst", habe das Recht, ihn für politische Meinungen zu bestrafen, die von der Kirche nicht als Irrlehre verurteilt worden seien. Er selbst lieferte allerdings andere Gründe für eine Maßregelung; denn er ignorierte, trotz angedrohter Konsequenzen, auch die zweite Aufforderung, sich nach Rom zu begeben. Die Nachricht über dieses römische Ultimatum führte 1877 in New York zu einer Demonstration, an der nach Zeitungsberichten 75 000 Menschen teilnahmen. Die Affäre endete vorerst mit der Exkommunikation McGlynns. Fünf Jahre später freilich wurde er von dem päpstlichen Gesandten Satolli absolviert, und als er 1900 starb, zelebrierte Corrigan persönlich das Requiem 24 . Aus der McGlynn Affäre, die über mehr als ein Jahr hinweg für Schlagzeilen sorgte, und aus der Diskussion um die Knights of Labour ergab sich die gleiche ungewohnte Schlußfolgerung. Die Politik machte nicht vor der Kirche halt, und die Bekräftigung der Kirchendisziplin bot wenig Hilfe, wenn es nicht gelang, Ordnungsfragen, in denen katholische Prinzipien berührt waren, von konkreten politischen Einzelfragen zu unterscheiden. Rom hatte dafür, beabsichtigt oder nicht, ein Beispiel gegeben, als das von Gibbons angeführte taktische Argument die etwas grundsätzlichere Wendung erhalten hatte, katholische Arbeiter hätten das Recht, sich zur Wahrung ihrer Interessen so zu organisieren, wie es ihnen zweckmäßig erscheine, solange sie dabei nicht mit der kirchlichen Lehre in Konflikt gerieten. In diesem Falle ergab sich die klare Devise: Gewerkschaften ja, Sozialismus nein. Schwieriger lagen die Dinge im Falle der klerikalen Henry George. Zum einen, weil dessen Lehren ein unterschiedlichsten Ideen waren, zu dem Karl Marx hatte wie Herbert Spencer, zum anderen aber auch, Klerus zur Diskussion stand.

Sympathisanten von Sammelsurium der ebenso beigetragen weil die Rolle des

Hier waren also mindestens drei verschiedene Gesichtspunkte miteinander verquickt. Soweit es um die Frage ging, ob eine Verurteilung des Privateigentums mit der katholischen Lehre vereinbar war, stand Corrigan auf festem Grund und konnte sich bald darauf durch die Bewertung des Eigentums in Rerum Novarum bestätigt fühlen . Über Henry Georges Idee einer single tax dagegen konnte es auch unter Katholiken durchaus verschiedene 24

Curran R. E., 1980, 189 ff.

3. Abstand und Nähe zur amerikanischen Kultur: Der Kern des Konflikts 119

Meinungen geben. Eben deshalb aber ging es drittens um die Frage, ob ein Bischof von einem Geistlichen verlangen konnte, sich gerade in solchen Fällen zurückzuhalten, um einerseits die Autonomie der Laien nicht zu beeinträchtigen und andererseits die Kirche davor zu bewahren, mit den Privatmeinungen politisierender Pfarrer identifiziert zu werden. Currans Bewertung, daß mit diesen Auseinandersetzungen bereits zwei politisch ideologische Lager im amerikanischen Katholizismus entstanden seien, trifft insofern zu, als die New Yorker clerical radicals um McGlynn zu Vorläufern der protestantischen Social-Gospel-Bewegung wurden, die ihrerseits wieder spätere katholische Sozialethiker beeinflußte. Klar konturierte konservative oder liberale Fraktionen gab es dagegen in der Kirche noch nicht. Innerkirchlich wirkte die McGlynn-Affäre eher atmosphärisch: Gibbons, der sich gerade in Rom aufhielt, weil er zum Kardinal ernannt worden war, riet dazu, die Ideen, die er als etwas konfus bezeichnete, nicht ernst zu nehmen. Er verfuhr also nach dem Rezept, mit dem er meistens Erfolg hatte, indem er zunächst einmal versuchte, abzuwiegeln. Corrigan aber, der seit seinen römischen Studientagen über eigene Verbindungen verfügte, zog aus den Nachrichten, die er erhielt, den Schluß, daß der Kardinal ihm in den Rücken gefallen sei25 .

3. Abstand und Nähe zur amerikanischen Kultur: Der Kern des Konflikts In den folgenden Jahren zwischen 1887 und 1891 traten dann die Auseinandersetzungen um ethnische Pfarreien bzw. muttersprachliche Seelsorge und um die katholischen Schulen in den Vordergrund. Dabei nahm der Streit auch deshalb eine neue Qualität an, weil beide Seiten nicht nur auf den Korridoren des Vatikans agierten, wo man sich leicht in der Türe irren kann, sondern zusätzlich versuchten, die Öffentlichkeit einzubeziehen. So war die eine Seite an einer Internationalisierung der Diskussion interessiert, suchte also die Zusammenarbeit mit katholischen Organisationen in Italien und Frankreich, um zu zeigen, daß es nicht um die deutsche Sprache, sondern um die muttersprachliche Seelsorge ging. Die andere Seite dagegen benutzte eben diese Internationalisierung der innerkatholischen Diskussion wieder dazu, die außerkirchliche amerikanische Öffentlichkeit gegen ausländische Einmischung zu mobilisieren, wobei Ireland, der darin am weitesten ging, kaum zu überlegen schien, welche Geister er zu seiner Unterstützung mobilisierte.

25

Hennesey, 1981 , 190.

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Kap. III: Die "große Krise" Der Streit um die ethnische Seelsorge: Die Abbelen-Denkschrift und der Kongreß von Luzern

Die Gegensätze wurden erstmals deutlich formuliert, als Peter M. Abbelen, ein Priester aus Milwaukee, zusammen mit anderen Priestern aus dem deutschen Dreieck jene Denkschrift verfaßte, in der alle die Maßnahmen zur Förderung der deutschsprachigen Seelsorge aufgeführt waren, die seit längerem diskutiert wurden. Deshalb hatten die Verfasser nicht nur die Unterstützung des Erzbischofs Michael Heiss, sondern auch die Gibbons, den sie informierten und der zunächst damit einverstanden war, daß Abbelen diese Ideen in Rom vortragen wollte. In der Denkschrift wurde dargestellt, wie sehr die beiden großen katholischen Einwanderergruppen, die Iren und die Deutschen, durch Lebensgewohnheiten, liturgischen Stil, kirchliche Feste und andere Traditionen unterschiedlich geprägt seien. Mit der Zeit werde es zwangsläufig zu einer Angleichung der beiden Subkulturen kommen, doch man solle sich hüten (God forbid), diese Entwicklung dadurch zu beschleunigen, daß man die Sprache und die Gebräuche der Deutschen unterdrücke26. So weit es um Verlangsamung oder Beschleunigung der ohnehin absehbaren Entwicklung ging, standen sich also zwei verschiedene Seelsorgekonzepte entgegen, und es ist offenkundig, daß es dabei auch um die innerkirchliche Machtverteilung ging. Diejenigen, die das ethnische Milieu konservieren wollten, versuchten jedenfalls nun, den Vorwurf zu entkräften, daß es ihnen letztlich doch nur um das "Deutschtum" gehe, indem sie sich mit anderen Sprachgruppen zusammentaten. Dazu mußte die Entwicklung der vorausgegangenen Jahrzehnte komgiert werden, in denen nationale, von Laien getragene Missionsgesellschaften Europas, wie der Bayerische Ludwigsmissionsverein oder die Österreichische Leopoldinenstiftung, unabhängig voneinander operierten und sich von einer in Lyon ansässigen gesamtkirchlichen Gesellschaft zur Glaubensverbreitung gelöst hatten, die sich dann ihrerseits auf die Förderung französischsprachiger Missionstätigkeit konzentrierte. Ein gewisses Gegengewicht gegen diesen Missionsnationalismus bildeten die "Rafaelsgesellschaften" mehrerer Länder, die sich als ein internationaler Zusammenschluß verstanden. 1890 fand eine Tagung dieser "Rafaelsgesellschaften" in Luzern statt, und dort wurde eine Bittschrift verabschiedet, die der italienische Graf Volpe-Landi und der deutsche Zentrumspolitiker Peter Paul Cahensly anschließend dem Papst überreichen sollten. Dieses später sogenannte "Luzern-Memoriale" beginnt mit der Behauptung, jährlich wanderten 400000 europäische Katholiken nach Amerika aus, und auf diese Weise seien der Kirche bislang in den Vereinigten Staaten lO Millionen "Seelen" verloren gegangen. Selbst wenn man diese zweifelhafte 26

Gaustad , 1982, 2. Bd., 45 und Barry, 1954, 295.

3. Abstand und Nähe zur amerikanischen Kultur: Der Kern des Konflikts 121

Zahl akzeptiert, ergeben sich daraus Schlußfolgerungen, die nicht ganz im Sinne der Verfasser sein können. Der amerikanischen katholischen Kirche wäre es ja dann unter den Bedingungen der Freiwilligkeit und den Verhältnissen des Aufbaus gelungen, immerhin 60% der bis dahin eingewanderten etwa 25 Millionen nomineller Katholiken an sich zu binden. Diese Zahlen bieten also kaum eine Grundlage für die anschließenden Forderungen nach muttersprachlichen Pfarreien und Schulen, nach Gleichbehandlung amerikanischer und zugewanderter Geistlicher und nach stärkerer Berücksichtigung der verschiedenen Herkunftsländer bei der Ernennung von Bischöfen. Die Luzemer Denkschrift war eine nicht besonders überzeugende Präsentation des an sich schon zu einfachen Arguments, daß der Glaube an der Muttersprache hänge. Sie erhielt jedoch dadurch eine unerwartete Resonanz, daß Ireland und O'Connell sie als ein Geschenk erkannten und entsprechend verwerteten. O'Connell versorgte einen römischen Korrespondenten der Nachrichtenagentur ABC mit Informationen. In dessen Berichten ist nur noch von Cahensly und den Deutschen die Rede, und die Forderungen aus dem Luzemer Papier werden in der Wiedergabe noch zugespitzt. Ireland, der in einem Brief an O'Connell schrieb, die lenkende Hand hinter den Argenturmeldungen habe er wohl bemerkt27, gibt unentwegt Interviews in Amerika und gerät nahezu aus dem Häuschen. "Schicken Sie mehr, schicken Sie alles, man kann Wunder damit tun für die gute Sache" telegrafiert er28 , und zur Rechtfertigung schreibt er, man sei schließlich im Krieg und müsse alles Pulver benutzen29 . O'Connell hingegen warnt ihn, nicht zu überziehen. In Rom verdichte sich der Eindruck, das Ganze sei ein von Ireland inszeniertes Theater. Ebenso wie er es schon an Gibbons geschrieben hatte, weist O'Connell deshalb auch Ireland darauf hin, daß zusätzliche Wirkung nur zu erzielen sei, wenn die amerikanische Regierung oder der Kongreß sich der Sache annähmen. Tatsächlich kommt es auch zu einer Behandlung der Affäre im Senat, wobei der Senator Cushman C. Davis (aus Minnesota) erklärt, es habe noch nie einen infameren Versuch gegeben, die Religion zu politischen Zwecken zu mißbrauchen, als den Plan des Herren Cahensly. Letzterer ist in den Augen des Senators schon dadurch ausreichend gekennzeichnet, daß er dem preußischen Landtag angehört hae 0 . Die Cahensly-Affäre endete so schnell, wie sie entstanden war, und hatte keine unmittelbaren Folgen. Zu den mittelbaren Wirkungen dürfte aber gehören, daß Ireland seine Stellung in Rom nachhaltig erschüttert hatte, während in Amerika die Forderung nach fremdsprachlicher Seelsorge diskreditiert war. 27 28

29 30

Fogarty, 1974, 140. Hertling, 1954, 217. Fogarty, 1974, 146. Hertling, 1954, 218.

Kap. III: Die "große Krise"

122

Der Streit um die katholischen Schulen: Irelands Rede und ihr Echo

Daran konnte der engere Kreis der Americanists sich freilich nicht lange freuen, weil nun die Auseinandersetzung um die katholischen Schulen in den Vordergrund trat. Anders als im Falle der Luzemer Denkschrift stand Ireland dabei gegen die Mehrheit seiner Bischofskollegen und gegen die wiederholten Erinnerungen des Vatikans von vomherein auf verlorenem Posten. Auch O'Connell stieß in Rom auf taube Ohren. So berichtet er in seinen Briefen, er habe die finanziellen Lasten hervorgehoben und auch darauf hingewiesen, daß man schließlich von den französischen oder italienischen Katholiken keine derartigen Opfer verlange, obwohl die öffentlichen Schulen Amerikas besser seien als die Frankreichs oder Italiens. All dies brachte die vatikanischen Stellen aber nicht von ihrer Forderung nach einer katholischen Privatschule in jeder Pfarrei ab 31 • Dennoch suchte Ireland nach einem Kompromiß zwischen dem Monopolanspruch der öffentlichen Schulen und der Forderung nach eigenen katholisehen Schulen. Dabei vermengten sich pragmatische Gesichtspunkte mit Irelands politischen Überzeugungen. Einerseits sollte die Kirche finanziell und personell entlastet werden, um sich auf ihre Hauptaufgabe konzentrieren zu können. Andererseits betrachtete lreland, der sich auch darin als amerikanischer Nationalist hervortat, die öffentliche Schule geradezu als Inbegriff der "amerikanischen Institutionen". Als die National Education Association im Sommer 1890 ihre Jahresversammlung in St. Paul veranstaltete, erhielt Ireland eine unwiderstehliche Gelegenheit, seine Ideen vorzutragen. In dem pathetischen Stil, zu dem er neigte, pries er die öffentlichen Schulen als our pride and our glory. Gesegnet sei die Nation, deren Täler und Hügel durch allgemeine frei zugängliche Schulen geschmückt würden, und gesegnet seien die Generationen, über deren Seelen die Schätze dieser Schulen ausgegossen würden (Blessed ... the nation whose vales and hillsides they adorn and blessed the generations upon whose souls are poured their treasures) 32 . Ireland machte freilich klar, daß dieses Lob sich nur auf den allgemeinen Schulunterricht bezog, so weit er das Gebiet der Religion nicht berühre (secular instruction), und daß ein von der Kirche anerkannter Religionsunterricht gewährleistet sein müsse, bevor Katholiken auf ihre eigenen Schulen verzichten könnten. Derartige Qualifizierungen gingen jedoch in der Berichterstattung unter. Die nichtkatholische Presse nahm Irelands Rede entweder als eine uneingeschränkte Empfehlung der öffentlichen Schulen auf oder sah in seinen Überlegungen einen raffinierten Versuch, diese öffentlichen Schulen unter 31

32

Fogarty, 1974, 197ff. Reilly, 1943, 237.

3. Abstand und Nähe zur amerikanischen Kultur: Der Kern des Konflikts 123

katholische Kontrolle zu bringen. Katholische Zeitungen hingegen, vor allem die deutschsprachigen, witterten Verrat und zitierten aus Irelands Rede besonders die blumigen Lobsprüche. So faßte er in einem Brief an Gibbons besonders die Einschränkungen seines Lobes und die nachfolgenden Forderungen noch einmal deutlicher zusammen, als er dies in seiner Rede vor den Lehrern und Schulverwaltern getan hatte. Er beklagt sich zunächst über unzutreffende Berichte und sieht dabei außer Unwissenheit auch den Widerwillen am Werk, den manche Katholiken immer noch gegen amerikanische Institutionen und amerikanische Ideen hegten (. . . dislike which so many catholics entertain for American institutions or American ideas). Er selbst habe zwar die Schulpflicht (compulsory education) verteidigt, doch daraus folge noch kein StaatsmonopoL Jede Pfarrei behalte das Recht, eine eigene Schule einzurichten. Ihm gehe es nur darum, die Voraussetzungen zu beschreiben, die erfüllt sein müßten, damit die staatliche Schule für Katholiken annehmbar werde (what is required in the state-school to make it acceptable to us). Dabei verlange er einen wirklich katholischen Religionsunterricht (positive catholic dogmatic teaching), der durch Ethik (mere moral teaching) oder eine sogenannte gemeinsame Christenkunde ( common christianity) nicht zu ersetzen sei. Sobald aber diese Bedingungen erfüllt seien, bestehe für die eigenen Pfarreischulen jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit mehr. Denn grundsätzlich sei die Kirche nicht eingerichtet worden, um das Lesen und Schreiben, sondern die Moral und den Glauben zu lehren (not established to teach writing and ciphering but to teach morals and faith). 33 Irelands Erläuterungen, die dem Kardinal helfen sollten, Fragen der Presse oder des Vatikans zu beantworten, beendeten das Thema freilich nicht. Dazu war gerade die Schulpolitik in der Erinnerung von Katholiken und Protestanten zu sehr von einer Vorgeschichte belastet, die nur Mißtrauen erzeugen konnte, und dazu hatte sich Ireland auch in den innerkatholischen Konflikten viel zu sehr hervorgetan. So fanden Ideen und Experimente, die - für sich genommen - weder originell noch skandalös waren, nun eine besondere Aufmerksamkeit. Als beispielsweise 1891 die Pfarreien von Faribault und Stillwater in Minnesota einen Vertrag mit den staatlichen Schulbehörden schlossen, wurde daraus ein nationales Ereignis, obwohl das gleiche Arrangement schon 1873 in New York noch unter Erzbischof McCloskey zwischen dem Pfarrer von St. Peter' s Church in Poughkeepsie und den dortigen Behörden ausgehandelt worden war. Dem New Yorker Beispiel folgend, vermieteten die Pfarreien von Faribault und Stillwater ihre Schulhäuser zu einer Jahresmiete von einem Dollar an die örtlichen Schulverwaltungen, die damit für die Beste!33

Ellis, 1967, 2. Bd., 474.

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Kap. 111: Die "große Krise"

lung der Lehrer und für den Unterhalt der Gebäude zuständig wurden. Im Gegenzug stimmten sie dem katholischen Religionsunterricht zu, der im selben Schulhaus, aber außerhalb der Schulstunden stattfand. Wie Daniel F. Reilly in einem Buch über diese sogenannte Schulkontroverse ausgiebig dargestellt hat, fand Ireland sich nun zwischen der Kritik, der Staat Minnesota sei der Kirche zu weit entgegengekommen, und der umgekehrten Befürchtung, die Kirche habe dem Staat zu viele Zugeständnisse gemacht. Auch Theologen meldeten sich zu Wort oder wurden zu Hilfsdiensten verpflichtet, wodurch ihre jeweilige Institution in öffentlich sichtbarer Weise mit einer der beiden Seiten identifiziert wurde. Thomas Bouquillon, Moraltheologe an der Catholic University, kam Ireland mit einer Broschüre unter dem Titel Education: To whom does it belang zu Hilfe. Darin ließ Bouquillon die Familie, den Staat und die Kirche am Erziehungsrecht teilhaben. Rene Holaind, S.J., der am Woodstock College der Jesuiten lehrte, hielt die Priorität der Familie dagegen, was bereits dem Titel seiner Broschüre zu entnehmen war: The Parents First.

O'Connell, Satolli und "der Feind" Um seine Position in der Schulfrage zu erläutern, reiste Ireland im Sommer 1892 nach Rom. In den Gesprächen, die er dort führte, verdichtete sich ein Eindruck, den O'Connell schon in einem Brief an Gibbons mitgeteilt hatte. Leo XIII. schien entschlossen, trotz der Bedenken der amerikanischen Bischöfe einen Gesandten zu ernennen. Daher einigten O'Connell und Ireland sich offenbar darauf, den Widerstand gegen das Unvermeidliche aufzugeben und stattdessen mit dem Erzbischof Francesco Satolli, der nach Amerika geschickt werden sollte, so eng wie möglich zusammenzuarbeiten. Satollis wirklicher Auftrag wurde zunächst verschleiert. Angeblich reiste er schon Ende 1892 nach Amerika, um die wertvollen alten Landkarten zu präsentieren, die der Papst als Leihgabe zu der World's Columbian Exposition beigesteuert hatte - obwohl diese Ausstellung erst ein halbes Jahr später, im Mai 1893, eröffnet werden sollte. Diese Tarnung schien jedoch den Wissenden einen Vorteil zu verschaffen. Wie O'Connell an Ireland schrieb, sollte "der Feind", nämlich Corrigan, solange wie möglich im unklaren bleiben, um die Reisepläne Satollis und die Auswahl seiner Gesprächspartner nicht beeinflussen zu können 34 . Zunächst sah es auch so aus, als könne man Satollis Kontakte kanalisieren. Er wohnte als Gast des Rektors Keane in der Catholic University, wurde stets von dem hilfreichen O'Connell begleitet und nahm den exkom34

Fogarty, 1974, 231.

3. Abstand und Nähe zur amerikanischen Kultur: Der Kern des Konflikts 125

munizierten McGlynn wieder in die Kirchengemeinschaft auf. Auf Dauer war es freilich nicht möglich, ihn von einem Zusammentreffen mit "dem Feind" abzuhalten, zumal er den versammelten Erzbischöfen mittlerweile erklärt hatte, er sei mit dem Auftrag gekommen, eine Gesandtschaft bei den amerikanischen Bischöfen zu etablieren und entsprechende päpstliche Vollmachten auszuüben. O'Connells und Irelands Hoffnungen erfüllten sich nicht, und die Einrichtung einer päpstlichen Gesandtschaft leitete in Wirklichkeit den Niedergang der Americanist Party ein. Satollis vergleichsweise fortschrittliche Ansichten, auf die O'Connell gesetzt hatte, erwiesen sich als wenig stabil, doch darauf kam es gar nicht an. Ausschlaggebend war, daß der Vatikan nun über einen eigenen, nicht von Gibbons und O'Connell kontrollierten Nachrichtenweg verfügte. Welchen Unterschied eine direkte Kommunikation zwischen Rom und einzelnen amerikanischen Bischöfen machte, wurde schon bald deutlich, als Ireland wieder einmal Aufsehen erregte und eine öffentliche Auseinandersetzung mit McQuaid provozierte. Dieser kandidierte 1894 für einen Sitz in dem Aufsichtsgremium der New Yorker Staatsuniversität, wobei einer der clerical radicals um McG1ynn, der Priester Sylvester Malone, zu seinen Konkurrenten gehörte. In dieser Situation trat der Erzbischof von St. Paul in der Diözese des Bischofs von Rochester auf und empfahl, nicht McQuaid, sondern Malone zu wählen. McQuaid wiederum kritisierte in einer Predigt, daß Ireland sich in die New Yorker Politik eingemischt hatte und wurde dafür, wohl auf Veranlassung Satollis, von Rom getadelt, bzw. zu einer Stellungnahme aufgefordert. Auf eine solche Gelegenheit schien McQuaid gewartet zu haben. Er antwortete mit einer ausführlichen Schilderung der Rolle Irelands in den amerikanischen Kirchen-Kabalen. McAvoy bezeichnet diesen Briefwechsel als den Wendepunkt der AmerikanismusKrise. McQuaids Darlegungen hätten den Ausschlag gegen den "Viererclub" gegeben (tipped the scales;J 5 . Satolli entsprach jedenfalls kaum mehr den auf ihn gesetzten Hoffnungen. Er entwickelte guten Kontakt zu Corrigan und lobte öffentlich die deutschsprachigen Katholiken, die, wie er sagte, in jüngster Zeit unberechtigten Verdächtigungen und Anschuldigungen ausgesetzt waren 36 Außerdem taten O'Connell und Ireland selbst noch das ihre, die eigene Position zu erschüttern. O'Connell, der die Kenntnis der römischen Stadtgespräche lange Zeit zum Vorteil der Americanists genutzt hatte, stolperte darüber, daß er das Gerücht kolportierte, Satolli sei ein Sohn Leos. Vom Papst deswegen zur Rede gestellt, konnte er 1895 nur noch darum bitten, 35 36

McAvoy, 1957, 123. Fogarty, 1974, 249.

Kap. III: Die "große Krise"

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aus Gesundheitsgründen von seinem Amt als Rektor des amerikanischen Kollegs entbunden zu werden. Im Jahr darauf wurde Keane nach Ablauf der regulären Amtszeit als Rektor der Catholic University von dem zuständigen Gremium zwar erneut vorgeschlagen, doch verweigerte Rom die Zustimmung mit der allgemeinen Begründung, in derartigen Positionen sei ein gelegentlicher Wechsel erwünsche 7 . Ireland schließlich trug bei einer Bischofsweihe in Anwesenheit Satollis eine seiner alten Lieblingsthesen vor, indem er den weltlichen Klerus pries und das Ordenspriestertum für überholt erklärte38 . Satolli, der inzwischen zum Kardinal ernannt worden war, kehrte bald darauf nach Rom zurück und tat sich dort mit denjenigen zusammen, die entweder in ihrer Funktion mit Amerika zu tun hatten oder für längere Zeit in Amerika gearbeitet hatten. Dies galt für den polnischen Kardinal Ledochowski, den damaligen Präfekten der Propaganda Fide und für die beiden italienischen Jesuiten Camillo Mazzella und Salvatore Brandi, die beide am Woodstock College gelehrt hatten. Mazzella war inzwischen als Kurienkardinal für die katholischen Bildungsinstitutionen, also auch für die katholischen Universitäten zuständig, und Brandi leitete die wichtige Zeitschrift Civilta Cattolica. So gab es nun in Rom einen einflußreichen Zirkel von Amerika-Kennern, die besonders den Aktivitäten Irelands skeptisch gegenüberstanden und bereit waren, ihn bei passender Gelegenheit zurechtzuweisen. Die Neigung dazu wuchs, als zwei Ereignisse zusammentrafen.

Arbeiten, als hinge alles von uns ab, und Beten, als käme es nur auf Gott an 1897 sorgten französische progressive Katholiken, die mit dem Institut Catholique verbunden waren, für eine Übersetzung der Hecker-Biographie, die Walter Elliott, ein Mitglied der Paulists, 1891 in Amerika veröffentlicht hatte. Im Jahr darauf führten die USA dann einen Krieg gegen Spanien, um sich dessen verbleibende amerikanische Kolonien anzueignen. Die Vorgänge um diesen Krieg herum wurden in Rom besonders aufmerksam verfolgt, weil dabei irritierende Töne zu vernehmen waren. In der offiziellen amerikanischen Kriegspropaganda stand Spanien für die Dekadenz der Alten Welt und für alles was dem Fortschritt der Menschheit im Wege war, während Amerika die Zukunft repräsentierte, eine Zweiteilung der Welt, deren konfessioneller Unterton kaum zu überhören war. Dennoch blieb die Kritik innerhalb der amerikanischen katholischen Kirche so schwach wie in der Öffentlichkeit. Mit Ausnahme von Spalding, der sich einer anti-imperia37

38

White, 1989, 207.

Hennesey, 1981 , 201.

3. Abstand und Nähe zur amerikanischen Kultur: Der Kern des Konflikts 127

Iistischen Erklärung anschloß, unterstützten die Katholiken den Krieg, und einige leisteten ein ÜbersolL Dennis O'Connell schrieb, nun sei die Zeit gekommen, den englisch-sprechenden Völkern jene Anerkennung zuteil werden zu lassen, welche die katholische Kirche ihnen schuldig sei. Den Krieg bezeichnete er als eine Auseinandersetzung zwischen allem, was alt, gemein, verdorben und falsch in Europa und allem, was frei, edel, offen und menschlich in Amerika sei 39 . In Rom beobachtete man die Vorgänge aber auch deshalb gespannt, weil die Zukunft der Missionen auf den Philippinen und auf Kuba ungewiß war. Die Hecker-Biographie schien mit all dem nicht in Zusammenhang zu stehen und bot auch für sich keinen Anlaß zu Auseinandersetzungen, da es sich um eine unkritische, aber auch ganz und gar unpoiemische Schilderung des Ordensgründers handelte, die gewissermaßen für den Hausgebrauch geschrieben war. Interessant und für die Auseinandersetzungen innerhalb des französischen Katholizismus bedeutungsvoll wurde das erbauliche Buch erst durch John Irelands Einleitung. Ireland, bekanntlich sonst kein Freund des Ordenslebens, hatte den Vater des amerikanischsten aller Orden zum Prototyp des amerikanischen Priesters ernannt und dabei, wie es seine Art war, mit wenigen, kräftig kontrastierenden Strichen ein klares Bild gezeichnet. Pater Hecker sei der typische amerikanische Priester gewesen. Er habe über die Eigenschaften verfügt, die jeder Priester aufweisen müsse, die aber für sich alleine noch nicht genügten. Niemand müsse ihn, Ireland, daran erinnern, daß die amerikanische Kirche ohne die Einwanderung bedeutungslos geblieben wäre. Das ändere aber nichts daran, daß Priester, die der amerikanischen Kultur in ihrer Einstellung und ihrer Arbeitsweise fremdgeblieben seien, auf die nicht-katholischen Amerikaner und auf die in Amerika geborenen Kinder der katholischen Einwanderer keinen günstigen Eindruck machten. In dieser Hinsicht unterscheide er keineswegs zwischen irischen Priestern und anderen Ausländern. Ganz anders Pater Hecker, der das Land und seine Institutionen verstand und liebte und der nichts an ihnen fand, was zu bedauern oder zu verändern sei. So habe er auch die natürlichen und die sozialen Tugenden betont, welche die Amerikaner am meisten schätzten. Der Amerikaner beurteile eine Religion zu allerst nach ihrem Beitrag zum sozialen Leben (order of social existence) und das stehe keineswegs im Gegensatz zur katholischen Lehre, denn Christus sei nicht gekommen, um die menschlichen Anlagen zu zerstören, sondern um sie zu vervollkommnen. Die Offenbarung führe ganz sicher ebenso sehr zur Verbesserung des diesseitigen Lebens wie zum Gewinn des jenseitigen (to the elevation of the life that is no less than to the gaining of the life to come). Als Kontrast führte Ireland einen wohlmeinenden alten Priester ein, der seinen Rosenkranz betete, aber mit schlechten 39

Fogarty, 1974, 218 und Hennesey, 1981, 205.

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Kap. 111: Die "große Krise"

Predigten die Kirche entleerte (made a desert araund his pulpit). Gegen dieses Bild von frommer Einfalt setzt Ireland dann das aktive Welt- und Glaubensverständnis der amerikanischen Progressiven (das innerhalb der heutigen amerikanischen katholischen Kirche von den Konservativen verteidigt wird). Man verlasse sich manchmal mehr auf Gott, als Gott es wünsche, und gelegentlich diene die Frömmigkeit als Ausrede für Faulheit und Feigheit. Gott werde aber keine Wunder wirken, um unser Versagen auszugleichen. Unsere Aufgabe sei es zu arbeiten, als ob alles von uns abhinge und zu beten, als ob alles auf Gott ankäme (we must work as if all depended on us and pray as if all depended on Godt0 . Diese kraftvoll formulierte Beschreibung einer irisch getauften protestantischen Ethik war nun in französischer Sprache auch solchen Kardinälen zugänglich, die die Neue Welt nur vom Hörensagen kannten und ihren Tocqueville nicht gelesen hatten. Als nach dem spanisch-amerikanischen Krieg eine vatikanische Arbeitsgruppe (unter Leitung der Kardinäle Mazzella und Satolli und mit Brandi als Berater) den Auftrag erhielt, die Lage der amerikanischen Kirche und der nun amerikanisch gewordenen, ehemals spanischen Kolonien zu beschreiben, diente die Hecker-Biographie als Beleg für die spirituelle Tendenz des Amerikanismus, und aus der Vorarbeit dieser Gruppe wiederum entstand offenbar die Enzyklika gegen den Amerikanismus. Sich auf Elliotts Buch oder dessen französische Übersetzung zu beziehen, schien dabei allen Seiten Vorteile zu bieten. Die Kritiker der Amerikaner konnten so tun, als warnten sie nur vorsorglich vor bestimmten Anschauungen, ohne diese bereits konkreten Personen zuzuordnen, während die kritisierten Amerikaner sich darauf zurückziehen konnten, daß man unglücklicherweise bestimmte, in Europa diskutierte Ideen unter dem Namen Amerikanismus zusammenfasse. Dieses Versteckspiel wurde vom Vatikan sogar empfohlen. So berichtet jedenfalls Ireland, der in dieser Situation nur noch die Rolle spielen konnte, die ihm zudiktiert wurde. Der Kardinal-Staatssekretär Rampolla habe ihm die Enzyklika gegen den Amerikanismus angekündigt. Diese beziehe sich auf die Hecker-Biographie, um die Schärfe einer direkten Kritik zu vermeiden. Dadurch bleibe den Angesprochenen die Möglichkeit, sich mit dem Hinweis auf die Übersetzung in eine fremde Sprache und auf eine eigentlich in Frankreich geführte Diskussion aus der Affäre zu ziehen41 . Auch Ellis folgt immer noch der von Rampolla angebotenen Sprachregelung, wenn er den Text der Enzyklika in seiner Dokumentensammlung mit dem Hinweis einführt, eine nachlässige Übersetzung der Hecker-Biographie (a careless french translation) habe im französischen Katholizismus eine Krise ausgelöst42 . 40 41

42

Gaustad, 1982, 2. Bd., 385 ff. McAvoy, 1957, 281. Ellis, 1967, 2. Bd., 537.

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Die Enzyklika Testern Benevolentiae vom Januar 1899 hat die Form eines Briefes an Gibbons. Leo XIII. betont darin sein Wohlwollen und seine Bewunderung für Amerika und die amerikanische Kirche, die er ja schon früher ausgedrückt habe, womit er wohl auf Longinqua Oceani von 1895 anspielt. Diesmal gehe es aber nicht darum, das Lob zu wiederholen, sondern einige Warnungen auszusprechen und damit Diskussionen zu beenden, die kürzlich "unter Euch" entstanden seien und den Frieden beeinträchtigt hätten. Es paßt nicht ganz zu dieser Eröffnung, wenn dann im nächsten Satz die Kontroversen auf diejenigen zurückgeführt werden, die das Buch The Life of /saac Thomas Hecker in eine fremde Sprache übersetzt hätten. Der Papst schreibt jedenfalls, er nehme diese Auseinandersetzungen zum Anlaß, einige Meinungen über christliche Lebensführung zu korrigieren. Die neuartigen Auffassungen, um die es gehe, könne man auf ein Prinzip reduzieren: Um diejenigen, die mit dem katholischen Glauben nicht übereinstimmten, leichter gewinnen zu können, solle die Kirche sich der fortgeschrittenen Zivilisation stärker anpassen, und dies gelte nach Meinung mancher nicht nur für die Lebensformen, sondern auch für die Glaubenslehren. Dem hält er entgegen, daß die Regeln der Lebensführung, die der Katholizismus kenne, keineswegs unveränderlich seien, daß Anpassungen an die Gegebenheiten aber nicht nach individuellem Gutdünken geschehen könnten. Im einzelnen erscheine es ihm wichtig festzuhalten, daß die oben genannten neueren Meinungen zwar von einer guten Absicht geleitet seien, aber bedenkliche Konsequenzen erkennen ließen. Er nennt zwei solcher Auswirkungen, mit denen er sich im folgenden auseinandersetzt Die erste, die er nur ganz kurz behandelt, bestehe darin, daß jede Hilfe und Vermittlung als überflüssig, wenn nicht schädlich erscheine und daß man erwarte, der Heilige Geist wirke ganz unmittelbar. Als eine weitere Folge dieses Denkens, der er sich sehr viel ausführlicher widmet, nennt Leo die Bevorzugung der natürlichen Tugenden gegenüber den übernatürlichen und die damit verbundene Unterscheidung aktiver und passiver Tugenden. Dieser Gegensatz beruhe auf begrifflichen Unklarheiten, weil es eine passive Tugend gar nicht gebe, und er führe früher oder später zu einer Geringschätzung des Ordenslebens. Niemand, der die Geschichte der Kirche kenne, werde ernsthaft behaupten wollen, das Ordensleben habe der Kirche nichts oder nur wenig genutzt, und um sicher zu gehen, daß der Hinweis auch in Minneapolis gehört wird, fügt der Papst hinzu, auch die Geschichte der amerikanischen Kirche könne als Beispiel für diese Bedeutung der Orden dienen. Der Text schließt mit einer weiteren Brücke, indem zwischen einem politischen und einem religiösen Amerikanismus unterschieden wird: Wenn mit Amerikanismus der Zustand des Gemeinwesens, die Gesetze und 9 Zöller

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Kap. III: Die "große Krise"

Gepflogenheiten gemeint seien, dann bestehe kein Grund zu verlangen, daß die Amerikaner sich davon lösen sollten. Verstehe man darunter aber die oben genannten Lehren, dann würden die amerikanischen Bischöfe sich bestimmt als erste dagegen verwahren, denn sonst komme der Verdacht auf, "es gebe unter Euch einige", die sich für Amerika eine Kirche wünschten, die anders wäre als in der übrigen Welt43 . Die Kritisierten antworteten so, wie Rampolla vorgeschlagen hatte und wie der Text der Enzyklika es nahelegte. Ireland erklärte sich als einen Gegner der kritisierten Auffassungen, von denen man in Amerika noch nichts gehört habe, weshalb er es als Beleidigung Amerikas (an insult to America) ansehe, derartige Extravaganzen unter diesem Namen zusammenzufassen44. Gibbons schrieb, diese Lehre, die er mit Bedacht als extravagant und absurd bezeichne, dieser sogenannte Amerikanismus, habe nichts mit den Ansichten, Hoffnungen, Glaubenslehren oder auch dem praktischen Verhalten der Amerikaner zu tun45 . Die Bischöfe der Kirchenprovinz Milwaukee freilich wandten sich gegen die Unterstellung, der Papst sei einem Hirngespinst nachgejagt (had beaten the air). Die kritisierten Meinungen seien vielmehr mündlich und schriftlich verkündet worden46 . Amerikanismus als Vorform des Modernismus? Es besteht Einigkeit darüber, daß die lange Kette von Konflikten der 1880er und 1890er Jahre einen entscheidenden Umbruch in der Geschichte der amerikanischen Kirche markiert und daß man deshalb auch von einer großen Krise sprechen kann. Weit weniger klar ist, wie diese Krise einzuordnen ist, also in welchem Verhältnis sie zu anderen, z. B. europäischen Entwicklungen stand, wie die Beteiligten zu charakterisieren sind und was der Gegenstand des Streites war, falls man überhaupt unterstellen darf, daß alle genannten Episoden in einem Zusammenhang standen. Was die Beziehung zwischen Amerikanismus und europäischem Modernismus ausmacht und ob es überhaupt eine Verbindung zwischen beiden Entwicklungen gegeben hat, ist seit der Jahrhundertwende umstritten, wobei die ersten Stellungnahmen jeweils deutlich von einem Parteistandpunkt geprägt waren. Die Americanists selbst suchten zwar den Kontakt zu progressiven europäischen Gruppen -besonders bemühte sich der nach seinem Rücktritt weiterhin in Rom lebende Dennis O'Connell darum - , doch 43 44

45

46

Ellis, 1967, 2. Bd., 539. McAvoy, 1957, 281. Ellis, 1952, 2. Bd., 71. McAvoy, 1957, 293.

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ansonsten nahmen sie die von Rom angebotene Sprachregelung gerne auf, denn wie alle amerikanischen Nationalisten waren sie von der Einmaligkeit und Unvergleichlichkeit Amerikas überzeugt und verstanden die amerikanische Geschichte eher als einen Bruch mit der europäischen Tradition und weniger als deren Fortsetzung47 . O'Connells zitierte Bewertung des spanisch-amerikanischen Krieges ist nur ein besonders krasser Ausdruck dieser amerikanischen Geschichtsphilosophie, die damals vorherrschte und mit dem Geschichts- und Selbstverständnis der römischen Kirche kaum in Einklang zu bringen war. Die Vergleichbarkeit von Amerikanismus und Modemismus wurde eher von denen betont, die den Modemismus als eine zwangsläufige Reaktion auf die einheitliche Entwicklung moderner Gesellschaften verstanden und daher den Amerikanismus als eine Art Vorläuferbewegung einstuften. Eine solche Einordnung findet sich schon bei Albert Houtin, einem der französischen Modemisten 48 . Gegen diese Interpretation spricht zum einen, daß trotz oberflächlicher Analogien, z. B. dem Wunsch, die Kirche mit den Gegebenheiten zu versöhnen, die Verhältnisse etwa in Frankreich und Amerika doch zu verschieden waren, und daß zum anderen im Amerikanismus jede historisch-kritische Tendenz, ja überhaupt jede philosophisch-theologische Ambition fehlte. Theologisch versiert waren eher die Gegner der Americanists, besonders der ehemalige Theologieprofessor McQuaid, der als Bischof von Rochester ein Priesterseminar gründete, das bald als eines der besten galt49. Der kleine Kreis der Americanists dagegen bestand aus politischen Talenten unterschiedlicher Ausprägung. Sie orientierten sich an einer kulturpolitischen Idee und konnten deshalb auch die Brücke betreten, die der Papst ihnen gebaut hatte. Die eigentliche Auseinandersetzung drehte sich freilich um die Frage, ob jene Unterscheidung zwischen politischem und religiösem Amerikanismus mit dem amerikanischen Selbstverständnis vereinbar ist und ob eine demokratisierte Kultur einen Anspruch auf partielle Nichtidentität tolerieren kann. Amerika ist ein normatives Konzept, und Amerikaner zu sein bedeutet daher, einer Gesinnungsgemeinschaft anzugehören, die sich mit der bloßen Befolgung von Loyalitätspflichten nicht zufrieden gibt, sondern erhebliche Konformitätsforderungen stellt und alle jene Denk- und Lebensweisen, die sie als unamerikanisch empfindet, immer wieder aggressiv bekämpft. Daher scheint dem Fremden nur die Wahl zu bleiben, sich anzupassen oder in ein ethnisches Ghetto auszuweichen, in dem er die Besonderheiten 47 48 49

9*

Zöller, 1992, 244 ff. Reher, 1980, 89. Hennesey, 1981, 179.

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Kap. III: Die "große Krise"

seiner Herkunft beibehalten kann, aber auch auf eine Außenseiterposition festgelegt ist. Will er aber seinen Kindem die Chance der Integration und des sozialen Aufstiegs bieten, so bleiben ihm nur zwei Möglichkeiten, auf den Anpassungsdruck zu reagieren. Die eine besteht darin, die vorherrschenden Normen unterlaufend beim Wort zu nehmen, indem man die eigene Identität anders akzentuiert. Man kann Unangepaßtheit in Gleichartigkeit verwandeln, wenn man ethnische Eigenart als Ausdruck von Religion präsentiert (der Ire als ein Christ, der zufällig katholisch ist; der osteuropäische Jude als Orthodoxer). Religion als Quelle der sozialen Tugenden stellt ja die eine, anerkannte Besonderheit dar, die der Einwanderer gerade nicht ablegen soll, will er als respektabler Bürger gelten. Eine andere Taktik besteht darin, die Anforderungen nicht zu unterlaufen, sondern sie zu überbieten und den eigenen Katholizismus nicht nur als eine mit Amerika durchaus verträgliche religiöse Sonderkultur, sondern als eine voll und ganz amerikanisierte und der Zukunft der amerikanischen Kultur und der amerikanischen Institutionen vielleicht sogar adäquatere Form des Christentums darzustellen. Diese Überdehnung des Tocquevilleschen Arguments, die sich bei Brownson und Hecker findet, leitet den Amerikanisierungsdruck nach innen weiter und verwandelt ihn in eine Forderung an die Adresse derer, die zwischen politischem und religiösem Amerikanismus deutlicher unterscheiden möchten. Diese nach innen weiter gegebene Anpassungserwartung verlagert also zwangsläufig den amerikanischen Kulturkampf und die nativistische Argumentationsweise in die Kirche hinein. Einerseits meinten die Americanists, an der amerikanischen Gesellschaft und ihren Zukunftshoffnungen bereits voll und ganz teilzuhaben, andererseits wurde dieser Glaube, "es geschafft zu haben", immer wieder durch die sichtbare Unangepaßtheit der anderen Katholiken dementiert. Umso mehr beharren diese Americanists darauf, daß nur wirkliche Amerikaner den Amerikanern den katholischen Glauben nahe bringen könnten, und umso nachdrücklicher erheben sie zur Norm, was schon Ireland als den Vorzug des Pater Hecker beschrieben hatte: Er verstand und liebte das Land und seine Institutionen, und er fand an ihnen nichts auszusetzen 50 . So standen sich innerhalb der amerikanischen Kirche zwei Gruppen mit verschiedenen kulturpolitischen und pastoralen Konzepten gegenüber. Die einen glaubten, um ein guter Amerikaner zu sein, genüge es, die Republik und ihre Gesetze in Ehren zu halten und notfalls auch mit Waffen zu verteidigen, und wer diese staatsbürgerlichen Pflichten erfülle, erwerbe damit auch das Recht, die Besonderheiten seiner Herkunft zu bewahren und sich in der eigenen Subkultur einzurichten. 50

Ellis, 1967, 2. Bd., 537.

3. Abstand und Nähe zur amerikanischen Kultur: Der Kern des Konflikts 133

Die anderen pochten darauf, daß Amerika mehr sei als ein geographischer Begriff, auch mehr als ein politisches System, und deshalb werde man zum Amerikaner durch Übernahme der Lebensform und der grundlegenden Überzeugungen des Landes. Daher sprachen sie der Gesellschaft das Recht zu, einen kulturellen Anpassungszwang auszuüben und akzeptierten die öffentliche Schule als Konsequenz dieses legitimen Anspruches. Nicht zufällig wurde diese amerikanistische Position zunächst von Konvertiten wie Brownson und Hecker formuliert, die schon Amerikaner waren, bevor sie Katholiken wurden. Danach waren es vor allem Iren mit amerikanischer Karriere, also Männer wie John Ireland, denen nichts mehr anzuhaften schien, was ihrer Eingliederung in die amerikanische Gesellschaft entgegenstand. Ihnen leuchtete es ein, daß man durch eine bewußte und willentliche Entscheidung, durch einen freien Glaubensakt, Amerikaner werden könne. Rückblickend kann man sagen, daß beide Recht behalten haben, oder aber, daß die weitere Entwicklung weder nach den Vorstellungen der einen noch nach denen der anderen "Partei" verlaufen ist. Einerseits hat die katholische Kirche in Amerika nicht nur Fuß gefaßt, sondern sich auch amerikanisiert und Tocquevilles Vorhersage bestätigt, daß Katholizismus mit Demokratie und amerikanischer Kultur durchaus vereinbar sei. Andererseits beruht diese Erfolgsgeschichte des amerikanischen Katholizismus aber gerade darauf, daß die ethnische Subkultur, in der er verankert war, sowohl integrierend als auch distanzierend wirkte. Sie erwies sich als eine wirksame Institution der Eingliederung, weil sie auf dem Weg in die amerikanische Gesellschaft eine Zwischenstation anbot, die auf der organisierten Selbsthilfe der Einwanderer beruhte. Zugleich hielt sie, mit der Erinnerung an eine Herkunftskultur, ein Element der Distanzierung und damit der Selbstachtung bereit, auch wenn das, was da als Kultur des 0/d Country konserviert wurde, sich oft schon der Neuen Welt verdankte, also bereits ein Produkt der amerikanischen Situation war. Dennoch diente dieses Konstrukt einer Subkultur zunächst als eine Stütze des gewissermaßen "ultraozeanischen" Beharrens darauf, daß auch ein amerikanisierter Katholizismus mehr zu sein habe als ein Ausdruck der amerikanischen Gesellschaft. Es ist diese Mischung aus Integriertheit und Distanziertheit, die einerseits den Erfolg begründet und andererseits die Dauerhaftigkeit der internen Konflikte garantiert. Die Frage, wieviel Nähe möglich und wieviel Abstand nötig ist, hat sich in der weiteren Geschichte des amerikanischen Katholizismus immer wieder in zwei verschiedenen Varianten gestellt, die beide schon in testem benevolentiae angedeutet sind. Leo XIII. sprach von der Neigung, jede Hilfe und Vermittlung für überflüssig, wenn nicht schädlich zu halten. Aus dem Rückblick auf die moderne amerikanische Religionsgeschichte könnte man diese Sorge als das Problem beschreiben, wie eine

134

Kap. III: Die "große Krise"

zwar religionsfreundliche, aber auch populistische Kultur - und das bedeutet eine anti-elitäre und anti-institutionelle Kultur -, das Konzept einer kirchlich organisierten Religion, also eines von der Gesellschaft unabhängigen Lehramtes, akzeptieren kann. Daneben beunruhigte den damaligen Papst die in sich problematische Unterscheidung aktiver und passiver Tugenden.

4. Das katholische Milieu Höhepunkt der Einwanderung

Während in der katholischen Kirche Amerikas ein interner Kulturkampf ausgetragen wurde, stieg die Zahl der Einwanderer immer weiter, wobei der Anteil der Iren und der Deutschen sank. Stattdessen stieg der Zustrom aus Südeuropa und besonders aus Osteuropa. Die Einwanderer konzentrierten sich zunehmend in den Städten des Nordostens und entlang der großen Seen, wo die Industrie Arbeit bot. New York hatte 1880 schon 1 Million Einwohner, doch bis zur Jahrhundertwende wurden es 3,5 Millionen, und Chicago erlebte in diesen 20 Jahren eine Vervierfachung der Zahlen von 410000 auf 1,7 Millionen51 . Diese demographischen Entwicklungen machten sich innerhalb der katholischen Kirche noch stärker bemerkbar als in der Gesamtbevö1kerung, so daß der amerikanische Katholizismus um ein starkes osteuropäisches Element ergänzt wurde und sich ansonsten vom amerikanischen Durchschnitt besonders durch den hohen Anteil an Industriearbeitern und Stadtbewohnern sowie durch die Konzentration auf den Nordosten unterschied. In New York und Chicago, aber auch in Städten wie Pittsburgh, Detroit oder Cleveland bestanden daher günstige Voraussetzungen für die Bildung ethnischer Subkulturen. Es bildete sich eine Vielzahl nationaler Vereine aller Art52 , doch die weitaus bedeutendste Institution dieser vorerst deutlich abgesonderten Welt der Einwanderer war zweifellos die ethnische Kirchengemeinde, die sich nicht um ein einzelnes Interesse herum organisierte, sondern den gesamten Lebenslauf begleitete. Besonders die katholische Einwandererpfarrei nahm dabei den Charakter der zentralen sozialen Institution an, denn sie war nicht nur mit dem Netz von Vereinigungen und freiwilligen Aktivitäten umgeben, über das jede amerikanische Kirchengemeinde verfügte, sondern sie besaß in der eigenen Schule eine zusätzliche, in alle Familien hineinreichende Agentur der Milieubildung. Trotz der relativ deutlichen Abgrenzung nach außen und des dichten Netzes von Innenbeziehungen konnten aber auch diejenigen Pfar51

52

Hertling, 1954, 155. Conzen, 1976 und Doerries, 1986.

4. Das katholische Milieu

135

reien, die eindeutig von einer einzelnen ethnischen Gruppe beherrscht waren, auf die Dauer nicht als ein Reservat zum Schutz einer deutsch-katholischen oder polnisch-katholischen Identität fungieren, ganz gleich ob diese Erwartung bestanden hatte oder nicht. Zunächst schon deshalb nicht, weil diese Identität meist gar nicht so eindeutig ausgeprägt war, wie es etwa die Luzerner Denkschrift der Rafaelsvereine unterstellt hatte. Die oft zitierten Parolen, daß es gelte, den Glauben der Einwanderer zu bewahren oder die Sprache zu pflegen, um den Glauben zu erhalten, unterstellte als selbstverständlich, daß die Einwanderer erstens eine an die Sprache gebundene Nationalkultur mitgebracht hätten und daß zweitens diese Ursprungskultur religiös geprägt gewesen sei. Beides ist jedoch keineswegs selbstverständlich.

Religion als akzeptierte Unangepaßtheit Je später die Einwanderung aus einem bestimmten Land einsetzte, desto eher brachten die Einwanderer auch ein Bewußtsein nationaler Identität mit. Doch noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als bereits Millionen von Europäern nach Amerika eingewandert waren, hatte die nationalstaatliche Integrationsideologie sich noch keineswegs bis in die letzten Winkel Europas verbreitet, und für die nationalen Hochsprachen galt das gleiche. Bei den deutschen Unter- und Mittelschichten konnte man die Beherrschung des Hochdeutschen keineswegs voraussetzen, so daß etwa in Harnburg noch Mitte des Jahrhunderts die Vereidigung von Zeugen in Plattdeutsch geschah53 . In Italien war Garibaldi in den l860er Jahren auf seinem großen Marsch durch das Land noch auf Dolmetscher angewiesen. Auch bei der meist unterstellten religiösen Prägung der Einwanderer und ihrer Herkunftsländer scheint es sich um eine rückblickende Verklärung zu handeln. Im Falle Irlands etwa schätzt man, daß vor der großen Hungersnot und der dadurch bedingten Massenauswanderung nicht mehr als 40 % der Katholiken regelmäßig die Kirche besuchten. Bis zum l. Weltkrieg klagten amerikanische Priester über das äußerst lückenhafte religiöse Wissen der Einwanderer54. Glaubt man den Berichten, so lagen besonders die Italiener noch unter dem ohnehin niedrigen Durchschnitt, ein Faktum, das mit einer gewissen Schadenfreude immer dann erwähnt werden konnte, wenn aus Rom Zweifel an der Rechtgläubigkeit der Amerikaner geäußert wurden. In vielen Fällen waren also die deutschen oder italienischen Katholiken, deren Glauben es nach der gern zitierten Formel zu bewahren galt, weder Deutsche oder Italiener im Sinne der kulturellen Sozialisation noch Katholiken im Sinne der religiösen Sozialisation - wenn auch im Sinne des katholischen Kirchenbegriffes. 53 54

Doerries, 1986, 205. Dolan, 1975, 54.

Kap. III: Die "große Krise"

136

Von der ethnischen Pfarrei zur Konfession: Stufen der Integration und der abstrakteren Selbstbeschreibung Es ist wichtig, dies zu sehen, denn schon daran wird deutlich, daß die Pfarrei der Einwanderer von Anfang an deren Selbstverständnis sowohl bewahrt als auch verwandelt hat und daß der Einwanderer schon unter dem Schutz dieser eigenen Institution lernen mußte, seine Orientierung und seine Solidarität auf immer abstraktere Einheiten zu übertragen. Landarbeiter aus der Pfalz und aus Sizilien lernten in der Neuen Welt aus der eigenen Beobachtung der Sprachverwandtschaft und aus der Zurechnung durch dritte, sich als Deutsche oder Italiener zu definieren. Die Nationalität der Einwanderer war also oft schon ein Ergebnis der amerikanischen Situation. Damit war aber die transformierende Wirkung der ethnischen Subkultur noch keineswegs erschöpft, und dem Einwanderer und seinen Nachkommen wurden immer weitere Abstraktionsleistungen abverlangt. Besonders die katholischen Schulen und Colleges wirkten bewußt und unbewußt als Agenturen der Amerikanisierung, indem sie von der englischen Sprache bis zu entsprechenden Schulabschlüssen die Voraussetzungen für beruflichen Aufstieg und damit auch für das Verlassen der ethnischen Subkultur schufen. Ebenso wichtig, aber oft übersehen, ist jedoch, daß nur in der Einwandererpfarrei die ethnische Identität wiederum in die nächst abstraktere verwandelt werden konnte, womit auch der Konflikt zwischen den verschiedenen Generationen der Einwandererfamilien entschärft wurde. Die erste Generation definierte sich aus dem Rückblick, ganz gleich ob sie sich dabei an einer tatsächlichen oder an einer fiktiven Herkunftskultur orientierte. Die zweite und dritte Generation konnte und wollte sich damit nicht zufriedengeben, denn sie stand nicht nur unter weit größerem Anpassungsdruck, sondern konnte auch hoffen, am amerikanischen Leben in vollem Umfang teilzunehmen. Die erlösende Formel hieß Konfession statt Volkstum. Es war also möglich, Amerikaner und Katholik zu sein, und als solcher, nicht als Pole oder Kroate, war man mit der Generation der Eltern verbunden, deren Geschichten aus dem 0/d Country ohnehin niemand mehr hören wollte. Die Soziologin Ruby Joe Kennedy hat das Heiratsverhalten mehrerer Generationen von Einwanderem dargestellt und dabei bestätigt gefunden, daß die zweite Generation noch weitgehend innerhalb der gleichen ethnischen Gruppe heiratete, während ab der dritten Generation Ehen über die ethnischen Grenzen hinweg, aber innerhalb der gleichen Konfession vorherrschten55. Vor welchen Alternativen alle Einwanderer standen und welche Konflikte sich daraus ergaben, zeigt Will Herbergs Schilderung der entspre55

Kennedy, Ruby, 1944.

4. Das katholische Milieu

137

ehenden Diskussionen innerhalb des amerikanischen Judentums. Zwischen 1820 und 1870 wanderte eine halbe Million Juden aus Mitteleuropa ein, die man pauschal als die "deutschen Juden" bezeichnete und die ebenso wie die deutschen Katholiken ein Netzwerk eigener Institutionen aufbauten. Nach 1880 kamen dann mit der starken Einwanderung aus Osteuropa, die bis zum 1. Weltkrieg anhielt, etwa zwei Millionen vorwiegend orthodoxer Juden hinzu. Sehr bald entwickelte sich eine Kontroverse um das Verhältnis zwischen Judentum, amerikanischer Kultur und europäischer Herkunft, wobei in diesem Falle die Deutschen den amerikanistischen Part spielten, also das Konzept des Schmelztiegels vertraten, während die osteuropäischen Orthodoxen für kulturellen Pluralismus plädierten und auf der Kulturgebundenheit des Judentums beharrten. Sie besaßen für jüdisch und jiddisch nur ein Wort und versuchten entsprechend die "Jiddischkait" zu bewahren. Die sogenannten "deutschen Juden" hingegen, die von europäischer Bibelkritik, deutscher Philosophie und liberaler Theologie beeinflußt waren, verstanden sich als eine Religion und wollten sich ansonsten in keiner Hinsicht von anderen Amerikanern unterscheiden 56 . Im amerikanischen Judentum und noch mehr im amerikanischen Protestantismus führen grundlegende Konflikte dazu, daß beide beteiligten Seiten ihre eigene Organisationsform herausbilden, und selbst Versuche, zwischen beiden Positionen einen Kompromiß zu formulieren, führen meist zu einer dritten eigenständigen Organisation. So bildete sich, jeweils mit eigenen Synagogen, einerseits das Reformjudentum und andererseits das orthodoxe Judentum, und dazwischen etablierten sich die "Konservativen". Diese Richtung, der sich schließlich die große Mehrzahl der amerikanischen Juden anschloß, übernahm Elemente "liberaler Theologie", betonte aber, daß der Jude trotz aller positiven Einstellung zur politischen Ordnung Amerikas doch "in zwei Zivilisationen" lebe, bestand also darauf, politischen Amerikanismus und religiös-kulturellen Amerikanismus zu unterscheiden. In der katholischen Kirche dagegen wurde stets um den Kurs der ganzen Institution gekämpft, was die entsprechenden Auseinandersetzungen heftig und langwierig machte. Der Kompromiß zwischen Amerikanismus und Multikulturalismus, der im Judentum als der Konsens der konservativen Synagogen zum Programm der Mitte und der Mehrheit wurde, war im Katholizismus zwar die Praxis der "schweigenden Mehrheit", mußte aber erst durch ein päpstliches Machtwort gestützt werden. Auf Dauer konnte freilich diese Verbindung von Nähe und Distanz nur aufrecht erhalten werden, weil der amerikanische Katholizismus über eine eigene Sozialform verfügte. Um amerikanisch werden und dennoch katholisch bleiben zu können, mußten die Katholiken die ethnische Subkultur in 56

Herberg, 1955, 172 ff.

138

Kap. III: Die "große Krise"

ein katholisches Milieu verwandeln, und dabei ging es auch nach dem Höhepunkt der Amerikanismus-Krise nicht ohne Reibungsverluste ab, weil vor allem einige der zuletzt Eingewanderten noch nicht bereit waren, den Schritt von der ethnischen Schutzgemeinschaft zum katholischen Milieu zu vollziehen. So kam es 1897 zur Gründung einer Polish Catholic Church in Amerika, und 1906 bildete sich in Chicago eine litauische Nationalkirche, die unter anderem als Reaktion auf den in Chicago dominierenden polnischen Katholizismus entstand: Die litauischen Eltern fanden, daß ihre Kinder von den polnischen Nonnen zu Polen erzogen würden. Erleichtert wurden solche Abspaltungen dadurch, daß die europäischen Altkatholiken bereit waren, die geistlichen Anführer, Anton Kozlowski und Stephan Kaminski, zu Bischöfen zu weihen. Dennoch blieben solche Vorgänge Ausnahmen, weil sie den langfristigen Interessen der Einwandererfamilien entgegenstanden. Gemessen an dem Rückschlag, einer ausdrücklich unamerikanischen Spalterkirche anzugehören, stellten polnische Nonnen eindeutig das geringere Übel dar. Insgesamt blieb der Preis, den die Kirche für ihre Einheit entrichten mußte, gering, und die Geschichte dieser Transformation gehört zu den amerikanischen Erfolgsgeschichten. Man kann deshalb zwischen den im einzelnen wenig anziehenden Vorgängen der großen Krise und dem Ergebnis unterscheiden, also die Bewertung aufrecht erhalten, daß am Ende keine der beiden Seiten Recht behielt und doch beide bis zu einem gewissen Grade gerechtfertigt erschienen. Die Subkultur war keine Institution zur Verhinderung der Amerikanisierung, sondern eher ein "Durchlauferhitzer" oder eine notwendige Zwischenstation. Die Frage, ob der Einwanderer seinen Glauben bewahrt habe, war falsch gestellt, denn erklärungsbedürftig war eher, wie aus armen und ungebildeten Einwanderem mit geringer religiöser Bindung Amerikaner und Katholiken werden konnten. Ohne die Schaffung eines katholischen Milieus wäre diese Leistung nicht denkbar gewesen, und die Besonderheit dieses Milieus wiederum bestand in der Doppelinstitutionalität von kirchlicher Kulturgemeinschaft und eigenem Erziehungs- und Bildungssystem. Kirchliche Volljährigkeit: Amerikas Entlassung aus dem Missionsstatus

Diese vielversprechende Entwicklung der amerikanischen Kirche wurde zu Beginn des neuen Jahrhunderts auch in römischen Äußerungen anerkennend hervorgehoben. Eine solche positive Bewertung ergab sich besonders aus dem Vergleich mit anderen Ländern. So schrieb Leo XIII., der im Jahr 1902 auf 25 Jahre seines Pontifikates zurückblicken konnte, an Gibbons, um sich für dessen Glückwünsche zu dem Jubiläum zu bedanken. Er lobte

4. Das katholische Milieu

139

bei dieser Gelegenheit nicht nur die amerikanische Kirche, deren Zustand sein "Herz erfreue", sondern im Gegensatz dazu betonte er, daß die "Nationen, die über viele Jahrhunderte katholisch waren", ihm Grund zur Sorge gäben 57 • Leo starb im Jahr darauf und sein Nachfolger Pius X. entließ schließlich die Neue Welt aus dem Status eines Missionsgebietes und damit aus der Zuständigkeit der Kongregation De Propaganda Fide. Nach wahrhaft reiflicher vatikanischer Überlegung erklärte der Papst, mit dem Schreiben Sapienti consilio, den amerikanischen Katholizismus 1908 für kirchlich volljährig.

57

Ellis, 1967, 2. Bd., 547.

Kapitel IV

Auf dem Weg in die Mitte Amerikas (1908 . 1963)

Die amerikanischen Katholiken konnten mit der Zuversicht in das neue Jahrhundert gehen, daß man sich in Rom daran gewöhnen werde, sie als Amerikaner zu akzeptieren, und daß Amerika lernen werde, sie als Katholiken zu respektieren. Das hieß keineswegs, daß sie sich nicht mehr nach innen und nach außen zu erklären hatten und daß die nativistischen Parolen der Vergangenheit angehörten. 1887 hatte sich die American Protective Association (APA) gebildet, die zur Gewährleistung eines true americanism forderte, all jenen die amerikanische Staatsbürgerschaft zu verwehren, die einer kirchlichen Gewalt unterstünden, welche nicht von amerikanischen Bürgern geschaffen wurde und auch nicht von solchen kontrolliert werde (subject to any ecclesiastical power not created and controlled by American citizens). Auch die Populist Party, die bereits ihre Bedeutung verloren hatte, entdeckte die katholische Kirche als eine gefährliche, verschwörensehe Großorganisation, und schließlich rief noch der Ku-Klux-Klan dazu auf, wachsam zu sein und die amerikanischen Institutionen, besonders die öffentliche Schule, gegen katholische Anschläge zu verteidigen 1• Nach wie vor gab es also erhebliche antikatholische Ressentiments, doch konnten diese jetzt nur indirekt genutzt werden. Der protestantische Klerus beteiligte sich kaum noch an direkten antikatholischen Aktionen und Organisationen, denn die Lage und die Stimmung des amerikanischen Protestantismus hatten sich gründlich verändert. 1. Das kulturelle Klima nach dem Ersten Weltkrieg

Protestantischer Selbstzweifel und katholische Zuversicht Mittlerweile hatte sich auch im Protestantismus ein interner Kulturkampf entwickelt, bei dem es allerdings nicht um das Verhältnis zu Amerika ging, sondern darum, wie Amerika und das immer noch mit Amerika identifizierte protestantische Christentum sich zur modernen, zunehmend als unchristlich, wenn nicht anti-christlich empfundenen Kultur stellen sollten. 1

Gaustad, 1982, 2. Bd., 262.

I. Das kulturelle Klima nach dem Ersten Weltkrieg

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Der unorganisierte, aber kulturbestimmende Protestantismus, der noch vor einigen Jahrzehnten die Definitionsmacht besessen hatte, zu bestimmen, wer oder was im eigentlichen Sinne amerikanisch sei, mußte die Frage beantworten, ob er noch auf der Höhe der Zeit sei. Hinzu kam, daß die sozialen und kulturellen Veränderungen das Selbstverständnis des Protestantismus zu untergraben drohten, während sie ausgerechnet den vermeintlich unamerikanischen fortschrittsfeindlichen Katholizismus unberührt und ungerührt zu lassen schienen. Daß es im Jahr 1900 schon 41 Großstädte mit mehr als 100000 Einwohnern gab, während es 1850 noch ganze 6 gewesen waren, und daß insgesamt das ländliche kleinstädtische und mittelständische Sozial- und Kulturmilieu an Bedeutung verlor, war für den Katholizismus, der dort ohnehin kaum eine Rolle gespielt hatte, kein Problem. Auch die große Veränderung der kulturellen Lage, die kombinierte Wirkung von Evolutionismus und historisch-kritischer Bibelforschung, erschien für den Katholizismus weit weniger bedrohlich und bestärkte eher die katholische Auffassung, daß man auf dem einen Bein der Bibel ohnehin nicht sicher stand. Der Protestantismus aber war durch das neue intellektuelle Klima grundlegend in Frage gestellt und mußte sich entscheiden, ob er die neuen Denkweisen als deutsche Ideen zurückweisen wollte und konnte, oder ob er ihre Vereinbarkeit mit dem Glauben betonen sollte. So bildeten sich bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwei Lager, die sich zunächst mehr durch den Stil der Verkündigung und die darin enthaltene Einschätzung der zeitgenössischen Kultur unterschieden, die aber, je länger desto mehr, auch ausdrücklich entgegengesetzte programmatische Positionen entwickelten. Die zwei Lager innerhalb des Protestantismus Zum Repräsentanten der anti-modernistischen und anti-intellektuellen Richtung wurde der Prediger Dwight Lyman Moody, der über mehrere Jahrzehnte hinweg Zuhörermassen anzog und der keinerlei akademische Ausbildung genossen hatte. Den Gegenpart spielte Henry Ward Beecher aus der Beecher-Dynastie von Geistlichen und Intellektuellen, und dieser Nachfahre von Puritanern bemühte sich nicht nur, zwischen Wissenschaft und Glauben Brücken zu bauen, sondern er trat unermüdlich für eine positive und optimistische Sicht der Welt ein. Entsprechend beschrieb er auch den Gegensatz. Moody halte die Welt für verloren und versuche, so viele wie möglich aus dem untergehenden Schiff zu retten. Er dagegen glaube, daß Jesus Christus gekommen sei, um die Welt zu retten, und dabei wolle er ihm helfen 2 . 2

Marty, 1984, 313.

142

Kap. IV: Auf dem Weg in die Mitte Amerikas

Immer deutlicher nahmen die beiden unterschiedlichen Auffassungen den Charakter von Parteimeinungen an. Anders als in der katholischen Amerikanismus-Krise der 80er und 90er Jahre wurde jedoch nicht um die Vorherrschaft innerhalb einer Institution gekämpft, um deren Verhältnis zur umgebenden Kultur bestimmen zu können. Die amerikanischen Protestanten, die keine gemeinsame kirchliche Organisation besaßen, hatten stets die amerikanische Kultur als Ausdruck ihrer Gemeinsamkeit, gewissermaßen als ihren Kirchenersatz, betrachten können. Nun, da sie sich in der Defensive befanden, standen sie nicht nur gegen neue kulturelle Kräfte, sondern kämpften auch gegeneinander. Ähnlich wie die rivalisierenden katholischen Gruppen traten sie dabei die Flucht in die Öffentlichkeit an, indem sie versuchten, ihre Vorstellungen mit Hilfe der öffentlichen Meinung und der Gesetzgebung durchzusetzen. Damit aber trugen sie unfreiwillig nur zur Kulturherrschaft der öffentlichen Meinung und der Politik bei. Dies galt schon im Falle der Prohibition, einem der wenigen Themen, das noch geeignet erschien, einen weitreichenden protestantischen Konsens zu demonstrieren. So wurde eine gesellschaftspolitische Maßnahme, deren Wirkung ungewiß war und die sich zudem als ein kulturelles Mißtrauensvotum gegen große Gruppen von Einwanderern richtete, (indem sie "die richtigen" traf), mit Hilfe eines religiösen Kreuzzuges popularisiert und schließlich politisch durchgesetzt. Der entsprechende Verfassungszusatz, das 18. Amendment, hielt sich für ganze 14 Jahre und war für den amerikanischen Protestantismus sozusagen der letzte kulturelle Pyrrhussieg. Doch auch die internen Auseinandersetzungen wurden zunehmend mit den Mitteln der modernen Meinungsbeeinflussung geführt und trugen im Ergebnis eher zum weiteren kulturellen Bedeutungsverlust der Religion und zur Politisierung der Kultur bei. Das Religionsverständnis der revivalists etwa, das kein ausformuliertes Dogma kannte und ganz auf das individuelle Bekehrungserlebnis gesetzt hatte, verwandelte sich schon dadurch, daß es für ein Massenpublikum erklärt wurde. Als die Brüder Stewart ab 1910 ihr mit Öl verdientes Geld auch dafür ausgaben, daß die althergebrachte, eng an der Bibel orientierte, protestantische Religiosität in einer Serie von Broschüren erläutert und abgegrenzt wurde, war nicht nur ein neuer Name erfunden. Die millionenfach verbreiteten Hefte unter dem Titel The Fundamentals systematisierten und intellektualisierten den protestantischen Konservatismus und trugen schon dadurch dazu bei, daß aus einem traditionalistischen religiösen Stil eine organisierte und stark politisierte Bewegung wurde. Fundamentalismus war jedenfalls etwas anderes als der traditionelle und unpolitische Literalismus. Besonders deutlich wird dies an dem Schicksal einer Symbolfigur, des religiös moralistischen Politikers William Jennings Bryan. Secretary of State unter Woodrow Wilson, dem er in vieler Hinsicht gleicht, spielte Bryan zunächst eine entscheidende Rolle in der Kam-

2. Die Entstehung einer nationalen katholischen Öffentlichkeit

143

pagne für die Prohibition, doch ist sein Name vor allem mit dem ScopesTrial verbunden. Anlaß dieses aufsehenerregenden Prozesses, der 1925 in Dayton, Tennessee, stattfand, war die Tatsache, daß ein Lehrer ein im gleichen Jahr verabschiedetes Gesetz des Staates Tennessee mißachtete, welches die Evolutionslehre aus den öffentlichen Schulen verbannte. Der Vorgang wird meist als eine Konfrontation von Religion und Wissenschaft dargestellt, doch sind einige andere Aspekte ebenso bemerkenswert. Zunächst wurde der Lehrer, John Thomas Scopes, von der American Civil Liberties Union (ACLU) unterstützt und ermutigt, während umgekehrt Bryan herbeieilte, um die Anklage zu vertreten. Beide Seiten suchten ein öffentlichkeitswirksames Exempel und hätten sich sonst für Dayton wenig interessiert. Die Medien waren Teil dieses Kalküls, und tatsächlich wird die Berichterstattung über den "Affenprozeß" oft zu den Pionierleistungen des Rundfunks gezählt. Auch die fundamentalistische Seite suchte die öffentliche Auseinandersetzung und hoffte sogar, den innerprotestantischen Konflikt auf diese Weise für sich zu entscheiden. Der amerikanische Protestantismus war jedenfalls zutiefst gespalten und verunsichert, ganz im Unterschied zu der optimistischen Aufbruchsstimmung, die den amerikanischen Katholizismus jener Zeit charakterisiert. Robert Handy spricht in seiner Geschichte der Kirchen in Amerika von einer spiritual depression, die den Protestantismus nach dem 2. Weltkrieg erfaßt hatte3 , während William M. Halsey das intellektuelle Klima im Katholizismus dieser Zeit als naiven Optimismus darstellt und daher in seinem Buchtitel vom Überleben der amerikanischen Unschuld spricht4 . Obwohl also der amerikanische Protestantismus und der amerikanische Katholizismus vor durchaus vergleichbaren Alternativen standen und dabei, jeweils in beiden Konfessionen, die Umrisse zweier Lager deutlich wurden, machten die unterschiedlichen Traditionen und Organisationsformen und die unvergleichbaren Ausgangslagen doch einen erheblichen Unterschied.

2. Die Entstehung einer nationalen katholischen Öffentlichkeit Der Katholizismus war nicht nur durch die Norm der kirchlichen Einheit, sondern auch durch seine Minderheitssituation bestimmt. Er leitete deshalb den Druck nach innen und versuchte entsprechend seiner Tradition, die Konflikte durch interne Differenzierung wenn nicht zu lösen, so doch zu entschärfen. Der Protestantismus dagegen verallgemeinerte die Fragen, versuchte die internen Probleme in moralische Herausforderungen der gesamten Gesellschaft zu verwandeln und entschärfte Konflikte durch orga3 4

Handy, 1971, 398. Halsey, 1980.

144

Kap. IV: Auf dem Weg in die Mitte Amerikas

nisatorische Pluralisierung, so daß bis zur Jahrhundertwende etwa 300 protestantische Denominationen gezählt wurden. Hinzu kommt die freilich durch Reaktionen der Umwelt verstärkte Einschätzung der eigenen Lage: Der amerikanische Protestantismus wurde allmählich, wie man später sagte, zu einer Mehrheit mit Minderheitsbewußtsein5 . Der amerikanische Katholizismus dagegen war inzwischen zwar zu einer beachtlichen Größe geworden, stellte aber kaum ein Fünftel der Bevölkerung und spielte, abgesehen von der Politik, praktisch keine Rolle im öffentlichen Leben. Dennoch war er durchdrungen von dem durchaus begrundeten Gefühl, es "geschafft" zu haben (we have made it). Die amerikanischen Katholiken zeigten also eine so ausgeprägte Zuversicht, daß man sie als eine Minderheit mit Mehrheitsbewußtsein bezeichnen könnte. Dieses Selbstgefühl wurde auch dadurch nicht beeinträchtigt, daß einige Intellektuelle ein kulturelles Defizit beklagten: Die intellektuelle Welt sei bedeutungslos für das tägliche Leben des amerikanischen Katholizismus, und dieser spiele umgekehrt im geistigen Leben Amerikas keine Rolle. Davon ganz unbeeindruckt, waren die Katholiken nicht nur optimistisch, wo es um ihre eigene Zukunft ging, sie wurden nun auch zu den überzeugtesten Verfechtern der amerikanischen Sendung. Zu Beginn des Weltkrieges lebten etwa 15 Millionen Katholiken in den USA, was einen Anteil von 17% an der Gesamtbevölkerung von 92 Millionen ausmachte, die 1910 gezählt wurde. 1920, als die Volkszählung eine Bevölkerung von I06 Millionen ergab, nannte das Official Catholic Directory die Zahl von 17 885 000 Katholiken, und dies bedeutet, daß der Anteil der Katholiken vom Kriegsbeginn bis Anfang der 20er Jahre konstant geblieben war. Mit der Einsetzung eines Bischofs von EI Paso, des fünften in Texas, erhöhte sich die Zahl der amerikanischen Diözesen noch vor dem Krieg auf 97, und Pius X. unterstrich die gewachsene Bedeutung der amerikanischen Kirche, indem er 1911 die Erzbischöfe von New York und Boston, John Farley und William O'Connell, in das Kardinalskollegium aufnahm6 . Der Krieg machte diese beachtliche Minderheit nicht nur für die anderen Amerikaner besonders sichtbar, sondern führte auch zu einer neuen nationalen Organisationsstruktur innerhalb des amerikanischen Katholizismus. Trotz des großen Anteils der Katholiken deutscher und irischer Abstammung, die aus je unterschiedlichen Gtiinden keine Begeisterung für den Krieg empfanden, gab es keinerlei Opposition mehr, als Amerika einmal in den Krieg eingetreten war. Die Katholiken stellten mehr als ein Fünftel der 4,7 Millionen amerikanischer Soldaten, die während des Krieges ihren Dienst taten, und ein Promille der Kriegsdienstverweigerer, nämlich 4 von 5

6

Herberg, 1955, 47. Hertling, 1954, 155ff. und 165.

2. Die Entstehung einer nationalen katholischen Öffentlichkeit

145

insgesamt 39897 . Und viele Bischöfe taten in ihren Erklärungen mehr als ihre Pflicht8 . Vom National Catholic War Council zur National Catholic Welfare Conference: Erste Schritte der Zentralisierung

Die Bereitschaft der Bischöfe, den Krieg demonstrativ zu unterstützen, und der Eifer, mit dem katholische Vereine sich der Truppenbetreuung annahmen, schienen nach einer nationalen Organisation der amerikanischen Kirche zu verlangen, was denjenigen Auftrieb gab, die eine solche Zentralisierung nicht nur wegen der kriegsbedingten Aufgaben für wünschenswert hielten. Besonders Pater John J. Burke, der Redakteur der von den Paulists veröffentlichten Catholic World, wurde zur treibenden Kraft eines solchen Zusammenschlusses, und er erreichte mit Hilfe von Gibbons, daß Vertreter der meisten Diözesen, der katholischen "Laienverbände" und nahezu alle Mitglieder der katholischen Pressevereinigung zusammenkamen und sich auf die Gründung eines National Catholic War Council einigten. Burke, der über den aktuellen Anlaß hinaus dachte, bestand darauf, das Council den Erzbischöfen zu unterstellen, womit auch deren Treffen einen offizielleren Charakter erhielten. Die Erzbischöfe, die im November zur jährlichen Sitzung des Boards der Catholic University zusammentrafen, einigten sich darauf, selbst das Catholic War Council zu bilden, damit dieses auch in autorisierter Weise für die Kirche sprechen könne. Während das Council die Militärseelsorge und sonstige Aktivitäten der Truppenbetreuung organisierte, begannen die Befürworter einer nationalen Organisation mit ihrer Werbung für eine permanente Einrichtung. Auch dieser Krieg führte zu einer Verlagerung der Macht im amerikanischen Regierungssystem, indem er die Bundesregierung zu Lasten der Einzelstaaten stärkte. Viele Gruppen hatten deshalb, ebenso wie die katholische Kirche, während des Krieges damit begonnen, ihre Interessen in Washington zu repräsentieren, und niemand glaubte ernsthaft daran, daß irgendeine der Regierungsagenturen oder eines der Verbandsbüros, die unter Berufung auf Kriegsnotwendigkeiten entstanden waren, nach dem Krieg wieder geschlossen würden. In einem Brief an seine Amtsbrüder versuchte Gibbons zu begründen, warum eine dauerhafte nationale Organisation und eine entsprechende Vertretung in Washington erforderlich seien. Ihm war klar, daß solche Pläne auch als der Anfang einer Entmachtung der einzelnen Bischöfe gedeutet 7

8

Hennesey, I 981 , 225. McKeown, 1980, 40.

10 Zöller

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Kap. IV: Auf dem Weg in die Mitte Amerikas

werden konnten, und deshalb hob er zunächst hervor, bei der gewachsenen Bedeutung der Bundespolitik, dem Selbstbewußtsein katholischer Laien und der nationalen Verbreitung von Medien werde die Stellung der Bischöfe gerade durch das Fehlen einer solchen Repräsentation erschüttert. Es bestehe nämlich die Gefahr, daß Verbände oder Einzelpersonen sich anmaßten, für die Kirche zu sprechen. Die Bischöfe sollten sich selbst organisieren, um sowohl die Wirksamkeit der kirchlichen Autorität nach innen zu verstärken, als auch die katholischen Interessen wirksam nach außen zu vertreten9 . Wie Martin Marty treffend bemerkt, hatte das National Catholic War Council (NCWC) den Buchstaben ,W' übrig, der für den Krieg gestanden hatte 10. Man fand freilich einen dem Frieden angemessenen Ersatz, indem nun die Wohlfahrt in den Namen der Organisation aufgenommen wurde. Im Februar 1919 versammelten sich die meisten Bischöfe in Washington, um Gibbons goldenes Bischofsjubiläum zu feiern, und bei dieser Gelegenheit wurde der Vorschlag gutgeheißen, ein National Catholic Welfare Council zu gründen und eine jährliche Versammlung der Bischöfe abzuhalten. Die Wohlfahrt, um die sowohl diese nationale Bischofskonferenz als auch ihr permanentes Büro besorgt seien sollten, wurde dabei noch, im älteren allgemeineren Sinne, als das Wohlergehen oder auch die Interessen der Katholiken und ihrer Kirche verstanden. Benedikt XV., der 1914 auf Pius X. gefolgt war, stimmte dieser Absicht zu, und so wurde bereits für September 1919 eine Versammlung der Bischöfe einberufen, um über die Einzelheiten zu beraten. Nach Vorschlag der Befürworter sollten sieben Bischöfe einen geschäftsführenden Ausschuß bilden (Central Committee), der berechtigt sein sollte, zwischen den Bischofsversammlungen zu allen Fragen Stellung zu nehmen. Das Sekretariat sollte zunächst aus fünf Abteilungen bestehen, die sich mit Erziehung, sozialen Diensten, Laienaktivitäten, katholischer Presse und Glaubensverkündigung im Inland und den Missionen zu beschäftigen hätten. Die Kritiker der Zentralisierung sahen die Entscheidungsfreiheit der einzelnen Bischöfe beeinträchtigt und hielten eine jährliche Bischofsversammlung für ausreichend. Nach ihrer Ansicht hatte der Papst auch nur dazu und nicht zu einer neuen "Überbehörde" seine Zustimmung gegeben. Es waren jedoch nur wenige, darunter William Kardinal O'Connell (Boston) und Erzbischof Sebastian Messmer (Milwaukee), die so argumentierten. Die große Mehrheit stimmte dem Vorschlag zu, das War Council in ein auf Dauer eingerichtetes Welfare Council zu verwandeln, und bestimmte auch bereits sieben Bischöfe, die das Nötige veranlassen sollten. Als Sprecher dieses 9

10

McKeown, 1980, 50 ff. Marty, 1984, 365.

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Vorbereitungskomitees trat in den folgenden drei Jahren Joseph Schrembs hervor, der zunächst Bischof von Toledo, Ohio, und ab 1921 von Cleveland, Ohio, war. An dieser Personenkonstellation wird zweierlei erkennbar. Zunächst einmal gab es keine deutsche Fraktion mehr. Die deutschen Einwanderer hatten sich besonders bereitwillig in die amerikanische Gesellschaft eingefügt und zudem auch aus der anti-deutschen Kulturpropaganda während des l. Weltkrieges die Maxime abgeleitet, lieber nicht aufzufallen. Eine auftrumpfende ethnische Interessenpolitik wurde, jedenfalls innerhalb der katholischen Kirche, schon lange nicht mehr von deutschen Einwanderergruppen betrieben. Entsprechend tauchten die Bischöfe deutscher Abstammung nun auf beiden Seiten auf. Messmer gehörte zu der kirchenpolitisch konservativeren Fraktion, die einer nationalen Organisation mißtraute und eine unmittelbare Beziehung zwischen Rom und dem einzelnen Bischof bevorzugte. Schrembs dagegen wurde für einige Jahre zum Sprecher der amerikanisierenden und zentralisierenden Fraktion. Amerikanisierung aber bedeutete jetzt nicht mehr, das Monopol der englischen Sprache durchzusetzen, sondern die Zentralisierung einer einheitlichen amerikanischen Kirche voranzutreiben. Dabei wurde das System der drei Gruppen durch den Gegensatz zweier Lager abgelöst, der freilich immer noch rein kirchenpolitisch definiert war. Die nun um einige Deutsche ergänzten Americanists orientierten sich an einer nach innen möglichst einheitlichen amerikanischen Kirche, die zugleich gegenüber Rom möglichst selbstbewußt auftreten sollte, während sich in der anti-zentralistischen und stärker an Rom orientierten Fraktion um Messmer ebenso wie um O'Connell und McDonnell (die beide ihre Karriere als Proteges von Corrigan begonnen hatten) die Konservativen sammelten. Der nächste Schritt, nämlich, daß dieser Gegensatz zwischen Progressiven und Konservativen auch auf allgemeine politische Fragen übertragen wurde, folgte erst in den 30er Jahren und machte sich dann auch zunächst bei den Laien und bei einem neuen, mit den nationalen Organisationsformen verbundenen Typus von Geistlichen bemerkbar, bevor auch in der Bischofskonferenz eine Rechts-links-Polarisierung deutlich wurde. In der Sache selbst entwickelte sich zunächst ein langes Hin und Her. Die Beschlüsse aus dem November 1919 verschwanden zunächst zwischen römischen Aktendeckeln. Inzwischen taten einerseits die Mitarbeiter des noch nicht aufgelösten Council einiges, um die Bedeutung des Buchstaben ,W' zu erläutern, während andererseits die Kritiker der neuen Struktur in Rom Verbündete fanden. John A. Ryan, ein Sozialethiker, der die Abteilung Social Action des Council leitete, veröffentlichte ein Programm für den sozialen Wiederaufbau, das im folgenden nur noch als das Programm der Bischöfe zitiert 10*

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wurde, obwohl diese nie damit befaßt waren. Die Mitglieder des Vorbereitungskomitees mahnten deshalb Ryan und seine Mitarbeiter zur Vorsicht. Einer der sieben Bischöfe, William T. Russell von Charleston, schrieb an Ryan, er selbst stimme dessen Ideen zu, doch darauf komme es nicht an. Die Mitarbeiter des Council müßten begreifen, daß sie selbst und die sieben geschäftsführenden Bischöfe "Tadel" verdienten, wenn der Eindruck entstehe, daß die Gesamtheit der Bischöfe auf bestimmte Positionen festgelegt würde, ohne daß sie diese autorisiert hätten (ij without the authority of the hierarchy we seem to commit the whole body to any particular plan). Man müsse sogar fürchten, daß derartiges Vorpreschen zu schweren Rückschlägen führe, die die ganze Organisation des National Council gefährden könnten (I fear as a result a severe, if not fatal blow) 11 • Diejenigen Bischöfe, die Russell bei seiner Mahnung im Auge hatte, erhielten Verstärkung, als nach dem Tode von Gibbons Dennis Dougherty, der Erzbischof von Philadelphia, zum dritten amerikanischen Kardinal neben O' Connell und Farley ernannt wurde. Außerdem fanden sie einen vatikanischen Verbündeten in Cajetan Cardinal de Lai, der den amerikanischen Plänen kritisch gegenüberstand, weil er Ansätze zu einer nationalkirchlichen Absonderung sah. De Lai überzeugte den Papst und entwarf ein entsprechendes Dekret, das die Auflösung des Council anordnete. Als Benedikt XV. im Januar 1922 starb, hatte er aber noch nicht unterschrieben. Sein Nachfolger, Pius XI., fand die Anordnung unter den unerledigten Geschäften und gab seine Zustimmung 12 . Die Mitglieder des Vorbereitungskomitees zeigten nun, wozu eine zentrale Organisation gut war und welche Form von kollektiver Willensbildung zwangsläufig mit ihr einherging. Sie brachten innerhalb weniger Tage zehn der dreizehn Erzbischöfe und zwei Drittel der übrigen Bischöfe dazu, ein Telegramm nach Rom zu schicken, in dem sie darum baten, das Dekfet noch nicht in den Actae Sanctae Sedis zu veröffentlichen - wodurch es erst Rechtskraft erhalten hätte - , sondern den Befürwortern des Council zuvor Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt noch einmal darzulegen. Dies wurde akzeptiert, und Schrembs reiste als Interpret der Mehrheit nach Rom. Das geschäftsführende Komitee gab ihm eine an den Papst gerichtete Petition mit, deren Stil als Illustration dessen dienen konnte, was die Opposition befürchtete. Es wurde zugestanden, daß auch die Mehrheit sich der Kritik zu stellen habe und diese Kritik manchmal sogar berechtigt sein könne. Dafür habe man Verständnis (this we understand). Die Minderheit von Bischöfen aber, die sich gegen die Fortexistenz des Council wandten, hätten falsche Vorstellungen von dessen Arbeit (entertained misconceptions of this work), weil sie nicht ausreichend informiert waren (not informed) II

12

McKeown, 1980, 53. Ellis, 1967, Bd. 2, 601.

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und deshalb den wahren Wert seiner Arbeit (the true value) nicht erkennen konnten 13 . Schrembs erhielt das päpstliche Plazet und telegrafierte Ende Juni im Stil eines Kriegsberichterstatters nach Hause: Fight is won .. . hard struggle ... complete victory ... 14. Das NCWC blieb bestehen, doch erhielt nicht nur das ,W', sondern auch das zweite ,C', eine andere Bedeutung. Aus dem Council wurde auf Verlangen des Vatikans eine Conference, um den lediglich beratenden Charakter der Bischofskonferenzen festzuhalten. So gab es ab 1922 eine National Catholic Welfare Conference, die sich unter ihrem Generalsekretär Burke sehr schnell zu einer Institution mit eigenem Gewicht und eigener Verhaltenslogik entwickelte. Die Unterscheidung zwischen Beratung und Beschlußfassung änderte nichts daran, daß es nun auch innerhalb der katholischen Kirche zu jener Umverteilung der Macht kam, die während des Krieges schon im Verhältnis zwischen der Bundesregierung und den einzelnen Staaten eingetreten war. Die einzelnen Bischöfe hatten einen Bedeutungsverlust hinnehmen müssen, und das Gewicht der nationalen Repräsentation der Kirche hatte zugenommen. Damit wurde aber nur besiegelt, was unabhängig von der Existenz und der Verfassung einer solchen Spitzenorganisation schon eingetreten war. Auch zwischen den drei Plenarversammlungen des 19. Jahrhunderts, die der Papst jeweils nach sorgfältiger Vorbereitung durch die vatikanischen Stellen und die amerikanischen Erzbischöfe einberufen hatte, war die amerikanischen Kirche sowohl gegenüber Rom als auch in der amerikanischen Öffentlichkeit repräsentiert worden. Dies geschah durch Vereinbarungen der Erzbischöfe, durch einzelne Bischöfe, wie den publicity-freudigen John Ireland, und durch Gruppen von Bischöfen, wie die Americanists oder deren Widersacher. Im Vergleich zu dieser Praxis der vorausgegangenen Jahrzehnte hatte eine jährlich tagende Bischofskonferenz tatsächlich den von Gibbons hervorgehobenen Vorteil geregelter Verfahrensweisen. Solange die Bischöfe unter sich blieben und nur sie als Akteure infrage kamen, konnte ein zentrales Gremium auch der gegenseitigen Disziplinierung und damit dem innerkirchlichen Frieden dienen. Tatsächlich gelang es den Bischöfen, ein solches Machtmonopol für einige Jahrzehnte aufrechtzuerhalten. Die Bischöfe hatten, wenn auch nach einem längeren Kampf, die trustees entmachtet. Laien, wie Brownson, oder Gruppen von Priestern, wie die New York Radicals, waren Einzelerscheinungen und erreichten, trotz öffentlicher Aufmerksamkeit, keine Einflußpositionen innerhalb der Kirche. Nur die Orden konnten sich mit Hilfe des Vatikans neben den Bischöfen behaupten und waren deshalb vielen der Bischöfe ein Dom im Auge. 13 14

McKeown, 1980, 55. Ellis, 1967, Bd. 2, 608.

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Nun aber hatten die Entstehung des War Council und die Geschichte seiner Verwandlung in eine Welfare Conference gezeigt, daß es nicht mehr ausschließlich um die Frage ging, welche Bischöfe unter welchen Voraussetzungen berechtigt waren, für die Gesamtheit der Bischöfe zu sprechen. Das War Council war nicht auf Anregung der Bischöfe, sondern aus der Aktivität des Paters Burke entstanden, und Ryans Programm der Social Reconstruction wurde zwar den Bischöfen zugeschrieben, doch diese konnten nur noch reagieren, ganz gleich, ob sie den Vorschlägen zustimmten oder nicht. Zwischen den Weltkriegen organisiert sich also die amerikanische katholische Kirche auf nationaler Ebene, und das bedeutet nicht nur, daß es zu einer zusätzlichen Bürokratisierung und Politisierung des kirchlichen Lebens kommt. Auch das Führungspersonal verändert sich, indem einerseits die Auswahl eines anderen Typs von Bischöfen begünstigt wird und andererseits daneben ein ganz neuer Typus von kirchlichen Funktionären entsteht, dessen Wirkungschancen an die nationalen Organisationsformen gebunden sind. Doch auch an die Bischöfe werden nun andere Anforderungen gestellt. Wer über sein Bistum hinaus Einfluß nehmen will, muß lernen, mit dem Apparat und seiner Logik zu rechnen, sich die Techniken der Gremien- und Kommissionsarbeit anzueignen und Meinungsbeeinflussung zu betreiben. Ein Bischof, der auf der nationalen Ebene mitspielen will, benötigt also neben den Qualitäten eines Managers auch diejenigen eines Politikers. Die Kennzeichen dieser neuen kirchlichen Eliten verweisen darauf, daß im Verlauf der zentralisierenden Vereinheitlichung auch das katholische Sozialmilieu wiederum eine abstraktere Form annimmt. Waren zunächst ethnische Schutzgemeinschaften in katholische Milieus überführt worden, so daß Loyalität und Solidarität sich vom Volkstum auf die Konfession übertragen hatten, so entstand nun mit der zentralen Organisation auch eine vereinheitlichte Kommunikation. Über den zahllosen katholischen Kleinmilieus bildeten sich also die Strukturen einer nationalen katholischen Öffentlichkeit, der man sich auch dann noch zurechnen konnte, wenn man nicht mehr im katholischen Wohnviertel lebte. Neben der Pfarrei und der Diözese entstand der amerikanische Katholizismus als nationale Organisation, und neben den Bischof und seinen Klerus trat die neue innerkirchliche Funktionärselite, die keineswegs nur "katholische Anliegen" nach außen verdeutlichen wollte, sondern es als ihre Sendung verstand, zwischen der katholischen Binnenkommunikation und der nationalen politischen Diskussion eine Brücke zu bilden, also in beide Richtungen zu wirken. Je ähnlicher aber die beiden Öffentlichkeilen wurden, und je weniger die Katholiken daher in zwei verschiedenen Kulturen lebten, desto deutlicher zeichneten sich auch im Katholizismus - als Folge einer noch abstrakteren Selbstzuordnung der

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einzelnen - die Umrisse zweier politisch ideologischer Lager ab, die im amerikanischen Protestantismus schon länger zu erkennen waren. Die vorerst auffälligsten und folgenreichsten Veränderungen bestanden jedoch in den veränderten Mechanismen der Elitenrekrutierung, also darin, daß auf der nationalen Bühne sowohl ein neuer, meist noch aus dem Klerus kommender Funktionärstypus als auch ein neuer Typ von Bischöfen tätig wurde. Die Bischöfe kontrollierten ohnehin das eine Ende der Nachwuchsrekrutierung, indem sie, besonders durch Rom-Stipendien, über die Förderung junger Theologen entschieden. Während des 19. Jahrhunderts hatten starke Erzbischöfe auch das andere Ende unter ihre Kontrolle gebracht, indem sie nicht nur bei der Auswahl der jeweiligen Suffragan-Bischöfe entscheidend mitwirkten, sondern auch einen nahezu gewohnheitsrechtliehen Anspruch erwarben, den eigenen Amtsnachfolger zu bestimmen. Das Amerikanische College in Rom, als eine der ersten zentralen Institutionen, die von den amerikanischen Bischöfen geschaffen wurde, konnte sich unter bestimmten Umständen umgekehrt in das Instrument einer eigenständigen Berufungspolitik des Vatikans verwandeln, weil es eine Auswahl besonders ausgebildeter und in Rom persönlich bekannter Kandidaten bereit stellte. In den jüngeren Bistümern des Westens und des Mittleren Westens, wo die Strukturen noch nicht verfestigt waren, oder in solchen Bistümern des Nordostens, die bislang unter dem Schatten New Yorks und Saltimores gestanden hatten, kam daher ab Anfang dieses Jahrhunderts bei Bischofsernennungen immer häufiger ein neuer römischer Typus zum Zuge. Wählt man als Beispiel die vier amerikanischen Kardinäle der Zwischenkriegszeit, so stehen drei römische Karrieren neben einem Werdegang, der ausschließlich in einer Diözese verlaufen ist. Letzteres gilt für Patrick J. Hayes, Erzbischof von New York seit 1919 und Kardinal ab 1924. Hayes hatte bereits seinem Vorgänger, dem Kardinal Farley, einige Jahre als Weihbischof assistiert und auch sonst seine ganze Laufbahn in New York verbracht, was inzwischen der typische New Yorker Karriereverlauf geworden war. Die späteren Erzbischöfe machten ihren Weg im Dienst des Erzbistums, wurden Weihbischof oder Koadjutor und kannten, wenn sie schließlich nachrückten, "den Betrieb" ganz genau. Das bedeutete positiv ausgedrückt, daß niemand ihnen etwas vormachte, und negativ gewendet, daß sie ihre Vor- und Abneigungen bereits in das neue Amt mitbrachten und sich auch weiterhin von der Beherrschung des Apparates absorbieren ließen, in dem sie groß geworden waren. Einerseits schien die größte amerikanische Kirchenprovinz inzwischen schon wegen dieser Stellung auf einen "roten Hut" abonniert, andererseits spielte sie von Beginn des Jahrhunderts, also vom Tod Corrigans bis zum 2. Weltkrieg, mit dem die Karriere von Speilman begann, auf der nationalen Ebene keine Rolle. Stattdessen kamen nun andere zur Geltung, nämlich das aufstrebende Chicago, Philadelphia, das

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bisher zu nahe an Baltimore zu liegen schien, und Boston, das ebenfalls erst neben dem benachbarten New York sichtbar werden mußte. Going big: O'Connell, Dougherty, Munde/ein: Die amerikanische Spielart der Romanita

Bei den drei "Römern" handelt es sich um Dennis Dougherty, William H. O'Connell und George Mundelein. Alle drei hatten ihr Studium in Rom beendet und betonten stets ihre Romanita, die sowohl für ihre Karriere wie auch für ihre Sicht der Dinge entscheidend war. William H. O'Connell kehrte einige Jahre nach Abschluß des römischen Studiums an das amerikanische Kolleg in Rom zurück, um dort - vermutlich auf Empfehlung Satollis - 1895 an die Stelle des ganz anders orientierten Dennis O'Connell zu treten. Nach sechs weiteren römischen Jahren wurde er 1901 Bischof von Portland, Maine, 1907 Erzbischof von Boston und schließlich 1911 Kardinal. Er regierte in Boston bis 1944. Doughertys Karriere führte über einen Umweg, der sich aus der amerikanischen Kolonialpolitik ergab. Er wurde 1903 zum Bischof eines philippinischen Bistums geweiht und kehrte 1915 als Bischof von Buffalo nach Amerika zurück. Bereits 1918 wurde er jedoch zum Erzbischof von Philadelphia ernannt und brachte 1921 den ersten Kardinalshut in diese Stadt. In den 33 Jahren, die er in Philadelphia mit besonderer Strenge und allgemein anerkannter Effizienz amtierte, begleitete und beförderte er ein zuvor nicht vorstellbares institutionelles Wachstum, so daß er besonders durch die wiederkehrenden Bildberichte bekannt wurde, die ihn bei dem symbolischen Akt der Grundsteinlegung zeigten. Er selbst bezeichnte sich als God's bricklayer und gab damit offenbar den Anstoß dazu, daß diese Generation von Bischöfen später als die "Ziegel- und Mörtelbischöfe" (brick and mortar) bezeichnet wurden. Ebenso wie die anderen "Römer" fand Dougherty sich selbst durch die besondere Beziehung zu ·Rom bestimmt, und er betonte auch wiederholt öffentlich, was er geworden sei, verdanke er außer Gott vor allem Rom (after God I owe what I am to the Holy See). Hatten in der vorigen Generation von Bischöfen viele darüber geklagt, daß Rom die Amerikaner nicht vestehe, so belehrten nun die amerikanischen Kirchenfürsten des neuen Typs andere, wie den Generalsekretär Pater Burke, darüber, daß Amerikaner, die nicht in Rom und auch sonst nicht im Ausland waren, gar nichts verstünden 15 • Zur Symbolfigur der Epoche wurde jedoch George Mundelein. Er ist mit Dougherty und O'Connell in jeder Hinsicht vergleichbar, doch erscheinen I5

Hennesey, 1981, 240ff.

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die gemeinsamen Tendenzen in seinem Lebenslauf noch einmal ins Grandiose gesteigert. Als Sohn deutscher Einwanderer in Manhauans Lower East Side geboren, wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf. Er besuchte die Grundschule der Pfarrei und anschließend, mit finanzieller Unterstützung von Freunden der Familie, auch das städtische Manhattan College. Nach drei Jahren Priesterseminar erhielt er 1892 einen Studienplatz in Rom, wo er in weiteren drei Jahren seine theologische Ausbildung mit einer Dissertation über Pius X. und dessen Modemismus-Kritik beendete. Ebenfalls noch in Rom wurde er von Bischof Charles McDonnell zum Priester geweiht. In dessen Diözese Brooklyn übernahm er anschließend verschiedene Aufgaben, die sonst einem greenhorn, und sei es auch ein Römer, nicht übertragen wurden. Bereits 1897 wurde er Diocesan chancellor, und wegen dieses besonders frühzeitigen Karrieresprungs entstand dann bis zur nächsten Stufe eine längere Wartezeit. Von 1909 bis 1915 amtierte er schließlich noch als McDonnells Weihbischof, bis er Ende 1915 schließlich zum Erzbischof von Chicago berufen wurde. Ab 1924 war er der erste amerikanische Kardinal, der westlich der Atlantikküste residierte. Während seiner langen Herrschaft, die vom Ersten Weltkrieg bis zum Ausbruch des Zweiten reichte, verschoben sich die Gewichte auch innerhalb des amerikanischen Katholizismus. Chicago wurde zur größten und reichsten Diözese, und Mundelein setzte in vieler Hinsicht die neuen Maßstäbe. Das galt für seinen Führungsstil wie auch für die Art, in der er die Kirche nach außen darstellte. In Mundeleins Stil mischten sich weitschauende Fürsorglichkeit, wie sie besonders in seinem Eifer für das Bildungswesen zum Ausdruck kam, mit einem Glauben an die Leistungsfähigkeit zentralisierter, von "oben nach unten", also straff geführter Verwaltung und einer Neigung zum Ostentativen. Besonders die beiden letzten Anschauungen verleiteten zu der Devise, je größer, desto besser, die der Autokrat Mundelein nicht nur beherzigt, sondern gelegentlich auch verkündet hat. Welches Interesse der Erzbischof am Schulwesen hatte, aber auch, was er unter einer geordneten Verwaltung verstand, zeigte sich sehr bald, als er in den ersten Jahren seiner Amtszeit daran ging, die katholischen Schulen zu vereinheitlichen. Mundelein fand nahezu 300 Schulen vor, in denen 2600 Ordensschwestern unterrichteten. Abgesehen von wenigen, meist von einem Orden betriebenen Sekundarschulen, handelte es sich durchweg um pfarreigene Grundschulen. Der dem Bischof unterstellte Pfarrer kümmerte sich also um das Schulgebäude und stellte als Lehrkräfte Nonnen ein, die ihrem Orden unterstanden und über ihren Lehrplan selbst entschieden. Erfahrungsaustausch und Koordinierung gab es innerhalb der jeweiligen Ordensgemeinschaft, nicht aber mit den anderen Schulen der gleichen Diözese - ein Alptraum für einen Mann wie Mundelein. Er richtete in seinem Ordinariat ein Schulamt ein und zog sowohl die inhaltliche Aufsicht als auch das Personalwesen an sich. Ab 1920 existierte ein vereinheitlichtes

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katholisches Schulwesen der Diözese. Es umfaßte zu dieser Zeit 323 Schulen, in denen etwas mehr als 3000 Lehrkräfte 160000 Schüler unterrichteten. Das Rückgrat dieses Schulsystems bestand aus den Nonnen, die mehr als 90 Prozent der Lehrkräfte stellten. Sie erhielten seit Beginn des Schuljahres 1920/21 während der zehn Monate Unterrichtszeit je 35 Dollar Gehalt. Diese billigen Lehrkräfte bieten auch die Erklärung dafür, daß die Pfarreien damals, nach einer Berechnung von Edward Kantowicz, durchschnittlich nur zehn Prozent ihres Jahresetats für die Schulen aufzuwenden hatten 16. Auch die verschiedenen Wohltätigkeits- und Fürsorgeeinrichtungen wurden zusammengefaßt und direkt dem Ordinariat unterstellt. Diese Konsolidierungsbemühungen der ersten Jahre beseitigten unkaardinierte Parallelaktivitäten und führten im Schulwesen zu einer Vereinheitlichung von Qualitätsmaßstäben. Sie entmutigten aber auch manche Eigeninitiative von Ordensgemeinschaften und Pfarreien und trugen dazu bei, daß der Stab des Erzbischofs sich vergrößerte und dessen Macht zunahm. Besonders die Orden wurden mißtrauisch und begannen, auf ihre Eigenständigkeil zu achten. Sie leiteten aus den ersten Erfahrungen mit Mundelein die Lehre ab, dem machtbewußten Herrn lieber nicht den kleinen Finger zu reichen. Dieser bekam die Folgen zu spüren, als es daran ging, sein größtes Vorhaben zu verwirklichen, für das er auf die Mitwirkung einiger Orden, besonders der Jesuiten und der Dominikaner, rechnete. Das Erzbistum verfügte damals nicht über ein eigenes Priesterseminar, ein Mangel, den Mundelein beheben wollte, wie er gleich zu Beginn seiner Zeit in Chicago angekündigt hatte. Seine Pläne gingen jedoch über ein Priesterseminar hinaus. Er dachte an eine katholische Universität des Westens, die sich aus einer philosophisch-theologischen Hochschule des Erzbistums und verschiedener Orden entwickeln sollte. Diesem Ziel kam er einen Schritt näher, als der Baumaterialienhändler Edward Hines ihm eine halbe Million Dollar spendete. Hines knüpfte an das Geld die einzige Bedingung, daß zum Gedenken an seinen im Krieg gefallenen Sohn, eine katholische Institution gegründet werde, die aber keineswegs den Namen der Familie tragen müsse. Mit dem Geld erwarb Mundelein nördlich von Chicago in der Nähe des heutigen Großflughafens O'Hare ein großes Grundstück einschließlich eines Sees. Um das eine Ende dieses Sees herum sollten die Gebäude des bischöflichen Priesterseminars und der Fakultäten entstehen, während den Orden Grundstücke um das andere Seeode herum angeboten wurden, damit sie dort Novizenhäuser und Wohnungen für die Dozenten aus ihren eigenen Gemeinschaften bauen konnten. Die Orden gingen auf Mundeleins Angebote nicht ein, so daß nur ein Ende des Sees bebaut wurde, doch auch diese Anlag~ fiel noch groß genug aus. Einschließlich Kirche, Bibliothek, Seminargebäuden, Wohnhäusem und einer Art Sommerresidenz des Kardinals I6

Kantowicz, 1988/2, 320.

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entstanden 14 großzügige Gebäude, die in weitläufige Parkanlagen eingefügt wurden. Bemerkenswert ist dieses Ensemble nicht nur wegen seiner für amerikanische Verhältnisse dieser Zeit höchst ungewöhnlichen architektonischen Konsequenz, sondern auch wegen der durchdachten Symbolik. Der Halbbogen, dessen Mitte durch Kirche und Bibliothek markiert wird, besteht aus Gebäuden in dem Stil Virginias, den die Amerikaner als colonial bezeichnen. Die gewaltige Anlage zitiert also die amerikanische Klassik. Betritt man jedoch die Bibliothek, so erweist sich das Innere dieses Gebäudes als eine originalgetreue Kopie der Bibliothek des römischen Palazzo Barberini, in dem die De Propaganda Fide und deren College untergebracht waren: American on the outside - Roman on the inside oder auch Roman to the core. Die architektonischen Zitate führen zu einer eigenen grandiosen Aussage und "außen amerikanisch, innen römisch" bedeutet dabei keineswegs, daß die amerikanische Fassade nur eine Tarnung für den römischen Kern sei, denn beides wird gleichermaßen zur Schau gestellt und als das eigene Erbe reklamiert. Gemeint ist vielmehr, daß die römische und die amerikanische Tradition sich zu einem imposanten Gebäude verbinden und dabei dennoch unterscheidbar bleiben. Skepsis erregt diese optimistische Aussage nur dadurch, daß sie gar so massiv vorgetragen wird, als glaube man selbst noch nicht völlig daran und sei sich des neu erworbenen Status in der amerikanischen Gesellschaft noch nicht völlig sicher. Etwas Ostentatives haftete allem an, was Mundelein tat, ob er zu Weihnachten 100 bedürftige Kinder einkleidete, an seinem Namenstag diejenigen Seminaristen zum Essen einlud, die ebenfalls George hießen, oder ob er schließlich 1926 die Ausrichtung eines Eucharistischen Weltkongresses übernahm, um sein Bistum und die fertiggestellte University of St. Mary of the Lake zu präsentieren. Dieser Kongreß, dessen Abschlußveranstaltung auf dem Gelände von St. Mary stattfand, war der bislang größte seiner Art, denn es nahmen 12 Kardinäle, 373 Bischöfe, 8000 Priester und eine Million Gläubige teil. Going big, alles gleich eine Nummer größer zu wählen, um sich und anderen zu beweisen, daß man es geschafft hat, umschreibt eine Verhaltensund Denkweise, die diese neuen Kirchenfürsten, aber auch der restliche Klerus, einschließlich der baufreudigen Pfarrer, mit den ihnen anvertrauten Katholiken teilten. Sie alle verhielten sich wie Neureiche und ließen darin noch einen Rest von Selbstzweifeln erkennen, aber sie arbeiteten auch wie Neureiche, also wie Menschen, die sich ihrer jüngsten Fortschritte bewußt sind und die, besonders für ihre Nachkommen, noch Ziele vor Augen haben. Mit der frischen Erinnerung an eine ärmliche Herkunft und dem Bewußtsein, von den alten Eliten noch lange nicht voll akzeptiert, geschweige denn mit ihnen gleichgestellt zu sein, kann man wohl auch die eigentümliche Mischung aus theologischem und kirchenpolitischem Konservatismus einerseits und sozialpolitischem Progressismus andererseits erklären.

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Wer einen Werdegang hatte wie Mundelein, der fühlte sich nicht nur der eigenen Vergangenheit verpflichtet, sondern glaubte auch an Organisation und zentrale Lenkung. Wie die meisten amerikanischen Katholiken seiner Zeit verband Mundelein seinen moralischen und theologischen Konservatismus mit dem Glauben an die wohltätige Wirkung staatlicher Intervention. Dies führte zu einer Einstellung, die man in Europa als sozialdemokratisch bezeichnet hätte, für die aber in Amerika erst mit Franklin D. Roosevelts New-Deal-Liberalismus ein Begriff bereitstand. Es wundert nicht, daß sich zwischen Mundelein und Roosevelt ein guter Kontakt entwickelte, den manche Autoren als persönliche Freundschaft bezeichnen 17• Mundelein stand jedenfalls noch immer fest zu F. D. Roosevelt, als Mitte der 30er Jahre die meisten katholischen Sozialreformer enttäuscht vom New Deal und dem Präsidenten abgerückt waren. Noch 1935 brachte er Notre Dame, die zweite katholische Universität, die mittlerweile neben Georgetown überregionale Bedeutung gewonnen hatte, mit mehr oder minder sanftem Druck dazu, dem Präsidenten einen Ehrendoktor zu verleihen, um dessen Ansehen bei den Katholiken zu stützen. Diese sozialpolitische Orientierung bildete eine Gemeinsamkeit zwischen einem großen Teil der brick and mortar bishops und der neuen Funktionärselite. Da diese Expertenaktivisten vorerst noch überwiegend aus dem Klerus kamen, gab es auch die Gemeinsamkeit der ersten Ausbildungsabschnitte. Der zweigeteilte Verlauf der Bischofskarrieren führte inzwischen die einen vom Seminar in den Pfarrdienst und dann aus der Praxis in die Verwaltung einer Diözese zurück, während die anderen nach einer verlängerten römischen Ausbildung schon sehr bald Managementaufgaben erhielten, so daß zwei Klassen entstanden: Die Truppenoffiziere mit einer kürzeren rein amerikanischen Ausbildung und die Absolventen der römischen Kadettenanstalt, die sehr bald in den Generalstab aufrückten. Klerikale Aktivisten als neue Akteure auf der nationalen Bühne Als dritte Gruppe kam nun der Typus des neuen Funktionärs und Aktivisten hinzu, der ebenfalls nach dem Studium nicht in die Seelsorge ging, sondern entweder für eine Aufgabe in einer der zentralen Organisationen freigestellt wurde, was bei Ordenspriestern am ehesten möglich war, oder seine Ausbildung zunächst noch fortsetzte. In diesem Falle ging er aber nicht nach Rom, sondern an die Catholic University in Washington oder auch nach Notre Dame, um etwa in Soziologie oder Sozialethik zu promovieren. Danach wurde er in einer Abteilung des NCWC tätig, arbeitete in einem der Ämter, die von Bischöfen wie Mundelein in deren eigenem ver17

Koenig, Art. Mundelein.

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größerten Apparat geschaffen worden waren, oder er blieb an der Universität. Nicht selten wechselte er im Laufe seiner Karriere auch zwischen diesen Tätigkeiten hin und her. Jedenfalls füllte er die neuen professionellen Positionen aus, die sowohl in großen Bistümern, als auch besonders auf der nationalen Ebene durch die Zentralisierung des amerikanischen Katholizismus entstanden waren. Er selbst trug durch seine eigene Tätigkeit zur weiteren Zentralisierung und Professionalisierung bei. Vorreiter und Vorbild war der bereits erwähnte John Augustine Ryan. In Minnesota auf einer Familienfarm irischer Einwanderer als elftes Kind aufgewachsen, absolvierte er das Priesterseminar in St. Paul und wurde dort 1898 von John Ireland geweiht. Nach zwei Jahren an der Catholic University kehrte er an das Seminar in St. Paul zurück, um dort Moraltheologie zu lehren. Neben dieser Lehrtätigkeit verfaßte er eine sozialethische Dissertation zur Frage des gerechten Lohnes, mit der er 1906 an der Catholic University promoviert wurde. 1914 erhielt er dort eine Professur für Politikwissenschaft, später für Moraltheologie, und zu Beginn dieser Tätigkeit in Washington schrieb er sein anspruchsvollstes Buch: Distributive Justice, das 1916 erschien. Es folgte die bereits erwähnte Denkschrift über den sozialen Wiederaufbau, die als das Bishops Program of Social Reconstruction bekannt wurde. Darin plädierte Ryan für eine Sozialversicherung nach deutschem Muster und für gesetzlich garantierte Mindestlöhne. Von 1920 an leitete Ryan im NCWC das Social Action Department, und diese Position behielt er bis zu seinem Tod im Jahre 1945. Als unerschütterlicher Verfechter des New Deal warb er für Roosevelt in allen vier Präsidentschaftswahlkämpfen, und diese Unterstützung wurde dadurch anerkannt, daß er wiederholt bei den feierlichen Amtseinführungen des Präsidenten den Segen sprechen durfte. In den 30er Jahren erhielt er daher den Spitznamen, der auch als Titel seiner Biographie diente: Right Reverend New Dealer 18 • Steht Ryan für die Bedeutung der Apparate, die er zu nutzen verstand, so erinnert der Name eines anderen, damals noch bekannteren aktivistischen Geistlichen daran, daß zur gleichen Zeit der Rundfunk als eine wesentliche Neuerung hinzukam. Mit Ausnahme der New York Times, die auch außerhalb New Yorks wenige, über das ganze Land verteilte Leser fand, blieben die amerikanischen Zeitungen stets regionale Zeitungen, deren Berichterstattung kaum über ihr Verbreitungsgebiet hinausreichte. Dagegen bildete sich in den 20er Jahren aus unzähligen lokalen Rundfunksendem das System der networks, die in den Sparten Politik, Sport und Unterhaltung bestimmte Sendungen gemeinsam produzierten und ausstrahlten, wodurch erstmals ein Millionen18

Broderick, 1963.

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publikum als nationale Öffentlichkeit angesprochen wurde. Charles Edward Coughlin, ein Pfarrer in Michigan, wurde als Radioattraktion entdeckt, als er Spenden für den Neubau seiner Kirche sammelte und dazu auch die örtliche Rundfunkstation einzuspannen versuchte. Er erhielt sehr bald eine eigene regelmäßige Sendung, in der er sich zunächst auf religiöse Themen beschränkte. Nach und nach übernahmen auch benachbarte Sender sein Programm, und schließlich strahlte CBS an jedem Wochenende eine Stunde lang Pater Coughlins Kommentare zu den Fragen der Zeit in den gesamten Vereinigten Staaten aus. Ab 1930 erreichte er auf diese Weise ein Publikum, das auf 30 bis 40 Millionen Hörer geschätzt wird. Jedenfalls beschäftigte er 150 Sekretärinnen, um Briefe und Kleinspenden zu bewältigen. Coughlin reagierte auf die Wirtschaftskrise, indem er die kirchlichen Sozialenzykliken als ein anti-kapitalistisches Programm popularisierte und 1932 für Roosevelt warb. Bald wandte er sich jedoch enttäuscht vom New Deal ab und gründete seine eigene National Union for Social Justice und eine Zeitschrift, die ebenfalls unter dem Titel Social Justice erschien. Mit der Zeit verschärfte sich seine Kritik an Roosevelt, und zugleich trat immer deutlicher eine anti-englische und anti-semitische Tendenz seiner Kommentare hervor. So verlangte sein Bischof schließlich im Jahr 1942 von ihm, daß er sich künftig öffentlich nur noch zu religiösen Themen äußere, eine Weisung, die der eben erst 50jährige Coughlin auch getreulich für den Rest seines Lebens befolgte 19• Sozialbewegungen

Während Priesteraktivisten wie Ryan und Coughlin versuchten, aus den Grundsätzen katholischer Sozialethik ein Gesetzgebungsprogramm abzuleiten und dieses durch ihre politische und publizistische Tätigkeit zu propagieren, zielten höchst unterschiedliche Formen der Laienaktivität auf selbstorganisierte Sozialreformen. Ein Beispiel dafür ist das besonders im Mittleren Westen verbreitete Rural Life Movement, das auch durch die Benediktiner von St. Johns Abbey in Collegeville gefördert wurde. In den Vorstellungen dieser Landbewegung verbindet sich die Kritik am städtischen Leben mit dem demokratischen Agrarmythos Jeffersons: Nur auf dem Land blühen Tugenden wie Sparsamkeit und Gemeinschaftssinn, und nur dort sind Demokratie, Privateigentum und Freiheit auf Dauer gesichert. Deshalb sollten besonders arbeitslose Katholiken dazu ermutigt werden, kleinere Farmen zu übernehmen. Das Rural Life Movement hatte damit aber ebenso wenig Erfolg wie John Ireland, der bereits vor der Jahrhundertwende die einwandemden Iren lieber im Nordwesten ansiedeln wollte, um ihre Proletarisierung zu verhindern. 19

Tull, 1965.

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Jas Catholic Worker Movement hingegen schwankte zwischen solchen Hoffnungen auf die heilsamen Wirkungen des Landlebens und der Ablehnung des Eigentums. Die Gründer dieser religiös-sozialistischen Bewegung, die Journalistin Dorothy Day und der aus Belgien eingewanderte Privatgelehrte Peter Maurin, setzten sich daher drei Ziele. Sie experimentierten in Farm-Kommunen mit neuen Lebensformen für diejenigen, die der Arbeitslosigkeit entkommen wollten oder eine Alternative zur Monotonie der industriellen Arbeitswelt suchten. In den Städten dagegen richteten sie houses of hospitality ein, die nicht nur Unterkunft und Verpflegung boten, sondern auch der Bildung dienen sollten. Um diese Arbeiterbildung zu fördern, gründeten Dorothy Day und Peter Maurin ihr eigenes Monatsblatt, The Catholic Worker, und richteten in ihren Häusern round table discussions ein, von denen sie eine neue, durch die Teilnehmer selbst organisierte Form der Erwachsenenbildung erHofften. Die meisten dieser Hoffnungen erfüllten sich nicht. Dennoch blieben von den Aktivitäten der beiden Gründer etwa 50 houses of hospitality und die Monatszeitung erhalten, die noch heute zum Preis von 25 Cents verkauft wird und an Dorothy Days Hoffnung erinnert, es sei möglich, to be a radical but not an atheist20 . Das Catholic Worker Movement und seine Zeitung stellten stets den Sammelpunkt einer kleinen, entschieden pazifistischen, linken Minderheit innerhalb des amerikanischen Katholizismus dar. Umgekehrt standen die meisten großen Gewerkschaften und ihr Dachverband, die American Federation of Labor (AFL), zeitweilig in dem Ruf, katholische Organisationen zu sein. Als Beleg führte man den hohen Anteil von Katholiken, der für die 20er Jahre auf 50 Prozent der AFL-Mitglieder geschätzt wird21 , und die aktive Mitarbeit vieler Priester an. Die amerikanischen Kommunisten machten diese Priester dafür verantwortlich, daß es ihnen auch während der Wirtschaftskrisen der damaligen Zeit nicht einmal in den Gewerkschaften gelang, Fuß zu fassen. Die amerikanischen Gewerkschaften blieben jedenfalls anti-kommunistisch und erfüllten für den amerikanischen Katholizismus jene Funktion, die ihnen in der kommunistischen Strategie zugedacht gewesen war. Sie dienten als Rekrutierungsfeld für viele katholische Politiker, und dies wiederum verstärkte noch die Verbindung zwischen der Demokratischen Partei und dem katholischen Milieu, die in den großstädtischen party machines ohnehin schon sehr eng war. Doch auch unabhängig davon wurde in den 20er und 30er Jahren mehrfach deutlich, wie sehr die Katholiken nolens volens in die Politik verwikkelt waren, weil es einerseits immer noch um kollektive Interessen und 20 2I

Segers, 1988, 167ff. Schatz, 1988, 248.

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Identitäten ging und weil andererseits außenpolitische Entwicklungen polarisierend in den amerikanischen Katholizismus hineinwirkten. Politisierende Erfahrungen: Der Schulstreit von Oregon, die Kandidatur des Al Smith, der Spanische Bürgerkrieg

Katholische Interessen wurden schon deshalb politisch weiterhin ins Spiel gebracht, weil der Angriff auf verbleibende Besonderheiten wie das katholische Schulwesen aussichtsreicher erschien als generelle anti-katholische Vorstöße. So warf der Ku-Klux-Klan sich 1922 mit Unterstützung eines Teils der Freimaurerlogen zum Verteidiger der Staatsschule als der wichtigsten amerikanischen Institution auf. Zusammen brachten sie im Staat Oregon ein Volksbegehren in Gang und erreichten, daß mit einer knappen Mehrheit der Stimmen die öffentliche Schule zur Pflichtschule erklärt wurde. Dennoch endete dieser Vorstoß mit einem Rückschlag für die Verfechter des öffentlichen Schulmonopols. Eine Kongregation von Schulschwestern rief den Supreme Court an, und das Gericht hob 1925 nicht nur das aus dem Volksentscheid entstandene Gesetz des Staates Oregon auf, sondern stellte sogar die Legitimität der Einheitsschule in Frage: Ein Recht des Staates, die Kinder gleich zu machen (to standardize it's children), sei unvereinbar mit der Freiheit, die jede Regierung zu respektieren habe 22 . Nach wie vor ging es also um die Verteidigung besonderer katholischer Interessen und Institutionen, und auch sonst konnte von einer Normalisierung noch nicht die Rede sein. Ein katholischer Bewerber um ein öffentliches Amt etwa galt noch immer nicht als ein Politiker wie jeder andere, der zufällig katholisch war. Diese Schlußfolgerung zogen jedenfalls die meisten amerikanischen Katholiken aus der lange nachwirkenden Erfahrung der Präsidentschaftswahlen von 1928. Der populäre New Yorker Politiker Al Smith, der in seinem Heimatstaat schon viermal zum Gouverneur gewählt worden war, unterlag als demokratischer Bewerber dem Republikaner Herbert Hoover - und seither wird darüber spekuliert, ob ein protestantischer Kandidat damals gegen Hoover gewonnen hätte. Fest steht nur, daß Smiths Konfession und seine Kritik an der Prohibition, die seine Religionszugehörigkeit wie in einem Vergrößerungsglas sichtbar machte, im Wahlkampf eine erhebliche Rolle spielten. Hatten derartige Erfahrungen die solidarisierende Wirkung, von der katholische Kandidaten bis hin zu John F. Kennedy profitierten, so machte sich doch gleichzeitig schon innerhalb des amerikanischen Katholizismus auch die polarisierende Wirkung der Politik bemerkbar. Besonders in der 22

Tyack, 1988, 284.

3. Als die Welt noch in Ordnung war

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Beurteilung des Spanischen Bürgerkrieges traten zwei Lager hervor, die jeweils durch eine einflußreiche Zeitschrift repräsentiert wurden. Seit Francos Rebellion von 1936 bezeichnete die Zeitschrift America die spanische Volksfrontregierung als ein kommunistisches Regime und wies auf deren Verantwortung für zahlreiche Verbrechen hin. Die Zeitschrift Commonweal dagegen riet, sich von Francos Royalisten ebenso deutlich zu distanzieren. Commonweal berief sich dabei besonders auf den französischen Publizisten und Philosophen Jacques Maritain. Dessen Bedeutung für den amerikanischen Katholizismus bestand längerfristig in seinem intellektuellen Einfluß, nämlich darin, daß er erheblich zur Verbreitung des Neo-Thomismus beigetragen hat. Zunächst wurde er aber dadurch bekannt, daß er unermüdlich auf die Greueltaten beider spanischer Bürgerkriegsparteien hinwies.

America war die damals wie heute intellektuell anspruchsvolle Zeitschrift der (damals noch eher konservativen) Jesuiten, während Commonweal von Laien getragen wurde und in den Zirkeln des damaligen katholischen NewDeal-Progressivismus tonangebend war. Der Gründer, Michael Williams, redigierte die Zeitschrift, und die Verluste wurden von John J. Raskob getragen, der als Freund von Al Smith später auch dessen Wahlkampf organisierte23.

3. Als die Welt noch in Ordnung war Wie schon der Erste Weltkrieg, so bedeutete auch der zweite für die amerikanischen Katholiken wiederum einen besonders spürbaren Einschnitt, weil einerseits im militärischen Alltag ihre fortgeschrittene Integration augenfällig wurde und weil andererseits die Nachkriegssituation Chancen des sozialen Aufstiegs bot, von denen besonders die zweite und dritte Generation der Einwandererfamilien profitierte. Der Anteil der Katholiken an den 15,2 Millionen amerikanischer Soldaten und entsprechend auch an den 260 000 Gefallenen dürfte zwischen einem Viertel und einem Drittel gelegen haben. Während man in dieser Hinsicht wie bei allen offiziellen amerikanischen Statistiken auf Schätzungen angewiesen bleibt, ist die Religionszugehörigkeit einiger besonderer Gruppen aus unterschiedlichen Gründen genau bekannt. Unter den 11887 Kriegsdienstverweigerern fanden sich ganze 135 Katholiken. Besonders zahlreich und auffällig waren dagegen dank der zentral organisierten Militärseelsorge die 3036 katholischen Geistlichen in Uniform24 . Angeblich befanden sich auch unter den Offizieren, besonders unter den Berufsoffizieren, unverhältnismäßig viele Katholiken, was später oft als Beleg dafür gewertet wurde, daß die Katholiken sich durch Überangepaßtheit als gute 23

24

Va1aik, 1988 und Clements, 1988. Adams et al., 1992, I. Bd., 150 und Hennesey, 1981, 278 ff.

II Zöller

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Kap. IV: Auf dem Weg in die Mitte Amerikas

Amerikaner beweisen wollten. Näherliegend ist die Erklärung, daß die Offizierslautbahn für junge Männer, die aus ärmlichen Verhältnissen kamen, aber eine gute Schulbildung besaßen, eine Alternative zu dem teueren Besuch eines College bot. G-I-Bill of Rights

Jedenfalls kamen während des Weltkrieges gut 10 Millionen amerikanischer Protestanten in Uniform mit gut 4 Millionen katholischen Soldaten, Offizieren und Geistlichen zusammen, wobei offenbar einige Vorurteile erschüttert wurden. Doch die Katholiken hatten nicht nur als Gruppe sozialpsychologisch das meiste zu gewinnen, sie profitierten oft auch je einzeln ganz besonders von den sozialpolitischen Maßnahmen zugunsten der Kriegsheimkehrer. Unter dem Servicemen's Readjustment Act von 1944, dem Gesetz, das als G-I-Bill of Rights bekannt wurde, übernahm der Staat für Kriegsteilnehmer sämtliche Studiengebühren, einschließlich der Kosten für die Unterbringung, und leistete außerdem einen Zuschuß zum Lebensunterhalt. Wer nicht studieren wollte, sondern in seinen Beruf zurückkehrte, konnte stattdessen ein Baudarlehen in Anspruch nehmen. Die G-I-Bill ebnete also denjenigen den Weg in die Colleges und Universitäten, denen bislang nicht die Vorbildung und der Aufstiegswille, wohl aber das Geld gefehlt hatte. Plötzlich studierten sehr viel mehr junge Katholiken als je zuvor, und besonders die katholischen Colleges und Universitäten, die den größten Teil dieser neuen Bildungsnachfrage abbekamen, hatten alle Hände voll damit zu tun, den Ansturm zu bewältigen. Manche Kritiker fanden freilich, daß diese Institutionen durch den unerwarteten Boom säkularisiert wurden bzw. daß die notwendige Diskussion über deren künftige Aufgaben und ihren katholischen Charakter auf diese Weise vertagt wurde. Die amerikanischen Katholiken waren jedenfalls nach dem Kriege voller Zuversicht, und darin befanden sie sich im Einklang mit der allgemeinen Stimmung. Amerika war endgültig zur führenden Weltmacht geworden, und die Erinnerungen an Inflation und Arbeitslosigkeit verblaßten, als die regulierte Kriegswirtschaft und deren Folgen überwunden waren. Zunächst hinkte die Produktion noch hinter der entfesselten Nachfrage her, so daß es zu einer Explosion der Preise kam. Doch schon das Jahr 1947 gehörte zu einer anderen Zeit, in der die Träume der Wirtschaftspolitiker wahr zu werden schienen: Obwohl die Zahl der Erwerbstätigen von 60 Millionen auf 85 Millionen anstieg, kam es zu einem Vierteljahrhundert der Prosperität mit kontinuierlichem Wirtschaftswachstum bei hohem Beschäftigungsgrad und geringer Inflation. Bis 1970 stieg das durchschnittliche Realeinkommen um 80 Prozent25 . 25

Adamset al., 1992, I. Bd., 159.

3. Als die Welt noch in Ordnung war

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Noch wichtiger als dieser Wohlstand selbst war der immaterielle Nutzen seiner allgemeinen ZugänglichkeiL Wer bereit war, sich anzustrengen, wurde durch die doppelte Genugtuung belohnt, seiner Familie einen gehobenen Lebensstandard zu bieten und sich dabei in die Gesellschaft respektabler Bürger einzureihen. Diese Einordnung wurde jedem Aufstiegswilligen damals auch leichter gemacht als je zuvor. Der wirtschaftliche Optimismus dämpfte die Abneigung gegen die Einwanderer, und die Dankbarkeit, die man den Kriegsveteranen schuldete, machte zur Nachsicht gegenüber allen Gruppen geneigt, auch wenn deren Verhalten nicht dem protestantisch-mittelständischen Verhaltenskodex entsprach. Außerdem wurde der Gegner der amerikanischen Lebensweise nun außerhalb der eigenen Gesellschaft lokalisiert. Repräsentant alles Unamerikanischen war nun der Kommunismus, und die Auseinandersetzung mit dieser Gegenmacht spielte sich als Krieg in Korea oder als Kalter Krieg in Europa ab. Dieser Kampf wirkte zwar auch in die Innenpolitik hinein, doch das führte zu einer bemerkenswerten Veränderung der Szenerie: Die Agenten einer unamerikanischen Macht, die es zu entlarven galt, fanden sich diesmal nicht unter den Einwanderern. Vermutlich stammten sie aus etablierten Familien und hatten in Yale studiert. Der religiöse Boom der 50er Jahre Insgesamt aber standen die Zeichen auf Versöhnlichkeit und Zuversicht, und diese Stimmungslage spiegelte sich auch in der religiösen Kultur der Zeit. Die amerikanische Religionsstatistik, die nicht auf dem regierungsamtlichen Zensus, sondern auf den Angaben der Kirchen beruht26, verzeichnet von 1870 bis 1967 ein stetiges Wachstum: Beginnend mit 18 % im Jahr 1870 und endend mit 64% 1967, steigen die Mitgliedszahlen der Kirchen über ein ganzes Jahrhundert hinweg schneller als die Bevölkerungszahlen. Die deutlichsten Steigerungen fanden dabei in dem Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende (von 22 % auf 36 %) und in den 40er und 50er Jahren dieses Jahrhunderts (von 49 % auf 64 %) statt. Man spricht daher von einem revival der 50er Jahre oder gelegentlich auch von einem Eisenhower Revival. Diese Bezeichnung ist nicht nur wegen des Zeitpunkts berechtigt, sondern auch deshalb, weil die Politiker und allen voran der Präsident damals die gesellschaftliche Funktion der Religion besonders betonten. Diese zivilreligiöse Inanspruchnahme der Religion verweist darauf, daß die Lage sich im Vergleich zu den 20er und 30er Jahren erheblich verändert hatte. Damals waren Politiker und Sozialwissenschaftler unter dem Einfluß der gängigen Modernisierungs- und Säkularisierungstheorien noch davon ausgegangen, daß die Religion für die individuelle Lebensführung wie für die Öffentlichkeit zunehmend bedeutungslos werde. In der berühm26 11*

Siehe Tabellen Nr. 1 und 6.

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ten Middletown-Studie von 1929, in der das Soziologenehepaar Robert und Helen Lynd zu beschreiben versuchte, wie sich zwischen 1890 und 1924 das Leben in einer typischen amerikanischen Kreisstadt (nämlich in Muncie, Indiana) verändert hatte, erschien Religion deshalb als Überbleibsel aus einer vergangeneo Zeit. Die Lynds sahen als Schüler der ersten Soziologengeneration das, was sie zu erwarten gelernt hatten. In den 50er und 60er Jahren dagegen wurde unübersehbar, daß Religion unter den amerikanischen Bedingungen der Freiwilligkeit zu einer Angelegenheit einer Zweidrittelmehrheit geworden war. So brachten Rodney Stark und Charles Y. Glock das nahezu vergessene Feld der Religionssoziologie wieder in Erinnerung, in dem sie 1968 einen Forschungsbericht über American Piety veröffentlichten, und als Theodore Caplow und seine Mitarbeiter sich von 1976 bis 1978 auf den Spuren der Lynds noch einmal in Middletown umhörten, stellten sie vor allem in religiöser Hinsicht erhebliche Veränderungen fest. In den genannten Veröffentlichungen sind bereits drei Kennzeichen der verallgemeinerten Religiosität erkennbar, die in den späteren Studien von George Gallup und Jim Castelli oder Andrew Greeley noch deutlicher hervortreten. Dazu gehört zunächst die zwangsläufige Entwicklung, daß die Religionsgemeinschaften bei steigenden Mitgliederzahlen sozialstatistisch auch immer repräsentativer wurden, sich also dem amerikanischen Durchschnitt annäherten. Anders als in Europa waren nicht die älteren, weiblichen Landbewohner überrepräsentiert, und die erkennbaren Abweichungen wiesen nicht nach unten, sondern nach oben, so daß unter den Kirchenmitgliedern der Anteil von Collegeabsolventen oder der Bezieher höherer Einkommen eher größer war als in der Gesamtbevölkerung. Überdies zeigt diese mittelständische Religiosität eine zunehmende pluralistische Differenziertheil und organisatorische Vielfalt, die wiederum an die finanzielle Leistungsfähigkeit und Opferbereitschaft der einzelnen Mitglieder wachsende Anforderungen stellt. Innerhalb des weiten Rahmens, den der Begriff des Protestantismus mehr andeutet als definiert, haben Unzufriedene die Wahl, umzusteigen statt auszusteigen. Wem die eigene Denomination zu konservativ oder zu progressiv oder einfach von den falschen Leuten beherrscht erscheint, der findet zumeist ein anderes protestantisches Angebot, und von dieser Möglichkeit des church-switching wurde mit wachsender sozialer Mobilität zunehmend auch Gebrauch gemacht. Caplow und seine Kollegen haben errechnet, daß es 1925 in Muncie noch jeweils eine Kirche für 798 Mitglieder gab, während die entsprechenden Lasten 1976 wegen der Vermehrung der Kirchengemeinden auf nur noch 550 Mitglieder verteilt werden mußten. Aus dem Markt religiöser Angebote folgt also eine protestantische Binnenwanderung, die ihrerseits einen Markt religiöser Immobilien erzeugt.

3. Als die Welt noch in Ordnung war

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Eine soeben sozial-arrivierte Gemeinde, die aus den Kindem und Enkeln von Einwanderem besteht, tauscht ihre Holzkirche gegen ein solideres Kirchengebäude in besserer Lage. Die Holzkirche dagegen wird von einer Gruppe reform-orientierter jüngerer Familien erworben, die sich gerade von einer anderen, ebenfalls schon länger etablierten Gemeinde gelöst hat. Diese junge Gemeinde verschuldet sich dabei und muß deshalb zunächst ohne einen Geistlichen auskommen, während die Gemeinde, von der sie sich gelöst hat, die Erfahrung macht, daß eine geringere Zahl von Mitgliedern die weiterhin steigenden Kosten tragen muß27 . Stark und Glock haben bereits zu Beginn der 60er Jahre versucht, die Richtung der Wanderungsbewegung durch Umfragen zu erfassen. Man kann diese Daten auch aus der entgegengesetzten Perspektive lesen, also nach Stabilität, statt nach Mobilität fragen. Eine solche Skala abnehmender Überlebenschancen religiös-kultureller Traditionen entsteht, wenn man nur den Anteil derjenigen Befragten in eine Tabelle einträgt, die nach ihrer Auskunft noch der Religion ihrer Eltern angehören bzw. sich wie diese keiner Religion zurechnen. Als Spitzenreiter in diesem Index der Kulturresistenz erweisen sich dabei das Judentum und der 1964 immer noch stark ethnisch geprägte Katholizismus. Es folgt mit Baptisten, Lutheranern und Methodisten eine Gruppe, die aus den Frontier-Religionen besteht, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts im Mittleren Westen ausbreiteten, wobei die Lutheraner als die Religion der im Nordwesten siedelnden deutschen und skandinavischen Protestanten auch noch einen starken ethnischen Bezug aufweisen. Wesentlich geringer erscheint dagegen schon damals die Bindefähigkeit der alten etablierten Konfessionen, also der amerikanisierten Anglikaner und der Calvinisten Neuenglands. Außerhalb des Christentums und Judentums, als Angehöriger einer anderen Religion oder als Konfessionsloser geboren zu sein, erwies sich dagegen als der instabilste Zustand, in den Eltern ihre Kinder versetzen konnten. Nur 18 Prozent der befragten Erwachsenen hatten diese Entscheidung ihrer Eltern beibehalten. Während des sogenannten revivals der 50er und 60er Jahre wuchsen also die amerikanischen Religionsgemeinschaften zusammen mit dem Mittelstand einer prosperierenden Gesellschaft so sehr, daß Religion ein neues Gewicht erhielt. Als drittes Kennzeichen der veränderten Lage entstand daher ein starker sozialer Druck zugunsten der Zugehörigkeit zu einer der judäo-christlichen Religionen. Es ging also um Religion als solche und nicht als diese, und das schien sowohl für die öffentliche wie für die individuelle Funktion der Religion zu gelten. Ein eher privatistisch-individualistisches Religionsverständnis ging folglich mit der zivilreligiösen Inanspruchnahme der Religion 27

Caplow, 1983, 282.

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einher. In beiden Fällen kam es auf Wirkungen an, die von den konkreten Lehren der jeweiligen Religion unabhängig erschienen, so daß man sie von (fast) jeder Religion erwarten durfte. Diese Tendenzen blieben keineswegs unwidersprochen; vor allem der "liberale" Protestantismus, der sich in humanitären und sozial-reformerischen Appellen zu erschöpfen schien, wurde zunehmend kritisiert. Billy Graham etwa betonte, die Religion könne allenfalls indirekt zu Reformen beitragen, man müsse die Menschen ändern, bevor man daran denke, die Gesellschaft zu verändern (we must change men before we can change society) 28 . Wie schon alle früheren Erweckungsbewegungen, betonten auch die revivalists der 50er und 60er Jahre die zentrale Bedeutung der individuellen Bekehrung, und ebenso wie diese trugen sie damit zur weiteren Relativierung des dogmatischen Gehalts und der organisatorischen Gestalt der einzelnen Religionen bei. Dies galt erst recht, wenn sie, der psychotherapeutischen Zeitströmung folgend, der Versuchung erlagen, die Religion besonders wegen wohltätiger Nebenwirkungen wie einer ausgeglichenen Gemütslage oder eines unerschütterlichen Selbstvertrauens anzupreisen. Peace of Mind und "Positives Denken" Der Rabbiner Joshua L. Liebman hatte 1946 in seinem Buch Peace of Mind damit begonnen, diese therapeutische Sicht der Religion zu popularisieren. Ihm folgte der Methodistenprediger Norman Vincent Peale, der 1948 einen Führer zum zuversichtlichen Leben (A Guide to Confident Living) veröffentlichte und 1952 noch ein zweites Buch dieser Art vorlegte, das zu einem immer wieder neuaufgelegten Weltbestseller wurde: The Power of Positive Thinking. Noch 1992 erschien eine deutsche Taschenbuchausgabe unter dem Titel Die Kraft des positiven Denkens. Wie man mehr vom Leben hat. Billy Graham versuchte, den Seelenfrieden weniger als Selbstzweck erscheinen zu lassen, indem er für sein Buch von 1953 den Titel Peace with God wählte. Der katholische Beitrag zu der therapeutischen Welle des "Positiven Denkens" bestand in Fulton J. Sheens ungezählten Fernsehsendungen und Büchern. 1919 in St. Paul zum Priester geweiht, erhielt er die Chance, seine Ausbildung durch Aufbaustudien in Leuven und in Rom fortzusetzen und lehrte dann ab 1926 an der Catholic University. Während dieser Zeit begann er mit Radiosendungen, die ihn bald bekanntmachten, doch anders als Coughlin mied er Kontroversen und beschäftigte sich in seiner Catholic Hour ausschließlich mit religiösen Themen. Dabei ging es schon vor der Karriere des Begriffes stets um "Positives Denken". So fiel es ihm nach dem Krieg nicht schwer, die Nachfrage nach Aufbauendem zu befriedigen. 1949 veröffentlichte er gleich zwei Bücher, die mit den Titeln 28

Gaustad, 1982, 2. Bd., 515.

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Way to Happiness und Peace of Soul der neuen Stimmungslage entsprachen, und ab 1951 moderierte er über viele Jahre hinweg eine Fernsehserie unter dem Titel Life is Worth Living.

Die Aufgabe der Religion schien nicht mehr darin zu bestehen, die trügerischen Sicherheiten dieser Welt und der bürgerlichen Lebensweise zu erschüttern; sie sollte eher zeigen, "wie man mehr vom Leben hat". "Positives Denken", ja die Pflicht zum Optimismus, etablierte sich als kulturelles Leitmotiv, das nicht nur den Stil der Verkündigung, sondern auch die politische Rhetorik bestimmte. So lag es nahe, die neue Religiosität auch als Stütze der Republik samt ihren Institutionen und als ein gesellschaftliches Bindemittel zu nutzen. In den 50er Jahren kam die Formulierung under God zu dem Treuegelöbnis hinzu, und im Capitol wurde ein Gebetsraum eingerichtet. Doch diese Vielzweckandachtsstätte zeigt das Dilemma. In der amerikanischen Kultur galt die Betonung konkreter Religion nach wie vor als inopportun, weil man derartiges als polarisierend empfand (sectarian oder divisive), Religion als solche aber erschien mehr und mehr als eine Notwendigkeit. So betonte Eisenhower, er sei sehr religiös, hänge deshalb aber noch nicht einer bestimmten Religion an (I am the most intensely religious man I know ... that does not mean that I adhere to any sect). Dennoch erklärte er 1952 nach seiner Wahl zum Präsidenten, die amerikanische Regierungsform mache erst dann Sinn, wenn sie sich auf religiösen Glauben stützen könne (makes no sense unless it is founded in a deeply feit religious faith), und er fügte hinzu, daß es dabei ganz gleichgültig sei, um welche Religion es sich handele (and I don't care what it is) 29 . Es ging also nicht um konkrete Soziallehren konkreter Kirchen, sondern um das, was Rousseau als religion civile bezeichnet hatte. Das Ziel ist soziale Integration, und deshalb werden die dogmatischen Barrieren möglichst niedrig gehalten. "Einfach, gering an Zahl und gemeinverständlich" sollten die Lehren einer solchen Zivilreligion sein, hatte Rousseau empfohlen, und Eisenhower folgte ihm, als er erklärte, eine jede Religion sei dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienlich. Ganz wörtlich war diese Äußerung freilich nicht zu nehmen, denn der Präsident wäre wohl irritiert gewesen, seinen Heimatstaat Kentucky von "heiligen Kühen" bevölkert zu sehen. Was er meinte, war wohl die Trias von Protestant, Catholic, Jew, die Will Herberg in seinem berühmt gewordenen Buch unter diesem Titel beschrieben hat. Die neue inklusive Stimmung und auch die zivilreligiöse Gleichsetzung der judäo-christlichen Religionen schien zu signalisieren, daß die Katholiken den langen Marsch in das Zentrum der amerikanischen Gesellschaft 29

Herberg, 1972, 162.

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hinter sich gebracht hatten und daß Katholizismus und Amerika nicht mehr als Gegensätze empfunden wurden. So jedenfalls sahen es die meisten Katholiken und deren amerikanische Zeitgenossen zu Beginn der SOer Jahre. Doch trotz der fortgeschrittenen Integration gab es alte und neue Gründe für eine vorsichtige Distanziertheit. Der alte Grund bestand darin, daß ein organisierter Anti-Katholizismus zwar kaum noch zu beobachten war, die entsprechende Kulturpropaganda aber immer noch ihr Publikum fand. So erreichte Paul Blanshards Buch über American Freedom and Catholic Power bzw. über die Unvereinbarkeit der beiden bereits im Erscheinungsjahr 1949 fünf Neuauflagen. Blanshard war auch schon 1947 an dem Versuch beteiligt gewesen, die alte antikatholische Koalition wiederzubeleben. Daraus entstand unter einem aus neuen und alten Elementen gemischten Namen die Organisation Protestants and Other Americans United for the Separation of Church and State. Aus dieser Organisation wurde nicht viel, weil weder Protestants noch Other Americans besonderes Interesse zeigten. Immerhin enthält der Name der Vereinigung aber zwei wichtige Hinweise. Ein anti-katholischer Kulturkampf mit direkter Zielsetzung war schon seit langem nicht mehr erfolgversprechend, doch gab es die Möglichkeit, auf andere Schauplätze auszuweichen. In dem Maße, in dem der amerikanische Protestantismus sich zu einer Mehrheitsreligion mit Minderheitsbewußtsein 30 entwickelte, trat deshalb das Thema Trennung von Staat und Kirche in den Vordergrund. Eine Formulierung Jeffersons, der in einem Brief von einer trennenden Mauer (wall of separation) gesprochen hatte, wurde in den Rang eines Verfassungssatzes erhoben, ganz so, als sei die Verfassung über das Verbot einer Staatskirche hinausgegangen. Ein zusätzliches Argument für vorsichtige Distanziertheil wurde in der Nachkriegszeit von denjenigen katholischen Intellektuellen vorgetragen, denen es weniger um die verfassungsrechtlichen Probleme oder um die konkrete Abgrenzung bei den staatlichen und kirchlichen Aufgaben in der Bildungs- und Sozialpolitik ging, sondern um die kulturelle Unterscheidung von Religion und Politik.

lohn Courtney Murrays Kritik am Konzept der Zivi/religion : Die Veifassung als Friedensformel, nicht als Glaubensbekenntnis In einer Reaktion auf die inklusive Stimmung der Zeit und das Integrationskonzept der Zivilreligion versuchte besonders der Theologe John Courtney Murray das richtige Verhältnis von Distanz und Nähe zu beschreiben, indem er einerseits die Vereinbarkeit von amerikanischer politischer 30

Herberg, 1955, 47.

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Kultur und katholischer Tradition betonte, andererseits aber diese Tradition auch vor einer vereinnahmenden Umarmung zu bewahren suchte. Nach seiner Ausbildung am Boston College der Jesuiten trat Murray selbst dem Orden bei. Er studierte am Woodstock College und in Rom, wo er 1936 an der Gregoriana promoviert wurde. Danach lehrte er am Woodstock College Dogmatik und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1967 Mitglied dieser Fakultät. In den Theological Studies, an denen er auch als Mitherausgeber beteiligt war, beschäftigte er sich ab 1943 immer mehr mit dem Verhältnis von Katholizismus und amerikanischer Kultur. Aus diesen Artikeln entstand allmählich eine katholische Neuformulierung der liberal-demokratischen Überzeugung, daß Religion und Politik sich gegenseitig nützen, wenn sie und solange sie ihre jeweilige Identität wahren, und von dieser Position aus kam Murray schließlich auch auf den Streit zwischen den Americanists und den Verfechtern eines innerkatholischen Kulturpluralismus zurück. Die amerikanische Bill of Rights sei nicht ein Stück Aufklärungsphilosophie, sondern verdanke sich in erster Linie der Geschichte christlicher Kultur. Die ethischen und politischen Prinzipien, die dem amerikanischen Verfassungskonsens zugrunde liegen, entstammten der Tradition des Naturrechts, und daher könnten die Katholiken sich diesen amerikanischen Überzeugungen vorbehaltlos anschließen. Die Prinzipien Amerikas seien mit der Denkweise und dem Gewissen der Katholiken vereinbar (approve themselves to the catholic intelligence and conscience ). Zu dieser Überlieferung gehöre freilich auch die Selbstbeschränkung der politischen Ordnung (limited order). Wenn die Amerikaner sich auf das Motto e pluribus unum festgelegt hätten, so gehe es darum, die Pluralität ebenso zu bewahren wie die Einheit. Vor allem werde zwischen der religiösen und der bürgerlichen Gemeinschaft deutlich unterschieden (the two orders, the religious and the civil remain distinct). Die Katholiken könnten daher die amerikanische politische Kultur nicht nur akzeptieren, sondern aus Überzeugung unterstützen und dies besonders deshalb, weil sie Politik und Religion sauber voneinander trenne. Aus der Geschichte wie aus der gegenwärtigen sozialen Realität könne nur eine haltbare Schlußfolgerung gezogen werden: Die Verfassung biete kein Glaubensbekenntnis, sondern eine Friedensformel (not articles of faith but articles of peace) 31 • Damit war eine Formel angeboten, die auch innerhalb des amerikanischen Katholizismus als Orientierung dienen konnte, weil sie eine Antwort auf die Frage bot, wie man guten Gewissens amerikanisch werden und katholisch bleiben könne. Murray, der später als einer der Periti die Arbeit des Konzils begleitete und den Auftrag erhielt, die Erklärung zur Religions31

Murray, 1960, 41 bis 56.

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freiheit zu überarbeiten, schien zunächst einmal zu weit voraus geeilt zu sein. 1954 erhielt er die Weisung, sich vorerst zu diesen Themen nicht mehr zu äußern. Daraufhin hat dieser letzte der gehorsamen Jesuiten einen Verlagsvertrag gekündigt und sich für ein Jahrzehnt von dem Themenkreis Religion und Politik femgehalten. 4. "Wohlhabend und langweilig?" Anders als Murray waren die meisten amerikanischen Katholiken kaum durch den aristotelischen Gedanken beunruhigt, daß es auch von einer so guten Sache wie der Integration in die amerikanische Gesellschaft am Ende ein Übermaß geben könne. Wenn sie damals überhaupt Anlaß zur Besorgnis sahen, dann hatten sie jedenfalls nicht diese Sorge - und wer wollte es ihnen verdenken. Das katholische "Imperium"

Die kombinierten Wirkungen des Babybooms und der langsam wieder ansteigenden Einwanderung machten sich in den katholischen Kirchenbänken noch stärker bemerkbar als in der allgemeinen Statistik. Die Zahl der Katholiken verdoppelte sich in den beiden Jahrzehnten nach 1940 von 21 Millionen auf 42 Millionen, und schon dieses ungewöhnliche Wachstum läßt eine rege Bautätigkeit erwarten. In diese Zeit, die weitgehend dem von 1939 bis 1958 dauernden Pontifikat Pius XII. entspricht, fällt aber auch eine Wanderungsbewegung, die auf den sozialen Aufstieg der Katholiken deutet. Während schwarze Landarbeiter in der zunehmend mechanisierten Landwirtschaft des Südens keine Arbeit mehr fanden und in die Städte des Nordens drängten, bewegten viele Katholiken sich in die Richtung, die ihnen von der G-I-Bill gewiesen wurde. Sie nutzten den kostenlosen Collegebesuch als Zugang zu den White-collar-Berufen und nahmen die verbilligten Baudarlehen für Veteranen in Anspruch, um zusammen mit dem Mittelstand der weißen Angestellten in die Einfamilienhaussiedlungen der endlosen Vorstädte zu ziehen. Auch im Verlauf dieses Einrückens in den Mittelstand ist noch immer die Einwanderungsgeschichte verschiedener ethnischer Gruppen erkennbar. Andrew Greeley bietet zwei statistische Markierungen dafür an, daß eine Gruppe mittelständisch geworden ist, nämlich den Zeitpunkt, zu dem sie im Vergleich zur Gesamtbevölkerung einen höheren Anteil an Collegeabsolventen oder an "gehobenen" Berufen aufweist. Die Katholiken irischer, italienischer und polnischer Herkunft passieren diese Wegmarken in der genannten Reihenfolge und im deutlichen Abstand zueinander, doch in den 60er Jahren arbeiteten auch die meisten Katholiken

4. "Wohlhabend und langweilig?"

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polnischer Abstimmung tagsüber hinter dem Schreibtisch und abends hinter dem Rasenmäher32. Die verdoppelte Anzahl von Katholiken beteiligt sich ebenso regelmäßig am kirchlichen Leben wie frühere Generationen, und ein immer größerer Teil dieses anspruchsvoller gewordenen Kirchenvolkes lebt in ganz anderen Wohnvierteln. Alle diese Gründe befördern eine rege Bautätigkeit, und an den Namen der neuen Gebäuden ist die Entstehungszeit erkennbar. Erstmals dominieren bei den Kirchennamen nicht die europäischen Nationalheiligen, und neben der z.B. nach Thomas von Aquin benannten Kirche entsteht die Pacelli-Elementary-School. Zu Beginn der 60er Jahre standen in 17000 Pfarreien den etwa 42 Millionen amerikanischen Katholiken, die zu 120 verschiedenen Diözesen gehörten, 35 000 Diözesanpriester zur Verfügung. Hinzu kamen 22 000 Ordenspriester, die in unterschiedlichen Bereichen tätig waren. Die Bistümer und Pfarreien unterhielten 950 Krankenhäuser und Sanatorien, 350 Altersheime und vor allem ein weit verzweigtes Bildungswesen. In mehr als 12000 Grund- und Sekundarschulen wurden gut 5,5 Millionen Schüler von über 100 000 Ordensschwestern und etwa 80 000 anderen Lehrkräften unterrichtet. In 280 katholischen Colleges und Universitäten studierten 350000 Studenten (s. Tafel) 33 . Spellman, der "amerikanische Papst"

Schon während des Zweiten Weltkrieges war dieses katholische Imperium nicht nur in Amerika, sondern auch in der Weltkirche sichtbar geworden, und Pius XII. honorierte die Bedeutung des amerikanischen Katholizismus, sobald nach dem Krieg wieder ein Konsistorium stattfinden konnte. Zusätzlich zu Dennis Dougherty in Philadelphia wurden 1946 die Erzbischöfe von New York (Spellman), Detroit (Mooney), Chicago (Stritch) und St. Louis (Glennon) zu Kardinälen ernannt. John J. Glennon, der älteste dieser neuen Kardinäle, war 1862 noch in Irland geboren worden. Er hatte bereits seit 1903 in St. Louis amtiert und starb noch im Jahr seiner Ernennung. Speilman dagegen, der 1903 noch zur Schule ging, wurde schon während des Zweiten Weltkrieges der prominenteste der amerikanischen Bischöfe und steigerte in der Nachkriegszeit seine Bekanntheil und seinen Einfluß so sehr, daß er bis zu seinem Tod im Jahre 1967 den amerikanischen Katholizismus in einer Weise repräsentierte, wie dies zuvor nur für Gibbons gegolten hatte. Der "amerikanische Papst", wie manche ihn nannten, war in einer Kleinstadt in Massachusetts aufgewachsen und erhielt 32

33

Greeley, 1979, 93. Siehe statistische Tafel im Anhang.

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nach dem Besuch des Priesterseminars die Chance, seine Ausbildung in Rom abzuschließen. Dort wurde er 1916 promoviert und zum Priester geweiht. Anschließend kehrte er nach Massachusetts zurück, wo er zunächst zwei Jahre in einer Pfarrei arbeitete und dann die Bistumszeitung leitete. Ab 1925 wurde er noch einmal für sieben Jahre nach Rom geschickt, so daß er reichlich Zeit hatte, die Arbeitsweise der vatikanischen Behörden kennenzulernen. Vor allem aber machte er die Bekanntschaft von Eugenio Pacelli, der nach seiner Rückkehr aus Berlin die Leitung des vatikanischen Staatssekretariates übernommen hatte. Speilman selbst kehrte 1932 als Weihbischof nach Boston zurück und schien vorerst am Ende seiner Karriere angelangt zu sein. Doch 1936 besuchte der Kardinalstaatssekretär die Vereinigten Staaten und ließ sich auf allen seinen Stationen, einschließlich des Weißen Hauses, von Speilman begleiten, der seither als ein Vermittler zwischen Rom und Washington galt, obwohl er in der kirchlichen Hierarchie weit unten rangierte. Auch dies änderte sich, denn der 1939 zum Papst gewählte Pacelli berief Speilman noch im gleichen Jahr zum Erzbischof von New York. Damit war die lange Kette der New Yorker Hausberufungen unterbrochen, und in der damaligen Hochburg des Rundfunks und der Zeitungen residierte erstmals ein Bischof, der nicht zögerte, sich der Medien zu bedienen. Wesentlich gesteigert wurde seine Bekanntheit aber dadurch, daß er zusätzlich das Amt des Militärvikars, also die Aufsicht über alle Militärgeistlichen, übernahm. Er reiste unermüdlich zu allen Kriegsschauplätzen, verbrachte jeweils das Weihnachtsfest bei den Truppen und war der Liebling der Presse und des Präsidenten, wenn auch nicht der Präsidentengattin. Der stets meinungsfreudige Kardinal repräsentierte auch nach dem Krieg den Patriotismus der amerikanischen Katholiken und bezog frühzeitig Stellung gegen mancherlei Illusionen über die neue Friedensordnung der Einen Welt und über Uncle Joe. Daß Kommunismus und Katholizismus unvereinbar seien, konnte damals niemanden überraschen, doch Speilman fand auch Resonanz, als er 1946 erklärte, Kommunismus sei "unamerikanisch", und er werde sich in dieser Hinsicht an keiner Kumpanei des Verschweigens (no conspiracy of silence) beteiligen 34. An all dem ist nur bemerkenswert, daß nun der Erzbischof von New York, also der Nachfolger von John Hughes, öffentlich definieren konnte, was amerikanisch sei. Daß Speilman in Gefahr stand, aus Amerika einen Gegenstand religiöser Verehrung zu machen, und daß seine Macht mit der Zeit nahezu unbeschränkt wurde, blieb innerhalb und außerhalb der Kirche kein Geheimnis. Der Kardinal genoß jedoch Sympathie und Respekt, weil er von gewinnender Liebenswürdigkeit war und weil er in seinem Optimis34

Gannon, 1962, 336.

4. "Wohlhabend und langweilig?"

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mus, in seinem unerschütterlichen Glauben an die Führungsrolle Amerikas und selbst in dem Anspruch, nun auch mitzureden, die große Mehrheit der amerikanischen Katholiken glaubhaft repräsentierte. So findet er auch bei einem eher progressiven Autor wie John Cogley Gnade als ein menschenfreundlicher, wenn auch autokratischer Patriarch, der hart gearbeitet habe35 • In den 60er Jahren kündigten sich kirchliche Entwicklungen an, die nicht nach Speiimans Geschmack waren. Anders als etwa sein Freund James F. Mclntyre, der zunächst in New York sein Weihbischof gewesen war und nun als Erzbischof und Kardinal in Los Angeles residierte, nahm Speilman die innerkirchlichen Turbulenzen aber mit Gelassenheit auf. Während des Konzils trat er nicht hervor, und danach bat er, mit Hinweis auf sein Alter, um Entlassung. Er blieb dann aber auf Wunsch des Papstes im Amt, bis er 1967 starb. Inzwischen war die große Mehrheit der Katholiken aus den ethnischen Ghettos der Städte ausgezogen und Teil von suburbia geworden, also in jenen einheitlichen Mittelstand eingetaucht, dessen endlose und gleichförmige Einfamilienhaussiedlungen sich wie ein Algenteppich um die Städte legten. Das politische Denken dieser Katholiken war aber noch keineswegs entsprechend individualisiert, sondern wurde noch immer von einem kollektiven Gedächtnis und von alten Solidantäten bestimmt. Entsprechend wurde ein katholischer Politiker noch immer von Katholiken und Nichtkatholiken als solcher identifiziert, ganz gleich, ob er selbst darauf spekulierte oder als ein Kandidat wie jeder andere gelten wollte. Die katholische Hoffnung auf Normalität: McCarthy und Kennedy Zwei katholische Politiker, die man sonst nicht gerne vergleicht, erhoben zum Anfang und zum Ende der 50er Jahre diesen Anspruch auf Normalität und demonstrierten am Ende gegen ihre Absicht, daß die Konfession noch immer eine erhebliche Rolle spielte. Der eine, McCarthy, mobilisierte den populistischen Affekt der vorwiegend katholischen Newcomer gegen die alten, vorwiegend protestantischen Eliten. Der andere, Kennedy, wollte nicht als katholischer Kandidat gelten, wurde aber, mit ohnehin sehr knapper Mehrheit, nur deshalb gewählt, weil die katholischen Wähler nahezu geschlossen für ihn stimmten. Joseph R. McCarthy, Absolvent der Marquette-University und seit 1946 Senator von Wisconsin, nutzte die im Jahre 1950 schon wieder sehr viel ausgeprägtere anti-kommunistische Stimmung, um einen ebenso alten wie gefährlichen amerikanischen Spieß umzudrehen. Nicht die Loyalität von Einwanderem oder Minderheiten wurde nun in Frage gestellt, sondern die 35

Cogley, 1986, 186.

174

Kap. IV: Auf dem Weg in die Mitte Amerikas

des Establishments. Ähnlich, wie im Falle der Prohibition, wenn auch mit ganz anderer Zielrichtung, spielte es wiederum eine Rolle, daß offenbar viele Amerikaner unabhängig von dem betreffenden Thema fanden, es treffe ,die Richtigen'. Nachdem Alger Hiss, ein früherer Mitarbeiter des State-Department, im Januar des Jahres 1950 gestanden hatte, einem kommunistischen Agenten geheime Dokumente geliefert zu haben, hielt McCarthy im Februar vor dem Republikanischen Frauenclub von Wheeling, West-Virginia, seine später stets so zitierte Wheeling-Rede : Nicht die weniger Privilegierten hätten die Nation betrogen und Geheimnisse verkauft, sondern diejenigen, die von allem profitierten, was das reichste Land zu bieten habe, von der teuersten Ausbildung und den interessantesten Regierungsjobs. Als die schlimmsten hätten sich jene gescheiten jungen Männer erwiesen, die mit silbernen Löffeln im Mund geboren wurden (bom with si/ver spoons in their mouthsP6 . McCarthy fand besonders bei den Farmern des Mittleren Westens und den Industriearbeitern des Nordostens Resonanz, wobei es eine Rolle spielte, daß vor allem die weniger arrivierten Katholiken für populistisch anti-elitäre Parolen empfänglich waren. Umgekehrt und gewissermaßen als spiegelbildliche Entsprechung zu dieser katholischen Erinnerung an kollektive Benachteiligung schien die übrige Bevölkerung noch immer von antikatholischen Vorurteilen bestimmt zu sein. Dies trat noch Ende der 50er Jahre zutage, als die Demokraten drei Jahrzehnte nach der Niederlage von Al Smith wieder einen katholischen Präsidentschaftskandidaten präsentierten. Seine Religion wurde sofort zum beherrschenden Wahlkampfthema, und er konnte sich am Ende wohl nur deshalb knapp behaupten, weil es zu einer Solidarisierung der Katholiken kam, die zu ihrer längst pluralisierten Sozialstruktur und ihrem Verhalten in den vorausgegangenen Wahlen nicht mehr paßte. Worum es ging, spiegelt sich sehr deutlich in einer Rede, die Kennedy 1960, angeblich nach einem langen Telefongespräch mit John Courtney Murray, vor den Baptistenpredigern von Hauston und Umgebung hielt. Er sei nicht der katholische Präsidentschaftskandidat, wie man es in den Zeitungen lesen könne, sondern der Kandidat der Demokratischen Partei. In öffentlichen Angelegenheiten spreche er nicht für seine Kirche, so wie diese umgekehrt nicht für ihn. Gegenstand des Wahlkampfes sei daher nicht, welcher Kirche er angehöre, denn das sollte nur für ihn selbst von Bedeutung sein, sondern wie das Amerika aussehe, an das er glaube37 • Kennedy setzte sich schließlich mit dem hauchdünnen Vorsprung von 0,2 Pro36 37

Hofstadter, 1962, 13. Webster's, 1971, 569.

4. "Wohlhabend und langweilig?"

175

zent gegen seinen Konkurrenten Nixon durch. Bei den Katholiken freilich, die zuvor schon mehrheitlich für Eisenhower gestimmt hatten, also keineswegs gewohnheitsmäßig den Kandidaten der Demokraten wählten, ergab sich ein ganz anderes Bild, nämlich ein Abstand von 56 Prozent zwischen den beiden Kandidaten. Tabelle 3 Präsidentschaftswahl 1960 Kennedy

Nixon

50,1

49,9

Protestanten

38

Katholiken

78

62 22

alle Wähler

Quelle: Zöller (1985), S. 391.

Der jugendlich zukunftsweisende Präsident Kennedy und der joviale Papst Johannes schienen zu verbürgen, daß die 60er Jahre begannen, wie die 50er geendet hatten. So schrieb rückblickend einer der baby-boomer, er habe als Zehnjähriger Gewissensbisse darüber empfunden, daß der neue Papst ihm sympathischer erschien als der alte, nach dem die Schule benannt war. Pius habe ihn an Woodrow Wilson erinnert, während Johannes auf seine Freunde und ihn wie ein Großvater gewirkt habe. Das Konzil konnte also schon deshalb nicht zu einem Bruch mit der Tradition führen, weil der Papst, der es einberief, schließlich die Vergangenheit war38 . Der Stimmungsumschwung

Doch schon bald schlug die Stimmung um, und auf die Zuversicht der ersten Nachkriegszeit folgte eine Phase der Verunsicherung. Allabendlich war auf dem Fernsehschirm zu beobachten, wie Amerika in Vietnam gedemütigt wurde und wie in den Universitäten radikale Studenten gegen eine Kultur anrannten, der sie nichts entgegensetzen konnten und die sie daher umso mehr verabscheuten. Auch die religiöse Kultur veränderte sich tiefgreifend, wobei die Vorgänge in der katholischen Kirche besonders auffällig waren. Wenn Katholiken vom Gewohnten abwichen, waren solche Veränderungen teils tatsächlich dramatischer, weil der Katholizismus bislang dem Zeitgeist besser 38

Goeghegan, 1988, 351.

176

Kap. IV: Auf dem Weg in die Mitte Amerikas

widerstanden hatte, also von einem höheren Sockel fiel, teils wirkten sie aber auch dramatischer, weil demonstrierende Nonnen damals noch eine wirkliche Neuigkeit waren und einen Nachrichtenstoff boten, dem kein Fernsehredakteur widerstehen konnte. In der veränderten religiösen Szenerie werden zwei Tendenzen schon bei oberflächlicher Betrachtung erkennbar. Zum einen nimmt der soziale Druck, der zuvor das Meinungsklima bestimmt hatte, zugunsten der Religion ab, zum anderen ist der Katholizismus von dieser Entwicklung besonders stark betroffen. Ab Mitte der 60er Jahre steigt der immer noch sehr geringe Anteil der Konfessionslosen 1967 von zwei auf drei Prozent und 1976 schließlich auf sechs Prozent. Bei der großen Mehrheit, der es unverändert wichtig ist, einer Religionsgemeinschaft anzugehören, läßt zur gleichen Zeit der Eifer nach. Tabelle 4 Auskünfte über Kirchenbesuche (innerhalb der Woche vor Befragung) Jahr

Prozent der Befragten

1937

41

1940

37

1950

39

1954

46

1958

49

1962

46

1967

43

1972

40

1978

41

1980

40

1984

40

1988

42

Quelle: Gallup/Castelli, (1989), S. 31.

Erklärten 1962 noch 46 Prozent der Befragten, in der vorausgegangenen Woche die Kirche oder Synagoge besucht zu haben, so gaben 1972 nur noch 40 Prozent diese Auskunft. Bei den Katholiken hatten 1958 noch drei von vier Befragten (74 Prozent) ihre Sonntagspflicht erfüllt. 1968 waren es noch 65 Prozent und nach einem weiteren Jahrzehnt ging 1978 nur noch

4. "Wohlhabend und langweilig?"

177

jeder zweite (52 Prozent) auch an einem gewöhnlichen Sonntag zur Kirche. Der entsprechende Durchschnitt der Protestanten sank während dieser Zeit nur von 44 auf 40 Prozent. Der Abstand in der Intensität der Beteiligung hatte sich demnach von 30 Prozentpunkten (74 zu 44) auf 12 Punkte (52 zu 40) verringert. Stabilität und Wandel scheinen also seit Ende der 60er Jahre sehr ungleich auf Protestantismus und Katholizismus verteilt zu sein. Dennoch täuscht dieser Anschein, weil innerhalb des Protestantismus erhebliche Bewegungen stattfanden, deren Folgen sehr bald für die Entwicklung des Katholizismus wichtig werden sollten. Es handelt sich dabei wiederum um interne Gewichtsverlagerungen, also um das church-switching. Anfang der 70er Jahre bezeichnen sich noch immer 62 Prozent der Amerikaner als Protestanten, doch ein wachsender Teil dieser amerikanischen Protestanten gehört nicht mehr der Gemeinde ihrer Eltern an. Der Anteil derer, die bewußt eine andere Wahl getroffen haben, ist von zunächst vier Prozent (1955) auf 18 Prozent (1964) und schließlich 33 Prozent (1985) gestiegen39. Die amerikanische religiöse Kultur ist vom Prinzip der Freiwilligkeit geprägt, und mit zunehmender Mobilität, die man auch als abnehmende soziale Kontrolle beschreiben kann, wird es leichter, von der grundsätzlich bestehenden Wahlfreiheit auch Gebrauch zu machen. Bei dem ausgeprägten Binnenpluralismus des amerikanischen Protestantismus und seinem sozioökonomischen Vorsprung ist es nicht erstaunlich, daß die Folgen dort zuerst sichtbar werden. Dennoch war vorhersehbar, daß die amerikanischen Katholiken mit Verzögerung nachfolgen würden. Unbeantwortet blieb lediglich die Frage, welche Formen eine voluntaristische Religiosität innerhalb der andersartigen Struktur und Tradition der katholischen Kirche annehmen konnte. Die Wanderungsbewegungen innerhalb des amerikanischen Protestantismus verstärkten sich jedenfalls während der 60er Jahre, und sie führten, anders als Stark und Glock noch erwartet hatten, nicht zu einer Stärkung der "Liberalen", sondern wirkten sich eindeutig zugunsten der "Konservativen" aus40. Zur Beschreibung der Entwicklungen, um die es hier geht, eignen die Begriffe "liberal" und "konservativ" sich trotz aller Mehrdeutigkeit immer noch besser als andere gängige Bezeichnungen. Die Unterscheidung von main-line und non-main-line etwa versucht, religiöse Gruppen als Mehrheit oder Minderheit bzw. Mitte oder Rand einzustufen und macht sich dabei von jenen Stärkeverhältnissen abhängig, die wegen der erheblichen Wanderungsbewegungen nicht mehr bestehen. Von Fundamentalismus oder Anti-Fundamentalismus zu sprechen, wird der Lage ebenfalls nicht 39

40

Gallup/Castelli, 1989, 21. Greeley, 1989/2, 34.

12 Zöller

178

Kap. IV: Auf dem Weg in die Mitte Amerikas

gerecht, weil keineswegs alle jene Gruppen, die Mitglieder gewonnen haben, einem Literatismus oder Biblizismus anhängen, so daß sie jedenfalls bei korrektem Gebrauch der entsprechenden theologischen Terminologie nicht als Fundamentalisten gelten können. Sie als Liberale oder Konservative zu bezeichnen, ist nicht nur die geringere Ungenauigkeit, sondern trägt auch der Tatsache Rechnung, daß die Gemeinsamkeit der beiden Lager vor allem eine politische ist. Sie neigen jeweils zu einem liberalen oder konservativen sozial- und kulturpolitischen Programm im amerikanischen Sinn der Begriffe. Zu den Verlierern gehörten am Ende besonders die calvinistischen Kirchen Neuenglands, wie die Disciples of Christ und die United Church of Christ. Bis Mitte der 80er Jahre büßten sie 15 bis 30 Prozent ihrer Mitglieder ein. Aber auch die Episcopalians, also die amerikanischen Anglikaner, und die Methodisten, die einst so etwas wie die established church des Mittleren Westens waren, hatten Verluste von etwa 15 Prozent hinzunehmen41. Der Trend wird noch deutlicher, wenn man, wie es Greeley tut, die jüngeren Jahrgänge gesondert aufführt. So kommen die Methodisten, die noch 1950 fast ein Viertel der amerikanischen Protestanten steilten, bei den 20 bis 30jährigen der 80er Jahre nur noch auf elf Prozent. Gewinner waren konservative Gruppen wie die ohnehin schon große Southem Baptist Convention, die von 11 Millionen Mitgliedern (1965) bis Ende der 80er Jahre auf mehr als 15 Millionen anwuchs, oder charismatische Gruppen wie die Disciples of God, die ihre Mitgliederzahl auf mehr als eine Million verdoppelten. Das Gegeneinander eines sogenannten private protestantism, der sich auf individuelle Bekehrung und Erlösung konzentriert, und eines public protestantism, der sich besonders mit den sozialen Verhältnissen befaßt, einer "liberalen" Theologie nahesteht und in manchen Phasen der amerikanischen Geschichte den Charakter einer sozialen Bewegung annimmt, ist nichts Überraschendes42 . Neu und von Bedeutung über den Protestantismus hinaus ist freilich, daß solche Unterscheidungen nun auch zum Orientierungsmaßstab für die Beteiligten werden. So besteht das Ergebnis der Veränderungen, die sich seit 1965 im amerikanischen Protestantismus herausgebildet haben, in zwei weitreichenden Neuerungen. Der Protestantismus ist religiös und politisch konservativer geworden, und er übernimmt in mancher Hinsicht die Rolle, die man gewohnt war, den Katholiken zuzuschreiben. Dies gilt für die Intensität und Regelmäßigkeit religiöser Praxis, aber auch für die Festigkeit gesellschaftspolitischer Positionen. Außerdem wurde im amerikanischen Protestantismus 41

42

Greeley, 1989/2, 39. Hoge, 1976.

4. "Wohlhabend und langweilig?"

179

seit Ende der 60er Jahre zunehmend deutlicher, daß der Denaminationalismus als Organisations- und Orientierungsprinzip an Bedeutung verliert und durch einen weltanschaulichen Antagonismus überlagert wird, der durch alle einzelnen Religionsgemeinschaften hindurch reicht. Als Anhalt für Selbstdefinition und Zuordnung dient immer weniger die Denomination mit ihrer eigenen Lehrtradition und Sozialgeschichte, sondern zunehmend der Gegensatz zweier sozialmoralischer und kulturpolitischer Milieus, deren Profilierung durch die kontrastierende Berichterstattung der Medien noch voran getrieben wird. Dieser Gegensatz zweier Lager und ihr Kampf um kulturellen Einfluß wurde schließlich so beherrschend, daß der Soziologe James Davison Hunter, zurückblickend auf die 70er und 80er Jahre, die veränderte politische Landschaft und das Verhältnis von Politik und Religion in einem Buch beschrieb, das schon wegen seines Titels zum Erfolg wurde: The Culture War43 .

43 12*

Hunter, 1991.

Kapitel V

Eine Welt ohne Nonnen (1963 - 1986)

Besonders für die Katholiken kamen die Veränderungen so geballt und so überraschend, daß Beobachter innerhalb und außerhalb der Kirche diese wie ein plötzliches Naturereignis verstanden. Daß Priester ihr Amt verließen, daß Katholiken bestimmte Lehren ihrer Kirche ignorierten, ohne deshalb um ihr Seelenheil zu fürchten, und daß Theologen mit dem Lehramt in Konflikt gerieten, all das war keine Überraschung. So nahmen, wie schon bisher, auch jetzt manche Priester still und leise ihren Abschied, ließen manche Prediger und manche Professoren sich gehorsam darauf ein, bestimmte Themen zu meiden, und machten viele Laien einen Widerspruch zwischen den kirchlichen Vorschriften und ihrer eigenen Lebenspraxis mit sich oder mit ihrem Beichtvater aus. Neu waren das Ausmaß der Abwanderung und der Öffentlichkeitsbezug. Während Laien ihre Gewissensprobleme in aller Regel noch als solche betrachteten, schienen viele Priester und viele Nonnen eine Änderung ihrer Lebenspläne und ein Abrücken von eingegangenen Verpflichtungen nicht mehr als eine individuelle Krise zu verstehen, sondept wollten als Verfechter eines allgemeinen Interesses anerkannt werden. Als etwa der Theologe Charles E. Curran Ende der 60er Jahre fand, daß er nicht in allem die kirchliche Auffassung vertreten könne, veranlaßte ihn dies nicht dazu, die Catholic University zu verlassen, an der er lehrte. Vielmehr trat er seither für die Auffassung ein, daß die Theologie keineswegs nur die Aufgabe habe, die kirchliche Lehre zu interpretieren und historische Forschung zu betreiben, sondern ein eigenes, unabhängiges Lehramt beanspruchen könne. 1. Das Erdbeben

Solcher Widerspruch war plötzlich an der Tagesordnung und trat nicht nur mit offenkundig gutem Gewissen auf, sondern beanspruchte auch institutionelle Absicherung innerhalb der Kirche. Dies erschien manchen Beobachtern so überraschend, daß sie sich, wie gesagt, an Naturereignisse erinnert fühlten. Martin Marty dachte offenbar an einen Blitzschlag, als er schrieb, der Katholizismus sei nach dem Konzil plötzlich vom Voluntarismus

I . Das Erdbeben

181

getroffen worden 1, und der katholische Kirchenhistoriker Philip Gleason spricht von einem spiritual earthquake. Gleason erinnert freilich auch daran, daß dieses Erdbeben den amerikanischen Katholizismus so erschüttert hat, weil die Katholiken zuvor in einem eigenen kulturellen Milieu gelebt hatten. Sie waren daran gewöhnt, gegenüber der amerikanischen Kultur die Einheit, Geschlossenheit und Andersartigkeit ihrer katholischen Eigenkultur zu betonen, weshalb der Eindruck von Desintegration nun um so irritierender wirkte2 . Viele neigten deshalb auch dazu, die neue Lage auf ein einziges einschneidendes Ereignis zurückzuführen, als habe Papst Johannes XXIII., indem er nach eigenen Worten ein Fenster öffnen wollte, einen Sturm heraufbeschworen oder als habe Humanae Vitae brave Katholiken in Rebellen verwandelt. Die erste Interpretation ist die gängigste, und Progressive wie Konservative stimmen indirekt zu, wenn die einen sich als Wächter über die Errungenschaften des Konzils verstehen und der Gegenseite die Absicht unterstellen, diese Fortschritte wieder rückgängig zu machen, während Konservative darzulegen versuchen, daß die Konzilsväter es so nicht gemeint haben könnten. Fish on Friday oder Humanae Vitae: Die Diskussion um die Ursachen Inzwischen hat diese Erklärung auch eine sublimere, sozialpsychologische Fassung erhalten, die als das Fish-on-Friday-Syndrome bekannt wurde 3 . Sie gleicht den auf Tocqueville zurückgehenden Revolutionstheorien, die Umwälzungen nicht aus der krisenhaften Zuspitzung der Lage erklären, sondern aus Reformen, also aus der Erfahrung, daß die Verhältnisse veränderbar sind. Fish-on-Friday steht für die Annahme, wenn in sich wenig wichtige, wenn auch symbolische Elemente fallen, dann sei die Befürchtung oder Hoffnung realistisch, daß bald auch vermeintlich Unwandelbares zur Disposition stehe. Die konkurrierende Interpretation sieht nicht das Konzil, sondern Humanae Vitae als die Quelle der Irritationen an. Besonders Greeley findet es auffällig, daß der Kirchenbesuch zunächst erheblich zurückgeht und die Zahlen danach langsam wieder ansteigen. Nach einem anfänglichen Schock seien die Katholiken also zu selektivem Gehorsam übergegangen. Sie hätten beschlossen, den Papst Papst sein zu lassen, seine Lehre zur Empfängnisverhütung zu ignorieren und wieder in den sonntäglichen Gottesdienst zurückzukehren, also nach eigener Definition katholisch zu sein. Greeley sieht in den Auswirkungen von Humanae Vitae auch den Grund 1 2

3

Marty, Zitat nach Kress, 1986, 73. Gleason, 1979, 185. Hudson, 1981, 380.

Kap. V: Eine Welt ohne Nonnen

182

dafür, daß ein Vergleich der Umfragedaten des National Opinion Research Center von 1963 und 1974 einen erheblichen Rückgang des päpstlichen Ansehens zeigt. An dem göttlichen Ursprung der päpstlichen Gewalt zweifelten 1963 nur drei von zehn amerikanischen Katholiken. Zehn Jahre später haben sich die Verhältnisse umgekehrt: nur vier von zehn befragten Katholiken glauben noch an den Auftrag des Petrus. Deutlicher fällt die Veränderung im Falle der päpstlichen Unfehlbarkeit aus; denn wurde dieser Anspruch 1963 noch von gut zwei Dritteln gestützt, so war zehn Jahre später nur mehr ein Drittel dieser Meinung. Tabelle 5

Päpstliche Autorität Zustimmung zu den vorgegebenen Formulierungen, es sei zweifellos richtig (certainly true), daß Gott Petrus und die Päpste als seine Nachfolger mit Autorität über die Kirche ausgestattet habe und daß der Papst in einigen Angelegenheiten unfehlbar sei. Nachfolge Petri

Unfehlbarkeit

1963

70

68

1974

42

32

Quelle: Greeley (1989/2), S. 20.

Auch andere Erhebungen deuten auf Humanae Vitae. So wurde etwa in der sogenannten Notre-Dame-Studie festgehalten, welche Kompetenz die amerikanischen Katholiken den einzelnen Stufen der kirchlichen Hierarchie in verschiedenen Angelegenheiten einräumen. Diese Einschätzungen fallen schon dann sehr ernüchternd aus, wenn es um politische Stellungnahmen geht. Doch zeigt sich ein Nachhall des Themas Empfängnisverhütung darin, daß die Katholiken in Fragen der Sexualethik dem Urteil von Papst, Bischöfen und Priestern das geringste und der eigenen Meinung das größte Gewicht beimessen4 . Allerdings darf man trotz dieser plausiblen Zurec)Jnungen bezweifeln, daß der selektive Gehorsam erst 1968 entstanden sei. Die Neigung, Glaubenslehren und ethische Gebote nicht als solche oder wegen der Autorität ihres Urhebers zu schätzen, sondern sie nach ihrer subjektiv empfundenen Lebenstauglichkeit zu bewerten, hat gerade in Amerika ihre Tradition. Offenkundig ist jedenfalls, daß weder die Fish-on-Friday-These noch der 4

Leege, 1987, II.

I . Das Erdbeben

183

Verweis auf Humanae Vitae eine ausreichende Erklärung bieten, und für diese Unzulänglichkeit gibt es zwei Gründe. Erstens unterstellen beide Erklärungen, daß nach einem einzelnen verursachenden Ereignis in den 60er Jahren zu suchen sei. Eine solche Vermutung liegt nahe, wenn man anband von Statistiken oder Umfragen die 50er Jahre mit der Situation Ende der 60er Jahre vergleicht und dabei einen dramatischen Umbruch feststellt. Wählt man jedoch einen längeren Vergleichszeitraum, so bleiben die Veränderungen Ende der 60er Jahre zwar auffällig genug, doch wird deutlich, daß die verschiedenen Indikatoren "nur" auf das Niveau zurückfallen, das bereits in den 40er Jahren verzeichnet wurde. Als die erklärungsbedürftige Ausnahme erscheint dann eher das besonders religionsfreundliche Klima der 50er Jahre. Zweitens aber zielen die genannten Erklärungen nicht nur auf einen zu kurz gewählten Zeitraum, sondern sie konzentrieren sich auch zu sehr auf die in Meinungsumfragen erkennbaren Reaktionen der Laien. Daher sollte es einen Schritt weiterführen, "harte" Daten heranzuziehen und dabei besonders auf die Entwicklung bei Priestern und Ordensleuten zu achten. Dazu stehen wiederum nur die Angaben aus dem offiziellen Jahrbuch zur Verfügung. Doch diese wenigen statistischen Daten sind durchaus ergiebig, wenn man berücksichtigt, daß die einzelnen Personengruppen sich durch ihre unterschiedliche Nähe zu den Entwicklungen unterscheiden. So ist zu erwarten, daß die Zahlen der Studenten verschiedenster Priesterseminare am unmittelbarsten die Lage widerspiegeln, weil jeweils nur wenige Jahrgänge erfaßt sind, während in den anderen Personenkategorien alle Altersstufen oberhalb des jeweils spezifischen Eintrittsalters enthalten sind. Aus diesem Eintrittsalter, das seinerseits ein Ergebnis der jeweiligen Ausbildungsdauer ist, erklärt sich, daß auch diese im Prinzip generationsübergreifenden Gruppen unterschiedlich schnell auf Entwicklungen reagieren. In der im Anhang enthaltenen statistischen Tafel finden sich daher z.B. in der Spalte "Ordensschwestern" die jeweiligen Jahrgänge der 18- bis 25-jährigen, die bei den Priestern fehlen. Aus dieser Tafel ergibt sich auch, daß der katholische Bevölkerungsteil in den 13 Jahren vor Eröffnung des Konzils um 16 Millionen und damit um mehr als die Hälfte der ursprünglichen Zahl angewachsen ist. Dies hat jedoch den Anteil der Katholiken an der Gesamtbevölkerung gerade um 3,5 Prozentpunkte erhöht. Man könnte freilich auch sagen, daß die Katholiken an dem ohnehin außergewöhnlichen Bevölkerungswachstum noch leicht überdurchschnittlich beteiligt waren. Bei dem so erreichten Anteil blieb es dann auch, denn im weiteren Verlauf spiegeln die offiziellen kirchlichen Zahlen, also die Angaben zu ordentlich gemeldeten und beitragszahlenden Mitgliedern, recht genau das allgemeine Bevölkerungswachstum wider. Der Anteil der Katholiken pendelt sich bei 23 bis 24 Prozent ein. Gegenüber den GallupBefragern freilich, von denen keine Zahlungsaufforderung zu erwarten waren, bezeichneten sich zuletzt 28 Prozent der Bevölkerung als Katholiken.

184

Kap. V: Eine Welt ohne Nonnen Tabelle 6 Selbstzuordnung zu Religionsgemeinschaften Protestant

Catho1ic

Jew

Other

None

69

20

5

1

6

1962

70

23

3

2

2

1976

61

27

2

4

6

1987

57

28

2

4

9

1947

Quelle: Gallup!Castelli, (1989), S. 120.

Bei den Priesterzahlen ist zunächst Vorsicht geboten, weil Diözesanpriester und Ordenspriester in den ersten Nachkriegsjahren nicht getrennt aufgeführt wurden, so daß die Zahlen für 1950 mit denen für 1963 nur schwer zu vergleichen sind. Das Jahrbuch von 1950 gibt eine Gesamtzahl von 43000 Priestern an, wobei jedoch unklar bleibt, ob wirklich alle Ordenspriester in dieser Zahl erfaßt wurden oder nur diejenigen, die als Seelsorger oder Lehrer im Dienst einer Diözese standen. Ganz gleich aber, ob diese Zahl zu gering angesetzt war oder nicht, der Vergleich mit der Gesamtzahl von 56000 Priestern des Jahres 1963 läßt erkennen, daß auch die Priesterseminare von der großen Zahl der studierenden Kriegsheimkehrer profitiert haben. Auch in der zweiten Hälfte der 60er Jahre ist noch einmal ein Wachstum zu verzeichnen. Freilich wirkt dieses Echo des Baby-Booms sich nur in der Zahl der Diözesanpriester aus, die um zehn Prozent ansteigt, während bei den Ordenspriestern bereits ein Rückgang zu verzeichnen ist. Noch deutlicher fallen die entsprechenden Aufwärts- und Abwärtsbewegungen bei Ordensschwestern und Ordensbrüdern aus. Am stärksten sind freilich die Priesterseminare von den jeweiligen Entwicklungen betroffen. Auch hier empfiehlt sich eine vorsichtige Interpretation, weil einige dieser Institutionen sich auf die letzten drei Jahre der Ausbildung konzentrieren, während andere die gesamte Collegeausbildung anbieten. Dennoch fügen sich die Zahlen zu recht eindeutigen Trendaussagen zusammen. In den Diözesanseminaren wie in den Ordensseminaren verdoppeln sich die Studentenzahlen in den 50er Jahren, um sich dann bis 1970 wieder zu halbieren. In dem folgenden Jahrzehnt wiederholt sich dieser Rückgang noch einmal, und danach stabilisieren sich, jedenfalls bei den Diözesanseminaren, die Zahlen auf diesem niedrigen Niveau. Die entsprechenden Einrichtungen der Orden leiden in dieser Zeit nicht nur unter einem stärkeren Rückgang der Bewerberzahlen, sondern auch unter den zunehmend vereinheitlichten Anforderungen an das Theologiestudium, die sie zu einschneidenden strukturellen Veränderungen und oft auch zur Schließung von Häu-

I . Das Erdbeben

185

sern zwingen. Die Zahlen sind also wiederum nicht völlig vergleichbar. Dennoch kann· man sagen, daß die Entwicklung in den Diözesanseminaren etwa dem allgemeinen Trend entspricht, also die Abfolge von starker Zunahme, noch stärkerer Abnahme und allmählicher Beruhigung erkennen läßt. Die Orden dagegen bieten ein anderes Bild. Sowohl die Zahl der Seminaristen als auch die allgemeine Entwicklung der Mitgliederzahlen läßt erkennen, daß für die jungen Amerikaner der Beruf des Weltpriesters weit weniger an Attraktivität verloren hat als der des Ordenspriesters. In der Frage, warum das so ist, warum in den 50er Jahren junge Mädchen zu Zehntausenden in Klöster eintraten und später zu Zehntausenden davonliefen, während die Zahl der Diözesanpriester sich seit den 60er Jahren als relativ stabil erweist, warum der Rückgang bei den Ordenspriestern deutlicher ausfällt als bei den Weltpriestern und bei anderen Ordensmitgliedern wiederum deutlicher als bei den Ordenspriestern - in Fragen dieser Art werden Zusammenhänge deutlich, die über das Fish-on-FridaySyndrome und über die Wirkung von Humanae Vitae hinausweisen. Erkennbar werden ungleiche Wahlmöglichkeiten und unvergleichbare Zukunftsaussichten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit dem Eintritt in verschiedene geistliche Berufe verbunden waren. Wahlmöglichkeiten, Zukunftsperspektiven und individuelle Lebensplanung: Versuch einer Erklärung

Nach 1945 wählten viele junge Männer den Priesterberuf, für den sie sich oft schon während des Krieges entschieden hatten. Sie stammten aus der unteren Mittelschicht der weißen ethnics des Nordostens, und meistens waren sie die ersten in ihren Familien, die das College besuchten. Die Angehörigen mögen im Einzelfall Zweifel an der Berufung des jeweiligen jungen Mannes gehegt haben, aber sie respektierten seinen Entschluß, unterstützten ihn und berichteten mit Stolz über ihn. Dennoch standen ihm gerade damals dank der G-I-Bill und einer expandierenden Wirtschaft auch andere Wege offen, und so wurde das erste Studienjahr in einem der damals etwa 300 Ordensseminare für manchen zum Seiteneinstieg in ein College und damit in eine Law School oder Medical School. Von diesem Umweg blieb manchem späteren Anwalt oder Arzt ein Rest schlechten Gewissens und dem Seminar eine jährliche Spende. In einer ganz anderen Lage befanden sich die Schwestern dieser jungen Männer. Einige wenige hatten als weibliche Sanitätssoldaten medizinische Kenntnisse und sonstige Erfahrungen gesammelt und entwickelten sich in der Nachkriegszeit lange vor der allgemeinen Frauenemanzipation zu einem neuen Typus unerschütterlicher Ärztinnen. Den meisten jungen Frauen aber war dieser Weg versperrt. Auch der von Großindustrie und Landwirtschaft

186

Kap. V: Eine Welt ohne Nonnen

bestimmte Arbeitsmarkt bot ihnen wenig Chancen, zumal wenn sie sich gegen männliche Konkurrenten mit besserer Vorbildung behaupten mußten. Damit ist nicht gesagt, daß die jungen Frauen, die damals in einen Orden eintraten, dies als das geringste Übel betrachteten. Im Gegenteil, denjenigen, die ein Interesse an einer solchen Lebensform mitbrachten, wurde der Entschluß dadurch erleichtert, daß es in ihrem sozio-kulturellen Umfeld damals kaum einen geachteteren Frauenberuf gab. Vergleichbar in sozialer Anerkennung und vermuteter Befriedigung war vielleicht der Beruf der Lehrerin, aber eben als solche wurden zwei von drei Nonnen tätig. Freilich nicht im Staatsdienst, sondern innerhalb des katholischen Herkunftsmilieus und oft als Mitglied des gleichen Ordens, dem die eigenen Lehrerinnen angehört hatten. Jedenfalls blieben diese jungen Frauen der eigenen ethnischen Gruppe verbunden und hatten nicht nur das Gefühl, zurückzugeben, was sie selbst empfangen hatten, sondern auch dazu beizutragen, daß "die eigenen Leute" es zu etwas brachten. Noch einmal: Voraussetzung für das Interesse am Ordensleben war zweifellos die religiöse Motivation, aber das soziale Umfeld trug damals nicht nur zu dem entsprechenden Entschluß bei, sondern honorierte und stützte diesen dann auch weiterhin. 15 Jahre später war von diesem Rückhalt durch das Milieu nicht mehr viel zu bemerken, denn von dem Milieu war kaum etwas übrig geblieben. Die Familien der Brüder und Vettern der jungen Nonnen von 1950 lebten in den Vorstadtsiedlungen und partizipierten an Lebensstandard und Lebensgewohnheiten des prosperierenden weißen Mittelstandes. Die katholischen Schulen und die Nonnen, die diese Schulen aufrecht erhielten, erschienen als Symbol des ethnischen Ghettos, dem man entwachsen war und auch mancher Pfarrer empfand diese Schulen nur noch als ein lästiges und teures Relikt aus einer vergangeneo Zeit. Zugleich entfiel die doppelte Benachteiligung der Frauen, die sich noch Ende der 40er Jahre aus gesellschaftlichen Konventionen und aus der Wirtschaftsstruktur ergeben hatte. Nach dem Krieg, in dem schließlich Frauen in Werften und Munitionsfabriken gearbeitet hatten, blieben solche Berufe den Frauen wieder verschlossen, was man als Rückkehr zur Normalität betrachtete. Von einem Mann, der seine Familie am Wirtschaftswunder beteiligen wollte, wurde dagegen in Detroit oder in Pittsburgh nicht viel mehr verlangt als die Fähigkeit und Bereitschaft zuzupacken. Inzwischen aber hatten sich nicht nur die Vorstellungen von Normalität gewandelt. In der entstehenden Dienstleistungswirtschaft waren Frauen, die sich auszudrücken wußten und die Orthographie beherrschten, nun gesuchter als ungelernte Männer. Jedenfalls hatte sich für junge Frauen die Lage in zweifacher Hinsicht verändert, denn die Tätigkeiten vieler Ordensschwestern schienen an Wertschätzung verloren zu haben, während sich ansonsten neue Möglichkeiten eröffneten.

l. Das Erdbeben

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Ein junger Mann mit einer Neigung zum Priesterberuf dagegen hatte bei seiner Entscheidung nicht mit derartig ausgeprägten Gegensätzen zu rechnen. Auch seine Position war durch den kollektiven sozialen Aufstieg der Katholiken etwas relativiert. Der junge Priester war also nicht mehr der einzige Collegeabsolvent der Familie, und die Brüder und Schwäger durften in aller Regel mit einem höheren Einkommen rechnen. Es war auch keineswegs mehr ausgemacht, daß er in seiner Pfarrei der einzige sein würde, dessen Schulbildung etwas weiter geführt hatte. Vermutlich würde er in dieser Hinsicht eher Mühe haben mitzuhalten. Dennoch durfte er erwarten, in seiner Pfarrei trotz allem der Chef zu sein, mit zunehmender Wahmehmung des Priestermangels auch besser bezahlt und behandelt zu werden und insgesamt gebraucht und geachtet zu sein. So zeigten z.B. junge Priester, die 1989, fünf Jahre nach ihrer Weihe, befragt wurden, eine hohe Berufszufriedenheit5 .

Individualismus und Voluntarismus auf katholische Art Der amerikanische Katholizismus wurde also durchaus nicht aus heiterem Himmel von dem Geist der Modeme erlaßt. Die Kennzeichen der amerikanischen religiösen Kultur, vor allem das Strukturprinzip des Voluntarismus, waren von Anfang an auch im amerikanischen Katholizismus präsent. Sie entfalteten sich nur noch nicht in allen Konsequenzen, solange dieser amerikanische Katholizismus noch unter Sonderbedingungen existierte. In den 60er Jahren jedoch wurde unübersehbar, daß die amerikanischen Katholiken, Laien wie Priester und Ordensleute, nicht mehr einer um ihren Aufstieg kämpfenden Minderheit angehörten und die entsprechenden Verhaltensweisen abgelegt hatten. Father knows best hatte als sprichwörtliche Reaktion auf überzeugende und weniger überzeugende Anweisungen der geistlichen Herren einer Lage entsprochen, in der Geschlossenheit wichtiger erschien als alles andere. Diese Katholiken wurden jedoch so individualistisch und voluntaristisch wie alle anderen Amerikaner, sobald sie glaubten, sich solchen Luxus leisten zu können. Nachdem sie sich in der Mitte der amerikanischen Gesellschaft eingerichtet hatten, beharrten sie auch auf den entsprechenden Wertvorstellungen und Lebensformen. So waren sie umso eher bereit, der Kirche auch beruflich zu dienen, je mehr dieser Dienst mit solchen Vorstellungen und Lebensgewohnheiten zu vereinbaren war. Die amerikanisierten Katholiken wollten von ihren Priestern und Bischöfen nicht mehr politisch repräsentiert werden, und ansonsten erhoben sie den Anspruch, überzeugt zu werden, bevor sie sich führen ließen. Daher sind die Katholiken auch in ihrem Wahlverhalten nicht mehr im Sinne 5

Hemrick/Hoge, 1991, 27.

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einer catholic vote festgelegt. Wie die übergroße Mehrheit der anderen Wähler rechnet auch das Gros der Katholiken sich der Mitte zu und reagiert deshalb mit einem deutlichen Votum für die Gegenrichtung, wenn eine Partei oder ein Kandidat sich eindeutig festlegen. Zeigt etwa Goldwater ein eindeutig rechtes oder McGovem ein entsprechend linkes Profil, dann stimmt die Mehrheit der Katholiken zusammen mit den meisten anderen Wählern für Johnson oder für Nixon. Die Anzeichen für eine ohnehin schwach ausgeprägte Parteipräferenz zeigen jedenfalls nicht in die traditionelle Richtung, also nicht in die Richtung der Demokraten. Dabei werden Zusammenhänge zwischen höherem sozio-ökonomischen Status und Wahlverhalten deutlich, die nochmals bestätigen, wie sehr die Katholiken mittlerweile in der Mitte der amerikanischen Gesellschaft angesiedelt sind. Alle die ethnischen Gruppen, denen die weit überwiegende Mehrheit der Katholiken angehört, haben schon 1980 mehrbei tlich für Ronald Reagan gestimmt, aber ihr Votum zugunsten eines republikanischen Kandidaten fiel umso eindeutiger aus, je früher das Gros dieser Gruppe eingewandert war. Je mehr die Betreffenden sich als integriert und arriviert betrachten, desto eher sind sie bereit, auch einen Republikaner zu wählen6 . Die Daten zum religiösen Verhalten zeigen ab Mitte der 70er Jahre eine Stabilisierung auf deutlich niedrigerem Niveau. 95 bis 96 Prozent derer, die als Katholiken geboren wurden, betrachten sich auch weiterhin als Katholiken. Von diesen beteiligt sich gut die Hälfte (50 bis 55 Prozent) regelmäßig, etwa ein weiteres Viertel nur sporadisch am Leben der Kirche. Andrew Greeley weist darauf hin, daß diese unterschiedlichen Intensitätsgrade sehr deutlich mit bestimmten Lebensphasen verbunden sind. Unverheiratete junge Männer etwa zeigen eine sehr viel geringere Beteiligung, doch finden sie sich später als Familienväter wieder in den Kirchenbänken. Die besonders große Alterskohorte der baby-boomer, die wegen der höheren Studierquote und wegen des generell veränderten Lebensstils im Durchschnitt später heiratete, hat wesentlich zu dem Eindruck beigetragen, der allgemeine Kirchenbesuch sei in der zweiten Hälfte der 60er Jahre besonders dramatisch zurückgegangen und habe sich dann anschließend unerwartet deutlich erholt. Etwa die Hälfte dieser statistischen Veränderung erklärt sich jedoch aus dem keineswegs neuen, nun aber zeitlich ausgedehnten Junggesellenverhalten der baby-boomer, womit allerdings auch Greeleys Hinweise auf die Folgen von Humanae Vitae etwas relativiert sind7 . Die religiösen Einstellungen und Verhaltensweisen gleichen jedenfalls den politischen. Die amerikanischen Katholiken sind grundsätzlich loyal 6

7

Zöller, 1985, 399. Gree1ey, 1989/2, 20 ff. und 46.

I. Das Erdbeben

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und allen extremen Positionen abgeneigt. Wer aber versucht, in sozial-ethischen Kontroversen oder in Fragen der Lebensführung bis hin zu sexuellen Gewohnheiten, bestimmte Auffassungen und Praktiken als die für einen Katholiken einzig akzeptablen darzustellen, der muß überzeugend argumentieren. Außerdem sollte er sich vorher vergewissern, daß er einen Anlaß gewählt hat, zu dem die katholische Lehrtradition und die Logik ihm eindeutige Aussagen erlauben. Andernfalls täte er besser daran, den Mobilisierungsversuch zu unterlassen, da dessen vorhersehbares Scheitern nur die Autorität des kirchlichen Lehramtes beschädigen kann. Sowohl aus den Antworten auf eine sehr unspezifische Gallup-Frage als auch aus einigen Einzelergebnissen der großangelegten Studie der University of Notre Dame läßt sich entnehmen, wie die Diskussionen der 70er und 80er Jahre auf das Kirchenvolk gewirkt haben. In beiden Fällen kommt eine deutliche Skepsis gegenüber politischen Äußerungen zum Ausdruck, ganz unabhängig davon, daß die Gallup-Frage, ob man der Meinung zustimme, daß Kirchen sich aus der Politik heraushalten sollten, eine solche Reaktion eher nahelegt, während die Notre-Dame-Studie durch Vorgabe bestimmter Themen das Gegenteil suggeriert. Die Notre-Dame-Studie ist vor allem deshalb interessant, weil sie mehrfache Differenzierungen erlaubt. Zum einen wurde den Befragten bei den sieben vorgegebenen public issues die Wahl gelassen, eher die Zuständigkeit bestimmter kirchlicher Instanzen oder das Gewissen des einzelnen zu betonen. Wenn es um die Entwicklungshilfe geht, sehen 83 Prozent die Hierarchie gefordert, wobei 70 Prozent an den Papst denken. Am anderen Ende der Skala steht das Thema Geburtenkontrolle, das 47 Prozent (gegen 45 Prozent) nur der individuellen Verantwortung zuordnen wollen, obwohl in dieser Befragung nur die kirchennahen Katholiken erfaßt sind. Diese aktiven Katholiken wurden auch aufgefordert, 13 Themen der innerkirchlichen Politik und der kirchlichen Morallehre nach Wichtigkeit zu ordnen. Dabei rangiert der Wunsch nach Betonung der individuellen Spiritualität an der Spitze, und die Stellungnahme gegen Abtreibung folgt an zweiter Stelle. Empfängnisverhütung dagegen nimmt den vorletzten Rang ein. Nur die Ordination von Frauen erscheint den Befragten noch weniger wichtig. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn konkreter nach den Wünschen bezüglich der Arbeit in der eigenen Pfarrei gefragt wird und rund zehn verschiedene Aktivitäten zur Auswahl stehen. Die regelmäßigen Kirchgänger setzen die religiöse Bildung von Teenagern und Kindem an die erste und zweite Stelle und nennen die Hilfe für bedürftige Mitglieder der Pfarrei als drittes. "Arbeit für die Änderung ungerechter sozio-ökonomischer Verhältnisse" erscheint ihnen dagegen als das unwichtigste Thema. Bei der öffentlichen Präsentation der Notre-Dame-Studie bedauerte der wissenschaftliche

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Leiter dann auch, daß die amerikanischen Katholiken zu Individualismus und Privatismus neigten 8 . 2. Kirchenmäuse - Die Soziologie des Aktivismus Wenn aber die amerikanischen Katholiken so loyal, gemäßigt und eher unpolitisch sind, wie sie in derartigen Meinungsbildern erscheinen, dann drängt sich die Frage auf, wie es denn zu den Kontroversen der 70er und 80er Jahre kommen konnte, in denen zwei sich heftig befehdende ideologische Lager erkennbar wurden, die offenbar durch alle Gliederungen der Kirche hindurchreichten und jeweils über ihre eigene Infrastruktur verfügten. Ein Hinweis auf die Soziologie des Aktivismus und damit auf die Antwort ergibt sich aus einer weiteren Besonderheit der Notre-Dame-Studie. Diese Untersuchung sollte ein Bild der tatsächlichen Verhältnisse in Pfarreien geben und konnte sich deshalb nicht mit der Erhebung genereller Meinungstrends begnügen. So wurden vier Gruppen unterschieden, nämlich das gemeine Volk der sonntäglichen Kirchgänger, die freiwilligen Mitarbeiter der Pfarrei, die angestellten Mitarbeiter und die Priester. Dabei werden zwei Prinzipien der Meinungsverteilung deutlich. So spielt zunächst die Nähe zu einem bestimmten Problem, also die Wahrscheinlichkeit der eigenen Betroffenheit, eine entscheidende Rolle. In Fragen wie der Bewertung der Scheidung oder der Empfängnisverhütung besteht ein deutlicher Unterschied zwischen Priestern einerseits und allen drei Laiengruppen andererseits. Davon abgesehen, erweisen sich jedoch die beiden Mitarbeitergruppen als innerkirchliche Meinungsführer, die sehr deutlich dazu neigen, die Aufgaben der Pfarrei und ihre eigene Arbeit pragmatisch zu verstehen. In ihren Augen nimmt das Konzil den Charakter eines generellen Reformprogramms an, dessen praktische Umsetzung noch aussteht. Daß es darum gehe, war der Sinn einer der Formulierungen, die in der Notre-Dame-Studie vorgegeben waren: Follow through more on changes and guidelines that resulted from Vatican li. Die ungewöhnlich starke Zustimmung der hauptamtlichen Mitarbeiter (3, 18 auf einer von 1,0 bis 4,0 reichenden Skala) zeigt, wie sehr diese Auffassung dem Selbstverständnis der Gruppe entspricht9 . Obwohl diese hauptamtlichen Mitarbeiter ein wichtiges neues Element im kirchlichen Leben bilden, fehlt es an verläßlichen Zahlen, weil die kirchlichen Jahrbücher nur Priester und Ordensleute aufführen. Doch wäre auch eine entsprechend ergänzte kirchenamtliche Statistik immer noch irreführend, weil keineswegs alle sogenannten "Kirchenmäuse" auf der Gehaltsliste einer Pfarrei oder einer Diözese stehen. Reguläre kirchliche 8

9

Leege, 1987, 4 und II und Leege/Trozzo1o, 1985, 8. ebd.

2. Kirchenmäuse - Die Soziologie des Aktivismus

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Mitarbeiter in diesem Sinne sind zweifellos die Diakone, deren beruflicher Weg meist mit einem Theologiestudium begann, dann aber, geplant oder ungeplant, eine Stufe unterhalb des Priesteramtes endete. Inzwischen finden sich in dieser Gruppe auch viele, die nach längerer Berufstätigkeit eine entsprechende Zusatzausbildung absolviert haben. Hinzu kommen die Mitarbeiter ohne Weihe, deren Funktion in Verwaltung und Organisation der Pfarreien oft weit über die Tätigkeitsmerkmale einer Sekretärin hinausreichen. Mit Hilfe dieses Stabes war es leichter, zunächst den Zuwachs auch durch Vergrößerung der bestehenden Pfarreien und nicht nur durch Neugründung von Pfarreien zu bewältigen und damit die Folgen des Priestermangels etwas abzumildern. Zu den "Kirchenmäusen", die soziologisch anspruchsvoller auch schon als die "neue Wissensklasse" 10 bezeichnet wurden, gehören jedoch auch andere, die je nach örtlichen Verhältnissen arbeitsrechtlich als Kirchenangestellte gelten oder nicht. Das beginnt mit den Lehrern in den katholischen Schulen, unter denen sich immer weniger Ordensleute finden, deren Arbeitgeber aber die Pfarrei, ein Orden oder ein Trägerverein sein kann. Ebenso verhält es sich mit Krankenhäusern, Altenheimen und Sozialstationen. Nach wie vor gehört es zum Selbstverständnis der Angestellten solcher Einrichtungen und auch zu den an sie gerichteten Erwartungen, daß sie sich aktiv am Leben der Pfarrei beteiligen. Ob sie dabei aber statistisch als Angestellte der Kirche (staff) oder als ehrenamtliche Mitarbeiter (volunteers) erscheinen, hängt von den genannten Zufälligkeilen ab. Jedenfalls ist die Zahl der Aktivisten insgesamt schon auf der Ebene der Pfarreien stark gestiegen, und die Gruppe der volunteers besteht nicht nur aus Hausfrauen und Bankangestellten, die ihre Freizeit opfern, sondern sie ist stark mit Professionellen durchsetzt, was zu einer Angleichung der beiden Mitarbeitergruppen geführt hat. Aber auch das ist nur ein Teil der neuen Kirchensoziologie. Zu der veränderten Gestalt der durchschnittlichen Pfarreien kommen noch zwei weitere Entwicklungen, die sich gegenseitig bedingen und verstärken, nämlich das Wachstum der überlokalen Strukturen und das Entstehen einer professionellen katholischen Intelligenz, die sich aus dem Zusammenwirken der Bildungsexpansion und des gewandelten Ordenslebens bildet. Weiterer Ausbau der nationalen kirchlichen Organisation

Das auffälligste institutionelle Wachstum ist die Vermehrung der Diözesen von 23 Erzbistümern und 102 Bistümern im Jahre 1950 auf 36 Erzbistümer und 162 Bistümer im Jahre 1993. Dieser Zuwachs um gut die Io Varacalli, 1983, 10.

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Hälfte liegt deutlich über dem der Pfarreien, deren Zahl in der gleichen Zeit von 15 000 auf 20000 stieg. Ebenso wichtig dürften die Veränderungen in der Organisationsstruktur der einzelnen Bistümer gewesen sein, also die Einrichtung neuer Institutionen des Bistums und neuer Abteilungen der bischöflichen Verwaltung. Die größten Rückwirkungen auch auf die Struktur der einzelnen Diözesen hatte jedoch der Ausbau der nationalen Ebene, den man tatsächlich als eine direkte Auswirkung des Konzils bezeichnen kann. Im 19. Jahrhundert hatten die drei Plenarversammlungen von Baitimare als Instrumente zur Vereinheitlichung der amerikanischen Kirche gedient. Daneben bildeten sich die Treffen der Erzbischöfe als eine wichtige, wenn auch inoffizielle Institution heraus, und nach dem Ersten Weltkrieg wurde schließlich nach einigem Hin und Her nicht ein National Catholic Welfare Council, sondern eine National Catholic Welfare Conference gegründet. Ebenso wie schon bei der Ersetzung von War durch Welfare blieb dabei die später allgemein gebräuchliche Abkürzung NCWC erhalten, aber der Vatikan hatte klargestellt, daß es sich um ein beratendes Gremium handelte und daß die Jurisdiktion der einzelnen Bischöfe unangetastet blieb. Einen kirchenrechtlichen Status erhielten die Bischofskonferenzen, die im Codex Juris Canonici von 1918 noch gar nicht vorkamen, erst durch das Konzil, nämlich durch das Dekret Christus Dominus, das sich mit dem Bischofsamt beschäftigte. Paul VI. hat schließlich angeordnet, überall Bischofskonferenzen zu bilden, was die amerikanischen Bischöfe sofort aufgriffen 11 • An die Stelle der NCWC traten 1966 zwei neue Organisationen, nämlich die National Conference of Catholic Bishops (NCCB) und die United States Catholic Conference (USCC). So entstanden einerseits die Bischofskonferenz als ein Beschlußgremium, dem ausschließlich die Bischöfe und die ihnen gleichgestellten Weihbischöfe und Koadjutoren angehören, sowie andererseits die Catholic Conference, die von den Bischöfen kontrolliert wird, an deren Beratungen und Aktivitäten aber auch Laien, Priester und Ordensleute beteiligt werden können. Die Mitglieder der NCCB, gegenwärtig mehr als 300 Personen, sind verpflichtet, an den jährlichen Vollversammlungen teilzunehmen, die jeweils im November stattfinden. Bei dieser Gelegenheit ist eine große Zahl von Ämtern zu besetzen. Dazu gehören die 50 Mitglieder des Verwaltungsrates (Administrative Committee) der zwischen den Sitzungen des Plenums in dringenden Angelegenheiten entscheiden kann. Für jeden der gegenwärtig 27 Ausschüsse der NCCB ist ein Vorsitzender zu wählen, und jedem der fünf USCC Ausschüsse (Communications, Education, Human Development, Domestic Policy, International Policy) wird ein Bischof als Vorsitzender 11

Dulles, 1988, 207.

2. Kirchenmäuse - Die Soziologie des Aktivismus

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und ein weiterer als einfaches Mitglied zugewiesen. Außerdem wählt das Plenum den Generalsekretär und den Schatzmeister. Für die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten jedoch ist ein besonderes Verfahren vorgesehen. Jeder der etwa 300 wahlberechtigten Bischöfe schlägt rechtzeitig vor der November-Sitzung schriftlich fünf Kandidaten vor. Die zehn Kandidaten, die dabei am häufigsten genannt werden, bilden die Wahlliste, die schließlich den versammelten Bischöfen vorgelegt wird, damit sie zunächst den Präsidenten und dann aus den verbleibenden neun Kandidaten den Vizepräsidenten wählen. Nach einer Analyse dieser Wahlen, die Thomas Reese I 988 veröffentlicht hat 12, standen die Kandidaten, von zwei Ausnahmen abgesehen, schon mehrmals auf der Zehnerliste, bevor sie zum Vizepräsidenten gewählt wurden. Hatten sie aber diese Position erst einmal erreicht, dann wurden sie stets auch Präsident, wenn sie wieder kandidierten. Die bischöfliche Dreiklassengesellschaft Als Ergebnis dieses Regelwerks teilen die etwa 300 Bischöfe sich nun in drei Gruppen, die in die nationale Organisation und Repräsentation der Kirche auf ganz unterschiedliche Weise einbezogen sind. Zwei von drei Bischöfen sehen sich darauf beschränkt, einmal pro Jahr ihr Stimmrecht auszuüben, und die meisten dieser 200 Bischöfe sind vermutlich froh darüber, danach wieder in ihre Diözese zurückkehren zu können. Das verbleibende Drittel unterteilt sich nochmals in zwei deutlich unterscheidbare Gruppen. Die 50 Mitglieder des Administrative Committee und die 37 Bischöfe, die für die verschiedenen Ausschüsse verantwortlich sind, werden in aller Regel mehrfach wiedergewählt und erhalten die Gelegenheit, sich in ein Gebiet einzuarbeiten. Dabei fällt ihnen jedoch zwangsläufig die Rolle zu, gegenüber den anderen Bischöfen die Meinung der hauptamtlichen Mitarbeiter und der hinzugezogenen Experten zu erläutern und zu vertreten. Wollen sie sich nicht auf den Apparat stützen, sondern eine eigene Position vertreten, dann müssen sie sich eine andere Legitimation, nämlich die eines Sprechers der Bischöfe besorgen, indem sie das Amt des Präsidenten oder des Vizepräsidenten anstreben. Aus diesem jährlichen ranking, an dem alle 300 Bischöfe durch die Nennung von fünf Namen aktiv und grundsätzlich auch passiv beteiligt sind, entsteht tatsächlich eine herausgehobene Gruppe, deren Mitglieder genügend Rückhalt besitzen, um den Apparat zu kontrollieren und die Gesamtheit der Bischöfe öffentlich zu vertreten. Gerade weil aber diese herausgehobene Position wirkliche Macht verleiht, ist dieses Privileg auf einen sehr kleinen, durch die begrenzte Amtszeit auch stets wechselnden Kreis begrenzt worden. Durch die egali12

Reese, 1989, 290.

13 Zöller

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sierende Auslegung der Kollegialität haben die Bischöfe also verhindert, daß einige von ihnen zu mächtig werden, doch haben sie damit ungewollt die Macht des Apparates noch gesteigert. Dessen gewachsene Größe und Bedeutung ist schon äußerlich daran zu erkennen, daß an die Stelle eines umgewandelten Schulhauses, das seit 1919 als Sitz des NCWC gedient hatte, zunächst ein schon deutlich größeres Haus und schließlich 1989 ein eigener Bürokomplex trat. In dieser, gegenüber der Catholic University errichteten Verwaltungszentrale arbeiten heute die 400 Angestellten von NCCB und USCC. Ob ein Sekretariat dieser Größe angemessen ist, hängt davon ab, welche Aufgaben die nationale Organisation der Kirche wahrnehmen soll. Das Konzil hat den Bischofskonferenzen in dem Dekret zur Stellung der Bischöfe, aber auch bei der Behandlung der Liturgie, eine vereinheitlichende Funktion zugewiesen. Sie sollen sich gemeinsam mit der Art der Verkündigung oder auch mit den Institutionen der Priesterausbildung beschäftigen, was tatsächlich auch einige der NCCB-Ausschüsse tun. Andere befassen sich ebenfalls noch innerhalb des vom Konzil formulierten Auftrages mit der Situation einzelner Gruppen, wie der Hispanics, der Schwarzen oder auch der Frauen. Hinzu kommen noch solche Aufgaben, die man als Repräsentation oder als Lobbyismus bezeichnen kann : Um die Kirche bei Gelegenheiten wie der Amtseinführung eines Präsidenten vertreten zu sehen oder um darauf hinzuweisen, daß bestimmte Gesetzgebungsvorhaben bestimmte Folgen für katholische Schulen oder katholische Krankenhäuser haben werden, benötigt man ein Sekretariat in der Hauptstadt. Eine Organisation der gegebenen Art und Größe kommt jedoch erst zustande, wenn der Kirche nach innen und nach außen ein umfassender Auftrag zur politischen Meinungsbildung zugeschrieben wird. Dann geht es nicht nur um "katholische Interessen" oder um die Bekräftigung unaufgebbarer moralischer Forderungen, wie im Falle der Auseinandersetzungen um das Abtreibungsrecht Vielmehr soll die Kirche eine konsistente moralische Beurteilung der gesamten Politik anbieten und den politischen Prozeß in diesem Sinne beeinflussen. Eben dies war die Auffassung des neuen Typs kirchlicher Aktivisten, deren Selbstverständnis sich deutlich von dem der katholischen Sozialaktivisten der 20er Jahre unterscheidet. Die nationale katholische Organisation sollte nach diesem Verständnis zu einem Gesamtlobbyisten werden, der zu allen politischen Fragen nicht nur in den Anhörungen des Senats und des Repräsentantenhauses, sondern auch in der Öffentlichkeit eine "katholische" Stellungnahme abgibt und der außerdem nach innen hin die Kirche kontinuierlich entsprechend mobilisiert. Die Tätigkeit von NCCB und USCC kam diesem Ideal im Laufe der 70er und 80er Jahre immer näher,

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obwohl man unterstellen darf, daß die Mehrheit der Bischöfe kein derartiges Konzept vertrat. Doch spielt es keine Rolle, ob die einzelnen Bischöfe aus Überzeugung für politische Aktivitäten der Kirche eintraten, ob sie sich davon eine Imageverbesserung versprachen oder ob sie glaubten, die Diskussion um politische Programme, die sich vermeintlich nur an die Politiker und die Öffentlichkeit richteten, seien deshalb unschädlich oder lenkten vielleicht sogar von innerkirchlichen Konflikten ab 13 .

Vervielfältigende Abbildung der Strukturen Ganz unabhängig von den unterschiedlichen Motiven wuchs der Apparat aus zwei Gründen. Erstens führte jede denkbare Reaktion der Bischofskonferenz oder einzelner Bischöfe dazu, daß die nationale Organisation weiter ausgedehnt und auf den anderen Organisationsebenen nachgeahmt wurde. Zweitens stand erstmals innerhalb des Katholizismus eine soziale Gruppe bereit, die ein Interesse daran hatte, innerhalb dieser Organisationsstruktur tätig zu werden und ihre eigene soziale Position durch deren Ausdehnung abzusichern. Die organisatorische Gestalt der Spitze wurde also immer weiter nach unten abgebildet, denn wenn es in Washington ein Komitee, eine Arbeitsgruppe oder ein Büro mit einer bestimmten Aufgabenstellung gab, dann mußte früher oder später auch in den Diözesen etwas Entsprechendes eingerichtet und von geeigneten Mitarbeitern betreut werden, sei es, weil anders die zentrale Einrichtung in der Luft hing, sei es, daß man nur so in Washington mitreden oder gegensteuern konnte, oder sei es auch, daß die einzelnen Diözesen in Zugzwang gerieten und ein Thema aufgreifen mußten, wenn sie nicht als rückständig erscheinen wollten. Jedenfalls richtete die NCCB im Laufe der Zeit dreizehn Regionalbüros ein, um der Vielfältigkeit des Landes Rechnung zu tragen, während die Diözesen in unterschiedlichem Ausmaß die Gremien und die Verwaltungsstruktur des NCCB übernahmen. Wie bereits angedeutet, war es dabei ganz gleichgültig, ob die Beteiligten eher progressiv argumentierten, also der jeweiligen Initiative zentraler Gremien eine Basis verschaffen wollten, oder ob es ihnen darum ging, "denen in Washington" auf die Finger zu sehen und für "ausgeglichenere" Stellungnahmen zu sorgen. Diese konservative Reaktion auf sozial-moralische Aktivierungskampagnen, nämlich "Schlimmeres verhindern" oder "Einseitigkeiten anprangern" zu wollen, führte im Gegenteil mit der Forderung nach Repräsentativität noch ein zweites Vervielfältigungsprinzip ein: Es sollte nicht nur von oben nach unten die Organisationsstruktur abgebildet werden, sondern auch von 13 13*

Varacalli, 1983, 74.

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unten nach oben die Gesellschaftsstruktur. Damit das normale Kirchenvolk sich in den Stellungnahmen und Aktionen wiedererkenne, dürfe man nicht nur die Armen der Welt und die Minderheiten Amerikas berücksichtigen, sondern müsse auch an jene denken, an die die Politiker sich besonders vor den Wahlen erinnern. In den Worten Bill Clintons handelt es sich um die Leute, die sich an die Regeln halten, ihre Steuern zahlen und ihre Kinder großziehen. Eben diese "normalen Amerikaner" waren auf der unteren Ebene reichlich vertreten, da die Pfarreien ja von ihrer Beteiligung, ihren Beiträgen und ihrer freiwilligen Arbeit leben. Ganz anders sah es in Diözesangremien und erst recht in nationalen Gremien aus, wo die professionellen Aktivisten den Ton angaben. Dennoch ging es nicht um eine numerisch angemessene Repräsentanz der Mehrheit, sondern um eine intellektuell angemessene Verteidigung ihrer Lebensformen und Werte. Damit war die Lücke bezeichnet, die nun von einigen wenigen neo-konservativen katholischen Intellektuellen ausgefüllt wurde, die sich darauf spezialisierten, ein Gegengewicht zur katholischen neuen "Linken" und deren sozial-moralischem Aktivismus zu bilden. Bildung zweier Lager auch im Katholizismus

Daß es berechtigt ist, von einem neuen linken Aktivismus und einem Neo-Konservatismus zu sprechen, zeigt der Vergleich mit dem katholischen Sozialaktivismus der 20er und 30er Jahre oder mit der herkömmlichen amerikanischen "Rechten" innerhalb und außerhalb der Kirche. Die Progressiven älterer Spielart hatten sich für konkrete sozial-politische Maßnahmen eingesetzt und besonders den Zusammenhang zwischen Schulbildung und sozialem Aufstieg betont. Ebenso wie die Gewerkschaften, mit denen sie verbunden waren, glaubten sie an das Amerika, das ihnen in vieler Hinsicht reformbedürftig erschien. Sie waren deshalb strikt anti-kommunistisch, und eine marxistisch inspirierte Theologie wäre ihnen als ein Widerspruch in sich erschienen. Den neuen Aktivisten aber geht es nicht in erster Linie um Sozialpolitik, die sie oft verächtlich als Reformismus bezeichnen und allenfalls noch für angebracht halten, wenn von Minderheiten die Rede ist. In ihren Augen kann man Amerika nicht erneuern, sondern man muß Amerika verurteilen, weil es für Ausbeutung, Unterdrückung und männlich-sexistische Herrschaft steht. Die individuelle Emanzipation beginnt deshalb mit der moralischen Emanzipation von Amerika, das in der Rhetorik dieser Aktivisten nur dann noch als ein positiver Begriff auftaucht, wenn es darum geht, die Notwendigkeit einer eigenständigen, von Rom distanzierten Kirche zu betonen. Ansonsten wird der Feind in Rom wie in Amerika vermutet, und er setzt

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nach Meinung dieser Aktivisten alles daran, jene Emanzipation rückgängig zu machen, für die innerkirchlich das Konzil als Symbol dient. Das Gegenstück dieses neuen Aktivismus, wenn auch nicht sein wichtigster Gegner, sind daher jene Gruppen, die sich alle Mühe geben, solchen Befürchtungen den Anschein von Berechtigung zu verleihen. So bilden beide eine "unheilige Allianz", wie die eher links-liberale Margaret O'Brian Steinfels, die Herausgeberin von Commonweal, ganz in Übereinstimmung mit einem Buch des neo-konservativen George Weigel, feststellt 14• Die radikalen Organisationen der einen Seite, die sich heute nur noch selten als links bezeichnen, sondern sich als Kämpfer für bestimmte Rechte verstehen (so etwa die Association for Rights of Catholics in the Church, ARCC), arbeiten jedenfalls denen der Gegenseite entgegen, die meist weniger organisiert sind und sich um Zeitschriften und Rundbriefe wie den Wanderer oder The Catholic Eye gruppieren. Beide wollen sich gegenseitig aus der Kirche hinausdefinieren, beide sehen das Konzil als die Gabelung, von der ab die Kirche erst auf den richtigen Weg fand oder umgekehrt in die Irre ging, und beide halten die amerikanische Kultur für grundlegend korrumpiert und heillos 15 . Die traditionalistische Rechte ist freilich organisatorisch und intellektuell unbedeutend, denn das von den Progressiven stets als Gefahr beschworene Opus Dei übt jedenfalls keinen öffentlichen intellektuellen Einfluß aus, tritt also weder durch Veranstaltungen noch durch Publikationen hervor. Dagegen haben die sogenannten neo-konservativen Intellektuellen die Funktion übernommen, der unartikulierten Mehrheit Argumente an die Hand zu geben und jene Progressiven zu kritisieren, die in den Apparaten und in der akademischen Theologie vorherrschen. Sie stoßen dabei wegen des geschilderten institutionellen Wachstums auf so viele Betätigungsfelder und Gelegenheiten, daß sie kaum in der Lage sind, die Nachfrage zu befriedigen. Der Begriff Neo-Konservatismus wurde seit den 70er Jahren gebraucht, um diejenigen zu bezeichnen, die auf unorganisierte Weise der sogenannten Kulturrevolution und ihren Parolen entgegentraten. Obwohl es sich also um einen Sammelbegriff für sehr unterschiedliche Personen und Positionen handelte, gab es doch Gemeinsamkeiten. Viele dieser Intellektuellen waren Sozialwissenschaftler, die meisten hatten sich zuvor als "Linke" verstanden, und es fanden sich unter ihnen auffällig viele Juden und Katholiken. Diese ehemaligen Progressiven hatten keine Verbindung mit der herkömmlichen amerikanischen "Rechten". Sie waren Söhne oder Enkel europäischer Einwanderer, und daher fehlte ihnen das Verständnis für den poli14 15

O'Brian Steinfels, 1992, 377ff. und Weigel, 1989, 702ff. Greeley, 1986, 205 ff.

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tischen Isolationismus der traditionellen "Rechten" ebenso wie der Zugang zu den entsprechenden sozialen Zirkeln. Vielmehr hielten sie wie die älteren Progressiven daran fest, daß Amerika in der Welt eine unentbehrliche Rolle zu spielen habe. Auch den alten Reformismus behielten sie bei, obwohl die meisten von ihnen zunehmend den Glauben daran verloren, daß die Tätigkeit des Staates unter allen Umständen segensreich sei. Ob sie aber New Dealer blieben oder nicht, sie waren für eine moralische Generalkritik an Amerika viel weniger zu haben als die Nachkommen des kulturellen Establishments von Neuengland. Als Kristallisationspunkt diente zunächst die vom American Jewish Committee herausgegebene Zeitschrift Commentary, deren Kurs von Irving Kristal und Norman Podhoretz bestimmt wurde. Dort, sowie in anderen Zeitschriften, wie der New Republic, publizierten auch einzelne katholische Autoren, wie Michael Novak oder George Weigel, bevor sie sich eigentlich erst in Reaktion auf die Hirtenbriefe der 80er Jahre als eine katholische Gruppe erfuhren und dann auch ihre eigenen Zeitschriften, wie Crisis oder First Things, gründeten. Ihre Position ist wohl besonders dadurch bestimmt, daß sie den katholischen Optimismus der "Tocqueville-Acton-Tradition" aufrecht erhalten, also nicht an die Verderbtheit und Unerlösbarkeit Amerikas und der modernen Welt glauben. Sie sind darin als heutige Konservative die Erben der progressiven Americanists des 19. Jahrhunderts. Da sie an die älteren katholischen Liberal-Konservativen anknüpfen und sich selbst auf eine CatholicWhig-Tradition berufen, versuchen sie auch dem Gegensatz zweier verkürzter Traditionsbegriffe und entsprechender Vereinahmungen des Konzils zu entkommen, sich also von einem Traditionalismus ohne Wandel ebenso zu distanzieren, wie von einem Modemismus ohne Kontinuität, der für alle Positionen offen ist, außer für die Argumente der katholischen Tradition. Als publizistische Wortführer der Neo-Konservativen profilierten sich vor allem die bereits genannten Intellektuellen Michael Novak und George Weigel, während in der akademischen Theologie eine ähnliche Position von A very Dulles vertreten wurde, der damit lange Zeit alleine stand. Das katholische Kulturprinzip und die Soziologie des Aktivismus Die Politisierung der Religion, mit der die protestantischen Kirchen Amerikas schon seit langem vertraut waren, hat also in den 60er Jahren auch den amerikanischen Katholizismus erreicht. Katholiken und Protestanten lebten nun in der gleichen Welt und waren deshalb auch den gleichen Entwicklungen ausgesetzt. Ein unaufbebbarer Unterschied freilich blieb dennoch bestehen. Katholizismus und Protestantismus besaßen als Ausdruck ihres jeweiligen Kirchenverständnisses unterschiedliche Organisationsstrukturen, und diese waren alles andere als nebensächlich, weil sie eine Vorent-

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scheidung darüber enthielten, auf welche Weise man versuchen konnte, sozialen und kulturellen Wandel zu bewältigen. Dabei läuft der Protestantismus als kulturelles Prinzip auf den Versuch hinaus, der andauernden Veränderung der Verhältnisse durch individuelles Lernen und durch entsprechende Wahlhandlungen des einzelnen zu begegnen, was bei fehlender landeskirchlicher Verfassung zu jener organisatorischen Vervielfältigung führt, wie sie sich im amerikanischen Protestantismus eingestellt hat. Die Geschichte kennt dann auch in religiöser Hinsicht jeweils Gewinner und Verlierer, weil man, wie oben beschrieben, umsteigen kann, statt auszusteigen. Dem Katholizismus ist dieser Weg der Binnenkonkurrenz verschlossen, denn sein kulturelles Prinzip ist das institutionelle Lernen, und daher reagiert er auf den Wandel durch institutionelle Differenzierung. Er versucht, den Zeitgeist zu kanalisieren, ihm einen genau umschriebenen Platz innerhalb der Kirche zuzuordnen, um auf diese Weise einerseits seine Wirkung abzuschwächen und andererseits seine Energie in eine positive Kraft zu verwandeln. Dies erscheint als die Quadratur des Kreises; aber die Aufgabe wurde gelöst, weil es und so lange es gelang, soziale Bewegungen in Ordensgemeinschaften zu verwandeln, sie in eine Regel der Lebensführung zu übersetzen. Während also das protestantische Kulturprinzip auch durch die Formel Vielfalt bei Gleichheit ausgedrückt werden kann, läuft das katholische auf das Gegenteil, nämlich auf Einheit bei Ungleichheit hinaus - und das war ja den Reformatoren als der eigentliche Skandal des Katholizismus erschienen, daß es nämlich unterschiedliche Grade der religiösen Berufung gab, der auch verschiedene Anforderungen entsprachen, so daß die Mehrheit der einen sich auf die stellvertretenden Leistungen der anderen hinausreden konnte. Das katholische Prinzip steht und fällt jedenfalls damit, daß es gelingt, soziale Bewegungen in eine geregelte Lebensform, also eine institutionelle Gestalt zu übersetzen, und umgekehrt wird die Frage nach dieser Fähigkeit zur Verstetigung zum Test für Kraft und Substanz einer solchen Bewegung. Beides setzt voraus, daß alle Beteiligten gewillt sind, die daraus folgenden Ungleichheiten der Lebensformen zu akzeptieren, und daß die kirchliche Hierarchie bereit und in der Lage ist, die institutionellen Abgrenzungen zu benennen und aufrechtzuerhalten. Der amerikanische Katholizismus aber war nun in eine Kultur eingetaucht, die so sehr von dem protestantischen Prinzip geprägt ist, daß man dazu neigt, in allem das Ergebnis individueller Wahl zu sehen und Hierarchien ebenso mißtrauisch zu betrachten, wie die diskriminierende Arbeitsteiligkeit verschiedener religiöser Berufe und Lebensformen. Sharing, joining, belanging (dazugehören und dabeisein) und to get things done (etwas voranbringen) sind amerikanische Maximen, so daß eine

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abgegrenzte Sonderexistenz ohnehin nicht hoch im Kurs steht. Dies gilt erst recht, wenn der Verzicht auf das aktive Leben auch Verzicht auf das gute Leben bedeutet, wobei der wachsende Wohlstand der anderen nicht nur deshalb ins Gewicht fällt, weil er Zugang zu Konsumgütern verspricht, sondern mehr noch, weil er Chancen der Mobilität und der Kommunikation bietet. Es ist jedenfalls nicht erstaunlich, daß die Krise der 60er Jahre sich besonders als eine Krise des Ordenslebens bemerkbar gemacht hat. Hecker hatte sein Ziel der Versöhnung von Katholizismus und amerikanischer Kultur noch in die Lebensregel einer neuen religiösen Gemeinschaft übersetzt, woraus die Paulists, der sogenannte amerikanische Orden, entstanden. Dies dürfte das letzte Mal gewesen sein, daß eine solche Gruppe sich auf derartige Weise verstetigte, denn als Organisationsform der innerkirchlichen Intelligenz haben die Orden inzwischen Konkurrenz erhalten. Wer Teil einer kirchenpolitischen oder sozial-moralischen Partei sein möchte, hat es nun einfacher. Er kann dieses Interesse zum Beruf machen, ohne sein ganzes Leben unter das Diktat einer Ordensregel zu stellen, weil eine eigene nationale Öffentlichkeit des amerikanischen Katholizismus entstanden ist. Das begann mit dem Lebenswerk eines anderen Paulist, des Paters John Burke, der das NCWC gründete und durch kluges Taktieren zu einer Dauereinrichtung machte. Es setzte sich fort in der geschilderten zweifachen Abbildung der Strukturen, so daß ein institutionales Geflecht aus Aktionsgruppen, Zeitschriften, Bildungseinrichtungen, Stiftungen etc. entstand, das zum Betätigungsfeld der neuen katholischen Intelligenz wurde. Diese neue Klasse der hochqualifizierten "Kirchenmäuse" übernimmt nicht nur eine klassische Funktion der Orden, nämlich die Profilierung des christlichen Bewußtseins (freilich ohne die entsprechende Position auch verbindlich vorzuleben, also ohne Askese), sondern sie beerbt sozusagen die Orden in einem doppelten Sinne, auch soziologisch. Sie rekrutiert sich nämlich zunächst aus jenen Töchtern und Söhnen des katholischen Mittelstandes, die von der Bildungsexpansion der Nachkriegszeit profitiert haben, ausreichend durch das katholische Milieu geprägt sind, um innerhalb der Kirche arbeiten zu wollen, aber eine uneingeschränkte Verpflichtung nicht eingehen wollen. Das gilt für diejenigen, die von vomherein zwischen dem Beruf und ihrem Leben noch unterscheiden wollen, die also wie der Rest der Gesellschaft ein Recht auf Privatleben beanspruchen, aber auch für jene, die noch vor der Weihe oder dem Eintritt in einen Orden an ihrer Berufung zu zweifeln beginnen. Zu der neuen Klasse stoßen jedoch auch diejenigen Ordensleute, die für eine Tätigkeit in den Apparaten freigestellt wurden, oder solche, die ihren Orden verlassen haben, dadurch aber für den kirchlichen Dienst in weiteren Sinne noch keineswegs als disqualifiziert gelten.

3. Mißlungene Mobilisierung

201

Diese Klasse spezialisiert sich darauf, die intellektuelle Auseinandersetzung um die Konsequenzen des Wandels zu führen. Sie beansprucht jeweils, den Fortschritt oder die Stabilität zu repräsentieren, und organisiert dabei diese beiden Pole des jüdisch-christlichen Geschichtsverständnisses unabhängig voneinander. Beide Parteien ordnen sich freilich nur teilweise in die innerkirchliche Arbeitsteilung ein und können auch die Rolle der Orden nur sehr unvollkommen ausfüllen. Wenn sie sich etwa auf die innerkirchliche Polemik konzentrieren, so übernehmen sie damit eine durchaus traditionsreiche und notwendige Aufgabe, die sie aber, anders als ihre klerikalen Vorläufer, nicht mit der Seelsorge für bestimmte Gruppen verbinden können. Einerseits sind sie auf eine einzige Leistung eingeschränkt, andererseits unterwerfen sie sich aber keiner Regel und keiner institutionellen Gestalt, die den besonderen und begrenzten Charakter ihrer Rolle zum Ausdruck brächte. Schließlich verändert diese neue Klasse auch insofern die institutionelle Arbeitsteilung, als sie durch ihre eigene funktionale Einseitigkeit zur weiteren Vereinseitigung anderer "Klassen" beiträgt. Sie überträgt die Logik ihrer eigenen ideologischen Zweiteilung auf vergleichbare Gruppen, wie die Theologieprofessoren und die intellektuell orientierten Orden, die sie sich damit sozusagen einverleibt, und durch ihren intellektuellen Monopolanspruch verweist sie die Pfarrer noch mehr auf die pastorale und die Bischöfe noch mehr auf die administrative Rolle. Der Aufstieg der neuen Klasse stellt also für die Kirche vor allem eine ordnungspolitische Herausforderung dar. Es geht darum, die Zusammenarbeit verschiedener Funktionsgruppen neu zu organisieren und dabei deren jeweiligen institutionellen Ort zu definieren. Am Ende bleibt es daher bei der Paradoxie, daß nur die Bischöfe die Entwicklung in geordnete Bahnen lenken können, obwohl sie als Ergebnis eben dieser Entwicklungen gerade dafür kaum gerüstet sind.

3. Mißlungene Mobilisierung Nach dem Stimmungshoch der 50er Jahre und der nachfolgenden tiefen Verunsicherung standen seit Ende der 70er Jahre die Zeichen auf Beruhigung und Erholung. Das allgemeine Klima war durch eine entpolitisierte Ermüdung, aber auch durch Zuversicht bestimmt, und die Kirchenstatistik deutete auf ein Ende der Abwärtsbewegungen oder jedenfalls auf deren Verlangsamung. Doch ausgerechnet in dieser Zeit, nämlich in den Jahren zwischen 1976 und 1986 wurde der amerikanische Katholizismus durch eine beispiellose Kette politischer Mobilisierungskampagnen in Atem gehalten. Die Abfolge von Textentwürfen, zustimmenden und ablehnenden Stel-

202

Kap. V: Eine Welt ohne Nonnen

lungnahmen in Anhörungen, überarbeiteten Texten und neuerlichen Äußerungen der mittlerweile bekannten Sprecher beider Seiten etc. enthielt Elemente einer medienwirksamen Strategie, und tatsächlich wurde das öffentliche Bild der Kirche über mehrere Jahre hinweg von Auseinandersetzungen über geplante politische Äußerungen bestimmt. Dennoch ging es nicht in erster Linie darum, die katholische Kirche in der Öffentlichkeit darzustellen, weshalb auch keineswegs nur die Spitzenorganisationen in Washington und die Medien beteiligt waren. Es wurde im Gegenteil mit enormem Aufwand versucht, alle Ebenen der kirchlichen Organisation einzubeziehen. Dabei waren freilich aktive und passive Rollen deutlich zu unterscheiden, weshalb es berechtigt ist, von einer innerkirchlichen Mobilisierungskampagne zu sprechen. Der Apparat sorgte nicht nur für Dokumentationen aller Art, sondern organisierte Großveranstaltungen, bereitete Delegierte in Work-Shops vor und kümmerte sich sogar um die Auswahl der richtigen Delegierten. Das ganze glich also sehr viel mehr einer von Bürokraten gelenkten "Revolution von oben" als einem amerikanischen grass-roots-movement. Die Detroit-Justice-Conference Diese Aktivierung von oben begann mit dem sogenannten Bicentennial Program von 1975 und 1976, dessen einzelne Teile auf eine abschließende dreitägige Großveranstaltung, die Peace and Justice Conference von Detroit, hinführten. Der katholische Beitrag zu dem Jubiläum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sollte also darin bestehen, den beklagenswerten Zustand Amerikas, freilich auch der übrigen Welt, darzustellen. Vielen Bischöfen war bei diesem Plan nicht wohl, während der Erzbischof von Detroit, der Kardinal John F. Dearden, sich dafür einsetzte. Doch konnte über den Plan als solchen offenbar nicht mehr diskutiert werden, und man konzentrierte sich stattdessen auf die Regelung der Verantwortlichkeiten, also darauf, wer das Programm der Veranstaltungsserie genehmigen und später für die Auswertung zuständig sein sollte. Joseph L. Bernardin, damals Erzbischof von Cincinnati und Präsident des NCCB, der von 1968 bis 1972 Generalsekretär gewesen war, schlug vor, kein eigenes Gremium einzurichten, also die Entscheidungen bei dem ständigen Ausschuß und dem Präsidium zu lassen. Der sogenannte linke Flügel unter der Führung des Erzbischofs von Newark, Peter Gerety, wollte dagegen ein adhoc-committee einsetzen, dem auch Mitarbeiter und Laien angehören konnten. Der Kompromiß bestand darin, daß zwar ein solches Komitee geschaffen wurde, aber nicht Gerety den Vorsitz erhielt, sondern der damalige Vizepräsident John R. Roach, der Erzbischof von Minneapolis, der für Ausgewogenheit sorgen sollte.

3. Mißlungene Mobilisierung

203

Die weitere Entwicklung auf dem Weg nach Detroit ist nur deshalb interessant, weil sie die Arbeits- und Denkweise der professionellen Aktivisten zeigt. Quer über das Land wurden Seminare veranstaltet, um Interessenten auf Detroit vorzubereiten und zu entsprechenden Aktivitäten in ihrem Umfeld zu animieren. Doch diese Vorauswahl von Freiwilligen fiel nicht nach dem Geschmack der Organisatoren aus. In den Diskussionsveranstaltungen, die in vielen Pfarreien nach einem in Washington entworfenen Schema stattgefunden hatten, und auch in den Vorbereitungsseminaren hatte sich gezeigt, daß die meisten Teilnehmer middle-class white Americans waren, und das einzig Überraschende daran ist, daß die Profis dies überraschend fanden. Sie verfaßten jedenfalls ein Merkblatt zur Auswahl von Delegierten, das sie an alle Diözesen schickten, um eine ausgeglichene Zusammensetzung der Detroit Justice Conference (somewhat of a balance) zu erreichen. Damit war keineswegs gemeint, daß die Delegierten die Sozialstruktur des amerikanischen Katholizismus oder das vorhandene Meinungsspektrum widerspiegeln sollten. Das Merkblatt sprach jeder Diözese neun Teilnehmer zu, die wiederum zu etwa gleichen Anteilen aus drei verschiedenen Gruppen auszuwählen waren. Aus der Spitze des Bistums sollten der Bischof selbst, der Diözesankoordinator des Bicentennial Programs und der Direktor der Erwachsenenbildung oder der Leiter des Social Justice-Büros ausgewählt werden. Drei weitere Teilnehmer sollten aus verschiedenen Pfarreien kommen und sich bereits an den vorausgegangenen Aktivitäten beteiligt haben. Die Mitglieder der dritten Gruppe schließlich hatten sich dadurch zu qualifizieren, daß sie selbst "Opfer der Ungerechtigkeit" waren. Zusätzlich zu dieser gesteuerten Auswahl aus den Diözesen erhielten noch etwa 100 katholische Organisationen das Recht, Vertreter zu entsenden. Dazu zählte der Apparat wiederum sich selbst und die Vertreter von Minderheiten 16. Die dreitägige Konferenz in Detroit, an der schließlich mehr als tausend Personen teilnahmen, entwickelte sich zu einem chaotischen Happening und erinnerte viele Beobachter an den berüchtigten Parteitag der Demokraten in Chicago, der 1968 der Öffentlichkeit und den traditionellen Wählern aus der weißen Arbeiterschaft den Eindruck vermittelt hatte, daß die Partei in die Hände radikaler Minderheiten gefallen sei. So bemängelten die Organisationen der polnischen ethnics, sie hätten in Detroit alle möglichen Gruppen entdeckt, aber keine Vertreter der working class European ethnic Catholics. Kardinal John Kral von Philadelphia hatte sich in einem Arbeitskreis in der Frage der Frauen-Ordination nicht gegen eine Überzahl von Feministinnen durchsetzen können und beklagte sich darüber, daß die ganze Konferenz von solchen Gruppen beherrscht werde 17• 16 17

Varacalli, 1983, 149. Varacalli, 1982, 102 ff.

Kap. V: Eine Welt ohne Nonnen

204

Die innerkirchliche Wirkung des verunglückten Experiments von Detroit bestand vor allem darin, daß viele, die man bisher als Linksliberale eingestuft hatte, sich von dem neuen Aktivismus distanzierten. Andrew Greeley etwa, einer der Exponenten des älteren sozialreformerischen Progressismus, charakterisierte die Teilnehmer des Spektakels von Detroit in Formulierungen, die man am besten unübersetzt wiedergibt: A ragtag assembly of hooks crazies, flakes, militants, lesbians, homosexuals, ex-priests, incompetents, castrating witches, would-be-messiahs, sickies and other assorted malcontents18. Die politischen Hirtenbriefe der 80er Jahre

Ähnlich wie Greeley schienen auch die Bischöfe in der Auswahl der "ausgesuchten Unzufriedenen" das Problem zu sehen. Ihre Reaktion bestand nicht in Selbstkritik, sondern in dem Ruf nach mehr Kontrolle. Sie fragten sich also nicht, ob sie mit der politischen Profilierung der Kirche auf dem richtigen Weg waren, sondern fanden, daß die Peace and Justice Conference von Detroit nur den Organisatoren entglitten war, weshalb sie nun die Themen Frieden und Gerechtigkeit selbst in die Hand nahmen. Die Bischöfe entwickelten einen Fahrplan, der von ihren eigenen Plenarversammlungen in der zweiten Novemberhälfte, aber auch von dem politischen Kalender ausging. Um den Anschein von Parteinahme zu vermeiden, sollte jeweils das Jahr vor Präsidentschaftswahlen ausgespart werden. Tabu waren demnach die Zeit zwischen der Bischofskonferenz Ende November 1979 und der Präsidentschaftswahl Anfang November 1980, und danach blieben drei Jahre Zeit bis zur Bischofskonferenz von 1983, die schon wieder in der Nähe eines Wahlkampfes lag. So setzten die Bischöfe im November 1980 je ein ad-hoc-committee der NCCB ein und benannten gleichzeitig auch ein entsprechendes USCC-Komitee, um Mitarbeiter der Bischofskonferenz und zusätzliche Experten in die Vorbereitungen einzubeziehen. Die eine Arbeitsgruppe hieß nun Ad hoc Committee on War and Peace in the Nuclear Age und sollte von Bernardin geleitet werden. Die andere erhielt die Bezeichnung Ad hoc Committee on Catholic Social Teaching and the U.S. Economy, und zum Vorsitzenden wurde der Erzbischof von Milwaukee, Rembert G. Weakland bestimmt. Schon damals legten die Bischöfe auch fest, daß der Hirtenbrief zu Krieg und Frieden bald veröffentlicht werden sollte, während für das Thema der Wirtschaftsordnung eine deutlich längere Vorbereitungszeit eingeplant wurde. Diese Entzerrung gab auch leitenden Mitgliedern der Bürokratie die Möglichkeit, in beiden Gruppen mitzuarbeiten. Anders hätte sich jedenfalls nicht die verbreitete 18

ebd.

3. Mißlungene Mobilisierung

205

Meinung bilden können, J. Bryan Hehir sei als Leiter des Department of Social Development and World Peace des USCC der Autor beider Texte. Das Committee on War and Peace legte schon im Sommer 1982 einen Entwurf vor, um Gelegenheit zu Stellungnahmen zu geben. Zu den Reaktionen gehörte ein vollständiger Gegenentwurf, dem Michael Novak, auf den Namen des Komitees anspielend, den Titel Moral Clarity in the Nuclear Age gab. Danach wurde eine zweite, gestraffte Version vorgelegt, die den Bischöfen als Vorlage für ihren Hirtenbrief diente und den sie schließlich im Mai 1983 auf einer außerordentlichen Versammlung in Chicago verabschiedeten, wo inzwischen Bemardin als Erzbischof residierte. Der Hirtenbrief erhielt den Titel The Challenge of Peace; God's Promise and Our Response. Das umfangreiche Dokument erläutert die Prinzipien, die man als Elemente der Bellum-iustum-Lehre bezeichnen könnte und konzentriert sich dann auf das Problem der atomaren Kriegsführung, wobei die Bischöfe den sogenannten "Erstschlag" ebenso wie die Drohung mit einem solchen uneingeschränkt und unter allen Umständen verurteilen. Sie setzten sich damit zwei Einwänden aus, die vor und nach der Verabschiedung des Hirtenbriefes vorgebracht wurden, ohne daß die Bischöfe darauf geantwortet hätten. Erstens erweckt der Text den Anschein, als seien die formulierten und moralischen Urteile die direkte und zwingende Konsequenz aus den zuvor erörterten Lehren, obwohl etwa Novak gezeigt hatte, daß man unter Berufung auf diese Prinzipien auch zu den entgegengesetzten Schlußfolgerungen kommen kann. Zweitens wurde die vermeintliche Eindeutigkeit des Hirtenbriefes eben nur dadurch erreicht, daß man die Wirklichkeit entsprechend vereinfachte; denn die Bischöfe konzentrierten sich nur auf die Nuklear-Waffen und ignorierten die fließenden Übergänge zwischen konventionellen und nichtkonventionellen Waffen ebenso wie die Möglichkeit, eine konventionelle Überlegenheit zu nutzen. Vollends blauäugig und auch wenig originell argumentierten die Bischöfe schließlich, als sie am Ende des langen Dokuments behaupteten, es gäbe einen Ersatz für Krieg, nämlich "Verhandlungen unter der Aufsicht einer globalen Körperschaft". Diese Weltschiedsstelle sollte einerseits "so verfaßt sein, daß sie die Souveränität der Nationen nicht bedroht", andererseits aber "realistisch darauf zugeschnitten sein, ihre Aufgabe zu erfüllen" und "die nötige Ausstattung erhalten, um die ganze Welt kontinuierlich zu überwachen". Dabei könnte diese neue "Weltpolizei" ihre Aufgabe ja nur dann erfüllen, wenn sie den Willen und die Mittel hätte, Drohungen mit jeder Art von Waffen durch glaubhaft abschreckende Gegendrohungen zuvorzukommen, also das zu tun, was die Bischöfe nicht erlauben wollten 19 . 19

Ellis, 1967, 2. Bd., 886.

206

Kap. V: Eine Welt ohne Nonnen

Dieser erste Kraftakt brachte also nichts Neues, denn er führte zu keiner Aussage, die man als klares Ergebnis einer für Katholiken unbestreitbaren Morallehre hätte bezeichnen können. Bevor der zweite Versuch mit noch größerem Aufwand zu Ende geführt wurde, trat die durch den Wahlkampf von 1984 diktierte Pause ein. Doch nachdem Ronald Reagan wiedergewählt war und auch die Mehrheit der Katholiken für ihn gestimmt hatte, erschien es manchen umso nötiger, die beiden Begriffe aufeinander zu beziehen, die im Namen des zweiten Komitees enthalten waren : Catholic Social Teaching und U. S. Economy. Das NCCB-Komitee, erweitert um sieben "Berater" und vier leitende Mitarbeiter des USSC, hatte seit Anfang 1981 an einem ersten Entwurf gearbeitet und zwischen November 1981 und Juli 1984 15 meist zweitägige Anhörungen durchgeführt, wobei 113 Experten zu Wort kamen. Als Experten galten Mitarbeiter kirchlicher Organisationen, ehemalige Politiker und Beamte, einige Manager, Mitarbeiter von Stiftungen und schließlich Wissenschaftler, wobei die Zahl der Theologen deutlich größer war als die der Ökonomen. Die Liste der Eingeladenen, die zusammen mit dem ersten Textenwurf veröffentlicht wurde, weist manche Merkwürdigkeiten auf. Dazu gehört, daß zwei Experten offenbar unentbehrlich waren. Michael Novak wurde insgesamt dreimal benötigt, um eine ansonsten wohl zu schwach vertretene Position abzudecken. David Hollenbach dagegen, einer der bekannteren links-orientierten Sozialethiker, trat zweimal als Experte auf, obwohl er gleichzeitig zu den ständigen Beratern des Komitees gehörte. Auch gewisse Einseitigkeilen der Auswahl sind unübersehbar. So wurden Richard McBrien und Charles E. Curran, die Repräsentanten der progressiven Theologie eingeladen, während Avery Dulles auf der Liste fehlt. Auch bestimmte Schulrichtungen der Ökonomie und der Sozialwissenschaften, etwa die sogenannte Chicago School, waren nicht vertreten. All das ist zwar aufschlußreich, aber dennoch unerheblich, weil auch eine "ausgewogenere" Zusammensetzung nichts an dem Ergebnis geändert hätte. Schon diese im einzelnen problematische Auswahl von Personen hat zwangsläufig zu einem sehr uneinheitlichen Bild der Lage geführt, um von Lösungsvorschlägen ganz zu schweigen. So stellt das Komitee in der Einleitung zu seinem ersten Entwurf fest, im Laufe der Anhörungen und der Beratungen sei eines ganz deutlich geworden : Es gebe keinen klaren Konsens über die Art der Probleme, vor denen das Land stehe, und darüber, wie man mit diesen Problemen am besten umgehe. Kurz darauf heißt es, die Verfasser seien sich der Schwierigkeiten bewußt, denen man begegne, wenn man versuche, religiöse und moralische Wertvorstellungen auf das wirtschaftliche Leben zu beziehen20 . 20

Origins, 15. Nov. 1984, 337 ff.

3. Mißlungene Mobilisierung

207

Auch der Vorsitzende, Erzbischof Weakland, berichtet von solchen Schwierigkeiten. In einem Artikel für die Zeitschrift America schrieb er, wenn die Bischöfe einen Hirtenbrief vorlegten, dann dürfe man von ihnen nicht die Art von ökonomischer Analyse verlangen, die man z.B. von einem entsprechend spezialisierten Institut erwarte. Die Bischöfe sollten sich darauf konzentrieren, moralische Ziele zu formulieren (to articulate moral objectivesF 1• Diese Einsicht blieb jedoch folgenlos; denn Weakland und die Mitglieder seines Komitees verstanden die Unterscheidung zwischen der Formulierung von Prinzipien und konkreten Empfehlungen, wie auch den Hinweis auf die größere Fachkompetenz anderer, nicht als Aufforderung zur Selbstbeschränkung. So stehen in dem Text unbestreitbare, wenn auch oft sehr banal gefaßte Prinzipien unverbunden neben konkreten Empfehlungen zur Arbeitsmarktpolitik oder der Behauptung, die katholische Soziallehre fordere eine gesamtwirtschaftliche Planung22 • Daß besonders in dieser Hinsicht Kritik zu erwarten sei, war jedenfalls dem Vorsitzenden bewußt. So schrieb er in dem bereits erwähnten Artikel, bei den internen Beratungen seien besonders zwei Einwände erhoben worden. Erstens erinnerten die Empfehlungen zu sehr an die New-Deal-Programme der Demokraten, die nicht zum Erfolg geführt hätten, und an die entsprechenden Probleme mancher europäischen Länder. Zweitens werde ganz generell dem Staat eine zu große Rolle beigemessen. Weakland antwortet darauf nur mit der ebenso richtigen wie unvollständigen Feststellung, der Staat habe nach der katholischen Soziallehre in dem Bemühen um soziale Gerechtigkeit eine positive und unersetzbare Rolle zu spielen23 • Daher finden sich in dem umfänglichen Text auch keinerlei Überlegungen zur genaueren Bestimmung und Abgrenzung dieser Rolle des Staates, und die gesamte Diskussion über den modernen Leistungsstaat bleibt völlig unberücksichtigt. Der erste Entwurf wurde den Bischöfen 1984 auf ihrer Novembersitzung präsentiert und anschließend veröffentlicht, wobei alle Interessenten eingeladen wurden, sich schriftlich zu äußern. Weakland berichtet, daß daraufhin mehr als 10000 Seiten verschiedenartigster Stellungnahmen eingingen. Die Bischöfe erhielten eine Auswahl aus den Zuschriften und diskutierten im Juni 1985 auf einer Sondersitzung in Collegeville, Minnesota, über den Text und über dieses Echo. Anschließend wurde ein zweiter Entwurf geschrieben, über den die Bischöfe während ihrer Novembersitzung noch einmal diskutierten. Danach ging das Komitee wieder an die Arbeit und legte im Sommer 1986 eine dritte Fassung vor, die schließlich im November 1986 2I 22

23

Weakland, 1985, 131. Origins, ebd. Weakland, ebd.

208

Kap. V: Eine Welt ohne Nonnen

nach e1mgen Änderungen als der Hirtenbrief Economic Justice for All: Social Teaching and the U.S. Economy verabschiedet wurde. Es bleibt zu fragen, worin der Ertrag dieses Jahrzehnts einer von oben betriebenen politischen Profilierung und Mobilisierung des amerikanischen Katholizismus bestand. Niemand wird behaupten wollen, das Verständnis der Internationalen Politik oder der ökonomischen Abläufe sei durch diese Aktivitäten verbessert worden, und einen solchen wissenschaftlichen Anspruch wollten wahrscheinlich auch die Befürworter der Hirtenbriefe nicht erheben. Es ist aber auch nicht gelungen, die katholische Soziallehre weiter zu entwickeln oder plausibel auf neue Tatbestände anzuwenden. Die Forderungen der Bischöfe stehen neben der Tradition dieser Soziallehre oder dem, was Weakland die moralischen Ziele nannte, aber das eine folgt nicht aus dem anderen. Indem die Bischöfe mehr tun wollten, als nur an die Prinzipien der Bellum-iustum-Lehre oder der Soziallehre zu erinnern, haben sie die Mahnung des Konzils mißachtet, wonach Christen "bei gleicher Gewissenhaftigkeit in der gleichen Frage zu einem anderen Urteil kommen können"24 . Es hilft daher nicht weiter, möglichst jeden an der Diskussion zu beteiligen, also J. Bryan Hehirs Version des demokratischen Parteiprogramms ebenso zu berücksichtigen wie Michael Novaks Version des republikanischen. Die Abhilfe besteht nicht darin, die Stellungnahmen "ausgewogener" zu machen, sondern sich gar nicht erst auf solches Glatteis zu begeben. Daher wurde auch der Verdacht geäußert, es handele sich um ein Alibi. So schrieb das Nachrichtenmagazin Newsweek, die Kirche finde es offenbar leichter, die Regierung zu kritisieren, als sich ihren eigenen Problemen zu stellen25 . Man darf den meisten Bischöfen sicher keine bewußte Ablenkungsstrategie dieser Art unterstellen, und tatsächlich sind während der fraglichen Zeit auch weniger beachtete Hirtenbriefe, etwa zur Lage der Hispanics, erschienen. Dennoch ist es richtig, daß viele Themen, bei denen die Bischöfe selbst gefordert waren, durch die Peace and Justice-Aktivitäten in den Hintergrund gedrängt oder völlig vernachlässigt wurden. Dies wurde unübersehbar, als bald nach der Veröffentlichung des Wirtschaftshirtenbriefes die Medien sich anderen Themen zuwandten und die innerkirchliche Politisierungskampagne ein abruptes Ende fand. Selbst das Interesse vieler Bischöfe war offenbar gering, und einige von ihnen gestanden freimütig, sie hätten nicht alle Implikationen der verabschiedeten Texte verstanden 26• Zitat nach Novak, 1985, 17. zs Varacalli, 1983, 74. 26 Dulles, 1988, 177. 24

3. Mißlungene Mobilisierung

209

Jedenfalls hatte dieses verspätete katholische Nachspiel zu den 70er Jahren sich nun erschöpft, so daß schließlich auch die Amtskirche sich jener neuen Lage zuwenden konnte, in der die übrige Gesellschaft einschließlich des Kirchenvolkes seit Anfang der 80er Jahre bewußt lebte.

14 Zöller

Kapitel VI

Katholisch in Amerika Die Umrisse dieser neuen Situation ergaben sich aus einer wieder sehr viel zuversichtlicheren allgemeinen Stimmung und aus den Alltagsproblemen eines Katholizismus, der sich so unverrückbar in der Mitte dieser Gesellschaft etabliert hatte, daß auch seine Probleme nicht mehr auf Marginalisierung, also auf zu großen Abstand vom Zentrum der Gesellschaft, sondern auf Anpassung, also auf zu große Nähe deuteten. Einerseits konnte also die kirchliche Integration von Katholiken aus anderen kulturellen Traditionen um so eher gelingen, je mehr man ihnen half, diesen Abstand zu verringern. Andererseits liefen alle weiteren Probleme auf die Frage hinaus, wie dieser so komfortabel in der Gesellschaft eingerichtete Katholizismus dennoch genügend Distanz schaffen konnte, um seine Eigenheit zu wahren. Ein solcher Abstand ergab sich nicht mehr aus der gesellschaftlichen Randstellung der Katholiken, sondern allenfalls noch aus der bewußten Gestaltung und Pflege eigener Institutionen. Das galt für alle diejenigen Institutionen, die mit den geistlichen Berufen zu tun hatten. Es war aber auch das Problem der katholischen Schulen und Colleges, die nun allmählich wieder als das größte Kapital des amerikanischen Katholizismus erkannt wurden.

1. Das Ende der Talfahrt Statistische Erholung

Nach Auskunft der kirchlichen Statistiken war die Zahl der Katholiken bis 1980 auf 50 Millionen angewachsen, was einem unveränderten Bevölkerungsanteil von 23 Prozent entsprach. Die Gallup-Angaben deuten jedoch auf eine erhebliche Anzahl von Trittbrettkatholiken: Jeweils 28 bis 29 Prozent der Befragten bezeichnen sich in den 70er und 80er Jahren als Katholiken, wobei jeder fünfte erklärt, er sei "kein Mitglied", was die Differenz zwischen "harten" Angaben und "weichen" Selbstzuordnungen erklärt 1.

1

Gallup/Castelli, 1989, VIII.

I. Das Ende der Talfahrt

211

Tabelle 7 Katholiken im Vergleich mit dem Durchschnitt der Amerikaner

u.s.

Catholic

Men

48%

49%

Women

52

51

18- 29

27

30

30- 49

37

38

50+

36

31

White

87

96

Nonwhite

II

4

7

17

19

17

Hispanic College Grad. Some College

25

27

High Schoo1 Grad.

33

34

Less Than High Schoo1

23

22

$ 40.000 +/Year

21

23

$ 25- 40.000

23

25

$ 15- 25.000

22

21

Less Than $ 15.000

29

25

East

25

38

Midwest

25

25

South

31

19

West

19

18

Republican

29

26

Democrat

39

42

Married

63

62

Single

20

23

Divorced/Sep.

8

7

Widowed

8

7

Quelle: Gallup/Castelli, (1989), S. 101.

Der Durchschnittskatholik im demoskopischen Vergleich

Die Gallup-Daten bieten aber auch die interessante Möglichkeit, die Katholiken anband ihrer Angaben zur Person mit dem Durchschnitt der Amerikaner zu vergleichen, also ihre Position in der Gesellschaft zu umrei14*

212

Kap. VI: Katholisch in Amerika

ßen. Dabei zeigt sich, daß sie in der Altersgruppe der 18 - 29jährigen überrepräsentiert und in der der über 50jährigen unterrepräsentiert, also im Schnitt verhältnismäßig jung sind. Deutlich über dem Durchschnitt liegt mit 96 gegenüber 87 Prozent bei den Katholiken der Anteil derer, die sich als "Weiße" bezeichnen. Zu den non-whites rechnen sich nicht nur Schwarze, sondern auch Asiaten und sogar einige Hispanics. Um so deutlicher erinnern die vier Prozent "nichtweißer" Katholiken daran, daß die katholische Kirche bei den Schwarzen nie sehr erfolgreich war. Umgekehrt fallen die Hispanics, entgegen verbreiteten Annahmen, der Kirche keinesweges von selbst in den Schoß. Sonst hätten schon Mitte der 80er Jahre die sieben Prozent der Amerikaner, die sich als Hispanics bezeichneten, 20 bis 22 Prozent der Katholiken ausgemacht. Tatsächlich waren es jedoch nur 17 Prozent. Bei den Bildungsabschlüssen weichen die Katholiken trotz der Hispanics, also trotz des relativ hohen Anteils von Einwanderem der ersten oder zweiten Generation, nur um ein bis zwei Prozent nach unten und nach oben vom Durchschnitt ab. Es fehlt an entsprechend weit zurückreichenden Vergleichsdaten, um verdeutlichen zu können, welche Veränderung darin zum Ausdruck kommt. Man kann aber das Ausmaß dieser Entwicklung erahnen, wenn man liest, daß der Erzbischof von Boston im Jahr 1947 voller Stolz erklärte, er kenne in der ganzen amerikanischen Hierarchie keinen Bischof, Erzbischof oder Kardinal, dessen Vater oder Mutter ein College absolviert hätten. Jeder einzelne sei the son of a working man and working man' s wife2. In ihrem Einkommen haben die Katholiken den Durchschnitt überholt. Sie sind in den beiden oberen Gruppen um jeweils zwei Prozent überrepräsentiert und in der untersten um vier Prozentpunkte unterrepräsentiert. Am deutlichsten scheint die kollektive Geschichte der amerikanischen Katholiken noch in ihrer regionalen Verteilung und in ihren parteipolitischen Präferenzen durch. Sie haben einen immer noch augeprägten Siedlungsschwerpunkt im Osten, entsprechen im Mittleren Westen und Westen, an deren Besiedelung sie bereits ebenso wie andere Cruppen beteiligt waren, genau dem Durchschnitt, und sind im Süden am deutlichsten in der Minderheit. Immer noch ist ihre Neigung zu den Republikanern um drei Prozentpunkte geringer ausgeprägt als bei der Gesamtheit, und entsprechend stärker tendieren sie zu den Demokraten. Dennoch beinhaltet schon ein so geringer Abstand zwischen den Parteien einen grundlegenden Wandel, und außerdem stecken die wichtigeren Informationen darin, daß jeweils ein Drittel aller Befragten und auch der Katholiken (32 Prozent) nicht bereit ist, sich festzulegen, und daß die jüngeren Katholiken sich auch 2

Hennesey, 1981, 284.

1. Das Ende der Talfahrt

213

in ihren Parteineigungen vom Durchschnitt der Bevölkerung nicht mehr unterscheiden 3 . Der Anteil der Verheirateten liegt in beiden Vergleichsgruppen knapp über 60 Prozent, nur die verschiedenen Alternativen sind geringfügig anders verteilt. Als geschieden oder getrennt lebend bezeichnen sich acht Prozent der Bevölkerung und sieben Prozent der Katholiken, eine Differenz, die kaum signifikant ist und im übrigen auch nicht auf Reste einer strengeren katholischen Eheauffassung deutet. Die Erklärung dafür, für den ebenfalls ein wenig geringeren Anteil an Verwitweten und den schon ausgeprägteren Überschuß an Singles dürfte in der Altersstruktur liegen, also darin, daß die jüngeren Jahrgänge bei den Katholiken deutlich stärker vertreten sind und sich mit dem Heiraten mehr Zeit lassen als frühere Generationen. Was diese Katholiken der 80er Jahre von ihrer Kirche erwarten und welche Art von Angeboten sie dankend ignorieren, wird wiederum an einem Teil des Notre-Dame-Projekts erkennbar. Den befragten Kirchgängern aus zweitausend Pfarreien wurde ein Liste mit zehn denkbaren Aktivitäten der Pfarrei vorgelegt. Ordnet man die zehn Angaben nach der Gewichtung, die von diesen kirchennahen Katholiken vorgenommen wurde, so ergibt sich folgende Rangliste : I. Religiöse Bildung der Teenager. 2. Religiöse Bildung der Kinder. 3. Hilfe für Arme in der Pfarrei. 4. Bemühung um Glaubensinteressenten und um Katholiken, die sich von der Kirche entfernt haben. 5. Religiöse Bildung der Erwachsenen. 6. Verbesserung der Liturgie. 7. Verstärkung des geselligen Lebens in der Pfarrei . 8. Bessere Kontakte mit nichtkatholischen Kirchengemeinden in der Nachbarschaft. 9. Hilfe für Arme außerhalb der Pfarrei. 10. Arbeit für die Änderung ungerechter sozio-ökonomischer Verhältnisse.

Die Äußerungen dieser aktiven Katholiken sind offenbar sehr stark von einer Subsidiaritätsvorstellung bestimmt, die in dem Wirtschaftshirtenbrief ihrer Bischöfe kaum Spuren hinterlassen hatte. Etwas amerikanischer formuliert: Man ist zunächst einmal für sich selbst und das eigene Umfeld verantwortlich. Nach der Meinung dieser Gemeindemitglieder soll die Pfarrei sich auf das konzentrieren, was der einzelne oder andere Institutionen 3

Gallup/Castelli, 1989, 132 ff.

214

Kap. VI: Katholisch in Amerika

kaum leisten können, und die Rangfolge der Aufgaben, auf die das zutrifft, folgt wiederum aus der sozialen Nähe. An der Spitze steht das, was die eigene Familie betrifft, dann folgt die Pfarrei, wobei das religiöse und gesellige Innenleben der Pfarrei vor deren Außenbeziehungen rangiert und die Forderungen an den Rest der Welt am entbehrlichsten erscheinen. Die Verfasser des entsprechenden Teils der Notre-Dame-Studie wittern wiederum die Sünde des Individualismus und finden es erstaunlich, daß an den Social-Justice-Aktivitäten so wenig Interesse besteht4 . Dennoch muß man die Antworten keineswegs als Ausdruck einer privatistisch verkürzten Religiosität verstehen. Die Befragten sehen sehr wohl die Bedeutung der kirchlichen Gemeinschaft, und sie vergessen auch keineswegs den Nächsten. Freilich nehmen sie diesen Begriff wörtlich und denken dabei an den Hilfsbedürftigen in der eigenen Pfarrei. Ihm soll geholfen werden, aber nicht durch ein Komitee, das über die Ursachen der Ungerechtigkeit diskutiert.

2. Die neuen ethnics Der amerikanische Katholizismus ist mit den europäischen Einwanderem groß geworden, und diese sogenannten ethnics haben sich mittlerweile dem Lebensstil des weißen Mittelstandes angeglichen. Je weniger aber die Katholiken sich in ihrer Mehrheit von der umgebenden Gesellschaft unterschieden, desto auffälliger wurden auch innerhalb der Kirche die Minderheiten, die man nun als neue ethnics bezeichnete. Unter diesem Sammelbegriff sind freilich höchst unterschiedliche Gruppen zusammengefaßt: einerseits nämlich Indianer und Schwarze, die die moderne amerikanische Geschichte vom Beginn an miterlebt und miterlitten haben, und andererseits Einwanderer aus Asien oder die Hispanics. Sie alle zusammen hinderten jedenfalls die Kirche daran, sich allzu behaglich im Zentrum der amerikanischen Gesellschaft einzurichten. Dem alten Muster der Eingliederung entsprechen dabei noch am ehesten die wenigen, meist aus Vietnam geflohenen Katholiken asiatischer Herkunft. Sie zeigen ausgeprägte Anpassungsbereitschaft und legen besonders großen Wert auf die Ausbildung ihrer Kinder. Ähnlich wie zuvor die jüdischen Einwanderer finden sie schon in der zweiten Generation Zugang zu den Colleges und den entsprechenden Berufen. Sie setzen nicht auf ihren Minderheitenstatus, sondern auf eigene Anstrengungen, und sie gleichen ihren jüdischen Vorläufern auch insofern, als sie nicht daran zweifeln können, mit ihrem amerikanischen Schicksal das bessere Los gezogen zu haben. Ganz anders dagegen die Lage und das Verhalten der Indianer und der Schwarzen, die sozusagen geborene Minderheiten sind und weitgehend 4

Leege/Trozzolo, 1987, 6ff.

2. Die neuen ethnics

215

durch ihr kollektives Schicksal bestimmt bleiben, weshalb sie, ganz unabhängig von kirchlichen Versäumnissen, nur dann den Weg in die Kirche finden, wenn sie sich zuvor durch räumliche Entfernung oder durch sozialen Aufstieg von ihrer Herkunft gelöst haben. Zwischen diesen Extremen der unbedingten Integrationswilligkeit als einer Orientierung an individueller Zukunft und dem Gegenteil, nämlich einer immer noch belastenden kollektiven Herkunft, finden sich die Hispanics. Ihre Lage unterscheidet sich von der früherer Einwanderergruppen vor allem dadurch, daß es ihnen leichter gemacht wird, sich dem Anpassungsdruck zu entziehen. Dazu trägt zum einen die Tatsache bei, daß in dem heutigen kulturellen Klima ethnische Besonderheit nicht mehr durchgängig als ein Mangel, nämlich als unzureichende Amerikanisierung erscheint, sondern umgekehrt oft als Beitrag zum Reichtum einer multikulturellen Gesellschaft bewertet wird. Zum andern finden die Hispanics, deren Zuwanderung sich auf New York, Florida und den Südwesten konzentriert, dort ein Netz eigener Organisationen und Medien vor, sodaß sie die moderne Verkehrs- und Kommunikationstechnik nutzen können, um die Verbindung zu ihrer Herkunftskultur aufrecht zu erhalten. Indianer und die Religion des weißen Mannes

Soweit die Indianer in Reservaten leben, ist es nach wie vor der Stamm als Ganzes, der sich einer bestimmten Religion öffnet, wobei es zu christlichindianischen Mischformen, wie der Native American Church, kommt, der einige Navajo-Stämme angehören. In den dortigen Gottesdiensten wird Pejote (Meskalin) benutzt, ein halluzinogenes Pflanzengift, das die Gläubigen mit dem heiligen Geist in Verbindung bringen soll. Diese Kirche und ihre traditionelle indianische Praxis wurden bekannt, als drei Navajos sich dagegen wehrten, daß sie von einem kaliforniseben Gericht wegen Verstoßes gegen das Rauschgiftgesetz verurteilt wurden. Der Supreme Court hob schließlich das Urteil auf, indem er daran erinnerte, daß die Religionsfreiheit einen höheren Rang genieße als einfache Gesetze5 • Diejenigen Indianer, die nicht mehr in dauernder Verbindung mit ihrem Stamm leben, zeigen ein entsprechend individualisiertes religiöses Verhalten, schließen sich also, wenn überhaupt, verschiedenen Religionsgemeinschaften an. Statistische Angaben fehlen, doch handelt es sich offenbar um geringe Zahlen, weshalb sehr selten eigene "ethnische Pfarreien" für Indianer entstehen und wenn, dann nur in Städten, die wegen ihrer Nähe zu größeren Reservaten zu Zwischenstationen werden. So berichtet der Catholic Almanac von 1991, daß in Milwaukee die Congregation of the Great Spirit 5

Gaustad, 1982, 2. Bd., 554.

Kap. VI: Katholisch in Amerika

216

eingeweiht wurde und daß dies nach Gründungen in Tucson, Arizona und Rapid City erst die dritte Pfarrei dieser Art war6 . Bei den Indianern ist die Religion des weißen Mannes also nach wie vor weder in der protestantischen noch in der katholischen Form sonderlich erfolgreich; sie tun sich offenbar mit dem Christentum als solchem schwer.

Schwarze Katholiken: Versäumnisse und neue Hoffnungen Die Schwarzen dagegen bezeichnen sich zu 90 Prozent als Christen. Vom Durchschnitt der Bevölkerung unterscheiden sie sich vor allem dadurch, daß der Anteil der Katholiken oder der Juden jeweils deutlich geringer ausfällt. Tabelle 8 Religiöse Selbstzuordnung schwarzer Amerikaner

1991 Fundamental Protestant Liberal Protestant Catholic None Jewish Other

1993 66,5 17,7 7,4 5,0 0,2 1,8

Evangelica1 Mainline Catholic

73

Unaffiliated

11

10

6

Quellen: Feigeiman et al., (1991), S. 137, und Leege, (1993), S. 6. Entsprechende Zahlenangaben finden sich bei Feigelman, Goreman, Varacalli in einem Aufsatz von 1991 und bei Leege in einem Referat von 1993. Feigeiman und seine Kollegen stützen sich auf Daten des National Opinion Research Center aus den Jahren 1982 bis 1987, Leege benutzt die zuletzt 1992 durchgeführten Wahlumfragen, die sogenannten National Election Surveys (NES). Diese NES vermeiden die mittlerweile kritisierten Begriffe Fundamentalismus und liberaler Protestantismus, fassen aber Konfessionslose, Juden und Angehörige anderer nichtchristlicher Religionen unter der Sammelbezeichnung der Nichtgebundenen zusammen. Aus dem Vergleich dieser fünf Jahre auseinanderliegenden Zahlen ergeben sich zwei deutliche Hinweise: Zum einen bilden die schwarzen Katholiken nun eine Minderheit von sechs bis sieben Prozent. Zum anderen kam 6

Catholic Almanac, 1991, 72.

2. Die neuen ethnics

217

es Ende der 80er Jahre in dem ohnehin schon stark evangelikal geprägten schwarzen Protestantismus zu einer entsprechenden Gewichtsverlagerung. Daß der Katholizismus auf Schwarze wenig attraktiv wirkte, erscheint zunächst erstaunlich, da das katholische Kirchenverständnis eine Aufteilung in segregierte und nicht-segregierte Gemeinden verhinderte. Dennoch ist es der katholischen Kirche offenbar nicht gelungen, ihren Universalismus auch als Antirassismus glaubhaft zu präsentieren. Das liegt zunächst an der Ungleichzeitigkeil der entscheidenden Entwicklungen. Bis der amerikanische Katholizismus durch die Einwanderung in nennenswerte Größenordnungen hineinwuchs - und dabei zu einer weißen Kirche wurde -, hatten die Schwarzen längst ihren religiösen Platz gefunden, bzw. zugewiesen bekommen. Dabei ließen der Rassismus und der Sektionalismus einer getrennten Entwicklung des Nordens und des Südens einen unbeabsichtigten Freiraum entstehen. Die Schwarzen konnten innerhalb des protestantischen Pluralismus eigene Kirchen und einen eigenen religiösen Stil bilden. Der Katholizismus dagegen bot keine solchen Nischen. Nur an wenigen Orten mit einem nennenswerten Anteil schwarzer Katholiken, wie etwa in Baltimore oder in New Orleans, konnten in einigen Wohnvierteln Pfarreien entstehen, die de facto schwarze Gemeinden waren und ihre liturgische Eigenart ausprägten. Die Strukturen hatten sich also bereits herausgebildet, bevor die Katholiken eine Rolle spielten. Dennoch blieb auch die katholische Kirche nicht frei von Sklaverei und Rassendiskriminierung. Ebenso wie die anderen Grundbesitzer hielten die katholischen Pflanzer Marylands Negersklaven, und auch die Jesuiten sorgten auf diese Weise für ihren Unterhalt. Vor dem Bürgerkrieg vermied die Kirche eine eindeutige Stellungnahme zur Sklavenbefreiung, und danach kam es zwar nicht zu segregierten Gemeinden, wohl aber wurde in den sonstigen katholischen Einrichtungen des Südens Rassentrennung praktiziert. Schwarze Schüler wurden also von den bestehenden katholischen Schulen ferngehalten, und zur Einrichtung getrennter schwarze( Schulen reichten weder die Schülerzahlen noch die finanziellen Mittel. Entsprechend schwer fiel es der Kirche, einen schwarzen Priesternachwuchs heranzuziehen, was wiederum die Bedeutung derjenigen Orden steigerte, die frühzeitig schwarze Schüler in ihre Internate aufnahmen oder sich wie die sogenannten Josephites (Saint Josephs Society of the Sacred Heart, SSJ) auf die Seelsorge für schwarze Katholiken konzentrierten. Als es nach 1970 üblich wurde, in Diözesen mit einem großen Anteil schwarzer Bevölkerung auch einen schwarzen Weihbischof zu ernennen, fand man daher die Kandidaten meist in diesen Orden. Die Schwarzen, die im Laufe dieses Jahrhunderts wegen der zunehmenden Mechanisierung der Landwirtschaft den Süden verließen und in die Städte ·des Nordens wanderten, zogen dort in die bisherigen Wohnviertel

218

Kap. VI: Katholisch in Amerika

der weißen ethnics, wo die Einwandererkirche besonders durch ihre Krankenhäuser und ihre Schulen noch präsent war. Durch die katholischen Schulen, die sich gerade in den Problemzonen der Innenstädte vorteilhaft von den öffentlichen Schulen unterscheiden, kommen daher nun viele Schwarze, denen es um die Zukunft ihrer Kinder geht, erstmals in Kontakt mit dem Katholizismus. Auf diese Weise zieht die Kirche diejenigen schwarzen Familien an sich, die bereit sind, sich aktiv am Leben der Kirchengemeinde und an der Arbeit der Schule zu beteiligen. Ein Beispiel dafür bietet die Holy Angels Church in Chicago, die mit Stolz darauf verweist, daß sie the largest black catholic school in the United Staates ist. Bei 1500 Schülern und über tausend Bewerbern auf einer Warteliste kann die Schule sich nicht nur die Schüler, sondern auch die Eltern aussuchen und entsprechende Forderungen stellen. Von den Eltern wird erwartet, daß sie an der Sonntagsmesse ebenso teilnehmen wie an den regelmäßigen Elternabenden und daß sie sich nicht nur an den Wahlen beteiligen, sondern zum Beweis ihre abgestempelte Wählerkarte in der Schule abliefern. Eine derart konsequente Politik kann nur dort betrieben werden, wo ein schwarzer Pfarrer und ein schwarzer Rektor sich selbstbewußt auf the Majestic Catholic Faith and the African-American Experience berufen7 . Auch die verfügbaren statistischen und demoskopischen Daten über die etwa zwei Millionen schwarzer amerikanischer Katholiken weisen in die Richtung von Holy Angels. Schwarze Katholiken wohnen eher in den Städten, haben eher eine abgeschlossenen Schulbildung und verdienen eher mehr als andere Schwarze8 . Vor allem zeichnen sie sich durch ihr Bildungsverhalten aus. So kam eine groß angelegte Studie von 1990 zu dem Ergebnis, daß schwarze Katholiken nur selten die Schule ohne Abschluß verlassen (18 Prozent gegenüber 31 Prozent anderer Schwarzer und 21 Prozent aller Weißen) und daß jeder vierte schwarze Katholik ein College absolviert hat (26 Prozent gegenüber 25 Prozent der weißen Katholiken, 24 Prozent aller Weißen und 15 Prozent aller Schwarzen)9 . Josef E. Ritter, der Erzbischof von St. Louis, und einige Bischöfe, die seinem Beispiel folgten, haben sich ein bleibendes Verdienst erworben, als sie 1947, also deutlich vor der Supreme-Court-Entscheidung von 1954 und der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre, in den Schulen ihrer Bistümer die Rassentrennung aufhoben. Sie hatten damit nicht nur endlich das Signal gegeben, das dem katholischen Kirchenverständnis entsprach, sondern durch die Hervorhebung der Schulen auch eine wichtige Weichenstellung vorgenommen. 7

8

9

Braxton, 1987. Feigelman, 1991, 134. Lachman/Kosmin, 1991.

2. Die neuen ethnics

219

Die schwarzen Amerikaner stellen heute mit einem Anteil von etwa 10 Prozent an der Gesamtbevölkerung überall eine beachtliche Minderheit dar. Innerhalb der katholischen Kirche jedoch sind sie deutlich unterrepräsentiert. Außerdem konzentrieren sie sich recht deutlich auf den Süden und den Nordosten. Dies zeigt sich auch an der Zuordnung der schwarzen Bischöfe. 1990 gab es 13 schwarze Bischöfe, wobei noch der Erzbischof von Atlanta mitgezählt war, der sein Amt im Laufe dieses Jahres wegen einer Affäre aufgab. Der Almanach von 1991 führt daher noch den Bischof von Biloxi, Mississippi und 11 Weihbischöfe auf. Einer der zunächst 13 Bischöfe, ein Weihbischof von New Orleans, amtiert seit 1966, vier wurden nach 1970 und weitere acht nach 1980 ernannt. Drei Weihbischöfe gehören zu Diözesen des Südens (New Orleans, Galveston-Houston und St. Louis), sieben sind im Nordosten tätig (Baltimore, Washington, New York, Newark, Detroit, Cleveland und Chicago), und einer residiert in Los Angeles 10. Hispanics auf dem Weg der Amerikanisierung

Weit stärker als von anderen Minderheiten wird die Zukunft des amerikanischen Katholizismus freilich von den sogenannten Hispanics mitbestimmt werden, die sich von Indianern und Schwarzen ebenso deutlich unterscheiden wie von den europäischen Einwanderem der Vergangenheit. Sie haben die Geschichte der USA nicht von Beginn an miterlebt sondern sind zum weitaus überwiegenden Teil erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingewandert. Und anders als den früheren Einwanderem fällt es ihnen leicht- und wird es ihnen leicht gemacht-, zu ihrer Herkunft in Verbindung zu bleiben. Nach den Angaben des Bureau of Census hat die hispanic population, die 1950 mit vier Millionen Personen einen Bevölkerungsanteil von circa 2,5 Prozent ausmachte, bis zur Volkszählung von 1990 die Zahl von 22,5 Millionen erreicht, was einem Anteil von 9 Prozent entsprach 11 . Unter dem Sammelbegriff Hispanics werden sehr unterschiedliche Gruppen spanischer Einwanderer aus den Ländern des amerikanischen Kontinents und aus der Karibik zusammengefaßt, weshalb die Betroffenen den Ausdruck vermeiden. Sie bevorzugen differenzierende Bezeichnungen 12 und dies nicht nur, weil damit die Herkunft genauer benannt wird, sondern auch, weil sie sich bereits sehr stark mit ihrer neuen Heimat identifizieren 13, also Amerika nicht mehr als geographischen, sondern als politischen Begriff verstehen.

° Catho1ic A1manac, 1991, 480ff.

1

11 12 13

Census, 1990, Tab1e I. Gallup/Castelli, 1989, 140. Duignan/Gann, 1986.

220

Kap. VI: Katholisch in Amerika

Deutlich mehr als die Hälfte dieser Hispano-Amerikaner, nämlich im Jahr 1990 bereits 14 der offiziell gezählten 22,5 Millionen, stammt aus Mexiko. Weitere vier Millionen geben andere Herkunftsländer Lateinamerikas an. Fast ebenso groß ist mit über drei Millionen der Anteil derer, die aus dem vergleichweise kleinen Puerto Rico kommen, denn sie gelten rechtlich nicht als Einwanderer, ganz gleich ob Puerto Rico in absehbarer Zeit zu einem Bundesstaat der USA wird oder nicht. Die Kubaner schließlich bilden mit gut einer Million die kleinste, bislang aber wohlhabendste und politisch einflußreichste Gruppe. Die besonders homogenen Gruppen der Mexikaner, der Puertoricaner und der Kubaner konzentrieren sich vorerst auf regionale Schwerpunkte. So stellen die Puertoricaner in New York zehn Prozent der Bevölkerung, in Kalifomien stammt jeder dritte Einwohner aus Mexiko, und in der Millionenstadt Miami bilden die Kubaner eine Zweidrittelmehrheit. Entgegen der landläufigen Annahme bringen aber keineswegs alle diese spanisch-sprachigen Einwanderer eine kräftige katholische Prägung mit. Dieser Anschein trügt zunächst schon deshalb, weil unter den Einwanderem wie in ihren lateinamerikanischen Herkunftsländern der Anteil der Protestanten wächst 14• Bislang fehlt es an verläßlichen Zahlen, aber es mehren sich Berichte, wonach sich besonders Baptisten und vergleichbare Denominationen mit Erfolg um diese Einwanderer bemühen. Gallup und Castelli leiten aus einer schon zu Beginn der 80er Jahre nur im Erzbistum New York durchgeführten Umfrage ab, daß die Hispanics sich zu 70 Prozent als Katholiken und zu 18 Prozent als Protestanten bezeichnen 15, und Greeley errechnete 1988 aus den Zahlen des National Opinion Research Center ein ähnliches Ergebnis: zwischen 1977 und 1987 sei der Anteil der Katholiken von 77 Prozent auf 71 Prozent gesunken und der der Protestanten entsprechend gestiegen. Greeley bestätigt, daß von dieser Wanderung fast ausschließlich die konservativen protestantischen Denominationen profitieren und beschreibt ein soziales Profil der neubekehrten Protestanten. Sie unterscheiden sich von dem Durchschnitt der Hispanics dadurch, daß sie eine vollständigere Ausbildung besitzen, zu einem deutlich höheren Anteil als Angestellte beschäftigt sind und gut ein Viertel mehr verdienen 16, wobei offen bleiben muß, ob die Hinwendung zum Protestantismus eher die Folge oder die Ursache dieses Aufrückens in den unteren Mittelstand ist. Ein guter Teil der Hisparra-Amerikaner ist also auch nominell nicht katholisch, und für die immer noch sehr deutliche Mehrheit derer, die sich zur katholischen Kirche rechnen, gilt wie im Falle der Einwanderer des 19. Jahrhunderts, daß man die religiöse Kultur ihrer Herkunftsländer über14 15

16

Martin, 1990. Gallup/Castelli, 1989, 140. Greeley, 1988, 61 ff.

2. Die neuen ethnics

221

schätzt, wenn man diese als "katholische Länder" bezeichnet. Besonders offenkundig ist dies im Falle der größten Gruppe, der Mexican Americans, denn Mexikos revolutionär-progressives Staatsverständnis nährte sich über lange Zeit fast nur von dem Restpathos aggressiver ReligionsfeindlichkeiL Zwischen dem offiziellen Antiklerikalismus und der synkretistischen Volksfrömmigkeit blieb die kirchlich institutionelle Struktur eher schwach. Jedenfalls haben nur die Kubaner einen eigenen Klerus mitgebracht, während Mexiko und Puerto Rico, anders als Irland, keine Priester exportieren können. Ganz im Gegenteil hat Speilman auf Puerto Rico ein Priesterseminar zur Versorgung der Insel gegründet, das auch heute noch vom Erzbistum New York unterhalten wird. In der Seelsorge für die verschiedenen Gruppen der Hispanics sind daher Priester tätig, die entweder schon zur zweiten Generation gehören oder gar nicht in Spanisch sprechenden Familien aufgewachsen sind. Die Betroffenen freilich finden dies ebensowenig beunruhigend wie die anderen Zeichen fortschreitender Assimilierung. So entsteht ein verwirrendes Bild. Einerseits wird es den Mexican-Americans besonders leicht gemacht, auf ihrer Besonderheit zu beharren. Ebenso wie frühere Einwanderer können sie in ein verzweigtes Sondermilieu eintauchen, was manchen zu der Schlußfolgerung verleitet, er komme auch ohne Englisch zurecht. Ganz anders als ihre Vorgänger aber finden die heutigen Einwanderer keine Gesellschaft mehr vor, die einen starken Anpassungsdruck ausübt und das Ablegen alles Fremdartigen erzwingt. Die kulturellen Eliten ermuntern den Neuankömmling eher, sich ethnisch zu profilieren, und die Politiker geben ihm zu verstehen, daß Eigenarten honoriert werden, sobald sie sich als das Interesse einer organisierten Gruppe präsentieren. Andererseits blicken aber gerade diese neuen Amerikaner nicht nostalgisch auf ihre alte Heimat zurück, die der neuen wenig entgegenzusetzen hat. So mögen die Intellektuellen bemängeln, daß das sogenannte Texmex keine innovative Mischkultur sei, sondern nur auf eine spanisch aromatisierte Form des amerikanischen Lebensstil hinauslaufe, doch die große Mehrheit der Amerikaner mexikanischer Herkunft hat sich offenbar bewußt genau dafür entschieden. Schon in Umfragen der 70er Jahre betonten sie, daß sie sich zunächst als Amerikaner und dann erst als Mexikaner verstanden, und eine umfangreiche Studie über The Changing Demography of Spanish Americans kommt zu dem Ergebnis, daß sie dem Durchschnitt der amerikanischen Bevölkerung immer ähnlicher werden, weshalb man erwarten könne, in der nächsten oder übernächsten Generation kaum noch Unterschiede vorzufinden 17 . Das hindert die zunehmend Selbstbewußteren Hispanics nicht daran, ihr spanisches und indianisches Erbe zu betonen, freilich nicht als einen Gegensatz zur religiösen und politischen Kultur der Vereinigten Staaten, 17

Jaffe et al., 1980, 22ff.

222

Kap. VI: Katholisch in Amerika

sondern als ein stärker werdendes Element derselben, das zumindest im Südwesten immer schon präsent war. Deshalb reagieren sie auch empfindlich gegen kulturpolitische Tendenzen, die ihnen in der Christentumsgeschichte des Kontinents und in der Geschichte der USA nur noch die Rolle von Opfern zuweisen. Als das National Council of Churches 1991 die Mitgliedskireben aufrief, sich nicht an den Jubiläumsaktivitäten des folgenden Jahres zu beteiligen, weil die Ankunft des Kolumbus und der Beginn der Christianisierung Amerikas kein Anlaß zum Feiern sei, da verabschiedete der Vorstand des North-East Hispanic Catholic Center in New York eine Gegenresolution, in der er die Erklärung des Kirchenrates als eine rassistische Abwertung der Geschichte vieler Menschen bezeichnete 18 • Die Mehrheit der Hispanics versteht also ihre ausgeprägte Integrations- und Assimilationsbereitschaft als durchaus vereinbar mit der Forderung nach Respekt für ihre Besonderheit, und diese Einstellung bestimmt offenbar auch ihr religiöses Verhalten. Ebenso wie die Schwarzen bilden die Hisparries heute überall, besonders aber in den Städten, eine Minderheit von gut 10 Prozent und im Südwesten stellen sie manchmal schon die Mehrheit. Anders als die Schwarzen sind sie in der katholischen Kirche deutlich überrepräsentiert. Auch die spanisch-sprachigen Bischöfe wurden erst ab 1970 ernannt, wobei die Zahl bis 1991 auf 21 anstieg. Betrachtet man zunächst die 13 Weihbischöfe und ihre regionale Zuordnung, so ist noch die ältere Struktur der amerikanischen Kirche erkennbar. Sie zählen zur Hälfte zu den alten Diözesen des Nordens und nur zur anderen Hälfte zum Südwesten. Die Bischöfe und Erzbischöfe dagegen residieren ausnahmslos im Südwesten, nämlich in den Erzdiözesen von Santa Fe und San Antonio und in den Diözesen von El Paso, Las Cruces, Corpus Christi, Fresno, Pueblo und Tucson 19• All diese Bischöfe haben zwar spanische Namen, doch kaum einer ist außerhalb der USA geboren und alle haben den normalen nordamerikanischen Ausbildungsweg hinter sich. Abgesehen davon, daß sie selbst "gelernte" Amerikaner sind, beobachten sie, wie die Assimilierung ganz ohne ihr Zutun fortschreitet. Deshalb wissen sie, daß die Besonderheiten der hispanoamerikanischen Frömmigkeit nur dann eine Zukunft haben, wenn es gelingt, sie von der spanischen Sprache allmählich unabhängig zu machen, um sie als Stilelemente einer englischsprachigen Kirche zu bewahren. Gleichzeitig wird aber das Provisorium einer spanischsprachigen Seelsorge durch den anhaltenden Strom der Zuwanderer immer wieder verlängert. 18

19

Catholic Almanac, 1991, 100. Catholic Almanac, 1991 , 480ff.

3. Priester, Priesterbildung und Theologie

223

Die Bischöfe und die Bischofskonferenz haben deshalb versucht, sich weder auf eine ausschließlich muttersprachliche Seelsorge noch auf eine forcierte Eingliederung festzulegen. Stattdessen haben sie in einem Hirtenbrief von 1983 (The Hispanic Presence: Challenge and Commitment) und in einer Seelsorgeanleitung von 1985 (National Pastoral Plan for Hispanic M inistry) hinreichend vage den Wert des kulturellen Pluralismus bekräftigt. In der Praxis wird darunter bislang Zweisprachigkeit verstanden, weshalb Institutionen wie PADRES (Padres Associados para Derechos Religiosos, Educativos y Sociales) in Los Angeles oder das National Resource Center for Hispanic Ministry in San Antonio für die Arbeit mit Hispanics Materialien in Englisch und in Spanisch anbieten. Es ist abzusehen, daß mit fortschreitender Integration eines großen Teiles der Hispanics das Problem der Sprache hinter dem der Liturgie und der Verkündigung zurücktreten wird. Was das bedeutet, wird klar, wenn man sich fragt, warum der religiöse Stil konservativer protestantischer Richtungen wie der Baptisten bei den bereits arrivierteren Hispanics so große Resonanz findet. Was nach David Martin die jüngsten protestantischen Erfolge in Lateinamerika erklärt, leuchtet erst recht für die eingewanderten Hispanics ein. In eine Gemeinde aufgenommen zu werden, die rigide Anforderungen an Lebensstil und Lebenswandel stellt, können sie als Bestätigung ihrer bürgerlichen Wohlanständigkeit und ihres Amerikanischseins verstehen. Hinzu kommt, was offenbar in der ganzen Hemisphäre gilt, nämlich die Attraktivität einer Mischung aus unzweideutiger protestantischer Ethik, (also Fleiß, Sparsamkeit, Verlässlichkeit) einerseits und spontan-emotionalen Formen des Gottesdienstes andererseits. 3. Priester, Priesterbildung und Theologie Entwicklung der Priesterseminare

Wenn die amerikanischen Bischöfe sich Gedanken um die ihnen anvertrauten Priester machten, dann sorgten sie sich lange Zeit mehr um die Disziplin als um ausreichenden Nachwuchs oder dessen angemessene Ausbildung. Darin stimmten die Bischöfe freilich mit eben jenen Priestern überein, die ihnen zu schaffen machten. Den unbotmäßigen Pfarrern, die sich mit den trustees zusammen taten, und auch den späteren New Yorker Radikalen kam es darauf an, ihre Position zu stärken, wobei sie eher auf Rom und das Kanonische Recht setzen konnten als auf die Einsicht ihrer direkten Vorgesetzten. Diese förderten einzelne junge Priester, etwa durch ein Studium in Europa, doch sobald die Institutionen der Priesterausbildung zur Diskussion standen, kamen sogleich auch die Probleme der Machtverteilung

224

Kap. VI: Katholisch in Amerika

in den Blick. So richteten viele Bischöfe ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch deshalb ihre eigenen Priesterseminare ein, weil die Orden ihnen zu unabhängig und zu europäisch waren, und der "progressive" Flügel erhoffte sich von der eigenen Catholic University of America eine Alternative zum Studium in Rom, also eine Elitebildung ohne die Nebenwirkung der Romanitii. Dagegen verfuhren Konservative wie McQuaid oder Mundelein nach dem Rezept, einerseits die Qualität der eigenen Seminare auch mit Hilfe der Orden zu verbessern und andererseits möglichst viele junge Priester auf die europäische Bildungsreise zu schicken. Ohnehin hatte die Geschichte des Priestertums und der Priesterbildung in Amerika mit der Tätigkeit der Orden begonnen. Die Priesterschaft des Bistums Baltimore, das zunächst die ganze Republik umfaßte, bestand unter dem Jesuiten John Carroll fast nur aus Mitgliedern seiner Gesellschaft, und die Ausbildung des Priesternachwuchses war ab 1791 für lange Zeit ein Monopol der Sulpicianer. Erst einige Jahrzehnte später folgten andere Orden mit ihren Studienhäusern und auch verschiedene Bistümer mit ihren eigenen Seminaren. Manche der Bistümer beauftragten Orden, andere legten Wert darauf, daß der Lehrkörper nur aus Priestern ihrer Diözese bestand. Gegen Ende des Jahrhunderts entstanden schließlich noch zwei Seminare eines besonderen Typs. In dieser Zeit, in der das Thema einer ethnisch-orientierten Seelsorge noch im Vordergrund stand, gelang es zwei Priestern, die beide als außergewöhnlich starke Persönlichkeiten geschildert werden, eigene Priesterseminare für ihre jeweilige Einwanderergruppe einzurichten. Der Pole Joseph Dabrowski gründete 1885 das Cyril and Method-Seminar in Detroit, und der aus Münster stammende Joseph Jessing konnte 1892 in Columbus, Ohio, sein Josephinum eröffnen. Beide Häuser wurden von der Propaganda Fide als päpstliche Kollegien anerkannt. Führend waren aber immer noch die Sulpicianer, die nicht nur weiterhin St. Mary's in Saltimore unterhielten, sondern auf Bitten der jeweiligen Bischöfe auch in Boston, New York und San Francisco Seminare aufgebaut hatten. Joseph M. White, der die einzige umfassende Darstellung der amerikanischen Diözesanseminare verfaßt hat, berichtet, daß St. Mary's erst nach 1860 seine Blütezeit erlebte. Dies lag zum einen an der Nachwuchsförderung der Sulpicianer, die nunmehr die Professoren dieser Seminare weitgehend aus den amerikanischen Mitgliedern ihres Ordens rekrutieren konnten, zum anderen aber auch daran, daß St. Mary's gegen Ende des Jahrhunderts von einem ungewöhnlich einflußreichen und umtriebigen Rektor geleitet wurde. Alphonse Magnien, der in Frankreich als Mitarbeiter des "liberalen" Bischofs Dupanloup begonnen hatte, wurde zu einem Vertrauten des Kardinals Gibbons und zum persönlichen Freund von John lreland. Während

3. Priester, Priesterbildung und Theologie

225

seines Rektorats, das von 1878 bis 1902 dauerte, stieg die Studentenzahl von 90 auf 25020 . Die Seminare der Sulpicianer, aber auch die anderen amerikanischen Seminare dieser Zeit, orientierten sich an dem französischen Muster. Man unterschied zwischen den vier Jahren des kleinen und den sechs Jahren des großen Seminars. Beide Abschnitte wurden aber meist an einem Ort angeboten. Bei dieser Aufteilung blieb es auch, nachdem die dritte Plenarversammlung der Bischöfe 1884 ein Komitee eingesetzt hatte, das unter der Leitung des Erzbischofs Michael Heiss (Milwaukee) die Lehrprogramme vereinheitlichen sollte. Dabei erhielt das große Seminar eine deutlichere Struktur, indem es in einen ersten Abschnitt eines zweijährigen Philosophiestudiums und ein nachfolgendes Theologiestudium von vier Jahren unterteilt wurde. Diese Form des Seminars setzte sich ab 1890 überall durch. Weitreichende Änderungen ergaben sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als auch die Bildungseinrichtungen der katholischen Kirche erstmals in den Sog der staatlichen Förderungspolitik gerieten. Um die GI-Bill (offiziell und korrekt: Servicemen 's Readjustment Act) auch auf heimkehrende Theologiestudenten anwenden zu können, benötigte die Regierung eine Liste der kirchlich anerkannten Priesterseminare und der entsprechenden theologischen Departments der Universitäten. So war die Bischofskonferenz gezwungen, ein Büro einzurichten, das sich mit der vergleichenden Bewertung solcher Einrichtungen befaßte, und daraus wurde mit der Zeit eine von oben gesteuerte Vereinheitlichung, die wiederum einen Konzentrationsprozeß in Gang setzte. Zunehmend machten die Bistümer die Anerkennung von Abschlüssen davon abhängig, daß das jeweilige Seminar bestimmte Vorschriften zum Inhalt der Lehrpläne und zur Qualifikation des Lehrpersonals befolgte. So wurden zunächst viele der sogenannten kleinen Seminare geschlossen, doch dann folgten auch die weniger leistungsfähigen großen Seminare. Davon waren besonders die Studienhäuser mancher Orden betroffen, in denen manchmal zwei oder drei Dozenten 20 Studenten unterrichteten. Später konnten jedoch auch viele Diözesen ihre eigenen Seminare nicht mehr halten, weil die Scherenbewegung aus steigenden Anforderungen und sinkenden Studentenzahlen die durchschnittlichen Kosten in unvertretbarer Weise erhöhte. Prognosen zum Priestermangel

Der vorhersehbare Priestermangel führte schließlich vor allem in den 70er und 80er Jahren zu einer Fülle von Studien, die teils von den Bischöfen, teils von der Lilly-Foundation in Auftrag gegeben wurden. Doch auch 20

White, 1989, 165ff.

15 Zöller

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Kap. VI: Katholisch in Amerika

in der Reformstimmung der ersten Jahre nach dem Konzil, als die Seminare so gut besucht waren wie nie zuvor, entstanden bereits einige Umfragen. Zunächst veröffentlichte Joseph Fichter 1966 die Ergebnisse einer Befragung jüngerer Priester, wobei er zwei häufige Klagen hervorhob. Die Kapläne waren unzufrieden mit dem Zusammenleben in den Pfarrhäusern, und sie fanden, die Seminarausbildung habe ihnen zwar eine intellektuelle Grundlage gegeben, sie aber weder auf den Umgang mit Laien noch auf ihre Verwaltungsaufgaben vorbereitet21 . Potvin und Suziedelis reagierten mit ihren Empfehlungen zur Reform der Seminarausbildung 1969 auf diese verbreitete Kritik22, und in den folgenden Jahren wurden die Lehrpläne stärker auf den Beruf der künftigen Priester ausgerichtet. Dieser Versuch, die Praxis in der theoretischen Ausbildung vorwegzunehmen, führte freilich oft nur zu einer Psychologisierung der Pastoraltheologie. Etwa zur gleichen Zeit führte das National Opinion Research Center (NORC) für die Bischofskonferenz eine Umfrage bei Bischöfen, Diözesanpriestern und Ordenspriestern durch. Die Ergebnisse wurden 1971 zunächst in einem Datenband veröffentlicht und dann im folgenden Jahr in Andrew Greeley's Buch Priests in the United States analysiert23 . Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre konzentrierte sich dann die Aufmerksamkeit auf die Vorausberechnung des Priestermangels und auf die Gründe für Interesse oder Desinteresse am Priesterberuf So wurden 1971 in der sogenannten Knights of Columbus-Studie - benannt nach der gleichnamigen katholischen Laienvereinigung, die das Geld gab -junge Katholiken befragt. Etwa 2 Prozent der Befragten bekundeten Interesse und ließen in den weiteren Antworten erkennen, daß sie in einer Umgebung aufgewachsen waren, die sie dazu ermuntert hatte 24 . Schoenherr und Sorensen schließlich versuchten den vorhersehbaren Rückgang der Priesterzahlen genauer zu bestimmen und legten hierfür verschiedene Projektionen der Entwicklung bis zum Jahre 2000 vor. Sie errechneten als optimistische Variante (Prognose A) einen Rückgang auf etwa 22000 und als pessimistische Variante (Prognose C) einen solchen auf etwa 13000 Priester. Realistisch erschien ihnen die Erwartung (Prognose B), daß die Zahl der amerikanischen Priester sich bis zum Ende des Jahrhunderts auf etwa 16000 halbieren werde25 • Bei diesen Schätzungen ging es jeweils um die Zahl der aktiven Diözesanpriester, und dies macht es 21 22 23 24

25

Fichter, 1968. Potvin/Suziedelis, 1969. Greeley, 1972. Fee, 1981. SchoenherrI Sorensen, 1982.

3. Priester, Priesterbildung und Theologie

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schwer, die Vorhersagen anband der allgemeinen zugänglichen Daten aus dem Directory zu überprüfen, (s. statistische Tafel im Anhang); denn dieses Verzeichnis unterscheidet nicht zwischen aktiven und im Ruhestand lebenden Priestern. Doch kann man feststellen, daß der Rückgang deutlich geringer ausfiel, als selbst in der optimistischen Prognose angenommen wurde. Statt einer steil nach unten weisenden Kurve zeigt sich eine weit langsamere, aber kontinuierliche Abnahme, und dies entspricht wiederum der "Erholung", die in den 80er Jahren auch an anderen Indikatoren des religiösen Lebens abzulesen war. Auch in diesem Falle entsteht der Eindruck von Stabilität, freilich nur, wenn man die tatsächliche Entwicklung mit den früheren, insgesamt zu pessimistischen Erwartungen vergleicht. Selbsteinschätzung und Einstellungen junger Priester

In den nachfolgenden Untersuchungen wurden dann speziellere und präzisere Fragen gestellt. Potvin und Muncada etwa versuchten 1990, die Gründe für erfolgreichen Abschluß bzw. vorzeitigen Abbruch des Studiums darzustellen 26 . Besonders ergiebig aber war eine Studie, die Hemrick und Hoge 1991 veröffentlichten. Der Titel A Survey of Priests Ordained Five to Nine Years wies bereits daraufhin, daß Priester befragt wurden, die ihre Ausbildung zwischen 1980 und 1984 abgeschlossen hatten27 . Es wurde eine relativ große Gruppe von 1518 Personen ausgewählt, damit auch der Vergleich zwischen Diözesanpriestern und Ordenspriestern noch auf aussagekräftigen Zahlen beruhte. Von den jungen Diözesanpriestern hatten bereits 24 Prozent eine Pfarrei erhalten (Pastor), 47 Prozent arbeiteten als Kaplan (associate pastor), 7 Prozent als Lehrkräfte, und 6 Prozent waren in karriereverdächtigen Stellen der Diözesanverwaltung tätig. Auf die Krankenhausseelsorge entfielen 2 Prozent und auf die Missionen 1 Prozent. So blieb eine Restrubrik, die mit 13 Prozent offenbar größer ausfiel, als man beim Entwerfen des Fragebogens erwartet hatte. Diese nicht mehr unterschiedenen Verwendungen reichten von der Studentenseelsorge über Exerzitienhäuser bis zur Fortsetzung des Studiums. Von den Ordenspriestern waren immerhin 29 Prozent als Seelsorger in Pfarreien tätig. Deutlich größer fiel bei ihnen, wie zu erwarten, der Anteil der Missionare (7 Prozent) und besonders der der Lehrkräfte (27 Prozent) aus 28 . Wie schon das NORC 20 Jahre vorher, befragten Hemrick und Hoge die Priester auch, welcher ethnischen Herkunftsgruppe sie sich zurechneten. 26 27 28 15*

Potvin/Muncada, 1990. Hemrick/Hoge, 1991. Hemrick/Hoge, 1991, 6.

228

Kap. VI: Katholisch in Amerika

Leider waren die beiden Umfragen aber unterschiedlich angelegt, was die Möglichkeiten des Vergleichs einschränkt. Das NORC hatte die entsprechenden Angaben der Bischöfe und anderer Priester jeweils auf den Bevölkerungsanteil der betreffenden Gruppe bezogen, so daß ethnische Unausgewogenheiten in der Zusammensetzung des Klerus sichtbar wurden. In der Untersuchung von Hemrick und Hoge fehlen solche Bezugsgrößen. Außerdem werden unterschiedliche Bezeichnungen für die manchmal auch anders zusammengesetzten Gruppen verwendet. Während das NORC von Angelsachsen spricht, zählen Hernrick und Hoge Engländer, Schotten, Waliser und Anglo-Kanadier auf. Beide Studien rechnen Österreicher, Holländer und Schweizer zu den Deutschen, doch das NORC fügt noch die Skandinavier hinzu, was bei der geringen Zahl skandinavischer Katholiken kaum ins Gewicht fällt. Die Polen dagegen verschwinden ausgerechnet 1989 in einem osteuropäischen Kollektiv. Schließlich äußert sich der Wandel der Verhältnisse auch darin, daß einzelne Begriffe durch andere ersetzt wurden. Wer vor 20 Jahren noch latin hieß, erscheint nun unter spanish background, und Non-whites werden nun als black Americans aufgeführt. Dochtrotzall dieser Unterschiede lohnt es sich, die Daten, die das NORC 1971 veröffentlichte, neben diejenigen aus der Hemrick/Hoge-Studie von 1991 zu stellen. Tabelle 9 Ethnische Selbstzuordnung von Priestern NORC 1971 Diözesan-Ordenspriester Anglo Saxon (English, Scottish, Welsh, English-Canadian)

Hemrick/Hoge 1991 Diözesan-Ordenspriester

7

7

8

10

Irish

39

34

26

24

German/Scandinavian (German, Austrian, Dutch, Swiss)

25

25

19

20

7

9

8

6

10

10 5

French Italian

5

5

Polish

6

7

Latin (Spanish Background)

2

2

4

Non White (Black American)

1

I

1

Asian, e.g. Vietnamese Philipino Quellen : Greeley, (1972), S. 32, und Hemrick/Hoge, (1991), S. 6.

3. Priester, Priesterbildung und Theologie

229

Auf diese Weise zeigt sich immerhin, daß die Anteile der lange Zeit dominierenden Iren und auch der Deutschen als der zweitgrößten Gruppe erheblich zurückgegangen sind. Außerdem ist gut erkennbar, daß die Italiener, die später in den amerikanischen Mittelstand einrückten, nun doppelt so stark vertreten sind, und daß bei den Hispanics eine ähnliche Entwicklung eingesetzt hat. Die Umfrage von Hemrick und Hoge bietet darüber hinaus manche Momentaufnahme, also Informationen, die nicht verglichen werden können, weil entsprechende Fragen früher nicht gestellt wurden oder nicht gestellt werden konnten. So sind die Priester der 80er Jahre auch gefragt worden, welche Autoren für sie wichtig waren. Auf diese Weise entstand eine theologische Hitliste, aus der man mancherlei, zum Teil kuriose Schlußfolgerungen ableiten kann. Von den Befragten wurden 51 Namen genannt, wobei Karl Rahner mit 278 Nennungen einen einsamen ersten Platz erreichte. Avery Dulles brachte es auf 55 Erwähnungen, genauso viel wie Leonardo Boff und Gustavo Gutierrez zusammen. Das Gros der Autoren muß sich mit etwa 20 Punkten begnügen, ein Schicksal, das Charles Curran, Hans Küng und Joseph Ratzinger mit Thomas von Aquin teilen 29 . Bedeutender sind die Auskünfte zum eigenen Beruf, wobei besonders die hohe Berufszufriedenheit auffällt. Sie äußert sich darin, daß 88 Prozent der Diözesanpriester und 91 Prozent der Ordenspriester der Einschätzung zustimmen, ihr Beruf sei highly respected 30 . Dieses Bild wird noch ergänzt durch eine Veröffentlichung über veränderte theologische und politische Einstellungen der Priester, die ebenfalls unter der Leitung von Hoge entstand. Dabei zeigt sich, daß die katholischen Priester insgesamt konservativer geworden sind, was aber keineswegs aus dem gestiegenen Durchschnittsalter folgt. Die älteren Jahrgänge haben ihre Neigung zum New-Dea/-Liberalismus und zur Demokratischen Partei beibehalten, während die jüngeren Priester durch den "Neokonservatismus" der 80er Jahre geprägt sind31 • Darin gleichen sie der Gesamtheit ihrer Altersgenossen, denn mittlerweile bezeichnet sich eine Mehrheit der jüngeren kirchennahen Katholiken als Anhänger der Republikaner, was in der Geschichte des amerikanischen Katholizismus wahrhaft eine Neuigkeit darstelle 2 . Die jungen Ordenspriester unterscheiden sich in ihren Einstellungen nicht von den anderen Priestern ihrer Generation. Sie veranschlagen die eigene Reputation noch höher, doch mag diese Selbsteinschätzung die Kehrseite einer sehr bewußt gegen den Trend gewählten Entscheidung sein. Bei den Ordensberufen hat sich nämlich die Entwicklung eingestellt, die man ins29 30 31

32

Hemrick/Hoge, 1991, II. Hernrick/Hoge, 1991, 27. Hoge/Shields/Verdieck, 1988, 142. Leege, 1993,29.

230

Kap. VI: Katholisch in Amerika

gesamt befürchtet hatte. Nach einer Berechnung von David Nygren und Miriam Ukeritis ging die Zahl der Ordenspriester zwischen 1963 und 1990 um 27 Prozent zurück, und bei den Ordensbrüdern und Ordensfrauen stellte sich mit einem Rückgang von 45 Prozent schon fast die Halbierung ein, mit der Schoenherr und Sorensen gerechnet hatten. Die Folgen sind besonders für die Frauenorden verheerend, denn deren Durchschnittsalter stieg auf über 60 Jahre an 33 , was für interessierte junge Frauen bedeutet, daß sie ihr Leben im Orden in der Gesellschaft alter Frauen und mit der Fürsorge für alte Frauen zu verbringen hätten. Die Entwicklung der religiösen Berufe bietet also ein gespaltenes Bild. Die Orden wurden von dem Schock der 70er Jahre am stärksten getroffen und haben sich auch in den 80er Jahren kaum davon erholt. Dabei ist freilich zu beachten, daß dies für Frauenorden weit mehr zutrifft als für Männerarden und in beiden Fällen für die aktiven Ordensgemeinschaften stärker als für die kontemplativen. Der amerikanische Katholizismus hat sich jedenfalls insofern schon an eine Welt ohne Nonnen gewöhnt, als kirchliche Einrichtungen sich nicht mehr darauf stützen können, daß die Schwestern die Arbeit erledigen. Wo früher der gesamte Lehrkörper einer Schule den betreffenden Orden angehörte, arbeiten heute wenige Schwestern mit einer großen Zahl angestellter Lehrer zusammen, was nichts daran ändert, daß ihnen in den meisten Fällen die Schule gehört und von einem Mitglied ihres Ordens geleitet wird. Darin stecken zwei Hinweise auf die Zukunft der aktiven Frauenorden. Deren weitere Entwicklung wird davon abhängen, ob ihnen die Betätigungsfelder des katholischen Bildungs- und Sozialwesens erhalten bleiben und ob sie neue Formen differenzierter Mitgliedschaft entwickeln, sich also für alleinstehende Laien öffnen. Solche strukturellen Veränderungen sind von den Männerarden nicht zu erwarten, da sie über das stabilisierende Element des Priestertums verfügen. Sie haben in der Krankenpflege und in den sozialen Diensten nie eine Rolle gespielt, und die Bedeutung der Missionen wird weiter abnehmen, so daß die finanzielle Sicherung und Reputation dieser Orden künftig noch ausschließlicher mit ihren Schulen und Universitäten verknüpft sein wird. Weit weniger bedrohlich ist die Lage bei den Diözesanpriestern. Deren Zahl stieg Ende der 60er Jahre zunächst noch von 34000 auf 37000 an und sank dann bis 1993 auf 33000 (s. statistische Tafel im Anhang). Je nachdem, ob man 1963, 1970 oder 1980 als Vergleichspunkt wählt, bedeutet dies einen Rückgang zwischen drei und sieben Prozent. Der Anteil derjenigen Priester, die ihr Amt verließen, wurde für 1974 mit 12 pro 1000 und zehn Jahre später nur noch mit 4 pro 1000 angegeben. 33

Nygren/Ukeritis, 1992, 257 ff.

3. Priester, Priesterbildung und Theologie

231

Der vergleichsweise geringe Rückgang der Priesterzahlen kommt freilich erst dann in eine realistische Perspektive, wenn man berücksichtigt, daß die Zahl der Katholiken in der gleichen Zeit erheblich angestiegen ist, wenn man also die Relation berechnet. Diese hat sich von ca. I zu I200 auf I zu I700 verändert. Auch hier deutet also die Entwicklung in die Richtung von Konzentration und Differenzierung: Eine weiterhin sinkende Zahl von Priestern, die deshalb weniger Entlastung durch Jüngere erfahren und selbst länger im Amt bleiben, wird größere Pfarreien betreuen und sich dabei auf eine wachsende Zahl formal qualifizierterer Mitarbeiter stützen müssen, die ihrerseits mehr Mitbestimmung fordern werden. Die Bischöfe wiederum werden gut beraten sein, diese künftig noch wichtigeren Priester entsprechend zu behandeln und so gut wie möglich auszubilden, so daß auch in dieser Hinsicht das Bildungswesen eine besondere Bedeutung erhält. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung der akademischen Theologie, das Verhältnis zwischen Priesterseminaren und theologischen Fachbereichen der Universitäten oder die Machtbalance zwischen Theologen und Bischöfen, sondern auch um die Verantwortung der Bischöfe für das gesamte katholische Bildungswesen. Die professionelle Theologie und ihre Interessen

Die Beziehungen zwischen den amerikanischen Kirchen und den Universitäten haben im I9. und 20. Jahrhundert eine wechselvolle Abfolge von Trennung und Verbindung durchlaufen, von der auch die Ausbildung der Geistlichen aller Konfessionen bestimmt wurde. Alle höheren Bildungsinstitutionen waren religiöse Gründungen. Harvard, Yale, Princeton, Georgetown wurden von verschiedenen Denominationen eingerichtet und unterhalten, und noch zur Zeit des Bürgerkrieges waren Universitätspräsidenten in aller Regel Geistliche. Danach brachte eine erste Welle der Säkularisierung den Übergang vom konfessionellen College zum christlichen College. Die I869 gegründete Cornell University bezeichnete sich in diesem Sinne als non-sectarian34 . Erst später setzte sich in Amerika das deutsche Modell der Forschungsuniversität durch, das auch mit dem christlichen College kaum noch vereinbar war. So wanderte die Ausbildung der protestantischen Geistlichen zunächst aus den Universitäten aus und organisierte sich in unzähligen eigenen Institutionen. Auf der katholischen Seite blieb es bei den Priesterseminaren und den Studienhäusern der Orden, und auch an den wenigen katholischen Universitäten, die zu dieser Zeit bereits Statur gewannen, entwickelte die Theologie sich nicht zu einer professionellen Disziplin, son34

Burtchaell, 1991, 23.

232

Kap. VI: Katholisch in Amerika

dem wurde allenfalls innerhalb des allgemeinbildenden Curriculums gelehrt. Wer in Theologie promovieren wollte oder sollte, ging nach Europa oder später an die Catholic University in Washington. Noch Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre dieses Jahrhunderts konnten Priesterseminare und Universitäten ihren Dozentennachwuchs nur an der Catholic University rekrutieren, weil während des Krieges ein Studium in Europa nicht möglich gewesen war. Danach freilich verlagerten sich die Gewichte von den Seminaren zu den Universitäten, wobei nun auch eine organisierte akademische Theologie mit ausgeprägtem professionellem Selbstbewußtsein entstand. Inzwischen haben neben der Catholic University noch sieben weitere Universitäten (Boston College, Duquesne, Fordham, Marquette, Notre Dame, Loyola-Chicago und St. Louis) das Promotionsrecht erhalten, und die Catholic Theological Society of America (CTSA) zählte 1993 bereits 1500 Mitglieder35 . Keineswegs alle diese Theologen sind Priester oder lehren in einem Priesterseminar. Darüberhinaus wächst die Zahl der weiblichen Mitglieder. In den 70er und 80er Jahren verlagerte sich also der Schwerpunkt der katholischen Theologie aus den Seminaren in die Universitäten, und gleichzeitig eröffneten sich den Theologen wegen der anhaltenden Expansion des Bildungswesens und der kirchlichen Apparate auch neue Tätigkeitsfelder. In diese Zeit fiel daher der Versuch, die Zunftinteressen der Profession abzusichern. Dies geschah zunächst dadurch, daß die CTSA versuchte, die Einstellungspraxis der Diözesen und der 230 katholischen Colleges und Universitäten im Sinne seiner Mitglieder zu beeinflussen und entsprechende Regeln durchzusetzen. Außerdem entwickelte sich ein Machtkampf zwischen den Bischöfen und den professionellen Theologen. Diese Auseinandersetzungen wurden von den Theologen durch semantische Vorstöße eröffnet, in denen es darum ging, das kirchliche Lehramt und die akademische Lehrtätigkeit der Theologen gleichzusetzen oder jedenfalls die letztere aufzuwerten. Besonders deutlich wird dies an der langwierigen Diskussion um das Dokument Doctrinal Responsibilities, die sich über zehn Jahre erstreckte. Am Anfang stand zweifellos die Absicht, unvermeidliche Konflikte zu entschärfen. Die CTSA tat sich 1979 mit den Kirchenrechtlern zusammen, die in dem Ruf standen, generell konservativ zu sein und es auch mit der Bedeutung von Begriffen genau zu nehmen. So wurde bei der Beschreibung der gemeinsamen Absicht zunächst auch noch zwischen Lehramt und Theologie deutlich unterschieden, als die Gesellschaft der Theologen den Verband der Kirchenrechtler, die Canon Law Society of America (CLSA) einlud, "Leitlinien zur Lösung von Schwierigkeiten" zu entwerfen, die "zwischen den Theologen und dem Lehramt auftreten könnten" (Set of 35

Egan, 1992, 13.

3. Priester, Priesterbildung und Theologie

233

norms, to guide the resolution of difficulties which may arise between theologians and the magisterium). Auf seinem langen Weg durch die Gremien neigte sich aber der Text immer mehr in die Richtung einer doctrinal complimentarity zwischen Bischöfen und Theologen, die auch in dem Plural des Titels Doctrinal Responsibilities schon anklang. Der 1983 fertiggestellte Textentwurf beschäftigte die Bischofskonferenz und verschiedene vatikanische Stellen sechs Jahre lang, weil vor allem der Vatikan darauf bestand, das Lehramt der Bischöfe deutlich hervorgehoben zu sehen36. Inzwischen entwickelte sich der Konflikt zwischen Charles E. Curran und den Leitungsgremien der Catholic University zu einem illustrativen Lehrstück, weil Curran versuchte, aus dem Fall ein Exempel zu machen (from my first public comments I insisted on the goal of making the whole affair a teaching moment) 37 . Richard P. McBrien schließlich, ein anderer Repräsentant des "progressiven Flügels", assistierte ihm und wies dabei noch deutlicher auf den Gegenstand des Streites hin. Es gehe nicht nur um den Umfang der akademischen Lehrfreiheit eines Theologen, sondern auch um die Rolle der Theologie in der Kirche. Zwar sei die Lehrfreiheit der Theologen grundsätzlich, (in principle), durch die Offenbarung und durch die Lehrautorität der Kirche eingeschränkt, doch dies gilt eben nur grundsätzlich. Was wirklich aus der Offenbarung folgt, und was tatsächlich Bestandteil der kirchlichen Lehrtradition ist, darüber will McBrien keinesfalls die Bischöfe entscheiden lassen, deren Verständnis der katholischen Tradition sich aus den Kursen ergebe, die sie vor 30 oder 40 Jahren im Seminar genossen hätten. Auch die Tatsache, daß einige Bischöfe vor langer Zeit einmal promoviert hätten, ändere nichts an deren entscheidendem Defekt: Sie seien eben keine professionellen Theologen (bishops are not professionally trained and professionally active theologians). Letztlich bestimmen also die Theologen über den Gehalt dessen, was ihre eigene Rolle begrenzt, und deshalb dürfen sie sich auch nicht damit zufriedengeben, nur durch historische Forschung oder theoretisch systematische Spekulationen einen diskursiven Beitrag zur Weiterentwicklung des Glaubensverständnisses und der Lehrtradition zu leisten. McBrien widerspricht dem Erzbischof Pilarczyk, der als Mitglied des boardder Catholic University davon gesprochen hatte, daß Theologen Spekuiation betrieben und daß eine katholische Universität für die Kirche die Rolle einer Denkfabrik übernehmen könne (theologians engage in "speculation .. . a catholic university is a kind of speculative think-tank") 38 . Die arbeitsrechtliche Klage Currans gegen die Catholic University endete 1988 mit der Feststellung des Gerichtes, es bestehe kein Anspruch darauf, 36 37

38

Reese, 1989, 4. Curran Charles E., 1987, 336. McBrien, 1988, 454 ff.

Kap. VI: Katholisch in Amerika

234

an einer katholischen Universität eine katholische Theologie zu lehren, die von der katholischen Kirche nicht als solche betrachtet werde. Der Fall Curran fand große Aufmerksamkeit, doch blieb er der einzige dieser Art, weil es zu einem derartigen Konflikt nur kommen kann, wenn der jeweilige Bischof zugleich auch Eigentümer und damit Arbeitgeber ist. Dies ist jedoch die Ausnahme, weil die allermeisten katholischen Universitäten Amerikas von einem Orden oder einem Trägerverein unterhalten werden. McBrien etwa lehrt an der University of Notre Dame, ohne daß der örtlich zuständige Bischof, der in Fort Wayne, Indiana, residiert, mit seiner Anstellung oder der Verlängerung seines Vertrages etwas zu tun hätte. Der Bischof gerät auch nicht in Zugzwang, wenn McBrien oder einer seiner Fakultätskollegen etwas vertritt, was der kirchlichen Lehre zu widersprechen scheint. Auch der Präsident von Notre Dame ist keineswegs zum Eingreifen gezwungen, allerdings muß er langfristig verschiedene Wirkungen kalkulieren. Er muß abschätzen, ob die Bischöfe, die in Notre Dame ausgebildeten Theologen einstellen, wenn das entsprechende Department als zu progressiv oder auch als zu reaktionär gilt, oder wie sich das jeweilige Renommee auf die Meinung und die Spendenfreudigkeit der Eltern und der Absolventen auswirkt. Mittlerweile schwindet aber auch dieser indirekte Einfluß, weil der Schwerpunkt der Theologenausbildung sich ein weiteres Mal verlagert. Universitäten wie Harvard und Chicago haben die Theologie wieder in ihre Struktur eingegliedert, und das bedeutet, daß nun auch die Theologie nonsectarian wurde. In den Divinity Schools von Harvard und Chicago ist inzwischen die Mehrheit der Theologiestudenten katholisch, und die entsprechende umgekehrte Entwicklung hat auch in den Theologie-Departments der katholischen Universitäten eingesetzt. Diese Herausbildung von theologischen Einheitsstudiengängen verstärkt dann zusätzlich noch die Tendenz, manche Anforderungen auf niedrigerem Niveau zu vereinheitlichen. So verweist Mathew L. Lamb vom Boston College darauf, daß man ohne Lateinkenntnisse in Theologie promovieren könne 39 , und Jude P. Dougherty von der Catholic University beklagt, daß die Theologiestudenten keine gründliche philosophische Ausbildung mehr erhielten, weshalb sie die traditionelle Denk- und Argumentationsweise der katholischen Theologie gar nicht mehr verstehen könnten40. Die Struktur des amerikanischen Universitätswesens und das Fehlen staatskirchenrechtlicher Verträge versetzten die Bischöfe also in einen Zustand der Machtlosigkeit, den sie vermutlich als wohltuend empfinden. Er bewahrt sie vor allzu vielen Wiederholungen des Falles Curran, also vor 39

40

Lamb, 1990, 5. Dougherty, 1992, 4.

4. Schulen und Universitäten

235

der Nötigung, ihr Lehramt negativ auszuüben. Freilich sind sie dadurch nur um so mehr gefordert, denn je vielfältiger die Institutionen der Theologenausbildung werden, desto genauer müssen die Bischöfe definieren, welche Anforderungen sie an das Studium der künftigen Priester stellen - und das gleiche gilt für das gesamte katholische Bildungswesen. 4. Schulen und Universitäten: Das soziale Kapital des amerikanischen Katholizismus Die Erfolgsgeschichte des amerikanischen Katholizismus spiegelt sich am deutlichsten in seinen Schulen und Universitäten, und deshalb dient dieses eigene Bildungswesen auch als das Schaustück der amerikanischen Kirche. Freilich war seine Geschichte auch so eng mit dem mühsamen Aufstieg verbunden, daß ihm noch lange die Erinnerung an die ärmlichen Anfänge anhaftete. Den Americanists des vergangeneo Jahrhunderts galten die katholischen Schulen als letzte Bastion eines verfehlten Seelsorgekonzepts und als Integrationshindemis. Später erschienen sie manchem Bischof als ein kostspieliges Relikt aus der katholischen Subkultur, das man beim Auszug aus dem Ghetto hinter sich lassen konnte. Man hatte den Geruch von Bohnerwachs in der Nase und dachte an Nonnen mit gestärkten Hauben, aber nicht an die naturwissenschaftlichen Kenntnisse, die ein Schüler brauchte, um jene Tests zu bestehen, die den Weg in ein gutes College ebnen. Jedenfalls wirken sich in der Statistik des katholischen Bildungswesens nicht nur die Wellen der Bevölkerungsentwicklung, sondern auch die Bewegungen des Meinungswandels aus. Vom Baby-Boom zum Bildungsboom

Vom Anfang der 50er Jahre bis in die Mitte der 60er Jahre bewirkte zunächst der Baby-Boom einen Wachstumsschub. Die Zahl der katholischen Schulen stieg von 10 800 auf 13 200 und die der Schüler von 3 Millionen auf 5,6 Millionen. Die nötigen Lehrkräfte konnte man nicht mehr ausschließlich aus den Orden gewinnen. Zwar erhöhte sich die Zahl der Ordensleute, die in den Schulen unterrichteten, noch einmal von 80000 auf 100000, aber dennoch sank ihr Anteil, weil derjenige der Laien vervierfacht werden mußte, so daß diese nun bereits 40 Prozent des Lehrpersonals stellten. In den 70er Jahren ging die Schülerzahl erheblich zurück, doch verlief die Entwicklung der einzelnen Schularten sehr unterschiedlich. Die Grundschulen erlebten einen Rückgang von ursprünglich 4,6 Millionen auf 2,3 Millionen, also eine Halbierung, wobei von den nahezu 11 000 Grundschulen des Jahres 1963 bis 1980 nur noch etwas mehr als 8000 übrig blieben.

Kap. VI: Katholisch in Amerika

236

Die Sekundarschulen verloren in der gleichen Zeit nur etwa 15 Prozent der Schüler, denn dort machte sich das Abklingen des Baby-Booms erst etwas später bemerkbar. Dennoch wurden 40 Prozent der High Schools geschlossen, ein Konzentrationsvorgang, der nochmals an den städtischen Charakter des amerikanischen Katholizismus erinnert. Die Zahl der Lehrkräfte ging nur um etwa lO Prozent zurück, so daß relativ mehr Lehrer beschäftigt wurden als zuvor. Der Umfang der finanziellen Konsequenzen wird jedoch erst erkennbar, wenn man auf die veränderte Zusammensetzung dieses Lehrkörpers blickt. Von den 100 000 Ordensleuten sind 40 000 übrig geblieben. Noch 15 Jahre vorher nahmen je zehn Ordensmitglieder die vergleichsweise teuere Hilfe acht anderer Lehrer in Anspruch, die weder Gehorsam noch Armut gelobt hatten. Nun arbeiteten 12 Laien mit vier Ordensleuten zusammen. Tabelle 10 Entwicklung der katholischen Schulen von 1950- 1993 1950

1963

1980

1990

1993

8502

10776

8149

7544

7346

2560626

4609029

2317200

1985930

2007299

2382

2432

1527

1379

1413

Schülerzahl

419878

1004927

846559

630667

635740

Lehrpersonal

106777

183336

167713

156082

161635

82048

102343

41 135

19012

15 866

Grundschulen Schülerzahl Sekundarschulen

davon Ordensleute

Auszug aus der statistischen Tafel (s. Anhang).

Während der 80er Jahre ist in allen diesen statistischen Kategorien eine weitere Abnahme zu verzeichnen. Nochmals schließen einige Schulen, der Rückgang der Schülerzahlen fällt jetzt bei den Sekundarschulen deutlicher aus als bei den Elementarschulen, und die Zahl der Ordensleute im Schuldienst halbiert sich noch einmal. Anfang der 90er Jahre dagegen werden zwar noch einige Grundschulen geschlossen, doch außer bei den Ordensleuten sind ansonsten steigende Zahlen zu verzeichnen. Spätestens an dieser Stelle wäre es interessant, die Attraktivität der katholischen Schulen noch einmal in Relation zur öffentlichen Konkurrenz zu sehen, also zu erfahren, wie die katholischen Schüler sich auf die beiden Systeme verteilen. Nachdem aber die öffentlichen Schulen nicht nach der Konfession fragen dürfen, bleibt nur der Umweg über den Religionsunterricht, den die Pfarreien für die Schüler der öffentlichen Schulen anbieten.

4. Schulen und Universitäten

237

Da ein Kind, das zur Erstkommunion oder zur Firmung angemeldet werden soll, vorher den Religionsunterricht besucht haben muß, sind diese Zahlen genauso verläßlich wie die sonstige Kirchenstatistik, sie beziehen sich also auf die Gesamtheit der offiziell registrierten Mitglieder. Tabelle 11 Katholische Schüler in öffentlichen Schulen und in katholischen Schulen (1991)

Catholic Elementary School

1962387

Public Elementary School

3089547

Catholic High School

621425

Public High School

727 453

Quellen: Catholic Almanac, (1991), S. 528, und statistische Tafel (s. Anhang).

Vergleicht man also die Daten zum Religionsunterricht, die 1991 veröffentlicht wurden, mit den Zahlen des katholischen Schulwesens, so ergibt sich, daß die Katholiken das eigene Bildungssystem umso deutlicher bevorzugen, je weiter die Schullaufbahn führt. In den ersten acht Jahren besuchen noch drei von fünf katholischen Schülern eine öffentliche Schule, und daran wird erkennbar, daß zwischen der Höhe der Grundsteuern als der entscheidenden Einnahmequelle amerikanischer Gebietskörperschaften und der Qualität der öffentlichen Schulen ein Zusammenhang besteht. Die Vorortgemeinden, in denen ein Großteil des katholischen Mittelstandes heute lebt, verlangen hohe Grundsteuern und bieten dafür gute öffentliche Schulen. In den alten innerstädtischen Wohnvierteln dagegen empfiehlt es sich, das Geld, das man durch die geringere Grundsteuer spart, für eine Privatschule auszugeben. Bei der Wahl der High School entscheidet sich dann ein größerer Teil der katholischen Eltern für die private Alternative, weshalb die Schüler sich nun schon fast im Verhältnis eins zu eins auf die beiden Systeme verteilen. Es bleibt also die Frage, was viele Eltern dazu veranlaßt, zwei Bildungssysteme zu finanzieren, nämlich ein öffentliches, das sie durch ihre Steuern mittragen, aber nicht in Anspruch nehmen, und ein privates, das ihnen nahezu kostendeckende Beiträge abverlangt. Den verschiedenen Veröffentlichungen der 80er Jahre lassen sich zwei Gründe entnehmen. Erstens hat sich die Bewertung der katholischen Schulen und ihrer Entwicklungschancen innerhalb eines Jahrzehnts grundlegend verändert. Sie dienen heute als Vorbild für die öffentlichen Schulen. Zweitens gelten besonders die Colleges als die langfristig wichtigste Stütze der Kirche, weil man nur ihnen noch eine milieubildende Kraft zuschreibt.

238

Kap. VI: Katholisch in Amerika

Community als Erfolgsrezept: Das Beispiel Chicagos

Die veränderte Stellung des katholischen Bildungssystems spiegelt sich sowohl in den Ergebnissen entsprechender Untersuchungen als auch in Einzelinformationen wieder. Dabei bietet sich besonders die Erzdiözese Chicago als Beispiel an, obwohl Chicago inzwischen den Rang des größten Bistums an Los Angeles abtreten mußte. Dennoch werden die heute maßgeblichen Entwicklungstrends in diesem Bistum deutlicher als anderswo. Chicago ist mit der großen Weile der Einwanderung gewachsen, und deshalb finden sich dort die sozialstrukturellen Merkmale des Katholizismus in überzeichneter Form. Das gilt sowohl für die Siedlungsstruktur als auch für die Zusammensetzung der Bevölkerung. Das Bistum umfaßt den gesamten Großraum Chicagos, dessen Einwohner inzwischen je etwa zur Hälfte in der Stadt und in den umgebenden Suburbs (Cook County, Lake County) leben. So findet man in der Innenstadt jene älteren Wohnviertel, in denen die ost- und südosteuropäischen Katholiken unverwechselbare Kirchenbauten hinterlassen haben, während sich weiter draußen die Einfamilienhaussiedlungen der Nachkriegszeit ausgebreitetel haben. Die Bedeutung der weißen ethnics kommt schließlich auch darin zum Ausdruck, daß 40 Prozent der Bevölkerung katholisch sind. Schließlich verfügt das Bistum Chicago über eine aussagekräftige Schulstatistik, weil das Schulsystem schon zu Mundeleins Zeiten vereinheitlicht wurde. 1991 unterhielten die 2250000 Katholiken über ihre direkten und indirekten Beiträge 370 Schulen, nämlich 325 Grundschulen und 51 Sekundarschulen. Dort wurden 150000 Schüler unterrichtet und dazu beschäftigte das Bistum 6500 Lehrer, also 23 pro Schüler. Hinzu kamen 550 Schulleiter und Mitarbeiter der zentralen Verwaltung, wobei ein relativ großer Teil dieser Stellen, nämlich 223, mit Ordensleuten besetzt war. Diese Verwaltung errechnete für 1991 Kosten von 1350 Dollar pro Schüler in den Grundschulen und 2 400 Dollar in den Sekundarschulen. Die Gebühren wurden auf 1170 Dollar bzw. 1680 Dollar festgelegt, was einem Anteil von 80 bzw. 75 Prozent entsprach. Die statistischen Angaben des Bistums bieten keine weiteren Informationen, weshalb man darauf angewiesen ist, das Bild durch Mosaiksteine aus Einzeluntersuchungen und Umfragen zu ergänzen. In solchen Arbeiten wird jedoch Chicago ohnehin stärker berücksichtigt, weil mehrere einschlägige Institutionen dort ansässig sind. Das gilt für das National Opinion Research Center, zu dessen Leitung Andrew Greeley gehört, ebenso wie für James Coleman, dessen bildungssoziologische Arbeiten große öffentliche Resonanz hatten und der heute an der University of Chicago lehrt, und es trifft schließlich auch auf die populäre Zeitschrift U. S. Catholic zu, die immer wieder die Bedeutung des katholischen Bildungswesens hervorhob.

4. Schulen und Universitäten

239

Tabelle 12 Katholische Schulen im Erzbistum Chicago 1991 Katholiken Schulen

2350000 376

Elementarschulen

325

Sekundarschulen

51

Schüler

149548

Lehrer

6435

Elementarschulen (darunter 442 Ordensleute)

4583

Sekundarschulen (darunter 234 Ordensleute)

1852

SchulleiterI "Administrators'' (darunter 223 Ordensleute)

542

Kosten pro Schüler (Dollar) Elementarschulen

1350

Sekundarschulen

2400

Gebühren pro Schüler (Dollar) Elementarschulen

1170

Sekundarschulen

1680

Quelle: Angaben aus Diözesanverwaltung.

Ein erster "Aha-Effekt" ergab sich daraus, daß vor allem in den Stadtzentren Eltern, die selbst nicht katholisch waren, ihre Kinder bei katholischen Schulen anmeldeten. Ihnen ging es darum, daß dort eine Disziplin herrschte, die die Schüler voreinander schützte, und daß ein leistungsorientiertes Klima garantiert war. Meldungen wie die, daß in den innerstädtischen katholischen Schulen Chicagos nur noch 60 Prozent der Schüler katholisch waren, erschienen zunächst in Zeitschriften, wie dem V. S. Catholic, und fanden dann ihren Weg auch in die New York Times. Die Studien von Coleman, Coleman und Hoffer, Sebring und Camburn stellten dann klar, daß die Disziplin nur Mittel zum Zweck war und daß die katholischen Schulen in allen Fächern bessere Leistungen erzielten und wesentlich mehr Schüler zu einem Abschluß führten 41 . Coleman konnte zusätzlich zeigen, daß dieser Erfolg nicht durch creaming erzielt wird, also nicht nur durch das "Absahnen" besserer Schüler, 41

Siehe v.a. Coleman/Hoffer, 1987, l32 ff.

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Kap. VI: Katholisch in Amerika

sondern dadurch, daß schwächere Schüler besser gefördert wurden, als dies in öffentlichen Schulen der Fall gewesen wäre. Kardinal Bernardin hat deshalb zusammen mit einigen Geschäftsleuten einen Kreis gegründet, der Geld für die katholischen Schulen in solchen innerstädtischen Bezirken sammelt, in denen der Anteil der Katholiken sinkt und das Interesse schwarzer Eltern steigt. Das Stichwort, das den Erfolg der katholischen Schüler plausibel erklärt und sich daher in der Literatur bis in die Buchtitel durchgesetzt hat, heißt community. Wie auch das bereits erwähnte Beispiel der Holy-Angels-School zeigt, suchen die katholischen Schulen sich nicht die besten Schüler, sondern die besten Eltern aus. Sie ziehen diejenigen Eltern an sich, die zur Zusammenarbeit mit der Schule bereit sind, und erzeugen Beziehungen zwischen Schule, Familie und Kirchengemeinde, die sich überlappen und sich gegenseitig verstärken. Das College als neues Milieu

Dieses Zusammenspiel verschiedener sozialer Formen wird bei den katholischen Colleges und Universitäten noch sichtbarer, denn in diesem Falle sind die Beziehungen besonders vielfältig und dauerhaft, weshalb starke Wechselwirkungen zwischen Studenten, College, Eltern und Absolventenvereinigung entstehen. Das bedeutet zunächst, daß die Wahl des Colleges eine Bindung zwischen den Studenten und ihren Eltern stiftet, die sonst in dieser Lebenssituation nicht mehr üblich ist. Die Finanzierung des Studiums zwingt die meisten mittelständischen Familien dazu, sich über Jahre hinweg einzuschränken. Je mehr aber einige katholische Universtäten durch erhebliche Investitionen in die Qualität des Lehrkörpers nicht nur arrivierten, sondern auch entsprechend teuer wurden, desto deutlicher trat die bewußte Wahl des Colleges auch in ihrer weltanschaulichen Bedeutung hervor, und beides ist zwischen der Studentin oder dem Studenten und den Eltern oft besprochen worden. Wenn ein Studium in Notre Dame inzwischen etwa 20000 Dollar pro Jahr kostet und damit so teuer ist wie Harvard, Stanford oder die University of Chicago, dann geben die Erwartungen an eine katholische Universität den Ausschlag. So geraten Notre Dame oder Georgetown unter den Druck zweier entgegengesetzter Zwänge. Einerseits führt die Hebung des akademischen Standards auch zu einer Akademisierung der Personalauswahl und damit zu einer Verstärkung der Säkularisierungstendenz. Andererseits erwarten die Eltern, daß trotz erstklassiger Ausbildung der katholische Charakter der Institution gewahrt bleibt, und die Universitätsleitung weiß, daß sie ohne dieses zusätzliche Verkaufsargument ihren Marktanteil verlieren wird. Es gibt also auch

4. Schulen und Universitäten

241

starke nichtreligiöse Motive dafür, daß die katholischen Universitäten selbst die Diskussion über ihre katholische Identität in Gang halten. Das College erzeugt ein soziales Netz, indem es nicht nur die Beziehung zwischen dem Studenten und seiner Herkunftsfamilie vertieft, sondern auch über das Studium hinaus die Absolventen an sich und aneinander bindet. Als organisatorische Form dieses Zusammenhanges dienen besonders die alumni-associations, die insofern einer studentischen Verbindung gleichen, als sie für den Kontakt der Ehemaligen sorgen. So wurde 1991 bereits in Moskau ein Notre-Dame-Alumni-Club gegründet. Anders als die deutschen Korporationen halten sie jedoch auch die Bindung an die Universität oder das College aufrecht, von denen Amerikaner auch heute noch ohne jeden ironischen Unterton als ihrer Alma mater sprechen, und diese dauerhafte Rückbeziehung führt in aller Regel zu dem Wunsch, die Tochter oder den Sohn für das eigene College zu interessieren, so daß mehrere Gemeinschaftsformen ineinander greifen und sich gegenseitig stützen und verstärken. Diese ungeplante Vervielfältigung und Verstärkung sozialer Bindungen macht verständlich, weshalb die katholischen Colleges und Universitäten allen Unkenrufen zum Trotz überlebt haben und selbst dann noch unentwegt gewachsen sind, als der katholische Mittelstand sich auch in seiner Kinderzahl dem amerikanischen Durchschnitt angeglichen hatte. Auch in den Hochschulen machte sich zunächst der Boom der fünziger Jahre bemerkbar. Bis zum Konzil entstanden über 50 neue Einrichtungen, und die Zahl der Studenten wuchs um 100000 oder 30 Prozent. Dennoch blieb der anschließende Rückgang aus, der sonst überall zu beobachten war. Die Zahl der Colleges und Universitäten sank zwar allmählich wieder auf die ursprüngliche Größenordnung, doch die verbleibenden 230 hatten keinen Mangel an Studenten, sondern konnten in den folgenden drei Jahrzehnten einen gleichbleibenden Zuwachs von jeweils 20 Prozent verzeichnen. Auch zwischen 1990 und 1993 liegt die Steigerung mit sieben Prozent wieder in diesem Trend. Aus dieser stetigen Entwicklung folgt jedoch noch nicht, daß das Wachstumspotential erschöpft wäre oder die ständige Kostensteigerung keine abschreckende Wirkung gehabt hätte. Die Tatsache, daß viele Studenten versuchen, erst später einzusteigen, belegt das Gegenteil. Man studiert zunächst einmal zwei Jahre an der nächstgelegenen Staats-Universität, die von den Landeskindem nur etwa 3000 bis 5000 Dollar jährliche Gebühren verlangt, und bewirbt sich erst dann an der privaten Universität, deren Abschluß man erwerben möchte. So wurde inzwischen auch das Verhältnis zwischen dem Staat und dem privaten Bildungswesen wieder zu einem politischen Thema. Die Zulässigkeil privater Schulen und Hochschulen war unbestritten, seit der Supreme Court 1925 gegen den Ku-Klux-Klan und den Monopolan16 Zöller

242

Kap. VI: Katholisch in Amerika

Tabelle 13 Entwicklung der katholischen Hochschulen 1950 - 1993

Colleges/Universitäten Studenten

Colleges/Universitäten Studenten

1950

1963

1970

225 252727

282 357764

283 426205

1980

1990

1993

239 505076

232 620772

231 660787

Auszug aus der statistischen Tafel (s. Anhang).

spruch der öffentlichen Schule entschieden hatte (s.o.). Doch gilt bislang eine direkte oder indirekte öffentliche Unterstützung für konfessionelle Bildungseinrichtungen als unvereinbar mit dem ersten Verfassungszusatz, der im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche interpretiert wird. Allerdings hat sich in den 80er Jahren die Stimmung entscheidend verändert. Während katholische Schulen und Universitäten früher als sectarian abgestempelt waren, ist die Öffentlichkeit nun davon überzeugt, daß manche Probleme gelöst wären, wenn aufstiegswillige Schwarze oder Hispanics ihre Kinder in katholische Schulen schicken könnten. Hinzu kommt die verbreitete Meinung, der Mittelstand, zu dem jeder sich selbst zählt, könne sich die bessere Ausbildung an einer privaten Universität nicht mehr leisten. Die Republikaner, die ohnehin nicht an die segensreiche Wirkung der Staatstätigkeit glauben, haben deshalb ein neues Thema entdeckt, mit dem sie eben jenen Gruppen etwas bieten können, um die sie sich langfristig bemühen müssen, namentlich den zu Wechselwählern gewordenen katholischen ethnics, dem noch immer viel zu kleinen schwarzen Mittelstand und den schon zahlreicheren aufstiegsorientierten Hispanics. Immer häufiger werden daher Vorschläge diskutiert, die auf eine finanzielle Unterstützung der Familien, nicht aber auf eine direkte Subventionierung der Institutionen hinauslaufen. Dabei wäre dem weißen Mittelstand schon geholfen, wenn er die Kosten vom steuerpflichtigen Einkommen abziehen könnte (tax credits), während neue Schulen nach Art von Holy Angels erst dann entstünden, wenn die Eltern Gutscheine erhielten, die sie bei öffentlichen oder privaten Schulen einlösen können (vouchers). Die katholischen Schulen und Universitäten haben sich jedenfalls zu einem anerkannten Teil des amerikanischen Bildungswesens entwickelt, und je mehr man sich mit den Ursachen dieses Erfolges beschäftigt hat, desto

4. Schulen und Universitäten

243

deutlicher stellte sich heraus, daß ihre Leistungsfähigkeit nicht von ihrer konfessionellen Besonderheit zu trennen ist und gerade aus dem Zusammenwirken mehrerer ergänzungsfähiger Gemeinschaften henührt. Andrew Greeley hat deshalb unermüdlich darauf hingewiesen, daß dieses Bildungswesen auch religiös gesehen eine gute Investition ist. Seine Absolventen kehren häufiger als andere nach der Abstinenz der Junggesellenzeit in die Kirchengemeinde zurück und beteiligen sich dann durch ihre Aktivität und ihre finanziellen Beiträge so überproportional, daß die kirchlichen Leistungen für Schulen und Hochschulen eben keine Zuschüsse, sondern rentable Investitionen sind. Auch dabei handelt es sich nicht um einen Creaming-Effekt, sondern sozusagen um einen religiösen Mehrwert, denn diese von Greeley geschilderten Absolventen waren nur zum geringeren Teil ihrerseits schon Kinder ehemaliger Schüler und Studenten und stammten meist auch nicht aus den stärker religiös geprägten Familien42 . Zusätzlich zu Greeleys Hinweisen könnte man auch daran erinnern, daß das katholische Bildungswesen besonders in den siebziger Jahren für manche Orden die letzte Rettung bot, denn ohne diese finanzielle Absicherung wären die Versorgungslasten, die sich aus der Überalterung ergaben, nicht zu tragen gewesen. Entscheidend bleibt jedoch, daß dieses eigene Bildungswesen den amerikanischen Katholizismus mit sozialem Kapital versorgt. Es erzeugt ein Netzwerk sozialer Beziehungen, das seinerseits eine religiöse Gemeinschaft bereithält, in die der einzelne je nach Lebenssituation in unterschiedlicher Intensität wieder eintauchen kann. Dabei macht es die eigene Bildungsgeschichte als Teil einer Familiengeschichte und einer Geschichte von Institutionen erfahrbar, demonstriert also den Zusammenhang von Gegenwart und Vergangenheit. Man könnte auch sagen, es funktioniert wie ein Milieu und vermittelt eine Ahnung von Kirche.

42

16*

Greeley, 198911, 14.

Der religiöse Individualismus und das Kulturprinzip Kirche: Der amerikanische Weg nach Rom (Nachwort) Am Ende scheint ein zwiespältiges Ergebnis zu stehen. Einerseits haben die Katholiken sich in das Zentrum der amerikanischen Gesellschaft vorgearbeitet. They have made it, wie die Amerikaner sagen. Ganz wie Tocqueville es erwartete, verstehen sie sich als Amerikaner und als Katholiken, und damit widerlegen sie zwei entgegengesetzte, aber dennoch übereinstimmende Ausschließlichkeitsdoktrinen: Die vom unamerikanischen Charakter des Katholizismus, also die Behauptung der Nationalisten, die sich für liberal hielten, und die von der unauflöslichen Feindschaft zwischen Kirche und moderner Welt, also die Furcht, die viele Konservative zu Traditionalisten werden ließ. Die Katholiken erwiesen sich als durch und durch loyale Bürger der Republik. Tatsächlich finden die Prinzipien der amerikanischen Verfassung nirgendwo eine verläßlichere Stütze als in katholischen Denkgewohnheiten. Erinnert man sich an die Überzeugung der Gründerväter, - daß der Mensch einerseits zu vernünftigem Urteil und daher zur Selbstregierung fähig sei, daß aber andererseits Grund bestehe, ihm mit Mißtrauen zu begegnen und daher gegen die Selbstzerstörung der Republik institutionelle Vorkehrungen zu treffen -, so ist es nicht erstaunlich, daß manche nun einen catholic moment 1, einen katholischen Abschnitt der amerikanischen Kulturgeschichte, erwarten. Was die eher antikatholischen Verfassungsgeber geschaffen haben, ist der katholischen Kirche trotz aller Diskriminierung jedenfalls gut bekommen. Sie hat sich in dem kulturellen Klima der religiös neutralen, aber religionsfreundlichen Republik besser entwickelt als in sogenannten katholischen Ländern, in denen sie privilegiert und verfolgt wurde. Andererseits aber geriet der amerikanische Katholizismus, je amerikanischer er wurde, auch in die Kritik, die an dieser Kultur und an ihrem Religionsverständnis geübt wird. Die allgemeine Hochschätzung etwa gelte nur der Religion als solcher, aber noch keineswegs der jeweiligen Religion als dieser oder gar ihren konkreten Lehren und Institutionen. 1

Neuhaus, 1987.

Der religiöse Individualismus und das Kulturprinzip Kirche

245

Tatsächlich hat der antiinstitutionelle Affekt in der Neuen Welt besonders tiefe Wurzeln geschlagen. Ein voluntaristisches Glaubensverständnis, dem der Intellekt als Hure des Teufels erschien, etablierte sich als ein genereller Verdacht gegen Intellektuelle und als konkretes Mißtrauen gegen einen gebildeten professionellen Klerus2 , und als diese antiintellektuelle und antielitäre Kultur sich demokratisierte, wurden Individualismus und Populismus, also der Glaube an den einzelnen und die Verherrlichung seiner Würde und Einsichtsfähigkeit, zum positiven Ausdruck gemeinsamer Überzeugung. Dabei entstand eine religiöse Kultur, in der Doktrin und Theologie heruntergespielt werden. Religion empfiehlt sich durch die Dienste, die sie leistet, nicht durch die Lehren, die sie verkündet. Daher weisen manche auf die Gefahr hin, daß Religion zur Ethik verkümmere oder nur noch als Therapie verstanden werde, und in diesem Sinne könnte man sagen, die Amerikaner halten die Religion für unentbehrlich, aber sie sind nicht sicher, ob das auch für die Kirche gilt. Die Katholiken freilich lebten lange Zeit in einer eigenen Welt und waren gegen diese Kultur immunisiert, weshalb auch die Formen traditioneller Kirchlichkeit nicht infrage gestellt wurden. Die nostalgische Anhänglichkeit an die alte Heimat wirkte ebenso konservierend wie der antikatholische Druck von außen. Später, als die katholische Subkultur sich aufgelöst hatte, blieben nur diejenigen Besonderheiten übrig, die direkt aus der kirchlichen Struktur folgten. So führt etwa der religiöse Voluntarismus auch bei den Katholiken zu einer internen Pluralisierung der Meinungen und Verhaltensweisen, nicht aber zu einer Vervielfältigung von Denominationen. Heute hat der Katholizismus seinen Platz in der amerikanischen Kultur gefunden und auch amerikanische Katholiken neigen nun dazu, den institutionellen Charakter der Kirche zu unterschätzen oder nur noch als ein Relikt aus autoritären Zeiten zu verstehen 3 . Gleichzeitig aber ist dieser Katholizismus mit einer Reihe von Entwicklungsproblemen konfrontiert, die ihm die Fähigkeit abverlangen, den Wandel arbeitsteilig differenzierend zu kanalisieren, also wie eine leistungsfähige Institution zu reagieren. Ob es darum geht, die Hispanics einzugliedern, ohne eine spanische Eigenkirche entstehen zu lassen, der Theologie eine eigenständige Rolle zu geben, ohne das kirchliche Lehramt infrage zu stellen, konkurrierenden innerkirchlichen Gruppen Spielraum, aber kein Mandat einzuräumen, oder schließlich die Position der katholischen Universitäten und Schulen gleichzeitig als Abstand von der Kirche wie auch als Nähe zu ihr zu bestimmen immer kommt es dabei auf die spezifische institutionelle Leistung an, die 2 3

Hofstadter, 1962, 47. ein besonders krasses Beispiel bietet Eugene Kennedy, 1988.

246

Nachwort

Rolle einzelner Elemente zu definieren und ihre Zusammenarbeit zu organisieren. Dieses Ausbalancieren ist unter den Bedingungen der Individualisierung schwieriger, aber keineswegs unmöglich geworden. Gerade die amerikanischen Individualisten schätzen nämlich das, was sie in der Politik wie in der Religion als leadership bezeichnen. So hängt es besonders von der Klugheit der Hirten ab, ob sie Gefolgschaft finden oder nicht und ob entsprechend die Institution gestärkt oder geschwächt wird. Bislang folgten die Laien, wenn die Bischöfe - wie etwa im Falle der Abtreibungsdiskussion - eine eindeutige katholische Position bekräftigten, und sie verloren das Interesse, wenn eine solche trotz allen Aufwandes nicht erkennbar war. Doch ganz unabhängig von der Bedeutung kluger Führung taugt der vielbeschworene religiöse Individualismus auch deshalb nicht zum Sündenbock, weil er erstens auf Dauer unvermeidlich ist und zweitens der Herausbildung universaler Orientierungen keineswegs entgegensteht. Man könnte auch sagen, weil die Alternative von Individualismus und sogenanntem Kommunitarismus keine ist. Zunächst ist nämlich an die Banalität zu erinnern, daß die individuelle Glaubensentscheidung durch ein religiöses Milieu gestützt wird und umgekehrt eine ererbte Zugehörigkeit irgendwann bewußt angenommen werden muß, um zu überdauern. Diese individuelle Aneignung wird jedenfalls in dem Maße unumgänglich, in dem der einzelne aus festen sozialen Gefügen herausfällt. In wenig strukturierten Gesellschaften wird daher auch die religiöse Kultur zwangsläufig individualistischer, und die Überlebenschancen der einzelnen Religionen steigen oder sinken je nach ihrer Fähigkeit, sich diesem individualistischen Stil anzupassen. Insofern führen auch die Wege Roms nach Amerika - und die europäischen Bischöfe wären froh, sie hätten das amerikanische Problem des religiösen Individualismus. Doch trotz dieses unbestreitbaren und unvermeidbaren Trends beruht die gängige Kritik auch deshalb auf falschen Voraussetzungen, weil die gesellschaftliche und religiöse Individualisierung die Ausbildung universaler Orientierungen eher fördert als hindert. So haben die amerikanischen Katholiken ihr Selbstverständnis an zunehmend größeren und abstrakteren Einheiten festgemacht. Sie dehnten ihre Loyalität über die Großfamilie hinaus zunächst auf die ethnische Gruppe und deren Religion, danach auf die Nation und die eigene Konfession aus. Gleichzeitig war die konkrete Lebensführung außerhalb des Berufs an immer kleineren selbstgewählten Gemeinschaften orientiert. Darin unterscheiden die Katholiken sich nicht von anderen Amerikanern und ebenso wie diese halten sie manchmal ihre gegenwärtige Lebensweise für die höchste Stufe des Bewußtseins.

Der religiöse Individualismus und das Kulturprinzip Kirche

247

Was sie aber den anderen Amerikanern und erst recht den Europäern voraushaben, ist, daß sie bei diesem nächsten Schritt ihre abstrakte Selbstzuordnung und ihre konkreten Lebensgemeinschaften in dem Konzept Kirche zusammenführen können. Die amerikanische religiöse Kultur und die eigenen Institutionen erleichtern es ihnen, diesen amerikanischen Weg nach Rom zu gehen.

Anhang

Statistische Angaben für die Zeit von 1950 bis 1993 1. Erläuterungen Als einzige allgemein zugängliche Quelle statistischer Angaben aus der gesamten katholischen Kirche der USA erscheint jährlich das "Official Catholic Directory". Seine Daten entstammen den Berichten der Pfarreien und der Ordensgemeinschaften. Das "Directory" dient seinerseits als Grundlage anderer katholischer und interkonfessioneller Jahrbücher wie des "Catholic Almanac" und des "Yearbook of American and Canadian Churches". In manchen Fällen hat die Vergleichbarkeit der Zahlen darunter gelitten, daß erstens ein und dieselbe Kategorie im Laufe der Zeit ganz Unterschiedliches umfaßte, daß zweitens als Antwort auf geänderte Verhältnisse neue organisatorische Formen eingeführt wurden, und daß drittens der Zeitgeist nach neuen Bezeichnungen verlangte. Das erste Problem stellt sich bei den Angaben zur Nachwuchssituation der Orden, denn unter "Religious Seminaries" wurden lange Zeit nicht nur Studienhäuser, sondern auch vorbereitende Schulinternate ("Petit Seininaire") aufgeführt. Eine zweite Art der Diskontinuität ergibt sich daraus, daß die Träger sozialer Dienste gegenwärtig dazu übergehen, Sozialstationen und andere Formen ambulanter Versorgung soweit wie möglich an die Stelle von Heimen zu setzen. Schließlich aber führen politische Sprachregelungen dazu, daß die gleiche Sache anders genannt wird oder in einer anderen Rubrik erscheint. So gehen die "Hornes for Aged" ab 1990 in den "Hornes for Special Care" unter. Ansonsten aber bietet die folgende statistische Tafel ein zuverlässiges Abbild der Entwicklung des amerikanischen Katholizismus der Nachkriegszeit vom BabyBoom über die Krise der sechziger und siebziger Jahre bis zu der Erholung in den achtziger und neunziger Jahren.

Statistische Angaben für die Zeit von 1950 bis 1993

249

2. Statistische Tafel 1950

1963

1970

1980

1990

1. Katholiken (Mio.)

27,8

43,8

48,2

49,8

57,0

59,2

2. Bevölkerungsanteil (%)

20,3

23,9

23,8

22,8

23,1

23,1

1993

3. Pfarreien

15292

17298

18244

18794

19860

19863

4. Diözesanpriester

42910

34465

37020

35418

34553

33476

157

120

130

138

155

162

(2I)

(28)

(3 I)

(32)

(33)

(36)

5

8

10

7

9 I7576

5. Bistümer (Erzbistümer, (Erzbischöfe) 6. Kardinäle 7. Ordenspriester 8. Brüder 9. Ordensschwestern

22075

21141

23203

18559

7377

I 1968

10156

7941

6743

6260

147310

177154

153645

126517

103269

994022

Priesterseminare

10. der Diözesen 11. der Orden

72

107

llO

92

74

75

316

554

340

252

159

138

8200

16356

9672

4928

4447

4335

17422

33218

16038

8298

(1786)

1556

641

605

739

811

737

633

641

624

Studentenzahl

12. Diözesanseminare 13. Ordensseminare Weihe

14. Krankenhäuser 15. Ambulanzen

247

16. Sozialstationen 17. Altersheime

357

420

497

18. Kinderheime

129

221

207

19. Sanatorien

110

135

134

87

8502

10776

9606

8149

20. Grundschulen 21. Schülerzahl 22. Sekundarschulen

1771

1945

7544

7346

2560626 4609029 3413 610 2317200 1 985 930 2 007 299 1944

1527

1379

1413

23. Schülerzahl

419878 I 004927 1015713

846559

630667

635740

24. Lehrpersonal

106777

138336

200438

167713

156082

161635

82048

102343

78371

41135

19012

15866

25. davon Ordensleute

2382

2432

26. Colleges, Universitäten

225

282

283

239

232

231

27. Studentenzahl

252727

357764

426207

505076

620772

660787

Anhang

250

3. Verzeichnis der Tabellen 1. Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften 1650 - 1978 (S. 23) 2. Hundert Jahre Einwanderung 1821 - 1921 (S. 78) 3. Präsidentschaftswahl 1960 (S. 175) 4. Auskünfte über Kirchenbesuche 1937 - 1988 (S. 176) 5. Päpstliche Autorität (S. 182) 6. Selbstzuordnung zu Religionsgemeinschaften 1947- 1987 (S. 184) 7. Katholiken im Vergleich mit dem Durchschnitt der Amerikaner 1989 (S. 211) 8. Religiöse Selbstzuordnung schwarzer Amerikaner (S. 216) 9. Ethnische Selbstzuordnung von Priestern (S. 228) 10. Entwicklung der katholischen Schulen von 1950 - 1993 (S. 236) 11. Katholische Schüler in öffentlichen Schulen und in katholischen Schulen 1991 (S. 237) 12. Katholische Schulen im Erzbistum Chicago 1991 (S. 239) 13. Entwicklung der katholischen Hochschulen 1950 - 1993 (S. 242)

Liste der amerikanischen Bistümer (geordnet nach Staaten. * = Erzbistum) Alabama *Mobile Birmingham

District of Columbia * Washington *Military Services, U.S.A

Alaska * Anchorage Fairbanks Juneau

Florida * Miami Palm Beach Orlando Pensacola Tallahassee St. Augustine St. Petcrsburg Venice

Arcansas Little Rock Arizona Phoenix Tucson California * Los Angeles * San Franzisco Fresno Monterey Oakland Orange Sacramento San Bemardino San Diego San Jose Santa Rosa Stockton Van Nuys-Byzantine Colorado * Denver Colorado Springs Pueblo Connecticut * Hartford Bridgeport Norwich Stamford-Ukrainian Delaware Wilmington

Georgia * Atlanta Savannah Hawaii Honolulu ldaho Boise Illinois * Chicago Belleville Joliet Peoria Rockford St. Nicholas-Ukrainian Springfield Indiana * Indianapolis Evansville Fort Wayne-South Bend Gary Lafayette Iowa * Dubuque Davenport Des Moines Sioux City

252

Kansas * Kansas City in Kansas Dodge City Salina Wichita Kentucky * Lousville Covington Lexington Owensboro Louisiana * New Orleans Alexandria Baton Rouge Houma-Thibodaux Lafayette Lake Charles Shreveport

Anhang

Mississippi Biloxi Jackson Missouri * St. Louis Jefferson City Kansas City St. Joseph Springfield Cape Girardeau Montana Great Falls Helena Nebraska * Omaha Grand Island Lincoln Nevada Reno Las Vegas

Maine Portland

New Hampshire Manchester

Maryland * Saltimore

New Jersey * Newark Camden Metuchen Passaic Byzantine Eparchy Paterson Trenton

Massachusetts *Boston Fall River Newton Eparchy Springfield Worcester Michigan * Detroit Gaylord Grand Rapids Kalamazoo Lansing Marquette Saginaw St. Thomas the Apostle Minnesota * St. Paul and Minneapolis Crookstone Duluth New Ulm St. Cloud Winona

New Mexico *Santa Fe Gallup Las Cruces New York * New York Albany Brooklyn Buffalo Apostolate to Lithuanians Ogdensburg Rochester Rockville Centre St. Maron Syracuse North Carolina Charlotte Raleigh

Liste der amerikanischen Bistümer

North Dakota Bismarck Fargo

Ohio

* Cincinnati Cleveland Columbus Parma Byzantine Romanian Exarchate St. Josaphat in Parma Steubenville Toledo Youngstown Oklahoma

* Oklahoma City Tulsa Oregon

* Portland in Oregon Baker Pennsylvania

* Pittsburgh-Byzantine * Philadelphia * Philadelphia-Ukrainian

Allentown Altoona-Johnston Armenian Erie Greensburg Harrisburg Pittsburgh Scranton

Rhode Island Providence

South Carolina

Charleston

South Dakota Rapid City Sioux Falls

Tennessee Knoxville Memphis Nashville

Texas

* San-Antonio Amarillo Austin Beaumont Brownsville Corpus Christi DaIIas EI Paso Fort Worth Galveston Houston Lubbock San Angelo Tyler Victoria in Texas Utah

Salt Lake City

Vermont

Hurlington

Virginia

Arlington Apostolate to Hungarians Richmond

Washington

* Seattle Spokane Yakima

West Virginia

Wheeling Charleston

Wisconsin

* Milwaukee Green Bay LaCrosse Madison Superior Wyoming

Cheyenne

253

Hinweise zur Literatur 1. Kommentierte Bibliographie Während der Arbeit an diesem Buch konnte ich auf eine schier unerschöpfliche Fülle amerikanischer Literatur zurückgreifen, die ich in Stanford, in Notre Dame und an der Catholic University benutzte, ohne je auf eine(n) mürrische(n) Bibliothekar( in) zu stoßen. Dabei habe ich von einigen Büchern, Quellensammlungen und Zeitschriften mehr profitiert, als durch Erwähnung in einer Fußnote auszudrücken wäre. Die folgenden Hinweise sind deshalb auch als Empfehlung für die eigene vertiefende Lektüre des Lesers gedacht. I. Zur allgemeinen Orientierung in der amerikanischen Religionsgeschichte eignen sich zunächst die Arbeiten von Martin E. Marty, den ein Rezensent als nahezu allwissend ("near omniscient") bezeichnet hat. Besonders sein "Pilgrims in their own Land" (1984) kann als Einführung und als Nachschlagewerk dienen. Weniger erzählfreudig ist Winthrop Hudson, der in seinem "Religion in America" (1981) die Entwicklung sozialer Formen hervorhebt und auf die Parallelität intellektueller Entwicklungen in den verschiedenen Religionsgemeinschaften verweist. Das konsequenteste Beispiel für die Verbindung religionsgeschichtlicher und religionssoziologischer Darstellung ist jedoch Nathan 0. Hatchs "Democratization of American Christianity" ( 1989), ein Buch das verständlich macht, wie die Besonderheiten der amerikanischen politischen Kultur in der Amerikanisierung des Christentums vorweggenommen wurden. 2. Versucht man, derartige Hinweise weiterzuverfolgen, so erweist sich Edwin Scott Gaustads zweibändige Quellensammlung "A Documentary History of Religion in America" (1984) sowohl wegen der umfassenden Auswahl wie auch wegen der präzisen Begleittexte als ein unentbehrliches Hilfsmittel. Unumgänglich, weil konkurrenzlos, ist auch die von John Tracy Ellis besorgte zweibändige Sammlung zur Geschichte des amerikanischen Katholizismus ("Documents of American Catholic History", 1967). Ellis versucht freilich kaum, die internen Konflikte verständlich zu machen, sondern neigt in der Auswahl der Quellen wie in der Kommentierung zur Harmonisierung aus der Sicht eines milden Progressismus. 3. Geqauere Informationen sind daher den Gesamtdarstellungen wie Thomas T. McAvoys "History of the Catholic Church" (1969), Jay P. Dolans sozial-geschichtlich orientiertem Buch über "The American Catholic Experience" (1985) und James Henneseys "American Catholics" ( 1981) zu entnehmen. Besonders Hennesey bietet umfassende und zuverlässige Informationen. Wegen ihrer abgewogenen und gut lesbaren Darstellung verdient auch die einzige deutschsprachige Geschichte des amerikanischen Katholizismus Erwähnung, obwohl sie nur bis in die Mitte dieses Jahrhunderts reicht. Diese "Geschichte der Katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten von Amerika" (1954) stammt von dem Jesuiten Ludwig Hertling, der lange Zeit in Georgetown lehrte.

Hinweise zur Literatur

255

4. Unentbehrlich zum Verständnis wichtiger Einzelaspekte und damit auch verschiedener Phasen in der Geschichte des amerikanischen Katholizismus sind schließlich drei außerordentliche Bücher. Erstens Ray Allen Billingtons "The Protestant Crusade 1800 - 1860" ( 1958), das die Rolle des Antikatholizismus in der amerikanischen Kultur schildert. Zweitens Gerald P. Fogartys Schilderung der "Americanist Crisis" (1974), einer Krise gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die man als einen Kulturkampf innerhalb des amerikanischen Katholizismus bezeichnen kann. Drittens Joseph A. Varacallis "Establishment of Liberal Catholicism in America" (1983), eine Soziologie des innerkirchlichen Aktivismus, die Ansätze zur Erklärung der politisch-ideologischen Lagerbildung bietet, die seit den sechziger Jahren zum Problem wurde. 5. Sucht man nach dem repräsentativen theologischen Ausdruck für die amerikanischen Besonderheiten in ihrem Verhältnis zur Weltkirche, also nach Ansätzen zu einer sowohl amerikanischen wie katholischen Theologie, so sind John Courtney Murrays grundlegende Aufsätze ("We hold these Truths", 1960) und Avery Dulles Buch über "The Reshaping of Catholicism" (1988) zu nennen. 6. Geht es um Informationen aus der empirischen Sozialforschung, so stößt man immer wieder auf Andrew Greeley, von dessen zahlreichen Veröffentlichungen sich besonders "Religious Change in America" (1989) als Einführung eignet. 7. Wer schließlich die aktuelle Entwicklung verfolgen will, ist auf Zeitschriften angewiesen. Dabei findet man in "Origins" wichtige Texte und Dokumente und in der von den Jesuiten herausgegebenen Kulturzeitschrift "America" das Echo der geistigen Auseinandersetzung.

256

Anhang

2. Literaturverzeichnis Abalos, David T.: Latinos in the United States, Notre Dame 1987. Abell, Aaron: American Catholicism and Social Action. A Search for Social Justice 1865 - 1950, Garden City 1960. Adams, Raymond W.: Art. Isaac Th. Hecker, in: Dictionary of American Biography, Bd. 8, New York 1932. Adams, Willi Pau1 et al. (Hg.): Die Vereinigten Staaten von Amerika, 2 Bde., 2. Aufl., Frankfurt - New York 1992. Ahem, Patrick H.: The Life of John J. Keane, Educator and Archbishop 1839 1918, Milwaukee 1954. Ahem, Patrick H.: Art. John J. Keane, in: New Catholic Encyclopedia, Bd. 8. Ahlstrom, Sydney E.: A Religious History of the American People, New Haven 1972. Arciniegas, German: America in Europe. A History of the New World in Reverse, San Diego 1975. Barry, Colman J.: The Catholic Church and German Americans, Milwaukee 1953. Bates, Emest S.: Art. Orestes A. Brownson, in: Dictionary of American Biography, Bd. 3, New York 1929. Bellah, Robert: Civil Religion in America, in: Daedalus, 96 (1967). Benestad, J. Brian: The Pursuit of a Just Social Order, Washington D.C. 1982. Berns, Walter Fred: The First Amendment and the Future of American Democracy, New York 1976. Billington, Ray Allen: The Protestant Crusade 1800 - 1860. A Study on the Origins of American Nativism, New York 1958. Blanshard, Paul: American Freedom and Catholic Power, 2. Auf!., Boston 1958. Blantz, Thomas E.: A Priest in Public Service. Francis J. Haas and the New Deal, Notre Dame 1982. Bleid, B. J.: Art. Michael Heiss, in: New Catholic Encyclopedia, Bd. 6. Bleid, B. J.: Art. F. X. Katzer, in: New Catholic Encyclopedia, Bd. 8. Bloom, Harold: The American Religion. The Emergence of the Post-Christian Nation, Boston 1991. Boorstin, Daniel J.: The Genius of American Politics, Chicago 1953. Braxton, Edward K.: American Bishops Meet, in: America, May 22, 1982. Braxton, Edward K.: The National Black Catholic Congress, in: America, July 25, 1987. Broderick, Francis L.: Right Reverend New Dealer John A. Ryan, New York 1963. Broderick, Francis L.: Art. John A. Ryan, in: New Catholic Encyclopedia, Bd. 12. Brownson, Orestes A. : Essays and Reviews, Chiefly on Theology, Politics and Socialism, New York 1972 (Nachdruck einer Sammlung von 1852). Brown, Bemard E.: Great American Political Thinkers, Bd. 1, New York 1983.

Hinweise zur Literatur

257

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Personen- und Stichwortverzeichnis Abbelen, Peter M. 120 Abbelen-Denkschrift 107, 120 Abenak:i-Indianer 16 Abstammung, deutsche 111 Abtreibungsdiskussion 246 Acadier 15,21,36 Act Concerning Religion 34 Actae Sanctae Sedis 148 Acts and Monuments 35 Ad hoc Committe on Catholic Social Teaching and the U.S. Economy 204 Ad hoc Committee on War and Peace in the Nuclear Age 204, 205 Adam, John 41 Administrative Committee 193 Ahem, Patrick H. 98 Aktivismus 190, 196, 197, 204 A1exander VI 7, 14 Allen, John 40, 41 Althom, John 34 Altkatholiken, europ. 138 Alumni 240 America, Zeitschrift 161, 207 American Bible Society 67 American Civil Liberties Union (ACLU) 143 American College in Rom 76, 102, 103, 107, 108, 151, 152 American Creed 26 American Federation of Labour (AFL) 159 American Jewish Committee 198 American Party -+ Know-Nothing Party 64, 82, 83, 85, 86 American Proteelive Association (APA) 86, 140 American Republican Party 82 - 84 American Society to Promote the Principles of the Protestant Reformation 82

American Sunday School Union 67 American Tract Society 67 Americanist Party (lrish Party) 97, 102, 104, 112, 125 Americanists 97, 103, 104, 106, 107, 108, 122, 125, 131, 132, 147, 149, 169, 198, 235 Americans, native 74 Amerikanisierung 64, 71 , 136, 138 Amerikanisierung der Kirche 53, 89, 107, 108, 111, 112 Amerikanisierungsdruck 132 Amerikanismus 128, 130, 131 Amerikanismus, politischer 129, 132, 137 Amerikanismus, religiös-kultureller 137 Amerikanismus, religiöser 129, 132 Amerikanismus-Krise -+ Great Crises 99, 111, 125, 138, 142 Anglikaner 22, 42 Anglikanische Kirche 32 Anglikanismus 57 Anpassungsdruck 132, 215 Anti-Popery Laws 43, 83, 86 anti-slavery 86, 87 Antiindividualismus 27 Antikatholizismus 70, 71, 85, 88, 168 Antirassismus 217 Antonelli, Lorenzo 49 Aquin, Thomas von 171 , 229 Arbeiterbildung 159 Ark 33 Asiaten 212, 214 Association for Rights of Catholics in the Church (ARCC) 197 Atlantikkolonien 48 Aufnahmepolitik 66 Aufstieg, sozialer 132, 170 Augustinus 26 Ausbildungsfinanzierung 242 Auserwähltheitslehre 90

Personen- und Stichwortverzeichnis Ausnahmecharakter Amerikas Automobilindustrie, Detroit 79 Autonomie des Religiösen 112 Autorität, bischöfliche 58, 60, 95 Autorität, päpstliche 182 Awakening, Erstes 29 Awakening, Zweites 66 Azteken 7 Baby-boom 184, 188, 235, 236 Backus, Isaac 31, 41 Baired, Pierre 18 Bancroft 90 Baptist Church, second German 117 Baptisten 22, 24, 31, 41, 43, 61, 66, 67, 68, 87, 165, 220, 223 Bamabo, Alessandro 92 Barry, Coleman 98 Bayley, James Roosevelt 96, 101, 108, 109 Becker, Thomas 110 Bedeutungsverlust der Religion 142 Bedini, Gaetano 79, 80 Beecher, Henry Ward 141 Beecher, Lyman 66, 68, 82 Beecher-Stowe, Harriett 69 Bekehrung, Bekehrungserlebnis 68, 142, 166, 178 Bellum-iustum - Lehre 208 Benedikt XV. 146, 148 Benediktiner 75, 158 Bemardin, Joseph L. 202, 204, 205, 240 Berufsoffiziere 161 Bevölkerungswachstum 77, 78, 183 Bibel 25, 35, 67, 83, 84, 87, 141, 142 Bibe1forschung, historisch-kritische 141 Bicentennial Program 202, 203 Bildung 106 Bildungsabschlüsse 212 Bildungsarbeit 54 Bildungsdefizit, katholisches 106 Bildungseinrichtungen, konfessionelle 242 Bildungsexpansion 191, 200 Bildungspolitik 168 Bildungssystem 138

271

Bildungswesen, katholisches 53, 56, 231, 235, 238, 243 Bill of Establishing Religious Freedom 47 Bill of Rights 37, 162, 169 Billington, Ray Allen 81 Binnenwanderung, protestantische 164 Biographien 98 Bischöfe 193 Bischöfe, deutschsprachige 98 Bischöfe, franz. 110 Bischöfe, schwarze 219 Bischöfe, spanisch-sprachige 222 Bischofsernennung 54, 151 Bischofsfrage 41 Bischofsfraktion, deutsche 77 Bischofskarrieren, -rekrutierung 76, 156 Bischofskonferenz 149, 192, 204, 207, 225, 233 Bischofskonferenz, dritte 1884 101, 104, 110, 115, 192 Bischofskonferenz, erste 1852 72, 76, 94 Bischofskonferenz, zweite 1866 76, 100,94,96 Bistümer 93, 94, 192 Bistümer, Verfassung 114, 115 Bistumsgründung 93 Blanshard, Paul 168 Boff, Leonardo 229 Bohemia Manor 37 Borgia, Franciscus 11 Boston College l7, 232, 234 Boston Quarterly Review 90 Bouquillon, Thomas 124 Brandi, Sa1vatore 126, 128 Briand, Joseph Olivier 48 Brook-Farm 90, 91 Brownson, Orestes 70, 89, 90, 91, 92, 95, 132, 133, 149 Brownson 's Quarterly Review 90 Bryan, William Jennings 142 Buch der Märtyrer 35 Bulle Inter Caeteris 7 Bulle Sublimis Deus I 0 Bundesverfassung, -Zusätze 43, 47, 142

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Anhang

Bureau of Consensus 219 Bürgerkrieg, amerik. 85, 86 Bürgerkrieg, spanischer 161 Burgos 10 Burke, John 145, 149, 150, 152, 200 business man's prayer meeting 68 Cabrillo 13 Cahens1y, Peter Pau1 120, 121 Californios 14 Calvert, George 33 Calvert, Leonard 33, 34 Calvin 57, 68, 69 Calvinismus 69 Calvinisten 29, 165 Cambum 239 camp meetings 67 Cancer, Luis 11 Canon Law Society of America (CLSA) 232 Capitol 167 Caplow, Theodor 22, 164, 165 Carey, Patrick W. 63 Carib 6 Carroll of Carrollton, Charles 36, 37 Carroll, John 37, 38, 39, 49- 56, 59 - 64, 74, 79, 80, 93 Cartier, Jaques 15 Case, Samuel 39 Castelli, Jim 164 Cathers, Willa 13 Catholic Advocate (the) 74 Catholic Almanach 215, 248 Catholic Citizen 75 Catholic Eye (the) 197 Catholic Publication Society 92 Catholic Theological Society of America (CTSA) 232 Catholic Total Abstinence Union I 04 Catholic University in Washington 76, 103, 115, 126, 145, 156, 224, 232, 233 Catholic Worker Movement 159 Catholic World 92, 145 Catholic- Whig-Tradition 198 Centrat Committee 146 Channing 90 Charakter, amerik. 56

Charta, königliche 24, 32 Chauncy, Charles 69 Chicago School 206 Christenkunde 123 Christianisierung 6, 7, 66, 222 Christus Dominus, Dekret 192 church-switching 164, 177 circuit rider 31, 67 civic religion 45 Clairbome, William 34 Clemens XIV. 37 clerical radicalism 109 Clinton, Bill 196 Codex Juris Canonici, 1918 192 Cogley, John 38, 173 Coleman, James 238, 239 Colleges, konfessionelles u. kathoL 136, 210, 231, 237, 240, 241 Columbus-Day 5 Commentary 198 common law 90 common man 65 Commonweal 161, 197 community 240 Congregation of the Great Spirit 215 Congregational Church 28, 42, 43 Conroy, George 101, 113 Conzen, Cathleen 98 Comell-University 231 Coronado, Francisco Vasquez 12 Corrigan, Michael 12, 13, 14, 17, 18, 19, 24, 25, 96- 101, 108 - 110 Coughlin, Charles Edward 158, 166 creaming 239, 243 Cretin, Joseph 103, 110 Crisis, Zeitschrift 198 Cross 111 , 113 Curran, Charles E. 180, 202, 229, 233, 234 Curran, Robert E. 99, 113, 119 Dabrowski, Joseph 224 Daten, demoskopische 218 Daten, statistische 218 Davis, Cushman C. 121 Day, Dorothy 159 de Avila, Francisco I I de Aviles, Pedro Menendez II

Personen- und Stichwortverzeichnis de Brebeuf, Jean 18 de Champlain, Samuel 15 de Corpo, Pedro 11 de Ia Cruz, Juan 12 de Ia Escalona, Juan 12 de Ia Mothe Cadillac, Antoine 19 de Lai, Cajetan 148 de Onate, Juan 12 de Padilla, Juan 12 De Propaganda Fide 48, 53 - 56, 73, 92, 105, 107, 114, 126, 139, 155, 224 de Rebolledo, Diego 12 De Smet, Peter 14 de Soto, Hemando 10 de Ubeda, Luis 12 de Vaca, Cabezo 10 de Vitoria, Francisco 9 Dearden, John F. 202 Declaration of Independence 38 Declaration of Rights 37 Defizit, kulturelles 144 Denominationen 28, 144, 220, 245 Der Wahrheitsfreund 74 Deutsche Fraktion 147 Deutsche, Katholiken 125 Deutsches Dreieck 74, 79, 104, 111 Diakone 191 Dictionary of American Biography 90 Dienstleistungswirtschaft 186 Diözesanpriester 184, 230 Diözesanseminare 184, 185 Diözesen 93, 94, 154, 192 Disciples of Christ 178 Disciples of God 178 Discourse Concerning Unlimited Submission and Non-Resistance to the Higher Powers 41 Discourse of Western Planfing 22 disestablishment 43 - 46, 54, 61 dissenter 22, 25, 36, 43, 66 Divinity Schools 234 Doctrinal Responsibilities 232, 233 Dolan, Jay P. 99 Dominikaner 8, 10, 154 Dougherty, Dennis 148, 152, 171 Dougherty, Jude P. 234 Dove 33 18 Zöller

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Dubois, John 63, 72, 73, 110 Dubuque 107 Dulles, A very 198, 206, 229 Dupanloup 224 Duquesne 232 Edwards, Jonathan 30, 31 Eigenkultur, kath. 181 Eingliederung 133 Einheit, kirchliche 26, 138 Einheitsschule 160 Einkommen 212 Einwanderer 51, 98, 132 - 136, 170 Einwanderer, deutsche 58, 78, 86, 107, 111, 113, 120, 121, 147 Einwanderer, dritte Generation 136, 161 Einwanderer, englische 16, 78 Einwanderer, erste Generation 136 Einwanderer, europäische 214 Einwanderer, franz. 15, 58, 78 Einwanderer, holländische 16, 21 Einwanderer, Integration 112 Einwanderer, irische 15, 50, 59, 62, 63, 78, 80, 84, 111, 120 Einwanderer, italienische 135 Einwanderer, jüdische 43, 79, 214, 216 Einwanderer, polnische 79 Einwanderer, spanisch-sprachige 220 Einwanderer, zweite Generation 88, 136, 161 , 212 Einwandererkirche 218 Einwandererpfarrei 134, 136 Einwanderung aus Osteuropa 137 Einwanderungsgesetze 78 Einwanderungsstatistik 77 Einwanderungswellen 60, 78, 79 Eisenhower 163, 167, 175 Eider 96 Elementarschulen 236 Elisabeth 22 Eliten, intellektuelle 20 Eliten, kirchliche 150 Elitenrekrutierung 151 Elliott, Walter 126 Ellis, John Tracy 60, 98, 106, 128 Emerson, Ralph Waldo 70, 90

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Anhang

encomiendas 8 England, John 21, 55, 56, 63, 71, 72, 74, 75 Episcopal Church 42, 54, 61 episcopalians 45, 178 Erbfolgekrieg, Spanischer 16 Erbsünde 27 Erleben, religiöses 68 Erwachsenenbildung 159 Erziehung 106 Erziehungsarbeit 54 Erziehungspolitik 106 Erziehungssystem 138 Erziehungstheorie 106 Erziehungswesen 56 established church 178 establishment 45, 46, 47 Establishment, religiöses 66 Ethik 123 ethnics 185 ethnics, kathoL 242 ethnics, neue 214 ethnics, polnische 203 ethnics, weiße 218, 238 Evolutionismus, Evolutionslehre 141, 143 Exceptionalists 2 Exkommunikation 116, 118 Farelly 111 Farley, John 144, 148, 151 Farmer, Ferdinand 48, 62 Feigeiman 216 Ferdinand, König von Spanien 6 Fichter, Joseph 226 Finanzverfassung der Kirche 114, 115 Finney, Char1es G. 66, 68 First Things 198 Fish-on-Friday-Syndrome 181 Fitzgerald, Edward 100 Fitzpatrick 80 Flaget, Benedict 73 Fogarty, Gerald P. 99, 103, 111, 115 Förderungspolitik, staatliche 225 Fordham 232 Foxe, John 35 Franeo 161 Franklin, Benjamin 38, 39, 45, 49

Franziskaner 8, 10- 13, 50, 60, 61 Frauen 57, 67, 185, 186, 189, 194, 203, 230 Frauenorden 230 Free Religious Association 70 Freiheitsbegriff, naturrechtlicher 40 Freimaurerlogen 160 Freiwilligkeit, Prinzip der 177 Frelinghuysen, Theodor 30 Frömmigkeit, hispano-amerikanische 222 Frontier-Religionen 67, 165 Frontier-Zeit 103 Fundamentalismus 142 Fundamentals (the) 142 Fürsorgeeinrichtung 154 Gallup, George 164, 220 Gallup-Studie 176, 183, 184, 189, 210, 211 Garibaldi 135 Gaustad, Edwin Scott 9, 29, 41 Gebietsmonopol 24, 31 Geheimgesellschaft 86 Gehorsam, selektiver 182 General Assembly 44, 46 George, Henry 109, 117, 118 Gerechtigkeit, soziale 207 Gerety, Peter 202 Gervase, Thomas 34 Geschichte, europäische Geschichtsverständnis, jüdisch-christl. 201 Gesellschaft zur Glaubensverbreitung 120 Gesellschaftsstruktur 196 Gesellschaftsvertrag 45 Gewerkschaften 116 - 118, 159, 196 Gewissensfreiheit 26, 37, 38 Ghetto, Ghetto-Mentalität 86, 131, 173, 186 Gibbons, James 77- 109, 113- 125, 129, 130, 138, 145- 149, 171, 224 Gilmour 111 Glazer, Nathan 98 Gleason, Philip 181 glebe Iands 43 Glennon, John J. 171

Personen- und Stichwortverzeichnis Glock, Charles Y. 164, 165, 177 Glorious Revolution, 1688 34, 35 Gareman 216 Gospel Advocate (the) 90 Grace, Thomas L. 103, 104 Graham, Billy 166 Great Awakening 29 Great Crisis -+ Amerikanismus-Krise 95, 111, 125 Greeley, Andrew 164, 171, 178, 181, 182, 188, 204, 220, 226, 228, 238, 243 Gross, William 110 Grundschule 115, 235 Guale, Guale-Aufstand 11 Gutierrez, Gustavo 229 Habsburger 82 Hakulyt, Richard 22, 24 Halfway-Convenant 27 Halsey, William M. 143 Handelkompanie, europ. 22 Handlin, Oscar 98 Handy, Robert 143 Rarper 85 Hartley 111 Harvard 44, 65, 231, 234, 240 Hayes, Patrick J. 151 Haymarket-Zwischenfall 116 Healey, James Augustine 116 Hecker, Isaac 89, 91, 92, 126- 128, 132, 133, 200 Hecker-Biographie 126 - 129 Hehir, J. Bryan 205 Heiratsverhalten der Einwanderer 136 Heiss, Michael 77, 96, 104, 120, 225 Helbron, Charles 62 Hemrick und Hoge-Studie 227 Hennesey, James 17, 79, 110 Henni, John Mactin 73 - 76, 94, 96, 98, 104, 111, 112 Henry, Patrick 46, 47 Herberg, Will 136, 167 Herkunftskultur 133, 215 Herkunftsmilieu, kath. 186 Hertling 77, 78 High Germans -+ Low Germans 63 High Schools 236 18*

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Hines, Edward 154 Hirtenbriefe 204, 205, 207, 208, 213, 223 Hispanics 194, 208, 212, 214, 215, 219- 223, 242, 245 Hiss, Alger 174 Hochschulen, private 241 Hochsprachen, nationale 135 Hoffer 239 Holaind, Rene 124 Hollenbach, David 206 Holy Angels Church 218 Holy Angels School 240 Holy Trinity Church 62, 63 Homestead Act, 1862 64 Hoover, Herbeet 160 Horstmann, Ignatius II 0, 111 Houtin, Albert 131 Hudson, Winthrop 21, 66 Hugenotten II Hughes, John Joseph 63, 71 - 74, 81 - 85, 91, 95, 96, 105, 109, 110, 172 Humanae Vitae 181, 188 Hungersnot, Irland 78, 135 Hunter, James Davison 179 Huntington, Samuel P. 29 Huron-Indianer 13, 16, 18, 19

Indianer, Indianermission 5, 6, 17, 32, 214, 215, 219 Individualisierung, Individualismus 2, 69, 190, 245, 246 Industrialisierung 79 Industriearbeiter 134 Inglis, Charles 42 Inka 7 Inkorporierung 42, 43, 62, 64 Institut Catholique 126 Integration 46, 71, 132, 135, 168, 210, 215 Intellektuelle l, 45, 144, 191, 197, 200, 245 Ireland, John 97 - 107, 110, 113, 119-133, 149, 157,158 Irokesen 16 Isabella, Königin von Spanien 6, 7 Isolationismus 198

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Anhang

itinerant preachers 30 Jefferson, Thomas 41, 46, 47 Jessing, Joseph 224 Jesuiten II, 17- 19, 34- 37, 40, 48, 49, 52, 56, 57, 75, 105, 106, 124, 126, 154, 161, 204, 217, 224 Johannes XXIII. 181 Johnson 188 Josephinum 224 Josephites --> St. Josephs Society 88, 217, 224 Judentum 137, 165 Juristische Person 42 Kalter Krieg 163 Kaminski, Stephan 138 Kannibalismus 6 Kanonisches Recht 61 , 76, 114, 223 Kantowicz, Edward 154 Kar! V. 10 Karrnelitterinnen 56 Katechismus 115 Kath. Sozialwissenschaft!. Zentralstelle 3 Kaziken 8 Keane, John J. 96 - 99, 102, 103, 106, 107, 124, 126 Kennedy, John F. 160 Kennedy, Ruby Joe 136 Kenrick, Francis 85 Kindekens, Peter 76 Kirche 133 Kirchenbegriff, kathoL 135 Kirchenbesitz 42, 52, 59, 60 Kirchenbesuch 176, 181, 188 Kirchengeschichte 98 Kirchenmäuse 190, 191, 200 Kirchenrechtler, Verband der --> Canon Law Society of Amerika (CLSA) 232 Kirchenstatistik 170, 171, 20 I Kirchensteuer 24 Knights of Columbus-Studie 226 Knights of Labour 109, 116, 118 Know-Nothing Party --> American Party 64, 82, 83, 85, 86 Knox, John 25

Koloniaikrieg, 1760 17 Kolumbus, Christoph 5, 6, 222 Kommunismus 159, 163, 172 Kommunitarismus 246 Konfessionslosigkeit 14, 165, 176, 216 Kongregationalismus, Kongregationalisten 22, 31, 38, 41, 44, 66, 69, 70, 106 Konservatismus 108 Konservative 177 Kontinentalkongreß, erster 1774 37, 38,44 Kontinentalkongreß, zweiter 1776 38 Koreakrieg 163 Körperschaft, rechtsfähige 42 Kozlowski, Anton 138 Kriegsdienstverweigerer 144, 166 Kriegsheimkehrer 162 Kriminalität 84 Kristol, lrving 198 Kro1, John 203 Ku-Klux-Klan 86, 140, 160, 241 Kulturkampf 86, 132, 168 Küng, Hans 229 Laien, Laienaktivität 59, 67, 117, 119, 146, 158, 180, 182, 190 Lamb, Mathew I. 234 Lamy, Jean Bemard/John B. 13, 15 Landwirtschaft 12, 65 Las Casas 9 Latour, Jean Marie 13 Laws of Generallncorporation 61 Lebensführung 22, 26, 31, 129, 189, 199, 246 Ledochowski 126 Leege 216 Lefevere, Peter 76 Lehramt 134, 180, 189, 232, 135, 245 Lehrfreiheit, akademische 233 Leo XIII. 101, 124, 125, 129, 131 , 133, 138 Leopoldinenstiftung 120 Liberale, Liberalismus 108, 177 Liebman, Joshua L. 166 Lilly-Foundation 225 Lincoin 83, 96, 104

Personen- und Stichwortverzeichnis Literalismus 68, 142 Litta, Lorenzo 55 Lobbyismus 194 Locke, John 40 Lonqinqua Oceani 129 Low Germans -+ High Germans 63 Loyalisten 20 Ludwigs-Missionsverein, bayr. 77, 94, 120 Luther 57 Lutheraner 22, 165 Luzem Memoriale 120 - 122, 135 Lynd, Helen 164 Lynd, Robert 164 Madison, James 46 Magnien, Alfonse 224 Malone, Sylvester 125 Manhattan College 153 Männerarden 230 Marechal, Ambrose 55 - 63, 71 Marginalisierung 210 Maritain, Jaques 161 Marquette University 75, 173, 232 Marquette, Jaques 17 Martin, David 223 Martinez, Pedro 11 Marty, Martin 33, 146, 180 Marx, Kar! 118 Maryland Assembly 34 Maryland Gazette 37 Maurin, Peter 159 Mayhew, Jonathan 41 Mazzella, Camillo 126, 128 McAvoy 111, 125 McBrien, Richard P. 206, 233, 234 McCarthy, Joseph R. 173, 174 McCioskey, John 96, 101, 109, 114, 123 McCrindell, Rache! 81 McDonnel 147 McG!ynn, Edward 109, 110, 113, 117, 118, 119, 125 McGovern 188 Mclntyre, James F. 173 McLoughlin, William G. 29 McQuaid, Bernard J. 97, 98, 101 , 108, 109, 112, 125, 131, 224

277

Medien 146, 172, 179 Mehrheit, unartikulierte 197 Mennoniten 42 Messmer, Sebastian 146 Methodismus, Methodisten 30, 67, 87, 165 Mexican Americans, Mexikaner 220, 221 Mexikaner 220 Mexikanische Unabhängigkeit, 1821 14 Middletown-Studie, 1929 164 Milieu, Milieubildung 99, 120, 134, 138, 150, 200, 246 Militärseelsorge 145, 161 Miller, Perry 29 Missionary Priests of St. Paul the Apostle -+ Paulists 92 Missionierungspolitik, spanische 8 Missionsgesellschaft, anglikanische 42 Missionsgesellschaften, europ. 93 Mittelstand 214 Moderne, Modemisierung 2 Modernismus, Modemisten 20, 130, 131 Modemisten 20 Moeller, Henry 111 Mohawk 16 Molyneux, Robert 62 Monk, Maria 81 Montesinos 9 Monticello 65 Moody, Dwight Lyman 141 Mooney 171 Moore, Brian 18 Morris, Bürgermeister New York 85 Morse, Samue1 F. B. 81, 82 Moynihan, Daniel P. 98 Mühlenberg, Heinrich Melchior/Henry 60 Muldoon, James 9 Multikulturalismus 137, 2 15 Muncada 227 Mundelein, George 152, 156, 224 Murray, John Courtney 168, 169, 170, 174 Muttersprache 75, 121 Myrdal, Gunnar 26

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Anhang

Napoleon 20 National Catholic War Council (NCWC) 145- 150, 156, 157, 192, 194, 200 National Catholic Welfare Council ---> National Catholic Welfare Conference 146 - 150, 156, 192, 200 National Conference of Catholic Bishops (NCCB) 192, 194, 195, 202, 204, 206 National Council of Churches 222 National Education Association 122 National Election Surveys (NES) 216 National Opinion Research Center (NORC) 182, 216, 220, 226, 238 National Pastoral Plan for Hispanic Ministry 223 National Union for Social Justice !58 Nationalismus 52, 58, 60, 71, 109, 112, 131 Nationalkultur 135 Native American (the) 82 Native American Church 215 native catholics 51 Nativismus, Nativisten 64, 81, 82, 84, 85, 86, 92, 105, 108 Navajo-Stämme 215 Neale, Leonard 55 Neo-Konservatismus 196, 197, 229 Neo-Thomismus 161 networks 157 New England Mind 29 New Republic 198 New York Democratic Review 90 New York Observer (the) 81 New York Radicals 149 New York Times 157, 239 New-Deal 156, 157, 161, 207, 229 Newsweek 208 Nixon 175, 188 non-establishment 47 nonsectarian 84 North-East Hispanic Catholic Center 222 Notre Dame 3, 156, 232, 234, 240 Notre-Dame-Studie 182, 189, 190213, 214 Novak, Michael 198, 205, 206

Nugent, Andrew 61 Nygren, David 230 O'Brien Steinfels, Margaret 197 O'Connel, Dennis J. 96, 97, 99, 102, 103 O'Connel, William 144 Odin, Jean Marie 13, 15 Offentliehe Ämter 35 Öffentliche Meinung 142 Öffentlichkeit 150, 158 Old Ignace 19 Old South Church 68 Oration an the Beaulies of Liberty 40 Orden, Ordensleben 129, 149, 153, 156, 184, 185, 191, 199, 200, 224, 229, 230, 235, 236, 248 Order of the Star Spangled Banner 83 Oregon-Indianer 14 Pacelli, Eugenio 171, 172 Parteineignungen 212, 213 Patriotismus 43, 172 Paul VI. 192 Paulists (The Missionary Priests of St. Paul the Apostle) 92, 126, 145, 200 Peace and Justice Conference 202- 204 Peale, Norman Vincent 166 Pejote 215 Personalpolitik der Kirche 114, 240 Pietschmann, Horst 9 Pilarczyk 233 Pilgrims 25, 32 Pius IX. 92, 101 Pius X 139, 144, 153 Pius XI. 148 Pius XII. 170, 171 Plantagenwirtschaft 21 Plenary Council ---> Bischofskonferenzen 94, 101 Pluralismus 7, 24, 112, 113, 217 Podhoretz, Norman 198 Polarisierung 147 Polish Catholic Church 138 Ponce de Leon 9, 10, 11 Pontiac, Häuptling 16, 19

Personen- und Stichwortverzeichnis popish priests 35 popish recusants 35, 36 Populismus 65, 245 Populist Party 140 Positives Denken 166 Potvin 226, 227 Powderly, Terence 116 Presbyterianer 22, 25, 43, 90 Preußen 74 Priesterausbildung, Priesternachwuchs 53, 75,223,225 Priestermangel 225, 226 Priesterrat 115 Priesterseminare 52, 54, 56, 75, 103, 108, 154, 184, 224, 225, 231 Princeton 23 I Privatismus 2, 190 Privatschule, katholische 75, 122 Prohibition 74, 86, 104, 142, 143, 160 Protestant (the) 12, 81 Protestant Association 36, 82 Protestant Episcopal Church of the USA 42 Protestantismus, amerik. 57, 97, 137, 140, 141 , 177, 178, 199 public religion 46 Public School Society 84 Pueblo 222 Pueblo-Indianer, Aufstand 12 Puritaner 22 - 28, 33, 34, 44, 45

Quäker 22, 24, 34, 38, 42 Quebec Act 20, 37, 38 Rademacher, Joseph 110 Rafaelsgesellschaften, -vereine 120, 135 Rahner, Kar! 229 Raleigh, Gehrüder 22 Rall, Sebastian 16, 17 Rampolla 128, 130 ranking 193 Raskob, John J. 161 Rassendiskriminierung, -trennung 217, 218 Ratzinger, Joseph 229 Rauschenbusch, Wa1ter 117 Reagan, Ronald 188, 206

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Reconquista 7 Reconstruction Period 96 Recorder (the) 81 recusants 35, 36 Redemptoristen 91 Reese, Thomas 193 Reformjudentum 137 Reilly, Daniel F. 124 Religionsfreiheit 24, 34, 37, 38, 43, 215 Religionssoziologie 2, 164 Religionsstatistik, amerik. 163 Religionsunterricht 106, 122, 123, 124, 236, 237 Religionsverständnis 165 Religionszugehörigkeit 65, 80 religious test 41 Republikanische Partei 83, 104, 110 Rerum Novarum 118 revivals, revivalists 66, 68, 69, 86, 87, 142, 163, 165, 166 Revolution, amerik. 14, 40 Revolution, eng!. 24 Revolution, franz. 20 Revolutionstheorien 181 Right of Patronage 6! Ritter, Joseph E. 218 Roach, John R. 202 Rockefeller, Nelson 69 Rom, Romanitii 3, 21, 49, 52, 54, 55, 71, 73, 76, 83, 88- 126, 130, 135, 140, 147- 153, 156, 166, 169, 171 , 196, 223, 224, 244, 247 Römerbrief 41 Roosevelt, F. D. 156, 157, 158 Rousseau, Jean Jaques 15, 45, 167 Rundfunk 143, 157 Rural Life Movement 158 Russe!, William T. 148 Ryan, John Augustine 147, 157, 158

Säkularisierung, Säkularisierungsthese 2, 14, 29, 231 Santiago 20 Sapienti consilio 139 Satolli 118, 124- 128 Schaff, Philipp 68 Schoenherr 226, 230

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Anhang

Schrembs, Joseph 147, 148 Schulen, kathoL 106, 112, 117, 119, 122, 136, 153, 154, 210, 218, 235, 236, 242 Schulen, Monopolanspruch der öffentl. 160, 242 Schulen, öffentliche 75, 86, 106, 121, 122, 133, 140, 160, 218, 236, 237, 242 Schulkontroverse 124 Schwarze, schwarze Katholiken 87, 88, 194, 212, 214, 216- 219, 222, 242 Scopes, John Thomas 143 Scopes-Trial -> Affenprozeß 143 Sebring 239 secular city 2 Seeboten 75 Seelsorge 72, 77, 115, 120 Seelsorge, ethnisch-orientierte 224 Seelsorge, fremdsprachliche 121 Seelsorge, für Schwarze 88 Seelsorge, muttersprachliche 107, 119, 223 Seelsorge, spanisch-sprachige 222 Segregation 217 Segura, Juan 11 Sektionalismus 217 Sekundarschulen 153, 236 Selbsheiligung 68 Sera, Junipero 13 Servicemen 's Readjustment Act, 1944 -> G-I-Bill of Rights 162, 170, 185, 225 Seton Hall 108 Sezessions-Krieg 87 Shaughnessy 80 Shea, John G. 104 Sheens, Fulton J. 166 Siebenjähriger Krieg 14 Simeoni 114, 116 Smith, Al 160 Social Gospel 117, 119 Social Justice 158, 203 Social Reconstruction 150, 157 Society for Christian Unity and Progress 90

Society for the Propagation of the Gospel 42 Socinus, Faustus 57 Sonntagsschule 67 Sorensen 226, 230 Southern Baptist Convention 178 Sozialethik, kath., Soziallehre, kath. 158, 208 Sozialismus, irisch-nationalistischer 117 Sozialistische Partei 117 Sozialpolitik 168, 196 Spalding, John Lancaster 76, 105, 106 Spalding, John Martin 73 - 77, 85, 88, 94, 96, 97, 100, 101 Speilman 151, 171, 172, 221 Spencer, Herbert 118 Sprache - Muttersprache 112 Sprache, eng!. 147 St. Francis, Priesterseminar 75 St. John s Abbey 158 St. Josephs Society -> Josephites 87, 88 St. Mary's Seminary 54, 72 St. Meinrad, Abtei 75 St. Paul 92, 93, 103, 104, 115, 122, 125, 157, 166 St. Peter's Church 61, 123 St. Thomas Seminary 73 Stanford 3, 4, 240 Stark, Rodney 164, 165, 177 Stewart, Gehrüder 142 Stoddard, Solomon, Stoddardism 28, 30, 69 Stritch 171 Subkultur 62, 75, 132, 133, 134, 136, 137, 245 suburbia 173 Sulpicianer 21, 56, 115, 224 Supreme Court 47, 101, 160, 215, 218, 241 Suziedelis 226 Syllabus 94 Tainos 6 Tampa II Tenochtitlan

7

Personen- und Stichwortverzeichnis

Test Act, von 1673 47 Testern Benevolentiae, Enzyklika 129, 130, 133 Texmex 221 Theological Studies 169 Theologie 24, 35, 45, 56, 69, 73, 82, 87, 137, 178, 180, 196, 197, 198, 206, 223, 231 - 234, 245 Thoreau, Henry 90, 91 Tocqueville 2, 55, 58, 65, 128, 132, 133, 181, !98, 244 Toleranzakte von Maryland 34 Transzendenta!ismusiTranscendentalism 70,91 Trastevere 101, 102 Trennung von Staat und Kirche --.. wall of separation 47, 168 Trinity Church 42, 62, 63 Truppenbetreuung 145 trusteeism, trustees 59, 61, 62, 63, 64, 70, 72, 95, 149, 223 U.S. Catholic, Zeitschrift 238 Ukeritis, Miriam 230 Unfehlbarkeit, päpstliche 94, 100, 101, 108, 182 Unitarianism 66, 70 Unitarier I Unitarians 69, 90 United Church of Christ 178 United States Catholic Conference (USCC) 192, 194, 204, 205, 206 Universalismus I Universalism 66, 69, 70, 217 Universalists 90 Universitäten, kathoL 53, 106, 240 242 Ursulinen 56, 84 Van de Velde, James 0. 94 Varacalli 216 Vatikan 39, 52, 54, 79, 82, 94, 96, 101 , 106, 113, 114, 115, 119, 122, 123, 125, 128, 149, 192, 233 Vatikanisches Konzil 100 Verfassung, amerik. 169, 244 Verfassungszusätze von 1791 44, 47 Verrazano 15 Vietnamesen, kath. 214

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Vietnamkrieg 175 Vinzentinerinnen 56 Virginia Assembly 44, 45 Volkszählung 35, 65, 77, 80, 219 Volpe-Landi, Graf 120 Voluntarismus, - religiöser 92, 180, 187, 245 volunteers 191 Wahlverhalten, der Katholiken 187 wall of separation --.. Trennung von Staat und Kirche 47, 168 Wanderer 197 Ward, Nathaniel 26 W aterson 111 Weakland, Rembert G. 204, 207, 208 Weber, Donald 40 Wechselwähler 242 Weigel, George 197, 198 Weil, Bemard 48 Weltkrieg, Erster 78, 135, 137, 144, 147, 161, 192 Weltkrieg, Zweiter 161 Wesley, Charles 30 Wesley, John 30 Wheelan, Charles 61 Wheeling-Rede 174 White, Andrew 34 White, Joseph M. 224 Whitefield, George 30, 31 Widerstandsrecht 41 Williams, Michael 161 Williams, Roger 27 Wilson, Woodrow 142, 175 Winthrop, Charles 26 Winthrop, John 26, 40 Woodstock College 124 Workingmen's Party 90, 91 World's Columbian Exposition 5, 124 Yale 65, 104, 231 Yearbook of American and Canadian Churches 248 Zentralisierung 146, 147 Zivilreligion 45, 46, 167 Zweisprachigkeit 75, 108, 223 Zwierlein, Frederic J. 98