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German, English Pages 224 [226] Year 2018
VERLIERER und AUSSTEIGER in der ‚Konkurrenz unter Anwesenden‘
Agonalität in der politischen Kultur des antiken Rom Alte Geschichte Franz Steiner Verlag
Herausgegeben von Karl-Joachim Hölkeskamp und Hans Beck
Karl-Joachim Hölkeskamp / Hans Beck (Hg.) Verlierer und Aussteiger in der ‚Konkurrenz unter Anwesenden‘
Verlierer und Aussteiger in der ‚Konkurrenz unter Anwesenden‘
Agonalität in der politischen Kultur des antiken Rom Herausgegeben von Karl-Joachim Hölkeskamp und Hans Beck
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung
Umschlagabbildung: Cicero beschuldigt Catilina vor dem römischen Senat der Verschwörung, 63 v. Chr. Cesare Maccari (1840–1919), Fresko im Palazzo Madama in Rom, 1889 © akg-images Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2019 Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12179-8 (Print) ISBN 978-3-515-12180-4 (E-Book)
Inhalt Vorwort der Herausgeber ......................................................................................... 7 Herausgeber und Beiträger ...................................................................................... 9 karl-joachim hölkeskamp Verlierer in der ‚Konkurrenz unter Anwesenden‘. Agonalität in der politischen Kultur der römischen Republik ................................ 11 hans beck Pecuniam inlargibo tibi. Wahlbestechung und Wahlniederlage in der mittleren römischen Republik .......... 31 egon flaig Zum Verlieren und Scheitern römischer Senatoren. Überlegungen an den Rändern der historischen Kulturwissenschaft ..................... 55 christoph lundgreen Lucullus und die politische Kultur der römischen Republik. Konkurrenz und Distinktion zwischen Feldherren, Feinschmeckern und Fischteichbesitzern ............................................ 81 amy russell The Rhetoric of Losing and the Construction of Political Norms........................ 127 francisco pina polo Losers in the Civil War between Caesarians and Pompeians. Punishment and Survival...................................................................................... 147 elke stein-hölkeskamp Aussteigen, Absteigen, Umsteigen? Die Entwicklung konkurrierender Felder der Distinktion von der späten Republik zum frühen Prinzipat .................................................... 169
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Inhalt
matthew roller Losing to Cicero. Asinius Pollio and the Emergence of New Arenas of Competitive Eloquence under Augustus .......................................................... 189 andreas klingenberg Zwischen republikanischer Tradition und kaiserzeitlicher Realität. Der soziale Abstieg von Senatoren und die senatorischen Rollenbilder im frühen Prinzipat .............................................................................................. 207
Vorwort der Herausgeber Die hier vorgelegten Beiträge sind die zum Teil erheblich erweiterten und annotierten Versionen der Vorträge, die auf der internationalen Tagung über „Verlierer und Aussteiger in der ‚Konkurrenz unter Anwesenden‘. Agonalität in der politischen Kultur des antiken Rom“ am 20. und 21. April 2017 in den Räumen der Fritz ThyssenStiftung am Apostelnkloster 13–15 in Köln gehalten wurden. Die ursprüngliche Idee geht allerdings deutlich weiter zurück – nämlich auf eine ähnlich benannte Sektion auf dem 50. Deutschen Historikertag in Göttingen im September 2014, der unter dem Motto „Gewinner und Verlierer“ stand. Die damals gehaltenen Vorträge, die folgenden Diskussionen und nicht zuletzt die Anregungen, die dabei aus der Runde der Referenten und aus dem Publikum kamen, haben uns überzeugt, daß dieses Thema eine eigene Tagung mit einem erweiterten Kreis von Themen und Teilnehmern rechtfertigte. Nun bleibt nur noch die angenehme Pflicht der Danksagung. Zunächst gilt unser Dank und unsere Verbundenheit den Beiträgerinnen und Beiträgern, die nicht nur interessante Themen und Anregungen beigesteuert und die Tagung durch ihre Diskussionsbeiträge bereichert haben, sondern auch ihre Aufsätze trotz vieler konkurrierender Verpflichtungen durchweg pünktlich abgeliefert haben – daher kann dieser Band nach kaum mehr als einem Jahr bereits erscheinen. Die Kollegin Cristina Rosillo-López, die als Gast teilgenommen hat, ist dankenswerterweise eingesprungen und hat Francisco Pina Polos Vortrag präsentiert, der kurzfristig leider seine persönliche Teilnahme absagen mußte, aber seinen Beitrag dennoch beigesteuert hat. Frau Sema Karataş und Herr Ralph Lange haben sich um die Vorbereitung und Durchführung der Konferenz verdient gemacht, und Herr Lange hat dann die Beiträge ebenso schnell wie gründlich redaktionell bearbeitet. Wir freuen uns, daß der Band (wieder) im Hause Franz Steiner, dem wir beide seit Jahrzehnten verbunden sind, erscheinen kann – und wieder hat Frau Katharina Stüdemann das Projekt wie gewohnt kompetent und effektiv durch den Produktionsprozeß gesteuert. Unser Dank gilt schließlich der Alexander-von Humboldt-Stiftung, aus deren Anneliese Maier-Preis ein guter Teil der Reisekosten übernommen werden konnte, und vor allem der Fritz Thyssen-Stiftung für großzügige Unterstützung in finanzieller, administrativer und logistischer Hinsicht. Montreal und Köln, im Juni 2018
Herausgeber und Beiträger Beck, Hans, Professor of Ancient History und John MacNaughton Chair of Classics an der McGill University, Montreal. Publikationen: Karriere und Hierarchie, Berlin 2005; (Hg.), Consuls and Res Publica, Cambridge 2011; (Hg.), Money and Power in the Roman Republic, Brüssel 2016 Flaig, Egon, Professor Emeritus für Alte Geschichte an Universität Rostock. Publikationen: Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom, Göttingen 2003; Die Mehrheitsentscheidung. Genesis und kulturelle Dynamik, Paderborn 2013 Hölkeskamp, Karl-Joachim, Professor für Alte Geschichte an der Universität zu Köln. Publikationen: Reconstructing the Roman Republic. An Ancient Political Culture and Modern Research, Princeton 2010; Libera Res Publica. Die politische Kultur des antiken Rom – Positionen und Perspektiven, Stuttgart 2017; Ethos – Ehre – Exzellenz. Antike Eliten im Vergleich (gemeinsam mit Elke Stein-Hölkeskamp), Göttingen 2018 Klingenberg, Andreas, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut – Abt. Alte Geschichte der Universität zu Köln. Publikationen: Neros politische Opfer, in: Nero. Kaiser, Künstler und Tyrann (Begleitband zur Ausstellung in Trier 2016), Darmstadt 2016, 235–240; Zwischen Ktesiphon und Konstantinopel. Christen und Christianisierung in Persien im Kontext der sāsānidisch-römischen Beziehungen, in: W. Ameling (Hg.), Die Christianisierung Kleinasiens in der Spätantike, Bonn 2018 [im Druck]. Lundgreen, Christoph, Assistent am Lehrstuhl für Alte Geschichte der Technischen Universität Dresden. Publikationen: Regelkonflikte in Rom. Geltung und Gewichtung von Normen in politischen Entscheidungsprozessen, Stuttgart 2011; (Hg.), Staatlichkeit in Rom? Diskurse und Praxis (in) der römischen Republik, Stuttgart 2014 Pina Polo, Francisco, Professor für Alte Geschichte an der Universität Zaragoza. Publikationen: The Consul at Rome. The Civil Functions of the Consuls in the Roman Republic, Cambridge 2011; (Hg.) Foreign clientelae in the Roman Empire. A Reconsideration, Stuttgart 2015 Roller, Matthew, Professor of Classics an der Johns Hopkins University, Baltimore MD. Publikationen: Models from the Past in Roman Culture: a World of Exempla, Cam-
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Herausgeber und Beiträger
bridge 2018; Constructing Autocracy: Aristocrats and Emperors in Julio-Claudian Rome, Princeton 2001 Russell, Amy, Associate Professor of Classics and Ancient History an der Durham University. Neueste Publikation: The Politics of Public Space in Republican Rome, Cambridge 2016. Stein-Hölkeskamp, Elke, Apl. Professorin für Alte Geschichte an der Universität Duisburg-Essen. Publikationen: Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, 2. Aufl. München 2010; Das archaische Griechenland. Die Stadt und das Meer, München 2015; Ethos – Ehre – Exzellenz. Antike Eliten im Vergleich (gemeinsam mit Karl-Joachim Hölkeskamp), Göttingen 2018
Verlierer in der ‚Konkurrenz unter Anwesenden‘ Agonalität in der politischen Kultur der römischen Republik
karl-joachim hölkeskamp
Lucr. de rerum natura 3,995 ff. Auch des Sisyphos Bild steht uns aus dem Leben vor Augen: Der vom Volke die Beile und Rutenbündel erbettelt Und nach dem Wahldurchfall stets traurig vom Markt zurückkommt. Denn nach der Herrschaft streben (ein eitel, unmöglich Begehren) Und in dem Streben danach stets härteste Mühen erdulden, Das heißt aufwärts stets anstemmend den Felsblock wälzen, Der von dem obersten Gipfel doch wieder und wieder herabrollt Und mit beflügelter Hast sich hinab in die Ebene stürzet. Lukrez, Von der Natur. Lateinisch-deutsch, hrsg. und übersetzt von Hermann Diels, Berlin 3. Aufl. 2013
1. Theoretische und methodische Perspektiven, Begriffe und Konzepte in der neueren Forschung Die ‚neue Politikgeschichte‘ – die auch unter Bezeichnungen wie ‚Kulturgeschichte des Politischen‘ respektive ‚der Politik‘, ‚historische Politikforschung‘ respektive ‚(historische) Analyse der politischen Kultur‘ firmiert – zielt trotz dieser scheinbar diffusen „gegenwärtigen Vielfalt der Bezeichnungen“1 auf spezifische, relativ deutlich konturierte Dimensionen des ‚Politischen‘: Danach darf Politik nicht mehr als „eindimensionaler Akt oder Prozeß“ begriffen werden, „in dem von oben nach unten dekretiert, regiert, entschieden wird“2 – vielmehr muß sie als kommunikativer Raum im weitesten Sinne und zugleich als interaktiver, das heißt wiederum kommunikativer Prozeß konzeptualisiert und neu begriffen werden. Damit rückt die Dimension 1
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Schorn-Schütte 2006, 84–85, auch zum Folgenden. Vgl. etwa auch Rohe 1990; Lipp 1996; Frevert 2002; Schlögl 2002; Landwehr 2003; Stollberg-Rilinger 2005; Mergel 2005b; Goppold 2007, Kapitel I; Hölkeskamp 2009, 36–49 (mit weiterer Literatur), sowie (eher ‚anwendungsorientiert‘) ders. 2004/2010 und 2017a. Frevert 2002, 158.
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der Interaktion und des ‚Aushandelns‘3 von Agenden, Ansprüchen und ihrer Anerkennung, von Konfliktbeilegung und Kompromissen zwischen Regierenden und Regierten, Magistraten und Bürgern, herrschenden Klassen und breiten Schichten in den Blickpunkt – und dieses ‚Aushandeln‘ von Politik in einem impliziten Dialog und die darin notwendig beschlossene Reziprozität setzen wiederum Formen der Partizipation etwa der ‚Adressaten‘ politischen Entscheidungshandelns notwendig voraus. Diese Partizipation nimmt zwar keineswegs unbedingt (und empirisch-historisch nicht einmal häufig) die Gestalt einer voll entwickelten „gleichberechtigten Teilhabe“4 an, muß aber doch (oder gerade deswegen) in ihren jeweils kulturspezifischen Ausprägungen, Graden und institutionellen Formen bestimmt werden. Darüber hinaus lassen sich die institutionellen Foren, die rituellen, also „symbolisch-expressiven“, die als Verfahren formalisierten, also „technisch-rationalen“ Formen und die kommunikativen Medien dieses kontinuierlichen Prozesses des Ausbzw. Verhandelns ihrerseits als zentrale Aspekte jener „fundamentale(n) Ordnungsproblematik“ verstehen, „die allen sozialen Verbänden zu Eigen ist“.5 Die spezifischen Formen der Kommunikation, die vormodernen Stadtstaatskulturen eigentümlich sind, lassen sich mit Hilfe einiger allgemeiner Überlegungen genauer fassen, die dann auch schon einen ersten Bezug zu der Frage nach den jeweils besonderen Ausprägungen des Handlungsmodus ‚Konkurrenz‘ erkennbar werden lassen – und zwar zunächst auf der Ebene der institutionellen Verortung und Kanalisierung dieses Modus. Politische Kulturen der ‚Stadtstaatlichkeit‘ zeichnen sich durch spezifische Charakteristika aus, die in jenen besonderen Bedingungen bestehen, unter denen politisches Handeln stattfindet und die in der jüngeren Forschung zur frühen Neuzeit im Anschluß an Niklas Luhmann unter dem treffenden Konzept der „Vergesellschaftung unter Anwesenden“ zusammengefaßt worden sind.6 Hier sind die daran beteiligten Institutionen nicht entrückt und unsichtbar, sondern präsent und ganz dicht und unmittelbar aufeinander bezogen:7 Magistrate, Ratsorgane und Versammlungen treten sich hier immer direkt, ‚face-to-face‘ gegenüber – daher rührt etwa die zentrale Bedeutung der öffentlichen Rede. Denn dieses Medium der Kommunikation war das bei weitem wichtigste Vehikel, das die alltägliche, praktische Umsetzung der Interaktion zwischen Institutionen bzw. den in ihnen handelnden Personen und Gruppen überhaupt erst ermöglichte, solange diese Institutionen – wie 3 4 5 6
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Vgl. dazu Schorn-Schütte 2006, 84–85 im Anschluß an Mergel 2005a, 358. Frevert 2002, 158. Vgl. dazu auch die allgemeinen Überlegungen von Hammer 2015, sowie die einschlägigen Beiträge in Marco Simón/Pina Polo/Remesal Rodriguez (Hgg.) 2006. Mergel 2005a, 358. Vgl. dazu grundlegend Stollberg-Rilinger 2004. S. dazu grundlegend Schlögl 2004 und 2014. Vgl. Luhmann 1984, 560–564 u. ö.; ders. 1998, 814–816; Kieserling 1999. S. zur ‚Stadtstaatlichkeit‘ in der Antike generell und in Rom im besonderen etwa Hölkeskamp 2004/2010, 67–75; 120–130 u. ö.; ders. 2017a, 95–101, mit weiteren Nachweisen. S. zur grundlegenden Problematik und empirischen Operationalisierbarkeit der Kategorie ‚Staat‘ etwa Walter 1998 und Lundgreen 2014, jeweils mit weiterer Literatur. Vgl. dazu Hölkeskamp 2003b, 84–87, und ders. 2009, 44–48. Vgl. generell die einschlägigen Beiträge in Molho/Raaflaub/Emlen (Hgg.) 1991, Hansen (Hg.) 2000 und 2002, sowie in Bang/Scheidel (Hgg.) 2013.
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etwa Rat, Gerichte und vor allem die ekklesia in der athenischen Demokratie8 oder auch der Senat, die Versammlungen des Volkes bzw. der Plebs in Comitien, concilia und vor allem Contionen der römischen Republik9 – bzw. alle wichtigen Verfahren der Entscheidung in ihnen ebenso wie die religiösen und sonstigen kollektiven rituellen Verrichtungen regelmäßig an den zentralen Ort der jeweiligen Stadt selbst gebunden blieben. Mithin sind die zwischen diesen Organen ablaufenden, ihrerseits ebenfalls institutionalisierten Prozesse der Kommunikation und Interaktion in eine überschaubare und permanent präsente ‚Öffentlichkeit‘ eingebettet, und zwar grundsätzlich und zugleich in mehrfacher Hinsicht: Erstens bleibt jedes politische Handeln sichtbar für alle Beteiligten, weil es (im doppelten Sinne des Begriffs) auf dem Forum einer mediterranen open-air-Kultur stattfindet – nämlich auf der Agora und der Pnyx in Athen respektive auf dem Forum Romanum und dem Comitium, dem Capitol und dem Marsfeld in Rom. Zweitens ist diese Öffentlichkeit in ihrer Gestalt als Versammlung ja selbst eine Institution, die an diesem Handeln und an allen Kommunikationsprozessen teilnimmt. Und drittens ist schließlich die gleiche Öffentlichkeit als Bürgerschaft, als Gesamtheit ‚der Athener‘ bzw. des populus Romanus mit dem ‚(Stadt-)Staat‘ selbst identisch – und zwar keineswegs nur einem abstrakten ideologischen Anspruch nach, sondern wiederum auch konkret und sichtbar. Denn diese Identität (im doppelten Sinne des Begriffs) wird permanent ‚öffentlich‘ durch eine Vielzahl von ‚civic rituals‘ bestätigt und erneuert – dazu gehören nicht nur die erwähnten Versammlungen, die ja schon durch ihre jeweils eigenen elaborierten Regelwerke immer eine rituelle Dimension haben, sondern auch und gerade die vielen religiösen Feste und feierlichen Opferrituale aller Art und bei vielen Gelegenheiten ebenso wie die großen Prozessionen wie diejenige anläßlich der Panathenäen in Athen, und wie der Triumph, die pompa funebris und die pompa circensis in Rom.10 8 9
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S. dazu etwa Ober 1989 und ders. 1996, Kapitel 3 und 7; Stein-Hölkeskamp 2000, 2013 und 2014; Hölkeskamp 2000; Mann 2007 und 2013. Vgl. dazu Hölkeskamp 1995/2004 und grundlegend Jehne 2000b, 2013a und b, 2014 und 2017; Flaig 2017. S. vor allem Morstein-Marx 2004 und 2013, sowie die einleitenden Kapitel von Bücher 2006, Smith/Covino (Hgg.) 2011; Steel/Van der Blom (Hgg.) 2013 und Rosillo-Lopez (Hg.) 2017. S. insbesondere Hölkeskamp 2011a; 2013 und 2013/2017; Pina Polo 2012a; Steel 2017; Mouritsen 2017, 72–94; Walter 2017, 58–68; 195–207. Vgl. außerdem Tatum 2007 und 2013. S. zu Art und Vermittlung der ‚öffentlichen Meinung‘ neuerdings Rosillo-Lopez 2017, insbesondere Kapitel 7 zu „Rhetoric and Public Opinion“. Hölkeskamp 2006b; 2006/2007; 2008/2017; 2011b und 2014a; Flower 2014. S. außerdem zu der spezifisch ‚spektakulären‘ Dimension dieser politischen Kultur etwa Beacham 1999, Kapitel 1; Bell 2004 und Sumi 2005. Im Blickpunkt der neueren Forschung stehen insbesondere der Triumph, seine Route, rituelle Syntax etc. S. etwa Hölkeskamp 2001/2004, 148–157; Flaig 2003a, 32–48 und ders. 2003b; Itgenshorst 2005; Bastien 2007; Beard 2007; Pelikan Pittenger 2008; Östenberg 2009; Popkin 2016, und die einschlägigen Beiträge in Krasser/Pausch/Petrovic (Hgg.) 2008 sowie in Goldbeck/Wienand (Hgg.) 2017, jeweils mit weiteren Nachweisen. S. zur pompa funebris, ihrer Syntax und ihren ‚memorialen‘ Funktionen etc. etwa Flaig 2003a, 49–68, 69–74; Flower 1996; Walter 2003, 260–266; ders. 2004, Kapitel 3; Beck 2005b; Covino 2011, jeweils mit weiteren Nachweisen, sowie zuletzt Blasi 2012. S. zur pompa circensis jetzt grundlegend Latham 2016.
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Eine solche politische Kultur des „unmittelbaren Handelns“11 mit ihrer besonderen Direktheit, Sichtbarkeit und Hörbarkeit auf allen Ebenen braucht zugleich eine entsprechende räumliche Dichte, nämlich die Verankerung ihrer verschiedenen Formen und Medien der Interaktion in eigens reservierten, markierten und abgegrenzten öffentlichen Räumen, die in die ‚Urbanität‘ der Stadt und ihre spezifische politischreligiöse Topographie eingebettet sind – diese Dimension der „Ausdrucksseite“12 der republikanischen politischen Kultur, die mittlerweile sogar im Vordergrund des Interesses an dem eigentümlichen Phänomen der ‚Stadtstaatlichkeit‘ steht, besteht wiederum aus einer Vielzahl von sich überschneidenden, sich ergänzenden und miteinander vernetzten Ebenen. Die öffentlichen Räume der Stadt sind ja nicht nur Ort und Rahmen politischen Handelns, sozialer Interaktion und ökonomischer Aktivitäten, sondern auch im Wortsinne ‚Schauplätze‘ der vielen religiösen Zeremonien und Feste zu Ehren der Götter: Athen und die urbs Roma mit ihren Tempeln, Altären und Prozessionsrouten sind also auch ‚sakrale Landschaften‘. Und nicht zuletzt machen diese und andere Bauten, Monumente und Denkmäler diese Städte auch noch zu großen ‚Schau-Plätzen‘ und zu ‚Erinnerungslandschaften‘, also zu Räumen der Bewahrung und Pflege des jeweiligen kulturellen Gedächtnisses.13 2. Die politische Kultur der römischen Republik in der neueren Forschung14 Aus diesen Grundbedingungen resultiert eine „Eigenlogik kommunaler Einheiten und kommunalen politischen Handelns“ in der Gestalt der erwähnten spezifischen „kommunikativen Form des Politischen in der vormodernen Stadt“15 – allerdings: wie nicht nur die Beispiele Athen einerseits und Rom andererseits, sondern auch ein Seitenblick auf das glanzvolle Venedig des Spätmittelalters und der Renaissance, das Florenz der Medici oder auch die vielen anderen großen und kleinen europäischen Städte und ihre mehr oder weniger ausgeprägten oligarchischen soziopolitischen Strukturen zeigen: Institutionen und Verfahren der Partizipation der Bürgerschaft in Primärversammlungen, Wahlen und Gesetzgebung, Öffentlichkeit der Politik und 11 12 13
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Hölscher 1998 und 2003, vgl. dens. 1999. S. zur „Ausdrucksseite“ einer politischen Kultur im Gegensatz zu ihrer „Inhaltsseite“ bereits Rohe 1990. Hölscher 1996, 2001 und 2014; Hölkeskamp 1996/2004, 2001/2004, 2005, 2006a, 2008/2017 und 2014a; Richardson 1991; Walter 2004, Kapitel 4 und 5, und neuerdings Muth 2014; Popkin 2016; Russell 2016; Davies 2017 und Rosillo-Lopez 2017, Kapitel 2, sowie zu Athen etwa Hölscher 1991 und 1999; Shear 2007. Gerade hier eröffnen sich interessante Perspektiven durch systematische Vergleiche – s. bereits die wichtigen Sammelbände Molho/Raaflaub/Emlen (Hgg.) 1991; Hansen (Hg.) 2000 und 2002, sowie Hammer (Hg.) 2015. Vgl. den grundlegenden Überblick zur neueren Forschung von Jehne 2006, sowie die weiteren einschlägigen Beiträge in Flower (Hg.) 2014. S. neuerdings Hölkeskamp 2004/2010 und ders. 2017a, jeweils mit weiteren Nachweisen; Morstein-Marx 2009; Flower 2010; Walter 2017, 72–79; 213–221; Mouritsen 2017, 94–99 u. ö. und demnächst Hölkeskamp 2019. Goppold 2007, 11, bzw. Schlögl 2004 (Zitate).
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permanente Präsenz, Sichtbarkeit und Aktivität der politischen Klasse im öffentlichen Raum sind tatsächlich keineswegs nur in einer ‚demokratischen‘ politischen Kultur denkbar16 – wenn dieser Begriff denn über einen normativen Anspruch hinaus auch noch eine hinreichende Trennschärfe behalten soll. Vielmehr erweisen die Medien und Formen einer hierarchischen Kommunikation sich am Beispiel der römischen Republik als strukturell notwendige Grundlagen und Bedingungen einer spezifischen aristokratischen, nämlich ‚meritokratischen‘ politischen Kultur, in der das (im weiteren Sinne des Begriffs) institutionalisierte Volk eine zentrale Rolle bei der Konstitution und Reproduktion einer ‚Aristokratie‘ als politischer Klasse zu erfüllen hat.17 Genau hier liegt die für diese politische Kultur tatsächlich konstitutive Funktion des populus Romanus, vor allem in der Gestalt seiner Versammlungen – eine Funktion, die über diejenige als allgemein-abstrakte ideologische Referenzgröße, als Adressat und ‚Ko-Akteur‘ der erwähnten ‚civic rituals‘ und auch über die durchaus konkrete und wichtige symbolische Rolle im Institutionengefüge der Republik hinausging: Es war selbstverständlich und unstrittig Sache des institutionalisierten populus Romanus, jene Ämter (honores) zu vergeben, die aristokratischen Status überhaupt erst begründeten – und dies eben nicht nur, weil so die Bindung dieser Aristokratie an (und die affirmative Bestätigung ihrer Führungsrolle durch) den populus Romanus regelmäßig rituell inszeniert und damit der Kern der kollektiven Wertewelt und die darauf beruhende Legitimität der politischen Klasse reproduziert wurden.18 Selbst wenn das Volk nie frei ‚wählen‘ konnte, in keinem Sinne dieses Begriffs; selbst wenn die Versammlungen allenfalls die ‚Auswahl‘ zwischen Kandidaten hatten, die vom versammlungs- und wahlleitenden Magistrat formell angenommen und vorgeschlagen werden mußten und die vor allem – im Sinne des vielzitierten Meierschen Dictums – alle zum „Adel“ gehörten und deswegen kandidierten (bzw. umgekehrt: kandidierten, weil sie zum ‚Adel‘ gehörten):19 Gerade für eine politische Klasse, die sich über die Bekleidung von solchen Ämtern definierte und die sich auch noch nach dem relativen Rang dieser honores hierarchisch differenzierte, konnte das Verfahren der Wahl durch das Volk aus durchaus handfesten herrschaftssoziologischen Gründen strukturell unverzichtbar werden – handelt es sich doch um ein formales Verfahren, das die Rekrutierung, Chancenverteilung, Beförderung und damit alle Statusund Rangzuweisungen in dieser ‚Meritokratie‘ institutionell kanalisierte. Im Interesse der Stabilität und des notwendigen Mindestmaßes an Homogenität und Konsens16 17
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Der Stand der internationalen Debatte über den „demokratischen“ Charakter der römischen Republik ist dokumentiert bei Hölkeskamp 2004/2010, Kapitel 1 und passim, und zuletzt bei Hurlet 2012; Mouritsen 2017, 43–44 u. ö.; Walter 2017, 196–200. S. zum Stand der althistorischen Spezialforschung über den ‚Senatsadel‘ bzw. die ‚Nobilität‘ etwa Beck 2005a, 2008 und 2009; Hölkeskamp 1987/2011 und ders. 2004/2010, Kapitel 6–8, passim. Vgl. dazu neuerdings außerdem Farney 2007; Walter 2011 und 2014. S. zu theoretischen Ansätzen, methodischen Zugriffen und Potentialen für diese empirische Forschung etwa Beck/Scholz/Walter 2008 und Walter 2008, sowie Stein-Hölkeskamp/Hölkeskamp 2018. S. dazu Jehne 2003. Meier 1966/1980, 46–47 und danach etwa Hölkeskamp 1987/2011, 248–249.
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fähigkeit einer solchermaßen organisierten politischen Klasse mußte das Verfahren der Entscheidung dieser alljährlichen Konkurrenz gewissermaßen in einem neutralen Raum außerhalb ihrer selbst angesiedelt sein, weil es eine solche Instanz mit ausreichender Autorität, Objektivität und vor allem unstrittiger Akzeptanz innerhalb dieser Klasse selbst der Natur der Sache nach nicht geben konnte – vielmehr wären die allfälligen Verteilungskämpfe um Positionen und Prestige und die Rangstreitigkeiten sofort und automatisch in permanente Auseinandersetzungen über Status und vor allem Zusammensetzung der die honores verteilenden Instanz eingemündet; denn die individuelle Zugehörigkeit zu einer solchen Über-Instanz wäre ja dann der eigentliche maximus honos gewesen. Das in einem derartigen Rekrutierungsverfahren angelegte Konfliktpotential und die aus solchermaßen verschärften Verteilungskämpfen resultierenden zentrifugalen Kräfte hätten sehr schnell die Kanalisierungsund Regelungskapazität des Systems überfordert und damit die Herrschafts- und Überlebensfähigkeit der ‚politischen Klasse‘ insgesamt in Frage gestellt.20 Das bedeutet mutatis mutandis, daß das Rekrutierungsprinzip der ‚Kooptation‘ nur eine problematische Option sein konnte – und die Alternative der ‚Ernennung‘ durch eine der politischen Klasse insgesamt übergeordneten und mit überragender Autorität ausgestatteten ‚dritten Instanz‘ kam für den republikanischen Amtsadel als zugleich herrschende und regierende Klasse, die strukturell auf eine grundsätzliche inneraristokratische Gleichheit fixiert war, erst recht nicht in Frage. Diese Variante sollte sich erst seit dem frühen Principat durchsetzen und führte zu einer weitreichenden Umformung und -orientierung der Reichselite in einem komplexen Prozeß, der schließlich auch den traditionellen Wertehaushalt des senatorischen ‚Adels‘, die Parameter seiner Selbstwahrnehmung, die Medien seiner öffentlichen Repräsentation und die Strategien seiner Selbstkonstruktion erfaßte.21 In der Republik war das Prinzip ‚Wahl‘ also eine eigentlich sogar alternativlose Option. Ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. ging es immerhin bereits um mehr als siebzig einzelne Positionen, die jährlich besetzt werden mußten – nicht nur die beiden Consuln und die 4, 6 und später 8 Praetoren, 4 Aedile und schließlich 20 Quaestoren, sondern auch 24 Legionsoffiziere, die nicht umsonst als tribuni militum a populo bezeichnet wurden, und nicht zuletzt die zehn Volkstribune. Hinzu kamen noch Wahlen, die nicht jährlich stattfanden, etwa der Censoren und später zeitweise sogar der Mitglieder der großen Priesterkollegien, vor allem des pontifex maximus. Vor allem aber war die Konkurrenz um die honores scharf, natürlich gerade um die Ämter an der Spitze des cursus honorum in einem sich nach oben radikal verengenden Stellenkegel: Statistisch gesehen konnte nur allenfalls jeder dritte bzw. vierte Praetor auch Consul werden, und längst nicht jeder Quaestor oder Volkstribun brachte es überhaupt zu einer Magistratur mit imperium. Schon deswegen muß schlicht vorausgesetzt werden, daß Jahr für Jahr eine ganze Anzahl von Bewerbern schon rein 20 21
Hölkeskamp 2004/2010, 92–95 und ders. 2006/2017, 199–141, im Anschluß an Flaig 2003a, 165–166. S. neuerdings auch Nebelin 2014, 158–161. S. dazu – aus durchaus unterschiedlichen Perspektiven – etwa Roller 2001; Stein-Hölkeskamp 2003 und 2011; Eich 2008 und die einschlägigen Beiträge in Eck/Heil (Hgg.) 2005.
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rechnerisch nicht zum Zuge kommen konnte – immerhin wissen wir aus den relativ gut bezeugten Epochen der mittleren und späten Republik, daß etwa bei den Wahlen zu den beiden Consulaten regelmäßig mindestens 4–6 Kandidaten auftraten. In der neueren Forschung ist daher – und durchaus mit interessanten neuen, weil differenzierteren Ergebnissen – einerseits versucht worden, aus den Ergebnissen der Wahlen (also aus statistisch-prosopographischen Analysen der ‚Wahlsieger‘) allgemeine Grundmuster der Rekrutierung der Inhaber der (höheren) Magistraturen (mit imperium) abzuleiten. Andererseits hat man sich dabei zugleich darum bemüht, determinierende Faktoren und Strukturen der sozialen Reproduktion des republikanischen Senatsadels und seiner Spitzengruppe, der sogenannten Nobilität, als genuin politischer Klasse zu identifizieren.22 Das (informelle wie formale) Regelsystem und die dadurch gesteuerten Abläufe sind denn auch in der neueren Forschung immer wieder thematisiert worden – vor allem auf zwei auf den ersten Blick verschiedenen Ebenen: Zum einen hat sich der Blick auf die Wahlen zu den höheren Magistraturen nach jenem komplizierten Abstimmungsverfahren nach Censusklassen und Stimmkörpern in den comitia centuriata gerichtet, das seit einer Reform um die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. durch die Einführung einer vorab abstimmenden Centurie (centuria praerogativa) und Änderungen der Abstimmungsreihenfolge in den obersten Censusklassen noch komplexer wurde.23 Zum anderen ging es um Entstehung und Entwicklung der Beschränkungen bzw. Verbote der Iteration einerseits und der leges annales andererseits, um die intendierten Funktionen und nichtintendierten Wirkungen dieser normativen Festlegungen von Mindestfristen und -abständen zwischen Magistraturen und von Mindestaltersgrenzen für die einzelnen Stufen des cursus honorum, die ehrgeizige (und ungeduldige) Aristokraten zwischen Magistraturen einzuhalten hatten (und die gelegentlich formal suspendiert und öfter auch faktisch ignoriert wurden).24 3. Wahlen im republikanischen Rom – die Verlierer Die der „Vergesellschaftung unter Anwesenden“ eigentümliche politische Kultur der unmittelbaren, gewissermaßen präsentisch-performativen Interaktion, die eine besondere räumliche und personale Verdichtung voraussetzt, ermöglicht und verlangt zugleich zwingend eine direkte, intensive, individuell wie kollektiv (er-)lebbare 22 23 24
Vgl. dazu bereits Badian 1990 und jetzt grundlegend Beck 2005a. S. ferner etwa Bunse 2005 und Märtin 2012. S. zur Entstehung der patrizisch-plebeischen politischen Klasse und der ‚Nobilität‘ Hölkeskamp 1987/2011; 1988/2004 und 1993/2004. Yakobson 1992 und 1999; Jehne 2000a. Vgl. auch (aus einer sicherlich noch ausbaufähigen komparativen Perspektive) Mouritsen 2011. Auch Flaig 2013 verfolgt einen komparativen Ansatz auf breiter theoretischer und empirischer Basis – s. zu den römischen Versammlungen Abschnitt IX, 1 und 2. S. dazu vor allem Beck 2005a und seinen Beitrag in diesem Band, jeweils mit weiteren Nachweisen, sowie neuerdings die systematische Analyse von „Regelkonflikten“ bei Wahlen: Lundgreen 2011, 53– 120.
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Sichtbarkeit, Hörbarkeit und Erfahrbarkeit allen öffentlichen Handelns, ritueller und zeremonieller Praktiken wie politischer Entscheidungsprozesse. Diese Sicht-, Wahrnehm- und Erkennbarkeit manifestiert sich einerseits in einer kräftig ausgeprägten ‚Visualität‘ von Menschen, ihrer persona und damit ihrer (physischen und sozialen) Körper und andererseits notwendigerweise in einer ebenso ausgeprägten ‚Anwesenheit‘ (wiederum im physischen und sozialen Sinne) dieser Menschen als ‚(Stadt-)‘ oder genauer ‚(Stadtstaats-)Bürger‘ – römisch gesprochen: als ‚Quirites‘25 – und vor allem als Akteuren und Trägern der politischen, sozialen und nicht zuletzt religiösen Prominenzrollen, die durchweg eine ausgeprägt performative Dimension hatten. Daher sind alle Angehörigen der politischen Klasse auch nicht nur als Magistrate und Feldherren – auf dem Forum bzw. Marsfeld, bei allen Amtsgeschäften und etwa dem rituellen Aufbruch in den Krieg und bei der hochgradig ritualisierten Rückkehr im Triumph – jederzeit und zuweilen in geradezu gesteigertem Maße sichtbar; auch und gerade in jenen anderen Prominenzrollen, die den „integralen Adligen“26 erst ausmachen, agieren sie in und vor der erwähnten Öffentlichkeit als Adressaten und interagieren mit ihr als dem (zumindest impliziten) Ko-Akteur – als Priester, Verwalter des religiösen Herrschaftswissens und Deuter göttlicher Zeichen, die bei allen Opfern, Festen und Prozessionen präsent sind; als Patrone, die sich nach der morgendlichen salutatio mit möglichst großem Gefolge von ‚Freunden‘ und Clienten auf das Forum, den zentralen Raum der urbanen Öffentlichkeit, begeben; und schließlich als Juristen und Redner, die vor den Tribunalen und den Contionen auftreten. Die erwähnte Visualität und der daraus resultierende besondere respektiv besonders ausgeprägte Charakter der Performanz muß zu einer dementsprechenden kulturspezifischen Ausprägung des Handlungsmodus ‚Konkurrenz‘ führen – und dies gilt vor allem in ‚republikanischen‘ politischen Kulturen, in denen die wichtigsten und sozial profitabelsten Prominenzrollen in institutionalisierten kompetitiven Verfahren wie Wahlen vergeben werden: Die ‚Sichtbarkeit‘ der Akteure, die auf der ‚Bühne‘ der Öffentlichkeit als ‚Konkurrenten‘ handeln, und diese ‚Bühnen‘ selbst – etwa Agora und Pnyx, Marsfeld, Forum und Comitium – bestimmen auf vielschichtige Weise, direkt und indirekt nicht nur die konkreten Modi des Austrags – Wahlen, Gerichtsverfahren – und ihre dynamische ‚Ver-Regelung‘, sondern auch Habitus, Verhaltensmodi bzw. -codes und Gestus der erwähnten Akteure: Die Sieger treten unmittelbar als solche auf – und mutatis mutandis sind die Verlierer ihrer Sichtbarkeit geradezu schmerzlich ausgesetzt.27 Gerade die Gruppe der letzteren ist in den bisherigen Untersuchungen zu Wahlen, ihren institutionellen und sozialen Bedingungen – etwa in der römischen Republik und ihrer hochgradig kompetitiven politischen Kultur, in der die alljährliche Konkurrenz um die ‚knappe Ressource‘ Consulat sich dynamisch, ja seit dem frühen 25 26 27
Vgl. dazu Hölkeskamp 2013, 13–17 und passim, sowie ders. 2013/2017, 173–175. Vgl. zu diesem Begriff Walter 2011, sowie zur Sache Beck 2008 und 2009. Daher lehnt sich die für die Formulierung des Titels gewählte Begrifflichkeit ganz bewußt an das erwähnte Konzept der „Vergesellschaftung unter Anwesenden“ an, das bei Schlögl 2004 und 2014 entfaltet wird.
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2. Jahrhundert v. Chr. geradezu dramatisch verschärfte – nur wenig Beachtung geschenkt worden. Das ist eigentlich erstaunlich – um so mehr als die prosopographische Erfassung der durchaus zahlreichen namentlich bekannten Verlierer von Wahlen im Rom des späten 3., 2. und 1. Jahrhundert (vor allem in den relativ gut bezeugten Zeiträumen von 218 bis 168 bzw. 80 bis 50 v. Chr. sind es rund 100 Namen) bereits vor fast zwei Jahrzehnten von dem bewährten Altmeister der Magistrates of the Roman Republic, T. Robert S. Broughton, begonnen und seitdem noch mehrfach ergänzt und erweitert worden ist.28 Das der politischen Kultur eingeschriebene Problem, daß das Prinzip ‚Wahl‘ als alternativloses Verfahren der Zuweisung respektive Reproduktion von aristokratischem Status, Rang und Reputation, regelmäßig Jahr für Jahr zwangsläufig eine (zumindest auf den unteren Stufen des cursus honorum) nicht quantifizierbare, jedenfalls erhebliche Zahl von Verlierern produzierte, ist als solches bislang allerdings in der Forschung kaum begriffen worden29 – und erst recht ist noch gar nicht wirklich erkannt worden, daß gerade darin ein ganz zentrales Problem einer hochgradig kompetitiven politischen Kultur besteht, das im Interesse der Stabilität und ‚Eigensicherung‘ eines solchen Systems gelöst werden muß. Vor diesem allgemeinen Hintergrund und auf der Basis des zur Verfügung stehenden prosopographischen Materials ist eine empirische Analyse der Gruppe der Verlierer zu entfalten, um die Frage nach Akzeptanz (bzw. Prekarität dieser Akzeptanz) des Handlungsmodus ‚Konkurrenz‘ und des spezifischen Regelwerks, das die Konkurrenz einhegen und kanalisieren, gewissermaßen pazifizieren und damit vom unbegrenzt-ungeregelten ‚Kampf‘ unterscheiden soll,30 näher zu untersuchen. Gerade weil es einerseits für individuelle Angehörige der politischen Klasse der römischen Republik, die sich als ‚meritokratisch‘ legitimierter Amtsadel permanent reproduzierte, bei den Wahlen zu eben diesen Ämtern um die Konstitution und Affirmation ihres Status und um ihren relativen Rang innerhalb dieser Elite ging; gerade weil es andererseits zumindest bis in die späte Republik kaum alternative (und gegebenenfalls kompensatorisch wirkende) Karriereoptionen gab, die ein auch nur entfernt vergleichbares Prestige bzw. symbolisches Kapital einbringen konnten, ist in dieser 28 29
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Broughton 1991; Konrad 1996; Farney 2004 und zuletzt Pina Polo 2012b. Vgl. auch Evans 1991. Die genannten Arbeiten bieten weder alle relevanten Informationen, noch ermöglichen sie eine Vernetzung nach den differenzierten Kriterien, die sich aus der neueren Forschung zur Konstitution der römisch-republikanischen politischen Klasse ergeben. Eine umfassende, moderne prosopographische Dokumentation und Analyse müßte demnach folgende Daten enthalten: a. Name des betreffenden Individuums; Jahr der Bewerbung, angestrebtes Amt, (erfolgreiche und andere erfolglose) Konkurrenten, persönlicher Status, differenziert nach den Rangkriterien der politischen Klasse, das heißt: b. allgemeiner Rang der Familie des Bewerbers (‚corporate identity‘ seiner gens; ältere honores und andere Einlagen im ‚sozialen‘ und ‚symbolischen Kapital‘; c. aktuelle ‚Kapitalien‘ dieser Art durch honores der unmittelbaren Agnaten (und auch Kognaten in aufsteigender Linie sowie ggflls. der Brüder) des Bewerbers; d. seine Karriere vor der Niederlage (einschließlich der Frage, ob eigene honores etwa suo anno oder erst verzögert erreicht wurden); e. Status der erfolgreichen Konkurrenten; f. weitere Bewerbungen um das gleiche / das nächsthöhere Amt im cursus honorum; g. weitere Karriere des Bewerbers. Vgl. zu dem hier zugrunde gelegten, von Georg Simmels klassischer Definition inspirierten Begriff der Konkurrenz jetzt Hölkeskamp 2014b.
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politischen Kultur mit einem hohen Potential an Gefährdung durch Strittigkeit der Regeln selbst, ihrer Geltung und gerechten Durchsetzung bzw. durch das konfliktträchtige Infragestellen ihrer jeweiligen konkreten Anwendung durch Verlierer und daher mit einer besonderen Dynamik der modifizierenden Regel-Reproduktion zu rechnen. In diesem Zusammenhang ist noch einmal nach den Bemühungen um eine Definition und Analyse des sogenannten ambitus zu fragen: Der Begriff – die übliche Übersetzung ‚Wahlbestechung‘ greift in mehr als einer Hinsicht deutlich zu kurz – und die Verhaltensweisen und Praktiken, die er bezeichnete, sind ein notorisches, nach wie vor nicht endgültig gelöstes und vermutlich auch gar nicht lösbares Problem: Es fragt sich tatsächlich, ob es nicht dabei bleiben muß, daß ambitus „tendenziell immer das (war), was die anderen taten, während man sich selbst natürlich stets tadellos verhielt“.31 Auf jeden Fall – und diese Dimension ist in der bisherigen Forschung noch kaum systematisch untersucht worden – sind schon die vom 2. zum 1. Jahrhundert immer dichter hintereinander angestellten Versuche, bestimmte Praktiken durch Gesetze, also durch positive normative Regelungen geradezu zu kriminalisieren,32 ein Indiz für eine Verschärfung der Konkurrenz, für eine (wachsende?) Strittigkeit der (informellen) Regeln für das ‚sichtbare‘ Verhalten, das öffentliche Auftreten der Kandidaten in toga candida und ihrer (gerade noch oder eben nicht mehr akzeptablen) Strategien des self-advertising in der ‚klassischen‘ Konkurrenzsituation des Wahlkampfes. Daher ist danach zu fragen, welche Rahmenbedingungen und Faktoren überhaupt geeignet waren, den jeweiligen Ausgang einer Wahl für die Verlierer akzeptabel zu machen: Denkbare Faktoren sind etwa der sehr regelmäßige Rhythmus der Jährlichkeit, in dem die ‚Siegesprämie‘ einer Magistratur wieder zur Verfügung stand – dieser Nebeneffekt des grundsätzlich unstrittigen und (jedenfalls zumeist) strikt beachteten Prinzips der Annuität ist bislang überhaupt nicht analysiert worden; das gilt auch für die mittel- und langfristigen strukturellen Folgen der Erhöhungen der Stellenzahl, vor allem in der Praetur (241, 227, 198 v. Chr.). Neben dem Takt der ‚Auslobung‘ und der Quantität der ‚Siegesprämien‘ sind ferner die damit eng verbundenen ungeschriebenen Regeln über wiederholte Bewerbung genauer zu analysieren.
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S. dazu Jehne 1995 (Zitat: 53). Vgl. dazu bereits Bauerle 1990; Lintott 1990, sowie (allerdings methodisch wenig befriedigend) Nadig 1997; Stolle 1999; Schuller 2000 und neuerdings Walter 2010; Rosillo-Lopez 2010, 49–85 u. ö. Vgl. dazu einstweilen Fascione 1984, und dazu die Rezension Hölkeskamp 1987, sowie jetzt den Beitrag von Hans Beck in diesem Band.
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4. Neue Perspektiven: die Frage nach alternativen Optionen Ebenfalls überhaupt noch nicht behandelt ist die jüngst verstärkt diskutierte Möglichkeit, daß sich nicht erst in der frühen Kaiserzeit (also nach dem Verlust der Rolle der ‚herrschenden Klasse‘ als tatsächlich auch regierender politischer Klasse)33, sondern schon in der (späten) Republik die Entstehung von Distinktionsmerkmalen und Lebensentwürfen, Modi und Strategien des self-fashioning abzuzeichnen begann, die zunächst neben das klassische Karrieremuster des agonalen Erwerbs von honores traten und es später wenigstens partiell ergänzt bzw. gar ersetzt zu haben scheinen. Damit ist nicht nur und nicht einmal in erster Linie das klassische Muster des (mehr oder weniger) ‚würdevollen‘ Rückzugs des erfolgreichen Consulars und Feldherrn aus dem aktiven Geschäft von Politik und Krieg gemeint.34 Vielmehr geht es um die bislang kaum gestellte, wesentlich darüber hinausführende Frage, ob und gegebenfalls in welcher Form sich auch Kompensationsstrategien entwickeln konnten, die es ‚Ab-‘ und/oder ‚Aussteigern‘ ermöglichten,35 etwa das vorzeitige Ende der eigenen Karriere zumindest gewissermaßen gesichtswahrend auszuhalten respektive den völligen Verzicht auf eine traditionelle, immer noch prestigereiche Option sogar positiv und geradezu offensiv anzunehmen.36 Es geht also nun darum, nach eventuell bereits bestehenden, aber nun in den Vordergrund tretenden (oder auch ganz neuen) Feldern der Distinktion und der Konkurrenz um Prominenz und Prestige Ausschau zu halten. Einerseits liegt es nahe, etwa eleganten Lebensstil, verfeinerte Bildung, literarische und philosophische Tätigkeiten in den Blick zu nehmen.37 Andererseits stellen sich gleich mehrere darüber noch hinausführende Fragen, etwa nach Art und Charakter von Konkurrenz auf diesen Feldern, nach Größe und Zusammensetzung der ‚Öffentlichkeiten‘ als Foren und Schiedsrichter, nach der Rolle des jeweiligen arbiter elegantiae und nicht zuletzt nach dem im Vergleich zu dem römisch-republikanischen Sisyphos des Lukrez veränderten Grad der Erträglichkeit von ‚Niederlagen‘. Damit eröffnet sich eine ganze Reihe von neuen, weit über das unmittelbare ‚republikanische‘ Projekt hinausgehenden Perspektiven, die den besonderen Charakter, die Vielfalt und Vielschichtigkeit der kulturspezifischen römischen ‚Agonalität(en) ‘ (und die Bedingungen und Impulse ihres Wandels) in den Mittelpunkt stellen müssen.
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S. zu ‚Eliten nach dem Machtverlust‘ etwa K. Nebelin 2012. Vgl. zu den besonderen Bedingungen in den Bürgerkriegen den Beitrag von Francisco Pina Polo in diesem Band. S. dazu den Beitrag von Christoph Lundgreen in diesem Band. S. zu Ursachen und Folgen sozialen Abstiegs Klingenberg 2011 und seinen Beitrag in diesem Band. S. dazu den Beitrag von Egon Flaig und zu den diesbezüglichen Aushandlungsprozessen den Beitrag von Amy Russell in diesem Band. Vgl. dazu bereits Stein-Hölkeskamp 2001; 2002; 2003; 2011 und jetzt ihren Beitrag in diesem Band. S. zu verschiedenen Aspekten dieses komplexen Themas außerdem neuerdings auch Platts 2011; Roller 2001 und 2011, sowie seinen Beitrag in diesem Band.
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Pecuniam inlargibo tibi Wahlbestechung und Wahlniederlage in der mittleren römischen Republik
hans beck
Am Anfang unserer Überlegungen zur Wahlniederlage in der politischen Kultur der Republik steht eine Episode, die sich wie so oft um einen strahlenden Sieger dreht. Im Jahr 182 v. Chr. regulierte der Senat die finanziellen Rahmenvorgaben der öffentlichen Spiele. Anlaß dafür war das Verhalten des Ädilen Tiberus Sempronius Gracchus, der so viel Geld für seine Spiele ausgegeben hatte, daß sich seine ludi zu einer finanziellen Bürde nicht nur der Bundesgenossen in Italien auswuchsen, sondern angeblich auch die Provinzen in Übersee in schwere Geldnot brachten. Im Bestreben, sich dem Volk als guter – und das hieß in diesem Fall: freigiebiger – Magistrat zu empfehlen, hatte Sempronius tief in die Tasche gegriffen. Das Handlungsmuster ist bekannt und bedarf keiner längeren Erklärung: In der besonderen Direktheit des Politischen in Rom wurden öffentliche Wohltaten auch besonders und unmittelbar mit der Person in Verbindung gebracht, die das beneficium geleistet hatte, und die in der Folge dann auch auf eine Steigerung des eigenen Ansehens hoffen durfte. Insofern war das Verhalten des Ädilen grundsätzlich unanstößig. Im konkreten Fall hatte Gracchus es mit seinen Aufwendungen indes zu weit getrieben. Das Verhalten beschädigte die heikle Balance zwischen angemessenen beneficia und solchen, die als unangemessen, weil wettbewerbsverzerrend, galten. Gracchus hatte den Bogen überspannt.1 Während die Finanzierung von Spielen bis dahin von ad hoc-Zuweisungen durch die Zensoren und Ädilen abhing (bei den Votivspielen waren die Dinge anders geregelt), setzte nach dem Ende des Hannibalkrieges ein sichtbarer Verregelungsprozeß ein.2 Im Jahre 191 wurde dem spielehaltenden Magistrat eine Obergrenze für 1
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Liv. 40,44.11–12 (unter dem Jahr 180, s. dazu unten): neve quid ad eos ludos arcesseret cogeret acciperet faceret adversus id senatus consultum, quod L. Aemilio Cn. Baebio consulibus de ludis factum esset. (12) decreverat id senatus propter effuses sumptus, factos in ludos Ti. Semproni aedilis, qui graves non modo Italiae ac sociis Latini nominis, sed etiam provinciis externis fuerant. Zu Sempronius’ Ädilität s. ferner Beck 2005a: 395–397. Mommsen 1887/1888, 295–296; 517–522 (aediles); 1128–1129; Kunkel/Wittmann 1995, 507–508; s. Sabbatucci 1954, 262–293; Baltrusch 1989, 106–111 mit Anm. 447; ferner Bernstein 1998, 67–76; 143–147, der das verstreute Material versammelt. Bei Livius (24,18,10–11) vergeben die Zensoren öffentliche Aufträge zur Organisation und Durchführung der Spiele, was den Vorgang erhellt. Bei den ludi votivi
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die Aufwendung öffentlicher Mittel benannt; was darüber hinaus ging, sollte er aus eigener Tasche bezahlen. Als er das dann auch tat, und zwar mit allem Pomp und Pipapo, mußten die Senatoren schnell erkennen, daß die Sache mit dem Verweis auf Privatmittel nicht getan war.3 Vier Jahre später, 187, wurde dem Prokonsul M. Fulvius Nobilior eine Obergrenze für die von ihm gelobten ludi magni benannt – eine Obergrenze, die nun auch den Einsatz privater Gelder miteinbezog.4 Im Jahr 182 kam sodann die Regelung für den genannten Tiberius Gracchus, die die Obergrenze noch einmal einschärfte und dabei gleich noch die potentiellen Schlupflöcher versiegelte. Der Senatsbeschluß selbst wird von Livius nur in der Rückschau genannt, im Bericht des Jahres 182 bleibt er unerwähnt. Unter dem Jahr 180 resümiert Livius, daß es Tiberius Gracchus untersagt wurde, im Einklang mit einem vorhergehenden Dekret „Zuschüsse weder einzuwerben, verpflichtend einzufordern, noch anzunehmen“ (40,44,11), falls diese über den für seine Spiele festgesetzten Finanzrahmen hinausgingen. Der Ädil konnte sich also nicht dahingehend hinausreden, daß die entsprechenden Gelder freiwillig gezahlt wurden. Die allgegenwärtige Steigerungsdynamik, die für die kommunikative und performative Seite von Politik in Rom in diesen Jahren so charakteristisch war,5 zeitigte ihrerseits also eine Gegenreaktion, ja sie forderte diese offenbar geradezu heraus. Auf der einen Seite stand das Bestreben Einzelner, oder einzelner Familien, sich immer neu zu profilieren und zu distinguieren, wenn man so will; auf der anderen Seite das bewußte Gegensteuern des Kollektives. Nach dem Hannibalkrieg unternahm es die Nobilität erstmals, grundlegend, und im großen Stil, die Rahmenbindungen des Wettbewerbs unter die Kontrolle des Kollektivs zu bringen, und dies wiederum im weitesten Sinne. Wir kommen darauf gleich wieder zurück. Wie auch in anderen Epochen der römischen Republik wird man zunächst also konstatieren, daß die politische Kultur der 190er und 180er Jahre in ein Koordinatensystem eingeschrieben war, das sich zwischen den Achsen von Konsens und Konkurrenz aufspannte.6 Mit dem Pauschalverweis auf das Konsens-Konkurrenz-Modell ist es aber nicht getan. Denn beide Handlungsmuster leben von den unmittelbaren Umständen, wie sie der gesellschaftliche Alltag vorgibt. Anders gesagt: der Konsens unter römischen nobiles des 4. Jahrhunderts vor Christus war ein anderer als derjenige im 2. Jahrhundert. Und die Konkurrenz war im frühen 2. Jahrhundert wiederum noch nicht so weit gediehen, daß einzelne Protagonisten soweit gegangen wären, im Kampf um Ansehen und Ruhm zu den Waffen zu greifen und ihre Widersacher im
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hing die Finanzierung maßgeblich davon ab, daß der Feldherr die entsprechenden Summen für gelobte Spiele zuvor auch tatsächlich im aerarium hinterlegt hatte. S. unten zur schwierigen Eigentumsfrage der Kriegsbeute. Liv. 36,36,1–2; s. Bernstein 1998, 272–274. Liv. 39,5,7–10 mit 39,22,1–4 (zum Jahr 186). S. Walther 2016: 164–179, besonders 165–166. Für die ludi Romani und Plebejischen Spiele verzeichnet Livius zum Beispiel eine dramatisch akzelerierte Erweiterungs- und Wiederholungswelle in sieben von elf Jahren, beginnend im letzten Jahr des Hannibalkrieges: 31,4,5–7 (201); 31,50,2–5 (200); 32,7,13–15 (199); 32,27,8 (198); 33,25,1–3 (197); 33,42,9–11 (196); 36,35,2 (191). Hölkeskamp 1993/2004 mit Add. ist nach wie vor grundlegend.
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Straßenkampf auszuschalten, oder die Republik in einen Bürgerkrieg zu stürzen, weil ihnen ein Senatsbeschluß nicht paßte. Die Handlungsspielräume waren andere als in der späten Republik. Die folgenden Überlegungen zur politischen Kultur der res publica stehen folglich in einer konsequent historisierenden Perspektive. Nach den von Karl-Joachim Hölkeskamp in der Einleitung vorgezeichneten Bedingungen einer „Konkurrenz unter Anwesenden“ greife ich die Frage nach dem Wettbewerb in den Jahren unmittelbar nach 200 auf. Im Mittelpunkt meiner Ausführungen steht das als alternativlos für die Vergabe der honores bezeichnete Verfahren der Volkswahl – Wahl verstanden nicht als eindimensionaler oder konstitutioneller Akt, sondern als von Hölkeskamp benannter „kommunikativer Raum“, der sich über das gesamte gesellschaftliche Handeln und Aushandeln von Politik erstreckt. Meine Ausführungen erfolgen in drei bzw. vier Schritten. Ich gehe erstens davon aus, daß der politische Wettbewerb nach dem Hannibalkrieg von einer völlig neuen Eigendynamik bestimmt war; zweitens, daß der Senat auf diese Dynamik mit einer Agenda reagierte, deren Umsetzung den Wettbewerb und die Wirkkraft der darin eingesetzten Kapitalien neu verregelte. Im dritten Abschnitt wende ich mich dem kommunikativen Feld zu, auf dem die Konkurrenz unter den Anwesenden ausgetragen wurde und das – gerade in Anbetracht der neuen Wettbewerbsparameter – die Konkurrenz überhaupt erst erträglich machte, für die Sieger des Wettbewerbes wie auch und insbesondere für seine Verlierer. Der vierte Abschnitt führt uns zum Beispiel einer konkreten Adelskarriere, die der Senat offenbar zum Anlaß nahm, ein Exempel zu statuieren. Der Fall des Scipio Africanus zeigt, wie wenig Spielraum in diesen Jahrzehnten noch für einen Ausstieg aus der Nobilität bestand, und wie beschränkt die politisch-kulturellen und emotionalen Ressourcen waren, um dauerhaftes Verlieren zu kompensieren. In der Summe sollen diese Abschnitte zeigen, daß ein Ausgleich zwischen den wiederstrebenden Kräften des Einzelnen und des Kollektivs prinzipiell möglich, eine perpetuierte Krise der Republik wenigstens in diesen Jahrzehnten also keineswegs vorprogrammiert oder ohne Alternative war. Das Bestreben, auf einen solchen Ausgleich hinzuwirken, läßt sich nicht nur an der Wahlgesetzgebung dieser Jahre ablesen, sondern es zeigt sich insbesondere auch darin, wie die Nobilität mit dem Thema Wahlniederlage umging. 1. Die Dynamik des Wettbewerbes nach dem Hannibalkrieg In den Kriegsjahren hatte der Senat eine Reihe von Suspendierungsgesetzen erlassen, mit denen die bestehenden Regelungen zur Bestellung von Imperiumsträgern aufgeweicht wurden. Im Kern war diese Aufweichung dem Ziel geschuldet, bei den Konsulwahlen freie Hand zu haben, d. h. diejenigen Kommandoträger ins Feld schicken zu können, in denen der Senat das höchste Maß an militärischer Expertise zur Umsetzung der eingeschlagenen Strategie gegen Hannibal sah.7 Nach den vielen 7
Siehe Beck 2005a, 136–141 sowie 45–50; 104–105; 283–284 zum bekanntesten Suspensgesetz des Han-
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Ausnahmeregelungen und den daraus resultierenden Sonderkarrieren einzelner nobiles, wie sie seit dem ersten Suspensgesetz von 217 entstanden waren, drängte der Senat gegen Kriegsende bekanntlich auf eine (Wieder-)Einschärfung der traditionellen Rekrutierungsmuster von Imperiumsträgern. Die rasche Wiederholung und manchmal sogar unmittelbare Kontinuation von Ämtern mit imperium mochte unter dem Eindruck des Hannibalkrieges sinnfällig, ja notwendig erscheinen. Aufrechterhalten konnte und wollte die Senatsaristokratie diesen Ausnahmezustand aber nicht. Schon in den Jahren kurz vor 201 wurden die zu Kriegsbeginn eilends verabschiedeten Suspensgesetze wieder einkassiert. Gleichzeitig kam es in den beiden Jahrzehten nach 201 in überhaupt nur noch zwei Fällen durch besonders ambitionierte nobiles zu einer Wiederholung des Konsulats, wie sie nach Ablauf einer zehnjährigen Sperrfrist ja durchaus möglich war.8 Hinter der Einschärfung der Wettbewerbsregeln nach 201 stand wiederum der leitende Gedanke, die knappe Ressource Oberamt für möglichst viele Anwärter prinzipiell zugänglich und erreichbar zu machen. Während dieser Schritt zur Entmonopolisierung der Oberämter naheliegend war, erwuchs im politischen Alltag sogleich eine neue Realität, die ihrerseits den politischen Wettbewerb befeuerte. Um die politische Herrschaft in Spanien zu stabilisieren und nach Möglichkeit auszuweiten, wurden ab 197 zwei neue Provinzpräturen geschaffen.9 Damit verschob sich aber wiederum der Stellenkegel insgesamt. Denn mit der Erweiterung der Prätur von vier auf sechs Stellen wurde auch der Konkurrenzkampf um das Konsulat prekärer. Aus dem Verhältnis von sechs Bewerbern prätorischen Ranges zu zwei Konsulstellen folgte zwar nicht unbedingt, daß es nun noch mehr mehr Kandidaten für das Oberamt als Stellen gab, aber es hatte sich in jedem Fall der Kreis von Kandidaten erweitert, die sich zuvor bereits alle in einem Amt mit Imperium – der Prätur – profiliert hatten. Jahr für Jahr standen demnach mehrere Kandidaten zur Verfügung, die während ihrer Prätur Erfahrung in einem Amt mit Imperium gesammelt hatten; und Jahr für Jahr wurde ein Überhang von so ausgewiesenen Kandidaten produziert, der sich durch die Bewerberpipeline schob. Unter diesen Voraussetzungen dürfte es zusehends schwierig, wenn nicht gar unmöglich geworden sein, daß sich Aspiranten ohne prätorische Erfahrung gegen den Pulk der prätorischen Bewerber durchsetzten.10 Der Adel reagierte auf seine Weise. Der eingangs genannte Ädil von 182 Tiberius Gracchus beispielsweise zeigte sich als besonders üppiger Spielegeber, womit er nicht allein dastand. Etwa 20 Jahre zuvor, im Jahr 200, hatten die Ädilen für Aufsehen gesorgt, weil sie die Darbietungen eines Tages am darauffolgenden noch einmal wiederholten.11 Nur drei Jahre später, 197, sollen die plebejischen Ädile ihre Spiele insgesamt gleich siebenmal wiederholt haben, während die Kurulädile derart glamouröse ludi 8 9 10 11
nibalkrieges, dem Plebiszit de lege solvendis consularibus von 217. P. Sulpicius Galba Maximus, cos. I 211, II 200. P. Cornelius Scipio Africanus, cos. I 205, II 194 (s. unten). Brennan 2000, 1.163–166. Brennan 2000, 1.168–169; Beck 2005a, 54–55, 70. Liv. 31,50,1–2: Sex. Aelius Paetus (cos. 198) und M. Claudius Marcellus (cos. 196), s. Broughton, MRR
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Romani ablieferten, daß die Bürger sich die Augen rieben.12 Tiberius Sempronius war kein Sonderfall, im Gegenteil. Nach dem Hannibalkrieg setzte eine bis dahin ungekannte Steigerungs- und Überbietungsdynamik ein – im Spielewesen wie auch sonst in allen anderen Branchen der römischen Performanzkultur. Für den Triumph wurde diese Dynamik eindrucksvoll in der Forschung herausgestellt, und dabei ist auch der schnelle Wandel freigelegt worden, dem die römische Öffentlichkeitskultur in diesen Jahren unterworfen war.13 Für die Beurteilung bleibt natürlich das bekannte caveat bestehen, daß über die Verhältnisse im 3. Jahrhundert, in den Jahrzehnten vor dem Hannibalkrieg, nur wenig bekannt ist. Im Ganzen liegt man aber sicher nicht falsch, wenn man nach 200 einen sprunghaften Anstieg in der Kapitalisierung des politischen Wettbewerbs konstatiert. Der Hannibalkrieg wird in diesem Zusammenhang nicht erst seit Arnold Toynbee als Zäsur verstanden – eine Zäsur, die einen neuen Zustrom von materiellen und finanziellen Ressourcen nach Rom und in die römische Politik markiert, und das in völlig neuem Ausmaß.14 Steigende Staatseinnahmen und wachsende Privatvermögen zogen eine spürbare Kapitalisierung des öffentlichen Raumes nach sich, und das hieß wiederum: eine Kapitalisierung genau desjenigen Raumes, der so stark von der Inszenierung von civic rituals (Spiele, Umzüge, Reden und dergleichen) vorgeprägt und strukturiert war; der wegen seiner genuinen Öffentlichkeit so wichtig für die meritokratisch motivierte Führungsschicht war; und der für die wechselseitige Herstellung von Konsens zwischen Elite und einfachem Volk von so zentraler Bedeutung war. Anders, und in der Logik des römischen Adels einfacher gesagt: Wenn Spiele Ansehen und Sozialprestige einbrachten, dann brachten bessere, aufwendigere Spiele mehr Ansehen und Prestige.15 In den Forschungen zur politischen Kultur der Republik wurde der möglichen Quantifizierung von Sozialprestige in den letzten beiden Jahrzehnten viel Aufmerksamkeit geschenkt; in der Summe haben die vielen Studien zur Nobilität und ihrem symbolischen Kapital einen immensen Beitrag zum Verstehen der römischen Republik geleistet. Bei der Fokussierung auf das symbolische Kapital – oft zitiert als Bourdieusche Kategorie – wird das echte Kapital, das heißt das ökonomische Kapital (eine weitere grundlegende Kapitalie bei Bourdieu) oft aus dem Blick verloren. Im sich schnell wandelnden Wettbewerb um die Obermagistraturen nach 200 ging es außer symbolischen Kapitalien aber offenbar um genau das: um die ökonomischen Möglichkeiten, die Bewerber auf den einzelnen Stufen der Karriereleiter hatten. Wir kommen darauf später noch einmal zurück.
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1, 323; Beck 2005a, 325–326; 357. Die Plebejischen Spiele wurden von L. Terentius Massiliota (pr. 187) und Cn. Baebius Tamphilus (cos. 182) sogar dreimal wiederholt. Liv. 33,25,1–3: P. Cornelius Scipio (cos. 191) und Cn. Manlius Vulso (cos. 189); Plebejer, M’. Acilius Glabrio (cos. 191) und C. Laelius (cos. 190), s. Broughton, MRR 1,333. Zum Triumph s. Itgenshorst 2003; Hölkeskamp 2006; Beard 2009. Ähnliches wurde für die verschiedenen pompae aufgezeigt, s. Beck 2005b; Hölkeskamp 2008/2017 und 2015. Im Weiteren zu den Spielen (vgl. Anm.5 und 11) und Spektakeln: Bernstein 1998; Bell 2004; Yakobson 1999. S. Toynbee 1965. Rosenstein 2004 und 2016 bietet ein nuanciertes Bild. Zum grundlegenden Wandel der ökonomischen Bedingungen in Italien s. Scheidel 2007. Vgl. Yakobson 1999, 26–43; Walter 2010.
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2. Reaktionen des Senats Eine erste Reaktion des Senats auf diese Verschiebungen der Wettbewerbsparameter wurde bereits angesprochen. Gegen Ende des Hannibalkrieges wurden die Suspensgesetze, die die notorischen Sonderkarrieren eines Q. Fabius Maximus, M. Claudius Marcellus oder P. Cornelius Scipio Africanus möglich gemacht hatten, allesamt revidiert und die traditionellen Verbote eingeschärft. Dabei beließ es der Senat aber nicht. Tatsächlich dekretierte der Senat in den nächsten Jahren ein ganze Reihe von Vorschriften, die auf eine Formalisierung der geltenden Wettbewerbsbedingungen und damit – teils indirekt, teils unmittelbar – auf eine Verregelung der Ämterlaufbahn abzielten. Neben den bereits genannten Dekreten zur Finanzierung von öffentlichen Spielen wurde im Jahr 182, im Jahr der kontroversen Ädilität des Sempronius Gracchus, mit der lex Orchia de cenis ein erstes Gesetz über den Tafelluxus verabschiedet.16 Im Kern schrieb das Gesetz die maximale Anzahl von Teilnehmern fest, die Aristokraten bei der Ausrichtung öffentlicher Gastmähler bewirten durften. Die Maßnahme wird oft als Einschärfung eines exemplarischen Lebensstils gedeutet, sie ordnet sich in dieser Lesart in den weiteren Kanon der leges sumptuariae ein, zum Beispiel den leges Oppiae zum Kleiderluxus.17 Eine solche Stoßrichtung ist nicht ausgeschlossen. Die zeitliche und auch sachliche Übereinstimmung mit den Vorschriften für die Finanzierung öffentlicher Spiele legt zudem nahe, daß der Senat mit der lex Orchia noch ein anderes Ziel verfolgte – das Ziel, den potentiellen Zusammenhang zwischen einer übersteigerten Selbstinszenierung einzelner nobiles beim Fest einerseits und einer auf diesem Wege erzielten Steigerung der Erfolgschancen bei den nächsten Wahlen anderserseits einzudämmen. Wenn einzelne nobiles, soweit sie sich das leisten konnten, stetig steigende Summen für opulente Gastmähler ausgaben und die Teilnehmerzahl dabei immer weiter in die Höhe ging, dann kam das einer impliziten Verzerrung des politischen Wettbewerbs gleich. Mit der lex Orchia, deren Bestimmungen übrigens sehr weitläufig gewesen sein sollen, tat der Senat dasselbe, was er bei den ludi tat: er setzte eine Obergrenze für die Aufwendungen, mit der ein gewisses Maß an Wettbewerbsgleichheit angemahnt wurde.18 Kurze Zeit nach der lex Orchia folgte dann das bekannteste aller Gesetze zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen. Im Jahr 180 wurde auf Antrag des Volkstribunen L. Villius ein umfassendes Gesetz zur Abfolge der Ämterlaufbahn eingebracht. Livius sagt einfach (40,44,1), daß das Gesetz festschrieb, „in welchem Alter sich Kandidaten für die einzelnen Magistraturen bewerben und sie ausfüllen durften“. Von einer solchen Festschreibung von Altersgrenzen gingen weitreichende Regelungseffekte aus.19 Die Altersregel war ein griffiges Kriterium. Sie bot einen 16 17 18 19
Macr. Sat. 3,17,2–4; Festus s. v. percunctatum p.280–2 Lindsay = Elster 2003, Nr. 160 (Bibliographie); vgl. Bleicken 1968, 67; Baltrusch 1989, 77–81. Liv. 34,1,2–3; Val. Max. 9,3,1; Oros. 4,20 = Elster 2003, Nr. 98. Vgl. Lintott 1990, 5 f.; Harris 1979, 89. Liv. 40,44,1: eo anno [180] rogatio primum lata est ab L. Villio tribuno plebis quot annos nati quemque magistratum peterent caperentque. S. Elster 2003, Nr. 164; Rotondi 278–279; vgl. Evans/Kleijwegt 1992;
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objektiven Maßstab für den Wettbewerb, wobei der Maßstab selbst wettbewerbsneutral war – über Lebensalter ließ sich nicht streiten. Konflikte, die seit dem 2. Punischen Krieg am (zu) geringen Alter von einzelnen Bewerbern auf höhere Ämter entbrannt waren, wurden damit einhellig beantwortet – und beigelegt.20 In der Folge, und gewissermaßen als willkommener Nebeneffekt, legte das Gesetz eine verbindliche, geradezu klassisch gewordene Abfolge der honores fest. Da für die einzelnen Magistraturen jetzt Mindestaltersgrenzen galten (höchstwahrscheinlich 33 für die Kurulädilität, 39 für die Prätur, 42 für das Konsulat), wurde nicht nur verhindert, daß einzelne Kandidaten zu früh nach einem Amt strebten, sondern, positiv gewendet, der Weg von den niedrigeren zu den höchsten honores alternativlos vorgezeichnet. Was sollten Kandidaten anders tun, als sich auf das zu bewerben, was in ihrer Alterskohorte erreichbar war? Der cursus von Quästur und Ädilität, hin zu den honores mit imperium, erst die Prätur, dann das Konsulat, wurde implizit festgeschrieben, wobei der Wettbewerb auf jeder einzelnen dieser Stufen inter aequales ausgetragen wurde, unter prinzipieller Chancengleichheit.21 Die lex Villia annalis gilt weithin als Fixpunkt der römischen Verfassungsentwicklung. Mit ihr wird in der Regel ein tiefer Einschnitt in der Geschichte der Magistratur verbunden, durch den die Ämterlaufbahn ein einheitliches Bild bekam. Dagegen wurde in den letzten Jahren immer wieder betont, daß die lex Villia ihrerseits nur die (vorübergehend) letzte Stufe eines längeren Institutionalisierungsprozesses darstellte, in dessen Folge sich die Grundlagen der Ämterlaufbahn verfestigten. Tatsächlich unterlag die Geschichte der römischen Magistratur einer langen systemischen Entfaltung, in der die lex Villia nur einen Punkt der Entwicklung darstellte. Jochen Bleicken hat für diese Art von Gesetzen den Begriff Gelegenheitsgesetze geprägt, d. h. Gesetze, die einem besonderen Anlaß geschuldet und einer konkreten Konstellation im politischen Alltag verpflichtet waren. Daß solche Gelegenheitsgesetze ihrerseits in den längeren Entwicklungprozeß einer politischen Agenda eingebunden sein konnten, ist damit natürlich nicht ausgeschlossen.22 Die lex Villia ist ein besonders gutes Beispiel. Denn offenbar unternahm es der Senat bereits im Jahr 196, im Zuge der Einführung der beiden spanischen Präturen, die Ämterabfolge gesetzlich zu verankern. Nach 196 scheint die Prätur zwingende Bedingung für eine gültige Konsulatsbewerbung gewesen zu sein. Wie T. Corey Brennan gezeigt hat, hatten seit 195 alle Konsuln vor ihrem Oberamt die Prätur bekleidet. Er vermutet daher, daß mit der Stellenerweiterung der Prätur von 4 auf 6 eine Komplementärregel einherging, die die Prätur auf dem Weg zum maximus honos
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Kunkel/Wittmann 1995, 46 f.; Stolle 1999, 65 f.; Brennan 2000, 169–172; Beck 2005a, 51–60; Timmer 2008, 82–98 und passim; Lundgreen 2011, 15; 74–77. Lundgreen 2011, 74 f. macht darauf aufmerksam, daß die in den Quellen überlieferten Konflikte über das zu geringe Alter von einzelnen Kandidaten sich im Kern auf die Fälle des Scipio Africanus und Scipio Aemilianus beschränken. Neben den Scipionen hat es aber andere junge Kandidaten gegeben (s. Beck 2005a, 336), die in der Überlieferung natürlich weniger Aufmerksamkeit gefunden haben. Cic. Phil. 5.47. Bleicken 1975, 144 f.; vgl. Hölkeskamp 1987/2011, 106 f.
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obligatorisch machte.23 Falls dem so war, war die Maßnahme nicht sonderlich effektiv. Denn in den folgenden Jahren wurde über den cursus kräftig weitergestritten. Der Prätor von 181, ein gewisser M. Pinarius Rusca, soll einen Antrag zur Ordnung der Magistraturen vor das Volk gebracht haben, der die Gemüter erhitzte (Cic. de orat 2,261). Wann genau Pinarius seinen Antrag eingebracht hatte, bleibt ungewiß. Unbekannt ist auch der konkrete Inhalt seiner rogatio, ja, es ist nicht einmal zu entscheiden, ob die Vorlage vom Volk angenommen wurde oder nicht. Überliefert ist lediglich der entschlossene Widerstand gegen diesen Antrag. Die Auseinandersetzung wurde offenbar mit einiger Schärfe ausgetragen. Ob dabei um den konkreten Gegenstand des Gesetzes oder um sachfremde Kriterien gestritten wurde, ist erneut nicht bekannt und auch nicht zu entscheiden. Im Kern verdeutlicht die Überlieferung nur soviel, daß cursus-Gesetze grundsätzlich zur Debatte standen, und ferner, daß eine entsprechende Gesetzgebung nicht ohne Widerstand zu bekommen war.24 Das Thema war omnipräsent. Im Jahr 181, nur wenige Monate vor der lex Villia, unternahm der Senat mit der lex Baebia de praetoribus den kühnen Schritt, die Stellenzahl der Prätur im Jahreswechsel zwischen vier und sechs Stellen oszilieren zu lassen.25 Was für ein Schritt! Alternierende Stellenzahlen in der Magistratur waren ohne Präzedenzfall. Von diesem formalen Aspekt einmal abgesehen hatte die lex unmittelbare administrative Konsequenzen: Mit der Neuregelung wurde in Kauf genommen, daß fortan in jedem zweiten Jahr nicht mehr genügend ordentliche Prätoren für die Verwaltung der Provinzen vorhanden waren. Dies hatte wiederum Rückwirkungen auf die Provinzialverwaltung insgesamt. Die lex Baebia wirkte somit geradezu wie ein händeringender, ja verzweifelter Versuch, das nach dem Hannibalkrieg dramatisch gestiegene Konkurrenzpotential in der Obermagistratur zu entschärfen. Erfolgreich war dieser Versuch übrigens nicht. Schon für 177 wurden bereits wieder sechs Prätoren gewählt. Mittlerweile hatte allerdings die lex Villia annalis neue Bedingungen geschaffen, durch die die lex Baebia hinfällig geworden sein dürfte.26 Wir haben es also nicht nur mit einer besonders hohen, möglicherweise sogar der höchsten Dichte an Vorlagen und Gesetzen in der langen Geschichte der römischen Republik überhaupt zu tun, die um die Kompatibilität von politischer Ambition des Einzelnen auf der einen und die Kollektivität des Standes auf der anderen Seite kreisten. In der Rückschau stellte Cicero fest (Phil. 5,47), daß mit Gesetzen wie der lex Villia unter denen, die sich am Wettbewerb um die politischen Ämter beteiligten, eine prinzipielle Gleichheit gewahrt werden sollte. Aber die leges annales waren ih23 24
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Brennan 2000, 1.168–169. Zur rogatio Pinaria (Rotondi 278) s. Evans/Kleiijwegt 1992, 181; Stolle 1999, 63; Brennan 2000, 1.170; Beck 2005a, 53 f., auch zu den namentlich genannten Personen M. Pinarius und M. Servilius (Geminus, cos. 202?). In seinem Bericht zur lex Villia sagt Livius, daß mit dem Gesetz erstmals Altersvorgaben stipuliert wurden (primum lata est), was auf ein Scheitern der rogatio Pinaria hinzudeuten scheint. Liv. 40,44,2 = Elster 2003, Nr. 162; Rotondi 277 f.; vgl. Cf. Evans/Kleijwegt 1992, 181; Stolle 1999, 63–66; Beck 2005a, 55 f. S. Brennan 2000, 1.169–172, der meint, daß unter der lex Baebia die Provinzen Hispania Citerior and Ulterior nur alle zwei Jahre regulären Prätoren unterstellt wurden.
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rerseits, wie wir gesehen haben, nur ein Steuerungselement, mit dem die Akteure im kommunikativen Raum von Politik ihre Chancengleichheit zu formalisieren suchten. Ja, das qualitativ Neue in diesen Jahren war, daß der Senat bei der Herstellung von Kollektivität und Konsens die ganze Bandbreite von Optionen in den Blick nahm, wie sie für das Selbstverständnis der Nobilität als sozialer, politischer, militärischer Elite charakteristisch war. Es ist kein Zufall, daß genau in diesen Jahren zum erstenmal auch genau derjenige Raum ins Visier der Gesetzgebung genommen wurde, der für den Adel konstitutiv war: der Wahlkampf. Derselbe Konsul, der mit seinem Gesetz zu den alternierenden Prätorenstellen ein so unglückliches Bild abgegeben hatte, M. Baebius Tamphilus, drückte mit seinem Amtskollegen im Jahr 181 ein Gesetz durch, mit dem ambitus zum strafbaren Vorgang erklärt wurde. Die Einzelheiten dieses ersten historischen ambitus-Gesetzes sind aufgrund der Kürze der livianischen Überlieferung unbekannt.27 Sicher überliefert ist überhaupt nur die Betitelung der Maßnahme als lex de ambitu, was gemeinhin als Mißbrauch bei der Amtsbewerbung, Korruption oder Wahlbestechung verstanden wird. Gleichzeitig sind in letzter Zeit Stimmen laut geworden, die vor einer solchen konzeptuellen Verkürzung des Strafbestands warnen. Die historische Korruptionsforschung verweist zurecht darauf, daß das, „[w] as als Korruption zu bezeichnen ist, … wesentlich von den vorherrschenden gesellschaftlichen Organisationsformen und Verhaltensnormen und dem Ausmaß ihrer Akzeptierung“28 abhängt. Für die römische Republik heißt das wiederum, daß die Aufklärung des Tatbestandes ambitus vor allem die alltägliche Reziprozität zwischen aristokratischer Elite und einfachem Volk zu berücksichtigen hat. Affirmative Akte der wechselseitigen Loyalität zwischen beiden Gruppen, Elite und Volk, waren nicht nur geduldet, sondern sie wurden zwingend erwartet. Matthias Gelzer hat dies auf den Nenner eines dichten Geflechts von Nah- und Treuverhältnissen gebracht. Ganz gleich wie stark man nun die Wirkkraft des sozialen Bindungswesens veranschlagt – die Sache ist durchaus kontrovers29 –, im Ganzen liegt man kaum falsch mit einem Bild von hilfswilligen Patronen, die sich etwa der rechtlichen oder finanziellen Probleme ihrer Klienten annahmen, wenn diese sie denn darum baten. Im Gegenzug versprachen die Empfänger ihren Patronen Loyalität – ostentativ und offenbar auch konkret, etwa in den Wahlversammlungen.30 An dieser Reziprozität war nichts anstößig, geschweige denn betrügerisch oder korrupt. In der zweiten Hälfte des Hannibalkrieges (wahrscheinlich im Jahr 209) wurde ein Gesetz erlassen, das festschrieb, daß Klienten ihren Patronen bei den alljährlichen 27
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Liv. 40,19,11: legem de ambitu consules ex auctoritate senatus ad populum tulerunt. S. Elster 2003, Nr. 161; Rotondi 277; Lintott 1990, 5 f. Zum nebulösen ambitus-Gesetz von 358, dem plebiscitum Potilium, s. nur Liv. 7,15,12–13 = Elster 2003, Nr. 6; Hölkeskamp 1987/2011, 83–85; Lintott 1990, 4; Kunkel/Wittmann 1995, 611. Schuller 1982, 11; s. ferner Lintott 1990, 11–16; Jehne 1995; Stolle 1999; Yakobson 1999; Rosillo López 2010; Walter 2010 und 2017, 67–74; Grüne/Slanička 2010. S. jetzt die verschiedenen Beiträge in Jehne/Pina Polo 2015. Vgl. Lintott 1990, 10 f.; Yakobson 1999, 22–25; 75–76; ferner Walter 2010.
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Saturnalien als Ausdruck ihres Dankes lediglich ein paar Wachskerzen überreichen durften. Offenbar war es zuvor gängige Praxis geworden, daß Klienten ihren Patronen vereinzelt beachtliche munera darbrachten, was dann gerade diejenigen Klienten schlecht aussehen ließ, die sich das nicht leisten konnten. Die lex Publicia de cereis setzte dem ein Ende. Zugleich verdeutlichte das Gesetz die generelle Akzeptanz der gegenseitigen Verpflichtungen, bei dem es eben auch um materielle Transfers ging: den Austausch von Gaben, Geschenken und Geld.31 Aus dieser Perspektive ist es wiederum fragwürdig, die Stoßrichtung der frühesten ambitus Gesetzgebung aus den 180er Jahren auf den Tatbestand von Bestechung oder Wahlbetrug zu reduzieren. Mit ihrer lex de ambitu dürften die Konsuln vielmehr auf den weiteren Kontext der vorherrschenden Wahlkampfpraktiken gezielt haben. Eine solche Verregelung könnte die Festschreibung von finanziellen Obergrenzen für die bei der Wahlwerbung üblichen performativen Praktiken beinhaltet haben. Gleichzeitig könnte die Aushändigung von Geldern und Geschenken limitiert worden sein; eine solche Vorschrift wäre ein Gegenstück zur lex Publicia de cereis gewesen. Im Lichte des in den 180er Jahren vorherrschenden öffentlichen Diskurses ist es dann aber nicht sonderlich wahrscheinlich, daß die ambitus-Gesetzgebung dieser Jahre auf die Wahlbestechung oder den Wahlbetrug im engeren Sinn abzielte. Viel wahrscheinlicher stand die Initiative mit den vielen Gesetzesvorlagen im Einklang, mit denen der Senat versuchte, einer fortschreitenden Wettbewerbsverzerrung entgegenzuwirken, wie sie durch die Aufwendung immer größerer Geldsummen im Wahlkampf drohte. Die Fragmente aus den Reden Catos dieser Jahre zeigen eindringlich, wie eng cursus- und ambitus-Gesetzgebung auf der einen und Luxus-/Performanzgesetzgebung auf der anderen Seite miteinander verzahnt waren. Im Jahr 195 war Cato bereits vehement, aber ohne Erfolg, für die Beibehaltung der lex Oppia von 215 eingetreten, die das Erscheinungsbild von Matronen im öffentlichen Raum reglementierte.32 Nach der Zensur vom Jahr 184, eine der großen Zensuren der Republik, die nicht nur wegen der verschiedenen zensorischen Maßnahmen, sondern auch aufgrund scharfer persönlicher Invektiven für viel Aufsehen sorgte, blieb Cato dem Thema Wahlwerbung treu. Im Jahr 181 trat er lautstark für das ambitus Gesetz des M. Baebius ein sowie für die Einschärfung der lex Orchia vom Vorjahr. In der Sache bestand ein offensichtlicher Zusammenhang, wobei in beiden Fällen im Senat kontrovers diskutiert wurde. Die Debatte verstummte auch nicht nach der Verabscheidung beider Gesetze.33 Im Falle der lex Baebia de ambitu dauerte der Streit sogar einige Jahre an. Noch im Jahr 179 oder 178 fühlte sich Cato jedenfalls erneut gefordert, der lex seine Unterstützung zuzusagen und einen eventuellen Antrag auf Abrogation abzuschmettern.34 Es greift gewiß zu kurz, dieses Engagement, wie es die literarische Überlieferung getan hat, auf das Leitmotiv zu reduzieren, altrömische Werte gegen ein nach dem Hannibal31 32 33 34
Elster 2003, Nr. 112; Rotondi 258. S. Bleicken 1968, 65; Baltrusch 1989, 61–63. Liv. 34,2,1–4,19; s. Astin 1978, 25–27; Jehne 1999. ORF4 fr. 136, 139–146; s. Astin 1978, 329–331. ORF4 fr. 137–138: pecuniam inlargibo tibi.
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und Antiochoskrieg rasch um sich greifendes Dekadenz- und Luxusdenken zu verteidigen. Gewiß, im politischen Alltag der 180er Jahre muß das Auftreten einzelner nobiles skeptisch gesehen worden sein, auch in der Aristokratie selbst. Das Streben, sich performativ immer wieder aufs Neue zu übertrumpfen – bei der Ausrichtung von Spielen und Festgelagen, der Verteilung von Geldspenden und ähnlichen öffentlichen Momenten adeliger Selbstinszenierung – hat möglicherweise auch einen Gegendiskurs erzeugt. Im Senat verband sich mit diesen Trends indes eine ganz konkrete Herausforderung: wie in Anbetracht einer sprunghaften Ökonomisierung des politischen Wettbewerbs die prinzipielle Chancengleichheit in der Aristokratie gewährleistet bleiben sollte, und welche Steuerungsmöglichkeiten das Senatskollektiv überhaupt hatte, um den politischen Konkurrenzkampf an die neue finanzielle Realität der Republik anzupassen. Wir kommen darauf gleich wieder zurück. 3. Wahlkämpfe und Wahlen unter neuen Bedingungen Wir haben jetzt die Bedingungen vor uns, unter denen die Konkurrenz um die öffentlichen Ämter nach 201 eine neue Richtung genommen hat. Im Ganzen sind damit die Vorgaben abgesteckt, nach denen Wahlen gewonnen – und verloren – wurden. In kaum einer Epoche der Republik sind wir so gut über die Wahlverlierer unterrichtet wie in den Jahrzehnten unmittelbar nach 200, dank Livius’ ausführlicher, aber natürlich immer auch problematischer Berichterstattung dieser Jahre. Für 192 (35,10; sieben Kandidaten) und 184 (39,32; sieben Kandidaten) schildert Livius regelrechte Wahlschlachten um das Konsulat, mit einer ganzen Latte namentlich genannter alsorans. Für die heiß umkämpften Zensuren von 189 (37,57,9–15; sechs Kandidaten) und erneut 184 (39,40; neun Kandidaten) leuchtet er ein noch breiteres Anwärterfeld aus. Gemeinsam ist diesen Wahlen bei Livius, daß durchweg distinguierte Männer gegeneinander antraten: Livius spricht von clari viri (37,57,9), Kandidaten mit höchstem Sozialprestige, allesamt aus Familien aus der vordersten Reihe des Senats, die mit voller Kraft zur Sache gingen (summa contentione: 39,40,2). Und oft wurde die ohnehin schon angespannte Situation noch dadurch verschärft, daß sich im Bewerberfeld mehrere also-rans befanden, Kandidaten also, so Livius, „die nach einer vorherigen Niederlage um so mehr nach dem Amt strebten, weil es ihnen beim ersten Anlauf versagt geblieben war“ (39,32,6). Wiederholte Anläufe auf das Oberamt oder die Zensur waren in diesen Jahren nicht nur prinzipiell denkbar, sondern an der Tagesordnung. Bei der Konsulwahl für das Jahr 192 kam es zu einer der denkwürdigen Wahlschlachten in der Geschichte der Republik. Die Konstellation war dramatisch wie nie zuvor (Liv. 35,10,1), was auch daran lag, daß auf patrizischer Seite zwei Männer antraten, die bis dahin beide tadellose Karrieren durchlaufen hatten (35,10,4): Lucius Quinctius Flamininus und P. Cornelius Scipio Nasica. Mit beiden, so schien es, traten ganze Familienverbände gegeneinander an: hinter Lucius Flamininus stand sein Bruder Titus Quinctius, der in den letzten Jahren maßgeblich die römische Politik in Griechenland bestimmt hatte; hinter Scipio sein Cousin Publius Cornelius Scipio
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Africanus, zwei Jahre zuvor selber noch Konsul, jetzt aber durch die 10-Jahres-Sperrfrist vom aktiven Bewerberpool ausgeschlossen. Die Sache wird von Livius lang und breit ausgemalt, sie besitzt Modellcharakter. Vor allem werden die Kriterien sichtbar, die im Konkurrenzkampf ausschlaggebend sein konnten und es auch tatsächlich waren, ohne daß dies strittig gewesen wäre: zum Beispiel frühere militärische Leistungen und Erfolge, spektakuläre Triumphe sowie die Unterstützung durch andere Mitglieder der Familie und gens, die wiederum ein distinktives Maß an fama für sich reklamierten.35 Am Ende (wir kürzen mit Livius ab und springen zum Ausgang der Wahl) gewinnt Lucius Flamininus die Wahl und Scipio Nasica geht vorerst leer aus, weil, wie Livius unterstellt, Flamininus, und mit ihm sein Bruder, der Präsentere der beiden Kandidaten war. Der Ruhm der Flamininusbrüder war zwar geringer als derjenige der Scipionen, dafür aber frischer (recentior). Insbesondere sei den Centuriatcomitien noch der spektakuläre Triumph des Bruders Titus gegenwärtig gewesen, der nun als Wahlempfehlung für Lucius verstanden wurde. Gegenüber Scipio bestand dagegen eine gewisse Corneliermüdigkeit in den Wahlversammlungen.36 Einer der großen Verlierer auf der plebejischen Seite des Wettbewerbs war Manius Acilius Glabrio (Liv. 35,10,3). Glabrios Familie konnte mit Schwergewichten in der Nobilität kaum mithalten. Die Acilii waren überhaupt erst im Zuge des Hannibalkrieges aufgestiegen.37 Allerdings hatte Glabrio rasch von sich reden gemacht. Er war einer der ädilischen Spielegeber von 197, die ihre ludi angeblich siebenmal wiederholten (siehe oben). Im Jahr 196 führte die Karriere schnurstracks zur Prätur. Ende 193 folgte die Bewerbung für das Konsulat des Jahres 192, bei der er Cn. Domitius Ahenobarbus unterlag. Ein Wahlverlierer war Acilius aber nur vorübergehend. Denn er trat im darauffolgenden Jahr wieder an, diesmal mit Erfolg.38 191 war er also Konsul, feierte 190 einen Triumph und reichte dann 189 – gewissermaßen folgerichtig – seine Bewerbung für die Zensur ein.39 Mit seiner Kandidatur begab sich Glabrio in eine der ganz großen Wahlschlachten dieser Jahre, wie sie Livius so lebendig nachgezeichnet hat. Glabrio, so Livius, war der heißeste Favorit, denn er hatte viele Geld- und Sachgeschenke (congiaria) verteilt, mit denen er sich die breite Masse verpflichtet hatte (37,57,11). Dagegen formierte sich Widerstand. Seine Gegner, auf deren Seite Cato als Zeuge auftrat, verklagten ihn wegen Betrugs an der Staatskasse. Angeblich war die Beute des Feldzuges in Kleinasien nicht ordnungsgemäß an das aerarium überstellt worden; statt dessen würde mit ihr jetzt der Wahlkampf des Glabrio finanziert. Es kommt bei Livius zum bitteren Rechtsstreit, der mit harten Bandagen 35
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Die Frage nach der Historizität, d. h. was tatsächlich für den Wahlausgang ausschlaggebend war, ist von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend ist, daß die von Livius vorgetragenen Argumente mit beinahe zwingender Plausibilität in die Narration eingeflochten sind. Die genannten Kriterien waren nicht nur kommunizierbar, sondern in der Sache völlig nachvollziehbar. S. zur Sache selbst Pfeilschifter 2005, 365–366. S. auch Liv. 35,10,10–11, wo das schwache Abschneiden des C. Laelius im Wettbewerb für die plebejische Stelle als zusätzliches Indiz für diese Müdigkeit verstanden wird. Dondin Payre 1993; Beck/Walter 2005, 232 f. Broughton, MRR 1, 335; 352. Vgl. das Elogium ILLRP 325a. Liv. 37,57,9–37,58,2.
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geführt wird. Am Ende lenkt Glabrio ein und zieht seine Bewerbung zurück, um so einer drohenden Verurteilung zu entkommen.40 Wie so oft ist Livius’ Bericht mit Inkonsistenzen behaftet.41 In wenigstens einem Punkt trifft Livius aber den Kern der Sache: Obwohl er lediglich aus einer aufsteigenden Familie stammte, die bislang keine nennenswerten symbolischen Kapitalien hatte akkumulieren können, katapulierte sich Glabrio an die Spitze des Bewerberfeldes. Möglich war das, weil er Zugriff auf eine Ressource hatte, welche die anderen wettbwerbsrelevanten Kapitalien zwar nicht einebnete oder außer Kraft setzte, mit der sich aber doch ein Vorsprung herstellen ließ: Glabrio hatte Geld; viel Geld. Wir haben den Zusammenhang bereits kennengelernt und erläutert. Ich kann es hier auf den Verweis auf die allgemeine Steigerungsdynamik im kommunikativen Raum von Politik belassen. Glabrios Bewerbung für die Zensur, in deren Zuge exzessive congiaria verteilt wurden, führt diese Entwicklung sinnfällig vor Augen. Am Ende wurde Glabrio dennoch nicht Zensor, nicht weil er vor den Zenturiatscomitien unterlag, sondern weil er seine Bewerbung zurückzog – eine implizite Wahlniederlage, keine tatsächliche. War Glabrio dann überhaupt ein Wahlverlierer, und was war das Spezifische am ‚Wahlen verlieren‘ in diesen Jahren? In Aristokratien wie der römischen Republik gelten schon deshalb besondere Bedingungen für das Verlieren in der Politik, weil die an diesem Wettbewerb Teilhabenden ihrerseits zunächst einmal allesamt Gewinner sind. Sie sind die soziale, kulturelle und ökonomische Führungsschicht, nach Max Weber Meister der Krisenbewältung und Motor des Fortschritts. In Rom war der elitäre Statusbegriff aber um das genuin Politische erweitert. Um etwa bei einer Zensorwahl unterliegen zu können, mußten Bewerber zuvor mindestens fünf Wahlen vor dem Volk gewonnen haben. Bei tendenziell gleichem Bildungsgrad der Bewerber und im Großen und Ganzen etwa gleichen Fähigkeiten rückten die Angehörigen der Elite noch einmal näher zusammen und setzten sich im Kollektiv von allen anderen Schichten ab.42 All dies machte den Vorgang der Wahl – mit ihrem potentiell offenem Ausgang – nicht weniger prekär für Elite, und das schon gar nicht, weil diese Elite so stark auf meritokratische Grundsätze und auf Distinktion ausgerichtet war. Die Niederlage, ob nun auf dem Schlachtfeld oder vor den Wahlversammlungen, ist in einer Kultur der Anwesenden immer auch eine persönliche Niederlage. Kulturübergreifend wie kulturspezifisch ist sie das Gegenteil von Distinktion. In Rom war der Zusammenhang noch prekärer, weil es um so viel ging. Im Wettbewerb um das Konsulat bündelte sich alles, der labile Krisenzustand zwischen Wahlgewinn und Wahlverlust trat dort besonders hervor. Verlierer im Kampf um die Prätur sind so gut wie keine überliefert, was im übrigen nicht an der Überlieferungslage liegt, sondern
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Liv. 37,58,1–2; Briscoe 1981, 392; Suolahti 1963, 341–348; Stolle 1999, 48–51. In 36,36,2 berichtet Livius, daß die Einbehaltung von weiten Teilen der Kriegsbeute durch den Imperiumsträger durchaus gängige Praxis und vom Senat anerkannt war. S. zuletzt nur Jehne 2010.
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auch daran, daß die Prätur für Ädilien schon rechnerisch relativ einfach zu erreichen war.43 In der Kultur der Anwesenden hing das labile Gleichgewicht zwischen Konsens und Konkurrenz maßgeblich davon ab, wie die Niederlage vor den Wahlversammlungen kommuniziert und für den Verlierer erträglich gemacht wird. Livius formuliert die Psychologie des ertäglichen Verlierens mit aller Deutlichkeit. Nachdem Scipio Nasica und Acilius Glabrio vor den Wahlkomitien für 192 durchgefallen waren, traten sie im nächsten Jahr gleich wieder an, wobei ein solcher Wiederantritt, wie gesehen, nicht nur nicht unüblich war, sondern vom Wahlverfahren selbst begünstigt wurde. Der Wahlgang wurde ja abgebrochen, sobald ein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen erreichte, und das hieß: die übriggebliebenen Bewerber waren allesamt und im gleichen Maße Verlierer, ohne daß auszumachen gewesen wäre, wer nur knapp am Wahlerfolg vorbeigeschrammt war und wer umgekehrt ein besonders desaströses Ergebnis eingefahren hatte. Die Niederlage war also auch in dieser Hinsicht kommunizierbar und wahrscheinlich erträglich(er).44 Für 191 traten Scipio Nasica und Acilius Glabrio also noch einmal an, und sie taten das offenbar auch ganz unbeschadet. Diesmal waren ihre Bewerbungen erfolgreich.45 Livius erklärt, daß die Wahlen dieses Folgejahres noch einmal verdeutlichten, daß Nasica der Sieg im Vorjahr eben nicht prinzipiell verweigert worden war, sondern lediglich um ein Jahr aufgeschoben wurde (35,24,5). Der Siegespreis im politischen Wettbewerb war also heiß begehrt, wobei es zu den stillschweigenden Startbedingungen gehörte, daß die Kontrahenten tendenziell gleiche Siegeschancen hatten, und auch eine vorherige Niederlage die Erfolgschancen weder prinzipiell noch konkret schmälerte. In diesem System wurde genau darauf geachtet, daß sich niemand dauerhaft als Verlierer sah. Im dramatisch akzellerierten Wandel der Wettbewerbsbedingungen nach 200 geriet dieser Konsens aber unter erheblichen Druck. Die arithmetische Verschiebung zwischen Prätur und Konsulat, das neue Maß an sozialer Mobilität wie es der Hannibalkrieg gezeitigt hatte, die steigende Monetarisierung des Wahlkampfes: kaum ein Stein war hier auf dem anderen geblieben. Die römische Überlieferung zu diesen Jahren zeichnet das doppelt anachronistische Bild von homines novi vom Schlage eines Acilius Glabrio, die die alte Nobilität herausgefordert hätten; gegen diese ‚neuen Männer‘ sollen dann wiederum exemplarische Altrömer wie Cato eingetreten sein, die – so hat die Überlieferung das später verstanden – gegen fortschreitenden Luxus wetterten und vom Sittenverfall schwadronierten. In der politischen Konstellation des Alltags ging es um etwas ganz anderes. Mit den fulminanten Siegen über Karthago und in Griechenland war es nicht getan. Das Imperium wuchs sprunghaft an, mit rascher Geschwindigkeit, in Spanien, Kleinasien, und anderswo. Im Inneren wurde dieser Erfolg rasch zur Bürde. Denn die 43 44 45
Vgl. Beck 2005a, 32–39. Vgl. Jehne 2000, 664 f. Den späteren leges tabellariae ( Jehne 1993; Lundgreen 2009) war vielleicht ein ähnlicher Grundgedanke inhärent, d. h. mit der geheimen Abstimmung konnte das öffentliche Wissen über das Ausmaß einer Wahlniederlage eingehegt werden. Broughton, MRR 1, 352.
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wandelnden Rahmenbedingungen des politischen Wettbewerbs verlangten immer auch nach einer Überprüfung und, wenn nötig, Austarierung der Chancenverteilung. Der Senat nahm sich des Themas an, er reagierte mit einer langen Liste von Gesetzen, die ihrerseits die ganze Bandbreite von Politik umfaßten. Manches von dem war trial and error, wie wir bei der lex Baebia zu den alternierenden Prätorenstellen gesehen haben. Im Ganzen fällt aber das Bestreben auf, den politischen Wettbewerb durch gezielte Vorgaben in den Griff zu bekommen, die ihrerseits wiederum wettbewerbsneutrale Regelungsinstanzen darstellten. Der Konflikt – das Gewinnen und das Verlieren in der Volkswahl – wurde damit in einen Raum verweisen, der von Regeln und Gesetzen eingehegt war; in einen Raum, in dem es Platz für Kompensation in der Neutralität gab, auch und gerade dann, wenn die eigenen Ambitionen gerade einmal eine herbe Enttäuschung erfahren hatten. In einer Kultur der Anwesenden ist es freilich besonders schwer, diesen Raum offen zu halten, weil die politische Kommunikation unmittelbar und ungebrochen ist, mit wenig Raum zum Rückzug. Auf der anderen Seite war der Senat, wie wir gesehen haben, in den Jahrzehnten nach dem Hannibalkrieg wohl besser aufgestellt als zu jeder anderen Zeit der Republik, wenn es um eine innovative Antwort auf die alte Frage ging, wie die widerstrebenden Kräfte von Konsens und Konkurrenz in Rom unter einen Hut zu bringen waren. 4. Scipio Africanus: Aufsteiger und Aussteiger Publius Cornelius Scipio war natürlich derjenige, der unter den Bedingungen des Hannibalkrieges eine Sonderkarriere hingelegt hatte, wie sie die Republik bis dahin nicht gesehen hatte. An ordentlichen Magistraturen hatte der junge Scipio überhaupt nur die Ädilität (213), das Konsulat (205 und 194) und die Zensur (199) bekleidet.46 Dieses dürre Datengerüst verschweigt, daß Scipio in der Dekade nach 211 ununterbrochen ein Imperium innehatte; die Natur des sogenannten privaten Imperium in Spanien wird in der Forschung naturgemäß kontrovers diskutiert. Zum eigenen Oberbefehl kam nach dem Hannibalkrieg die enge Zusammenarbeit mit dem Bruder Lucius Cornelius Scipio (cos. 190), mit dem er gemeinsam auf die römische Politik Einfluß nahm. Neben dieser fortwährenden Aneinanderkettung von Imperien, und gewissermaßen in scharfem Kontrast zu den kurz befristeten Jahresämtern, haben neuere Studien zur Karriere des Publius gezeigt, daß es ihr an der für römische Aristokraten ansonsten so typischen Multidimensionalität fehlte. Von den verschiedenen Prominenzrollen, die der Adel in Rom typischerweise ausfüllte – die Rollen des Senators, Priesters, Patrons, und in dieser Reihung dann eben auch diejenige des Magistrats – , übte Scipio vor allem die Letztere aus: die des Imperiuminhabers. Als einer der ganz wenigen Toparistokraten seiner Zeit gehörte Scipio keiner der vier großen stadtrömischen Priesterschaften an. Er war lediglich Mitglied der sodalitas 46
So auch das berühmte Elogium aus augusteischer Zeit, Inscr. It. 13.3.89 = CIL I2 p.201 Nr.37 = CIL VI,8,3 41022: COS BIS CENSOR AEDILIS CURULIS.
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der Salier.47 Während des Hannibalkrieges weilte Scipio lediglich im Winter von 206 auf 205 in Rom, er hatte also nur selten an Senatssitzungen teilgenommen. Mit anderen Worten: Scipio entsprach gerade nicht dem Bild eines ‚integralen Adligen‘, wie es die Forschung zur Republik charakteristischerweise gezeichnet hat.48 Dieser Umstand sollte den Aufsteiger Scipio im zweiten Teil seiner Karriere unweigerlich einholen. Die Scipionenbrüder verbrachten die Jahre nach der Schlacht von Magnesia 190 in Rom, wo es im politischen Alltag schnell ungemütlich wurde. Publius insbesondere war sichtbar vom „umjubelten Helden zur gewöhnlichen politischen Größe geschrumpft“.49 Gegen beide wurden verschiedene Anklagen erhoben. Die Quellenlage zu diesen Scipionenprozessen ist so verworren, daß sich nicht einmal von den Grundzügen ein klares Bild gewinnen läßt – von den Details ganz zu schweigen.50 Weder herrscht Sicherheit in der Frage nach den konkreten Tatbeständen, auf die die Ankläger ihre Sache stützten, noch besteht Einhelligkeit hinsichtlich der Datierung der Prozesse. In der faktionalen Lesart gelten die Auseinandersetzungen als Rivalitäten zwischen den politischen Parteiungen der 180er Jahre. Am Ende dieses Faktionenkampfes habe dann „the fall of the Scipios“ gestanden.51 Gegen diese Interpretation hat Erich Gruen wichtige Argumente vorgebracht. Seine Untersuchung zeigt nicht nur die Aporien, zu denen die Parteien-These in diesem Fall wiederum führt; sie macht auch deutlich, daß die Isolierung der prozeß- und strafrechtlichen Dimension den Blick auf den weiteren politischen Bezugsrahmen der Ereignisse verstellt. Die Hauptstreitpunkte der Scipionenprozesse entzündeten sich nicht an faktionalen Kämpfen, sondern an den Grundfragen nach den Verantwortlichkeitsund Reglementierungsmustern in der Nobilität. Was sich – zumal in der dramatisch aufgeladenen Überlieferung – auf die beiden Scipionen konzentrierte, war Ausdruck der in den 190er und vor allem 180er Jahren aufs Neue akut gewordenen Frage nach der inneren Kohärenz des Senatskollektivs und seiner Kontrolle individueller Ambitionen einzelner nobiles.52 Die Historizität der Prozesse steht außer Zweifel. Wohl im Jahr 187 wurde von den Volkstribunen ein peculatus-Verfahren gegen Lucius eingeleitet, weil es in seinem Konsulat bei der Verteilung der Kriegsbeute zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll.53 Im selben Prozeß – dies wird von Verfechtern der Faktionentheorie überse47 48 49 50 51 52 53
Pol. 21,13; Liv. 37,33,7; Broughton, MRR 1, 381 (unter dem Jahr 183); s. Szemler 1972, 176; Rüpke 2005, 71. Da zum Zeitpunkt der Kooptation beide Elternteile am Leben sein mußten, ist das Jahr 211 der terminus ante quem für die Aufnahme. Zum Konzept, s. Walter 2011. S. auch Beck 2008 zu den verschiedenen Prominenzrollen des römischen Adels. Pfeilschifter 2005, 365. Aus der Fülle der Literatur seien nur genannt: Kienast 1954, 57–67; Bleicken 1968, 120–125; Scullard 1970, 210–224; Astin 1978; Bauman 1983, 192–212; Feig Vishnia 1996, 129–132; Gruen 1995; Bannon 1997, 120–127; s. ferner den Komm. zu Valerius Antias FRH 15 F 46. So Scullard 1970. Haywood 1933 überschreibt das entsprechendes Kapitel (V) mit „The Catastrophe“. S. dazu und zu den folgenden Überlegungen Gruen 1995. Liv. 38,54,3; 38,55,5–8; vgl. Gell. 6,19,8; Val. Max. 5,3,26; 8,1 damn.1; Zon. 9,20.
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hen – geriet Cn. Manlius Vulso, der Nachfolger des Lucius im asiatischen Kommando, unter Beschuß. Auch er wurde der Veruntreuung beschuldigt.54 Der Prozeß des Jahres 187 (ein Jahr nach dem Frieden von Apameia) richtete sich somit weder allein, geschweige denn ausschließlich gegen die Scipionen. Prozeßgegenstand war die Beute des Antiochoskrieges insgesamt. Und damit stand, über den Aspekt der Beuteverteilung hinaus, die Frage nach der Kompetenzverteilung zwischen Feldherren und Senat auf der Agenda. Mit diesem Gerichtsverfahren verbindet Gruen den berühmten Auftritt des Publius Africanus im Senat, bei dem er auf Nachfrage nach den Rechnungsbüchern diese herbeiholen ließ und vor den Augen der Senatoren zerriß: Wenn sie, die patres, Einsicht in die Abrechnungen nehmen wollten, könnten sie dies gerne tun; sie bräuchten dazu lediglich die zerrissenen Seiten zusammenzusetzen. Die Szene war eine „forceful show of righteous indignation“.55 Vor allem wird mit ihr aber die wachsende Diskrepanz zwischen Scipio und dem Senatskollektiv deutlich sowie die auf beiden Seiten schwindende Bereitschaft, diesen Gegensatz zu überbrücken. Lucius wurde verurteilt und mit einer schweren Geldstrafe belegt. Einer Gefängnisstrafe entkam der Sieger von Magnesia offenbar nur durch die Intervention des Volkstribunen Ti. Sempronius Gracchus, der spätere Ädil von 182 und künftige Schwiegersohn des Africanus.56 Ein zweites Verfahren, das direkt gegen Scipio Africanus eingeleitet worden sein soll, wird in der livianischen Tradition (aus Valerius Antias) ins Jahr 184 datiert. Mehr noch als im Fall gegen Lucius bleibt der Gegenstand der Anklage verschwommen. Statt einen konkreten Rechtsverstoß zu benennen, brachten die Volkstribunen ein Sammelsurium von Anschuldigungen und Verleumdungen in Umlauf. Ob es zu einem formalen Prozeß kam, ist ungewiß. Das Verfahren scheint im Sande verlaufen zu sein.57 Für Gruen ist dieser zweite Scipionenprozeß eine historiographische Fiktion.58 Trotz der offensichtlichen Widersprüche und Doppelungen lassen sich aber auch Argumente für einen authentischen Kern des livanischen Berichts und Datums anführen. Valerius Antias benennt M. Porcius Cato (cos. 195) als treibende Kraft hinter den Beschuldigungen. Die Notiz ist durchaus glaubwürdig, ohne daß man darin einen Parteikampf zwischen den Scipionen und einem Kreis um Cato sehen muß. Bei den Zensorwahlen des Jahres 184 trat ein besonders starkes Bewerberfeld an. Für die patrizische Stelle hatte sich neben dem Wahlsieger L. Valerius Flaccus auch L. Cornelius Scipio beworben.59 Ein Aufflammen der alten Vorwürfe wegen Unter54 55 56 57
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Liv. 38,54,7; 39,6,3–5; s. Kienast 1954, 57–67; Gruen 1995, 74 f. Gruen 1995, 79; s. Pol. 23,14,6–11; Liv. 38,55,10–13; Diod. 29,21. Liv. 38,60,3–6 (= Valerius Antias FRH 15 F 46); Gell. 6,19,8; vgl. Val. Max. 4,1,8; 4,2,3; Plin. HN praef. 10; [Aur. Vict.] de vir. ill. 57,1; s. Gruen 1995, 76 f. Liv. 38,50,4–53.8 = Valerius Antias FRH 15 F 46; vgl. Pol. 23,14,2 f. (mit HCP III 243–244); Plut. Cato maior 15.1; Mor. 196 f.; Val. Max. 3,7,1e; [Aur. Vict.] de vir. ill. 49,17; s. noch Broughton, MRR 1, 369 mit Anm.4. Auf das Verfahren nehmen offenbar auch die beiden Fragmente CIL VI,8,3 40948 (mit Foto; linkes Fragment = Inscr. It. 13,3,45) Bezug. Zur Datierung dieses zweiten Verfahrens s. die Diskussion bei Scullard 1970, 210–224; vgl. Kienast 1954, 66 f.; Astin 1978, 59–73. Gruen 1995, 80–86. S. Liv. 39,40–41; Plut. Cato maior 16,1–6; s. Broughton, MRR 1, 374 („a hotly contested election“);
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schlagung öffentlicher Gelder konnte durchaus dazu dienen, Lucius zu diskreditieren. Ob sich die Attacke allein dadurch erklärt, ist fraglich. Denn der Wettbewerb um die honores dürfte in diesem Jahr von einer ganz anderen Frage bestimmt gewesen sein, die bislang ganz übersehen wurde. Im Jahr 184 lief die zehnjährige Sperrfrist für eine mögliche Konsulatsbewerbung des Africanus aus. Formal stand einer neuen Kandidatur nichts mehr im Wege. Publius, immerhin erst 52jährig und somit in einem Alter, in dem eine (üblicherweise erste) Iteration des Konsulats in Frage kam, muß eine entsprechende Bewerbung erwogen haben. Und unter den patres muß, wenn nicht offen, so doch hinter vorgehaltener Hand über diese Möglichkeit und die entsprechenden Konsequenzen gesprochen worden sein. Bereits im Jahr 194, bei der ersten Iteration, war es zu Überwerfungen zwischen Scipio und dem Senatskollektiv gekommen. Eine neuerliche Wahl des Hannibalbezwingers konnte vom Senat zwar nicht verhindert werden; Scipio erreichte damit die einzige Iteration des Konsulats in den 190er und 180er Jahren. Im Amt selbst wurde Scipio indes regelrecht kaltgestellt. Dem Antrag auf ein makedonisches Kommando im schwelenden Konflikt gegen Antiochos erteilte der Senat eine klare Absage. Statt dessen wurden beide Konsuln mit Kommanden gegen Boier und Ligurer ausgestattet. Das zweite Konsulat war damit unspektakulär und im Ganzen relativ ereignislos im Sand verlaufen.60 Aus dieser Perspektive erscheinen auch die tribunizischen Agitationen gegen Africanus in neuem Licht. Gegen die bloße Möglichkeit einer Kandidatur des Publius formierte sich Widerstand – Widerstand, dessen Ausmaß selbst die schlimmsten Erwartungen Scipios übertroffen haben dürfte. Mit den von Valerius Antias überlieferten, völlig diffusen Anschuldigungen wurde offenbar gar kein Prozeß angestrebt; dafür fehlte jede Grundlage. Africanus sollte gezielt diskreditiert, demontiert werden. Die Anfeindungen dürften, zumal in ihrer Schärfe, allen Beteiligten gezeigt haben, daß das Tischtuch zwischen Scipio und der Nobilität zerschnitten war. Noch im Jahr 184 zog sich Scipio nach Liternum in Kampanien zurück, circa 150 km von Rom. Zur gleichen Zeit muß er Anweisung gegeben haben, nach seinem Tod auf keinen Fall in Rom bestattet zu werden. Der Bruch war demnach so groß, daß Scipio darauf verzichtete, im ehrwürdigen Familiengrab der Scipionen an der Via Appia beigesetzt zu werden. Eine deutlichere Absage an die Nobilität und ihr Regime konnte es kaum geben.61 Bei der von den Zensoren am Ende ihrer 18-monatigen Amtszeit geleiteten lectio, Mitte das Jahres 183, wurde ein neuer Princeps senatus ernannt: L. Valerius Flaccus.62 Nach Polybios und Livius starb Scipio im gleichen Jahr im Alter von 53 Jahren, ob vor oder nach der zensorischen lectio ist unklar. Falls sein Tod in die Wochen vor der
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Kienast 1954, 67; Astin 1978, 75–77. Liv. 34,46–48; Beck 2005a, 358. Zum Grab in Liternum, Liv. 38,53,8; 38,56,3 f.; vgl. Sen. ep. 86. Am Grab der Scipionen bei der porta Capena ließ die Familie hernach eine Statue des Africanus aufstellen (Livius), unter den erhaltenen Inschriften und Sarkophagen gibt es ansonsten keinen Hinweis auf Africanus, s. jetzt Etcheto 2012, 209–260. Liv. 39,52,1–2; s. Ryan 1998, 180.
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lectio fiel, war die Bestellung eines neuen Princeps zwingend geboten: Scipio war seit 198 Princeps senatus, mit seinem Tod wäre die Stelle vakant geworden. Wurde die Senatslese indes abgehalten, während Scipio sich in Liternum aufhielt, lagen die Dinge anders. In diesem Fall hätte Scipios Abwesenheit die Zensoren unter Zugzwang gesetzt: Entweder hielten sie an einem Princeps fest, der dem Senat den Rücken zugekehrt hatte. Oder sie verstanden Scipios Abkehr als das, was sie war, das heißt als einen radikalen Ausstieg aus der Nobilität und der Politik Roms insgesamt, und bestellten folgerichtig einen Nachfolger.63 Hinzu kam, daß Scipio über weite Strecken seiner Karriere gerade kein ‚integraler Adliger‘ war, kein Mitglied der Führungsschicht, das alle sozialen Prominenzrollen in sich vereinte und vor diesem Hintergrund in verschiedene Foren des öffentlichen Lebens in Rom eingenetzt und kommunikativ abgesichert war. Scipio war der Star unter den Imperiumsträgern, im Senat hatte dies aber immer wieder zu Friktionen geführt. Wie sollte es weitergehen, nachdem die Senatsaristokratie nun unmißverständlich gezeigt hatte, daß es an Ämtern und Ehren nichts mehr zu holen gab, daß Scipio also auf just demjenigen Feld kaltgestellt war, das für ihn von so zentraler Bedeutung war? Der plötzliche Tod gibt Rätsel auf, ganz gleich ob vor oder nach der Senatslese. Ausgeschlossen vom künftigen Wettbewerb und ohne den üblichen Rückhalt, den die dauerhaften Prominenzrollen des Adels boten, war Scipio nicht nur de facto ein Verlierer, sondern es waren ihm auch diejenigen Betätigungsfelder verschlossen, auf die andere nobiles nach Ablauf ihrer Imperiumskarrieren ausweichen konnten – im Senat, in den Priesterkollegien, als Patrone gegenüber den Klienten. Alternative Distinktionsfelder, jenseits von Politik und Senat, wie sie sich in der Zukunft auftaten, etwa seit der Mitte des 2. Jahrhunderts, waren in den 180er Jahren dagegen (noch) nicht zu echten Facetten des römischen Adelsethos gereift. Insofern war ein Ausstieg aus Rom weder denk- oder vorstellbar, noch verband sich damit irgendwelcher gesellschaftlicher Sinn. Der Ausstieg aus der Karriere kam dem sozialen Tod gleich. Die Senatswahl von 183 und Scipios Tod standen so besehen wahrscheinlich nicht nur in engem zeitlichen, sondern in unmittelbar sachlichem Zusammenhang.
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Princeps senatus seit 198, Liv. 34,44,4; s. Ryan 1998, 179. Zur personalen Konstellation Beck 2005a, 355 f., der darauf hinweist, daß Scipio zu diesem Zeitpunkt tatsachlich als der ranghöchste patrizische Zensorier gelten mußte. Seine Ernennung war demnach folgerichtig. – Zum Tod s. Pol. 23,12,1–14,12 mit HCP III 235–239; Liv. 39,50,10; 39,52,1–6, der annimmt, daß Scipio bereits vor der lectio senatus starb. Zum Datum s. auch Kienast 1954, 148 mit Anm.61; Etcheto 2012, 165; sowie die Kommentierungen zu Valerius Antias FRH 15 F 46 und Rutilius Rufus FRH 13 F 2.
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Anhang: Synopse der Vorlagen, Dekrete und Gesetze zur Verregelung des politischen Wettbewerbs, 200 bis 180 v.Chr. 196 195 191
Gesetz zur obligatorischen Bekeidung der Prätur vor dem Konsulat? lex Porcia de sumptu provinciali Senatsbeschluss zum Finanzvolumen der Votivspiele des P. Cornelius Scipio Nasica aus Beutemitteln und de sua impensa 187 Senatsbeschluss zur absoluten finanziellen Obergrenze der ludi Magni des Fulvius Nobilior 182 lex Orchia de cenis 182 Senatsbeschluss zur Finanzierung den der ädilizischen Spiele des Ti. Sempronius Gracchus 181 lex Cornelia Baebia de ambitu 181 lex Baebia de praetoribus vor 180 rogatio Pinaria annalis 180 lex Villia annalis
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Zum Verlieren und Scheitern römischer Senatoren Überlegungen an den Rändern der historischen Kulturwissenschaft
egon flaig
Menschsein heißt, immer wieder zu verlieren und in mancher Hinsicht auch zu scheitern. Weil unsere Mittel endlich sind und weil die Zeit knapp ist, müssen wir wählen. Und dabei können wir ‚falsch‘ wählen, was heißt, daß unsere Wahl zum Mißerfolg führt. Unsere eigene Freiheit kollidiert mit den begrenzten Möglichkeiten unseres Handelns; und für diese Kollision zahlen wir immer und oft auch teuer.1 Freiheit und gelingendes Leben können sich grausam widersprechen. Hölderlin läßt daran keinen Zweifel in seinen Versen „Größers wolltest auch Du“. Das Scheitern ist ein Mißlingen. Es scheitert nur, wer frei gehandelt hat mit der Absicht, ein Ziel zu erreichen, und deswegen eine biographische Wahl treffen mußte; denn die Folgen des Wählens – Gelingen oder Fehlschlag – werden sich unweigerlich einstellen. Gewiß, die Möglichkeiten des Scheiterns unterscheiden sich erheblich. Gesellschaften, die den Spielraum ihrer Individuen sehr einengen, vermindern damit deren Risiko, selbstverantwortlich Fehlgriffe zu machen. Doch keine Gesellschaft kann dieses Risiko beseitigen, es sei denn, sie beseitigte den Menschen überhaupt. Denn die daseinsmäßig gegebene Freiheit zu wählen zwischen gut und böse, richtig und falsch kann nicht erlöschen, so lange ein Mensch lebt und noch irgendwie zu agieren und kommunizieren vermag. Radikaler als andere Philosophen hat Nikolai Berdjajew diese Seite unseres Daseins hervorgehoben: Sogar in der schlimmsten persönlichen Unfreiheit erlischt die moralische Freiheit nicht.2 Man kann immer noch falsch wählen, denn „die Freiheit ist begleitet vom Risiko der Selbstverfehlung“.3 Und man kann an der falschen Entscheidung vollends zugrunde gehen, ebenso wie an einer richtigen. Gesellschaften, die dem Individuum eine große individuelle Freiheit lassen, erhöhen deren Risiko zu scheitern – bei der Wahl von Studium und Beruf, ebenso wie bei der Wahl der erotischen oder ehelichen Partner. Je größer die individuelle Freiheit, desto höher der eigene Anteil der Individuen an ihrem Scheitern. Der Scheiternde kann ‚alles richtig‘ gemacht haben, und dennoch ist sein Scheitern 1 2 3
Jaspers 1950, 20–23. Berdjajew 1925, 54. Safranski 1999, 309.
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in hohem Maße eine Folge des eigenen Tuns. Ganz anders der Besiegte: Er kann das Opfer eines von ihm nicht verschuldeten Angriffs sein. Und der Verlierer? Über ihn läßt sich auf der rein existentiellen Dimension gar nichts aussagen. Verlieren ist eine taugliche Bezeichnung nur dann, wenn man sich in konkrete soziale Kontexte und historische Konstellationen begibt. Wir brauchen zunächst Unterscheidungen und Ausschlüsse. 1. Kleines Inventar von Differenzen Keiner wird bestreiten, daß die Besiegten eines Krieges im eminenten Sinne Verlierer sind; sie sind Verlierer schlechthin. Daß man sie definitorisch zusammenspannen kann mit den Verlierern einer Wahl, liegt an der Armut der Sprache. Wir haben zu wenig Begriffe. Und darum bezeichnen wir sehr unterschiedliche Vorgänge mit demselben Wort. Das Wort ‚Verlierer‘ ist also ein Homonym. Und solche Termini, die ganz Unterschiedliches subsumieren, lassen sich nur theoretisieren, wenn man sie in Definitionen zerlegt – oft mit hohem diskursivem Aufwand. Auch deshalb kann es keinen Idealtyp des Verlierens geben, weil Verlieren ein Homonym für vielgestaltige Phänomene ist, welche in verschiedensten Kulturen auf vielerlei Gebieten vorkommen.4 Worum es bei diesem Thema gar nicht geht, das sind die Benachteiligten oder Unterprivilegierten; denn das sind keine Verlierer. Verlierer gibt es nur, wenn ein Kampf oder Wettstreit stattgefunden hat – sei es im Ernst oder im Spiel. Es geht in diesem Aufsatz um Individuen, die als Mitglieder der römischen politischen Elite um Positionen konkurrierten, Wahlen verloren oder ins Exil geschickt wurden. Um mich diesem Thema anzunähern, dürfte der Umweg über andere Phänomene heuristisch ergiebig sein, falls die Differenzen selber uns zu Aspekten verhelfen, auf die wir sonst nicht geachtet hätten, die aber von analytischem Wert sind. So werde ich zunächst einen Seitenblick werfen auf historische Niederlagen schlechthin, nämlich auf kollektive Niederlagen; anschließend werde ich das Verlieren in griechischen Agonen vergleichen mit der Niederlage in römischen Wahlen, wobei sich das Augenmerk auf die habituellen Momente richtet, die erforderlich sind, um Niederlagen zu ertragen. Es folgen Überlegungen zum definitiven Scheitern und zur individuellen Aufgabe, das Scheitern zu bewältigen. Danach beschäftige ich mich mit dem Exemplum des Rutilius Rufus und dem Verhältnis von Sinnsuche und Innovation. Reinhart Kosellecks berühmte These, wonach Verlierer in besonderem Maße begabt und berufen seien, historische Realitäten zu gewahren und zu reflektieren, ist anschließend auf den Prüfstand zu stellen. Am Schluß umreiße ich eine Hypothese zum Erfolg der Erlösungsreligionen in der Kaiserzeit. Nun also zur Niederlage von Kollektiven, von Nationen, von Großgruppen. Solche Niederlagen füllen eine breite Skala, die vom Prestigeverlust über den Gebiets4
Die Skizze von Nebelin/Graul 2008 bringt zum Vorschein, in welche logischen Unstimmigkeiten und konzeptuelle Unvereinbarkeiten ein derartiger Versuch notwendig führt.
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verlust bis zur kompletten Auslöschung eines Staates, einer Ethnie oder einer Kultur reicht. Trotz dieser Fülle lassen sich an der kollektiven Niederlage Aspekte gewinnen, die für die analytische Arbeit brauchbar sind. Nehmen wir den Extremfall: Ein Volk verliert einen Krieg und wird vom Feind vernichtet. Unter antiken Bedingungen hieße das – wie im Falle Trojas –, daß die Stadt zerstört wird, die erwachsenen Männer getötet werden, die restliche Einwohnerschaft versklavt wird. Das Kollektiv hört auf zu existieren; die Versklavten werden herausgerissen aus ihren familialen und sozialen Bindungen, sie werden getrennt verkauft und geraten als vereinzelte Sklaven in eine Umgebung, die ihnen völlig fremd ist, kulturell und sprachlich. Alles was für sie ehedem von Bedeutung und Wichtigkeit war, ist entwertet. Der/die atomisierte Versklavte stürzt in eine partielle Sinnlosigkeit, da jener semantische Horizont, in dem er/sie sich bewegte, restlos ausgewischt ist. Will er/sie überleben, muß er/sie sich auf die neue Situation einstellen und sich von der alten Identität verabschieden und sie zu vergessen suchen. Der Versklavte kann die Niederlage und die Auslöschung seines Volkes nicht ‚bewältigen‘ – er hat niemanden, mit dem er über die Katastrophe sprechen könnte, mit dem er sich verständigen könnte, welche ‚Bedeutung‘ sie hat. Solche totalen Katastrophen haben sich in der Menschheitsgeschichte zigtausendfach ereignet; und sie blieben ohne Berichte, ohne Dokumente, allzumeist sogar ohne Spuren. Es ist vollkommen unmöglich, die Opfer in irgendeinen historischen Sinnzusammenhang einzubeziehen, weil wir sie nicht nur nicht kennen, sondern von ihnen überhaupt nichts wissen. Anders ist es, wenn das Kollektiv die Niederlage überlebt. Dann müssen die Deutungseliten die Geschehnisse ‚verarbeiten‘, sie müssen dieselben in die ‚Geschichte‘ des Kollektivs einbetten. Die Niederlage mit all ihren schmerzlich empfundenen Verlusten muß mit Sinnhaftigkeit versehen werden, damit die Mitglieder des Kollektivs die Geschehnisse ‚bewältigen‘, um weiterleben zu können in den herkömmlichen sozialen Rahmen, mögen diese ‚angepaßt‘ werden oder nicht. Wenn die Deutungseliten nun die Niederlage in ihre kulturelle Semantik einpassen, um sie mit erzählbarer Bedeutung zu versehen, dann kann dieses Interpretieren erheblich divergieren, je nachdem welche Semantiken den Intellektuellen zur Verfügung stehen. In manchen Kulturen mag ein göttlicher Tun-Ergehens-Zusammenhang die Matrix bereitstellen, um die Niederlage irgendwie mit göttlichem Handeln zu vereinbaren. Unter den Typen des Tun-Ergehens-Zusammenhangs dürfte die hebräische Variante die radikalste darstellen. Nach der Vernichtung des Nordreiches durch die Assyrer 722 v. Chr. und dem Fall des Südreiches 587 v. Chr. setzte im Exil eine intensivierte Erinnerungsarbeit ein, der eine Geschichtstheologie mit radikaler iustitia connectiva entwuchs: die kollektiven Katastrophen erschienen als Strafen für den Abfall des Volkes vom Bund mit Gott.5 In anderen Kulturen mögen Niederlagen aufgefaßt werden als Rückschlag dafür, daß man den Weg der Vorfahren verließ oder sich nicht genügend bemühte, ihr sittliches Niveau zu halten. In der Regel wehren sich Kollektive gegen die Einsicht, es könnte die Niederlage die Folge einer Verkettung vieler kleiner 5
Yerushalmi 1982.
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Ursachen sein. Emergenzen zu erkennen und als solche kognitiv anzuerkennen, fällt sogar wissenschaftlich ausgebildeten Spezialisten schwer. Kollektive verspüren einen enormen Hang zur semantischen Eindeutigkeit und zur kausalen Einfachheit. Die Massenpsychologie hat dieses Phänomen weidlich zu ihren Gunsten ausgeschlachtet. Auch wer sie für Scharlatanerie hält, wird zugeben, daß die Beobachtungen, die Georges Sorel 1907 in seinen ‚Réflexions sur la violence‘ über das Bedürfnis nach Mythen anstellt, nicht einfach wegzuwischen sind.6 Deutungseliten stehen in der Pflicht, nach schweren Zusammenbrüchen Sinnangebote zu machen, die desto eher angenommen werden, je mehr sie sich mythogener Einfachheit annähern. Einen Sonderfall stellt die Niederlage von sozialen Klassen und ‚Bewegungen‘ in einer Revolution dar. Soziale Klassen und ‚Bewegungen‘ verfügen nicht in derselben Weise über ein kollektives Gedächtnis wie Völker.7 Für die besiegte Generation steht nach einer gescheiterten Revolution nicht weniger auf dem Spiel als diejenige Identität, mit der man in den Zeiten des revolutionären Elans vollkommen eins war. Die Niederlage der europäischen Arbeiterbewegung in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bietet dafür mannigfache Beispiele. Es war bezeichnenderweise der letztlich gescheiterte Revolutionär Leo Trotzki, der dieses Phänomen am prägnantesten benannte: „Wenn sich ein Programm oder eine Organisation verbraucht hat, verbraucht sich auch die Generation, die sie auf ihren Schultern trug.“8 Denn die bodenlose Enttäuschung über das Scheitern samt den vielen negativen Erfahrungen – sogar in der nächsten Umgebung –, die alle Engagierten während der Prozesse des Kollapses unweigerlich machen, rauben ihnen Glauben und Zuversicht. Zurück bleibt eine ‚ausgelaugte‘ Generation. Und diese ist in aller Regel nicht mehr willens, sich erneut zu mobilisieren. Die Enttäuschung kann ein solch ernüchterndes Ausmaß annehmen, daß die ‚Besiegten‘ als ‚skeptische Generation‘ der gesamten Kultur ihre Signatur aufprägen. Gottfried Benn hat diese brüske Abkehr vom revolutionären Glauben in die Worte gefaßt: „Wenn du die Mythen und Worte / geleert hast, mußt du gehen / eine neue Götterkohorte / wirst Du nicht mehr sehn.“ Hier endet unser erster Umweg. Er hat zumindest eines offengelegt: Ein kardinales Problem für die Besiegten besteht darin, das katastrophale Geschehen einzuholen in einen Horizont von Bedeutungen und von Sinn. Wie erheblich dieser Umstand ist, wird sich im Fortgang des Überlegens zeigen. 2. Die Objektivität der Niederlage – keine Zuschreibung, kein Aushandeln Einen Skatabend als Verlierer zu verlassen, tangiert das Selbstgefühl eines Tennisprofis nicht wesentlich; verliert er ein Turnier, ist sein Selbstwert heftig getroffen. Je nachdem, auf welchem Gebiet man verliert, wird die soziale Identität gar nicht oder sehr schwer tangiert. Verlieren und Gewinnen werfen also die Frage nach den sozialen 6 7 8
Sorel 1907, 26–47. Diner 1999, 233. Trotzki 1938.
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Sphären auf. Bourdieu nannte das die spezifischen Felder, auf denen ein Individuum sein spezifisches ‚Kapital‘ investieren muß, um als ernsthafter Mitspieler eine Chance zu haben, sich zu bewähren und zu gewinnen. Römische Aristokraten bewegten sich auf dem politischen Feld, sie mühten sich auf diesem Feld ab; und sie bemaßen ihren eigenen sozialen und persönlichen Wert danach, welche Position sie dort einnahmen. Auf diesem Feld herrschte eine intensive Konkurrenz. Es produzierte unaufhörlich viel mehr Verlierer als Gewinner. Verlierer sein und Gewinner sein sind hier keine Zuschreibungen, die man weginterpretieren könnte. Es sind objektive Sachverhalte. Der Verlierer hat ein Spiel verloren oder einen Wettkampf oder eine Wahl. Spiel, Agon und Wahlen sind darauf angelegt, daß es einen Wettstreit gibt, innerhalb eines definierten Rahmens und entlang von Regeln, mit dem Zweck, einen oder mehrere Sieger zu küren. Die Unterlegenen sind Verlierer. Ihre Niederlage ereignet sich erstens öffentlich, vor aller Augen, zweitens entlang von präzisen Regeln. Eine solche Niederlage abzustreiten, hieße Realität zu leugnen. Das Auszählen der Stimmen bei den Wahlen ist pingelig genau; an den Zahlen gibt es keinen Zweifel. Niederlage ist ein objektiver Sachverhalt, und sie läßt zwei Dinge nicht zu: Erstens kann man sie nicht wegdeuteln; die Niederlage ist also keine Sache der Interpretation; zweitens kann man über sie nicht verhandeln; sie ist also keine Sache des Aushandelns. Die Verlierer sind objektiv Verlierer; und sie sind es auch subjektiv; denn sie können den Tatbestand nicht abstreiten, da er objektiv besteht. Stritten sie ihn ab, wären sie entweder verrückt oder sie würden zu Gewalttätern. Was für die historischen Akteure galt, liefert der heutigen Geschichtswissenschaft das Richtmaß. Catilina scheiterte als Konsulatskandidat 64 v. Chr.; und er bleibt für alle Zeiten ein gescheiterter Kandidat. Solange es Wissenschaft gibt und objektive Tatsachen anerkannt werden, solange gibt es daran nichts zu rütteln, es sei denn, die historische Erinnerung löst sich weitgehend ab vom Maßstab der Objektivität von Tatsachen. In der Tat verstärkt sich der Trend, die Geschichte nicht bloß ‚umzuschreiben‘, sondern die Vergangenheit zu korrigieren. Das Rezept Walter Benjamins, wissenschaftlich konstatierte Tatsachen zu übergehen, um politisch Wünschenswertes in der Vergangenheit aufscheinen zu lassen, erhält anschwellenden Beifall. Geschichte, so replizierte Benjamin auf eine fundamentale Kritik Horkheimers, sei nicht bloß Wissenschaft, sondern „nicht minder eine Form des Eingedenkens. Was die Wissenschaft ‚festgestellt‘ hat, kann das Eingedenken modifizieren … Im Eingedenken machen wir eine Erfahrung, die uns verbietet, die Geschichte grundsätzlich atheologisch zu begreifen.“9 Im alten Konflikt zwischen Mémoire und Histoire hat Benjamin Stellung bezogen für die Gedächtnispolitik und gegen die historische Wahrheit; Benjamin gehört zu den Erfindern der ‚alternativen Fakten‘. Mit solchen lassen sich nachträglich die Verlierer zu – moralischen – Siegern machen, wenn unser ‚Eingedenken‘ es für nötig hält. Die Versuche, „den Besiegten auf memorialpolitischem Wege Gerechtigkeit angedeihen zu lassen“, richten bereits ihre 9
Benjamin 1982, 589.
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Verwüstungen in der Wissenschaft an.10 Viele ‚groupes mémoriels‘ der Gegenwart befolgen diesen Rat und fegen historische Tatsachen guten Gewissens vom Tisch. Er wiederholt jene Klage, die schon Georges Sorel angestimmt hat, um die wissenschaftliche Historie zu verurteilen – wegen Mordes an den mobilisierenden Mythen, derer die Arbeiterklasse so dringend bedürfe.11 Da es Benjamin um Tatsachen nicht geht, sondern um Mythen – und er damit ‚fake history‘ salonfähig macht –, ist es nicht ratsam, sich von ihm Inspirationen zu holen.12 Er beabsichtigte die Historie als Wissenschaft zu zerstören, nicht sie zu bereichern. Die These, kein anderer Autor sei dermaßen „dazu prädestiniert, über das Verlierertum Auskunft zu erteilen“ wie Walter Benjamin, ist geschichtstheoretisch nicht zu halten.13 3. Verlieren und habituelles Training – ein Vergleich Vergleiche schärfen die analytischen Instrumente, mit denen wir Realitäten fassen. Schärfen wir unsere Wahrnehmung durch einen Vergleich der römischen Wahlen mit der griechischen Agonistik. Es gewannen immer nur wenige; die weitmeisten Teilnehmer an griechischen Agonen wurden zu Verlierern. Es lohnt, diesen Sachverhalt ins Auge zu fassen. Die althistorische Forschung hat überwiegend den Agonalsieger beachtet, auch weil die Quellen dem Siegen eine enorme Aufmerksamkeit widmen. Doch die historische Kultursoziologie muß die Frage nach dem Unterlegenen stellen. Denn nur wenn die Unterlegenen ihre Niederlage aushalten, kommt es nicht zu Ausbrüchen von Gewalt. Deutlicher: die Agone der griechischen Kultur blieben deswegen friedliche Veranstaltungen, weil die Unterlegenen sehr diszipliniert waren und auf disziplinierte Weise ihre Niederlage einsahen und sie akzeptierten. Der quantitative Aspekt ist dabei nicht unwichtig: Da die Anzahl der Verlierer größer war als diejenigen der Preisträger – das waren maximal drei –, befand sich kein Unterlegener in einer marginalen Position. Daß die meisten Teilnehmer den eigenen Mißerfolg teilten, erleichterte es ihm, sich mit dem Resultat abzufinden. Das gilt sogar in den Sportarten, die zweikampfmäßig ausgetragen wurden, weil die Unterlegenen sukzessive ausschieden und ebenfalls eine stattliche Mehrheit darstellten. Vielleicht verhielt es sich anders in der musischen Agonistik, wo die gegeneinander antretenden Sänger – schon aus Zeitgründen – immer sehr wenige sein konnten. Damit kommt ein Aspekt zum Vorschein, den die bisherige Althistorie nicht genügend betont hat: Griechische Agone erziehen den Athleten nicht bloß dazu, siegen zu wollen, sondern Niederlagen auszuhalten.14 Alle Beteiligten müssen die 10 11 12 13 14
So: Nebelin 2008, 30. Sorel 1907, 111–119. Auch deswegen ist die Skizze von Nebelin/Graul 2008 geschichtstheoretisch nicht ‚anschlußfähig‘. Sie folgt dem Ideologem, die Memorialkultur könne historische Tatsachen der ‚Gerechtigkeit‘ halber ‚modifizieren‘. Siehe zu Benjamins Bruch mit der wissenschaftlichen Historie: Flaig 2015. So aber: Nebelin 2008, 29. Dies habe ich dargelegt in: Flaig 2010.
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Gewißheit haben, daß Sieg und Niederlage ohne Betrug und verfahrensmäßig korrekt zustande gekommen sind; anders gesagt: Die Regeln des Wettkampfs und die Kontrolle der Kampfrichter müssen präzise sein. Und in der Tat wartet die hellenische Kultur bereits in der archaischen Zeit mit Agonalstätten auf, die – verglichen mit den Ressourcen – exorbitante Investitionen verschlangen und nicht zuletzt darauf abzweckten, die Bedingungen beim Wettkampf so weit als möglich zu homogenisieren. Die Ethnologie hat bisher in keiner anderen Kultur Vergleichbares gefunden. Es geht aber nicht vorwiegend um die Präzision und Neutralität des objektiven Regelwerkes und der objektiven Bedingungen, sondern um die habituelle Dimension. Die Verlierer hatten teilzunehmen an der Ehrung der Sieger, an deren Bekränzung und am gemeinsamen Abschlußfest. Die Verlierer müssen mithin über Dispositionen verfügen, die es ihnen möglich macht, diese Situation auszuhalten. Da ein Verlierer genau weiß, daß er einen Kampf verloren hat, muß er fortan weiterleben mit dem Bewußtsein, unterlegen gewesen zu sein. Er muß diese Niederlage bewältigen. Und diese Strategien zur Bewältigung sind kulturgeschichtlich von hohem Interesse. Er benötigt Techniken der Sublimation. Und diese befördern, begünstigen oder erzeugen habituelle Dispositionen, die sich auf andere kulturelle Bereiche auswirken, und damit Veränderungen oder Innovationen in Gang setzen können. Was ist daran das kulturgeschichtlich Besondere? Wie Christian Mann in seinen Studien zur Agonistik herausgearbeitet hat, hat keine andere Kultur eine Agonistik gepflegt, in der Sieg und Niederlage semiotisch so hervorgehoben und semantisch so bewertet werden wie in der griechischen Kultur.15 Das ist der Grund, weswegen wir außerhalb der griechischen Kultur keine Agonistik finden. Johan Huizinga hat sich vergeblich bemüht, in unterschiedlichsten Kulturen Agone griechischen Typs ausfindig zu machen; er hat nichts Ähnliches gefunden.16 Die griechische Agonistik ist also ein Phänomen sui generis. Dieser Befund ruft nach einer Erklärung: Offensichtlich entehrte eine agonale Niederlage den Unterlegenen in keiner Hinsicht; die Agone waren im Hinblick auf die persönliche Ehre keine Nullsummenspiele. Die meisten Kulturen dieses Globus erziehen ihre Mitglieder nicht dazu, Niederlagen vor aller Augen zu erdulden. Und zwar deswegen, weil dort die öffentliche Niederlage einen Ehrverlust bedeutet. Wo eine Niederlage zu einem Verlust an Ehre führt, dort handeln die Unterlegenen wie Ajax nach seiner Niederlage gegen Odysseus. Sie werden die Niederlage nicht akzeptieren und zur Gewalt schreiten, um ihre Ehre wiederherzustellen. Wäre es bei den griechischen Wettkämpfen wiederholt zu Gewaltausbrüchen gekommen, dann hätte niemals eine Agonistik entstehen können, schon gar nicht eine dermaßen hochdifferenzierte Agonistik, wie das in Hellas der Fall war. Die agonistische Kultur war nur möglich, weil die Unterlegenen ihre Niederlage akzeptierten. Das konnten sie nur deswegen, weil ihre Ehre unangetastet blieb. 15 16
Mann 2001, 24. Siehe: Huizinga 1956, 51 f. Er vermengt unterschiedlichste kulturelle Phänomene, um Ähnlichkeiten zu suggerieren; seine Auseinandersetzung mit Burckhardt (84–89) ist aufschlußreich. Dazu: Poliakoff 1987, 109–115.
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Das bedeutet, daß es Typen des Verlierens gibt, bei denen der Verlierer nichts von seiner Ehre verliert. Was verliert er dann? Auf diese Frage kommen wir sofort zurück. Zunächst zu einer anderen Frage: Welche habituellen Folgen hat diese Entdramatisierung des Verlierens? Ich erkenne drei Resultate, eine ethische, eine politische und eine kognitive. Erstens lernen die agonalen Verlierer schon früh, nämlich schon als Kinder und als Jugendliche, die Frustrationen zu ertragen, die aus Niederlagen entspringen; und das erzeugt eine hohe habitualisierte Toleranz gegen Niederlagen. Das ist eine ethische Disposition. Zweitens lernen Sieger wie Besiegte, anonyme Regeln anzuerkennen und sich schiedsrichterlichen Urteilen zu unterwerfen – eine politische Disposition. Drittens erwerben vor allem die Unterlegenen ein geschärftes Gespür dafür, das Können von Menschen zu taxieren; und sie lernen, sich selbst im Vergleich zu anderen einzuschätzen, die eigenen Fähigkeiten ziemlich vorurteilsfrei zu bewerten. Diese Disposition ist eine kognitive; und eben sie verschafft einen geschärften Sinn für Wirklichkeiten, nämlich für Kräfteverhältnisse und Umstände. Mutatis mutandis gelten diese drei Resultate auch für die römischen Wahlen. Zunächst wirkte auch hier das quantitative Verhältnis: Da es bei den Wahlen bis zum Prinzipat immer viel mehr Verlierer gab als Sieger, wurde das Verlieren kommunikativ ‚abgefedert‘; denn die hohe Quote der Verlierer entdramatisierte eine Wahlniederlage, vorausgesetzt es handelte sich nicht um die letzte Chance, wovon unten noch die Rede sein soll. Desgleichen mußten die Verlierer gewiß sein, daß sie verfahrensmäßig korrekt verloren hatten. Und dafür lagen bei römischen Wahlen die Bedingungen nicht so günstig wie bei griechischen Agonen. Denn die Agonalsieger gewannen – idealiter – nichts außer dem Ruhm. Römische Wahlsieger hingegen stiegen im cursus honorum um eine Rangklasse nach oben. Je höher die Ämter, um die man sich bewarb, desto erbitterter die Wahlkämpfe, und desto größer die Versuchung, bei den Siegern unfaire Praktiken zu vermuten. Nun gilt auch hier: je umkämpfter der Sieg ist, desto strenger und härter sind die Regeln. Diese selber werden nie in Frage gestellt; stattdessen werden andere verdächtigt, sie übertreten zu haben. Es ist bezeichnend, daß man einander unfaire Praktiken während des Wahlkampfes vorwarf, aber niemals die Auszählung der Stimmen anzweifelte, abgesehen von einem einzigen Fall, nämlich der Ädilenwahl 53 v. Chr.17 Mit Sicherheit waren die Kontrollen bei der Stimmauszählung in Rom um ein Vielfaches strenger als in modernen Demokratien, und die Chancen zu betrügen weit geringer; daher auch die quälend lange Dauer der Abstimmungen. Aber dieser temporale Aufwand lohnte, er erbrachte auf der verfahrensmäßigen Ebene eine maximale Chancengleichheit. Und diese war unabdingbar, damit die Resultate akzeptiert wurden. Aber noch wichtiger ist der habituelle Aspekt. In seiner Studie über die Sozialisation römischer Senatoren hat Peter Scholz darauf hingewiesen, daß diese während ihrer Amtsführung in einer atypisch hohen Frequenz Situationen ausgesetzt waren, in denen sie riskant handeln und darum gravierende Fehlgriffe begehen konnten, 17
Plut. Cat. min. 46,2. Der von Varro erwähnte Fall (rust. 3,7) dürfte mit diesem identisch sein. Hierzu: Staveley 1972, 210–213.
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weswegen sie dazu erzogen wurden, Rückschläge auszuhalten und Niederlagen zu verkraften.18 Uwe Walter hat die Scholzschen Überlegungen weitergeführt und ist zu folgendem Urteil gekommen: „Wesentlich befördert wurde die angesprochene Risikodisposition durch den institutionalisierten kurzen Rhythmus der Politik“. 19 Walter bezieht sich auf die relativ kurze Amtsdauer von einem Jahr und auf die alljährlichen Wahlen. Nun nochmals die Frage, was die Verlierer eigentlich verlieren. Senatoren, die in einer Wahl unterliegen, erleiden streng genommen keinen Verlust. Die Wahl ist nicht einmal ein Nullsummenspiel, in welchem der eine das gewinnt, was der andere verliert. In der Wahl zur Prätur nach Sulla wird es acht Gewinner geben; aber diese Sieger werden nicht dadurch Prätoren, daß die Verlierer nun keine Prätoren mehr sind, denn die Verlierer sind ebenfalls Bewerber. Was also verlieren die unterlegenen Kandidaten? Sie verlieren Zeit. Sie kommen ein Jahr später zur Prätur – und auch nur, wenn sie im nächsten Jahr die Wahl gewinnen. Die Sieger haben also die Anciennität; sie haben einen Karrierevorsprung. Die Verlierer geraten in einen relationalen Nachteil gegen die Gewinner. Was verlieren die Verlierer noch? Sie verlieren nicht ihre Investitionen in die Wahl – sie haben viel Zeit, Mühe und materielle Ressourcen aufgewandt, um Förderer und Anhänger zu gewinnen, um sich zu zeigen auf dem Forum und um sich generös zu erweisen. Diese Einsätze sind nicht verloren. Sie können ein Jahr später Früchte tragen, nämlich wenn man abermals kandidiert; denn in Rom werden die Magistrate jedes Jahr neu gewählt. Wer in diesem Jahr eine Wahl verliert, kann sie im kommenden Jahr gewinnen; und dann können die diesjährigen Verlierer auf das erworbene soziale Kapital zurückgreifen, Freundschaften reaktivieren, Förderer erneut mobilisieren. Der erstmalige Verlierer hat sein soziales Kapital beträchtlich erweitert und die Bekanntheit seines Namens erheblich gesteigert. Je nachdem, gegen wen er im folgenden Jahr antreten wird, kann ihm das einen sehr großen, einen großen oder einen geringen Vorsprung verschaffen; zumindest aber hat er seinen Rückstand auf die großen Namen vermindert. Selbst Aemilius Paulus, der Sieger von Pydna und Vernichter Makedoniens, war zweimal bei den Wahlen zum Konsulat durchgefallen. Erst im dritten Anlauf schaffte er es. Er feierte 167 v. Chr. den bis dahin glänzendsten Triumph der römischen Geschichte. Sogar zwei Wahlniederlagen um dasselbe Amt brauchen den Verlierer nicht aus dem Rennen zu werfen. Aber was, wenn der spätere Sieger von Pydna auch die dritte Wahl verloren hätte? Nur sehr wenige Kandidaten traten ein viertes Mal an. Es ist zu überlegen, ob ein Kandidat, der zum zweiten Mal verliert, nicht bereits eine gewisse Einbuße an symbolischem Kapital erleidet. Und vermutlich beginnt er bei der dritten Bewerbung sein soziales Kapital zu strapazieren; denn hochrangige Senatoren wollen nicht dreimal nacheinander ihre Mühe und Hilfe auf einen Verlierer verwenden. Denn auch sie ‚investieren‘, und sie riskieren, daß diese Investitionen vergeblich sind. Es ist also unnötig, nach einer Regel oder 18 19
Scholz 2011, 356 u. 369–371. Walter 2009, 49. Er hat seine Überlegungen zur „Risikoaffinität“ der politischen Klasse kürzlich ausgebaut: Walter 2017.
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gar rechtlichen Norm zu suchen, die nur drei Bewerbungen um dasselbe Amt vorsieht. Denn die zeitliche Dynamik in der rhythmisierten Konkurrenz führt dazu, daß mehrfache Verlierer verzweifelt resignieren. Und damit gelangen wir zum Unterschied zwischen Verlieren und Scheitern. 4. Scheitern und Endgültigkeit – eine kulturwissenschaftliche Herangehensweise Wir müssen unterscheiden zwischen einer Niederlage, die der Unterlegene in einer institutionell geregelten Wiederholung wettmachen kann, und einer Niederlage, die definitiv ist. Solange der Verlierer damit rechnet, daß es ein nächstes Mal gibt und ein neues Spiel, braucht er nicht zu resignieren. Er befindet sich immer noch im Sinnhorizont derjenigen Konkurrenz, auf die er sich eingelassen hat und die er erfolgreich bestehen will. Alles ändert sich, sobald keine weitere Chance mehr besteht. Griechische Athleten rechneten mit den Lebensphasen: Wer nicht bis zum 30. Lebensjahr einen Olympiasieg errang, wurde nicht Olympiasieger. Ein 40-jähriger SchwergewichtsChampion wäre in der Antike kaum denkbar gewesen. Wer als römischer Senator es auch bei der dritten Wahl nicht zur Prätur schaffte, blieb lebenslang im Rang eines Ädiliziers. Wenn der Verlierer seine letzte Chance vertan hat, dann ist seine Niederlage endgültig. Er kann diesen Status nicht mehr korrigieren. Die Endgültigkeit bedeutet, daß er ein Gescheiterter ist – obschon ein Gescheiterter auf hohem Niveau: Wer es bis zur kurulischen Ädilität bringt, verschafft damit seiner gens ein Ahnenbild, das hinfort in den familialen Leichenbegängnissen als unverlierbares symbolisches Kapital mitgeführt wird. Er ist also keinesfalls in jeder Hinsicht gescheitert. Nichtsdestotrotz ist das Scheitern mehr als ein bloßes Verlieren; es bedeutet, keine Chance mehr zu haben, sein Ziel zu erreichen – freilich nicht in allen sozialen Hinsichten. Wenn man nun definitorischen Rat sucht bei der Soziologie, dann gerät man in ein Karussell der Enttäuschungen. Matthias Junge faßte 2004 das Scheitern als Gegenbegriff zur Autonomie und unterschied zwischen graduellem Scheitern und absolutem.20 Letzteres liege vor, wenn der Scheiternde „keine Verfügungsmöglichkeiten für Handeln“ mehr hat.21 Aber wer hat „keine Verfügungsmöglichkeiten für Handeln“? Entweder ein Toter oder wer Arme und Beine verloren hat und obendrein die Sprache, was ein existentieller Extremfall wäre. Den Extremfall wollte Junge später verstanden wissen als „Idealtyp im Sinne Max Webers“, der in der sozialen Realität überwiegend in Abschattungen auftrete, doch er erlaube „in der Gegenüberstellung zum graduellen Scheitern eine genaue Kennzeichnung der Voraussetzungen und der Grenzen des Handelns.“22 Doch dieser Bezug zwischen einem ideellen Grenzfall und den empirischen Vorkommnissen beseitigt die obige Aporie keineswegs. Grundsätzlich soll nach Junge ‚Scheitern‘ – als Gegenbegriff zur Autonomie – einen Ver20 21 22
Junge 2004, konzeptuell verändert in Junge 2013. Junge 2004, 16. Junge 2013, 60.
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lust an Autonomie bedeuten, in dem Maße wie es zur Handlungsunfähigkeit führt. Doch zur Handlungsunfähigkeit führt auch ein schwerer Verkehrsunfall, den man erleidet ohne ihn bewirkt zu haben. Da ein solches Ereignis nicht auf eigenes Handeln zurückzuführen ist und folglich kein Scheitern darstellt, sind die Termini der Opposition logisch unstimmig. Junge veränderte 2013 das Oppositionspaar, indem er die Autonomie tilgte und zur „kulturellen Illusion“ erklärte; nun soll ‚Scheitern‘ der Gegenbegriff zu ‚Handlungsfähigkeit‘ sein. Damit verschlimmert sich die Unstimmigkeit, weil nun aus dem Kategorienfehler eine Negierung der theoretischen Prämissen wird. Die soziologische Handlungstheorie, welcher Junge folgt, beruht auf der Voraussetzung, daß die handelnden Menschen Subjekte sind, zielorientiert agierend, entlang von Zwecken und Absichten. Als Subjekte sind sie notwendigerweise autonom in ihrer Wahl, obschon die sozialen Zwänge die Optionen begrenzen. Wenn jedoch Autonomie eine „kulturelle Illusion“ wäre, dann würden Menschen zu heteronomen Automaten – ohne Ziele, Zwecke und Intentionen; und dann verlöre die Handlungstheorie ihre logische Grundlage. Versuchen wir es mit einem anderen soziologischen Modell, demjenigen von Werner Vogd. Bei ihm lesen wir: „‚Scheitern‘ ist kein soziologischer oder psychologischer Grundbegriff. Vielmehr muß immer schon eine Reihe von komplexen, ineinander verschachtelten semantischen Prozessen vorausgesetzt werden, um überhaupt von Scheitern sprechen zu können. Scheitern setzt eine Identität voraus, die sich nicht im Einklang mit sich selbst befindet und dies darüber hinaus – in welcher Form auch immer – thematisiert.“23 Eine unterbestimmte Definition. Denn auch ein Kranker leidet unter einem gestörten Einklang mit sich selbst, desgleichen ein rasend Verliebter und nicht zuletzt ein Betrunkener. Und sie alle thematisieren diesen fehlenden Einklang – „in welcher Form auch immer“. Es lohnt nicht weiterzusuchen, denn Vogd hat Recht: Scheitern ist kein soziologischer Grundbegriff – und er wird auch niemals einer werden. Warum hat die Soziologie bisher zum Thema ‚Scheitern‘ keinen Beitrag leisten können? Der Grund ist ein simpler: Der Gegenbegriff zum Scheitern ist in der Philosophie wie in der Theologie das ‚Gelingen‘ gewesen und geblieben. Handeln kann zum Gelingen führen und zum Scheitern. Gelingen läßt sich aber nur von der Sinndimension – die jeweils kulturspezifisch ist – erschließen. Wenn die soziologische Theorie das Konzept des Gelingens eliminiert, gerät sie in den Sog jener modischen ‚Kultur des Scheiterns als Chance‘, welche weder Gelingen noch Scheitern vorsieht, sondern nur eine permanente Krise aller Beziehungen und eine ständige Umorientierung der Handlungsmaßstäbe, wobei die Individuen sich von ‚fertigen Lösungen‘ emanzipieren.24 Dann kann freilich niemand mehr scheitern. So weit geht Junge nicht. Aber da er das Gelingen nicht in die Reflexion einbezieht, kann er kein Kriterium für das Scheitern angeben. Denn Handlungsunfähigkeit, ob graduell oder total, ist keines, weil sie häufig nicht das Resultat eigenen intentionalen Handelns ist. 23 24
Vogd 2014, 61 f. So Armin Nassehi, siehe: Koller/Rieger-Ladich (Hgg) 2013, 8.
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Wohin hat dieser kurze Exkurs geführt? Zur Einsicht, daß die Kulturgeschichte einen Begriff des Scheiterns benötigt, der terminologisch präziser und konzeptionell variationsreicher ist als die von der momentanen soziologischen Theorie angebotenen. Diese kapriziert sich auf sinn-freie Faktoren. Da die Kulturgeschichte jedoch in starkem Maße akteurszentriert verfahren muß, kommt sie nicht umhin, die Sinnsysteme zu beachten, innerhalb deren die Akteure sich selber verstehen. Darum bezieht eine kulturwissenschaftliche Herangehensweise ihre Konzepte und theoretischen Impulse zu diesem Thema notwendigerweise aus philosophischen und auch theologischen Beiträgen. Die Sinnsysteme – wenn wir über sie hinreichend informiert sind – sagen uns, wie die Akteure ihre sozialen Erfolge verstehen und ihre Niederlagen interpretieren können. Verlieren und Scheitern sind als Sachverhalte nur zu erschließen, wenn man unterschiedliche Kontexte berücksichtigt. Das erweist sich gerade an dem Begriff der Endgültigkeit. Im Hinblick auf das Individuum ist endgültig fast nur das, was sich auf den Rhythmus des Lebens bezieht – wie etwa das Altern. Aber im Sozialen ist Endgültigkeit ein kontextbezogenes Prädikat. Wenn der Gescheiterte ein endgültiger Verlierer ist, weil ihm keine weitere Chance zum Gewinnen gegeben wird, dann heißt dies: Scheitern ist ein Resultat innerhalb einer genau definierten sozialen Sphäre; der gescheiterte Kandidat für das Konsulamt ist ein endgültiger Verlierer nur innerhalb des senatorischen Rangklassensystems mit seinen Promotionsmechanismen. Aber sein Leben ist nicht unbedingt gescheitert; denn er könnte seiner gens ein zusätzliches Ahnenbild verschafft haben. Und auch sein soziales Scheitern wirkt nur dann, wenn er innerhalb dieser Sphäre verharrt; denn dann wird ihm tagtäglich vor Augen geführt, auf welcher Position er stecken geblieben ist. Er ist gezwungen, seine Existenz vor allem im semantischen Horizont dieser sozialen Sphäre zu definieren – und die degradiert ihn zum relativen Verlierer und spezifisch Gescheiterten. Er kommt nicht umhin, diesen Sachverhalt zu ‚bewältigen‘. 5. Zwei Wege, mit dem Scheitern umzugehen Wenn ein römischer Senator in seinem cursus honorum endgültig steckenbleibt oder gar verurteilt wird und ins Exil gehen muß, dann gewahren alle Akteure, daß ein solch mächtiger Mann nun ein partiell Gescheiterter ist – sowohl die zusehenden als auch die mitspielenden. Partiell gescheitert, weil er es gleichwohl in den Senat geschafft hat und immerhin bis zur Ädilität oder gar bis zur Prätur. Vollständig gescheitert, wenn er ins Exil gehen muß ohne Chance, jemals rehabilitiert zu werden. In jedem Falle muß ein solcher partiell oder vollständig Gescheiterter sich der Einsicht stellen, die gemäß Reinhart Koselleck alle Verlierer überfällt, nämlich die „Primärerfahrung“, „daß alles anders gekommen ist als geplant oder erhofft“.25 Ihnen stellt sich die Aufgabe, das Geschehene zu ‚bewältigen‘. Das ist die eine Seite; sie 25
Koselleck 1988, 68.
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betrifft den Weltbezug des Gescheiterten. Die andere Seite berührt seinen Bezug zu sich selbst. Der Gescheiterte gerät in einen schmerzhaften Konflikt – in Termini der lacanianischen Analyse gesprochen – mit seinem Ich-Ideal. Wir alle streben einem Ideal von uns selbst nach; das ist für die individuelle Ontogenese unvermeidbar.26 Beim Gescheiterten wird plötzlich dieses Ideal unerreichbar. Der Theologe Dietmar Mieth bemerkt hierzu, daß einerseits es zum Menschsein gehöre, eine Vorstellung vom Gelingen des Lebens, also ein „Ideal“ vor Augen haben; anderseits hierin ein Risiko lauere: „Zum Scheitern gehört manchmal die falsche Vorstellung vom Gelingen, gehören die falschen Ideale. Je falscher das Ideal, umso näher das Scheitern.“27 Indes, ein solches Ideal ergibt sich aus der kulturspezifischen Sozialisation; und es kann für den Gescheiterten eine lange Zeitspanne das ‚richtige‘ gewesen sein. Auf alle Fälle schafft die Unerreichbarkeit eine neue biographische Situation; und die gilt es zu verarbeiten. Dafür bieten sich ihm zwei Wege, und beide enthalten mehrere Varianten. Erster Weg: der Gescheiterte hält an seinem Ich-Ideal fest. Er versteift sich auf seinen unerreichbaren Wunsch und läßt ihn nicht los. Er wird darum außerstande sein, sich an die reale Lage anzupassen. Die kognitive Dissonanz wird jedoch unerträglich, weil seine senatorischen Pflichten die Situationen multiplizieren, in denen Selbstbild und objektive Lage grausam auseinanderfallen. Da er sein Selbstbild nicht an die Realität anpaßt, muß er die Realität an sein Selbstbild anpassen. Und dafür stehen ihm drei Varianten zur Verfügung. Variante eins: er stirbt, sei es, weil er den Lebenswillen aufgibt, sei es, indem er nachhilft. Damit hat er sein Selbstbild bewahrt und die Realität radikal angepaßt. Variante zwei: er wird wahnsinnig. Auch das ist eine Anpassung der Realität an das Imaginäre. In diesen beiden Fällen verabschiedet sich der Gescheiterte aus der Schnittmenge sozial handelnder Subjekte. Variante drei: er wählt den Weg Catilinas. Ein gewaltsamer Umsturz ist zweifelsohne ein Mittel, um die Realität an das eigene Selbstbild anzupassen. Und in diesem Falle bleibt der Gescheiterte durchaus innerhalb der Schnittmenge sozial handelnder Subjekte. Was wäre der zweite Weg? Man nimmt das Scheitern zur Kenntnis, und man paßt das eigene Selbstbild an die real eingetretene Konstellation an. Der Soziologe Raymond Aron bezeichnete eine solche Umstellung des eigenen Lebens als ‚Akkommodation‘.28 Solche Akkommodation bedeutet in jedem Falle, daß das Individuum sich neu ‚erfinden‘ muß; es muß sich umdefinieren. Und dafür stehen zwei Varianten zur Verfügung. Variante eins: der partiell gescheiterte Senator begreift sich nun als jemand, der seine politischen Pflichten zu erfüllen hat, obwohl er nicht zur Spitze des Senates gehören wird. Je weiter seine momentane und damit endgültige Position entfernt ist von der ehemals angestrebten und nun niemals zu erreichenden, desto deutlicher wird sein Bewußtsein der Inferiorität. Und dennoch läßt sich damit leben. Denn der Abstand zu den nichtsenatorischen Römern bleibt riesengroß. Variante zwei: auch hier will der Gescheiterte sich neu erfinden; doch er tut es radikal. 26 27 28
Nach Lacan wird das Individuum angetrieben von einer imaginären Idee (Ideal) von sich selber. Siehe: Lacan 1975. Mieth 1990, 246. Aron 1972, 156.
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Er entflieht der sozialen Sphäre, in welcher er sich als Gescheiterter wahrnimmt und seine Inferiorität akzeptieren muß. Er flüchtet sich in eine ganz andere soziale oder gar kulturelle Sphäre. Und dort kann er sich als ein anderer Mensch erfahren, ja ein anderes Leben beginnen. Er vollzieht eine regelrechte Konversion. Er kann sogar sein ganzes bisheriges Leben als einen Irrweg betrachten, von dem er glücklicherweise sich verabschiedet. Diese Variante wird uns beschäftigen. Aber vorher noch eine Überlegung zum Thema des Bewältigens. 6. Das Scheitern bewältigen – die Dimension des Sinns Besehen wir zunächst diejenigen Senatoren, die ihr Scheitern akzeptieren. Ihre Sozialisation war darauf angelegt, als Senatoren Karriere zu machen und möglichst bis zum Konsulat zu gelangen. Sie haben große Mühe eingesetzt, viel soziales Kapital gesammelt und dabei erhebliche Ressourcen verbraucht. Sie haben viele Jahre ihres Lebens investiert, um dieses Ziel zu erreichen und ihre Lebensführung darauf ausgerichtet. Und nun stellt sich heraus, daß das Ziel nicht zu erreichen ist, oder daß eine gerichtliche Verurteilung mit anschließendem Exil das schon erreichte Ziel mit einem Schlag zunichte macht. Einschneidende Enttäuschungen verlangen nach erneuter Selbstbesinnung: Woher komme ich, wer bin ich, wohin gehe ich? Der Schmerz des Gescheitertseins treibt eine Fragemühle, die das bisherige Leben zermahlt: Warum mußte es mich treffen? Warum sind die anderen ungeschoren davongekommen? Schließlich kommt die bittere Einsicht, daß man der drohenden Paranoia entkommen muß, und daß man neue Lebensziele braucht, um überhaupt ohne Bitternis weiterleben zu können. Um ihr Scheitern geistig zu bewältigen, müssen die definitiven Verlierer es deuten. Und diese Deutung hängt davon ab, welche Sinnsysteme einem Menschen zur Verfügung stehen. Diese Sinnsysteme werden von der eigenen Kultur geliefert; und ihre zentralen Haltepunkte werden in der Sozialisation fest im Bewußtsein verankert. Wenn genügend Texte mit normativen Erörterungen tradiert sind, dann ist es der Historie möglich, die Eckpunkte von sinnhaftem Handeln und Dulden zu erschließen und die Kohärenz von Normen und Werten nachzuzeichnen. Solche rekonstruierbaren Sinnsysteme markieren den Horizont, innerhalb dessen Akteure sich selber verstehen; sie geben uns Auskunft darüber, wie sie ihre sozialen Erfolge und ihre Niederlagen interpretieren. Auf alle Fälle braucht ein Gescheiterter für sein Weiterleben einen neuen Sinn. Weitere Unterscheidungen sind nötig. Zunächst ist der biographische Rhythmus zu beachten; denn das Aussteigen erfordert Anstrengungen, die in den einzelnen Lebensphasen leichter oder schwerer zu verkraften sind. Ein definitiver Verlierer sein bedeutet etwas ganz Anderes für einen jungen römischen Ritter, der es einfach nicht geschafft hat, zum Quästor gewählt zu werden und dessen senatorische Karriere gar nicht erst beginnt. Er hat noch nicht viel Lebenszeit in die politische Karriere investiert; er kann, obschon mühsam, sich umorientieren, andere Lebensziele finden, sich
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auf anderen Gebieten seine Lebenslaufbahn einrichten. Doch ein Senator von 50 Jahren, der zum dritten Mal die Wahl zur Prätur verliert, kann nicht mehr ausweichen auf ein anderes Gebiet; er bleibt nun lebenslang Ädilizier. Zwischen ihm und seinen erfolgreichen Altersgenossen tut sich plötzlich ein unüberwindbarer Abgrund auf, eine definitive Scheidelinie. Die Konfiguration der Personen im Senat verändert sich ab nun Jahr für Jahr zu seinen Ungunsten; denn Jahr für Jahr ziehen jüngere Senatoren an ihm vorbei und überholen ihn. Verdrossen muß er seiner jährlichen – relativen – Deklassierung zusehen. Nun heißt es, sich an diese unkorrigierbare Situation anzupassen. Er ist genötigt, seine Selbsteinschätzung an diese zu adaptieren. Eine solche Akkommodation an die neue Lage erfordert einen hohen psychischen Aufwand; sie kann gelingen oder mißlingen. Es ist also günstiger, in jungen Jahren zu scheitern, weil dann noch biographische Alternativen offenstehen. Werfen wir nun einen Seitenblick auf jene Gescheiterten, die aus der römischen Politik eliminiert wurden. Wurde ein Senator verurteilt in einem Kapitalprozeß, dann war seine senatorische Karriere ruckartig zu Ende. Für ihn gab es im Exil keine Aussicht auf sinnhaftes Leben. Exilierte scheinen nur noch auf den Tod gewartet zu haben, weil sie sich keine Alternativen vorstellen konnten. Der Exilierte ist der gescheiterte Senator schlechthin; er verdeutlicht am plastischsten die Situation des Scheiterns. Exilierte grämten sich ab, verbitterten und verzweifelten – die Briefe Ciceros aus dem Exil enthüllen eine grausige Seelenlage.29 Das bezeichnete die Situation Exilierter zumindest bis in die 90er Jahre des 1. Jhs. v. Chr. Dementsprechend haben wir aus der mittleren Republik exempla von Römern, die nach einer gerichtlichen Verurteilung nach Hause gingen, sich hinlegten und starben. Und wer es vorzog, ins Exil zu gehen, begab sich buchstäblich in einen sozialen Tod, da er in der neuen Umgebung aus derjenigen Interaktion ausgeschlossen war, auf die es ihm ankam. Mein Augenmerk gilt ab jetzt denjenigen Gescheiterten, die zum einen sich weigern, sich an einen inferioren Platz zu akkommodieren, zum anderen ihr bisheriges Ich-Ideal völlig verabschieden. Auf sie paßt das Wort ‚Aussteiger‘. Sie sind zunächst auf unerwartete Weise einsam. Diese Einsamkeit erleichtert es ihnen, auf Abstand zu gehen zu ihrem früheren Leben, freilich erschwert sie es ihnen, die fatalen Geschehnisse ‚vorurteilslos‘ zu verarbeiten. Sie brauchen eine neue Lebensweise; dazu müssen sie sich herauslösen aus bisherigen sozialen Bindungen. Sie tun gut daran, Römern auszuweichen, die am Exilort vorbeischauen; denn solche alten Bekannte erinnern schmerzhaft daran, was sie verloren haben und drängen sie in die alten Rollen, aus denen sie sich doch heraushäuten wollen. Ihr Horizont verschiebt sich: Ehemals höchste Ziele sind keine mehr, stärkste Werte verlieren ihre orientierende Kraft, liebgewonnene Ansichten werden ihnen unvertraut. Sie geraten in Distanz – zu sich selber und zu ihrem bisherigen Leben. Ehemals Dringliches wird unwichtig; die internalisierte Werteskala wird umgebaut, neue Maximen befördern neue Routinen. Das Sinngefüge wandelt sich; folglich können diese ‚Umsteiger‘ nicht mehr dieselben bleiben. Sie gleiten heraus 29
Hierzu: Flaig 2011, 19–35.
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aus ihrem gewohnten Selbst, schlittern in Ek-Stasis, finden zu einem neuen Selbst. Im Angesicht dieses Phänomens gilt es das Psychologisieren zu vermeiden, darum ist der semantische Horizont, sind die relevanten Sinnsysteme zu beachten. Denn Sinn ist verliehene Bedeutung; und wenn jemand sein Sinnsystem wechselt, dann gewährt ihm die semantische Alterität eine veränderte Identität. Gelingt diese Verwandlung, dann hört das Subjekt auf, sich als Gescheiterter zu verstehen. Daß seine ehemaligen Mitsenatoren ihn für einen Gescheiterten halten, wird ihm völlig gleichgültig, weil sie ihm fremd geworden sind. Pierre Bourdieu sagte einmal, wahrscheinlich seien die Verlierer der kulturell innovativste Sektor einer Gesellschaft. Denn – so führt er in den Méditations pascaliennes aus – die tiefsten Einschnitte in den individuellen Habitus erfolgen dann, wenn das Individuum konfrontiert wird mit einer Enttäuschung von existentiellem Ausmaß. In dieser Krise der Orientierung sei man imstande, den eigenen Habitus erheblich umzuformen, weil der bisherige Habitus seine Funktion und so auch seine Sinnhaftigkeit verliert. Es eröffnen sich Chancen für einen Neubeginn; und ein solcher werde sich üblicherweise gegen die bisherige Lebensform richten.30 Diesen bourdivinischen Gedanken nehme ich auf. Wenn der Gescheiterte aus seiner angestammten Sphäre ausscheidet und vorsätzlich eintaucht in eine andere kulturelle Sphäre, wo andere Semantiken gelten, dann kann er sich nicht mehr als der verstehen, der er vordem war. Er wird sich – mit mehr oder weniger Erfolg – neu (er)finden. Aber ist es so einfach, in ein neues Sinnsystem ‚einzutreten‘? Nehmen wir einen berühmten Fall. Ich stelle diesen casus in den Zusammenhang von Scheitern und Innovation. 7. Der casus pulcher: Rutilius Rufus Rutilius Rufus entstammte einer nichtsenatorischen Familie, war also homo novus. Unter Scipio Aemilianus diente er als Militärtribun vor Numantia; während seiner Prätur 118 v. Chr. erließ er ein Edikt, welches die Pflicht der Freigelassenen, für ihre patroni operae zu erbringen, begrenzte;31 zudem erteilte er vortreffliche Rechtsbescheide.32 Als Redner bevorzugte er einen geradlinigen unverblümten Stil; seine betont archaische Rhetorik ließ nach Cicero in den Plädoyers die letzte Durchschlagskraft vermissen.33 Das ist umso erstaunlicher als er bei dem in Rom lehrenden Panaitios seine philosophische Ausbildung erworben hatte, also als homo novus einen Bildungsweg einschlug, der jenem des gleichaltrigen homo novus Marius diametral entgegengesetzt war. Er orientierte sich an stoischen Lebensregeln. Bei den Konsulwahlen 115 verlor er gegen den berüchtigten Aemilius Scaurus, gegen den er eine ambitusKlage führte – erfolglos. Als prätorischer Legat diente er – ebenso wie Marius – unter Metellus Numidicus in Africa. Die Konsulwahlen gewann er im Windschatten 30 31 32 33
Bourdieu 1997, 258. Broughton, MRR 1, 527; Münzer 1914, 1270. Dig. 38,2,11. Cic. Brut. 114.
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von Marius 106, da war er schon 52 Jahre alt. Im folgenden Jahr erlitten die Römer die schwerste Niederlage ihrer Geschichte, als bei Arausio gegen die Kimbern zwei Heere untergingen. Da man eine Invasion Italiens befürchtete, organisierte Rutilius als Konsul einen tumultus in Italien. Im Jahre 94 bat ihn der neue Prokonsul von Asia, Q. Mucius Scaevola, als Legat mitzukommen, um in dieser Provinz die Gier der römischen Steuerpächter zu zügeln. Der 64-jährige Rutilius akzeptierte. Die Steuerpächter schlugen zurück. Nach seiner Rückkehr wurde nicht der Prokonsul angeklagt, sondern Rutilius; 34 die Anklage lautete auf erpresserische Ausbeutung der Provinz. Der Prozeß fand 92 statt;35 die Richter waren nicht mehr Senatoren, sondern Ritter, kamen also just aus jener Statusgruppe, aus denen sich auch die Steuerpächter rekrutierten. Rutilius lehnte es ab, sich von erfolgreichen Rednern verteidigen zu lassen; er plädierte selber und wurde verurteilt.36 Das Urteil ging als Skandal in das kollektive Gedächtnis ein, als exemplum grotesker Rechtsbeugung durch die nichtsenatorischen Richter. Rutilius ging ins Exil. Wenn Römer den Ort ihres Exils wählten, dann orientierten sie sich an einer Topographie der verbissenen Hoffnung: Wer nach Sizilien oder nach Epirus ging, wollte einen intensiven Kontakt zum römischen Geschehen behalten,37 wer nach Kleinasien ging, war weitab von den alltäglichen Nachrichten. Rutilius begab sich zunächst nach Mytilene, von dort jedoch nach Smyrna, also in dieselbe Provinz, die er angeblich ausgebeutet hatte. Die Griechen überschütteten ihn mit ihrer Sympathie. Smyrna bot ihm das Bürgerrecht an. Rutilius Rufus akzeptierte. Das Unerhörte passierte: Ein römischer Konsular wurde Bürger einer hellenischen Stadt.38 Welch ein ungeheuerlicher Schritt das war, ist daran abzulesen, daß Ciceros Freund Atticus nicht wagte, das athenische Bürgerrecht anzunehmen, obschon er 20 Jahre dort verbrachte; denn wie wir von Cicero wissen, war das römische Bürgerrecht exklusiv. Reinhart Koselleck betonte wiederholt, es seien die Besiegten besonders geeignet, Geschichte zu schreiben. Und so befolgte auch Rutilius Rufus die Lex Koselleck. Er schrieb eine verloren gegangene römische Geschichte; allerdings schrieb er sie nicht auf Latein, sondern auf Griechisch.39 Der nun 66-jährige Römer tauchte tief in die griechische Kultur ein; er wurde buchstäblich zum Intellektuellen. Diese Rochade vom Politiker zum Intellektuellen könnte man einem gescheiterten 40-jährigen Senator – mit Mühe – zutrauen; doch bei einem sexagenarius ist sie ganz erstaunlich. Eigentlich kann sie nur gelingen, wenn der Betroffene im Rahmen einer tertiären Sozialisation eine angemessene intellektuelle und mentale Ausstattung erworben hat. Er muß schon lange habituelle Dispositionen gepflegt haben, die ihm nun das 34 35 36 37 38 39
Liv. per. 70. Zum Prozeß siehe Kallet-Marx 1990. Cic. Brut. 114–118. Vell. Pat. 2,13,2. Siehe: Kelly 2006, 70 f.; 85–92. Cic. Balb. 28; Tac. ann. 4,43; Suet. Gram. et rhet. 6. Allgemein: Münzer 1914; W. Kierdorf, Rutilius I.3, in: DNP 10, 2001, 1169–1170; Kelly 2006, 89–91. Peter, HRF, 120 f. u. Peter, HRR 1, 254–261; nun: Beck/Walter 2004, 100–108; siehe auch: Suerbaum 2002 § 171.
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Aussteigen und Umsteigen erleichtern. Und das bestätigt uns Cicero, der im Brutus schreibt, daß Rutilius seine Bildung abgerundet habe, indem er bei Panaitios studierte; auch bemängelt Cicero, daß er ein bißchen zu sehr der stoischen Lebensauffassung frönte.40 Rutilius befand sich etwa 4 Jahre im Exil, als Sulla im Jahre 88 v. Chr. eine große Menge von Verbannten zur Heimkehr rief. Doch der nun 70-jährige Rutilius lehnte es ab, nach Rom zurückzukehren. Das heißt: Er lehnte es ab, im römischen Senat zu sitzen und als Konsular – zusammen mit etwa 40 anderen Konsularen – die maßgebliche Politik im Mittelmeergebiet mitzubestimmen. Sulla hat sein Angebot 83 höchstwahrscheinlich wiederholt. Doch Rutilius blieb in Smyrna, beschäftigte sich mit Philosophie und griechischer Kultur. Das Unfaßbare war passiert: Ein römischer Konsular war zum Griechen geworden. Junge Römer besuchten später dieses biographische Unicum in Smyrna, so auch Cicero während seiner Rhetorikausbildung. Und der alte Gräko-Römer empfing die jungen Leute freundlich, plauderte über Vorfälle aus dem römischen Prozeßwesen, verriet juristische Schachzüge. Doch er blieb Grieche; und er starb hochbetagt in Smyrna. Was ist daran das Besondere? Ortega y Gasset sagte einmal, immer wenn eine neue Lebensform auftaucht, steht am Anfang ein individuelles Schicksal. Hier haben wir es. Rutilius entschied sich dafür, mit seiner Vergangenheit rückhaltlos zu brechen. Anstatt zu hoffen auf Rückkehr und zu schmachten nach Rom, entschied er sich dazu, nichts mehr mit Politik zu tun zu haben – nur noch mit Literatur, Philosophie und Bildung. Er lebte ein neues Leben, weil er in einen ganz neuen Sinnzusammenhang eingetreten war; ein Sinnsystem, das seinem Leben einen neuen Inhalt gab, fern von Rom und fern von der häßlichen römischen Politik. Die Sinnsuche ist das Maßgebliche; und die gelungene Sinnsuche entspricht einer Transgression, trägt wesentliche Züge derselben: ist ein Hinüberschreiten auf ein neues Gefilde. Denn andere römische Senatoren grämten sich im Exil ab, verbitterten, verzweifelten und starben vor Kummer – man lese etwa Ciceros Briefe aus dem Exil.41 Vielleicht gab es solche Fälle vor Rutilius, von denen wir nicht wissen. Doch er ist der erste, der zum exemplum wurde. Er bot damit ein Modell, wie man ein neues Leben beginnen konnte, außerhalb der römischen Politik, ja außerhalb der römischen Kultur. Sein Schicksal hatte eine neue Lebensform gezeitigt. Freilich ist dabei die semantische Arbeit zu berücksichtigen: Nicht er selber machte sich zum exemplum, sondern das taten andere; und sie taten es zeitverzögert, weil es eine Weile dauerte, bis sein Schicksal andere faszinierte, wie im Folgenden zu sehen sein wird. Tatsächlich eignete sich die von Rutilius gewählte Lebensform zur Nachahmung. Freilich nicht für alle. Marius hätte diesen Weg nicht einschlagen können; denn dafür war erforderlich, daß man ‚gebildet‘ war. Aber was heißt das konkret? Generell gilt zwar: Je differenzierter eine Gesellschaft ist und je mehr soziale Felder sie bietet, auf denen man Anerkennung erwerben kann, desto leichter kann der vorzeitig Geschei40 41
Cic. Brut. 85 ff.; 114–118. Hierzu: Flaig 2011, 19–35.
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terte umsteigen. Indes, die habituellen Voraussetzungen variierten, teilweise sogar enorm. Wenn ein Prätorier mit 50 Jahren aussteigt, weil er an der dritten Niederlage ums Konsulat verzweifelt, dann kann er nicht einfach sich mit griechischer Dichtung beschäftigen, falls er das bis dahin noch nie getan hat. Er muß habituelle Dispositionen mitbringen, damit das Umsteigen gelingt. Senatoren, die schlecht griechisch sprechen oder lesen, weil sie im Rhetorikunterricht immer nur das technisch Notwendige gelernt haben, ohne tieferes Interesse an den geistigen Gehalten ihres Deklamationsstoffes, können nicht einfach Trost finden in der griechischen Literatur. Man muß schon in der sekundären Sozialisation in dem Stoff, an Hand dessen man übte, nicht nur ein ästhetisches Vergnügen, sondern lebensrelevante Normen, Ideale und Prinzipien gefunden haben. Dann war es zumindest theoretisch möglich, daß sich dem Interessierten eine geistige Welt auftat, in die er eines Tages – wenn alles schief ging – eintreten konnte, obschon noch niemand in der Generation von Marius und Rutilius Rufus daran gedacht hatte, einen solchen Schritt jemals zu tun. Rutilius hatte hier zweifelsohne einen Vorteil, weil er als homo novus just nicht die Selbststilisierung des Marius gewählt und Bildungsferne zum Markenzeichen erhoben hatte. Von hier aus läßt sich die kulturelle Innovation verstehen, die einsetzte, als die römische Aristokratie sich kulturell ‚hellenisierte‘. Wir brauchen nur die Frage zu stellen, was innerhalb der römischen Aristokratie passieren mußte, sobald Gescheiterte diesem exemplum folgten – jedoch in Italien blieben? Wir haben wohl zu wenig Quellen, um darauf zu antworten. Aber eine hypothetische Antwort läßt sich konstruieren: In der ersten Phase müßte eine solche Imitation als transgressiv empfunden worden sein. Doch sobald mehr Gescheiterte diesem Lebensmodell folgten, mußte aus der Devianz eine Alternative werden. Und vergessen wir nicht: Es gab nicht bloß die Gescheiterten; es gab immer und jederzeit eine Quote von jungen Aristokraten im ritterlichen Status, die sich davor fürchteten zu scheitern. Denn die scharfe Konkurrenz um Ämter produzierte nicht allein jahraus, jahrein eine Quote von Verlierern und definitiven Verlierern, sondern auch Aristokraten, die von Furcht gequält wurden, denen das Scheitern bevorstand und die keine Alternative hatten. Diese ‚Vorab-Resignierten‘ hatten die Chance, sich auf ein Lebensmodell umzustellen, das ihnen ein sinngefülltes Leben anbot, freilich außerhalb der römischen Politik. Wir fassen in Ciceros Briefen solche römischen Ritter, die entweder auf eine senatorische Karriere verzichteten oder sich aus den politischen Laufbahnen ganz und gar zurückzogen.42 Sie wählten eine kontemplative Lebensführung mit ästhetisierender Tendenz. Je mehr sie sich mit der Ästhetisierung des Konsums begnügten – wie etwa Lucullus das tat –, desto leichter konnten andere diesen Stil imitieren und seine besondere Disktinktion entwerten. Raffinessen des Konsums erfordern nur minimales habituelles Training – daher sind snobistische Klassen allem Spezialistentum abhold; sie ziehen einen ‚Geschmack‘ vor, der Inkommensurabilität behauptet, obschon er mit wenig Aufwand erlernbar ist. Die Ostentation von literarischem und philosophischem ‚Geschmack‘ ist zwar finanziell für große Kreise erschwinglich, also materiell 42
Stein-Hölkeskamp 2003, 317–321. S. auch ihren Beitrag in diesem Band.
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nicht exklusiv, doch dafür verlangt sie nach einem viel höheren habituellen und intellektuellen Training und wirkt als der härtere Exklusionsmechanismus. Sobald eine solche Lebensführung ‚interessant‘ wird – aber noch nicht ganz ‚salonfähig‘ –, bleibt es nicht aus, daß einige Senatoren, obschon sie erfolgreich sind, aus der ästhetisierten Lebensführung Elemente übernehmen und sie in ihr senatorisches Leben integrieren. Caesar machte das mühelos. Solches Verhalten streift die Provokation und ist deswegen ‚schick‘; also zweifelsohne ein Medium zum Gewinn von Distinktion. Eine Generation später verschwindet üblicherweise jeder Geruch von Provokation. Die ästhetisierte Lebensführung wird eine legitime Form des sozialen Umgangs. Und dann kann – je nach den Umständen – das zunächst Legitimierte allmählich mit dem Anspruch des Normativen auftreten. Das geschah in der Kaiserzeit. 8. Zum Erfahrungsgewinn von Verlierern. Kosellecks These auf dem Prüfstand Koselleck hat 1988 die These vorgebracht, daß die Besiegten in der Geschichte dazu prädestiniert seien, sich mit der Geschichte zu beschäftigen. Denn erstens müßten sie ihre Enttäuschung verarbeiten und seien deswegen existentiell herausgefordert, über den Verlauf der Geschehnisse intensiver nachzudenken als die Sieger, zweitens suchten sie nach Gründen für die Niederlage und tendierten dazu, Methoden des Erkennens zu entwickeln: „Die Frage nach den Besiegten versuchte eine anthropologische Dauerbestimmung zu geben. Im Besiegtsein liegt offenbar ein unausgeschöpftes Potential des Erkenntnisgewinns. Der geschichtliche Wandel zehrt von den Besiegten. Sofern sie überleben, haben sie jene nicht austauschbare Urerfahrung aller Geschichten gemacht, daß sie anders zu verlaufen pflegen, als von den Betroffenen intendiert. Diese je einmalige Erfahrung ist nicht wählbar und bleibt unwiederholbar. Aber sie läßt sich verarbeiten, durch die Suche nach Gründen, die mittel- oder längerfristig währen, also wiederholbar sind. Das aber zeichnet die Methoden aus. Sie sind ablösbar vom einmaligen Anlaß, wieder applikabel. Die einmal von den Besiegten – und welche Sieger gehören auf die Dauer nicht dazu? – methodisch in Erkenntnis überführte Erfahrung bleibt abrufbar über allen Erfahrungswandel hinweg.“43 Stellt man diesen Theorieansatz auf den Prüfstand, dann eilen die Einwände herbei. Zwei scheinen mir schlagend: Erstens: Koselleck ignoriert die Sinnsysteme. Das ist deswegen erstaunlich, weil er immer wieder auf das Gewicht der Semantik hingewiesen hat, entgegen den Dogmen der Bielefelder Sozialgeschichte. Nun gibt es semantische Systeme, die eine tiefere Ergründung von sachlichen – d. h. immanenten – Kausalitäten gar nicht zulassen. Ein Beispiel bieten die im ‚Alten Testament‘ faßbaren Muster, mit denen die israelitischen Intellektuellen schwere Rückschläge und Katastrophen zu bewältigen suchten. Diese Muster operierten mit dem Zusammenhang von Bundestreue des Volkes und kollektivem Segen Gottes, wobei der Bund zur Kehrseite hat, daß Gott die Untreue des Volkes bestraft. Kollektives Unheil 43
Koselleck 1988, 77.
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erscheint als Resultat eines Tun-Ergehens-Konnexes. Es kann nicht anders gedacht werden denn als strafendes Handeln eines Gottes, der zugleich Herr der Geschichte ist.44 Da dieser Gott sich immer treu an den Bund hält, nötigt jedes signifikante Unheil dazu, nach der verursachenden Schuld des Volkes zu suchen, sie zu bestimmen und sie öffentlich zu benennen. Dieser Zusammenhang von Tun und Ergehen übergeht die ‚technischen‘, also immanenten, Umstände – die militärischen, ökonomischen und demographischen Ressourcen spielen in ihm keine Rolle. Damit wird ein kolossaler Ausschnitt politisch erfahrbarer Realität schlankweg ausgeblendet. Gemeinschaften, die das kollektive Unglück begreifen als göttliche Strafe für einen sündigen sozialen Zustand oder für zurückliegende Sünden, fassen sich streng genommen nicht als Besiegte auf, sondern als Bestrafte. Zwar beziehen sie das kollektive Unheil auf ihr Handeln. Aber die Strafe stellt sich ihnen dar als ein Geschehnis, das mit dem momentanen Handeln in der Regel nichts zu tun hat, sondern mit zurückliegenden Ereignissen. Verlieren und Unterliegen ist in Reinform nur denkbar innerhalb eines technisch-immanenten Tun-Ergehen-Zusammenhangs. Das Konzept der göttlichen Strafe hingegen reduziert den Tun-Ergehen-Zusammenhang auf eine richterliche Dimension, und sie schließt damit just diejenigen Faktoren aus dem problematisierten Vorgang aus, die zu gewahren und zu begreifen eben geboten ist, falls sich die Erfahrung mit mehr Realität sättigen soll. Die Unheilserfahrung an sich mündet folglich keineswegs in ein aufmerksameres Erkennen von widrigen Faktoren in der Geschichte. Im Gegenteil: im Horizont der israelitischen Geschichtstheologie ist die Suche nach den Gründen für das kollektive Unheil bereits so gebahnt, daß keine neue Erkenntnis gemacht werden kann. Vielmehr immunisiert eine solche Kodierung der historischen Geschehnisse gegen die Wahrnehmung genuin immanenter Faktoren des historischen Prozesses. Sie führt nicht zu einem verschärften ‚Methodenbewußtsein‘, sondern zu einem apriorischen Verzicht darauf. Wie Hubert Cancik dargelegt hat, folgt die jüdische Historiographie Maximen, die der griechischen diametral entgegengesetzt sind.45 Gegen Koselleck ist festzuhalten: Es ist die Struktur der Sinnsysteme, die darüber entscheidet, wie das Scheitern bewältigt wird. Die Ethnographie kennt sogar Kulturen, die schwere Kollapse nicht einmal religiös verarbeiten können. Sie fallen in Anomie, was heißt, daß für sie aller Sinn sich auflöst.46 In der Regel endet dann auch der soziale Zusammenhalt solcher Kulturen; die Menschen gehen auseinander und schließen sich anderen Verbänden an. Zweitens: nicht das Besiegtsein fördert die Erkenntnis, sondern die geistige Distanz, also eine ins Kontemplative gehende Intellektualisierung der eigenen Rolle und der Besinnung.47 Daß Koselleck erwägt, sogar Max Weber als ‚Besiegten‘ anzusprechen, enthüllt den Mangel seiner These: Er verwechselt kontemplative Zurückgezogenheit mit ‚Besiegtsein‘.48 In der historischen Realität vollziehen die weitmeisten 44 45 46 47 48
Das Konzept stammt von Koch (1955). Canzik 1986, 41–52. Harnischfeger 2014, 411–413. Flaig 2011. Koselleck 1988, 76.
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Verlierer keine Rochade zu einer kontemplativen Reflexion, vielmehr verschließen sie sich und ihren Geist in Trotz und Bitternis. Verbitterte Menschen sind fast immer außerstande, zu Einsichten und zu Erkenntnissen zu gelangen. Nur wer einen ausreichenden Abstand zu den Geschehnissen gewonnen hat, ist befähigt, die eigene Situation in mehreren Hinsichten zu übersinnen und, mehrere Faktoren abwägend, über die unheilvollen Geschehnisse zu meditieren. Die Chancen sind sogar noch weiter einzuschränken: Einen ‚intellektuellen‘ Standpunkt vermögen nur diejenigen Besiegten zu beziehen, die zwischen unterschiedlichen Modi des Sich-Distanzierens wählen können. Der kantische ‚sensus communis‘, jene Fähigkeit, vorurteilslos unterschiedliche Standpunkte einzunehmen, sowohl in Diskussionen als auch in der einsamen Reflexion, entwickelt sich dort, wo die Akteure in der Lage sind, ‚aus dem Spiel auszusteigen‘. Und dazu muß man nicht aus dem Spiel herausgeworfen werden; es genügt, daß Individuen gelernt haben, fast ‚unbeteiligt‘ zuzusehen.49 Entscheidend ist somit, daß Besiegte/Verlierer eine habituelle Disposition mitbringen – eine Disposition zum bios theoretikos, zur vita contemplativa. Allerdings liefert das Besiegtsein nur dann einen Anreiz, über das Verhältnis von Schicksal und Scheitern nachzudenken, wenn die Verlierer oder Gescheiterten sich in einer biographischen Phase befinden, die es gestattet, sich auf eine stark intellektuelle Tätigkeit habituell umzustellen, zumindest für eine geraume Weile. Und ein solches Umstellen beruht auf mentalen Voraussetzungen, nicht zuletzt auf erworbener Bildung, die den Betreffenden instand setzt, Informationen und Erfahrungen in literarische Formen zu bringen, entlang von Deutungsschemata, die so flexibel sind, daß die eigene Urteilskraft nicht allzusehr eingeengt oder destruiert wird. 9. Ausblick: Das Ausweichen in die Erlösungsreligionen Der Widerspruch zwischen der politisierten Lebensführung und einer ästhetisierten Geselligkeit mit kontemplativen Einsprengseln blieb in der Kaiserzeit bestehen; er wurde von Seneca minor oder Plinius minor als schmerzlicher ‚empfunden‘. Elke Stein-Hölkeskamp hat an Senatoren der trajanischen und hadrianischen Zeit aufzeigen können, wie diese die beiden Aktivitäten auf unterschiedliche biographische Phasen aufteilen, gemäß der Empfehlung von Plinius: „Denn die erste und die mittlere Zeit unseres Lebens müssen wir dem Vaterland, die letzte uns selber widmen.“50 Wenn es zum senatorischen Lebensstil gehörte, in der dritten Lebensphase sich vornehmlich der Literatur und Bildung zu widmen, und wenn solche extrapolitischen Aktivitäten sich mit ihren Prominenzrollen vertrugen, dann war eine ästhetisierte Lebensführung legitim, anerkannt und sogar erwünschtes Element des senatorischen Lebens geworden. Eben das wäre im 2. Jahrhundert v. Chr. undenkbar und im ersten Jahrhundert bis etwa zur Zeit des ersten Triumvirats untunlich gewesen. Die 49 50
Hierzu: Burckhardt 1868, 225–253; Arendt 2012, 82–111; Flaig 2017, 39–45. Plin. ep. 4,23,3 f. Hierzu: Stein-Hölkeskamp 2011.
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aristokratische Kultur hatte sich einschneidend gewandelt. Und der entscheidende Faktor in der Wandlungsdynamik, so scheint es mir, waren bestimmte Verlierer und Gescheiterte der späten Republik. Paßt dieser Schlüssel auch in andere Schlösser? Ohne Zweifel ist es für die Geschichtswissenschaft eines der schwierigsten Themen, religiöse Revolutionen zu erklären. Zwar stehen ihr zur Zeit sehr viel mehr religionssoziologische Konzepte und aus der religiösen Komparatistik gewonnene Problemstellungen zur Verfügung als vor einem halben Jahrhundert. Einige der Momente, die zum Triumph der Erlösungsreligionen im Imperium Romanum führten, sind durch neue Explikationsmodelle deutlicher zu fassen als bisher. Ist die Sinnsuche von Verlierern nicht ein solches erwägenswertes Moment? Zur Hypothese ließe sich diese Frage so umformen: Wenn eine signifikante Teilmenge solcher Gescheiterter dem existentiellen Drang unterlag, sich selber als Menschen neu zu bestimmen, dann mußten die Betreffenden aus ihrem bisher gültigen Sinnsystem ausbrechen. Das gelang desto leichter, als das Weltreich eine Überfülle an Lebensstilen zur Imitation anbot, von denen einige auf eine gewisse Anerkennung seitens der Reichsaristokratie stießen, andere keinesfalls.51 Wichtig für die Aussteiger war nun, daß das neue Sinnsystem tatsächlich weit entfernt war vom ehemaligen. Andernfalls wäre die Erfahrung der Differenz, des Abstandnehmens und sich Entfernens kaum spürbar gewesen. Just diese Distanzierung zwang in der Kaiserzeit zu neuen Wegen, weil sich eine erhebliche kulturelle Verschiebung vollzogen hatte: In der Zeit zwischen Augustus und Plinius waren immer mehr Senatoren dazu übergegangen, selber Poeme zu verfassen und sie beim convivium vortragen zu lassen; einige schrieben sogar griechische Tragödien, andere scheuten sich nicht davor, gar Philosophie zu treiben. Griechische intellektuelle Kultur war im Hobbymodus zu einer Ausdrucksform im Leben römischer Senatoren geworden. Wäre Rutilius Rufus nicht im Jahre 92 v. Chr. verbannt worden, sondern im Jahre 92 n. Chr., dann hätte er nicht mehr aus der Rolle eines römischen Senators aussteigen können, indem er sich griechischer Historiographie und Philosophie zuwandte, denn damit beschäftigten sich seine Standesgenossen in der domitianischen Ära routinemäßig. Sich von ihnen wegbewegen bedeutete, sich auf keinen Fall abzugeben mit ihren kulturellen Aktivitäten. Der Aussteiger mußte in seiner Sinnsuche sich von allem, was griechische Bildung hieß, brüsk abwenden, weil diese ihn innerhalb eines gemeinsamen semantischen Horizontes festgehalten hätte. Einzig die kynische Philosophie bot die Möglichkeit des radikalen Ausstiegs. Daß es die Aussteiger nicht zu den Wissenschaften – Mathematik, Astronomie – hinzog, dürfte begründet sein in einer übermäßig auf Rhetorik ausgerichteten Bildung. Sehr viel einfacher war es, sich einer Erlösungsreligion anzuschließen. Und solche Erlösungsreligionen mußten desto mehr faszinieren, je fremder sie wirkten. Waren diese Religionen obendrein monotheistisch und exklusiv, dann boten sie dem Aussteiger ein prinzipiell anderes Sinnsystem, innerhalb
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Siehe: Scheid 1998, 154–156.
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dessen er sein Menschsein fundamental anders definieren konnte als in seinem früheren Leben.
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Lucullus und die politische Kultur der römischen Republik Konkurrenz und Distinktion zwischen Feldherren, Feinschmeckern und Fischteichbesitzern
christoph lundgreen
Ob Lucius Licinius Lucullus mit seiner Präsenz in einem Band zu Verlierern und ‚Also-Rans‘, zu Aus- und Umsteigern zufrieden wäre, darf bezweifelt werden. Einer glänzenden Karriere unter Sulla, vor allem gekennzeichnet durch Eintreibung von Geldern in Asien bei gleichzeitigem Verzicht auf Ausbeutung der lokalen Bevölkerung, folgen (zusammen mit seinem Bruder und in Abwesenheit gewählt) die Aedilität im Jahre 79 v. Chr. und direkt im Anschluß mit besonderer Erlaubnis die Prätur 78. Bis 75 ist Lucullus Proprätor in Afrika, 74 erreicht er den maximus honos, das Konsulat – und bekommt, wie von ihm geplant und auf Grund extra geänderter Provinzvergabe, danach als Prokonsul Asia (sowie vielleicht Kilikien) und damit die Ausgangsbasis für den großen Krieg gegen Mithridates. Diesen besiegt er mehrfach glänzend, ebenso dessen Schwiegersohn und König Armeniens, Tigranes. Am Ende stehen zwar nicht der völlige militärische Erfolg oder die Neuordnung Kleinasiens, aber ein Triumphzug, nach Polybios eine der höchsten Ehren überhaupt in der römischen Republik. Erwähnt werden müssen weiter Lucullus’ Aufnahme unter die Auguren und genug Reichtum für ein Leben in den sprichwörtlich gewordenen ‚lukullischen Genüssen‘. Stellt man diesen auch epigraphisch festgehaltenen Lebenslauf neben die gemeinhin alle Ideale des Adels verkörpernden Scipioneninschriften oder auch andere, spätere Karrierewege römischer Aristokraten, wird klar, daß „Verlierer“ im Zusammenhang mit Lucullus ein merkwürdiges Konzept ist.1 1
Die Literatur zu Lucullus ist überraschend überschaubar. Da Antonelli 1989 eher populärwissenschaftlich gehalten ist, bleiben an Biographien Villoresi 1939, Ooteghem 1959 und Keaveney 1992 zu nennen. Hinzu kommen für die Zeit des Lucullus bis zu seinem Konsulat Schütz 1994 und als Kommentar zur Plutarchvita Tröster 2008. Grundlegend, wie so häufig, ist weiterhin der RE-Eintrag von Gelzer 1926, dessen Deutungen hier gleichwohl häufig revidiert werden. Wills Artikel im Neuen Pauly (Will 1999) übernimmt einige dieser von mir in Frage gestellten negativen Werturteile, ist aber insgesamt ausgewogen und auch ausführlicher als der Eintrag in der 2. Auflage des Oxford Classical Dictionary von Badian (Badian 1970). In die dritte Auflage des OCD hat es Lucullus dann gar nicht mehr geschafft, ebensowenig wie in Überblickswerke zu „Großen Römern“ wie etwa von Hölkeskamp/Stein-Hölkeskamp 2000, was zumindest ein Indikator sein könnte, Lucullus nicht zu den
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Aber was ist eigentlich ein Verlierer? Bei der Suche nach einer Definition wird schnell ersichtlich, daß der Begriff zwischen vermeintlich objektiven Kriterien und negativen Konnotationen schwankt. Plakativ gesagt: Nicht jeden, der etwas verliert, würde man landläufig als Verlierer bezeichnen; und ‚jemand hat etwas verloren‘ meint etwas völlig anderes als ‚jemand ist ein Verlierer‘. Diese allgemeine Feststellung führt selbst beim scheinbar einfachen Bereich der Wahlen, welcher nicht überraschend meist im Mittelpunkt steht, direkt hinein in ein semantisches Problem unseres Titels: Während „Also-Rans“ eher das Nicht-Gewonnenhaben in den Vordergrund rückt, betont „Loser“ stärker die Komponente des Verlorenhabens und geht sogar in Richtung des ‚Verlierer-Seins‘.2 Solche Konnotationen hängen weiter davon ab, ob es eine klare Unterscheidung von verwandten, aber differenten Konzepten gibt. Nach Marian Nebelin ist „ein Verlierer jemand, der gescheitert ist und einen Verlust erlitten hat“, wohingegen Egon Flaig das (endgültige) Scheitern gerade vom (temporären) Verlieren abgrenzen will, ähnlich Rene Pfeilschifter, der dem ‚bloßen Verlieren‘ das ‚grundsätzliche Scheitern‘ und dem Verlierer damit den Versager gegenüberstellt.3 Deutlich wird in jedem Fall, daß es sich – ganz abgesehen von persönlichen Zielen eines Individuums einerseits und dem tatsächlichen Handlungsspielraum andererseits – um eine Zuschreibungskategorie handelt, was die Frage nach den inhärenten (und meist impliziten) Bewertungsmaßstäben bzw. Erwartungshaltungen aufwirft.4 Weiter muß gerade dann zwischen dem Urteil der Zeitgenossen, der Nachwelt und schließlich der Historiographie unterschieden werden. Beide Aspekte sind aufgenommen in drei, auf Walter Benjamin zurückgehenden, jüngst von Marian Nebelin erneut ausdifferenzierten Dimensionen: In der ‚Vorgeschichte‘ geht es demnach um den Zeitkontext, die Rahmenbedingungen und Möglichkeitsräume. Erst vor diesem Hintergrund kann dann für die ‚Eigenzeit‘ mit persönlichen, aber offen dargelegten Bewertungskriterien operiert werden. Schließlich ist davon das ‚Nachleben‘ zu trennen bzw. auf Grund der Ergebnisse der ersten beiden Dimensionen kritisch zu hinterfragen.5
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„Großen“ zu zählen, wie auch immer sich diese Kategorie zu der Frage von Verlierern und Aussteigern verhält. – Zu Lucullus’ ‚epigraphischem CV‘ siehe ILS 60; für die Scipioneninschriften als Adelsideal vgl. u.a. Etcheto 2012, 63–84; für den Triumph als eine der höchsten Ehren s. Polyb. 6,53,7 f. Die Wahlen zum Ädil in absentia sowie direkt danach zum Prätor werden von Kunkel/Wittmann 1995, 51 als ‚Ausnahmen von Wahlvorschriften‘ geführt, was zumindest Lucullus’ hohe Stellung unter Sulla bezeugt. Zwar gibt es mit „a born loser“ einen weiteren Ausdruck für den „geborenen Verlierer“, doch kann man schon „loser“ allein auch mit Pechvogel übersetzen, was zwar niedlich klingt, aber in Richtung des ständigen Verlierers weist. Pfeilschifter i. D. vermutet aus meiner Sicht zutreffend, daß das englische ‚loser‘ mittlerweile die Konnotation des Verlierers auch im Deutschen verändert hat. Nebelin 2008b, 139; Flaig hier im Band; Pfeilschifter i. D.; Graul/Nebelin 2008, 89–96 diskutieren weiter „Besiegte“ (die bei Flaig wohl „Gescheiterte“ wären), „Opfer“ und „Vergessene“. Es bleibt nach ihnen sogar offen, ob „Verlierer“ immer „Gewinner“ als Gegenbegriff haben muß, und wenn ja, ob es sich dabei um einen „asymmetrischen Gegenbegriff“ i. S. von Koselleck handelt (94 f.). Vgl. hier bes. Graul/Nebelin 2008; kondensiert in Nebelin 2008b, 138–140; zu Sachzwängen und Handlungsspielräumen (am Beispiel Caesars) s. weiter Jehne 2009, 7–33. Zentral sind Benjamins Forderungen an den Historiker, die Überlieferung in jeder Epoche „von
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Zu übertragen sind diese methodischen Imperative auf die Kategorien Aus- und Umsteiger, bei denen es sich ebenfalls um Zuschreibungen handelt, die also auch mit Wertmaßstäben und vorgestellten Handlungsmöglichkeiten operieren. Und ist ihre Semantik weniger aufgeladen, führt sie doch noch einen entscheidenden weiteren Aspekt in die Untersuchung ein, den des Raumes. Ein Ausstieg aus etwas setzt gedanklich einen Raum neben einer als ‚normal‘ gedachten Laufbahn voraus, noch deutlicher vielleicht bei einem Umstieg von einem Feld in ein anderes. Wichtig ist das vor allem deswegen, da es die Feldmetapher erlaubt, über Pierre Bourdieu und dessen Ausführungen zum „Feld“ als autonomem Mikrokosmos mit eigenen Regeln innerhalb des sozialen Makrokosmos den Bogen zur politischen Kultur der römischen Republik zu schlagen – und zwar sowohl bezüglich des zu behandelnden Gegenstands als auch konzeptionell im Sinne des Forschungsparadigmas. Dies bezieht sich auf den ‚als kommunikativen Prozeß zu konzeptionalisierenden kommunikativen Raum im weitesten Sinne‘, wenngleich weniger auf die damit verbundenen Formen der Partizipation, sondern vielmehr auf die Phänomene der ‚Vergesellschaftung unter Anwesenden‘ und ‚Einbettung allen Handelns in eine ebenso erfahrbare wie institutionalisierte Öffentlichkeit‘, in welcher die Aristokraten im Handlungsmodus der Konkurrenz miteinander agierten, und zwar sowohl allgemein und strukturell als auch konkret und in spezifischen Prominenzrollen;6 als Senator und Magistrat, als Feldherr und Triumphator, dazu als Priester oder Rechtskundiger, Patron oder Redner.7 Solcherart vielfältig waren die Felder, in denen man reüssieren konnte, in denen Prestige zu gewinnen, aber auch Ansehen zu verlieren war, kurz, in denen um das symbolische Kapital gerungen wurde. Kaum jemand konnte dabei in allen Bereichen gleichermaßen glänzen; ein völliges Versagen in einem Feld ist dennoch kaum vorstellbar für einen „integralen Aristokraten“, der nie ein Karrierespezialist war.8 Es mag trotzdem eine Entlastung dargestellt haben, daß man durch die verschiedenen Rollen gleichsam in verschiedenen Konkurrenzräumen miteinander konkurrierte.9 Ob Raum oder Feld, die Meta-
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neuem dem Konformismus abzugewinnen“ und „die Geschichte gegen den Strich zu bürsten“ (Benjamin 1974, 695 und 697). Die drei im Text genannten Dimensionen folgen der konzisen Fassung von Graul/Nebelin 2008b 75–82, s. darüber hinaus Nebelin 2008c und Nebelin 2007; sie beziehen sich u. a. auf die kurze Passage bei Benjamin 1982, 578, in der es heisst: „Die Vor- und Nachgeschichte eines historischen Tatbestandes erscheinen kraft seiner dialektischen Darstellung an ihm selbst. Mehr: jeder dialektisch dargestellte historische Sachverhalt polarisiert sich und wird zu einem Kraftfeld, in dem die Auseinandersetzung zwischen seiner Vorgeschichte und Nachgeschichte sich abspielt.“ Dieser Absatz folgt im Wesentlichen der Einleitung von Hölkeskamp zu diesem Band. Siehe darüber hinaus zur politischen Kultur nur Hölkeskamp 2017a, zur Rolle von Konkurrenz als sozialem Handlungsmodus ders. 2006 und 2014 (in beiden m. w. V. auf Bourdieu) sowie weiter Künzer 2016. Für die eigenen Regeln des Feldes als Mikrokosmos vgl. Bourdieu 2001, 41 f. Vgl. Beck 2008 und 2009a. Man kann die genannten Rollen als „im Wesentlichen identisch mit dem [Bereich] des Politischen und der Politik“ ansehen; klar ist dann aber, daß diese Definition viel weiter ist als eine herkömmliche oder heutige bzw. daß dann innerhalb dieses (weiten) „Politischen“ noch einmal die Politik im engeren Sinn vorkommt, so etwa bei Nebelin 2014, 147. Vgl. Walter 2011. So Nebelin 2014, 143.
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phern führen zu jeweils dazugehörigen Konkurrenzpraktiken bzw. unterschiedlichen Konkurrenzordnungen und dem strukturell dialektischen Spannungsverhältnis von Konkurrenz und Konsens über die Regeln derselben; einerseits darf, so Hölkeskamp „im konkreten Austrag […] der Konkurrenz der Konsens über die Regeln der Konkurrenz selbst grundsätzlich nicht zur Disposition stehen“, anderseits ist gerade der ‚Handlungsmodus Konkurrenz‘ für Regeldehnung und Normbrüche prädestiniert.10 In jedem Fall sind es diese Konkurrenzräume mit den aufgezeigten Spannungen, innerhalb derer nach Handlungsmöglichkeiten gefragt werden muß,11 im Sinne einer „Vorgeschichte“, bevor auf der Ebene von „Eigenzeit“ und „Nachleben“ konkrete Handlungen oder Nichthandlungen bewertet bzw. spätere Bewertungen hinterfragt werden können. Gerade für Lucullus wird solchermaßen ein ganz erheblicher Unterschied zwischen seiner Eigenzeit und seinem Nachleben auszumachen sein – allerdings in der Tat erst, nachdem Quellen wie spätere Urteile dekonstruiert wurden. Denn den eingangs geschilderten Lebenslauf Lucullus’ kann man auch ganz anders erzählen. Schwerpunkte sind dann sein gespanntes Verhältnis zu Soldaten, die aus ihrer Sicht zu wenig Beute bekamen und zu viele Strapazen litten, unzufriedene publicani, deren ‚Wirtschaftsmodell‘ durch seinen Schuldenabbau in Asien beeinträchtigt wurde, Intrigen von Neidern gegen ihn in Rom, Verlust seines Kommandos mit der mittelbaren Ablösung durch Pompeius, dessen Verweigerung der Übernahme seiner Regelungen für den Osten sowie vermutlich wenig erbauliche drei Jahre des Wartens außerhalb des pomerium bis zur Genehmigung seines Triumphzuges, bei dem überdies viele Gelder und Soldaten fehlten bzw. bei Pompeius im Osten geblieben waren. An dieser zweiten Lesart haben die meisten Darstellungen der modernen Literatur ihren Ausgangspunkt genommen, vor allem als Begründung für oder in Kombination mit einem anschließend angeblich erfolgten Rückzug des Lucullus ins ‚Private‘, in die Welt der Gärten und Genüsse, der Philosophie und Fischteiche. 10
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Das Spannungsverhältnis von Konkurrenz und Konsens ist Teil aller Definitionen, die Konkurrenz von Kampf oder Konflikt abgrenzen, klassisch etwa bei Simmel 1992 oder Geiger 2012; siehe für einen Überblick Jessen 2014, sowie weiter Nebelin 2014, 142, 166 und Hölkeskamp 2006 (Zitat 383), 2014. Für Regeldehnungen und Veränderungen durch Devianz in der römischen Republik s. Lundgreen 2011. Nebelin 2014, 149 definiert den „Möglichkeitsraum der Konkurrenz“ als „Bereich aller legitimen Konkurrenzpraktiken“ und will damit eine Engführung erreichen, sei doch „weder der Bereich alles Denk- noch der alles Machbaren“ gemeint. Diese Definition ist nicht unproblematisch. Zum einen scheidet das Nicht-Denkbare (anders als beispielsweise das Nicht-Sagbare) als Handlungsoption sowieso aus. Zum anderen bedeutet die Formulierung der „legitimen Konkurrenzpraktiken“ nur eine Wiederholung dessen, daß Konkurrenz immer auf dem Konsens bezüglich der Konkurrenzordnung beruht (so auch bei Nebelin), die allerdings selber durchaus strittig werden kann bzw. einem Wandel unterworfen ist, der u. a. von „Regeldehnungen“ und nicht geahndeten Devianzen gesteuert bzw. angetrieben wird, deren zu Grunde liegende Handlungen aber eben im Möglichkeitsraum der Konkurrenzen stattfinden. Dies liegt auch den weiteren Ausführungen von Nebelin (150–152) zu Grunde, der Dissens bezieht sich also nur auf die Metapher des Möglichkeitsraums. In der Sache gilt es damit, neben einem ‚Wandel durch Devianz‘, die Eigendynamik des Feldes sowie die Wünsche der Protagonisten zu beachten.
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Zutreffend ist diese zweite Lesart – um das Ergebnis vorwegzunehmen – nicht. Sie gibt seinem Status als Konsular und Triumphator zu wenig Gewicht und folgt einigen ungünstigen, aber kaum begründeten Notizen über Lucullus in den Quellen: Politisch motivierte Anekdoten aus dem Umkreis des Pompeius, kontextabhängige Äußerungen Ciceros und Mißverständnisse bzw. literarische Zuspitzungen bei Plutarch treffen in der Forschung auf eine merkwürdige Vorliebe für ‚starke Männer‘ wie Pompeius oder Caesar, denen gegenüber Lucullus ohne genügend Ehrgeiz, etwas verweichlicht und damit eben als Verlierer oder zumindest Aussteiger erscheint. Diese konventionelle Lesart ist historiographisch interessant und für das Nachleben Lucullus’ schon in der frühen Kaiserzeit auch nicht falsch. Für dessen eigene Zeit kann aber gerade anhand einiger berühmter Anekdoten, die vermeintlich den Rückzug in die Welt des Luxus schildern, gezeigt werden, welch hohe Distinktion Lucullus in gleich mehreren Feldern des aristokratisch-republikanischen Wettbewerbs erreichte. Es wird damit klar zu unterscheiden sein, was schon Zeitgenossen wie Cicero überliefern, was erst bei Autoren des Prinzipats wie Velleius Paterculus und noch späteren wie Plutarch auftaucht, und schließlich, wie dies in der Forschung seit Mommsen und Gelzer wahrgenommen wurde. Meine Ausführungen konzentrieren sich dabei im Wesentlichen auf zwei Aspekte, erstens auf Lucullus’ Zeit im Osten mit der Frage nach dem Verlust seines Kommandos (1) und zweitens auf die antiken wie modernen Vorstellungen eines sich anschließenden Rückzugs aus der Politik in die Welt des Luxus (2). Da in den beiden Punkten die Fragen nach Lucullus als Verlierer respektive Aussteiger jeweils verneint werden, schließt sich drittens noch die Lesart als Umsteiger an, allerdings im Sinne eines Wegbereiters (3), bevor abschließend ausgeführt wird, wie Lucullus dann trotz allem in der Überlieferung doch zum Verlierer werden konnte (4). 1. Der Verlust des Kommandos – der Feldherr als Verlierer? Nähert man sich Lucullus als Feldherrn an, so ist das Bild der Quellen zunächst überwiegend positiv. Er wird als στρατηγικώτατος bezeichnet und für ein breites Repertoire militärischer Taktiken gelobt, als jemand, der Unterzahl mit überlegener Taktik wettmacht, Mithridates zermürbt, Tigranes mit Schnelligkeit besiegt,12 der das strategisch wichtige Kyzikos durch Abschneiden der überlegenen Armee von ihrer Versorgung befreit und befestigte Städte, darunter Nisibis, belagert und einnimmt.13 Persönlich geht Lucullus, wenn nötig, wie gegen Tigranes, mutig voran oder hält 12 13
Für das Zitat: Cass. Dio 36,16,1; vgl. weiter Plut. Luc. 28, übernommen von Sherwin-White 1994, 241. Für die Schlacht gegen Tigranes vgl. ausführlich Eckhardt 1910a. Für Kyzikos i. J. 74 vgl. Cic. leg. Manil. 20; Vell. Pat. 2,33,1; App. Mithr. 72–76; Plut. Luc. 8–12; für Nisibis i. J. 68 vgl. Cass. Dio 36,6–7. Für die Strategie von Lucullus, anders als Sulla große Schlachten und eine direkte Konfrontation zu vermeiden, s. weiter Sherwin-White 1984, 169 und 1994, 236; dieses Vorgehen verzichtete im Sinne einer langfristigen Kampagne auf schnelle Erfolge, wie sie die wechselnden Kommanden römischer Feldherren eigentlich brauchten, es auch den Soldaten lieber war (so
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fliehende Soldaten erfolgreich auf und wendet damit den Ausgang einer Schlacht.14 Seine Leistung wird besonders deutlich, wenn man sie mit der seiner Unterfeldherren vergleicht: Dem von Tigranes eingeschlossenen L. Fannius muß er zu Hilfe kommen, andere, wie Marcus Fabius, werden von Mithridates fast, sein Legat Triarius sogar tatsächlich (und vernichtend) geschlagen; auch an die Niederlagen von L. Murena im sog. zweiten Mithridatischen Krieg ist zu denken oder an Lucullus’ Kollegen M. Aurelius Cotta, den er dann rettet anstatt weiter vorzurücken.15 Hinzu kommt, daß Lucullus den Krieg ohne (bewilligte) Gelder aus Rom führt, vielmehr die Kosten über Zuwendungen der Bundesgenossen bestreiten läßt bzw. aus den Eroberungen deckt, dabei die Zivilbevölkerung aber weitestgehend schont, was zur Etablierung der römischen Herrschaft in Kleinasien nicht unwichtig gewesen sein dürfte.16 Nicht beliebt ist, da sind sich alle Quellen einig, Lucullus dagegen bei seinen Soldaten. Verschiedene Vorwürfe stehen hier im Raum, der Hauptpunkt soll der zu geringe Anteil bei der Beute gewesen sein. Dies ist nicht leicht zu verifizieren, zumal es durchaus auch Berichte von Plünderungen gibt, wie bei Amissos, allerdings wohl gegen den Willen des Feldherrn, der lieber den Brand gelöscht hätte. Anders bei der Eroberung von Tigranocerta, hier bekommen die Soldaten jeder 800 Drachmen ausbezahlt und dürfen plündern; gleichwohl, so berichtet Plutarch, waren die Schatzhäuser davon ausgenommen.17 Rekonstruieren lassen sich damit sowohl die Zurückhaltung des Philhellenen, Städte plündern zu lassen, wenn diese von Griechen bewohnt waren, als auch die Reservierung der größeren Schätze für sich selber. Inwieweit ein solches Verhalten aber unüblich war, ist eine andere Frage, ebenso, ob
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Villoresi 1939, 199 f. und Aigner 1974, 30 f.), was in Rom als Verschleppung des Krieges ausgelegt werden konnte, s. dazu weiter unten Anm. 40. Vgl. Plut Luc. 28,3 und App. Mithr. 85 (385 f.) bzw. Plut. Luc. 15,6–7 für das Aufhalten von Fliehenden. Vgl. für L. Fannius Cass. Dio 36,8,2; für M. Fabius Cass. Dio 36,9,2–10,2; für Triarius Cic. leg. Manil. 25 und 45; Plut. 35,2; App. Mithr. 89; Cass. Dio 36,12,3–13,1; für L. Murena App. Mithr. 65, 275 f.; für Cotta Plut. Luc. 8,1–3. Für die Aufwendungen der Bundesgenossen anstelle der vom Senat bewilligten 3000 Talente für die Flotte s. Plut. Luc. 13,4; für die Finanzierung des Krieges durch den Krieg s. Plut. Luc. 29,10: ὥστε καὶ τοὺς στρατιώτας ὠφελεῖσθαι καὶ τὸν Λεύκολλον θαυμάζεσθαι, ὅτι δραχμὴν μίαν ἐκ τοῦ δημοσίου ταμιείου μὴ λαβὼν αὐτὸν ἐξ αὑτοῦ διῴκει τὸν πόλεμον. Für den Schutz der Frauen führender Männer vor Vergewaltigung vgl. Cass. Dio 36,2,4; für den Wiederaufbau des abgebrannten Amissos und die Versorgung der Bevölkerung Plut. Luc. 19,6–8, s. weiter Sherwin-White 1994, 246; für die Ehrung anderer, von Mithridates unterdrückter Völker s. exemplarisch Plut. Luc. 29,6–8. – Schon als Proquästor von Sulla mit der Eintreibung von Geldern beauftragt hat es Lucullus laut Plut. Luc. 4,1 angeblich geschafft, sich nicht nur untadelig und gerecht, sondern auch milde (οὐ μόνον καθαρὸν καὶ δίκαιον, ἀλλὰ καὶ πρᾷον) zu verhalten, und das, obwohl sich die Städte „zu Wucherzinsen“ Geld hatten borgen müssen und „unter schmachvollem Druck der Soldaten den Kreditgebern teils ihre Theater, teils ihre Gymnasien oder Mauern oder Häfen oder was sie sonst an öffentlichen Besitz hatten“ verpfänden mußten, so App. Mithr. 63 (261) [Üb. O. Veh]. Für das brennende Amissos vgl. Plut. Luc. 19,3–5; für die Plünderung von Tigranocerta Plut. Luc. 29,3: καὶ τοὺς μὲν ἐν τῇ πόλει θησαυροὺς παρελάμβανε, τὴν δὲ πόλιν διαρπάσαι παρέδωκε τοῖς στρατιώταις. Interessant ist hierbei der explizite Hinweis von App. Mithr. 85 (388), dem zufolge niemand plünderte, bis Lucullus explizit die Erlaubnis dazu gab, was klar gegen das Bild verlotterter Truppen und mangelnder Autorität des Feldherrn spricht.
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großzügigere Verteilung wirklich dafür gesorgt hätte, daß Mithridates den Soldaten, die sich auf die von ihm gezielt zurückgelassenen Schätze stürzten, dann nicht entkommen wäre.18 Es bleibt das Argument enttäuschter Erwartungshaltungen und dies vielleicht um so mehr, als Lucullus als Feldherr offensichtlich sehr viel forderte, seine Feldzüge große Strapazen mit sich brachten, er solches aber nicht durch ein besonders enges Loyalitätsverhältnis ausgleichen konnte.19 Ob die Beziehung aber deswegen ganz schlecht gewesen ist? Erhellend ist ein Blick auf die Auseinandersetzungen um den Triumph des Eroberers von Korinth, Aemilius Paulus im Jahre 168, dem seine Soldaten ebenfalls strenge Zucht und Knauserigkeit vorwarfen und dessen Triumph fast verweigert worden wäre, hätten sich nicht die Senatoren energisch für eine neue Abstimmung eingesetzt.20 Bei Lucullus’ Triumph hören wir nichts Vergleichbares über die Gruppe der 1600 Soldaten, die mit Lucullus nach Rom hatten zurückkehren dürfen oder sogar müssen.21 Auch der Hinweis, daß diese Gruppe großen Einfluß auf 18
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Die Episode aus der Schlacht von Kabeira i. J. 72 wird überliefert von Cic. leg Manil. 22, App. Mithr. 82 (366 f.), Plut. Luc. 17,6 und könnte sich in der Tat zugetragen haben, skeptisch bleibt Tröster 2008, 108, der zurecht auf den Topos hinweist, für Niederlagen oder militärische Rückschläge eher die Soldaten als die Feldherren verantwortlich zu machen, vgl. dazu allg. Rosenstein 1990, 92–113. – Hier ist nicht der Raum, um auf die komplizierte und umstrittene Frage der Beute und ihrer Verteilung einzugehen; s. zur Debatte vor allem Shatzman 1972, Churchill 1999 sowie Coudry 2009, die von einem Interessendreieck zwischen Soldaten, Feldherr und Allgemeinheit spricht. Die Zurückhaltung von Lucullus wird sicherlich von dem ihm in dieser Hinsicht sehr freundlich gesonnenen Plutarch besonders stark gemacht; Gruen 1974/1995, 369 f. betont dagegen die Normalität von Plünderungen nicht zurückhaltbarer Soldaten und stellt Lucullus damit im Osten in eine Reihe mit Sulla und Murena vor sowie Pompeius nach ihm. Daß Lucullus keinen besonderen Draht zu seinen Truppen hatte, wie etwa Sulla oder Caesar, daß bei ihm „nicht eine Spur des persönlichen Zaubers“ war, „der zwischen dem Feldherren und dem Soldaten ein persönliches Band schlingt“ (Mommsen 1904/2010, 70), mag literarisch ausgeschmückt sein, sollte gleichwohl auch nicht völlig zurückgewiesen werden, vgl. die abwägenden Bemerkungen von Tröster 2008, 104 f., 124–126. In den (historiographisch interessanten) Worten von Villoresi 1939, 199 war Lucullus „talvolta valoroso soldato, raramente vero condottiere“ und „freddo calcolatore più che duce entusiasta“. – Bei den Strapazen ist vor allem an klimatische Bedingungen zu denken, wie die Verfolgung von Mithridates bei Schneegestöber und großer Kälte (Plut. Luc. 11,4) und den Wintereinbruch in Armenien, der zum Rückzug nach Nisibis führt (Plut. Luc 32,1–2), s. dazu Eckhardt 1910b. Vor allem erwähnt Sall. Hist. Frg. 4,70 McGushin (= 5,10 M = Plut. Luc. 33,3) die Unzufriedenheit der Soldaten, zwei Winter in Feldlagern anstelle von Provinzstädten verbracht zu haben. Nicht einschlägig scheint mir dagegen die Bestrafung der geflohenen und von Lucullus zur Umkehr angehaltenen Soldaten zu sein. Die bei Plut. Luc. 15,7 überlieferte und ausdrücklich als „üblich“ benannte Bestrafung mit Erdarbeiten (ἐπανελθὼν δὲ Λεύκολλος ἀτιμίαν τινὰ τοῖς φεύγουσι νενομισμένην προσέβαλε) bewegt sich im Rahmen disziplinarischer Maßnahmen eines römischen Feldherrn und ist sogar verhältnismäßig milde bzw. der Tatsache angemessen, daß es sich nicht um die Flucht aus dem Lager, sondern ein Fliehen vor dem attackierenden Feind handelte, vgl. hierzu Wolff 2009, 176. Vgl. Liv. 45,36,9 f. und Plut. Aem. 31; für den argumentativen Aufwand der Senatoren s. Flaig 2003, 123–136. Nach Plut. Luc. 36 kommen die Soldaten nur unwillig (οὐδὲ τούτους μάλα προθύμως) mit; bei Plut. Pomp. 31,5 schickt Pompeius besonders aufrührerische mit, die ihm nicht nutzten und Lucullus schadeten (ὑπ‘ αὐθαδείας ἀχρήστους μὲν ἑαυτῷ, τῷ Λευκόλλῳ δὲ δυσμενεῖς εἶναι). Dies ist insofern wichtig, als man sonst darauf abstellen könnte, alle mit Lucullus unzufriedenen Soldaten seien im
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die Wahl von L. Murena, Legat unter Lucullus, zum Konsul für 62 gehabt haben soll, unterstreicht einerseits ein nicht unerhebliches ‚Abstimmungsgewicht‘ der Soldaten, paßt andererseits kaum zum Bild eines völlig zerrütteten Verhältnisses der Soldaten zu ihrem Feldherrn und dessen Legaten.22 Wenig hilfreich ist in diesem Zusammenhang der berühmte Bericht von einer Meuterei gegen Lucullus im Jahre 68. Zum einen war zu diesem Zeitpunkt bereits sein Nachfolger Acilius Glabrio ausgesucht worden, der allerdings in Bithynien blieb, so daß die Befehlsgewalt noch nicht auf ihn übergehen konnte, womit die Soldaten (oder eher die Unteroffiziere) durchaus ein Argument auf ihrer Seite hatten, welches gegen die Fortsetzung des Feldzuges unter Lucullus sprach.23 Zum anderen ist Lucullus’ Reaktion wohl anders zu deuten, als es der Bericht Plutarchs vom flehend und weinend umhergehenden Feldherrn vorgibt.24 Während Gelzer diese Lesart fast wörtlich übernimmt und von einem kläglichen Schauspiel spricht, auch Twyman hierin den „last act of the tragedy (or farce) of L. Lucullus’ career as an imperator“ sieht, hat Flaig aus Sicht der historischen Anthropologie die Wirkmächtigkeit der Gesten unterstrichen, welche zwar ihre direkten Adressaten, die meuternden Fimbrianer, nicht erreichten, aber doch das Ziel des Feldherrn, da andere Teile der Truppe seine „zwingenden Gesten“ (an)erkannten und die Übrigen zum Bleiben und (temporären) Weiterkämpfen überredeten.25 Wie auch immer man die Episode lesen will – für die
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Osten geblieben; bei der Mehrzahl mag schlicht die Hoffnung auf mehr Beute unter Pompeius wichtig gewesen sein. Für den Einfluß der Soldaten vgl. Cic. Mur. 37 und 69. Dies gilt bei allen Unterschieden zwischen einer bei mehreren Kandidaten umstrittenen Konsulwahl in der comitia centuriata und einer Entscheidung über den Triumph, wohl in der comitia tributa. Daß man hier Bestechungen besonders armer Soldaten annehmen soll (so Aigner 1974, 202 Anm. 124), erschließt sich mir nicht. Grund für die nötige Abstimmung über einen Triumph ist die Verlängerung des imperium für den Tag des Triumphs, vgl. m.w.V. Lundgreen 2011, 202 f. Für die Frage des Kommandos gilt mit Mommsen 1887/1952, 640: „Daß das militärische Commando, wenn bis zu der gesetzten Endfrist daßelbe weder durch Beendigung des Krieges selbst aufgehört hat noch auf den rechtzeitig angelangten Nachfolger übergehen kann, sich in der Person des bisherigen Inhabers von Rechts wegen fortsetzt, ist vielleicht geradezu nirgends ausgesprochen, aber nichts desto weniger über allen Zweifel gewiss.“ Und auch für den Promagistraten war das tatsächliche Ende des imperium erst „mit dem Eintreten des Nachfolgers in den Befehlsbereich des abzulösenden Beamten“ (641) erreicht. – Für die Rolle von Clodius bei der Meuterei (Plut. Luc. 34; Cass. Dio 36, 14,4) hat Tatum 1991 zurecht betont, daß sie zu viel Aufmerksamkeit bekommen hat. Auch wenn jener Lucullus sicherlich die Chance nahm, noch einmal das Ruder herumzureißen (und sich dementsprechend dessen Gegnerschaft zuzog, die beim Bona Dea Skandal zu Tage trat), sei der Verlust des Kommandos davon unabhängig erfolgt. Für Tröster 2008, 124 ist diese Szene der Höhepunkt des literarischen Topos, Lucullus könne nicht mit der Masse umgehen bzw. ein römischer Aristokrat wie Lucullus müsse Probleme mit dem πλῆθος haben (149–157). Gut läßt sich solcher Art auch der Kontrast zu Kimon markieren (vgl. nur Plut. comp. Cim. Luc. 2,3), gleichwohl muß man sich argumentativ weit strecken, um damit die ganzen (Wahl-)Erfolge von Lucullus in Einklang zu bringen. Plut. Luc. 35,4: οὐδὲν οὖν ἐστιν ὅ τι τῶν παρ‘ ἀξίαν ὁ Λεύκολλος οὐχ ὑπέμεινεν, ἀντιβολῶν καθ‘ ἕνα καὶ κατὰ σκηνὰς περιιὼν ταπεινὸς καὶ δεδακρυμένος, ἔστι δ‘ὧν καὶ χειρὸς ἁπτόμενος, vgl., ohne solche Details, Cass. Dio 36,15. Gelzer 1926, 404; Twyman 1972, 870; weniger scharf Keaveney 1992, 125. Für die Interpretation der ‚zwingenden Gesten‘ s. Flaig 2003, 110–115.
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Frage der Kommandoablösung bietet sie keinerlei Anhaltspunkt, schon gar nicht für die dazu nötige (Ab-)Stimmung in Rom. Dafür sind solche Überlieferungen späterer Quellen generell weniger einschlägig als zeitgenössische Urteile, wie etwa von Cicero. Angeführt werden kann zunächst eine Notiz, nach der A. Gabinius während der Agitation für seine lex Gabinia vor dem Volk in einer contio mit Hilfe eines Bildes der schönen Villa des Lucullus gegen diesen Stimmung machte.26 Was auch immer evoziert werden sollte, darbende Soldaten, zu wenig Beute für die Stadt Rom, schlichter Neid – offensichtlich war eine besondere Form der Agitation nötig, und die Rhetorik mußte visuell unterstützt werden. Daraus ist nun gerade nicht zu folgern, der Feldherr sei in Rom genuin unbeliebt gewesen.27 Ein ähnlicher Eindruck ergibt sich aus Ciceros berühmter Rede de imperio Cn. Pompei. Nachdem im Jahr zuvor bereits M’. Acilius Glabrio durch die lex Gabinia die Provinzen Bithynien und Pontos erhalten hatte, unterstützt Cicero nun den Antrag des Volkstribunen Manilius, Pompeius im Anschluß an das mit vielen Sondervollmachten ausgestattete Kommando gegen die Seeräuber auch die Provinzen Kilikien und Bithynien und damit das Kommando gegen Mithridates zu übertragen. Der Antrag hätte kaum die Unterstützung Ciceros gebraucht, dieser ließ sich jedoch als aufstrebender Prätor die Gelegenheit nicht nehmen, sich vor dem Volk als Redner zu präsentieren und sich der Gunst des Pompeius zu versichern.28 Dieser Hintergrund erklärt den panegyrischen Charakter der Rede, macht die Passagen über den bereits abgelösten, gleichwohl noch mit den Truppen in Armenien stehenden Lucullus aber nur um so interessanter. Einmal wird dieser als summus vir gelobt, dessen (anfänglich) große Erfolge nicht der fortuna, sondern der virtus zu verdanken seien, dessen (aktuellere) Probleme hingegen nicht an ihm, sondern an den Umständen lägen – ein klassisches Argument, mit dem ‚sachliche‘ Verlierer von ‚persönlichen Versagern‘ unterschieden werden können.29 Später wird er ausführlich als tapferer Mann, besonnener Mensch und großer Feldherr gerühmt – Beispiele sind seine Befreiung der belagerten Stadt Kyzikos, die für Mithridates strategisch einen guten Ausgangspunkt gegen Asia geboten hätte, sowie die Einnahme der Städte und Paläste in Pontus und Kappadokien, also die erste Kampagne gegen Mithridates. Es bleibt dessen Entkommen, durch Zurücklassen der Beute, die von den „Unsrigen“ zu aufmerksam eingesammelt wurde, eine Formulierung, die offen läßt, ob es am Kommandeur oder den gierigen Soldaten lag.30 Letztere sind es jedenfalls, die laut Cicero trotz weiterer Erfolge auch gegen Tigranes den Abbruch des 26 27 28 29 30
Vgl. Cic. Sest. 93; zur Villa, die schon Lucullus’ Vater gehört haben soll, s. weiter Dix 2000, 446 f. Heuss 2001, 196 spricht davon, daß an „die niedersten Instinkte der Masse gerührt“ wurde; was gleichwohl den Anteil von Mitgliedern der Elite bei dem Manöver ausblendet. Vgl. u.a. Heuss 2001, 196. Für eine solche Unterscheidung s. Pfeilschifter i. D. – Cic. leg. Manil. 10: in altera parte ita res ab L. Lucullo, summo viro, est administrata ut initia illa rerum gestarum magna atque praeclara non felicitati eius sed virtuti, haec autem extrema quae nuper acciderunt non culpae sed fortunae tribuenda esse videantur. Cic. leg. Manil. 22: Haec dum nostri conligunt omnia diligentius, rex ipse e manibus effugit. Vgl. Plut. Luc. 17 und oben Anm. 18. Generell, so Ooteghem 1959, 145, ist Cicero vorsichtig genug, anwesende Anhänger des Lucullus nicht zu verärgern, wiewohl manches Lob für Pompeius (wie leg. Manil. 38–40) durchaus als indirekte Kritik an Lucullus verstanden werden konnte (152). Rosenstein 1990, 101 führt
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Vormarsches ins nördliche Armenien forderten, was es Mithridates erlaubte, neue Truppen zu sammeln.31 Anstatt dies auszubauen, endet die Passage mit der hypothetischen Möglichkeit, daß Lucullus vielleicht noch einmal das Blatt hätte wenden können, wenn nicht das römische Volk nach bewährtem Beispiel (vetere exemplo) seinem Oberbefehl ein Ende gesetzt und einen Nachfolger bestimmt hätte.32 Die genauen Ciceronischen Argumente für Pompeius brauchen weiter nicht zu interessieren, zumal kaum von der Hand zu weisen war, daß die Situation mit Lucullus in Armenien und einem Nachfolger, der aber Bithynien nicht verließ, nicht tragbar war. Und auch wenn man sich dem von Plutarch wirkmächtig gestalteten Bild des Zusammentreffens von Lucullus und Pompeius in Galatien kaum entziehen kann, dem zufolge die Liktoren des Lucullus denjenigen des Pompeius frischen Lorbeer an die fasces hefteten,33 hatte Lucullus das Kommando ja schon vorher verloren – wobei es eine interessante psychologische Frage ist, was für Lucullus schlimmer war, abgelöst zu werden von einem militärischen Taugenichts, der sich nicht einmal in die Gegend traute, oder von dem von Erfolg zu Erfolg eilenden Pompeius. Wichtiger ist, daß die Rede Ciceros auch für die Frage des Kommandoverlusts von 67 einen wichtigen Anhaltspunkt enthält, wird doch kaum etwas von dem Redner als Grund für den Krieg so stark betont wie die Frage der Steuereinkünfte und Sicherung der Einlagen der equites in Asia.34 Setzt man dies mit Plutarchs Bericht über Lucullus’ Schuldenregelung in Asien in Verbindung, welche mit Hilfe einer massiven Senkung der Zinsen den Städten ermöglichte, in nur vier Jahren ihre Schulden zu tilgen, wird ein gewisses Konfliktpotential deutlich. Entstanden waren diese Schulden durch die von Sulla eingeforderten 20.000 Talente, die sich die Städte hatten leihen und auf Grund der hohen Zinsen bereits doppelt wieder aufbringen müssen. So sehr Lucullus’ Maßnahmen also die Gemeinden freute, so wenig ist überraschend, daß sich die equi-
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Ciceros Argument hier als typischen Fall dafür an, daß fehlender militärischer Erfolg gerne den Soldaten angelastet wurde. Cic. leg. Manil. 23 f.; wie das hic iam plura non dicam genau zu deuten ist, muß offen bleiben, es klingt eher nach Kritik an den Soldaten, vgl. weiter in dieser Richtung auch Eckhardt 1910b, 214–216, der den guten Feldherrn Lucullus hier am „Starrsinn seiner Krieger“ scheitern läßt und dies dem Heer als „unrühmliche Tatsache“ anlastet. Anders bei Plut. Luc. 32, wo Lucullus’ inständiges Bitten und die lärmenden Soldaten eher eine Vorwegnahme der Meuterei in 35,4 sind. Cic. leg. Manil. 26: L. Lucullus, qui tamen aliqua ex parte eis incommodis mederi fortasse potuisset, vestro iussu coactus qui imperi diuturnitati modum statuendum vetere exemplo putavistis. Plut. Luc. 36, Pomp. 31; für den (ansonsten unbekannten) Ort des Zusammentreffens Posdala, vgl. auch Strab. 12,5,2 (C 567). Siehe Cic. leg. Manil. 6 (certissima populi Romani vectigalia et maxima), 14–16 (mit Hinweis auf für den Handel schädliche Gerüchte und Bedrohungen), 17 mit der berühmten Behauptung von Steuern als Rückgrat des Gemeinwesens (si vectigalia nervos esse rei publicae semper) und den equites als Stütze aller anderen Stände, deren Kapitalien geschützt werden müssten (eum ordinem qui exercet illa firmamentum ceterorum ordinum), um einen Zusammenbruch des Kreditwesens zu vermeiden (19). Zwar hat Sherwin-White 1994, 251 zu Recht von einer „speech of skilful misrepresentation“ gesprochen, da einerseits Asia kaum in Gefahr, andererseits von Armenien und Syrien als tatsächlichen Kriegsschauplätzen gar nicht die Rede war, aber dies wird für die Stimmungslage in Rom nicht relevant gewesen sein.
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tes in Rom um ihre einkalkulierten Einnahmen gebracht sahen und gegen Lucullus agitierten.35 Hier kann man innehalten und überlegen, ob Lucullus, „hätte er 100 Jahre früher gelebt“, besser dran gewesen wäre, so eine These von Gelzer. Steht bei Gelzer die Aufhebung der sullanischen Reformen im Mittelpunkt, die zu Lucullus’ Sturz geführt hätten, worunter eigentlich nur die wiedererstarkte (gesetzgeberische) Rolle der Volkstribunen zu verstehen sein kann, hat Badian zu Recht darauf hingewiesen, daß gerade die Erweiterung des Senats unter Sulla zu einer Vermischung der beiden Stände geführt hatte und auch Senatoren über die equites indirekt mit Geldgeschäften in den Provinzen verbunden waren.36 Vergegenwärtigt man sich diese Interessen von Rittern und mindestens einem Teil der Senatoren, die Berichte bzw. Gerüchte über unzufriedene Soldaten, vor allem aber auch den Neid einzelner innerhalb der auf Distinktion bedachten und in struktureller gegenseitiger Konkurrenz stehenden Elite auf das in der Tat schon lange währende Kommando und dessen eigenmächtige ‚Erweiterung‘ nach Armenien,37 ist viel eher die Dauer des Kommandos zu betonen. Seit dem Kampf gegen Hannibal hatte niemand mehr so lange ein Heer kommandiert außer Pompeius und Metellus Pius in Spanien, doch das waren unbeliebte, schwierige Kriege gegen arme, aber zähe Gegner gewesen, in keiner Weise vergleichbar mit den Feldzügen im Osten und den damit verbundenen Möglichkeiten von Ruhm, Reichtum und lokaler Anhängerschaft. So gesehen ist Ciceros Bemerkung, das Volk habe Lucullus das Kommando vetere exemplo entzogen, nicht einmal falsch. Diese Sichtweise wird noch verstärkt, wenn man sich vergegenwärtigt, daß schon 69 Asia an Prätoren gegeben worden war und Lucullus die Versuche des dort residierenden L. Quinctius bezüglich seiner Ablösung hatte abwehren müssen38 und daß dann 68 35
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Plut. Luc. 20; vgl. weiter u. a. Santangelo 2007, 111–114; Merola 2001. Es bleibt die Frage der Gewichtung. Großen Einfluß erhalten die Ritter bei Ooteghem 1959, 153; Badian 1997, 131; Santangelo 2007, 124 f.: „Such measures represented a fatal blow to Lucullus’ political future.“ Brunt 1988, 152 f. (mit Endnote 2) und 188 äußert sich abwägender, indem er auf den Neid der Standesgenossen und die Notwendigkeit i. J. 66 hinweist, den Krieg schnell zu beenden, zumal aus Armenien kaum Asia im Westen hätte verwaltet werden können (516). Die ersten beiden Argumente sind oben im Text aufgenommen worden, an der Rolle der equites für die negative Stimmung gegenüber Lucullus in Rom ändernt sich damit aber nichts. Es bleibt mit Twyman 1972, 866 darauf hinzuweisen, daß die Ablösung von Lucullus lange nach den „Finanzreformen“ erfolgte und letztere nicht wieder rückgängig oder aufgehoben wurden – was nur wieder nichts über etwaige andere Hoffnungen der equites aussagt. Gelzer 1926, 413; vgl. Badian 1997, 132 oder auch Cristofoli 2014, 39–43. Zu überlegen, ob 100 Jahre früher der Gehorsam der Soldaten höher bzw. ihre Vorliebe für Beute geringer gewesen wäre und sie besser zum strengen Feldherren gepaßt hätten, hieße dagegen, dem römischen Dekadenzdiskurs zu folgen; in diesem Bereich wird es grundsätzlich Spannungen gegeben haben, vgl. Gruen 1974/1995, 374. Sherwin-White 1984, 174–176; 1994, 239 f. Nach Sallust (Hist. Frg. 4,68 McGushin [4,71 M]) soll Lucullus sich den wüsten Attacken des Quinctius (vgl. Plut. Luc. 33,5–6; Dio 36,2,2) mit Geld entzogen haben: Lucullus pecuniam Quintio dedit, ne illi succederetur. Ob dies nur die für Lucullus negative Sicht von Sallust ist (so Twyman 1972, 867) oder nicht eher zeigt, wie sehr Lucullus, sich, mit durchaus nicht unüblichen Mitteln, zur Wehr zu setzen wußte, bleibt offen, vgl. dafür weiter Anm. 139.
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Kilikien an den ihm nicht gerade wohlgesinnten Q. Marcius Rex gegangen war.39 Diese offensichtlichen Widerstände der Elite gegen sein langes Kommando erklären weiter gut die vielen Vorwürfe und Behauptungen, Lucullus habe den Krieg gar nicht beenden wollen, bzw. die Glaubwürdigkeit solcher Invektiven, die in den Quellen Widerhall gefunden haben.40 Es muß trotz allem bzw. gerade deswegen frustrierend gewesen sein, beim Eintreffen der Senatskommission über große Gebiete die Kontrolle verloren und Mithridates erneut als Gegner vor sich zu haben – doch waren solche Umschwünge in Kriegen weder auszuschließen noch Lucullus’ militärische Leistungen zu ignorieren. Dafür sprechen neben den oben zitierten Passagen Ciceros, den glänzenden Siegen und dem leichten Spiel von Pompeius im Anschluß auch die letztlich erfolgreichen Verhandlungen über den Triumph.41 Die lange Wartezeit darauf bis zum Sommer 63, die Anklagen gegen seinen Bruder und die Versuche des (Pompeius-freundlichen) Volkstribunen Memmius, mit Hinweis auf unnötige Verlängerung des Krieges und Unterschlagung von Beute den Triumph ganz zu verhindern, werden gleichwohl manchmal als Indikatoren für ‚Lucullus als Verlierer‘ gelesen; Gelzer und viele andere sprechen in diesem Zusammenhang von „neuen Demütigungen“, die Lucullus in Rom erwarteten.42 Diese Deutung übersieht zweierlei: Zum einen ist es mehr ein 39
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Vgl. Cass. Dio 36,2,2. Nach Blösel 2009 ist es trotz Plut. Luc. 6 (siehe dazu Anm. 139) nicht sicher, ob Kilikien jemals Teil des Kommandos von Lucullus war; er sieht Marcius Rex dort dementsprechend nicht als Nachfolger des Lucullus, sondern als Unterstützung für Metellus Creticus im Kampf gegen die Piraten. Vgl. Cass. Dio 36,2,1 (was dann unmittelbar auch zur Ablösung, zunächst bezüglich Asia, führt), Plut. Luc. 33,5 und App. Mithr. 90,411, der von drohenden Anklagen in Rom gegen Lucullus wegen Ausdehnung des Krieges berichtet, besonders deutlich ist Vell. Pat. 2,33,1: „daß er den Krieg noch nicht gänzlich beendet hatte, lag sozusagen mehr daran, daß er es nicht wollte, als daß er es nicht konnte“ [Üb. M. Giebel]. Für das generelle Misstrauen der Senatselite gegenüber einer zu großen Machtstellung des Lucullus (wie ja später auch gegenüber Pompeius) s. auch Blösel 2009. Es wird dieser Diskurs sein, der bei Plutarch (Luc. 3) zu Unterstellungen führt, Lucullus habe angeblich schon als Proquästor unter Sulla die Chance gehabt, Mithridates gefangen zu nehmen oder zu besiegen, hätte er sich nicht geweigert, mit C. Flavius Fimbria zusammenzuarbeiten; ein Detail, welches sich sonst nur noch bei Oros. 6,2 findet, dagegen nicht bei Appian, der ausführlich über die Ermordung des römischen Konsuls und Befehlshabers L. Valerius Flaccus durch Fimbria berichtet (Mithr. 51–52). Es wird ebenso wenig stimmen wie Behauptungen, Lucullus habe auch noch gegen die Parther kämpfen wollen, um „wie ein Athlet drei Könige nacheinander niederzuringen und unbezwungen und siegreich die drei größten Reiche unter der Sonne zu durchziehen“, so Plut. Luc. 30,2 [Üb. K. Ziegler], s. hierzu weiter Sherwin-White 1994, 181 sowie Tröster 2008, 105–126, der für Plutarch herausgearbeitet hat, wie sich die unterschiedliche und umstrittene Deutung der militärischen Erfolge Lucullus’ mit den Topoi von gierigen und undisziplinierten Soldaten vermengt. Eine der merkwürdigsten Blüten, die die Debatte um Lucullus’ Leistungen hervorgebracht hat, findet sich in Plut. Luc. 36 mit dem Vorwurf, seine Taten hätten weniger Nutzen als Schaden gebracht, da durch seine Siege Crassus verführt worden sei, es ihm gleich zu tun, dann aber bei den Parthern sein Ende gefunden habe. In Rosensteins Liste der imperatores victi (1990, 191) wird Lucullus nur mit Hinweisen auf die Niederlage seines Legaten Triarius und dem Verlust des Kommandos angeführt, aber mit keiner verlorenen Schlacht. Gelzer, 1926, 405. Ähnlich Ooteghem 1959, 161: „Le retour au pays procura à Lucullus de nouvelles humilitations“; abgeschwächter bei Will 1999, 167: „Zurück in Rom blieb L. weiter in der Defensive.“
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Indikator für die Problematik, wie sehr ein Volkstribun, nicht eingebunden in die Senatsmehrheit, sondern ausgerichtet auf einen der ‚großen Männer‘, seine Blockademacht nutzen konnte, auch wenn er in diesem Fall seinen Widerstand letztlich aufgab. Zum anderen sind Debatten über und damit auch Wartezeiten auf einen Triumph nichts genuin Besonderes. Allein die bei Livius überlieferten bzw. konstruierten Triumphdebatten bieten genügend Beispiele auch von Ablehnungen eines solchen Wunsches, sei es im Senat oder eben durch Blockade eines Volkstribunen.43 Nimmt man hinzu, daß andere Feldherren schon gar keinen Antrag stellten oder auf den Albaner Berg auswichen, wird noch einmal deutlich, daß ein Triumph keineswegs eine Selbstverständlichkeit oder logische Folge militärischer Erfolge, sondern stets ein „geglückte[r] Akt der Anerkennung“ war.44 Unabhängig von der (umstrittenen) Frage eines ius triumphandi bot die Tatsache, daß Lucullus de rege Ponti Mithridate triumphieren wollte, wiewohl ebenjener erst im Jahr seines Triumphes endgültig (und eben nicht von ihm) besiegt wurde, sehr wohl ein Argument dagegen.45 Es sollte damit eher das Durchhaltevermögen von Lucullus betont werden als die lange Wartezeit; zumal im Ergebnis kein Triumphator sinnvoll als Verlierer gelten kann. Wenn weiter der große (und dritte) Triumph von Pompeius 61 ex Asia alle vorangegangenen Triumphe, und damit auch den des Lucullus, in den Schatten stellte,46 galt dies zum einen für alle Triumphatoren vorher auch (und später ebenfalls für Pompeius), zum anderen gerade nicht gegen die militärische Leistung des Lucullus. Dafür sprechen nicht nur die verschiedenen bei Plutarch überlieferten Lobpreisungen, sondern auch der Hinweis bei Velleius Paterculus, gerade der Versuch der Vereinnahmung fremder Erfolge durch Pompeius gereiche Lucullus (und Metellus Creticus) zum Ruhm.47 Noch schlagender scheint mir die ganz beiläufige und unver-
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Ganz pointiert ist Villoresi 1939, der sein Kapitel mit „Dalla più bella vittoria alla più grande umiliazione“ überschreibt, wobei er dies schon i. J. 69 beginnen läßt; die Rückkehr in Rom hält dann aber auch „nuovi umiliazioni“ bereit (177). – Zur Memmius vgl. Cic. Luc. 3; Plut. Luc. 37,2; Cat. 29,5–8. Vgl. z.B. Liv. 8,12,9–11 für die Ablehnung von Ti. Aemilius Mamercinus i. J. 339 im Senat; 10,36,19 für die Ablehnung für M. Atilius Regulus 294 im Senat (anders in den fasti triumphalis, vgl. Degrassi InscrIt. 13,1 p. 544, siehe weiter Itgenshorst 2005, Katalog 44 f.); 28,38,1–4 für Scipio Aemilianus, der 206 gar keinen Antrag stellt, da er kein reguläres Amt innegehabt hatte; 32,7,4 für den Widerstand eines Volkstribunen gegen die ovatio des Prokonsul L. Manlius Acidinus 198; 35,8 für die Ablehnung des Konsul L. Cornelius Merula 193 im Senat. Für die Debatten bei Livius s. allgemein weiter Itgenshorst 2005, 148–179 und Pittenger 2008. Itgenshorst 2005, 195, aufgenommen von Hölkeskamp 2008, 98. Für den triumphus in monte Albano siehe Lundgreen 2011, 246–249; ein Beispiel ist derKonsul Q. Minucius Rufus 197 (Liv. 33,22–23). Das Problem findet sich bei Cic. leg. Manil. 8 bezogen auf die früheren Auseinandersetzungen mit Mithridates und die Feldherren Sulla bzw. Murena mit der schönen Formulierung insignia victoriae, non victoriam reportarent. Für die Frage eines ius triumphandi s. Lundgreen 2014; für den Triumph des Lucullus de rege Ponti Mithridate vgl. Degrassi InscrIt. 13,1 p. 565 und ILS 60. Nach Hillman 1994, 198 liegt der am Ende fehlende Widerstand gegen die Triumphe von Lucullus 63 und Metellus Creticus 62 in der konzillianteren Politik des Pompeius begründet, der sich dem Senat annähern wollte. Zu Lucullus’ Triumph vgl. Plut. Luc. 37,3–6, für das sich anschließende große öffentliche Bankett auch Plin. HN 14,96. Zu Pompeius’ drittem Triumph vgl. Beard 2007, 7–18 und in diesem Kontext Hölscher 2004, 95 f. Vell. Pat. 2,34,2: Ne ab huius quidem usura gloria temperavit animum Cn. Pompeius, quin victoriae partem
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dächtige Bemerkung bei dem älteren Plinius zu sein, der über Obstsorten ausführt: Cerasi ante victoriam Mithridaticam L. Luculli non fuere in Italia. Wer der ‚wahre‘ Sieger über Mithridates war, war nicht ganz klar bzw. unumstritten, soviel dürfte man festhalten. Dies läßt dann auch Äußerungen Ciceros in anderem, realistischerem Licht erscheinen, wenn er etwa in pro Murena die Taten von Lucullus lobpreist: ut neque maius bellum commemorari possit neque maiore consilio et virtute gestum.48 Pompeius mag insgesamt der ‚größere‘ Feldherr gewesen sein, aber das Bild von Lucullus als jemand, der hinsichtlich des militärischen Ruhms komplett in dessen Schatten stand, ist nicht zu halten. 2. Der angebliche Rückzug ins ‚Private‘ – Lucullus ein Aussteiger? Kommen wir damit zum nächsten Punkt (und Feld), dem angeblichen Rückzug des Lucullus und damit verbunden der Frage nach dem Aussteiger. Zunächst muß überlegt werden, was überhaupt als Ausstieg gelten kann, was also beispielsweise noch zu erreichen gewesen wäre; dies gilt sowohl nach dem Triumph als auch, und vor allem, nach dem Konsulat, womit er ja den permanenten Status eines Konsulars erreicht hatte.49 Denkbar wäre die Zensur gewesen, wobei offen bleibt, wieviel mehr Prestige damit zu dieser Zeit noch zu erreichen gewesen wäre; eine ähnliche Skepsis gilt auch gegenüber der Rolle des princeps senatus, zumal es diese nach den Reformen Sullas in institutionalisierter Weise nicht mehr gab. Politischer Einfluß ist dagegen eher in den Priesterschaften, nach Cicero vor allem bei den Auguren, zu sehen – und in ebenjenes Kollegium wird Lucullus nach seiner Rückkehr aufgenommen. Dies allein ist schon ein gutes Indiz gegen einen Ausstieg aus dem (weiten) Bereich des Politischen in Rom; andere kommen hinzu, wie auch die Frage, ab wann man einen wie auch immer beschaffenen Rückzug oder Ausstieg überhaupt ansetzten kann. Zu Recht hat Hillman schon 1993 gefragt: „When did Lucullus retire?“ und dabei vor
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conaretur vindicare. Sed et Luculli et Metelli triumphum cum ipsorum singularis virtus tum etiam invidia Pompei apud optimum quemque fecit favorabilem. Der Hinweis ist umso wichtiger, als Velleius davor (2,33,1) Lucullus vorwirft, von Habgier beherrscht den Krieg nicht beendet haben zu wollen. Plut. Luc. 28,8 f. erwähnt zum einen die Notiz des Philosophen Antichos, daß die Sonne keine zweite Schlacht gesehen habe wie Lucullus’ Sieg gegen Tigranes, zum anderen ungenannte erfahrene römische Feldherren, die lobten, daß Lucullus zwei Könige mit unterschiedlichen Verfahren besiegt habe, den einen durch Schnelligkeit, den anderen durch Langsamkeit, „so daß er als einer von wenigen Feldherren aller Zeiten das Zögern als Mittel zur Tat, den Wagemut als Mittel zur Sicherung angewendet“ habe [Üb. K. Ziegler]. Plin. HN 15,102; Cic. Mur. 3. Auch wenn er es sachlich für falsch hält, spricht Mommsen 1904/2010, 154 von einer geläufigen Rede „in der vornehmen Welt, daß das eigentliche Verdienst der Unterwerfung des Ostens Lucullus zukomme“ und billigt Lucullus selber zu, als Feldherr „nicht gemeine Talente und ein an Verwegenheit grenzendes Selbstvertrauen“ besessen zu haben. Ähnlich später Ooteghem 1959, 200: „Lucullus appartient incontestable à la gallerie de ces grands Romains qui ont illustré la République par leurs talents militaires et leurs vertus morales.“ Vgl. Jehne 2011, 222: „A consulship was not only a chance to command and to win renown and riches in the process, but also a ticket into a permanent status group.“
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allem den Bericht Plutarchs einer kritischen Prüfung unterzogen, der von Lucullus’ Wartezeit auf den Triumph nichts weiß und dessen Abkehr von der Politik aus kompositorischen Gründen direkt an die Rückkehr aus dem Osten im Jahre 66 anschließen läßt.50 Schon Plutarchs eigene weitere Darstellung steht dem entgegen, wenn spätere politische Aktivitäten ebenso erwähnt werden wie dementsprechend weitere ‚Rückzüge‘.51 Frühere Quellen bestätigen dies: Anzuführen ist beispielsweise Ciceros Lob für Lucullus’ Rat bei der Niederschlagung der Catilinarischen Verschwörung, auch unterstützt Lucullus seinen Gefolgsmann Murena bei der Konsulwahl für 62 und später beim Prozeß, gleiches tut er für seinen griechischen Freund Archias, und bekannt ist schließlich sein Engagement gegen Clodius beim Bona-Dea Skandal.52 Vor allem aber sorgt er, was viel Aufmerksamkeit gefunden hat, mit dafür, daß die Maßnahmen des Pompeius für den Osten nicht, wie von diesem gewünscht, en bloc ratifiziert wurden – womit nach Mommsen „für endlose Trakasserien und eine Menge Niederlagen im einzelnen das Feld eröffnet ward“.53 Dieser Punkt soll hier nicht vertieft werden,54 es reicht schon, um zu sehen, daß Lucullus seine verschie50
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Schon zu Beginn wird in Plut. Luc. 1,4 vom Rückzug wegen der Differenzen mit Pompeius ἐν καιρῷ gesprochen, was ebenso auf 66 deutet wie der Rückzug 38,2 (ἐγκατέλιπε καὶ προήκατο τὴν πολιτείαν) direkt im Anschluss an Plutarchs Bericht über den Triumph (in 37). Kompositorisch paßt es zu den Metaphern in 38, daß Cicero und Marius es versäumt hätten, sich nach der Blüte ihrer Karriere zurückzuziehen, die es auch im Leben eines Politikers zu beachten gelte (τῶν γὰρ ἀθλητικῶν ἀγώνων τοὺς πολιτικοὺς οὐδὲν ἧττον ἀκμῆς καὶ ὥρας ἐπιλιπούσης ἐλέγχεσθαι, 38,4) und daß für Lucullus eine völlige Umstellung des Lebens zu konstatieren sei, eine τοσαύτην μεταβολήν (38,3), was griechischen Vorstellungen vom Verfassungswandel und dem Topos von Aufstieg, Blüte und Verfall entspricht. Siehe zu alldem Hillman 1993, bes. 215. Auf die inhärenten Widersprüche hat schon Peter 1865, 108 f. hingewiesen, vgl. nur Plut. Luc. 42,4 (οὐδὲ γὰρ αὖ πάμπαν ἀπηλλάχει τῆς πολιτείας ἑαυτὸν ὁ Λεύκολλος) und 43,1 (Ταῦτα δὴ καὶ μᾶλλον ἀπῆγε τῆς πολιτείας τὸν Λεύκολλον) und s. weiter im Text. Hinzu kommen Details aus späteren, also nach Lucullus und Cicero verfassten Viten, bei denen Plutarch neue Erkenntnisse eingebaut hat, vgl. Pelling 1979, 79 f., der u. a. auf Plutarchs ‚Entdeckung‘ von Asinius Pollio abstellt (84 f.) Aber auch in Plut. Pomp. 46,3 oder Cat. min. 29,5–8 bleibt die Abfolge von Rückkehr aus dem Osten, Empfang in Rom und Aktion gegen Pompeius sehr eng; zu dieser „technique of chronological compression“ s. Pelling 1980, 127. Cic. Att. 12,21,1 (= SB 260) erwähnt die Präsenz der beiden Luculli bei der Senatsdebatte; zentral ist Cic. Luc. 3 cuius mihi consilium et auctoritas quid tum in maximis rebus profuisset dicerem; vgl. weiter Plut. Cic. 31,5. Für die Anwesenheit bei den Prozessen gegen Murena und Archias vgl. Cic. Mur. 20 bzw. Cic. Arch. 31; für die Aussage seiner Sklavinnen bezüglich des Inzests zwischen Clodius und dessen Schwester, Lucullus’ Exfrau, s. Cic. Mil. 73; Plut. Cic. 29,4; vgl. dazu Tatum 1991, 578 f. Vgl. Vell. Pat. 2,40,5; Dio 37,49–50; Plut. Luc. 42,5–6, Pomp. 46, Cat. 31; Zitat: Mommsen 1904/2010, 200. Rising 2013 hat ausgehend von den fehlenden Belegen einer großen Auseinandersetzung zwischen Pompeius und dem Senat in der Korrespondenz Ciceros die Opposition zur Ratifikation en bloc als „storm in a teacup“ bezeichnet. Selbst wenn man dieser Deutung folgt und tatsächlich große Teile des Senats die Maßnahmen ratifizieren wollten, mindert es den Erfolg von Lucullus nicht, zumindest auf der Einhaltung der Verfahrensregeln zu bestehen. Wenn bei Triumphdebatten bereits die Länge der Diskussion als Teil der Wiedereingliederung des Triumphators in die nominell egalitäre Welt der römischen Aristokratie gesehen wird (vgl. Pittenger 2008, 221 f., am Beispiel von Manlius Vulso), könnte man hier ähnliches veranschlagen. Für eine Kritik an Rising vgl. darüber hinaus Jehne 2013,
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denen Rollen als Patron, Unterstützer vor Gericht, Freund, Senator, Konsular und Augur durchaus erfüllt. Ob er bei all dem, wie Keaveney fast bedauernd anmerkt, nur folgt, wo andere führen, ist eine andere Frage und verfolgt engere Maßstäbe als man sie wohl gemeinhin für einen Ausstieg anzulegen pflegt.55 Es bleibt die bei Plutarch wiederholt auftauchende Behauptung, der Senat habe sich ein größeres Engagement von Lucullus erhofft.56 Nach Christian Meier waren dies Initiativen führender Kreise des Senats, die vor allem nach dem Tod des Catulus, Consul 78, Censor 65 und omnium confessione senatus princeps, im Jahre 61 eine neue Führungspersönlichkeit suchten; eine Rolle, die dann letztlich dem jüngeren Cato zukam.57 Nur wissen wir weder, wie groß, wie einflußreich solche Kreise waren, ob man überhaupt vom Senat als monolithischem (Interessen-)Block ausgehen kann, gegen den sich die großen Einzelnen durchsetzen oder nicht vielmehr letztere unterschiedlich starken Rückhalt in ebenjenem Gremium besaßen, womit eine allgemein akzeptierte Führungsposition gar nicht zu besetzen war.58 Fragt man aber nicht ganz so eng nach ‚der‘ Führungsposition, bieten die Quellen genügend Anhaltspunkte für politisches Engagement und auch Einfluß des Lucullus. Sein Widerstand gegen die Ratifikation von Pompeius’ Maßnahmen, der zunächst auch nicht unerfolgreich war, ist schon genannt worden, wohingegen z. B. die guten Argumente des eben erwähnten Catulus gegen das Kommando des Pompeius vorher gar kein Gehör gefunden hatten. Auch beim Konflikt zwischen Caesar und Bibulus konnte letzterer auf Lucullus’ Unterstützung setzen, bis sie beide durch Pompeius’ Veteranen vertrieben wurden.59 Daß danach Caesar seine Gesetze ohne weitere Widerstände durchbrachte und nach Cassius Dio „weder Lucullus noch sonst jemand Einspruch erhob“,60 zeigt dann eher eine allgemeine Passivität von gro-
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41 f. (Anm. 96 und 97); in der traditionellen Sichtweise tritt Lucullus’ Rolle umso stärker hervor. Dies ist dann auch die Grundlage für den Vorwurf von Keaveney 1992, 172, Lucullus habe (trotz seines Rückzugs in die Gärten) Pompeius ins Triumvirat gedrängt und damit den ersten Schritt nicht nur zum Untergang der sullanischen Ordnung, sondern auch der Republik getan. Vgl. Keaveney 1992, 143. Vgl. Plut. Luc. 38,2 für die Hoffnung des Senats auf ein Gegenwicht (ἀντίταγμα) zu Pompeius, welche Lucullus enttäuscht, da er die Beschäftigung mit der Politik aufgibt (ἐγκατέλιπε καὶ προήκατο τὴν πολιτείαν) und folglich dann Crassus und Cato um die Stellung des Ersten konkurrieren, die Lucullus ablehnt (46,2: ἀπολεγομένου τοῦ Λευκόλλου τὰ πρωτεῖα). Für das Drängen des Senats vgl. auch Plut. Pomp. 46,3. Vgl. hier und im Folgenden Meier 1997, 273–275 und 317 f. Für das Zitat Vell. 2,43,3. Vgl. zur hier einschlägigen Frage nach dem „Senat als Hüter des Gemeinsinns“ Jehne 2013, 37–42, der u. a. auch auf die zu geringe Anzahl von Konsularen im Senat abstellt. Letztere konnten sich nach Jehne 2011, 231 besonders gut um Belange der res publica kümmern, gerade weil sie am Ende der Karriereleiter angekommen waren. Vgl. vor allem: Plut. Luc. 42,6; Pomp. 48,1; Cat. min. 32; Cass. Dio 38,6,3; App. b.c. 38–41. Cass. Dio 38,7,5. Die Prominenz der Nennung, und sei es in Form von Kritik, gilt auch für Mommsen 1904/2010, 162, wo es über die Elite nach dem Tod des Catulus heißt: „Eben ihre talentiertesten und gefeiertsten Männer, wie Quintus Metellus Pius und Lucius Lucullus, abdizierten tatsächlich und zogen sich, soweit es irgendwie schicklicherweise anging, auf ihre Villen zurück, um über Gärten und Bibliotheken, über Vögelhäusern und Fischteichen den Markt und das Rathaus möglichst zu vergessen.“
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ßen Teilen der Elite, die sich darüber hinaus durchaus Hoffnungen machen konnte, Caesars Maßnahmen später, unter anderen Rahmenbedingungen, noch annullieren zu können.61 Gleichwohl unterstreicht die namentliche Nennung bei Dio die Prominenz und Sichtbarkeit von Lucullus; ähnliches gilt wohl für die (grundlose) Verdächtigung, er habe Pompeius ermorden lassen wollen.62 Auch weil Pompeius dies wohl nicht glaubte, stellt Lucullus’ Verlassen der Stadt Rom in diesem und im Kontext der gewaltsamen Ausschreitungen von Clodius’ Banden im Jahr 58 allenfalls einen räumlichen Rückzug, aber keinen Ausstieg dar – wobei man hier auf das Problem stößt, daß Lucullus bald darauf, im Dezember 57 oder Januar 56, starb, und vorher geistig umnachtet gewesen sein soll, weswegen sein Bruder die Vormundschaft für ihn übernahm.63 Damit ist es kaum möglich, für diese letzten Monaten alternative Handlungsspielräume zu postulieren; ein temporäres Verlassen der Stadt bei rauem politischen Klima wäre aber nichts genuin Besonderes. Überschattet wird diese Frage von einer merkwürdigen Episode bei Sueton, nach der Lucullus aus Angst vor Caesar auf die Knie gefallen sei. Glaubwürdig ist dies nicht; gäbe es hier einen historischen Kern, hätten es sicherlich auch andere, frühere Autoren überliefert bzw. Lucullus’ Gegner als Zeichen von dessen Schwäche ausgenutzt.64 Ganz anders die Reaktion des Volkes auf seinen Tod – noch Plutarch überliefert, daß das Volk um ihn trauerte, „wie wenn (καθάπερ) er auf der Höhe seines Wirkens als Feldherr und Staatsmann hingegangen wäre“, sich in Massen versammelte, dem Leichnam auf dem Forum das Geleit gab und sogar durchsetzen wollte, daß Lucullus, wie Sulla, auf dem Marsfeld beigesetzt werde.65 61 62 63
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Dies bezieht sich auf die sakralrechtlich latente Ungültigkeit aller seiner Maßnahmen, vgl. Lundgreen 2011, 154 Anm. 434, die den Hintergrund für das sog. „Kompromiß-Angebot“ an Caesar bildet, s. dazu Meier 1975. Vgl. Cic. Att. 2,24,3 (SB 44); Plut. Luc. 42,7 f. Zur Datierung des Todes s. Bennett 1972, 314. Für Hinweise auf eine (Geistes-)Erkrankung und Vormundschaft durch seinen Bruder s. Plut. Luc. 43,1–2; ob dies an einem Liebestrank lag (so Cornelius Nepos laut Plut. ebd. sowie Plin. HN 25,25 und vir ill. 74,7 f.), sei dahingestellt. – Interessant ist, daß nicht nur Plutarch (comp. Cim. Luc. 1,1) seinen Protagonisten glücklich preist, vor der μεταβολή, vor Bürgerkriegen und Prinzipat gestorben zu sein, sondern auch Velleius Paterculus (2,48,6) Catulus, Metellus, Hortensius und eben die Lucullus-Brüder nennt, die ohne Anfeindungen zu höchster Blüte im Staat gekommen seien, ohne Gefahr ihre Ehrenpositionen innegehabt hätten (sine invidia in re publica floruissent eminuissentque sine periculo) und dann eines ruhigen oder natürlichen Todes vor den Bürgerkriegen gestorben seien (quieta aut certe non praecipitata fatali ante initium bellorum civilium morte functi sunt). Auch dies sind Aussagen, die nicht gut zu Konnotationen von Verlierern passen. Vgl. Suet. Iul. 20,4: Lucio Lucullo liberius resistenti tantum calumniarum metum iniecit, ut ad genua ultro sibi accideret), was immerhin von Mommsen 1904/2010, 211 übernommen und bei Keaveney 1992, 162 breiten Raum findet als Beleg für fruchtlose politische Bemühungen und weitere Demütigungen, letztlich aber viel zu kurz und unverständlich für größere Schlußfolgerungen ist. Zurecht spricht sich Schütz 1994, 3 daher gegen die These von Antonelli 1989, 244 f. aus, Caesar habe damit gedroht, eine von Antonelli angenommene, nirgends sonst belegte Rauschgiftsucht des Lucullus publik zu machen. Vgl. Plut. Luc. 43,3 [Üb. K. Ziegler], wobei man seinen Worten (οὐ μὴν ἀλλ‘ ὡς ἀπέθανε, καθάπερ ἐν ἀκμῇ τῆς στρατηγίας καὶ τῆς πολιτείας αὐτοῦ τελευτήσαντος) anmerkt, daß es zu seiner Komposition eigentlich nicht paßt – was dafür spricht, es als historisch anzunehmen, daß zumindest bei Teilen des Volkes Lucullus noch als großer Militär angesehen wurde. Wie gut für Plutarch, daß
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Wenn es also überhaupt einen Rückzug gegeben hat, dann also frühestens 59/58 und damit kurz vor seinem Tod – von einer „Gleichgültigkeit politischen Fragen gegenüber seit 66“ kann jedenfalls keine Rede sein.66 Dies wird vielleicht am deutlichsten an der schon angesprochenen Mitgliedschaft im Kollegium der Auguren, über welches Cicero festhält: maximum autem et praestantissimum in re publica ius est augurum cum auctoritate coniunctum. Man mag diese Sicht relativieren, aber die Mitgliedschaft bleibt eine der höchsten Ehrungen und einflußreichsten Positionen.67 Und auch wenn es für Auguren keine ‚Anwesenheitspflicht‘, wie etwa für den flamen Dialis, gab, ist doch aus der Tatsache, daß wir über Lucullus’ Aktivitäten in diesem Bereich nichts wissen, viel eher zu schließen, daß er sich ‚normal‘ verhielt – jeder Hinweis auf einen sakrale Pflichten ignorierenden Lucullus, der stattdessen im Garten philosophierte oder ausgefallen speiste, wäre mit Sicherheit für eine entsprechende Anekdote ausgeschmückt worden. So aber bietet sich ein argumentum e silentio gegen einen Rückzug von der Politik. Vor allem erscheint Lucullus noch im Jahre 58 als Gesprächspartner und Ratgeber Ciceros für dessen Frage, wie er sich gegenüber Clodius’ Gesetz verhalten solle.68 Vergegenwärtigt man sich solche Gespräche (per Brief oder in den kampanischen Villen), stellt sich auch erneut die Frage, was unter Ausstieg eigentlich verstanden werden kann – der räumliche Rückzug allein, der Aufenthalt in Villen als solcher wohl kaum. Die erwähnten politischen Aktivitäten des Lucullus sind nun nicht neu, bisherige Untersuchungen sehen darin allerdings eher kurze Ausnahmen eines ansonsten unpolitischen Luxuslebens, wie im vielzitierten Wort von Seager, der im Zuge der Ratifizierungsdebatten von Pompeius’ Maßnahmen im Osten Lucullus einführt als jemand „who dragged himself away from his fishponds to attend the senate“.69 In die gleiche Richtung stoßen die entsprechenden Kapitelüberschriften in den Biographien: Ooteghem subsumiert die Zeit ab 63 unter „La retraite“, Keaveney fragt rhetorisch für die Zeit ab 66 „The life of a sponge?“ und schließt daran ein Zitat von Milton an „…retired leisure that in trim gardens takes his pleasure“.70 Diese Sicht
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Marcus Lucullus dann doch darum bittet, seinen Bruder auf dem Landgut in Tusculum beizusetzen (Plut. Luc. 4), wobei auch das Grab dort als massiver Rundbau es architektonisch mit dem Grab Sullas aufnehmen konnte, so McCracken 1942, 332–335, der den Torrione di Micara bei Frascati dafür identifiziert hat. Gelzer 1926, 413. Cic. leg. 2,31. Für die Auguren als mächtige ‚veto-player‘ s. Lundgreen 2017. Irritierend ist, wie Keaveney 1992 nur ganz beiläufig im Zuge der Rückkehr des Lucullus nach Rom anmerkt: „we may add that he, like his brother, was also admitted to a priestly college“ (129) und weiter meint „like many of his class he held a priesthood“ (175), was zur gerade im Verhältnis zu Senatoren nur geringen Anzahl von sakralen Prominenzrollen nicht paßt. Nach Plut. Cic. 31,5 riet Lucullus Cicero zum Verbleib in Rom. Briefliche Äußerungen, in denen Cicero seine eigene Mitschuld am Exil bedauert (wie in Att. 3,8,4; 3,14,1; 3,15,5) sprechen dafür, daß Cicero dies später als richtig ansah. Seager 2002, 81; im Hintergrund dürfte Plutarch stehen, vgl. Hillman 1993, 222. Ooteghem 1959, 166; Keaveney 1992, 129 bzw. 143, beim Zitat von John Milton handelt es sich um die Verse 49 f. von Il Pensoroso von 1645, dessen idyllisch-melancholische Stimmung mit dem Leben römischer Adeliger nichts zu tun hat. Ähnlich dennoch, und wie üblich pointiert und verdichtet, Syme
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wird vor allem an Plutarch liegen, bei dem Aktivitäten des Lucullus als Ausnahme von der Regel, als Unterbrechung der Muße erscheinen und der seine Zweiteilung der vita mit dem Bonmot versieht, daß sich das Leben des Lucullus wie eine attische Komödie lesen lasse: am Beginn mit kriegerischen Begebenheiten und am Ende voller Trinkgelage und Schmausereien, Umzüge, Lust und Scherz.71 Man dürfte kaum irgendwo ein Mißverständnis römischer Adelskultur deutlicher formuliert finden. Denn es ging nicht darum, gut, sondern besser zu essen; nicht darum, satt zu werden, sondern andere zu beeindrucken, seinen eigenen Status durch Festmähler zu manifestieren und zu erhöhen, kurz: Luxus war weniger privates Vergnügen als vielmehr Konkurrenz auf einem anderen Feld. Dies zeigt sich u. a. an P. Servilius, der als erster einen ganzen Eber auf den Tisch brachte, und an Hortensius Hortalus, der anläßlich seiner Aufnahme unter die Auguren gebratenen Pfau auffuhr, was Nachfrage und Preise stiegen ließ.72 Weiter ist auf die stete Verbesserung von Produkten hinzuweisen, wozu die Vogelhäuser, Fischteiche und die Anpflanzung von exotischen Obstsorten gehörten – wie die Kirschen, die in keinem Aufsatz zu Lucullus fehlen dürfen.73 Spiegelbildlich lautet die Kritik schon bei Sallust, daß „alles Wasser und Land nach Leckerbissen durchsucht“ werde. Die Passage findet sich am Schluß seiner Einleitung zur Coniuratio Catilinae, einem Dekadenzdiskurs par excellence, angefangen von der Eroberung Karthagos über den Wegfall der Rivalin zu den Verlockungen des Ostens, welche Genußsucht und Habgier weckten und damit zur Verschuldung führen mußten – was nur bestätigt, um welche Summen es ging, mit welchem Aufwand dieses Spiel gespielt wurde.74
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1939, 23: „Secluded like indolent monsters in their parks and villas, the great piscinarii, Hortensius and the two Luculli, pondered at ease upon the quiet doctrines of Epicurus and confirmed from their own careers the folly of ambition, the vanity of virtue.“ Plut. Luc. 39,1: Ἔστι δ‘ οὖν τοῦ Λευκόλλου βίου καθάπερ ἀρχαίας κωμῳδίας ἀναγνῶναι τὰ μὲν πρῶτα πολιτείας καὶ στρατηγίας, τὰ δ‘ὕστερα πότους καὶ δεῖπνα καὶ μονονουχὶ κώμους καὶ λαμπάδας καὶ παιδείὰν ἅπασαν. Der Ausdruck παιδείά, eher „kindliches Vergnügen“ als bloße „Belustigung“ oder „Scherz“ wiederholt sich im direkt folgenden Satz als Kennzeichnung der Bauten, Kunstwerke, Gärten und Fischteiche, was Plutarchs Distanz dazu unterstreicht. Zum dichotomischen Aufbau der Plutarchbiographie vgl. weiter Hillman 1993, 221 und Tröster 2004; für die erloschene Tatkraft des der Muße erlegenen Lucullus s. auch Plut. Pomp. 46,3: ὁ δὲ τἆλλα μὲν ἀμβλὺς ἦν ἤδη καὶ κατέψυκτο τὸ πρακτικόν, ἡδονῇ σχολῆς καὶ ταῖς περὶ τὸν πλοῦτον διατριβαῖς ἑαυτὸν ἐνδεδωκώς. Für den Eber des Servilius s. Plin. HN 8,210; für Hortensius’ Pfauen s. Varro, r. r. 3,6,6; Plin. HN 10,45; auch Cicero rühmt sich diesen Genusses (Fam. 18,3). Vgl. für „das Prestige erstmalig und exklusiv verspeister Nahrungsmittel“ weiter Tietz 2013, 100–118 (Zitat: 100). Für den Import der Kirsche s. Plin. HN 15,102 und Athen. 2,51a, der gleichwohl auch eine Variante bietet. Sall. Cat. 13,3: „vescendi causa terra marique omnia exquirere“ [Üb. J. Lindauer]. Für den Kontext von Sallusts Dekadenzmotiv in diesem Zusammenhang vgl. Habenstein 2015, 95–98, 110–116. Treffend lautet die Kapitelüberschrift von Dalby 2000, der unter „The art of dining“ (243–257) die literarischen Quellen durchgeht: „The use of Empire“ (243). Ein Beispiel dafür ist Apicius, der für die Suche nach noch größeren Langusten als seine normalerweise verspeisten aus Smyrna bis nach Nordafrika gereist und beim Anblick der Qualität vor Ort ohne Land betreten zu haben wieder abgereist sein soll, vgl. Athen. 1,7a-b und s. Tietz 2013, 114. Es wäre interessant zu überlegen, inwieweit die Suche nach Nahrungsmitteln auch die Ausdehnung römischer Herrschaft beeinflußt hat, wie es jetzt Collingham
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Konkurrenzverhalten durch gutes Essen ist keine neue Beobachtung.75 Daß es darüber hinaus aber auch ‚Karrierefeld‘ war, dafür sprechen nicht zuletzt die Versuche der Römer selbst, diese Aktivitäten, die Gestaltung von Gastmahl und Bankett zu reglementieren und zu beschränken, mit anderen Worten: den Konsens über die Konkurrenzordnung wiederherzustellen. Reguliert werden sollten die Menge des Silbergeschirrs, die Anzahl der Gäste oder die Ausgaben für Spitzenköche – daß die Versuche der Selbstregulierung von der lex Orchia de cenis von 182 über die lex Fannia cibaria von 161 und viele weitere allesamt nur wenig Erfolg hatten, ist dabei weniger überraschend als der schon von sich aus resignierende Kaiser Tiberius, der auf die Durchsetzung von Luxusgesetzen verzichtete. Für die These des Karrierefelds und der Distinktionsmöglichkeit geht es aber weniger um die tatsächlich erfolgreiche Normdurchsetzung als vielmehr – ähnlich wie bei leges gegen ambitus – abstrakt um die Versuche der Reglementierung und konkret um das Verhindern eines Zusammenfalls von Reichtum und dignitas.76 Wie sehr kulinarische Verfeinerung dabei als Mittel der Distinktion wahrgenommen wurde, lässt sich vielleicht am besten am Diskurs um die antike „Foie gras“ zeigen. Apicius, ad omne luxus ingenium natus, wird gerühmt als Erfinder der Schweinemast mit Feigen für eine besonders leckere Leber der Tiere, auch Varro diskutiert ausführlich die Geflügelmast, obwohl (bzw. vermutlich weil) schon von der lex Fannia 161 das Servieren von gemästetem Geflügel untersagt worden war.77 Eine ganz ähn-
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2017 für das British Empire untersucht hat. – Die Metapher des Spiels ist hier besonders einschlägig, zeigt sich hier doch mit Bourdieu 1993, 123 „das Feld (d. h. Spielraum, Spielregel, Einsätze usw.) eindeutig wie es ist, nämlich als willkürliche und künstliche soziale Konstruktion“, deren Regeln und Ziele vor allem durch angeborene Zugehörigkeit zum Feld sinnvoll erscheinen. Präzise hat Stein-Hölkeskamp 2005, 174 den Sachverhalt zusammengefaßt: „Alle diese Aktivitäten, die die Steigerung der leiblichen Genüsse beim Mahl zum Ziel hatten, kollidierten damit offensichtlich keineswegs automatisch und permanent mit dem traditionellen Engagement der Elite in Politik und Krieg. Sie waren vielmehr nur eine weitere Facette der aristokratischen Lebenswelt, provozierten Bewunderung oder Neid, regten zur Nachahmung an und wurden Teil des allgegenwärtigen Konkurrenzverhaltens der Angehörigen dieser Schicht.“ Für die leges Orchia und Fannia vgl. Elster 2003, 337–339; 369–400; für Tiberius’ Durchsetzungsverzicht s. Tac. ann. 3,52–54; zu diesen und weiteren Gesetzen mit dem Ziel der „Bewahrung der gesellschaftlichen Zustände, die durch den inneraristokratischen Wettstreit in Gefahr waren“ siehe hier weiter Tietz 2013, 159–178 (Zitat 177) sowie Aubert 2017. Den Bezug zu den ambitus-Gesetzen hat Hans Beck (hier im Band) erneut unterstrichen, vgl. bereits La Penna 1989, 32: Le leges sumptuariae hanno funzione simile alle legge de ambitu e rientrano nella ben nota strategia di Catone contro le personalità carismatiche emergenti“ und gegen „l’uso politico della ricchezza.“ Für die Rolle des Gastmahls im Wahlkampf s. Schnurbusch 2011, 240–244, für den Einsatz der Reichtümer in Haus und Garten zur politischen Distinktion s. La Rocca 1986, 8 f. Es wird kein Zufall sein, daß somit alle von Hölkeskamp 2011, 11 definierten Karriere- und Distinktionsfelder ‚verregelt‘ wurden; zu diesem Phänomen ab 180 v.Chr. s. Lundgreen 2011, 286–301, zu dem Bestreben, die Koppelung von dignitas mit Reichtum zu verhindern, s. zuletzt Jehne 2016. Vgl. auch Tan 2015. Zu Apicius’ Mast s. Plin. HN 8,209, Zitat im Text 9,66. Im literarischen Mahl des Nasidienus z. B. wird „die Leber einer blütenweißen Gans, die man mit saftigen Feigen fettgemacht hat“ serviert (Hor. serm. 2,8,88 [Üb. G. Herrmann]). Für die Diskussion zur Mast Varro r. r. 3,7,9; das Verbot aus der lex Fannia überliefert Plin. HN 10,139.
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liche Spannungslage von Versuchung und Verbotsversuchen ließe sich für Austern durchspielen,78 auch die von Apicius ihres Geschmackes wegen gelobten Flamingozungen böten sich als Symbol für die Distinktion an, nur ganz bestimmte Teile von Tieren zu essen, was ebenso gerne praktiziert wie kritisiert wurde.79 Beides, die Verfeinerungen wie der sie begleitende Diskurs, haben dazu geführt, daß im Kontext des römischen Gastmahls vermehrt auf Thorstein Veblen und den „demonstrativen Konsum“ verwiesen worden ist.80 Mit Hilfe dieser ‚Brille‘ lassen sich nun in der Tat einige der berühmten Anekdoten über Lucullus gut erklären, die Plutarch gesammelt überliefert, gleichwohl er sie offensichtlich nicht richtig zu würdigen im Stande war. Es beginnt mit folgender Episode: „Als er einmal allein speiste und nur eine Tafel und ein mittelmäßiges Essen aufgetragen wurde, ließ er den Sklaven rufen, der das unter sich hatte, und machte ihm Vorwürfe. Als der sagte, er habe nicht geglaubt, daß Lucullus ein üppiges Essen verlangen werde, weil niemand geladen sei, rief er: „Was sagst Du da? Weißt Du nicht, daß heute Lucullus bei Lucullus speist?“81 Auf den ersten Blick paßt dies gerade nicht zu Veblen, dem zufolge der Konsum in der Öffentlichkeit stattfinden muß, wohingegen das Privatleben neugierigen Blicken entzogen bleiben soll; auch Plutarch sieht die Episode kritisch und berichtet mißbilligend, daß davon die ganze Stadt geredet habe.82 Dies aber ist genau der Punkt und die Szene alles andere als ein wirklicher Blick hinter die Kulissen. Adressat des Satzes „Weißt Du 78
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Die Zucht der beliebten Delikatesse (so allg. Plin. HN 32,59–65) hatte den Ritter Sergius Orata um 100 v.Chr. zu großem Reichtum kommen lassen (Plin. HN 9, 168 f., Val. Max. 9,1,1; Macrob. sat. 3,15,3; s. weiter D’Arms 1970, 31–36, Stein-Hölkeskamp 2005, 167 f. und Bannon 2014), gleichwohl eine lex Aemilia von 115 (oder 78?) das Servieren nicht nur von exotischen Vögeln, sondern auch von Mollusken verbot, vgl. Marzano 2013, 173 f., dort auch zur ökonomischen Rolle und zu technischen Aspekten der römischen Austernzucht (173–197). Für das Lob von Apicius s. Plin. HN 10,133, vgl. weiter Mart. 13,71. Weitere Beispiele finden sich, neben der schon behandelten Leber von allen Tieren vor allem bei Geflügel, vgl. bspw. Mart. 13,52: Tota quidem ponatur anas, sed pectore tantum et cervice sapit: cetera redde coco. – „Man serviere zwar die Ente ganz, doch nur Brust und Nacken sind schmackhaft; den Rest gib an den Koch zurück!“ [Üb. P. Barié / W. Schindler] Auch vom Hasen wird besonders die Schulter empfohlen, so zumindest tut es Nasidienus bei Hor. serm. 2,88,89, der gleichwohl mit eben solchen ständigen Erläuterungen seine Gäste in die Flucht schlägt. Explizit kritisiert wird das Essen nur der feinsten Teile von Favonius bei Gell. n.a. 15,8,2 und Sen. epist. 110,112 (ähnlich auch 90,22), s. weiter Stein-Hölkeskamp 2005, 185–190. Ob man in diesen Stellen i. S. von Fergus Henderson (Henderson 2012) einen Nose-to-tail-Diskurs avant la lettre sehen kann, bleibt zweifelhaft: Bei Martial sollen die Teile ja an den Koch gehen, es wird also nicht prinzipiell viel verschwendet, sondern nur nicht von der obersten Elite alles gegessen. Deren Speisezettel mit Fasanenhirn (Suet. Vit.13,2), Hahnenkämmen (Plin. HN 10,52) und gegrillter Gebärmutter (Apic. 7,1,2) dürfte dagegen eher Vorbild für die Linie sein, wirklich alles vom Tier zu verwenden. Veblen 1899/2007, bes. 79–107; ähnlich heißt es später bei Max Weber (Weber 2009 [= WuG], 128) „Der ‚Luxus‘ im Sinn der Ablehnung zweckrationaler Orientierung des Verbrauchs ist für feudale Herrenschichten nicht ‚Überflüssiges‘, sondern eines der Mittel ihrer sozialen Selbstbehauptung.“ Für die Ablehnung kaiserlicher Exzesse im Diskurs von Plinius d. J., Statius, Martial und Juvenal s. Stein-Hölkeskamp 2002. Plut. Luc. 41,3 f.: ‘τί λέγεις;’ εἶπεν ‘οὐκ ᾔδεις ὅτι σήμερον παρὰ Λευκόλλῳ δειπνεῖ Λεύκολλος;’ [Üb. K. Ziegler]. Vgl. Veblen 1899/2007, 117; Plut. Luc. 41,4: ὄντος δὲ περὶ τούτων ὡς εἰκὸς ἐν τῇ πόλει λόγου πολλοῦ.
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nicht, daß heute Lucullus bei Lucullus speist?“ sind nicht die Sklaven im Haushalt, sondern alle in der Stadt, die gerne einmal bei Lucullus speisten – wie dann auch, in der zweiten Anekdote direkt danach, Cicero und Pompeius sich bei diesem einladen und ausbedingen, daß er keine besonderen Anstrengungen dafür unternehmen dürfe. Sie wollen also an jenem Tag nicht einfach ‚nur‘ hervorragend essen. Sie wollen den Ruhm des immer gut Essenden überprüfen, mit Goffman gesprochen: einen Blick auf die Hinterbühne werfen.83 Lucullus geht zum Schein darauf ein, möchte seinem Diener nur sagen, wo genau im Hause gespeist werden soll, und überlistet die beiden damit, weiß doch der Haushalt des Lucullus, daß sich hinter dem Hinweis auf das „Apollon-Zimmer“ nicht nur eine Ortsangabe, sondern auch die Aufgabe verbirgt, ein Mahl im Wert von 50.000 Sesterzen zu bereiten.84 Beim Essen mit zwei der berühmtesten Mitglieder der römischen Elite läßt Lucullus damit nicht bloß das gute Geschirr herausholen, sondern alles auffahren, was er zu bieten hat – und das binnen weniger Stunden, was die Gäste entsprechend beeindruckt. Zu Recht hat Schnurbusch in seiner Untersuchung zum Gastmahl die letzte Episode als Beleg der „Leistungsfähigkeit einer eingespielten häuslichen Organisation“ gesehen.85 Seine Interpretation der ersten Anekdote, Lucullus gehe es tatsäch83
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Der Begriff der Hinterbühne wird von Goffman 1959 in seinem Kapitel zu „Ort und ortsbestimmtes Verhalten“ (99–128) eingeführt und bezeichnet den Raum, in welchem man aus der auf der Vorderbühne aufgeführten Rolle fallen kann, der deswegen aber vor Blicken des Publikums geschützt werden muß. – Eine andere Deutung des Besuches gibt Hillman 1994, dem zufolge es überhaupt nicht um das Essen ging, sondern darum, daß Pompeius und Lucullus mit Cicero als Mittelsmann ihre inimicitia beizulegen trachteten. Die Annahme einer solchen Feindschaft ist aber nicht unproblematisch. Hillman selbst hat sich 1991 überzeugend dafür ausgesprochen, vor 66 gar nicht von größeren Mißstimmungen und über das Maß normaler Rivalität hinausgehenden Animositäten zwischen Lucullus und Pompeius auszugehen (trotz bspw. der Nichtbeachtung von Pompeius in Sullas Testament), ähnlich schon Twyman 1972, 873. Die Frage ist dann, ob man nach dem sicherlich bitteren Konflikt im Jahr 66 in der Folgezeit, auch noch nach Lucullus’ Triumph von einer tatsächlichen inimicitia auszugehen hat, die einer solchen Versöhnung bedurfte. Auch ohne im Umkehrschluß Freundschaft zu unterstellen, dürfte ein solches Abendessen ohne Probleme zum normalen Comment der römischen Elite, zumal der sich lange kennenden und über Cicero verbundenen Protagonisten gehört haben. Hillman folgt hier m. E. zu eng Epstein 1987, der einen sehr weiten Begriff von inimicitia vertritt, siehe hierzu weiter Lundgreen i. D., 5. Problematisch für eine große Versöhnung bleibt weiter, daß Lucullus Pompeius auch weiterhin politisch nicht unterstützt, so Villoresi 1939, 192. Daß Plutarch, der sonst den Konflikt zwischen Pompeius und Lucullus immer betont, an dieser Stelle keinerlei Bemerkung einstreut, spricht eher dafür, daß er die Anekdote unverändert übernimmt, womit die Interpretation vom Anlaß des Essens unabhängig ist. Daß ein solches Essen „öffentlich“ genug wäre für eine wahrnehmbare Annäherung der Protagonisten, bleibt davon unbenommen, vgl. nur Stein-Hölkeskamp 2001, 362 f. für das Versöhnungsessen von Cicero und Crassus i. J. 54. Vgl. Plut. Luc. 41,7. Schnurbusch 2011, 99; gleiches wird für das Personal einer Villa gegolten haben, vgl. Tietz 2015, 251. Einen guten Überblick zur Charakteristik römischer Bankette, zu Ausstattung, Menuefolge, Rahmenprogramm und Sitzordnung bietet Vössing 2004, 196–234; spontane Einladungen am Nachmittag noch für den gleichen Tag sind dabei keine Seltenheit, vgl. Stein-Hölkeskamp 2001, 471 und 2008, 144, mit treffendem Verweis auf Mart. 2,14 und den Selinus, der von Foren in die Bäder läuft „in der Hoffnung, daß ihm dort noch ein Freund zu später Stunde über den Weg läuft“ und ihn zum Essen einlädt. [Üb. P. Barié / W. Schindler].
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lich mehr um das Essen als die Distinktion, um Genuß statt Pflege sozialer Beziehungen, und er sei „der erste Aristokrat gewesen […], der bewußt darauf verzichtete, seine Tafel in dieser Weise zu instrumentalisieren“, geht dagegen von der unhinterfragten „Rückzugsthese“ aus und bleibt problematisch.86 Im Hintergrund steht der Bericht Plutarchs, daß Lucullus die „normalen“ oder „alltäglichen“ Essen mit einem Aufwand von purpurnen Decken, edelsteinbesetzten Bechern, Musik und Tanz betrieb, der die Grenzen zwischen Essen und Gastmahl, zwischen cena und cenula verwischte; entsprechend haben auch andere versucht, hier gerade eine Besonderheit des Lucullus zu sehen, der als einziger kein Publikum für seine Genüsse gebraucht habe.87 Dazu passen die eben diskutierten Szenen aber gerade nicht; allein schon mehrere Zimmer mit jeweiligen Budgets zu haben deutet nicht darauf hin, daß Lucullus jeden Tag gleich (gut) aß, sondern daß klar differenziert werden konnte und sollte, je nach Anlaß und Gästen. Anders wäre auch seine List gegenüber den spontanen Besuchern sinnlos gewesen, die den Kern der Geschichte ausmacht. Ob diese und weitere Anekdoten historisch sind, ist dabei nicht relevant; eher geht es um das Bild von Lucullus, das dadurch vermittelt, um den Diskurs, der deutlich wird.88 Die ständige Präsenz des Pompeius wird am Ende dieses Abschnitts noch weiter interpretiert, sie deutet aber auf einen zeitgenössischen Entstehungskontext der Episoden hin, die dann von Plutarch unverändert übernommen bzw. als einzelne Blöcke in seine Lucullus-Vita eingefügt wurden, stellenweise mit gewissem Unbehagen und griechischer Distanz zum vermeintlich ausschweifenden Leben. Liest man die Stellen aber genau, wird Lucullus gerade nicht als „ganz gewöhnlicher Schlemmer vorgeführt“,89 sondern erreicht mit seinem Lebenswandel eine spezifische Distinktion. Passend dazu eine weitere Anekdote, nach der der jüngere Cato jemandem im Senat tadelnd zugerufen haben sollte: „Wirst Du wohl aufhören, wo Du Geld 86 87
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Schnurbusch 2011, 257. Vgl. Schnurbusch 2011, 177, der hier eng Plut. Luc. 40,1 folgt. Pointiert auch D’Arms 1999, 312 f., der die Szene mit Plut. Mor. 528a und der These, daß Reichtum ohne Publikum seine Wirkung verliert, kombiniert und so zu einer „atypicality of Lucullus“ kommt. Im Hintergrund steht, daß ein Essen alleine wenn nicht sogar negativ konnotiert, dann doch keineswegs die Norm einer Elite mit hoher Kommensalität war, so Tietz 2008. Siehe weiter Morton Braund 1996, u. a. mit Hinweis auf Plut. Mor. 697c und das römische Sprichwort, wer alleine Nahrung zu sich nehme, habe gegessen, aber nicht gespeist (ἐπεὶ μόνος ἐδείπνησεν, ‘βεβρωκέναι, μὴ δεδειπνηκέναι σήμερον’, ὡς τοῦ δείπνου κοινωνίαν καὶ φιλοφροσύνην ἐφηδύνουσαν ἀεὶ ποθοῦντος). Nimmt man dies ernst, hätte man doch erwarten können, daß Plutarch die Anekdote dahingehend kommentiert; so spricht es dafür, daß es schon in der Anekdote selbst nicht um das Essen alleine, sondern den großen Luxus geht. Auch daß es bei Plut. comp. Cim. Luc. 1,5 f. heißt, der eine habe mit geringem Aufwand vielen Unterhalt gewährt, der andere mit hohen Kosten wenige Schlemmer (ὀλίγους τρυφῶντας) bewirtet, spricht gegen den einsamen Genießer. Vgl. die treffende, spontan auf der Konferenz geformte Sentenz von Amy Russell: „The plural of anecdotes is not data but discourse.“ So Peter 1865, 108, der über die Kapitel 37 ff. bei Plutarch das Fehlen von Sallust als „guter Führer“ bemerkt und festhält: „Von nun an aber haben wir eine Reihe von lose aneinandergefügten Anekdoten und einzelne Bemerkungen über Luculls eheliche Verhältnisse, seinen Reichthum und dessen Benutzung, wobei uns Lucullus als ganz gewöhnlicher Schlemmer vorgeführt wird.“
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hast wie Crassus und lebst wie Lucullus, so zu reden wie Cato“.90 Überliefert wird auch diese Anekdote von Plutarch, der die vordergründig aufscheinende Kritik am Luxus teilt. In einem System andauernder Konkurrenz um Ruhm, Sichtbarkeit und Alleinstellungsmerkmale dürfte Lucullus sich dagegen an dieser Erwähnung kaum gestört haben. Nicht mehr jedenfalls als Crassus, dem dazu vergleichbarer militärischer Ruhm fehlte. Interessant ist weiter, daß es bei dieser Zuschreibung von Luxus allgemein um die Lebensweise des Lucullus geht, nicht etwa, wie im Kontext von Plutarch auch passend, speziell um Essen. Dazu paßt, daß sich für Lucullus insgesamt ausschließlich Berichte über die ‚Produktion‘ und Veredelung von Nahrung erhalten haben. Wir lesen von Fischteichen und Vogelvolieren, von Wildanlagen und dem Import der Kirsche, aber hören von keiner einzigen konkreten kulinarischen Anekdote, keinem spezifischen Gericht, vergleichbar der Brühe des Hirtius oder Apicius’ Honigwein, wir kennen keine beindruckende Menüfolge wie bei der cena aditialis des Metellus Pius; von literarischen Exzessen wie bei Nasidienus oder Trimalchio ganz zu schweigen.91 Dies läßt nur den Schluß zu, daß Lucullus zu seiner Zeit – anders als im Nachleben – überhaupt nicht auf Kulinarisches reduziert wurde.92 Selbst die Kirsche wird weniger in der Rubrik Kulinarik erwähnt denn in der Kategorie etwas „als erster“ gemacht zu haben – ähnlich der Begegnung mit Kamelen und dem Import schwarzen Marmors.93 Letzterer leitet über zu den Bauten, über die Plutarch insofern lieber berichtet als über die Festmähler in ihnen, als er so auch die große (und griechischen Benutzern zugängliche) Bibliothek des Lucullus und damit 90 91
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Plut. Luc. 40,3: ἐπαναστὰς ὁ Κάτων ‘οὐ παύσῃ’ ἔφη ‘σὺ πλουτῶν μὲν ὡς Κράσσος, ζῶν δ‘ὡς Λεύκολλος, λέγων δ‘ ὡς Κάτων;’ [Üb. K. Ziegler]. Zum Problem, daß Cato seinerseits der Gebrauch von triclinaria Babylonica für 800.000 HS nachgesagt wurde, so Plin. HN 8,196, s. Vössing 2004, 245. Zum Honigwein s. Horaz, serm. 2,4,24 f.; zum ius hirtianum vgl. Cic. Fam. 9,18,3 (= SB 191), 9,20,2 (= SB 193), s. weiter Stein-Hölkeskamp 2005, 165 und Tietz 2013, 109. Zur cena aditialis anlässlich der Ernennung von Lentulus Niger zum flamen Martialis im Haus des pontifex maximus Q. Caecilius Metellus Pius am 22. August wohl i. J. 70, vgl. Macrob. Sat. 3,13,12, der hier die offiziellen pontifikalen Aufzeichnungen des Gastgebers wiedergibt, s. weiter D’Arms 1999, 309–311, der auf die vielfältigen Normtransgressionen (und damit auch das Vorbild für Petrons Trimalchio) hinweist; dies gilt symbolisch auch dann, wenn man mit Vössing 2004, 251 davon ausgeht, die leges sumptuariae hätten nicht für Priesterbankette gegolten. Petrons cena Trimalchonis ist eine ebenso berühmte wie problematische Quelle, die hier nicht gesondert interpretiert werden kann, s. auch m. w. V. für Literatur Tietz 2013, 205–212; gleiches gilt für Horaz’ cena Nasidiena, vgl. hier nur Gowers 1993 161–179. Was es also bei Lucullus im Apollon-Zimmer zu essen gab, wissen wir nicht; eine Tatsache, die ihm von neuzeitlichen Kochbuchsammlern und Gourmets sogar vorgeworfen worden ist, vgl. bspw. Schraemli 1981, 44. Aus heutiger Sicht spekulierend dürften, allein um auf die entsprechenden Summen zu kommen, Kobe-Rind, iranischer Kaviar, Blauflossen-Thunfisch oder Fugu kaum fehlen, auch mit Safran oder weißen Trüffeln wäre zu rechnen, von ansprechenden Weinbegleitungen in passenden Gefäßen (vgl. D’Arms 1999, 311 f.) ganz zu schweigen. Vor allem aber, denkt man an die Beispiele von Metellus Pius bis Trimalchio, dessen Koch jedem Essen die Form einer anderen Speise geben konnte (vgl. Petr. sat. 50; 69 f.), dürfte es um die Verfeinerung bekannter Produkte, neue Kombinationen und kulinarische Spielereien gegangen sein, also all dem, was nach Goody 1982, 104 f. eine haute cuisine ausmacht. Vgl. für die Kamele Sall. Hist. Frg. 3,29 McGushin (3,42 M), skeptisch dazu Plut. Luc. 11,6; für den Marmor: Plin. HN 36,49 f.
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dessen philosophische Ader erwähnen kann.94 Roter Faden aber auch der Ausführungen zu Bauten bleibt das Übertreffen von anderen Mitgliedern der Elite im elitären Leben. Dazu nur einige Beispiele: Während der jüngere Plinius brieflich unter den Vorzügen seines Landguts herausstellt, daß es für Winter wie Sommer je geeignete Räume gebe, besitzt Lucullus gleich mehrere Villen in verschiedenen Gegenden, um dieser Problematik zu entgehen.95 Und wenn auch Hortensius, Lutatius Catulus, Pompeius und Cicero ebenfalls eine größere Anzahl von Villen und Landgütern ihr Eigen nennen konnten, waren diejenigen des Lucullus wohl am prächtigsten und besten ausgestattet – gehörten dazu doch eine entsprechende Architektur, Mosaike, Statuen und Gartenanlagen.96 Werden bei Varro die Erträge landwirtschaftlicher Güter in Höhe von 50.000 Sesterzen pro Jahr bestaunt, gibt Lucullus diese Summe für ein einziges Essen in seinem Apollon-Zimmer aus.97 Haben andere, wie Hortensius, Schwierigkeiten mit der Frischwasserzufuhr und Kühlung ihrer Fischteiche, sorgt die Lösung Lucullus’, dank eines Durchstoßes mit frischem Meerwasser zu operieren, für Staunen, Ertrag wie auf hoher See und den allenfalls halb-spöttischen Ruf eines Xerxes togatus.98 Einzig die Vogelvoliere von Lucullus hat nicht ganz so 94
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Plut. Luc. 42,1–4; schon der Beginn, Σπουδῆς δ‘ ἄξια καὶ λόγου τὰ περὶ τὴν τῶν βιβλίων κατασκευήν, grenzt diese Aktivitäten klar von den in 39,1 als παιδιάν gekennzeichneten Spielereien ab, vgl. oben Anm. 71. Zur Ausgestaltung der Bibliothek, die wahrscheinlich neben einer kontinuierlichen Sammeltätigkeit des Hausherrn vor allem e Pontica praeda (Isid. Etym. 6,5,1) bestand, siehe Dix 2000. Besucht wurde sie nicht nur von Griechen, sondern auch, und zwar nach Lucullus’ Tod, von Cicero und Cato, die sich dort (nach Cic. fin. 3,7–10) einmal zufällig trafen. Plin. ep. 2,17; solche verschiedenen Speisezimmer werden auch von Columnella (1,6,2) empfohlen und sind nach Tietz 2015, 246 geradezu Kennzeichen des repräsentativen Charakters einer villa urbana. Für Lucullus, der wie ein Kranich seine Villen mit den Jahreszeiten wechselte, vgl. Plut. Luc. 39,5. Vgl. zur Ausstattung der Villen Lucullus’ Plut. Luc. 39,2; s. weiter allgemein Habenstein 2015, 61–66, Mielsch 1987 und Wallace-Hadrill 1998b, der unterstreicht, wie Villen vor allem als Symbol von Überlegenheit zu lesen sind: von Menschen über die Natur, von Römern gegenüber importierter griechischer Kultur, vom Besitzer gegenüber anderen vor Ort und peers in Rom (43). Nach Habenstein 2015, 35 war es für Senatoren in der späten Republik üblich, mindestens eine Villa zu besitzen; wer keine hatte, dem drohte nach Tietz 2015, 273 sozialer Bedeutungsverlust. Entsprechend zeigt allein die Liste der Villenbesitzer in der Bucht von Neapel für die Jahre 75–31 von D’Arms 1970, 165–191, wie sehr sich Lucullus hier ‚einordnet‘. Für das „high degree on investment, in capital and labor“ und damit die „intensity of human intervention“ in der Landschaft s. weiter Marzano 2007, 223. Varro r. r. 3,2,14; Plut. Luc. 41,7. Für die beiden Fischteiche vgl. Varro r. r. 17,8 f.; für die angeblich auf Pompeius zurückgehende Bezeichnung als römischer Xerxes s. Vell. Pat. 2,33,4 und Plin. HN 9,170; laut Plut. Luc. 39,3 ging es auf den Stoiker Q. Aelius Tubero zurück. Im Hintergrund steht der Kanal des Perserkönigs am Isthmos der Halbinsel Athos, den Herdodot (7,24) eher als Denkmal denn als Notwendigkeit ansieht; die Bewertung changiert damit zwischen Bewunderung und mehr oder minder subtiler Invektivität wird Lucullus doch mit einem östlichen, verweichlichten, nicht-griechischen, hybris-anfälligen und militärisch letztlich erfolglosen Herrscher verglichen, weswegen Pompeius bzw. dessen Anhänger als Urheber plausibel sind, vgl. so auch Ballesteros Pastor 1999, 341 und siehe weiter im Text. Daß Varro im Kontext der Fischteiche über Lucullus spottet, so Blanck 1999, 161, sehe ich aber nicht, zumal gerade er die Xerxes-Bezeichnung nicht erwähnt. Anders sieht es aus für den ‚Fisch-Narren‘ Hortalus, dazu weiter Punkt 3.
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funktioniert wie gedacht; der Speisesaal im Vogelhaus ermöglichte zwar das Essen von Vögeln bei gleichzeitiger Beobachtung der noch freien Artgenossen, doch sonderten letztere eher unangenehme Gerüche ab.99 Erkennbar bleibt aber die Idee, den Gästen eine synästhetische Erfahrung zu bieten, kulinarische Genüsse sollten mit optischen und akustischen Eindrücken kombiniert werden.100 Auch in dieser Anekdote wird also deutlich, wie sehr ein Gastmahl einerseits ein ‚Setting‘, andererseits ein Publikum braucht. ‚Schau-Platz‘ solcher Veranstaltungen sind Lucullus’ Villen, die eben nicht, wie von älterer Forschung angenommen, als Kompensation von Machtverlust gelesen werden sollten, sondern im Gegenteil, so Astrid Habenstein, als Statusmerkmal und aristokratischer (Inter-)Aktionsraum anzusehen sind.101 Im Aufenthalt in Villen einen Rückzug zu sehen, ist damit problematisch, so sehr es sich auf den ersten Blick auch topographisch anbietet. Wenn Ooteghem über Lucullus leicht schwärmerisch festhält: „il avait compris le vide de la vie urbaine et faisait ses délices de vivre à la campagne“, so treffen moderne Landlust und kaiserzeitliche Gemeinplätze bukolischer Literatur aufeinander, werden dem Phänomen aber nicht gerecht.102 Die römische Villa ist ebenso wenig ‚privat‘ wie das römische Stadthaus, das Leben dort trotz Bibliotheken keine kontemplative Einsiedelei.103 Dies liegt zum einen an der 99 Vgl. Varro r. r. 3,4,3. 100 Vgl., wenngleich kritisch, Sen. vit. beat. 11,4: „Sieh nur Nomentanus und Apicius an, wie sie sich ‚der Länder und des Meeres Schätze‘ (so drücken sie sich doch aus) schmecken lassen, wie sie auf ihrer Tafel Tiere aus aller Welt prüfend betrachten, schau sie dir an auf hohem Rosenlager, wie sie auf ihre Schlemmermahlzeit starren, wie sie ihre Ohren an Sang und Klang, an Theaterspiel die Augen, an Lekkerbissen den Gaumen erfreuen! Weiche, leichte Decken machen ihnen prickelnd warm, und damit währenddessen die Nase nicht zu kurz kommt, erfüllt man mit verschiedenen Wohlgerüchen eben den Ort, wo sie der Schwelgerei huldigen. Daß diese Leute ihr Leben im Genuß verbringen, wirst du zugeben; trotzdem geht es ihnen nicht gut, denn sie freuen sich nicht an Gutem“ [Üb. G. Fink]. Für weitere Beispiele muß nicht einmal auf literarische Figuren wie Nasidienus oder Trimalchio rekurriert werden, es reicht der Hinweis auf die Ankunft des Q. Caecilius Metellus Pius in seinem Winterquartier während der Kämpfe gegen Sertorius 74 v.Chr., dem eine am Seil herabgelassene Siegesgöttin einen Kranz aufsetzte, während eine Prozession im nach Safran duftenden Raum das Essen brachte, vgl. Sall. Hist. 2,59,1–4 McGushin (= Macrob. Sat. 3,13,7–9), Plut. Sert. 22,2 und Val. Max. 9,1,5. Gegenüber einer solchen Inszenierung, die im letzten Fall auch auf Kritik der genannten Autoren traf, mutet die zeitgenössische Variante synästhetischen Essens von Paul Pairet in seinem Restaurant ‚Ultraviolet‘ mit Videoleinwänden, Musik, Duftsprühern und Nebelmaschinen (vgl. Dollase 2015, 108) kaum noch radikal-modern an. 101 Vgl. Habenstein 2015, 51–94, bes. 71 f. und 81–83, wo sie zu Recht darauf abstellt, daß die Politik überall dort stattfinden konnte, wo die Elite war. Für Villen als Schauplatz und Setting der Gastmähler vgl. weiter D’Arms 1999, der die performative und teils theatralische Komponente der Bankette unterstrichen hat. 102 Ooteghem 1959, 205. Zur Kampanien-Romantik früherer Forschung s. Habenstein 2015, 51 f. 103 Zur Frage von ‚Privatheit‘ ist Winterling 2004 grundlegend; siehe darüber hinaus speziell zu Banketten Vössing 2004, 234–240, mit Fokus auf römischen Häusern und Villen Wallace-Hadrill 1994, bes. 17–37 und Zaccaria Ruggiu 1995, weiter Beck 2009b für die Häuser der Elite in Rom und Habenstein 2015, 39 f., 54–58, 70–75 für Villen auf dem Land, für welche sie darauf hinweist, daß sich auch die vorgeblich klare Trennung zwischen negotium in der Stadt und otium auf dem Land nicht halten läßt; für einen solchen Diskurs vgl. gleichwohl Zerbini 2006. Unter dieser Prämisse ist es nicht haltbar, auf
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Interaktion mit der lokalen Bevölkerung, zumal in der Rolle als Patron, zum anderen an den andauernden gegenseitigen Besuchen von anderen Mitgliedern der Elite.104 Waren, zumal im Sommer, alle auf dem Land, unterlagen die Aktivitäten dort den gleichen Regeln des aristokratischen Lebens und Wettbewerbs wie sonst in der Stadt Rom, welche für das politische Leben der Elite unbestritten das Zentrum, aber nicht der einzige Ort war.105 Dies ist insofern besonders zu betonen, als in den Forschungen zur politischen Kultur meist das Zusammenspiel von Elite und Volk und damit automatisch die Stadt Rom im Mittelpunkt steht, viele der Einsichten hinsichtlich Konkurrenz und Sichtbarkeit der Elite aber durchaus übertragbar sind auf Bereiche, welche ältere Forschung als Rückzugsgebiete (miß)verstanden hat. Villa und Landhaus bildeten Räume der Elite im umfassenden Sinn und damit mehr als bloß ‚kompensatorische Ersatzwelt‘.106 Dazu gehört noch ein weiterer Aspekt. Auch wenn Lucullus mit seinen verschiedenen prächtig ausgestatteten Villen und seiner wohl unbestrittenen Kennerschaft geradezu paradigmatisch die Kriterien von Veblen erfüllt, der ja vor allem den KonGrund der nur einen (!) gestifteten Statue für Lucullus von einem „refusal to seek immortality in bricks and mortar“ zu sprechen und dies dann mit seinen Bauten in der „private sphere“ zu kontrastieren, wie es Keaveney 1992, 136 und 144 tut. 104 Für die Rolle als Patron vgl. Habenstein 2015, 77 f.; für das Zusammenspiel von „villa-owners and local notables“ in späterer Zeit s. auch die Ausführungen von Marzano 2007, 176–198 (Zitat 185). Für die ständigen Besuche vgl. D’Arms 1970, 57–63 und, speziell für Cicero, Stein-Hölkeskamp 2001, 362–370, die für diesen im Besuch von Gastmählern eine „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ sieht (370), wiewohl er sich über die Menge kokettierend beschwert habe (364). Beispiele finden sich weiter bei Varro r. r. 3,2,15 oder (kritisch) Seneca, dazu unten Anm. 126. Wollte man sich also wirklich „zurückziehen“, brauchte das Landgut noch einen Gartenpavillon, wie Plinius d. J. einen für sein Gut Laurentius für seine ungestörten Studien besaß (epist. 2,17,20–24). 105 Es ist damit zu bezweifeln, daß es auch „gesundheitliche“ Gründe waren, „die zur Villegiatur drängten“, zumal nicht als Erholungsraum von „politische[n] Kämpfe[n]“, „kaufmännische[r] Spekulation und gesellschaftliche[r] Überanstrengung“, so Schmidt 1899, 5. 106 So Meier 1995, 62–66. Nach Meier waren Kompensationsbedürfnisse nicht die Ursache der Villenkultur, hätten diese gleichwohl stark gefördert, so daß es naheliege, hierin „Ersatzbefriedigungen einer machtbewußten, von der Tradition her machtgewohnten, zumindest mit außerordentlichen hohen Machtansprüchen ausgestatteten Aristokratenschicht zu sehen, in einer Zeit, da sie die Macht nicht mehr hatte (jedenfalls bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie es überliefert war)“ (64). M. E. werden es eher die ökonomischen Rahmenbedingungen ermöglicht haben, das klassische und im Kern in keiner Weise neue Konkurrenzmomentum der römischen Aristokratie auf neue Felder auszudehnen, die für Distinktionsbestrebungen keinen Ersatz, sondern eine Ergänzung waren. Dies bestätigt sich dadurch, daß die Villenbesitzer keinesfalls Politiker der zweiten Reihe waren, vgl. Habenstein 2015, 90. Und macht man sich bspw. klar, daß das ausführliche Gespräch bei Varro über Hoftierhaltung und Erträge aus den Landgütern, dem wir u. a. die Informationen über die Vogelvoliere und Fischteiche von Lucullus verdanken, während der Aedil-Wahl 50 (oder 54) stattfindet, die einen der ganz wenigen überlieferten Fälle von versuchter Wahlfälschung bietet, was die Protagonisten aber nur kurz unterbricht, nur einen einzigen von ihnen aufstehen läßt, während alle anderen ruhig ihr Gespräch fortsetzen, wird noch einmal unterstrichen, was Beck 2009a festgestellt hat, daß die Prominenzrollen der Elite weit über den Bereich der Magistraturen und damit der Politik in einem engen Sinn hinausgehen; das Gespräch bei Varro über Agrarprodukte ist nicht elitärer Diskurs Weniger, sondern allgemeiner Teil des Diskurses der Elite.
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sum der richtigen Güter und damit die Notwendigkeit einer Geschmacksbildung betont,107 sind seine zu rekonstruierenden Handlungsfelder noch vielschichtiger, als es unter dem Blickwinkel des demonstrativen Konsums den Anschein hat – gerade mit Bezug auf die Villen und Landgüter. Lucullus (und viele andere) haben nämlich nicht nur konsumiert, sondern auch produziert; neben dem symbolischen Kapital muß auch das ökonomische Kapital angesprochen werden. Zwar merkt der ältere Plinius bezüglich Lucullus’ Besitz in Tusculum einmal an, daß dem Landgut das Land fehle (erat minus arare quam verrere) was in Richtung von Veblen und einer unproduktiven villa urbana deutet.108 Doch daneben stehen viele andere Belege, welche insgesamt die Produktivität seiner Güter unterstreichen; Plinius selbst nennt Wildgehege, Varro die bereits erwähnte Vogelvoliere und Fischteiche.109 In diesem Kontext ist auch an die Anekdoten zu erinnern, nach denen nur Lucullus zu jeder Jahreszeit bestimmte Vögel anbieten und ohne Probleme 500 Mäntel für ein Theaterstück leihen kann.110 Die Güter sind dabei offensichtlich nicht nur ertragreich, sondern auch profitabel, Marcus Cato soll jedenfalls später als Vormund des Sohnes von Lucullus versucht haben, piscinae für 400.000 HS zu verkaufen.111 Auch gibt es keinen Hinweis, daß aufgrund des extravaganten Lebensstils Lucullus’ Vermögen stark vermindert wird. 107 Vgl. Veblen 1899, 84; ähnlich Bourdieu 1987, 31–167, 277–322. Ein schönes Beispiel für den verfeinerten Geschmack als Kriterium der Elite sind Ciceros Ausführungen gegen Piso, s. dazu Anm. 128. 108 Plin. HN 18,32. Generell sind Ziergärten ein gutes Beispiel für demonstrativen Konsum, sowohl als Teil einer villa als auch, natürlich, in Form der großen Parkanlagen in der Nähe der Stadt Rom, wie eben z. B. die horti Luculliani, zu letzteren s. den Eintrag in LTVR (Broise/Jolivet 1996), zu Gärten allgemein Frass 2006, La Rocca 1986 und die Beiträge in Cima/La Rocca 1998. Zur Landschaftsarchitektur der Villen s. auch Habenstein 2015, 72–65 und Tietz 2015, 47–49. Bei Gärten kommt durch Assoziationen mit epikureischer Philosophie die Rückzugsgeste aus der Politik am stärksten zum Tragen, so zu Recht Wallace-Hadrill 1998a, wenngleich diese Deutung m. E. eher zu Maecenas und Sallust und weniger zu Lucullus paßt, was gleichwohl auch hier seine Rolle als ‚Vorbild‘ ebenso wenig ausschließt (dazu Punkt 3) wie den Aspekt der Nutzung von Gärten für repräsentative Anlässe, Feste etc., vgl. dazu Frass 2006, 179 und La Rocca 1986, 22: „Gli horti Luculliani sono il più splendido esempio della contaminazione, tipica della fase tardo-repubblicana, tra sacro e profano, dove la stessa abitazione assurge a ruolo di santuario circondato da fana con tempietti che, in realità, svolgevano la funzione di cenationes.“ 109 Vgl. Varro, r. r. 3,4,3; 3,17,9; Plin. HN 8,211. 110 Für die Mäntel vgl. Hor. epist. 1,6,40–44; für die Vögel Plut. Luc. 40,2; Pomp. 2,11; Mor. 786a; daß Pompeius dann dankend darauf verzichtet, ist eine oberflächliche Pointe, die dem Kern der Produktivität der lucullischen Güter keinen Abbruch tut. Für die Erträge von Gütern bietet Varro r. r. 3,2,14– 16 einen guten Anhaltspunkt, inkl. dem Hinweis auf die Nachfrage bei Siegesfeiern und Festessen von Vereinen in Rom und damit der Rolle der großen Stadt. Für die strukturellen Veränderungen nicht nur durch größere Latifundien, sondern auch den steigenden Anbau von Obst und Blumen für die Bankette der Reichen s. Tietz 2015, 268 (bzw. für Kritik daran schon Hor. carm. 2,15,5–12). 111 Vgl. Colum. Rust. 8,16,5. Die Bedeutung von „Villae Maritimae as economic enterprises“ hat Marzano 2007, 47–63, 225–227 und 2013, 199–233 überzeugend unterstrichen und damit eine wichtige Ergänzung zur rein symbolischen Lesart der Fischteiche als „symbol of aristocratic wealth, tied to the social aspirations of Rome’s elite“ geliefert. Zum letzteren vgl. Higginbotham 1997, 55–67 (Zitat 66), dessen Arbeit weiter für die technischen Aspekte wichtig ist und ein eindrucksvolles inventory archäologisch noch faßbarer Fischteiche aufweist (69–226); siehe dafür, mit vielen Photographien sowie einem Überblick zu den Fischarten, auch Giacopini et al. 1994.
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Damit reüssiert Lucullus auch im ökonomischen Bereich und damit, nimmt man noch das hier ausgesparte Feld der Philosophie hinzu, also in fast allen Feldern, die römischen Aristokraten zugänglich waren.112 Daß sich dies eben auch auf den ganz klassischen Bereich des militärischen Ruhms bezieht, wird sogar weniger direkt von Lucullus’ tatsächlichen Erfolgen unterstrichen als vielmehr indirekt von den schon angeführten Anekdoten. Zwar ist es in der Perspektive der politischen Kultur gelungen, trotz literarischer Überformungen das Bild eines in verschiedenen Feldern reüssierenden Adeligen zu rekonstruieren, der sowohl den Kriterien einer Status- als auch denen einer Prestigehierarchie gerecht wird, doch liegt dies schlicht daran, daß Anekdoten immer plausibel sein müssen und sich im Kern nicht zu weit von der Person entfernen dürfen.113 Die Intention der Anekdoten dürfte gleichwohl eine andere gewesen sein, nämlich Lucullus auf den Luxus festzulegen und ihn damit diskursiv aus dem Feld des militärischen Erfolgs auszuschließen. Deswegen ist es so interessant, daß in fast allen Anekdoten auch Pompeius auftaucht; es ist Pompeius, der auf die von Lucullus zu jeder Jahreszeit angebotenen Vögel verzichtet, mit Cicero bei Lucullus speisen will, nachfragt, ob die Villa im Winter nicht zu kühl sei und Lucullus als Xerxes togatus bezeichnet. Dabei geht es wieder nicht um Historizität im Sinne des historischen Pompeius, es ist gleichwohl wahrscheinlich, daß die Geschichten aus seinem Umfeld stammten, um einen Konkurrenten im Feld des militärischen Ruhms von ebendiesem auszuschließen. So wie Sulla mit dem sogenannten Bocchus-Monument dem Befehlshaber und Triumphator Marius den Ruhm des Siegers gegen Iugurtha streitig gemacht, dessen 112
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Zentral hierfür ist Cic. Luc. 4; dort auch der Hinweis darauf, daß sich Lucullus selbst auf Feldzügen und noch als Quästor ständig von Antiochus von Askalon begleiten ließ; s. weiter Ducos 2005, 193 f. Nimmt man noch Lucullus’ exzellente Beherrschung des Lateinischen wie des Griechischen hinzu (Plut. Luc.1,7 sowie Cic. Att. 1,19,10 [SB 19]), deckt Lucullus mit der Ausnahme der Jurisprudenz alle Felder ab. Für die manchmal unterschätzte Rolle des Geldes als Mittel der Statusmanifestation in der römischen Republik s. Jehne 2016; für das ökonomische Kapital als Grundlage aller anderen Kapitalarten, auch wenn ein solcher Ursprung häufig zu verstecken ist, Bourdieu 1983, 196. – Meine Deutung richtet sich damit auch gegen Antonelli 1989, 250, der für Lucullus von einer „rinuncia alla dignitas“ spricht. Zwar versucht Antonelli insgesamt, wie es schon sein Untertitel deutlich macht, eine Ehrenrettung des Lucullus zu unternehmen, der ich in Teilen zustimme, doch wenn am Ende der (nicht datierte oder definierte) Rückzug letztlich mit der vermeintlichen Einsicht des Lucullus in die Krise der römischen Republik, den moralischen Verfall der Zeit und sogar den Untergang Roms erklärt wird (bes. 250, 257), erscheinen sein Luxus und Lebenswandel eher als Distanz zur Welt denn als elementarer Teil römischer Adelskultur. Während auf den ersten Blick Anekdoten klar dem jeweiligen Ziel ihres Urhebers oder Wiedergebers dienen, also höchst intentionale Deutungen bergen, müssen sie gleichwohl für ein Publikum plausibel und im Rahmen des Möglichen bleiben, also eine Art ‚wahren Kern‘ haben oder zumindest Rezipienten eine Anknüpfungspunkt bieten, welcher dann bewußt verstärkt, übertrieben und ausgeschmückt wird, vgl. Saller 1980, 79, der allerdings auf die Schwierigkeiten und fehlenden methodologischen Grundlagen einer Rekonstruktion der „kernels of thruth“ hinweist und in Anekdoten daher vor allem Hinweise „for the attitudes and ideologies of peoples“ sieht (82). In dieser Hinsicht vorbildlich ist die Rekonstruktion der unterschiedlichen Kommunikationsformen von Augustus und Caligula mit dem Senat von Winterling 2003, der viele auf den ersten Blick merkwürdige Anekdoten Caligulas als gezielte Metakommunikation und Herrschaft ohne verbale Rücksichten erklären kann.
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Platz in der memorialpolitischen Erinnerungslandschaft okkupiert hatte, so sollte mit den Anekdoten versucht werden, Lucullus’ Platz im kollektiven Gedächtnis auf andere Felder zu reduzieren.114 3. Distinktion in allen Feldern – Lucullus als Wegbereiter anstatt als Umsteiger? Hat man solcherart die Frage nach einem Aussteiger verneint, verbleibt noch die Frage des Umsteigers. Auf den ersten Blick erscheint diese Kategorie freilich als noch unpassender, denn wäre ein Ausstieg aus der Politik im engen wie auch weiten Sinne für einen römischen Aristokraten zumindest denkbar, bleibt unklar, wohin ein Umstieg einen römischen Konsular und Triumphator noch hätte bringen können. Es bietet sich allenfalls an, in einer pointierten Wendung des Begriffs und ausgehend von den bisherigen Resultaten danach zu fragen, ob Lucullus bei hoher, anerkannter Distinktion eben im klassischen Feld des Militärischen und Politischen durch sein (Über-)Erfüllen eines integral-adeligen Lebensstils und sein Herausragen auch in anderen Feldern ebenjene Betätigungen nobilitierte, also Handlungsfelder erweiterte und zum Wegbereiter für andere wurde. Nehmen wir als Beispiel erneut das Essen. Es kann noch einmal betont werden, daß kein einziges kulinarisches Detail von Lucullus in der Überlieferung erhalten ist, anders als bei eigentlich allen bekannten Feinschmeckern, zu deren herausragendsten er gleichwohl immer gerechnet wird. Die Erklärung oben bezog sich darauf, daß er zu seinen Lebzeiten viel weniger für Kulinarik im Speziellen als vielmehr für Luxus im Allgemeinen bekannt war. Für die anderen aus der Gruppe der Feinschmecker wird im Gegenzug klar, daß sie viel mehr darauf angewiesen waren, sich in dem einen Feld ihrer Distinktion tatsächlich hervorzutun, gerade weil sie keinerlei vergleichbare militärische oder politische Erfolge aufweisen konnten. Vergleiche böten sich an (bzw. eben nicht) mit M. Aufidius Lurco, der es nur bis zum Volkstribunat schafft, dafür sein Dasein als Schlemmer und Vielfraß im cogno114 Nach Ballesteros Pastor 1999, 341 ging es tatsächlich um die Frage, wer als Nachfolger von Alexander dem Großen angesehen werden konnte. Zur Präsenz von Pompeius in den Anekdoten s. bes. Tröster 2004, 489, der diesen eher propagandistischen als historischen Wert beimißt und daraus aber gerade ein schönes weiteres Argument gegen einen völligen Rückzug des Lucullus aus der Politik macht (491), wäre ein solcher erfolgt, hätte man weniger solche Geschichten in Umlauf bringen müssen. Es ist eben überhaupt nicht „ironically“ (so Keaveney 1992, 153), sondern ganz folgerichtig, daß diese Anekdoten genau dann aufkommen, als Pompeius Schwierigkeiten hatte, seinen militärischen Erfolgen politische folgen zu lassen. Das Interesse von Pompeius allein am militärischen Ruhm erklärt weiter vielleicht auch, wieso alle Anekdoten einen Kern erkennen lassen, der Lucullus eine hohe Prominenz beläßt; wirklich invektiv ist keine der Episoden, vielleicht mit Ausnahme des Spitznamens Xerxes, s. dazu oben Anm. 98. Neid auf den (angeblich) reicheren Lucullus von Pompeius im Gewand eines „rappresentante della temperanza“, so Villoresi 1939, 193, halte ich dagegen für unwahrscheinlich. – Zum Bocchus-Monument s. Stein-Hölkeskamp 2013, 438–440, wobei Sulla in ihrer Deutung einen im Vergleich radikaleren Ansatz verfolgte, „Marius gänzlich aus dem kollektiven Gedächtnis des römischen Volkes zu eliminieren“ (443), als man es hier Pompeius beim ‚Kampf um die Felder‘ unterstellen könnte.
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men verewigt hat, wie auch mit L. Licinius Murena oder C. Sergius Orata, die ebenfalls ihr Interesse an der Fischzucht im Namen tragen.115 Genau umgekehrt verleiht Lucullus später den Leckerbissen das Attribut „lukullisch“.116 Dennoch bleibt dieses nur eine Facette, weswegen auch z. B. „der größte Schlemmer unter allen Feinschmeckern“ und vermeintliche Kochbuchautor Apicius als reiner Gourmet für Lucullus wohl weder Konkurrenz noch Referenz darstellte.117 Zu denken wäre noch an M. Terentius Varro, seinerseits als Polyhistor viel eher ein Kandidat für die Rubrik Ausoder Umsteiger; und selbst Hortensius Hortalus, ebenfalls Konsul, großer Redner und Augur, aber militärisch in keiner Weise vergleichbar dekoriert, könnte aufgeführt werden. Hortensius ist es auch, der – anders als Lucullus – vielleicht das deutlichste Beispiel für unproduktive Prestigegüter conspicuous consumption ist, soll er sich doch mehr um seine Fische als um seine Sklaven gekümmert, sie nicht zum Verzehr, sondern rein zur Zierde gehalten, verhätschelt und bei ihrem Tod stark betrauert haben.118 In die Riege solcher ‚Fischnarren‘ paßt Lucullus nun gerade nicht – seines berühmten Felsen-Durchstoßes zum Trotz. Ähnlich wie beim Essen steht seine Distinktion außer Frage, ohne daß es besonders starke, aussagekräftige oder auch transgressive Details gäbe. Zu überlegen ist also nur, daß Lucullus, gerade weil er durch Leistungen im Feld von Politik und Krieg keine weitere Distinktion brauchte, jene anderen Felder und die Konkurrenz in ihnen nobilitierte. In dieser Linie sind Ciceros Vorwürfe, daß viele die Handlungen bedeutender Männer (summi viri) wie des Lucullus nachahmten, zu lesen – nur ahme kaum jemand seine virtus, viele jedoch die Pracht seiner Villen (magnificentia villarum) nach.119 Die Aussage unterstreicht beides, die vielfältige Distinktion einerseits und den Vorbildcharakter vor allem im Luxus andererseits. So positiv 115 Varro r. r. 3,3,10; Macrob. sat. 3,15,1–3, vgl. Stein-Hölkeskamp 2005, 166 f. 116 Nach Schütz 1994, 4 sind ‚lukullische Genüsse‘ seit dem 16. Jh. in allen europäischen Sprachen ein Begriff; heute ziert der Name Lucullus nicht nur Restaurants verschiedener Güteklassen und Feinkosthändler, sondern auch eine Tomatensorte, die etwas merkwürdige Spezialität „Kalter Hund“ sowie vieles mehr. 117 Apicius, der nepotum omnium altissimus gurges (Plin. HN 10,133 [Üb. R. König]), soll (nach Sen. ad Helviam 10,8–10) seinem Leben mit Gift ein Ende gesetzt haben, als er sah, nach Ausgabe von 100 Mio. Sesterzen für Essen nur noch 10 Mio. weitere übrig zu haben. Sollte dies stimmen, zeigt es gut die Begrenztheit einer Distinktion in nur einem Feld. 118 Vgl. Varro r. r. 3,17,5–8 und Plin. HN 9,172. Nach D’Arms 1970, 76 soll sich Hortensius erst in diesem Maß der Fischzucht zugewandt haben, als Cicero ihn als berühmtesten Redner Roms abgelöst hatte. Auch bei Hortensius, der ja weiterhin in Rom als Redner auftritt, ebenfalls Augur war, müsste man die Figur des Rücktritts genau überprüfen. – Daß demonstrativer Konsum nie ganz unpolitisch ist, zeigt die Debatte um das sog. Entenhaus des russischen Ministerpräsidenten Dmitry Medvedev auf einem seiner riesigen Anwesen, die dazu geführt hat, daß die Bewegung des Regime-Kritikers Aleksei Navalny als Symbol auf Plakaten eine Ente zeigt, vgl. Economist Vol. 423, Nr. 9045, 17.–23. Juni 2017, 24. Das Betrauern von Fischen findet sich ebenfalls für Licinius Crassus, so Macrob. Sat. 3,15,3; und auch für C. Hirrus berichtet Varro r. r. 3,17,3, er habe alle Einnahmen der Landgüter für das Futter der Fische wieder ausgegeben und teilweise andere Immobilien verkauft, um seine Fischzucht zu halten. 119 Vgl. Cic. off. 1,140. – Nach Marzano 2007, 230 kommt für die villae erst in der Kaiserzeit die zusätzliche Funktion auf, die Persönlichkeit ihres Besitzers widerzuspiegeln. Auch dies könnte von Lucullus
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man dies für ihn mit dem Schwerpunkt auf dem ersten Aspekt lesen kann, wird er, ob willens oder nicht, für den zweiten ein exemplum gesetzt haben, dem nachzueifern sich anbot – nicht nur unter den veränderten Bedingungen des Prinzipats, als in der Tat ein Ausstieg oder Rückzug aus der Politik eine reizvolle Option darstellen konnte, sondern auch schon in der Republik. Inwieweit man dies Lucullus anlasten kann, ist eine andere Frage, selbst Cicero hat ja versucht, Lucullus für sich bzw. für die Rolle der Philosophie zu vereinnahmen.120 Insgesamt bleibt der Eindruck bestehen, Lucullus zumindest indirekt als Wegbereiter bzw. ‚Nobilitierer‘ von Aktivitäten zu sehen, die sich später fast exklusiv mit seinem Namen verbanden, auch wenn er selbst als Konsul(ar) und Triumphator, Redner und Senator, Augur und Militär darauf viel weniger angewiesen war als man es auf Grund der Nachgeschichte vermuten mag. 4. Fatale Fischteiche – Lucullus als Verlierer in der Überlieferung und Forschung Allem Ausgeführten zum Trotz konnte Sir Ronald Syme treffend über Lucullus festhalten: „he transmitted to posterity, not the memory of talent and integrity, but the eternal exemplar of luxury.“121 Was als Bild der Nachwelt schon sehr schnell nach seinem Tod und wohl bis heute stimmt, hätten seine direkten Zeitgenossen sicher nicht geteilt, die ihn nach seinem Tod ja sogar auf dem Marsfeld beisetzen wollten, was Ausnahme und Ehre sowie vor allem Rekurs auf militärische Erfolge gewesen wäre.122 Um so drängender stellen sich erneut die Fragen, wie es zu einer solchen Nachgeschichte, zur Reduktion seiner Exzellenz auf solche Felder kam, wie Lucullus in den Verdacht eines Verlierers oder Aussteigers (und damit in diesen Band) geraten konnte. Die kurze Antwort lautet: Fischteiche. Die längere verweist auf vier Elemente: erstens ein Zusammentreffen verschiedener Dekadenzdiskurse, zweitens das Mißverstehen der Propaganda-Anekdoten der Pompeianer in späteren Quellen, nota bene bei Plutarch, drittens eine für Lucullus fatale Briefnotiz Ciceros und viertens die Vorliebe der älteren Forschung für Männer wie Sulla oder Caesar. Beginnen wir – ganz knapp – mit den Dekadenzdiskursen. Hier ist zunächst auf die strukturelle Spannung zwischen der römischen Selbstsicht als agrarisch geprägter, vorweggenommen worden sein; andererseits sind es eben gerade die Villen außerhalb Roms, die für die Distinktionskonkurrenz der Elite in der Kaiserzeit Platz bieten, vgl. Platts 2011. 120 Dies folgt Haltenhoff 1998, dem zufolge es Cicero in seinem Lucullus darum ging, „die überkommene römische Wertewelt durch sein Bildungsideal zu erweitern und zu überhöhen“ (65), welches auch „für den römischen Tatmenschen“ (57) von Interesse sein sollte. Dieser Absicht steht nicht entgegen, daß Cicero in der späteren Fassung, der academica posteriora, Lucullus durch Varro ersetzt hat; generell müßte man einmal die Äußerungen Ciceros gegenüber Lucullus gesondert betrachten, zumal jener homo novus und Aufsteiger war, der eher die Gesellschaft des Lucullus gesucht haben dürfte als umgekehrt. 121 Syme 1939, 23. 122 Vgl. oben Anm. 65. Die interessante Ausnahme diesbezüglich in der Rezeptionsgeschichte ist Bertold Brechts Radiostück Das Verhör des Lucullus von 1940, in welchem der Protagonist trotz Fürsprache von Koch und Bauer aufgrund der vielen Toten seiner Militärkampagnen verurteilt wird.
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hart arbeitender und bescheiden lebender Elite einerseits und der Realität steigender Reichtümer und höherer Lebensstandards andererseits hinzuweisen.123 Für letzteres, dies ein weiterer Diskurs, ist vor allem an die Einfuhr der Reichtümer und damit auch der dekadenten Sitten und verweichlichenden Bräuche aus dem Osten zu denken, was natürlich auch auf Lucullus zutrifft, aber auch schon für den Triumphator von 187 Manlius Vulso gilt, über den Livius festhält: luxuriae enim peregrinae origo ab exercitu Asiatico invecta in urbem est.124 Fragen nach dem Wendepunkt und dem moralischen Verfall bei gleichzeitiger Expansion der Herrschaft, wie sie spätestens seit Sallust diskutiert werden, finden sich dann auch bei solchen Details, wie etwa der Beschaffenheit eines Landguts: Paradigmatisch unterscheidet noch Martial zwischen zwei Typen, dem produktiven, fast autarken Landhof einerseits und der bloß dekorativen, auf Versorgung durch Einkauf angewiesenen Villa andererseits. Während der erste Typus stark nach dem älteren Cato klingt, dürfte der zweite Typus nicht erst zu Martials Zeit verbreiteter gewesen sein.125 Aber, dies ist die Pointe solcher Diskurse, erlaubte Distinktion und übertriebener Luxus waren abhängig vom Standort des Betrachters. Dies führt zu gewissen Inkonsistenzen, die auf den ersten Blick irritieren können. Zu denken ist an die Kritik des Geldverleihs durch den älteren Cato, der eben dadurch zu Reichtum kam, an die Mahnungen Senecas, ständiges Reisen von Villa zu Villa führe zu unruhigem Geist, während er sich selbst an wechselnden Plätzen Kampaniens erholte, an Sallusts Kritik an domus atque villae bei gleichzeitigem Erwerb der berühmten horti Sallustiani, oder an Ciceros Mißfallen am Luxusleben, während er selber acht Häuser und Landsitze sein Eigen und diese seine regna nannte.126
123 Vgl. etwa La Penna 1989, 3: „La cultura latina […] è caratterizzata da una tensione irrisolta fra due poli: verso il primo si orientano tradizioni morali nate sul terreno di un’economia ‚domestica‘ (nel senso weberiano), verso il secondo i raccolgono i bisogni acuiti dalle spinte ad un’economia ‚acquisitiva‘.“ 124 Liv. 39,6,7 f., übernommen von Aug. civ. 3,21. Siehe hierzu weiter Zecchini 1982, 176–178 und, speziell zu Banketten, Vössing 2004, 244–253. Für römische Dekadenzdiskurse s. weiter Biesinger 2016, speziell zur Rolle der Expansion nach Osten Lintott 1972, zur Frage der Hellenisierung der Lebensart der Elite Wallace-Hadrill 1998 und ders. 2008, sowie, speziell zur aemulatio der hellenistischen Herrscher in der Architektur von Häusern und Gärten, La Rocca 1986, 8–24. 125 Für die beiden Typen siehe Mart. 3,58; vgl. für den ersten Typus bereits Cat. agr. praef. und, mit Bezug darauf, Cic. off. 151; zu diesem Ideal der Selbstversorger s. weiter Tietz 2015, 260–262. Gutes Beispiel für den zweiten Typ von Martials Landgut ist Plinius’ Laurentinum (Plin. ep. 2,17). 126 Cato, in agr. praef. 1, lobt, daß der Wucherer doppelt so stark bestraft werde wie der Dieb, soll aber nach Plut. Cat. mai. 21 ganz verschiedene Formen der Geldanlage verfolgt haben, inkl. des Kreditgeschäfts; für seine Ausgaben bzgl. der triclinaria Babylonica s. o. Anm. 90. Für die Aufenthalte Senecas vgl. D’Arms 1970, 132 f., für die Kritik am Reisen siehe u. a. Sen. epist. 2,1; 69,1 (frequens migratio instabilis animi est); 104, 13–15. Für Sallust vgl. hier Frass 2006, 200, 320 f. und siehe Ps.-Cic. in Sall. 7,19. Für Ciceros Immobilien vgl. generell Schmidt 1899, für seine Rundreise zu den Landsitzen im Frühling 59 s. Habenstein 2015, 81; für seine regna s. Att. 14,16,1. Tietz 2015, 196 nimmt in diesem Zusammenhang eine weitere passende Anleihe bei Thorstein Veblen und spricht für diese römischen Villenbesitzer von „absentee landlords“ (Veblen 1923); vgl. auch Wallace-Hadrill 2008.
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„Doppelmoral“ im Sinne der modernen bürgerlichen Gesellschaft ist dies gleichwohl nicht, eher Ausfluß einer spezifischen römischen dignitas-Logik: was einem selber zustand, konnte bei anderen übermäßiger Luxus sein, wo man selber Bescheidenheit übte, vergaßen andere die Würde ihres Standes.127 Dies erklärt, wieso in verschiedene Richtungen Kritik geübt werden konnte, Cicero also etwa Piso vorwerfen konnte, er serviere ranziges Fleisch statt Austern und habe zu wenig Personal, gebe sich zwar Ausschweifungen hin, doch sei an ihm nihil elegans, nihil exquisitum.128 Und dem Gabinius, der ja mit einem Bild der Villa des Lucullus Stimmung gegen diesen gemacht hatte, wirft Cicero vor, sich selbst eine viel größere gebaut zu haben, während er gleichzeitig auch Kritik an Lucullus’ Villen äußert, gerade weil diese zur Nachahmung führten.129 Damit ist das Entscheidende angesprochen: Sowohl durch 127 Zurecht setzt Habenstein 2015, 94–119 die „Doppelmoral“ in Anführungszeichen, arbeitet sie ja selbst (84–86) heraus, daß die Villen die dignitas ihrer Besitzer zum Ausdruck bringen mußten und sich Villenkultur und Kritik daran ab dem 2. Jh. v.Chr. parallel zueinander entwickelten (95) und meist Villenbesitzer Villen kritisierten (118). Für den Aspekt des ‚Standorts‘ solcher Argumentationen s. auch Schneider 1995, 108 und Heil 2003, 15, dort in der Linie, daß die Kritik an den Villen fern von diesen in Rom erfolgte: „Die Widersprüche, die sich aus dem Besitz von Villen und der zeitgleichen Kritik an ihnen ergeben, lösen sich auf, wenn man berücksichtigt, daß Verurteilung und Genuß der luxuria in deutlich voneinander getrennten Räumen stattfanden. Was am Golf von Neapel, im Crater delicatus (Cic. Att. 2,8,2) allgemein gefiel, konnte vor Gericht und im Senat instrumentalisiert werden.“ Bei einer solch starken Trennung von negotium hier und otium dort (vgl. Heil 2003, 14, u. a. in der Folge von Zanker 2003, 35–41; anders Habenstein 2015, vgl. hier Anm. 103) muß gleichwohl deutlich bleiben, daß beides Facetten des aristokratischen Lebens und damit auch des Wettbewerbs und der hier in Anschlag gebrachten dignitas-Logik waren, vgl. auch Wallace-Hadrill 1994, 4–6 und ders. 2008. Zur Angemessenheit der Ausstattung vgl. auch Vitruv 6,5,2, der den Glanz öffentlicher Bauten auch für private Häuser empfiehlt, da diese eben auch politischen Geschäften dienten (… non dissimili modo quam publicorum operum magnificentia comparatas, quod in domibus eorum saepius et publica consilia et privata iudicia arbitriaque conficiuntur). Siehe weiter Schnurbusch 2008, 136 f., der anhand von de officiis nachzeichnet, wie sehr Cicero zufolge die Repräsentation dem Rang angemessen sein mußte, was aber in der Realität nicht der Fall war, da neben traditionelle Statushierarchie auch eine Prestigehierarchie trat (139); ein Phänomen, das ziemlich genau Theodor Geigers „Distanzierungskonkurrenz“ (Geiger 2012, 21) entspricht. Für die Vorstellung einer spezifischen, proportionalen Gerechtigkeit, welche die gradus dignitatis berücksichtigte, vgl. weiter auch Jehne 2014, bes. 67–69. 128 Cic. Pis. 67. Siehe zu Ciceros rhetorischer Strategie hier bes. Stein-Hölkeskamp 2001, 373 f. Gerade der Vorwurf, Sklaven multifunktional einzusetzen, unterstreicht die Norm der Ausdifferenzierung, vgl. allgemein Tietz 2015, 252 f. und, speziell zur Kulinarik, Tietz 2013, 71–97. Wie politisch aufgeladen ein „zu viel“ des Guten sein konnte, zeigt die schnelle Linie über Verschuldung hin zum Aufstand bei Sall. Cat. 13 (vgl. oben Anm. 74) oder Sen. epist. 90,20, der seine Kritik an der Ausdehnung der Landwirtschaft nicht zufällig mit einem doppelten quousque garniert und somit ebenfalls auf Catilina anspielen dürfte. Den Marius schließlich stilisiert Sallust (Iug. 85, 39–41) eben dadurch zum Gegenbild der gepflegten und verweichlichten Elite, daß er keinen teuren Koch habe und keine Gastmähler ausrichte. 129 Für die Kritik an Gabinius s. Cic. Sest. 93, für die Kritik an Lucullus s. Cic. off. 1,140 und leg. 3,30. Die letzte Stelle ist im Kontext der hier bemühten dignitas-Logik besonders interessant, hören wir doch von der Rechtfertigung des Lucullus, daß wenn seine Nachbarn, ein Ritter und ein Freigelassener, also beide aus niedrigerem Stand, prachtvolle Villen hätten, man ihm doch daßelbe zugestehen müsse. Übersetzte man hier ordo mit Klasse statt mit Stand, hätte man exakt, was Veblen 1899, 109 schreibt, „daß nämlich jede Klasse die nächst höhere beneide und ihr nachstrebe“, worauf Lucullus
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Luxus als auch durch Bescheidenheit konnte man sich profilieren; Distinktion durch Lebensstil galt für Lucullus wie für Cato, blieb gleichwohl immer angreifbar.130 Zu den römischen Karriere- und Distinktionsfeldern gehört – nicht überraschend bei einer sich selbst regulierenden Elite – nicht nur die Konkurrenz in den Feldern, sondern auch die Konkurrenz der Felder. Dies galt um so mehr, als die Militarisierung der Oberschicht insgesamt (durch Professionalisierung) abnahm, der Lebensstandard und damit auch die Möglichkeiten der Distinktion durch den Reichtum der Eroberungen vor allem ab dem ersten Jahrhundert v.Chr. zunahmen.131 Welche Aktivität in welchem Maße angesehen war oder Ansehen brachte, konnte niemand anderes entscheiden als die Elite selber. Zu Recht hat Uwe Walter betont, wie es „unter maßgeblicher Beteiligung von Cicero und Asinius Pollio gelang, Literaturproduktion als geachtete öffentliche Tätigkeit eines römischen Aristokraten [zu] etablieren, während sich Edelfischteiche nicht durchsetzen“; letztere boten vielmehr umgekehrt wie kaum sonst etwas eine Chiffre für eine neue Welt von Luxus und Konsum, die mit traditioneller römischer Landwirtschaft und frugalem Mahl nichts mehr zu tun hatte und entsprechend bewundert wie auch kritisiert werden konnte.132 reagieren durfte, wenn nicht mußte. Für die Konkurrenz im höchsten ordo ist Plin. HN 36,109 ein locus classicus mit dem Verweis auf das Haus des M. Aemilius Lepidus, welches i. J. 78 das schönste in Rom gewesen und nur 35 Jahre später von 100 anderen übertroffen worden sei. Dies ist der Hintergrund für satirische Übertreibungen von Juvenal (Sat. 14,166–173), das, was früher eine Familie genährt habe, reiche nun nicht mehr als Küchengarten. 130 Für den Bereich der Wohnräume vgl. Zaccaria Ruggiu 1995, 326–338 und Beck 2009b, der auf das in der Geschichte von Poplicola überlieferte Risiko zu prächtiger Häuser hinweist. Für den Aspekt des Essens hat Tietz 2013, 99 den „schmalen Grad des vollständig Akzeptablen zwischen althergebrachter Frugalität und auftrumpfender Repräsentation“ unterstrichen; unbeliebte Neuerungen wie die Kombination von Gänsefüßen mit Hahnenkämmen von Messalinus Cotta (Plin. HN 10,52) führten ebensowenig wie Neros Schneewasser (Plin. HN 31,40) zu Ruhm, so Tietz 2013, 115–117; s. weiter SteinHölkeskamp 2008. Es bleibt m. E. ein Spannungsverhältnis zwischen Norm und Distinktion durch Transgression bestehen (s. dazu Lundgreen 2011, 273–300, in Anlehnung an Hölscher 2009), wenn sich etwa Hor. serm. 2,2,73–77 genau gegen die Vermischung von Nahrung ausspricht, die bei Trimalchio zelebriert wird (Petr. sat. 66 und 69 f.). Eine sicherere Möglichkeit lag im Rekurs auf den Preis eines Essens, vgl. Tietz 2013, 125–129, 175 f.; ähnlich wie bei den Kunstsammlungen, wo anstelle ästhetischer Urteile (oder auch nur detaillierter Beschreibungen) häufig schlicht die Kaufsumme genannt wurde, wie Elke Stein-Hölkeskamp in diesem Band ausführt. Mit Hilfe des Preises wird eine berechenbarere Meß- und damit Vergleichbarkeit geschaffen als durch die für Prestigeerwerb stets unsicheren Geschmacksurteile der peers. 131 Hier kann schlicht auf die vielfältigen Ergebnisse der Beiträge in Blösel/Hölkeskamp (Hgg.) 2011 verwiesen werden, s. dazu auch Lundgreen 2013. 132 Walter 2011, 41. Treffend weist Nebelin 2014, 147 f. dennoch auf die zumindest gefühlt notwendigen Selbstrechtfertigungen für die Arbeit des Philosophen bei Cicero (exemplarisch off. 2,2–6) oder des Historiker bei Sallust (etwa Catil. 3 f. oder Iug. 3 f.) hin. Und problematisch bleibt, daß eben jene Literaturproduzenten überproportional erhalten sind, was die Gegenprobe erschwert. Daß ausschließliche Literaturproduktion nicht leicht zu bewundern war, zeigt sich an den Schwierigkeiten des Nepos, den Atticus zu würdigen, vgl. hierzu Leppin 2002. Reüssieren in nur einem Feld allein dürfte zumindest bei einer engen Definition von Elite generell nicht ausreichend gewesen sein. Ich bin daher auch skeptisch, mit Bannon 2014, 173 Sergius Orata als Beispiel eines „alternative elite lifestyle“
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Vor diesem Hintergrund ist zweitens noch ein letztes Mal an die Anekdoten und damit das Bemühen Pompeius-freundlicher Kreise zu erinnern, die militärische Leistung des Lucullus zu verdecken und ihn auf ‚Essen in den Villen‘ zu reduzieren. Auch wenn man die Episoden in der Perspektive von Distinktionskonkurrenz und politischer Kultur im weiten Sinn dekonstruieren kann, so bereiten sie doch den Boden dafür, daß sich, anders als noch in den zeitgenössischen Reden Ciceros, schon bei Nikolaos von Damaskus und Velleius Paterculus der Luxus als Hauptmerkmal des Lucullus etabliert hat.133 Vor allem bei Plutarch fallen diese Überlieferungen dann auf fruchtbaren Boden, passen sie doch zu seiner Komposition sowohl der Lucullus-Vita allein als auch zum spiegelbildlichen Aufbau der ‚Partnervita‘ des Kimon.134 Steht dieses Bild dann einmal fest, liest sich auch Cicero plötzlich in anderem Licht – die Nachgeschichte wirkt auf die Rekonstruktion der Eigenzeit zurück. Dies gilt für die bisher behandelten Erwähnungen des Lucullus wie auch für Notizen, die sich gar nicht auf diesen beziehen. Geradezu fatal wird für Lucullus eine Bemerkung aus der Korrespondenz Ciceros, in der er sich über piscinarii beschwert, die als unpolitische Lebemänner nur ihren Leidenschaften frönten, sich aber um die res publica nicht kümmerten. So schreibt er am 20. Januar 60 an Atticus im Kontext des flavischen Ackergesetzes: „Und unterdes findet sich keiner, den man auch nur im Traume als echten Staatsmann (πολιτικὸς ἀνήρ) bezeichnen könne; der einzig geeignete […] Pompeius hüllt sich in Schweigen […] Crassus sagt kein Wort […] die übrigen kennst Du, sie sind so dumm (stulti), daß sie offenbar hoffen, ihre Fischteiche erhalten zu können, auch wenn die res publica zugrunde geht“ – ut amissa re publica piscinas suas fore salvas sperare videantur.135 Die Behauptung von Cicero im durch das Wort von der res publica amissa berühmten Brief ist nun erstens falsch und zweitens für Lucullus folgenschwer. Falsch, da gerade die piscinarii als Chiffre für eine sich auf neuen Distinktionsfeldern tummelnde Elite eben wunderbar dieser ‚unpolitischen‘ Konkurrenz auch in der Kaiserzeit frönen können, die Fischteiche also die res publica im Sinne Ciceros – und anders als dieser – überstehen. Folgenschwer, da Lucullus in dem Brief zwar nicht genannt, aber für manche (antike wie moderne) Leser dennoch gleich doppelt negativ markiert wird, einerseits als Teil der passiven Lebemänner und Fischteichbesitzer, andererseits als Nicht-Erfüller des Ideals vom Staatsmann.
anzusehen. – Zu Fischteichen allg. s. Bannon 2014 und Tietz 2015, der seinem Kapitel über Elite und Landwirtschaft im 1. Jh. den schönen Titel „Fischteiche gegen mos maiorum“ gegeben hat. 133 Vgl. FGrHist 90 F77a, überliefert von Athen. 12,543a und Vell. Pat. 2,33,4. Zur früh einsetzenden Tradition, Lucullus auf Luxus zu reduzieren, s. weiter bes. Tröster 2004, 493 f. und Keaveney 1992, 153 f. 134 Dies hat Tröster 2004 und 2008, 151 gut gezeigt; m. E. steht dem auch nicht entgegen, daß Plutarch, unabhängig von seinem Kompositionsprinzip, Lucullus als dem Retter Chaironeas (Plut. Cim. 1,6–9), durchaus Sympathie entgegenbringt und daher bestimmte Formen des Luxuslebens, die er nicht für gut hieß, herunterspielt, nur widerwillig anbringt oder mit dem Hinweis auf Lucullus’ Vorliebe für die Philosophie auszugleichen versucht, so Swain 1992. 135 Cic. Att. 1,18,6 (= SB 18) [die Üb. folgt mit Modifikationen M. Fuhrmann]. Vgl. auch Att. 2,1,7 (SB 21); 2,9,1 (SB 29) sowie parad. 38. Cicero steht mit einer solchen Kritik nicht alleine, Sallust läßt Cato (in Cat. 52) den aus dessen Sicht untätigen Senatoren ähnliches vorwerfen.
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Nun ist weder klar, wie eine solche Kennzeichnung zu Ciceros übrigen Äußerungen über Lucullus passen soll, noch ob er diesen hier überhaupt gemeint hat: Die Ausführungen in einem anderen Brief an Atticus nur wenige Monate später über Fischteichbesitzer, die sich um gar nichts anderes kümmern und denen die Goldfische aus der Hand fressen, deutet viel eher auf die angesprochenen Fischnarren wie Hortensius, Licinius Crassus oder andere.136 Aber ganz unabhängig von der Intention Ciceros zieht sich, so meine ich, vom zitierten Brief an Atticus eine direkte Linie zu den Urteilen der modernen Forschung, die zu großen Teilen Lucullus die Qualität eines Staatsmanns abspricht, womit der vierte Aspekt genannt ist. Gelzer beispielsweise schreibt zunächst treffend: „Gerecht werden kann man ihm [Lucullus] nur, wenn man ihn als Mitglied seines Standes, der Nobilität, oder wie Cicero mehrfach sagt, der ‚principes‘ betrachtet.“ Im Anschluß allerdings heißt es: „Denn das charakterisiert ihn am meisten, daß er etwas anderes nicht sein wollte.“137 Was dieses andere hätte sein können, wird deutlich, wenn Gelzer ihn wenig später mit Caesar vergleicht, der ebenfalls ein Kommando verloren, gleichwohl anders darauf reagiert hatte: „Über den Erfolg beider entschied nicht die politische Stellung, sondern einzig die Persönlichkeit. Caesar, nicht L., war der kongeniale Schüler Sullas.“138 Hier zeigt sich, wie sehr Lucullus im Schatten anderer steht, weniger zu seiner Zeit als vielmehr in der Forschung, jedenfalls im letzten Satz ‚seines‘ RE-Artikels, welcher wiederum seine Fortsetzung findet, wenn Keaveney über ihn festhält: „we do not detect in him that limitless thirst for power and glory which caracterizes the likes of Caesar and Pompey. Moreover […] we would deny him the title of ‚statesman‘“, um dann seine Biographie mit dem Satz zu schließen: „if he failed of greatness it may very well be because he lacked what was needful to achieve it in that age: ruthlessness.“139 Mag der letzte Satz 136 Cic. Att. 2,1,7 (= SB 21): nostri autem principes digito se caelum putent attingere, si mulli barbati in piscinis sint, qui ad manum accedant, alia autem neglegant. Siehe oben Punkt 3 für die anderen Fischnarren, von denen sich Lucullus deutlich unterschied. Wieso man hier also überhaupt meint, an Lucullus denken zu müssen, bleibt m. E. offen – es stützt sich wohl auch eher auf Macrob. Sat. 3,15,6 (Lucullus, Philippus et Hortensius, quos Cicero piscinarios appellat). Siehe aber Keaveney 1992, 152: „Lucullus is not named but self-evidently he is of their number“ oder Hillman 1994, 201, note 40: „Lucullus is unnamed, but undoubtely one of the piscinarii.“ 137 Gelzer 1926, 413. 138 Gelzer 1926, 414; ähnlich Keaveney 1992, 181. 139 Keaveney 1992, 174, 181; ähnlich Heuss: 2001, 259: „Obgleich ein Schüler Sullas, besaß Lucullus keinen politischen Behauptungswillen,“ leicht variierend Badian 1970, 624: „But he lacked the easy demagogy that was needed for success in both war and politics in his day.“ Ob dies alles angesichts der absolvierten Karriere bis zum Konsulat und Augurat, den großen Kommanden, der siegreichen Schlachten und des letztlich erfolgten Triumphzuges wahrscheinlich ist, wage ich zu bezweifeln. Lucullus wird die von Walter 2017 ausgemachte Risikodisposition seiner peers mehr als geteilt haben; und hat man sich erst einmal vom Bild des in den Gärten genießenden und mit Fischen philosophierenden Lebemannes befreit, werden genügend Anhaltspunkte in den Quellen für großen Ehrgeiz, Beharrlichkeit, strategisches Geschick und klassisches Ausdehnen von Regeln deutlich. Dies beginnt mit der geplanten Aedilität zusammen mit seinem Bruder, nicht aus Bruderliebe (so Plut. Luc.1,9), sondern um die Finanzen der Familie zu bündeln, vgl. Schütz 1994, 83–91. Es könnte weiter gehen über die Hinterzimmerpolitik bzgl. der Provinz Kilikien und damit des Kommandos gegen Mithridates durch Bestechung einer Dame, der wiederum der einflussreiche Senator Cethegus hörig war;
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versöhnlich gemeint sein, die Bewertungen von mangelndem Ehrgeiz erscheinen mir angesichts der Karriere und Erfolge ebenso merkwürdig wie Gelzers Vorwurf gegenüber einem Vertreter des römischen Adels, dieser wolle nichts anderes als ein römischer Adeliger sein. Allein der von vielen als markant herausgestellte Unterschied zu Sulla stimmt auf allen Ebenen – von der Kriegsführung und Beuteverteilung über dessen tatsächlichen ‚Rückzug‘ aus Rom bis hin zur unterschiedlich ausgeprägten Akzeptanz von Spielregeln.140 Christian Meiers Urteil zu Caesar variierend könnte man sagen: Lucullus wollte Ruhm innerhalb der Ordnung, nicht durch Änderung der Ordnung.141 Ob solches gut oder schlecht, für einen Aristokraten genug oder zu wenig ist, ist eine andere Frage. In der Bewunderung von Sulla, Pompeius oder Caesar wird jedenfalls ein Kriterium für ‚Staatsmänner‘ deutlich, das nicht unproblematisch ist – die Zerstörung der bestehenden Ordnung. Hinzu kommt mit dem Begriff des Staatsmanns der engere Fokus auf Politik und Militär der älteren Forschung, welche der Distinktion in anderen Feldern, beispielsweise dem demonstrativen Konsum, weniger Aufmerksamkeit schenkte und solchen Ausschweifungen vielleicht auch persönlich (und damit Plutarch nicht unähnlich) eher skeptisch gegenüberstand.142 gerade daß Plutarch (Luc. 6,2) seinen Protagonisten sich solcher Mittel nur widerwillig und παρὰ τὴν ἑαυτοῦ φύσιν bedienen läßt, spricht zumindest dafür, daß Plutarch die Episode für authentisch hielt; Lucullus erscheint so als politisch beschlagener und durchsetzungsstarker Adeliger, s. dazu weiter Sherwin-White 1984, 157 f. und 163 und Meier 1997, 180. Anders jetzt allerdings Blösel 2009, der die ganze Anekdote für unhistorisch bzw. eine nachträgliche Diffamierung im Zuge von Lucullus’ Absetzung hält. Aber auch der daraus folgende Einmarsch in Armenien und das Festhalten am Kommando sind zu nennen, so schon deutlich Mommsen 1904/2010, 68 f., der hierin sogar eine Parallele zu Sulla sieht. Selbst das Detail, daß Lucullus die große Schlacht gegen Tigranes an einem dies ater trotz Warnungen der Offiziere mit dem Satz eröffnet, dann eben diesen Tag zu einem glücklichen Tag machen zu wollen, paßt dazu (Plut. Luc. 27,8 f.; Mor. 203a; vgl. Rosenstein 1990, 81 f., der dies gleichwohl in seinem Index 221 mit „religious transgression“ m. E. zu negativ bezeichnet). 140 Für die Unterschiede zwischen Sulla und Lucullus hinsichtlich Plünderungen, Beute und Milde gegenüber den Eroberten siehe bspw. Plut. Luc. 4 sowie bes. (und m. w. V.) Ooteghem 1959, 202 f. Für die eine Ausnahme siehe Mommsen in der vorhergehende Anmerkung. Die Akzeptanz von Spielregeln könnte auch die Konstruktion der m. E. unhistorischen Episode des angeblichen Entkommenlassens von Mithridates durch seine Verweigerung der Kooperation mit Fimbria (s. o. Anm. 40) erklären, sowie vor allem seinen Zusammenstoß noch als Prätor mit dem damaligen Volkstribunen Acilius Glabrio: Nach Cass. Dio 36,41,1–2 hatte Lucullus den Tribunen nicht kommen gesehen und war nicht aufgestanden, worauf dieser die sella curulis zerstören ließ. Die ‚Antwort‘ des Lucullus bestand nun darin, stehend in seiner Tätigkeit fortzufahren, wie seine Kollegen auch. Selbst wenn die Episode erfunden wäre, um einen schon frühen Konflikt zwischen Lucullus und seinem späteren Nachfolger in der Provinz Bithynien und Pontus zu konstruieren, so berichtet Cassius Dio es als Beispiel, wie angemessen (ἐπιεικής) Lucullus handelt, so auch David/Dondin 1980, 205 und 213, die unterstreichen, wie Lucullus hier die (wiederhergestellte) Rolle der Volkstribune akzeptiert, ohne sich in einem Konflikt und in die Rolle eines Verteidigers der sullanischen Ordnung drängen zu lassen. Contra Keaveney 1992, 40 und 174, der hier die Konfliktscheue eines die Rüge unterwürfig („meekly“) hinnehmenden Lucullus erkennen will; eher könnte man eine Paralle in der „Milde“ sehen, mit der Plutarch (Luc. 4,1: πρᾷον) das Eintreiben der Gelder in Asia beschreibt. 141 Zur Sentenz, daß Caesar zwar die Macht in den Verhältnissen besaß, aber nicht über die Verhältnisse gewinnen konnte, vgl. nur Meier 1986, 515; zur Entstehung s. Jehne 2008, 207. 142 Beispiel für einen solchen m. E. zu engen Begriff von Politik ist Villoresi 1939, 199, dem zufolge Lu-
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Immerhin, dies soll nicht unterschlagen werden, findet sich auch bei Gelzer ein Wort der Anerkennung, wenn er über Lucullus ausführt: „Es dürfte unter den römischen Regierungshäuptern in allen Epochen der Republik nur wenige gegeben haben, die ihn an Verantwortlichkeitsgefühl und rechtlichem Sinn auch gegenüber den Untertanen übertroffen hätten, und ebenso erheben sich Leistungen in Kriegsführung und Verwaltung über den Durchschnitt.“ Die Erwähnung von Verwaltung ist interessant, hat doch Hölkeskamp bei seiner Aufzählung möglicher Karrierefelder des republikanischen Aristokraten „Politik, Recht, Religion, Rhetorik, Krieg“ den Satz angefügt: nur „unspektakuläres Regieren oder gar der langweilige Alltag des Administrierens war seine Sache nicht“.143 So wie oben im Hinblick auf die Nobilitierung des verfeinerten Lebens durch einen auch sonst erfolgreichen Aristokraten eine Ausdehnung von Handlungsfeldern diskutiert wurde, könnte man auch hier eine Art Vorwegnahme der späteren Entwicklung sehen: Gemeint ist die Behandlung der Städte im Osten, was letztlich dafür sorgt, daß die römische Herrschaft auf dem Konsens der Beherrschten aufbauen kann.144 Auch wenn die lex Pompeia seine Anordnungen überdeckt hat, war der römische Staat i. S. von römischer Herrschaft vielleicht eher auf Männer wie Lucullus als auf solche wie Pompeius angewiesen, zumal jene bei aller persönlichen Distinktion den Konsens über die Ordnung der Konkurrenz nicht genuin in Frage stellten.145 cullus ein „ambizioso aristocratico più che uomo politico“ gewesen sei. 143 Gelzer 1926, 413; in dieser Hinsicht auch Keaveney 181: „his whole carrer was devoted to public service.“ Hölkeskamp 2011, 11. 144 Bes. stark Ooteghem 1959, 204: „le gouvernement de Lucullus en Asie parut une bénédiction,“ etwas realistischer Santangelo 2007, 126: „Lucullus is the most representative exponent of a part of the Roman elite that understood the importance of a rational and sensible exploitation of Asia.“ Bei allen berechtigten Hinweisen, daß sich dies besonders auf Griechen erstreckte, sind doch zumindest deren, auch inschriftliche, Zeugnisse (gesammelt bei Ooteghem 1959, 19–21 f.; 208 und Tröster 2008, 132–136) ein schöner Beleg, vgl. Marsura 2015, die vor allem auf die selbst aus Sicht griechischer Städte erträgliche Geldeintreibung unter Sulla hinweist (bes. 55 f.). Dies gilt weiter gerade dann, wenn Teile des sog. Lucullus-Geldes eher von seinem Bruder Marcus geprägt (so Crawford, RRC I, 80, n.1, dem ich gegen Plut. Luc. 2,2 sowie Schütz 1994, 61 und Marsura 2015, 50 folge), aber Lucius zugeschrieben wurden, was die starke und positive Identifikation von Lucullus mit diesen Finanzmaßnahmen (vor allem bei Plut. Luc. 4,2) belegt. Noch zwischen 30 und 20 v.Chr. haben diese (vermutlich ausschließlich als Tetradrachmen neuen Stils geprägten) Münzen unter dem Namen πλάτη Λευκόλλεια Verwendung gefunden, dies zeigt eine Inschrift aus Delphi über den Verkauf von Sklaven πλάτεων Λευκόλλε[ίων έ]κατὸν καὶ πέντε (Daux 1935, 1). – Hinzu kommen die gezielten Aufteilungen von Teilen des Tigranes-Reiches, die Lucullus’ Einsicht in Herrschaftszusammenhänge unterstreichen, vgl. Sherwin-White 1984, 183. 145 Dies folgt meiner Lesart, daß Pompeius durch seine zahlreichen Ausnahmen und Regeldehnungen die politische Ordnung nachhaltig veränderte (Lundgreen 2011, 294–301) und so „zum eigentlichen Totengräber der Republik wurde“, wie Heuss 1963, 237 es formulierte. Man könnte also Montesquieu entgegnen, daß die Alternative zum Denken von Caesar und Pompeius nicht Cato, sondern Lucullus gewesen wäre; s. für solche hypothetischen Fragen Walter 2009, 47. – Ob Pompeius’ ‚Organisation des Ostens‘ überhaupt eine neue Form kohärenter Politik darstellte, was Freeman 1994 bestritten hat, kann für diese Frage offen bleiben; der lange Einfluss der lex Pompeia wird jedenfalls noch in den Briefen von Plinius an Traian 150 Jahre später deutlich, vgl. nur Plin. ep. 79 f., 112–115.
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Muß man also, Gelzer umkehrend, fragen, ob Lucullus weniger einhundert Jahre zu spät als vielmehr einhundert Jahre zu früh gelebt hat, da er als erfolgreicher Feldherr und guter Statthalter des Kaisers, als Gourmet und Gourmand im aristokratischen Wettstreit mit Maecenas, Petronius und anderen eine glänzende Rolle hätte spielen können? Die Frage muß gleichwohl verneint werden, es hieße den Kriterien des Nachlebens gegenüber der Logik der Eigenzeit auf den Leim zu gehen: Kaum ein römischer Aristokrat seiner Generation hätte freiwillig im Prinzipat leben wollen;146 Lucullus als republikanischer nobilis par excellence wohl kaum, zumal er viel weniger eine ‚Karriere der Extravaganzen‘ als vielmehr eine extravagante Karriere hatte und zwar nicht nur nach Maßstäben des 2. Jahrhunderts, sondern auch für die späte Republik, so man diese nicht auf die sie zerstörenden Triumvirn reduziert.147 Mit diesem Ergebnis steht zu hoffen, daß den Protagonisten seine Behandlung in diesem Band doch nicht allzu sehr stören mag, erscheint er doch gerade im Horizont der politischen Kultur als einer ihrer herausragenden Vertreter.
146 Für Lucullus gilt gerade nicht, was Tacitus (ann. 3,30,2) über Sallustius Crispus schreibt: „Obwohl diesem Crispus der Zugang zu den Staatsämtern offenstand, ahmte er den Maecenas nach und überragte auch ohne Senatorenwürde viele Triumphatoren und Konsulare an Einfluß; dabei unterschied sich seine Lebensweise vom Brauch der Alten durch Verfeinerung und Geschmack und grenzte wegen seines überströmenden Reichtums schon eher an Luxus – diversus a veterum instituto per cultum et munditias copiaque et adfluentia luxor [Üb. E. Heller]. Auch die Bankette des Lucullus werden in diesem Sinne keine politikfreien Räume gewesen sein, wie in der Kaiserzeit, s. dazu Stein-Hölkeskamp 2002, 486 f. 147 Die häufiger in der Literatur zu findende ‚Karriere der Extravaganzen‘ bezieht sich auf Athen. 12,543a [12,61,5 Kaibel], der von einem „Abdriften in einen extravaganten Lebensstil“ spricht: ἐξοκεῖλαι εἰς πολυτελῆ δίαιταν. – Für die Bewertungen von Lucullus als führender Aristokrat vgl. vor allem Tröster 2008, 160, der von einem „leading exponent of the Republican system structured around the quest for power and distinction“ spricht, was pointierter ist als die Beschreibung eines „typischen Aristokraten“ von Heuss 2001, 187 und treffender als Schütz 1994, 5 f., der seine These vom „Typ des spätrepublikanischen Nobilis schlechthin“ unnötig mit dem Versuch auflädt, Lucullus politisch als „Paradeoptimaten“ zu stilisieren.
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The Rhetoric of Losing and the Construction of Political Norms amy russell
In 51 BCE, Gaius Lucilius Hirrus was standing for curule aedile. Hirrus was related to Pompey’s mother, had inherited great wealth from his uncle the satirist which he invested in villas and profitable fish-farms, and had made a splash in his tribunate in 53 by agitating to have Pompey appointed dictator. On the other hand, he had recently lost an augural election, to none other than Cicero, who did not think highly of his political acumen, and who mocked his speech impediment by calling him ‘Hillus’.1 Even so, Hirrus might have hoped for success in his electoral campaign. The other candidates, Marcus Octavius and Marcus Caelius Rufus of Pro Caelio fame, were not obviously better-qualified, and the fact that there were only three candidates for two magistracies meant he had a good chance. In the end, however, he was defeated. We have extensive information about the aedilician elections in 51 for 50 because Hirrus’ competitor Caelius was one of Cicero’s correspondents. Cicero, stranded at the other end of the Mediterranean as an unwilling governor of Cilicia, was starved for electoral gossip, and Caelius’ letters are full of it. One episode he narrates in detail is Hirrus’ reaction to defeat: post repulsam vero risus facit; civem bonum ludit et contra Caesarem sententias dicit, exspectationem corripit, Curionem prorsus non mediocriter obiurgat; ut hac repulsa se mutavit! praeterea, qui numquam in foro apparuerit, non multum in iudiciis versatus sit, agit causas liberals, sed raro post meridiem.2 After his defeat, though, he puts on a smile. He plays the good citizen, speaks against Caesar, blames the delay, rebukes Curio directly and not gently; how he has changed after this defeat! 1
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The campaign for the aedileship: Cael. ap. Cic. fam. 8,2,2; 8,3,1. Family and wealth: Varro Rust. 2,1,2; 3,17,3; Plin. HN. 9,171. Working for Pompey’s dictatorship: Cic. QFr. 3,8,4, where Cicero calls him ineptus. Augural defeat: Cael. ap. Cic. fam. 8,3,1. Hillus: Cic. fam. 2,10,1. The aedilician elections took place in August 51. Cael. ap. Cic. fam. 8,9,1. There are some problems with the text of this passage: I follow Watt’s OCT. In the first sentence, the ms. have curionem prorsus curionem. Most editors simply delete the repeated name; Shackleton Bailey 1977, 394 suggests consules prorsus. In the next sentence, “obiurgat; ut hac” is Watt’s own conjecture for the ms. -gatus ac M, -gat ac G; but here the sense is clear.
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amy russell What is more, though he never used to appear in the forum and did not spend much time in the law courts, he pleads freedmen’s cases, though rarely after midday.
Losing, Caelius writes, has changed Hirrus completely. It seems to have prompted a complete alteration of his personality and habits: a crisis of personal identity. Given what we know about the lives of Republican Rome’s political elite, we should expect no less. The annual election of magistrates was the most visible element of the competition that structured their entire lives.3 Even a man born into the most exclusive social position, the son and grandson of consuls and censors, had to win the approval of the comitia in competition with other men who may well have had many of the same advantages. Elections were personal: the ultimate test of virtus. The men who lost these contests, contests for which they had been preparing all their lives, faced distress and embarrassment, an emotion often referred to in the Latin texts as dolor.4 A defeat struck at the very roots of their selfhood. Lists of not just winners but also defeated candidates in elections have been compiled by Broughton, Evans, Konrad, and Farney, and in recent years both Pina Polo and Baudry have produced extensive analyses of losing candidates and their later political careers.5 In this paper, I expand on their work by exploring the rhetoric surrounding defeat, and especially the reactions of the losers. As we might expect, few honoured the premises on which the elections were supposedly held, accepting that the populus Romanus and through them the gods had identified a better man. The losers’ rationalizations, excuses, and even attempts to profit reveal to us a fascinating range of alternative perspectives on the electoral process, on the spoken and unspoken norms which governed aristocratic competition, and on the ways in which those norms could be bent or even flouted. The aftermath of an election was a time for reflection, congratulation, and recrimination. Reactions to defeat are an example of the rhetoric of praise and blame, and as such they are important for constructing and policing norms.6 In this chapter, I examine a range of examples and scenarios in which the aftermath of an election could be a stage for performing and discussing norms and values. In the first section, I discuss ways in which a loser’s reaction to defeat was an opportunity to demonstrate virtus; a successful reaction could even help his future electoral chances. Later sections consider how losers explained their defeats, to themselves as much as to others. 3
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5 6
In general on elections, their role in elite life, and the spoken and unspoken regulation of electoral competition see Yakobson 1999; Mouritsen 2001, 90–127; Beck 2005, esp. 22–30; Tatum 2007; Hölkeskamp 2010, 92–95 and 103–105; Tatum 2013. On the practicalities of elections, Feig Vishnia 2012 has a recent synthesis. On the loss of honour brought about by defeat, see esp. Baudry 2013, 123–126. On the Latin terminology for defeat and its consequences, see Briscoe 1981, 332; Baudry 2013, 121–123. Hölkeskamp 2010, 91 f., lays out the realities of an elite man’s life which, among other things, determined why loss could be so psychologically threatening: political success was not optional, but was the only scale on which his worth was measured. Cf. also Egon Flaig’s contribution in this volume. Broughton 1991; Evans 1991; Konrad 1996; Farney 2004; Pina Polo 2012; Baudry 2013; Pina Polo 2016. On the use of praise and (especially) blame to police cultural norms, see Dominik/Smith 2011.
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The pain of defeat and the unspoken rules of elite competition placed contrasting demands on the psyches of electoral losers. Often the result was a kind of rhetorical fragmentation: their explanations participated in and affected the discourse of norms and values, but were regularly cast in terms explicitly marked as separate from normal political speech. They could even create entire parallel systems of spurious norms, accusing opponents of violating non-existent taboos. Losers’ stories both inform and challenge our understanding of the unspoken rules of Roman politics. 1. The immediate aftermath The first challenge for a defeated candidate was controlling his emotions as the result was announced. In 50, the year after he defeated Hirrus, Caelius wrote to Cicero about another defeated candidate, this time for an augurate. Cicero, away in Cilicia, has been deprived of a piece of delicious schadenfreude:7 tanti non fuit Arsacen capere et Seleuceam expugnare, ut earum rerum quae hic gestae sunt spectaculo careres; numquam tibi oculi doluissent, si in repulsa Domiti vultum vidisses.8 To capture Arsaces and take Seleucea would not be enough to make up for missing the spectacle of what has been happening here. Your eyes would never ache again, if you saw the face of Domitius after his defeat.
Cicero and Caelius were probably not alone in scrutinizing losers’ reactions. All aspiring politicians were potential rivals, and onlookers might well enjoy seeing their peers and competitors humiliated. The immediate aftermath of defeat was therefore a test of character. There were moral as well as political reasons for trying to suppress an emotional reaction, since a Roman elite man should show self-control.9 In this respect, then, Gaius Lucilius Hirrus was a better-than-average loser: rather than showing his disappointment, he put on a smile.10 Some of Hirrus’ other reactions to his loss would also have won the praise of Roman moralists. Valerius Maximus devotes an entire section of his work to exempla of men who reacted appropriately to electoral defeat, with the aim that these stories should provide instruction to aspiring politicians ad fortius sustinendos parum prosperos comitiorum eventa (‘to endure more bravely less happy electoral outcomes’, 7.5.init.). Valerius’ preamble counsels a general attitude of patience and prudence, but his exam7 8 9 10
Caelius writes similarly about Lentulus Crus’ reaction to his defeat in the elections for membership of the quindecemviri sacris faciundis in 51, calling his face a delicious spectacle (‘pulcherrimo spectaculo’, 8,4,1). Cael. ap. Cic. fam. 8,14,1. See e. g. Val. Max. 9,3,2, the negative exemplum of Gaius Figulus (discussed in more detail below, p. 134), who forgot his prudentia and moderatio in defeat. Even Hirrus’ happy face did not entirely save him from ridicule: in his letter congratulating Caelius on his win, Cicero mocks Hirrus’ smiles – and perhaps his personality change too? – by comparing his own immoderate happiness at Hirrus’ defeat to Hirrus’ own behaviour: dum illum rideo, paene sum factus ille (Cic. fam. 2,9,3).
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ples draw some more specific lessons. Losers should take defeat as a spur to do better next time, like Aemilius Paullus, whose virtus was sharpened rather than damaged by his losses.11 This was good advice. Plenty of politicians were successful on their second or third candidacy.12 Ideally, losers should be motivated to perform some great deed in the service of the republic, which could then be justly rewarded with election at a later attempt. One of Valerius’ positive examples is Q. Caecilius Metellus, the later Macedonicus, who was an unsuccessful consular candidate in both 146 and 145.13 Valerius tells us that his tristitia and rubor, sadness and embarrassment, at his electoral defeat turned to joy after he went on to win a triumph for his military successes in Greece, and was subsequently elected to the consulship. As well as a challenge to the individual defeated candidate’s identity, the aftermath of an election was an opportunity for the collective reinforcement of social norms. There were a large number of defeated candidates every year, and the intense competition for magistracies among a relatively small political class meant past rivals would have to work together in future. A strongly policed norm that defeated candidates would let their animosity go was essential if the system was to function smoothly.14 But collective norms surrounding individual virtus were also in play. A defeated candidate was reminded, and served as a reminder to others, of what kind of behaviour was required of an elite man, and how he had failed to live up to that standard: he had not won enough battles or defended enough clients. The exemplary candidate, like Macedonicus, responded not by blaming or challenging the system or the values it represented, but by accepting that he had fallen short and redoubling his efforts. Hirrus, too, did the right thing: one of his responses was to take on more court cases. It is worth noting that Valerius has his facts wrong: Macedonicus’ defeats must have come after his triumph.15 Yet the fact that Valerius or his source has confused or manipulated the order of events goes to show how culturally fixed this pattern of victory following defeat was. The trope that defeat could be an incentive to future success informs the advice Cicero gives the defeated Laterensis in the pro Plancio; it must have had real effects on the behaviour of candidates.16 Hirrus and candidates like him who responded to defeat with new energy not only followed a pattern, but even drew attention to the fact that they were following it. It was in their interests to follow Macedonicus’ exemplum in a self-consciously performative manner: by demonstrating 11 12 13 14 15
16
Val. Max. 7,5,3: cuius uirtutem iniuriae non fregerunt, sed acuerunt. Paullus lost up to three consular elections in the 180s before finally being elected in 183 for 182: Broughton 1991, 6 f. See Broughton 1991, 4; Baudry 2013, 130–1; Pina Polo 2012 has further discussion and examples. Val. Max. 7,5,4; Valerius only mentions a single defeat, but the de viris illustribus (61,3) says he lost twice at consular elections. For the dates, see below. Full discussion in Hölkeskamp 2010, 103–106. Metellus won his triumph as propraetor (Vell. Pat. 1,11,2), so cannot have stood for the consulship before he set out for Macedonia. The triumph took place in 146 (App. Pun. 135), and his final, successful consular candidacy was in 144 for 143; the two failures, then, must have been in 146 (after the triumph, unless he had special dispensation, but in any case after the victory) and 145. Cic. Planc. 52. For other examples of defeated candidates who then found new successes and went on to win at a later election see Pina Polo 2012, 80.
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their appropriate reaction to defeat they advertised their suitability for future office. The moral Valerius draws from Macedonicus’ case is instructive: et quidem hoc facto meliore eo ciue usus est: intellexit enim quam industrie sibi gerendus esset consulatus, quem tanto labore impetrari senserat.17 And indeed after this experience Rome had a better citizen in him: he understood how diligently he had to carry out his consulship because he knew how hard he had worked to win it.
Valerius’ comment that defeat made Macedonicus a better consul sounds suspiciously like a piece of electoral rhetoric. As a previously defeated candidate, he could argue that he deserved to win not only because he had been unfairly slighted last time but also because his experience of defeat would actually be an advantage in the consulship. The same theme crops up in Valerius’ discussion of Paullus’ sharpened virtus and accensa cupiditas earlier in the same section, and perhaps even in Livy’s remarks on the veteres candidati for the consulship in 184, who are described as ab repulsis eo magis debitum, quia primo negatus erat, honorem repetentes: ‘seeking a magistracy they deserved all the more because of their defeats, since it had earlier been refused to them’.18 We cannot assume that Valerius or Livy had direct access to second-century candidates’ own campaign rhetoric, but their use of the trope suggests that it was current at least in the late Republic, when the anecdotes they draw from would have crystallized. Losing candidates, then, could spin their good sportsmanship in defeat into an advantage for the future. This is how we should interpret Hirrus’ conspicuous burst of new energy in the law courts. He was demonstrating to all that defeat had pushed him to be a better candidate and a better man, with the implicit argument that he would be a better magistrate for it.19 2. The search for an explanation Unless he was willing to accept that he was a worse candidate, a man of lesser virtus than his opponent, the defeated candidate had to come up with some kind of rationalization of why he had lost. As tales of dolor and Hirrus’ personality makeover show, the problem defeated candidates faced was psychological as well as rhetorical and psychological. In social psychology and sociology, the stories people tell to give structure to and explain difficult events, mistakes, or failures are known as ‘accounts’.20 Researchers have studied contemporary accounts ranging from the rationalizations of those who have been through a divorce to the excuses of those convicted of a crime. Psychologically, individuals need to develop an account that makes sense to them. Often it minimizes their blame. Accounts structure or even reconstitute the 17 18 19 20
Val. Max. 7,5,4. Paullus: Val. Max. 7,5,4, discussed above; the elections of 184: Liv. 39,32. Incidentally, civil war intervened, and he did not stand again; but he was due to be a praetor had Pompey won at Pharsalus (Caes. BCiv. 3,82), so his political ambitions certainly remained alive. Orbuch 1997, with a summary of earlier literature on the topic.
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account-giver’s identity. For example, a convicted criminal might tell a story in which he or she appears as someone who made a mistake, but did not mean to cause any harm, preserving his or her identity as a fundamentally good person. Such accounts also have a wider social function: they reinforce communal norms and values. The criminal who admits to a single mistake is appealing to and reinforcing the value that, whatever the law might say, moral judgments should consider intention. It makes no difference if the account is true or false, or if the person giving it believes it or not: in either case the choice of excuse given reveals something about the society and its values, and reinforces them. Roman accounts and explanations for defeat also appealed to and reinforced shared values.21 But analysing the defeated candidates’ accounts can do more than just reveal a set of norms: the accounts themselves were also active participants in the processes by which norms and values were evolved and debated, and therefore give us an unusually direct view of the workings of Roman political culture. Because losers needed to think and talk explicitly about the reasons behind their defeat, their accounts often discuss the conventions governing elite competition. The period after an election, it seems, was a time when it was acceptable and indeed necessary to talk openly about norms and values that usually went unspoken. A defeated candidate in a Roman Republican election had to produce an account that preserved his fundamental identity, and reassured him that he had not fallen short of his obligations as an elite man. Although he had lost the election, it was imperative that he did not think (or allow others to think) that he was deficient in virtus, laus, or dignitas.22 At the same time, his account reinforced basic social norms, both that virtus and its concomitant qualities were and should be the defining quality in a politician, and that the political class were the primary bearers of virtus. On the communal level, however, another fundamental value needed to be upheld: that elections were appropriate methods of allocating honores. The result was a paradox.23 If elections select the best man, and I believe I am the best man, how is it that I was not selected? One way of resolving the paradox was to situate the two basic claims – the individual’s excellence and the appropriateness of elections – on different levels of discourse, and not to allow the two to meet. The rhetoric of excuses, and the special license to discuss norms in a new register when analysing elections, was one tool that allowed losers and their proxies to achieve this separation. In the pro Plancio, Cicero clearly separates the two issues as he attacks Laterensis as a bad loser. Laterensis, defeated in the aedilician elections of 56 or 55, reacted by charging the victorious Plancius with bribery. He claimed that there was no other
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Often we have no way of knowing whether the explanations or rationalizations that come down to us in the sources are really the candidate’s own. For my purpose, it makes no difference: they are examples of possible explanations, accounts which fit into the prevailing system of norms and values; it is that system which I aim to analyse. The list comes from Cic. Planc. 6, quoted in the next paragraph. Steel 2011 analyses Cicero’s ambitus defences as ways of resolving this paradox.
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explanation for his defeat, since he was patently the better candidate. But Cicero, defending Plancius, disagrees: quaerit enim Laterensis atque hoc uno maxime urget qua se virtute, qua laude Plancius, qua dignitate superarit… sed ego, Laterensis, caecum me et praecipitem ferri confitear in causa, si te aut a Plancio aut ab ullo dignitate potuisse superari dixero. itaque discedam ab ea contentione ad quam tu me vocas et veniam ad illam ad quam me causa ipsa deducit. [7] quid? tu in magistratibus dignitatis iudicem putas esse populum? fortasse non numquam est; utinam vero semper esset! sed est perraro …24 Laterensis asks one question, and pushes it forcefully: in what way did Plancius outdo him in virtus, reputation, or dignitas?… But, Laterensis, I will confess that I would be carried down a difficult and dangerous path if I were to say that you could be surpassed in dignitas either by Plancius or by anyone else. Therefore I will step aside from the argument you have proposed for me and I will move to the one to which the case itself leads me. What? Do you think that the people are a judge of dignitas in magistrates? Sometimes, maybe – I wish they always were! But it is rare …
Here it is Cicero, not the defeated candidate, who sets up two levels of discourse, as part of an argument that Laterensis should have done the same. Laterensis is using the discourse of electioneering: the best man ought to have won, he claims, and I am the best. Despite his flattery, Cicero suggests that Laterensis is naïve to continue in this vein. The explanation for Laterensis’s loss and Plancius’ win is found not in comparing their virtus, but in the practicalities of elections. Later in the speech, he returns to the same point: “cur iste potius quam ego?” vel nescio vel non dico vel denique quod mihi gravissimum esset, si dicerem, sed impune tamen deberem dicere: “non recte.” nam quid adsequerere, si illa extrema defensione uterer, populum quod voluisset fecisse, non quod debuisset?25 “Why him rather than me?” Either I don’t know, or I won’t say, or, lastly – a thing it would be dangerous for me to say, but which I should be allowed to say without fear all the same – it was the wrong choice. For what use would it be if I brought in that gravest defence, that the populus did what it wanted and not what it should have done?
Here the two levels of discourse are more obvious. Cicero clearly marks his claim that the populus might not have made the best choice as a serious departure from the norms of public speech, something that might even be dangerous for him to say. In both passages, Cicero uses one of his favourite rhetorical tactics: in simple, casual language he adopts the pose of an insider pulling back the veil. Just for a moment, he hints, let us talk about the things we don’t usually talk about. Drawing the listeners into his confidence and flattering them as fellow members of the cognoscenti, he allows that in this court, among educated and like-minded individuals, we can admit for once that sometimes the people do not always vote for the best man. Just as in the pro Caelio Cicero doles out snippets of Palatine gossip to an eager audience in a tone that veers between intimacy and mock reluctance, here he gives the jurors a window into the unspoken truths of politics and dares to make plain the unwritten norms that 24 25
Cic. Planc. 6 f. Cic. Planc. 16.
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structure political culture. When he goes on to denigrate the people’s judgement in unsparing terms, he intends his words to be as excitingly shocking as his titillating attacks on Clodia in the pro Caelio.26 The truth, he tells his listeners, is that the electorate can be wrong; but outside this court we must never say so. It was considered both bad form and bad strategy to blame the people for an electoral defeat.27 Blaming the voters insulted them and did not enhance the defeated candidate’s chances in future.28 The key exemplum, as ever, is reported by Valerius: C. autem Figulum mansuetissimum, pacato iuris ciuilis studio celeberrimum, prudentiae moderationisque inmemorem reddiderunt: consulatus enim repulsae dolore accensus, eo quidem magis, quod illum bis patri suo datum meminerat, cum ad eum postero comitiorum die multi consulendi causa uenissent, omnes dimisit, praefatus ‘an nos consulere scitis, consulem facere nescitis?’ dictum grauiter et merito, sed tamen aliquanto melius non dictum: nam quis populo Romano irasci sapienter potest?29 Gaius Figulus, a very mild-mannered man, famous for the tranquil study of civil law, was pushed to forget his self-control and moderation. For he was afflicted with anger at his defeat in the consular elections, all the more so because he remembered that this honour had been given to his father twice. When people came to him the day after the elections to ask for his legal opinion, he sent them all away and said, “So you can consult me, but you cannot make me consul?” He spoke seriously and sensibly, but even so it was perhaps better unsaid: for who can wisely show anger towards the Roman people?
Figulus’ mistake was not to keep the two levels of discourse separate: like Laterensis, he gave his voters an explanation meant for an elite audience. In the pro Plancio, we hear Cicero’s rationalisation, not that of the candidate himself. But our sources do preserve a small number of what claim to be real ‘accounts’ in the sense that social psychologists use the term: the explanations offered by candidates themselves. In the example with which I began, Hirrus blamed the delay: the elections in 51 had been put off for many months. We cannot excavate what lies behind his claim: maybe he alluded to the fact that a different set of voters were in town, or maybe he believed that his campaign had peaked too early. In any case, by blaming some contingent factor he managed to create a simple, face-saving account which threatened neither the electoral process nor his own virtus. By restricting his account to practicalities, he avoided challenging any of the values surrounding the elections. Other preserved accounts play more complex games with norms and values. Sulla came up with an ingenious explanation for his loss in the praetorian elections, perhaps in 97: ἐπὶ στρατηγίαν πολιτικὴν ἀπεγράψατο καὶ διεψεύσθη: τὴν δ᾽ αἰτίαν τοῖς ὄχλοις ἀνατίθησι. φησὶ γὰρ αὐτοὺς τὴν πρὸς Βόκχον εἰδότας φιλίαν, καὶ προσδεχομένους, εἰ πρὸ τῆς στρατηγίας
26 27 28 29
E. g. Planc. 9; 10; 15. See Jehne 2011 for a larger discussion of the difficulties involved in blaming or insulting the people. It falls short of the attitude of “Jovialität” towards the people explored by Jehne 1995. While campaigning, a candidate was supposed to beg the voters humbly for their support: see esp. Cic. Planc. 12; Plut. Cat. Min. 49; Cass. Dio 40,58; Flaig 2003, 23–27. Val. Max. 9,3,2.
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ἀγορανομοίη, κυνηγέσια λαμπρὰ καὶ Λιβυκῶν θηρίων ἀγῶνας, ἑτέρους ἀποδεῖξαι στρατηγοὺς ὡς αὐτὸν ἀγορανομεῖν ἀναγκάσοντας.30 He stood for the praetorship and was defeated, but he places the blame on the people. For he says that they knew about his friendship with Bocchus, and they expected him to put on splendid hunts of Libyan animals if he took up the aedileship rather than the praetorship. So they chose others to be praetors in order to force him to be aedile.
Sulla’s account is a masterpiece of wafer-thin rationalization, less an excuse than a boast. Rather than insulting the people, it is a claim that they held him in high regard, and even expected more of him than of other candidates. Meanwhile, it reminds the audience of his much-vaunted connections with Bocchus and his exploits in Africa. As an excuse, it is patently false: Plutarch goes on to point out that he was elected in the next year, when the fact he had never been aedile still applied. But if we analyse Sulla’s statement as an account, it does not matter whether it is true or not, or whether Sulla himself believed it. I doubt that he expected anyone to believe it. The process of giving accounts has to be seen for what it is: it is not a conversation about the exchange of information, but a ritualised process allowing the loser to save face. In the process, both excuse-giver and audience were able to reaffirm larger truths they already knew.31 Sulla’s account fits into wider a pattern of explanations that are actually boasts or compliments. Cicero offers the same explanation for Mamercus’ defeat in a consular election.32 Perhaps it was more palatable than the reason some modern scholars have suggested truly lay behind Mamercus’ defeat, namely that he was Sulla’s favoured candidate in a year when the comitia were reacting against their erstwhile dictator.33 Choosing the disguised compliment instead soothed the candidate’s wounded dignity without openly insulting the electorate. One group of ‘complimentary’ explanations must have been aimed not at the electorate as a whole, but at a restricted audience. Sometimes, losers were more interested in saving face among their peers than in winning votes from the people in a future contest. The author of the de viris illustribus reports that Metellus Macedonicus’ severitas cost him two elections, an explanation that might play well among senatorial circles.34 Another of Valerius’ examples is Aelius Tubero, who was apparently unsuccessful because he had been miserly in his decorations for a public banquet.35 If 30 31
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Plut. Sull. 5. Compare the role of invective in Roman society: whether or not the actual accusation was true, the choice of accusation confirmed wider social norms. So (with varying emphasis on factual truth) Corbeill 1996; Craig 2004. The larger truths at play in Sulla’s account range from the glories of Rome’s African conquests to the reciprocal relationship between mass and elite: the people expect displays of euergetism, and the elite expect votes. Cic. off. 2,58; cf. Sall. Hist. 1,86M. Badian 1962, 61 n.17; Sumner 1964; cf. Plut. Sull. 10, on the people rejecting other Sullan candidates, and 35, on Sulla supporting an unnamed candidate in these elections. [Aur. Vict.] De vir. ill. 61,3. Val. Max. 7,5,1.
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this explanation goes back to the candidate or his friends, could it be another appeal to senatorial audiences, who would understand that the mob is easily swayed by such small things and is no true judge of character? It probably fit Tubero’s own sense of self more pleasantly than the other explanation proffered by Cicero, that his poor oratory held him back politically.36 Explanations for elite audiences did the same work as any other kind of account. They allowed the candidate to reclaim his virtus, and they reaffirmed shared norms and values. Now, however, it was not the integrity of elections and the inviolable correctness of the people’s decisions that at stake, but elite moral superiority. When a loser complained that he had lost because of the people’s lack of proper judgment, the individual’s loss served to bolster the identity of the group as a whole. It reaffirmed their difference from and superiority to the masses. Cicero’s act of drawing back the curtain for the jurors at Plancius’ trial had a similar effect. His elite listeners know the truth, he implies (thereby allowing all his listeners the pleasure of feeling for a moment as if they are part of this special group, even if in fact they are not): the people are not good judges of virtus, but we are. 3. Placing blame Ambitious candidates suffering painful loss naturally cast around for someone to blame. If their defeats were someone else’s fault, their own virtus could be preserved. Hirrus apparently blamed Curio (if the text as transmitted is correct) and took the opportunity to deliver invective against him, though we do not know why.37 Such accounts policed norms by calling attention to transgressions. The tactic best attested in our sources is to blame defeat on bribery by the opposition. Cicero’s speeches in defence of those accused of bribery offer a rich, if one-sided, picture of how such accusations worked. A win could give great rewards: a defeated candidate who led a successful prosecution might take the convicted man’s place. But, as Pina Polo has demonstrated, prosecution was also a high-risk strategy.38 As well as presenting the unsuccessful candidate as a sore loser, it could result in the destruction of carefully-built relationships, and did not generally enhance a man’s reputation. Cicero’s speeches for Plancius and Murena run through all the faults of their accusers’ campaigns one by one. The defeated candidates could hardly have enjoyed sitting in a courtroom listening to an accomplished orator list all the reasons that they had failed to win. The wiser defeated candidate accused his opponent not of breaking the law, but of transgressing subtler moral or cultural norms. Here, therefore, we return to the idea that the aftermath of an election can be a time when people discuss that usually 36 37 38
Cic. Brut. 117. Shackleton Bailey 1977, 394 wants to see Hirrus’ behaviour entirely in an anti-Caesarian light, and so deletes the name of Curio, who was still an opponent of Caesar in mid-51. Pina Polo 2012, 79 f.
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go unspoken. Laelius’ consular defeat in 142 came after Quintus Pompeius, who had promised to support him, began to campaign for himself instead. In the De amicitia, though the context is not specified, Cicero makes Laelius recount how Scipio Aemilianus officially renounced Pompeius’ friendship on his account.39 Cicero’s version suggests a serious breach of propriety. In the full anecdote as Plutarch presents it, however, Scipio is less incensed: Γαΐῳ δὲ Λαιλίῳ τῷ φιλτάτῳ τῶν ἑταίρων ὑπατείαν μετιόντι συμπράττων ἐπηρώτησε Πομπήιον εἰ καὶ αὐτὸς ὑπατείαν μέτεισιν: ἐδόκει δὲ ὁ Πομπήιος υἱὸς αὐλητοῦ γεγονέναι: τοῦ δὲ φήσαντος μὴ μετιέναι, ἀλλὰ καὶ τὸν Λαίλιον ἐπαγγελλόμενος συμπεριάξειν καὶ συναρχαιρεσιάσειν, πιστεύσαντες καὶ περιμένοντες ἐκείνῳ ἐξηπατήθησαν: ἀπηγγέλλετο γὰρ αὐτὸς ἐν ἀγορᾷ περιιὼν καὶ δεξιούμενος τοὺς πολίτας. ἀγανακτούντων δὲ τῶν ἄλλων, ὁ Σκιπίων γελάσας ‘ἀβελτερίᾳ γε’ εἶπεν ‘ἡμῶν, καθάπερ οὐκ ἀνθρώπους μέλλοντες ἀλλὰ θεοὺς παρακαλεῖν, πάλαι διατρίβομεν αὐλητὴν ἀναμένοντες.’40 Scipio was helping his dearest friend Gaius Laelius campaign for the consulship, and asked Pompeius if he too was standing. Pompeius was thought to be the son of a musician. He replied that he was not standing, but even told Laelius that he would canvass with him and help him with his campaign. They believed him and waited for him to join them, but they were deceived: for it was announced that he was going round the forum and canvassing the people in his own name. The others were angry, but Scipio laughed and said, “It is by our own stupidity that we waste our time waiting for a musician – as if we were going to summon gods rather than men.”
Laelius and his friends reassure themselves that his defeat was not a true judgment on his virtus: it was all the fault of Pompeius and his treachery. But this account goes further still. By blaming his friend’s defeat on the ignoble conduct of a social inferior, Scipio manages to save face and even to enhance his and his friends’ reputations. Scipio adopts a pose of unruffled calm; Laelius is portrayed as dutiful, in contrast to the promise-breaking Pompeius; and they can both pride themselves on (and remind listeners of ) their own high birth and consequential moral superiority. The most common accusation losers levelled at their opponents was not disloyalty, but partisanship. Plutarch’s narrative of the defeat of Metellus Numidicus in the consular elections of 101 is a good example:41 πᾶσι μὲν οὖν προσέκρουε τοῖς ἀριστοκρατικοῖς, μάλιστα δὲ ὀρρωδῶν τὸν Μέτελλον ἠχαριστημένον ὑπ᾽ αὐτοῦ καὶ φύσει δι᾽ ἀρετὴν ἀληθῆ πολεμοῦντα τοῖς οὐ κατὰ τὸ βέλτιστον ὑποδυομένοις τὰ πλήθη καὶ πρὸς ἡδονὴν δημαγωγοῦσιν, ἐπεβούλευε τῆς πόλεως ἐκβαλεῖν τὸν ἄνδρα, καὶ πρὸς τοῦτο Γλαυκίαν καὶ Σατορνῖνον, ἀνθρώπους θρασυτάτους καὶ πλῆθος ἄπορον καὶ θορυβοποιὸν ὑπ᾽ αὑτοῖς ἔχοντας, σἰκειωσάμενος εἰσέφερε νόμους δι᾽ αὐτῶν καὶ τὸ στρατιωτικὸν ἐπάρας κατεμίγνυε ταῖς ἐκκλησίαις καὶ κατεστασίαζε τὸν Μέτελλον. ὡς δὲ Ῥουτίλιος ἱστορεῖ, τὰ μὲν ἄλλα φιλαλήθης ἀνήρ καὶ χρηστός, ἰδίᾳ δὲ τῷ Μαρίῳ προσκεκρουκώς, καὶ τῆς ἕκτης ἔτυχεν ὑπατείας ἀργύριον εἷς τὰς φυλὰς καταβαλὼν πολὺ καὶ πριάμενος τὸ Μέτελλον ἐκκροῦσαι τῆς ἀρχῆς, Οὐαλλέριον δὲ Φλάκκον ὑπηρέτην μᾶλλον ἢ συνάρχοντα τῆς ὑπατείας λαβεῖν.42
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Cic. Lael. 77; Tusc. 5,54 also mentions the defeat. Plut. Apophth. Reg. 200c [Scipio Min.]. On these elections, see further Evans 1987; Pina Polo 2012, 74. Plut. Mar. 28.
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amy russell Therefore he [Marius] came into conflict with all the aristocrats, but he was most afraid of Metellus, because he had provoked him with ingratitude and because, by nature and because of his true excellence, Metellus was an enemy of those who appealed to the masses unscrupulously and used pleasure to gain a hold over them. Marius made a plan to exile Metellus from the city, and for this reason he made an alliance with Glaucia and Saturninus, exceedingly reckless men who had crowds of rowdy followers. He used them to bring in laws, and in addition he stirred up the soldiery and brought them to mingle in the assemblies, thus creating a faction against Metellus. Rutilius, a mostly truthful and excellent man, but who had a private quarrel with Marius, writes that he even obtained his sixth consulship by large-scale bribery of the tribes, thus keeping Metellus from the consulship by buying it; he obtained Valerius Flaccus more as a servant than as a consular colleague.
It seems likely that this entire explanation goes back to Metellus himself, if only because it shows him in such a positive light. Rutilius was a contemporary, who could have heard his account in person. Metellus is portrayed as an innocent victim of malign forces beyond his control whose adherence to good principles has cost him dear, rather than a man whose virtus did not pass the test. His opponents are corrupt opportunists who seek only their own advantage and are prepared to use crooked tactics, from factionalism to outright bribery, to win. Similar explanations recur again and again in our sources: electoral defeat is blamed on the malign influences of a faction.43 Some great man with plenty of followers has set his face against the candidate; alternatively, the candidate’s known support for an unpopular figure costs him votes. Sometimes it may even have been true.44 A loser who blamed his defeat on the dishonourable operation of a faction accused his rivals of breaking one of the norms of Roman politics: the expectation that elections should be contested according to each man’s personal virtues rather than political platforms or party slates.45 For the defeated candidate, it was the perfect strategy. By depicting himself as the victim of a conspiracy, he helped build his case for future elections: voters should elect him as a way of rectifying the balance and punishing the unscrupulous plotters. Examples of candidates using this strategy range across the entire chronological span for which we have reasonable evidence. In the censorial elections of 189, M.’ Acilius Glabrio was apparently a front-runner. As Livy tells it, he was a new man and unpopular among the nobility. Cato too was working against him, not only because he was a rival candidate but also because Glabrio’s decisions concerning the disposal of the booty from his victories in Greece fell foul of the famous Porcian sense of morality. A large and surprisingly disparate coalition banded together to prosecute Glabrio and derail his candidacy. Cato was a witness for the prosecution. Glabrio
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Examples not discussed in detail below range from Opimius, defeated by a Gracchan candidate in 123 (Plut. C. Gracch. 8; 11); to Sertorius, blocked from the tribunate in 89 by a Sullan faction (Plut. Sert. 4); to two Sullan candidates in 88 (Plut. Sull. 10); and even Laterensis (Cic. Planc. 53). Hirtius ap. Caes. BGall. 8,50 reports Caesar’s opponents openly boasting that they have kept his candidate, Galba, out of the consulship in the elections of 50. See below for further discussion of this supposed norm.
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never actually contested the election. As Livy tells it, he withdrew with loud protests at Cato’s actions: postremo in huius maxime invidiam desistere se petitione Glabrio dixit, quando, quod taciti indignarentur nobiles homines, id aeque novus competitor intestabili periurio incesseret.46 In the end Glabrio announced that he was withdrawing his candidacy in a way calculated to injure Cato. He said that his rival, an equally ‘new’ man, was attacking him with compromised, false evidence, and that the nobles were furious but kept silent.
Glabrio’s insinuation is that the nobiles are so determinedly opposed to him that they have entered into an unholy alliance with a man they despise. His hints at premeditated factionalism may be entirely spurious: of course all the other candidates, nobiles and novi alike, were keen to attack the reputation of one of their rivals.47 But it was in Glabrio’s interest to suggest that they colluded dishonourably against him, and this is the version Livy reports. Cato’s own campaign for the censorship in 189 was not successful either, but in Livy’s version his second campaign five years later took up the same rhetoric Glabrio earlier used against him. All the nobiles, we are told, combined to crush his chances.48 They were motivated not only by his birth but also by his renowned severity. Cato begs the people to see through their lies: etenim tum quoque minitabundus petebat, refragari sibi, qui liberam et fortem censuram timerent, criminando.49 And even then he campaigned with threats, saying that he was being held back by people who feared a strong and impartial censorship.
He asks the voters to punish the nobiles for their selfish factionalism and elect a man who will be appropriately strict on their extravagance.50 His earlier defeat presumably helped to prove his point. The late Republic, Hirrus’ time, provides us with a wealth of examples of candidates whose defeat is attributed to factionalism. The most striking is Lucius Domitius Ahenobarbus, consul in 54 and an inveterate opponent of Caesar. Domitius – the same man whose lack of self-control when he lost the augural elections gave such joy to Caelius a few years later – had originally hoped to be consul in 55. But he had underestimated Caesar’s ruthlessness: after he threatened that, as consul, he would invalidate Caesar’s acta, Caesar persuaded the other triumvirs to renew their pact and put Pompey and Crassus in the consul’s chairs instead. Once people realised that the two great men were standing, the other candidates knew that they were bound to be defeated.51 All but one of them dropped out. The lone hold-out was Domitius, 46 47 48 49 50 51
Liv. 37,57. So Feig Vishnia 1996, 129. Liv. 39,41; cf. Plut. Cat. Mai. 16. Liv. 39,41. On Cato’s campaign rhetoric, see Tatum 2013, 137. Plutarch (Crass. 15; Cat. Min. 41) dramatizes the affair, suggesting that there was a real chance that the
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who refused to withdraw his candidacy. He only stopped campaigning when violence erupted and his slave was killed as he made his way down to the Campus. Plutarch tells us that Domitius continued on a point of principle, urged on by his brother-in-law Cato: 52 Δομίτιον δὲ Κάτων οἰκεῖον ὄντα καί φίλον ἐθάρρυνεν ἐγκελευόμενος καί παρορμῶν ἔχεσθαι τῆς ἐλπίδος ὡς ὑπερμαχοῦντα τῆς κοινῆς ἐλευθερίας: οὐ γὰρ ὑπατείας Πομπήιον δεῖσθαι καί Κράσσον, ἀλλὰ τυραννίδος, οὐδ᾽ ἀρχῆς αἴτησιν, ἀλλ᾽ ἁρπαγὴν ἐπαρχιῶν καί στρατοπέδων εἶναι τὰ πραττόμενα. ταῦτα δὲ καί λέγων οὕτω καί φρονῶν ὁ Κάτων μόνον οὐ βίᾳ προῆγεν εἰς ἀγορὰν τὸν Δομίτιον53 But Cato encouraged Domitius, who was his relative and friend, inciting and urging him to keep hold of hope, since he was fighting for common freedom. He said that Pompey and Crassus did not seek the consulship, but tyranny; what they were doing was not a request for a magistracy, but a seizure of the provinces and the armies. Saying and thinking these things, Cato all but forced Domitius to go down to the forum.
The story fits well with what we know of Cato’s posthumous reputation during the imperial period, and Plutarch probably found it in a hagiography of Cato. But what of Domitius himself ? How can we explain why he persevered in a losing battle, bound to end in an ignominious defeat? To understand Domitius’ choice during the elections for 55 we must remember that he was eventually elected for 54.54 Like the other candidates, he would have known that his first campaign was headed for defeat. But he had already decided to stand again. His posturing in the elections for 55 was an integral part of his campaign not for that year, but for the year after. The story of how he and his party were attacked on the very day of the election roused sympathy. Meanwhile, his defiant campaigning in the face of such violence drew attention to the fact that Pompey, Crassus, Caesar and their allies were colluding to run the Republic as tyrants, and, more specifically, to block his well-deserved consulship. According to Plutarch, it was Cato who used a rhetoric of tyranny to persuade Domitius not to withdraw. But the idea that the elections of 55 were a struggle for liberty must originally have entered the tradition through public communications emanating from Domitius’ camp, if not Domitius himself.55 Though our sources are more or less silent on the elections for 54, Domitius had already set himself up in a very strong position, and he won. If I am correct, we
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triumvirs might be defeated, but Cass. Dio 39,31 has it right: the veterans shipped in for the vote carried the day. The same story appears at Cat. Min. 41; cf. Pomp. 52. The injured slave, though not the rhetoric of liberty against tyranny, is also at App. BCiv. 2,17; Cass. Dio 39,31. Plut. Crass. 15. Political chaos had disrupted the electoral schedule: the elections for 55 took place in January 55, which meant the elections for 54 were due in just seven months. A strong stance against Caesar was already part of his political personality as praetor in 58 (Schol. Bob. 130 ad Cic. Sest. 41), if not before: he had been one of those accused in the Vettius affair (Cic. Att. 2,24,3). He had made his opposition to Caesar part of his consular campaign (Suet. Iul. 24) before Pompey and Crassus had entered the race; once they demonstrated that they were reconciled with Caesar, it is only natural that he turned his attacks on all three.
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can reconstruct his successful campaign message: a vote for him was a vote against tyranny, and because of what had happened to him in the previous year, he was almost owed the consulship. I shall finish my list of losers where I began, with the unfortunate Gaius Lucilius Hirrus. In the letters, we see Cicero, Curio, and Hirrus himself produce explanations for his defeat, many of which have already been discussed above. Hirrus began by reacting well, smiling rather than showing his dolor too openly. His first attempt at an account was a simple, face-saving explanation: he blamed the delay. He used strong language to bolster his own virtus and good conduct in contrast to whatever misdeed he imputed to Curio. His sudden flurry of court activity shows him playing a role, following the exemplum for a good defeated candidate who will do better next time. So we have three potential explanations: delay, misbehaviour of some kind by Curio, and lack of forensic profile. Hirrus could not do anything about the first two, but worked to correct the third. But there was a fourth potential explanation for Hirrus’ loss, one which Caelius had already suggested: opinionem quidem, quod ad Hirrum attinet, incredibilem aed. pl. comitiis nacta sunt. nam M. Coelium Vinicianum mentio illa fatua, quam deriseramus olim, et promulgatio de dictatore subito deiecit et deiectum magno clamore insecuta est. inde Hirrum cuncti iam non faciendum flagitare.56 As far as Hirrus is concerned, an incredible indication was given at the elections for the plebeian aedileship. For that ridiculous idea which we used to laugh at, and the attempt to pass a law for the appointment of a dictator, destroyed the chances of Marcus Coelius Vincianus. He was jeered as he fell. Then everyone began to demand that Hirrus not be elected either.
A month before Hirrus’ own comitia, a candidate for plebeian aedile had seen his hopes dashed, Caelius claims, because he had been connected to Hirrus’s idea to make Pompey dictator. This was already a bad sign for Hirrus. Perhaps he too actually lost his election because of his political affiliations: he was seen as too closely tied to Pompey and hostile to Caesar. Hirrus must have been aware of this possibility. So why, when he was prepared to change his tactics and even, apparently, his personality in every other respect after his loss, did he continue to speak against Caesar? At first sight, Hirrus’ choice to keep attacking Caesar was a bad strategic move. His anti-Caesarian stance had probably harmed him in this election, and he was prepared to alter his self-presentation in other ways. But his behaviour is easier to understand when we remember how Glabrio and Domitius Ahenobarbus benefitted from blaming their defeats on factionalism. By continuing to oppose Caesar publicly, Hirrus signalled that his political attitude had cost him the aedileship. His implicit claim was that he had been the victim of partisanship – and that exactly that fact made him a better candidate for the future.
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Cael. ap. Cic. fam. 8,4,3.
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4. Spurious facts, spurious values? In the final section of this paper, I return to the question of norms and values. The arguments made by Glabrio, Domitius, and potentially Hirrus rested on a norm that electoral competition should be built around each man’s individual excellence, rather than political groupings or partisanship. There is no need to trace here all the negative connotations our Republican sources associate with factio, a topic already well explored in scholarship: I shall concentrate on a few examples with specific relevance to electoral defeat.57 In yet another of his comments on the electoral politics of the late 50s, and despite how much he enjoyed seeing the defeated man’s expression, Caelius deplores the partisanship that resulted saw Domitius lose the augural elections: magna illa comitia fuerunt, et plane studia ex partium sensu apparuerunt; perpauci necessitudinem secuti officium praestiterunt.58 The assembly was full, and it was clear that enthusiasm was entirely along party lines. Very few did their duty and voted according to their personal connections.
Somewhat surprisingly, the other side seems to have felt the same. Domitius was defeated by Mark Antony, supported by Caesar, but Caesar’s faithful friend Hirtius also complained about the factio et potentia paucorum (‘the faction and the influence of a minority’, ap. Caes. BGall. 8,50) who opposed Antony’s successful campaign. Voters, Caelius and Hirtius both suggest, should vote based on their individual ties of friendship, family, and obligation rather than partisan feeling. The locus classicus for the evils of partium studia is Sallust: ceterum mos partium et factionum ac deinde omnium malarum artium paucis ante annis Romae ortus est otio atque abundantia earum rerum, quae prima mortales ducunt.59 But the habit of forming partisan groups and alliances, and then all kinds of evil techniques, began at Rome a few years before because of peace and abundance of those things which mortals value.
Yet we should not take his generalizing statement about the evils of partisanship entirely at face value. In the context of the work as a whole it is clear that he has a particular example in mind. A little later, he reports on Marius’ election to the consulship in 108, saying in utroque magis studia partium quam bona aut mala sua moderata (‘on each side people were consulting their partisan feelings rather than the candidates’ good or bad points’).60 Is this a piece of historical analysis, or the traces of an excuse put forward by a defeated candidate? Usually history is written by the victors, but it is also possible that losers’ accounts, accounts which often stretched or even ignored the truth, could structure the way Romans thought about their past. 57 58 59 60
Seager 1972; Brunt 1988, 443–502; Yakobson 1999, 148–156. Cael. ap. Cic. fam. 8,14,1. Sall. Iug. 41. Sall. Iug. 73.
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I have argued that explanations for defeat provided an arena in which the rules of political competition could be discussed and debated. Norms and values about what was and was not appropriate political behaviour were more important than truth or falsehood. A patently false explanation, like Sulla’s, could still serve the defeated candidate’s purposes. But this analysis must be taken one step further: just as a loser could refer to spurious facts, he could also appeal to spurious norms.61 When a Roman candidate claimed to have been defeated because of the influence of partes and factio, he preserved his own virtus and placed the blame on his opponents. They were the ones who had fallen short. This account played on norms about the boundaries of acceptable competition. Each man should stand for his own virtus, rather than relying on factio and collusion. But once we get beyond the high-sounding pronouncements of a Cicero or a Sallust, was avoiding factio really a guiding principle of Roman politics in action? Modern scholars no longer subscribe to long-lasting aristocratic factions in Münzer’s sense, but we know that Roman politicians often formed temporary alliances and worked together to get elected.62 By the time we reach the polarized 50s, candidates were openly sponsored by the great dynasts.63 Many of the behaviours stigmatized by losing candidates as factio could in other situations be praised as amicitia. Hirtius attacks the faction using their influence against Antony in the same section that he reports how Caesar innocently used his own influence to support him.64 Sallust’s speech of Memmius is more explicit: haec inter bonos amicitia, inter malos factio est (‘These things are amicitia among good men, factio among bad’).65 The true breach of protocol was not coming together to form alliances, but using those alliances for the wrong ends. If there ever was a norm against factio or partium studia, it was honoured more in the breach than in the observance. Ironically, when candidates blamed factionalism for their defeats, the result was often more factionalisation rather than less. The Commentariolum Petitionis famously warns the candidate that he must try to please everyone and avoid taking firm stands on any matter of policy.66 After the election, however, it made sense to take a more partisan stance, especially if your attempts to be all things to all people had failed. 61
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The modern world offers any number of parallels. Politicians of all stripes regularly attack their opponents for offending against values neither they nor their audiences actually hold. They might claim that a rival has leaked confidential information to the media, for example, ignoring the fact that all sides regularly brief journalists on their plans and that the resulting flow of information that is seen as a normal and indeed valuable part of the functioning of modern Western democracy. Their supporters do not in fact hold firm values about the importance of confidentiality over transparency; instead, they use this supposed value to reaffirm what they already believe. E. g. Meier 1966, 7–23, 174–200; Yakobson 1999, 148–183; Feig Vishnia 2012. Some forms of electoral coordination, known as coitio, were even illegal; a famous case in 44 led to scandal (Cic. Att. 4,15,7; 4,17,2; QFr. 3,1,16; Plut. Pomp. 53; cf. Morell 2014); but plenty of candidates stood as a team, benefitted from friendly presiding consuls, and so on. Discussion at e. g. Yakobson 1999, 169; Millar 1998, 175 comments on ‘the full-scale “politicization” of elective office’ in the 50s. Hirtius ap. Caes. BGall. 8,50. Sall. Iug. 31. Comment. pet. 53; discussion in Morstein-Marx 1998; Tatum 2007.
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The cases of Cato the Elder, Domitius, and Hirrus are instructive. All three wanted their audiences to think that they were the victims of factio, and all three responded by intensifying their own partisan behaviour. Cato turned on the nobiles, Domitius never stopped posing as the anti-triumviral candidate, and Hirrus continued attacking Caesar. Factio was a face-saving, paper-thin excuse, one which could have been treated no more seriously than Sulla’s claim to have lost the election because the people wanted better games from him. In these cases, it was not the facts themselves but the norms in which the candidates couched them that were false. We could say the same about the apparent norm that one should not blame the people for electing the wrong man: Cicero advises against it and then goes on to do it within one and the same speech. When Republican politicians attempted to find accounts of defeat that both salvaged their identity as elite men and preserved the integrity of the system, they allowed themselves to discuss openly norms and values that were usually implicit. Sometimes, however, the result was a parallel political discourse about norms and values that was entirely tendentious. The rhetoric of losers sometimes put Rome’s unwritten political norms into words, and for this reason it can be valuable evidence for scholars investigating political culture. But we should keep a healthy scepticism: just as politicians could lie about the facts of why they lost, they could also appeal to invented or exaggerated norms. In this way, post-election rhetoric could give birth to parallel discourses of praise and blame which did not always accurately reflect – but had the potential to affect – Roman political culture. 67
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I would like to thank the editors for inviting me to contribute this paper, and all the attendees at the Cologne workshop, for their helpful comments. An earlier version was given at the Classical Association conference in Nottingham, at a panel I co-organized with Henriette van der Blom; thanks are also due to her and to the other panellists, Harriet Flower and Ida Östenberg. All errors remain my own. All dates are BCE. I refer to elections by the year in which they took place, not the year of the subsequent magistracy. Translations are my own.
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Losers in the Civil War between Caesarians and Pompeians Punishment and Survival
francisco pina polo
“Peace has not come, victory has come”. Thus ends the Spanish film Las bicicletas son para el verano (1983), by Jaime Chávarri, based on the play of the same title written by Fernando Fernán Gómez in 1982. The play narrates the life of a family in Madrid during the Spanish Civil War, which took place between 1936 and 1939, and is written from the perspective of the losers, so could only be written and released after the death of the dictator. In the final scene, the adolescent son declares happily that the war has at last ended, but his father responds bitterly with the quote that opened this paper: for them, peace had not come, but rather, the victors’ triumph. This simple phrase perfectly summarises what happened in Spain after 1939. Far from seeking reconciliation, the victors unashamedly imposed their ideology, undertook the physical extermination and social and professional purge of the vanquished, and began a ruthless repression which lasted decades. Effectively, the Spanish Civil War lasted three years; the celebration of victory, in contrast, carried on for forty. The civil war between Caesarians and Pompeians took place between 49 and 45; it began in Italy, and the ultimate objective of both sides was the control of Rome and its political institutions. The war was, however, fought on so many different stages that it ultimately affected almost the entire Mediterranean: Italy, Hispania, Greece, Egypt, North Africa, and Hispania again. The war, like any armed conflict, brought with it destruction and death, and undoubtedly a high number of fatalities on both sides, a number which is impossible to determine even approximately. Civil wars, however, in Antiquity as now, tend to be particularly characterised by their cruelty, as if the fact that the combatants are fellow citizens and members of the same community unleashes the basest passions and prompts extreme and merciless violence that seeks to wipe out the opponent. Citing a few recent examples should suffice to illustrate this point: the Balkan war of the 1990s; the Rwandan genocide of the same period; the current war in Syria. In the civil war between Caesarians and Pompeians, tens of thousands of Roman citizens from across Italy fought on both sides, but also non-citizens who found themselves drawn into the conflict, for example in Hispania and Africa. Not only
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that, but, as always occurs in civil war, practically all the citizens must have found themselves in some way forced to take one side or another, including those who were not part of the armed forces. Historical experience shows that a civil war entails a rift at the heart of society that usually takes a long time to be forgotten. In the case of Rome, what did Caesar’s victory mean for the losing side: peace or repression, reconciliation or punishment? How did the defeat affect them in their private lives: could they continue with them largely unchanged once the war ended, or did they have to change course? How did the defeat influence the public lives of those who had already begun a political career, or wished to do so? Caesar was conscious that it was more politically expedient to create a public image of generosity towards the defeated than to take revenge upon them, and for that reason he made gestures of forgiveness towards some of his most high-profile enemies and publicised them as a sign of his clemency (clementia). As a result of this policy of clemency, famous anti-Caesarians were pardoned, could return to public life, and some of them could even continue to develop their political careers. This article seeks to analyse the main features of the (political) survival of the losers in the civil war, and the repercussions upon the political situation itself of Caesarian and post-Caesarian Rome.1 In reality, only a small proportion of the individuals directly involved in the civil war had taken a public path and aspired to develop a successful political career. The overwhelming majority of Caesarians and Pompeians who fought during the war were anonymous citizens, and it should certainly not be assumed that they participated on ideological grounds. Returning briefly to the Spanish civil war, the two factions held clearly different ideologies. The rebels, on one side, represented the most conservative, nationalist, and ultra-Catholic tradition. The Republicans, on the other side, comprised an awkward anti-fascist amalgam, including moderate liberals, socialists, communists, and anarchists. Volunteers, both Spanish and international, fought on both sides, above all the Republican (the International Brigades), and they did so because they were ideologically committed to fighting for their ideals, for what they believed was best for Spain and, indeed, for the world, within the historical context of the ascent of fascism in which the conflict took place. A recent study by James Matthews has demonstrated, nevertheless, that the volunteers who took part in the 1
This article defines “loser” as one who is recorded as having actively participated in the Pompeian faction during the civil war, only once or throughout. Obviously, those known to us are only a proportion of those who were involved. Some anti-Caesarians who nevertheless chose to remain on the margins once the war broke out, and may therefore be considered neutral, fall outside the scope of this study. A good example is C. Claudius Marcellus (RE 216), consul in 50, who during his consulate clearly confronted Caesar, but who retired to one of his villae during the civil war and preferred not to involve himself in the conflict (Cic. Att. 10,13,2; 10,15,2). On the politicians who chose to remain neutral, Shackleton Bailey 1960, 260–261; Bruhns 1978, 40–42; 46–48; 59. As Shackleton Bailey states (260), ‘in some cases ‘neutrality’ or support for Caesar might be a matter of interpretation.’ In other cases, there is simply not enough information to assign an individual to the Caesarian or Pompeian side. Be that as it may, it is clear that we do not have the complete picture, but only a portion of it. The prudent words of Shackleton Bailey in his study on the Roman nobility in the civil war should be borne in mind: ‘even for the Ciceronian age prosopographical data are defective and haphazard.’
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Spanish civil war constituted a minority of combatants.2 The majority, in contrast, were conscripts, recruited under duress, who did not voluntarily choose the side for which they would fight on ideological grounds, but who were forced to fight with the rebels or the Republicans simply due to the geographic region in which they found themselves when the rebellion took place. Later, during the war, some changed sides in order to fight in accordance with their own ideological convictions, but many died fighting for ideas in which they did not believe. There is no doubt that something similar took place in the Roman civil war. Caesar’s speech to the Thirteenth legion before crossing the Rubicon, and the legionaries’ enthusiastic response, according to Caesar, should not be taken as universally indicative:3 soldiers who had spent many years fighting for Caesar in Gaul may have felt their interests represented in their general’s speech and, consequently, it is possible that they fought on his side convinced that their cause was just, or did so simply because it was the most convenient side. Something similar may have occurred with other legions – including Pompeian ones – which consciously chose which faction they wished to fight for, but this was not always the case. It is important to bear in mind that, although a proportion of legionaries were volunteers, the overwhelming majority of the soldiers, both Caesarian and Pompeian, had been conscripted, a practice which had continued into the Late Republic and was used extensively by both Caesar and Pompey.4 It is therefore unlikely that those conscripts had any option to choose for whom they wished to fight, at least initially (desertions from the Pompeians seem to have increased as their defeats mounted, above all around the Battle of Thapsus in Africa). What happened to the Pompeian soldiers after their successive defeats? What happened to the legions that fought for Pompey after Caesar’s victory? The data available are sometimes imprecise and uncertain, but are sufficient to draw certain conclusions on the participation of originally Pompeian legions – at least some of them – during the civil war and after the death of Caesar in 44. The first major conflict of the civil war took place in Hispania in 49. Once Pompey had marched to Greece with his legions and a large number of loyal senators, Caesar opted, instead of following him, to secure the Hispanian flank. He went to Hispania, whose provinces had in recent years been under the legal control of Pompey. Caesar took Hispania thanks to a meteoric and triumphant military campaign, despite the large number of legions under the command of Pompeian legates.5 Caesar first defeated Afranius and Petreius in the Battle of Ilerda, thus gaining control of Hispania Citerior, and Varro later surrendered in Hispania Ulterior. According to Caesar’s own account, in the peace negotiations that followed the defeat of Pompey’s army in Hispania Citerior, it was agreed that the defeated legions would be disbanded, which Caesar presented as una atque extrema condicio for peace.6 This condition was 2 3 4 5 6
Matthews 2013. Caes. BCiv. 1,7,8. Brunt 1971, 409; Keppie 1983, 37; Cadiou 2018. On the Pompeian troops during the civil war, see Brunt 1971, 473–474. Caes. BCiv. 1,85.
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well received by the soldiers, who preferred to be discharged rather than forced to integrate into Caesar’s troops and fight the Pompeians. In fact, one of the requests of the defeated was not to be obliged to swear the oath of allegiance (sacramentum) to Caesar. The final agreement stipulated that those soldiers who had their homes in Hispania or had property there should be discharged immediately, while the rest would be discharged once they reached the Var river, on the frontier between Gallia Narbonensis and Italy.7 Still according to Caesar’s account, a third of the Pompeian army was discharged within two days, and the rest when they arrived at the Var river.8 Cassius Dio confirms Caesar’s narrative: the defeated armies surrendered, but asked not to be forced to join Caesar’s army;9 Caesar respected this condition, and the majority of the vanquished were discharged. Cassius Dio adds, however, that Caesar accepted into his army all those who voluntarily showed an interest in joining it, ‘for the gains and honours in prospect.’10 Those soldiers seem not to have been the only ones who continued to serve, in their case by changing sides. In the Battle of Pharsalus, some Hispanian cohorts fought on the left flank of the Pompeian army alongside the Cilician legion. Those Hispanian cohorts, according to Caesar’s explanation, were brought to Pompey by Afranius, presumably after their defeat in Hispania, thus escaping the general discharge that had been agreed. 11 All this refers to the troops who had been under the command of Afranius and Petreius in Hispania Citerior. By contrast, the two legions (one of them a legio vernacula) serving under Varro in Hispania Ulterior – who did not actually find themselves confronting Caesar because their commander was forced to surrender before fighting – were immediately redeployed to swell Caesar’s ranks without apparently having any choice. Both remained in Hispania Ulterior under the command of Q. Cassius Longinus, whom Caesar installed as the new provincial governor, but their situation changed during the course of the war. The vicissitudes of the legio II are a good example. This legion was one of those that remained in Hispania Ulterior under the command of Cassius Longinus. The soldiers subsequently deserted the next governor of Hispania Ulterior, C. Trebonius, and marched to Africa to put themselves under the command of the Pompeian Metellus Scipio. The soldiers’ hatred for Cassius Longinus was instrumental in that decision.12 After the defeat at Thapsus, the legion returned to Hispania in 46 with the remnants of the Pompeian army, under the command this time of Pompey’s eldest son, Cn. Pompeius, and fought at Munda.13 After the defeat at Munda, it is possible that this unit was assimilated into the Caesarian army, 7 8 9 10 11 12 13
Caes. BCiv. 1,86. Caes. BCiv. 1,87. Brunt 1971, 230–231. Cass. Dio 41,224. Cass. Dio 41,23,1. Brunt 1971, 230 n.6, suggested that the Berones evocati who later accompanied Q. Cassius (BAlex. 53,1) could have come from these volunteers who joined Caesar. Caes. BCiv. 3,88. Brunt 1971, 475: ‘some cohorts escaped in the end to join Pompey in the east.’ Cf. Rodríguez González 2001, 184. BAlex. 53. BHisp. 7,4; 13.
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although the sources are ambiguous on this point. It is impossible to know how many of the soldiers who fought at the beginning of the civil war under Varro in Hispania were still part of the legion when it fought at Munda, but it is possible that a large number of them were part of this military to-ing and fro-ing.14 There were, therefore, three different outcomes for the defeated soldiers in the first major episode of the civil war in Hispania: discharge for the majority of those who had fought in Hispania Citerior; continuing war on the same Pompeian side presumably for a minority, although a sufficiently significant minority to compose a section of the Pompeian army at Pharsalus; finally, the troops from Hispania Ulterior also continued in active service, but on the Caesarian side, although a part of those ended up deserting and re-joining the Pompeians. Tens of thousands of soldiers fought at Pharsalus, which seems to have been a particularly bloody battle. According to Caesar, fifteen thousand Pompeians died there, while over twenty-four thousand surrendered. Many others managed to escape.15 What happened to the Pompeian soldiers who survived? Obviously, there is no information about individual soldiers, but there is information about the units into which the majority of those survivors assimilated after their defeat at Pharsalus. Many of the vanquished who escaped and remained loyal to the Pompeian side, even despite Pompey’s death in Egypt, must have joined the Pompeian troops who were attempting to hold out against the Caesarians in North Africa, and who were again defeated, at Thapsus in 46. One of the reasons for the new Pompeian failure appears to have been the lukewarm commitment that many soldiers showed in combat, in clear contrast to the loyalty at any cost displayed by some of the principal Pompeian commanders in Africa, such as Cato Uticensis and Metellus Scipio. Even before the Battle of Thapsus there had been frequent desertions from the Pompeian side, according to the account in the bellum Africanum. Numidians and Gaetuli serving in the Fourth and Sixth legions deserted en masse from Metellus Scipio’s camp, and while some returned home, others joined the Caesarian side.16 In fact, in one of the early skirmishes in the Battle of Thapsus, ‘an incredible number of the soldiers from the Fourth and Sixth legions’ of Metellus Scipio’s army took refuge in Caesar’s camp.17 After Thapsus, the sources do not mention the Sixth legion again. If, however, the Fourth legion coincides with the later Fourth Macedonica, this unit was in Macedonia preparing for the campaign against the Parthians in the east when Caesar died.18 A large number of the survivors from Thapsus would later form part of the Pompeian troops who would fight in the bellum Hispaniense in the Guadalquivir valley.19 To the thousands of vanquished who did not manage to escape, however, no choice remained but to join the victors’ army. On the left flank of the Pompeian army 14 15 16 17 18 19
Botermann 1968, 80; 187–190; Rodríguez González 2001, 71–72. Caes. BCiv. 3,99. Caes. BAfr. 32,3–4; 35. Caes. BAfr. 52,5. Rodríguez González 2001, 166–167. BHisp. 7,4.
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in Pharsalus, two legions fought which had been handed over to Pompey by Caesar in 50 at the behest of a senatorial decree, supposedly with the objective of beginning a campaign against the Parthians. Both legions immediately passed to Pompey’s command, and the alleged campaign in the east was forgotten. They were the First and Third legions.20 It remains unclear whether they joined the Caesarian army after defeat, and if they did so retaining their numeral or changing it. It is likely that these same units formed part of the armies of the triumvirs during the wars that followed the death of Caesar.21 Something similar happened with the Fifth legion, which formed part of the Pompeian army in the campaign that culminated in the Battle of Pharsalus.22 After the battle, it may have been disbanded by Caesar, or incorporated into his army.23 In any case, contrary to what had occurred with the Pompeian troops from Hispania Citerior, who were discharged, Caesar used the thousands of prisoners taken at Pharsalus to create three or four new legions under his command.24 Thus was born the legio XXXV, which could have been one of the Caesarian legions which operated in Illyricum under Gabinius’ command in 47.25 Gabinius suffered several defeats, and in his march to the city of Salona, where he intended to take refuge, two thousand of his soldiers died.26 This was one of the legions which was in Apollonia preparing the campaign against the Parthians when Caesar was assassinated. After the Ides of March in 44, the XXXV legion became part of Antony’s army, and under his command took part in the Battles of Forum Gallorum and Mutina in 43.27 The legio XXXVI was also created by Caesar at the end of the summer of 48 after the Battle of Pharsalus,28 and went to Asia Minor under the command of the Caesarian legate Cn. Domitius Calvinus.29 In 48 the army of Domitius Calvinus was defeated by Pharnaces at Nicopolis, in Pontus, despite which the XXXVI legion managed to offer fierce resistance and only lost 250 men.30 Months later, the legion took revenge, participating in Caesar’s victory over Pharnaces in the Battle of Zela,31 and stayed in the eastern Mediterranean until the end of the civil war. After Caesar’s death, the legion joined the Republicans and took part in their defeat at Philippi in 42 at the hands of the triumvirs.32 The legio XXXVII took a similar trajectory. Like the XXXVI, Caesar also created this legion from the prisoners taken at Pharsalus (‘ex 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
Caes. BCiv. 3,88. Rodríguez González 2001, 44–45; 140. Caes. BCiv. 3,69. Rodríguez González 2001, 184 and 193 Caes. BCiv. 3,107. Brunt 1971, 476; Keppie 1983, 23. BAlex. 42,4. Rodríguez González 2001, 438. BAlex. 43. Keppie 1983, 25. Rodríguez González 2001, 439. BAlex. 34,3. BAlex. 39–40. BAlex. 69. Keppie 1983, 25.
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dediticiis Pompeianis militibus’),33 and it later came under the command of Domitius Calvinus in Asia, whence in 48 it was sent to Alexandria because Caesar needed reinforcements in Egypt.34 After Caesar’s assassination, this legion also joined the armies of the ‘Liberators’ in Syria, which were defeated at Philippi in 42.35 It is possible that the legio XXXVIII was also created from Pompeian survivors of Pharsalus, and that it was also taken to Asia Minor under the command of Domitius Calvinus. It may have been the legion that did not arrive in Alexandria in time to support Caesar,36 and may also have been one of the legions that fought at Philippi on the Republican side against the triumvirs.37 The majority of the defeated who were made prisoners in Pharsalus, therefore, continued fighting after the defeat, perhaps for years, either for the Pompeians or the Caesarians. The history of the legions of which they were members has been handed down, although with important uncertainties, but despite this, it is impossible to know the legions’ precise composition. Between 47 and 44, many Caesarian veterans were discharged, and the dictator began a policy of founding colonies in which many of them were settled. The majority of those veterans came from the legions that had fought under Caesar’s command in Gaul, and had therefore spent much longer than necessary in military service.38 This means that there must have been a massive turnover of troops in many of the legions that had fought in the civil war, but it is by no means impossible that some legionaries – a few or many, it is not possible to determine – may have re-enrolled and continued serving in their units, many until Philippi, when a considerable number of the soldiers who had already fought in the civil war were discharged.39 In any case, at the point of discharge, many soldiers had served their legions for over six years, which seems to have been the maximum service period in normal circumstances; this is true both of those who fought on the Caesarian side from the start, and of those who began on the Pompeian side and were later integrated into the Caesarian. The exceptional circumstances created by the civil wars brought an extension, probably considerable, to the length of legionary service that was considered normal before a soldier was discharged.40 What is clear, in all events, is that the Pompeians taken prisoner at Pharsalus later swore sacramentum to Caesar and his legions, and it seems reasonable to suppose, after the dictator’s assassination, that some of those were then passed to the command of Antony, in the case of the XXXV, or the ‘Liberators’, in the cases of the XXXVI, 33 34 35 36 37 38 39 40
BAlex. 9. BAlex. 34. Keppie 1983, 25. BAlex. 34. Keppie 1983, 25; Rodríguez González 2001, 440. Keppie 1983, 49–50. Keppie 1983, 37: “it will be clear that the Civil Wars which followed Caesar’s death witnessed a lengthening out of legionary service, well beyond the six-year limit postulated above”; 38: “many of the recruits of 49–48 can only have been in their later twenties on discharge after Philippi.” Keppie 1983, 36. References to the prolonged service of the soldiers in the army in App. BCiv. 3,46; Cass. Dio 45,38,4; 45,39; Plut. Caes. 37,3.
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the XXXVII, and perhaps the XXXVIII. The development of political and military events, as well as the changing alliances among the principal leaders during the tumultuous years that followed the death of Caesar, obliged the legions that had fought for the Pompeians until 48 to fight in different arenas, for different and opposing sides, not of their own volition but under obligation to follow their commanders, and the uncertain destiny of the legions was shared by their soldiers. If the majority of the legionaries were caught up in the civil war without the opportunity to choose sides, the majority of senators, magistrates in office, and all those who held some military office, in contrast, found themselves forced to join either the Caesarians or the Pompeians, for ideological reasons or through personal affiliation.41 The sources reveal some of the individuals who held control in both armies, fighting as military commanders with imperium in the cases of magistrates and promagistrates, or as legates and prefects.42 For many, the sources only record their intervention at a certain point in the war, and it is not possible to determine exactly what happened to them, whether they died during the war or survived it.43 Obviously, this paper is par41 42 43
Jehne 1997, 81–84. The prosopographic works by Broughton, MRR, Shackleton Bailey 1960, and Bruhns 1978 collect all the known names. For some individuals who took part in the war, scarcely even incomplete data exist, which does not permit reconstruction of their activities. This is the case, for example, with some Pompeian praetorians. Q. Minucius Thermus (RE 67) joined the Pompeian side during the first weeks of the conflict (Caes. BCiv. 1,12,1–3), but later disappears completely from the ancient sources, and does not reappear until 43, when he was sent by the senate to Sextus Pompey in Massilia (Cic. Phil. 13,13). M. Nonius Sufenas (RE 52) is known to have been a promagistrate in 49 who enlisted with Pompey’s faction, but nothing more is known of him (Cic. Att. 8,15,3). L. Caecilius Rufus (RE 110) was taken prisoner by Caesar in Corfinium in 49, alongside other Pompeians. He was released, but again, nothing more is known of him, although he appears to have lived until the Augustan period (Caes. BCiv. 1,23,2; CIL 1,639 = 14,2464). M. Aurelius Cotta (RE 109) was expelled from Sardinia in 49 and escaped to Africa. He then vanishes (Caes. BCiv. 1,30,2–3; Cic. Att. 10,16,3). The same happens with M. Considius Nonianus (RE 13), who must have succeeded Caesar in the governorship of Cisalpine Gaul, but of whom nothing is known after 49 (Cic. fam. 16,12,3). P. Licinius Crassus Iunianus (RE 75) was legatus pro praetore in Africa in 47–46, but his future thereafter is unknown (Broughton, MRR 2, 301; 3, 119). C. Coponius (RE 3 and 9) shared command of the Pompeian fleet with Marcellus in Rhodes in 48 (Caes. BCiv. 3,5,3; 3,26,2), and was later included in the proscriptions of 43, then to be pardoned. The praetor for the year 49, P. Rutilius Lupus (RE 27), took part in the first phase of the war in Italy, and then in Achaea in 48, but later disappears from the sources (Cic. Att. 8,12A,4; 9,1,2; Caes. BCiv. 3,56,3; Cass. Dio 41,43,2–3. Cf. Bruhns 1978, 43–45). M. Octavius (RE 33) fought for the Pompeians throughout the war, but nothing more is known of him after the Battle of Thapsus, where he perhaps died (App. BCiv. 2,47; Cass.Dio 41,40,1–2; Caes. BCiv. 3,9; Caes. BAfr. 44). In May 49, L. Ninnius Quadratus (RE 3) was a Pompeian in Italy (Cic. Att. 10,16,4). Nothing further is known of him. As tribune of the plebs in 49, L. Caecilius Metellus (RE 75) attempted to obstruct Caesar from accessing the treasury, and later joined Pompey in Greece. After the defeat at Pharsalus, his return to Rome was not authorised by Antony (Cic. Att. 9,6,3; 10,4,8; 11,7,2; Caes. BCiv. 1,33,3; App. BCiv. 2,41. Cf. Broughton, MRR 2, 259; Bruhns 1978, 49–50). What happened to him after that is not known. C. Vergilius (RE 3) was in charge of the Pompeian garrison in Thapsus and ended up surrendering, which is all that is known of him (Caes. BAfr. 93,3). C. Decimius held command in Cercina (Caes. BAfr. 34,2). M. Minatius Sabi-
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ticularly interested in the Pompeian survivors of whom some information remains – that is, it will seek to explore what became of the vanquished. It should be borne in mind that, although it is known a posteriori that Caesar won, the protagonists in the war did not know what the final outcome would be, and their attitude changed, as is natural in the course of a conflict. In the case of the Pompeians, it seems clear that the defeat at Pharsalus and the later assassination of Pompey in the year 48 proved a turning point that meant that, while the most ideologically committed pursued the fight in North Africa and later even in Hispania until 45, others who were more opportunistic, or simply more realistic, opted to make peace with Caesar or even actively to change sides. Of course, individuals’ future destiny varied substantially, and only those who were pardoned by Caesar had any chance of remaining active in politics. The sources explicitly state that many Pompeian leaders fell in battle or were executed after being taken prisoner.44 The consulars Ap. Claudius Pulcher (RE 297) and M. Calpurnius Bibulus (RE 28) died before Pharsalus, at the beginning of 48. Although the date of his death is uncertain, C. Claudius Marcellus (RE 217), the consul of 49, must also have died before Pharsalus. The consular L. Domitius Ahenobarbus (RE 27), who had been captured by Caesar in 49 and later released, and who had then recruited troops and returned to join Pompey, died at Pharsalus in 48. The praetorians C. Fannius (RE 9), propraetor in Sicily and later in Asia, and A. Plautius (RE 8), governor of Pontus and Bithynia, seem to have died in 48.45 Another fatality at Pharsalus must have been C. Valerius Triarius (RE 365), who was in charge of the Pompeian fleet in Asia alongside Laelius in 49–48.46 The other consul from 49, L. Cornelius Lentulus Crus (RE 218), and the praetorian Q. Pompeius Bithynicus (RE 25)47 were assassinated in Egypt shortly after Pompey himself. They had escaped there after the defeat at Pharsalus. Another consular, P. Cornelius Lentulus Spinther (RE 238), took part in the first weeks of the war in the north of Italy with the Pompeians, was pardoned by Caesar, returned to join Pompey at Pharsalus, and escaped to Rhodes after the defeat. He must have died before the war ended, perhaps in Africa.48 L. Afranius (RE 6), a consular who had been defeated by Caesar in Hispania in 49
44 45 46 47 48
nus (RE 3) fought alongside Pompey’s sons in Hispania in 46–45 (Broughton, MRR 3,142). L. Nasidius (RE 3) was prefect of the fleet (Caes. BCiv. 2,3–4; Caes. BAfr. 64. Broughton, MRR 2, 271; 2, 292). L. Rubrius (RE 11) was taken prisoner in Corfinium in 49 and released by Caesar, but nothing else is known of him (Caes. BCiv. 1,23,2). Ser. Sulpicius (RE 21) was in Africa with Juba (Caes. BCiv. 2,44). Sex. Teidius (RE 2) followed Pompey to Greece in 49 despite his advanced years, but it is unknown what became of him (Plut. Pomp. 64,4). C. Sentius was a member of consul Lentulus Crus’ consilium in Ephesus in 49 and was therefore a Pompeian ( Joseph. AJ 14,229; Broughton, MRR 2, 496; 3, 191). To those mentioned in the text may be added L. Postumius (RE 15), who in 49 refused to go to Sicily without Cato and seems to have died during the war (Cic. Att. 7.15.2. Broughton, MRR 3, 172; Bruhns 1978, 44–45). Bruhns 1978, 44–45. Caes. BCiv. 3,5,3; 3,92,2; Cic. Att. 12,28,3. Bruhns 1978, 54–55. Oros. 6,15,28. Cic. fam. 9,18,2; [Aur. Vict.] de vir.ill. 78,9.
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and had later re-joined Pompey’s ranks, was captured in 46 by Sittius in Africa after the Battle of Thapsus, when he was trying to escape to Hispania, and was executed. Exactly the same fate befell Faustus Cornelius Sulla (RE 377). C. Considius Longus (RE 11), a praetorian, was Pompey’s legatus pro praetore in Africa from 49 to 46, and was eventually assassinated by his own troops.49 L. Manlius Torquatus (RE 80) was praetor in 49, abandoned Italy with Pompey, fought at Dyrrachium, and eventually died in Africa in 46, along with Metellus Scipio.50 The senators Licinius Damasippus (RE 65) and Plaetorius Rustianus (RE 19) suffered the same misfortune.51 The praetorian P. Attius Varus (RE 32) managed to survive until the final chapter in 45, but after defeat by Didius in a sea battle, died in Hispania. The praetorian T. Labienus (RE 6) also died in the Battle of Munda in Hispania. Some of the most eminent and loyal Pompeian leaders preferred to commit suicide, rather than fall into Caesar’s hands, after the defeat at Thapsus in 46 when many anti-Caesarians considered the war to be irrevocably lost. This was the case for the ex-consul Q. Caecilius Metellus Pius Scipio (RE 99) and the praetorian Cato Uticensis (RE 16).52 The praetorian M. Petreius (RE 3) fled Thapsus with Juba, with whom he made a death pact that required them to fight a duel, in which Petreius perished in a sort of induced suicide.53 It is striking that, of the ten consulars who joined Pompey in 49 – and, as such, the highest-ranking Pompeian senators – only Cicero and the consul from 51, M. Claudius Marcellus, survived the war, the only two who did not actively fight in it. All the others, as has just been demonstrated, fell in combat, were assassinated after being captured, or, in the case of Metellus Pius, killed himself. Marcellus survived because he managed to escape after the defeat at Pharsalus, and went into exile in Mytilene.54 He was eventually pardoned by Caesar at the end of 46, which prompted Cicero to deliver his speech Pro Marcello, to thank the dictator for his generosity.55 On his re49 50 51 52 53 54
55
Caes. BAfr. 93. Broughton, MRR 2, 300. Cic. Att. 7,12,4; 7,23,1; 9,8,1; Caes. BAfr. 96; Oros. 6,16,5. Caes. BAfr. 96; Caes. BCiv. 2,44. According to Plut. Cat. Mai. 66, Cato committed suicide because he did not want to give Caesar the opportunity to pardon him. Wistrand 1978, 48, believed that Cato intended to challenge Caesar’s policy of clemency. Caes. BAfr. 91; 94; 97. Exile was in fact the way out chosen by some Pompeians to survive the war. A. Manlius Torquatus (RE 13, 76), for example, although positioning himself at the start of the war with the Pompeians, soon left for Athens, where he remained throughout the whole war (Cic. Att. 9,8,1). The intellectual P. Nigidius Figulus (RE 3) died in 45 in exile without receiving pardon from Caesar, despite Cicero’s efforts (Cic. fam. 4,13. Cf. Bruhns 1978, 121 n.25; Rosillo-López 2017, 136–138. Rosillo-López 2009, argues that Nigidius Figulus and A. Caecina, RE 4, were not pardoned by Caesar because of the religious prophecies they made against him as haruspices). C. Toranius (RE 4), who had been aedile in 64 and of whom no later public activities are known, was in exile in 45 (Cic. fam. 6,20–21. Cf. Bruhns 1978, 49 and 121 n.25). Cn. Plancius (RE 4), curule aedile in 54, went into exile in Corcyra (Cic. fam. 4,14–15; 6,20. Cf. Bruhns 1978, 49 and 121 n.25). The quaestor L. Mescinius Rufus (RE 2) also went into exile (Cic. fam. 13,26. Cf. Bruhns 1978, 54–55 and 121 n.25). Cic. fam. 4,4,3. Cf. Wistrand 1978, 50–51.
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turn journey to Rome in 45, however, he was assassinated by one of his attendants, P. Magius Chilo.56 Cicero was therefore the only Pompeian consular who remained alive once the civil war had conclusively ended after the last Hispanian chapter.57 The case of the Pompeian praetorians is rather different. Although many died during the war, some managed to survive by opportunistically changing sides to join the Caesarians, or were pardoned by Caesar.58 In fact, throughout the civil war, a large number of Pompeian commanders were pardoned by Caesar, who used that as propaganda to boast of his clementia, which he himself converted into one of his main supposed personal characteristics, and used as a political weapon against his enemies.59 In a letter Caesar sent to Cicero in 49, after the Corfinium episode, when the future dictator had pardoned the Pompeian leaders that he had caught, he claimed that nothing was more alien to his character than cruelty, and that he did not intend to alter his policy of clemency, even though some of those released had re-joined the Pompeian ranks (in a clear veiled reference to Domitius Ahenobarbus and Lentulus Spinther).60 The later fate of the pardoned Pompeians varied widely, but only a few were able to progress in their political careers after the civil war, or at least to have a certain prominence in the senate and in political life in Rome generally.61 56 57
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60 61
Cic. fam. 4,12. Bruhns 1978, 38. At the start of the civil war, only one consular joined the Caesarian side, Cn. Domitius Calvinus (RE 43), consul in 53. In 48, two others returned from exile and joined Caesar, A. Gabinius (RE 11), consul in 58, and M. Valerius Messalla Rufus (RE 268), consul in 53. All three fought in the civil war. C. Antonius Hybrida (RE 19), consul in 63, also returned from exile and may have sympathised with the Caesarians, but does not appear to have taken an active part in the civil war. Cf. Bruhns 1978, 39–40. Bruhns 1978, 117. Caes. BAfr. 89,5. The number of Pompeians who are known to have received Caesar’s pardon is relatively high, but of some of them nothing is known of their later lives, or at least, nothing of their public lives. This is the case with the praetorians Q. Tullius Cicero (RE 31) and T. Ampius Balbus (RE 1) (Cic. fam. 6,12,1). L. Livius Ocella, both father and son (RE 25, 26), may be included here, since they were pardoned by Caesar after the Battle of Thapsus (Caes. BAfr. 89,5). In his article in RE, Münzer identified L. Livius Ocella with L. Iulius Mocilla and with L. Pella (Plut. Brut. 35), who was expelled by Brutus in 42 and whom Atticus helped to escape after the defeat at Philippi (Broughton, MRR 2, 464; 3, 126–127; Bruhns 1978, 44–45). Some Pompeians pardoned by Caesar were recidivists in their support for Pompey. This was true of de L. Vibullius Rufus (RE 1), who was taken prisoner and pardoned twice, once in Corfinium, and again in Hispania, but on both occasions returned to join the Pompeian troops, although his end is unknown (Caes. BCiv. 3,10–11). Q. Ligarius (RE 4) (Caes. BAfr. 89,2) and M. Eppius (RE 2) (Caes. BAfr. 89,5) were also reprieved. Cic. Att. 9,16,2. Cicero described Caesar’s clemency as insidiosa clementia (Att. 8,16,2). Cf. Wistrand 1978, 46–48. In some cases, Caesar’s pardon was of little use. L. Iulius Caesar (RE 144), for example, prefect of a small fleet under the command of Attius Varius and later proquaestor under Cato in Utica, was pardoned by Caesar after the Battle of Thapsus, but shortly after was assassinated. Suetonius (Iul. 75,3) maintains that he was not assassinated on Caesar’s orders, nor that Caesar gave any order to assassinate Afranius and Faustus Cornelius Sulla, the only enemies of Caesar, Suetonius says, who did not die on the battlefield. T. Antistius (RE 22) was also pardoned by Caesar, but fell ill on his return journey to Rome and died in Corcyra (Cic. fam. 13,29).
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Two of the praetors in 44, Cassius and Brutus, had fought on the Pompeian side during the civil war, and are two of the very few Pompeians who managed to rise up the cursus honorum and occupy a higher magistracy after the war. C. Cassius Longinus (RE 59) had been tribune of the plebs in 49, and from the first moment was a declared anti-Caesarian.62 After Pharsalus, Cassius surrendered with his fleet to Caesar, who pardoned him.63 Caesar made him his legate, although Cassius did not actively participate in the campaigns in either Africa or Hispania.64 Once the war was conclusively over, Cassius returned to Rome and became peregrine praetor in 44, and from his magistracy, became one of the principal organisers of the plot that ended with the assassination of Caesar.65 For his part, M. Iunius Brutus (RE 53) acted in 49 as legate to Sestius in Cilicia.66 Like Cassius, he stayed with the Pompeians until the defeat at Pharsalus, after which he sought pardon from Caesar, who conceded it and initiated Brutus into his circle of friends, as well as putting him in charge of Cisalpine Gaul in 46.67 Like Cassius, Brutus also became praetor in 44, in his case urban praetor, and, like Cassius, was one of the architects and perpetrators of the plot against Caesar.68 Although Brutus and Cassius only reached the praetorship, both obviously had fundamental roles in the civil wars after the assassination of Caesar. A third praetor in 44 may likewise have fought in the Pompeian army at the start of the civil war,69 M. Pupius Piso Frugi (RE 11, 12). He may have been Pompey’s legate in Delos in 49 tasked with recruiting soldiers, but nothing more is known of him until he participated in the senate session in November 44.70 A very few Pompeians managed to hold the consulship many years after the death of Caesar, when their defeat in the civil war had been blurred by the new circumstances of the triumviral period. L. Scribonius Libo (RE 20) stood out as one of Caesar’s fiercest enemies, and one of Pompey’s most trusted followers.71 After Bibulus’ death, Libo became the commander of the Pompeian fleet in 48.72 In spite of his leading role, however, he was the only one among the Pompeian praetorians who fought actively in the civil war and later went on to hold the consulship.73 After the defeat at Pharsalus, Libo seems to have made peace with Caesar, abandoned the Pompeian 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73
Cic. Att. 7,21,2. App. BCiv. 2,88. Cic. fam. 6,6,10; 15,15; Att. 11,13,1; Cass. Dio 42,13,5. Cicero speaks of a dubious attempt on Caesar’s life by Cassius in Cilicia: Cic. Phil. 2,26. Plut. Brut. 8–10; App. BCiv. 2,113. Cf. Yavetz 1983, 190–191. Plut. Brut. 4,2. Cf. Bruhns 1978, 53–54. Plut. Brut. 6; Cass. Dio 41,63,6; App. BCiv. 2,111. Cf. Gelzer 1941, 320–321. Meier 1982, 569–570. P. Sextius Naso (RE 33), also praetor in 44, participated in the conspiracy against Caesar (App. BCiv. 2,113), but there is no record that he had fought on the Pompeian side during the civil war. Cf. Broughton, MRR 3, 199; Bruhns, 1978, 54–55. Joseph. AJ 14,231; Cic. Phil. 3.25. Broughton, MRR 2, 319; 3.177; Bruhns 1978, 54 and 56. Caes. BCiv. 3,18,3. Cass. Dio 41,48,1. Bruhns 1978, 43 n.42: in contrast, of the eight Caesarian praetorians, four ended up holding the consulship. On the difficulties of ascertaining Libo’s political career, Welch 2012, 114.
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ranks, and distanced himself from politics. There is no record of exactly when Libo returned to Rome, but it was only after Caesar’s death that he reappeared in public life.74 He was proscribed in 43, but managed to escape with his life. His fate thereafter was closely linked with that of Sextus Pompeius, with whom he had family connections since Sextus Pompeius had married Libo’s daughter.75 Libo was a prominent negotiator in the talks that led to the Treaty of Misenum in 39, a pact which included the assurance that he would attain the consulship in the following years.76 When the war between Octavian and Sextus Pompeius re-ignited in 36, Libo abandoned his son-in-law and joined Mark Antony, and was finally rewarded with the appointment to consul ordinarius in 34.77 Cicero’s son, who shared his name, Marcus Tullius Cicero (RE 30), also managed to hold the consulship. A confirmed Pompeian, he led a cavalry wing as prefect in Pompey’s army in 49–48,78 but, like many other Pompeians, the defeat at Pharsalus made him lose hope in ultimate victory. The young Cicero received pardon from Caesar in the autumn of 47, along with his father, and could return to Rome, although initially he remained completely removed from public life in the Urbs. In fact, the young Cicero undertook a journey in 45–44 to Athens to broaden his education. After Caesar’s death he joined Brutus at the end of 44, again as prefect of the cavalry, the same post that he had held in Pompey’s army,79 and was proscribed by the triumvirs at the end of 43.80 He fought in the battle of Philippi, and after the defeat managed to escape to Asia, where he joined the troops of Cassius Parmensis. The young Cicero eventually joined Sextus Pompeius in Sicily.81 Probably after the Treaty of Misenum was signed in 39,82 Cicero returned to Rome, where he was politically close to Octavian in the following years. This allowed him, after Antony’s defeat at Actium, to finish his career as consul suffectus in 30. The young Cicero entered office on the Ides of September as the second suffect of the year, sharing the fasces with Octavian.83 Choosing the son of the famous orator as consul had a symbolic and ideological character, since it could be interpreted by the victims of the proscriptions as a sort of revenge against Antony, whom later historiography would have to blame for the cruelty exercised against the proscribed.84 In fact, it was during the consulship of the young Cicero that the death of Antony was announced to the Roman people, his statues toppled, and all the other honours that had been conceded to him annulled.85 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85
Cic. fam. 11,7,1. Cf. Welch 2002, 51–53; 2012, 93 and 114. Hinard 1985, 516–517; Welch 2012, 114–115. Syme 1939, 221. App. BCiv. 5,139. Syme 1939, 232 and 269; Welch 2012, 299–300. Cic. off. 2,45. Plut. Cic. 45,2; Brut. 24,2; App. BCiv. 4,20. App. BCiv. 4,19,1. Hinard 1985, 537. App. BCiv. 4,51. Welch 2012, 301. Plin. HN 22,13 Welch 2012, 300. Plut. Cic. 49,6; Cass. Dio 51,19,3–4.
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The consulship of the originally Pompeian Cicero, later active in the ranks of Brutus and Sextus Pompeius, was therefore to a large degree an act of propaganda and image-building by the young Caesar.86 In this brief catalogue of the losers in the civil war who afterwards gained the highest magistracy of the extinct Republic should be included Cn. Calpurnius Piso (RE 95), one of Caesar’s bitterest enemies.87 Piso’s proquaestorship in Hispania Ulterior is known through some denarii dated to 49 on whose obverse appears the inscription CN·PISO·PRO·Q, and on the reverse MAGN above and PRO·COS below.88 Piso was therefore proquaestor in Hispania Ulterior in 49 under Pompey’s command.89 Despite the reversals suffered by the Pompeians, Piso remained faithful to his convictions, which found him fighting in Africa in 46.90 There is almost no information about him in the years that followed, but it seems probable that he joined Sextus Pompeius.91 Eventually, Piso was made consul suffectus in 23, sharing the consulship with Augustus himself. Again, rather than an act of generosity to the formerly vanquished, it was instead a political operation to benefit Augustus, who, in the words of Welch, “wanted to emphasise his ‘Republican’ credentials” with the aim of winning the Republicans’ favour, in particular the Republicans connected with Sextus Pompeius.92 Finally, there is the case of Q. Lucretius Vespillo (RE 36). In 49–48 he was firstly a prefect in the Pompeian side and later a commander in a division of the Pompeian fleet.93 After Pharsalus he must have been pardoned by Caesar, although there is no record of this in the sources; in any event, he does not seem to have been particularly politically active during Caesar’s rule. He is known to have been proscribed by the triumvirs in 43, but survived thanks to his wife, Turia.94 He reappears in 19, when he was designated consul by Augustus, undoubtedly at an advanced age.95 Other Pompeians active during the civil war also survived politically, but kept a low profile and did not progress up the cursus honorum, although they did dis86 87
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Welch 2009, 195: ‘as soon as it could decently be done, Caesar Octavian entrusted consulships and armies to those who had fought him only a very short time before.’ Some of the consuls from 34–29 had attested links to the opposition (see Welch 2009, 210 n. 2). Tac. ann. 2,49: …insita ferocia a patre Pisone qui civili bello resurgentis in Africa partis acerrimo ministerio adversus Caesarem iuvit, mox Brutum et Cassium secutus concesso reditu petitione honorum abstinuit, donec ultro ambiretur delatum ab Augusto consulatum accipere.’ Syme 1939, 334–335, defined him as ‘a republican of independent and recalcitrant temper’. Crawford, RRC 463, no.446. Broughton, MRR 2, 261; Bruhns 1978, 53–54. Caes. Caes. BAfr. 3,1; 18,1. This is Hinard’s inference (1985, 442–443). Cf. Welch 2012, 301. Welch 2012, 301. In fact, in 23 another Republican, L. Sestius (RE 3), was also consul; he had provided a fleet for Brutus and Cassius in 44 (Cic. Att. 16,4,4. Cf. Broughton, MRR 2, 326). For two years following that he served as proquaestor under the command of Brutus in Macedonia (Crawford, RRC, 515 no.502; Broughton, MRR 2, 362 f.). Caes. BCiv. 1,18; 3,7,1; Cic. Att. 8,4,3; App. BCiv. 2,54; Oros. 6,15,4. Cf. Bruhns 1978, 54–55. App. BCiv. 4,44; Val. Max. 6,7,2. Hinard 1985, 491–492. Cass. Dio 54,10,1–2; App. BCiv. 4,44.
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charge some public duties.96 The praetorian P. Sestius (RE 6), for example, served as a promagistrate with Pompey in 49 and 48 in Cilicia.97 After Pharsalus, he switched to the Caesarian side, for which Caesar rewarded him by allowing him to keep his imperium,98 and during 48 and 47 served the Caesarians under the command of Cn. Domitius Calvinus in Asia Minor.99 Sestius returned to Rome and must have been an active senator. He is mentioned in the following years by Cicero in some of his letters, for example referring to his involvement in the senatorial session of the Ides of March in 43.100 He never held the consulship. The Tuberones, father and son, respectively Lucius and Quintus Aelius Tubero (RE 150 and 156), took part in the war together on the Pompeian side. In 49, the senate allotted Lucius Tubero the province of Africa, but he was prevented from taking up the command by the opposition of P. Attius Varus, so instead he went with his son to meet Pompey.101 Both were present at the defeat at Pharsalus,102 after which they were pardoned by Caesar and returned to Rome. No other public activity by the father is known. In 46, Quintus Tubero denounced Ligarius before Caesar, which is recorded in the defence speech delivered by Cicero (Pro Ligario). It is possible that he was quaestor during Caesar’s rule, in 47 or 46, which would position him among the Pompeians retrained as Caesarians.103 In any event, Quintus Tubero subsequently won fame as a lawyer, but not for his political activities. Something similar happened to another praetorian, the famous writer M. Terentius Varro (RE 84). In 49 he was a Pompeian legate in Hispania Ulterior, and surrendered to Caesar after the latter’s victory over Afranius and Petreius in Hispania Citerior, meaning the whole of Hispania rapidly came under Caesarian control (see 96
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It is unclear whether the Minucius (RE 9) who was praetor in 43 should be identified with Minucius Rufus (RE 50), who was prefect of the Pompeian fleet in 48. If he was the same man, he would be another of the Pompeians pardoned by Caesar who managed to win a higher magistracy after Caesar’s death (App. BCiv. 4,17; Caes. BCiv. 3,7,1. Cf. Broughton, MRR 2, 283; 339; Bruhns 1978, 54–55). It is known that Sex. Quinctilius Varus (RE 17) was taken prisoner in Corfinium in 49, the year in which he held the quaestorship, but was released by Caesar. He immediately returned to the Pompeians and served in Africa (Caes. BCiv. 1,23,2; 2,28–29). No other information is known about him, although he may be the same Varus Quinctilius who asked one of his freedmen to kill him after the Battle of Philippi (Vell. Pat. 2,71,2). Broughton, MRR 3, 178, believes that he may have held some other magistracy between 49 and 42, perhaps the praetorship, but there is no reliable record of that other than the claim by Velleius Paterculus that he died wrapped in the insignia of the honores which he had received (cum se insignibus honorum velasset). Bruhns 1978, 44–45. Cic. Att. 11,7,1. Cf. Broughton, MRR 2, 278; Bruhns 1978, 117. BAlex. 34,5. Cic. Ad Brut. 2,6,4. Caes. BCiv. 1,30–31; Cic. Lig. 21. Broughton, MRR 2, 259 f.; 3, 4. Cic. Lig. 9. His questorship was proposed by Ryan 1999, based on Cic. Lig. 35. Ryan recognised, nonetheless, that Aelius Tubero’s quaestorship must remain a postulation, since it is not clear that he was one of the Caesarian quaestors attested in Cicero’s speech. Broughton, MRR 3, 5: “he was almost certainly a senator before 31.”
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above).104 Varro was with Cicero at the Pompeian camp in Dyrrachium, but both finally decided to retire and were allowed to leave the camp before the Battle of Pharsalus.105 After the Pompeian defeat, Varro reconciled with Caesar, who offered him pardon,106 and both apparently maintained a cordial relationship over the following years.107 From then on, Varro kept his distance from politics and dedicated himself primarily to literature until his death in 27, after evading the proscriptions.108 In 45, Caesar entrusted him with the task of creating a great library in Rome.109 It is the only public activity that is known of him after the civil war, but, although he was not a magistrate, his appointment reveals that he had a certain influence, as it was an important office to Caesar. Theophanes of Mytilene (RE 1) is a case apart: he was neither a senator, nor had political ambition in Rome. As a loyal friend of Pompey, however, he had joined him from the outset, formed one of his inner circle of advisors, and was named praefectus fabrum in 48, remaining in the Pompeian military camp in Greece in the months running up to the Battle of Pharsalus.110 Once the defeat at Pharsalus had been concluded, Theophanes advised Pompey to flee to Egypt, as indeed he did.111 After Pompey’s death, however, Theophanes was pardoned by Caesar and must have returned to Rome. In fact, in 44 Cicero mentions him in one of his letters, from which it may be deduced that Theophanes was in Italy.112 C. Ateius Capito (RE 7), tribune of the plebs in 55, was pardoned by Caesar after Thapsus, which obviously implies that he had served the Pompeian side.113 His name appears again in 44, when he was appointed prefect by Caesar, with the task of assigning land to his veterans.114 No other public office is recorded. M. Favonius (RE 1) served in 48, probably as a propraetor, with Metellus Scipio in Macedonia and Greece; he was with Pompey at Pharsalus, and helped him to escape after defeat.115 Once Pompey was assassinated, Favonius must have been pardoned 104 105 106 107
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Caes. BCiv. 1,38; 2,17–20. Cic. div. 1,68; 2,114; Plut. Cic. 39,1–2; Cat. min. 55,3. Cf. Welch 2012, 78. Bruhns 1978, 44 f.; 117. Varro dedicated his Antiquitates rerum divinarum to Caesar. Cf. Yavetz 1983, 46 and 111; Peer 2015, 178: “that Varro dedicated his book to Caesar is no indication of the time of their reconciliation – if it ever occurred, especially since the book, which concerned religious matters, was dedicated to Caesar in his role as pontifex maximus. But if as suggested BC II was published in late 49 or early 48, Caesar’s subsequent relations with Varro have no bearing on its publication.” App. BCiv. 4,47. Suet. Iul. 44,2; Isid. Etym. 6,5. Cic. Att. 9,11,3; Caes. BCiv. 3,18,3 Plut. Pomp. 76,5. Cic. Att. 15,19. Caes. BAfr. 89,5. Broughton, MRR 2, 332; 3, 26; Bruhns 1978, 49. Welch 2012, 222 and 354 (index) seems to identify him with the Ateius mentioned by Appian (B Civ. 5,33) as an officer of Antony in 41–40. Broughton, MRR 2, 373 and 2, 533 distinguishes between the two men. Cic. Att. 7,12,4; 7,23,1; Cass. Dio 41,43,2–3; Caes. BCiv. 3,36; 3,57; Vell. Pat. 2,53,1; Plut. Pomp. 67,3; 73,6–7. Cf. Welch 2012, 69.
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by Caesar, and returned to Italy. He reappears in the sources in 44, when, according to Plutarch, he declared that a civil war was worse than an unjust monarchy and refused to take part in the conspiracy against Caesar.116 Favonius nevertheless immediately ranged himself alongside the self-proclaimed ‘Liberators’ after the dictator’s assassination and shared their final destiny.117 He was proscribed, and in 42 fought at Philippi in Brutus and Cassius’ ranks. He was taken prisoner and executed.118 Favonius was not the only man fighting for the Pompeians during the civil war who lived in Rome after his pardon, apparently accepted Caesar’s rule, but after his assassination fought against the Caesarians in the civil wars that followed. This is also true of C. Lucilius Hirrus (RE 25), active in the war in 49–48.119 In 48, Hirrus was sent by Pompey to the Parthian court, where, according to Cassius Dio, he was taken prisoner,120 which prevented him from taking part in subsequent military events. When he returned to Rome, he was pardoned by Caesar and, according to Pliny, in 45 contributed six thousand moray eels to the banquets in Rome that accompanied the celebration of the dictator’s triumph.121 When Caesar died, nonetheless, it is possible that Hirrus joined the ‘Liberators’ and may have been included by the triumvirs in the proscriptions in 43.122 His end is unknown. The senator M. Aquinius (Aquinus) (RE 2, 5), in turn, was pardoned by Caesar after the Battle of Thapsus, in which he participated as legatus in the Pompeian army.123 He is probably the same man as the one who later joined the ‘Liberators’ and fought in 43–42 as a legate under Cassius’ command.124 Cicero, the old consular, and Decimus Laelius (RE 6) were expressly and exceptionally authorised to live in Italy in 48 by a decree issued by Antony after the Battle of Pharsalus.125 Laelius, tribune of the plebs in 54, had previously been prefect of the Pompeian fleet in Asia and Syria in 49 and 48.126 After the civil war, his involvement in Roman politics appears to have been non-existent, or at least, there is no mention of it, and he did not hold any further public office. Something similar was true of the praetorian L. Lucceius (RE 6), who received pardon from Caesar after Pharsalus and
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Plut. Brut. 12,3. App. BCiv. 2,119; Cic. Att. 15,11,1 Suet. Aug. 13,3; Cass. Dio 47,49,4. Hinard 1985, 467–468; Welch 2012, 204. Caes. BCiv. 1,15,5; 1,23,2; Cic. Att. 8,11A. Caes. BCiv. 3,82,5; Cass. Dio 42,2,5. Plin. HN 9,171. Syme 1939, 193–194. Hinard 1985, 472, however, casts doubt upon this reconstruction, which relies upon replacing the name Hirtius with Hirrus in App. BCiv. 4,43. In his opinion, it is plausible that C. Lucilius Hirrus was proscribed, but not certain. 123 Caes. BAfr. 57; 89,5. Cf. Broughton, MRR 2, 300; Bruhns 1978 49 f. 124 App. BCiv. 2,119. Broughton, MRR 3, 25; Hinard 1985, 429. On his coinage in 43–42, Crawford RRC, 513 no.498. 125 Cic. Att. 11,7,2. 126 Caes. BCiv. 3,5,3; 3,7,1. Bruhns 1978, 49 and 119.
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was authorised to return to Rome, but of whom neither political activities nor public offices are known.127 Finally, although for very different reasons, Sextus Pompeius (RE 18) and Marcus Tullius Cicero (RE 29) provide exceptional cases of Pompeians who survived the civil war politically, although with very different paths after it ended. After receiving pardon from Caesar and the specific authorisation to remain in Italy, Cicero spent the years of Caesar’s rule writing an important portion of his literary output, above all in his villae, voluntarily distancing himself from politics.128 After the death of the dictator, however, Cicero progressively returned to the front line of politics – although he held no public office – and stood out for his radical opposition to Mark Antony, as his Philippics convey, which led him to be included among the proscribed and eventually murdered. For his part, Sextus Pompeius, the younger son of Pompey, was active throughout the civil war and managed to escape after the Pompeians’ final defeat at Munda in 45. He regrouped in Sicily, where he succeeded in building a powerful fleet with which he confronted the triumvirs, thus becoming one of the decisive characters in the years of civil war that followed the Ides of March in 44. In 43 he was included in the proscriptions by the triumvirs,129 but the Treaty of Misenum, signed in 39, stipulated that Sextus Pompeius would be consul in 35. After his defeat at the decisive Battle of Naulochus in 36, however, Sextus Pompeius fled to Asia, where he was finally captured and executed in 35, precisely the year in which he should have been consul.130 In summary, for the majority of the Pompeian vanquished, the civil war fought between 49 and 45 meant death, either physically or politically, or in some cases permanent exile.131 With the exception of Cicero, all the Pompeian consulars died as a consequence of the war, and with them died any opposition that senators of the highest rank could have exercised in the new majority-Caesarian senate. During the time that Caesar exercised power, Cicero himself preferred to slip away from a political scene in which, in any case, his influence would have been very limited, only regaining that influence after the dictator was assassinated. Other Pompeians of lower rank survived the war once they had been pardoned by Caesar, including some who actively defected to the Caesarian side.132 What is certain is that people like Libo, the young Cicero, Laelius and Varro (who notwithstanding was commissioned to create a great library) seem to have remained on the margins of political life until Caesar’s death and even beyond. The praetors of 44, Cassius, Brutus, and Pupius Piso, as well, to a lesser extent, as P. Sestius and perhaps Q. Tubero, were the only Pompeians that 127 128 129 130 131 132
Cic. Att. 9,1,3; fam. 5,13; Caes. BCiv. 3,18,3. For his reasons, see Cic. Marc. 14. Hinard 1985, 505–506. On Sextus Pompeius see the detailed study by Welch 2012. Cf. Cic. fam. 9,18,2. C. Messius (RE 2) may be among the Pompeians who defected to the Caesarian side. At the start of the war in 49, he seems to have been with the Pompeians (Cic. Att. 8,11D2), but was with Caesar in Africa in 47–46 at the latest (Caes. BAfr. 33; 43. Cf. Broughton, MRR 2, 301; Bruhns 1978, 49).
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evidence shows retained real political influence while Caesar was alive. There may have been more, but in any case they seem to have been a minority in a political scene dominated by Caesarians. It should not be forgotten that those men were losers apparently converted into winners, since they deserted the Pompeian ship in time to participate actively in the Caesarian victory. Be that as it may, Brutus, Cassius and Pupius Piso were the only Pompeians that are known to have gained a higher magistracy while Caesar was alive, something that the dictator no doubt must have regretted, since it was from their offices that Brutus and Cassius led the conspiracy that ended in his assassination. As Appian highlights, Caesar was murdered by men whom he himself had taken prisoner but had pardoned, had even converted into friends, so that his clemency was ultimately one of the causes of his death.133 The losers from the civil war fought between 49 and 45 continued to find it difficult to scale the higher magistracies of the cursus honorum after Caesar was assassinated. In fact, only four of the individuals who fought in the Pompeian side managed to become consuls after 44: Libo in 34, the young Cicero in 30, Piso in 23, and Lucretius Vespillo in 19. None of them had held an important command during the war, and Libo and Cicero in particular were very young at the time. In any case, the ascent to the consulship of those former Pompeians of modest lustre and undistinguished political careers should be understood in the context of the historical circumstances and the political vagaries that followed the Ides of March in 44, and was a consequence of the power struggles and power balances among the various protagonists of the civil wars of the triumviral period. In fact, their status as Pompeians – in the sense of supporters of Pompey the Great and combatants in the civil war against Caesar – was already a secondary issue by that time, and the determining factor in their appointment as consuls was their position on the political chessboard dominated by Sextus Pompeius and the triumvirs (in the case of Libo) and by Octavian-Augustus (in the cases of Cicero, Piso, and Lucretius Vespillo). The initial civil war between Pompeians and Caesarians was already little more than a memory, surpassed by the successive civil wars that followed it, and the fact that Libo, Cicero, Piso and Lucretius Vespillo should have formed part of a conglomerate of former losers was not a decisive circumstance. There were other factors that bore them to the consulship. Some of the losers who had been pardoned by Caesar, for example Favonius, Lucilius Hirrus and Aquinius (or Aquinus), swelled the ranks of the Republicans after his assassination, were included in the lists of the proscribed in 43, and fought for their side until suffering a new defeat in Philippi in 42. As Cassius Dio states, many died in this battle or after it; others ended up joining Sextus Pompeius.134 They went from one military disaster to another, some of them having been combatants in all the main Pompeian defeats during the civil war and later in the Republican disaster at Philippi, and even in Sextus Pompeius’ final defeat. The fact that many of the protag133
App. BCiv. 4,8. Cassius, one of his killers, learnt the lesson of what leaving an enemy alive could entail, and was therefore in favour of assassinating not only Caesar, but also Mark Antony, on the Ides of March; Brutus, however, resisted, because in his opinion only the tyrant should die (Vell. Pat. 2,58,1). 134 Cass. Dio 47,49,4. Cf. Welch 2009, 198.
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onists were the same in the successive civil wars that took place from 49 to the Battle of Actium in 31 demonstrates an ideological continuity that united many of the surviving Pompeians – or perhaps it would be better to define them as anti-Caesarians or Republicans – beyond their original, personal support for Pompey the Great. The perseverance of the contenders indicates in turn that the Battle of Munda in 45 was not really the end of the civil wars, as neither Pharsalus nor Thapsus had been before it, but rather a hiatus in the struggle between two profoundly opposing sides. The hiatus was forced by the Pompeians’ successive defeats, and by the resultant, apparently solid, position held by Caesar in Rome. The Ides of March revealed the failure of his policy of reconciliation and clemency, because many of the losers in the war, including those such as Brutus and Cassius who had managed to occupy influential offices in Caesar’s state, did not accept his rule. The hiatus ended abruptly, and the civil war resumed. Many of the defeated who had survived the campaigns in Italy, Hispania, Macedonia, Africa, and Hispania again, returned to combat and returned to defeat, becoming multiple losers.
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Aussteigen, Absteigen, Umsteigen? Die Entwicklung konkurrierender Felder der Distinktion von der späten Republik zum frühen Prinzipat
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Im Herbst des Jahres 106 bewarb sich Iulius Naso um das Amt eines Quaestors. Über die Einzelheiten seiner Kandidatur und die Anstrengungen, die nötig waren, um siegreich aus der Konkurrenz mit den Mitbewerbern hervorzugehen, informiert ein Brief des jüngeren Plinius.1 Es handelt sich dabei um eines jener zahlreichen Empfehlungsschreiben an seine Standesgenossen, mit denen er den Eintritt erfolgversprechender junger Männer in den cursus honorum zu unterstützen und befördern suchte. Adressat des Briefes ist C. Minicius Fundanus, ein prominenter und einflußreicher Senator seiner Generation, der sich sowohl durch seine Ämterlaufbahn als auch durch seinen Rang als Autor und Gelehrter Ruhm und Ehre erworben hatte. Immerhin bekleidete er 107 das Consulat und amtierte später als Proconsul in der Provinz Asia. Plinius tut der Bedeutung des Mannes dann auch gleich zu Anfang des Briefes genüge, indem er ihn inständig bittet, nach Rom zu kommen. Dort soll er Anteil an „seinen Wünschen, Mühen und Sorgen“ nehmen – ein sehr persönlicher, durchaus emotional formulierter Appell, mit dem Plinius den Fundanus bewegen will, mit ihm gemeinsam Nasos Kandidatur zu unterstützen.2 Und wenn Plinius dem Fundanus die schwierige Situation des jungen Mannes in der Folge erörtert, bleibt er dem eingeschlagenen Duktus konsequent treu. Denn Plinius berichtet zunächst einmal von sich selbst und seiner eigenen Stimmungslage. „Ich bin besorgt“, so schreibt er, „Hoffnung treibt mich um“, aber auch „Furcht erfüllt mich“. Ja, es komme ihm so vor, als sei er selbst wieder „Bewerber um die Ämter, die er bereits durchlaufen habe“. Erst wenn Plinius seinen eigenen Gefühlen Ausdruck gegeben hat, kommt er näher auf den Kandidaten zu sprechen. Iulius Naso, so betont er, konkurriere bei seiner Bewerbung mit vielen tüchtigen Kandidaten, die zu übertreffen ebenso ruhmvoll wie schwierig sei – eine an sich durchaus normale Situation, die allerdings dadurch erschwert werde, daß Naso ebenjene Männer frühzeitig verloren habe, die gewis1 2
Alle Jahreszahlen beziehen sich, sofern nicht anders angegeben, auf die nachchristliche Zeit. Plin. ep. 6,6.
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sermaßen seine natürlichen Berater und Förderer gewesen wären: seinen Vater und seinen Bruder. Zumal der Vater, so beeilt sich Plinius zu sagen, sei „ein so berühmter und würdevoller Mann“ gewesen, daß allein sein „Andenken“ seinem Sohn eigentlich Vorteile hätte bringen müssen. Doch ebendieser Aspekt der generationenübergreifenden Nachhaltigkeit funktioniere in diesem Fall nicht. Im Senat – also in demjenigen Gremium, in dem die Wahlen zur Quaestur stattfanden – seien nun „viele“, die Nasos Vater zu Lebzeiten nicht mehr gekannt hätten, bzw. solche, die sich durch den Ruhm des Verstorbenen nicht in der Pflicht gegenüber seinen Nachkommen sähen. Naso, so faßt Plinius den Stand der Dinge zusammen, „müsse sich also selbst anstrengen“ und sich „selbst Mühe geben“. Da Naso ein Mann sei, der in jeder Hinsicht der Fürsorge wert sei, habe er diesen Anforderungen bislang selbstverständlich voll entsprochen. Im folgenden erläutert Plinius dem Minicius in allen Einzelheiten, wie sich sein Schützling langfristig und sorgfältig auf die Bewerbung um öffentliche Ämter vorbereitet hat: Naso sei stets bemüht gewesen, so betont er, sich Freunde zu machen, und diese Freunde habe er stets mit Achtung behandelt. Und wie der junge Mann dabei konkret vorgegangen ist, exemplifiziert Plinius dann an seinem eigenen Beispiel. Naso habe ausgerechnet ihn „zum Gegenstand seiner Zuneigung und Nachahmung“ erwählt. Sooft er bei Gericht spreche, stehe Naso „aufgeregt“ neben ihm; wann immer er aus seinen Texten vortrage, sitze er an seiner Seite; an der Entstehung seiner literarischen Werke nehme er Anteil. Naso, so läßt sich sein Verhalten auf den Punkt bringen, hat seine Bewunderung und Zuneigung für Plinius also unermüdlich und unübersehbar in der Öffentlichkeit demonstriert. Durch diese Gesten der Anerkennung und der Ehrerbietung hat er den Älteren in die Pflicht genommen, sich ebenso öffentlich für ihn einzusetzen und ihn zu unterstützen. Und genau dieser Pflicht kommt Plinius in seinem Empfehlungsschreiben an Fundanus nach. Denn am Ende des Briefes fordert er ihn noch einmal emphatisch auf, nach Rom zu kommen und seine Stimme mit derjenigen des Plinius zu vereinigen. „Es liegt mir sehr viel daran“, so schreibt er, „Dich vorzuzeigen“ und „mit Dir herumzugehen“. Dabei verspricht sich Plinius von diesem gemeinsamen öffentlichkeitswirksamen Werben für die Kandidatur des Naso noch einen durchaus erwünschten Nebeneffekt: Er hält das Ansehen des Fundanus nämlich für so groß, daß dessen öffentliches Eintreten für den Kandidaten es erleichtern werde, noch weitere einflußreiche ‚Freunde‘ mit ins Boot zu holen.3 Wir haben hier also den klassischen Fall vor uns, in dem eine Verbindung verschiedener Netzwerke Synergieeffekte erzielen und der Kandidatur eines Einzelnen in der Konkurrenz mit seinen Mitbewerbern noch größere Siegeschancen eröffnen 3
S. ebenda. Ein vergleichbarer Fall findet sich in Plin. ep. 2,9, wo es um die Kandidatur des Sextus Erucius geht. S. zu diesen Briefen Page 2009, 47–56 und Roller 2011, 200 f., der weitere Passagen aus den Briefen des Plinius anführt, um seinem Argument noch mehr Nachdruck zu geben. Zu den vielfältigen Netzwerken, in die die Senatoren wie Plinius eingebunden waren, und den Pflichten zur gegenseitigen Unterstützung, die sie generierten s. Stein-Hölkeskamp 2015 mit weiterer Literatur. S. neuerdings Ganter 2015, Kap. 6, die das Problem insgesamt ausführlich behandelt und detailliert zu Plinius Stellung bezieht.
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soll. Die Aktivierung einer ganzen Kette von Nahverhältnissen und aus ihnen resultierender Reziprozitätsverpflichtungen soll hier gebündelt werden, um einem einzigen Zweck zu dienen – so sieht es jedenfalls vordergründig aus. Denn letztlich sollte Naso keineswegs der einzige Profiteur dieser konzertierten Aktion sein. Plinius kommt am Ende seines Briefes nämlich noch einmal auf sich selbst zurück. Er betont nun emphatisch, daß er den Fundanus nicht nur um Unterstützung für Naso angeht, sondern daß er auch ein ganz persönliches Interesse an dessen Anwesenheit in Rom hat. „Reiße Dich los“, so beschwört er ihn und ermahnt ihn dann, daß auch seine persönliche Lage, „sein gegebenes Wort“ und seine „Ehre“ die Präsenz und die Unterstützung des Fundanus erforderlich machen. „Ich habe mich des Kandidaten angenommen“, so schreibt er, „und es ist bekannt, daß ich es getan habe“. „Ich bewerbe mich also, ich gehe das Risiko ein.“ Und wenn die Kandidatur des Naso scheitern sollte, so treffe ihn, Plinius, die „Zurückweisung“. Eine Niederlage des von ihm geförderten Naso in der Konkurrenz um die Quaestur – darüber ist sich Plinius völlig im Klaren – würde auch ihn als Verlierer dastehen lassen, seine Einflußmöglichkeiten offen und öffentlich in Frage stellen und damit seinen Status in der internen Rangordnung der Elite gefährden.4 Auch nach der Errichtung der Monarchie, so zeigt das Beispiel des Iulius Naso, war die Konkurrenz um die öffentlichen Ämter durchaus intensiv. Die Vorbereitung auf die Kandidatur blieb aufwendig und der Ausgang der Verfahren war für den einzelnen Bewerber mit dem Risiko des Scheiterns behaftet. Daran hatten weder die Verlegung der Wahlen in den Senat noch die entscheidende Empfehlung durch den Kaiser etwas geändert. Die Bekleidung von Ämtern und die daraus resultierenden Ehren blieben damit für die Angehörigen der Elite weiterhin grundsätzlich zentrale Lebensziele, die sie im Wettbewerb mit anderen zu erreichen suchen mußten. In den literarischen Zeugnissen mehren sich allerdings die Anzeichen dafür, daß nun zunehmend alternative Lebensmodelle reflektiert und auch realisiert wurden. Zentrale Bedeutung kommt dabei wiederum der Widerspiegelung dieses Prozesses in den Briefen des jüngeren Plinius zu, in denen er der Nachwelt nicht nur ein wohlkomponiertes ‚Selbstportrait‘, sondern darüber hinaus ein äußerst vielschichtiges ‚Gruppenportrait‘ der Elite und ihrer Lebenswelt präsentiert.5 Vor dem Hintergrund der erheblichen Risiken, die die aufwendige Bewerbung um ein öffentliches Amt sowohl für den Kandidaten selbst als auch für seine Patrone bedeutete, ist es durchaus nachvollziehbar, daß Plinius Verständnis, ja Sympathie für 4 5
Plin. ep. 6,6,8–9. Leunissen 1993, 101–120 betont, in welchem Maße eben auch dignitas und Status des Patrons auf dem Spiel standen. Zu den Briefen des Plinius als vielsagenden Selbstzeugnissen s. etwa Ludolph 1997, passim; Fantham 1998, 189 ff.; Henderson 2003, 115–125 und vor allem Pausch 2004, 71 ff. und 141 ff., dem es äußerst überzeugend gelingt darzulegen, wie Plinius gerade die „Offenheit der epistolographischen Form“ dazu nutzt, „dem Leser die vielfältigen Facetten der eigenen Person gleichsam im Spiegel der anderen Figuren zu präsentieren“. Den engen Zusammenhang zwischen Plinius’ politischer Existenz und seiner literarischen Tätigkeit betont Page 2009. Zu „Entstehungskontext, Inhalt, Intention und präsumtivem Adressatenkreis“ s. zuletzt ders. 2015, 51–57.
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jene Männer hat, die bereits zu einem frühen Zeitpunkt aus dem öffentlichen Leben ausscheiden. Und das gilt auch für diejenigen, die von vornherein ganz bewußt auf eine Karriere in Politik, Militär und Reichsverwaltung verzichten. So etwa für C. Terentius Iunior, der nach seinem Kriegsdienst noch das Amt eines Procurators in der Gallia Narbonensis übernommen hatte und dann „einem ruhigen Leben in Muße den Vorzug vor den Ehrenstellen“ gegeben habe, die ihm – so betont Plinius ausdrücklich – durchaus offengestanden hätten.6 Und es gilt um so mehr für Minicius Macrinus aus Brixia, der sich mit dem Ritterstand zufriedengegeben habe und höflich, aber bestimmt abgelehnt habe, als Vespasian ihn mit dem Rang eines Praetors auszeichnen wollte. Er habe nämlich, so Plinius, eine „ehrenvolle Ruhe“ dem üblichen Streben nach einem „ehrenvollen Rang“ beharrlich vorgezogen.7 Daß Plinius sich der Pluralität und der Heterogenität der Lebensläufe und Lebensentwürfe seiner Standesgenossen durchaus bewußt war, zeigt ein Brief an C. Vibius Maximus, den Praefekten von Ägypten. Plinius erinnert sich in diesem Brief mit einer gewissen Nostalgie an die Reden, die er als junger Mann vor dem Centumviralgericht gehalten hat, und an seine damaligen Mitanwälte. „Manche von denen, die damals als Anwälte aufgetreten sind“, so sinniert er, „sind tot, andere verbannt“. „Dem einen haben Alter und Krankheit zum Schweigen geraten, ein anderer genießt freiwillig die glücklichste Mußezeit. Wieder ein anderer führt ein Heer, jenen hat die Freundschaft des Kaisers von bürgerlichen Pflichten befreit. Wieviel hat sich rings um mich selbst verändert!“8 Plinius beschreibt hier allerdings keineswegs eine neuere Entwicklung. Schon in republikanischer Zeit hatte es ja durchaus Fälle einer bewußten Abstinenz bzw. eines absichtsvoll inszenierten Rückzugs von der senatorischen Karriere gegeben. T. Pomponius Atticus, der reiche Ritter, dem Cicero durch seine Briefe ein Denkmal gesetzt hat, ist das wohl prominenteste Beispiel für einen solchen Lebensentwurf, der auf dem konsequenten Verzicht auf cursus und Karriere beruht.9 Für die Gruppe der ‚Aussteiger‘ sei hier auf L. Licinius Lucullus verwiesen, der um das Jahr 117 v. Chr. geboren wurde. Der prominente Gefolgsmann des Feldherrn und Dictators Sulla bekleidete im Jahre 74 v. Chr. das höchste Amt, das Consulat, und agierte dann jahrelang zunächst erfolgreich als Oberbefehlshaber im Krieg gegen Mithridates, den König von Pontos. Ab dem Jahre 63 v. Chr. zog sich Lucullus nach einigen Rückschlägen und Enttäuschungen allmählich aus dem politischen Leben zurück, um sich in den verbleibenden Jahren seines Lebens vornehmlich einer „Karriere der Extravaganz“ hinzugeben, wie es Athenaios Jahrhunderte später formulieren sollte. Er führte in diesem Lebensabschnitt ein „leichtes und behagliches Leben“, so sein Biograph Plutarch, und richtete jene für ihre Opulenz berühmten und berüchtigten Gastmähler aus, die ihm auf Dauer einen Platz im kulturellen Gedächtnis nicht nur der Römer sichern sollten. Darüber hinaus frönte Lucullus auch dem Bauluxus – eine Obsession, die ihm sehr viel mehr Nachruhm einbringen sollte als seine militärischen Leistun6 7 8 9
Plin. ep. 7,25,2. Plin. ep. 1,45,5. Plin. ep. 4,24,3 f. Zur Biographie des Atticus s. Perlwitz 1992; Leppin 2002.
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gen, wie Cicero in De officiis mit Bedauern festgestellt hat. Er scheute keine Mühen und keine Kosten, immer neue Villen hinzuzukaufen und seine Anwesen in Rom, Tusculum, Neapel, Baiae und auf der Insel Nesis in der Bucht vor Puteoli auf das Raffinierteste ausbauen und ausschmücken zu lassen.10 Besonderer Aufmerksamkeit erfreuten sich vor allem seine Pinakotheken und seine berühmte Bibliothek – jene Sammlung „vieler, schön geschriebener Texte“, in denen der gebildete Consular, der sowohl in lateinischer als auch in griechischer Sprache Verse und Prosaschriften auf hohem Niveau verfassen konnte, Besucher empfing, um mit ihnen gelehrte Gespräche zu führen.11 Seit der augusteischen Zeit mehren sich dann zumal in historiographischen Texten die Nachrichten über Angehörige des Ritter- und Senatorenstandes, die gar nicht erst in den cursus honorum eintraten bzw. ihn zu einem relativ frühen Zeitpunkt auf eigene Entscheidung abbrachen. Das gilt etwa für C. Sallustius Crispus, den Großneffen und Adoptivsohn des berühmten Historikers. Obwohl diesem Crispus, so Tacitus, „der Zugang zu den Staatsämtern offenstand“, verzichtete er auf eine entsprechende Laufbahn. Dabei verfügte er über eine „außergewöhnliche Schaffenskraft“ und brachte es eher informell und ohne sich der Konkurrenz mit anderen bei den geregelten Verfahren zur Vergabe der Ämter auszusetzen zum „ersten Ratgeber, in dessen Händen die Geheimnisse des Herrschers ruhten“. Er ahmte in jeder Beziehung – so das durchaus ambivalente Urteil des Tacitus – den Maecenas nach und pflegte dementsprechend einen Lebensstil, der sich „vom Brauch der Alten“ durch Verfeinerung und Luxus unterschied.12 Ganz anders liegt dagegen der Fall des P. Servilius Vatia, eines Senators der tiberischen Zeit. Dieser ehemalige Praetor, „reich und durch nichts anderes als seine Muße bekannt“, wie ihn der jüngere Seneca mit einer gewissen Verachtung charakterisiert, zog sich nach Campanien an den Golf von Neapel zurück und verbrachte dort seinen Lebensabend. Er wohnte in einer prächtigen Villa in Baiae, die ihm mit ihren künstlich geschaffenen Grotten, weitläufigen Platanenhainen und Fischteichen alle denkbaren Annehmlichkeiten und Abwechslungen bot. Vatia wurde wegen seiner Entscheidung von vielen Zeitgenossen bewundert. „O Vatia, du allein weißt zu leben!“ wurde geradezu zu einem geflügelten Wort. Der jüngere Seneca teilte diese positive Einschätzung allerdings nicht. Er vergleicht Vatia wenig schmeichelhaft mit „einem trägen Tier, das nur für den Bauch, den Schlaf und die Lust lebt“, und fordert dazu auf, künftig genauer zwischen „Muße“ und „Untätigkeit“ zu unterscheiden.13 Durchaus unterschiedlich beurteilen die antiken Autoren auch die Entscheidung des L. Annaeus Mela, gar nicht erst für senatorische Ämter zu kandidieren. Sein Vater, der ältere Seneca, akzeptierte seine Entscheidung und hielt es für durchaus angemessen, daß sein Sohn sein Leben ganz dem Studium der 10 11 12 13
Athen. 12,543a; Cic. off. 1,140. S. auch Plut. Luc. 38,2; 39,1. S. dazu Stein-Hölkeskamp 2005, 38; 118; 127 f. Zum Leben und zur Karriere des Lucullus s. Keaveney 1992; Tröster 2008. S. auch den Beitrag von Christoph Lundgreen in diesem Band, der allerdings Lucullus’ ‚Rückzug‘ anders beurteilt. Plut. Luc. 39,1; 42,1 f. Zu seiner Bibliothek s. Cic. fin. 3,2,7–3,3,10; Cic. leg. 30 f. S. dazu auch Dix 2000. Tac. ann. 3,30,1–4. Sen. ep. 6,55,3–7.
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Rhetorik widmen wollte. Dagegen unterstellt Tacitus dem Mela „üblen“, fehlgeleiteten Ehrgeiz und schamlose Habgier. Er habe „den kürzeren Weg zum Erwerb eines Vermögens“ eingeschlagen und es deshalb vorgezogen, als Procurator die Geschäfte des Kaisers wahrzunehmen.14 Während es sich bei den genannten Beispielen um prominente Figuren handelt, die einen bekannten Namen trugen, haben wir es bei Quintus Valerius mit einem Mann zu tun, der niemals die Aufmerksamkeit der Historiker auf sich gezogen hat. Sein Verzicht auf die große Karriere in Rom dokumentiert sein Grabstein, der sich bezeichnenderweise auch nicht dort, sondern im südfranzösischen Tain gefunden hat. Die Inschrift auf diesem Stein listet zunächst die Stationen seiner bescheidenen lokalen Ämterlaufbahn auf, weicht dann aber von dem bekannten Muster ab. Dem Valerius, so heißt es dort nämlich, habe der göttliche Hadrian einst die senatorischen Rangabzeichen zusammen mit der Quaestur angeboten. Doch Valerius habe abgelehnt und der Kaiser habe seine Entschuldigung akzeptiert. Nun wissen wir nicht, was den Valerius dazu bewogen hat, die angebotene Chance auszuschlagen. Fest steht jedoch, daß mit dem Karriereverzicht keineswegs automatisch ein Verzicht auf monumentale Präsenz im öffentlichen Raum und memoria einherging – eine bemerkenswerte Modifikation jenes traditionellen ‚epigraphic habit‘ mit seiner Fokussierung der steinernen Selbstdarstellung auf eine katalogartig-parataktische Auflistung der tatsächlich bekleideten Ämter.15 Das Beispiel des Quintus Valerius verweist dabei zugleich auf die strukturellen Probleme, die aus den individuellen Entscheidungen gegen eine Laufbahn in Politik, Heer und Reichsverwaltung resultierten. Denn Karriereverzicht und Karriereabbruch führten in manchen Jahren offenbar dazu, daß für bestimmte Positionen gar nicht genügend Bewerber vorhanden waren und die Kaiser persönlich eingreifen mußten, um diesem Mißstand abzuhelfen. Im Jahre 12 v. Chr. etwa bewarben sich so wenige Kandidaten um das Volkstribunat, daß Augustus ein Gesetz erließ, wonach jeder der Amtsinhaber des laufenden Jahres einen Ritter mit einem Vermögen von mindestens einer Million Sesterzen vorschlagen sollte. Aus diesem Pool sollte das Volk dann die noch fehlenden Tribunen für das Folgejahr wählen.16 Im Jahre 5 entstand ein vergleichbarer Engpaß bei den Bewerbern um die Aedilität – eine Position, die traditionell mit hohen finanziellen Aufwendungen für die Ausrichtung der Spiele verbunden war. Ehemalige Quaestoren und Volkstribune wurden deshalb durch das Los zur Kandidatur gezwungen – eine Maßnahme, so Cassius Dio, auf die man auch in späteren Jahren im Bedarfsfall immer wieder zurückgriff.17 14 15
16 17
Sen. contr. 2,3; Tac. ann. 16,17,3. S. dazu Fantham 1998, 173. CIL XII 1783: Q. Val (erio) C. fil(io) Volt(inia) Macedoni | flam(ini) iuvent(utis) q(uaestori) c(oloniae) V(iennensis) IIvir(o) aer(ari) auguri | IIIvir(o) [l(ocorum) p(ublicorum) p(ersequendorum). Huic divos Hadrianus | latum clavom cu[m] quaest(ura) optuli[t] et petentis | excusationem acc[ep(it)]. V[i]cani Boxs[ani] et Noiomagens[es] | patrono. S. dazu Hopkins/Burton 1983, 167. Die intensive Präsenz der Senatoren im öffentlichen Raum betont besonders Eck 2005, 1 ff. Cass. Dio 54,30,2. S. hierzu und zum folgenden Hopkins/Burton 1983, 167 ff. Cass. Dio 55,24,9.
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Ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Vergabe dieser stadtrömischen Ämter ergaben sich auch immer wieder bei der Besetzung von Positionen in der Provinzialverwaltung. Schon im Jahre 24 v. Chr. hatten sich so wenige Kandidaten für die Quaesturen in den Provinzen gefunden, daß zwangsweise alle diejenigen zur Auslosung herangezogen wurden, die während der letzten zehn Jahre zwar die Quaestur innegehabt hatten, aber keiner Provinz zugewiesen worden waren.18 Doch selbst derartige Zwangsmaßnahmen stellten in manchen Jahren die geregelte Rekrutierung für die Provinzverwaltung offenbar nicht mehr sicher. Denn eine nicht zu unterschätzende Zahl derjenigen Magistrate, die bereits eine Provinz erlost hatten, zeigte keine große Neigung, sich zügig in ihre Amtsbereiche zu begeben. Sie trödelten, so Cassius Dio, ungebührlich lange in Rom und andernorts in Italien herum, so daß ihre Amtsvorgänger über die gesetzlich festgesetzte Zeit hinaus ihre Tätigkeit ausüben mußten. Um diese skandalöse Nachlässigkeit zu unterbinden, soll sich Tiberius gezwungen gesehen haben, einen einheitlichen, für alle gleichermaßen verbindlichen Termin für die Abreise in die Provinzen anzuordnen.19 Deutlich subtiler ging Caligula vor, um dem mangelnden Enthusiasmus zur Partizipation an Politik und Verwaltung gegenzusteuern: Im Jahre 38 soll der Kaiser jungen Männern aus ritterständischen Familien gestattet haben, sich in senatorischer Kleidung in der Öffentlichkeit zu zeigen, noch bevor sie ein Amt ausgeübt hatten, das sie nach den hergebrachten Regeln erst dazu berechtigt hätte. Der Kaiser hoffte, sie durch diese Privilegierung zur Kandidatur zu motivieren und mittelfristig ihren Eintritt in den Senat sicherzustellen.20 An dieser Stelle erscheint eine Zwischenbilanz angebracht: Die Zeugnisse für individuellen Karriereverzicht bzw. Karriereabbruch einerseits und die Hinweise auf zeitweiligen Kandidatenmangel und kaiserliche Zwangsmaßnahmen andererseits lassen erkennen, daß sich eine Reihe von Individuen der weiterhin intensiven und aufwendigen Konkurrenz um Ämter und Ehren und damit dem Risiko des Scheiterns entzog. Ihr Verhalten läßt erkennen, daß die Lebensentwürfe der kaiserzeitlichen Reichsaristokratie nicht mehr einseitig und völlig alternativlos auf cursus und Karriere ausgerichtet waren. Die vorgestellten Lebensläufe verweisen auf ein breites Spektrum von denkbaren Gründen und Motiven für eine solche Verweigerungshaltung, das von schlichtem Desinteresse bis zu Subversion und Widerstand reicht. Dabei dokumentieren sie zugleich, daß die Angehörigen dieser Elite auch in dieser Epoche weiterhin intensiv nach öffentlicher Auszeichnung und sozialer Distinktion strebten. Im folgenden sollen nun exemplarisch drei Handlungsfelder vorgestellt werden, die für die Konkurrenz um Geltungschancen und Prominenzrollen immer wichtiger wurden und zugleich die Strategien zur optimalen Wahrnehmung dieser Chancen gut erkennen lassen: die Villenkultur und der damit verbundene kompetitive Konsum von Luxusgütern, das Verfassen von literarischen Texten aller möglichen Genres und die Auftritte als Redner und Vortragende. 18 19 20
Cass. Dio 53,28,3 f. Cass. Dio 57,14,6. Cass. Dio 59,9,6.
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Am Anfang sollen die konsumtiven Praktiken der kaiserzeitlichen Elite stehen. Das oben angeführte Beispiel des Servilius Vatia, der in tiberischer Zeit seinen vorgezogenen Ruhestand in seiner luxuriösen Villa in Baiae verbrachte, gibt einen ersten Einblick in die unterschiedlichen Bewertungen, die ein solcher Lebensstil in dieser Epoche provozierte. In die gleiche Richtung weist der Bericht des Tacitus über jene kontroversen Debatten, die in den Jahren 16 und 22 um den Luxuskonsum und seine Begrenzung durch leges sumptuariae geführt wurden.21 In beiden Fällen konnten sich die Befürworter solcher Gesetze, die vor allem gegen die „Aufwendungen für Gefräßigkeit und Schlemmerei“ wetterten, nicht durchsetzen.22 Ihre Gegner (im Jahre 22 sogar der Kaiser persönlich) wandten ein, daß „mit dem Wachsen des Reiches schließlich auch der private Wohlstand zugenommen habe“ und man mit den „Siegen über fremde Völker“ nun einmal gelernt habe, „fremdes Gut zu verprassen“. Maßnahmen, die versuchten, diesen Konsum zu regulieren und zu begrenzen, würden in erster Linie die Angehörigen des Senatoren- und Ritterstandes treffen – und das seien „Männer, die mehr Sorgen auf sich nehmen“ als andere und denen man eben den Konsum von Gütern zugestehen müsse, „der diese Sorgen und Gefahren erträglich mache“. Die Einschärfung dieser Gesetze bringe womöglich sogar die schmachvolle Entehrung „erlauchter Männer“ mit sich. Gerade den „angesehensten Familien“, so gibt Tiberius in einem Brief an die Senatoren die Argumente derjenigen wider, die eine Neuauflage der leges sumptuariae verhindern wollten, könnten also Nachteile aus einer solchen Regelung erwachsen.23 Und damit waren die Vorstöße zur Eindämmung des Konsums letztlich auch schon gescheitert. Das führte dazu – so das Fazit des Tacitus –, daß „der Tafelluxus vom Ende des Krieges bei Actium im Jahre 31 v. Chr. hundert Jahre mit verschwenderischem Aufwand“ betrieben worden sei. Die Darstellung der Konflikte der tiberischen Zeit im Werk des Tacitus läßt erkennen, daß demonstrativer Konsum in dieser Epoche als ein zentrales Distinktionsmerkmal der Elite angesehen wurde, das zu den anderen Statusmerkmalen hinzugetreten war und die Selbst- und Fremdwahrnehmung dieser Gruppe wesentlich mitbestimmte.24 Im folgenden sollen einige dieser ehrgeizigen und exzessiven Konsumenten vorgestellt werden, die in der zeitgenössischen Literatur mit dem Kauf und dem Konsum besonders ausgefallener und hochpreisiger Luxusgüter in Zusammenhang 21 22 23
24
Zu den Luxusgesetzen der Republik s. Baltrusch 1989; Wagner-Hasel 2002; Bottigliere 2002; Wallace-Hadrill 2009, 329 ff. Tac. ann. 3,25,1. Tac. ann. 2,33,1 ff.; 3,52,1 ff.; 3,53,1 ff. (Brief des Tiberius an den Senat). Tiberius selbst fiel zumindest in den ersten Jahren seiner Herrschaft durch seine persönliche Sparsamkeit auf. Das zeigte sich auch bei den kaiserlichen Gastmählern. So berichtet Sueton (Tib. 34) etwa, daß Tiberius – „um die Sparsamkeit des Publikums durch sein eigenes Beispiel zu fördern“ – bei Festessen häufig vom Vortag übriggebliebene Speisen auftragen ließ. So habe er einmal ein halbes Wildschwein servieren lassen und den Gästen versichert, „daß es genau die gleichen Qualitäten habe wie ein ganzes“. S. auch Cass. Dio 57, 10, 3. Eine ausführliche Diskussion dieser Debatten findet sich neuerdings bei Wallace-Hadrill 2009, 329 ff. S. dazu auch Wagner-Hasel 2002, 335. Tac. ann. 3,55,1. Zur Interpretation der ganzen Debatte und zu den möglichen Motiven des Tiberius s. Wallace-Hadrill 2009, 332 sowie Hopkins 1983, 175 und Edwards 1993, 162.
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gebracht werden. In den Texten kommt dabei jenen Individuen eine besondere Bedeutung zu, die mit hohem finanziellen Aufwand und erheblicher Kreativität die Befriedigung ihrer exklusiven kulinarischen Ansprüche anstrebten. Da wären etwa jene Konsumenten der „fetten Drosseln“ und „goldgeschweiften Pfauen“ zu nennen, für die man bis zu zweihundert Sesterzen bezahlen mußte und die allein wegen des hohen Preises „besser schmeckten“, wie Martial in einem seiner Epigramme betont.25 In den Speiseräumen der Elite verzehrte man darüber hinaus noch eine Vielzahl anderer Vögel, die von der Insel Rhodos, aus dem Reich der Parther, aus Babylonien und Numidien sowie aus der Kolchis importiert worden waren. Alle diese Tiere, die zur Zeit des Plinius schon einige Zeit in Italien heimisch waren, behagten den Gaumen der Gourmets nun weitaus besser als jene genuin römischen Leckerbissen, die „weißen Gänse“ und die „Enten im bunten Federkleid“, die die Vorfahren mit Vorliebe verspeist hatten – „Plebejerspeisen“, wie Petronius seinen komischen Helden Eumolpus abfällig bemerken läßt, mit denen sich in den Kreisen des elegantiae arbiter nun wohl niemand mehr zufriedengeben wollte.26 Die dieser Art von Konsum inhärente kompetitive Steigerungsdynamik läßt sich am Beispiel der Fische und Meeresfrüchte noch eindringlicher exemplifizieren. So soll zur Zeit des Tiberius ein gewisser Publius Octavius eine mehr als vier Pfund schwere Meerbarbe für 5000 Sesterzen erworben haben – ein Preis, so Seneca, der selbst dem Apicius zu hoch gewesen sei. Denn der habe sich zunächst für diesen Fisch interessiert, ihn dann aber dem Octavius überlassen – ein Vorgang, der die Attraktivität des Objekts für den endgültigen Abnehmer noch einmal nennenswert erhöht haben dürfte, denn schließlich war es ihm gelungen, im Wettbewerb um dieses außergewöhnliche Konsumgut einen der Meinungsführer der zeitgenössischen Gourmetgemeinde auszustechen.27 Daß ephemere Konsumgüter wie Fische und Meeresfrüchte ihren Käufern sogar einen Platz im kollektiven Gedächtnis sichern konnten, zeigt der Fall des Asinius Celer, der im Jahre 38 als Suffectconsul amtierte. Er soll eine Barbe für 8000 Sesterzen erworben und mit diesem hohen Gebot für einen einzelnen Fisch „alle Verschwender“ geradezu herausgefordert haben, wie der ältere Plinius mißbilligend kommentiert.28 Weniger betuchte Feinschmecker, so zeigen die Satiren des Martial und des Juvenal, hatten offenbar Probleme, beim Wettstreit um die besonders attraktiven Objekte mitzuhalten: „Sie begehren Barben“, so Juvenal, und haben doch nur „das Geld für einen Gründling in der Börse“.29 So blieb manch ehrgeizigem Gourmet offenbar gar nichts anderes übrig, als sich von seinen anderen Besitztümern zu trennen, wenn er seine kulinarischen Ambitionen wirklich konsequent ausleben wollte. Ein gewisser Callidorus etwa, den Martial in einem seiner Epigramme verspottet, soll einen Skla25 26 27 28 29
Mart. 13,76. S. dazu und zum folgenden Stein-Hölkeskamp 2005, 185–190. Petron. 93,2. Sen. ep. 95,42. Die Barbe war dem Tiberius zuvor als Geschenk überreicht worden, doch der Kaiser hatte offenbar persönlich kein Interesse am Verzehr des kolossalen Leckerbissens. S. dazu und zum folgenden Stein-Hölkeskamp 2005, 190–196. Plin. HN 9,67. Juv. 11,35 ff.
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ven für 1200 Sesterzen verkauft haben, um sich ein einziges üppiges Mahl leisten zu können, das von einer vier Pfund schweren Meerbarbe gekrönt wurde – und das war anscheinend kein Einzelfall, wenn man dem älteren Plinius glauben darf, der bereits Jahrzehnte zuvor darüber räsoniert hatte, daß „die Fische genauso teuer seien wie die Köche“.30 Fische dieser Größe, so läßt sich daraus schließen, galten also nicht nur als besonders exquisite Leckerbissen, sondern geradezu als zwar vergängliche, weil verderbliche, aber dennoch wirkungsmächtige Statusobjekte. Sie waren Gegenstand einer konsumtiven Konkurrenz, und die Berichte über ihre besonderen Eigenschaften und ihren monetären Wert verbanden sich auf Dauer mit dem Namen des Mannes, der sie gekauft und beim Mahl verzehrt hatte. Die ebenso kostspieligen wie extravaganten Mahlzeiten, bei denen diese Leckerbissen serviert wurden, waren ein zentraler Bestandteil jener eleganten und kultivierten Lebensführung, die einzelne Angehörige der Elite in dieser Epoche aufwendig und stilvoll inszenierten. Luxuriöse Villen, wie die des Lucullus und des Vatia, mit ihren geräumigen Speisesälen mit goldgetäfelten Decken und Marmorsäulen, ihren Pinakotheken mit den Werken alter Meister und ihren Bibliotheken waren dabei das perfekte Ambiente für eine Reihe von kulturellen Aktivitäten, die zu dieser Art von Lebensstil ebenso dazugehörten wie die exquisiten Luxusgüter. Eines der prominentesten Beispiele für diese Art der Lebensführung ist Silius Italicus. Silius wurde um 25 geboren und amtierte 68 als letzter von Nero ernannter consul ordinarius. Obwohl er durch sein Verhalten unter Nero kompromittiert war, konnte er seine Karriere im Jahre 77 als Proconsul von Asien fortsetzen. Danach entschied sich Silius, so der jüngere Plinius, für ein Leben der „lobenswerten Zurückgezogenheit“. Der reiche Senator zog sich nach Kampanien zurück und kaufte sich in dieser Region gleich mehrere luxuriöse Villen, die er verschwenderisch ausstattete. In allen diesen Villen gab es Bücher, Statuen und Gemälde, „die er nicht nur besaß, sondern geradezu verehrte“, wie es der jüngere Plinius formuliert. Seine Freude an Erwerb und Besitz „alles Schönen“ war dabei so groß, daß sein Konsumverhalten die Kritik seiner Zeitgenossen auf sich zog. Er soll sich nämlich – so wiederum Plinius – den „Vorwurf der Kaufsucht“ zugezogen haben. In seinen Landhäusern in Kampanien widmete sich Silius intensiv der gelehrten Muße, das heißt: Er führte geistreiche Gespräche mit seinen Freunden, die ihn dort regelmäßig aufsuchten, und schrieb Gedichte.31 Von den Werken des Silius sind nur die Punica erhalten, ein episches Gedicht über den Zweiten Punischen Krieg, mit dem der glühende Verehrer Vergils seinem Vorbild nachzueifern suchte. Das Epos zeichnete sich durch eine Kombination von komplexem Aufbau und klarem Duktus aus und entsprach wohl durchaus dem Geschmack seiner Zeitgenossen. Auf deren Meinung legte Silius nämlich den allergrößten Wert – daher lud er immer wieder zu Rezitationen ein, „um das Urteil der Leute zu erfahren“. Der Dichter Martial, der bei solchen Veranstaltungen zugegen war, urteilt positiv, ja enthusiastisch über die Dichtkunst des Silius. Seine unvergänglichen Verse „von 30 31
Mart. 10,31; vgl. Plin. HN 9, 67. Plin. ep. 3,7,6–10. S. hierzu und zum folgenden Leigh 2000, 478 ff. sowie Johnson 2010, 40 f.
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römischem Geist“, so schwärmt er, verdienten nicht weniger Anerkennung als seine Leistungen als Mitglied des Centumviralgerichts und schließlich als Consul in einem für Rom und das Reich schwierigen Jahr.32 Plinius dagegen sagt dem Silius nach, er habe „mehr mit Sorgfalt als mit Talent“ geschrieben – ein ebenso herablassendes wie vernichtendes Urteil, das allerdings nur die persönlichen Fähigkeiten des Verfassers der Punica betrifft. Denn nur wenige Zeilen später formuliert Plinius einige durchaus grundsätzliche Überlegungen, in denen er die Dichtkunst generell als den einzigen Weg zu dauerhaftem Ruhm charakterisiert. Sie allein, so schreibt er, biete dem Einzelnen noch die Möglichkeit, der Nachwelt etwas zu hinterlassen, das als nachhaltiger Beweis seiner Existenz gelten könne. Kulturelle und speziell literarische Kompetenzen werden hier als einziger Weg zu einer fama apud maiores und einer sequentia aevi memoria verabsolutiert – Lebensziele, die in dieser Epoche unverändert legitim und akzeptiert waren, wie ein Brief des Plinius an Valerius Paulinus, einen der Suffectconsuln des Jahres 107 zeigt, in dem er mit einer gewissen Emphase betont, daß er denjenigen für den „glücklichsten Menschen“ hält, „der sich des Beifalls der Nachwelt sicher ist und mit seinem zukünftigen Ruhm schon jetzt lebt“.33 Welche Bedeutung zumal der Literaturbetrieb für die fortschreitende Ausdifferenzierung der Lebenswelten der kaiserzeitlichen Elite und für die Entwicklung alternativer Handlungsfelder hatte, mögen weitere Beispiele verdeutlichen. So etwa der Lebenslauf des Arrius Antoninus aus der Gallia Narbonensis, der unter anderem als Großvater des späteren Kaisers Antoninus Pius in die Geschichte eingehen sollte. Arrius amtierte im Jahre 69 als einer der Suffectconsuln. Um das Jahr 79 ging er als Proconsul nach Asien und kurz vor der Jahrhundertwende bekleidete er schließlich zum zweiten Mal das Consulat – eine beachtliche Karriere, mit der er zweifellos die Bewunderung vieler Zeitgenossen auf sich gezogen hat. Zu diesen Bewunderern zählte auf jeden Fall der jüngere Plinius, doch der weist in seinen Briefen mit Nachdruck darauf hin, daß es nicht die politische Leistung des Arrius sei, die zweimalige Bekleidung des summus honos, die diesen in seinen Augen so „verehrungswürdig“ mache. Er hebt zwar hervor, daß dieser wegen seiner Bescheidenheit und seiner Rechtschaffenheit zu Recht hohes Ansehen genieße und als der „führende Mann der Bürgerschaft“ gelte, doch er bewundere den Arrius vor allem wegen seines literarischen Talents. „Was du schreibst“, so schwärmt er, „scheinen die Bienen mit Blüten zu füllen“. Dabei bezieht sich dieses überschwengliche Lob in erster Linie auf die griechischen Epigramme und die Iamben des Arrius: „Wieviel Feinheit, wieviel Anmut ist in ihnen enthalten, wie reizend, wie liebenswert, wie geistvoll ist das alles“, schmeichelt er ihm und vergleicht ihn dann noch mit dem hellenistischen Dichter Kallimachos, der in der Gattung der Elegie eine solche Meisterschaft erreichte, daß Quintilian ihm sogar den Ehrentitel eines elegiae princeps zuerkannte.34 Daß Plinius es im Fall des Arrius nicht bei diesem überschwenglichen Lob bewenden ließ, zeigt 32 33 34
Mart. 7,63. S. dazu auch Salomies 2005, 239 f. mit Anm. 56. Plin. ep. 3,7,5 und 15; 9,3,1. S. dazu allgemein Ludolph 1997, 61 ff.; Eck 1999, 31; Pausch 2004, 25 und 59 ff. Plin. ep. 4,3,1–5; s. auch 4,18,1 f. Vgl. Quint. inst. 10,1,58. S. dazu Johnson 2010, 40.
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ein weiterer Brief, in dem er dem angesehenen Consular und verehrungswürdigen Dichter mitteilt, er habe einen (allerdings nicht sehr erfolgreichen) Versuch unternommen, dessen griechische Gedichte ins Lateinische zu übersetzen. Das Scheitern dieses Versuches schreibt er dabei in dem für ihn typischen Bescheidenheitsgestus einerseits seiner „schwachen Begabung“ und andererseits der Dürftigkeit ihrer gemeinsamen Muttersprache zu.35 Das Beispiel des Arrius gibt dabei nicht nur einen vielsagenden Einblick in den Duktus, mit dem die Angehörigen der kaiserzeitlichen Elite über ihre Aktivitäten als Dichter kommunizierten, sondern es zeigt zugleich, daß nunmehr ein breites Spektrum an literarischen Gattungen gewissermaßen als salonfähig galt und es dementsprechend nicht mehr als statusinadäquat galt, wenn Mitglieder der Elite Energie und Phantasie in das Verfassen solcher Texte investierten. Einige wenige prominente Beispiele mögen hier genügen: Der Kaiser Tiberius schrieb Gedichte in griechischer Sprache, wobei er die Dichter Euphorion, Rhianos und Parthenios nachgeahmt haben soll.36 Sein Zeitgenosse Marcus Scaurus, einer der Suffectconsuln des Jahres 21, verfaßte eine Tragödie mit dem Titel Atreus, mit der er den Zorn des Kaisers erregte.37 Der jüngere Germanicus hinterließ griechische Komödien und eine freie Nachdichtung der Phaenomena des Arat in 725 gut gebauten Hexametern.38 L. Domitius Ahenorbabus, der spätere Kaiser Nero, schrieb ebenso gern und mühelos Gedichte wie C. Calpurnius Piso, das nominelle Oberhaupt der Verschwörung des Jahres 65.39 Dieser Piso verstand es, mit großer Leichtigkeit zu dichten – eine Fähigkeit, die auch der Autor der Laus Pisonis betont, eines vollmundigen Panegyricus, mit dem sich der Verfasser offenbar Zugang zum engeren Kreis des Adressaten zu verschaffen suchte.40 M. Cocceius Nerva erreichte lange vor der Kaiserwürde „ewigen Ruhm“ als Verfasser von Gedichten, die ihn zum „Tibull seiner Zeit“ machten, wie es Martial in einem überschwenglichen Lobgedicht formuliert.41 Und natürlich schrieb auch Plinius Gedichte – allerdings nur zur Entspannung, wie er immer wieder betont. Mit seinen Elfsilbern vertrieb er sich „im Reisewagen, im Bad und während des Essens“ auf angenehme Weise die Zeit. Als er sich – „dem Beispiel vieler anderer folgend“ – später entschloß, die Texte zu publizieren, sei das Buch zu einem vollen Erfolg geworden: „Man liest sie“, so schreibt er mit einer gewissen selbstgefälligen Genugtuung, „schreibt sie ab und singt sie sogar“ – ja, die Griechen, die Latein gelernt haben, „tragen sie bald zur Zither, bald zur Laute vor“.42 Diese „Spielereien“, 35 36 37 38 39 40
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Plin. ep. 4,18,1. Suet. Tib. 70. S. dazu Fantham 1998, 132. Tac. ann. 6,29,3 f.; Cass. Dio 58,24,3–5. Suet. Cal. 3. S. dazu Fantham 1998, 128 f. Suet. Nero 52; Tac. ann. 13,3,3; 14,15,1 f. Laus Pisonis Z. 81 ff. und Z. 159 ff. Zu Piso s. außerdem Tac. ann. 15,48,1–3. Zur Laus Pisonis s. allgemein die interessanten Beobachtungen von Badel 2005, 156 ff., der betont, daß in diesem Text die Beredsamkeit an erster Stelle steht und die militärische Tugend in den Hintergrund drängt – eine veritable translatio virtutis. Mart. 8,70. Plin. ep. 4,14,1 f. Möglicher Kritik an seinen Gedichten und vor allem an deren öffentlichem Vortrag
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so konstatiert er an anderer Stelle, „verschaffen bisweilen nicht geringeren Ruhm als ernsthafte Schriften“.43 Genau diese Art von Ruhm erreichte P. Pomponius Secundus durch seine literarische Tätigkeit. Pomponius – Besitzer großer Garten- und Parkanlagen, Schwager des Caligula und Freund des älteren Plinius – bekleidete 44 eines der Suffectconsulate. 55 wurde er zum kaiserlichen Legaten in Obergermanien ernannt. Dort zeichnete er sich in einem Scharmützel mit plündernden Chatten aus und wurde in der Folge dafür mit den Triumphalinsignien geehrt. Doch diese höchste Auszeichnung, die ein Feldherr unter den gegebenen Verhältnissen noch erreichen konnte, machte im Fall des Pomponius nur einen „bescheidenen Teil seines Ruhmes bei der Nachwelt“ aus, wie Tacitus es formuliert.44 Dieser beruhte vornehmlich auf seinen „berühmten Carmina“ und auf seinen Tragödien, die ihn nach dem Urteil des Quintilian zum bedeutendsten zeitgenössischen Vertreter dieser Gattung machten.45 Pomponius war es also gelungen, gleich auf zwei Handlungsfeldern höchste Anerkennung zu erlangen: Er hatte durch Klugheit und Tatkraft auf dem Schlachtfeld gloria erworben und brillierte zugleich in der umtriebigen literarischen Szene durch seine „überlegene Bildung“ und seine Sprachgewalt. Seine sprachlichen Manierismen waren Gegenstand von gelehrten Diskussionen mit so prominenten Vertretern dieser Szene wie beispielsweise dem jüngeren Seneca.46 Allein der populus Romanus – so zeigt eine Notiz in den Annalen des Tacitus – habe das Talent des Pomponius nicht wirklich zu schätzen gewußt: Im Jahre 47, so heißt es dort, habe sich der Kaiser Claudius gezwungen gesehen, das zügellose Benehmen des Volkes im Theater in strengen Erlassen zu tadeln, weil es gegen den Consular und Tragödiendichter immer wieder Schmährufe ausgestoßen hatte. Daß diese öffentlichen Mißfallensbekundungen ausgerechnet den Pomponius trafen, ist dabei durchaus verwunderlich, denn Plinius zufolge soll er einer der letzten Dichter gewesen sein, die das Urteil des Volkes höher einschätzten als die Meinung ihrer Freunde – eine Einstellung, die um die Jahrhundertwende kaum mehr vorstellbar war, als man „die einfachen Leute in der schmutzigen Toga“ zwar immer noch respektierte, jedoch vornehmlich vor „ausgewählten Freunden“ rezitierte.47 Der anekdotenhafte Charakter der Überlieferung sollte dabei nicht den Blick darauf verstellen, daß hier auf jeden Fall ein Beleg für eine Verschiebung des Kommunikationsraumes vorliegt, in dem die Mitglieder der Elite um ein möglichst effektives ‚self-fashioning‘ konkurrierten.48
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beugt Plinius vor, indem er in ep. 5,3 insgesamt 21 angesehene Persönlichkeiten der Republik und der Kaiserzeit – 17 Senatoren und vier Kaiser – nennt, die ebenfalls Texte dieser Art verfaßt haben. S. dazu Sherwin-White 1966, 317. Vgl. auch Plin. ep. 7,4,9 und 8,21,2. S. dazu und zum folgenden Fantham 1998, 205 ff. Plin. ep. 7,9,9 f. und 9,25,1–3. Tac. ann. 12,27,2 f. Zum Ruhm des Pomponius s. auch Dial. 13,1 ff. Quint. inst. 10,1,98. Quint. inst. 8,3,31. S. dazu Fantham 1998, 139 f. Plin. ep. 7,17,9–12; Tac. ann. 11,13,1. Zur Kategorie des ‚self-fashioning‘ s. Greenblatt 1980, passim. Eine Definition findet sich auf S. 3 f.: „Self-fashioning is in effect … the cultural system of meanings that creates specific individuals by
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Denn der Wettbewerb der Senatoren und Ritter um Prominenz und Prestige als Redner blieb trotz dieser Verschiebung des Kommunikationsraumes und der Loslösung der Konkurrenz aus ihrer unmittelbaren Anbindung an die Wahlen und die strikt regulierte Ämterlaufbahn ungebrochen. Allerdings veränderten sich im Laufe der Zeit die allgemeinen Rahmenbedingungen für diesen Wettbewerb. Zentrale Bühne für die Konkurrenz der Redner waren nun nicht mehr die contiones. Die Übertragung der Wahlen für die Magistraturen an den Senat unter der Herrschaft des Tiberius reduzierte die Möglichkeit und Notwendigkeit, als Redner in direkten Kontakt mit dem populus Romanus zu treten. Zentrale Instanz für die Gesetzgebung und die Entscheidung in bedeutenden Gerichtsverfahren war der Senat, in dem weiterhin intensiv und kontrovers diskutiert wurde. Dort suchte man nun, sich hinter geschlossenen Türen unter Ausschluß der Öffentlichkeit als Redner zu profilieren und die Standesgenossen von sich und seiner Sache zu überzeugen – und das alles unter den Augen des Kaisers, wobei es keine große Rolle gespielt haben dürfte, ob dieser nun tatsächlich physisch anwesend war oder nicht.49 Als weiteres wichtiges Forum für die Präsentation von Eloquenz und Überzeugungskraft kam das Centumviralgericht hinzu, das sich zu einem idealen Ort entwickelte, um im Redewettstreit mit anderen vor einer größeren Öffentlichkeit Reputation und Rang aufzubauen.50 Allerdings galten die Reden vor Gericht nun keineswegs mehr als einziger Weg, durch Eloquenz Prestige und Prominenz zu erlangen, wie schon der Disput zwischen Aper und Maternus in Tacitus’ Dialogus zeigt. Es waren nun auch die Privathäuser der Elite und die Säle der Rhetorenschulen, die zu Bühnen für die erfolgreiche Performanz ambitionierter Redner wurden, die dort von ihnen selbst verfaßte Texte öffentlich präsentierten. Zahlreiche und vielsagende Hinweise auf diesen Veränderungsprozeß finden sich wiederum in den Briefen des Plinius, die die Vielfalt der Kultur der öffentlichen Rede belegen, wie die folgenden Beispiele zeigen mögen: Deklamationen von Texten aller Art – Reden, historische und philosophische Abhandlungen, Elogien und Elegien – standen im kaiserzeitlichen Rom täglich auf der Agenda, eine Entwicklung, die Plinius äußerst begrüßenswert fand. In einem Brief an Sosius Senecio teilt er dem Adressaten mit, daß er im April so gut wie jeden Tag Vorträge besucht habe, zu denen er eingeladen war. „Es freut mich“, so schreibt
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governing the passage from abstract potential to concrete historical embodiment. Literature functions within this system in three interlocking ways: as a manifestation of the concrete behavior of its particular author, as itself the expression of the codes by which behavior is shaped, and as a reflection upon those codes.“ Die Möglichkeit der Anwendung der Kategorie des ‚self-fashioning‘ auf den römischen Kontext diskutiert Leach 1990, 15 f. Zur Verschiebung der Kommunikationsräume und Arenen, in denen die römische Elite unter den Bedingungen des Prinzipats noch weiterhin nach gloria strebte, s. die interessanten Beobachtungen von Mayer 2003, passim. Zu dieser Verschiebung der Arenen, in denen die Elite der Kaiserzeit um Erfolg und Prominenz als Redner wetteiferte, s. die überzeugenden Ausführungen von Roller 2011. Wie groß das öffentliche Interesse war, das die Prozesse vor diesem Gericht fanden, zeigen einige Briefe des jüngeren Plinius, in denen er von seinen Auftritten vor diesem Gremium berichtet und mit seinen dort errungenen Erfolgen prahlt. S. etwa Plin. ep. 1,18,3 f.; 2,14,1; 4,16,2. S. dazu Roller 2011, 208–211 mit weiteren Beispielen.
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er, „daß die Literatur angesehen ist, die Talente sich hervortun und sich öffentlich zeigen“.51 Diese Veranstaltungen fanden einerseits weiterhin im öffentlichen Raum statt, also vor Gericht oder auf dem Forum. Ein vielsagendes Beispiel dafür ist M. Servilius Nonianus. Nonianus amtierte im Jahre 35 als Suffectconsul und entschied sich dann, keine weiteren Ämter mehr zu bekleiden. Seine ungeschmälerte Prominenz nach seinem freiwilligen Ausstieg aus der senatorischen Karriere beruhte vor allem auf seiner „großen Beredsamkeit“. Neben seiner Tätigkeit als Redner zeichnete sich Servilius auch – so Tacitus – als Verfasser einer Römischen Geschichte und durch seine elegante und kultivierte Lebensführung aus.52 In seinem Haus verkehrten Dichter wie Persius und Gelehrte wie Plotius Macrinus, die seine Patronage genossen. Seine rhetorischen Fähigkeiten stellte Nonianus regelmäßig vor Gericht, auf dem Forum und bei Deklamationen seiner Werke unter Beweis. Er zeigte sich dabei als „ein Redner von hellem Geist und sprühend von Sentenzen“, wie Quintilian es formuliert, und war dementsprechend bekannt und populär. Zu öffentlichen Lesungen aus seinem Werk versammelten sich große Menschenmengen auf dem Forum, und gelegentlich soll sogar der Kaiser Claudius vorbeigeschaut haben. Die lautstarken Beifallsbekundungen der Zuhörer des Nonianus, so heißt es bei Plinius, sollen den Herrscher dazu veranlaßt haben, spontan einen Spaziergang zu unterbrechen und sich dem Publikum anzuschließen.53 Den Titinius Capito, einen prominenten Ritter, der unter Nerva und Traian das Amt des ab epistulis innehatte, lobt Plinius wegen seines großzügigen Mäzenatentums, das sich darin äußerte, daß er jungen Dichtern sein Privathaus für Vorträge zur Verfügung stellte. Der vermögende Ritter, der „Zuflucht, Schutz und Sicherheit für viele Literaten“ biete, so Plinius, verhalte sich vorbildlich als „Wiederhersteller und Erneuerer“ der Literatur. Darüber hinaus sei auch sein eigenes schriftstellerisches Talent höchst bedeutend, wie sich bei seinen Lesungen aus seinen biographischen Schriften über „das Lebensende berühmter Männer“ zeige.54 Ob Plinius in vergleichbarer Weise als Mäzen für junge Talente tätig war, muß offenbleiben. Jedenfalls organisierte auch er in seiner domus und seinen Villen immer wieder Rezitationen, bei denen er seine eigenen Texte vortrug und Anerkennung und Ruhm suchte. Dabei müssen wir wohl mit durchaus unterschiedlichen Formaten rechnen. Für die Lesung der Buchversion seines Panegyricus auf den Kaiser Traian hatte Plinius eine Reihe von Freunden eher informell zur Teilnahme eingeladen. Dementsprechend zeigt er sich sehr erfreut darüber, daß sich viele die Zeit genommen hätten, ihm zuzuhören – und das in Rom, einem Ort, an dem eigentlich niemand „viel Zeit“ habe. Darüber hinaus sollen die Zuhörer auch noch gefordert haben, den Vortrag, für den zunächst zwei Tage angesetzt waren, um einen weiteren zu verlängern – ein untrügliches Zeichen für ihre Wertschätzung des Autors und seines 51 52 53 54
Plin. ep. 1,13,1. Tac. ann. 14,19. Quint. inst. 10,1,102; Plin. ep. 1,13,3. Plin. ep. 8,12. Titinius Capito wird von Syme 1958, 92–93, als der „Maecenas“ des traianischen Rom bezeichnet. S. dazu Johnson 2010, 47.
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Werkes, wie Plinius mit Stolz betont.55 Weitaus intimer erscheint der Kreis, vor dem er im Monat Juli während der Gerichtsferien jene „Spielereien und Scherze vortrug“, die er verfaßte, um von „seinen wichtigeren Arbeiten“ zu entspannen. Er ließ bei dieser Gelegenheit im Triclinium einer seiner Villen Sessel vor die Speisesofas stellen, um seine Freunde in der Zeit des otium mit diesen heiteren Texten zu unterhalten. Zwei Tage, so Plinius, trug er wenigen Zuhörern aus seinem Buch vor, das „durch Inhalt und Versmaß“ zwar schon „abwechslungsreich“ war, aber dennoch von den Verbesserungsvorschlägen der Anwesenden profitieren sollte, die schließlich keineswegs nur zu ihrem Vergnügen teilnahmen, sondern auch um ihrem gelehrten Freund etwas zurückzugeben.56 Daß Plinius diesen Aspekt der Reziprozität durchaus ernstnahm und seinerseits auch ausgedehnte Lesungen anderer Autoren besuchte, zeigt ein Brief an Pompeius Falco. Er berichtet dort nämlich, daß er sich immerhin drei Tage Zeit genommen habe, um „mit größtem Vergnügen“ dem Sentius Augurinus zuzuhören, der seine „Gedichtchen“ vortrug. Die Texte des jungen Mannes, der unter Hadrian als Proconsul von Macedonia amtieren sollte, erschienen dem Plinius jedoch als so „vollkommen“, daß sie kaum der Verbesserung durch den Älteren und Arrivierteren bedurften – ein hohes Lob durch einen der Meinungsführer der literarischen Szene, das dem Verfasser durchaus Prominenz und Prestige verschafft haben dürfte.57 Wie die Vorlesungen in den Rhetorenschulen konkret abliefen und welche Eigenschaften und Fähigkeiten dabei besonders prämiert wurden, zeigt etwa der Bericht des Plinius über einen Redewettstreit zwischen Fuscus Salinator und Ummidius Quadratus, zwei hoffnungsvolle junge Männer aus guter Familie. Sie seien „ein glänzendes Paar“, so schreibt Plinius, „das nicht nur unserer Zeit, sondern auch den Wissenschaften selbst Ehre machen wird“. „Beide besitzen seltene Rechtschaffenheit, gesunde Standhaftigkeit, anständige Haltung, reines Latein, männliche Stimme, gutes Gedächtnis, großes Talent und Urteilsvermögen.“ Er will sich denn auch den Tag ihres Vortrags im Kalender rot anstreichen, „denn was ist im öffentlichen Leben erfreulicher, als daß die angesehensten jungen Männer Namen und Ruhm in den Studien zu erreichen suchen“.58 Und ebendiesen Weg zu Prestige und Prominenz hat dann auch C. Calpurnius Piso gewählt – ein junger Mann, dessen Vorfahren seit dem Ende des 3. vorchristlichen Jahrhunderts regelmäßig die höchsten Staatsämter bekleidet hatten. Piso, so Plinius, trug vor einem Publikum, dem neben ausgewählten Gästen auch seine Mutter und sein Bruder angehörten, eine „glänzende Abhandlung“ mit dem Titel Versetzung unter die Sterne vor. Sie sei in „flüssigen, zarten, glatten und auch erhabenen Distichen“ verfaßt gewesen. Vortragsstil und Auftreten Pisos hätten dabei ebenso 55 56 57 58
Plin. ep. 3,18,4–7. Der Panegyricus umfaßt etwa 20000 Wörter. Der Vortrag des gesamten Textes dürfte also etwa drei Stunden in Anspruch genommen haben. S. dazu und zum folgenden Johnson 2010, 42–56. Plin. ep. 8,21. S. dazu Johnson 2010, 43–45. Plin. ep. 4,27. Plin. ep. 6,11,1–3. Fuscus Salinator war Patrizier, Sohn eines Consuls und sollte 118 – im gleichen Jahr wie sein Gegenredner Ummidius Quadratus – das Consulat bekleiden. S. dazu Johnson 2010, 33 f.
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hohes Lob verdient wie der Text selbst. Er habe über eine angenehme Stimme verfügt und sich zurückhaltend gegeben. Sein tiefes Erröten habe seine Aufregung und seine Schüchternheit gezeigt – keine geringen Vorzüge für einen Vortragenden, wie Plinius beifällig kommentiert. Und er schließt den Brief mit einem Verweis auf die imagines, jene Ahnenmasken mit ihren Inschriften, die seit jeher in den Atrien der Häuser der nobiles an die Leistungen und honores der Vorfahren erinnerten. Diese Ahnenbilder, so Plinius, schienen ihm schweigend die jungen Leute seiner Zeit zu loben und sie nun endlich als „echte Nachkommen“ anzuerkennen – eine vielsagende Äußerung, die indirekt, aber eindeutig den Wandel der Kriterien für die Erlangung von Prestige, Prominenz und ewigen Ruhm belegt. Denn schließlich wurden mit den imagines der Tradition gemäß bisher nur jene Verstorbenen geehrt, die den cursus honorum durchlaufen und mindestens die Aedilität erreicht hatten.59 Ein Schlußfazit könnte folgendermaßen lauten: Plinius’ Äußerung zu den imagines läßt einen Wandel in Verhaltenskodex und Wertesystem der Elite erkennen. Zuvor – in Zeiten der Republik – hatte es ja dem Selbstverständnis der Mitglieder dieser Klasse entsprochen, sich konsequent und ausschließlich auf eine Karriere in Politik und Krieg zu konzentrieren. In dieser ‚Meritokratie‘ zählten zunächst einmal nur Leistungen für die res publica, und deshalb gab es für den Einzelnen keine Möglichkeit, sich in alternativen Handlungsfeldern zu profilieren, um gesellschaftliche Anerkennung und darauf beruhenden Rang zu erlangen.60 Athletische und musische Agone etwa, die den griechischen Aristokraten als Felder der Konkurrenz dienten, die dem Sieger Ehre und ewigen Ruhm versprachen, schieden für die römischen nobiles aus.61 Wer Kraft und Energie in diese Lebensbereiche investierte, galt als Außenseiter, ja als Versager im Sinne eines tief eingerasteten kollektiven Ethos, das auf einem weitgehenden gesellschaftlichen Konsens beruhte. Dabei ließen sich die Erfolge, die der Einzelne in Politik und Krieg errang, die Siege in der Konkurrenz um Ämter und Ehren, unmittelbar an seiner Laufbahn und seinem Rang innerhalb der klar hierarchisierten Senatsaristokratie ablesen. Die Beschränkung der Konkurrenz auf einige wenige Handlungsfelder führte nämlich zu einer weitgehenden Vergleichbarkeit der Leistungen und zu einer hohen Transparenz der geltenden Hierarchien.62 Die in den literarischen Texten reflektierte und dokumentierte allmähliche Auflösung der exklusiven Bindung der aristokratischen Konkurrenz an einige wenige Handlungsfelder und die daraus resultierende Heterogenisierung und Pluralisierung jener Aktivitäten, mit denen der Einzelne sich auszeichnen und Ruhm erlangen konnte, führten nun dazu, daß individuelle Leistungen nicht mehr so ohne weiteres meßbar und vergleichbar waren, wie es in der Republik der Fall gewesen war. Erfolge in der Konkurrenz um die kostspieligsten und exklusivsten Luxusgüter, Triumphe in den Zirkeln der Literaten, Rezitationen und Deklamationen, die einem immer exklu59 60 61 62
Plin. ep. 5,17,2–6. Zur Plinius-Stelle s. Fantham 1998, 205. Zum Wandel der Bedeutung der imagines in der Kaiserzeit s. Badel 2005, 109 ff. Hölkeskamp 1993/2004 und ders. 1987/2011 mit weiteren Nachweisen. S. außerdem Flower 1996. Zum griechischen Adel s. Stein-Hölkeskamp 1989, passim; Schmitz 2008, 35–70. S. dazu grundlegend Hölkeskamp 2004/2011, Kap. 7 und 8; ders. 2006/2017.
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siver werdenden Publikum präsentiert wurden, dessen Zusammensetzung hochgradig kontingent und auf keinen Fall repräsentativ war, sicherten dem Einzelnen nun zwar Prestige und Prominenz jenseits von cursus und Karriere. Doch die Leistungen schlugen sich weder in den tituli der imagines in den Atrien der adligen Häuser noch in Inschriften auf den Grabmälern und Ehrendokumenten nieder. Sie waren weder zählbar noch hierarchisierbar und schufen damit eigene stets volatile Rangordnungen. Sieger und Verlierer in dieser Art von Wettbewerben konnten sich jederzeit in anderen Feldern der multiplen Geltungskonkurrenz wieder miteinander messen und dabei die stets prekäre Rangordnung revidieren. Dabei gab es in der Konkurrenz der Konsumenten, Redner und Literaten eigentlich nur Gewinner. Denn nur die Erfolgreichen waren im Moment ihres Sieges öffentlich sichtbar. Sie hatten ihre Siege in Wettbewerben errungen, bei denen die Regeln des Austrags nicht formalisiert, die Gruppe der Mitbewerber stets offen und die Zusammensetzung jener dritten Instanz, die die Siegesprämien vergab, stets hochgradig kontingent und letztlich diffus war. Den Verlierern blieb damit das Stigma der sichtbaren Niederlage erspart, das sich bei der Konkurrenz um die honores auf Dauer mit ihren Namen verbunden hätte – ein Vorteil, den zumindest Einzelne offensichtlich zu schätzen gewußt haben.
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Losing to Cicero Asinius Pollio and the Emergence of New Arenas of Competitive Eloquence under Augustus
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It may seem perverse to label Asinius Pollio a ‘loser’ in any way. Born in 76 BCE, he was a Caesarian commander in the early 40s, partisan of Antony and Octavian after 44, and consul in 40. As proconsul of Macedonia in 39 he subdued a revolt among the Parthini in Illyricum and celebrated a triumph over them. He then ‘retired’ from public life, famously sitting out the Actian war between Octavian and Antony. Though his public career fell well short of Pompey’s, Caesar’s, Octavian’s, or Antony’s in terms of the prestige of the offices he held and his achievements as a military commander, it was nevertheless a highly distinguished career by the standards of the late republic: should one compare him to Cicero, for example, Pollio was consul younger (age 36, against Cicero’s 43), held a far more important proconsulship (Macedonia rather than Cilicia), and could point to concrete evidence for his virtuosity as a military commander, having been granted a triumph such as Cicero desperately craved (and did not attain). Pollio then lived long as a grandee under Augustus, gaining prominence for his history writing, his connection to and patronage of Horace and Vergil, and – most importantly for my purposes – for his achievements in various arenas of eloquence. He died in 4 CE. His son Asinius Gallus, on whom we will also touch, was a leading senator in the reign of Tiberius. Gallus married Vipsania Agrippina in 12 BCE, after Tiberius was compelled to divorce her. The couple produced several sons who, besides being half-brothers to Tiberius’ own son and designated successor Drusus, became leading senators of the next generation. From Pollio’s daughter, who married a Claudius Marcellus, emerged a line of Asinii Marcelli who were prominent into the Antonine age.1 This is the ‘loser’ under discussion in this chapter. Here is the respect in which deeming Asinius Pollio a ‘loser’ may be helpful, if provocative. Cicero, within just a few years of his death in 43 BCE, came to be widely accepted as representing the supreme exemplar of oratorical virtuosity: the standard of success against which all other orators were to be measured, and more 1
For the family see Oliver 1947.
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importantly still, the chief stylistic model for aspiring orators to emulate. The reasons for this development are complex, but one key cause is the institutionalization of Cicero’s speeches at the heart of the rhetorical curriculum that was taught to all adolescent aristocrats, during their teenage years, in the schools of the grammaticus and the rhetor. Students were likely studying and emulating Cicero’s speeches even in his own lifetime, so their establishment at the core of the rhetorical curriculum in the decades following his death is but the continuation of this development.2 By the Augustan era, which encompassed the entire second half of Pollio’s long life, Cicero was routinely said to be preeminent among or superior to other orators of his own and the subsequent generation. Similar affirmations can be found in authors of the first century CE and into the second, as we will see in passages from Pliny, Tacitus, Suetonius, and Gellius. Pollio is commonly named as being among the orators of Cicero’s own or the subsequent generation whom Cicero supposedly outshone, and he is generally said or implied to stand just behind Cicero. And this is precisely where Pollio ‘loses:’ not by being out-competed by Cicero in live, head-to-head oratorical clashes while both lived – indeed, there is no evidence that the two ever advocated opposing sides in a court case, or sparred in the senate3 – but in the hardening of the conventional ranking of orators with Cicero as the acme, a ranking both verbally asserted in the express judgments of subsequent generations of orators and teachers, and institutionalized in rhetorical curricula. And this conventional ranking, again, consolidated and became entrenched during Pollio’s lifetime, as he watched. That Pollio manifestly outcompeted and surpassed Cicero in his public career, at least by ‘normal’ late Republican measures, seems (interestingly enough) to be entirely beside the point: it is Cicero the orator and author about whom subsequent generations cared, and it is in eloquence that Pollio himself either was forced or chose to compete. He competed largely unsuccessfully, as we shall see, in regard to forensic and deliberative oratory, but considerably more successfully in alternative arenas of eloquence, all but unknown to Cicero, which emerged prominently after Cicero’s death, thanks in part to Pollio’s own activities. There is abundant evidence that Pollio resisted his relegation to second-tier status behind Cicero, and I will argue that he sought to contest this relegation in two distinct ways. First, he directly attacked Cicero and his reputation, in an apparent attempt to undermine the conventional view of Cicero’s superiority and to shift opinion to his own advantage. He summoned a variety of judges, implicitly or explicitly, to 2 3
On the process and mechanics of the heroization of Cicero by the declaimers, see Kaster 1998. Cicero encourages his son Marcus to read his speeches in off. 1,3. Born 30 years after Cicero, Pollio’s rank in the senate even in the mid-40s BCE (tribunician rank from 47, praetorian rank from 45), combined with his general absence from Rome in 45–43, would not have allowed him to speak very influentially (if at all) in comparison to Cicero, who had been a consular for nearly two decades and was present in Rome during these years. We know nothing of court cases in which they both might have appeared. They did, however, exchange letters: Cic. fam. 10,31–33 are three letters of Pollio (in Spain) to Cicero, dating to April and June 43, which presumably responded to and/or elicited letters from Cicero to Pollio.
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evaluate this competition, and generally failed to convince them of his greater merits. Second, and more interestingly, Pollio played a key role in pioneering or bringing to prominence new arenas of competitive eloquence to supplement and in part supplant the arenas in which Cicero himself had so excelled, but whose prestige and visibility were reduced under the Augustan dispensation. In these arenas Pollio fares better with the evaluators who judge the competitions in which he participates. Pollio’s strategies here, if I am right, are not atypical of competitive situations. One may engage one’s rival directly in the arenas of competition that are currently established, and attempt to win, in head-to-head competition, in the eyes of currently constituted judges and according to current rules of engagement. Alternatively, one may challenge the rules of engagement, or seek to shift the arenas of competition in directions that play to one’s own strengths and enable one to appear in a better light to those who judge. This latter approach, I contend, is the one that brought Pollio more success.4 Let us begin by examining the conventional ranking of orators as it emerged and hardened from the Augustan age onward. As early as the 30s BCE, within a decade or less of Cicero’s death, his oratory was being presented in some quarters as offering a uniquely superior standard which adolescent students, their teachers the rhetores, and other aspirants to eloquence should seek to rival. Seneca the Elder reports that the prominent rhetor and declaimer Cestius Pius, who was active in the 20s BCE and for a decade or two thereafter, wrote speeches against or countering certain famous speeches of Cicero. In particular he wrote an in Milonem, and required his students to study these replies he created in addition to the Ciceronian ‘original.’5 Indeed, the elder Seneca’s collection pervasively demonstrates that Augustan and Tiberian declaimers were wont to quote, praise, parody, sometimes criticize, and generally operate with reference to Cicero as the polestar of Latin eloquence.6 Authors of the next three generations seem to concur with this view, even as ever more orators come into consideration as potential rivals to Cicero’s supremacy; a number of passages name a variety of orators in Cicero’s or the next generation, including Pollio, but always in a way that explicitly or implicitly privileges the Ciceronian model.7 4
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Hölkeskamp 2014, 43–44 (and passim, with further bibliography) discusses in brief the character of third-party judges and their ‘rules’ or criteria for ranking competitors; also the loser’s strategy of challenging the fairness or legitimacy of the judges or rules, or to test (or transgress) the established boundaries of the competition in search of advantage. Sen. cont. 3 pr. 14–17 (a story Seneca alleges to retail from Cassius Severus); also Quint. inst. 10,5,20. Sen. suas. 7,13 shows that Cestius was seeking to promote himself at Cicero’s expense in the (probably) mid-20 BCE when M. Tullius Cicero fils was proconsul of Asia. E. g., Kaster 1998, 252–54, though showing that the demonstrable reading of Cicero by the schoolmen and their students is rather small. Vell. 2,36,2 makes Cicero the reference point for discussions about near-contemporary orators: quis enim ignorat diremptos gradibus aetatis floruisse hoc tempore Ciceronem, Hortensium, anteque Crassum, Cottam, Sulpicium, moxque Brutum, Calidium, Caelium, Calvum et proximum Ciceroni Caesarem, eorumque velut alumnos, Corvinum ac Pollionem Asinum…? Also Plin. ep. 1,5,12–13 asserts simply that Cicero is his guiding light. Col. 1 pr. 30 credits others for attempting to match Cicero: an Latiae musae non solos adytis suis Accium et Vergilium recepere, sed eorum et proximis et procul a secundis sacras concessere sedes? nec Brutum aut Caelium Pollionemve cum Messala et Calvo deterruere ab eloquentiae studio fulmina
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I am aware of two texts that directly and overtly compare Cicero to Pollio, both to the latter’s disadvantage. One of these texts, from Quintilian, includes a well-known and oft-quoted passage: “Not undeservedly was Cicero said by his own contemporaries to ‘reign’ in the lawcourts, while among posterity he attained the result that ‘Cicero’ came to be held not as the name of a person but of eloquence. Therefore let us look to him; let this be the example set before us; and let a man know he has made progress when Cicero very much pleases him.” Less well known, and not often quoted, is the sentence immediately following: “In Asinius Pollio there is much invention and the greatest care, to the point that it seems too much to some people; and plenty of planning and feeling: but he is so far from the sheen and agreeableness of Cicero that he could seem a century earlier.”8 Quintilian seems to be pointing specifically to a difference in style between Cicero and Pollio that, in his view, favors Cicero. In a second passage that directly compares these two orators, Seneca the younger asserts in general that oratorical composition may intentionally be made smoother or rougher (ep. 100,6). He then illustrates the contrast he means as follows (§ 7): “Read Cicero: his composition is unitary; he inflects his pace pliantly, and is supple without disgrace. In contrast, the composition of Asinius Pollio is uneven, jumpy, and prone to leave off where you least expect it. Consequently everything in Cicero comes to a close, but in Pollio breaks off, apart from a very few passages that are closely bound to a fixed meter or particular model.”9 The stylistic difference according to which Cicero and Pollio are contrasted seems to be ‘Asian’ vs. ‘Attic,’ terms that designate packages of contrasting qualities and values and around which a considerable amount of oratorical criticism in Roman antiquity is organized. Orators labeled ‘Asian’ supposedly display a style that is fuller, smoother, employing more varied, inventive, even florid vocabulary, attending closely to rhythmical features, and admitting of being judged approbatively as elegant, agreeable, and pleasing, and/or pejoratively as limp, lacking
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illa Ciceronis. Quint. inst. 10,2,25 declares that one’s chief model should not be one’s only model: even while primarily following Cicero, one can also employ certain features of Caesar, Caelius, Pollio, and Calvus. Quint. inst. 12,11,28 asserts that everyone should aim to surpass the best that exists in one’s own day, though falling a little short is no disgrace: verum ut transeundi spes non sit, magna tamen est dignitas subsequendi. an Pollio et Messala, qui iam Cicerone arcem tenente eloquentiae agere coeperunt, parum in vita dignitatis habuerunt, parum ad posteros gloriae tradiderunt? Similarly Tac. dial. 25,3–4: among the Greeks there was a leading orator (Demosthenes) in an age that, collectively, outshone the rest; so also among the Romans Cicero outshone Calvus, Asinius, Caesar, Caelius, and Brutus, even as this group as a whole defined a preeminent era. Quint. inst. 10,1,112–13: quare non immerito ab hominibus aetatis suae regnare in iudiciis dictus est [sc. Cicero], apud posteros vero id consecutus ut Cicero iam non hominis nomen sed eloquentiae habeatur. hunc igitur spectemus, hoc propositum nobis sit exemplum, ille se profecisse sciat cui Cicero valde placebit. multa in Asinio Pollione inventio, summa diligentia, adeo ut quibusdam etiam nimia videatur, et consilii et animi satis: a nitore et iucunditate Ciceronis ita longe abest ut videri possit saeculo prior. Similar judgments on Pollio’s style at Tac. dial. 21,7, with discussion by André 1949, 106–110. Sen. ep. 100,7: lege Ciceronem: compositio eius una est, pedem curvat lenta et sine infamia mollis. at contra Pollionis Asinii salebrosa et exiliens et ubi minime expectes relictura. denique omnia apud Ciceronem desinunt, apud Pollionem cadunt, exceptis paucissimis quae ad certum modum et ad unum exemplar adstricta sunt.
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in structure, and effeminate (hence Seneca’s defensive statement “supple without disgrace”). Orators labeled ‘Attic,’ by contrast, display a style that is more compact and direct, simpler, employing more everyday language, eschewing ornament and elevated diction and rhythmical refinement, and admitting of being judged approbatively as ‘manly’ or pejoratively as harsh, even uncouth. I cannot discuss here all the stylistic and moral implications associated with this contrast, let alone summarize the ancient and modern debates focused on this terminological distinction. For current purposes it suffices to observe that Quintilian and Seneca, in the passages discussed above, align Cicero with the fuller style sometimes called ‘Asian’ and Pollio with the terser style sometimes called ‘Attic,’ and (in this case) evidently deem the former superior.10 Pollio vigorously contested this emerging hierarchy, seeking to derail the consolidation of Cicero’s position as “the name of eloquence itself ” (as Quintilian describes it). The elder Seneca is most explicit about Pollio’s efforts. In the sixth Suasoria, whose theme is “Cicero deliberates whether to beg Antony’s pardon”, Seneca describes how various declaimers, orators, historiographers, and poets treated the topic of Cicero’s death. Pollio in particular, Seneca says, “remained extremely hostile to the reputation of Cicero.” He went so far as to allege in the published version of his speech pro Lamia that Cicero offered to burn his Philippics, or to abjure them and write and deliver speeches in the opposite vein, in order to save his own life. Of this and similar claims, Seneca remarks that no other declaimer said such things, and editorializes that “it was readily apparent that the whole thing was false” –indicating, incidentally, that Pollio’s efforts did not persuade Seneca, at least, and likely few other readers.11 Later 10
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For the contrast, Quint. inst. 12,10,12–19; esp. § 16: et antiqua quidem illa divisio inter Atticos atque Asianos fuit, cum hi pressi et integri, contra inflati illi et inanes haberentur, in his nihil superflueret, illis iudicium maxime ac modus deesset. At § 12 Cicero is characterized (by detractors) as ‘Asian.’ At 10,2,17 Quintilian categorizes as ‘Attic’ those who imitate Thucydides and Sallust, as well as the tristes ac ieiuni who emulate Pollio; while the otiosi ac supini, who are more fulsome, deem themselves Ciceronian. In contrast, though without making this distinction explicitly, Plin. ep. 1,20,4 groups Cicero together with Caesar, Caelius, and Pollio as orators whose style is relatively fulsome, in contrast to the extreme brevity of the Gracchi and Cato. Earlier articulation of this distinction at Cic. Brut. 51; also Aug. apud Suet. Aug. 86,3. On these passages see Delarue 1982, 173–78 (and passim for an overview of the larger scholarly discussion). Gelzer 1979, 29–37 (and others) point out the typically pejorative implications of the words ‘Asian’ and ‘Asianist’ (in contrast to the approbative ‘Attic’ and ‘Atticist’), but in the contrast of the fuller Cicero with the sparser Pollio the former is generally deemed to come off better. Other direct comparisons: Quint. inst. 1,8,11 ranks Cicero slightly above Pollio in the ornamental use of poetic quotations; conversely, at 6,1,21 he judges them equally effective users of certain themes. Similarly, Seneca the Younger (ep. 100,9) seems to place Cicero and Pollio together with Livy at the apex of one particular form of eloquence, the philosophical dialogue: for he concedes that Papirius Fabianus, a philosopher whose dialogues he admires, may stand as low as fourth in this genre behind these tres eloquentissimi. Sen. suas. 6,14–15: nam quin Cicero nec tam timidus fuerit ut rogaret Antonium nec tam stultus ut exorari posse eum speraret nemo dubitat, excepto Asinio Pollione, qui infestissimus famae Ciceronis permansit. et is etiam occasionem scholasticis alterius suasoriae dedit; solent enim scholastici declamitare: deliberat Cicero an salutem promittente Antonio orationes suas comburat. haec inepte ficta cuilibet videri potest. Pollio vult illam veram videri; ita enim dixit in ea oratione quam pro Lamia edidit. {ASINI POLLIONIS} ‘itaque numquam per Ciceronem mora fuit quin eiuraret suas quas cupidissime effuderat orationes in Antonium; multi-
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in the same Suasoria Seneca says that Pollio “alone among all the historians” gave a pejorative account of Cicero’s death in his history of the civil wars. Seneca does not quote any hostile narrative of Cicero’s death as found in Pollio’s history. He quotes at length, however, the post-mortem judgment that Pollio offers of Cicero’s overall achievement. In this post-mortem, Seneca declares, Pollio “praised Cicero in full, however unwillingly” – as if Pollio himself struggled to maintain his antagonistic stance toward Cicero. Seneca’s account here leaves the impression that no judge of this competition was persuaded to award the crown of eloquence to Pollio – indeed, even Pollio himself struggled to maintain his own case.12 Nor was it Pollio alone who resisted the canonization of Cicero as the acme of eloquence: his son, Asinius Gallus, seems to have inherited this campaign from his father. Suetonius reports that the future emperor Claudius wrote a youthful work entitled “defense of Cicero against the books of Asinius Gallus” – a work Suetonius calls “plenty learned” (satis eruditam).13 Meanwhile, Quintilian reports that “both Asinii,” evidently meaning Pollio and Gallus, found fault with Cicero’s language “in a hostile manner, and in many places.”14 Other texts flesh out Quintilian’s assertion. The younger Pliny tells of having encountered a work of Gallus comparing his father with Cicero, to the former’s advantage, and in which (says Pliny) Gallus described an erotic epigram that Cicero addressed to Tiro. Yet far from accepting Gallus’ assertion of Pollio’s superiority, or having his own estimation of Cicero negatively impacted by the alleged erotic epigram, Pliny takes the epigram as a model by which he authorizes himself (‘because Cicero did it’) to write erotic epigrams of his own.15 Aulus Gellius may preserve a sample of Gallus’ criticism addressing a point of style and usage. Gellius describes (17.1 passim) how Gallus and Larcius Licinus – himself, Gellius reports, the author of a work called Ciceromastix, “Cicero-whipper” – reproved Cicero’s use of the verb paenitet in a particular passage of the Pro Caelio (17,1,4–8) But criticizing Cicero, Gellius suggests, is like warring with the gods, and such people can only be deemed prodigiosi and vecordes, “monstrous and mad.”16 Indeed, in the sequel (17,1,9–
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plicesque numero et accuratius scriptas illis contrarias edere ac vel ipse palam pro contione recitare pollicebatur.’ adieceratque his alia sordidiora multo, ut ibi facile liqueret hoc totum … falsum esse. Sen. suas. 6,24: Pollio quoque Asinius, qui Verrem, Ciceronis reum, fortissime morientem tradidit, Ciceronis mortem solus ex omnibus maligne narrat, testimonium tamen quamvis invitus plenum ei reddidit. He then quotes the post-mortem evaluation containing this “unwilling praise.” Scholars have long suspected that Pollio’s criticisms of Cicero in his history or his speech pro Lamia form the basis of those found in the Pseudo-Sallustian invective against Cicero, in the speech against Cicero that Fufius Calenus delivers in Cassius Dio (46,1–28), and in Appian’s assessment of Cicero (BCiv. 2,15–16): see, e. g., André 1949, 95–97, Gabba 1957, 323–27, Haller 1967, 118–20. Suet. Claud. 41,3: composuit …‘Ciceronis defensionem adversus Asini Galli libros’ satis eruditam. Quintilian also notes here that Brutus and Calvus criticized Cicero’s compositio: nec Cicero Bruto Calvoque [sc. videatur satis esse perfectus], qui certe compositionem illius etiam apud ipsum reprendunt, nec Asinio utrique, qui vitia orationis eius etiam inimice pluribus locis insecuntur (inst. 12,1,22). Plin. ep. 7,4,3; 6: legebantur in Laurentino mihi libri Asini Galli de comparatione patris et Ciceronis. incidit epigramma Ciceronis in Tironem suum… cum libros Galli legerem, quibus ille parenti / ausus de Cicerone dare est palmamque decusque, / lascivum inveni lusum Ciceronis… Gell. 17.1: ut quidam fuerunt monstra hominum, quod de dis inmortalibus impias falsasque opiniones pro-
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11) he himself refutes the particular objection that Gallus and Larcius raised. In the eyes of three judges of later eras, then –Claudius, Pliny, and Gellius – Cicero retains the crown for exemplary eloquence and linguistic mastery over Pollio, notwithstanding Gallus’ efforts to argue the reverse. The most striking example of Pollio battling the ghost of Cicero, and seeking to make room for himself to claim or to share the crown for Latin eloquence, appears once again in the elder Seneca. In the sixth Suasoria, continuing his account of how historians, declaimers, and poets handled the theme of Cicero’s death, Seneca arrives at discussing the epic poet Sextilius Ena. He writes, “Ena was more clever than learned, an uneven poet… When he was going to recite this very proscription [that is, recite a poem on the death of Cicero] at the house of Messala Corvinus, he invited Asinius Pollio and began with a verse that gained some applause: ‘I must lament Cicero and the silence of the Latin tongue.’ Pollio did not take this well, but said, ‘Messala, you see to what is at your discretion in your own house. But I am not going to listen to a man who thinks I am mute,’ and with that he got up and left.”17 It is striking that this recitation, on this topic, is taking place before an audience that includes both Pollio and Messala, who in later times are sometimes paired as the leading lights of Latin eloquence in the generation after Cicero, albeit falling short of the Ciceronian standard.18 In the current passage, Pollio is offended not only for himself, but suggests that Messala should be equally annoyed – invoking him as one who should judge the same way Pollio himself does. But whatever the outcome in this case, Pollio’s objection surely did nothing to change the underlying dynamics (such as the curriculum in the rhetorical schools) that were, at this very time, inexorably entrenching Cicero as the acme of Roman eloquence. Seneca himself, in his description of the scene, noticeably fails to endorse Pollio’s position: for he relates this story to demonstrate how Ena had improved, in his view, upon a similar but inferior verse in another epic poet, Cornelius Severus. Cornelius himself had written a treatment of Cicero’s death in hexameters, and had previously recited this poem as work-inprogress, with Ena in the audience – hence he had heard and knew of the verse.19 It is patent that Ena’s verse, along (presumably) with the longer treatment of the theme that it itself introduced, participates in an already vibrant literary tradition including
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diderunt, ita nonnulli tam prodigiosi tamque vecordes exstiterunt, in quibus sunt Gallus Asinius et Larcius Licinus, cuius liber etiam fertur infando titulo Ciceromastix, ut scribere ausi sint M. Ciceronem parum integre atque inproprie atque inconsiderate locutum. Sen. suas. 6,27: Sextilius Ena fuit homo ingeniosus magis quam eruditus, inaequalis poeta. …is hanc ipsam proscriptionem recitaturus in domo Messalae Corvini Pollionem Asinium advocaverat et in principio hunc versum non sine assensu recitavit: ‘deflendus Cicero est Latiaeque silentia linguae.’ Pollio Asinius non aequo animo tulit et ait: ‘Messala, tu quid tibi liberum sit in domo tua videris; ego istum auditurus non sum, cui mutus videor,’ atque ita consurrexit. E. g., Col. rust. 1 pr. 30, Quint. inst. 12,11,28 (both quoted n. 7 above). Corn. Sev. apud Sen. suas. 6,26,12: conticuit Latiae tristis facundia linguae. 6,27: non fraudabo municipem nostrum [sc. Ena, from Corduba like the Annaei Senecae] bono versu, ex quo hic multo melior Severi Cornelii processit… Enae interfuisse recitationi Severum quoque Cornelium scio, cui non aeque displicuisse hunc versum quam Pollioni apparet, quod meliorem quidem sed non dissimilem illi et ipse conposuit.
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epic poetry and historiography (at least), and evidently developing in parallel with the generally laudatory ‘death of Cicero’ declamatory tradition that is elsewhere well-documented in the Elder Seneca’s collection.20 A further dimension of the story about Sextilius Ena, Cornelius Severus, and Asinius Pollio is the prominence of the institution of recitation: for a recitation is where Ena heard Cornelius’ poem, and where Pollio is hearing Ena’s. The topic of recitation provides a convenient transition to the second part of my argument. For we pass now from considering the unsuccessful attempts by Pollio and his son Gallus to resist the canonization of Cicero as the exemplar of Latin eloquence over Pollio, and begin instead to examine the more interesting question of how Pollio helped to create, and then vigorously exploited to his own advantage, several new arenas for displaying and competing in eloquence in the Augustan age. By ‘recitation’ I mean the social practice whereby an author reads out a prepared but provisional text of his own workin-progress to an audience – whether a small one consisting of invited friends and associates, or a larger, more ‘public’ one. From the audience the author seeks feedback and editing suggestions toward producing a polished, finished work for publication. This practice looms especially large in authors of the late first to early second century CE, particularly Martial, Pliny, Tacitus, Juvenal, Suetonius, and Plutarch. But as early as the 30s BCE we hear of poets reciting their work-in-progress either in ‘private,’ controlled spaces, or in public venues like auditoria, fora, and baths, where they could attract attention and, with luck, applause.21 The key passage elucidating Pollio’s role in the early development of recitation is once again in Seneca the Elder: he says, ‘Pollio declaimed only to small audiences, but he was not lacking in the desire to please / gain support (ambitio) in his literary activities: in fact he was the first of all Romans to recite his writings to an invited audience.’22 Leaving aside declamation for the moment, which Seneca resumes discussing immediately after this sentence, we focus on the claim about Pollio’s role in the development of declamation. Exactly what innovation Seneca is crediting to Pollio here is unclear. For certainly the reading-out of prepared texts before audiences is a practice much older than Pollio. To my eyes, however, the structure and rhetoric of this sentence as a whole implies the following: that Pollio’s practice of declaiming only before small audiences is surprising only because his practice as a reciter was to invite large, more public audiences. Thus, we imagine him reciting his great historical opus, as well as his poetry and oratory, as works in progress, before large audiences, thereby demonstrating and performing his literary eloquence.23 If this interpretation of Seneca is 20 21 22 23
The ‘death of Cicero’ declamations are cont. 7,2 and suas. 6 and 7. Discussion of the representation of Cicero in these exercises, the development of this declamatory tradition, and the students’ embodiment of the roles these exercises make available, in Kaster 1998 and Roller 1997. For these early recitations, see Hor. sat. 1,4,22–5; 73–8; epist. 2,1,219–23; ars 438–52; 470–6. Vergil reciting: Serv. in Aen. 4,323; 6,861; Gell. 6,20,1. Binder 1995, 269–75 discusses the origins of the practice. Sen. cont. 4 pr. 2: Pollio Asinius numquam admissa multitudine declamavit, nec illi ambitio in studiis defuit; primus enim omnium Romanorum advocatis hominibus scripta sua recitavit. So Dalzell 1955, 26–28, further suggesting that the atrium Libertatis, the library Pollio built from his
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correct, Pollio is being credited with elevating the stature of literary recitation and making it more clearly into a venue for the display of and competition in eloquence. The large audience, whose members serve as judges of each reciter’s performance, makes the difference; this is what changes the nature of the event. Seneca signals this shift by using the word ambitio, which frames Pollio’s recitation practice as a kind of canvass or campaign for public office – as if he were asking his audience to vote for him, and as if the outcome of that vote would have civic consequences. Thus, Pollio’s innovative arena of competition is reimagined by Seneca in the armature of one of the most significant traditional arenas of aristocratic competition – the competition for honores, elective office. When Sextilius Ena recited at Messala Corvinus’ house, the audience was probably not large, public, and indiscriminate, but was likely smaller and literarily distinguished (as the presence of Pollio, Messalla, and possibly Seneca himself as eyewitness, clearly suggests) – indeed, one wonders whether Ena was a lesser-known member, or perhaps a potential member, of the group of poets including Tibullus and others represented in the corpus Tibullianum whom Messalla promoted and supported. Yet even if Ena’s was no ‘public’ recitation, as a reciter in this era he was engaging in a socioliterary practice that as a whole had been, or was currently being, shaped by Pollio’s own innovations. Ena’s conventional praise of Cicero may have been all the more galling to Pollio in this context: his (obviously tendentious) claim that Ena was omitting him from the ranks of the eloquent perhaps takes on special point if we understand recitation as an arena for the performance of eloquence that Pollio himself had taken special steps to develop. And indeed, while recitation takes on a much higher profile decades later, we can perhaps infer from peripheral indications its vibrancy even in this early period. For example, various later authors preserve critical comments by Pollio on Sallust, Caesar, Vergil, and Livy. These comments must have been transmitted in letters or other works Pollio wrote, but their origins may lie, at least in some cases, in the oral evaluative culture of the recitation – as in the case of Sextilius Ena – rather than in the assessment of these authors’ published work.24 Declamation is another arena of eloquence in which Seneca represents Pollio as being deeply involved. Like recitation, declamation has roots reaching back at least to the early first century BCE. However, it acquired its distinctive form and terminology early in the Augustan age, and thereafter stood at the apex of Roman rhetorical education.25 All male aristocrats practiced the chief exercises in their mid to late teens under the tutelage of the rhetor, and some retained an interest in this activity even
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Illyrian booty, was inter alia an auditorium for recitations before large audiences. Pollio’s critical remarks on Sallust: Suet. gramm. 10,7; Gell. 10,26 (probably based on Sallust’s published work). On Livy: Quint. inst. 1,5,56; 8,1,3 (probably based on recitations and oral interactions, if we accept that the Patavinitas Pollio ascribes to Livy refers to his accent and vocabulary). On Vergil: Serv. in Aen. 2,7; 6,554; 11,183 (either from recitation or from the published work). On Caesar: Charis. 1,134,3 Keil; Suet. Jul. 56,4 (based on published work). Discussion and collection of sources in André 1949, 87–101. On declamation’s ‘prehistory’ in the early to mid-first century BCE, see Roller 1997: 110 f.
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into adulthood. It is this culture that Seneca the Elder’s work documents. Declamation came in two forms. There is the suasoria, in which a literary or historical figure is represented as deliberating among two or more courses of action; the declaimer’s task is to urge this figure to pursue one or another of these courses. Then there is the controversia, a fictive legal case that provides training in forensic oratory. A law is cited (often fictional), and a situation is posited in which the application of the law is problematic. The declaimer then argues one side, or both sides, of the case. The popularity of declamation among high-ranking senators in the Augustan age and after is often interpreted, I think correctly, as a response to changed stakes and opportunities in the traditional venues of oratorical display. However, I disagree with the rhetoric of ‘decline’ that usually accompanies this interpretation: the view that the great talented orators of the early Principate were reduced to pursuing schoolboy exercises because the opportunities for ‘serious’ oratory had disappeared. In fact the landscape of oratorical opportunities – from deliberative speeches delivered in the senate or before contiones, to forensic speeches before criminal and civil tribunals – did change substantially between the age of Cicero and the age of Augustus, but in ways that are very complex and not neatly systematizable. This is a long discussion which I cannot pursue here. Nevertheless, Pollio’s practice as a declaimer, as Seneca presents it, offers an enlightening case study of the social stakes of this type of eloquence in this period. Above we examined Seneca’s assertion that Pollio declaimed only before small audiences, though he apparently invited larger, public audiences to his recitations.26 In the sequel to this passage, Seneca relates a needling comment of Titus Labienus, an orator and declaimer contemporary with Pollio, implying that Pollio was simply afraid to submit his declamations to the judgment of a large public audience. Seneca then offers his own speculation on the reasons for Pollio’s practice: he suggests Pollio may have lacked confidence in his abilities as a declaimer (a theory that supports Labienus’ jibe), or that he deemed it beneath the dignity of one reputed as a great orator to appear to be pursuing glory through such an insignificant activity.27 Now regarding declamation, as also for recitation, Romans made a distinction between audiences of high-ranking peers, on the one hand – that is, people who might themselves competitively pursue a reputation for eloquence, a group that is small but expert; and large public audiences on the other hand – auditors who (ideally) cheer, applaud, and provide a vehicle for gaining a broader positive reputation, and who judge the competition in eloquence without being competitors or experts themselves. Seneca’s remarks suggest that Pollio the declaimer sought out the smaller, elite audiences, but shrank from larger, public audiences. The very fact of ascribing fear or diffidence to Pollio, as both Labienus and Seenca do, implies that declaiming before large public audiences was indeed an arena of competitive display where reputations for eloquence could be 26 27
Sen. cont. 4 pr. 2, quoted n. 22 above. Sen. cont. 4 pr. 2, continuing the passage quoted in n. 22 above: et inde est quod Labienus, homo mentis quam linguae amarioris, dixit: ‘ille triumphalis senex ἀκροάσεις suas [i. e., his declamations] numquam populo commisit’: sive quia parum in illis habuit fiduciam, sive – quod magis crediderim – tantus orator inferius id opus ingenio suo duxit, et exerceri quidem illo volebat, gloriari fastidiebat.
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made and lost, and that Pollio could feel his prestige and standing to be at stake in such a venue, should he be judged negatively or received more poorly than a rival. In short, declamation in the Augustan age was patently an arena in which Roman elites competed in eloquence, with the audience as external judge, and whose social stakes came to resemble those associated with the traditional venues for elite oratory – the senate, the courts, and the contiones. Seneca provides considerable detail about Pollio’s declamatory practice. He relates numerous critical comments that Pollio offered on the rhetorical strategies, the sententiae, and the colores deployed by other declaimers, on a very wide range of themes. It is clear from these critical interventions that Pollio regularly attended declamations delivered by others, engaged closely with them, and did not hesitate to serve as an ‘expert judge’ himself.28 Seneca also says that he twice heard Pollio actually declaim (rather than merely judge other declaimers): once when he was “vigorous,” and then again as an old man offering pointers in declamatory technique to his youthful grandson M. Claudius Marcellus Aeserninus.29 Seneca may mean that he heard Pollio only twice, for there are two distinct declamations in the Senecan collection in which Pollio appears as a declaimer in his own right. One of these is cont. 7,6 (quotation of Pollio at § 12); Marcellus Aeserninus is not quoted in this declamation. This, then, must be the first of the two occasions, the declamation by the “vigorous” Pollio. The other is cont. 7,1, where Seneca includes not only two declamatory excerpts from Pollio (§§ 4, 22), but also two excerpts from Marcellus Aeserninus (§§ 5, 22). This, then, must be the second of the two occasions, that on which he gave his grandson guidance.30 The theme of this controversia, which Seneca entitles “The man let go by his son the pirate chief,” runs as follows: a man’s wife died, by whom he had two sons; he married another woman. He condemned one youth of parricide in a domestic process and handed him over to his brother for punishment. The brother put him on a disabled boat. The youth was conveyed to pirates and became the pirate chief. Later the father, having set out abroad, was captured and sent back home by the youth. The father disinherits his [sc. other] son.31 This characteristically fantastic theme provides the declaimers (including Pollio and his grandson) much scope for competitive oratorical display. They make arguments based on considerations of gratitude or piety on behalf of the father, or the convicted son who became the pirate, or the disinherited son who 28 29 30 31
For a full list and discussion of Pollio’s appearances as a declaimer or critic of declaimers in Seneca’s collection, see Echavarren 2007, 79–81 (no. 45). Sen. cont. 4 pr. 3: audivi autem illum [sc. Pollionem] et viridem et postea iam senem, cum Marcello Aesernino nepoti suo quasi praeciperet. Seneca goes on to describe the instructional techniques Pollio applied to his grandson Marcellus Aeserninus. The fragments of Pollio and Marcellus that Seneca transmits in cont. 7,1 are not closely related in theme or content, hence do not seem to illustrate the process of Pollio tutoring or correcting his grandson. Sen. cont. 7,1 pr.: ab archipirata filio dimissus. mortua quidam uxore, ex qua duos filios habebat, duxit aliam. alterum ex adulescentibus domi parricidi damnavit; tradidit fratri puniendum: ille exarmato navigio imposuit. delatus adulescens ad piratas archipirata factus est. postea pater peregre profectus captus est ab eo et remissus in patriam. abdicat filium.
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fails to carry out the mission his father gave him, evidently to kill his brother. They debate whether the stepmother should be implicated. They wax poetic describing a storm at sea, which threatens to sink the convicted son’s disabled boat. And so on: all of this is well in evidence in the extracts that Seneca provides for this controversia. But there is more to this kind of theme than mere oratorical display, as we will shortly see. A third arena for competition in eloquence, emerging in the Augustan age and in which Pollio was significantly involved, is the centumviral court. This court had jurisdiction over inheritances, wills, and other matters of succession. Though the court’s origins go back at least to the second century BCE, it is virtually invisible in the Ciceronian age. In that era, high-prestige forensic oratory all took place in the quaestiones perpetuae, standing courts constituted to deal with major crimes of specific types, mostly related to government and office holding. Indeed, not a single centumviral speech by Cicero survives or is even attested, though it defies belief that Cicero was not called upon, from time to time, to represent clients in this court on matters of succession.32 However, the court begins to rise in prominence the Augustan age: we begin to hear of cases tried there, involving prominent orators, as we never do in the late Republic, and the court continues to rise in prominence throughout the following century. The reasons for these developments are complex, but ultimately they are the outcomes of political change in the Triumviral and Augustan eras, which rendered some of the quaestiones less relevant than they had previously been, and also procedural changes that rendered some of them less visible to large public audiences than previously. Yet such changes did not affect the operations of the centumviral court and other civil courts. The kinds of cases litigated in civil courts emerged from durable, underlying socioeconomic structures that were relatively insensitive to political change. Indeed, it is safe to assume that this court always admitted complex, interesting cases that might involve high-status persons, vast amounts of property, and irresistible family drama. Furthermore, as far as we know, the court always met in large public venues and therefore could accommodate large crowds of interested onlookers in addition to the jurors and parties to the suit. As for the jurors, the name centumviri was not exact. But the court assuredly employed a large jury panel – up to 180 jurors total, all of near-equestrian census or above – that, at least by the mid-first century CE and probably earlier, was often divided into four sections so that multiple trials could be conducted simultaneously. So even as the quaestiones were reorganized in ways that reduced their visibility, the opportunities that the centumviral court afforded the orator – namely, access to large public audiences of onlookers, as well as to small, elite, expert audiences of judges (of the case proper, but also of the rival oratorical performances) – became ever easier to appreciate. By the time of Pliny and Tacitus, the centumviral court was unquestionably the premier forensic venue for elite rhetorical display. In Tacitus’ Dialogus, the character Maternus neatly summarizes this whole development: he says, “Centumviral cases, which now hold first place, were 32
High-profile centumviral cases are attested from the late second to early first century BCE, and some are also attested from the age of Cicero, though Cicero himself does not provide any direct evidence. Discussion in Roller forthcoming 2019.
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so overwhelmed by the splendor of the other courts that no book [sc., containing a speech] that was spoken before the centumvirs is read – not of Cicero, Caesar, Brutus, Caelius, Calvus, or of any great orator – apart from Asinius’ orations On behalf of Urbinia’s heirs. But these were delivered by Pollio in the middle of the Augustan age, after a long period of quiet… had pacified eloquence itself, just as it had all else.”33 Let us look more closely at this famous centumviral trial regarding the heirs of Urbinia – the speech that Maternus (hence probably Tacitus) seems to imply marks the beginning of the emergence of the centumviral court from the shadows of the late Republican criminal courts. The trial’s terminus ante quem is 4 CE, the year of Pollio’s death, though the approximate date given by Tacitus’ Maternus – “in the middle of the Augustan age” – might, if pressed, point to a date a decade or more earlier; one might also wonder how late in his long life Pollio would have been appearing in court. Apart from Tacitus, the case (and Pollio’s speech) is attested four additional times in Quintilian. The opposing advocate was none other than Titus Labienus, whom we have already encountered needling Pollio for his reticence in declaiming before a broader public. Indeed he was nicknamed ‘Rabienus,’ Seneca the Elder tells us, due to his aggressive and attacking oratorical style. Yet it is Pollio’s invective against Labienus about which we hear in this speech: according to Quintilian, Pollio declared Labienus’ advocacy proof of the badness of the other side’s cause, and also mocked Labienus’ Latinity. Labienus was himself a prominent orator and historian, as well as a declaimer and critic of declamation (as we have already seen), and thus his profile was similar to Pollio’s regarding the arenas he chose in which to display and compete in eloquence.34 In view of the high profiles of the opposing advocates, public interest in the trial is likely to have been high. Indeed, the very fact of the survivial of Pollio’s speech is noteworthy. While no evidence for the case or speech survives outside of Quintilian and Tacitus, is is clear that Quintilian possessed a text of Pollio’s speech, knew it, taught it, and could refer to it as if he expected others to know it. Tacitus too seems to have known it. For at least some teachers and students, then, this speech was evidently in the school curriculum, right along with the canon of Ciceronian speeches and a certain number of other speeches not by Cicero. It seems likely that the importance of the trial, and the prominence of the advocates involved, in what had become by Quintilian’s and Tacitus’ day the premier court for advocacy and forensic oratory, accounts at least in part for the speech’s survival and inclusion in the curriculum of at least some schools by the late first century CE.
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Tac. dial. 38,2: causae centumvirales, quae nunc primum obtinent locum, adeo splendore aliorum iudiciorum obruebantur, ut neque Ciceronis neque Caesaris neque Bruti neque Caelii neque Calvi, non denique ullius magni oratoris liber apud centumviros dictus legatur, exceptis orationibus Asinii, quae pro heredibus Vrbiniae inscribuntur, ab ipso tamen Pollione mediis divi Augusti temporibus habitae, postquam longa temporum… ipsam quoque eloquentiam sicut omnia alia pacaverat. Labienus as ‘Rabienus:’ Sen. Cont. 10 pr. 5 (and §§ 4–8 in general, with recent discussion by Echavarren 2007, 171–73, Balbo 2004, 1.201–21; on the Urbinia fragments see id. 210–15 and 218–21). Pollio insulting Labienus: Quint. Inst. 4.1.11, 9.3.13.
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The case itself was also highly dramatic, as Quintilian’s description indicates. One issue at stake in this trial, he reports (inst. 7,2,4–5), was whether the young man seeking Urbinia’s property was in fact Urbinia’s son Clusinius Figulus, or rather was someone named Sosipater, evidently a slave, and therefore with no claim on the inheritance. Quintilian also summarizes the argumentation of case, presenting it as an instance of the structure he calls coniectura duplex. This essentially means that each side devises its own story and sticks to it. He writes as follows (inst. 7,2,26): So it is in the case of Urbinia, where the claimant says that Clusinius Figulus, Urbinia’s son, got away after the battle line in which he stood was defeated; that he underwent various adventures, was even imprisoned by the king, and finally returned to Italy and his fatherland among the †Margini† and was recognized there. Pollio, on the other hand, said he served two masters in Pisaurum as a slave, practiced medicine, was manumitted, involved himself in another slave household that was for sale, and was bought by himself [sc. Pollio], at his own request, to be his slave.35
As Quintilian’s summary makes clear, this case has a strikingly declamatory flavor. Not only do the tangled tales of adventure and (mis)recognition that Labienus and Pollio weave for the claimant positively reek of a declamatory thema, but we might also reflect that some of the characteristic settings and backstories of the controversiae – sons or fathers who are exiled, captured by pirates, or the like, are possibly rumored to be dead, but eventually return home to wrangle over inheritances – are obviously training students to argue inheritance cases, which came under the centumviral court’s jurisdiction. This is true even if the laws posited as governing these declamatory ‘cases’ are fictional. Indeed the one specific controversia that Seneca indicates that Pollio himself declaimed (along with his grandson) – “The man sent home by his son the pirate chief,” discussed above – is precisely such a ‘case.’ Critics ancient and modern have lamented the fantastic quality of declamation, the fictionality of most of the ‘laws’ that controversiae invoke, and the apparent disconnection of the whole exercise from the ‘real world’ of the courts. But the Urbinia case makes it perfectly clear that reality can be just as strange as the fantastic declamatory situations that the schoolteachers cook up; and hence that the numerous controversiae featuring disputes over succession and wills do, in fact, prepare students for advocacy in the centumviral court. Perhaps it is no accident that topics and themes involving contested succession appear regularly in Roman declamation, hence in the rhetoric of the schools, in and around the Augustan era, nor that Pollio should be glimpsed coaching his young 35
Quint. inst. 7,2,26: utraque enim pars suam expositionem habet atque eam tuetur, ut in lite Vrbiniana petitor dicit Clusinium Figulum filium Vrbiniae acie victa in qua steterat fugisse, iactatumque casibus variis, retentum etiam a rege, tandem in Italiam ac patriam suam †marginos† [Marrucinos Cuper] venisse atque ibi agnosci: Pollio contra servisse eum Pisauri dominis duobus, medicinam factitasse, manu missum alienae se familiae venali inmiscuisse, a se rogantem ut ei serviret emptum. Cuper’s conjecture places the supposed Clusinius, at the end of his odyssey, in the ancestral territory of the Asinii, which could account for why Pollio claims to know him as a slave (presumably named Sosipater, per inst. 7,2,4). On the regional origins of the Asinii, see Cat.12,1, referring to Pollio’s brother as Asinius Marrucinus, and Livy per. 73, naming their grandfather H[i]erius Asinius as praetor Marrucinorum in the Social Wars; André 1949, 9–10 for discussion.
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grandson in the argumentation of such a declamation: for precisely these kinds of cases, and the (real) court in which they were tried, were important, and perhaps increasingly so, at this time.36 The Urbinia case is not the only centumviral trial in which Pollio is known to have participated. A succession case involving a Liburnia, and Pollio’s speech pro Liburnia, are also attested. This case, equally undatable, seems to have involved a man who died and excluded his mother from his will in favor of someone else. Evidently Messalla Corvinus appeared along with Pollio as Liburnia’s advocate and delivered his own speech pro Liburnia; there is no record of the name the opposing advocate or advocates. Quintilian quotes quotes a sentence from Pollio’s speech, in which Pollio parodically echoes and ‘caps’ a sentence from the will that was recited in the opposing speech.37 Once again, the case seems to have been important enough, and the speech (or speeches) impressive enough, to warrant preservation at least down to Quintilian’s day, where he could read, cite, and (presumably) recommend the speech to his students. I have little doubt that Pollio, no less than Labienus, Messalla, and the other leading orators of the day, regularly served as an advocate and delivered speeches in centumviral trials during his career,38 and in so doing contributed to the (re)emergence of this court into the limelight of public attention and professional engagement from the leading orators of the day. By documenting these newly emerging, non-Ciceronian arenas for competing in and displaying eloquence – recitation, declamation, and the centumviral court – and showing how critical Asinius Pollio’s engagement was to the development and emergence into prominence of these new arenas, we can see how he was able to burnish his own reputation for eloquence successfully. There are also additional arenas in which Pollio competed, and in which he could be compared to Cicero as well as to his own contemporaries. For instance, he is attested as having served as an advocate in at least two poisoning trials; these would presumably have been conducted before the praetor’s court, the quaestio de sicariis et veneficiis, which as far as we know contined 36
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Other such declamatory themata in this period (apart from Sen. cont. 7,1): Sen. cont. 1,6; 3,3; 4,3; 5,2; 5,4; 6,2. Remarking on words coined from personal names, Quint. inst. 8,3,32 reports that Cicero coined “Sullaturit” and Pollio coined “Fimbriatum” and “Figulatum.” The latter word, at least, can be inferred to come from the pro Vrbiniae heredibus. Charis. 1,77,15–17 Keil provides another fragment from this speech. Quint. inst. 9,2,34–35: ut dicta autem quaedam, ita scripta quoque fingi solent, quod facit Asinius pro Liburnia: ‘mater mea, quae mihi cum carissima tum dulcissima fuit, quaeque mihi vixit bisque eodem die vitam dedit’ et reliqua, deinde ‘exheres esto.’ haec cum per se figura est, tum duplicatur quotiens, sicut in hac causa, ad imitationem alterius scripturae componitur. nam contra recitabatur testamentum: ‘P. Novanius Gallio, cui ego omnia meritissimo volo et debeo pro eius animi in me summa voluntate,’ et adiectis deinceps aliis ‘heres esto:’ incipit esse quodam modo παρῳδή… A fragment of Messalla Corvinus’ speech survives in Fest. p. 490.35–37 Lindsay, and Quintilian notes that “Pollio and Messala defended the same men” (inst. 10,1,24). The quotation of Pollio’s oratory at Quint. inst. 9,2,9 also clearly refers to a succession case, hence probably came from a centumviral trial: ut Asinius: ‘audisne? furiosum, inquam, non inofficiosum testamentum reprendimus.’ Malcovati (ORF2 p. 521 fr. 27) assigns this fragment to the pro Liburnia, which is possible but not provable.
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to convene (in an unknown venue) into the Augustan era as it had in the Ciceronian era.39 We are further led to believe that Pollio attended the senate and spoke there, well after the time of his vaunted ‘retirement’ from public life.40 It is difficult to know what ‘retirement’ might mean under these circumstances, unless we cling to the rather narrow point that he held no further magistracy or promagistracy after his triumph. Llewelyn Morgan suggested some years ago that Pollio should be regarded as “retreat[ing] from active politics toward (politicised) literature.”41 For my part, I do not find the implied contrast between ‘politics’ and ‘literature’ to be helpful here, or even coherent in general. Rather, it is the competitive ethos of the Roman aristocracy, at all times, that subtends the changes we are discussing. When the competition is in eloquence, what is required is a judging audience that is either small and elite, or large and public, or both. Such groups serve as the ‘third party’ (Simmel’s ‘Dritte’) to hear and judge the relative merits of the competitors and rank them relative to one another. Notwithstanding his desire to be deemed Cicero’s equal or superior in eloquence, Pollio’s efforts to derail the emerging consensus among schoolmen and litterateurs on Cicero’s unrivalled superiority, whether he made his case before specialist audiences of teachers and social peers, or before the public at large, did not succeed – not in his own day, nor in that of his son Asinius Gallus, who continued his father’s quarrel; nor any time thereafter. Pollio competed much more successfully against his own contemporaries, but in the emerging arenas and before the associated judging audiences that he himself had a hand in creating and shaping. It is by shifting to his own advantage the fields in which he competed that Pollio, despite being deemed by various judges to fall short of Cicero, successfully asserted a particular form of preeminence in eloquence. It seems worth reiterating that Pollio never seems to have tried to argue for his superiority to Cicero according to the criterion of traditional Republican office holding, military commands, and decorations gained from those commands, even though he could easily have maintained a claim to primacy in these respects. It is perhaps as telling as anything, regarding the character of the Augustan order, that these things, so important in Pollio’s youth, had utterly ceased to matter by the latter years of his life.42
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These trials involve a Moschus and a Nonius Asprenas, both of whom Pollio defended: see André 1949, 70–73 for brief discussion of these trials, along with Malcovati ORF2 p. 520 frr. 23–24, and pp. 523–24 frr. 35–38, respectively. Hor. carm. 2,1,13–14: insigne maestis praesidium reis / et consulenti Pollio curiae (mid-20s BCE). Also Suet. Aug. 43,2 describes Pollio, evidently at an advanced age, rebuking Augustus in the senate regarding a broken leg that his grandson Marcellus Aeserninus suffered during the Lusus Troiae. Morgan 2000, 67. I am extraordinarily grateful to Karl-Joachim Hölkeskamp and Hans Beck for organizing the ‘Verlierer’ conference in Köln in April 2017, as well as to the Fritz-Thyssen-Stiftung for providing a lovely and stimulating venue. My thinking about the nature of competition, winning, and losing – especially, but not only, in a Roman aristocratic context – was vastly expanded and enhanced by conversation with all the conferees.
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Zwischen republikanischer Tradition und kaiserzeitlicher Realität Der soziale Abstieg von Senatoren und die senatorischen Rollenbilder im frühen Prinzipat
andreas klingenberg
Für die Etablierung des von Augustus begründeten Prinzipats war der Fortbestand des traditionellen Institutionengefüges von Senat, Magistraturen und Volksversammlung aus ideologischen und praktischen Gründen unumgänglich. Zu sehr waren die Akteure in die bestehenden Strukturen eingebunden, um sich einer radikalen Neugestaltung des Staates zu unterwerfen; und für die Verwaltung und den Zusammenhalt des Römischen Reiches waren sie unverzichtbar. Die republikanische Senatsherrschaft blieb daher im kollektiven Gedächtnis der Senatsaristokratie als Ideal auch in der Kaiserzeit präsent.1 Der daraus abgeleitete Anspruch auf eine soziale und politische Vorrangstellung einerseits und die Fortführung ihrer kompetitiven Interaktion andererseits determinierten das Selbstverständnis der Senatoren und waren somit Teil ihrer sozialen Rolle.2 Unter letzterem Aspekt ist der Komplex normativer Verhaltenserwartungen zu verstehen, die von der Gesellschaft als Ganzes bzw. einer gesellschaftlichen Bezugsgruppe an den Inhaber eines spezifischen sozialen Status gerichtet werden.3 Ideale stehen freilich in einem permanenten Spannungsverhältnis zur Realität, insbesondere dann, wenn man an tradierten Werten festhält, sich die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen aber geändert haben. Da Augustus seine Alleinherrschaft ideologisch innerhalb des senatorischen Wertekosmos etablierte, wurde 1 2 3
Zur kaiserzeitlichen Erinnerung an die Römische Republik (in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Kontexten) vgl. allgemein Gowing 2005 und Gallia 2012; zum Senat der Prinzipatszeit s. insbesondere Brunt 1984; Talbert 1984; Chastagnol 1992. Dieser Anspruch ging aber zugleich mit entsprechenden Erwartungen an den Princeps einher (vgl. bes. Wallace-Hadrill 1982), was im Falle einer Mißachtung durch diesen zu ernsthaften Konflikten im wechselseitigen Verhältnis führen konnte. Definition nach Dahrendorf 2010 (zuerst 1958), bes. 37. Vgl auch die interessanten Bemerkungen von Martin 2002, 157 f., der zu Recht auf die „erheblichen sozialen Sanktionen“ für eine Person hinweist, die „aus der Rolle fällt“.
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dieser grundsätzlich als gültig bestätigt.4 Gleichwohl entfaltete sich aus der Person und Institution des Princeps eine spezifische Dynamik, welche die Erfüllung und Erfüllbarkeit der senatorischen Rollenvorstellungen beeinflußte und sich auf längere Sicht modifizierend auf diese auswirkte. In diesem Kontext läßt sich insbesondere der Handlungsmodus der Konkurrenz anführen, der in der sozialen Rolle der Senatoren und ihrer Lebensgestaltung weiterhin einen zentralen Platz einnahm, dessen Austragungsparameter sich jedoch wandelten.5 Gerade in Konfliktfällen gewinnen Rollenmuster, Verhaltenserwartungen, Normvorstellungen und insbesondere ihre Geltungskraft an Kontur und Plastizität, etwa wenn ihnen zuwidergehandelt wird, wenn sie in Frage gestellt werden, oder wenn gegensätzliche Ansprüche aufeinandertreffen. In dieser Hinsicht ist daher die Betrachtung einer speziellen Gruppe senatorischer Verlierer in der römischen Kaiserzeit aufschlußreich, nämlich derjenigen, die ihre dignitas senatoria einbüßten und damit einen deutlichen sozialen Abstieg erlebten.6 Schicksale dieser Art sind für die Kaiserzeit in großer Zahl belegt.7 Die Anlässe sowie Hintergründe konnten ganz unterschiedlich sein; für die hier untersuchte Thematik sind vornehmlich diejenigen Abstiegsfälle von Interesse, die in direktem oder zumindest mittelbarem Zusammenhang mit einer innersenatorischen Konkurrenz standen. Ein wesentliches Problem bestand hierbei in konfligierenden Rollenvorstellungen, die sich im erwähnten Spannungsfeld des aus der republikanischen Zeit herrührenden senatorischen Rollenverständnisses und der veränderten politischen Verhältnisse der Prinzipatszeit ergaben.8 1. Die Bedeutung des cursus honorum für das senatorische Rollenverständnis Zum Kern der senatorischen Rolle gehörte die Ämterlaufbahn, daran änderte sich auch in der Prinzipatszeit nichts.9 Erhellend sind in diesem Zusammenhang beispielsweise die Briefe des Plinius. In humorvollem Ton tadelt er etwa den Senator Praesens, der sich auf seine Güter zurückgezogen hatte und vom Geschehen im rö4 5
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Dennoch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die von Augustus geschaffene Prinzipatsordnung diesen Wertekosmos zugleich transzendierte. Vgl. jetzt Hurlet 2009; Timpe 2011; Girardet 2014. Zu diesem Handlungsmodus und dem Begriff der ‚Konkurrenz‘ s. den Beitrag von K.-J. Hölkeskamp in diesem Band; zur Konkurrenz der Senatoren im republikanischen Rom s. insbesondere Hölkeskamp 2006. Zur weiterhin tragenden Bedeutung der aristokratischen Konkurrenz unter den Parametern des augusteischen Prinzipats s. bes. Hurlet 2012; Künzer 2016; vgl. auch Eich 2008. S. dazu Klingenberg 2011, bes. 12 f. zur Definition. Zur Verdeutlichung sei hier auf die Appendices in Klingenberg 2011 verwiesen. Vgl. Eich 2008, bes. 139. Auch nach der Schaffung eines ordo senatorius durch Augustus, in den die Nachkommen eines Senators einbezogen waren, blieb der cursus honorum elementarer Bestandteil; vgl. zuletzt Künzer 2016, 78. Die Privilegien und somit auch die Zugehörigkeit zum ordo konnte nur ein regulärer Senator vererben, das Anrecht auf den latus clavus ging durch die Entscheidung gegen eine Senatorenlaufbahn zudem verloren. S. dazu Klingenberg 2011, 31–33. Wie sehr der cursus honorum mit dem Status und allgemein dem Dasein als Senator verbunden war, zeigen besonders die Inschriften (ob nun bei Ehrungen oder Gräbern) mit ihrem sehr schematischen Aufbau und Formular, in denen sich die senatorische Rollenvorstellung oder „Kollektivnorm“ ausdrückte, s. dazu v. a. Alföldy 1986a.
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mischen Senat fernhielt.10 Interessant ist dabei, wie Plinius das senatorische Dasein in Rom in drei wesentlichen Punkten zusammenfaßt: dignitas, honor, amicitiae tam superiores quam minores,11 was mehr schlecht als recht mit „Würde, Ehre, Freundschaften höheren und niederen Ranges“ zu übersetzen ist. Für den Status als Senator, die dignitas senatoria, war die Bekleidung eines Amtes, honor, konstitutiv, denn erst dadurch wurde man Mitglied im Senat.12 Gerade die dignitas ist ein Schlüsselbegriff, der entscheidende Elemente vereint.13 Er bezeichnet einerseits eine aus der öffentlichen Tätigkeit resultierende ‚Würde‘ und damit ein gehobenes soziales Prestige, das mit jeder Stufe des cursus honorum einen Zuwachs erfuhr, andererseits eine ‚Würdigkeit‘ voraussetzte. Hierfür war die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen erforderlich. Dazu gehörten als eindeutige Kriterien ein bestimmtes an Landbesitz gekoppeltes Vermögen, das seit Augustus mindestens eine Million Sesterzen betragen mußte,14 sowie die persönliche Unbescholtenheit15. Wessen Vermögen diesen Betrag offenkundig unterschritt, oder wer sich eines manifesten Fehlverhaltens schuldig machte bzw. wegen eines Verbrechens verurteilt war und deshalb der Infamie unterlag, war somit nicht ‚würdig‘ und dementsprechend für die Aufnahme in den Senat nicht geeignet.16 Handelte es sich um einen Senator, verlor er seinen Rang und wurde aus dem album senatorium gestrichen.17 Bei Verurteilungen kamen überdies oft noch weitere Sanktionen wie Verbannung und Vermögenskonfiskation hinzu. Sich in seiner Rolle zu behaupten, dabei seine Finanzen über längere Zeit in Ordnung zu halten und sich nichts zuschulden kommen zu lassen, war alles in allem nicht einfach für einen Senator. So mancher ist dabei gescheitert.18 Die Ursachen hierin lagen nicht zuletzt im Wandel des Zugangs zu den Ämtern. Wurde unter Augustus anfangs noch in alter Manier durch das Volk gewählt, verlegte 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Plin. ep. 7,3. Die Kritik scheint erfolgreich gewesen zu sein, da Praesens kein anderer war als C. Bruttius Praesens L. Fulvius Rusticus, s. Birley 2000, 42 und Syme 1988, der es später auf zwei Consulate brachte und seine Karriere wohl mit der Stadtpräfektur krönte, s. Wojciech 2010, 289 f. Nr.25. Plin. ep. 7,3,2. Das seit Claudius bekannte Instrument der adlectio spielt an dieser Stelle keine Rolle, da im 1. Jh. n. Chr. davon nur sehr selten Gebrauch gemacht wurde, vgl. Talbert 1984, 15 f.; Chastagnol 1992, 97–120. Zum Begriff der dignitas in politischer Hinsicht s. Wegehaupt 1932, bes. 8; Hellegouarc’h 1963, 388– 405, bes. 397–401; Pöschl 1989, bes. 11–15; vgl. jetzt auch Barschel 2016 (bes. 23 zur Etymologie), die – etwas schematisch – das Bedeutungsfeld des Begriffs auch über politische Konnotationen absteckt. Vorher galt derselbe Betrag wie für die Ritter, nämlich 400.000 HS, der noch für das Jahr 18 v. Chr. belegt ist (Cass. Dio 54,17,3); im Jahr 13 v. Chr. galt jedenfalls schon der erhöhte Betrag (54,26,3; zu dieser Stelle Chastagnol 1992, 49–56; Klingenberg 2011, 167 f.); s. allg. Nicolet 1976; Nicolet 1984. Klingenberg 2011, 37–40. Zur Infamie, für die auch der Begriff ignominia gebräuchlich war, vgl. Greenidge 1894; Kaser 1956. Zur Infamie in Folge einer Verurteilung s. auch Watson 1961, 76–85; Klingenberg 2011, 114 f. Hinzu kamen weitere Einschränkungen wie Eheverbote und die eingeschränkte Testatfähigkeit vor Gericht, s. dazu Kaser 1956, 263 f. Eine Übersicht bekannter Fälle gibt Klingenberg 2011, App. 1. Da diese Fälle weniger Aufsehen erregten (vgl. auch unten in Abschnitt 6 zum vermeintlich freiwilligen Ausscheiden aus dem Senat) als ein unter Beteiligung des Senats (oder eines mit Senatoren besetzten kaiserlichen consilium) geführter Prozeß, überwiegen letztere in den Quellen. In der Realität könnte das Verhältnis durchaus anders, wenn nicht gar umgekehrt gewesen sein.
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Tiberius als eine seiner ersten Amtshandlungen den eigentlichen Wahlvorgang in den Senat.19 Dadurch reduzierte sich die Rolle der Comitien später auf die reine Bestätigung der ihnen vorgelegten Kandidatenlisten.20 Der Wettbewerb um die Ämter veränderte sich danach endgültig. Das Volk fungierte nun nicht mehr – wie in der Zeit der Republik – als Schiedsrichter der Konkurrenz und Verteiler der ‚Prämien‘.21 Bis zur Praetur entschieden darüber nun vor allem die Senatoren selbst, da die Kaiser auf diesen Rangstufen oft wohl nur wenig Einfluß nahmen.22 Die Consulate wurden wohl ausschließlich durch den Kaiser vergeben, wenngleich in den Laufbahnvorstellungen der Senatoren Aspekte wie Seniorität, Verdienst und Familienprestige erkennbare Beförderungserwartungen zeitigten.23 Sieg und Niederlage in den Wahlen entzogen sich damit weitgehend den Blicken der Allgemeinheit, was der Niederlage ein wenig die Schärfe nahm. Als Blamage wurde sie dennoch gewertet und kam wohl häufiger vor, als man gemeinhin anzunehmen scheint.24 Berühmtestes Beispiel ist Vespasian, der im ersten Anlauf die Ädilität nicht erreichte und beim zweiten Versuch im Folgejahr an sechster Stelle landete – bei sechs zu vergebenden Ädilsstellen.25 Zweifellos entzerrte die Erhöhung der Zahl der Prätoren auf zuletzt 18 Stellen den Wettbewerb.26 Jedoch kam es wohl nicht nur im 1. Jahrhundert immer wieder zu personellen Verdichtungen, und dies nicht nur, weil durchgefallene Kandidaten es im Folgejahr erneut versuchten.27 19 20 21 22 23
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Tac. ann. 1,15,1. Zu den Wahlen der Kaiserzeit und deren Begleitumständen vgl. Frei-Stolba 1967; Levick 1967; Talbert 1984, 341–345; Dettenhofer 2002; Coello 2010, hier 118–123; Klingenberg 2011, 68–72. Vgl. die Beiträge von K.-J. Hölkeskamp und H. Beck. Vgl. Tac. ann. 14,28,1: comitia praetorum arbitrio senatus haben solita; s. insgesamt Talbert 1984, 342 f. Nur so ergibt das Privileg zu einer vorzeitigen Bewerbung um ein Amt, wie es etwa das ius trium liberorum vorsah, überhaupt einen Sinn. Immer noch grundlegend ist Eck 1974, hier bes. 205 f. Die Rolle der Patronage beim Avancement der Senatoren wird von Saller 1982, 79–111 über- und die Regelmäßigkeit von Karrierestrukturen unterschätzt, s. bes. Eck 1995, 126–128. Die Mindestalterregelungen für die republikanischen Ämter des cursus honorum sind von Augustus zwar modifiziert, danach aber nicht aufgegeben worden, s. Morris 1964; Morris 1965; Eck 1974. Eingriffe der Kaiser, vornehmlich durch Wahlempfehlungen (commendationes) zugunsten einzelner Personen, widersprechen dem nicht, im Gegenteil. So ist beispielsweise bei den Flaviern zu beobachten, daß zwar Verwandte und unter Vespasian Unterstützer bei der Herrschaftserringung ausgezeichnet wurden, andererseits aber die Laufbahnbedingungen weiterhin eine Rolle spielten, wodurch auch andere Senatoren den ihnen zustehenden Consulat erhielten, vgl. Eck 2009. Vgl. z.B. Sen. contr. 7,7,12 (pudor repulsae); Sen. ep. 74,2; Plin. ep. 2,9; 6,6,9; Tac. ann. 2,36,2. Suet. Vesp. 2,3. Unter Augustus und Tiberius amtierten normalerweise zwölf Praetoren pro Jahr (Tac. ann. 1,14,4; Cass. Dio 56,25,4), seit spättiberischer Zeit standen mehr Stellen zur Disposition, jedoch unterlag ihre Zahl gewissen Schwankungen (nach Cass. Dio 60,10,4 variierte sie unter Claudius zwischen 14 und 18). Vermutlich seit Nerva (Dig. 1,2,2,32) waren es dann durchgängig 18 Praetoren. S. dazu insgesamt Morris 1964, 322 f.; Eck 1974, 180; Talbert 1984, 19 f. Vgl. beispielsweise Tac. ann. 14,28,1 zum Jahr 60 n. Chr.; s. insgesamt Talbert 1984, 19 f.; vgl. DuncanJones 2016, 23. Daß wir seit den Flaviern keine Hinweise mehr auf solche Situationen haben, wird aber nicht allein mit der Anhebung der Stellenzahl auf 18 Prätoren zu erklären sein, sondern liegt
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2. Die Vehemenz der senatorischen Konkurrenz Als Kandidat konnte man sich seiner Sache daher nie ganz sicher sein und die Konkurrenz schlief nicht. In den Quellen zeigen sich verschiedene gängige Methoden, mit denen Kandidaten versuchten, sich einen Vorteil und ihren Konkurrenten einen Nachteil zu verschaffen. Sehr hilfreich war es etwa, angesehene und arrivierte Senatoren als Fürsprecher zu gewinnen.28 Dabei kam insbesondere das ins Spiel, was Plinius in dem vorhin zitierten Brief mit amicitiae umschrieben hat: ein möglichst weitreichendes Beziehungsnetz, das man als Senator zwangsläufig aufbauen mußte, wenn man etwas erreichen wollte.29 Es kam darüber hinaus immer wieder vor, daß Senatoren die finanzielle Zwangslage oder das Fehlverhalten eines Mitbewerbers um ein Amt zur Sprache brachten, um diesen zu diskreditieren oder gar auszuschalten und damit die eigenen Erfolgschancen zu verbessern.30 Wenn sich derartige Vorwürfe bewahrheiteten, konnte dies zum Ausschluß der betreffenden Personen aus dem Senat führen. Manche Senatoren schreckten nicht einmal vor härteren Bandagen zurück; so sind durchaus einige Anklagen wegen vermeintlicher crimina maiestatis gegen den Kaiser gerade aus der Konkurrenzsituation unter Standesgenossen entstanden.31 Vor allem unter Tiberius scheint diese Methode für den politischen Wettbewerb häufiger mißbraucht worden zu sein.32 Wenn die Kaiser solche Prozesse zuließen, waren die Erfolgsaussichten relativ hoch. Für die Angeklagten endete es oft mit der Verbannung, auch dies ein deutlicher sozialer Abstieg, nicht selten sogar mit dem Tod.33 Die Ankläger machten sich dadurch bei ihren Standesgenossen extrem unbeliebt, konnten sich aber beim Kaiser profilieren und dessen Gunst gewinnen. Das zahlte
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sicherlich auch in der Quellenlage begründet: es fehlt schlicht ein Tacitus, dem wir vor allen anderen entsprechende Hinweise verdanken. Vgl. z.B. Plin. ep. 2,1,8 (L. Verginius Rufus, PIR2 V 417, für Plinius selbst); 2,9,2 (Plinius für Sex. Erucius Clarus, PIR2 E 96); s. allg. de Ste. Croix 1954; vgl. jetzt auch Künzer 2016, bes. 237–239. Vgl. zu diesem vielschichtigen Komplex u. a. Winterling 2008. Nach Plin. ep. 3,20,6 kamen bei der Kandidatenvorstellung im Senat vor allem Herkunft, Alter und Charakter (mores) zur Sprache; zu letzterem gehörte immer auch der Umgang mit Geld. Beispielsweise warf Sex. Pompeius (PIR2 P 584) seinem persönlichen Feind Manius Lepidus (PIR2 A 363) vor, er sei ein mittelloser Schwachkopf und eine Schande für seine Vorfahren (socordem inopem et maioribus suis dedecorum). Dabei ging es um die Statthalterschaft in der Provinz Asia, man darf aber ähnliche Einwürfe auch bei den Kandidaten um andere Ämter und Posten annehmen. Auch mit zum Schein vorgenommenen Adoptionen vor den Wahlen, um über nach der lex Papia Poppaea leichter und schneller zur Praetur und anschließenden Statthalterschaften zu gelangen, scheint es zu Mißbräuchen gekommen zu sein, bis ein Senatsbeschluß des Jahres 62 dem einen Riegel vorschob, s. Tac. Ann. 15,19. Zu den Delatoren und ihrer Rolle vgl. Fanizza 1988; Rutledge 2001, bes. 50–52; Rivière 2002; Klingenberg 2011, 156–159; Hartmann 2016, 215–219. Das suggeriert bereits die Zahl der belegten Fälle, vgl. Rivière 2002, 458; eine Liste gibt Klingenberg 2011, App.6. Ein bezeichnendes Bild zeichnet v. a. Tac. Ann. 3,65 f. S. insgesamt Fanizza 1988, 13–27; Flaig 1993; Levick 1999, 180–199; Rivière 2002, 418–424. S. Klingenberg 2011, App.6.
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sich nicht nur in barer Münze aus, immerhin stand den erfolgreichen Anklägern ein Viertel des Vermögens der Angeklagten zu, sondern wurde überdies mit Ämtern oder Priesterschaften vergolten.34 So versprach Tiberius beispielsweise dem Senator L. Fulcinius Trio, der Cn. Calpurnius Piso angeklagt hatte, seine Hilfe bei der Bewerbung um weitere Ämter.35 Den anderen Senatoren, die an der Anklage mitgewirkt hatten, ließ der Kaiser Priesterschaften verleihen.36 Allerdings sollte man solche Prozesse auch nicht überbewerten; sie kamen vor allem in Krisensituationen gehäuft vor, etwa wenn die Nachfolge des Kaisers nicht eindeutig geregelt war, und richteten sich nicht selten gegen Angehörige des Kaiserhauses und ihre Vertrauten.37 So war es beispielsweise unter Tiberius, unter dem die Söhne des Germanicus und einige ihrer Anhänger durch derartige Klagen ausgeschaltet wurden.38 3. Dignitas sumptuosa Der Hinweis auf vermeintlich oder tatsächlich unzureichende finanzielle Mittel eines Konkurrenten war allerdings nicht nur im Hinblick auf die Erfüllung der Mindestanforderungen von Bedeutung. Das Dasein als Senator war eine dignitas sumptuosa, wie Plinius zu Recht feststellte.39 So waren mit den einzelnen Ämtern des cursus honorum jeweils Kosten verbunden, die von den Amtsträgern großenteils aus eigenem Vermögen bestritten werden mußten und sich als erhebliche Belastung erweisen konnten.40 So oblag es beispielsweise den Quästoren in der frühen Kaiserzeit, für die stratura viarum, die Pflasterung der Straßen, aufzukommen; Claudius hob diese Verpflichtung zwar auf, dafür mußten die Quästoren zum Ausgleich allerdings die Ausrichtung von Gladiatorenspielen aus eigenen Mitteln bestreiten.41 Wer bereits auf dieser Stufe finanzielle Schwierigkeiten hatte, lief Gefahr, die durch die Quästur erlangte Stellung als Senator beim Fortgang der Karriere über kurz oder lang wieder zu verlieren. Insbesondere die Prätur scheint in diesem Zusammenhang eine große Belastung gewesen zu sein. Die Prätoren hatten für die Durchführung der öffentlichen Spiele
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Tac. ann. 4,20,2 (den Anklägern gebührt secundum necessitudinem legis ein Viertel des Vermögens); zu Ämtern und Priesterschaften als Belohnung vgl. etwa Tac. hist. 1,2,3; s. insgesamt Rutledge 2001, 46–49; Rivière 2002, 166. 448–477; 484–497. Tac. ann. 3,19,1; PIR2 F 517. Es handelte sich um P. Vitellius (PIR2 V 743); Q. Veranius (PIR2 V 388); Q. Servaeus (PIR2 S 557). Vgl. (u. a.) Rogers 1955; McAlindon 1956, bes. 132; Flaig 1993. Das betraf v. a. Nero Iulius Caesar (PIR2 I 223) und Drusus Iulius Caesar (PIR2 I 220), s. Suet. Tib. 54,2; Calig. 7; Tac. ann. 5,3; 6,23 f. Vgl. Hennig 1975, 86–100; Meise 1969, 72–76. Plin. ep. 2,4,3; s. dazu Talbert 1984 54–66; Klingenberg 2011, 63–81. Talbert 1984, 58–62; Klingenberg 2011, 63–68; vgl. Duncan-Jones 2016, 25 f. Suet. Claud. 24,2; Tac. ann. 11,22,2. Diese Spiele wurden unter Nero zwar abgeschafft (Tac. Ann. 13,5,1), von Domitian aber wieder eingeführt (Suet. Dom. 4,1) und mindestens bis in die Zeit des Severus Alexander jährlich gefeiert, vgl. Talbert 1984, 59.
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zu sorgen, die Teil des römischen Festkalenders waren.42 Im Unterschied zu dem, was Hans Beck über die Jahre nach dem Krieg gegen Hannibal schildert,43 konnte man sich nach der Verlegung der eigentlichen Wahlsituation in den Senat durch besonders prachtvolle Spiele allerdings nicht mehr dem Volk als Kandidat für ein höheres Amt empfehlen.44 Dennoch mußten die Amtsträger zusätzlich zu den Mitteln aus der Staatskasse hohe Summen aus dem eigenen Vermögen beisteuern, um das Publikum zufriedenzustellen, das nicht geringe Erwartungen an die Spielegeber stellte.45 Die Kosten waren folglich verstetigte Elemente des inneraristokratischen Wettbewerbs, die zwar nicht mehr so wie einstmals in positivem Sinne der Karriere dienlich sein konnten; wurde allerdings das Publikum, d. h. vor allem der populus Romanus, enttäuscht, machte es seinem Unmut lautstark Luft.46 Im Hinblick auf eine Fortführung der Karriere, insbesondere in Form einer nach der Prätur möglichen Statthalterschaft, war eine solche Unruhe in Anwesenheit des Kaisers kaum erstrebenswert. Leider können wir nicht beziffern, wie viele Senatoren allein durch die Karrierekosten ihr Vermögen so weit verringerten, daß sie den Senat verlassen mußten. Es kam jedenfalls gelegentlich vor, daß sich einzelne Amtsträger derartige Pflichtausgaben nicht leisten konnten und daher von ihrem Amt zurücktraten.47 Manche zogen die Konsequenz, sich nicht um weitere Posten zu bewerben;48 bei den meisten überwog jedoch der Drang nach Prestige und Ehre. Für die Prätur, die Statthalterschaften und den Consulat mangelte es daher nie an interessierten Kandidaten, trotz der anfallenden Kosten.49 4. Risiken und Auswege Von Senatoren, die sich amtsbedingte Aufwendungen nicht leisten konnten oder sogar direkt vom Abstieg aus dem Senat bedroht waren, erfahren wir aus den Quellen vor allem im Zusammenhang damit, daß sie sich an den Kaiser mit der Bitte um finanzielle Unterstützung wandten.50 Derartige Finanzhilfen sind trotz der unein42 43 44 45 46 47 48 49 50
So war es seit 22 v. Chr., s. Cass. Dio 54,2,3; vgl. Baltrusch 1989, 160. S. seinen Beitrag in diesem Band. Vgl. auch Baltrusch 1989, 106–111. S. Anm. 20. Vgl. Klingenberg 2011, 63–68; die von den Spielegebern beigesteuerten Beträge blieben trotz mehrfacher Aufwandsbeschränkungen durch einzelne Kaiser enorm hoch, s. Baltrusch 1989, 160–162. Vgl. z.B. Tert. spect. 16; Cass. Dio 56,47,2. Beispielsweise verzichtete 19 v. Chr. ein Ädil ὑπὸ πενίας auf sein Amt, Cass. Dio 54,11,1. In diesem Jahr veranstalteten die Ädilen „von sich aus“ (ἰδίᾳ) ein Pferderennen und eine venatio, Cass. Dio 54,8,5, nachdem Augustus die Veranstaltung der ludi den Prätoren übertragen hatte, s. o. Anm. 42. So gab es beispielsweise im Jahr 5 n. Chr. – offensichtlich aus finanziellen Gründen – zu wenige Bewerber um die Ädilität, Cass. Dio 55,24,9. So berichtet etwa Plinius von einer weiterhin merklichen Konkurrenz unter den Kandidaten, vgl. z.B. ep. 3,20, und läßt öfters die Befürchtung erkennen, ein von ihm unterstützter Kandidat könnte scheitern, vgl. etwa ep. 6,6 (zu Iulius Naso, PIR2 I 437); vgl. auch Duncan-Jones 2016, 23 m. Anm.10. Vgl. Kloft 1970, 101–104; Talbert 1984, 52 f.; Millar 1992, 297–299; Heil 2005, 302–304; Klingenberg 2011, 86–89.
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heitlich dichten Quellenlage für fast alle Kaiser des 1. und 2. Jahrhunderts belegt.51 Nur über Claudius erfahren wir, daß er solchen Bitten generell sein Ohr verschlossen hat.52 Allerdings war es für einen Senator kein leichter Schritt, sich an den Kaiser zu wenden, zumal der übliche Ort dafür der Senat gewesen zu sein scheint.53 Man begab sich in die demütigende Position eines Bittstellers, was die Diskrepanz zwischen den aus der republikanischen Tradition abgeleiteten Rollenbildern und den tatsächlichen Machtverhältnissen der Kaiserzeit allzu deutlich offenbarte. Für die Kaiser hingegen waren solche beneficia eine Möglichkeit, einzelne Personen stärker an sich zu binden.54 Allerdings war keineswegs garantiert, daß sie die erbetene Unterstützung gewährten.55 Taten sie es nicht, wurden die Bittsteller als Konsequenz aus der Mitgliederliste des Senats gestrichen, wovon wir in verschiedenen Fällen erfahren.56 Um sich diese Schmach zu ersparen, setzten nicht wenige darauf, ihre Not zu verbergen. Ein offenbar häufig gewählter Weg waren Kredite, mit denen sich die anfallenden Kosten finanzieren ließen.57 Große Summen konnte man sich indes überwiegend nur von Standesgenossen leihen, womit wir wieder bei den vorhin erwähnten amicitia-Beziehungen wären.58 Wer sich geschickt anstellte, konnte sich womöglich so lange über Wasser halten, bis sich eine Gelegenheit bot, anderweitig an Geld zu kommen. Eine dieser Gelegenheiten waren die Statthalterschaften, wenn man sie denn erreichte. Die Besoldung dieser Posten erschöpfte sich zwar weitgehend in der Bestreitung der Unterhaltskosten.59 Dennoch konnte man sich auf andere Weise die Taschen füllen, indem man seine Stellung zur Bereicherung nutzte. Zwar war jegliche Form der Vorteilsnahme im Amt verboten, die Annahme von Geschenken wurde aber erkennbar als läßliche Sünde betrachtet.60 Bereits die Zahl der bekannten Repetundenprozesse deutet an, wie häufig solche Regelverstöße bei Statthaltern
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S. Klingenberg 2011, App. 2. Tac. ann. 11,25,3; 12,52,3; Cass. Dio 60,11,8; 60,29,1. Vgl. Tac. ann. 15,53,2 und dazu Heil 2005, 302 f. S. dazu beispielsweise Sen. ben. 2,7,2. Vgl. Kloft 1970, 79; Roller 2001, 173–193; Heil 2005, 303. S. dazu Klingenberg 2011, 87 f. Vgl. z.B. für Tiberius Tac. ann. 2,48,3 (Sex. Vibidius Virro, PIR2 V 531; Q. Marius Nepos, PIR2 M 309; Appius Appianus, PIR2 A 946; Cornelius Sulla, PIR2 C 1458; Q. Vitellius, PIR2 V 746); Cass. Dio 57,10,4; Sen. ep. 122,10 (Acilius Buta, PIR2 A 53). Vgl. Klingenberg 2011, 89–91. Zu den Finanzgeschäften der Oberschicht s. Andreau 1999, 9–29; vgl. zu späten Republik Verboven 2002 (mit Ausblicken in die Kaiserzeit); Rollinger 2009. Zu den salaria s. Talbert 1984, 64 f.; Wesch-Klein 2008, 155–157. Immerhin erhielten die Proconsuln von Africa und Asia ein salarium von einer Million HS, so überliefert es jedenfalls Cass. Dio 79,22,5 für das Jahr 217 n. Chr., wobei nicht ganz klar ist, ob dieser Betrag bereits für die augusteische Zeit anzunehmen ist. Entsprechende salaria für die Inhaber stadtrömischer Magistraturen, wie sie Géza Alföldy annahm (Alföldy 1986b, 176–181), hat es jedenfalls nicht gegeben, s. dazu Klingenberg 2014, 62. Vgl. den Fall des C. Iulius Bassus (PIR2 I 205), über den Plinius berichtet (Plin. ep. 4,9): er wurde zwar verurteilt, durfte aber gegen jede Regel weiter im Senat sitzen (Plin. ep. 4,9,16–21; 6,29,10).
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vorkamen.61 Daß eine Verurteilung den Verlust von Rang und Würde bedeutete, muß hier nicht eigens erwähnt werden. Allerdings wurden solche Prozesse seit Tiberius im Senat verhandelt, und man ging hierbei offenkundig sehr nachsichtig mit den Standesgenossen um, so daß selbst berechtigte Klagen oft gar nicht erst eingereicht wurden.62 Kam es dennoch zum Prozeß, spielte daher das Verhältnis zu den Standesgenossen wohl eine nicht zu unterschätzende Rolle; je besser man vernetzt war, desto geringer fiel die Wahrscheinlichkeit eines Schuldspruchs (oder zumindest das Strafmaß) aus. Wer im Verdacht stand, finanziell schlecht dazustehen, konnte zudem von einer Statthalterschaft ausgeschlossen werden.63 Diesen Verdacht sprachen oft genug wiederum die direkten Konkurrenten um diese Stellungen aus.64 Nicht zuletzt aus diesem Grund investierte man in den persönlichen Konsum, um seine Solvenz unter Beweis zu stellen, wenn nötig auf Kredit.65 Wie Iuvenal an einer Stelle spottet, diniert vornehmlich derjenige erlesen und gut, dessen Ruin sich bereits abzeichnet und dessen Fall unmittelbar bevorsteht.66 5. Studium magnif icentiae Wie Tacitus feststellt, richteten sich viele einstmals reiche und angesehene Familien durch das studium magnificentiae, das Streben nach Prunk, zugrunde.67 Von nicht wenigen verarmten und deswegen aus dem Senat entlassenen Senatoren heißt es, sie hätten sich durch Verschwendung in ihre Lage gebracht.68 Als Verschwender konnte jeder gelten, der sein Vermögen aufbrauchte; doch galt der Vorwurf insbesondere denen, die zuvor für ihre gehobene Lebensart bekannt waren.69 Auch wenn sich immer wieder Stimmen erhoben, die sich gegen den aufwendigen und luxuriösen Lebensstil wandten, wie er von den Senatoren gepflegt wurde, ging das an der gesellschaftlichen 61 62
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S. Klingenberg 2011, 124–128 und die Liste bekannter Prozesse ebd., App.4. Das war im Reich durchaus nicht unbekannt, wie etwa Dion Chrysostomos bestätigt (or. 34,9), der die Tarsier vor den Folgen einer (erneuten) Anklage gegen den Statthalter warnt: τὸ γὰρ πολλάκις ἐγκαλεῖν ἤδη ποτὲ ἔδοξε τοῦ συκοφαντεῖν σημεῖον, ἄλλως τε ὁπόταν περὶ ἡγεμόνων ὁ λόγος ᾖ πρὸς ἡγεμόνας. Vgl. allg. Brunt 1990, 82–87; Klingenberg 2011, 126 f. Vgl. C. Sulpicius Galba (PIR2 S 1000), den Bruder des späteren Kaisers Galba, der sich aus Geldmangel aus Rom zurückgezogen hatte und deswegen durch Tiberius von der Vergabe der Statthalterschaften ausgeschlossen wurde, Suet. Galb. 3,4; vgl. Tac. ann. 6,40,2. Angesichts des drohenden Ruins und des dadurch drohenden Abstiegs nahm er sich danach das Leben. Vgl. das Beispiel oben in Anm. 30. Vgl. beispielsweise den späteren Kaiser Septimius Severus, der vor dem Aufbruch in seine Provinz in ausgedehnte Gärten (horti spatiosi) investierte, SHA Sev. 4,5. S. insgesamt zu dieser Notwendigkeit, solvent zu erscheinen, Klingenberg 2011, 91 f. Juv. 11,12 f.: egregius cenat meliusque miserrimus horum | et cito casurus iam perlucente ruina. Tac. ann. 3,55,2. Vgl. die in Anm. 56 genannten Senatoren, die laut Tac. ann. 2,48,3 prodigos et ob flagitia egentes waren. Vgl. Tac. ann. 16,18,1
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Realität vorbei.70 Denn ein ‚demonstrativer Konsum‘71 war längst elementarer Bestandteil der sozialen Rolle der Senatoren geworden.72 Diesem Umstand trug etwa Kaiser Nero Rechnung, als er mehreren verarmten Consularen ein jährliches salarium von 500.000 Sesterzen zugestand.73 Diesen Betrag hat man als Mindestmaß dessen zu verstehen, was für einen Mann consularen Ranges zur Aufrechterhaltung eines standesgemäßen Lebensstils für nötig erachtet wurde. Dabei ging es weniger darum, durch entsprechende Lebensart einen Ausgleich für die Mühen und Risiken einer senatorischen Laufbahn zu schaffen, wie Asinius Gallus in einer Senatsdebatte über die Notwendigkeit eines Luxusgesetzes laut Tacitus vorbrachte.74 Wesentlich mehr Gewicht kommt einem anderen Argument in seiner Rede zu; er betont nämlich, daß das richtige Maß an Aufwand und Luxus von der Stellung der Person abhängig sei.75 Um als Senator in seiner Rolle anerkannt und respektiert zu werden, sowohl von seinen Standesgenossen als auch von Personen niederen Ranges, genügten der breite Purpurstreifen an der Tunica und andere Vorrechte wie besondere Sitze im Theater als äußere Statussymbole nämlich nicht.76 Vielmehr stand ein Senator im Blick der Öffentlichkeit, was ihm wiederum ein standesgemäßes Verhalten abverlangte. Dabei genügte es nicht, sich bei der Lebens- und Amtsführung im Rahmen der Gesetze zu bewegen; vielmehr setzten die Moralvorstellungen den Mitgliedern der Elite noch weit engere Grenzen.77 Es handelte sich – mit Simmel gesprochen – um ein „Standesvorrecht, vieles nicht zu dürfen“.78 So war für die Statusrepräsentation nicht zuletzt auch die Aufrechterhaltung eines aristokratischen Habitus notwendig, der die soziale Distanz zu anderen Teilen der Bevölkerung zum Ausdruck brachte.79 Der aristokratische Habitus erforderte unter anderem ein bestimmtes Maß an Bildung, die Erfüllung gesellschaftlicher Verpflichtungen, die Beteiligung am Geschehen im Senat und am sozialen Leben der Senatoren, somit auch einen gehobenen Lebensstil. All dies wurde gerade auch von 70 71 72 73
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Vgl. Tac. ann. 2,33; 3,55; Vössing 2004, 244–253. Conspicuous consumption im Orig.: Th. Veblen, The Theory of the Leisure Class, New York 1899. Vgl. dazu auch die Beiträge von C. Lundgreen und E. Stein-Hölkeskamp in diesem Band. Vgl. auch Meier 1995. Suet. Ner. 10,1; Tac. ann. 13,34,1; es handelte sich um M. Valerius Messala Corvinus (PIR2 V 144); M. Aurelius Cotta (PIR2 A 1486); Q. Haterius Antoninus (PIR2 H 26). Vespasian verfolgte diese Linie weiter (Suet. Vesp. 17); Titus bestätigte die von seinen Vorgängern gewährten Vergünstigungen und damit auch diese salaria (Suet. Tit. 8,1). Für Hadrian sind ähnliche Zahlungen belegt, s. dazu SHA Hadr. 7, 9 mit Klingenberg 2014, 61. Tac. ann. 2,33,2 f. Zu Asinius Gallus s. PIR2 A 1229. Tac. ann. 2,33,3: neque in familia et argento quaeque ad usum parentur nimium aliquid aut modicum nisi ex fortuna possidentis, distinctos senatus et equitum census, non quia diversi natura, sed, ut locis ordinibus dignationibus antistent, ita iis quae ad requiem animi aut salubritatem corporum parentur, nisi forte clarissimo cuique plures curas, maiora pericula subeunda, delenimentis curarum et periculorum carendum esse. Zu den Statussymbolen s. Kolb 1977. Bezeichnend sind etwa die Worte, die Sallust Caesar aussprechen läßt (Sall. Cat. 51,13): in maxuma fortuna minuma licentia est. Vgl. Sen. clem. 1,8,1; Epict. 1,2,22; allg. Klingenberg 2011, 37–39. Simmel 1992, 821 („Exkurs über den Adel“; zuerst erschienen 1908). Vgl. beispielsweise Apul. flor. 21,3 f.; met. 1,20.
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den Standesgenossen erwartet und zog einen gewissen Konformitätsdruck nach sich: Wer dazugehören wollte, mußte sich ebenso verhalten wie die anderen. Andernfalls riskierte man die Akzeptanz im eigenen Milieu zu verlieren und gefährdete damit das Vorankommen im oder letztlich gar die Zugehörigkeit zum Senat, wie bereits angedeutet wurde. Auf der anderen Seite bargen diese Faktoren auch eine Möglichkeit, sich auf einem zusätzlichen Austragungsfeld agonaler Konkurrenz zu messen.80 Sieht man sich etwa die vielen von Plinius dem Älteren aufgezählten Kunst- und Luxusgegenstände im Besitz einzelner Senatoren an, so nahm dieses Streben nach Prunk bisweilen nicht nur nach heutigen Maßstäben absurde Züge an.81 Das zeigt, wie sehr man sich gegenseitig zu übertrumpfen suchte. Allerdings wird man diese Distinktionsfaktoren nicht von der Ämterlaufbahn losgelöst betrachten können. Ein Senator, der sich nach der Quästur nur mehr durch seine Lebensart auszeichnete, fand wohl zumindest im 1. Jh. n. Chr. wenig Akzeptanz.82 Zwar konnte nicht jeder wie der erwähnte Asinius Gallus eine Million Sesterzen für einen Tisch aus Zitrusholz ausgeben.83 Aber repräsentative Räumlichkeiten zu besitzen, war für einen Senator ab einer bestimmten Rangstufe unerläßlich. Mit einem Haus für 6.000 Sesterzen, für das der Consular M. Aemilius Lepidus im Jahr 125 v. Chr. noch eine censorische Rüge erhalten hatte, wurde man im tiberischen Rom jedoch nicht einmal als einfacher Senator anerkannt.84 Und für einen Consular oder einen mit den ornamenta triumphalia geehrten Senator galten wiederum ganz andere Maßstäbe.85 Zudem hatte man als Senator Gäste höchst unterschiedlicher Art zu empfangen und zu beeindrucken, womit wir erneut bei den von Plinius genannten amicitiae tam superiores quam minores sind. Sie alle konnten im halböffentlichen Eingangsbereich erfahren, wer der Hausherr war, denn dort befanden sich typischerweise Monumente, die seinen cursus honorum und gegebenenfalls seine vornehmen Vorfahren präsentierten.86 Besucher geringeren Standes fanden sich morgens zur salutatio ein.87 Eine domus frequentata zeigte symbolisch die Bedeutung ihres Besitzers an, auch wenn die
80 81 82
83 84 85 86 87
Vgl. auch den Beitrag von E. Stein-Hölkeskamp in diesem Band und Stein-Hölkeskamp 2011. Vgl. das weiter unten aufgeführte Beispiel des Asinius Gallus. Wie noch Plinius d. J. am Beispiel des T. Vestricius Spurinna (PIR2 V 446) hervorhebt, verdiente sich ein Senator den Ruhestand dadurch, daß er seinen Pflichten nachkam, Ämter übernahm, Provinzen verwaltete und sonstige Mühen auf sich nahm (ep. 3,1,11: obiit officia, gessit magistratus, provincias rexit multoque labore hoc otium meruit). Wenn sich ein Senator wie Servilius Vatia (PIR2 S 602), der es bis zur Praetur gebracht hatte, danach auf sein Landgut zurückzog, mußte er sich den Tadel und Spott seiner Standesgenossen gefallen lassen (Sen. ep. 55,3 f.). Plin. HN 13,92. Vell. Pat. 2,10,1. Zu den Häusern der Senatoren vgl. Eck 1997; Eck 2001; Hesberg 2005; Klingenberg 2011, 77–80. Das kann man u. a. aus Suet. Ner. 30,2 erkennen. Vgl. Eck 1984; Neudecker 1988, 75–84; Eck 1997, 171 f.; Eck/Hesberg 2004; Hesberg 2005, 39–44. S. dazu Goldbeck 2010; vgl. auch Hartmann 2016, 89–121.
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Zahl der Clienten spätestens seit der tiberischen Zeit für die Magistratswahlen keine Bedeutung mehr besaß.88 Nicht zuletzt aber waren die Häuser die Bühne für die Selbstinszenierung vor den Standesgenossen. Wichtig waren vor allem die Gastmähler, zu denen man eingeladen wurde und für die man sich mit einem vergleichbaren Aufwand revanchieren mußte.89 Auffällig ist, wie oft sich die Kritik an Luxus und Ausschweifung auf diesen Bereich richtete.90 Ein besonderer Aufwand war erforderlich, wenn der Kaiser anwesend war; von nahezu allen Kaisern der Frühen und Hohen Kaiserzeit ist belegt, daß sie am gesellschaftlichen Verkehr der Senatoren teilnahmen.91 Gastmähler gehörten daher zu den zentralen sozialen Verpflichtungen der Senatoren und halfen als wichtiges Interaktionsfeld dabei, Beziehungen zu knüpfen, zu pflegen und zu vertiefen.92 Das wiederum war für die Karriere nicht nur hilfreich, sondern fast schon obligatorisch. Zugleich bot sich hier die Basis, sich in der Konkurrenz zu seinen Standesgenossen zu behaupten. Man investierte daher viel, um die Gäste zu beeindrucken.93 Wer die nötigen Summen nicht mehr aufbringen konnte, zeigte damit deutlich, wie es um seine Verhältnisse bestellt war, und daß er am gemeinsam gepflegten Lebensstil nicht mehr teilnehmen konnte. Schon deshalb waren Sparsamkeit und Zurückhaltung schwierig, wollte man nicht Zweifel an der Erfüllung der Standesanforderungen wecken und so den Abstieg riskieren. 6. Der Abstieg – Das Ende? Der Abstieg selbst war für den Betroffenen unmittelbar zu erfahren. In der Interaktion zwischen Senatoren spielte ihre Rangstellung innerhalb des Senats nämlich immer eine Rolle. Der komplette Verlust eines solchen Ranges führte zu Veränderung im Kontakt zwischen Absteigern und Senatoren; der gesellschaftliche Umgang reduzierte sich daher wohl auf Verwandte und gegebenenfalls verbliebene Freunde. Selbst wenn einiges an Vermögen verblieben war, konnte das den Ansehensverlust durch den Abstieg kaum kompensieren. Ein Absteiger verlor zudem seine Privilegien, die ihn in der Öffentlichkeit von der Masse abhoben, insbesondere die Statussymbole sind hier zu nennen.94 Die Tugenden und Merkmale, durch die man sich ausgezeichnet hat, verloren sicher nicht ganz an Bedeutung.95 Eine soziale Distanz zur Plebs war aber nicht mehr in dem 88 89 90 91 92 93 94 95
S. oben in Abschnitt 1. Stein-Hölkeskamp 2010, 29–33; vgl. auch Klingenberg 2011, 76 f. Vgl. Vössing 2004, 244–253; Tietz 2013, 159–178. Vössing 2004, 321–328; anders als von Roller 2001, bes. 143 f., vermutet, ging es dabei weniger darum, die eigene Überlegenheit zu demonstrieren, als vielmehr um ein Entgegenkommen gegenüber dem Repräsentationsbedürfnis der Senatoren. Vgl. D’Arms 1990, bes. 319. Vgl. Vössing 2004, 196–234; D’Arms 2004; Tietz 2013, 125–129. Vgl. Klingenberg 2011, 180 f. Vgl. Plin. ep. 4,11 über den ehemaligen Prätor (Valerius) Licinianus (PIR2 V 111), der wegen eines
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Maße gegeben, wie es beispielsweise die Worte des Horaz eindrücklich zeigen:96 „Es mögen dir Geist, gute Sitten, Beredsamkeit und Vertrauenswürdigkeit gegeben sein, fehlen dir aber sechs- oder siebentausend zu den vierhunderttausend: dann gehörst du zur Plebs.“ Der Betrag von 400.000 Sesterzen war bis etwa 18 v. Chr. das erforderliche Mindestvermögen für Senatoren und Ritter, danach nur noch für letztere.97 Allerdings war die Hoffnung auf ein Wiedererlangen des Senatorenstatus nicht ganz aussichtslos, es sei denn man hatte sich eines gravierenden Verbrechens wie eines Mordes schuldig gemacht.98 Es sind nicht wenige solcher Wiederaufsteiger belegt.99 Hierbei handelte es sich in der Mehrheit um Abstiegsvorgänge, denen eine politisch motivierte Verurteilung zugrunde lag. Das ist einerseits eine Quellenfrage, da solche Fälle insgesamt mehr Aufsehen erregten und daher besser bezeugt sind. Andererseits ließ sich eine solche Verurteilung – teilweise zu Recht – als Willkürentscheidung eines Kaisers auslegen, die dann von einem Nachfolger durch Aufhebung der Strafe und Wiedereinsetzung in die alte Stellung rückgängig gemacht wurde.100 Bei verarmten Senatoren war der Wiederaufstieg zwar auch denkbar und kam sicher bisweilen vor. Allerdings stellt sich die Frage, aus welchen Quellen sie das nötige Vermögen schöpfen konnten, wenn ihnen bereits zuvor niemand geholfen hatte, den Abstieg zu vermeiden. Das Stigma des Scheiterns ließ sich allerdings nicht so einfach aus der Welt schaffen. So werden solchen Personen weiterhin Zweifel begegnet sein, denn ihr vorhergehendes Ausscheiden aus dem Senat war schließlich ein Indiz dafür, daß sie etwas falsch gemacht hatten. Die Rolle des Senators richtig auszufüllen, bedeutete eben auch, das eigene Vermögen nicht unter eine bestimmte Grenze fallen zu lassen und sich zu helfen zu wissen, wenn dieser Umstand doch eintrat. Insbesondere diejenigen, die aufgrund einer Verurteilung abgestiegen waren, hatten auch nach ihrer Rehabilitierung mit einem bleibenden Makel zu kämpfen.101 Fälle eines angeblich freiwilligen Statusverzichts werden daher sehr oft eher unter Druck erfolgt sein. Auf diese Weise ließen sich der Ansehensverlust durch ein zwangsweise erfolgtes Ausscheiden aus dem Senat und die damit einhergehenden Verhältnisses mit der Vestalin Cornelia (PIR2 C 1481; Raepsaet-Charlier 1987, 245 Nr. 275) verbannt worden war (vgl. auch Suet. Dom. 8,4) und seinen Lebensunterhalt als Rhetoriklehrer verdiente. Allerdings läßt Plinius keinen Zweifel daran, daß es sich um einen tiefen Fall handelte: nunc eo decidit, ut exul de senatore, rhetor de oratore fieret (4,11,1). 96 Hor. epist. 1,1,57–59: est animus tibi, sunt mores, est lingua fidesque, | sed quadringentis sex septem milia desunt: | plebs eris (…). 97 S. oben Anm. 14. 98 Vgl. Tac. hist. 4,44,2 f. zu Octavius Sagitta (PIR2 O 57). 99 Vgl. die Zusammenstellung in Klingenberg 2011, App.8. 100 Das gilt natürlich nur für diejenigen Fälle, in denen nicht die Todesstrafe verhängt und vollzogen wurde. Aufschlußreich ist beispielsweise die von Tac. Hist. 1,77,3 berichtete Restitution dreier Senatoren unter Otho (Cadius Rufus, PIR2 C 6; Paquius Scaevinus, PIR2 P 127; Pedius Blaesus, PIR2 P 212), die wegen Repetundenvergehen verurteilt worden waren: Die Anklage wurde nachträglich in ein crimen maiestatis umgewandelt; so ließ sich ihre Rehabilitation leicht begründen. 101 Vgl. z.B. Tac. hist. 2,86,1 und 3,13,3 (über Antonius Primus, PIR2 A 866); ann. 13,42,2 (über Seneca).
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Rechtsfolgen unter Umständen vermeiden, wie es für einzelne Personen auch belegt ist.102 Teilweise handelte es sich zudem um ein Zugeständnis des Kaisers, wenn er eigentlich die Streichung von der Senatorenliste hätte vornehmen müssen.103 Als formale Begründung lesen wir in den Quellen öfters von einem „Bedürfnis nach Ruhe“, das zumindest in einigen Fällen eindeutig als Ausrede entlarvt werden kann.104 Ein Trost blieb jedoch den meisten Absteigern: Daß man bestimmte Ämter bekleidet hatte, konnten nicht einmal die Götter ungeschehen machen, wie Plinius der Ältere bemerkt.105 Daher hat man den cursus honorum nach Möglichkeit auch in den Grabinschriften von Absteigern aufgezählt.106 Und wer weiß, wie viele dieser ein erfolgreiches Leben präsentierenden Inschriften in Wahrheit ein Abstiegsschicksal verbergen?107
102 Der Vorteil für diejenigen, die selbst um Entlassung baten und nicht zwangsweise aus dem album senatorium gestrichen wurden, ist offenkundig: man vermied dadurch die Infamie und konnte die Folgen ggf. auch noch anderweitig abmildern, s. dazu Klingenberg 2011, 179 f. 103 Bereits Augustus versuchte bei seiner ersten lectio senatus 29 v. Chr. auf diesem Weg die Reduktion des im Bürgerkrieg erheblich angewachsenen Senats zu erreichen (Cass. Dio 52,42,1–3; vgl. Suet. Aug. 35,1, der die Aktion allerdings mit der lectio des Jahres 18 v. Chr. verwechselt, dazu Sattler 1960, 32 Anm. 76). Später griff Claudius diese Idee für sein lectio senatus auf (Tac. ann. 11,25,3; vgl. Cass. Dio 60,29,1). Gerade bei unzureichenden Mitteln scheint es sich um ein übliches, jedenfalls erwartetes Vorgehen gehandelt zu haben, vgl. Tac. ann. 12,52,3 (Lob bzw. Kritik des Claudius); s. auch Tac. ann. 1,75,3 (zu Propertius Celer, PIR2 P 1007). 104 S. dazu Klingenberg 2011, 147–149; besonders aufschlußreich ist der Fall des Cornelius Fuscus, vgl. Heil 2005, 308 f.; Klingenberg 2011, 166; s. auch Syme 1937, 8. 105 Plin. HN 2,27: inperfectae vero in homine naturae praecipua solacia, ne deum quidem posse omnia – namque nec sibi potest mortem consciscere, si velit, quod homini dedit Optimum in tantis vitae poenis; nec mortalies aeternitate donare aut revocare defunctos, nec facere ut qui vixit non vixerit, qui honores gessit non gesserit […]. 106 Vgl. Heil 2005. Außerdem sind die Kompensationsstrategien aussagekräftig, mit denen etwa das Fehlen von Ämtern oder ein ‚unvollständiger‘ Cursus jung verstorbener Senatoren oder Senatorensöhne gerechtfertigt wurden, vgl. Eck 1981; Eck 1999, 35–39. 107 Ein wohl singulärer Fall ist eine Statuendedikation durch den Senator M. Aemilius Macer Faustinianus (CIL XIV 2596 = D. 453), deren Inschrift Hinweise auf einen temporären Abstieg liefert, s. dazu Klingenberg 2012.
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andreas klingenberg
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Die Allgegenwart der Konkurrenz um Status, Rang und Reputation war in die aristokratische politische Kultur des antiken Rom tief eingeschrieben. Aus dem scharfen jährlichen Wettbewerb um die höheren Ämter in der Republik – vor allem die zwei Stellen des Consulats – gingen regelmäßig mehr Verlierer als Gewinner hervor. In ihren Beiträgen thematisieren die Autorinnen und Autoren die Bedingungen und Folgen dieser Praxis für das soziopolitische System, aber auch die Art und Weise, in der die Verlierer mit Niederlage und Scheitern umgingen bzw. sie zu kompensieren versuchten. Darüber hinaus werden die Entstehung und Entwicklung alternativer Strategien der Distinktion der Verlierer und „Aussteiger“ in den Blick genommen: Auch jenseits des traditionellen Feldes der Politik, etwa durch Brillieren auf dem Gebiet der Literatur oder durch Raffinesse des Lebensstils, rivalisierten die Angehörigen der römischen Eliten häufig weiterhin um Prominenz und Ansehen.
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ISBN 978-3-515-12179-8
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