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German Pages 328 [330] Year 2019
Sema Karataş
Zwischen Bitten und Bestechen Ambitus in der politischen Kultur der römischen Republik – Der Fall des Cn. Plancius
HER MES Klassische Philologie
Franz Steiner Verlag
Einzelschrift 115
herm e s Zeitschrift für klassische Philologie Einzelschriften Herausgeber: Prof. Dr. Jan-Wilhelm Beck, Universität Regensburg, Institut für Klassische Philologie, Universitätsstr. 31, 93053 Regensburg (verantwortlich für Latinistik) Prof. Dr. Karl-Joachim Hölkeskamp, Universität zu Köln, Historisches Institut – Alte Geschichte, 50923 Köln (verantwortlich für Alte Geschichte) Prof. Dr. Martin Hose, Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Sprachund Literaturwissenschaften, Griechische und Lateinische Philologie, Schellingstr. 3 (VG), 80799 München (verantwortlich für Gräzistik)
band 115
Zwischen Bitten und Bestechen Ambitus in der politischen Kultur der römischen Republik – Der Fall des Cn. Plancius Sema Karataş
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein
Umschlagbild: Statue des Hermes / röm. Kopie, Vatikan Quelle: akg-images / Tristan Lafranchis Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2019 Layout, Satz und Herstellung durch den Verlag Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12394-5 (Print) ISBN 978-3-515-12399-0 (E-Book)
Vorwort Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die überarbeitete und ergänzte Version meiner Dissertation, die im November 2017 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln angenommenen wurde. Literatur, die nach Dezember 2018 erschienen ist, konnte nur noch vereinzelt aufgenommen werden. An dieser Stelle gilt es nun all denjenigen zu danken, die maßgeblich an der Realisierung dieses Projektes beteiligt waren. Den Anstoß für eine Promotion sowie für das konkrete Thema gab mein Doktorvater Prof. Dr. Karl-Joachim Hölkeskamp. Die Jahre der Zusammenarbeit waren geprägt von einer offenen Diskussionskultur und einem positiven Arbeitsklima an seinem Lehrstuhl. Für seine Förderung, seine Hilfe sowie für die stete Gesprächsbereitschaft bin ich ihm zu großem Dank verpflichtet. Prof. Dr. Peter Schenk hat sich bereitwillig der Aufgabe der Zweitbetreuung angenommen. Er war es, der mir nicht nur die lateinische Sprache näher gebracht hat, sondern mir mit seinem Wissen zur antiken Literatur und Philosophie zur Seite stand, auch ihm gebührt mein Dank. Prof. Dr. Wolfgang Blösel hat freundlicherweise das Drittgutachten übernommen. Für seine Unterstützung, den fachlichen Austausch und dafür, dass er in den dreieinhalb Jahren des öfteren den Weg nach Köln auf sich genommen hat, danke ich ihm ganz herzlich. Neben dem ‚Betreuer-Team‘ gilt mein Dank weiteren wichtigen Personen. An erster Stelle sei hier Prof. Dr. Werner Tietz genannt, der mir noch vor Abschluss meiner Dissertation die Möglichkeit eröffnet hat, an seinem Lehrstuhl eine Mitarbeiterstelle anzutreten. Für diese Chance und für seine Hilfe bei der Überarbeitung des Manuskript möchte ich ihm herzlich danken. Prof. Dr. Marietta Horster, die von 2016-2017 meine Mentorin im Cornelia-Harte-Programm für Nachwuchswissenschaftlerinnen war, sei für die vielen Gespräche und Ratschläge auch über die Zeit des Mentoring hinaus gedankt. Ein Großteil der Recherchearbeiten und der Anfertigung des Manuskripts erfolgte am Deutschen Archäologischen Institut in Rom. Am DAI wurde ich stets herzlich empfangen. Dafür möchte ich dem ersten Direktor des Instituts Prof. Dr. Ortwin Dally und den Kollegen am DAI danken. Die diversen Auslandsaufenthalte konnten allerdings nur mit Hilfe der großzügigen dreijährigen Promotionsförderung der a.r.t.e.s Graduate School an der Universität zu Köln realisiert werden. Dem Leiter der Graduiertenschule Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Speer sowie dem Team des Promotionsbüros sei ebenfalls an dieser Stelle gedankt. Ein besonderes Highlight meiner
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Vorwort
Promotionszeit stellte der Aufenthalt an der University of Cambridge dar. Mein Gastgeber Dr. John Patterson, die Kollegen am Magdalene College sowie an der Faculty of Classics ermöglichten mir einen Einblick in ein neues Arbeitsumfeld, wofür ich ihnen an dieser Stelle ebenfalls danken möchte. Last but not least gilt es den Professoren und den Kollegen am Institut für Alte Geschichte für ein anregendes sowie angenehmes Arbeitsumfeld meinen Dank auszusprechen. Meine Kollegen und Freunde Katharina Kostopoulos, Simon Lentzsch, Dirk Koßmann und Roman Roth waren während dieser Zeit eine besondere Stütze. Meinen Freundinnen Alice Râmneanțu, Patrycja Reczek und Gabriele Scriba danke ich für die akribische Lektüre der Arbeit und für ihre konstruktive Kritik. Claudia Braun, Mario Landsmann und Florian Lukas haben sich mit Hilfestellungen aller Art bei der Anfertigung des Manuskripts verdient gemacht – auch ihnen sei an dieser Stelle gedankt. Und wie stets gilt: Alle Fehler sind meine eigenen. Den Herausgebern der Hermes Einzelschriften, nämlich Prof. Dr. Jan-Wilhelm Beck, Prof. Dr. Martin Hose sowie Prof. Dr. Karl-Joachim Hölkeskamp danke ich für ihre weiterführenden Hinweise sowie natürlich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe. Um den Kreis zu schließen möchte ich zum Schluss meiner Familie, insbesondere meinem Vater, meiner Mutter sowie meiner Großmutter danken, dafür dass sie bei allen meinen Unternehmungen stets hinter mir gestanden haben. Köln, 15. Mai 2019
Inhaltsverzeichnis I. 1. 2.
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Fragestellung und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Vorgehen und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Erster Teil – Was ist ambitus? II. 1. 2. 3.
Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitgenössische Ansätze einer Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leges de ambitu 432–67 v. Chr. – Tatbestände und Verfahrensweisen . . . . . . . . Sulpicius Rufus und die lex Tullia de ambitu 63 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25 25 28 48
III. 1. 2. 3.
Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis. . . . . . . . . . . Sodalicia als hybride Vereinsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Tatbestand de sodaliciis – oder: der ambitus infinitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Gerichtshof ohne Senatoren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Die quaestio de sodaliciis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii. Ex omni populo – eine quaestio extraordinaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iii. Zwei Kategorien: Die iudices editicii und selecti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iv. Die Analyse der editio tribuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60 61 67 71 73 77 89 93
IV. 1. 2. 3. 4. 5.
Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Leges Calpurnia und Acilia de repetundis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Eine kurze Tradition? – Die editio iudicum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Die sullanischen Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Die Leitung der quaestiones perpetuae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Jurys und Juroren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 i. Der Fall Oppianicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 ii. Der Fall Verres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Regeln der Urteilsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Alte Gerichte mit neuen Richtern? – Lex Aurelia iudiciaria . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Der ambivalente Charakter der lex Licinia: Eine lex iudiciaria? . . . . . . . . . . . . . 128
6. 7. 8.
8 V. 1. 2. 3.
Inhaltsverzeichnis
Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Verhältnis von ambitus und vis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Collegia: Nährboden gewalttätiger Aktionen für ambitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sodalitates und ihre Korrumpierung zum Zwecke des ambitus. . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Teil – Der Fall Cn. Plancius VI. Einleitung – Der formale Rahmen des Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Exordium – Motive für die Übernahme des Falls (§§ 1–4) . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Argumentative Strategie I – Die Folgen einer mangelhaften petitio. . . . . . . . . . 158 i. Reprehensio vitae – Die Kritik an der Lebensführung (§§ 5–35) . . . . . . . . . . 158 ii. Crimina sodaliciorum – Die Auseinandersetzung mit dem Vorwurf de sodaliciis (§§ 36–57) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor . . . . . . . . . . . . . . 231 i. Contentio dignitatis – Der Vergleich der Würdigkeit (§§ 58–71) . . . . . . . . . . 232 ii. Oratio pro se – Ciceros Selbstdarstellung (§§ 72–100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4. Peroratio: Bedeutung des Urteils für Cicero (§§ 101–104) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 VIII. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 IX. 1. 2. 3. 4. 5.
Appendices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Anwesende beim Prozess 54 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Gesetze und Jurorenbänke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Tribus-Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Cicero als Verteidiger in den Prozessen zwischen 56–54 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . 297 Die Prozesse de ambitu und de sodaliciis Ciceros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
X. Quellen- und Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 XI. Register Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
I. Einleitung 1. Fragestellung und Forschungsstand Das Prinzip ‚Wahl‘ als Verfahren zur Rekrutierung des politischen Führungspersonals war einer der fundamentalen Grundpfeiler der politischen Kultur der römischen Republik. Als institutionalisierter Entscheidungsträger respektive ämtervergebende Instanz fungierte der in den comitia versammelte populus Romanus, der jene Ämter (honores) zu vergeben hatte, die aristokratischen Status überhaupt erst ermöglichten. Die Bekleidung der honores galt einerseits als Eintrittskarte in den Senat, der auch in der späten Republik (trotz aller Defizite) die zentrale Institution für die Beratung, Vorbereitung und Entscheidung über praktisch alle politischen Angelegenheiten blieb. Andererseits brachte das Erreichen der höheren Stufen des cursus honorum – also der Ämter mit imperium und insbesondere des Konsulats – ihren Inhabern einen besonderen gradus dignitatis und entsprechenden Einfluss sowie auctoritas ein. Damit rückten in erster Linie Konsulare in den exklusiven Kreis der principes auf, die sich als Gruppe vom übrigen Senatsadel als politische Klasse nochmals abgrenzte. Nicht zuletzt hatten sie das traditionelle Recht der privilegierten sententia im Senat inne und konnten so nicht selten die Meinungsführerschaft in konkreten Fragen bzw. Entscheidungsfällen übernehmen. Honores waren damit schlicht und einfach die Voraussetzung und Grundlage der Zugehörigkeit zur politischen Klasse allgemein. Die Bekleidung der Magistraturen brachte aber nicht nur der Einzelperson, sondern vor allem auch der gens, der man angehörte, Macht, Ansehen und Einfluss ein; danach wiederum bemaß sich die Position der Einzelnen und der gentes im Gesamtgefüge der römischen Gesellschaft.1
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Alle Jahresangaben sind, sofern nicht anders vermerkt, als v. Chr. zu verstehen. Die deutsche Übersetzung der Planciana richtet sich nach der von M. Fuhrmann 1997. Maßgeblich für die Planciana wurde die kritische Textausgabe von A. C. Clark 1911 verwendet. Da die Rede für Plancius bis jetzt nicht zum Gegenstand aktueller Untersuchungen wurde, sei hier nach wie vor auf die Kommentare von E. Wunder 1830; E. Köpke / G. Landgraf 1887 und R. C. B. Kerin / A. H. Allcroft 1891 verwiesen. Die Angaben der Scholia Bobiensa richten sich nach der Ausgabe von Th. Stangl 1912. Meier 1984, 185–205; Hölkeskamp 2017, 123–162; Walter 2017, 269–284 zur Forschungsgeschichte.
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I. Einleitung
Entsprechend dieser Voraussetzungen ist es umso plausibler, dass die Konkurrenz – die ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. aus unterschiedlichen Gründen sukzessive zunahm – um die Magistraturen, nämlich neben dem Konsulat auch um die Praetur und sogar die Aedilität besonders scharf gewesen sein musste.2 Da statistisch gesehen allenfalls nur jeder dritte Kandidat Praetor oder Konsul werden konnte, und nicht längst jeder Aedil oder Volkstribun es überhaupt zu einer Magistratur mit imperium brachte, entwickelten sich die jährlichen Wahlen zu einem Feld zum Teil erbittert geführter Auseinandersetzungen innerhalb der politischen Führungsschicht. Zudem machte sich die Konkurrenz zwischen den Mitgliedern der bereits etablierten Elite und den politisch ambitionierten homines novi / domi nobiles bemerkbar, die durch ihre Bestrebungen hervortraten, in den exklusiven Kreis der römischen Führungsschicht aufzusteigen. Die Konkurrenz um die Magistraturen (oder vielmehr die ‚Kämpfe‘ um politische Positionen und Prestige) wurde damit weiter zugespitzt. Vor diesem Hintergrund stellt sich zwangsläufig die Frage nach den Strategien und Methoden, derer sich Kandidaten im Wahlkampf bedienten, um einerseits aus dem Kreis der Konkurrenten hervorzustechen und sich andererseits im ‚Kampf ‘ um die honores durchzusetzen. Im Rahmen der zunehmenden Konkurrenz um politische Ämter bei den alljährlich stattfindenden Wahlen in Rom gewinnt das Problem des ambitus als Bezeichnung für (illegale) Praktiken der Wahl(be)werbung besonderes Interesse, da die visuellen, performativen sowie monumentalen Selbstdarstellungs- d. h. vielfältigen Distinktionsstrategien für die aristokratische Elite von zentraler Bedeutung waren. Dennoch fehlt eine allgemeine Darstellung zur Entwicklung der republikanischen Wahlpropaganda und der mit ihr zusammenhängenden Traditionen und Strategien – oder auch Machenschaften und Machinationen.3 Obwohl es sich bei ambitus um ein eminent wichtiges Phänomen handelt, da er eine ganze Reihe politischer Konflikte auslöste und gesetzliche Maßnahmen nach sich zog, erweist sich die Beschäftigung mit dieser Thematik als besonders kompliziert. Allein die bisherigen Forschungsansätze zeigen die Schwierigkeiten im Umgang mit ambitus deutlich auf. So spitzte Jehne das Problem in einem grundlegenden Beitrag zur Beeinflussung von Entscheidungen durch ‚Bestechung‘ wie folgt zu: „Ambitus war tendenziell immer das, was die anderen taten, während man selbst sich natürlich stets tadellos verhielt.“4 Nur einige Jahre zuvor hatte Lintott das Problem wie folgt skizziert: „I take appropriate care of my friends, you are recklessly generous, he bribes.“5 Sowohl die Feststellung Jehnes als auch die Lintotts weisen deutlich auf das Hauptproblem bei der Beschäftigung mit
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Zum Thema politische Konkurrenz in der römischen Republik mit einem Überblick zur älteren Forschung vgl. Hölkeskamp 2006, 360–396; ders. 2014, 33–58; ders. 2017, 123–162. Yakobson 1999 bietet allerdings einen Überblick zur Wahlpraxis der römischen Republik sowie zu den Faktoren, die die Wahlen maßgeblich beeinflussten. Jehne 1995, 53. Lintott 1990, 11.
1. Fragestellung und Forschungsstand
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dem Phänomen ambitus in der römischen Republik hin, nämlich die perspektivische Asymmetrie zwischen den verschiedenen politischen Akteuren. Unter perspektivischer Asymmetrie versteht Lintott, dass ein Senator, der seine potentiellen Wähler mit Geschenken bedachte – eine durchaus gängige und akzeptierte Praxis –, zugleich seine politischen Gegner bei der Ausübung derselben Praxis des ambitus beschuldigen konnte. Damit wird zumindest nach Lintotts Verständnis ambitus zu einer Invektive, nicht zu einem normierten Rechtsgegenstand.6 Schon Vanderbroeck sah den hier für ambitus eingeführten Begriff der perspektivischen Asymmetrie auch im Zusammenhang mit largitio: Im Gegensatz zu den Getreide- und Agrargesetzen wurden largitiones etwa in Form von Spielen in der späten Republik nicht grundlegend als demagogische Bestrebungen bewertet. Das Ansehen des Politikers bestimmte, ob seine largitio positiv oder negativ beurteilt wurde.7 Die perspektivische Asymmetrie, die von persönlicher Wahrnehmung und politischer Positionierung abhing, erschwert also einerseits maßgeblich die Auseinandersetzung mit ambitus auf einer normativen Ebene. Andererseits führte dieselbe Problematik dazu, dass ambitus stets als ein schwer zugängliches Phänomen aufgefasst wurde, das zugleich zum Kern der Sache auszumachen schien – d. h. also der vermeintlich unzulängliche Charakter des ambitus eine maßgebliche Hürde bei der Identifizierung der diversen konkreten Praktiken und ihrer juristischen Verfolgung darstellte. Will man diese Ungenauigkeit überwinden, also eine scharf umrissene Definition des Tatbestandes gewinnen, so muss der Zugriff auf die Problematik im Vergleich zur bisherigen Forschung in zweifacher Hinsicht erweitert werden: Über den rein materiellen Tatbestand der legislativen Maßnahmen – also die Identifizierung der konkreten unter ambitus fallenden Praktiken, etablierten Einschränkungen und Sanktionen – hinaus muss erstens die strafrechtliche Verfolgung, also die strafrechtlich-prozessuale Behandlung von ambitus, untersucht werden. Welche prozessualen Regelungen lassen sich in den diversen leges de ambitu und auch in der lex Licinia de sodaliciis finden, die spezifisch den Ablauf der ambitus-Prozesse betreffen sollten? Welche längerfristigen Erfolge versprach man sich durch eine Verschärfung bzw. Konkretisierung des prozessualen Rahmens? Zweitens ist eine Kontextualisierung der ambitus-Gesetze mit Blick auf die leges tabellariae und zumindest indirekt auf die relevanten Aufwandsgesetze (leges sumptuariae) sowie insbesondere auf die lex Licinia de sodaliciis und die leges de vi unbedingt notwendig. Insbesondere die auffällige Parallelentwicklung der leges de vi und der leges de ambitu ist von großer Bedeutung, da gewalttätige Ausschreitungen zur Durchsetzung politischer Interessen zu einem beliebten Mittel im politischen Wettkampf wurden. Inwiefern beeinflussten also verschiedene Gesetzeskategorien den ambitus? Können eventuell gemeinsame Schnittmengen aufgezeigt werden?
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Lintott 1990, 16. Vanderbroeck 1987, 99.
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I. Einleitung
Es kann grundsätzlich festgehalten werden, dass Sanktionen, die durch die leges de ambitu eingeführt wurden, zunächst Hinweise auf bestehende Normen und Grenzen sind, gegen die verstoßen und die überschritten wurden, dann aber auch zeigen, dass mit der Zeit konkrete prozessuale Verfahrensweisen eingeführt wurden, die die verfahrensrechtlichen Aspekte unmittelbar zu einem Bestandteil von ambitus werden ließen. Spätestens ab der lex Tullia de ambitu des Jahres 63 v. Chr., die bei einer Verurteilung das Exil als Maximalstrafe einführte, erweist sich die doppelte Erweiterung der Perspektiven als Gewinn an Genauigkeit bezüglich des Charakters des Tatbestandes bzw. der genauen Regelungen. Denn die vor dem Erlass der lex Tullia auf Drängen des Ser. Sulpicius Rufus im Senat geführten Auseinandersetzungen machen deutlich, dass ab 63 v. Chr. neben den reinen Sanktionen auch die prozessuale Verfahrensweise und die Entwicklung von Sonderregelungen für ambitus-Prozesse in den Vordergrund rückten. So hatte Sulpicius Rufus drei Vorschläge eingebracht, die allesamt zurückgewiesen wurden: die Vermischung der Stimmklassen (confusio suffragiorum), die zu Veränderungen im Abstimmungsmodus der comitia centuriata geführt hätte; die Wiederherstellung der lex Manilia de libertinorum suffragiis, die den liberti Stimmrecht in den tribus rusticae gewährt hätte; und die Wiedereinführung der editio sowie damit einhergehend die Etablierung eines album iudicum speziell für die quaestio de ambitu, d. h. der Richterauswahl durch den Angeklagten, die seit den Reformen Sullas 82/81 v. Chr. nicht mehr praktiziert wurde. Bei allen drei Punkten handelte es sich also weder um die Konkretisierung der unter ambitus fallenden Praktiken noch um verschärfte Strafmaßnahmen. Vielmehr wurde der Fokus auf die prozessualen Verfahrensweisen und auf die Entwicklung von Sonderregelungen gelenkt, die den ambitus einschränken sollten. Anders formuliert: In der Verschärfung des prozessualen Rahmens für ambitus-Prozesse ist die Intention zu erkennen, dass neben der Einschränkung des ambitus den Prozessen der denunziatorische Charakter einerseits und ihre Funktion als Kompensationsstrategie für politische Niederlagen durch einen Erfolg vor Gericht andererseits genommen werden sollte. Besonders evident wird die Bedeutung der prozessualen Sonderregeln bei der Ahndung von ambitus-Delikten mit der Verabschiedung der lex Licinia de sodaliciis: In die Bestimmungen des Gesetzes wurden diverse vom Senat einige Jahre zuvor rigoros abgelehnte Regelungen – so unter anderem die editio tribuum, die Anklägern eine besonders privilegierte Position bei der Richterauswahl verschaffte – aufgenommen, die die Organisation und Durchführung von ambitus unattraktiv machen sollten. Der Aspekt der prozessualen Verfahrensweise und/oder die Entwicklung von Sondervorschriften im Rahmen der ambitus-Problematik wurde bis jetzt weder betrachtet noch als ein lohnender Ansatz erkannt, der es ermöglicht, das Phänomen greifbarer zu machen und von der mangelnden Genauigkeit loszulösen. Grundsätzlich können drei strukturelle Probleme bei der Beschäftigung mit dem Phänomen ambitus beobachtet werden: Das erste ist ein rechtspolitisches, das sich aus dem permanenten Spannungsverhältnis zwischen den Gesetzen und den gesellschaft-
1. Fragestellung und Forschungsstand
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lichen Erwartungen an die Kandidaten ergibt. So wurden Praktiken wie Spiele, Geschenke und Volksspeisungen, die mit der Zeit unter die Reglementierung der leges de ambitu fielen, stillschweigend erwartet und akzeptiert. Grund für die Toleranz war das generell begrenzte Handlungsspektrum für Bewerber im Rahmen der petitio, das die Persistenz von ambitus in der Konkurrenz um politische Ämter wiederum bedingte. Die zweite Problematik besteht in der engen Vernetzung der Amtsinhaber und Amtskandidaten innerhalb der politischen Elite.8 Individuelle Beziehungen und persönliche Verhältnisse wurden nicht selten vom Einfluss der jeweiligen ‚Machthabenden‘ bestimmt und wirkten sich so auf die Vergabe von honores aus.9 Die unterschiedlichen Gruppen, mit denen die Kandidaten in Verbindung standen, waren zum Teil von solcher Größe, dass der Versuch einer Trennung zwischen den für die Wahlunterstützung relevanten unterschiedlichen Bindungsverhältnissen kaum möglich war. Die Beliebtheit der Kandidaten war daher der ausschlaggebende Faktor, der über Sieg und Niederlage entscheiden konnte – falls die Verhältnisse nicht durch inakzeptable oder gar illegale Praktiken gestört wurden.10 Das dritte Problem zeigt sich auf ökonomischer Ebene. Die von den Kandidaten aufgenommenen Kredite und die daraus entstandenen hohen Verschuldungen führten zu einer Verschärfung der Wahlkampagnen und machten einen Wahlsieg oft unbedingt notwendig.11 Eine Wahlniederlage bedeutete also nicht nur auf das angestrebte Amt verzichten zu müssen und den Konkurrenten wie auch der Öffentlichkeit unmittelbar als ‚Verlierer‘ gegenüberzutreten, sondern zugleich den Verlust der für den ambitus aufgewendeten Geldmittel zu erdulden.12 Die Problematik ist in ihrer Gesamtheit jedoch nicht begreifbar, wenn nicht auch die Strukturen betrachtet werden, die mit dem ambitus verbunden sind: Die Organisationsformen der Wählermobilisierung konnten sich zunächst auf soziale also traditionelle Netzwerke wie Patronage, amicitia und familiäre Beziehungen stützen.13 Die Grenzlinie zwischen der traditionellen euergetischen Verfahrensweise der Wählermobilisierung sowie dem Gebrauch von bereits gegebenen organisatorischen Strukturen (d. h. tribus, collegia, sodalitates, sodalicia und coitiones) einerseits und mit illegalen und/oder als illegitim empfundenen Praktiken andererseits verschwimmt dabei 8 9 10 11
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Rollinger 2014. Yakobson 1999, 65 ff. zur Rolle von persönlichen Bindungen und ihrer Bedeutung für Wahlen; siehe dazu die vorliegende historische Analyse Cic. Planc. 13; 19; 47 u. ö. Yakobson 1999, 103. Wobei die Praktiken, die einen gewissen Grad an Beliebtheit oder Zuspruch sichern sollten, durchaus unter das weite Feld des ambitus fallen konnten. Rollinger 2009, 101 ff. zum cursus honorum und der aus der politischen Laufbahn resultierenden Verschuldung römischer Senatoren; Beck 2016, 131–152; ders. 2019, 31–54 sieht bereits für das frühe 2. Jahrhundert (lex Cornelia Baebia de ambitu von 181 v. Chr.) einen engen Zusammenhang zwischen den wachsenden finanziellen Möglichkeiten der römischen Aristokratie und der dadurch wachsenden Konkurrenz um politische Ämter. Siehe nur Rosillo-López 2010, 192–203; Shatzman 1975, 75 ff. insbesondere 88 ff. Rollinger 2014 (amicitia); Goldbeck 2010 (salutationes); Deniaux 2010 (Patronage).
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I. Einleitung
nicht selten:14 So durften zwar unter Einhaltung bestimmter zeitlicher wie finanzieller Grenzen prandia oder munera veranstaltet werden, die Praxis wahlloser Geldgeschenke während der Gastmähler oder öffentlichen Spiele, die kaum unter den Deckmantel patronaler Wohltaten fallen konnte, scheint dagegen streng missbilligt worden zu sein. Aufgrund der diversen Mobilisierungsmechanismen entstanden viele rechtliche Grauzonen,15 die wiederum dazu geführt haben, dass ambitus keine klar umrissene Definition erhalten hat. Bei der Wahlkampfführung in der letzten Phase der späten Republik scheint nicht mehr in erster Linie das individuelle Auftreten und der Habitus des Kandidaten eine große Rolle gespielt zu haben – auch wenn Cicero in der Planciana gerade diesen Punkt besonders in den Vordergrund rückt. Tatsächlich ist die Argumentation innerhalb der oratio pro Cn. Plancio um die Beschreibung eines Idealbildes bemüht, in dem der populus als ämtervergebende Instanz der Entscheidungsträger ist und von den Akteuren die Akzeptanz von Sieg und Niederlage verlangt wird. Ciceros Darstellung wird der politischen Situation Mitte der 50er v. Chr. jedoch nicht gerecht. Darüber hinaus bietet die Verteidigungsrede, die Cicero 54 v. Chr. für Cn. Plancius vor der quaestio de sodaliciis hielt, diverse strafrechtliche wie prozessrechtliche Informationen und ermöglicht einen Einblick in die Organisation von sodalicia, die als eine neue Art der Vereinigungen der späten Republik besonderen Einfluss auf die Wählermobilisierung hatten. Die vorliegende Untersuchung soll neben der oben erwähnten doppelten Erweiterung der Perspektiven – also einer Analyse nicht nur des materiellen Tatbestandes, sondern auch der prozessrechtlichen Aspekte und der Kontextualisierung der leges de ambitu – zeigen, dass erstens unterschiedliche Personenkreise in die Organisation und Durchführung des ambitus involviert waren: Familienmitglieder, amici, Patrone und Klienten, amtierende Magistrate und darüber hinaus die sogenannten Mittelspersonen wie unter anderem magistri collegiorum und vicorum, sodales, sequestres, divisores, sectatores und nomenclatores. Zweitens sind die organisatorischen Strukturen wie die collegia und sodalitates von großer Bedeutung, da sie zu einem wichtigen politischen Instrument im Wahlkampf und damit in der direkten Konkurrenz zwischen den Kandidaten wurden. In den Vereinen, in denen hauptsächlich die städtische Wählerschaft versammelt war, fanden Amtsbewerber mit Hilfe der magistri collegiorum oder der entsprechenden Patrone für Wahlzwecke mobilisierbare Gruppen des Volkes. Unter die Strategien des Wahlkampfes fielen aber nicht nur die von Bewerbern geschlossenen coitiones, traditionellen Netzwerke oder bekannten Vereinsformen: Es wurden zum Teil sogar neue Me14 15
Zu den Mobilisierungsmethoden mit Hilfe von largitiones in Form von munera und zum Einsatz von collegia siehe Vanderbroeck 1987. So auch Lowenstein 1989, 29–30; Rosillo-López 2010, 19–20 sieht eine potentielle Grauzone, die durch ambitus im Zusammenhang mit den coitiones generiert wurde.
1. Fragestellung und Forschungsstand
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thoden und Strukturen wie die an einzelne tribus gebundenen sodalicia – eine hybride Form der Vereinigung in der letzten Phase der Republik – generiert.16 Ambitus als transgressive Werbung in eigener Sache darf demnach nicht schlicht als ‚Wahlbestechung‘ oder gar ‚Korruption‘17 verstanden werden, da sich (aktive sowie passive) Bestechung einseitig auf pekuniäre Mittel beschränkt und Korruption in politischem Sinne in erster Linie den Missbrauch öffentlicher Ämter zum eigenen oder zum Vorteil Dritter meint. Ambitus unterschied sich strukturell darin, dass er noch vor der Besetzung politischer Ämter angewandt wurde und sich durchaus nicht nur auf die Verteilung von Geldern beschränkte. Demzufolge muss ambitus als ein Spektrum relativ spezifischer Praktiken verstanden werden, die entweder bereits illegal waren und damit zwangsläufig eine negative moralische Assoziation auslösten18 – weshalb Cicero sich bewusst in der Prozessrede für Cn. Plancius gegen die Verwendung des Begriffs ambitus und für largitio entscheidet19 – oder die zwar noch legal waren, aber als illegitim und daher als moralisch verwerflich empfunden und in einem nächsten Schritt kriminalisiert wurden. Die Komplexität des politischen Phänomens ambitus und insbesondere sein Einfluss auf die politische Kultur der späten Republik ist in der älteren Forschung stets vernachlässigt worden. Zum Prozessgegenstand ambitus liefert Nadig einen Überblick, in dem allerdings die jeweiligen leges de ambitu bis in die frühe Kaiserzeit20 lediglich schematisch dargestellt werden.21 Eine weitere Quellensammlung und Kommentierung zu den bekannten ambitus-Gesetzen findet sich bei Bauerle, die jedoch den Einfluss von ambitus auf das politische Leben in Rom geringer einschätzt, als es tatsächlich der Fall war.22 Fascione dagegen bietet eine detaillierte Übersicht zu Entstehung und Entwicklung des Tatbestandes ambitus. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf die Auflistung der ambitus-Gesetze, sondern analysiert auch die überlieferten ambitus-Prozesse. Seine Hauptziele bestehen jedoch darin, einerseits die Bedeutung von ambitus für die Sozial- und Rechtsgeschichte der römischen Republik, andererseits seine Auswirkungen auf die Entwicklung des republikanischen Kriminalverfahrens herauszuarbeiten.23 In diesem Zusammenhang bemüht er sich um eine neue, differenzierte Sicht auf die Entstehung der Geschworenengerichte: So sei das ambitus-Verfah-
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Vanderbroeck 1987, insbesondere 104 ff. („Mobilization“) und 142 ff. („Collective Behavior“). Zu Korruption in der Antike: Schuller 1982. Rosillo-López 2010, 16–23 und 49–69 und Walter 2010, 147 begreifen ambitus als eine Art der Korruption in der späten Republik. Vgl. Jehne 1995, 53, der in Ermangelung eines den Tatbestand besser treffenden Begriffs für ambitus ebenfalls von „Bestechung“ spricht, sich aber dabei von einem Werturteil distanziert. Vgl. hier im historischen Kommentar Cic. Planc. 6. Eine Untersuchung des ambitus in der Kaiserzeit (insb. die lex Iulia de ambitu von 18 v. Chr.) findet sich bei Trisciuoglio 2017; Bur 2018, 325–327. Nadig 1997. Bauerle 1990; siehe nur die Entgegnung bei Yakobson 1999, 143 mit Anm. 69; 99 mit Anm. 69. Fascione 1984, 9 f., 15 ff.
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I. Einleitung
ren per quaestiones (perpetuae) nicht erst durch die lex Calpurnia de repetundis im Jahre 149 v. Chr. eingeführt worden, sondern bereits mit der lex Cornelia Fulvia aus dem Jahre 159 v. Chr. Allerdings scheitert seine These an der Auslegung der zugrunde gelegten Quellen:24 Denn die kombinierte Interpretation der bei Livius erwähnten quaestiones des Diktators C. Maenius und die Nennung des ambitus-Verfahrens gegen C. Marius bei Plutarch rechtfertigen nicht die Schlussfolgerung, dass eine Änderung des Verfahrens mit der lex Cornelia Fulvia etabliert wurde. Vor allem aber schneidet Fascione wichtige weiterführende Fragen nicht an: Wie viel Einfluss besaß ambitus bei der Bewerbung um ein politisches Amt in der aristokratischen Face-to-Face-Gesellschaft der Republik? Welche Konsequenzen brachten die Sanktionen des crimen ambitus in diesem politischen System und dieser Gesellschaft mit sich? Jüngere Arbeiten unternehmen zwar einen Versuch in diese Richtung, konzentrieren sich aber lediglich auf einzelne Präzedenzfälle.25 Diverse Aspekte des ambitus sind demnach nicht nur nicht geklärt, sondern wohl gar nicht als Problem erkannt worden. In letzter Konsequenz ist die Arbeit zum ambitus in die große Debatte zur politischen Kultur der römischen Republik einzuordnen – der Wettkampf um honos bzw. honores war schließlich eines der prägnantesten Merkmale dieser aristokratischen Gesellschaft.26 Nicht nur werden anhand des ambitus die Konkurrenz innerhalb der republikanischen Elite um politische Ehren und die mit ihr einhergehenden Distinktionsstrategien und Kommunikationswege analysiert. Vielmehr sollen über die grundlegenden Komponenten der Diskussion um die politische Kultur der Republik hinaus auch maßgeblich die legislativen Maßnahmen, ihre historischen Hintergründe und die aus ihnen resultierenden Prozesse als weitere Faktoren in die Diskussion eingebracht werden – dafür wird hier der Begriff der reaktiven Gelegenheitsgesetze eingeführt. Darunter sind legislative Maßnahmen zu verstehen, die einerseits auf eingetretene Missstände reagieren und ad hoc erlassen wurden, um diese zu beheben, und die andererseits darauf abzielten, einen idealen Sollzustand zu schaffen. Im Kontext des ambitus bedeutete das also, eine zumindest formale Chancengleichheit zwischen den Kandidaten zu schaffen und Transparenz über die Strategien und Methoden des Wahlkampfes zu ermöglichen. Verstärkend kommt hinzu, dass es sich bei den leges de ambitu fast ausschließlich um konsularische Gesetze und damit um ein Feld der konsularischen Politik handelte. Ihrem Selbstverständnis als amtierende Konsuln nach mussten sie quasi ex officio streng gegen korrupte Wahlpraktiken vorgehen und sich
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Vgl. die Rez. von K.-J. Hölkeskamp, ZRG 104 (1987), 791–796; konkret sind die Stellen Cic. Brut. 27; 106 und Plut. Marius 5,5 in Kombination mit Liv. IX,26,6 f. gemeint. Linderski 1961, 106–119; Jehne 1993, 593–613; Jehne 1995, 51–76; Linderski 1995, 107–114; Schuller 2000, 349–361; Ferrary 2001, 159–198; Kowalski 2007, 29–45; Walter 2010, 145–166; Beck 2016, 131–152. Vgl. Hölkeskamp 2017, 73–106; 123–162; ders. 2019, 11–30.
2. Vorgehen und Aufbau der Arbeit
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selbst nicht davon betroffen fühlen: Gesetze, Prozesse und Gerichte müssen daher als performativer Akt auf der öffentlichen Bühne Roms verstanden werden,27 die auf großes Interesse stießen und durchaus polarisieren konnten – also Gegensätze über die politische Klasse hinaus zumindest auch in der stadtrömischen Gesellschaft hervorriefen. Auf dieser Grundlage wird ersichtlich, dass ambitus ein systemimmanentes Problem der res publica war, das verursacht und gleichzeitig aufrechterhalten wie auch forciert wurde durch die hohe Anzahl an Bewerbern und die steigende Konkurrenz um die nur in begrenzter Zahl zur Verfügung stehenden honores.28 Vor allem aber wurde ambitus verstärkt durch fehlende alternative Karriereoptionen einerseits und durch die rückläufige Akzeptanz von Niederlagen andererseits, auf die diese spezifische politische Ordnung schließlich aufgebaut hatte. 2. Vorgehen und Aufbau der Arbeit Die Annäherung an das Problem des ambitus soll hier in zwei Teilen geschehen. Die Darstellung und Analyse des ambitus erfolgt im ersten Teil, der in vier Kapitel untergliedert ist. Das Kapitel II „Ambitus – ein Tatbestand ohne klare Grenze?“ betrachtet einerseits zeitgenössische Definitionsansätze29 und bietet andererseits einen Überblick über verschiedene Gesetze, die vom späten 5. Jahrhundert v. Chr. bis einschließlich zur Verabschiedung der lex Tullia de ambitu im Jahr 63 v. Chr. reichen.30 Die ambitus-Gesetzgebung wird dabei aus rechtshistorischer, rechtstheoretischer und rechtspraktischer Perspektive beleuchtet. Die Auswertung des zeitgenössischen Quellenmaterials ermöglicht zwar erste Ansätze für das Verständnis von ambitus, zeigt aber zugleich auf, dass eine präzise und klar umrissene Definition auf Quellenebene nicht gegeben ist. Der Betrachtungsrahmen muss daher um die inhaltliche Entwicklung der diversen leges de ambitu erweitert werden. Dabei gilt es zu untersuchen, ob die Gesetze gegen ambitus über den rein materiellen Tatbestand hinaus auch prozessrechtliche Informationen liefern. Die Untersuchung der ausdrücklichen Normierung prozessualer Verfahrensweisen für ambitus-Klagen, wie wir sie zum ersten Mal 63 v. Chr. mit der lex Tullia de ambitu, 55 v. Chr. mit der lex Licinia de sodaliciis und kurze Zeit später 52 v. Chr. mit der lex Pompeia de ambitu konkret fassen können, stellt damit einen neuen Ansatz dar, der zu einer Klarheit im Bereich der ambitus-Problematik führen kann. Die detaillierte Behandlung der lex Licinia, die Rekonstruktion der quaestio de sodali27 28 29 30
Steel 2016, 205–227; van der Blom 2016, 29–33. Zur Problematik der Konkurrenz in der res publica Hölkeskamp 2006 (ND 2017); ders. 2014 und 2019; daneben Flaig 1995, 115–148; Nebelin 2014, 141–174. Siehe für die zeitgenössischen Definitionsansätze zunächst die lex Poetelia de ambitu: Elster 2003, 12–14; Rotondi 1962, 221; Liv. VII,15,12. Zu den Gesetzen der frühen Republik siehe vor allem Elster 2003, die die überholte Kompilation von Rotondi 1962 ersetzt. Siehe auch die Rez. von K.-J. Hölkeskamp, ZRG 122 (2005), 258–267.
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I. Einleitung
ciis und die Analyse des Phänomens sodalicia wie auch die mit dieser Form der Vereinigung einhergehenden politischen Aspekte sind Gegenstand der Kapitel III: „Alte Gesetze in neuen Händen? Die lex Licinia de sodaliciis“ und IV: „Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia“. Dabei können nicht nur Entgrenzungen und Regelverstöße gegen auf dem Gewohnheitsrecht beruhende traditionelle Werte, sondern auch gegen positives Recht aufgezeigt werden. Insbesondere die lex Licinia de sodaliciis zeigt die Differenz zwischen der rechtstheoretischen Absicht und der rechtspraktischen Anwendung der lex deutlich auf. Auch ermöglicht bzw. erfordert eine dezidierte Auseinandersetzung mit der lex Licinia eine Darlegung der generellen Regeln für die Zusammensetzung der Gerichtshöfe der späten Republik. Schließlich kann und muss erst vor dem Hintergrund der regulären Gerichtsverfassung und Zusammensetzung der Gerichtshöfe der außerordentliche Charakter der lex und der quaestio de sodaliciis erläutert werden.31 Lenkt man das Interesse über den materiellen Gehalt der leges hinaus, wird schnell ersichtlich, dass es sich bei ambitus keineswegs um ein politisch isoliertes Phänomen handelte. Das weite Spektrum der Wahlkampfmethoden und -praktiken gerade zur Zeit der späten Republik wurde auch durch andere Gesetze nicht nur bedingt, sondern scheint zum direkten Gegenstand von offenbar unterschiedlichen leges geworden zu sein. Neben der Analyse der Korrelation zwischen den leges de ambitu und den leges sumptuariae und tabellariae wird dem Verhältnis zwischen vis und ambitus im Kapitel V: „Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik“ besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Bei der näheren Untersuchung der Verbindung zwischen ambitus und vis treten zwei Faktoren der Wahlwerbungsmethoden in den Vordergrund: Erstens können die umfangreichen Mobilisierungsstrategien unter Zuhilfenahme der Vereine (collegia und sodalitates) herausgearbeitet werden, zweitens tritt auf besondere Weise der Einsatz offener Gewalt für und wegen ambitus in den Vordergrund.32 Dabei ist zu beobachten, dass sich Gewaltakte im Kontext der Instrumentalisierung unterschiedlicher Vereinsformen für Wahlzwecke durch drei Eigenschaften auszeichneten: erstens durch ihren kollektiven Charakter, zweitens durch ihre bewusste Planbarkeit und drittens durch ihre situative Gebundenheit. Eine Auflösung dieser komplexen Sachverhalte wird im zweiten Teil mit Hilfe des historischen Kommentars zur Verteidigungsrede pro Cn. Plancio unternommen. Einleitend wird zunächst im Kapitel VI: „Der formale Rahmen des Prozesses“ der historische Kontext und der Aufbau der Rede nach der antiken Rhetoriktheorie dargestellt. Die Erläuterungen der sachlich-inhaltlichen, d. h. juristischen oder historischen Hintergründe und die Analyse der ciceronianischen Argumentationsstränge gemäß der 31 32
Riggsby 1999, 151 ff. mit einem kurzen Überblick zu den iudicia publica. Gewaltakte gegen ambitus-Gesetze sind ebenfalls bezeugt. Siehe nur die gewalttätigen Auseinandersetzungen 67 v. Chr. gegen die vorgesehenen Maßnahmen der rogatio Cornelia bzw. lex Calpurnia de ambitu.
2. Vorgehen und Aufbau der Arbeit
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rhetorisch-argumentativen Funktion sind Gegenstand des Kapitels VII: „Historischer Kommentar zu oratio pro Plancio“. Im Rahmen der historischen Analyse werden die für ambitus-Prozesse gängigen Punkte der reprehensio vitae, contentio dignitatis und die crimina (sodaliciorum) untersucht. Die Planciana umfasst im Gegensatz zu der anderen erhaltenen Rede in einem ambitus-Prozess nämlich pro Murena den zusätzlichen Punkt der oratio pro se, die der Selbstdarstellung Ciceros bzw. der Rechtfertigung seiner politischen Haltung nach dem Exil dient. Anhand der historischen Kommentierung der Planciana – die zahlreiche wertvolle straf- und prozessrechtliche Details liefert, die sich in anderen Quellen nicht finden lassen – wird nicht nur die Schnittmenge diverser Gesetze sowie diverser Organisationsstrukturen offensichtlich, die den ambitus maßgeblich beeinflussten. Daneben treten in erster Linie die prozessualen Verfahrensformen – vor allem die editio tribuum – in den Vordergrund, die in den bisherigen Arbeiten zum ambitus nicht berücksichtigt wurden. Die historische Analyse legt zudem eine große Bandbreite an Begrifflichkeiten offen, die das weite Feld des ambitus umschreiben: ambitio, largitio, liberalitas und beneficium werden verwendet, ohne dass der offensichtlich negativ konnotierte Begriff ambitus gebraucht wird. Auf Basis der Begriffsvielfalt, wie sie aus der oratio pro Cn. Plancio hervorgeht, wird wiederum deutlich, dass es sich bei ambitus um ein komplexes politisches Phänomen mit unterschiedlichen Denotationen wie Konnotationen handelte. Der historische Kommentar ist also eine Methode von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des ambitus-Phänomens. Neben diesem ersten Aspekt werden gemäß der ciceronianischen Argumentationsgänge Exkurse zur Begriffsgeschichte zentraler Werte der römischen Nobilität gegeben: so zu laus, virtus, dignitas und auch zu amicitia. In besonderer Weise sollten folgende wichtige Faktoren, wie sie im historischen Kommentar analysiert werden, zum Wahlerfolg beitragen: die enorme Rolle von honos und gloria der eigenen Vorfahren sowie damit einhergehend die Stellung der gens, der ein Kandidat angehörte, und schließlich Einfluss und Ansehen der Herkunftsstädte, insbesondere ihr rechtlicher Status als municipium oder praefectura. Neben den begriffsgeschichtlichen Exkursen werden die unterschiedlichen sozialen Praktiken geschildert, die von Cicero in der Verteidigungsrede aufgegriffen werden, da sie bei der Wahlwerbung wie auch in Prozessen von zentraler Bedeutung waren – hier geht es unter anderem um die ‚Kultur des Bittens‘, also das ehrerbietige Auftreten der Amtsbewerber während der petitio und der Angeklagten vor Gericht; die Bedeutung der dauerhaften Präsenz in Rom, die durch keinerlei Erfolge in den Provinzen zu ersetzen war; das demonstrative Anlegen von Trauerkleidung (mutatio vestis) und überhaupt die Bedeutung von squalor in der römischen Politik.33 Zur Bandbreite der näher betrachteten Distinktionsmerkale zählten auch die supplicationes und in besonderer Weise die imagines maiorum, die den Einzelnen im Wahlkampf und innerhalb der politischen Elite auszeichneten. Teil der
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Vgl. zu squalor in der römischen Republik Degelmann 2018.
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I. Einleitung
historischen Analyse ist zudem ein Überblick über die Entstehung und Entwicklung der (curulischen) Aedilität, da der ambitus-Prozess gegen Cn. Plancius 54 v. Chr. einen Einzelfall darstellt: Die deutliche Mehrheit der überlieferten Prozesse wurde in der Regel für die Stellen des Konsulats oder der Praetur angestrengt, jedoch nur in diesem speziellen Fall für die Aedilität. Auch die prosopographischen Seitenblicke auf die von Cicero in durchaus unterschiedlichen Kontexten zur Bekräftigung der vorgebrachten Argumente angeführten historischen und aktuellen (bona oder auch mala) exempla und die auch sonst in Reden gern zitierten „Ikonen der virtus“34 sind ein Teil der Analyse. Unabhängig vom Inhalt werden die einzelnen Argumente, Behauptungen und Exkurse auch gemäß der strategischen Funktion ihrer jeweiligen konkreten Platzierung im Gewebe der forensischen Rhetorik Ciceros verdeutlicht: Die historische Analyse der Prozessrede bietet also nicht nur umfassende Einblicke in die politische Kultur der römischen Republik, sondern trägt maßgeblich zu ihrem Verständnis bei. Diesem Punkt folgt der abschließende Teil der vorliegenden Studie. Er dient der Zusammenfassung, aber auch der Erschließung in Gestalt einer integrierten Auswertung der Resultate der beiden Hauptteile. Die Appendices stellen die unterschiedlichen Elemente der ciceronianischen Argumentation dar: Anwesende vor Gericht dienten der Verteidigung als Leumundszeugen, auf die man sich als gewissermaßen physisch anwesende exempla beziehen konnte. Eines der leitenden Argumente in der Planciana ist die Versöhnungsgeste Ciceros nach dem Exil gegenüber seinen (ehemaligen) politischen Kontrahenten. Die schematische Darstellung der von ihm geführten Prozesse bis 54 v. Chr. kann dies bestätigen und zugleich die kontinuierliche Kritik an seiner Person durch die Ankläger im Plancius-Prozess erklären.35 Ziel einer solchen Herangehensweise ist die Analyse und Auswertung der ciceronianischen Rede – die Nutzung historischer Stoffe, Beispiele und Anspielungen in und zur politischen Kultur der römischen Republik. In der Verfassung der römischen Republik war also das Prinzip ‚Wahl‘ – sofern die politischen Entscheidungsprozesse intakt waren – eine alternativlose Option. Das politische System der res publica, das nur eine knappe Anzahl von honores bereithielt, produzierte aufgrund fehlender Karriereoptionen und attraktiver Kompensationsmöglichkeiten regelmäßig mehr Verlierer als Sieger.36 Da die politische Kultur die Direktheit, Sichtbarkeit und Hörbarkeit im kommunikativen öffentlichen Raum voraussetzte, traten Sieger und mutatis mutandis Verlierer unmittelbar als solche auf. Diese Entwicklung und die sinkende Frustrationstoleranz führten schließlich zu einer rückläufigen Akzeptanz von Niederlagen im politischen Agon, auf die sich das politi34 35 36
Hölkeskamp 2003, 213–237; vgl. Bücher 2006. Die Versöhnungsgeste in der Planciana wurde von Craig 1990 aufgegriffen (leider recht oberflächlich); zur Bedeutung von Leumundszeugen („character witnesses“) May 1988. Siehe dazu Hölkeskamp/Beck 2017.
2. Vorgehen und Aufbau der Arbeit
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sche System stützte. Die alljährliche Konkurrenz um Ämter, die sich ab der Mitte des 2. Jahrhunderts drastisch verschärfte, führte zur Entwicklung diverser Distinktionsstrategien, die zu einem großen Konfliktpotenzial in der römischen Politik wurden. Am Phänomen des ambitus als Bezeichnung für (illegale) Praktiken der Wahl(be)werbung – oder noch allgemeiner: für transgressive Werbung in eigener Sache – lassen sich in besonderer Weise die Kanalisierungs- bzw. Regelungsprobleme in der späten Republik aufzeigen. Trotz der Persistenz des ambitus signalisieren andauernde gesetzliche Initiativen, sukzessive steigende Strafsätze und vor allem die Entwicklung von prozessualen Sonderregelungen explizit für ambitus-Prozesse den Wunsch nach politischer Stabilität und nach der Erhaltung des politischen status quo.
Erster Teil – Was ist ambitus?
II. Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze? 1. Zeitgenössische Ansätze einer Definition Eine Unterscheidung zwischen legalen, illegalen oder anfänglich noch als illegitim empfundenen Handlungsweisen und Praktiken, die unter das breite Spektrum von ambitus fallen, sorgt bereits auf semantischer Ebene für Schwierigkeiten.1 Laut dem Oxford Latin Dictionary bedeutet das lateinische Verb ambire in seiner ersten Bedeutung ‚wiederholt besuchen‘, ‚umhergehen‘ und ‚herumgehen‘. Für den politischen Gebrauch des Begriffes ist die zweite Bedeutung von Interesse. In diesem Kontext wird das Verb für das Werben und Erbitten von politischer Unterstützung gebraucht.2 Auf den ersten Blick erscheint das Bitten um politische Unterstützung, das Werben um Wahlstimmen als unverfänglich. Die Linie zwischen Bitten und ‚Bestechen‘ ist jedoch nicht klar zu ziehen und je nach persönlichem Ermessen unterschiedlich auslegbar. Im substantivischen Gebrauch erhält das Nomen eine eindeutigere Konnotation. Demnach bedeutet ambitio ‚aufdringliches Wahlwerben‘, ‚Beharren auf Unterstützung‘ und ‚Streben nach Beliebtheit/Zuspruch‘.3 Unter ambitio scheinen der Wortbedeutung nach jedoch keine illegalen Vorgehensweisen der Wahlkampfführung verstanden worden zu sein. Ambitus als politisch relevantes Phänomen wird im Vergleich zu ambitio deutlich negativer charakterisiert: ‚korrupte‘ und ‚illegale‘ Praktiken der Wahlwerbung, ‚Bestechung‘ und
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Zur Begriffsgeschichte/Etymologie von ambire, -tio, -tiosus, -tiose, -tus siehe Teichmüller 1901, 5–28; Hellegouarc’h 1963, 208–211; Nadig 1997, 95–97; nach wie vor zur Quellenlage TLL 1 (1905) 1857–1862 s. v. ambitus. OLD 114–115 s. v. ambio, no. 1 to visit in rotation, go the round of, go round; no. 2 to canvass, solicit (for political support); vgl. TLL 1 (1905) 1846–1851 s. v. ambio. OLD 115 s. v. ambitio, no. 1a a soliciting of votes, canvassing; no. 1b insistence in seeking favours, importunity; no. 1c a seeking (after), courting; no. 1d corrupt practices in seeking honours, verdicts, etc., graft, intrigue. Laut Fuhrmann bezeichnete ambitio jedoch die erlaubte Wahlwerbung, wohingegen ambitus als terminus technicus für die unerwünschten und strafbaren Arten der Wählerbeeinflussung diente. Siehe dazu: Fuhrmann 1997, Einleitung pro Murena, 292; vgl. TLL 1 (1905) 1851–1854 s. v. ambitio.
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II. Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?
in einem weiteren Sinne ‚Korruption‘.4 Obwohl sowohl ambitio als auch ambitus von der Wortbildung her für ein und dieselbe Praktik stehen konnten, nämlich das Herumgehen der candidati während ihrer petitio zum Zwecke des Stimmenfangs, dürfen sie nicht als grundsätzlich gleichbedeutend verstanden werden.5 Einen Hinweis darauf liefert Varro in de lingua Latina 5,28, wo er verschiedene Worte mit dem Bestandteil am- etymologisch von ambitus herleitet. Er beginnt die Analogie mit dem Substantiv amnis „Fluss“ (nam ab ambitu amnis), gefolgt von dem Ethnikon Amiterninus (ab hoc qui circum A[l]ter[u]num habitant Amiternini appellati). Der für das politische Verständnis von ambitus relevante Passus schließt sich gleich an: „Ab eo qui populum candidatus circum it, ambit, et qui aliter facit indagabili ex ambitu causam dicit.“ / „Daher betreibt derjenige Wahlkampf (ambit), der als Bewerber um ein Amt unter dem Volk umhergeht; wer das anders macht, der steht wegen gerichtlich verfolgbarem ambitus vor Gericht.“6 Varro differenziert hier zwischen zwei Methoden der Wahlkampfpraxis, die von unterschiedlicher Natur zu sein scheinen. Das Herumgehen beim Volk als ‚neutrale‘ und erlaubte Praktik wird der unerwünschten bzw. strafbaren Vorgehensweise des ambitus gegenübergestellt. Ambitus bedeutete also zunächst eine Überschreitung der gewöhnlichen ambitio. Trotz dieser Unterscheidung bleibt ungeklärt, welche konkreten Praktiken, die eine gerichtliche Untersuchung nach sich ziehen konnten, unter den Tatbestand ambitus fielen. Eine weitere Unterscheidung zwischen ambitio und ambitus findet sich bei Livius: Ein Gesetz gegen das Buhlen um die Gunst der Wähler (de ambitu) wurde damals zum erstenmal von dem Volkstribunen C. Poetelius mit Einwilligung des Senats vor dem Volk beantragt; man glaubte, durch diesen Antrag sei der Ehrgeiz (ambitionem) vor allem der Menschen unterdrückt worden, die keine Ahnen aufzuweisen hatten und die bei den alle acht Tage stattfindenden Märkten und an den Versammlungsorten herumzugehen pflegten.7
Es handelt sich hierbei um die lex Poetelia de ambitu von 358 v. Chr.8 Der übersteigerte Ehrgeiz der homines novi sollte durch eine lex de ambitu eingedämmt werden. Dabei scheint Livius hier lediglich eine Form der übersteigerten ambitio zu meinen, die sich in der überdurchschnittlichen Präsenz der Kandidaten an öffentlichen Ver4 5 6
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OLD 115 s. v. ambitus, no. 6 corrupt practices in electioneering, undue influence, bribery; (also, in general) corruption, graft; vgl. TLL 1 (1905) 1857–1862 s. v. ambitus. Teichmüller 1901, 5–28; hier 11 f. ambitio als „schmeichelhafte Selbstpräsentation“. Varro ling. 5,28. Die deutsche Übersetzung ist meine eigene freie Übersetzung. Französische Übersetzung nach J. Collart: „Par suite, celui qui fait le tour (circumit) des électeurs en qualité de candidat, ambit (sollicite leurs suffrages), et celui qui agit illégalement, encourt un procès consécutif à sa brigue (ambitus) dans la recherche des suffrages.“ Liv. VII,15,12–13: „Et de ambitu ab C. Poetelio tribuno plebis auctoribus patribus tum primum ad populum latum est; eaque rogatione novorum maxime hominum ambitionem, qui nundinas et conciliabula obire soliti erant, compressam credebant.“ Vgl. Oakley 1998, 175–176; eine Differenzierung zwischen ambitio und ambitus findet sich auch in Cic. Planc. 45. Rotondi 1962, 221; Elster 2003, 12–14.
1. Zeitgenössische Ansätze einer Definition
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sammlungsorten wie Marktplätzen (conciliabulum) während der nundinae manifestierte – entgegen der Auffassung Varros, der ambitus als einen illegalen Akt verstand, der einen Prozess nach sich ziehen konnte. Der Unterschied zwischen ambitus und ambitio tritt bei Livius also deutlich hervor. Cicero hingegen definiert ambitio als gängige und herkömmliche Grundvoraussetzung, die zu den honores führte: „Und was soll ich von unserm Ehrgeiz (nostris ambitionibus), der Begierde nach Ehrenämtern sagen?“9 Die Annahme, dass ambitio als notwendige Voraussetzung für eine politische Karriere verstanden worden ist, wird in der folgenden Aussage wesentlich deutlicher: „(…) während mich ein gewisser Ehrgeiz (ambitio) trieb, die Laufbahn des Politikers zu ergreifen, hat Dich Deine andersgeartete Veranlagung, die ich deswegen durchaus nicht tadeln will, dazu geführt, in ehrenvoller Muße Dein Ideal zu suchen.“10 In diesem 61 v. Chr. an Atticus gerichteten Brief deutet Cicero zum einen auf den Unterschied zwischen seiner Laufbahn und der des Empfängers hin, zum anderen betrachtet er den Erfolg seiner politischen Karriere als Konsequenz seiner ambitio. Neben dem Nachweis bei Livius lässt sich in weiteren spätrepublikanischen Quellen ambitio mit negativen Denotationen wie Konnotationen nachweisen. In ähnlicher Weise berichtet Sallust über seine politischen Bestrebungen: „(…) vielmehr kehrte ich zu derselben Unternehmung und Bestrebung zurück, von der mich der leidige Ehrgeiz (ambitio mala) abgehalten hatte, (…).“11 Mala erhält im vorliegenden Kontext jedoch eine weitaus negativere Konnotation, der zufolge die ambitio als eine verkehrte oder gar üble Bestrebung empfunden wurde. Als Schlussfolgerung lässt sich folgende vorläufige Maxime aufstellen: Ohne ambitio war das Erlangen von honores nicht möglich.12 Im Gegensatz zu den Definitionsansätzen zu ambitio bieten die republikanischen Quellen keinerlei prägnante Definition für ambitus. Ein solches Defizit kann auf unterschiedliche Gründe zurückgehen: Eine konkrete, eingegrenzte Definition zu treffen, bedeutet in diesem Fall den Verlust von Flexibilität, der wiederum zur Einschränkung von Möglichkeiten der Ergänzung und/oder Erweiterung des Tatbestandes geführt hätte. Somit hätten neu generierte Wahlpraktiken, die in den Bereich der Illegalität fielen, von der zuvor getroffenen Definition nicht abgedeckt werden können. Daher umfasste ambitus vielmehr ein ganzes Spektrum von (zunächst) unerwünschten und (bereits) illegalen Wahlpraktiken, wurde als politische Invektive gegen Kontrahenten eingesetzt und in den nachrepublikanischen, d. h. frühkaiserzeitlichen Quellen mit einer negativen moralischen Komponente aufgeladen und damit in der Retrospektive für den Untergang der res publica mitverantwortlich gemacht.13 Auch wurde ambitus 9 10 11 12 13
Cic. Tusc. II,62: „Quid de nostris ambitionibus, quid de cupidate honorum loquar?“ Cic. Att. I,17,5: „(…) quod me ambitio quaedam ad honorum studium, te autem alia minime reprehenda ratio ad honestum otium duxit.“ Sall. Catil. 4,2: „(…), sed a quo incepto studioque me ambitio mala detinuerat, eodem regressus (…)“. Hier wird ambitio deutlich negativ aufgefasst, siehe Vretska 1976, 110–116 zu Sall. Catil. 4,2. Lucan. I,176–182. Siehe Linderski 1985, 87–88, 93 zu der negativ aufgeladenen moralischen Konnotation von ambitus.
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II. Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?
nicht selten mit vis in Verbindung gebracht, weil gewalttätige Auseinandersetzungen eine Nebenerscheinung der aggressiven Wahlkampagnen in Rom waren. Da eine Definition von ambitus auf rein etymologischer Ebene nicht gelingt – auch die griechischen Quellen bieten keine eindeutige Definition für dieses typisch römische Phänomen14 –, muss eine alternative methodische Herangehensweise entwickelt werden: Alle überlieferten Gesetzesvorschläge, verabschiedeten Gesetze und Senatsbeschlüsse müssen als Reaktion auf Fehlentwicklungen im Rahmen der Wettbewerbspraktiken verstanden werden. Auf Basis der durch die leges festgesetzten Tatbestände, also der eindeutig kriminalisierten Praktiken der Wahlwerbung, kann der Versuch einer Differenzierung zwischen erlaubten wie legitimen und illegitimen, d. h. nicht mehr tolerierbaren, wie illegalen Praktiken vorgenommen werden. 2. Leges de ambitu 432–67 v. Chr. – Tatbestände und Verfahrensweisen Nulla poena sine lege15
Der Erlass von Gesetzen gegen ambitus erstreckt sich auf einen relativ langen Zeitraum zwischen 432 und 18 v. Chr. – die Authentizität der ersten beiden Gesetze, die bei Livius überliefert sind, wird jedoch noch zu diskutieren sein. Eine Festsetzung von konkreten Tatbeständen und die Entwicklung von bestimmten prozessualen Verfahrensweisen im ambitus-Fall war die Konsequenz dieser langen Periode. Allerdings konzentriert sich die rege Phase der Gesetzesinitiativen gegen ambitus auf die Jahre 67–52 v. Chr. Im Folgenden soll anhand der Untersuchung von verschiedenen Gesetzesinitiativen nachgewiesen werden, dass zum einen die Intervalle der Erlasse immer kürzer wurden, und dass zum anderen die prozessuale Vorgehensweise und das Strafmaß an Härte und Strenge hinzugewannen. Dabei wird in erster Linie ein verstärktes Regulationsbedürfnis des Senats gegen ambitus offensichtlich. Somit stellt sich die grundlegende Frage, ob die intensive und kontinuierliche Vorgehensweise gegen ambitus nicht zugleich auf den ausbleibenden Erfolg und die Durchschlagskraft der Gesetze hindeutet? Die hohe Anzahl der leges de ambitu und ihre kurz aufeinander folgende Verabschiedung ab 67 v. Chr. weist nicht nur auf die Persistenz des Problems hin, sondern auch auf die veränderte Wahrnehmung von bzw. strengere Sichtweise auf ambitus. Ob aber die Vermutung zutrifft, dass die Legislation lediglich eine rechtliche Fassade darstellte, hinter der die unter ambitus fallenden Wahlpraktiken weiterhin angewendet wurden,
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Vgl. unter anderem Plut. Caesar 28,3, der das Wort ἐδέκαζον für ambitus-Fälle gebraucht; App. civ. 2,3 dahingegen gibt δωροδοκίας und δεκασμὸς an; siehe für griechische Äquivalente der typisch römischen Institutionen und Begriffe Mason 1974, 33 für ambitus. § 1 StGB: Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
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bedarf der Klärung. An dieser Stelle sei zunächst festgehalten, dass die ältere Forschung zur römischen Republik ambitus lediglich als Wahlbestechung in Form von Stimmenkauf und weiteren korrumpierenden sowie illegalen Methoden des Wahlkampfes verstanden hat.16 Das älteste bekannte Gesetz bezüglich unerwünschten Vorgehens während einer Kandidatur wird dem Jahr 432 v. Chr. unter dem Namen lex de ambitu zugeschrieben und als Ausgangspunkt der in den darauffolgenden Jahren verabschiedeten ambitus-Gesetze betrachtet. Die Bestimmung dieser lex de ambitu war keine Reaktion auf konkrete Fälle des Stimmenkaufs oder der direkten Bestechung, sondern richtete sich lediglich gegen das Tragen der künstlich aufgehellten toga candida: „Man beschloß, die Tribunen sollten, um das Buhlen um die Gunst der Wähler auszuschalten, ein Gesetz vorschlagen, keiner dürfe wegen der Bewerbung Weiß auf sein Gewand auftragen.“17 Ziel der Kandidaten war ihre Selbstdarstellung als Amtsanwärter. Auf diese Weise konnten sie sich visuell von ihren Konkurrenten abheben und der Menge präsentieren. Es galt demnach, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu lenken.18 Bereits an dieser ersten Gesetzgebung wird eines der grundlegenden Merkmale von Verstößen, die unter ambitus fielen, deutlich: Jede neu entwickelte Praktik war in gewissem Sinne eine Grenzüberschreitung und stand in Kontrast und Konkurrenz zu den traditionellen und herkömmlichen Normen. Die neu entstandenen Methoden der Wahlwerbung sorgten damit für eine unterschiedliche, zumindest in diesem Fall rein visuelle Ausgangssituation unter den Konkurrenten um die politischen Ämter: Aus solchen Methoden resultierte eine ‚Ungleichheit‘ zwischen den candidati. Wie die folgenden Gesetzesbeschlüsse zeigen werden, machte sich ein angehender Senator des ambitus schuldig, wenn er sich Methoden der Wahlwerbung bediente, die über das Bekannte, Tolerierte und Erlaubte hinausgingen. So berichtet Livius weiterhin von einer Gesetzesinitiative gegen ambitus aus dem Jahre 358 v. Chr.19 Zum ersten Mal wurde ein Plebiszit gegen ambitus mit Zustimmung des Senats durch den Volkstribun C. Poetelius vor das Volk gebracht und verabschiedet. Nach der gesetzlichen Maßnahme von 432 v. Chr. richtete sich auch das plebiscitum Poetelium de ambitu erneut nicht gegen eine direkte Form von Bestechung, sondern sollte als Eindämmung gegen die übersteigerten politischen Ambitionen der homines novi (rogatione novorum maxime hominum ambitionem) dienen. Konkret ist hier das ‚Herumgehen‘ der homines novi zum Zweck der Wahlwerbung in den ländlichen tribus gemeint, nämlich während der nundinae und an öffentlichen Plätzen (conciliabula). Livius bringt an dieser Stelle (VII,15,12) nicht nur 16 17 18 19
Veyne 1976, 425–426; Linderski 1985, 93–94; Deniaux 1987, 294; Lintott 1990; Gruen 1991, 255–257; Wallinga 1994, 435–438; Riggsby 1999, 26–27; Yakobson 1999, 22–26. Liv. IV,25,13: „Placet tollendae ambitionis causa tribunos legem promulgare ne qui album in vestimentum addere petitionis causa liceret“; Rotondi 1962, 211; eine kurze Übersicht zur toga candida findet sich bei Deniaux 2003, 49–55. Vgl. Nadig 1997, 18–19. Liv. VII,15,12; Rotondi 1962, 221; Elster 2003, 12–14.
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ambitio mit ambitus in Verbindung (wie auch der etymologische Definitionsansatz bei Varro), sondern zeigt zugleich, dass ambitus eine viel breitere Definition haben muss als lediglich Bestechung. Details bezüglich der Sanktionen oder konkreten Schritte, die eine Eindämmung der ambitio der homines novi vorsahen, werden jedoch nicht erwähnt.20 Unabhängig von der Problematik der Historizität dieser beiden Gesetze lässt sich zumindest die lex Poetelia historisch einordnen. Sie fällt in die Entstehungszeit der Nobilität21 und zeigt das Bestreben der politischen Elite in Rom, die öffentliche Präsenz der homines novi einzudämmen. Eine offensichtliche Gemeinsamkeit der beiden Gesetzesinitiativen scheint verwunderlich: Sowohl die lex de ambitu von 432 v. Chr. als auch die lex Poetelia de ambitu wurden von amtierenden Volkstribunen eingebracht.22 Nicht die Interessen der plebs wurden also vertreten, sondern die traditionellen politischen Strukturen weiter gestärkt: Indem nämlich der Wahlkampf auf Rom beschränkt wurde, unterstützte man die alteingesessene politische Elite, der die städtische wahlberechtigte Bevölkerung bekannt gewesen sein musste. Die Möglichkeiten der homines novi, sich außerhalb des traditionellen Spektrums politische Unterstützung zu sichern, wurden somit begrenzt.23 Diese beiden ersten Gesetzesinitiativen gelten damit als Unternehmungen von Plebejern gegen die Mitglieder der eigenen sozialen Gruppe einerseits und reflektieren andererseits den – zumindest zu dem Zeitpunkt noch – bestehenden Konsens zwischen Volkstribunat und Senat. Das letzte durch Livius aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. überlieferte und mit ambitus in Verbindung stehende Gesetz ist das plebiscitum de quaestione instituenda des Dictators C. Maenius. Obwohl Maenius, der 338 v. Chr. als Konsul bedeutende Siege in der letzten Phase der Latinerkriege für Rom erringen konnte, ursprünglich aufgrund einer coniuratio in Capua 314 v. Chr. zum Dictator ernannt worden war, wurden seine Kompetenzen zur Durchführung von quaestiones (extraordinariae) nach seiner Rückkehr auf Rom ausgeweitet. Ob und inwiefern eine Verbindung zwischen der coniuratio in Capua und den Wahlstörungen in Gestalt von coitiones in Rom bestand, ist nicht gänzlich klar. Relevanter für den Untersuchungsgegenstand ist vielmehr die Frage nach der prozessualen Verfahrensweise, dem Tatbestand und den politischen Absichten der quaestiones in Rom.24 Die Bestimmungen des plebiscitum von 314 v. Chr. richteten sich unter anderem gegen coitiones: „Auch Verbindungen zur Erlangung von Ämtern seien
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Gruen 1991, 255–257 und Riggsby 1999, 26–27 argumentieren ganz im Sinne der ersten überlieferten ambitus-Gesetze, dass diese mit dem Ziel verabschiedet wurden, um die politischen Bestrebungen der homines novi einzudämmen. Ähnlich äußert sich Wiseman 1971, 2. Vielleicht mag ein solcher Erklärungsansatz für die ersten Gesetze, wie das von 358 v. Chr., Gültigkeit besitzen, ist aber sicherlich für die Gesetze der späten Republik nicht von großer Bedeutung; so auch Lintott 1990, 3–4; generell zur inimicitia gegen homines novi: Epstein 1987, 55 f. Hölkeskamp 2011, 83–85; Fascione 1984, 24–27; Lintott 1990, 3–4. Zur Problematik siehe Elster 2003, 13. Gruen 1991, 255–256. Rilinger 1978, 280–290, hier 285.
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gegen das Allgemeininteresse gerichtet.“25 Über die strafrechtliche Dimension von coitiones berichtet Livius nichts. Insofern scheinen sie als Bündnisse zur Sicherung von Ämtern unter keine bestimmte Strafe gestellt worden zu sein. Dennoch wurden sie als gegen die Interessen der res publica gerichtete Zusammenschlüsse wahrgenommen.26 Im Kontext der quaestiones von 314 v. Chr. wird erneut der Gegensatz zwischen den patrizischen und plebejischen Bestrebungen deutlich: Gemäß der livianischen Darstellung wurden homines nobiles, die ihre politischen Interessen gegen Dritte zu sichern suchten, aufgrund von coitiones angeklagt. Diese Beschuldigung wurde von den Angeklagten mit dem Einwand zurückgewiesen, dass die Vorwürfe wohl auf die homines novi zuträfen,27 einhergehend mit der Drohung, C. Maenius nach Beendigung seiner Amtsphase anzuklagen. Wie Rilinger überzeugend herausarbeitet, scheint eine Verbindung zwischen den coitiones der Mitglieder der Nobilität des 4. Jahrhunderts v. Chr. und der Umgehung der Iterationsbeschränkung für das Konsulat zu bestehen:28 „(…) Wegen des noch grundsätzlich bestehenden Verfassungsgegensatzes zwischen Patriziern und Plebejern konnte, (…), die Durchbrechung der Sperrfrist nicht so ohne weiteres ‚verfolgt‘, sondern nur die Methode, mit der sie erreicht wurde, kriminalisiert werden.“29 Damit wurden die coitiones als Manöver zur Sicherung von Magistraturen zum ersten Mal als Straftatbestand konstituiert – nämlich adversus rem publicam – und kriminalisiert. Da die Unterstützung im Senat bereits bei den Voruntersuchungen ausblieb, konnten die quaestiones nicht abgehalten werden und C. Maenius wurde zum Rücktritt genötigt.30 Nach der Verabschiedung der drei Gesetze gegen ambitus und coitiones lässt sich im 2. Jahrhundert die nächste Phase der legislativen Unternehmungen zur Regulierung von Wahlumtrieben fassen. In dem Zeitraum zwischen 181 bis einschließlich 149 v. Chr. fallen zunächst die lex Cornelia Baebia de ambitu (181) und die lex Cornelia Fulvia (159).31 Für die lex Cornelia Baebia dient erneut Livius als einzige unmittelbare Quelle: „Die Konsuln brachten auf Vorschlag des Senats ein Gesetz gegen Mißbräuche bei der Bewerbung um ein Amt vor das Volk.“32 Auf Betreiben des Senats hin erließen die Konsuln P. Cornelius Cethegus und M. Baebius Tamphilus33 ein Gesetz gegen ambitus. Die Gründe für die Gesetzesverabschiedung und der materielle Inhalt, d. h. die
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Liv. IX,26,9: „et coitiones honorum adipiscendorum causa factas adversus rem publicam esse“; Oakley 2005, 317 ff.; Broughton MRR I, 157; Rotondi 1962, 233; Elster 2003, 83–84. Zu den coitiones siehe ausführlicher das Kapitel „Die Analyse der editio tribuum.“ Liv. IX,26,11–17. Rilinger 1978, 288–289. Ebd., 289. Ebd., 290. Rotondi 1962, 277, 288. Liv. XL,19,11: „et legem de ambitu consules ex auctoritate senatus ad populum tulerunt.“ Broughton MRR I, 383–384.
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Regelungen und Sanktionen der lex Cornelia Baebia, werden nicht genannt.34 Trotz der Schwierigkeiten, die sich bei der inhaltlichen Rekonstruktion der lex ergeben, kann diese dennoch historisch plausibel kontextualisiert werden: Die immensen Geldmittel, die seit Beginn des 2. Jahrhunderts durch die militärischen Siege Roms im Osten nach Italien flossen, dürfen nicht außer Acht gelassen werden.35 Damit hatte sich einzelnen besonders erfolgreichen Angehörigen der römischen Elite ein großer finanzieller Handlungsspielraum eröffnet, der die Konkurrenz um die honores unmittelbar beeinflusste und die aristokratische Chancengleichheit bedrohte.36 Die neuen finanziellen Möglichkeiten hatten sich in erster Linie auf die Ausrichtung von prächtigen Spielen ausgewirkt, gegen die der Senat spätestens ab 182 v. Chr. tätig werden musste.37 Die Finanzierung und Ausrichtung von Spielen wurde also ab diesem Zeitpunkt zu einem Mittel im Wettkampf der Elite um politische Führungspositionen.38 Die dürftige Quellenlage in Bezug auf das 2. Jahrhundert erschwert auch die Rekonstruktion des folgenden ambitus-Gesetzes von 159 v. Chr. Die lex [Cornelia Fulvia] de ambitu findet lediglich beim Epitomator des Livius eine kurze Erwähnung: „lex de ambitu lata“.39 Spekulationen bezüglich des Wirkungsgrads und Erfolgs der lex Cornelia Baebia und des Inhaltes der lex Cornelia Fulvia, ob unter anderem das letztere Gesetz die Todesstrafe und/oder das Exil vorsah,40 sollen hier zurückgestellt werden.41 Um stichhaltige Aussagen über den materiellen Tatbestand und die prozessuale Verfahrensweise treffen zu können, sind vor allem die leges der letzten Phase der römischen Republik von besonders großem Interesse. Dass aber ambitus nicht als isoliertes sozio-politisches Phänomen betrachtet werden darf, zeigen die weiteren Gesetzesinitiativen, die in das 2. Jahrhundert fallen. Die lex Villia annalis wurde nur ein Jahr nach der lex Cornelia Baebia de ambitu, nämlich 180 v. Chr., verabschiedet und regelte sowohl das Mindestalter für die Ämter des cursus honorum als auch die Reihenfolge der honores.42 Als Konsequenz der lex Villia annalis wurde der Andrang auf die unterschiedli-
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Elster 2003, 339–340; vgl. Nadig 1997, 26–28. Jehne 1995, 54. Zur lex Cornelia Baebia de ambitu und zum finanziellen Einfluss auf den Wahlkampf siehe Beck 2016, 131–152, hier insb. 139 ff., dessen Meinung nach die lex Cornelia als die erste lex de ambitu der römischen Republik verstanden werden muss; Rosenstein 1993, 313–338 mit einem Überblick zur Konkurrenz in der mittleren Republik. Vgl. Beck 2016, 131 ff. Bernstein 1998 mit einer grundlegenden Untersuchung der ludi publici zur Zeit der Republik. Liv. per. 47; vgl. auch Fascione 1984, 47 ff., 55 f., 66, 103; Rotondi 1962, 288; Elster 2003, 400–401. Pol. VI,56,4. Hier sei lediglich auf Elster 2003; Nadig 1997 und Fascione 1984 verwiesen, die die ältere Forschung zu diesem Punkt besprechen. Siehe zur Erläuterung der lex Villia annalis mit Literaturverweisen im historischen Kommentar §§ 58–60; zur Auswirkung und Bedeutung der lex Villia im Gesamtkomplex des ambitus siehe Beck 2016, 142 f.
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chen Ämterstufen kanalisiert. Damit dürfte potentiell die Konkurrenz innerhalb der jeweiligen Altersgruppen von Kandidaten um die honores sogar weiter gestiegen sein. Daneben lassen sich ebenfalls ab dem frühen 2. Jahrhundert eine Reihe von leges sumptuariae nachweisen,43 die unter anderem die Limitierung der Teilnehmerzahlen an Gastmählern und der daraus entstehenden Kosten vorsahen. Die lex Orchia von 182 v. Chr. regulierte zum ersten Mal die Anzahl von Gästen, die an einem convivium teilnehmen durften. Die Begrenzung der Teilnehmerzahl signalisiert sowohl das politische Potential von Gastmählern als auch weist sie auf die wohl auftretende Entgrenzung aus dem Bereich der traditionellen Praktiken hin.44 Spätestens ab 182 v. Chr. müssen also convivia auch unmittelbar als politische Plattform genutzt worden sein. Die lex Fannia von 161 v. Chr. setzte nicht nur eine bestimmte Teilnehmerzahl fest (in der Regel drei Gäste, an Markttagen bis zu fünf), sondern legte sowohl die Auswahl der Speisen als auch die bestimmten finanziellen Aufwandsgrenzen fest.45 Gerade Gastmähler und Volksspeisungen sollten sich im Wahlkampf zu einem Feld entwickeln, das nach und nach einer strengeren Reglementierung unterworfen wurde.46 Die Ausrichtung von Speisungen fiel unter die Kategorie von Profilierungsmethoden im Wahlkampf, die unschwer an ihre Grenzen stoßen konnte. So konnten Gastmähler (convivia) und Volksspeisungen (prandia), im Gegensatz zu den Zahlen der eigenen Gefolgschaft (sectatores) oder der Präsenz auf dem Forum sowie an den Markttagen, kontinuierlich gesteigert werden – sofern die finanziellen Möglichkeiten der Kandidaten solche Maßnahmen erlaubten. Die Gesetze, die im Zuge des 1. Jahrhunderts verabschiedet wurden, grenzten diese zunächst noch tolerierte Praxis weiter ein und belegten sie mit Sanktionen. An dieser Stelle sei noch auf die lex Antia sumptuaria von 71/70 v. Chr. verwiesen.47 Sie setzte nicht nur eine Höchstgrenze des Aufwands für Gastmähler fest, sondern verbot zugleich designierten oder amtierenden Magistraten und Bewerbern die Teilnahme an Gastmählern. Die Normierung betraf damit nicht nur Privatpersonen, sondern auch solche in öffentlicher Funktion.48 Mit Einschränkungen dieser Art sollten Gastmähler einerseits als Mittel des Wahlkampfes an Bedeutung verlieren, andererseits die Unterstützung durch amtierende Magistrate für bestimmte Bewerber unterbunden werden. Mit der lex Antia werden also zwei unterschiedliche Ebenen des politischen
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Rotondi 1962, 295: lex Didia sumptuaria von 143 v. Chr.; 320: lex Aemilia sumptuaria von 115 v. Chr.; 327: lex Licinia sumptuaria von 103 v. Chr.; 354–355: lex Cornelia sumptuaria von 81 v. Chr. Siehe Baltrusch 1989, 40 ff. zu den leges sumptuariae; eine kritische Auseinandersetzung mit den leges in Bezug auf Tafelluxus: 77 ff. und in Bezug auf Spiele: 106 ff.; Elster 2003, 208. Vgl. Baltrusch 1989, 79. Zu den genauen Zahlen siehe Baltrusch 1989, 83. Rosillo-López 2010, 62–64 zu den leges sumptuariae als eine Kategorie zur Einschränkung von ambitus. Rotondi 1962, 367–368. Baltrusch 1989, 97.
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Potentials solcher Zusammenkünfte deutlich: Zunächst galt es, die Profilierung der eigenen Person durch die Setzung einer Aufwandsgrenze für Gastmähler zu verhindern und gleichzeitig der Selbstinszenierung bei solchen Gelegenheiten als Gast zuvorzukommen.49 Die leges sumptuariae, de ambitu und die Bestimmungen bezüglich der Ausrichtung von Spielen in Zusammenhang mit den Magistratswahlen hatten damit einen fast identischen Ausgangspunkt: Sie sollten regulierend in den Verhaltenskodex des Senatsadels eingreifen, d. h. die Selbstprofilierung der Mitglieder der Senatsaristokratie unterbinden und damit durch „staatliche Kontrolle (die) Einhaltung des mos maiorum“50 sichern. Wie Baltrusch richtig feststellt, wurden die Bestimmungen in Bezug auf convivia und die politische Instrumentalisierung dieser Zusammenkünfte im politischen Wettkampf nicht ursprünglich von den leges de ambitu, sondern von den leges sumptuariae erfasst. Damit zeigt sich, dass unterschiedliche Gesetzeskategorien, auch wenn sie nicht unmittelbar den Tatbestand ambitus zu betreffend scheinen, als korrespondierende Gesetzesbeschlüsse behandelt werden müssen. Auch die Entwicklung der leges tabellariae darf nicht außer Acht gelassen werden.51 Der lex Gabinia tabellaria von 139 v. Chr. folgte bereits zwei Jahre später die lex Cassia tabellaria von 137 v. Chr.52 Die Innovation der leges tabellariae bestand in der Veränderung des Abstimmungsmodus: Die bis dato gängige mündliche und damit öffentliche Abstimmung wurde durch die geheime Wahl per Stimmtäfelchen (tabellae) zuerst für die Wahlen und später für Gerichtsprozesse abgelöst.53 Vor den Bestimmungen des Volkstribunen C. Marius 119 v. Chr. (lex Maria de suffragiis ferendis) wurde zuvor 131 v. Chr. die lex Papiria tabellaria erlassen.54 Die Etablierung der geheimen Abstimmung und die Verkleinerung der pontes (lex Maria) sollte augenscheinlich die Wähler der unmittelbaren Kontrolle der patroni während des Wahlakts entziehen.55 Der tatsächliche Erfolg dieser gesetzlichen Maßnahmen ist innerhalb der ambitus-Diskussion nicht der entscheidende Punkt.56 Vielmehr beeinflussten die Tabellargesetze, wie auch 49
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Gell. II,24,13; Nadig 1997, 79; zur Tragweite der lex Antia siehe Macr. Sat. III,17,13. Wie in Q. Cic. comm. pet. 44 deutlich wird, konnten solche Bestimmungen mit Leichtigkeit umgangen werden: Freunde des Bewerbers konnten Gastmähler im Namen des Kandidaten veranstalten. Ähnlicher Strategien bedienten sich Bewerber, wenn es um Stimmenfang außerhalb ihrer eigen tribus ging. Obwohl den Kandidaten selbst nicht gestattet wurde, außerhalb ihrer eigenen tribus Wahlwerbung zu betreiben, war es nicht verboten, Freunde in unterschiedlichen tribus um eine Wahlkampagne im Namen des Kandidaten zu bitten. Auf diese Weise konnte eine breitere Wahlkampagne tribus-übergreifend geführt werden. Baltrusch 1989, 84–85. Gruen 1991, 257–261; Jehne 1993, 593–613. Rotondi 1962, 297; Elster 2003, 440, 443. Die Einführung der geheimen Wahlen durch die leges tabellariae findet auch im historischen Kommentar Erwähnung, siehe zur Erörterung § 16. Rotondi 1962, 302. Jehne 1993, 597. Siehe Lundgreen 2008, 36–70, der die längerfristige Wirksamkeit der leges tabellariae allgemein kritisch betrachtet.
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die lex Villia annalis und die leges sumptuariae, das ambitus-Phänomen. Wie Jehne bereits feststellte, dürfen die leges tabellariae nicht als ein Versuch zur Eindämmung der ambitus-Straftaten verstanden werden.57 Der aus den Tabellargesetzen resultierende Nebeneffekt war lediglich folgender: Grundsätzlich war das Wahlverhalten, d. h. in diesem Kontext die individuelle Entscheidung der Wähler, nach den leges tabellariae nicht mehr überprüfbar. Die sich überschneidenden Bindungsverhältnisse und die dadurch verursachten Loyalitätskonflikte konnten zwar nicht verhindert werden, doch sollten sie nicht mehr sichtbar und damit konfliktträchtig sein. Sie waren letztlich das Resultat des über Generationen aufgebauten traditionellen Patronagesystems sowie der durch Beeinflussung von politisch ambitionierten Männern neu entwickelten Bindungen oder gar der Mehrfachbindungen von Klienten mit unterschiedlichen Patronen. Jehne versteht die leges tabellariae daher als einen Versuch zum Schutz des allumfassenden römischen Patronagesystems.58 Zu einer fast identischen Aussage gelangt auch Walter in Bezug auf die ambitus-Gesetze: „Der Sinn der Gesetze dürfte gewesen sein, das Patronage- und Bindungswesen mit seinen vielen Abstufungen und der intensiven Arbeit, die hineingesteckt werden musste, als Fundament aristokratischer Existenz und Politik zu erhalten, indem man es abschirmte.“59 Die Problematik des ambitus-Gegenstandes wird damit erneut deutlich: Wie ließ sich nämlich nach objektiven Maßstäben eine Grenze zwischen Schenkung und Bestechung ziehen, welches officium ließ sich als Gegenleistung auf ein bereits geleistetes beneficium identifizieren, wenn nicht nach individuell-subjektiven Kriterien? Soweit es sich mit Bestimmtheit sagen lässt, wurden bis zur lex Cornelia Baebia de ambitu von 181 v. Chr. keine eindeutigen Höchstgrenzen für Geldzuwendungen der Amtsbewerber festgelegt, die man während der Wahlphasen nicht hätte überschreiten dürfen. Das Hauptproblem innerhalb des ambitus-Phänomens bestand also in der perspektivischen Asymmetrie zwischen den verschiedenen politischen Akteuren. Die Persistenz von ambitus und der legislative Kampf dagegen wird durch die Einrichtung einer quaestio perpetua de ambitu deutlich,60 deren genaues Datum sich jedoch nicht mehr rekonstruieren lässt. Gemäß der historischen Entwicklung der ständig tagenden Gerichtshöfe lässt sich die Gründung der ersten quaestio perpetua, die explizit für Repetundenprozesse etabliert wurde, auf die Mitte des 2. Jahrhunderts (149 v. Chr.) datieren. Nachweislich belegt ist die quaestio repetundarum durch die inschriftliche Überlieferung der lex Acilia repetundarum von 123 v. Chr.61 Die quaestio perpetua de ambitu muss demnach in dem Zeitraum zwischen 149–120 v. Chr. eingerichtet worden 57 58 59 60 61
Jehne 1993, 593–613. Vgl. Flaig 2013, 356. Walter 2010, 159. Alexander 2010, 242 ff. mit einem kurzen Überblick zur Entstehung und Funktionsweise der quaestiones perpetuae für die iudicia publica. Harries 2007, 16 f.; Rotondi 1962, 292; Elster 2003, 418; Nadig 1997, 29 f.; Crawford 1996, vol. I, 65 ff. zum Gesetzestext.
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sein.62 Laut Bur verfolgte man mit der Einrichtung der quaestio de ambitu zwei Ziele: Zum einen sollte allein die Existenz des Gerichtshofs die reibungslose Abwicklung der Wahlen gewährleisten, zum anderen den Einsatz von ambitus vor allem durch aufstrebende Politiker, die nicht zum Kreis der längst etablierten aristokratischen Familien gehörten, einschränken.63 Sein zweiter Ansatz fällt allerdings in dasselbe Erklärungsmuster, das sich bereits bei Livius für die Verabschiedung der ersten ambitus-Gesetze findet: Sie sollten nämlich einerseits die Präsenz und Wahlkampagnen der homines novi einschränken, die nach Kompensationsmöglichkeiten für nicht vorhandene Klientel suchten, andererseits die aristokratische Kontrolle über den politischen Wettbewerb erhalten. Ein solcher Ansatz kann allerdings nicht auf die mittlere und/oder späte Republik angewendet werden, da die unter ambitus fallenden Praktiken und Mechanismen unabhängig vom Status der politischen Akteure standesübergreifend zu einem beliebten Instrument im Wettkampf um politische Ehren wurden. Nach der Errichtung des Gerichtshofes sind die legislativen Maßnahmen gegen ambitus – sofern sie sich anhand der Quellen rekonstruieren lassen – für eine relativ lange Zeit nicht nachweisbar. Erst im Zuge der sullanischen Neuordnung der Gerichtshöfe wurde die lex Cornelia de ambitu 81 v. Chr. verabschiedet.64 Erneut ist die Rekonstruktion des Inhalts problematisch. Der einzige Verweis geht aus Ciceros Verteidigungsrede für den designierten Konsul P. Sulla im Jahr 66 v. Chr. hervor, der wegen ambitus angeklagt und schuldig gesprochen wurde.65 Das Strafmaß bei Schuldigsprechung gemäß der lex Cornelia de ambitu sah ein Verbot der Ämterkandidatur für insgesamt 10 Jahre vor – zum genauen Tatbestand gibt es keinerlei Hinweise. Die lex Cornelia wurde indirekt noch verschärft, indem die Wahlen zu den curulischen Ämtern in den Sommer anstatt wie bis dahin üblich in den Winter verlegt wurden – also im Juli statt im November. Damit wurde zugleich auch die Phase zwischen Wahl und Amtsantritt vergrößert, sodass mehr Zeit blieb, um Anklagen, unter anderem wegen ambitus, gegen die erfolgreichen Kandidaten einzuleiten.66 Eine Auswertung der überlieferten Prozesse zeigt folgendes Ergebnis: Nach Verabschiedung der lex Cornelia fand bis 74/70 v. Chr. kein Prozess wegen ambitus statt – erst fast eine Dekade nach der sullanischen Vor-
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Gruen 1974, 212 spricht sich für ca. 120 v. Chr. aus; Riggsby 1999, 22 dagegen für einen Zeitraum zwischen 149–115 v. Chr. Bezüglich des ambitus-Gerichtshofes vor der sullanischen Gesetzgebung Gruen 1968, 125; besonders deutlich 260–261: „The existence of a pre-Sullan quaestio de ambitu should no longer be called into question. Trials for ambitus had not been infrequent in previous decades and yet no hint survives of any ad hoc quaestiones on the matter.“ Bur 2018, 318. Ferrary 2001, 159–198 zu den leges de ambitu ab Sulla; Rotondi 1962, 361; zu den Bestimmungen Sullas nach wie vor Hantos 1988, 33–35; 149–152. Cic. Sull. 63; Alexander 1990, 101 (Nr. 201); vgl. Bauerle 1990, 47–49; Wallinga 1994, 425; Nadig 1997, 31–33. Nadig 1997, 32 f.
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herrschaft wurde also zum ersten Mal ein ambitus-Prozess in die Wege geleitet.67 Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass nach Sullas Diktatur bis zur Verabschiedung der lex Calpurnia de ambitu 67 v. Chr. lediglich vier überlieferte Prozesse wegen ambitus-Vorwürfen angestrebt wurden.68 Einer der Gründe für den Rückgang der Gesetzesinitiativen zum einen und die geringe Anzahl der Prozesse zum anderen dürfte in der kurzzeitigen ‚Entschärfung‘ der Konkurrenz innerhalb der politischen Elite zu finden sein, die durch Sullas Reformen (und die vorhergehenden Proskriptionen) ermöglicht wurde. Durch die Erweiterung des Senats auf 600 Mitglieder, die Erhöhung der Anzahl von Magistratsstellen – mit Ausnahme des Konsulats und der Aedilität – und die gesetzliche Einführung des Iterationsverbots für das Konsulat wurde die Konkurrenzsituation für eine kurze Zeit entschärft.69 Der Effekt der verfassungsrechtlichen Veränderungen sollte sich jedoch als nicht von dauerhafter Natur erweisen. Nach 81 v. Chr. kann eine deutliche legislative Intensivierung nachgewiesen werden. Diese Feststellung lässt sich erneut mit den sullanischen Reformen in Verbindung bringen. Die von Sulla getroffenen Regelungen in Bezug auf den cursus honorum dürften die Konkurrenzsituation am ‚oberen Ende‘ des cursus honorum längerfristig, insbesondere in den sechziger und fünfziger Jahren, intensiviert haben. Die Erhöhung der Praetorenstellen auf acht steigerte gleichzeitig die Anzahl der möglichen Kandidaten für die Spitzenpositionen des Konsulats, die allerdings weiterhin auf zwei Plätze beschränkt blieben. Der Andrang auf die Konsulstellen muss also überdurchschnittlich zugenommen haben. Von den mindestens acht potentiellen Kandidaten – unter der Prämisse, dass sich alle Praetorier um das Konsulat beworben haben – durften jährlich sechs Bewerber in den Comitien eine Wahlniederlage erfahren haben. Weiterhin wurde mit der lex Cornelia de quaestoribus xx creandis die Zahl der Quaestoren auf insgesamt 20 erhöht.70 Die Posten für die Aedilität blieben aber weiterhin auf vier beschränkt, je zwei curulische und zwei plebejische Aedile.71 Demnach muss der Andrang vom ‚unteren Ende‘ des cursus honorum auch auf die Stellen der Aedilität zugenommen haben. Die Aedilität, die dem Amtsinhaber die Möglichkeit bot, sich in Rom öffentlich zu präsentieren und die Bevölkerung durch spektakuläre Spiele für sich einzunehmen – was sich in folgenden Kandidaturen durchaus
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Vgl. Alexander 1990, 80 (Nr. 161); 93 (Nr. 185); 96 (Nr. 190) und schließlich zum letzten Mal unter Anwendung der lex Cornelia de ambitu ca. 60 v. Chr.: 117 (Nr. 238). Allerdings muss erwähnt werden, dass die antike Überlieferung gerade zu den 70er Jahren v. Chr. besonders lückenhaft ist, das Bild also auch verzerrt sein könnte. So durften sich ehemalige Konsulare erst nach einer Auszeit von 10 Jahren erneut für das Konsulat zur Wahl aufstellen: Kunkel 1995, 564–566. Wobei Gruen 1974, 212 darauf hinweist, dass nicht das Strafmaß der lex Cornelia allein als Abschreckung gereicht hat. Das Fehlen von nachweislichen Prozessen ist für ihn kein Hinweis auf den Rückgang der unerlaubten Wahlpraktiken. Kunkel 1995, 512–514; Rotondi 1962, 353–354. Kunkel 1995, 472 ff.
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als wertvoll erweisen konnte –, musste daher höchst begehrt gewesen sein. Auf dieser privilegierten Ausgangslage basierte nämlich das symbolische Kapital der Aedilität:72 Da die Gelegenheiten öffentlicher Auftritte oder öffentlicher Präsenz allgemein sowie die Ausrichtung von Spielen an die reguläre Amtsausübung gebunden waren, konnten Aedile auf ganz legale und sogar notwendige Weise im öffentlichen Raum der Stadt agieren. Sie waren also im Vergleich zu den übrigen amtierenden Magistraten durch ihre Amtspflichten dem populus Romanus stets präsent. Zugleich war die Aedilität umkämpft, da sie im cursus honorum eine Art ‚Flaschenhals-Effekt‘ bildete: Auf eine relativ hohe Anzahl an Quaestoren folgten lediglich vier Aedile – wobei den plebejischen wie den patrizischen Bewerbern die curulische Aedilität nicht jedes Jahr, sondern immer nur alternierend zugänglich war.73 Neben den zwei Konsulposten, welche die Spitze ausmachten, schnürte die Aedilität also den cursus honorum in der Mitte enger. Auf längere Sicht betrachtet produzierte ein solches politisches System Musterbeispiele wie L. Sergius Catilina, deren sinkende Frustrationstoleranz nach mehreren gescheiterten Bewerbungen um das Konsulat sich in gewalthaften Aktionen gegen die bestehende Ordnung der res publica zeigte.74 Die Gründe für die vermehrten Erlasse neuer ambitus-Gesetze ab 67 v. Chr. lagen demnach erstens in der Knappheit der potentiell zu besetzenden curulischen Ämter in der römischen Republik. Angesichts der knappen Anzahl von zu besetzenden Ämtern des cursus honorum erscheint eine ambitus-Klage nicht nur nach einer gescheiterten Konsulatskandidatur als erstrebenswert. Denn in einer politischen Kultur der Sichtbarkeit, in der die Sieger und Verlierer als eben solche zu sehen waren, da sie einander wie auch der Öffentlichkeit direkt gegenübertraten, mussten sich die Kämpfe um die Ämterverteilung unvermeidlich verschärft haben. Eine weitere Folge war die Zunahme von politischen Konflikten zwischen den Kandidaten, die sich zwangsweise auf den populus Romanus als die ämtervergebende Instanz auswirkte. Das politische System der römischen Republik war demnach maßgeblich für diese Konflikte verantwortlich, da es zweitens für seine politische Elite und die Verlierer, die sie produzierte, keinerlei Alternativen und/oder gar kompensierend wirkende Karriereoptionen bereithielt. Genau das begann sich zum Zeitpunkt der ausgehenden Republik jedoch zu ändern.75 Möglicherweise als Reaktion auf die massiv verschlechterten Erfolgsaussich-
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Zur Bedeutung des symbolischen Kapitals grundlegend Bourdieu (Sozialer Sinn); Flaig 1995, 115–148; insb. für die Politik der römischen Republik nach wie vor Hölkeskamp 2004, 93–105. Maßgebend bei der curulischen Aedilität war die Bestimmung, dass einem patrizischen Paar im folgenden Jahr ein plebejisches Paar folgen musste: Kunkel 1995, 473. Siehe nur Q. Lutatius Catulus, der erst nach drei gescheiterten Anläufen das Konsulat 102 v. Chr. bekleiden konnte: Cic. Planc. 12. Stein-Hölkeskamp 2003, 315–334; Flaig 2019, 55–80. Vgl. Cic. Att. I,17,5: Cicero verweist an dieser Stelle auf Atticus’ Tätigkeit in Muße fern der politischen Sphäre. Dieser habe sich im Gegensatz zu Cicero für eine Alternative zur politischen Laufbahn entschieden. Damit wird Atticus zum Paradebeispiel. Ein weiteres, ähnliches Phänomen zeigte sich in den folgenden Jahren: Um die Mitte
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ten und vor allem wegen der wachsenden Risiken, im Falle eines Erfolges wegen ambitus angeklagt zu werden, mussten alternative Optionen geschaffen werden. Persönliche invidia und inimicitia unter den Kontrahenten konnten also nicht nur aufgrund der gestiegenen Konkurrenz um honores entstehen, sondern spielten als Leitmotive eine durchaus gewichtige Rolle in den Prozessen de ambitu.76 Als Folge der gesteigerten Konkurrenzsituation kam es zu einer Intensivierung von Wahlkämpfen, die wiederum die ambitus-Legislation ab 67 v. Chr. bedingt haben müssen. Auch die Volkstribune, denen durch Sulla der Übergang zu den Ämtern des cursus honorum untersagt worden war, spielten im Konkurrenzgefüge der späten Republik eine bedeutende Rolle. C. Aurelius Cotta eröffnete den Volkstribunen wieder den durch Sulla zuvor versperrten Weg zu den curulischen Ämtern: 75 v. Chr. wurde die lex Aurelia de tribunicia potestate verabschiedet.77 70 v. Chr. erging im Konsulat des Cn. Pompeius Magnus und M. Licinius Crassus erneut eine lex de tribunicia potestate:78 Mit ihr wurden die Kompetenzen der tribuni plebis gänzlich wiederhergestellt.79 Die Wahlkämpfe müssen nach diesen legislativen Maßnahmen weiter an Intensität zugenommen haben. Laut Cassius Dio bildeten sich daher während der Wahlperioden Gruppierungen und Parteiungen, welche die Bedingungen bei Ämterwahlen noch weiter verschärften.80 Es scheint also nicht verwunderlich, dass gerade in den ‚Krisenjahren‘ der späten Republik die ambitus-Fälle zunahmen und damit auch die Reglementierungen diesbezüglich strenger wurden.81 Der stetig wachsende Druck auf das politische System nach Sullas Diktatur durch die steigende Anzahl von potentiellen Magistraten, das Fehlen alternativer wie attraktiver Karriereoptionen, die Wiederherstellung der tribunizischen Kompetenzen, der Census von 70 v. Chr. und damit die Erweiterung des Pools an Bewerbern82 sind nur
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des 1. Jahrhunderts v. Chr. taten sich Dichter wie Catull hervor, die zum Kreis der Neoteriker gehörten. Neben Catull lassen sich noch weitere Männer der römischen Elite nennen, die sich auf den Bereich der Dichtung konzentrierten, so unter anderem C. Licinius Macer Calvus und Q. Cornificius: vgl. P.L. Schmidt, DNP 8 (2000) 835–836 s. v. Neoteriker. Epstein 1987, 56, 90 ff. zur Rolle der inimicitia gegen erfolgreiche Magistrate und ihre Manifestation in Prozessen; vgl. Sall. Iug. 15,5, der ambitus bzw. largitio als Grund für invidia und Unbeliebtheit betrachtet. Rotondi 1962, 365; Broughton MRR II, 96. Rotondi 1962, 369; Broughton MRR II, 126. McDermott 1977, 49–52. Cass. Dio 36,38,2; Nadig 1997, 34. Dies ist im Folgenden noch von Bedeutung, da auch im Falle des Cn. Plancius Parteiungen und organisierter Stimmenkauf als Hauptanklagepunkte angeführt wurden. Als Krisenjahre der Republik benennt Gruen 1974, 257–258 die Zeiträume um 59, 58, 55 und 52 v. Chr. mit der Anmerkung: „Yet those very years produced solid legislation aimed at stability and progressive reform: the Julian extortion law, Clodius’ legislative program, the lex Licinia de sodaliciis, and a series of careful enactments by Pompey on judicial procedure and criminal law.“ Wiseman 1969, 65–67.
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vier Faktoren, die die Konkurrenz um die honores weiter zuspitzten.83 Die These ist also, dass gerade der Census von 70 v. Chr., der den Pool der italischen Wähler vergrößerte und ihnen die Teilnahme an den Wahlen in den Comitien eröffnete, zu einer Erstarkung des ambitus-Phänomens führte und somit für die hohe Anzahl der leges de ambitu – nämlich ab 67 v. Chr. – mitverantwortlich war. Als Konsequenz daraus reagierten die Kontrahenten mit der Entwicklung von neuen Wahlpraktiken, vielfältigen Distinktionsstrategien sowie Profilierungsmethoden, woraus eine weitere Gefährdung und Auflösung des Prinzips der ‚Gleichheit‘ aller Kandidaten resultierte. Diese Entwicklung legte ein härteres legislatives Vorgehen sowohl von tribunizischer Seite als auch vonseiten des Senats nahe. Ein weiterer grundlegender Faktor, der sich stimulierend auf die Entwicklung von neuen Wahlpraktiken ausgewirkt haben muss, war der generell eingeschränkte politische Handlungsspielraum der candidati. Diese Beschränkung war jedoch systemkonform. Bewerber waren schließlich Privatpersonen, denen die Kompetenz zur Einberufung einer contio fehlte. Der Raum für große öffentliche Auftritte zur Selbstrepräsentation war damit deutlich eingeschränkt. Lediglich im Zusammenhang mit folgenden Ereignissen konnte ein Kandidat in besonderer Weise hervortreten: bei der Ausrichtung von Spielen, Gastmählern und Volksspeisungen, bei der Übernahme von Gerichtsprozessen und bei Auftritten im Rahmen einer pompa funebris, während der man in der laudatio funebris auf die außerordentliche Stellung seiner gens und deren Verdienste um die res publica aufmerksam machen konnte.84 Möglichkeiten dieser Art waren legitime Taktiken der Wahlvorbereitung bzw. konnten sich positiv auf eine bald folgende petitio auswirken. Darüber hinaus schien es für Bewerber unmöglich zu sein, an eine größere Öffentlichkeit heranzutreten. Eine Reihe von Grenzüberschreitungen lassen sich daher in den Bereichen von Spielen, Volksspeisungen usf. finden, denen man ebenfalls mit legislativen Maßnahmen regulierend entgegenzutreten versuchte. In den sechziger und fünfziger Jahren des 1. Jahrhunderts zeigte sich als Reaktion auf die massiven Wahlkämpfe in Zusammenhang mit neu entwickelten und aggressiven Wahlpraktiken eine rege Gesetzesinitiative. Die Sanktion der bis dahin gültigen lex Cornelia de ambitu von 81 v. Chr. dürfte nicht mehr als Abschreckung wahrgenommen
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Siehe dazu: Wiseman 1969, 65–67; Wiseman 1971, 125, 130; Lintott 1990, 8. Gerade Wallinga 1994, 435–438 räumt dem Census eine große Rolle in Bezug auf die Entwicklung der ambitus-Legislation ein. Millar 1998, 210–211 sieht in dem Census einen destabilisierenden Faktor für die innerrömische Politik. Jehne 1995, 60 ff. zum eingeschränkten Handlungsspielraum; Steel 2016, 205–227 zu den „early-career prosecutors“. Steel kann mindestens 24 Fälle in der späten Republik nachweisen, in denen junge, aufstrebende Politiker gegen Konsuln und Praetoren Anklagen vorbrachten. Dabei scheint der Ausgang der Prozesse zweitrangig gewesen zu sein. Entscheidend war die öffentliche Aufmerksamkeit, die man für die folgende politische Laufbahn nutzen konnte. An diesem Punkt wird also der Konnex zwischen politischer Laufbahn und der Nutzung der Gerichte als politische Bühne nochmals deutlich; vgl. dazu auch van der Blom 2016, 29–33.
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worden sein. Der Wahlkampf von 68 v. Chr. hatte gezeigt, dass härtere Maßnahmen gegen ambitus notwendig waren. So berichtet Cassius Dio wie folgt über den innenpolitischen Zustand in Rom: Die lectio senatus von 70 v. Chr., in deren Verlauf mehreren Mitgliedern des Senats die Senatorenwürde aberkannt wurde, und die vorhergehende Wiederherstellung der tribunizischen Kompetenzen hatten zu Gruppierungen und Parteibildungen innerhalb der politischen Elite geführt.85 Die Tendenzen zur Gruppenbildung müssen sich negativ auf die Wahlkämpfe ausgewirkt haben. Eine legislative Reaktion seitens der Konsuln, C. Calpurnius Piso und M’. Acilius Glabrio, scheint eher verzögert und erst nach den Konflikten mit dem amtierenden Volkstribun C. Cornelius86 und dem darauffolgenden allgemeinen Druck des Senats verabschiedet worden zu sein. Denn sowohl Piso als auch Glabrio hatten eine eher fragwürdige Wahlkampagne betrieben. Piso konnte der gegen ihn eingebrachten ambitus-Klage unter Anwendung der lex Cornelia von 81 v. Chr. nur entgehen, indem er die potentiellen Ankläger bestach.87 Die rogatio Cornelia de ambitu von 67 v. Chr. des Volkstribuns hatte sich durch äußerste Strenge ausgezeichnet. Cassius Dio berichtet nur von einem harten Strafmaß, ohne genaue Details darüber anzuführen, in welcher Form die Sanktionen durchgesetzt werden sollten oder gegen wen sie genau gerichtet waren. Die Fragmente der ciceronianischen Rede bei Asconius sind in diesem Punkt aufschlussreicher.88 Demnach verlangte C. Cornelius als Teil der Sanktionen nicht nur die Belangung der Kandidaten selbst, sondern auch der divisores in gleichem Maße.89 Nach den Bestimmungen in Bezug auf die quaestiones des Diktators C. Maenius 314 v. Chr., der die coitiones als gegen die Interessen der res publica gerichtete Zusammenschlüsse verstand und dennoch nicht sanktionierte, sollte erst mit den Bestimmungen der rogatio Cornelia ein erweiterter, nicht-senatorischer Personenkreis mit in die ambitus-Bestimmungen integriert werden. Demnach würden sich nicht nur die candidati, sondern auch die divisores des ambitus schuldig machen. Es ist nicht offensichtlich, ob die divisores in gleichem Umfang belangt werden sollten oder ob sie unter ein anderes Strafmaß fielen – wobei letzteres allein aufgrund ihrer sozialen wie politischen Stellung und ihres traditionellen Aufgabenbereichs wahrscheinlicher scheint. Divisores waren bekanntlich Geldverteiler in den jeweiligen tribus, die in Bezug auf den cursus honorum keine politischen Bestrebungen gehabt haben dürften, aber gerade in der späten Republik zu wichtigen Mittelsmännern wurden. Vanderbroeck geht ferner davon aus, dass wir in Bezug auf die Beeinflussung der Wähler mit zwei Kategorien von divisores rechnen müssen. So seien divisores aus dem ordo equester für die comitia centuriata von Bedeu-
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Cass. Dio 36,38–39. Broughton MRR II, 142–144. Alexander 1990, 96–97 (Nr. 190). Ascon. 74–75C; zur Forschungsgeschichte diesbezüglich Nadig 1997, 35. Vanderbroeck 1987, 62–65 zu den divisores als „intermediate leaders“; darüber hinaus Cic. Verr. I,22 ff.; Cic. Att. I,16,12.
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tung gewesen, wohingegen divisores von niederem Rang in den comitia tributa anzutreffen waren. Im Zuge der Konkurrenzkämpfe der späten Republik wurden die divisores also zu einer wichtigen Ressource für Bewerber.90 Als der Versuch unternommen wurde, mit Hilfe der rogatio Cornelia 67 v. Chr. auch gegen die divisores rechtlich vorzugehen, kam es erneut zu Unruhen. Laut Jehne ist der Grund für den Widerstand der divisores nicht nur in dem Versuch der Unterbindung ihrer illegalen Geschäfte zu suchen. Vielmehr wurde damit die ursprüngliche Tätigkeit der divisores insgesamt infrage gestellt.91 Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass zum einen auch für die Unterhändler (sequestres/divisores) sicherlich Gelder für ihre Hilfestellungen abfiel,92 zum anderen spätestens die Maßnahmen der lex Licinia de sodaliciis auch eine Ahndung dieser Mittelsmänner vorsah.93 Die weitere Darstellung bei Cassius Dio lässt erkennen, dass die rogatio Cornelia auch im Senat auf Widerstand stieß: Der Erfolg bei Androhung von härteren Sanktionen gegen ambitus sei zwar vielversprechend, würde jedoch gleichzeitig davon abschrecken, generell Klagen einzubringen und eine Schuldigsprechung zu bewirken. Schließlich sei allen Beteiligten die Konsequenz einer Verurteilung bewusst. Der Widerwille des Senats scheint paradox zu sein: Zwar wurde ambitus als politisches Phänomen, das systemgefährdende Tendenzen im innenpolitischen Gefüge schaffte und/ oder verstärkte, als eben solches erkannt, dennoch weigerte man sich, mit voller Härte neben den candidati auch die beteiligten Strohmänner in die Strafverfolgung miteinzuschließen.94 Das Bedenken des Senats war wohl Folgendes: Würden beteiligte Personengruppen in die ambitus-Verfolgung eingeschlossen werden, so konnte die Zahl der ambitus-Prozesse und die aus ihnen resultierenden Verurteilungen zurückgehen bzw. wurde auch zugleich für alle Beteiligten die Durchführung von unerwünschten Praktiken der Wahlwerbung weiter erschwert. Eine solche Interpretation führt jedoch zu weiteren Fragen: 1) Sollte ambitus nicht mit strengen Strafmaßnahmen belangt werden – indem nämlich über die Amtsbewerber hinaus auch beteiligte Personenkreise verfolgt und bestraft wurden? Die Zurückhaltung des Senats lässt vermuten, dass ambitus eine bekannte und geduldete Konstante des politischen Lebens war, derer sich alle bedienten. Demnach wäre die Legislation 90 91 92 93 94
Vanderbroeck 1987, 63 mit Verweisen auf bekannte Vorfälle in Zusammenhang mit divisores. Walter 2010, 158 macht jedoch darauf aufmerksam, dass diese beteiligte Gruppe deshalb trotzdem nicht als ‚unschuldig‘ betrachtet werden darf, hatte sie doch versucht, die rogatio Cornelia gewaltsam zu verhindern. Siehe zumindest für die sequestres: Köpke/Landgraf 1887, 11–12; maßgeblich zu den finanziellen Interessen der divisores Vanderbroeck 1987, 64. Siehe insbesondere Cic. Planc. 44; 55. Vanderbroeck 1987, 52 ff. etabliert für den Kreis der Mittels- und Strohmänner (divisores, sequestres, nomenclatores, magistri vicorum bzw. collegiorum usf.) den Begriff der intermediate leaders: „This term has been chosen, because these persons constituted the true intermediaries between popular leaders and crowd. They operated as a relay in the communication between leader and public.“ Zu einer Zusammenfassung der Definition der intermediate leaders ebd., 64.
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tatsächlich nur eine Fassade. 2) Allerdings – und das mag glaubhafter sein – war man bei der Identifizierung und Bekämpfung der neu entstandenen Wahlpraktiken, die unter ambitus fielen, darauf angewiesen, dass Kontrahenten um politische Ämter sich gegenseitig gerichtlich belangten. Dieser Faktor müsste im politischen Bereich von besonderer Bedeutung gewesen sein, da durch die gegenseitige Beobachtung innerhalb der Kandidaten eine erhebliche soziale Kontrolle und Disziplinierung aufgebaut wurde. 3) Die divisores waren traditionell für die Weitergabe und Verteilung von Spenden in jeglicher Form in ihrer tribus verantwortlich. So sollten und konnten sie nicht wegen den „lauteren oder unlauteren Absichten“95 der Spender belangt werden. Schließlich dienten insbesondere ambitus-Prozesse auch als Mittel zur Verfolgung von Kontrahenten. Die Ausweitung der Strafverfolgung auf die beteiligten Personengruppen erschwerte demnach nicht nur die Nutzung von ambitus zur Verfolgung der politischen Mitstreiter, sondern auch die Beweisführung eines tatsächlichen Rechtsbruchs. Der Widerstand des Senats gegen die rogatio Cornelia mag unter diesen Gesichtspunkten verständlich sein. Zudem würde das Ausbleiben der gegenseitigen strafrechtlichen Anzeigen der candidati nicht gewährleisten, dass nicht weiterhin neue grenzüberschreitende Wahlpraktiken entwickelt und angewandt wurden. Diese hätten sogar die Folge, dass dem Senat jegliche Kontrolle darüber entzogen werden würde. Auf Betreiben des Senats wurde daraufhin die im Vergleich zur rogatio Cornelia gemäßigte lex Calpurnia de ambitu erlassen. Eine ähnliche Intervention des Senats wird bei den Verhandlungen um die lex Tullia de ambitu 63 v. Chr. erneut im Fokus stehen. Der gemäßigte Strafsatz sollte sich demnach motivierend auf potentielle Ankläger auswirken. In ähnlicher Weise taucht dieser Gedanke im commentariolum petitionis auf. Q. Tullius Cicero, der seinem Bruder Marcus mit hilfreichen Ratschlägen zum Konsulat verhelfen wollte, geht mehrfach auf die Kontrahenten um das höchste Amt ein. Die civitas sei besonders für largitio anfällig und schenke daher weder der virtus noch der dignitas von candidati Beachtung.96 Die Beobachtung der Konkurrenten, der praktizierten Wahlwerbungsmethoden und die potentiell daraus resultierenden Gerichtsprozesse seien essentiell und führten zur Einschüchterung der Kontrahenten. Dabei soll nicht von Beginn der petitio an die Absicht einer Anklage offensichtlich sein, sondern die potentielle Gefahr einer Anklage durch Cicero solle zur ständigen Angst führen.97 Es bedarf keiner ausführlichen Erklärung darüber, dass das commentariolum petitionis in erster Linie auf die Person des M. Tullius Cicero zugeschnitten ist. In der Kombination zwischen der rogatio Cornelia von 67 und der petitio Ciceros 64 v. Chr. gewinnen beide Aussagen dennoch eine neue Qualität: Ambitus-Anklagen wurden offensichtlich
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Jehne 1995, 67. Vgl. Yakobson 1999, 26 ff.; insbesondere hier 37; zur Unterscheidung der privaten (Ausrichtung von Banketten, in deren Rahmen auch Gelder verteilt wurden) und staatlichen (Getreideverteilung / leges agrariae) largitiones und ihrer Bedeutung siehe Vanderbroeck 1987, 93 ff. Q. Cic. comm. pet. 55–56.
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II. Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?
gerade in der letzten Phase der späten Republik zum sozialen Kontroll- und Disziplinierungsinstrument. Bis 67 v. Chr. können die Verstöße gegen die traditionellen Wahlpraktiken, die dem Patronagesystem entsprangen, kaum inhaltlich gefasst werden. Die rogatio Cornelia macht, obwohl sie abgelehnt wurde, Folgendes ganz deutlich: Dass die divisores erstmals gemeinsam mit den Bewerbern angeklagt werden sollten, ist ein starker Hinweis darauf, dass spätestens ab 67 v. Chr. Bestechungsgelder verteilt wurden. Ableiten lässt sich diese Schlussfolgerung aus der Tätigkeit der divisores. Sie waren in den tribus traditionell für die Verteilung von Spenden aus Testamenten, Schenkungen usf. verantwortlich. Als Strohmänner war diese Personengruppe mehr als effektiv: Durch ihre Anbindung an eine tribus und ihre Tätigkeit waren sie das perfekte Bindeglied zwischen Bewerbern unterschiedlicher tribus und den tribules. Man übergab ihnen vermutlich nach Abschluss der Comitien die Gelder zur Verteilung an die Wähler. Ein rigoroses Verbot von divisores konnte allerdings nicht durchgesetzt werden. Die Verteilung von Geldern in Form von Spenden fiel in die euergetische Sphäre des allumfassenden Patronagewesens – in diesem Bereich waren die divisores ein festes Bindeglied.98 Ambitus umfasste damit nicht mehr nur die direkte Absprache zwischen einem einzelnen Bewerber und den individuellen Wählern, sondern machte eine strukturelle Entwicklung durch: die systematische Einbindung von Mittelsmännern sowie die Entwicklung und Nutzung sogenannter ‚grassroot‘-Organisationen.99 Trotz der Ablehnung der rogatio Cornelia de ambitu wurde in demselben Jahr die lex Calpurnia de ambitu des Konsuls C. Calpurnius Piso erlassen, die im Vergleich zu der lex Cornelia de ambitu von 81 weitere Sanktionen im Falle einer Verurteilung vorsah.100 Die Erhöhung des Strafmaßes ist evident. Piso forderte in seinem Gesetzesentwurf nicht nur einen zehnjährigen, sondern einen lebenslänglichen Ausschluss von den honores. Eine solche Sanktion bedeutete zugleich die Unterbindung von künftigen Bewerbungen um politische Ämter. Zu dieser Sanktion kamen der lebenslange Ausschluss aus dem Senat und eine in ihrer Höhe nicht festgelegte Geldstrafe hinzu.101 Kam es zu einer Verurteilung, traten die oben beschriebenen Sanktionen in Kraft, von denen sich der Verurteilte (ambitus damnatus) nur durch die erfolgreiche Anzeige einer anderen Person des gleichen Verbrechens wegen rehabilitieren konnte. Gelang es einem Ankläger, sich gegenüber den Wahlgewinnern in einem ambitus-Prozess er-
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Jehne 1995, 66 f. Zur Diskussion, ob die lex Calpurnia de ambitu ebenfalls die strafrechtliche Verfolgung der divisores vorsah oder nicht, siehe ausführlicher Jehne 1995, 66 f. 100 Cass. Dio 36,38,1; Nadig 1997, 38–39. Zur lex Calpurnia de ambitu äußert sich besonders Cicero in seiner oratio pro Murena vier Jahre später: Cic. Mur. 46–47; 67. 101 Ascon. 69C; Schol. Bob. 78–79 Stangl; Nadig 1997, 39.
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folgreich zu behaupten, so wurden die Wahlen erneut abgehalten und der erfolgreiche Ankläger trat erneut an.102 Mit der lex Calpurnia wurde erstmals der materielle Tatbestand, d. h. die Wahlpraktiken, die unter ambitus fielen, konkretisiert. Die Tendenz, neue Methoden der Wahlwerbung vor dem Hintergrund bereits bestehender Gesetze zu identifizieren, sorgt bei der Konkretisierung des materiellen Tatbestands für Schwierigkeiten. Die Rekonstruktion des Inhaltes der lex Calpurnia erweist sich aus diesem Grund als schwierig, da mit dem senatus consultum von 65 v. Chr. einige der ursprünglichen Bestimmungen derogiert worden waren.103 Die oratio pro Murena ermöglicht einen detaillierten Einblick. So heißt es in der Rede: Du sagtest, auf meinen Vortrag hin sei folgender Senatsbeschluß ergangen: wenn jemand gegen Entgelt zum Empfang der Kandidaten ausziehe, wenn gemietete Leute ihnen das Geleit gäben, wenn das Volk bezirksweise (tributim) für Fechterspiele Plätze erhalte und ebenso wenn man dem Volke Festschmäuse ausrichte, so solle dies als Verstoß gegen das Calpurnische Gesetz gelten.104
Bei den Verhandlungen um den Inhalt der lex Tullia de ambitu 63 v. Chr. soll der Senat vor der Verabschiedung derselben gemäß einem erneuten Senatsbeschluss folgende Praktiken als Verstöße gegen die bereits 67 v. Chr. verabschiedete lex Calpurnia identifiziert haben: die Bezahlung von Personen, die den Kandidaten bei seiner Rückkehr nach Rom empfingen und diesen in Rom begleiteten (sectatores); die tribusweite Vergabe von Sitzplätzen bei Gladiatorenspielen und massenhafte Volksspeisungen (prandia). Obwohl dies den Bewerbern entsprechend der lex Calpurnia untersagt wurde und sie sich bei Zuwiderhandlung strafbar machten, konnten Restriktionen dieser Art leicht umgangen werden. Der Empfang und die Begleitung von Amtsbewerbern in Rom konnte dem traditionellen Gefüge des Patronagewesens zugerechnet werden.105 Die Verteilung von Sitzplätzen bei Gladiatorenspielen und die Ausrichtung von prandia konnten im Namen des Kandidaten von dessen amici organisiert werden – dagegen wurden keine Sanktionen etabliert.106 Dass es fast unmöglich war, die Verteilung von Die praemia legis (Belohnungen für einen Kläger) war Bestandteil aller quaestiones und somit auch der ambitus-Prozesse. Siehe dazu: Nadig 1997, 41–42. 103 Ascon. 69C. 104 Cic. Mur. 67: „Dixisti senatus consultum me referente esse factum, si mercede obviam candidatis issent, si conducti sectarentur, si gladiatoribus volgo locus tributim et item prandia si volgo essent data, contra legem Calpurniam factum videri“. Die deutsche Übersetzung von pro Murena sowie von pro Plancio richten sich, sofern nicht anders vermerkt, nach Fuhrmann. 105 Auf diese Problematik machte bereits Jehne 1995, 64–66 aufmerksam; insbesondere Goldbeck 2010 zu den unterschiedlichen Facetten der salutatio. 106 In eben diesem Aspekt sieht Rosillo-López den Grund, warum die lex Tullia keinen dauerhaften Erfolg hatte. Die lex beinhaltete keine Bestimmungen, welche den amici und den Mitgliedern der gens beispielsweise die Ausrichtung von Spielen im Namen des Kandidaten verbot: Rosillo-López 2010, 62–64. 102
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Geldern zur Sicherung eines großen Gefolges nachzuweisen, liegt auf der Hand und bestätigte sich sowohl im Falle Murenas als auch später im Prozess gegen Cn. Plancius. Signifikant ist die Verhandlung im Senat, die der Verabschiedung der lex Tullia vorherging: Es bestand demnach Klärungsbedarf bezüglich der Zuordnung der Praktiken, die bereits von der lex Calpurnia abgedeckt wurden, und solcher, die zukünftig unter die Bestimmungen der lex Tullia fallen sollten. Auf diese Weise wurde die Erweiterung des Tatbestandes und der Sanktionen sichergestellt. Die deutlich radikalere Entwicklung gegenüber den bis 67 v. Chr. verabschiedeten ambitus-Gesetzen lässt sich mit der lex Calpurnia fassen. Die vorgesehenen drastischen Sanktionen sind Hinweise auf die illegitimen Praktiken im Rahmen der Ämterwahlen. Die ambitus-Gesetze sind unter diesem Gesichtspunkt durchaus Reaktionen auf bestehende Zustände und dürfen nicht lediglich als Präventionsmaßnahmen oder präventive Regelungen verstanden werden, sondern müssen stets als reaktive Gelegenheitsgesetze aufgefasst werden.107 Die lex Fabia de numero sectatorum bestätigt erneut die Auffassung, dass ambitus nicht als isoliertes Einzelphänomen betrachtet werden darf.108 Diese zwischen 67 und 63 (höchstwahrscheinlich 64 v. Chr.)109 verabschiedete lex sollte den Umfang des Gefolges von Amtsbewerbern regulieren. Demnach sollte eine Obergrenze etabliert werden, um die exponentielle Vergrößerung des Gefolges – durch Einsatz von Geldmitteln – zu unterbinden.110 Der legislative Versuch zielte auf eine Gleichstellung aller Bewerber in puncto Gefolgschaft. Die lex Fabia steht somit in direkter Verbindung mit der lex Calpurnia von 67 v. Chr., die bekanntlich den Empfang und die Begleitung eines Kandidaten durch eine gekaufte Menge als eine unter ambitus fallende Wahlkampfpraktik bestimmte. Laut Ciceros Darstellung stieß die lex Fabia de numero sectatorum bei dem „inferiori generi hominum“ auf Widerstand.111 So sei Klienten über ihre Wahlstimme hinaus eine weitere Unterstützung ihrer Patrone in Form von Anwesenheit und Begleitung (assectatio) untersagt worden. Die Möglichkeiten, Leistungen für den Patron zu erbringen – die laut Cicero schon dürftig genug seien –, würden damit weiter beschränkt.112 Gerade in dieser Reglementierung ist allerdings der innovative 107 Die Betrachtung und Auseinandersetzung mit der ambitus-Legislation muss daher stets vor dem Hintergrund der konkreten politischen Situation vorgenommen werden, der sie entsprungen ist: Bleicken 1975, 180–181; Hölkeskamp 2004, 54. 108 Rotondi 1962, 378–379. 109 Broughton MRR II, 161. 110 Cic. Mur. 70: „‚Ac sectabantur multi.‘ Doce mercede; condedam esse crimen.“ Eine große Gefolgschaft war nicht verboten, solange sie nicht durch Einsatz von Geld gesichert wurde. 111 Cic. Mur. 71: „Itaque et legi Fabiae quae est de numero sectatorum, et senatus consulto quod est L. Caesare consule factum restiterunt.“ 112 Cic. Mur. 71: „Nulla est enim poena quae possit observantiam tenuiorum ab hoc vetere instituto officiorum excludere.“; Cic. Planc. 47. Wie Rollinger 2014, 332–333 feststellt, waren Klienten nicht in der Lage, große officia wie eine Verteidigung vor Gericht zu leisten. So konnten sie ihren Patronen nur in Form der salutatio und adsectatio ihre Unterstützung anbieten; Goldbeck 2010 zur salutatio.
2. Leges de ambitu 432–67 v. Chr. – Tatbestände und Verfahrensweisen
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Charakter der lex Fabia auszumachen: Es wurde nicht der Versuch unternommen, den Einsatz von Geldmitteln zu regulieren, der schwierig zu überprüfen und zu kontrollieren war. Vielmehr wurde eine Höchstgrenze für die Entourage eines Kandidaten festgesetzt. Da die sectatores mit dem Kandidaten gemeinsam im öffentlichen Raum präsent waren, wurde die Aufsicht über sie erleichtert, und Verstöße konnten effektiver sanktioniert werden.113 Die Sicherung einer Gefolgschaft durch Einsatz von Geldmitteln sollte dementsprechend unterbunden werden, die unter das Patronagesystem fallenden Leistungen allerdings unangetastet bleiben. Wie konnte auf dieser Basis und nach diesem Modus Operandi die gekaufte Gefolgschaft von der durch das Klientelwesen verpflichteten unterschieden werden? Die Bestimmungen der lex Fabia, hätten sie Anklang gefunden, wären so zu einem effektiven Instrument im Kampf gegen den ambitus geworden. Das drohende Unruhepotential einer durch Geldmittel zusammengebrachten Menschenmenge ist keineswegs auszuschließen. Die Einschränkung in Bezug auf die sectatores steht wohl mit dem senatus consultum der Konsuln L. Iulius Caesar und C. Marcius Figulus von 64 v. Chr. in Verbindung, der die nachweislich gewalttätigen wie politisch motivierten collegia zur Auflösung zwang.114 Zu den Auftritten im öffentlichen Raum gehörten allerdings nicht nur die sectatores. So berichtet Plutarch, Cato habe sich während seiner Kandidatur um das Militärtribunat als Einziger an das Gesetz gehalten, welches den candidati das Mitführen von nomenclatores verbot.115 Es lassen sich keine weiteren Details zu dieser unbekannten lex finden, die wohl um oder kurz vor 67 v. Chr. verabschiedet wurde.116 Öffentliche Auftritte waren für Bewerber schließlich mit gewissen Pflichten verbunden. Zu diesen Pflichten zählte das tägliche Frequentieren des Forums. Dabei wurden nicht nur Hände geschüttelt, auch sollten Personen mit Namen angesprochen werden. Um den Schein der persönlichen Vertrautheit aufrechtzuerhalten, erinnerte ein nomenclator, in der Regel ein Sklave, den Bewerber an die Namen der Bürger, denen sie begegneten: „(…) nur so konnte man den Angesprochenen den Eindruck vermitteln, es handele sich um eine tatsächliche persönliche Beziehung zum Bewerber und nicht nur einen Formalakt.“117 Im ‚Straßenwahlkampf ‘ scheint der Aspekt der persönlichen Vertrautheit eine entscheidende Rolle gespielt zu haben. Der Gebrauch von nomenclatores führte allerdings zu einem bekannten Problem: Wahlkampfmethoden dieser Art gefährdeten die zumindest formal gleiche Ausgangssituation zwischen den Bewerbern. 113 114 115 116 117
Vgl. Jehne 1995, 65. Cic. Mur. 71; Cic. Pis. 8; Broughton MRR II, 161. Siehe zu der Problematik der collegia hier Kapitel „Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik“. Plut. Cato minor 8,4 f.; darüber hinaus hatten nomenclatores die Aufgabe namentlich zu Gastmählern einzuladen: Baltrusch 1989, 79. Zur Datierung des Gesetzes und der möglichen Zugehörigkeit zu einer lex Aurelia oder lex Fabia siehe Bauerle 1990, 50–52. Jehne 1995, 58; so auch Vanderbroeck 1987, 57–58: „Such a nomenclator formed an important link within the communication process between politician and people.“
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II. Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?
Die Erwähnung von nomenclatores in der Rede für Murena signalisiert allerdings den ausgebliebenen Erfolg der lex. So wirft Cicero M. Porcius Cato vor, er habe bei einer weiteren Kandidatur (für die Quaestur oder für das Volkstribunat) doch auf nomenclatores zurückgegriffen.118 Zwar dürfte die Kritik in erster Linie auf Catos gesetzestreue Haltung gerichtet worden sein, aber dennoch zeigt sie auch, dass die konsequente Durchsetzung der Gesetze wie der lex Fabia de numero sectatorum und der lex bezüglich der nomenclatores eine grundlegende Erschwerung der Wahlkampfführung bedeutet hätte. 3. Sulpicius Rufus und die lex Tullia de ambitu 63 v. Chr. In der Reihe der ambitus-Gesetze zeichnet sich die lex Tullia auf strafrechtlicher Ebene durch besondere Härte aus. Der Wahlkampf des Jahres 66 hatte nämlich gezeigt, dass trotz des erweiterten Tatbestandes und der strengeren Sanktionen kein merklicher Rückgang des ambitus zu verzeichnen war. Die designierten Konsuln für 65, P. Cornelius Sulla und P. Autronius Paetus, wurden unter Anwendung der lex Calpurnia angeklagt und verurteilt.119 Ihre Ankläger, L. Aurelius Cotta und L. Manlius Torquatus, sicherten sich auf diese Weise die zwei höchsten Ämter der res publica.120 Nach Antritt des Konsulats mit dem Kollegen C. Antonius entwarf M. Tullius Cicero121 auf Drängen des Senats die lex Tullia de ambitu, um den Verstößen gegen die lex Calpurnia entgegenzuwirken.122 Denn auch der Wahlkampf von 63 v. Chr. war wohl mit hohem Geldeinsatz geführt worden. Das hatte M. Porcius Cato dazu veranlasst, vor dem Volk die Drohung auszusprechen, er würde „jeden, der Bestechungsgelder verteile, ohne
118 Cic. Mur. 77 mit einer deutlichen Kritik an dem Einsatz von nomenclatores in Wahlperioden. 119 Broughton MRR II, 157; zum Prozess Alexander 1990, 100–101 (Nr. 200–201). 120 Zu Sullas Wahlsieg Cic. Sull. 91; zum Prozess Cic. Sull. 11; 49–50; 81; Cic. fin. 2,62; Sall. Catil. 18; Liv. per. 101; Ascon. 75; 88C; mit weiteren Verweisen bei Broughton MRR II und Alexander 1990. Auch im Wahljahr 64 kam es zu Unruhen im Rahmen der Kandidatur des L. Sergius Catilina, was Cicero dazu bewog, seine Rede in toga candida zu halten: siehe Ascon. 88C. Sowohl eine coitio zwischen den beiden Kandidaten Catilina und C. Antonius als auch ihre Geldquellen kritisierte Cicero in seiner Rede; siehe Marshall 1985, 286 f. 121 Broughton MRR II, 165–166. 122 Cicero als auctor des Gesetzes wird in Cic. Mur. 3 erwähnt. Die Kritik des Anklägers M. Porcius Cato im Prozess gegen Murena (für die Prozessbeteiligten und weitere Details siehe Alexander 1990, 111 (Nr. 224)) richtete sich in erster Linie gegen die Übernahme der Verteidigung durch Cicero. Dieser habe schließlich nicht nur das Gesetz eingebracht, unter dem Murena nun angeklagt werde, sondern sei auch während des Prozesses noch amtierender Konsul gewesen. Zur Verabschiedung der lex Tullia ex senatus consulto: Cic. Vatin. 37. Der Volkstribun desselben Jahres, L. Caecilius Rufus, hatte den Versuch unternommen, bei der Verabschiedung der neuen lex de ambitu das Strafmaß sogar zu senken, um seinen zuvor verurteilten Schwager, den designierten Konsul für 65 v. Chr., P. Cornelius Sulla, zu rehabilitieren: Broughton MRR II, 157. Sein Vorschlag wurde allerdings abgewiesen: Cic. Sull. 65; vgl. Rosillo-López 2010, 67.
3. Sulpicius Rufus und die lex Tullia de ambitu 63 v. Chr.
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Ansehen der Person vor den Richter bringen“.123 Seinem Gesetzesentwurf fügte Cicero neben den Bestimmungen der lex Calpurnia zunächst keine weiteren Regelungen hinzu, die auf neue Methoden der Wahlpropaganda hingedeutet hätten.124 Kandidaten, die sich für die Wahl in Rom einfanden, durften weiterhin nicht von einer bezahlten Menschenmenge empfangen werden. Die Praxis, mit einem möglichst großen Gefolge aufzutreten, war im Kreis der Kandidaten beliebt, da dies als ein Zeichen für Popularität, Ansehen und Zuspruch für das angestrebte Amt verstanden wurde. Daher wurde versucht, die Stadtbevölkerung aktiv zu manipulieren, und es scheint verständlich, dass man sich die Entourage, wenn man nicht über genügend Klientel verfügte, zu kaufen suchte. Solchen Vergehen wollte Cicero entgegenwirken, indem er mit Hilfe der lex Tullia verbot, sich die sectatores zu mieten. Zum Verbot der Mitführung von sectatores kamen noch folgende hinzu: Sitzplätze bei Gladiatorenspielen tribusweise zu vergeben sowie die prandia für das Volk. Von den Verboten ausgehend können die Bemühungen und massiven (in erster Linie finanziellen) Aufwendungen rekonstruiert werden, welche die Kandidaten auf sich nahmen, um sich Wählerstimmen zu sichern. Im Vergleich mit der lex Calpurnia von 67 v. Chr. weist die lex Tullia auf Tatbestandsebene zunächst keinerlei Neuerungen auf: Die Verbote bezüglich der sectatores, d. h. der Empfang und die Begleitung durch eine gekaufte Menschenmenge, die tribusweise Verteilung von Sitzplätzen bei Gladiatorenspielen sowie die Veranstaltung von prandia fielen bereits unter die Regulationen der lex Calpurnia und wurden in der lex Tullia übernommen.125 So musste die Steigerung des Strafmaßes durch die lex Tullia der ausschlaggebende Faktor gewesen sein. Über die Maßnahmen Ciceros hinaus wurden drei weitere Vorschläge bzw. Forderungen des Ser. Sulpicius Rufus, Praetor 65 und Konsul 51 v. Chr., der im Senat vehement für härtere Sanktionen in ambitus-Fällen plädiert hatte, in Betracht gezogen und/oder in das Gesetz aufgenommen.126 Laut den Forderungen des Sulpicius Rufus sollten zum einen härtere Strafen gegen die plebs verhängt werden – wobei nicht ganz klar ist, wie diese Strafen auszusehen hatten; zum anderen wurden den wegen ambitus verurteilten Kandidaten nicht nur alle honores aberkannt, sondern es drohte ihnen das Exil.127 Damit wurde erstmals die Verbannung als Strafmaß in die
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Plut. Cato minor 21,2: „(…) τὰς ὑπατικὰς ἀρχαιρεσίας ὁρῶν ὠνίους οὔσας, ἐπετίμησε τῷ δήμῳ, καὶ καταπαύων τὸν λόγον ἐπώμοσε τοῦ δόντος ἀργύριον ὅστις ἂν ᾖ κατηγορήσειν, ἕνα Σιλανὸν ὑπεξελόμενος δι᾽ οἰκειότητα.“ Übersetzung von K. Ziegler. 124 Es erfolgte wie bereits oben dargestellt zunächst eine offizielle Bestätigung der Regelungen der lex Calpurnia durch den Senat. 125 Cic. Mur. 67; vgl. dazu Zumpt 1869, 252–256; Kunkel 1995, 83. 126 Zu Sulpicius Rufus als einer der prominenten Rechtskundigen der späten Republik siehe mit kurzem Überblick über die Rolle der ‚Anwälte‘: Benferhat 2016, 71–87; zu Sulpicius Rufus: 75–81. 127 Cic. Mur. 47: „Poena gravior in plebem tua voce efflagitata est; (…) Exsilium in nostrum ordinem“. Vgl. zur lex Tullia Nadig 1997, 49–54; zur Dauer des Exils siehe Cass. Dio 37,29,1; zum Exil nicht nur aus Rom, sondern aus Italien Cic. Mur. 89.
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II. Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?
ambitus-Legislation aufgenommen. In der oratio pro Cn. Plancio wird die Aufnahme der Verbannung als eine Sanktion der lex Tullia von den Anklägern kritisiert. So habe Cicero diesem Strafmaß nur zugestimmt, um sie effektiv als Verteidigungsstrategie vor den iudices einzusetzen. Nicht nur die Erinnerung an den Verlust des designierten Amtes, sondern auch an das drohende Exil im Falle einer Verurteilung sollte – so zumindest der Ankläger M. Iuventius Laterensis – die Erfolgsaussichten auf einen Freispruch erhöhen.128 Auch wurde das Fernbleiben von den Prozessen aus Krankheitsgründen unter Strafe gestellt, um nämlich eine Verschleppung der Strafverfolgung zu verhindern.129 Ob diese Sanktion sich auch auf den erweiterten Kreis der Prozessbeteiligten wie Richter und Zeugen ausdehnte, ist unklar.130 Dieser Aspekt der lex Tullia geht über den reinen Tatbestand hinaus und greift in den Bereich der prozessualen Verfahrensweisen ein. Dass diese Bestimmung für alle übrigen quaestiones Gültigkeit besaß, ist eher unwahrscheinlich. Die nachfolgenden Gesetze wie die lex Licinia de sodaliciis von 55 v. Chr. und die lex Pompeia de ambitu von 52 v. Chr. sollten erneut in die Reglementierungen der prozessualen Verfahrensweise für ambitus-Prozesse eingreifen und diese verändern bzw. ergänzen. Eine weitere Einschränkung der lex Tullia verbot den Kandidaten, in einem Zeitraum von zwei Jahren vor ihrer Kandidatur Gladiatorenspiele zu veranstalten.131 Nur unter der Bedingung, dass die Spiele zuvor per Testament festgelegt worden waren, konnten sie als Ausnahme in der besagten Zeitspanne ausgerichtet werden.132 Um das Wohlwollen der römischen Bevölkerung zu sichern, war die Veranstaltung von Spielen eine der wohl beliebtesten und effektivsten Methoden aufstrebender Politiker. Trotz der Einengung des Zeitraums, in dem Spiele ausgerichtet werden durften, war die längerfristige Resonanz solcher Praktiken nützlich und auch nachträglich im Ge128 129
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Cic. Planc. 83: „Hic etiam addidisti me idcirco mea lege exsilio ambitum sanxisse ut miserabiliores epilogos possem dicere.“ Cic. Mur. 47: „Morbi excusationi poena addita est“, wobei Cicero sich gegen die Regelung gestellt zu haben scheint, vgl. dazu Adamietz 1989; Cass. Dio 37,29,1–2 bestätigt, dass das Exil auf Ciceros Initiative in die Bestimmungen der lex Tullia aufgenommen wurde, mit der Absicht, Catilinas Bestrebungen auf das Konsulat entgegenzutreten. Gruen 1974, 220 spricht sich dafür aus; Bauman 2000, 845–846 argumentiert gegen die Ausdehnung der Strafe auf die Prozessbeteiligten. Zu den Kosten für die Ausrichtung von Gladiatorenspielen und ihrer Bedeutung innerhalb der politischen Kultur der späten römischen Republik siehe Hopkins 1983, 7–12, 14. Vgl. Cass. Dio 54,2,3–4 zu den Bestimmungen, die Augustus für die Ausrichtung von Spielen konstituiert hatte. So durften sich die Praetoren, die mit der Ausrichtung von Spielen betraut wurden, gegenseitig nicht finanziell übertreffen, womit ihr Potential im politischen Wettkampf auch während des frühen Prinzipats noch deutlich wird. Cic. Vatin. 37: „cum mea lex dilucide vetet biennio, quo quis petat petiturusve sit, gladiatores dare nisi ex testamento praestituta die, (…).“ In Cic. Sest. 133–134 wird zunächst das Verbot der Gladiatorenspiele im Zeitraum von zwei Jahren vor der Kandidatur wiedergegeben (133), um anschließend den Nutzen aus solchen Spielen zu erläutern (134). Diese ist in der Sicherung des Wohlwollens der römischen Bevölkerung zu orten: „(…) pro recenti populi Romani in se beneficio populari studio elatus (…)“; vgl. zum Nutzen der Spiele auch Cic. Mur. 38–40; Schol. Bob. 140 Stangl.
3. Sulpicius Rufus und die lex Tullia de ambitu 63 v. Chr.
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dächtnis der Öffentlichkeit aktivierbar: Spiele, die von Aedilen ausgerichtet worden waren, zeigten den Popularitätsgewinn, der über die Amtszeit hinaus die gesamte Karriere über anhalten konnte.133 Bei den Spielen (munera) muss allerdings grundsätzlich zwischen privaten und öffentlichen unterschieden werden. Wurden sie von Aedilen und Praetoren in ihrer Amtszeit ausgerichtet, oblagen sie keinerlei Einschränkung; handelte es sich allerdings um Gladiatorenspiele, die von Kandidaten/Privatpersonen veranstaltet wurden – d. h. die Ausrichtung von Spielen, die weder an feste Termine noch an bestimmte Magistraturen gebunden waren –, galten die Regelungen der leges de ambitu bzw. fielen die Spiele in die Kategorie der largitio.134 Die Grenze des Zulässigen lässt sich anhand der Spiele also klar ziehen: Als amtierender Aedil oder Praetor war man befugt, Spiele zu veranstalten und diese als legitime wie effektive Form des ambitus zu nutzen. Ambitus muss daher als ein Spektrum relativ spezifischer Praktiken verstanden werden, die bereits illegal waren und damit als illegitim galten, oder die noch legal waren, aber als illegitim empfunden und in einem nächsten Schritt kriminalisiert wurden. Als Privatperson, die politische Ambitionen hatte, musste man sich an die durch die lex Tullia zugrunde gelegten zeitlichen Einschränkungen halten. Eine Zuwiderhandlung gegen die gesetzlichen Bestimmungen bedeutete die eindeutig illegale Form des ambitus. Jehne interpretiert die zeitliche Eingrenzung für Spiele per legem als eine Verschiebung des Sektors, jedoch nicht als Verbot der Praktik an sich – das ist offensichtlich.135 Ob die leges de ambitu allerdings bewusst mit ‚Hintertüren‘ konzipiert wurden, um mit ihrer Hilfe verbotene wie gewissermaßen bedingt erlaubte Praktiken weiterhin anzuwenden, ist fraglich. Eines hatten die ambitus-Gesetze sicherlich stets gemein: Die unterschiedlichen gesetzlichen Versuche zielten immer darauf ab, die traditionellen, euergetischen Zuwendungen des Patronagewesens, an bestimmte Ämter gebundene Privilegien (wie z. B. die Ausrichtung von Spielen) und auf amicitia beruhende Gefälligkeiten unangetastet zu lassen – schließlich waren das systemstabilisierende Faktoren. Aus ihnen speiste sich nämlich das über Generationen kumulierte Prestige der gentes, auf dem die politische Akzeptanz und der Anspruch der Führungsschicht sowohl innerhalb der Elite als auch gegenüber dem populus beruhte.136 Eine Gefährdung dieses politischen Systems durch exzessive finanzielle Aufwendungen, geheime Abkommen und diverse übersteigerte Formen der Wahlkampagnen über die eigenen tribus hinaus 133 134
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Baltrusch 1989, 106 ff. mit Beispielen; zu den munera und ihrer politischen Bedeutung ders. 1989, 111 ff. Vanderbroeck 1987, 98 f.: „During the late Repubic, therefore, munera were not organized until the giver was on the verge of an election.“ Die compitalia, die explizit für die plebs urbana ausgerichtet wurden, sind laut Vanderbroeck 1987, 99 semi-offizielle Spiele, da sie weder gänzlich den öffentlich noch den privaten Spielen zugerechnet werden können. Organisiert wurden sie durch die collegia compitalicia. Jehne 1995, 53–55. Siehe zum Akzeptanzfaktor Walter 2010, 160.
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II. Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?
sollten aber nicht geduldet werden. Die leges de ambitu zeigen gleichzeitig auf, dass stets neu entwickelte Praktiken bzw. die Entartung von bekannten und erlaubten Methoden eine Erweiterung des ambitus-Spektrums auf inhaltlicher Ebene bedingte. Anders formuliert: Die unter den strafrechtlich belangbaren ambitus fallenden Praktiken wurden festgesetzt und mit der Zeit erweitert, die Sanktionen gewannen sukzessive an Härte hinzu und beschränkten sich nicht mehr nur auf die Kandidaten, sondern wurden auf die beteiligten Personengruppen wie die divisores und sectatores ausgedehnt. Die fortschreitende strengere prozessuale Verfahrensweise erschwerte zudem die Bedingungen, unter denen die ambitus-Prozesse geführt wurden. Das praemium legis der lex Tullia sah vor, dass sich der zuvor unterlegene Kandidat nach einem erfolgreichen ambitus-Prozess gegen einen der Wahlgewinner nochmals in einer Nachwahl aufstellen lassen durfte.137 Nicht alle Forderungen des Ser. Sulpicius Rufus wurden aber für die lex Tullia berücksichtigt. Cicero berichtet in pro Murena 47 von drei weiteren Punkten, gegen die er sich erfolgreich im Senat ausgesprochen hatte: Du hast eine Vermischung der Stimmklassen (confusionem suffragiorum flagitasti), der Durchsetzungen der lex Manilia (praerogationum legis Maniliae), Gleichmachung an Ansehen, Würde und Stimmen (aequationem gratiae, dignitatis, suffragiorum) gefordert. Ehrenhafte und in ihren Bezirken und Landstädten angesehene Männer haben es übelgenommen, dass ein solcher Mann sich bemüht hat, dass alle Stufen sowohl der Würde als auch des Ansehens aufgehoben werden. Ebenfalls wolltest du, dass es Richter, die nur vom Ankläger vorgeschlagen werden, gäbe (editicios iudices esse voluisti), damit der verborgene Hass der Bürger, der nun in schweigsamer Zwietracht gezügelt wird, gegen das Wohlergehen gerade der Besten hervorbreche.138
Der erste durch den Senat zurückgewiesene Vorschlag des Sulpicius Rufus bezog sich auf eine Vermischung der Stimmklassen, die zu einer Veränderung des Abstimmungs-
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Das war wohl die Absicht des Ser. Sulpicius Rufus, als er die Anklage gegen L. Licinius Murena vorbrachte: Cic. Mur. 56; Alexander 2010, 244 zu den praemia. Cic. Mur. 47: „Confusionem suffragiorum flagitasti, praerogationum legis Maniliae, aequationem gratiae, dignitatis, suffragiorum. Graviter homines honesti atque in suis vicinitatibus et municipiis gratiosi tulerunt a tali viro esse pugnatum ut omnes et dignitatis et gratiae gradus tollerentur. Idem editicios iudices esse voluisti, ut odia occulta civium quae tacitis nunc discordiis continentur in fortunas optimi cuiusque erumperent.“ Hier wurde eine eigenständige Übersetzung angefertigt, um möglichst nah an der ausgangssprachlichen Version zu bleiben. Jedoch ergeben sich an dieser Stelle zwei Probleme, wobei das erste sachlicher und das zweite sprachlicher Natur ist. Auf der sachlichen Ebene stellt sich die Frage, ob praerogationum legis Maniliae inhaltlich zu confusionem suffragiorum passt. Auf sprachlicher Ebene ist Folgendes auffällig: Confusionem und aequationem als Akkusativobjekte zu flagitasti haben ihre Genitivobjekte direkt nachgestellt; zu praerogationum legis Maniliae fehlt ein solches, das man aber wegen der Parallelität der Aussage erwarten dürfte. Dieses Problem hat Mommsen durch seine Konjektur praerogationem legis Maniliae zu glätten versucht, sodass wir drei Mal die Abfolge Akkusativobjekt – Objektsgenetiv haben. Dieser Konjektur folge ich bei meiner Darlegung.
3. Sulpicius Rufus und die lex Tullia de ambitu 63 v. Chr.
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modus in den comitia centuriata geführt hätte. Die beantragte confusio suffragiorum139 zielte wohl darauf ab, nicht nur die centuria praerogativa, sondern die gesamte Reihenfolge der Centurien in den comitia centuriata per Los (sortitio) zu ermitteln – ein im politischen Gefüge der Republik beliebter und häufig in unterschiedlichen Kontexten verwendeter Konfliktvermeidungsmechanismus. Der Versuch, durch Einsatz von Geldmitteln die centuria praerogativa noch vor dem Wahlakt zu beeinflussen, konnte an sich nicht gelingen, da sie per Los bestimmt wurde. Es ist eher denkbar, dass eine bestimmte Summe den Wählern der centuria praerogativa in Aussicht gestellt wurde. Um den Eingriff des Vorschlags und seine Reichweite zu verstehen, muss der Abstimmungsmodus näher betrachtet werden.140 Die comitia centuriata setzten sich aus den 18 Centurien der equites, den 170 Centurien der Klassen 1 bis 5 und den 5 Centurien der infra classem zusammen. Die Gesamtheit der wahlberechtigten Bürger gliederte sich somit in 193 Centurien. Die prima classis umfasste 70 Centurien der vermögenden Bürger, die sich wiederum aus je einer Centurie der iuniores bis 45 Jahre und der seniores der 35 tribus zusammensetzte. Die Klassen 2 bis 4 umfassten je 20 und die 5. Klasse 30 Centurien. Die politische Elite Roms stimmte somit in den 70 Centurien der prima classis gemeinsam mit den 18 Centurien der Ritter ab. Der Rest der wahlberechtigten Bürger konnte entweder in den Centurien der Klassen 2 bis 5 oder in den infra classem, den Handwerkercenturien, abstimmen. Der Wahlverlauf der comitia centuriata sah zunächst die Auslosung einer Centurie der prima classis vor. Die sogenannte centuria praerogativa durfte vor allen anderen Centurien abstimmen, wobei ihr Abstimmungsergebnis direkt im Anschluss verkündet wurde.141 Die restlichen Centurien der prima classis stimmten gemeinsam mit einer ausgelosten Centurie der infra classem und den zwölf neuen Centurien der Ritter ab. Das Wahlergebnis wurde im Anschluss verkündet. Erst danach durften die sechs suffragia der 18 Centurien der Ritter abstimmen, deren Ergebnis ebenfalls im Anschluss verkündet wurde. Dem weiteren Verlauf nach durften die Klassen 2 bis 5 und die Cen-
Siehe Rotondi 1962, 376 zur lex Manilia de suffragiorum confusionem, die von ihm allerdings angezweifelt wird. 140 Zur Forschungsgeschichte der comitia centuriata siehe Taylor 1966, 34–106 und Staveley 1972, 121–190. Die jüngsten Bekräftigungen dieser Ergebnisse finden sich bei Feig Vishnia 2012, 105–149; Jehne 2013, 107–110; Flaig 2013, 353–362. 141 Auch wenn die drei bei Livius erwähnten centuriae praerogativae stets aus den iuniores ausgewählt wurden (215 v. Chr.: Liv. XXIV,7,12; 211 v. Chr.: Liv. XXVI,22,2; 210 v. Chr.: Liv. XXVII,6,3), bleibt unklar, ob diese Centurie immer nur aus den iuniores ausgewählt wurde. Dafür sprechen sich Nicolet 1976, 354 und jüngst Feig Vishnia 2012, 95 aus. Ch. Meier, RE Suppl. 8 (1956) 567–598 s. v. praerogativa centuria, hier 573 glaubt dagegen sogar, dass sie aus der ganzen 1. Klasse und den 12 neuen Rittercenturien ausgewählt werden konnte. Es scheint jedenfalls nicht dem römischen Verständnis zu entsprechen, den seniores eine solche Ehre zu verwehren. Daher werden zumindest alle 70 Centurien der 1. Klasse auslosbar gewesen sein. Vgl. Jehne 2000, 664 Anm. 15; Mouritsen 2011, 234 f. Anm. 19; Flaig 2013, 364. 139
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turien der infra classem abstimmen.142 Bei Wahlen in den comitia centuriata verfügten alle Wähler proportional über so viele Stimmen, wie Ämter zu besetzen waren. Bei den Wahlen von jährlich zwei Konsuln bedeutete dies je zwei Stimmen pro Wahlberechtigtem. Wollte man einen Kandidaten in besonderem Maße unterstützen, so konnte man auf die Vergabe der Zweitstimme für einen weiteren Kandidaten verzichten.143 Zwei weitere Besonderheiten der comitia centuriata bestanden im Verzicht auf die Bekanntgabe der genauen Stimmzahlen, lediglich die Gewinner der Centurien wurden ausgerufen. Ferner wurde der gesamte Wahlvorgang abgebrochen, sollten sich Kandidaten die notwendige Mehrheit vorzeitig sichern. Ein solches Abstimmungsverfahren hatte zwei ganz markante Folgen: Zum einen wurde nicht gewährleistet, dass die Gesamtheit der Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen konnten – rechnerisch betrachtet dürfte eine Mehrheit bereits ab der achten Centurie der 2. Klasse erreicht worden sein; zum anderen mussten die Stimmen der vermögenderen Bürger ein höheres Gewicht gehabt haben, da sie im Vergleich zu den ärmeren wahlberechtigten Bürgern in deutlich mehr Centurien unterteilt waren.144 Es darf also nicht davon ausgegangen werden, dass ohne ambitus Wahlen in Rom gänzlich frei und demokratisch gewesen waren.145 Für die ambitus-Untersuchung ist es dennoch erheblich zu rekonstruieren, welche und wie viele der Centurien der comitia centuriata umworben werden mussten. Denn dass Gelder vor den Konsulwahlen an die Centurien verteilt wurden, ist eindeutig belegt. So hatte unter anderem Pompeius Magnus, der seinem Anhänger und ehemaligen Legaten L. Afranius zum Konsulat verhelfen wollte, in seinen Gärten unverhohlen Gelder verteilen lassen. Trotz der öffentlichen Empörung über dieses Treiben, konnte sich Afranius mit der Unterstützung des Pompeius das Konsulat für 60 v. Chr. sichern.146 Der Vorschlag des Sulpicius Rufus (confusionem suffragiorum) ist also als ein klares Indiz für die direkte Einflussnahme auf die comitia centuriata von Seiten der politischen Elite zu verstehen. Wenn die gesamte Abstimmungsreihenfolge der comitia centuriata erst kurz vor Beginn der Abstimmungen ausgelost werden sollte, wäre eine gezielte Umwerbung von bestimmten Wählergruppen wenig erfolgversprechend gewesen. Die Stimmhoheit der Centurien der prima classis und mit ihnen die der equites wäre weitestgehend unterbunden worden, da potentiell auch die unteren classes und sogar die infra classem von einer aktiven Ausübung ihres Stimmrechts hätten Gebrauch 142 Möglicherweise wurde die Reihenfolge ab der 3. Klasse gelost: Yakobson 1993, 139–155. Vgl. Flaig 2013, 359. 143 So Mouritsen 2001, 102–105. 144 Nach Cic. rep. II,40 waren in allen 70 Centurien der 1. Klasse so viele Personen wie in der einen Proletariercenturie: „In una centuria tum quidem plures censebantur quam paene in prima classe tota“. Vgl. Jehne 2013, 109 f.; Flaig 2013, 358. 145 Jehne 1995, 53. 146 Plut. Pompeius 44; vgl. dazu Heftner 1995, 306, der die Geldverteilungen in das Haus des amtierenden Konsuls von 61 v. Chr. M. Pupius Piso Calpurnianus verlegt; Broughton MRR II, 182–183.
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machen können. Die Diskussion um die Bedeutung von ambitus im Rahmen der comitia centuriata ist jüngst von Yakobson angeregt worden. Neben Yakobson stellen Nicolet und Lintott unterschiedliche Thesen auf. Nicolet zufolge wurde den ambitus-Fällen mehr Bedeutung beigemessen als tatsächlich notwendig. Eben weil die vermögenden Bürger die Wahlen bestimmten, hätte ambitus keine große Auswirkung auf die Wahlen in den Centuriatscomitien haben können.147 Damit bezieht Nicolet eine klassische Position in Bezug auf ambitus und die Wahlen der comitia centuriata. Yakobson hingegen vertritt die Auffassung, dass der Einfluss der Gesamtbevölkerung größer gewesen sein musste als bis jetzt vermutet. Geldzahlungen an ausgesuchte Wählerschaften konnten durchaus von Interesse gewesen sein, da die Censusgrenzen nicht stark ansteigend gewesen sein dürften, womit die prima classis weniger elitär gewesen sei als vermutet. Weiterhin seien für die Wahlen oft alle Centurien vollständig herangezogen worden.148 Gerade bei einer Mehrzahl von Bewerbern wurde die ‚Chance‘ erhöht, dass Wahlen eben nicht schon in den obersten Censusklassen entschieden wurden.149 Von in der Regel fünf bis sieben Kandidaten auf eine Konsulstelle und angeblich sogar zwölf Bewerbern auf die Aedilität 194 v. Chr. (auch wenn die Wahlen für die unteren Ämter des cursus honorum in den comitia tributa stattfanden) berichtet Jehne.150 Die Fülle an ambitus-Gesetzen dürfte ebenfalls ein starker Hinweis für Yakobsons These sein. Ein Kompromiss zwischen diesen beiden Positionen findet sich bei Lintott, der bezüglich ambitus die Meinung vertritt, dass sich auch die Beeinflussung bzw. ‚Bestechung‘ von Wahlberechtigen der niederen classes sich positiv auf das Prestige der Bewerber ausgewirkt haben muss: „Damit rückt Lintott die Wahlbestechung in die Nähe des Euergetismus, was Yakobson ablehnt.“151 Die zweite vom Senat abgewiesene Forderung des Sulpicius Rufus bezog sich auf die Durchsetzung eines plebiscitum des Volkstribuns C. Manilius (praerogationum legis Maniliae): lex Manilia de libertinorum suffragiis.152 Bei diesem Gesetz handelt es sich um 147 Nicolet 1976. 148 Vgl. Yakobson 1992, 32–52; ders. 1999, 20–64. 149 Die Rechenbeispiele von Ryan 2001, 402–424; ders. 2002/2003, 303–312 unterstreichen diesen Aspekt. Zwar kann Ryan aufzeigen, dass in den meisten Fällen eine Entscheidung in den comitia centuriata ziemlich früh eingetreten sein musste, sobald jedoch mehr Bewerber als zu besetzende Ämter vorhanden waren, trat die Vermutung Yakobsons ein, dass nämlich fast alle Censusklassen abstimmen mussten; zustimmend Jehne 2000, 663 und Flaig 2013, 360. 150 Jehne 1995, 54–55; von fünf bis acht Kandidaten im Wettbewerb um das Konsulat berichtet auch Evans 1991, 123–124; vgl. dazu auch Gruen 1974, 141–161. 151 Zusammenfassung nach Jehne 1995, 57. Schuller 2000 beschäftigt sich ebenfalls mit der Frage, was ambitus seinem Wesen nach genau gewesen sein könnte. Er kommt, nach Zusammenfassen der Hauptaussagen von Nadig und Jehne sowie einer Gesamtwürdigung seit Mommsen, zu der These, dass ambitus aufgrund der schlecht überlieferten Quellenlage, die sich hauptsächlich mit den Sanktionen der ambitus-Gesetze befasst, als „eine Spielart des Euergetismus oder des Patronatssystems“ gesehen werden kann, die aber „schärfstens mißbilligt wurde.“ Allerdings hatte Jehne 1995 bereits diese These formuliert. 152 Broughton MRR II, 153 mit allen Verweisen; Nicolet 1959, 162–164.
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II. Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?
die 67 v. Chr. eingebrachte Regelung, dass sich alle liberti statt in die vier städtischen tribus auch in die ländlichen tribus eintragen lassen durften. Damit wurde den liberti ein Stimmrecht in der tribus ihrer Patrone gewährt, d. h. ihr Stimmrecht blieb nicht wie bis dahin üblich auf eine der städtischen tribus beschränkt.153 Das Gesetz des Manilius wurde allerdings bereits am folgenden Tag vom Senat kassiert.154 Die Forderung nach der Wiederherstellung der lex Manilia de libertinorum suffragiis durch Sulpicius Rufus 63 v. Chr. im Zusammenhang mit der lex Tullia, d. h. in direktem Bezug auf ambitus, konnte auf Folgendes abzielen: Durch die Gewährleistung eines Stimmrechts in einer ländlichen tribus konnte die Konzentration der Stimmen von liberti in der Stadt selbst unterbunden werden. Freigelassene konnten sich auf diese Weise der direkten Kontrolle der städtischen Elite und deren Wahlkämpfen entziehen.155 Auch bedeutete die Einschreibung der Freigelassenen in die ländlichen tribus gerade für die Tributscomitien einen tatsächlich relevanten politischen Einfluss. Es ist allerdings fraglich, gerade vor dem Hintergrund der syntaktischen Problematik, ob an dieser Stelle tatsächlich auf die lex Manilia de libertinorum suffragiis oder vielmehr auf einen Antrag des Manilius Rückbezug genommen wird (lex Manilia de suffragiorum confusione?),156 der die centuria praerogativa gänzlich abschaffen wollte, dies aber eben nicht durchsetzen konnte. Unabhängig von dieser Problematik sollten die ersten beiden Forderungen des Sulpicius Rufus Gleichheit an Ansehen, Würde und Stimmen (aequationem gratiae, dignitatis, suffragiorum) innerhalb der stimmberechtigten Bürger erreichen. Diesen Forderungen nachzukommen, hätte für die Senatselite wohl bedeutet, popularen Zielsetzungen nachzugeben: Die confusio suffragiorum hatte bereits C. Sempronius Gracchus versucht durchzusetzen.157 Die Öffnung der ländlichen tribus für die liberti wäre den Bestrebungen der Volkstribune C. Manilius und P. Sulpicius Rufus (der unter Sulla proskribierte Volkstribun des Jahres 88 v. Chr.) gleichgekommen und hätte für die Adressaten reellen politischen Einfluss bedeutet.158 Bei allen zurückgewiesenen Forderungen handelte es sich also weder um eine weitere Konkretisierung bestimmter Tatbestände, die in die ambitus-Verfolgung aufgenommen werden sollten, noch um weiter verschärfte Strafmaßnahmen. Eine Steigerung des Strafmaßes für ambitus trat spätestens nach der lex Tullia von 63 v. Chr. de facto nicht mehr ein. Vielmehr wurde der Fokus auf die prozessualen Verfahrensweisen und
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Für eine kurze Übersicht zu den liberti und ihrer Eingliederung in die Bürgerschaft Lintott 1999, 51–52. Zu den potentiellen Kassationsgründen der lex Manilia siehe de Libero 1992, 98–99. Auch Clodius soll 53 v. Chr. im Rahmen seiner Kandidatur für die Praetur ein ähnliches Versprechen an die liberti ausgesprochen haben: Ascon. 52C. Vgl. Rotondi 1962, 376. Nicolet 1959, 145–210 zur confusio suffragiorum im Rahmen der Wahlreform des C. Gracchus. Zu einer ähnlichen Forderung des C. Sempronius Gracchus Sall. epist. 2,8,1; vgl. zur Authentizität des zweiten Briefes an Caesar Nicolet 1959, 148–160; zum Vorschlag des P. Sulpicius Rufus bezüglich der liberti 88 v. Chr.: Broughton MRR II, 41 mit weiteren Verweisen.
3. Sulpicius Rufus und die lex Tullia de ambitu 63 v. Chr.
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auf die Entwicklung von Sonderregelungen gelenkt – so fielen auch die Forderungen des Sulpicius Rufus eindeutig in diesen Bereich. Eine Erklärung für die Ablehnung ergibt sich wie bereits 67 v. Chr. für die rogatio Calpurnia aus der Furcht des Senats heraus, ambitus-Klagen würden allein aufgrund der strengeren prozessualen Verfahrensweisen zurückgehen. In dem Zeitraum zwischen der lex Tullia de ambitu 63 v. Chr. und der lex Licinia de sodaliciis 55 berichtet Cicero in einem Brief an Atticus von unterschiedlichen legislativen Initiativen des Jahres 61, die den Einsatz bzw. die Organisation von ambitus erschweren sollten. Erneut sind die Gründe für die gesetzlichen Maßnahmen im unmittelbaren Kontext der Wahlen für das Folgejahr zu suchen. Als ehemaliger Legat des Pompeius Magnus, der 61 als siegreicher Feldherr und anschließender Triumphator nach Rom zurückkehrte, kandidierte L. Afranius für das Konsulat. Um seinen Schützling zu unterstützen, organisierte Pompeius nach einer Nachricht bei Plutarch Geldverteilungen in seinen Gärten.159 Laut Heftner wurde die Verteilung der Bestechungsgelder allerdings im Haus des amtierenden Konsuls von 61, M. Pupius Piso Frugi Calpurnianus, bei dem es sich ebenfalls um einen Günstling des Pompeius handelte, durchgeführt.160 So habe Calpurnianus die divisores für diese Aufgabe im eigenen Haus beherbergt. In diesem Kontext berichtet Cicero, der die Ereignisse wohl anzweifelte, von zwei senatus consulta: Die Durchführung des Geschäfts hat, wie ein Schauspieler zweiten Ranges, angeblich der Konsul übernommen und die Geldverteiler bei sich im Hause; aber das glaube ich nicht. Allerdings sind schon zwei Senatsbeschlüsse gefaßt, widerwärtig, weil sie, wie man meint, auf den Konsul gemünzt sind, auf Catos und Domitius‘ Antrag: 1. Bei Beamten darf eine Haussuchung vorgenommen werden; 2. in wessen Hause sich Geldverteiler etablieren, der handelt gegen das Staatsinteresse.161
Zwar nennt Cicero keine weiteren Details bezüglich der strafrechtlichen Verfolgung oder Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der Senatsbeschlüsse, allerdings lässt ihre kurze Erwähnung weitere Schlüsse zu: Zum einen wurde offensichtlich der Versuch unternommen, die Unterstützung von Bewerbern durch amtierende Magistrate zu unterbinden. Die Erwähnung von potentiellen Hausdurchsuchungen bei Magistraten mag auf den Versuch hindeuten, deren Immunität einzuschränken. Wie und von wem genau solche Razzien durchgeführt werden sollten, ist unklar. Zum anderen wurde trotz der vorangehenden Sanktionen (siehe nur die Maß-
159 Plut. Pompeius 44. 160 Heftner 1995, 306; Broughton MRR II, 178–179; vgl. Nadig 1999, 56. 161 Cic. Att. I,16,12: „consul autem ille deterioris histrionis similis suscepisse negotium dicitur et domi divisores habere; quod ego non credo, sed senatus consulta duo iam facta sunt odiosa, quod in consulem facta putantur, Catone et Domitio postulante, unum, ut apud magistratus inquiri liceret, alterum, cuius domi divisores habitarent, adversus rem publicam.“
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II. Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?
nahmen der Jahre 67 und 63) weiterhin auf die Dienste der divisores zurückgegriffen: Bewerber um politische Ämter, amtierende und/oder ehemalige Magistrate sowie Mittelsmänner arbeiteten also bei der Organisation und Durchführung des ambitus eng zusammen. In demselben Jahr brachte der Volkstribun M. Aufidius Lurco daraufhin eine rogatio ein. Da gemäß der leges Aelia et Fufia zwischen der Ankündigung und Durchführung der Wahlen keine Gesetze erlassen bzw. keine beschlussfassende Versammlung einberufen werden durfte – folglich war in erster Linie das Rogationsrecht der Volkstribune davon betroffen –, verlegte man den Termin der Wahlen auf den 27. Juli. Diese Ausnahmeregelung schaffte also ein Zeitfenster, das Lurco dazu nutzte, um seinen Gesetzesvorschlag einzubringen.162 Das Strafmaß, vom dem Cicero berichtet, ist äußerst ungewöhnlich und in die bis dahin erlassenen wie auch in die darauffolgenden ambitus-Gesetzen nicht aufgenommen worden: Und der Volkstribun Lurco, der doch nach der lex Aelia angetreten ist, ist von der Beobachtung der lex Aelia wie der lex Fufia entbunden worden, um ein Gesetz gegen Bestechung einbringen zu können, das er denn auch unter dem günstigen Vorzeichen seiner Lahmheit promulgiert hat. So sind die Wahlen auf den 27. Juli verlegt worden. Neu bei diesem Gesetz ist, daß, wenn jemand in einer Tribus Geldgeschenke verspricht, dann aber nachher nicht zahlt, eine Bestrafung unterbleibt; zahlt er, so soll er auf Lebenszeit jedem Tribusgenossen 3000 Sestertien zu zahlen verpflichtet sein. Ich habe daraufhin geäußert, ein solches Gesetz befolge Clodius schon von jeher; er verspreche immerzu, zahle aber nie.163
Zwei Details der rogatio Aufidia164 fallen auf: 1) Bewerber, die ihre Versprechen an die tribus nicht einhielten, hatten keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Wurde das versprochene Geld aber ausgezahlt, so sollten die Zahlungen fortgesetzt werden: nämlich in Form einer lebenslänglichen Verpflichtung, jedem der einzelnen Tribusgenossen (oder jeder der 35 tribus) eine Summe von 3000 Sesterzen auszuzahlen. Lintott versteht darunter eine einmalige und nicht eine jährliche Zahlung, von der jedoch nicht nur die Mitglieder der tribus zur Zeit der Verurteilung des Bewerbers profitieren konnten. Jeder einzelne tribulis, der mit der Zeit das römische Bürgerrecht oder die Volljährigkeit erlangte und somit in die tribus aufgenommen wurde, habe Cic. Att. I,16,13; zu den leges Aelia et Fufia siehe Elster 2003, 401–405; Astin 1964, 422–423 und 443. Cic. Att. I,16,13: „Lurco autem tribunus pl., qui magistratum simul cum lege Aelia iniit, solutus est et Aelia et Fufia, ut legem de ambitu ferret, quam ille bono auspicio claudus homo promulgavit. ita comitia in a. d. VI Kal. Sext. dilata sunt, novi est in lege hoc, ut, qui nummos in tribu pronuntiarit, si non dederit, impune sit, sin dederit, ut, quoad vivat, singulis tribulibus HS ↀ ↀ ↀ debeat, dixi hanc legem P. Clodium iam ante servasse; pronuntiare enim solitum esse et non dare.“ Übersetzung nach H. Kasten mit Modifikationen von mir. 164 Zur rogatio Aufidia vgl. Rotondi 1962, 384–385; Wallinga 1994, 429; Bauerle 1990, 72; Nadig 1997, 56–58; Schuller 2000, 351. 162 163
3. Sulpicius Rufus und die lex Tullia de ambitu 63 v. Chr.
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einen Anspruch auf die Zahlung gehabt.165 Die Ziele hinter dem Gesetzesvorschlag waren wohl folgende: Zum einen sollte womöglich ein allgemeines Misstrauen gegenüber Versprechungen erzeugt werden, die Kandidaten im unmittelbaren Zusammenhang mit den Wahlen aussprachen. Zum anderen hätte die Perpetuierung der drohenden Strafe bei strenger Ausführung eine weitergehende Konsequenz: Indem die ‚Einmalzahlung‘ in eine andauernde Verpflichtung von einer zuvor festgesetzten Summe umgewandelt wurde, konnte das anfänglich noch unerwünschte Vorgehen in die Nähe der patronalen Wohltaten gerückt werden, die eben nicht mehr im Kontext der Wahlen standen. So konstituierte sich eine lebenslängliche Beziehung zwischen dem ‚Patron‘ und den Tribusangehörigen.166 Auch hätte die erfolgreiche Durchsetzung der rogatio Aufidia große finanzielle Schwierigkeiten für die Bewerber zur Folge gehabt, obwohl das beabsichtigte Strafmaß im Vergleich zu den Bestimmungen der lex Tullia, die das Exil als Maximalstrafe bei einer Verurteilung de ambitu vorsah, als gemäßigter gelten kann. 2) Die explizite Erwähnung der tribus bzw. der Tribusangehörigen deutet darauf hin, dass bereits in den 60er Jahren, also noch vor der Verabschiedung der lex Licinia de sodaliciis, für effektive Wahlkämpfe die Strukturen der tribus genutzt wurden. Allerdings verrät Cicero in einem späteren Brief, in dem er sich über die politische Situation unter den Konsuln von 60 v. Chr., nämlich Q. Caecilius Metellus Celer und L. Afranius, beschwert, dass trotz Befürwortung des Senats das Gesetz nicht durchgebracht werden konnte.167 Die Auswahl der Richter durch den Ankläger (editio / iudices editicii), die vom Senat 63 v. Chr. ebenfalls abgewiesen wurde, war von der lex Acilia 123 v. Chr. bis zu Sullas Reformen 82/81 v. Chr. die Norm gewesen. Da die Problematik der iudices editicii ein entscheidender Aspekt der lex Licinia de sodaliciis ist, soll eine detaillierte Auseinandersetzung mit ihr im Folgenden stattfinden.
Lintott 1990, 8. Lintott bespricht ebd. Anm. 51, ob konkret die 35 tribus oder die einzelnen Mitglieder einer tribus d. h. die tribules (also ob singulis tribulibus oder tribubus) gemeint sind. 166 Vgl. Lintott 1990, 8. 167 Cic. Att. I,18,3. 165
III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis Den Beginn des Jahres 55 v. Chr. dominierten ein Interregnum und gewalttätige Auseinandersetzungen in Rom. Der Konsul des Vorjahres, Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus, hatte nicht nur die Opposition gegen Clodius Pulcher eingenommen, sondern sich auch als bekennender Gegner des ersten Triumvirats hervorgetan.1 Marcellinus’ Versuche, die Bewerbung des M. Licinius Crassus und Cn. Pompeius Magnus um das Konsulat 55 v. Chr. zu blockieren, scheiterten allesamt.2 Unter der Leitung des Interrex M. Valerius Messalla Niger, der Pompeius und Crassus wohlgesinnter zu sein schien, konnten die Wahlen für das Jahr 55 v. Chr. schließlich durchgeführt werden.3 Das Ergebnis der Konsulwahlen war vorauszusehen: beide Triumvirn sicherten sich die zwei Spitzenpositionen des cursus honorum. Nicht nur gewalttätige Auseinandersetzungen hatten den politischen Alltag 56/ 55 v. Chr. dominiert. Laut der Darstellung Cassius Dios hatten die Wahlumtriebe erneut ein solches Ausmaß erreicht,4 dass legislative Gegenmaßnahmen notwendig wurden. Aus diesem Grund brachte der Konsul M. Licinius Crassus 55 v. Chr. die lex Licinia de sodaliciis ein, die zum ersten Mal Aspekte des strafrechtlichen Tatbestandes unmittelbar mit prozessualen Verfahrensweisen verband.5 Die Regelungen sollten auf mehreren Ebenen dem ambitus-Phänomen entgegentreten. Bei der inhaltlichen Gestaltung des Gesetzes hatte man sich an bekannten Methoden prozessualer Verfahrensformen orientiert und sie in modifizierter Form wiedereingeführt. Im Vergleich zu
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Broughton MRR II, 207–208. Marcellinus hatte zunächst den Versuch unternommen, unter dem Vorwand einer verspäteten Anmeldung der petitio die Bewerbungen für ungültig zu erklären. Als seine Bemühungen sowohl im Senat als auch beim Volk zu keinem Ergebnis führten, verweigerte er ostentativ mit Gleichgesinnten die Teilnahme an den Senatssitzungen: de Libero 1992, 77–78. Broughton MRR II, 217. Cass. Dio 39,30,1–33,1. Die abgeschwächten prozessualen Regelungen der lex Tullia de ambitu von 63 v. Chr. waren unter diesem Gesichtspunkt mit denen der lex Licinia keineswegs zu vergleichen – zumal die strengen Forderungen des Sulpicius Rufus vom Senat abgelehnt worden waren.
1. Sodalicia als hybride Vereinsform
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den vorhergehenden leges de ambitu fügte die lex Licinia auf strafrechtlicher Ebene allerdings keine weiteren Sanktionen hinzu. Vielmehr richteten sich die Regelungen auf die sicherlich bereits vor 55 v. Chr. eingetretenen Veränderungen der Wahlkampfmethoden, die es ermöglicht hatten, ambitus aggressiver und vor allem breitgefächerter als zuvor durchzuführen; nämlich durch die Organisation und den Einsatz von sodalicia. Die oratio pro Cn. Plancio von 54 v. Chr. erlaubt den wohl detailliertesten Einblick in die Bestimmungen der lex Licinia de sodaliciis. Zugleich kann die lex als ein Indiz für die instabile politische Lage Mitte der 50er Jahre in Rom gedeutet werden.6 Die gesetzlichen Initiativen signalisierten daher wohl auch den Wunsch nach politischer Stabilität.7 So gingen die Gesetze der Konsuln des Jahres 55 Hand in Hand: Die lex Pompeia iudiciaria legte fest, nach welchen Kriterien die iudices aus den Reihen der equites und tribuni aerarii ausgewählt werden sollten, um eine willkürliche Auswahl durch den praetor urbanus zu unterbinden. Die lex Licinia de sodaliciis beschränkte im Gegenzug den Einfluss der Anwälte bei der editio der Richterberufung per tribus.8 Bei der Untersuchung der lex Licinia ist die Differenzierung zwischen drei Hauptpunkten unerlässlich: 1. Eine Skizze zum Wesen und zur Funktionsweise der sodalicia ist notwendig, um die Bezugspunkte zum ‚regulären‘ ambitus herzustellen und sie davon abzugrenzen. 2. Soll im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung die Frage stehen, ob der materielle Tatbestand der lex Licinia, d. h. die Merkmale, die den Straftatbestand sodalicia auszeichnen, bei erweitertem Tatbestand auch härtere Sanktionen vorsah. 3. Gilt es anhand der prozessualen Sonderformen zu überprüfen, ob nicht mehr die Sanktionen gegen ambitus, sondern vielmehr die Verfahrensweisen in das Zentrum der Strafverfolgung rückten. Auf dieser Grundlage soll der Versuch unternommen werden, die Entstehung neuer Wahlmethoden Mitte des 1. Jahrhunderts aufzuzeigen. Zugleich soll gerade anhand der lex Licinia die Bestrebung deutlich gemacht werden, neu entstandene Gesetzeslücken durch härtere prozessuale Maßnahmen, nicht aber durch härtere Strafsätze zu schließen. 1. Sodalicia als hybride Vereinsform Vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Tatbestandes stellt sich zwangsläufig die Frage, ob und inwiefern die lex Licinia unter die Kategorie der leges de ambitu fällt. In der Planciana wird an zwei Stellen auf die lex Licinia in Zusammenhang mit am-
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Broughton MRR II, 214–215; Rotondi 1962, 407. Gruen 1974, 257–258: „Certain years stand in the textbooks as emblematic of desruption and decay: 59, 58, 55, 52. Yet those very years produced solid legislation aimed at stability and progressive reform: the Julian extortion law, Clodius’ legislative program, the lex Licinia de sodaliciis, and a series of careful enactments by Pompey on judicial procedure and criminal law.“ Gruen 1974, 232.
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
bitus Bezug genommen. So heißt es zunächst, der Ankläger habe sich der lex Licinia nur bedient, da er in den Bestimmungen des Gesetzes alle unter ambitus fallenden Regelungen vorfinden würde. Ferner habe man die prozessualen Vorteile des neuen Gesetzes für sich nutzen wollen. Das Strafmaß der lex Licinia hatte in der Tat keine Unterschiede zu der vorhergehenden lex Tullia de ambitu aufzuweisen, sondern zeichnete sich insbesondere durch die Verschärfung des Strafverfahrens aus. Noch prägnanter ist allerdings, dass Licinius Crassus als „legum ambitus auctor“ bezeichnet wird.9 Namentlich richtete sich die lex Licinia gegen die Organisation von sodalicia.10 Die Einrichtung von sodalicia innerhalb der tribus mit dem Ziel, die Wählermobilisierung und Wählerzusammenführung zur Beeinflussung von Wahlergebnissen zu erleichtern, fiel aber unter die Kategorie des ambitus infinitus.11 Gewiss haben Mouritsen und Rosillo-López mit ihrer Behauptung Recht, dass es sich bei der lex Licinia um eine Offensive gegen ambitus handelte.12 Es ist aber unbestreitbar, dass die lex auch die Organisation und den Einsatz von sodalicia eindämmen sollte, die eine Art übersteigerten ambitus darstellten. Es wurden nicht mehr nur die Strukturen der sodalitates und collegia genutzt, um vereinsintern ambitus zu betreiben. Vielmehr vollzog sich ein gewisser Wandel innerhalb der Wahlpraktiken und -methoden: Sodalicia wurden als organisierte Gruppierungen innerhalb der tribus gezielt für den Wahlkampf eingesetzt.13 Der Tatbestand ambitus, der sich vor 56–55 v. Chr. gesetzlich betrachtet auf den ‚Kauf ‘ von Stimmen direkt zwischen Amtsbewerber und Wähler beschränkt hatte, wurde nun auf die Ebene der tribus ausgeweitet und involvierte weitere Strohmänner. Daher wird der Tatbestand ab 55 v. Chr. nicht mehr nur als crimen ambitus, sondern als crimen tribuarium sodaliciorum bezeichnet.14 Das crimen sodaliciorum wird damit zum Gegensatz des ambitus communis.15 So hat auch die In9 10 11 12 13
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Cic. Planc. 36; 49; siehe zu der entsprechenden Stelle im historischen Kommentar ab §§ 49–50. Stroh 2017, 362–364 stellt bündig die Forschungslage zu den sodalicia dar. Vgl. Linderski 1961, 107. Mouritsen 2001, 149–151; Rosillo-López 2010, 68–69. Kunkel 1995, 83. Kunkel sieht in den sodalicia „eine Verschlimmerung des Bestechungswesens“. Weiterhin fasst er die sodalicia durchaus als „permanente Verbände“ auf, die auch über die Wahlphasen hinaus für Unruhen sorgten. Kunkel verweist somit auf die hier besprochenen legislativen Maßnahmen gegen die collegia und sodalitates, mit dem Unterschied, dass er die Maßnahmen von 65 v. Chr. gegen die collegia ohne expliziten Bezug zur Wahlkorruption sieht, die Bestimmungen gegen die sodalitates allerdings auf diesen Grund zurückführt: ders., 83–84. Cic. Planc. 47: „itaque haesitantem te in hoc sodaliciorum tribuario crimine ad communem ambitus causam contulisti, in qua desinamus aliquando, si videtur, volgari et pervagata declamatione contendere.“ Der Ankläger Laterensis habe sich dem Vorwurf des allgemeinen ambitus (ambitus communis) zugewandt, als er mit dem Vorwurf des sodaliciorum tribuaria crimine nicht erfolgreich war. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Untersuchung für das crimen tribuarium sodaliciorum im übertragenen Sinne die Bezeichnung ambitus infinitus gebraucht. Vgl. Linderski 1961, 116, der darauf aufmerksam macht, dass ein solcher Gegensatz zum ambitus communis bereits in der oratio pro Caelio auftaucht, wenn Cicero die crimina sodalium und sequestrium als infinitus ambitus darstellt. Demnach muss es sich bei dem crimen sodaliciorum ebenfalls um eine Art infinitus ambitus handeln.
1. Sodalicia als hybride Vereinsform
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terpretation von Treggiari ihre Gültigkeit, die die lex Licinia als Maßnahme zur Eindämmung der vereinsähnlichen Strukturen versteht.16 Diese Eigenschaft machte schließlich die Sonderstellung der sodalicia aus: Ihre Strukturen waren vereinsähnlich, nicht vereinsgleich, weshalb sie als „elite associations“ und „groups of nobles“ bezeichnet werden.17 Mit den sodalicia bildete sich also spätestens ab der Mitte des 1. Jahrhunderts eine neue, hybride Form der Vereinigung.18 Begriffsgeschichtlich lässt sich die Bedeutung von sodalicium außerhalb der politischen Sphäre sowohl vor, als auch nach Ciceros oratio pro Plancio nachvollziehen. Dieses Ergebnis sorgt allerdings bei dem Versuch einer Differenzierung zwischen sodalicium als Gemeinschaft und/oder Freundeskreis und sodalicium als Straftat für Schwierigkeiten.19 Die einzigen Verweise auf die im politischen Kontext zu verortenden sodalicia gehen aus der Rede für Plancius 54 v. Chr. hervor. Um die Bedeutung von sodalicia und ihre Auswirkungen auf die römische Politik greifbar zu machen, muss zwischen der Organisationsform eines sodalicium – d. h. dem strukturellen Rahmen und der Zusammensetzung – und dem sodalicium als Straftat, welche mit der lex Licinia de sodaliciis geahndet wurde, unterschieden werden. Im Fall der collegia und sodalitates konnten die Vereine traditionsgemäß nach den unterschiedlichen Sanktionen und Einschränkungen in ihrer ursprünglichen Form wohl weiterbestehen oder sogar wiedereingeführt werden. Die Untersuchung der sodalicia weist auf eine ähnliche Organisationsstruktur hin. Der Grundgedanke eines sodalicium, der a priori von politischer Natur war,20 musste nicht unmittelbar die konkrete Straftat beinhalten. Die recht zügige Reaktion des Senats mit einer Gesetzesinitiative 55 v. Chr., nachdem kurz zuvor das SC von 56 v. Chr. die politisch orientierten sodali-
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Treggiari 1969, 175–177. Mouritsen 2001, 151; Gruen 1974, 227–233 und Lintott 1990, 9 versuchen einen Zwischenweg einzuschlagen; Riggsby 1999, 21 sieht in den sodalicia dem ambitus nahestehende Vergehen, die er als „electoral conspiracy“ bezeichnet, aber zugleich seine Definition mit einem Fragezeichen markiert. Kroll 1937, 133 versteht unter sodalicia Gruppierungen innerhalb einer tribus, die mit dem Ziel tribus-weit organisierter Bestechung ins Leben gerufen worden waren. Damit distanziert er sich vom Begriff der „Clubs“. Das erklärt zugleich, wie hier auch dargestellt, die starke Personenabhängigkeit der sodalicia. Für die Zeit vor Cicero siehe: Lucil. 438 (Krenkel 1970, 280) bezüglich des Verbots von „primum dominia atque sodalicia omnia tollantur“; Rhet. Her. 4,64 ist deutlich unpolitisch „Dum haec loquitur, venit in aedes quasquam, in quibus sodalicium erat eodem die futurum; quo iste pro notitia domnaedi iam it intro cum hospitibus“; Catull. 100,1–4 hier im erotischen Sinne, zeitlich am nächstem zum Prozess gegen Plancius „Caelius Aufillenum et Quintius Aufillenam / flos Veronensum depereunt iuuenum / hic fratrem ille sororem. / hoc est quod dicitur illud / fraternum uere dulce sodalicium“. Für die Zeit nach Ciceros Prozessrede: Liv. III,14,2 „cum velut victores tribuni perculsis Caesonis exilio prope perlatam esse crederent legem et, quod ad seniores patrum pertineret, cessissent possessione rei publicae, iuniores, id maxime quod Caesonis sodalicium fuit, auxere iras in plebem, non minuerunt animos; sed ibi plurimum profectum est, quod modo quodam temperavere impetus suos.“ Vgl. neben der Planciana auch Liv. III,14,2.
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
tates aufgrund gewalttätiger Ausschreitungen verboten hatte,21 kann allerdings als ein starkes Indiz für den politischen Einfluss der sodalicia gedeutet werden. Ein sodalicium22 verband in sich verschiedene Eigenschaften der collegia und sodalitates und bildete damit eine zumindest in ihrer späteren, politisch relevanten Rolle eine neue Form der Vereinigung.23 Die Bedingung eines collegium erfüllte ein sodalicium insofern, dass es Personen mit gleichen Bestrebungen zusammenbrachte. Das entscheidende Kriterium für die sodales der collegia war ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe, die Ausübung von gleichen Ämtern oder sakralen Positionen. Die Mitglieder der sodalicia zeichneten sich durch ihre politische Orientierung oder durch die politische Unterstützung einer bestimmten Person aus. Somit waren sie im Gegensatz zu den herkömmlichen collegia stark personengebunden und erinnern unter diesem Aspekt eher an die sodalitates.24 Den Mitgliedern eines sodalicium war es wie den Mitgliedern der sodalitates untersagt, sich gerichtlich zu belangen. Ebenso wie collegia und sodalitates konnten sie von Einzelpersonen gegründet werden. Auffällig ist die Zusammensetzung der Mitglieder eines sodalicium. Im Rahmen der collegia und sodalitates kamen Personen unterschiedlicher tribus zusammen, da bei den collegia die berufliche Tätigkeit, bei den sodalitates die sakrale Orientierung ursprünglich im Vordergrund standen. Die Mitglieder der sodalicia, für die eine politische Orientierung maßgeblich war, wurden innerhalb der einzelnen tribus zusammengebracht. Das führt zu der Annahme, dass die sodalicia nicht nur an ein Individuum, sondern an eine tribus gebunden waren. Köpke/Landgraf bezeichnen diese daher als „collegia-sodalicia (…) politische Klubs innerhalb der Tribus, also Bezirksvereine einer politischen Färbung, die oft von den Kandidaten selbst erst gegründet waren (…)“.25 Die Abhängigkeit der sodalicia von den tribus erklärt zugleich die Sonderstellung der lex Licinia de sodaliciis. Die lex setzte bekanntlich die prozessuale Vorgehensweise der editio tribuum fest – d. h. der Vorschlag von vier Stimmbezirken (tribus) seitens der Ankläger, aus denen die Richter ausgewählt bzw. ausgelost wurden.26 So sollte sichergestellt werden, dass 21 22
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Siehe zum SC gegen die sodalitates 56 v. Chr. das Kapitel „Sodalitates und ihre Korrumpierung zum Zwecke des ambitus“. OLD2 1962 s. v. sodalicium, no. 1a a body of persons meeting for religious or social purposes, club, fraternity; no. 1b a gang organized to influence elections (vgl. Cic. Planc. 36 und 47); no. 2 (in wider use) a close association (between friends, etc.), partnership or sim. Siehe auch Mommsen, de collegiis zum Wesen der Vereine, Kapitel III, 32–40. Mouritsen 2001, 151: „There are, in sum, no real points of resemblance between the clubs of Clodius and the ‚decuriati‘ described in pro Plancio. While the former were gangs used for political intimidation and demonstrations, the latter were tribules enlisted in bribery schemes organized by elite associations.“ Siehe nur Liv. III,14,2; Cic. Planc. 36–37; 47. In Cic. Planc. 37 wird eine solche Vereinigung als consensio verstanden: „(…) consensionem quae magis honeste quam vere sodalitas nominaretur (…)“, vgl. Linderski 1961, 111. Köpke/Landgraf 1887, 17–18. Siehe für die Analyse der editio tribuum insbesondere im Rahmen des Prozesses gegen Cn. Plancius das Kapitel „Die Analyse der editio tribuum“.
1. Sodalicia als hybride Vereinsform
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der unmittelbar beteiligte oder zumindest über die illegalen Vorgehen informierte Personenkreis der sodalicia und damit der jeweiligen tribus an den angestrengten Prozessen beteiligt war; nämlich als „testis et iudices“.27 Die prozessuale Verfahrensweise wird per se in der oratio pro Cn. Plancio als acerbus charakterisiert.28 Weiterhin heißt es: „sed hunc eis iudicibus editis qui idem testes esse possent absolutum putarem“.29 Eine solche Verfahrensweise und die somit einberufenen Richter wurden als „acerbum omnino genus iudici“ aufgefasst. Die Kritik richtete sich allerdings nicht gegen die lex Licinia per se – nicht das Gesetz sei hart, sondern seine Anwendungsweise durch die Anklage. Trotzdem wird die Verfahrensweise der Richterberufung als „acerbum iudici“ bezeichnet.30 Mit dieser Regelung wurden seit der Einrichtung der quaestiones im Jahre 149 v. Chr. zum ersten Mal für die Besetzung der Gerichtshöfe auf die tribus zurückgegriffen. Ab 55 v. Chr. wurden sie zum festen Bestandteil der quaestio de sodaliciis und damit ein Teil der Rechtsprechung.31 Innerhalb der Binnenstruktur der sodalicia agierten sequestres und divisores. Der divisor war ursprünglich für die Verteilung von Spenden innerhalb derjenigen tribus verantwortlich, der er selbst angehörte. Sofern der divisor einer sodalicia angehörte, war er tribulis (Mitglied einer tribus / eines Stimmbezirks) und sodalis32 (Mitglied eines Vereins) des Kandidaten. Der Bezeichnung sodalis kommt im Zusammenhang mit den sodalicia eine deutlich negative Konnotation zu: Wenn du sie seine Handlanger (sodalis) nennst (Cicero nennt sie gratiosos, d. h. Personen, die eine Gunst empfangen haben), dann ziehst du mit einer gehässigen Bezeichnung (criminoso nomine) die pflichtbewußte Freundschaft in den Staub.33
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Cic. Planc. 37. Cic. Planc. 36; 37; 41 und 42. Cic. Planc. 42. Die lex Licinia sah eine der strengsten Verfahrensweisen für die Richterberufung vor. Die auf die eigenen Vorteile bedachte editio der Ankläger, erschwerte die Situation entgegen der Absicht der lex zunehmend. Acerbus, mehrfach in der oratio belegt, am prägnantesten in den §§ 36–37 und 41–42, nimmt laut Mattingly 1983, 306–307 eine besonders negative Konnotation an: „In Cicero’s political language acerbus is largely reserved for the extremes – the Cinnan regime, Sulla’s dictatorship, bitter professional prosecutors, turbulent and seditious tribunes.“ Die Nachweise neben der Planciana finden sich bei Cic. S. Rosc. 81: „Sex. Roscio temporis illius acerbitatem iniquitatemque obicient“; Cic. Cluent. 151: „L. Sulla (…) omnem illam acerbitatem proscriptionis suae qua est usus in veteres iudices in hanc unam quaestionem contulisset“ und 123 „quam illa acerbissima proscriptio possit adferre“ und 94: „(L. Quinctiusi) ille autem acerbus, criminosus, popularis homo ac turbulentus“; Cic. leg. II,56: „C. Mari sitas reliquias apud Anienem dissipari iussit Sulla victor acerbiore odio incitatus quam si tam sapiens fuisset quam fuit vehemens“; Cic. Brut. 136: „Tum etiam C. L. Memmii fuerunt oratores mediocres, accusatores acres atque acerbi“ und 221: „Cn. Pomponius lateribus pugnans, incitans animos, acer acerbus criminosus“; Cic. Sest. 58: „multa acerba, multa turpia, multa turbulenta habuit ille annus“ gemeint ist das Tribunatsjahr des Clodius Pulcher. Zur editio von Richtern hier Cic. Planc. 36 ff. insbesondere 41. Ob eine solche Vorgehensweise für den Angeklagten von Vor- oder Nachteil war, wird noch zu erörtern sein. OLD2 1962 s. v. sodalis. Cic. Planc. 46: „quos tu si sodalis vocas, officiosam amicitiam nomine inquinas criminoso“; hier wurde abweichend von Fuhrmann eine eigene Übersetzung angefertigt.
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
Sodalis wird in diesem Kontext, zumindest aus der von Cicero so behaupteten Perspektive des Anklägers, zu einem nomen criminosum.34 Die sequestres waren angesehene Männer ihrer tribus, die freundschaftliche Beziehungen zu denjenigen Kandidaten pflegten, für die sie agierten.35 Sie verwahrten das ausgehandelte Geld für die Bezahlung der Wähler, um es später – vermutlich nach Abschluss der Comitien – den divisores zur Verteilung zu übergeben.36 Als sequester konnte aber auch der Kandidat selbst tätig sein. Ein Indiz dafür liefert erneut die Planciana. So wurden die Ankläger mehrfach aufgefordert, sie mögen Beweise für den Vorwurf erbringen, der Angeklagte habe sich als sequester seiner tribus betätigt.37 Richtigerweise arbeitet Linderski heraus, dass die leges de ambitu bis 56 v. Chr. keine rechtliche Handhabe gegen sodales bzw. sequestres vorsahen. Erst nach dem SC von 56 v. Chr. und insbesondere nach der Verabschiedung der lex Licinia de sodaliciis 55 v. Chr. wurden die Aktivitäten der sequestres strafrechtlich verfolgt. Dabei schien es keinen Unterschied zu machen, ob die candidati sich der sequestres bedienten oder selbst als sequester tätig waren. Sowohl der sequester, als auch der candidatus machten sich strafbar. Die negative Konnotation von divisores und sequestres und die Missbilligung ihrer Aktivitäten wurde jedoch bereits vor der lex Licinia 55 v. Chr. deutlich. Im Jahre 67 v. Chr. war bereits ein gescheiterter Versuch unternommen worden, die divisores bei der nachweislichen Beteiligung am ambitus strafrechtlich zu verfolgen. Auch im commentariolum petitionis (ca. 65/64 v. Chr.) wird die negative Auffassung bezüglich der Unterhändler deutlich: (…) den Mittelsmännern (sequestres) Furcht einflößen und die Geldverteiler (divisores) auf irgendeine Weise systematisch einschränken, dann lässt sich es erreichen, dass Bestechung (largitio nicht ambitus) gar nicht erst erforderlich wird oder überhaupt ins Gewicht fällt.38
Die Tatsache, dass Q. Cicero im commentariolum petitionis largitio und nicht ambitus erwähnt, deutet sowohl auf die bewusste Unterscheidung dieser beiden Kategorien, als auch auf den deutlich negativ-assoziierten Charakter von ambitus hin. 34 35 36 37
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Vgl. Linderski 1961, 111; darüber hinaus Stroh 2017, 383: „(…) sodales nannte man offenbar Personen, die die Aufgabe hatten, innerhalb ihrer Tribus für einen Kandidaten zu werben und dabei naturgemäß im Verdacht der Bestechung standen.“ Köpke/Landgraf 1887, 11–12. Zu den divisores: Jehne 1995, 65 ff.; Kunkel 1995, 83. Siehe ausführlicher zu sequestres: Linderski 1961, 107 ff. Siehe zu sequestres auch: E. Weiss, RE 4,2 (1923) 1659–1660 s. v. sequester; Cic. Cael. 16: „de ambitu et de criminibus istis sodalicium ac sequestrium“. Cic. Planc. 38: „Cuius tu tribus venditorem, et corruptorem, et sequestrem Plancium fuisse clamitas (…)“; Cic. Planc. 44: „Sequestremne Plancium?“ An dieser Stelle differenziert Cicero zwischen sequester und gratiosus. Demnach habe Plancius einen großen Zuspruch erhalten, nicht weil er sich als sequester betätigt hatte, sondern weil er beliebt war. Q. Cic. comm. pet. 57: „sequestribus metum inicimus, divisores ratione aliqua coercemus, perfici potest, ut largitio nulla fiat aut nihil valeat.“
2. Der Tatbestand de sodaliciis – oder: der ambitus infinitus
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In der Gesamtbetrachtung der unterschiedlichen Vereinsformen (collegia, sodalitates und sodalicia) tritt ein Unterschied also besonders hervor: Für die Einteilung der sodales in decuriae und ihren gezielten Einsatz für Wahlen konnten unmittelbar die bereits existierenden Vereinsstrukturen der collegia und sodalitates genutzt werden. Die Kandidaten bedienten sich der vorhandenen Vereine, um Wähler zu gewinnen. Für die politisch intendierten sodalicia wurden neue Strukturen entwickelt, nämlich auf der nächsthöheren Ebene. Für eine noch effektivere Wählermobilisierung bedienten sich candidati nicht mehr der bekannten Vereine, sondern organisierten Stimmenkauf mit Hilfe der sodalicia auf tribus-Ebene. Daher lautete der Vorwurf „sodaliciorum tribuario crimine“.39 2. Der Tatbestand de sodaliciis – oder: der ambitus infinitus Drei Hauptmerkmale bestimmten den Tatbestand der sodalicia: „Der Zusammenschluß von Bezirksgenossen, die Einteilung der Wählerschaft, die durch unerlaubte Geschenke beeinflußten Abstimmungen: (…) daß Plancius die Wähler in Abteilungen zusammengefaßt, Listen angelegt, sich als Unterhändler betätigt, Versprechungen gemacht und Geld verteilt hat (…)“40 Beweise für folgende Delikte mussten demnach vorgebracht werden: die Betätigung als sequester (Unterhändler), die Verteilung von (unerlaubten) Geschenken, das Anlegen von (Wähler)Listen und die Einteilung der Bezirksgenossen in (Wähler)Abteilungen.41 Weiterhin musste das Vergehen der „sodaliciorum tribuario crimine“ belegt werden.42 Aus Ciceros Formulierung lässt sich ableiten, dass in erster Linie der Kandidat von der Strafverfolgung betroffen war. Die Mitglieder der sodalicia und die Mittelsmänner, derer man sich insbesondere dann bedient hatte, wenn Kandidaten selbst solche sodalicia gründeten, scheinen nicht betroffen gewesen zu sein.43 Die sodalicia begünstigten coitiones zwischen den Kandidaten nicht nur, sondern machten sie wohl notwendig.44 Zurückführen lässt sich das auf zwei sich bedingende und doch unterschiedliche Faktoren. Zum einen konnte ein einzelner Kandidat nicht die Menge an Geldsummen aufbringen, die für eine Kandidatur in der letzten
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Cic. Planc. 47. Cic. Planc. 45: „Decuriatio tribulium, discriptio populi, suffragia largitione devincta (…) / decuriasse (…), conscripsisse, sequestrem fuisse, pronuntiasse, divisisse“. Zum Versprechen von Geldsummen (pronuntiasse) und ihrer Verteilung (divisisse) siehe auch Yakobson 1999, 140 mit weiteren Fallbeispielen. Vgl. zu decuriati = decuriae tribulium Linderski 1961, 112. Cic. Planc. 47: „sequestrem fuisse, largitum esse, conscripsisse, tribulis decuriavisse“. Cic. Planc. 47: „unerlaubte(r) Vereinigungen innerhalb der Bezirke“. So auch Kunkel 1995, 84: „Für das Gesetz selbst sind Strafbestimmungen gegen die Mitglieder der sodalicia und die decuriati nicht bezeugt, (…)“. Cass. Dio 39,37,1. Kunkel 1995, 84.
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
Phase der späten Republik notwendig war.45 Andererseits war es wohl im Interesse der sodalicia als selbstorganisierte Gruppen, die nicht an eine Person allein gebunden waren, ihre ‚Dienste‘ mehreren Kandidaten zur Verfügung zu stellen.46 Bestätigt wird diese Annahme durch Ciceros wiederholte Frage: „Sequestremne Plancium?“ Ist es also möglich, dass der Tatbestand, d. h. die gesetzlich festgelegten und sanktionierten Merkmale der sodalicia, sich auch gegen coitiones dieser Art richteten?47 Eine coitio bedeutet zunächst die bekannte und durchaus erlaubte Praktik der indirekten Wahlwerbung. In ihrer ursprünglichen Funktion sollte sie als Garant dafür stehen, dass die Partner einer coitio in ihrer jeweiligen tribus Wahlkampagnen für ihr Gegenüber betreiben dürfen.48 Das Bitten um Stimmen bei den eigenen tribules für den Partner der coitio und folglich die Lenkung der Aufmerksamkeit auf diesen, scheinen zwei Grundprinzipien eines solchen Zusammenschlusses gewesen zu sein. Speisungen und Spiele durften die amici eines Kandidaten an dessen Stelle ausrichten und zwar gerade außerhalb seiner eigenen tribus.49 Das Geld für solche Aufwendungen stammte sicherlich aus der Kasse der Amtsanwärter. Erwies ein candidatus eigenständig solche beneficia außerhalb seiner tribus auch anderen Bezirken, wurde dies nicht geduldet. Eine coitio, die das Ziel verfolgte, große Geldmengen für Stimmenkauf bereitzustellen, fiel eindeutig unter die Ahndung der ambitus-Gesetze. Will man pauschalisieren, so lässt sich festhalten, dass Zuwendungen jeglicher Art (Spenden, Speisungen, Spiele) in den tribus der Kandidaten nicht nur geduldet, sondern auch willkommen und sogar notwendig waren. Die lex Licinia de sodaliciis greift jedoch zum ersten Mal solche Strukturbildungen innerhalb der tribus an. Die Zusammenstellung der decuriationes und die Führung von Wählerlisten sollte unterbunden werden. Es wurden nicht wie bis dato die collegia oder sodalitates, die durchaus tribus-übergreifend ihre Mitglieder rekrutierten, zur Zielscheibe der Gesetzesinitiativen, sondern die tribus bzw. die innerhalb einer tribus organisierten Vereinigungen. Solche Gruppierungen wurden gezielt genutzt, um Stimmenkauf zu organisieren: „decuriatio tribulium, discriptio populi (…)“. Geht man von Kunkels These aus, dass coitiones unter anderem durch die sodalicia notwendig wurden, muss seine Darstellung durch die von Bauerle ergänzt werden, dass coitiones durchaus nicht die Inanspruchnahme der sodalicia bedeuteten und
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Cn. Plancius war als Kandidat wohl deutlich im Vorteil, da ihm die finanziellen Ressourcen des Vaters, der als publicanus tätig war, zur Verfügung standen; vgl. Shatzman 1975, 84 ff. Kunkel 1995, 84. Bauerle 1990, 96 greift ebenfalls die Verbindung zwischen der lex Licinia de sodaliciis und der coitio in der Forschungsgeschichte auf. Siehe die anfängliche coitio zwischen Laterensis und Plancius: Cic. Planc. 54; vgl. auch Stroh 2017, 367: „Behauptungen also wie die, eine „coitio“ sei ohne Gewaltanwendung kaum möglich gewesen oder, was man häufiger liest, sie habe zwingend Bestechung notwendig gemacht, sind nicht zu halten.“ Bauerle 1990, 104.
2. Der Tatbestand de sodaliciis – oder: der ambitus infinitus
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nicht als solche empfunden wurden.50 Diese Feststellung und die weiteren Einzelaspekte des Tatbestandes des crimen sodaliciorum führen zu der Annahme, dass die lex Licinia die Gesamtheit der mit den sodalicia aufkommenden korrupten Wahlmethoden zu verfolgen schien.51 Neben der illegalen Art der coitiones lassen sich aus Ciceros relativ kurzer Nennung diverse, strafrechtlich unter die lex Licinia fallende Vorgehen feststellen. Folgende strafrechtliche Handlungen können benannt werden: 1) „decuratio tribulium“: Decuriatio, die Einteilung in Dekurien,52 wird hier mit den sodalicia in Verbindung gebracht. Die tribules sollen dabei vom Angeklagten in Abteilungen zusammengefasst worden sein, weshalb Cicero kurz darauf von „decuriasse“ spricht. Die decuriati werden bereites im SC von 56 v. Chr. aufgeführt und verboten. Ob die decuriati im Plancius Fall 54 v. Chr. aber demselben Ziel dienten, wie Clodius die Einheiten seiner neueingeführten collegia nutzte, um nämlich den politischen Alltag in Rom durch ihre gewalttätigen Aktionen, vornehmlich die contiones, zu stören und politische Gegner und Kontrahenten einzuschüchtern, ist strittig. Mouritsen verweist mit Recht auf die Tatsache, dass die zusammengestellten decuriati der sodalicia in erster Linie der ‚Wahlbestechung‘ dienen sollten, nicht organisierten Straßenkämpfen.53 So wurden die tribules mit der Absicht des effektiven Stimmenkaufs in kleine, übersichtliche Gruppen eingeteilt, die besser gelenkt und kontrolliert werden konnten. Einer der Hauptmerkmale der in der Planciana beschriebenen Dekurien ist ihre Organisation innerhalb der tribus. Besonders plausibel wird diese These unter Berücksichtigung der comitia tributa, in deren Rahmen die tribus als Stimmkörper maßgebend waren. Die clodischen Gruppen hingegen wurden über die tribus hinaus, basierend auf den Grundstrukturen der collegia, organisiert; ihre Mitglieder wurden unabhängig von den
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Bauerle 1990, 97. So antwortet auch Kunkel 1995, 85 Anm. 109 in Bezug auf die Definition des crimen sodaliciorum, die Mommsen, Strafrecht IV 872 Anm. 2 vermisst: „Die juristisch genaue Definition eines crimen sodaliciorum, (…), kann es gar nicht gegeben haben. Denn die lex Licinia behandelte offenbar den Gesamtkomplex der mit dem Sodalizienwesen zusammenhängenden Wahlkorruption und enthielt darum Strafnormen für verschiedenartige Vergehen verschiedener Personengruppen.“ OLD2 494 s. v. decuria, bedeutet zunächst eine Gruppe aus zehn Personen. Auf die Einteilung der Mitglieder der collegia und sodalitates wird im Rahmen der Diskussion bezüglich der Vereine hingewiesen. Vgl. B. Kübler, RE 4,2 (1901) 2316–2318 s. v. decuria. Auch auf die Dekurien des Senats, die die Richter stellten, wurde aufmerksam gemacht. Später galt die Bezeichnung decuria auch für die Einteilung (ab 70 v. Chr. mit der lex Aurelia) der zwei ordines der equites und tribuni aerarii für die Gerichtshöfe. In diesem Zusammenhang (Cic. Planc. 45 und 47) geht es allerdings um die decuriatio in Verbindung mit tribulium. Dazu OLD2 494 s. v. decuriatio: „A practise of dividing the members of a tribe for voting purposes into small groups to faciliate corruption and intimidation“; vgl. TLL 5 (1910) 224 s. v. decuriatio. Mouritsen 2001, 150–151: „Decuriare was a common term to describe the division of groups of people into smaller units. (…) It cannot therefore be taken as a technical term exclusively referring to Clodius’ clubs.“
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
tribus rekrutiert und eingeschrieben.54 Mouritsen fasst jedoch die in der Planciana aufgelisteten Teilaspekte, wie sie hier einzeln betrachtet werden, als Gesamtheit unter decuratio zusammen.55 2) Mit „discriptio populi“, d. h. Einschreibung der Wählerschaft, mögen höchstwahrscheinlich – gerade in Hinblick auf die eventuellen eingegangenen coitiones der candidati – die Namenslisten gemeint sein, daher ist die Rede von „conscripsisse“.56 Womöglich wurden die tribules nicht nur in decuriae eingeteilt, sondern zugleich mit Namen und ihrer tribus-Zugehörigkeit in Listen eingetragen. Die discriptio populi wurde damit zur einfachen aber effektiven Vorgehensweise bei der Aufsicht über die durch sodalicia gewonnen Wähler. Schließlich galt es nach Abschluss der Comitien mit Hilfe der divisores, das den Wählern versprochene Geld (pronuntiare pecuniam / pronuntiasse) auszuzahlen.57 Die Verteilung von Geldern konnten Kandidaten, die als divisor bzw. sequester in ihrer tribus tätig waren, auch selbstständig durchführen. Der Amtsanwärter konnte folglich durch decuratio tribulium (decuriasse) und discriptio populi (conscripsisse) illegalen Wahlpraktiken nachgehen. Zu diesen Praktiken kamen unterschiedliche, jedoch stets auf dasselbe Ziel ausgerichtete Akteursrollen als sequester (Sequestremne Plancium? / sequestrem fuisse), divisor (divisisse) und largitor (suffragia largitione devincta) hinzu.58 Der Zusammenschluss von decuriationes bedingte wohl zugleich die Dienste der sequestres und divisores.59 Eine erfolgreiche Anklage unter Anwendung der lex Licinia setzte theoretisch die Prämisse voraus, dass Ankläger diejenigen tribus benennen sollten, in denen die sodalicia organisiert worden waren. Die prozessualen Vorteile der editio tribuum und die Härte der lex Licinia stützten sich auf diese Voraussetzung. Die betroffenen tribules sollten als „testis et iudices“ vor Gericht auftreten. Im Prozess gegen Plancius hatte sich der Hauptankläger M. Iuventius Laterensis der strafrechtlich verfolgten coitio schuldig 54
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Mouritsen 2001, 151: „Moreover, the ‚decuriatio‘ associated with these gangs may not have been organized along tribal lines in the same way as Plancius’ allegedly had been – linked as it was to the structure of the tribal assembly which elected the aediles.“ Bereits Linderski 1961, 112–133 machte darauf aufmerksam, dass der Senat, als er sich gegen die decuriati richtete, die lex Clodia bezüglich der collegia nicht aufheben wollte, sondern sie zu umgehen suchte. Cic. Planc. 45; 47. Mouritsen 2001, 150–151: „‚Decuratio‘ here emerges as a specific element in a complex bribery scheme, which involved enlisting tribules, organizing them into smaller groups, depositing funds, promising bribes and distributing them among those who had been enlisted.“ Eine ähnliche Verfahrensweise der conscriptio tribulium, die im Rahmen der sodalicia für largitio-Zwecke vorgenommen wurde, und der conscriptio der clodischen collegia, die ebenfalls tributim per vici vorgenommen worden war, allerdings nicht für Stimmzwecke (largitio) allein, sondern für vis, arbeitet Linderski 1961, 114–115 heraus. Vgl. Stroh 2017, 380, der unter conscribere ebenfalls das „Ausheben und In-Listen-Führen“ versteht. Cic. Planc. 6 pronuntiare pecuniam in Zusammenhang mit largitio. So auch Nadig 1997, 61–62. Aus der oratio pro Plancio lässt sich nicht ableiten, dass auch die Unterhändler, derer sich der Kandidat bediente, falls er nicht selbst als sequester und/oder divisor fungierte, für die Straftaten mitverantwortlich gemacht wurden. Eine Aussage darüber trifft Schol. Bob. 152–153 Stangl. Nach dieser sollten auch die Mittelsmänner belangt werden. Zu dieser Diskussion siehe Jehne 1995. Cic. Cael. 16: „criminibus istis sodalium ac sequestrim“; Mouritsen 2001, 151.
3. Ein Gerichtshof ohne Senatoren?
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gemacht und sich selbst belastet. Auch hatten die Gesetzgeber wohl keine ernsthafte Erwartung gehegt, dass Ankläger die Bestimmungen der editio tribuum ernsthaft beachten würden. Es war also nicht unerwartet, dass Laterensis solche tribus auswählte, die ihm nahestanden und die hauptsächlich für ihn in den comitia tributa gestimmt hatten.60 Die Absicht hinter der editio tribuum war und blieb nur eine Empfehlung. Die Tatsache, dass fast ‚willkürlich‘ tribus ausgesucht werden konnten, ist ein Hinweis dafür: Schließlich konnte die editio tribuum des Laterensis weder revidiert noch gänzlich zurückgewiesen werden. Die Konsequenz der ‚willkürlichen‘ editio tribuum war damit die Inanspruchnahme von iudices, die mit dem Fall und mit den Straftaten wohl nicht vertraut waren.61 Trotz des erweiterten Tatbestandes der sodalicia scheint das Strafmaß bei einer Verurteilung, wie bereits 63 v. Chr. durch die lex Tullia etabliert, nicht sonderlich verändert worden zu sein: Einem Verurteilten drohte nach wie vor das Exil.62 Cassius Dio berichtet zwar von härteren Strafen, allerdings ohne sie zu konkretisieren.63 Die Erwähnung eines härteren Strafmaßes führt zu der Überlegung, ob das Exil statt bis dahin auf 10 Jahre in eine lebenslängliche Strafe umgewandelt wurde. Der Verlust der fortuna mag als zusätzlicher Hinweis dafür dienen, dass im Falle eines Schuldspruches dem Verurteilten jeglicher Besitz entzogen wurde.64 Gegenüber dem Exil und der Enteignung, den möglichen Konsequenzen bei einer Verurteilung, ist das evident härtere Strafmaß der lex Licinia bereits vor dem Richterspruch nämlich in der Verfahrensweise der Richterberufung zu suchen. 3. Ein Gerichtshof ohne Senatoren? Das Strafverfahren, in dem entschieden wurde, ob sich Angeklagte der sodalicia und in letzter Konsequenz des ambitus infinitus schuldig gemacht hatten, konnte nur vor der quaestio de sodaliciis angestrengt werden.65 Die Vorschriften über Form und Struktur der Prozesse de sodaliciis betrafen die Richterauswahl (editio iudicum), die tributim vorgenommen werden musste und die Bestimmung eines Vorsitzenden (quaesitor). Unter diesen Voraussetzungen, d. h. mit der ad hoc Einberufung von Richtern und
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Gruen 1974, 231 Anm. 88: „One need not believe that the framers of the law expected prosecutors to choose tribes which the defendant had allegedly corrupted.“ Cic. Planc. 46: „(…) cur denique se divinare malueris quam eos qui scirent iudicare?“ Solche ‚unwissenden‘ Richter, so Cicero, wurden durch die editio in die Notlage gebracht, eine Entscheidung nicht bewusst zu fällen, sondern zu erraten. Cic. Planc. 8; 79; 102. Cass. Dio. 39,37,1. Cic. Planc. 79. Riggsby 1999, 21 geht der fälschlichen Annahme nach, dass Prozesse de sodaliciis und de ambitu vor demselben Gerichtshof geführt wurden.
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
Vorsitzendem, erhielt der Gerichtshof de sodaliciis seinen außerordentlichen Charakter (quaestio extraordinaria). Diese Aspekte der quaestio de sodaliciis, zumindest aber die Einberufung der iudices als Geschworene erinnert somit stark an das moderne angelsächsisch-amerikanische Jurysystem.66 Die quaestio de sodaliciis fiel unter die Kategorie der quaestiones extraordinariae und wurde nicht als feststehender Gerichtshof etabliert.67 Diese Art der quaestiones kam nur fallweise unter Anwendung bestimmter Gesetze zusammen und unterschied sich hierdurch von den ständig tagenden quaestiones perpetuae.68 Die Differenzierung zwischen beiden Kategorien, die sich zum Ende der mittleren Republik herauskristallisierte, geht auf das Plebiszit des Volkstribunen Lucius Calpurnius Piso Frugi von 149 v. Chr. zurück.69 Die lex Calpurnia de repetundis ordnete die Errichtung der ersten quaestio perpetua mit einem Praetor als Vorsitzenden für Repetundenprozesse an.70 Es soll hier allerdings nicht die detaillierte Betrachtung der leges de repetundis und der leges iudiciariae im Zentrum stehen – oder sogar der leges, welche die Kriminalgerichte für unterschiedliche Delikte konstituiert hatten. Sofern sie hier diskutiert werden, dienen sie lediglich als Grundlage für die Rekonstruktion der quaestio de sodaliciis. Denn obwohl die Planciana in Bezug auf die einzelnen Bestimmungen des licinischen Gesetzes und der Rekonstruktion von Mobilisierungsmechanismen von besonderem Wert ist, ist ihr Informationsgehalt in Bezug auf die Zusammensetzung der quaestio (ordo und Anzahl der iudices) und die Verfahrensordnung recht dürftig. Ein Rekonstruktionsversuch der quaestio de sodaliciis kann allerdings anhand der bereits vorhergehenden leges zur Konstituierung der ‚regulären‘ Gerichtshöfe und der Untersuchung der leges iudiciariae vorgenommen werden. Eine Untersuchung gerichtlicher Präzedenzfälle über das Verfahren gegen Cn. Plancius 54 v. Chr. hinaus ist für das Verständnis der quaestio de sodaliciis unbedingt notwendig.71 Um eine korrekte Differenzierung zu erreichen, muss hier zumindest auf einen beachtenswerten wie grundlegenden Aspekt hingewiesen werden. Der Unterschied 66 67 68
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Alexander 2010, 244. Nadig 1997, 64. A. Völkl, DNP 10 (2001) 686–688 s. v. quaestio. Die quaestiones perpetuae entwickelten sich demnach aus den quaestiones extraordinariae heraus und lösten das Comitialverfahren (d. h. Gerichtsbeschlüsse per comitia) ab. Siehe dazu insbesondere: Kunkel 1962; W. Kunkel, RE 27,2 (1963) 720– 786 s. v. quaestio; W. Kunkel, KS (1974) 69–73 s. v. quaestio; Santalucia 1998; Jones 1972; Guarino 1993, 234–238. Siehe dazu Elster 2003, 418. Wie Elster herausstellt, galt die legis actio sacramento als Klageform, „die dem Bereich des iudicium privatum zuzurechnen ist und eigentlich nur römischen Bürgern offensteht.“ Rotondi 1962, 292; Elster 2003, 418–422. Vor der lex Calpurnia setzte der Senat ab 171 v. Chr., nachdem Beschwerden aus der Provinz Spanien bezüglich der Provinzbeamten eingingen, eine Kommission von fünf Männern ein, sogenannte recuperatores, die sich solcher Fälle annehmen sollten: Richardson 1987, 1–12; zu den Vorsitzenden der quaestiones perpetuae Greenidge 1901, 428 ff.; Strachan-Davidson 1912, vol. II, 97–98 zu dem Fall von 171 v. Chr. und der Anzahl der recuperatores. Eine tabellarische Auflistung der wichtigsten Gesetze diesbezüglich findet sich im Appendix.
3. Ein Gerichtshof ohne Senatoren?
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zwischen den leges, welche die quaestiones der iudicia publica betrafen – quaestio de repetundis, de maiestate, de sicarios et veneficiis usf. – und den leges iudiciariae ist darin zu suchen, dass die ersteren die Etablierung der Gerichtshöfe für die verschiedenen Delikte überhaupt ermöglichten. Anders formuliert: sobald Tatbestände in Gesetzesform fixiert wurden, wurde eine normative Grundlage für die quaestiones geschaffen. Die leges iudiciariae hingegen klärten elementare Fragen bezüglich der Verfahrensweise der Richterberufung, des ordo und der Anzahl von iudices und der Kompetenzen, die dem Vorsitzenden (quaesitor) übertragen werden sollten. Eine Parallelentwicklung zwischen diesen beiden Gesetzeskategorien ist durchaus nicht auszuschließen: Die lex Acilia von 123/122 v. Chr. regulierte die Zusammenstellung des album iudicum, zugleich beantwortete die lex Sempronia iudiciaria die Fragen bezüglich der einzusetzenden ordines.72 Die diversen leges Corneliae führten zur Einrichtung der unterschiedlichen Gerichtshöfe für Kriminalfälle, die lex Cornelia iudiciaria regelte die Zusammensetzung der Richterbänke. Dasselbe Phänomen tauchte 70 v. Chr. mit der lex Aurelia iudiciaria erneut auf: Die durch Sulla eingerichteten Gerichtshöfe wurden nicht angetastet, jedoch wurde die Zusammensetzung der Richterbänke gänzlich neu strukturiert. Dasselbe Muster wiederholte sich im zweiten Konsulat des Pompeius 55 v. Chr. (lex Pompeia iudiciaria), unter Caesar 46 v. Chr. (lex Iulia iudiciaria) und erneut unter M. Antonius 44 v. Chr. (lex Antonia iudiciaria). In den letzten drei Fällen wurden die etablierten quaestiones nicht verändert oder ergänzt, vielmehr traf man Maßnahmen bezüglich des notwendigen Census der iudices (Pompeius) – also das Aufbringen des notwendigen Vermögens, das erst zur Richtertätigkeit qualifizierte –, dem Ausschluss der Ärartribune vom Richteramt (Caesar) und ihrer Wiedereingliederung in die Gerichte (Antonius).73 i. Die quaestio de sodaliciis Die Zusammenberufung der außerordentlichen quaestio de sodaliciis ist insgesamt lediglich fünf Mal bezeugt: Im Sommer 54 v. Chr. wird C. Messius nach seiner Kandidatur für die Aedilität vor diesem Gerichtshof angeklagt. Für August 54 v. Chr. sind gleich zwei Prozesse verzeichnet: erstens der Prozess gegen P. Vatinius nach seiner Kandidatur für die Praetur, zweitens der Prozess gegen Cn. Plancius Ende August nach seinem Wahlsieg. Für die Jahre 52 und 51 v. Chr. sind die letzten beiden Prozesse unter Anwendung der lex Licinia de sodaliciis bezeugt. Im Jahr 52 v. Chr. wird T. Annius Milo nach seiner Kandidatur für das Konsulat angeklagt; 51 schließlich M. Valerius Messalla 72 73
Rotondi 1962, 308, 312. Siehe zu diesem Punkt ausführlicher das Kapitel „Leges Calpurnia und Acilia de repetundis“. Kunkel 1995, 269; Strachan-Davidson 1912, vol. II, 81 f. Zu den einzelnen hier erwähnten Gesetzen mit Belegen siehe Kapitel „Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia“.
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
Rufus, ebenfalls nach seiner Kandidatur für das Konsulat. C. Messius, P. Vatinius und Cn. Plancius werden von Cicero vor Gericht verteidigt. Vatinius und Plancius werden freigesprochen, das Ergebnis des Prozesses gegen Messius ist nicht bekannt.74 Demnach durfte Cicero vor der Verteidigung des Plancius mit dem licinischen Gesetz bereits vertraut gewesen sein.75 Vor dem Hintergrund der prozessualen Sonderregeln stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis das tribusweise (tributim) konstituierte Verfahren zu den bis 55 v. Chr. verabschiedeten leges stand. Ist es gerechtfertigt, von der quaestio de sodaliciis als eine quaestio extraordinaria zu sprechen? Welche charakteristischen Merkmale zeichnen sie als solche aus? Denn das letzte außerordentliche Gerichtsverfahren, das explizit als solches bezeichnet und abgehalten wurde, kam 61 v. Chr. für den Prozess gegen Clodius Pulcher aufgrund des Bona-Dea-Skandals zustande.76 Bevor die Frage zufriedenstellend beantwortet werden kann, gilt es die Zusammensetzung der quaestio de sodaliciis im Ganzen zu rekonstruieren. Die zentrale Rolle bei der Aufstellung eines solchen Gerichtshofes spielten die tribus: „ulla in re nisi in hac tribuaria“.77 Unter Anwendung des licinischen Gesetzes wurde Anklägern das Privileg eingeräumt, diejenigen tribus auszuwählen, aus denen die iudices für den Gerichtshof bestellt werden sollten. Die editio tribuum sollte aber nicht willkürlich, sondern unter folgender Beschränkung stattfinden: Es galt solche tribus zu benennen, von denen man vermutete oder Beweise vorbringen konnte, dass sie vom Angeklagten bestochen und gekauft worden waren – Bewerber, die sich unerwünschter bzw. korrupter Wahlpraktiken bedient hatten, mussten den Mitgliedern der betreffenden tribus bekannt gewesen sein: (…) wer einen Bezirk bestochen (tribus largitor esset) und mit Hilfe einer Übereinkunft (consensionem), auf die man eher wohlwollend als sachgemäß den Ausdruck Vereinigung (sodalitas)78 anwende, durch zweifelhafte Geschenke beeinflußt habe (tribum turpi largi-
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Zu den einzelnen Prozessen siehe Alexander 1990, 158 (Nr. 289); 159 (Nr. 292); 160 (Nr. 293); 171 (Nr. 311); 179 (Nr. 331). Im Messius-Fall werden in Cic. Att. IV,15,9 folgende tribus, nach der reiectio, für die Zusammenstellung des Gerichtshofes berücksichtigt: Pomptina, Velina und Maecia: „Messius defendebatur a nobis de legatione revocatus: nam eum Caesari legarat Appius. Servilius edixit ut adesset. Tribus habet Pomptinam, Velinam, Maeciam.“ Vgl. hier App. 5 „Die Prozese de ambitu und de sodaliciis Ciceros“; Rotondi 1962, 391; Greenidge 1901, 451. Lex Vatinia de reiectione iudicum: Cic. Vatin. 27; Cic. Planc. 36. Ciceros Kenntnisse über die lex Licinia de sodaliciis gehen aus Cic. Planc. 40 hervor, der auf die missliche Lage verweist, ihm sei die reiectio von zusätzlich fünf Richtern nach der reiectio einer tribus vorenthalten worden: vgl. den Vatinius-Prozess – dieser Punkt wird in Zusammenhang mit der wiedereingeführten, jedoch problematischen reiectio durch die lex Vatinia de reiectione iudicum von 59 v. Chr. noch näher betrachtet werden. Diese Anmerkung in Cic. Plan. 40 spricht womöglich für eine umfassende reiectio. Alexander 1990, 116 (Nr. 236); zum Bona-Dea-Prozess Tatum 1990, 202–208; Tatum 1999, 62–86. Cic. Planc. 36. Es ist auffällig, dass in Cic. Planc. 37 die Rede von einer sodalitas und nicht von einem sodalicium ist – wie man es eigentlich erwarten würde. Sie, die sodalitas, ist hier wohl als eine solche zu ver-
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tione corrumperet), der müsse vor allem den Angehörigen des betreffenden Bezirkes bekannt sein (eis hominibus qui eius tribus essent esse notum).79
Die prozessuale Vorgehensweise sollte gewährleisten, dass die Angehörigen (tribules) der betroffenen tribus in den Prozessen de sodaliciis sowohl die Rolle der Geschworenen als auch die der Zeugen annahmen: „testis et iudices“.80 Eine prozessuale Sonderregelung dieser Art und die damit einhergehende zweifache Funktion der iudices mag zunächst auf einen Versuch von Objektivität hindeuten. Das Prozedere sollte sich nicht nur gegenüber dem Angeklagten, der die von ihm ‚gekauften‘ Männer, bzw. diejenigen, die von den illegalen Vorgehen in ihrer tribus wussten, als Richter vor sich sah, sondern auch gegenüber dem Ankläger, der belastendes Material gegen die korrumpierten tribus vorbringen musste, als besonders hart erweisen. Bei einer Verurteilung des Angeklagten scheinen sich die als Richter und Zeugen bestellten tribules selbst zu diskreditieren: Bei einem Schuldspruch zu Ungunsten des Angeklagten, würden also auch die tribules der Teilhabe an illegalen Wahlpraktiken überführt werden – eine strenge Weise der sozialen Disziplinierung also. Die Sozialdisziplinierung, d. h. die Beeinflussung und Lenkung zur Durchsetzung politischer Ziele und damit zur Erhaltung der inneren Ordnung, zeigte sich in diesem Fall in der Kontrolle über die iudices, die als Zeugen vor Gericht saßen. Hatten diese tribules, die Richter und Zeugen zugleich waren, ihre Wahlstimmen im Gegenzug für largitiones und/oder pekuniären Mitteln verkauft, oder hatten zumindest Kenntnis über die Vorgänge in ihrer tribus, verloren sie im Falle einer Verurteilung des Angeklagten öffentlich ihre Glaubwürdigkeit und galten als bestechlich bzw. als nicht rechtschaffen. So sollte die Beeinflussung durch Bestechung bzw. die Korrumpierung zur Wahlzwecken für die tribules unattraktiv werden. Die lex Licinia sah zwar keine Sanktionen gegen die tribules vor, die in den sodalicia organisiert waren, die Bloßstellung vor Gericht, auf der Bühne der direkten und unmittelbaren Konfrontation, dürfte dennoch mehr als unerwünscht gewesen sein. Ein Vorteil ergab sich trotzdem für den Angeklagten: Sollten für die editio tribuum solche Bezirke berücksichtigt werden, dem der Angeklagte zugehörte oder zu denen er enge Kontakte pflegte, dürfte es die Wahrscheinlichkeit eines Freispruches sicherlich erhöht haben. Die unter Anwendung der editio tribuum zusammenberufene Richterbank sollte unparteiisch sein – dennoch versuchten Ankläger sich prozessuale Vorteile
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stehen, die durch das SC von 56 v. Chr. verboten worden war. Darauf basierend stellt Linderski 1961, 113 die Vermutung auf, dass die lex Licinia de sodaliciis die Androhung der Strafe gegen die Mittelsmänner der sodalitates nun 55 v. Chr. in die Tat umsetzte. Cic. Planc. 37. Cic. Planc. 37; Greenidge 1901, 454 zufolge erfüllten die iudices in dieser Doppelrolle ihre „prehistoric function“, indem sie nämlich als iudices und Zeugen in sodalicia Prozessen tätig waren. Eine Diskussion zum Zeugenbeweis und einige Überlegungen zu den ‚testis et iudices‘ bei Steck 2007, 130–132, allerdings ohne Berücksichtigung von Cic. Planc. 54 – insgesamt leider keine zufriedenstellende Analyse.
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
zu verschaffen. Eine Richterbank ganz nach den Präferenzen der Anklage konnte wie folgt zusammenberufen werden: Ankläger konnten solche tribus in ihre editio tribuum aufnehmen, mit denen sie enge Kontakte pflegten. Auf diese Weise konnten diejenigen tribus strategisch außenvorgelassen werden, von denen man vermutete oder Beweise vorbringen konnte, der Angeklagte habe sich ihre Stimmen auf illegale Weise gesichert. Man mag auch daran zweifeln, ob die Legislatoren der lex Licinia diese Anwendungsweise nicht nur als einen ‚unglücklichen‘ Versuch zur Herstellung der Objektivität in der quaestio de sodaliciis vorgenommen hatten, sondern die Umgehung der prozessualen Vorschriften der lex Licinia bewusst einkalkuliert hatten. Eine ähnliche Vermutung äußert auch Gruen. Seiner Ansicht nach rechneten die Legislatoren nicht damit, dass eben solche tribus in der editio berücksichtig wurden, die angeblich vom Angeklagten korrumpiert worden waren.81 Die bewusst fehlerhafte bzw. manipulative Anwendung der lex durch die Ankläger kritisiert auch Cicero vehement – nicht jedoch das Gesetz an sich.82 Die detaillierte rechtliche Grundlage der lex Licinia und ihre Anwendung wurde von Q. Hortensius, einem Mann, „dem der Senat damals gefolgt war“,83 am Vortag des Prozesses bereits erläutert. Das mag der Grund für die fehlende dezidierte Darlegung der rechtlichen Grundlage innerhalb der oratio sein. Dennoch wurde die Rede schon von Strachan-Davidson als eine besonders wichtige Informationsquelle zu den Geschworenengerichten bezeichnet.84 Allerdings erfuhr weder die lex Licinia noch damit einhergehend ihre Funktionsweise eine detaillierte Untersuchung. Der Schwerpunkt, der bis dato nur auf eine allgemeine Auseinandersetzung mit den technischen Aspekten beschränkt wurde, vernachlässigte dabei eine zufriedenstellende Analyse von Motiven und Zwecken des Gesetzes.85 Der Versuch, diese Lücke zu schließen und eine ansatzweise zufriedenstellende Antwort auf die prozessuale Vorgehensweise unter Anwendung der lex Licinia zu geben, soll hier unternommen werden.
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Gruen 1974, 231 Anm. 88: „One need not believe that the framers of the law expected prosecutors to choose tribes which the defendant had allegedly corrupted.“ Cic. Planc. 42: „Neque ego nunc legis iniquitatem queror, sed factum tuum a sententia legis doceo discrepare“. Konsulat des Q. Hortensius 69 v. Chr.: Broughton MRR II, 131; Cic. Planc. 37. Strachan-Davidson 1912, vol. II, 101. Gruen 1974, 231: „Modern discussions generally grapple with the technical aspects, without satisfactory analysis of motives and purposes“ – damit bezieht Gruen alle bis zur Publikation seines Werkes erschienenen rechtsgeschichtlichen Untersuchungen, auf die auch in dieser Arbeit teilweise zurückgegriffen wird, ein. Diese wären Greenidge 1901, Strachan-Davidson 1912, Zumpt 1869, Nicolet 1966 und Mommsen, Strafrecht 1899 (ND 1990).
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ii. Ex omni populo – eine quaestio extraordinaria Die willkürlich anmutende editio tribuum wird durch die Formulierung „ex omni populo“86 weiter erschwert. Dabei sollen ohne Beachtung der Grundprinzipien des licinischen Gesetzes Richter nach persönlichen Präferenzen der Ankläger ausgesucht worden sein: Tu deligas ex omni populo aut amicos tuos aut inimicos meos aut denique eos quos inexorabilis, quos inhumanos, quos crudelis existimes; tu me ignaro, nec opitante, inscio convoces et tuos et tuorum amicorum necessarios, iniquos vel meos vel etiam defensorum meorum, eodemque adiungos quos natura putes asperos atque omnibus iniquos.87
Die Formulierung „ex omni populo“ bereitet bei weiterer Überlegung Schwierigkeiten. Sie leitet erneut zu der Frage bezüglich der Einberufung, der Zahl und des ordo der individuellen Richter über, die gemäß der editio aus den tribus für die quaestio de sodaliciis einberufen werden sollten – die sogenannten iudices editicii.88 Bedeutet „ex omni populo“ die willkürliche Auswahl der tribus und damit in letzter Konsequenz eine willkürliche Auswahl von iudices, die in den Gerichtshöfen de sodaliciis saßen? Diese Frage kann verneint werden. Das grundlegende Prinzip zur Auswahl der tribus und ihr Sinn, die Richter als „testis et iudices“ auftreten zu lassen, was neben der einseitigen editio der tribus durch den Ankläger die Härte des Gesetzes zum Ausdruck bringen sollte, ist dargelegt worden. Obwohl die Grundprinzipien der editio gemäß der lex Licinia de sodaliciis von den Anklägern im Plancius-Prozess missachtet wurden, zeigte die Wahl der tribus dennoch ein grundlegend strategisches Vorgehen. Bezieht sich also „ex omni populo“ auf die ordines der iudices, die zu Gericht sitzen sollten? Würde eine editio ex omni populo, falls sie sich auf die ordines der Richter bezieht, eine Kollision mit dem
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Cic. Planc. 40. Cic. Planc. 40: „Du würdest wohl aus der gesamten Bürgerschaft deine Freunde oder meine Feinde oder einfach die auswählen, die du für unerbittlich, für unmenschlich, für grausam hältst; du würdest, ohne daß ich’s wüßte, vermutete oder ahnte, Leute auf die Liste setzen, die dir und deinen Freunden verpflichtet, die gegen mich oder auch gegen meine Verteidiger voreingenommen sind, und du würdest noch die hinzunehmen, von denen du glaubst, sie seien von Natur aus hart und gegen jedermann ungerecht“. Fuhrmann 1997, 850 Anm. 26 sieht einen Zusammenhang zwischen der Auswahl der Richter ‚ex omni populo‘ und der lex Pompeia iudiciaria von 55 v. Chr., die nicht sofort ersichtlich wird. Die lex Pompeia behielt zwar die Dreiteilung der Richter durch Senatoren, Ritter und den Ärartribunen gemäß der lex Aurelia iudiciaria bei, setzte allerdings Maßnahmen bezüglich des Census der Ritter und Ärartribune durch, sodass immer diejenigen mit dem höchsten Census als Richter berücksichtigt werden sollten. Dies ist wohl die Beschränkung des magistralen Einflusses, vermutlich durch den praetor urbanus ausgeübt, bei der Auswahl der Richter, wovon auch Rotondi 1962, 403 berichtet. Allerdings dürfte sich dies konkret auf die lex Aurelia iudiciaria und die Aufstellung des album iudicum und nicht auf die Bestimmungen der lex Licinia bezogen haben.
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
jährlich aufgestellten album iudicum nach sich ziehen? Diese Frage mag eher in die richtige Richtung deuten.89 Daraus ergeben sich allerdings weitere Fragen und Probleme: Laut der lex Aurelia iudiciaria von 70 v. Chr. war die jährlich variierende Größe des Senats und die daraus resultierende Anzahl der als Richter in Frage kommenden Senatoren richtungsweisend für die Anzahl der zu berufenden equites und tribuni aerarii, um alle quaestiones perpetuae mit Juroren zu besetzen. Diese Regelung besaß auch nach der Verabschiedung der lex Licinia de sodaliciis Gültigkeit. Wie konnten aber die Bestimmungen der lex Aurelia für die quaestio de sodaliciis aufrechterhalten werden, wenn alle Senatoren bereits auf die quaestiones perpetuae aufgeteilt waren? Die quaestio de sodaliciis, um eine der ursprünglichen Fragen zu Beginn der Auseinandersetzung mit der lex Licinia aufzugreifen, wird hier als eine quaestio extraordinaria verstanden. Welche Kriterien zeichneten sie aber als solche aus? 1. Es wurde bereits ausgeführt, dass die quaestio de sodaliciis nur dann zusammenberufen wurde, wenn Ankläger ihrem Prozess explizit die lex Licinia von 55 v. Chr. zugrunde legten. 2. Die Auswahl der tribus, die je nach Ankläger eine andere war (siehe den Unterschied zwischen dem Fall des Plancius und des Messius, die im selben Jahr geführt wurden), führte zwangsläufig dazu, dass jeder neuberufene Gerichtshof de sodaliciis mit unterschiedlichen Richtern besetzt wurde. Aus diesen Gründen war es grundsätzlich nicht möglich, eine feste jährliche Richterliste für die quaestio de sodaliciis aufzustellen. Basierend auf den ersten beiden Punkten lässt sich schlussfolgern, dass 3. der Vorsitzende der sodalicia-Gerichtshöfe ebenfalls nicht jährlich festgelegt werden konnte. Je nach Prozess und Ankläger musste der quaesitor eigens bestellt werden. Die Annahmen von Greenidge und Broughton bezüglich des Vorsitzenden C. Alfius Flavus, der dem Prozess gegen Plancius vorsaß, sind vage.90 Stand es dem Ankläger frei, neben den tribus auch einen Vorsitzenden
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So auch Greenidge 1901, 455: „Since, however, no previous judiciary law, in its instructions for the framing of the album, seems to have prescribed a selection from the tribes, which in the case of the senatorial members of the register would have been obviously impossible, it is not easy to see how a tribal choice could be combined with the existing album iudicum.“ Vgl. dazu die Auseinandersetzung bei Alexander 2009, 354–355, der sich ebenfalls mit der Formulierung ‚ex omni populo‘ beschäftigt und zu dem Ergebnis kommt, dass die Phrase lediglich die im Vergleich zu den Senatoren übermäßige Anzahl der tribuni aerarii meint. Greenidge 1901, 432–433 zu den Merkmalen der iudices quaestionum und bezüglich der Position als ehemalige Aedile: „In the case of C. Octavius, father of Augustus, the post of iudex quaestionum is held after the plebeian aedileship. In the case of P. Claudius, the son of Cicero’s enemy, the office of quaesitor was held between the quaestorship and the praetorship. The aedileship, which is sometimes not held in the cursus honorum, may not have been essential or the quaesitores of different courts may not have required the same qualification.“ Dem kann hinzugefügt werden, dass der quaesitor im Fall Plancius 54 v. Chr., C. Alfius Flavus, zwar nicht Aedil, jedoch 59 v. Chr. Volkstribun war, und 54 v. Chr. die Praetur innehatte. Laut Kunkel 1972, 66 Anm. 27 wurde die Stelle der iudices quaestionum zwischen der Aedilität und der Praetur bekleidet. Greenidge stellte die These auf, dass der Fall de sodaliciis 54 v. Chr. vor dem Gerichtshof für maiestas untergebracht worden sein muss, da C. Alfius Flavus in dem Gerichtshof über A. Gabinius als Vorsitzender saß:
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zu bestimmen? In der Planciana heißt es: „Wenn nämlich der Angeklagte die Bezirke bestimmen dürfte, dann hätte Plancius wegen seiner freundnachbarschaftlichen Beziehungen möglicherweise den voltinischen Bezirk, seinen eigenen vollends hätte er ganz gewiß benannt.“91 Laut der lex Licinia war dieses Privileg allerdings nur dem Ankläger vorbehalten. Es folgt im selben Paragraphen die Nennung des quaesitor: „Und entsprechend: wenn es seine Sache gewesen wäre (nämlich die des Plancius), den Vorsitzenden zu bestimmen, wen hätte er bestimmt, wenn nicht C. Alfius Flavus, der tatsächlich den Vorsitz innehat, dem er ja bestens empfohlen sein muß, seinen Nachbarn (vicinum) und Bezirksgenossen (tribulem) (…)“.92 Eine solche Formulierung mag zunächst dem rhetorischen Anspruch des Redners geschuldet sein. Dennoch liegt es in Anbetracht dieser Merkmale nahe, die quaestio de sodaliciis als eine quaestio extraordinaria zu verstehen und einzustufen. Über diese Quellenstelle hinaus kann der Beweis erbracht werden, dass der quaesitor in den Prozessen de sodaliciis ein aktueller Praetor, iudex quaestionis oder sogar Aedil gewesen sein musste.93 Wie die variierenden tribus war auch der quaesitor von Prozess zu Prozess nicht derselbe. Das lässt sich einfach nachweisen, wurde aber dennoch bis jetzt weder von Greenidge noch von Strachan-Davidson berücksichtigt.
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Greenidge 1901, 430; Cic. ad Q. fr. III,1,24. Broughton MRR II, 222 schreibt in Bezug auf C. Alfius Flavus für 54 v. Chr. „Praetor or Quaesitor“, was an sich schon bedenklich ist, da quaesitor keine Amtsbezeichnung ist, sondern lediglich die allgemeine Bezeichnung für den Vorsitzenden eines Gerichtshofes. Demnach kann sowohl ein Praetor als auch ein iudex quaestionis ein quaesitor sein. Wie aber der Prozess gegen Plancius zeigt, wurde der Fall de sodaliciis nicht einfach vor der quaestio de maiestate ausgefochten, wie Greenidge vermutete. Da wäre es der Schuldzuweisung dienlicher gewesen, den Fall vor der regulären quaestio de ambitu oder de vi vorzubringen. Vielmehr wurde eine quaestio extraordinaria eingerichtet. Den Bestimmungen der lex Licinia de sodaliciis nach durfte der Ankläger nicht nur die tribus wählen, aus denen der Gerichtshof zusammengesetzt werden sollte, sondern darüber hinaus wurde ein Praetor/Aedil oder iudex quaestionis beauftragt, der sich dem Fall als Vorsitzender anzunehmen hatte: Cic. Planc. 43. C. Alfius Flavus konnte also durchaus als ordentlicher Magistrat die Praetur innegehabt haben und der Vorsitzende der quaestio de maiestate gewesen sein, der zusätzlich 54 v. Chr. beauftragt worden war, den Vorsitz für die quaestio de sodaliciis zu führen. Demnach dürfte Greenidge und auch Mommsens These (Staatsrecht II 201 Anm. 4) als unwahrscheinlich betrachtet werden, und im Falle von Broughtons Zweifel, ob C. Alfius Flavus Praetor oder Quaesitor gewesen sei, für die Praetur plädiert werden. Cic. Planc. 43. C. Alfius Flavus, Volkstribun 59 v. Chr. und Anhänger Caesars, wird in Cic. Planc. 104, im letzten Paraghraphen der oratio, direkt von Cicero angesprochen. Er hatte laut Cicero diesen in seinem Konsulat 63 v. Chr. unterstützt: „Teque, C. Flave, oro et obtestor, qui meorum consiliorum in consulatu socius, periculorum particeps, rerum, quas gessi, adiutor fuisti“; E. Klebs, RE 1,2 (1894) 1475 s. v. Alfius (7). Alfius soll, wie er Cicero unterstützt hatte, dieselben Dienste Plancius zugutekommen lassen. Vgl. zur Ämterlaufbahn des C. Alfius Flavus Ryan 1997, 377–379. So auch Lintott 1968, 121–122 bezüglich der Frage nach der Verfahrensweise der quaestio de vi. Seiner These nach war die Mehrzahl der quaesitores in den Gerichtshöfen de vi keine Praetoren, sondern die sogenannten iudices quaestionum, die zuvor mindestens die Aedilität bekleidet haben mussten.
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Im Jahr 54 v. Chr. wurden drei Prozesse unter Anwendung der lex Licinia geführt: C. Messius wurde aufgrund von Fehlverhalten während seiner Kandidatur um die Aedilität angeklagt. Den Vorsitz führte in diesem Prozess der Praetor von 54 v. Chr. P. Servilius Isauricus, der spätere zweifache Konsul von 48 und 41 v. Chr.94 Der Vorsitzende im Prozess gegen P. Vatinius ist nicht bekannt. Im Fall Plancius war es C. Alfius Flavus, der den Vorsitz der quaestio de sodaliciis führte. Diese drei Prozesse fanden zwar im selben Jahr statt, aber durchaus mit zeitlichem Abstand voneinander. Eine terminliche Kollision kann also nicht der Grund für die unterschiedlichen Vorsitzenden gewesen sein. Im sodalicia-Prozess gegen T. Annius Milo 52 v. Chr. war der quaesitor kein amtierender Praetor, sondern einer der amtierenden Aedile, nämlich M. Favonius. Broughton verzeichnet ihn als iudex quaestionis (quaesitor) und als Aedil.95 Offen bleiben nach wie vor die Fragen, nach welchem Prinzip und von wem der quaesitor für die quaestio de sodaliciis bestimmt wurde. Konnten die Ankläger sich an einen der iudices quaestionum oder Praetoren (und womöglich auch Aedile) wenden, um diese um die Übernahme des Falles zu bitten? Wurden die Vorsitzenden der quaestiones de sodaliciis womöglich vom praetor urbanus per sortitio oder editio bestimmt? Im Zusammenhang des sortitio-Prozederes der sullanischen Gerichtsreform 82/81 v. Chr. fiel diese Kompetenz in den Aufgabenbereich des praetor urbanus.96 Es ist höchst fraglich, ob die Ankläger unter Anwendung der lex Licinia das Vorrecht hatten, den Vorsitzenden zu bestimmen.97 Ein solches Privileg hätte neben der editio tribuum sicherlich eine Erwähnung gefunden. Vermutlich bestellte der praetor urbanus 94
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Broughton MRR II, 222; Alexander 1990, 140 (Nr. 289). Aus Cic. Att. IV,15,9 gehen nicht nur die tribus für den Gerichtshof des Messius hervor, sondern auch, dass Isauricus für den Prozess gegen Messius per Edikt nach Rom berufen wurde, obwohl dieser 54 v. Chr. als Legat Caesars sich außerhalb Italiens aufhielt. Zu Servilius als Praetor: Cic. ad Q. fr. III,4,6. Broughton MRR II, 235, 237. Handelte es sich bei den Geschworenen um Senatoren, so war es praktikabel die Senatsdekurien per sortitio auf die jeweiligen Gerichte aufzuteilen. Bei den gemischten Geschworenenbänken (Senatoren, Ritter und ab 70 v. Chr. tribuni aerarii) erwies sich dies als schwieriger. Das Losverfahren ist zwar auch hier bezeugt, gänzlich geklärt ist das Prozedere allerdings nicht: V. Ehrenberg, RE 13,2 (1927) 1493–1504 s. v. Losung. Vgl. Cic. Sull. 92 zur Kritik an der Richterauswahl im Prozess gegen P. Sulla 62 v. Chr.; Mommsen, Strafrecht II 215 Anm. 5 vermutete hinter der Richterauswahl ein Verfahren, das eine Kombination der sortitio (d. h. Losverfahren) und editio (Nominierung) darstellte, wohingegen Strachan-Davidson 1912, vo. II, 98–99 in Anlehnung an Cic. Planc. 41 die Richter als die regulären iudices editicii klassifiziert. Köpke/Landgrafen 1887, 24 gehen davon aus, dass, da die quaestio de sodaliciis eine extraordinaria war, die Klage bei einem beliebigen Praetor vorgebracht werden konnte. Dass es sich um eine quaestio extraordinaria handelte, ist nicht zu bestreiten und wurde hier ausführlich dargelegt. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass die Kläger nach eigenem Belieben den Prozess einem der Praetoren übertragen durften. Die Fallbeispiele oben zeigen, dass nicht nur Praetoren, sondern auch Aedile in Frage kamen. Wäre es in den sodalicia-Prozessen der Anklage gestattet, zusätzlich zur editio tribuum auch den Vorsitzenden des Gerichtshofes zu wählen, hätte sich Laterensis wohl nicht für C. Alfius Flavus entschieden. Schließlich wurde dieser von Cicero hinsichtlich ihrer Freundschaft und seiner Fairness gelobt, andererseits handelte es sich bei ihm um einen tribulis des Plancius: siehe dazu Cic. Sest. 114.
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unter Anwendung der sortitio oder editio die Vorsitzenden in Prozessen de sodaliciis.98 Dabei kamen von den ordentlichen Magistraten die Praetoren und anscheinend auch die Aedile in Frage. Basierend auf den prozessualen Sondervorschriften, die eine quaestio de sodaliciis als eine extraordinaria kennzeichnen, bleibt nach wie vor die Frage nach der Größe der Geschworenenbank und dem ordo der Juroren offen. Die Kritik Ciceros an der Auswahl der Richter „ex omni populo“ dürfte ein Hinweis auf den ordo und den Prozess der Einberufung sein. Greenidge stellt die Hypothese auf, dass sich die editio unter Anwendung des licinischen Gesetzes nicht auf die für die Jurisdiktion verfügbaren Senatoren bezogen haben kann.99 Damit wären allerdings die Bestimmungen der lex Aurelia von 70 v. Chr. hinsichtlich der ordines der Senatoren, equites und tribuni aerarii hinfällig. Seine These stützt Greenidge auf zwei Punkte: auf den Vorschlag des Ser. Sulpicius Rufus, der bereits 63 v. Chr. die editio in die Bestimmungen der lex Tullia de ambitu aufnehmen wollte,100 und auf rein praktische Gründe der begrenzten Zahl der als Juroren tätigen Senatoren. Den beiden Kriterien Greenidges soll hier noch ein dritter, maßgeblicher Punkt hinzugefügt werden: die Kollision der prozessualen Sondervorschriften der lex Licinia mit dem jährlichen album iudicum für die konsolidierten Gerichtshöfe.101 Zur Erinnerung: das album iudicum wurde jährlich vom praetor urbanus aufgestellt. Im Falle der Senatoren dienten die Senatsdekurien zur Aufteilung der Senatoren (vermutlich per Los) auf die Gerichtshöfe. Die Richterbestellung funktionierte also praktischerweise über die bereits existierende Struktur des Senats. Diese Vorgehensweise wurde bereits seit den legislativen Maßnahmen Sullas zur üblichen Praxis. Die Bestellung der equites und tribuni aerarii allerdings musste über die tribus (also tributim) passiert sein. Welche Kriterien hierbei ausschlaggebend waren, nämlich vorrangig der Census, wird im Rahmen der lex Aurelia und ihrer Änderungen durch die lex Pompeia und lex Antonia ebenfalls dargelegt.102 Die Richterauswahl für die quaestio de sodaliciis sollte aus den ausgewählten tribus vorgenommen werden. Allerdings dürfte folgende Einschränkung bestanden haben: alle equites und tribuni aerarii, die aufgrund ihrer großen finanziellen Mittel bereits auf dem album iudicum standen,103 mussten ausgeschlossen werden. Denn, darauf hat
Lengle 1933, 289, geht ebenfalls der Annahme nach, dass der Praetor für die sodalicia-Prozesse einen quaesitor bestellte. 99 Greenidge 1901, 455. 100 Wie bereits gezeigt scheiterte der Vorschlag des Sulpicius Rufus an dem Widerstand des Senats. 101 Dieser Punkt wird im Zusammenhang mit der lex Aurelia im Kapitel „Alte Gerichte mit neuen Richtern? – Lex Aurelia iudiciaria“ ausführlicher behandelt. 102 Vgl. hier das Kapitel „Alte Gerichte mit neuen Richtern?“ 103 Siehe zu den Bestimmungen der Richterrekrutierung aus den Reihen der equites und tribuni aerarii die lex Pompeia iudiciaria von 55 v. Chr. Diese setzte nämlich fest, dass nur diejenigen als Richter fungieren sollten, die im Vergleich zu ihren Standesgenossen das höchste Vermögen vorweisen konnten, um die Bestechlichkeit von Richtern vorzubeugen. 98
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Greenidge bereits hingewiesen, auch die Senatoren, die auf dem album iudicum erfasst waren, wurden für die Geschworenenbank der quaestio de sodaliciis gänzlich ausgeschlossen. Folglich müssten auch die equites und die tribuni aerarii, die auf dem album iudicum verzeichnet waren, für die quaestio de sodaliciis ausgeschlossen worden sein. Für die dargestellte quaestio extraordinaria wurden demnach solche Ritter und Ärartribune zum Richterdienst einberufen, die sich durch ihr im Vergleich zu ihren Standesgenossen niedriges Vermögen nicht für das album iudicum qualifiziert hatten.104 Dadurch wurde eine Kollision zwischen den tributim bestellten Richtern der quaestio de sodaliciis (die iudices editicii) und den Richtern des album iudicum (die iudices selecti) verhindert.105 Das kryptisch anmutende ciceronianische „ex omni populo“ durfte sich wohl neben dem Richter-ordo auf eben diesen Punkt bezogen haben.106 Wenn Senatoren als Mitglieder der sodalicia-Gerichtshöfe in Frage gekommen wären und damit ein Drittel der Geschworenenbank neben den Rittern und Ärartribunen ausgemacht hätten, wäre die Richterauswahl der Anklage weder als ‚ex omni populo‘ bezeichnet worden noch wäre diese Art von quaestio mehrfach als acerbus charakterisiert worden.107 Daher wird die Auswahl der benannten tribus im Prozess gegen Cn. Plancius dermaßen streng kritisiert. Weder dem Verteidiger noch seinem Mandanten dürfte die breite Masse der noch als Richter in Frage kommenden Personen aus den tribus bekannt gewesen sein: (…) dann aber würdest du mich plötzlich damit überschütten, so daß ich meine Richter vor mir versammelt sähe, ehe ich überhaupt vermuten könnte, wer sie wohl seien, und mich zwingen, (…), einen Prozeß zu führen, in dem meine ganze Existenz auf dem Spiele steht?108
104 Siehe die Bestimmungen der lex Pompeia iudiciaria: Rotondi 1962, 405. 105 Die iudices delecti waren diejenigen, die aus der Gesamtliste der iudices selecti auf die einzelnen Prozesse, d. h. Gerichte, aufgeteilt wurden: Köpke/Landgraf 1887, 21. 106 Greenidge 1901, 455. 107 Dieser Meinung ist auch Strachan-Davidson 1912, vol. II, 105, der sich gegen die Meinung Mommsens, de collegiis 63–65 ausspricht. Die Passage Cic. Planc. 41 bereitet in Hinblick auf die Erschließung des zeitlichen Bezugs Probleme. Neuere Forschungsansätze beziehen die in § 41 in der Retrospektive dargestellte editio auf die Zeit nach Sulla bzw. nach der lex Aurelia 70 v. Chr. Siehe Nadig 1997. Diese Vermutung wird durch die Stelle in Cic. Mur. 43 begründet. Strachan-Davidson 1912 und später Mattingly 1983 wollen den Vorschlag der editio (§ 41) vor die Zeit Sullas einordnen. Dabei handelt es sich um die nach der lex Acilia verabschiedete lex des Servilius Glaucia. Ihr Argument fundiert hauptsächlich auf der Endzahl der Juroren von 50 Personen. Die lex Servilia sah von den 100 Richtern der Liste eine reiectio von 50 vor, sodass 50 iudices übrigblieben. Das in Cic. Planc. 41 dargestellte Verfahren sieht die reiectio von 75 Richtern aus einer Gesamtzahl von 125 vor, mit dem Ergebnis, dass der Gerichtshof ebenfalls mit 50 Geschworenen besetzt worden wäre. Die Diskussion geht in ihrem Kern auf eine korrumpierte Textstelle der Schol. Bob. Zurück: siehe Strachan-Davidson 1912, vol. II, 103 ff. 108 Cic. Planc. 40: „deinde effundas repente ut ante consessum meorum iudicum videam quam potuerim qui essent future suspicari, (…), cogas causam de fortunis omnibus dicere?“
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Verstärkend kommt hinzu, dass Cicero durchaus eine Unterscheidung zwischen ex omni populo, ex civitate sowie ex senatu trifft. Im Strafverfahren gegen Sex. Roscius aus Ameria 81/80 v. Chr. bezeichnet er diejenigen Richter, die aus dem Senat in die Gerichtshöfe berufen wurden, als iudices ex senatu: „qui ex civitate in senatum propter dignitatem, ex senatu in hoc consilium delecti (…).“109 Vor dem Hintergrund, dass Sulla kurze Zeit vorher ausgesuchten Bürgern (ex civitate) die Senatorenwürde verliehen sowie die Richterkompetenzen gänzlich auf den Senat übertragen hatte, kamen nur Senatoren als iudices überhaupt noch in Frage. Umso einleuchtender ist es also diese Art von Richter als ex senatu zu verstehen – und sie logischerweise den Richtern ex omni populo gegenüberzustellen. In der zweiten Rede an das Volk gegen den Volkstribunen von 63 v. Chr. P. Servilius Rullus über das Ackergesetz findet sich erneut die Formulierung ex omni populo. 110 Trotz des unterschiedlichen Kontextes ist ersichtlich, dass „ex omni populo“ eine ‚freie‘ bzw. ‚unreglementierte‘ Auswahl aus dem gesamten populus meint. Das jährliche album iudicum wurde seit der lex Acilia 123/122 v. Chr. öffentlich ausgestellt,111 weswegen die iudices vor Beginn der jeweiligen Gerichtsprozesse bekannt waren. Hier wird jedoch die These vertreten, dass die Richter in den sodalicia-Prozessen nicht auf dem album iudicum verzeichnet waren und damit nicht im Voraus bekannt gewesen sein dürften. Die durch Cicero geäußerte Kritik, er sei mit ihm unbekannten Richtern im Plancius-Prozess konfrontiert, ist daher ernst zu nehmen. Die Richter in sodalicia-Prozessen waren demnach weder auf einer Richterliste verzeichnet noch öffentlich ausgestellt noch der Verteidigung als solche im Voraus bekannt.112 Nach welchen Kriterien wurden aber die iudices der ausgewählten tribus für die sodalicia-Prozesse ausgesucht? Da durch die lex Pompeia iudiciaria von 55 v. Chr. die Regelung eingeführt worden war, dass nur diejenigen equites und tribuni aerarii als Richter in den quaestiones perpetuae fungieren sollten, die im Vergleich zu ihren Standesgenossen das höchste Vermögen vorweisen konnten, um der eventuellen Bestechlichkeit vorzubeugen, blieben die vom album iudicum ausgeschlossen Ritter und Ärartribune übrig. Die Quaestoren ermittelten unter ihnen nun diejenigen, die das meiste Vermögen vorweisen konnten. Diese qualifizierten sich somit für die quaestio de sodaliciis und wurden vom praetor urbanus einberufen.113 Auch nach der Auswahl durch den Praetor schien die Richterberufung noch eine weitere reiectio durch den Angeklagten vorgesehen zu haben. Die reiectio von fünf individuellen iudices, nachdem zuvor eine tribus zurückgewiesen worden war, wurde im 109 Cic. S. Rosc. 8. 110 Cic. leg. agr. II,23: „Viderunt ei qui haec machinabantur, si vobis ex omni populo deligendi potestas esset data, quaecumque res esset in qua fides, integritas, virtus, auctoritas quaereretur, vos eam sine dubitatione ad Cn. Pompeium principem delaturos.“ 111 Die lex Acilia siehe im CIL I2 Nr. 583; lex Acilia Z. 14: „(…) in eum annum lectei erunt, ea nomina om//nia in tabula, in albo, atramento script[o]s (…) hab[eto, (…)“ = Crawford 1996, vol. I, 66, 86. 112 J. Schmidt, RE 1,1 (1893) 1332–1336 s. v. album, insbesondere d) album iudicum. 113 Greenidge 1901, 456.
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Prozess de sodaliciis gegen P. Vatinius gestattet.114 Eine Kollision zwischen den prozessualen Sondervorschriften der lex Licinia und der regulären Richterliste wurde – und das leitet zum zweiten Punkt der These von Greenidge über – durch die begrenzte Anzahl der Senatoren, die als Richter in Frage kamen, verhindert. Diese Annahme dürfte auf rein praktische Überlegungen zurückgehen. Zum einen diktierte die Anzahl der Senatoren, die noch als Richter in Frage kamen, die Zahl der equites und tribuni aerarii. Ihre Zahl durfte diejenige der Senatoren nicht übersteigen. Durch diese Regelung sollte erstens ein Übergewicht eines ordo verhindert werden und zweitens wurde so die gleichmäßige Aufteilung der Richter aller drei ordines auf die Gerichtshöfe gewährleistet. Da aber alle zur Verfügung stehenden Senatoren bereits auf dem album iudicium verzeichnet waren und damit von einer weiteren editio ausgeschlossen werden mussten, konnten sie zwangsläufig nicht als Richter der sodalicia-Gerichtshöfe fungieren. Unter der Prämisse einer überschüssigen Senatorenzahl, nachdem alle quaestiones perpetuae bereits mit senatorischen Richtern besetzt waren, führt Greenidge das Argument der tribus ins Feld: Auch wenn sich in den vier städtischen tribus genügend senatorische Richter für die quaestio de sodaliciis hätten finden lassen können, so konnte gemäß der variierenden editio tribuum nicht mit Sicherheit garantiert werden, dass dies für jede der 35 tribus zutraf.115 Die in der Planciana erörterte, jedoch als besonders hart empfundene und daher nicht für die lex Tullia de ambitu berücksichtigte Regelung einer editio (editicii iudices) von Richtern noch vor 55 v. Chr. bestätigt nochmals die Annahme, dass Senatoren keine Richterplätze in den quaestiones de sodaliciis innehatten.116 Folgende Sonderregelung, die Ser. Sulpicius Rufus eingefordert hatte, war bei den Verhandlungen um die lex Tullia 63 v. Chr. zurückgewiesen worden:117 Es sollte nach dem Prinzip der editio ein album von insgesamt 125 iudices ritterlichen Ranges etabliert werden. Durch das Recht der reiectio sollte der Angeklagte 75 iudices ablehnen, sodass die Geschworenenbank der quaestio de ambitu mit 50 Richtern besetzt werden konnte. Die Absicht des Sulpicius Rufus zielte darauf, bereits 63 v. Chr. die editio iudicum explizit nur für die quaestio de ambitu einzuführen. Der Vorschlag zur Richterbenennung (editicii iudices) wurde allerdings von den „clarissimi cives“ zurückgewiesen.118 Ob auf der Richterliste neben den equites auch die tribuni aerarii verzeichnet werden sollten, ist, obwohl sie nicht explizit genannt sind, wahrscheinlich. Dass die Unterscheidung zwischen beiden Gruppen auch von Cicero nicht immer sauber getroffen wird, ist nachweislich belegt. Wie aber aus der Planciana hervorgeht, waren die equites und tribuni aerarii während des Prozess anwesend, während die plebs ausgeschlossen 114 115 116 117 118
Cic. Planc. 40; Greenidge 1901, 456. Greenidge 1901, 455. Cic. Planc. 41. Zu den weiteren Forderungen des Sulpicius Rufus und der Auseinandersetzung mit ihnen siehe hier das Kapitel zur lex Tullia de ambitu. Cic. Planc. 41: „(…) nomen editicii iudicis non tulerunt (…), cum ex cxxv iudicibus principibus equestris ordinis quinque et lxx reus reiceret, l referret (…)“.
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wurde.119 Dass aber die Senatoren keinerlei Erwähnung finden ist indes ein weiteres Indiz für die Annahme, dass in den sodalicia-Prozessen maßgeblich die equites und tribuni aerarii involviert waren. Die Bestimmung hinsichtlich der editio von Richtern wurde trotz ihrer Zurückweisung 63 v. Chr. mit der lex Licinia im Jahr 55 v. Chr. umgesetzt.120 Vom Prozedere her erinnert die angedachte Vorgehensweise stark an die Bestimmungen der lex Acilia von 123/122 v. Chr., die ebenfalls sowohl nur equites als Richter vorsah als auch ein festes album iudicum vorschrieb. An dieser Stelle bestätigt sich die Annahme bezüglich der Diskrepanz zwischen den Richtern der jährlichen alba und den Richtern „ex omni populo“: Und wir (die Verteidigung und der Angeklagte) sollen Richter, die nicht der Geschworenenliste (neque ex delectis iudicibus), sondern der ganzen Bürgerschaft entnommen (sed ex omni populo) (…), hinnehmen, ohne einen einzigen Richter verwerfen zu dürfen?121
Der Nebensatz über die reiectio von einzelnen Richtern (ut neminem reiciamus) ist ein deutlicher Hinweis auf eine (im Gegensatz zum Fall Vatinius) nicht durchgeführte erweiterte reiectio im Fall Plancius. Dass die reiectio von einzelnen Individuen wie im Fall des Vatinius wohl eine Sonderregelung gewesen ist, dürfte sich damit erklären lassen, dass der Vorsitzende und sein Beirat erst nach Absprache dem Angeklagten eine reiectio von fünf individuellen Richtern erlaubt hatten. Die erweiterte reiectio, also sowohl die Zurückweisung einer tribus als auch von fünf einzelnen iudices, war demnach nicht eine a priori von der lex Licinia de sodaliciis vorgesehene Regelung. Abschließend lässt sich festhalten, dass sowohl auf Auswertung der Diskussionen im Senat 63 v. Chr. gestützte Annahme von Greenidge bezüglich der Exklusion senatorischer Richter einerseits und der begrenzten Anzahl von Senatoren andererseits, als auch die hier vorgenommene Rekonstruktion der prozessualen Sonderregelungen auf Grundlage der orationes pro Murena und pro Plancio bestätigen, dass in den sodalicia-Prozessen keine Senatoren als Richter tätig waren.122 119 Cic. Planc. 21. 120 Wie Strachan-Davidson 1912, vol. II, 105 ff. thematisiert auch Mattingly 1975 und 1983 die Ähnlichkeit des Prozederes zwischen der lex Licinia und der lex Servilia. 121 Cic. Planc. 41: „nos neque ex delectis iudicibus sed ex omni populo, (…) ita feremus ut neminem reiciamus?“ 122 Gruen 1974, 231 Anm. 88 kritisierte anhand der Stelle Cic. Planc. 41 wie folgt: „And he (Cicero) inadvertedly puts his finger on the real substance of the measure: iudices are selected not individually but indiscriminately (damit bezieht er sich auf Cic. Planc. 42); Pro Planc. 41: nos neque ex delectis iudicibus, sed ex omni populo, neque editos ad reiiciendum, sed ab accusatore constitutos iudices ita feremus, ut neminem reiicamus? Modern discussions generally grapple with the technical aspects, without satisfactory analysis of motives and purposes.“ Dem folgt die Aufzählung von folgenden Werken: Zumpt’s Kriminalrecht 1869, 392–404; Mommsen’s Strafrecht II 214–217; Strachan-Davidson’s Werk von 1912, vol. II, 103–110, Greenidge 1901, 453–456 und Nicolet’s Arbeit über L’Ordre Équestre, 60. Diese Gesamtwerke wurden auch dieser Arbeit zu Grunde gelegt und dennoch wird der Versuch unternommen, dem „grapple with the technical aspects“ mit einer detaillierten Quellenarbeit einen Lösungsansatz zu bieten.
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In welchem Größenverhältnis bewegte sich aber die Jurorenbank? Im groben Überblick lässt sich zunächst folgendes festhalten: Eine Zahl von 50 iudices gab die lex Acilia vor, in den sullanischen Gerichtshöfen variierten die Zahlen zwischen 25 und 38 und erlebten eine Hochphase durch die lex Aurelia mit bis zu 70 bis 75 Richtern pro quaestio. Darf davon ausgegangen werden, dass die lex Aurelia weiterhin Gültigkeit besaß und die Zahl der Geschworenen in den quaestiones de sodaliciis mit ca. 25 equites und 25 tribuni aerarii beeinflusste? Legt man diese Annahme zu Grunde, muss zugleich eine Erklärung für den Überschuss im sodalicia-Prozess gegen Vatinius gegeben werden, zumal im Prozess gegen Plancius kein Überschuss zu verzeichnen war. Wäre ein solcher Fall eingetreten, hätte für Cicero keine Notwendigkeit bestanden, darauf hinzuweisen, dass ihm die erweiterte reiectio vorenthalten blieb. Zudem wären, wenn nicht die Namen, so doch zumindest die Zahl der von der Verteidigung zurückgewiesen Richter erwähnt worden. War die erweiterte reiectio nur in solchen Fällen legitim, wenn die Quaestoren aus den ausgewählten tribus mehr iudices erfassen konnten, als equites und tribuni aerarii für den Gerichtshof gebraucht wurden? Diese Fragen können nicht mit Sicherheit beantwortet werden. In Anbetracht der Entwicklung der Gerichtshöfe mit besonderem Augenmerk auf die unterschiedlichen ordines und die Größe der Geschworenenbank unter Berücksichtigung der Quellen123 ist der Gesamtumfang von ca. 50 iudices wohl realistisch. Wie lässt sich das rechnerisch nachvollziehen? Geht man aufgrund der zeitlichen Nähe zum Prozess gegen Vatinius und Plancius von etwa 300 als Richter in Frage kommenden Senatoren aus – diese Angabe leitet sich aus dem SC von 50 v. Chr. ab124 – verzeichnete das album iudicum in dem Jahr 900 Richter. Teilt man diese auf die 35 tribus auf, dürfte jede tribus ca. 25 Richter hervorgebracht haben. Aus diesen 35 tribus wählte der Ankläger nach den Bestimmungen der lex Licinia 4 aus, das würde ca. 102 iudices bedeuten. Eine tribus wird durch die reiectio des Angeklagten abgewiesen: 102–25 = 77 iudices. Im Fall Vatinius werden nochmals 5 iudices zurückgewiesen: 77–5 = 72 Geschworene. Rechnet man noch die senatorischen Richter heraus, erhält man als Endergebnis eine Jury zusammengesetzt aus 47 Juroren. Diese Rechnung ist rein hypothetischer Natur. Es ist durchaus nicht auszuschließen, dass nicht jede tribus in gleichem Umfang Richter zur Verfügung stellen konnte. Darüber hinaus hat Lengle, auf dessen These diese Rechnung zurückgeht, das Fehlen der Senatoren in den quaestiones de sodaliciis nicht berücksichtigt. Auch bezieht sich seine Rechnung auf das jährliche album iudicum, das hier aber für die quaestio de sodaliciis ausgeschlossen werden soll. Die editio der Richter per tribus konnte zumindest für die Senatoren nicht funktionieren, da sie eben nicht nach tribus geführt wurden. Daher geht Lengle
123 Cic. Planc. 41; Cic. Mur. 47. 124 Cic. fam. VIII,7(8),5: „Sie (die amtierenden Konsuln L. Paullus und C. Marcellus) sollen zur Verhandlung dieser Sache an allen Komitialtagen Senatssitzungen abhalten und einen Senatsbeschluß herbeiführen, und wenn sie über diese Sache verhandeln, die Senatoren, die zu den 300 Richtern gehören, aus ihren Sitzungen abberufen dürfen.“
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in seiner Vermutung von ca. 75 Richtern für die Jurys der Gerichtshöfe de sodaliciis aus.125 Man sieht in Lengles Darstellung den Versuch einer ‚Harmonisierung‘ ohne Rücksicht auf die Problematik der Gerichtshöfe de sodaliciis. Die Kapazität des Geschworenenkollegiums nach der lex Licinia dürfte vermutlich basierend auf der Anzahl von tribules der edierten Bezirke variieren. Die Betrachtung weiterer Prozesse kann aber mehr Aufschluss gewähren. Im Prozess gegen Clodius Pulcher 61 v. Chr. stimmten in der quaestio extraordinaria – eingerichtet wegen Religionsfrevel – 56 iudices ab: 25 Juroren befanden Clodius für schuldig, 31 sprachen ihn frei.126 Im Jahr 54 v. Chr. wird gegen Procilius vor der quaestio de sicariis et veneficiis ein Prozess geführt. Zum Ende des Prozesses stimmen 22 Richter mit absolvo, 28 mit condemno, also insgesamt 50 Juroren.127 Im Jahr 52 v. Chr. wird M. Saufeius zweimal vor der quaestio de vi belangt, das erste Mal unter Anwendung der lex Pompeia de vi (52 v. Chr.), das zweite Mal unter Anwendung der lex Plautia de vi (78–63 v. Chr.).128 Im ersten Prozess wurde Saufeius mit 26 Stimmen für unschuldig und 25 Stimmen für schuldig erklärt – insgesamt 51 Geschworene. Laut Alexander sah das Abstimmungsverhältnis wie folgt aus: 10 Senatoren, 9 equites und 6 tribuni aerarii plädierten für schuldig; 8 Senatoren, 8 equites und 10 tribuni aerarii für unschuldig.129 Im zweiten Prozess wird Saufeius von 32 der 51 Richter freigesprochen. 19 der Geschworenen stimmten für schuldig.130 Alexander verweist diesbezüglich auf die tribuni aerarii, die hauptsächlich mit condemno abgestimmt haben sollen.131 Lengle versucht eine Generalisierung, der zufolge in den quaestiones de repetundis und de maiestate jeweils 75, in den quaestiones de vi und de sicariis et veneficiis 51 und in den quaestiones de sodaliciis ebenfalls 75 Geschworene abstimmten – in den Prozessen de sodaliciis galt die Angabe der 75 iudices allerdings nur dann, wenn wie im Fall Plancius keine erweiterte reiectio durchgeführt wurde. Eine solche Schlussfolgerung verliert in Anbetracht der hier vorgenommenen Untersuchung der Geschworenengerichte seine Gültigkeit. Lengles These ist nicht nur irreführend, sondern impliziert für die etablierten quaestiones die unterschiedliche Anwendung bzw. unterschiedliche Bestimmungen der leges iudiciariae, die essentielle Details bezüglich der Richterberufung regelten. Dennoch lässt sich eine Auffälligkeit ohne Widerspruch festhalten: A. Gabinius wurde 58 v. Chr. de maiestate angeklagt; über ihn richteten 70 Richter (nicht 75, wie 125 126 127 128 129 130 131
Lengle 1933, 290: „Hier ediert der Ankläger aus der den 35 Tribus geordneten Gesamtliste der 900 Geschworenen 4 Tribus, also c. 100 Richter. Von ihnen konnte der Angeklagte eine Tribus, also ca. 25 Geschworene ablehnen, und außerdem war noch eine weitere Ablehnung möglich.“ Cic. Att. I,16,5; Alexander 1990, 116 (Nr. 236). Lengle 1933, 294; Alexander 1990, 138 (Nr. 284). Rotondi 1962, 377, 410; Alexander 1990, 154 (Nr. 313, Nr. 314). Alexander 1990, 154 (Nr. 313). Ascon. 46. Siehe zu den hier dargelegten Prozessen im einzelnen Lengle 1933, 293–294. Alexander 1990, 154 (Nr. 314).
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Lengle behauptet). M. Aemilius Scaurus wurde 54 v. Chr. unter der lex Iunia de repetundis angeklagt. In seinem Fall stimmten die drei Richterdekurien mit 22 Senatoren, 23 equites und 25 tribuni aerarii ab, eine Jury von wiederum insgesamt 70 iudices (nicht 75). Im Prozess gegen Aemilius Scaurus zeigt sich der Grundsatz der lex Aurelia, d. h. die paritätische Dreiteilung der Richterbank zwischen Senatoren, equites und tribuni aerarii, am klarsten. Im Fall des Procilius aus dem Jahr 54 v. Chr., der wegen Mordes angeklagt worden war, stimmten insgesamt 50 Richter ab. In den Prozessen de vi gegen M. Saufeius aus dem Jahr 52 v. Chr. sprachen beide Male 51 iudices ihr Urteil. Es lässt sich demnach festhalten, dass trotz der Gültigkeit und Aktualität der lex Aurelia die Gerichte unterschiedlich großen Umfang aufwiesen. Obwohl einzelne Prozesse durchaus detailreiche Einblicke in die Gesetze, ihren historischen Ursprung, in die Entwicklung von bestimmten kriminalrechtlich verfolgten Handlungsweisen und sogar in prozessuale Sonderregelungen bieten, bleiben sie doch einzelne Fallbeispiele. Es muss hier ein Resümee gezogen werden: Für die Zusammensetzung der quaestio de sodaliciis, bei der es sich um eine extraordinaria handelte, durften keine Richter (Senatoren, equites und tribuni aerarii) vom album iudicum berücksichtigt werden. So sollte eine Kollision mit den quaestiones perpetuae vermieden werden. Nach Ausscheiden der iudices selecti des album iudicum standen diejenigen equites und tribuni aerarii für die quaestio de sodaliciis zur Verfügung, die sich gemäß der lex Pompeia iudiciaria nicht für die ständigtagenden Gerichtshöfe qualifiziert hatten. Mit der lex Pompeia wurde nämlich erstmals das Vermögen der Ritter und Ärartribune zum Auswahlkriterium für die Richtertätigkeit gemacht. Die Bestellung der Richter (editio) sollte entgegen der bisherigen Verfahrensweisen nicht individuell (siehe die Bestimmungen der lex Acilia und lex Cornelia), sondern tributim geschehen. Aus den vier vom Ankläger ernannten tribus wurde eine per reiectio vom Angeklagten zurückgewiesen. Die übrigen drei tribus stellten die Richter. Es war wohl die Aufgabe der Quaestoren unter der Leitung des praetor urbanus, die in den drei tribus noch in Frage kommenden Ritter und Ärartribune zu bestimmen und einzuberufen. Da die Zahlen je nach tribus durchaus variieren durften, lässt sich der Überschuss im Prozess gegen Vatinius erklären. Demnach konnten nach dem Beschluss des quaesitor mit seinem Beirat (consilium) neben der Ablehnung einer tribus noch fünf weitere Einzelpersonen zurückgewiesen werden. Dieser Fall trat im Prozess gegen Plancius nicht ein, weshalb die Erklärung nahe liegt, dass die notwendige Richterzahl erreicht worden war. In Anbetracht der unter Berücksichtigung der Richterzahlen genannten Prozesse nach 70 v. Chr. darf von einem Gerichtshof von ca. 50 Richtern ausgegangen werden. Konkrete Angaben hierzu fehlen jedoch. Insofern man die Grundprinzipien der lex Aurelia berücksichtigt und von der idealen Zahl von 75 Richtern die 25 Senatoren abzieht, liegt die Vermutung nahe, dass 25 equites und 25 tribuni aerarii aus den Reihen der ausgesuchten tribus bestellt wurden. Die 63 v. Chr. für die lex Tullia de ambitu vom Senat abgelehnte Sonderregelung für die quaestio de ambitu eine nur aus Rittern bestehende Richterliste aufzustellen, wurde nun 55 v. Chr. in Form der editio für die Prozesse de sodaliciis wieder aufgegrif-
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fen. Für die lex Tullia war eine Liste mit 125 Rittern als iudices vorgesehen, aus deren Reihe der Ankläger 75 zurückweisen durfte. Die quaestio sollte mit 50 Richtern besetzt werden. Das lässt darauf schließen, dass das album iudicum, wie bereits gemäß der lex Acilia vorgesehen, jährlich vom praetor urbanus hätte aufgestellt werden müssen. Wäre dieser Vorschlag der editio 63 v. Chr. vom Senat angenommen worden, so hätten zwei Richterlisten parallel existiert: Die erste hätte sich auf die Zusammensetzung der quaestio de ambitu unter Anwendung der lex Tullia bestehend aus 125 equites bezogen. Die zweite Liste unter Berücksichtigung der Senatoren, equites und tribuni aerarii hätte für die restlichen quaestiones perpetuae weiterhin Gültigkeit besessen. Für den Fall der lex Licinia de sodaliciis scheint keine dieser beiden Optionen für die Aufstellung einer Richterliste berücksichtigt worden zu sein. Die Zahl der Juroren in der quaestio de sodaliciis lässt sich nicht mit Sicherheit ermitteln. Von größerer Bedeutung ist es hingegen, neben dem potentiellen Umfang eines solchen Geschworenengerichts, die unterschiedlichen Elemente und Aspekte der vorhergehenden leges iudiciariae innerhalb der Bestimmungen der lex Licinia zu rekonstruieren. Von den Bestimmungen der lex Acilia lassen sich die editio in Form der editio tribuum, der Ausschluss der Senatoren und die reiectio sowohl einer tribus als auch einzelner Richter wiederfinden. Die Bestimmungen der lex Aurelia werden in Bezug auf die Einbindung der equites und tribuni aerarii in die quaestio de sodaliciis aufgegriffen. Die Ernennung eines Vorsitzenden für die quaestio de sodaliciis wurde höchstwahrscheinlich – in Anbetracht der Entwicklung ab der lex Cornelia iudiciaria und der lex Cornelia de praetoribus octo creandis – vom praetor urbanus vorgenommen. Ob der betreffende quaesitor per Los bestimmt wurde oder vom praetor urbanus gezielt ausgesucht wurde, ist nicht klar. Dabei konnte ein quaesitor ein amtierender Praetor, ein ausgeloster iudex quaestionis oder – wie im Gerichtsprozess gegen T. Annius Milo – ein Aedil sein. Alle Varianten waren bekannt und möglich. iii. Zwei Kategorien: Die iudices editicii und selecti Die lex Licinia de sodaliciis hatte also nicht nur Komponenten alter leges iudiciariae in modifizierter Form wiedereingeführt und bereits vorhergegangene Bestimmungen der leges de ambitu aufgegriffen, sondern auch mit dem Ausschluss der Senatoren von der quaestio de sodaliciis eine vom Senat bereits 63 v. Chr. abgelehnte Maßnahme aufgegriffen.132 Nicht auf Grundlage des erweiterten Tatbestandes, sondern durch die pro-
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Die lex Acilia repetundarum von 123–122 v. Chr. und die spätere lex Licinia de sodaliciis sind die einzigen beiden legislativen Maßnahmen, die iudices editicii vorsahen. Nur für diese beiden Gerichtshöfe durfte die editio iudicum bzw. editio iudiciorum angewandt werden. Zu den iudices editicii: Cic. Mur. 23; Cic. Planc. 36; 39; 41; lex Acilia Z. 21–25 = Crawford 1996, vol. I, 67–68, 87–88; Mattingly 1975, 260–261.
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zessuale Verfahrensweise wurde die Sonderstellung der lex konstituiert.133 Anhand der Planciana wird eine weitere Differenzierung ersichtlich: Es scheint je nach Verfahrensweise zwischen zwei Kategorien von iudices unterschieden worden zu sein. Die Unterscheidung wird in erster Linie an der Begrifflichkeit deutlich: So wird in der Planciana zwischen den iudices editicii und den iudices delecti differenziert. Richter, die unter das Verfahren der editio fielen, wurden als editicii iudices bezeichnet.134 Mattingly zufolge muss die politische Elite Roms die Vorgehensweise der editio und die Einberufung der iudices editicii als grundsätzlich unfair empfunden haben.135 Seine These kann als Erklärung dafür dienen, weshalb das Prozedere der editio explizit auf die lex Licinia beschränkt wurde; schließlich waren alle übrigen Gerichtshöfe davon ausgeschlossen worden. Der Widerstand des Senats 63 v. Chr. gegen den Vorschlag des Sulpicius Rufus lässt sich im großen Feld des ambitus-Phänomens plausibel kontextualisieren. Widerstände solcher Art, gerade in Hinblick auf die Reglementierung von Strafsätzen und Verfahrensweisen, tauchten mehrfach auf. Nicht nur bei den Forderungen des Ser. Sulpicius Rufus für die lex Tullia de ambitu von 63 v. Chr. hatte sich der Widerwille des Senats gezeigt: Hier sei vor allem auf die Widerstände von 67 v. Chr. gegen die rogatio Cornelia de ambitu und auf die gegen die lex Fabia de numero sectatorem verwiesen. Trotz der Beschränkung der editio auf die quaestio de sodaliciis wurde ein solches Verfahren als besonders hart (acerbus) empfunden. Denn die Richter dieses Sondergerichtes wurden fast einseitig vom Ankläger gestellt.136 Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Cicero die Kritik an der Richterauswahl zu einem Kernthema seiner Verteidigungsrede machte, obwohl er vor denselben Geschworenen, deren Auswahl er missbilligte, den Fall des Plancius vorbringen musste – natürlich nicht ohne die Bemerkung fallen zu lassen, dass die anwesenden Richter selbstverständlich ein gerechtes Urteil fällen werden.137 Die ausbleibende Intervention des Senats 55 v. Chr. gegen die lex Licinia de sodaliciis ist einerseits als ein starkes Indiz für die Befürwortung von härteren prozessualen Verfahrensweisen und andererseits für die strafrechtliche Verfolgung beteiligter Personenkreise zu verstehen. Die besondere Vormachtstellung des Pompeius Magnus und des Licinius Crassus im Senat dürfte der Verabschiedung des Gesetzes weiteren Nachdruck verliehen haben. Verstärkend kam hinzu, dass sie ihrem Selbstverständnis nach als amtierende Konsuln quasi ex officio gegen korrupte Wahlpraktiken vorgehen mussten und sich selbst nicht davon betroffen fühlten. Die Mehrzahl der ambitus-Gesetze
133 134 135 136 137
Eine Kontroverse diesbezüglich bei Mattingly 1975 und 1983. Siehe zu den iudices editicii eine kurze Übersicht bei Alexander 2009, 347–355. Mattingly 1983, 306; Strachan-Davidson 1912, vol. II, 106–108; vgl. Mattingly 1975, 261: „Moreover we should note the very notion of editicii iudices was unpopular.“ In Cic. Planc. 42 wird dies unter Betrachtung der sententia legis und seiner missbräuchlichen Anwendung relativiert. Alexander 2009, 346; vgl. Cic. Sull. 92: Auch in der Rede für Sulla kritisiert Cicero die Richterauswahl, um ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die Jurymitglieder natürlich gerecht urteilen werden.
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bestätigt diese Beobachtung: Bei den leges de ambitu handelte es sich fast ausschließlich um konsularische Gesetze und damit um ein Feld der konsularischen Politik. Trotz der Beschränkung der außerregelmäßigen Verfahrensweise auf die quaestio de sodaliciis zeigt sich mit der Einwilligung des Senats die Notwendigkeit, gegen ausufernde neue Wahlpraktiken mit strengeren Maßnahmen vorzugehen. Der Schwerpunkt lag dabei ganz offensichtlich nicht mehr auf einer Steigerung des Strafmaßes, sondern auf der Entwicklung von strengeren prozessualen Verfahrensweisen. Wie bei der lex Tullia hatte man auch für die lex Licinia keine weiteren Sanktionen im Falle einer Verurteilung berücksichtigt. Die Spitze des Strafmaßes war mit der Aufnahme des Exils bereits 63 v. Chr. erreicht worden. Der Fokus bei der Verfolgung von ambitus richtete sich nach 63 v. Chr. auf die prozessuale Verfahrensweise. Im Gegensatz zu den iudices editicii wurden diejenigen, die bereits auf einer Geschworenenliste verzeichnet waren, als delecti iudices bezeichnet. Für den Sachverhalt ist es am dienlichsten, die gesamte Quellenstelle zu betrachten: An vero nuper clarissimi cives nomen editicii iudicis non tulerunt, cum ex cxxv iudicibus principibus equestris ordinis quinque et lxx reus reiceret, l referret, omniaque potius permiscuerunt quam ei legi condicionique parerent; nos neque ex delectis iudicibus sed ex omni po pulo, neque editos ad reiciendum sed ab accusatore constitutos iudices ita feremus ut neminem reiciamus?138
Demnach konnten für die Gerichtshöfe de sodaliciis nur die iudices editicii in Frage kommen, die allerdings nicht den Reihen der ‚delectis iudicibus‘ entnommen werden durften. Ihre Auswahl sollte „ex omni populo“ geschehen, was Cicero vehement kritisierte. Das bedeutet erneut, dass die Auswahl der iudices für die quaestio de sodaliciis außerhalb der jährlichen album iudicum vorgenommen wurde. Könnte aber eine editio tribuum die Auswahl der nach tribus geführten iudices auf dem album iudicum bedeuten? Die equites und tribuni aerarii wurden im Gegensatz zu den Senatoren, die in Senatsdekurien eingeteilt waren, per tribus auf dem album iudicum verzeichnet. Auch wenn die editio tribuum sich auf die nach tribus aufgeführten iudices des album iudicum bezogen hätte, könnte nach wie vor der quaestio de sodaliciis keine
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Cic. Planc. 41: „Vor einiger Zeit haben unsere hochangesehenen Mitbürger einen Vorschlag zur Richterbenennung nicht hingenommen, obwohl der Angeklagte von 125 Richtern, den maßgeblichen Männern des Ritterstandes, 75 ablehnen und nur 50 behalten sollte, und Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um sich nicht einer solchen Vorschrift und Bestimmung beugen zu müssen.“ Diese Quellenstelle, d. h. die iudices editicii, die vom Ankläger bestimmt wurden, wird von Mattingly 1975, 260 mit der lex Servilia repetundarum und nicht mit der lex Tullia de ambitu in Verbindung gebracht. Auch geht Mattingly 1983, 305 nach wie vor davon aus, dass sich der Widerstand des Senats gegenüber der Wiedereinführung der editio und damit der iudices editicii auf das Jahr 92/91 v. Chr. beziehen muss. Die Ähnlichkeit der editio mit der lex Acilia ist nicht von der Hand zu weisen. Eine weitere Verbindung zur lex Servilia ist jedoch strittig: Strachan-Davidson 1912, vol. II, 103 ff.
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jährliche Richterdekurie zugelost worden sein. Je nach Ankläger wurden schließlich stets vier unterschiedliche tribus benannt. Die zwei Prozesse wegen sodalicia 54 v. Chr. gegen Cn. Plancius und P. Vatinius hatten das bewiesen. Eine solche Herangehensweise brächte eine weitere Konsequenz mit sich: Würde man der Gesamtjahresliste die ritterlichen Richter und die Ärartribune für die Prozesse de sodalicia abziehen, könnten die betroffenen iudices an den für sie eigentlich vorgesehenen Gerichtshöfen nicht teilnehmen. Eine Kollision zwischen der Aufstellung der quaestio de sodaliciis und dem album iudicum für die quaestiones perpetuae ließe sich nicht vermeiden. Wenn wir also davon ausgehen, dass die iudices delecti diejenigen sind, die aus der Gesamtliste der Richter pro Dekurie ausgelost und auf die quaestiones perpetuae aufgeteilt wurden, und sie daher den Prozessbeteiligten bekannt waren, nämlich als iudices der quaestiones de maiestate, de repetundis usf., könnte dann das „ex omni populo“ als Kritik weiterhin Bestand haben? So würden sich die Angeklagten in Prozessen wegen sodalicia-Verdachts nicht mit einer Richterdekurie, den iudices delecti konfrontiert sehen, sondern mit Richtern, den iudices editicii, die nach der editio tribuum durch die Ankläger erst zugeteilt wurden. In diesem Falle würde aber die bekannte Kollision zwischen der quaestio de sodaliciis und den übrigen konsolidierten quaestiones perpetuae eintreten. Und weiter noch: Sollte es sich bei den Richtern in der quaestio de sodaliciis um Richter des album iudicum handeln, würde kein zwingender Grund bestehen, eine semantische Trennung zwischen den zwei Richterkategorien vorzunehmen und mehrfach die Auswahl der iudices für die quaestio de sodaliciis als „ex omni populo“ und als „acerbus“ zu kritisieren. Es geht aus der Planciana deutlich hervor, dass im Falle der lex Licinia die Auswahl der iudices vom Ankläger durchgeführt wurde.139 Die beiderseitige reiectio (reiectionem (…) iudicum alternorum), so wie sie in den übrigen ambitus-Fällen vorgesehen war, galt für die Prozesse de sodaliciis nicht.140 Strachan-Davidson stellt die These auf, dass „ex omni populo“ unter Ausschluss der Senatoren Folgendes meint: die tributim geführten Richter der vier vom Ankläger genannten tribus wurden dem album iudicum entnommen. Da jede tribus wohl unterschiedlich viele Richter hervorbringen mochte, konnte zusätzlich zu der reiectio einer tribus noch eine individuelle reiectio stattfinden – siehe den Fall des Vatinius. Strachan-Davidson weist damit in die Richtung, die hier als Eventualität bereits berücksichtigt und verworfen wurde. Er übersieht nämlich in diesem Zusammenhang die Gesetzgebung des Pompeius von 55 v. Chr.: Mit der lex Pompeia iudiciaria wurde nämlich erstmals das Vermögen der Ritter und Ärartribu139 Cic. Planc. 36. 140 Strachan-Davidson 1912, vol. II, 100. Laut Strachan-Davidson wurde im Prozess gegen Clodius Pulcher 61 v. Chr. dasselbe Prozedere durchgeführt: Cic. Att. I,16,3. Linderski 1961 stellt auf Grundlage der Passagen Cic. Planc. 36–37 die These auf, dass die Verfahrensweise der iudices editicii womöglich bereits im SC von 56 v. Chr. angedacht worden war. Tatsache ist aber, dass sie ihre Bestätigung bzw. vollendete Form der prozessualen Anwendung 55 v. Chr. mit der lex Licinia de sodaliciis erhielt.
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ne als Auswahlkriterium für die Richtertätigkeit etabliert; d. h. die unterschiedlichen Vermögensverhältnisse entschieden darüber, ob bzw. welche equites und tribuni aerarii vom praetor urbanus als Richter für das album iudicum berücksichtigt wurden. Der Praetor erhielt die Anweisung, aus den beiden ordines jeweils diejenigen für das Richteramt auszuwählen, die den höchsten Census, d. h. das höchste Vermögen innerhalb ihres ordo aufwiesen. So sollte in erster Linie der Bestechlichkeit der iudices entgegengewirkt werden. Wurde die notwendige Anzahl der iudices aus den Reihen der Ritter und Ärartribune für das album iudicum erreicht, durften wohl noch genügend equites und tribuni aerarii in den 35 tribus zur Verfügung stehen, um die quaestio de sodaliciis mit Juroren zu besetzen. Die lex Licinia zeigt in dieser Eigenschaft ihren integrativen Charakter: Den Rittern und Ärartribunen, denen eine Partizipation in den Gerichtshöfen durch das Vermögenskriterium der lex Pompeia untersagt worden war, wurde eine Möglichkeit der politischen Partizipation in der quaestio de sodaliciis eröffnet. Der organisatorische Aufwand wurde dahingehend in Grenzen gehalten, dass die editio tribuum vier Bezirke vorsah, die eine gänzlich wahllose Richterbestellung verhinderte. Mit Sicherheit darf davon ausgegangen werden, dass für die quaestio de sodaliciis eben aufgrund der individuellen editio tribuum der Ankläger weder ein zuvor ausgelostes consilium von Richtern noch ein ständiger quaesitor zugeteilt wurde. Stattdessen muss es einen hohen Grad an Flexibilität und Anpassungsmöglichkeiten gegeben haben. iv. Die Analyse der editio tribuum Entgegen der Darlegungen von Q. Hortensius Hortalus zur rechtlichen Grundlage des Prozesses hatte Cicero den Schwerpunkt seiner Verteidigung auf die Analyse der editio tribuum gelegt. Der Bezirk des Angeklagten (tribus Teretina / praefectura Atina) war für die editio nicht berücksichtigt worden.141 Dabei konnte Cn. Plancius 55 v. Chr. mit Sicherheit auf die Stimme der Teretina in den comitia tributa zählen: Er war in dem besagten Jahr der einzige Bewerber dieser tribus. Im Sinne und unter der korrekten Anwendung der lex Licinia hätte gerade die tribus Teretina für die editio aufgeführt werden müssen. Des Weiteren hatte die Anklage eine tribus angeführt, die Plancius durch korruptes Vorgehen für sich gewonnen habe. Der Name der betroffenen tribus wird allerdings nicht genannt. Wäre dies der Fall, könnte eine strukturelle Untersuchung zwischen dem Bezirk und den Plancii in Form einer internen Netzwerkanalyse unternommen werden. Hierdurch ließen sich eventuell vorhandene bilaterale Beziehungen (familiär, 141
Cic. Planc. 38; siehe auch Cic. Planc. 21; Liv. X,9,14: „Et lustrum eo anno conditum a P. Sempronio Sopho et P. Sulpicio Saverrione censoribus, tribusque additae duae, Aniensis ae Teretina.“; Taylor 1960, 275, 56 zur Gründung, 110 zum Status als latinische Kolonie.
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freundschaftlich, politisch) ermitteln. Dass der Name dieser tribus in der oratio nicht genannt wird, führt zu der Schlussfolgerung, dass auch sie entgegen den Bestimmungen der lex Licinia nicht von der Anklage für die Aufstellung der Geschworenenbank berücksichtig wurde.142 Entscheidend sind die Begriffe, die das korrupte Vorgehen bei der ‚Bestechung‘ einer tribus kennzeichnen: „Cuius tu tribus venditorem et corruptorem et sequestrem Plancium fuisse clamitas (…)“.143 Diese Aussage wird als rhetorische Frage erneut aufgegriffen: „Sequestremne Plancium?“144 Die Rolle und Funktion der sequestres und divisores145 lässt die Grauzone des Erlaubten und der Grenzüberschreitung nochmals hervorscheinen: Das Aufbewahren der ihnen anvertrauten Gelder mochte sich noch im Rahmen des Zulässigen befinden. Gelder gezielt für Stimmenkauf aufzubewahren, mit dem Ziel sie nach Abschluss der Comitien zu verteilen, galt als illegal und fiel unter die Jurisdiktion der leges de ambitu.146 Im Gegensatz zum sequester war der venditor ein Verkäufer/Händler, der explizit beim Einsatz von Bestechungsgeldern tätig wurde.147 Die Betätigungen eines potentiell angehenden Magistraten als venditor, corruptor und sequester sind demnach deutlich negativ konnotiert. Die tribus Teretina wird explizit als eine venalis (bestechlich/käuflich) bezeichnet: „Voltinia tribus ab hoc corrupta, Teretinam habuerat venalem?“148
142 Cic. Planc. 38: „eam tribum profecto, severissimorum praesertim hominum et gravissimorum, edere debuisti.“ Die Mitglieder dieser tribus, die nach Ciceros Meinung hätte benannt werden müssen, werden als überaus gewissenhaft und streng beschrieben. Kroll 1937, 129 Anm. 11 geht davon aus, dass es sich dabei um die Teretina handeln muss. 143 Cic. Planc. 38. Die Missbilligung Ciceros, Laterensis würde schreien (clamare), taucht erneut in § 75 auf: „Atque etiam clamitas, Laterensis“, eine deutliche Kritik an der Sprechweise des Laterensis. Clamare bzw. ein clamator wird in der Rhetorik als Gegensatz zum orator verstanden: vgl. Cic. de orat. II,86; Cic. Brut. 182. 144 Cic. Planc. 44. Die Frage wird im Rahmen der Beschäftigung mit den von Laterensis gewählten tribus gestellt. Obwohl die Ankläger mit ihrer editio gegen das „concilium (…) senatus“ in Bezug auf die sinngemäße Anwendung der lex Licinia gehandelt hatten und Cicero dies vehement kritisiert, zeigt er hier eine Art der Ausweglosigkeit für die Ankläger. Keiner der tribules des Plancius hätte der Anklage Glauben geschenkt, wenn sie die Behauptung aufgestellt hätten, sein Mandat habe sich als sequester in seiner tribus und in den übrigen, die ihm am besten bekannt waren, betätigt. Daher die als unglaubwürdig formulierte Frage, die als Spott gegen die Anklage gerichtet wird. Dahingegen hätten seine Unterstützer die Beliebtheit desselben nicht bestreiten können: „An gratiosum? Illi libenter audirent, nos non timide confiteremur.“ 145 Auf die Bedeutung und Rolle der sequestres und ihr Einsatz für und durch die Kandidaten, wobei Plancius sich hier selbst als sequester und venditor betätigt haben soll: Planc. 38; 44–45; 47–48; Cic. Verr. I,36; Cic. Cluent. 72; Q. Cic. comm. pet. 57. 146 Dennoch sei hier unter anderem auf die gesammelten Beiträge in Jehne 1995; Yakobson 1999; Lundgreen 2008; 2011; 2014 hingewiesen. 147 OLD2 2233 s. v. venditor, a) a seller, vendor; b) one who sells for bribes or corrupt payments: Cic. Planc. 38; Cic. p. red. in sen. 10: „non consules, sed mercatores provinciarum ac venditores vestrae dignitatis“. 148 Cic. Planc. 43: „Den voltinischen Bezirk hat er bestochen, den teretinischen sich dienstbar gemacht?“
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Weshalb die tribus Voltinia von der Anklage als korrupt bezeichnet wurde, wird im Laufe der oratio aufgelöst: Laterensis hatte seinen Unmut darüber geäußert, es stünden ihm mehr Zeugen (testis) aus der tribus Voltinia zur Verfügung, als er Stimmen aus dem besagten Bezirk erhalten habe.149 Trotz der Kritik hatte der Ankläger die tribus Voltinia nicht für die editio tribuum berücksichtigt. Daraus ergeben sich zwei potentielle Interpretationsvarianten: 1. Laterensis habe Zeugen vorgeladen, die seine Kandidatur zwar nicht unterstützt hätten, jetzt aber als Zeugen aufträten. Dies würde allerdings nur den Verdacht wecken, dass sie Geld bekommen hätten (nummos), d. h. von Laterensis bestochen worden wären. Denn hätte die Mehrheit der tribules der Voltinia sich für Plancius eingesetzt, so hätte Laterensis diejenigen, die nun als Zeugen erschienen seien, gekauft. Die Aussage der Ankläger über die Zeugen aus der tribus Voltinia zielte also darauf ab, sie als besonders streng erscheinen zu lassen, um auf diese Weise ihre Glaubwürdigkeit weiter zu bestärken.150 2. Die übermäßig hohe Anzahl an Zeugen kann als Hinweis gedeutet werden, dass die tribules der Voltinia tatsächlich Plancius favorisiert hatten. Dementsprechend hatten sie die Kandidatur des Laterensis nicht unterstützt. In diesem Fall hätte Laterensis aufgrund von Unbeliebtheit die Wahl verloren.151 Auf die editio tribuum der Anklage hatten die ausgehandelten coitiones zwischen den vier Bewerbern um die Aedilität einen entscheidenden Einfluss ausgeübt. Im ersten Durchgang der Comitien, bevor sie aufgrund von Unruhen vorzeitig abgebrochen werden mussten, hatte A. Plotius dem Q. Pedius die tribus Aniensis, Cn. Plancius dem M. Iuventius Laterensis die Teretina überlassen.152 Die Konstellation unter den Bewerbern 55 v. Chr. und ihre coitiones, die sie zur gegenseitigen Unterstützung eingegangen waren, gehen aus der Planciana besonders deutlich hervor.153 Zunächst lässt sich aus Ciceros Aussage schließen, dass Plancius seine tribus Teretina Laterensis überlassen
149 Cic. Planc. 54. 150 Mouritsen 2001, 91 folgert aus der Schilderung der Partizipation von unterschiedlichen tribus an den Wahlen, dass gerade in der letzten Phase der Republik die Wählerbeteiligung gering gewesen sein durfte. Als Beispiel neben der Wahl der Aedile 55 v. Chr. wird die Konsulwahl von 45 v. Chr. angeführt. 151 Fuhrmann 1997, 851 Anm. 36 geht davon aus, dass die Bestechung der Zeugen von Laterensis vorgenommen worden sei. Die Textstelle besagt: „Nam quod questus es pluris te testis habere de Voltinia quam quot in ea tribu puncta tuleris, indicas aut eos testis te producere qui, quia nummos acceperint, te praeterierint, aut te ne gratuita quidem eorum suffragia tulisse.“ Dieser Meinung sind auch Köpke/ Landgraf 1887, 69. 152 Cic. Planc 54: „Et ais prioribus comitiis Aniensaem a Ploti Pedio, Terentinam a Plancio tibi esse concessam“. 153 Kunkel 1995, 84 beschreibt es wie folgt: „(…) solange sie lediglich den Zweck hatten, die persönlichen Einflußmöglichkeiten der Beteiligten, ihre Freundschaften und Klientelen zu gemeinsamer Werbung zu verbinden.“ Kriminell und damit sanktionierbar wurden die coitiones, wenn finanzielle Mittel einen Faktor spielten: „Sobald aber die Aufbringung großer Bestechungssummen als ihr Hauptziel in den Vordergrund trat, mußten sie als ein übles Instrument der Wahlkorruption erscheinen.“ Kunkel verweist auf die Kandidatur Caesars für das Konsulat 59 v. Chr., der sich in Hinblick auf die großen finanziellen Kapazitäten mit einem gewissen L. Lucceius verband: Suet. Iul. 19,1.
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hatte. Als Gegenleistung sollten die den Laterensis unterstützenden tribus für Plancius stimmen. Für den zweiten Durchlauf der Comitien scheinen allerdings Plancius und Plotius eine coitio eingegangen zu sein.154 Das Indiz dafür möchte die Anklage wie folgt erbringen: „Dubitatis, inquit, quin coitio facta sit, cum tribus plerasque cum Plotio tulerit Plancius?“ / „At non nullas punctis paene totidem“.155 Der Ankläger hatte festgestellt, dass Plancius gemeinsam mit Plotius aus den gleichen tribus mit der Mehrheit der Stimmen hervorgegangen war. Eine solche Konstellation deutet Taylor dahingehend, dass coitiones mit direkten Bestechungen einhergingen.156 Bemerkenswert ist jedoch Ciceros Umgang mit diesem Vorwurf: Wollte man zwei curulische Aedile wählen und bestätigen, müssten zwangsläufig zwei der Kandidaten durch den Mehrheitsentscheid sowohl die höchste Zahl von Einzelstimmen erreichen als auch die Mehrheit der 35 tribus für sich gewinnen.157 Lag eventuell doch eine coitio vor, die primär für das Aufbringen und Zusammenlegen von finanziellen Mitteln zur Wählerbeeinflussung diente, so scheint Cicero es nicht als grundsätzlich moralisch falsch einzustufen.158 Um Plancius weiter von einer illegitimen coitio freizusprechen, wird auf ein weiteres Charakteristikum der Wahl von Aedilen verwiesen: die sortitio aedilicia. Die maiores, die eine Kollision von Stimmengleichheit für die Wahlen der Aedile in den comitia tributa vorhergesehen hatten, wurden auf die Notwendigkeit eines weiteren Auswahlmechanismus aufmerksam: Das Los (sortitio) – ein in der Republik allgemein beliebter Konfliktvermeidungsmechanismus – sollte im Zweifelsfall entscheiden, welcher der beiden Kandidaten, das angestrebte Amt erhalten sollte.159 Cn. Plancius und Q. Pedius hatten sich jedoch nicht schlicht die Mehrheit der tribus gesichert, sondern gingen mit
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Cic. Planc. 54. Der Zusammenschluss der Kandidaten scheint wie folgt gewesen zu sein: Vor Abbruch der ersten Comitien haben Laterensis und Plancius sich gegenseitig wohl in einer coitio zusammengeschlossen, weshalb Plancius ersterem die Unterstützung der Teretina zugesagt hatte. Plotius, der sich mit Pedius geeinigt hatte, hatte diesem die Aniensis in Aussicht gestellt. Nach Abbruch des Wahlprozederes haben Plancius und Pedius ihre tribus zurückgezogen und sich stattdessen in einer coitio geeinigt: siehe Cic. Planc. 54: „Et ais prioribus comitiis Aniensem a Plotio Pedio, Teretinam a Plancio tibi esse concessam“. Bauerle 1990, 98; Cic. Planc. 53. Taylor 1961, 68: „such deals were regularly accompanied by bribery; prosecutors sometimes pointed out that the men carried the tribes with the same number of votes.“ Explizit diese Art der Anschuldigung lässt sich in Cic. Planc. 53 finden. Cic. Planc. 53: „An una fieri potuerunt, si una tribus non tulissent?“ Bauerle 1990, 98–99 verweist auf weitere Stellen in der ciceronianischen Korrespondenz, in denen eine coitio ebenfalls als legitim betrachtet wird: In Cic. Att. I,2,1 erwägt Cicero, Catilina zu verteidigen, in der Hoffnung sich mit diesem für ihre Kandidatur um das Konsulat zusammenzuschließen: „hoc tempore Catilinam, competitorem nostrum, defendere cogitamus iudices habemus quos volumus, summa accusatoris voluntate. Spero, si absolutus erit, coniunctiorem illum nobis fore in ratione petitionis“; vgl. Alexander 1990, 106 (Nr. 212), wobei Alexander (fälschlicherweise) davon ausgeht, dass Cicero erwägte, Clodius in dem Prozess zu verteidigen; darüber Cic. Att. I,17,11 zu den möglichen coitiones zwischen den Kandidaten um das Konsulat für das Jahr 59. Cic. Planc. 53: „Neque enim umquam maiores nostri sortitionem constituissent aediliciam, nisi viderent accidere posse ut competitores pares suffragiis essent.“
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der Mehrheit ein und derselben tribus aus den Wahlen hervor. Eine solche Konstellation war mehr als verdächtig und sprach für eine coitio, die in erster Linie mit Geldmitteln gesichert worden war. Laterensis und Pedius waren allerdings auch eine coitio eingegangen. Die Ursache für die Aufteilung von tribus und der geheim anmutenden Absprachen ist in der Wahlpraxis der comitia tributa und der Anzahl der zu wählenden Magistrate,160 in diesem Fall die zwei Stellen der curulischen Aedilität, zu suchen. Die Bürger einer tribus konnten sich neben ihrem Favoriten einem zweiten Kandidaten zuwenden. Politische Zusammenschlüsse dieser Art, gerade in Hinblick auf Wahlen (coitiones), waren aus diesem Grund keine Seltenheit.161 Wahlbündnisse von Mitbewerbern um dasselbe Amt waren in der Regel keineswegs illegal. Sie dienten den Kandidaten dazu, ihre Einflusssphäre über ihre eigenen tribus hinaus auf die des coitio-Partners auszuweiten. Es ist erstaunlich, dass M. Iuventius Laterensis dem angeklagten Cn. Plancius vorwirft,162 er habe sich nicht an die Vereinbarung zwischen ihnen gehalten. Er bezeichnet ihn als venditor seiner tribus. Damit deutete Laterensis jedoch an, dass er sich ursprünglich selbst der illegalen coitio schuldig gemacht hatte. Geht man der Annahme nach, dass Plancius sich die Unterstützung von mindestens neun tribus gesichert hatte, so konnte er gemäß dieser Prämisse Laterensis, von dem er der Meinung war, dieser sei ebenfalls ähnlich stark aufgestellt, eine coitio anbieten. Die beiden Kandidaten würden gemeinsam über 18 (rein spekulativ gesprochen) und somit über die mindestnotwendige Mehrheit der insgesamt 35 tribus-Stimmen verfügen.163 Die zwei Stellen der curulischen Aedilität konnten auf diese Weise gesichert werden. Dies scheint der Sachverhalt gewesen zu sein, wie er in der oratio pro Plancio geschildert wird.164 Plancius hatte Laterensis und Plotius dem Pedius Unterstützung in eben dieser Form zugesichert. Nach Abbruch des ersten Wahltages, als Plancius und Plotius sahen, wie sie aufgestellt waren, scheinen sie eine coitio eingegangen zu sein. Laterensis und Pedius entzogen sie damit ihre Unterstützung.165 Die Mobilisierung der tribules sowie die Kommunikation zwischen den Kandidaten und in den betroffenen tribus musste höchst effizient gewesen sein. Innerhalb kürzester Zeit konnte die Gesamtkonstellation der coitiones neu organisiert werden.166 Auf diese Weise konnten 160 So auch Kunkel 1995, 84. 161 Denn wie Kroll 1937, 133 anmerkt, war eine coitio grundsätzlich nicht verboten, konnte aber auch ohne ambitus nicht durchgeführt werden. Ging man eine coitio ein, siehe den Fall Plancius, ging man das Risiko ein, nach Abschluss der Comitien angeklagt zu werden: „wäre das Manöver geglückt, so hätte er (Laterensis) kein Wort darüber verloren“, Kroll 1937, 133; vgl. H.F. Hitzig, RE 4,1 (1900) 361 s. v. coitio. 162 Cic. Planc. 38; 43; 54. 163 Von einer ähnlichen Situation gehen auch Köpke/Landgraf 1887, 10 aus; so auch Stroh 2017, 367. 164 Cic. Planc. 54. 165 Siehe Cic. Planc. 22 und 54. 166 Cic. Planc. 49, obwohl Cicero dahingehend argumentiert, dass in einer relativ kurzen Zeit organisierte coitiones weder möglich noch erfolgversprechend gewesen sein dürften.
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tribus zusammengebracht, für den Wahlakt vereint (tribum conferre) oder abgetreten werden (tribum concedere).167 Tribum conferre und tribum concedere im Rahmen einer coitio bedeutete allerdings nicht den gänzlichen Verzicht auf eine tribus seitens der Bewerber. Vielmehr sprach man sich in den tribus, derer man sich sicher war, für einen weiteren Kandidaten aus. Da Wähler für zwei der Amtsanwärter ihre Stimme abgeben konnten, darf der Einfluss und die Fürsprache eines Favoriten im Wahlkampf nicht unterschätzt werden. In den Konstellationen, wie sie sich durch coitiones herausbildeten, ist es nicht undenkbar, dass Wähler diese Art der Beeinflussung sogar als Orientierungs- und Entscheidungshilfe annahmen. Das commentariolum petitionis bestätigt ebenfalls die Erfolgsaussichten solcher Vorgehensweisen: Bewerber, so heißt es, sollen ihre Familienmitglieder und amici bitten, sich in unterschiedlichen tribus für ihre Favoriten auszusprechen.168 Diese Methode steht zwar für die notwendige Praktik des Bittens um Unterstützung und fällt nicht in die Kategorie der illegalen coitiones, dennoch spiegelt sie die Bedeutung der tribus-übergreifenden Wahlkampagnen. Neben der tribus Teretina und der namentlich unbekannten tribus wurden Vorwürfe der Bestechung und Käuflichkeit auch gegen die tribus Voltinia169 vorgebracht. Trotz der Anschuldigungen wurde auch Voltinia nicht für die editio tribuum berücksichtigt.170 Die Auflistung der tribus durch Cicero lässt den Rückschluss zu, dass – unabhängig davon, ob tatsächlich auf illegale Weise oder nicht – Plancius aus diesen genannten tribus als Favorit hervorgegangen sein muss.171 Die nähere Untersuchung der tribus-Karte zeigt, dass die tribus Voltinia östlich an die tribus Teretina angrenzte. Sechs der insgesamt acht Städte der Voltinia wie auch Arpinum (tribus Cornelia) waren direkte Nachbarn der Atinaten. Plancius stammte aus Atina, Laterensis aus Tusculum. Somit stellten die tribus Teretina und Papiria Kandidaten für die Aedilität des Jahres auf. In der Planciana heißt es weiterhin, A. Plotius habe Q. Pedius die Unterstützung der tribus Aniensis zugesagt.172 Da das Prinzip der coitio in erster Linie die Unterstützung der eigenen tribus zusätzlich für den Partner der coitio bedeutete, musste Plotius aus der tribus Aniensis stammen. Taylor bestätigt diese Annahme, indem sie die gens Plautia (Plotia) zu der tribus Aniensis mit Herkunftsort Trebula Suffenas nachweist.173 Die Einflussnahme der Plancii auf die tribus Voltinia wäre demnach nicht abwegig, sondern höchstwahrscheinlich. Die Anschuldigung der Anklage dürfte somit der Wahrheit ent167 168 169 170 171 172 173
Köpke/Landgraf 1887, 10. Q. Cic. comm. pet. 4–5, 19, 43 u. ö. Cic. Planc. 43; Taylor 1960, 336. Sowohl die Teretina als auch die Voltinia zählten zu den tribus antiquissimae/rusticae: Taylor 1960, 335–336. Zumal die tribus Voltinia keinen Kandidaten für die Aedilität 55 v. Chr. stellte. Das geht aus der Konstellation der coitiones hervor. Cic. Planc. 54. Taylor 1960, 271.
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sprochen haben. Die Abwesenheit der tribus Voltinia in der editio tribuum rechtfertigt jedoch Ciceros Kritik, die Anklage hätte, ganz auf das eigene Interesse bedacht, die Bestimmungen der lex Licinia missachtet. Das Fehlen der tribus Voltinia in der editio tribuum dient zugleich als Bestätigung dafür, dass sie Plancius’ Kandidatur um die Aedilität unterstützt haben dürften. Die Ankläger dürften also aus rein taktischen Gründen vor Gericht diese tribus außen vor gelassen haben. Folgende vier tribus wurden schließlich vom Ankläger in der editio tribuum genannt: Lemonia, Oufentina, Clustumina und Maecia.174 Die tribus Maecia scheint allerdings nicht für den Gerichtshof, sondern für die reiectio durch den Angeklagten vorgesehen worden zu sein. So wurde sie tatsächlich auch von Plancius zurückgewiesen.175 Das strategische Vorgehen der Anklage wird gerade an Hand der editio tribuum deutlich.176 Es wird vom Ankläger strategisch eine tribus ohne jeglichen Bezug zu den Plancii ausgewählt. Nicht nur das: gerade in der tribus Maecia scheint Laterensis großen Rückhalt gehabt zu haben. Das erklärt die reiectio dieser tribus durch den Angeklagten. Die Unterstützung aus der tribus Maecia lässt sich durch die geographische Nähe zwischen Tusculum (tribus Papiria) und Lanuvium (tribus Maecia) erklären. Sowohl Tusculum als auch Lanuvium genossen den Status eines municipium und befanden sich nicht nur in unmittelbarer Nähe zu Rom, sondern auch zueinander, beide waren Städte Latiums. Die freundschaftlichen Beziehungen und die gegenseitige Unterstützung, die im Laufe der Rede den ländlichen municipia und praefecturae zugeschrieben wurden, dürften auch für Lanuvium und Tusculum Gültigkeit besessen haben.177 Von den Städten, die zu der tribus Maecia gehörten, befand sich allerdings nur Lanuvium in unmittelbarer Nähe Roms. Die übrigen Gemeinschaften waren wesentlich abgelegener. Zu ihnen zählten unter anderem die Hafenstädte Brundisium und Rhegium im südöstlichen Italien wie auch Liberna im nördlichen Ligurien. Ein Blick auf die tribus-Karte genügt, um ihre Entfernung zu Rom und damit sowohl zu Tusculum wie auch zu Atina zu bestimmen.178 Ob neben Lanuvium die übrigen tribules der Maecia aus Brundisium, Rhegium und Liberna Partizipationsinteresse an den Aedilenwahlen hatten, ist fraglich.179 Zum einen wird ein eventuell vorhandener Partizipationswunsch durch die räumliche 174 175 176 177 178 179
Taylor 1960, Maecia: 273, 334; Lemonia: 272, 334; Oufentina 273, 334; Clustumina: 271, 333. Siehe auch allgemein Kroll 1937, 134. Kroll 1937, 128 verweist ebenfalls an dieser Stelle auf das eingeschränkte reiectio-Recht in den sodalicia-Prozessen. Die editio tribuum im Fall Plancius bestätigt erneut die hier bereits geäußerte Annahme, dass trotz der Richtlinien der lex Licinia, die das Ziel und den Zweck der editio tribuum definiert hatten, die Ankläger sie bewusst übergingen. Vgl. Gruen 1974, 231 Anm. 88. Siehe Cic. Planc. 22. Siehe die Karten in Taylor 1960; App. 3: Tribus-Karte. Auch Mouritsen 2001, 92, besonders 94–95 trifft eine ähnliche Aussage. Nicht nur waren die Wahlen zeitraubend, auch hatten nicht alle Stimmen vor dem Hintergrund der comitia centuriata dasselbe Gewicht. Besonders aber erschwerte die räumliche Distanz die Wählerpartizipation, ders. 95: „Thirdly, the geographical centralisation of the political process had obvious implications for
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Distanz zu Rom erschwert. Im Umkehrschluss hielt die Entfernung Bewerber wohl davon ab, ihre Wahlkampagnen auf die abgelegenen Orte wie Brundisium und Rhegium auszuweiten.180 Die Zentralisierung und damit die Eingrenzung des Wahlortes auf Rom dürfte die Wählerpartizipation also negativ beeinflusst haben. Die tribus Clustumina und Lemonia gehörten ebenfalls zu den tribus antiquissimae/rusticae. Maecia und Oufentina, die erste gegründet um 332 und die zweite um 318 v. Chr., sind im Vergleich zu Clustumina und Lemonia jüngere tribus rusticae. Cicero kritisiert die Auswahl der vier tribus, da sie mit dem Angeklagten in keiner Beziehung stünden.181 Die Auswahl sei nicht im Sinne der lex Licinia erfolgt (non ad sententiam legis), sondern auf die Interessen der Anklage ausgerichtet gewesen (sed ad suam spem).182 Der Ankläger hatte anscheinend solche tribus ausgewählt, die ihm nahestanden und deren Unterstützung er bei den Wahlen erhalten hatte, in der Hoffnung, sich ihre Unterstützung nun vor Gericht erneut zu sichern. Die geographische Lage der zur tribus Maecia gehörigen municipia erlaubt die Feststellung, dass sie nicht im unmittelbaren Einzugsgebiet von Atina oder der übrigen zur Teretina gehörigen municipia/praefecturae lagen.183 Sie entzogen sich der unmittelbaren Netzwerkbildung der Plancii bereits aufgrund der räumlichen Distanz. Ob die Kritik Ciceros an den übrigen drei tribus der editio tribuum gerechtfertigt ist, dürfte sich auf dieselbe Weise feststellen lassen. Die vornehmlich umbrischen municipia der tribus Clustumina wie auch diejenigen der Lemonia nordöstlich von Rom sind nicht nur von den Städten der tribus Teretina, sondern zugleich von Tusculum und damit von Latium weit entfernt. Die Oufentina zeigt allerding ein anderes Bild. Das municipium Aquinum befindet sich in unmittelbarer Nähe von Arpinum und den übrigen zur tribus Teretina zugehörigen municipia und praefecturae. Wie Cicero in der Planciana selbst bemerkt, war die Unterstützung des Plancius unter anderem von dem
people’s ability to take part.“ Neben Lanuvium, Brundisium, Rhegium und Libarna gehörten zu der tribus Maecia die Orte Neapolis, Paestum und Hatria: Taylor 1960, 273. 180 Die mangelhafte Wahlkampagne des Laterensis hatte Cicero bereits zu Beginn der oratio kritisiert und den Verlust der Wahl auf diese zurückgeführt: Cic. Planc. 9; 12–13; 24. 181 Cic. Planc. 38: „quid Plancio cum Lemonia, quid cum Oufentina, quid cum Clustumina? Nam Maeciam, non quae iudicaret, sed quae reiceretur, esse voluisti.“ 182 Cic. Planc. 39. Die Auswahl der genannten tribus war nicht illegitim, obwohl die Intention der lex Licinia missachtet wurde. Auf die skeptische Haltung von Gruen diesbezüglich wurde bereits hingewiesen, der die Meinung vertritt, die Urheber des Gesetzes hätten diesen Aspekt der tribus-Auswahl bereits antizipiert. In Cic. Planc. 42 werden indirekt von der Anklage neben der tribus des Angeklagten diejenigen aufgezählt, die von Plancius begünstigt worden waren (suam et ab hoc observatas tribus ederes). Da sie dennoch für den Prozess nicht berücksichtigt wurden, sei die Absicht der Anklage ganz offensichtlich: nämlich solche tribus zu wählen, deren Richter Cn. Plancius nicht kennen und vice versa, daher: „fugisti sententiam legis (…) in tenebris, quam in luce, causam versari maluisti.“ 183 Anhand der tribus-Liste von Taylor 1960, die alle Städte der einzelnen tribus auflistet, konnte für jeden Ort der tribus Maecia überprüft werden, ob und ab wann die jeweiligen Städte den Status eines municipium genossen. Alle Städte der Maecia, bis auf Paestum und Rhegium – ehemals griechische Siedlungen, für die ich keine Anhaltspunkte finden konnte – waren municipia.
3. Ein Gerichtshof ohne Senatoren?
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municipium Aquinum (tribus Oufentina) getragen worden.184 Seine Kritik, die Ankläger hätten in ihrer editio tribuum gezielt tribus aufgenommen, mit denen Plancius in keiner Beziehung stand, ist demnach nicht durchgehend korrekt. Im Falle der Clustumina, Lemonia und vor allem der Maecia mag dies sicherlich zutreffen, im Falle der tribus Oufentina nicht. Die Kritik an der editio der tribus Oufentina ist daher wohl dem rhetorischen Effekt geschuldet. Neben Aquinum werden auch Sora und Casinum als municipia identifiziert, die die Kandidatur des Plancius getragen hatten.185 Sora gehörte zur tribus Romilia, Casinum ebenfalls zur Teretina. Auf Basis der bis jetzt rekonstruierten Konstellation der tribus-Positionierung für die Wahlen um die Aedilität 55 v. Chr. kann folgende Aufstellung festgehalten werden: Die editio tribuum der Anklage umfasste folgende vier tribus: Clustumina, Lemonia, Maecia und Oufentina. Aufgrund des reiectio-Rechts weist der Angeklagte die tribus Maecia zurück. Aus den übriggebliebenen drei tribus sollten die iudices für die quaestio de sodaliciis bestellt werden. Seine Unterstützung scheint Plancius vornehmlich folgenden tribus zu verdanken: Teretina, der er selbst angehörte (namentlich werden die Orte Atina und Casinum genannt), Voltinia, da die Ankläger Vorwürfe gegen diese vorbrachten, aber dennoch nicht in ihre editio aufnahmen sowie die namentlich unbekannte tribus, gegen die Bestechungsverdacht geäußert worden war. Zusätzlich kann die tribus Cornelia hinzugezählt werden, namentlich Arpinum, der Heimatort Ciceros. Dieser hatte sich seiner eigenen Aussage nach für Plancius‘ Kandidatur eingesetzt. Schließlich noch die beiden tribus Oufentina (namentlich wird Aquinum genannt) und Romilia (aus dieser tribus wird explizit Sora erwähnt). Zu diesen tribus hatte Plancius offenbar die besten Beziehungen. Dennoch nimmt die Anklage bis auf Oufentina keine der übrigen tribus in ihre Auswahl auf.186 Laut Cicero scheint diese Art der editio tribuum folgende Aussage zu beinhalten: Alle tribus, zu denen die Plancii in gutem Verhältnis standen und deren Stimmen Plancius erhalten hatte, seien lediglich mit dem notwendigen officium bedacht, allerdings nicht durch largitio gewonnen worden. Die Frage an die Richter lautete: Zweifelt ihr (iudices), daß er (M. Iuventius Laterensis) gerade die Bezirke (tribus), in denen Plancius über die besten Beziehungen verfügt, nicht benannt und hiermit erklärt hat, sie seien von Plancius lediglich mit Gefälligkeiten (officiis) bedacht, nicht aber durch gesetzwidrige Geschenke (gemeint sind Zuwendungen187) (largitione corruptas) beeinflußt worden?188
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Cic. Planc. 22. Cic. Planc. 22. Cic. Planc. 39. Zuwendungen trifft den Sinn von largitiones eher, als die Übersetzung „Geschenke“. Cic. Planc. 39: „dubitatis quin eas tribus in quibus magnas necessitudines habet Plancius, cum ille non edideret, iudicarit officiis ab hoc observatas, non largitione corruptas?“
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III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis
Die Bedeutung von officium im Zusammenhang der Wahlwerbung in den tribus nimmt als Kontrast zu largitio einen besonderen Stellenwert ein.189 Officium mag in diesem Zusammenhang grundlegende legale wie legitime Zuwendungen an bestimmte Personen und Gruppen beinhalten. Lind versteht darunter sowohl allgemeine moralische als auch konkrete soziale Verpflichtungen, Aufgaben und Dienste. Hellegouarc’h sieht darüber hinaus in officium eine Charaktereigenschaft, die mit der Persönlichkeit desjenigen, der ein officium gewährte, verbunden war.190 Im Vergleich dazu wurde largitio eine deutlich negative Konnotation zugesprochen. Officia – nicht zu verwechseln mit liberalitas – waren folglich notwendig, um sich die Unterstützung bei Wahlen zu sichern. Sie fielen nicht selten mit den Grundprinzipien der amicitia zusammen.191 Die Unterstützung der oben genannten tribus habe sich Plancius also durch bereits geleistete officia gesichert, nicht durch largitio – so zumindest Cicero. Die Argumentation soll ganz offensichtlich die betroffenen tribus vom Verdacht der largitio freisprechen. Laterensis selbst habe, jedenfalls der ciceronianischen Argumentation nach, durch die fälschliche Anwendung der lex Licinia den Angeklagten entlastet. Plancius habe zum einen keine Beziehungen zu den von der Anklage aufgelisteten tribus, zum anderen würde man die tribus, die Plancius sich verpflichtet hatte, durch die editio zusätzlich entlasten. Die Argumentation ist zwar schlüssig, konnte aber zumindest in Bezug auf die tribus Oufentina relativiert werden. Die Anklage berücksichtigte weder die tribus Teretina noch die tribus Papiria für die editio tribuum; der Letzteren gehörte Laterensis selbst an. Die Aufnahme der tribus Papiria in die editio hätte die Absicht des Laterensis deutlich verraten: nämlich sich vor Gericht durch eine strategische Auswahl einen Vorteil zu verschaffen. Dass die tribus Teretina nicht berücksichtigt wurde, mag auf die intrinsische Selbstverständlichkeit zurückgehen, dass die tribules gerade ihre eigenen Bezirksgenossen bei Wahlen unterstützten.192 Cicero verweist in der Rede dennoch auf die Möglichkeit, dass die editio der tribus Teretina von der lex Licinia nicht untersagt
Auf das Begriffspaar liberalitas und largitio wurde bereits hingewiesen. Hier gewinnt largitio im Zusammenhang mit officium als Konterpart eine weitere Qualität. 190 Lind 1989, 14, zu officium 13–16 mit einer Darlegung des ciceronianischen Verständnisses von officium, zum einen auf der Grundlage von de officiis, zum anderen auf Basis von ad Herrenium: „From the area of a technique to that of moral philosophy is a short step“; Hellegouarc’h 1963, 152–163. Siehe zur Gegenseitigkeit von officium und beneficium erneut Hölkeskamp 2011, 213 und 216. 191 Cic. Planc. 81, wo officium als Grundprinzip der amicitia verstanden wird: „Cuius opes tantae esse possunt aut umquam fuerunt quae sine multorum amicorum officiis stare possint?“ Niemand ist demnach mächtig genug, um auf die Dienste (officia) von Freunden zu verzichten. Weiterhin in dem Sinne: Q. Cic. comm. pet. 16, wo officium im Sinne der Verpflichtung gegenüber Freunden (Lind macht hier die sowohl soziale als auch moralische Konnotation stark) deutlich wird: „Amicorum studia beneficiis et officiis et vetustate et facilitate ac iucunditate naturae parta esse oportet.“ Vgl. Rollinger 2014, 92 ff. zu Cic. Planc. 81 und damit zum Verhältnis von amicitia und officium. 192 Obwohl auch Fälle bekannt sind, in denen Kandidaten von ihren tribus-Mitgliedern bei Wahlen durchaus rigoros übergangen werden konnten: vgl. Cic. Vatin. 36. 189
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wurde: „Fuit certe id aequum et certe exspectatum est et fuit dignum constantia tua.“193 Der Nebensatz „et fuit dignum constantia tua“ signalisiert eindeutig, dass die Aufnahme der tribus Teretina in die editio tribuum als eine, wenn nicht unerlaubte, so doch zumindest illegitime und unerwünschte Vorgehensweise empfunden wurde. Mit einem Wahlsieg eines ihrer Kandidaten versprachen sich die jeweiligen tribus Ruhm und Ansehen. Dies galt auch für benachbarte Ortschaften dieser Bezirke wie in diesem Fall Aquinum und Sora. Zudem wäre es schlicht inakzeptabel gewesen, wenn Ankläger ihre eigene tribus in die editio tribuum aufgenommen hätten. Laterensis hatte wohl die Unterstützung der Papiria erhalten, obwohl Cicero dahingehend argumentiert, die Tusculaner seien in Bezug auf erfolgreiche Magistrate erfolgsverwöhnter als ihre Nachbarn. So sei der Partizipationsdrang der Tusculaner an den Comitien kaum noch vorhanden. Tusculum hatte in der Tat eine große Anzahl von erfolgreichen Magistraten hervorgebracht.194 Dennoch: Dass der Partizipationswille und das Interesse der Tusculaner an den Wahlen aus diesem Grund nachlässt – obwohl so nah an Rom gelegen und sicherlich einer der durch die politische Elite meist frequentierten Orte –, ist eher unwahrscheinlich. Eventuell mag dies dennoch in gewissem Maße für die niedrigen Magistraturen wie der Aedilität gegolten haben. Die Analyse der editio tribuum leistet neben den Erörterungen über die Funktionsweisen der coitiones sowie deren Einfluss auf die Wahlkampfführung und den Motiven hinter der tribus-Auswahl, einen wichtigen Beitrag: Sie zeigt wie lokale Netzwerke und Klientelbindungen in der letzten Phase der Republik den Wettkampf um die honores maßgeblich beeinflussten. Hier sei nochmal kurz auf Atina und die umliegenden Gemeinschaften Sora, Casinum, Aquinum, Venafrum, Allifae und schließlich Arpinum hingewiesen, deren vicinitas Plancius den Wahlsieg gesichert hatte. Ein weiterer Kernpunkt ist die Wahrnehmung von municipales: Männer wie Plancius und seine Unterstützer waren Ritter und Ärartribune, die, was ihre Anzahl und ihr Interesse an den Comitien betraf, mehr für die res publica leisten mochten als Mitglieder der Elite aus Tusculum und den Nachbarorten Lanuvium, Gabii und Bovillae.195
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Cic. Planc. 38: „Das wäre bestimmt gerecht gewesen, und darauf hat man mit Bestimmtheit gewartet, und das hätte auch deinem sonstigen Verhalten entsprochen.“ 194 Cic. Planc. 19–20; Farney 2007, 46; Taylor 1960, 273: siehe nur die Fulvii und Mamilii. 195 Siehe dazu Santangelo 2019, 237–258.
IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia 1. Leges Calpurnia und Acilia de repetundis Die lex Calpurnia von 149 v. Chr. wurde als Grundlage für die spätere lex Acilia repetundarum1 des Volkstribunen M’. Acilius Glabrio, eines Kollegen des C. Sempronius Gracchus in dessen zweitem Tribunat 122,2 gebraucht, um einen ständigen Gerichtshof für Repetundenverfahren einzurichten, der gänzlich den Rittern überlassen wurde.3 Die leges regelten insbesondere die Aufstellung der Geschworenengerichte in Repetundenprozessen. Die prozessuale Vorgehensweise nach Anordnung der lex Calpurnia ist nicht bis ins letzte Detail geklärt, jedoch bereits von Greenidge plausibel rekonstruiert worden: Der praetor peregrinus hatte wohl die Aufgabe, aus dem Kreis der Senatoren recuperatores zu benennen. Die Rückerstattung wurde in simplum durchgeführt und vermutlich fand die actio sacramento (mit Hilfe von formulae) Anwendung. Den Klägern wurden patroni zugewiesen, wobei nicht festgestellt werden kann, auf wessen Befugnis hin diese Regelung erlassen wurde.4 Die nicht geklärten Fragen greift Brennan auf: Nach welchen Kriterien suchte der zuständige praetor peregrinus die Richter 1
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In der Zwischenzeit 149–123 v. Chr. ergingen eine Reihe von leges, welche sich mit der Frage der iudiciaria und de repetundis beschäftigten: rogatio Sempronia iudiciaria 133 v. Chr.; lex Iunia de repetundis 149–123 v. Chr.; rogatio Sempronia iudiciaria (= de senatu) 123 v. Chr.; nach der lex Acilia repetundarum 123/122 v. Chr. folgten: lex Sempronia iudiciaria 122 v. Chr.; lex Servilia repetundarum 111 v. Chr. (siehe die Ausführungen zu den sodalitates in diesem Zusammenhang); lex Servilia iudiciaria 106 v. Chr.; lex Livia iudiciaria 91 v. Chr.; Angaben nach Rotondi 1962, 306 ff. Broughton MRR II, 516–518; Rotondi 1962, 312–313; Wolf 1972, 5 ff.; insgesamt Eder 1969, der C. Gracchus als den ‚Begründer‘ der quaestiones perpetuae für die Repetundengerichte postuliert. Siehe dazu auch Brennan 2000, hier insbesondere 235–239: „9.2: Introduction of the Permanent Quaestio in Rome; 9.2.1: The Pre-Gracchen Permanent Quaestio – 9.2.2: The Praetor Repetundis“ Zum politischen Hintergrund der lex Acilia und zur Diskussion bezüglich des Gesetzgebers siehe Hands 1965, 225–237. Greenidge 1901, 419; siehe dazu auch Richardson 1987, 4–9; die These von Greenidge wird von Brennan 2000 nach wie vor als gültig erklärt (Brennan 2000, Anm. 314). Dies wird ebenfalls von Cloud 1994, 507 bestätigt. Siehe zum Prozedere unter Anwendung der lex Calpurnia und der lex Iunia unter Betrachtung der legis actio sacramento und der Verfahrensweise der actio per sponsionem: Lintott 1976, 207–214.
1. Leges Calpurnia und Acilia de repetundis
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für das consilium aus? Konnten alle Senatsmitglieder als Richter fungieren? Existierte bereits ein album iudicum?5 Auf diese Fragen liefert erst die lex Acilia genauere Antworten. Die Bestimmungen der lex Acilia regulierten die Übertragung der Richterbänke in Repetundenprozessen auf die equites. Diese Art von Kompetenzverschiebung war nicht selten, sondern als ein stetes Politikum in der späten Republik zu beobachten. Entgegen der Argumentation von Cloud, der die Auseinandersetzung hinsichtlich der Richterkompetenzen und ihre steigende Bedeutung in den Zeitraum zwischen 106–70 v. Chr. festsetzt, ist es offensichtlich, dass der Konfliktfall bereits ab der lex Acilia durch die Agitation der Gracchen ihr politisches Potential gezeigt hatte.6 Die lex Acilia regelte nicht nur die Übertragung der quaestiones repetundarum an die equites, sondern sollte den Kreis der auszuwählenden iudices durch eine Altersgrenze von mindestens 30 bis maximal 60 Jahren einengen.7 Die Kompetenzverschiebung der römischen Gerichtshöfe durchlief auch nach der lex Acilia im Zusammenhang mit den Gesetzen des C. Gracchus eine weitere Entwicklung. Wie sowohl Wolf als auch Badian auf sicherer Quellenbasis diskutieren, können drei gracchische Gesetzesinitiativen bezüglich der Gerichtshöfe nachgewiesen werden.8 Diese sind: 1) die lex Sempronia ne quis iudicio circumveniatur, die sich „gegen Manipulation vor Gericht (richtet) (…) und versucht damit gerechte und objektive Urteile zu garantieren.“9 Auch die spätere lex Aurelia iudiciaria von 70 v. Chr. sollte durch die Dreiteilung der Richterbänke auf die drei ordines der Senatoren, Ritter und tribuni aerarii der Richterbestechung entgegenwirken.10 Die Unzufriedenheit mit senatorischen Gerichtshöfen und ihre Bestechlichkeit hatte sich wohl vermehrt in Repetundenprozessen gezeigt, wenn de facto Senatoren über andere Senatsmitglieder, in erster Linie über Praetoren zu richten hatten. Die ritterlichen Gerichtshöfe schienen prädestiniert,
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Brennan 2000, 236. Cloud 1994, 510. Die weiteren Qualifikationsmerkmale der Ritter für das Richteramt waren: das Aufbringen des nötigen Census von 400.000 Sesterzen und höher; damit einhergehend ihre Zugehörigkeit zu den 18 Centurien der equites equo publico. Das notwendige Kapital für die formale Zugehörigkeit zum Stand der Ritter ist für Cloud der entscheidende Grund, weshalb es möglich war, dass ab der lex Aurelia von 70 v. Chr. die tribuni aerarii ein Drittel der Richter (neben den Rittern und den Senatoren) stellen konnten: Cloud 1994, 509. Siehe zu der ausführlichen Darstellung des Prozesses der Richterernennung nach der lex Acilia, Lengle 1933, 276; zum formalen Beginn eines Kriminalprozesses: M. C. Alexander, delatio nominis, The Encyclopedia of Ancient History 2012. Wolf 1972, 42–56: lex Sempronia ne quis iudicio circumveniretur; 57–86: leges Semproniae iudiciariae. Badian 1954, 374–384; hier 375–378: „Gracchus and the Jury Courts.“ Wolf 1972, 56; Cic. Cluent. 151. Bezog sich das Gesetz, das Cicero hier erwähnt, nur auf Senatoren und kann daraus geschlossen werden, dass die Partizipation der Ritter in den Gerichten zu der Zeit nicht gegeben war? Lengle 1933, 287.
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
in Prozessen gegen publicani voreingenommen zu sein,11 schließlich gehörten publicani den Reihen der equites an.12 2) Die lex Sempronia iudiciaria, die eine gemischte Jury bestehend aus Senatoren und equites vorschreibt.13 3) Eine lex, welche die Gerichte gänzlich den equites überlassen will: lex de iudiciis ad equites transferendis.14 Mit der lex Sempronia iudiciaria von 122 v. Chr. wurde der konkrete Versuch unternommen, neben den quaestiones repetundarum die Gerichtshöfe zahlenmäßig gleichberechtigt zwischen Rittern und Senatoren aufzuteilen.15 Laut der Einschätzung Kunkel‘s war es dieses Gesetz des C. Gracchus, das die Einrichtung der quaestiones perpetuae nach dem Vorbild der quaestio repetundarum ermöglicht hatte, indem es neben den Senatoren auch Rittern den Zugang zu den Gerichten verschaffte. Der Senat mit zu der Zeit 300 Mitgliedern konnte wohl das Pensum der Richtertätigkeiten nicht gänzlich alleine erfüllen. Die lex Sempronia iudiciaria sieht Kunkel demnach als „den Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Systems von Schwurgerichthöfen, denen in der Spätzeit der Republik (…) die ordentliche Strafjustiz oblag.“16 Augenfällig ist ihre Gemeinsamkeit mit der kurz vorher verabschiedeten lex Acilia17 bezüglich der Maßnahmen der Richterauswahl. Wolf stellt die These auf, dass die lex Sempronia iudiciaria eine erweiterte Richterliste vorgeschrieben haben muss. Unabhängig davon, ob die senatorische Richterliste um 300 Ritter ergänzt wurde, oder ob ein zweites, von den Senatoren getrenntes album iudicum nur mit Rittern etabliert wurde, stieg die Gesamtzahl der potentiellen Richter auf insgesamt 600. Die Richterbestimmungen der lex Aci11
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Cloud 1994, 510; die literarischen Quellen zu den senatorischen Gerichtshöfen und ihre Anfälligkeit für Bestechungen: App. civ. I,22,2; für die Zeit zwischen 80–70 v. Chr. Gruen 1974, 30–34, insb. 30–31 zweifelt jedoch die Auffassung an, dass die senatorischen Gerichtshöfe in dem Maße korrupt waren, wie es in ciceronianischer Rhetorik vermittelt wird. Dies wird durch die spätere lex Aurelia bestätigt: Trotz der Dreiteilung der Richtersitze in den Geschworenengerichten wurde ein Drittel der Sitze nach wie vor durch Senatoren besetzt, siehe dazu auch Kleinman 2016, 55–56. Dahingegen die Nachweise für die Unzufriedenheit mit den ritterlichen Gerichtshöfen: Vell. II,13, nach 92 v. Chr.: Ascon. 21C, Flor. epit. II,5; Liv. per. 70; App. civ. I,35,7; zur „Anfälligkeit der Richter für Korruption“ in den quaestiones perpetuae siehe Kunkel 1995, 270–271. Siehe nur das Beispiel des älteren Cn. Plancius, der princeps publicanorum war. Plut. C. Gracchus 6,1 zur Vollmacht der Ernennung der Richter ritterlichen Ranges durch C. Gracchus. Die iudicia publica sollten den Rittern und die iudicia privata den Senatoren überlassen werden: Zumpt 1868, 54. Plut. C. Gracchus 5,1–3; Liv. per. 60 auf der einen Seite, die eine Ergänzung der senatorischen Richterliste von 300 Senatoren um weitere 300 Ritter überliefern; auf der anderen Seite die Überlieferung bei Diod. XXXIV/XXXV,25; XXXVII,9; Vell. II,6,3; 13,2; 32,3; App. civ. I,92 ff.; Cic. Verr. I,38; Plin. nat. XXXIII,34; Tac. ann. XII,60,3 die sich für eine komplette Übertragung der richterlichen Tätigkeiten auf die Ritter durch C. Gracchus aussprechen. Siehe dazu ausführlicher: Wolf 1972, 57 ff. Kunkel 1972, 65. Sicherlich mag Kunkel Recht haben, wenn er behauptet, die Integration der Ritter in die Consilien der Gerichtshöfe sei in Ermangelung senatorischer Richter einerseits und dem Wachstum der Schwurgerichte andererseits vorgenommen worden; er übergeht jedoch das stete Politikum der Differenzen zwischen Rittern und Senatoren und unterschätzt zugleich das gracchische Potential der politischen Agitationen in der römischen Politik. Wolf 1972, 61 ff. Zu den Qualifikationsmerkmalen der Ritter für das Richteramt ders. 78 f.
2. Eine kurze Tradition? – Die editio iudicum
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lia hatten sich speziell auf die quaestiones repetundarum bezogen. Die Bestimmungen der lex Sempronia sollten wohl übergreifend für alle Gerichtsverfahren Gültigkeit besitzen, nämlich sowohl für Zivilprozesse (iudicia privata) als auch für Kriminalverfahren (iudicia publica).18 Zum Verfahrensmechanismus und zu den Auswahlkriterien der Richter für die jeweiligen Gerichtshöfe erfahren wir aus der lex Sempronia iudiciaria zunächst nichts. Wolf spekuliert, dass die iudices der erweiterten Richterliste in Dekurien aufgeteilt wurden. Dies würde eine 60 Mann starke Richterbank pro quaestio bedeuten, wobei Ritter und Senatoren gleichmäßig aufgeteilt gewesen sein sollen.19 Diese Zahlen haben wohl von der lex Calpurnia 149 v. Chr. bis zur lex Sempronia iudiciaria 122 v. Chr. Gültigkeit besessen. 2. Eine kurze Tradition? – Die editio iudicum Eine weitere, relativ stabile Kontinuität zeigt sich bei der Betrachtung des prozessualen Vorgehens der Richterauswahl vom Zeitpunkt der lex Acilia 122 v. Chr. bis zu den Reformen Sullas 82/81.20 Die Kontinuität bestand in erster Linie im Akt der editio iudicum, die von Sulla durch die sortitio (Los) ersetzt wurde.21 Nach 82 v. Chr. sollten die iudices nicht mehr von den Prozessbeteiligten ausgewählt, sondern mit Hilfe des Losverfahrens ermittelt werden. Die editio iudicum tauchte nach den sullanischen Reformen erstmals mit der lex Licinia de sodaliciis 55 v. Chr. in modifizierter Form wieder auf und galt als Sonderform zur konstituierten Regel der sortitio. Diese Änderung bedarf einer näheren Untersuchung, um die Tragweite und die außergewöhnliche Stellung der editio iudicum gemäß der lex Licinia de sodaliciis zu illustrieren.22 Die editio iudicum wurde durch die lex Acilia streng geregelt und lässt sich in drei Schritte gliedern. Der erste Schritt bestand in der Aufstellung der Richterliste (album iudicum) von 450 equites equo publico durch den praetor peregrinus.23 Dieser war nach 18 19
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Zur Entstehung der iudicia publica Kunkel/Schermaier 2001, 81 ff.; Kunkel 1972, 64 ff.; Wolf 1972, 80 ff. Wolf 1972, 70 f. Für den hier zu untersuchenden Gegenstand ist die Diskussion bezüglich des Einflusses und der Einwirkungen der gracchischen Reformen auf das soziale Leben und den sich zuspitzenden Konflikt zwischen dem Senat und der Gracchen-Anhänger irrelevant. Siehe zu diesem Punkt unter anderem: Heftner 2006; von Ungern-Sternberg 2006; Bleicken 1988, 265–293; Bringmann 1985. Zur Politik der Gracchen in Bezug auf die Gerichtshöfe siehe Greenidge 1901, 433–434. Zu den in der Zwischenzeit von 122–82 v. Chr. ergangenen leges repetundarum / leges iudiciariae siehe die Tabelle im Appendix. Darüber hinaus Griffin 1973, 108–126. V. Ehrenberg, RE 13,2 (1927) 1493–1504 s. v. Losung. Zur Losung auch Mommsen, Strafrecht II 213–217. Eine relativ kurze Darstellung dieser Entwicklung auch bei Rosillo-López 2010, 157–159. CIL I2 Nr. 583 = Crawford 1996, vol. I, 65–112; dazu Wolf 1972, 7–9. Die weiteren Details der Richterauswahl für den einzelnen Repetundenprozess (mit Blick auf die editio im Jahre 55/54 v. Chr.) sind sehr aufschlussreich, da wir einer gänzlich anderen Vorgehensweise begegnen. J. Schmidt verweist in RE 1,1 (1893) 1332–1336 s. v. album auf den Gebrauch des album iudicum erst ab der
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
Antritt seines Amtes innerhalb von 10 Tagen für die Aufstellung des album iudicum verantwortlich. Dass gerade der praetor peregrinus für die Aufstellung der Richterliste verantwortlich war, ist nicht verwunderlich, sondern liegt wohl in der Sache selbst begründet. Schließlich war die lex Acilia eine lex repetundarum. Eine Anklage vor dem Repetundengericht durch Einwohner der römischen Provinzen, denen das römische Bürgerrecht fehlte, war nur durch die Zwischenschaltung der patroni derselben möglich. Somit fiel die Angelegenheit in die Verantwortlichkeit des praetor peregrinus.24 Nimmt man weiterhin an, dass die lex Acilia sich an der lex Calpurnia als Vorlage orientierte, so muss erwähnt werden, dass der lex Calpurnia de repetundis die legis actio sacramento zugrunde lag, die nur römischen Bürgern offenstand. So ist es umso plausibler, dass die patroni die Anklage vorbringen mussten und der Fall in den Zuständigkeitsbereich des praetor peregrinus fiel. Die Errichtung der quaestiones perpetuae mit der quaestio de repetundis als erste ihrer Art geht demnach ursprünglich auf die Reaktionen der Provinzbewohner gegen die römische Provinzverwaltung zurück.25 Es scheint, dass die legis actio sacramento durch die gracchische Reform fallengelassen wurde, sodass auch peregrini direkt juristische Anklagen vorbringen durften.26 Ab dem zweiten Jahr nach Verabschiedung der lex Acilia oblag die Aufstellung des jährlichen album iudicum dem praetor repetundis. Aufgrund der fehlenden epigraphischen Überlieferung ist diese Amtsbezeichnung allerdings weiterhin umstritten.27 Wurde die Richterliste innerhalb der festgelegten Frist aufgestellt und eine Anklage beim Praetor eingereicht (der offizielle Akt der nominis delatio), musste der Angeklagte bereits bei der offiziellen Anzeigeerstattung alle ihm bekannten Namen auf der jährlichen Richterliste angeben. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass sowohl die Verwandten als auch die sodales des Angeklagten vom Prozess ausgeschlossen wurden.28 Die Jurisdiktion per praetorischen quaestiones wurde mit großer Sicherheit ab der lex Acilia zur Norm. Dem Praetor kam dabei nur eine Art Aufseherfunktion zu.29 Nach den sullanischen Maßnahmen und Eingriffen in das Gerichtswesen ab 82/81 v. Chr. muss die Norm der praetorischen quaestiones noch ausgeprägter gewesen sein.
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Verabschiedung der lex Aurelia 70 v. Chr. und betrachtet das album der lex Acilia 123/122 v. Chr. als eine herkömmliche Richterliste. Brennan 2000, 235 ff. Greenidge 1901, 418. Cloud 1994, 506–507. Brennan 2000, 237 f. Allerdings kann Mattingly Beispiele für einen dritten Praetor in der Stadt vorbringen, der für den Repetundengerichtshof zuständig war: Mattingly 1975, 255–263, hier insbesondere 255–257; Lengle 1933, 275–296, hier 276. Zu den besagten Stellen der lex Acilia CIL I2 Nr. 583 = Crawford 1996, vol. I, 65–112, hier 100 f. Zu der nominis delatio auch Kunkel 1972, 64; ferner Bendlin 2002, 30 zur ‚sozialen Relevanz der sodales‘: „(…) Schwiegersohn, Schwiegervater, Stiefvater, Stiefsohn, Cousin und (…) Blutsverwandte (…) auch Mitglied(er) derselben sodalitas und desselben collegium (…)“. Siehe nur Brennan 2000, 237; Mommsen, Strafrecht II 205 mit Anm. 4.
2. Eine kurze Tradition? – Die editio iudicum
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Der zweite Schritt des Verfahrensverlaufs folgte 20 Tage nach der nominis delatio. In dieser Zwischenzeit hatte der Ankläger die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen 100 Richter aus der übriggebliebenen Gesamtzahl auszusuchen. Der letzte Schritt oblag erneut dem Angeklagten. 40 Tage nachdem der Ankläger seine Auswahl von 100 Richtern getroffen hatte, durfte der Angeklagte 50 iudices ablehnen (reiectio). Nach der nominis delatio dauerte es also ca. 2 Monate (60 Tage), bis der endgültige Gerichtshof für den Repetundenprozess nach den Bestimmungen der lex Acilia zusammenkam. Im Vergleich zum Comitialverfahren dürfte das Prozedere gemäß der lex Acilia dennoch wesentlich schneller gewesen sein. Das auf diese Weise zusammenberufene Richterkollegium war für die Zeugenverhöre, die Beweisüberprüfung und für den endgültigen Rechtsspruch zuständig. Die Beweise für den Prozess mussten vom Ankläger vorgebracht werden. Dem Praetor als Vorsitzenden (quaesitor) kam die Aufsichtsrolle über die korrekte Verfahrensweise zu.30 Mit der lex Sempronia iudiciaria änderte sich die Zusammensetzung der Richterbank: Die Richtersitze wurden zwischen Senatoren und equites gleichmäßig aufgeteilt, die Gesamtzahl der Richter je Prozess wurde festgesetzt und die Verfahrensweise der editio durfte wohl nach den Bestimmungen der lex Acilia weiterhin Bestand gehabt haben.31 Sowohl die Verfahrensweise der editio als auch die Inklusion der equites als Richter in die Gerichtshöfe zeigte sich bis Sulla als entscheidend und dauerhaft. Die durch L. Cornelius Sulla eingebrachten leges griffen ab 82 v. Chr. entschieden in die Ordnung der Gerichtskonstitution ein.32 Das album iudicum nach der lex Sempronia iudiciaria von 122 v. Chr. umfasste 600 potentielle iudices, das anteilig aus 300 Senatoren und 300 Rittern zusammengesetzt wurde. Sulla entzog den equites das Privileg der Richtertätigkeit und übergab sie vollends in die Kompetenz des nun 600 Mann starken Senats, wobei der Großteil der neuen Senatoren equites gewesen sein durften.33 Der entscheidende und dauerhafte Eingriff Sullas zeigte sich in der Verfahrensweise 30
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Die Vorgehensweise schildert in dem Kontext auch Lengle 1933, 275 ff. Zu den genauen Stellen dieser Bestimmungen: praetor peregrinus und die Auswahl der 450 Männer innerhalb der ersten 10 Tage nach Verabschiedung des Gesetzes und die Altersbegrenzung der potentiellen Richter und ihre namentliche Bekanntgabe in der contio siehe die lex Acilia Z. 12–15 und 15–18; bezüglich der Bekanntgabe der Verwandtschaftsbeziehungen und der Angabe über die sodales und der Auswahl der 100 Richter durch den Ankläger Z. 19–24. Wichtig ist dabei, dass der Ankläger ebenfalls keine Richter benennen durfte, die mit ihm in einer familiären und/oder in einem sodalis-Verhältnis (in einer sodalitas oder eines collegium) standen; zu der Benennung der endgültigen 50 Richter Z. 24–26 und die schriftliche Sicherung ihrer Namen für den Prozess Z. 26–27; die Zeilenangaben richten sich hier nach Crawford 1996, vol. I, 86–88. Lengle 1933 spekuliert über eine Änderung in der Verfahrensweise zugunsten des Angeklagten durch das Repetundengesetz von C. Servilius Glaucia 111 v. Chr., führt diese Annahme jedoch nicht weiter aus; Strachan-Davidson 1912, vol. II, 103 f. Rotondi 1962, 353 ff.; zu Sullas Rechtsreform und der Reorganisation der quaestiones siehe ausführlicher Gruen 1968, 255–264. Zu den Gesetzen nach der lex Servilia repetundarum bis zur lex Cornelia iudiciaria siehe im Appendix Nr. 2; Strachan-Davidson 1912, vol. II, 75 ff.
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
der Richterbestellung. Nicht die Änderung der ordines, aus denen die Richter bestellt werden sollten – die sich als Regelung auch nicht sonderlich lange hielt , sondern die Abschaffung der editio war maßgebend. Durch welche Art der Richterauswahl wurde die editio iudicium, die sich von 123–82 v. Chr. hielt, ersetzt? 3. Die sullanischen Verfahrensregeln Für die Untersuchungen der sullanischen und nachsullanischen Verfahrensform der Richterbestellung sind die orationes in Verrem besonders aufschlussreich. Der Prozess gegen den ehemaligen Statthalter Siziliens 70 v. Chr. stellt einen Pool an Informationen bezüglich der Verfahrensform bereit. So werden im ersten Buch der actio secunda die Richterdekurien wie auch die subsortitio (Nachlosung von iudices) erwähnt.34 Die Rückweisung von Richtern (reiectio) einerseits und der erneute Hinweis auf die Aufteilung des Senats in decuriae, die zugleich als Richterdekurien dienten, werden im zweiten Buch thematisiert: „(…) ehrenwerte Männer, die den Fall kennen, wegschickt und aus seinem Beirat entläßt, (…). Einen solchen Menschen (gemeint ist Verres) sollen wir zu unseren Richtern zählen? Er soll als Richter zur zweiten senatorischen Abteilung gehören?“35 Eine Richterdekurie war wohl für einen Gerichtshof pro Jahr zuständig. Die Dekurien wurden durch das Prinzip der sortitio auf die vorhandenen Gerichtshöfe mit dem entsprechenden Vorsitzenden, der wohl auch ausgelost werden musste, zugeteilt.36 Wilmanns beschreibt das Prozedere wie folgt: „Das Resultat (…) ist also, daß der praetor urbanus alljährlich die Senatoren, welche nicht Magistrate waren, durch daß Loos in die für die einzelnen Quaestionen bestimmten Decurien theilte und diese im album verzeichnete. Sortitio für den einzelnen Prozeß fand nicht statt.“37 Diese Aussage lässt sich durch weitere Quellenstellen belegen. In der Rede für A. Cluentius Habitus (Cic. Cluent. 33) wird im Zusammenhang des Prozesses gegen Op34 35
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Cic. Verr. II,1,158. Cic. Verr. II,2,79: „(…) honestos homines, qui causam norint, ableget a consilioque dimittat (…)“; „Hunc hominem in iudicum numero habebimus? hic alteram decuriam senatoriam iudex obtinebit?“ (Siehe zu Cic. Verr. I,6: „(…) quod et in sortitione istius spem fortuna populi Romani (…)“ die Anmerkung von Schol. Gron. 16 Stangl: „(…) per decurias erat senatus divisus, unam decuriam praetor dabat, ut ex hac iudices reicerentur“.) Ebenfalls mit viel Aussagekraft, dass alle Senatoren als Richter gedient haben müssen in Cic. Verr. II,2,77: „Illud est capitale, illud formidolosum, illud optimo cuique metuendum, quod iste, ex hoc iudicio si aliqua vi se eripuerit, in iudicibus sit necesse est, sententiam de capite civis Romani ferat, sit in eius exercitu signifer qui imperium iudiciorum tenere vult.“ Es ist also sogar notwendig, dass, falls Verres weiterhin ein Mitglied des Senates war, er zwangsläufig ebenfalls Richter sein musste. Wilmanns 1864, 533–534. Wilmanns 1864, 534. (Zitat nach der alten Rechtschreibung). Die Quellenstellen Cic. Verr., Cic. Cluent., Schol. Gron. Stangl (die jeweiligen Stellen siehe oben genau angegeben) wurden von Wilmanns genauestens ausgewertet und die daraus synthetisierten Aussagen bezüglich der richterlichen Besetzung der quaestiones haben trotz des zeitlichen Abstandes nach wie vor Gültigkeit.
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pianicus im Jahr 74 v. Chr.,38 der aufgrund eines gescheiterten Gift-Mordversuchs an seinem Stiefsohn vor der quaestio de veneficiis angeklagt und verurteilt wurde, berichtet, Richter seien bestochen worden. Daraufhin wird ohne Weiteres der iudex quaestionis C. Iunius39 (Cic. Cluent. 89) vom Volkstribun des Jahres 74 v. Chr., L. Quinctius, angeklagt.40 Das Problem ergab sich wohl aus der subsortitio im Prozessfall des Oppianicus (Cic. Cluent. 92–93). Der Richter C. Fidiculanius Falcula (Cic. Cluent. 103) gehörte wohl nicht der Dekurie der quaestiones de veneficiis an: „(…) quod non suae decuriae munere neque ex lege sedisset“. Der Fehler bestand nicht in der Nachlosung eines iudex zum Mitglied des Geschworenenhofs. Vielmehr scheint ein iudex bestellt worden zu sein, der in dem Jahr 74 v. Chr. nicht zur Dekurie der quaestio de veneficiis gehörte und damit seit Beginn des Prozesses nicht an allen Sitzungen teilgenommen hatte.41 Der Verdacht der Richterbestechung mag aus diesem Grund eingebracht worden sein. Die Überlieferung dieses Vorfalls bestätigt nochmals die Annahme, dass eine senatorische Richterdekurie für einen konkreten Gerichtshof pro Jahr tätig gewesen sein muss – und, um erneut darauf hinzuweisen, nicht für jeden einzelnen Prozess eine Dekurie ausgelost wurde, was sowohl organisatorisch als auch zeitlich großen Aufwand ver-
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K.-L. Elvers, DNP 1 (1996) 11 s. v. Abbius. Zum Prozess Alexander 1990, 77 (Nr. 153). Zu C. Iunius und L. Quinctius siehe Broughton MRR II, 102–103. Lengle 1933, 287–288 stellt die These auf, dass gerade die subsortitio aus einer fremden Dekurie vorgenommen werden musste bzw. nicht ungesetzlich gewesen sei. Er macht jedoch ebenfalls darauf aufmerksam, dass die subsortitio für einen Prozess aus einer Dekurie passieren musste, in der noch keine engere Auswahl für einen konkreten aktuellen Prozess vorgenommen worden war. So sollten Überschneidungen bzw. Kollisionen vermieden werden. Genau wie Wilmanns 1864 beruft sich Lengle auf dieselbe Stelle der Verrinen und der Rede für Cluentius, nur mit einer anderen Schlussfolgerung. Unplausibel scheint diese Annahme zunächst nicht. Denn wenn bereits die Richterdekurie für einen aktuellen Prozess durch die reiectio verkleinert wurde, wie sollte eine subsortitio in derselben durchgeführt werden? Eventuell unter den durch die reiectio ausgeschlossenen iudices? Sie wurde eben nicht vorgenommen, um die Richter, die durch die reiectio vom Richterkollegium ausgeschlossen wurden, zu ersetzen, sondern galt in Fällen, in denen potentielle iudices aufgrund einer Magistratur ausfielen und nachbesetzt werden mussten. Den konkreten Hinweis dafür liefert ebenfalls Cic. Verr. I,10, wenn Cicero die Männer namentlich nennt, die nächstes Jahr aufgrund ihrer Amtstätigkeiten als Richter nicht mehr in Frage kamen: „Subsortiemur etiam in M. Metelli locum, quoniam is huic ipsi quaestioni praefuturus est.“ Dies würde bedeuten, dass M. Metellus für das Folgejahr zum Praetor designiert war. Das wird durch Broughton MRR II, 131 bestätigt. Das andere Problem sehe ich darin, dass eine andere Richterdekurie erst gefunden werden musste, für die noch keine engere Richterauswahl für einen aktuellen Prozess durchgeführt wurde. Warum Cicero eine subsortitio im Falle des Verres vermeiden wollte, kann wie folgt begründet werden: Nicht nur wären iudices beteiligt gewesen, die nicht von Beginn an dem Prozess beigewohnt hatten, als auch hätte der Angeklagte versucht, Freunde aus fremden Dekurien als Richter für seinen Prozess zu gewinnen: Cic. Verr. II,1,158. Schließlich galt das Mehrheitsprinzip bei der Entscheidungsfällung vor Gericht. Demnach ist die Annahme, die quaestiones hätten immer über eine gleich hohe Anzahl an Richtern verfügt, eher unwahrscheinlich. Dies bestätigt sich durch die unterschiedlichen Zahlen, die von bekannten Prozessen überliefert sind, siehe nur die Fälle Oppianicus und Verres. Des Weiteren durften equites bzw. Nicht-Senatoren in den iudicia publica weniger iudices zurückweisen als solche von senatorischem Stand.
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
ursacht hätte. Der Grund für die jährliche Neuverteilung der Richterdekurien auf die unterschiedlichen quaestiones, statt einer permanenten Dekurie für eine quaestio, leitet sich aus der Wahrscheinlichkeit vorprogrammierter Korruptions- und Bestechungsmöglichkeiten ab.42 Es stellt sich dann zwangsläufig die Frage: Wie fand die subsortitio für eine quaestio unter der Leitung eines iudex quaestionis statt? Der iudex quaestionis war im Jahr seiner Tätigkeit als Gerichtsvorsitzender kein regulärer Magistrat. Das Qualifikationsmerkmal scheint die vorhergehende Bekleidung der Aedilität gewesen zu sein.43 Im Falle einer notwendigen subsortitio musste der praetor urbanus diese durchführen.44 In den von Praetoren geführten Gerichtshöfen scheint die subsortitio ebenfalls dem praetor urbanus gemeldet worden zu sein, der die nachgelosten iudices in einem Register (codex) festhielt.45 Die reiectio der sullanischen Zeit wurde bereits seit der lex Acilia praktiziert. Gemäß den Reformen von 82 v. Chr. durfte der nicht-senatorische Angeklagte insgesamt drei iudices und der senatorische Angeklagte fünf iudices ablehnen.46 Damit galt das Ablehnungsrecht sowohl für den Angeklagten als auch für den Ankläger. Amtierende Magistrate, die durch ihre Zugehörigkeit zum Senat in Richterdekurien erfasst waren, wurden von ihrer Tätigkeit als Richter im entsprechenden Jahr entbunden.47 Ein solcher Rückschluss führte auch zu keiner Kollision mit der Führung der Gerichtshöfe durch die Praetoren, da sie als quaesitores fungierten, jedoch nicht aktiv als Richter an den Prozessen teilnahmen. So konnte es passieren, dass die notwendige Zahl an iudices für das consilium nicht erreicht wurde. Eine solche Situation konnte ebenso durch Todesfälle verursacht werden. In diesem Falle griff das Prinzip der subsortitio.48 Der römische Senat, bestehend aus 600 Senatoren, war demnach in 10 Dekurien á 60 Mitglieder aufgeteilt, die als Gerichtsdekurien fungierten. Damit dürfte ein Richterkollegium im Idealfall über 60 Geschworene verfügt haben. Diese Annahme muss allerdings als illusorischer Wert betrachtet und revidiert werden. Die Aufstellung der jährlichen alba 42 43 44 45 46
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Greenidge 1901, 438. Greenidge 1901, 432–433 zu den Merkmalen der iudices quaestionum und bezüglich der Position als ehemalige Aedile; Laut Kunkel 1972, 66 Anm. 27 wurde die Stelle des iudex quaestionis zwischen der Aedilität und der Praetur bekleidet. Wilmanns 1864, 536; Cic. Cluent. 103–104. Zur Zeit des Prozesses gegen Oppianicus 74 v. Chr. war C. Verres praetor urbanus: Broughton MRR II, 102. In Cic. Verr. I,39 und II,1,157 stellt Cicero die Sache so dar, dass Verres die subsortitio wissentlich falsch vorgenommen habe. Greenidge 1901, 438–439. Cic. Verr. II,2,77: „(…) doch die Leute, die nicht zu diesem Stande gehören (sc. dem senatorischen), denen die trefflichen Cornelischen Gesetze nicht einmal erlauben, mehr als drei Richter abzulehnen (…)“; Cic. Verr. II,1,18: die Ablehnung von P. Sulpicius Galba, Sex. Peducaeus, Q. Considius und Q. Iunius durch Verres; Cic. Verr. II,3,97: die Zurückweisung von C. Cassius durch Verres, demnach wurden insgesamt fünf iudices abgelehnt. Diese Form der reiectio wird für die spätere lex Aurelia von Bedeutung sein. Wilmanns 1864, 530. Cic. Verr. I,10.
3. Die sullanischen Verfahrensregeln
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iudicum seit Sulla wie auch anfänglich die Aufstellung des album iudicum nach den Bestimmungen der lex Acilia für den Repetundengerichtshof oblag dem praetor urbanus und blieb auch mit der Verabschiedung der lex Aurelia iudiciaria von 70 v. Chr. bestehen.49 Eine Bemerkung Ciceros in der Planciana führt jedoch zu der Annahme, dass auch nach 70 v. Chr. das Recht der reiectio bei Prozessen weiteren Veränderungen unterworfen war. So habe der Senat die beiderseitige Ablehnung von iudices zwar in regulären Prozessen de ambitu erlaubt, allerdings die Prozesse de sodaliciis als Sonderfall davon ausgeschlossen: „(…) kurz warum er (der Senat) bei der Amtserschleichung (ambitus) selbst gestattet hat, daß die Parteien in gleichem Umfang Richter ablehnen, und warum er dort (nämlich de sodaliciis) (während er sich sonst keiner Art der Verschärfung entgehen ließ) auf diese eine Art verzichten zu sollen glaubte.“50 Hatte demnach die lex Aurelia von 70 v. Chr. das Recht der reiectio von 82 v. Chr. beibehalten? Das allerdings würde eine Ablehnung von einzelnen iudices bedeuten. Oder erfuhr die lex Aurelia mit der Verabschiedung der lex Vatinia von 59 v. Chr. eine Ergänzung? Ciceros Anmerkung ermöglicht nicht nur einen Rückblick auf die lex Vatinia de reiectione iudicum, sondern zugleich auf die Entwicklung der reiectio für die Zusammenstellung der Jurys in den quaestiones perpetuae und/oder für die quaestiones extraordinariae. Für einen direkten Zusammenhang mit der lex Vatinia von 59 v. Chr. spricht die zeitliche Nähe zum Prozess 55 v. Chr. Der Inhalt der lex ist allerdings kaum noch zu rekonstruieren, was den Umgang mit ihr mehr als schwierig macht.51 In der Rede für Vatinius wird das Gesetz lediglich als ein solches, das die gegenseitige Ablehnung von Richtern ermöglichte, definiert: „legem (…) de alternis consiliis reiciendis.“52 Es werden keine konkreten Zahlenangaben gemacht. Nun heißt es nicht, wie erwartet ‚iudicibus reiciendis‘, sondern consiliis. Wäre demnach die reiectio iudicum, wie man es erwarten dürfte, tatsächlich eine reiectio consiliorum iudicum?53 Greenidge kann keine befriedigende Antwort geben. Köpke/Landgraf stellen in Rückgriff auf Zumpt die Vermutung auf, dass der praetor urbanus in den iudicia publica den Prozessparteien anstelle eines Richterkollegiums drei Richterkollegien zur Auswahl vorschlug. Vermutlich wurden diese Kollegien per Los bestimmt. Ankläger wie Angeklagter wiesen je ein Kollegium
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Cic. Cluent. 43; 121. Cic. Planc. 36: „Quod genus iudiciorum si est aequum ulla in re nisi in hac tribuaria, non intellego quam ob rem senatus hoc uno in genere tribus edi voluerit ab accusatore neque eandem editionem transtulerit in ceteras causas, de ipso denique ambitu reiectionem fieri voluerit iudicum alternorum, cumque nullum genus acerbitatis praetermitteret, hoc tamen unum praetereundaum putarit.“ Rotondi 1962, 391. Cic. Vatin. 27; V. Ehrenberg, RE 13,2 (1927) 1493–1504 s. v. Losung, zu der lex Vatinia von 59: Angeblich soll das album iudicum in feste Einzelkollegien (daher der Begriff consilium) eingeteilt gewesen sein, wovon drei per sortitio bestimmt wurden und jede Partei das reiectio-Recht hatte, eine von den dreien zurückzuweisen. Greenidge 1901, 451–52.
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zurück, sodass von den ursprünglichen drei schließlich ein Kollegium dem Prozess vorsaß.54 Wie viele Richterkollegien umfasste aber das album iudicum? Konnten tatsächlich drei Richterkollegien für jeden zu führenden Prozess angeboten werden? Laut Ehrenberg war das jährliche album iudicum in feste Richterkollegien eingeteilt. Diese dürften nach dem Prinzip der lex Aurelia jedoch aus Senatoren, equites und tribuni aerarii zusammengesetzt worden sein. Am Prinzip der sortitio, wonach den Gerichtshöfen die amtierenden Praetoren als Vorsitzende zugewiesen wurden, dürfte die lex Vatinia nichts geändert haben. Ob es rein strukturell möglich war, den Prozessparteien drei Richterkollegien zur beiderseitigen reiectio zu präsentieren, ist unwahrscheinlich. Wenn wir davon ausgehen, dass das album iudicum in Richterkollegien eingeteilt war, da es ihre Aufteilung auf die Geschworenengerichte erleichterte, drängt sich die Frage nach dem Umfang einer Dekurie bestehend aus Senatoren, Rittern und Ärartribunen auf. War es strukturell möglich, drei Richterkollegien bestehend aus Senatoren, Rittern und Ärartribunen zur Auswahl zu stellen, wenn sie bereits auf die einzelnen Gerichtshöfe ausgelost waren?55 Einen Hinweis auf die lex Vatinia liefert erneut die Rede für Cn. Plancius, obwohl es sich dabei um einen Sonderfall zu handeln scheint. In dem Prozess gegen P. Vatinius 54 v. Chr. durfte Cicero seiner eigenen Angabe nach zusätzlich fünf Richter zurückweisen. Die Genehmigung dafür habe ihm der quaesitor nach dem Spruch des Beirats
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Köpke/Landgraf 1887, 22; Zumpt 1869, 280–281. Neben der bereits thematisierten Quellenstelle Cic. Vatin. 27 in Bezug auf die lex Vatinia de reiectione iudicum führt Rotondi 1962, 391 noch zusätzlich Cic. Planc. 36 auf. Gehen wir hier von dem SC von 51 v. Chr. aus, das von 300 Senatoren berichtet, die noch als Richter in Frage kamen. Der Senat war durch seine interne Struktur bereits in Dekurien aufgeteilt. Dies würde eine Richterdekurie mit 30 Senatoren bedeuten. Hinzu kamen die Dekurien der Ritter und tribuni aerarii – die lex Vatinia änderte mit Sicherheit nichts an diesem Grundsatz. Die nicht-senatorischen Richter mussten wohl tribus-weise rekrutiert worden sein. Wenn aus den 35 tribus jeweils nochmal 300 Ritter und 300 tribuni aerarii einberufen wurden – wahrscheinlich aus jeder tribus ca. 10 Mitglieder der jeweiligen ordines, damit sie im Verhältnis zu den Senatoren nicht einen Überschuss bildeten –, die wiederum auch in Dekurien eingeteilt waren, mussten jeweils noch zusätzlich je 30 von ihnen zu einem Richterkollegium hinzukommen, sodass allerdings ein Kollegium gleich aus 90 iudices bestanden haben dürfte. Die Differenz zwischen den 90 und den 75 Richtern der ciceronianischen Überlieferung und der Zahlen der herangezogenen Prozesse ist augenfällig. Setzte an diesem Punkt die reiectio der lex Aurelia ein? In Anbetracht der mehrfach aufkommenden Zahl von 75 iudices liegt es nahe, die Vermutung anzustellen, dass in der reiectio nach den Bestimmungen der lex Aurelia je ordo des Richterkollegiums 5 Richter, also insgesamt 15 zurückgewiesen wurden, sodass für die Prozessführung 75 iudices ermittelt werden konnten. Diese Zahl erinnert an das sullanische reiectio-Recht, welches den senatorischen Angeklagten die Ablehnung von 5 iudices erlaubt. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass bereits vor der reiectio von je 5 Mann pro ordo einige der Betreffenden kompromittiert durch Freund- und Verwandtschaftsbeziehungen ausschieden. Über wie viele Richterkollegien verfügte das album iudicum? Nimmt man die Zahl der Dekurien 1–10 ernst, dürften es nur 10, zusammengesetzt aus den Dekurien der unterschiedlichen ordines, gewesen sein. Diese wurden allerdings, so zumindest in sullanischer Zeit, bereits per Los auf die unterschiedlichen quaestiones perpetuae aufgeteilt, wovon 82/81 ca. 8 nachgewiesen werden können. Die zwei übrigen Richterkollegien standen dem praetor urbanus zur Verfügung.
4. Die Leitung der quaestiones perpetuae
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(consilium) erteilt: „apud eosque me ne quinque quidem reiectis, quod in proximo reo de consili sententia constitutum est“.56 Der Beschluss für die erweiterte reiectio konnte aber nur gefasst werden, nachdem die editio von vier tribus durch den Ankläger und die reiectio einer tribus durch den Angeklagten gemäß der lex Licinia de sodaliciis bereits abgeschlossen war.57 Die Zahl und Art der reiectio, nämlich nachdem der Sonderbeschluss des Beirats gefasst wurde, erinnert an die Richtlinien, die durch Sullas Gerichtsreform eingeführt worden waren. Zur Erinnerung: Der nicht-senatorische Angeklagte durfte drei iudices ablehnen. Dem senatorischen Angeklagten – dieses Kriterium erfüllte P. Vatinius58 – war es erlaubt, fünf der Juroren zurückzuweisen. Die vorgenommene Rekonstruktion ist in Bezug auf die lex Vatinia also ein glaubwürdiges Indiz für die reiectio im Sinne der reiectio iudicum und nicht reiectio consilii.59 4. Die Leitung der quaestiones perpetuae Wie stand es nun mit der Leitung der quaestiones perpetuae? Ab 81 v. Chr. galten die Regelungen der lex Cornelia de praetoribus octo creandis.60 Die Anzahl der Praetoren wurde durch die Vorschriften dieser lex auf insgesamt acht erhöht. Neben dem praetor urbanus und dem praetor peregrinus traten sechs weitere Praetoren hinzu. Ihre Zeit als Praetor wurde auf zwei Jahre ausgedehnt. Ziel dieser Regelung war es, den Praetoren zunächst die Leitung der quaestiones in Rom für ein Jahr zu übertragen, um sie anschließend als Imperiumsträger in die ihnen zugelosten Provinzen zu entsenden.61 Eine Erhöhung der Praetorenzahl und die Erweiterung des Senats insgesamt gingen nicht nur mit der höheren Zahl der Provinzen einher. Die Einrichtung der quaestiones perpetuae bedingte die Erhöhung der Praetorenstellen sowie die Erweiterung des Senats.62 Der gestiege-
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Cic. Planc. 40. Alexander 1990, 141–142 (Nr. 292). Broughton MRR II, 190. Eine kurze Erwähnung findet sich bei Williamson 2005, 378. Die Idee und Aufarbeitung sind aber nicht aktuell, da lediglich auf Greenidge 1901 (Anm. 447) verwiesen wird. Arena 2012, 177 verweist ebenfalls nur auf Greenidge 1901. Es ist erstaunlich, dass Cic. Planc. 40 in diesem Zusammenhang nirgends aufgegriffen wird. Es wird spekuliert, dass die lex Vatinia die reiectio eines gesamten „panels“, also Richtergremiums, bedeute (Cic. Planc. 36), obwohl Cicero explizit zusätzlich fünf Richter im Vatinius-Prozess abgelehnt haben will. Da der Fall Vatinius nur einige Wochen vor dem Prozess gegen Plancius geführt wurde, stufe ich die Aussage als äußerst glaubwürdig ein. Rotondi 1962, 353. Brennan 2000, 396 f.; W. Kierdorf, DNP 10 (2001) 260–262 s. v. praetor. Cloud 1994, 526 diesbezüglich skeptisch bzw. weißt darauf hin, dass auch diese Maßnahme Sullas bald an ihre Grenzen gestoßen sein musste, da die Einrichtung der quaestiones perpetuae auch nach seinen Reformen des Gerichtswesens weiterhin erfolgte. Dahingegen Steel 2014, 658: „Once Sulla had decided to rebuild the iudicia publica around seven new standing courts and to provide their juries from the Senate, it would have been apparent that many more senators would be required simply in order to provide an adequate number of jurors.“ Siehe dazu auch Greenidge 1901, 436–
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
ne Bedarf an iudices wurde durch die hohe Anzahl der Quaestoren gedeckt.63 Von den ständig tagenden Gerichtshöfen können seit Sulla folgende benannt werden: 1) quaestio de repetundis, 2) quaestio de sicariis et veneficiis, 3) quaestio de ambitu,64 4) quaestio de peculatu,65 5) quaestio de maiestate,66 6) quaestio de falsis. Laut der Gesetzgebung der Jahre 82/81 v. Chr. dürfte es noch eine 7) quaestio de iniuriis (Überfälle und Körperverletzungen)67 und eine 8) quaestio de adulteriis68 gegeben haben.69 Die 9) quaestio de vi, wie auch die quaestio de ambitu, waren in der späten Republik (frühestens ab 78 v. Chr.) diejenigen Gerichtshöfe, in denen die meisten Strafprozesse behandelt wurden.70 Die quaestio de vi wurde vermutlich erst mit den legislativen Maßnahmen zwischen den Jahren 78–63 v. Chr. konstituiert. Sie ist demnach eine nachsullanische Einrichtung, die ursprünglich durch die lex Plautia de vi initiiert wurde.71 Die Verabschiedung der lex Plautia ist wohl auf das Jahr 70 v. Chr. zu datieren, wohingegen die ältere Forschung ihre Verabschiedung auf die Jahre zwischen 65–63 v. Chr. legt.72 Die iurisdictio urbana und peregrina wurde jeweils vom praetor urbanus und peregrinus geführt. Sie waren für zivilrechtliche Fälle zuständig und damit von der Leitung der iudicia publica ausgeschlossen, die wiederum von den übrigen sechs Praetoren geleitet wurden.73 Auch müssen im Vergleich zu der lex Acilia, die für eine quaestio ein album von insgesamt 450 iudices festsetzte, die alba iudicum der sullanischen Zeit in der Ge-
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442. Die Alternative, die Richterstellen gänzlich den Rittern zu überlassen, hält Steel aufgrund der popularen Politik und der Vorgeschichte mit C. Gracchus nicht für möglich: Steel 2014, 659. Steel 2014, 659. Zu den quaestores: Harris 1976, 92–106; Kunkel 1995, 512–514. Die quaestiones repetundarum, de sicariis und de veneficiis existierten bereits in den späten 120er Jahren v. Chr., die wohl mit ritterlichen iudices besetzt waren: Cloud 1994, 510–511; wobei erst Sulla die Gerichtshöfe für inter sicarios (Attentate/Mordanschlag) und veneficiis (Giftmord) zusammenlegte: Cloud 1994, 520; Rotondi 1962, 357; vgl. Cic. fam. II,54 mit Kommentar von Madvig. Die quaestio peculatus, die sich den Fällen von Veruntreuung öffentlicher Gelder und wohl auch Fällen von Diebstahl sakraler Objekte widmete (sacrilegium), dürfte seit spätestens 86 v. Chr. bestehen, siehe den Prozess gegen Pompeius 86 v. Chr. wegen peculatus: Cloud 1994, 515. Die quaestio kann seit Sullas lex Cornelia de peculatu von 81 v. Chr. mit Sicherheit nachgewiesen werden: Rotondi 1962, 360. Die sullanischen Reformen bezogen sich nicht nur auf die quaestio de peculatu, sondern beinhalteten auch de ambitu, de maiestate, de vi, de sicariis et veneficiis usw. mit ein: Rotondi 1962, 349 ff. Als ständige quaestio de maiestate frühestens seit der lex Appuleia von 103 v. Chr. (lex Appuleia de maiestate minuta: Rotondi 1962, 329) oder von 101–100 v. Chr.: Cloud 1994, 518; später erhielt sie eine Bestätigung durch die lex Varia de maiestate von 90 v. Chr., mit Sicherheit nachzuweisen seit der sullanischen Gesetzgebung von 81 v. Chr. (lex Cornelia de maiestate): siehe Rotondi 1962, 360. Cloud 1994, 525 f.; Willmanns 1864, 528–541, hier 529. Rotondi 1962, 359. Diese Anzahl von acht quaestiones perpetuae weist auch Kunkel 1972, 66 nach. Siehe zu den quaestiones mit den Einzelnachweisen Greenidge 1901, 415 ff., hier 423 f. bezüglich der quaestiones perpetuae und ihrer in erhöhter Anzahl vorgenommenen Einrichtung. Cloud 1994, 516 ff.; Gruen 1968, 255–265. Rotondi 1962, 377. Hough 1930, 135–147 legt die Verabschiedung der lex Plautia in die Jahre zwischen 65–63 v. Chr. Die Diskussion um die lex Lutatia ist auf die Rede Ciceros für Caelius (Cic. Cael. 70) zurückzuführen. Dort wird eine quaestio de vi im Jahr 78 v. Chr. (lex Lutatia de vi) erwähnt. Siehe auch Cloud 1994, 524. Siehe dazu Crook 1994, The Development of Roman Private Law, insbesondere: „4. The law of actions“, 544–546, hier wiederrum 544–545.
4. Die Leitung der quaestiones perpetuae
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samtzahl der potentiellen Richter pro quaestio wesentlich kleiner gewesen sein.74 Da proportional mehr Gerichtshöfe als Praetoren vorhanden waren, musste eine weitere Lösung für die Führung von quaestiones perpetuae für die Kriminalprozesse gefunden werden.75 Nach der Einrichtung der oben genannten zusätzlichen quaestio de vi und der hohen Anzahl der Prozesse, von denen wir höchstwahrscheinlich nur einen geringen Teil erfassen können, entstand eine Lücke in der Führung der Gerichtshöfe. Die Zahl der Praetoren sollte erst durch Caesars Maßnahmen 47 v. Chr. zunächst auf 10, später auf 14–16 erhöht werden.76 Vor den Maßnahmen von 47 v. Chr. ist die Rede von sogenannten iudices quaestionum,77 die neben den Praetoren tätig gewesen sind.78 Die acht quaestiones perpetuae konnten mit Hilfe der sechs für die iudicia publica verantwortlichen Praetoren und der zwei iudices quaestionum mit Vorsitzenden (quaesitores) ausgestattet werden.79 Demnach wurden acht der zehn Richterdekurien des Senats auf die jeweiligen Gerichtshöfe zugelost und für ein Jahr verpflichtet. Die zwei übrigen Dekurien wurden dem praetor urbanus zur Verfügung gestellt.80
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Diese Vermutung äußerte bereits Wilmanns in seiner Betrachtung der lex Cornelia iudiciaria von 82 v.Chr: Willmanns 1864, 530; Rotondi 1962, 351. In Cic. Cluent. 147 wird berichtet, dass die Fälle von inter sicarios und veneficiis sogar von drei Gerichtshöfen gehandhabt werden mussten. D.h. es gab der Form nach nur eine quaestio perpetua de sicariis et veneficiis, diese konnte wiederum, wahrscheinlich wegen der hohen Anzahl an Klagen, von mehreren Gerichtshöfen, die sich dieser Sache widmeten, übernommen werden. Siehe dazu auch Wilmanns 1864, 529. Dieser geht daher von 10–11 Gerichtshöfen aus. Cass. Dio 42,51,3 und Cass. Dio 43,47,2; 43,49,1 zur Erhöhung der Praetorenzahl unter Caesar; vgl. dazu G. Wesenberger, RE 42,2 (1954) 1581–1606 s. v. Praetor, hier 1587; ferner W. Kierdorf, DNP 10 (2001) 260–262 s. v. praetor. Laut Lengle 1933, 277 waren es jährlich 2 iudices quaestionum. Diese Annahme bestätigt sich durch die Quellenstelle Cic. Cluent. 148, als der quaestio de veneficiis der iudex quaestionis Q. Voconius vorsaß. Im Prozess gegen Statius Albius Oppianicus, von dem Cicero auch in den Verrinen berichtet, saß der quaestio de veneficiis der iudex quaestionis C. Iunius vor: Cic. Verr. II,1,157; vgl. Alexander 1990, 75–76 (Nr. 149). Greenidge 1901, 429; für das Jahr 66 v. Chr. sind folgende Praetoren mit den ihnen zugelosten quaestiones bekannt: C. Orchivius – quaestio de peculatu; M. Tullius Cicero – quaestio de repetundis; C. Aquillius Gallus – quaestio de ambitu; Q. Voconius Naso – quaestio de sicariis et veneficiis; P. Cassius Longinus – quaestio de maiestate, der 6. Praetor (unbekannt) für die quaestio de falsis. Hinzu kamen die zwei iudices quaestionum M. Plaetorius und C. Flaminius. Cic. Cluent. 147: „Quid M. Plaetori et C. Flamini inter sicarios, quid C. Orchivi peculatus (auch Cic. Cluent. 94 zu Orchivius), quid mea de pecuniis repetundis, (ebenfalls Cic. Rab. Post. 9) quid C. Aquili, (Cic. top. 32; Cic. off. III,60) apud quem nunc de ambitu causa dicitur, quid reliquae quaestiones?“ Cic. Cluent. 148: „Iubet lex ea, qua lege haec quaestio constituta est, iudicem quaestionis, hoc est Q. Voconium, cum eis iudicibus qui ei obvenerint – (…) – quaerere de veneno.“; Broughton MRR II, 151–156. Jedem Vorsitzenden stand ein Beirat zur Seite, mit dessen Hilfe zunächst die Haupt- und die Nebenankläger (subscriptor) bestimmt wurden. Zu sullanischer Zeit konnten bis zu drei Nebenkläger zum Hauptkläger hinzukommen: Cic. div. in Caec. 47–49; zur Entscheidung über die Verteidiger, Frist zur Vorlegung des Beweismaterials: Lengle 1933, 279–280. Zu den zwei Dekurien, die dem praetor urbanus zustanden, siehe Lengle 1933, 277.
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
5. Jurys und Juroren Neben der Zusammensetzung der quaestiones und ihrer Funktionsweisen ist die Ermittlung der Jurorenzahlen in den quaestiones entsprechend der lex Cornelia iudiciaria von 82 v. Chr. in Hinblick auf das Abstimmungsverhältnis von zentraler Bedeutung.81 Es wurde bereits auf die Idealzahl von 60 Richtern pro quaestio hingewiesen, doch sie dürfte nicht der Realität entsprochen haben. Aus dem idealerweise 600 Mann starken Senat müssen zumindest die ordentlichen Magistrate ausgeklammert werden.82 Betroffen wären damit die 20 Quaestoren, 4 Aedile, 8 Praetoren und 2 Konsuln an der Spitze. Als reguläre Richter blieben damit zunächst 566 übrig. Zusätzlich dürfte neben dem weiteren Ausschluss der Promagistrate und legati mit potentiellen Todes- und Krankheitsfällen gerechnet werden,83 sodass die Gesamtzahl noch um einiges niedriger sein dürfte. Es ist demnach höchst wahrscheinlich, dass der Senat nicht jährlich über exakt 600 Senatoren verfügte. So standen vermutlich ca. 400 Senatoren für die Jurorentätigkeit zur Verfügung. Die unten exemplarisch aufgeführten Beispiele bestärken diese Annahme.84 i. Der Fall Oppianicus Um eine Aussage mit brauchbaren Angaben machen zu können, müssen die Zahlen von Geschworenen in überlieferten Prozessen betrachtet werden. So berichtet Cicero im Rahmen der Rede für Cluentius Habitus 66 v. Chr. vom Fall des Statius Albius Oppianicus, der vor der quaestio de sicariis et veneficiis 74 v. Chr. angeklagt und verurteilt wurde. In der Strafverfolgung gegen Oppianicus stimmten 32 Richter ab.85 Gemäß der reiectio galt folgende Regelung: Oppianicus durfte als nicht-senatorischer Angeklagter drei der Richter, die der Dekurie der quaestio de sicariis et veneficiis in dem Jahr angehörten, zurückweisen. Das gleiche Ablehnungsrecht galt auch für die Ankläger. So dürfen zu den 32 iudices, die für den Prozess ausgewählt wurden, noch 6 hinzugezählt werden: die Gesamtzahl der iudices ergibt demnach 38.86
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83 84 85 86
Zur Zusammensetzung der Jurys Rosillo-López 2010, 155 ff. Greenidge 1901, 437: „The magistrates (Cic. Verr. I,10), the pro-magistrates, the legati and all who were absent on the service of the state had to be excluded. A full house in the year 61 B. C. showed about 415 members (Cic. Att. I,14,5), and four hundred may perhaps be taken as the approximate number of senators which was annually available for judicial duty.“ Wilmanns 1864, 538; Lengle 1933, 286. Greenidge 1901, 445 geht für die Zeit der lex Cornelia von ebenfalls 400 Senatoren aus. Alexander 1990, 75 (Nr. 149) listet alle 32 iudices namentlich auf. Wilmanns 1864, 532; Cic. Cluent. 74: „32 Richter sollten in die Beratung eintreten. Mit 16 Stimmen hätte sich ein Freispruch bewirken lassen.“
5. Jurys und Juroren
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ii. Der Fall Verres Im Prozess gegen Verres lässt sich eine weit niedrigere Richterzahl ermitteln. Der praetorische Vorsitzende der quaestio de repetundis 70 v. Chr. war M’. Acilius Glabrio. Insgesamt 13 iudices, die abgestimmt hatten, sind namentlich bekannt. Gemäß der reiectio für senatorische Angeklagte durften beide Prozessparteien fünf Richter zurückweisen. Verres’ reiectio betraf folgende Richter: P. Sulpicius Galba, Sex. Peducaeus, Q. Considius, Q. Iunius und C. Cassius.87 Alexander führt noch einen sechsten abgelehnten Richter, nämlich P. Cervius auf,88 von dem Wilmanns nichts berichtet und daher von einer reiectio von lediglich fünf iudices ausgeht.89 Das gleiche Ablehnungsrecht, also die reiectio von fünf bzw. sechs Richtern, stand dem Ankläger Cicero zu. Namentlich wird allerdings nur M. Lucretius erwähnt.90 Auf dieser Grundlage ergeben sich folgende Zahlen: Nimmt man die 13 iudices, die tatsächlich abstimmten, als sicher an und fügt noch gemäß der beiderseitigen reiectio 10 potentielle Richter dem ursprünglichen Kollegium hinzu, so ergibt sich die Anzahl von 23 Richtern. Geht man weiterhin davon aus, dass im Verres-Prozess von dem Angeklagten sechs anstelle von fünf der potentiellen Richter zurückgewiesen wurden, und das gleiche Ablehnungsrecht für den Ankläger Cicero galt, so wurden insgesamt 12 Richter zurückgewiesen. Demnach dürfte das ursprüngliche Richterkollegium über 25 iudices verfügt haben. Obwohl auf Quellenebene nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann, wie viele iudices tatsächlich abstimmten oder zurückgewiesen wurden, ist dennoch eine deutliche Differenz zwischen dem Fall des Oppianicus und dem des Verres (38 versus 23/25) zu beobachten. Die konsequente Schlussfolgerung aus der Gesamtbetrachtung der legislativen und prozessualen Verfahrensweisen, die mit Sullas Reformen ab 82/81 v. Chr. herbeigeführt wurden, ist nicht ausschließlich in der Übertragung der Richterbänke an die Senatoren zu suchen. Das an sich mag bereits ein starkes Indiz für die Stellung und Bedeutung des Senats in Sullas Konzept der res publica sein.91 Flower formulierte die neue Stellung des Senats treffend: Der neue, von Sulla gestärkte Senat, sollte eine beispiellose Macht und Autorität ausüben.92 Es ist weiterhin bemerkenswert, wie die Senatsdekurien als Vorlage für die Richterlisten genutzt und für ein Jahr per Los (sortitio), vermutlich durch den praetor urbanus, auf die quaestiones perpetuae aufgeteilt wurden.93 Dieser Schritt war notwendig, um die sullanischen quaestiones perpetuae mit 87 88 89 90 91 92 93
Cic. Verr. II,1,18; Cic. Verr. II,3,97. Alle namentlichen Angaben und die weiteren Daten bezüglich des Prozesses: Alexander 1990, 88 (Nr. 177). Wilmanns 1864, 539–540. Alexander 1990, 88–90 (Nr. 177). Steel 2014, 657 ff. geht einer kurzen aber intensiven Beschäftigung dieser Rolle des Senats nach. Flower 2006a, 98: „(…) (the) new, mighty senate that was expected to wield unprecedented power and absolute authority“. Greenidge 1901, 438.
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
Juroren zu besetzen. Ferner wurden von Sulla Ritter in den Senat aufgenommen, die vorher keine Magistratur bekleidet hatten, wohl allein mit der Absicht, sie als iudices einzusetzen.94 Noch signifikanter ist allerdings die Ablösung der Verfahrensform der editio durch die sortitio, ihre Ergänzung durch die bekannte reiectio und ihre Erweiterung um die subsortitio. Die letzten zwei Schritte (reiectio und subsortitio) richteten sich abhängig von den Prozessbeteiligten nach zwei Faktoren. Entscheidend waren 1. der ordo, der bestimmte, ob 3 (für nicht-senatorische Angeklagte) oder 5/6? (für senatorische Angeklagte) iudices abgelehnt werden durften und 2. die individuellen Präferenzen (freundschaftliche Beziehungen) beider Parteien. Die Zusammensetzung der Richterbank und die Anzahl der iudices wurde von diesen Faktoren maßgeblich mitbestimmt. Das darf jedoch nicht zu der falschen Annahme führen, dass für jeden einzelnen Prozess die sortitio einer Senatsdekurie durchgeführt wurde. Eine solche Vorgehensweise hätte wohl zu einem ungeheuren organisatorischen Aufwand geführt, der auf Dauer der großen Anzahl von Prozessen nicht hätte Stand halten können. Die Dekurien müssen den Gerichtshöfen auf ein Jahr zugelost worden sein. 6. Regeln der Urteilsfindung Die Analyse der Richterauswahl und die Größe der Richterbank zeigt unter dem Aspekt der Urteilsfindung im Gericht erneut ihre Notwendigkeit. Denn weder der Vorsitzende (quaesitor) noch sein Beirat (consilium) durften an der Abstimmung teilnehmen. Es scheint aber, dass der Beirat in Ausnahmefällen dennoch bindende Beschlüsse fassen konnte.95 Der Urteilsspruch (condemno oder absolvo) musste nach dem Mehrheitsprinzip von den iudices gefällt werden.96 Die lex Cornelia iudiciaria sah die Option einer geheimen oder offenen Abstimmung vor und überließ die Entscheidung darüber dem Angeklagten.97 Dieses Abstimmungs-
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Steel 2014, 666: „There was thus, from 81 onwards, a group of senators, initially around 250 in number and gradually declining thereafter as a result of natural wastage, who had never held an elected office. The role of this group was, in all probability, to serve on juries. That was a consequence of Sulla’s decision to entrust the juries in his new courts to senators; and although we have little evidence for the way in which other senatorial tasks were allocated, it seems unlikely that they would have been handed over to men who had no prior experience of administering the res publica.“ Vgl. in Cic. Planc. 40 die erweiterte reiectio im Prozess gegen Vatinius gemäß dem Beschluss des Beirats. Alexander 2010, 244; nach der lex Acilia war eine Zweidrittel-Mehrheit der Richter für die Entscheidungsfällung notwendig: Zumpt 1868, 151–154. Greenidge 1901, 442; Cic. Cluent. 55: „Als es an der Zeit war, in die Beratung einzutreten, da fragte, wie es das damals gültige Cornelische Gesetz vorschrieb, der Verhandlungsleiter (quaesitor) C. Iunius den Angeklagten, ob man geheim oder öffentlich über ihn abstimmen solle.“ Cic. Cluent. 75: „Man erhebt sich zur Beratung, nachdem Oppianicus erklärt hatte (diese Möglichkeit bestand damals), er wünsche, daß öffentlich abgestimmt würde“.
7. Alte Gerichte mit neuen Richtern? – Lex Aurelia iudiciaria
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verfahren hielt sich bis zur lex Aurelia iudiciaria 70 v. Chr., die es durch die geheime Abstimmungen per tabellae ablöste.98 Um einen Grad an Transparenz zu gewährleisten oder gar Kontrolle über das Abstimmungsverfahren auszuüben, wurde 59 v. Chr. vom Praetor Q. Fufius Calenus erfolgreich der Gesetzesvorschlag eingebracht,99 welches das Aufstellen von drei Urnen in den Gerichten vorsah, jeweils eine für die ordines der Senatoren, Ritter und Ärartribune. Bei der Abstimmung hatten die iudices ihre Stimmtäfelchen in die für sie vorgesehene Urne zu legen. Das Ergebnis wurde öffentlich bekanntgemacht. Sowohl die iudices als auch der quaesitor und die Prozessparteien erfuhren auf diese Weise, wie jeder einzelne ordo entschieden hatte. Die individuelle Entscheidung der einzelnen iudices blieb weiterhin geheim. Zum Vergleich: nach den Bestimmungen der lex Acilia wurde vom Praetor veranlasst, eine Urne im Gericht aufstellen zu lassen. Jedem der Juroren wurde daraufhin ein Täfelchen ausgehändigt. Die Vorder- und Rückseite waren jeweils beschriftet mit A für absolvo und C für condemno.100 Eine der beiden Seiten musste von den Abstimmenden ausradiert und danach in der Urne platziert werden. Der Arm der Juroren durfte nicht verhüllt sein, lediglich der Buchstabe des Abstimmtäfelchens musste mit den Fingern verdeckt werden.101 Der Abstimmungsmodus gemäß der lex Acilia lässt auf eine geheime Abstimmung schließen. Die Verfahrensweise der lex Cornelia iudiciaria fügte die Option der offenen Abstimmung hinzu. So durfte der Angeklagte entscheiden, welche der beiden Abstimmungsverfahren angewendet werden sollte. Die lex Aurelia wiederum scheint die Option der offenen Abstimmung gänzlich abgeschafft zu haben. Die Abgabe der Jurorenstimmen erfolgte somit nur per Stimmtäfelchen. Die lex Fufia von 59 v. Chr. behielt die Stimmtäfelchen zwar bei, schrieb aber drei Urnen für jede der drei ordines gemäß der lex Aurelia iudiciaria vor. Die leges iudiciariae bestimmten also nicht nur die für die Gerichte verantwortlichen ordines und davon abhängig die Größe der Jurorenbank, sondern beinhalteten zugleich Vorschriften hinsichtlich des Abstimmungsverfahrens. 7. Alte Gerichte mit neuen Richtern? – Lex Aurelia iudiciaria So schwierig es ist, die Größe der Jurys für die konsolidierten Gerichtshöfe nach den sullanischen Reformen zu ermitteln, wird ihr Umfang mit der Verabschiedung der lex Aurelia iudiciaria besonders evident. Die lex wurde 70 v. Chr. vom Praetor L. Aurelius 98
So auch Kunkel 1972, 67. Eine Stimmgleichheit bedeutete im Sinne des Angeklagten einen Freispruch, bei zu vielen Stimmenthaltungen – so, dass kein Beschluß gefällt werden konnte – musste neu verhandelt werden. Laut Kunkel mussten Repetundenprozesse per Gesetz zweifach verhandelt werden. 99 Broughton MRR II, 188–189. 100 Zum Prozedere der Entscheidungsfällung Rosillo-López 2010, 159 f. „La procédure de vote“. 101 Die Bestimmungen der lex Acilia = Crawford 1996, vol. I, 90 f.
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
Cotta im ersten Konsulat des Cn. Pompeius Magnus und M. Licinius Crassus zwischen August und September promulgiert und zum Ende des Jahres hin (September/ Oktober) verabschiedet.102 Sie sah sowohl die Neuorganisation als auch eine Durchmischung der Jurorensitze in den quaestiones vor. Notwendig wurde die Maßnahme aufgrund angeblicher Missbräuche der Richterkompetenzen durch Senatoren.103 Hinweise für Bestechungsfälle sind durchaus bezeugt. Die Darstellung von Korruption in den senatorischen Gerichtshöfen geht wohl in großen Teilen auf die rhetorische Taktik Ciceros zurück. Zur Unterstützung seines Gesetzesvorschlages soll Aurelius Cotta sich der ciceronianischen Aussagen bedient haben, indem er in den contiones auf sie referierte.104 Der Einbezug der tribuni aerarii ab 70 v. Chr. kann demnach auch als Wunsch nach Objektivität und Neutralität in den Gerichtshöfen der iudicia publica verstanden werden. Die Richtersitze in den quaestiones wurden ab der lex Aurelia iudiciaria anteilig zwischen Senatoren, Rittern und den tribuni aerarii aufgeteilt.105 Damit wurde die etablier102
Broughton MRR II, 127 mit den entsprechenden Nachweisen zu der Dreiteilung der Jurys; Rotondi 1962, 369; Marshall 1975, 137–138 bezüglich der Datierung der lex, die sich aus den Verrinen ergibt: Cic. Verr. II,5,178; vgl. Cic. Verr. I,2. Eine aktuelle Betrachtung der lex Aurelia, weniger in Bezug auf ihre Bestimmungen und die Zusammensetzung der Jurys ab 70 v. Chr. und mehr mit dem Fokus auf die Umstände ihrer Verabschiedung (rhetorischer Populismus gegen die Bestechlichkeit der senatorischen Gerichtshöfe und der Druck der equites und publicani), findet sich bei Kleinman 2016, 53–68. Bruhns 1980, 263–272 beschäftigt sich mit der Frage, warum erstmals neben den Senatoren und Rittern die tribuni aerarii in die Gerichtshöfe integriert worden sind. Außerdem Marshall 1975, 136–152. Zusätzlich zu dem aufkommenden Partizipationswunsch der equites in den quaestiones und ihr Druck auf Aurelius Cotta und Pompeius Magnus siehe Ferrary 1975, 338–341. 103 Siehe dazu die Diskussion bei Kleinman 2016, 53–68. Auch nach der Verabschiedung der lex Aurelia iudiciaria sind Bestechungsfälle der gemischten Gerichtshöfe bekannt: Cass. Dio 36,38; Cic. Att. I,16. Allgemein zur Bestechlichkeit der Gerichte siehe die Zusammenfassung von Rosillo-López 2010, 155–178. 104 Siehe unter anderem den Prozess gegen Verres 70 v. Chr., der allerdings noch vor der Verabschiedung der lex Aurelia angeklagt worden war und daher nach den Bestimmungen der lex Cornelia iudiciaria vor der quaestio repetundarum angeklagt wurde. Oder die Anklage gegen den iudex quaestionis im Oppianicus-Fall (s. o.); dazu Gruen 1974, 34–35. 105 Dass die Juryplätze angeblich nur den Rittern übergeben wurden, geht aus Liv. per. 97: „iudicia (…) per L. Aurelium Cottam praetorem ad equites Romanes translata sunt“ und Plut. Pompeius 22 hervor, wobei die Stelle Liv. per. aufgrund des Charakters der Schrift für eine im Detail wenig belastbare Quelle ist. Ihre Aufteilung lediglich zwischen den equites und den Senatoren wird in Cic. Cluent. 130 als Kontrast zu den sullanischen Gerichtshöfen erwähnt. Auch Cicero trennt nicht immer streng die tribuni aerarii von den equites. So will er in folgenden Paragraphen die Richtersitze nach der lex Aurelia nur zwischen den Rittern und den Senatoren aufgeteilt wissen: Cic. Font. 36; Cic. Cluent. 121; 130; Cic. Flacc. 96. Die tribuni aerarii als ordo und ihre Unterscheidung von den equites erfolgt an folgenden Stellen: Cic. Rab. perd. 27; Cic. Catil. IV,15. Die Einheit zwischen den equites und den tribuni aerarii als eine Art ‚Mittelschicht‘ und ihre Abgrenzung zu der plebs erfolgt in Cic. Planc. 8; 21. Darüber hinaus bezüglich der Datierung der lex Aurelia Cic. Verr. II,5,178; Cic. Verr. I,2. Es wird zwischen dem Gesetzesantrag und dem schlussendlich verabschiedeten Gesetz nicht differenziert, sodass die Überlieferung bezüglich der Jurybesetzung, wie Greenidge 1901, 443 spekuliert, auf diese Verwirrung und auf die nicht klar vorgenommene Trennung zwischen den equites equo publico und den tribuni aerarii zurückzuführen ist.
7. Alte Gerichte mit neuen Richtern? – Lex Aurelia iudiciaria
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te sullanische Ordnung, die die Richterkompetenzen gänzlich in die Hände der Senatoren gelegt hatte, außer Kraft gesetzt.106 Ein weiterer Grund mag in der Anzahl der steigenden quaestiones und der hohen Anzahl der Prozesse gelegen haben, sodass rein senatorisch besetzte Gerichte nicht mehr kompensationsfähig waren. Durch die lex Aurelia wurde zwar die Gesamtzahl der iudices in jeder Jury höher als bis dato bekannt, der Anteil der Senatoren in den Gerichtshöfen wurde durch die Dreiteilung jedoch gesenkt.107 Auf diese Weise konnten höchstwahrscheinlich mehr Prozesse behandelt werden, als es zuvor möglich gewesen ist. Das album iudicum wurde weiterhin jährlich nach dem Prinzip der sortitio vom praetor urbanus aufgestellt, der zwar durch einen Eid gebunden war, jedoch nach eigener Einschätzung die einzelnen iudices bestimmen durfte. In Bezug auf die senatorischen Richter erfüllten weiterhin die bereits bestehenden Senatsdekurien ihren Zweck. Die Auswahl der equites und tribuni aerarii unterlag augenscheinlich ohne jegliche Beschränkung dem Ermessen des praetor urbanus. Der Praetor war dabei auf die durch die Censoren vorgenommene richtige Erfassung des Census und die Mitarbeit der Quaestoren angewiesen.108 Die Gesamtzahl der zu berücksichtigenden Richter und der Umfang der Jahresliste, gerade im Hinblick auf den großen Rekrutierungspool der equites und tribuni aerarii, dürfte durch die begrenzende Mitgliederzahl des Senats bestimmt worden sein. Geht man der Annahme nach, der Senat verfügte über 400 Senatoren, die noch als Richter in Frage kämen, so durften die Zahlen der equites und tribuni aerarii diese nicht übersteigen. Das album iudicum würde jährlich nach dieser Prämisse aus 1200 iudices bestehen.109 Allerdings variieren die überlieferten Zahlen bezüglich der Senatoren mit richterlicher Tätigkeit. Das senatus consultum von 51 v. Chr. nennt die Zahl 300.110 Nimmt man diese Angabe als Ausgangspunkt, betrüge die Gesamtzahl des album iudicum 900 iudices, also anteilig je 300 Senatoren, Ritter und Ärartribune.111 Im Jahr 49 v. Chr. war die senatorische Richterzahl höher, sie betrug insgesamt 360 iudices.112 Demnach müssten 49 v. Chr. auf dem album iudicum 1080 Richter
106 Siehe zu den Grundstrukturen der sullanischen res publica Hantos 1988. 107 Zumindest scheint es keinen geschlossenen senatorischen Widerstand gegen die Verabschiedung der lex Aurelia gegeben zu haben: Marshall 1975, 140–141, 149–150. 108 Cic. Cluent. 121–122; Greenidge 1901, 445. 109 Siehe die Rekonstruktion und die Zahlen von Greenidge 1901, 445; zu den potentiellen Zahlen der iudices auf der Geschworenenliste (album iudicum) siehe auch Strachan-Davidson 1912, vol. II, 75–76; zu der Zahl 1200 iudices nach den Bestimmungen der lex Aurelia von 70 v. Chr. ebenfalls Strachan-Davidson 1912, vol. II, 102; Rosillo-López 2010, 157 gibt in Rückbezug auf Nicolet 1972 die Zahl 1300 an. 110 Cic. fam. VIII,7(8),5: „facerent et, cum de ea re ad senatum referrent, ut a consiliis, qui eorum in ccc iudicibus essent, s. f. s. adducete liceret“. 111 Davon geht auch Lengle 1933, 287 aus, der die Deutung von Strachan-Davidson, der von 1200 iudices ausgeht, als nichtzutreffend betrachtet. 112 Cic. Att. VIII,16,2: „iudices de ccclx, qui praecipue Cn. nostro delectabantur, ex quibus cotidie aliquem video, nescio quas eius Lucerias horrent.“
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
verzeichnet gewesen sein. Den divergierenden Zahlen der Senatsmitglieder, die für richterliche Tätigkeiten in Frage kamen, begegnet man auch bei der Betrachtung der sullanischen Gerichtshöfe. Aus diesem Grund bedingte die Anzahl der senatorischen iudices die Zahlen der equites und tribuni aerarii. Die lex Aurelia iudiciaria konstituierte für die bestehenden Gerichtshöfe der Republik neu zusammengesetzte Geschworenenbänke, deren Mitgliederzahlen alles bis dato Bekannte überstieg. Zum Vergleich: nach der lex Acilia bestanden die Richterbänke nach dem Prinzip der editio aus 50 iudices, die von der Gesamtliste aus 450 Rittern ausgewählt wurden; diese Zahl kann auf Basis der Fragmente der tabula Bembina113 genau bestimmt werden. Seit den sullanischen Reformen variierten die Richterzahlen in den Gerichtshöfen nach dem Prinzip der sortitio, reiectio und falls notwendig der subsortitio zwischen 25–38. Sie wurden aus der Gesamtzahl des Senats ausgelost und stellten damit die bis dahin geringste Richterzahl in den quaestiones perpetuae dar. Eine quaestio nach Verabschiedung der lex Aurelia iudiciaria verfügte über drei Richterdekurien. Eine 70–75 Mann starke Jury wurde zur Norm, idealerweise zusammengesetzt aus je 25 Senatoren, 25 equites und 25 tribuni aerarii.114 Die Unterschiede in den Geschworenenzahlen dürften, wie zur Zeit der sullanischen Gerichtshöfe, auf die Abwesenheit einiger Richter zurückzuführen sein.115 Nicht selten konnten die abgegebenen Stim-
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CIL I2 Nr. 583. Zu der tabula Bembina siehe neben Crawford 1996, vol. I, 65–112 auch Mattingly 1975, 255–263; ders. 1979, 478–488: hier erkennt Mattingly den Charakter der lex Acilia als eine sowohl lex iudiciaria (siehe die Bestimmungen über editio der Richter) als auch als eine lex repetundarum an; ders. 1983, 300–320; ders. 2013, 87–93. Greenidge 1901, 447; Cic. Pis. 96: „An ego exspectem dum de te v et lxx tabellae diribeantur, de quo iam pridem omnes mortales omnium generum, aetatum, ordinum iudicaverunt?“ Hier dürfte Cicero nicht von einem außerordentlichen Fall sprechen, sondern von einer allgemeingültigen Zahl von 75 iudices, die ihre tabellae am Ende eines Prozesses für die Beschlussfassung abzugeben hatten. Cic. Flacc. 4: „An equites Romanos? Indicabitis principes eius ordinis quinquaginta quid cum omnibus senseritis“, hier zählt Cicero die equites und die tribuni aerarii als eine Richter-ordo zusammen, daher die Zahl 50 equites Romanos; mit den 25 senatorischen Richtern erhält man erneut die Gesamtzahl von 75 iudices. Die Senatoren werden in Cic. Flacc. 96 erwähnt: „(…) illud vero ferri non potest, quod per senatores et per equites Romanos, qui haec omnia pro salute omnium communi consilio, (…)“. Cic. Att. IV,18,1: „quo modo ergo absolutus?“ πρώρα πρύμνα: accusatorum incredibilis infantia, id est L. Lentuli L. f., quem fremunt omnes praevaricatum, deinde Pompei mira contentio, iudicum sordes. ac tamen xxxii condemnarunt, xxxviii absolverunt.“ Cic. ad Q. fr. III,4,1: „Gabinius absolutus est. (…) qui tum illo accusatore illoque consilio sententiis condemnatus sit xxxii, cum lxx tulissent.“ Siehe zum Gabinius-Prozess Alexander 1990, 145 (Nr. 296). Der Aemilius Scaurus Prozess: Ascon. 30; Alexander 1990, 143 (Nr. 295). Darüber hinaus zur der lex Aurelia: Cic. Verr. II,2,174 zur Antragsstellung (jedoch keine namentliche Nennung); Cic. Verr. II,3,223: Den Senatoren soll die alleinige Richterkompetenz entzogen werden. Dafür werden die rostra besetzt, d. h. im übertragenen Sinne die Nutzung des Forums als öffentlicher Ort. Cic. Verr. II,5,177 f.: Über den Gesetzesantrag des Aurelius Cotta bezüglich der Neugestaltung der Gerichte bzw. der Richterauswahl; Vell. II,32,3: „Per idem tempus Cotta iudicandi munus, quod C. Gracchus ereptum senatui ad equites, Sulla ab illis ad senatum transtulerant, aequaliter in utrumque ordinem partitus est“. Greenidge 1901, 447.
7. Alte Gerichte mit neuen Richtern? – Lex Aurelia iudiciaria
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men der Geschworenen auch für ungültig erklärt werden.116 Dieselben Schwierigkeiten für die Rekonstruktion der Jurys tauchen nach der Verabschiedung der lex Aurelia weiterhin auf. Zwar wird von Cicero die Idealzahl von 75 iudices genannt,117 dennoch bezeugen die Exempel abweichende Ergebnisse: Im Jahre 54 v. Chr. wurde der Konsul von 58 v. Chr., A. Gabinius, unter der lex Cornelia de maiestate angeklagt. 32 der iudices sprachen Gabinius schuldig, 38 von ihnen stimmten für unschuldig.118 Die Gesamtgröße der Jury im Fall Gabinius fasste diesen Angaben nach insgesamt 70 Richter. M. Aemilius Scaurus, einer der Praetoren 56 v. Chr., wurde ebenfalls 54 v. Chr. unter Anwendung der lex Iunia de repetundis angeklagt. In seinem Fall stimmten die drei Richterdekurien mit 22 Senatoren, 23 equites und 25 tribuni aerarii ab. Die Jury in diesem Fall fasste nochmals insgesamt 70 iudices.119 L. Valerius Flaccus wurde 59 v. Chr. vor der quaestio de repetundis angeklagt. In der Rede pro Flacco heißt es: „Oder die römischen Ritter? Ihr selbst, fünfzig der Ersten dieses Standes, werdet durch euer Urteil dartun, wie ihr – in Übereinstimmung mit allen übrigen – eingestellt seid.“120 Die 50 Ritter dürften die equites equo publico und die tribuni aerarii gewesen sein. Fügt man 25 senatorische Richter hinzu, umfasste das Geschworenenkollegium 75 Richter.121 Trotz der theoretischen Darlegung Ciceros differierten die Zahlen der Jurymitglieder in den quaestiones also. Die Ursachen waren durchaus unterschiedlicher Natur und dürften sowohl für die sullanischen als auch für die Gerichtshöfe nach der lex Aurelia analog gewesen sein.122 Es bleibt die Frage offen, ob die lex Aurelia permanent eine Anzahl von 75 Richtern vorschrieb. Die Androhung Ciceros, in einem Repetundenprozess gegen L. Calpurnius Piso Caesonius würde ein Gericht von 75 Mann über den Angeklagten urteilen, darf über diesen Einzelfall hinaus Gültigkeit besessen haben.123 Sie spricht eindeutig für die Besetzung der quaestiones der iudicia publica mit 75 iudices. Der Unterschied in den hier zugrunde gelegten Beispielen des Gabinius und Aemilius Scaurus dürfen auf die bereits bekannten Probleme der nicht vorhersehbaren Ausfälle von Richtern und die für ungültig befundenen Stimmen zurückgeführt werden.
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Greenidge 1901, 389. Vgl. Cic. Pis. 96; Cic. Flacc. 4. Cic. Att. IV,18,1; Cic. ad Q. fr. III,4,1. Ascon. 30. Cic. Flacc. 4. Lengle 1933, 293. Auf die Gründe (Krankheit, Ausscheidung aufgrund einer Magistratur, plötzliche Todesfälle, die Ungültigerklärung von Stimmen) wurde bereits mehrfach hingewiesen. Stimmen konnten auch dann für ungültig erklärt werden, wenn Richter aus Protest oder Enthaltung die tabellae unkenntlich machten. Dieser Akt ist aus dem Prozess gegen Clodius Pulcher vor der quaestio extraordinaria 61 v. Chr. aufgrund des Bona-Dea-Skandals bekannt. Siehe Greenidge 1901, 398; Plut. Caesar 10; Plut. Cicero 29. Cic. Pis. 96.
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
Die lex Aurelia wurde mit dem Erlass der lex Pompeia iudiciaria von 55 v. Chr. um einige strengere Auswahlkriterien ergänzt.124 Nach wie vor wurden die drei ordines für das album iudicum berücksichtigt.125 Die Senatoren durften weiterhin ohne Einschränkungen als iudices fungieren. Allerdings wurde der Mindestcensus für die equites und tribuni aerarii von 400.000 und 300.000 HS nicht mehr akzeptiert. Der praetor urbanus erhielt für die Aufstellung des album iudicum die Anweisung, aus diesen beiden ordines jeweils diejenigen für das Richteramt auszuwählen, die den höchsten Census, d. h. das höchste Vermögen innerhalb ihres ordo aufwiesen. Gemäß ihrem Vermögen sollten so viele Männer ausgewählt werden, bis die notwendige Zahl an iudices erreicht war.126 Das entscheidende und unmittelbare Auswahlkriterium wurde damit ab 55 v. Chr. das Vermögen. Die Intention dieser neuen Regelung ging dahin, aus den Reihen der equites und tribuni aerarii solche Richter auszuwählen, die allein aufgrund ihres hohen Vermögens gegenüber Bestechungen weniger anfällig sein sollten.127 Die von Caesar initiierte lex Iulia iudiciaria von 46 v. Chr. schloss die Ärartribune gänzlich vom Richteramt aus. Nur rund zwei Jahre später (44 v. Chr.) wurden ihnen die Richterkompetenzen durch die Gesetzgebung des M. Antonius (lex Antonia iudiciaria) wieder übertragen.128 Antonius berücksichtigte allerdings nicht nur die Ärartribune für die Gerichtshöfe, sondern übertrug die Richterkompetenzen ohne Berücksichtigung des Census auch auf die Veteranen Caesars.129 Die Integration der Veteranen in den Bereich der Rechtsprechung erinnert stark an die Aufnahme neuer Senatoren in den römischen Senat unter Sulla und damit ihrer Funktion als Richter in den sullanischen Gerichtshöfen. In beiden Fällen spiegelt sich das politische Streben in der Instrumentalisierung der Gerichtshöfe und der Richterkompetenzen wider: Sowohl Sulla als auch Antonius versprachen sich dadurch eine Sicherung ihrer politischen Stellung. Die Bestimmungen der lex Aurelia von 70 v. Chr. erfuhren demnach gewisse Veränderungen, blieben jedoch ihrem Grundprinzip nach weiterhin in Kraft.130
124 Broughton MRR II, 214 im zweiten Konsulat des Pompeius mit Crassus. 125 Cic. Pis. 94: „(…) was für Richter wir, nachdem das neue Richtergesetz (lege iudiciaria) eingebracht ist, von jetzt an haben werden? Man wird nicht jeden, der bereit ist, ernennen noch jeden, der ablehnt, nicht ernennen; man will niemanden in den Richterstand (in illum ordinem) drängen, niemanden davon ausnehmen, und nicht Liebedienerei soll zu Vergünstigungen, nicht Voreingenommenheit zu unverdienten Nachteilen führen: die Richter werden Recht sprechen, die das Gesetz selbst, nicht menschliche Willkür bestimmt hat (iudices iudicabunt ei quos lex ipsa, non quos hominum libido delegerit)“. Eine deutliche Abgrenzung zu der uneingeschränkten Bestimmung der equites und tribuni aerarii vom praetor urbanus vor der Verabschiedung der lex Pompeia iudiciaria. 126 Rotondi 1962, 405; Greenidge 1901, 448–449; Gruen 1974, 232. 127 Gruen 1974, 232. 128 Greenidge 1901, 449; Rotondi 1962, 422, 431. 129 Ramsey 2005, 20–37, hier 20, 25, 27. Anscheinend wurde die lex Antonia 43 v. Chr. annulliert, um später erneut in Kraft gesetzt zu werden: ebd. 32–33; Rotondi 1962, 431. 130 Rotondi verzeichnet als letzte reguläre lex iudiciaria das Gesetz des M. Antonius von 44 v. Chr.
7. Alte Gerichte mit neuen Richtern? – Lex Aurelia iudiciaria
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Die Frage nach der Definition und der Differenzierung zwischen den beiden Gruppen der ‚traditionellen‘ equites (equo publico) und der tribuni aerarii bedarf hier keiner ausführlichen Diskussion.131 Gleichgültig ob sie formell dem ordo equester angehörten oder nicht, steht fest, dass 70 v. Chr. im Rahmen der lex Aurelia iudiciaria die Notwendigkeit gesehen wurde, zwischen diesen beiden Gruppen zu differenzieren, sie als zwei unterschiedliche Gruppen zu fassen und so in die Jurys zu integrieren.132 Daher liegt die Vermutung nahe, die equites im breiteren Sinne, d. h. gemeinsam mit den tribuni aerarii, hätten mit der Verabschiedung der lex Aurelia ein größeres Gewicht gegenüber den Senatoren in den quaestiones gehabt.133 Dem lässt sich entgegnen, dass die tribuni aerarii zwar denselben Census wie die equites aufbringen mussten, allerdings nicht den 18 Centurien der equites equo publico angehörten.134 Das Ausklammern der tribuni aerarii aus den Rittercenturien würde ihnen das politische Potential, das den equites zukam, absprechen.135 Das Aufbringen des nötigen Census (300.000) aber würde ihre Einordnung in die zweite Klasse der comitia centuriata bedeuten und damit notwendigerweise einen hohen politischen Einfluss zur Folge haben.136 Eine Trennung zwischen den beiden ordines der equites und tribuni aerarii zeigt sich gerade in der Planciana: Cicero verweist auf die große Anzahl der equites und tribuni aerarii, die nicht nur Plancius‘ Kandidatur unterstützt hatten, sondern ihm während des Prozesses mit ihrer Anwesenheit in Trauer(kleidung) und als demütige Bittsteller beistanden.137 Dieser
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Dem Census nach gehörten die tribuni aerarii wohl zum ordo equester. Zur Unterscheidung zwischen den equites und tribuni aerarii: Taylor 1961, 201; Nicolet 1966, 598 f.; Taylor und Nicolet stützen ihre Darlegungen auf Schol. Bob. 91 Stangl, nämlich dass die tribuni aerarii einen Census von 300.000 HS aufbringen mussten, wohingegen die These, dass sie denselben Census wie die equites equo publico haben müssten, von Hill, 156, 212–214 und Henderson 1963, 63 vertreten wird. Siehe Marshall 1975, 139. Kleinman 2016, 53–54 hauptsächlich politische Gründe. Hill 1952, 155–156; Brunt 1988, 210–211; Berry 2003, 223. Dazu Marshall 1975, 139: „It would seem that the tribuni aerarii had the equestrian census, but were elected in some way to an obsolete military office which distinguished them as an ordo within the state, while the equites of the lex Aurelia were those who belonged or had belonged to the eighteen centuries of equites equo publico (i. e. those who had been officially designated as equites)“. Siehe auch Wiseman 1970, 72–74, der sich mit der Ansicht von Nicolet beschäftigt und für die tribuni aerarii die Schlussfolge formuliert: „The tribuni aerarii created (or revived) by the Aurelian law in 70 B. C. to help staff the jury-courts were evidently not equites proper – their decuria was separate from the equestrian one, and Dio explicitly calls them part of the plebs – yet Asconius includes them among the judges selected „amplissimo ex censu“ by Pompey’s law of 55. Mommsen’s view was surely right, that this phrase must mean the equestrian census; in which case we have a class of men who have the 400,000 HS qualification but are not equites.“ Die Referenzen: Cass. Dio 43,25,2; Ascon. 17C. So Wiseman 1970, 79. Greenidge 1901, 444. Cic. Planc. 21: „(…) quam quidem nunc multitudinem videtis, iudices, in squalore et luctu supplicem vobis. Hi tot equites Romani, tot tribuni aerarii – (…) – quid roboris, quid dignitatis huius petitioni attulerunt?“ Demnach haben sowohl die equites Romani als auch die tribuni aerarii zum einen die Kandidatur des Plancius maßgeblich unterstützt, zum anderen sind sie unter Ausschluss der plebs
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IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia
Verweis dürfte sich aber nicht nur auf die als Richter im Prozess tätigen tribuni aerarii bezogen haben, sondern gleichwohl auf die hohe Gesamtzahl der Ärartribune, aus deren Reihen die Jurymitglieder rekrutiert wurden.138 Die tribuni aerarii hatten folglich sowohl die finanziellen Möglichkeiten, als auch zahlenmäßig spätestens um 70 v. Chr. die notwendige Anzahl, um aktiv am politischen Leben zu partizipieren. Das Gesetz des Aurelius Cotta von 70 v. Chr. mag unter diesem Gesichtspunkt und der Betrachtung der politischen Kräfte zur Zeit der Verabschiedung durchaus als ein Kompromiss verstanden werden. So konnten die tribuni aerarii sowohl repräsentativ mit physischer Anwesenheit als auch anhand finanzieller Unterstützung die von ihnen favorisierten Kandidaten unterstützen und gleichzeitig ihren Aufgaben als Richter in den quaestiones nachkommen. Gerade die Rolle der tribuni aerarii unter Betrachtung des Falls Plancius macht auch ihr politisches Potential für die Wahl der Beamten in den comitia tributa deutlich. Wie die Senatoren und equites umfassten die tribus auch die tribuni aerarii als Mitglieder. Aufgrund dieser Zugehörigkeit, ihres Census und ihrer Qualifikation als selbständiger ordo spielten die tribuni aerarii auch in den comitia tributa eine entscheidende Rolle. Wiseman bezeichnet die tribuni aerarii als homines equestri censu und vergleicht ihre direkte Teilhabe am politischen Leben, nämlich in Form der Inklusion in die Gerichtshöfe ab 70 v. Chr., mit der der equites nach der lex Acilia von 123 v. Chr.139 Wie die equites, die mit der lex Acilia erstmals für die quaestio repetundarum in den Genuss der unmittelbaren politischen Einflussnahme kamen, so wurde mit der lex Aurelia 70 v. Chr. den tribuni aerarii dieselbe Partizipationsmöglichkeit eröffnet. 8. Der ambivalente Charakter der lex Licinia: Eine lex iudiciaria? Trotz Bestehens der lex Aurelia und ihrer Änderung durch die lex Pompeia iudiciaria von 55 v. Chr. wurde im selben Jahr die lex Licinia de sodaliciis verabschiedet. Sie verdient insofern eine detaillierte Untersuchung, da ihr Inhalt ambivalent zu sein scheint: Auf Tatbestandsebene werden neue Praktiken der Wahlwerbung bestimmt, die auf den Einsatz der in den tribus organisierten sodalicia zurückzuführen sind. Die Sanktionen richten sich nach dem Strafmaß, das bereits durch die lex Tullia de ambitu 63 v. Chr. etabliert wurde. Auf der Ebene der Verfahrensweise wurden allerdings prozessuale
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auch vor Gericht anwesend. Unmittelbar folgt an derselben Stelle die Abgrenzung dieser beiden Gruppen von der plebs „nam plebem a iudicio dimisimus“. Mit dieser Abgrenzung verfolgte Cicero auf rhetorischer Ebene sicherlich die Absicht, die Unterstützer des Plancius beeindruckender erscheinen zu lassen. Eine Besprechung von squalor, luctus und supplex findet sich im Kommentar unter dem Stichwort veste mutata: Cic. Planc. 29. Wiseman 1970, 79 bezeichnet sie hier als den ordo analog zu dem ordo equester. Wiseman 1970, 80: „If this is right, then the homines equestri censu were given an official position of honour and a measure of political influence, though in the courts (like the equites proper in 123) rather than in the equestrian centuries of the centuriate assembly.“
8. Der ambivalente Charakter der lex Licinia: Eine lex iudiciaria?
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Sondervorschriften eingeführt, die in erster Linie die Zusammensetzung der Jury, d. h. die Einberufung von iudices für die quaestio de sodaliciis betrafen. Das wohl bedeutendste Merkmal der lex Licinia besteht im Aufgreifen einer prozessualen Verfahrensform, die seit der lex Acilia von 123/22 v. Chr. nicht mehr praktiziert wurde: die editio. Durch die Verabschiedung der lex Cornelia iudiciaria 82 v. Chr. war sie obsolet geworden. Allerdings wurde 55 v. Chr. nicht die bekannte Form der editio iudicum wiedereingeführt, sondern die modifizierte Form der editio tribuum.140 Demnach durften nicht einzelne Individuen als iudices ausgewählt werden, sondern einzelne tribus, aus denen die iudices bestellt werden sollten. Diese Vorgehensweise erzeugte eine Kompetenzverlagerung beim Prozess der Richterauswahl. Wo bis dato die Prozessbeteiligten, vor allem aber die Anwälte, in beratender Funktion ein hohes Mitspracherecht genossen, musste unter Anwendung der lex Licinia mit solchen Richtern vorliebgenommen werden, die mittels der editio tribuum berufen wurden. Diese Vorgehensweise wurde allerdings auf die Fälle de sodaliciis beschränkt und galt damit nur für die Zusammensetzung der quaestio de sodaliciis.141 Es zeigt sich hierin einer der wichtigsten Unterschiede zu den leges iudiciariae. Die letzteren besaßen unabhängig von den einzelnen quaestiones Gültigkeit, die lex Licinia de sodaliciis sollte jedoch nur für die außerordentliche quaestio de sodaliciis Anwendung finden. Obwohl sie eine Sonderform in Bezug auf die Richterbestellung vorsah, nämlich tributim, war sie dennoch keine reine lex iudiciaria. Eine Einbindung der tribus in die Gerichtshöfe hatte bis dato keine der leges vorgesehen. Der ambivalente Charakter der lex Licinia zeichnete sich also wie folgt aus: Ihre Bestimmungen zielten in letzter Konsequenz auf illegale Wahlkampfmethoden des ambitus, die speziell mit Hilfe von sodalicia in den tribus organisiert wurden, dabei aber normative Regelungen berücksichtigten, die in den Bereich der leges iudiciariae fielen und damit eine gänzlich neue quaestio konstituierten.
140 Zur lex Licinia und der quaestio de sodaliciis siehe Greenidge 1901, 453–456. Zum Charakter der leges iudiciariae siehe Kunkel 1995, 269. 141 Cic. Planc. 36; Greenidge 1901, 453; Strachan-Davidson 1912.
V. Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik 1. Zum Verhältnis von ambitus und vis Die Anwendung organisierter Gewalt in politischen Kontexten (bei Wahlen, Gerichtsprozessen und Gesetzesabstimmungen) ist nach Ansicht Nippels ein „Ausdruck von Störungen des regulären politischen Entscheidungsprozesses“.1 Dieser Ansatz lässt sich in besonderer Weise für die folgende Untersuchung fruchtbar machen. Ambitus wurde nämlich nicht selten mit vis in Verbindung gebracht, da gewalttätige Auseinandersetzungen eine konstante Nebenerscheinung der aggressiven Wahlkampagnen in Rom waren, die sich bekanntermaßen alljährlich wiederholten. Der direkte Zusammenhang zwischen vis und ambitus wurde nicht erst während der Umtriebe des Clodius Pulcher evident – gezielte Gewaltanwendung für politische Zwecke stellte auch nicht zum ersten Mal mit der Figur des Clodius eine Bedrohung für die res publica dar.2 Obschon das Jahr 133 v. Chr., das gemeinhin als Beginn der Epoche der späten Republik gilt, durch innenpolitische Unruhen gekennzeichnet war und diese Unruhen sich bekanntermaßen in den Folgejahren fortsetzten, wurde gerade in den sechziger und fünfziger Jahren des 1. Jahrhunderts das Potential des Zusammenspiels zwischen vis und ambitus offensichtlich.3 Hier sei unter anderem auf die gewalttätigen Wahlumtriebe und Auseinandersetzungen der Jahre 68/67 v. Chr. verwiesen. Der Senat hatte sich gegen die Durchsetzung der rogatio Cornelia de ambitu ausgesprochen, die mit strengen Maßnahmen gegen ambitus in erster Linie den am ambitus beteiligten Personenkreis wie die divisores verfolgen sollte. Als der Konsul des Jahres 67 v. Chr., C. Calpurnius Piso, in einer der contiones des Volkstribuns C. Cornelius erschien, um sich gegen die rogatio auszusprechen, wurde er nicht nur mit Steinen beworfen. Die „osten1 2
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Nippel 1981b, 10. Eine Reihe von republikanischen Gesetzen gegen vis, die die Gewaltanwendung gegen Magistrate einerseits und die Besetzung von öffentlichen Plätzen durch gewalttätige Gruppen andererseits unter Strafe stellten, sind schon vor Clodius’ Zeit als Volkstribun nachweisbar: Nippel 1995, 54–55; Lintott 1968 zu vis in der späten Republik. Lintott 1968, 110 führt dafür die Jahre 63–62, 57–56 und 52–51 v. Chr. an; ferner 209–216; zu den leges de vi 107 ff.; zur Erwähnung der Parallelität zwischen vis und ambitus siehe auch Schuller 2000, 359.
1. Zum Verhältnis von ambitus und vis
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tative Mißachtung der magistratischen Gewalt“4 gipfelte in der Entwendung und dem demonstrativen Zerbrechen der fasces des Konsuls. Auch zeitgenössische politische Akteure hatten die Kombination aus vis und ambitus und ihren Einfluss auf das politische Leben durchaus erkannt. So schrieb C. Iulius Caesar, als er über die legislativen Maßnahmen während seiner Diktatur von 49 v. Chr. berichtete, er habe nicht nur die Wahlen für das folgende Jahr geleitet, sondern auch diejenigen Senatoren rehabilitiert, denen durch die Gewaltherrschaft des Pompeius mit Hilfe der lex Pompeia de ambitu von 52 v. Chr. gezielt ihre Senatorenwürde entzogen worden war: Auch setzte er (Caesar) auf Antrag der Praetoren und Volkstribunen in der Volksversammlung einige Männer wieder in ihre Rechte ein, die man in der Zeit, als Pompeius die Stadt durch seine Legionen besetzt hielt, nach dem Gesetz des Pompeius wegen Wahlbestechung verurteilt hatte.5
Caesar deutet die Umstände der Herrschaft des Pompeius damit in erster Linie als gewalttätig. Die Klagen und Verurteilungen de ambitu gewinnen in diesem Zusammenhang einen deutlich negativen Charakter: Demnach sind Prozesse de ambitu, die gewalttätigen Situationen entsprungen sind, als ein Instrument zur Bekämpfung der politischen Opposition zu verstehen. Dabei verschweigt Caesar selbstverständlich die Tatsache, dass er unter identischen Bedingungen, nämlich mit der Demonstration militärischer Macht, diejenigen aus dem Exil zurückberief, die Pompeius einst in seiner diktaturähnlichen Machtstellung, nämlich als consul sine collega, verbannt hatte.6 Es ist wohl auch mehr als bemerkenswert, dass Pompeius in mindestens zwei Prozessen, nämlich im Prozess gegen Milo und Scaurus, Soldaten einsetzte, um eine Unterbrechung der Gerichte durch die Menge zu verhindern:7 Die Demonstration militärischer Gewalt im Sinne der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung scheint dann allerdings eine positive Konnotation zu gewinnen – damit stilisierte sich Pompeius schließlich zum defensor rei publicae.8 In der darauffolgenden Schilderung kritisiert Caesar die prozessuale Verfahrensweise der Prozesse de ambitu unter Anwendung der lex Pompeia. So seien zum einen Prozesse an einem Tag geführt worden, zum anderen wäre der Urteilsspruch von
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Ascon. 58C; Cass. Dio 36,38,4–39,2; Nippel 1981b, 11; Nippel 1988, 62–63: Das Zerbrechen der fasces als „spektakuläre Mißachtung der magistratischen Würde“; ferner ders. 1988, 186 Anm. 62 mit weiteren Verweisen auf bekannte Vorfälle dieser Art; ders. 1995, 12–15 zur Bedeutung der fasces und der symbolischen Funktion der lictores. Caes. civ. III,1,4: „Item praetoribus tribunisque plebis rogationes ad populum ferentibus nonnullos ambitus Pompeia lege damnatos illis temporibus, quibus in urbe praesidia legionum Pompeius habuerant, (…).“ Gelzer 1984, 149 f. Nippel 1988, 139–140. Cic. Att. VIII,3,3. Zur Caesar in diesem Kontext: Nippel 1988, 142–143.
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V. Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik
Richtern getroffen worden, die bei der Prozessführung nicht anwesend waren: „Die Prozesse hatten jeweils nur an einem Tag stattgefunden, wobei eine Richtergruppe die Beweisaufnahme durchführte, andere aber das Urteil sprachen.“9 Die Verurteilungen unter Pompeius entsprangen demnach nicht nur einer gewaltsamen Ausgangssituation, sondern wurden gegen die bisherigen Regelungen der Prozessführung herbeigeführt. Der Beginn des Jahres 52 v. Chr. war gekennzeichnet durch innenpolitische Zerrüttungen, die sich bereits anhand der drei Interreges ablesen lassen: M. Aemilius Lepidus, der von Clodius’ Banden im eigenen Haus für sechs Tage belagert wurde, Ser. Sulpicius Rufus, der die Wahl des Pompeius zum alleinigen Konsul leitete, und schließlich M. Valerius Messalla (Niger).10 Zurückführen lassen sich diese innenpolitischen Gewaltakte auf die Kandidaten um das Konsulat für das kommende Jahr und auf die Kandidatur des Clodius Pulcher für die Praetur.11 Das Jahr 53/52 v. Chr. sticht in besonderer Weise hervor: Die Bewerber hatten sich nicht nur der Methoden des ambitus bedient, sondern zur Sicherung von honores auf offene Gewalt zurückgegriffen. Ausgerechnet Clodius Pulcher hatte im Senat die Kandidatur Milos aufgrund von vis, ambitus und hoher Verschuldung für unzulässig erklärt.12 Spätestens die Ermordung des Clodius im Januar 52 bei Bovillae durch die Banden des T. Annius Milo und die Zerstörung der Curie im Zuge der tumultuösen Verbrennung der Leiche des Clodius hatten verdeutlicht, dass Gegenmaßnahmen getroffen werden mussten.13 Die Konflikte hatten insofern einen positiven Effekt, da die Anhänger des Pompeius und Cato die Wahl des Ersteren gemeinsam unterstützten, um die innere Ordnung zu restaurieren. Das daraufhin verabschiedete Gesetzespaket des Pompeius beinhaltete neben der lex de ambitu eine lex de vi.14 Der Eingriff der lex Pompeia in die prozessuale Verfahrensweise war nicht nur der Rhetorik Caesars und seiner negativen Darstellung der Person des Pompeius zu verdanken. So hatte Pompeius als consul sine collega eigenständig die Richterliste bestehend aus 360 iudices mit je 120 Senatoren, equites und tribuni aerarii aufgestellt. Aus dieser Gesamtliste wurden per sortitio 81 iudices bestimmt. Anhand der individuellen 9 10 11 12 13
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Caes. civ. III,1,4: „quae iudicia aliis audientibus iudicibus, aliis sententiam ferentibus singulis diebus erant perfecta, (…).“ Broughton MRR II, 236–237; zu den Konflikten zu Beginn des Jahres 52: Nippel 1995, 76–81. Q. Metellus Scipio und P. Plautius Hypsaeus traten unterstützt von Pompeius gegen T. Annius Milo an: Nippel 1988, 128; Gelzer 1984, 145 f. Nippel 1988, 128. Nippel 1981b, 13: Bei der Verbrennung der Leiche des Clodius in der Curie handelte es sich nicht um eine spontane, sondern um eine geplante und wohl überlegte Aktion; so auch Flaig 2003, 141, der die Handlungen unmittelbar nach dem Tod des Clodius als „genau gesetzte Akzente“ versteht, die eine „exakte Inversion einer pompa funebris“ darstellen sollten; Nippel 1988, 128 ff. zur ‚Leichenfeier‘ für Clodius. Zu den Reaktionen auf die Tumulte zu Beginn des Jahres 52 ebenfalls Nippel 1988, 136 ff. Rotondi 1962, 410–411; Gelzer 1984, 149 f.
1. Zum Verhältnis von ambitus und vis
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reiectio beider Parteien konnten 30 iudices abgelehnt werden (je 15 für Ankläger und Angeklagte, d. h. 5 bzw. insgesamt 10 Richter pro ordo). Auf diese Weise kam ein Kollegium aus 51 Richtern zustande. Weiterhin wurde die Anzahl der patroni beider Prozessbeteiligten festgelegt, Leumundszeugen, deren Vorladung Cicero noch 55 v. Chr. in der Planciana kritisiert hatte, wurden untersagt, die Verhandlungstermine wurden festgelegt und die Dauer der Prozesse begrenzt. Vor Prozessbeginn im Gerichtshof wurden drei Tage lang Zeugenaussagen von einem Richterkollegium aufgenommen, am vierten Tag wurden erneut die tabellae mit den Richternamen auf ihre Korrektheit überprüft, bevor am fünften Tag das ausgeloste Richterkollegium den Prozess aufnehmen konnte. Die Entscheidung musste noch am selben Tag gefällt werden – dieses Prozedere hatte Caesar also kritisiert.15 Durch das Verbot weiterer Zeugenaussagen und die Verkürzung der Redezeit beider Prozessparteien (zwei Stunden für die Anklage und drei für die Verteidigung) dürften die Verfahren schneller als zuvor geführt worden sein.16 Das Strafmaß der lex Pompeia sah weiterhin das Exil (wohl lebenslänglich) mit Beschlagnahmung des Vermögens vor. Die neuen prozessualen Bestimmungen sollten also sowohl die Verschleppung der Prozesse de ambitu verhindern, als auch, wie Caesar es darstellt, nutzte Pompeius die lex, um gezielt politische Gegner zu exilieren. Eine weitere Schlussfolgerung drängt sich unmittelbar auf: Nicht nur am Exempel der lex Licinia de sodaliciis lässt sich nachweisen, dass für die ambitus-Verfolgung der späten Republik nicht mehr das Strafmaß ausschlaggebend war, sondern der Fokus eindeutig auf die prozessuale Verfahrensweise gelenkt wurde. Auch eine Vermischung der unterschiedlichen Gesetzeskategorien, nämlich der leges iudiciariae und der leges de ambitu, lässt sich mit Hilfe dieser beiden Gesetze von 55 und 52 v. Chr nachweisen. Die Strenge der leges de ambitu ist folglich spätestens nach 63 v. Chr. nicht mehr in den Sanktionen, sondern in der Konkretisierung und Verschärfung des prozessualen Rahmens zu suchen. Neben den Erörterungen Caesars findet sich eine Erwähnung in der Korrespondenz Ciceros mit Ap. Claudius Pulcher, in der auch maiestas in eine direkte Relation zu ambitus gesetzt wird. Der Sachverhalt war folgender: Ap. Claudius wurde 50 v. Chr. wegen zweier Delikte von P. Cornelius Dolabella angeklagt. Gegenstand der ersten Anklage war der Vorwurf wegen maiestas, wohingegen die zweite Anklage wegen des Vorwurfs von ambitus angestrengt wurde.17 Sich auf die beiden Anklagen beziehend stellt Cicero in dem Brief an Ap. Claudius die rhetorische Frage, wo denn der Unterschied zwischen einem Prozess de maiestate und de ambitu zu suchen sei. Die Antwort darauf lautet wie folgt:
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Vgl. neben Caes. civ. III,1,4; Cic. Att. VIII,16,2; Cass. Dio 40,52,1; Nadig 1997, 67 ff. Zu den einzelnen genannten Bestimmungen Nadig 1997, 68–69; Kowalski 2007, 31. Alexander 1990, 166 (Nr. 344 und Nr. 345).
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V. Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik
Aber Du wirst sagen: was ist denn für ein Unterschied, ob wegen Bestechung oder Majestätsverbrechen? Der Sache nach keiner. Denn mit Bestechung hast Du Dir die Finger nicht beschmutzt, und die Hoheit des Römischen Volkes hast Du nur gefördert. Immerhin ist es ein Majestätsprozeß, wiewohl Sulla verfügt hat, daß man nicht ungestraft gegen jeden beliebigen lospoltern darf. Bestechung jedoch ist etwas so Offenkundiges, daß entweder der Ankläger oder der Verteidiger unredlich ist.18
Cicero stellt die Tatbestände ambitus und maiestas als zwei Äquivalente dar: Zwar können beide Delikte durchaus als contra rem publicam verstanden werden, doch steht hier wohl an erster Stelle der Charakter des Briefs einerseits, und die in ihm zum Ausdruck gebrachte Fürsprache und Bestätigung des Ap. Claudius andererseits im Vordergrund.19 Gewalttätige Ausschreitungen (vis) waren nicht nur eine Nebenerscheinung von ambitus, vielmehr scheinen beide Delikte sich gegenseitig stark bedingt zu haben. In einer solchen Konstellation wurden Anklagen de ambitu unter zusätzlicher Anwendung von vis zu einer beliebten und durchaus effektiven Obstruktionsmethode im politischen Konkurrenzkampf der späten Republik. Das Zusammenspiel der leges de vi und de ambitu kann allerdings nicht nur mit Hilfe der politisch-historischen Kontextualisierung wie der Ereignisse von 68/67, 55 oder 52 v. Chr. nachgewiesen werden. Eine empirische Untersuchung führt zum gleichen Ergebnis. So lässt sich in folgenden Jahren eine simultane Verabschiedung von Gesetzen gegen Gewaltakte sowie unerwünschte Wahlpraktiken nachweisen:
18 19 20
81 v. Chr.
lex Cornelia de vi lex Cornelia de ambitu
(78)/63 v. Chr.
lex Plautia de vi lex Tullia de ambitu20
52 v. Chr.
lex Pompeia de vi lex Pompeia de ambitu
18/17 v. Chr.
lex Iulia de vi lex Iulia de ambitu
Cic. fam. III,11,2: „‚De ambitu vero quid interest‘, inquies, ‚an de maiestate?’ ad rem nihil; alterum enim non attigisti, alteram auxisti. Verum tamen est maiestas, etsi Sulla voluit ne in quemvis impune declamari liceret, ; ambitus vero ita apertam vim habet ut aut accusetur improbe aut defendatur.“ Vgl. Lintott 1968, 118–119. Für das Jahr 63 v. Chr. bzw. (78)/63, da Rotondi für die lex Plautia de vi beide Jahre als Alternativen nennt, müssen noch die rogatio Caecilia de poena ambitus P. Sullae et P. Autronio Paeto remittenda von 64 v. Chr. und die lex Fabia de numero sectatorem von (67)/63 genannt werden; vgl. Rotondi 1962, 377–379.
1. Zum Verhältnis von ambitus und vis
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In den entscheidenden Krisenmomenten der Republik zeigte sich also der Wunsch nach politischer Stabilität in erster Linie durch die Verabschiedung von Gesetzespaketen, in deren Rahmen die Gesetze gegen vis und ambitus zu zwei festen Komponenten wurden. Kandidaten, die sich im Wettkampf um politische Ämter durchgesetzt hatten, wurden nicht selten unter dem Vorwand oder wegen des tatsächlichen Einsatzes fragwürdiger Methoden im Wahlkampf zur Zielscheibe der politischen Invektive, indem sie nicht nur wegen ambitus, sondern zugleich wegen vis angeklagt wurden. Mindestens vier Fälle gerichtlicher Verfolgung im selben Zeitraum können diese Vermutung stärken: Name
Jahr
Anklage
P. Sestius21
56 v. Chr.
lex Tullia de ambitu lex Plautia de vi
T. Annius Milo
52 v. Chr.
lex Pompeia de vi lex Pompeia de ambitu lex Licinia de sodaliciis
Ap. Claudius Pulcher P. Vatinius
Oktober 51 v. Chr.
lex Pompeia de vi
April? 50 v. Chr.
lex Pompeia de ambitu
54 v. Chr.
lex Licinia de sodaliciis
54/53 v. Chr.
de vi (?)22
Die Fälle des Ap. Claudius Pulcher und des T. Annius Milo bestätigen den denunziatorischen Charakter und damit die politische Bedeutung von ambitus. Gerichtliche Klagen de ambitu konnten schließlich erst nach gewonnener Wahl oder nach Ablauf der Amtszeit angestrengt werden. Eine Anklage de ambitu nach Beendigung einer Amtsphase und die damit entstandene zeitliche Distanz zwischen Wahl und gerichtlicher Verfolgung sind sichere Indikatoren für individuelle und politisch motivierte Ziele einzelner Personen.23 Anders formuliert: Die unmittelbar nach Abschluss der Wahlvorgänge angestrengten Prozesse de ambitu konnten entweder als Rechtschaffenheit bzw. Systemtreue einzelner Individuen gegenüber der res publica oder eben als politische Absicht – in diesem Falle die Durchführung von Neuwahlen und damit erneute Chancen auf das angestrebte Amt – verstanden werden. Prozesse aber, 21 22 23
Riggsby 1999, 89–97, 105–112 setzt sich knapp mit den Prozessen de vi gegen Sestius und Milo auseinander. Die Prozessdaten nach den Angaben von Alexander 1990 und Lintott 1968 (Appendix B). Ferner wurden P. Cornelius Sulla und P. Autronius Paetus im Jahr 66 v. Chr. nach der lex Calpurnia de ambitu belangt, um 62 v. Chr. gemeinsam nach der lex Plautia de vi angeklagt zu werden. Gruen 1974, 301; Shakelton Bailey 1970, 162–165 mit einer Auflistung der ambitus-Klagen gegen designierte Magistrate.
136
V. Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik
die erst nach Beendigung einer Amtsperiode begonnen wurden, spiegeln besonders deutlich die Verfolgung politischer Akteure mit Hilfe von ambitus-Klagen wider. Auch die strafrechtliche Verfolgung anhand mehrerer Prozesse, die sich im Tatbestand ähnelten, sprechen dafür. Schließlich hatte Dolabella, als die Anklage de maiestate nicht erfolgreich war, Ap. Claudius wegen ambitus anklagt, so wie Milo erst wegen ambitus und kurze Zeit später wegen sodalicia angeklagt worden war. Die Relation zwischen ambitus und vis lässt sich nicht nur auf der Grundlage von Einzelfällen nachweisen. Eine systematische Untersuchung der collegia und sodalitates und ihr Einsatz im Rahmen von Wahlkämpfen führt zu einem gleichen Ergebnis. 2. Collegia: Nährboden gewalttätiger Aktionen für ambitus Vereine waren bekannte Institutionen der römischen Republik, die zur Verfolgung gemeinsamer Ziele eingerichtet wurden. Das römische Recht sah für Vereinsgründungen zunächst kein Verbot vor. Bereits die Zwölftafelgesetze hatten Vereinsgründungen gestattet.24 Die überlieferten Fälle von Sanktionen, Verboten und Auflösungsbeschlüssen, die hier betrachtet werden, zielten gegen solche Vereinigungen, die zwar unter dem Deckmantel konventioneller Termini als collegia und sodalitates bestanden, aber aufgrund ihres Potentials zur Beeinflussung des politischen Alltags gezielt eingesetzt wurden und nicht selten gegen bestehende leges verstießen. Gerade weil das römische Recht ursprünglich keine Verbote gegen Vereinsgründungen kannte, bildeten sich unterschiedliche Formen solcher Zusammenschlüsse heraus, deren Mitglieder unabhängig von der Vereinsform als sodales bezeichnet wurden.25 Die terminologische Schwierigkeit der Binnendifferenzierung unterschiedlicher Formen von Vereinigungen treten bereits an dieser Stelle auf. Nicht nur wurden die Mitglieder der hier zu untersuchenden Vereine gleichwertig als sodalis/sodales bezeichnet, sondern collegia und sodalitates teilten sich in die gleichen Untereinheiten von centuriae und decuriae auf. Gesetzesbestimmungen konnten demnach sowohl auf die eine als auch auf die andere Form der Zusammenschlüsse ihre Anwendung finden.26 Auch Wiseman verweist auf dieses Problem: Gerade in den Jahren zwischen 60 und 50 hätten sich eine Reihe von Vereinen unmittelbar am politischen Geschehen und an individuellen Wahlkampagnen der Amtsbewerber beteiligt. Die Differenzierung unterschiedlicher Vereinsformen wird allerdings aufgrund der äquivalenten Terminologie sichtlich erschwert.27 24 25 26 27
Lex XII tab. 8,13 (14b-15b) = Gai. Dig. 47,22,4 = Crawford 1996, vol. II, 694–695. Siehe zu Dig. 47,22 die kritische Auseinandersetzung von Bendlin 2016, 435–464. Köpke/Landgraf 1887, 14–15; OLD2 1962 s. v. sodalis. Siehe im Folgenden, als im Rahmen des SC 56 v. Chr. gegen die sodalitates die Einteilung der sodales in decuriae unter Strafe gestellt wurde und diese Sanktion losgelöst von den sodalitates ebenfalls für die collegia Anwendung fand. Siehe zu diesem Problem ausführlicher Linderski 1961. Wiseman 1971, 130 ff.
2. Collegia: Nährboden gewalttätiger Aktionen für ambitus
137
Die strukturelle Ähnlichkeit macht also eine streng semantische, wie auch juristische Trennung fast unmöglich. Bei der näheren Untersuchung der gegen die gewalttätigen und politisch auffälligen Vereine erlassenen Senatsbeschlüsse, Plebiszite und Gesetze sind die juristischen Beschlüsse, auch wenn sie de collegiis, de sodalitatibus oder de sodaliciis verabschiedet wurden, nur schwer unterscheidbar. So konnten die in diesen Beschlüssen vorgesehenen Maßnahmen durchaus verschiedene Organisationen treffen.28 Die fortschreitenden Mobilisierungsmechanismen für Wahlen, die nicht mehr auf die direkte Interaktion zwischen Wähler und Kandidat beschränkt wurden, weiteten sich auf die vorhandenen Vereinsstrukturen aus, um einen möglichst breiten Wählerkreis zu erreichen. Die collegia zeichneten sich durch ihre Vielfältigkeit und ihre im Vergleich zu den sodalitates hohe Anzahl aus.29 Zurückführen lässt sich dies auf ihre Eigenschaft, wonach mindestens drei Männer derselben Berufsgruppe, Amtstätigkeit oder kultischen Orientierung sich zu einem collegium zusammenschließen konnten.30 So gab es die collegia der pontifices, der augures, der tribuni usf.31 Die gesetzliche Grundlage der collegia, wie das oben erwähnte allgemeine Vereinsrecht, ist durch die Zwölftafelgesetze belegt.32 Neben der beruflichen Vereinigung spielte der soziale Aspekt in den collegia eine große Rolle, der durch das Zelebrieren von Geburtstagen, Totenfeiern, gemeinsamen Speisungen und Geldgeschenken zum Ausdruck kommt.33 Die finanzielle Ausstattung eines collegium speiste sich aus Beiträgen der Mitglieder, den Eintrittsgebühren in das jeweilige collegium und aus den Beträgen, die für das Bekleiden gewisser Positionen in den collegia zu bezahlen waren.34 Ein Mindestalter für den Eintritt in die Kollegien ist nicht bekannt. Organisiert waren sie in decuriae oder centuriae (theoretisch Einheiten aus 10 oder 100 Personen, wobei die Anzahl in den decuriae wohl höher gewesen sein dürfte35), die wiederum in decuriae aufgeteilt werden konnten und sich autonom verwalteten. Jede decuria unterstand der Leitung eines decurio. Das collegium als Gesamtstruktur wurde vom magister collegii verwaltet, der entweder für fünf bis zehn Jahre gewählt wurde oder einem collegium lebenslänglich vorstand.36
28 29 30 31 32 33 34 35 36
Siehe im Folgenden unter anderem die Beschlüsse gegen die decuriae, welche sowohl die der collegia als auch die der sodalitates zugleich betreffen konnten. Die nach wie vor ausführlichste Untersuchung zum römischen Vereinswesen von den Anfängen bis zum Untergang des weströmischen Reiches bietet Waltzing 1895–1900 in vier Bänden. E. Kornemann, RE 7,2 (1900) 380–480 s. v. collegium. Köpke/Landgraf 1887, 16. Gai. Dig. 47,22,4 und Lex XII tab. 8,13 (14b-15b); siehe Bendlin 2016, 435–464; Crawford 1996, vol. II, 555–721, hier 582–583 = tab. VIII, 14–15 (VIII, 26–27). Zu den unterschiedlichen Formen der collegia, ihrer Zusammensetzung, ihrer Patronatsverhältnisse siehe in aller Kürze Liu 2013, 352–368. P. Herz, DNP 3 (1997) 67–69 s. v. collegium; siehe zur sozialen Komponente, der Mitgliedschaft und den Beiträgen Kloppenborg 1996, 16 f., 23 f. Stroh 2017, 380. E. Kornemann, RE 7,2 (1900) 380–480 s. v. collegium.
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V. Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik
Die Tätigkeiten des magister collegii umfassten unter anderem die Einschreibung und die Führung der Mitgliederlisten.37 Über die eigentlichen Aufgaben innerhalb der collegia hinaus kam den magistri collegiorum und vicorum eine wichtige Schlüsselfunktion zu: Sie übernahmen nicht nur die Kommunikation zwischen politischen Führern/Amtsbewerbern und den Vereinsmitgliedern, sondern waren in erster Linie für die Mobilisierung der Menge bzw. größerer Gruppen von Bedeutung.38 Nippel bezeichnet sie daher treffend als „Funktionärsschicht“; Vanderbroeck hingegen führt den Begriff der „intermediate leaders“ ein.39 Neben dem magister collegii wählten sich die collegia einflussreiche Personen als patroni,40 die einerseits die Interessen der collegia vertraten, andererseits die Kommunikation zwischen den collegia und den Mitgliedern der politischen Führungsschicht herstellen und lenken konnten – dem Patron eines collegium kam folglich als Vertreter (d. h. broker) unterschiedlicher Interessen eine besondere Rolle zu.41 Obwohl collegia mit ihrem umfangreichen Verwaltungsapparat ursprünglich als Priesterkollegien, religiöse Kultvereine und Berufsverbände ins Leben gerufen worden waren, erlangten sie gerade in der späten Republik ein politisch bedeutsames Potential. Es lassen sich illegitime politische Unternehmungen und Agitationen nachweisen, die als Konsequenz zur Verabschiedung diverser leges führten, welche die Auflösung eben dieser collegia zum Ziel hatten. Eines der früheren Verbote aus dem Jahr 186 v. Chr. bezog sich auf die Bacchus-Vereine.42 Den collegia Bacchanalia wurde die Führung einer Kasse, die Ernennung kollegieninterner Priester und Beamter untersagt. Damit entzog der Senat ihnen die Existenzgrundlage.43 Das Eingreifen des Senats war allerdings nicht dem Versuch geschuldet, den Bacchuskult an sich zu verbieten. Vielmehr sind die Gründe für die Maßnahmen auf politischer Ebene zu suchen. Das entscheidende Ziel scheint nämlich die Auflösung solcher Vereinen gewesen zu sein, die Teile der Bürgerschaft von ihren traditionellen Bindungen (Klientelwesen usf.) entfremdeten, 37 38 39
40 41 42 43
Zum Aufgabenbereich des magister collegii E. Kornemann, RE 7,2 (1900) 380–480 s. v. collegium, hier insbesondere 420–421. Q. Cic. comm. pet. 30; Vanderbroeck 1987, 58. Nippel 1981a, 82 sieht in der hohen Anzahl der collegia und ihrer Zusammenarbeit und Ansiedlung in den vici das Potential zur Mobilisierung von größeren Gruppen in Rom. Die Vorsteher der vici und der collegia waren dabei entscheidend; ergänzend Nippel 1984, 28; Nippel 1995, 29–30; 71–73 u. ö.; Vanderbroeck 1987, 57 ff. P. Herz, DNP 3 (1997) 67–69 s. v. collegium. Vgl. Bendlin 2002, 9–40, insb. 28–31. E. Kornemann, RE 7,2 (1900) 380–480 s. v. collegium; laut Broughton MRR I, 370–371 befassten sich beide Konsuln – Sp. Postumius Albinus und Q. Marcius Philippus – des Jahres 186 v. Chr. mit dem Problem der Bacchusvereine; Liv. XXXIX,18–19 SC de Bacchanalibus. Zum SC von 186 v. Chr. gegen die collegia Bacchanalia und ihrem Verbot in Italien siehe Pailler 1988, 151 f., 247 f.; Nippel 1997, 71–73 zufolge ging einer der Gründe für das strenge Eingreifen des Senats gegen den Bacchuskult auf die nächtlichen geheimen Treffen zurück, die sich der Kontrolle des Senats entzogen; siehe weiterhin zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch autonome Organisationen wie die der Bacchus-Vereine: Nippel 1988, 48–53; ferner Nippel 1995, 27–31.
2. Collegia: Nährboden gewalttätiger Aktionen für ambitus
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da die Aufnahme in das collegium zu neuen Bindungen und folglich zu Loyalitätskonflikten führen konnte.44 Von größerem Interesse für die politische Dimension ist die erneute Intervention des Senats 64 v. Chr. Unter den Konsuln L. Iulius Caesar und C. Marcius Figulus45 erging ein senatus consultum, das die collegia aufgrund von Gewalttätigkeiten verbot. Nach wie vor bleibt die Frage offen, ob sich das SC rigoros gegen alle Vereine, d. h. sowohl gegen die traditionellen als auch gegen die neugegründeten mit nachweislich politischen Bestrebungen, richtete.46 Die Bestimmungen des SC dürften damit auch die religiösen Feste wie die compitalia betroffen haben, die bekanntlich von den collegia organisiert wurden und als semi-offizielle Spiele explizit an die plebs urbana gerichtet waren.47 Das harte Eingreifen des Senats gegenüber den collegia lässt sich durchaus mit den bevorstehenden Konsulwahlen des Jahres 63 v. Chr. in Verbindung bringen.48 Neben M. Tullius Cicero und C. Antonius Hybrida kandidierte L. Sergius Catilina. Mit der Unterstützung durch M. Crassus und C. Iulius Caesar hatten Antonius Hybrida und Catilina eine coitio geschlossen.49 Dass die Wahl Catilinas zumindest in den Kreisen der Optimaten nach den Ereignissen Ende des Jahres 66 v. Chr. (die sogenannte erste catilinarische Verschwörung) für Unruhe gesorgt hätte, ist nachvollziehbar.50 Collegia als Organisationen mit bereits vorhandenen und ausgeprägten Strukturen, die in erster Linie die städtische Wählerschaft in sich versammelten, wurden also mit Hilfe der magistri collegiorum oder der Patrone für Wahlzwecke, politische Konflikte, Mobilisierung der Bevölkerung und Gewaltakte instrumentalisiert.51
44 45 46
47 48 49 50
51
Nippel 1984, 24: „The crucial aim seems to have been the destruction of associations which might estrange parts of the citizenry from their ‚natural rulers‘, since the initiation could create particular loyalties.“ Broughton MRR II, 161. Cic. Mur. 71; Cic. Pis. 8; Ascon. 8; Gruen 1974, 228 f. in Zusammenhang der legislativen Maßnahmen gegen Gewalt (vis) und Vereinigungen (collegia, sodalitates). An dieser Stelle sei ebenfalls auf Tatum 1999 verwiesen, der sich innerhalb der Clodius Biographie mit den collegia befasst und die bis zur Publikation aktuelle Forschungsliteratur diesbezüglich aufgreift. Siehe zur Forschungsgeschichte der römischen Kollegien generell Dissen 2009. Besonders ausführlich Ausbüttel 1982. Vanderbroeck 1987, 99; Nippel 1981a, 82–83 sieht ein Verbot auch in Zusammenhang der von den collegia veranstalteten Compitalien: nach der Wiedereinführung der collegia feierte Clodius den Antritt seines Tribunats mit den compitalia. E. Kornemann, RE 7,2 (1900) 380–480 s. v. collegium. Broughton 1991, 16 (Nr. 33). Insgesamt traten in dieser Wahlphase für das Konsulat sieben Kandidaten an. Bei zwei von ihnen handelte es sich um Patrizier: Catilina und P. Sulpicius Galba. Vier candidati waren von plebejischer Abstammung, von denen zwei nobiles waren: L. Cassius Longinus, bei dem es sich um den späteren subscriptor neben M. Iuventius Laterensis im Prozess gegen Plancius 54 v. Chr. handelte, und C. Antonius. Bei Q. Cornificius und C. Licinius Sacerdos handelte es sich um die anderen beiden plebejischen Kandidaten. Cicero war bekanntlich der homo novus unter den Amtsanwärtern: Broughton 1991, 16–17. Liu 2013, 352–354.
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V. Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik
Eine entgegengesetzte Maßnahme zum SC von 64 v. Chr. ergreift 58 v. Chr. Clodius Pulcher. Als Volkstribun sorgte dieser aufgrund seiner Gesetzesinitiativen für großen Unmut in Rom. Neben einer Reihe von Plebisziten erließ Clodius die lex Clodia de collegiis restituendis novisque instituendis.52 Sie führte nicht nur die verbotenen collegia wieder ein, sondern diente als Grundlage für die Organisation weiterer Vereine.53 Es wäre allerdings irreführend davon auszugehen, dass die lex Clodia dem Senat pauschal jegliches Handlungspotential gegen rein politisch motivierte und gewalttätige collegia untersagt hätte.54 Unabhängig davon, ob die neugegründeten Kollegien – mit Clodius‘ Anhängern in eben diesen organisiert – tatsächlich paramilitärische Formen annahmen55 oder diese Vermutung lediglich auf die den collegia ursprünglich innewohnenden Strukturen der centuriae und decuriae zurückzuführen ist,56 erreichte die Wiedereinführung der collegia eine Steigerung der Popularität des Clodius, die weit über sein Volkstribunat hinaus anhalten sollte. Er hatte sich darauf verstanden, auch nach seiner Amtszeit die Vereine bewusst für seine politischen Zwecke einzusetzen.57 Seine Agitationen beschränkten sich nach Ablauf seines Tribunats auf die Organisation von ‚Straßengangs‘.58 Der Einsatz von gewalttätigen Gruppen zur Störung der contiones und die organisierten Straßenkämpfe hatten zur Folge, dass die Gegner des Clodius ihm in gleicher Weise entgegentraten. So erreichten die Gewalttätigkeiten in Rom Mitte der 50er Jahre ein neues Ausmaß.59 Zur Zeit des Prozesses gegen Plancius 54 v. Chr. bestanden die collegia demnach noch. Sowohl die soziale Komponente der collegia als auch ihr politischer ‚Erfolg‘, ihre Bedeutung für den politischen Alltag und ihre Persistenz sind darauf zurückzuführen, dass sie sich gerade in der späten Republik „zu einer wichtigen Artikulationsmöglichkeit der (…) kulturellen Identität erheblicher Teile der städtischen Bevölkerungsmassen“ entwickelt hatten.60 Dank ihrer autonomen Strukturen konnten sich die collegia dem Einfluss und der Kontrolle der Nobilität durchaus entziehen und spielten damit eine wichtige Rolle in der Konkurrenz um honores.61
52 53 54 55 56 57 58 59 60 61
Rotondi 1962, 393–398. Cic. p. red. in sen. 33; Cic. dom. 129; Cic. Sest. 34; 55; Cic. Pis. 9; Cic. Att. III,15; Ascon. 7 f.; Cass. Dio 38,12,2. Linderski 1961, 113. Steel 2013, 172; Nippel 1981a, 83. Tatum 1999, 117–119, 289. Gruen 1974, 228 zur Zusammensetzung von Mitgliedern der collegia, der Ciceros Vorwurf, Clodius würde sogar seine Sklaven in eben diesen einschreiben und organisieren, bestätigt: „In the late Republic, however, they consisted largely of freedmen and slaves.“ Nippel 1981a, 81: „Ihm gelang es, einen auf mobilisierbare Teile der plebs urbana gestützten politischen Einfluß über sein Tribunat hinaus zu bewahren. Seine Möglichkeiten bleiben nach dem Tribunat zwar im Wesentlichen auf die Mobilisierung von Störpotential beschränkt; (…)“. Steel 2013, 172. Nippel 1981a, 82. Nippel 1984, 28; Vanderbroeck 1987, 99: „The collegia were an important resource for popular leaders.“
3. Sodalitates und ihre Korrumpierung zum Zwecke des ambitus
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3. Sodalitates und ihre Korrumpierung zum Zwecke des ambitus Ein weiterer Typ des Vereinswesens sind die sodalitates. Im Gegensatz zu einem collegium war eine sodalitas kein ‚Berufsverband‘, sondern ursprünglich eine Mahl- und/ oder Opfergemeinschaft.62 Diese „sakralen Bruderschaften“63 wurden wie bereits die collegia entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung als Plattform für politische Zwecke genutzt. Die Einrichtung von neuen, rein politisch motivierten sodalitates führte zu einer Steigerung der Konkurrenz zwischen den Kandidaten: Wollte man honores erlangen, musste man sich die Unterstützung der sodalitates sichern.64 Gruen stuft die sodalitates in Hinblick auf ihr politisches Potential als weitaus bedenklicher ein als die collegia. Zwar konnten die Strukturen der collegia zur Sicherung von Wählerstimmen genutzt werden, entscheidend waren aber die sodalitates, da sie einerseits innerhalb der tribus organisiert wurden, andererseits an eine bestimmte Person gebunden waren.65 Das commentariolum petitionis bestätigt die These bezüglich der Rolle der sodalitates im Wahlkampf. So empfiehlt Q. Tullius Cicero seinem Bruder Marcus, dieser solle sich die Stimmen derjenigen sodales verschaffen, die auf die eine oder andere Weise in seiner Schuld standen: Denn du hast dir in den vergangenen zwei Jahren vier Gemeinschaften (sodalitates) von Männern verpflichtet, die äußerst dankbar sind, was ihren Einsatz im Wahlkampf betrifft, ich meine die Gemeinschaften des C. Fundanius, Q. Gallius, C. Cornelius und des C. Orchivius; ich weiß, was dir deren Genossen (sodales) versprochen und bekräftigt haben, als sie dir Prozesse übertrugen, denn ich war dabei; daher musst du folgendes tun: zu diesem Zeitpunkt von diesen Männern das einfordern, was sie dir schulden, und zwar dadurch, dass du es häufig in Erinnerung bringst, darum bittest, bekräftigst und dafür sorgst, dass sie einsehen, dass es für sie niemals einen anderen Zeitpunkt geben wird, dir Dankbarkeit zu zeigen;66
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66
Köpke/Landgraf 1887, 14. E. Ziebarth, RE 5,2 (1927) 785–786 s. v. sodalitas. Dieselbe Grundbedingung galt auch für die collegia und sicherlich auch für die sodalicia. Gruen 1974, 228–229: „Collegia could themselves serve as vehicles for soliciting votes. More significant and more pertinent were the sodalitates, clubs organized within tribes and attached to particular leaders.“ Weiterhin ders., ebd.: „They were especially potent instruments in electoral contests. And they could be employed for the purpose of arranging and distributing bribes. Naturally, groups of men active in channeling cash to voters through the tribes might also serve to intimidate and threaten. The difficulty lay in formulating legislation to grapple with the problem.“ Q. Cic. comm. pet. 19: „Nam hoc biennio quattuor sodalitates hominum ad ambitionem gratio sissimorum tibi obligasti, C. Fundani, Q. Galli, C. Corneli, C. Orchivi; horum in causis ad te deferendis quid tibi eorum sodales receperint et confirmarint, scio, nam interfui; qua re hoc tibi faciendum est hoc tempore, ut ab his, quod debent, exigas saepe commenendo, rogando, confirmando, curando, ut intelligant nullum se umquam aliud tempus habituros referendae gratiae;“ Auch Kroll 1937, 133 stellt richtig fest, dass es sich bei den sodalitates eher um Klubs handelte, die nicht ohne weiteres als sodalicia verstanden werden dürfen. Eine sodalitas ist demnach nicht primär für die Zwecke des Wahlkampfes
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V. Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik
In Anlehnung an das commentariolum petitionis lassen sich mehrere Schlussfolgerungen in Bezug auf das Wesen der sodalitates ziehen. Die erwähnten vier Männer, die von Cicero vor Gericht verteidigt worden waren, scheinen die Vorsteher ihrer jeweiligen sodalitas gewesen zu sein.67 Ihre Unterstützung und damit die ihrer sodales sollte Cicero für seine Kampagne um das Konsulat 64 v. Chr. nun einfordern. Auch hier stößt man auf das reziproke System, in dessen Rahmen ein geleistetes beneficium den Empfänger zu einem officium verpflichtete. Eine solche Verpflichtung betraf nicht nur den Vorsteher einer sodalitas, sondern bezog in gleicher Weise die Mitglieder seiner sodalitas mit ein.68 Laut Linderski zeigt sich in dieser Eigenschaft die deutliche Abgrenzung der sodalitates von den collegia.69 Wo die Kollegien unabhängig von einem magister collegii und der Zusammensetzung der sodales im collegium weiterbestehen konnten, waren die sodalitates eng an die Person des Gründers/Vorstehers gebunden, worin seiner Auffassung nach sich zugleich der demokratische Charakter eines collegium zeigte. Wie bereits erwähnt, wählten die Kollegien ihre eigenen Beamten: so unter anderem die magistri collegiorum, die decuriones und die quaestores. Die Abhängigkeit einer sodalitas von einem Vorsteher, also ihr fehlender autonomer Charakter dürfte die Kontrolle und Mobilisierung von sodalitates für Wahlen im Vergleich zu den collegia wesentlich vereinfacht haben. Ein weiterer Grund, die sodalitates als Basis politischer Unterstützung zu nutzen, mag in der Tradition der sodalitas und in den Bestimmungen der lex Servilia Glaucia de pecuniis repetundis zu suchen sein. Die lex Servilia, deren zeitliche Einordnung aufgrund der ebenso problematischen Einordnung des Tribunats von Glaucia schwierig ist und zwischen 106–100 v. Chr. angesetzt wird,70 verbot es den Mitgliedern derselben sodalitas in gerichtlichen Fällen, der Gegenpartei (sei es nun die Seite des Klägers oder des Angeklagten) als Anwalt oder Richter Hilfestellung zu leisten.71 Cloud stellt die Vermutung auf, dass die lex Servilia zugleich eine lex iudiciaria gewesen sein muss. Dieser Ansatz würde das Verbot von richterlichen Aktivitäten und der Anwaltstätigkeit der sodales erklären.72 Sodalitates können demnach auch als eine Art ‚Schutzgemein-
67 68 69 70 71 72
gegründet worden. Vielmehr wurden ihre vorhandenen Strukturen als Verein für solche Zwecke genutzt. Daher richtete sich das SC von 56 auch gegen solche sodalitates mit deutlich erkennbarer politischer Agitation. Vgl. Alexander 1990, 104 (Nr. 207) zu C. Fundanius; Q. Gallius, der 64 unter der lex Calpurnia de ambitu angeklagt worden war: 107 (Nr. 214); C. Cornelius 104–105 (Nr. 209); C. Orchivius 106 (Nr. 211). Zum Diskurs officium – beneficium siehe die kurze Darstellung bei Rollinger 2014, 92–101. Linderski 1961, 110. Cloud 1994, 512; dagegen Rotondi 1962, 322, 325. Köpke/Landgraf 1887, 15. Die nominis delatio verpflichtete den Ankläger, vor Beginn eines Prozesses bei der offiziellen ‚Anzeigeerstattung‘ alle seine sodales und Familienmitglieder dem Gerichtsvorsitzenden bekanntzumachen. Vgl. hier die Darlegung zur lex Acilia de repetundis.
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schaft‘ gedacht werden, da die Tradition zur gegenseitigen Solidarität innerhalb der Mitglieder einer sodalitas verpflichtete. Diese Ausgangslage bildete zugleich auch die Grundlage für die Unterstützung der eigenen sodales in Wahlphasen. Wie in den collegia bewegten sich die Mitglieder der sodalitates, derer sich die Kandidaten aufgrund ihrer Wählerstimmen bedienen konnten, nicht immer im rechtlich zulässigen Rahmen. So wurden die Mitglieder einer sodalitas in decuriae, überschaubare Gruppen, die wohl die Zehnzahl überstiegen, eingeteilt und je nach Bedarf auf unterschiedliche Weise eingesetzt. Die decuriae wurden nicht nur für Straßenkämpfe und zur Störung der contiones mobilisiert. Der Verkauf von Wählerstimmen an Kandidaten pro Dekurie konnte leichter und übersichtlicher durchgeführt werden.73 Cicero hingegen konnte die Unterstützung der sodalitates durch bereits geleistete Gefälligkeiten einfordern. Die Vermittlung von Unterstützung als Gegenleistung für bereits geleistete Dienste war von den hier genannten drei Möglichkeiten die rechtlich zulässige. Nach den geltenden Moralprinzipien des Patronagesystems galt sie sogar als eine Verpflichtung, die unter die Kategorie von fides fiel.74 Wähler mit der Absicht des Stimmenkaufs in decuriae einzuteilen und sie als gewalttätige Gruppen im öffentlichen Raum einzusetzen, war hingegen illegal. In dieser Kombination zeigte sich aber beispielhaft das Zusammenspiel zwischen vis und ambitus. Die Mobilisierung von Wählern, die in sodalitates organisiert waren, und ihre gewalttätigen Ausschreitungen können als Erklärung für das senatus consultum von 56 v. Chr. dienen. Obwohl noch einige Jahre zuvor im commentariolum petitionis ohne Bedenken auf die Bedeutung und die Notwendigkeit der sodalitates im Wahlkampf hingewiesen wurde, trat 56 v. Chr. eine drastische Gegenreaktion ein. Cicero schrieb diesbezüglich seinem Bruder Quintus: „senatus consultum factum est, ut sodalitates decuriatique discederent lexque de iis ferretur, ut, qui non discessissent, ea poena, quae est de vi, tenerentur“.75 Das SC verbot also die sodalitates, die Einteilung in Dekurien und sah eine strafrechtliche Verfolgung de vi vor, sollten sich sodalitates ihrer Auflösung widersetzen.76 Linderski zufolge sind die Beschlüsse des SC von 56 v. Chr. nicht vollständig in der Korrespondenz wiedergegeben. Auf Basis der oratio pro Caelio fügt er dem Senatsbeschluss noch weitere Details hinzu.77 Die Bestimmungen richteten sich 73 74 75 76
77
Linderski 1961, 109. Lind 1989, 5–13 zu fides; Hellegouarc’h 1963, 23–35. Cic. ad Q. fr. II,3,5: „Sed idem Nerius index edidit ad allegatos Cn. Lentulum Vatiam et C. Cornelium ista ei eodem die senatus consultum factum est, ut sodalitates decuriatique discederent lexque de iis ferretur, ut, qui non discessissent, ea poena, quae est de vi, tenerentur.“ Linderski zufolge hatte sich das Verbot speziell auf die politisch und nicht die religiös motivierten Vereine – wie etwa die Luperci oder sodalitates Magnae Matris – bezogen: Linderski 1961, 111; ders. 1995, 165 ff.; Rückbezug auf Ascon. 7C. Ein Hinweis, der dafür spricht, dass zumindest die Luperci nicht betroffen waren, liefert Caesars Bestrebung 44 v. Chr., diese für seine Zwecke zu instrumentalisieren; die Lupercalia führten sich auf Romulus zurück. D. Baudy, DNP 7 (1999) 509–510 s. v. Lupercalia. Cic. Cael. 16; 30.
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V. Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik
demnach nicht nur gegen die sodalitates und decuriae, sondern sahen zusätzlich die strafrechtliche Verfolgung der sequestres und der sodales vor.78 Noch vor der Verabschiedung der lex Licinia de sodaliciis 55 v. Chr. muss folglich der am ambitus beteiligte Personenkreis bereits strafrechtlich verfolgt worden sein. Da das SC sich gegen politisch motivierte sodalitates richtete und ihre Auflösung anordnete, schloss es konsequent ihre gesamte Binnenstruktur ein. Dazu zählten die decuriatio (Einteilung der sodales in decuriae), die sequestres und die sodales, die nachweislich ihre Stimmen verkauft hatten bzw. an der Organisation solcher Praktiken beteiligt waren. Laut dem SC sollten sich die Bestimmungen der leges de vi also auf die sodalitates und damit auf die sodales sowie auf die decuriae ausweiten. Dabei wurden sie nicht für vis – also für ein tatsächlich begangenes Gewaltverbrechen – sondern mit der gleichen Sanktion wie für ein Kapitalverbrechen verfolgt.79 Lintott vertritt allerdings die These, dass die sodalitates auch direkt für vis angeklagt wurden, da sie nicht selten eine Basis für die Bildung von Straßengangs boten.80 Im Falle der decuriatio, der wir auch ab 58 v. Chr. nach der lex Clodia begegnen, sollte das SC von 56 auch die decuriae der collegia treffen.81 Nun mag man skeptisch gegenüber der Annahme Linderskis sein, dass Cicero, der in seiner Korrespondenz mit seinem Bruder (ad Q. fr. II,3,5) im Februar 56 bezüglich des senatus consultum den Inhalt nicht vollständig weitergab, aber in der oratio pro Caelio, die er im April 56 hielt, noch weitere Punkte hinzufügen kann. Seine Annahme ist jedoch nicht unberechtigt, da gerade in den Gerichtsreden die vollständige und detaillierte Darlegung der rechtlichen Grundlagen maßgebend war.82 Mit Sicherheit kann festgehalten werden, dass der Senatsbeschluss von 56 v. Chr. sich gegen die sowohl gewalttätigen als auch korrupten sodalitates richtete und damit zugleich gegen die sodales vorging, die in decuriae organisiert waren. Ob die Sanktionen auch die Bewerber einschlossen, ist nicht gänzlich geklärt.83 Die Bestimmungen der lex Licinia de sodaliciis von 55 v. Chr. hingegen richteten sich nicht nur gegen die Unterhändler, sondern vor allem gegen die Kandidaten, die sich der sodalicia für ihre Wahlkampagnen bedient hatten, und ergänzte insofern das SC. So existierten dank der lex Clodia von 58 v. Chr. zur Zeit des Prozesses gegen Plancius 54 die collegia, aber nicht die sodalitates. Sie bestanden vermutlich nur in einer eingeschränkten Form weiter. Die verschwimmende Grenze unterschiedlicher legis-
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Linderski 1961, 108. Linderski 1961, 115; Gruen 1974, 229. Lintott 1968, 123: „First in 56 the senate decreed that the vis law should be extended to cover membership of a sodalitas or decuria, groups which provided the foundation of gangs.“ Siehe wie bereits oben erörtert die juristische Überschneidungsmenge bei der Verfolgung der kriminellen Übergriffe der verschiedenen Vereinsformen. Cic. Cael. 16 sequestrium; 30 sequester (Kontext jedoch nicht ganz klar); 16 sodalium; 26 sodalem, sodalitas, sodales, sodalitatem. Die Paragraphen Cic. Cael. 16 und 26 (vor allem am Ende von 26) sind in diesem Punkt besonders ergiebig. Linderski 1961, 115.
3. Sodalitates und ihre Korrumpierung zum Zwecke des ambitus
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lativer Maßnahmen zeigt sich insbesondere im Falle der sodalitates. Sie bestärken die Annahme, dass leges de vi und leges de ambitu gerade in der späten Republik eine Parallelentwicklung durchgemacht haben müssen. Die Korrelation dieser beiden Gesetzeskategorien zeigt sich gerade in den Bestimmungen des SC von 56 v. Chr.: So fielen die Sanktionen gegen die Vorgehensweisen der sodalitates unter das Strafmaß der leges de vi, ihre politische Organisation für Wahlen wurde allerdings de ambitu verfolgt. Folglich zeigt sich ein Spektrum unterschiedlicher Verfolgungsarten und Zuständigkeitsbereiche, das die These der Korrelation zwischen den beiden Gesetzeskategorien noch weiter stützt.84
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Siehe dazu ganz klar Gruen 1974, 229: „The senate was calling attention to the activities of the sodalitates, which not only violated legislation de vi but fell also in the category of ambitus.“
Zweiter Teil – Der Fall Cn. Plancius
VI. Einleitung – Der formale Rahmen des Prozesses
Der Ausgang eines jeden Prozesses war ungewiss und hing maßgeblich von den beteiligten Personen ab. Neben den rhetorischen Fähigkeiten des Anklägers und Verteidigers – also das Beherrschen der officia oratoris – trug der persönliche Status eines Anwalts wesentlich zum Ausgang des Prozesses bei.1 Dies lässt sich auch im Prozess des Cn. Plancius erkennen. So versuchten auf Anklägerseite M. Iuventius Laterensis und sein subscriptor L. Cassius Longinus, Cicero einerseits wegen der Übernahme des Falles und andererseits wegen seines Rückzugs ins Exil 58 v. Chr. vor Gericht zu diskreditieren und seine Autorität und Glaubwürdigkeit anzugreifen. Umgekehrt widmete Cicero große Teile seiner Rede der Rechtfertigung der eigenen Person, der Widerlegung der Ankläger und den Angriffen gegen P. Clodius Pulcher. Dabei wurden keine direkten verbalen Angriffe gegen Iuventius Laterensis und Cassius Longinus vorgenommen. Ciceros Argumente waren einerseits von Ironie geprägt, andererseits nahm er bisweilen einen versöhnlichen Ton gegenüber den Anklägern an.2 Die unterschiedlichen politischen Karrieren der Prozessbeteiligten werden im Laufe der historischen Untersuchung (contentio dignitatis und reprehensio vitae) näher betrachtet. Dennoch seien hier die grundlegenden Informationen zum Prozess in Kürze dargelegt: Die Wahlen der Aedile in den comitia tributa im Jahr 55 v. Chr. waren von innenpolitischen Unruhen begleitet. Aufgrund der Umstände wurde die erste Wahlrunde unterbrochen, so dass unter der Leitung des Konsuls M. Licinius Crassus die Wahlen ein zweites Mal abgehalten werden mussten. Neben dem Ankläger Iuventius Laterensis und dem Angeklagten Cn. Plancius traten zwei weitere Kandidaten an: A. Plotius und Q. Pedius. In beiden Durchläufen der Comitien konnte sich Plancius die Mehrheit und damit die curulische Aedilität für 54 v. Chr. sichern. Sein Kollege im Amt wurde A. Plotius. Bei allen vier Kandidaten handelte es sich um Plebejer, wobei Laterensis der nobilis und Plancius der homo novus unter den vier Bewerbern war. Nach Abschluss der Comitien
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Adamietz 1986, 102–117, hier 107. Craig 1990, 75–81.
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VI. Einleitung – Der formale Rahmen des Prozesses
wurde Cn. Plancius unter Anwendung der lex Licinia de sodaliciis des Konsuls M. Licinius Crassus von 55 v. Chr. angeklagt.3 Dieser habe sich unerlaubter Wahlpraktiken bedient und nur auf diese Weise das angestrebte Amt sichern können. Die Verteidigung des Plancius wurde von M. Tullius Cicero (Konsul 63 v. Chr.) und Q. Hortensius Hortalus (Konsul 69 v. Chr.) übernommen.4 Als Verteidiger hatte Plancius – Sohn des gleichnamigen publicanus und Protegé Caesars – also zwei ehemalige Konsuln an seiner Seite, die nicht nur als erfahrene Anwälte, sondern auch als ein eingespieltes Team bereits mehrere Prozesse gewonnen hatten. Geleitet wurde die quaestio de sodaliciis im Prozess gegen Plancius vom quaesitor C. Alfius Flavus, unter Einbeziehung der tribus Lemonia, Oufentina und Clustumina, welche die Juroren für den Prozess stellen mussten.5 Die Struktur der Rede für Plancius zeichnet sich durch folgende Details aus: In der kurzen Einleitung fallen das exordium und die partitio zusammen, während die narratio gänzlich wegfällt. Damit wird die idealtypische Gliederung einer oratio durchbrochen, sofern sie in der Praxis je umgesetzt wurde.6 Im exordium/prooemium wird für gewöhnlich vom Redner die Übernahme des aktuellen Falles gerechtfertigt.7 Die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Prozessgegenstand wird durch eine partitio eingeleitet, die ankündigt, welche Punkte in der folgenden argumentatio behandelt werden. Die constitutio causae und die partitio finden sich in der Planciana in den §§ 3–4. Zwischen dem exordium und der partitio wurde für gewöhnlich die narratio untergebracht, die eine Schilderung der Ereignisse wiedergibt. Sie fehlt jedoch in der Rede für Cn. Plancius. Womöglich ist das Fehlen der narratio auf die Tatsache zurückzuführen, dass Cicero als zweiter Verteidiger vor Gericht sprach, sodass die Geschehnisse und deren Verlauf schon vom Vorredner, Q. Hortensius, übernommen worden waren. Das Fehlen der narratio lässt sich auch bei anderen orationes nachweisen, bei denen mehrere Verteidiger im selben Prozess sprachen.8 Ein weiterer Grund findet sich in der Gattung der ambitus-Reden an sich. Die Darlegung der crimina wäre für die Verteidigung eher
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Die Meinungen bezüglich des Zeitpunkts sind jedoch geteilt: Alexander 1990, 142 (Nr. 293) und ders. 2009, 339–345 datiert den Prozess in den Sommer 54 v. Chr. Taylor 1964, 12–28 geht jedoch davon aus, dass der Prozess gegen Plancius angestrengt wurde, nachdem dieser die Aedilität bereits 55 v. Chr. bekleidet hatte, um eine Kollision mit der Immunität von Amtsinhabern zu verhindern, die bekanntlich während der Amtszeit vor einer Strafverfolgung geschützt waren. Der Prozess nach Abschluss der Amtszeit wäre so als persönlicher Angriff gegen Plancius und gegen Männer wie Caesar und Pompeius zu bewerten, die ihn unterstützt hatten. Allerdings schweigt Cicero in der Prozessrede von einer vorhergehenden Bekleidung der Aedilität. Vgl. dazu Stroh 2017, 369. Auch Broughton MRR II, 223 datiert die Aedilität des Plancius in das Jahr 54. Broughton MRR II, 131, 164 und V. Mühll, RE 16,2 (1913) 2470–2481 s. v. Q. Hortensius Hortalus (13). Neben der oratio pro Cn. Plancio siehe zum Prozess auch Cic. ad Q. fr. III,1,11. Zu den Proömien der ciceronianischen Reden: Martin 1974; Köhler 1968; Janson 1964. Siehe nur Cic. Mur. 1–10 als weiteres Beispiel. Classen 1982, 149–192, hier 171 f.
VI. Einleitung – Der formale Rahmen des Prozesses
151
hinderlich gewesen, da sie zum einen tatsächlich begangene, strafrechtlich relevante Taten aufgezeigt hätte, zum anderen auch ad hoc hätte widerlegt werden können.9 Diese Annahme wird durch die Verteidigungsstrategie unterstützt, die speziell in Prozessen de ambitu angewendet werden soll. So berichtet Cicero im de oratore: Und in unseren Prozessen etwa, wenigstens soweit es Kriminalprozesse sind, verteidigt man sich meistens durch Leugnen. Denn in Klagen auf Schadenersatz für Gelderpressungen, die außerordentlich wichtig sind, muss man fast alles in Abrede stellen; und wenn es um Amtserschleichung geht, bietet sich nur selten die Gelegenheit, dass man Freigebigkeit und Wohltätigkeit von Stimmenkauf und Bestechung unterscheiden kann.10
In den Prozessen de repetundis gelte es also alles streng zu leugnen, wohingegen in ambitus-Prozessen sich die Möglichkeit bietet, illegale Wahlpraktiken (ab ambitu atque largitione) allein mit dem Ziel der Entlastung des Mandanten als liberalitas oder benignitas zu deklarieren.11 Des Weiteren scheinen drei Merkmale typische Bestandteile der ambitus-Reden gewesen zu sein: Eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Angeklagten und die direkte Gegenüberstellung mit der des Anklägers (reprehensio vitae), der Vergleich der Würdigkeit für das angestrebte Amt (contentio dignitatis) und schließlich eine relativ kurze Darlegung der crimina.12
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Adamietz 1986, 103; ausführlicher Stroh 1975, 23 f. Cic. de orat. II,105: „Ac nostrae fere causae, quae quidem sunt criminum, plerumque infitiatione defenduntur. Nam et de pecuniis repetundis, quae maximae sunt, neganda fere sunt omnia, et de ambitu raro illud datur, ut possis liberalitatem ac benignitatem ab ambitu atque largitione seiungere.“ Siehe dazu auch Riggsby 1999, 21–22. Adamietz 1986, 108–117, insb. 115; aus der Untersuchung von Steel 2011, 35–47, hier 39 f. zur Anwendung von Rherotik im Rahmen der Wahlen lässt sich ableiten, dass die contentio dignitatis bzw. die Würdigkeit für ein Amt sowohl als Kritik im Rahmen der petitio als auch in angestrengten Prozessen nach Abschluss der Comitien Anwendung fand.
VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio 1. Exordium – Motive für die Übernahme des Falls Überblick §§ 1–4: Plancius‘ Hilfsbereitschaft gegenüber Cicero während dessen Exil habe ihm zunächst eine große Unterstützung bei der Wahl eingebracht, sei jedoch nach dem Wahlsieg von den Gegnern Ciceros dazu gebraucht worden, um ihn anzuklagen. Da Cicero unter den Richtern keinen persönlichen Feind erkennt, sei er in Bezug auf den Prozess und seinen Ausgang zuversichtlich.1 Er sei jedoch darüber verwundert, M. Iuventius Laterensis, der sich ebenfalls um Cicero bemüht hatte und mit dem er in freundschaftlicher Verbindung stand, als Ankläger anzutreffen. Die Verdienste des Plancius um Cicero sollen diesem allerdings keine politische Immunität verschaffen, sollte er sich tatsächlich des ambitus schuldig gemacht haben. Daher muss Cicero beweisen, dass sein Mandant in den Anklagepunkten unschuldig ist. Erst im Anschluss an die Beweisführung könne er um die Entlastung des Plancius bitten. Die Verteidigung erweise sich aber als schwierig, da er nicht nur über seinen Mandanten, sondern auch über sich selbst sprechen müsse. Nachdem Cicero auf die Anklagepunkte eingegangen ist, möchte er aufzeigen, dass die Verdienste, die sich Plancius um ihn erworben hat, tatsächlich nicht geringer sind, als er sie darstellt. Entgegen dem Wunsch der Anklage sollen sich die lobenswerten Taten des Plancius für Cicero auf die Entscheidung der Richter auswirken. § 1 Cn. Planci, (…), in mea salute custodienda fidem (…) cuius officium mihi saluti fuisset, ei meorum temporum memoriam:2 Bereits im ersten Paragraphen bringt Cicero sich durch diese Bezugnahme nicht nur als Verteidiger, sondern auch als 1 2
Zur Rolle der inimicitia in Gerichtsprozessen Epstein 1987, 90 ff. Cic. Planc. 1: „Cum propter egreriam et singularem Cn. Planci, iudices, in mea salute custodienda fidem tam multos et bonos viros eius honori viderem esse fautores, capiebam animo non mediocrem voluptatem quod, cuius officium mihi saluti fuisset, ei meorum temporum memoriam suffragari videbam.“ – „Als ich bemerkte, daß die hervorragende und einzigartige Treue, die Cn. Plancius beim Schutze meines Lebens bewiesen hatte, viele rechtschaffene Männer veranlaßte, seine Wahl zu unterstützen, da empfand ich keine geringere Freude, weil ich ja sah, daß ihm, dessen Hilfsbereitschaft mich gerettet hatte, die Erinnerung an mein Unglück förderlich war.“
1. Exordium – Motive für die Übernahme des Falls
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Beteiligter sui generis im Prozess ein. In seiner Person sei nicht die Ursache für den Prozess zu suchen. Bemerkenswert ist allerdings, dass er durch seine persönliche Beziehung zu Plancius den Ausgang des Falles sowohl positiv, nämlich als geübter Anwalt, als auch negativ hätte beeinflussen können. Seine Unbeliebtheit in den Kreisen der Popularen und Optimaten aufgrund seines wenn auch nicht freiwilligen Opportunismus nach der Rückkehr aus dem Exil wurde auch im Prozess gegen Plancius offensichtlich.3 Konkret verweist der Redner an dieser Stelle auf sein Exil, als er im Mai 58 v. Chr. in der Provinz Makedonien eintraf, wo er vom amtierenden Quaestor Cn. Plancius aufgenommen wurde.4 Auf diesen Aspekt wird im Laufe des Kommentars noch einzugehen sein, da er thematisch die Grundlage des zweiten Hauptteils der Rede für Plancius bildet.5 multos et bonos viros: Als „viele rechtschaffene Männer“ bezeichnet Cicero hier die Angehörigen des Senats bzw. die Optimaten (boni).6 Entgegen der Fuhrmann’schen Übersetzung muss unter der Formulierung multos et bonos viros eine größere Gruppe als nur die Optimaten verstanden werden. Optimates sind in der Regel römische Bürger des Senatorenstandes, die mit der Senatspolitik konform gehen. Die Optimaten als soziale Gruppe oder Stand aufzufassen, wäre demnach irreführend. Obwohl eine antike Definition fehlt, lässt sich doch in der oratio pro Sestio ein Ansatz finden: In unserem Staat hat es seit jeher zwei Arten von Leuten gegeben, die Wert darauf legten, sich in der Politik zu betätigen und in ihr eine herausragende Rolle zu spielen. Von diesen wollten ihren Grundsätzen entsprechend die einen als Populare gelten, die anderen als Optimaten. Diejenigen, die mit Worten und Taten der Masse gefällig sein wollten, galten als Populare, die sich aber so verhielten, daß sie sich für ihre Pläne die Zustimmung aller Guten wünschten, als Optimaten.7
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Vgl. hier vor allem die Entgegnung auf L. Cassius Longinus: „Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor“. Gelzer 1969, 135–141; Patterson 2004, 93 zur Ciceros Strategie das Exil als Motiv zu nutzen, um seine Person im Zentrum der Rede für Plancius zu platzieren. Siehe insb. Cic. Planc. 86–90. Fuhrmann 1997, 847 Anm. 1. In der oratio pro Cn. Plancio taucht die Bezeichnung der boni viri wie folgt auf: § 3 bonis viris; §§ 9; 26; 44 viri boni; §§ 12; 15; 91 boni viri; § 59; 86; 88 bonis; mehrfach in § 68; § 80 boni cives; § 89 viris bonis; vgl. Hellegouarc’h 1963, 489–493; Archard 1973, 207–221. Cic. Sest. 96: An dieser Stelle beginnt Cicero mit seinen Erläuterungen über die verschiedenen Strömungen in der politischen Landschaft der späten Republik. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass pro Sestio nach seiner Rückkehr aus dem Exil verfasst wurde, als er stets darum bemüht war, seine öffentliche Stellung zu rehabilitieren. Generell ist zu beobachten, auch in der hier behandelten Rede für Plancius, dass die post reditum Schriften zum einen geprägt sind von seiner Selbstdarstellung und der Rechtfertigung seiner Person, zum anderen durch die Erläuterung von politischen Konzepten wie in pro Sestio, die seiner Vorstellung von Politik entsprachen, aber nicht die politisch reellen Dimensionen der späten Republik aufzeigten. Siehe dazu ausführlicher Robb 2010.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
Laut Jehne taucht der Terminus boni viri bzw. boni als politisch konnotierter Begriff in den Werken Ciceros nach seinem Konsulat 63 v. Chr. besonders häufig auf, um die eigenen „Gesinnungsgenossen“ zu bezeichnen.8 Grundsätzlich können die Begriffe optimates bzw. boni sich je nach Kontext auf einen weiteren oder engeren Kreis von Personen beziehen. Als Kontrast gegen die breite Schicht der plebs kann der breite Kreis der Optimaten angesprochen werden: „continet enim rem publicam consilio et auctoritate optimatium semper populum indigere“.9 Im engeren Gebrauch des Begriffes können gezielt auch nur einzelne Repräsentanten und/oder Familien der Optimaten gemeint sein.10 Wie Cicero auch an dieser Stelle vorführt, ist nicht immer genau zu bestimmen, welche der beiden Gruppen gemeint ist.11 Im Kontext des vorliegenden Falles liegt es nahe, nicht die Gesamtheit der Senatoren, sondern nur bestimmte Angehörige des Senatorenstandes zu verstehen, da sowohl Cn. Plancius als auch sein Vater (publicanus) gute Beziehungen zu C. Iulius Caesar pflegten.12 Nimmt man die Formulierung multos et bonos viros wörtlich, so wird kollektiv die gesamte politische Elite angesprochen, da an dieser Stelle eine breite politische Fürsprache im Sinne des Plancius propagiert wird13 – damit qualifiziert Cicero also eindeutig die Unterstützung, die der Angeklagte erhalten hatte.14 Cicero gebrauchte den Begriff optimates15 als politischen Begriff zur Abgrenzung gegenüber den populares16 und standesübergreifend, um alle Bürger einzubeziehen, die
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Jehne 1999, 125 Anm. 66. Cic. leg. II,30: „Denn die Tatsache, daß das Volk auf das überlegte Handeln und die Überzeugungskraft der Optimaten, der Führungselite, stets angewiesen ist, bildet die Grundlage der öffentlichen Ordnung (…)“. Darüber hinaus Cic. leg. III,10: „Creatio magistratuum, iudicia populi, iussa vetita cum suffragio cosciscentur, suffragia optumatibus nota, plebi libera sunto.“ – „Wenn die Wahl der Magistrate, die Entscheidungen des Volkes, die Verordnungen und Verbote durch Abstimmungen beschlossen werden, sollen die Abstimmungen den Optimaten bekannt sein, auf Seiten des Volkes aber dürfen sie keiner Einschränkung unterliegen.“ Zudem Cic. leg. III,33 und III,38. Auch Liv. VI,39,5: „Licinius Sextiusque, cum tribunorum plebi creandorum indicta comitia essent, ita se gerere, ut negando iam sibi velle continuari honorem acerrime accenderent ad id, quod dissimulando petebant, plebem: nonum se annum iam velut in acie adversus optimates maximo privatim periculo, nullo publice emolumento stare.“ – „Als die Versammlung zur Wahl der Volkstribune angesetzt war, verhielten sich Licinius und Sextius so, daß sie sagten, sie wollten sich das Amt nicht mehr verlängern lassen, und dadurch in der Plebs das heftigste Verlangen weckten, das zu tun, was sie durch ihr Abstreiten zu erreichen suchten: Schon das neunte Jahr ständen sie sozusagen in einer Schlachtreihe gegen die Optimaten unter größter Gefahr für sich selbst und ohne jeden Vorteil für die Allgemeinheit.“ Dazu Oakley 1997, 693–694. Vell. II,3,2; vgl. Vell. II,47,3; Suet. Iul. 11; 15; 19; Suet. Tib. 2; 4; Ascon. 33; vgl. 55. Cic. tog. frg. 25 Schoell; Cic. Catil. I,7; Cic. har. resp. 40; 45; 50; 53 f.; Cic. Sest. 103; Cic. Att. I,13,2; VIII,16; IX,5,3; IX,9,1; IX,11,3; Cic. fam. I,9,17. Vgl. Cic. Planc. 24. Zumal „multos et bonos viros“ von Cicero rhetorisch in Verbindung zur „egreriam et singularem Cn. Planci (…) fidem“ gesetzt wird. Siehe dazu Achard 1981; ebenfalls Robb 2010. Cic. Sest. 96 ff.; 136 ff.; siehe auch bereits Cic. Att. I,14,5; I,20,3; II,5,1; vgl. XIV,21,4. Cic. Sest. 96; vgl. Cic. Att. II,1,6; Cic. inv. II,52; Cic. leg. III,37.
1. Exordium – Motive für die Übernahme des Falls
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mit der republikanischen Staatsordnung sympathisierten und sich für ihre Erhaltung einsetzten.17 Dazu führte er berühmte Persönlichkeiten der optimates als Beispiele auf, die das „adelige(n) Standesinteresse dem Volk vor Augen“ führten. Sogar Freigelassene, die sich dem Erhalt der res publica verpflichteten, zählt er zu den optimates.18 Die Gegenüberstellung von zwei völlig unterschiedlichen Gruppen mit unterschiedlichem Hintergrund, sowohl in sozialer als auch in politischer Perspektive, kann nicht der realen Situation entsprochen haben, sondern der Intention des Redners, eine geschlossene Einheit gegen die Popularen stark zu machen. Dass Cicero eine solch weite Spanne an optimates propagierte, ist auf seine eigene Biographie zurückzuführen, da er im Sinne des altaristokratischen Establishments nie zu den Optimaten im engsten Sinne gehören konnte. Als Hauptmerkmal der optimates galt stets die Vertretung der Standesinteressen der Aristokratie. In Zeiten der politischen Parteibildungen, wenn eine Trennung nicht sauber zu ziehen war, galt die Fraktion, welche sich durch die überwiegend aristokratischen Tendenzen auszeichnete, als die Partei der Optimaten. So wurden „die Gegner der Gracchen (…), des Marius und Cinna (…), die Gegner der außerordentlichen Imperien des Pompeius (…),“ als Optimaten bezeichnet.19 Allerdings muss nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Popularen und Optimaten nicht nach dem neuzeitlichen Gebrauch als politische Parteien oder feste Gruppierungen zu verstehen sind. Zu dieser Thematik gibt es vielfältige Ansätze in der Forschung, die von Robb aufgegriffen werden.20 § 2 iudices: An dieser Stelle wird iudices als feierliche Ansprache für die Richter verwendet, die während des Prozesses anwesend waren.21 Der kommunikative Gebrauch des Begriffes war von besonderer Bedeutung und verfolgte unterschiedliche Strategien: Zum einen wurden die Richter unmittelbar als Konstante in den Konflikt zwischen den Prozessparteien involviert, zum anderen sicherte sich der Redner die Aufmerksamkeit der Zuhörer und lenkte sie in die von ihm gewünschte Richtung. Die Anrede iudices markierte also solche Stellen, an denen Cicero bestimmte Punkte der Argumentation besonders hervorheben wollte: Zur Erregung von Mitleid, um den Geschworenen zu schmeicheln, die bewusste Steuerung der Aufmerksamkeit, indem unter anderem Fragen an die Jury gerichtet wurden und die emotionale wie persönliche Beteiligung am aktuellen Prozess. Als Mitglieder der politischen Elite dürften die 17 18 19 20
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Siehe auch Cic. Sest. 101; 140. Cic. Sest. 97; vgl. Cic. Att. IX,7,6 zum Freigelassenen Philotimus, über dessen politische Haltung Cicero sich zu amüsieren schien: „id mandavi Philotimo, homini forti ac nimium optimati.“ H. Strasburger, RE 35,2 (1939) 773–798 s. v. optimates; sowie Gelzer 1912. Robb 2010, 12 ff.; dazu die Rezension von K.-J. Hölkeskamp zu M. A. Robb, Beyond populares and optimates: political language in the Late Republic, Stuttgart 2010, in Tyche 26 (2011), 377–383; Ch. Meier, RE Suppl. 10 (1965) 549–615 s. v. populares (mit einer weitgefassten Definition zu den Popularen); Brunt 1988, 53 (ähnlich wie Meier eine weitgefasste Auffassung zu den Optimaten). So bereits in Cic. Planc. 1, und weiter in 3, 4 und 5 jeweils zu Beginn als Ansprache.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
iudices zwar über einen gewissen Grad an juristischer Ausbildung verfügt haben, dennoch wurden sie nicht aufgrund ihrer Expertise für die Gerichtshöfe ausgewählt – unter diesem Gesichtspunkt scheint dem Gebrauch emotionaler Argumente eine ebenso große Bedeutung wie den juristischen Einwänden zuzukommen. Die direkte Ansprache der iudices muss darüber hinaus vor Gericht auch immer mit den entsprechenden Gesten unterstrichen worden sein, wie beispielsweise die in der Planciana erwähnten Trauergesten in Form von Tränen und Trauerkleidung. Wie in der überaus emotionalen peroratio der Rede demonstriert, konnten die iudices auch gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Gerichtshofs – hier C. Flavus – angesprochen werden. Die Anrede in der peroratio wurde mit folgender Absicht vorgenommen: Sie diente sowohl der demütigen Bitte um die Freilassung des Angeklagten, als auch der Anerkennung der Entscheidungshoheit der Jury.22 Über den rein kommunikativen Gebrauch des Begriffes hinaus nahmen die Richter in ihrer amtlichen Funktion eine wichtige Rolle ein. Die Differenzierung zwischen mindestens drei Richterkategorien nämlich, der iudices editicii, selecti und delecti, kann mit Hilfe der oratio pro Cn. Plancio erfolgen.23 § 3 nisi eius integerrimam vitam, modestissismos mores, summam fidem, contentiam, pietatem, innocentiam ostendero: Es werden hier vier virtutes differenziert (fides, contentia, pietas und innocentia), die sich jeweils auf summa beziehen, wobei sich vita und mores bedingen. Diese durchaus positiven Eigenschaften spricht Cicero Plancius zu, führt sie als Garant für seine Unschuld auf und möchte sie im Laufe der oratio belegen. Dabei handelt es sich jedoch um subjektiv individuelle Eigenschaften, die mit der Intention aufgeführt werden, eine bestimmte Charakterdisposition des Angeklagten aufzuzeigen. Denn anhand eben dieser Charaktereigenschaften soll argumentiert werden, dass Plancius keine widerrechtlichen Handlungen begangen haben kann.24 Gerade in Gerichtsprozessen, in denen nicht genügend Informationen zum Tatbestand vorgebracht werden konnten oder die Beweisführung widersprüchlich war, scheint die Darstellung der moralischen Haltung der Angeklagten durch den Verteidiger eine entscheidende Rolle gespielt zu haben.25
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Cerutti 1996, 57, 72, 77; vgl. Hildner 2016, 178–183. Cic. Planc. 36. Siehe zur Differenzierung das Kapitel „Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis“. Zu den ‚Wertebegriffen‘ mos, fides, contentia, pietas und innocentia: Hellegouarc’h 1963; Lind 1989, 5–13 zu fides; Lind 1979, 48–56 zu den mores maiorum; Lind 1992, 15–21 zu pietas; Thome 2000, 29–49 zu pietas; 50–84 zu fides; vgl. zur Forschung und Forschungsgeschichte der römischen Wertebegriffe Haltenhoff/Heil/Mutschler 2005. Eine mangelhafte Beweislage war im Prozess gegen Plancius der Fall. Siehe hier zur Beweisführung Cic. Planc. 48 ff. Zur Rolle der moralischen Haltung/Disposition des Angeklagten in Gerichtsprozessen vgl. May 1988, 116–126; speziell zum Plancius-Prozess und Cic. Planc. 3 in gleicherweise wie hier Riggsby 1999, 28.
1. Exordium – Motive für die Übernahme des Falls
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sed etiam pro me ipso, de quo accusatores plura paene quam de re reoque dexerunt: Ciceros Vorwurf, die Ankläger hätten sich während des Prozesses mehr mit seiner Person als mit der Anklage gegen Plancius befasst, bildet den Schwerpunkt der oratio pro se.26 Der zweite Hauptteil der oratio thematisiert in der Tat fast ausschließlich die Rechtfertigung der Flucht Ciceros aus Rom. Dabei wird ein Einblick in die politischen Geschehnisse der Jahre 58/57 v. Chr. gegeben und die Reise in die Provinz Makedonien geschildert. Der Gebrauch dieser Erörterungen als Verteidigungsstrategie ist nicht nur Ciceros Selbstdarstellung dienlich, sondern soll auch seinem Mandanten nutzen, der diesen in der Provinz aufgenommen hatte. Ziel war es nach wie vor, einen Freispruch zu erreichen. Dafür waren alle Mittel recht, die zur Verfügung standen: von der Auseinandersetzung mit dem Tatbestand und der Gesetzesgrundlage, welche in Relation zu der schweren Anklage auf einige wenige Paragraphen beschränkt blieb, bis zur Darlegung der privaten Verhältnisse des Angeklagten wie auch des Verteidigers. § 4 grati homines / gratum esse: Das Motiv der Dankbarkeit, insbesondere Ciceros Dankbarkeit gegenüber Plancius für seine Unterstützung während des Exils, zieht sich durch die gesamte Rede. Sie ist augenscheinlich neben der angeblichen Unschuld des Angeklagten und der Freundschaft zwischen Verteidiger und Angeklagtem das Hauptargument für die Übernahme des Falles und wird im Laufe der Verteidigung immer wieder aufgegriffen.27 Die Entgegnung auf die Vorwürfe, Cicero würde die Verdienste seines Mandanten größer darstellen, als sie tatsächlich waren, soll nach der Erörterung der Anklagepunkte folgen (die einzelnen Punkte finden sich ab den §§ 30 ff.). Die Entscheidung für die Übernahme des Falls geht auf die Überzeugung zurück, dass Plancius unschuldig sei (innocentia). Bereits erbrachte Wohltaten seien nicht entscheidend.
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Siehe Kapitel „Oratio pro se – Ciceros Selbstdarstellung (§§ 72–100)“. Eines der Hauptmotive der Anklage bestand nämlich darin, die Verdienste des Plancius um Cicero als unbedeutender einzustufen, als dieser sie wohl selbst empfand und darstellte. Die harte Kritik an der Person Ciceros mag auf die Kränkung des Laterensis zurückgehen, der dem Verteidiger die Übernahme des Falls nachtrug. Daher heißt es in § 4: „cum me nimium gratum illi esse dicant“. Die Ankläger hatten behauptet, Cicero sei übermäßig dankbar. Die angespannte Situation vor Gericht, aufgrund des Konfliktes und der Bedrängnis Ciceros zwischen Plancius und Laterensis zu stehen, wird in § 95 nochmals deutlicher: vgl. Kroll 1937, 128–129. In den §§ 73 und 78 wird von den Wohltaten und der Hilfe des Laterensis für Cicero berichtet. In den §§ 72–82 wird die Hilfe und die Handlungen des Plancius während Ciceros Exils dargelegt: Kroll 1937, 129. Die folgenden Passagen bereiten in einer pathetischen Ausdrucksweise auf die Schlussrede vor. Dies mag der Grund dafür sein, warum Yakobson 1999, 97–103, hier 103, aus der Perspektive der Wahlvorgänge und der unterschiedlichen Aspekte der Comitien die oratio pro Cn. Plancio ab dem § 67 als „irrelevant to the present discussion“ betrachtet.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
2. Argumentative Strategie I – Die Folgen einer mangelhaften petitio Die argumentative Strategie I (§§ 5–57) wird in zwei Unterpunkte gegliedert: Die Kritik an der Lebensführung des Angeklagten umfasst die Paragraphen 5–35, während die Abschnitte 36–57 die Auseinandersetzung mit dem Vorwurf de sodaliciis zum Inhalt hat. Die zwei Hauptbausteine des historischen Kommentars, d. h. die argumentative Strategie I und II – letztere beinhaltet die Passagen 58–100 – bilden die klassische Form der argumentatio. Die argumentatio wiederum setzt sich aus drei Punkten zusammen: Sie besteht erstens aus der reprehensio vitae (§§ 27–29), in welcher der Verteidiger Cicero die Vorwürfe gegen die Lebensführung des angeklagten Plancius zu widerlegen versucht. Als zweiter und für die strafrechtliche Dimension wichtiger Punkt werden die crimina ambitus bzw. crimina sodaliciorum, die konkreten Gegenstände der Anklage und die zu Grunde gelegte lex untersucht (ab § 36). Dem folgt drittens die contentio dignitatis (ab § 58), die einen Vergleich der Würdigkeit beider Kandidaten (Plancius und Laterensis) für das angestrebte Amt vornimmt. Die contentio dignitatis lässt sich formal einerseits in den Vergleich der Lebensläufe beider Kontrahenten und andererseits in eine Analyse der eigentlichen Gründe für die Wahlniederlage des Anklägers aufteilen, die nämlich nicht in der Wahlbestechung zu suchen seien. Zuletzt kann eine Besonderheit der oratio auf der kommunikativen Ebene beobachtet werden. Cicero richtet gezielt die einzelnen Bestandteile der argumentatio an die Adresse der einzelnen Ankläger und referiert dadurch auf deren vorhergegangenen Reden. So wird die reprehensio vitae an den Hauptankläger M. Iuventius Laterensis gerichtet, die contentio dignitatis als Antwort auf die Rede von L. Cassius Longinus formuliert und die crimina ambitus / crimen sodaliciorum an Haupt- und Nebenkläger gerichtet.28 Der gesamte Hauptteil der Rede (der hier in die argumentative Strategie I und II geteilt ist) ist demnach keine confutatio, sondern eher als eine allgemeine Auseinandersetzung im Sinne einer probatio zu verstehen. i. Reprehensio vitae – Die Kritik an der Lebensführung Cicero geht insgesamt (§§ 5–35) auf die Einwände des Anklägers Iuventius Laterensis ein, für den es von besonderem Interesse gewesen sein müsse, zu erfahren, weshalb Plancius bei den Aedilenwahlen gesiegt hatte. Er sei der Auffassung, man habe ihn ungerechterweise übergangen und Plancius ihm vorgezogen. Die Niederlage lässt sich für Laterensis nicht mit seiner Abstammung, seinem Namen und seinem Rang vereinbaren. Cicero muss also eine Strategie entwickeln, die Laterensis beschwichtigt und 28
Zur allgemeinen Übersicht und zum Aufbau der Rede siehe nach wie vor Kroll 1937, 127–139; Adamietz 1986, 102–117; Alexander 2009, 339–355; Fascione 2009, 357–382, wobei letzterer wenig aufschlussreich ist.
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zugleich das Ansehen des Plancius nicht beschädigt. Eine Erklärung der Wahlniederlage sieht er jedoch nicht im direkten Vergleich beider Beteiligten, auf den Laterensis aber bestanden zu haben scheint. Überblick §§ 5–11: Cicero versucht zunächst den direkten Vergleich beider Kontrahenten zu verhindern (reprehensio vitae und contentio dignitatis), indem er den Grund für die Niederlage des Laterensis nicht bei Plancius, sondern im Beschluss der Volksversammlung sucht. Gerade in den Comitien – und besonders bei den Wahlen der Aedile – würde die Bevölkerung nicht nach dem Ansehen der Kandidaten, sondern willkürlich urteilen. § 5 Sed mihi in causa facili atque explicata perdifficilis, iudices, et lubrica defensionis ratio proponitur: Es liegt im Wesen der Sache begründet, gerade in einem strafrechtlichen Prozess, in dem der Verteidiger gleichzeitig als Leumundszeuge mit seiner ganzen gravitas und dignitas eintritt, den Fall als leicht (facili) und klar (explicata) zu bezeichnen.29 Es ist jedoch eine rein rhetorische Taktik, die der Redner hier anwendet. Im Laufe der Rede wird es gerade in der Auseinandersetzung mit den angeblich oder tatsächlich begangenen Delikten klar, dass der Fall eben kein leichter war und durchaus rechtlich sanktionierbare Handlungen sowohl durch den Angeklagten als auch durch den Kläger begangen wurden.30 tamen id ipsum esset in tanto usu nostro tantaque amicitia molestum. Vetus est enim lex illa iustae veraeque amicitiae (…) ut idem amici semper velint, neque est ullum amicitiae certius vinculum quam consensus et societas consiliorum et voluntatum: Cicero verweist auf das Dilemma, gegen Laterensis in diesem Prozess sprechen zu müssen. Der Grund hierfür läge in ihrer gegenseitigen Freundschaft.31 Die lex amicitiae – ein sozialer Code und keine normative lex, wobei die Bedeutung und der Wert für die Betroffenen eine ähnliche Gültigkeit besitzen mochten – bedingt seiner Auffassung nach in freundschaftlichen Beziehungen ein gemeinsames Streben, das durch gemeinsame Absichten, Pläne und Neigungen bestätigt wird. Gemäß dieser Definition befinden sich aber Verteidiger und Ankläger im aktuellen Prozess in einem Konflikt, was Cicero zu bedauern scheint.32 Der konstante Vorwurf an Cicero zielte
29 30
31 32
Riggsby 2004, 165–185 und May 1988 zur Funktion von Leumundszeugen vor Gericht. Man beachte hier die Ansammlung zentraler römischer Wertbegriffe wie dignitas, die nach der Abstammung, der bekleideten honores, der eigenen politischen Leistungen und moralischen Integrität „bemessen“ wurde; Pöschl 1995, 209–274, hier 215 und gravitas (siehe insbesondere Cic. Planc. 50), die das würdevolle Auftreten eines römischen Magistraten oder die philosophische Standhaftigkeit bezeichnete: K. Gross, RAC XII (1983) 752–779 s. v. gravitas, hier 754 f. Stroh 1975, 191–192 zum Dilemma Ciceros. Siehe zu dem Begriff amicitia in seinen unterschiedlichen Nuancen (sozial, politisch, wirtschaftlich und gesetzlich): Rollinger 2014; Mustakallio/Krötzl 2009; Verboven 2002; Leoni 1996; Spielvogel 1993 und Brunt 1988.
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auf zwei Kernpunkte: seine exzessive Dankbarkeit einerseits und die über die Maßen bekundete Freundschaft zu Plancius andererseits. Lind trifft in Bezug auf amicitia im Allgemeinen eine ähnliche Aussage. So würde man unwürdige Personen für ihre politische Unterstützung und/oder ihren Zuspruch mit amicitia überschütten. Das commentariolum petitionis bestätigt dies, allerdings mit dem unmissverständlichen Hinweis, eine solche Taktik sei nur im Rahmen der Bewerbung um ein politisches Amt akzeptiert und sogar notwendig: Du kannst ganz anständig, was du in deinem übrigen Leben nicht kannst, jeden beliebigen zu deiner Freundschaft hinzuziehen; wenn du diese Leute zu einem anderen Zeitpunkt hinzuzögest, dann hätte es den Anschein, als würdest du völlig unsinnig handeln, wenn du das nicht machtest und nicht mit vielen sorgfältigen Kontakt pflegtest, dann hätte es den Anschein, als wärest du gar kein Bewerber.33
Der im commentariolum erteilte Ratschlag ist unmissverständlich: Das Verhalten eines Kandidaten zu Zeiten der petitio entsprach nicht dem Auftreten oder Verhalten außerhalb der (Be)werbungsphasen um ein Amt. Die von Cicero in der Rede propagierte amicitia hat eine zweifache Funktion: Zum einen diente sie der Rechtfertigung für die Übernahme der Verteidigung gegenüber den Anklägern, zum anderen leitete sich durch die amicitia zu Plancius eine positive Bindung zu Pompeius Magnus und Caesar ab, die Plancius protegierten.34 Freundschaft (amicitia) war entgegen neuzeitlicher Assoziationen in der römischen Republik ein durchaus politisch konnotierter Begriff. Die Spannweite von amicitia-Beziehungen reichte dabei von der politisch intendierten Freundschaft, im Sinne des commentariolum petitionis bis zur ‚echten‘ Freundschaft auf Augenhöhe. So erstreckte sich amicitia über den individuellen Beziehungen hinaus auch auf politische Bündnisse und Verbündete (die amici populi Romani waren in der tabula amicorum verzeichnet), was durchaus starke Bindungen und auch persönliche Abhängigkeit bedeuten konnte. Die amici vielversprechender politischer Akteure in Rom fungierten als deren Ratgeber sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich. Sie waren politische Anhänger, die durchaus niederen Ranges sein konnten. Dass amicitia-Beziehungen sich demnach mit dem Patronageverhältnissen der römischen Republik überlappten, ist evident. Sie bedeuteten Unterstützung bei Wahlen, Gerichtsprozessen und der Amtsführung.35 Die Definition von Freundschaft, wie Cicero sie in der Planciana bestimmt, wird in seiner 33 34 35
Q. Cic. comm. pet. 16–25, hier 25: „potes honeste, quod in cetera vita non queas, quoscumque velis adiungere ad amicitiam, quibuscum, si alio tempore agas, ut te utantur, absurde facere videare, in petitione autem, nisi id agas et cum multis et diligenter, nullus petitor esse videare.“ Lind 1994, 36–42. Zur Verbindung zwischen Caesar und dem älteren Plancius siehe Cic. Planc. 24. Zu der weiteren politischen Bedeutung von amicitia außer Cic. Planc. 5; Cic. rep. I,18; Cic. fam. III,10,9; III,13,2. OCD3 (1996) 72 s. v. amicitia; E. Badian, DNP 1 (1996) 590–591 s. v. amicitia; außer Brunt 1988 siehe etwa Rollinger 2014; grundlegend Hellegouarc’h 1963, 41–90.
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späteren Schrift Laelius de amicitia aufgegriffen. In ideeller Weise bedeutete Freundschaft gegenseitiges Vertrauen und Zuneigung, in reeller Weise aber eine Verbindung zwecks Verfolgung gemeinsamer ‚politischer‘ Interessen: Es ist nämlich die Freundschaft nichts anderes als die Übereinstimmung in allen irdischen und überirdischen Dingen, verbunden mit Zuneigung und Liebe; im Vergleich zu ihr dürfte – abgesehen von der Weisheit – dem Menschen von den unsterblichen Göttern wohl kaum ein schöneres Geschenk zu teil geworden sein. (…) diejenigen freilich, die in der Tugend das höchste Gut sehen, erstreben etwas Herrliches; aber gerade die Tugend ist es, die Freundschaft hervorbringt und zusammenhält, und es kann Freundschaft ohne die Tugend unter keinen Umständen geben.36
contentio:37 Nicht nur aufgrund der vorher erwähnten freundschaftlichen Bande ist es dem Verteidiger unangenehm, gegen Laterensis aufzutreten, sondern weil ein Vergleich der beiden Kontrahenten unausweichlich scheint. In einer direkten Gegenüberstellung seien entweder die positiven Eigenschaften/Vorzüge (ornamentis) des Laterensis oder die Fähigkeiten bzw. die dignitas des Plancius hervorzuheben. Eine contentio würde zwangsläufig zu der Degradierung des jeweils anderen führen. Wem ist der Verteidiger also mehr verbunden? Dass Bemühungen um Objektivität vor Gericht beschwerlich oder für die Prozessführung sogar hinderlich waren, wird an dieser Stelle sehr deutlich. Ein Anwalt im römischen Sinne trat nicht nur als juristischer Beistand auf, sondern setzte sich als Patron und/oder amicus mit seiner ganzen auctoritas und potestas für seinen Klienten ein, sodass angeblich oder tatsächlich begangene kriminelle Straftaten zunächst in den Hintergrund traten und ein Freispruch nicht selten vom Ansehen des Verteidigers abhing.38 § 6 qua se virtute, qua laude Plancius, qua dignitate superarit: Die Frage nach der virtus, laus und dignitas des Plancius bringt Cicero in eine peinliche Lage. Diese Eigenschaften – vor allem die dignitas beider Kandidaten – müssen einem direkten Vergleich unterzogen werden. Noch bevor ein Vergleich der Lebensführung (reprehensio vitae) und der Eignung für das angestrebte Amt (contentio dignitatis) erfolgen kann, werden 36
37 38
Cic. Lael. 20: „Est enim amicitia nihil aliud nisi omnium divinarum humanarumque rerum cum benevolentia et caritate consesio, qua quidem haud scio an excepta sapientia nil quicquam melius homini sit a dis immortalibus datum. (…) Qui autem in virtute summum bonum ponunt, praeclare illi quidem, sed haec ipsa virtus amicitiam et gignit et continent, nec sine virtute amicitia esse ullo pacto potest.“ Ebenso Sall. Catil. 20,4: „nam idem velle atque idem nolle, ea demum firma amicitia est“. Auf die konkrete contentio dignitatis, die einen Teil der argumentatio in der vorliegenden Rede ausmacht, wird noch dezidiert einzugehen sein. Patterson 2004, 80: „The key lies in the term ‚patronus‘ for the advocate in the courts. (…) The whole point about patrons is that they have, or have access to, the wealth, power, influence and ‚auctoritas‘, which clients lack in the defence of their interests.“ Noch bedeutender war wohl: „Advocates had neither the ability, nor usually the desire, to set aside their public persona when they addressed the courts.“
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erste Unterschiede zwischen Ankläger und Angeklagtem aufgezeigt (§ 18 ff.) Nach Ciceros Darlegung möchte der Ankläger Laterensis wissen, „welche Fähigkeit, welchen Namen, welches Ansehen Plancius ihm voraushabe.“39 Entgegen der Übersetzung von Fuhrmann (Fähigkeit, Name und Ansehen) sollten die Begriffe Tugend/Tapferkeit für virtus, Lob/Ruhm für laus und schließlich Tüchtigkeit/Ansehen und Rang für dignitas gewählt werden. Mit virtus, laus und dignitas werden hier bedeutungsschwere Begriffe gewählt, die im politischen und sozialen Zusammenleben der römischen Gesellschaft einen hohen Stellenwert besaßen.40 Die Bedeutung dieser Begriffe in ihrer komplexen, lebensweltlich jedoch durchaus positiv konnotierten Bandbreite durfte dem Publikum vor Gericht bekannt gewesen sein. Die beinahe katalogartig abrufbaren Eigenschaften galten als Attribute, die als Richtlinien für die Ämterübernahme qualifizieren sollten. Aus eben diesem Grund werden sie speziell an dieser Stelle aufgegriffen. Basierend darauf wird von Cicero eine Verteidigungsstrategie im Sinne des Plancius entwickelt. Faktisch betrachtet konnte Plancius als homo novus41 in Bezug auf seine Abstammung und seine Stellung im öffentlichen Leben nicht mit Iuventius Laterensis konkurrieren, weshalb eine solche Strategie an keiner Stelle der oratio verfolgt wird. Vielmehr gesteht Cicero ein, dass Plancius in diesen Punkten unterlegen ist.42 Es konnten jedoch keine konkreten Messeinheiten für abstrakte Konzepte wie virtus, laus und dignitas geben, anhand derer man die Qualifikation der potentiellen Magistrate maß – die vereinfachte Form der Übersetzung von virtus (Fähigkeit), laus (Name) und dignitas (Ansehen) an dieser Stelle ist eben diesem Umstand geschuldet. Der explizite Verzicht auf den direkten Vergleich beider Kontrahenten zu Beginn der Rede wird zwar akzentuiert: „Ich lasse mich daher auf den Vergleich, zu dem du mich aufforderst, nicht ein (…)“; doch macht sie zugleich eine alternative Vorgehensweise notwendig: „(…) und wende mich dem zu, den die Sache selbst mir nahelegt“.43 Zunächst werden also diverse Faktoren untersucht, die vor und während der Comitien die Wählerschaft in ihren Entscheidungen beeinflusst hatten: Es wird ganz offensichtlich der Versuch unternommen, den Wahlsieg des Plancius auf objektive Gründe zurückzuführen um dabei von begangenen Straftaten abzulenken. 39 40
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42 43
Cic. Planc. 6. Siehe zur dignitas W. Dürig, RLAC 3 (1957) 1024–1035 s. v. dignitas; Hellegouarc’h 1963, 388–424; Lind 1979, 22–29; zu den Begriffen virtus, laus und dignitas und ihrer Bedeutung in der römischen Republik bzw. als Konzepte der Selbstdarstellung und des Selbstverständnisses der römischen Nobilität Hölkeskamp 2011, 206–212 ff. Der Begriff homo novus, für den wir keine antike Definition kennen, ist heute noch in der Forschung umstritten. Ein Forschungsüberblick findet sich bei van der Blom 2010, 36–41. Als wichtigstes Unterscheidungskriterium zwischen einem nobilis (hier M. Iuventius Laterensis) und einem homo novus (Cn. Plancius) gilt das Fehlen von politisch erfolgreichen Vorfahren bei den homines novi und deren Existenz bei den nobiles. Die Qualität dieses Erfolgs, wie z. B. das Erreichen des Konsulats, ist jedoch umstritten. Vgl. unter anderem Cic. Planc. 19 f.; 58 f. Cic. Planc. 6: „(…) ad quam tu me vocas et veniam ad illam ad quam me causa ipsa deducit.“
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largitionis: Sollten die vielen Vorzüge (ornamentis) des Laterensis hervorgehoben werden, könnte der Eindruck entstehen, Plancius‘ dignitas sei nicht ausreichend, um das erstrebte Amt anzutreten. Gibt der Verteidiger außerdem zu, Laterensis sei in den Punkten virtus, laus und dignitas dem Plancius überlegen, entstünde der Eindruck, es sei tatsächlich Bestechung (largitio) durch den Angeklagten geübt worden. Der Begriff largitio wird an dieser Stelle zum ersten Mal verwendet – insgesamt an sechs weiteren Stellen der Verteidigungsrede: § 6; 14; 37 (2x); 39; 45; 49 und darüber hinaus in den Formen largitor in § 37; largitium esse – largiri in den §§ 47 und 49. Wie bei der etymologischen Bestimmung von ambitus fällt aufgrund derselben sprachlichen Problematik auch die Übersetzung von largitio schwer. Das OLD gibt drei unterschiedliche Bedeutungsmöglichkeiten an. Die erste bezieht sich dabei auf largitio in ihrer rechtlich zulässigen Form der Verteilung von Land, finanziellen Hilfen und Geschenken. Die zweite und dritte Variante haben bereits eine negative Konnotation. Hierbei soll es sich um Schenkungen nicht in ihrer euergetischen Form, sondern um Schenkungen mit einem bestimmten Ziel und einer korrupten Absicht handeln.44 Fuhrmann wählt die Übersetzung „Bestechung“, wie auch in Ermanglung eines den Tatbestand genauer treffenden Begriffes für ambitus „Bestechung“ gebraucht wird. Die Übersetzung von Watts „corrupt collusion“ sowohl an dieser Stelle wie auch in der Gesamtbetrachtung der Rede ist wohl treffender.45 In dem Sinne wäre darunter ein geheimes oder betrügerisches Einverständnis, Übereinkommen und/oder Absprache zu verstehen. Largitio bedeutete in ihrer ursprünglichen Tradition also jegliche Aufwendungen und Spenden des römischen Staates, der Magistrate – insbesondere die der Aedile46 – und reicher Privatleute an das römische Volk, an Kollegien, an Municipien und Kolonien. Die Zuwendungen geschahen in Form von öffentlichen Spielen und Speisungen, sowie Verteilung von Geld, Getreide und anderen Lebensmitteln.47 Auch konnte man posthum für verstorbene Familienmitglieder Speisungen und Spenden organisieren, die meist auch testamentarisch festgehalten worden waren, was potentiell zu einer Steigerung des Ansehens der jeweiligen Familie führen sollte.48 Die einfache Geldverteilung wurde als congiarium bezeichnet. Das Geld, das den tribus als Gegenleistung für
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OLD2 1104 s. v. largitio, no. 1a distribution of doles, land, or other gifts, largesse; no. 1b the bestowal (of abst. things); no. 2 the giving of presents corruptly, bribery; no. 3 that which is freely distributed, a bribe, dole, largesse; vgl. TLL 7 (1973) 970–972 s. v. largitio. Watts 1965, 413. Liv. XXV,2,8; XL,44; Cic. off. II,57–60. M. Corbier/H. Schneider, DNP 7 (1999) 140–144 s. v. liberalitas/largitio. W. Enßlin, RE 23,2 (1924) 835–836 s. v. largitio. In Folge der Zeit wurden solche Volksspeisungen und Spiele ohne testamentarischen Charakter verboten.
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ihre Gefolgschaft in Aussicht gestellt wurde, hieß pronuntiare pecuniam (Geld versprechen).49 Gebäck, Brot, Wein und Öl waren das congiarium50 im ursprünglichen Sinne. In seiner kriminellen Abwandlung fällt largitio unter den großen Komplex ambitus und wurde mit den Gesetzen de ambitu geahndet. Ziel der Akteure war es dabei, sich durch jegliche wie oben erwähnte Aufwendungen Vorteile im Wahlkampf zu verschaffen.51 Die illegalen Handlungen, die unter das Spektrum der Straftat largitio fielen, konnten auf unterschiedliche Weise durchgeführt werden. Der Bewerber (candidatus) konnte sich unmittelbar als largitor betätigen. Dabei wurde das für die Wahlkampagne vorgesehene Geld bei divisores,52 in ihrem eigenen Haus oder bei einem sequester hinterlegt.53 Für den weiteren Geldtransfer wurde das hinterlegte Geld vom Hause des sequester von einem divisor abgeholt, der es dann an die zugewiesenen tribus, in welcher der divisor zugleich ansässig war, verteilte.54 Wollte sich der Bewerber nicht unmittelbar selbst an der Distribution von Geldern beteiligen, konnte er diese Aufgabe den Vereinen übertragen. Bei den Vereinen handelte es sich in erster Linie um sodalitates bzw. sodalicia, die ab 56/55 v. Chr. mit unter anderem der lex Licinia de sodaliciis geahndet und verboten wurden.55 Eine weitere effektive Form der largitio hatte sich in der Ausrichtung von Spielen als privatus gezeigt. Die sogenannten munera wurden gerade in der späten Republik gezielt von Bewerbern finanziert, um bei solchen Gelegenheiten Gelder zu verteilen.56 Mit Hilfe dieser Art von largitio konnte unmittelbar eine breite Bevölkerungsschicht erreicht werden, weshalb sie in den Wahlkampagnen der späten Republik zu einer beliebten Methode wurde.57 Der Grund, warum Cicero von largitio anstelle von ambitus spricht, ist in den Übersetzungsnuancen bzw. in der Assoziation des Begriffes largitio zu suchen. So schwierig es sein mag, den konkreten Tatbestand ambitus zu fassen, so konnte er zumindest begrifflich von ambitio, der legalen Art der Wahlwerbung, abgegrenzt werden.58 Wo ambitus also eine deutlich negative Assoziation auslöste, konnte largitio durchaus wertneutral nur als Schenkung verstanden werden. Demnach sollte es vom Zuhörer durchaus
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Siehe auch Cic. Planc. 45: „pronuntiasse“ im Zusammenhang der strafrechtlichen Bestimmungen der sodalicia. TLL 4 (1907) 281–282 s. v. congiarium. W. Enßlin, RE 23,2 (1924) 835–836 s. v. largitio. Ambitus/largitio: Cic. Mur. 77; Cic. de orat. II,105; Sall. Catil. 3; Sall. Iug. 15,5; Nep. Ham. 3,3; Suet. Iul. 13; Sen. benef. I,2. Cic. Planc. 36 ff. Zu den divisores auch Rosillo-López 2010, 65–67; Vanderbroeck 1987, 62–65 zu den divisores als „intermediate leaders“. Cic. Planc. 38. Köpke/Landgraf 1887, 11–12. Köpke/Landgraf 1887, 14 ff. Siehe hier die systematische Untersuchung der Vereine und ihrer Rolle in der ambitus-Sphäre: „Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik“. Zur Bedeutung von Spielen siehe das Kapitel „Sulpicius Rufus und die lex Tullia de ambitu“. Zu largitiones und ihrer Bedeutung in Wahlkampagnen siehe Vanderbroeck 1987, 93–99. Vanderbroeck 1987, 99. Vgl. hier die strukturelle Analyse zu ambitus.
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als positive oder zumindest nicht unmittelbar als negative oder illegale Handlung verstanden werden.59 Bisweilen nimmt Cicero einen entschuldigenden Ton an, wenn er von largitiones spricht, und betrachtet sie als eine Notwendigkeit, die der breiten Bevölkerungsschicht zugutekommen musste. Wie aus de oratore hervorgeht, wurde ambitus aber auch in direkte Relation zu largitio gesetzt.60 Sie (die largitiones) sind jedoch nicht mit der Großzügigkeit gleichzusetzen, die amici und Klienten entgegengebracht wurde. Zugleich zeigt sich aber folgende Schwierigkeit: Allein der Gebrauch von largitio anstelle von ambitus zeigt an, inwieweit das ambitus-Phänomen als politisches und zugleich als moralisches Konzept begriffen wurde. Sowohl der Umgang mit als auch eine konkrete Definition von ambitus wird dadurch grundlegend erschwert.61 § 7 populum: Als Äquivalent für das Lateinische populus gebraucht Fuhrmann im Deutschen die Übersetzung „Volksversammlung“, die insofern nachvollziehbar ist, da das Volk als ämtervergebende Instanz in den Volksversammlungen (comitia) zusammenkam, um sein Wahlrecht auszuüben. Dahingegen gebraucht Watts in seiner zweisprachigen Ausgabe der Planciana die Grundbedeutung „the people“, was dem Wortsinn näherkommt und die Aussage als eine verallgemeinernde und damit grundsätzliche erscheinen lässt.62 Offensichtlich unternimmt der Redner den Versuch, dem direkten Vergleich der beiden Kontrahenten auszuweichen. Dies geschieht aus rein strategischen Gründen: Einerseits wird die Verbundenheit durch amicitia als Motiv weiterhin angeführt, andererseits wird ein solches Ausweichmanöver aus reinem Kalkül angewendet, um vom Status des Plancius als homo novus abzulenken, da er in den Punkten Abstammung, Name und Rang dem Ankläger deutlich unterlegen war. Der populus vergebe die Ämter nicht auf Basis von Rang und Ansehen. Das Kriterium „Würde und Verdienst“ sei aus der Perspektive des populus im Falle der Aedilität sogar zweitrangig.63 Lediglich bei den Ämtern, von denen man sein Wohl abhängig glaubte, würden solche Auswahlkriterien von Belang sein. Diese Bemerkung Ciceros kann als ein Hinweis auf die Bedeutung der Praetur und sicherlich auf die des Konsulats verstanden werden: also Magistraturen, die mit Imperien ausgestattet waren. Die Aedilität wird bewusst in ih-
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Yakobson 1999, 26 ff. setzt sich detailliert mit den largitiones in den Wahlkampagnen des L. Licinius Murena für das Konsulat 62 v. Chr. und des Cn. Plancius für die Aedilität 54 v. Chr. auseinander. Cic. de orat. II,105: „Ac nostrae fere causae, quae quidem sunt criminum, plerumque infitiatione defenduntur. Nam et de pecuniis repetundis, quae maximae sunt, neganda fere sunt omnia, et de ambitu raro illud datur, ut possis liberalitatem ac benignitatem ab ambitu atque largitione seiungere.“ Yakobson 1999, 37. Watts 1965, 415; vgl. zu populus Hellegouarc’h 1963, 515–517; vgl. Cic. Planc. 49 f. Die Institution Volksversammlung in Form der comitia centuriata und comitia tributa und ihre Besonderheiten sind Gegenstand des Kapitels „Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?“ Stroh 1975, 191–192.
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rer Bedeutung herabgesetzt, um Laterensis milde zu stimmen.64 Das Volk ließe sich von Neid oder Gunst (invidet aut favet) leiten und nähme nicht die dignitas der Bewerber zum Maßstab: Demnach ist die Niederlage des Laterensis nicht selbstverschuldet gewesen, oder gar dem Plancius anzulasten, sondern auf die Wahlgewohnheiten des Volks zurückzuführen. Dem populus wird demnach die objektive Entscheidungsfindung aberkannt. Die Instrumentalisierung der Volksversammlung diente also dazu, die direkte Kritik an Laterensis zu vermeiden. Diese Verteidigungsstrategie kann allerdings nicht aufrechterhalten werden, sodass ab § 27 die reprehensio vitae und ab § 58 die contentio dignitatis vorgenommen wird.65 § 8 de iure populi: Cicero versucht eine Lösung für das Problem in der Wahlgewohnheit des römischen Volkes zu finden, das seiner Einschätzung nach „die Möglichkeit und manchmal auch die Gewohnheit hat, würdige Anwärter zu übergehen“.66 Wenn nun die Angewohnheit entstehen sollte, erfolgreiche Kandidaten, die de iure populi gewählt wurden, rechtlich zu verfolgen, um ihnen die Ausübung des designierten Amtes vorzuenthalten,67 so erhielten die Richter ein Machtinstrument, auf das der Senat hatte verzichten müssen: „patres apud maiores nostros tenere non potuerunt“. An dieser Stelle wird auf ein wichtiges Detail in der Entwicklung und Differenzierung der Kompetenzteilung der römischen Institutionen – der Comitien, des Senats und der Gerichtshöfe – hingewiesen. Wahlergebnisse hatten ursprünglich einer offiziellen Bestätigung des Senats bedurft. Erst nach der Zustimmung der patres durfte das errungene Amt angetreten werden: „Tum enim magistratum non gerebat is qui ceperat, si patres auctores non erant facti“.68 Übertrüge man diese Kompetenz nun den Gerichtshöfen, so hätten diese nicht nur die Möglichkeit, erfolgreichen Kandidaten ihr Amt vorzuenthalten und damit die Entscheidung des Volkes zu revidieren, sondern im Falle eines Schuldspruchs, Sanktionen gegen den Verurteilten auszusprechen. Diesbezüglich findet sich folgende Stelle in de re publica II,56:
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65 66 67 68
Vgl. Cic. Planc. 13. In Cic. Planc. 19–23 werden im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Herkunftsorten der beiden Kandidaten Tusculum, die Heimat des Laterensis, und seine Nachbarorte deutlich herabgewürdigt, ebenfalls um Laterensis zu beschwichtigen. Von Cicero werden also sichtlich Gründe gesucht und vorgebracht, die die Niederlage nicht von der Person des Laterensis abhängig machen wollen, sondern von den Umständen. Dennoch kann er als ehemaliger Konsul die Kritik vorbringen, Laterensis habe aufgrund seiner Fehler in der Wahlkampagne das gewünschte Amt nicht erhalten. Kroll sieht es als eine durchaus berechtigte Kritik: „zu denen er als der Aeltere und auf dem Gebiet der petitio Erfahrenere voll berechtigt ist“: Kroll 1937, 130. In der Rede für Murena fällt die reprehensio vitae in die §§ 11–14 und die contentio dignitatis in die §§ 15–53, die sie zu einem festen Bestandteil der ambitus-Reden macht. Cic. Planc. 8: „qui et potest et solet non numquam dignos praeterire“. Kunkel 1995, 85 ff. zum Begriff Designation und zur Stellung eines designierten Magistraten. Cic. Planc. 8: „Denn ursprünglich durfte man ein Amt, das man erlangt hatte, erst ausüben, wenn der Senat zugestimmt hatte“.
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Zu jenen Zeiten also bewahrte der Senat diesen Zustand der Republik so, dass in einem grundsätzlich freien Volk wenig durch das Volk und das meiste durch das Gewicht des Senats und im Sinne der bewährten Tradition vollzogen wurde und dass die Konsuln der zeitlichen Dauer nach nur ein Jahr lang an der Macht waren, dem Wesen und dem Recht nach aber königliche Befugnisse hatten; und an allem, was für die Machterhaltung der Adligen besonders wichtig war, wurde mit Entschlossenheit festgehalten, damit die Beschlüsse des Volkes nur dann gültig waren, wenn das Gewicht der Väter es anerkannte.69
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Erwähnung der Macht der Adligen: Um die Vormachtstellung aufrechtzuerhalten, konnten Entscheidungen der Volksversammlung mit Hilfe der patrum auctoritas und dem Senat als Bestätigungsinstanz für ungültig erklärt werden. Daraus lässt sich schlussfolgern, wie Cicero hier anzudeuten scheint, dass Kandidaten, die durch das Volk für Magistraturen designiert waren, jedoch nicht die Interessen der aristokratischen Oberschicht vertraten, der Antritt ihres Amtes vorenthalten werden konnte. Abhängig von der gesetzlichen Grundlage des jeweiligen Prozesses konnten sogar neue Comitien anberaumt werden – siehe nur die Fälle de ambitu. Es gelte also die Entscheidungen des Volkes zu akzeptieren. Dass eine solche Argumentation aus rein strategischen Gründen vor Gericht Anwendung fand, liegt auf der Hand und bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erklärung. Bereits Nippel verwies auf den Umstand der vielfältigen Klagemöglichkeiten, die sich der politischen Führungsschicht durch die sullanische Gerichtsreform eröffnet hatten. So wurden Anklagen – besonders nach einem Wahlsieg – zu einem Instrument der „Ausscheidungskämpfe innerhalb der Aristokratie.“70 Dem Senat stand es also ursprünglich zu, mittels der auctoritas patrum nach Abschluss der Comitien Einspruch gegen die Wahlergebnisse einzulegen. So berichtet Cicero im Dialog Brutus von einem Vorfall zwischen dem Interrex Ap. Claudius Caecus und dem amtierenden Volkstribun von 298 v. Chr., M’. Curius Dentatus.71 Caecus hatte den Versuch unternommen, einen plebejischen Kandidaten bei den Wahlen zu übergehen. Als Reaktion darauf bringen die Volkstribune die Rogation ein, die patrum auctoritas möge vor Beginn und nicht nach Abschluss der Comitien ausgesprochen werden.72 Dem Vorgehen des Senats sollte schließlich die lex Maenia de patrum auctoritate von 290 v. Chr. (höchstwahrscheinlich nach 292 v. Chr. verabschiedet) Einhalt gebieten. Diese lex (oder das Plebiszit) des Maenius ordnete an, die Kandidatenliste 69
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Cic. rep. II,56: „Tenuit igitur hoc in statu senatus rem publicam temporibus illis, ut in populo libero pauca per populum, pleraque senatus auctoritate et instituto ac more gererentur, atque uti consules potestatem haberent tempore dumtaxat annuam, genere ipso ac iure regiam. quodque erat ad obtinendam potentiam nobilium vel maximum, vehementer id retinebatur, populi comitia ne essent rata nisi ea patrum adprobavisset auctoritas.“ Nippel 1981a, 79. Cic. Brut. 55. Lundgreen 2011, 64–65.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
vor den Wahlen durch den wahlleitenden Magistraten bestätigen zu lassen, was die nachträgliche patrum auctoritas ersetzen sollte. Auch wenn die patrum auctoritas ab dem 3. Jh. v. Chr. nicht mehr vordergründig zwecks der Ständekämpfe eingesetzt wurde, hatte sie wohl weiterhin eine beratende Funktion und blieb als Formalakt bis zum Ende der Republik bestehen.73 § 9 tu continentiam, tu industriam, tu animum in rem publicam, tu virtutem, tu innocentiam, tu fidem, tu labores tuos:74 Diese durchweg positiven Charaktereigenschaften spricht Cicero Laterensis mit der Aussage zu, sie seien nicht „für wertlos erklärt, verworfen und zurückgewiesen“, nur weil er nicht zum Aedil gewählt worden sei. Die von Versöhnlichkeit und Verständnis geprägte Haltung gegenüber Laterensis durchzieht die gesamte Rede.75 Die Merkmale ‚Uneigennützigkeit‘, ‚Eifer‘, ‚Gesinnung gegenüber dem Staat‘, ‚Tatkraft‘, ‚ehrlicher Sinn‘, ‚Zuverlässigkeit‘ und ‚Anstrengungen‘ scheinen idealisierte Eigenschaften zu sein.76 Neben der Abstammung, der militärischen Verdienste und der Reputation der gens scheinen diese idealtypischen Erwartungen grundlegend für eine Magistratur zu qualifizieren. So geht es nicht um die Würdigkeit des Laterensis für das Aedilenamt, sondern vielmehr um die Entscheidung des Volkes, die akzeptiert werden soll. non enim comitiis iudicat semper populus, (…), cedit precibus: Dem Volk wird die Fähigkeit einer rationalen Entscheidung aberkannt, da es laut Cicero manipuliert werden könne. So würde das Volk seinen Neigungen (gratia)77 folgen, auf Bitten (cedit precibus) hören, und diejenigen favorisieren, von denen es am meisten umworben wurde (facit eos a quibus est maxime ambitus). Schlimmer noch: wenn schließlich eine Wahl durch die wahlberechtigte Masse getroffen wurde, so beruhte diese nicht selten auf „einer plötzlichen Eingebung und sogar Willkür“.78 Der populus wird degradiert zu einer Masse (volgo) frei von consilium, ratio, discrimen und diligentia. In dem philoso73
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Zur wissenschaftlichen Diskussion und Forschungsgeschichte der lex Maenia siehe Hölkeskamp 2011, 110–111, insb. Anm. 11; Graeber 2001, 12, 151–152; neben Cic. Planc. 8, ebenfalls Cic. Brut. 55. Zum Gesetzestext der lex Maenia de patrum auctoritate siehe Elster 2003, 183–184; Rotondi 1962, 248. Zu den Wertebegriffen virtus, innocentia und fides siehe Hellegouarc’h 1963 und Lind 1979–1996. Siehe als Kontrast dazu die kurz vor dem Prozess gegen Plancius im Jahre 54 v. Chr. vor dem Senat gehaltene Invektive gegen Calpurnius Piso (in Pisonem), die Polemik gegen Cato in pro Murena (Cic. Mur. 58–66 u. ö.) oder den Angriff gegen Clodius Pulcher in der Planciana (§§ 86–88). Die Gründe seiner Versöhnlichkeit gegen Laterensis finden sich unter anderem in Cic. Planc. 17–29. Siehe insbesondere Q. Cic. comm. pet. 4–9; 16–25 für eine ähnliche Auflistung von Kriterien, die sich auf Verhaltensregeln beziehen, die während der petitio eingehalten werden sollten. Gratia ist eines der bedeutendsten Argumentationsstränge der oratio pro Cn. Plancio. Auf gratia basierend (die stark an officium angelehnt ist, das aufgrund des beneficium, das Plancius für Cicero geleistet hatte, beglichen werden musste) verteidigte Cicero seinen Mandanten. Siehe zu gratia Rollinger 2014, 101–121; Hölkeskamp 2011, 216; Moussy 1966, 249 ff., 355 ff., 371 ff., 475 ff.; Hellegouarc’h 1963, 202 ff. Cic. Planc. 9: „(…) impetu (…) et quadam (…) temeritate“.
2. Argumentative Strategie I – Die Folgen einer mangelhaften petitio
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phischen Dialog de legibus dahingegen werden die comitia centuriata im Gegensatz zu den comitia tributa, die unter anderem für die Wahl der Aedile zuständig waren, als diejenigen charakterisiert, die klüger entscheiden bzw. wählen. Dabei darf nicht aus dem Blick geraten, dass wir hier mit zwei unterschiedlichen Textgattungen konfrontiert werden: Wo in der Planciana eine bewusste Strategie zur Freisprechung des Mandanten verfolgt wird, wird in de legibus der eher normative Versuch einer idealisierten res publica aufgezeigt.79 Die negative Charakterisierung des Volkes diente demnach der Konstruktion einer Idealvorstellung der aristokratisch-politischen Elite Roms, die nicht durch Vorlieben Entscheidungen traf, sondern im Sinne der res publica den geeignetsten Männern zu den honores verhalf. Eine solche Darstellung spiegelt sich deutlich in der Planciana wieder: der populus Romanus würde solchen Kandidaten die Magistraturen anvertrauen, denen er folgende Eigenschaften zuschrieb: frugalitas, labor, vigilantia – Werte also, die eine „Makellosigkeit des Privatlebens“80 unterstreichen sollten; sicherlich aber begnügte er sich mit der virtus und der innocentia der Kandidaten.81 Es wird ein Bild gezeichnet, das den tatsächlichen Begebenheiten nicht entsprochen haben kann. Diverse Beispiele in der Geschichte der Republik können das bestätigen.82 Der Idealvorstellung konnte man allein aufgrund der hohen Fluktuation der Magistrate nicht gerecht werden. Die Begrenzung der jeweiligen Amtszeit auf ein Jahr erschwerte dies zusätzlich. Rein strukturell konnte nicht gewährleistet werden, dass stets die fähigsten Kandidaten die jeweiligen Ämter antreten konnten. Um der bisherigen Argumentationsstrategie treu zu bleiben, die hauptsächlich darin besteht, das Volk und nicht Plancius als den Urheber der Niederlage seines Mitstreiters zu präsentieren, soll dem Rat der „sapientes“ gefolgt werden: „semperque sapientes ea quae populus fecisset ferenda, non semper laudanda dixerunt.“ Eine ähnliche Degradierung des populus Romanus findet sich auch in der oratio pro Murena. Das Volk sei unbeständig, eine Aussage über die Wahlergebnisse zu treffen, sei daher unmöglich.83 In beiden Fällen handelte es sich allerdings um ambitus-Prozesse. Die Argumente gegen den populus Romanus sollten in erster Linie als Erklärung für die Wahlniederlage der Ankläger dienen. So mag es also im Interesse der Argumentation gewesen sein, den Aspekt des unberechenbaren populus besonders hervorzuheben.84 Auch konnte Cicero sich solcher Aussagen nur bedienen, da er vor einem Publikum auftrat, das sich vornehmlich aus der politischen Elite zusammensetzte. Im Fall Murenas trat er vor Senatoren, Rittern und Ärartribunen auf, im Fall Plancius werden equites und tribuni aerarii erwähnt, wie auch davon
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Cic. leg. III,44. Hölkeskamp 2011, 229 mit Anm. 231. Cic. Planc. 62. Hier sei lediglich exemplarisch auf einige wenige Männer auf der politischen Bühne Roms hingewiesen: P. Clodius Pulcher, L. Sergius Catilina, C. Terentius Varro. Neben Cic. Planc. 7; 9; 12; 51–52 auch Cic. Mur. 35; 36; 53. Vgl. Mouritsen 2001, 98.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
berichtet wird, dass die plebs vom Prozess ausgeschlossen wurde, das Verfahren also nicht öffentlich war.85 facit eos a quibus est maxime ambitus: Der Begriff ambitus86 wird zum ersten Mal innerhalb der Rede in § 9 gebraucht, allerdings ohne jeglichen Bezug zum Gegenstand der Anklage. Fuhrmann gibt für ambitus in der deutschen Übersetzung das Verb ‚umwerben‘ an. Watts geht in seiner englischen Übersetzung in eine ähnliche Richtung: „the people promotes those who court it most assiduously“. Diese Übersetzungen mögen der Notlage geschuldet sein, für diesen typisch römischen Begriff mit einem facettenreichen Spektrum an Denotationen und Konnotationen ein semantisch angemessenes Äquivalent zu finden. Um der oratio zunächst auf einer rein inhaltlichen Ebene zu folgen, mag dies ausreichen. Die Übersetzung wird dem Phänomen ambitus im politischen Leben der römischen Republik jedoch keineswegs gerecht. Hier wären eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Begriff unter etymologischer Herleitung zum einen, die Untersuchung der leges de ambitu aus rechtshistorischer, rechtstheoretischer und rechtspraktischer Perspektive zum anderen sowie die Einordnung ihrer Bedeutung und Auswirkung in einem politischen System der permanenten Konkurrenz innerhalb der politischen Elite um honores notwendig.87 § 10 comitiis, praesertim aediliciis, studium esse populi, non iudicium: Die Sonderstellung der Aedilitätswahlen (comitia tributa) in der Gesamtbetrachtung der comitia tritt hier besonders zutage.88 Demnach werden die Stimmen (suffragia89) bei den Wahlen der Aedile erschmeichelt (eblandita90), aber nicht auf einer ‚sachlichen‘ Ebene erworben (enucleata91). Interessant ist die Gegenüberstellung der Begriffe stu-
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Cic. Planc. 21. Wie ein Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten werden konnte, erklärt Cicero allerdings nicht. Zur Begriffsgeschichte/Etymologie siehe Teichmüller 1901, ambire, -tio, -tiosus, -tiose, -tus, 5–28; Hellegouarc’h 1963, 208–211; Nadig 1997, 95–97; nach wie vor zur Quellenlage TLL 1 (1905) 1857– 1862 s. v. ambitus. Siehe hier das Kapitel „Ambitus – ein Tatbestand ohne klare Grenze?“ Vgl. ebenfalls die Kapitel zur analytischen Untersuchung von ambitus. Um die Rolle, Auswirkung und den Umgang mit ambitus zu verstehen, ist es unentbehrlich, sich mit dem Wahlsystem und den Wahlprozessen zu beschäftigen. Die generellen Unterschiede zwischen den comitia centuriata und den comitia tributa müssen daher einer näheren Untersuchung unterzogen werden. OLD2 2052–2053 s. v. suffragium, no. 1 a vote cast in an assembly (for a candidate, resolution, etc.); no. 2 the action of voting, the exercise of one’s vote; (sim. pl., sometimes = the whole process or system of voting). OLD2 641 s. v. eblandior, no. 2 to charm, delight, soothe (the senses, feelings); vgl. TLL 5 (1931) 6 s. v. eblandior. OLD2 669 s. v. enucleatus: free from obscurity or excess, precise, to the point; (of arguments, etc.) going to the heart of the matter, minute, meticulous; vgl. TLL 5 (1934) 615–616 s. v. enucleo, hier 616,10 für enucleatus.
2. Argumentative Strategie I – Die Folgen einer mangelhaften petitio
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dium92 (Begierde, persönliche Präferenzen) und iudicium93 (rationale Bestimmung / Urteilsspruch). Das Volk als Instanz wird an dieser Stelle erneut diskreditiert und als Ursache für die Niederlage des Laterensis präsentiert. Dem populus wird also studium vorgeworfen: „Wenn du also behauptest, du hättest Aedil werden müssen, dann wirfst du dem Volk und nicht deinem Mitbewerber ein Verschulden vor.“94 Da die Wahlen der Aedile dem „freien Ermessen“ des Volkes unterliegen, werden gerade in diesem Zusammenhang die Stimmen der Wähler „erbettelt, nicht peinlich abgewogen“. In den comitia tributa scheinen also nicht die Interessen der res publica im Vordergrund zu stehen, sondern persönliche Beziehungen und Präferenzen: „eos qui suffragium ferant, quid cuique ipsi debeant considerare saepius quam quid cuique a re publica debeatur“.95 Diese Lesart mag nun der Verteidigungstaktik Ciceros geschuldet sein, seinen Mandanten zu entlasten und dessen Handlungsweisen zu rechtfertigen. Die Sonderstellung der Aedilität im cursus honorum ist trotz Ciceros abwertender Kritik nicht von der Hand zu weisen. Die Aedilität bot dem Amtsinhaber die Möglichkeit, sich kontinuierlich in der Öffentlichkeit Roms zu präsentieren und die Bevölkerung durch spektakuläre Spiele für sich einzunehmen, was sich in folgenden Kandidaturen durchaus als nützlich erweisen konnte. Darauf basierte nämlich das individuell-symbolische Kapital der Aedilität: Um den populus während des Jahres der Amtsausübung, eben nach gewonnener Wahl, für sich einzunehmen, konnten Methoden eingesetzt werden, die durchaus unter den Tatbestand ambitus fielen – neben den aufwändigen Spielen sei auf die kostspieligen Volksspeisungen hingewiesen, die man veranstaltete. (…) iudicium, non tibi id rescindendum est sed ferendum: Mit iudicium – die rechtliche Konnotation des Begriffes ist offensichtlich96 – wird der Urteilsspruch des Volkes dem Urteilsspruch eines Magistraten oder eines iudex gleichgesetzt. Die Ankläger haben wie die „multi clarissimi et sapientissimi cives“ die Entscheidung des Volkes zu akzeptieren.97 Darin läge der Unterschied des römischen Volkes zu allen anderen Völkern, da es durch Abstimmung (suffragiis), den eigenen Entscheidungen folgend, jedem Kandidaten entweder alles gewähren oder vorenthalten könne: nämlich die honores. Es sei die Sache der politischen Elite (im lateinischen Text steht lediglich nos-
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OLD2 2018–2019 s. v. stadium, no. 1 inclination towards a thing, desire, fancy; no. 2 enthusiasm, eagerness (for). OLD2 1075–1076 s. v. iudicium, no. 1 legal proceedings before a iudex or iudices, an action or trial (often, by implication, of the whole process of a trial or suit). Insbesondere no. 7 any decision (esp. of a formal or authoritative kind), pronouncement or expression of opinion; vgl. TLL 6 (1967) 606–617 s. v. iudicium. Cic. Planc. 10: „Qua re, cum te aedilem fierei oportuisse dicis, populi culpam, non competitoris accusas.“ Cic. Planc. 10: „(…) daß die Abstimmenden eher in Betracht ziehen, was sie selbst einem jeden schulden als was die Gemeinschaft ihnen schuldig ist.“ R. Leonhard, RE 18,2 (1916) 2479–2481 s. v. iudicium; vgl. TLL 7 (1967) 606–617 s. v. iudicium. Cic. Planc. 11.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
trum est), dem Volk entgegenzukommen, gegebenenfalls es in seinen Überzeugungen umzustimmen, sich das Wohlwollen des Volkes zu sichern und, falls notwendig, es zu beruhigen. Der Öffentlichkeit solle man sich allerdings immer nur im Falle einer petitio aussetzen und sie ansonsten meiden: „honores si magni non putemus, non servire populo; sin eos expetamus, non defetigari supplicando“.98 Die Formulierung „non servire populo“ deutet auf die Bemühungen angehender Magistrate hin, die durch intensive petitiones in letzter Konsequenz den populus Romanus demütig um Unterstützung bitten mussten (supplicando).99 Trotz der zeitlichen Distanz zwischen dem commentariolum petitionis und der oratio pro Cn. Plancio lassen sich beide Schriften beinahe als korrespondierende Stücke lesen. Die Rede für Plancius ist praktisch eine Anleitung zur perfekten Wahlkampagne bzw. ein Ratgeber für die korrekte Stimmenwerbung bei der Kandidatur um die Aedilität. Folgende Faktoren spielten eine besondere Rolle: das Bitten beim Volk um seine Unterstützung, die Nutzung von familiären und freundschaftlichen Beziehungen, um einen möglichst breiten Kreis der Wählerschaft abzudecken, die Mobilisierung der amici, die in ihren jeweiligen tribus Wahlkampagnen für ihre Favoriten betrieben, und eine stetige wie öffentliche Präsenz in Rom.100 Überblick §§ 12–16: Die bisherige Argumentation Ciceros war auf die Etablierung des populus Romanus als Entscheidungsinstanz über die Vergabe der honores ausgerichtet. In den folgenden Passagen werden aus der Perspektive des Volkes die Gründe für die Niederlage des Laterensis wiedergegeben: Dieser hatte keine intensive Wahlkampagne betrieben, war nicht genügend öffentlich präsent und hatte sich dadurch der allgemeinen Aufmerksamkeit entzogen. Um seine Argumente zu stärken, führt Cicero bekannte Persönlichkeiten als exempla auf (§§ 12–13). Es sei allerdings nicht die Aufgabe des Gerichts, die Ursachen einer Niederlage zu prüfen, solange kein largitio-Verdacht bestand.101 Die vorgebrachten Argumente stützen sich, nachdem zuvor akzentuiert auf den Wahlprozess eingegangen wird, auf die freie Entscheidung des Volkes. Hatte der populus einen Kandidaten ausgewählt, so konnte die Wahl nicht vor Gericht revidiert werden (§§ 14–16).
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Cic. Planc. 11: „(…) wenn wir nicht auf Ämter erpicht sind, dem Volke aus dem Wege zu gehen, uns hingegen, wenn wir danach gieren, durch unermüdliches Bitten darum zu bemühen.“ Ein ähnlicher Ratschlag wird auch in Q. Cic. comm. pet. 53 f. erteilt. 99 Blänsdorf 2016, 82. 100 Cic. Planc. 13. Dieser Meinung ist auch Kroll 1937, 127–139; hier insbesondere 130: „So läuft die Rede bisweilen fast in so etwas wie einen Katechismus für Kandidaten aus und berührt sich mit Q. Ciceros für seinen Bruder geschriebener Anweisung.“ Und 132: „(…) so würde uns Ciceros Rede selbst aufklären, die in einigen Partien geradezu als das Hohelied auf den richtig geübten ambitus bezeichnet werden darf.“ Siehe dazu Cic. Planc. 45; 48 u. ö. 101 Man bemerke, dass hier explizit largitio und nicht ambitus als Straftat angegeben wird.
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§ 12 Qui (populus) (…) haec dicat: „ego tibi, Laterensis, Plancium non anteposui sed, cum essetis aeque boni viri, meum beneficium ad eum potius detuli qui a me contenderat quam ad eum qui mihi non nimis submisse supplicarat“:102 Die rhetorische Herangehensweise an dieser Stelle ist besonders auffällig. Das Volk hat natürlich in letzter Konsequenz Plancius den Vorzug gegeben. Interessanter ist es nachzuverfolgen, auf welchen Kriterien basierend diese Entscheidung angeblich getroffen wurde. Das beneficium des Volkes wurde also demjenigen zuteil (detuli), der sich darum bemüht hatte. Demjenigen, der nicht bereit war, das Volk demütig darum zu bitten (submisse supplicarat), oder dies nicht genügend tat, enthielten die Wähler ihr beneficium vor. Die Stimmenwerbung der candidati war also essentiell für einen Wahlerfolg. Cicero selbst begann mit seiner petitio für das Konsulat 63 v. Chr. bereits im Jahr 65. Von seinem Mitbewerber P. Sulpicius Galba berichtet er, dieser habe bereits vor Cicero mit seiner Wahlwerbung begonnen.103 Die Strategien einer Wahlkampagne, wie sie in der Planciana empfohlen werden nämlich intensives Ersuchen der Wählerschaft und die hinreichende Signalisierung des Wunsches nach dem erstrebten Amt – werden im commentariolum petitionis als erfolgversprechend und als grundlegend notwendig beschrieben.104 Die Argumentation Ciceros legt klare Indizien für die weitestgehend ungebundene Entscheidungsgewalt der Wählerschaft einerseits und die intensiven Wahlkämpfe innerhalb der politischen Elite Roms andererseits dar. Respondebis, credo, te splendore et vetustate familiae fretum non valde ambiendum putasse:105 Der Verzicht auf eine intensive Wahlkampagne habe sich für Laterensis, der sich lediglich auf seine Abstammung verlassen hatte, als Fehlentscheidung erwiesen. Namen berühmter gentes konnten bei Kandidaturen eine wichtige Ressource darstellen, da sie im Gedächtnis des populus Romanus präsent waren – das Wiedererkennungspotential war also höher. Die Abstammung allein scheint jedoch nicht ausreichend gewesen zu sein. Honores mussten von jedem einzelnen männlichen Mitglied einer gens neu errungen werden. Im politischen System der römischen Republik existierte kein Erbrecht auf politische Ämter – das Fehlen rechtlicher Verfügungen d. h. Ansprüche auf honores bedingte also die andauernde Konkurrenz innerhalb der Cic. Planc. 12: „Ich habe dich, Laterensis, nicht dem Plancius vorgezogen, sondern meinen Gunsterweis – da ihr gleich tüchtige Männer seid – lieber dem zukommen lassen, der sich bei mir darum bemüht hatte, als dem, der nicht bereit war, mich mit einiger Ergebenheit zu umwerben.“ Die Übersetzung von Fuhrmann scheint verwirrend, wenn man sich auf den lateinischen Text konzentriert. Diesem nach ist nämlich gemeint, dass das Volk Plancius nicht Laterensis „tibi“ vorgezogen habe. Siehe dahingegen Watts „I have not preferred Plancius to you, Laterensis, but, since there was no choice (…)“, das sich aus der Negation zum Verb (non anteposui sed) ergibt. So würde man anstelle des „dich“ ein „dir“ und anstelle des „nicht dem Plancius“ ein „dem“ erwarten. 103 Cic. Att. I,1,1; Kunkel 1995, 80; Gelzer 1912, 43 ff.; Taylor 1961, 62 ff. 104 Laser 2001, 11; Q. Cic. comm. pet. 8: supplicare; 4, 5, 19, 21, 44: rogare; 2–7, 10–11, 13, 15, 27, 31, 43, 50, 51, 53–54, 56, 58: petere. 105 Cic. Planc. 12: „Du wirst wohl antworten, du habest im Vertrauen auf den Glanz und das Alter deines Hauses geglaubt, keinen großen Wahlkampf führen zu sollen.“ 102
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politischen Elite maßgeblich. Das Volk, vor allem die plebs urbana, spielte in diesem Konkurrenzgefüge eine bedeutende Rolle und „habe stets gebeten (rogari), stets umworben (supplicari) sein wollen“.106 Unter Anwendung folgender Exempel versucht Cicero seinem Argument Nachdruck zu verleihen: Das Volk habe M. Seius 74 v. Chr. trotz seiner geringen finanziellen Mittel, die nicht einmal für den Rittercensus auszureichen schienen,107 die Aedilität gewährt, dafür aber M. Pupius Piso Frugi Calpurnianus übergangen, der schließlich 61 v. Chr. das Konsulat bekleiden durfte.108 Auch wurden Q. Lutatius Catulus, der aus einer angesehenen Familie stammte, und dessen Mitbewerber – zum einen C. Atilius Serranus, ein „stultissimum hominem“ jedoch „fuit enim tamen nobilis“, zum anderen C. Flavius Fimbria, ein „novum hominem“, dafür aber „fuit enim et animi satis magni et consili“ – übergangen. Stattdessen hatte man Cn. Mallius Maximus den Vorzug gegeben, der als „non solum ignobilem verum sine virtute, sine ingenio, vita etiam contempta ac sordida“ charakterisiert wird.109 Die hier vorgenommene Hierarchisierung ist einer näheren Betrachtung würdig: Zunächst wird verdeutlicht, dass die Abstammung aus einer renommierten gens und der damit verbundene aristokratische Rang nicht von einer Wahlkampagne befreiten. Jeder candidatus stand in der Pflicht, einen intensiven Wahlkampf zu führen. Die oben aufgegriffenen Exempel sollten diese Tatsache verdeutlichen. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Kandidaten auffällig: C. Serranus sei zwar ein „Dummkopf “, jedoch wenigstens ein Anwärter vom aristokratischen Rang gewesen. C. Fimbria dagegen sei ein „Neuling“, habe aber über „Mut und ein treffendes Urteil“ verfügt. Diesen beiden Anwärtern habe man einen Mann vorgezogen, der keines der beiden Kriterien erfüllte. Der ‚unqualifizierte‘ Adel schien demnach Vorrang vor den novi homines zu genießen, mochten diese auch talentierter und qualifizierter für die Ämterausübung gewesen sein. Im Zusammenhang mit seiner eigenen Vita wird Ciceros Argumentation, der selber als homo novus stets suo anno die Magistraturen bekleidet hatte, hinfällig. Die exempla hier werden wohl überlegt eingesetzt, da Iuventius Laterensis zwar von aristokratischem Rang war, jedoch keinen hinreichenden Wahlkampf geführt hatte. Der homo novus Cn. Plancius dagegen laut der Auslegung Ciceros sowohl auf persönlicher Ebene geeignet zu sein schien und sich auch nicht davor gescheut hatte, die plebs um ihre Unterstützung zu bitten.
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Cic. Planc 12. Wohl in Folge eines Prozesses gegen ihn: vgl. Alexander 1990, 177 (Nr. 377). Broughton MRR II, 102 zu M. Seius; 178 zu Pupius Piso. Cic. Planc. 12. Q. Lutatius Catulus Konsul 102 v. Chr.; C. Atilius Serranus Konsul 106; Cn. Mallius Maximus Konsul 105 und C. Flavius Fimbria Konsul 104. Vergleiche die prosopographischen Daten bei Broughton MRR I.
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M. Seius, M. Piso, Q. Catulus, C. Serranus, C. Fimbria, Cn. Mallius:110 Die exempla werden gezielt unter dem Gesichtspunkt ihrer Abstammung oder individuellen Fähigkeiten gegenübergestellt, um das Argument bezüglich der Entscheidungshoheit bzw. Entscheidungswillkür des populus Romanus weiter zu stützen. Laterensis’ Hoffnung, seine ausgezeichnete Abstammung hätte ihn für die Amtsübernahme prädestinieren müssen, sei für die Wählerschaft kein hinreichender Grund. Die Tradition verpflichte nämlich jeden Bewerber zu folgendem Grundprinzip: „Dann aber wird das Volk dich auf seine Gepflogenheiten und das Beispiel seiner Vorfahren hinweisen und sagen, es habe stets gebeten, stets umworben sein wollen, (…).“111 An erster Stelle wird M. Seius, Aedil 74 v. Chr., der laut Cicero nach einem Strafprozess das für den Ritterstand notwendige Vermögen nicht mehr aufbringen konnte, mit M. Pupius Piso Frugi Calpurnianus, dem späteren Konsul von 61 v. Chr., verglichen.112 Das Volk habe M. Seius bei seiner Kandidatur für die Aedilität zum Nachteil des M. Pupius Piso, „einem Manne von höchstem Adel, größter Lauterkeit und glänzender Redegewandtheit“, den Vorzug gegeben.113 Ebenso sei es Q. Lutatius Catulus ergangen. Letzterer scheiterte bei drei von vier Kandidaturen für das Konsulat. So sei Lutatius Catulus, „der Sproß eines hochangesehenen Hauses, ein(en) Mann von großem Weitblick und unbedingter Zuverlässigkeit“, übergangen worden. An seiner Stelle wählte man 106 v. Chr. C. Atilius Serranus, „einen Dummkopf (er war immerhin von Adel)“. Bei der Kandidatur 105 v. Chr. wurde Q. Lutatius Catulus erneut übergangen, stattdessen wählte man einen gewissen Cn. Mallius Maximus, „dem nicht nur adlige Herkunft, sondern auch jede Tatkraft, jedes Talent fehlte“. Bei der dritten Kampagne 104 v. Chr. sollte statt Lutatius ein C. Flavius Fimbria siegen, „ein(en) Neuling (er hatte ja viel Mut und ein treffendes Urteil)“.114 Q. Lutatius Catulus schaffte es schließlich 102 v. Chr., als Kollege des C. Marius das Konsulat anzutreten.115 Die aufgeführten exempla zeigen innerhalb der Argumentation Ciceros ihre Stringenz. Der dreifache Verlierer Q. Lutatius Catulus, der sowohl positiv charakterisiert wird als auch von adliger Abstammung war, wird von scheinbar minder geeigneten Anwärtern besiegt. Der homo novus zwischen diesen drei Siegern, nämlich C. Flavius Fimbria, wird dennoch relativ positiv beschrieben. Die wohlwollende Behandlung Fimbrias diente letztendlich der Verteidigung des homo novus Cn. Plancius. In einem nächsten Schritt sollten die vor Gericht angeführten Beispiele dem Ankläger Folgen110 111 112 113 114 115
F. Münzer, RE 3,2 (1921) 1121–1122 s. v. Seius (3). M. Pupius Piso Frugi Calpurnianus wurde von Cicero als Dialogpartner in seiner philosophischen Schrift de finibus bonorum et malorum (ab § 5) ausgewählt. Cic. Planc. 12: „At vero te ille ad sua instituta suorumque maiorum exempla revocabit; semper se dicet rogari voluisse, semper sibi supplicari“. Zu dem Prozess gegen M. Seius siehe Alexander 1990, 177–178 (Nr. 377). Cic. Planc. 12. Cic. Planc. 12. Broughton MRR I, 567.
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des aufzeigen: Eine Niederlage bei der Aedilenwahl bedeutete keineswegs eine politische Sackgasse. Basierend auf der bisher aufgebauten Argumentationslinie ist die Niederlage nicht der persönlichen oder politischen Unfähigkeit des Laterensis geschuldet. Jedoch gelte die Grundprämisse, das Volk als ämtervergebende Instanz stets um Unterstützung zu bitten. Dies habe Laterensis nicht hinreichend getan. Die Wahlniederlage ist demnach auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen gebe das römische Volk in den Comitien (comitia centuriata und tributa) stets unabhängig seine Stimme ab, nicht selten folge es dabei der Neigung, geeignete Männer zu übergehen – dies müsse akzeptiert werden. Von alternativen Optionen, nämlich dem Anfechten der Wahlergebnisse durch Gerichtsprozesse, solle abgesehen werden, da es der römischen Tradition widerspreche. Trotz ihrer durch Cicero propagierten ‚Unabhängigkeit‘ bei den Comitien könne die abstimmende Masse durch Bitten und Schmeicheleien beeinflusst werden. Andere Einflussfaktoren, wie unter anderem politische Großkonstellationen, soziale Beziehungen durch amicitia und Patron-Klient-Bindungen, werden bewusst im Sinne der Verteidigung ausgelassen. Anhand der von Cicero gewählten exempla (Seius, Piso, Catulus, Serranus, Fimbria und Mallius) und der ihnen zugesprochenen Eigenschaften lässt sich ein Kriterienkatalog erstellen, der sich in zwei Kategorien unterteilen lässt: 1) das Kriterium der Abstammung und 2) das Kriterium der persönlichen Disposition der candidati. Die Kategorie der Abstammung umfasst die Punkte Ansehen und Alter der gens (splendore et vetustate familiae), die Zugehörigkeit zur Aristokratie, das daraus resultierende finanzielle wie symbolische Kapital und – dem entgegengesetzt – der Status eines homo novus. Die Kategorie der persönlichen Disposition besteht aus den Eigenschaften Lauterkeit (innocentia), Redegewandtheit (eloquentia), Weitblick und Zuverlässigkeit (sapientia/sanctissimus), Tatkraft (virtus) und Talent (ingenium), Mut (animus) und Urteilskraft (consilium). Die Kriterien individueller Dispositionen spiegeln einerseits das ciceronianische Idealbild eines candidatus wider, das sich in ähnlicher Weise im commentariolum petitionis wiederfindet,116 andererseits zeigen sie, dass exempla „erst ‚exemplarisch‘ im Sinne von musterhaft-vorbildlich (werden), (…) wenn sie auf einen allgemeinen Kodex von Wertbegriffen (…) verweisen und die virtus generell (…) oder Einzeltugenden (…) repräsentieren.“117 § 13 Desidarerunt te (…) oculi mei, cum tu esses Cyrenis: Das Volk habe vergeblich nach Laterensis gesucht, während dieser 62 v. Chr. in Kyrene (Libyen) die Quaestur innehatte.118 Seine mangelnde Präsenz in der städtischen Öffentlichkeit wird
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Q. Cic. comm. pet. 8; 39; 49 u. ö. Hölkeskamp 1996, 312–313. F. Münzer, RE 20,2 (1919) 1365–1367 s. v. M. Iuventius Laterensis (16). Kyrene wird in der contentio dignitatis der beiden Kandidaten eine erneute Rolle in der ciceronianischen Argumentation spielen: Cic. Planc. 63.
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kritisiert und als einer der Gründe für seine Niederlage postuliert.119 So habe nicht die plebs Romana von seiner virtus profitiert, sondern die Einwohner Kyrenes. Wie präsent Laterensis in seiner Funktion als Quaestor im Gedächtnis der Öffentlichkeit war, ist an sich fraglich, zumal die plebs Romana keine unmittelbaren Interessen mit den Quaestoren zu verbinden schien. Die Ausübung der Quaestur beschränkte sich bekanntlich nicht nur auf Rom, sondern erstreckte sich auch auf die Provinzen – eine potentielle Abwesenheit aus Rom war also vorprogrammiert. Der Verweis dient hier lediglich der weiteren Ausgestaltung einer angeblich defizitären Präsenz des Laterensis in Rom und seiner mangelhaften petitio.120 Auffällig ist hierbei die Zeitspanne zwischen der Quaestur 62 v. Chr. und der Kandidatur für die Aedilität 55. Die zeitliche Distanz umfasst damit sieben Jahre, in denen Laterensis keine politischen Ämter ausgeübt hatte. Plancius dahingegen erreichte nach seiner Quaestur (58) in Makedonien/Thessaloniki das Volkstribunat 56, bevor er sich 55 um die Aedilität bewarb. Eine stete Präsenz im politischen Leben durch die Ausübung von Ämtern einerseits und die vom älteren Cn. Plancius (princeps publicanorum) für seinen Sohn geführten Wahlkampagnen andererseits mögen den Wahlsieg 55 v. Chr. für die Aedilität gesichert haben.121 petere tribunatum pl.: In der Zeit zwischen der Quaestur und der Bewerbung um die Aedilität hatte sich Laterensis 58 v. Chr. um das Volkstribunat beworben, jedoch seine Kandidatur zurückgezogen. Der Grund ist in zwei brisanten Ereignissen der Jahre 59–58 v. Chr. zu suchen. In derselben Amtsperiode trat kein anderer als P. Clodius Pulcher das Volkstribunat an.122 Ausgestattet mit den Kompetenzen des Tribunats sorgte er für Turbulenzen in Rom, die bekanntlich auch zum Exil Ciceros führten. Laterensis hatte seine Kandidatur zurückgezogen, als abzusehen war, dass er womöglich der Amtskollege des Clodius werden könnte. Diesen Akt kritisiert Cicero vehement. Gerade zu dieser Zeit hätte man seiner „Wortgewandtheit und Tatkraft (eloquentiam et virtutem)“ bedurft.123 Das Volk, so gibt es Cicero jedenfalls weiter, habe an Laterensis’ Fähigkeiten und an seiner Bereitschaft gezweifelt, sich gegen Clodius zu stellen. In dieser Relation wäre das Tribunat für die Öffentlichkeit von größerem Interesse als die Aedilität.124 Erneut (siehe § 7) wird die Aedilität im Vergleich zu den anderen honores herabgesetzt.125 Dass Laterensis seine Kandidatur möglicherweise nicht nur aus Furcht 119 Kroll 1937, 130. 120 Das Argument wird erneut innerhalb der contentio dignitatis (siehe insbesondere §§ 63–66) aufgegriffen. 121 Wiseman 1971, 136; vgl. Cic. Planc. 24–25; 31–35. 122 Tatum 1999, 114 ff.; Broughton MRR II, 195–196. 123 Cic. Planc. 13. 124 Zur obigen Diskussion der Kandidatur zum Tribunat des Laterensis siehe: Niccolini 1934; ders. 1932; vgl. Broughton MRR II, 195–196; F. Münzer, RE 20,2 (1919) 1365–1367 s. v. M. Iuventius Laterensis (16). 125 Auf die Absicht dieser Strategie wurde bereits hingewiesen (siehe § 7). Sie soll vordergründig dazu dienen, Laterensis, mit dem er sowohl befreundet war und ihm für seine Hilfe während seines Exils Dankbarkeit schuldete, zu beschwichtigen. Siehe auch Kroll 1937, 130.
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vor Clodius, sondern als Protestakt gegen die popularen Bestrebungen zurückzog, wird von Cicero in § 53 aufgegriffen. Alle Bewerber, die 59 v. Chr. im Konsulatsjahr Caesars um Ämter für das folgende Jahr kandidierten, mussten den Eid leisten, die Ausführung von Caesars zweitem Siedlergesetz nicht zu blockieren. Um den Eid nicht leisten zu müssen, zog Laterensis seine Bewerbung zurück und gab damit seine politische Grundeinstellung zu erkennen.126 Die besondere Stellung und Rolle des Volkstribunats gehen aus dieser Stelle besonders deutlich hervor. Das Volk, so Cicero, würde selbst darauf hinweisen: „Ädil mag sein, wer will, und auf mich warten stets dieselben Spiele, doch wer Tribun wird, das ist wichtig für mich.“127 Die Aedilität, mag sie für das Volk doch von geringer Bedeutung gewesen sein, könne sich Laterensis in Zukunft sichern (reddam tibi istam aedilitatem etiam neglegenter petenti). Um jedoch die höchsten Ämter zu erreichen (die Praetur und sicherlich das Konsulat), müsse jeder Bewerber das Volk gezielt und systematisch bitten: „sed amplissimos honores ut pro dignitate tua consequare, condiscas censeo mihi paulo diligentius supplicare.“ § 14 qua re victus sis non debere iudicem quarere: Die von Cicero zuvor dargelegten Argumente werden an dieser Stelle gebündelt wiedergegeben: So sei er der Auffassung, dass die Gerichtshöfe nur für Fälle von largitiones verantwortlich seien, nicht aber für die Untersuchung von Niederlagen (modo ne largitione sis victus). Entscheidungen, die aus den Wahlen resultierten, seien allgemein zu akzeptieren. Die Anerkennung von Sieg und Niederlage im politischen Gefüge war schließlich essentiell. Das Wegfallen einer allgemeinen Akzeptanz hätte zur Folge, dass siegreiche Kandidaten regelmäßig oder gar geradezu automatisch gerichtlich verfolgt würden – das gesamte Wahlprozedere inklusive der Wahlkampagnen, d. h. das Werben um Stimmen, der Akt der Stimmabgabe, die Stimmenauszählung nach Abschluss der Comitien und die Bekanntgabe der Ergebnisse, wären damit obsolet.128 § 15 hic familia consulari est, ille praetoria: Fällt das übliche Wahlprozedere allerdings weg, so könne allein anhand der Abstammung der Bewerber ein Kriterienkatalog erstellt werden. Kandidaten würden folglich in die konsularische, praetorische oder ritterliche Kategorie eingeordnet werden. Dabei sei Amtsanwärtern aus konsularischen Familien vor denjenigen aus praetorischen der Vorzug zu geben, die wiederum vor Anwärtern aus ritterlichem Rang den Vortritt hätten.129 Die individuelle Disposition und Befähigung für die angestrebten honores verloren gemäß einer solchen Hier-
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Cic. Planc. 53: „de qua ne aliquid iurares destitisti. Denuntiasti (…) quid de summa re publica sentires“. Cic. Planc. 13: „aediles quicumque erunt, idem mihi sunt ludi parati; tribuni pl. permagni interest qui sint.“ Cic. Planc. 14: „nihil iam est quod populo supplicetur, nihil quod diribito, nihil quod renuntiatio suffragiorum exspectetur“. Cic. Planc. 15: „cedat consulari generi praetorium, ne contendat cum praetorio nomine equester locus.“
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archisierung an Bedeutung. Folglich wäre einerseits die typisch römische Wahlpraxis bestehend aus einer Wahlkampagne, der Konkurrenz zwischen den Kandidaten und der Mitteilung des Wahlausganges mit der Verkündung der designierten Kandidaten außer Kraft gesetzt, andererseits würde eines der traditionell fest verwurzelten Prinzipien der politischen Ordnung – das Recht des Volkes – unterwandert werden. Der Wahlausgang wäre damit laut Cicero völlig berechenbar.130 Die Frage nach „einem Maß, einem Plan und festen Grundsätzen“ sei dennoch nicht zu beantworten: Die Wähler in den Comitien auf dem Marsfeld (als tatsächlich geographischer wie auch symbolischer Ort der Wahlen von Staatsbeamten in Rom) seien unbeständig: „dem tiefen und unermeßlichen Meer vergleichbar, aufbrausen wie eine Art Flut und so auf die einen zukommen und vor den anderen zurückweichen“.131 Jegliche Versuche einer Normierung der Wahlen mussten also am populus Romanus scheitern, der sich während der laufenden Comitien für den einen oder gegen den anderen Kandidaten entscheiden konnte. § 16 Etenim si populo grata est tabella: Eine Sonderstellung wird der geheimen Abstimmung eingeräumt, die laut Cicero von den Wählern besonders geschätzt wurde. Sie schaffte nämlich politische Entscheidungsspielräume: Einerseits wurde den Wählern ermöglicht, ihre wahren Absichten zu verhüllen, andererseits wurde der notwendige Freiraum geschaffen, um in letzter Konsequenz unabhängig über das eigene Stimmrecht zu verfügen. Gleichzeitig bestand die Möglichkeit, weiterhin Versprechungen an Kandidaten auszusprechen.132 Augenfällig sind die Konsequenzen, die aus der geheimen Wahlpraxis hervorgehen. So konnten Versprechen abgegeben werden, ihre Einhaltung war jedoch keineswegs garantiert – eine Kontrolle darüber wurde durch die nicht öffentliche Abstimmung fast unmöglich gemacht. Die geheime Wahl führte demnach zu einer deutlichen Veränderung der Beziehungen zwischen den Wählern und den Kandidaten.133 Wurden versprochene Zusagen von der Wählerschaft nicht eingehalten, spiegelte sich das allerdings nach dem Ende der Comitien in den Wahlergebnissen wider. Prinzipiell intendierte die geheime Abstimmung wohl, Wähler der externen Kontrolle durch Außenstehende zu entziehen.134 130
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Cic. Planc. 15: „Sublata sunt studia, exstinctae suffragationes, nullae contentions, nulla libertas populi in mandandis magistratibus, nulla exspectatio suffragiorum; nihil, ut plerumque evenit, praetor opinionem accident, nulla erit posthac varietas comitiorum.“ Der Überraschungseffekt der Wahlergebnisse entfällt demnach. Cic. Planc. 15: „ut mare profundum et immensum, sic effervescunt quodam quasi aestu ut ad alios accedant, ab aliis autem recedant“. Cic. Planc. 16: „Etenim si populo grata est tabella, quae frontis aperit hominum, mentis tegit datque eam libertatem ut quod velint faciant, promittant autem quod rogentur“. Yakobson 1999, 138–139. Eine Auseinandersetzung mit den leges tabellariae findet sich hier im Kapitel „Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?“ Siehe zu der Auseinandersetzung mit der geheimen Abstimmung durch tabellae: Lundgreen 2008, 36–70.
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Alle weiteren Fragen zu den Wahlergebnissen seien gerade unter dem Gesichtspunkt, welcher der Bewerber qualifizierter zu sein schien, nach Abschluss der Comitien unerheblich und fruchtlos: „warum suchst du zu erzwingen, daß im Gerichtssaal geschieht, was auf dem Marsfelde nicht geschieht?“135 Die Bestrebung, Entscheidungen, die in den Comitien getroffen worden waren, per quaestio rückgängig zu machen, spiegelt klar die Tendenz der rückläufigen Akzeptanz einer politischen Niederlage auf der einen Seite und das Streben einzelner Individuen nach politischem Aufstieg auf der anderen Seite wider. Strafprozesse – insbesondere nach einem Wahlsieg – wurden folglich zu einem beliebten Instrument römischer Aristokratie im Wettbewerb um honores und zeigten zugleich den höchst kompetitiven Charakter der römischen Elite.136 Überblick §§ 17–29: Obwohl Cicero aus freundschaftlichen Gründen einen Vergleich zwischen den Kontrahenten zu vermeiden suchte, wird in den folgenden Paragraphen eine contentio dignitatis vorgenommen. Der Vergleich umfasst zunächst eine Analyse der Gründe, die den Sieg des Plancius ermöglicht hatten. Die erfolgreiche Kandidatur sei primär in der breiten Unterstützung des Angeklagten und nicht in einer unrechtmäßigen Wahlkampagne zu suchen. Die ritterliche Abstammung einerseits (§§ 17–18) und die rege Teilnahme der Wähler aus der praefectura Atina (§§ 19–21) andererseits seien den politischen Ambitionen des Plancius förderlich gewesen. Der Einfluss des Vaters, den er als publicanus auf die Pachtgesellschaften (societates) ausübte (§§ 23–24), und schließlich die Fürbitte Ciceros (§§ 24–26) hätten die Kandidatur des Plancius maßgeblich getragen. Schließlich seien aber das Können und die Verdienste des Plancius, die ihn in besonderer Weise für die Aedilität auszuzeichnen schienen, von besonderer Wichtigkeit gewesen (§§ 27–29). § 17 Cn. Plancium non obrepsisse ad honorem, sed eo venisse cursu: Die Aedilität habe Plancius sich auf rechtmäßigem Wege erkämpft: Der cursus honorum stünde schließlich den Mitgliedern des ordo equester offen.137 Zwei grundlegend wichtige Informationen sind in dieser kurzen Passage enthalten: zum einen der Terminus cursus honorum, der in dieser Weise nur bei Cicero zu finden ist,138 und die Gegenüberstellung der Ämterübernahme auf ‚regulärem‘ Weg mittels cursus honorum und das Erlangen von honores durch ‚Erschleichung‘. Obwohl die contentio dignitatis, wie sie auch in der Rede pro Murena zu finden ist,139 zur Textkonstitution einer ambitus-Rede gehörte, wird sie von Cicero bewusst hinaus135 136 137 138 139
Cic. Planc. 16: „cur tu id in iudicio ut fiat exprimis quod non fit in campo?“. Vgl. Nippel 1981a, 79. Cic. Planc. 17: „(…) sed eo venisse cursu qui semper patuerit hominibus ortis hoc nostro equestris loco“. Zum cursus honorum als terminus technicus und seine Belege bei Cicero vgl. Beck 2005, 9; zur Ämterlaufbahn ders., 51 ff. Siehe Cic. Mur. 15–53. Die contentio dignitatis in der Planciana folgt wesentlich später, nämlich ab § 58.
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gezögert, um zuvor den Fokus auf die Anklage und den Prozess zu lenken. Ein Vergleich der Würdigkeit beider in Bezug auf die Aedilität musste dennoch angestellt werden: Gerade Strafprozesse wurden aus der Perspektive des Verteidigers in erster Linie geführt, um mit herkömmlichen oder eben innovativen Mitteln der Rhetorik einen Freispruch für die Klienten zu erwirken. Eine Differenzierung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Handlungen war in keinster Weise das Ziel und konnte im Rahmen der iudicia publica sogar von Nachteil sein. Dabei spielten persönliche Bindungen symmetrischer wie asymmetrischer Art, die Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Klassen, die politische und soziale Stellung sowie die persönlichen Beziehungen die Hauptrolle. Zugleich färbte das Schicksal des Angeklagten auf den Ruf des Patrons/ Anwalts ab. Somit lag es im persönlichen Interesse des Verteidigers, für seinen Mandanten einen Freispruch zu erreichen. equitis Romani filius est: Die Zugehörigkeit zum ordo equester dürfe Plancius nicht zum Nachteil gereichen. Alle Bewerber um die Aedilität 55 v. Chr. außer M. Iuventius Laterensis waren schließlich equites Romani.140 Dabei handelte es sich namentlich um Q. Pedius, A. Plotius141 und schließlich Cn. Plancius. Q. Pedius, der Sohn der Iulia – der Schwester des C. Iulius Caesar –, wird die Eigenschaft eines fortis vir zugesprochen: wohl, da er zwischen 58–57 v. Chr. als Legat des späteren Dictators Caesar in Gallien diente.142 Aus der folgenden Darstellung Ciceros geht hervor, dass Plancius die meisten Wählerstimmen erhalten hatte. Daher sei es verwunderlich, dass Laterensis nicht Plotius oder Pedius anklagte, von denen er unmittelbar bei den Wahlen besiegt wurde, d. h. die ihm in Bezug auf die Stimmenzahl am nächsten waren. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Plancius bei den Wahlen von allen vier Kandidaten die meisten Stimmen erhalten hatte, Laterensis dahingegen mit der geringsten Stimmenzahl aus den Comitien hervorging.143 Der Gebrauch des Terminus „equitis Romani filius est“ zeigt zwei unterschiedliche Probleme auf: zum einen die Selbstverständlichkeit, dass Kandidaten aus dem ordo equester hinter den Anwärtern aus dem ordo senatorius zu stehen schienen. Zum anderen, dass das Zahlenverhältnis der antretenden Kandidaten in der späten Republik durchaus unausgeglichen war. So scheinen mehr Kandidaten aus dem ordo equester angetreten zu sein als Mitglieder aus dem ordo senatorius – auf diesen Wandel verweisen sowohl Farney als auch Wiseman.144 Besonders wichtig ist der
140 Zum ordo equester siehe Nicolet 1966; Brunt 1988; Bleicken 1995b; Stemmler 1997. 141 Q. Pedius: consul suffectus von 43 v. Chr. als Kollege des Octavian im selben Jahr: Broughton MRR II, 336–337; J. Fündling, DNP 9 (2000) 468 s. v. Q. Pedius; F. Münzer, RE 37,2 (1937) 38–41 s. v. Pedius (1); A. Plotius (Plautius): Praetor 51 v. Chr. (Fuhrmann 1997, 848 Anm. 7). 142 Cic. Planc. 17: „Tu neque Q. Pedio, forti viro, suscenses (…)“; F. Münzer, RE 37,2 (1937) 38–41 s. v. Pedius (1). 143 Kroll 1937, 127; in ähnlicher Manier verweist Cicero auch in seiner Rede in Vatinium darauf, dass der Quaestor des Jahres 63 v. Chr. nämlich P. Vatinius in den Comitien 64 v. Chr. der Letzte auf der Liste war: Cic. Vatin. 11–12. 144 Farney 2007; Wiseman 1971.
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Verweis auf die equites Romani in Anbetracht der Zusammensetzung der Geschworenenbank für die quaestio de sodaliciis. Die Richterbank wurde wie bereits gezeigt mit equites und tribuni aerarii besetzt: Demnach versuchte Cicero gezielt, die Sympathien der iudices für seinen Mandanten zu gewinnen.145 § 18 est prima (…) contentio: Der erste Vergleichspunkt bezieht sich auf die Herkunft und die Familie: „(…) tibi est prima cum Plancio generis vestri familiaeque contentio.“146 In dieser Kategorie, so gibt Cicero zu, sind sich die Kontrahenten nicht ebenbürtig: Plancius unterliegt seinem Gegner. Entscheidend sei jedoch der Grad der Unterlegenheit. Als Erklärung zieht Cicero seine eigene Person heran. Er sei beizeiten seinen Mitbewerbern, vor allem im Kampf um das Konsulat, deutlich unterlegen gewesen – deutlicher sogar als Plancius nun Laterensis im Kampf um die Aedilität unterlegen sei. Cicero bezieht sich konkret auf den familiären Hintergrund des Plancius, dessen Vater als publicanus über weitreichende Beziehungen und Einfluss verfügte, sowohl in Rom als auch in Atina und den umliegenden municipia und praefecturae. Es wird bereits an dieser Stelle wie auch in den folgenden Paragraphen verdeutlicht, dass gerade die Herkunft einem Kandidaten zum Vor- oder Nachteil gereichen konnte. nomen utraque familia consulare: Die Herkunft des unterlegenen Laterensis, der „von väterlicher und mütterlicher Seite einen konsularischen Namen“147 hatte, schien ein entscheidender Faktor in der contentio gewesen zu sein. Die gens Iuventia entstammte dem Municipaladel Tusculums. Ein gewisser M. Iuventius Thalna brachte 163 v. Chr. die Konsulwürde in die gens Iuventia, dem einige Praetoren aus den Zweigen der Iuventii Thalnae und Iuventii Laterenses folgten. Bei der Mutter handelte es sich wohl um eine Otacilia Laterensis, womit sich Ciceros anfängliche Bemerkung in Bezug auf die konsularische Abstammung bestätigt.148 So läge es nahe, dass die Kandidatur des Laterensis von allen begünstigt gewesen sein müsste, die dem Adel mit all seiner symbolischen Repräsentation nahestanden: Alle Sympathisanten der römischen Aristokratie, die die Mitglieder der Nobilität hochhielten (qui favent nobilitati), sie als das Schönste ansahen (putant esse pulcherrimum), sich beeindrucken ließen von Ahnengalerien (imaginibus) und Namen (nominibus), hätten Laterensis in seinen politischen Ambitionen beistehen müssen. An dieser Stelle scheint erneut Ciceros eigene Vita durch, der als homo novus nicht über die aufgezählten Privilegien – d. h. in erster Linie über imagines und einen traditionsreichen Namen – verfügte.
Siehe zur Zusammensetzung des Gerichtshofes unter Anwendung der lex Licinia de sodaliciis ab § 36 ff.; vgl. Patterson 2004, 94. 146 Cic. Planc. 18: „(…) der erste Vergleichspunkt zwischen dir und Plancius betrifft eure Herkunft und Familie“. 147 Cic. Planc. 18. 148 F. Münzer, RE 20,2 (1919) 1365–1367 s. v. M. Iuventius Laterensis (16). 145
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Eine Ursache für die Wahlniederlage des Anklägers sieht Cicero nicht in der gänzlich ausgebliebenen Unterstützung, sondern lediglich in der geringen Anzahl der Anhänger: „Doch wenn die Zahl derer zu klein ist, die den Adel schätzen: was können wir dafür?“ – „num ista nostra culpa?“149 Der ritterliche Emporkömmling dahingegen habe die Unterstützung einer breiteren Masse erhalten. Ein solches Erklärungsmotiv erlaubt zunächst folgenden Rückschluss: Die vom populus Romanus ausgehende Akzeptanz der Nobilität mit all ihren Ansprüchen durchlebte in der späten Republik eine Rückentwicklung und wurde nun mit den Konsequenzen dieser rückläufigen Akzeptanz konfrontiert. Ebenso naheliegend ist es aber, die Argumentation als von rein rhetorischer Natur zu verstehen, da Cicero plausible Gründe für die Niederlage des Laterensis anbringen musste. Mit Sicherheit kann festgehalten werden, dass die Zahl der Anwärter auf die honores im spätrepublikanischem Rom mit ritterlichem und/oder municipalem Status deutlich zunahm.150 Auffällig ist der kollektive Gebrauch von nostra culpa, der Raum für Spekulationen lässt. Zwei Interpretationsmöglichkeiten bieten sich an: Entweder umfasst nostra culpa Cicero und seinen Mandanten, die beide vor Gericht anwesend sind. Oder es handelt sich dabei kollektiv um den ordo equester – dem sowohl Cicero als auch Plancius angehörten – nämlich als Abgrenzung gegenüber Laterensis bzw. dem ordo senatorius. imaginibus: Die imagines der Vorfahren (imagines maiorum) stellen einen Aspekt der römischen Porträtkunst dar.151 Sie waren aus Wachs gefertigte Masken (Porträts), die Abbildungen der curulischen Magistrate einer gens, die sich durch politische wie militärische Erfolge im Dienste der res publica hervorgetan hatten. Blome bezeichnet die imagines maiorum als „Lebensgesichter aus Wachs mit offenen, aus Glas oder anderem Material eingelegten Augen und wohl auch echtem Haar. Die wächsernen Porträtbüsten (…) konnten offenbar mit Scheinleibern verbunden werden, die den Verstorbenen als Stoffpuppe mit entsprechenden Kleidern und Ehrenzeichen abbildeten“.152 Flower zufolge handelte es sich bei den imagines um lebensechte Masken aus Bienenwachs, die bei Anlässen wie der pompa funebris von Schauspielern getragen wurden.153 Die imagines trugen maßgeblich zum symbolischen Kapital der Mitglieder der römischen Nobilität bei. Sie verliehen den individuellen Geschichten der verschiedenen gentes konkrete Gesichter und ermöglichten feierliche wie auch symbolträchtige Prozessionen, die wiederum hochgradig performativ und strikt geregelt waren154 – wie der erwähnte Leichenzug.155 Prozessionen dieser Art dienten selbstverständlich der Reprä149 Cic. Planc. 18. 150 Siehe die Prosopographie bei Wiseman 1971, 209–283. 151 Sehlmeyer 1999, 45–48 zu den unterschiedlichen Typen von imagines und ihrer Bedeutung als öffentliche Ehrenbildnisse, die noch vor den Ehrenstatuen gängig gewesen sein dürften; hier 45. 152 Blome 2001, 314. 153 Flower 1996, 32–59. 154 Vgl. Hölkeskamp 2008, 79–126. 155 Pol. VI,53–54.
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sentation bestimmter ausgezeichneter Mitglieder der Nobilität und damit der Repräsentation der jeweiligen gens in der römischen Öffentlichkeit. Imagines fungierten aber nicht nur als Mittel der Zurschaustellung des symbolischen Kapitals nach außen. Sie wurden gleichzeitig dazu genutzt, generationsübergreifend Leistungsansprüche an die Nachkommen zu stellen – wodurch sie wiederum immer aktuell und allgegenwärtig wurden.156 Wenn sie nicht für bestimmte Prozessionen in Gebrauch waren, so bewahrte man sie in den atria der Stadthäuser auf, wo sie weiterhin eine repräsentative Rolle bei den morgendlichen salutationes spielten.157 Diesbezüglich betonen Flaig und Walter den Eindruck, den stemma und tituli auf den aediculae auf die Klienten machen mussten, die allmorgendlich im Atrium auf die salutatio des Patrons warteten.158 Cicero präsentiert also die imagines als einen entscheidenden Vorteil im Wettkampf um höhere curulische Ämter.159 So waren Ahnengalerien und ruhmreiche Namen Legitimation und stärkender Faktor zugleich im Kampf um honores. Die imagines werden Laterensis als ‚Qualifikationsmerkmal‘ zwar zugesprochen, jedoch wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Anhänger des Adels gering in ihrer Zahl seien – damit wird der spätrepublikanischen Aristokratie die Vormachtstellung abgesprochen bzw. der selbstverständliche Anspruch auf die honores relativiert. ad caput et ad fontem generis: „Und jetzt wollen wir uns den Anfängen und den Ursprüngen beider Familien zuwenden“: Die Untersuchung der unterschiedlichen Herkunftsorte bildet den nächsten Schwerpunkt in der contentio. Dabei handelt es sich zum einen um das municipium Tusculum, zum anderen um die praefectura Atina. Cicero beschreibt Tusculum als einen Ort, dem neben den Iuventii zahlreiche andere konsularische Familien entstammten. Auch hätten alle übrigen municipia zusammengefasst nicht so viele konsularische gentes hervorgebracht: „tot ex reliquis municipiis omnibus non sunt“.160 Tusculum, ein bekannter Villenort am Nordrand der Albanerberge,
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Hölkeskamp 2004, 42: Ein solches symbolisches Kapital galt für die Nachkommen (zumal für junge nobiles) als „Herausforderung“ statt als „selbstveständliches Privileg“. 157 Zu den imagines vgl. Flower 1996; Flower 2006a; Kaplow 2008. Flower zufolge handelte es sich bei den imagines um lebensechte Masken aus Bienenwachs, welche die Schauspieler trugen: Flower 1996, 32–59. Nach Kunkel 1995, 80 war auch die Zahl der salutatores für die candidati von großer Bedeutung, da die Größe der Menge als ein Zeichen der Popularität galt. Dieselbe Strategie verfolgte man mit den deductores und den adsectatores. Die sectatores, die ständigen Begleiter der Kandidaten in Phasen der Wahlkampagne erfuhr durch legislative Maßnahmen (lex Fabia de numero sectatorum von 66 v. Chr.) eine Einschränkung bezüglich ihrer Höchstgrenze, da die Gewohnheit entstand, sich Begleiter zu mieten. Siehe Cic. Mur. 70 f. für eine Einteilung der Klienten in drei Gruppen. Vgl. dazu Q. Cic. comm. pet. 43 ff. Zu den sectatores Rosillo-López 2010, 60; für eine Untersuchung zu den salutationes siehe Goldbeck 2010. 158 Flaig 2003, 62; Walter 2004, 97. 159 Cic. Planc. 18; Cic. Pis. 1: „Obrepsisti ad honores errore hominum, commendatione fumosarum imaginum, quarum simile habes nihil praeter colorem.“ So habe Piso nur aufgrund der Empfehlung seiner Vorfahren (d. h. durch ihre imagines) das Konsulat erlangt. „Fumosarum imaginum“ bezieht sich dabei auf die Masken, die im Atrium vom Feuerrauch geschwärzt wurden. 160 Cic. Planc. 19.
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lag lediglich ca. 25 km von Rom entfernt.161 Das municipium war unabhängig von Rom und gehörte seit 381 v. Chr. zum ager Romanus. Bedeutend sind die konsularischen Familien, die aus Tusculum stammten und denen die Stadt ihr Ansehen zu verdanken hatte. Dazu gehörten unter anderem die Fulvii, Mamilii, Coruncanii, Porcii und eben auch die Iuventii.162 Plancius dahingegen stammte aus Atina.163 Die volskische praefectura beschreibt Cicero in Kontrast zu Tusculum als: „(…) minder alt, minder angesehen, minder nahe der Stadt“164 – die Adjektive prisca, honorata, suburbana stehen im Vordergrund: je älter, angesehener und insbesondere je näher zur Stadt Rom (suburbium)165 desto höher schienen also die Chancen im Wettkampf um die honores zu sein. Atina lag im Südosten von Latium adiectum, ca. 20 km nördlich der Via Latina bei Casinum und ca. 15 km östlich von Arpinum, der Heimat Ciceros.166 Das römische Bürgerrecht erhielt Atina erst im 2. Jh. v. Chr. In der räumlichen Distanz Atinas zu Rom sieht Cicero allerdings einen entscheidenden Vorteil für seinen Mandanten: Die hohe Wahlpartizipation der Atinaten sei der Entfernung und der bis dato kaum hervorgebrachten Magistrate zu verdanken.167 Erst L. Appuleius Saturninus (Praetor 59 v. Chr. und der spätere Statthalter von Makedonien), dessen Sohn Cn. (Appuleius) Saturninus beim Prozess gegen Plancius anwesend war,168 habe die Ehre eines curulischen Magistraten (sellam curulem) nicht nur in seine familia, sondern als erster Atinate in seine praefectura gebracht. Die Tusculaner dahingegen würden, wohl der Tatsache geschuldet, dass sie viele ehemalige Konsuln hervorgebracht hatten, Kandidaten aus ihrem municipium kaum noch Interesse entgegenbringen – und implizit sagt er: schon gar nicht solchen, die ‚nur‘ für die Aedilität kandidierten.169 Überzeugend zeigt Farney exemplarisch anhand dieser Quellenstelle die streng etablierte Ordnung von Bedeutung und Prestige innerhalb der Familien latinischer Städte. Eine solche Ordnung ging einerseits auf die Assoziation der Familien (origo) mit Rom und der römischen Politik sowie andererseits auf die Anzahl der aus ihren Heimatstädten hervorgebrachten Magistrate zurück. Laterensis‘ selbstverständlicher Anspruch, er habe aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Nobilität und seiner Abstammung aus Tusculum den Atinaten Plancius übertreffen müssen, erscheint nachvoll161 162 163 164 165 166 167 168 169
Fuhrmann 1997, 848 Anm. 8. Farney 2007, 46. Lomas 2004, 102–104 mit einer knappen, jedoch hilfreichen Zusammenfassung zu Plancius und Atina. Cic. Planc. 19: „hic est e praefectura Atinati non tam prisca, non tam honorata, non tam suburbana.“ Mayer 2005, 43 zur Definition und Bedeutung von suburbium. Farney 2007, 46; Fuhrmann 1997, 848 Anm. 8. Lomas 2004, 103: „Atina was clearly a flourishing community during the late Republic and early Empire (…)“. Lomas ordnet Atina zum volskisch- italischen Klientel Ciceros in ihrem Beitrag: „A Volscian Mafia? Cicero and his Italien Clients.“ Cic. Planc. 19. Schäfer 1989 zur sella curulis.
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ziehbar. Aristokraten aus Tusculum legitimierten sich also als die wichtigsten Mitglieder der politischen Elite Roms, indem sie sich auf ihre origo beriefen.170 Laut Cicero war Plancius mit den hier zuvor erwähnten Appuleii Saturnini verwandt.171 Man bemerke die Konstellation: In seiner Funktion als Quaestor befand sich Plancius in Makedonien bei dem Statthalter L. Appuleius Saturninus, der sich des Plancius wie ein Vater angenommen haben soll: „L. vero Apuleius (…) qui praescribit in parentum loco quaestoribus suis praetores esse oportere officiis benivolentiaque superarit“.172 Seinen Militärdienst auf Kreta unter Q. Metellus leistete er gemeinsam mit Cn. Appuleius Saturninus, dem Sohn des oben erwähnten Praetors, 68/67 v. Chr. ab. Die persönliche Nähe zu den Appuleii Saturnini ist demnach nicht von der Hand zu weisen. Bezüglich der gentes aus Atina variieren die Daten allerdings. Folgt man den Angaben von Farney, der sich auf die Prosopographie von Wiseman bezieht, auf die wiederum Broughton zurückgreift, so waren es die Sentii Saturnini aus Atina, die den Rang der Praetur bereits in den 90er Jahren erlangt hatten.173 L. Sentius Saturninus war Münzmeister 105 v. Chr. (oder 101 v. Chr.)174 und anschließend praetor urbanus, wahrscheinlich zwischen 93–89 v. Chr. C. Sentius Saturninus – laut Münzer wohl eher ein Bruder als der Sohn des obengenannten L. Sentius Saturninus – wurde 97 v. Chr. Aedil, 94 v. Chr. praetor urbanus und anschließend 93–86 v. Chr. Propraetor in Makedonien.175 Die Auskunft Ciceros in Bezug auf den Vater des beim Prozess anwesenden Cn. (Appuleius) Saturninus, nämlich L. Appuleius Saturninus, er sei der Erste aus Atina im Besitz der curulischen Würde, ist damit unzutreffend.176 Für die abweichende Darstellung bieten sich zwei Erklärungsoptionen: Möglicherweise besaß Cicero keine konkreten Kenntnisse über die praetorischen Amtstätigkeiten der Sentii Saturnini aus Atina. Immerhin lagen zwischen der Amtsausübung der
170 Farney 2007, 45–47. Wichtig ist hier die von Farney vorgenommene Unterscheidung zwischen Latium vetus und Latium adiectum: „As far as the political culture of Rome was concerned, Latium vetus simply outclassed Latium adiectum.“ 171 Cic. Planc. 19; 27–28; 29; 99, siehe auch, E. Klebs, RE 3,2 (1895) 260–261; 269 s. v. Appuleius (27; 30). 172 Cic. Planc. 28. 173 Wiseman 1971, 260; Farney 2007, 46; Broughton MRR III Suppl. (1986), 191. Taylor 1960, 275 ordnet allerdings unter dem Aspekt der „Tribes of Senatorial Gentes and Italian Communities“ für die tribus Teretina mit der praefectura Atina lediglich vier Personen: Alfius Flavus, Appuleius Saturninus, ein gewisser Arruntius und Cn. Plancius. Die oben erwähnten Sentii Saturnini werden von ihr nicht aufgelistet, erst Broughton führt sie im MRR III Suppl. (1986) auf. 174 Crawford RRC vol. I, 65–75, hier 67 und 75. 175 F. Münzer, RE 4,2 (1923) 1509; 1511 s. v. Sentius (3; 6). 176 Eine Verwandtschaft zwischen L. Appuleius Saturninus aus Atina und dem berühmten Volkstribun L. Appuleius Saturninus, der in enger Zusammenarbeit mit C. Marius stand, ist auszuschließen. Ein Hinweis auf eine eventuelle familiäre Bindung lässt sich weder durch die oben bereits erwähnten Prosopographien noch durch die Artikel von Klebs et. al. in der RE feststellen. Vgl. zu den gentes aus Atina neben den Plancii, die Arruntii, die allerdings erst nach den Plancii sich hervortaten (L. Arruntius erreichte 22 v. Chr. die Konsulwürde), und die oben erwähnten Sentii: Lomas 2004, 102–103.
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Sentii und der Appuleii ca. 34 Jahre. Weitere fünf Jahre vom Prozess 54 v. Chr. entfernt ergibt sich eine Zeitspanne von insgesamt 39 Jahren. Ebenfalls wahrscheinlich wäre das bewusste Zurückhalten von Informationen durch Cicero, der sich im Laufe des Gerichtsverfahrens unmittelbar auf den Anwesenden Cn. Appuleius Saturninus bezieht. Die Verbindung zwischen Plancius und den Appuleii Saturnini wird im Verlauf der Verteidigungsrede mehrmals aufgegriffen (§§ 27–28 ff.), da sie dem Verteidiger als Vorlage diente, den Angeklagten vor Gericht besonders positiv darzustellen. Die Bedeutung von Verbindungen auf persönlicher Ebene bzw. ihre Erwähnung vor Gericht war ein besonders effektives Mittel, das in Strafprozessen als indirektes Argument für den guten Charakter des Angeklagten gebraucht wurde – die Appuleii Saturnini dienten demnach als Leumundszeugen.177 Sie sollten den guten Ruf und die moralische Haltung des Plancius bestätigen, die wiederum die Anschuldigungen gegen ihn als unglaubwürdig erscheinen lassen sollten. Die Aufzählung weiterer erfolgreicher Magistrate aus Atina hätte zudem Ciceros Argument bezüglich der Wahlpartizipation und des Wahlinteresses der Atinaten geschwächt. Denn gerade die Tatsache, dass aus Atina bis zum Zeitpunkt des Prozesses nur ein Praetor hervorgegangen sein soll, diente als Erklärung für die positive und persönliche Anteilnahme der Atinaten und der übrigen tribules. Der Wahlsieg des Plancius sei allein auf die hohe Partizipation der Wähler zurückzuführen. Damit wird implizit angedeutet, dass ein Rückgriff auf unerlaubte Methoden der Wahlwerbung nicht notwendig war. § 20 habemus hoc nos, habent nostra municipia:178 Hoc meint die bereits beschriebene positive Einstellung der Einwohner Atinas hinsichtlich der Unterstützung ihres Kandidaten Cn. Plancius. Der Plural nos bezieht sich auf Cicero und seinen Bruder, die dem municipium Arpinum entstammten, und dient der Abgrenzung gegenüber Tusculum. In ähnlicher Weise wie die Atinaten empfänden alle Arpinaten einen gewissen Stolz auf M. Tullius und Q. Tullius Cicero, vor allem aber auf C. Marius. Dagegen fänden weder M. Cato noch Ti. Coruncanius oder die Fulvii Anerkennung durch die Tusculaner. An Ciceros Erörterung knüpfen sich allerdings weiterführende Fragen: Wurde das Ansehen bekannter municipia, die bereits zahlreiche Magistrate hervorgebracht hatten, neuen candidati zum Verhängnis? Stiegen demgegenüber die Chancen der Amtsanwärter aus bis dato weniger bekannten und von Rom weiter entfernten municipia und praefecturae? Die prosopographische Erhebung auf Basis der von Cicero in der vorliegenden Rede erwähnten Wahlverlierer bietet erste Ansätze zur Beantwortung dieser Fragen. M. Catone, Ti. Coruncanio, Fulviis, C. Mario: M. Porcius Cato, Ti. Coruncanius und die gens Fulvia verband neben ihrem politischen Werdegang ihre gemeinsame Herkunft aus Tusculum.179 Laut Cicero führte die hohe Rate an erfolgreichen Kandi177 178 179
Riggsby 2004, 165–186. Cic. Planc. 20: „Diese Eigenschaften haben wir, haben unsere Heimatstädte“. Taylor 1960, 273.
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daten und das daraus resultierende politische Prestige zum Desinteresse der Tusculaner an den Comitien – zumindest für die Wahl der niederen Magistraturen wie der Aedilität – und an den Kandidaten. Drei prominente Beispiele ehemaliger Magistrate aus Tusculum sollen das bestätigen: der berühmte, als streng konservativ geltende und stets zum klassischen Vorbild des republikanischen Magistraten stilisierte M. Porcius Cato (Konsul 195 v. Chr.);180 Ti. Coruncanius, der als erster und letzter aus der gens Coruncania als homo novus 280 v. Chr. das Konsulat erlangte181 und schließlich L. Fulvius Curvus, der 322 v. Chr. das Konsulat erreichte. Neben dem Zweig der Curvi gehörten der Linie der Fulvier die Paetini und Centumali an.182 Kaum ein Tusculaner empfinde noch Stolz bei der Erwähnung dieser großen Männer. Arpinum wird als Gegenbeispiel zu Tusculum aufgeführt: „Wer hingegen einen Arpinaten trifft, der muß sich, er mag wollen oder nicht, vielleicht auch etwas über uns (M. Tullius und Q. Tullius Cicero), bestimmt aber etwas über C. Marius anhören“.183 Taylor kann für Arpinum (tribus Cornelia) neben den Marii die Gratidii und die Tullii Cicerones nachweisen.184 Dass C. Marius, der siebenfache Konsul aus Arpinum, Sieger über die Germanen und pater patriae185 (wie Cicero selbst), in einer solchen Konstellation für die ciceronianische Argumentation eine besondere Rolle spielt, liegt auf der Hand.186 Auf der geringen Anzahl von erfolgreichen Magistraten aus Arpinum und Atina beruhe der besondere Stolz und das hohe Mobilisationspotential für Wahlen. § 20–21 primum (…) deinde (…): In seiner Argumentation setzt Cicero also zwei Schwerpunkte: Erstens (primum) sei der Wahlerfolg des Plancius auf die breite Unterstützung seiner Mitbürger aus Atina zurückzuführen, zweitens (deinde) auf die insgesamt hohe Anzahl derer, die den Emporkömmling aus ritterlichem Rang bevorzugt hatten – der Aussage Ciceros nach gelte Atina als die am dichtesten besiedelte praefectura.187 Im Vergleich dazu war das Interesse der Tusculaner und die Unterstützung der Kandidatur des Laterensis wohl gering.188
180 Broughton MRR I, 339; Astin 1978; Gehrke 2000, 147–158 zur Catos Abstammung aus Tusculum und seiner politischen Laufbahn. 181 Broughton MRR Suppl. (1960), 190; F. Münzer RE 8,2 (1901) 1663–1665 s. v. Coruncanius (3). 182 Siehe Fuhrmann 1997, 848 Anm. 9. 183 Cic. Planc. 20. Cicero betrachtete sich seinerseits als einen „Marius“, vgl. nur das gleichnamige Gedicht Marius, das anhand der Erwähnungen in den erhaltenen ciceronianischen Werken bekannt ist: Cic. div. I,106 mit wörtlichem Zitat und Cic. leg. I,1. 184 Taylor 1960, 272. Unsicher ist die Zuordnung eines gewissen Fufidius aus Arpinum. 185 Cic. Rab. perd. 27, der Marius patrem patriae nennt; zum Begriff parens bzw. pater patriae siehe Alföldi 1954, 133–169, hier 136–137. 186 Wiseman 1971, 240. 187 Cic. Planc. 21: „huius praefectura plena virorum fortissimorum“. 188 Farney 2007, 76 spricht von einer allgemeinen Arroganz und Gehässigkeit der Tusculaner, die sich nicht nur gegen Mitbürger außerhalb Tusculums, sondern ebenso gegen ihre eigenen unmittelbaren Mitbürger richtete.
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equites Romani: Die praefectura plena virorum fortissimorum aus Atina, zu denen Cicero die equites Romani und tribuni aerarii zählt, seien beim Prozess anwesend – die plebs hingegen wurde ausgeschlossen (nam plebem a iudicio dimisimus). Ein klarer und differenzierter Umgang mit den equites Romani und dem ordo equester als soziale Gruppe unter Betrachtung ihrer zunächst militärischen Rolle und der späteren politischen wie sozialen Funktionen erweist sich als schwierig.189 Trotz der Integration der stärkeren numidischen und spanischen Reiter in das römische Heer leisteten die römischen equites auch nach dem Zweiten Punischen Krieg weiterhin militärischen Dienst zu Pferde.190 Wichtig für die Entwicklung des ordo als soziale Gruppe (als zweiter ordo nach der senatorischen) ist die Zeit der mittleren und späten Republik. Die Abgrenzung von der Senatorenschicht (ordo senatorius) und die Entwicklung eines eigenen Standesbewusstseins wurde durch die Agitationen des C. Gracchus weiter gefördert. Die Übertragung des Repetundengerichtshofs auf die Ritter ermöglichte eine starke Verhandlungsbasis gegenüber der Senatorenschicht: Die neu erlangte Richtertätigkeit wurde zum politischen Druckmittel gegen die senatorischen Statthalter einerseits und – ganz im Sinne des C. Gracchus – zum Instrument der Verfolgung eigener politischer Ziele andererseits.191 Dazu trug auch maßgeblich der soziale Aufstieg der publicani bei,192 die in den meisten Fällen führende römische Ritter waren.193 tribuni aerarii: Die tribuni aerarii wurden ursprünglich den römischen Magistraten, die für die Auszahlungen des Soldes an Soldaten verantwortlich waren, zur Seite gestellt.194 Ihre Funktion als „tribal paymasters“ wurde laut Wiseman allerdings ab 167 v. Chr. obsolet, als die direkte Besteuerung der römischen Bürger nicht mehr durchgeführt wurde. Die Bezeichnung tribuni aerarii taucht erst mit der lex Aurelia iudiciaria 70 v. Chr. wieder auf.195 Was den rechtlichen Status angeht, so wurden die Ärartribune zu den equites Romani gezählt und fungierten neben den Senatoren und Rittern als iudices in den Geschworenengerichten.196 Das Aufbringen des notwendigen Census war der entscheidende Punkt: nicht aufgrund ihrer Abstammung also, sondern aufgrund ihres Vermögens wurden sie in dieselbe Censusklasse wie die equites Romani
189 Siehe unter anderem Stemmler 1997. 190 Zu der besonderen Stellung der equites Romani im militärischen Dienst gibt die vorliegende Rede: Cic. Planc. 32 Aufschluss. Darüber hinaus Sall. Iug. 65,4; Caes. Gall. 1,42,6; 7,65,5. 191 Siehe dazu hier das Kapitel „Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia“. 192 Siehe zu den publicani Cic. Planc. 24; Liv. XLIII,16,1–4; Cic. Rab. Post. 3. 193 Lintott 1993, 86–91; Brunt 1988, 144–193; Wiseman 1970, 67–83 zu der rechtlichen Stellung der equites Romani, ihre Abgrenzung zum ordo senatorius und den tribuni aerarii. 194 L. de Libero, DNP 12 (2002) 796–799 s. v. tribunus; zusammengesetzt aus den Begriffen tribunus (Vorsteher einer tribus) und aerarium (Staatskasse). 195 Wiseman 1970, 80; Greenidge 1901, 444, dazu Gell. VI,10. Referenzen über die Obsoleszenz des Begriffes: Nicolet 1966, 598 ff. 196 Zwar setzte C. Iulius Caesar 46 v. Chr. die tribuni aerarii vom Richterdienst ab, doch integrierte M. Antonius sie kurze Zeit später wieder in die Gerichtshöfe: siehe ausführlicher hier das Kapitel „Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia.“
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eingestuft.197 Laut Nicolet mussten die tribuni aerarii denselben Census (400 000 HS) wie die equites equo publico aufbringen, ohne jedoch zu den 18 Centurien des ordo equester zu gehören. Bedeutend wird die Rolle der tribuni aerarii ab 70 v. Chr. nach der Verabschiedung der lex Aurelia iudiciaria, durch die ihnen Sitze als Richter neben den Rittern und Senatoren in den quaestiones gesichert wurde.198 Die Regelungen der lex Aurelia allein, d. h. die Dreiteilung der Geschworenen, deuten auf einen relevanten Unterschied zwischen Rittern und Ärartribunen hin. Cicero betont an dieser Stelle die Anwesenheit der tribuni aerarii aus Atina, die Plancius insbesondere während des Prozesses unterstützt hatten.199 Zugleich zählt er sie bewusst zu den equites und grenzt sie gegenüber der plebs ab, was ihnen eine besondere Stellung zuspricht.200 Cicero bezieht sich hier nicht explizit auf die equites und tribuni aerarii, die als iudices in der quaestio de sodaliciis eingebunden waren, sondern auf den großen Pool der Ärartribune außerhalb der Jury.201 tribum Teretinam: Die Stadt Atina gehörte zur tribus Teretina.202 Die in der oratio behandelten tribus nehmen eine besonders wichtige Rolle ein: Sie waren eminent für die außerordentliche Zusammensetzung der quaestio de sodaliciis und für die Berufung der iudices.203 § 22 sumus enim finitimi Atinatibus: Die Bedeutung und Rolle von vicinitas und die aus ihr resultierende politische Unterstützung eines Kandidaten lässt sich aus der Planciana beispielhaft herausarbeiten.204 Cicero charakterisiert sich als vicus des Plancius: Arpinum, die Heimatstadt der Tullii, befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Atina.205 Das Verb sumus kann auf zwei unterschiedliche Personengruppen bezogen werden: Entweder schließt es kollektiv alle Arpinaten ein oder bezieht sich lediglich
197 198
199 200 201
202 203 204 205
A. W. Lintott, DNP 4 (1998) 33–38 s. v. equites Romani; L. de Libero, DNP 12 (2002) 796–799 s. v. tribunus. Zu den tribuni aerarii als Juroren in den Gerichtshöfen ab der lex Aurelia von 70 v. Chr. Strachan-Davidson 1912, vol. II, 89 ff. Zum Hintergrund und den Motiven der Verabschiedung der lex Aurelia – eine Mischung aus aristokratischer Konkurrenz, rhetorisch aufgeladener Überzeugungsarbeit bezüglich der Bestechlichkeit senatorischer Gerichtsbarkeit und der Druck von Seiten der equites/ publicani – siehe aktuell Kleinman 2016, 53–67. Wiseman 1970, 79. Kleinman 2016, 55. Cic. Planc. 21: Die equites Romani und die tribuni aerarii aus Atina waren laut Cicero beim Prozess anwesend – sowohl als iudices der Geschworenenbank als auch als Zuhörer – allerdings nicht die einfache plebs. Es ist nach wie vor eine offene Frage, wie ein Gerichtsverfahren unter Ausschluss der anscheinend breiten Öffentlichkeit tagte, dennoch Zuhörer wie die equites und tribuni aerarii anwesend sein konnten. Fuhrmann 1997, 848 Anm. 10. Insbesondere Taylor 1960, 270 ff., 333 ff. Cic. Planc. 38 ff. Die Analyse der editio tribuum findet sich hier im Kapitel „Alte Gesetze in neuen Händen? Die lex Licinia de sodaliciis“. Cic. Planc. 21–22. Lomas 2004, 112; Cic. Planc. 19.
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auf Quintus und Marcus Tullius Cicero, die als politische Aufsteiger ex municipio Arpino exemplarisch eingebracht wurden.206 Arpinum gehörte zur tribus Cornelia, eine der ältesten ländlichen tribus (tribus antiquissima/rustica) mit unbekanntem Gründungsdatum.207 Das Attribut finitimus dient Cicero als Garant für die durchweg positive Charakterisierung des Angeklagten – die räumliche Nähe, die den persönlichen und direkten Umgang erleichterte und einen steten Informationsaustausch garantierte, sollte Ciceros Argumenten Glaubwürdigkeit verleihen. Ungeachtet der ciceronianischen Rhetorik lässt sich daraus schließen, dass die nobilissimi/boni viri unterschiedlicher tribus nicht nur mit der politischen Elite Roms, sondern unmittelbar und sogar stärker noch mit den führenden familiae angrenzender municipia und praefecturae in Kontakt standen.208 vicinitas (…) vel suburbano vel etiam urbano: Eine Kontrastierung zwischen den nachbarschaftlichen Beziehungen, wie sie in den ländlichen municipia und praefecturae gepflegt werden, und der vicinitas, die mit der urbs assoziiert wird, soll das von Cicero angeführte Argument hinsichtlich der Differenzen zwischen Tusculum und Atina und infolgedessen die Einstellung der tribules bekräftigen. Tusculum, ein Villenvorort Roms – das Adjektiv suburbanus steht hier besonders im Vordergrund –, wird beschrieben als „(…) von Bosheit verdunkelt, (…) an Lügen gewöhnt, (…) unaufrichtig, (…) doppelzüngig, (…) in der Kunst der Verstellung geübt, (…) Kennzeichen der Villenvororte oder auch der Stadt (Rom) selbst.“209 Atina und Arpinum unterschieden sich folglich in diesem Vergleich vom Suburbium, d. h. von Tusculum und von Rom selbst. Darum bemüht, die Bedeutung der ‚ländlichen‘ vicinitas in den Vordergrund zu rücken, übergeht Cicero allerdings die Tatsache, dass Arpinum näher an Rom lag als Atina; folglich lokalisiert er seine Heimatstadt topographisch außerhalb des Suburbium210 und beansprucht damit zugleich für sich und seinen Klienten eine moralisch überlegenere Position gegenüber den Anklägern. Tractus ille celeberrimus Venafranus, Allifanus:211 Die Arpinaten gemeinsam mit einer Reihe anderer Gemeinschaften hatten die Kandidatur des Plancius unterstützt – 206 207 208 209
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Cic. Planc. 20. Taylor 1960, 272, 334. Wiseman 1971, 30, 32, 50; ebenso Patterson 2006, 140–143, 147 ff. Cic. Planc. 22. Cicero nutzt vor den hier aufgezählten Attributen jeweils ein „non“, da er den Vergleich zu den Atinaten und wohl auch Arpinaten zieht, und dementsprechend die Verneinung braucht: „Laudanda est vel etiam amanda vicinitas retinens veterem illum offici morem, non infuscata malivolentia, non adsueta mendaciis, non fucosa, non fallax, non erudita artificio simulationis vel sub urbano vel etiam urbano.“ Die nachbarschaftlichen Beziehungen der ländlichen Städte werden von Cicero geschätzt und im Gegensatz zu der vicinitas, der Villenvororte und der Stadt Rom nicht als unaufrichtig aufgefasst. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eben die negativen Eigenschaften sowohl den Villenvororten als auch Rom zukommen. Mayer 2005, 60–61 zu Atina unter Betrachtung von Cic. Planc. 19–23; vgl. Cic. Att. XVI,13,3. Cic. Planc. 22: „Tractus ille celeberrimus Venafranus, Allifanus, tota denique ea nostra ita aspera et montuosa et fidelis et simplex et fautrix suorum region se huius honore ornari, (…)“ – „Der dicht besiedelte Bezirk von Venafrum und Allifae, kurz unsere ganze Gegend, rauh und gebirgig und treuherzig und schlicht und den Ihren gewogen (…)“; vgl. Lomas 2004, 112.
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ein Wahlsieg sollte Auszeichnung (honore) und Ansehen (dignitate) für die Heimatstädte zur Folge haben.212 Neben den Arpinaten und Atinaten hätten die Anwohner aus Sora, Casinum und Aquinum zum Erfolg des Plancius beigetragen. Casinum gehörte wie Atina zu der tribus Teretina.213 Sora war der tribus Romilia zugehörig – wie die tribus Cornelia zählte sie zu den tribus antiquissimae/rusticae mit unbekanntem Gründungsdatum. Sora lag nordwestlich von Atina, getrennt durch Arpinum. Aquinum wiederum war der tribus Oufentina zugeordnet, die 318 v. Chr. gegründet wurde und ebenfalls den Status einer tribus rustica genoss.214 Die aufgelisteten Städte gehörten also unterschiedlichen tribus rusticae an, befanden sich aber topographisch in unmittelbarer Nähe Atinas und standen in direktem Kontakt mit weiteren Städten der tribus Teretina. Die Tragweite einer solchen Konstellation zeigte sich bei den Wahlen: Aedile wurden in den comitia tributa gewählt und Plancius schien bereits vor den Comitien in einer privilegierten Position gewesen zu sein: Er konnte nicht nur auf die Unterstützung der tribus Teretina zählen, sondern ebenso auf die der tribus Romilia, Cornelia und Oufentina.215 Venafrum und Allifae, ebenfalls Städte der tribus Teretina, werden als besonders dicht besiedelt beschrieben. Die gesamte regio habe sich vom Erfolg des Plancius dignitas und honos erhofft:216 Dieser hatte demnach die gebündelte Unterstützung von Sora, Arpinum, Casinum, Aquinum, Venafrum, Allifae und seiner eigenen praefectura Atina erhalten; das bedeutet einen erheblichen Teil des südlichen Latiums und die Unterstützung von mindestens vier tribus. Der aus vicinitas resultierende Zusammenhalt und die Verbundenheit mit einem Kandidaten beschreibt Lomas treffend als „the emotive power of vicinitas“.217 Es scheint, als ob homines novi wie Cicero und später Plancius sich die Unterstützung der ländlichen tribus bei Wahlen zu Nutze machten, indem sie als ‚Beschützer und Wohltäter ihrer Kleinstädte‘ auftraten.218 Wie sich aus den Erwartungen der Städte Südlatiums ableiten lässt (regio se huius honore ornari, se augeri dignitate arbitrabatur), konnten die Wertebegriffe dignitas und honor korrelativ gebraucht werden.219 Im Vergleich zu honor, laus und existimatio war
Zum Begriff dignitas Hellegouarc’h 1963, 388–424; Lind 1979, 22–29. Es sei hier kurz angemerkt, dass alle Gemeinschaften der tribus Teretina (Allifae, Atina, Casinum, Minturnae, Sinuessa, Venafrum, bis auf Teanum Sidicinum) das Wahlrecht vor 90 v. Chr. erhalten hatten. Bei Teanum Sidicinum ist die Zugehörigkeit zu der tribus zwar sicher, die Erteilung des Wahlrechts jedoch nicht. Siehe dazu Taylor 1960, 79 ff., 270 ff. 214 H. Galsterer, DNP 12 (2002) 799–802 s. v. tribus. 215 Zu den Wahlen und die Rolle der tribus siehe hier ab Cic. Planc. 36 die Erörterungen im Rahmen der Prozessrechtlichen Fragen zu quaestio de sodaliciis. 216 Zu den Begriffen dignitas und honor als sowohl politische wie auch im weiteren Sinne moralische Begriffe siehe Lind 1979, 7–58, hier insbesondere zu dignitas 22–29, zu honos 38–42. 217 Lomas 2004, 112: „This passage (i. e. Cic. Planc. 21–22) indicates in particular the emotive power of vicinitas.“ 218 Veyne 1988, 372; vgl. Santangelo 2019, „Municipal Men in the Age of the Civil Wars“ in Druck. 219 Zur Bedeutung von dignitas gerade in Verbindung mit laus, gloria und honos vgl. Hölkeskamp 2011, 212–213, 216. 212 213
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dignitas wohl langlebiger.220 Im vorliegenden Kontext stand dignitas für die Würde und das Ansehen des erlangten curulischen Amtes.221 Denn als teils moralische Disposition, teils politische Eignung zeigte sich dignitas nicht nur in den individuellen Fähigkeiten eines Kandidaten für ein politisches Amt. Sie symbolisierte gleichzeitig die dem Kandidaten entgegengebrachte Achtung und Wertschätzung durch die Wählerschaft. Hatten ehemalige Magistrate keine Ämter mehr inne, so konnten sie doch weiterhin dignitas für sich beanspruchen. Die kulturelle Identität, der Stolz und das Ansehen bestimmter Gemeinden scheinen für Bewerber im Wettkampf um honores zunächst irrelevant zu sein – wie an dieser Stelle die Rolle von Venafrum und Allifae. Diese Gemeinschaften trugen jedoch entscheidend zum öffentlichen Ansehen der Magistrate bei und wurden gleichzeitig für die Selbstrepräsentation der Amtsträger genutzt: Die erlangte dignitas des Magistraten spiegelte die Motivation und Partizipation seiner Wähler, nämlich der Einwohner der municipia und praefecturae, wider.222 Aus den oben genannten Städten seien nun die equites Romani von Amts wegen mit Beauftragten und Zeugnissen beim Prozess anwesend: „(…) isdemque nunc ex municipiis adsunt equites Romani publice cum legatione et testimonio (…)“.223 Es stellt sich sodann die Frage nach der Rolle und Funktion der equites und den Zeugnissen, die sie aus den municipia mit sich brachten. Ciceros Anmerkung kann sich nur auf die equites in ihrer Richterfunktion beziehen – unter Anwendung der lex Licinia de sodaliciis hatten die equites nicht nur die Rolle der iudices einzunehmen, sondern dienten zugleich als Zeugen vor Gericht (testis et iudices). Ferner seien die Wähler im Hinblick auf den Prozess besorgt: Sollte Plancius für schuldig befunden werden, drohte ihm der Entzug seiner gesamten Existenzgrundlage: Die Konsequenzen einer Verurteilung nach dem Strafmaß der lex Licinia bedeuteten nämlich neben dem Verlust des designierten Amtes auch das Exil.
220 Lind 1979, hier insbesondere 25. Siehe zur Auffassung Ciceros über die Dauerhaftigkeit seiner dignitas Cic. Catil. III,27: „Magnum enim est in bonis praesidium quod mihi in perpetuum comparatum est, magna in re publica dignitas quae me semper tacita defendet, magna vis conscientiae quam qui neglegunt, cum me violare volent, se indicabunt.“ – „Denn groß ist der Schutz bei den Wohlgesinnten, den ich mir für immer verschafft habe, groß das Ansehen unserer Verfassung, das stets stillschweigend für mich eintreten wird, groß ist auch die Macht des Gewissens – wer sie mißachtet, indem er mich verwunden will, wird sich selbst verraten.“ Übersetzung nach M. Fuhrmann, Cicero. Reden des Konsulatsjahres, 1970 Zürich. 221 Siehe nur Hölkeskamp 2004, 11–48, hier 27, der die honores als einzige Möglichkeit sieht, welche den Kandidaten „allein und alternativlos immer mehr dignitas und auctoritas“ sichern konnten; Hölkeskamp 2011 (erstmals 1987), 212 f.: dignitas kommt zustande durch die „gesellschaftliche Anerkennung durch andere, nämlich die Standesgenossen und den populus Romanus insgesamt (…)“. 222 Vgl. Hölkeskamp 2004, 34. 223 Bereits hier wird auf die Komposition des Gerichtshofes hingedeutet: Siehe hier die Darlegungen zur Zusammensetzung einer quaestio de sodaliciis, dem Tatbestand und dem Strafmaß: „Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis.“
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§ 23 non solum municipi verum etiam vicinitatis: Im vorliegenden Abschnitt erhält Atina den Rang eines municipium, obwohl sie in den vorhergehenden und auch folgenden Paragraphen stets als praefectura bezeichnet wird: § 19 „hic est e praefectura Atinati“ und „sed etiam in praefectura illam sellam curulem attulisset“; § 21 „tui municipes sunt illi quidem splendidissimi homine (…) huius praefectura plena virorum fortissimorum“; § 32 „(…), summum in praefectura florentissima gradum tenuerint“; § 47 „per maiores suos totam Atinatem praefecturam comprehenderit (…)“. Hier allerdings: „Ergo ut alia in te erant inlustriora, Laterensis, quae tibi maiores tui reliquerant, sic te Plancius hoc non solum municipi verum etiam vicinitatis genere vincebat“.224 Die Inkonsequenz in der Kennzeichnung Atinas ist rätselhaft. Auch Lomas ist auf diese Problematik gestoßen und folgert daraus, dass Atina zur Zeit des Prozesses bereits den Status eines municipium genossen haben muss.225 Es scheint, als ob Cicero bewusst auf Begriffe zurückgriff, die zum Ende der späten Republik hin nicht mehr zeitgemäß waren, um das von ihm aufgebaute Argument der Differenzierung zwischen Rom gemeinsam mit den Städten des Suburbium und den ländlichen Orten wie Atina aufrechtzuerhalten. nisi forte te Labicana aut Gabina aut Bovillana vicinitas adiuvabant: Die municipia Labicum, Gabii und Bovillae befanden sich wie auch Tusculum in unmittelbarer Nähe zu Rom. Fuhrmann bezeichnet sie als alte und unansehnliche Latinerorte.226 Cicero zufolge hatten diese municipia in Latium eine so geringe Einwohnerzahl, dass sich kaum Gesandte zum Entgegennehmen des Opferfleisches (carnem Latinis) beim Latinischen Bundesfest finden ließen.227 Eine Teilnahme der municipia an den feriae Latinae des Jahres 55/54 v. Chr. kann wohl ausgeschlossen werden, obwohl sie zu den symbolträchtigsten Festen zwischen Rom und den verbündeten Städten zählten.228 Zu welchen tribus Labicum, Gabii und Bovillae gehörten, ist unsicher. Möglicherweise kann Labicum zu der tribus Papiria, Gabii zu der Aemilia und Bovillae zu der tribus Pomptina gerechnet werden. Auffällig ist ihre topographische Nähe zu Tusculum.229
224 Cic. Planc. 23: „Anderes machte also bei dir mehr Eindruck, Laterensis, was dir deine Vorfahren hinterlassen hatten; doch Plancius war dir gegenüber durch die Beschaffenheit seiner Heimatgemeinde und die seiner Nachbarn im Vorteil.“ 225 Lomas 2004, 102–104; hier 102: „(…) Cicero describes the city as a praefectura, a term most usually applied to communities which were not fully urbanized, although else where he refers to it as a municipium, and also as an oppidum, or small town.“ Weiterhin zum Status von Atina: „Since it seems likely that Atina was an urban settlement by this date, it is most likely to have been a municipium of the tribe Teretina, and is known to have had a Romanized duoviral constitution, unlike some other cities of this region which retained the traditional form of government by three aediles – a fact which Cicero records with local pride.“ Zum ‚Lokalpatriotismus‘ siehe die Nachweise bei Lomas 2004, 102 Anm. 27. 226 Fuhrmann 1997, 848 Anm. 12. 227 Cic. Planc. 23. 228 G. Uggeri, DNP 4 (1998) 726–727 s. v. Gabii. 229 Taylor 1960, 273.
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Mit der Erwähnung dieser Orte verfolgt Cicero folgendes Ziel: Plancius war durch die hohe Partizipation seiner eigenen tribules aus Atina und den Nachbarorten, zu denen sogar die dicht besiedelten Orte Venafrum und Allifae gehörten, bei den Wahlen zur Aedilität deutlich im Vorteil gewesen. Das Argument hinsichtlich der Prinzipien nachbarschaftlicher Beziehungen und Freundschaften, die die ländlichen Städte angeblich auszeichneten (vicinitas), findet hier erneut Anwendung: Trotz seiner konsularischen Abstammung – aus der sich offensichtlich kein Profit mehr schlagen ließ – hätte Laterensis Erfolg haben können, wenn ihn die Städte Labicum, Gabii und Bovillae unterstützt hätten. Nach Ciceros Maßstäben zählten diese municipia zum Suburbium, hatten eine niedrige Einwohnerzahl und verfügten über kein Zusammengehörigkeitsgefühl – all diese Kriterien erwiesen sich in den comitia tributa zum Nachteil.230 Der Hintergrund der gesamten Argumentation ist also folgender: Sowohl die Zahl der tribules als auch ihre Wahlmotivation, angetrieben durch ihre vicinitas, sollen den Wahlsieg des Plancius erklären und den Blick von potentiellen Motiven krimineller Delikte abwenden. Mouritsen folgert aus dieser Gesamtschilderung, dass gerade in der letzten Phase der Republik die Wählerpartizipation generell gering gewesen sein muss: Neben der Wahl der Aedile 55 v. Chr. wird die Konsulwahl 45 v. Chr. als Beispiel angeführt.231 Das von Cicero thematisierte Desinteresse Tusculums an der Kandidatur des Laterensis und die dünne Besiedlung der Nachbarorte wie Labicum, Gabii und Bovillae sind wichtige Aspekte, die die Motivation des Laterensis, mit Plancius eine coitio232 einzugehen, erklären können. carnem Latinis petant: Das Opferfleisch wurde während der feriae Latinae auf den Albanerbergen verteilt und vermutlich von den anwesenden Vertretern der jeweiligen latinischen Städte entgegengenommen.233 Das Opfertier wurde von Rom dargebracht, die latinischen Vertreter mussten um ihren Anteil bitten (carnem petere). Der Akt des Bittens veranschaulicht die dominierende Position Roms und ihrer Funktion während der Festlichkeiten. Im Gegenzug überreichten die Latiner Geschenke wie Lämmer, Käse, Milch: Gaben also, die von wesentlich geringerem Wert waren als das Opfertier selbst.234 Die obligatorische Anwesenheitspflicht der Vertreter latinischer Städte, der streng geordnete Ablauf der Festlichkeiten in Form einer lustratio235 und der gegensei230 Siehe hier Cic. Planc. 49 f. 231 Mouritsen 2001, 91. 232 Bauerle 1990, 9–12, 93 ff. definiert coitio als eine „allied practise (…) to pool their resources in order to secure election.“ Sie gibt in ihrer weiteren Auflistung bekannte coitiones an und verweist auf die Möglichkeit, dass trotz einer coitio nicht beide coitio-Partner gewählt wurden. „Coitio has been identified by Romans and by modern writers, at its most elemental level, the combination of efforts or resources to secure office.“: ebd., 90; dazu Cic. Planc. 53–54; Taylor 1968, 68 bezeichnet eine coitio als „the deal“. Siehe eine ausführlichere Auseinandersetzung mit der coitio das Kapitel „Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis“. 233 Rüpke 2010, 223–225 zum Konzept der feriae. 234 Dion. Hal. ant. 4,49,3. 235 Rüpke 1990, 144 ff. zur lustratio mit den wesentlichen Merkmalen und weiterführender Literatur.
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tige Austausch von Gaben stellten einerseits einen integrativen Akt dar, andererseits bekräftigten sie zugleich die hegemoniale Stellung Roms.236 Cicero zufolge ließen sich in den Städten des Suburbium (Labicum, Gabii und Bovillae) kaum Vertreter für die Feierlichkeiten 55/54 v. Chr. finden, die das symbolträchtige Opferfleisch hätten entgegennehmen können. § 24 patrem publicanum: Die Ankläger scheinen der Ansicht gewesen zu sein, die Tätigkeiten des älteren Plancius als publicanus hätten dem Sohn bei dessen politischen Bestrebungen zum Nachteil gereichen müssen. Der Hinweis von Klägerseite auf den Status des Vaters deutet bereits auf den fragwürdigen Ruf der publicani hin – aus der Perspektive des zur Nobilität zugehörigen Hauptanklägers schien die Kritik zumindest Gültigkeit zu besitzen.237 Das Gegenargument Ciceros betont jedoch den positiven Einfluss des ordo publicanorum auf einzelne Personen im Konkurrenzkampf um honores: Schließlich hatten die publicani im Laufe der politischen Entwicklungen durchaus an Einfluss gewonnen.238 Vor dem Hintergrund des Prozesses charakterisiert Cicero sie als „die Blüte der römischen Ritter, die Zierde der Bürgerschaft, die Stütze unseres Staates“.239 Aus rein taktischen Gründen werden die publicani umworben: Zum einen war der Angeklagte der Sohn eines princeps publicanorum, zum anderen war die Geschworenenbank der quaestio de sodaliciis mit equites und tribuni aerarii besetzt, ganz zu schweigen von den vor Gericht erschienenen Rittern aus den Städten Latiums. Der Versuch, die den publicani anhaftende Reputation nicht auf den Prozess abfärben zu lassen und die iudices für sich einzunehmen, ist offensichtlich. Über die Planciana hinaus bezieht sich Cicero im ersten Brief an seinen Bruder Quintus auf den ordo publicanorum: „Legen wir ihnen etwas in den Weg, dann werden wir ihren Stand, der große Verdienste um mich hat und von mir für die Interessen des Staates gewonnen worden ist, uns und dem Staate entfremden“.240 Folglich verweist Cicero damit auf die Zusammenarbeit mit den publicani, die er – nicht nur für sich,
236 D. Baudy, DNP 4 (1998) 477 s. v. feriae Latinae. 237 Wer waren aber die publicani? Hill 1952, 45–86 fasst die publicani als eine zentrale Einheit innerhalb der ordo equester, die durch ihre starke politische wie finanzielle Stellung die „middle class“ ausmachten. Nicolet 1966/1974, 317–342; Brunt 1969, 88–91 und Andreau 1999, 271–274 dahingegen argumentieren, dass die Distinktionsmerkmale der equites hauptsächlich auf zwei Punkte zurückgehen: a) auf ihre Zugehörigkeit zu den 18 Centurien der Ritter und b) auf ihr Vermögen, das auf Landbesitz zurückzuführen ist – entgegen der Tätigkeiten der publicani. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die publicani sowohl vor den Reformen Sullas als auch nach der lex Aurelia iudiciaria von 70 v. Chr. Einfluss innerhalb der und auf die ordo equester ausübten: Brunt 1965, 90. Zu diesen Punkten aktuell: Kleinman 2016, 64. 238 J. Andreau, DNP 10 (2001) 575–578 s. v. publicani. 239 Cic. Planc. 24: „Flos enim equitum Romanorum, ornamentum civitatis, firmamentum rei publicae publicanorum ordine continetur.“ 240 Cic. ad Q. fr. I,1,32: „quibus si adversamur, ordinem de nobis optime meritum et per nos cum re publica coniunctum, et a nobis et a re publica diiungemus“.
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sondern für die res publica – für notwendig erachtet. Gleichzeitig wird hervorgehoben, dass die Steuerpächter nicht unbeaufsichtigt handeln dürfen und nicht allen ihren Forderungen zugestimmt werden darf: „(…) fügen wir uns ihnen aber in allen Dingen, befördern wir damit den völligen Ruin derer, für deren Wohlergehen und Glück zu sorgen wir verpflichtet sind.“241 In der Invektive gegen Piso spricht sich Cicero erneut in ihrem Sinne aus: „die Steuerpächter, die durch Gesinnung und Rang eng mit uns verbunden sind“.242 Die publicani werden in ihren Bestrebungen und ihrem Rang (dignitas) mit der politischen Elite Roms gleichgestellt – die Äußerung ist allerdings der ciceronianischen Rhetorik zu verdanken. Sie mochten über große finanzielle Ressourcen verfügt haben und standen mit der res publica, also den Konsuln und dem Senat, durch ihre gegenseitige Abhängigkeit in engem Kontakt. Der römische Senat konnte durch die Initiativen der publicani den Verwaltungsapparat in den Provinzen relativ klein halten. Im Gegenzug standen sie unter dem Schutz der res publica.243 Es wäre jedoch irreführend von einer gemeinsamen dignitas, wie Cicero sie hier proklamiert, auszugehen. Die Tätigkeiten der Steuerpächter erstreckten sich in erster Linie auf den Einzug von Steuern in den Provinzen, von Abgaben für die Nutzung und Bewirtschaftung von Weideland und auf das Einziehen von Zöllen.244 Darüber hinaus pachteten sie Ländereien, Bergwerke und Salinen für eigene ökonomische Zwecke. Einzelne publicani, d. h. solche, die nicht in societates organisiert waren, nahmen ebenso öffentliche Arbeiten in Auftrag.245 Über ihre außerordentliche Tätigkeit, in Notlagen für die Versorgung der Legionen aufzukommen, berichtet Livius.246
241 Cic. ad Q. fr. I,1,32: „sin autem omnibus in rebus obsequemur, funditus eos perire patiemur, quorum non modo saluti sed etiam commodis consulere debemus“. 242 Cic. Pis. 41: „publicanos nobiscum et voluntate et dignitate coniuctos“. 243 Liv. XXIII,48–50. 244 Immer noch grundlegend Badian 1997 (Erstauflage 1972) und Andreau 1999. 245 J. Andreau, DNP 10 (2001) 575–578 s. v. publicani. 246 Liv. XXIII,48,10: „qui redempturis auxissent patrimonia, ut rei publicae, ex qua crevissent, tempus commodarent, conducerentque ea lege praebenda, quae ad exercitum Hispaniensem opus essent, ut, cum pecunia in aerario esset, iis primis solveretur. Haec praetor in contione; edixitque diem, quo vestimenta, frumentum Hispaniensi exercitui praebenda quaeque alia opus essent navalibus sociis, esset locaturus. Ubi ea dies venit, ad conducendum tres societates aderant hominum undeviginti, quorum duo postulate fuere, unum, ut militia vacarent, dum in eo publico essent, alterum, ut, quae in naves imposuissent, ab hostium tempestatisque vi publico periculo essent. Utroque impetrato conduxerunt privataque pecunia res publica administrata est.“ – „Die Bürger, die durch Pachtungen vom Staat ihr Vermögen vergrößert hätten, solle er auffordern, dem Staat, durch den sie reich geworden seien, eine Zeitlang etwas zu leihen: Sie sollten die nötigen Lieferungen für das spanische Heer unter der Bedingung übernehmen, daß, wenn wieder Geld in der Staatskasse sei, es ihnen als ersten zurückgezahlt würde. Dies sagte der Praetor in der Versammlung. Er nannte auch den Termin, an dem er die Lieferung der benötigten Kleidung und des Getreides für das punische Heer und was sonst noch für verbündete Seeleute gebraucht wurde, in Auftrag geben wollte. Als dieser Tag kam, fanden sich 19 Personen in drei Gruppen zur Übernahme ein. Sie stellten zwei Bedingungen: Erstens, daß sie keinen Kriegsdienst zu leisten brauchten, solange sie dem Staat auf diese Weise dienten. Zweitens, daß der Staat bei
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Der positive Einfluss der publicani auf die Kandidatur des jüngeren Plancius manifestierte sich zunächst durch die Stellung des Vaters, der princeps publicanorum war.247 Wie Laser feststellt, waren die principes Mittelsmänner, die dank ihrer Position zwischen der führenden Elite und der breiteren Bevölkerung vermittelten.248 Auch Wiseman verweist in diesem Kontext auf die unterschiedlichen Kampagnen des princeps publicanorum: Die diversen Investitionen im Wahlkampf müssen eine besonders willkommene Hilfe gewesen sein – welche konkreten Maßnahmen ergriffen wurden, erfahren wir jedoch nicht.249 Neben dieser Sonderstellung waren die Beliebtheit des älteren Plancius und die Fürbitte, die er für seinen Sohn einlegte, entscheidende Faktoren.250 Beliebtheit und Bitten waren im politischen Agon zwei Grundbausteine, auf die keineswegs verzichtet werden konnte – gerade in einem System wie der römischen Republik, in der keine konkrete politische Agenda im Vordergrund stand, waren sie sogar unbedingt notwendig.251 Die Möglichkeiten der direkten Einflussnahme auf die Wähler mit Hilfe finanzieller Mittel, über die der ältere Cn. Plancius durchaus verfügen musste, finden keine Erwähnung – finanzielle Aufwendungen jeglicher Art, wie die Verteilung von Geldern bei munera, fielen nämlich ganz klar unter den Tatbestand ambitus. appellavi populum tributim: Das Motiv des Bittens: „vel quod (…), vel quod diligentissime rogabat“252 ist neben der amicitia einer der wichtigsten Bausteine der Verteidigung. Das Bitten um Unterstützung war eine notwendige Maßnahme, um sich der Öffentlichkeit grundsätzlich als Bewerber zu präsentieren und stellte zugleich eine der unverfänglichsten Methoden des Wahlkampfes dar. So machte Cicero bereits zu Beginn der Rede deutlich, dass der populus ausnahmslos demütig und kontinuierlich von den Kandidaten um dessen Stimme gebeten werden müsse.253 Von besonders großem Wert sei die Beliebtheit der Kandidaten bei ihren Bezirksgenossen (apud tribulis) – in erster Linie galt es also, ihre Unterstützung zu gewinnen.254 Cicero selbst habe sich
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ihren Schiffsladungen jedes Risiko, das die Feinde oder Unwetter verschuldeten, zu tragen habe. Beides wurde ihnen zugestanden. Sie kamen zu einem Abschluß, und die Ausgaben des Staates wurden von privatem Geld bestritten.“ Wiseman 1971, 136. Laser 2001, 25; Vanderbroeck 1987 kategorisiert die publicani allerdings nicht als „intermediaries“. Wiseman 1971, 136. Siehe dazu die Rolle des älteren Cn. Plancius bei der Gesetzesinitiative Caesar 59 v. Chr., hier Cic. Planc. 34–35. Dieser Aspekt von Beliebtheit, welche dem jüngeren Plancius zukam, wird in § 46 erneut aufgegriffen. Seine erfolgreiche Bewerbung um die Aedilität sei nicht nur seiner eigenen Beliebtheit, sondern auch der seiner Unterstützer zu verdanken: „Ego Plancium, Laterensis, et ipsum gratiosum esse dico et habuisse in petitione multos cupidos sui gratiosos“. Die Gründe für die Beliebtheit des Plancius werden schließlich im § 47 dargelegt. Cic. Planc. 24. Cic. Planc. 9; 11–13. Auf diese Strategie der petitio verweist Cicero erneut in Cic. Planc. 45–47. Die Beliebtheit des Plancius geht besonders aus Cic. Planc. 47 hervor: „Nam ut ego doceo gratiosum esse in sua tribu Plancium, quod multis benigne fecerit, pro multis spoponderit, in operas plurimos patris
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für Plancius verbürgt und in seinen Kreisen um Unterstützung gebeten – dabei sei der Grund seiner Bitte nicht aber sein Ansehen relevant gewesen: „Valuit causa rogandi, non gratia.“255 Sowohl die Erwähnung von bereits erhaltenen Wohltaten als auch das dadurch hervorgerufene Mitleid beim Volk sind Anspielungen auf Ciceros Exil 58 v. Chr., die bewusst zum Zweck des Wahlkampfes instrumentalisiert wurden.256 Eine commendatio einer dritten Person musste also frei von jeglichem Eindruck der Bestechung formuliert und kommuniziert werden.257 Die Dienste, derer man sich während einer petitio von Seiten der tribules und der amici erfreuen durfte, galt es im selben Maß zurückzuerstatten: ein beneficium verpflichtete den Empfänger also immer zu einem officium.258 Solche Gefälligkeiten bezeichnet Cicero als „haec enim plena sunt offici, plena observantiae, plena etiam antiquitatis“259 – diese Art des Beistands war also legitim. Der Senat habe schließlich nicht jegliche Dienste und Gefälligkeiten unter dem Tatbestand ambitus verfolgt: „Noli enim putare, Laterensis, legibus istis quas senatus de ambitus sanciri voluerit id esse actum ut suffragatio, ut observantia, ut gratia tolleretur.“260 Das Ziel der ambitus-Gesetzgebung sei – zumindest in einer Negativdefinition – nicht die Unterdrückung von suffragatio, observantia und gratia, denn auf diese Strategien der Stimmenwerbung hatten auch Cicero und andere angehende Magistrate ihrer Zeit zurückgegriffen: „ambitionis nostrae tempora.“261 Der Gegensatz dieser Vorgehensweise umfasste folgende Methoden: Wahlkämpfe, die „durch Geld, durch unausstehlichen Einfluss, durch kaum erträglichen Druck“ geführt wurden.262 Diese Aussage muss differenziert betrachtet werden: Hinsichtlich der finanziellen Mittel musste unterschieden werden, in welchem Maße und für welche Zielgruppe bzw. Bürgergemeinschaft die Aufwendungen erbracht wurden. Der Einfluss, den ein Bewerber und seine gens in Rom besaßen, war von mehreren Faktoren abhängig. Wiseman listet ein Konglomerat an freundschaftlichen sowie familiären Bindungen und Heiratsallianzen als maßgebliche Punkte auf.263 Um einen breiten Kreis von potentiellen Wählern zu erreichen, sollten die candidati auch ihre einflussreichen amici
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auctoritate et gratia miserit, quod denique omnibus officiis per se, per patrem, per maiores suos totam Atinatem praefecturam comprehenderit“. Cic. Planc. 24. Vgl. hier Cic. Planc. 72–82. Wiseman 1971, 134; zu commendatio Levick 1967, 209–214. Rollinger 2014, 92 ff.; Hölkeskamp 2011, 216. Cic. Planc. 45; diese Strategie wird auch im Q. Cic. comm. pet. 4; 18 und 21 empfohlen, dazu auch Wiseman 1971, 134. Cic. Planc. 45; Wiseman 1971, 130–142. Cic. Planc. 45. Es wird hier deutlich zwischen ambitus und ambitio unterschieden, so auch in § 50: das vom populus Romanus dem Kandidaten übertragene Amt solle als Bestätigung von dignitas gelten, nicht als beneficium für ambitio. Cic. Planc. 24. Wiseman 1971.
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um ‚Mundpropaganda‘ bitten.264 Die amici waren, worauf Wiseman bereits hinwies, einflussreiche Männer (principes) in Vermittlerpositionen.265 Das Ziel einer an die amici gerichteten Bitte war folgendes: Sie sollten in ihren jeweiligen tribus oder in denjenigen tribus, zu denen sie gute Beziehungen unterhielten, zum einen gezielt auf ihren Favoriten hinweisen, zum anderen im Dienste des candidatus finanzielle Aufwendungen in Form von Spielen und Speisungen tätigen. Die Ursache einer solchen Vorgehensweise lag in der strikten Reglementierung der Verteilung von beneficia. So konnten Amtsanwärter zwar legal in allen 35 tribus eine Wahlkampagne betreiben, jedoch lediglich ihren eigenen tribules Wohltaten (beneficia) zukommen lassen – finanzielle Aufwendungen sollten also auf eine tribus begrenzt werden.266 Im gleichen Maße in den übrigen tribus auf Stimmenfang zu gehen, war nicht nur illegitim, sondern fiel auch eindeutig unter ambitus.267 So sei Cicero für Plancius bezirksweise an die Wähler herangetreten und habe für sein Protegé um Unterstützung gebeten – „submisi“ und supplicavi“ beschreiben seine unterwürfige Haltung als Bittsteller: „appelavi populum tributim, submisi me et supplicavi“.268 Auf den hohen Stellenwert der commendatio bzw. der rogatio verweist ebenfalls das commentariolum petitionis. So lautet der Ratschlag an M. Tullius Cicero, dieser solle in den Kreisen um Unterstützung bitten, in die er aufsteigen möchte. Die Zusicherung, nicht von der Politik der Optimaten abgewichen zu sein oder abweichen zu wollen – ein Anzeichen für die starken Differenzen zwischen den Popularen und Optimaten zur Zeit der petitio 64 v. Chr., wobei die Optimaten idealerweise die zu gewinnende Größe darstellten – war der entscheidende Punkt: „(…) hominum nobilum voluntas et maxime consularium; (…) Ii rogandi omnes sunt diligenter et ad eos adlegendum est persuadendumque est iis nos semper cum optimatibus de re publica senisse, minime popularis fuis se (…).“269 Trotz der erwähnten Bedeutung der Optimaten verweist Q. Tullius Cicero an dieser Stelle auf die Signifikanz der Person des Pompeius Magnus als popularen Politiker. Weiterhin, so Quintus an seinen älteren Bruder, soll sich die Stimmwerbung nicht nur auf die Gruppe der Nobilität beschränken, sondern auf alle Gesellschaftsschichten auch außerhalb Roms ausgeweitet werden. Der konkrete Ratschlag lautete: 264 Vgl. Q. Cic. comm. pet. 18. 265 Zum Begriff in der römischen Republik und den exempla republikanischer principes immer noch L. Wickert, RE 22 (1954) 2014–2056 s. v. princeps. 266 Wiseman 1971, 134. 267 Cic. Planc. 24; 45. 268 Cic. Planc. 24. 269 Q. Cic. comm. pet. 4–5; comm. pet. 5: „(…) die Zuneigung der angesehenen Männer und besonders die Zuneigung derjenigen, die bereits den Consulat angetreten haben; (…) Sie müssen allesamt sorgfältig um Unterstützung gebeten werden, an sie muss man sich anschließen und sie muss man überzeugen, dass wir unsere politischen Empfindungen stets mit den Optimaten geteilt haben und das wir keinesfalls Populare gewesen sind“. Sollte der Verdacht aufkommen, ein Kandidat habe sich doch in popularer Sache ausgesprochen, (hier konkret M. Tullius Cicero), solle dies nur unter der Bedingung der Gewinnung von Gnaeus Pompeius geschehen.
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„(…) von keinem Ort zu weichen, (…), und zwar nicht nur auf dem forum, sondern beständig um Stimmen zu werben, oft dieselben Leute anzurufen und es nicht dahin kommen zu lassen, dass irgendeiner sagen kann, soweit dies möglich ist, er sei von dir nicht gebeten worden, und zwar inständig und sorgfältig.“270 Für eine erfolgreiche petitio war die persönliche und direkte Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Akteuren von großem Wert. Gerade in der politischen Kultur der römischen Republik, die nach den Prinzipien der „Direktheit, Sichtbarkeit und Hörbarkeit“271 funktionierte, war die unmittelbare Kontaktaufnahme der Akteure auf der politischen Bühne untereinander als auch ihre Kommunikation mit der plebs von grundlegender Bedeutung.272 Die Kommunikationsvorgänge fanden stets in denselben öffentlichen Räumen statt: wie das commentariolum verrät, war das Forum ein solcher öffentlicher Raum, darüber hinaus das Marsfeld und sicherlich auch das Comitium.273 Eine proklamierte und gelebte ‚Kultur des Bittens‘ ist schlicht unbestreitbar. Sie manifestierte sich in einem reziproken Altruismus, was sich in Zusagen, Erweisen und Einfordern von Gefälligkeiten zeigte. Dabei fanden die Kommunikationsakte (im Sinne der commendatio und rogatio) auf unterschiedlichen Ebenen statt, nämlich auf gleicher Stufe zwischen den politischen Akteuren selbst, von unten nach oben gerichtet (siehe Ciceros Fall im Rahmen seiner petitio) und von oben nach unten gerichtet nämlich zwischen den candidati und der plebs. So empfiehlt Quintus seinem Bruder Marcus, er solle alle, die in seiner Schuld stehen, sei es durch eine Gerichtsrede274 oder andere bereits geleistete Gefälligkeiten, während seiner Kandidatur um das Konsulat daran erinnern und ihren Dank in Form von soziopolitischer und soziökonomischer Unterstützung verlangen.275 Ebenso zeigte Cicero seine Dankbarkeit gegenüber Cn. Plancius, der den Exilierten bei seiner Ankunft in der Provinz Makedonien mit Sitz in Thessaloniki aufnahm, nun durch die Verteidigung vor Gericht. Es lassen sich noch ähnliche Beispiele anführen.276 Die unterschiedlichen, sich überlappenden soziopolitischen Netzwerke, die die republikanische Öffentlichkeit durch Patron-Klient-Bezie-
270 Q. Cic. comm. pet. 43: „(…) prodest quidem vehementer nusquam discedere, sed tamen hic fructus est adsiduitatis, non solum esse Romaeatque in foro, sed adsidue petere, saepe esodem appellare non comittere, ut quisqam possit dicere, quod eius consequi possis, se abs te non [sit] rogatum et valden ac diligenter rogatum.“ 271 Beck 2005, 156. 272 Siehe nur die Funktion von nomenclatores: Jehne 1995, 58; Vanderbroeck 1987, 57–58. Eine Diskussion zu den nomenclatores findet sich im Kapitel „Ambitus – ein Tatbestand ohne klare Grenze?“. 273 Siehe nur Hölkeskamp 2004, 137–168 zu den öffentlichen Räumen und ihrer Funktion „Capitol, Comitium und Forum: Öffentliche Räume, sakrale Topographie und Erinnerungslandschaften.“ So auch Schneider 1998. 274 Zu dieser besonderen Form der Verpflichtung siehe Rollinger 2014, 280 ff.; insbesondere zum ‚Gerichtspatronat‘ siehe David 1992, 49 ff. 275 Q. Cic. comm. pet. 4; 18; 21. 276 Unter anderem die Verteidigungen des P. Sestius und des T. Annius Milo vor Gericht.
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hungen, amicitia und Heiratsallianzen durchzogen – um nur drei Bereiche zu nennen – bedingten sich also gegenseitig.277 Unabhängig von der Stellung des älteren Cn. Plancius hätten die Bemühungen des Sohnes als Quaestor und später als Volkstribun im Sinne der publicani dazu beigetragen, dass sich der gesamte ordo publicanorum für dessen Kandidatur eingesetzt und diesen unterstützt hätte.278 In welcher Form die publicani ihre Unterstützung leisteten, ist ungeklärt. Die enge Zusammenarbeit zwischen ihnen und Plancius als Quaestor in Makedonien 58 v. Chr. unter dem Praetor L. (Appuleius) Saturninus ist nachvollziehbar.279 Ein generell enger Kontakt zum ordo publicanorum wurde ebenfalls durch den Status der Plancii als equites bedingt.280 § 25 Non potentia mea sed causa rogationis fuit gratiosa:281 Die potentia eines Bittstellers dürfe den Gegenstand der Bitte nicht beeinflussen. Das commentariolum petitionis verweist jedoch ausdrücklich auf die Relevanz bedeutender amici: Je angesehener und einflussreicher der Freundeskreis eines Bewerbers war, umso präsenter musste dieser und sein Anliegen in der Öffentlichkeit gewesen sein.282 Die folgenden Punkte rechtfertigten demnach Ciceros Unterstützung: Die amicitia zu Plancius und dessen Hilfestellung während Ciceros Exil 58 v. Chr., die daraus resultierenden Sympathien der amici Ciceros, das enge Verhältnis zum älteren Cn. Plancius und damit zum ordo publicanorum, die vicinitas zwischen Arpinum und Atina und schließlich der ‚soziale Code‘ korrelativer beneficia und officia, die eine Übernahme der Verteidigung durch Cicero selbstverständlich machten. Die aufgezählten Motive seien allerdings nicht ausschlaggebend: „(…) ich bat für ihn wie für meinen Vater und den Retter meines Lebens. Nicht mein Einfluß, sondern der Grund meines Bittens verschaffte mir Gehör“283 – pathetische Darlegungen dieser Art waren ein fester Bestandteil ciceronianischer Rhetorik.284
277 Dazu Hölkeskamp 2011, 216. Zu amicitia siehe nach wie vor Rollinger 2014 mit Belegen. Für gratia Hellegouarc’h 1963, 202 ff.; Wistrand 1972, 11 ff. Vgl. zu officium Lind 1989, 13–16; Hellegouarc’h 1963, 152 ff., 163 ff., 167 ff.; Wistrand 1972, 22 ff. Für beneficium Hellegouarc’h 1963, 163–168. 278 Cic. Planc. 24. 279 F. Münzer, RE 40,2 (1950) 2013–2015 s. v. Cn. Plancius (4). Der Sohn des besagten Praetors war laut Cicero beim Prozess anwesend, siehe oben Cic. Planc. 8. 280 Zu den honores des Plancius iunior siehe ebenfalls Cic. Planc. 26; 28; 60; 77. 281 Cic. Planc. 25: „Nicht mein Einfluß, sondern der Grund meines Bittens verschaffte mir Gehör.“ Vgl. Cic. Planc. 24: „Valuit causa rogandi, non gratia.“ – „Den Ausschlag gab der Grund meines Bittens, nicht mein Ansehen.“ 282 Rollinger 2014, 247 ff., 353 ff. 283 Cic. Planc. 25: „(…) rogabam (…) ut quasi parenti et custodi salutis meae. Non potentia mea sed causa rogationis fuit gratiosa.“ 284 Cic. Mur. 86; Cic. Planc. 25; so auch als Verteidiger im ambitus-Prozess gegen M. Cispius 56 v. Chr., der in der Planciana 75–76 Erwähnung findet; Falcone 2007, 1683–1710, hier insb. 1686–1688.
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Ein Vergleich mit Pompeius Magnus soll den Erfolg der commendatio (bzw. rogatio) Ciceros aufzeigen: Zeitgleich zur Kandidatur des Plancius um die Aedilität hatte sich T. Ampius Balbus, der vornehmlich von Pompeius protegiert wurde,285 um das Konsulat beworben. Die Kandidatur des Balbus, einer der Volkstribune 63 und Praetor 59 v. Chr.,286 scheiterte jedoch. Der Einsatz des Pompeius, der als vir amplissimus bezeichnet wird,287 für Balbus sei zwar möglicherweise zu Unrecht abgewiesen worden, zugleich betont Cicero aber – apodiktisch und unbescheiden und das gerade angesichts der großen Bedeutung des Pompeius – den Erfolg seiner commendatio. Die unterschwellige Kritik an Pompeius, – und indirekt an der politischen Elite Roms, die sich auf Namen und Abstammung verließ – der im Gegensatz zu Cicero die Dringlichkeit seiner Bitte wohl nur dürftig zum Ausdruck gebracht hatte, ist unverkennbar.288 § 26 tribunatum peteret: Während sich Cicero im Frühjahr 58 v. Chr. – Sommer 57 noch im Exil befand,289 hielt sich Plancius für seine Bewerbung um das Volkstribunat bereits wieder in Rom auf – die persönliche Anwesenheit der Bewerber um politische Ämter war gesetzlich verpflichtend.290 Plancius’ Kandidatur war erfolgreich, sodass er 56 v. Chr. das Volkstribunat antreten konnte.291 Ciceros Anwesenheit in Rom und sein persönlicher Einsatz für Plancius 55 v. Chr. sollen daher lediglich als stärkende Faktoren verstanden werden: „Wenn dem Cn. Plancius vor meiner Rückkehr rechtschaffene Männer (boni viri) in Scharen ihren Beistand anboten, als er sich um das Tribunat bewarb: glaubst du, daß ihm, den mein Name schon während meiner Abwesenheit empfahl, die Bitten nicht geholfen hätten, die ich, wieder anwesend, aussprach?“292 Inwieweit Plancius bei seiner Bewerbung um das Tribunat von Cicero profitierte, ist schwer nachzuvollziehen. Folgende Faktoren waren für die Kandidatur 57 von größerer Bedeutung: Pompeius Magnus, der sich zu der Zeit in Rom aufhielt, protegierte Plancius, der bereits in dieser Phase von den Beziehungen des Vaters als publicanus profitiert haben dürfte. Eine Empfehlung durch die ciceronianische Korrespondenz im Juli 58 an Atticus sowie im November 58 an Terentia und Atticus mag sicherlich nicht so weitreichend gewesen sein293 – schließlich waren Briefe von privater Natur. Für die Öffentlichkeit der urbs war die Dankesbekundung des Senats Ende Mai 57 rele285 286 287 288 289 290 291 292
Fuhrmann 1997, 849 Anm. 14. Die prosopographischen Daten bei Broughton MRR I. Cic. Planc. 25. Tatum 2007, 109–135. Gelzer 1969, 135 ff., insb. 139–146. Bringmann 2003, 76. F. Münzer, RE 40,2 (1950) 2013–2015 s. v. Cn. Plancius (4). Cic. Planc. 26: „Etenim si ante reditum meum Cn. Plancio se volgo viri boni, cum hic tribunatum peteret, ultro offerebant, cui nomen meum absentis honori fuisset, ei meas praesentis preces non putas profuisse?“ 293 Cic. Att. III,14,2; Cic. Att. III,22,1; Cic. fam. XIV,1,3; Deniaux 1993 zu den Empfehlungen in den Briefen Ciceros; eine Zusammenstellung zu der Planciana findet sich in ders., 104; F. Münzer, RE 40,2 (1950) 2013–2015 s. v. Cn. Plancius (4).
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vanter, in der Plancius für seinen Einsatz während Ciceros Exil gelobt wurde.294 In der Rede vor dem Senat am 5. September formulierte Cicero seinen Dank wie folgt: „Custos capitis fuit Cn. Plancius, qui omnibus provincialibus ornamentis commodisque depositis totam suam quaesturam in me sustetando et conservando conlocavit.“295 Der Kontakt zu Freunden und Anhängern in Rom mag während des Exils nicht gänzlich abgebrochen sein, ob aber die Erwähnung eines exilierten Politikers im politischen Agon sonderlich hilfreich war, ist fraglich. Denn auch Cicero, so mag man seine Aussage an dieser Stelle deuten, weist indirekt darauf hin, dass eine tatkräftige, unmittelbare Unterstützung nur durch persönlichen Einsatz und Anwesenheit zu erreichen war, und betont zugleich auf rhetorische Weise die aktuelle Protektion des Plancius. An Minturnenses coloni, quod C. Marium e civili ferro atque ex impiis minibus eripuerunt (…) Plancio, quod me (…) receperit, iuverit, custodierit (…) miraris?: Die Flucht des C. Marius vor Sulla 88 v. Chr. über das municipium Minturnae nach Nordafrika dient als historisches Beispiel und Parallele für Ciceros eigene Flucht aus Rom nach Makedonien.296 Plutarch gibt die legendäre Flucht des C. Marius recht detailliert wieder:297 Der sechsfache Konsul Marius war dazu genötigt worden, eine beschwerliche Reise auf sich zu nehmen. In Minturnae angekommen und sogleich in Gewahrsam genommen, seien die „Behörden und Rat von Minturnae in ihren Erwägungen zum Schluß gekommen, den Gefangenen ohne Verzug hinrichten zu lassen.“298 Der römische Senat hatte Marius mit zehn seiner Anhänger zu Staatsfeinden erklärt, ihnen die Bürgerrechte aberkannt, ihr Eigentum eingezogen und sie für vogelfrei erklärt (aqua et igni interdictio).299 Marius schafft es in der Überlieferung des Plutarch, auf recht mysteriöse Weise die Unterstützung der Einwohner von Minturnae und sicheres Geleit zur See zu erhalten. Die unbeschadete Weiterreise ist wohl auf die große clientela des Marius zurückzuführen.300 So schrieb Cicero bereits vor Plutarch:
294 Cic. Planc. 78. 295 Cic. p. red. in sen. 35, angeführt in Cic. Planc. 74. Vgl. dazu auch Cic. Planc. 98: „lictoribus dimissis, insignibus abiectis, veste mutata“. Und Cic. Planc. 100: „abiecta quaestoria persona comitisquesumpta“. Hier zusammengestellt sind alle Stellen der Planciana, in denen Cicero auf den Beistand während des Exils hinweist: 1–4; 6; 25–26; 30; 61; 68; 69; 71–73; 77; 79–80; 98–101. 296 Minturnae, Stadt in Latium, am Golf von Gaeta, an der Mündung der Liris: G. Uggeri, DNP 8 (2000) 236–237 s. v. Minturnae. 297 Plut. Marius 35–40. 298 Plut. Marius 38, vollständiges Zitat: „ἐξαναστὰς οὖν ὁ Μάριος καὶ ἀποδυσάμενος καθῆκεν ἑαυτὸν εἰς τὴν λίμνην ὕδωρ παχὺ καὶ τελματῶδες ἔχουσαν. ὅθεν οὐ διέλαθε τοὺς ζητοῦντας, ἀλλ᾽ ἀνασπασθεὶς βορβόρου κατάπλεως γυμνὸς εἰς Μιντούρνας ἀνήχθη καὶ παρεδόθη τοῖς ἄρχουσιν. ἦν γάρ εἰς ἅπασαν ἤδη πόλιν ἐξενηνεγμένον παράγγελμα περὶ τοῦ Μαρίου δημοσίᾳ διώκειν καὶ κτείνειν τοὺς λαβόντας.“ 299 Santangelo 2016, 81; Ungern-Sternberg 1970, 111 ff. zum Verhältnis zwischen SCU und hostis-Erklärung. 300 Santangelo 2016, 85.
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Die Siedler von Minturnae haben C. Marius dem Bürgermord und der skrupellosen Gewalt entrissen, haben ihm ein schützendes Dach gewährt und ihn, den von Hunger und Seefahrt Erschöpften, gepflegt, haben ihm Wegzehrung verschafft und ein Schiff gegeben, haben ihn, als er das Land verließ, dessen Retter er war, mit ihren Gebeten, Segenswünschen und Tränen begleitet – und ihnen wird deswegen ewiger Ruhm zuteil.301
Im Vergleich zwischen der Flucht des Marius und dem Exil Ciceros nahm Cn. Plancius für Cicero einen ähnlichen Stellenwert ein wie die Einwohner von Minturnae für Marius.302 Plancius habe ihn „aufgenommen, versorgt und beschützt für die Zuhörer hier und für den Senat und das Volk von Rom – damit sie jemanden zurückberufen konnten – bewahrt.“303 Es wird suggeriert, dass die Rückberufung aus dem Exil geradezu vorprogrammiert war. Einen Unterschied scheint Cicero dennoch festhalten zu wollen, der in Anbetracht der weiteren Bezugnahme auf C. Marius in den ciceronianischen Reden deutlich wird,304 nämlich die Motivation des Abschieds aus Rom: „(…), ob ich nun gewaltsam vertrieben (wurde) oder aus Einsicht nachgab (…)“.305 Das Exil des C. Marius versteht Cicero eindeutig als Flucht, die durch die Ereignisse des Jahres 88 v. Chr. gerechtfertigt wird. Die Aufstände in Rom, der Marsch der sullanischen Truppen auf die Stadt und die Erklärung des Marius zum Staatsfeind waren eindeutige Zeichen eines drohenden Bürgerkriegs und sollen in der Retrospektive die Aussage Ciceros unterstreichen. Da der Verteidiger sich gegenüber den Anhängern der Senatsaristokratie für seine Flucht stets rechtfertigen musste, beruht seine Intention an dieser Stelle darauf, seine Handlungen von 58 v. Chr. zu relativieren, indem zwei argumentative Optionen den Zuhörern angeboten werden: So sei das Exil entweder unter Zwang herbeigeführt worden oder ein freiwilliger Rückzug gewesen, obwohl es das Resultat fehlender Alternativen und ausbleibender Unterstützung durch die Machthabenden war.306 Auch die Prozessrede für Plancius diente als Plattform für die 301
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Cic. Planc. 26: „An Minturnenses coloni, quod C. Marium e civili ferro atque ex impiis manibus eripuerunt, quod tecto receperunt, quod fessum inedia fluctibusque recrearunt, quod viaticum congesserunt, quod navigium dederunt, quod eum linquentem terram eam quam servarat votis, ominibus lacrimisque prosecuti sunt, aeterna in laude versantur“. Zur Verwendung des historischen Ereignisses in Hinblick auf die Flucht des Marius und die Rolle von Minturnae siehe weiterhin Cic. p. red. ad Quir. 20; Cic. Sest. 50; Cic. Pis. 43. Ob der Vergleich haltbar ist, da es sich bei Marius um ein ganzes municipium zu handeln schien und bei Cicero nur ein Individuum in seiner Position als Magistrat diese Rolle einnimmt, nämlich als der Quaestor in Makedonien (Thessaloniki) 58 v. Chr., ist fraglich. Cic. Planc. 26: „(…) receperit, iuverit, custodierit, his et senatui populoque Romano, ut haberent quem reducerent, conservarit, (…)“. Cic. p. red. ad Quir. 20; Cic. Sest. 50; Cic. Pis. 43. Cic. Planc. 26: „(…) quod me vel vi pulsum vel ratione cedentem (…)“. Nach längeren Auseinandersetzungen, unter anderem wegen der Gesetzesentwürfe des Clodius Pulcher als Volkstribun 58 v. Chr., und gerade da Cicero von keiner Seite Unterstützung zu erhalten schien – weder von Pompeius, Caesar oder Crassus, noch von den amtierenden Konsuln Piso und Gabinius – musste er im März Rom und im April Italien verlassen. Gelzer 1969, 135–141
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Verteidigung seiner libertas gegenüber den Angriffen der Kläger Laterensis und L. Cassius Longinus.307 Der Abgang aus Rom 58 v. Chr. soll als freiwilliger Akt im Sinne des größeren Gemeinwohls, nämlich zur Erhaltung der res publica, verstanden werden. §§ 27–28 Cn. Planci (…) vita: Die reprehensio vitae soll aufzeigen, dass die bisherige Lebensführung des Plancius keine berechtigten Gründe für Kritik darbot. In einem Vergleich der Reden für Murena und Plancius legt Adamietz die reprehensio vitae in der Planciana auf die §§ 30–35.308 Bei näherer Betrachtung der oratio muss sie allerdings auf die §§ 27–29 beschränkt werden: Der Grund liegt in der Funktion und Intention der Auseinandersetzung mit der Lebensführung des Beschuldigten. Die charakterliche Disposition sollte im Ganzen betrachtet werden, um den Angeklagten auf moralischer Ebene von einer Straftat freizusprechen. Ziel war es also herauszuarbeiten, ob es sich generell um einen Menschen mit kriminellen oder zumindest fragwürdigen Charakterzügen handelte.309 Die reprehensio vitae wird von Cicero wie folgt aufgebaut: Sein Mandant sei von der Anklage verleumdet worden, alle Verbrechen, die man ihm vorwarf – wie die Entführung einer Schauspielerin – seien nicht als Verbrechen zu bewerten.310 Die tadellose Lebensführung des Plancius zeichne ihn daher im Hinblick auf seine Bestrebung für die Aedilität in besonderer Weise aus. Drei Hauptsäulen des bisherigen Werdegangs und der persönlichen Disposition werden untersucht: erstens die unterschiedlichen Stationen seiner militärischen Laufbahn (§§ 27–28), zweitens die politische Karriere (§§ 28–29) und drittens seine persönlichen Beziehungen zu Familienmitgliedern und Freunden (§ 29). Im Vergleich zu der contentio dignitatis, der crimen sodaliciorum und der Selbstdarstellung Ciceros vor Gericht fällt die reprehensio vitae sichtlich kürzer aus. Seinen Militärdienst begann Plancius als adulescentulus in der Gefolgschaft des A. Manlius Torquatus in Afrika, dem Praetor des Jahres 70 v. Chr. und anschließendem Statthalter in der besagten Provinz, dessen Vetter und zugleich Schwiegersohn, T.
bewertet die Reaktionen Ciceros auf die Gesetzesvorschläge des Clodius bezüglich der rechtswidrigen Tötung von römischen Bürgern ohne die Zustimmung des römischen Volkes (Ende Januar 58) als zu drastisch. Er soll die senatorischen Insignien abgelegt und begonnen haben, sich die Haare wachsen zu lassen, um allgemeines Mitleid zu erregen. Durch diese symbolisch aufgeladene Geste soll Cicero selbstverschuldet die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt haben. Das Auftreten in Trauermodus war aber durchaus traditionell und etwa bei Gerichtsreden üblich. Siehe dazu die Diskussion bezüglich der veste mutata in Cic. Planc. 29; 87 und 98. 307 In Cic. Planc. 86–90 findet sich die Auseinandersetzung mit dem Exil Ciceros. Siehe zur libertas-Thematik Cic. Planc. 91–92; zur libertas Lind 1986, 81–91; zur virtus Lind 1992, 25–40. 308 Adamietz 1986, 108–117. 309 Riggsby 2004, 165–186 zur Rolle des Charakters und des Ethos in den römischen Gerichtshöfen. 310 Cic. Planc. 27–31; 33–35; 61. Diese Einteilung nimmt auch Riggsby 2004, 172 vor, was meine Ortung der reprehensio vitae innerhalb der Planciana gegenüber der von Adamietz 1986, 108–117 unterstützt.
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Manlius Torquatus, beim Prozess anwesend war.311 Auf Kreta war Plancius contubernalis des Cn. Appuleius Saturninus (vgl. § 19) unter dem Praetor Q. Metellus.312 Die legati zur Zeit der Praetur des Metellus auf Kreta waren C. Licinius Sacerdos und L. Valerius Flaccus.313 Makedonien, wo Plancius tribunus militum war, spielte für ihn nicht nur in Bezug auf seine militärische Laufbahn eine bedeutende Rolle. Im Anschluss an seine Tätigkeit als Militärtribun erlangte er für dieselbe Provinz die Quaestur unter dem Praetor L. Appuleius Saturninus: Die Quaestur markierte also den Beginn seiner politischen Laufbahn. Zur Zeit des Prozesses 54 v. Chr. hielt sich eine Delegation der principes civitatum aus Makedonien in Rom auf. Entgegen ihres ursprünglichen Auftrags hatten sie dem Prozess gegen Plancius beigewohnt und diesem symbolisch ihren Beistand geleistet. Die Unterstützung der principes civitatum mag auf die guten Beziehungen hindeuten, die während der Quaestur 58 v. Chr. aufgebaut wurden.314 Die vor Gericht anwesende Gesandtschaft diente der Verteidigung als Leumundszeuge und sollte den positiven Charakter des Plancius unterstreichen.315 Das Volkstribunat markierte die nächste Stufe in der politischen Laufbahn des Angeklagten.316 Sein Auftreten als Volkstribun sei jedoch untypisch gewesen, nämlich ohne jegliche Angriffslust. Seine Kollegen im Tribunat des Jahres 56 v. Chr. waren Antistius Vetus, L. Caninius Gallus, C. Cassius, M. Nonius Sufenas und A. Plotius (der spätere Kollege des Plancius in der Aedilität, welcher mit diesem vor Gericht verleumdet wurde),317 C. Porcius Cato, L. Procilius, L. Racilius und P. Rutilius Lupus.318 Die Volkstribune hatten sich 56 v. Chr. wie folgt positioniert: So gab es die Clodius- und Triumviratsgegner (A. Vetus, L. Racilius, P. Rutilius Lupus), die Fürsprecher des Clodius und des Triumvirats (C. Cassius, C. Porcius Cato) und die Tribune, die sich für die Königsrestauration in Ägypten ausgesprochen hatten (L. Caninius Gallus, A. Plotius, C. Porcius Cato, P. Rutilius Lupus). Darüber hinaus wurden drei der tribuni plebis, die versucht hatten, die Comitien des Jahres zu blockieren, angeklagt: Es handelte sich dabei um M. Nonius Sufenas, C. Porcius Cato und L. Procilius. Im Gegensatz zu den
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F. Münzer, RE 40,2 (1950) 2013–2015 s. v. Cn. Plancius (4). A. Manlius Torquatus: J. Fündling, DNP 7 (1999) 825–826 s. v. Manlius Nr. I,16; T. Manlius Torquatus: unbekannt, siehe Fuhrmann 1997, 849 Anm. 16. Fuhrmann gibt hier fälschlicherweise Schwiegervater, anstatt Schwiegersohn an. Q. Caecilius Metellus Creticus, Konsul 69 v. Chr., Eroberung Kretas 68–66 v. Chr.: K.-L. Elvers, DNP 2 (1997) 888 s. v. Caecilius Nr. I,23. C. Licinius Sacerdos war praetor urbanus des Jahres 75 v. Chr. und der spätere Propraetor Siziliens: Th. Frigo, DNP 7 (1999) 171 s. v. Licinius Nr. I,41; L. Valerius Flaccus unterstützte Cicero als Klient gegen Catilina, da er 63 v. Chr. das Amt des Praetors innehatte. Anschließend 62/61 Statthalter von Asien: J. Bartels, DNP 12 (2002) 1096 s. v. Valerius Nr. I,24. Canali de Rossi 1997, 173–175 zu der hier erwähnten Delegation aus Makedonien 54 v. Chr. in Rom. Vgl. May 1988; Riggsby 2004. Siehe Cic. Planc. 13. Cic. Planc. 54: „Sed tamen tu A. Plotium, virum ornatissimum, in idem crimen vocando indicas eum te adripuisse a quo non sis rogatus.“ Broughton MRR II, 209.
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‚Umtrieben‘ seiner Kollegen im Tribunat wird nichts Vergleichbares über die Agitationen des Plancius oder seiner direkten Parteinahme berichtet. Der Vorwurf des Laterensis, der Angeklagte habe sich in keinster Weise hervorgetan – er hatte also das Konfliktpotenzial des Volkstribunats offensichtlich nicht zu nutzen verstanden – scheint zutreffend. Ob der Vergleich auf die Kollegen des Jahres 56 oder auf die Tribune des Vorjahres zielte, von denen sich mindestens acht für die Rückkehr Ciceros aus dem Exil eingesetzt hatten, ist ein weiterer Aspekt der Diskussion an dieser Stelle.319 § 29 ut vivat cum suius: Einen besonderen Stellenwert nimmt die Thematisierung der Beziehungen zwischen Plancius, seiner Familie und seinen Freunden ein. Die erste und bedeutendste Beziehung sei die zwischen ihm und seinem Vater, der wie ein Gott verehrt und wie ein sodalis, Bruder und Gleichaltriger (aequalis), d. h. Freund, geliebt wurde. In der Konstellation der Verhältnisse zwischen einem Kind und dessen Elternteil stilisiert Cicero pietas zur höchsten aller Tugenden: „nam meo iudicio pietas fundamentum est omnium virtutum“.320 Im Verlauf der Rede wird allerdings auch die amicitia als Grundlage aller Tugenden, d. h. also auch der pietas, verstanden321 – die Diskrepanz ist jedoch der unterschiedlichen Argumentationsstränge geschuldet.322 Pietas wird also in direktem Zusammenhang mit virtus gebracht und zugleich wird zwischen zwei Teilaspekten der pietas differenziert, die sich anhand der Formulierungen „quem veretur ut deum“ und „amat vero ut sodalem, ut fratrem, ut aequalem“ zeigen: So wird einerseits genauer differenziert zwischen der pietas erga deos (markiert durch vereri) und der
Im Kommentar von Köpke/Landgraf 1887, 48–49 wird besonders auf die Bedeutung von quam isti hingewiesen: „Tribunus pl. fuit non fortasse tam vehemens quam isti quos tu iure laudas, sed certe talis, quales si omnes semper fuissent, numquam desideratus vehemens esset tribunus.“ Laut Köpke/ Landgraf bezieht sich das quam isti auf die tribuni des Jahres 57 v. Chr., von denen sich 8 für die Rückkehr Ciceros eingesetzt hatten. Vehemens soll konkret T. Milo und P. Sestius meinen, die mit Hilfe von Straßenkämpfen die Rückkehr des Besagten erzwingen wollten. Dies scheint aus Sicht der Argumentation der Kläger schlüssig: Es war schließlich in ihrem Sinne, den Einsatz des Plancius für Cicero im Vergleich zu seinen anderen Unterstützern als gering und nicht bedeutender erscheinen zu lassen. Ob quam isti in dem von Köpke/Landgraf gegebenen Kontext betrachtet werden sollte, oder vielmehr den direkten Vergleich der tribuni des Jahres 56 v. Chr. mit Plancius meint, der sich, wie oben gezeigt, nicht hervor zu tun schien, bietet Raum für Spekulationen. Zumal M. Iuventius Laterensis sich selbst 59 v. Chr. um das Tribunat bewarb und seine Kandidatur zurückzog, da er zum einen womöglich der Kollege des Clodius Pulcher geworden wäre, gegen den sich auch einige der oben aufgezählten Tribune stellten, und zum anderen um eventuell seine Zustimmung zu den Ackergesetzen Caesars nicht geben zu müssen: Broughton MRR II, 195 und Köpke/Landgraf 1887, 6. 320 Es wird erneut auf die Beziehung zwischen Cn. Plancius und Cn. Saturninus hingewiesen. Darüber hinaus zu der Beziehung zu seinen „patruo, cum adfinibus, cum propinquis, cum hoc Cn. Saturnino (…)“; siehe Cic. Planc. 29. 321 Cic. Planc. 80. 322 Im Rahmen der reprehensio vitae musste schließlich der lobenswerte Charakter des Plancius unterstrichen werden, wohingegen in der oratio pro se die amicitia in erster Linie zwischen Cicero und dem Angeklagten hervorgehoben wurde, um dessen Einsatz für Plancius zu erklären. 319
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pietas erga parentes (hervorgehoben durch amare), gleichzeitig aber ausgedrückt, dass beide Aspekte von ein und derselben Tugend stammen.323 veste mutata: Neben Cn. Saturninus und der Gesandtschaft aus Makedonien seien Männer in Trauerkleidung vor Gericht erschienen: „quis de his tot viris talibus quos videtis veste mutata?“324 Veste mutata bzw. vestem mutare (eng verbunden mit squalor) ist der feststehende Ausdruck für ‚Trauer anlegen / sich in Trauer kleiden‘.325 Grundsätzlich ist zu beobachten, dass im Falle von Trauer auf helle Kleidung und auf jeglichen Schmuck und Prunk verzichtet wurde.326 Stattdessen kleidete man sich vornehmlich in grau, zumindest legte man, wenn man zum Tragen einer toga berechtigt war, eine toga palla an. Bei Gastmählern durfte keine Trauerkleidung angelegt werden; stand man jedoch als Angeklagter vor Gericht, war eine dunkle toga zwingend notwendig.327 Die symbolträchtige Darstellung und nonverbale Kommunikation von Trauer anhand spezifischer Kleidung, die insbesondere freundschaftliche und/oder familiäre Beziehungen ausdrücken sollte und stark kontextabhängig war, variierte je nach Zugehörigkeit zu bestimmten Statusgruppen. So trugen Männer ritterlichen Ranges für gewöhnlich eine Tunika mit dem angustus clavus, charakteristisch mit zwei schmalen Purpurstreifen auf der Brust, die im Trauerfall gegen eine blanke Tunika ohne jegliche farblichen Hervorhebungen ausgetauscht wurde. Trauernde vom senatorischen Rang legten statt der für sie typischen Tunika mit dem latus clavus, d. h. mit breiten Purpurstreifen, eine mit dem angustus clavus an. Diese Geste war eine bewusste optische Herabsetzung ihrer Stellung in der Öffentlichkeit als Zeichen von Trauer.328 Die Kommunikation über die Kleidung setzte wiederum voraus, dass die Öffentlichkeit (plebs, Mitglieder der unterschiedlichen ordines) über die eigentliche Stellung der jeweiligen Trauernden in Kenntnis gewesen sein musste, da ansonsten die symbolische Darstellung von Trauer mit Hilfe der Kleidung ihre Aussagekraft verlor. Wollten dahingegen amtierende Magistrate ihre Trauer nach außen kenntlich machen, so konnten sie auf die für ihre Position vorgesehene toga praetexta verzichten – theoretisch konnte wie zur Zeiten der Kandidatur eine toga candida angelegt werden.329 Handelte es sich um Magistrate vom senatorischen Rang, konnte die toga praetexta gegen die tunica mit dem angustus clavus ausgetauscht werden. Die toga konnte gänzlich abgelegt werden,
323 Vgl. zur pietas nachwievor C. Koch, RE 39,2 (1941) 1221–1232. 324 Cic. Planc. 29: „Was (soll ich reden) von all den vortrefflichen Männern, die ihr hier in Trauerkleidung seht?“ 325 OLD2 2049 s. v. vestis, no. 1,b vestem mutare; zur Trauerkleidung in der römischen Republik Degelmann 2018, 120–126. 326 Liv. IX,7,8; Liv. XXXIV,7,10; Oakley 2005, 109–112; Prop. 4,7,28; Suet. Aug. 100,2. 327 R. Hurschmann, DNP 12 (2002) 767–768 s. v. Trauerkleidung; ders., DNP 12 (2002) 654–655 s. v. toga; darüber hinaus Starbatty 2010, 65–85 zu den unterschiedlichen Kontexten und Arten von Trauerkleidung; vgl. dazu auch Olson 2017, 97–101. 328 Vgl. Degelmann 2018, 127–130. 329 Deniaux 2003, 49–55 zur toga candida.
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wenn es sich bei den Trauernden weder um Magistrate noch um Bürger mit spezifischer Standeszugehörigkeit handelte. Neben der jeweils charakteristischen Bekleidung konnte ein Trauernder sein persönliches Erscheinungsbild weiter modifizieren, indem unter anderem Bart und Haupthaar nicht mehr gekürzt wurden.330 Ein unordentliches und zerrauftes Auftreten symbolisierte das Gefühl von Trauer einerseits und den Wunsch nach ‚Gerechtigkeit‘ und öffentlicher Kenntnisnahme andererseits. Das Auftreten in Trauerkleidung und das Tragen von langem Haupt- und Barthaar gewannen damit eine politische Signifikanz, die auch gezielt vor Gericht eingesetzt wurde.331 Die Anwesenheit des bereits erwähnten Cn. Saturninus, der trauernden Familienmitglieder, der Freunde des Plancius, der Gesandtschaft aus Makedonien und der aus den ländlichen tribus angereisten equites und tribuni aerarii während des Prozesses 54 v. Chr. – die iudices der quaestio de sodaliciis und den quaesitor ausgenommen – sollen die Unschuld des Angeklagten unterstreichen. Die squalor-Geste geht bereits aus der Planciana § 21 deutlich hervor und zeichnet sich durch ein sowohl rationales als auch affektives Argument aus: Nicht nur war die hohe Anzahl der in Rom für den Prozess erschienenen Bürger aus Atina auffällig, sondern ihr emotionales Auftreten: „(…) quam quidem nunc multitudinem videtis, iudices, in squalore et luctu supplicem vobis.“332 Die explizit in dieser Reihenfolge vorgenommene Erwähnung von squalor, luctus und supplex erinnert stark an einen Trauerzug wie der pompa funebris, in deren Rahmen squalor und luctus Emotionen wiederspiegelten, die beim Ableben von geliebten Personen evoziert wurden. In dieser Zusammenstellung wird ein weiteres Detail ganz deutlich: Das Publikum der quaestiones setzte sich aus einer diversen und großen Vielzahl von Zuhörern zusammen und reflektierte zugleich das große Interesse, dass die iudicia publica der späten Republik genossen. Unter diesen Gesichtspunkten scheint es also nicht abwegig, dass der Versuch unternommen wurde, zumindest die plebs von den Prozessen fernzuhalten. Das Anlegen von Trauerkleidung konnte als demonstrativer Widerstand von einem größeren Individuenkreis praktiziert werden, der sich einer bestimmten Sache verbunden fühlte. So berichtet Cicero, Senatoren, die ihm beistanden, seien kurz vor seinem Exil ebenfalls in Trauerkleidung aufgetreten: „At erat mecum senatus, et quidem veste mutata, quod pro me uno post hominum memoriam publico consilio susceptum est.“333 Vielmehr noch, das Tragen von Trauerkleidung sei keine Entscheidung einzelner Senatoren, sondern ein publicum consilium gewesen. Ein solches Auftreten, vornehmlich der 330 Siehe das Beispiel Ciceros: Gelzer 1969, 135–141; in ähnlicher Weise agierte auch Q. Metellus Pius, der bis zur Rückberufung seines Vaters aus dem Exil zwei Jahre lang sich Haupthaar und Bart nicht mehr kürzte: Lintott 1968, 19 mit weiteren Beispielen. 331 Lintott 1968, 16, 19–20; Starbatty 2010, 67–69. 332 Cic. Planc. 21: „(…) ihr seht sie jetzt allesamt in Trauer und Bekümmernis als Bittflehende vor euch, ihr Richter.“ 333 Cic. Planc. 87. Zu diesen gehörte allerdings nicht Cn. Plancius, der sich zu der Zeit in Makedonien als Quaestor aufhielt.
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Ritter, war der politischen Situation unter Clodius Pulchers radikalen wie gewalttätigen Unternehmungen geschuldet. So hatte sich die Gruppe der Cicero wohlgesinnten Männer auf dem Capitol versammelt und demonstrativ Trauerkleidung angelegt.334 Flaig identifiziert eine konsensuelle Praxis dieser Art als „ritualisiertes Trauerverhalten“, das „Solidarität und Sympathie“ hervorrufen sollte.335 Nach der Auseinandersetzung mit dieser provokativen Zurschaustellung und zugleich politischen Stellungnahme erließ der Senat unter der Leitung der Konsuln L. Calpurnius Piso und A. Gabinius336 ein Edikt, welches die Senatoren dazu nötigte, ihre übliche Kleidung wieder anzulegen.337 Politische Aktionen solcher Natur fanden nicht nur 58 v. Chr. statt. Sie wiederholten sich in Krisenmomenten der späten Republik, wenn das Allgemeinwohl der res publica für gefährdet befunden wurde und/oder öffentliches Interesse wie auch öffentlicher Widerstand hervorgerufen werden sollte – in solchen Augenblicken also, in denen die hochkomplexe Kommunikation innerhalb der unterschiedlichen politischen Gruppen zu scheitern drohte: so wie in den Jahren 133, 56, 53, 52 und 50 v. Chr.338 Cicero formuliert den Beschluss der Konsuln von 58 v. Chr., die selbst Mitglieder des Senats waren, als Zuwiderhandlung gegen den Senat selbst: Doch bedenke, was für Feinde unseres Staates das waren, die sich damals Konsuln nannten: sie haben als einzige in dieser Stadt verhindert, daß der Senat dem Senat gehorche, und durch ihren Erlaß den versammelten Vätern zwar nicht die Trauer, wohl aber die Zeichen der Trauer (nämlich die Trauerkleidung) genommen.339
Den Rittern, die sich hauptsächlich an dieser politisch motivierten Aktion beteiligt hatten, drohte der Konsul A. Gabinius, „der catilinarische Tanzkünstler“,340 in einer contio mit proscriptio: „consul proscriptionis denuntiatione terrebat“.341 Die Drohung richtete sich unter anderem an L. Aelius Lamia, der den Zorn des Gabinius auf sich gezogen hatte, als er sich direkt für Cicero aussprach.342 Demnach stand politischen 334 Gelzer 1969, 136; Cic. Planc. 87; Cic. Sest. 26; Cic. dom. 99; Cic. p. red. ad Quir. 8; Plut. Cicero 31,1; vgl. Starbatty 2010, 71–77 zu vestis mutatio als Mittel politischer Stellungnahme. 335 Flaig 2003, 101; ähnliche Präzedenzfälle des ritualisierten Trauerverhaltens finden sich bei Plut. Ti. Gracchus 10,7 und Sen. contr. 10,1. 336 Broughton MRR II, 193; siehe für die Auseinandersetzung mit den consules Cic. Planc. 86. 337 Gelzer 1969, 136–137; Cic. Planc. 87; Cic. Sest. 32; 52; Cic. p. red. in sen. 10; 12; 16; 31; Cic. p. red. ad Quir. 13; zur Anordnung der Bekleidung der Senatoren: Cic. Pis. 18; Cic. dom. 55; 99; Cass. Dio 38,16,3. 338 Lintott 1968, 19–20; Flaig 2003, 99 ff. 339 Cic. Planc. 87: „Sed recordare qui tum fuerint consulum nomine hostes, qui soli in hac urbe senatum senatui parere non siverint edictoque suo non luctum patribus conscriptis sed indicia luctus ademerint.“ 340 Cic. Planc. 87; Gabinius wird in folgenden Passagen erneut als saltator beschimpf: Cic. Pis. 18; 22; 25; Cic. p. red. in sen. 13; Cic. dom. 60. 341 Cic. Planc. 87. 342 Im Gegensatz zu einem Exilierten durfte L. Aelius Lamia sein Bürgerrecht und sein Besitz behalten, musste sich jedoch aus Rom zurückziehen: Neben Cic. Planc. 87 vgl. Cic. Sest. 29; Cic. Pis. 64; Cic. fam. XI,16,2; XII,29,1.
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Gruppen also die Möglichkeit offen, unter Demonstration ritualisierter (nonverbaler) Trauergesten politische Missstände aufzuzeigen, die durch Gegenmechanismen der Machthabenden (Androhung von Proskriptionen) unterbunden werden konnten. Überblick §§ 30–35: Cicero setzt sich weiterhin mit den Vorwürfen an der Lebensführung und dem Charakter des Plancius auseinander. Die Anschuldigungen bezogen sich auf folgende Aspekte: die Rolle des Plancius als Ehemann, seine Eskapaden mit Schauspielerinnen, seine unrechtmäßigen Vorgehensweisen bei Straffällen, der Nachteil, der ihm durch die Tätigkeiten des Vaters als publicanus entstanden sei, und der Verweis auf den ritterlichen Rang (§ 30–32). Alle vorgebrachten Punkte werden als nicht haltbar zurückgewiesen. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem älteren Cn. Plancius in seiner Position als princeps publicanorum wird in den §§ 33–35 erneut aufgegriffen und in Bezug zu anderen historisch relevanten Persönlichkeiten gesetzt. Die Diskussionen um die Herabsetzung der Pachtsumme für die Provinz Asia während Caesars Konsulat 59 v. Chr. spielten in der Auseinandersetzung zwischen den publicani und dem Senat eine besonders wichtige Rolle (§ 35). § 30 Bimaritum; ductum esse (…) aliquem libidinis causa; raptam esse mimulam: Cicero fasst erneut die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale beider Kandidaten zusammen: In genere und nomine sei Plancius dem Laterensis unterlegen, übertroffen habe er diesen jedoch aufgrund der Unterstützung der municipia, vicinitates, societates studiorum und der memoria an Ciceros Exil.343 Beide Kandidaten seien in ihrer virtus und integritas jedoch von gleichem Rang. Der Angeklagte soll nun von den moralischen Vorwürfen freigesprochen werden: sowohl die vorgeworfenen Ehebrüche als auch die Anschuldigung, ein bimaritum zu sein, seien haltlos. Der Begriff bimaritum,344 ein angeblich von Laterensis erfundener Ausdruck, bezeichnete einen Mann mit zwei Ehefrauen; der äquivalente Ausdruck für Frauen lautete bivira. Dem römischen Recht nach war die Ehe (matrimonium) mit mehr als einer Person zur gleichen Zeit unzulässig; trat ein solcher Fall doch ein, wurde die Ehe für nichtig erklärt – sie entfaltete also keinerlei rechtliche Wirkung. Die aus solchen Ehen hervorgegangenen Kinder galten demnach als illegitim und fielen nicht wie gewöhnlich unter die patria potestas des Vaters, sondern unter diejenige, welcher die Mutter unterstand. In die Provinz Makedonien, vermutlich zur Zeit der Quaestur und nicht als tribunus militum,345 habe Plancius einen jungen Mann mitgenommen, „um seiner Lust zu
343 Cic. Planc. 30; vgl. Cic. Planc. 7. 344 TLL 2 (1906) 1990 s. v. bimaritus. Siehe dazu: Kaser 1972, inbs. fünfter Abschnitt zu Familienrecht, 222 ff. 345 Vgl. Cic. Planc. 27–28.
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frönen“.346 Ein weiterer Vorwurf, der ein moralisch verwerfliches Verhalten aufzeigen sollte, betraf die Entführung einer Schauspielerin (mimula). Dieser Vorwurf wird wie folgt zurückgewiesen: Die Entführung von Schauspielerinnen sei ein alter Brauch unter jungen Männern aus Atina und der umliegenden oppida (Landstädte) – Cicero versteht den Übergriff also als straffrei und relativiert den Vorfall (dicitur) – falls er denn je stattgefunden hatte.347 Die Entlassung einer unbekannten Person aus dem Gefängnis auf Bitten seiner angesehenen Verwandten – wohl während der Zeit als Volkstribun 56 v. Chr.348 – sei ebenfalls unrechtmäßig gewesen. Nach der Entlassung sei der Gefangene wieder steckbrieflich gesucht worden, was auf die rechtswidrige Freilassung hindeutet. Die gegen den Charakter des Plancius geäußerten Vorwürfe sind nach Kroll die üblicherweise in solchen Prozessen vorgebrachten Anschuldigungen,349 die sich bei Plancius sehr auffällig auf sexuelle Delikte bezogen: Doppelehe, Homosexualität und Entführung/Vergewaltigung. Alle Vorwürfe werden von Cicero in lakonischer Kürze zurückgewiesen. Die klare Unterscheidung zwischen Brauch und Tradition einerseits und den rechtlich sanktionierbaren crimina andererseits ist auffällig, da eine Darstellung von mos maiorum350 parallel oder gar ineinandergreifend mit den leges für Cicero in der Regel selbstverständlich war. §§ 31–32 „Pater vero“ inquit, „etiam obesse filio debet.“: Die Abstammung und der Werdegang des älteren Plancius, der einer plebejischen Familie ritterlichen Rangs entstammte, steht im Fokus und soll das Ansehen und den Einfluss der familia erklären: „Cn. Plancius is eques Romanus, ea primum vetustate equestris nominis ut pater, ut avus, ut maiores eius omnes equites Romani fuerint“.351 Neben seiner Abstammung habe Cn. Plancius senior unter P. Licinius Crassus, Konsul 97 v. Chr. und Vater des späteren Triumvirn M. Licinius Crassus, seinen Militärdienst geleistet.352 Auch habe er unterschiedliche Aufgaben übernommen: So sei er in seiner Heimat Atina als Richter (iudex) tätig gewesen, habe sich für die publicani in den Pachtgesellschaften (societates) eingesetzt und sei der Vorsitzende einer solchen societas gewesen.353 Die hervorgehobenen Eigenschaften des Vaters sollen sich in positiver Weise vor Gericht auf den Prozess zu Gunsten des jüngeren Plancius auswirken.
346 Cic. Planc. 31. 347 Cic. Planc. 31. Siehe zum Vorwurf der Vergewaltigung Wiseman 1971, 114; Blänsdorf 2016, 41 zu Cic. Planc. 30–31 und der Erwähnung von Sklaven vor Gericht. 348 Köpke/Landgraf 1887, 50. 349 Kroll 1937, 132. 350 Lind 1979, 48–56: mores maiorum: Moral Declines as seen by Cato and Cicero. 351 Cic. Planc. 32. 352 Broughton MRR II, 6; Fuhrmann 1997, 849 Anm. 18; ausführlicher Köpke/Landgraf 1887, 4; Kroll 1937, 132. 353 Cic. Planc. 32.
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§ 33 „Asperius“ inquit, „locutus est aliquid aliquando.“: Die Denunzierung des Vaters wog schwerer als die Vorwürfe hinsichtlich der sexuellen Eskapaden des Sohnes, was sich klar an der Gewichtung der Rede erkennen lässt. Der raue und/oder freimütige Ton des älteren Plancius sei unerträglich gewesen, so die Anklage.354 Cicero erinnert dahingegen an die beinahe herkömmliche Praxis, wonach römische Ritter die homines nobilissimi herabwürdigten. Als Beispiele werden Q. Scaevola und P. Nasica aufgeführt. Q. Mucius Scaevola, Konsul 95 v. Chr. gemeinsam mit L. Licinius Crassus, wurde aufgrund seines Einsatzes zur Eindämmung der Aktivitäten der publicani in der Provinz Asia 98/99 v. Chr. zur Zielscheibe diverser Attacken.355 Weiterhin wird P. Cornelius Scipio Nasica Serapio erwähnt. Der Konsul von 111 v. Chr. soll vom Ausrufer (praeco) Q. Granius kompromittiert worden sein.356 Nasica hatte in Zusammenhang mit dem jugurthinischen Krieg „den Stillstand der Rechtspflege angeordnet“ (edicto iustitio). Auch kam Unmut gegen ihn aufgrund angeblich getätigter Zahlungen durch Jugurthas Gesandtschaft auf. Zu dieser Gesandtschaft zählt Sallust auch den Sohn Jugurthas.357 Auf die Frage des Konsuls, ob Granius wegen der Verschiebung der öffentlichen Versteigerungen betrübt sei, denn die praecones erhielten für gewöhnlich eine Tantieme aus solchen Versteigerungen, habe dieser erwidert: „Nein, sondern wegen des Aufschubs der diplomatischen Verhandlungen“.358 Die Aussage kann als eine Enttäuschung infolge der politischen Pläne Nasicas interpretiert werden und sich zugleich auf die Rückweisung der Gesandtschaft beziehen.359 Erschwerenderweise kommt hinzu, dass gerade die Unbestechlichkeit Nasicas allgemein bekannt gewesen sein soll, was dem Ausspruch des Granius weitere Schärfe verlieh.360 So sei es derselbe praeco gewesen, der den Volkstribunen von 91 v. Chr., M. Livius Drusus, zurechtgewiesen habe, welcher die Absicht verfolgt hatte, ein umfassendes Reformpaket durchzusetzen. Die vorgesehenen Maßnahmen des Drusus umfassten dabei folgende Punkte: Die Einrichtung einer Kommission mit Drusus als Mitglied,
354 Der historische Kontext dieser Anspielung wird erst im § 35 aufgelöst und dient hier dazu, Laterensis darauf hinzuweisen, dass seine freimütige Art gegen über dem älteren Plancius ebenfalls unangebracht ist. 355 Siehe Broughton MRR II, 11; Broughton MRR Suppl. (1960), 42. Cic. Planc. 33. Weiterhin Cic. off. I,116; II,57; III,47; Cic. Brut. 116; 161; 163; Cic. de orat. I,170; I,180; II,229; III,70; Cic. Rab. perd. 21. Hinsichtlich der Praetur in Asien und der Auseinandersetzung mit den publicani siehe Cic. Att. V,17; Cic. Verr. II,3,27 und Cic. div. in Caec. 57. Zu der Verteidigung im Jahr 92 v. Chr. seines Legaten in Asien, P. Rutilius Rufus, der ebenfalls von den publicani angegriffen und angeklagt wurde siehe Cic. de orat. I,229. Zum Tod des Scaevola Cic. Att. IX,12,1; Cic. Brut. 311; Cic. de orat. III,11. 356 Rosillo-López 2017, 38; dies. 2016, 221 zu Granius mit weiteren Verweisen. 357 Sall. Iug. 28; Fuhrmann 1997, 849 Anm. 20. 358 Cic. Planc. 33; Broughton MRR I, 540; Köpke/Landgraf 1887, 52. 359 Jehne 2009, 143–170, hier 157. 360 Sall. Iug. 27 ff.
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die über Land- und Getreidegesetze entscheiden sollte; die Einigung von Senat und Ritterstand, indem 300 Männer ritterlichen Ranges in den Senat aufgenommen werden sollten; die Aufteilung der Mitglieder des neu zusammengesetzten Senats zu gleichen Teilen auf die Gerichtshöfe und schließlich die Verteilung des Bürgerrechts an die italischen Bundesgenossen. Das geplante Reformvorhaben, das auf große Gegenwehr stieß, deutet einerseits auf den drohenden Bundesgenossenkonflikt hin, dessen sich Drusus bewusst gewesen sein musste, andererseits scheint eine Spaltung oder zumindest Schwächung der seit C. Gracchus sukzessive an politischen Einfluss gewinnenden Ritterschaft insbesondere der publicani beabsichtig worden zu sein. Als Folge dieser einschneidenden Vorhaben wurde Drusus kurze Zeit später ermordet.361 Auch soll sich Q. Granius auf Kosten der Konsuln des Jahres 99 v. Chr., M. Antonius, und des Jahres 95 v. Chr., L. Licinius Crassus, Scherze erlaubt haben.362 Ciceros Argumentation, gerade unter Anwendung des Granius als Beispiel, deutet einerseits auf die allgemeingültige Redefreiheit (libertas) hin,363 andererseits zeigt sie exemplarisch, dass öffentliche Kritik an politischen Akteuren und ihren Unternehmungen eine Form der Kommunikation zwischen den Mitgliedern der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen darstellte und als fester Bestandteil des politischen Alltags akzeptiert wurde.364 Der Vergleich zwischen dem unverblümten Verhalten der Männer ritterlichen Ranges und dem impertinenten Auftreten des praeco Granius mag als Hinweis gedeutet werden, den Snobismus der römischen Senatsaristokratie gegenüber den equites bzw. gegenüber den homines novi sowie den publicani, die besonders in der späten Republik über ein durchaus relevantes politisches Potential verfügten, zu verdeutlichen.365 So mag Ciceros Argumentation an dieser Stelle dem Zuhörer durchaus plausibel erscheinen, wenn er sich darüber empört, die Ankläger würden sich nicht über die durchaus offene Kritik eines Q. Granius mokieren, jedoch die freimütige Art der römischen Ritter für unangebracht halten: Dieser Mann (Granius) hat sich oft mit recht derben Scherzen an den Absichten des L. Crassus, des M. Antonius gerieben; doch jetzt setzt unsere Empfindlichkeit der Bürgerschaft derart zu, daß wird den Freimut, den wir einst bei den Witzen eines Ausrufers hingenommen haben, nicht einmal mehr bei den Klagen eines römischen Ritters dulden wollen.366
361 Meier 1966, 211–215; Broughton MRR II, 21; Fuhrmann 1997, 849 Anm. 20. 362 Cicero wählte für seinen 55 v. Chr. erschienenen Dialog de oratore die historischen Figuren L. Licinius Crassus und M. Antonius als Gesprächspartner. 363 Russell 2016, 200 verweist in Zusammengang ihrer Untersuchung des iustitium (zur Zeit des Volkstribunats des Clodius) unter P. Nasica gerade auf diese Stelle in der Planciana: Cic. Planc. 33. 364 Vgl. ausführlicher zu den Kommunikationsmöglichkeiten Rosillo-López 2017, hier 75–76; 36–38; 27–41 zur Zensur öffentlicher Meinung. 365 Dazu insbesondere Wiseman 1971. 366 Cic. Planc. 33.
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§§ 34–35 quid est autem umquam questus nisi cum a sociis et a se iniuriam propulsaret?:367 Der Hintergrund für die kontinuierlichen Verweise auf den Vater wird in den §§ 34 und 35 in Rückbezug auf die historischen Geschehnisse aufgelöst. Die publicani mit dem älteren Plancius als ihren Sprecher hatten 61 v. Chr. – während des Konsulats von M. Pupius Piso Frugi Calpurnianus und M. Valerius Messalla Niger – im Senat um eine Senkung der Pachtsumme für die Provinz Asia gebeten. Angestoßen oder zumindest unterstützt wurden ihre Bemühungen von M. Crassus.368 Über den Antrag konnte weder 61 noch 60 v. Chr. unter den Konsuln L. Afranius und Q. Caecilius Metellus Celer abgestimmt werden, da er vor allem auf Seiten der Optimaten auf Unmut stieß.369 Mitunter habe M. Cato370 durch seine ausschweifenden Reden im Senat dazu beigetragen, eine endgültige Abstimmung über den Antrag zu verschieben.371 Die Auseinandersetzung zwischen den publicani und dem Senat fiel schließlich in das Konsulat C. Iulius Caesars 59 v. Chr. Dieser nahm sich, vermutlich um sich das Wohlwollen der Steuerpächter zu sichern und um gleichzeitig Crassus entgegenzukommen, der Sache an. Anstatt die Belange der publicani hinsichtlich der Provinz Asia im Senat zu klären, brachte Caesar sie vor das Volk. Die Entscheidung wurde schließlich in der Volksversammlung im Sinne der publicani gefällt, die Pacht für Asia wurde um ein Drittel gesenkt. Cn. Plancius senior soll laut Fuhrmann „als erster innerhalb des zuerst abstimmenden Stimmkörpers“ seine Stimme abgegeben haben.372 Das bestätigt Cicero in § 35: „nam quod primus scivit legem de publicanis“. Daher wurde der Name des publicanus Plancius in die Präambel des Gesetzes aufgenommen.373 Bei dem Gesetz handelte es sich um die lex Iulia de publicanis, die 59 v. Chr. mit einer Reihe anderer leges Iuliae verabschiedet worden war.374 Zwei Erklärungsansätze bieten sich für den Abstimmungsvorgang bzw. den Abstimmungsrahmen der lex Iulia de publicanis. Laut Cicero durfte Cn. Plancius senior als erster abstimmen, da entweder das Los auf die tribus Teretina fiel, in die er eingegliedert war, oder weil der Vorsitzende der Volksversammlung, in diesem Falle der Konsul Caesar, sie bewusst ausgewählt hatte. Dass die Entscheidung über die lex Iulia in den comitia centuriata gefällt wurde, ist unwahrscheinlich. Zwar war sie hinsichtlich ihrer legislativen Funktionen ursprünglich das maßgebende Organ der res publica, wurde allerdings nach 218 v. Chr. nur noch für Kriegserklärungen und zur Rekrutierung der
367 Cic. Planc. 34: „Und wann hat er sich je beklagt – außer um seine Teilhaber und sich selbst vor einem Unrecht zu schützen?“ 368 Badian 1972, 111; Broughton MRR II, 189. 369 Zu den consules 61–59 v. Chr. Broughton MRR II, 180–189. 370 Zu Cato siehe hier Cic. Planc. 20. 371 Laut Badian 1972 war auch der designierte Konsul Q. Caecilius Metellus Celer ein Gegner der Forderungen der publicani. Siehe zu dem Vorfall von 61–59 v. Chr.: Badian 1972, 102, 105, 111 f. 372 Fuhrmann 1997, 849–850 Anm. 22. 373 Vergleiche auch Cic. dom. 79 f. 374 Rotondi 1962, 391.
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Censoren konsultiert.375 Die comitia tributa hingegen waren für jeden Typus von legislativer Entscheidung, außer derjenigen, die in die Entscheidungshoheit der comitia centuriata fiel, verantwortlich.376 Ein weiterer Punkt, der für die Abstimmung in den comitia tributa spricht, ist die Aufnahme des Namens ‚Plancius‘ in die Präambel des Gesetzes. Bei der Abstimmung über leges, die in den comitia tributa abgehalten wurde, musste zunächst per Los eine tribus ermittelt werden, die als erste abstimmen durfte, also das principium innehatte.377 Der Name der ersten Person wiederum, die abstimmte, wurde im Gesetzestext festgehalten.378 Das principium erinnert vom Prinzip her an die centuria praerogativa der comitia centuriata, auch wenn die Bedeutung des principium bei legislativen Beschlüssen nicht so weitreichend war wie die Entscheidungen der centuria praerogativa. Ob nun das Los auf die tribus Teretina fiel, was der gängigen, herkömmlichen Praxis entsprochen hätte, oder aber ob es eine bewusste Entscheidung des Konsuls war, spielt aus Ciceros Sicht keine Rolle, da er beiden Varianten etwas Positives abgewinnen kann. Dies mag erstaunen, da gerade Cicero als ehemaliger Magistrat und aktiver, rechtskundiger advocatus die strenge Einhaltung von mos maiorum und der leges propagierte.379 Sei die Entscheidung bezüglich der tribus Teretina dem Los zu verdanken, so könne dem älteren Plancius kein Vorwurf gemacht werden. Sei sie aber auf Caesars Entscheidung zurückzuführen, so spräche dies nur für den Vater des Angeklagten, „weil ihn der große Mann zum Ersten seines Standes erklärt“ hatte.380 Trotz der zeitlichen Distanz zwischen dem Aufritt des älteren Plancius im Senat 61 v. Chr., seiner scharfen Kritik an den Senatoren nach der Rückweisung der publicani und der Kandidatur des jüngeren Plancius um die Aedilität 55 v. Chr. erschwerten diese Umstände eine Verteidigung vor Gericht deutlich. Folglich geht Cicero so weit, dass er die freie Rede – auch die eines eques vor den versammelten patres im Senat – für rechtens hält und verteidigt.381 Direkte Kritik an den amtierenden Konsuln sowie an der aktuellen politischen Lage war ein fester Bestandteil des politischen Lebens der römischen Republik, die kaum zensiert werden konnte, unter anderem weil entsprechende Kontrollmechanismen fehlten.382 Ob die Kritik akzeptiert, hingenommen oder grundlegend abgelehnt wurde, hing jedoch stark von ihrem Urheber ab. Es scheint
375 Siehe Taylor 1966. 376 Es gilt demnach bei den comitia zu unterscheiden, ob sie zusammenberufen wurden, um Magistrate zu wählen, oder ob sie zusammenkamen, um über Gesetze abzustimmen: Taylor 1966. 377 Lintott 1999, 55. 378 Taylor 1996, 59 ff. Hier insbesondere 74 ff. 379 Vgl. Cic. Planc. 30–31. 380 Die Textpassage lautet insgesamt Cic. Planc. 35: „Si sortis, nullum crimen est in casu; si consulis, splendor etiam Planci hunc a summo viro principem esse ordinis iudicatum.“ 381 Rosillo-López 2017, 35–36. 382 Siehe grundlegend zur Kommunikation und öffentlicher Meinung Rosillo-López 2017, hier zur Zensur und freier Rede 34–41.
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demnach, dass die senatorischen Kreise das Auftreten des älteren Plancius in einem solchen Grad missbilligt hatten, dass es noch Jahre später Auswirkungen auf die politische Laufbahn anderer Familienmitglieder hatte.383 ii. Crimina sodaliciorum – Die Auseinandersetzung mit dem Vorwurf de sodaliciis Im zweiten Hauptteil der argumentativen Strategie I (§§ 36–57) werden die sedes materiae, das heißt die rechtlichen Grundlagen des Prozesses, behandelt.384 Die der Anklage zu Grunde gelegte lex Licinia de sodaliciis wurde von der Verteidigung als unangemessen betrachtet: Man habe sich lediglich der prozessualen Vorteile, die unter Anwendung der lex Licinia dem Ankläger ermöglicht wurden, bedienen wollen. Die Vorteile eines sodalicia-Prozesses lagen jedoch nicht im härteren Strafmaß – die vor 55 v. Chr. verabschiedeten ambitus-Gesetze hatten bereits die Maximalstrafe in Form des Exils berücksichtigt385 – sondern in der Vorgehensweise der Prozessführung. Laterensis verfolgte die Absicht – nach Abschluss der Comitien – dem Angeklagten durch einen Prozess das designierte Amt vorzuenthalten (§§ 55–57).386 Das Fehlen stringenter Beweismittel entlastete den Angeklagten jedoch: Plancius wurde von einer illegalen coitio freigesprochen; ein festgenommener divisor musste ebenfalls aufgrund fehlender Beweise entlassen werden (§§ 53–57). Die vorgebrachten Anklagepunkte fielen unter die strafrechtliche Ahndung der leges de ambitu und nicht unter die der lex Licinia de sodaliciis. Daher habe sich Plancius, sollte die Anklage es nachweisen können, dem herkömmlichen ambitus und nicht der sodalicia schuldig gemacht (§§ 36–48). Als weiterer Entlastungspunkt im Sinne des Angeklagten spricht seine Designation zum Aedil bereits nach dem ersten Durchlauf der Comitien 55 v. Chr., weshalb, so Cicero, illegale Wahlmethoden vor dem zweiten Durchgang 54 v. Chr. zum einen nicht notwendig gewesen seien, zum anderen aus zeitlichen Gründen nicht hätten organisiert werden können. Eine solche Darstellung ist allein der Bemühungen geschuldet, einen Freispruch zu erwirken: Gerade anhand der in der Planciana erwähnten coitiones wird deutlich, dass es sich in Wirklichkeit anders verhalten haben muss. Die Argumentation kann aus kriminalrechtlicher Perspektive nicht von einem tadellosen Wahlkampf überzeugen (§§ 49–50). Erneut wird in den §§ 51–53 einer der Gründe für die Nie383 Cic. Planc. 33; 35; 55. 384 Cic. Planc. 36 am prägnantesten durch die Worte „sed aliquando veniamus ad causam“. Laut Kroll 1937, 131 hätte der Verteidiger diesen Satz bereits früher bringen müssen: „Bei der Gewohnheit der antiken Gerichte hätte er diesen Satz schon vor § 27 stellen können, wo er das vom Kläger angegriffene Vorleben seines Klienten zu verteidigen beginnt.“ 385 Vgl. Nadig 1997: Bereits die lex Tullia de ambitu sah bei einer Verurteilung das Exil für 10 Jahre vor. 386 Nippel 1981a, 79 f. verweist auf die ‚Beliebtheit‘ von Strafprozessen, derer sich die Mitglieder der römischen Elite bedienten, um politische Gegner zu liquidieren.
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derlage des Laterensis thematisiert, nämlich das Zurückziehen der Kandidatur für das Volkstribunat. Zudem wird seine persönliche Stellung innerhalb seiner gens näher betrachtet, da er im Wettbewerb um die Aedilität einem homo novus unterlag. Eine Reihe historischer exempla soll den Ankläger davon überzeugen, dass die aktuelle Niederlage in Bezug auf eine weitere politische Karriere irrelevant sei. Aufgrund der mangelhaften Beweisführung bittet Cicero die iudices, sich von der Anklage in ihrem Urteilsspruch nicht beeinflussen zu lassen. Überblick §§ 36–47: Die oratio pro Cn. Plancio erlaubt den wohl detailliertesten Einblick in die Bestimmungen der lex Licinia de sodaliciis:387 Sie beinhaltet Details zur prozessualen Verfahrensweise und zur Zusammenstellung der quaestio de sodaliciis sowie Informationen über die illegalen Tätigkeiten der Kandidaten, der Strohmänner und der Gesamtorganisation der sodalicia. Auf dieser Grundlage kann der Versuch unternommen werden, die spezielle Form der Wahlbeeinflussung durch sodalicia zu untersuchen und mit Hilfe der prozessualen Sonderbestimmungen das Wesen von ambitus als politisches Phänomen in einem größeren Rahmen darzulegen. Eine der schwerwiegendsten Vorwürfe Ciceros richtete sich gegen die Motivation des Laterensis, sich der kurz vor Prozessbeginn verabschiedeten lex Licinia als Gesetzesgrundlage bedient zu haben: Die Anklage habe die Absicht verfolgt, sich der prozessualen Vorteile der besagten lex zu bedienen und aus diesem Grund die bis dato erlassenen leges de ambitu übergangen.388 Die Strategie der Ankläger sei schließlich an den unzureichenden Vorwürfen der sodalicia gescheitert. So habe man sich schließlich den Vorwürfen zugewandt, die unter den regulären ambitus fielen: „Itaque hesitantem te in hoc sodaliciorum tribuario crimine ad communem ambitus causam contulisti, (…).“389
387 Man mag auf Grund der hier bezeugten Quellenbelege Mouritsen 2001 und Rosillo-López 2010 Recht geben, dass es sich bei der lex Licinia um eine Offensive gegen ambitus handelte – das war sie sicherlich. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass es sich bei den sodalicia um eine Art gesteigerten ambitus handelte: infinitus ambitus, vgl. Linderski 1961, 107. Es wurden nicht mehr nur die Strukturen der sodalitates und collegia genutzt, um vereinsintern ambitus zu betreiben. Vielmehr vollzog sich ein gewisser Wandel innerhalb der Methoden der Wahlbestechung. Der Tatbestand ambitus, welcher sich vor 56–55 v. Chr. gesetzlich betrachtet auf den Kauf von Stimmen direkt zwischen Amtsbewerber und Wähler bezogen hatte, wurde nun auf die tribus-Ebene ausgeweitet und weitere Gruppen an Beteiligten bzw. Vermittlern wurden einbezogen. Daher wird der Tatbestand ab 55 v. Chr. nicht mehr nur als crimen ambitus, sondern als crimen tribuarium sodaliciorum bezeichnet. Sicherlich hat auch die Interpretation von Treggiari 1969, 175–177 ihre Gültigkeit, die die lex als Maßnahme zur Eindämmung der vereinsähnlichen Strukturen versteht. Das machte die sodalicia schließlich so besonders, ihre vereinsähnlichen, nicht vereinsgleichen Eigenschaften, weshalb Mouritsen 2001, 151 sie als „elite associations“ und „groups of nobles“ bezeichnet, dem ich mich anschließe. Gruen 1974, 227–233 und Lintott 1990, 9 versuchen einen Zwischenweg einzuschlagen. 388 Cic. Planc. 36. 389 Cic. Planc. 47: „So hast du dich denn, als du mit der Anklage wegen unerlaubter Vereinigungen innerhalb der Bezirke hängen bliebst, dem allgemeinen Tatbestand der Amtserschleichung zugewandt, (…).“
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
Die prozessualen Besonderheiten des licinischen Gesetzes waren in der Tat bis zur Verabschiedung derselben in dieser Form nicht in Gebrauch gewesen. Augenscheinlich versuchte der Senat, mit voller Härte gegen politische Vereinigungen (de sodaliciis) vorzugehen und nahm dafür Regelungen in die Bestimmungen der lex Licinia auf, die in vorhergehenden Jahren rigoros abgelehnt worden waren.390 Das Strafverfahren, in dem entschieden werden sollte, ob Angeklagte sich der sodalicia zum Zweck der Wählermobilisierung schuldig gemacht hatten, konnte nur in der ad hoc einberufenen quaestio de sodaliciis stattfinden. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit der lex Licinia, der quaestio de sodaliciis und den sodalicia findet sich in den Kapiteln „III. Alte Gesetze in neuen Händen? – Die lex Licinia de sodaliciis“ und „IV. Ein langer Weg – Die Rekonstruktion der lex Licinia“. Überblick §§ 48–57: Die vorgebrachten Beweise bzw. Anschuldigungen hatten nicht ausgereicht, um die Anklage de sodaliciis aufrechtzuhalten. Das stärkste Gegenargument Ciceros stützte sich auf den Wahlsieg des Angeklagten in den vorzeitig abgebrochenen Comitien. Die Beweggründe des Laterensis, einen Prozess de sodaliciis anzustrengen, lagen in dessen gescheiterter Kandidatur um die Aedilität – eine Niederlage schien in Anbetracht der konsularischen Abstammung inakzeptabel zu sein. Politische Niederlagen hatten jedoch bereits andere berühmte Männer hinnehmen müssen, denen im Laufe ihrer Karrieren weitaus bedeutendere honores übertragen wurden. Ein strategisch unkluges Verhalten hatte Laterensis bereits zuvor an den Tag gelegt, als er seine Kandidatur für das Volkstribunat zurückgezogen hatte (§§ 48–52). Der Vorwurf einer illegitimen coitio wird ebenfalls zurückgewiesen; ein gefangengenommener divisor musste aufgrund mangelnder Beweise entlassen werden; Gelder, die im circus Flaminius verteilt worden waren, konnten a) nicht zum Urheber zurückverfolgt werden und b) sei der Vorfall für den Prozess aufgrund der zeitlichen Distanz irrelevant (§§ 53–55). Die von der Anklage dargelegten Beweise seien demnach insgesamt nicht belastend, vielmehr erhoffte sich Laterensis durch seine Stellung, einen Sieg vor Gericht davonzutragen (§§ 56–57). § 48 Estne haec vera contentio?: Die Organisation von Stimmenkauf in den tribus per sodalicia und largitio – dabei konnte largitio durchaus eine Methode der sodalicia sein – wird für die Beweisführung thematisiert. Von der Anklage mussten Informationen über den erweiterten, d. h. beteiligten Personenkreis vorgelegt werden. Erst auf dieser Basis konnte nachvollzogen werden, ob die Wahlmethoden unter die Bestimmungen der lex Licinia fielen und somit illegal waren. Zum erweiterten Personenkreis 390 Cic. Planc. 41: „Vor einiger Zeit haben unsere hochangesehenen Mitbürger einen Vorschlag zur Richterbenennung nicht hingenommen, (…), und Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um sich nicht einer solchen Vorschrift und Bestimmung beugen zu müssen“; so u. a. die Bestimmungen der rogatio Cornelia 67 v. Chr. und die des Ser. Sulpicius Rufus 63 v. Chr.
2. Argumentative Strategie I – Die Folgen einer mangelhaften petitio
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gehörten die sequestres und divisores. Der Hauptankläger wird von Cicero aufgefordert, eine tribus auszuwählen – höchstwahrscheinlich eine aus der editio tribuum – und den sequester und divisor zu benennen, der sie korrumpiert habe: „(…) unam tribum delige; tu doce, id quod debes, per quem sequestrem, quo divisore corrupta sit“.391 Denn auch Laterensis müsse in der Lage sein, diejenigen Personen zu benennen, durch deren Einsatz er die Stimmenmehrheit in den unterschiedlichen tribus erreicht hatte. Die Kandidaten dürften also genauestens über ihre politischen Allianzen in Kenntnis gewesen sein: in erster Linie aber darüber, welche amici sie durch ihre Empfehlungen und materiellen Aufwendungen (Speisungen, Spiele usf.) in den unterschiedlichen tribus unterstützt hatten. Ein deutlicher Hinweis dazu geht aus der oratio hervor. Cicero führte ein wesentliches Argument zu Ungunsten des Laterensis ins Feld: Dieser habe das Amt, das seiner Stellung entsprochen hätte, nicht erhalten, da er die Freundschaft angesehener Männer verschmäht hatte.392 Neben der mangelhaften Wahlkampagne kam anscheinend ein Mangel an guten Beziehungen zur politischen Führungsschicht hinzu. Für die Mobilisierung potentieller Wählergruppen war der enge Kontakt zur politischen Elite jedoch obligatorisch. Wie aus den §§ 45, 47 und 48 deutlich hervorgeht, wurden neben den sodales, sequestres und divisores in erster Linie die Kandidaten strafrechtlich verfolgt, die sich als Zwischenmänner betätigten oder auf solche Personen und Personengruppen zurückgriffen.393 Die angehenden Magistrate waren also auf die Mitarbeit von Unterhändlern angewiesen, wollten sie über ihre tribus hinaus Stimmenkauf organisieren. Die decuriationes und das Anlegen von Namenslisten dienten somit dem beteiligten Personenkreis, den Stimmenkauf möglichst effizient und übersichtlich durchzuführen. Nach der Identifikation der sequestres und divisores, derer sich Plancius bedient haben soll, will die Verteidigung im Gegenzug aufzeigen, durch wessen Unterstützung in den besagten tribus die Mehrheit gesichert wurde: „ego, (…), per quem tulerit docebo.“394 Es wird hier eine strategisch erfolgversprechende Taktik entwickelt: Die illegalen Wahlmethoden der sodalicia sollen der Inanspruchnahme von Gefälligkeiten (beneficia) der amici gegenübergestellt werden. Diese Herangehensweise wird als die offenste Art der Konfrontation beschrieben. Eine direkte Gegenüberstellung konnte die Grenzlinie zwischen den noch akzeptierten Praktiken der Wahlwerbung und den illegalen Praktiken der sodalicia klar aufzeigen. Im nächsten Schritt sollen die
391 Cic. Planc. 48; Wiseman 1971, 134 Anm. 1. 392 Cic. Planc. 46; Cic. Planc. 47: „(…) noli mirari te id quod tua dignitas postularit repudiandis gratiosorum amicitiis non esse adsecutum.“ Plancius wurde nicht nur von Cicero unterstützt, sondern auch von Pompeius und Caesar – letzterer unterhielt mit dessen Vater gute Beziehungen. Laterensis hatte sich jedoch von ihnen distanziert. Ein klares Zeichen setzte er wohl dadurch, dass er seine Kandidatur für das Volkstribunat 58 v. Chr. zurückzog, als abzusehen war, dass er einer der Kollegen des Clodius Pulcher werden würde. Dadurch hatte Laterensis sicher seine politische Haltung deutlich signalisiert, jedoch sich zugleich ins Abseits katapultiert. Vgl. Cic. Planc. 13. 393 Linderski 1961, 116. 394 Cic. Planc. 48.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
Methoden der Wahlkampagnen gegenübergestellt werden. Allerdings gab es auch hier Überschneidungen: In den meisten Fällen standen die sequestres mit den candidati, für die sie tätig waren, in freundschaftlicher Beziehung und galten als wohlbekannte Männer ihrer tribus. Die Beziehungen zwischen den candidati und ihren sequestres fielen also unter das System der Netzwerkbildung. Folgende erlaubte und notwendige Praktiken werden im Laufe der oratio aufgegriffen: das Bitten beim Volk um Unterstützung (Cic. Planc. 11;12;13 u. ö.), der persönliche Einsatz von Familienangehörigen, die commendatio der amici als Stellvertreter (Cic. Planc. 24; 25 u. ö.) und die persönliche Beliebtheit der angehenden Magistrate sowohl beim populus Romanus als auch bei den ‚mächtigen Freunden‘ (Cic. Planc. 25; 47). §§ 49–50 Plancius designatus aedilis: Die Wahl der curulischen Aedile 55 v. Chr. musste aufgrund von Unruhen abgebrochen werden, was eine Neuwahl unter der Leitung des amtierenden Konsuls M. Licinius Crassus – die comitia tributa erhielten nur unter der Leitung eines Konsuls oder eines Praetors ihre Gültigkeit als Wahlversammlung – notwendig gemacht hatte.395 Wie Cicero bemerkt, wurde Plancius bereits vor dem Abbruch der Comitien zum Aedil designiert; das Zusammenkommen der comitia tributa zum zweiten Mal unter der Leitung des Crassus sei unerwartet geschehen – folglich seien jedwede potentiellen Bemühungen, um Mittel für Bestechungszwecke bereitzustellen, nicht realisierbar gewesen. Die Analyse der coitiones zwischen den candidati hat allerdings gezeigt, dass Ciceros Argument rein rhetorischer Natur war und die coitiones der Bewerber vor der zweiten Wahlrunde 55 v. Chr. schnell und effektiv umstrukturiert wurden.396 Neben der Information, dass Crassus die Comitien leitete – dass überhaupt die zweifache Durchführung der comitia tributa notwendig war – ist die grobe Schilderung des Ablaufs der Wahlversammlung von Interesse: „Vocatae tribus, latum suffragium, diribitae tabellae.“397 Die Wahlberechtigten aller 35 tribus (4 tribus urbanae, 31 tribus rusticae) wurden zusammenberufen, die ihre Stimmen per tabellam abzugeben hatten. Auf den tabellae hatten die Wähler die Namen ihrer Favoriten selbst einzutragen.398 Nachdem die Stimmen abgegeben worden waren, wurden sie ausgezählt (diribitae), um schließlich die Ergebnisse bekanntzugeben. Ein Wahlsieg in den comitia tributa setzte voraus, dass die Mehrheit der tribus sich für einen Bewerber entschied: Zwar hatte 395 Taylor 1966, 7, 60. 396 Cic. Planc. 49; 54 u. ö. 397 Cic. Planc. 49: „Die tribus wurden aufgerufen, die Stimmen abgegeben, die tabellae ausgezählt“, hier wurde eine eigenständige Übersetzung vorgenommen, da die Übersetzung von Fuhrmann vom lateinischen Text bei Clark abweicht: So heißt es bei Clark „(…) diribitae tabellae“, bei Fuhrmann „diribitae, renuntiatae“ wohingegen Watts „diribitae tabellae, renuntiatae“ zur Grundlage nimmt; in den Handschriften findet sich die Lesung ‚renuntiatae‘, wobei der Vorschlag tabellae auf den Kommentar von E. Wunder (1830) zurückgeht; Taylor 1966, 128 n. 26. 398 C. Gizewski, DNP 3 (1997) 94–97 s. v. comitia.
2. Argumentative Strategie I – Die Folgen einer mangelhaften petitio
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jeder einzelne Wähler aus den unterschiedlichen tribus seine Stimme abzugeben – bei der Wahl zwei curulischer Aedile galt es, sich für zwei Kandidaten zu entscheiden, die Stimmenzahl richtete sich stets nach der Zahl der zu wählenden Magistrate – entscheidend für einen Wahlsieg war jedoch die Gesamtzahl der erhaltenen Mandate. Wollte man also die Mehrheit der 35 tribus erreichen, mussten so viele Wähler wie möglich aus den unterschiedlichen Stimmbezirken für einen Kandidaten stimmen.399 Anders formuliert: Im Unterschied zu den modernen Urnengängen gab in der römischen Republik nicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen den Ausschlag, sondern die Mehrheit der jeweiligen Stimmenkörperschaften, in die alle römischen Bürger eingeteilt waren. Cn. Plancius muss folglich mindestens 18 der 35 tribus gewonnen haben, um als erster designierter Aedil aus den comitia tributa hervorzugehen. Als Kontrast zum Prozedere der comitia tributa wird der Ablauf der comitia centuriata dargestellt: Entscheidend sei hier, wer als Gewinner aus der centuria praerogativa hervorging.400 Ein Wahlsieg in der praerogativa hatte einen solchen Einfluss (tantum auctoritatis), dass der hier gewählte Bewerber ad hoc in derselben Versammlung oder noch im selben Jahr die Konsulwürde erlangte: „aut eis ipsis comitiis consul aut certe in illum annum“. Cicero versteht die per Los (sortitio) ausgewählte centuria praerogativa, deren Stimmen sofort ausgezählt und noch vor dem Votum der übrigen Centurien bekannt gegeben wurden, als Omen (omen comitiorum),401 das den Ausgang der Wahlen vorhersagte.402 Sicherlich hatte die Entscheidung der centuria praerogativa eine richtungsweisende Relevanz für die folgenden Centurien der comitia centuriata. Ob nun göttliches Omen und/oder Entscheidungshilfe, eines stand fest: wie Cicero hier postuliert, wurden die siegreichen Kandidaten der centuria praerogativa Konsuln im folgenden Jahr.403 Die Relevanz der centuria praerogativa für die Aedilenwahlen in den comitia tributa 55 v. Chr. scheint nicht unmittelbar ersichtlich: Im Gegensatz zu der centuria praeroga-
399 Ein fiktives Beispiel: Gehen wir davon aus, dass aus der tribus Teretina, der Plancius zugeordnet war, potentiell 200 Bürger in den comitia tributa stimmberechtigt waren. Gehen wir weiterhin davon aus, dass sich alle 200 Wähler zum Wahltag in Rom einfinden, um von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen. So musste Plancius mindestens 101 Einzelstimmen dieser tribus für sich gewinnen, um die Stimme / das Mandat der tribus Teretina zu erhalten. Daher war die tribus-übergreifende Organisation von Stimmenkauf in Bezug auf die comitia tributa von so großem Interesse, obwohl sodalicia Prozesse auch für die Kandidatur um das Konsulat und für die Praetur bezeugt sind: Alexander 1990, 158 (Nr. 289); 159 (Nr. 292); 160 (Nr. 293); 171 (Nr. 311); 179 (Nr. 331). Nehmen wir nun noch zusätzlich an, dass Plancius seinem coitio-Partner Pedius im zweiten Durchgang der Comitien die restlichen 99 Stimmen verschaffte, so sicherten sich Plancius und Pedius die Stimme der tribus Teretina auf diese Weise. 400 Cic. Planc. 49: „(…) die eine Zenturie, die als erste abstimmt, übt einen so starken Einfluß aus“. 401 Taylor 1966, 70; Cic. div. I,103; II,83. 402 Taylor 1966, 91–96; zur Wahl der centuria praerogativa per Los dies. 84. Vergleiche Cic. Mur. 38 für die Konsulwahlen. 403 Cic. Mur. 38; Jehne 2000, 661–678. Das Paradebeispiel sind wohl nach wie vor die Konsulwahlen von 64 v. Chr., als Cicero sowohl die centuria praerogativa als auch die ihr folgenden Centurien an erster Stelle für sich gewinnen konnte: Drumann-Groebe 5,450.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
tiva, die lediglich einen kleinen Teil des populus und einer tribus darstellte, sei Plancius in den comitia tributa von der Gesamtheit des populus und der „comitia tota comitiis (…) praerogativa“ gewählt.404 Die comitia tributa sahen als Wahlorgan anders als die comitia centuriata keine praerogativa vor – hier zählte gleichwertig die Gesamtheit des populus. Bei Abstimmungen über leges wurde allerdings auch in den comitia tributa eine tribus ausgelost, die das principium innehatte, d. h. die ihre Stimme als Erste abgeben durfte.405 Der Exkurs muss mit der Intention vorgenommen worden sein, den großen Erfolg des Plancius in den Comitien aufzuzeigen: Nicht ein kleiner Teil der Bevölkerung (gemeint ist die centuria praerogativa) hatte sich für ihn ausgesprochen, sondern der gesamte populus, der in den comitia tributa vertreten war.406 Des Weiteren wird Laterensis für seine geringe ambitio kritisiert.407 Der Umstand, dass die Wahlen in den comitia tributa erneut durchgeführt werden mussten, hatte die Möglichkeit geboten, die Wählerschaft zu mobilisieren. Laterensis aber habe die Gelegenheit verstreichen lassen. Die gravitas eines Bewerbers wird an dieser Stelle mit dem Motiv des Bittens um Unterstützung in einen sachlichen Zusammenhang gebracht: Die gravitas einerseits, also das würdevolle Auftreten eines römischen Magistraten,408 worunter Lind einen im weiten Sinne moralischen Begriff versteht,409 und die nicht vorhandene Bereitschaft des Laterensis, erneut als Bittsteller aufzutreten, seien maßgebliche Faktoren der Wahlniederlage gewesen. Die persönliche gravitas (gravitas tua et magnitudo animi pluris fuit, (…) quam aedilitas) konnte demnach während einer petitio einem Kandidaten zum Nachteil gereichen. Wie bereits in den Reden für Murena und Sestius wird gravitas auch in der Planciana in Verbindung mit magnitudo animi gebraucht,410 das nach Lind ein spezielles Kennzeichen der römischen Aristokratie darstellte.411 Schließlich mussten die „multi nobiles“412 in bescheidener Manier auftreten, zumal wenn die Unterstützung der Bevölkerung ausblieb. Cicero, als ehemaliger und in der petitio erfahrener Konsular, durfte eine solche Kritik gegen den Ankläger vorbringen – sicherlich zählte er sich selbst zum Kreis der „multi nobiles“. Die Schilderung Ciceros gleicht
404 Cic. Planc. 49: „aedilem tu Plancium factum esse miraris, in quo non exigua pars populi, sed universus populus voluntatem suam declararit, cuius in honore non unius tribus pars sed comitia tota comitiis fuerint praerogativa?“ 405 Zum Charakter der comitia tributa Taylor 1966, 59–84; Lintott 1999, 46 ff.; zum principium hier Cic. Planc. 35 und Lintott 1999, 55. Zum Wahlverfahren neben Yakobson 1999 u. a. Jehne 2010, 17–34; Ryan 2001, 402–424; Phillips 2004, 48–60; Hall 1998, 15–30. 406 Taylor 1966, 60: „Under the presidency of a consul or praetor the voters were the populus, the assembly the comitia tributa, and the measures passed were laws, leges.“ 407 Siehe hier das Kapitel „Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?“ für die Gegenüberstellung zwischen ambitio und ambitus. 408 Gross, RAC XII (1983) 752–779, s. v. gravitas, 754 f. 409 Lind 1979, 34 ff.; Lind 1996, 298; Hellegouarc’h 1963, 279–289. 410 Cic. Planc. 50; Cic. Mur. 60; Cic. Sest. 60; 85; 141. 411 Lind 1979, 19–22. 412 Cic. Planc. 50.
2. Argumentative Strategie I – Die Folgen einer mangelhaften petitio
225
einer etablierten Tradition, über die Konsens zu herrschen schien – so soll es jedenfalls vermittelt werden: Der populus Romanus habe Männern der Nobilität kaum eine Bitte abgeschlagen, sofern er als ämtervergebende Instanz angemessen, d. h. häufig und bescheiden, gebeten wurde.413 Folgende Verhaltensregeln sollten im Rahmen einer petitito eingehalten werden: 1. Sollen Kandidaten sich bemühen, eines Amtes würdig zu sein (primum ut honore dignus essem); 2. Müssen sie für das angestrebte Amt als würdig erachtet werden (secundo ut existimarer); 3. Habe das Amt selbst an letzter Stelle zu stehen (tertium (…) ipse honos). Die honores sind in dieser Abstufung eindeutig die Bestätigung von dignitas, nicht jedoch ein beneficium für die ambitio der Bewerber:414 „dignitati populus Romanus testimonium, non beneficium ambitioni dedit“.415 Unter Einbezug der gleichzeitig zum Prozess gegen Plancius begonnenen Schrift de re publica, in der die Idee eines idealen Staates und Politikers erörtert wird, lässt sich aufzeigen, dass die in der Planciana propagierte Hierarchisierung den Selbstanspruch Ciceros einerseits und damit ein Idealbild andererseits darstellte, das den realen Umständen nicht entsprochen haben kann.416 §§ 51–54 (…) quos omnis scimus aedilitate praeteritos consules esse factos:417 Die folgende Passage ist ein äußerst prägnanter Indikator für das symbolische Kapital der gentes, das stets der Aktualisierung durch Leistungen und Ehrungen ihrer Nachkommen bedurfte. Das symbolische Kapital der gens Iuventia war im Gedächtnis der Öffentlichkeit kaum noch präsent, ihr fehlte es an Aktualität.418 Der Ankläger befand sich in einer misslichen Lage: Wie sollte er vor seinen Vorfahren, ja vor seinem verstorbenen Vater seine Niederlage verantworten? Die Textstelle verdient eine vollständige Wiedergabe: Quaeris etiam, Laterensis, quid imaginibus tuis, quid ornatissimo atque optimo viro, patri tuo, respondeas mortuo.419
413 414 415 416 417
418
419
Auf die nobilitas des Anklägers hatte Cicero bereits mehrfach hingewiesen: Cic. Planc. 12 mit dem Vorwurf, Laterensis habe sich zu sehr auf das Ansehen und den Namen seiner Familie verlassen und daher keine intensive Wahlkampagne geführt; Cic. Planc. 17–18 zur konsularischen Abstammung. Ambitio hier als positiv konnotierter Gegenbegriff zu ambitus. Dazu ausführlicher Kapitel I. Cic. Planc. 50. Vgl. Cic. rep. V,1–2; VI,13–16; 26–27. Eine differenzierte Kommentierung der §§ 53–54 fand im Rahmen der Untersuchung zu der prozessualen Verfahrensweise ab § 36 statt. Der in den §§ 53–54 dargelegte Verdacht einer coitio, mit der Absicht des Stimmenkaufs, und die Diskussion über die tribus Voltinia (§ 54) findet ebenfalls an erwähnter Stelle statt. Daher war es Laterensis nicht möglich, von dem symbolischen Kapital seiner gens Gebrauch zu machen, obwohl er von beiden Familienseiten einer alten konsularischen Familie entsprang. Das symbolische Kapital, das Plancius gefehlt hatte, konnte dieser wohl durch seine amici (wie Cicero), durch seine eigenen Bemühungen (auch in Form von durchaus strategisch klug gewählten coitiones) und durch die finanziellen Möglichkeiten des Vaters (publicanus) ausgleichen. Cic. Planc. 51.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
Dass die imagines einen besonders hohen Stellenwert im Ahnenkult einer gens sowie ihrer Repräsentation nach Außen einnahmen und zugleich – zumindest dem aristokratischen Selbstverständnis nach – das Vorrecht auf die honores legitimieren sollten, ist bereits erörtert worden.420 Die imagines dienten, wie an dieser Stelle deutlich wird, generationenübergreifend als Leistungserwartungen an die Nachkommen – wodurch sie wiederum immer aktuell und allgegenwärtig wurden. Flaig verweist im Zusammenhang mit der pompa funebris ausdrücklich auf die missliche Lage, in der sich die Nachkommen erfolgreicher gentes – die Konsulare oder sogar Triumphatoren hervorgebracht hatten – befanden: Einen solchen Rang nicht ebenfalls zu erreichen, bedeutete versagt zu haben.421 Allerdings ließ sich aus den besten Vorfahren kein Profit schlagen, solange der Ruhm der gens nicht aktuell im öffentlichen Gedächtnis präsent war oder zumindest Gesprächsstoff kürzlich vergangener Zeit wurde.422 In Anbetracht dessen wurden die Erwartungen auch an Laterensis, einem nobilis, herangetragen, denen sich Plancius, ein homo novus, nicht zu stellen hatte. Bei der Wahl zum Aedil übergangen zu werden, schien allerdings nicht das Ende einer politischen Karriere zu sein. Die von Cicero angeführten exempla sollten der Aussage Nachdruck verleihen bzw. das Argument bekräftigen: 423 Name
Niederlage (Amt & Jahr)
höchstes Amt
Ap. Claudius Pulcher
Aed. 95 o. 94
Cos. 79
L. Volcatius Tullus
Aed. ?
Cos. 66
M. Pupius Piso Frugi
Aed. 75
Cos. 61424
P. Cornelius Scipio Nasica
Cos. 192, Ce. 189 & 184
Cos. 191
C. Marius
Tr. pl. 119?, Aed. 117?
Cos. 107, 104–100, 86425
L. Iulius Caesar
Aed. 99
Cos. 90
Cn. Octavius
Aed. 95
Cos. 87
M. Tullius Decula
Aed. ?
Cos. 81426
Zu den imagines mit einer kurzen Darstellung der Forschungsgeschichte siehe Cic. Planc. 18. Flaig 1995, 115–148, hier 125. Vgl. Hölkeskamp 2004, 96 f. Das gleiche Argument begegnet uns in Cic. Planc. 58; Cic. Mur. 12 ff. Alle exempla sind aus Cic. Planc. 51. Die Daten der Auflistung nach Broughton 1991; Shackleton Bailey 1992 und Pina Polo 2012. Pina Polo 2012, 63 ff.: „This is obviously not a complete list of candidates who had been defeated in the history of Rome, but a catalogue of chosen few who had been defeated and subsequently became prominent figures in the history of the Roman republic.“ 424 Laut Bücher 2006, 303 dürften die hier erwähnten ersten drei Männer (Claudius Pulcher, Volcatius Tullus und Pupius Piso) „dem Erinnerungszeitraum, aus dem Laterensis‘ Vater berichten würde“ entstammen. 425 Scipio Nasica und C. Marius hingegen sind gescheiterte Kandidaten zur Zeit des Großvaters von Laterensis: Bücher 2006, 303. 426 Eine historische Einordnung der letzten drei exempla in die Zeit „tempus Sullanum et Cinnanum“ unterlässt Cicero an dieser Stelle: Bücher 2006, 303. 420 421 422 423
2. Argumentative Strategie I – Die Folgen einer mangelhaften petitio
227
Alle erwähnten Magistrate, die Cicero wohl wissend in Hinblick auf ihre späteren Erfolge auflistete, waren im Rahmen ihrer Kandidatur für die Aedilität gescheitert. Obwohl auch der berühmte C. Marius die Aedilität nicht bekleiden durfte, hatte ihn die Niederlage nicht daran gehindert, die höchste Würde, die die res publica vergeben konnte, zu erlangen: nämlich das Konsulat. Marius tritt in der Reihe der exempla nochmals deutlich hervor – er war schließlich siebenfacher Konsul. Die Sichtweise auf die Aedilität und der Umgang mit ihr ist auffällig: Das Amt wird wie bereits in der Planciana § 7 und § 13 herabgesetzt und als nicht unmittelbar notwendig betrachtet. Eine Niederlage im Wettkampf um die Aedilität wird sogar als eine Wohltat bezeichnet. Die Argumentation spielte wohl auf die hohen Aufwendungen an, die auf zukünftige Aedile zukamen. Die curulischen Aedile waren für die Ausrichtung der ludi Romani und ludi Megalenses verantwortlich. Den plebejischen Aedilen fielen die ludi Florales, ludi Ceriales und die ludi Plebei zu.427 Nun waren diese Spiele an die reguläre Amtsausübung der Aedile gekoppelt und wurden vom Senat bezuschusst. Damit entzogen sie sich eindeutig der Restriktionen der leges de ambitu. Ergab sich also die Möglichkeit, als Aedil Spiele zu veranstalten, konnten sie als legitime und besonders wirksame Art des ambitus genutzt werden. Schließlich waren Aedile darum bemüht, durch zusätzliche private Mittel die vorhergehenden Spiele zu übertreffen, was die bereits vorhandene Konkurrenzsituation noch weiter zuspitzte.428 Der Argumentation sowie der genannten Beispiele zufolge bedurfte es also nicht unbedingt der Aedilität, um das Konsulat zu bekleiden. Laterensis selbst wurde 51 v. Chr. zum Praetor gewählt, obwohl er zuvor im Wettkampf um die Aedilität unterlag. Es folgen weitere exempla, die Ciceros These unterstützen sollen:
427 Rollinger 2009, 102; Bernstein 1998, 51 ff.: ludi Romani, 186 ff.: ludi Megalensis; 206 ff.: ludi Florales, 157 f.: ludi Ceriales / ludi plebeii; vgl. Becker 2018, 195–201. 428 Baltrusch 1989, 107 f. mit Beispielen. Die Aedilität konnte demnach durchaus zur Schuldenfalle werden. Hier sei unter anderem auf Aemilius Scaurus hingewiesen, der nicht nur sein gesamtes Vermögen während der Aedilität einbüßte, sondern sich zusätzlich hoch verschuldete. Ein weiterer berühmter Fall ist C. Iulius Caesar, der sich als Aedil 65 v. Chr. wegen der pompösen Leichenspiele für seinen Vater immens verschuldet hatte: Plut. Caesar 5,3. Cicero selbst scheint eine widersprüchliche Haltung gegenüber den Spielen einzunehmen. An folgenden Stellen empfindet er die Anforderungen der Aedilität wie in Cic. Planc. 7; 13; 52 als Last: Cic. off. II,57. In Cic. dom. 43; 111 wird berichtet, dass diejenigen Kandidaten Niederlagen erlitten haben, die sich bei der Ausrichtung von Spielen nicht bemüht hatten. Andererseits folgt eine Aufzählung von Aedilen, denen höhere Ämter zugesprochen worden waren, eben weil sie prächtige Spiele ausgerichtet hatten: Cic. fam. XI,16,3; Cic. off. II,59. Darüber hinaus hätten die Spiele, die L. Licinius Murena als Praetor ausgerichtet hatte, ihm den Sieg im Wettkampf um das Konsulat gesichert: Cic. Mur. 38–39.
228
VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
Name L. Marcius Philippus C. Caelius Caldus
=
zurückliegendes Amt
höchstes Amt
Tr. mil. 106, Cos. 93
Cos. 91, Cens. 86
Q. Lutatius Catulus (vgl. Shackleton Bailey)
Q. Lutatius Catulus
Cos. 106, 105 & 104
Cos. 102
P. Rutilius Rufus
Tr. pl. vor 120, Cos. 115
Cos. 105
C. Flavius Fimbria
Tr. pl. ?
Cos. 104
C. Cassius Longinus
Tr. pl. 105
Cos. 96
Cn. Aufidius Orestes
Tr. pl. vor 82
Cos. 71
Die zweite Auflistung verfolgte dasselbe Ziel: bei den aufgezählten Beispielen handelte es sich um ehemalige Volkstribune und Konsuln, die bei ihren Bemühungen um die Aedilität ebenfalls gescheitert waren. Geht man nun davon aus, dass die Anwesenden – vor allem aber die Ankläger und Richter – die politischen Karrieren der genannten Persönlichkeiten kannten, ist die Verwendung solcher exempla vor Gericht durchaus plausibel.429 Die umfassende prosopographische Auflistung von einstigen Wahlverlierern und ihren späteren Erfolgen, die sogar zum Teil in die Zeit des Vaters und Großvaters von Laterensis reichten, zeugt von einem hohen Maß an „Detailwissen über einzelne Karriereverläufe“.430 Bei den in der Planciana aufgezählten exempla handelte es sich also nicht schlicht um die ‚großen Männern‘, die zum Standard-Repertoire Ciceros gehörten.431 Die verwendeten exempla sollten dem Ankläger Laterensis verdeutlichen, dass auch unter Ausschluss der Aedilenwürde ein weiterer politischer Werdegang durchaus möglich war – eine Niederlage bedeute also keine Einbuße (detractum). Die erwähnten Beispiele hatten zudem die Funktion, den Ankläger zu besänftigen: Die Sorge des Laterensis, nicht in die Reihen seiner Vorfahren aufgenommen zu werden, d. h. sich den Makel politischer Erfolglosigkeit zuzuziehen, scheint die reale Sorge eines nobilis gewesen zu sein: „All das würden dir dein Vater und deine Vorfahren von sich aus sagen, nicht um dir Trost zu spenden noch um dich von einem Makel freizusprechen, den du dir in den Augen der Leute zugezogen zu haben fürchtest (…)“.432 Bedenkt man, dass bei beiden Wahlgängen Plancius an erster Stelle zum Aedil gewählt wurde und alle Konkurrenten des Laterensis ritterlichen Ranges waren, so scheint der Standesunterschied zwischen einem nobilis und einem homo novus keine große Rolle mehr gespielt zu haben. Gerade in einem derart kompetitiven System wie der späten Republik muss-
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Bücher 2006, 152–155. Bücher 2006, 303. Vgl. Beck 2005. Cic. Planc. 52: „Quae tibi ultro pater et maiores tui non consolandi tui gratia dicent, neque vero quo te liberent aliqua culpa, quam tu vereris ne a te suscepta videatur“.
2. Argumentative Strategie I – Die Folgen einer mangelhaften petitio
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te dieser scheinbar nachweisbare Rangunterschied bei der Vergabe von Ämtern ein Garant gewesen sein, der jedoch nach und nach seine Bedeutung zu verlieren schien. Cicero räumte Laterensis alle Vorteile seines Namens und seiner gens ein. In der anfänglichen Diskussion über die ‚willkürlichen‘ Entscheidungen des populus geht er fast so weit zu behaupten, das Volk, könne es objektiv eine Entscheidung treffen, hätte Laterensis den Vorzug geben müssen. Schließlich findet er den Makel und damit den Grund für die Niederlage in der petitio des Anklägers. Dieser habe folgende wichtige Faktoren übersehen und missachtet: intensives Bitten beim populus um das angestrebte Amt, den Fehler einer zurückgezogenen Bewerbung um das Volkstribunat – der in § 53 als eine mutige Entscheidung anerkannt wird – und die fehlende Unterstützung durch ‚mächtige Freunde‘. Es entsteht der Eindruck, Cicero bringe Argumente an – stets darum bemüht, das Idealbild der res publica und damit einhergehend des mos maiorum aufrechtzuerhalten –, die für die späte Republik nicht mehr zeitgemäß waren. §§ 55–57 crimen de nummis quos in circo Flaminio: Zusätzlich zu den bisherigen Anschuldigungen wurde der Vorwurf geäußert, im Circus Flaminius433 seien Gelder verteilt worden.434 Einer Angelegenheit von solcher Natur hätte man zum Zeitpunkt des Geschehens nachgehen müssen, so Cicero. Die Anzeige habe für den gegenwärtigen Prozess keine Bedeutung mehr. Die Anklage konnte wohl weder den Geldgeber, noch die verwickelte tribus oder den divisor, der die Gelder verteilt hatte, benennen: „Neque enim qui illi nummi fuerint nec quae tribus nec qui divisor ostendis.“435 Von den Anklägern war aber tatsächlich ein Mann vor die Konsuln Licinius Crassus und Cn. Pompeius geführt worden. Die Tatsache allein durfte sichtlich zum Nachteil des Angeklagten gereicht haben, ganz abgesehen von der Unannehmlichkeit, die es vor Gericht verursacht haben musste. Kroll bezeichnet sie als eine „peinliche Lage“ und geht der Vermutung nach, dass illegale Wahlmethoden angewandt worden waren.436 Der angebliche divisor habe sich im Gegenzug bei den Konsuln über die Männer des Laterensis beschwert, die ihn misshandelt hätten. Aus dem Gesamtzusammenhang des Vorfalls mit dem divisor können zwei wichtige Erkenntnisse gewonnen werden: 1. Beide Punkte der decuriatio und conscriptio tribulium waren feste Bestandteile der crimen sodaliciorum. Für die Beweisführung allerdings mussten Ankläger in der Lage sein, die beteiligten sequestres und divisores zu benennen. Nur dann konnte nachvollzogen werden, um sich hier der Formulierung von Linderski zu bedienen, „daß diese decuriatio Bestechung zum Zweck gehabt hat und damit zu einem rechtswidrigen 433 Albers 2013 und Coarelli 1997 zum Marsfeld und dem darauf befindlichen Circus Flaminius. 434 Die Wahlen fanden auch in der späten Republik nach wie vor auf dem Marsfeld statt, wo sich wohl auch die Amtslokale der tribus befanden. Demnach waren das Marsfeld und der flaminische Circus als öffentliche Räume prädestiniert für die divisores, um ihren illegalen Tätigkeiten nachzugehen. Die Ergreifung eines divisor im Circus Flaminius ist also kaum verwunderlich. 435 Cic. Planc. 55; zu der mangelhaften Beweisführung der Anklage auch Adamietz 1986, 114–115. 436 Kroll 1937, 128.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
Verfahren geworden ist.“437 Dabei konnte der Kandidat selbst belangt werden, der die decuriatio und conscriptio tribulium organisiert hatte und sich zugleich oder notwendigerweise als sequester (Sequestremne Plancium?) und/oder largitor betätigt hatte.438 Die Intention Ciceros, den Eindruck zu erwecken, Plancius habe sich weder als sequester noch als largitor oder divisor betätigt, ging also auf den Straftatbestand der lex Licinia zurück. Auch die sodales, die in einem sodalicium (oder bis 55 v. Chr. in einer sodalitas) organisiert waren und sich an den Geschäften beteiligten, d. h. im Sinne eines Kandidaten als sequester, largitor oder eben divisor agierten, mussten eine potentielle Anklage befürchten. Die Bestätigung dafür liefert 2. „Qui si erat divisor, praesertim eius quem tu habebas reum, cur abs te reus non est factus?“439 Unzweifelhaft werden hier die möglichen rechtlichen Schritte gegen die divisores bestätigt. Demnach konnten mit Sicherheit spätestens ab 55 v. Chr. (vermutlich bereits ab 56 v. Chr. im Rahmen der Maßnahmen des SC gegen die sodalitates)440 nicht nur die Amtsbewerber, sondern auch die Unterhändler rechtlich belangt werden. Die Verurteilung des angeblichen divisor hätte sich besonders nützlich für die Anklage gegen Plancius erwiesen; eine positive Vorentscheidung – das sogenannte praeiudicium – hätte den Ausgang des Prozesses im Sinne des Laterensis beeinflusst. Die Beweise der Anklage stützten sich, so möchte es Cicero verstanden wissen, auf eine schwache Basis. Der Mangel an Beweismaterial sollte durch die Stellung des Laterensis kompensiert werden, der sich auf seine Freunde, ihre Fürsprache und demnach auf seinen eigenen Einfluss verlassen hatte. Laterensis verfügte also durchaus über eigene Netzwerke, die mobilisiert wurden – ihm fehlte es dennoch an „mächtigen Freunden“.441 Bei den nur implizit erwähnten Männern handelte es sich um die Mitglieder des ersten Triumvirats. Gerade Caesar schien Plancius zu bevorzugen, dessen Vater erneut als ein Fürsprecher der „equestris iuris et libertatis“ hervortritt.442 Die Empfehlung Caesars und auch des Pompeius seien der Grund für die Missgunst gegenüber Plancius. Zu diesen beiden Komponenten kam eine entscheidende dritte hinzu: Viele römische Bürger würden sich in ambitus-Prozessen freiwillig als Zeugen zur Verfügung stellen (testimonium de ambitu). Neben den vorgeladenen Zeugen der Anklage, die in den iudicia publica einer Aussagepflicht unterlagen, war es grundlegend möglich, freiwillige Zeugen anzuhören.443 Cicero selbst kann ihnen keinen positiven Effekt abgewinnen: Aussagen dieser Art würden weder einen besonderen Eindruck 437 Linderski 1961, 117; Kroll 1937, 134; Cic. Planc. 14. 438 Cic. Planc. 44; 14. 439 Cic. Planc. 55: „Wenn er ein Verteiler war und obendrein im Dienste dessen, den du anklagen wolltest: Warum hast du nicht Anklage gegen ihn erhoben?“ 440 Siehe dazu ausführlicher Linderski 1961. 441 Cic. Planc. 53. 442 Cic. Planc. 55. 443 Kunkel 1974; Steck 2009, 33 f. zu den unfreiwilligen Zeugen in den iudicia publica.
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
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bei den Richtern, noch beim populus Romanus hinterlassen – sie zeugen lediglich von der Intention der Personen, die sich selbst Hoffnungen auf honores machten. Es sei daher grundlegend bedenklich, dass sie in Prozessen de ambitu auftraten. Darf den freiwilligen Zeugenaussagen,444 wie Cicero sie niederschmettert, tatsächlich kein Glauben geschenkt werden? Allein der Umstand, dass Freiwillige bereit waren, vor Gericht aufzutreten, kann als Indikator für das große Interesse der städtischen Öffentlichkeit an ambitus-Prozessen gedeutet werden. Sieht man einmal von den persönlichen Interessen ab, kann sich so eine deutliche Abneigung gegen ambitus abzeichnen. Ob freiwillige Zeugen gegebenenfalls von politischen Gegnern mobilisiert wurden, ist eine weitere Überlegung, die nahe liegt. Die lex Pompeia de ambitu 52 v. Chr. sollte zum ersten Mal die zusätzliche Aufnahme freiwilliger Zeugen unterbinden.445 Die Auseinandersetzung mit den freiwilligen Zeugen wird in der Planciana aus zwei Gründen unterlassen:446 1. Erachtet Cicero sie in diesem Fall als irrelevant, da die iudices die Motive dieser Art von Zeugen durchschauen würden; 2. hätten die Zeugen der Ankläger sich um Cicero selbst verdient gemacht (de me meriti), sodass er hier keine Gefahr zu fürchten scheint. Bis auf die explizite Darlegung des Vorfalls mit dem divisor im Circus Flaminius wird von keiner weiteren Zeugenbefragung oder Beweisaufnahme berichtet. Am Ende der Auseinandersetzung mit den Zeugen und den vorgebrachten Beweisen wird die Bitte geäußert, die iudices mögen sich nicht von Gerüchten in ihrer Entscheidung beeinflussen lassen. Die famae ließen sich auf „viele Freunde des Anklägers, nicht wenige Feinde von uns, viele Zwischenträger“447 zurückführen. Solange die Urheber also nicht selbst auftraten, dürfe den Aussagen kein Wert beigemessen werden. In einem gewissen Sinne übt Cicero hier eine Quellenkritik. Ein „audivi“ sei für ernsthafte Zeugenbeweise nicht ausreichend, sondern nur der Urheber, der die Information vorbringen könne, sei die entscheidende Quelle und damit ein Beweis für Delikte. 3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor Die Gliederung der argumentativen Strategie II (§§ 58–100) richtet sich gemäß dem Inhalt der Rede in zwei Unterpunkte: Der Vergleich der Würdigkeit (contentio dignitatis) ist Gegenstand der §§ 58–71, während die oratio pro se – Ciceros Selbstdarstellung – in den Passagen §§ 72–100 besprochen wird. Die contentio dignitatis befasst
444 Zur Glaubwürdigkeit von Zeugen und der Rolle der iudices in diesem Zusammenhang vgl. Cic. Font. 21–22; Cic. Flacc. 11–12. 445 Siehe hier das Kapitel „Organisierte Gewaltanwendung als Wahltaktik“. 446 Cic. Planc. 56. 447 Cic. Planc. 57: „Multi amici accusatoris, non nulli etiam nostri iniqui, multi communes obtrectatores (…).“
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
sich zunächst mit den vom subscriptor L. Cassius Longinus aufgestellten Kriterien, die Laterensis als den für die Aedilität geeigneteren Kandidaten kennzeichnen sollen. Die Erörterungen über die rechtliche Grundlage, die prozessualen Sondervorschriften und die Beweisführung werden damit abgeschlossen. Der Fokus wird im Folgenden auf einen Vergleich der charakterlichen Vorzüge und intellektuellen Disposition beider Kandidaten gerichtet, um eine Gegenüberstellung in Form der contentio dignitatis vorzunehmen. Der zweite wichtige Baustein ist die Auseinandersetzung mit der Person des Verteidigers Cicero, der neben dem Angeklagten zum Angriffsziel wird – den Grund lieferte das Exil 58 v. Chr. Eine Beschreibung der politischen Zustände in Rom, die Cicero zur Flucht genötigt hatten, sollen als Rechtfertigung dienen. Das Bindeglied zwischen der Selbstdarstellung des Verteidigers und dem eigentlichen Prozess bildet Plancius. Die überaus emotionale peroratio soll die Folgen einer Verurteilung des Angeklagten für die res publica, für die gesamte Bürgerschaft und für den Angeklagten selbst verdeutlichen. i. Contentio dignitatis – Der Vergleich der Würdigkeit Die folgende Erörterung (§§ 58–71) umfasst die contentio dignitatis, in deren Rahmen der Nebenankläger Cassius Longinus vier Argumente ins Feld führt, die Laterensis in besonderer Weise für die Aedilität qualifizieren sollen: 1) die konsularische Herkunft des Hauptanklägers, die ihn für die honores prädestinieren (§§ 58–60); 2) die mangelhaften militärischen Fähigkeiten des Plancius (§ 61); 3) dessen dürftige rhetorische wie juristische Ausbildung (§ 62); und schließlich 4) das positive Auftreten des Laterensis außerhalb Roms (§§ 63–67). Die Vorgehensweise d. h. Argumentationsstruktur innerhalb der contentio ist auffällig: Es scheint, als ob die Ankläger eine positive Eigenschaft des Laterensis ins Feld geführt hatten, denen zwei Defizite des Plancius folgten, um erneut mit einer positiven Auszeichnung des Laterensis abzuschließen. Damit sollten wohl die positiven Vorzüge des Anklägers beim Zuhörer präsenter sein und mehr Eindruck hinterlassen.448 Alle von Cassius Longinus erwähnten Punkte werden von Cicero als für die petitio irrelevant abgeschmettert. Die aufgeführten Distinktionsmerkmale werden dann anhand einer Reihe von „großen Männern“449 der frühen und vor allem mittleren Republik exemplarisch belegt. Ziel der Anklage war es, mittels der contentio dignitatis indirekt nachzuweisen – da sich der Nachweis der crimen sodaliciorum als schwierig bis kaum möglich erwiesen hatte –, dass Plancius ohne Einsatz von unerlaubten Wahlkampfmethoden einen Wahlsieg nicht hätte erringen können.
448 Auch wenn ein solcher Rückschluss aus Ciceros Rede nicht zwingend notwendig ist, da er für die schriftliche Fixierung der oratio Änderungen vorgenommen haben muss. 449 Beck 2005, 155 ff.
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
233
§§ 58–60 Sed venio iam ad L. Cassium:450 Der erste Plebejer, der die curulische Aedilität bekleidet haben soll, sei ein Iuventius gewesen: „primum de plebe aedilem curulem factum esse“.451 Das Ziel einer solchen Aussage ist offensichtlich: Cassius war darum bemüht, die Abstammung des Laterensis aus einer alten und anscheinend erfolgreichen gens zu postulieren, um dem Anspruch auf die honores, insbesondere auf die Aedilität, Nachdruck zu verleihen. Einen Beweis für diese Behauptung verlangte Cicero nicht und sein herablassender Ton lässt darauf schließen, dass er dieser Aussage keinen Glauben schenkte. Weder das kollektive Gedächtnis des populus Romanus, noch Congus oder Cicero konnten einen solchen Anspruch der Anklage bejahen.452 Bei dem erwähnten Congus muss es sich um M. Iunius Congus Gracchanus handeln, der 55 v. Chr. bereits verstorben war.453 Ihm spricht Cicero besonderes Interesse und Wissen über historische Fakten zu – Congus wird also neben dem populus Romanus als verlässlicher Garant zur Überprüfung des Argumentes der Anklage herangezogen. Eine Nachprüfung des besagten gentilis kann auf zweierlei Weise erfolgen: Zunächst können die aus den Quellen hervorgehenden Hinweise zur Datierung der curulischen Aedilität und ihre erstmalige Ausübung durch einen plebejischen Magistraten überprüft werden. Auch bieten die legislativen Bestimmungen, welche den Plebejern die curulischen Ämter eröffneten, einen Anhaltspunkt. Die Betrachtung der leges Liciniae Sextiae (de consule plebeio) als Orientierungspunkt, unter Einbezug der lex Furia de aedilibus curulibus von 367 v. Chr., ist für den Sachverhalt grundlegend.454 Die leges Liciniae Sextiae, die auf die Initiative der Volkstribune C. Licinius Stolo und L. Sextius Sextinus Lateranus hin verabschiedet wurden, waren Ergebnisse der Ständekämpfe.455 Sie spiegeln die Forderung der Plebejer nach politischer Partizipation an den curulischen Ämtern, vornehmlich am Konsulat, wider.456 Zeitgleich wird mit der lex Furia de aedilibus curulibus die curulische Aedilität vom Dictator M. Furius Camillus eingerichtet, wohl in dem Bestreben, das bis dahin mit dem Volkstribunat zusammenhängende 450 Die Lebensdaten gibt Münzer nicht an. Wir erfahren jedoch, dass L. Cassius Longinus der Bruder des Caesarmörders war. 44 v. Chr. bekleidete er das Volkstribunat. Im Bürgerkrieg nach Caesars Ermordung hielt er sich in Asien auf, nahm aber nicht an der Opposition gegen Octavian und Antonius teil, weshalb er 41 v. Chr. in Ephesus von Antonius begnadigt wurde. Siehe zur näheren Lektüre: F. Münzer, RE 6,2 (1899) 1739 s. v. L. Cassius Longinus (65). 451 Cic. Planc. 58. 452 Zum kollektiven Gedächtnis der Nobilität: Hölkeskamp 2004, 169–198. 453 G. Wissowa, RE 10,1 (1918) 1031–1033 s. v. Iunius (68); die Einzelhinweise zu Congus greift Bücher 2006, 302 auf. 454 Elster 2003, 4–6. 455 Zu den leges Liciniae Sextiae: Broughton MRR I, 108–111; 109 mit einer Auflistung der Ziele der beiden Tribune; vgl. Rotondi 1962, 216–220. Zur lex Furia de aedilibus des Dictators M. Furius Camillus: Rotondi 1962, 220; Broughton MRR I, 112–113; Liv. VI,42,11; Oakley 1997, 721–722. 456 Bleicken 1975, 85–87. Zur Authentizität und Forschungsgeschichte der leges Liciniae Sextiae siehe Hölkeskamp 2011, 23 f., 39 f., insbesondere 62 ff.: „Der Kampf um die Gleichberechtigung und die plebejische Organisation 366 bis 340“ als Grundlage für die strukturelle Analyse und Darlegung der plebejischen Elite und ihres Durchbruchs.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
Amt auch den Patriziern zugänglich zu machen.457 Unabhängig von der Problematik der Historizität, der wir des Öfteren bei Livius begegnen,458 werden die aediles plebeii ab ca. 494 v. Chr. als Mitarbeiter der tribuni plebis belegt.459 Die Bestimmungen der leges Liciniae Sextiae dürften sich neben der Bekleidung des Konsulats zunächst nicht auf die curulische Aedilität erstreckt haben, sodass die patrizische Abstammung eine Grundbedingung für die Bekleidung dieses Amtes gewesen sein muss.460 Eine solche Bestimmung verstieß allerdings gegen das Prinzip des Ausgleichs zwischen Plebejern und Patriziern. Ob durch das Einschreiten der Volkstribune oder die Unzufriedenheit der plebs, kam es in Bezug auf die curulische Aedilität zu einer Einigung: das Amt sollte jedes Jahr abwechselnd von Plebejern (in geraden Jahren) oder von Patriziern (in ungeraden Jahren) bekleidet werden: „primo ut alternis annis ex plebe fierent convenerat: postea promiscuum fuit.“461 Dieser Wechsel scheint allerdings mit der Zeit durchbrochen worden zu sein.462 Da die curulische Aedilität erst mit der lex Furia de aedilibus curulibus von 367 v. Chr. eingerichtet wurde, konnte der hier erwähnte gentilis Iuventius wohl erst ab diesem Zeitpunkt bzw. nach der Intervention der Plebejer die curulische Aedilität bekleidet haben. Broughton verzeichnet die ersten Aedile für das Jahr 366 v. Chr., beide Amtsinhaber waren Patrizier.463 Einen gewissen Iuventius ordnet er erst in das Jahr 306 v. Chr. und verweist diesbezüglich auf die Skepsis Ciceros.464 Ein gewisser Iuventius Thalna, wie Köpke/Landgraf vorschlagen, der 365/364 v. Chr. die curulische Aedilität bekleidet haben soll, scheint aufgrund der prosopographischen Auswertung nicht haltbar.465 Einen solchen Widerspruch erhebt auch Seidel.466 Dank Seidels systematischer Untersuchung der „Fasti Aedilicii“ werden die ersten Plebejer, die das curulische Amt der Aedile innehatten, auf das Jahr 364 v. Chr. angesetzt. Einer von ihnen war M. Popillius, sein Amtskollege jedoch ist unbekannt. Rein theoretisch müsste der in Cic. Planc. 58 genannte Iuventius ein Kollege des Popillius gewesen sein, falls die Angaben des Cassius und Laterensis stimmen sollten. Sicherlich war die 457 Becker 2017 mit einer grundlegenden Untersuchung zur Entwicklung der stadtrömischen Aedilität in republikanischer Zeit; für den hier untersuchten Kontext: ders., 37 ff.; W. Kubitschek, RE 1,1 (1893) 448–464 s. v. Aedilis; Liv. VI,42,13 f.; dazu Oakley 1997, 724. 458 Siehe nur die ersten drei leges de ambitu, die bei Livius überliefert sind. 459 Liv. III,55,6 f.; Liv. VI,42,11 f.; vgl. C. Gizewski, DNP 1 (1996) 140–141 s. v. aediles. 460 Liv. VI,42,13 und Liv. VII,1,2; vgl. Oakley 1997, 724 und ders. 1998, 29 f. 461 Liv. VII,1,6; Oakley 1998, 32–33; vgl. W. Kubitschek, RE 1,1 (1893) 448–464 s. v. Aedilis. 462 W. Kubitschek, RE 1,1 (1893) 448–464 s. v. Aedilis; Cic. de orat. I,57, der für das Jahr 91 v. Chr. einen Plebejer als curulischen Aedil angibt. 463 Broughton MRR I, 111. 464 Broughton MRR I, 166; Bücher 2006, 300. 465 Köpke/Landgraf 1887, 72. 466 Seidel 1908, 75–76, die Kriterien von Seidels Ausschlussverfahren werden hier erörtert. Vier Hauptkriterien werden festgehalten: 1) Die Überlieferung bei Festus; 2) der für die gens Iuventia nicht bezeugte Vorname Caius; 3) der nicht römische Ursprung der Iuventii (Cic. Planc. 18); 4) ihre namentliche Bezeugung erst nach dem zweiten Punischen Krieg (218–202 v. Chr.).
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
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Erwähnung eines solchen Vorfahren der Bestrebung geschuldet, einen Anspruch des Laterensis auf die curulische Aedilität als Recht seiner Vorfahren verstanden zu wissen. Der Anspruch der Anklage ist folgender: Gerade ein Kandidat wie M. Iuventius Laterensis, der distinguierte Vorfahren aufweisen konnte, sollte den übrigen Kandidaten vorgezogen werden. Dass ein solcher Anspruch der Nobilität auf die honores nicht mehr durchsetzbar war, zeigte sich in der rückläufigen intrinsischen Akzeptanz des populus Romanus gegenüber Forderungen dieser Art. Die Wahlniederlage des Laterensis nicht nur im ersten, sondern auch im zweiten Durchlauf der Comitien hatte das bewiesen.467 Alle Kontrahenten des Iuventius Laterensis 55 v. Chr. waren equites Romani.468 Laterensis selbst gehörte zwar dem ordo senatorius an, doch auch er war von plebejischer Abstammung. War also der Zugang zu den Ämtern für Mitglieder der gentes, die eine Ahnenreihe vorweisen konnten, leichter als für unbekannte Söhne römischer Ritter? Oder war der politische Aufstieg etwa für die Söhne bereits erfolgreicher römischer Ritter leichter? Diese Fragen scheint Cassius, ebenfalls eques Romanus, Cicero – sicherlich in Hinblick auf dessen Vita und Herkunft – gestellt zu haben. Die Erwähnung des ersten Iuventius hatte eine Diskussion provoziert und alles scheint auf Folgendes hinauszulaufen: Es war eine Frage der Akzeptanz, ob und bis zu welchem Grad novitas Vorrang bzw. Gleichberechtigung vor/mit der nobilitas hatte.469 Es entsteht der Eindruck, die Ankläger beabsichtigten mit der Diskussion die Vermutung zu bestärken, dass ohne illegale Wahlpraktiken ein homo novus sich gegen einen homo nobilis nicht hätte behaupten können. Seinem eigenen Sohn, der zur Zeit des Prozesses 54 v. Chr. erst 11 Jahre alt war, und dank dem Vater einer konsularischen Familie entsprang, habe Cicero keinen leichteren politischen Aufstieg gewünscht.470 Grund dafür sei das Aufrechterhalten von labor und laus: „ut nos et nostros liberos ad laborem et ad laudem excitaret“.471 Wie Lind folgert, sollten labor, industria und disciplina im Dienste der res publica die Chance auf gloria steigern.472 Jegliche Bemühungen und ihre Gegenleistung würden obsolet werden, sollte den Söhnen konsularischer Familien der Vortritt bei der Besetzung von Ämtern gewährt werden. Ein solches Argument hatte Cicero bereits in § 15 ange467 Bücher 2006, 301; ders. 2006, 301–302 zu den Iuventii: das „symbolische Kapital“ war zu Zeit des Prozesses 54 v. Chr. ‚verbraucht‘; dasselbe bei Hölkeskamp 2004, 96 f. 468 Cic. Planc. 17–18; 30–32. 469 Brunt 1982, 1–17. 470 Cic. Planc. 59. An dieser Stelle folgt ein Zitat des L. Accius: „Vigilandum est semper; multae insidiae sunt nobiles.“ – „Sei immer wachsam; Guten stellen viele nach. Was viele neidisch macht (…)“ Diesen Ratschlag würde Cicero seinem Sohn stets in Erinnerung rufen. Ähnliche Zitate des Accius lassen sich des Öfteren in ciceronianischen Werken finden, die stets eine moralische wie politische Konnotation haben: neben Planc. 59; Cic. Sest. 102; 120; siehe ausführlicher zu den Belegen bei Cicero und zur Person des Accius: W.-L. Liebermann, DNP 1 (1996) 50–53 s. v. Accius. 471 Cic. Planc. 59. 472 Lind 1979, 17.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
führt, als er sich gegen die Aufstellung einer Rangliste aussprach, die nach den Kriterien der Abstammung gegliedert worden wäre. Das Ergebnis wäre eine Abstufung nach konsularischer, praetorischer und ritterlicher Herkunft gewesen, ohne Berücksichtigung der persönlichen Disposition, Befähigung und des individuellen Talents für die angestrebten honores. Eine solche Verfahrensweise hätte allerdings die typisch römische Wahlpraxis ausgehebelt.473 Die fehlende Akzeptanz des politischen Erfolgs der Nachkommen römischer Ritter von Seiten der alteingesessenen Senatsaristokratie und der Neid auf ihren politischen Aufstieg scheinen sich also bedingt zu haben. Cicero greift eine weitere Frage der Anklage auf, die das ‚Akzeptanzproblem‘ offensichtlich macht: Ob Plancius noch weitere Erfolge hätte verzeichnen können, wenn er der Sohn des Cn. Scipio gewesen wäre? Die Antwort fällt simpel aus: „Magis aedilis fieri non potuisset“.474 In höherem Grad Aedil zu werden, sei auch als Sohn eines Cn. Scipio nicht möglich. Der Unterschied sei lediglich in der Akzeptanz Seitens der politischen Elite zu suchen. Die Anerkennung der Konkurrenten scheinen solche Kandidaten genossen zu haben, die erfolgreichen gentes entsprangen, die sich sowohl durch politische wie militärische Erfolge ausgezeichnet hatten: „sed hoc praestaret, quod ei minus invidetur.“475 Der Verweis auf Cn. Scipio (auch ohne die Nennung der genauen Einzelperson aus der Reihe der Cornelii Scipiones) ist unmissverständlich: der generelle und allgemeine Verweis auf eine der wohl berühmtesten gentes musste als Exempel in jedem der anwesenden Richter die Assoziation von Erfolg und Prestige ausgelöst haben. Dies war sicherlich die Essenz der ciceronianischen Aussage. Weiterhin ist an eine höhere Aedilwürde nicht zu denken, da der „honorum gradus“ für alle, d. h. „summis hominibus et infimis“, gleich war.476 Honos kann also von allen Kandidaten gleichermaßen erreicht werden, gloria allerdings nicht: „gloriae dispares“.477 Diesen Unterschied folgerte auch Lind: „Gloria was differed from honos in its unusual nature; the levels of
473 Cic. Planc. 15: „cedat consulari generi praetorium, ne contendat cum praetorio nomine equester locus.“ In ähnlicher Weise Flaig 1995, 116–117 zu den Gliederungsprinzipien der politischen Elite Roms nach 1) Rang (Unterscheidung anhand der Magistraturen: Konsulare, Praetorier usw.) 2) Seniorität (Unterscheidungsmerkmal bei ranggleichen Personen) und schließlich 3) das familiäre Prestige. 474 Cic. Planc. 60. 475 Cic. Planc. 60. Zur Person des Cn. Scipio, den Cicero nicht mit vollen Namen erwähnt: aus den Reihen der Cornelii Scipiones kommen vier Personen in Frage: Cn. Cornelius Scipio Asina (Cos. 260 und 254), Cn. Scipio Calvus (Cos. 222), Cn. Scipio Hispallus (Cos. 176) und Cn. Scipio Hispanus (Praet. 139). Cn. Scipio Hispanus schließe ich aufgrund der fehlenden Konsulwürde aus. Cn. Scipio Hispallus, der während seines Konsulats verstarb, ebenfalls. Demnach würden Cn. Scipio Calvus und Cn. Cornelius Scipio Asina in Frage kommen. Köpke/Landgraf 1887, 73 sprechen sich für Cn. Scipio Calvus aus, der des Öfteren bei Cicero positive Erwähnung findet: Cic. rep. I,1; Cic. parad. I,12; Cic. Cato 75; 82. Zur Legende der Cornelii Scipiones siehe K.-L. Elvers, DNP 3 (1997) 179–180 s. v. Cornelius. 476 Cic. Planc. 60. 477 Die vollständige Stelle lautet wie folgt: „Etenim honorum gradus summis hominibus et infimis sunt pares, gloriae dispares“ / „Denn die Stufen der Ämter sind für die Größten und die Geringsten gleich, die des Ruhmes hingegen sind ungleich.“ in Cic. Planc. 60.
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
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honores were equal, those of gloria unequal“; weiterhin zur Dauerhauftigkeit von gloria: „The public continued to render gloria to a man even after his death: gloria thus became an immortal heritage.“478 Die Unsterblichkeit von gloria wurde allein anhand der unten aufgeführten Beispiele untermauert. Im ciceronianischen Dialog Brutus wird honos wie folgt verstanden: „cum honos sit praemium virtutis iudicio studioque civium delatum ad aliquem, (…).“479 Der gloria wird gegenüber honos ein höherer Stellenwert eingeräumt, weshalb sie schwerer zu erreichen scheint.480 Der Differenzierung zwischen honos und gloria folgt eine Reihe von exempla römischer Magistrate, die sich im Dienste der res publica ihre gloria verdient hatten: nämlich infolge militärischer Erfolge, die auch Triumphe nach sich gezogen hatten, durch eine Anhäufung der honores, also durch die mehrfache Bekleidung des Konsulats, und aufgrund ihrer Sonderstellung, die aus der Kombination der ersten beiden Punkte resultierte.481 Betrachtet man die aufgezählten exempla, so waren es nicht nur erfolgreiche Feldherren, sondern durchaus Individuen mit einem ‚auffälligen Charakter‘, die sich hervorgetan hatten – siehe nur M’. Curius Dentatus und seine Auseinandersetzung mit Ap. Claudius Caecus. Zugleich weist Cicero daraufhin, dass die Erfolge der von ihm genannten großen Männer nicht zu erreichen seien: „Wer von uns wollte behaupten, er könne es mit (ihnen) aufnehmen, (…)“. Gerade schon aufgrund der Unerreichbarkeit, so Itgenshorst, würden die genannten Persönlichkeiten ausdrücklich als exempla konstituiert.482 Zu der Assoziation mit virtus oder der zu ihr gehörigen Einzeltugenden hatten exempla also einen weiteren ‚gemeinsamen Nenner‘, nämlich die Rolle der maiores als Akteure und auctores483 innerhalb der res publica.
478 Lind 1979, 16–17; Hellegouarc’h 1963, 369–382. 479 Cic. Brut. 281: „Ehre ist der Lohn der Tüchtigkeit, durch das Urteil und die Zuneigung der Bürger auf jemanden übertragen.“ Übersetzt und herausgegeben von B. Kytzler, Ansbach 1970. 480 Vgl. Cic. off. II,31; Cic. Tusc. III,3: „ea (gloria) est consentiens laus bonorum, incorrupta vox bene iudicantium de eccellente virtute“. 481 Siehe dazu auch Lind 1979, 16, der die öffentliche Meinung von Individuen mit großer gloria wie folgt beschreibt: „Only men, rarely women, and seldom a god, could attain gloria: All knew him, pointed him out, loved him, and bestowed public honors upon him.“ 482 Itgenshorst 2005, 74–75 zur Cic. Planc. 60: Bis auf die beiden Brüder Cn. und P. Scipio hatten alle genannten Männer Triumphe in Rom gefeiert. Zu den Triumphen: Itgenshorst 2005, Dentatus Nr. 101; Fabricius Nr. 105 und 109; Duilius Nr. 128; Atilius Nr. 132; Scipio Africanus Nr. 163; Claudius Nr. 155 und 158; Fabius Maximus Nr. 148 und 160; vgl. Bücher 2006, 304–305. 483 Hölkeskamp 1996, 318–319.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
Name
Amt
Auszeichnung484
M’. Curius Dentatus485
Cos. 290, 275, 274
Siege über die Samniten 290 & Pyrrhos 275
C. Fabricius Luscinus
Cos. 282, 278
Feldherr im Krieg gegen Pyrrhos 275
C. Duilius
Cos. 260
Feldherr im I. Pun. Kr.
A. Atilius Calatinus
Cos. 258, 254
Feldherr im I. Pun. Kr.
Cn. Cornelius Scipio Calvus
Cos. 222
Beide Brüder sterben
P. Cornelius Scipio
Cos. 218
211 im Krieg gegen Karthago
P. Cornelius Scipio Africanus
Cos. 205, 194
Der Sieger bei Zama 202
M. Claudius Marcellus
Cos. 222, 214, 210, 208
Eroberer von Syrakus 211
Q. Fabius Maximus Cunctator
Cos. 233, 228, 214, 209
Feldherr im II. Pun. Kr.
Wiseman bezeichnet eine solche Auflistung von ‚Helden‘ als Klischee, die in verschiedener Form immer wieder von Cicero als exempla zitiert werden.486 Die Erwähnung solch beeindruckender Persönlichkeiten – Wiseman nennt sie ‚Giganten‘487 –, die in die frühe und mittlere Republik zurückreichen, nutzt Cicero in seiner Argumentation, um Folgendes klarzustellen: Trotz der individuellen Leistungen der ehemaligen Konsulare seien die Ämter (honores), die sie bekleidet hatten, stets dieselben gewesen. Um einen Grad an virtus zu erreichen, eröffneten sich den Magistraten verschiedene Möglichkeiten (siehe nur die exempla oben). Zugleich bemisst er aber gloria nach der Quantität von virtus: „ut is maxime gloria excellat qui virtute plurimum praestet“.488 Nicht also die Ahnengalerie, die auch Cicero nicht vorweisen konnte, war von Bedeutung, 484 Die Einzelnachweise aller exempla nach Broughton MRR I (1951); MRR II (1952): Index of Careers. Zur Untersuchung dieser „großen Männer“ und ihrer Funktion als „Sozialtypen“ siehe Beck 2005, 155–158; ebenfalls Beck 2005, 188–203 zu M´. Curius Dentatus; C. Fabricius Luscinus 204–216; C. Duilius 217–228; A. Atilius Calatinus (Caiatinus?) 229–243; P. Cornelius Scipio Africanus 238–367; M. Claudius Marcellus 302–327. 485 M´. Curius Dentatus spielte in den Entscheidungen um die patrum auctoritas eine wichtige Rolle, da er als Volkstribun die Anerkennung der Konsulwahlen noch vor der tatsächlichen Wahl durchgesetzt hatte. Der Interrex von 298 v. Chr. Ap. Claudius Caecus hatte den Versuch unternommen, die Wahl eines plebejischen Konsuls zu unterbinden, indem er die Comitien abhielt und dabei einen plebejischen Kandidaten ablehnte: siehe Broughton MRR I, 174; Humm 2015, 231–250, hier insb. 244 Anm. 76; vgl. Cic. Brut. 55. Curius Dentatus war plebejischer Abstammung und homo novus: Cic. Mur. 17; siehe weiterhin Hölkeskamp 2011, 192–194, der die Entscheidungen um die patrum auctoritas nicht als das Ergebnis der Auseinandersetzungen „zwischen zwei konkurrierenden Eliten“ versteht, sondern als „Resultat von Streitigkeiten über bestimmte Regeln bzw. ihre Anwendung“: ebd. 194. 486 Wiseman 1971, 108. 487 Wiseman 1971, 108: „(…) M´. Curius Dentatus is usually recalled in the company of the other two third-century giants Ti. Coruncanius and C. Fabricius (…)“. 488 Cic. Planc. 60; so auch Lind 1979, 18: „Nonetheless, gloria was the shadow of virtus, (…), and virtus was the pre-requisite of gloria.“
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
239
sondern die persönliche virtus eines Kandidaten. Mit Hilfe dieser exempla versuchte Cicero also die Vorwürfe des subscriptor Cassius Longinus ad absurdum zu führen.489 Nicht nur die hier exemplarisch genannten „Ikonen der virtus“490 spielen im Unterscheidungsfeld zwischen honos und gloria eine Rolle. Bis zum Zeitpunkt des Prozesses 54 v. Chr. hätten 800 Magistrate das Konsulat bekleidet, aus ihrer Gesamtzahl habe, so Cicero, kaum ein Zehntel gloria erlangt.491 Fragen bezüglich der Abstammung – „quid potuit amplius, si L. Brutus esset“492 – scheinen nicht mehr zeitgemäß zu sein. Plancius und viele von ähnlicher Herkunft seien, auch ohne „summo loco natus“ zu sein, in gleicherweise Quaestor, Volkstribun und Aedil geworden.493 Laut Beck wurde die „Zugehörigkeit zur neuen patrizisch-plebejischen Führungsschicht durch individuelle Verdienste und Leistungen in der res publica bestimmt und nicht mehr durch die Abstammung (…)“.494 Zu dieser Grundaussage kommt auch Cicero, der stets auf die konsularische Abstammung des Laterensis verweist, um zugleich die Anmerkung fallen zu lassen, dass dieses Kriterium nicht genüge. Daher kann er das stichhaltige Argument der intensiven und notwendigen Wahlkampagne für alle Kandidaten, unabhängig von ihrer Abstammung, anbringen. Das langfristige Ziel der Ämterlaufbahn war stets das Konsulat: „honorum populi finis est consulatus“.495 Der Zugang zu den honores mit den notwendigen Voraussetzungen und ihre Reihenfolge wurde 180 v. Chr. durch die lex Villia annalis des Volkstribunen Lucius Villius (Annalis) festgelegt.496 Sicher durfte der cursus honorum bereits vor 180 v. Chr. konsolidiert worden sein, stets mit dem Konsulat als der höchsten Stufe der politischen Karriere und Ehre. Gewiss existierten auch bezüglich des Einstiegsalters Richtwerte, die sich als Brauch etabliert hatten, jedoch nicht vor 180 als lex festgehalten wurden.497 Wenn Cicero von den Stufen der Ämter vor Gericht spricht, die für alle Kandidaten und potentiellen Anwärter die gleichen waren und alle auf einer objektiven Ebene dieselben Voraussetzungen erfüllen mussten, mag man das als einen Hinweis auf u. a. die oben genannte lex Villia annalis verstehen oder zumindest auf das
489 Wie Bücher 2006, 306 allerdings anmerkt, ist die Auflistung von Triumphatoren als exempla aufgrund ihrer zeitlichen Distanz ungewöhnlich. 490 Hölkeskamp 2003, 213–237. 491 Zu der erstaunlich präzisen Angabe Ciceros in Bezug auf die 800 consules siehe die Rekonstruktion bei Bücher 2006, 304 mit weiteren Angaben. 492 Cic. Planc. 60; gemeint ist L. Iunius Brutus, einer der ersten Konsuln 509, vgl. Broughton MRR I, 1. 493 Cic. Planc. 60. 494 Beck 2005, 13. 495 Laut Ciceros Angabe haben zum Zeitpunkt des Prozesses bereits 800 Magistrate das Konsulat bekleidet: „quem magistratum iam octingenti fere consecuti sunt“, Cic. Planc. 60. 496 Liv. XL,44,1; vgl. Rotondi 1962, 278–279 zur lex Villia annalis; Broughton MRR I, 388 zum Volkstribunat des L. Villius; darüber hinaus grundlegend zur lex Villia Rögler 1962, 76–123; eine kurze Auseinandersetzung findet sich bei Timmer 2005, 49–69, insb. 55–57; ausführlicher Timmer 2008, 81–95. 497 Timmer 2005, 54; Beck 2005, 13.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
erzielte Ergebnis, dem wir 55/54 v. Chr. begegnen.498 Zusammenfassend zu den exempla, die Cicero in der Planciana aufführt, lassen sich zwei unterschiedliche Vorgehensweisen und Intentionen nachweisen: 1. In den §§ 51–52 werden solche Musterbeispiele angeführt, die a) bei der Wahl zum Aedil unterlagen, um allesamt in den folgenden Jahren das Konsulat zu erreichen; und b) die an Stelle der Aedilität – für die sie ebenfalls übergangen worden waren – das Volkstribunat bekleideten, um im Verlauf ihrer politischen Karriere ebenfalls die Konsulwürde übertragen zu bekommen. Alle exempla – Wahlverlierer oder solche, die auf alternative Optionen auswichen – werden nicht nur namentlich genannt, sondern zusätzlich mit den jeweiligen Ämterstufen aufgeführt. Cicero begnügt sich also an dieser Stelle nicht mit der Nennung der Namen allein. 2. In den §§ 60–61 werden solche exempla angeführt, die anscheinend nur des Namens bedurften. Lediglich in § 61 im Falle des T. Didius und C. Marius wird auf ihre Triumphe hingewiesen, da der subscriptor Cassius den Aspekt des Triumphes aufgegriffen hatte: „Profers triumphos T. Didi et C. Mari (…)“.499 Die Verwendung von exempla in politischen Reden, wie wir sie in der Planciana vorfinden, dient dem orator in erster Linie dazu, die vorgebrachten Argumentationslinien zu unterstützen. Im ersten Fall (siehe Punkt 1) dienten sie dazu, dem Ankläger aufzuzeigen, dass eine einzelne Wahlniederlage keineswegs das Ende einer politischen Laufbahn bedeutete. Im zweiten Fall (siehe Punkt 2) war der namentliche Hinweis auf die ‚großen Männer‘ ausreichend, da die Zuhörer, in diesem Falle das Publikum vor Gericht, mit den politischen wie militärischen Erfolgen oder auch tragischen Niederlagen (siehe nur die beiden Scipionen Brüder, die 211 v. Chr. im Feldzug gegen Karthago fielen) dieser Personen bestens vertraut gewesen sein durften. Der Hinweis auf einen Cn. Scipio (§ 60) schien zu genügen, um positive Assoziationen von einer der berühmtesten und erfolgreichsten gens auszulösen, ohne weitere Informationen zu der Person geben zu müssen.500 Die Verwendung prosopographischer Daten war daher eine der gängigsten und einfachsten Methoden ciceronianischer Rhetorik, um auf knappe und präzise Weise ganze Argumentationskonstrukte darzulegen.501
498 Grundlegend zur Konkurrenz um die honores: Beck 2005. Zur fehlenden Regelung vor 180 v. Chr. vgl. Beck 2005, 9–10, besonders 51 ff. in Bezug auf den cursus honorum; ferner Hölkeskamp 2006 und 2014 zum Konzept der Konkurrenz in der Republik; Flaig 1995, 115–148 zur Konkurrenz in Zusammenhang mit der pompa funebris; Nebelin 2014. 499 Cic. Planc. 61. 500 Zur Funktion der exempla, ihre Verwendung in Reden und ihrem Stellenwert in der Lebenssphäre der römischen Republik siehe grundlegend Bücher 2006; vgl. Hölkeskamp 1996, 301–338, hier insb. 312–320. 501 In der Verteidigungsrede pro Murena werden ebenfalls militärisch erfolgreiche Feldherren den Geschworenen vor Augen geführt. Itgenshorst 2004, 77 kommt zu dem Schluss, dass die Erwähnung erfolgreicher Feldherren ohne die explizite Nennung ihrer Triumphe für die Gerichtsreden üblich
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
241
§ 61 Rogas quae castra viderit:502 Ein relativ kurzer Abriss der militärischen Laufbahn des Plancius diente der Erwähnung weiterer exempla. Um militärische Leistungen als Qualifikationsmaßstab für die Übernahme von honores zu setzen, wurde von der Anklage nach äquivalenten Erfolgen des Plancius gefragt. Als Richtlinien wurden zwei homines novi angeführt: T. Didius und C. Marius.503 T. Didius, Konsul 98 v. Chr.,504 war aufgrund seiner Siege in Makedonien und Spanien zweifacher Triumphator.505 C. Marius, Konsul der Jahre 107 und 104–100 v. Chr.,506 wurden ebenfalls zwei Triumphe für die Siege über Iugurtha und über die Kimbern und Teutonen gewährt.507 Der homo novus Cn. Plancius konnte auf militärischer Ebene keine großen Unternehmungen vorweisen: lediglich die Aufenthalte als miles auf Kreta und als tribunus militum in Makedonien konnten erwähnt werden. Sowohl auf Kreta als auch in Makedonien unterstand er dem imperium des Q. Caecilius Metellus Creticus, der während des Prozesses anwesend war.508 Die Ränge als miles und tribunus militum konnten zu keinem prestigeträchtigen militärischen Erfolg führen – Triumphe und das mit ihnen einhergehende soziale Prestige war nur Imperiumsträgern vorbehalten.509 Die Pflichten (res militaris) als Quaestor in Makedonien 58 v. Chr. habe Plancius trotz seiner Dienste für Cicero, der die größte Zeit seines Exils in Makedonien/Thessaloniki verbracht hatte, nicht vernachlässigt.510 Ciceros Erklärung sollte offensichtlich die Gewissenhaftigkeit des Plancius hervorheben, die schließlich von den Magistraten bei ihrer Amtsführung erwartet wurde – vor allem Praetoren und Quaestoren als Repräsentanten der res publica in den Provinzen mussten dieser Erwartung in besonderer Weise gerecht werden. Auch die Quaestur, eine Magistratur ohne imperium, konnte also keine militärischen Ehrungen in Form eines Triumphs rechtfertigen.511 Dem Vergleich zwischen Cn. Plancius und den beiden Triumphatoren T. Didius und C. Marius lag folgende Intention zugrunde: Sowohl Didius als auch Marius waren homines novi, die sich durch ihre militärischen Leistungen hervorgetan hatten. Könne der homo novus Plancius wie seine ‚Vorgänger‘ Triumphe vorweisen, so sollte es seine
502 503 504 505 506 507 508 509 510 511
gewesen sei. In den Reden vor dem Senat war die Anführung von Ehrungen allerdings von größerer Bedeutung. L. Cassius fragt, wie viele castra – Feldlager der Angeklagte gesehen habe: Die Frage zielt auf die Feldzüge ab, an denen Plancius teilgenommen hatte. Die Erwähnung von Marius und Didius gemeinsam mit C. Caelius Caldus als homines novi ist in Cic. Mur. 17 belegt. Broughton MRR II, 4. Zu den Daten siehe Itgenshorst 2004, 320–321, Nr. 236. Broughton MRR I, 550. Itgenshorst 2004, 308–311, Nr. 232. Siehe zu Metellus Creticus hier Cic. Planc. 27. Hölkeskamp 2004, 42 zum symbolischen Kapital; nach wie vor grundlegend zu den Kapitalformen Bourdieu 1974 und Simmel 1908. F. Münzer, RE 40,2 (1950) 2013–2015 s. v. Cn. Plancius (4). Kunkel 1995, 474 ff. zur Quästur, insbesondere 527 ff. zur Provinzquästur.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
Wahl zum Aedil rechtfertigen. Dem Scheinargument der Ankläger entgegnet Cicero schlicht, dass nicht Triumphe zu Magistraturen führten, sondern die Magistraturen bei erfolgreicher Amtsführung einen Triumph ermöglichten. Die militärische Laufbahn des Plancius durfte ihm nicht zum Nachteil gereicht haben – sie entsprach wohl sogar der gewöhnlichen Karriere –, zumal der Vergleich zwischen Triumphatoren und einem designierten Aedil und ehemaligem Volkstribun inadäquat war. § 62 Quaeris num disertus sit / Num iuris consultus: Den ersten beiden Punkten der contentio dignitatis (die nicht-konsularische Abstammung und der fehlende militärische Erfolg) wird ein weiterer Kritikpunkt hinzugefügt: die defizitäre Ausbildung in Rhetorik und Recht. Fähigkeiten und Talente dieser Art hätten Plancius gegenüber Laterensis für die Aedilität auszeichnen müssen – dieser habe allerdings weder einen solchen Anspruch erhoben, noch falsche juristische Auskünfte erteilt. Der fehlenden ‚klassischen Ausbildung‘ seines Mandanten – die Cicero selbst genossen hatte512 – kann er dennoch einen positiven Aspekt abgewinnen: Da Plancius keinen Anspruch auf besondere Fähigkeiten erhoben hatte, musste eine solche Haltung für seine „virtus, probitas, integritas“513 sprechen, die man sich von jedem candidatus wünsche.514 Das Gegenteil von virtus, probitas und integritas wird als „linguae volubilitas, (…) ars, (…) scientia“ formuliert.515 Um die Entgegnung auf die Ankläger noch weiter zu verschärfen, folgt ein lebenspraktischer Vergleich: Kaufe man einen Sklaven mit der Absicht, diesen als Schmied oder Vergipser einzusetzen, um später festzustellen, dass dieser weder über Wissen noch Können in diesen Bereichen verfüge, so habe man einen Fehlkauf getätigt. Möchte man allerdings einen Sklaven als Gutsverwalter oder Hirten einsetzen, so seien folgende Charaktereigenschaften von Bedeutung: frugalitas, labor, vigilantia und innocentia.516 Gemäß diesen Kriterien würde sich der populus Romanus seine Magistrate aussuchen. Wiesen Kandidaten weitere Fähigkeiten auf – wie rhetorisches und juristisches Talent – seien diese zwar zu begrüßen, stellten jedoch keine zwingende Notwendigkeit dar. Die Diskussion bezüglich der Auswahlkriterien gemäß derer der populus Romanus zukünftige Magistrate auswählte, widerspricht an dieser Stelle der Argumentationslinien in den §§ 7–9. In § 7 waren Neid und Gunst die Kriterien, die die Entscheidungsfindung dominierten. In § 9 wurde der populus Romanus zur Masse (non est enim consi512 513 514 515 516
Gelzer 1969, 5 f., 9 ff. u.ö. Cic. Planc. 62. Zu virtus, probitas und integritas Hellegouarc’h 1963; Lind 1979–1996. Die Passage lautet wie folgt: „Virtus, probitas, integritas in candidato, non linguae volubilitas, non ars, non scientia requiri solet.“ Zur Bedeutung und Thematik von Sklaven in den ciceronianischen Werken: Blänsdorf 2016. Bezüglich der guten Eigenschaften von Verwaltern, die als Vorbild für römische Magistrate dienen sollen: Blänsdorf 2016, 82. Zu den einzelnen Begriffen Hellegouarc’h 1963.
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
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lium in volgo) degradiert, der zu keiner rationalen Entscheidung fähig sei. Stattdessen ließe er sich von Neigungen und Bitten beeinflussen. Auch aus plötzlicher Eingebung und willkürlicher Entscheidung würden Magistrate gewählt werden. Die Mitglieder der Nobilität hatten sich ungeachtet der Entscheidungen der Masse zu beugen.517 Die anfängliche Argumentationsstrategie geht bisweilen so weit, dass, wie Kroll anmerkt, man Cicero unterstellen kann, er behaupte: „besäße das Volk Urteil, so hätte es dich (nämlich M. Iuventius Laterensis) gewählt“.518 Von dieser Argumentationsstrategie distanziert sich Cicero also eindeutig. Der Grund für die Wahlniederlage des Laterensis wird nicht mehr beim launenhaften Volk gesucht. Vielmehr hätten die Wähler in Plancius genuin geschätzte Eigenschaften entdeckt, die ihn für die Aedilität auszeichneten.519 Der Strategiewechsel ist der Funktion der contentio dignitatis geschuldet: Während vor der reprehensio vitae erste Gründe für die Wahlniederlage des Laterensis angeführt wurden, mussten nun explizit die Vorzüge des Plancius hervorgehoben werden. Die Kontrastierung der Gegner sowohl in der reprehensio vitae als auch in der contentio dignitatis unter Beachtung der Gründe für die Wahlniederlage des Anklägers dienten dazu, den Verdacht der sodalicia abzuwehren und die Ergebnisse der Wahlen zu begründen. Den iudices kamen dabei zweierlei Aufgaben zu: Erstens mussten sie die Entscheidung darüber treffen, ob tatsächlich illegale Wahlpraktiken angewandt wurden und zweitens galt es im Rahmen des Prozesses die Wahl und die Entscheidung der Comitien zu untersuchen. Zumindest indirekt mussten sie einen Beschluss darüber fassen, wer von den beiden Kontrahenten der geeignetere Kandidat für das angestrebte Amt war. Als Orientierung sollte die charakterliche Disposition der Prozessbeteiligten dienen. Beide Punkte machen deutlich, weshalb in den Prozessreden Darlegungen in Form der reprehensio vitae und der contentio dignitatis notwendig waren.520 Schließlich bestätigten die iudices mit einem Freispruch die Wahlergebnisse, oder dementierten den Wahlausgang durch eine Verurteilung. §§ 63–67 confiteor summa in Laterense ornamenta: Es folgt die Auseinandersetzung mit den Attributen, die laut L. Cassius Longinus den Ankläger Laterensis in besonderer Weise auszeichneten. Im Vordergrund standen die politischen Verdienste, wobei der erste Punkt sich auf die Quaestur 62 v. Chr. bezog. In Praeneste veranstaltete Laterensis als Quaestor Spiele, um die Unterstützung der municipes zu gewinnen.521 Diese Erklärung wurde von der Verteidigung als unerheblich beiseitegeschoben – 517 518 519 520 521
Mouritsen 2001, 98–99; vgl. Laser 1997, 128 u. ö. Kroll 1937, 130; Cic. Planc. 7 ff. So auch Adamietz 1986, 112. Siehe dazu ausführlicher Adamietz 1986, 108–113. Praeneste, ein municipium in Latium, gehörte zu tribus Menenia (tribus antiquissima) und war eine der unmittelbaren Nachbarstädte von Tusculum (tribus Papiria), dem Herkunftsort des Laterensis, vgl. Taylor 1960, 273.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
schließlich war Laterensis nicht der einzige Quaestor, der Spiele veranstaltet hatte. Im Hinblick auf die in der oratio dargelegten exempla scheint die Ausrichtung von ludi keine beachtliche Leistung oder gar Alleinstellungsmerkmal gewesen zu sein. Zumindest sollten sie auf objektiver Ebene nicht zu den Leistungen gehören, die in besonderer Weise für die honores qualifizierten. An zweiter Stelle wurden die Verdienste des Laterensis in Kyrene erwähnt – vermutlich als Proquaestor.522 Cicero gibt das Zitat des Cassius Longinus wie folgt wieder: „Cyrenis liberalem in publicanos, iustum in socios fuisse.“523 Sowohl die publicani als auch die socii hätten von seiner Quaestur profitiert: die ersteren aufgrund seiner liberalitas, die letzteren aufgrund seiner iustitia.524 Aus den Auszeichnungen in Kyrene ließ sich jedoch nur schwerlich Profit schlagen: Einerseits sei die römische Öffentlichkeit weder über die Ereignisse in den Provinzen informiert, noch zeige sie großes Interesse diesbezüglich; andererseits seien die politischen Angelegenheiten in Rom von größerer Bedeutung. Um der Aussage weiteren Nachdruck zu verleihen, nutzt Cicero im Folgenden seine Quaestur als Beispiel (§§ 64–66). Die Verwendung der Magistratur als Exempel sei legitim, da er sich bereits als Konsul bewährt habe: „in maximis imperiis“.525 Im Geschworenenkollegium solle jedoch nicht der Eindruck entstehen, der Redner wolle sich selbst preisen. Die Exemplifizierung der eigenen Person in der Planciana ist indes auffällig. In durchaus unterschiedlichen Kontexten ist die Person Ciceros anzutreffen: als amicus beider Parteien vor Gericht; als Vorbild eines in der petitio erfahrenen Konsulars, der sowohl Kritik als auch Empfehlungen aussprach; als exemplum eines homo novus, der suo anno die höchste Würde der res publica erlangt hatte; bis hin zur Nutzung des Exils als Topos, um einen Freispruch für den Mandanten zu erwirken. Die Selbstdarstellung lenkt bisweilen vom Prozess sichtlich ab. Die Grenze zwischen einem Anwalt in modernem Sinne und dem Klienten verschwimmt hier auf höchstem Niveau.526 Patterson bezeichnet die folgende Darstellung Ciceros über seine Quaestur als „a witty tale against himself “, die er bewusst nutzte, um von den Leistungen des Anklägers als Quaestor abzulenken.527 Während der Quaestur Ciceros auf Sizilien 75 v. Chr. trat in Rom eine Getreidenot ein. Um die Zufuhr von Getreide zu ermöglichen, kaufte er Vorräte aus Staatsmitteln auf und ließ diese in die urbs trans-
522 F. Münzer, RE 20,2 (1919) 1365–1367 s. v. M. Iuventius Laterensis (16). Zur Quaestur siehe Kunkel 1995, 38 ff., 46 ff.; Lintott 1999, 133 ff. Kyrene wird bereits in Cic. Planc. 13 aufgegriffen: So hätten zwar die socii in Kyrene von der virtus des Laterensis profitiert, dem populus Romanus blieb sie allerdings vorenthalten; Broughton MRR I, 175. 523 Cic. Planc. 63. 524 Laronde 1987, 479 Anm. 196. 525 Cic. Planc. 64. 526 Zum Gebrauch der eigenen Person in den Gerichtsreden Ciceros siehe Patterson 2004, 79–97; insbesondere zur Planciana 93–94; Thierfelder 1965, 385–415. 527 Patterson 2004, 94.
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
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portieren528 – demnach könne er dieselbe Wertschätzung für sich beanspruchen wie Cassius Longinus sie für Laterensis beanspruchte: er sei in gleicher Weise zu Händlern (negotiatores), Geschäftsleuten (mercatores), Aufkäufern (mancipes), den Bundesgenossen (socii) und überhaupt zu jedem gerecht, freundlich und großzügig gewesen.529 In der Hoffnung, beim populus Romanus in gleicher Weise beliebt zu sein und die Anerkennung seiner Dienste als Quaestor in Form weiterer honores zu erhalten, kehrte Cicero nach Rom zurück. Seine Rückreise schildert er ganz selbstironisch: In Puteoli angekommen habe man ihn gefragt, vor wie vielen Tagen er Rom verlassen habe und welche Neuigkeiten er berichten könne. Der Dialog gestaltete sich wie folgt: Als ich ihm antwortete, ich kehrte aus der Provinz zurück, da sagte er: „Ach, richtig, ich glaube aus Afrika.“ Da ärgerte ich mich, und ich sagte entrüstet zu ihm: „Nein, aus Sizilien.“ Da mischte sich jemand ein, der sich den Anschein gab, alles zu wissen: „Was“, sagte er, „du weißt nicht, daß er Quaestor in Syrakus war?“ Kurz und gut, ich hörte auf, mich zu ärgern, und tat so, als wäre ich einer von denen, die zur Badekur gekommen waren.530
Sizilien war mit zwei Quaestoren zu besetzen: Cicero hatte seinen Sitz auf Sizilien in Lilybaeum, in Syrakus befand sich das zweite quaestorium.531 Aus der ganzen Verwirrung und der ausbleibenden Anerkennung nach der Quaestur wurde die Erkenntnis gewonnen, die für alle weiteren petitiones von großem Wert sein sollte: der Aufstieg im cursus honorum setzte die unmittelbare Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit voraus. Dieser Schilderung folgend können verschiedene Kategorien von Sichtbarkeit aufgestellt werden. 1) Die Präsenz im öffentlichen Raum: unter die erste Kategorie fiel die Anwesenheit an den häufig frequentierten Plätzen wie dem Forum Romanum. Als frei zugänglicher Versammlungsort und als Ort der direkten Kommunikation vor und mit dem populus Romanus war das Auftreten dort essentiell. Hier traten die unterschiedlichen Akteure unmittelbar vis-à-vis in Kontakt. So bestand die Möglichkeit, die toga candida anzulegen und sich auf dem Forum als Kandidat zu präsentieren.532 2) Das eigene Haus: mit dem Hinweis, dass weder Pförtner noch Schlaf davon abhielten, Besucher zu empfangen, klassifiziert Cicero den Privathaushalt zu einem Ort der Semi-Öffentlichkeit. Hier konnten Personen unterschiedlicher Herkunft und Belange empfangen werden, Zugang zur eigenen Person gewährt und zugleich sowohl ein Kommunikationsraum als auch weitere Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen werden.533 Das Ablehnen von Besuch, die Verweigerung des Zutritts wurde als Desinteresse gedeutet, weshalb jeder Patron stets darum bemüht sein musste, jeden Besu528 529 530 531 532 533
Gelzer 1969, 29 ff. Cic. Planc. 65. Cic. Planc. 65. Gelzer 1969, 29. Hölkeskamp 2004, 137–168; ein neuer Diskurs zum öffentlichen Raum findet sich bei Russell 2016. Eine solche Empfehlung wurde bereits im Q. Cic. comm. pet. 44 ausgesprochen: „curaque, ut aditus ad te diurni nocturnique pateant, neque solum foribus aedium tuarum sed etiam vultu ac fronte, quae
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
cher zu empfangen. Cicero drückt damit metaphorisch die permanente Ansprechbarkeit aus. Gerade während der morgendlichen salutationes wurde das eigene Haus zum Ort der direkten Kommunikation.534 Dem tritt eine weitere Kategorie der öffentlichen Präsenz hinzu. 3) Die literarische Tätigkeit: so hätte der Verteidiger sowohl an freien Tagen wie auch an Feiertagen seine Reden verfasst, die durchaus öffentlichen Anklang fanden. Selbst der subscriptor Cassius Longinus hatte gestanden, die orationes zu lesen.535 Diese Art der Zugänglichkeit war eine, wenn auch wohl seltene Möglichkeit der Selbstrepräsentation. 536 Daraus lassen sich wiederum zwei Schlussfolgerungen ziehen: Erstens waren Erzählungen über Tätigkeiten im Vergleich zur unmittelbaren öffentlichen Präsenz weniger bedeutsam, zweitens war das Auftreten und die Sichtbarkeit in Rom maßgebend für das Erlangen weiterer honores. Diese Prämissen durften auch losgelöst vom aktuellen Prozess gegen Plancius Gültigkeit besessen haben: Ruhm und Ansehen (laus) erlangte man in Rom auf dem Forum und in den Comitien; das eigene Leben war also stets von der res publica abhängig.537 Laterensis, der Spiele in Praeneste ausgerichtet hatte und sich später in Kyrene aufhielt, hatte sich demnach der Öffentlichkeit entzogen. Die auffällig lange Zeitspanne von sieben Jahren zwischen der Quaestur 62 v. Chr. und der Bewerbung um die Aedilität 55, in denen keine politischen Ämter ausgeübt wurden, ist bereits thematisiert worden.538 Sieht man einmal von der zurückgezogenen Kandidatur für das Volkstribunat ab, war die Präsenz des Anklägers auf der politischen Bühne kaum nennenswert. Die unmittelbare öffentliche Sichtbarkeit, Präsenz und Zugänglichkeit waren für den politischen Aufstieg (idem virtuti cursus ad gloriam)539 also unbedingt notwendig.
est animi ianua;“ / „sorge dafür, dass die Zugänge zu dir Tag und Nacht offen stehen, und nicht nur an den Pfosten deiner Türen, sondern auch an deiner Miene und Stirn, die das Tor zur Seele ist“. 534 Goldbeck 2010, 100 f. zu Cic. Planc. 66. Der Bezug auf den Pförtner (unter Einbezug von Plut. Cicero 36,4) wird dahingehend interpretiert, dass Cicero keinen eigenen Türsteher hatte. Ob das der Wahrheit entsprach oder lediglich die stete Verfügbarkeit seiner eigenen Person darstellen sollte, sei hier dahingestellt; vgl. auch Beck 2009, 53–71 zum Rollenverhalten römischer Aristokraten, hier insbesondere die Bedeutung der salutatio in Patron-Klient-Beziehungen. 535 Cic. Planc. 66. 536 Als Leitmotiv habe Cicero sich stets an den ersten Satz des Geschichtswerks (Origines) des M. Porcius Cato Censorius (Cato der Ältere) gehalten. Hier hieß es: „clarorum virorum atque magnorum non minus oti quam negoti rationem exstare oportere.“ – „vortreffliche und große Männer seien über ihre Freizeit ebenso Rechenschaft schuldig wie über ihre Tätigkeit.“; vgl. zur politischen Literatur (und Genres) und öffentlicher Meinung in der römischen Republik Rosillo-López 2017, 98–109; 119–144. 537 Cic. Planc. 66: „ut etiam summa res publica mihi domi fuerit gerenda et urbs in urbe servanda.“ 538 Vgl. Cic. Planc. 13. 539 Cic. Planc. 67; vgl. Cic. Verr. IV,81.
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Die Abwesenheit aus Rom sei nur unter folgenden Bedingungen legitim: „sorte, lege, necessitate.“540 Das Losverfahren (sortitio) war in diversen Kontexten entscheidend: bei der Losung der Provinzen auf die Imperiumsträger, bei der Bestimmung der Vorsitzenden für die Gerichtshöfe, bei der Zuteilung der iudices auf die quaestiones, als Verfahren bei Stimmengleichheit in den comitia tributa (sortitio aedilicia) und zur Bestimmung der centuria praerogativa.541 Hier dürfte auf die sortitio in Bezug auf die Losung der Amtsbereiche (provincia) angespielt werden. Plancius wurde 58 v. Chr. als Quaestor nach Makedonien gesandt.542 Da Laterensis in Praeneste zunächst als Quaestor Spiele veranstaltete – daher eventuell einer der quaestores urbani war –, um anschließend in Kyrene als Proquaestor tätig zu sein, betraf das Prinzip der sortitio auch ihn. Das Losverfahren stellt demnach kein Alleinstellungsmerkmal dar. Entscheidend waren nach wie vor die Präsenz in der städtischen Öffentlichkeit und die persönliche Führung eines Wahlkampfes: Plancius hatte also die Bedeutung der petitio verinnerlicht.543 §§ 68–71 Quamquam dissimilis est pecuniae debitio et gratiae:544 Ciceros Exil wird im Folgenden thematisiert und um konkrete exempla erweitert. Es war ein Anliegen der Anklage, die Pflichten Ciceros gegenüber Plancius als unerheblich darzustellen und die Übernahme der Verteidigung zu kritisieren. Den Angriffen ausgesetzt gesteht der Verteidiger zuletzt, er sei allen boni in gleicher Weise dankbar und stände in ihrer Schuld – zum Kreis der boni zählte er allerdings auch Cn. Plancius.545 So sieht sich Cicero in der Pflicht, allen, die auf seine Hilfe angewiesen waren, im Laufe der Zeit seine Schuld abzuleisten. Eine strikte Trennung zwischen einer Geldschuld und der Schuld, die auf gratia zurückgeht, sei grundlegend. Finanzielle Schulden wurden stets mit der Rückzahlung des offenen Betrages abgeschlossen, wohingegen die Dankesschuld (gratia) stets zu bestehen schien.546 Nicht nur Cicero selbst, sondern seiner gesamten familia sei die Verteidigung des Plancius ein besonderes Anliegen, da dieser den Bruder und Vater gerettet hatte.547
540 Cic. Planc. 67: Plancius „hat die Stadt nur verlassen, wenn ihn das Los, das Gesetz, ein anderer zwingenden Grund dazu nötigte.“ 541 Bunse 2002, 416–432 zur sortitio. 542 Broughton MRR II, 197 zur Quaestur des Plancius 58 v. Chr., die wir mit Sicherheit aufgrund des Exils von Cicero datieren können; ders. 175 zur Quaestur des Laterensis mit unsicherer Datierung. 543 Cic. Planc. 67: „fuit in oculis, petivit, ea est usus ratione vitae qua minima invidia novi homines plurimi sunt eosdem honores consecuti.“ 544 Ciceros Dankbarkeit gegenüber Plancius wird bereits ab Cic. Planc. 5 ff. thematisiert. 545 Die boni viri finden in Cic. Planc. 3 u. ö. Erwähnung. Archard 1973, 213 in Rückbezug auf Cic. Planc. 18 und 86; Welti 1995, 48–65 für den Sachverhalt der boni viri. 546 Zum Begriff gratia Hölkeskamp 2011, 216; Moussy 1966, 249 ff.; 355 ff.; 371 ff.; 475 ff.; Hellegouarc’h 1963, 202 ff. 547 Cic. Planc. 69.
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Es folgen zwei exempla einer jedoch bloß scheinbar ähnlichen Konstellation: 1) L. Opimius, von Cicero hier als „servatorem ipsum rei publicae“548 charakterisiert, war 121 v. Chr. gemeinsam mit Q. Fabius Maximus (Allobrogicus) Konsul.549 Nachdem Opimius erfolgreich gegen C. Gracchus und seine Anhänger vorgegangen war, wurde er 109 v. Chr. vor einer quaestio extraordinaria unter der lex Mamilia de coniuratione Iugurthina550 (Hochverrat und Bestechung in Zusammenhang mit Jugurtha) angeklagt und zum Exil verurteilt.551 2) Q. Calidius verabschiedete in seinem Volkstribunat 98 v. Chr. die lex Calidia de Q. Caecilio Metello revocando,552 die es ermöglicht hatte, den zuvor verbannten Q. Caecilius Metellus Numidicus, Konsul 109 v. Chr., aus dem Exil zurückzuberufen (in civitatem restitutus).553 Auch Calidius wurde 77 v. Chr. – also zwei Jahre nach seiner Praetur (79 v. Chr.) – vor der quaestio de repetundis angeklagt und verurteilt.554 Mit welcher Absicht verwies die Anklage auf L. Opimius und Q. Calidius? Beide Männer hatten sich durch ihre Taten zum Wohle der res publica ausgezeichnet. Opimius wird als der Retter des Staates tituliert, Calidius wurde die Rückberufung des Metellus Numidicus hoch angerechnet. Dennoch wurden sie angeklagt und schuldig gesprochen: „quod neque Opimius suo nomine liberatus sit neque Metelli Calidius.“555 Der Vergleich zwischen Plancius und den beiden Männern Opimius und Calidius ist allerdings nur oberflächlich tragbar. Den persönlichen Einsatz Ciceros für Plancius empfand die Anklage wohl daher als unverhältnismäßig. In welcher Relation sieht Cicero sich in Bezug auf die oben angeführten exempla? Wie kann er seine Rolle kontextualisieren? Im Falle des Q. Calidius hatte sich der ehemalige Konsul von 80 v. Chr., Q. Caecilius Metellus Pius, der Sohn des oben erwähnten Q. Caecilius Metellus Numidicus, bei der Bewerbung des Calidius um die Praetur für diesen eingesetzt556 – so wie Cicero die Kandidatur des Plancius um die Aedilität 548 Neben Cic. Planc. 69 vgl. Cic. de orat. II,132: „rei publicae causa cum ex senatus consulto ad arma vocasset.“ 549 Broughton MRR I, 520–521. 550 Rotondi 1962, 324. 551 Alexander 1990, 27 (Nr. 53). Er verstarb wohl im Exil in Dyrrhachium. 552 Rotondi 1962, 334. Bereits vor dem Dezember 99 gab es einen Versuch, Caecilius Metellus aus dem Exil zurückzuberufen, der aber scheiterte: im Dezember 100 reichten die Volkstribune M. Porcius Cato und Q. Pompeius Rufus die rogatio Porcia Pompeia de Q. Caecilio Metello revocando ein, die aufgrund des Widerstandes von C. Marius und dem Volkstribun P. Furius scheiterte; vgl. Broughton MRR II, 2. 553 Broughton MRR II, 4–5: Calidius; Broughton MRR II, 545: Metellus Numidicus; vgl. Tatum 2018, 99–109. 554 Alexander 1990, 70–71 (Nr. 139). Vgl. Cic. Verr. I,38. 555 Cic. Planc. 69: „da weder dem Opimius der eigene Name noch dem Calidius der Name des Metellus zu einem Freispruch verholfen habe“. 556 Cic. Planc. 69; Broughton MRR II, 79: Konsul neben L. Cornelius Sulla Felix. Cicero will den Einsatz des Q. Caecilius Metellus Pius für Q. Calidius beim populus Romanus selbst miterlebt haben.
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unterstützt hatte. Dabei habe Metellus Pius gegenüber dem populus Romanus erklärt, Calidius sei „patronum esse illum et familiae nobilissimae“.557 Diese Erklärung kann nur darauf zurückgeführt werden, dass Calidius maßgeblich für die Rückberufung des Numidicus aus dem Exil verantwortlich war. Nun käme Cicero dieselbe Aufgabe zu, sich im Prozess gegen Plancius für diesen einzusetzen – Plancius war im gewissen Sinne ein patronus für ihn und seine Familie gewesen. Demnach setzte er sich für den Angeklagten in demselben Maße ein, wie entweder Q. Caecilius Metellus Pius selbst oder sein zu der Zeit bereits verstorbener Vater Q. Caecilius Metellus Numidicus es für Calidius getan hatten.558 Das Beispiel des L. Opimius, der während seines Exils verstarb, wird unter einem anderen Blickwinkel betrachtet: nicht nur wird sein Fall als ein Unglück, sondern als „volnus illud rei publicae, dedecus huius imperi, turpitudo populi Romani, non iudicum putandum est“ dargestellt.559 Zudem werden die iudices der Geschworenenbank im Prozess gegen Opimius als „parricidae patriae“ (Meuchelmörder ihres Vaterlandes) tituliert. Schließlich waren es diese Richter, die einen Mann, „qui praetor finitimo, consul domestico bello rem publicam liberat“,560 verurteilt hatten. In gleicher Weise werden die iudices im Dialog Brutus als „Gracchani iudices“ diffamiert, die Opimius zugrunde gerichtet haben sollen.561 Unter Einbezug der Quellenstelle Cic. Verr. I,38 in Ergänzung zu Cic. Planc. 70 (illi iudices, si iudices et non parricidae patriae nominandi sunt) und Cic. Brut. 128 ist die Schlussfolgerung naheliegend, dass mit illi iudices die senatorischen Richter gemeint sein dürften, nicht die equites. In Anbetracht der iudices im Prozess gegen Plancius kann also die These weiter untermauert werden, dass der Redner Cicero sich solcher Formulierungen vor einem zum Teil aus Senatoren bestehenden Gerichtshof wohl kaum bedient hätte. Demnach dürfte die quaestio de sodaliciis, die hier als quaestio extraordinaria verstanden wird, nur aus equites und tribuni aerarii zusammengesetzt worden sein.562 Die Aussage hinsichtlich der Erfolge des Opimius geht auf folgende zwei Maßnahmen zurück: Als Praetor 125 v. Chr. hatte Opimius einen Aufstand in Fregellae unterdrückt,563 um später als Konsul 121 v. Chr. das senatus consultum ultimum gegen C. Sempronius Gracchus und seine Anhänger zu erwirken.564 Entzöge Cicero nun vor 557 558 559 560 561 562 563 564
Cic. Planc. 69: „Calidius sei der Schutzherr sowohl seiner selbst als auch seines hochadligen Hauses.“ Metellus Pius befand sich zum Zeitpunkt des Prozesses gegen Calidius nicht in Rom (Cic. Planc. 70), da er bis 72 v. Chr. als Prokonsul in Spanien tätig war. Cic. Planc. 70: „Das war eine Wunde unseres Staatswesens, eine Schande für dieses Reich, ein Schimpf über das römische Volk, keine gerichtliche Entscheidung (…)“. Cic. Planc. 70: „(…) der dem Staat als Praetor einen Krieg in der Nähe, als Konsul einen Bürgerkrieg vom Halse geschafft hatte“. Mattingly 1975, 261; Cic. Brut. 128. Siehe hier das Kapitel „Alte Gesetze in neuen Händen? Die lex Licinia de sodaliciis“. Vgl. Cic. Pis. 95. Vgl. Broughton MRR I zu Opimius; vgl. Plut. C. Gracchus 18,1; dazu Nippel 1981a, 77: Ein senatus consultum ultimum war ein Kontrollmechanismus des Senats, Volkstribune, denen man ein regnum
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Gericht dem Angeklagten seine Unterstützung, dürfte er dasselbe Strafmaß erfahren wie Opimius, nämlich das Exil. In Anbetracht der vorgebrachten Beispiele sei die Hilfe (beneficium) des Plancius nicht zu unterschätzen: Er habe Cicero schließlich vor der Ermordung gerettet, dessen Feinde keine Milde hätten walten lassen. Die politischen Zustände zur Zeit seiner Verbannung beschreibt Cicero wie folgt: „(…) toto illo anno ferrum in foro, flammam in delubris, vim in tota urbe“.565 Die metaphorischen Andeutungen richteten sich gegen den Volkstribun Clodius Pulcher. Im Jahr 58 v. Chr., während des Konsulats von L. Calpurnius Piso Caesoninus und A. Gabinius, zwang Clodius mit seiner Gesetzgebung (lex Clodia de capite civis romani) Cicero ins Exil.566 In der Rede für P. Sestius 56 v. Chr., der nach seinem Volkstribunat 57 v. Chr. aufgrund der gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Clodius Pulcher angeklagt worden war, wird die politische Situation von 58 v. Chr. in ähnlicher Weise beschrieben: „armati homines forum et contiones tenebant“.567 Dabei hatte Clodius als Volkstribun nicht nur die römische Innenpolitik maßgeblich beeinflusst – wie aus pro Plancio und pro Sestio hervorgeht –, sondern über das Forum als konkreten Raum hinaus, auch die contiones als politisches Instrument kontrolliert.568 ii. Oratio pro se – Ciceros Selbstdarstellung Cicero entkräftet die gegen ihn persönlich vorgebrachten Angriffe und legt seine Motive für die Verteidigung des Plancius vor Gericht dar. Der Verweis auf die oratio post reditum in senatu soll belegen, dass er bereits vor dem Prozess seiner Dankespflicht nachgekommen war.569 Wie in der Einleitung (§ 4) angekündigt, wird in den Abschnit-
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unterstelle, zu liquidieren. Auf diese Weise konnte man sich des C. Gracchus entledigen. Ferner Nippel 1984, 25–26, 27: „(…) senatus consultum ultimum (…) which was formally passed for the first time in 121 B. C.“ Nach wie vor grundlegend zum Notstandsrecht: von Ungern-Sternberg 1970 und Meier 1979, 40–73. Cic. Planc. 71: „(…) wo du doch Zeuge warst, wie während des ganzen Jahres auf dem Forum die blanke Waffe, in den Tempeln Feuer und überall in Stadt Gewalt gewütet hat.“ Vgl. Cic. p. red. ad Quir. 14; Cic. Cael. 78; Cic. Mil. 73; ebenso Cic. Sest. 53–54. Zum besagten Jahr Broughton MRR II, 193 f.; zu den Gesetzesinitiativen des Clodius ebenfalls Broughton, vgl. Rotondi 1962, 393 ff.; zu der steten Auseinandersetzung zwischen Caesar und Clodius Tatum 1999 mit weiterer einschlägiger Literatur zum Verhältnis der beiden ‚Erzfeinde‘; ergänzend nach wie vor auf Grund der quellenreichen Analyse Gelzer 1969, 135 ff.; in neuer Auflage mit einer Einleitung zur Forschungsgeschichte Gelzer/Rieß 2014. Cic. Sest. 34–35; Broughton MRR II, 202; Alexander 1990, 132 (Nr. 271). Siehe aktuell Russell 2016a, 186–187 mit der einschlägigen Literatur zur Person des Clodius; zu Clodius Pulcher siehe nach wie vor Tatum 1999; zu den tabernarii auch Nippel 1981a, 83, der die „militärische Effizienz“ der clodischen Banden im Vergleich zu den Gladiatoren-Banden des T. Annius Milo zu relativieren sucht und eine „Grenze der Mobilisierbarkeit“ zieht. Cicero hatte bereits in der oratio post reditum in senatu Plancius gedankt. Eine nachträgliche Erfindung von Dankespflicht war nicht mehr notwendig.
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ten §§ 72–100 ausführlich der Vorwurf der exzessiven Dankespflicht besprochen. Im Verlauf der weiteren Rede wird zunächst von den Wohltaten des Laterensis für Cicero berichtet (§§ 72–73 und 78), um parallel auf die Hilfestellung des Plancius (§§ 72–82) während des Exils zu verweisen.570 Die oratio pro se bereitet in einer pathetischen Ausdrucksweise auf die peroratio vor, weshalb Yakobson die oratio im Hinblick auf die Wahlvorgänge und die unterschiedlichen Aspekte der Comitien ab § 67 als ‚irrelevant‘ betrachtet.571 Neben diesen beiden Punkten gibt die oratio auch zum Prozessgegenstand der illegalen sodalicia keine weiteren Informationen mehr her. Vielmehr steht allein Ciceros Person im Fokus. §§ 72–74 quae de Plancio dicerem, ementiri et temporis causa fingere: Die Schilderung über die beneficia des Plancius habe Cicero erdichtet. Der Verteidiger hält dieser Anschuldigung zwei Gründe für die Übernahme des Falls entgegen: 1. familiaritas, vicinitas und patris amicitia; und 2. den Charakter des Plancius: splendor et dignitas.572 In Anbetracht dieser zwei Kernpunkte scheint aus Sicht der Verteidigung eine künstlich konstruierte Verbundenheit nicht notwendig zu sein. Sicherlich war der Dank und die daraus resultierende Solidarität Ciceros, der sich in Todesgefahr glaubte, als er Rom verließ, gegenüber Plancius genuin.573 Seine Beziehungen zu den publicani und daher zu dem älteren Plancius erklärt die patris amicitia. Die vicinitas zwischen Atina und Arpinum und die daraus entstandenen Beziehungen nahmen in der bisherigen Argumentation bereits einen großen Stellenwert ein. Für die Illustration der Sachlage wird ein Vergleich herangezogen, der dem militärischen Bereich entnommen ist: Die Verleihung der corona civica. Die corona, ein aus Eichenlaub gefertigter Kranz, wurde nur dann verliehen, wenn das eigene Leben durch den Empfänger der corona in der Schlacht gerettet wurde.574 Die daraus resultierende Pflicht scheint lebenslang bindend gewesen zu sein.575 Die mit der Verleihung des Bürgerkranzes einhergehende Bindung und Verpflichtung gleiche der zum eigenen Vater: „sed onus benefici reformidant, quod permagnum est alieno debere idem quod parenti.“576 Nicht nur die subjektive Verbundenheit zwischen Retter und Gerettetem, 570 571 572 573 574 575
Kroll 1937, 129. Yakobson 1999, 97–103, hier 103. Cic. Planc. 72. Gelzer 1969, 141–143. Bergmann 2010, 135 ff. zur corona civica. Cic. Planc. 73, aufgrund der lebenslangen Verpflichtung, die mit der Verleihung einer corona einhergeht, würde es auch einfachen Soldaten wiederstreben, diese zu verleihen; vgl. Bergmann 2010, 136. 576 Cic. Planc. 72: „(aber sie scheuen) die Last der Dankbarkeitspflicht, weil es etwas Drückendes ist, einem Fremden in demselben Maße verpflichtet zu sein wie dem Vater“ – der von Fuhrmann gebrauchte Kausalsatz („sondern, weil“) wurde an dieser Stelle lediglich durch ein „aber“ ersetzt. Die Verpflichtung wie gegenüber einem Vater zum einen und die Taten, die vom Retter erbrachten werden mussten, um eine Auszeichnung zu erhalten, greift auch Pol. VI, 39 auf. Polybios berichtet
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oder wie Cicero es versteht: die schwere und dauerhafte Last der Dankbarkeitspflicht, war der Hauptgrund für die seltene Verleihung einer corona civica. Vielmehr verlangte die Verleihung der dona militaria außerordentliche Taten in militärischen Auseinandersetzungen.577 Darüber hinaus seien beneficia gerne übersehen worden, um niemandem ein officium schuldig zu sein. Aufgrund welcher Leistungen erhielt Iuventius Laterensis, der Cicero neben weiteren amici aus der Stadt geleitet hatte und an dieser Stelle als „amicissimus“ bezeichnet wird, Anerkennung?578 Laterensis habe sowohl Ciceros Frau als auch dessen Kinder, die in Rom zurückgeblieben waren, finanziell unterstützt: „cum meos liberos et uxorem me absente tuis opibus auxilioque defendisses“.579 Die finanzielle Fürsorge war wohl auch notwendig: Dem Exilanten wurden schließlich alle drei Wohnsitze (das Haus auf dem Palatin, die Villen in Tusculum und in Formiae) mit weiterem Besitz entzogen.580 Was zunächst ambivalent scheint, ist folgende Erläuterung: Laterensis habe anfänglich keine Widersprüche gegen das „studium (…) in Cn. Planci honore“581 erhoben. Der fehlende Einwand ist sicherlich nicht allein auf die Person Ciceros zurückzuführen. Man bedenke die Konstellation der coitiones 55 v. Chr., als der Wahlkampf um die Aedilität akut war.582 Laterensis und Plancius waren ursprünglich eine coitio eingegangen. Es wäre ganz im Sinne des Ersteren gewesen, wenn sich Plancius mit der Fürsprache Ciceros eine breitere politische Unterstützung hätte sichern können – schließlich konnte Laterensis als Verbündeter von diesem Umstand nur profitieren. Er hatte jedoch eine doppelte Niederlage erdulden müssen: Nicht nur war er in beiden Durchläufen der comitia tributa 55 v. Chr. der Unterlegene, auch hatte Plancius nach dem ersten Wahlgang die coitio aufgelöst. Die politischen Konstellationen und Zusammenschlüsse mussten entsprechend hochgradig fluktuierend gewesen sein. Zudem scheint es nicht der Zusammenarbeit mit einem nobilis bedurft zu haben, um als homo novus ritterlichen Ursprungs eine Wahl – wenn auch ‚nur‘ für die Aedilität – für sich zu entscheiden. Die Dankespflicht gegenüber Plancius will Cicero unter Einbezug einer weiteren Rede nochmals aufzeigen. Nach der Rückkehr aus dem Exil 57 v. Chr. hatte der ehemalige Konsul eine Rede im Senat gehalten: die oratio post reditum in senatu. In der besagten oratio wurde Cn. Plancius (oratio quae est a me prima habita in senatu) ex-
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ebenfalls von der potentiellen Möglichkeit, dass Soldaten und Feldherren einen Geretteten dazu zwingen konnten, seinem Retter die Geste der Dankbarkeit in Form der corona civica zu erbringen. Bergmann 2010, 136–137 mit einer Erörterung der zu erfüllenden Anforderungen für die Verleihung der corono civica wie sie bei Plin. nat. XVI,12 f. geschildert sind. Gelzer 1969, 140. Cic. Planc. 73. Kelly 2006, 110–125, 112; Gelzer 1969, 153–155. Cicero wurden allerdings mit dem Rückberufungsbeschluss auch die eingezogenen Güter wieder zurückerstattet: Rotondi 1962, 400–402 rogationes de revocando Cicerone; zur Rolle von Ciceros Besitz siehe Miller 1998, 140–141; Tatum 1999, 159–162; generell Shatzman 1975. Cic. Planc. 73. Cic. Planc. 54.
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plizit erwähnt.583 Cicero habe nur diejenigen Männer mit einer Erwähnung im Senat gewürdigt, die sich seiner 58 v. Chr. als „duces“ angenommen hatten: Es wurde also eine bewusste Auswahl getroffen. Die Erwähnung der korrespondierenden Stelle lässt zugleich die Absicht der Argumentation erkennen: Aufgrund der zeitlichen Distanz (57 v. Chr. die oratio im Senat und 54 v. Chr. der Prozess) sei eine nachträgliche Erwähnung von Hilfeleistungen nicht notwendig.584 Sie soll daher als Beweismittel für die Verbundenheit Ciceros stehen und die Beteiligten vor Gericht davon überzeugen.585 Da Cicero die oratio post reditum in senatu, noch bevor er sie im Senat vortragen konnte, verschriftlicht haben will, könne sie nun als Beweis im Rahmen des Prozesses erneut wiedergegeben werden. Die Erwähnung eines schriftlichen Manuskripts, das Cicero mit in den Senat genommen haben soll, wirft Fragen auf. Gelzer verweist in Anlehnung an Cic. Planc. 74 auf die Tatsache, Cicero habe, um eben niemanden zu übergehen, eine Aufzeichnung – meines Ermessens nach wohl nur eine Namensliste – mit in den Senat genommen, um von ihr abzulesen. Bücher/Walter widersprechen dieser Deutung aufgrund der angeblich sprachlichen Ungereimtheit „dicta de scripto est“ sowie aufgrund des ciceronianischen Selbstverständnisses, die erste Rede nach dem Exil im Senat frei vortragen zu wollen. Dieser Annahme widerspricht Vössing – nicht zu Unrecht – vehement, der über die Planciana hinaus weitere Stellen nachweisen kann, in denen die Formulierung „dicta de scripto est“ verwendet wird. Auch würde gerade die Rede post reditum in senatu in das Genre fallen, in dem das Ablesen von einem Manuskript durchaus üblich gewesen sein durfte.586 §§ 75–77 Cispiani iudici: Der Volkstribun von 57 v. Chr., M. Cispius, wurde vermutlich 56 v. Chr. wegen ambitus nach der lex Tullia de ambitu angeklagt.587 Trotz der Verteidigung durch Cicero wurde Cispius schuldig gesprochen.588 Die Niederlage Ciceros 583
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Cic. Planc. 74; Cic. p. red. in sen. 35: „Cuius mei sensus certissimus testis est hic idem, qui custos capitis fuit, Cn. Plancius, qui omnibus provincialibus ornamentis commodisque depositis totam suam quaesturam in me sustentando et conservando collocavit. Qui si mihi quaestor imperatori fuisset, in filii loco fuisset; nunc certe erit in parentis, cum fuerit quaestor non imperii, sed doloris mei.“ Cic. Planc. 74: „in qua ego homo astutus ei me dedebam cui nihil magno opere deberem, et huius offici tanti servitutem astringebam testimonio sempiterno.“ Die Dankespflicht ist hier eine servitus officii, vgl. Blänsdorf 2016, 69. So auch Nótári 2014, 333. Gelzer 1969, 150; Bücher/Walter 2006, 237–240; Vössing 2008, 143–150. Cicero mochte allerdings kein weiteres Aufheben um seine übrigen Schriften machen, die für seine Studien gedacht waren, jedoch nicht in die Gerichtshöfe gehörten: „(…) ne aut proferre videar ad tempus aut eo genere uti litterarum quod meis studiis aptius quam consuetudini iudiciorum esse videatur.“ Nach den Kommentatoren Köpke/Landgraf 1887 und nach Fuhrmanns Deutung (1997) spielt Cicero hier auf die beiden Schriften „De consulatu suo“ (Erwähnung in Cic. Att. I,19–20) und „De temporibus suis“ an (insgesamt drei Bücher, Erwähnung neben Cic. Planc. 74; Cic. fam. I,9). Vgl. ebenso Cic. Pis. 72 ff. Broughton MRR II, 201–202; F. Münzer, RE 6,2 (1899) 2589–2590 s. v. M. Cispius (4). Alexander 1990, 136 (Nr. 279).
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im Prozess gegen Cispius scheint von der Anklage thematisiert und zugleich als Omen für den Ausgang des Verfahrens gegen Plancius gedeutet worden zu sein; der Beistand des Verteidigers vor Gericht habe nach dem Exil an Relevanz verloren.589 Gerade M. Cispius hatte sich als Volkstribun 57 v. Chr. für die Rückberufung Ciceros eingesetzt und sich infolgedessen gegen Clodius Pulcher positioniert.590 Von Cispius’ Einsatz habe Cicero erst nachträglich von Laterensis selbst erfahren. Aus der Schilderung geht deutlich hervor, dass Cicero und Cispius ursprünglich keine amici waren oder in einer ähnlichen Beziehung standen.591 Es sei sogar Laterensis gewesen, der Cicero dazu bewegt hatte, Cispius vor Gericht zu verteidigen. Der Sarkasmus vor Gericht unter Anwendung des exemplum Cispius war fraglos ein persönlicher Angriff auf Ciceros Person.592 Sowohl die Formulierung „invidia“ als auch die Frage „quo usque“ machen unmissverständlich deutlich, dass die Schilderungen Ciceros über das Exil und die auf diese Weise gewonnene Sympathie einigen seiner Mandanten vor Gericht geholfen hatten. Im Cispius Fall war der Erfolg allerdings ausgeblieben. Folglich sei die Strategie allgemein nicht mehr Erfolg versprechend – so soll Cicero nun im aktuellen Fall davon ablassen. Die Erwähnung von „lacrimula“ durch die Anklage – Cicero soll während des Cispius Prozesses geweint haben – verweist an dieser Stelle bereits auf die emotionale wie tränenreiche peroratio (§§ 101–104) im vorliegenden Gerichtsverfahren.593 §§ 77–82 L. Racili: Im Vergleich zu L. Racilius habe Cn. Plancius als Volkstribun weniger für Cicero bewirkt. Dass Plancius als Volkstribun im Vergleich zu seinen Kollegen nicht sonderlich hervorgetreten war, wurde von der Anklage bereits kritisiert (Cic. Planc. 27–28). Der direkte Vergleich nun mit L. Racilius, einem der Kollegen des Plancius 56 v. Chr. im Volkstribunat, spielt auf folgende Ereignisse in Rom an. Racilius war besonders durch seine abwehrende Haltung gegenüber Clodius Pulcher hervorgetreten. Gemeinsam mit T. Annius Milo, einem der Volkstribune 57 v. Chr., hatte Racilius unter Anwendung der lex Plautia de vi Clodius Pulcher angeklagt,594 wohl um Clodius‘ Kandidatur für die Aedilität 56 v. Chr. zu verhindern. Der daraufhin entstandene Konflikt, ob der Bewerbung um die Magistratur oder der strafrechtlichen 589 Die Aussage der Ankläger war wohl allein der rhetorischen Zuspitzung geschuldet. Eine Auswertung der bekannten Prozesse, in denen Cicero als Anwalt auftrat, zeigt das genaue Gegenteil: Zwischen Januar/Februar 56 v. Chr. bis zum Prozess gegen Plancius 54 v. Chr. trat Cicero in 12 Prozessen als Anwalt auf. Lediglich in zwei von ihnen musste er eine Niederlage erfahren, nämlich im Prozess gegen M. Cispius 56 v. Chr. und im Prozess gegen L. Caninius Gallus 55 v. Chr. Eine Auflistung der Prozesse findet sich im Appendix. 590 Cic. p. red. in sen. 21: zu der Freundschaft mit Cicero; Cic. Sest. 76 zu den Attacken des Clodius gegen Cispius. 591 Vgl. F. Münzer, RE 6,2 (1899) 2589–2590 s. v. M. Cispius (4). 592 Cic. Planc. 75: Cicero konnte diese Anschuldigung gegen sich weder mit seinem Verhalten vor Gericht noch mit seinem Auftreten in der Öffentlichkeit vereinbaren. 593 Cic. Planc. 76: „Et mihi lacrimulam Cispiani iudici obiectas.“ 594 Broughton MRR II, 201; Alexander 1990, 128 (Nr. 261); Rotondi 1962, 377–378.
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Verfolgung der Vorrang zu gewähren war, wurde durch die Intervention anderer Magistrate geklärt: Das Strafverfahren konnte durch den Konsul von 57 v. Chr., Q. Caecilius Metellus Nepos, den Praetor Ap. Claudius Pulcher und einen der Volkstribune (Sex. Atilius Serranus Gavianus oder Q. Numerius Rufus) abgewendet werden.595 Tatum beschreibt die Situation sehr treffend: Die Unterdrückung der Gerichtshöfe war nur mit Hilfe der unschlagbaren Kombination der höchsten Magistrate und einem Repräsentanten der plebs möglich gewesen596 – zugleich signalisiert dieser Vorfall allein die beachtliche Stellung der spätrepublikanischen Gerichtshöfe im Gefüge der res publica. Die Gefahr einer Anklage drohte Clodius allerdings weiterhin. Nach dem ersten blockierten Versuch Anfang des Jahres 57 v. Chr. unternahm Milo einen erneuten Versuch Ende November 57. Kurze Zeit später, am 10. Dezember 57, traten die Volkstribune des Jahres 56 v. Chr. ihr Amt an – unter ihnen befand sich der besagte L. Racilius. Dieser hielt nach seinem Amtsantritt eine Rede im Senat, in der er auf die drohende Klage gegen Clodius hinwies.597 Nachdem die erste Anklage durch die Intervention des Konsuls gemeinsam mit dem Praetor und einem der Volkstribune gescheitert war, sollte die zweite Anklage an einer technischen Hürde scheitern: Die Quaestoren des Jahres 57 hatten ihr Amt bereits niedergelegt, ihre Nachfolger waren jedoch noch nicht gewählt. Dieser Umstand bedeutete für die iudicia publica eine Zeitspanne, in der keine Prozesse geführt werden konnten. Die Praetoren in Zusammenarbeit mit den Quaestoren waren schließlich für die Aufstellung des album iudicum verantwortlich: Das bedeutete also keine Quaestoren, keine Jury, kein Prozess.598 Der Konsul des Jahres 56 v. Chr., Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus, brachte mit der Unterstützung seines Kollegen L. Marcius Philippus im Senat den Vorschlag ein, der bereits designierte praetor urbanus, L. Caecilius Rufus,599 solle die iudices ex ordine für die quaestio de vi des Jahres einberufen – d. h. noch bevor das album iudicum aufgestellt werden konnte, sollte der praetor urbanus für die quaestio de vi die iudices aus den drei ordines der Senatoren, Ritter und Ärartribune einberufen. Währenddessen sollten die Wahlen der übrigen Magistrate für das Jahr 56 v. Chr. weitergehen. Der Volkstribun C. Porcius Cato und einer seiner Kollegen interzedierten allerdings. Während dieser Senatssitzung eskalierte die Auseinandersetzung der Banden des Clodius und Milo, sodass die Sitzung gesprengt und kein Ergebnis im Prozess gegen Clodius getroffen wurde.600 Nachdem Clodius durch die Comitien zum
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Tatum 1999, 178 ff.; vgl. Cic. Sest. 89. Tatum 1999, 179. Cic. ad Q. fr. II,1,2–3. Tatum 1999, 197; laut Cass. Dio 39,7,4 waren die Quaestoren für die Zusammenberufung der Richter für die quaestio de vi verantwortlich. 599 Broughton MRR II, 200. 600 Tatum 1999, 197–198; Nowak 1973, 138; Cic. ad Q. fr. II,1,3.
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Aedil für das Jahr 56 v. Chr. gewählt wurde, war eine gerichtliche Verfolgung aufgrund der Immunität von Magistraten nicht mehr möglich.601 Die exempla sollten sich eindeutig von Plancius abheben: Sowohl Cispius als auch Racilius hatten sich gegen Clodius und für Cicero eingesetzt. Ihre Freundschaft und Unterstützung hatten sie in Rom mittels ihrer politischen Positionierung verdeutlicht. Es scheint, gerade unter den Kriterien der „Direktheit, Sichtbarkeit und Hörbarkeit“,602 dass der Einsatz und die unmittelbare Konfrontation in Rom gegenüber der Hilfestellung in der Provinz von größerem Wert waren. Ein weiterer Einsatz durch Plancius als Volkstribun sei jedoch nicht notwendig gewesen: Dieser hatte Cicero schließlich beinahe sechs Monate lang in Thessaloniki Aufenthalt gewährt, und Racilius hatte scheinbar bereits genügend Engagement in Rom gezeigt: „Racili beneficiis“.603 Um die Vorwürfe der Anklage weiter zu entkräften, wird auf eine Senatssitzung Bezug genommen, die noch vor der Rückberufung Ciceros aus dem Exil stattgefunden hatte. Die patres hatten sich im Mai 57 v. Chr. in dem von Marius gestifteten Tempel des Honos und der Virtus zusammengefunden. Aus dieser Sitzung resultierte ein senatus consultum, laut dessen Anordnung der populus Romanus die Weisung erhielt, für Ciceros Sicherheit zu sorgen: „(…) cum patres conscripti illo senatus consulto quod in monumento Mari factum est, quo mea salus omnibus est gentibus commendata (…).“604 In dem SC sollen die patres lediglich Plancius von allen Magistraten gedankt haben: „uni Plancio gratias egerint“.605 Die Dankesbekundung des Senats rechtfertigte also die ausschweifende Darlegung über die Verbundenheit mit seinem Mandanten. Die Verpflichtungen gegenüber unterschiedlichen Personen kollidierten ganz offensichtlich miteinander: „(…) non quia multis debeo (…), sed quia nomina saepe concurrunt (…)“.606 Die Konflikte lassen sich, wenn nicht im Zusammenstoß zwischen Laterensis und Plancius, so doch zumindest in der Unterscheidung zwischen L. Racilius und Cn. Plancius finden. Sowohl Laterensis als auch Racilius waren treue Anhänger der Senatspartei, Plancius dagegen war ein Protegé Caesars. Dieser Diskrepanz ist sich auch Cicero 54 v. Chr. mehr als bewusst. Das Eingeständnis darüber formulierte er wie folgt: „(…) einige von denen, die mir geholfen haben, liegen miteinander im Streit, so daß ich schwerlich, fürchte ich, zur gleichen Zeit allen gegenüber meinen Dank bekunden kann.“607 Auf diese missliche Lage hatte er bereits zu Beginn der Verteidi-
601 Kunkel 1995, 259 ff. zum Verbot der gerichtlichen Verfolgung amtierender Magistrate; Alexander 1990, 128 (Nr. 262). 602 Beck 2005, 156. 603 Cic. Planc. 77. 604 Cic. Planc. 78; diesbezüglich auch Cic. Sest. 116, zum SC Cic. Sest. 128. Darüber hinaus Cic. p. red. in sen. 24; Cic. Pis. 34. 605 Cic. Planc. 78. 606 Cic. Planc. 78. 607 Cic. Planc. 78: „(…) propter aliquorum bene de me meritorum inter ipsos contentiones, ut eodem tempore in omnis verear ne vix possim gratus videri.“
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gung hingewiesen. Der durchaus versöhnliche Ton, den Cicero gegenüber Laterensis anschlägt, mag diesem Umstand geschuldet sein. Von einem scharfen Ton, schweren Vorwürfen und der Erwähnung eines Fehlverhaltens, das außerhalb einer mangelhaften petitio liegen könnte, wird im Laufe der reprehensio vitae und in der contentio dignitatis abgesehen.608 Der Zwang also, allen Parteien in gleichem Maße gerecht zu werden, wurde als große und schwere Herausforderung empfunden. Vom Gebrauch des Begriffs „miser“ distanziert Cicero sich allerdings deutlich. Denn miser als Gemütszustand ließ sich keineswegs mit virtus in Verbindung bringen sowie virtus eine unabdingbare Voraussetzung darstellte, um beatus zu sein.609 Wie lässt sich eine Lösung für das Dilemma der mehrseitigen, sich überlappenden und kollidierenden Verpflichtungen finden? Einen Ausweg scheint nur die persönliche Einschätzung zu bieten; indem nämlich die individuellen Einzelfälle nach ihrer jeweiligen Dringlichkeit geordnet wurden. Für die beiden Beteiligten des sodalicia-Prozesses 54 v. Chr. scheint folgende Feststellung erfolgt zu sein: Für Laterensis sprachen die Punkte: persönlicher Ehrgeiz / studium – obwohl Cicero ihm zuvor eine nicht allzu intensive petitio vorgeworfen hatte – sein Ruf (existimatio) und der Ruhm der Magistratur (laus aedilitatis). Plancius‘ Interessen dahingegen scheinen dringlicher gewesen zu sein. Für ihn sprachen seine „salus, patria, fortuna“.610 Patria, häufig zugleich verwendet mit salus, mag zunächst verwirrend sein. Gerade für Männer wie Plancius, die nicht indigen aus Rom stammten, bedeutete patria stets Rom. Die Abwesenheit von der patria wird als tragisches Unglück empfunden.611 Die Verurteilung vor der quaestio de sodaliciis sah als Strafmaß das Exil vor. In diesem Fall würde Plancius seine Existenz, sein Bürgerrecht und sein Vermögen einbüßen. Das Dilemma, in dem Cicero sich nach seiner Rückberufung aus dem Exil befand, die stete Rechtfertigung gegenüber den unterschiedlichen politischen Akteuren, ist evident. Dennoch lassen sich zwei Maxime als Orientierungspunkte seiner Handlungen festhalten: 1) salus, die stets Vorrang vor contentio und existimatio hatte und 2) gratia, die auf erbrachten beneficia beruhte. Gratia – der Cicero folgende Definition zu Grunde legt: „haec enim est una virtus non solum maxima sed etiam mater virtutum omnium reliquarum“612 – wird als Grundprä608 Eine klare Abgrenzung dazu wird sich sehr deutlich zeigen lassen, wenn Cicero sich über Clodius Pulcher in der Planciana äußert. 609 Aus Cic. Tusc. V,2; 17; 39; 53; 72 u. ö. und Cic. parad. II lässt sich in Anlehnung an Cic. Planc. 78 ableiten, dass jemand der über virtus verfügt, nicht miser sein kann – so zumindest die stoische Lehre: vgl. zum stoischen Gedankengut in Ciceros Tusculanen Graver 2002; Graver 2007; aktuell Graver 2016, 195–206. 610 Cic. Planc. 79. 611 Lind 1986,74–81, hier 75. Patria nahm unterschiedliche Bedeutungsnuancen an und stand für unterschiedliche Kategorien. Sie konnte für die Verbundenheit mit dem eigenen municipium stehen, als Äquivalent für die Verbundenheit einerseits mit der urbs und andererseits mit der res publica, für tota Italia und schlussendlich für das imperium Romanum. 612 Dieser Definition von gratia in Cic. Planc. 80 folgen einige Beispiele, die den Sachverhalt näher beschreiben: „Quid est pietas nisi voluntas grata in parentes? qui sunt boni cives, qui belli, qui domi de
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misse der amicitia gesetzt,613 um die Eigenschaft der „liberaliter educatus“ erweitert und als notwendige Voraussetzung der „amicorum officiis“614 festgehalten.615 Der Maßstab von Verhaltensregeln wird indes näher definiert: Nicht nur tatsächlich geleistete beneficia sollen zu officia oder zur gratia verpflichten, sondern bereits ein Wohlwollen (benevolentia) soll zu einer Verpflichtung ausreichen.616 Im Grunde erinnert eine solche Formulierung an das Prinzip des „guten Willen“ in der Ethik I. Kants. Unabhängig davon, ob eine angestrebte Handlung in letzter Instanz erfolgreich ist oder nicht, zählt der „gute Wille“ als das „höchste Gut“ (summum bonum). Die Absicht als alleiniges Kriterium (nach dem verinnerlichten Prinzip des „guten Willen“) ist ausreichend.617 Ciceros Selbstverständnis nach ist es ihm daher ein besonderes Anliegen, aller beneficia würdig zu sein und stets eine Gegenleistung zu erbringen. Die Übernahme der Verteidigung seines Freundes, Mandanten und Schützlings Plancius wird zu einer Maxime, die nicht gebrochen werden darf. Die Erfüllung des officium konnte nicht nur ein persönliches Anliegen sein, sondern war zugleich eine gesellschaftliche Erwartung.618 So bittet er denn auch die iudices mit folgenden Worten: „dehnt eure Wohltaten auf den Mann aus, der von seinem Tadler gerade darin getadelt wird, daß er angeblich über alles Maß hinaus dankbar ist“.619 Cicero bittet die iudices um ihre beneficia mit der Absicht, einen Freispruch zu erwirken. Die Bitte erfolgt jedoch mit einer verdeckten Absicht: Erweisen die iudices Cicero den Gefallen (beneficium) und fällen ein Urteil in seinem Sinne, so müsste ihnen der advocatus seine gratia schuldig sein. Das korrelative, reziproke System gegenseitiger Dienstleistungen ist omnipräsent: officium – gratia – beneficium – benevolentia.620 Der ‚Redefluss‘ an die-
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patria bene merentes, nisi qui patriae beneficia meminerunt?“ usf. Bedeutend ist die Verwendung von pietas: Ein durchaus komplexer und bedeutungsschwerer Begriff im römischen Wertehorizont mit deutlich moralischer Konnotation: siehe Lind 1992, 15–21: „Pietas was concerned not only with religio (…) but with language, literature, politics, ethics, and pre-logical folk value concepts.“, ebd. 15. In der Planciana umfasst pietas die gratia zu den Eltern, zur res publica, gegenüber den Göttern und den amici. Dieselbe Auslegung findet sich bei Rollinger 2014, 105: „Die Unterscheidung erscheint geradezu pedantisch, denn ohne gratia kann keine amicitia bestehen.“ Die Stelle lautet wie folgt: Cic. Planc. 81: „Cuius opes tantae esse possunt aut umquam fuerunt quae sine multorum amicorum officiis stare possint?“ / „Wer kann so mächtig sein oder ist es je gewesen, daß er seine Stellung ohne die Dienste zahlreicher Freunde zu behaupten vermöchte?“ Vgl. die Erörterungen von Rollinger 2014, 92–93 zu officium – beneficium. Cic. Planc. 81. Benevolentia wird in der Planciana bereits in § 1 gebraucht. Des Weiteren in Cic. Planc. 28; 81; 96 und 101. Vgl. zu benevolentia Rollinger 2014, 90–91; ferner Hellegouarc’h 1963, 150; Hall 2009, 46 zu benevolentia im Briefverkehr Ciceros. Kant 1999, 11–12 u. ö. Siehe Cic. Planc. 82. Cic. Planc. 82: „(…) ut eum beneficio complectamini quem qui reprehendit in eo reprehendit quod gratum praeter modum dicat esse.“ Vgl. auch Hölkeskamp 2011, 176; ebd. 216: „Es ist gerade der Überschuss an geleisteten (und immer zu leistenden) officia und beneficia aller Art, der dem nobilis als Aristokraten, Patron und Magis-
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ser Stelle deutete darauf hin, dass Laterensis Einspruch erhoben haben muss: Keiner der iudices bedürfe seiner gratia, die er in Form von Anwaltstätigkeiten ausgleichen wolle. Seine Verbundenheit wie Dankespflicht hätten keinen Wert mehr. Die Erwiderung Ciceros auf diesen Einspruch ist unter Betrachtung der Anwaltstätigkeit (sei es nun ein Zivil- oder Strafprozess) geschickt formuliert: ihm sei nichts lieber, als seinen Freunden sein praesidium nicht in dieser Form zurückzuerstatten. Seine amicitia fasst er dann selbstironisch wie folgt zusammen: „(…) meine Freundschaft hat mehr Leuten Vergnügen als Hilfe verschafft.“621 Überblick §§ 83–85: Die Auseinandersetzung mit den Vorwürfen wird weitergeführt. Vier Kritikpunkte wurden gegen die orationes – über die Planciana hinaus – geäußert: 1) die Vorhersehbarkeit der Argumente und der Taktik, 2) die emotionalen Epiloge, 3) die hohe Anzahl der Mandanten, die verteidigt wurden und zuletzt 4) die unterkühlten sowie humorlosen Scherze. § 83 ludos: Die ludi Romani, die von den curulischen Aedilen ausgerichtet wurden, fanden traditionsgemäß am 4. September in Rom statt.622 Ein Bestandteil der Festspiele war die Prozession (pompa) der Götterstatuen, die vom Forum Romanum zum Circus Maximus auf tensae (Prozessions-Götterwagen) geführt wurden.623 Vermutlich fiel der Prozess, der zwischen Ende August und Anfang September stattfand,624 in dieselbe Zeit wie die ludi. Die Ankläger hatten scheinbar große Mühe darauf verwendet, eine Überschneidung des Prozesstermins mit dem Tag der Spiele zu verhindern. Welchen Einfluss hätte aber eine Überlappung auf den Prozess gehabt? Cicero habe es sich zur Gewohnheit werden lassen, bewusst bei der Verteidigung von Aedilen die Prozesstermine möglichst auf die Tage der ludi Romani zu verlegen. So würde er während der Verteidigung in pathetischer Weise auf die Götterstatuen hindeuten, um allgemeines Mitleid bei den Anwesenden zu erwecken. Aedilen kam nicht nur die Rolle zu, die ludi auszurichten, sie hatten diese auch als zuständige Magistrate zu leiten. Ob der Vorwurf der Anklage gerechtfertigt war und ob ihre Bemühungen erfolgreich waren, lässt sich zunächst nicht erschließen. Allerdings hatte Cicero, soweit es sich rekonstruieren lässt, lediglich zwei Personen verteidigt, die infolge angeblichen Fehlverhaltens während ihrer petitio für die Aedilität angeklagt worden waren: C. Messius und Cn. Plancius. Die Verteidigung des Messius fiel in den Juli, demnach weit entfernt von dem fixen Termin traten nicht nur die existimatio, sondern auch jene gratia seiner amici, Clienten oder des ganzen populus verschaffte (…)“; ebd. 229 mit weiteren Verweisen zum Verhältnis zwischen beneficium/ officium. 621 Cic. Planc. 82: „(…) amicitiam meam voluptati pluribus quam praesidio fuisse“. 622 Rollinger 2009, 102. 623 Cic. Planc. 83; vgl. Cic. har. resp. 21; 23; Latham 2016, 56–59; Bernstein 1998, 51 ff. ausführlich zu den ludi Romani; vgl. G. Freyburger, DNP 7 (1999) 477–487 s. v. ludi/ludi Romani. 624 Alexander 1990, 142 (Nr. 293).
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der ludi Romani.625 Ob Cicero sich einer solchen Strategie allgemein bedient hatte, ist schwer nachzuweisen. Sein amüsierter Ton lässt allerdings darauf schließen, dass er dem Vorwurf der Anklage keinen großen Wert beimaß: „Man lacht mich ja aus, wenn ich die Götterwagen erwähne, nachdem du sie angekündigt hast – und ohne die Götterwagen: was bleibt mir da zu sagen übrig?“626 § 84 mea lege: Gemeint ist die 63 v. Chr. verabschiedete lex Tullia de ambitu.627 Laterensis sah hinter dem Strafmaß des Gesetzes eine Intention Ciceros als Anwalt: Dieser habe in Voraussicht auf potentielle Verteidigungen von Klienten das Exil in den Gesetzesbeschluss aufgenommen. So sei ihm die Möglichkeit eröffnet worden, mit noch größerem Pathos in seinen perorationes auf das drohende Unglück seiner Mandanten hinzuweisen – der Vorwurf diente der weiteren Diffamierung Ciceros.628 Die Unterstellung bot Anlass für weitere Kritik an Ciceros rhetorischer Ausbildung: So habe Laterensis, im Gegensatz zu Cicero, nicht auf Rhodos die Kunst der Rhetorik gelernt. Die Jahre 79–77 v. Chr. waren in der Tat gekennzeichnet von einer Lerntätigkeit in Griechenland. Neben den Aufenthalten in Athen, wo Cicero in der platonischen Akademie lernte und seine philosophische Ausbildung bei Demetrios, Phaidros und Zenon – die letzten beiden waren Epikureer – fortführte, reiste er weiter auf die Peloponnes. Von dort aus führte ihn die Reise nach Kleinasien, wo er vor allem seiner rhetorischen Ausbildung nachkam. Den rhetorischen Feinschliff verdankte er Apollinius Molon auf Rhodos.629 Für Laterensis war nicht Rhodos, sondern Bithynien der entscheidende Aufenthaltsort gewesen. In Bithynien selbst habe er sich in der Stadt Nikaia als Kriegstribun – wahrscheinlich im dritten Mithridatischen Krieg – aufgehalten.630 Auf die abschätzigen Bemerkungen der Ankläger hinsichtlich der philosophischen sowie rhetorischen Ausbildung Ciceros entgegnet dieser mit einer sarkastischen Anspielung: „‚Nach Rhodos‘, heißt es da, ‚bin ich nämlich nie gekommen‘ (im Unterschied zu mir, meint er), ‚wohl aber‘, sagt er – und jetzt glaubte ich, er werde behaupten: zu den Vaccäern –, ‚zweimal nach Bithynien‘.“631 An Stelle von Bithynien/ Nikaia hatte Cicero also geglaubt (putabam dicturum), Laterensis sei wohl bei den Vaccäern gewesen, um sich weiter als Soldat zu betätigen. Die Vaccäer, ein abgeschiedener und wohl analphabetischer keltischer Stamm in Spanien,632 standen kurz vor dem Pro-
625 Vgl. Alexander 1990, 140 (Nr. 289). 626 Cic. Planc. 83: „Deridebor, si mentionem tensarum fecero, cum tu id praedixeris; sine tensis autem quid potero dicere?“ 627 Rotondi 1962, 375, 379; Nadig 1997, 38 ff., 48 ff. Für eine detaillierte Analyse der lex Tullia das Kapitel „Ambitus – Ein Tatbestand ohne klare Grenze?“ 628 Siehe unter anderem Nadig 1997, 48–55. 629 Gelzer 1969, 23–25. 630 F. Münzer, RE 20,2 (1919) 1365–1367 s. v. M. Iuventius Laterensis (16). 631 Cic. Planc. 84. 632 Watts 1965, 516.
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zess 54 v. Chr. mit Rom in Konflikt. Q. Caecilius Metellus Nepos reiste 56 v. Chr. als Prokonsul nach Spanien und erzielte Teilerfolge unter anderem gegen die genannten Vaccäer.633 Der Unterschied ist also Folgender: Cicero war ein ausgebildeter und geübter Rhetoriker, der eine „harte Lehrzeit auf dem Forum hinter sich hatte“.634 Laterensis – der wohl keine klassische Ausbildung genossen hatte – konnte sich durch seine militärischen Tätigkeiten auszeichnen – er habe sich sogar zwei Mal in Bithynien aufgehalten. Die Gründe für die Aufenthalte waren jeweils gänzlich unterschiedlicher Natur, und es scheint, Laterensis habe die militärischen Anlässe für wichtiger befunden als die ‚Bildungsreisen‘ Ciceros. Einen Nachteil scheint die rhetorische Ausbildung mit sich gebracht zu haben: Sie habe zu der Notlage geführt, zu viele Klienten verteidigen zu müssen. Allein die sarkastische Entgegnung Ciceros verdeutlicht die mangelhafte rhetorische Ausbildung des Laterensis und deutet zugleich auf seine Untauglichkeit als Anwalt hin: „Wenn du mir außerdem vorgeworfen hast, ich verteidigte zu viele: wärest doch du, der du das könntest (…).“635 Andere wiederum würden die Einzelfälle einer so genauen Voruntersuchung unterziehen – wohl mit dem utopischen Ziel, nur tatsächlich Unschuldige zu verteidigen –, dass sie die meisten Prozesse ablehnten. Cicero, der keinem „miseris et laborantibus“ etwas abschlagen könne, nehme sich daher einer größeren Zahl an, vielleicht sogar solchen, für deren Verteidigung das Können der übrigen advocati nicht ausreichte – diese Interpretation rechtfertigt zumindest den vorhergehenden Seitenhieb auf die peniblen Voruntersuchungen.636 Die Tatsache, dass Cicero nach seiner Rückkehr aus dem Exil einer in der Tat regen Beschäftigung als Anwalt nachging, ist nicht zu bestreiten. Der Euphemismus, die Anwaltstätigkeit entstünde aus seiner Mildtätigkeit heraus, unterschlägt den Umstand, dass sie gewissermaßen unter Zwang, nämlich auf Drängen der mächtigen ‚Freunde‘ Pompeius und Caesar geschah.637 Seine Notlage geht auch aus der Korrespondenz mit seinem Bruder Quintus deutlich hervor: „Wenn du mich in dem gleichen Briefe wie so manches Mal zu ehrgeiziger Arbeit
633 Broughton MRR II, 210. 634 Cic. Planc. 84. 635 Cic. Planc. 84; vgl. Cic. div. in Caec. 1: „Vielleicht wundert sich manch einer von euch, ihr Richter, oder von den Zuhörern über mich: habe ich doch schon so viele Jahre lang öffentliche Rechtssachen und Prozesse nur in der Weise betrieben, daß ich viele verteidigte, aber niemanden angriff, und jetzt weiche ich plötzlich von meinem Grundsatz ab und lasse mich zu einer Anklage herbei.“ Cicero verwies also bereits 70 v. Chr. im Prozess gegen Verres bzw. im Vorverfahren gegen Q. Caecilius Niger auf seine rege Anwaltstätigkeit, vgl. weiter Cic. div. in Caec. 4–5. 636 Neben Cicero können einige wenige spätrepublikanische Juristen genannt werden: Q. Mucius Scaevola Augur, Ser. Sulpicius Rufus und C. Trebatius Testa. Eine jeweils kurze Untersuchung findet sich bei Benferhat 2016, 71–87. 637 Für eine Auflistung der Prozesse zwischen 56–54 v. Chr. siehe Appendix.
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treibst, so will ich das ja gern tun; aber wann läßt man mich endlich einmal wieder leben?“638 § 85 Creta: Es ist unsicher, ob Laterensis nach seiner Quaestur 62 v. Chr. als Proquaestor sowohl in Kyrene (Cic. Planc. 12; 63) als auch auf Kreta tätig gewesen ist (Cic. Planc. 85).639 Unabhängig von seiner Stellung auf Kreta kann mit Sicherheit festgehalten werden, dass er sich auf der griechischen Insel aufgehalten hatte. Um nämlich seine Missbilligung über Ciceros Wortspiele zum Ausdruck zu bringen, greift Laterensis seinen Aufenthalt auf Kreta mit folgender Intention auf: Cicero habe sich einen Scherz auf Kosten des Anklägers entgehen lassen. Das lateinische Substantiv creta bedeutet in der deutschen Übersetzung Kreide. Während der petitiones pflegten die candidati ihre toga candida mit creta künstlich aufzuhellen,640 um auf dem Forum und zu bestimmten Gelegenheiten aus der Menge herauszustechen641 – Laterensis versuchte also, einem Scherz auf seine Kosten zuvorzukommen.642 Ohne direkten Zusammenhang zum Wortspiel (creta) hatten die Ankläger Ciceros Verhalten während des Konsulats bemängelt: Zum Ende seines Amtsjahres 63 v. Chr. hatte der damalige Konsul einen Bericht über die erfolgreiche Rettung der res publica verfasst. Bei dem Adressaten handelte es sich um Pompeius Magnus, der allerdings auf den Bericht nicht reagiert hatte – die ausgebliebene Reaktion musste Cicero als persönliche Kränkung empfunden haben,643 die nun vor Gericht zur Herabwürdigung seiner Person genutzt wurde. Laterensis habe von einem Bericht über seine Amtsführung (möglicherweise als Quaestor) abgesehen. Die res gestae hätten Cicero schließlich kein Lob, aber Missbilligung eingebracht. Auf rein formaler Ebene der oratio lässt sich ein zusätzlicher Punkt herausarbeiten: In der Planciana 85 werden zwei Argumente erörtert, die sich weder aufeinander beziehen, noch in einem näheren gemeinsamen Kontext stehen. Das Wortspiel mit creta und die darauffolgende Kritik hinsichtlich der Berichterstattung über die Amtsführung erlauben folgende Rückschluss: Die beteiligten Redner, Laterensis und Cicero, hatten wohl im Laufe des Prozesses mehrfach gesprochen oder zumindest sich gegenseitig durch Zwischenrufe unterbrochen.644
638 Cic. ad Q. fr. III,1,12: „quod me in eadem epistula, sicut saepe antea, cohortaris ad ambitionem et ad laborem, faciam equidem, sed quando vivemus?“ 639 F. Münzer, RE 20,2 (1919) 1365–1367 s. v. M. Iuventius Laterensis (16). 640 Pers. V,175 verwendet für die in der petitio gebrauchten Kreide die Formulierung cretata ambitio; vgl. auch die creta fullonum (Seifenerde), mit der die toga candida für gewöhnlich aufgehellt wurde. Davon leitet sich auch die Bezeichnung candidatus ab, als jemand, der weiße Kleidung trug. 641 So auch Liv. IV,25. 642 Corbeill 1996, 7. Ciceros Esprit wurde von seinen Zeitgenossen anscheinend nicht sonderlich geschätzt. 643 Cic. fam. V,7,3; Cic. Sull. 67. 644 Stroh 1975, 44.
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Überblick §§ 86–90: Das Exil als Topos findet in der gesamten oratio pro Cn. Plancio kontinuierlich Erwähnung. Im Folgenden werden die Gründe der Ausreise aus Rom dargelegt: nicht ein Selbsterhaltungstrieb, sondern die Furcht um die res publica sei die treibende Kraft gewesen – die freiwillige Entscheidung für das Exil schien unausweichlich. Zugleich soll das selbstlose Verhalten als exemplum dienen.645 § 86 Tribunis me terror an consularis furor movit?: Die Kritik an seinem ‚freiwilligen‘ Exil kann Cicero nicht nachvollziehen. Dennoch, er hatte Rom verlassen, noch bevor eine Anklage gegen ihn erhoben werden konnte.646 Der Unterstützung seiner Freunde bewusst und um sie besorgt, habe er eine solche Entscheidung gefällt. Der Vorwurf, die Freunde im Stich gelassen zu haben, sei daher keine wahrheitsgetreue Schilderung:647 Weder der damalige Volkstribun, noch die Konsuln hätten ihn dazu bewegen können, die Stadt zu verlassen. Bei dem erwähnten Volkstribun handelte es sich um keinen anderen als P. Clodius Pulcher. Die beiden Konsuln 58 v. Chr. waren L. Calpurnius Piso Caesoninus (Schwiegervater Caesars) und A. Gabinius. Sowohl Calpurnius Piso als auch Gabinius hatten Clodius keinen besonderen Widerstand geleistet.648 Abgesehen von Clodius hatte sich Cicero mit den übriggebliebenen Mitgliedern der catilinarischen Verschwörung konfrontiert gesehen: „Decertare mihi ferro magnum fuit cum reliquiis eorum quos ego florentis atque integros sine ferro viceram“.649 Doch die Catilinarier habe er bereits ohne Waffen geschlagen, die restlichen Mitglieder mit dem Schwert auszulöschen, stelle kein Hindernis dar. Die Invektive in der Planciana gegen die beiden Konsuln Gabinius und Piso machte Ciceros Abneigung mehr als deutlich: Sie seien die abscheulichsten und beschämensten Konsuln seit Menschengedenken gewesen. Die Feindseligkeit gegen Piso, der gegen die Rückberufung Ciceros aus dem Exil gewirkt hatte, gipfelte schließlich in der Invektive „In L. Calpurnium Pisonem“. Die Konsulwürde hätten sie beschmutzt, da sie sich als ungeeignet erwiesen hatten: L. Calpurnius Piso Caesoninus hatte sein Heer verloren, A. Gabinius, der als catilinarischer ‚Tanzkünstler‘ beschimpft wird,650 hatte sein Heer ‚verkauft‘: „quorum alter exercitum perdidit, alter vendidit“.651 Piso, der die Provinz Makedonien zugeteilt bekam, verlor in derselben einen Großteil seiner Legionäre. Gabinius hingegen hatte Ptolemaios XII. als König in Ägypten eingesetzt, nach-
645 Zum Exil siehe folgende Darstellungen: nach wie vor grundlegend Gelzer 1969, 135–166; Mitchell 1991, 98–138. 646 Nippel 1981a, 85 in Zusammenhang des Gewalteinsatzes von Clodius; Gelzer 1969, 139. 647 Der genaue Wortlaut lautet wie folgt Cic. Planc. 86: „Dixisti enim non auxilium mihi sed me auxilio defuisse.“ 648 Broughton MRR II zum Jahr 58 v. Chr. 649 Cic. Planc. 86; Wiseman 1994, 376–377 zu der catilinarischen Verschwörung. 650 Cic. Planc. 87: „saltator ille Catilinae“. 651 Cic. Planc. 86.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
dem er angeblich für seine Unterstützung Bestechungsgelder erhalten hatte.652 Ziel der Konsuln seien die Provinzen gewesen: Piso hatte Makedonien, Gabinius erst Kilikien und später Syrien erhalten. Die Zuteilung der Provinzen war in der Tat auf unregelmäßige Weise erfolgt: Sowohl Piso als auch Gabinius hatten die Ihnen zugewiesenen Provinzen der lex Clodia de provinciis consularibus von 58 v. Chr. zu verdanken.653 Mit dem Gesetzesbeschluss hatte Clodius wohl die Absicht verfolgt, die Unterstützung der amtierenden Konsuln insbesondere gegen Cicero zu gewinnen. Es ist also nicht verwunderlich, wenn Cicero sich darüber empört, beide Konsuln hätten die res publica im Stich gelassen: „empti provinciis a senatu, a re publica, a bonis omnibus defecerant“.654 In einem weitaus schärferen Ton äußert er sich gegen Clodius. Die Textstelle verdient eine vollständige Zitierung: Als man nun von denen, die wegen ihrer Truppen, ihrer Waffen, ihrer Geldmittel die Mächtigsten waren, nicht wußte, wie sie dachten, da schrie diese Höllenstimme, brüchig von abscheulicher Unzucht vor heiligen Altären, auf die widerlichste Weise, auf ihrer Seite stünden sowohl die erwähnten Mächtigen, als auch die Konsuln.655
Die Konsuln Piso und Gabinius hatten Clodius in seinen Unternehmungen keinen Widerstand geleistet. Im Gegenteil: von seinen Beschlüssen als Volkstribun hatten beide consules maßgeblich profitiert. Der beteiligte Personenkreis wird über Clodius hinaus noch erweitert: Die nicht namentlich genannten ‚Mächtigen‘ sind die Triumvirn C. Iulius Caesar, Cn. Pompeius Magnus und M. Licinius Crassus Dives. Sie galten als die Mächtigsten aufgrund ihrer Truppenstärke, ihrer Waffen und ihres Reichtums. Caesar verfügte schließlich in der Zeit als Prokonsul über die Legionen in Gallien, Pompeius war bekannt für sein militärisches Können – das er bereits als junger Mann im Bürgerkrieg nach Sullas Rückkehr aus dem Osten unter Beweis gestellt hatte – und Crassus für seine finanziellen Mittel.656 Cicero übt hier nicht nur Kritik am verhassten Clodius Pulcher – dessen „Handlungsspielraum“ sich je nach „Konstellation zwischen den ‚Triumvirn‘ und dem Senat bestimmte“657 – und den beiden Konsuln Piso und
652 Zu Pisos Verlust des Heeres: Cic. prov. 5; Cic. Pis. 53; Cic. ad Q. fr. III,1,24. Gabinius’ Verkauf des Heeres an Ptolemaios XII.: Cic. Pis. 48 ff.; Cic. prov. 9. 653 Rotondi 1962, 393; vgl. auch Cic. prov. 2 f.; Cic. Pis. 28. 654 Cic. Planc. 86. 655 Cic. Planc. 86: „qui exercitu, qui armis, qui opibus plurimum poterant cum quid sentirent nesciretur, furialis illa vox nefariis stupris, religiosis altaribus effeminata secum et illos et consules facere acerbissime personabat“. Abweichend von der Übersetzung von Fuhrmann muss „religiosis altaribus effeminata“ nahe an der Ausgangsprache mit „auf unzüchtige Weise als Frau aufgetreten war“ übersetzt werden, das eindeutig auf den Bona-Dea-Skandal verweist. Zu Clodius: Cic. Sest. 39 f.; Cic. har. resp. 47; Cic. Sest. 40: Clodius Pulcher machte stets darauf aufmerksam, dass seine Unternehmungen in Konsens mit den Triumvirn stand; vgl. Gelzer 1969, 137. 656 Broughton MRR II, 195–196 zu Caesars Prokonsulat. 657 Nippel 1981a, 81, der zugleich darauf hinweist, dass gerade die Schilderung Ciceros in Bezug auf Clodius „extrem tendenziös ist“.
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
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Gabinius, sondern zugleich indirekt an Pompeius, Caesar und Crassus, die nicht durch rechtmäßige Verfügungen als die Mächtigen galten, sondern durch Waffenstärke und Geldmittel. Die „furialis illa vox“ und deutlicher noch „religiosis altaribus effeminata“ sind Hinweise auf den Bona-Dea-Skandal im Dezember 62 v. Chr.658 Die Feindschaft zwischen Clodius und Cicero ging auf das frevelhafte Verhalten des Volkstribuns zurück (delictum), der sich in Frauenkleidern getarnt Zugang zu der Feier zu Ehren der ‚guten Göttin‘ im Hause des Pontifex Maximus C. Iulius Caesar verschafft hatte, zu der nur Frauen Zutritt hatten. Neben dem Frevel gegen die religiösen Feierlichkeiten und damit der Gefährdung der pax deorum wurde sein Verhalten als Provokation aufgefasst. Clodius wurde 62 v. Chr. zum Quaestor designiert, das Gerichtsverfahren wurde dennoch im Januar 61 v. Chr. aufgenommen. Seine Quaestur auf Sizilien konnte er erst nach dem Prozess besetzen.659 Vor der quaestio extraordinaria 61 v. Chr. wurde er jedoch zur großen Enttäuschung Ciceros im Mai freigesprochen.660 In den Reden der Folgejahre bezeichnete Cicero Clodius nicht nur als „furialis illa vox“, sondern unmittelbar als „furiosus“; in der oratio pro Sestio lautete das Urteil über Clodius schließlich wie folgt: „homo furibundus ac perditus“.661 Ein gemeinsames Merkmal weisen alle Quellenbelege auf: Clodius wird jegliche menschliche Vernunft abgesprochen, ihm fehlt es sowohl an ratio als auch an sozialer Kompetenz.662 § 87 veste mutata: Die Auseinandersetzung mit der Bedeutung sowie der symbolischen Kommunikation von Trauerkleidung findet sich bereits in § 29. Die „veste mutata“ kommen also in zwei verschiedenen Kontexten vor: zunächst sind es die beim Prozess gegen Plancius anwesenden Freunde und Befürworter, die in Trauerkleidung vor Gericht erschienen waren (§ 29). In der Planciana 87 sind es Senatoren, vornehmlich Ritter, die sich in Anbetracht der prekären Situation Ciceros kurz vor seinem Exil 58 v. Chr. in einem solidarischen Akt in Trauerkleidung auf dem Capitol versammelten.663 Gerade dieser Akt der gemeinschaftlichen wie symbolischen Freundschaftsbekundung und der Fürsprache mag den Vorwurf des Laterensis bestärkt haben, Cicero habe seine Helfer zurückgelassen: „auxiliis studentibus atque incitatis“.664 Die Entschei658 Vgl. Cic. Pis. 95. 659 Eine ausführliche Schilderung zum Bona-Dea-Skandal findet sich bei Gelzer 1969, 110–114; Tatum 1990, 202–208 greift den Forschungsdiskurs über die Involvierung Ciceros auf; ebenfalls Tatum 1999, 62–86 der eine ausführliche Schilderung der Vorgänge wiedergibt; vgl. Broughton MRR II, 180. 660 Die Zusammensetzung der quaestio extraordinaria im Clodius-Prozess bei Alexander 1990, 116–117 (Nr. 236). 661 Cic. Mil. 78; Cic. Sest. 15; in Cic. Sest. 16 wird Clodius schließlich als „taetra immanisque belua“ bezeichnet. 662 Vergleiche zu dieser anthropologischen Aussage Forschner 2016, 58–59. 663 Siehe für die entsprechende Kommentierung der Planciana § 87 die Stelle § 29. 664 Cic. Planc. 87.
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dung sei jedoch wissentlich mit der Intention getroffen worden, keinen Bürgerkrieg in Rom auszulösen: ius, lex und eine verbale Auseinandersetzung mit der Gegenpartei konnten den vorhandenen Streit nicht mehr lösen. Cicero nimmt eine konsequente Differenzierung zwischen lex und ius vor – nicht nur an dieser Stelle, sondern sehr prägnant auch in dem Dialog de legibus: So wird lex als Quelle für ius und als distinktives Merkmal zwischen ius und iniuria verstanden.665 Nur eine gewalttätige Auseinandersetzung hätte in letzter Konsequenz eine Entscheidung über die kritische und instabile Lage Roms herbeiführen können: „armis fuit, armis inquam, fuit dimicandum.“666 Die Folgen eines paramilitärischen Coups seien jedoch nicht im Interesse der Beteiligten, da der Senat, die boni und die res publica in Gefahr gebracht worden wären.667 Seine Feinde gemeinsam mit ihren Anhängern bezeichnet Cicero als Sklaven ihrer Anführer und diese als Sklavenführer:668 Wohl eine Anspielung auf die von Clodius organisierten Banden, die den politischen Alltag maßgeblich beeinflusst hatten.669 § 88 L. Opimius; (…) C. Marius, (…) L. Flaccus: Der drohende Bürgerkrieg hätte kein Ende genommen, zumal Cicero nicht auf fortes consules wie L. Opimius, C. Marius und L. Flaccus zählen konnte. Die Stärke und das Durchsetzungspotenzial der drei ehemaligen Konsuln beschreibt Cicero wie folgt: „unter ihrer Führung, mit ihren Waffen warf der Staat die skrupellosen Bürger nieder“.670 Auf die bereits bekannten exempla wird in einem neuen Kontext zurückgegriffen: Sie dienen nun nicht primär zur Identifizierung mit oder zur Abgrenzung von bestimmten Personen, sondern sollen die Bedeutung der gewalttätigen Auseinandersetzungen in Rom 58 v. Chr. und das Fehlen von Konsuln, die sich der res publica verpflichtet fühlten, verdeutlichen. L. Opimius: vgl. die Exemplifizierung des L. Opimius in den §§ 69–70. C. Marius, L. Valerius Flaccus: Marius und Flaccus hatten gemeinsam 100 v. Chr. das Konsulat inne.671 Während ihrer Magistratur mussten sie verschiedene Unruheherde befrieden – wie auch Cicero sich 58 v. Chr. mit verschiedenen politischen Lagern in Konflikt sah. Die Auseinandersetzungen der Konsuln gehen 100 v. Chr. auf hauptsächlich zwei politische Akteure zurück: 1) C. Servilius Glaucia, Praetor 100 v. Chr. und 2) L. Appuleius Saturninus, der Volkstribun desselben Jahres.672 Marius, um die
665 Cic. leg. I,19; Forschner 2016, 55. 666 Cic. Planc. 87. 667 Cic. Planc. 87. Cicero formuliert die potentiellen Konsequenzen um einiges bildlicher: „armis fuit, armis, inquam, fuit dimicandum; quibus a servis atque a servorum ducibus caedem fieri senatus et bonorum rei publicae exitiosum fuisset.“ 668 Cic. Planc. 87: „a servis atque a servorum ducibus (…)“. 669 Vgl. zum Gebrauch und zur Bedeutung von Sklaven wie Sklavenführer Blänsdorf 2016, 58. 670 Cic. Planc. 88: „quibus ducibus improbos civis res publica vicit armatis“. 671 Broughton MRR I, 574. 672 Broughton MRR I, 574–575.
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Versorgung seiner Veteranen bemüht, scheint die Zusammenarbeit mit Glaucia und Saturninus zunächst begrüßt zu haben. Als jedoch im Laufe des Jahres Glaucia das Konsulat für 99 v. Chr. anstrebte und Saturninus sich erneut das Tribunat zu sichern suchte, kam es zu Konflikten zwischen den consules mit Glaucia und Saturninus. Ihre Unternehmungen bezüglich der erneut angestrebten Ämter waren schließlich illegitim.673 Im Zuge der Wahlkampagne kam ein gewisser C. Memmius, der Kontrahent des Glaucia für das Konsulat, ums Leben. Die innenpolitisch destabilisierenden wie gewalttätigen Auseinandersetzungen – das Capitol wurde durch Saturninus und seine Anhänger besetzt – führten zum Erlass eines senatus consultum ultimum.674 Während der gewalttätigen Unruhen wurden sowohl Glaucia als auch Saturninus ermordet. Die Gesetzesinitiativen des Saturninus als Volkstribun wurden nach seinem Tod annulliert. Neben den drei exempla der fortes consules (Opimius, Marius und Flaccus) wird das Beispiel eines Magistraten aufgeführt, der sich als iustus consul hervorgetan hatte. Dabei bediente sich Cicero der Figur des P. Mucius Scaevola. Scaevola, Konsul 133 v. Chr. gemeinsam mit L. Calpurnius Piso Frugi,675 war ein bekannter iuris consultus.676 Eine solche Bezeichnung des Mucius Scaevola durch Cicero geht auf dessen Haltung nach der Ermordung des Ti. Sempronius Gracchus, Volkstribun 133 v. Chr., zurück. Scaevola, der nicht in offener Opposition zu Ti. Gracchus stand, erklärte dennoch in seinem Konsulat, dass der Waffengebrauch unter der Führung des P. Cornelius Scipio Nasica Serapio, der zur Ermordung des Gracchus geführt hatte, legitim gewesen sei677 – die Verfolgung der Mörder des Ti. Gracchus oder die öffentliche Distanzierung von dem Gewaltakt hätten wohl einen Zuspruch an die populare Politik und zugleich an die weitreichenden und in die etablierte Konstitution der res publica einschneidenden Reformen des Gracchus bedeutet. Es mag verwunderlich wirken, dass gerade Cicero die Haltung des Mucius Scaevola billigte, obwohl Scipio Nasica 133 v. Chr. keine Magistratur bekleidet und demnach als Privatmann agiert hatte: „quae privatus P. Scipio ceperat“ – dennoch wurde Nasica für die Ermordung des Volkstribuns nicht belangt.678 Eine solche Aussage ist sicherlich der Schikane durch Clodius geschuldet – wäre Clodius ein ähnliches Schicksal wie Gracchus widerfahren, so hätte es Cicero an fortes und iusti consules gefehlt, die dies gebilligt und sogar als rechtmäßig erachtet hätten. Mit den vorgebrachten exempla verfolgte Cicero folgende Absicht: seine Verfolgung durch Clodius und die fehlende Unterstützung durch die amtierenden Konsuln 58 v. Chr. hatten in letzter Konsequenz dazu geführt, dass er Rom verließ. Die Liquidie673 Kunkel 1995, 6 u. ö. 674 Zum senatus consultum ultimum vgl. Cic. Rab. perd. 20; zu Bedeutung des SCU 100 v. Chr. Lintott 1968, 168–171; Ungern-Sternberg 1970, 71 ff. 675 Broughton MRR I, 492. 676 Cic. de orat. I,212; 217; 240; Cic. off. II,47. 677 Cic. Planc. 88. 678 Vgl. zu Scipio Nasica hier Cic. Planc. 33; 51 und Cic. dom. 91.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
rung des Clodius oder die Wiederherstellung der innenpolitischen Ordnung durch ein SCU war aus den oben genannten Gründen – nämlich dem Fehlen solcher Autoritäten wie Marius, Flaccus und Opimius – nicht erreichbar gewesen. Für den Fall der gewalttätigen Auseinandersetzung 58 v. Chr. mit den amtierenden Konsuln eröffnen sich zwei alternative Optionen: Im Falle eines Sieges sah Cicero sich und seine Anhänger weiterhin mit mächtigen Gegnern konfrontiert: nämlich mit den Triumvirn Caesar, Pompeius, Crassus, mit den Konsuln des Jahres 58 v. Chr., A. Gabinius und L. Calpurnius Piso Caesoninus, und sicherlich auch mit dem Volkstribun Clodius Pulcher. Für den Fall einer Niederlage der Cicero-Fraktion fehlten ihnen die Rächer: „interitus nullos esse ultores videbam“.679 Dem Senat fehlte es also laut Cicero an gerechten und tatkräftigen Konsuln – die Ritter hatten die besagten Konsuln 58 v. Chr. schließlich erfolgreich eingeschüchtert. § 89 Q. Metello: Die Entscheidung, freiwillig ins Exil zu gehen, hatte vor Cicero bereits Q. Caecilius Metellus Numidicus getroffen.680 Numidicus, Konsul 109 v. Chr.,681 hatte sich geweigert, die lex Appuleia agraria des Appuleius Saturninus zu bestätigen.682 Dieser Akt des Widerstands, der zum Exil des Numidicus geführt hatte, wird als maxima gloria betrachtet.683 Das selbstlose Handeln des Numidicus habe alle Triumphe der gens Caecilia übertroffen.684 Zu den Triumphen der Metelli gehörten maßgeblich folgende: L. Caecilius Metellus Q. Metellus Macedonicus Q. Metellus Baliaricus L. Metellus Dalmaticus M. Metellus C. Metellus Caprarius Q. Metellus Numidicus Q. Metellus Pius Q. Metellus Creticus
249 v. Chr. als Prokonsul de Poenis 146 als Propraetor de Andrisco 121 als Prokonsul 117 als Prokonsul 111 als Prokonsul ex Sardinia 111 als Prokonsul ex Thracia 107 als Prokonsul 71 als Prokonsul ex Hispania 62 als Prokonsul
Cicero zieht das Beispiel des Q. Metellus also bewusst heran, um eine legitime Basis für seine Entscheidung zu schaffen und sein freiwilliges Exil als rechtmäßig darzustellen – schließlich diente ein Mitglied der ruhmreichen gens Caecilia als leuchtendes 679 Cic. Planc. 88. 680 Die Rückberufung des Metellus Numidicus aus dem Exil wurde in der Planciana 69 bereits als Exempel diskutiert; vgl. dazu die Kommentierung der Planciana 89–90; Tatum 2018, 99–109. 681 Broughton MRR I, 545. 682 Rotondi 1961, 331; Cic. Pis. 20. 683 Cic. Planc. 89. 684 Siehe zu den einzelnen Triumphen Itgenshorst 2005; zum Aufbau und der Bedeutung des republikanischen Triumphzuges Hölkeskamp 2006a, 258–276.
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Vorbild.685 Beide hatten eine persönliche Niederlage in Form des Exils hinnehmen müssen, obwohl sie über genügend Unterstützung innerhalb der politischen Führungsschicht verfügt hatten. Den Unterschied machte Cicero in der persönlichen Intention aus: Q. Caecilius Metellus Numidicus war lediglich seiner persönlichen Überzeugung gefolgt, während Cicero (selbstverständlich) für die salus rei publicae eintrat – schließlich hatte ihm der Senat 63 v. Chr. mithilfe des SCU umfassende Vollmachten erteilt.686 In welcher Form hatte er aber seine Haltung zum Ausdruck gebracht? Als amtierender Konsul hatte Cicero die Catilinarier hinrichten lassen, wofür er später unter Clodius Pulcher die Konsequenzen persönlich zu tragen hatte. Als Retter bezeichnet er sich zum ersten Mal prägnant an dieser Stelle: „Da hätte ich im Angesicht so furchtbarer Gefahren riskieren sollen, daß ich der Verderber unseres Staates genannt würde, der ich doch zugleich sein Retter war?“687 § 90 Decembri mei consulatus: Die Anklage hatte den Vorwurf geäußert, der ehemalige Konsul habe sich vor dem Tod gefürchtet – eine unmittelbare Widerlegung der Todesfurcht wird nicht erbracht. Vielmehr wird gegen diese Anschuldigung die bekannte Rechtfertigung angeführt: Alles sei im Sinne und für das Wohl der res publica geschehen. Der Tod für die salus rei publicae führe schließlich zur Unsterblichkeit, während die Unsterblichkeit auf Kosten der res publica illegitim sei. Im Falle seines gewaltsamen Todes sagt Cicero fatale Konsequenzen voraus. Welchen Gefallen erwies er aber der res publica mit seinem freiwilligen Exil, die ihn vermutlich vor dem Tod durch jene „illorum impiorum“ (mit impii sind Clodius und seine Anhänger gemeint) gerettet hatte?: „mein Tod hätte ja das Beispiel verhindert, wie sich der Senat und das römische Volk bei meiner Rückberufung verhalten würden.“ Folglich qualifiziert sich Cicero selbst zum exemplum – an seiner Person konnte der Senat ein beispielhaftes Verhalten demonstrieren. Die Verhandlungen zur Rückberufung Ciceros waren ein steter Tagesordnungspunkt des Senats im Laufe der Jahre 58–57 v. Chr. Es musste für den ehemaligen Konsul von entscheidendem Interesse gewesen sein, so bald wie möglich aus dem Exil zurückzukehren. Der Senat beschloss am 1. Juni 58 v. Chr. in Abwesenheit von Clodius Pulcher die Rückkehr Ciceros nach Rom. Der Vorschlag zur Rückberufung, der vom Volkstribun L. Ninnius Quadratus eingebracht worden war, wurde durch die Interzession des Volkstribunen Aelius Ligus, einem der Kollegen und Freunde des Clodius im Volkstribunat,688 verhindert und machte eine vorzeitige Rückberufung zunichte. Die
685 Dieser Vergleich lässt sich über die Planciana hinaus in folgenden Werken wiederfinden: Cic. Sest. 37; 101; Cic. Pis. 20; Cic. Balb. 11; Cic. fam. I,9,16. 686 Ungern-Sternberg 1970, 87 ff. zum SCU von 63 v. Chr. 687 Cic. Planc. 89: „ego tantis periculis propositis cum, (…), committerem ut idem perditor rei publicae nominarer qui servator fuissem.“ 688 Broughton MRR II, 195.
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Bemühungen um die Aufhebung des Exils noch 58 v. Chr. scheiterten allesamt. Somit fiel die Fortführung der Verhandlungen in das Konsulatsjahr des P. Cornelius Lentulus Spinther und des Q. Caecilius Metellus Nepos 57 v. Chr.689 Die erste Senatssitzung 57 führte der neugewählte Konsul P. Lentulus, der Ciceros Rückberufung erneut auf die innenpolitische Agenda setzte. Noch bevor der Antrag zur Rückberufung angenommen werden konnte, sprengte am 27. Januar Clodius die Versammlung. Nach längeren Verhandlungen konnte der ehemalige Konsul Cicero schließlich am 4. August nach Rom aufbrechen und traf am 4. September 57 in der Stadt ein.690 Indem Cicero das Exil der Waffengewalt in Rom vorgezogen hatte, eröffnete er dem Senat die Möglichkeit, nach 58 v. Chr. mit Hilfe der regulären Mittel und Maßnahmen den Exilierten wieder zurückzuberufen.691 Seine Rolle als exemplum scheint unter diesem Gesichtspunkt einleuchtend. Die ihm vorgeworfene Todesfurcht widerlegt er zwar nicht, beruft sich allerdings auf sein Konsulatsjahr: „Oder hätte ich, wenn ich mich je ans Leben geklammert hätte, im Dezember meines Konsulatsjahres die Geschosse aller Mörder auf mich gezogen?“692 Im Dezember 63 v. Chr. wurde die Catilinarische Verschwörung durch eine Gesandtschaft der Allobroger aufgedeckt.693 Ciceros Magistratur als Konsul sollte sich nur noch auf die restlichen 20 Tage des Jahres belaufen ((…) xx (viginti) quiessem dies). Es unterstand dennoch seiner Kompetenz, sich der Verschwörung anzunehmen. Vier namentlich bekannte Männer wurden festgenommen: P. Cornelius Lentulus Sura, C. Cornelius Cethegus, L. Statilius und M. Caeparius. Auf Basis einer schwer belastenden Beweisgrundlage – hauptsächlich die persönliche Korrespondenz in Briefform – wurden sie in Haft genommen.694 Nach den Diskussionen über das Strafmaß für die Verschwörer wurde am 5. Dezember sowohl das Strafmaß festgelegt als auch die Hinrichtung vollzogen.695 Die konsequente und schnelle Handlungsweise geht auf praktische Überlegungen zurück: „Die hätten ja, wenn ich nur zwanzig Tage untätig geblieben wäre, der Verantwortung anderer Konsuln unterstanden.“696 Bei den Konsuln des Folgejahres handelte es sich um D. Iunius Silanus und L. Licinius Murena.697 Die Vorgehensweise gegen die Catilinarier – kurz vor dem Ablauf seiner Magistratur als amtierender Konsul – soll im laufenden Prozess 689 690 691 692 693 694 695 696 697
Broughton MRR II, 199. Gelzer 1969, 142 ff. Siehe die rogationes de revocando Cicerone in Rotondi 1962, 400 ff. Cic. Planc. 90: „An, si umquam vitae cupiditas in me fuisset, ego mense Decembri mei consulatus omnium parricidarum tela commossem?“ Die einzelnen Details spielen für die Argumentationslinie Ciceros in der Planciana keine besonders große Rolle und können bei Gelzer 1969, 92 ff. im gesamten Umfang nachvollzogen werden. Die Haft der besagten fünf Männer wurde so vorgenommen, dass je ein Senator einen der Verdächtigen in seine Obhut nahm, siehe Gelzer 1969, 94: M. Crassus und C. Caesar hatten ebenfalls je einen der Männer in Gewahrsam genommen. Gelzer 1969, 100 f. Cic. Planc. 90: „quae, si xx quiessem dies, in aliorum vigiliam consulum recidissent.“ Broughton MRR II, 172.
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54 v. Chr. als Beweis dafür dienen, dass Cicero sein eigenes Leben nicht über das Wohl der res publica gestellt hatte. Überblick §§ 91–94: Die Frage nach der Handlungsfreiheit wird aufgeworfen. Laterensis hatte sich als liber innerhalb der res publica klassifiziert. Im Unterschied zu ihm sei Cicero ein unfreier Mann. Die kritische Vorhaltung der Anklage wird zwar nicht dementiert, aber dafür Gründe für die politische Positionierung nach dem Exil dargelegt, um den Vorwurf zumindest zu entkräften. §§ 91–92 de libertate mea: Unter Freiheit ist nicht eine standes- oder bürgerrechtlich gebundene zu verstehen. Vielmehr wird auf einer metaphorischen Ebene die Abwesenheit von individueller Freiheit als eine aufgezwungene Verbundenheit Ciceros mit bestimmten Personen verstanden. Das Nichtvorhandensein individueller Handlungsfreiheit (libertas)698 eines (ehemaligen) römischen Magistraten wurde am folgenden Kriterium bemessen: „weil ich jetzt nicht mehr ausnahmslos denselben Leuten Widerstand leiste wie früher“.699 Eine einst bezogene politische Haltung habe stets Gültigkeit zu besitzen. Da Cicero seine Position gegen die Popularen nicht konsequent aufrechthielt, wird er in seinen Handlungen als unfrei verstanden. Es folgen zwei Gegenargumente: das erste bezieht sich erneut auf Dankbarkeit gegenüber den amici, das zweite bezieht sich auf die Notwendigkeit, auf das Wohl der eigenen Familie bedacht zu sein. Zudem sei die Gefährdung der eigenen Person weder im Interesse der boni viri 700 noch im Interesse der res publica.701 Die Zurückweisung des Vorwurfs ist nicht zufriedenstellend. Nach der Lesart scheint Cicero in der Planciana 91–92 einzugestehen, seine politische Opposition, die er vor dem Exil eingenommen hatte – nämlich gegen die Triumvirn –, aufgegeben oder zumindest entschärft zu haben. Bei der Niederlegung des Widerstandes spielte das persönliche Wohlbefinden eine große Rolle. Der Vorwurf des Laterensis war berechtigt, und Cicero hatte dies selbst eingestanden.702 Die Aussagen entstammen seiner persönlichen Korrespondenz aus den Jahren 56 und 54 v. Chr. mit Atticus und seinem Bruder Quintus. Seine Verpflichtung gegenüber Pompeius Magnus und C. Caesar war von solcher Art, dass er ihnen Dankbarkeit schuldig war: Obwohl Caesar und Pompeius
Lind 1986, 81–91 zur Bedeutungsübersicht von libertas; Hellegouarc’h 1963, 542–565. Cic. Planc. 91: „quod non ab omnibus isdem a quibus antea solitus sum dissentire dissentiam“. Zu den boni viri vgl. Cic. Planc. 1 und an der Stelle die Darlegungen von Jehne 1999. Archard 1973, 218: „Ainsi les viri boni sont (…) dans le pro Plancio (§ 91) les grands conseillant Cicéron (…)“. Achard zeigt anhand der politischen Reden die jeweilige politische Positionierung, Gruppe und Rolle der boni viri auf, die Cicero zugrunde legte. Cic. Planc. 92: „solle ich nunmehr mir selber dienen und an meine Angehörigen denken“. Cicero habe stets der res publica gedient: „sibi servissem semper, numquam mihi“ und solle nun sich selbst dienen: „ut iam mihi servirem“. Diese Art der gegenseitigen Verpflichtung wird mit „Termini der Versklavung“ beschrieben: Blänsdorf 2016, 81. 702 Cic. Att. IV,6; Cic. ad Q. fr. III,5.
698 699 700 701
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keine direkten Bemühungen für die Rückberufung Ciceros unternommen hatten, so hatten sie den amtierenden Konsuln und Volkstribunen 58 v. Chr. auch keinen Einhalt geboten. Die politische Lage nach der Rückkehr aus dem Exil war weiterhin ungünstig. Nicht nur setzte ihm Clodius Pulcher zu, auch musste Cicero mitansehen, wie die für ihn wichtigen republikanischen Grundsätze an Bedeutung verloren, die Politik von Wenigen beherrscht wurde und der Senat zunehmend an Einfluss verlor. Cicero wurde schnell bewusst, nicht dauerhaft mit Caesar und Pompeius verfeindet sein zu können.703 Trotz der Rückkehr nach Rom und der regelmäßigen Teilnahme an den Senatssitzungen war er politisch handlungsunfähig. Auch scheint er, immer weiter zwischen die Fronten der Popularen und Optimaten geraten zu sein, und wurde von beiden Seiten bezüglich seiner opportunistischen Haltung kritisiert.704 Den Popularen den Rücken zu kehren, die ihm Schutz boten, wäre taktisch unklug gewesen. Aus Furcht vor Caesar und Pompeius bekannte er sich auch nicht öffentlich zu den Optimaten, obwohl er deren politische Haltung nach wie vor teilte.705 So war er vollauf damit beschäftigt, sich nicht nur schriftstellerisch zu betätigen, sondern vor allem die Anhänger und Handlanger von Caesar und Pompeius vor Gericht zu verteidigen – als Gegenleistung für den ‚Schutz‘, welchen sie ihm unter anderem gegen Clodius Pulcher gewährten.706 Die Verteidigung dieser Personen missfiel ihm meist selbst.707 Unter ihnen befanden sich Männer wie P. Vatinius, den er 54 v. Chr. erfolgreich verteidigt hatte.708 Nicht nur der Prozess gegen Vatinius hatte den Zwiespalt gezeigt.709 Noch im selben Jahr sollte er keinen anderen als A. Gabinius verteidigen, der unter Anwendung der lex Iulia de repetundis angeklagt worden war.710 Um die Anspielung in ihrer Gesamtheit zu fassen, muss ein kurzer Exkurs sowohl zu Vatinius als auch zu den Prozessen, in die Vatinius verwickelt war, gegeben werden. P. Vatinius hatte im Konsulatsjahr Ciceros, 63 v. Chr., die Quaestur inne.711 Protegiert von C. Iulius Caesar war seine politische Karriere durchaus von Erfolg gekennzeichnet: 59 v. Chr., unter dem Konsulat Caesars, konnte Vatinius das Tribunat antreten. Mit der Verabschiedung der lex Vatinia de provincia Caesaris sicherte er Caesar das Kommando in Gallien für fünf Jahre.712 Die Praetur bekleidete Vatinius 55 v. Chr., die amtierenden consules waren in dem Jahr Cn. Pompeius Magnus und M. Licinius Crassus Dives.713 Das Konsulat konnte Vatinius neben Q. Fufius Calenus 47 v. Chr. 703 704 705 706 707 708 709 710 711 712 713
Gelzer 1969, 171. Siehe nur Cic. Planc. 91–94. Gelzer 1969, 182 ff. Gelzer 1969, 194. Gelzer 1969, 195. Alexander 1990, 142 (Nr. 292). Der Vatinius-Prozess wurde in Bezug auf die reiectio der iudices bereits ab Cic. Planc. 36 thematisiert. Alexander 1990, 148 (Nr. 303); siehe zu Gabinius und Ciceros Verhältnis zu diesem hier Cic. Planc. 86–87. Broughton MRR II, 168; vgl. Cic. Vatin. 11–12. Rotondi 1962, 392. Broughton MRR II, 214–215.
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
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antreten.714 Seine politischen Kooperationen sowohl mit Caesar als auch mit Clodius Pulcher bewegten Vatinius in die Richtung der Popularen. Seine Gesetze als Volkstribun hatten maßgeblich zur Sicherung der Machtposition Caesars beigetragen.715 Wie verhielt es sich mit den Prozessen, die entweder gegen P. Vatinius716 angestrebt wurden oder in die er verwickelt war? Als Ankläger trat P. Vatinius im folgenden Prozess hervor: 59 v. Chr. klagt er L. Vettius unter Anwendung der lex Plautia de vi an. Der Prozess konnte allerdings nicht zu Ende geführt werden, da Vettius noch im Gefängnis verstarb.717 Als Zeuge der Anklage war Vatinius in folgende Fälle verwickelt: 56 v. Chr. klagte P. Clodius Pulcher den Volkstribun von 57 v. Chr., T. Annius Milo, an.718 Vatinius hatte sich als Zeuge gegen Milo ausgesprochen. Der Prozess wurde allerdings fallengelassen.719 Ebenfalls 56 v. Chr. wird P. Sestius, Volkstribun neben Milo 57, angeklagt. Erneut tritt Vatinius als Zeuge der Anklage auf – P. Sestius wird dennoch freigesprochen.720 In dieselbe Zeit der Verteidigung des Sestius fällt die Rede Ciceros in P. Vatinium testem interrogatio, in deren Rahmen Cicero sich über die charakterlichen Defizite des Vatinius äußert. Sowohl Milo als auch Sestius hatten sich als Volkstribune für die Rückberufung Ciceros eingesetzt und sich politisch mehr als deutlich positioniert, während sie gleichzeitig Clodius mit ebenso vehementer Gewalt entgegentraten.721 Mit Vatinius in der Rolle des Angeklagten wurden folgende drei Prozesse angestrengt: 58 v. Chr. leitete C. Licinius Macer Calvus einen Prozess in die Wege, den Vatinius mit Hilfe von Clodius Pulcher verhinderte – das Gericht wurde mit Gewalt aufgelöst. 56 v. Chr. drohte ihm erneut Licinius Macer mit einer Anklage unter Anwendung der lex Tullia de ambitu – vermutlich wegen der Kandidatur des Vatinius um die Praetur für 55 v. Chr. Schließlich konnte Vatinius 54 v. Chr. unter Anwendung der lex Licinia de sodaliciis erfolgreich vor Gericht gebracht werden. Dem Ankläger Licinius Macer trat aber nun M. Tullius Cicero als Verteidiger entgegen, der einen Freispruch für Vatinius bewirken konnte.722 In Anbetracht der politischen Konstellation sind die Gründe offenkundig, weshalb die Ankläger des Plancius Cicero im Verlauf des Prozesses wegen der Übernahme des Vatinius-Falles feindselig begegneten und seine Handlungsfrei-
714 715 716 717
Broughton MRR II, 286. J. Bartels, DNP 12 (2002) 1151–1152 s. v. Vatinius Nr. I,2. H. Gundel, RE 15,2 (1955) 494–520 s. v. Vatinius (3). Alexander 1990, 120 (Nr. 242); zur Bedeutung der sogenannten ‚Vettius-Affäre‘ von 59 v. Chr. siehe Gruen 1974, 95–96, der die Spannungen des Jahres 59 v. Chr. (auch innerhalb des Triumvirats) aufzeigt. Es war auch dieser Vettius, der unter anderem Cicero über die catilinarische Verschwörung 63 v. Chr. in Kenntnis gesetzt hatte: Gelzer 1969, 106 u. ö. 718 Alexander 1990, 129 (Nr. 266); Broughton MRR II, 201. 719 Alexander 1990, 129 (Nr. 266). 720 Eine ausführliche Auflistung findet sich ebenfalls bei Alexander 1990, 132 (Nr. 271). 721 Im Konsulat Ciceros 63 v. Chr. waren sowohl Milo als auch Sestius Quaestoren, später hatten sie gleichzeitig das Tribunat (57 v. Chr.) und die Praetur 55 v. Chr. inne: vgl. Broughton MRR II. 722 Vgl. zu allen Prozessen gegen Vatinius Alexander 1990, 125–126 (Nr. 255); 133–134 (Nr. 274); 141– 142 (Nr. 292).
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heit in Frage stellten. Welche Motive hätte Cicero aufzeigen können, die eine Verteidigung des Vatinius gerechtfertigt hätten, die nicht auf das Bitten und den Druck Caesars zurückgingen. Vatinius war schließlich denjenigen Männern entgegengetreten, die die Rückberufung Ciceros zu erwirken versuchten. Ciceros Invektive gegen Vatinius 56 v. Chr. hatte die Abneigung gegen diesen mehr als deutlich gemacht.723 Dass er nun zwei Jahre später, nämlich 54 v. Chr., denselben Vatinius erfolgreich verteidigt hatte, erklärt den Unmut gegen Ciceros Person. §§ 93–94 in orbe (…) rei publicae: Unter Handlungsfreiheit (libertas) versteht Laterensis das Festhalten an bereits eingenommenen politischen Stellungen und die Fortführung der begonnenen Auseinandersetzungen, gleichwie eine pugna perpetua. Cicero erkennt die starre und unflexible Eigenschaft einer solchen Haltung – sie als eine eben solche darzustellen, diente schließlich auch seinem Interesse. Den vermeintlichen Opportunismus und die Inkonsequenz seiner Haltung und Handlungen begründet er damit, dass das Machtverhältnis sich a) verschoben habe und b) er stets im Sinne und zum Wohl der res publica gehandelt habe.724 Die Kritik und zugleich Antwort fällt metaphorisch und eloquent aus: Denn wir müssen uns allesamt auf einer Art Rad der Politik zu behaupten suchen, das sich dreht und uns zwingt, die Richtung zu wählen, in die uns das Wohl und Interesse des Staates jeweils weist.725
Um in Balance zu bleiben und keinen Stillstand zu riskieren, müssen laut der ciceronianischen Metapher die Politiker stets in Bewegung bleiben. Es gelte sich in die Richtung zu wenden, in die sich das Rad dreht. Nun scheint der Vorwurf gerechtfertigt, ein solches Verhalten sei opportunistisch und schränke die libertas ein. Auch die individuelle libertas scheint für Cicero hinter der salus rei publicae zu stehen und als Grund für seine opportune Haltung zu genügen.726 Cn. Pompeium (…) C. Caesaris: Die bisher nur indirekt erwähnten führenden Männer der res publica werden in der Planciana 93 erstmals namentlich genannt. Zunächst wird an der Person des Cn. Pompeius ein Gegensatz aufgezeigt: So soll Pompeius nicht lediglich als „auctorem, ducem, defensorem salutis meae“ vorgestellt werden, da diese Art der Beschreibung nur das persönliche Verhältnis zwischen Cicero und Pompeius aufgreift, sondern in unmittelbarer Relation zur res publica charakterisiert werden. Pompeius wird im Gegensatz zu Caesar als princeps, als Erster in der res publica, 723 Cic. Vatin. 13–15; 21–23; u. ö. 724 Neben Cic. Planc. 91–94 siehe zu der Verschiebung der politischen Allianz Ciceros und der Zurückweisung der auch hier geäußerten Kritik Cic. fam. I,9. 725 Cic. Planc. 93: „Stare enim omnes debemus tamquam in orbe aliquo rei publicae, qui quoniam versatur, eam deligere partem ad quam nos illius utilitas salusque converterit.“ 726 In gleicher Weise drückt sich Cicero in einem Brief an Atticus aus: Cic. Att. II,9: „Festive, mihi crede, et minore sonitu quam putaram, orbis hic in re publica est conversus citius omnino quam potuit.“
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gewürdigt: „in re publicae principem“.727 Ferner müsse Cicero sich dem allgemeinen Lob anschließen, das Caesar sowohl vom populus Romanus als auch vom Senat erhielt. Dabei scheint der Konsens mit dem Senat das entscheidende Kriterium gewesen zu sein: Und ich soll nicht in das allgemeine Lob auf C. Caesar einstimmen, das, wie ich feststellte, erst das römische Volk und jetzt auch der Senat (und ihm habe ich mich stets angeschlossen) durch zahlreiche wichtige Willensäußerungen bekräftigt hat?728
Auf welche Willensäußerungen des Senats wurde aber Bezug genommen? Im Kontext der Lobpreisung Caesars liegt es unmittelbar nahe, die supplicatio (Dankfest) von 57 v. Chr. zu erwähnen.729 Die erste supplicatio zur Ehren Caesars wurde bereits nach seinem Sieg als Propraetor in Spanien 61 v. Chr. gefeiert. Es folgten noch weitere Dankfeste, die in bis dato unbekanntem Maße zelebriert wurden: 57 v. Chr. wird vom Senat für die Unterwerfung der Belger und ‚ganz Galliens‘ eine supplicatio von 15 Tagen beschlossen; 52 v. Chr. wird ein Dankfest von 20 Tagen festgesetzt und schließlich nach der Schlacht bei Thapsus 46 v. Chr. eine supplicatio von insgesamt 40 Tagen gewährt.730 Bereits vor dem Prozess 54 v. Chr. rechtfertigte Cicero in seiner oratio de provinciis consularibus von 56 v. Chr., dass er im Vorjahr (57 v. Chr.) in Übereinstimmung mit dem Senat seine Stimme für die 15-tägige supplicatio zu Ehren der Siege Caesars in Gallien abgab.731 Um seine eigene Haltung weiter zu rechtfertigen, folgt der Hinweis, dass auch Pompeius einem Dankfest von 15 Tagen zugestimmt habe, obgleich sie seine eigenen supplicationes von 10 und später 12 Tagen nach den Siegen über Mithridates überstiegen.732 Neben den Triumphen und den angeführten exempla berühmter Triumphatoren waren also auch die supplicationes von Bedeutung. Obwohl bei den supplicationes die erfolgreichen Feldherren im Gegensatz zu einem Triumph wohl nicht zwingend persönlich anwesend sein mussten, wurden die Dankfeste durchaus als Distinktionsmerkmal innerhalb der politischen Elite genutzt. Cicero selbst hatte für seine Siege als Prokonsul in Kilikien auf supplicationes gehofft, nachdem er sie bereits zuvor
727 Die Beziehung Ciceros zu Pompeius wird in folgenden Werken geschildert: Cic. Rab. Post. 33; Cic. fam. I,9; Cic. Pis. 35; 76; 80; Cic. Sest. 74; 107; zu der Vermittlung des Pompeius zwischen Caesar und Cicero siehe Cic. fam. V,9; Gelzer/Herrmann-Otto 2005, 136. 728 Cic. Planc. 93: „Ego C. Caesaris laudibus desim, quas primum populi Romani, nunc etiam senatus, cui me semper addixi, plurimis atque amplissimis iudiciis videam esse celebratas?“ 729 G. Wissowa, RE 7,2 (1931) 942–951 s. v. supplicationes; Halkin 1953, 42 ff. 730 Brandes 2015, 16, 61, 343; Jehne 2004, 61, 64, 69; Hickson-Hahn 2000, 244–245. Nur als Vergleich sei hier erwähnt, dass C. Marius nach seinem Sieg über die Kimbern eine supplicatio von fünf Tagen erhielt. Das Dankfest von 57 v. Chr. lag wohl auf den Comitialtagen und wurde bewusst vom Konsul des Jahres, Lentulus Marcellinus, anberaumt. Taylor 1961, 80 geht davon aus, dass die Senatoren dem Vorschlag des Marcellinus zustimmten, um Gesetzesbeschlüsse zu verhindern. Demnach konnten supplicationes als Obstruktionsmethode im politischen Alltag eingesetzt werden: de Libero 1992, 54 ff. 731 Cic. prov. 25–27. 732 Cic. prov. 27.
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für die Abwendung der catilinarischen Verschwörung erhalten hatte. Der Volkstribun von 50 v. Chr., C. Scribonius Curio, hatte allerdings mit Interzession gedroht, sollte der Senat dem Dankfest für Cicero zustimmen. Schließlich einigte sich Scribonius mit den amici Ciceros, dass die supplicationes zumindest nicht im laufenden Jahr stattfinden sollten.733 Allein der Hinweis auf solche Dankfeste rief die Siege der erfolgreichen Feldherren in Erinnerung und aktualisierte sie zugleich im öffentlichen Gedächtnis des populus Romanus. In der direkten Konkurrenzsituation mag aber der unmittelbare Vergleichsfaktor durch die Nennung der vom Senat beschlossenen Tage noch bedeutender gewesen sein. Die Anzahl der Tage verwies eindeutig auf die Bedeutung und Größe der Siege für die res publica. Indem Pompeius der supplicatio für Caesars Siege in Gallien zugestimmt hatte, mochte er zumindest implizit diese über seine eigenen Verdienste gestellt haben. Nur deshalb kann auch Cicero die Zustimmung des Pompeius als Rechtfertigung vor Gericht für seine eigene Abstimmung im Sinne der supplicatio Caesars gebrauchen. Die Charakterisierung der ‚mächtigen Männer‘ in der Planciana zeigt jedoch Widersprüche auf: In der Planciana § 86 werden die Triumvirn zwar als die Machthabenden verstanden, allerdings aufgrund folgender Faktoren: „die wegen ihrer Truppen, ihrer Waffen, ihrer Geldmittel die Mächtigsten waren“.734 Diese Beschreibung wurde in Zusammenhang mit der Missbilligung des Clodius Pulcher geäußert; dass sie dennoch eine Kritik an die Triumvirn enthält, ist offensichtlich. Anders verhält es sich in der oratio §§ 93–94: Pompeius wird nach der Rückberufung Ciceros aus dem Exil zum auctor, dux und defensor stilisiert, sogar zum princeps in re publica. Caesar wird als sowohl vom populus Romanus als auch vom Senat angesehene Persönlichkeit charakterisiert. Die inkonsequent erscheinenden Aussagen müssen abhängig von ihrem jeweiligen Kontext betrachtet werden. In der Planciana 86 werden in erster Linie Clodius Pulcher und seine Agitationen, die sich gegen Cicero und seine Fürsprecher gerichtet hatten, missbilligt. Clodius habe seine Handlungen auf die Unterstützung durch die Triumvirn zurückgeführt – die indirekte Kritik, diese Männer seien lediglich durch ihre Truppen, Waffen und Gelder die Mächtigen, ist nachvollziehbar. In Folge der argumentativen Strategie (Cic. Planc. 90) gilt es jedoch, das Exil und seine Auswirkungen auf die Folgezeit zu erklären und zu rechtfertigen. Die neue politische Orientierung Ciceros wird dadurch legitimiert, dass eben jene ‚mächtigen Männer‘ sowohl vom populus Romanus als auch vom Senat – und Cicero sieht sich stets als senatstreuer Anhänger – gebilligt und geschätzt wurden. Die Schlussbetrachtung der politischen Lage durch Cicero bestätigt eine solche diachrone Sicht: Gegen ein „Unwetter“ anzukämpfen, sei nicht zielführend, vielmehr gelte der Grundsatz; „dass dieselben Leute nicht stets dieselben, sondern jeweils die
733 de Libero 1992, 30 mit den Quellenbelegen: Cic. fam. VIII,11,1; XV,5,2 und XV,6,2. 734 Cic. Planc. 86.
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Meinungen vertreten, welche die politische Lage, die Zeitströmung und die Rücksicht auf den inneren Frieden fordern.“735 Libertas736 zeigte sich für Cicero also nicht in „Halsstarrigkeit, sondern in einem gewissen Sinn für Maß (…)“.737 Überblick §§ 95–100: Neben der Schilderung der misslichen Lage in Rom wird vor der peroratio weiterhin das Exil thematisiert.738 Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Schilderung der Reise in die Provinz Makedonien und auf den beschwerlichen Umständen, welche die erzwungene Reise mit sich brachte. §§ 95–97 me arcem facere e cloaca lapidemque e sepulcro venerari pro deo: Die ironische Entgegnung auf den Vorwurf, Cicero würde Plancius unverhältnismäßig loben, lautet wie folgt: „ich machte, indem ich die Verdienste des Plancius mir gegenüber unmäßig priese, ein Schloß aus einem Abwasserkanal und erwiese einem Grabstein göttliche Ehren“.739 Das gängige Motiv der Selbstrechtfertigung in Form von ‚Patriotismus‘ findet erneut Anwendung. Die genaue Formulierung bezieht sich sowohl auf den Zustand und die Konstitution des Staates als auch auf die Folgen, die eingetreten wären, hätte Cicero sich dem Exil widersetzt: Als ich mich angesichts einer Katastrophe der Gesetze, des Senates und aller Rechtschaffenen zurückzog, Laterensis, als die Feuersbrunst meines Hauses die Einäscherung der Stadt und ganz Italiens für den Fall ankündigte, (…).740
Von den verschiedenen Etappen der ersten Monate seiner Verbannung berichtet Cicero erstaunlich kurz. Die Öffentlichkeit in und außerhalb Italiens sei über die Geschehnisse gut informiert gewesen: „Nihil enim est ex meis temporibus quod minus per vagatum, (…) celebratum“741 – ein Hinweis auf die Bestimmungen der später durch den Senat ausgesprochenen Rückberufung aus der Verbannung. Der Senat hatte nicht nur ganz Italien, sondern auch den auswärtigen Völkern Ciceros Schutz befohlen.742 735 736 737 738 739
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Cic. Planc. 94: „non semper easdem sententias ab isdem, sed quascumque rei publicae status, inclinatio temporum, ratio concordiae postularet, (…).“ Lind 1986, 81–91 zur Bedeutungsübersicht von libertas. Cic. Planc. 94: „(…) libertatemque (…) non in pertinacia, sed in quadam moderatione positam putabo.“ Zu welchem Zweck a) die Ankläger Cicero unmittelbar in den Prozess involvierten und b) mit welcher Absicht Cicero die oratio pro Cn. Plancio als Bühne der Selbstdarstellung nutzte, vgl. hier Cic. Planc. 68–71. Cic. Planc. 95: „me arcem facere e cloaca lapidemque e sepulcro venerari pro deo“. Die Wendung „arcum e cloaca“ kommt dem deutschen Sprichwort „Aus einer Mücke einen Elephanten machen“ nahe; vgl. Ov. Pont. II,5,22 in ähnlicher Weise „e rivo flumina magna facis“, so auch Fuhrmann 1997, 855 Anm. 73. Cic. Planc. 95: „Ego enim, Laterensis, ex illo incendio legum, iuris, senatus, bonorum omnium cedens, cum mea domus ardore suo deflagrationem urbi atque Italiae toti minaretur“. Cic. Planc. 95. Vgl. Rotondi 1962, 400–402 rogationes de revocando Cicerone; Cic. Sest. 128.
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Der erste Entschluss sah als Reiseziel die Provinz Sicilia vor.743 Eine solche Entscheidung lag gerade in Hinblick auf seine Verbundenheit mit Sizilien nicht fern: Cicero hatte die Quaestur in Lilybaeum innegehabt; im Prozess gegen Verres hatte er die Interessen der Provinzialen vertreten.744 Seine Pläne hinsichtlich der Reise nach Sizilien sollten an der Intervention des damaligen Statthalters scheitern: C. Vergilius Balbus. Trotz der freundschaftlichen Verbindungen zu M. Tullius Cicero und seinem Bruder Q. Tullius Cicero verweigerte Balbus dem ehemaligen Konsul Cicero die Einreise nach Sizilien. Vergilius Balbus, der sowohl die plebejische Aedilität 65 v. Chr. als auch die Praetur 62 v. Chr. gemeinsam mit Q. Tullius Cicero bekleidet hatte, übte 61–58 v. Chr. die Statthalterschaft auf Sizilien aus.745 Cicero erhielt, während er sich noch in Vibo aufhielt, die Nachricht von C. Vergilius Balbus, er möge nicht nach Sizilien kommen, da der Propraetor sich vor Clodius fürchtete.746 Die Ablehnung des C. Vergilius Balbus ging eindeutig auf die Agitationen des Clodius Pulcher („eiusdem tribuni“) zurück, der in diversen öffentlichen Versammlungen („plebis contionibus“) Balbus aufgrund seiner politischen Beteiligung an der Hinrichtung der Catilinarier angegriffen hatte. Die abweisende Haltung des Balbus wiederum mag als Hinweis für die Billigung des Strafmaßes gegen die Verschwörer von 63 v. Chr. gedeutet werden. Nicht fehlende pietas, humanitas oder die memoria communium temporum habe Vergilius Balbus zu der Entscheidung geführt, sondern die Furcht, nicht gegen die Opposition des Clodius standzuhalten.747 Immerhin hatten weder Cicero noch die anwesenden iudices, die er hier inklusiv mitzählt, dem Sturm des Volkstribuns standgehalten, womit er das Verhalten des Vergilius Balbus also entschuldigte.748 Die Abweisung aus Sizilien machte eine Änderung der Pläne notwendig.749 Die Entscheidung fiel aus vermutlich reisestrategischen Gründen auf Brundisium, eine der wichtigen Hafenstädte Italiens. Die Reise musste über den Landweg geführt haben, da Cicero von schweren Stürmen zu dieser Zeit berichtet. Der Weg von Rom nach Brundisium scheint nicht sonderlich beschwerlich gewesen zu sein. Cicero zufolge waren ihm die Einwohner aller Städte von Vibo bis nach Brundisium verpflichtet und gewährleisteten ihm eine sichere Durchreise: die municipia befanden sich „in fide mea“ – was die Vermutung zulässt, dass die besagten municipia sich mit Cicero in Patron-Klient-Beziehungen befunden haben durften.750 Die Stadt Brundisium habe er aber nicht betreten – einen Unterschlupf auf der Durchreise gewährte ihm M. Laeni743 744 745 746 747
Gelzer 1969, 140. Zur Quaestur Ciceros und Lilybaeum hier Cic. Planc. 65. Broughton MRR II, 158, 173, 179 ff. Cic. Planc. 96; vgl. Gelzer 1969, 140. Trotz der Ablehnung durch C. Vergilius Balbus äußert sich Cicero positiv über diesen: Cic. fam. II,19; Cic. ad Q. fr. I,2. 748 Vgl. für eine weitere Darstellung des Exils die Briefe Ciceros an Atticus III,1-IV,1. 749 Cic. Planc. 95–96; vgl. weiterhin zu Vergilius Balbus: Cic. ad Q. fr. I,2,7. 750 In Cic. Planc. 97 wird Brundisium als eine solche municipia genannt; vgl. Cic. Sest. 131.
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us Flaccus, 751 trotz der Drohungen mit publicatio, exilium und mors.752 Die clodischen Bestimmungen zur Verbannung Ciceros sahen eine Entfernung von 500 Meilen von Italien vor – daher drohte allen, die dem Geächteten in Italien Hilfe leisteten, das gleiche Strafmaß.753 Laenius Flaccus (unterstützt vom eigenen Vater, dem Bruder und den Söhnen) schien sich dem Beschluss des Clodius zu widersetzen, als er ein Schiff für die Weiterreise Ciceros nach Dyrrhachium sicherte – ebenfalls eine Hafenstadt in Epirus, gegenüber Brundisium gelegen.754 §§ 98–99 in Macedoniam ad Planciumque perrexi: Ein längerer Aufenthalt in Dyrrhachium wurde durch die restlichen catilinarischen Verschwörer in Griechenland verhindert, denen Cicero in seinem Konsulat 63 v. Chr. entgegengetreten war: „daß Griechenland voll von den verbrecherischen und skrupellosen Menschen sei, deren Händen mein Consulat die mörderischen Dolche und verderblichen Fackeln entwunden hatte.“755 Der drohenden Gefahr durch die Catilinarier bewusst, reiste er weiter nach Makedonien zu Cn. Plancius. Der entscheidende Faktor für die Argumentation ist sicherlich der Bericht über das Verhalten des Plancius, als diesem die Nachricht zugetragen worden war, Cicero sei auf dem Weg nach Griechenland. Sobald dieser in Dyrrhachium angekommen war, sei Plancius Cicero entgegengereist. Sowohl symbolisch als auch taktisch sowie politisch bedeutsam war der Auftritt des Plancius: „Denn sobald er erfuhr, daß ich in Dyrrhachium eingetroffen sei, machte er sich unverzüglich – ohne Amtsdiener, ohne die Zeichen seiner Stellung und in Trauerkleidern – zu mir auf den Weg.“756 Dieser habe sowohl auf die Liktoren als auch auf seine Amtsinsignien verzichtet. Quaestoren verfügten allerdings weder über ein imperium noch dementsprechend über Liktoren – die je nach Amtsstufe in ihrer Zahl variierten – und fasces, die ihre Amtsgewalt hätten symbolisieren können.757 Einem dictator standen 24 lictores zur Seite, die consules und proconsules verfügten über je 12, die Praetoren und Propraetoren dahingegen über 6 – in Rom selbst verfügte der Praetor wohl zunächst nur über zwei lic-
751 Cic. Planc. 97; vgl. Cic. fam. XIV,4; Cic. Att. V,20–21; VI,1; Cic. Sest. 131. 752 Die omnes metus (wie in Cic. Planc. 97: publicatio bonorum, exsilium, mors), die durch die lex Clodia drohten, finden in Cic. Sest. 46; 133; Cic. prov. 45; Cic. Pis. 30 ebenfalls Erwähnung. 753 Cic. Planc. 97; Gelzer 1969, 141; Cic. Sest. 131 zu M. Laenius Flaccus. 754 D. Strauch, DNP 3 (1997) 857–858 s. v. Dyrrhachion; vgl. Fuhrmann 1997, 855 Anm. 78. 755 Cic. Planc. 98: „refertam esse Graeciam sceleratissimorum hominum ac nefariorum, quorum impium ferrum ignisque pestiferos meus ille consulatus e manibus extorserat“. 756 Cic. Planc. 98: „Nam simul ac me Dyrrachium antigisse audivit, statim ad me lictoribus dimissis, insignibus abiectis, veste mutata profectus est“. 757 Kunkel 1995, 119–123 zu den Liktoren, insbesondere zur Entbehrung der Liktoren bei den Quaestoren siehe 121 und Anm. 70. Vgl. Nippel 1984, 23 zur symbolischen Aussagekraft von lictores: „The core of the lictor’s task is the symbolic represantation of the magistrate’s claim to obedience, which is expressed by a complex set of acts and rituals involving the fasces, (…).“
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
tores.758 Konnte der Verzicht auf die Amtsinsignien das Ablegen der toga praetexta – der toga der amtierenden curulischen Magistrate mit purpurnem Saum – bedeutet haben? Dem würde allerdings widersprechen, dass Quaestoren nicht den Rang der curulischen Magistrate innehatten, womit ihnen das Tragen der toga praetexta untersagt war.759 Statt der traditionellen Amtskleidung legte Cn. Plancius jedoch Trauerkleidung an: „veste mutata.“760 In der Danksagung Ciceros an den Senat nach seiner Rückkehr aus dem Exil stößt man auf eine ähnliche Formulierung: „Cuius mei sensus certissimus testis est hic idem qui custos capitis fuit, Cn. Plancius, qui omnibus provincialibus ornamentis commodisque depositis (…).“761 Wie lassen sich nun die lictores und provincalia ornamenta erklären? Womöglich geht die Beschreibung Ciceros auf eine Übertragung des imperium oder zumindest der zum imperium gehörigen Insignien wie lictores und toga praetexta vom Praetor L. Appuleius Saturninus auf seinen Quaestor Plancius zurück. Eine solche Interpretation der Planciana 98 unter Einbezug der oratio post reditum in senatu (35) hatten bereits sowohl Brennan als auch Kunkel vorgenommen.762 Ein solches Vorgehen hatte eine höchst symbolische Aussagekraft: Plancius trat Cicero als Privatmann (privatus) gegenüber, nicht als römischer Magistrat.763 Sein Auftreten konnte als Abgrenzung von der politischen Führung in Rom verstanden werden. Auf dieselbe Weise waren die ritterlichen Befürworter Ciceros in Rom in Trauerkleidung auf dem Capitol erschienen, um ihre Solidarität und Freundschaft zu bekunden. Die Begegnung mit Plancius, der Cicero mit in sein quaestorium nach Thessaloniki mitnahm, wird als emotionales Zusammentreffen beschrieben.764 Trotz der freundschaftlichen Begegnung des Cn. Plancius verhielt sich der amtierende Propraetor in Makedonien, L. Appuleius Saturninus, wie C. Vergilius Balbus zuvor, distan758 Kunkel 1995, 120; Mommsen, Staatsrecht I 382–386; zur symbolischen Aussagekraft der lictores und ihrer Bedeutung in Auseinandersetzung mit einer größeren Menschenmenge in der späten Republik siehe Nippel 1984, 23: dabei war nicht die Stärke, d. h. die Zahl der Liktoren in einer Konfliktsituation entscheidend, sondern ihr demonstrativer Anspruch auf Gehorsam. Dem Grundgedanken nach erinnert eine solche Interpretation an die hier vorgenommene Darlegung über die der plebs innewohnenden, intrinsischen Akzeptanz der politischen Entscheidungen einerseits, andererseits an die Konflikte innerhalb der politischen Elite, die auf eine rückläufige Akzeptanz der Wahlergebnisse zurückgeht. Kurz: die intrinsische Akzeptanz und Anerkennung der lictores rein aufgrund ihrer symbolischen Darstellung der Magistrate war eine Erwartungsnorm, die nicht hinterfragt wurde. Ebenso wurde die Akzeptanz der politischen Elite von der plebs urbana erwartet; so auch die Akzeptanz der Wahlergebnisse innerhalb der politischen Führungsschicht; vgl. de Libero 2001, 1–28; Schäfer 1989 zu den fasces. 759 Kunkel 1995, 40, 510 ff.; Mommsen, Staatsrecht I 418. 760 Zur Trauerkleidung siehe hier Cic. Planc. 29 und 87. 761 Cic. p. red. in sen. 35. 762 Brennan 2000, 535 Anm. 82; Kunkel 1995, 122. 763 Eine ähnliche Situation wird von Kunkel 1995, 119 Anm. 61 beschrieben. Ap. Claudius Pulcher hatte sich während seines Konsulats als Privatmann (i. e. sine lictoribus) an der Wahlkampagne seines Bruders beteiligt: Liv. XXXIX,32,10 f.; vgl. Hölkeskamp 2011, 171 Anm. 40. 764 Cic. Planc. 99. Das quaestorium, wie das praetorium, ist das offizielle Amtsgebäude eines Quaestors in der Provinz, vgl. Liv. X,32.
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
281
ziert.765 Lediglich Plancius hatte sich bereit erklärt, das Strafmaß mit Cicero zu teilen: „mecum ea subire et perpeti vellet“766 – die Sanktionen der lex Clodia hatten beide zu tragen, sollten sie die Entfernung von 500 Meilen zu Italien nicht einhalten. § 100 L. Tubero: Während sich Cicero in Thessaloniki bei Cn. Plancius aufhielt, kehrte L. Aelius Tubero aus der Provinz Asia zurück nach Rom. Die Beziehung zwischen den Tullii Cicerones und Aelius Tubero war wohl von freundschaftlicher Natur („meus necessarius“)767 – dieser hatte von 61–58 v. Chr. als Legat unter Q. Tullius Cicero in Asien gedient.768 Aelius Tubero berichtete Cicero von der Gefahr, die diesem von den Catilinariern in Griechenland drohte: „quas mihi paratas ab exsulibus coniuratis audierat“.769 Cicero beschloss wohl daraufhin, nach Asien weiterzureisen: „in Asiam me ire propter eius provinciae mecum et cum meo fratre necessitudinem“.770 Das Vorhaben scheiterte allerdings an der Intervention des Plancius, der Cicero von dem Aufenthalt in Thessaloniki überzeugen konnte. Trotz der Umstände habe Plancius dennoch seine Pflichten als Quaestor nicht vernachlässigt und wird damit zum pflichtbewussten Magistraten stilisiert: „abiecta quaestoria persona comitisque sumpta.“771 4. Peroratio: Bedeutung des Urteils für Cicero Überblick §§ 101–104: Die emotionale peroratio markiert den Schluss der Rede.772 Die Enttäuschung Ciceros über das Verhalten der Ankläger ist offensichtlich, auf ihre Sympathie und auf ihren Rückhalt hatte er schließlich gehofft. Eine Verurteilung des Plancius würde den Sieg seiner Feinde bedeuten. Eine Erwähnung der Konsequenzen, 765 Siehe zu L. Appuleius Saturninus hier Cic. Planc. 19; 28; vgl. Broughton MRR II, 197. 766 Cic. Planc. 99. 767 Cic. Planc. 100; Cic. Lig. 10; 21; Cic. ad Q. fr. I,1,10; Ainesidemos (Philosoph der Akademie) widmete L. Aelius Tubero die 8 Bücher der „Pyrrhonischen Darlegungen“. 768 Broughton MRR II, 181–182. 769 Cic. Planc. 100. 770 Cic. Planc. 100: „da schickte ich mich an, nach Asien zu gehen, wegen der guten Beziehungen, die diese Provinz mit mir und meinem Bruder unterhält“. 771 Cic. Planc. 100: „wobei er auf seine Rolle als Quaestor verzichtete und die eines Begleiters wahrnahm.“ 772 Siehe zu den perorationes von Cicero und ihre Funktionsweisen Winterbottom 2004, 215–230. Winterbottom 2004, 218 setzt den Hinweis auf die geplante peroratio der Planciana bereits in Cic. Planc. 95 fest: „nunc venio ad illud extremum (…)“, dass meiner Meinung nach kritisch betrachtet werden sollte. Cicero verweist hier lediglich auf rein inhaltlicher Ebene auf den letzten Punkt der Rede der Ankläger. Diese hatten sich dahingehend geäußert, dass die Darstellung der Dankespflicht Ciceros gegenüber Plancius in Relation zu der tatsächlich geleisteten Hilfe unverhältnismäßig sei, worauf Cicero ab Cic. Planc. 95 erneut antwortet. Wie der hier zugrunde gelegten Aufteilung entnommen werden kann, lege ich den tatsächlichen Beginn der peroratio auf Cic. Planc. 101. H. A. Holden 1883 setzt in seiner Herausgabe der Planciana die peroratio in Cic. Planc. 100; Fuhrmann 1997 dahingegen setzt in seiner Ausgabe der Rede den Schluss ebenfalls in Cic. Planc. 101; ebenso Adamietz 1986, 116.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
welche die Verurteilung des Plancius nicht für diesen persönlich, sondern für die res publica bedeuten würde, wird nicht vorgenommen.773 §§ 101–103 o excubias (…), o flebilis vigilias, (…) o custodiam: Für die persönliche Anteilnahme und Hilfeleistung im Exil sollte der Dank in Form von politischer Unterstützung abgeleistet werden. Plancius hatte während des Aufenthaltes für seinen Gast Cicero die Pflichten der excubiae, der vigiliae und einer custodia übernommen – sie galten also nicht unmittelbar der res publica, sondern Cicero selbst. Die excubiae und vigiliae waren eine Art Wache, die vor allem nachts von Soldaten abgehalten wurde. Die custodia bedeutete die Bewachung, das Wachehalten per se774 – Plancius war im übertragenen Sinne der Bewacher und die Wache zugleich.775 Seine Enttäuschung darüber, dass gerade Plancius nun von Ciceros Freunden angeklagt wurde – gemeint ist in erster Linie der Ankläger M. Iuventius Laterensis – scheint mehr als groß gewesen zu sein.776 In der Tat darf aber der Freundschaft zwischen Cicero und Laterensis vermutlich kein großer Wert beigemessen werden. Es ist beinahe unerklärlich, warum Cicero einen kontinuierlich zuvorkommenden oder lediglich leicht tadelnden Ton gegenüber der Anklage annimmt, während Laterensis diesen als feigen Opportunisten mit schlechtem Humor und wenig Einfluss darstellt.777 Auf welche Weise kann die Schuld des Plancius beglichen werden, sollte er doch schuldig gesprochen werden? In dem Zusammenhang kommt retinere (retinebo)778 eine zweifache Bedeutung zu: Auf der einen Seite besagt es das haptische Festhalten, das Greifen und Umarmen einer Person. Auf der anderen Seite hat es eine implizite Bedeutung: Sollte Plancius tatsächlich für schuldig gesprochen werden, so will Cicero mit ihm das Strafmaß der lex Licinia teilen, also ins Exil gehen. Die ambivalente Bedeutung von retinere wird wie folgt weiter ausgeführt: „ich will geloben, daß ich in deinen Nöten nicht nur dein Fürsprecher, sondern auch dein Begleiter und Helfer sein möchte“.779 Cicero bittet (deprecor) die Anwesenden damit, diese Konsequenz in letzter Instanz sowohl von Plancius als auch von ihm selbst abzuwenden: „qui (die boni) a
773 In der erhaltenen Rede für Murena, den Cicero ebenfalls wegen einer ambitus-Klage verteidigt hatte, ist eben eine solche Aufzählung der Konsequenzen einer Verurteilung für den Angeklagten und für die res publica aufgeführt: Cic. Mur. 83–90. Allerdings handelte es sich bei Murena um das Konsulat, bei Plancius um die Aedilität, die eventuell für die salus rei publicae nicht als besonders wichtig erachtet wurde. 774 Laut Köpke/Landgraf 1887, 107 ist die gemeinsame Aufzählung der Begriffe excubiae, vigilia und custodia häufig: vgl. Cic. Marcell. 32; Cic. Mil. 67; Cic. Phil. 12, 24. 775 Winterbottom 2004, 228–229. 776 Cic. Planc. 101: „me, si essem in patriam restitutus, praesentem tibi gratias relaturum; sin aut vitam mihi fors ademisset aut vis aliqua maior reditum peremisset, hos, (…), omnia tibi illorum laborum praemia pro me persoluturos.“ 777 Vgl. zu den Quellenbelegen Stroh 1975, 191–193. 778 Cic. Planc. 102: „Te tamen – exsurge, quaeso! – retinebo et complectar, (…).„ 779 Cic. Planc. 102: „nec me solum deprecatorem fortunarum tuarum sed comitem sociumque profitebor.“
3. Argumentative Strategie II – Die Widerlegung des subscriptor
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me mei servatorem capitis divellat ac distrahat.“780 Statt seiner auctoritas und gratia, sollen seine Worte, Tränen und seine Bitte um Erbarmen bei den Richtern gelten.781 Im Rahmen der peroratio nimmt der Anwalt die Rolle eines Bittstellers gegenüber den iudices ein – die Wortwahl lehnt sich auffällig stark an die religiöse Sphäre.782 Aus der Bitte um die Freisprechung geht hervor, dass der Vater des Angeklagten ebenfalls anwesend war. Beide treten als zwei Väter für einen Sohn auf: „et pro un filio duo patres deprecamur.“ Die hier angewandte Taktik zielte in erster Linie auf das Mitleid der Richter ab.783 Ein solches Vorgehen war sicherlich effektiv, wenn man zum einen direkt auf den anwesenden Vater zeigen konnte, zum anderen dessen Sorgen zur Sprache brachte – Familienmitglieder wurden demnach in die peroratio integriert.784 Damit stand nicht mehr das persönliche Schicksal des Angeklagten auf dem Spiel, sondern auch das der familia. Zudem bringt sich Cicero selbst in die peroratio mit ein: „Bei euch selbst, bei eurem Wohlergehen, bei euren Kindern: bereitet meinen Feinden – zumal denen, die ich mir um eurer Willen zugezogen habe – nicht das Vergnügen, triumphierend festzustellen, daß ihr, ohne auf mich zu hören, zu Feinden von dessen Heil geworden seid, der mein Heil verbürgt hat“.785 Auch für Cicero würde die Niederlage im Prozess einen schweren Rückschlag bedeuten: sowohl die Erinnerung an sein Exil, als auch sein persönlicher Einsatz als Freund und Patron – ja, als Leumundszeuge – würden für hinfällig erklärt werden. § 104 C. Flavus: C. Alfius Flavus, Volkstribun 59 und Praetor 54 v. Chr.,786 wird als letzter Ansprechpartner von Cicero unmittelbar adressiert.787 Alfius Flavus war sowohl der quaesitor der quaestio de sodaliciis, die 54 v. Chr. über Plancius richtete, als auch ein tribules der Plancii aus Teretina.788 Zudem charakterisiert Cicero ihn als seinen amicus, der an dessen Konsularpolitik 63 v. Chr. teilgenommen hatte: „(…) Teilhaber an mei-
780 781 782 783 784 785 786 787
788
Cic. Planc. 102. Cic. Planc. 102. Winterbottom 2004, 225. Vgl. Cic. Verr. I,151: So kritisierte Hortensius im Prozess gegen Verres Ciceros Taktik, während der Zeugenaussage auch Unmündige in ihrer Purpurtoga vor Gericht auftreten zu lassen, um nämlich die Gunst des Volkes zu gewinnen bzw. Hass gegen den Angeklagten zu schüren. Winterbottom 2004, 215–230 verweist in seiner Auseinandersetzung mit den perorationes von Cicero auf die große Bedeutung der Integration der Familienmitglieder in die Schlussrede; ders. 221: „Relatives were preferred, the closer the better. Apparently it worked.“ Cic. Planc. 103: „Nolite, iudices, per vos, per fortunas, per liberos verstros inimicis meis, eis praesertim quos ego pro vestra salute suspeci, dare laetitiam gloriantibus vos iam oblitos mei salutis eius a quo mea salus conservata es hostis exstitisse“. Broughton MRR II, 189. Er hatte laut Cicero diesen in seinem Konsulat 63 v. Chr. unterstütz: „Teque, C. Flave, oro et obtestor, qui meorum consiliorum in consulatu socius, (…)“; E. Klebs, RE 1,2 (1894) 1475 s. v. Alfius (7). Alfius soll, wie er Cicero unterstützt hatte, dieselben Dienste Plancius zugutekommen lassen. Vgl. zu C. Alfius Flavus Cic. Planc. 43. Vgl. Taylor 1960, 275.
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VII. Historischer Kommentar zu Oratio pro Plancio
nen Unternehmungen, (…) Gefährte in der Not und Helfer, bei dem was ich geleistet habe.“789 Als regulärer Vorsitzender und amtierender Praetor 54 v. Chr.790 hatte Flavus kein Stimmrecht. Als quaesitor hatte er lediglich die Aufsicht über den korrekten Verlauf des Prozesses zu führen. Dennoch bittet Cicero ihn, Plancius zu verschonen. Das Ende der peroratio wird rührend (flebilis) gestaltet. Alle Anwesenden – Cicero, der Vorsitzende C. Alfius Flavus und die iudices – sollen geweint haben. Diese überaus emotionale Reaktion der Beteiligten weckte in Cicero die Hoffnung, sein Mandant könne freigesprochen werden. Denn Tränen dienten auf symbolischer Ebene nicht schlicht der Zurschaustellung von Emotionen, sondern sollten als „(…) Beweis größter Vertrautheit, einer quasifamilialen Nähe und hoher affektiver Bindung (…)“791 verstanden werden. Auch in seinem eigenen Fall hatten die Tränen ein glückliches Ende herbeigebracht: „eure jetzigen Tränen erinnern mich an jene, die ihr oft und reichlich für mich vergossen habt.“792
789 Cic. Planc. 104: „Teque, C. Flave, oro et obtestor, qui meorum consiliorum in consulatu socius, periculorum particeps, rerum quas gessi adiutor fuisti, meque non modo salvum semper sed etiam ornatum florentemque esse voluisti (…).“ 790 Broughton MRR II, 222. 791 Flaig 2003, 113 f. 792 Cic. Planc. 104; vgl. Winterbottom 2004, 223–226.
VIII. Schlussbetrachtung
Als Seneca der Jüngere in der Retrospektive über das erste Triumvirat schrieb und M. Porcius Cato Uticensis in Abgrenzung zu Männern wie Clodius und Vatinius zum moralischen Vorbild stilisierte, charakterisierte er ambitus als ein ‚Übel in vielen Formen‘, als ein multiforme malum.1 Senecas Beschreibung ist insofern besonders zutreffend, da sie die Multidimensionalität, die das Phänomen ambitus auszeichnet, deutlich in den Vordergrund rückt. Diese Vielschichtigkeit zeigt sich zunächst in den unterschiedlichen Betrachtungsperspektiven der politischen Akteure, die ich als perspektivische Asymmetrie bezeichne. Die erwähnte Multidimensionalität manifestiert sich dann auch in der Vielzahl der unter ambitus fallenden Praktiken sowie damit einhergehend in den Gesetzen selbst. Die leges de ambitu stechen aufgrund ihrer hohen Komplexität aus dem Gesetzespool der römischen Republik hervor, nämlich durch a) die stete Konkretisierung, Aktualisierung und damit Erweiterung des Tatbestandes, also die Festlegung der (noch) erlaubten und (bereits) illegalen Wahl(be)werbungsmethoden, b) die Festlegung bestimmter und sukzessive steigender Sanktionen, c) die Verschärfung des prozessualen Verfahrens und damit einhergehend d) die Regulierung der Richterberufung speziell für ambitus-Verfahren. Aufgrund dieser ungeheuren Dynamik hat die bisherige Forschung stets damit gerungen, den ambitus treffend und vor allem trennscharf zu charakterisieren. So hat sich der allgemeine Konsens herausgebildet, dass ambitus als typisch römisches Phänomen – denn es waren schließlich die Römer, die den Wahlkampf überhaupt erst erfunden haben – gar nicht treffend charakterisiert werden könne. Diese Ungenauigkeit führte zu dem Resultat, dass jeder Definitionsansatz des ambitus stets mit einer gewissen Unzulänglichkeit behaftet war. Dabei geriet zwangsläufig die politische Relevanz und der tatsächliche Einfluss von ambitus auf die Politik der späten Republik in den Hintergrund. Im Rahmen einer neuen historischen sowie systematischen Analyse musste das Ziel also primär darin liegen, das politische Phänomen des ambitus aus
1
Sen. dial. II,2.
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VIII. Schlussbetrachtung
rechtshistorischer, rechtstheoretischer und rechtspraktischer Perspektive zu untersuchen, es auf unterschiedlichen Ebenen neu zu beleuchten und damit ein deutliches und prägnantes Bild des Phänomens zu zeichnen. Grundlegend für eine solche Untersuchung ist zunächst die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Definitionsansätzen des Begriffes, dann mit legislativen Maßnahmen und schließlich mit diversen Gerichtsprozessen, die de ambitu, de sodaliciis und de vi angestrengt worden waren. Die Auswertung des zeitgenössischen Quellenmaterials – von Varro über Cicero, Sallust sowie Livius bis zu Lucan – ermöglicht zwar die Herleitung und Differenzierung des Begriffspaars ambitio und ambitus, zeigt allerdings zugleich, dass trotz offensichtlich negativer Konnotationen des Begriffes ambitus keine präzise Definition aus den zeitgenössischen Quellen zu eruieren ist. So drängt sich unmittelbar die Frage nach den Gründen auf: Im Fall des ambitus bedeutete eine konkrete, eingegrenzte Definition zu treffen, den Verlust von Flexibilität, der wiederum zur Einschränkung von Möglichkeiten der Ergänzung und/oder Erweiterung des Tatbestandes geführt hätte – was nicht im Sinne der Gesetzgeber sein konnte. Denn neu generierte Wahlpraktiken, die nicht mehr geduldet und kriminalisiert wurden, hätten somit von einer zuvor getroffenen engen Definition nicht mehr abgedeckt werden können. Auf gleiche Weise konnte das Bedeutungsspektrum des Begriffspaars largitio und liberalitas herausgearbeitet werden: Wo ambitus eine deutlich negative Assoziation auslöste, konnte largitio aufgrund der Deutungsnuancen durchaus wertneutral nur als ‚Schenkung‘ verstanden werden. Da das Problem auf rein semantischer Ebene nicht lösbar scheint, ist die Analyse der legislativen Maßnahmen essentiell und führt zu vielfältigen wertvollen Ergebnissen: Ungeachtet dessen, dass die frühen ambitus-Gesetze weder auf materieller noch auf prozessualer Ebene konkrete Informationen liefern, können sie historisch plausibel kontextualisiert werden. So fällt die Verabschiedung der leges de ambitu in solche Phasen, die durch Umbrüche und Zäsuren markiert sind, und politische Stabilität gewährleisten sollten: Unabhängig von der Problematik der Historizität der ersten beiden Gesetze, die bei Livius überliefert sind, lässt sich zumindest die lex Poetelia de ambitu von 358 v. Chr. historisch einordnen. Das Gesetz des C. Poetelius fällt in die Entstehungszeit der Nobilität und spiegelt die Bestrebungen der politischen Elite wider, die öffentliche Präsenz der homines novi einzudämmen. Indem nämlich der Wahlkampf auf Rom beschränkt wurde, also das ‚Herumgehen‘ der homines novi zum Zweck der Wahlwerbung in den ländlichen tribus während der nundinae und an öffentlichen Plätzen (conciliabula) nicht mehr toleriert wurde – unmittelbar in diesem Zusammenhang berichtet Livius interessanter Weise auch darüber, dass zeitgleich zwei neue tribus eingerichtet worden waren –, unterstützte man die alteingesessene politische Elite in Rom, der die städtische wahlberechtigte Bevölkerung bekannt gewesen sein musste. Die Möglichkeiten der homines novi, sich außerhalb des traditionellen Spektrums politische Unterstützung zu sichern, sollten somit begrenzt werden.
VIII. Schlussbetrachtung
287
Die lex Cornelia Baebia von 181 v. Chr. sollte dahingegen die zunehmende inner-aristokratische Konkurrenz um die honores eindämmen. Die seit dem Beginn des 2. Jahrhunderts durch die militärischen Siege Roms im Osten nach Italien fließenden immensen Geldmittel – die unter anderem für die Ausrichtung von spektakulären Spielen, convivia sowie prandia, aufgewendet wurden – eröffneten einzelnen besonders erfolgreichen Angehörigen der römischen Elite einen großen finanziellen Handlungsspielraum, der die Konkurrenz um die honores unmittelbar beeinflusste und die aristokratische Chancengleichheit bedrohte. Gemeinsam mit der lex Cornelia de ambitu von 81 v. Chr., die im Zuge der Neuordnung der Gerichtshöfe und der einschneidenden verfassungsrechtlichen Veränderungen unter Sulla verabschiedet wurde, sind diese drei Gesetze prägnante Beispiele, die exemplarisch die Instrumentalisierung der leges de ambitu in Krisenmomenten der römischen Republik aufzeigen. Zumindest die leges de ambitu der Jahre 358 und 181 v. Chr. fielen in Phasen, in denen – wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen – die Konkurrenz um das Konsulat besonders scharf, ungeregelt und vor allem besonders unberechenbar war. Der Zugriff auf die Problematik, der im Vergleich zur bisherigen Forschung in zweifacher Hinsicht erweitert wurde, und zwar anhand der Trennung zwischen materiellem Tatbestand und prozessualer Verfahrensweise, kann aufzeigen, dass spätestens nach den Bestimmungen der lex Tullia de ambitu von 63 v. Chr. der Schwerpunkt bei Gesetzesbeschlüssen gegen ambitus nicht mehr primär auf dem Strafmaß lag. Die durch die lex Tullia de ambitu etablierte Maximalstrafe gegen einen ambitus damnatus in Form des Exils wurde nämlich für die darauffolgenden ambitus-Gesetze schlicht beibehalten. Auf Tatbestandsebene scheint die lex Tullia die inhaltlichen Bestimmungen der lex Calpurnia de ambitu von 67 v. Chr. lediglich bestätigt zu haben. Außerdem rückte die Regulierung der prozessualen Vorgehensweise für die nach 63 verabschiedeten Gesetze in den Vordergrund: Nicht härtere Sanktionen, sondern verschärfte Verfahrensweisen der Prozesse de ambitu bzw. de sodaliciis sollten abschreckend und eindämmend auf unerwünschte sowie illegale Wahlpraktiken wirken: Nach den Diskussionen im Senat 63 über die Einführung prozessualer Sonderregeln in ambitus-Fällen – so unter anderem die Aufstellung einer speziell für ambitus-Prozesse vorgesehenen Richterliste –, die jedoch allesamt abgelehnt wurden, konnte das Vorhaben erst 55 v. Chr. realisiert werden. Die im Konsulatsjahr des M. Licinius Crassus und Cn. Pompeius Magnus erlassene lex Licinia de sodaliciis tritt aufgrund folgender Regelungen aus der Reihe der leges de ambitu hervor: Ihre Bestimmungen sollten sich nicht nur auf die strafrechtliche Verfolgung von Bewerbern richten, sondern den am ambitus beteiligten Personenkreis, damit sind in erster Linie die divisores und sequestres gemeint, einschließen. Darüber hinaus wurde die editio iudicum, die mit der lex Acilia repetundarum 123/122 v. Chr. als reguläres Verfahren der Richterbestellung etabliert und durch die sortitio ersetzt worden war (eine von Sullas Maßnahmen von 82/81 v. Chr.), mit den Bestimmungen der lex Licinia in abgeänderter Form wiedereingeführt. Die editio iudicum, die eine Aus-
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VIII. Schlussbetrachtung
wahl individueller Richter von der jährlichen Richterliste durch beide Prozessparteien vorsah, wurde 55 v. Chr. in Form der editio tribuum eingeführt. Als bis dahin erste und auch einzige lex überhaupt berücksichtigten ihre Bestimmungen die Aufnahme der Stimmbezirke (tribus) in das Verfahren der römischen Gerichtshöfe. Die neueingerichtete editio tribuum räumte den Anklägern in sodalicia-Prozessen, die insgesamt lediglich fünf Mal bezeugt sind, großes Mitspracherecht bei der Zusammensetzung der quaestio de sodaliciis ein. So durften Ankläger vier tribus auswählen (editio tribuum), von denen der Angeklagte eine tribus zurückweisen durfte (reiectio). Die Richter für den Gerichtshof sollten aus den übriggebliebenen drei tribus ermittelt werden. Nach welchen Prinzipien musste die Auswahl aber vorgenommen werden? Die detaillierte Analyse – nämlich vor dem Hintergrund der regulären Verfahrensformen der quaestiones perpetuae der römischen Republik – konnte aufzeigen, dass die Richter für sodalicia-Prozesse vom praetor urbanus mit Hilfe der Quaestoren und ihrer apparitores aus den durch die editio bestimmten drei tribus einberufen wurden. Dabei dürfte als Auswahlkriterium der Census gemäß der lex Pompeia iudiciaria von 55 v. Chr. für die equites und tribuni aerarii ausschlaggebend gewesen sein: Da durch die lex Pompeia die Regelung eingeführt worden war, dass nur diejenigen equites und tribuni aerarii als Richter in den quaestiones perpetuae agieren sollten, die im Vergleich zu ihren Standesgenossen das höchste Vermögen vorweisen konnten, um ihrer Bestechlichkeit vorzubeugen, blieben nur die vom album iudicum ausgeschlossen Ritter und Ärartribune übrig. Die Quaestoren ermittelten unter ihnen danach diejenigen, die das meiste Vermögen vorweisen konnten. Diese qualifizierten sich somit für die quaestio de sodaliciis und wurden vom praetor urbanus berufen. Eine solche Regelung war nur möglich, da, während nur in begrenzter Zahl Senatoren als Richter in Frage kamen, der Rekrutierungspool der equites und tribuni aerarii wesentlich größer war. Die Rekonstruktion der leges iudiciariae, de ambitu sowie de sodaliciis konnte auf besondere Weise die charakteristischen Eigenschaften der Gesetze der römischen Republik hervorheben, da sie aufgrund ihrer Bestimmungen bezüglich der Verfahrensweisen und der Tatbestände eine große Rolle spielen und eindeutig ineinandergreifen. Anders formuliert: die besprochenen drei Gesetzeskategorien regelten komplexere Sachverhalte als den technischen Bezeichnungen der Gesetze zu entnehmen ist. Sobald Tatbestände in Gesetzesform fixiert wurden, schaffte man eine normative Grundlage für die quaestiones und damit für die unterschiedlichen Delikte. Die leges iudiciariae hingegen klärten elementare Fragen bezüglich der Verfahrensweise der Richterberufung aus den ordines, der Anzahl von iudices sowie der Kompetenzen, die dem Vorsitzenden (quaesitor) übertragen werden sollten. Auch konnte im Rahmen der Analyse rekonstruiert werden, dass die Vorsitzenden (quaesitores) in den Prozessen de sodaliciis ebenfalls vom amtierenden Praetor ausgewählt bzw. aus den Reihen der Aedile und Praetoren ausgelost wurden. Gemäß der Bestimmungen der lex Aurelia iudiciaria von 70 v. Chr. mussten in den quaestiones perpetuae neben den Rittern und Ärartribunen auch Senatoren als Juroren
VIII. Schlussbetrachtung
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in den Gerichtshöfen anwesend sein. Diese Regelung der lex Aurelia scheint jedoch in Konflikt mit der quaestio de sodaliciis zu stehen: In diesem speziellen Fall war die Auswahl der tribus entscheidend, aus denen die Richter rekrutiert werden sollten. Senatoren wurden allerdings nicht nach tribus, sondern gemäß der Senatsdekurien geführt. Diese Senatsdekurien wiederum dienten als Grundlage für die Aufstellung der jährlichen Richterliste. Die senatorischen Richter wurden dann vom album iudicum per Los auf die quaestiones perpetuae aufgeteilt. Auch konnte nicht gewährleistet werden, dass in jeder von den Klägern ausgewählten tribus genügend Senatoren aufzufinden waren – zumal die infrage kommenden senatorischen Richter bereits in den quaestiones perpetuae tätig waren. Die Rekonstruktion des Gerichtshofes de sodaliciis führt also unweigerlich zu zwei Schlüssen: 1) Es muss sich bei der quaestio de sodaliciis um eine quaestio extraordinaria handeln, da sie nach der individuellen und daher stets unterschiedlich ausfallenden editio tribuum der Ankläger, der Ermittlung der in Frage kommenden Richter und des Vorsitzenden ad hoc einberufen wurde; die Etablierung einer festen jährlichen Richterliste nur für die quaestio de sodaliciis war also unmöglich. 2) Auch waren mit größter Wahrscheinlichkeit keine Senatoren in diesen Prozessen zugegen, da sie weder nach tribus geführt wurden noch eine Kollision mit dem album iudicum für die quaestiones perpetuae verursacht werden durfte. Die kontinuierliche Kritik Ciceros an der Richterauswahl (nämlich ex omni populo) in der Verteidigungsrede für Cn. Plancius sowie überlieferte Berichte über die Bestechung von Richtern, die außerhalb der ihnen zugelosten Gerichte tätig waren – wie unter anderem das näher untersuchte Beispiel des Prozesses gegen Oppianicus im Jahr 74 v.Chr – bestätigen dieses Ergebnis. In ähnlicher Weise wirkte sich auch die lex Pompeia de ambitu von 52 v. Chr. auf die prozessuale Verfahrensweise aus: Die Anzahl der vor Gericht zugelassenen patroni und die Redezeit der Parteien wurde eingeschränkt, feste Gerichtstermine wurden vor Prozessbeginn festgesetzt, Prozessführung wie Schiedsspruch mussten am selben Tag vorgenommen werden. Zuvor hatte bereits die lex Tullia de ambitu die Verschleppung von Gerichtsprozessen wegen Krankheitsgründen untersagt. Die Tatbestände der diversen leges de ambitu dürfen daher nicht zum alleinigen Gegenstand der ambitus-Untersuchung werden. Zum eigentlichen Kern der normativen Regelungen gehören unmittelbar die Verfahrensregeln. Beide Komponenten sind spätestens für die Gesetze ab 63 v. Chr. bei der Verfolgung von ambitus untrennbar miteinander verbunden. Anders formuliert: in den letzten Phasen der späten Republik werden prozessuale Verfahrensweisen wichtiger und resultieren in einer Normierung des einschlägigen Prozessrechts. Betrachtet man ambitus allerdings in einem weiten politischen Rahmen, wird schnell ersichtlich, dass er als materieller und substantieller Tatbestand nicht wie bisher isoliert, sondern in Verbindung mit korrespondierenden Gesetzesbeschlüssen behandelt werden muss. Eine Reihe unterschiedlicher Gesetzeskategorien hat ab dem frühen 2. Jahrhundert den ambitus entscheidend beeinflusst. Die lex Villia annalis von 180 v. Chr. wurde nur ein Jahr nach der lex Cornelia Baebia de ambitu verabschiedet und
290
VIII. Schlussbetrachtung
regelte sowohl das Mindestalter für die Ämter des cursus honorum als auch die Reihenfolge der honores. Als Konsequenz wurde der Andrang auf die unterschiedlichen Ämterstufen kanalisiert. Damit stieg potentiell die Konkurrenz innerhalb der jeweiligen Altersgruppen von Kandidaten um die honores sogar weiter an. Die diversen leges sumptuariae, die unter anderem die Limitierung der Teilnehmerzahlen bei convivia sowie die Bestimmungen bezüglich der Ausrichtung von Spielen in Zusammenhang mit den Magistratswahlen und der daraus entstehenden Kosten regelten, wiesen mit den leges de ambitu einen fast identischen Ausgangspunkt auf: Sie griffen regulierend in den Verhaltenskodex des Senatsadels ein, indem sie die Selbstdarstellung der Mitglieder der Senatsaristokratie zu ordnen versuchten. Damit sollte auf lange Sicht die kollektive Kontrolle des Standes über die Einhaltung der traditionellen sozialen Normen durch seine eigenen Mitglieder gesichert werden. Der Zusammenhang zwischen ambitus und vis ist indes besonders auffällig. Für die unterschiedlichen potentiell gewalttätigen Mobilisierungsformen bediente man sich vermehrt der collegia und sodalitates, da sich in den Vereinen in erster Linie die städtische Wählerschaft versammelte, die sich mit Hilfe der magistri collegiorum oder der entsprechenden Patrone für Wahlzwecke effektiv mobilisieren ließ. Gewalttätige Aktionen wurden zum gängigen Mittel, von denen die sodales – unter der Leitung politischer Akteure – Gebrauch machten, um Wahlakte oder contiones zu stören und politische Gegner einzuschüchtern. Die gesetzlichen Regelungen, nämlich Verbotsund Auflösungsbeschlüsse gegen collegia, sodalitates und sodalicia, konnten durchaus die sich partiell überschneidenden Organisations- und Mobilisierungsformen treffen. Ambitus und vis wurden simultan auf den Straßen Roms umgesetzt. Gewalttätige Ausschreitungen waren also nicht nur eine Nebenerscheinung von ambitus, vielmehr scheinen beide Delikte sich gegenseitig bedingt zu haben. In einer solchen Konstellation wurden Anklagen de ambitu unter zusätzlicher Anwendung von vis zu einer beliebten und durchaus effektiven Obstruktionstaktik im politischen Konkurrenzkampf der späten Republik. Nicht nur bedienten sich die Bewerber der gegebenen Organisationen wie den collegia und sodalitates, sondern entwickelten sogar neue Strukturen in Form von sodalicia, die in erster Linie für Wahlzwecke ins Leben gerufen wurden, an eine Person gebunden waren und gezielt für Störungen des politischen Alltags eingesetzt werden konnten. Die sodalicia, die im Vergleich zu den traditionellen Vereinen stets an eine bestimmte tribus gebunden waren – dabei konnte sodalicium sowohl die Straftat als auch die Organisationsform meinen – weisen damit eine vereinsähnliche Struktur auf, die allerdings nicht in Verbindung mit den traditionellen Vereinen und ihren sakralen Funktionen steht. Sie sind somit eine neue Erscheinung in der letzten Phase der Republik. In der Politik der römischen Republik umfasste ambitus also diverse Praktiken in der Konkurrenz um honores. Auf einer weiteren Ebene bedienten sich Bewerber, die sich im Wahlkampf Vorteile verschaffen wollten, nicht nur der Distinktionsstrategien, die unter ambitus fielen, sondern setzten auch den Vorwurf von ambitus als Invektive
VIII. Schlussbetrachtung
291
mit dem Ziel der moralischen Diskreditierung von politischen Gegnern ein. Denn neben einer Verurteilung de ambitu konnte bereits der Vorwurf für die betroffenen politischen Akteure einen Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit bedeuten: Schließlich wurde die Politik in Rom sogar maßgeblich über die Gerichte betrieben. Die Androhung von Klagen de ambitu, so wie Cato und viele andere sie ausgesprochen hatten, wurde sowohl zum Instrument der sozialen Disziplinierung und Kontrolle als auch zum direkten Mittel der Obstruktion im Wettkampf um honores. Das Phänomen ambitus als Bezeichnung für (illegale) Praktiken der Wahl(be)werbung – oder noch allgemeiner: für transgressive Werbung in eigener Sache – ermöglicht durchaus weitere Schlüsse über das politische Gefüge der römischen Republik. Der Einsatz von ambitus machte nicht nur den Wahlausgang unvorhersehbar, da er theoretisch bestehende traditionelle Bindungen untergraben und neue generieren konnte – auch wenn die auf den Einsatz von ambitus zurückgehenden Beziehungen nur für die Dauer der Wahlphasen Bestand hatten, also von flüchtiger Natur respektive situativ bedingt waren. Ferner durfte ambitus sogar einen positiven Effekt auf die wahlberechtigten Bürger ausgeübt haben: So suggerierte man den Wählern, dass sie trotz diverser bestehender Bindungsverhältnisse und Verpflichtungen frei über ihre Stimmen verfügen konnten. Für die Wähler wiederum muss ambitus recht profitabel gewesen sein: Sie waren die Profiteure, die man durch die Ausrichtung von Spielen, prandia, Geldverteilungen sowie Spenden jeglicher Art versuchte für sich einzunehmen. Damit stand ambitus mit seiner ganzen Bandbreite einerseits in Konkurrenz zum allumfassenden Patronagesystem, konnte aber andererseits als ‚Befreiung‘ von bestehenden Beziehungen gedeutet werden – und dabei spielten dann auch maßgeblich die leges tabellariae eine große Rolle. Durch die Einrichtung der geheimen Abstimmung wurden die diversen sich wohl überschneidenden Bindungsverhältnisse sowie die dadurch verursachten Loyalitätskonflikte nicht mehr sichtbar und damit nicht unmittelbar konfliktträchtig. Obwohl also die Prozesse und die Gesetzeserlasse gerade in den 50er Jahren deutlich zunahmen, die Durchführung von ambitus auf die nächst höhere Ebene nämlich auf die tribus ausgeweitet wurde sowie unterschiedliche Organisationsformen wie die collegia, sodalitates und sodalicia für Wahlzwecke und Gewaltakte instrumentalisiert wurden, ist eine solche Entwicklung ein bedeutender Indikator dafür, dass ambitus höchst dynamisch war, zu keiner Zeit unter die Kontrolle einzelner Persönlichkeiten oder Gruppen geriet und aus diesem Grund stets kompatibel mit den bestehenden Institutionen der res publica war. Trotz der zunehmenden legislativen Einschränkungen erfreute sich ambitus weiterhin großer Beliebtheit: Vor dem Hintergrund der generell sehr eingeschränkten Handlungsspielräume für Amtsbewerber sowie der geringen objektiven Kriterien, anhand derer Entscheidungen bezüglich der Eignung von Kandidaten getroffen werden konnten, war der durch ambitus eröffnete Interaktionsbereich
292
VIII. Schlussbetrachtung
der einzige, in dem Bewerber mit den Wählern unreglementiert in Kontakt treten konnten. Dementsprechend stieg auch die Risikobereitschaft der Akteure, bei einer erfolgreichen Wahl des ambitus angeklagt zu werden: Die unmittelbar nach Abschluss der Wahlvorgänge angestrengten Prozesse de ambitu konnten entweder als Rechtschaffenheit respektive Systemtreue einzelner Individuen gegenüber der res publica oder eben als politische Absicht – in diesem Falle die Durchführung von Neuwahlen und damit erneute Chancen auf das angestrebte Amt – verstanden werden. Prozesse aber, die erst nach Beendigung einer Amtsperiode begonnen wurden, spiegeln besonders deutlich die Verfolgung politischer Akteure mit Hilfe von ambitus-Klagen wider. Auch die strafrechtliche Verfolgung mit mehreren Prozessen, die sich im Tatbestand ähnelten, sprechen dafür. Die Persistenz des ambitus erscheint vor dem Hintergrund eines höchst kompetitiven politischen Systems wie der römischen Republik, die für ihre politische Elite neben der politischen Laufbahn keinerlei attraktive Karriereoptionen bereithielt und in der die Bekleidung der honores stets Status konstituierend war, fast schon als selbstverständlich.
IX. Appendices 1. Anwesende beim Prozess 54 v. Chr. C. Alfius Flavus Cn. (Appuleius) Saturninus
Q. Caecilius Metellus Creticus
C. Licinius Sacerdos
T. Manlius Torquatus Cn. Plancius L. Valerius Flaccus Gesandte aus Makedonien
Cic. Planc. § 43; § 104. Volkstribun 59 v. Chr. Als Praetor bzw. Vorsitzender (quaesitor) im Prozess gegen Plancius anwesend. Cic. Planc. § 19. Laut Köpke/Landgraf als einfacher Zuhörer anwesend. Zugleich Rückbezug auf seinen Vater: L. Appuleius Saturninus / Aedil, Praetor 59 v. Chr., anschließend Statthalter in Makedonien. Cic. Planc. § 61 (vgl. § 27: Oberbefehlshaber auf Kreta unter dem Planc. als Soldat gedient hat.) Anscheinend ist er auch beim Prozess anwesend, denn Cic. schreibt: „rogas quae castra viderit; qui et miles in Creta hoc imperatore (…) / Du willst wissen, an welchen Feldzügen er teilgenommen hat. Er war Soldat auf Kreta und der da sein Oberbefehlshaber“. Laut Köpke/Landgraf war Q. Metellus als einfacher Teilnehmer anwesend. Cic. Planc. § 27. Legat in der Provinz Kreta gemeinsam mit L. Valerius Flaccus. Beide demonstrierten „durch ihre ständige Gegenwart und ihr Zeugnis“ ihre Haltung zu Plancius. Laut Köpke/Landgraf waren sie in der Funktion als Zeugen vor Gericht. Cic. Planc. § 27. Es handelt sich um den Vetter sowie Schwiegersohn von A. Manlius Torquatus, mit dem Cn. Planc. nach Afrika zog. Cic. Planc. § 103. Der (gleichnamige) Vater des Angeklagten. vgl. C. Licinius Sacerdos. Cic. Planc. § 28. Ebenfalls als Zeugen anwesend: „(…) man hat sie wegen einer anderen Sache hergeschickt, doch die unerwarteten Schwierigkeiten des Plancius haben sie veranlaßt, ihm beizustehen, sich für ihn einzusetzen, und sie glauben, daß sie ihrer Entsendung und ihren Aufträgen Genüge tun.“
149
149–123
123–122
122
ca. 111
106
*lex Calpurnia de repetundis
lex Iunia de repetundis
lex Acilia repetundarum
lex Sempronia iudiciaria
lex Servilia repetundarum
lex Servilia iudiciaria
Jahr v. Chr.
quaestio extra ordinaria
?
Richteranzahl
(Leitung praetor peregrinus)
Senatoren
Richterordo
X
Je nach Überlieferung a) gemischte Jurys zwischen Senato ren und Rittern oder b) gänzlich senatorische Richterbänke
a) lulius Obsequens 101; Cassiodorus, Chron. 384 C; b) Tac. Ann. XII, 60; Cic. ap. Ascon. 79
Cic. Verr. I,13,38
60 aus einer Liste von 600
Gemischt: 30 Ritter / 30 Senatoren
Tabula Bembina, CIL I2 Nr. 583
Cic. Brut. 27, 106,2; Cic. Verr. III,84,195, IV,25,56; Cic. off. II,75
Quellen
50 aus einer Ritter Liste von 450
Siehe die Bestimmungen der lex Acilia von 123/22 v. Chr.
Quaestio übergreifend
X
Nur bekannt aus dem Fragment der lex Acilia (CIL I2 Nr. 583, Z. 74: „lege quam M. Iunius D. f. tr. pl. rogavit“ = Crawford 1996, vol. I, 73.)
Die Einrichtung der ersten quaestio perpetua bzw. die Perpetuierung des Geschworenen kollegiums
keine quaestio perpetua quaestio
294 IX. Appendices
2. Gesetze und Jurorenbänke
Die Angaben richten sich hauptsächlich nach Rotondi 1962 / Elster 2003. Die weiteren Angaben zu den leges finden sich in der systematischen Untersuchung.
91
89
82
70
59
55
55
46
44
lex Livia iudiciaria
lex Plautia iudiciaria
lex Cornelia iudiciaria
lex Aurelia iudiciaria
lex Iulia repetundarum
Lex Pompeia iudiciaria
lex Licinia de sodaliciis
Lex Iulia iudiciaria
Lex Antonia iudiciaria
Jahr v. Chr.
Cic. Cluent. 20,55; Cic. Verr. II,31,77 u. ö.
Cic. Verr. II,71,174; Cic. Cluent 47,130 Cic. Verr. I,38
Cic. Pis. 94 Cic. Planc. 36–37 Cic. phil. I,8,19
Senatoren / Ritter / Ärartribune Senatoren / Ritter / Ärartribune Senatoren / Ritter / Ärartribune Ritter und Ärartribune Senatoren und Ritter
Senatoren / Ritter / Cic. phil. I,8,19–20; Ärartribune V,5,8
Die leges Corneliae bleiben in Kraft, die Zusammensetzung der Jury / Geschworenen ca. 70–75 ändert sich jedoch
ca. 70–75 ca. 50
Einhergehend mit der Einrichtung von min destens 8 neuen quaestiones perpetuae
Die Zusammensetzung der Geschworenen bänke wird nicht angetastet, Bestimmungen der lex Aurelia bleiben in Kraft
Regelung zur Einberufung der equites und tribuni aerarii gemäß des Census
Quaestio wird nur Zusammengesetzt unter Anwendung der lex Licinia de sodaliciis
Quaestio übergreifend Ausschluss der tribuni aerarii
Quaestio übergreifend Wiedereingliederung der tribuni aerarii als Juroren
Liv. per. 70,71; Vell. II,13,2; Suet. Aug. 32; Tac. ann. 3,30
Quellen
Alle Gerichte in senatorischer Hand, editio abgeschafft, sortitio / subsortitio eingeführt.
gemischt
Richterordo
Cic. Cor. 1,53
Richteranzahl
gemischt
quaestio extra ordinaria
X
X
keine quaestio perpetua quaestio
2. Gesetze und Jurorenbänke
295
296
IX. Appendices
3. Tribus-Karte
Kartenausschnitt aus L. R. Taylor 1960 mit Modifikationen nach S. Karataş. Markierungen stellen die in der Arbeit besprochenen praefecturae und municipia dar.
297
5. Die Prozesse de ambitu und de sodaliciis Ciceros
4. Cicero als Verteidiger in den Prozessen zwischen 56–54 v. Chr. Jahr
Fall
Prozesstyp
Ausgang
56
P. Asicius
de vi
absolvo
56
L. Calpurnius Bestia
de ambitu
a
56
P. Sestius
de vi
a
56
M. Caelius Rufus
de vi
a
56
L. Cornelius Balbus
lex Papia (de peregrinis)
a
56
M. Cispius
de ambitu?
condemno
55
L. Caninius Gallus
?
c
54
C. Messius
de sodaliciis
?
54
M. Livius Drusus Claudianus
?
a
54
M. Liv. Dru. Clau.
praevaricatio
a
54
P. Vatinius
de sodaliciis
a
54
Cn. Plancius
de sodaliciis
a
Die Angaben richten sich nach Alexander 1990.
5. Die Prozesse de ambitu und de sodaliciis Ciceros Jahr
Fall
Prozesstyp
Ausgang
64
Q. Gallius
de ambitu
a?
63
L. Licinius Murena
de ambitu
a
60
Q. Caecilius Metellus Pius Scipio Nasica
de ambitu
a
56
L. Calpurnius Bestia
de ambitu
a
56?
M. Cispius
de ambitu?
c
54
M. Valerius Messalla Rufus
de ambitu
?
54
M. Aemilius Scaurus
de ambitu
?
54
C. Messius
de sodaliciis
?
54
P. Vatinius
de sodaliciis
a
54
Cn. Plancius
de sodaliciis
a
52
M. Aemilius Scaurus
de ambitu
c
52
P. Sestius
de ambitu
a?
Die Angaben richten sich nach Alexander 1990 und Crawford 1984.
X. Quellen- und Literaturverzeichnis Quellenverzeichnis Appian, Roman History, Latin–English, with an English Translation by H. White, Cambridge 2014 Asconius Pedians, Commentaries on Speeches of Cicero, Translated with Commentary by R. G. Lewis, Oxford 2006 Aulus Gellius, Noctes Atticae, with an English Translation by J. C. Rolfe, Cambridge 2014 Bobiensa, Neue Beiträge zur Textkritik und Sprache der Bobienser Ciceroscholien, Th. Stangl 1894, München C. Iulis Caesar, De bello civili, Lateinisch – Deutsch, übersetzt und herausgegeben von G. Dorminger, München 1979 C. Iulius Caesar, Der Gallische Krieg, Lateinisch – Deutsch, herausgegeben von O. Schönberger, München 1990 Cassius Dio, Römische Geschichte, Band II, Griechisch – Deutsch, herausgegeben und übersetzt von O. Veh, Düsseldorf 2007 Catull, Gedichte, Lateinisch – Deutsch, herausgegeben und übersetzt von W. Eisenhut, München10 1993 Cicero, The Speeches, Pro Plancio, with an English Translation by N. H. Watts (The Loeb Classical Library), London-Cambridge 1965 Cicero, Staatsreden I–III, herausgegeben und übersetzt von H. Kasten, Darmstadt 1969 Cicero, Topica – die Kunst, richtig zu argumentieren, Lateinisch – Deutsch, herausgegeben und übersetzt von K. Bayer, München 1993 Cicero, De legibus – paradoxa Stoicorum, Lateinisch – Deutsch, herausgegeben, übersetzt und erläutert von R. Nickel, Zürich 1994 Cicero, Vom rechten Handeln, herausgegeben und übersetzt von K. Büchner, Zürich 1994 Cicero, Die politischen Reden I–III, Lateinisch – Deutsch, herausgegeben, übersetzt und erläutert von M. Fuhrmann, München 1993 Cicero, Rhetorica ad Herrenium, herausgegeben und übersetzt von T. Nüßlein, Zürich2 1998 Cicero, De oratore – Über den Redner, herausgegeben und übersetzt von Th. Nüßlein, Düsseldorf 2007 Cicero, Cato Marior de senectute – Laelius de amicitia, Lateinisch – Deutsch, übersetzt von M. Faltner, mit einer neuen Einführung herausgegeben von R. Nickel, Berlin5 2011 Cicero, De Inventione, with an English Translation by H. M. Hubbell, Cambridge 2014
Quellenverzeichnis
299
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300
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XI. Register Stellenregister Appian civ. I,22,2: 106 I,35,7: 106 I,92: 106 2,3: 28 Asconius 7: 140, 143 8: 139 17: 127 21: 106 30: 124, 125 33: 154 46: 87 52: 56 55: 154 58: 131 69: 44, 45 74–75: 41 75: 48 88: 48 Caesar civ. III,1,4: 131, 132, 133 Gall. 1,42,6: 189 7,65,5: 189
Cassius Dio 36,38: 122 36,38,2: 39 36,38,4–39,2: 131 36,38–39: 41 36,38,1: 44 37,29,1–2: 49–50 38,12,2: 140 38,16,3: 211 39,7,4: 255 39,30,1–33,1: 60 39,37,1: 67, 71 40,52,1: 133 42,51,3: 117 43,25,2: 127 43,47,2: 117 43,49,1: 117 54,2,3–4: 50 Catullus 100,1–4: 63 Cicero ad Q. fr. I,1,10: 281 I,1,32: 196, 197 I,2: 278 I,2,7: 278 II,1,2–3: 255 II,1,3: 255 II,3,5: 143 III,1,11: 150
III,1,12: 262 III,1,24: 79, 264 III,4,1: 124, 125 III,4,6: 80 III,5: 271 Att. I,1,1: 173 I,2,1: 96 I,13,2: 154 I,14,5: 118, 154 I,16: 122 I,16,3: 92 I,16,5: 87 I,16,12: 41, 57 I,16,13: 58 I,17,5: 27, 38 I,17,11: 96 I,18,3: 59 I,19–20: 253 I,20,3: 154 II,1,6: 154 II,5,1: 154 II,9: 274 III,1–IV,1: 278 III,14,2: 203 III,15: 140 III,22,1: 203 IV,6: 271 IV,15,9: 74, 80 IV,18,1: 124, 125 V,17: 214
V,20–21: 279 VI,1: 279 VIII,3,3: 131 VIII,16: 154 VIII,16,2: 123, 133 IX,5,3: 154 IX,7,6: 155 IX,9,1: 154 IX,11,3: 154 IX,12,1: 214 XIV,21,4: 154 XVI,13,3: 191 Balb. 11: 269 Brut. 27: 16 55: 167, 168, 238 106: 16 116: 214 128: 249 136: 65 161: 214 163: 214 182: 94 221: 65 281: 237 311: 214
316 Cael. 16: 66, 70, 143, 144 26: 144 30: 143, 144 70: 116 78: 250 Catil. I,7: 154 III,27: 193 IV,15: 122 Cato 75: 236 82: 236 Cluent. 43: 113 55: 120 72: 94 74: 118 75: 120 94: 65, 117 103–104: 112 121: 113, 122, 123 122: 123 123: 65 130: 122 147: 117 148: 117 151: 65, 105 de orat. I,57: 234 I,170: 214 I,180: 214 I,212: 267 I,217: 267 I,229: 214 I,240: 267 II,86: 94 II,105: 151, 164, 165 II,132: 248 II,229: 214 III,11: 214 III,70: 214
Register
div. I,103: 223 I,106: 188 II,83: 223
Flacc. 4: 124, 125 11–12: 231 96: 122, 124
Mil. 67: 282 73: 250 78: 265
div. in Caec. 1: 261 4–5: 261 47–49: 117 57: 214
Font. 21–22: 231 36: 122
Mur. 1–10: 150 3: 48 11–14: 166 12: 226 15–53: 166, 180 17: 238, 241 23: 89 35: 169 36: 169 38: 223 38–39: 227 38–40: 50 43: 82 46–47: 44, 49–50, 52 47: 86 53: 169 56: 52 58–66: 168 60: 224 67: 44, 45, 49 70: 184 70–71: 46–47 71: 139 77: 48, 164 83–90: 282 89: 49
dom. 43: 227 55: 211 60: 211 79: 216 91: 267 99: 211 111: 227 129: 140
har. resp. 21: 259 23: 259 40: 154 47: 264 45: 154 50: 154 53: 154 inv. II,52: 154
fam. I,9: 253, 274, 275 I,9,16: 269 I,9,17: 154 II,19: 278 II,54: 116 III,10,9: 160 III,11,2: 134 III,13,2: 160 V,7,3: 262 V,9: 275 VIII,7,5: 86, 123 VIII,11,1: 276 XI,16,2: 211 XI,16,3: 227 XII,29,1: 211 XIV,1,3: 203 XIV,4: 279 XV,5,2: 276 XV,6,2: 276
Lael. 20: 161
fin. 2,62: 48
Marcell. 32: 282
leg. I,1: 188 I,19: 266 II,30: 154 II,56: 65 III,10: 154 III,37: 154 III,44: 169 III,33: 154 III,38: 154 leg. agr. II,23: 83 Lig. 10: 281 21: 281
off. I,116: 214 II,31: 237 II,47: 267 II,57: 214, 227 II,57–60: 163 II,59: 227 III,47: 214 III,60: 117 p. red. ad Quir. 8: 211 13: 211
Stellenregister
14: 250 20: 205 p. red. in sen. 10: 94, 211 12: 211 13: 211 16: 211 21: 254 24: 256 31: 211 33: 140 35: 204, 253, 280 parad. I,12: 236 II: 257 Phil. 12,24: 282 Pis. 1: 184 8: 47, 139 9: 140 18: 211 20: 268, 269 22: 211 25: 211 28: 264 30: 279 34: 256 35: 275 41: 197 43: 205 48: 264 53: 264 64: 211 72: 253 76: 275 80: 275 94: 126 95: 249, 265 96: 124, 125
Planc. 1: 152, 155, 258, 271 1–4: 204 3: 153, 155, 156, 247 4: 155, 156 5: 155, 160, 247 6: 15, 70, 162, 204 7: 169, 212, 227, 243 8: 71, 122, 166, 168, 202 9: 100, 153, 168, 169, 198 10: 171 11: 171, 172 11–13: 198 12: 38, 100, 153, 169, 173, 174, 175, 225 13: 13, 100, 166, 172, 177, 178, 207, 221, 227, 244, 246 14: 128, 178, 230 15: 153, 178, 179, 236 16: 179, 180 17: 180, 181 17–18: 225, 235 17–29: 168 18: 182, 183, 184, 226, 234, 247 19: 13, 103, 162, 166, 184, 185, 186, 190, 281 19–23: 191 20: 166, 187, 188, 191, 216 21: 85, 93, 122, 127, 166, 170, 188, 190, 210 21–22: 190 22: 97, 99, 101, 166, 191 23: 166, 194 24: 100, 154, 160, 189, 196, 198, 199, 200, 202 24–25: 177 25: 202, 203 25–26: 204 26: 153, 202, 203, 205 27: 241 27–28: 186, 212
27–31: 206 28: 186, 202, 258, 281 29: 128, 186, 206, 208, 209, 265, 280 30: 204, 212 30–31: 213, 217 30–32: 235 31–35: 177 31: 213 32: 189, 213 33: 214, 215, 218, 267 33–35: 206 34: 216 34–35: 198 35: 217, 218, 224 36: 62, 64, 65, 74, 89, 92, 113–115, 129, 156, 164, 192, 218, 219, 225, 272 37: 64, 65, 74–75, 76, 92 38: 66, 93, 94, 97, 100, 103, 164, 190 39: 85, 100, 101 40: 74, 77, 82, 84, 115, 120 41: 65, 80, 82, 84, 85, 86, 89, 91, 220 42: 65,76, 85, 90, 100 43: 79, 94, 97, 98, 283 44: 42, 66, 94, 153, 230 45: 26, 67, 69, 70, 94, 164, 172, 199, 200 45–47: 198 46: 65, 71, 198, 221 47: 13, 46, 62, 64, 67, 69, 70, 94, 198, 219, 221 48: 94, 156, 172, 221 49: 62, 97, 165, 195, 222, 223, 224 50: 159, 224, 225 51: 225, 267 51–52: 169 52: 227, 228 53: 96, 178, 230
317 53–54: 195, 225 54: 68, 75, 95, 96, 97, 98, 207, 222, 225, 252 55: 42, 218, 229, 230 56: 231 57: 231 58: 162, 226, 233 59: 153, 235 60: 202, 236, 237, 238, 239 61: 204, 206, 240 62: 169, 242 63: 244 64: 244 65: 245, 278 66: 246 67: 157, 246, 247 68: 153, 204 68–71: 277 69: 204, 247, 248, 249, 268 70: 249 71: 250 71–73: 204 72: 251 73: 157, 251, 252 72–82: 157, 199 74: 204, 253 75: 254 76: 254 77: 202, 204, 256 78: 157, 204, 256, 257 79: 71, 257 79–80: 204 80: 153, 208, 257 81: 102, 258, 258 82: 258, 259 83: 50, 259, 260 84: 260, 261 86: 202, 211, 247, 263, 264, 276 86–90: 153, 206 86–87: 272 86–88: 168 87: 206, 210, 211, 263, 265, 266, 280
318 88: 153, 266, 267, 268 89: 153, 268, 269 89–90: 268 90: 270 91: 153, 271 91–92: 206 91–94: 272, 274 92: 271 93: 274, 275 94: 277 95: 156, 277, 281 95–96: 278 96: 258, 278 97: 279 98: 204, 206, 279 98–101: 204 99: 186, 280, 281 100: 204, 281 101: 258, 281, 282 102: 71, 282, 283 103: 283 104: 79, 284 prov. 2: 264 5: 264 9: 264 25–27: 275 27: 275 45: 279 Rab. perd. 20: 267 21: 214 27: 122, 188
Register
Rab. Post. 3: 189 9: 117 33: 275 rep. I,1: 236 I,18: 160 II,40: 54 II,56: 167 V,1–2: 225 VI,13–16: 225 VI, 26–27: 225 S. Rosc. 8: 83 81: 65 Sest. 15: 265 16: 265 26: 211 29: 211 32: 211 34: 140 34–35: 250 37: 269 39: 264 40: 264 46: 279 50: 205 52: 211 53–54: 250 55: 140 58: 65 60: 224 74: 275 76: 254 85: 224 89: 255 96: 153, 154 97: 155 101: 155, 269 102: 235 103: 154 107: 275 114: 80
116: 256 120: 235 128: 256, 278 131: 279 133: 279 133–134: 50 136: 154 140: 155 141: 224 Sull. 11: 48 49–50: 48 63: 36 65: 48 67: 262 81: 48 91: 48 92: 80, 90 tog. frg. (Schoell) 25: 154 top. 32: 117
I,22: 41 I,36: 94 I,38: 106, 248 I,39: 112 I,151: 283 II,1,18: 112, 119 II,1,157: 112, 117 II,1,158: 110, 111 II,2,77: 110, 112 II,2,79: 110 II,2,174: 124 II,3,27: 214 II,3,97: 112, 119 II,3,223: 124 II,5,177: 124 II,5,178: 122 IV,81: 246 CIL I2 583: 83, 107, 108, 124, 294 Cornelius Nepos Ham. 3,3: 164
Tusc. II,62: 27 III,3: 237 V,2: 257 V,17: 257 V,39: 257 V,53: 257 V,72: 257
Diodorus XXXIV/XXXV,25: 106 XXXVII,9: 106
Vatin. 11–12: 181, 272 13–15: 274 21–23: 274 27: 74, 113–114 36: 102 37: 48, 50
Florus epit. II,5: 106
Verr. I,2: 122 I,6: 110 I,10: 111, 112, 118
Gellius II,24,13: 34 VI,10: 189
Dionysios von Halikarnassos ant. 4,49,3: 195
Gaius dig. 47,22,4: 136, 137
319
Stellenregister
Lex duodecim tabularum 8,13: 136, 137 8,26–27: 137 Livius III,14,2: 63–64 III,55,6: 234 IV,25: 262 IV,25,13: 29 VI,39,5: 154 VI,42,11: 233 VI,42,13: 234 VII,1,2: 234 VII,1,6: 234 VII,15,12: 17, 26, 29 IX,7,8: 209 IX,26,6: 16 IX,26,9: 31 IX,26,11–17: 31 X,9,14: 93 X,32: 280 XXIII,48,10: 197 XXIII,48–50: 197 XXIV,7,12: 53 XXV,2,8: 163 XXVI,22,2: 53 XXVII,6,3: 53 XXXIV,7,10: 209 XXXIX,18–19: 138 XXXIX,32,10: 280 XL,19,11: 31 XL,44: 163 XL,44,1: 239 XLIII,16,1–4: 189 Livius perioche 47: 32 60: 106 70: 106 97: 122 101: 48 Lucanus I,176–182: 27
Lucilius 438: 63 Macrobius Sat. III,17,13: 34 Ovid Pont. II,5,22: 277 Persius V,175: 262 Plinius nat. XVI,12: 252 XXXIII,34: 106 Plutarch Caesar 5,3: 227 10: 125 28,3: 28 Cato minor 8,4: 47 21,2: 49 Cicero 29: 125 31,1: 211 36,4: 246 C. Gracchus 5,1–3: 106 6,1: 106 18,1: 249 Ti. Gracchus 10,7: 211 Marius 5,5: 16 35–40: 204 38: 204
Pompeius 22: 122 44: 54, 57
Rhetorica ad Herennium 4,64: 63
Polybios VI,39: 251 VI,53–54: 183 VI,56,4: 32
Sallust Catil. 3: 164 4,2: 27 18: 48 20,4: 161
Propertius 4,7,28: 209 Quintus Cicero comm. pet. 2–7: 173 4: 173, 199, 201 4–5: 98, 200 4–9: 168 5: 173, 200 8: 173, 176 10–11: 173 13: 173 15: 173 16: 102 16–25: 160, 168 18: 199, 200, 201 19: 98, 141, 173 21: 173, 199, 201 25: 160 27: 173 30: 138 31: 173 39: 176 43: 98, 173, 184, 201 44: 34, 173, 245 49: 176 50: 173 51: 173 53: 172 53–54: 173 55–56: 43 56: 173 57: 66, 94 58: 173 63: 176
Iug. 15,5: 39, 164 27: 214 28: 214 65,4: 189 epist. 2,8,1: 56 Scholien (Stangl) Schol. Bob. 78–79: 44 91: 127 140: 50 152–153: 70 Schol. Gron. 16: 110 Seneca minor benef. I,2: 164 dial. II,2: 285 Seneca maior contr. 10,1: 211 Sueton Aug. 100,2: 209
320 Iul. 11: 154 13: 164 15: 154 19: 154 19,1: 95
Register
Tib. 2: 154 4: 154
Varro ling. 5,28: 26
Tacitus ann. XII,60,3: 106
Velleius Paterculus II,3,2: 154 II,6,3: 106
II,13: 106 II,13,2: 106 II,32,3: 106, 124 II,47,3: 154
Personenregister Im Personenregister werden die Namen M. Tullius Cicero, Cn. Plancius sowie M. Iuventius Laterensis aufgrund ihrer häufigen Verwendung nicht aufgeführt. L. Accius: 235 M’. Acilius Glabrio (cos. 67): 41, 104, 119 L. Aelius Lamia (pr. 42): 211 Aelius Ligus (tr. pl. 58): 269 L. Aelius Tubero: 281 M. Aemilius Lepidus (cos. 46): 132 L. Aemilius Lepidus Paullus (cos. 50): 86 M. Aemilius Scaurus (pr. 56): 88, 124 f., 131, 227 L. Afranius (cos. 60): 54, 57, 59, 216 Ainesidemos: 281 Statius Albius Oppianicus: 110 ff., 117 ff., 122, 289 C. Alfius Flavus (pr. 54): 78 ff., 150, 156, 186, 283, 284 T. Ampius Balbus (pr. 59): 203 T. Annius Milo (pr. 55): 73, 80, 89, 131 f., 135, 201, 208, 250, 254 f., 273 Antistius Vetus: 207 M. Antonius (cos. 99): 215 M. Antonius (cos. 44): 73, 126, 189, 233 C. Antonius Hybrida (cos. 63): 48, 139 Appuleii Saturnini: 186 f. Cn. Appuleius Saturninus: 185 ff., 207 ff. L. Appuleius Saturninus (tr. pl. 103): 266 ff. L. Appuleius Saturninus (pr. 59): 185 f., 202, 207, 280 f. C. Aquillius Gallus (pr. 66): 117 Arruntii: 186 L. Arruntius (cos. 22): 186 A. Atilius Calatinus (cos. 258): 238 C. Atilius Serranus (cos. 106): 174 ff. Sex. Atilius Serranus Gavianus (tr. pl. 57): 255 M. Aufidius Lurco (tr. pl. 61): 58
Cn. Aufidius Orestes (cos. 71): 228 Augustus (vgl. Octavian): 50, 78 C. Aurelius Cotta (cos. 75): 39 L. Aurelius Cotta (cos. 65): 48, 122, 124, 128 P. Autronius Paetus (cos. des. 65): 48, 134, 135 M. Baebius Tamphilus (cos. 181): 31 Catull: 39 L. Caecilius Metellus (cos. 251): 268 M. Caecilius Metellus (cos. 115): 268 M. Caecilius Metellus (pr. 69): 111 Q. Caecilius Metellus Baliaricus (cos. 123): 268 C. Caecilius Metellus Caprarius (cos. 113): 268 Q. Caecilius Metellus Celer (cos. 60): 59, 216 Q. Caecilius Metellus Creticus (cos. 69): 186, 207, 241, 268 L. Caecilius Metellus Dalmaticus (cos. 119): 268 Q. Caecilius Metellus Macedonicus (cos. 143): 268 Q. Caecilius Metellus Nepos (cos. 57): 255, 261, 270 Q. Caecilius Metellus Numidicus (cos. 109): 248 f., 268 f. Q. Caecilius Metellus Pius (cos. 80): 210, 248 f., 268 Q. Caecilius Metellus Pius Scipio (cos. 52): 132 Q. Caecilius Niger (quaest. 70): 261 L. Caecilius Rufus (procos. 56): 48, 255 C. Caelius Caldus (= Q. Lutatius Catulus): 228, 241
Personenregister
M. Caeparius: 270 Q. Calidius (pr. 79): 248 f. C. Calpurnius Piso (cos. 67): 41, 44, 130 L. Calpurnius Piso Caesonius (cos. 58): 125, 168, 184, 197, 205, 211, 250, 263, 264, 268 L. Calpurnius Piso Frugi (cos. 133): 72, 267 L. Caninius Gallus (tr. pl. 56): 207, 254 C. Cassius (tr. pl. 56): 207 C. Cassius Longinus (cos. 96): 228 C. Cassius (Longinus?) (cos. 73): 112, 119 P. Cassius Longinus (pr. 66): 117 L. Cassius Longinus (tr. pl. 44): 139, 149, 153, 158, 206, 232 ff., 239 ff., 243 ff. P. Cervius: 119 M. Cispius (tr. pl. 57): 202, 253 f., 256 Ap. Claudius Caecus (cos. 307): 167, 237 f. M. Claudius Marcellus (cos. 222): 238 C. Claudius Marcellus (cos. 50): 86 Ap. Claudius Pulcher (cos. 185): 280 Ap. Claudius Pulcher (cos. 79): 226 Ap. Claudius Pulcher (cos. 54): 133 ff., 255 P. Clodius Pulcher (tr. pl. 58): 56, 58, 60, 69, 74, 87, 92, 96, 125, 130, 132,139 f., 149, 168 f., 177 f., 205 ff., 211, 215, 221, 250, 254 ff., 263 ff., 272 f., 276, 278, 285 A. Cluentius Habitus: 110 f., 118 Q. Considius: 112, 119 C. Cornelius (tr. pl. 67): 41, 130, 141 f. P. Cornelius Cethegus (cos. 181): 31 C. Cornelius Cethegus (sen. 63): 270 L. Cornelius Cinna (cos. 87): 65, 155, 226 P. Cornelius Dolabella (cos. suff. 44): 133, 136 Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus (cos. 56): 60, 255, 275 P. Cornelius Lentulus Spinther (cos. 57): 270 P. Cornelius Lentulus Sura (cos. 71): 270 Cornelii Scipiones: 236 P. Cornelius Scipio (cos. 218): 237 f. P. Cornelius Scipio Africanus (cos. 205): 237 f. Cn. Cornelius Scipio Asina (cos. 260): 236 Cn. Cornelius Scipio Calvus (cos. 222): 236, 238 Cn. Cornelius Scipio Hispallus (cos. 176): 236 Cn. Cornelius Scipio Hispanus (pr. 139): 236 P. Cornelius Scipio Nasica (cos. 191): 226 P. Cornelius Scipio Nasica Serapio (cos. 138): 267
321
P. Cornelius Scipio Nasica Serapio (cos. 111): 214, 215 P. Cornelius Sulla (cos. des. 65): 36, 48, 80, 90, 134 f. L. Cornelius Sulla Felix (cos. 88): 12, 37, 39, 56, 59, 73, 81 ff., 107, 109, 113, 115 f., 119 f., 126, 134, 196, 204, 248, 264, 287 Q. Cornificius (pr. 45): 39, 139 Coruncanii: 185 Ti. Coruncanius (cos. 280): 187 f., 238 M’. Curius Dentatus (cos. 290): 167, 237 f. Curvi: 188 T. Didius (cos. 98): 240 f. C. Duilius (cos. 260): 237 f. Q. Fabius Maximus Allobrogicus (cos. 121): 248 Q. Fabius Maximus Cunctator (cos. 233): 237 f. C. Fabricius Luscinus: (cos. 282): 237 f. M. Favonius (pr. 49): 80 C. Fidiculanius Falcula: 111 C. Flaminius (aed. cur. 67): 117 C. Flavius Fimbria (cos. 104): 174 ff., 228 Fufidius: 188 Q. Fufius Calenus (cos. 47): 121, 273 Fulvii: 103, 185, 187 L. Fulvius Curvus (cos. 322): 188 C. Fundanius (tr. pl. 68): 141 f. P. Furius (tr. pl. 99): 248 M. Furius Camillus (mil. tr. c. p. 401): 233 A. Gabinius (cos. 58): 78, 87, 124 f., 205, 211, 250, 263 ff., 268, 272 Q. Gallius (pr. 65): 141 f. Q. Granius (praeco): 214 f. Gratidii: 188 Q. Hortensius Hortalus (cos. 69): 76, 93, 150, 283 Iulia: 181 L. Iulius Caesar (cos. 90): 226 L. Iulius Caesar (cos. 64): 47, 139 C. Iulius Caesar (cos. 59): 56, 73, 79, 80, 95, 117, 126, 131 ff., 139, 143, 150, 154, 160, 178, 181, 198, 205, 208, 212, 216 f., 221, 227, 230, 233, 250, 256, 261, 263 ff., 268, 270 ff.
322
Register
C. Iunius (aed. 75): 111, 117, 120 Q. Iunius (sen.): 112, 119 L. Iunius Brutus (cos. 509): 239 M. Iunius Congus Gracchanus: 233 D. Iunius Silanus (cos. 62): 270 Iuventii: 184 f., 234 f. Iuventii Laterenses: 182 Iuventii Thalnae: 182 Iuventius Thalna (sen?): 234 M. Iuventius Thalna (cos. 163): 182 Jughurtha: 214, 248 M. Laenius Flaccus: 279 P. Licinius Crassus (cos. 97): 213 L. Licinius Crassus (cos. 95): 214 f. M. Licinius Crassus Dives (cos. 70): 39, 60, 62, 90, 122, 126, 139, 149 f., 205, 213, 216, 222, 229, 264 f., 268, 270, 272, 287 C. Licinius Macer Calvus: 39, 273 L. Licinius Murena (cos. 62): 46, 48, 52, 165 f., 169, 206, 224, 227, 270, 282 C. Licinius Sacerdos (pr. 75): 139, 207 C. Licinius Stolo (cos. 364): 154, 233 M. Livius Drusus (tr. pl. 91): 214 f. L. Lucceius (pr. 67): 95 M. Lucretius (sen.): 119 Q. Lutatius Catulus (cos. 102): 38, 174 ff., 228 C. Maenius (cos. 338): 16, 30 f., 41 Cn. Mallius Maximus (cos. 105): 174 ff. Mamilii: 103, 185 C. Manilius (tr. pl. 66): 55 f. A. Manlius Torquatus: (pr. 70): 206 f. L. Manlius Torquatus (cos. 65): 48 T. Manlius Torquatus: 207 C. Marcius Figulus (cos. 64): 47, 139 Q. Marcius Philippus (cos. 186): 138 L. Marcius Philippus (cos. 91): 228 L. Marcius Philippus (cos. 56): 255 Marii: 188 C. Marius (cos. 107): 16, 34, 155, 175, 186 ff., 204 f., 226 f., 240 f., 248, 256, 266 ff., 275 C. Memmius (pr. 104): 267 C. Messius (aed. pl. 55): 73 f., 78, 80, 259 Mithridates: 275 P. Mucius Scaevola (cos. 133): 267
Q. Mucius Scaevola (cos. 95): 214 Q. Mucius Scaevola Augur (cos. 117): 261 L. Ninnius Quadratus (tr. pl. 58): 269 M. Nonius Sufenas (pr. 52?): 207 Q. Numerius Rufus (tr. pl. 57): 255 Octavian (vgl. Augustus): 181, 233 Cn. Octavius (cos. 87): 226 C. Octavius (pr. 61): 78 L. Opimius (cos. 121): 248 ff., 266 ff. C. Orchivius (pr. 66): 117, 141 f. Otacilia Laterensis: 182 Q. Pedius (cos. suff. 43): 95 ff., 149, 181, 223 Sex. Peducaeus (pr. 77): 112, 119 Philotimus: 155 M. Plaetorius Cestianus (pr. 64): 117 Plancii: 93, 98 ff., 186, 202, 283 Cn. Plancius (publicanus): 106, 177, 196, 198, 202, 212 ff., 216 ff., 225 P. Plautius Hypsaeus (pr. 55): 132 A. Plotius (pr. 51): 95 ff., 149, 181, 207 C. Poetelius (cos. 360): 26, 29, 286 Cn. Pompeius Magnus (cos. 70): 39, 54, 57, 60, 73, 90, 92, 116, 122, 126, 131 ff., 150, 155, 160, 200, 203, 205, 221, 229 f., 261 f., 264 f., 268, 271 f., 274 ff., 287 Q. Pompeius Rufus (cos. 88): 248 T. Pomponius Atticus: 27, 38, 203, 271, 274 f., 278 M. Popillius Laenas (cos. 359): 234 Porcii: 185 M. Porcius Cato (tr. pl. 99): 248 C. Porcius Cato (tr. pl. 56): 207, 255 M. Porcius Cato Censorius (cos. 195): 187 f., 246 M. Porcius Cato Uticensis (pr. 54): 47 f., 132, 168, 216, 285, 291 Sp. Postumius Albinus (cos. 186): 138 Procilius: 87 f. L. Procilius (tr. pl. 56): 207 Ptolemaios XII.: 263 f. M. Pupius Piso Frugi Calpurnianus (cos. 61): 54, 57, 174 ff., 216, 226 L. Quinctius (pr. 68/67?): 111
Sachregister
L. Racilius (tr. pl. 56): 207, 254 ff. Romulus: 143 Sex. Roscius: 83 P. Rutilius Lupus (pr. 49): 207 P. Rutulius Rufus (cos. 105): 214, 228
323
P. Sulpicius Rufus (tr. pl. 88): 56 Ser. Sulpicius Rufus (cos. 51): 12, 49, 52, 54 ff., 60, 81, 84, 90, 132, 220, 261
M. Saufeius: 87 f. C. Scribonius Curio (tr. pl. 50): 276 M. Seius (aed. cur 74): 174 ff. Ti. Sempronius Gracchus (tr. pl. 133): 267 C. Sempronius Gracchus (tr. pl. 123): 56, 104 ff., 116, 189, 215, 248 ff. Sentii Saturnini: 186 f. C. Sentius Saturninus (pr. 94): 186 L. Sentius Saturninus (pr. 93-89?): 186 L. Sergius Catilina (pr. 68): 38, 48, 50, 96, 139, 169, 207 C. Servilius Glaucia (pr. 100): 82, 109, 142, 266 f. P. Servilius Isauricus (cos. 48): 80 P. Servilius Rullus (pr. 63): 83 P. Sestius (pr. 55): 135, 201, 208, 224, 250, 273 L. Sextius Sextinus Lateranus (cos. 366): 154, 233 L. Statilius: 270 P. Sulpicius Galba (pr. 66): 112, 119, 139, 173
Terentia: 203 C. Terentius Varro (cos. 216): 169 C. Trebatius Testa: 261 Tullii Cicerones: 188, 190, 281 Q. Tullius Cicero (pr. 62): 43, 66, 141, 143, 172, 187 f., 191, 200, 261, 271, 278, 281 M. Tullius Decula (cos. 81): 226 L. Valerius Flaccus (cos. 100): 266 ff. L. Valerius Flaccus (pr. 63): 125, 207 M. Valerius Messalla Niger (cos. 61): 60, 132, 216 M. Valerius Messalla Rufus (cos. 53): 73 f. P. Vatinius (cos. 47): 73 f., 80, 84 ff., 88, 92, 113 ff., 120, 135, 181, 272 f., 285 C. Vergilius Balbus (pr. 62): 278, 281 C. Verres (pr. 74): 110 ff., 119, 122, 261, 278, 283 L. Vettius: 273 L. Villius Annalis (pr. 171): 239 Q. Voconius Naso (pr. vor 60): 117 L. Volcatius Tullus (cos. 66): 226
Sachregister Folgende Lemmata werden aufgrund ihrer durchgehenden Verwendung in der gesamten Arbeit nicht im Register berücksichtigt: ambitus, de sodaliciis, Wahl(en), die einzelnen Magistraturen bis auf die Aedilität, das Volkstribunat und die Praetur, Rom, Senat, Volk/populus. Abstimmungsmodus (bei Gericht) – geheim/offen/Abstimmungsurnen: 34, 87, 120 f. – ungültige Stimmen: 125 Aedilität/Aedil: 10, 20, 37 f., 51, 55, 73, 80, 95, 97 ff., 101, 103, 149 f., 165, 168, 170 ff., 174 f., 177 f., 180 ff., 185 f., 188, 195, 198, 203, 206 f., 217 f., 219, 220, 222 f., 226 ff., 232 f., 234 f., 239 f., 242 f., 246, 248, 252, 254, 256, 259, 278, 282 – als Gerichtsvorsitzender: 78 ff., 89, 112 album iudicum: 12, 73, 77 f., 81–86, 88 f., 91 ff., 105–108, 112 ff., 116, 119, 123 f., 126, 132, 135, 255, 287 ff.
ambitio: 19, 25 ff., 30, 164, 199, 224 f., 262, 286 amicitia/amici: 13 f., 19, 45, 51, 66, 68, 80, 94 f., 98 f., 102, 120, 152, 157, 159 ff., 165, 172, 176, 195, 198 f., 202, 208 f., 221 f., 225, 244, 251 f., 254, 256, 258 f., 265, 271, 276, 278, 280 ff., 283 auctoritas: 9, 161, 193, 283 – patrum: 167 f., 238 Ärartribunen: → tribuni aerarii beneficium: 19, 35, 68, 102, 142, 168, 173, 199 f., 202, 221, 225, 250 ff., 257 f.
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Register
Bestechung/Stimmenkauf: 10, 15, 25, 29 f., 35, 39, 55, 58, 63, 66 ff., 75, 94 f., 98, 131, 134, 143, 151, 158, 163, 199, 219 ff., 225, 230, 248, 289 Bona-Dea-Skandal: 74, 125, 264 f. Bundesgenossen/socii: 215, 244 f. Bürgerrecht: 58, 108, 185, 204, 211, 215, 257 Census: 39 f., 73, 77, 81, 93, 105, 123, 126 ff., 189 f., 288 centuria: → comitia centuriata classis/infra classem: → comitia centuriata coitio: 13 f., 30 f., 41, 48, 67, 68 ff., 95 ff., 103, 139, 195, 218, 220, 222 f., 225, 252 collegium: 13 f., 18, 47, 51, 62 ff., 64, 67 ff., 108 f., 136 ff., 140 ff., 219, 290 f. – magister collegii: 14, 42, 137 ff., 142, 290 comitia/Comitien: 9, 37, 40, 44, 66, 70, 72, 94 ff., 103, 131, 149, 151, 157, 159, 162, 165 ff., 170, 176, 178 ff., 188, 192, 207, 216 ff., 220, 222 ff., 235, 238, 243, 246, 251, 255 – centuria praerogativa: 53, 56, 217, 223 f., 247 – centuriata: 12, 41, 53 ff., 99, 105, 127 f., 165, 169 f., 176, 190, 196, 223, 216 f., 223 f. – tributa: 42, 55 f., 69, 71, 93, 96 f., 128, 149, 165, 169 ff., 176, 192, 195, 217, 222 ff., 247, 252 commendatio: 199 ff., 203, 222 conciliabula/Marktplätze/Markttage: 27, 29, 33, 286 conscriptio tribulium: 70, 229 f. consilium / Beirat (des Vorsitzenden): 85, 88, 93, 105, 110, 112 f., 115, 117, 120 contentio dignitatis 19, 149, 151, 158 f., 161, 166, 176 f., 180, 182, 184, 206, 231 f., 242 f., 257 contio: 40, 69, 109, 122, 130, 140, 143, 211, 250, 278, 290 convivium: 14, 33 f., 40, 47, 209, 287, 290 crimen – ambitus: 16, 62, 150 f., 158, 213, 219 – (tribuarium) sodaliciorum: 19, 62, 69, 158, 206, 219, 229, 232 cursus honorum: → honos/honores decuria: 67, 69 f., 80 f., 88, 91 f., 107, 110 ff., 114, 117–120, 123 ff., 127, 136 f., 140, 143 f., 289 decuriatio: 64, 67–70, 144, 221, 229 f.
dignitas: 9, 19, 43, 159, 161 ff., 166, 192 f., 197, 199, 225, 251 divisor: → Mittelsmänner editio: 12, 59, 61, 65, 71, 80 f., 84 f., 86, 88 f., 90 f., 120, 124, 129 – iudicum: 71, 84, 89, 107, 109 f., 129, 287 – tribuum: → tribus, 12, 19, 64, 70 f., 74 ff., 80 f., 84, 86, 89, 91 ff., 95, 99 ff., 102 f., 115, 129, 190, 221, 288 f. equites Romani (als Richter): 61, 69, 77 f., 80– 93, 104 ff., 109, 111, 114, 116, 120, 121–128, 132, 169, 182, 189 f., 193, 196, 210, 215, 249, 288 Euergetismus: 13, 44, 51, 55, 163 exempla: 20, 172, 176, 188, 200, 204, 214 f., 219, 226 ff., 237 ff., 240 f., 244, 247 f., 254, 256, 263, 266 f., 269 f. – honos: 237 f. – Triumphatoren: 239 ff., 268, 275 – Wahlverlierer: 38, 174 ff., 187, 226 f., 228, 240 Exil: 12, 19 f., 32, 49 f., 59, 71, 91, 131, 133, 149, 152 f., 157, 177, 193, 199, 202–206, 208, 210, 212, 218, 232, 241, 244, 247–254, 256 f., 260 f., 263, 265, 268–272, 276–280, 282 f., 287 existimatio: 192, 257, 259 fides: 143, 156, 168 Forum (Romanum): 33, 47, 124, 201, 245 f., 250, 259, 261 f. Freundschaft(-en): → amicitia Gastmahl/-mähler: → convivium Gelegenheitsgesetze (reaktive): 16, 46 gens: 9, 19, 40, 45, 51, 98, 168, 173 f., 176, 182 ff., 186 ff., 199, 219, 225 f., 229, 233 ff., 240, 268 Geschenke: 11, 13 f., 58, 67, 74, 101, 137, 163, 195 Gewalt/Gewaltakte: → vis Gladiatorenspiele: → ludi gratia: 168, 199, 202, 247, 257 ff., 283 gravitas: 159, 224 homo novus: 10, 26, 29 ff., 36, 139, 149, 162, 165, 174 ff., 182, 188, 192, 215, 219, 226, 228, 235, 238, 241, 244, 252, 286 honos/honores: 9 f., 13, 16 f., 19 f., 27, 32 f., 39 f., 44, 49, 103, 132, 140 f., 159, 169 ff., 177 f.,
Sachregister
180, 183 ff., 192 f., 196, 202, 220, 225 f., 231 ff., 235–241, 244 ff., 256, 287, 290 ff. – cursus honorum: 9, 13, 32, 37 ff., 41, 55, 60, 78, 171, 180, 239 f., 245, 290 – gloria: 19, 192, 235–239, 246, 268 imagines: 19, 182 ff., 226 imperium (als Prestigemarker): 9 f., 241 inimicitia: 30, 39, 152 Interregnum/Interrex: 60, 132, 167, 238 Interzession: → concilium plebis, 269, 276 Invektive: 11, 27, 135, 168, 197, 263, 274, 290 iudex quaestionis / iudices quaestionum: 78 ff., 89, 111 f., 117, 122, 171 iudices – editicii: 59, 77, 80, 82, 84, 89–92, 156 – delecti: 82, 90 ff., 156 – selecti: 82, 88, 156
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iudicia – privata: 106 f. – publica: 18, 35, 73, 106 f., 111, 113, 115 ff., 122, 125, 181, 210, 230, 255 Klientelwesen/Klientel/Klienten: → Patronagewesen Korruption: 15, 26, 106, 112, 122 largitio: 11, 14 f., 19, 39, 43, 51, 66 f., 70, 75, 101 f., 151, 163 ff., 172, 178, 220, 286 largitor: → Mittelsmänner laus: 19, 161 ff., 192, 235, 246, 257 lex/leges/plebiscitum/rogatio Aelia et Fufia: 58 – de ambitu – Calpurnia: 18, 37, 43 f., 45 f., 48 f., 135, 142, 287 – Cornelia: 36 f., 40 f., 44, 134, 287 – Cornelia Baebia: 13, 31 f., 35, 287, 289 – Cornelia Fulvia: 16, 31 f. – Iulia: 15, 134 – Poetelia (plebiscitum): 17, 26, 29 ff., 286 – Pompeia: 17, 50, 131–135, 231, 289 – Tullia: 12, 17, 43, 45 f., 48–51, 56 f., 59 f., 62, 71, 81, 84, 88–91, 128, 134 f., 218, 253, 260, 273, 287, 289
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325 Appuleia agraria: 268 Appuleia de maiestate minuta: 116 Aurelia de tribunicia potestate: 39 Calidia de Q. Caecilio Metello revocando: 248 Clodia de capite civis romani: 250 Clodia de collegiis: 70, 140, 144 Clodia de exilio Ciceronis: 279, 281 Clodia de provinciis consularibus: 264 Cornelia de maiestate: 116, 125 Cornelia de peculatu: 116 Cornelia de praetoribus octo creandis: 89, 115 Cornelia de quaestoribus xx creandis: 37 Fabia de numero sectatorum: 46 ff., 90, 134, 184 Furia de aedilibus curulibus: 233 f. iudiciariae – Antonia: 73, 81, 126, – Aurelia: 69, 73, 77 f., 81 f., 86, 88 f., 105 f., 108, 112 ff., 121–128, 189 f., 196, 288 f. – Cornelia: 73, 88 f., 109, 117 f., 120 ff., 129, 134 – Fufia: 121 – Iulia: 73, 126 – Livia: 104 – Pompeia: 61, 73, 77, 81 ff., 88, 92 f., 126, 128, 288 – Sempronia: 73, 104, 106 f., 109 – Servilia: 104 iudiciis ad equites transferendis: 106 Iulia de publicanis: 216 Licinia de sodaliciis: 11 f., 17 f., 39, 42, 50, 57, 59–71, 73–81, 84–87, 89–94, 99 f., 102, 107, 115, 128 f., 133, 135, 144, 150, 164, 182, 193, 218 ff., 230, 273, 282, 287 Liciniae Sextiae: 233 f. Maenia de patrum auctoritate (plebiscitum?): 167 f. Mamilia de coniuratione Iugurthina: 248 Manilia de suffragiorum confusione: 12, 52 f., 56 Manilia de libertinorum suffragiis: 12, 55 f. Maria de suffragiis ferendis: 34 plebiscitum de quaestione instituenda: 30 Pompeia Licinia de tribunicia potestate: 39
326
Register
– repetundarum/repetundis – Acilia: 35, 59, 73, 82 f., 85 f., 88 f., 91, 104–109, 112 f., 116, 120 f., 125, 128 f., 142, 287 – Calpurnia: 16, 72, 104, 107 f. – Iulia: 272 – Iunia: 88, 104, 125 – Servilia: 82, 85, 91, 104, 109, 142 – rogatio –Aufidia: 58 f. – Caecilia de poena ambitus P. Sullae et P. Autronio Paeto remittenda: 134 – Cornelia: 18, 41–44, 57, 90, 130, 220 – Porcia Pompeia de Q. Caecilio Metello revocando: 248 – de revocando Cicerone: 252, 270, 278 – Sempronia ne quis iudicio circumveniatur: 105 – sumptuariae (Aemilia, Antia, Cornelia, Didia, Fannia, Licinia, Orchia): 33 – tabellariae (Cassia, Gabinia, Papiria): 34 – Varia de maiestate: 116 – Vatinia de provincia Caesaris: 272 – Vatinia de reiectione iudicum: 74, 113–115 – de vi – Cornelia, Iulia: 134 – Lutatia: 116 – Plautia: 87, 116, 134 f., 254, 273 – Pompeia: 87, 132, 134 f. – Villia annalis: 32, 35, 239, 289 liberalitas: → largitio, 19, 102, 151, 163, 244, 286 libertas: 206, 215, 271, 274, 277 liberti: 12, 56, 155 ludi: 11, 13 f., 32 ff., 37, 38, 40, 45, 50 f., 68, 139, 163 f., 171, 178, 198, 200, 221, 227, 243 f., 246 f., 259 f., 283, 287, 290 f. magister collegii: → collegium maiestas: 78, 133 f. maiores: 96, 237 Mittelspersonen/-männer: 14, 41 f., 44, 58, 62, 66 f., 70, 75, 138, 198, 219 – divisor: 14, 41–44, 52, 57 f., 65 f., 70, 94, 130, 164, 218, 220 f., 229 ff., 287 – largitor: 70, 163 f., 230,
– sequester: 14, 42, 62, 65–68, 70, 94, 144, 164, 221 f., 229 f., 287 mos maiorum: → maiores, 34, 213, 217, 229 munera: → ludi municipium: → vicinitas, 19, 99 ff., 103, 163, 182 ff., 185, 187, 191, 193 ff., 204 f., 212, 243, 257, 278 f. mutatio vestis: 19, 127, 156, 206, 209–212, 265, 279 f. Netzwerke/Vernetzung: 13 f., 93, 100, 103, 201, 222, 230 nobilitas/nobilis/nobiles: 31, 139, 149, 162, 184, 224 f., 228, 235, 235, 252, 258 Nobilität: 19, 30 f., 140, 162, 182 ff., 196, 200, 225, 233, 235, 243, 286 nomenclatores: 14, 42, 47 f., 201 nundinae: 27, 29, 286 Obstruktion: 134, 275, 290 f. officium: 35, 101 f., 142, 152, 168, 199, 202, 252, 258 f. Optimaten: 139, 153 ff., 200, 216, 272, Patronagewesen: 13 f., 34 f., 44–47, 51, 55 f., 59, 104, 108, 133, 137 ff., 143, 160 f., 176, 181, 184, 201, 245 f., 249, 258, 279, 283, 289, 290 f. – Gerichtspatronat: 201 – Klientel: 14, 35 f., 46 f., 49, 95, 103, 138, 161, 165, 176, 181, 184 f., 191, 201, 207, 218, 244, 246, 260 f., 279 – salutatio: 13, 45 f., 184, 246 petitio: 13, 19, 26, 40, 43, 60, 151, 160, 166, 168, 172 f., 177, 198 ff., 201, 224 f., 229, 232, 244 f., 247, 257, 259, 262 plebs: 30, 49, 51, 84, 122, 127 f., 139 f., 154, 170, 174, 177, 189 f., 201, 209 f., 234, 255, 280 pompa funebris: 40, 132, 183, 210, 226, 240 Popularen: 56, 116, 140, 153 ff., 178, 184, 200, 267, 271 ff. praefectura: → vicinitas, 19, 93, 99 f., 180, 182, 184–189, 191–194, 199 Praetor (als Gerichtsvorsitzender): 72, 78–81, 89, 108 f., 112 ff., 115 ff., 119, 121 prandium: 14, 33, 45, 49, 287, 291 princeps/principes: 9, 198, 200, 275 f. – principes civitatum: 207 principium: 217, 224
Sachregister
publicani: 106, 122, 189 f., 196 ff., 202, 212–217, 244, 251 – princeps publicanorum: 106, 177, 196, 198, 212 quaesitor: 71 f., 73, 78–81, 85, 88 f., 93, 109 f., 112, 114, 117, 119 ff., 142, 150, 156, 210, 247, 283 f., 288 f. quaestio/quaestiones – de ambitu: 12, 35 f., 79, 84, 88 f., 116 f. – extraordinariae: 30, 72, 74, 78 ff., 82, 87, 113, 125, 248 f., 265, 289 – perpetuae: 15, 35, 72, 78, 83 f., 88 f., 92, 104, 106, 108, 113 ff., 116 f., 119, 124, 288 f. – de sodaliciis: 14, 17 f., 65, 71–74, 76–84, 86–93, 101, 129, 150, 182, 190, 192 f., 196, 210, 219 f., 249, 257, 283, 288 f. reprehensio vitae: 19, 149, 151, 158 f., 161, 166, 206, 208, 243, 257 reiectio: 74, 82–89, 92, 99, 101, 109–115, 118–120, 124, 133, 272, 288 rogatio: → lex/leges salus (rei publicae): 257, 269, 274, 282 salutatio: → Patronagewesen Sanktionen/Strafmaßnahmen/Straf(tat)bestand: 11 f., 16, 28, 30 ff., 36 f., 41 f., 44 ff., 48 ff., 52, 55 ff., 61 ff., 71, 75, 91, 128, 133, 136, 144 f., 166, 193, 218, 230, 250, 257, 260, 270, 278 f., 281 f., 285, 287 Schulden: 13, 132, 141, 227, 247 sectatores: 14, 33, 45–49, 52, 184 Senatoren (als Richter): 77 f., 80–89, 91 f., 104–107, 109–112, 114, 118 f., 121–128, 132, 169, 189 f., 255, 288 f. senatus consultum ultimum / SCU: 204, 249 f., 267 ff. senatus consultum: 28, 45, 47, 57, 86, 123, 139, 143 f., 137, 256 sequester: → Mittelsmänner sodalicium: 13 ff., 18, 61–71, 74 f., 78, 80–86, 92, 99, 128 f., 136, 141, 144, 164, 218–221, 223, 230, 243, 251, 257, 288, 290 f. sodalis: 14, 64–67, 108 f., 136, 141–144, 208, 221, 230, 290
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sodalitas: 13 f., 18, 62 ff., 67 ff., 74 f., 104, 108 f., 136 f., 139, 141–145, 164, 219, 230, 290 f. sortitio: 53 f., 64, 80 f., 89, 92 f., 96, 107, 110–117, 119 f., 123 f., 132 f., 216 f., 223 f., 247, 287, 289 – subsortitio: 110 ff., 120, 124 Stimmenkauf: → Bestechung squalor: → mutatio vestis, 19, 128, 209 f. supplicatio: 19, 275 f. toga: 209, 280 – candida: 29, 48, 209, 245, 262 – palla: 209 – picta: 283 – praetexta: 209, 280 tribulis: 44, 58 f., 64 f., 67 ff., 74 f., 79 f., 87, 94 f., 97, 99, 102, 187, 191, 195, 198 ff., 283 tribuni aerarii (als Richter): 61, 69, 78, 80–89, 91, 93, 105, 114, 122–128, 132, 169, 182, 189 f., 196, 210, 249, 288 tribunus militum: 207, 212, 241 tribus: → quaestio de sodaliciis / editio tribuum, 13, 15, 29, 34, 41, 43 ff., 49, 51, 58 f., 61–71, 74–89, 91–103, 113 ff., 128 f., 141, 150, 163 f., 172, 186, 188 f., 190 ff., 194, 200, 216 f., 219– 225, 229, 243, 288–291 – antiquissimae/rusticae 12, 29, 56, 98 f., 100, 191 f., 210, 222, 243, 286 – urbana: 56, 84, 222 tributim: 45, 49, 70, 71, 74, 81 f., 88, 92, 129, 200 Triumvirat: 60, 207, 213, 230, 264, 268, 271, 273, 276, 285 Verwandtschaft: 13 f., 36, 93, 98, 108 f., 114, 142, 154, 163, 172 ff., 176, 178, 182, 184 f., 186, 191, 199, 206, 208 ff., 212 f., 218, 222, 225, 235 f., 247, 249, 251, 271, 283 f. vicinitas: → tribus/municipium/praefectura, 103, 190 ff., 194 f., 202, 251 virtus: 19 f., 43, 156, 161 ff., 168 f., 176 f., 206, 208, 212, 237 ff., 242, 244, 257 vis: 11, 18, 28, 38, 42, 47, 60, 64, 68, 70, 130 ff., 134 ff., 137, 139 f., 143 f., 211, 250, 263, 266 ff., 270, 273, 279, 290 f. Volksversammlung: → Comitien Volkstribunat/Volkstribune: 10, 26, 29 f., 34, 39, 41, 48, 55 f., 58, 72, 78 f., 83, 104, 111, 130 f., 140, 154, 167, 177 f., 186, 202 f., 205, 207 f.,
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Register
213 ff., 219 f., 221, 228 f., 233 f., 238, 239 f., 242, 246, 248, 249 f., 253 ff., 263–269, 272 f., 276, 278, 283 Wahlkampf: 10, 14, 16, 18 f., 25 f., 29 f., 32 f., 39 ff., 46 ff., 56, 59, 61 f., 98, 103, 129, 135 f., 141, 143, 164, 173 f., 198 f., 218, 232, 247, 252, 285 f., 290 Wahlumtriebe: 30 f., 60, 130
Wahlwerbung (Praxis/Methode/Strategie): 10 ff., 13 f., 15 f., 18 f., 21, 25–29, 31, 33 f., 36 f., 40, 42–47, 49 ff., 54, 60 ff., 68 ff., 74 f., 90 f., 95, 98, 102, 128 f., 132, 134 f., 144, 150 f., 160, 164, 171 ff., 187, 198 f., 200, 218 ff., 221 f., 229, 235, 243, 285 f., 290 f. Zeugen: 20, 50, 75, 95, 109, 133, 159, 187, 193, 207, 230 f., 273, 283
Wählermanipulation, unerlaubte Wahl werbung, gewalttätige Auseinanderset zungen und übersteigerte individuelle Selbstdarstellung waren Begleiterschei nungen der jährlichen Wahlen der rö mischen Republik. Die Zahl der Magist raturen war begrenzt – zugleich aber statuskonstituierend: Die Wahlen wurden deshalb zu einem Feld erbittert geführ ter Auseinandersetzungen. Kandidaten, die sich gegen ihre Konkurrenten durch zusetzen versuchten, entwickelten immer neue Strategien im Wettkampf um politische Führungspositionen.
ISBN 978-3-515-12394-5
9 783515 123945
Aus dieser Konkurrenzsituation resultier te im Laufe der römischen Republik ein ganzes Spektrum (un)erlaubter Wahl(be) werbungsmethoden (ambitus), das den Wettkampf um die politischen Führungs positionen weiter verschärfte. Wie re agierten aber der Senat und das Volk von Rom auf diese Entwicklung? Die Ver abschiedung von Gesetzen war das nahe liegende Mittel im Kampf gegen den ambitus. Waren die diversen leges aber auf Dauer erfolgreich? Und welchen länger fristigen Einfluss besaß ambitus auf eine facetoface Gesellschaft wie der Roms?
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