Von Picus bis Licinius: Historischer Kommentar zu den Chronica urbis Romae im Chronographen von 354 3515128751, 9783515128759

Die Chronica urbis Romae erzählen von den mythischen Ursprüngen Roms, nennen zahlreiche Heroen der römischen Republik un

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German Pages 410 [414] Year 2021

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Zusammenfassung
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
A) Text und Übersetzung
B) Kommentar
1. Einleitung
1.1 Gegenstand des Kommentars
1.2 Zur Bezeichnung „Stadtchronik“ bzw. chronica urbis Romae
1.3 Die Textüberlieferung
2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik
2.1 Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt
2.2 reges Albani
2.3 Reges Romanorum numero VIII
3. Item nomina dictatorum
4. Item imperia caesarum
4.1 Vorbemerkungen und Erläuterungen zum Kapitel imperia caesarum
4.2 Vergleichsquellen
4.3 Die Caesaren
4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche
5. Schlussbetrachtung: In welcher Tradition steht die Stadtchronik und mit welcher Intention wurde sie verfasst?
Abkürzungen
Verzeichnis der antiken Quellen
Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur
Verzeichnis der mehrfach zitierten RE-Artikel
Register
A. Personen
B. Rom
B 1: Topographisches
B 2: Bauwerke
C. Geographica außerhalb Roms (Orte, Provinzen, Straßen, Brücken)
D. Sachen
E. Quellen (Auswahl)
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Von Picus bis Licinius: Historischer Kommentar zu den Chronica urbis Romae im Chronographen von 354
 3515128751, 9783515128759

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ÆTERNA Altertumswissenschaften

RO M A

Franz Steiner Verlag

Günther Pfund

Von Picus bis Licinius Historischer Kommentar zu den Chronica urbis Romae im Chronographen von 354

M AA ÆT EÆ R N AT E R N A ROR OM Beiträge zu Spätantike und Frühmittelalter

Herausgegeben von Volker Henning Drecoll, Irmgard Männlein-Robert, Mischa Meier und Steffen Patzold Band 11

Von Picus bis Licinius Historischer Kommentar zu den Chronica urbis Romae im Chronographen von 354 Günther Pfund

Franz Steiner Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. D93 © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2021 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: Fotosatz Buck, Kumhausen Druck: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12875-9 (Print) ISBN 978-3-515-12879-7 (E-Book)

Zusammenfassung Gegenstand dieses Kommentars ist der lateinische Text eines anonymen Autors; er wurde vermutlich 334  n. Chr. verfasst. Theodor Mommsen gab ihm 1892 den Titel Chronica urbis Romae und ordnete ihn in seiner Edition des Chronographus anni CCCLIIII als 16. Kapitel ein. Bis vor wenigen Jahren galt dieses Kapitel als einer der ursprünglichen Bestandteile des „Chronographen von 354“. Wenn in der Fachliteratur auf dieses Sammelwerk verwiesen oder daraus zitiert wird (was häufig geschieht), bezieht sich das sehr oft auf eine der Angaben, die in den Chronica urbis Romae verzeichnet sind. Bereits dadurch wird die herausragende Bedeutung des Textes deutlich. Im vorliegenden Kommentar wird erstmals der Versuch unternommen, umfassend zu prüfen, inwieweit die Angaben der Chronica urbis Romae verlässlich sind. Meist verwende ich statt des sperrigen lateinischen Namens die Kurzbezeichnung „Stadtchronik“. Teile der Stadtchronik wurden zwar bereits in einer 2014 veröffentlichten Studie des Historikers Richard W. Burgess untersucht („Roman Imperial Chronology and Early-Fourth-Century Historiography. The Regnal Durations of the So-called Chro­ nica urbis Romae of the Chronograph of 354”), aber da seine Analyse einige wichtige Aspekte des Textes nicht berücksichtigt, wies Burgess zu Recht darauf hin, es sei notwendig, den gesamten Text zu kommentieren: „The work as a whole really does cry out for a proper modern commentary.“ (Burgess 2014, 158 Anm. 1). Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher vor allem, den gesamten Text der Stadtchronik, soweit dies aus Sicht des Historikers möglich ist, systematisch auf seine sachliche Richtigkeit hin zu prüfen und entsprechend zu kommentieren. Dabei sah ich es nicht nur als notwendig an, die Lücken, die Burgess ließ, so weit wie möglich zu schließen, sondern auch, seine Ergebnisse hinsichtlich der Regierungszeiten und Sterbeorte der Kaiser einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die um 1500 verfasste Handschrift V (= Vindobonensis; Sammelhandschrift Nr. 3416 der Österreichischen Nationalbibliothek), die als einzige den Text der Chronica urbis Romae vollständig überliefert (fol. 62r bis 65v sowie 70r), weist keine Gesamtüberschrift auf, sondern nur Überschriften für die fünf Teile des Textes: 1. Item origo gentis Romanorum, ex quo primum in Italia regnare coeperunt. 2. reges Albani 3. Reges Romanorum numero VIII

6 4. 5.

Zusammenfassung

Item nomina dictatorum Item imperia caesarum

Der letzte Teil ist der längste: In ihm sind, beginnend mit Caesar, die römischen Kaiser bis Licinius (gestorben 325) verzeichnet. In der Einleitung nehme ich unter anderem Stellung zu den kontroversen Standpunkten in der Fachliteratur hinsichtlich a) der Textüberlieferung, b) der Frage, ob die Bezeichnung Chronica urbis Romae gerechtfertigt ist. Der Kommentar zu den fünf Kapiteln der Chronica urbis Romae ist jeweils in Abschnitte untergliedert. Da die ersten drei Kapitel, die von der Frühgeschichte Roms handeln, auf Sagen und Legenden zurückgehen, muss sich der Kommentar zu diesen auf Mythen basierenden Kapiteln auf folgende Aspekte beschränken: Punktuelle Quellenvergleiche (z. B. mit Livius, Ab urbe condita), die Erläuterung von Namen und Begriffen, Hinweise auf Ergebnisse archäologischer Forschung und die Vorstellung von Forschungsmeinungen. Was den Vergleich der in den beiden ersten Kapiteln erstellten Herrscherlisten (mythische Herrscher Latiums und Albaner Könige) mit jenen in anderen Quellen betrifft, so hat Burgess bereits wichtige Ergebnisse erzielt und in tabellarischer Form dargestellt (Burgess 2014, 19–27, 160–165). Einige dieser Ergebnisse fasse ich kurz zusammen. Ausführlich kommentiert werden in der vorliegenden Arbeit das Kapitel 4 (nomina dictatorum) und insbesondere das Kapitel 5 (imperia caesarum). Kapitel 4 wird daraufhin untersucht, welche historische Person jeweils gemeint sein könnte und ob es sich bei dem Betreffenden wirklich um einen dictator handelte. Abgerundet wird dies durch einen zusammenfassenden Kommentar. In Kapitel 5 (imperia caesarum) sind die Einträge meist folgendermaßen gegliedert: – Name und Dauer der Regierung des jeweiligen Kaisers; – Höhe der Geldspenden (congiaria) an das Volk; – historische Ereignisse während der Regierungszeit des Kaisers unter besonderer Berücksichtigung von Großbauten; – Todesart des betreffenden Kaisers und Sterbeort. Für die Kommentierung der beiden ersten Gliederungspunkte sind Vorbemerkungen notwendig. Den Vorbemerkungen schließt sich eine chronologisch geordnete Liste der wichtigsten literarischen Vergleichsquellen an. Im darauf folgenden Kommentar vergleiche ich die jeweiligen Angaben der Stadtchronik zu den einzelnen Kaisern, der oben erwähnten Gliederung folgend, mit zahlreichen Parallelquellen sowie mit den Ergebnissen der neueren Forschungsliteratur. Soweit Rückschlüsse auf die Quellen der Stadtchronik möglich sind, wird dies vermerkt. Hinsichtlich der congiaria war es meist nötig, Resultate der numismatischen Forschung heranzuziehen. Die von Burgess

Zusammenfassung

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erzielten Ergebnisse bezüglich der Regierungszeiten und Sterbeorte waren bisweilen zu ergänzen oder zu korrigieren. Abschließend wird, teilweise in tabellarischer Form, zusammengefasst, welche Schlüsse aus den Einzelanalysen gezogen werden konnten und inwieweit Übereinstimmungen mit den Resultaten von Burgess vorliegen. Außerdem werden im Schlussteil die Angaben von Stadtchronik und Vergleichsquellen mit Hilfe von Tabellen einander gegenübergestellt. Die Schlussbetrachtung befasst sich mit den Fragen, in welche Tradition die Stadtchronik einzuordnen ist und mit welcher Intention sie verfasst wurde. Summary The subject of this commentary is the Latin text of an anonymous author; it was probably written in 334 AD. In 1892 Theodor Mommsen entitled it Chronica urbis Romae and classified it as the 16th chapter in his edition of the Chronographus anni CCCLIIII. Until a few years ago, this chapter was considered one of the original parts of the ‘Chronograph of 354’. If the scholarly literature refers to this compilation or quotes from it (which often happens), in many instances it refers to one of the indications listed in the Chronica urbis Romae. Thereby the outstanding importance of this text becomes clear. The present commentary is the first attempt to check comprehensively the reliability of the data in the Chronica urbis Romae. Mostly I use the abbreviation ‘Stadtchronik’ instead of the bulky Latin name. Parts of the Stadtchronik have already been examined in a study published in 2014 by the Canadian historian Richard W. Burgess (‘Roman Imperial Chronology and Early-Fourth-Century Historiography. The Regnal Durations of the So-called Chronica urbis Romae of the Chronograph of 354’), but since his analysis does not take into account some important aspects of the text, Burgess rightly pointed out that it was necessary to comment on the whole text: ‘The work as a whole really does cry out for a proper modern commentary.’ (Burgess 2014, p. 158 Note 1). The aim of the present work is therefore above all to examine systematically the entire text of the Chronica urbis Romae for its factual correctness, as far as this is possible from the historian’s point of view, and to comment on it accordingly. I considered it necessary not only to close as far as possible the gaps left by Burgess, but also to examine critically his results with regard to the reigns and places of death of the emperors. The manuscript V (= Vindobonensis; collection manuscript no. 3416 of the Austrian National Library), which was written about 1500 AD and is the only manuscript to completely hand down the text of the Chronica urbis Romae (fol. 62r to 65v as well as 70r), has no overall heading for the entire chapter, but only headings for the five individual parts of the text: 1) Item origo gentis Romanorum, ex quo primum in Italia regnare coeperunt 2) reges Albani 3) Reges Romanorum numero VIII

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Zusammenfassung

4) Item nomina dictatorum 5) Item imperia caesarum The last part is the longest: it contains the Roman emperors from Caesar to Licinius (died 325). In the introduction I comment, among other things, on the controversial points of view in the specialist literature, regarding (a) the text tradition, (b) whether the name Chronica urbis Romae is justified. The commentary on the five chapters of the Chronica urbis Romae is subdivided into sections. Since the first three chapters, which deal with the early history of Rome, are based on myths and legends, the commentary on these myth-based chapters must be limited to the following aspects: Selective comparisons with other sources (for instance with Livius, Ab urbe condita), the explanation of names and terms, references to results of archaeological research and the presentation of research opinions. As to regard the comparison of the lists of rulers drawn up in the first two chapters (mythical rulers of Latium and Albanian kings) with those in other sources, Burgess has already achieved important results and presented them in tabular form (Burgess 2014, pp. 19–27 and 160–165). I will briefly summarize some of these results. In this paper, chapters 4 (nomina dictatorum) and 5 (imperia caesarum) are commented in detail. Chapter 4 is examined to determine, which historical person could be meant and whether the person concerned was really a dictator; this is rounded off by a summarising comment. In Chapter 5 (imperia caesarum) the entries are usually structured as follows: – Name of the emperor concerned and duration of his reign; – amount of money donated to the people (congiaria); – historical events during the reign of the emperor with special consideration of large buildings; – type of death of the emperor concerned and place of his death. Preliminary remarks are necessary for commenting on the first two points. The preliminary remarks are followed by a chronological list of the most important literary comparison sources. In the following commentary I compare the respective data of the Stadtchronik to the individual emperors following the above mentioned structure with numerous parallel sources as well as with the results of the newer research literature. As far as conclusions to the sources of the Stadtchronik are possible, this is noted. With regard to congiaria, it was usually necessary to refer to the results of numismatic

Zusammenfassung

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research. The results obtained by Burgess regarding the reigns and places of death had sometimes to be supplemented or corrected. Finally, it is summarised, partly in tabular form, which conclusions could be drawn from the individual analysis and the extent to which there is agreement with the results of Burgess. In addition, the final section compares the data from the Stadtchronik and comparison sources with the aid of tables. The final analysis deals with the questions, in which tradition the Stadtchronik is to be classified and with which intention it was written.

Vorwort Nachdem Theodor Mommsen Ende des 19. Jahrhunderts den „Chronographen von 354“ ediert hatte, galt das von ihm Chronica urbis Romae genannte Kapitel bis in die jüngste Zeit als einer von dessen ursprünglichen Bestandteilen. Wenn in althistorischen Abhandlungen auf den „Chronographen“ verwiesen oder aus ihm zitiert wurde, bezog sich dies in sehr vielen Fällen auf Angaben, die in den Chronica urbis Romae verzeichnet sind. Bereits dadurch wird die herausragende Bedeutung dieses Textes deutlich. 2014 veröffentlichte der Althistoriker Richard W. Burgess eine auf intensiver Quellenforschung basierende Untersuchung. Deren Titel lautet: „Roman Imperial Chronology and Early-Fourth-Century Historiography. The Regnal Durations of the So-called Chronica urbis Romae of the Chronograph of 354.“ Im Einführungskapitel geht Burgess auf die Überlieferungsgeschichte des von ihm analysierten Textes ein. Er kommt zu dem Ergebnis, dieser sei erst lange nach dem Jahr 354 n. Chr. in den Chronographus eingefügt worden. Außerdem legt Burgess auf S. 9 dar, weshalb er es für richtig hält, die Bezeichnung Chronica urbis Romae zu ersetzen durch Breviarium Vindobonense; in seiner weiteren Argumentation wählt er stets die Kurzbezeichnung Breviarium. Seine Analyse des Breviarium (Vindobonense) weist folgende Schwerpunkte auf: – Im dritten Kapitel („The Pre-Roman Kings of Italy and Alba Longa“) stellt er die Liste der ersten mythischen Herrscher Latiums (Picus bis Ascanius) und jene der reges Albani den durch andere Quellen überlieferten Listen gegenüber. – Im fünften Kapitel vergleicht er die Angaben des Breviarium hinsichtlich der Regierungszeiten der römischen Kaiser mit Parallelquellen. Dieses Kapitel ist das längste. – Im Anhang („Appendix 4“) vergleicht Burgess weitere Angaben des Breviarium, insbesondere über die Sterbeorte der römischen Kaiser, mit den Aussagen anderer Quellen. – „Appendix 3“ enthält eine kritische Edition des Breviarium Vindobonense mit englischer Übersetzung. Mit den Quellenvergleichen und seinen daraus resultierenden Schlussfolgerungen hat Burgess einen wichtigen Teil der Arbeit geleistet, die von einem historischen Kom-

Vorwort

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mentar erwartet werden kann, welcher die Chronica urbis Romae bzw. das Breviarium Vindobonense zum Gegenstand hat. Es bleiben jedoch Lücken: – Die Aussagen des Textes über die mythischen Herrscher und die Könige Roms müssen, soweit möglich, auf ihre Historizität hin geprüft und kommentiert werden. – Das Kapitel nomina dictatorum ist daraufhin zu untersuchen, welche historische Person jeweils gemeint ist und ob der Betreffende tatsächlich als dictator bezeichnet werden kann. – Das längste Kapitel des Breviarium trägt die Überschrift imperia caesarum. Hinsichtlich der Kaiser hat Burgess nur Teilaspekte untersucht und vor allem die Angaben zur Regierungsdauer der Kaiser mit anderen Quellen verglichen. Es ist erforderlich, diese Angaben sowie alle sonstigen Aussagen des Textes zum Gegenstand eines historischen Kommentars zu machen. Die vorliegende Arbeit versucht, die Lücken zu schließen und somit einen vollständigen historischen Kommentar zu dem spätantiken Text vorzulegen. Damit soll etwas geleistet werden, das auch Burgess gefordert hat: „The work as a whole really does cry out for a proper modern commentary.“ (Burgess 2014, 158 Anm. 1) Der anonyme Verfasser der Chronica urbis Romae geht zunächst auf die mythische Frühzeit Latiums und die römische Königszeit ein; aus heutiger Sicht wendet er sich erst danach einem Zeitraum zu, welcher, angesichts der Quellenlage, der historischen Forschung zugänglich ist. Dieser Zeitraum, der den größten Teil der römischen Geschichte umfasst, endet mit dem Tod von Kaiser Licinius um 325 n. Chr. Kurz danach, vermutlich um 334, dürfte der spätantike Text niedergeschrieben worden sein. Auch wenn die Zeit der römischen Republik nur durch die Namen von 26 Amtsträgern repräsentiert und nur von relativ wenigen Ereignissen der Kaiserzeit berichtet wird, sieht sich der Kommentator vor ein großes methodisches Problem gestellt: Das Angebot an Sekundärliteratur ist unüberschaubar. Die Aufgabe konnte daher nur in Angriff genommen werden, indem eine begrenzte Auswahl getroffen und, wenn möglich, vor allem die neuere Literatur berücksichtigt wurde. Zweifellos habe ich manches übersehen, wofür ich um Nachsicht und Verständnis bitte. In den Fußnoten zu den Abschnitten über die Könige und die sogenannten Diktatoren wird häufig auf Artikel des „Neuen Pauly“ verwiesen; fast immer sind es Einmalnennungen. Anders wäre die Fülle an Sekundärliteratur gar nicht zu bewältigen gewesen; zudem repräsentieren die DNP-Artikel einen relativ neuen Forschungsstand und enthalten viele Hinweise auf weiterführende Literatur. Bei Herrn Professor Dr. Eckart Olshausen bedanke ich mich sehr herzlich für die Hilfe bei der Formulierung des Themas, für seine jahrelange intensive Betreuung und für die große Geduld, die er bis zur Fertigstellung der Dissertation aufbrachte. Ebenfalls zu danken habe ich Herrn Prof. Dr. Holger Sonnabend und Herrn Prof. Dr. Peter Scholz dafür, dass sie als zweiter und dritter Gutachter tätig waren und wertvolle Hinweise für

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Vorwort

die Endredaktion der Arbeit gegeben haben. Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. Vera Sauer, da sie die kritische Durchsicht der Arbeit vor deren Drucklegung übernommen und diese Aufgabe mit größter Sorgfalt und Sachkunde wahrgenommen hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Frau Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert sowie bei den Herren Prof. Dr. Volker Henning Drecoll, Prof. Dr. Mischa Meier und Prof. Dr. Steffen Patzold dafür, dass sie meine Arbeit in die von ihnen herausgegebene Reihe Roma Aeterna aufgenommen haben. Günther Pfund, im August 2020

Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 A) Text und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B) Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Gegenstand des Kommentars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zur Bezeichnung „Stadtchronik“ bzw. chronica urbis Romae . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die Textüberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt . . . 2.1.1 Picus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Faunus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Latinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Aeneas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Ascanius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 reges Albani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Reges Romanorum numero VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Romulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Titus Tatius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Numa Pompilius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Tullius Hostilius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5 Marcius Philippus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.6 L. Tarquinius Priscus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.7 Servius Tullius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.8 Tarquinius Superbus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Item nomina dictatorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Item imperia caesarum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Vorbemerkungen und Erläuterungen zum Kapitel imperia caesarum . . . . . . 4.1.1 Wie werden die Namen kommentiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 32 32 34 38 39 39 42 43 45 47 48 49 51 51 54 55 57 58 59 60 61 63 76 76 76

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Inhaltsverzeichnis

4.1.2 Wie werden die Regierungsdaten kommentiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.1.3 Berechnungsprobleme bei den Regierungsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.1.4 Die congiaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.2 Vergleichsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.2.1 Die wichtigsten literarischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.3 Die Caesaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4.3.1 C. Iulius Caesar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4.3.2 Divus Octavianus Augustus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4.3.3 Tiberius Caesar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.3.4 C. Gallicula . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4.3.5 Tiberius Claudius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4.3.6 Nero . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4.3.7 Galba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4.3.8 Otho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4.3.9 Vitellius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4.3.10 Divus Vespasianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4.3.11 Divus Titus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4.3.12 Domitianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4.3.13 Nerva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 4.3.14 Traianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4.3.15 Adrianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4.3.16 Antoninus Pius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.3.17 Divus Verus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4.3.18 Marcus Antoninus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4.3.19 Commodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 4.3.20 Pertinax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.3.21 Iulianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4.3.22 Divus Severus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4.3.23 Geta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4.3.24 Antoninus Magnus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4.3.25 Macrinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4.3.26 Antoninus Eliogaballus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 4.3.27 Alexander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4.3.28 Maximinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4.3.29 Duo Gordiani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4.3.30 Pupenius et Balbinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4.3.31 Gordianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4.3.32 Duo Philippi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 4.3.33 Decius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4.3.34 Gallus et Volusianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 4.3.35 Aemilianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

Inhaltsverzeichnis

15

4.3.36 Gallienus cum Valeriano . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 4.3.37 Claudius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 4.3.38 Quintillus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 4.3.39 Aurelianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 4.3.40 Tacitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 4.3.41 Florianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4.3.42 Probus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 4.3.43 Carus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 4.3.44 Carinus et Numerianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 4.3.45 Diocletianus et Maximianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 4.3.46 Constantius et Maximianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 4.3.47 Severus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 4.3.48 Maxentius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 4.3.49 Maximianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 4.3.50 Licinius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche . . . . . . . . 354 4.4.1 Die Anzahl der Divi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 4.4.2 Die Angaben zur jeweiligen Regierungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 4.4.3 Die congiaria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 4.4.4 Kaiserliche Baumaßnahmen und sonstige außergewöhnliche Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 4.4.5 Todesarten und Sterbeorte der Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 4.4.6 Die Quellen der Stadtchronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 5. Schlussbetrachtung: In welcher Tradition steht die Stadtchronik und mit welcher Intention wurde sie verfasst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Verzeichnis der antiken Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Verzeichnis der mehrfach zitierten RE-Artikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 A. Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 B. Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 B 1: Topographisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 B 2: Bauwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 C. Geographica außerhalb Roms (Orte, Provinzen, Straßen, Brücken) . . . . . . . . . 403 D. Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 E. Quellen (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

A) Text und Übersetzung1

1

Groß- und Kleinschreibung bei den Überschriften folgen jener in Handschrift V; zu dieser s. u. S. 32. Ansonsten übernehme ich die Schreibweise der Edition Mommsens von 1892. Zur Berücksichtigung neuerer Editionen und zu den im lateinischen Text verwendeten Abkürzungen s. u. S. 34.

18

A) Text und Übersetzung

Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt Picus Saturni filius regnavit agro Laurentino usque ad eum locum ubi nunc Roma est, ann. XXXVIII. eo tempore ibi nec oppida nec vici erant, sed passim habitaverant. Faunus Pici filius eisdem locis regnavit annis XLIIII. eo tempore Hercules cum ab Hispa­ nia reverteretur, aram quae est Romae ad forum boarium posuit et dedicavit eo quod Cacum filium Vulcani ibi in spelunca sua occiderat. Latinus isdem locis regnavit < >. hic ex suo nomine cives suos Latinos appellavit. hoc regnante Troia capta est, unde Aeneas Veneris et Anchisae filius venit et se cum Latino iunxit unique bellum gesserunt adversus Rutulos. eo proelio Latinus occisus est et regnum eius penes Aeneas remansit. Aeneas oppidum condidit Lavinium ibique regnavit annis tribus. Ascanius Aeneae filius regnavit annis XXXVI. Albam longam condidit.

reges Albani Postumus Silvius Aeneae nepos regnavit ann. XXXVII. ab hoc prognati postea Albae regnaverunt ac Silvi sunt cognominati. Aeneas Silvius regnavit annos XXXI. Latinus LI. Alba XXVIII. Appius XLI. Capys XXVIII. Campeius XXI. Titus VIII. Agrippa LI. Aventinus XXXVIII. Procas VIII. < Amulius > LI. Remus Silvius regnavit XVII. eum Romulus interfecit. Reges romanorum numero VIII Romulus Martis et Iliae filius regnavit annos XXXVIII. urbem Romam condidit XI kal. Mai., qui dies appellatur Parilia. hic X menses in annum constituit a Martio in Decembrem. mille iuvenes de plebe Romana legit, quos milites appellavit, et centum seniores, quos sena­ tores dixit. congiarium dedit congium vini inter homines XII. hic cum natat ad paludem caprae, subito nusquam conparuit. in numerum deorum relatus deus Quirinus appellatus est.

A) Text und Übersetzung

19

Nun auch die Entstehung des Volks der Römer von jener Zeit an, als sie in Italien zu herrschen begannen Picus, Sohn des Saturn, herrschte über das Gebiet von Laurentum bis hin zu dem Ort, wo nun Rom liegt, 38 Jahre lang. Zu jener Zeit gab es dort weder Städte noch Dörfer, sondern man hatte sich weit verstreut angesiedelt. Faunus, Sohn des Picus, herrschte in demselben Gebiet 44 Jahre lang. Während dieser Zeit erbaute und weihte Hercules, nachdem er aus Spanien zurückgekehrt war, den Altar, der in Rom am forum Boarium steht, weil er Cacus, den Sohn des Vulcanus, dort in seiner Höhle getötet hatte. Latinus herrschte in demselben Gebiet < 36 Jahre ?>. Er benannte seine Bürger nach seinem Namen Latini. Während seiner Herrschaft wurde Troia erobert. Von dort kam Aeneas, der Sohn der Venus und des Anchises; er verbündete sich mit Latinus und sie führten gemeinsam Krieg gegen die Rutuler. Bei diesem Kampf wurde Latinus getötet und sein Königreich verblieb im Besitz von Aeneas. Aeneas gründete die Stadt Lavinium und herrschte dort drei Jahre lang. Ascanius, der Sohn des Aeneas, herrschte 36 Jahre. Er gründete Alba Longa. Die Könige von Alba Longa Postumus Silvius, der Enkel des Aeneas, herrschte 37 Jahre lang. Danach herrschten in Alba seine Nachkommen und jeder von ihnen führte den Namen Silvius. Aeneas Silvius herrschte 31 Jahre lang, Latinus 51 ( Jahre), Alba 28, Appius 41, Capys 28, Campeius 21, Titus 8, Agrippa 51, Aventinus 38, Procas 8, < Amulius ?> 51, Remus Silvius herrschte 17 ( Jahre lang). Ihn tötete Romulus. Die Könige der Römer, acht an der Zahl Romulus, der Sohn des Mars und der Ilia, regierte 38 Jahre lang. Er gründete die Stadt Rom am 11. Tag vor den Kalenden des Mai; dieser Tag wird Parilia genannt. Er führte das Jahr mit zehn Monaten von März bis Dezember ein. Er wählte tausend junge Männer aus dem römischen Volk aus, die er als Soldaten bezeichnete, und hundert ältere Männer, die er Senatoren nannte. Als Spende gab er einen congius Wein an 12 Männer. Als er zum palus Caprae (Ziegensumpf) schwamm, verschwand er plötzlich. Man reihte ihn in die Schar der Götter ein und nannte ihn als Gott Quirinus.

20

A) Text und Übersetzung

Titus Tatius dux Sabinorum una cum Romulo regnavit annos quinque. hic Tarpeiam, virgi­ nem Vestalem, vivam armis defodit eo quod secreta Romuli ei propalare noluisset. Numa Pompilius regnavit ann. . pontifices, virgines Vestales instituit. hic duos menses ad X menses Romuli instituit. Ianuarium diis superis, Februarium diis inferis. hic prior hominibus adinvenit grabata mensas sellas candelabra. congiarium dedit scortinos as­ ses et militibus donativum aere incisum dipondium semis. Tullius Hostilius regnavit annos . hic prior censum egit edictoque suo cavit ut quicumque temporibus ipsius falsum fecisset, daret pro capite suo dimidium verbecem. Marcius Philippus regnavit ann. . Cong. dedit assem semis et militibus donati­ vum dipondium semis. Ostiam coloniam condidit. L. Tarquinius Priscus regnavit annos XXVIII. Hic cum fundamenta Capitolii cavaret, invenit caput humanum litteris Tuscis scriptum CAPUT. OLIS. REGIS, unde hodieque Ca­ pitolium appellatur. hic prior Romanis duo paria gladiatorum edidit, quae comparavit per annos XXVII. Servius Tullius serva natus regnavit ann. XLV. hic votum fecit ut quotquot annos regnas­ set, tot ostia ad frumentum publicum constitueret. Tarquinius Superbus regnavit ann. XXV. hic prior hominibus invenit lautumias tormenta fustes metalla flagella carceres exilia. ipse prior exilium meruit. inter duos pontes a populo Romano fuste mactatus et positus in circo maximo sub delfinos.

Item nomina dictatorum P. Cornelius Scipio Africanus. Fabius Maximus. Apulius Claudius. Popilius Lenas. Valerius Publicola. Pompeius Maximus. Eneas Iulius. Sulla Felix. Barbatus. Scipio Nasica. Aemili­ us Paulus. Fabius. Cincinnatus. Decimus. Titus Marius. Plutatius Catus. Marius Rutulus. Valerius Corvinius. Cornelius Scipio. P. Decius. Q. Fabius. Metellus Pius. Marius. Licinius Salinator. Curius Dentatus. Iulius Brutus.

A) Text und Übersetzung

21

Titus Tatius, der Fürst der Sabiner, herrschte gemeinsam mit Romulus fünf Jahre lang. Er begrub Tarpeia, eine vestalische Jungfrau, lebendig unter angehäuften Waffen, weil sie sich weigerte, ihm die Geheimnisse des Romulus zu offenbaren. Numa Pompilius herrschte < 41> Jahre lang. Auf seine Gründungsinitiative gehen die Pontifices und die vestalischen Jungfrauen zurück. Er legte fest, dass zu den 10 Monaten des Romulus zwei Monate hinzukamen, der Januar den himmlischen Göttern, der Februar den Göttern der Unterwelt . Er erfand als erster Ruhebetten, Tische, Stühle und Leuchter. Als Spende gab er dem Volk lederne Asse und den Soldaten als Geldgeschenk 3 Pfund mit einer Prägung versehene Bronze. Tullius Hostilius herrschte 32 Jahre. Er führte als erster eine Vermögensschätzung durch und legte durch sein Edikt fest, dass jeder, der (dabei) unter seiner Herrschaft falsche Angaben machte, einen halben Hammel geben musste, um sein Leben zu bewahren. Marcius Philippus herrschte 36 Jahre. Er spendete dem Volk eineinhalb Asse und den Soldaten als Geldgeschenk 3 Pfund (Bronze). Er gründete die Kolonie Ostia. L. Tarquinius Priscus herrschte 28 Jahre. Als er Grabungen vornahm, um die Fundamente für das Kapitol zu legen, fand er einen menschlichen Kopf, auf dem mit etruskischen Schriftzeichen geschrieben war CAPUT. OLIS. REGIS („Haupt des Königs Olis“), und deshalb wird (der Ort) noch heute Capitolium genannt. Er gab als erster den Römern zwei Gladiatorenpaare, die er 27 Jahre lang bereitstellte. Servius Tullius, Sohn einer Sklavin, herrschte 45 Jahre lang. Er legte das Gelübde ab, dass er ebenso viele Verteilungsstellen für staatliches Getreide errichten werde, wie die Anzahl seiner Regierungsjahre betrage. Tarquinius Superbus herrschte 25 Jahre lang. Er war der erste, der für die Menschen (Folgendes) erfand: (Zwangsarbeit im) Steinbruch, Folter, Prügel(strafe), (Zwangsarbeit im) Bergwerk, Peitschen, Kerker und das Exil. Er hätte als erster das Exil verdient (gehabt). Er wurde zwischen den zwei Brücken (der Tiberinsel) vom römischen Volk totgeprügelt und im circus maximus unter den Delphinen beigesetzt. Nun auch die Namen der Diktatoren P. Cornelius Scipio Africanus. Fabius Maximus. Apulius Claudius. Popilius Lenas. Valerius Publicola. Pompeius Maximus. Eneas Iulius. Sulla Felix. Barbatus. Scipio Nasica. Aemilius Paulus. Fabius. Cincinnatus. Decimus. Titus Marius. Plutatius Catus. Marius Rutulus. Valerius Corvinius. Cornelius Scipio. P. Decius. Q. Fabius. Metellus Pius. Marius. Licinius Salinator. Curius Dentatus. Iulius Brutus.

22

A) Text und Übersetzung

Item imperia caesarum C. Iulius Caesar imperavit annos III menses VII dies VI. congiarium dedit X C. occisus curia Pompeia. Divus Octavianus Augustus imp. ann. LVI m. IIII d. unum. cong. ded. ter X CCCLXIIS. hoc imp. navis Alexandrina primum in portu Romano introivit nomine Acatus, qui attulit frumenti modios CCCC, vectores MCC, piper, linteamen, carta, vitria et opoliscum cum sua sibi base, qui est in circo maximo, altum pedes LXXXVIIS. excessit Nola. Tiberius Caesar imp. ann. XXII m. VII d. XXVIII. cong. dedit X LXXIIS. hoc imp. in civitate Fidenis populo spectante amphitheater ruit et oppressit homines IIIICCV. excessit Miseno. C. Gallicula imp. ann. III m. VIII d. XII. cong. dedit X LXXIIS et de basilica Iulia sparsit aureos et argenteos, in qua rapina perierunt homines XXXII, CCXLVII et spa­ do. occisus Palatio. Tiberius Claudius imp. ann. XIII m. VIII d. XXVII. cong. dedit X LXXV. hoc imp. pri­ mum venenarii et malefici comprehensi sunt; homines XLV, mulieres LXXXV ad supplicium ducti sunt. hic metas in circo maximo deauravit. excessit Palatio. Nero imp. ann. XIIII m. V d. XXVIII. cong. dedit X C. hoc imp. fuit polyfagus natione Al­ exandrinus nomine Arpocras, qui manducavit pauca: aprum coctum, gallinam vivam cum suas sibi pinnas, ova C, pineas C, clavos galligares, vitrea fracta, thallos de scopa palmea, mappas IIII, porcellum lactantem, manipulum feni, et adhuc esuriens esse videbatur. Nero occisus via Patinaria. Galba imp. m. VIII d. XII. cong. promisit sed non dedit. hic domum suam deposuit et horrea Galbae instituit. decolatus foro Romano iacuit. Otho imp. dies XC. ipse se Brixellis interfecit. Vitellius imp. m. VIII d. XI. occisus Palatio. Divus Vespasianus imp. ann. XII m. VIII d. XXVIII. congiarium dedit X LXXV. hic prior tribus gradibus amphitheatrum dedicavit. excessit Curibus Sabinis. Divus Titus imp. annos […] hic amphitheatrum a tribus gradibus patris sui duos adiecit. excessit Curibus Sabinis cubiculo patris.

A) Text und Übersetzung

23

Nun auch die Regierungen der Kaiser C. Iulius Caesar herrschte 3 Jahre, 7 Monate und 6 Tage lang. Als Spende für das Volk gab er 100 Denare. Er wurde getötet in der Kurie des Pompeius. Der Gott gewordene Octavian Augustus herrschte 56 Jahre, 4 Monate und einen Tag lang. Er spendete dem Volk dreimal 362 ½ Denare. In seiner Regierungszeit fuhr erstmals ein Schiff aus Alexandria, dessen Name Acatus war, in den Hafen Roms ein. Es führte mit sich 400 000 modii Getreide, 1200 Passagiere, Pfeffer, Leintuch, Papyrus, Glaswaren und einen Obelisken, der im circus maximus steht und samt seinem Sockel 87 ½ Fuß hoch ist. Er starb in Nola. Tiberius Caesar herrschte 22 Jahre, 7 Monate und 28 Tage lang. Er spendete dem Volk 72 ½ Denare. Unter seiner Regierung stürzte das Amphitheater in der Stadt Fidenae ein, während das Volk (den Spielen) zusah, und zerquetschte 4205 Menschen. Er starb in Misenum. C. Gallicula herrschte 3 Jahre, 8 Monate und 12 Tage lang. Er spendete dem Volk 72 ½ Denare und verteilte von der Basilica Iulia herab Gold- und Silbermünzen. Als sie diese erbeuteten, kamen 32 Männer, 247 Frauen und ein Eunuch ums Leben. Er wurde im Palast getötet. Tiberius Claudius herrschte 13 Jahre, 8 Monate und 27 Tage lang. Dem Volk spendete er 75 Denare. Unter seiner Regierung wurden erstmals Giftmischer und Zauberer verhaftet; 45 Männer und 85 Frauen wurden hingerichtet. Er ließ die Wendesäulen im circus maximus vergolden. Er starb im Palast. Nero herrschte 14 Jahre, 5 Monate und 28 Tage lang. Er spendete dem Volk 100 Denare. Während seiner Regierung gab es einen aus Alexandria stammenden Vielfraß namens Arpocras, der etliches verspeiste: ein gekochtes Wildschwein, ein lebendes Huhn mit seinen Federn, 100 Eier, 100 Pinienzapfen, Stiefelnägel, Glasscherben, Zweige eines Palmbesens, 4 Servietten, ein Ferkel, das noch gesäugt wurde, ein Bündel Heu, und er schien danach immer noch hungrig zu sein. Nero wurde an der via Pati­ naria getötet. Galba herrschte 8 Monate und 12 Tage lang. Er versprach dem Volk eine Spende, gab sie ihm aber nicht. Er riss sein Haus ab und errichtete die Lagerhäuser des Galba. Er lag enthauptet auf dem Forum Romanum. Otho herrschte 90 Tage lang. Er beging Selbstmord in Brixellum. Vitellius herrschte 8 Monate und 11 Tage lang. Er wurde im Palast getötet. Der Gott gewordene Vespasian herrschte 12 Jahre, 8 Monate und 28 Tage lang. Er spendete dem Volk 75 Denare. Er weihte als erster ein Amphitheater (in Rom) mit drei Stockwerken ein. Er starb im Sabinischen Cures. Der Gott gewordene Titus herrschte […] Jahre lang. Er fügte den drei von seinem Vater erbauten Stockwerken des Amphitheaters zwei weitere hinzu. Er starb im Sabinischen Cures im Schlafzimmer seines Vaters.

24

A) Text und Übersetzung

Domitianus imp. ann. XVII m. V d. V. congiarium dedit ter X LXXV. hoc imp. multae operae publicae fabricatae sunt: atria VII, horrea piperataria ubi modo est basilica Constantiniana et horrea Vespasiani, templum Castorum et Minervae, portam Capenam, gentem Flaviam, Divorum, Iseum et Serapeum, Minervam Chalcidicam, Odium, Minuciam veterem, stadi­ um, et thermas Titianas et Traianas, amphitheatrum usque ad clypea, templum Vespasiani et Titi, Capitolium, senatum, ludos IIII, Palatium, metam sudantem et Panteum. occisus Palatio. Nerva imp. ann. V m. IIII d. unum. cong. de. X LXXV et funeraticium plebi urbanae instituit X LXIIS. Excessit hortis Salustianis. Traianus imp. ann. XIX m. IIII d. XXVII. cong. dedit X DCL. hoc imper. mulieres in thermis Traianis laverunt. VII. idus Iulias excessit Selinunti. Adrianus imp. ann. XX m. X d. XIIII. congiarium dedit X ∞. hoc imper. templum Romae et Veneris fabricatum est. excessit Bais veteribus. Antoninus Pius imp. ann. XXII m. VIII dies XXVIII. cong. dedit X DCCC. hoc imper. circensibus Apollinaribus partectorum columna ruit et oppressit homines ∞ CXII. excessit Lorio. Divus Verus imp. ann. VII m. VIII dies XII. congiar. ded. X CCCC. hoc imper. scrofa porcellum peperit in effigiem elefanti. excessit Altino. Marcus Antoninus imp. ann. XVIII m. XI dies XIIII. cong. ded. X DCCCL. hoc imper. instrumenta debitorum fisci in foro Romano arserunt per dies XXX. excessit Pannonia su­ periore. Commodus imper. ann. XVI m. VIII d. XII. cong. dedit X DCCCL. hoc imp. thermae Commodianae dedicatae sunt. excessit domo Victiliana. Pertinax imper. d. LXXV. congiarium dedit X CL. excessit Palatio. Iulianus imp. dies LXV. occisus Palatio. Divus Severus imp. ann. XVII m. XI d. XXVIII. cong. ded. X ∞ C. hoc imp. Septizonium et thermae Severianae dedicatae sunt. excessit Britaniae.

A) Text und Übersetzung

25

Domitian herrschte 17 Jahre, 5 Monate und 5 Tage lang. Er spendete dem Volk dreimal 75 Denare. Während seiner Regierungszeit wurden viele öffentliche Gebäude errichtet: 7 Palastbauten; Lagerhäuser für Pfeffer und Gewürze an der Stelle, wo jetzt die Basilika des Constantin steht, und die Lagerhäuser des Vespasian; der Tempel des Castor und der Minerva; das Capena-Tor, (der Tempel) für die Familie der Flavier, (der Tempel) Divorum, (der Tempel) für Isis und Serapis, (der Tempel) für Minerva Chalcidica, das Odeum, (die Porticus) Minucia Vetus, ein Stadion, außerdem die Thermen des Titus und des Traian, das Amphitheater bis hinauf zu den Rundschilden, der Tempel des Vespasian und des Titus, das Kapitol, das Senatsgebäude, 4 Gladiatorenschulen, der Palast, die Meta Sudans und das Pantheon. Er wurde im Palast getötet. Nerva herrschte 5  Jahre, 4  Monate und einen Tag lang. Er spendete dem Volk 75 Denare und führte die Zahlung eines Bestattungsgeldes von 62 ½ Denaren an die städtische Plebs ein. Er starb in den Sallustianischen Gärten. Traian herrschte 19  Jahre, 4  Monate und 27  Tage lang. Er spendete dem Volk 650 Denare. Während seiner Regierungszeit badeten Frauen in den Thermen des Traian. Er starb am 7. Tag vor den Iden des Juli (= 9. Juli) in Selinunt. Hadrian herrschte 20  Jahre, 10  Monate und 14  Tage lang. Er spendete dem Volk 1000 Denare. Während seiner Regierungszeit wurde der Tempel der Roma und der Venus erbaut. Er starb im ehemaligen Baiae. Antoninus Pius herrschte 22 Jahre, 8 Monate und 28 Tage lang. Er spendete dem Volk 800 Denare. Während seiner Regierungszeit brach im circus (maximus) bei den zu Ehren Apollos veranstalteten Spielen eine (die Außentribünen stützende) Säule zusammen und (dies) zerquetschte 1112 Menschen. Er starb in Lorium. Der Gott gewordene Verus herrschte 7 Jahre, 8 Monate und 12 Tage lang. Er spendete dem Volk 400 Denare. Während seiner Regierungszeit gebar eine Sau ein Ferkel, das aussah wie ein Elefant. Er starb in Altinum. Marcus Antoninus herrschte 18 Jahre, 11 Monate und 14 Tage lang. Er spendete dem Volk 850 Denare. In seiner Regierungszeit brannten auf dem forum Romanum während 30 Tagen die Schuldscheine derer, die bei der Staatskasse Schulden hatten. Er starb in (der Provinz) Pannonia Superior. Commodus herrschte 16 Jahre, 8 Monate und 12 Tage lang. Er spendete dem Volk 850 Denare. Während seiner Regierungszeit wurden die Thermen des Commodus eingeweiht. Er starb in der domus Victiliana. Pertinax herrschte 75 Tage lang. Er spendete dem Volk 150 Denare. Er starb im Palast. Iulianus herrschte 65 Tage lang. Er wurde im Palast getötet. Der Gott gewordene Severus herrschte 17  Jahre, 11  Monate und 28  Tage lang. Er spendete dem Volk 1100  Denare. In seiner Regierungszeit wurden das Septizonium und die Thermen des Severus eingeweiht. Er starb in Britannien.

26

A) Text und Übersetzung

Geta imp. menses X dies XII. occisus Palatio. Antoninus Magnus imp. ann. VI m. II d. XV. cong. dedit X CCCC. Hoc imp. ianuae circi ampliatae sunt et thermae Antoninianae dedicatae sunt. Hic suam matrem habuit. excessit inter Edessam et Carras. Macrinus imp. anno uno menses IIII d. II. cong. dedit X CL. hoc imp. amphitheater arsit. occisus Arcelaida. Antoninus Eliogaballus imper. annos VI m. VIII dies XVIII. cong. ded. X CCL. Elioga­ ballium dedicatum est. occisus Romae. Alexander imper. ann. XIII m. VIII d. IX. cong. ded. X DC. hoc imp. fuit polyfagus na­ tione Italus qui manducavit pauca: cistam lactucas, vascellum sardinarium, sardas X, me­ lopepones LXX, tallos de scopa palmea, mappas IIII, panes castrenses IIII, cistam cardos cum suas sibi spinas, et ebibit vini grecanicum plenum et venit ad templum Iasurae et ebibit labrum plenum et adhuc esuriens esse videbatur. et thermae Alexandrinae dedicatae sunt. Alexander occisus Mogontiaco. Maximinus imp. ann. III m. IIII d. duos. cong. ded. X CL. hoc imp. magna pugna fuit cum Romanis et praetorianis. occisus Aquileia. Duo Gordiani imper. dies XX. excesserunt Africae. Pupenius et Balbinus imper. dies XCIX. cong. dederunt X CCL. occisi Romae. Gordianus imper. ann. V m. V d. V. cong. ded. X CCCL. hoc imp. mula hominem commedit. agonem Minervae instituit. excessit finibus Partiae. Duo Philippi imper. ann. V m. V dies XXIX. cong. ded. X CCCL. hi seculares veros in circo maximo ediderunt. occisus senior Verona, iunior Romae in castris praetoriis. Decius imper. annum unum m. XI d. XVIII. cong. ded. X CCL. hoc imp. thermae Com­ modianae dedicatae sunt. occisus praetorio Abrypto. Gallus et Volusianus imper. ann. II m. IIII d. IX. cong. dederunt X CCL. his imp. magna mortalitas fuit. occisi in foro Flamini. Aemilianus imper. dies LXXXVIII. occisus ponte Sanguinario.

A) Text und Übersetzung

27

Geta herrschte 10 Monate und 12 Tage lang. Er wurde im Palast getötet. Antoninus Magnus herrschte 6 Jahre, 2 Monate und 15 Tage lang. Er spendete dem Volk 400  Denare. Während seiner Regierungszeit wurden die Zugänge zum Circus erweitert und die Antoninischen Thermen eingeweiht. Er ging eine intime Beziehung mit seiner Mutter ein. Er starb zwischen Edessa und Carrhae. Macrinus herrschte 1  Jahr, 4  Monate und 2  Tage lang. Er spendete dem Volk 150  Denare. Während seiner Regierungszeit brannte das Amphitheater. Er wurde in Arcelaida getötet. Antoninus Eliogaballus herrschte 6 Jahre, 8 Monate und 18 Tage lang. Er spendete dem Volk 250 Denare. Das Eliogaballium wurde eingeweiht. Er wurde in Rom getötet. Alexander herrschte 13  Jahre, 8  Monate und 9  Tage lang. Er spendete dem Volk 600 Denare. Während seiner Regierungszeit gab es einen Vielfraß, einen Italiker, der etliches verspeiste: (Den Inhalt einer) Kiste Salat, einen kleinen Topf mit 10 jungen sardinischen Thunfischen, 70 Zuckermelonen, die Zweige eines Palmbesens, 4 Servietten, 4 Soldatenbrote, (den Inhalt einer) Kiste Artischocken samt ihren stacheligen Blättern, und er trank eine griechische Amphore Wein aus und er kam zum Tempel der Iasura und trank ein volles (Wasser)Becken leer und schien immer noch nicht satt zu sein. Und die Thermen des Alexander wurden eingeweiht. Alexander wurde in Mainz getötet. Maximinus herrschte 3  Jahre, 4  Monate und 2  Tage lang. Er spendete dem Volk 150 Denare. In seiner Regierungszeit gab es einen großen Kampf zwischen Römern und Prätorianern. Er wurde in Aquileia getötet. Die beiden Gordiani herrschten 20 Tage lang. Sie starben in Africa. Pupenius und Balbinus herrschten 99 Tage lang. Sie spendeten dem Volk 250 Denare. Sie wurden in Rom getötet. Gordianus herrschte 5  Jahre, 5  Monate und 5  Tage lang. Er spendete dem Volk 350 Denare. In seiner Regierungszeit fraß ein weibliches Maultier einen Menschen auf. Er gründete zu Ehren der Minerva einen Wettkampf. Er starb an der Grenze Parthiens. Die beiden Philippi herrschten 5 Jahre, 5 Monate und 29 Tage lang. Sie spendeten dem Volk 350 Denare. Sie veranstalteten die eigentlichen Jahrhundertfeiern im circus maximus. Der ältere wurde in Verona getötet, der jüngere in Rom im Prätorianerlager. Decius herrschte 1 Jahr, 11 Monate und 18 Tage lang. Er spendete dem Volk 250 Denare. Während seiner Regierung wurden die Commodusthermen eingeweiht. Er wurde im Hauptquartier bei Abryptus getötet. Gallus und Volusianus herrschten 2 Jahre, 4 Monate und 9 Tage lang. Sie spendeten dem Volk 250 Denare. Während sie regierten, gab es ein Massensterben. Sie wurden in Forum Flaminii getötet. Aemilianus herrschte 88 Tage lang. Er wurde an der Sanguinarius-Brücke getötet.

28

A) Text und Übersetzung

Gallienus cum Valeriano imper. ann. XIIII m. IIII dies XXVIII. Valerianus occisus in Syria. Gallienus cong. dedit X ∞ CCL et binionem aureum. occisus Mediolano. Claudius imper. ann. unum m. IIII d. XIIII. cong. dedit X CCL. excessit Sirmi. Quintillus imp. dies LXXVII. cong. promisit sed non dedit. occisus Aquileia. Aurelianus imp. ann. V m. IIII d. XX. congiarium dedit X D. hic muro urbem cinxit, templum Solis et castra in campo Agrippae dedicavit, genium populi Romani aureum in rostra posuit. porticus termarum Antoniniarum arserunt et fabricatum est. panem oleum et sal populo iussit dari gratuite. agonem Solis instituit. occisus Caenophrurio. Tacitus imper. m. VIII dies XII. occisus Ponto. Florianus imper. d. LXXXVIII. occisus Tharso. Probus imper. ann. VI m. II d. XII. hoc imp. senatores agitaverunt in circo maximo missos XIIII. occisus Sirmi. Carus imp. m. X d. V. excessit Seleucia Babyloniae. Carinus et Numerianus imper. ann. II menses XI d. II. cong. ded. X D. his imper. fames magna fuit et operae publicae arserunt senatum, forum Caesaris, basilicam Iuliam, et Grae­ costadium. occisus campo Margense. Diocletianus et Maximianus imper. ann. XXI m. XI dies XII. cong. dederunt X ∞ DL. his imper. multae operae publicae fabricatae sunt: senatum, forum Caesaris, basilica Iulia, scae­ na Pompei, porticos II, nymfea III, templa II Iseum et Serapeum, arcum novum, thermas Diocletianas. sparserunt in circo aureos et argenteos. partectorum podius ruit et oppressit homines XIII; et mulier nomine Irene peperit pueros tres et puellam. Regem Persarum cum omnibus gentibus et tunicas eorum ex margaritis numero XXXII circa templa domini posue­ runt. elephantes XIII, agitatores VI, equos CCL in urbem adduxerunt. excessit Diocletianus Salonas, Maximianus in Gallia. Constantius et Maximianus imp. ann. XVI m. VIII d. XII. cong. ded. bis X ∞ D. Constantius excessit in Gallia, Maximianus in Dardania.

A) Text und Übersetzung

29

Gallienus herrschte mit Valerianus 14 Jahre, 4 Monate und 28 Tage lang. Valerianus wurde in Syrien getötet. Gallienus spendete dem Volk 1250 Denare und einen goldenen binio. Er wurde in Mailand getötet. Claudius herrschte ein  Jahr, 4  Monate und 14  Tage lang. Er spendete dem Volk 250 Denare. Er starb in Sirmium. Quintillus herrschte 77 Tage lang. Er versprach dem Volk eine Spende, gab sie ihm aber nicht. Er wurde in Aquileia getötet. Aurelian herrschte 5  Jahre, 4  Monate und 20  Tage lang. Er spendete dem Volk 500 Denare. Er umgab die Stadt mit einer Mauer, weihte auf dem campus des Agrippa den Tempel des Sonnengottes ein sowie eine Kaserne; er stellte den goldenen Genius des römischen Volkes auf der Rednertribüne (des forum Romanum) auf. Die Säulenhalle der Antoninusthermen brannte, wurde aber wiederhergestellt. Er befahl, dem Volk kostenlos Brot, Olivenöl und Salz zu geben. Er gründete zu Ehren des Sonnengottes einen Wettkampf. Er wurde in Caenophrurium getötet. Tacitus herrschte 8 Monate und 12 Tage lang. Er wurde in Pontus getötet. Florianus herrschte 88 Tage lang. Er wurde in Tharsus getötet. Probus herrschte 6 Jahre, 2 Monate und 12 Tage lang. Während seiner Regierungszeit veranstalteten (die) Senatoren im circus maximus 14 Wagenrennen (am jeweiligen Renntag). Er wurde in Sirmium getötet. Carus herrschte 10 Monate und 5 Tage lang. Er starb in Seleucia bei Babylon. Carinus und Numerianus herrschten 2 Jahre, 11 Monate und 2 Tage lang. Sie spendeten dem Volk 500 Denare. Während ihrer Regierungszeit gab es eine große Hungersnot und folgende öffentliche Gebäude fielen Bränden zum Opfer: der Senat, das Forum Caesars, die Basilica Iulia und das Graecostadium. Er wurde auf dem Schlachtfeld am Margus getötet. Diokletian und Maximianus herrschten 21 Jahre, 11 Monate und 12 Tage. Sie spendeten dem Volk 1550 Denare. Während ihrer Regierungszeit wurden viele öffentliche Gebäude errichtet: Der Senat, das Caesarforum, die Basilica Iulia, die Bühne des Pompeius(theaters), 2 Portiken, 3 Nymphaen, 2 Tempel (nämlich) jener der Isis und der des Serapis, der neue Triumphbogen und die Thermen des Diokletian. Sie verteilten im circus (maximus) Gold- und Silbermünzen. Eine Stützmauer brach zusammen und zerquetschte 13000 Menschen. Und eine Frau namens Irene gebar Vierlinge, drei Knaben und ein Mädchen. Den König der Perser mit allen Angehörigen und deren perlenbestickte Gewänder, insgesamt 32, stellten sie (= „die Gebieter“; s. Anm. 980) rund um die Tempel zur Schau. 13 Elefanten, 6 Elefantentreiber und 250 Pferde brachten sie in die Stadt. Diokletian starb in Salona, Maximianus in Gallien. Constantius und Maximianus herrschten 16 Jahre, 8 Monate und 12 Tage. Sie spendeten dem Volk zweimal 1500 Denare. Constantius starb in Gallien, Maximianus in Dardania.

30

A) Text und Übersetzung

Severus imp. ann. III m. IIII d. XV. ipse se interfecit via Latina miliario III. Maxentius imp. ann. VI. hoc imp. templum Romae arsit et fabricatum est. thermas in pa­ latio fecit et circum in catecumbas. fames magna fuit. Romani traxerunt militem Moesiacum et occisi sunt Romani a militibus homines V̅ I̅ . Romanis omnibus aurum indixit et dederunt. Fossatum , sed non perfecit. occisus ad pontem Mulvium in Tiberim. Maximianus imper. ann. IX m. VIII d. VI. occisus Tarso. Licinius imp. ann. XV m. IIII d. XVI. occisus Thessalonica.

A) Text und Übersetzung

31

Severus herrschte 3 Jahre, 4 Monate und 15 Tage lang. Er beging Selbstmord am dritten Meilenstein der via Latina. Maxentius herrschte 6 Jahre lang. Während seiner Herrschaft fiel der Tempel der Roma einem Brand zum Opfer und wurde wieder aufgebaut. Er errichtete Thermen im Palast und einen Circus in catacumbas. Es gab eine große Hungersnot. Einwohner Roms schleiften einen Soldaten aus der Diözese Moesiae zu Tode und von den Soldaten wurden 6000 Römer getötet. Allen Römern erlegte er eine in Gold zu entrichtende Steuer auf und sie bezahlten diese. Er hob einen (Verteidigungs-)Graben aus, stellte ihn aber nicht fertig. Er wurde an der Mulvischen Brücke getötet (und starb) im Tiber. Maximianus herrschte 9 Jahre, 8 Monate und 6 Tage lang. Er wurde in Tarsus getötet. Licinius herrschte 15 Jahre, 4 Monate und 16 Tage lang. Er wurde in Thessalonike getötet.

B) Kommentar 1. Einleitung 1.1 Gegenstand des Kommentars Bereits 1850 beschrieb Theodor Mommsen Inhalt und Überlieferungsgeschichte eines Mitte des 4. Jh. n. Chr. zusammengestellten Sammelwerks, bestehend aus thematisch unterschiedlichen, z. T. illustrierten Handschriften. Er verband damit eine vorläufige Edition des anonymen Werkes, dem er den Namen „Chronograph vom Jahr 354“ gab. Diese Bezeichnung bzw. die Kurzform „Chronograph von 354“ wird bis heute verwendet, alternativ dazu auch „(Bild-)Kalender des Filocalus“.1 1850 gab Mommsen dem vorletzten Kapitel die Überschrift „Stadtchronik von Rom“; folgerichtig erhielt das 16. Kapitel seiner in Latein verfassten Edition von 1892 (Chron. Min. Bd. 1, MGH, Auct. ant. 9, S. 13–148) dann den Titel Chronica urbis Romae. Die um 1500 verfasste Wiener Handschrift V (=  Vindobonensis; Sammelhandschrift Nr. 3416 der Österreichischen Nationalbibliothek, Digitalversion: http://data.onb.ac.at/rep/1001D6D6), die als einzige den Text des Kapitels vollständig überliefert (fol. 62r bis 65v sowie 70r), enthält keine Gesamtüberschrift, sondern nur Überschriften für die fünf einzelnen Textteile:2 1. Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt. 2. reges Albani 3. Reges Romanorum numero VIII 1

2

Das Sammelwerk enthält einen illustrierten Kalender mit Angabe der im spätantiken Rom gefeierten Feste, auch als fasti Filocali bezeichnet (s. Degrassi, Inscr. 42, S. 238 ff.). Auf dem Titelblatt ist der Name des bekannten Kalligraphen Filocalus verzeichnet, dem die Abbildungen zugeschrieben werden. Beispiel für die Bezeichnung „Kalender des Filocalus“: Binder 2002. Beispiele für die Bezeichnung „Chronograph von 354“: Otto Seeck, Chronograph vom J. 354, in: RE 3,2 (1899) 2477–2481; Burgess 2012; Burgess 2014; Rüpke 2015. P. L. Schmidt verwendet beide Bezeichnungen (HLL 5, 1989, § 531–2). Ähnlich: H. Stern, Le Calendrier de 354. Étude sur son texte et ses illustrations, Paris 1953. Divjak/Wischmeyer (2014) wählen als Variante den Titel „Das Kalenderhandbuch von 354. Der Chronograph des Filocalus“. Auch Burgess (2014, 9 mit Anm. 2) sieht in der ersten Zeile (Item) origo gentis Romanorum ex quo primum in Italia regnare coeperunt die Überschrift des ersten Teilabschnitts, nicht den Gesamttitel. Hingegen halten P. L. Schmidt (HLL 5, 1989, § 531.5) und Nickbakht/Stein (2017, 16) die Textzeile für die Gesamtüberschrift.

1.1 Gegenstand des Kommentars

4. 5.

33

Item nomina dictatorum Item imperia caesarum

Durch das dreimal verwendete Adverb item ergibt sich eigentlich eine Dreiteilung: Mythische Früh- und Königszeit / Zeit der Römischen Republik, repräsentiert durch sogenannte dictatores / Kaiserzeit. – Der letzte Teil ist wesentlich länger als die vorherigen: In ihm sind, beginnend mit Caesar, die römischen Kaiser bis Licinius (gestorben 325) verzeichnet. Da die Eintragungen mit Licinius enden, ist anzunehmen, dass der Originaltext zwischen 325 und 337, dem Todesjahr Konstantins, verfasst wurde. Das sogenannte Corpus Aurelianum, zusammengestellt nach 360 n. Chr., weist eine ähnliche Dreiteilung auf wie die Chronica urbis Romae, ist aber wesentlich ausführlicher. So auch der erste Teil des Corpus Aurelianum, der den Titel Origo gentis Roma­ nae trägt und über die Frühzeit des römischen Volkes vor Gründung der Stadt Rom berichtet.3 Besonders detailliert geht der vorliegende Kommentar auf das Kapitel 5 (Item im­ peria caesarum) ein. Die drei ersten Kapitel (origo gentis Romanorum, reges Albani und Reges Romanorum), welche die Frühgeschichte Roms bis zum Ende der Königszeit zum Thema haben, sind größtenteils kein geeigneter Gegenstand für einen historischen Kommentar, da sie auf Sagen und Legenden basieren.4 Bei ihnen muss sich der Kommentar daher vorwiegend auf folgende Aspekte beschränken: punktuelle Quellenvergleiche (vor allem mit der Überlieferung bei Dionysios von Halikarnass, Livius und Eusebius), die Vorstellung von Forschungsergebnissen, insbesondere in archäologischer Hinsicht, und schließlich auf die Erläuterung von Namen und Begriffen. Das den reges Albani gewidmete Kapitel bietet ohnehin kaum mehr als eine reine Namensliste. Eine auf ausführlichere Quellenvergleiche gestützte Analyse der auf Sagen und Mythen beruhenden ersten drei Kapitel müsste durch eine separate wissenschaftliche Arbeit geleistet werden.5

3 4

5

Zur Origo gentis Romanae: P. L. Schmidt, in: HLL 5 (1989) § 532.1; Hillen 2003, 199–228; Sehlmeyer 2004, 15–28, 157–160. Vgl. Cornell 1995, 36–40. Hinsichtlich der Schwierigkeit, über die römische Frühgeschichte bis hin zur Entstehung der Republik wissenschaftlich gesicherte Aussagen machen zu können, halte ich die folgende Feststellung Frank Kolbs für realistisch: „Im allgemeinen […] kommt nur der archäologische Befund, zu dem auch die Inschriften zu rechnen sind, für die historische Rekonstruktion in Frage. […] Auf eine Ereignisgeschichte, sei es der Außen-, sei es der Innenpolitik, muss man verzichten. Eine Geschichte der römischen Frühzeit hat sich von der Quellenlage her weitestgehend auf eine Darstellung der Geschichte der Siedlung Rom in ihrer materiellen Entwicklung zu beschränken.“ (Kolb 2002, 48) Was den Vergleich der Herrscherlisten in den Kapiteln Item origo gentis Romanorum und reges Al­ bani mit jenen in anderen Quellen betrifft, so hat Burgess bereits wichtige Ergebnisse erzielt: Burgess 2014, 19–27 („The Pre-Roman Kings of Italy and Alba Longa“); vgl. hinsichtlich der Kapitel 1 bis 3 auch seine Hinweise auf Parallelquellen (a. a. O., 160–165).

34

B) 1. Einleitung

Hinsichtlich Kapitel 4 (Item nomina dictatorum), das lediglich aus einer Liste von 26 Namen besteht, versucht der Kommentar in erster Linie, die Identität der einzelnen Namensträger festzustellen. Textbasis des Kommentars ist Kap. 16 in Mommsens Edition des Chronographus anni CCCLIIII (Chron. Min. Bd. 1, MGH, Auct. ant. 9, 1892, 141–148). Die wichtigsten Unterschiede zu den folgenden drei Editionen werden im Kommentar vermerkt: Karl Frick (Hrsg.), Chronica minora Bd. 1, Leipzig 1892, 111–122; Abkürzung im Folgenden: Frick. Roberto Valentini/Giuseppe Zucchetti (Hrsg.), Codice Topografico della Città di Roma, Rom 1940, 266–281; Abkürzung im Folgenden: Val/Zuc. Richard W. Burgess, Appendix 3. Critical Edition and Translation of the Brevia­ rium Vindobonense, in: Burgess 2014, 142–157. Die mit einem überwiegend philologischen Kommentar versehene Edition von Mehran A. Nickbakht/Markus Stein erschien erst 2017, als ich die Arbeit am vorliegenden historischen Kommentar schon zum großen Teil abgeschlossen hatte. Daher konnte ich diese kommentierte Edition (Kurztitel im Folgenden: Nickbakht/Stein 2017) erst kurz vor Drucklegung meiner Arbeit berücksichtigen. Die vom Verfasser des lateinischen Textes verwendeten Abkürzungen übernehmen Frick und Mommsen vorlagengetreu, während Val/Zuc, Burgess (2014) und Nickbakht/Stein (2017) sie stets auflösen. Im Kommentarteil löse ich die Abkürzungen jeweils in runden Klammern auf, wobei ich inhaltlich Burgess folge, an dem sich auch Nickbakht/Stein orientieren. Burgess’ Vorschläge entsprechen weitgehend den Vorgaben, welche Hs. V in den C. Iulius Caesar gewidmeten Zeilen anbietet; die meisten Abkürzungen treten erst nach dieser Textstelle auf: imp./imper. ann. = imperavit/impe­ raverunt annos; m. = menses; d. = dies; cong. ded. = congiarium dedit/dederunt; hoc imp./ imper. = hoc imperante; his imp. = his imperantibus. Die Formulierung hoc imperante verwenden z. B. auch Eutr. 9,14; Epit. de Caes. 24,2; mit his imperantibus nimmt Epit. de Caes. 32,3 Bezug auf Valerian und Gallienus. Vgl. auch Hier. chron. z.J. 200 n. Chr. in Bezug auf Septimius Severus: Severo imperante. 1.2 Zur Bezeichnung „Stadtchronik“ bzw. chronica urbis Romae Als Theodor Mommsen den „Chronographen von 354“ im Jahr 1850 erstmals edierte, begründete er, weshalb er für dessen 16. Kapitel den Titel „Stadtchronik von Rom“ wählte: Der Text habe, neben den Herrschernamen, „nicht Ereignisse von allgemein geschichtlicher Bedeutung, sondern durchgängig städtische Merkwürdigkeiten“ zum Gegenstand, z. B.

1.2 Zur Bezeichnung „Stadtchronik“ bzw. chronica urbis Romae

35

Feuersbrünste, Einsturz von Gebäuden, Bauten, namentlich der für die römische Plebs so wichtigen öffentlichen Bäder, die der Plebs zu Theil gewordenen Congiarien […] geschichtliche Ereignisse werden fast nur erwähnt, wenn sie die Hauptstadt direkt berühren. (Mommsen 1850, 598; ähnlich Mommsen 1892, 141)

Das ist zwar richtig, aber schon bei flüchtiger Lektüre der „Stadtchronik“ fällt auf, dass viele Ereignisse nicht verzeichnet sind, die für die Bewohner Roms von herausragender Bedeutung gewesen sein müssen, beispielsweise die Brände Roms in den Jahren 64 und 80 n. Chr. Zieht man zum Vergleich die von Hieronymus übersetzte und ergänzte Chronik des Eusebius heran, zeigt sich, dass in ihr solche wichtigen städtischen Ereignisse sehr wohl erwähnt werden. Hinsichtlich der Regierungszeit Neros sagt die sich ohnehin sehr kurz fassende „Stadtchronik“ nichts über den großen Stadtbrand, sondern berichtet stattdessen von den Fressleistungen eines polyphagus; offenbar erhebt sie also nicht den Anspruch, das Wichtigste aus Roms Geschichte zusammenzufassen. Außerdem hat sie im Unterschied z. B. zur Chronik des Hieronymus keine Jahrfür-Jahr-Struktur; daher erscheint die Einstufung als Chronik fragwürdig. Folgerichtig stieß Mommsens Bezeichnung mehrfach auf Skepsis: Von Otto Seeck wird der Text „eine Art kurzer Stadtgeschichte Roms“ genannt, von Gerhard Binder „eine dürftige Stadtgeschichte“; Ralf Behrwald ist der Ansicht, Mommsen habe dieses Kapitel des Chronographen „nicht ganz zutreffend“ bezeichnet.6 Da der Text spezifische Gattungsmerkmale einer Chronik nicht aufweise, plädiert R. W. Burgess seit Jahren dafür, die Bezeichnung Chronica urbis Romae durch Breviarium Vindobonense zu ersetzen.7 Weil der Text mit den Worten Origo gentis Romanorum beginnt, wählen sowohl P. L. Schmidt als auch Nickbakht/Stein dies als Titel anstelle von Chronica urbis Romae.8 Die primäre Bedeutung von origo ist jedoch „Ursprung, Entstehung“ und da der Text nur zu Anfang von der mythischen Vorgeschichte Roms handelt, wird deutlich, dass die erste Zeile als Überschrift des ersten Abschnitts aufzufassen ist.9 Schmidt sieht dies offenbar ähnlich, denn er charakterisiert den Text als „eine knappe stadtrömische Chronik“ und übernimmt an einer Stelle den von Mommsen vorgeschlagenen Terminus „Stadtchronik“. 1850 gab Mommsen dem vorletzten Kapitel des „Chronographen vom Jahr 354“ zwar den Namen „Stadtchronik von Rom“, aber einmal, auf S. 599, verwendete er alternativ den Terminus catalogus imperatorum Vindobonensis. Der Text bietet jedoch wesentlich mehr als nur eine Herrscherliste, daher entschied sich Mommsen dafür, bei dem ursprünglichen Namensvorschlag zu bleiben. 1892 wählte er als Kapitelüberschrift die Pluralform Chronica (urbis Romae); allerdings verwendet 6 7 8 9

Seeck, Chronograph vom J. 354, in: RE 3,2 (1899) 2480; Binder 2002, 71; Behrwald 2009, 203. Burgess 2012, 351; Burgess/Kulikowski 2013, 97 f.; Burgess 2014, 9. Schmidt, HLL 5 (1989) § 531.2 und 531.5; Nickbakht/Stein 2017, 17. Letztere verweisen darauf, dass origo im spätantiken Latein auch „Geschichte“ bedeuten kann. Sie übersetzen aber Origo gentis Romanorum zu Recht mit „Entstehung des Volks der Römer“. So auch Burgess 2014, 9 mit Anm. 2. Zu origo: ThLL 9,2, Sp. 982–991; Georges Hwb Bd. 2, 1399.

36

B) 1. Einleitung

er eine Zeile darunter auch die Singularform chronicon urbis Romae. Sein Schwanken zwischen den Bezeichnungen zeigt, dass es ihm schwer fiel, den Text einer bestimmten historiographischen Gattung zuzuordnen. Seine oben auf S. 35 zitierte Argumentation lässt darauf schließen, dass es ihm primär darum ging, mit der Kapitelüberschrift das Thema des Textes zu charakterisieren, nämlich historische „Merkwürdigkeiten“, welche die Stadt Rom direkt tangierten. Auch Nickbakht/Stein stellen fest, die Aufzählung der Herrscher sei „mit kurzen Nachrichten angereichert, die sich quasi auschließlich auf die Stadt Rom beziehen“ und räumen ein, der Text weise „durchaus chronistische Züge“ auf. 10 Obwohl der Text keine Jahr-für-Jahr-Struktur hat und damit vom üblichen Erscheinungsbild einer Chronik abweicht,11 halte ich es für gerechtfertigt, die von Mommsen eingeführte Bezeichnung „Stadtchronik von Rom“ bzw. Chronica urbis Romae beizubehalten und nicht, wie von Burgess vorgeschlagen, durch den Namen Breviarium Vindobonense zu ersetzen. Ich begründe dies mit den folgenden sechs Argumenten: 1. Seit 1892 ist Mommsens Bezeichnung in der Forschung bekannt; eine Umbenennung könnte Verwirrung stiften und wäre daher wohl eher schädlich. 2. Von Breviarien wie dem des Aurelius Victor oder jenem des Eutrop unterscheidet sich der Text beträchtlich, da er offenbar nicht den Anspruch erhebt, einen zwar knappen, aber möglichst vollständigen Geschichtsabriss zu geben. Außerdem möchte ich auf zwei die These stützende Forschermeinungen hinweisen: In Markus Sehlmeyers Habilitationsschrift über spätantike Breviarien wird der vorliegende Text nicht zu den Breviarien gezählt. Trotz Bedenken gegen die „etwas unglückliche Bezeichnung bei Mommsen“ nennt Sehlmeyer den Text eine „Stadtchronik Roms.“12 Jahre zuvor erklärte J. W. Eadie, der Text sei kein Brevia­ rium, sondern eine spezielle Form der Chronik, sozusagen ein Unikat („unique chronicon form“).13 3. „Chronik“ war in Antike oder Mittelalter keine klar definierte Gattungsbezeichnung, sondern wurde durch die moderne Forschung für Texte ähnlicher Beschaffenheit geprägt. Dabei wurden bzw. werden nicht selten auch Texte, die nicht jahrweise, sondern nach Regierungszeiten gegliedert sind, als Chronik bezeichnet. Darunter fallen z. B. manche altorientalischen Herrscherchroniken, 14 christliche Weltchroniken wie der Liber generationis (s. u., Anm. 17) oder die vor 150 n. Chr. 10 11

12 13 14

Nickbakht/Stein 2017, 4 f. Definition der Gattung Chronik bei Glassner/Rüpke in DNP 2 (1997) 1168: „Chroniken sind Vertextungstypen von Geschichte, die jahrweise strukturiert sind. Sie reichen von bloßen Datenlisten bis zur Füllung einzelner Jahre mit narrativen Kleinformen […]“. In Sp. 1169 wird allerdings das Merkmal „jahrweise strukturiert“ nicht mehr absolut gesetzt; vgl. Anm. 14. Sehlmeyer 2009, 305 mit Anm. 135; auch auf S. 72 und 164 spricht er von einer „Stadtchronik“. J. W. Eadie, The Breviarium of Festus. A Critical Edition with Historical Commentary, London 1967, 19. Glassner, Chronik B/Alter Orient, in: DNP 2 (1997) 1169.

1.2 Zur Bezeichnung „Stadtchronik“ bzw. chronica urbis Romae

4.

5.

6.

15 16 17

18

37

verfasste sog. „Leipziger Weltchronik“; aber auch die um 1150 von einem Regensburger Mönch verfasste „Kaiserchronik“ ist nicht jahrweise strukturiert. Burgess räumt ein, das Breviarium Vindobonense sei einer Chronik sehr ähnlich.15 Er hält aber die von ihm vorgeschlagene Bezeichnung nicht nur deshalb für die bessere, weil es sich bei dem Text um keine Chronik handle, sondern auch, weil so zum Ausdruck komme, dass er ursprünglich kein Teil des Chronographen von 354 gewesen sei.16 Sehr häufig werde er fälschlich als Teil von diesem bezeichnet. Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, weshalb der Name Chronica urbis Romae dazu zwingen sollte, den Text als ursprüngliches Kapitel des Chronographen von 354 anzusehen. Mommsens Bezeichnung stimmt den Leser zu Recht darauf ein, dass der Text von Ereignissen aus der Geschichte der Stadt Rom handelt. Diesen Vorzug besitzt die von Burgess vorgeschlagene Namensgebung nicht. Burgess hätte die Bezeichnung Breviarium historiae urbis Romae vorschlagen können, aber vermutlich strebte er eine Formulierung an, die sich deutlich von jener Mommsens unterscheidet. Das in Handschrift V unmittelbar vorhergehende Kapitel, eine christliche Weltchronik, der Mommsen den Titel Liber generationis (II) gab, ist offenbar eng mit der Stadtchronik verbunden: Mit hoher Wahrscheinlichkeit sollte die christliche Weltchronik durch eine auf die Stadt Rom konzentrierte (Stadt-)Chronik ergänzt werden;17 daher wird diese durch das Adverb item eingeleitet. Die Weltchronik wurde vermutlich im Jahr 334 verfasst (s. u. Abschnitt 1.3); in ihrem Inhaltsverzeichnis wird ein Schlusskapitel angekündigt, in welchem imperatorum Roman­ orum nomina a Gaio Iulio Caesare et consulibus mitgeteilt würden.18 Die Kaiserliste der Stadtchronik beginnt dann folgerichtig mit C. Iulius Caesar, während z. B. Aurelius Victors Historiae abbreviatae ebenso wie die Epitome de Caesaribus erst mit Augustus einsetzen.

Burgess/Kulikowski 2013, 98; Burgess 2014, 5: „the closest thing to a chronicle to survive from the period between the mid-second and mid-fourth centuries.” Burgess 2012, 351; ders. 2014, 9. Bereits Mommsen (1850, 597 f., 609) sah in der Stadtchronik eine Ergänzung der Weltchronik. Im Wesentlichen dieselbe Auffassung vertreten Schmidt (HLL 5, 1989, § 531.4); Behrwald 2009, 203–205; Burgess 2012, 369 f., 383; Nickbakht/Stein 2017, 3, 6. Dagegen: Salzman 1990, 54. Die Weltchronik ist in zwei Versionen überliefert, die Mommsen als Liber generationis I und II bezeichnet (Chron. Min. I, 78–140). Schmidt (HLL, a. a. O.) wählt die Bezeichnungen Liber generationis ho­ minum bzw. Liber generationis mundi und sieht, hierin Mommsen folgend, im Liber generationis mun­ di (=Liber generationis II bei Mommsen) die „gekürzte Fassung der Übersetzung einer postumen Bearbeitung […] der Chronik […], die der römische Bischof und spätere Märtyrer Hippolytus 234/5 beendet hatte“. Burgess (2012, 350) hält das Manuskript zwar ebenfalls für die lateinische Übersetzung eines griechischen Originals von 235, schließt aber Hippolytus als dessen Autor aus. Er empfiehlt außerdem, diesen Text nicht als „Chronik“, sondern als „Chronograph“ zu bezeichnen. Text bei Mommsen 1892, 90.

38

B) 1. Einleitung

Aufgrund dieser Überlegungen, aber auch weil ich es für pragmatisch halte, wird im vorliegenden Kommentar die Kurzbezeichnung „Stadtchronik“ verwendet. Nur da, wo ich Arbeitsergebnisse von Burgess (2014) zusammenfasse oder zitiere, übernehme ich die von ihm vorgeschlagene Bezeichnung Breviarium (Vindobonense). 1.3 Die Textüberlieferung Der Text der Stadtchronik ist, neben anderen Teilen des „Chronographen von 354“, vollständig nur durch die Handschrift V überliefert; ansonsten existieren lediglich Fragmente in zwei Codices aus dem 9. Jh.: St. Gallen 878 und Cesena. Aufgrund der komplizierten Textüberlieferung19 wurde in jüngerer Zeit kontrovers diskutiert, welche Teile zum ursprünglichen Bestand des Chronographen von 354 zählten. Mommsen vertrat die Ansicht, dass das Regionenverzeichnis (Notitia),20 die Weltchronik (Liber generationis II) und die Stadtchronik schon im Jahr 334 geschrieben worden seien und „ein kleines Werk für sich“ bildeten. Er stellte die Frage, ob sie in später entstandenen Handschriften nur „rein äußerlich“ mit der Sammlung von 354 verbunden wurden, fand es aber dann „wahrscheinlich“, dass sie im Jahre 354 mit anderen zum Chronogra­ phus zusammengestellt worden waren (Mommsen 1850, 609). In seiner Edition der Notitia stellt A. Nordh diese These Mommsens in Frage und betrachtet die drei Texte des Jahres 334 als Zusätze, die erst um das Jahr 1500 bei der Niederschrift des Vindobo­ nensis in den Chronographen von 354 aufgenommen worden seien.21 M. Salzman sieht nur in Notitia und Weltchronik spätere Zusätze, während die Chronica urbis Romae ihrer Ansicht nach zur ursprünglichen Kompilation von 354 gehörten.22 Burgess stimmt Mommsen zu, dass der Liber generationis II, die von ihm Breviarium Vindobonense genannte Stadtchronik und die Notitia zusammen gehören und 334 bzw. 337 (Notitia) entstanden. Er versucht jedoch nachzuweisen, dass außer der Weltchronik und der Notitia auch das Breviarium Vindobonense wahrscheinlich erst Ende des 8. oder Anfang des 9. Jahrhunderts mit einer Kopie der anderen Teile des Chronographus kombiniert wurden.23 Während P. L. Schmidt und R. Behrwald an Mommsens Rekonstruktion der Handschriftenüberlieferung weitgehend festhalten,24 vertreten Divjak/

19 20

21 22 23 24

Ausführliche neuere Analysen zu diesem Thema bieten Burgess (2012, 345–396; 2014, 9–11) und Divjak/ Wischmeyer (2014, 5–16, 39–74). In der neueren Forschung Notitia (regionum) urbis Romae genannt. Von Mommsen 1892 als Kap. 14 des Chronographus unter der Bezeichnung Regiones urbis Romae eingeordnet (Chron. Min. I, 77), wobei er auf deren Edition durch Jordan (1871, 539 ff.) verweist. Neueste Edition (zusammen mit dem Curiosum urbis Romae): Arvast Nordh, Libellus de regionibus urbis Romae, Lund 1949. Nordh 1949, 24 f. Salzman 1990, 51–56. Burgess 2012, 381–392; vgl. ders. 2014, 9–11. Ihm folgen Nickbakht/Stein 2017, 3 f. Schmidt, HLL 5 (1989) § 531.4–5; Behrwald 2009, 204 f.

2.1 Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt

39

Wischmeyer in ihrer kommentierten Edition des Chronographen folgende Ansicht:25 Ein einziges „Urexemplar“ des Chronographen könne „nicht vorausgesetzt und auch nicht rekonstruiert26 werden“; Ziel ihrer Edition sei die „hypothetische Rekonstruktion einer [Hervorheb. d. Verf.] Fassung des Chronographen unter Ausschluss der später in die Überlieferung eingedrungenen Texte.“ Zu den letzteren zählen sie27 die Chronica urbis Romae, die Regiones urbis Romae (= Notitia) und den Liber generationis. Folgerichtig beziehen sie diese drei Kapitel nicht in ihre Edition mit ein. Abschließend ist festzuhalten, dass Mommsens Ansicht, die Chronica urbis Romae seien ca. 334 n. Chr. verfasst worden und könnten als Ergänzung des Liber generationis (II) verstanden werden, auch noch in jüngster Zeit überwiegend Zustimmung findet. Seiner These, sowohl die genannten Texte als auch die Notitia (regionum) urbis Ro­ mae28 hätten bereits 354 zum Bestand des Chronographen gehört, wird jedoch von mehreren Vertretern der neueren Forschung widersprochen. Auch wenn die Diskussion über diese Frage noch nicht beendet sein mag, ergeben sich daraus keine gravierenden Konsequenzen für den historischen Kommentar zur Stadtchronik. Denn für diesen muss die Frage im Zentrum stehen, inwieweit die Aussagen des Textes mit dem übereinstimmen, was als wissenschaftlich erwiesen oder als wahrscheinlich gilt. Allerdings werde ich im Schlusskapitel auf Seite 375 f. nochmals zu der kontrovers diskutierten Frage Stellung nehmen und erläutern, weshalb der literaturgeschichtliche Stellenwert der Stadtchronik nur unter Bezugnahme auf den Chronographen von 354 adäquat erfasst werden kann. 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik 2.1 Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt Drei Vorbemerkungen Erstens: Die Stadtchronik als Ergänzung einer christlichen Weltchronik Das Adverb item in der ersten Zeile (zu origo s. o. S. 35) signalisiert, dass die Stadtchronik einen vorhergehenden Text ergänzen sollte, nämlich den im Jahr 334 n. Chr. verfassten Liber generationis (II), eine christliche Weltchronik (vgl. S. 37 mit Anm. 17). Wie Burgess halte ich es für wahrscheinlich, dass die Stadtchronik als zunächst eigen25 26 27 28

Divjak/Wischmeyer 2014, 52. Dennoch versuchten Konrad und Margarete Weidemann (Römische Staatskalender aus der Spätantike, Mainz 2016), den originalen Filocalus-Kalender teilweise zu rekonstruieren: ebd. 82–132, 289 ff. Divjak/Wischmeyer 2014, 6, 56. Die Regionenverzeichnisse Not. und Cur. datiert M. Fuhrmann in HLL 5 (1989, § 520) etwas vage auf „die Zeit Konstantins“. Burgess (2012, 383) zufolge entstand die Notitia um das Jahr 337 und wurde schon bald mit dem Liber generationis und dem „Breviarium Vindobonense“ zu einer Textgruppe zusammengestellt.

40

B) 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik

ständiges Werk entstand, das aber schon nach kurzer Zeit der christlichen Weltchronik angefügt wurde und damit eine knappe Kaiserliste ersetzte, wie sie im Liber generatio­ nis (I) enthalten ist.29 Beide Fassungen des Liber generationis bestehen großteils aus Listen der Nachkommen des Adam und aus Herrscherlisten, z. B. der jüdischen und ägyptischen Könige, häufig mit jeweils zugeordneten Lebens- bzw. Regierungsjahren. Das zweite Kapitel der Stadtchronik, die reges Albani betreffend, bietet ebenfalls wenig mehr als eine Liste von Namen und Regierungszeiten. Insgesamt berichten die ersten drei Kapitel der Stadtchronik von 26 Königen; addiert man deren angebliche Regierungszeiten, ergibt dies in der Summe mehr als 800 Jahre. Dem Verfasser war es offenbar ein wichtiges Anliegen, deutlich zu machen, wie weit die Geschichte Roms in die Vergangenheit zurück reichte, nämlich aus seiner Sicht bis etwa zwei Generationen vor dem Fall der Stadt Troia. Der Liber generationis, der v. a. auf dem Alten Testament basiert, kann zwar den Beginn der jüdischen Geschichte wesentlich früher ansetzen, ordnet aber Saul, den ersten jüdischen König, erst in die Zeit kurz vor der Eroberung Troias ein; diese wird von antiken Autoren oft auf 1184/1183 v. Chr. datiert (s. u.). Da die Stadtchronik Ianus und Saturnus nicht zu den frühen laurentischen Herrschern rechnet, merkt Mommsen an, der Verfasser habe „jedes Wunder und so auch die Götterkönige beseitigt“ (Mommsen 1850, 649 Anm. 1). Merkwürdig sei auch „der trockene Euhemerismus in der Darstellung der ältesten Sagen, der geflissentlich allen Schimmer des Göttlichen abstreift: […] Romulus ertrinkt beim Baden, […] Numa ist der Erfinder der Betten, Tische, Stühle und Leuchter“ (ebd. 599). Da er zudem meint, die Stadtchronik sei gezielt als Schlussteil der Weltchronik des Liber generationis (II) konzipiert worden, gelangt Mommsen zu der Schlussfolgerung, der Verfasser der Stadtchronik sei ein Christ gewesen. Wahrscheinlich geht diese These zu weit: Hieronymus hatte offenbar kein Problem damit, auch Ianus und Saturn zu den Königen der Frühzeit zu rechnen (s. u. S. 41), da christliche Autoren in allen heidnischen Göttern sterbliche Menschen sahen30 und so die euhemeristische Tradition fortsetzten. Heute sieht man in der Stadtchronik wohl zu Recht ein paganes Werk; s. dazu S. 376 mit Anm. 1082. Zweitens: Die Frage nach dem historischen Kern Die Formulierungen im ersten und zweiten Kapitel zeigen, dass der Autor seinen Bericht über die Könige, die vor der Gründung Roms über Latium geherrscht haben sollen, als Geschichtsschreibung verstand und den euhemeristisch gedeuteten Kern von Mythen als historische Wahrheit ansah.31 Dasselbe lässt sich bei den Aussagen 29 30 31

Burgess 2014, 9 f. Nickbakht/Stein (2017, 3, 14 f.) teilen diese Auffassung. Salzman (1990, 54) widerspricht grundsätzlich der These, die Stadtchronik habe die Weltchronik ergänzen sollen. Vgl. Wifstrand Schiebe 1997, 157 f. Übrigens erwähnt die Stadtchronik Saturn ebenfalls, allerdings lediglich als Vater des Picus: Picus Saturni filius. Vgl. Clifford Ando, Mythistory: The Pre-Roman Past in Latin Late Antiquity, in: H. Leppin (Hrsg.), Antike Mythologie in christlichen Kontexten der Spätantike, Berlin/München/Boston 2015, 207.

2.1 Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt

41

feststellen, die er über Romulus und die weiteren römischen Könige macht. Aber hinsichtlich der römischen Frühzeit muss sich die Geschichtsforschung „bei der Interpretation antiker Quellen auf einem schmalen Grad zwischen Fiktion und Fakten bewegen“ (Kolb 2002, 42). Erst in augusteischer Zeit entstanden die Geschichtswerke des Dionysios von Halikarnass und des Livius, ältere sind nur fragmentarisch erhalten. Livius, dessen Ab urbe condita zur kanonischen Darstellung der römischen Geschichte wurde, bezeichnete es als sehr schwierig, historisch zuverlässige Kenntnisse über die Königszeit und die Frühe Republik zu erlangen, weil die wenigen Dokumente, u. a. die Aufzeichnungen der pontifices, beim Gallierbrand 387 v. Chr. größtenteils vernichtet worden seien (Liv. 6,1). Was in der Zeit vor der Gründung Roms geschah, sei v. a. in dichterisch ausgeschmückten Sagen überliefert (Liv. praefatio, 6). Aus heutiger Sicht sind die Urkönige von Laurentum (= Latium) als Fiktion zu betrachten: Die verschiedenen römischen Versionen des Aeneas-Mythos stimmen darin überein, dass der trojanische Held an der Küste des von König Latinus regierten Laurentum landete. Für die Zeit vor seiner Ankunft erfand man in Rom, wahrscheinlich schon im 3. Jh. v. Chr., eine ältere Königsreihe, von der Latinus angeblich abstammte: Die alten italischen Gottheiten Ianus, Saturnus, Picus und Faunus wurden zu Königen umgedeutet, wobei man erklärte, sie seien erst nach ihrem Tod zu Göttern erhoben worden.32 Mit Ianus beginnt die Königsreihe bei Vergil (Aen. 8,357 f.), in der ca. 360 n. Chr. verfassten anonymen Schrift Origo gentis Romanae (3,1) und bei Hieronymus (Hier. chron. z.d.J. 1179–1177 v. Chr.; diese Königsreihe ist eine der Ergänzungen zur Chronik des Eusebius). In der Stadtchronik jedoch ist Picus (Saturni filius) der erste König in Latium; mit ihm beginnt auch die Königsreihe bei Eusebius (Chronographia, Arm. Karst 136) und bei Augustinus (civ. 18,15–16). Während Mommsen und P. L. Schmidt die Ansicht vertreten, die kürzere Reihe sei sekundär und eine Verkürzung der längeren, versucht Wifstrand Schiebe nachzuweisen, dass die kürzere Reihe die primäre ist und erst von Vergil erweitert wurde; diese These stößt jedoch auf Widerspruch.33 Drittens: Die Frage nach den Quellen Einer neueren These zufolge entstand im 2. Jh.  n. Chr. eine Darstellung der Vorgeschichte Roms, die v. a. auf Livius, Vergil und Verrius Flaccus zurückgriff und u. a. vom Verfasser der Origo gentis Romanae ausgewertet wurde.34 Die Quelle aus dem 2. Jh. könnte auch vom Verfasser der Stadtchronik herangezogen worden sein; allerdings beginnt die Königsreihe in der O. g.Rom. bereits mit den Götter-Königen Ianus und Saturn. Wifstrand Schiebe ist der Meinung, die Aussagen der Stadtchronik über die

32 33 34

Hillen 2003, 11. Der Autor datiert die Erfindung der Königsreihe auf das 3. Jh. v. Chr. Mommsen 1850, 649 Anm. 1; P. L. Schmidt, Das Corpus Aurelianum und S. Aurelius Victor, in: RE Suppl. 15 (1978) 1630; Wifstrand Schiebe 1997, 117, 156 f. mit Anm. 24; deren These widerspricht Sehlmeyer 2004, 11. Hillen 2003, 211 f.

42

B) 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik

laurentischen Urkönige gingen auf Terentius Varro zurück, denn in dessen De gente populi Romani werde Picus als der erste König genannt.35 Burgess hingegen erwähnt Varro nicht, sondern schließt aus Quellenvergleichen, dass der Autor des Breviarium Vindobonense hinsichtlich der laurentischen Könige derselben Tradition wie die Chro­ nographia des Eusebius folgt.36 Bei den Vergleichen, die ich selbst vornahm, fand ich diese These bestätigt. Denn die Aussagen der Stadtchronik über Picus, Faunus, Latinus und Aeneas stimmen großteils mit jenen des Eusebius (Chronographia, Arm. Karst 136) überein; es gab also offenbar eine gemeinsame Quellenbasis. Während sich Eusebius hinsichtlich der auf Aeneas folgenden Könige v. a. auf Diodor und Dionysios von Halikarnass beruft, erwähnt er bezüglich der genannten Urkönige leider keine Namen: „Dieses haben wir in gedrängtem Auszuge aus den Schriften Auswärtiger beitragend berichtet.“ (Eus. a. a. O.) Damit scheint er auf weniger prominente Autoren zu verweisen. Vieles spricht dafür, dass diese unbekannten Quellen sich nicht an den klassischen Darstellungen bei Vergil und Livius orientieren,37 sondern einer mehr euhemeristisch geprägten Tradition folgen. Beispielsweise erhalten die Latini ihren Namen von Lati­ nus, noch bevor die Ankunft des Aeneas erwähnt wird. 2.1.1 Picus Picus Saturni filius regnavit agro Laurentino usque ad eum locum ubi nunc Roma est, ann. XXXVIII. Diese Aussage stimmt weitgehend überein mit Eus. Chronogra­ phia, Arm. Karst 136: „Außerdem sagen aber noch einige, daß Pikos, Sohn des Kronos, zuerst als König geherrscht habe in des Laurentos Lande, bis zu der Stätte, wo jetzt Rom steht, 37 Jahre.“ Auch in der Aeneis ist Picus der Sohn des Saturn, der Vater des Faunus und Großvater des Latinus; aber im Unterschied zum Autor der Stadtchronik macht Vergil deutlich, dass es sich bei Saturnus um einen Gott handelt (Verg. Aen. 7,45–49; 7,204; 8,319 f.). Dieser wurde in ganz Italien als Unterweltsgott, aber auch als Gott des Reichtums und des Ackerbaus verehrt;38 das Fest der Saturnalia stand am Ende der Feldarbeiten. Laut Überlieferung (Dion. Hal. ant. 1,34,1; Verg. Aen. 8, 347– 358) gründete er auf dem Kapitol die früheste Siedlung auf römischem Boden. Daher sei ihm hier ein Heiligtum errichtet worden, bevor der Hügel zum Zentrum des Iuppiterkultes in Rom wurde. Dass er zudem mit Kronos gleichgesetzt wurde, ist z. B. durch Dion. Hal. ant. 1,34 und die oben zitierte Stelle bei Eusebius belegt.

35 36 37 38

Wifstrand Schiebe 1997, 116–118, 154. Varros Schrift ist aber nur fragmentarisch erhalten. Burgess 2014, 20; s. auch seine Quellenvergleiche a. a. O. 160–162. In Bezug auf Vergil ist dies auch die Ansicht von Wifstrand Schiebe 1997, 158. Kolb 2002, 85, 120; Belege bei Mastrocinque, Saturnus, in: DNP 11 (2001) 116 f.

2.1 Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt

43

ager Laurentinus Bei dem Annalisten Cassius Hemina hieß die Region an der italischen Küste, in der Aeneas gelandet sein soll, ager Laurens (Cass. Hem. frg.7P); bei Dionysios von Halikarnass und Vergil Laurentum bzw. Gebiet der Laurentes (Dion. Hal. ant. 1,45,1; Verg. Aen. 7,38–64); Vergil setzt dieses mit Latium gleich. Bei der Origo gentis Romanae und bei Hieronymus ist weder vom ager Laurentinus noch von Lauren­ tum die Rede, sondern als Herrschaftsbereich der Urkönige bis hin zu Latinus wird Italia genannt (O. g.Rom. 3,1; 4,4; 9,1; Hier. chron. z.d.J. 1179–1177 v. Chr.). eo tempore ibi nec oppida nec vici erant Rechnet man von 753 v. Chr., dem aus Varros Berechnung abgeleiteten Gründungsjahr Roms, mit den von der Stadtchronik angegebenen Regierungszeiten zurück, müsste Picus etwa um 1300 v. Chr. geherrscht haben. Für die mittlere und späte Bronzezeit, also für die Zeit ca. 1400–1100 v. Chr., ist in Latium und auf dem Gebiet der späteren Stadt Rom die Fortdauer bzw. das Entstehen von kleinen Hüttendörfern auf Anhöhen archäologisch nachweisbar, z. B. auf dem römischen Palatin.39 Demnach trifft, aus Sicht des Historikers, die Aussage der Stadtchronik hinsichtlich der oppida wahrscheinlich zu, aber hinsichtlich der vici ist sie zumindest problematisch: 2.1.2 Faunus Faunus Pici filius eisdem locis regnavit annis XLIIII. einstimmung mit Eus. Chronographia, Arm. Karst 136:

Wieder zeigt sich die Über-

„Und nach ihm (regierte) Phaunos, Sohn des Pikos, 44 Jahre.“

Faunus wird von beiden Quellen in euhemeristischer Tradition nur als König gesehen. Auch Dionysios von Halikarnass knüpft an diese Tradition an: Er bezeichnet Faunus als König der Aborigines, die vor dem Trojanischen Krieg aus Griechenland in die Umgebung der späteren Stadt Rom eingewandert seien (Dion. Hal. ant. 1,9,3; 1,31,2; 1,60,3). Bei Vergil ist Faunus nicht nur ein König, sondern auch der Enkel des Gottes Saturn (Verg. Aen. 7,48). Laut O. g.Rom. 4,6 wurde er von den meisten als Gott verehrt40 und mit dem griechischen Pan identifiziert. eo tempore Hercules cum ab Hispania reverteretur Abermals besteht Übereinstimmung mit Eus. Chronographia, Arm. Karst 136, wo mit Bezug auf Faunus überliefert wird: „Unter welchem Herakles, aus dem Lande Spanien hergezogen, […].“ Der ursprünglich griechische Herakles-Mythos, der aus vorhomerischer Zeit stammt und in vielen Varianten überliefert ist, dürfte im 6. Jh. v. Chr. mit dem damals etruskisch 39 40

Aigner-Foresti 2003, 22–24; Kolb 2002, 33–37. Vgl. Graf, Faunus, in: DNP 4 (1998) 440.

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B) 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik

beherrschten Rom in Verbindung gebracht worden sein.41 Herakles wurde nun zu dem als Gott verehrten Hercules. Beide oben zitierten Textstellen erwähnen die Rückkehr des Hercules aus Spanien: Wie schon Hesiod überliefert, soll Herakles im äußersten Westen der bewohnten Welt die Rinder des Geryoneus geraubt und nach Italien gebracht haben (Hes. theog. 287–294).42 In der Kaiserzeit wurde Hercules zur Idealgestalt eines siegreichen Herrschers stilisiert: Commodus ließ sich u. a. Hercules oder Hercu­ lius nennen (Cass. Dio 72,15–17) und gegen Ende des 3. Jh. nahmen einige der Tetrarchen den Beinamen Herculius an. Demnach brachte man Hercules noch zu Beginn der Spätantike große Verehrung entgegen, zudem gab es in Rom noch im 4. Jh. n. Chr. eine zentrale Kultstätte für ihn (s. u.). Daher ist es einerseits verständlich, dass der Verfasser der Stadtchronik an den Herakles-Mythos anknüpft, andererseits lässt seine Formulierung auch hier auf eine euhemeristische Deutung schließen. aram quae est Romae ad forum boarium posuit et dedicavit eo quod Cacum filium Vulcani ibi in spelunca sua occiderat. Fast dasselbe berichtet Eus. Chronographia, Arm. Karst 136: „[…] einen Altar errichtete auf dem Boarischen Marktplatze, von wegen dass er den Bösen, Sohn des Ephestos (= Hephaistos bzw. Vulcanus), getötet hatte.“ Der Annalist Cn. Gellius (frg. 9 Peter) berichtet vom Kampf des Hercules gegen einen Heerführer namens Cacus. In dieser euhemeristischen Tradition steht in augusteischer Zeit offenbar auch Dion. Hal. ant. 42,1, denn Herakles wird als Feldherr beschrieben, der das Heer des räuberischen Kakos besiegt und diesen tötet. Aber Cacus scheint, ebenfalls zur Zeit des Augustus, nicht nur zum Sohn des Vulcanus, sondern wegen der griechischen Etymologie seines Namens (κακός = böse) und durch die Verknüpfung mit dem Herakles-Mythos auch zu einem Ungeheuer geworden zu sein:43 Bei Vergil (Aen. 8,194–270) ist Cacus ein feuerspeiendes Monster, das in einer Höhle am Palatin oder Aventin haust; er stiehlt Rinder aus der Herde des Hercules und wird daher von diesem getötet. Bei Livius jedoch fehlen die monströsen Züge des Cacus; er wird als starker, räuberischer Hirte dargestellt (Liv. 1,7,5–10). Dass die das Mythische betonende Version Vergils in der römischen Überlieferung besonders stark nachwirkte, belegt ein topographischer Aspekt: Eine Treppe, die vom südwestlichen Palatin zum forum Boarium hinabführte, nannte man Scalae Caci; in unmittelbarer Nähe der Treppe befand sich das Lupercal, jene Grotte, in der die Wölfin Romulus und Remus gesäugt haben soll.44 Das forum Boarium, zwischen Tiber und den Abhängen von Kapitol, Palatin und Aventin gelegen, war der älteste Marktplatz Roms, laut Varro ling. 5,146 auch Viehmarkt. Seine Entstehung verdankte der Marktplatz seiner günstigen Lage an der Tiber41 42 43 44

Kolb 2002, 87. Vgl. Graf, Herakles, in: DNP 5 (1998) 389. Vgl. Graf, Cacus, in: DNP 2 (1997) 879 f. Coarelli 2013, 160–162.

2.1 Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt

45

furt, die in der Frühzeit sicherlich von Hirten und ihren Herden genutzt wurde.45 Darin dürfte der historische Kern der Sage vom Sieg des Hercules über den Rinderdieb Cacus zu sehen sein. Bereits in der Fassung bei Vergil und Livius gibt die Erzählung über Cacus die Aitiologie für die angeblich von Hercules am forum Boarium errichtete ara maxima (Verg. Aen. 8,270–280; Liv. 1,7,10–11). Aber während in der euhemeristisch geprägten Stadtchronik das Motiv für die Tötung des Cacus verschwiegen wird, beschreibt Vergil sowohl die Heldentat des Göttersohnes Hercules als auch das traditionelle Freudenfest an dessen Altar, der nicht nur Opferstätte ist, sondern zum Festplatz wird. Das spiegelt historische Tatsachen wider, denn den Opferhandlungen an der ara maxima folgten große Festgelage für zahlreiche Bürger, insbesondere wenn siegreiche Militärs oder erfolgreiche Kaufleute das Opfer vollzogen hatten. An der ara maxima wurden Geschäfte abgeschlossen und mit Eiden beschworen, da Hercules auch Schutzgott des Handels war. Wann der Altar erbaut wurde, ist nicht bekannt, aber mit Sicherheit bestand er schon lange vor dem Jahr 312 v. Chr., in dem die Kulthandlungen an diesem Ort unter Staatsaufsicht gestellt wurden (Liv. 9,29,9).46 Laut Serv. Aen. 8,271 war der Altar Ende des 4. Jh. n. Chr. noch erhalten. Es gibt Belege dafür, dass er auf dem forum Boarium stand, vermutlich im Randbereich. Aber die von der Stadtchronik verwendete Präposition ad scheint an Dion. Hal. ant. 1,40,6 anzuknüpfen, wonach sich der Altar „in der Nähe“ (πλησίον) des forum Boarium befunden habe. Doch Coarelli (s. Anm. 44) vermutet, der griechische Text gehe auf eine ungenaue Übersetzung der lateinischen Ortsangabe apud forum Boarium zurück und dürfe nicht allzu wörtlich genommen werden. Auch deshalb halte ich es für richtig, die hier diskutierte Formulierung der Stadtchronik mit „am forum Boarium“ zu übersetzen. 2.1.3 Latinus Latinus isdem locis regnavit < >. Während Mommsen (1892), Frick, Val/Zuc und Nickbakht/Stein nach regnavit eine Textlücke ausweisen, übernimmt Burgess die Jahreszahl, welche Mommsen in seiner ersten Edition (1850) aus Syncellus ergänzt hatte: . Mommsen hatte damals die Ansicht vertreten, Syncellus habe entweder dieselbe Quelle wie die Stadtchronik benutzt oder diese selbst als Quelle verwendet.47 Burgess’ Konjektur dürfte auf Eusebius gestützt sein, denn Eus. Chronographia, 45

46 47

Kolb 2002, 84–87; F. Coarelli, Il Foro Boario, Rom 1988, 8–10, 107–114. Den Namen Boarium (=Bo­ varium) leitete Prop. 4,9,19–20 von den Rindern des Geryoneus ab, die Hercules hierher gebracht habe. Andere Quellen hingegen (Ov. fast. 6,477–78; Plin. nat. 34,10; Tac. ann. 12,24) führen den Namen auf die Bronzestatue eines Rindes zurück, welche das pomerium markierte. Zur ara maxima (auch im Folgenden) Coarelli, Hercules Invictus/Ara Maxima, in: Steinby LTUR 3 (1996) 15–17. Kolb (2002, 87) hält für möglich, dass der Altar schon seit dem 6. Jh. v. Chr. Kaufleuten Rechtsschutz gewährte. Mommsen 1850, 644, 649 Anm. 1; vgl. dagegen Burgess 2014, 20, 144.

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B) 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik

Arm. Karst 136 überliefert unter Bezug auf Faunus: „Nach welchem Latinos regierte 36 Jahre“. Burgess übernimmt aus Handschrift V zwei in roter Farbe geschriebene Einträge, die dort vor und nach dem Textabschnitt zu Latinus stehen: 1) Bellum cum Troianis, 2) Bellum cum Rutulis. Mommsen erwähnt diese Textstellen lediglich in seinen Anmerkungen zu Z. 8 und 13, da er sie als später eingefügte Marginalglossen ansieht. Seine Einschätzung ist plausibel, denn die Eroberung Troias und der Krieg mit den Rutulern würden sonst im Text doppelt vermerkt. Burgess hält die Textstellen nicht für erst später eingefügte Marginalglossen, aber Nickbakht/Stein teilen diese Meinung ebensowenig wie ich.48 hic ex suo nomine cives suos Latinos appellavit. Wieder gibt es eine auffällige Übereinstimmung mit Eus. Chronographia, Arm. Karst 136, wo mit Bezug auf Latinus überliefert wird: „woher auch die Latiner geheißen sind.“ Die Angaben weichen jedoch stark ab von der Überlieferung bei Dionysios von Halikarnass, Livius und Vergil: Ihnen zufolge erhält das Volk des Latinus, das Dionysios und Livius Aborigines nennen, den Namen Latini erst, nachdem es sich mit den Trojanern des Aeneas zu einem neuen Volk verbunden hat (Dion. Hal. ant. 1, 60; Liv. 1,2,4; Verg. Aen. 12,838). Nach heutigem Forschungsstand dürfte die Bezeichnung Latini von der Landschaft Latium südlich von Rom abgeleitet worden sein; als Familienname in Veji ist Latine durch eine etruskische Inschrift vom Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. belegt.49 hoc regnante Troia capta est, unde Aeneas Veneris et Anchisae filius venit et se cum Latino iunxit unique bellum gesserunt adversus Rutulos. Damit stimmt Eus. Chro­ nographia, Arm. Karst 136 nur teilweise überein. Unter Bezug auf Latinus heißt es da: „In dessen dreißigstem Jahre wurde Ilion genommen. Nach welchem Enias des Anchises (Sohn) mit den Rutulern kriegend den Turnus tötete und des Latinos Tochter Lavinia heiratete.“ In der Ilias wird Aeneas, der Sohn des Troerfürsten Anchises und der Göttin Aphrodite, als ein dem Hektor vergleichbarer tapferer Held beschrieben, dem durch die Gunst der Götter gemeinsam mit anderen die Flucht aus dem brennenden Troia gelingt (Il. 6,77 f.; 20,318 ff.). Für die Zeit danach gibt es mehrere Versionen des Mythos. Die Fassungen bei Livius, Vergil und Dionysios von Halikarnass stimmen darin überein, dass die von Aeneas geführten Trojaner schließlich in der Nähe der Tibermündung landen, wo Latinus über Laurentum herrscht (Liv. 1,4 f.; Verg. Aen. 7; Dion. Hal. ant. 1,44 f.; 1,63; 1,74,2). Laut Dionysios, der sich auf Eratosthenes beruft, kommen sie im 35. Regierungsjahr des Latinus an, etwa zwei Jahre nach dem Fall Troias, der sich 432 Jahre vor dem ersten Jahr der siebten Olympiade ereignet habe (=1184/83 v. Chr.). 48 49

Burgess 2014, 142; Nickbakht/Stein 2017, 51. Sonnabend, Aborigines, in: DNP 1 (1996) 28; Poma, Latini/Latium, in: DNP 6 (1999) 1165–70. Zur etruskischen Überlieferung: Aigner-Foresti 2003, 20.

2.1 Item origo gentis Romanorum, Ex quo primum in Italia regnare coeperunt

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Diese Datierung wird auch sonst häufig genannt, mit nur einem Jahr Abweichung auch in den Chroniken von Eusebius und Hieronymus. se cum Latino iunxit Hier scheint lediglich ein Militärbündnis gemeint zu sein, da Lavinia, die Tochter des Latinus, nicht erwähnt wird. Die meisten Quellen berichten wie Eusebius, Aeneas habe sich auch dadurch mit Latinus verbunden, dass er Lavinia zur Frau nahm (Verg. Aen. 6,763; Liv. 1,1,9 f.; Dion. Hal. ant. 1,60). Der von der Stadtchronik ebenfalls nicht erwähnte Anführer der Rutuler wird meist Turnus genannt (Verg. Aen. 7,56; Liv. 1,2; Eus. Chronogr.); bei Dionysios von Halikarnass heißt er Ty­ rrhenos, wodurch er als Etrusker gekennzeichnet wird (Dion. Hal. ant. 1,30,3; 1,64,2). Der Name Turnus ist von Tyrrhenos (=der Etrusker) abgeleitet.50 Der historische Kern der Erzählungen über Turnus/Tyrrhenos ist darin zu sehen, dass die im südlichen Latium bei Ardea ansässigen Rutuli im 6. Jh. v. Chr. wie Rom unter etruskische Herrschaft kamen und dass Ardea zeitweise mit Lavinium (s. u.) verfeindet war. eo proelio Latinus occisus est et regnum eius penes Aeneas remansit. Dies überliefern auch, allerdings wesentlich ausführlicher, Liv. 1,2,2; 1,2,5 und Dion. Hal. ant. 1,64,3. Eusebius hingegen berichtet in der oben zitierten Textstelle nur vom Tod des Turnus, nicht aber von jenem des Latinus. 2.1.4 Aeneas Aeneas oppidum condidit Lavinium ibique regnavit tribus annis. Damit stimmt wieder überein Eus. Chronographia, Arm. Karst 136, wo in Bezug auf Aeneas steht: „und baute die Stadt Lavinia, von wo er regierte 3 Jahre.“ Dass Aeneas Lavinium gegründet und nach dem Tod des Latinus von dort aus über die Latiner geherrscht habe, überliefern auch Liv. 1,10 f. und Dion. Hal. ant. 1,57,1; 1,59,3; die Stadt sei nach Lavinia, der Gattin des Aeneas, benannt worden. In der Version des Dionysios gründet Aeneas die Stadt gleich nach der Landung, noch bevor er mit Latinus zusammentrifft. Die von der Stadtchronik und Eusebius angegebene Regierungsdauer von drei Jahren findet man auch bei bei Verg. Aen. 1,265, wo Iuppiter die Zukunft des Aeneas enthüllt, und bei Dion. Hal. ant. 1,64,3. Lavinium (h. Pratica di Mare) lag ca. 25  km südlich von Rom in Latium.51 Der Aeneasmythos scheint bei der Kultpflege in Lavinium und in dessen Umland eine große Rolle gespielt zu haben; so gab es laut Strab. 5,3,5 in der Nähe der Stadt einen panlatinischen Schrein der Venus bzw. Aphrodite, die als Mutter des Aeneas galt. Lavinium war wahrscheinlich von Mitte des 7. bis Mitte des 6. Jh. v. Chr. Hauptort des 50 51

Alföldi 1977, 195, 248; vgl. auch Vanotti, Rutuli, in: DNP 10 (2001) 1173. Karte: A.-M. Wittke, in: Historischer Atlas der antiken Welt, DNP Suppl. Bd. 3 (2007) 108.

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B) 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik

Latinerbundes und damit Vormacht in Latium; anders als Rom verfügte es bereits damals über einen geschlossenen Mauerring.52 Damit wird der historische Kern der mythischen Überlieferung deutlich, der zufolge Aeneas von Lavinium aus über Latium herrschte und Rom erst lange danach gegründet wurde. Spätestens im 4. Jh. v. Chr. erfanden griechische Autoren eine Verbindung zwischen den ursprünglich getrennten Sagen um Aeneas und Romulus; sie wurde Ende des 3. Jh. von Fabius Pictor übernommen und in der Folge galt Aeneas als offizieller Ahnherr der Römer und Romulus, der Gründer Roms, als sein Nachkomme.53 2.1.5 Ascanius Ascanius Aeneae filius regnavit annis XXXVI. Albam Longam condidit. Der Name Askanios für einen Sohn des Aeneas ist nachhomerisch.54 Laut Verg. Aen. 1,267 hieß der älteste Sohn des Aeneas in Troia Ilus (nach Ilion = Troia), wurde dann in Ascanius umbenannt und nahm bei den Latinern den Namen Iulus an. Von Iulus leitete die römische gens Iulia ihre Herkunft ab (Liv. 1,3,2), also von einem Enkel der Göttin Venus. Auch bei Dion. Hal. ant. 1,65 f. ist der in Askanios umbenannte Sohn des Aeneas dessen Nachfolger als Herrscher von Lavinium und gründet Alba Longa. Ähnlich Livius, nur weist dieser darauf hin, Ascanius sei der jüngere Sohn des Aeneas gewesen, der aus der Ehe mit Lavinia hervorgegangen sei (Liv. 1,1,11; 1,3,1–3). Dass Ascanius 30 Jahre in La­ vinium regiert habe, bevor er Alba Longa gründete, berichten Dion. Hal. ant. 1,66; Liv. 1,3,4; Verg. Aen. 1,269; Eus. Chronographia, Arm. Karst 137. Vermutlich sind bei den von der Stadtchronik angegebenen 36 Jahren auch jene eingerechnet, in denen Ascanius von Alba Longa aus herrschte, denn eine Gesamtregierungsdauer von 38 Jahren überliefern Diod. 7,5,6 (zitiert bei Eus. Chronographia, Arm. Karst 137) und Dion. Hal. ant. 1,70. Die davon abweichende Angabe der Stadtchronik dürfte auf einen Schreibfehler zurückzuführen sein. Alba Longa soll nach antiker Tradition die Hauptstadt der Latiner auf den Albaner Bergen (mons Albanus) gewesen sein; von dort aus seien weitere Siedlungen, schließlich auch Rom, gegründet worden (Dion. Hal. ant. 1,45,2–4). Der dritte König von Rom, Tullus Hostilius, habe Alba Longa zerstört (Dion. Hal. ant. 3,31,4; Liv. 1,29,6). In der Forschungsliteratur wurde, der Überlieferung folgend, Alba Longa häufig als „Stadt“ bezeichnet, die mit Lavinium um die Vormacht in Latium konkurriert habe.55 Da man aber bei archäologischen Untersuchungen am vermuteten Siedlungsort (h. Castelgandolfo beim Monte Cavo) bisher nur Nekropolen entdeckte, neigt man heute 52 53 54 55

Hillen 2003, 50 f.; Kolb 2002, 99–105; Alföldi 1977, 195, 248. Aigner-Foresti 2003, 60; Heckel, Aineias, in: DNP 1 (1996) 330 f. Graf, Iulus, in: DNP 6 (1999) 55. Sonnabend, Alba Longa, in: DNP 1 (1996) 437; Hülsen, Alba Longa, in: RE 1,1 (1893), 1301.

2.2 reges Albani

49

dazu, in Alba Longa nicht eine mächtige Stadt zu sehen, sondern eine Siedlung, die beim Stammesheiligtum der Latiner auf dem mons Albanus lag und eine führende Rolle in der Kultpflege spielte.56 Zur letzteren zählten hauptsächlich die feriae Latinae, das Fest des latinischen Städtebundes zu Ehren des Iuppiter Latiaris; vermutlich um 450 v. Chr. übernahm Rom die Leitung des mit einem Tieropfer verbundenen Festes.57 2.2 reges Albani Die fiktive Königsreihe der reges Albani, d. h. der Könige von Alba Longa, geht auf den ersten römischen Historiker Fabius Pictor zurück, der in der zweiten Hälfte des 3. Jh. v. Chr. schrieb. Sie wurde erfunden, um die Aeneas-Sage mit der Romulus-Sage zu verbinden und die chronologische Lücke zwischen den von antiken Historiographen errechneten Datierungen für den Untergang Troias 1184/83 v. Chr. und für die Gründung Roms 753 v. Chr. zu überbrücken.58 Überliefert sind mehrere Königslisten, die Unterschiede aufweisen hinsichtlich der Namen, der Reihenfolge und der Regierungszeiten. Livius zum Beispiel nennt mehrere Namen, die von den in der Stadtchronik genannten abweichen: Atys statt Appius; Capetus statt Campeius; Tiberinus statt Titus; Sohn des Agrippa ist Romulus Silvius, dessen Nachfolger Aventinus. Mit Numitor und Amulius, den Söhnen des Proca, endet die Liste bei Livius. Bei Ov. met. 14,610 ist Latinus Silvius der Sohn, nicht der Enkel des Postumus (Silvius). Bei Diod. 7,5,10 und Hier. chron. z.J. 876 v. Chr. folgt auf Agrippa der Name Aremulus. Dieser wird in der Stadtchronik an den Schluss verschoben und zu Remus abgeändert; durch den Satz eum Romulus interfecit wird der mythische Konflikt zwischen Romulus und Remus ersetzt durch die Tötung eines Königs, der 17 Jahre lang an der Macht gewesen sei. Diese zuvor nicht belegte euhemeristische Deutungsvariante veranlasste Mommsen zu der kritischen Bemerkung: „So willkürlich ist hier die Sage historisirt [sic] worden.“ (Mommsen 1850, 649 Anm. 6). Postumus Silvius Aeneae nepos regnavit ann(os) XXXVII. ab hoc prognati postea Albae regnaverunt ac Silvi sunt cognominati. Auch bei Liv. 1,3,6 f. tritt der Sohn des Ascanius, also der Enkel des Aeneas, die Nachfolge als König von Alba Longa an; Livius nennt ihn aber nur Silvius. Er habe diesen Namen erhalten, weil er im Wald geboren worden sei (in silvis natus); alle Könige von Alba hätten dann den Beinamen Silvius 56

57 58

Aigner-Foresti 2003, 52; Kolb 2002, 33, 46. Laut Kolb (ebd. 46) war Alba Longa „stets nur ein Stammesheiligtum der Latiner“. Datierung des Geschehens im Mythos und archäologischer Befund passen nicht zusammen: Die Nekropolen wurden nur bis zur Mitte des 8. Jh. v. Chr. belegt (Aigner-Foresti a. a. O.), aber dem Mythos zufolge regierte Tullus Hostilius erst Mitte des 7. Jh. Alföldi 1977, 23–32. Bei Dion. Hal. ant. 4,49 wird das Fest fälschlich als von Rom initiiert dargestellt. Hillen 2003, 11 f.; Aigner-Foresti 2003, 61; Heuß 1998, 10; Cornell 1995, 71; Alföldi 1977, 122 f.

50

B) 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik

geerbt. Das Letztere berichtet auch die Stadtchronik. Ähnliches wie Livius überliefern auch Diod. 7,5,8 und Dion. Hal. ant. 70,1, doch wird Silvius von beiden nicht als der Sohn des Ascanius bezeichnet, sondern als dessen jüngerer Bruder. Postumus (Silvius) heißt der Nachfolger des Ascanius nicht nur in der Stadtchronik, sondern auch bei Ov. fast.41, bei Hier. chron. z.J. 1138 v. Chr. und in der O. g.Rom. 17,4; dies lässt auf eine gemeinsame Quelle schließen. Aeneas Silvius regnavit annos XXXI. Latinus LI. Alba XXVIII. […] Ab dem Eintrag zu Latinus, dem angeblich dritten König von Alba Longa, fehlt in der Stadtchronik die Formel regnavit annos vor der jeweiligen Angabe der Regierungsdauer; die Einträge sind in der Hs. V durch nach die Zahlzeichen gesetzte Punkte voneinander getrennt. Die Editionen von Mommsen, Frick und Val/Zuc übernehmen dieses Schema, während Nickbakht/Stein die Punkte durch Kommata ersetzen. Burgess fügt vor den römischen Zahlen jedesmal die Konjektur ein.59 Die im Breviarium Vindobonense enthaltenen Listen der Urkönige und der Reges Albani vergleicht Burgess mit anderen Überlieferungen (u. a. bei Vergil, Ovid, Livius, Eusebius).60 Einige wichtige Schlüsse, die er aus den Vergleichen zieht und die ich für plausibel halte, fasse ich im Folgenden kurz zusammen: Da sich alle überlieferten Listen der Könige von Alba Longa ähneln, stammen sie von einer gemeinsamen Quelle ab, wahrscheinlich von Fabius Pictor.61 Hinsichtlich der Angaben über die Regierungszeiten der Urkönige und der Könige von Alba Longa ist eine Ursprungsquelle rekonstruierbar. Der Vergleich dieser hypothetischen Quelle mit den Angaben des Breviarium ergibt folgendes Resultat: Die Zahlen des Breviarium stimmen nur bei 6 von insgesamt 19 Herrschern, also nur in 31,6 % der Fälle, mit den Zahlen der von Burgess rekonstruierten Ursprungsquelle überein.62 Was das Breviarium jedoch ansonsten über die Könige von Picus bis einschließlich Postumus berichtet, stimmt zu einem großen Teil mit Parallelquellen überein.63 Sehr wahrscheinlich enthielt das Kapitel über die reges Albani ursprünglich zusätzliche Bemerkungen, ähnlich jenen über die anderen Könige; sie wurden wohl aus unbekannten Gründen irgendwann aus dem Manuskript entfernt, wobei auch die sonst vermutlich stets verwendete Formel regnavit annis/annos entfiel.64

59 60 61 62 63 64

Burgess 2014, 144. Ebd. 19–27; 160–162. Ebd. 19 Anm. 1. Ebd. 27. Ebd. 160–162. Ebd. 12.

2.3 Reges Romanorum numero VIII

51

2.3 Reges Romanorum numero VIII Die römischen Überlieferungen hinsichtlich Romulus und seiner Nachfolger sind fast vollständig mythischer Natur, also größtenteils unhistorisch.65 Die Stadtchronik berichtet von acht Königen der Römer, da sie Titus Tatius als den zeitweiligen Mitregenten des Romulus hinzuzählt. Die auf Fabius Pictor zurückgehende kanonische Liste überliefert zwar nur sieben römische Könige (z. B. bei Eus. Chronographia, Arm. Karst 140 und Ampel. 17), aber dass Romulus einige Jahre gemeinsam mit Titus Tatius regiert habe, wird nicht nur von der Stadtchronik erwähnt, sondern auch bei Liv. 1,10–14; Dion. Hal. ant. 2,46–50 und Hier. chron. z.J. 729 v. Chr. Vergleicht man einige Passagen des Kapitels Reges Romanorum mit den entsprechenden Textstellen in der Chronik des Eusebius sowie in jener des Hieronymus, ergeben sich auffällige Übereinstimmungen. Zu weiteren Vergleichen ziehe ich in erster Linie die Geschichtswerke des Livius und des Dionysios von Halikarnass heran, die beiden ältesten zusammenhängenden Darstellungen der römischen Frühzeit. Livius weist zwar auf die unsichere Quellenbasis hinsichtlich der römischen Frühgeschichte hin (Liv. 6,1,1 f.), widmet aber dennoch der Königszeit ab Romulus bis zum Sturz des Tarquinius Superbus relativ breiten Raum (Liv. 1,5–60). Noch ausführlicher ist die Darstellung bei Dion. Hal. ant. 1,79–4,85. 2.3.1 Romulus Romulus Martis et Iliae filius regnavit annos XXXVIII. Der Name Romulus bedeutete ursprünglich vielleicht nur „der Römer“, er könnte aber auch von dem für das 6. oder 5. Jh. v. Chr. bezeugten etruskischen Familiennamen Rumelnas abgeleitet sein. Für die Mitte des 5. Jh. v. Chr. ist eine römische Familie der Romilii belegt; möglicherweise regte die Ähnlichkeit der Namen Romilii/Roma griechische Schriftsteller des 4. Jh. dazu an, einen Gründer Roms zu erfinden.66 Literarisch ist Romulus nicht vor der zweiten Hälfte des 4. Jh. v. Chr. belegt, aber 296 v. Chr. war die Sage vom Zwillingspaar Romulus und Remus offenbar allgemein bekannt, denn in diesem Jahr ließen die kurulischen Ädile Cn. und Q. Ogulnius beim lupercal die Statuen der von der Wölfin gesäugten Zwillinge aufstellen.67 Auf Fabius Pictor, der seinerseits auf frühere Quellen zurückgriff, gehen die später geläufigen Versionen der Gründungsgeschichte Roms zurück; also auch jene des Livius.68

65 66 67 68

Alföldy 2011, 16; Aigner-Foresti 2003, 56 f., 62 f.; Heuß 1998, 9; Cornell 1995, 119–121. Zur Etymologie von Romulus: Aigner-Foresti 2003, 53; Cornell 1995, 70. Beck/Walter, Die frühen römischen Historiker von Fabius Pictor bis Cn. Gellius, Darmstadt 2001, 90; Aigner-Foresti 2003, 58 f. Über die Errichtung der Statue berichtet Liv. 10,23,11 f. Aigner-Foresti 2003, 53, 61; Alföldi 1977, 122–124. Weitere ausführliche Versionen der Legende von der Stadtgründung neben jenen des Livius und des Dionysios: Cic. rep. 2,2–20; Plut., Romulus.

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B) 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik

Martis et Iliae filius Die Stadtchronik zieht die populäre Überlieferung, Romulus sei ein Sohn des Gottes Mars gewesen, nicht explizit in Zweifel, während bei Liv. 1,4,2 und Dion. Hal. ant. 1,77,2 die Skepsis überwiegt. Der Name der Mutter lautet bei Dion. Hal. ant. 1,76,3 und Hier. chron. z.J. 773 v. Chr. ebenfalls Ilia; der tradierte Name spielt auf ihre Abstammung von Aeneas an, der einst aus Ilion bzw. Troia gekommen sein soll. Livius nennt sie Rea Silvia (Liv. 1,3,11); als Tochter des Numitor trägt auch sie den Beinamen der reges Albani. regnavit annos XXXVIII Damit stimmen überein Eus. Chron. can., Arm. Karst 182 und Hier. chron. z.J. 753 v. Chr.; nur 37 Jahre verzeichnen Liv. 1,21,6; Dion. Hal. ant. 2,56,7. urbem Romam condidit XI kal. Mai., qui dies appellatur Parilia. Romulus galt gemäß römischer Überlieferung allgemein als Gründer Roms; Livius zufolge wurde die Stadt nach ihm benannt (Liv. 1,7,3). Dass man den Gründungstag Parilia nannte, berichten auch Dion. Hal. ant. 1,88,3 und Hier. chron. z.J. 755 v. Chr. mit dem ergänzenden Hinweis, es handle sich um einen römischen Festtag. Laut Dionysios bestand der Gründungsakt darin, dass Romulus das pomerium Roms festlegte, nachdem er den Göttern ein Opfer dargebracht hatte. Ursprünglich war das Fest der Parilia ein der Göttin Pales geweihtes und mit einem Tieropfer verbundenes Hirtenfest; es wurde jährlich am 21. April begangen, da um den 20. April der Viehaustrieb begann. In der Stadt Rom wurde der 21. April mit ihrem Gründungstag gleichgesetzt und sowohl Pa­ rilia als auch natalis urbis genannt.69 Als Gründungsjahr galt das von Varro errechnete; nach heutiger Zeitrechnung 753 v. Chr. Archäologische Forschungen ergaben jedoch, dass man das Rom des 8. Jh. noch nicht als „Stadt“ bezeichnen kann. Zum Stadtstaat geformt wurde es erst ab der zweiten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. durch etruskische Könige.70 hic X menses in annum constituit a Martio in Decembrem. Auch durch Ov. fast. 3,101–121 und Plut. Numa 19,1 f. wird überliefert, Romulus habe in Rom einen Kalender mit nur zehn Monaten eingeführt. Dasselbe berichten in späterer Zeit Censorinus (20,2 f.), der sich u. a. auf Varro und Sueton beruft, Eusebius und Hieronymus (Eus. Chron. can., Arm. Karst 183; Hier. chron. z.J. 715 v. Chr.). Obwohl einige Historiker Zweifel äußerten, spricht einiges für die Existenz eines Zehnmonatsjahres in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung der Stadt Rom;71 unstrittig ist, dass der vorjulianische Kalender in einer frühen Phase mit dem Monat Martius begann. 69 70 71

Ov. fast. 4,807 f. Unter Kaiser Hadrian wurde das Fest auch Rhomaia bzw. Romaea genannt (Athen. 8,361). Zu den mit dem Fest Parilia verbundenen Bräuchen: Baudy, Parilia, in: DNP 9 (2000) 332 f. Alföldy 2011, 17; Aigner-Foresti 2003, 54–57; Kolb 2002, 62, 76; Cornell 1995, 121; Heuß 1998, 7 f. Scholz 2011, 8 f., 42–45.

2.3 Reges Romanorum numero VIII

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mille iuvenes de plebe Romana legit, quos milites appellavit, et centum seniores, quos senatores dixit. congiarium dedit congium vini inter homines XII. Der erste Satz stimmt großteils überein mit Eus. Chron. can., Arm. Karst 182: „Romilos hub als erster aus dem Volke Männer zum Waffendienst aus, und machte hundert adelige Greise zu Sinklitikos.“ Hieronymus übernimmt diese Aussage (Hier. chron. z.J. 728 v. Chr.). Livius und Dionysios von Halikarnass berichten, Romulus habe Rechtsnormen und andere Institutionen geschaffen, u. a. eine 300 Mann starke Leibwache und den Senat mit 100 Senatoren (Liv. 1,8,7; 1,15,8; Dion. Hal. ant. 2,12 f.). Die Stadtchronik gibt in der vorliegenden Textstelle die Aitiologie für die drei Begriffe miles, senator und congiari­ um: Die etymologische Erklärung für den zweiten Begriff ist ungefähr richtig (senator geht auf senex zurück), die dritte völlig richtig.72 Keine der genannten Vergleichsquellen erwähnt ein congiarium des Romulus,73 aber gerade der Entstehungsgeschichte der congiaria widmet die Stadtchronik besondere Aufmerksamkeit: Sie berichtet über angebliche congiaria und donativa des Numa und des Marcius Philippus (s. u.). Belegt sind solche Geldspenden aber erst für die Zeit der Republik (s. u. S. 79). Hinsichtlich der anderen Worterklärungen scheint Isidor von Sevilla zu Beginn des 7. Jh.  n. Chr. die Stadtchronik als Quelle benutzt zu haben: miles dictus, quia mille erant (Isid. orig. 9,3,32); senatui nomen aetas dedit, quod seniores essent (Isid. orig. 9,4,8). hic cum natat ad paludem caprae, subito nusquam comparuit. in numero deorum relatus deus Quirinus appellatus est. Dass Romulus plötzlich entschwunden sei und man ihn daraufhin als Gott verehrt habe, überliefern auch Liv. 1,16; Dion. Hal. ant. 2,56; Hier. chron. z.J. 716 v. Chr. Die populäre Tradition, Romulus sei in den Himmel aufgefahren, gab es schon vor den Aufzeichnungen des Fabius Pictor.74 Aber Livius und Dionysius lassen deutlich erkennen, dass sie die Apotheose des Romulus als Aberglauben bewerten. Für glaubwürdiger hält Dionysios Berichte, denen zufolge Romulus ermordet wurde; er zitiert mehrere Versionen dieser These. Laut Livius verschwand Romulus während eines Unwetters, als er am palus Caprae eine Heeresversammlung abhielt: cum ad exercitum recensendum contionem in campo ad Caprae paludem haberet (Liv. 1,16,1). Dasselbe, aber ohne den Hinweis auf das Unwetter, findet man in Vir. ill. 2,13: Cum ad caprae paludem exercitum lustraret, nusquam comparuit. Noch kürzer fasst sich Hieronymus: Romulus aput paludem Caprae nusquam comparuit. Auffällig ist, dass die in der Stadtchronik verwendeten Worte nusquam comparuit noch zweimal auftauchen; das deutet darauf hin, dass die drei spätantiken Texte auf dieselbe Quelle zurückgriffen. Aber das von der Stadtchronik verwendete natat ergibt keinen Sinn, denn

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Siehe die Einträge bei Walde/Hofmann: zu congius Bd. 1, 260; zu miles Bd. 2, 87; zu senex Bd. 2, 513 f. Die „imaginäre Geschichte des Ursprungs und der Entwickelung der Congiarien“ ist laut Mommsen (1850, 649 Anm. 10) vollständig nur in den Angaben der Stadtchronik enthalten. Als Quelle komme letztlich Suetons nicht erhaltenes Werk De regibus in Frage. Vgl. Hillen (2003) 150.

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unter palus Caprae ist der am tiefsten gelegene, sumpfige Bereich des campus Martius in der Nähe des Tiber zu verstehen;75 folglich beruht die Aussage wahrscheinlich auf einem Fehler in der Textüberlieferung. Burgess ist ebenfalls dieser Ansicht, während Mommsen meint, der Autor habe aufgrund seiner euhemeristischen Geisteshaltung ganz respektlos unterstellt, Romulus sei beim Baden ertrunken.76 Quirinus appellatus est. Dasselbe überliefern Hier. chron. z.J. 715 v. Chr. und Vir. ill. 2,14. Wie der Gott Qui­ rinus ursprünglich gesehen wurde, ist umstritten. Einige Historiker deuten ihn als den Kriegs- und Stammesgott jener Sabiner, die auf dem Quirinal siedelten: Nach dem Zusammenschluss der Siedler von Palatium und Quirinal sei die Bedeutung des Quirinus allmählich hinter Mars zurückgetreten. In der Zeit der Republik galt er als Beschützer der in den curiae organisierten Bürger, der Quirites (vgl. Hier. chron. z.J. 728 v. Chr.). Die Legende, der divinisierte Romulus, Sohn des Mars, sei mit dem Gott Quirinus identisch, ist erstmals bei Cic. nat. deor. 2,62 belegt.77 2.3.2 Titus Tatius Titus Tatius dux Sabinorum una cum Romulo regnavit annos quinque. Auch Dion. Hal. ant. 2,50,4 überliefert eine fünf Jahre währende Doppelherrschaft der gleichberechtigten Könige. Livius äußert sich hinsichtlich der gemeinsamen Regierungszeit unpräzise (Liv. 1,14,1: aliquot annos), aber er berichtet, Romulus habe nach dem Tod des Sabinerkönigs weiter regiert. Hieronymus erwähnt die Doppelherrschaft ebenfalls (Hier. chron. z.J. 729 v. Chr.), sagt aber nichts über deren Dauer. Die lange umstrittene These, der Überlieferung vom Doppelkönigtum liege ein historischer Kern zugrunde, gilt heute als plausibel: Als Stadt entstand Rom wahrscheinlich nach dem Zusammenschluss von auf dem Palatin siedelnden Latinern mit den sabinischen Siedlern auf dem Quirinal.78 hic Tarpeiam, virginem Vestalem, vivam armis defodit eo quod secreta Romuli ei propalare noluisset. Hier sind markante Unterschiede festzustellen zwischen der Darstellung in der Stadtchronik und der sonstigen Überlieferung, sowohl hinsichtlich der Reihenfolge der Ereignisse als auch hinsichtlich des Motivs für die Tötung der Tarpeia: In der Version der Stadtchronik geht die Doppelherrschaft von Romulus und Titus Tatius dem Tod der Tarpeia voraus; diese sei eine Vestalin gewesen und wegen ihrer Standhaftigkeit getötet worden. In den Versionen bei Liv. 1,11,5–9 und Dion. Hal.

75 76 77 78

Platner/Ashby, 98. Burgess 2014, 111 f.; Mommsen 1850, 650. Anm. 11. Zu Quirinus: Doubordieu, Quirinus [1] in: DNP 10 (2001) 725; Ziegler, Quirinus (1), in: Kl P 4 (1979) 1314 f.; C. Koch, Quirinus, in: RE 24 (1963) 1306–1321. Kolb 2002, 59 f.; Cornell 1995, 74–76; Alföldi 1977, 155.

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ant. 2,38–40 findet die Tarpeia-Episode während des Krieges zwischen Römern und Sabinern statt, der mit der Doppelherrschaft von Romulus und Titus Tatius endet; Tarpeia ist die Tochter des römischen Festungskommandanten, aber keine Vestalin. Sie lässt sich von Tatius bestechen und ermöglicht es ihm, das Kapitol zu besetzen. Für ihren Verrat werden unterschiedliche Motive genannt, ebenso dafür, weshalb sie trotz ihres für die Sabiner nützlichen Verrats von diesen getötet wird. – Durch die Änderung der zeitlichen Abfolge wollte der Autor der Stadtchronik den Tatius vermutlich als schlechten König kennzeichnen, wie auch Nickbakht/Stein meinen. Diese scheinen aber anzunehmen,79 der Autor habe die positive Darstellung der Tarpeia erfunden, was sicherlich nicht stimmt. Denn bei Dion. Hal. ant. 2,39 f. wird der Bericht des Annalisten L. Calpurnius Piso Frugi zitiert, dem zufolge Tarpeia plante, die Sabiner zu überlisten und wehrlos zu machen, dann aber verraten worden sei. Laut Piso habe man sie in Rom wegen ihrer Haltung geehrt. Dass sie eine Vestalin gewesen sei, überliefern neben der Stadtchronik auch Varro ling. 5,41 und Prop. 4,4. Allerdings steht dies im Widerspruch zur Aussage der Stadtchronik, die Institution der Vestalinnen sei erst durch König Numa geschaffen worden (s. u.). Auch in der Version des Dionysios wird Tarpeia von den Sabinern unter aufgehäuften Schilden begraben und dadurch getötet. Dies hält Mommsen für „eine gute Sagentradition“, weil dadurch der Zusammenhang mit „der bekannten Strafe der vestalischen Jungfrauen […] angedeutet“ werde (Mommsen 1850, 650 Anm. 12). Offenbar setzte sich in der römischen Tradition v. a. jene Version durch, welche die Tarpeia als Verräterin darstellte, denn nach ihr soll das Tarpeium saxum – so hieß der Kapitol-Hügel ursprünglich – benannt sein,80 von dem Verräter in den Tod gestürzt wurden (vgl. Hier. chron. z.J. 732 v. Chr.). 2.3.3 Numa Pompilius Numa Pompilius regnavit ann(os) . Handschrift V verzeichnet als Regierungsdauer ann. XVI. Das werten Mommsen, Val/Zuc, Burgess und Nickbakht/Stein als Schreibfehler;81 ursprünglich habe die Zahl wohl XLI gelautet. Dies würde mit den 41 Jahren übereinstimmen, welche Eus. Chron. can., Arm. Karst 183 und Hier. chron. z.J. 715 v. Chr. überliefern. Laut Liv. 1,21,6 und Dion. Hal. ant. 1,75,2 habe Numa 43 Jahre lang regiert.

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Nickbakht/Stein 2017, 60; unter Verweis auf Mielentz, Tarpeius, in: RE 4 A2 (1932) 2335. Mielentz hält jedoch nur den für ihre Tötung genannten Grund (ihre Weigerung, die Geheimnisse des Romulus zu offenbaren) für eine Erfindung des Verfassers der Stadtchronik. Mielentz a. a. O. 2336; vgl. Zimmermann, Tarpeia, in: DNP 12/1 (2002) 29. Mommsen 1892, 144; Val/Zuc 270; Burgess 2014, 146 f.; Nickbakht/Stein 2017, 62.

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pontifices, virgines Vestales instituit. hic duos menses ad X menses Romuli instituit. Andere Quellen stellen Numa ebenfalls als musterhaften Herrscher und Gesetzgeber dar, meist auch als einen Friedensfürsten (vgl. Liv. 1,21,5; Hier. Chron. z.J. 712:). Dass auf seine Initiative die pontifices und die Vestalinnen zurückzuführen seien, berichten auch Liv. 1,20,3–5, Dion. Hal. ant. 2,63,2–64,5; Vir. ill. 3,1. Die Einführung des 12monatigen Kalenders wird erwähnt bei Liv. 1,19,6; Hier. chron. z.J. 714 v. Chr.; Vir. ill. 3,1. In der Forschung nimmt man an, dass es die Institution der pontifices schon zu Beginn der römischen Republik gab; der Vesta-Kult reicht vermutlich bis ins 6. Jh. v. Chr. zurück.82 Da Januar und Februar neu hinzugekommen waren, hatte der sog. Numanische Kalender zwölf Monate; wahrscheinlich wurde er gegen Ende der Königszeit in Rom eingeführt, aber diese Datierung ist umstritten.83 Ianuarium diis superis, Februarium diis inferis. Der Januar ist nach Ianus benannt, der u. a. als Schutzgott des sozialen Zusammenlebens galt (vgl. Plut. Numa 19,5–20,5). Mehrere Tage im Februar waren nach römischer Überlieferung der Ehrung der Verstorbenen geweiht, deren manes den inferi zugerechnet wurden: Neben den Lupercalia beging man im Februar auch die Feste der Parentalia und der Feralia; an diesen Festtagen brachte man den manes der toten Angehörigen Opfergaben dar.84 hic prior hominibus adinvenit grabata mensas sellas candelabra. Dies ist sonst nirgends überliefert.85 Vermutlich deutete der Autor der Stadtchronik eine Quelle falsch, die Numa mit Neuregelungen in Bezug auf Kultgegenstände in Verbindung brachte. So berichtet Ennius, Numa habe Opfertische und heilige Schilde eingeführt: mensas constituit idemque ancilia (Enn. ann. fr. 2,2). In der römischen Überlieferung wurden Numa viele weitere Kulteinrichtungen zugeschrieben; vgl. Liv. 1,20,6 f. congiarium dedit scortinos asses et militibus donativum aere incisum dipondium semis. Von einem congiarium des Numa berichten auch Eus. Chron. can., Arm. Karst 183 („Derselbe vergab auch das Gongiarion, Assaria, hölzerne und irdene Münzen“) und Hier. chron. z.J. 713 v. Chr. (congiarium dedit asses ligneos et scorteos). Aber congiaria und donativa sind erst für die Zeit der Republik belegt (s. u. S. 79). Die Aussage der Stadtchronik, die ersten Münzen seien nicht aus Metall, sondern aus Leder angefertigt worden, lässt sich damit erklären, dass vor der Prägung des ersten Münzgeldes Tauschhandel betrieben wurde: pecunia ist von pecus abgeleitet,86 demnach dienten 82 83 84 85 86

Zu den pontifices: Eberhard Ruschenbusch, Die frühen römischen Annalisten. Untersuchungen zur Geschichtsschreibung des 2. Jhs. v. Chr.,Wiesbaden 2004, 50; zum Vesta-Kult: Kolb 2002, 106 f. Scholz 2011, 50–53; Kolb 2002, 102. Ov. fast. 2,533–570; Plut. Numa 19,5. Vgl. Wissowa, Februarius, in: RE 6,2 (1909) 2096 f. Vgl. Mommsen 1892, 144 Anm. 4. s. die Einträge bei Walde/Hofmann: zu pecus Bd. 2, 270; zu pecunia ebd. 272. Vgl. Chantraine, Geld, in: Kl P 2 (1979) 723–725.

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ursprünglich Rinder und sicherlich auch deren Häute als Zahlungsmittel. Die ersten römischen Münzen wurden im 4. Jh. v. Chr. geprägt; der Dupondius wurde erstmals Mitte des 3. Jh. v. Chr. als aes grave in Bronze mit Bleizusatz gegossen.87 2.3.4 Tullius Hostilius Tullius Hostilius regnavit annos . Als Regierungszeit des Hostilius vermerkt Handschrift V die Zahl XXII, jedoch halten Mommsen, Val/Zuc, Burgess und Nickbakht/Stein die Zahl XXXII für die ursprüngliche Version:88 32 Jahre verzeichnen Liv. 1,31,8; Dion. Hal. ant. 1,75,2; Eus. Chron. can., Arm. Karst 184; Hier. chron. z.J. 674 v. Chr. Bei diesen Quellen, aber auch sonst (z. B. in Vir. ill. 4,1 oder Ampel. 17,1) heißt er nicht Tullius, sondern Tullus Hostilius. Vermutlich orientierte sich der Verfasser der Stadtchronik am Namen Servius Tullius; auch bei seiner Angabe hinsichtlich des census scheint er die beiden Könige verwechselt zu haben (s. u.). hic prior censum egit edictoque suo cavit ut quicumque temporibus ipsius falsum fecisset, daret pro capite suo dimidium verbecem.89 Die Angaben der Stadtchronik über die Anordnungen des Tullus Hostilius werden von keiner anderen Quelle bestätigt; sie dürften auf einer Verwechslung mit König Servius Tullius beruhen, der mehreren Quellen zufolge den census eingeführt haben soll.90 Aber nach heutigem Forschungsstand erfolgte die Eingliederung der Bürger in Censusklassen erst ca. 443 v. Chr.91 Dass Servius Tullius bei der Einführung des census per Gesetz mit Bestrafung gedroht habe, berichtet auch Livius (1,44,1): Wer sich nicht schätzen lassen wollte, dem sei Gefängnis oder Tod angedroht worden. Laut Überlieferung wurde in der Königszeit auch gesetzlich festgelegt, als Strafe für Totschlag müsse ein Schafbock (aries) gegeben werden (pro capite occisi adgnatis eius: Serv. ecl. 4,43; vgl. Serv. georg. 3,387; Cic. top. 64). Die ähnliche Formulierung der Stadtchronik (pro capite suo) bezieht sich darauf, dass archaische Kapitalstrafen durch Bußzahlungen ersetzt wurden. Aber in der römischen Frühzeit waren diese in Naturalien zu entrichten, da noch kein Münzgeld existierte (s. o. !). – Livius schreibt Tullus Hostilius den Bau der curia Hostilia zu, was jedoch mit

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Cornell 1995, 394; Mlasowsky, Dupondius, in: DNP 3 (1997) 845. Der dupondius hatte den Wert von zwei Assen, ursprünglich im Gewicht von zwei römischen Pfund (eine libra = 327,45 g). Mommsen 1892, 144; Val/Zuc, 271; Burgess 2014, 146 f.; Nickbakht/Stein 2017, 63. Schon Mommsen (1850, 650 Anm. 15) bezog das Edikt auf falsche Angaben beim census. Zu verbe­ cem: Akk. von vervex = der Hammel (vulgärlat. auch verbex); s. Georges Hwb Bd. 2, Sp. 3446. Mommsen (1892, 144 Anm. 6) vermutet eine Verwechslung mit König Numa. Dass Servius Tullius den Census eingeführt habe, überliefern Dion. Hal. ant. 5,20,1; Liv. 1,42,5; 4,4,2; Hier. chron. z.J. 579 v. Chr.; Vir. ill. 7,8; Ampel. 17,2 (bei Ampel. fällt die ähnliche Wortwahl auf: primum censum egit). Alföldy 2011, 33.

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dem archäologischen Befund nicht übereinstimmt;92 ansonsten berichtet er fast ausschließlich über die Kriege, die dieser König geführt habe (Liv. 1,22,1–1,31,8). 2.3.5 Marcius Philippus Marcius Philippus regnavit ann(os) . Handschrift V bietet als Gentiliz mancius, was alle Editoren außer Nickbakht/Stein zu Marcius berichtigen. Die in V verzeichnete Zahl kann als XXXVI oder XXXIII gelesen werden; alle Editoren halten XXXVI für die ursprüngliche Eintragung. In den Vergleichsquellen heißt dieser König nicht Marcius Philippus, sondern Ancus Marcius (Liv. 1,32,1; Dion. Hal. ant. 1,75,2; Eus. Chron. can., Arm. Karst 185; Hier. chron. z.J. 642 v. Chr.; Vir. ill. 5,1; Ampel. 17,2). Die römische Adelsfamilie der Marcii führte den Ursprung ihrer Familie auf Ancus Marcius zurück (Ov. fast. 6,801–804). Wie aus der vorliegenden Textstelle geschlossen werden kann, behauptete der Zweig der Marcii Philippi, ihr Cognomen stamme ebenfalls von diesem König. Mommsen sieht darin einen Beleg für die Absicht des Autors, „die römische Sage zu historisieren“ (Mommsen 1850, 650 Anm. 16). Als Regierungsdauer des Ancus Marcius verzeichnen Livius und Dionysios 24 Jahre (Liv. 1,35,1; Dion. Hal. ant. 1,75,2), Eusebius und Hieronymus nur 23 Jahre. Cong(iarium) dedit assem semis et militibus donativum dipondium semis. Vgl. die Angaben zu den angeblich von Numa gewährten Spenden sowie zu den congiaria der Kaiser (Komm. S. 56 und 79). Ostiam coloniam condidit. Ähnlich formulieren es Ampel. 17,2 (Ostiam coloniam constituit) und Vir. ill. 5,3 (Ostiam coloniam). Livius und Dionysios berichten ebenfalls, Ostia sei von Ancus Marcius gegründet worden (Liv. 1,33,9; Dion. Hal. ant. 3,44,4). Für die Zeit des Ancus Marcius, der ab ca. 640 v. Chr. regiert haben soll (diese Datierung ergibt sich aus den von Livius und Dionysios angegebenen Regierungszeiten der Könige) existieren jedoch noch keinerlei archäologische Nachweise für die römische Kolonie Ostia.93

92 93

Den von Livius angegebenen Regierungsdaten zufolge müsste Tullus Hostilius 673–641 v. Chr. regiert haben; Grabungsfunde, die man eventuell der ersten Senatscurie zuordnen könnte, stammen aus der ersten Hälfte des 6. Jh. v. Chr.; s. Kolb 2002, 81 f. Kolb 2002, 47.

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2.3.6 L. Tarquinius Priscus L. Tarquinius Priscus regnavit annos XXVIII. Die Historizität der Etruskerkönige ist fragwürdig.94 Laut den Zeitangaben bei Livius soll Tarquinius Priscus von 616 bis 578, Tarquinius Superbus von 534 bis 509 geherrscht haben. Dazwischen, von 578 bis 534, regierte angeblich König Servius Tullius. Als historische Tatsache gilt, dass Rom in der zweiten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. unter die Herrschaft etruskischer Könige kam; der Gentilname Tarquinius weist darauf hin, dass die Familie aus dem etruskischen Tarquinia stammte, das ca. 100 km nordwestlich von Rom lag.95 Die Forschung sieht in den Etruskerkönigen im Kern historische Gestalten, aber weder ihre Taten noch ihre Regierungszeiten gelten als gesichert. Man nimmt an, Fabius Pictor habe die römische Geschichtsschreibung u. a. dadurch maßgeblich geprägt, dass er die Taten des letzten Tarquiniers eigenmächtig auf zwei Könige verteilte.96 Als Regierungsdauer des Tarquinius Priscus geben Vergleichsquellen entweder 38 Jahre an (Liv. 1,40,1; Dion. Hal. ant. 1,75,2) oder 37 Jahre (Eus. Chron. can., Arm. Karst 186; Hier. chron. z.J. 619 v. Chr.). Die davon stark abweichende Angabe der Stadtchronik dürfte auf einem Kopistenfehler beruhen. Hic cum fundamenta Capitolii cavaret, […] Gemeint sind offenbar Fundamentarbeiten für den Bau des Tempels auf dem Kapitol. Von umfangreichen Erdarbeiten und von Stützmauern, mit denen Tarquinius Priscus den Bau des kapitolinischen Tempels vorbereitet habe, berichten Liv. 1,38,7 und Dion. Hal. ant. 3,69; das Bauwerk sei dann erst unter Tarquinius Superbus errichtet worden (Liv. 1,55,1). Dass bereits Tarquinius Priscus den Tempel erbaut habe, überliefern Eusebius und Hieronymus; sie verwenden dieselbe verkürzte Formulierung wie die Stadtchronik: „Tarkinos […] erbaute das Kapitolium“ (Eus. Chron. can., Arm. Karst 186); Capitolium extruxit (Hier. chron. z.J. 619 v. Chr.). Archäologisch nachweisbar ist der Bau des Tempels jedoch erst für das Ende des 6. Jh. v. Chr.97 invenit caput humanum litteris Tuscis98 scriptum CAPUT. OLIS. REGIS, unde hodieque Capitolium appellatur. Die Editionen von Mommsen, Frick, Val/Zuc und Nickbakht/Stein bieten mit CAPUT. OLIS. REGIS die Version der Handschrift V. Burgess entscheidet sich hingegen für die Lesart caput Oli regis; dabei beruft er sich 94 95 96 97 98

Zur Frage der Historizität der Etruskerkönige: Cornell 1995, 121 f.; Kolb 2002, 48, 74, 90 f.; Aigner-Foresti 2003, 125–133. Zu Tarquinius Priscus: Fündling, Tarquinius Nr. 11, in: DNP 12,1 (2002) 33. Zur Datierung: Alföldi 1977, 187; Kolb 2002, 75. Zu Tarquinius: Aigner-Foresti a. a. O. 126. Alföldi a. a. O. 129, 193; Cornell 1995, 128; Aigner-Foresti a. a. O. 131. Cornell 1995, 128; Kolb 2002, 92, 95; Aigner-Foresti a. a. O. 134 f. Die Einwohner von Etruria wurden von Varro als Tusci bezeichnet; Belege für Tusci und Tuscia bei Sauer/Olshausen, Tuscia, in: DNP 12,1 (2002) 929.

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auf Arnob. 6,7,1,5 und auf Serv. Aen. 8,345.99 Diese und andere Quellen berichten, bei den Fundamentarbeiten für den kapitolinischen Tempel sei ein menschlicher Kopf gefunden worden; vom Kopf eines rex ist nirgends die Rede. Einige versuchen, mit caput Oli oder auch nur mit caput die Etymologie des Wortes Capitolium zu erklären: Varro ling. 5,41; Arnob 6,7; Isid. orig. 15,2,31. Andere überliefern, man habe das Auffinden des caput als Vorzeichen gedeutet: An diesem Ort werde die künftige Hauptstadt des Reiches entstehen (Liv. 1,55,6; 5,54,7; Serv. Aen. 8,345; Vir. ill. 8,4). Dion. Hal. ant. 4,61,2 thematisiert sowohl das günstige Vorzeichen als auch die angebliche Etymologie von Capitolium. Laut Livius und Vir. ill. wurde der Kopf erst in der Zeit des Tarquinius Superbus aufgefunden. In der Forschung gilt als wahrscheinlich, dass hinter der Legende vom caput Oli der historisch belegte Etrusker Aulus Vibenna aus Vulci steht; er oder sein Bruder könnte Mitte des 6. Jh. eine Zeitlang als König in Rom geherrscht haben.100 Demnach überliefert die Stadtchronik die noch in der Königszeit entstandene Legende vom caput Oli regis zumindest teilweise korrekt. Die tatsächliche Etymologie von Capitolium ist bislang wissenschaftlich nicht geklärt.101 hic prior Romanis duo paria gladiatorum edidit, quae comparavit per annos XXVII. Das scheint allein die Stadtchronik zu überliefern.102 Aber auch andere Quellen berichten, dass die Römer die Gladiatorenspiele von den Etruskern übernahmen; beim ersten, das für Rom belegt ist, traten 264 v. Chr. anlässlich der Bestattungsfeier für D. Iunius Brutus Pera drei Gladiatorenpaare auf.103 2.3.7 Servius Tullius Servius Tullius serva natus regnavit ann. XLV. Die Handschrift V verzeichnet den Namen Servilius Tullius und die Zahl XXV. Mommsen, Val/Zuc und Burgess emendieren dies zu Servius Tullius und zu XLV.104 Als Regierungsdauer des Servius Tullius werden von Livius und Dionysios 44 Jahre angegeben (Liv. 1,48,8; Dion. Hal. ant. 1,75,2), von der Eusebius-Tradition 34 Jahre (Eus. Chron. can., Arm. Karst 187; Hier. chron. z.J. 582 v. Chr.). Die von der Stadtchronik genannte Zahl XXV beruht wahrscheinlich auf einem Kopistenfehler. Servius Tullius galt in der römischen Überlieferung als zweiter Gründer Roms, da ihm u. a. die mit 99 Burgess 2014, 146. 100 Alföldi 1977, 200–204 mit Anm. 162, 212 f.; Cornell 1995, 135; vgl.  Prayon, Caput Oli, in: DNP 2 (1997) 980. 101 Siehe den entsprechenden Eintrag bei Walde/Hofmann Bd. 1, 161. 102 Vgl. Mommsen 1892, 144 Anm. 9. 103 Quellen bei Schneider, Gladiatores,in: RE Suppl. 3 (1918) 760 f.; vgl. Habel, Ludi publici, in: RE Suppl. 5 (1931) 609. 104 Mommsen 1892, 144; Val/Zuc 1940, 271; Burgess 2014, 146 f.

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dem census verbundene Gliederung des Volkes in Centurien und fälschlich der Bau der Servianischen Mauer zugeschrieben wurden.105 Wegen seines Namens, den man von servus herleitete, sah nicht nur der Verfasser der Stadtchronik in ihm den Sohn einer Sklavin; vgl. Hier. chron. z.J. 581: ancillae […] filius. Livius widerspricht Behauptungen dieser Art und bezeichnet ihn als Sohn eines Adligen (Liv. 1,39,5; 1,47,10). Das berichtet auch Dionysios von Halikarnass (4,1,2), der aber noch eine andere Tradition erwähnt, der zufolge er der Sohn eines Gottes gewesen sei (Dion. Hal. ant. 4,2). In der Forschung ist umstritten, ob Servius Tullius mit dem etruskischen Heerführer Mastarna identisch ist.106 votum fecit ut quotquot annos regnasset, tot ostia ad frumentum publicum constitueret. Mit staatlichen Getreidespenden an das römische Volk wird Servius Tullius nicht nur von der Stadtchronik in Verbindung gebracht, sondern auch von Vir. ill. 7,7. Unentgeltliche frumentationes gab es jedoch erst ab 58 v. Chr., nachdem die lex Clodia frumentaria beschlossen worden war (vgl. Cass. Dio 38,13,1). Mit dem Begriff ostia sind die Ausgabestellen gemeint, an denen empfangsberechtigten Bürgern zu festgelegten Terminen ein Quantum Getreide kostenlos ausgehändigt wurde. Spätestens unter Kaiser Claudius geschah dies an der nordwestlich des Kapitols erbauten porticus Minucia frumentaria (s. u. S. 171). Im Bericht der Stadtchronik über das angebliche Gelübde des Servius Tullius sahen Mommsen und andere einen Beleg dafür, dass die porticus Minu­ cia frumentaria in der Kaiserzeit über 45 Ausgabestellen verfügte.107 Inschriftlich belegt (CIL VI 2, 10223–10225) ist die Ausgabe von frumentum an den ostia mit den Nummern XLII; XXXIX; XV. Das Gebäude büßte seine Funktion in der Regierungszeit Aurelians ein, als man dazu überging, Brote statt Getreide zu verteilen.108 2.3.8 Tarquinius Superbus Tarquinius Superbus regnavit ann(os) XXV. Das Cognomen Superbus wurde dem L. Tarquinius beigelegt, um ihn als Tyrannen zu kennzeichnen (Liv. 1,50,3; Dion. Hal. ant. 4,41,4). Seine Regierungsdauer beziffern Livius und Dionysios wie die Stadtchro-

105

Dion. Hal. ant. 4,14–21; Liv. 1,42,5–43,11; Tac. ann. 3,26. Vgl. Thomsen 1980, 317 f.; Aigner-Foresti 2003, 129. Die Errichtung der Servianischen Mauer wird heute in die Zeit nach dem Keltensturm 387 v. Chr. datiert; s. Kolb 2002, 97, 100 f. 106 Mit Mastarna gleichgesetzt wird er z. B. von Thomsen 1980, 316; Aigner-Foresti 2003, 127. Gegen diese These: Alföldi 1977, 201, 213; Cornell 1995, 140 f. 107 Mommsen 1892, 144 Anm. 10; Rostowzew 1906, 15 f.; Porticus Minucia frumentaria, in: Richardson NTDAR, 315. Manacorda (Porticus Minucia frumentaria, in: Steinby LTUR 4, 1999, S. 134) ist jedoch der Ansicht, die Portikus habe nur über 44 ostia verfügt; dem schließen sich Nickbakht/ Stein (2017, 66) an. 108 Manacorda a. a. O. 136; vgl. auch Komm. S. 249.

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B) 2. Die ersten drei Kapitel der Stadtchronik

nik mit 25 Jahren (Liv. 1,60,3; Dion. Hal. ant. 1,75,2; 4,85,4), Eusebius und Hieronymus mit 35 Jahren (Eus. Chron. can., Arm. Karst 189; Hier. chron. z.J. 547 v. Chr.). hic prior hominibus invenit lautumias tormenta fustes metalla flagella carceres exilia. ipse prior exilium meruit. Mit diesen Angaben zu den angeblichen Strafmaßnahmen des Superbus stimmen jene der Eusebius-Tradition weitgehend überein: „Tarkinos Siperbos erfand Banden, Geißeln, Pflöcke, Kerker, Gewahrsam, Fesseln, Halsringe, Ketten, die Außerlandesverweisung, die Verurteilung zu den Erzgruben“ (Eus. Chron. can., Arm. Karst 189). Tarquinius Superbus excogitavit vincla taureas fus­ tes lautumias carceres compedes catenas exilia metalla (Hier. chron. z.J. 547 ff. v. Chr.). Die Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Stadtchronik ist in den Origines des Isidor von Sevilla noch deutlicher: Iste enim prior latomias, tormenta, fustes, metalla atque exilia adinvenit, et ipse prior regibus exilium meruit (Isid. orig. 5,27,23). Isidor scheint die Stadtchronik als Quelle benutzt zu haben; vgl. seine Angaben zu Romulus (Belege s. o. S. 53). Vermutlich lässt Isidor die carceres deshalb weg, weil laut Überlieferung (Liv. 1,33,8; Vir. ill. 5,3) der carcer am Forum schon unter Ancus Marcius erbaut wurde. Die Formulierung ipse prior exilium meruit resultiert daraus, dass der letzte Etruskerkönig in der Überlieferung allgemein negativ bewertet wird; vgl. Vir. ill. 8,1: Tarquinius Superbus cognomen moribus meruit. Auch Livius lastet ihm an, seine Willkürherrschaft habe u. a. darin bestanden, Senatoren ins Exil zu schicken (Liv. 1,50,6). In sprachlicher Hinsicht ist die in der Stadtchronik enthaltene Aussage exilium meruit problematisch, da der Indikativ verwendet wird; dadurch ergibt sich ein Widerspruch zum nächsten Satz, dem zufolge der König erschlagen wurde: inter duos pontes a populo Romano fuste mactatus Die Ortsangabe bezieht sich auf die zwischen zwei Brücken gelegene Tiberinsel.109 Außer der Stadtchronik scheint keine Quelle zu überliefern, die Römer hätten Tarquinius Superbus getötet.110 Diese Angabe ist nicht vereinbar mit dem Hauptstrang der Überlieferung, wonach Tarquinius Superbus ins Exil vertrieben wurde (Liv. 1,58–60; Dion. Hal. ant. 4,84–85; Vir. ill. 5,8,5; Hier. chron. z.d.J. 532 und 512 v. Chr.). Livius berichtet, der Senat habe nach der Vertreibung des Königs dessen Grundbesitz am Tiber, später campus Martius genannt, beschlagnahmt; danach habe das Volk das dortige Getreide geerntet und in den Tiber geschüttet, wodurch die Tiberinsel entstanden sei (Liv. 2,5,1–4; so auch Dion. Hal. ant. 5,13,2–4). Tarquinius Superbus sei im Jahr des Konsulats von Ap. Claudius und P. Servilius (= 495 v. Chr.) im Exil gestorben (Liv. 2,21,5). Demnach stimmen die Berichte von Livius und Stadtchronik über die Beseitigung der Königsherrschaft nur darin überein, dass Tarquinius Superbus vom römischen Volk gestürzt wurde und dass in diesem Zusammenhang die Tiberinsel eine Rolle spielte. Nach der heute in der 109 Degrassi, Duo pontes, in: Steinby LTUR 2 (1995) 219. 110 Das gilt nicht nur für die hier beschriebene Art der Tötung; vgl. Mommsen 1892, 145 Anm. 3.

B) 3. Item nomina dictatorum

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Forschung allgemein vertretenen Auffassung wurde Tarquinius Superbus jedoch nicht infolge eines Aufstands aus Rom vertrieben, sondern weil Porsenna, der König des etruskischen Clusium, die Stadt um 505/504 v. Chr. eroberte.111 et positus in circo maximo sub delfinos. Laut Überlieferung (Liv. 1,35,8; Vir. ill. 6,8; Hier. chron. z.J. 598 v. Chr.) wurde der circus maximus unter König Tarquinius Priscus erbaut.112 Die Legende, der verhasste Tarquinius Superbus sei sub delfinos verscharrt worden, muss aber in der Kaiserzeit entstanden sein: Erst seit 33 v. Chr. diente ein auf der Mittelbarriere (spina) des circus maximus errichtetes Gestell mit sieben drehbaren Delphinfiguren zum Anzeigen der abgelaufenen bzw. noch verbleibenden Rennrunden; die Vorrichtung war von Agrippa gestiftet worden.113 3. Item nomina dictatorum P. Cornelius Scipio Africanus. Fabius Maximus. Apulius Claudius. Popilius Lenas. Valerius Publicola. Pompeius Maximus. Eneas Iulius. Sulla Felix. Barbatus. Scipio Nasica. Aemi­ lius Paulus. Fabius. Cincinnatus. Decimus. Titus Marius. Plutatius Catus. Marius Rutulus. Valerius Corvinius. Cornelius Scipio. P. Decius. Q. Fabius. Metellus Pius. Marius. Licinius Salinator. Curius Dentatus. Iulius Brutus. Dieses vierte Kapitel wird wie das erste durch das Adverb item eingeleitet, daher ist es eigentlich der zweite Hauptteil (s. o. S. 33); er besteht aus einer Liste von 26 Namen, die mit einer Ausnahme (Eneas Iulius) der Zeit der Römischen Republik zuzuordnen sind. Es ist sofort erkennbar, dass diese Liste angeblicher Diktatoren nicht chronologisch geordnet ist, im Unterschied sowohl zu der vorhergehenden der Könige als auch zur nachfolgenden der Kaiser. Bei den 26 Namen handelt es sich keineswegs nur um solche von Diktatoren, sondern um eine „ungeordnete Namensreihe republikanischer Heroen“ (P. L. Schmidt, in: HLL 5, 1989, § 531.5, S. 183). Der Verfasser dürfte unter dictatores nicht ausschließlich Diktatoren im staatsrechtlichen Sinn verstanden haben, sondern einfach berühmte Männer, die in republikanischer Zeit Spitzenämter bekleidet hatten.114. Wie vage die Vorstellungen waren, die man sich im 4. Jh. von der Verfassung der Republik machte, zeigen einige Sätze bei Eusebius und Hieronymus: Zuerst 111 112 113 114

Kolb 2002, 95, 116; Alföldi 1977, 75. Diese frühe Datierung wird in der neueren Forschung teilweise akzeptiert, z. B. von Nielsen, Cir­ cus, in: DNP 2 (1997) 1210 f. Hingegen datiert Kolb (2002, 97) die Errichtung des circus maximus auf die Zeit nach dem Keltensturm 387 v. Chr. Cass. Dio 49,43,2; vgl. Höcker, Delphin [3], in: DNP 3 (1997) 401. Vgl. S. 75. Sehlmeyer (2009, 305) ist ebenfalls der Ansicht, die Bezeichnung dictator werde hier im Sinne von „Anführer“ verwendet. Letzteres dürfte auch für die seltsame Notiz in den Consularfasten zum Jahr 49 v. Chr. gelten: Hoc usque dictatores fuerunt (Text bei Mommsen 1892, 56).

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B) 3. Item nomina dictatorum

habe es Konsuln gegeben, dann Diktatoren, danach abermals Konsuln (Eus. Chrono­ graphia, Arm. Karst 141; Eus. Chron. can., Arm. Karst 190; Hier. chron. z.J. 510/509 v. Chr.). Der Autor der Stadtchronik orientierte sich, als er seine Liste erstellte, möglicherweise unter anderem am Augustus-Forum, wo vielen berühmten Männern der Republik mit Inschriften versehene Statuen errichtet worden waren (s. u. den Komm. zu Nr. 7 mit Anm. 130). Der Liste der 26 dictatores geht der Bericht über insgesamt 26 reges voraus. Es ist unwahrscheinlich, dass die Übereinstimmung bei den Zahlen reiner Zufall ist; vielleicht hatte der Autor ursprünglich vor, der Republik ungefähr ebensoviel Text zu widmen wie der Königszeit. Die Interpunktion zwischen den Namen geht überwiegend auf Mommsen zurück. Meist erweist sie sich als sinnvoll, z. B. bei Q. Fabius. Metellus Pius. Marius (in Handschrift V steht : Q. Fabius Metellus. Pius Marius). Nicht zweifelsfrei ist sie bei Licinius Salinator, da vielleicht zwei Personen gemeint sind (s. u. den Kommentar zu Nr. 24). Die Mehrzahl der nomina dictatorum taucht auch in dem De viris illustribus urbis Romae betitelten Geschichtswerk auf (im Folgenden abgekürzt: Vir. ill.), das die römische Geschichte bis zum Ende der Republik mittels 86 Kurzbiographien darstellt und, wie die Stadtchronik, wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 4. Jh. n. Chr. entstand. Die Frage, welche Quellen sein Verfasser benutzte, wurde kontrovers diskutiert und bislang nicht endgültig gelöst; die wichtigste Quelle dürfte eine zur Zeit des Augustus entstandene exempla-Sammlung des Gelehrten C. Iulius Hyginus gewesen sein, der seinerseits auf die zahlreichen Biographien zurückgriff, die Cornelius Nepos gesammelt hatte. Von den Viten des Nepos blieben fast nur jene der nichtrömischen Feldherrn erhalten; vom Werk des Hyginus sind nur Fragmente überliefert.115 Die Namen vieler von der Stadtchronik als dictatores bezeichneter Männer sowie fast 90 Prozent der in Vir. ill. genannten Personen werden auch im Liber memorialis des Lucius Ampelius erwähnt. Zweck dieses wohl im 4. Jh. n. Chr. entstandenen Büchleins116 (im Folgenden abgekürzt: Ampel.) war eine knappe Zusammenfassung des Grundwissens auf unterschiedlichen Gebieten, von welchem der Verfasser glaubte, es sei für gebildete junge Römer wünschenswert. Die meisten Kapitel sind historischen Themen gewidmet; in 17 der insgesamt 50 Kapitel werden die Namen berühmter Römer aus der Zeit der Republik genannt, wobei die positiven exempla weit überwiegen. Das kann nicht überraschen, denn die römische Republik galt bis in die Spätantike als eine Epoche, welche typische exempla für die römischen Tugenden bot.117 Als mögliche Quellen für den historischen Teil des Liber memorialis gelten unter anderem Hyginus und Cornelius Nepos. Ampelius gliedert seine Beispiele für berühmte Römer nach mehreren 115 116 117

Zu den von Nepos verfassten Biographien und zu Hyginus: Albrecht, röm. Lit. Bd. 1 (32012) 382, 693. Zur Datierung und Quellenbasis von De viris illustribus: Fugmann 2016, 9, 27, 30–33. Zur Datierung und Quellenbasis des Liber memorialis: König 2010, 12 f., 16; P. L. Schmidt in HLL 5 (1989) § 530. Zur gemeinsamen Quellenbasis von De viris illustribus und Liber memorialis: Sehlmeyer 2009, 44–49. Sehlmeyer 2009, 44.

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Kategorien, z. B. Feldherren (Kap. 18: Clarissimi duces Romanorum), Staatsmänner (Kap. 19: Romani qui in toga fuerunt illustres), Männer, die sich für das Gemeinwohl opferten (Kap. 20: Qui pro salute se optulerunt) und tapfere Zweikämpfer (Kap. 22: Qui provocati ab hostibus manu contenderunt). Die in diesen Kapiteln genannten Personen sind oft identisch mit den sogenannten dictatores der Stadtchronik. Die Kapitel 21, 23, 24, 40–48 sind überwiegend zuvor bereits erwähnten Männern gewidmet, die in anderem Zusammenhang nochmals thematisiert werden, während es in Kap. 26 und 27 um Personen geht, die als negative exempla dienen sollen. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die 26 in der Liste der Stadtchronik genannten Namen jenen Personen zuzuordnen, die vermutlich gemeint sind. Ein Kriterium für die Zuordnung ist die Frage, ob der Betreffende tatsächlich zum dictator ernannt wurde, aber ebenso wichtig dürfte die Frage sein, ob er aufgrund seiner Leistungen oder seines Verhaltens als Vorbild gesehen wurde. Dabei ist der Vergleich der Liste mit Vir. ill. und Ampel. aufgrund der folgenden Überlegungen sinnvoll oder sogar erforderlich: 1. Während die in Vir. ill. und bei Ampel. erwähnten Männer im jeweils gegebenen Kontext eindeutig benannt werden, ist die Namensliste der Stadtchronik derart knapp formuliert und gelegentlich auch durch Schreibfehler entstellt, dass man bei einigen Namen nur schwer oder kaum erkennen kann, welche Person gemeint ist. 2. Angesichts der zahlreichen offensichtlichen Übereinstimmungen der drei Listen ist es wahrscheinlich, dass sich der Verfasser der Stadtchronik und die beiden anderen Autoren an derselben Quellentradition (wohl v. a. an den exempla des Hyginus) orientierten.118 In Zweifelsfällen wird durch den Vergleich mit den beiden anderen Listen besser erkennbar, welche Person mit dem in der Stadtchronik genannten Namen gemeint ist. Liegt eine Übereinstimmung mit einem in Vir. ill. oder bei Ampel. genannten Namen vor, wird dies mit der jeweiligen Kennziffer des Kapitels (in Vir. ill.) bzw. der Person (bei Ampel.) vermerkt. Wenn die Ergebnisse des Vergleichs mit den Vorschlägen, die Burgess bzgl. der Identifizierung macht,119 nicht übereinstimmen, wird dies ebenfalls vermerkt. 1) P. Cornelius Scipio Africanus Es kommen zwei berühmte Namensträger in Frage. Beide Cornelii Africani bekleideten nie das Amt eines dictator, waren aber große Feldherren. Vermutlich ist hier Scipio Afri­ canus maior gemeint, da nur dieser Cornelius Scipio in Vir. ill. und bei Ampel. als Africa­ 118 119

Auch Mommsen (1850, 600) und Burgess (2014, 12) sind der Ansicht, dass der Autor der Stadtchronik eine Vorlage benutzte, welche Vir. ill. ähnelte; Ampelius erwähnen sie allerdings nicht. Burgess 2014, 149.

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nus bezeichnet wird (Vir. ill. 49: Publius Scipio Africanus; Ampel. 18, 11: Scipio Africanus). Er war consul 205 v. Chr., censor sowie princeps senatus 199 v. Chr.120 2) Fabius Maximus Es gab im 4. und 3. Jh. v. Chr. mehrere Fabii Maximi, aber hier ist wahrscheinlich Q. Fabius Maximus Rullianus gemeint, da er der einzige der Fabii ist, den Ampelius als Fa­ bius Maximus rühmt (Ampel. 18, 6). Außerdem wird auch in Vir. ill. über ihn berichtet, allerdings ist der Name etwas entstellt: Q. Fabius Rullus (Vir. ill. 32). Laut Liv. 8,30–35 besiegte er als magister equitum die Samniten und deren Verbündete (325 v. Chr.). Er war consul 322 v. Chr., dictator in den Jahren 315 und 313; abermals consul 310, 308, 297 und 295, censor 304 v. Chr.121 3) Apulius Claudius Apulius ist kein römischer Vorname; vermutlich lautete der Eintrag ursprünglich Appi­ us Claudius. Gemeint ist wahrscheinlich Ap. Claudius Caecus, denn über ihn berichten auch Vir. ill. 34 (Appius Claudius Caecus) und Ampel. 19,2 (Appius Caecus). MRR 1 (187) verzeichnet ihn für 285 v. Chr. als dictator. Die Dictatur ist nicht gesichert, aber laut Suet. Tib. 1,2 brachte die gens Claudia fünf Diktatoren hervor. Er galt als der bedeutendste Angehörige dieser Patrizierfamilie; als censor veranlasste er den Bau der via Appia und der aqua Appia. Außergewöhnlich war auch, dass er die Censur (312) vor dem Konsulat (307 und 296 v. Chr.) bekleidete.122 Weitere berühmte Claudier waren Ap. Claudius Crassus Inregillensis (consul 349, dicta­ tor 362 v. Chr.),123 Ap. Claudius Caudex (consul 264 v. Chr.; 124 über ihn berichtet Vir. ill. 37) sowie ein weiterer Appius Claudius, der unter den 451 und 450 v. Chr. gewählten decemviri legibus scribundis war, welche die Zwölftafelgesetze niederschrieben.125 4) Popilius Lenas Gemeint sein dürfte M. Popillius Laenas, der fünfmal consul war (359, 356, 354?, 350 und 348 v. Chr.).126 Livius (7,23,1–24,9) berichtet von seinem Sieg über die Gallier 350 v. Chr. und von dem Triumph, der ihm dafür zugesprochen wurde. Ampel. und Vir. ill. erwähnen weder ihn noch P. Popilius Laenas, der 132 v. Chr. consul war und gemeinsam

120 Münzer 1963, 100–102; Elvers, Cornelius [I 71], in: DNP 3 (1997) 182 f. 121 Münzer 1963, 53 f., 56 f. Datierung der Diktatur: MRR 1, 156, 158. Zur Datierung der Konsulate und der Censur: Elvers, Fabius [I 28], in: DNP 4 (1998) 371 f. 122 Elvers, Claudius [I 2], in: DNP 3 (1997) 8. 123 Ders., Claudius [I 6], in: DNP 3, Sp. 9; vgl. MRR 1, 117, 128. 124 Ders., Claudius [I 3], in: DNP 3, Sp. 8. 125 Ders., Claudius [I 5], in: DNP 3, Sp. 9. 126 Münzer 1963, 29; MRR 1, 121, 123 f., 127 f., 129 f.; Müller, Popillius [I 5], in: DNP 10 (2001) 147.

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mit seinem Amtskollegen die Aburteilung der Anhänger des Tib. Gracchus überwachte.127 5) Valerius Publicola Der Legende nach war Publius Valerius Poplicola (bzw. Publicola) beteiligt am Sturz des Tarquinius Superbus; er galt als Volksfreund, womit man sein Cognomen erklärte. Er wird auch in Vir. ill. (Kap. 15: Lucius Valerius Publicola) und bei Ampel. (18,2: Valeri­ us Publicola) erwähnt. Die Dictatur bekleidete er nicht, aber 509 v. Chr. soll er consul suffectus und in den Jahren 508, 507 und 504 v. Chr. consul gewesen sein.128 Es gab noch weitere prominente Valerier mit dem Beinamen Poplicola/Publicola, beispielsweise M. Valerius Poplicola. Er war magister equitum 358, consul 355 und 353 v. Chr.129 6) Pompeius Maximus Gemeint ist zweifellos Pompeius Magnus, der Gegner Caesars im Bürgerkrieg. Im Jahr 52 v. Chr. wurde er vom Senat zum consul sine collega ernannt, womit ihm eine Amtsgewalt eingeräumt wurde, die der eines dictator vergleichbar war. Er ist sowohl in Vir. ill. (Kap. 77: Cn. Pompeius Magnus) als auch bei Ampel. (Kap. 18, Nr. 19: Pompeius) verzeichnet. 7) Eneas Iulius Wahrscheinlich ist Iulus, der Sohn des Aeneas, gemeint. Beide aus dem Aeneas-Mythos stammenden Namen dürften eigentlich nicht auf der Liste republikanischer Heroen stehen, aber von Iulus, der auch Ascanius genannt wurde (s. o. S. 48), leiteten die Iulier ihren Stammbaum ab. In der nördlichen exedra des Augustus-Forums stand neben den Statuen republikanischer Heroen eine Statue des Aeneas;130 ihre Inschrift wird u. a. auf Iulus als Stammvater der Iulier verwiesen haben. 8) Sulla Felix Ampel. 18,16 nennt ihn Sulla; als Cornelius Sulla Felix verzeichnet ihn Vir. ill. 75. Nach seinem Sieg bei Rom über die Marianer 82 v. Chr. wurde L. Cornelius Sulla, consul 88 und 80 v. Chr., vom Senat zum dictator rei publicae constituendae erklärt; er legte dieses Amt frühestens 80 v. Chr. nieder. Den Beinamen Felix führte er ab 81 v. Chr.;131 MRR 2 verzeichnet Sulla noch für das Jahr 79 als dictator.

127 128 129 130 131

MRR 1, 497; Elvers, Popillius [I 8], in: DNP 10 (2001) 147. Müller, Valerius [I 44], in: DNP 12,1 (2002) 1103 f. Sowohl die drei aufeinander folgenden Konsulate in den drei ersten Jahren der Republik als auch die Erklärung für das Cognomen Poplicola hält Alföldi (1977, 79–81) für reine Erfindung. MRR 1, S. 121 f. 125; Müller, Valerius [I 43] in: DNP 12/1, Sp. 1103. Sehlmeyer 2009, 39 f., 259 (mit Skizze); P. L. Schmidt, in HLL 5 (1989) § 531.5. Eder, Cornelius [I 90], in: DNP 3 (1997) 189.

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9) Barbatus Als cognomen taucht Barbatus („der Bärtige“) u. a. bei den Adelsfamilien der Cornelii, Horatii, Quinctii und Valerii auf.132 Ein prominenter Träger des cognomen war T. Quinc­ tius Capitolinus Barbatus, der laut Überlieferung in den Jahren 471, 468, 465, 446, 443 und 439 v. Chr. consul war.133 Der in der Stadtchronik erwähnte Barbatus könnte aber auch M. Horatius Barbatus sein: Als Consul des Jahres 449 ergänzte er laut Liv. 3,57,10 gemeinsam mit seinem Kollegen die Gesetzgebung der decemviri.134 Ebenfalls prominent waren zwei Cornelier: P. Cornelius Scipio Barbatus wurde 306 v. Chr. zum dictator zur Abhaltung von Wahlen ernannt (Liv. 9,44,1–2); L. Cornelius Scipio Barbatus war consul im Jahr 298 v. Chr., danach censor und pontifex maximus.135 Welchen der Barbati der Autor der Stadtchronik im Blick hatte, kann nicht entschieden werden; weder bei Ampel. noch in Vir. ill. wird ein Barbatus erwähnt. Wenig wahrscheinlich ist, dass P. Cornelius Scipio Barbatus gemeint ist. Burgess (a. a. O.) entscheidet sich für M. Hortatius [sic] Barbatus. 10) Scipio Nasica In der Zeit der Republik trugen mehrere Cornelii diese Beinamen, aber nur P. Corne­ lius Scipio Nasica Corculum wird sowohl in Vir. ill. als auch bei Ampel. erwähnt. Er war consul (162 und 155 v. Chr.), censor (159 v. Chr.), pontifex maximus (152–141 v. Chr.) und princeps senatus (147 und 142 v. Chr.).136 In Vir. ill. wird er als P. Scipio Nasica Corculum verzeichnet (Kap. 44), bei Ampel. 19,11 als Scipio Nasica Optimus. 11) Aemilius Paulus Der bekannteste Aemilier mit dem Beinamen Paullus war L. Aemilius Paullus, consul 182 und 168 v. Chr.137 Nur dieser Aemilius ist in Vir. ill. und bei Ampel. verzeichnet (als Lucius Aemilius Paulus in Vir. ill. 56, als Paulus in Ampel. 18,13). Er erhielt 189 v. Chr. als imperator nach seinem Sieg über die Lusitaner eine supplicatio. Im Jahr 167 feierte er als Sieger im dritten Makedonischen Krieg einen dreitägigen Triumph; der Senat verlieh ihm den Beinamen Macedonicus. 164 v. Chr. war er censor und im Jahr 162 interrex. 12) Fabius Außer dem oben als Nr. 2 identifizierten Q. Fabius Maximus Rullianus verzeichnet MRR 1 vier weitere Mitglieder aus der Patrizierfamilie der Fabii, die das Amt eines dictator bekleideten: M. Fabius Ambustus, dictator 351 v. Chr.; 132 133 134 135 136 137

Elvers, Barbatus, in: DNP 2 (1997) 444. Müller, Quinctius [I 5], in: DNP 10 (2001) 706. Ders., Horatius [3], in: DNP 5 (1998) 719; vgl. MRR 1, 47. Elvers, Cornelius [I 76], in: DNP 3 (1997) 183 f. Münzer 1963, 414; Elvers, Cornelius [I 83], in: DNP 3, 184. Elvers, Aemilius [I 32], in : DNP 1 (1996) 181.

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Q. Fabius Ambustus, dictator für die Abhaltung von Wahlen 321 v. Chr.; M. Fabius Buteo, dictator 216 v. Chr.; Q. Fabius Maximus Verrucosus (s. u., Nr. 21). Ein consul Fabius wird in Vir. ill. 14 als Anführer jener 306 Fabii erwähnt, die 477 v. Chr. im Krieg gegen Veii fielen. Mit dem in der Stadtchronik als Nr. 21 erwähnten Q. Fabius ist vermutlich Q. Fabius Maximus Verrucosus gemeint, weil er neben der Nr. 2 der prominenteste Q. Fabius war. Daher kommt als Nr. 12 einer jener drei anderen Fabier in Frage, deren Dictatur MRR 1 verzeichnet, oder aber der Anführer der Fabii im Kampf gegen Veii. 13) Cincinnatus Gemeint ist zweifellos L. Quinctius Cincinnatus, der Überlieferung zufolge consul suffec­ tus 460 v. Chr., dictator 458 und 439 v. Chr.138 Angeblich erhielt er die Nachricht von seiner ersten Ernennung zum dictator, während er pflügte (Liv. 3,26,1–3,29,4). Die Historizität der Überlieferung hinsichtlich Cincinnatus wird heute stark angezweifelt, denn zu offensichtlich ist das Bestreben erkennbar, ihn als exemplum altrömischer virtus zu präsentieren.139 In Vir. ill. 17 wird er als Lucius Quinctius Cincinnatus verzeichnet, bei Ampel. 18,4 als Quinctius Cincinnatus Seranus. Für das Jahr 380 v. Chr. verzeichnet MRR 1, gestützt u. a. auf Liv. 6,28,3, einen weiteren dictator, der den Beinamen Cincinnatus trug: T. Quinctius (T. f. L. n.) Cincinnatus Capitolinus. 14) Decimus Vermutlich ist Decimus Iunius Brutus Callaecus gemeint, consul im  Jahr 138 v. Chr.140 Ampelius nennt ihn Decimus Brutus Callaecus und rühmt ihn als großen Staatsmann, da er 121 v. Chr. gemeinsam mit dem Konsul Opimius seinen Schwiegersohn C. Gracchus unschädlich gemacht habe (Ampel. 19,4; 26,2) – aus Sicht vieler Optimaten eine Heldentat. In Vir. ill. wird er jedoch nicht erwähnt. Burgess glaubt, der Autor der Stadtchronik habe mit Decimus auf P. Decius Mus hinweisen wollen.141 Das ist m. E. aber wenig wahrscheinlich, da der Name P. Decius als Nr. 20 in der Liste auftaucht und Ampelius den Decimus Brutus Callaecus zweimal lobend erwähnt. 15) Titus Marius Hier ist wohl kaum der Sohn des berühmten Feldherrn Marius (s. u., Nr. 23) gemeint, denn jener hieß wie der Vater Gaius.142 Es ist eher anzunehmen, dass beim Kopieren

138 139 140 141 142

MRR 1, 39, 56. Müller, Quinctius [I 7], in: DNP 10 (2001) 706. Münzer 1963, 271 f.; Elvers, Iunius [I 14], in: DNP 6 (1999) 62. Burgess 2014, 149. Elvers, Marius [I 2], in: DNP 7 (1999) 905.

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B) 3. Item nomina dictatorum

der Liste ein Fehler unterlief und ein Titus Manlius gemeint war, vermutlich der Patrizier Titus Manlius Imperiosus Torquatus. Laut Überlieferung war dieser mehrfach consul (347, 344 und 340 v. Chr.) und auch dictator (353, 349 und 320 v. Chr.).143 Vor seiner Wahl in eines der Spitzenämter soll er einen Aufsehen erregenden Zweikampf gegen einen Gallier gewonnen haben, was ihm als Siegesbeute eine Halskette (torquis) sowie das später weiter vererbte Cognomen Torquatus einbrachte (Liv. 7,9,8–7,10,14). Als Consul des Jahres 340 ließ er angeblich den eigenen Sohn hinrichten, weil dieser gegen seinen Befehl gehandelt hatte (Liv. 8,6,14–8,7,22). Diese ihm zugeschriebenen Taten waren offenbar der Grund dafür, dass er sowohl von Ampelius (18,3: Mallius Torquatus; 22,1: Manlius Torquatus) als auch in Vir. ill. (Nr. 28: Titus Manlius Torquatus) als exemplum präsentiert wird. Etwa 100 Jahre später lebte ein weiterer berühmter Titus Manlius Torquatus, Consul 235 und 224; Dictator zur Abhaltung von Wahlen 208 v. Chr. Im Jahr 235 feierte er einen Triumph über Sardinien.144 16) Plutatius Catus Der Name ist offensichtlich entstellt; möglicherweise stand im Text ursprünglich P. Lutatius Catulus. Wahrscheinlich ist Gaius Lutatius Catulus gemeint, consul 242 v. Chr., der einzige Angehörige der gens Lutatia, über den in Vir. ill. berichtet wird (Kap. 41; hier lautet sein Vorname allerdings fälschlich Quintus). Er erwarb großen Ruhm durch seinen Sieg über die Flotte der Karthager im Ersten Punischen Krieg.145 Wegen dieses Sieges wird er von Ampelius ebenfalls lobend erwähnt (46,3), jedoch ohne Nennung des Vornamens. Ein weiterer prominenter Vertreter der gens Lutatia war Quintus Lutatius Catulus, Consul im  Jahr 78, der in Vir. ill. nicht genannt wird, den aber Ampelius als Lutati­ us Catulus bzw. als Catulus verzeichnet (19,7; 40,2). Er war zwar Anhänger des Sulla, wandte sich aber gegen dessen Gewaltexzesse. Als Consul bekämpfte er Bestrebungen, die Maßnahmen Sullas wieder aufzuheben. Jahrelang war er Pontifex, unterlag aber 63 v. Chr. Gaius Iulius Caesar bei der Wahl zum Pontifex Maximus.146 17) Marius Rutulus Auch hier muss eine fehlerhafte Namensangabe vorliegen, da eine bedeutende Persönlichkeit dieses Namens nicht bekannt ist. Es könnten zwei Männer gemeint sein. Einer der beiden ist C. Marcius Rutilus,147 consul in den Jahren 357, 352, 344 und 342 v. Chr.; im Jahr 356 v. Chr. wurde er als erster Plebejer zum dictator ernannt und 351 war er,

143 144 145 146 147

Müller, Manlius [I 12], in: DNP 7 (1999) 825. Zu diesem T. Manlius s. Schmitt, Manlius [I 19], in: DNP 7 (1999) 826. Nadig, Lutatius [1], in: DNP 7 (1999) 524. Elvers, Lutatius [4], in: DNP 7 (1999) 525. Burgess (2014, 149) nennt diesen Namen ebenfalls, schreibt aber fälschlich Rutulus.

B) 3. Item nomina dictatorum

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ebenfalls als erster Plebejer, censor.148 Sein gleichnamiger Sohn war consul (310 v. Chr.) und zweimal censor (294 und 265 v. Chr.); wegen der zweimaligen Censur gab man ihm den Beinamen Censorinus.149 Keiner der beiden Marcii Rutili wird in Vir. ill. oder bei Ampel. erwähnt. 18) Valerius Corvinius Bekannt sind zwei berühmte Träger dieses Namens. Der eine ist M. Valerius (Maximus) Corvinus (oder Corvus), der laut der mit Mythen verwobenen Überlieferung zwischen 348 und 299 v. Chr. sechsmal consul sowie 343 v. Chr. dictator gewesen sein soll; eine zweite Dictatur im Jahr 301 wird zwar von einigen Quellen behauptet, doch dürften ihn diese mit seinem Sohn verwechseln.150 Dieser trug denselben Namen, war consul 312 und 289, vermutlich 301 v. Chr. auch dictator.151 Nur über den erstgenannten Valerius Corvinus berichten Vir. ill. 29 und Ampel. 22,2 (beide Quellen nennen ihn so); daher ist anzunehmen, dass der dictator des Jahres 343 der von der Stadtchronik Gemeinte ist. 19) Cornelius Scipio Da die Liste von jenem Cornelius Scipio angeführt wird, der bei Zama über Hannibal siegte, ist hier vermutlich der gleichnamige Zerstörer Karthagos gemeint. Er wurde 185/184 v. Chr. als Sohn des L. Aemilius Paullus geboren (daher sein ursprünglicher Beiname Aemilianus), noch als Kind vom Sohn des älteren Africanus adoptiert, eroberte zuerst Karthago (146 v. Chr.), dann Numantia (133 v. Chr.) und war im Jahr 142 cen­ sor.152 Wegen seiner militärischen Erfolge nannte man ihn Africanus und später auch Numantinus. In vir. ill. 58 wird er Publius Scipio Aemilianus genannt, bei Ampel. 18,11 Scipio Numantinus. 20) P. Decius Es können zwei Männer gemeint sein.153 P. Decius Mus, Consul 340 v. Chr., war ebensowenig dictator wie sein gleichnamiger Sohn. Dieser war Consul in den Jahren 312, 308, 297 und 295 v. Chr.; im Jahr 304 war er Censor, gemeinsam mit Fabius Maximus Rullianus (s. o., Nr. 2). Beide Publii Decii galten nicht nur als tüchtige Feldherren, sondern auch als Vorbilder, weil sie laut Überlieferung ihr Leben opferten, um den Sieg zu erringen. Heute gilt nur der Opfertod des Sohnes als historisch; anscheinend wurde 148 Müller, Marcius [I 25], in: DNP 7 (1999) 861 f.; zur Dictatur s. auch MRR 1, 123. 149 Münzer (1963, 64) bezeichnet die Wiederwahl als „unerhörte Ehre“; vgl. Müller, Marcius [I 26], in: DNP 7 (1999) 862. 150 Müller, Valerius [I 11], in: DNP 12/1 (2002) 1093. 151 Ders., Valerius [I 31], in: DNP 12/1, Sp. 1099; s. auch MRR 1, 169. 152 Elvers, Cornelius [I 70], in: DNP 3 (1997), 178. 181. 153 Zu beiden: Münzer, Decius Nr. 15, in: RE 4,2 (1901), 2279–2281; ders., Decius Nr. 16, a. a. O. 2281– 2284; Elvers, Decius [I 1], in: DNP 3, 347; ders. Decius [I 2] a. a. O. Den in Vir. ill. 36,2 erwähnten Decius Mus identifiziert Elvers als Sohn des Vorigen [I 2] und Consul 279 (Decius [I 3], a. a. O.). Fugmann (2016, 303) zieht diese Gleichsetzung in Zweifel.

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B) 3. Item nomina dictatorum

dessen heroische Tat in der Erzähltradition auf den Vater zurückprojiziert. In Vir. ill. wird über den Vater und den Sohn in den Kapiteln 26 und 27 berichtet; auch bei Am­ pel. 20,6 werden beide erwähnt: Duo Decii. 21) Q. Fabius Nach dem, was oben zu Nr. 2 (Fabius Maximus) und 12 (Fabius) gesagt wurde, darf angenommen werden, dass hier Q. Fabius Maximus Verrucosus gemeint ist, der wegen seiner defensiven Kriegstaktik gegenüber Hannibal Cunctator genannt wurde. Consul war er 233 und 228 v. Chr., danach zweimal Dictator (in den Jahren 221 und 217).154 Vir. ill. nennt ihn in Kap. 14 Q. Fabius Maximus Cunctator und in Kap. 43 Q. Fabius Maximus Cunctator Verrucosus; bei Ampel. 18,6 heißt er Fabius Cunctator. 22) Metellus Pius In der Zeit der Republik gab es zwei prominente Metelli Pii, aber beide bekleideten nicht das Amt eines dictator: Q. Caecilius Metellus Pius war gemeinsam mit Sulla im Jahre 80 v. Chr. consul, danach pontifex maximus. Nach dem Sieg über Sertorius feierte er gemeinsam mit Pompeius einen Triumph. Das Cognomen Pius erhielt er, weil er sich für die Rückberufung seines Vaters aus dem Exil einsetzte (Vell. 2,15,3).155 Q. Caecilius Metellus Pius Scipio (Nasica) wechselte durch testamentarische Adoption (des zuvor genannten Q. Metellus Pius) 64 v. Chr. in die gens der Caecilii Metelli; 53 v. Chr. war er in­ terrex und im Jahr 52 consul.156 Lediglich den erstgenannten Metellus Pius verzeichnen Vir. ill. (Kap. 63: Quintus Metellus Pius, Numidici filius, Pius dictus) und Ampel. (18,14: filius Pius des Metellus Numidicus). Daher darf vermutet werden, dass er der von der Stadtchronik Gemeinte ist. Ampelius erwähnt drei weitere Caecilii Metelli, von denen jedoch keiner das Cognomen Pius trug: Gaius Metellus pontifex (Ampel. 20,1);157 Me­ tellus Macedonicus (Ampel. 18,14);158 Metellus Numidicus (Ampel. 18,14),159 Vater jenes Metellus Pius, der im Jahr 80 v. Chr. Consul war. 23) Marius Zweifellos ist der berühmte Politiker und Feldherr gemeint, der zwar nie dictator, aber siebenmal consul war (erstmals 107 v. Chr.).160 Offenbar hat nicht nur der Verfasser der Elvers, Fabius [I 30], in: DNP 4 (1998) 372 f.; vgl. MRR 1, 224, 228, 234, 243; Münzer 1963, 54. Elvers, Caecilius [I 31], in: DNP 2 (1997) 890; vgl. MRR 2, 78 f. Will, Caecilius [I 32], in: DNP 2, Sp. 891. Er hieß nicht Gaius, sondern Lucius Caecilius Metellus, war Consul 251 v. Chr., Dictator zur Abhaltung von Wahlen 224 und Pontifex Maximus bis zu seinem Tod 221 v. Chr.; s. Elvers, Caecilius [I 11], in: DNP 2 (1997) 884. 158 Q. Caecilius Metellus Macedonicus, Consul 143 v. Chr.; s. Elvers, Caecilius [I 27], in: DNP 2, Sp. 889. 159 Q. Caecilius Metellus Numidicus, Consul 109. Im Jahr 100 v. Chr. weigerte er sich, das Ackergesetz des Saturninus zu beschwören, und wurde deshalb verbannt; s. Elvers, Caecilius [I 30], in: DNP 2 (1997) 890. 160 Elvers, Marius [I 1], in: DNP 7 (1999) 901 f. 154 155 156 157

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Stadtchronik in Marius wegen dessen überragenden militärischen Erfolgen und der großen Anzahl von Konsulaten ein Vorbild für römische Tugenden gesehen, denn er wird sowohl in Vir. ill. 67 als auch bei Ampel. 18,15 erwähnt, beidesmal korrekt unter seinem Namen Gaius Marius. 24) Licinius Salinator Die Licinii gehörten zu den bedeutendsten plebejischen Familien Roms, aber der Beiname Salinator war Cognomen bei den Livii.161 Korrekt müsste der in der Liste genannte Name daher wohl Livius Salinator lauten. Ein Dictator, der diesen Namen trug, ist bekannt: M. Livius Salinator, Consul 219 und 207 v. Chr., Censor 204 und Dictator zur Abhaltung von Wahlen 207 v. Chr. Im Jahr 207 trug er zum Sieg über Hasdrubal am Metaurus bei und erhielt dafür einen Triumph.162 Livius Salinator wird als einer der berühmten Römer in Vir. ill. 50 genannt. Ampelius erwähnt ihn nicht, wohl aber den berühmten Feldherrn Lucullus (Ampel. 18,18). Dieser stammte aus der gens Licinia: Lu­ cius Licinius Lucullus, Consul 74 v. Chr., Oberbefehlshaber im Dritten Mithradatischen Krieg.163 Über ihn berichtet auch Vir. ill. in Kap. 74. Es wäre möglich, dass der Verfasser der Stadtchronik zwei Namen, Livius Salinator und Licinius Lucullus, irrtümlich zu einem einzigen verkürzt hat. Dies scheint auch Burgess anzunehmen.164 25) Curius Dentatus In Vir. ill. 33 wird sein vollständiger Name genannt: Marcus Curius Dentatus. Er bekleidete nicht die Dictatur, sondern war consul 290, 284 (suffectus), 275 und 274 v. Chr. Der römischen Überlieferung zufolge besiegte er im Jahr 275 Pyrrhos und erhielt dafür einen Triumph. 272 v. Chr. war er censor.165 Sowohl in Vir. ill. als auch bei Ampel. (18,8; hier heißt er nur Curius) wird er als exemplum präsentiert, unter anderem wegen seiner legendären Unbestechlichkeit. 26) Iulius Brutus Eine bekannte Persönlichkeit dieses Namens ist für die Zeit der römischen Republik nicht belegt. Für das Jahr 352 v. Chr. verzeichnet MRR 1 einen Dictator C. Iulius (oder Iullus), aber nicht mit dem Beinamen Brutus. Bei dem von der Stadtchronik Gemeinten kann es sich nur um einen Iunius Brutus handeln. In Frage kommen drei Männer: 1) L. Iunius Brutus (Vir. ill. 10) soll entscheidend zum Sturz des Königs Tarquinius Superbus beigetragen haben und galt daher in der römischen Überlieferung als Begründer der Republik (Liv. 1,56,7–2,5,8). Er war nicht dictator, sondern angeb-

161 162 163 164 165

Ders., Livius, in: DNP 7, Sp. 369. Ders., Livius [I 13], in: DNP 7, Sp. 372; vgl. MRR 1, 236, 294, 306. Will, Licinius [I 26], in: DNP 7, Sp. 166–168. Burgess 2014, 149. Elvers, Curius [4], in: DNP 3 (1997) 242.

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B) 3. Item nomina dictatorum

lich einer der beiden ersten consules 509 v. Chr. Die Historizität der Überlieferung wird in der Forschung sehr bezweifelt.166 2) C. Iunius Bubulcus Brutus, Consul in den Jahren 317, 313 und 311, von MRR 1 als Dictator im Jahr 302 v. Chr. verzeichnet. 3) M. Iunius Brutus, bekanntlich einer der Mörder Caesars und von Vir. ill. in Kap. 82 erwähnt. Er war nicht dictator, erhielt aber 44 oder 43 v. Chr. gemeinsam mit Cassius vom Senat ein imperium maius über alle Provinzen des Ostens. Er war der Sohn Servilias, der langjährigen Geliebten Caesars. Nach der Schlacht von Pharsalos war er vom Freundeskreis des Pompeius in jenen Caesars gewechselt, schloss sich aber dann der Verschwörung gegen diesen an.167 Darauf, dass zuvor eine Art Vater-Sohn-Beziehung bestanden hatte, deuten Caesars letzte Worte hin, von denen laut Suet. Caes. 82,2 und Cass. Dio 44,19,4 einige Zeugen berichteten: καὶ σύ, τέκνον („Auch du, mein Sohn!“). Offenbar glaubt Burgess, dieser Brutus sei der in der Stadtchronik erwähnte dictator, denn er nennt ihn M. Iunius Brutus.168 Wahrscheinlich ist mit Iulius Brutus aber L. Iuni­ us Brutus gemeint, der Überlieferung zufolge consul im Jahr 509 v. Chr. Bei Ampel. 18,1 wird dieser Brutus als erster in der Liste der clarissimi duces Romanorum genannt, da er pro libertate publica sogar seine eigenen Söhne getötet habe (vgl. Dion. Hal. ant. 5,8). Auch in Vir. ill. taucht Iunius Brutus weit vorn in der Liste auf (Kap. 10). Zwar ist Kapitel 82 zusätzlich dem Mörder Caesars gewidmet, er wird jedoch nur verkürzt Marcus Brutus genannt; der Gentilname erscheint nicht. Daher ist anzunehmen, dass die vom Autor der Stadtchronik verwendete Quelle über den angeblichen Republikbegründer Iunius Brutus berichtet hatte und dieser Name zu Iulius Brutus entstellt wurde. Fazit Von den 26 in der Stadtchronik genannten nomina dictatorum scheint man nur maximal zehn Namen tatsächlich republikanischen Dictatoren zuordnen zu können. Die folgende Aufzählung orientiert sich an der durch die Liste vorgegebenen Reihenfolge: 2) Fabius Maximus: Q. Fabius Maximus Rullianus, dictator 315 und 313 v. Chr. 3) Apulius Claudius: Appius Claudius Caecus, vermutlich dictator 285 v. Chr. 8) Sulla Felix: L. Cornelius Sulla, dictator 82–79 v. Chr. 12) Fabius: Entweder einer der drei Fabii, welche 351, 321 und 216 dictator waren, oder jener Fabius, der angeblich 477 v. Chr. consul war und im Krieg gegen Veii fiel. 13) Cincinnatus: L. Quinctius Cincinnatus, angeblich dictator 458 und 439 v. Chr.

166 Elvers, Iunius [I 4], in: DNP 6 (1999) 58. Dieser Brutus ist nach Ansicht Alföldis (1977, 75, 79 f.) eine erfundene Gestalt. Laut Kolb (2002, 95) ist die Vertreibung des letzten Etruskerkönigs aus Rom erst für das Jahr 504 v. Chr. anzusetzen. 167 Will, Iunius [I 10], in: DNP 6 (1999) 60 f. 168 Burgess 2014, 149.

B) 3. Item nomina dictatorum

15) 17) 18) 21) 24)

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Titus Marius: Titus Manlius Imperiosus Torquatus, dictator 353, 349, 320 v. Chr. Marius Rutulus: C. Marcius Rutilus, dictator 356 v. Chr. Valerius Corvinius: M. Valerius Corvus/Corvinus, dictator 343/2 v. Chr. Q. Fabius: Q. Fabius Maximus Verrucosus Cunctator, dictator 221 und 217 v. Chr. Licinius Salinator: M. Livius Salinator, dictator 207 v. Chr., oder L. Licinius Lucullus, consul 74.

MRR 1 verzeichnet für die Jahre 509 bis 202 v. Chr. 83 gesicherte Dictaturen. Nicht genügend gesichert sind vier Dictaturen (eine für 463, drei für 285 v. Chr.). Hinsichtlich der Jahre 201 bis 100 v. Chr. werden keine Dictatoren genannt. Für das erste Jh. v. Chr. verzeichnet MRR 2 die mehrjährigen Dictaturen Sullas und Caesars, womit sich die Zahl der gesicherten Dictaturen auf 85 erhöht. In den ersten drei Jahrhunderten der Republik gab es laut MRR 1 neun Angehörige der Nobilität, die zweimal oder öfter das Amt eines Dictators bekleideten; daraus ergeben sich 14 Mehrfachnennungen. Zieht man diese von der Gesamtzahl von 85 Dictaturen ab, verbleiben 71 römische Dictatoren. Man könnte die Schlussfolgerung ziehen, dass der vorliegende Teil der Stadtchronik als Quelle sehr unzuverlässig ist, da er nur ein Siebtel dieser 71 Namen nennt und sprachliche Fehler enthält. Beim Vergleich mit De viris illustribus und dem Liber me­ morialis des Ampelius zeigt sich jedoch, dass der Verfasser der Stadtchronik nicht die Absicht hatte, eine exakte Liste der Amtsträger des republikanischen Ausnahmeamtes anzufertigen. Nachdem Rom über dreieinhalb Jahrhunderte lang von Kaisern regiert worden war, kann man bei ihm wohl keine genauere Kenntnis der republikanischen Verfassung mehr voraussetzen. Stattdessen wird es ihm um die Namen jener Männer gegangen sein, von denen er annahm, dass sie die berühmtesten in der Zeit der römischen Republik waren. Ein wichtiges Auswahlkriterium, neben dem Titel dictator, war vermutlich, ob der Betreffende mehrfach den Konsulat bekleidet hatte; bei den meisten der 26 in der Liste Verzeichneten war das der Fall. Die seiner Ansicht nach einflussreichsten Römer nannte der Verfasser dictatores, ohne weiter zu differenzieren. Das Ergebnis war eine Liste von berühmten Namen, von denen lediglich vier nicht in wenigstens einer der Listen in Vir. ill. oder bei Ampel. auftauchen: Nr. 4, Popilius Lenas; Nr. 7, Eneas Iulius; Nr. 9, Barbatus; Nr. 17, Marius Rutulus. Immerhin in einer von beiden werden erwähnt: Nr. 12, Fabius (in Vir. ill.); Nr. 14, Decimus (bei Ampel.). Dem anonymen Verfasser der 86 Kurzbiographien De viris illustribus urbis Romae war es ebenso wie Ampelius darum gegangen, von berühmten Männern zu berichten, die als Vorbilder gelten konnten. Der Autor der Stadtchronik war vornehmlich an Herrscherpersönlichkeiten interessiert, woraus sich die Gliederung nach reges, dicta­ tores und caesares ergab. Die als dictatores Bezeichneten hatten, wie erwähnt, fast alle mehrfach den Konsulat bekleidet. Dem entsprechend wird im Liber generationis II, an den die Stadtchronik angefügt ist, angekündigt, man werde die Namen der römischen Imperatoren a Gaio Iulio Caesare et consulibus mitteilen (s. o. S. 37).

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B) 4. Item imperia caesarum

4. Item imperia caesarum Wie das erste und vierte Kapitel der Stadtchronik wird auch dieses durch das Adverb item eingeleitet; daher handelt es sich eigentlich um den dritten Hauptteil (vgl. S. 33 und 63). Der selten verwendete Plural von imperium (mit der Bedeutung dominatio, principatus; vgl. ThLL Bd. 7,1 Sp. 570) ist hier am besten mit „Regierungen, Alleinherrschaften” zu übersetzen. Die Pluralform Caesares verwendet der Verfasser analog zu Suetons De vita Caesarum, ohne zwischen Augusti und Caesares zu differenzieren. 4.1 Vorbemerkungen und Erläuterungen zum Kapitel imperia caesarum Beginnend mit Caesar und endend mit Licinius verzeichnet die Stadtchronik diejenigen 58 Kaiser, die vom Senat als legitim anerkannt worden waren; die zahlreichen erfolglosen Usurpatoren erwähnt sie nicht. Ihre Angaben über die römischen Kaiser weisen in der Regel folgende Gliederung auf: – Name und Regierungsdauer des jeweiligen Kaisers; – Höhe der Geldspenden (congiaria) an die Zivilbevölkerung Roms; – historische Ereignisse während der Regierungszeit des Kaisers (meist wird nur ein einziges genannt, bisweilen kommt es aber auch zu einer längeren Aufzählung, insbesondere bei hauptstädtischen opera publica); – Sterbeort und Todesursache des betreffenden Kaisers. 4.1.1 Wie werden die Namen kommentiert? Der Kommentar vermerkt, wenn möglich, den Geburtsnamen und meist auch die Kernbestandteile des Kaisertitels. Es werden aber nicht alle Titel wie z. B. pontifex ma­ ximus, pater patriae, die Zahl der imperatorischen Akklamationen etc. aufgeführt, denn diese Angaben findet man in Kienasts „Römische Kaisertabelle“. Der Kommentar beantwortet aber die folgenden Fragen: Verwenden auch andere literarische Quellen die von der Stadtchronik genannte Namensform? Gab es Namensänderungen? Kennzeichnet die Stadtchronik einen Kaiser, der nachweislich divinisiert wurde, zu Unrecht nicht als Divus? Wann erfolgte die Divinisierung? Hierzu ist anzumerken: Der Erhebung zum Divus bzw. zur Diva ging ein entsprechender Beschluss des Senats voraus. Daraufhin erfolgte ab der Zeit des Augustus die consecratio, ein kultischer Akt, der öffentlich stattfinden musste und, unter Mitwirkung eines Priesters, von einem Magistrat mit imperium, dem Kaiser oder einem von diesem Beauftragten durchgeführt wurde.169

169 Kierdorf 1986, 46–49; vgl. Clauss 2001, 356 ff.

4.1 Vorbemerkungen und Erläuterungen zum Kapitel imperia caesarum

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4.1.2 Wie werden die Regierungsdaten kommentiert? Wie im Vorwort ausgeführt, erschien 2014 die detaillierte Untersuchung von R. W. Burgess über die in der Stadtchronik verzeichneten Regierungsdaten. Es erschien mir notwendig, nicht einfach auf die von Burgess erzielten Ergebnisse zu verweisen, sondern mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dabei entschied ich mich für folgende Vorgehensweise: Hinsichtlich der Regierungszeiten bis einschließlich Marc Aurel überprüfe ich, ob Burgess’ Ergebnisse einer Ergänzung bedürfen bzw. ob es Alternativen zu ihnen gibt. Es handelt sich zwar nur um 18 der 58 Herrscher, die in der Kaiserliste der Stadtchronik verzeichnet sind, aber die Regierungszeit dieser 18 Herrscher deckt 228 von insgesamt 372 Jahren ab (48 v. Chr. bis zur Abdankung des Licinius 324 n. Chr.). Bei jedem dieser 18 Kaiser fasse ich zunächst die von Burgess vorgelegten Ergebnisse zusammen. Diese basieren auf zahlreichen Quellen, welche die Regierungsdauer des jeweiligen Herrschers angeben. In der Regel handelt es sich um solche Quellen, die Burgess als „Relevant Chronologies“ bezeichnet. Ich behalte bei der gekürzten Wiedergabe seiner Ergebnisse seine Terminologie bei, z. B. Breviarium Vindobonense. Als nächste Arbeitsschritte folgen, falls nötig, Ergänzungen sowie Hinweise darauf, ob es Alternativen zu Burgess’ Einschätzung gibt, und ein abschließendes Fazit. Da der Kommentar aber nicht allzu umfangreich und unübersichtlich werden sollte, nehme ich bei allen Nachfolgern des Marc Aurel zwar ebenfalls auf die von Burgess erzielten Ergebnisse Bezug, fasse mich jedoch wesentlich kürzer als zuvor. Für die Regierungszeiten aller Kaiser gilt: Der Kommentar fällt immer dann besonders ausführlich aus, wenn ein methodisches Problem ins Blickfeld gerät, das sich aus Burgess’ Zielsetzung ergibt: Er ist in erster Linie daran interessiert, festzustellen, welche Regierungsdaten durch Quellenaussagen am besten belegt sind, und weniger daran, ob das, was die Quellen aussagen, den Tatsachen entspricht. Am Ende seines Einführungsteils erläutert er dies näher: Finally, I must note that this is not an historical study, but rather an historiographical study. I am interested chiefly in what the sources say happened rather than what actually happened. So when I say, ‘Nero committed suicide on 9 June’, or ‘Maximinus Thrax was proclaimed emperor by the senate on 23 March’, I am delivering the verdict of the sources. Historians must then take any such statement and weight it against any other evidence that may exist to determine its historical accuracy. (Burgess 2014, 38)

4.1.3 Berechnungsprobleme bei den Regierungsdaten Bei der Datierung des Regierungsbeginns eines Kaisers kamen für antike Autoren drei Möglichkeiten in Betracht, nämlich der Todestag des Vorgängers, die Akklama-

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B) 4. Item imperia caesarum

tion zum imperator durch das Heer bzw. durch Heeresteile (z. B. die Prätorianer), oder die offizielle Anerkennung durch den Senat. Die Regierungsdauer konnte dann ebenfalls auf drei oft unterschiedliche Termine hin berechnet werden: den Tod des Regierenden, die Akklamation des Nachfolgers durch das Heer oder die Anerkennung des neuen Augustus durch den Senat. Der regierende Kaiser wählte als dies imperii, d. h. den Tag seines alljährlich gefeierten Regierungsbeginns, entweder den Tag seiner Anerkennung durch den Senat (belegt z. B. bei Caligula) oder den Tag, an dem ihn Heeresteile zum imperator ausriefen (belegt z. B. bei Vespasian).170 Antike Historiker berechneten die Dauer seiner Regierung dann oft von seinem dies imperii bis zum dies imperii des Nachfolgers. Manchmal jedoch auch vom Tod des A (in der Annahme, dies sei zugleich der dies imperii des B) bis zum Tod des B, oder bis zum dies imperii des C; auf letztere Art scheint der Autor der Stadtchronik die Regierungszeit des Tiberius berechnet zu haben (s. u. S. 114). Diskrepanzen in den Aussagen antiker Quellen über die Regierungsdauer des jeweiligen Herrschers resultieren häufig daraus, dass unterschiedliche Ausgangsdaten für die Berechnung gewählt wurden. Für den Historiker ist dies v. a. hinsichtlich der Regierungszeiten im 3. Jh. nicht selten schwer nachvollziehbar, da sich diese oft überlappen. Ein weiteres Problem ergibt sich durch unterschiedliche Methoden, nach denen in der Antike, speziell von römischen Historikern, Jahre, Monate und Tage gezählt wurden. Diese Schwierigkeiten erläutert Burgess ausführlich,171 da die Stadtchronik im Unterschied zu mancher anderen antiken Quelle die jeweilige Regierungsdauer bis auf den Tag genau anzugeben pflegt. Beim Quellenvergleich treten v. a. hinsichtlich der Zahl der Tage bisweilen Diskrepanzen auf, die aus der unterschiedlichen Zählweise resultieren. Auf dieses Problem ist Ludwig Holzapfel 1912 sehr detailliert eingegangen:172 Wenn wir heute eine Zeitdauer zwischen zwei Ereignissen angeben, also z. B. die Zeit vom 2. Mai bis zum 20. Mai, zählen wir den Tag, von dem aus gezählt wird, üblicherweise nicht mit: Vom 2. bis zum 20. Mai vergehen 20 minus 2, also 18 Tage. Das Ausgangsdatum, im Beispiel der 2. Mai, wurde jedoch von antiken Schriftstellern häufig mit eingerechnet, so dass ihr Resultat „19 Tage“ lautet. Holzapfel nannte das erste, heute übliche, Verfahren „kompensativ“, die zweite Zählweise „inklusiv“. Gelegentlich wurden in der Antike auch nur die vollen Tage gezählt, Anfangs- und Endtermin hingegen nicht mitgerechnet; Holzapfel nannte diese Zählweise „exklusiv“. Burgess übernimmt weitgehend die Terminologie Holzapfels, verwendet aber statt des Terminus „kompensativ“ die Bezeichnung „normal“, da es sich um das heute übliche Verfahren einer einfachen Subtraktion handle. Ich schließe mich seiner Wortwahl (normal, inklusiv, exklusiv) an, da sie mir logisch erscheint. Wenn in der vorliegenden

170 Die Kaiser zählten ihre Regierungsjahre offiziell nach der tribunicia potestas. Deren erstmalige Verleihung wurde auf den dies imperii datiert; erneuert wurde die tribunicia potestas ab Traian regelmäßig am 10. Dezember. Vgl. Schulten, Dies imperii , in: RE 5,1 (1903) 477 f.; Kienast 2017, 28 f. 171 Burgess 2014, 34–36. 172 Holzapfel 1912, 483 f.

4.1 Vorbemerkungen und Erläuterungen zum Kapitel imperia caesarum

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Arbeit bei der Angabe einer Regierungsdauer die Zahl der Tage nicht eindeutig angegeben wird, also z. B. „9/10 Tage“, entspricht die erste Zahl der normalen, die zweite der inklusiven Zählung. 4.1.4 Die congiaria 4.1.4.1 Erläuterung des Begriffs In der Zeit der römischen Republik bedeutete congiarium (abgeleitet von congius, einem röm. Maß für Flüssigkeit, welches 3,275 l entsprach) ursprünglich ein Quantum Wein oder Öl, das in der Regel von einem Magistrat oder einem Kandidaten als Zeichen seiner Freigebigkeit (liberalitas) an bestimmte Personen verschenkt wurde.173 Später wurde es üblich, diese Naturalgeschenke durch Geld zu ersetzen. Caesar war der erste, der Geldspenden an die gesamte plebs urbana verteilte. Von nun an verstand man unter dem Begriff congiarium eine derartige Spende an die Plebs. Im Lauf des 2. Jh. n. Chr. wurde dann der Terminus liberalitas, im 4. Jh. largitio geläufig. Geldspenden an Soldaten wurden donativum genannt. Die Unterscheidung zwischen congiari­ um und donativum ist gut bezeugt durch Tac. ann. 12,41 (donativum militi, congiarium plebei) und Suet. Nero 7,2 (populo congiarium, militi donativum); nur in seltenen Fällen wurde nicht so streng differenziert.174 Das Recht, ein congiarium oder donativum im eigenen Namen oder im Namen eines anderen, z. B. des Thronfolgers, zu verteilen, kam ausschließlich dem princeps zu; dieser suchte damit zu verhindern, dass ein anderer zu einem ernsthaften Rivalen um die Volksgunst werden konnte. Allmählich aber wurde die Vergabe der Spenden zu einer vom Volk erwarteten Pflichtleistung. Übliche Anlässe für congiaria waren unter anderem „Regierungsübernahme, Hochzeitsfeierlichkeiten, Designierung des Nachfolgers und Regierungsjubiläen […], wohl gemerkt alles Anlässe, die den Herrscher und sein Haus betreffen und nicht von der besonderen Notlage des Volkes bestimmt werden“ (Kloft 1970, 92). Vor allem beim Regierungsbeginn wurde ein congiarium erwartet; vgl. die Aussage der Stadtchronik über Galba: cong. promisit sed non dedit. Die von Helmut Berve vertretene These, mit liberalitas und congiarium seien unterschiedliche Arten von Spenden bezeichnet worden,175 gilt inzwischen als widerlegt. Seit der Zeit des Augustus verstand man unter congiarium immer eine außerordentliche Geldspende des Kaisers an das Volk; da sie ein Zeichen für die

173 174 175

Belegt z. B. bei Liv. 25,2,8 (congii olei). Zu Herkunft und Bedeutung des Begriffs congiarium: Rostovtzeff, Congiarium, in: RE 4,1 (1900) 875–880; Corbier, Congiarium, in: DNP 3 (1997) 125; vgl. Kloft 1970, 85–93. Zu congius s. Mlasowsky, Congius, in: DNP 3 (1997) 126. Vgl. Pierre Bastien, Monnaie et donativa au Bas-Empire. Numismatique romaine. Essais, recherches et documents VII, Wetteren 1988, 7. Berve, Liberalitas, in: RE 13,1 (1926) 82 ff.

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kaiserliche Tugend der liberalitas war, konnte sie auch, v. a. in Münzlegenden, liberali­ tas genannt werden.176 4.1.4.2 Der Kreis der Empfänger Das Recht, ein congiarium zu erhalten, hatte nicht jeder Einwohner Roms, sondern de facto nur derjenige Teil der plebs, der auch kostenlos Getreide bei den frumentationes erhielt. Diesen Sachverhalt belegen folgende Quellen: – Cass. Dio 43,21,3 (congiarium Caesars 46 v. Chr.); – die RgdA 15,20 (im Jahr 2 v. Chr. vergab Augustus ein congiarium an jenen Teil der Plebs, quae tum frumentum publicum accipiebat); – Cass. Dio 55,10,1 (Spende des Augustus 2 v. Chr.); – Cass. Dio 60,25,7 (congiarium des Claudius 45 n. Chr.); – Cass. Dio 76,1,1 (congiarium des Septimius Severus 202 n. Chr.). Nicht die Bedürftigkeit war das Kriterium, das zum Empfang des frumentum publicum oder eines congiarium berechtigte, sondern beides konnte nur erhalten, wer sowohl das römische Bürgerrecht besaß als auch seinen Wohnsitz in Rom hatte, d. h. der po­ pulus Romanus. Zu diesem gehörte zwar auch die Oberschicht, also die Nobilität und die equites, aber diese hatten es nicht nötig, Gebrauch von ihrem Recht zu machen; 2 v. Chr. schloss Augustus die beiden oberen Stände offiziell aus dem Kreis der Empfänger aus. So konnte populus zum Synonym für die plebs frumentaria werden; daher bezeichnet Sueton die Empfänger eines congiarium stets als populus.177 Zur plebs fru­ mentaria zählten seit den Regelungen, die Augustus ab 2 v. Chr. vornahm, 150 000 bis ca. 200 000 Männer.178 Dass nur (erwachsene) Männer berechtigt waren, ein congiari­ um zu empfangen, geht u. a. aus dem in den Quellen häufig auftauchenden Hinweis hervor, die Auszahlung sei viritim erfolgt.179 Augustus nennt in seinen Res Gestae die Empfänger seiner congiaria anfangs plebs Romana, für die Spenden ab 5 v. Chr. wählt er die Bezeichnung plebs urbana. In der Forschung wurde kontrovers diskutiert, ob mit diesen Bezeichnungen unterschiedliche Gruppen gemeint sind. Laut van Berchem bezeichneten die Begriffe plebs frumentaria, plebs urbana und plebs Romana denselben Teil des Volkes, Yavetz hingegen sieht in der plebs urbana nur einen Teil der plebs Romana; zu letzterer gehörten seiner Ansicht nach auch die Nichtbürger.180 Kienast 1996, 43 f. Ähnlich argumentieren Rostowzew, Congiarium, in : RE 4,1 (1900) 879; Berchem 1939, 125 f. ; Kloft 1970, 88 f. Ab dem Jahr 167 n. Chr. wird der Begriff congiarium in Münzlegenden durch liberalitas ersetzt; s. dazu Schmidt-Dick 2008, 112 f. 177 Beispiele: Suet. Iul. 38,2; Aug. 41,2; Tib. 20,1; Cal. 17,2; Claud. 21,1. Vgl. Yavetz 1969, 145. Yavetz wendet sich gegen van Berchems These (1939, 55 f.), die Oberschicht sei von Anfang an nicht zu den frumentationes zugelassen gewesen. 178 RgdA 15,21; Cass. Dio 55,10,1; 76,1,1. Vgl. Berchem 1939, 30; Virlouvet 1991, 43–50, 55–62. 179 Beispiele: RgdA 15 (mehrfach); Suet. Iul. 38,1; 83,2; Tib. 20,1. 180 Berchem 1939, 23, 26, 94 ; Yavetz 1987, 165. 176

4.1 Vorbemerkungen und Erläuterungen zum Kapitel imperia caesarum

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Dass Latiner, peregrini und Sklaven nicht zur plebs urbana gehörten, betont auch van Berchem, glaubt aber, diese Gruppen seien als plebs sordida (Tac. hist. 1,4) oder plebs infima (Suet. Otho 7) bezeichnet worden; doch Yavetz widerspricht dieser These und meint, die beiden Bezeichnungen hätten lediglich die Einstellung des antiken Autors zu einem bestimmten Verhalten der plebs zum Ausdruck bringen sollen.181 Ich stimme Yavetz in diesem Punkt zu, kann aber bei ihm keine überzeugende Widerlegung der These van Berchems erkennen, mit plebs urbana und plebs Romana sei dieselbe Gruppe gemeint. Denn folgt man Yavetz’ Argumentation von 1987, wäre die plebs Romana die wesentlich größere Gruppe und die plebs urbana nur deren privilegierter Teil. Prüft man aber die Aufzählung der congiaria in den RgdA 15,7–21, ist bei den ersten vier Spenden von 250 000 Angehörigen der plebs Romana die Rede, danach von 320 000 aus der plebs urbana. Unstrittig ist, dass sich die Bezeichnung plebs urbana auf jenen privilegierten Teil der plebs bezog, welcher unentgeltliche frumentationes sowie congia­ ria in Empfang nehmen durfte. Mit Sicherheit war dies keine sozial homogene Gruppe. So lässt Hor. Epist. 1,1,57–59 darauf schließen, dass in der Zeit des Horaz, also in den ersten Jahrzehnten des Principats, jene römischen Bürger zur plebs urbana zählten, die den census von 400 000 Sesterzen nicht überschritten, ob es nun Wohlhabende waren mit einem Vermögen von 300 000 Sesterzen oder Besitzlose.182 Über die Zugehörigkeit zu der privilegierten Gruppe der plebs urbana wurden Bürgerlisten geführt, aus denen Caesar 46 v. Chr. mehr als die Hälfte der darin Verzeichneten bis auf ca. 150 000 strich.183 Danach stieg die Anzahl der Berechtigten bis zum Jahre 5 v. Chr. aber wieder auf 320 000 an (RgdA 15,15 f.), v. a. weil zahlreiche freigelassene Sklaven hinzugekommen waren, wie aus Suet. Aug. 42,2 hervorgeht. Augustus sah sich gezwungen, die Listen der incisi184 für sein congiarium des Jahres 2 v. Chr. wieder auf 200 000 Berechtigte zu reduzieren (Cass. Dio 55,10,1). Die Kriterien für diesen recensus sind nicht genau bekannt.185 Möglicherweise stand die Regelung im Zusammenhang mit der 7 v. Chr. abgeschlossenen Neueinteilung Roms in 14 regiones.186 Vermutlich strich Augustus einige Jahre nach dem congiarium des Jahres 2 v. Chr. nochmals 50 000 aus den Listen der

181 182 183 184 185 186

Berchem a. a. O. 60 ; Yavetz 1969, 7, 144, 148. Vgl. Yavetz 1987, 166. Suet. Iul. 41,3 ; Cass. Dio 43,21,4. Vgl. Kloft 1970, 90; bzgl. des Begriffs incisus verweist Kloft u. a. auf CIL VI 10228: Incisus ingenus qui accepit congiarium. Dass Senatoren und Ritter vom Spendenempfang ausgeschlossen wurden (s. o. S. 80; vgl. Kienast 2009, 199 f.), konnte nicht allein zu einer derart massiven Reduzierung führen. Die Datierung ergibt sich aus Cass. Dio 55,8,7; vgl. Suet. Aug. 30,1. Volkmann (1957, 28) glaubt, mit der Neufestlegung der Stadtgrenze könne erklärt werden, warum für die beiden congiaria 5 und 2 v. Chr. die Bezeichnung plebs urbana statt plebs Romana gewählt wurde. Aber angesichts der oben genannten Empfängerzahlen fällt es schwer, dies nachzuvollziehen.

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Empfangsberechtigten, denn 15 n. Chr. wurde die Summe, die der princeps dem Volk vermacht hatte, an nur ca. 150 000 Angehörige der plebs urbana verteilt.187 Hans Kloft macht auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: Dass der Kaiser über die festumrissenen congiaria hinaus hin und wieder in formlosen Spenden auch die übrigen Angehörigen des römischen Volkes bedachte, ist denkbar und möglich, wenn es auch von den Quellen her so gut wie unmöglich ist, beide Arten auseinander zu halten. (Kloft 1970, 91)

Solche „formlosen Spenden“ überliefern die RgdA 18,40–43, allerdings ist die lateinische Inschrift hier stark beschädigt. Lesbar ist immerhin, dass Augustus ab 18 v. Chr. in wirtschaftlichen Krisenzeiten zusätzlich zu den in den RgdA 15,7–21 aufgezählten congiaria noch weitere Getreide- und Geldspenden an mehr als 100 000 Angehörige der plebs verteilen ließ. Statt congiarium steht hier ein anderes Wort, von dem nur t als erster Buchstabe erhalten ist; als Konjektur wurde tributus oder tesseras vorgeschlagen. Offenbar erhielten nun auch solche Einwohner Roms aus den unteren Schichten Geld- und Getreidespenden, die bisher nicht zu den incisi mit einem Anrecht darauf gehört hatten.188 Auf eben diese Maßnahmen bezieht sich vermutlich Suet. Aug. 41,2: Augustus habe bei einem seiner Geldgeschenke auch solche Knaben bedacht, die noch nicht 11 Jahre alt waren; des Weiteren habe er sehr billig oder auch kostenlos Getreide verteilt und außerdem die Berechtigungsmarken für Geldspenden verdoppelt (tesserasque nummarias duplicavit). Unter Nero wurde der Kreis der zur frumentatio Berechtigten auf die Prätorianer ausgedehnt (Tac. ann. 15,72,1; Suet. Nero 10,1). Durch Cass. Dio 76,1,1 ist überliefert, Septimius Severus habe im Jahr 202 ein congiarium von 250 Denaren pro Kopf verteilen lassen und die Gesamtkosten hätten 50 Mio. Denare betragen. Folglich muss es zu Beginn des dritten Jh. ca. 200 000 Empfangsberechtigte gegeben haben. 4.1.4.3 Warum hatten die congiaria aus der Sicht des Verfassers der Stadtchronik eine so große Bedeutung? Die liberalitas galt als eine der wichtigsten Herrschertugenden.189 Vom Kaiser wurde erwartet, dass er seine Großzügigkeit unter Beweis stellte, indem er in Rom nicht nur für die opera publica und die Abhaltung der beliebten ludi sorgte, sondern der römischen Plebs auch hohe Summen spendete. Damit lässt sich erklären, warum der Verfasser der Stadtchronik die Höhe der kaiserlichen congiaria mitteilt und auch explizit vermerkt, wenn eine derartige Spende, obwohl versprochen, nicht ausbezahlt wurde. Er verzeichnet bereits bei den reges Romanorum in drei Fällen (Romulus, Numa Pompilius, 187 188 189

Die Zahl der Empfänger lässt sich berechnen aus Tac. ann. 1,8,3; Suet. Aug. 101,2; Cass. Dio 57,14,2. Zur These, dass Augustus einen zweiten recensus vornahm, s. Virlouvet 1991, 45–48. Vgl. Kloft 1970, 75 Anm. 8. Kloft 1970, 85 ff.

4.1 Vorbemerkungen und Erläuterungen zum Kapitel imperia caesarum

83

Marcius Philippus) congiaria und donativa. Bei den Kaisern erwähnt er weder donativa noch Sachspenden (zu diesen gehörten v. a. frumentationes, also Getreidezuteilungen), noch testamentarische Spenden, sondern nur die Höhe der congiaria. Die jeweilige Summe wird ausschließlich in Denaren angegeben, d. h. durch das Wertzeichen X. Im Unterschied dazu verwendet Sueton, wenn er congiaria erwähnt, die Währungseinheit Sesterzen (ein Sesterz entsprach ¼ Denar), Cassius Dio die (attische) Drachme, die dem römischen Denar gleichzusetzen ist. Die Soldaten erhielten nicht selten Tausende von Denaren als donativum, z. B. von Caesar im Jahr 46 v. Chr. 5000 oder 6000 Denare pro Kopf ; Claudius und Nero gaben jedem Prätorianer nach der Kaiserakklamation ein donativum von 3750 Denaren.190 Im Vergleich zu diesen Summen erscheint Caesars congiarium 46 v. Chr. über 100 Denare gering. Eine Spende in dieser Höhe entsprach jedoch bei einem Mann aus der Unterschicht den Einkünften mehrerer Monate, wie aus Tac. ann. 1,17 geschlossen werden kann: Demnach erhielten die meisten Legionäre um 14 n. Chr. wesentlich weniger als einen Denar Sold pro Tag. Man darf annehmen, dass ein einfacher Legionär deutlich mehr verdiente als ein durchschnittlicher römischer Tagelöhner aus der plebs urbana. 4.1.4.4 Woher kamen die Gelder für die congiaria? Augustus legte Wert auf die Feststellung, dass die Summen vor allem aus seinem (ererbten) Besitz (ex testamento patris mei, ex patrimonio meo) stammten und daneben aus Beutegeldern (ex bellorum manibiis), die dem siegreichen Feldherrn zustanden (RgdA 15,7–9). Die Unterscheidung zwischen kaiserlichem Privatvermögen und Staatsgeldern spielte jedoch unter den Nachfolgern des Augustus zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung keine wesentliche Rolle mehr: Zum einen ging das materielle Erbe des Augustus schon bald, wahrscheinlich bereits beim Regierungsantritt Caligulas, in den Besitz des jeweils regierenden princeps über und wurde damit sozusagen verstaatlicht.191 Zum anderen weist Hans Kloft nach, dass schon unter Augustus und verstärkt bei dessen Nachfolgern nach allgemeiner Ansicht der Kaiser als Herr aller Kassen galt. Kloft räumt ein, dass sich bzgl. der Abgrenzung der einzelnen Ressorts (aerarium – fi­ scus – patrimonium) eine reiche Spezialliteratur gebildet habe, stellt jedoch fest, dass die Nachfolger des Augustus auch dann wegen ihrer liberalitas gerühmt wurden, wenn sie für congiaria und andere Spenden Geld aus staatlichen Kassen verwendeten. 192

190 Zum donativum Caesars: Cass. Dio 43,21,3; Suet. Caes. 38,1. Zum donativum des Claudius und demjenigen Neros: Suet. Claud. 10,4; Tac. ann. 12,69,1; Cass. Dio 61,3,1. 191 Heinz Bellen, Die „Verstaatlichung“ des Privatvermögens der römischen Kaiser im 1. Jh. n. Chr., in: ANRW II 1 (1974) 93 ff. 192 Kloft 1970, 129–136.

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4.1.4.5 Wie wurde die Verteilung der congiaria praktisch durchgeführt? Rostowzew (Schreibweise in RE 4,1, Art. Congiarium: Rostovtzeff) kam bei seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass seit der Zeit des Augustus münzähnliche Marken, sogenannte tesserae frumentariae und tesserae nummariae, verteilt wurden, die den Empfangsberechtigten das Recht gaben, ein Quantum Getreide oder eine Geldsumme in Empfang zu nehmen. Für Herstellung und Verteilung der aus Blei oder aus Bronze bestehenden Marken seien spezielle Beamte zuständig gewesen.193 Die Arbeiten Rostowzews gelten noch heute als richtungsweisend,194 aber Aussehen und Handhabung der tesserae frumentariae und tesserae nummariae sind in der Forschung umstritten.195 Die mit Hilfe der tesserae nummariae durchgeführte Verteilung eines congiarium war ein feierlicher Akt, der oft von dem princeps selbst geleitet wurde und mehrere Tage dauern konnte.196 Der Ort, an dem dies geschah, musste angesichts der Tausende von Empfangsberechtigten Platz für sehr viele Menschen bieten. So ist durch HA Comm. 2,1 überliefert, dass das sechste congiarium des Marc Aurel in der Basilica Ulpia verteilt wurde, einem fast 170 Meter langen und 60 Meter breiten Gebäude.197 4.2 Vergleichsquellen Das Kapitel Imperia Caesarum enthält Angaben zu 58 römischen Herrschern, die in einem Zeitraum von ca. 370 Jahren (48 v. Chr. bis 325 n. Chr.) regierten. Ein Verzeichnis der vorwiegend literarischen Vergleichsquellen, die insgesamt für den historischen Kommentar herangezogen wurden, befindet sich im Anhang. Um die Aussagen der Stadtchronik bzgl. der kaiserlichen congiaria kritisch prüfen zu können, war zusätzlich eine große Anzahl numismatischer Zeugnisse, meist Münzlegenden, zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Münzbeschreibungen orientiert sich der Kommentar hauptsächlich an den seit 1923 erschienenen RIC-Bänden. Was die Papyri und Inschriften betrifft, deren Auswertung sich für die Forschungsliteratur insbesondere bei der Untersuchung mancher Regierungsdaten als relevant erwiesen hat, gebe ich entsprechende Hinweise im Rahmen der Berichte über die jeweiligen Forschungsergebnisse. Nur der unter dem Namen Feriale Duranum bekannte Papyrus wird schon hier kurz beschrieben, da mehrfach auf ihn Bezug genommen wird. Im Folgenden gehe ich auf die für das Kapitel Imperia Caesarum wichtigsten Vergleichsquellen ein: eine größere Anzahl literarischer Quellen, außerdem die Fasti Ostienses, die Akten der Fratres Arvales, das Feriale Duranum sowie die Regionenverzeichnisse Curiosum und Notitia. 193 Rostowzew 1906, 4, 10–14. 194 Kloft 1970, 90; Maderna-Lauter 1993, 341. 195 Maderna-Lauter 1993, 342; Catherine Virlouvet, Plombs romaines monétiformes et Tesserès frumentaires. A propos d’une confusion. In: Revue numismatique 30, 1988, 120–148. 196 Rostowzew 1906, 14–22. 197 Coarelli 2013, 140.

4.2 Vergleichsquellen

85

Die Fasti Ostienses Darunter ist ein fragmentarisch erhaltener Marmorkalender zu verstehen, dem eine Liste der römischen Konsuln und Suffektkonsuln sowie der für Ostia zuständigen duumviri beigefügt wurde. Erhalten sind Fragmente aus dem Zeitraum 49 v. Chr. bis 175 n. Chr. Die Liste wurde durch zahlreiche historische Notizen (z. B. Todesfälle und andere Ereignisse im Kaiserhaus, Triumphe, congiaria) erweitert; sie ähnelt dadurch einer Chronik. Vor allem aufgrund der historischen Notizen zählen die Fasti Ostienses zu den bedeutendsten lateinischen Inschriften.198 Die Akten der Fratres Arvales199 Die Arvales Fratres waren eine bis ins 3. Jh. n. Chr. bestehende Bruderschaft von zwölf Priestern senatorischen Ranges; auch die Kaiser selbst waren Mitglieder. Die berühmten acta bzw. commentarii der Bruderschaft wurden alljährlich auszugsweise in Marmortafeln eingemeißelt und sind dadurch teilweise erhalten. In den Inschriften wurden v. a. Opferhandlungen festgehalten, z. B. bei Regierungsantritt des Kaisers, bei Konsekrationen, Rückkehr von Feldzügen etc. Die jüngsten gefundenen acta stammen aus dem Jahr 241 n. Chr. Das Feriale Duranum Bei diesem Papyrus handelt es sich um einen zu zwei Dritteln erhaltenen römischen Festkalender aus der Regierungszeit des Kaisers Severus Alexander. Er stammt aus Dura-Europos, einer in der Provinz Mesopotamia gelegenen Garnisonsstadt. Der Papyrus verzeichnet nicht nur die aktuellen Feste des regierenden Kaisers, sondern auch die dies natales und dies imperii der divinisierten Vorgänger.200 Die Regionenverzeichnisse Curiosum und Notitia Das handschriftlich überlieferte Regionenverzeichnis ist zweifellos die ausführlichste Quelle für die administrative Gliederung und den Bautenbestand des antiken Rom.201 Es ist in zwei Fassungen überliefert, Curiosum und Notitia genannt, welche auf ein Original zurückgehen, das mutmaßlich kurz nach Constantins Sieg über Maxentius 312 n. Chr. entstanden ist. Die Fassungen Cur. und Not. ordnen die bedeutenden Bauwerke der Hauptstadt den 14 von Augustus eingerichteten Stadtbezirken (regiones) zu. Über Zweck und Datierung der beiden erhaltenen Fassungen konnte bisher in der Forschung kein Konsens erzielt werden.202 Die Stadtchronik erwähnt zahlreiche Bau198 199 200 201 202

Zum Inhalt der FOst und zu ihrer Bedeutung für die Forschung: Brehmer, Fasti Ostienses, in: DNP 4 (1998) 439; Rüpke 1997, 71 f. Zu dieser Institution: Scheid, Arvales fratres, in: DNP 2 (1997) 67–69; Eisenhut, Arvales fratres, in: KL P 1 (1979) 629–631. Herz, Feriale Duranum, in: DNP 4 (1998) 480 f. M. Fuhrmann in HLL 5 (1989) § 520. Vgl. hierzu und zur Datierung der Urfassung die Beschreibung bei Behrwald 2009, 185–205.

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werke Roms, daher sind die beiden Fassungen des Regionenverzeichnisses wichtige Vergleichsquellen. Manches spricht dafür, dass ihre gemeinsame Urfassung vom Autor der Stadtchronik als Informationsquelle ausgewertet wurde (s. u. S. 163). 4.2.1 Die wichtigsten literarischen Quellen Im Hinblick auf die Zeiträume, über welche die literarischen Quellen Aussagen machen, gliedere ich sie in fünf Gruppen. Innerhalb dieser Gruppen sind die Quellen chronologisch geordnet. Die ersten vier Gruppen sind wiederum bestimmten Kaisergruppen zugeordnet, wobei sich deren Gliederung am üblichen Schema orientiert: Gruppe 1: vom iulisch-claudischen Haus bis zum Ende der Flavier 96 n. Chr.; Gruppe 2: von den Adoptivkaisern bis zum Ende der Severer 235 n. Chr.; Gruppe 3: Zeit der Soldatenkaiser bis zu Carus, Carinus und Numerianus; Gruppe 4: Zeit Diokletians und der Tetrarchie bis Licinius. Gruppe 5: Die Quellen der Gruppe 5 wurden im 4. Jh. n. Chr. oder später verfasst. Die meisten von ihnen können über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg zum Vergleich herangezogen werden: Chronik des Eusebius (Karsts Übersetzung der armenischen Version sowie die lateinische Übersetzung und Ergänzung durch Hieronymus); Series regum; Kirchengeschichte des Eusebius; Natales Caesarum; Aurelius Victor; Eutropius; Epitome de Caesaribus; Consularia Constantinopolitana; Orosius; Zosimos; Malalas; Chronicon paschale; Synkellos; Cedrenus; Zonaras. Gruppe 1 (vom iulisch-claudischen Haus bis zum Ende der Flavier 96 n. Chr.) Flavius Josephus203 Geboren wurde er 37 oder 38 n. Chr. als Joseph, Sohn des Matthias, Angehöriger einer jüdischen Priesterfamilie. Nachdem er im Jahr 69 aus römischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, nahm er den Gentilnamen des neuen Kaisers Vespasian an und hieß von nun an Iosephos Flavios, meist Flavius Josephus genannt. In Rom entstanden seine bedeutenden Geschichtswerke: Das Bellum Iudaicum, zunächst auf Aramäisch, 79–81 auf Griechisch verfasst, schildert den Verlauf des Jüdisch-Römischen Krieges 66–74; die Antiquitates Iudaicae, 93/94 auf Griechisch verfasst, behandeln die Geschichte der Juden bis zum Ausbruch des Aufstands gegen die Römer im Jahr 66 n. Chr. Beide Werke enthalten Aussagen über römische Kaiser, u. a. über deren Regierungszeiten. Flavius Josephus starb um das Jahr 100.

203 Zu Leben und Werk des Flavius Josephus: Bloch, Iosephos Flavios (Flavius Josephus), in: DNP Suppl. 7 (2010) 397–406.

4.2 Vergleichsquellen

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Plutarch Der griechische Schriftsteller aus Chaironeia, der von ca. 45 bis 125 n. Chr. lebte, verfasste sowohl philosophische als auch historisch-biographische Werke. Zu den letzteren gehören die wahrscheinlich unter den Flaviern veröffentlichten Caesarenviten und die nach 96  n. Chr. begonnenen parallelen Lebensbeschreibungen großer Griechen und Römer.204 Als Vergleichsquelle hinsichtlich der Stadtchronik eignen sich primär die Caesarenviten, von denen allerdings nur jene des Galba und des Otho vollständig erhalten sind; zu Tiberius und Nero existieren lediglich Fragmente. Der Quellenwert der Parallelbiographien ist insofern eingeschränkt, als sich Plutarch nicht als Historiker betätigen, sondern beispielhafte Charaktere beschreiben wollte.205 Auch in seinen popularphilosophischen Schriften (lateinische Bezeichnung: Moralia) findet man gelegentlich Aussagen über einzelne Kaiser, so z. B. in einer Abhandlung über Gesundheitsregeln (lateinischer Name: De tuenda sanitate praecepta) eine Bemerkung über den Tod des Titus. Tacitus206 Cornelius Tacitus (ca. 55–120 n. Chr.) gilt v. a. aufgrund der hohen stilistischen Qualität und des Detailreichtums seiner auf Latein verfassten Werke als der bedeutendste römische Historiker der frühen Kaiserzeit. Unter den flavischen Kaisern wurde er Senator, im Jahr 88 bekleidete er die Praetur und ab ca. 98 n. Chr. verfasste er seine Geschichtswerke, in denen er die Alleinherrschaft aus der Perspektive eines Vertreters der senatorischen Oberschicht kritisierte. Wichtige Vergleichsquellen für Angaben der Stadtchronik sind sowohl die ca. 105 bis 109 n. Chr. entstandenen Historiae als auch das meist Annales genannte Werk Ab excessu Divi Augusti, an dem Tacitus ungefähr von 110 bis 120 n. Chr. arbeitete. Die Annales behandeln die Zeit vom Regierungsbeginn des Tiberius bis zum Tod Neros, sind aber nicht vollständig überliefert, sondern enthalten Lücken hinsichtlich der Jahre 29–31, 37–47 und 66–68 n. Chr. Die erhaltenen Teile der Historiae behandeln die Jahre 69 bis 70 n. Chr. Sueton207 C. Suetonius Tranquillus (geboren ca. 70, gestorben nach 122/erst um 140  n. Chr.?) wurde unter Traian hoher Verwaltungsbeamter in Rom und stieg unter Hadrian zum Leiter der kaiserlichen Kanzlei auf. Das bekannteste seiner zahlreichen literarischen Werke sind die unter dem Titel De vita Caesarum libri octo erschienenen zwölf Biogra204 Zu Leben und Werk des Plutarch: Pelling u. a., Plutarchos (2), in: DNP 9 (2000) 1159–1175; Ziegler, Plutarchos, in: RE 21,1 (1951) 636–962 (insbesondere Sp. 895–910). 205 Ziegler, RE a. a. O. 903–910. 206 Zu Leben und Werk des Tacitus: Albrecht, römische Literatur Bd. 2 (32012) 926–969 (insbesondere die Seiten 926–933); Flaig, Tacitus [1], in: DNP 11 (2001) 1209–1214. 207 Zu Leben und Werk Suetons: Albrecht, röm. Lit. Bd. 2 (32012), 1192–1207; Sallmann, Suetonius [2], in: DNP 11 (2001), 1084–1088; Sallmann/Schmitt in HLL 4 (1997) § 404 (insbesondere S. 44–49).

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phien römischer Herrscher von Caesar bis Domitian. Hinsichtlich der entsprechenden Angaben in der Stadtchronik zählen die fast vollständig erhaltenen Viten Suetons zu den wichtigsten Vergleichsquellen. Während seine Kaiserbiographien früher oft abwertend in die Nähe der Unterhaltungsliteratur gerückt wurden, schätzt man in der neueren Forschung ihren Quellenwert als relativ hoch ein, unter anderem auch deshalb, weil Sueton aufgrund seiner beruflichen Funktionen Zugang zu staatlichen Archiven und Einblick in die kaiserliche Korrespondenz hatte. Theophilus von Antiochia208 Theophilus war von 169 bis zu seinem Tod um 183 n. Chr. Bischof von Antiochia. Er verfasste mehrere christlich geprägte Werke, von denen aber nur die Apologie Ad Au­ tolycum (griech. Originaltitel: Πρὸς Αὐτόλυκον) erhalten ist. Der zweite Teil von Buch 3 dient der chronologischen Absicherung der Argumentation; hier greift Theophilus v. a. auf Flavius Josephus zurück und bietet in Kapitel  27 eine Chronologie, welche auch die Regierungszeiten römischer Kaiser bis zum Tod Marc Aurels angibt. Clemens von Alexandria209 Titus Flavius Clemens (ca. 140–220 n. Chr.) war Ende des 2. Jh. über Jahre hinweg Leiter der Katechetenschule in Alexandria und verfasste mehrere christliche Schriften in griechischer Sprache. Sein Hauptwerk sind die sieben Bücher der Stromata (richtiger: Stromateis; mit vollem Titel Teppiche gnostischer Darlegungen gemäß der wahren Philo­ sophie). Das Kapitel 21 des ersten Buches bietet in Abschnitt 144 eine Liste mit den Regierungszeiten römischer Kaiser bis einschließlich Commodus. Cassius Dio210 L. (Claudius) Cassius Dio (das Cognomen Cocceianus ist nur durch byzantinische Quellen belegt), geboren um 164, gestorben nach 229  n. Chr., war römischer Senator, Consul und Verfasser einer Römischen Geschichte (griech. Originaltitel: ‘Ῥωμαϊκὴ ἱστορία), welche mit der mythischen Figur des Aeneas beginnt und im Jahr 229 n. Chr. endet. Cassius Dio benötigte für die Arbeit an dem in 80 Bücher gegliederten Werk mehr als 20 Jahre. Fast vollständig erhalten sind nur die Bücher 36 bis 60, in denen Ereignisse vom Jahr 66 v. Chr. bis zum Jahr 54 n. Chr. behandelt werden. Die folgenden 20 Bücher sind nur als Epitome aus dem 11. und 12. Jh. erhalten, allerdings nicht vollständig; insbesondere in Buch 70 klafft eine große Lücke, wodurch die Regierungszeit des Antoninus Pius und die ersten Regierungsjahre Marc Aurels ausfallen. Epitomato208 Zu Leben und Werk des Theophilus: Pilhofer, Theophilus von Antiochien, in: Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg/Basel/Wien 32002, 690. 209 Zu Leben und Werk des Clemens: Wyra, Clemens von Alexandrien, in: Lexikon der antiken christlichen Literatur, a. a. O. 152–154. 210 Zu Leben und Werk des Cassius Dio: Birley, Cassius [III 1], in: DNP 7 (1997) 1014 f.; Wirth, Einleitung zur deutschen Übersetzung von Dios „Röm. Geschichte“, Zürich/München 1985, 7–60.

4.2 Vergleichsquellen

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ren waren im 11. Jh. der byzantinische Mönch Johannes Xiphilinos und zu Beginn des 12. Jh. der byzantinische Historiker Johannes Zonaras.211 Obwohl das Geschichtswerk des Cassius Dio nur unvollständig überliefert ist, wird sein Quellenwert auch für die Kaiserzeit von der Forschung als sehr hoch eingeschätzt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Cassius Dio in seiner Darstellung den senatorischen Standpunkt einnimmt. Liber generationis I So bezeichnete Theodor Mommsen 1892 die von einem unbekannten Autor angefertigte lateinische Übersetzung einer ursprünglich griechischen Weltchronik, die seiner Ansicht nach von dem römischen Bischof und späteren Märtyrer Hippolytus von Portus um 235 n. Chr. verfasst worden war.212 P. L. Schmidt teilt Mommsens Einschätzung, verwendet aber die Bezeichnung Liber generationis hominum.213 Burgess sieht in dem Manuskript ebenfalls die anonyme lateinische Übersetzung eines griechischen Originals von 235, hält aber die Autorschaft des Hippolytus nicht für erwiesen.214 Gegen Ende des Liber generationis I bieten die Abschnitte 377 bis 398 eine Liste der Kaiser von Augustus bis Severus Alexander mit den entsprechenden Regierungsdaten. Letztere werden jedoch mehrfach nicht zutreffend angegeben; außerdem sind einige Kaiser nicht erwähnt. Eine jüngere Version der Weltchronik wurde vermutlich ebenso wie die Stadtchronik im Jahr 334 verfasst (s. o. S. 37 mit Anm. 17); Mommsen nennt sie Liber generationis II, während P. L. Schmidt die Bezeichnung Liber generationis mundi verwendet.215 Gruppe 2 (von den Adoptivkaisern bis zum Ende der Severer 235 n. Chr.) Bis 180  n. Chr. noch Theophilus von Antiochia; bis 192  n. Chr. noch Clemens von Alexandria; bis 229 n. Chr. Cassius Dio (Epitome des Xiphilinos) und bis 235 n. Chr. noch der Liber generationis I; ab 180 n. Chr. Herodian; ab 117 n. Chr. die Historia Augus­ ta. Dass ab dem Jahr 229 die Cassius-Dio-Epitome des Xiphilinos wegfällt, ist ein gravierender Einschnitt, denn damit verschlechtert sich die Quellensituation erheblich. Herodian216 Der griechische Historiker Herodianos (ca. 180–250 n. Chr.) verfasste unter Philippus Arabs oder Decius eine Kaisergeschichte über den Zeitraum vom Jahr 180 n. Chr. (Tod Zu Johannes Xiphilinos: Konrat Ziegler, Xiphilinos, in: RE 9 A (1967) 2132–2134. Zu Johannes Zonaras s. u. S. 97. 212 Chron. Min. I, 78–140, insbesondere 83–87; vgl. Mommsen 1850, 585–598. 213 HLL 5 (1989) § 531.4. 214 Burgess 2012, 350. 215 Schmidt in HLL 5 (1989) § 531.4. 216 Zu Leben und Werk Herodians: Hartmann 2008 a, 30; Hartmann 2008 c, 894–898; Müller, Einleitung zu Herodian. Geschichte des Kaisertums nach Marc Aurel, griech.-dt., Stuttgart 1996, 12–22. 211

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Marc Aurels) bis zum  Jahr 238  n. Chr. (Regierungsbeginn Gordians III. als Alleinherrscher). Herodian differenziert zwischen guten und schlechten Herrschern und kritisiert an der neuen Epoche vor allem den Einfluss des Militärs. Seine Darstellung gilt vielfach als romanhaft und wenig zuverlässig, aber er ist die Hauptquelle für die Schlussphase der Regierung des Severus Alexander, für Maximinus Thrax und das Jahr 238. Er nutzte zunächst die Römische Geschichte des Cassius Dio als Quelle, danach verarbeitete er wohl unter anderem auch eigene Erfahrungen. Die Historia Augusta217 Diese in lateinischer Sprache verfasste Sammlung von Kaiserbiographien gibt sich als das Werk von sechs Autoren aus, die unter Diocletian und Constantin schrieben. Wahrscheinlich wurde sie aber um 400 n. Chr. von nur einem Autor verfasst; ihr Originaltitel lautete möglicherweise vitae principum. Die Historia Augusta berichtet über die im Zeitraum 117 bis 285 n. Chr. regierenden Kaiser (Hadrian bis Numerianus); für die Zeit der Soldatenkaiser ist sie die ausführlichste literarische Quelle. Der historische Wert der einzelnen Biographien ist unterschiedlich; häufig enthält die Darstellung Erfundenes oder gefälschte Dokumente. Erhalten sind 30 vitae; verloren sind jene der Herrscher zwischen 244 und 253 (Philippus Arabs, Decius, Trebonianus Gallus, Aemilianus), unvollständig sind die Lebensbeschreibungen des Valerianus und des Gallienus. Der Autor war vermutlich kein Christ. Gruppe 3 (Zeit der Soldatenkaiser bis zu Carus, Carinus und Numerianus) Die Quellensituation für die Zeit der sogenannten Soldatenkaiser, auch als die Zeit der „Reichskrise des 3. Jahrhunderts“ bezeichnet,218 ist bekanntlich ungünstiger als für die meisten anderen Epochen der römischen Geschichte. Von der Forschung wird insbesondere der Mangel an zeitgenössischen literarischen Quellen beklagt.219 Um 238 n. Chr. endet die Kaisergeschichte Herodians; bis 285 n. Chr. (Tod des Carinus) können als Vergleichsquellen für die Stadtchronik in erster Linie die Biographien der Historia Augusta dienen. Ansonsten muss man auf Vergleichsquellen aus Gruppe 5 zurückgreifen.

217

218 219

Zu dieser Quelle: K.-P. Johne, Die Historia Augusta, in: Johne u. a. (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jh. n. Chr. (235–284), Bd. 1, Berlin 2008, 45–51; Hartmann 2008a, 31; Lippold, Die Historia Augusta: eine Sammlung römischer Kaiserbiographien aus der Zeit Konstantins (Hrsg. G. H. Waldherr), Stuttgart 1998, S. IX–XXIV. Beispiele: Bleckmann 1992; Brecht 1999. So z. B. Brecht 1999, 23; Altmayer 2014, 27.

4.2 Vergleichsquellen

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Gruppe 4 (Zeit Diokletians und der Tetrarchie bis Licinius) Lactantius220 L. Caecilius Firmianus Lactantius, geboren ca. 250–260 n. Chr. in der Provinz Africa, wurde Ende des 3. Jh. von Diocletian als lateinischer Rhetoriklehrer nach Nicomedia in Bithynien berufen, wo er zum Christentum konvertierte. Er verfasste mehrere religiöse Schriften und von ca. 313 bis 316 unter dem Titel De mortibus persecutorum eine historische Abhandlung, in der er darstellen wollte, wie der christliche Gott jene römischen Kaiser bestrafte, die Christenverfolgungen durchgeführt hatten. Das Werk beginnt mit einem kurzen Rückblick auf die Christenverfolger Nero, Domitian, Decius, Valerian und Aurelian; danach stellt Lactantius ausführlich die Schicksale der Kaiser von Diocletian bis Maximinus Daia und die ersten Regierungsjahre des Licinius dar. Wenn man diese Kaisergeschichte als Vergleichsquelle zur Stadtchronik heranzieht, ist ihre extreme Parteilichkeit zu berücksichtigen. Lactantius starb vermutlich im Jahr 325 n. Chr. Die anonyme Kaiserbiographie Origo Constantini221 Die Origo Constantini imperatoris (auch Excerptum Valesianum I bzw. Anonymus Va­ lesianus genannt)222 ist das erhaltene Exzerpt des Schlussteils einer Kaisergeschichte, welches, mit dem Rücktritt Diocletians 305  n. Chr. beginnend, die vita Constantins (I.) darstellt. Der anonyme Verfasser geht anfangs auch auf das Leben von dessen Vater Constantius I. ein. Während die Darstellung nur relativ knappe Angaben über die Kaiser Galerius, Severus II., Maxentius und Maximinus Daia enthält, nimmt der Bericht über die Auseinandersetzungen zwischen Constantin und Licinius breiten Raum ein. Der in Latein verfasste Text dürfte zwischen 381 (Schlussredaktion der Hieronymus-Chronik) und 395 n. Chr. entstanden sein und gilt als zuverlässige Quelle. Gruppe 5 (Vergleichsquellen für die gesamte Kaiserzeit bis einschließlich Licinius) Eusebius von Caesarea223 Der griechische Kirchenschriftsteller Eusebius wurde kurz nach 260 n. Chr. geboren, war ab ca. 314 in Palästina Bischof der Provinzhauptstadt Caesarea (Maritima) und 220 Zu Leben und Werk des Lactantius: A. Wlosok in HLL 5 (1989) § 570, 376–402; Alfons Städele, Einleitung zu Laktanz, De mortibus persecutorum. Die Todesarten der Verfolger, Turnhout 2003, 5–11, 29–77. 221 Zu dieser spätantiken Quelle s. P. L. Schmidt, in: HLL 5 (1989) § 535; I. König, Kommentar zur Origo Constantini , Trier 1987, 1–31. 222 Diese Bezeichnungen gehen auf den ersten Herausgeber zurück, auf den französischen Gelehrten Henri de Valois (1603–1678). 223 Zu Leben und Werk: Jörg Ulrich, Eusebius von Cäsarea, in: Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg/Basel/Wien 32002, 240–245. Speziell zur Chronik des Eusebius: Alden A. Mosshammer, The Chronicle of Eusebius and Greek Chronographic Tradition, Lewisburg 1979, 29–37.

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starb um 339/340. Als Vergleichsquellen für die Angaben der Stadtchronik können seine beiden wichtigsten historischen Arbeiten dienen, die Chronik (insbesondere deren tabellarischer zweiter Teil, die Χρονικοὶ κανόνες) sowie die Kirchengeschichte. Die Chronik stellt die Weltgeschichte ab Abrahams Geburt (datiert auf 2016 v. Chr.) bis zum Jahr 303, in zweiter Fassung bis 325 n. Chr. dar. Das griechische Original ist verloren. Erhalten sind eine armenische Version aus dem 6. Jh., von Josef Karst 1911 ins Deutsche übersetzt, und die um 380/381 entstandene Übersetzung durch Hieronymus ins Lateinische. Hieronymus übersetzte nur Teil 2 der Chronik und fügte bis zum Jahr 378 n. Chr. reichende Ergänzungen hinzu. Teil 1, üblicherweise Chronograph­ ia genannt, ist nur in der armenischen Version erhalten. In seiner Kirchengeschichte (Ἐκκλησιαστικὴ ἱστορία) erzählt Eusebius die Geschichte der christlichen Kirche und ihrer Verfolgungen bis zum Jahr 324 n. Chr., in dem Constantin die Alleinherrschaft antrat. Series regum224 Unter dieser Bezeichnung ist ein anonymes armenisches Schriftstück bekannt, das im Manuskript der armenischen Übersetzung der Chronik des Eusebius gefunden wurde und in Listenform die Regierungszeiten von z. B. ägyptischen, griechischen und römischen Königen darstellt. In Karsts Übersetzung der armenischen Version ist es auf S. 144–155 zwischen Teil  1 („Chronographie“) und Teil  2 („Chronikon-Kanon“) unter der Überschrift „Der Könige Reihenfolge“ eingeordnet; in der sonstigen Literatur ist der lateinische Name Series regum üblich. Der griechische Originaltext dürfte zum größten Teil von Eusebius stammen. Dies gilt nicht für die beiden letzten Seiten der Series regum, die eine Liste der Todesarten und Sterbeorte römischer Kaiser von Caesar bis Pupienus und Balbinus bieten; Karsts Übersetzung der armenischen Überschrift lautet „Der römischen Selbstherrscher Todesarten“. Als Vergleichsquelle hinsichtlich der Stadtchronik eignet sich nur dieser letzte Abschnitt. Natales Caesarum225 Diese Liste im Chronographen von 354 enthält 20 Kaisergeburtstage, beginnend mit Augustus und endend mit Constantius II. Da sie fast jeden der 20 genannten Kaiser als Divus ausweist, eignet sie sich für den Vergleich mit den entsprechenden Angaben der Stadtchronik.

224 Zu dieser Herrscherliste: Burgess 2014, 159; J. Karst, Die Chronik aus dem Armenischen übersetzt mit textkritischem Kommentar. Eusebius Werke Bd. 5, GCS 20, Leipzig 1911, S. XII, XX–XXI. 225 Beschreibung bei Divjak/Wischmeyer 2014, 91–98.

4.2 Vergleichsquellen

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Aurelius Victor226 Sextus Aurelius Victor wurde um 320 n. Chr. in der Provinz Africa geboren und stieg in der Verwaltungslaufbahn bis zum Stadtpräfekten Roms auf; als solcher amtierte er 388/389. Wenig später dürfte er gestorben sein. Bald nach dem Jahr 360 veröffentlichte er unter dem Titel Historiae abbreviatae ein Geschichtswerk (auch als Liber de Caesa­ ribus bezeichnet), das die Geschichte der Kaiserzeit von Augustus bis zu Constantius II. behandelt. Es gilt als das erste Beispiel für Breviarienliteratur des 4. Jh. Als Quelle benutzte Aurelius Victor hauptsächlich die sog. Enmannsche Kaisergeschichte. Eutropius227 Über seine Biographie ist im Wesentlichen nur bekannt, dass er als literarisch gebildeter Provinziale ähnlich wie Aurelius Victor hohe administrative Ämter bekleidete. Als magister memoriae des Kaisers Valens und in dessen Auftrag verfasste er nach 369 n. Chr. das Geschichtswerk Breviarium ab urbe condita, eine kurzgefasste Darstellung der römischen Geschichte bis zum Regierungsantritt des Kaisers Valens im Jahr 364. Als Quellen für die Kaiserzeit benutzte Eutropius die Biographien Suetons und die sog. Enmannsche Kaisergeschichte. Hieronymus228 Eusebius Sophronius Hieronymus (geboren um 345/348, gestorben um 420 n. Chr.) war ein christlicher Theologe und Schriftsteller, der später als Kirchenvater und Heiliger verehrt wurde. Bevor er 382–384 in Rom begann, für Papst Damasus den Bibeltext ins Lateinische zu übertragen, übersetzte er die Χρονικοὶ κανόνες des Eusebius von Caesarea und ergänzte diese bis zum Jahr 378; als Quelle für die Ergänzungen diente ihm v. a. die Enmannsche Kaisergeschichte. Bei der Übersetzung der Eusebius-Chronik ins Lateinische fügte Hieronymus gelegentlich Zusätze ein.229 Seine Chronik kann in vielen Fällen als Vergleichsquelle für die Angaben der Stadtchronik herangezogen werden. Allerdings ist die Jahreszählung, die vom Geburtsjahr Abrahams ausgeht (ab dem Jahr 1241 a. Abr. beginnt zusätzlich die Zählung nach Olympiaden), häufig ungenau, da die Kopisten sie nicht immer den exakt richtigen Zeilen zuordnen konnten.230

226 Zu Leben und Werk: P. L. Schmidt, in HLL 5 (1989) § 537; K. Groß-Albenhausen/M. Fuhrmann, Einführung in: Die römischen Kaiser/Liber de Caesaribus, lat.-dt., Düsseldorf 32009, 151–171. 227 Zu Leben und Werk: P. L. Schmidt, in HLL 5 (1989) § 538; Albrecht, röm. Lit. Bd. 2 (32012) 1177 f. 228 Zu Leben und Werk des Hieronymus: Albrecht, röm. Lit. Bd. 2 (32012) 1415–1418. 229 R. Helm, Eusebius Werke Bd. 7, Die Chronik des Hieronymus, Berlin 31984, S. XXVIf. (Einleitung). 230 Helm a. a. O., S. XXII–XXIII. Helms Edition ordnet die Einträge zusätzlich dem jeweiligen Jahr nach christlicher Zeitrechnung zu; das Geburtsjahr Abrahams entspricht dem Jahr 2016 v. Chr.

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Epitome de Caesaribus231 Dies ist die übliche, aber nicht authentische Bezeichnung für eine Sammlung kurzer Kaiserbiographien, beginnend mit Augustus, endend 395 n. Chr. mit Theodosius. Verfasst wurde sie zwischen 395 und 408 von einem unbekannten paganen Autor. Die ersten elf Kapitel der Epitome, die den Kaisern bis einschließlich Domitian gewidmet sind, gehen ebenso wie die entsprechenden Kapitel in den Historiae abbreviatae des Aurelius Victor auf dieselbe verlorene Vorlage zurück. Es handelt sich um das Werk eines unbekannten Autors, der als Quelle Sueton herangezogen hatte. Als weitere Quellen benutzte der Autor der Epitome das Geschichtswerk des Aurelius Victor und wie dieser die Enmannsche Kaisergeschichte. Manche Angaben, beispielsweise über einige der Soldatenkaiser, findet man aber nur in der Epitome de Caesaribus. Consularia Constantinopolitana232 Hierbei handelt es sich um eine Chronik auf der Basis einer römischen Konsulnliste, in der die Konsuln bis zum Jahr 464 angeben sind. Die beigefügten historischen Notizen reichen bis 468; diese Notizen machen das Werk zu einer geeigneten Vergleichsquelle für Angaben der Stadtchronik. In der maßgeblichen Handschrift trägt das Werk die Überschrift Descriptio consulum ex quo primum ordinati sunt, aber Theodor Mommsen gab ihm den Namen Consularia Constantinopolitana,233 da es in Constantinopel entstanden war. Neben dem neuerdings von Burgess favorisierten Namen Descriptio consulum kursieren in der neueren Literatur auch die Bezeichnungen Consularia Hyda­ tiana bzw. Fasti Hydatiani,234 aber es gilt nicht als erwiesen, dass der spanische Kleriker Hydatius (gestorben 469) der Verfasser war. Unter anderem aus diesem Grund plädiert M. Becker in der neuesten Edition des Textes dafür, die von Mommsen geprägte Bezeichnung beizubehalten.235

231

Zu Inhalt, Entstehungszeit und Quellenbasis dieser Kurzbiographien: Jörg Schlumberger, Die Epitome de Caesaribus. Untersuchungen zur heidnischen Geschichtsschreibung des 4. Jhs. n. Chr., München 1974 (zur Quellenbasis insbesondere die Seiten 17–62). 232 Zu dieser spätantiken Quelle s. Becker 2016, 3–26. 233 Chron. min. I, 196–247. Obwohl Burgess Mommsens Bezeichnung kritisiert, entschied er sich aus pragmatischen Gründen dafür, sie bei seiner Edition der Cons. Const. beizubehalten: R. W. Burgess, The Chronicle of Hydatius and the Consularia Constantinopolitana, Oxford 1993, 215–245. Neuerdings bevorzugt er jedoch die Bezeichnung Descriptio consulum (Burgess 2014, z. B. auf den Seiten 35, 103–106, 166, 172). 234 Beispielsweise in HdAW 8,4,2, Die Literatur des 5. und 6. Jahrhunderts, 1920, § 1055. 235 Becker 2016, 3 f. Diese Edition bietet nur den Text ab dem Jahr 251 n. Chr.; den gesamten Text findet man in der Edition von Burgess 1993 (s. Anm. 233).

4.2 Vergleichsquellen

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Orosius236 Die Lebensdaten des christlichen Theologen und Historikers Orosius – als Vorname wird Paulus angenommen – sind nicht genau bekannt. Im Jahr 414 n. Chr. flüchtete er vor germanischen Invasoren aus Spanien in die Provinz Africa, wo er in Kontakt mit Bischof Augustinus kam. Auf dessen Anregung hin verfasste er um 416/417 die Histo­ riarum adversum paganos libri VII, eine von Adam bis zum Jahr 417 reichende Weltgeschichte aus christlicher Sicht. Erst ab dem Ende des sechsten Buches stellt Orosius die Zeit der römischen Kaiser dar; als Quellen nutzte er neben Sueton insbesondere das Breviarium des Eutropius und die Chronik des Hieronymus. Er verwendet die auf Varro basierende Jahreszählung ab urbe condita (753 v. Chr.). Zosimos237 Auch über das Leben des in griechischer Sprache schreibenden oströmischen Historikers Zosimos ist wenig bekannt. Er verfasste um die Wende vom 5. zum 6. Jh. unter dem Titel Ίστορία νέα eine Geschichte des Römischen Reiches von Kaiser Augustus bis zum Jahr 410. Das in sechs Bücher gegliederte Werk ist nicht vollständig überliefert: Es fehlen die Abschnitte am Ende des ersten und am Anfang des zweiten Buches, in denen über Carus und Diocletian berichtet wird. Gegenüber dem Christentum nimmt Zosimos in seinem Geschichtswerk eine feindliche Haltung ein, da er den Niedergang des Reiches auf die Missachtung der alten Götter zurückführte. Als seine Quellen vermutet man unter anderem die griechischen Historiker Dexippos (gestorben ca. 280 n. Chr.) und Eunapios (gestorben nach 414). Malalas238 Über die Biographie des oströmischen Historikers Johannes Malalas (ca. 490– 570 n. Chr.) weiß man sehr wenig. „Malalas“ ist ein Beiname, das syrische Pendant zum griechischen „Rhetor“; daher ist anzunehmen, dass der Autor über eine hohe Bildung verfügte. Bis ungefähr 530 n. Chr. lebte er in Antiochia, danach in Konstantinopel. Er verfasste die älteste überwiegend erhaltene griechische Weltchronik; sie ist in 18 Bücher gegliedert und umfasst die Zeit von der Erschaffung der Welt bis zum Jahr 563. 236 Zu Leben und Werk: Justus Cobet, Orosius, in: RAC Bd. 26 (2015) 567–576; Albrecht, röm. Lit. Bd. 2 (32012) 1185–1188; Carl Andresen, Einleitung zu: Paulus Orosius, Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht, Buch 1 bis 4, übersetzt u. erläutert von Adolf Lippold, Zürich/München 1985, 5–54. 237 Zu Leben und Werk des Zosimos: Wolfgang Kuhoff, Zosimos, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Bd. 31. Nordhausen 2010, 1541–1555; Otto Veh, Einleitung zu Zosimus : Neue Geschichte/Zosimos, deutschsprachige Textausgabe Stuttgart 1990, 1–23. 238 Zu Leben und Werk des Malalas: C. Drohsin/M. Meier/S. Priwitzer, Einleitung zu: Johannes Malalas, Weltchronik, übersetzt von Johannes Thurn u. Mischa Meier (Bibliothek der griech. Literatur Bd. 69), Stuttgart 2009, 1–28. Zu Quellenwert und Forschungsgeschichte: M. Meier/C. Radtki/F. Schulz, Einleitung zu dies. (Hrsg.), Die Weltchronik des Johannes Malalas. Autor-Werk-Überlieferung, Stuttgart 2016, 7–16.

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Malalas beruft sich mehrfach auf Eusebius; inwieweit er dessen Chronik tatsächlich als Quelle benutzte, ist in der Forschung umstritten. Während seine Chronik bei Zeitgenossen und im Mittelalter große Anerkennung fand, wurde ihr Wert in der neueren Forschung bis vor etwa 30 Jahren als gering eingeschätzt. Inhaltliche Vergleiche mit der Stadtchronik sind wegen der überlieferungsbedingten großen Textlücke in Buch 12 (Kap. 25: die Kaisergeschichte von Caracalla bis Aemilianus) nur in beschränktem Maße möglich. Chronicon paschale239 Der Autor dieser um 630 in griechischer Sprache verfassten Weltchronik ist unbekannt. Ihr Name ist abgeleitet von der griechischen Bezeichnung Πασχάλιο χρονικό, die davon herrührt, dass sich der Autor bei seinen chronologischen Berechnungen am christlichen Osterzyklus orientierte; so datiert er die Erschaffung der Welt auf den 21. März 5509 v. Chr. Die wichtigste Handschrift des Chronicon paschale endet abrupt mit dem Jahr 628 n. Chr. Obwohl sie den Tod der römischen Kaiser, die vor Constantin regierten, stets ein Jahr zu früh ansetzt, wird die Chronik v. a. wegen ihrer chronologischen Angaben von der Forschung geschätzt. Als Quellen verwendete der Autor u. a. die Weltchronik des Johannes Malalas und dieselbe lateinische Vorlage wie der Verfasser der Consularia Constantinopolitana.240 Synkellos241 Der Mönch Georgios lebte einige Zeit in einem Kloster in Palästina und wurde später σύγκελλος („Zellengenosse”, d. h. Assistent und Privatsekretär) des Patriarchen Tarasios von Constantinopolis. Um das Jahr 810 verfasste er eine christliche Weltchronik (Ἐκλογὴ χρονογραφίας =  Auswahl aus der Chronographie), die von der Erschaffung der Welt bis zum Regierungsantritt Diokletians 284  n. Chr. reicht. Sie bietet Herrscher- und Bischofslisten sowie meist knappe Angaben zu historischen Ereignissen. Georgios Synkellos konnte sein Werk nicht selbst vollenden; sein Freund Theophanes ergänzte es ungefähr bis zum Jahr 810. Zu den zahlreichen von Synkellos verwendeten und häufig auch von ihm genannten Quellen zählen u. a. Flavius Josephus, Iulius Africanus, Eusebius von Caesarea sowie heute als verloren geltende griechische Quellen wie z. B. Dexippus.

239 Zu dieser Quelle: Kienast 2017, 7 f.; E. Schwartz, Chronicon Paschale, in: RE 3,2 (1899) 2460–2477. 240 Zur gemeinsamen Vorlage von Chronicon Paschale und Consularia Constantinopolitana: M. Becker, Einleitung zu G 1, in: Becker, Bleckmann u. a. (Hrsg.), Consularia Constantinopolitana und verwandte Quellen, Paderborn 2016, 10–12. 241 Zu Leben und Geschichtswerk des Georgios Synkellos: Berger, Synkellos [2], in: DNP 11 (2001) 1150 f.; Bleckmann 1992, 25 ff., 41 ff.

4.3 Die Caesaren

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Cedrenus242 Georgios Kedrenos (Γεώργιος Κεδρηνός, latinisiert Georgius Cedrenus), über dessen Biographie nichts bekannt ist, verfasste Ende des 11./Anfang des 12. Jahrhunderts eine bis zum Jahr 1057 reichende Weltchronik in griechischer Sprache. Cedrenus verwendete als Quellen u. a. Theophanes, der die Weltchronik des Synkellos ergänzt hatte, sowie die Logothetenchronik, Georgios Monachos und Iohannes Skylitzes. Für die Jahre ab 811 gibt Cedrenus die Chronik des Letzteren überwiegend wortgetreu wieder. Einige Textstellen bei Cedrenus scheinen auf Quellen zu basieren, die auch von der Stadtchronik verwendet wurden. Zonaras Johannes Zonaras (Ἰωάννης Ζωνάρας) war ein hoher Beamter, bevor er sich in ein Kloster zurückzog und als Mönch theologische und historische Bücher schrieb. Nach vorherrschender Forschungsmeinung war er bis 1118 Leiter der kaiserlichen Kanzlei unter Alexios I. Komnenos (1081–1118).243 Sein Hauptwerk ist eine Weltchronik mit dem Titel Ἐπιτομὴ ἱστοριῶν (Epitomḗ historiṓn =  Zusammenfassung der Geschichte), die von der Erschaffung der Welt bis zum Jahr 1118 reicht. Für die Forschung ist sie unter anderem deshalb wichtig, weil Zonaras umfangreiche Exzerpte der Römischen Geschichte des Cassius Dio einarbeitete; einige Passagen von Dios Werk, auch die Kaiserzeit betreffend, sind nur durch die Epitome des Zonaras erhalten. 4.3 Die Caesaren 4.3.1 C. Iulius Caesar In der Geschichtswissenschaft gilt Augustus als erster römischer Kaiser und häufig waren auch antike Autoren dieser Ansicht, z. B. Clemens von Alexandria, Aurelius Victor und der anonyme Verfasser des Liber generationis I. Die Stadtchronik setzt jedoch Caesar an die erste Stelle. Der Verfasser könnte sich dabei an Sueton orientiert haben, dessen Kaiserbiographien mit der vita Caesars beginnen. Die Stadtchronik sollte vermutlich den liber generationis mundi, eine von Mommsen als liber generationis II be242 Zu Leben und Geschichtswerk des Cedrenus: Hans Thurn, Kedrenos, Georgios, in: BiographischBibliographisches Kirchenlexikon Bd. 3, Herzberg 1992, Sp. 1283–1285; Berger, Kedrenos Georgios, in: DNP 6 (1999) 374 f. 243 Thomas M. Banchich, Einleitung zu Banchich/Lane, The History of Zonaras. From Alexander Severus to the Death of Theodosius the Great, London/New York 2009, 1–7; Berger, Zonaras Io­ annes, in: DNP 12,2 (2003) 831 f.; Ziegler, Zonaras, in: RE 10 A (1972) 718–732. Es wird jedoch auch die Ansicht vertreten, Zonaras sei erst unter einem der Nachfolger von Alexios I. Kanzleivorsteher gewesen; s. Todt, Zonaras, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Bd. 14, Herzberg 1998, Sp. 579–584.

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B) 4. Item imperia caesarum

zeichnete christliche Weltchronik, ergänzen (s. o. S. 37). In deren Inhaltsverzeichnis wird ein Schlussteil angekündigt, der die Namen der römischen Kaiser a Gaio Iulio Caesare et consulibus mitteilen werde. Es ist wohl kein Zufall, dass der Autor der Stadtchronik Caesar ebenfalls mit dem vollständigen Namen nennt, während andere literarische Quellen häufig die Kurzform Caesar wählen (z. B. Appian oder Cassius Dio). Die Stadtchronik bezeichnet Caesar nicht als Divus. Es gibt jedoch keinen Zweifel daran, dass der Senat ihn zu Divus Iulius, also zum Gott, erhob. Allerdings wird die Frage, wann und wie dies geschah, in der Forschung kontrovers diskutiert: Mehrere Quellen berichten darüber, wie Caesar in der Zeit von Oktober 45 bis Februar 44 v. Chr. vom Senat mit außerordentlichen Ehrungen geradezu überschüttet wurde; u. a. mit der Ernennung zum dictator perpetuo und der Errichtung einer Statue, welche die Inschrift „dem unüberwindlichen Gotte“ trug. Dies waren Ehrungen, die aus der Sicht Suetons das menschliche Maß überstiegen: ampliora etiam humano fastigio (Suet. Iul. 76,1). Ähnlich urteilt später Cassius Dio (43,44,1–43,45,4). Helga Gesche vertritt die Ansicht, die consecratio Caesars sei zwar erst Anfang 42 v. Chr., also einige Zeit nach seinem Tod, erfolgt, der Senat habe aber schon zu seinen Lebzeiten die Divinisierung mit der Maßgabe beschlossen, die consecratio solle erst posthum erfolgen.244 Dass Caesar bereits im Herbst 44 von Cicero als Divus Iulius bezeichnet wurde, erklärt Gesche damit, Cicero habe darauf gedrängt, die beschlossene Divinisierung endlich zu vollziehen.245 Auch Michael Koortbojian und Dietmar Kienast unterscheiden zwischen göttlichen Ehren, die Caesar schon zu Lebzeiten zuteil wurden, und dem formalen Akt der consecratio, der erst im Jahr 42 v. Chr. erfolgt sei.246 Manfred Clauss betont, dass Caesar, als er noch lebte, nicht nur im Osten des Reiches als Gott verehrt wurde, sondern auch in Rom selbst. Es sei jedoch fraglich, ob Caesar bereits zu Lebzeiten bzw. ob er überhaupt konsekriert worden sei. Er könne sich vorstellen, dass es bei Caesar noch keinen so spektakulären Akt gab wie später seit der Konsekration des Augustus.247 Dass der Verfasser der Stadtchronik Caesar nicht als Divus sieht, stellt keine Ausnahme dar: Die Arvalakten nennen für das Jahr 183 n. Chr. die Zahl von sechzehn Divi, für die Jahre 218 und 224 jeweils die Zahl zwanzig, wobei die Zählung erst bei Augustus beginnt.248 Im Chronographen von 354 sind unter Natales Caesarum die Geburtstage von zwanzig Kaisern verzeichnet, bei denen es sich fast ohne Ausnahme um Divi handelt; aber auch hier fehlt Caesar: Die Monate Juni und Juli sind die einzigen, in denen kein Kaisergeburtstag eingetragen ist.249 Clauss gibt eine mögliche Erklärung 244 Gesche 1968, 46, 53, 82 ff. 245 Gesche a. a. O. 60–63 zu Cic. Phil. 2,110. 246 Michael Koortbojian, The Divinization of Caesar and Augustus, Cambridge/New York 2013, 21– 23; Kienast 2017, 45. 247 Clauss 2001, 48 f. 248 CFA Nr. 94 II, Z. 5, 14; Nr. 100 a, Z. 4; Nr. 105 b, Z. 13; die Namen nennt Scheid auf den Seiten 268 f. und 300. 249 Divjak/Wischmeyer 2014, 91–95; CIL I2 (1) 254–266.

4.3 Die Caesaren: C. Iulius Caesar

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dafür, dass Caesar von der Stadtchronik und den anderen genannten Quellen nicht zu den Divi gerechnet wird: Augustus (Divi filius) habe zwar seine eigene Abkunft vom „Staatsgott“ (so übersetzt Clauss den Titel Divus) Caesar propagiert, allerdings die Gottheit Caesar kaum öffentlich herausgestellt. Nach der langen Regierungszeit von Augustus sei es dann zu folgender Entwicklung gekommen: Der Staatsgott Caesar war weitgehend vergessen worden; dies eröffnete dem Staatsgott Augustus die Chance, für fast ein halbes Jahrhundert der „einzige“ zu bleiben. Erst im Jahre 54 kam mit dem Staatsgott Claudius ein weiterer hinzu, der, was die Opferhandlungen der Arvalbrüder betraf, Berücksichtigung fand. (Clauss 2001, 388)

Noch im dritten nachchristlichen Jahrhundert war allerdings nicht völlig in Vergessenheit geraten, dass Caesar einst zu den Divi gerechnet wurde: In dem aus den Jahren 223–227 stammenden Feriale Duranum, dem Festkalender der römischen Garnison von Dura-Europos, wird der Geburtstag des Divus Iulius als einer der Festtage verzeichnet. Vermutlich war der Caesarkult im Osten des Reiches, speziell bei Soldaten, fester verankert als im Westen, denn Caesar war schon seit seinem Sieg bei Pharsalos 48 v. Chr. und noch mehr seit seinem Sieg bei Zela 47 v. Chr. im Osten des Reiches als Gottheit verehrt worden.250 imperavit annos III menses VII dies VI A) Burgess zur Regierungsdauer Caesars251 (Zusammenfassung) Rechnet man mit den Zahlen des Breviarium ab dem 15. März 44 v. Chr., Caesars Todestag, zurück, kommt man auf den 9. August 48 v. Chr. An diesem Tag fand den Fasti Allifani, den Fasti Amiternini und den Fasti Antiates ministrorum zufolge die Schlacht von Pharsalos statt.252 Andere Quellen beziehen sich ebenfalls auf dieses Datum, weisen aber Fehler auf, insbesondere bei den Zahlangaben für die Monate: Theophilus (ad Autol. 3,27) und Clemens von Alexandria (strom. 1,21,144,4) geben als Dauer von Caesars Herrschaft 3 Jahre, 4 Monate und 6 Tage an, wobei die Angabe IIII Monate laut Burgess durch Abschreibfehler aus VII Monaten entstand; Ios. bell. Iud. 1,218 überliefert 3 Jahre und exakt 7 Monate. Das Breviarium Vindobonense ist folglich, wie Burgess betont, die einzige Quelle, welche die Zeitdauer zwischen der Schlacht bei Pharsalos und Caesars Tod korrekt angibt. B) Ergänzungen: Caesar errang bei Pharsalos den Sieg über die Hauptarmee des Pompeius und der Senatsmehrheit; kurz darauf ließ er sich zum zweiten Mal zum dictator ernennen. Da250 Clauss 2001, 47, 316 f. mit Verweis auf Fer. Dur. 2,21, wo der Geburtstag des Divus Iulius verzeichnet ist. 251 Burgess 2014, 38 f. 252 Den Text der genannten Fasti findet man bei Degrassi, Inscr. 24, S. 181; 25, S. 191; 26, S. 208.

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B) 4. Item imperia caesarum

her lag es für antike Historiker nahe, in diesem Sieg den Beginn seiner Herrschaft zu sehen, obwohl Caesar noch einige Jahre lang Bürgerkriegsgegner bekämpfen musste. Cass. Dio widmet der Schlacht bei Pharsalos acht Kapitel (41,55–63), Appian sogar 14 Kapitel (civ. 2,69–83). Die beiden Autoren zeigen damit, für wie bedeutend sie diese Schlacht hielten. Allerdings haben weder der Autor der Stadtchronik noch jene anderen antiken Autoren, welche Caesars Herrschaft mit dem Sieg bei Pharsalos beginnen lassen, dessen Kalenderreform vom Jahr 46 berücksichtigt. Denn wenn sie die 67 Tage addiert hätten, welche laut Cass. Dio 43,26,1 bei der Reform hinzukamen, hätten sie als Dauer von Caesars Regierung 3  Jahre und ca. 9  Monate angeben müssen; aber stets wurde die kalendarische, nicht die faktische Dauer angegeben. C) Mögliche Alternativen: Es wäre durchaus plausibel, den Beginn der Herrschaft Caesars in der Zeit Ende Juli 46 v. Chr. zu sehen, als er nach den siegreichen Feldzügen im Osten und in Africa nach Rom zurückkehrte; bis in den November hinein blieb er in der Hauptstadt. In diesem Zeitraum feierte er Triumphe und große Feste, reformierte den Kalender und traf viele weitere administrative Maßnahmen; außerdem war er vom Senat schon vor seiner Rückkehr zum dictator auf 10 Jahre erklärt worden.253 Auf die Zeit ab dem Herbst 45 bezieht sich Velleius Paterculus, wenn er beklagt, Caesar habe seine Position als Herrscher nur fünf Monate genießen können: Neque illi tanto viro […] plus quinque mensium principalis quies contigit. Quippe cum mense Octobri in urbem revertisset, idibus Martiis […] interemptus est. (Vell. 2,56,3). Velleius Paterculus betrachtet demnach die letzten fünf Monate im Leben Caesars als dessen Regierungszeit. Caesar war Anfang Oktober 45 von Spanien nach Rom zurückgekehrt und feierte einen Triumph wegen seines Sieges bei Munda, den er im März 45 errungen hatte. In diesen wenigen Monaten wurde er, wie oben erwähnt (S. 98), vom Senat mit außerordentlichen Ehrungen, z. B. der Ernennung zum dictator auf Lebenszeit, überschüttet, die in seiner Erhebung in göttliche Sphären gipfelten. D) Fazit: Die meisten Quellen datieren Caesars Herrschaft ab seinem Sieg bei Pharsalos am 9.August 48 v. Chr. Die einzige Quelle, welche die auf Basis dieses Datums errechnete Regierungsdauer korrekt angibt, ist, wie auch Burgess betont, die Stadtchronik. Allerdings sind die Zahlen nur dann korrekt, wenn man die Kalenderreform des Jahres 46 v. Chr. nicht berücksichtigt. Velleius Paterculus bietet eine plausible Alternative dazu, Caesars Herrschaft ab Pharsalos zu datieren: die letzten fünf Monate im Leben Caesars ab Anfang Oktober 45 v. Chr. Doch er blieb mit dieser Datierungsvariante offenbar

253

Suet. Iul. 37–44; Cass. Dio 43,15–27; vgl. Meier 1982, 510–533.

4.3 Die Caesaren: C. Iulius Caesar

101

allein. Eine weitere mögliche Alternative, die aber anscheinend in keiner antiken Quelle aufgegriffen wird, wäre die Zeit ab Ende Juli 46 bis zu den Iden des März 44. congiarium dedit X C. Das congiarium über 100 Denare zahlte Caesar anlässlich seiner Triumphe im August 46 aus.254 Sueton berichtet, er habe damals Getreide- und Ölspenden sowie pro Kopf 300 Sesterzen, die er lange vorher versprochen hatte, verteilen lassen, zusätzlich 100 Sesterzen als Verzugszinsen.255 Laut Cassius Dio hatte Caesar die 300 Sesterzen (= 75 Denare) dem römischen Volk im Jahre 49 v. Chr. kurz nach Beginn des Bürgerkriegs versprochen; als Empfänger der Geldspende nennt Dio diejenige (plebejische) Volksmenge, die auch sonst Getreidespenden erhielt. Caesar habe die Zahl der Berechtigten um die Hälfte verringert, da sie in den Wirren des Bürgerkriegs zu stark angewachsen sei (Cass. Dio 41,16,1; 43,21,4). Hinsichtlich dieser Sparmaßnahme berichtet Sueton, Caesar habe die Zahl derer, die berechtigt waren, kostenlos Getreide zu erhalten, von 320 000 auf ca. 150 000 reduziert (Suet. Iul. 41,3). Durch Sueton ist auch überliefert, dass Caesar testamentarisch eine weitere Spende veranlasste: Er vermachte dem Volk seine Gärten am Tiber sowie 300 Sesterzen pro Mann (viritim, s. Suet. Iul. 83,2). Appian bestätigt dies und betont, dass die Empfänger Bürger Roms gewesen seien (App. civ. 2,143). Octavian zahlte diese Spende gemäß dem Testament seines Adoptivvaters an die plebs Romana aus, laut RgdA (15,7; 15,14) waren dies mindestens 250 000 homines. occisus curia Pompeia. Als curia Pompeii oder curia Pompeiana wurde die Porticus-Anlage hinter der scena des theatrum Pompeii bezeichnet,256 des ersten Steintheaters in Rom. Pompeius hatte es auf dem westlichen Marsfeld errichten lassen; eingeweiht wurde es 55 v. Chr. Dem Bericht des Cassius Dio zufolge fanden in der curia Pompeii zwischen 52 und 29 v. Chr. mehrfach Senatssitzungen statt, da die curia Hostilia, der traditionelle Hauptversammlungsort des Senats, bei den Unruhen nach der Ermordung des Clodius zerstört worden war. Das restaurierte Gebäude habe Caesar nach 47 v. Chr. wieder einreißen lassen und Anfang 44 habe er begonnen, ein neues Senatsgebäude zu erbauen, das dann ihm zu Ehren den Namen curia Iulia erhielt. Diese neue curia des Senats habe aber erst 29 v. Chr. eingeweiht werden können.257 Dass Caesar in der curia Pompeii ermordet wurde, berichten zahlreiche, auch zeitgenössische, Quellen.258 Die 254 Berchem 1939, 142; Barbieri 1957, 839. 255 Suet. Iul. 38,2. Suetons Bericht wird durch Cass. Dio 43,21,3 und durch App. civ. 2,102 bestätigt. Appian gibt als Schenkungsbetrag eine attische Mina an, deren Wert ungefähr 100 Denaren entsprach; s. Hitzl, Mina, in: DNP 8 (2000) 208. 256 Gros, Theatrum Pompei, in: Steinby LTUR 5 (1999) 35 f.; Höcker, Theatrum Pompeii, in: DNP 12,1 (2002) 276. 257 Cass. Dio 40,49,2; 44,5,2; 51,22,1. Zur Geschichte der curia Iulia s. Tortorici, Curia Iulia, in: Steinby LTUR 1 (1993) 332–334. 258 Beispiele: Cic. div. 2,23; App. civ. 2,115; Liv. per. 116; Plut., Caes. 66,1; Suet. Iul. 80,4; 81,3; Cass. Dio 44,16,2. Vgl. Hülsen, Curia, in: RE 4,2 (1901) 1825 f.; hier auch zusätzliche Belege.

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B) 4. Item imperia caesarum

Stadtchronik gibt den Ort, an dem das Attentat auf Caesar stattfand, korrekt an, während andere Quellen des vierten nachchristlichen Jahrhunderts nur den Hinweis curia ohne weitere Kennzeichnung bieten: Eutr. 6,25; Vir.ill. 78,10; Hier. chron. z.J. 44 v. Chr. Laut Sueton zählten zur Verschwörung gegen Caesar mehr als 60 Männer unter der Führung von C. Cassius, M. Brutus und D. Brutus. Als Ort des Anschlags seien mehrere Möglichkeiten diskutiert worden: Das Marsfeld, die Via sacra oder der Eingang zum Theater des Pompeius. Schließlich habe man sich für die curia im Theater des Pompeius entschieden, als für die Iden des März eine Senatsversammlung dorthin anberaumt worden war (Suet. Iul. 80,4; 81,3). Dieser Ort erschien den Verschwörern unter anderem deshalb für einen Mordanschlag geeignet, weil sich Caesar im Senat sicher fühlte (Cass. Dio 44,16,1). Denn zum einen verdankten ihm viele ihre Aufnahme in das von 600 auf 900 Mitglieder vergrößerte Gremium, zum anderen hatten die Senatoren geschworen, mit ihrem Leben für Caesars Sicherheit einzustehen, und sich gegenseitig darin überboten, ihn mit außerordentlichen Ehrungen zu überhäufen; daher hatte er auf eine Leibwache verzichtet.259 4.3.2 Divus Octavianus Augustus Der Geburtsname lautete Gaius Octavius, wie der seines leiblichen Vaters. Indem er sich darauf berief, dass ihn Caesar testamentarisch adoptiert hatte, nahm er dessen Namen an: C. Iulius C. f. Caesar oder auch kurz C. Caesar. Der Namenszusatz Octavia­ nus, der an die Adoption und seine eigentliche Herkunft erinnert hätte, wurde von ihm und seinen Anhängern nie, von antiken Quellen selten verwendet, z. B. von Cicero nur bis November 44 v. Chr.260 Heute benützen ihn Historiker für die Zeit bis zur Verleihung des Ehrentitels Augustus, um eine Verwechslung v. a. mit dem Adoptivvater auszuschließen. Die in der Stadtchronik verwendete Namensform Octavianus Augustus taucht u. a. auch bei Ammianus Marcellinus (17,4,12) auf. Von Velleius Paterculus wird er Cae­ sar genannt (z. B. Vell. 2,61,1), von Tacitus und Sueton meist Augustus (z. B. Tac. ann. 1,1,1–3, Suet. Aug. 2,2). Während seiner langen Regierungszeit wurde der durch seine Adoption angenommene Name Caesar zum Familien-Cognomen der Iulier.261 Seit 42 v. Chr. nannte er sich Divi filius, ab Anfang November 40 Imperator Caesar Divi filius. Den Ehrentitel Augustus verlieh ihm der Senat am 16. Januar 27 v. Chr., woraus sich 259 Cassius Dio legt ausführlich dar (43,44,1–43,47,3; 44,6,1–44,7,4), weshalb Caesar nicht damit gerechnet habe, dass in einer Senatssitzung ein Anschlag auf ihn verübt werden könnte. Zu den Mordmotiven und zur Durchführung der Tat: Meier 1982, 563–578; Klotz, Iulius Nr. 131, in: RE 10,1 (1918) 253–257. 260 Die ausführlichsten Angaben zu den Namen des Augustus bietet Petersen, PIR2 Bd. 4,3 (1966) I 215, 156; auf das Wesentliche beschränkt sich Kienast 2017, 53; vgl. ders. 2009, 9. 261 Kienast 2017, 19.

4.3 Die Caesaren: Divus Octavianus Augustus

103

als endgültige Namensform Imp. Caesar Divi f. Augustus ergab (bis zu seiner eigenen Konsekration als Divus Augustus).262 Den Beschluss, Augustus zu divinisieren, fasste der Senat am 17. September 14 n. Chr., einige Wochen nach Tod und Begräbnis des princeps.263 Allerdings waren Augustus ebenso wie seinem Adoptivvater bereits zu Lebzeiten göttliche Ehren zuteil geworden.264 Augustus hatte den Kult um seine Person gefördert, um auch auf diese Weise seine Herrschaft zu stabilisieren; er hatte jedoch verhindert, dass man ihn in der Hauptstadt schon zu Lebzeiten als Gott verehrte, denn das hätte schlecht zum sonstigen Erscheinungsbild des Prinzipats gepasst.265 imp(eravit) ann(os) LVI m(enses) IIII d(ies) unum. A) Burgess zur Regierungsdauer des Augustus266 (Zusammenfassung) Den Todestag des Augustus am 19. August 14 n. Chr. belegen u. a. die Fasti Ostienses sowie Suet. Aug. 100,1. Hinsichtlich seiner Regierungsdauer folgen die literarischen Quellen vier verschiedenen Traditionen: 1) 57 Jahre, 6 Monate und 2 Tage: Ios. bell. Iud. 2,168; Ios. ant. Iud. 18,32. Ausgangsdatum der Berechnung: 15. März 44 v. Chr. (Tod Caesars); Enddatum der Berechnung: Am 16. September 14 n. Chr. erkannte der Senat Tiberius als Augustus an. 2) 56  Jahre und 6  Monate: Eus. Chron. can. 157.267 Ausgangs- und Enddatum wie Josephus, der Zeitraum wurde aber um 1 Jahr verkürzt. 3) 56 Jahre, 4 Monate und 1 Tag: Theoph. ad Autol. 3,27 und Clem. Al. strom. 1,21,144,4 (Clemens verzeichnet aufgrund eines Kopistenfehlers nur 46 Jahre). Ausgangsdatum für die Berechnung: 16. April 43 v. Chr. (erste Akklamation Octavians als Imperator, belegt durch Ovid, Fasti 4,673–6); Enddatum: 19. August 14 n. Chr. (Tod des Augustus). 4) 13 Tage weniger als 44 Jahre: Cass. Dio 56,30,5; Zon. 10,38 (S. 429, Z. 5). Ausgangsdatum: 2. September 31 v. Chr. (Sieg bei Actium); Enddatum: 19. August 14 n. Chr. Die gerundete Zahl von 44 Jahren der Alleinherrschaft verzeichnen auch die auf der EKG basierenden Quellen Aur. Vict. 1,2; Eutr. 7,8,2; Epit. de Caes. 1,30. Zusätzlich nennt Burgess eine fünfte Datierungsmöglichkeit: 56 Jahre, 7 Monate und 12/13 Tage. Ausgangsdatum ist der 7. Januar 43 v. Chr., als Octavian laut Feriale Cuma­ 262 Ders. 53 f.; vgl. Dahlheim 2010, 192. 263 Kienast 2017, 57 unter Verweis auf die Fasti Antiates Ministrorum Domus Augustae; vgl. Kierdorf 1986, 56 ff., unter Verweis auf die Fasti Amiternini (Inscr. Ital. XIII 2, 185 ff.) sowie auf Tac. ann. 1,10,8. Kienast und Kierdorf wenden sich somit gegen die Überlieferung bei Cass. Dio 56,35,1, wonach die Divinisierung des Augustus bei dessen Begräbnis schon beschlossen und die consecratio vollzogen gewesen sei. 264 Clauss 2001, 56–75, 360; Dahlheim 2010, 196. 265 Kienast 2009, 244–257; der Autor verwendet den Terminus „Prinzipatsideologie“. 266 Burgess 2014, 39 f. 267 Burgess zitiert nach den Seitenzahlen der Edition Helm, 31984.

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B) 4. Item imperia caesarum

num und Fasti Praenestini zum erstenmal die fasces eines Imperators führte;268 Enddatum ist der 19. August 14 n. Chr. Burgess zieht folgende Schlüsse: Das Breviarium Vindobonense folgt der Tradition 3, welche aber den Zeitraum vom 16. April 43 v. Chr. bis zum 19. August 14 n. Chr. um zwei Tage zu kurz berechnet. Korrekt wäre: 56 Jahre, 4 Monate und 3 (oder 4) Tage. Da der Fehler auch bei Theophilus und Clemens auftritt, ist er, wie Burgess zu Recht feststellt, einer fehlerhaften Tradition anzulasten, nicht dem Breviarium Vindobonense. B) Ergänzungen und mögliche Alternativen: Burgess merkt an, heute sei es üblich, die Regierungsjahre des Augustus entweder ab dem Sieg bei Actium 31 v. Chr. oder ab 27 v. Chr. zu zählen, er geht aber nicht näher auf diese Daten ein. Daher hierzu einige kurze Anmerkungen: Durch den Sieg am 2. September 31 v. Chr. bei Actium hatte Octavian seinen Konkurrenten Antonius ausgeschaltet und war de facto zum unumstrittenen Herrscher Roms geworden. Zum Jahr 27 v. Chr.: Augustus selbst drückt sich in seinem Tatenbericht bezüglich seiner Herrschaftsbefugnisse sehr vage aus (RgdA 34,13–23): Nach Beendigung der Bürgerkriege habe er in seinem sechsten und siebten Konsulat (28 und 27 v. Chr.) „Gewalt über alles mit Zustimmung aller besessen“ (per consensum universorum potens269 rerum omnium), aber die res publica aus seiner potestas wieder in die Verfügungsgewalt von Senat und römischem Volk zurückgegeben. Dafür habe ihm der Senat unter anderem den Ehrentitel Augustus verliehen. Seitdem habe er alle an Einfluss und Ansehen überragt: post id tempus auctoritate omnibus praestiti, potestatis autem nihilo amplius habui quam ceteri qui mihi quoque in magistratu conlegae fuerunt. Mit dieser Beschreibung verschleiert er jedoch seine militärische Machtposition als princeps, die er v. a. durch das imperium proconsulare hatte. Die Frage, welche potestas Octavian bis zur Verleihung des Augus­ tus-Titels im Januar 27 genau besaß und welche er dem Senat und dem römischen Volk zurückgab, ist noch immer Thema wissenschaftlicher Debatten.270 Eine wichtige Quelle, welche den Beginn der Herrschaft Octavians ebenfalls bereits ins Jahr 43 v. Chr. datiert, berücksichtigt Burgess nicht: Laut Tacitus begann die Herrschaft des Augustus am 19. August 43 v. Chr., als er zum ersten Mal Consul wurde. Tacitus erwähnt zwar auch die Bedeutung der fasces, die Octavian erstmals am 7. Januar 43 führte, betont aber, Octavian habe nach dem 21. April die Truppen der bei Mutina gefallenen Konsuln übernommen und durch seine militärische Macht den Senat gezwungen, seine Wahl zum consul zu akzeptieren. In den Tagen kurz nach dem Tod des princeps sei es vielen Menschen als ein merkwürdiger Zufall erschienen, dass Augustus

268 Degrassi, Inscr. 44, S. 279; Degrassi, Inscr. 17, S. 113. Auch Kienast (2017, 39, 53) datiert den dies imperii Octavians auf den 7. Januar 43 v. Chr. 269 Die frühere Lesart potitus wurde 2003 zu potens geändert; s. Börm/Havener 2012, 203. 270 Börm/Havener 2012, 203; vgl. Kienast 2009, 84.

4.3 Die Caesaren: Divus Octavianus Augustus

105

an einem 19. August die Herrschaft übernommen hatte und an einem 19. August starb (Tac. ann. 1,9,1). C) Fazit: Hinsichtlich der Frage, wann die Herrschaft des Augustus begann, waren und sind unterschiedliche Antworten möglich. In den Quellen herrscht die Tendenz vor, einen möglichst frühen Termin anzunehmen, nämlich das Jahr 43 v. Chr. Als möglicher Ausgangstermin in diesem Jahr werden der 7. Januar (fasces), der 16. April (Akklamation zum Imperator) und der 19. August (Konsulat) genannt. In der Zeit kurz nach dem Tod des Augustus scheint man, wie der Bericht des Tacitus belegt, dem 19. August den Vorzug gegeben zu haben. Die Stadtchronik und andere Quellen sahen die Akklamation zum Imperator als bedeutsamer an; diese Einschätzungen leiteten sie offenbar von der Art und Weise ab, wie spätere Kaiser inthronisiert wurden. Der Rechenfehler, der ihnen dabei unterlief (zwei Tage, s. o.), tritt nicht nur bei der Stadtchronik auf, ist also Ergebnis einer fehlerhaften Tradition. Alle Datierungen auf das Jahr 43 oder gar 44 v. Chr. sind aber insofern problematisch, als damals noch keineswegs feststand, dass Octavian sich auf Dauer gegen seine Rivalen durchsetzen würde. Daher erscheint es sinnvoll, dem Sieg bei Actium im Jahr 31 v. Chr. eine analoge Bedeutung zuzumessen wie Caesars Sieg bei Pharsalos. Will man aber auf die Errichtung des Prinzipats, d. h. einer dauerhaften Monarchie, verweisen, ist der 16. Januar 27 v. Chr. zu nennen, an welchem Octavian der Titel Augustus verliehen wurde. Die endgültige Absicherung dieser Herrschaftsform erfolgte aber erst 23 v. Chr. durch die Verleihung der tribunicia potes­ tas annua et perpetua sowie des imperium proconsulare maius, das sich auf das gesamte Reichsgebiet erstreckte. Offiziell zählte Augustus seine Regierungsjahre nach dem Datum der Übertragung der vollen tribunicia potestas.271 cong(iarium) ded(it) ter X CCCLXIIS. Sueton rühmt die Freigebigkeit des Augustus mit dem Hinweis, er habe häufig (frequenter) congiaria gegeben, einmal vier-, ein andermal dreihundert, manchmal (nonnumquam) auch nur 250 nummos (Sesterzen) pro Kopf (Suet. Aug. 41,2). Genaueres über die congiaria des Augustus überliefert Abschnitt 15 der RgdA. Hier werden die an die plebs verteilten Geldbeträge viermal in Sesterzen, zweimal in Denaren angegeben. Kienast verzeichnet sechs in den RgdA 15,7–21 genannte congiaria, wobei er der Zählung und meist auch der Datierung van Berchems folgt:272

Kienast 2017, 27; Schulten, dies imperii, in: RE 5,1 (1903) 478. Zur Machtposition des Augustus ab 23 v. Chr.: Christ 2009, 89 f.; Kienast 2009, 105 f.; Dahlheim 2010, 215 f.; Yavetz 2010, 43. 272 Kienast 2017, 58; Berchem 1939, 144. 271

106 1)

B) 4. Item imperia caesarum

44 v. Chr.: 300 Sesterzen gemäß Caesars Testament an die plebs Romana. Belege: RgdA 15,7; FOst zum J. 44 v. Chr. (Vidman S. 40); Suet. Iul. 83, 2; App. civ. 2, 143; Cass. Dio 44, 35, 3.273

Die weiteren fünf Geldspenden wurden im Namen des Augustus (nomine meo) verteilt: 2) 29 v. Chr. 400 Sesterzen während des 5. Konsulats (RgdA 15,8–9). Anlass war laut Cass. Dio 51,21,3 die Feier eines Triumphes.274 3) 24 v. Chr. 400 Sesterzen während des 10. Konsulats (RgdA 15,9–10). Wieder nennt Cassius Dio den Anlass: Die siegreiche Rückkehr des Augustus aus Spanien (Cass. Dio 53,25,2; 53,28,1); die Spende ist folglich einem triumphale congiarium vergleichbar.275 4) 12 v. Chr. 400 Sesterzen im 12. Jahr der tribunicia potestas. Grund war laut Cass. Dio 54,29,4 das Vermächtnis des Agrippa. Die ersten 4 congiaria wurden laut RgdA 15,14 nie an weniger als 250 000 Menschen verteilt. Offensichtlich war die Zahl derer, die als empfangsberechtigt akzeptiert wurden, seit 46 v. Chr. wieder sehr stark gewachsen. Damals hatte sie Caesar auf 150 000 reduziert; s. o. S. 81 und 101. Aber mit Rücksicht auf seine eigene Popularität war Octavian in seiner Aufstiegsphase noch nicht darum bemüht, den Kreis der Empfänger klein zu halten. 5) 5 v. Chr., also im 12. Konsulat bzw. im 18. Jahr der tribunicia potestas: 60 Denare an 320 000 Menschen aus der plebs urbana (RgdA 15,15f); zuvor war die Gruppe der Empfänger als plebs Romana bezeichnet worden; vgl. S. 81. Anlass der Spende war wohl das tirocinium des C. Caesar, eines der beiden Adoptivsöhne des Augustus. Die Erklärung dafür, dass Augustus eine geringere Summe als zuvor auszahlen ließ, bietet wahrscheinlich Suet. Aug. 42,2: Viele Sklaven waren nach der Ankündigung eines congiarium freigelassen und in die Bürgerlisten eingetragen worden. Deshalb habe der princeps weniger als versprochen gegeben, damit die vorgesehene Summe ausreichte.276 6) 2 v. Chr. 60 Denare während des 13. Konsulats an etwas mehr als 200 000 Angehörige der plebs urbana, welche damals staatliche Getreidespenden (frumentum

273 Cass. Dio meint irrtümlich (vgl. Berchem 1939, 142 Anm. 1), Augustus habe als erstes congiarium nur 30 Drachmen (=Denare) gegeben, erwähnt aber, laut anderen Quellen seien 75 Drachmen (=300 Sesterzen) verteilt worden. Kienast (2009, 28, 36) datiert die Auszahlung des Hauptteils der Legate in die Zeit vom 20. bis zum 30. Juli 44; den Rest habe Octavian erst nach dem 19. August. 43 v. Chr. gezahlt, als er Consul war. 274 Gemeint ist der dreifache Triumph für die Siege in Dalmatien, bei Actium und in Ägypten; s. Christ 2009, 81. 275 So auch Berchem 1939, 143. 276 Vgl. van Berchem (ebd.); er nimmt an, dass ursprünglich 75 Denare versprochen worden waren.

4.3 Die Caesaren: Divus Octavianus Augustus

107

publicum) erhielten (RgdA 15,20). Es ist anzunehmen,277 dass der Anlass das tiro­ cinium des L. Caesar war, des zweiten Adoptivsohns von Augustus. Offensichtlich hatte Augustus zuvor die Zahl der Empfangsberechtigten auf 200 000 reduziert. Dies sowie die Summe von 60 Denaren wird bestätigt durch Cass. Dio 55,10,1. Van Berchem und Barbieri datieren ein 7. congiarium des Augustus, das aber in den RgdA nicht genannt wird, auf 13 n. Chr.,278 denn in diesem Jahr seien im Namen des Tiberius anlässlich seines Triumphes 75 Denare pro Kopf verteilt worden. Da Augustus die Spende im Namen seines designierten Nachfolgers auszahlen ließ, fand sie offenbar, wie auch van Berchem annimmt, keine Erwähnung in den RgdA. Kienast folgt van Berchem hinsichtlich der Zählung als 7. congiarium des Augustus, datiert aber den Triumph des Tiberius auf den 23. Oktober 12 n. Chr.279 In den RgdA werden noch zwei weitere Spenden erwähnt: Zum einen zwölf frumen­ tationes während des elften Konsulats (RgdA 15,11), deren Geldwert von Volkmann auf 400 Sesterzen pro Kopf geschätzt wird.280 Zum anderen erhielten ca. 120 000 Veteranen während des fünften Konsulats 1000 Sesterzen pro Kopf; Anlass war ein triumpha­ le congiarium (RgdA 15,17 f.). Van Berchem, Barbieri und Kienast erwähnen dieses tri­ umphale congiarium nicht, da sie es wohl als donativum ansehen. In den RgdA wird der Begriff congiarium (statt donativum) hier vermutlich deshalb verwendet, weil es sich nicht um aktive Soldaten, sondern um Veteranen, also um Zivilisten, handelte.281 Addiert man die Beträge der fünf congiaria, die Augustus laut RgdA 15,8–21 im eigenen Namen an die plebs Romana bzw. urbana verteilte, ergibt dies 420 Denare pro Kopf (dreimal 100, zweimal 60  Denare). Rechnet man die beiden congiaria, die im Namen Caesars bzw. des Tiberius verteilt wurden, sowie das triumphale congiarium hinzu, lautet die Summe 820  Denare. Die Stadtchronik jedoch berichtet, Augustus habe als congiarium dreimal 362 ½ Denare gespendet: cong. ded. ter denarios CCCLXI­ IS. Da dieser Betrag mit keiner anderen Quelle übereinstimmt, nehmen Mommsen und van Berchem an, dass der ursprüngliche Text der Chronik anders lautete. In seinem Kommentar von 1892 geht Mommsen offenbar davon aus,282 dass der Originaltext Folgendes aussagen sollte: ter (congiaria, in summa denarios) CCCLXIIS. Er weist aber zu Recht darauf hin, dass in den RgdA nicht nur drei, sondern fünf congiaria erwähnt werden; er rechnet also die im Namen Caesars bzw. des Tiberius verteilten Spenden nicht hinzu, ebensowenig das triumphale congiarium. Insgesamt, so Mommsen, belaufe sich die Summe der fünf congiaria auf 460 Denare, nämlich auf viermal 100 und einmal 60 Denare. Allerdings ist ihm ein Irrtum unterlaufen: Wie oben gezeigt wurde, über277 278 279 280 281 282

So auch Berchem a. a. O. 144; Barbieri 1957, 840. Berchem und Barbieri jeweils a. a. O. Beide verweisen auf Suet. Tib. 20,1. Kienast 2017, 58, 71; sein Beleg für die Datierung: Fasti Praenestini (Inscr. Ital. XIII 2, 107 ff.). Volkmann 1957, 28. Dieser Ansicht ist auch Bastien 1988, 7. Mommsen 1892, 145 Anm. 5.

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B) 4. Item imperia caesarum

liefern die RgdA, dass im Namen des Augustus nicht vier, sondern drei congiaria über je 100 Denare und zwei über je 60 Denare verteilt wurden. 1850 war Mommsen auf andere Zahlen gekommen als 1892: Augustus habe dreimal ein congiarium zu je 100 Denaren und einmal, „bei der deductio in forum des L. Caesar“ im Jahr 2 v. Chr., sportulae über 60 Denare verteilen lassen, insgesamt also 360 Denare. Statt den in den RgdA verzeichneten Betrag über 60 Denare beim tirocinium des L. Caesar zu übernehmen, so Mommsen weiter, habe die Stadtchronik die bei Suet. Aug. 41,2 erwähnten 250 Sesterzen in Denare umgerechnet (= 62 ½) und sei so auf die Summe von 362 ½ Denaren gekommen.283 – Bei dieser Berechnung stimmt zwar die Zahl der congiaria über je 100 Denare, aber Mommsen lässt außer Acht, dass 5 v. Chr. beim tirocinium des C. Caesar laut RgdA 15,15 ebenfalls 60 Denare gespendet wurden. Auch van Berchem glaubt nicht, dass die Formulierung cong. ded. ter  denarios CCCLXIIS den ursprünglichen Text der Stadtchronik wiedergibt. Dieser habe vermutlich so gelautet: ter (denarios) C bis (denarios) LXIIS (= 425 Denare). Hinsichtlich der Zahl LXIIS teilt van Berchem die Ansicht Mommsens, dass sie wohl aus Suet. Aug. 41,2 übernommen worden sei, denn Sueton spricht von 250 Sesterzen, also umgerechnet von 62 ½ Denaren. Der von Sueton erwähnte Betrag beziehe sich aber auf eines der beiden congiaria über je 60 Denare bzw. jeweils 240 Sesterzen und Sueton habe ihn nur ungefähr („approximatif “) angegeben.284 Burgess vertritt folgende Ansicht: Ursprünglich habe die Stadtchronik vielleicht den Betrag X CCCLXV angegeben, der ungefähr der Summe der ersten vier congiaria des Augustus entspreche (360 Denare). Durch den Fehler eines Kopisten könnte daraus CCCLXII geworden sein. Aber mit dieser Vermutung könne man hinsichtlich der in Handschrift V verzeichneten Zahlen (ter X CCCLXIIS) weder das „ter“ noch das „S“ erklären.285 Fazit Die Angabe der Stadtchronik, Augustus habe dem Volk ter denarios CCCLXIIS gespendet, wird durch die RgdA widerlegt. Diese überliefern fünf congiaria (an die plebs urba­ na bzw. plebs Romana), deren Gesamtsumme 420 Denare betrug, nicht 362 ½ oder gar dreimal 362 ½. Die Diskrepanz lässt sich teilweise so erklären, wie schon Mommsen (1850) und später van Berchem vorgeschlagen haben: Bei der Zahl CCC scheint sich der Verfasser der Chronik an den RgdA orientiert zu haben, welche drei congiaria über je 100 Denare überliefern, bei der Zahl LXIIS wahrscheinlich an Suet. Aug. 41,2 (250 Sesterzen = 62 ½ Denare). Schwer zu erklären ist die Angabe „ter“. Möglicherweise hat van Berchem Recht mit der Vermutung, die ursprüngliche Textfassung der Chronik könnte wie folgt gelautet haben: ter (denarios) C bis (denarios) LXIIS (= 425 Denare).

283 Mommsen 1850, 651 Anm. 26. 284 Berchem 1939, 143 Anm. 3. 285 Burgess 2014, 17 Anm. 4.

4.3 Die Caesaren: Divus Octavianus Augustus

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Wenn er richtig vermutet, wäre die Differenz zwischen der Angabe der Stadtchronik und jener der Res gestae (420 Denare) nur minimal. hoc imp(erante) navis Alexandrina primum in portu Romano introivit […] Das stimmt mit der griechischen Parallelüberlieferung bei Cedrenus 302,9–14 inhaltlich weitgehend überein: Cedrenus berichtet ebenfalls von einem Schiff, welches 400 000 modii (μοδίων χιλιάδας υ′) Getreide und 1200 Passagiere transportiert habe, erwähnt aber zusätzlich noch 200 Matrosen (ναύτας σ′). Burgess ergänzt in seiner Edition den Text der Stadtchronik entsprechend: vectores ∞ CC, , […] und zitiert an anderer Stelle die Passage bei Cedrenus vollständig.286 Alle Editoren emendieren die durch Handschrift V überlieferte Zahl CCCC (modios) zu modios CCCC. primum Das Adverb bezieht sich zweifellos darauf, dass ein ägyptisches Schiff erstmals einen Obelisken von Ägypten nach Italien transportierte.287 nomine Acatus, qui attulit […] opoliscum cum sua sibi base, qui est in circo maximo, altum pedes LXXXVIIS. Hinsichtlich des angeblichen Schiffsnamens ist dem Autor der Stadtchronik ein Irrtum unterlaufen, da mit dem griechischen Wort ἄκατος schlicht ein Schiff bzw. ein Schiffstyp gemeint ist.288 Die Parallelüberlieferung bei Cedrenus bietet statt ἄκατος das griechische πλοῖον (= Frachtschiff). Burgess sieht darin, wohl zu Recht, einen weiteren Hinweis darauf, dass der Verfasser des Breviarium Vin­ dobonense meist lateinische Quellen nutzte; bei der späteren Übersetzung ins Griechische wurde ἄκατος offenbar durch die passendere Bezeichnung πλοῖον ersetzt.289 Die Angabe der Stadtchronik, ein Schiff habe erstmals unter Augustus einen Obelisken von Alexandria nach Italien transportiert, wird durch andere Quellen bestätigt: Laut Plin. nat. 36,70 f. war Augustus der erste, der einen Obelisken per Schiff von Ägypten nach Rom transportieren und im circus maximus aufstellen ließ. Ohne den Sockel, den man aus demselben Stein gehauen habe, sei er 85 ¾ Fuß hoch gewesen. Der Curiosum genannte Regionenkatalog verzeichnet zwei Obelisken, die im circus maximus standen; bei einem der beiden stimmt die Höhenangabe (87 ½ Fuß) mit jener der Stadtchronik überein. Offenbar meint die Notitia, die nur einen verzeichnet (Höhenangabe: 88 ½ Fuß), denselben Obelisken, denn der andere, erst unter Constantin errichtete, war laut

286 Burgess 148, 166. 287 So auch Nickbakht/Stein 2017, 74. 288 Zu ἄκατος vgl.  Mommsen 1892, 145 Anm. 6. Als erste Bedeutung für ἄκατος verzeichnet Pape GDHW (Bd. 1, 70) „leichter, schnellsegelnder Nachen“, erst sekundär „Lastschiff “; vgl.  Frisk Etym. Bd. 1, 51. Das latinisierte Wort acatium (= acatus) meint laut Georges Hwb (Bd. 1, Sp. 49) ein „kleines schnellsegelndes Schiff “, ist als Bezeichnung für ein großes Frachtschiff also unpassend, daher könnte es laut Nickbakht/Stein (2017, 75) ironisch gemeint sein. Die griechische Bezeichnung für ein Transportschiff ist meist πλοῖον, s. Pape GDHW, Bd. 2, 637. 289 Burgess 2014, 185 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

Curiosum 122 Fuß hoch.290 Sowohl bei Amm. 17,4,12 als auch bei Strab. 17,1 § 27 werden zwei Obelisken erwähnt, die Augustus nach Rom bringen ließ. Der Bestimmungsort von einem der beiden war laut Ammian der circus maximus. Die unterschiedlichen Höhenangaben lassen sich wohl folgendermaßen erklären: Plinius gibt die Höhe des Obelisken ohne Sockel an, Stadtchronik und Curiosum/Notitia geben die Höhe inklusive Sockel an; demnach war dieser etwa 2 bis 3 Fuß hoch. Da ein römischer Fuß (pes) ca. 29,6 cm entspricht,291 müsste der Obelisk ohne Sockel etwa 25 ½ m hoch gewesen sein. Die zitierten antiken Höhenangaben erweisen sich als ziemlich exakt: Der in drei Teile zerbrochene Obelisk wurde im Jahr 1587 entdeckt, restauriert und auf der heutigen Piazza del Popolo aufgestellt; er misst knapp 24 Meter.292 Aus Plin. nat. 36,69 f. lässt sich erschließen, in welchem Hafen der Obelisk entladen wurde: Es war nicht, wie aufgrund der Formulierung der Stadtchronik (in portu Romano) zu vermuten wäre, das nahe bei Rom gelegene Ostia, sondern das fast 200 km entfernte Puteoli (heute: Pozzuoli). Denn laut Plinius schenkte Augustus das Schiff, das den ersten Obelisken brachte, miraculi gratia der Werft von Puteoli. Wie Plinius weiter mitteilt, fiel das Schiff später einem Brand zum Opfer. Er betont, der schwierige Transport von Obelisken übers Meer sei mit Hilfe von äußerst sehenswerten Schiffen (spectatis admodum navibus) bewältigt worden. Caligula habe einen weiteren Obelisken aus Ägypten nach Rom bringen lassen. Das hierfür eingesetzte Schiff, das auch Sueton erwähnt (Claud. 20,5), bezeichnet Plinius als das erstaunlichste, das man je auf dem Meer gesehen habe. Es habe seine Fracht ebenfalls nach Puteoli transportiert, sei aber später nach Ostia gebracht und dort versenkt worden, da man auf diese Weise den Hafen befestigen wollte. Dies geschah auf Befehl des Kaisers Claudius (Plin. nat. 16, 201 f.; Suet. Claud. 20,5). Laut Cass. Dio 60,11,1–5 ließ Claudius 42 n. Chr. den Hafen von Ostia vor allem deshalb ausbauen, weil die für Rom lebenswichtigen Getreideimporte näher an die Hauptstadt herangebracht werden sollten und Ostia zuvor kein sicherer Hafen war. Offenbar konnten Schiffe mit großem Tiefgang zuvor nur Puteoli, nicht aber Ostia anlaufen. Aber auch nach dem Ausbau von Ostia exportierten Schiffe Waren aus Alexandria nach Puteoli; erst ab Beginn des 2. Jh. n. Chr. galt die Hafenstadt Ostia als so bedeutend wie Puteoli.293 Einige Angaben der Stadtchronik über ein Frachtschiff wie jenes, das erstmals einen Obelisken von Ägypten nach Italien brachte, sind durchaus glaubwürdig: Nachdem 290 Text von Curiosum und Notitia bei Nordh 1949, 97. Zu der Beziehung zwischen Notitia/Curiosum und Stadtchronik s. u. S. 135. 291 Schulzki, Pes, in: DNP 9 (2000) 655 f. 292 Obeliscus Augusti in Circo Maximo, in: Richardson NTDAR, 273; vgl. van Buren, Obeliskos, in: RE 17,2 (1937) 1709–1711. Beide Autoren datieren den Transport des Obelisken auf das Jahr 10 v. Chr. 293 Frank 1959, 237. Zur Zeit des Augustus gab es einen umfangreichen Warenexport von Alexandria nach Puteoli, wie z. B. Suet. Aug. 98,2 belegt: Sueton berichtet von der zufälligen Begegnung des Augustus mit einem Frachtschiff, das von Alexandria kam und im Hafen Puteolis einlief. Noch Ende des 4. Jh. war Puteoli eine reiche und bedeutende Hafenstadt; s. Dubois 1907, 42–44, 266 f.; Stärk 1995, 34.

4.3 Die Caesaren: Divus Octavianus Augustus

111

Ägypten von Augustus in das römische Imperium eingegliedert worden war, wurde es für Rom zum Hauptlieferanten von Getreide; dieses wurde von Alexandria aus in riesigen Mengen verschifft. Zweifellos brachten Frachtschiffe von Ägypten, der Heimat der Papyruspflanze, neben Getreide und Papyrus auch häufig Pfeffer, Leintuch und Glas nach Italien; solche Transporte werden z. B. bei HA Aurelian. 45 erwähnt. Unglaubwürdig ist jedoch die Angabe der Stadtchronik, es seien 400 000 modii Getreide, 1200 Passagiere und sogar noch ein Obelisk auf einem einzigen Schiff transportiert wurden. Denn 400 000 modii294 Getreide sind umgerechnet fast 3,5  Mio. Liter, also ca. 3 500 Kubikmeter. Das würde einem Quader von 35 m Länge, 10 m Breite und 10 m Höhe entsprechen. Problematisch wäre nicht nur das Volumen, sondern auch das kolossale Gewicht der von der Stadtchronik angegebenen Frachtmenge gewesen. Die Wahrscheinlichkeit spricht für die Annahme, dass ein solches Frachtschiff wie das, von welchem die Stadtchronik berichtet, entweder 1200 Passagiere oder 400 000 modii Getreide oder einen Obelisken transportieren konnte. Vermutlich war es aber in allen drei Fällen möglich, zusätzlich eine bestimmte Menge der anderen genannten Waren, z. B. Papyrus, zu befördern. Die üblichen Getreideschiffe dürften wesentlich kleiner gewesen sein: Unter Claudius wurde eine Ladekapazität von mindestens 10 000 modii vorgeschrieben.295 Das von der Stadtchronik erwähnte Frachtschiff kann aber nicht wesentlich kleiner gewesen sein als jenes von Plinius so bewunderte, das im Auftrag Caligulas einen Obelisken transportierte, denn dieser hatte ungefähr dieselben Maße296 wie der erste, der im Auftrag des Augustus gebracht worden war. Es kann auch nicht viel kleiner gewesen sein als das bei Amm. 17,4,13 erwähnte Schiff, das viele Jahre später im Auftrag von Kaiser Constantin einen über 30 m langen Obelisken nach Ostia brachte; es wurde speziell für diesen Zweck gebaut und hatte 300 Ruderer. Nach Ansicht von Nickbakht/Stein, die sich auf einen Aufsatz von Wirsching stützen, seien für den Transport von Obelisken übers Meer drei Schiffe so miteinander vertäut worden, dass sie den Eindruck eines einzigen riesigen erweckt hätten.297 Aber die Quellen, auf die sich Wirsching beruft, berichten nicht von drei Schiffen, sondern jeweils nur von einem einzigen großen Frachtschiff, das für den Transport eines Obelisken eingesetzt bzw. speziell gebaut worden sei (Plin. nat. 16,201 f. und Amm. 17,4,13). Wirschings These kann nur dann zutreffen, wenn, wie er meint, zeitgenössische Beobachter tatsächlich nicht wussten oder nicht erkennen konnten, dass es sich um eine aus drei Schiffen zusammengesetzte Konstruktion handelte. Für die Weiterbeförderung eines Obelisken von der italischen Küste nach Rom, insbesondere den Tiber aufwärts, musste man laut Plin. nat. 36,70 spezielle kleinere Schiffe konstruieren. Diese waren

294 295 296 297

Das röm. Hohlmaß Modius entsprach ca. 8,7 Liter; s. Becher, Modius Nr. 1, in: RE 15,2 (1932) 2328. Herz 1988, 63 f., 90. Obeliscus Vaticanus, in: Richardson NTDAR, 275 f. Nickbakht/Stein 2017, 74; basierend auf Armin Wirsching, Wie die Obelisken Rom erreichten, in: Gymnasium 117 (2010) 255–273; hier insbesondere 264–268.

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B) 4. Item imperia caesarum

sicherlich in einer ähnlichen Weise zweckmäßig miteinander verbunden, wie sie Wirsching hinsichtlich des Transports auf dem Nil beschreibt. excessit Nola. Nola liegt ca. 30 km nordöstlich von Neapel am Fuße des Vesuvs. Dass Augustus in Nola starb, überliefern auch mehrere andere Quellen.298 Die Formulierung excessit legt nahe, dass es sich um eine natürliche Todesursache handelte. Ist das glaubwürdig? – Die letzten Tage des Augustus werden von Sueton ausführlich beschrieben. Er berichtet, der princeps habe in seinem 76. Lebensjahr eine Schiffsreise angetreten, die ihn über Capri und Puteoli nach Neapel führte, von wo er offenbar auf dem Landweg nach Rom zurückkehren wollte. Schon bei Reisebeginn sei er krank geworden und als er, bereits auf dem Rückweg, das Familiengut in Nola erreichte, habe er die Reise nicht mehr fortsetzen können.299 Als er sein Ende nahen fühlte, habe er Tiberius zu einer geheimen Unterredung kommen lassen. Schon bald nach diesem Gespräch sei Augustus gestorben, im gleichen Raum wie sein Vater Octavius. Der Tod des Kaisers sei so leicht, also schmerzlos, gewesen, wie er es immer gehofft habe: sortitus exitum facilem et qualem semper optaverat (Suet. Aug. 99,1). Im Gegensatz zu dieser Schilderung deutet Tacitus an, Augustus könnte von seiner Gemahlin Livia vergiftet worden sein. Es sei Livia gewesen, die ihren Sohn Tiberius nach Nola rief, und als dieser ankam, sei Augustus vielleicht schon tot gewesen. Livia habe zuvor Haus und Straßen absperren lassen und von Zeit zu Zeit günstige Berichte über das Befinden des Kaisers herausgegeben. So habe alles Nötige vorbereitet werden können, damit man die Öffentlichkeit zum gleichen Zeitpunkt über den Tod des Augustus und die Nachfolge durch Tiberius informieren konnte (Tac. ann. 1,5,1–3). Auch Cassius Dio berichtet, Livia habe den Tod des Kaisers eine Zeitlang verheimlicht (Cass. Dio 56,31,1). Er weist deutlicher als Tacitus auf jene Gerüchte hin, nach denen Augustus von Livia vergiftet worden sei: Man habe sie verdächtigt, Feigen des Baumes, von dem Augustus zu pflücken pflegte, vergiftet zu haben. Hingegen bestätigen Aur. Vict. 1,2 und die Epit. de Caes. 1,26–28 die Version des Sueton, Augustus sei an einer Krankheit gestorben. Allerdings erwähnt die Epitome de Caesaribus auch Gerüchte, denen zufolge Livia ihren Gatten ermordet habe. Matthias Gelzer hält Tacitus und Cassius Dio für Vertreter einer tiberiusfeindlichen Tradition und ihre Behauptungen für Verleumdung; auch Hermann Bengtson, Karl Christ und Dietmar Kienast glauben nicht an einen gewaltsamen Tod des princeps.300 Dem schließt sich Werner Dahlheim an, der hinsichtlich der Verschwörungstheorien über den Tod des Augustus feststellt: „Augustus ging nicht als Opfer einer Palastintri-

298 Nola als Sterbeort des Augustus bestätigen Suet. Aug. 98,5; 100,2; Tac. ann. 1,5,3; Aur. Vict. 1,2; Epit. de Caes. 1,26; Series regum 154,20. 299 Zu den letzten Tagen des Augustus: Suet. Aug. 97,1–100,1. Zu den Motiven für die letzte Reise des Kaisers: Sonnabend 2013, 38 f. 300 Gelzer, Iulius Nr. 154, in: RE 10,1 (1918) 495; Bengtson 1967, 274; Christ 2009, 183; Kienast 2017, 57.

4.3 Die Caesaren: Tiberius Caesar

113

ge […] auf seine letzte Reise.“ (Dalheim 2010, 358 f.) Zvi Yavetz glaubt ebenfalls, dass Augustus an einer Krankheit starb, daher enthält seine Augustus-Biographie die Kapitelüberschrift: „Ein Herrscher, der eines natürlichen Todes starb.“301 Er geht allerdings nicht näher auf die Todesumstände des Kaisers ein. Mit diesen beschäftigt sich ausführlich Holger Sonnabend; er konstatiert, Augustus sei an einer schweren Krankheit friedlich im Bett gestorben.302 Fazit Die Stadtchronik überliefert wie mehrere andere antike Quellen, Augustus sei an einer natürlichen Todesursache in Nola gestorben. Die neuere Forschung hält diese Überlieferung für glaubwürdiger als Gerüchte, denen zufolge er vergiftet wurde. 4.3.3 Tiberius Caesar Bevor er von Augustus 4 n. Chr. adoptiert wurde, hieß er Tiberius Claudius Nero, danach Ti. Caesar oder Tiberius Iulius Caesar. Nach Regierungsübernahme lautete sein Name Ti. Caesar Augustus; das Praenomen Imperator lehnte er ab.303 Mehrere literarische Quellen (beispielsweise Vell. 2,129; Tac. 1,7) nennen ihn, wie die Stadtchronik, Tiberius Caesar. Aufgrund seiner Kaiserwürde brachte man Tiberius gottähnliche Verehrung entgegen,304 wie dies schon bei Caesar und Augustus geschehen war; er wurde jedoch nach seinem Tod nicht zum Divus erhoben.305 imp(eravit) ann(os) XXII m(enses) VII d(ies) XXVIII. A) Burgess zur Regierungsdauer des Tiberius306 (Zusammenfassung) Die meisten Quellen geben eine Regierungsdauer von 22 Jahren an, jedoch z. T. sehr unterschiedliche Zahlen von Monaten und Tagen; bisweilen wird auch lediglich die Zahl der Jahre genannt, wobei entweder auf 22 abgerundet oder auf 23 aufgerundet wird. Bei einigen Quellen stimmen die Daten mit jenen des Breviarium Vindobonense ganz oder annähernd überein: 22 Jahre, 7 Monate, 28 Tage: Tert. adv. Iud. 8,16. 22  Jahre, 7  Monate, 22  Tage: Liber gen. (I) 379 (wahrscheinlich seien aus den 28 Tagen des griechischen Originaltextes durch einen Kopistenfehler 22 Tage geworden). 301 302 303 304

Yavetz 2010, 17. Sonnabend 2013, 82. Zu den Namen und Titeln: A. Stein, PIR2 Bd. 2 (1936) C 941, 219–225. Clauss 2001, 76, 88 f. Er selbst lehnte aber die kultische Verehrung seiner Person ab; s. Christ 2009, 190. 305 Kienast 2017, 72; vgl. Christ 2009, 206. 306 Burgess 2014, 41–43.

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B) 4. Item imperia caesarum

22 Jahre, 7 Monate, 7 Tage: Cass. Dio 58,28,5. Dio geht davon aus, dass Tiberius am 19. August 14, dem Todestag des Augustus, dessen Nachfolge antrat und nimmt irrtümlich an, Tiberius sei am 26. März 37 gestorben. Tatsächlich aber starb Tiberius am 16. März (a. d. XVII Kal. Apr.) dieses Jahres. Belege: FOst (Vidman S. 43); Tac. ann. 6,50; Suet. Tib. 73,1. 22 Jahre, 6 Monate und 3 Tage: Ios. bell. Iud. 2,180. Flavius Josephus berechnet (nach inklusiver Zählweise) die Regierungszeit des Tiberius von dessen dies im­ perii, den er auf den 16. September 14 n. Chr. datiert, bis zum dies imperii des Caligula (18. März 37). Burgess’ abschließender Kommentar zu den unterschiedlichen Datierungen: Zwischen dem Tod des Augustus und dem Tod des Tiberius liegen 22 Jahre, 6 Monate und 25/26 Tage. Die vom Breviarium Vindobonense und von Tertullian angegebene Regierungsdauer ist um 1 Monat und 2 bis 3 Tage länger. Dafür ist folgende Erklärung möglich: Wahrscheinlich zählten beide vom 19. August 14 bis zum 18. März 37, dem dies imperii des Caligula, woraus eigentlich 22 Jahre, 6 Monate und 28 Tage hätten resultieren müssen. Aber beide Quellen geben 7 statt 6 Monate an. Burgess nimmt an, dass die Ursache für diesen Fehler nicht der Irrtum eines Kopisten war, sondern der Einfluss anderer Quellen, die auf 7 Monate aufgerundet hatten. Die Angabe des Breviarium sei demnach nur scheinbar inkorrekt, da sie auf einer fehlerhaften Tradition beruhe. B) Ergänzungen: Ich habe nicht alle von Burgess zitierten Quellen genannt. Andererseits müsste seine Liste um zwei weitere Quellen ergänzt werden: Laut Tac. ann. 6,51,2 regierte Tiberius fast 23 Jahre lang (tribus ferme et viginti); Epit. de Caes. 2,1 verzeichnet 23 Jahre. Die Senatssitzung, bei welcher Tiberius als Augustus anerkannt wurde, wird in der neueren Literatur auf den 17., nicht auf den 16. September 14 n. Chr. datiert. 307 C) Fazit: Zwischen dem Tod des Augustus (19. August 14) und dem Tod des Tiberius (16. März 37) liegen 22  Jahre, 6  Monate und 25/26  Tage. Vergleicht man damit die Daten der Stadtchronik (22 Jahre, 7 Monate und 28 Tage), gibt sie die Regierungszeit des Tiberius um einen Monat und zwei/drei Tage zu lang an. Da ihr Verfasser aber bei seiner Berechnung vermutlich den dies imperii des Caligula (18. März 37) als Enddatum nahm, sind seine Zahlen hinsichtlich der Jahre und der Tage (bei exklusiver Zählweise) korrekt. Sein Fehler besteht darin, aufgrund einer fehlerhaften Tradition einen Monat zuviel auszuweisen. Größer wäre sein Fehler dann, wenn er nicht den Tod des Augustus, sondern die Erhebung des Tiberius zum Augustus durch den Senat am 17. September

307 Beispiele: Kienast 2017, 71; Burgess 2014, 41; Christ 2009, 185.

4.3 Die Caesaren: Tiberius Caesar

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14 (der vermutliche dies imperii des Tiberius) als Ausgangsdatum für die Berechnung der Regierungsdauer gewählt hätte. Wie oben erwähnt, rechnete Flavius Josephus (bell. Iud. 2,180) von dies imperii (des Tiberius) zu dies imperii (des Caligula). Folgende Gründe sprechen jedoch dagegen, dieser Berechnungsmethode den Vorzug zu geben: Die Nachricht vom Tod des Augustus und von der Nachfolge durch Tiberius war gleichzeitig verbreitet worden (Tac. ann. 1,5,4). Nachdem dieser noch von Nola aus veranlasst hatte, dass ihm die Consuln, die Präfekten und die Armee einen Treueid leisteten, war er seit dem 19. August 14 faktisch Alleinherrscher. Schon vor dem Tod des Augustus hatte er kaiserliche Befugnisse besessen: Die tribunicia potestas hatte er erstmals 6 v. Chr. für 5 Jahre, dann 4 n. Chr. (nach der Adoption durch Augustus) für 10 Jahre erhalten; im Jahr 13 war sie erneuert worden.308 Im gleichen Jahr war ihm das imperium proconsulare maius übertragen worden, so dass er seither die beiden wichtigsten Befugnisse wie Augustus selbst besaß; dieser hatte außerdem die Nachfolge geregelt, indem er Tiberius nicht nur adoptiert und testamentarisch zu seinem Erben erklärt, sondern ihn in der letzten Zeit seiner Herrschaft praktisch zum gleichberechtigten Partner gemacht hatte, zum collega imperii.309 An den beschriebenen Machtverhältnissen konnte sich dadurch, dass der Senat am 17. September 14 Tiberius offiziell als Augustus anerkannte, nichts Wesentliches mehr ändern. Nach dem Tod seines Adoptivvaters hatte Tiberius offenbar zunächst eine Art von Regierungspartnerschaft mit dem Senat angestrebt, doch dieser glaubte nicht daran, dass der neue Kaiser es mit seinem Angebot ehrlich meinte.310 cong(iarium) dedit X LXXIIS. Als Tiberius am 23. Oktober 12 n. Chr. in Rom wegen seines Sieges in Pannonien einen Triumph feierte, ließ er dem Volk an 1000 Tischen ein Frühstück servieren und spendete jedem Empfangsberechtigten als congiarium 300 Sesterzen bzw. 75 Denare (Suet.Tib. 20,1). Wie auf S. 107 erwähnt, ordnen van Berchem, Barbieri und Kienast diese Spende als 7. congiarium des Augustus ein, da Tiberius zu diesem Zeitpunkt noch nicht Kaiser war, sondern der von Augustus designierte Nachfolger.

308 Kienast 2017, 71 f.; ausführlicher: Gelzer, Iulius Nr. 154, in: RE 10,1 (1918) 485–488. 309 Wichtige Quellen für die Machtteilung und die Nachfolgeregelung des Augustus zugunsten seines Stiefsohnes: Vell. 2,103,3; 2,121,1 f.; Tac. ann. 1,8; Suet. Tib. 21,1; 21,3; 23; Suet. Aug. 101,1; Cass. Dio 56,32,1. Laut Karl Christ (2009, 182) galt Tiberius schon ab 4 n. Chr. als collega imperii. 310 Dass die Senatoren das Verhalten des Tiberius als unaufrichtig bewerteten, überliefert Tac. ann. 1,7; 1,11,1–1,13,5. Über die Vorgänge beim Regierungsantritt des Tiberius s. Dietmar Kienast, Der Regierungsantritt des Tiberius, in: Lagom. Festschrift für Peter Berghaus, Münster 1981, 41–48. Zitiert nach: D. Kienast, Kleine Schriften; v. Haehling/v. Vacano/Ziegler (Hrsg.), Aalen 1994, 413–423. Vgl. Christ 2009, 183–187.

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B) 4. Item imperia caesarum

Van Berchem und Barbieri verzeichnen 4 congiaria des Tiberius:311 1) 15 n. Chr.: 65 Denare pro Kopf, die Augustus testamentarisch dem Volk vermacht hatte (Cass. Dio 57,14,2). Auskunft darüber, welchen Gesamtumfang das Vermächtnis hatte und wie es aufgeteilt werden sollte, geben Tac. ann. 1,8,1–2; Suet. Aug. 101,1–2; Cass. Dio 56,32,2. 2) 17 n. Chr.: 75 Denare anlässlich des Triumphs von Germanicus, den Tiberius adoptiert hatte, im Namen des Adoptivsohnes (Tac. ann. 2,42,1). 3) 20 n. Chr.: 60 Denare aus Anlass des tirocinium Neros, des ältesten Sohnes von Germanicus (FOst z. J. 20 n. Chr., Vidman S. 41; Tac. ann. 3,29,1–3; Suet. Tib. 54,1). 4) 23 n. Chr.: 60 Denare anlässlich des tirocinium des Drusus, des zweitältesten Sohnes des Germanicus (Tac. ann. 4,4,1; Suet. Tib. 54,1). Die Höhe des bei den beiden congiaria der Jahre 20 und 23 jeweils verteilten Betrags überliefern die zitierten Quellen nicht. Man darf jedoch auf 60  Denare pro Kopf schließen, denn laut Cass. Dio 59,2,2312 ließ Caligula 37 n. Chr. als congiarium 60 Denare verteilen, zuzüglich 15 Denare Verzugszinsen. Letzteres mit der Begründung, das Volk habe die 60 Denare nicht erhalten, als er, wie zuvor seine beiden Brüder, die toga virilis angelegt hatte. Fazit Es ist gut belegt, dass Tiberius als Kaiser vier congiaria mit einer Gesamtsumme von 260  Denaren pro Kopf verteilen ließ. Die Angabe der Stadtchronik, er habe nur 72 ½ Denare ausgezahlt, entspricht also offenbar nicht den Tatsachen. Wie lässt sich die falsche Angabe der Stadtchronik erklären? Möglichkeit 1: Da die Differenz zwischen 72 ½ und jenen 75 Denaren, die jeweils 12 und 17 n. Chr. verteilt wurden, nicht sehr groß ist, könnte der Chronist Kenntnis von einer dieser Spenden gehabt, sich aber im Betrag geirrt haben. Dagegen spricht nicht nur die merkwürdig ungerade Summe, sondern auch, dass das congiarium des Jahres 12 noch unter der Regierung des Augustus und jenes des Jahres 17 im Namen des Germanicus verteilt wurde. Möglichkeit 2: Deshalb ist eher zu vermuten, dass eine der drei anderen Spenden gemeint ist und sich ein Fehler eingeschlichen hat. Für das congiarium des  Jahres 15 n. Chr. überliefert Cassius Dio den Betrag von 65 Drachmen (= 65 Denare bzw. 260 Sesterzen). Falls der Verfasser der Stadtchronik auf eine lateinische Quelle zurückgriff, die den von Dio genannten Betrag auswies, wäre zwar ein Kopistenfehler möglich, durch den aus LXV die Zahl LXXII wurde, aber wie ist das „S“ zu erklären? Man 311 312

Berchem 1939, 145 f.; Barbieri 1957, 840 f. Hingegen verzeichnet Kienast (2017, 72) nur das durch die FOst belegte congiarium des Jahres 20 n. Chr. Auf diese Quelle stützt sich auch van Berchem a. a. O.

4.3 Die Caesaren: Tiberius Caesar

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kann sich eher vorstellen, dass hier irrtümlich wieder der Betrag über 250 Sesterzen (=  LXIIS Denare) zu Grunde liegt, den die Stadtchronik auch bei den congiaria des Augustus nennt (s. o. S. 108). Aus LXIIS konnte durch einen Kopistenfehler leicht LXXIIS werden. Problematisch ist jedoch, dass die Stadtchronik dieselbe falsche Spendenhöhe auch bei Caligula nennt (s. u. S. 122). Konnte derselbe Fehler wirklich zweimal hintereinander auftreten? Möglichkeit 3: Übrig bleibt nur eine zugegebenermaßen etwas spekulative Erklärung: Die Spende des  Jahres 15  n. Chr. fiel mit 65  Denaren niedriger aus, als das Volk erhofft hatte. Nach Caesars Tod hatte Augustus als dessen Vermächtnis immerhin 75 Denare (=300 Sesterzen) ausgezahlt. Dass das römische Volk nach dem Tod des Augustus ein mindestens ebenso großzügiges congiarium erwartet hatte, wird aus Bemerkungen Suetons deutlich: Er kritisiert die mangelhafte liberalitas des Tiberius (Suet. Tib. 48,1) und unterstellt ihm Geiz (Pecuniae parcus ac tenax; Suet. Tib. 46,1). An anderer Stelle (Tib. 57,2) erwähnt er explizit das erste congiarium: Das Volk sei ungeduldig geworden, weil Tiberius lange gezögert habe, das Vermächtnis des Augustus auszuzahlen. Dies bestätigt Cassius Dio, der außerdem berichtet, die Empfänger hätten pro Kopf 65 Denare erhalten (Cass. Dio 57,14,1–2). Da Sueton nur die Gesamtsumme nennt, wäre es möglich, dass der Verfasser der Stadtchronik über den Auszahlungsbetrag nicht genau informiert war und die seltsame Summe X LXXIIS nannte, um auf diese Weise darauf aufmerksam zu machen, dass der Kaiser sich nicht als großzügig erwies, sondern weniger als die erwarteten 75 Denare zahlte. Die niedrige Summe von 65 Denaren sowie deren verzögerte Auszahlung sind jedoch keine eindeutigen Belege für den Geiz des Tiberius: Augustus hatte testamentarisch eine einjährige Frist für die Auszahlung seines Erbes festgelegt (Suet. Aug. 101,3). Laut Tacitus hatte er dem Volk 43 ½ Mio. Sesterzen hinterlassen: populo et plebi quadringentiens triciens quinquiens (Tac. ann. 1,8,1). Hierzu überliefert Sueton Genaueres: legavit populo R. quadringenties, tribubus tricies quinquies sestertium (Suet. Aug. 101,2). Demnach waren 3 ½ Mio. Sesterzen für die Kassen der tribus bestimmt. Möglicherweise hatte Augustus auch die übrigen 40 Mio. nicht pro Kopf auszahlen lassen wollen, sondern für das aerarium populi vorgesehen.313. Wie Suetons oben erwähnten kritischen Bemerkungen zu entnehmen ist, erwartete das Volk aber offenbar die inzwischen üblich gewordene Auszahlung pro Kopf. Tiberius sah sich nun vor das Problem gestellt, die Summe für ein dem Volk angemessen erscheinendes congiarium aufzubringen. Anscheinend reichten die 40  Mio. Sesterzen nicht aus, um dem einzelnen Empfangsberechtigten mehr als 65 Denare (260 Sesterzen) auszuzahlen.314

313 314

Diese Vermutung äußert van Berchem 1939, 144 f. Dass Tiberius zögerte, das Geld zu verteilen, könnte also auch an dem von Augustus vorgesehenen Auszahlungsmodus gelegen haben. Da Suet. Aug. 101,2 ebenso wie Cass. Dio 56,32,2 als Gesamtsumme 40  Mio. Sesterzen (=10  Mio.  Denare) überliefern, lässt sich die Zahl der Empfänger berechnen: etwas mehr als 150 000; vgl. Virlouvet 1991, 45.

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B) 4. Item imperia caesarum

hoc imp(erante) in civitate Fidenis populo spectante amphitheater ruit et oppressit homines I̅ I̅ I̅ I̅ CCV. Laut Suet. Tib. 40 kamen beim Einsturz des Amphitheaters in dem ca. 5 Meilen nördlich von Rom gelegenen Fidenae mehr als 20 000 Zuschauer ums Leben, während gerade Gladiatorenspiele stattfanden. Durch Tacitus (ann. 4,62 f.), der über das Unglück ausführlicher als Sueton berichtet, ist überliefert, dass es sich während des Konsulats von L. Calpurnius Piso und M. Licinius Crassus Frugi, also im Jahr 27 n. Chr., ereignete; die katastrophale Folge seien 50 000 Verletzte und Tote gewesen (debilitata vel obtrita). Es fällt schwer, eine derart hohe Zahl von Opfern für glaubwürdig zu halten:315 Zwar war das Amphitheater von Fidenae zum Zeitpunkt des Unglücks überfüllt, da viele Schaulustige aus dem nahen Rom gekommen waren, wo laut Tacitus während der Regierung des Tiberius keine Gladiatorenspiele stattfanden; es kann jedoch schwerlich so viele Zuschauerplätze gehabt haben wie das später erbaute römische Colosseum, das größte antike Amphitheater. Dieses verfügte nach modernen Berechnungen über ungefähr 50 000 Zuschauerplätze.316 Außerdem sind die von Tacitus und Sueton genannten Zahlen offensichtlich aufgerundet. Im Vergleich dazu wirkt die von der Stadtchronik angegebene Zahl 4205 aufgrund ihrer vermeintlichen Präzision wesentlich glaubwürdiger. Beweisen lässt sich diese Annahme jedoch nicht.317 Vielleicht gibt es aber eine Möglichkeit, die großen Unterschiede hinsichtlich der berichteten Opferzahlen zu erklären: Es könnte sein, dass die Stadtchronik nur die Zahl jener nennt, deren Tod man sofort nach der Katastrophe feststellte; dafür würde die Genauigkeit der Ziffer 4205 sprechen. Die von Sueton angegebene Zahl 20 000 erfasste möglicherweise auch diejenigen Opfer, die später ihren Verletzungen erlagen. Tacitus spricht darüber hinaus explizit auch von jenen, die überlebten, aber verletzt wurden. Zu den Ursachen der Katastrophe: Ein Freigelassener namens Atilius ohne großes Vermögen hatte Tacitus zufolge aus skrupellosem Gewinnstreben (in sordidam mercedem, Tac. ann. 4,62,1) die hölzernen Fundamente des Theaters nicht solide genug errichtet; daher war die Konstruktion bei dem großen Besucherandrang überlastet. Tacitus schildert eindrucksvoll das Leid von Opfern und Angehörigen; am schlimmsten sei es für jene Opfer gewesen, die nicht sofort tot waren. Er geht auch auf die Konsequenzen der Katastrophe ein: Atilius wurde verbannt und ein Senatsbeschluss verfügte, dass künftig nur noch solche Amphitheater errichtet werden durften, deren Solidität geprüft wurde, und auch nur von Unternehmern mit ausreichendem Kapital.

315 316 317

Mommsen (1892, 145 Anm. 7) hält bereits die von Sueton genannte Opferzahl von 20 000 für zu hoch. Nielsen, Colosseum, in: DNP 6 (1990) 669; Gall, Flavium amphitheatrum, in: RE 12,1 (1909) 2522. Vgl. Burgess 2014, 16.

4.3 Die Caesaren: Tiberius Caesar

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excessit Miseno. Mehrere Quellen überliefern ebenfalls, Tiberius sei bei Misenum gestorben.318 Im Jahr 26 n. Chr. hatte Tiberius Rom verlassen und hielt sich zunächst in Campanien auf, ab dem Jahr 27 fast ständig auf der Insel Capri; die Hauptstadt betrat er seitdem nicht mehr.319 Laut Tac. ann. 6,50,1 wechselte er kurz vor seinem Tod mehrfach den Aufenthaltsort und bezog schließlich eine Villa, die einst L. Lucullus gehört hatte, am Kap Misenum nahe Neapel. Mit der Formulierung excessit scheint die Stadtchronik auf eine natürliche Todesursache hinzuweisen. Andere Quellen überliefern widersprüchliche Angaben: Sueton berichtet, Tiberius habe noch einmal nach Rom reisen wollen, sei dann jedoch wegen böser Vorzeichen umgekehrt. Auf der Rückreise sei er in Campanien erkrankt und schließlich in Misenum geblieben, obwohl er lieber wieder nach Capri zurückgekehrt wäre. Sueton erwähnt aber auch unterschiedliche Gerüchte, denen zufolge Tiberius ermordet wurde: Caligula habe Tiberius Gift verabreicht, man habe dem Kranken nach einem unvermutet überwundenen Fieberanfall die Nahrung verweigert oder jemand habe ihn mit einem Kissen erstickt, als er aus einer Ohnmacht erwachte und den Ring (ein Symbol der Kaiserwürde) zurückverlangte, den man ihm bereits abgezogen hatte (Suet. Tib. 72,2–73,1). Im Widerspruch dazu zitiert Sueton eine Schilderung Senecas d. Ä., der zufolge Tiberius den Ring zuerst selbst vom Finger zog, ihn dann wieder ansteckte und, da ihn die Kräfte verließen, anscheinend eines natürlichen Todes starb. An anderer Stelle jedoch wird Caligula von Sueton beschuldigt, Tiberius entweder selbst vergiftet bzw. erstickt oder den Mord angeordnet zu haben (Suet. Cal. 12,2–3). Tacitus berichtet nichts von Gift, stellt aber eine andere Mordvariante als Tatsache dar: Die Umgebung des Tiberius habe geglaubt, der Tod sei bereits eingetreten, als der Kaiser überraschend wieder zu sich gekommen sei und zu essen verlangt habe. Caligula, der gekommen war, um die Nachfolge anzutreten, sei entsetzt gewesen. Da habe der Prätorianerpräfekt Macro befohlen, schwere Decken über den Kranken zu werfen und ihn dann allein zu lassen (Tac. ann. 6,50,5). Die etwas kürzeren Angaben bei Cass. Dio 58,28,3 ähneln denen des Tacitus: Caligula sei in Sorge gewesen, Tiberius könne sich wieder erholen, habe ihm das erbetene Essen gegeben und ihn dann mit vielen dichten Decken zugedeckt, angeblich, um ihn warm zu halten. Tatsächlich aber habe er dadurch den Kranken, von Macro unterstützt, erstickt. Auch die Epit. de Caes. 2,10 berichtet, Tiberius sei durch insidiae des Caligula ermordet worden. Die Gerüchte über die angebliche Ermordung des Tiberius durch Caligula sind wohl damit zu erklären, dass die antiken Berichterstatter interessiert daran waren, den verhassten Caligula in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken. Eine zusätzliche Erklärung liefert Yavetz unter Bezug auf Suet. Tib. 75,1: Tiberius war wegen seiner jahrelangen Abwesenheit von Rom beim Volk derart unbeliebt, dass die Nachricht vom 318 319

FOst, Vidman S. 43; Suet. Tib. 72,2; 73,1; Tac. ann. 6,50,1; Cass. Dio 58,28,1; Series regum 154,21. Tac. ann. 4,57,1; 4,58,2; 4,67,1; Suet. Tib. 39; 40,1; 72,1. Zur Datierung s. Christ 2009, 198, 200 f.; vgl. Yavetz 1999, 97.

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B) 4. Item imperia caesarum

Tod des Kaisers die plebs in einen Freudentaumel versetzte; auf den Straßen war der Ruf Tiberium in Tiberim! zu hören. Yavetz kommentiert dies mit den Worten: „Die Folklore wollte Tiberius keinen natürlichen Tod zugestehen. […] Alles deutet darauf hin, dass Tiberius […] im Alter von 78 Jahren an Altersschwäche starb“. (Yavetz 1999, 166 f.) Yavetz begründet seine These zusätzlich mit dem erwähnten Seneca-Zitat bei Sueton Tib. 73,2 sowie mit Philo leg. 25 und folgt damit der Argumentation von Matthias Gelzer; auch andere Vertreter der neueren Forschung sehen die angebliche Ermordung des Tiberius nicht als bewiesen an.320 Fazit Obwohl mehrere antike Quellen Caligula beschuldigen, Tiberius ermordet zu haben, zeigt die Formulierung der Stadtchronik, dass sie dessen Tod auf eine natürliche Todesursache zurückführt. Dies steht im Einklang mit Teilen der antiken Überlieferung und mit den Ergebnissen der neueren Forschung. Misenum als Sterbeort nennen auch die Fasti Ostienses, Tacitus, Sueton, Cassius Dio und die Series regum. 4.3.4 C. Gallicula Andere literarische Quellen nennen ihn Caius Caesar, Caius oder Caligula. Sein Geburtsname war C. Iulius Caesar Germanicus, wobei der Gentilname Iulius nie verwendet wurde.321 Den Beinamen Caligula (in der Stadtchronik orthographisch falsch) erhielt er als kleines Kind von Soldaten: Seine Eltern, der Feldherr Germanicus, Adoptivsohn des Kaisers Tiberius, und Agrippina die Ältere hatten den kleinen Sohn ins Feldlager nach Germanien mitgenommen, wo er Halbstiefel wie die einfachen Soldaten trug. Diese nannten ihn daher nach dem Soldatenstiefel caliga liebevoll Caligula. Als Kaiser lautete sein Name ab dem 18. März 37 C. Caesar Augustus Germanicus. Nach seinem Tod weigerte sich der Senat, ihn als Divus zu konsekrieren; laut Cass. Dio 60,4,5–6 ließ Claudius aber den formellen Senatsbeschluss einer damnatio memoriae nicht zu, sondern befahl eigenmächtig, alle Abbildungen Caligulas wegzuschaffen. imp(eravit) ann(os) III m(enses) VIII d(ies) XII. A) Burgess zur Regierungsdauer des Caligula322 (Zusammenfassung) Caligulas dies imperii war der 18. März 37 (Acta fratrum Arvalium, CIL VI, 2028, s. a. 38; = CFA Nr. 12 c, Z. 8–10); ermordet wurde er am 24. Januar 41 (Suet. Cal. 58,1). Also

320 Gelzer, Iulius Nr. 133, in: RE 10,1 (1918) 384; Bengtson 1967, 282; Winterling 2003, 50; Christ 2009, 206; Kienast 2017, 72. 321 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 78; Petersen, PIR2 Bd. 4,3 (1966) I 217, 168 f. Den Beinamen Caligula erklären die folgenden Quellen: Suet. Cal. 9,1; Tac. ann.1,41,2 ; 1,69,4; Cass. Dio 57,5,6. 322 Burgess 2014, 43 f.

4.3 Die Caesaren: C. Gallicula

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währte seine Herrschaft 3 Jahre, 10 Monate und 6/7 Tage. Die Angaben von drei Quellen stimmen damit ungefähr überein: Suet. Cal. 59,1: 3 Jahre, 10 Monate und 8 Tage. Diese Daten können als korrekt gelten, da Sueton als Ausgangsdatum offenbar den Todestag des Tiberius (16. März 37) wählt. Hier. chron. z.J. 37 n. Chr.: 3 Jahre und 10 Monate. Cass. Dio 59,30,1: 3 Jahre, 9 Monate und 28 Tage. Dio wählt als Ausgangsdatum den 26. März 37, da er dieses Datum fälschlich für den Todestag des Tiberius hielt. Andere Quellen hingegen (von Burgess als „Relevant Chronologies“ bezeichnet) nennen Daten, die mit denen des Breviarium Vindobonense fast identisch sind: 3 Jahre, 8 Monate und 13 Tage: Tertullian, adv. Iud. 8,16; 3 Jahre, 8 Monate und 7 Tage: Theophilus ad Autol 3,27; 3 Jahre, 8 Monate: Ios. bell. Iud. 2,204; Ios. ant. Iud. 19,201; Syn. chron. B 16,11; Syn. chron. A 28,14. Alle Datierungen, die 3 Jahre und 8 Monate (und unterschiedlich viele Tage) verzeichnen, bewertet Burgess als fehlerhaft, also auch die vom Breviarium angegebene Regierungsdauer. Den Fehler erklärt er folgendermaßen: Die von Josephus (an welchem sich Syn. chron. A und B orientieren), Theophilus, Tertullian und Breviarium genannten Zahlen liegen dicht beieinander. Daher sei zu vermuten, dass diese von einer gemeinsamen Quelle stammen, welche Caligulas Regierungszeit um 2  Monate zu kurz angegeben hatte. Die im Breviarium verzeichneten XII Tage könnten durch fehlerhaftes Kopieren der bei Tertullian überlieferten XIII Tage entstanden sein. B) Ergänzungen: Caligula wurde zwar noch am 16. März 37, dem Todestag des Tiberius, von den in Misenum anwesenden Prätorianern, befehligt von ihrem Präfekten Macro, zum Imperator ausgerufen,323 aber er wählte den 18. März 37 als dies imperii, da ihn der Senat erst an diesem Tag offiziell als neuen Augustus anerkannte.324 Tiberius hatte im Unterschied zu Augustus keinen bestimmten Nachfolger designiert, sondern testamentarisch seinen Adoptivenkel Gaius (Caligula) sowie seinen leiblichen Enkel Tiberius Gemellus zu gleichberechtigten Nachfolgern bestimmt, also dem Senat die Wahl zwischen zwei Angehörigen der julischen Familie überlassen. Als der Tod des Tiberius nur noch eine Frage von Tagen oder Stunden zu sein schien, begab sich Caligula an dessen Krankenlager nach Misenum. Nach dem Tod des Tiberius verständigte sich Macro mit den Consuln, welche dem Senat die Bitten Caligulas vortrugen: Er möge Beschlüsse fassen v. a. über das Testament des Tiberius sowie über Caligulas Anerkennung als princeps. 323 Kienast 2017, 78; vgl. Christ 2009, 208; Kissel 2006, 26; Winterling 2003, 50. 324 CFA 12 c, Z. 8–10 (= CIL VI, 2028); vgl. Kienast 2017, 78; Christ 2009, 209; Kissel 2006, 28; Gelzer, Iulius Nr. 133, in: RE 10,1 (1918) 385.

122

B) 4. Item imperia caesarum

Am 18. März 37 erklärte der Senat das Testament für ungültig, da es von einem Unzurechnungsfähigen verfasst worden sei; er bestätigte Caligulas Imperatorentitel und verlieh ihm alle Kompetenzen, die Augustus besessen hatte.325 Die angebliche Unzurechnungsfähigkeit des Tiberius wurde laut Cass. Dio 59,1,2 damit begründet, dass er einen minderjährigen Knaben, Tiberius Gemellus, zu seinem möglichen Nachfolger bestimmt habe. C) Fazit: Berechnet man Caligulas Herrschaftsdauer ab seinem offiziellen dies imperii (18. März 37) bis zum Tag seiner Ermordung (24. Januar 41), lautet das Resultat, wie von Burgess festgestellt, 3 Jahre, 10 Monate und 6 oder 7 Tage. Die von der Stadtchronik verzeichnete Regierungsdauer ist demnach um fast 2 Monate zu kurz. Burgess liefert eine plausible Erklärung für den Fehler: Die Datierung der Stadtchronik basiert auf einer fehlerhaften Quelle, die auch von Flavius Josephus und anderen benutzt wurde. cong(iarium) dedit X LXXIIS Die Zahl ist falsch, denn drei zuverlässige Quellen überliefern den Betrag von 75  Denaren: Laut Suet. Cal. 17,2 spendete Caligula dem Volk zweimal dreihundert Sesterzen (pro Kopf). Über die erste Spende, die gleich nach Regierungsbeginn gegeben wurde, berichtet Cassius Dio: Caligula zahlte die testamentarischen Legate des Tiberius aus, obwohl dessen Testament für ungültig erklärt worden war; die Gesamtsumme, die Tiberius dem Volk vermacht hatte, habe sich auf 45 Mio. Sesterzen bzw. 11 250 000 Denare belaufen (Cass. Dio 59,2,1). Die Fasti Ostien­ ses datieren das Ereignis auf den 1. Juni 37 n. Chr. und nennen als Summe 75 Denare pro Kopf (FOst, Vidman S. 43).326 Bereits für den 19. Juli 37 n. Chr., verzeichnen die Fasti Ostienses ein zweites congiarium über 75 Denare. Genaueres erfährt man wieder von Cassius Dio: Caligula zahlte 60 Denare plus 15 Denare Verzugszinsen aus, mit der Begründung, das Volk hätte dieses congiarium schon vor Jahren erhalten sollen, als er die toga virilis anlegte (s. o. S. 95). Nur die zweite Spende erfolgte im Namen Caligulas, daher verzeichnet die Stadtchronik zu Recht nur ein einziges congiarium dieses Kaisers; aber die von ihr genannte Summe wird durch die genannten Quellen widerlegt. Wie erwähnt, ist die Behauptung des Chronisten, auch Tiberius habe 72 ½ Denare gespendet, ebenfalls falsch. Die eigentümliche Summe LXXIIS könnte theoretisch durch einen Schreiberfehler aus LXIIS entstanden sein, denn 62 ½ Denare entsprechen 250 Sesterzen, die Sueton im Zusammenhang mit den Spenden des Augustus erwähnt (Suet. Aug. 41,2). Da es aber wenig wahrscheinlich ist, dass derselbe Kopistenfehler zweimal hintereinander auftritt, ist die fehlerhafte Angabe der Stadtchronik hinsicht325

Zur Nachfolgeregelung des Tiberius s. Suet. Tib. 76,1; Cal. 14,1. Sonstige Quellen bei Gelzer, RE a. a. O., 384. 326 Aus der Gesamtsumme lässt sich errechnen, dass die Zahl der Empfänger bei 150 000 lag; vgl. Berchem 1939, 146; Barbieri 1957, 841.

4.3 Die Caesaren: C. Gallicula

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lich Caligula vielleicht ebenso zu erklären wie bei Tiberius: Die seltsame Summe von 72 ½ Denaren (= 290 Sesterzen) sollte möglicherweise dem Leser signalisieren, dass es sich um einen Kaiser handelte, welcher der plebs urbana nicht das gewährte, was ihr von Rechts wegen zugestanden hätte. Zwar wird gleich anschließend vermerkt, dass Caligula der Menge zusätzlich zum congiarium Münzen zuwarf, aber damit verbunden waren katastrophale Folgen, nämlich der Tod vieler Menschen. de basilica Iulia sparsit aureos et argenteos, in qua rapina perierunt homines XXXII, CCXLVII et spado. Handschrift V überliefert perierunt homines XXXIICCXLVII et spado. Da die extrem hohe Zahl von 32247 Todesopfern völlig auszuschließen ist und sicherlich durch den Fehler eines Kopisten entstand, ist Mommsens Konjektur logisch und überzeugend. Burgess und Nickbakht/Stein folgen Mommsens Vorschlag, während Frick und Val/Zuc lediglich auf die Konjektur hinweisen. Auch Sueton, Cassius Dio und Flavius Josephus berichten, Caligula habe dem Volk Münzen zugeworfen. Dass er dies von der Basilica Iulia herab tat, die im südwestlichen Bereich des Forum Romanum stand, bestätigt Sueton.327 Er zählt Beispiele für die Verschwendungssucht Caligulas auf und erwähnt in diesem Kontext, der Kaiser habe vom Giebel der Basilica Iulia herab an mehreren Tagen der plebs beträchtliche Summen zugeworfen: nummos non mediocris summae e fastigio basilicae Iuliae per aliquot dies sparsit in plebem. Cassius Dio stellt folgenden historischen Zusammenhang her: Caligula hatte eine Invasion Britanniens vorbereitet, das Unternehmen aber abgebrochen. Er war nach Rom zurückgekehrt und erwartete trotz des Misserfolgs vom Senat göttliche Ehren.328 Während er sich gegenüber dem Senat äußerst aggressiv verhielt, wollte er sich seine Beliebtheit beim Volk dadurch sichern, dass er „von einer hoch gelegenen Stelle aus“ zahlreiche Silber- und Goldmünzen zum Volk hinabwarf. Viele seien im Gedränge umgekommen, als sie nach den Münzen griffen. Dio fügt hinzu, dies sei einigen Quellen zufolge deshalb geschehen, weil Caligula kleine Eisenstücke unter die Münzen gemischt habe.329 Man kann in diesen Eisenstückchen wohl kaum tödliche Wurfgeschosse sehen, aber wahrscheinlich wurden sie von der Volksmenge unten auf dem Platz für Münzen gehalten, so dass hochgradige Erregung über den scheinbar übermäßigen Geldregen entstand. Das war wohl ganz im Sinne Caligulas, der sich auch sonst, z. B. bei Theateraufführungen, daran zu ergötzen pflegte, wenn sich die Leute um das stritten, was er ihnen zuwerfen ließ (Ios. ant. Iud. 19,90). Ca327 Suet. Cal. 37,1. Cass. Dio 59,25,5 und Ios. ant. Iud. 19,71 berichten nur vom Herabwerfen der Münzen. Baubeginn für die Basilica Iulia war 54 v. Chr., fertiggestellt wurde sie unter Augustus. Sie diente als repräsentativer Ort sowohl für Gerichtsverhandlungen als auch für Geldgeschäfte; s. hierzu Förtsch, Basilica Iulia, in: DNP 2 (1996) 472; Giuliani/Verduchi, Basilica Iulia, in: Steinby LTUR 1 (1993) 177 f. 328 Gelzer (RE 10/1, 1918, Sp. 406 f.) datiert dieses Ereignis auf Ende August 40 n. Chr. 329 Nickbakht/Stein (2017, 80) halten dies für unglaubwürdige Gerüchte.

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B) 4. Item imperia caesarum

ligula hatte Palatium und Capitolium durch eine Brücke verbinden lassen (Suet. Cal. 22,4) und die Topographie legt nahe, dass dabei das Dach der Basilica Iulia einbezogen war. Hinsichtlich der Brücke erwähnt Sueton zwar nur, dass sie über den Tempel des Augustus verlief, aber dieser stand wohl direkt südlich der Basilica.330 Vermutlich meint Flavius Josephus diese Brücke, wenn er berichtet, Caligula habe auf dem Weg zum Kapitol der auf dem forum Romanum anwesenden Volksmenge häufig aus großer Höhe Gold- und Silbermünzen zugeworfen (Ios. ant. Iud. 19,71). Zwar rückte Caligula einen Teil des Palatium näher an das forum heran, indem er den Castor und Pollux gewidmeten Tempel zur Eingangshalle des Palastes machte (Suet. Cal. 22,2), aber nur vor der nördlichen Fassade der Basilica Iulia gab es auf dem forum Romanum eine geeignete freie Fläche, auf der sich eine größere Volksmenge versammeln konnte. Allzu geräumig war freilich auch das forum nicht. Mit Sicherheit entstand ein fürchterliches Gedränge, wenn der Kaiser Geld herunterregnen ließ, und es ist durchaus vorstellbar, dass dabei zahlreiche Menschen erdrückt wurden. Die von der Stadtchronik überlieferte Opferzahl (laut Konjektur Mommsens 32 Männer, 247 Frauen und ein Eunuch) ist möglich, kann allerdings nicht verifiziert werden. occisus Palatio. Seit Augustus war der palatium genannte Hügel zum kaiserlichen Wohn- und Residenzviertel geworden. Apollontempel und Kaiserresidenz bildeten einen zusammenhängenden Gebäudekomplex; weitere Tempel und Palastanlagen folgten, so dass sich aus dem ursprünglichen Namen des Hügels die Bedeutung „Palast“ entwickelte.331 Caligula hatte, wie oben erwähnt, bauliche Erweiterungen vorgenommen. Dass Caligula im kaiserlichen Palast ermordet wurde, überliefern mehrere Quellen in ähnlicher Kürze wie die Stadtchronik: Series regum 154,22; Eutr. 7,12,4; Hier. chron. z.J. 40/41 n. Chr. Genaueres berichten Sueton, Cassius Dio und v. a. Flavius Josephus: Die Verschwörung, der Caligula zum Opfer fiel, war nicht die erste gegen ihn, aber ihr gehörten besonders wichtige Personen aus dem Umfeld des Kaisers an. Dies waren die Prätorianertribunen Cassius Chaerea und Cornelius Sabinus, die beiden praefec­ ti praetorio sowie die einflussreichsten Freigelassenen am Hofe. Treibende Kraft war Cassius Chaerea, der Caligula erbittert hasste, weil dieser ihn mehrfach zutiefst gedemütigt hatte (Suet. Cal. 56,2; 58,2; Cass. Dio 59,29;1; Ios. ant. Iud. 19,28). Hauptgrund für die Verschwörung war Sueton zufolge, dass Caligula Drohungen gegen den Senat ausgestoßen und geplant hatte, viele Senatoren und Ritter umzubringen (Suet. Cal. 49,1–3). Diese Pläne seien die Folge einer Geisteskrankheit gewesen (Suet. Cal. 50,2;

330 Augustus, Divus, Templum; in: Richardson NTDAR, 45 f.; Platner/Ashby, 62–65. Das Gebäude wurde nach einem Brand im  Jahr 79 wiederaufgebaut, ist aber in den Regionenverzeichnissen nicht mehr erwähnt; es wurde mehrfach überbaut. Die Originalfundamente konnten bei Ausgrabungen nicht entdeckt werden; s. Platner/Ashby, 65. 331 Ziegler, Palatium, in: RE 18,3 (1949) 5–81, hier v. a. 5–7, 18 f.; Nielsen, Palast, in: DNP 9 (2000) 180.

4.3 Die Caesaren: Tiberius Claudius

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51,1). Als Termin für das Attentat wurden die mehrtägigen ludi Palatini gewählt (Suet. Cal. 56,2; Cass. Dio 59,29,5; Ios. ant. Iud. 19,70). Das waren Theaterspiele, die alljährlich auf dem Palatin zu Ehren des Divus Augustus stattfanden (Ios. ant. Iud. 19,70–89). Laut Ios. ant. Iud. 19,17–114 – ausführlichste Quelle hinsichtlich Plan und Ausführung des Attentats auf Caligula – wurde der Mordanschlag mehrfach verschoben und wohl nur, weil Chaerea so heftig darauf drängte, schließlich am Nachmittag des letzten Spieltages durchgeführt. Als Datum ist durch Suet. Cal. 58,1 der 24. Januar überliefert. Flavius Josephus (ant. Iud. 19,98) und Sueton (Cal. 58,2) zufolge überredeten Mitverschwörer, denen Caligula vertraute, diesen dazu, den Schauplatz der Theateraufführung für kurze Zeit zu verlassen. Sein Weg führte durch einen Korridor, wo er einen Blick auf Knaben werfen wollte, die aus den Oberschichten östlicher Provinzen stammten und im Theater auftreten sollten; dieses Detail erwähnt auch Cass. Dio. 59,29,6. Flavius Josephus und Sueton stimmen darin überein, dass Cassius Chaerea in dem erwähnten Korridor den ersten Schwerthieb gegen Caligula führte, woraufhin die Mitverschwörer ihm zahlreiche weitere Wunden zufügten (Sueton spricht von 30) und ihn töteten. Danach mussten die Attentäter rasch fliehen, da zahlreiche Diener und germanische Leibwächter Caligulas herbeieilten. Letztere machten einige der Verschwörer, aber auch unschuldige Senatoren nieder. Auf Befehl von Cassius Chaerea wurden in der folgenden Nacht sowohl die Ehefrau als auch die Tochter Caligulas getötet (Ios. ant. Iud. 19,190; Suet. Cal. 59; Cass. Dio 59,29,7). Die von Sueton behauptete Geisteskrankheit Caligulas wird in der neueren Literatur als Legende bezeichnet: Die Senatoren hätten Caligula gehasst, weil er sie erniedrigt habe.332 4.3.5 Tiberius Claudius Andere literarische Quellen nennen ihn meist Claudius (z. B. Tac. ann. 11–12; Suet. Claud. 2,1; Aur. Vict. 4). Ursprünglich hieß er Ti. Claudius Drusus, Sohn des Nero Claudius Drusus.333 Nachdem sein älterer Bruder in die gens Iulia aufgenommen worden war, nahm er dessen Beinamen Germanicus an und hieß ab 4 n. Chr. Ti. Claudius Nero Germanicus. Als Kaiser lautete sein Name Ti. Claudius Caesar Augustus Germani­ cus. Da Claudius nicht zur gens Iulia gehörte, ist an der Titulatur zu erkennen, dass das Cognomen Caesar zum festen Bestandteil des Herrschernamens geworden war.334 Auf das praenomen imperatoris verzichtete er, wie dies auch schon seine beiden Vorgänger getan hatten. Auch den Titel pater patriae wies er zunächst zurück, nahm ihn aber ab 42 n. Chr. an. Nach seinem Tod beschloss der Senat die consecratio als Divus Claudi­ us (Tac. ann. 12,69 ; Suet. Claud. 45,1), worüber sich manche offenbar lustig machten 332 Kissel 2006, 57 f.; Winterling 2003, 143, 175–177. 333 Zu den Namen und Titeln: Stein, PIR2 Bd. 2 (1936) C 942, 225–229; Kienast 2017, 82. 334 Kienast 2017, 19 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

(vgl.  Senecas Satire Divi Claudii apocolocyntosis). Nero hob diesen Beschluss später auf, Vespasian erneuerte ihn (s. Suet. ebd.). Claudius wird in der Stadtchronik nicht als Divus bezeichnet; ebenso wenig in der im Chronographen von 354 enthaltenen Liste der Natales Caesarum. Mit dem in dieser Liste genannten Divus Claudius ist Claudius II. Gothicus (268–270) gemeint, den Constantin I. als seinen Vorfahren ausgab.335 imp(eravit) ann(os) XIII m(enses) VIII d(ies) XXVII. A) Burgess zur Regierungsdauer des Claudius 336 (Zusammenfassung) Claudius herrschte ab dem 24. Januar 41 (Tag der Ermordung Caligulas) bis zu seinem Tod am 13. Oktober 54, also während der Zeit von 13 Jahren, 8 Monaten und 20 Tagen. Exakt diese Regierungsdauer überliefern u. a. Ios. bell. Iud. 2,248; Ios. ant. Iud. 20,148; Cass. Dio 60,34,3. Als „Relevant Chronologies“ hinsichtlich der Herrschaftsdauer des Claudius bewertet Burgess folgende Datierungen: 13 Jahre, 8 Monate und 28 Tage: Clem. Al. Strom. 1,21,144,4; Eus. Chron. can. 179 (zitiert nach der Seitenzahl bei Helm 1984); Chron. Syn. 100,31. 13 Jahre, 1 Monat und 28 Tage: Liber gen. I, 381; Epiphanius, De mens. et pond. 350,1 (die Falschangabe „1 Monat“ sei durch einen Kopistenfehler entstanden). 23 Jahre, 8 Monate und 24 Tage: Theoph. ad Autol. 3, 27 („23“ statt 13 Jahre wertet Burgess als offensichtlichen Schreibfehler, ebenso „24“ statt 28 Tage). Dass die Stadtchronik fälschlich d(ies) XXVII überliefert, erklärt Burgess wie folgt: In einer (unbekannten) Herrscherliste, welche die oben genannten Quellen beeinflusste, war die Zahl 28 irrtümlich aus den Regierungsdaten Neros in diejenigen des Claudius kopiert worden. Der Fehler habe einem Schreiber leicht unterlaufen können, da Nero ähnlich lange regierte wie Claudius, nämlich 13 Jahre, 7 Monate und 27/28 Tage. Burgess’ Fazit lautet daher: Dem Verfasser des Breviarium Vindobonense sei nur ein minder schwerer Fehler anzulasten, denn er habe lediglich die zweifellos fehlerhaft überlieferte Zahl XXVIII (Tage) in XXVII abgeändert. B) Ergänzungen: Der 13. Oktober 54 als Todestag des Claudius wird nicht nur durch Sueton und Cassius Dio überliefert, sondern auch durch Tacitus (Tac. ann. 12,69,1), den Burgess nicht erwähnt. Zum Regierungsbeginn des Claudius ist Folgendes anzumerken: Burgess geht davon aus, dass Caligulas Todestag der dies imperii des Claudius war. Tatsächlich wurde Claudius noch am späten Abend des 24. Januar 41 von den Prätorianern zum Imperator ausgerufen. Er versprach ihnen dafür ein sehr hohes donativum: Sueton überliefert 15 000 Sesterzen, Flavius Josephus 20 000 Sesterzen pro Mann. Am Tag danach Liste der Natales Caesarum bei Divjak/Wischmeyer 2014, 91–95. Zur Bedeutung, die Claudius Gothicus für Constantin hatte: Hartmann 2008 b, 307. 336 Burgess 2014, 44 f. 335

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wurde Claudius vom Senat als neuer Caesar Augustus anerkannt.337 Möglicherweise sah er diesen Tag, den 25. Januar 41, als seinen dies imperii an, so wie auch Caligula seine Herrschaft ab dem Tag datiert hatte, an dem er vom Senat anerkannt worden war. Sollte Claudius tatsächlich den 25. und nicht den 24. Januar 41 zu seinem dies imperii erklärt haben, würde das aber nichts daran ändern, dass die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer nicht stimmt. C) Fazit: Je nachdem, ob Claudius den 24. oder 25. Januar 41 als dies imperii wählte, dauerte seine Herrschaft 13 Jahre, 8 Monate und 20/21 oder 19/20 Tage (jeweils nach normaler und inklusiver Zählweise). Für die fehlerhafte Zeitangabe der Stadtchronik (27 Tage) hat Burgess eine einleuchtende Erklärung. cong(iarium) dedit X LXXV. Die in der Stadtchronik genannte Summe wird durch den Bericht Cassius Dios (60,25,7) über Claudius im Wesentlichen bestätigt: „Damals feierte er das Dankfest, das er für den glücklichen Ausgang seines Feldzugs zuvor versprochen hatte. Auch dem Volk, soweit es öffentliche Getreidespenden empfing, ließ er pro Kopf 75 Denare, in gewissen Fällen auch noch höhere Summen reichen, so dass einige bis auf 312 ½ Denare [= 1250 Sesterzen, d. Verf.] kamen.“ Mit dem Feldzug ist die Eroberung Britanniens gemeint, die im Jahr 43 begann. Cassius Dio berichtet hier über Ereignisse des Jahres 45 n. Chr. (zu Beginn des Kapitels verweist er auf das Konsulatsjahr von M. Vinicius und Statilius Corvinus). Van Berchem und Barbieri verzeichnen folgerichtig das erste congiarium des Claudius unter dem Jahr 45;338 als Quelle nennen beide nur Dio, nicht aber die Stadtchronik, obwohl sich deren Angabe sehr wahrscheinlich auf diese Spende bezieht. Wer die Beschenkten waren, denen mehr als 75 Denare gegeben wurde, und warum dies geschah, ist auf der Basis der vorhandenen Quellen nicht definitiv zu beantworten. Aber vermutlich handelte es sich um verdiente Veteranen. Denn wenn laut Cassius Dio manchen (τισι) um bis zu 950 Sesterzen mehr als das sonst Übliche gegeben wurde, erinnert dies an das triumphale congiarium des Jahres 29 v. Chr., als Augustus 120 000 Veteranen mit je 1000 Sesterzen beschenkte (RgdA 15,18 f.; vgl. o. S. 107). Cassius Dio (60,25,8) berichtet weiter, die Spendenverteilung des Claudius habe mehrere Tage gedauert, deswegen habe er sich dabei durch seine Schwiegersöhne unterstützen lassen. Während Cassius Dio nur dieses eine congiarium des Claudius erwähnt, berichtet Sueton: Congiaria populo saepius distribuit (Suet. Claud. 21,1). Aus dem Adverb saepius wäre eigentlich zu schließen, dass Claudius das Volk mit mehr als zwei congiaria beschenkte. Da aber sowohl durch Tacitus als auch durch Sueton selbst nur ein einziges 337 338

Über den Regierungsbeginn des Claudius berichten Ios. ant. Iud. 19,223–260; Suet. Claud. 10,2–4. Zur Datierung vgl. Kienast 2017, 82. Berchem 1939, 147 f.; Barbieri 1957, 841.

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B) 4. Item imperia caesarum

außer dem des Jahres 45 überliefert ist, unterstellen van Berchem und Barbieri (vermutlich zu Recht), Sueton habe sich wohl ungenau ausgedrückt. Sie verzeichnen dieses zweite congiarium für das Jahr 51 n. Chr. und nehmen an, es seien auch jetzt wieder 75 Denare pro Kopf verteilt worden.339 Sueton teilt bezüglich des tirocinium Neros mit, dieser habe ein congiarium und ein donativum versprochen bzw. in Aussicht gestellt (Suet. Nero 7,2). Eine genauere Auskunft gibt Tacitus (ann. 12,41): Im Jahr 51 n. Chr. sei dem Volk ein congiarium gespendet worden, als Nero die toga virilis sowie viele Ehrungen erhielt. Nicht nur dieses congiarium, sondern auch ein donativum sei vom Senat beantragt und im Namen Neros ausbezahlt worden; dieser sei nun als designierter Thronerbe des Kaisers angesehen worden. Nero hatte zu diesem Zeitpunkt weder Zugriff auf das kaiserliche Vermögen noch auf die staatlichen Kassen. Die Entscheidung über den Antrag des Senats lag bei Claudius, der ihn ohne Widerstreben bewilligte und das congiarium im Namen Neros verteilen ließ (Tac. ann. 12,41). Zwei Argumente sprechen dafür, dass mit dem in der Stadtchronik verzeichneten congiarium des Claudius dessen erstes aus dem Jahre 45 n. Chr. gemeint ist: Zum einen war das congiarium des Jahres 51 vom Senat beantragt worden, nicht von Claudius; zum anderen erfolgte die Auszahlung dieser Spende nomine Neronis. hoc imp(erante) primum venenarii et malefici comprehensi sunt; homines XLV, mulieres LXXXV ad supplicium ducti sunt. Die primäre Bedeutung von maleficus ist „Übeltäter“, die sekundäre „Zauberer“340 Im vorliegenden Kontext ergibt nur die sekundäre Bedeutung einen Sinn, denn die Verhaftung von Übeltätern generell wäre nicht wert, erwähnt zu werden. Folglich gab es unter Claudius sowohl zahlreiche Anklagen wegen Giftmischerei als auch wegen Schadenzaubers. Traditionell wurde zwischen beidem nicht streng unterschieden: Mit venenum wurde sowohl das Gift als auch das Zaubermittel bzw. der Zaubertrank bezeichnet, mit veneficium sowohl Giftmischerei als auch Zauberei;341 für beide Delikte galt die unter Sulla beschlossene lex Cornelia de sicariis et veneficiis. Bei der Ermordung des Germanicus 19 n. Chr. hatte neben Gift auch Schadenzauber eine Rolle gespielt (Tac. ann. 2,69) und im Jahr 26 n. Chr. wurde Claudia Pulchra angeklagt, Anschläge mit Gift und Hexerei begangen zu haben (Tac. ann. 4,52). Da es unwahrscheinlich ist, dass der Autor der Stadtchronik das Adverb primum in der vorliegenden Textstelle zu Unrecht verwendet, sind Nickbakht/Stein der Ansicht, primum beziehe sich darauf, dass es unter Claudius erstmals Anklagen allein wegen Schadenzaubers gab, also ohne die Koppelung mit Giftmischerei.342 Diese 339

Berchem und Barbieri jeweils a. a. O.; vgl. Kienast 2017, 83. Barbieri vermutet, dass es sich um das in der Stadtchronik erwähnte congiarium handelt. Dagegen ist Mommsen (1892, 145 Anm. 9) der Ansicht (meines Erachtens zu Recht), dass sich deren Bericht auf das von Cassius Dio überlieferte des Jahres 45 bezieht. 340 Georges Hwb Bd. 2, Sp. 779. 341 Georges Hwb zu veneficium: Bd. 2, Sp. 3398; zu venenum ebd., Sp. 3399; vgl. Barb 1978, 1222. 342 Nickbakht/Stein 2017, 81.

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Erklärung ist m. E. problematisch, da die in der Textstelle genannten Begriffe malefi­ ci und venenarii mittels et eng miteinander verbunden sind, die malefici also nicht als separate Gruppe hervorgehoben werden. Möglicherweise will der Autor sagen, dass in der Kaiserzeit erstmals unter Claudius so viele Personen wegen Giftmischerei und Schadenzauber verhaftet wurden.343 Die Textstelle bezieht sich wahrscheinlich auf die Zeit kurz nach Regierungsantritt des Claudius. Denn bald nach dem Tod Caligulas fand man im Palast Gegenstände, die kriminelle Machenschaften des Ermordeten bewiesen, darunter ein großer Schrank, angefüllt mit unterschiedlichen Giften (Suet. Cal. 49,3). Laut Sueton zeigte Claudius die Gifte dem Senat, bevor er sie im Meer versenken ließ. Er zeigte dem Senat auch Briefe mit belastendem Material gegen Senatoren sowie die Verzeichnisse des Protogenes (Cass. Dio 60,4,5), eines der Freigelassenen, die unter Caligula in höchste Hofämter aufgestiegen waren. Dieser hatte mit seiner Personalpolitik sein Misstrauen gegenüber der Senatsaristokratie demonstriert. Der kaiserliche Günstling hatte Caligula als Werkzeug für Denunziation und Erpressung gedient, wozu die erwähnten, von Protogenes „Schwert“ und „Dolch“ genannten Verzeichnisse verwendet worden waren.344 Diese sind wohl im Zusammenhang mit Caligulas Geldbeschaffung zu sehen: Er hatte sich wegen seiner Verschwendung in einen finanziellen Engpass manövriert. Daher griff er zu allen möglichen kriminellen Maßnahmen und plünderte zahlreiche Angehörige der reichen Oberschicht aus. Auch vor willkürlichen Todesurteilen und Mord schreckte er nicht zurück, um so an das Erbe der Opfer zu kommen (Cass. Dio 59,18,2–5; 59,21,4 f.; Suet. Cal. 38,1–3). Laut Sueton (Cal. 38,2) setzte er auch Gift ein: multis venenatas mat­ teas misit. Vermutlich gehörte die berüchtigte Giftmischerin Locusta, die sich auch mit Zauberei befasste,345 zu den Personen, die Aufträge für Caligula ausführten. Jahre später war sie angeblich an der Ermordung des Claudius beteiligt (s. u. S. 131). Tacitus sagt von ihr, sie sei zuvor wegen Giftmischerei verurteilt worden und habe der Regierung lange Zeit als Werkzeug gedient (Tac. ann. 12,66,2). Da laut Tacitus die Verurteilung der Locusta unter Claudius erfolgte, gehörte sie wohl zu jenen venenarii, von welchen die Stadtchronik spricht. Sie wurde allerdings nicht hingerichtet, daher konnte Nero bald nach seiner Herrschaftsübernahme ihre Dienste für den Brudermord an Britannicus in Anspruch nehmen (Tac. ann. 13,15,3; Suet. Nero 33,2 f.). Claudius ließ die Senatoren die oben erwähnten Briefe lesen, mit denen Caligula sie hatte erpressen wollen (dieser hatte fälschlich behauptet, er habe die Briefe vernichtet), danach ließ er die Schriftstücke verbrennen und den Protogenes hinrichten (Cass. Dio 60,4,5). Auch den aus Ägypten stammenden Freigelassenen Helikon ließ Claudius töten (Phil. legat. 343 Vermutlich bezieht sich die Aussage ausschließlich auf die Kaiserzeit. Zuvor waren anscheinend nur in republikanischer Zeit größere Personengruppen wegen Giftanschlägen vor Gericht gestellt worden; s. Barb 1978, 1225. 344 Cass. Dio 59,26,1–3. Sueton erwähnt zwar die beiden Verzeichnisse, nicht aber den Namen Protogenes. Über Caligulas Personalpolitik („Entaristokratisierung“) s. Winterling 2003, 116–119. 345 Barb 1978, 1224.

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B) 4. Item imperia caesarum

ad Gaium 30). Die Zahl der Hingerichteten wird nur von der Stadtchronik überliefert, sie ist daher nicht verifizierbar. Bei den meisten dürfte es sich um Helfershelfer gehandelt haben, die Protogenes mit Belastungsmaterial versorgt hatten. Dass unter Claudius zahlreiche Männer und Frauen hingerichtet wurden, bestätigt Cassius Dio, ohne aber auf Gift oder Zauberei hinzuweisen: „Gegen Sklaven und Freigelassene, die unter Tiberius und Gaius ihre Herren ins Unglück gebracht, sie fälschlich angezeigt oder durch Aussagen ins Verderben gestürzt hatten, hegte er besonderen Hass und befahl, sie entweder auf die erwähnte Art [Kampf gegeneinander oder gegen wilde Tiere in der Arena, d. Verf.] sterben zu lassen, oder er bestrafte sie auf andere Art. Viele lieferte er auch ihren früheren Gebietern selbst zur Bestrafung aus.“ (Cass. Dio 60,13,2) Laut Cass. Dio 60,6,3 erstattete Claudius denjenigen, die unter Tiberius und Caligula ausgeplündert worden waren, ihr Eigentum zurück. hic metas in circo maximo deauravit. Der circus maximus, welcher der Legende nach bereits in der Königszeit gegründet worden sein soll, bestand in seinen Grundstrukturen nachweislich seit dem 4. Jh. v. Chr.; im Jahr 329 v. Chr. wurden Starttore (carceres) aus Holz erbaut (Liv. 8,20,2). Vermutlich gab es auch damals schon als Zentralachse eine Barriere (euripus, später spina genannt), um welche die Rennbahn herumführte. Als metae wurden die Wendemarken bezeichnet, die an beiden Enden der spina errichtet waren und die bei den Rennen umrundet werden mussten. Sie bestanden jeweils aus einer Gruppe von drei nebeneinander oder im Dreieck angeordneten kegelförmigen Säulen.346 Über den Aufwand, den Claudius bei Circusspielen im circus maximus sowie in dem von Caligula erbauten circus Vaticanus betrieb, berichtet Sueton. Claudius habe dort nicht nur Wettrennen, sondern auch Tierjagden veranstaltet. In diesem Kontext erwähnt Sueton, Claudius habe den circus maximus mit carceres aus Marmor und mit vergoldeten metae schmücken lassen, zuvor hätten sie aus Tuffstein und Holz bestanden: Circo vero maximo marmoreis carceribus auratisque metis, quae utraque et to­ fina ac lignea antea fuerant (Suet. Claud. 21,3). Außerdem, so Sueton weiter, erhielten die Senatoren von nun an separate Sitzreihen. Gladiatorenkämpfe, allerdings nicht im circus, habe Claudius häufig abhalten lassen; sie hätten ihm übermäßig viel Vergnügen bereitet, was Sueton als Beleg für seine Grausamkeit ansieht (Suet. Claud. 21,4 f.; 34,1–2). Cassius Dio kritisiert Claudius ebenfalls wegen seiner Leidenschaft für Gladiatorenkämpfe (Cass. Dio 60,13,1–4) und bestätigt, dass er, wie von Sueton berichtet, im circus maximus den Senatoren spezielle Sitzreihen zuweisen ließ (60,7,3–4). Aber nur Sueton und die Stadtchronik erwähnen die Vergoldung der metae.

346 Zur Entstehungsgeschichte des circus maximus: Humphrey 1986, 60–67; Nielsen, Circus (C), in: DNP 2 (1997) 1211 f. Ausführliche Baugeschichte: Rossetto, Circus Maximus, in: LTUR 1 (1993) 272–276. Zu den metae: Humphrey, a. a. O. 255–257.

4.3 Die Caesaren: Tiberius Claudius

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excessit Palatio. Die Formulierung der Stadtchronik weist auf eine natürliche Todesursache hin. Dass Claudius im Palast starb, bestätigen mehrere Vergleichsquellen: Series regum 154,23; Chron. ad an. 724, 90,22; Hier. chron. z.J. 54 n. Chr. (= a. Abr. 2070); des weiteren Flavius Josephus, Tacitus, Sueton und Cassius Dio. Die letztgenannten vier Autoren berichten außerdem Genaueres über den Tod des Claudius: Er sei von seiner vierten Ehefrau Agrippina vergiftet worden, weil sie Nero, ihrem Sohn aus erster Ehe, die Nachfolge sichern wollte. Nur Flavius Josephus spricht von einem Gerücht (Ios. ant. Iud. 20,148), die drei anderen halten den Giftmord für eine Tatsache. Tacitus nennt als Tatort explizit den Palast und geht besonders ausführlich auf die Durchführung des Verbrechens ein: Agrippina habe die berüchtigte Locusta mit der Herstellung des Giftes beauftragt; weitere Gehilfen seien der Vorkoster Halotus und der Arzt Xenophon gewesen. Man habe Claudius das Gift in einem Pilzgericht verabreicht (Tac. ann. 12,66 f.). Sueton zitiert mehrere Varianten der Berichterstattung über das Verbrechen, wobei zwar das Pilzgericht und Halotus, nicht aber Locusta und Xenophon erwähnt werden, und beschuldigt Nero, zumindest Mitwisser, wenn nicht gar Anstifter des Mordes gewesen zu sein (Suet. Claud. 44,2–3; Nero 33,1). Cassius Dio bestätigt, dass Locusta das Gift hergestellt und Agrippina es einem Pilzgericht beigemischt habe (Cass. Dio 60,34,2–4). Der Giftmord an Claudius galt offenbar bald nach dessen Tod allgemein als Tatsache. Anders ist es nicht zu erklären, dass Nero einige Zeit später vor zahlreichen Zeugen Pilze zynisch als eine göttliche Speise bezeichnete, da sein (Adoptiv-)Vater durch sie zum Gott geworden sei (Suet. Nero 33,1; Cass. Dio 60,35,4). Auch eines der ca. 30  Jahre nach Claudius’ Tod verfassten satirischen Epigramme Martials (Mart. 1,20) sowie eine eher beiläufige Bemerkung von Plinius d. Ä. (nat. 11,189) weisen darauf hin, dass in der Oberschicht die Überzeugung vorherrschte, der Kaiser sei mit Hilfe eines Pilzgerichts ermordet worden. Einige Historiker des 19. und 20. Jh. halten diese Überlieferung für glaubwürdig, so z. B. Groag, Stein, Bengtson und Christ; Vertreter der neueren Forschung, z. B. Shotter, Sonnabend und Kienast, bezweifeln jedoch, dass der Mord an Claudius als bewiesen gelten kann.347 Die Formulierung der Stadtchronik trug vermutlich zu dieser skeptischen Einschätzung bei. Das Geschehen nach dem Tod des Claudius348 erinnert an die Vorgänge nach dem Tod des Augustus: Zunächst wurde geheim gehalten, dass Claudius gestorben war, denn Agrippina wollte alle Details regeln, um Neros Nachfolge sicherzustellen. Dazu gehörte auch, die leiblichen Kinder des toten Kaisers, insbesondere Britannicus, daran zu hindern, vorzeitig den Palast zu verlassen. Der Prätorianerpräfekt Burrus, begleitet von Tribunen und Hofbeamten, brachte Nero dann zur Prätorianerkaserne. Dort ver347 Groag, Claudius Nr. 256, in: RE 3,2 (1899) 2815; Stein, PIR2 Bd. 2 (1936) C 942, 228; Bengtson 1967, 284; Christ 2009, 228. Dagegen: Shotter 2008, 53; Sonnabend 2016, 56 f.; Kienast 2017, 82. 348 Über diese Episode berichten Ios. ant. Iud. 20,152; Tac. ann. 12,68 f.; Suet. Claud. 45; Nero 8; Cass. Dio 61,3,1; am ausführlichsten ist Tacitus.

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B) 4. Item imperia caesarum

sprach Nero jedem Prätorianer ein donativum von 15 000 Sesterzen, wie es auch Claudius einst bezahlt hatte, und wurde daraufhin von ihnen zum Imperator ausgerufen. 4.3.6 Nero Auch andere literarische Quellen, z. B. Sueton und Aurelius Victor, verwenden die Kurzform Nero. Sein Geburtsname war L. Domitius Ahenobarbus.349 Nachdem ihn Kaiser Claudius 50 n. Chr. adoptiert hatte, hieß er Nero Claudius Caesar Drusus Germani­ cus. Sein Kaisername war Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus. Eine Zeitlang wurde er auch Divi filius genannt, bis er die Divinisierung seines Adoptivvaters aufhob (Suet. Claud. 45,1). Den ihm vom Senat angebotenen Titel pater patriae lehnte er mit dem Hinweis auf sein jugendliches Alter ab (Suet. Nero 8). Ab 66 n. Chr. stellte er den Titel Imperator seinem Herrschernamen voran. imp(eravit) ann(os) XIIII m(enses) V d(ies) XXVIII. A) Burgess zur Regierungsdauer Neros 350 (Zusammenfassung) Nero herrschte vom 13. Oktober 54 (Todesdatum des Claudius laut Suet. Claud. 45 und Cass. Dio 60,34,3) bis zum 9. Juni 68 (errechnetes, als wahrscheinlich angenommenes Todesdatum Neros)351, d. h. 13 Jahre, 7 Monate und 27/28 Tage. Als „Relevant Chronologies“ bewertet Burgess v. a. die folgenden Datierungen: 13 Jahre, 8 Monate und 28 Tage: Clem. Al. Strom 1,21,144,4; Liber gen. (I) 382. Die Zahl 8 (Monate) wurde, wie Burgess annimmt, irrtümlich von der Regierungszeit des Claudius auf diejenige Neros übertragen. 13 Jahre und 2 Tage weniger als 8 Monate: Cass. Dio 63,29,3 = Zon. 11,13 (S. 482, Z.2); Burgess weist darauf hin, dass dies übereinstimmt mit Eus. Chron. can. S. 181 [=Seitenzahl bei Edition Helm 31984]: 13 Jahre, 7 Monate und 28 Tage. Laut Burgess weisen die genannten Datierungen darauf hin (bei inklusiver Zählweise), dass Nero am 9. Juni 68 starb. Dieses Datum werde bestätigt, wenn man von Galbas Todestag, dem 15. Januar 69, zurückrechnet und dabei folgende Angaben über dessen Regierungsdauer zugrunde legt: 7 Monate und 7 Tage bei Ios. bell. Iud. 4,499; 7 Monate und 6 Tage bei Theoph. ad Aut. 3,27; Tert. adv. Iud. 8,16. Einen zusätzlichen Hinweis auf den 9. Juni 68 als Neros Todestag liefert Cass. Dio 66,17,4, denn Dio nennt als Zeitspanne von Neros Tod bis zum 1. Juli 69 (an diesem

349 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 88 f.; Waldherr 2005, 11, 69; Stein, PIR2 Bd. 3 (1943) D 129, 34–39. 350 Burgess 2014, 45 f. 351 Vgl. Kienast 2017, 89.

4.3 Die Caesaren: Nero

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Tag wurde Vespasian zum Kaiser proklamiert) 1 Jahr und 22 Tage. Aufgrund der genannten Daten hält Burgess Folgendes für ausreichend gesichert: a) Nero starb am 9. Juni 68 und nicht am 11. Juni, wie B. R. Reece annimmt.352 b) Die vom Breviarium Vindobonense genannte Regierungsdauer ist um 10 Monate zu lang. Dieser gravierende Fehler lässt sich, wie Burgess annimmt, wahrscheinlich damit erklären, dass beim Kopieren versehentlich aus XIII die Zahl XIIII ( Jahre) und aus VII die Zahl V (Monate) entstand; nur die Ziffer XXVIII (Tage) sei unverändert geblieben. B) Ergänzungen Weitere Quellen, die den 13. Oktober 54 als Todestag des Claudius überliefern: Sen. apocol. 1,1; 2,2; Tac. ann. 12,69,1. C) Fazit: Am Todestag des Claudius proklamierten die Prätorianer Nero zum imperator (s. o. S. 131 f.), daher gilt der 13. Oktober 54 als dies imperii Neros. Selbstmord beging er wahrscheinlich am 9. Juni 68. Demnach regierte er, wie auch Burgess feststellt, 13 Jahre, 7 Monate und 27/28 Tage. Die Stadtchronik gibt eine um 10 Monate zu lange Regierungsdauer an; für diesen Fehler liefert Burgess eine mögliche Erklärung. cong(iarium) dedit X C. Wie bereits erwähnt (s. o. S. 128), bewilligte Claudius im Jahr 51 n. Chr. ein congiarium im Namen Neros, als dieser, obwohl er das übliche Alter von 14 Jahren noch nicht erreicht hatte, die toga virilis erhielt. Auch durch weitere Auszeichnungen, z. B. die Wahl zum princeps iuventutis, wurde Nero zum Thronfolger designiert. Da die Geldspende des Jahres 51 in die Kompetenz des Claudius fiel, verzeichnet van Berchem sie unter dessen Namen und nimmt an, es seien 75 Denare pro Kopf gezahlt worden; bei Kienast erscheint sie, allerdings in Klammern, als erstes congiarium Neros.353 Wie Tacitus und Sueton überliefern, ließ Nero als congiarium 400 Sesterzen verteilen. Tacitus datiert dieses Ereignis auf die Zeit von Neros zweitem Konsulat, also auf 57 n. Chr. Daher verzeichnet van Berchem für dieses Jahr die 100 Denare als einziges congiarium Neros und bestätigt somit die Angabe der Stadtchronik.354 Franziska Schmidt-Dick ordnet Nero in ihrer numismatischen Untersuchung ebenfalls nur das congiarium des Jahres 57 zu, während sie für das Jahr 51 Claudius als Spender nennt,355 obwohl bei den 63/64 n. Chr. hergestellten Erinnerungsprägungen für die beiden congiaria der Jahre 51 und 57 (damals wurden erstmals kaiserliche congiaria auf 352

R. Reece, The Date of Nero’s Death, in: AJPh 90 (1969) 72–74. Burgess verweist zusätzlich auf die Berechnungen Holzapfels (1912, 484–489 und 1918, 119), die ebenfalls den 9. Juni 68 als Todestag Neros ergeben hatten. 353 Berchem 1939, 148; Kienast 2017, 89. 354 Berchem a. a. O. 149 unter Verweis auf Tac. ann. 13,31,2 und Suet. Nero 10,1. 355 Schmidt-Dick 2008, 103.

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B) 4. Item imperia caesarum

Münzen erwähnt) durch die Reverslegenden ein erstes und zweites congiarium Neros ausgewiesen werden. RIC 1 (2. erw. Ausg. 1984) verzeichnet die Münzen wie folgt: S. 159, Nr. 100–102; S. 161 f., Nr. 151–162; S. 180, Nr. 501–506; S. 183, Nr. 576. In den Reverslegenden erscheint CONG mit der Zählung I oder II. Nero hatte bei Regierungsbeginn angekündigt, er werde nach den politischen Grundsätzen des Augustus regieren und bemühte sich daher, liberalitas, clementia und comitas an den Tag zu legen (Suet. Nero 10,1). Er gewährte in seiner Regierungszeit zwar nur das congiarium von 57 n. Chr., ließ aber, um seine liberalitas zu beweisen und populär zu werden, Münzen prägen, die an beide in seinem Namen gewährte Geldspenden erinnerten, also auch an jene des Jahres 51. Zusätzlich beschenkte er Prätorianer sowie verarmte Senatoren (Suet. Nero 10,1; Tac. ann. 13,34,1), veranstaltete Spiele aller Art für das gesamte Volk und wendete sich dabei auch denen zu, welche nicht zu den incisi für frumentationes und congiaria gehörten: Bei öffentlichen Spielen ließ er sehr häufig sogenannte missilia verteilen (Suet. Nero 11,2), d. h. Gaben aller Art, u. a. Esswaren und Anweisungen (tesserae) auf Kleidung, Gold und Silber bis hin zu Wohnungen und Grundstücken. Daher ist es verständlich, dass diejenigen aus der römischen Unterschicht, die Tacitus verächtlich als plebs sordida et circo ac theatris sueta (Tac. hist. 1,4,3) bezeichnet, später Neros Tod betrauerten. hoc imp(erante) fuit polyfagus natione Alexandrinus nomine Arpocras, qui manducavit pauca: aprum coctum, gallinam vivam […] et adhuc esuriens esse videbatur. Das griechische Wort πολυφάγος bedeutet „viel essend“356 und ist hier mit „Vielfraß“ zu übersetzen. Dass der Name jenes polyphagus, der unter Nero aktiv war, Arpocras357 gelautet habe, überliefert nur die Stadtchronik. Die unglaublich anmutende Aufzählung dessen, was Arpocras angeblich verspeiste, scheint nur dazu zu dienen, den Leser mit einer sensationellen Merkwürdigkeit zu amüsieren. Allerdings passt diese unpolitische Perspektive zu der Rolle, welche der polyphagus tatsächlich am Hofe Neros gespielt haben dürfte: Vermutlich war er eine Art Zirkuskünstler, einem Feuer- oder Schwertschlucker vergleichbar,358 den der Kaiser in den Palast kommen ließ, um die Hofgesellschaft zu unterhalten, der aber auch in der Öffentlichkeit auftrat. Ein solcher Fresskünstler dürfte mit diversen Tricks gearbeitet haben, ähnlich wie ein heutiger Zauberkünstler, sonst wären die beschriebenen Essleistungen absurd. Die Stadtchronik berichtet mit teilweise identischen Formulierungen über einen weiteren polyphagus, der am Hof des Severus Alexander seine Künste zur Schau gestellt habe (s. u. S. 249 f.). Von einem unter Aurelian tätigen fagus überliefert die Historia

356 Pape GDHW, Bd. 2, 675. 357 PIR2 Bd. 4,2 (1958) H 17, S. 48, vermerkt: „[H]arpocras. Mit dem von Suet. Claud. 28,1 genannten Harpocras [PIR2: H 16], einem Freigelassenen des Claudius, ist er nicht identisch.“ Das Corpus Glossariorum Latinorum Bd. 7, Leipzig 1901, 232, definiert polifagus als multa manducans. 358 So auch Nickbakht/Stein 2017, 84.

4.3 Die Caesaren: Nero

135

Augusta (Aurelian. 50,4), welch immense Essleistungen er im Palast über einen ganzen Tag verteilt vollbracht habe. Es scheint, als ob die aus dem Griechischen übernommene Bezeichnung polyphagus bzw. fagus dieser Art von Artisten eine exotische Note verleihen sollte. Dass es am Hofe Neros einen aus Ägypten stammenden polyphagus gegeben habe, erwähnt auch Sueton, aber nicht im Rahmen seines Berichts über Neros ausschweifende Gelage (Suet. Nero 27), sondern weil er offenbar zeigen will, wie grausam Nero die Senatsaristokratie angeblich behandelte: Gerüchten zufolge habe Nero große Lust dazu verspürt, dem polyphagus, der laut Sueton gerne rohes Fleisch und auch sonst alles Mögliche verzehrte, lebende Menschen zum Fraß vorzuwerfen: Creditur etiam polyphago cuidam Aegypti generis crudam carnem et quidquid daretur mandere assueto, concupisse vivos homines laniandos absumendosque obicere (Suet. Nero 37,2). Die von Nero angeblich ins Auge gefassten Opfer sollten zweifellos Senatoren sein, denn im Zusammenhang mit der polyphagus-Episode berichtet Sueton, Nero habe beschlossen, die vornehmsten Römer zu töten, nachdem Verschwörungen gegen ihn aufgedeckt worden waren. Er habe sogar damit gedroht, den gesamten Senatorenstand auszurotten (Suet. Nero 36,1; 37,3). Sueton erwähnt hier nur kurz die Verschwörung des Piso in Rom (über welche Tacitus sehr ausführlich berichtet) und die des Vinicius in Benevent. Wenn Sueton mit dem Wort polyphagus tatsächlich einen Fresskünstler meinen sollte, wirkt das von ihm erwähnte Gerücht, Nero habe einem polyphagus wie einem Raubtier Menschen zum Fraß vorwerfen lassen wollen, im Grunde unglaublich. Daher wurde die These vertreten, Suetons Bemerkung beziehe sich auf ein ägyptisches Krokodil.359 Dem widerspricht B. Baldwin energisch, indem er auf die Berichte in der Stadtchronik und in der Historia Augusta (s. o.) verweist, die unter einem polyphagus eindeutig einen Artisten verstehen.360 Meines Erachtens sollten jedoch zwei Aspekte bedacht werden: Zum einen ist der Gedanke, einem Krokodil lebende Menschen zum Fraß vorzuwerfen, eher vorstellbar als jener, aus einem Fresskünstler, also einem Artisten, einen Kannibalen zu machen. Zum anderen spricht Sueton nur von einem Gerücht. Und diesbezüglich gibt es wiederum zwei Möglichkeiten. Erstens: Da nicht auszuschließen ist, dass sich Nero nicht nur einen Fresskünstler, sondern auch ein Krokodil (vielleicht mehrere?) hielt, könnte bei der Entstehung des Gerüchts beides miteinander vermengt worden sein, insbesondere deshalb, weil ja sowohl der menschliche als auch der tierische polyphagus aus Ägypten stammten. Zweitens: Auch dann, wenn dem Kaiser kein Krokodil zur Verfügung gestanden haben sollte, könnte das Gerücht von Angehörigen der Oberschicht in Umlauf gebracht worden sein, um Nero als Unmenschen darzustellen, dem sogar der Gedanke an Kannibalismus nicht fremd gewesen sei.

359 Littmann 1967, 369. 360 Baldwin 1977, 407.

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B) 4. Item imperia caesarum

Nero occisus via Patinaria. Um auf Neros gewaltsamen Tod hinzuweisen, verwendet die Stadtchronik dasselbe Wort wie zuvor bei Caesar und Caligula: occisus. Diese Formulierung ist im Falle Neros unpassend, denn er wurde nicht ermordet, sondern beging Selbstmord. Allerdings sollte bedacht werden: Nero sah sich zum Selbstmord gezwungen, da er befürchten musste, als Staatsfeind auf qualvolle Weise hingerichtet zu werden.361 Nero war der erste römische princeps, den der Senat zum hostis erklärte, d. h. als Staatsfeind absetzte und ächtete. Über die im März 68 einsetzende Aufstandsbewegung gegen Nero und die Ereignisse bis zu dessen Tod am 9. Juni 68 n. Chr. berichten ausführlich Suet. Nero 40,1–49,4 und Cass. Dio 63,22,1–63,29,2. Der Hinweis der Stadtchronik, Neros Tod habe sich an der via Patinaria ereignet, stimmt mit Suetons Bericht überein, Nero habe zuletzt Zuflucht in einem Landhaus gesucht, das nordöstlich von Rom zwischen der via Salaria und der via Nomentana lag. Die via Patinaria war eine Nebenstraße (deverticulum) zwischen diesen beiden Straßen.362 Nero verließ die Stadt vermutlich zunächst auf einer der beiden Hauptstraßen. Als ihn fast alle, auch seine Leibwache, verlassen hatten, war er mit nur wenigen Begleitern363 aus dem Palast geflohen. Der kaiserliche Freigelassene Phaon hatte ihm sein vier Meilen von Rom entfernt gelegenes Landhaus als Versteck angeboten (Suet. Nero 48,1). Bei der Villa Phaons drängten die Begleiter den Kaiser zum Selbstmord, um ihm zu ersparen, dass man ihn zu Tode folterte. Er zögerte jedoch. Sueton berichtet, er habe sich feige und unwürdig verhalten und sein Schicksal mit den Worten beklagt: qualis artifex pereo! (Suet. Nero 49,1–4).364 Erst als die Pferde der Häscher bereits zu hören gewesen seien, habe sich Nero einen Dolch in die Kehle gestoßen. Wie Sueton weiter berichtet, half ihm dabei sein Freigelassener Epaphroditus. Diesen habe Domitian Jahre später hinrichten lassen (Suet. Dom. 14,4). Ernst Hohl weist darauf hin, „gerade die letzten Tage Neros“ [seien] „von der Legende überwuchert“ (Hohl, Domitius Nr. 29, in: RE Suppl. 3, 1918, Sp. 391). Diese Aussage trifft sicherlich auch auf Suetons Kritik an Neros Verhalten im Angesicht des Todes zu, denn sie passt auffällig gut zu dem negativen Charakterbild, welches Sueton von diesem Kaiser insgesamt zeichnet. Er verurteilt es unter anderem, dass es Nero zunehmend zum Bedürfnis geworden sei, als Dichter, Sänger und Schauspieler auch vor dem niederen Volk aufzutreten; ein Verhalten, das eines Kaisers unwürdig sei (Nero 20,2–21,3). Dieselbe Ansicht vertreten Tacitus (ann. 14,14–16) und Cassius Dio (61,17,3–5; 61,20,1–2). Das Verdikt dieser 361 Vgl. Sonnabend 2016, 219–221; Shotter 2008, 130 f.; Waldherr 2005, 261; Kissel 2003, 307 f. 362 Mari, Patinaria via (594), in: Steinby LTUR Suburbium 4 (2006) 167 f. 363 Bei Suet. Nero 48,1 sind es vier, bei Cass. Dio 63,27,3 nur drei. Beide Autoren nennen drei Namen von kaiserlichen Freigelassenen: Phaon, Sporus und Epaphroditus. Phaon war vermutlich Leiter der kaiserlichen Finanzen (a rationibus, s. Waldherr 2005, 261; Kissel 2003, 308). Zu Sporus soll Nero eine intime Beziehung gehabt haben (Suet. Nero 28,1–2; Cass. Dio 62,28,2–4; 63,13,2–3). Epaphroditus war laut Suet. Nero 49,3 der kaiserliche Kanzleichef (a libellis). Dass der vierte Begleiter Neophytus hieß, überliefert nur Epit. de Caes. 5,7. 364 Ein ähnliches Zitat überliefert Cassius Dio 63,29,2.

4.3 Die Caesaren: Galba

137

drei Autoren stimmte mit der Ansicht eines großen Teils der römischen Oberschicht überein; es trug auch viel dazu bei, dass man Nero später in erster Linie als psychisch labilen Tyrannen in Erinnerung behielt.365 Es fällt auf, dass der Verfasser der Stadtchronik den Namen des Kaisers in der Schlusszeile seines Eintrags zum zweiten Mal nennt. Außer bei Nero geschieht dies nur bei Severus Alexander, Valerianus, Diocletianus et Maximianus sowie bei Constantius et Maximianus. Bei Valerianus, Diocletianus/Maximianus und Constantius/Maximianus musste der Verfasser den Namen nochmals nennen, um eine Verwechslung des Verstorbenen mit dem jeweiligen Mitregenten auszuschließen. Dass die Namen Nero und Alexander ebenfalls ein zweites Mal vermerkt werden, kann damit erklärt werden, dass zuvor über mehrere Zeilen hinweg jeweils von einem polyfagus die Rede war, im letzten Satz dann aber doch wieder der Kaiser zum grammatischen Subjekt wird. 4.3.7 Galba Auch andere literarische Quellen verwenden die kurze Namensform Galba; z. B. Tacitus, Sueton und Plutarch. Sein Geburtsname lautete Servius Sulpicius Galba;366 er stammte aus einem römischen Patriziergeschlecht. Nach der Adoption durch seine Stiefmutter Livia Ocellina nahm er in jungen Jahren den Namen L. Livius Ocella Servi­ us Sulpicius Galba an. Als Kaiser nannte er sich Ende Juni 68 zunächst L. Livius Augus­ tus Sulpicius Galba Imperator;367 er legte aber später den Adoptivnamen ab, vermutlich nachdem er im September oder Oktober 68 in Rom Einzug gehalten hatte.368 Name und Titel lauteten nun Ser. Galba Imperator Caesar Augustus. imp(eravit) m(enses) VIII d(ies) XII. A) Burgess zur Regierungszeit Galbas369 (Zusammenfassung) Galba herrschte vom 9. Juni 68 (Tod Neros) bis zum 15. Januar 69 (Todesdatum Galbas, überliefert durch Tac. hist. 1,27,1; Plut. Galba 24,1). Demnach dauerte seine Herrschaft 7 Monate und 6 oder 7 Tage. „Knapp 7 Monate“ (periit imperii mense septimo) überliefert Suet. Galba 23,1. 7 Monate und 7 Tage überliefern: Ios. bell. Iud. 4,499; Aur. Vict. 6,3; Epit. de Caes. 6,1. 365 Sonnabend 2016, 207 f.; vgl. Shotter 2008, 133. 366 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 94; Krieckhaus, PIR2 7,2 (2006) S 1003, 366; Eck, Galba Nr. 2, in: DNP 4 (1998) 746; Fluß, Sulpicius Nr. 63, in: RE 4 A1 (1931) 774 f. 367 Bengtson 1967, 309; Castillo 2002, 452–458. Laut Castillo fügte Galba seinem Adoptivnamen noch im Juni 68 in Spanien den Titel Imperator Caesar Augustus hinzu. 368 Castillo a. a. O. 458–461. Castillo datiert Galbas Rückkehr nach Rom auf September, während Murison (1993, 30) auch für möglich hält, dass Galba erst Anfang bis Mitte Oktober 68 in Rom eintraf. 369 Burgess 2014, 47 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

7 Monate und 6 Tage: Clem. Al. strom 1,21,144,4; Tert. adv. Iud. 8,16. 7 Monate und 27 Tage: Liber chron. 433,2. Als „Relevant Chronologies“ bewertet Burgess folgende Datierungen: 9 Monate und 13 Tage: Cass. Dio 64,6,5; Zonaras 11,14, S. 484,11–12; Malalas 10,41; Symeon Logothetes 55,2; Cedrenus 379,10. Offenbar habe Dio den 2. April 68 für Galbas offiziellen dies imperii gehalten und daher diesen Tag als Ausgangsdatum für seine Berechnung gewählt. Burgess zufolge scheinen die Zahlen des Breviarium Vindobo­ nense von jenen des Cassius Dio abgeleitet zu sein, wobei durch Kopistenfehler aus VII (Monaten) [richtig müsste es heißen: VIIII; d. Verf.] VIII (Monate) und aus XIII (Tagen) XII (Tage) geworden seien. B) Ergänzungen: Um zu prüfen, ob Cassius Dio den 2. April 68 zu Recht als dies imperii Galbas ansehen konnte, werden im Folgenden die wichtigsten Ereignisse der Rebellion Galbas gegen Nero zusammengefasst: Seit dem Jahr 60 n. Chr. hatte Galba im Auftrag Neros als lega­ tus Augusti pro praetore die Provinz Hispania citerior verwaltet.370 Anfang 68, vielleicht auch schon Ende 67, wurde er von C. Iulius Vindex, dem legatus Augusti pro praetore der Provinz Gallia Lugdunensis aufgefordert, sich dem Aufstand des Vindex gegen Nero nicht nur anzuschließen, sondern dabei selbst die Führung zu übernehmen.371 Während Sueton die Aufforderung des Vindex pathetisch umschreibt (ut humano generi as­ sertorem ducemque se accomodaret, Suet. Galba 9,2), erklären Plutarch und Cassius Dio, Galba sei explizit aufgefordert worden, als Kaiser die Herrschaft zu übernehmen (Plut. Galba 4,3: ἡγεμονία; Cass. Dio 63,23: αὐτοκράτωρ). Galba war damals zwar schon über 70 Jahre alt, aber für Vindex erschien er wohl v. a. durch drei Faktoren prädestiniert, Kaiser zu werden:372 seine Abstammung aus einer vornehmen und sehr reichen Familie, das in seiner Ämterlaufbahn erworbene hohe Ansehen und die Truppen, die er befehligte. Der letztgenannte Aspekt ist allerdings zu relativieren, denn Galba verfügte zu diesem Zeitpunkt nur über wenig mehr als eine einzige Legion. Galba war bereit, die Herrscherrolle zu übernehmen, nachdem er erfahren hatte, dass Nero, der ihm misstraute, Aufträge zu seiner Ermordung erteilt hatte.373 Als er von seinen Soldaten Anfang April 68 zum imperator ausgerufen wurde, lehnte er diesen Ti370 Plut. Galba 3,3; Suet. Galba 9,1. Für die Angaben zu Titel und Provinz s. Kienast 2017, 94. 371 Murison 1993, 39; vgl. Eck, Iulius Nr. 150, in: DNP 6 (1999) 44; Hainsworth 1962, 88–91. 372 Über die damalige prominente Position Galbas berichten Tac. hist. 1,16,2; 1,49,1; 5,16,3; Plut. Galba 3; Suet. Galba 9–10; 14,1. Dass Galba 3 v. Chr. geboren wurde, lassen Suet. Galba 4,1 und Cass. Dio 56,29,5 vermuten. Andere Quellen (Plut. Galba 8,1; Tac. hist. 1,49,1; Suet. Galba 23; Cass. Dio 64,6,5; Epit. de Caes. 6,4; Eutr. 7,16,1) weisen auf das Jahr 5, evtl. auch 6 v. Chr. hin. Während Krieckhaus (PIR2 7,2, 2006, S 1003, 366) als Geburtsjahr sowohl 3 als auch 5 v. Chr. für möglich hält, plädiert Kienast (2017, 94) für Dezember 5 v. Chr. 373 Suet. Galba 9,2. Nero misstraute Galba laut Plut. Galba 4,2 vor allem deshalb, weil dieser ihm im Gegensatz zu anderen Statthaltern nichts über die Briefe des Vindex gemeldet hatte. Vgl. hierzu Hainsworth 1962, 90.

4.3 Die Caesaren: Galba

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tel zwar zunächst ab, kündigte aber Nero die Gefolgschaft auf, indem er sich als legatus senatus ac populi Romani bezeichnete (Suet.Galba 10,1; Plut. Galba 5,2). Laut Cassius Dio sah Galba sich ab dem Tag, an dem er erstmals zum imperator proklamiert wurde, als Herrscher; er habe dann 9 Monate und 13 Tage regiert (Cass. Dio 64,6,5; 66,17,5). Demnach datiert Cassius Dio den dies imperii Galbas auf den 2. oder, bei inklusiver Zählweise, auf den 3. April 68,374 denn Galbas Todestag war der 15. Januar 69 n. Chr. (s. o., S. 137). Dass Galba nur 7 Monate und 7 Tage regiert habe, berichten Ios. bell. Iud. 4,499; Aur. Vict. 6,3 und Epit. de Caes. 6,1. Ähnlich Suet. Galba 23,1, wonach Galba im siebten Monat seiner Regierung umgekommen sei. Rechnet man von Galbas Todestag, dem 15. Januar 69, zurück, gehen diese Quellen offensichtlich davon aus, dass er vom 8. oder (bei inklusiver Zählweise) 9. Juni 68 an regierte, als die Prätorianer ihn zum Kaiser ausgerufen und der Senat ihn anerkannt hatte. Auf den 8. Juni bzw. die Nacht vom 8. auf den 9. Juni deuten Plut. Galba 7,1 f. und Cass. Dio 63,29,1 hin, denn nach dieser Überlieferung war Nero noch am Leben, als Galba in Rom zum Kaiser erklärt wurde.375 Offenbar hielt auch Galba die Voten von Prätorianern und Senat für entscheidend und datierte seinen dies imperii wohl auf den 8. Juni 68: Im April hatte er sich zunächst legatus senatus ac populi Romani und nicht imperator genannt; damals konnte er sein Kaisertum auch keinesfalls schon als gesichert sehen. Einige Wochen später wurden die Truppen des Vindex in der Schlacht bei Vesontio vernichtet; Vindex beging daraufhin Selbstmord.376 Als Galba diese Nachrichten erhielt, war er der Verzweiflung nahe, erfuhr aber um den 20. Juni,377 dass Nero tot und er selbst von den Prätorianern, danach auch vom Senat und vom Volk als Kaiser anerkannt worden war (Plut. Galba 7,2; Suet. Galba 11,1; Cass. Dio 63,29,1). Erst jetzt, so Sueton, habe Galba den Kaisertitel angenommen. C) Fazit: Entgegen der Annahme des Cassius Dio datierte Galba den Beginn seines Kaisertums mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schon auf Anfang April 68, sondern auf den 8. oder 9. Juni 68. Daher überliefern einige Quellen als Regierungsdauer Galbas zu Recht 7 Monate und 6 bzw. 7 Tage. Die Stadtchronik orientiert sich jedoch, wie auch Burgess feststellt, offenbar an den (fehlerhaft kopierten) Daten des Cassius Dio.

374 Auf den 3. April wird die Kaiserproklamation datiert von Fluß, Sulpicius Nr. 63, in: RE 4 A1 (1931) 778; Holzapfel 1912, 491; Murison 1993, 40 Anm. 40. 375 Kienast (2017, 94) nennt den 8. Juni, allerdings unter Vorbehalt. Krieckhaus (PIR2 7/2, 2006, 370) hält den 9. Juni für wahrscheinlich. Holzapfel (1912, 484–489) glaubt, dass Galba in den frühen Morgenstunden des 9. Juni zum Kaiser ausgerufen wurde. 376 Die siegreichen Truppen kommandierte Verginius Rufus, der Legat des Militärdistrikts Germania Superior. Näheres bei Murison 1993, 15–19; Hainsworth 1962, 86–96. 377 Datierung bei Murison 1993, 27.

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B) 4. Item imperia caesarum

cong(iarium) promisit sed non dedit. Weder van Berchem noch Barbieri oder Kienast verzeichnen ein congiarium Galbas. Es ist auch unwahrscheinlich, dass er je eines versprach, ebenso wenig ein donativum, denn dies würde nicht zu dem Charakterbild passen, das von ihm gezeichnet wurde: Er legte weder Wert auf Beliebtheit im Heer noch beim Volk. Den Cornelius Lentulus Gaetulicus, seinen Vorgänger als Statthalter in Obergermanien, verachtete er, weil dieser weniger streng als er auf die Disziplin der Soldaten achtete.378 Als Kaiser machte er sich unter anderem dadurch beim Volk unbeliebt, dass er sich weigerte, die vom Volk geforderte Hinrichtung des Tigellinus zu veranlassen (Plut. Galba 17,2–4; Suet. Galba 15,2; Cass. Dio 64,3,2). Tigellinus war Günstling Neros und gemeinsam mit Nymphidius Sabinus Präfekt der Prätorianer gewesen (Plut. Galba 2,1; Tac. hist. 1,72). Als Galba sich bereits seit mehreren Wochen legatus senatus ac populi Romani nannte, brachte Nymphidius Sabinus am 8. oder 9. Juni 68 die Garde sowie Truppenverbände außerhalb Roms dazu, ebenfalls von Nero abzufallen und sich Galba zu unterstellen. Dies gelang ihm, da er den Prätorianern ein donativum von 7500 Denaren und den Legionen außerhalb Roms eines von 1250 Denaren (jeweils pro Kopf) versprach. Er gab vor, im Auftrag Galbas zu handeln (Plut. Galba 2,1–2; 8,1; Tac. hist. 1,5). Die Gesamtsumme war so immens hoch, dass man, um sie aufzubringen, laut Plutarch die Provinzen tausendmal mehr hätte ausplündern müssen, als dies unter Nero geschehen sei. Nach dem Sturz Neros, den sich Nymphidius als Verdienst zuschrieb, versuchte dieser, selbst die Herrschaft an sich zu reißen, wurde aber von Soldaten getötet379. Als Galba in Rom die Regierung übernahm, zahlte er das von Nymphidius in seinem Namen versprochene donativum nicht aus (Tac. hist. 1,5,1; Suet. Galba 16,1). Tacitus, Sueton und Cassius Dio berichten, er sei wegen Habgier bzw. Geiz (avari­ tia) berüchtigt gewesen;380 die Verweigerung eines donativum trug offenbar maßgeblich zu diesem schlechten Ruf bei. Außerdem erklärte Galba, er sei es gewohnt, Soldaten auszuheben, nicht zu kaufen, und brüskierte die Prätorianer durch Entlassungen. Durch sein Verhalten zog er sich den Hass des gesamten Heeres zu.381 Als er Anfang Januar 69 erfuhr, dass die rheinischen Legionen Aulus Vitellius, den Legaten von Ger­ mania inferior, zum Imperator ausgerufen hatten, glaubte der kinderlose Galba, seine Herrschaft dadurch absichern zu können, dass er Calpurnius Piso Licinianus adoptierte und ihn damit zum Mitregenten und Nachfolger ernannte. Die Truppen in Rom erwarteten, wenigstens aus diesem Anlass ein donativum zu erhalten, wurden jedoch

378 Daher kursierte unter den Soldaten der Satz Disce miles militare; Galba est, non Gaetulicus (Suet. Galba 6,2; Epit. de Caes. 6,3). Zu Gaetulicus: Stein, Cornelius Nr. 220, in: RE 4,1 (1900) 1384 f. 379 Plut. Galba 8,1; 9,3; 14,6; Tac. hist. 1,5. 380 Tac. hist. 1,5,2; Suet. Galba 12,1–13,1; Cass. Dio 64,2,1. 381 Plut. Galba 18,2 ; 22,1; Tac. hist. 1,5,1 f.; Suet. Galba 16,1; Cass. Dio 64,3,2.

4.3 Die Caesaren: Galba

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abermals enttäuscht. Tacitus hält dies für den entscheidenden Fehler Galbas,382 da sich nun die Prätorianer endgültig gegen ihn wandten. Fazit Die Formulierung der Stadtchronik ist in zweierlei Hinsicht unkorrekt: Nicht Galba versprach eine Geldspende, sondern der Prätorianerpräfekt Nymphidius Sabinus, wobei er vorgab, in Galbas Namen zu handeln. Außerdem versprach Sabinus nicht, an die plebs urbana ein congiarium zu verteilen, sondern den in und bei Rom stationierten Truppen ein donativum auszuzahlen. Er hatte mit seinem Versprechen Erfolg: Die Soldaten unterstellten sich Galba. Sie wurden jedoch zweimal von diesem enttäuscht. Die Aussage der Stadtchronik lenkt immerhin den Blick auf einen politischen Fehler Galbas, der entscheidend dazu beitrug, dass er sich nicht lange an der Macht halten konnte. hic domum suam deposuit et horrea Galbae instituit. Die Bezeichnung horrea Gal­ bae ist nicht nur hier belegt;383 doch man nannte sie auch horrea Sulpicia / horrea Gal­ beses / Galbienses / Galbes /Galbana / Galbiana.384 Sie standen südwestlich des Aventin nahe dem am Tiber gelegenen emporium und waren bis zum Ende der Kaiserzeit die größten und vermutlich wichtigsten Speichergebäude Roms; sie maßen ca. 167 auf 146 Meter. In ihnen wurden Lebensmittel wie Getreide (die annona publica), Olivenöl und Wein, außerdem Kleidung und Marmor gelagert. Die ersten Lagerhäuser des Gebäudekomplexes wurden noch in der Zeit der Republik errichtet: Bei Ausgrabungen wurden Mauerreste freigelegt, die auf die Zeit 50 v. Chr. bis 50 n. Chr. datiert werden.385 Die gens Sulpicia hatte schon zu Beginn des 2. Jh. v. Chr. westlich des Aventin größeren Grundbesitz386 und wahrscheinlich auch eine Villa.387 Auf letzteres weist das Grabmal eines Ser. Sulpicius Galba hin, das bei Ausgrabungen auf dem Gelände der horrea Sul­ picia bzw. Galbae gefunden wurde.388 Es war entweder für den Consul des Jahres 144 v. Chr. oder für den gleichnamigen Consul des Jahres 108 v. Chr. errichtet worden.389 Das Grabmal und die Datierung der ersten Speichergebäude, die auf dem Gelände der 382 Tac. hist. 1,18,3: constat potuisse conciliari animos quantulacumque parci senis liberalitate […]. Dass Galba die Soldaten erneut enttäuschte, überliefern auch Plut. Galba 23,3 und Suet. Galba 17,1. 383 CIL VI 9801, 33743; Kommentar des Porphyrio zu Hor. carm. 4,12,18: Sulpicii Galbae horrea dicit hodieque autem Galbae horrea vino et oleo et similibus aliis referta sunt. 384 horrea Sulpicia: Hor. carm. 4,12,18 (qui nunc Sulpiciis adcubat horreis). Die Regionenkataloge Cu­ riosum und Notitia verzeichnen unter Regio XIII (beim Aventin) Horrea Galbes (Nordh 1949, 94). Weitere Belege bei Richardson (Horrea Galbae, in: NTDAR 193) und Platner/Ashby, 261. 385 Zu Lage, Größe, Entstehung und Zweck der horrea Galbae: Rickman 1971, 101, 104; vgl. Coarelli, Horrea Galbana, in: Steinby LTUR 3 (1996) 40–42; Horrea Galbae, in: Platner/ Ashby, 261 f. 386 Die praedia Sulpicia, in der Kaiserzeit praedia Galbana genannt; Coarelli, LTUR 3 (1996) 40. 387 Richardson NTDAR, 193. 388 CIL VI 31617. 389 Coarelli, Horrea Galbana, in: Steinby LTUR 3 (1996) 42; Platner/Ashby, 261.

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B) 4. Item imperia caesarum

Sulpicii erstellt wurden, lassen darauf schließen, dass es nicht der spätere Kaiser Galba war, der sein Haus abriss und stattdessen die horrea Galbae erbaute, sondern ein Vorfahre gleichen Namens. Die kurze Notiz der Stadtchronik beruht also wohl auf einem Missverständnis. Aber möglicherweise wurden die lange zuvor erbauten horrea Galbae von Kaiser Galba renoviert oder erweitert.390 Man kann die Aussage der Stadtchronik aber auch anders deuten, nämlich als metaphorischen Hinweis darauf, dass unter der Regierung Galbas die horrea Galbae aus dem Privatbesitz der Sulpicii in kaiserlichen bzw. in Staatsbesitz übergingen.391 Der jeweilige Kaiser musste daran interessiert sein, Kontrolle über die großen Lebensmittelspeicher zu haben, da die cura annonae seit Augustus zu dem gehörte, was man vom princeps erwartete. Gegen Ende des ersten nachchristlichen  Jahrhunderts befanden sich die großen horrea Roms in kaiserlichem Besitz.392 decolatus393 foro Romano iacuit. Dass Galba am lacus Curtius auf dem forum Romanum ermordet wurde, berichten die folgenden Quellen: Plut. Galba 27,1; Tac. hist. 41,2; Suet. Galba 20,2; Aur. Vict. 6,2–3; Epit. de Caes. 6,4. Die Details der Ermordung und deren unmittelbare Vorgeschichte sind durch Plutarch, Tacitus, Sueton und Cassius Dio ebenfalls gut dokumentiert:394 Wenige Tage nach der Adoption Pisos ließ sich M. Salvius Otho von den Prätorianern zum Imperator ausrufen. Er hatte sich als erster der Provinzgouverneure Galbas Rebellion angeschlossen, war mit ihm aus Spanien zurück nach Rom gekommen und hatte gehofft, von ihm adoptiert zu werden. Durch eine List wurde Galba aus dem Palast gelockt: Die Prätorianer verbreiteten das Gerücht, Otho sei erschlagen worden; einer von ihnen erschien sogar vor Galba, zeigte ihm ein blutiges Schwert und behauptete, die Tat begangen zu haben. Als Galba daraufhin den Palast verließ und seine Sänfte das Forum Romanum erreichte, wurde er von Soldaten, hauptsächlich wohl Kavalleristen, angegriffen und getötet.395 Nur Sueton (Galba 19,2; Otho 6,3) sagt ausdrücklich, Otho habe die Ermordung Galbas angeordnet. Aus dem sehr ausführlichen Bericht des Tacitus (hist. 1,37,1–1,38,3; 1,40,1) lässt sich jedoch ableiten, dass die Mörder zwar glaubten, im Sinne Othos zu handeln, dass dieser ihnen aber lediglich freie Hand gelassen und den Mord nicht explizit befohlen hatte. Darauf deuten auch zwei weitere Bemerkungen des Tacitus hin: Er spricht von

390 So auch Richardson NTDAR, 193; Fluß, Sulpicius Nr. 63, in: RE 4 A1 (1931) 789. Belegt sind nur Renovierungsarbeiten aus späterer Zeit; s. Rickman 1971, 104. 391 Auf diese Interpretationsmöglichkeit verweist Coarelli a. a. O. (LTUR 3) 40. 392 Herz 1988, 116. 393 Zu decollo/decollatus s. Georges Hwb Bd. 1, Sp. 1925; vgl. Burgess 2014, 150. 394 Die Vorgeschichte schildern Plut. Galba 20,2; 23,1 f.; 24,1–3; 25,1 f.; Tac. hist. 1,13; 1,21; 1,27; Suet. Otho 4,1; 5,1; 6,3; Cass. Dio 64,5,2 f. 395 Plut. Galba 26,1–27,2; Tac. hist. 1,34–35; 1,39–41; Suet. Galba 19–20; Cass. Dio 64,6,1. Plutarch und Cassius Dio erwähnen sowohl Reiter als auch Fußvolk.

4.3 Die Caesaren: Otho

143

militum iudicium (Tac. hist. 1,45,1) und berichtet, Otho habe sich mehr über den Tod Pisos als über jenen Galbas gefreut (Tac. hist. 1,44,1). Laut Tacitus und Sueton wurden Galbas letzte Worte unterschiedlich überliefert: Manche hätten behauptet, Galba habe um sein Leben gefleht, den meisten zufolge sei er aber furchtlos und würdevoll in den Tod gegangen.396 Auch bezüglich des Tathergangs werden unterschiedliche Details überliefert: Plutarch, Tacitus und Cassius Dio berichten übereinstimmend, die Mörder hätten Galba zahlreiche Wunden zugefügt, sogar noch auf den Leichnam eingehackt und ihn enthauptet.397 Sueton sagt nichts über die vielen Wunden, berichtet aber, dass Galba nicht sofort enthauptet worden sei, sondern erst später durch einen Soldaten, der den Kopf zu Otho gebracht habe (Suet. Galba 20,2). Galbas Kopf wurde im Prätorianerlager auf eine Stange gesteckt und zur Schau gestellt; dasselbe geschah mit den abgeschlagenen Köpfen des Piso und des Titus Vinius.398 Der letztere war Galbas Kollege als Konsul gewesen.399 Von Galbas Enthauptung berichten neben der Stadtchronik folgende Quellen: Plut. Galba 27,2; Tac. hist. 1,43–44; Suet. Galba 20,2; Cass. Dio 64,6,4; Eus. Chron. can., Arm. Karst 216; Hier. chron. z.J. 68/69 n. Chr. (= a. Abr. 2085); Chr. pasch. 459,18–20. Die verstümmelten Leichen ließ Otho noch viele Stunden auf dem Forum liegen, ehe er endlich genehmigte, sie zu bestatten (Plut. Galba 28,1,3; Tac. hist. 1,47,2; 1,49,1; Suet. Galba 20,2). Auch der Verfasser der Stadtchronik betont dieses Detail; im Hinblick auf die große Bedeutung, welche die Totenehrung in der römischen Gesellschaft hatte, muss es allgemein als schockierend empfunden worden sein. 4.3.8 Otho Auch andere literarische Quellen nennen ihn so.400 Sein Geburtsname war M. Salvius Otho; seine Vorfahren stammten aus der Oberschicht Etruriens. Nachdem ihn die Prätorianer am 15. Januar 69 zum Kaiser ausgerufen hatten, verlieh ihm der Senat noch am gleichen Tag alle kaiserlichen Titel und Befugnisse; von da an lauteten Name und Titel  Imperator M. Otho Caesar Augustus. Dem Senatsbeschluss 396 Tac. hist. 1,41,2 f.; Suet. Galba 20,1. 397 Plut. Galba 27,2; Tac. hist. 1,43,3; 1,44,2; Cass. Dio 64,6,4. 398 Plut. Galba 27,3–4; Tac. hist. 1,44,2; Suet. Galba 20,2; Cass. Dio 64,6,4. Piso war laut Plut. Galba 27,4 und Tac. hist. 1,43,2 beim Tempel der Vesta ermordet worden, Vinius laut Tac. hist. 1,42,1 am Tempel des Divus Iulius. Sueton (Galba 14,2) bezeichnet Vinius als einen jener Männer, die Einfluss auf Galba hatten, erwähnt aber seine Ermordung nicht. Plutarch, Tacitus und Sueton berichten weitgehend übereinstimmend, was mit Galbas Kopf weiter geschah: Man fand ihn, als der Rumpf bereits eingeäschert war, an der Grabstelle von Männern, die auf Befehl Galbas hingerichtet worden waren (Plut. Galba 28,2 f.; Tac. hist. 1,49,1; Suet. Galba 20,2). 399 Plut. Galba 21,2; Tac. hist. 1,11,3; 1,12,3; 1,13,1. 400 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 97; Wachtel, PIR2 7,2 (2006) S 143, 51 f., 54; Nagl, Salvius Nr. 21, in: RE 1 A2 (1920) 2037 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

folgten noch formelle Beschlüsse der Comitien, in denen Othos imperium (vor seinem Provinzkommando war er nur Quaestor gewesen) und tribunicia potestas betätigt wurden.401 Den Beinamen Nero, den ihm das Volk wegen der Beliebtheit des Vorgängers gab (Tac. hist. 1,78,2; Suet. Otho 7,1), nahm er nur für kurze Zeit an (Plut. Otho 3,1). imp(eravit) dies XC. A) Burgess zur Regierungsdauer Othos402 (Zusammenfassung) Hinsichtlich der Datierung gibt es bei den Quellen im Wesentlichen drei Traditionen: 90 Tage = 3 Monate: Cass. Dio 64,15,2; Plut. Otho 11,2; 18,2; Epit. de Caes. 7,1. 91/92 Tage = 3 Monate und 1 oder 2 Tage: laut Ios. bell. Iud. 4,548 regierte Otho drei Monate und zwei Tage; laut Clem. Al. strom 1,21,144,4 fünf Monate und einen Tag, aber Burgess legt plausibel dar, dass bei Clemens die (griechische) Zahl „5“ durch eine fehlerhafte Abschrift von „3“ entstand. Josephus habe vermutlich die inklusive Zählweise verwendet. 95 Tage bzw. 3 Monate und 5 Tage, wobei vom 15. Januar 69 bis zum dies imperii des Vitellius (19. April 69) nach inklusiver Zählweise gezählt wurde: Suet. Otho 11,2; EKG (=Eutropius 7,17,3); Theoph. ad Autol. 3,27; Tert. adv. Iud. 8,16. In diese Quellengruppe ordnet Burgess auch Aur. Vict. 7,2 ein, der „fast 85 Tage“ verzeichnet; das sei eine fehlerhafte Kopie von „fast 95 Tage“. Burgess kommt zu folgendem Schluss: Otho regierte vom 15. Januar 69, dem Todestag Galbas, bis zu seinem Tod am 16. April 69; das sind 3 Monate und 1 Tag oder (bei inklusiver Zählweise) 2 Tage. Das Breviarium Vindobonense habe sich an den von Cassius Dio überlieferten 90 Tagen, einer „gerundeten“ Datierung, orientiert. Burgess weist darauf hin, dass das Breviarium auch hinsichtlich Galbas Regierungsdauer mit Cassius Dio übereinstimmt, woraus er folgert, dass es bei beiden Kaisern die Daten von einer auf Dio basierenden Quelle oder von einer Quelle, die auch dieser benutzt hatte, übernahm. B) Ergänzungen und mögliche Alternativen: Burgess hält die Angabe bei Cass. Dio 64,15,2, Otho habe 90 Tage regiert, für gerundet, also für ungenau. Aber das Jahr 69 n. Chr. war kein Schaltjahr, der Februar hatte also nur 28 Tage, demnach lagen zwischen dem 15. Januar und dem Morgen des 16. April exakt 90 Tage (bei normaler Zählweise). Burgess teilt nicht mit, welche Quellen den 16. April 69 als Todestag Othos belegen. Dieses Datum wird ebenso wie das der ersten Schlacht von Bedriacum, in der die Armee Othos besiegt wurde, nicht explizit überliefert, sondern beide Daten können nur indirekt erschlossen werden aus jenen Quellen, die konkrete Daten zum Beginn und 401 CFA Nr. 40 I, Z. 35–37; vgl. Murison 1999, 50. 402 Burgess 2014, 48 f.

4.3 Die Caesaren: Otho

145

zum Ende der Regierung Othos liefern. Hierfür ist von drei Überlegungen auszugehen: Erstens: Dass Otho am Abend des 15. Januar 69 vom Senat als Kaiser anerkannt wurde, belegen Plut. Galba 28,1; Tac. hist. 1,47,1; Suet. Otho 7,1; Cass. Dio 64,8,1. Zweitens berichtet Tacitus (hist. 2,45,1; 2,49,1), Otho habe zwei Nächte nach seiner Niederlage bei Bedriacum am frühen Morgen Selbstmord begangen; letzteres bestätigen Plut. Otho 17,2 und Suet. Otho 11,2. Drittens überliefern die Arvalakten (CFA Nr. 40 I, Z. 85 f.), dass der Senat Vitellius am 19. April als neuen Kaiser anerkannte. Die erste Schlacht bei Bedriacum wird heute meist auf den 14. April und Othos Selbstmord auf den 16. April 69 datiert.403 Beide Datierungen basieren v. a. auf den detaillierten Untersuchungen Ludwig Holzapfels.404 Dieser berechnete die Zeit, die ein Bote benötigte, um Othos Selbstmord von Brixellum nach Rom zu melden. Da Brixellum über 370 römische Meilen (=ca. 550 km) von Rom entfernt war, argumentiert Holzapfel, dass es für einen Boten unmöglich gewesen sein dürfte, diese Distanz in weniger als 2 ½ Tagen zu überwinden. Wahrscheinlich sei der Bote am Abend des 18. April in Rom eingetroffen. Aus dieser Berechnung lässt sich schlüssig ableiten, dass Othos Selbstmord auf den 16. April 69 zu datieren ist. Daher erweisen sich diejenigen Quellen als zuverlässig, die Othos Regierungsdauer auf 90  Tage bzw. 3  Monate berechnen. C) Fazit: Burgess glaubt, Otho habe 91 oder 92 Tage lang regiert. Als Regierungsdauer Othos können aber nur dann 91 Tage angenommen werden, wenn man entweder den 15. Januar oder den 16. April als ganzen Regierungstag rechnet; 92 Tage kämen als Resultat in Betracht, wenn beide Tage voll eingerechnet würden. Beides wäre aber aus den oben genannten Gründen (Senatsbeschluss über Othos Erhebung zum Kaiser am 15. Januar abends, Othos Selbstmord am 16. April frühmorgens) nicht angemessen. Die Angabe der Stadtchronik, Otho habe 90 Tage regiert, darf demnach als richtig gelten. ipse se Brixellis interfecit. Auch diese Angaben der Stadtchronik sind korrekt, sowohl hinsichtlich der Todesursache als auch des Ortes, an dem Otho starb. Brixellum, h. Brescello, liegt ca. 20 km nordöstlich von Parma am Südufer des Po (Padus).405 Otho 403 Vgl. die Datierungen bei Kienast (2017, 97), Wachtel (PIR2 7,2, 2006, S 143, 55) und Murison (1993, 94, 112). Die zweite Schlacht von Bedriacum fand am 24./25.10. 69 zwischen den Truppen des Vitellius und des Vespasian statt (s. u. S. 148). Hanslik (Vitellius Nr. 7b, in: RE Suppl. 9, 1962, Sp. 1716) datiert die erste Schlacht bei Bedriacum zwar auch auf den 14. April, meint jedoch unter Verweis auf Ios. bell. Iud. 4,547 f., Otho sei erst am 17.4. gestorben, obwohl er die Angabe des Flavius Josephus, die Schlacht habe zwei Tage gedauert, als Irrtum erkennt. 404 Holzapfel 1913, 293. 405 Susini, Brixellum, in: DNP 2 (1997) 788; vgl. Hülsen, Brixellum, in: RE 3,1 (1897) 884.

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B) 4. Item imperia caesarum

erstach sich in Brixellum, nachdem seine Truppen in der Schlacht bei Bedriacum von der Armee des Vitellius geschlagen worden waren. Das Dorf Bedriacum bzw. Betriacum lag ca. 30 km östlich von Cremona (Tac. hist. 2,23,1: inter Veronam Cremonamque situs est vicus) nahe dem heutigen Calvatone, ca. 25 km nördlich von Brixellum.406 Laut Suet. Otho 9,1 hatte Otho den Ausgang der Schlacht in Brixellum abgewartet. Flavius Josephus erwähnt ebenfalls Brixellum als den Ort, an dem Otho Selbstmord beging (Ios. bell. 4,548). Auch Plutarch (Otho 10,1) und Tacitus (hist. 2,39,1) berichten, dass sich Otho nach Brixellum begeben hatte, als sich die Armee des Vitellius von Norden näherte. Dass Otho an der Schlacht bei Bedriacum selbst nicht teilnahm, wird in der ausführlichen Schilderung bei Tac. hist. 2,39–46 sehr deutlich; ebenso bei Cassius Dio (64,11,2–3), der aber als Ort der Schlacht statt Bedriacum die Gegend von Cremona nennt und auch Brixellum nicht erwähnt. Er betont, Otho habe die Niederlage seines Heeres durch seine Abwesenheit verschuldet. Einige Offiziere Othos wollten trotz der Niederlage den Kampf fortsetzen, aber der Kaiser sah keine Aussicht auf Erfolg. Er teilte seiner Umgebung mit, es solle nicht noch mehr römisches Blut vergossen werden, daher wähle er den Freitod. Sueton rühmt dieses Verhalten Othos als bewundernswert (Suet. Otho 11,1–12,2). Dass Otho Selbstmord beging, berichten auch die folgenden Quellen: Ios. bell. 4,548; Plut. Otho 17,3; Tac. hist. 2,49; Cass. Dio 64,14,2–15,1; Aur. Vict. 7,2; Epit. de Caes. 7,2; Series Regum 154,26; Eus. Chron. can., Arm. Karst 216; Chr. pasch. 460,1; Hier. chron z. J. 68/69 n. Chr. (= a. Abr. 2085); Eutr. 7,17,4. Burgess weist darauf hin, Othos Sterbeort werde von Sueton, der Epitome de Caesaribus, Eutropius und Hieronymus ungenau angegeben: apud Betriacum. Dies ist, was Sueton betrifft, jedoch nicht richtig, denn aus Suet. Otho 9,1 geht hervor, dass sich Otho während und nach der Schlacht in Brixellum aufhielt. In diesem Zusammenhang kann auch Burgess’ Kommentar („Only the Breviarium can provide the correct location of Otho’s suicide;“ Burgess 2014, 168) nicht unwidersprochen bleiben, denn Flavius Josephus, Sueton, Plutarch und Tacitus geben ebenfalls den Ortsnamen Brixellum an. 4.3.9 Vitellius Auch andere literarische Quellen nennen ihn so. Sein Geburtsname war Aulus Vitelli­ us; er entstammte einer Familie, die zur Senatsaristokratie zählte. Nachdem er in Köln vom Heer zum Imperator ausgerufen worden war, nannte er sich A. Vitellius Germani­

406 Susini, Betriacum, in: DNP 2, 597; vgl. Hülsen, Betriacum, in: RE 3,1, Sp. 369 f. Die Schreibweise Bedriacum erscheint bei Tac. hist. 2,23,1; 2,44,1; 2,45,1; Betriacum bei Suet. Otho 9,2; Vitell. 10,1; 15,2; Plut. Otho 8,1 ; 11,1 ; 13; Epit. de Caes. 7,2.

4.3 Die Caesaren: Vitellius

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cus Imperator.407 Indem er den Titel Caesar definitiv, den Titel Augustus vorläufig ablehnte,408 distanzierte er sich von seinen beiden Vorgängern. Die Ablehnung der beiden Titel sollte vermutlich den Anschein erwecken, Vitellius wolle die libera res publica wieder errichten.409 Nachdem ihn der Senat am 19. April 69 als Kaiser anerkannt hatte (CFA Nr. 40 I, Z. 85 f.), wartete Vitellius noch bis zu seinem Einzug in Rom und nahm dann am 18. Juli den folgenden Kaisernamen an: A. Vitellius Germanicus Imperator Au­ gustus.410 Später scheint er die Reihenfolge Germanicus Imperator in der Kaisertitulatur zu Imperator Germanicus umgestellt zu haben; vermutlich, um so deutlich zu machen, dass er den Senat als entscheidende Instanz für die Kaisererhebung anerkannte.411 imp(eravit) m(enses) VIII d(ies) XI. A) Burgess zur Regierungsdauer des Vitellius412 (Zusammenfassung) Als „Relevant Chronologies“ bezeichnet Burgess folgende Angaben: 8 Monate und 1 Tag: Eutrop. 7,18,6. 7 Monate und 1 Tag: Clem. Al. strom. 1,21,144,4; durch einen Kopistenfehler seien VIII Monate zu VII Monaten geworden. 8  Monate und 5  Tage: Ios. bell. Iud. 4,652. Offenbar habe Josephus als Beginn der Regierungszeit des Vitellius den Tod Othos am 16. April 69 gesehen und die inklusive Zählweise verwendet. Andere Quellen bieten unterschiedliche Daten, z. B.: 10 Tage weniger als 1 Jahr: Cass. Dio 65,22,1. 8 Monate und 28 Tage: Tert. adv. Iud. 8,16. 8  Monate: Suet. Vit. 15,1; EKG (=  Aur. Vict. 8,6; Epit. de Caes. 8,1); Syncellus 416,12. Burgess zieht folgende Schlüsse: Da Vitellius von seinen Truppen am 2. Januar 69 zum Kaiser ausgerufen wurde (Tac. hist. 1,56,2), sah Cassius Dio in diesem Datum den Beginn der Regierungszeit des Vitellius; irrtümlich hielt er den 22. Dezember für dessen Todestag. 407 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 99; Wachtel/Heinrichs, PIR2 8,2 (2015) V 740, 395 f.; vgl. Richter 1992, 83, 110. 408 Plut. Galba 22,11; Tac. hist. 1,62,2  ; 2,62,2; Suet. Vit. 8,2. Laut Tac. hist. 3,58 nahm Vitellius den Caesar-Titel nach seiner Niederlage in der zweiten Schlacht bei Bedriacum doch noch an. Kienast (2017, 99) datiert dies auf November 69, vermerkt aber, dass der zusätzliche Titel des Vitellius durch Inschriften und Münzen nicht überliefert wird. 409 Hanslik, Vitellius Nr. 7 b, in: RE Suppl. 9 (1962) 1711. 410 Kienast 2017, 99. Kienast und Richter (1992, 119–121) ziehen im Gegensatz zu Hanslik (RE Suppl 9, 1962, Sp. 1720) den Bericht Suetons (Vit. 11,2) in Zweifel, wonach sich Vitellius noch zusätzlich zum consul perpetuus habe ernennen lassen. Richter hält es für wahrscheinlich, dass er stattdessen den Titel pater patriae annahm; diese Möglichkeit sieht auch Kienast. 411 Richter a. a. O. 114 f.; vgl. Wachtel/Heinrichs, PIR2 8,2, (2015) V 740, 395. 412 Burgess 2014, 49 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

Entgegen der Annahme des Cassius Dio verzeichnen die Arvalakten (CFA Nr. 40 I, Z. 85 f. = CIL VI, 2051) als offiziellen dies imperii des Vitellius den 19. April 69 (Tag seiner Anerkennung durch den Senat); sein Todestag war der 20. Dezember 69 (Tac. hist. 3,67–85; Ios. bell. Iud. 4,654). Demnach regierte er während acht Monaten und einem Tag/zwei Tagen. Die vom Breviarium Vindobonense angegebene Regierungsdauer ist folglich um 10 Tage zu lang. Möglicherweise, so Burgess, sei die Abweichung damit zu erklären, dass im Originaltext d(ies) I stand, woraus durch einen Kopistenfehler d(ies) XI geworden sei. B) Ergänzungen: Dass Vitellius am 2. Januar 69 vom Heer in Köln zum Kaiser ausgerufen wurde, überliefern neben Tac. hist. 1,56,2 auch Tac. hist. 57,1 und Plut. Galba 22,3,6. Bei der Datierung des Todesdatums von Vitellius auf den 20. Dezember 69 beruft sich Burgess u. a. auf die Untersuchungen Holzapfels sowie auf Murison.413 In der Tat ist die Argumentation insbesondere Holzapfels sehr detailliert und überzeugend. Dennoch wird in der neueren Literatur alternativ zum 20. auch der 21. Dezember 69 als möglicher Todestag des Vitellius genannt.414 C) Fazit: Vitellius regierte vom 19. April (Anerkennung durch den Senat) bis zu seinem Tod am 20. oder 21. Dezember 69 n. Chr. Die besseren Argumente scheinen für den 20. Dezember als Todestag zu sprechen. Demnach war Vitellius 8 Monate und 1 Tag/2 Tage lang Kaiser. Wäre er erst am 21. Dez. gestorben, hätte man bei inklusiver Zählweise auch 8 Monate und 3 Tage als Regierungsdauer angeben können, was aber bei keiner Quelle der Fall ist. Die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer ist um 9 bzw. 10 Tage zu lang. Dies ist möglicherweise auf einen Kopistenfehler zurückzuführen. occisus Palatio. Richtig ist, dass Vitellius ermordet wurde. Die Ortsangabe ist jedoch ungenau, denn Vitellius wurde zwar im Palast von gegnerischen Soldaten verhaftet und misshandelt, aber außerhalb des Palastes getötet: Am 24. und 25. Oktober 69 fand die zweite Schlacht von Bedriacum statt, in der die kaiserlichen Truppen von der Armee des Vespasian entscheidend geschlagen wurden.415 Es folgten weitere militärische Rückschläge, woraufhin Vitellius dreimal ver-

413 Holzapfel 1913, 295–304; ders. 1918, 99–105; Murison 1999, 120. 414 Hanslik (RE Suppl. 9, 1962, Sp. 1732) und Richter (1992, 228) nehmen an, Vitellius sei erst am 21. Dezember getötet worden; Kienast (2017, 100) hält den 20. und den 21. Dezember für möglich. 415 Kienast 2017, 99; vgl. Hanslik RE Suppl. 9, 1962, Sp. 1726; Richter 1992, 200.

4.3 Die Caesaren: Divus Vespasianus

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geblich versuchte, abzudanken.416 Vermutlich am 20. Dezember wurde Rom von Vespasians Truppen erobert.417 Vitellius plante, zu fliehen, zog sich aber dann in den Palast zurück und versteckte sich dort (Tac. hist. 3,84,4; Suet. Vit. 16; Cass. Dio 65,20,1). Sein Versteck war laut Suet. Vit. 16 und Aur. Vict. 8,6 die Pförtnerkammer. Hier fanden ihn Soldaten des Vespasian. Sie fesselten ihn und schleppten ihn unter Beschimpfungen und Misshandlungen über die via Sacra zum Forum Romanum, wo ihn der Pöbel verspottete. Schließlich wurde er von Soldaten zur Gemonischen Treppe am Kapitolshügel gezerrt und dort auf grausame Weise erstochen (Tac. hist. 3,84 f.; Suet. Vit. 17,1 f.; Cass. Dio 65,20 f.). Die Berichte von Tacitus, Sueton und Cassius Dio stimmen in den wesentlichen Punkten überein, bei einigen Details sind aber Unterschiede festzustellen: Beispielsweise überliefert Sueton, die Leiche des Kaisers sei mit Haken zum Tiber geschleift worden,418 während Cassius Dio davon nichts sagt und stattdessen berichtet, die Soldaten hätten den toten Vitellius enthauptet und den Kopf in ganz Rom zur Schau gestellt. Flavius Josephus geht zwar nur sehr kurz auf das Ende des Vitellius ein, erwähnt aber ebenfalls, er sei übel misshandelt und regelrecht abgeschlachtet worden (Ios. bell. Iud. 4,652). Die falsche Auskunft, dass Vitellius im Palast getötet worden sei, geben neben der Stadtchronik zwei weitere Quellen: Series regum 154,27; Eus. Chron. can., Arm. Karst 216. Die Übereinstimmung fällt auf; auch Burgess419 sieht in ihr einen weiteren Beleg für die enge Verbindung zwischen den drei Quellen. 4.3.10 Divus Vespasianus Andere literarische Quellen nennen ihn meist schlicht Vespasianus (z. B. Tac. hist. 4–5; Suet. Vesp. 2,1; Aur. Vict. 9,1; Hier. chron. z.J. 69). Sein Geburtsname lautete Titus Fla­ vius Vespasianus;420 er stammte aus dem Dorf Falacrinae, das in der Nähe von Reate im Sabinerland lag. Nachdem er am 1. Juli 69 in Alexandria zum Kaiser akklamiert worden war, nannte er sich Imperator T. Flavius Vespasianus Caesar, ab Ende August 69 Impe­ rator Caesar Vespasianus Augustus. Dieser Titel wurde durch den Senat am 21. oder 22.

416 Richter a. a. O. 213–224; vgl.  Hanslik a. a. O. 1729. Kienast (2017, 99) verzeichnet nur den ersten Abdankungsversuch am 18. Dezember 69. 417 So Kienast (ebd.). Hanslik (a. a. O. 1731) und Richter (a. a. O. 226) datieren das Ereignis auf den 21. Dezember 69. 418 Mit Suetons Bericht, dem zufolge die Leiche des Vitellius in den Tiber geworfen worden sei, stimmen überein: Aur. Vict. 8,6; Eutr. 7,18,5; Hier. chron. z.J. 68/69 n. Chr.; Epit. de Caes. 8,4. 419 Burgess 2014, 168 f. 420 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 101; Stein, PIR2, Bd. 3 (1943) F 398, 180–182.

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B) 4. Item imperia caesarum

Dezember 69 offiziell bestätigt.421 Kurz danach wurden Vespasian von Senat und Volk durch die lex de imperio Vespasiani alle Kompetenzen eines princeps übertragen.422 Vespasian war der erste zum Divus erklärte Kaiser, der nicht aus der iulisch-claudischen Dynastie stammte. Dass er konsekriert wurde, bezeugen u. a. zahlreiche Inschriften und Münzen.423 Als terminus post quem für die Erhebung zum Divus Vespasia­ nus (Augustus) gilt der 8. September 79, als terminus ante quem der 29. Mai 80. Während numismatische Befunde nahelegen, dass die Divinisierung in den ersten  Monaten des Jahres 80 erfolgte, sprechen andere Quellen für einen Zeitpunkt zwischen 8. September und Ende 79, denn nach dem 8. September 79 wurde Vespasians Sohn Titus Divi filius genannt.424 imp(eravit) ann(os) XII m(enses) VIII d(ies) XXVIII. A) Burgess zur Regierungsdauer Vespasians425 (Zusammenfassung) Als „Relevant Chronologies“ bezeichnet Burgess folgende Angaben: 9  Jahre, 11  Monate und 22  Tage: Theoph. ad Autol 3,27; Eus. Chron. can. 186 (= Hier. chron. z.J. 68/69 n. Chr.); Chr. pasch. 460,4–5; 11 Jahre, 11 Monate und 22 Tage: Clem. Al. strom. 1,21,144,4. Clemens hatte hier wohl ursprünglich 9 statt 11 Jahre angegeben, da er in 1,21,144,2 eine Zeitspanne von rund 10 Jahren verzeichnet. Andere Quellen bieten z. B. folgende Daten: 6 Tage weniger als 10 Jahre: Cass. Dio 66,17,3. Burgess ist der Ansicht, Cassius Dio habe die Regierungsdauer Vespasians nicht bis zu dessen Tod berechnet, sondern bis zum Regierungsbeginn des Titus am 24. Juni 79. 9 Jahre und 10 Monate: Joh. Mal. 10,44; 9 Jahre und 7 Tage: Eutr. 7,20,2 (annum agens […] imperii nonum et diem septi­ mum); Burgess vermutet, Eutropius habe hier irrtümlich diem statt mensem geschrieben. Aus den genannten Daten zieht Burgess folgende Schlüsse: Da Vespasian als dies imperii den 1. Juli 69 wählte (Suet. Vesp. 6,3; Tac. hist. 2,79,1) und am 23. Juni 79 starb (Suet. Vesp. 24), regierte er 9 Jahre, 11 Monate und 22/23 Tage. Würde man statt des 1. Juli 69 als Ausgangsdatum den 20. Dez. 69 (Tod des Vitellius)

421 Tac. hist. 4,3,3; Cass. Dio 66,1,1. Zu den Datierungen: Kienast, ebd.; Weynand, Flavius Nr. 206, in: RE 6,2 (1909) 2635. 422 CIL VI 930. Zur Bedeutung der lex de imperio Vespasiani: Christ 2009, 256; Bengtson 1979, 63 f. Zum Termin: Kienast 2017, 101. 423 Weynand, RE 6,2 (1909) 2674. 424 Einen Termin vor Ende 79 halten für wahrscheinlich: Clarke 1966, 318–327; Kienast 2017, 105. Für einen Termin Anfang des Jahres 80 plädieren hingegen Carradice/Buttrey in RIC2 2,1 (2007) 185. 425 Burgess 2014, 50 f.

4.3 Die Caesaren: Divus Vespasianus

151

wählen, käme man auf 9 Jahre, 6 Monate und 3 oder 4 Tage. Die vom Breviarium Vind­ obonense angegebene Regierungsdauer sei daher „hopelessly corrupt“. B) Ergänzungen: Dass Vespasians offizieller dies imperii der 1. Juli 69 war, belegen nicht nur Suet. Vesp. 6,3 und Tac. hist. 2,79,1, sondern auch Cass. Dio 66,17,4: Dio zufolge waren zwischen Neros Tod und dem Regierungsantritt Vespasians ein  Jahr und 22  Tage vergangen. Burgess erwähnt nur Cass. Dio 66,17,3, wonach Vespasian 6 Tage weniger als 10 Jahre regiert habe. Er ist der Ansicht, Dio habe die Zeit bis zur Regierungsübernahme des Titus am 24. Juni 79 berechnet, nicht diejenige bis zum Todestag Vespasians (23. Juni). Offenbar gelangt Burgess zu dieser Annahme, weil andernfalls ein Widerspruch bestünde zwischen Cass. Dio 66,17,3 und Suet. Vesp. 24: Laut Sueton starb Vespasian am 23. Juni. Aber der Vergleich mit Cass. Dio 64,15,2 zeigt, dass Dio die Dauer der Regierung Othos bis zu dessen Todesdatum berechnete, nicht bis zum dies imperii des Vitellius. Analog dürfte er auch bei Vespasian gerechnet haben. Holzapfel und, auf ihn gestützt, Murison426 sind der Meinung, dass sich Dio 66,17,3 mit Suet. Vesp. 24 vereinbaren lässt: Wenn Vespasian in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 79 starb, konnte jeder der beiden Tage als sein Sterbedatum gelten. C) Fazit: Der Präfekt Ägyptens rief Vespasian am 1. Juli 69 zum Kaiser aus und vereidigte die dortigen Legionen auf ihn. Dieser Tag galt als Vespasians dies imperii (Tac. hist. 2,79,1; Suet. Vesp. 6,3; Cass. Dio 66,17,4), obwohl die Anerkennung durch den Senat laut Tac. hist. 4,3 erst erfolgte, nachdem Vitellius am 20. oder 21. Dezember Dez. 69 getötet worden war. Vespasian starb am 23. Juni bzw. in der Nacht auf den 24. Juni 79. Von seinem dies imperii an gerechnet, herrschte er 9 Jahre, 11 Monate und 22/23 Tage lang. Demnach ist die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer um 2 Jahre, 9 Monate und 6 Tage zu lang, wofür mehrere Kopistenfehler verantwortlich sein dürften.427 congiarium dedit X LXXV. In Tacitus’ Schrift Dialogus de oratoribus, Kap. 17, ist etwas vage von einem congiarium Vespasians die Rede: proximo quidem congiario.428 Sonst gibt es abgesehen von der Stadtchronik offenbar keine weitere Quelle, die ein congia­ rium Vespasians überliefert. Sueton berichtet zwar sehr ausführlich von der Großzügigkeit des Kaisers (Vesp. 17,1–19,1), um dem Vorwurf der Geldgier, der gegen diesen erhoben wurde, etwas entgegenzusetzen, er erwähnt aber kein congiarium. Auch die 426 Holzapfel 1921, 76; Murison 1999, 178. 427 So auch Holzapfel 1921, 77. 428 Zuvor verweist der Text auf das sechste Jahr der Herrschaft Vespasians: sextam iam felicis huius principatus stationem, qua Vespasianus rem publicam fovet. Demnach kann die Spende nicht später als im Jahr 74 erfolgt sein. Wie die weiteren Ausführungen zeigen, dürfte sie bereits 71 verteilt worden sein.

152

B) 4. Item imperia caesarum

unter Vespasian geprägten Münzen weisen nicht darauf hin, dass in seinem Namen eine solche Spende ausgezahlt wurde. Dennoch ist die Aussage der Stadtchronik im Kern richtig: Im Juni 71 feierte Vespasian gemeinsam mit seinem Sohn Titus den Triumph über Iudäa; zur Erinnerung an dieses Ereignis ließ der Kaiser 72 einen Sestertius prägen, der Titus als Spender eines congiarium darstellt.429 Van Berchem verzeichnet es als Spende des Titus, die im  Jahr 71  n. Chr. verteilt wurde. Er nimmt als Summe 75 Denare an, wobei er sich auf die, Stadtchronik beruft, mit dem Vermerk, dass diese Vespasian als Spender angibt.430 Da Vespasian sehr bemüht war, die Nachfolge seiner Söhne, insbesondere des Titus, zu sichern (z. B. war Titus zusammen mit seinem Vater siebenmal Consul),431 wollte er diesen angesichts der inzwischen verbesserten Finanzlage offenbar auch dadurch als späteren Nachfolger populär machen, dass er in dessen Namen ein congiarium auszahlen und entsprechende Erinnerungsmünzen prägen ließ.432 Für ein congiarium von 75 Denaren bzw. 300 Sesterzen, die vermutlich ca. 150 000 Empfangsberechtigte erhielten, mussten ungefähr 45 Millionen Sesterzen aufgebracht werden. Eine derart hohe Summe stellte für Vespasian sicherlich ein finanzielles Problem dar, denn zu Beginn seiner Regierung waren Staatskasse und Fiscus leer (Suet. Vesp. 16,3; Aur. Vict. Caes. 9,6; Epit. de Caes. 9,7). Gemessen an der ungeheuren Summe von 40 Milliarden Sesterzen, die der Kaiser laut Suet. Vesp. 16,3 für nötig hielt, um die Staatsausgaben zu finanzieren, nehmen sich 45 Millionen allerdings vergleichsweise bescheiden aus. Außerdem begannen sich im  Jahr 71 die kaiserlichen Kassen wieder zu füllen, v. a. aufgrund der immensen Beute aus dem bellum Iudaicum. Den Triumphzug, bei dem die Beute präsentiert wurde, beschreibt Flavius Josephus (Ios. bell. Iud. 7,123–157). Vermutlich gab es noch zu Lebzeiten Vespasians, also vor dem 23. Juni des Jahres 79, ein zweites congiarium im Namen des Titus, denn eine im Jahr 80 geprägte Münze mit der Legende CONG.TER. 433 zeigt diesen beim Verteilen einer dritten Spende. hic prior tribus gradibus amphitheatrum dedicavit. Notitia und Curiosum verzeichnen das amphitheatrum unter Regio III und merken an, es verfüge über 87 000 loca; das entspricht nach heutigen Schätzungen ca. 50 000 Zuschauerplätzen.434 Außer der Stadtchronik überliefern weitere Quellen, z. B. Aur. Vict. 9,7, dass Vespasian in Rom ein Amphitheater erbauen ließ: Mit dem Bau eines zentral gelegenen Amphitheaters in der Hauptstadt, das später Colosseum genannt wurde, knüpfte Vespasian laut Suet.Vesp. 9,1 an Pläne des Augustus an: fecit et nova opera […] item amphitheatrum urbe media, ut 429 430 431 432 433 434

RIC2 2,1 (2007) S. 87, Nr. 420/Tafel 33 und S. 90, Nr. 456/Tafel 35; vgl. Berchem 1939, 149. Berchem a. a. O. 150; vgl. Kienast 2017, 106; Barbieri 1957, 842. Bengtson 1967, 316 f.; vgl. ders. 1979, 102 f. Vgl. Berchem 1939, 150. RIC 2 (1926) Titus Nr. 86, S. 126 f.; BMC Emp 2 (1930) Titus Nr. 191. Nielsen, Kolosseum, in: DNP 6 (1999) 669.

4.3 Die Caesaren: Divus Vespasianus

153

destinasse compererat Augustum. Das erste steinerne Amphitheater Roms war 29 v. Chr. von L. Statilius Taurus auf dem Marsfeld erbaut worden; es wurde durch den Brand Roms 64 n. Chr. vernichtet.435 Später hatte Nero, ebenfalls auf dem Marsfeld, ein großes Amphitheater aus Holz errichten lassen, laut Tac. ann. 13,31 bereits im Jahr 57; auch dieses Gebäude wurde höchstwahrscheinlich beim Stadtbrand zerstört.436 Vespasian wählte als Standort für das neue Amphitheater die Talsenke, in der jener See lag, der zu Neros domus aurea gehört hatte (Mart. spect. 2,5). Das Jahr des Baubeginns ist nicht überliefert, aber 1995 kam Géza Alföldy bei einem Rekonstruktionsversuch zu dem Ergebnis, nach Fertigstellung des Amphitheaters habe man eine Inschrift angebracht, die auf die Art seiner Finanzierung hinwies: ex (oder de) manubis; damit sei zweifellos die Beute aus dem bellum Iudaicum gemeint gewesen.437 Diese Schlussfolgerung liegt nahe. Da die Kriegsbeute im Jahr 71 nach Rom gebracht wurde (s. o. S. 152), könnte mit dem Bau im Jahr 71 oder 72 n. Chr. begonnen worden sein. Viel später kann es nicht geschehen sein, denn laut Stadtchronik wurden die ersten drei gradus noch unter Vespasian fertiggestellt. Die umfangreichen Bauarbeiten (inklusive Auffüllung des Sees, Planierung des Geländes und Fundamentierung) müssen Jahre gedauert haben. Keine andere Quelle beschreibt die einzelnen Bauphasen so genau wie die Stadtchronik: In Bezug auf Vespasian: hic prior tribus gradibus amphitheatrum dedicavit. In Bezug auf Titus: hic amphitheatrum a tribus gradibus patris sui duos adiecit. In Bezug auf Domitian: […] amphitheatrum usque ad clypea. Mehrere Vertreter der neueren Forschung halten diese Angaben für glaubwürdig.438 Unter Vespasian wurden demnach drei gradus des Amphitheaters eingeweiht; Titus ließ sie durch zwei weitere gradus ergänzen und Domitian komplettierte das Bauwerk. Andere sind skeptisch439 bzw. nennen nur jene Quellen, die von der dedicatio durch Titus berichten. Einer der Gründe für die Zweifel an dem Bericht der Stadtchronik ist deren Formulierung dedicavit, da keine andere antike Quelle von einer (ersten) Weihung durch Vespasian spricht. Dass alle drei flavischen Kaiser Baumaßnahmen am Amphitheater durchführen ließen, wird hingegen allgemein angenommen. Es gibt jedoch unterschiedliche Auffassungen darüber, was unter dem von der Stadtchronik verwendeten Begriff gradus zu verstehen ist: Platner/Ashby und Richardson sind der Ansicht, dass Vespasian nur die beiden ersten von insgesamt vier Stockwerken erbau435 Cass. Dio 62,18,2; weitere Quellen zum Amphitheatrum Statilii Tauri bei Platner/Ashby, 11. 436 Zu diesem Schluss kommen Richardson (Amphitheatrum Flavium, in: NTDAR, 10) und Nielsen (Amphitheatrum, in: DNP 1, 1996, 621), da sie die Datierung des Tacitus übernehmen. Damit widersprechen sie der Meinung von Platner/Ashby (S. 11), Nero habe den Bau nach dem Brand Roms befohlen. 437 Alföldy 1995, 210–220. 438 Gall, Flavium amphitheatrum, in: RE 6,2 (1909) 2516; Gerkan 1925, 28, 41; Platner/Ashby, 6; Richardson NTDAR, 7; Alföldy 1995, 226. 439 Murison 1999, 197; Rea, Amphitheatrum, in: Steinby LTUR 1 (1993) 31; Nielsen, Kolosseum, in: DNP 6 (1999) 668.

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B) 4. Item imperia caesarum

en ließ und beziehen folglich die Angabe tribus gradibus auf drei der fünf Sitzränge, also die nach dem sozialen Status der Zuschauer gegliederten Tribünenbereiche.440 Diese wurden aber üblicherweise maeniana genannt, während mit gradus sowohl die einzelnen Sitzstufen als auch ganz allgemein Abstufungen gemeint sein konnten.441 Beispielsweise wird in einem Vermerk der Arvalbrüder (CFA Nr. 48, Z. 29–34) der Tribünenrang als maenianum und die Sitzstufe als gradus bezeichnet (s. u. S. 158 und Anm. 464). Ich halte daher die Ansicht Armin von Gerkans für zutreffend, der in einer sehr detaillierten bautechnischen Untersuchung 1925 zu folgenden Ergebnissen kam: tribus gradibus sei auf Stockwerke bezogen gewesen, nicht auf Sitzränge. Demnach ließ Vespasian die ersten drei Stockwerke des Amphitheaters erbauen und weihte sie ein, wie von der Stadtchronik berichtet. Titus fügte später zwei weitere Stockwerke hinzu. Die Außenfassade des Kolosseums zeigt zwar nur vier Stockwerke, aber die auf Titus bezogene Formulierung der Stadtchronik (tribus gradibus patris sui duos adiecit) kann damit erklärt werden, dass das vierte, etwas höhere, Stockwerk eine Zweiteilung im Innenbereich aufweist, die durch Fenster und Zwischendecke erkennbar ist.442 In der Literatur wird das von Vespasian und seinen Söhnen erbaute Amphitheater üblicherweise amphitheatrum Flavium bzw. „flavisches Amphitheater“ genannt,443 da alle drei flavischen Kaiser an der Entstehung des Gebäudes beteiligt waren. Erst seit dem Mittelalter ist das imposante Bauwerk – das größte Amphitheater der Antike – unter dem Namen Colosseum bekannt.444 Zuvor wurde nicht nur von der Stadtchronik, sondern auch von allen anderen antiken Quellen die Bezeichnung amphitheatrum ohne das Attribut Flavium verwendet.445 In seinen Anfangsjahren dürfte das Bauwerk amphitheatrum novum genannt worden sein.446 Obwohl der Name amphitheatrum Fla­ vium durch antike Quellen nicht belegt ist, wird dies bisweilen behauptet,447 vermutlich aufgrund einer Fehldeutung von Cass. Dio 66,25,1. Diese Textstelle besagt aber le440 Platner/Ashby, 9; Richardson NTDAR, 9; ähnlich argumentieren Rea (Amphitheatrum, in: Steinby LTUR 1, 1993, S. 33) und Nickbakht/Stein 2017, 87. 441 Vgl. s.v. gradus ThLL Sp. 2150 f.; Georges Hwb Sp. 2954–56. Zu den fünf maeniana des Kolosseums: Nielsen, Kolosseum, in: DNP 6 (1999) 669. 442 Gerkan 1925, 19, 28, 38, 41. Diese Auffassung teilt auch M. Griffin in CAH 11 (22000) 49 Anm. 205. 443 Beispiele: Gall, Flavium amphitheatrum, in: RE 6,2 (1909) 2516; Gerkan 1925, 11; Platner/Ashby, 6–10; Amphitheatrum Flavium, in: Richardson NTDAR, 7; Nielsen, Amphitheatrum, in: DNP 1 (1996) 621; dies., Kolosseum, in: DNP 6 (1999) 668. 444 Rea, Amphitheatrum, in: Steinby LTUR 1 (1993) 30; Richardson NTDAR, 7; Platner/Ashby, 6. Während früher die Ansicht vertreten wurde, dass der Begriff Colosseum aufgrund der Dimensionen des Gebäudes entstand (vgl. Gall, RE 6,2, 1909, Sp. 2516), ist man heute der Auffassung, dass er von der benachbarten Kolossalstatue (Colossus Neronis, laut Plin. nat. 34,45 nach Neros Tod umgewandelt in den Colossus Solis) abgeleitet wurde (Nielsen, Kolosseum, DNP 6, 668; Rea a. a. O. 30.; Richardson NTDAR, 7). 445 Alföldy 1995, 215; Belege bei Rea, Amphitheatrum, in: Steinby LTUR 1 (1993) 30. 446 Zu diesem Ergebnis gelangte Alföldy (1995, 209–223) nach der Rekonstruktion einer Inschrift. 447 Die Behauptung findet man z. B. bei Nielsen (Kolosseum, DNP 6, 1999, 668) und Tafel (Cassius Dio. Römische Geschichte, Stuttgart 1831–1844, ND 2012), der Cass. Dio 66,25,1 ungenau so übersetzte: „bei der Einweihung des Amphitheaters und des Bades, die darauf seinen Namen erhielten.“

4.3 Die Caesaren: Divus Vespasianus

155

diglich, dass die Thermen, die Titus zur gleichen Zeit einweihte wie das Amphitheater, nach ihm benannt wurden: thermae Titi.448 Im Unterschied zur Stadtchronik erwähnt Aur. Vict. 9,7 weitere Bauten Vespasians: Die Fertigstellung des Claudius-Tempels auf dem Caelius, die Wiederherstellung des Kapitols und die Errichtung des templum Pacis. excessit Curibus Sabinis. Die Formulierung der Stadtchronik weist auf eine natürliche Todesursache hin. Dies steht im Einklang mit mehreren anderen Überlieferungen. Für die letzten Tage im Leben des Vespasian ist Suet. Vesp. 23,4–24,1 die ausführlichste Quelle. Suetons Bericht wird im Folgenden leicht gerafft wiedergegeben: Als der Kaiser erkrankte und an Fieber litt, rief er: „Wehe, ich glaube, ich werde ein Gott!“ (Vae, puto deus fio.).449 Danach begab er sich nach Aquae Cutiliae und zu seinem Landgut bei Reate (Cutilias ac Reatina rura), wo er auch sonst den Sommer zu verbringen pflegte. Während des Kuraufenthalts verschlimmerte sich die Krankheit, laut Sueton durch den übertriebenen Genuss von kaltem Wasser. Obwohl er wegen der Erkrankung schließlich das Bett hüten musste, ging Vespasian weiter seinen Regierungsgeschäften nach. Als ihm eine plötzliche Durchfallattacke fast alle Kraft raubte, versuchte er sich aufzurichten und erklärte, ein Kaiser müsse stehend sterben (impera­ torem ait stantem mori oportere; fast gleichlautend werden diese Worte durch Epit. de Caes. 9,17 überliefert). Kurz darauf starb der Kaiser. Cassius Dio (66,17,1–3) bestätigt den Ort, die beiden Zitate (allerdings in anderer Reihenfolge) und die Todesursache. Das Gerücht, wonach Vespasian von seinem Sohn Titus vergiftet worden sei, bezeichnet er als haltlos. Auch Eutr. 7,20,2 (profluvio ventris extinctus est) und Hier. chron. z.J. 78/79 n. Chr. berichten, eine Krankheit des Magen-Darm-Traktes habe den Tod Vespasians herbeigeführt. Dass Vespasian bei Aquae Cutiliae starb, wie Sueton und Cassius Dio berichten, gilt als gesicherte Tatsache.450 Reate, in dessen Nähe Vespasians Geburtsort lag, war einer der Hauptorte im Sabinerland und heißt heute Rieti; Aquae Cutiliae war ein Heilbad an der via Salaria östlich von Reate.451 Die Ortsangabe apud Sabinos bei Eutr. 7,20,2, Hier. chron. z.J. 78/79 und Epit. de Caes. 10,15 ist ungenau. Die Angabe der Stadtchronik ist zwar präziser, aber falsch: Cures bzw. Cures Sabini lag südwestlich von Reate am linken Tiberufer, nahe der via Salaria,452 an der auch Aquae Cutiliae lag. 448 So auch Murison 1999, 197. 449 Sueton zitiert den Satz als Beleg für Vespasians trockenen Humor. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass der Kaiser sich so äußerte. Überzeugende Argumente für diese These bei Manfred G. Schmidt, Claudius und Vespasian: Eine neue Interpretation des Wortes „vae, puto deus fio“, in: Chiron 18 (1988) 83–89. 450 Kienast 2017, 101; Stein, PIR2 Bd. 3 (1943) F 399, 182. Falsche Ortsangabe bei Burgess 2014, 169; ungenau sind hier Nickbakht/Stein 2017, 88. 451 Weiss, Reate, in: RE 1 A1 (1914) 345 f.; Hülsen, Aquae Nr. 38, in: RE 2 (1895) 299. 452 Hülsen, Cures, in: RE 4,2 (1901) 1814.

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B) 4. Item imperia caesarum

Die falsche Ortsangabe in der Stadtchronik ist vermutlich durch zwei Faktoren erklärbar: Zum einen waren Cures Sabini und Aquae Cutiliae nicht weit von Reate entfernt; auch lagen beide Orte an der via Salaria und in der Nähe jenes Dorfes, aus dem Vespasian stammte. Zum anderen wollte der Kaiser eine Krankheit auskurieren: Das lateinische Wort cura (im Sinne von „Behandlung, Pflege, Kur“) ist dem Ortsnamen Cures sehr ähnlich, so dass es leicht zu einer Verwechslung kommen konnte. 4.3.11 Divus Titus Andere literarische Quellen nennen ihn meist schlicht Titus. Beispiele: Tac. hist. 4–5; Suet. Tit. 1,1; Cass. Dio 66; Aur. Vict. 10,1; Hier. chron. z.J. 79 n. Chr. Sein Geburtsname war derselbe wie der seines Vaters: Titus Flavius Vespasianus.453 Nachdem der Vater sich ab Ende August 69 Imperator Caesar Vespasianus Augustus titulieren ließ, verlieh er sowohl Titus als auch dessen Bruder Domitian den Titel Cae­ sar. Titus wurde von da an Titus Caesar Vespasianus genannt, seit August/September 70 auch Imperator. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 79 lauteten Name und Titel Im­ perator Titus Caesar Vespasianus Augustus, ab dem 8. September auch Divi filius.454 Wie Cassius Dio berichtet (67,2,6), ließ Domitian den Bruder bald nach dessen Tod konsekrieren. Die Behauptung, er habe Titus keiner weiteren Ehrung gewürdigt (Suet. Dom. 2,3), wird durch die Errichtung des templum gentis Flaviae und des templum Di­ vorum widerlegt; s. u. S. 169. imp(eravit) annos […] A) Handschrift V enthält an dieser Stelle die folgende Korruptel: Divus Titus imp. annos VIII dies XII. cong. promisit sed non dedit. Der Text der Stadtchronik wiederholt hier die Angaben zu Regierungsdauer und congiarium Galbas, wobei m. VIII (bzgl. Galba) durch annos VIII (bzgl. Titus) ersetzt ist. Mommsen lässt in seiner Edition hier eine Textlücke und macht in einer Fußnote auf den Kopistenfehler aufmerksam.455 Burgess folgt ihm inhaltlich, nicht aber formal: Seine Edition weist keine Textlücke auf, sondern bietet die Konjektur < annos II, menses II, dies XX. Congiarium dedit X LXXV>.456

453 454 455 456

Zu den Namen und Titeln : Kienast 2017, 105 ; Stein, PIR2 Bd. 3 (1943) F 399, 184 f. Zu den Titeln ausführlich Weynand, Flavius Nr. 207, in: RE 6,2 (1909) 2707–2716. Mommsen 1892, 146 Anm. zu Z. 12; vgl. ders. 1850, 646. Burgess 2014, 52, 150. Zu den congiaria des Titus s. aber den Komm. S. 152.

4.3 Die Caesaren: Divus Titus

157

B) Burgess zur Regierungsdauer des Titus457 (Zusammenfassung) Als „Relevant Chronologies“ bezeichnet Burgess folgende Angaben: 2 Jahre, 2 Monate und 20 Tage: Suet. Tit. 11; Epit. de Caes. 10,1; Cass. Dio 66,18,4; Zon. 11,18 (S. 495, 18 f.). 2 Jahre, 8 Monate und 20 Tage: EKG = Aur. Vict. 10,5; Eutr. 7,22,1. 3 Jahre, 2 Monate und 2 Tage: Liber gen. I, 386. 2 Jahre, 2 Monate und 2 Tage. Epiphanius, De mens. et pond. 353 f.; Chron. syn. 100,45. 2 Jahre und 22 Tage: Theoph. ad Autol. 3,27. Burgess zieht aus diesen Angaben folgende Schlüsse: Abgesehen von den Zahlen bezüglich der Jahre und Monate lassen sich hauptsächlich drei Überlieferungen unterscheiden, die entweder 2, 22 oder 20 Tage angeben. Korrekt ist „20 Tage“, da Titus vom 24. Juni 79 bis zum 13. September 81 regierte, also 2 Jahre, 2 Monate und 20/21 Tage. Den im Breviarium Vindobonense offensichtlich vorliegenden Fehler bezeichnet Burgess als „a corrupt dittography from Galba“, d. h. die für Titus genannten Daten wurden irrtümlich den Angaben zur Regierungsdauer Galbas entnommen, ebenso die Worte cong. promisit sed non dedit. C) Ergänzungen: Im Namen des Titus wurden vermutlich drei congiaria gewährt; schon beim ersten wurden 71 n. Chr. 75 Denare pro Kopf verteilt (s. o. S. 152). Vespasian starb am 23. Juni oder in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 79; folglich konnte Titus frühestens am 24. Juni 79 die Nachfolge antreten. Dieses Datum gilt als sein dies imperii.458 Todestag des Titus war der 13. September 81. Das Jahr, in welchem er starb, ergibt sich aus Cass. Dio 66,26,1: Er sei unter dem Konsulat von Flavius und Pollio gestorben. L. Flavius Silva Nonius Bassus und L. Asinius Pollio Verrucosus waren Consuln des Jahres 81 n. Chr.459 Den Todestag überliefert Suet. Tit. 11: excessit […] Id. Sept. D) Fazit: Demnach dauerte die Herrschaft des Titus 2 Jahre, 2 Monate und 20 Tage.460 Die fehlerhafte Zeitangabe der Stadtchronik ist offenbar auf den Fehler (die Dittographie) eines Kopisten zurückzuführen. hic amphitheatrum a tribus gradibus patris sui duos adiecit. Während Aurelius Victor lediglich summarisch berichtet, Titus habe das Amphitheater vollendet (am­ 457 458 459 460

Burgess 2014, 51 f. Kienast 2017, 105. Degrassi, Fasti S. 24. Dieselben Zahlen nennen Holzapfel (1921, 75 f., 81 f.) und Murison (1999, 180).

158

B) 4. Item imperia caesarum

phitheatro perfecto opere; Aur. Vict. 10,5), überliefert die Stadtchronik als einzige Quelle, Titus habe drei unter Vespasian errichteten Stockwerken zwei weitere hinzugefügt. Zwar weist das flavische Amphitheater nach außen hin nur vier Stockwerke auf, aber Titus ergänzte den dreigeschossigen Vespasiansbau durch ein höheres viertes Stockwerk, das im Inneren aus zwei durch eine Zwischendecke getrennten Bauteilen bestand. Die Fassade dieses vierten Stockwerks war und ist nicht wie die drei unteren durch Arkaden gegliedert, sondern im oberen Bereich wechselten sich große rechteckige Fenster mit runden Bronzeschilden ab; im unteren Bereich, unter den Schilden, fügte man Sockelfenster ein, die einem geschlossenen Gang Licht spendeten.461 Demnach trifft die Angabe der Stadtchronik zu. Mehrere Quellen berichten von dem exorbitanten Aufwand, den Titus bei der Einweihung des Amphitheaters betrieben habe: Suet. Tit. 7,3; Cass. Dio 66,25,1–5; Hier. chron. z.J. 81; Eutr. 7,21. In der Forschung wurde kontrovers darüber diskutiert, ob es diese Einweihungsspiele waren, die Martial im liber spectaculorum beschreibt; in neuerer Zeit wurden einleuchtende Argumente für diese Annahme vorgebracht.462 Laut Cass. Dio 66,25,5 dauerten die Einweihungsspiele 100 Tage lang; aus diesem Bericht lässt sich jedoch keine genaue Datierung für das Ereignis ableiten. Ein Teil der Fachliteratur datiert den Beginn der Einweihungsfeiern auf März oder April 80.463 Die Aufzeichnungen der fratres arvales lassen jedoch eher auf die Mitte des Jahres 80 schließen, denn damals wurde den Arvalbrüdern eine angemessene Zahl von Plätzen auf den Sitzstufen (gradus) des Amphitheaters zugewiesen.464 excessit Curibus Sabinis cubiculo patris. A) Zur Todesursache: Die Stadtchronik weist mit der Formulierung excessit auf eine natürliche Todesursache hin. Dies stimmt mit den Aussagen einiger anderer Quellen überein, nach denen Titus an einer Krankheit bzw. an Fieber gestorben sei: Epit. de Caes. 10,15 (febri interiit); Eutr. 7,22,1 (morbo periit); Hier. chron. z.J. 80/81 (morbo perit). Von Plutarch stammt die merkwürdige Behauptung, der Kaiser sei gestorben, weil er lieber Bäder nehmen wollte, anstatt ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen (Plut. mor. de tuenda sanitate praecepta 3/123 D). Diese Überlieferung scheint darauf hinzuweisen, dass das Fieber bei Titus zu Appetitlosigkeit geführt hatte und er sich durch Baden abkühlen wollte. Andere Autoren beschuldigen Domitian, seinen Bruder ermordet zu haben. Die letzten Lebenstage des Titus werden von Sueton und Cassius Dio detailliert beschrieben: Letzterer berichtet, Titus habe am letzten Tag der Spiele, mit denen das

461 462 463 464

Gerkan 1925, 28, 39–42. Darwall-Smith 1996, 82–87, 264–266. Murison 1999, 199; Bengtson 1979, 170; Weynand, Flavius Nr. 207, in : RE 6,2 (1909), 2720, 2722. CFA Nr. 48, Z. 29–34 (=CIL VI, 2059). Zur Datierung s. Kienast 2017, 105; Darwall-Smith 1996, 88. Zu den vom Steinmetz verursachten Problemen der Inschrift s. Gerkan 1925, 36–38.

4.3 Die Caesaren: Divus Titus

159

Amphitheater eingeweiht wurde, in der Öffentlichkeit ohne erkennbaren Grund heftig geweint (Cass. Dio 66,26,1). Suetons Angaben lauten ähnlich, sie beziehen sich allerdings nicht explizit auf die Einweihungsspiele: Spectaculis absolutis, in quorum fine populo coram ubertim fleverat (Suet. Tit. 10,1).465 Da Sueton und Cassius Dio von diesem sonderbaren Verhalten des Kaisers und anschließend von dessen Tod berichten, sahen wohl beide Autoren in seinem Gefühlsausbruch, der mit Sicherheit von den Zeitgenossen als eines Kaisers unwürdig und daher schockierend empfunden wurde, das erste Anzeichen für eine schwere Erkrankung. Beide berichten von einem Fieber, das Titus bei der Reise in seine sabinische Heimat befallen habe. Das Motiv, aus dem Titus die Reise antrat, ist nicht überliefert. Sueton erwähnt nur, der Kaiser sei zu Beginn der Reise noch deprimierter gewesen (aliquanto tristior) als zuvor beim Ende der spectacula. Dieses Stimmungstief führt Sueton auf unheilverkündende Vorzeichen zurück. Da Titus aber schon vor seiner Reise depressiv war, ist zu vermuten, dass sich der Kaiser krank fühlte und zur Kur in das Heilbad Aquae Cutiliae reisen wollte. Dasselbe hatte zwei Jahre zuvor sein Vater getan, als dieser an Fieber litt (s. o. S. 155); bei Titus scheint das Fieber jedoch erst während der Reise aufgetreten zu sein. Über die Krankheit des Titus ist in der Literatur viel spekuliert worden: Offenbar litt er an heftigen Depressionen, für die verschiedene Ursachen denkbar sind.466 Murison hält einen Gehirntumor für wahrscheinlich.467 Nach dem frühen Tod des Titus – er starb im 42. Lebensjahr – wurde Domitian verdächtigt, den Bruder ermordet zu haben. Cassius Dio spricht zwar von einem Gerücht, er hält es aber offenbar für glaubwürdig, denn er betont, Domitian habe dem Bruder längere Zeit nach dem Leben getrachtet und Titus hätte ihn deshalb hinrichten lassen sollen. Domitian habe die Krankheit des Kaisers heimtückisch dadurch verschlimmert, dass er diesen in eine mit Schnee gefüllte Wanne legen ließ, unter dem Vorwand, auf diese Weise könne dessen Fieber bekämpft werden (Cass. Dio 66,26,1–2). Aurelius Victor (10,5; 11,1) und Philostratos (vita Apollonii 6,32) überliefern, Domitian habe seinen Bruder vergiften lassen. Sueton behauptet zwar nicht explizit, dass dieser von Domitian ermordet worden sei, er deutet es aber an mehreren Stellen an:468 Domitian habe dem Bruder mit insidiae nach dem Leben getrachtet und später befohlen, den todkranken Titus allein zu lassen. Als der Kaiser sein Ende nahen fühlte, habe er geklagt, das Leben werde ihm genommen, obwohl er nur eine einzige, nicht näher 465 Laut Suet. Tit. 9,3 weinte Titus außerdem auch bei privaten Gesprächen mit seinem Bruder; er habe diesen angefleht, sich mit ihm auszusöhnen. 466 Vgl. die bei Murison (1999, 201) genannten Forschungsbeiträge. Weynand nennt Titus „gemütskrank durch böse Vorzeichen“ (RE 6,2, Sp. 2722). Bengtson beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, wie es zu erklären sei, dass sich das Verhalten des Titus auffällig veränderte, nachdem er Kaiser geworden war: „Aus seiner Härte war Schwäche, aus seiner Unerbittlichkeit waren Milde und Geduld geworden“ (Bengtson 1979, 164). Er kommt zu dem Ergebnis, der Kaiser habe an einer Krankheit gelitten, die sich nicht eindeutig benennen lasse. 467 Murison 1995, 141 f. 468 Suet. Tit. 9,3; 10,1; Dom. 2,3.

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B) 4. Item imperia caesarum

bezeichnete, Handlung zu bereuen habe. Laut Cass. Dio 66,26,3 f. und Suet. Tit. 10,2 interpretierten Zeitgenossen diese Äußerung dahingehend, dass Titus mit Domitia, der Frau seines Bruders, eine ehebrecherische Beziehung unterhalten und dies später bereut habe. Cassius Dio hält es aber für wahrscheinlicher, dass Titus bedauerte, Domitian nicht hingerichtet zu haben. Dieser sei, nachdem er das Sterben des kranken Bruders beschleunigt habe, ohne dessen Tod abzuwarten eilig nach Rom geritten, um sich von den Prätorianern als neuer princeps bestätigen zu lassen. Vergleicht man die unterschiedlichen Quellenaussagen zur Todesursache des Titus, wird deutlich, dass sie sich teilweise widersprechen. Einige stimmen nur darin überein, dass sie Domitian des Brudermordes bezichtigen. Skepsis ist auch deshalb angezeigt, weil seit dem Tod des Augustus immer dann Gerüchte über Kaisermord aufkamen, wenn die Todesursache des Kaisers nicht eindeutig feststand. Außerdem zeichnen die meisten antiken Quellen ein einseitig negatives Bild von Domitian und vertreten damit den Standpunkt der Senatsmehrheit, bei welcher der dritte flavische Kaiser spätestens seit dem Jahr 92 als Tyrann verhasst war.469 Aus diesen Gründen hält man in der neueren Literatur die Behauptung, Titus sei von Domitian ermordet worden, meist für unglaubwürdig.470 Fazit: Dass die Stadtchronik eine natürliche Todesursache des Titus verzeichnet, kann als glaubwürdige Überlieferung gelten. B) Zum Sterbeort: Laut Cass. Dio 66,26,1 starb Titus in demselben Badeort wie sein Vater, also in Aquae Cutiliae. Dass es sich auch um dasselbe Landhaus handelte, überliefern folgende Quellen: Suet. Tit. 11,1; Epit. de Caes. 10,15, Hier. chron. z.J. 80/81 n. Chr. (= a. Abr. 2096). Fazit: Hinsichtlich des Ortsnamens begeht die Stadtchronik denselben Fehler wie bei Vespasian (s. o. S. 156 f.): Beide starben nicht in Cures Sabini, sondern in Aquae Cutiliae. Der Chronist hat jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach Recht mit der Behauptung, Titus sei in demselben Schlafzimmer gestorben wie sein Vater. 4.3.12 Domitianus Auch andere literarische Quellen nennen ihn so; z. B. Tac. hist. 4,2; 4,85; Suet. Dom. 1,1; 23,2.; Aur. Vict. 11,1; 11,3; Hier. chron. z.d.J. 81–96. Sein Geburtsname lautete Titus Flavius Domitianus. Als sein Vater im Juli 69 den Namen Caesar Vespasianus Augus­ 469 Christ 2009, 263, 283; vgl. Bengtson 1979, 179; CAH2 11 (2000) 53. 470 Einen natürlichen Tod verzeichnen Kienast 2017, 105; CAH2 11 (2000) 54; Murison 1999, 201–203; ders. 1995, 141 f.; Jones 1992, 20; Bengtson 1979, 177; Weynand in RE 6,2 (1909) 2722.

4.3 Die Caesaren: Domitianus

161

tus angenommen hatte, verlieh er bald danach Domitian ebenso wie dessen älterem Bruder Titus den Titel Caesar.471 Nachdem Titus die Nachfolge Vespasians angetreten hatte, stellte er seinen Bruder offiziell als consors et successor imperii vor (Suet. Tit. 9,3; vgl. Epit. de Caes. 10,11). Domitian behauptete denn auch öffentlich, Vespasian habe ihn testamentarisch zum particips imperii machen wollen (Suet. Dom. 2,3). Titus konzentrierte jedoch die Regierungsgewalt in den eigenen Händen und gab seinem Bruder keine reale Macht.472 Erst nach dem Tod des Titus konnte sich Domitian Imperator Caesar Domitianus Augustus nennen.473 Indem er 85 n. Chr. das Amt eines censor perpe­ tuus (das Augustus abgelehnt hatte) übernahm, verband er diese potestas auf Dauer mit der Position des princeps; darüber hinaus sollte mit dem Siegerbeinamen Germanicus der Ruhm des Augustus noch übertroffen werden.474 imp(eravit) ann(os) XVII m(enses) V d(ies) V. A) Burgess zur Regierungsdauer Domitians475 (Zusammenfassung) Domitian regierte vom 13. September 81 (Tod des Titus) bis zu seiner Ermordung am 18. September 96 (Suet. Dom. 17,3; FOst, Vidman S. 45), woraus sich eine Regierungsdauer von 15  Jahren und 5/6  Tagen ergibt. Als „Relevant Chronologies“ bezeichnet Burgess folgende Angaben: 15 Jahre und 5 Tage: Cass. Dio 67,18,2; Zon. 11,19 (S. 503, 14–15). 15 Jahre und 5 Monate: Eus. Chron. can. 189 (Burgess zitiert nach Seitenzahlen der Ed. Helm, 31984); Epiphanius, De mens. et pond. 356; Nicephorus 93,9; Chron. syn. 101,1; Syn. chron. B 17,1. 15 Jahre, 5 Monate und 6 Tage: Theoph. ad Autol. 3,27. 15 Jahre, 8 Monate und 5 Tage: Clem. Al. strom. 1,21,144,4. Aus diesen Datierungen zieht Burgess folgende Schlüsse: Hinsichtlich der Regierungsdauer des Domitian überliefere das Breviarium Vindobonense nur die Zahl der Tage korrekt. Aber der einzige Fehler des Verfassers bestehe darin, XVII statt XV Jahre anzugeben. Die fälschlich genannte Zahl von 5 Monaten müsse man wohl einer (unbekannten) Quelle anlasten, die 5 Monate statt 5 Tage verzeichnet hatte; diese Zahl sei dann später mehrfach übernommen worden, z. B. von Eusebius, nicht nur vom Verfasser des Breviarium.

471 472 473 474

Kienast 2017, 109; vgl. Stein, PIR2 Bd. 3 (1943) F 259, 147–150. Strobel 1994, 364. Kienast a. a. O. Vollständige Titel Domitians bei: Weynand, Flavius Nr. 77, in: RE 6,2 (1909) 2550. Strobel 1994, 361–367. Zur autokratischen Überhöhung des Prinzipats durch Domitian s. auch Christ (2009, 275–279), der darauf hinweist, dass die Anredeformel dominus et deus am Hofe und in der Verwaltung verwendet wurde, aber nie in die offizielle Titulatur einging. 475 Burgess 2014, 52 f.

162

B) 4. Item imperia caesarum

B) Ergänzungen: Laut Cass. Dio 66,26,3 ließ sich Domitian noch am gleichen Tag, an dem Titus gestorben war, von den Prätorianern zum Kaiser akklamieren. Am folgenden Tag übertrug ihm der Senat den Augustustitel, daher galt erst der 14. September 81 als dies imperii des Domitian.476 Aurelius Victor überliefert, Domitian habe ungefähr 15 Jahre lang regiert (dominationis circiter quintodecimo  ; Aur. Vict. 11,7  ); diese Quelle erwähnt Burgess nicht, möglicherweise wegen der unpräzisen Angabe. C) Fazit: Vom 14. September 81 (dies imperii) bis zur Ermordung Domitians am 18. September 96 vergingen 15 Jahre und 4/5 Tage. Die Zeitangabe der Stadtchronik ist also um zwei Jahre und fünf Monate zu lang. Sie wäre auch noch um zwei Monate und 25 Tage zu lang, wenn Domitian tatsächlich gemeinsam mit seinem Bruder die Nachfolge des Vaters angetreten hätte. Für die falsche Angabe menses V hat Burgess eine einleuchtende Erklärung, nicht jedoch für den gravierenden Unterschied von zwei Jahren. congiarium dedit ter X LXXV. Dass Domitian dreimal ein congiarium über 75 Denare bzw. dreimal 300 Sesterzen pro Kopf verteilen ließ, bestätigt Suet. Dom. 4,5. Van Berchem datiert die beiden ersten Geldspenden auf 83 und 89 n. Chr., da Domitian in diesen Jahren Triumphe feierte (83 über die Chatten, 89 über Daker und Germanen); die dritte Spende erklärt er mit der im Jahr 93 festlich begangenen Rückkehr des Kaisers aus dem Krieg gegen die Sarmaten.477 Kienast folgt weitgehend der Einschätzung van Berchems, datiert aber das erste congiarium unter Hinweis auf die Fasti Ostienses in das Jahr 84.478 Dass es 93 n. Chr. eine dritte Spende gab, belegen ebenfalls die Fasti Ost­ ienses.479 Ein Hinweis auf diese dritte kaiserliche Gabe findet sich außerdem in einem Epigramm Martials (8,15): Dat populus, dat gratus eques, dat tura senatus, et ditant Latias tertia dona tribus. Domitian zeigte seine liberalitas noch auf andere Weise: Nach dem Chattenkrieg erhöhte er den Sold der Soldaten (Suet. Dom. 7,3; 12,1) und verteilte bei öffentlichen Veranstaltungen zusätzlich zu dem congiarium weitere Geschenke an das Volk (Cass. Dio 67,4,4). Nach dem Dakerkrieg erhielten die Soldaten Auszeichnungen und ein donativum (Dio 67,7,3). hoc imp(erante) multae operae publicae fabricatae sunt: atria VII, horrea piperataria […] metam sudantem et Panteum. Dies ist die weitaus längste Liste von kaiserlichen opera publica (so die grammatikalisch korrekte Formulierung) in der Stadtchronik. 476 477 478 479

CFA Nr. 49, Z. 27–33; vgl. Kienast 2017, 109. Berchem 1939, 150 f. Belege für die Triumphe: Suet. Dom. 6,1; Cass. Dio. 67,4,3; 67,7,4. Kienast a. a. O. 111. FOst, Vidman S. 44.

4.3 Die Caesaren: Domitianus

163

A) Domitians Bauprogramm: Communis opinio ist, dass Domitian mehr Gebäude errichten ließ als Vespasian und Titus zusammen und dass es seit Augustus keinen Kaiser mit einem so umfangreichen Bauprogramm gegeben hatte.480 Allerdings waren viele seiner Baumaßnahmen Restaurierungen (s. u. S. 180). Da aufgrund der damnatio memoriae, die nach seinem Tod über ihn verhängt wurde, viele Inschriften zerstört sind,481 wird in der Forschung kontrovers diskutiert, ob einige Bauten tatsächlich ihm zuzuordnen sind; auch ihre Datierung ist häufig problematisch. Der Anlass für mehrere seiner opera publica war der große Stadtbrand im Jahre 80, der laut Suet. Tit. 8,3 drei Tage und drei Nächte dauerte. Mehrere durch diesen Brand zerstörte Bauwerke zählt Cassius Dio auf (66,24,2): Die Tempel des Serapis und der Isis, die Saepta, der Neptuntempel, die Thermen des Agrippa, das Pantheon, das Diribitorium, das theatrum Balbi, die Bühne des theatrum Pompeii, Gebäude Octavians, die seine Bibliotheken beherbergten, und der Jupitertempel auf dem Kapitol samt den angrenzenden Tempeln. Titus begann mit dem Wiederaufbau, aber wegen seines frühen Todes blieb wohl vieles unvollendet; außerdem waren noch nicht alle bei früheren Bränden (Stadtbrand im Jahr 64, Brand auf dem Kapitol im Bürgerkrieg des Jahres 69) entstandenen Schäden beseitigt.482 Laut Suet. Dom. 12,1 trugen die hohen Kosten der Baumaßnahmen Domitians maßgeblich dazu bei, dass die Staatskasse nahezu erschöpft war.483 B) Vergleich mit anderen Quellen: 1. Notitia und Curiosum Im Unterschied zur Stadtchronik nennen die Regionenverzeichnisse nur die Bauwerke, nicht den jeweiligen Bauherrn. Die Stadtchronik führt die Bauten Domitians alle im Akkusativ auf, obwohl nach fabricatae sunt eigentlich der Nominativ stehen müsste. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Chronist die Urfassung der Regionenkataloge als Quelle verwendete, denn diese stellen für jede Region Roms das Prädikat continet an den Anfang; bei der Aufzählung der Bauten steht in Curiosum und Notitia daher jedes Mal grammatisch korrekt der Akkusativ.484 2. Sueton Sueton berichtet (Dom. 5), Domitian habe viele vom Brand zerstörte Gebäude wieder aufbauen und in deren Bauinschriften stets nur seinen eigenen Namen 480 481 482 483

Kolb 2002, 375 f.; Scheithauer 2000, 136 f.; Darwall-Smith 1996, 101. Darwall-Smith 1996, 240; Weynand in RE 6,2 (1909) 2580. Jones 1992, 79 f. Syme 1930, 68–70. Syme hält diesen Bericht Suetons für tendenziös und unglaubwürdig; seine Einschätzung wird jedoch von anderen Autoren (z. B. Christ 2009, 280) nicht geteilt. 484 Vgl. Graffunder, Regionarii, in: RE 1 A1 (1914) 479. Mommsen (1850, 603) war der Ansicht, die Stadtchronik habe die Notitia ausgewertet. Dem widersprach Jordan entschieden ( Jordan 1871, 36–39), aber die wissenschaftliche Kontroverse findet bis heute statt (vgl. Burgess 2012, 350).

164

3.

4.

B) 4. Item imperia caesarum

eintragen lassen. Jedoch sind Inschriften erhalten mit der Angabe Domitianus restituit.485 Domitian gab also nicht vor, selbst der Gründer der betreffenden Bauwerke gewesen zu sein. Neubauten Domitians waren laut Sueton ein Tempel auf dem Kapitol, den der Kaiser dem Iuppiter Custos weihte, ein später nach Nerva benanntes forum, der Tempel der gens Flavia, ein Stadion, das Odium und, bei Dom. 4,2, eine naumachia. Demnach bestätigt Sueton, dass Domitian vier Bauwerke errichten ließ, die auch von der Stadtchronik erwähnt werden: Capitolium, gentem Flaviam (Kurzform, s. u. S. 169), Odium, stadium. Zwei Angaben Suetons (der Tempel des Iuppiter Custos auf dem Kapitol und das templum Flaviae gentis) sind präziser formuliert als in der Stadtchronik. Sueton nennt außerdem zwei von dieser nicht erwähnte Bauten: das forum Nervae und eine naumachia in der Nähe des Tiber. Eutropius Laut Eutr. 7,23,5 ließ Domitian folgende Bauten errichten: Capitolium, Forum Transitorium, Divorum Porticus (zur Bezeichnung porticus s. u. S. 169), Isium ac Se­ rapium, Stadium. Das Forum Transitorium heißt bei Sueton forum Nervae;486 dieses wird, wie erwähnt, in der Liste der Stadtchronik nicht aufgeführt. Kapitol und Stadion hatte schon Sueton mit Domitian in Verbindung gebracht. Durch Eutropius werden also zwei weitere Angaben der Stadtchronik bestätigt: die (tem­ plum) Divorum und Iseum et Serapeum genannten Tempelanlagen. Hieronymus Die im Folgenden nach Hier. chron. z.J. 89/90 n. Chr. (= a. Abr. 2105 f.) zitierte Liste der Bauten Domitians bestätigt 13 Angaben der Stadtchronik: Multa opera Romae facta, in quis Capitolium, forum transitorium, divorum porticus, Isium ac Sa­ rapium, stadium, horrea piperataria, Vespasiani [es fehlt: et Titi] templum, Miner­ va Chalcidica, Odium, forum Traiani, thermae Traianae et Titianae, senatus, ludus matutinus, mica aurea, meta sudans, et Pantheum. Drei Bauten aus der Liste des Hieronymus sind in der Stadtchronik nicht verzeichnet: das forum transitorium (vgl. Eutropius), das forum Traiani und die mica aurea. Diese Abweichungen deuten darauf hin, dass die Angaben des Hieronymus aus einer von der Stadtchronik unabhängigen Quelle stammen. Mehrfach wurde in der Forschung jedoch die Ansicht vertreten, Hieronymus habe als Quelle eine umfangreichere Vorgängerversion der Stadtchronik verwendet; vor allem Mommsen versuchte durch detaillierte Textvergleiche diesen Nachweis zu führen.487 Aber neuere Arbeiten rücken von Mommsens These ab und vermuten kompliziertere Zusammenhän-

485 Jones 1992, 80. 486 Forum Nervae/Forum Transitorium, in: Richardson NTDAR, 167–169; Jones 1992, 85 f. Das forum wurde im Jahr 97 n. Chr. von Nerva eingeweiht. Zur Entstehung des Namens s. u. bei senatum. 487 Mommsen 1850, 652 Anm. 40, 681 f., 693; vgl. Jordan 1871, 34; HdA 8,4,1 (21914) 445.

4.3 Die Caesaren: Domitianus

5.

165

ge.488 So gibt es Hinweise darauf, dass Hieronymus und Eutropius für die Bauten der Kaiserzeit als Quelle die sog. Enmannsche Kaisergeschichte benutzten und dass diese hinsichtlich der kaiserzeitlichen Bauten Quellen verwendete, auf denen auch die Angaben der Stadtchronik basieren. Cassiodor und Prosper Tiro Da die Chroniken des Prosper Tiro und des Cassiodor auf der Chronik des Hieronymus basieren, können sie nicht herangezogen werden, um die Angaben der Stadtchronik zusätzlich zu bestätigen.489

Fazit aus B/Quellenvergleich (Im Folgenden werden die von der Stadtchronik verwendeten Akkusativendungen unverändert übernommen.): Wenn man atria VII, thermas Titianas et Traianas und ludos IIII als drei Bauprojekte zählt, verzeichnet die Stadtchronik 21 Baumaßnahmen Domitians. Von diesen werden 6 durch Sueton und Eutropius bestätigt: gentem Flaviam, Divorum, Odium, Iseum et Serapeum, stadium, Capitolium; weitere 8 durch Hieronymus: horrea piperataria, Miner­ vam Chalcidicam, thermas Titianas et Traianas, templum Vespasiani (ohne den Zusatz et Titi), senatum, ludus matutinus (statt ludos IIII), meta sudans, Pantheum. Vier von Sueton, Eutropius und Hieronymus genannte Bauwerke werden in der Stadtchronik nicht verzeichnet: forum Nervae/transitorium, naumachia, forum Traiani, mica aurea. Dies zeigt, dass die Liste der Stadtchronik offensichtlich nicht vollständig ist. Aber wahrscheinlich müsste sie um wesentlich mehr Bauwerke ergänzt werden als um die vier erwähnten.490 Als Beispiel sei genannt der arcus Titi, der nach dem Tod des Titus errichtet wurde, um an seinen Sieg im bellum Iudaicum zu erinnern.491 C) Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die in der Liste der Stadtchronik verzeichneten Baumaßnahmen genauer zu beschreiben und zu prüfen, inwieweit sie tatsächlich auf Domitian zurückgehen.

488 Anderson (1983, 93) ist der Ansicht, Stadtchronik und Chronik des Hieronymus seien ganz unabhängig voneinander entstanden. Burgess meint aber nachweisen zu können, dass Hieronymus die EKG auswertete und dass diese für die kaiserlichen Bauten dieselbe Quelle benutzte wie die Stadtchronik (Burgess 1995, 356–358). Behrwald (2009, 240) sieht in der EKG die Hauptquelle für die kaiserzeitlichen Ergänzungen, die Hieronymus an der Chronik des Eusebius vornahm. 489 Bauwerke des Domitian verzeichnen Prosp. Epit. chron. z.J. 94, MGH AA IX, 417; Cassiod. chron. z.J. 94, MGH AA XI, 140. Zur Abhängigkeit dieser Chroniken von jener des Hieronymus: Mommsen 1850, 652 Anm. 40; Burgess 2014, 31. 490 Jones (1992, 81–84) listet ca. 30 zusätzliche Baumaßnahmen Domitians auf. Scheithauer (2000, 136 f.) verweist bei ihrer Aufzählung der Bauten Domitians auf die von Jones erstellte Liste. 491 Jones, a. a. O. 93; vgl. Arcus Titi, in: Richardson NTDAR, 30.

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B) 4. Item imperia caesarum

1) atria VII Diese Gebäude werden nur hier erwähnt. Des Öfteren beschränkt man sich in der neueren Forschung auf die Mitteilung, dass sonst nichts über sie bekannt sei.492 Domenico Palombi berichtet von einem wenig überzeugenden Vorschlag, die atria VII zu identifizieren, und weist zu Recht darauf hin, es müsse sich, analog zu ludos IIII, nicht um Gebäude handeln, die dicht beieinander standen. Er hält es für möglich, dass sich der folgende Eintrag in den Regionenverzeichnissen Curiosum und Notitia (unter Regio XII, Piscina Publica) auf die atria VII bezieht: VII domos bzw. VII domos Partorum.493 Dabei könnte es sich um jene (aedes) Parthorum handeln, welche Epit. de Caes. 20,6 in Verbindung mit Septimius Severus bringt, wobei die Epitome aber nicht behauptet, dass dieser sie auch erbaute: Septimius Severus habe eindrucksvolle Gebäude, die sowohl (aedes) Parthorum als auch Laterani genannt worden seien, an Freunde verschenkt.494 Palombis Vermutung weist v. a. deshalb in die richtige Richtung, weil domus häufig als Bezeichnung für einen Palast diente (vgl. domus Augustana) und die Pluralform von atrium ebenfalls die Bedeutung „Paläste“ haben konnte; vgl. s.v. atrium ThLL Sp. 1102 f. und Georges Hwb Sp. 681. Unter atria VII sind mit hoher Wahrscheinlichkeit sieben repräsentative Gebäude bzw. Palastbauten zu verstehen; dies könnten die in den Regionenverzeichnissen erwähnten septem domos (Partorum) gewesen sein. Es sollte aber noch erwähnt werden, dass Martial in einem Epigramm (8,36,5) die eindrucksvolle Silhouette der von Domitian auf dem Palatin errichteten Neubauten mit den Worten beschreibt: septenos pariter credas adsurgere montes, d. h. es sei dem Betrachter erschienen, als ob sich auf dem einen Hügel des Palatin alle sieben Hügel Roms erheben würden. Dies mag eine dichterische Metapher sein, aber die Übereinstimmung der Zahl „sieben“ mit den in der Stadtchronik genannten atria VII ist doch bemerkenswert. Es ist jedoch wohl auszuschließen, dass deren Verfasser mit atria VII die Paläste auf dem Palatin meint, denn das Palatium erscheint in seiner Liste der Bauten Domitians separat als Position 18 (s. u.). Auszuschließen ist auch, dass Gebäude außerhalb Roms gemeint sind: Domitians Palastvilla bei Alba (seine nur 20 km von Rom entfernte Zweitresidenz) sowie seine sonstigen Villen bei Tusculum, Antium, Gaeta, Anxur und Baiae. Wenn man die dazugehörigen Villen für den Hofstaat noch hinzuzählt, wäre die Zahl VII weit überschritten.495

492 Platner/Ashby, 57; Richardson NTDAR, 41; Jones, a. a. O. 85; Darwall-Smith 1996, 237. 493 Palombi, Atria septem, in: Steinby LTUR 1 (1993) 132. Nordh (1949, 92) schreibt VII domos und Partorum in zwei Zeilen, während bei Jordan (1871, 560) beides in einer Zeile steht. 494 Vgl. hierzu: Parthorum (Aedes?), in: Richardson NTDAR, 132; Liverani, Domus Parthorum, in: Steinby LTUR 2 (1995) 152 f. 495 Zu Domitians Villen außerhalb Roms s. Strobel 1994, 368; Jones 1992, 97.

4.3 Die Caesaren: Domitianus

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2) u. 3)  horrea piperataria (ubi modo est basilica Constantiniana) et horrea Vespasiani Die horrea piperataria waren nördlich der Sacra Via, am Velia-Hügel, erbaute Lagerund Markthallen für Pfeffer und andere Gewürze aus dem Orient, wahrscheinlich identisch mit den von Cass. Dio. 72,24,1 erwähnten Lagerhallen für ägyptische und arabische Waren, die bei einem Stadtbrand zur Zeit des Commodus schwer beschädigt wurden. Ausgrabungen legten Mauerwerk aus der Zeit Domitians frei. Domitian ließ eine unter Nero erbaute porticus durch die Lagerhallen ersetzen; nach einem weiteren Brand wurde auf diesem Areal ca. 312  n. Chr. die basilica Constantiniana errichtet.496 Der Bau der Basilika geht hauptsächlich auf Maxentius zurück; Konstantin I. vollendete ihn.497 Die Regionenverzeichnisse ordnen die Basilika in Regio IV (Templum Pacis) ein, als basilica Constantiniana (Not.) bzw. basilica nova et Pauli (Cur.).498 Die horrea Vespasiani werden nur in der Stadtchronik erwähnt. Bei Ausgrabungen am nordöstlichen Abhang des Palatin stieß man auf Grundmauern, die jenen der horrea pipera­ taria ähneln. Daher vermutet man, dass Vespasian hier Lagerräume anlegen ließ, die Domitian vollendete.499 4) templum Castorum et Minervae Denselben Namen findet man im Curiosum, während die Notitia das der Regio VIII (Forum Romanum magnum) zugeordnete Gebäude als templum Castorum bezeichnet.500 Der Tempel für Castor und Pollux wurde schon zu Beginn des 5. Jh. v. Chr. im südöstlichen Bereich des forum Romanum erbaut, in republikanischer Zeit mehrfach für Senatssitzungen genutzt und unter Augustus umgestaltet.501 Gebräuchlich war lange Zeit wohl der Name Aedes Castoris; vgl. Suet. Caes. 10,1; Cass. Dio 37,8,2. Die Stadtchronik ist die einzige Quelle, die eine Restaurierung durch Domitian vermuten lässt. In der Literatur werden zwei Erklärungsmöglichkeiten dafür angeboten, dass ihr Verfasser den Dioskurentempel mit Minerva in Verbindung bringt: Entweder weihte Domitian den Tempel zusätzlich der Minerva und ließ eine Statue der Göttin darin aufstellen; oder er ordnete an, das Castorheiligtum zu restaurieren und in der Nähe einen Minervatempel zu errichten. Dessen Standort konnte bisher nicht ermittelt werden, daher zog man auch die Möglichkeit in Betracht, dass er an die Rückwand des Dioskurentempels angebaut worden sein könnte. Auf dem Areal dieses Tempels wurden bei Ausgrabungen sowohl Ziegelstempel aus der Zeit Domitians als auch Frag496 Rickman 1971, 105 f. Vgl. Horrea Piperataria; in: Richardson NTDAR, 194 f.; Anderson 1983, 97 f.; Jones 1992, 85; Darwall-Smith 1996, 234 f. 497 Coarelli, Basilica Constantiniana, in: Steinby LTUR 1 (1993) 170 f. Zu Maxentius s. u. S. 342. 498 Nordh 1949, 78. 499 Coarelli, Horrea Vespasiani, in: Steinby LTUR 3 (1996) 49; vgl. Leppin/Ziemssen 2007, 69; Jones, a. a. O. 85; Darwall-Smith, a. a. O. 235. 500 Nordh 1949, 85. 501 Castor, Aedes; in: Richardson NTDAR, 74 f.

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mente einer Minervastatue gefunden.502 Die These, der Minervatempel sei separat errichtet worden, erscheint u. a. deshalb einleuchtend, weil die Stadtchronik analog die Formulierung thermas Titianas et Traianas verwendet und es sich auch in diesem Fall um zwei separate, aber benachbarte Bauwerke handelt. Von Domitians außergewöhnlich großer Verehrung für Minerva berichtet Sueton (Dom. 4,4; 15,2–3.). Ihr zu Ehren erbaute der Kaiser außer dem hier genannten noch weitere Tempel und ließ jährlich ein Fest für die Göttin feiern.503 5) portam Capenam Die Regio I wurde laut den Regionenverzeichnissen nach diesem Tor benannt. Es stand im Südosten der Servianischen Stadtmauer bzw. am südwestlichen Abhang des Caelius, wo die via Appia beginnt; aber Rom war damals bereits über die Servianische Mauer hinaus gewachsen. Da die Stadtchronik die einzige Quelle ist, welche Domitian mit der porta Capena in Verbindung bringt, wird in der neueren Literatur diskutiert, ob zu der Zeit Domitians die Renovierung der porta Capena nötig wurde oder ob es sich um andere Baumaßnahmen handelte. Man hält drei Erklärungen für möglich:504 a) Es könnte sich um Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Verlängerung der Aqua Marcia, die zuvor über der porta Capena geendet hatte (Frontin. aqu. 19,9), gehandelt haben. Frontinus (aqu. 87,4) erwähnt eine Verlängerung dieser Wasserleitung vom Caelius zum Aventin; er schreibt zwar Nerva das Verdienst daran zu (Frontin. aqu. 88,1), das kann aber mit der über Domitian verhängten dam­ natio memoriae erklärt werden. Vermutlich war schon unter Domitian mit den Baumaßnahmen begonnen worden. Offenbar hatte es an der Aqua Marcia vor deren Verlängerung im Bereich der porta Capena undichte Stellen gegeben, denn Juvenal (3,11) beschreibt letztere als feucht: madidamque Capenam. b) Die porta Capena könnte unter Domitian zu einem Triumphbogen umgestaltet worden sein, denn laut Suet. Dom. 13,2 ließ er zahlreiche Ianus- und Triumphbögen errichten. c) Es ist aber auch nicht gänzlich auszuschließen, dass der Verfasser der Stadtchronik eigentlich die porta Carmentalis meinte, ein Doppeltor im Westen, welches von Domitian wiederhergestellt wurde, wie aus Martial 8,65,7–12 hervorgeht.

502 Minerva, Templum; in: Richardson NTDAR, 255; vgl. Anderson 1983, 100 f.; Jones 1992, 91; Darwall-Smith 1996, 126 f. – Anderson (a. a. O.) widerspricht Mommsens Ansicht (1850, 652 Anm. 43), Domitian habe den Castortempel gleichzeitig der Minerva gewidmet. 503 Jones 1992, 100. Zu den möglichen Gründen für Domitians ungewöhnlich große Verehrung der Minerva s. Darwall-Smith 1996, 127–129. 504 Anderson 1983, 101; Jones 1992, 90; Porta Capena, in: Richardson NTDAR, 301; Darwall-Smith 1996, 237. Hinsichtlich der Möglichkeit c) s. Porta Carmentalis, in: Richardson NTDAR, 301 f.; Fortuna Redux, templum, in:, Richardson NTDAR, 157. Richardson hält einen Bogen des Doppeltores porta Carmentalis für die porta Triumphalis, in deren Nähe Domitian im Jahr 93 den Tempel der Fortuna Redux erbauen ließ, welcher bei Mart. 8,65,1–6 erwähnt wird.

4.3 Die Caesaren: Domitianus

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6) gentem Flaviam Die Regionenverzeichnisse verwenden unter Regio VI dieselbe Kurzbezeichnung.505 Wie aus Suet. Dom. 1,1 hervorgeht, ließ Domitian an jener Stelle in der sechsten re­ gio Roms, wo sein Geburtshaus gestanden hatte, das templum gentis Flaviae errichten: eine Grablege, zugleich Tempel, für die gens Flavia. Besonders in den ersten Jahren seiner Regierung war der dynastische Gedanke als Herrschaftslegitimation für Domitian sehr wichtig. Der 94 oder 95 n. Chr. fertiggestellte flavische Familientempel sollte offenbar das Mausoleum Augusti noch übertreffen, da dieses nur eine Grablege war.506 Martial verherrlichte Domitians Familientempel in mehreren Epigrammen: 9,1,8 f.; 9,3,12; 9,20,1 f.; 9,34. Später wurde die Asche Domitians, über den die damnatio memo­ riae verhängt wurde, von seiner Amme heimlich im templum gentis Flaviae beigesetzt (Suet. Dom. 17,3). 7) Divorum Dies war ein großer Gebäudekomplex auf dem Marsfeld, den Domitian zu Ehren seines Vaters und seines Bruders errichten ließ, die als Divi konsekriert worden waren.507 Das Marsfeld bot ein geeignetes Baugelände, nachdem es durch den Stadtbrand des Jahres 80 verwüstet worden war. In den Fasti Ostienses zum Jahr 126 n. Chr. wird das Bauwerk templum Divorum genannt. Die Regionenverzeichnisse verwenden hingegen dieselbe Kurzbezeichnung Divorum wie die Stadtchronik und ordnen das Gebäude unter Regio IX (Circus Flaminius) ein.508 Bei Eutr. 7,23 und Hier. chron. z.J. 89/90 heißt es wohl deshalb Divorum porticus, weil das Areal von Säulengängen eingefasst war; die korrekte Bezeichnung dürfte aber templum sein. Domitian ersetzte mit dem templum Divorum vermutlich die alte villa publica, die für den Census genutzt worden war und von welcher Triumphzüge ihren Ausgang genommen hatten, wahrscheinlich auch der von Vespasian und Titus im Jahr 71.509 8) Iseum et Serapeum Dieselbe Bezeichnung verwenden die Regionenverzeichnisse, Eutropius und die Historia Augusta; bei Hieronymus heißen die beiden Gebäude Isium ac Sarapium.510 Überliefert ist auch der Name (templum) Isis Campensis (Apul. met. 11,26). Bei dem Heiligtum handelte es sich um eine große Gartenanlage mit zwei Tempeln für Isis und Serapis, Obelisken und einer Brunnenexedra; es war schon unter Augustus in der Nähe 505 Nordh 1949, 81; im Curiosum lautet der Eintrag gentem Flabiam. 506 Strobel 1994, 362; vgl.  Darwall-Smith 1996, 159–165; Gens Flavia, Templum; in: Richardson NTDAR, 181; Anderson 1983, 97; Jones 1992, 87. 507 Divorum, Templum; in: Richardson NTDAR, 111; vgl.  Coarelli, Divorum, porticus, templum, in: Steinby LTUR 2 (1995) 19 f.; Jones 1992, 87; Darwall-Smith 1996, 156–159. 508 Nordh 1949, 88. 509 Darwall-Smith 1996, 158 f. 510 Nordh 1949, 88 (Not. und Cur.); Eutr. 7,23,5; HA Alex. 26,8; Hier. chron. z.J. 89/90.

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B) 4. Item imperia caesarum

der Saepta Iulia auf dem Marsfeld errichtet worden.511 Die Anlage fiel dem Stadtbrand des Jahres 80 zum Opfer; Titus begann mit dem Wiederaufbau.512 Dass Domitian ihn vollendete, überliefern neben der Stadtchronik auch Eutropius und Hieronymus. Die drei flavischen Kaiser förderten die kultische Verehrung auch ägyptischer Götter; vermutlich setzten sie Serapis mit Jupiter und Isis mit Minerva gleich.513 Mit hoher Wahrscheinlichkeit ließ Domitian auf dem Platz vor dem Iseum einen Obelisken aufstellen, dessen Hieroglyphentexte den Regierungsantritt Domitians verherrlichen und sein Selbstverständnis als Herrscher dokumentieren sollten. Der Obelisk ist seit Mitte des 17. Jh. Teil des Bernini-Brunnens auf der Piazza Navona. Dorthin ließ ihn Papst Innozenz X. bringen; nach dessen Familiennamen „Pamphili“ wird der Obelisk seither Obeliscus Pamphilius genannt.514 9) Minervam Chalcidicam Diesen Namen verzeichnet das Curiosum mit etwas anderer Schreibweise (Minervam Calcidicam) unter Regio IX.515 Es handelte sich um einen Rundtempel östlich des Sera­ peum und wenige Schritte nördlich des templum Divorum. Da Stadtchronik und Hieronymus ihn Domitian zuordnen, wird allgemein angenommen, dass es sich um eines der von ihm neu errichteten Bauwerke handelte.516 Der Name wird damit erklärt, dass die Statue der Minerva, die im Tempel stand, aus Chalkis auf Euboea stammte. Strittig ist, ob eine unter Domitian geprägte Münze517 diese Statue bzw. Teile eben dieses Tempels zeigt. Ungewiss ist auch, ob sich eine Bemerkung in den Epigrammen Martials (9,3,10) über Pallas (Athene, in Rom mit Minerva gleichgesetzt) auf den Tempel der Minerva Chalcidica bezieht oder auf den Tempel Castorum et Minervae. 10) Odium Sueton erwähnt es als eines jener Gebäude, die Domitian neu errichtet habe. Der Name ist vom griechischen ᾠδεῖον abgeleitet. Die Bezeichnung odeum ist ebenfalls belegt; aber auch Sueton, Curiosum und Notitia schreiben odium.518 Das Bauwerk sollte wie andere dieses Namens musikalischen und poetischen Darbietungen sowie musischen 511 512 513 514 515 516 517 518

Lembke 1994, 18–25, 65–67; Isis, Aedes (1), in: Richardson NTDAR, 211 f. Grundrissfragmente: FUR, Abb. 31. Cass. Dio 66,24,2–4. Jones 1992, 100 f.; zu der Bedeutung ägyptischer Götter für Vespasian s. Darwall-Smith 1996, 140– 142; für Domitian: ders., a. a. O. 150–153; Lembke 1994, 135. Zum ursprünglichen Standort des Obelisken vor dem Iseum und zu den Inschriften: Strobel 1994, 363 f.; Lembke 1994, 29, 37–41, 210–212; Darwall-Smith 1996, 145–150. Zur Geschichte des Obelisken: Lembke, a. a. O. 210; Obeliscus Pamphilius, in: Richardson NTDAR, 275. Nordh 1949, 88. Minerva Chalcidica, in: Richardson NTDAR, 256; de Caprariis, Minerva Chalcidica (Templum), in: Steinby LTUR 3 (1996) 255; Darwall-Smith 1996, 125 f.; Anderson 1983, 97. RIC 2 (1926) Nr. 206, S. 178. Suet. Dom. 5; Nordh 1949, 88.

4.3 Die Caesaren: Domitianus

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Agonen dienen; erbaut wurde es auf dem Marsfeld, vermutlich in der Nähe von Domitians stadium.519 Nach den Angaben der Regionenverzeichnisse verfügte dieses odium bzw. odeum über 10 600 loca, was vermutlich 7–8000 Sitzplätzen entsprach; Ammianus Marcellinus bezeichnete es als eines der außergewöhnlichsten Bauwerke Roms.520 11) Minuciam veterem Die Porticus Minucia Vetus stand nordwestlich des Kapitols; laut Vell. Pat. 2,8,3 wurde sie ursprünglich von M. Minucius Rufus erbaut, dem consul des Jahres 110 v. Chr. Da sich die porticus in der Nähe des theatrum Balbi befand, das bei dem Stadtbrand des Jahres 80 zerstört wurde, ist anzunehmen, dass sie ebenfalls von dem Brand betroffen war und von Domitian restauriert wurde; die Säulenreihen der porticus umschlossen den Tempel der Lares Permarini.521 Im Regionenkatalog Curiosum findet man unter Regio IX den Eintrag Minuciam veterem et frumentariam, in der Notitia lautet er: Minucias II, veterem et frumentariam.522 Dadurch ist belegt, dass die Porticus Minucia Vetus und die Minucia frumentaria nicht weit voneinander entfernt waren. In der letzteren wurden spätestens seit Kaiser Claudius die frumentationes für die plebs urbana durchgeführt.523 12) stadium Folgende Quellen bestätigen, dass Domitian ein Stadion für sportliche Wettkämpfe erbauen ließ: Suet. Dom. 5; Eutr. 7,23,5; Hier. chron. z.J. 89/90 n. Chr. Überreste der Fundamente konnten durch Archäologen zweifelsfrei der Zeit Domitians zugeordnet werden und sind noch heute sichtbar. Das stadium Domitiani war das erste aus Stein errichtete römische Stadion. Zuvor hatte Caesar, vermutlich an derselben Stelle, auf dem Marsfeld ein hölzernes Stadion erbauen lassen, das Augustus später erneuern ließ. Im Stadion Domitians gab es eine ca. 250 m lange Laufbahn sowie, laut den Regionenverzeichnissen, 30 088 loca, was ca. 20 000 Zuschauerplätzen entsprach; damit war es eines der größten Bauwerke dieser Art.524 Heute befindet sich dort die Piazza Navona, deren Bebauung die Form des früheren Stadion noch gut erkennen lässt.

Odeum, in: Richardson NTDAR, 276; Virgili, Odeum/Odium, in: Steinby LTUR 3 (1996) 359 f.; vgl. Darwall-Smith 1996, 222 f. 520 Amm. 16,10,14; zur Zahl der Sitzplätze: Odeum, in: Richardson NTDAR, 276. 521 Porticus Minucia Vetus, in: Richardson NTDAR, 316; vgl. Jones 1992, 90; Darwall-Smith 1996, 237. 522 Nordh 1949, 86. 523 Porticus Minucia Frumentaria, in: Richardson NTDAR, 315. Aufgrund des Berichts der Stadtchronik über den römischen König Servius Tullius (s. o. S. 61) wird angenommen, dass die Minucia Frumentaria über 45 Ausgabestellen verfügte. 524 Not./Cur.: Nordh 1949, 87; vgl. Stadium Domitiani, in: Richardson NTDAR, 366; Virgili, in: Steinby LTUR 4 (1999) 341–343; Darwall-Smith 1996, 221 f. 519

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B) 4. Item imperia caesarum

13) thermas Titianas et Traianas Diese Formulierung wird auch von Notitia und Curiosum verwendet.525 Hieronymus zählt beide Thermen ebenfalls zu den Bauten Domitians; bei ihm heißen sie thermae Traianae et Titianae (Hier. chron. z.J. 89/90 n. Chr.). Die Traiansthermen wurden fast 30 Jahre nach denen des Titus eingeweiht, aber da die beiden Bauwerke nahe beieinander lagen, wurden sie offenbar nicht nur vom Autor der Stadtchronik als zusammengehöriger Komplex gesehen und dementsprechend bezeichnet. Nach den von Agrippa und Nero erbauten Thermen waren die Thermen des Titus die dritten großen öffentlichen Bäder Roms; sie wurden auf dem Areal von Neros domus aurea nördlich des Amphitheaters errichtet.526 Zweifellos gehen sie hauptsächlich auf Titus zurück, denn dieser weihte sie im Jahre 80 zur gleichen Zeit wie das aufgestockte Amphitheater ein und sie wurden nach ihm benannt (Cass. Dio 66,25,1; vgl.  Komm. S. 155). Da er sie aber laut Suet. Tit. 7,3 celeriter errichten ließ, könnten noch unter Domitian ergänzende Baumaßnahmen erfolgt sein.527 Die wesentlich größeren thermae Traiani wurden später unmittelbar nordöstlich der thermae Titianae auf dem Oppius und einem Teil des Esquilinus errichtet. Laut Cassius Dio erbaute Traians Architekt Apollodorus für den Kaiser unter anderem ein γυμνάσιον, worunter vermutlich die thermae Traiani zu verstehen sind.528 Wie die Fasti Ostienses überliefern (Vidman S. 47), weihte Traian sie am 22. Juni 109 ein. Fünf Jahre zuvor hatte laut Hieronymus auf dem Gelände ein Feuer gewütet und die Überreste der domus aurea zerstört; dies führte zu der Annahme, erst Traian habe im Jahr 104 den Bau der nach ihm benannten Thermen angeordnet.529 Es gibt jedoch Argumente für die These, dass bereits unter Domitian damit begonnen worden war, Pläne für das Gebäude zu entwerfen und das Gelände vorzubereiten: Die eigentlichen Bauarbeiten scheinen zwar erst nach dem Jahr 104 begonnen zu haben, aber um ein Bauprojekt dieser Größe (die Grundfläche der Thermen betrug ca. 340 auf 300 m und war damit wesentlich größer als die des flavischen Amphitheaters) von der Planung bis zur Einweihung realisieren zu können, war die Zeit bis Mitte 109 sehr knapp. Vor allem aber können sich die Verfechter der These530 auf Ergebnisse archäologischer Grabungen 525 Nordh 1949, 76. 526 Caruso, Thermae Titi (Titianae), in: Steinby LTUR 5 (1999) 66; vgl. Thermae Titi (Titianae), in: Richardson NTDAR, 396; Anderson 1983, 102. 527 So auch Anderson, ebd.; ebenso Jones 1992, 94; ähnlich Syme 1930, 69; skeptisch ist DarwallSmith 1996, 91, 245. 528 Cass. Dio 69,4,1; vgl. Anderson 1985, 502, 506 f.; Platner/Ashby, 534. Die thermae Traiani werden von Pausanias (5,12,6) als eines der besonders bemerkenswerten Bauwerke Traians bezeichnet. 529 So z. B. bei: Thermae Traiani, in: Richardson NTDAR, 397; Strobel 2010, 307 f.; beide berufen sich auf Hier. chron. z.J. 104 n. Chr. (= a. Abr. 2120). 530 Die These wird dezidiert vertreten von Anderson 1983, 103 f.; ders. 1985, 505–509. Ähnlicher Ansicht sind Jones 1992, 94; Platner/Ashby, 534; Mommsen 1850, 653 Anm. 52. Darwall-Smith (1996, 245 f.) hält vorbereitende Maßnahmen Domitians für möglich; skeptisch sind Caruso/Volpe, Thermae Traiani, in: Steinby LTUR 5 (1999) 67.

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stützen, da in den Grundmauern einige Ziegelstempel aus der Zeit Domitians gefunden wurden. Ich schließe mich der Ansicht jener Autoren an, welche die Notiz der Stadtchronik bezüglich der thermae Titianae et Traianae im Kern für glaubwürdig halten. Wahrscheinlich war Domitian am Bau beider Thermenanlagen beteiligt, wenn auch nur zu einem sehr geringen Anteil: Bei den Thermen des Titus könnten in Domitians Regierungszeit ergänzende Baumaßnahmen durchgeführt worden sein. Die thermae Traiani wurden zwar fast 30 Jahre nach denen des Titus eingeweiht, aber möglicherweise hatte man schon unter Domitian mit Vorbereitungen für den Bau begonnen. 14) amphitheatrum usque ad clypea Archäologische Untersuchungen konnten bislang nicht mit letzter Sicherheit bestätigen, dass noch unter Domitian Baumaßnahmen am flavischen Amphitheater erfolgten. Manche Autoren sind davon überzeugt, andere halten es zumindest für möglich.531 Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wurden die Räume und Gänge, die sich unter der Arena befanden, in der Regierungszeit Domitians erbaut. Da er laut Suet. Dom. 4,1 im Amphitheater ein Seegefecht veranstaltete, wurden Baumaßnahmen unterhalb der Erdoberfläche wohl erst nach diesem Spektakel durchgeführt.532 Aufgrund der Formulierung usque ad clypea ist anzunehmen, dass Domitian auch an der Fertigstellung des obersten Geschoßes beteiligt war: Die clypea bzw. clipea waren Rundschilde aus Bronze mit einem Durchmesser von ca. 2 m, die an der Außenfassade des flavischen Amphitheaters als Verzierungen angebracht waren. Wie oben dargelegt (S. 158), hatte Titus das von Vespasian begonnene Bauwerk durch ein viertes, an der Innenseite zweigeteiltes Geschoß aufgestockt, an dessen Fassade sich viereckige Fenster und die Bronzeschilde abwechselten.533 Will man nun, gestützt auf den Hinweis der Stadtchronik, annehmen, dass Domitian an diesem Teil des Gebäudes ergänzende Baumaßnahmen anordnete, ergibt sich folgende Schwierigkeit: Domitians Ausbauarbeiten konnten frühestens in der zweiten Septemberhälfte 81 beginnen, da Titus am 13.9.81 starb. Die Rundschilde sind aber bereits auf Sesterzen zu erkennen, deren Prägedatum in der numismatischen Literatur auf 80 bis 81 angesetzt wird.534 Diese Datierung passt natürlich sehr gut zu der Tatsache, dass Titus das Amphitheater im Jahre 80 einweihte. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass diese Münzen erst unter Domitian geprägt wurden. Denn zum einen lassen sich die Münzprägungen nicht genauer datieren als auf den Zeitraum 80–81, u. a. deshalb, weil die Prägestätten durch den Stadtbrand Davon überzeugt sind: Gerkan 1925, 27–41; Jones 1992, 93; Rea, Amphitheatrum, in: Steinby LTUR 1 (1993) 31 (Rea allerdings nur bzgl. des Bereichs unter der Arena); Coarelli 2013, 205. Für möglich halten es z. B. Richardson NTDAR, 7; Darwall-Smith 1996, 78–82; Nickbakht/Stein 2017, 94 f. 532 Dieser Ansicht sind auch Anderson 1983, 95; Jones 1992, 93; Rea, LTUR a. a. O.; Darwall-Smith, a. a. O. 81; Coarelli 2013, 205. 533 Gerkan 1925, 29–33. 534 RIC 2,1 (2007) Titus Nr. 184–186/Tafel 97; RIC 2 (1926) Titus Nr. 110. 531

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B) 4. Item imperia caesarum

des Jahres 80 längere Zeit nicht arbeiten konnten.535 Zum anderen wurde für die Vorderseiten jener Sesterzen, die eindeutig nach dem Tod des Titus hergestellt wurden (Inschrift: T DIVO AUG […]) und auf denen das Amphitheater ebenfalls abgebildet ist,536 derselbe Münzstempel benutzt wie für die vermeintlich früher geprägten.537 Aber selbst wenn die ersten Sesterzen, auf denen das Amphitheater abgebildet ist, bereits unter Titus geprägt worden sein sollten, gibt es ein weiteres Argument, das die Beteiligung Domitians an der Fertigstellung des Amphitheaters usque ad clypea als durchaus möglich erscheinen lässt. Im Rahmen seiner detaillierten Untersuchung der flavischen Colosseum­Sestertii weist Elkins auf Folgendes hin: Auch wenn römische Münzen ein Gebäude in fertigem Zustand darstellen, beweise dies nicht, dass der Bau zu diesem Zeitpunkt wirklich schon vollendet war, das Münzbild sei eher symbolisch zu verstehen.538 Damit wird besser erklärbar, weshalb auf den Sesterzen links und rechts vom Amphitheater auch noch die porticus der thermae Titi und die meta sudans abgebildet wurden. Diese drei Bauwerke, v. a. natürlich das gewaltige Amphitheater, symbolisierten die liberalitas der flavischen Kaiser: Auf einem sehr großen Areal, das zuvor Nero für seine domus aurea beansprucht hatte, wurde dem Volk die Möglichkeit gegeben, sich in der Freizeit zu amüsieren. Die Münzen sollten also in erster Linie der Selbstdarstellung und Popularität der flavischen Familie dienen; wann genau die abgebildeten Gebäude vollendet waren, spielte eine geringere Rolle. Fazit: Die Überlieferung der Stadtchronik hinsichtlich der Beteiligung Domitians an der Fertigstellung des flavischen Amphitheaters ist glaubwürdig, allerdings bleibt unklar, welcher Art die Arbeiten im Bereich der clipea waren. Die Ausbauten unter der Arena wurden höchstwahrscheinlich unter Domitian durchgeführt. Als Beweis dafür kann gelten, dass er unweit des Amphitheaters vier Gladiatorenschulen errichten ließ (s. u., Nr. 18), von denen eine nachweislich unterirdisch mit der Arena verbunden war. 15) templum Vespasiani et Titi Auch von den Regionenverzeichnissen wird das dem templum Saturni benachbarte Gebäude templum Vespasiani et Titi genannt; Hieronymus verzeichnet es unter dem Namen templum Vespasiani als eines der Bauwerke Domitians.539 Dieser Tempel stand am nordwestlichen Ende des forum Romanum. Titus hatte mit dem Bau zu Ehren des Divus Vespasianus begonnen, aber erst Domitian vollendete ihn, wie archäologische Untersuchungen der Überreste gezeigt haben.540 Er muss vor dem 3. Januar 87 einge535 536 537 538 539 540

RIC 2,1 (2007) 185. RIC 2,1 (2007) Domitian Nr. 131/Tafel 137. Elkins 2006, 218. ders., 212–215. Ähnlich argumentiert Darwall-Smith 1996, 87; vgl. auch Nickbakht/Stein 2017, 94. Nordh 1949, 84; Hier. chron. z.J. 89/90 n. Chr. Coarelli 2013, 74; Karte S. 42; Darwall-Smith, a. a. O. 98 f.; 154–156; Jones 1992, 93 f.; Vespasianus, Divus, Templum, in: Richardson NTDAR, 412.

4.3 Die Caesaren: Domitianus

175

weiht worden sein, denn unter diesem Datum wird in den Aufzeichnungen der Arvalbrüder ein [templu]m divi Vespasiani erwähnt.541 Vermutlich wurde er vor den beiden anderen Tempeln fertiggestellt, die Domitian zu Ehren der divinisierten Flavier errichten ließ (dem templum gentis Flaviae und dem templum Divorum), denn es waren Neubauten. Wie aus dem von der Stadtchronik und den Regionenverzeichnissen überlieferten Gebäudenamen hervorgeht, widmete Domitian auch diesen Tempel wie das templum Divorum seinem Vater und seinem Bruder. Sein Motiv war zweifellos die große Bedeutung, welche er dem dynastischen Aspekt beimaß. 16) Capitolium Notitia und Curiosum verzeichnen das Capitolium in Regio VIII (Nordh 1949, 85), ohne die einzelnen auf dem Hügel errichteten Bauwerke aufzuzählen;542 sie verfahren also ebenso wie die Stadtchronik. Unter Domitian wurden auf dem Hügel sowohl Restaurierungen vorgenommen als auch Neubauten erstellt, wobei der Schwerpunkt auf den Jupitertempeln lag. Letzteres kann damit erklärt werden, dass Domitian sich als Jupiter auf Erden verehren ließ.543 Durch Quellen belegt sind zwei Baumaßnahmen Domitians auf dem Capitolium: In erster Linie ist der größte der dortigen Tempel zu nennen, welcher der capitolinischen Trias (Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus, dessen Gattin Iuno und Tochter Minerva) geweiht und schon zu Beginn der Republik errichtet worden war (s. o. S. 59). Er brannte 83 v. Chr. ab, wurde unter Sulla wieder aufgebaut, brannte aber 69  n. Chr. erneut, als Anhänger des Vitellius das Kapitol erstürmten. Nachdem ihn Vespasian wiederhergestellt hatte, wurde er beim Stadtbrand des Jahres 80 abermals zerstört. Titus begann mit dem Wiederaufbau, Domitian vollendete ihn mit sehr großem Aufwand: Wie Plutarch berichtet, gab er 12 000 Talente allein für die Vergoldung aus.544 Der dem Iuppiter Custos geweihte Tempel war laut Suet. Dom. 5,1 und Tac. hist. 3,74 ein Neubau Domitians: Er hatte dem Iuppiter Conservator bereits während der Regierungszeit Vespasians ein Heiligtum errichtet, um für seine Errettung im Jahr 69 zu danken, als Anhänger des Vitellius das Kapitol erobert hatten. Nachdem er princeps geworden war, veranlasste er den Ausbau des Heiligtums zum Tempel des Iuppiter Custos (Tac. hist. 4,70). In der neueren Literatur hält man weitere Baumaßnahmen Domitians auf dem Kapitol für erwiesen: So die Wiederherstellung auch jenes Tempels, der dem Iuppiter Tonans gewidmet und 22 v. Chr. von Augustus eingeweiht worden war. Die Restaurierung war offenbar nach dem Stadtbrand 80  n. Chr. nötig geworden.545 Ein weiterer Neubau war ein tribunal, das er für die drei flavischen Kaiser errichten 541 542 543 544

CFA Nr. 55 I, Z. 51 f. = CIL VI 2065. Nordh 1949, 85. Er ließ sich u. a. praesens deus und Iupiter serenus nennen; s. Kienast 1968, 67. Plut. Publ. 15,3. Zur Geschichte des Tempels: Iuppiter Optimus Maximus, in: Richardson NTDAR, 221–224; vgl. Jones 1992, 92; Darwall-Smith 1996, 106 f. 545 Iuppiter Tonans, Aedes, in: Richardson NTDAR, 226; vgl. Jones 1992, 92.

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ließ; man nimmt an, dass dort die Statuen aufgestellt waren, die bei Suet. Dom. 13, 2 erwähnt sind.546 17) senatum Notitia und Curiosum bezeichnen das Senatsgebäude ebenfalls nicht als curia Iulia, sondern unter Verwendung des Akkusativ als senatum; auch von Hieronymus wird der senatus als eine der Baumaßnahmen Domitians erwähnt.547 Vermutlich ließ Domitian die curia Iulia, den Versammlungsort des Senats seit 29 v. Chr., im Rahmen der Arbeiten am forum transitorium umbauen.548 Dieses Forum wurde so genannt, weil es das forum Augusti mit dem forum bzw. templum pacis Vespasians verband und zugleich das argiletum erweiterte, das zum forum Romanum führte.549 Das forum transitorium wurde im Jahr 97 n. Chr. durch Nerva eingeweiht und daher wohl offiziell forum Nervae genannt. 18) ludos IIII Archäologische Grabungen konnten östlich des flavischen Amphitheaters, am Hang des Caelius, vier Gladiatorenschulen nachweisen, deren Errichtung Domitian zugeschrieben wird.550 Die größte, der ludus magnus, war durch einen unterirdischen Gang mit dem Amphitheater verbunden. Die Namen der ludi werden durch die Regionenverzeichnisse überliefert: ludus magnus, ludus gallicus, ludus matutinus und ludus daci­ cus; aber Hieronymus erwähnt unter den Baumaßnahmen Domitians nur den ludus matutinus.551 Man vermutet, dass im ludus gallicus Gallier trainierten, im ludus dacicus Gladiatoren aus Dacia und im ludus matutinus diejenigen, die in der Arena am Morgen (matutinus) oder Vormittag gegen wilde Tiere kämpften.552 19) Palatium Gemeint ist die Kaiserresidenz auf dem Hügel Palatium, die nach diesem benannt wurde; der Hügel selbst wird erst seit dem zweiten Jh. n. Chr. (mons) Palatinus genannt.553 Die lakonisch knappe Notiz der Stadtchronik erscheint auf den ersten Blick unpräzise, da sie keine Auskunft darüber gibt, welche der Palastbauten auf dem Palatin auf Tribunal divi Vespasiani, Titi, Domitiani, in: Richardson NTDAR, 218; vgl. Jones, a. a. O. 88. Nordh 1949, 84; Hier. chron. z.J. 89/90 n. Chr. Curia Iulia, in: Richardson NTDAR, 103; vgl. Jones, a. a. O. 89; Darwall-Smith 1996, 233 f. Bauer/Morselli, Forum Nervae, in: Steinby LTUR 2 (1995) 307 f.; vgl. die Karte bei Coarelli 2013, 124 f. 550 Ludus Dacicus/Gallicus/Magnus/Matutinus, in: Richardson NTDAR, 236–238; vgl.  Scheithauer 2000, 137. Richardson nennt auch die in CIL und FUR verzeichneten Quellen. 551 Hier. chron z. J. 89/90. Curiosum und Notitia verzeichnen die vier ludi unter Verwendung des Akkusativs in Regio II und III; allerdings tritt hier ein Schreibfehler auf: ludum Daticum statt Dacicum; s. Nordh 1949, 75 f. 552 Jones 1992, 85 f.; skeptisch ist Darwall-Smith 1996, 220. 553 Ziegler, Palatium, in: RE 18,3 (1949) 5–81, hier v. a. 5–7, 18 f. 546 547 548 549

4.3 Die Caesaren: Domitianus

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Domitian zurückgehen. Tatsächlich aber erbrachten archäologische Untersuchungen Nachweise für Domitians Bautätigkeit auf allen Teilen des Hügels: Auf dem nordwestlichen Areal des Palatin veranlasste Domitian den Umbau der domus Tiberiana. Der Name dieses Palastes brachte einige Autoren zu der Annahme, er sei von Tiberius gegründet worden.554 Dagegen spricht aber Suet. Tib. 47,1, wonach Tiberius keine großen Prachtbauten errichtet habe außer dem templum Divi Augusti und der Restaurierung des Pompeiustheaters. Ausgrabungen bestätigten, dass Tiberius den Palast des Augustus nicht erweiterte. Erst unter Nero wurden an der Nordwestflanke des Palatin Neubauten errichtet, die Vespasian umbauen ließ. Nach dem Stadtbrand des Jahres 80, durch welchen das Gebäude vermutlich beschädigt wurde, veranlasste Domitian erneut umfangreiche Baumaßnahmen.555 Die Bezeichnung do­ mus Tiberiana dürfte auf Domitian zurückgehen, der auf diese Weise wohl den Nachfolger des Augustus ehren wollte.556 Südöstlich der domus Tiberiana ließ Domitian die riesige neue kaiserliche Hauptresidenz errichten: einen zusammenhängenden Palastbereich, bestehend aus domus Flavia als Repräsentations- und domus Augustana (bzw. Augustiana) als Wohnpalast; daran anschließend im Osten das sogenannte Gartenstadion und Teile der sogenannten domus Severiana. Der imposante Gebäudekomplex, entworfen von dem Architekten Rabirius, bildete den konzeptionellen Beginn einer langen baulichen Entwicklung;557 wesentliche Ergänzungen wurden v. a. im südöstlichen Bereich des Palatin von den Severern und zuletzt von Maxentius vorgenommen. Beim Stadtbrand des Jahres 80 war auch die von Augustus gegründete, mit dem Apollo-Tempel verbundene Bibliotheca Apollinis bzw. Palatina zerstört worden. Domitian ließ sie wieder aufbauen.558 Mit Domitian in Verbindung gebracht werden in der neueren Literatur weitere Bauwerke, die am Hang des Palatin standen: Laut Plin. nat. 12,94 waren das templum Divi Augusti und die mit dem Tempel verbundene Bibliotheca templi Divi Augusti bereits vor dem Jahr 79 durch Brand zerstört worden. Der Tempel stand offenbar am nordwestlichen Abhang des Palatin, denn die von Sueton erwähnte Brücke, mit welcher Caligula Palatin und Kapitol hatte verbinden lassen, führte über ihn hinweg (Suet. Cal. 22,4; vgl. S. 124). Es wird vermutet, dass Domitian ihn wieder aufbauen ließ und

554 555 556 557

558

Domus Tiberiana, in: Richardson NTDAR, 136 f.; vgl. Jones 1992, 86. Krause 2004, 51–53; vgl. ders., Domus Tiberiana, in: Steinby LTUR 2 (1995) 189–197. Krause 2004, 53; vgl. ders., Domus Tiberiana, a. a. O. 190. Pflug 2013, 196 f., 205; Paul Zanker, Domitians Palast auf dem Palatin als Monument kaiserlicher Selbstdarstellung, in: Hoffmann/Wulf 2004, 86–99; vgl. Hoffmann/Wulf , ebd. 153–171; Papi, Pala­ tium, in: Steinby LTUR 4 (1999) 30 f.; Darwall-Smith 1996, 185–189; Domus Augustiana/Augustana, in: Richardson NTDAR, 114–117. Lilian Balensiefen, Bibliotheca Palatina – Die Apollo-Bibliothek, in: Hoffmann/Wulf 2004, 100– 111. Schon bevor Grabungen den endgültigen Nachweis liefern konnten, war diese These (u. a. aufgrund eines Hinweises bei Suet. Dom. 20,1) mehrfach vertreten worden: Scheithauer 2000, 136; Jones 1992, 89; Platner/Ashby, 18. Andere hatten sich skeptisch geäußert, z. B. Murison 1999, 195.

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ein Heiligtum der Minerva hinzufügte.559 Im Norden des Palatin lag das atrium Vestae, das im zweiten vorchristlichen  Jahrhundert errichtete Heiligtum der Vesta, Sitz der Vestalinnen. Ausgrabungen erbrachten Hinweise darauf, dass hier Baumaßnahmen nach dem Stadtbrand des Jahres 64 auch noch während der Regierungszeit Domitians stattfanden.560 20) metam sudantem Notitia und Curiosum enthalten unter Regio IV den Eintrag metam sudantem.561 Die meta sudans wurde südwestlich des flavischen Amphitheaters errichtet. Sie war der Vorläufer eines Springbrunnens: eine Brunnenanlage, bei der eine kegelförmige Säule (meta genannt, weil ihre Form einer Wendemarke des circus ähnelte) von einem Wasserbecken umgeben war. Von der Spitze der Säule lief Wasser ins Becken hinab, sodass die Säule zu schwitzen schien, wovon die Bezeichnung sudans herrührte.562 Sie war nicht die erste ihrer Art, aber wohl die erste in Rom. Die meta sudans ist auf den oben (S. 173 f.) erwähnten, 80 oder 81 n. Chr. geprägten Sesterzen neben dem Amphitheater abgebildet. Deshalb wurde in Zweifel gezogen, dass sie wirklich erst unter Domitian erbaut wurde.563 Doch Hieronymus berichtet ebenso wie die Stadtchronik, Domitian habe das Bauwerk errichtet; archäologische Untersuchungen scheinen diese Angaben zu bestätigen.564 Wahrscheinlich wurde der Bau der meta sudans von Titus geplant und begonnen, aber von Domitian vollendet.565 21) Panteum Notitia und Curiosum verzeichnen das Bauwerk als pantheum unter Regio IX; Hieronymus erwähnt es mit fast identischer Schreibweise als Pantheum unter den Bauten Domitians.566 Das Pantheon, wie der ursprünglich griechische Name lautet, war 27–25 v. Chr. von Agrippa errichtet worden und gehörte zu den Gebäuden, die durch den Brand im Jahre 80 n. Chr. zerstört wurden. Die Entstehung seines Namens wird in der Literatur unterschiedlich erklärt; damit verbunden ist die Diskussion über die Frage,

559 Augustus, Divus, Templum, in: Richardson NTDAR, 45 f.; Bibliotheca Templi Divi Augusti, in: Ders., NTDAR, 59; vgl. Coarelli 2013, 84, 90; Jones 1992, 89, 91. 560 Scott, Atrium Vestae, in: Steinby LTUR 1 (1993) 140; vgl. Jones 1992, 88 f.; Darwall-Smith 1996, 240. 561 Nordh 1949, 78. 562 Meta Sudans, in: Richardson NTDAR, 253. 563 Panella, Meta Sudans, in: Steinby LTUR 3 (1996) 248. 564 Hier. chron. z.J. 89/90; vgl. Jones 1992, 86; Platner/Ashby, 340. 565 Dieser Ansicht ist auch Darwall-Smith 1996, 217. 566 Nordh 1949, 78; Hier. chron. z.J. 89/90 n. Chr. (= a. Abr. 2105).

4.3 Die Caesaren: Domitianus

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ob es sich im eigentlichen Sinn um einen Tempel handelte.567 Zwar überliefern nur die Stadtchronik und Hieronymus, dass Domitian das Pantheon wiederherstellen ließ, aber dies gilt in der einschlägigen Literatur als plausibel und glaubwürdig.568 Durch archäologische Untersuchungen wurde festgestellt, dass das Bauwerk in der Zeit Trajans erneut brannte und unter Hadrian völlig neu wieder aufgebaut wurde.569 Resümee zu den in der Stadtchronik verzeichneten 21 opera publica Domitians: Wie in den meisten Fällen gezeigt werden konnte, bestätigen Parallelquellen und archäologische Untersuchungen, vor allem die Analyse von Ziegelstempeln, dass Domitian an dem betreffenden Bauprojekt in irgendeiner Form beteiligt war. Die Liste der Stadtchronik besteht zwar nur aus 21 Positionen, aber einige davon betreffen mehr als ein Gebäude. Dies ist der Fall bei atria VII, ludos IIII, Capitolium, Palatium, thermas Titianas et Traianas, vermutlich auch beim templum Castorum et Minervae. Folglich besagt die Liste, im Auftrag Domitians seien insgesamt weit über 30 opera publica erstellt worden. Genauer lässt sich deren Zahl nicht angeben, weil es ungewiss ist, wieviele Gebäude mit den Vermerken Capitolium und Palatium gemeint sind. Auch kann nicht eindeutig geklärt werden, ob sich atria VII auf die Palastbauten auf dem Palatin bezieht (dann wäre es als Metapher aufzufassen), oder ob die VII domus Parthorum gemeint sind (vgl. S. 166). Die meisten der über 30 Baumaßnahmen können zwar nachweislich mit Domitian in Verbindung gebracht werden, aber es gilt zu differenzieren, ob es sich um Neubauten, Restaurierungen, Fertigstellung von Baumaßnahmen seiner Vorgänger (Neubauten oder Restaurierungen) oder um seine nicht fertiggestellten Bauprojekte handelt. Daher ist die abschließende Übersicht über die Bauten, die laut Stadtchronik auf Domitian zurückgehen, im Folgenden nach den genannten fünf Kategorien gegliedert. Immer dann, wenn Domitian nicht mit hinreichender Sicherheit als Bauherr nachzuweisen ist, wird dies mit dem Zeichen „?“ kenntlich gemacht. Das ist mehrfach notwendig; in erster Linie wohl deshalb, weil über Domitian die damnatio memoriae verhängt und somit das Andenken an ihn systematisch getilgt wurde. Diesem Umstand

567 Richardson (Pantheon, in: NTDAR, 283) vertritt die herkömmliche Ansicht: Es sei ein Tempel für alle bzw. viele Götter gewesen, da in seinem Inneren die Statuen vieler Götter, auch eine des Divus Iulius, standen. Hingegen sieht Scheithauer (2000, 81 Anm. 451) im Namen „Pantheon“ eine aus politischen, nicht religiösen Gründen geeignete Bezeichnung für ein Bauwerk, „durch das die gens Iulia Panthea gepriesen wurde“. Ziolkowski (Pantheon, in: Steinby LTUR 4, 1999, 55 f.) wiederum vertritt die Meinung, es habe sich um eine Art Spitznamen („nickname“) gehandelt, der sich dann durchgesetzt habe. 568 Scheithauer 2000, 136; Ziolkowski, a. a. O. 54; Jones 1992, 90; Pantheon, in: Richardson NTDAR, 283. 569 Darwall-Smith 1996, 137; vgl. Ziolkowski a. a. O.; Richardson a. a. O. Den Wiederaufbau unter Hadrian belegt HA Hadr. 19,10.

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B) 4. Item imperia caesarum

ist es auch in erster Linie zuzuschreiben, dass die in der Stadtchronik überlieferte Liste, obwohl sie relativ lang erscheint, als unvollständig gelten muss (vgl. S. 165, Anm. 490). Gebäuderestaurierungen: senatus (curia Iulia); Panteum; Gebäude auf dem Ca­ pitolium (der Tempel des Iuppiter Tonans und jener der capitolinischen Trias); Gebäude auf dem/beim Palatium (die domus Tiberiana , d. h. der nordwestliche Teil der Palastbauten; die Bibliotheca Apollinis bzw. Palatina); beim Palatin das templum Divi Augusti (?) und die mit dem Tempel verbundene Bibliotheca templi Divi Augusti (?); (Porticus) Minucia vetus (?); porta Capena (?); templum Castorum (?). Bauwerk, dessen unter Titus begonnene Restaurierung Domitian vollenden ließ: Iseum et Serapeum. Bauwerke, deren Errichtung vor seiner Regentschaft begonnen worden war und die er fertigstellen ließ: horrea Vespasiani; templum Vespasiani (et Titi); amphitheatrum; meta sudans; ther­ mae Titianae (?). Neubauten: horrea piperataria; templum gentis Flaviae; templum Divorum; templum Minervae Chalcidicae; odium; stadium; IV ludi; Gebäude auf dem Palatium (die Palastbauten domus Flavia und domus Augustana); Gebäude auf dem Capitolium (der Tempel des Iuppiter Custos und ein tribunal für die drei flavischen Kaiser); Anbau (?) eines Minervatempels an das templum Castorum. Von Domitian begonnene, aber von ihm nicht vollendete Bauwerke: thermae Traiani (?). Keiner der fünf Kategorien eindeutig zuzuordnen sind die atria VII. occisus Palatio. Dass Domitian im Palast ermordet wurde, ist vielfach belegt. Die wichtigsten Quellen für die Ermordung Domitians sind Suet. Dom. 14,1–17,3 und Cass. Dio. 67,14,5–17,2. Wie beide übereinstimmend berichten, wurde Domitian am 18. September des Jahres 96 Opfer einer Verschwörung, an der seine nächsten Freunde und Freigelassenen, ja sogar seine Ehefrau Domitia beteiligt waren. Kurz zusammengefasst, spielte sich der Anschlag wie folgt ab: Als sich der Kaiser gegen Mittag in sein in der domus August(i)ana gelegenes Schlafzimmer zurückgezogen hatte, meldete ihm der Kämmerer (cubiculo praepositus) Parthenius einen Besucher mit einer angeblich wichtigen Botschaft. Es handelte sich um Stephanus, einen Freigelassenen von Domitians Nichte Domitilla, der vorgab, eine Verschwörung aufdecken zu wollen, aber dann einen Dolch zog und Domitian verwundete. Dieser setzte sich zur Wehr, wurde jedoch von weiteren Verschwörern, u. a. von Maximus, einem Freigelassenen des Parthenius, getötet.570

570 Collins 2009, 76. Zur domus August(i)ana s. o. S. 177.

4.3 Die Caesaren: Domitianus

181

Die Namen Parthenius, Stephanus und Maximus nennen sowohl Sueton als auch Cassius Dio. Laut Sueton waren an der Ausführung des Mordes außerdem beteiligt: der cornicularius Clodianus, der decurio cubiculariorum Satur sowie ein Gladiator. Cassius Dio nennt diese Namen nicht, sondern als weitere Mitverschwörer den Kämmerer Sigerus, den Sekretär Entellus sowie die beiden Prätorianerpräfekten Norbanus571 und Petronius Secundus. Nerva sei ebenfalls bereit gewesen, sich der Verschwörung anzuschließen, da er geglaubt habe, Domitian trachte ihm nach dem Leben. Im Gegensatz zu Cassius Dio sagt Sueton nichts über eine Mitwisserschaft Nervas. Sein Schweigen könnte damit erklärt werden, dass Sueton Kanzleichef Hadrians war und daher dessen Adoptiv-Großvater Nerva nicht mit dem Kaisermord in Verbindung bringen wollte.572 Zwar stieß Dios Bericht, die Verschwörer hätten Nerva über den Mordplan informiert, in der Forschung auf Skepsis,573 aber neuere prosopographische Untersuchungen kamen zu dem Schluss,574 dass Nerva und Traian in die Verschwörung eingeweiht waren; deren Ziel (das auch erreicht wurde) sei eine Übergangsregierung Nervas gewesen. In der Forschung geht man heute davon aus, dass ein relativ kleiner Personenkreis an dem Mordkomplott teilnahm und nur wenige Senatoren eingeweiht waren.575 Was die Motive der Beteiligten betrifft, so überliefert Sueton, das tyrannische Verhalten Domitians habe Furcht und Hass hervorgerufen; als Beispiel erwähnt er die Hinrichtung des Flavius Clemens, der mit der Kaisernichte Domitilla verheiratet war. Cassius Dio berichtet von weiteren Hinrichtungen und stellt fest, alle Teilnehmer an der Verschwörung, auch Domitia, hätten begründete Angst davor gehabt, dass der Kaiser sie beseitigen lassen wollte. Nachdem der Kaisermord bekannt geworden war, fand eine Senatssitzung statt, bei welcher die Senatoren ihrer Freude über die Bluttat offen Ausdruck gaben und über Domitian die damnatio memoriae verhängten.576 Dieser hatte mindestens elf Senatoren, ehemalige Consuln, hinrichten lassen und viele ins Exil verbannt; sie waren des Hochverrats beschuldigt worden, wobei sich die Anklage meist auf fragwürdige Informanten gestützt hatte.577

571

Titus Flavius Norbanus war neben Domitia Longina das zweite Mitglied der flavischen Familie, das an der Verschwörung gegen Domitian teilnahm; vgl. Strobel 2010, 141. 572 Dies vermutet auch Jones 1992, 194. 573 Murison 1999, 266. 574 Strobel 2010, 142–147; Eck 2002, 225. 575 Collins 2009, 73, 78–91; vgl. Jones 1992, 193, 195 f.; Christ 2009, 282. 576 Suet. Dom. 23,1. Strobel (2010, 149) datiert die Senatssitzung auf den 19. September 96. 577 Jones 1992, 180.

182

B) 4. Item imperia caesarum

4.3.13 Nerva Auch andere literarische Quellen nennen ihn so.578 In den epigraphischen und numismatischen Quellen sowie in Papyri lautet sein Kaisername meist Imperator Nerva Caesar Augustus.579 Sein Geburtsname war M. Cocceius Nerva; er entstammte einer angesehenen Senatorenfamilie, deren Stammbaum sich drei Generationen weit zurückverfolgen lässt.580 Nerva wurde bald nach seinem Tod konsekriert.581 Die häufig überlieferte Bezeichnung Divus Nerva wird jedoch von der Stadtchronik nicht verwendet. imp(eravit) ann(os) V m(enses) IIII d(ies) unum. A) Burgess zur Regierungsdauer Nervas582 (Zusammenfassung) Als „Relevant Chronologies“ bezeichnet Burgess folgende Angaben: 1 Jahr, 4 Monate und 10 Tage: Theoph. Autol. 3,27; Clem. Al. strom. 1,21,144; Epit. de Caes. 12,1. 1 Jahr, 4 Monate und 9 Tage: Cass. Dio 68,4,2; Cedrenus 433,19. (Dass Cassius Dio und Cedrenus nicht 10, sondern 9 Tage verzeichnen, hält Burgess für das Resultat einer abweichenden Zählweise.) 1 Jahr, 4 Monate und 8 Tage: Eutr. 8,1,2. Weitere wichtige Parallelquellen sind u. a.: 1 Jahr und 4 Monate: Eus. Chron. can. 192 (= Seitenzahl der Edition Helm, 31984). 16 Monate: Aur. Vict. 12,2. Chr. pasch. 469,14 f. nennt als Todestag Nervas den 25. Januar 98. Dieses Datum würde, wenn man als seinen Regierungsbeginn den 18. September 96 annimmt, zu der bei Eutropius genannten Regierungsdauer passen (bei inklusiver Zählweise). Burgess gibt jedoch der Überlieferung bei Theophilus, Clemens, der Epit. de Caes. und Cass. Dio den Vorzug. Nach seiner Berechnung datieren diese Quellen das Ende der Regierung Nervas und den Regierungsbeginn Traians auf denselben Tag. Da außerdem das Feri­ ale Duranum den 28. Januar 98 als dies imperii Traians bezeichnet, hält er dieses Datum für den Todestag Nervas. Demnach habe Nerva vom 18. September 96 (Todestag Domitians) bis zum 28. Januar 98 regiert, also 1 Jahr, 4 Monate und 10/11 Tage.

578 579 580 581 582

Beispiele: Aur. Vict. 12,5; Eutr. 8,1; Hier. chron. z.J. 96; Oros. hist. 7,11. Stein, PIR2 2 (1936) C 1227, 293. Collins 2009, 92 f.; Stein, Cocceius Nr. 16, in: RE 4,1 (1900) 134. Kienast 2017, 114; Strobel 2010, 171. Belege: Plin. paneg. 11; Eutr. 8,1; Hier. chron. z.J. 98. Burgess 2014, 53 f.

4.3 Die Caesaren: Nerva

183

B) Ergänzungen und mögliche Alternativen: Die Fasti Ostienses (Vidman S. 45) belegen, dass Nerva am gleichen Tag zum Kaiser ausgerufen wurde, an dem Domitian ermordet worden war, also am 18. September 96: XIIII k. Oct. Domitianus o[ccisus.] Eodem die M. Cocceius N[erva] imperator appellatu[s est.] XIII k. Oct. s(enatus) c(onsultum) fact[um – ­] Obwohl die Prätorianer den Mord an Domitian rächen wollten, gelang es offenbar ihren Präfekten, die zu den Verschwörern gehörten (s. o. S. 181), die Akklamation Nervas zum Kaiser durchzusetzen, da den Soldaten die Namen der an der Verschwörung Beteiligten ja größtenteils unbekannt waren.583 Ob der Senat Nerva noch am 18. oder erst am 19. September offiziell als Kaiser anerkannte, wird in der Forschung kontrovers diskutiert.584 Die Fasti Ostienses erwähnen einen Senatsbeschluss vom 19. September, dessen Inhalt aber nicht mehr lesbar ist. Es wäre möglich, dass sich die Inschrift auf jene Sitzung bezog, in welcher der Senat Nerva als Herrscher anerkannte. In diesem Fall hätte Nerva wohl den 19. September 96 als seinen dies imperii angesehen. Nerva starb wahrscheinlich am 27. Januar 98, keinesfalls früher. Zu diesem Ergebnis kam Ludwig Holzapfel bei seinen chronologischen Untersuchungen,585 auf die sich nicht nur Burgess bezieht. Auf den 28. Januar datiert das Feriale Duranum (dessen Text an dieser Stelle allerdings arg verstümmelt ist) Traians dies imperii, was mit anderen Quellen übereinstimmt (s. u. S. 186 f.). C) Fazit: Nerva regierte vom 18. oder 19. September 96 bis zu seinem Tod am 27. oder 28. Januar 98; demnach dauerte seine Herrschaft 1 Jahr, 4 Monate und 9 oder 10 Tage. Die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer ist um ca. 4 Jahre zu lang; lediglich die Zahl der  Monate stimmt überein. Man hat versucht, die fehlerhafte Zeitangabe der Stadtchronik damit zu erklären, dass beim Kopieren des Originals aus I oder u(num) die Zahl V ( Jahre) wurde, durch einen weiteren Abschreibfehler könnte I (Tag) aus IX (Tagen) entstanden sein.586 cong(iarium) de(dit) X LXXV et funeraticium plebi urbanae instituit X LXIIS. Sesterzen, die Nerva noch im Jahr 96 prägen ließ, tragen die Reverslegende CONGIAR.

583

Collins 2009, 100; dass die Mehrzahl der Prätorianer Domitian rächen wollten, belegen Suet. Dom. 23,1; Cass. Dio 67,3,3. 584 Die Ansicht, der Senatsbeschluss sei noch am Tag der Akklamation erfolgt, vertreten Stein (PIR2 2, 1936, 293) und Burgess (2014, 53). Für den 19. September plädieren hingegen Harvey (2002, 44 f., 56) und Collins (2009, 98 f.); beide berufen sich dabei v a. auf die Fasti Ostienses. Kienast (2017, 114) hält sowohl den 18. als auch den 19. September für möglich. 585 Holzapfel 1921, 84–86. Kienast (2017, 114) und Strobel (2010, 171) geben als Todestag Nervas ebenfalls den 27. Januar 98 an und folgen darin Holzapfel; Kienast allerdings unter Vorbehalt. 586 Holzapfel 1921, 85, Anm. 5; vgl. Degrassi 1962, 697.

184

B) 4. Item imperia caesarum

P.R. S.C.587 Sie bestätigen also, dass der Kaiser ein congiarium verteilen ließ, offenbar aus Anlass seines Regierungsantritts. Dass es sich um 75 Denare handelte, überliefert nur die Stadtchronik, aber ihre Angabe wird in der Forschungsliteratur als glaubwürdig akzeptiert,588 da diese Summe in vergleichbaren Fällen üblich war, u. a. bei allen drei congiaria Domitians. Mommsen und Stein glaubten,589 die Worte funeraticium plebi urbanae instituit X LXIIS seien so zu verstehen, dass Nerva testamentarisch jedem römischen Bürger, der seiner Beerdigung beiwohnte, 250 Sesterzen vermacht hatte. Diese Interpretation gilt inzwischen v. a. deshalb als verfehlt, weil mit dem Begriff funeraticium die Kosten einer Bestattung gemeint sind,590 während Geldspenden, die bei einem Begräbnis üblicherweise an Arme verteilt wurden, als sportula oder auch exequiarium bezeichnet wurden.591 Bei dem funeraticium handelte es sich demnach um eine staatliche Spende in Höhe von 62 ½ Denaren bzw. von 250 Sesterzen, die bei Todesfällen an Angehörige aus der plebs urbana ausgezahlt wurde, also an dieselbe männliche Bevölkerungsgruppe, die zum Empfang eines congiarium berechtigt war. Strobel formuliert dies so: „Für die Grab- und Begräbniskosten richtete man für die stadtrömische Plebs eine Unterstützungskasse von 62,5 Denaren pro Familienvater ein.“ (Strobel 2010, 152) Attilio Degrassi ist der Ansicht,592 Nerva habe als Bestattungsgeld insgesamt 300 Sesterzen bewilligt. Von diesem Betrag seien 50 Sesterzen zur Verteilung als sportula bzw. exequiarium vorgesehen gewesen, mit den anderen 250 Sesterzen, dem funeratici­ um, hätten die eigentlichen Begräbniskosten bestritten werden sollen. Letztere Spende sei aber mehr oder weniger als Zuschuss gedacht gewesen, da der Betrag in Rom nur für eine sehr bescheidene Bestattung gereicht habe. Degrassi begründet seinen Standpunkt, indem er beschreibt, in welcher Weise einer der kaiserzeitlichen Bestattungsvereine seine Mitglieder finanziell unterstützte: Zur Zeit Hadrians wurde in Lanuvium das collegium salutare Dianae et Antinoi gegründet; der Verein finanzierte sich durch Mitgliedsbeiträge. Der wichtigste Vereinszweck war die finanzielle Absicherung der Hinterbliebenen im Todesfall, speziell hinsichtlich der Bestattungskosten. Wenn ein Mitglied starb, zahlte der Verein 300 Sesterzen, von denen 250 für das funeraticium bestimmt waren. Die Argumentation Degrassis geht zwar sehr ins Detail, aber letztlich kann sein Analogieschluss nicht als Beweis dafür gelten, dass Nerva bei Sterbefällen nicht 250, sondern 300 Sesterzen auszahlen ließ. Die Stadtchronik als einzige erhalte587 RIC 2 (1926) Nerva Nr. 56 und Nr. 71. Die Abkürzung P. R. bedeutet Populi Romani, vgl. ebd. Nerva Nr. 62, Reverslegende: FORTUNA P. R. S. C. Die Prägung erfolgte SENATUS CONSULTO, daher S. C. 588 Berchem 1939, 151; Strobel 2010, 152. 589 Mommsen 1850, 653, Anm. 62; Stein, Cocceius Nr. 16, in: RE 4,1 (1900) 149. 590 Georges Hwb Bd. 1, Sp. 2216. Friedrich Vollmers ThLL-Eintrag (Bd. 6/1, Sp. 1582) für funeraticium lautet: quod in funus erogatur. So auch das OLD (S. 747): „funeral expenses“. 591 Degrassi 1962, 698. 592 Ders., 698–702.

4.3 Die Caesaren: Nerva

185

ne Quelle, die über die Höhe seiner Spenden berichtet, überliefert nur den kleineren Betrag. Die Zahlung eines funeraticium war nicht die einzige soziale Tat Nervas: Er ließ für 15 Millionen Denare Land aufkaufen und an arme römische Bauern verteilen (Cass. Dio 68,2,1); durch die Einrichtung der alimentatio, welche Traian später noch ausweitete, wurden Kredite an bedürftige und kinderreiche Familien vergeben (Epit. de Caes. 12,4). Das funeraticium verursachte sicherlich ebenfalls hohe Kosten für die Staatskasse, aber die Stadtchronik ist die einzige Quelle, die über diese soziale Maßnahme berichtet. Wie auch Nickbakht/Stein vermuten,593 lässt sich das möglicherweise damit erklären, dass sie nicht allzu lange Bestand hatte; vielleicht nur bis zum Tod Nervas. Excessit hortis Salustianis. Der orthographische Fehler in der Ortsangabe (hortis) Salustianis tritt auch in zwei anderen Texten auf (s. u.): Series regum 155,1; Eus. Chron. can., Arm. Karst 218. Diese Übereinstimmung ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Eusebius, die Series regum und die Stadtchronik auf dieselben Quellen zurückgriffen. Mit der Formulierung excessit weist die Stadtchronik auf eine natürliche Ursache für den Tod Nervas hin. Dies stimmt mit den folgenden Parallelquellen überein:594 Series regum 155,1: „Nerva verschied in den Salustianischen Gärten“. Eus. Chron. can., Arm. Karst 218: „Nervas schied hin durch Krankheit, in den salustianischen Gärten“ (= Synk. 423,3). Hier. chron. z.J. 97: Nerva morbo perit in hortis Sallustianis anno aetatis LXXII. Ungenau ist Eutr. 8,1,2: mortuus est Romae. Als horti Sallustiani wurde eine weitläufige Parkanlage bezeichnet, die im Norden Roms zwischen dem Quirinal und dem Pincio lag. Ursprünglich war sie von dem Historiker Sallustius Crispus angelegt worden, nachdem er als Caesars Statthalter in Africa Reichtum erworben hatte. Noch vor dem Jahr 43 n. Chr. kamen die Gärten in kaiserlichen Besitz.595 Der im Park erbaute Palast mit seinen Thermen wurde laut Cass. Dio 66,10,4 zu Vespasians bevorzugter Residenz und offenbar hielt sich auch Nerva hier gerne auf. Bei seinem Tod im Januar 98 n. Chr. hatte Nerva noch kein sehr hohes Alter erreicht.596 Die Todesursache scheint eine chronische Krankheit gewesen zu sein, die zu häufigem Erbrechen führte und den Kaiser körperlich schwächte. Dies 593 Nickbakht/Stein 2017, 96 f. Näheres zur alimentatio und zur Landverteilung unter Nerva und Traian bei Lothar Wierschowski, Die Alimentarinstitution Nervas und Traians. Ein Programm für die Armen? In: Imperium Romanum. Festschrift für Karl Christ, Stuttgart 1998, 756–783. 594 Vgl. Burgess 2014, 170. 595 Zu den horti Sallustiani s. Innocenti/Leotta, in: Steinby LTUR 3 (1996) 79–81; Richardson NTDAR, 202 f. 596 Auf das Jahr 35 n. Chr. wird Nervas Geburtsjahr datiert von Stein (Cocceius Nr. 16, in: RE 4/1, 1900, 148) und Collins (2009, 94). Aber mehrheitlich wird als Geburtsjahr 30  n. Chr. angenommen: Stein, PIR2 2 (1936) C 1227, 293 f.; Strobel 2010, 140; Kienast 2017, 114.

186

B) 4. Item imperia caesarum

berichten übereinstimmend Cass. Dio 68,1,3 und die Epit. de Caes. 12,6; ähnlich auch Philostr. vit. Apoll. 8,7,160. Das Chronicon paschale erwähnt ebenfalls eine Krankheit (469,14). 4.3.14 Traianus Von anderen literarischen Quellen wird er üblicherweise auch so genannt.597 Sein Geburtsname lautete M. Ulpius Traianus. Spätestens ab Ende 96 n. Chr. verwaltete er im Auftrag Nervas Germania superior. Auch nachdem ihn Nerva Ende Oktober 97 adoptiert und unter dem Titel Imperator Caesar Nerva Traianus zum Mitregenten ernannt und als Nachfolger designiert hatte, blieb er in Germanien. Erst  Monate nach dem Tod Nervas, im Herbst 99, verließ er die Provinz. Trotz der Adoption nahm er den Gentilnamen Nervas nicht in seine Nomenklatur auf, sondern nur dessen cognomen, was man als vorsichtige Distanzierung von seinem Adoptivvater verstehen kann. Nach dem Tod Nervas wurde er vom Senat zum Augustus erhoben, sein Kaisername lautete Imperator Caesar Nerva Traianus Augustus Germanicus. In späteren Jahren kamen die Titel Dacicus, Parthicus und, alle anderen überstrahlend, Optimus hinzu. Die Stadtchronik erwähnt, wie zuvor schon bei Nerva, auch bei Traian nicht, dass er divinisiert wurde. Durch die im Sommer 118 vollzogene consecratio wurde er zum Divus Traianus Parthicus.598 imp(eravit) ann(os) XIX m(enses) IIII d(ies) XXVII. […] VII. idus Iulias excessit […] A) Burgess zur Regierungsdauer Traians599 (Zusammenfassung) Als „Relevant Chronologies“ bezeichnet Burgess folgende Angaben: 19 Jahre, 6 Monate und 15 Tage (berechnet nach inklusiver Zählweise vom 28.Januar 98 bis zum dies imperii Hadrians am 11. August 117 n. Chr.): Cass. Dio 68,33,3; Cedrenus 436,17–18; Eutr. 8,5,2. 19 Jahre, 7 Monate und 15 Tage: Clem. Al. strom 1,21,144,4. 19 Jahre, 6 Monate und 16 Tage: Theoph. ad Autol. 3,27. Die Zahlen von Clemens und Theophilus basieren laut Burgess auf Dio und Eutropius, seien aber fehlerhaft kopiert worden. Alle genannten Quellen datieren den Tod Nervas und den Regierungsbeginn Traians auf den 28. Januar 98, obwohl Nerva sich in

597 Zu den Namen und Titeln: Heil, PIR2 8,2 (2015) V 865, 445–463; Kienast 2017, 116 f.; ders. 1968, 65, 68; Strobel 2010, 165–183, 332 f.; Hanslik, M. Ulpius Traianus, in: RE Suppl. 10 (1965) 1035–1102. 598 Da Hadrian nicht vor August 118 aus Syrien nach Rom zurückkehrte, erfolgte die consecratio Traians erst zu diesem Zeitpunkt; s. Strobel 2010, 406. 599 Burgess 2014, 54–56.

4.3 Die Caesaren: Traianus

187

Rom, Traian hingegen in Köln aufhielt; dieser kann die Nachricht von Nervas Tod erst mehrere Tage später erhalten haben. Hinsichtlich des dies imperii Traians folgt Burgess den zitierten Quellen; als Herrschaftsdauer Traians bezeichnet er die Zeitspanne von 19 Jahren, 6 Monaten und 12/13 Tagen, nämlich die Zeit vom 28. Januar 98 bis zum 9. August 117, der offiziell zum Todestag Traians erklärt wurde. Das Breviarium Vindobonense gebe nur die Zahl der Jahre korrekt an; die abweichenden Zahlen bei den Monaten und Tagen seien schwer zu erklären. Ergänzend weist Burgess zu Recht darauf hin, dass das Breviarium bei keinem anderen Kaiser außer Traian explizit ein Datum als Todestag nennt. Diese Datierung (VII. idus Iulias = 9. Juli) stehe zwar im Widerspruch zum offiziell festgelegten Termin, dem 9. August (a. d. V. idus Augustas), aber offenbar habe ihr Kienast teilweise vertraut: Denn Kienast nennt den 7. August als mutmaßlichen Todestag Traians, d. h. er nimmt anscheinend an, dass das Tagesdatum a. d. VII. idus richtig ist, dass aber die korrekte Monatsangabe nicht Iulias, sondern Augustas lauten müsse.600 Burgess erwähnt einige antike Quellen, denen zufolge Traian gestorben sei, ohne Hadrian adoptiert und zu seinem Nachfolger bestimmt zu haben: Cass. Dio 69,1,3–4; HA Hadr. 4,8–10; Eutr. 8,6,1. Doch obwohl Burgess Bedenken andeutet, akzeptiert er die offiziell als gültig erklärte Datierung, der zufolge Traian am 9. August 117 gestorben sei, nachdem er Hadrian adoptiert und damit zum Nachfolger ernannt habe. B) Ergänzungen und mögliche Alternativen: Offiziell galt der 28. Januar 98 als Traians dies imperii, wie aus dem Feriale Duranum hervorgeht, dessen Text allerdings verstümmelt ist. Zwar traf die Nachricht, dass Nerva am 27. oder 28. Januar gestorben war und der Senat den designierten Nachfolger unverzüglich zum Kaiser erklärt hatte, sicher erst viele Tage später bei Traian ein, aber es konnte nicht ungewöhnlich erscheinen, dass er den 28. Januar alljährlich als dies imperii feierte.601 Schließlich war Ähnliches schon 30 Jahre früher im Falle Galbas geschehen (s. o. S. 139). Burgess geht nicht näher auf die Quellen ein, welche die Adoption Hadrians in Zweifel ziehen. Falls sie, wie man annehmen darf, Recht haben, ist der 9. August wahrheitswidrig als offizieller Todestag Traians ausgegeben worden, um die Nachfolge Hadrians am 11. August zu legitimieren. Über die Vorgänge beim Tod Traians bis zur 600 Kienast 1996, 123 (= 2017, 117). Schon 1850 hatte Mommsen vermutet, dass der genannte Textfehler vorliege (Mommsen 1850, 653 Anm. 64). Den 9. August (quintum iduum August.) als offizielles Todesdatum Traians überliefert HA Hadr. 4,6–7: An diesem Tag habe Hadrian von seiner Adoption und am 11. August (tertium iduum) vom Tod des Kaisers erfahren; den 11. August habe Hadrian dann zu seinem dies imperii erklärt. Cass. Dio 69,2,2 zufolge holte er dafür nachträglich die Zustimmung des Senats ein. Traian hielt sich Anfang August in Selinous in Kilikien auf, Hadrian aber in Antiochia (Cass. Dio 68,33,3; 69,2,1). Da ein Bote für diese Distanz mindestens zwei Tage benötigte (Holzapfel 1921, 87), müsste der Historia Augusta zufolge Hadrians Adoption auf den 7. August und Traians Tod auf den 9. August datiert werden. 601 Strobel 2010, 171.

188

B) 4. Item imperia caesarum

Kaiserproklamation Hadrians liefert Cassius Dio einen ausführlichen Bericht (69,1,1– 4; 69,2,1 f.), wobei er sich auf die Mitteilungen seines Vaters beruft, der als Statthalter der Provinz Cilicia manches habe in Erfahrung bringen können. Während die Histo­ ria Augusta (Hadr. 4,8–10) nur von Gerüchten spricht, erklärt Dio definitiv, der Tod Traians sei einige Tage (ἡμέρας τινάς) verheimlicht worden, damit die angebliche Adoption Hadrians glaubhaft gemacht werden konnte.602 Das von der Stadtchronik genannte Sterbedatum Traians, VII. idus Iulias, liegt aber derart früh, dass es mit Dios Angabe, zwischen Traians Tod und der Kaiserproklamation Hadrians hätten „einige Tage“ gelegen, kaum in Übereinstimmung zu bringen ist. Zudem ist die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer problematisch, da sie zum 23. oder 24. Juni 117 als Todestag Traians führt; vorausgesetzt natürlich, dass der 28. Januar 98 zum Ausgangsdatum der Berechnung genommen wurde. Aber auch einigen anderen Quellen zufolge soll Traian ungefähr zu diesem Zeitpunkt gestorben sein: Dass er ein Alter von 63  Jahren, 9  Monaten und 4  Tagen erreichte, wird überliefert von: Eutr. 8,5,2; Hier. chron. z.J. 116/117; Cassiodor (Chron. min. XI, S. 141; Cassiodors Angaben basieren allerdings auf Hieronymus). Demnach wäre sein Todestag je nach Zählweise der 21., 22. oder 23. Juni 117 gewesen. Denn sein Geburtstag war der 18. September, wie die Fasti Filocali belegen, und als sein Geburtsjahr wird allgemein 53 n. Chr. angenommen.603 Zwar berechnet die Stadtchronik Traians Regierungsdauer, die drei anderen Quellen hingegen seine Lebensdauer, doch beide Berechnungen kommen zu dem Resultat, sein Tod sei ungefähr auf den 23. Juni 117 zu datieren, mehr als 6 Wochen vor dem offiziellen Termin. Allerdings liefert die Stadtchronik widersprüchliche Daten: Einerseits führt die von ihr angegebene Regierungsdauer auf den 23. Juni als Todestag, andererseits erklärt sie, Traian sei am 9. Juli (VII. idus Iulias) gestorben. Hinsichtlich dieser zweiten Angabe ist zwar nicht auszuschließen, dass sich der Chronist an der offiziellen Version orientierte, der zufolge Traian am 9. August gestorben sei, er müsste dann aber zwei Fehler auf einmal gemacht haben: Iulias statt Augustas und VII. idus statt V. idus. Eher vorstellbar ist eine Tradition, die als Todestag Traians nicht den offiziellen 9. August, sondern den 7. August (a. d. VII. idus Augustas) überlieferte.604 Dann hätte der Chronist nur die Monate verwechselt.

602 Strobel (2010, 402–404) hält Dios Schilderung im Kern für glaubwürdig, geht aber nicht so weit wie Birley (1997, 77) und Heil (PIR2 8,2, 2015, V 865, 460), die der Ansicht sind, die Adoption sei von Traians Gattin Plotina inszeniert worden. Man muss wohl K. Christ recht geben, der lakonisch feststellt: „Beweisen lässt sich weder die Adoption noch das Gegenteil.“ (Christ 2009, 314) 603 Kienast 2017, 116; Strobel 2010, 37; Hanslik, M. Ulpius Traianus, in: RE Suppl. 10 (1965) 1035 f.; Holzapfel 1921, 89, 91. Fasti Filocali: s. Divjak/Wischmeyer 2014, 213. 604 Dieser Tradition zufolge wurde wahrheitswidrig propagiert, Traian habe Hadrian am 7. August des Jahres 117 adoptiert. Dass es eine Lüge war, halten Mommsen (1850, 653 Anm. 64) und offenbar auch Kienast (2017, 117) für möglich.

4.3 Die Caesaren: Traianus

189

C) Fazit: Der von Burgess vertretenen Ansicht, die Stadtchronik habe hinsichtlich Traians Regierungsdauer nur die Zahl der Jahre korrekt angegeben, ist entgegenzuhalten, dass ihre Zeitangabe durch Eutropius und Hieronymus gestützt wird; denn nach deren Daten starb Traian spätestens am 23. Juni 117. Also scheint eine Tradition existiert zu haben, der zufolge Traian bereits ca. 1 ½  Monate vor dem 11. August des  Jahres 117, dem dies imperii seines Nachfolgers, gestorben sei.605 Die Angaben der Stadtchronik über Regierungsdauer und Sterbedatum Traians sind jedoch widersprüchlich. Dieser Widerspruch lässt sich nur teilweise auflösen durch die Annahme, der Verfasser der Stadtchronik habe sich hinsichtlich des Todestages an einer Tradition orientiert, der zufolge Traian am 7. August starb, und dann irrtümlich Iulias statt Augustas geschrieben. Es gäbe nur dann keinen Widerspruch, wenn der Chronist die Regierungsdauer Traians nicht ab dem 28. Januar 98 berechnet hätte, dem offiziellen dies imperii Traians, sondern ab dem 11. oder 12. Februar 98. Zwar dürfte Traian tatsächlich erst ungefähr zu diesem Termin von Nervas Tod erfahren haben, aber in keiner Quelle erscheint der 11./12. Februar als sein dies imperii. cong(iarium) dedit X DCL. Angesichts der Höhe des Betrags muss es sich um die Summe aus mehreren Spenden handeln. In der Tat überliefern andere Quellen, insbesondere Münzen, drei congiaria Traians. Aber wie bei den meisten seiner Vorgänger verzeichnet die Stadtchronik auch bei ihm nur einen einzigen Betrag. So auch bei Traians Nachfolgern, wobei es sich tatsächlich meist um die Gesamtsumme aus mehreren congiaria handelt.606 In diesen Fällen wäre zu erwarten, dass die Abkürzung cong. für die Pluralform stünde. Aber bei Hadrian, der mehrere congiaria verteilen ließ, verwendet die Stadtchronik den Singular, schreibt also congiarium. Daher ist anzunehmen, dass sie mit cong. zwar stets die Singularform meint, dabei jedoch die Gesamtsumme aus mehreren congiaria im Blick hat. Erstes congiarium Traians: Ausbezahlt im  Jahr 99  n. Chr.,607 als Traian erstmals als amtierender Kaiser nach Rom gekommen war. Belege: RIC 2 (1926) Traian Nr. 380 (Reverslegende: COS. II. P.P. CONG. P. R.  – S. C.); Plin. paneg. 25–28. Seit Augustus hatten mehrere Kaiser ihr erstes congiarium deshalb ausbezahlt, weil eine testamentarische Verfügung des Vorgängers vorlag. Hingegen war der Anlass für Traians erstes congiarium der eigene Regierungs-

605 So auch Holzapfel 1921, 89. 606 Vgl. Berchem 1939, 152 Anm. 1. 607 Berchem 1939, 151 f.; vgl. Barbieri 1957, 843; Hanslik, M. Ulpius Traianus, in: RE Suppl. 10 (1965) 1051; Kienast 2017, 118.

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B) 4. Item imperia caesarum

beginn (wie schon bei Nerva); damit scheint eine neue Tradition begründet worden zu sein.608 Zweites congiarium: Verteilt zwischen dem 14. Januar und dem 13. Februar 103 n. Chr. anlässlich des ersten Triumphs über die Daker, den Traian Ende 102 feierte.609 Numismatischer Beleg: RIC  2 (1926) Traian Nr. 450 (Reverslegende: COS. V. CONGIAR. SECUND. – S. C.). Drittes congiarium: Verteilt am 26. Mai oder am 25. Juni 107. Beleg: VII k. Iu[n.?] (FOst, Vidman S. 47). Anlass: der zweite Triumph Traians über die Daker. Numismatischer Beleg: RIC 2 (1926) Traian Nr. 469 (Reverslegende: CONGIARIUM TERTIUM – S. C.). Die Höhe der einzelnen congiaria ist auf der Basis der zitierten Quellen nicht feststellbar; die Gesamtsumme wird nur von der Stadtchronik überliefert. In der Forschung gibt es unterschiedliche Meinungen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit dieser Angabe: Barbieri und van Berchem bezweifeln, dass die Summe so hoch war wie von der Stadtchronik angegeben, da als Einzelspende vor und nach Traian normalerweise 75 Denare pro Kopf verteilt worden seien.610 Dieser Ansicht schließt sich Karl Strobel an, hält aber für möglich, dass das congiarium des Jahres 107 wegen der Kriegsbeute höher ausfiel als die beiden vorhergehenden und 100 statt 75 Denare verteilt wurden. Die Gesamtsumme aller 3 congiaria habe daher vermutlich 250 Denare betragen; aus der Zahl X CCL seien durch einen Schreibfehler in der Stadtchronik fälschlich X DCL geworden.611 Im Gegensatz zu den Skeptikern nimmt Hanslik an, Traian habe die von der Stadtchronik genannten 650 Denare im Januar 103 als zweites congiarium verteilt und als drittes im Jahr 107 dann nochmals 500 Denare;612 Hanslik kann seine Annahmen jedoch nicht hinreichend belegen. Karl Christ findet die von der Stadtchronik angegebene Gesamtsumme von 650 Denaren glaubwürdig, da die immense Beute aus dem zweiten Dakerkrieg entsprechend großzügige congiaria ermöglicht habe.613 Ich halte dieses Argument auch deshalb für plausibel, weil die beiden Nachfolger Traians, Hadrian und Antoninus Pius, nicht wesentlich länger als er regierten, aber allem Anschein nach jeweils weit mehr als 650 Denare spendeten. hoc imper(ante) mulieres in thermis Traianis laverunt. Die nach Traian benannten Thermen wurden vermutlich schon unter Domitian konzipiert, aber erst unter Trai608 So auch Berchem 1939, 151. 609 FOst, Vidman S. 46; vgl. Berchem 1939, 151; Barbieri, a. a. O.; Kienast 2017, 116, 118. 610 Barbieri, a. a. O.; vgl. Berchem 1939, 152 Anm. 1. Nickbakht/Stein übernehmen dieses Argument ohne weitere Prüfung und halten daher die von der Stadtchronik genannte Summe für „weitaus zu hoch“ (Nickbakht/Stein 2017, 98). 611 Strobel 2010, 263 Anm. 34. 612 Hanslik, M. Ulpius Traianus, in: RE Suppl. 10 (1965) 1071 f., 1083 f. 613 Christ 2009, 300, 305.

4.3 Die Caesaren: Traianus

191

an erbaut und von diesem am 22. Juni 109 eingeweiht (zur Entstehungsgeschichte der Traiansthermen s. o. S. 172 f.). Die kurze Notiz der Stadtchronik lässt zwei unterschiedliche Interpretationen zu: a) dass in der Zeit Traians nur Frauen in den Traiansthermen badeten; b) dass auch Frauen sie besuchten. Für Version a) entschieden sich: Mommsen 1850, 653 Anm. 52; Platner/Ashby, 534; Richardson, Thermae Traiani, in: NTDAR, 397. Für Version b): Anderson 1985, 503; Caruso/Volpe, Thermae Traiani, in: LTUR 5, 1999, 67; Nickbakht/Stein 2017, 97 f. Zwei Hauptargumente sprechen für Version b): 1. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die bis dahin größte römische Thermenanlage ausschließlich für Frauen errichtet wurde. 2. Ausgrabungen in Pompeji haben ergeben, dass dort zwei der drei öffentlichen Thermen sowohl über eine Männer- als auch eine Frauenabteilung verfügten.614 Ähnliches könnte für die römischen Traiansthermen gegolten haben. Bei ihnen ermöglichte die symmetrische Anordnung der Räume im Prinzip eine gleichzeitige, aber getrennte Nutzung als Männer- und Frauenbad.615 Möglich ist aber auch, dass die Gesamtanlage zu bestimmten Stunden jeweils nur für Männer oder Frauen geöffnet war. Eine derartige Regelung galt im zweiten Jahrhundert n. Chr. in Lusitanien, wie die lex metalli Vipascensis überliefert (CIL II Suppl. Nr. 5181 = ILS, Dessau 6891). Eine kaiserzeitliche Inschrift aus dem kretischen Arkades gibt ebenfalls getrennte Badezeiten für Männer und Frauen an (SEG 26, 1976, Nr. 1044). Doch der eigentliche Hintergrund für die Bemerkung in der Stadtchronik ist wahrscheinlich gar nicht darin zu sehen, dass Frauen überhaupt Zutritt zu den Traiansthermen hatten, sondern darin, dass unter Traian in den nach ihm benannten Thermen die wohl sonst übliche räumliche oder zeitliche Trennung der Geschlechter gelockert wurde.616 Sonst ist kaum zu erklären, weshalb Hadrian zu Beginn seiner Herrschaft das gemeinsame Baden von Männern und Frauen untersagte. Dieses Verbot der balnea mixta überliefern Cass. Dio 69,8,2 und HA Hadr. 18,10. Allerdings scheint Hadrians Anordnung nicht durch skandalöse unmoralische Zustände in den Thermen motiviert 614 Inge Nielsen, Thermen, in: DNP 12,1 (2002) 425; Susanne Grunauer, Thermen und öffentlicher Badebetrieb, in: Der altsprachliche Unterricht, Reihe 20, H. 3, Sept. 1977, 49–52. 615 Vgl. Erika Brödner, Die römischen Thermen und das antike Badewesen: eine kulturhistorische Betrachtung, Stuttgart 1997, 75, 124 (Erstausgabe: Darmstadt 1983). 616 Dass in den römischen Thermen balnea mixta zumindest für kurze Zeit üblich waren, meint auch Nielsen, Thermen, in: DNP 12,1 (2002) 425. Der Kommentar von Nickbakht/Stein (2017, 97 f.) zu der vorliegenden Textstelle bleibt etwas undeutlich.

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B) 4. Item imperia caesarum

gewesen zu sein; zumindest liefern die Quellen keine diesbezüglichen Hinweise. Äußerungen antiker Schriftsteller über die balnea mixta, z. B. von Ovid, Plinius d. Ä. und Martial, lassen eher vermuten, dass die Männer, die wahrscheinlich den größeren Anteil der Thermenbesucher stellten, unter sich bleiben wollten.617 excessit Selinunti. Burgess zitiert mehrere Parallelquellen, die z. T. dasselbe aussagen:618 – Series regum 155,2 (Übers. Karst): „Traianos verschied in Selinunt”; – Eus. Chron. can., Arm. Karst 219: „Traianos schied durch Krankheit hin”; – Ps-Dionysius 92,24: Traianus morbo mortuus est Selinunte (= Synk. 425,13); – Hier. chron. z.J. 116/117 n. Chr.: Traianus morbo in Selenunti perit; – EKG = Eutr. 8,5,2: apud Seleuciam Isauriae profluvio ventris extinctus est; = Hier. chron. z.J. 116/117. Cassius Dio, die ausführlichste Quelle für die Todesumstände des Traian, bleibt bei Burgess unberücksichtigt. Laut Cass. Dio 68,33,1–3 wollte der Kaiser, als sich sein Gesundheitszustand verschlechterte, von Syrien zurück nach Italien reisen; sein Tod in der kilikischen Hafenstadt Σελινοῦϛ, die später in Traianopolis umbenannt wurde, kam unerwartet. In der Fachliteratur wird als Sterbeort Traians üblicherweise „Selinus (Σελινοῦϛ) in Kilikien“ angegeben.619 Der Verfasser der Stadtchronik stützte sich offenbar bei der Ortsangabe auf eine Quelle, welche der von Cassius Dio geprägten Überlieferung (Σελινοῦντα τῆς Κιλικίας) nahestand, und gab die griechische Bezeichnung mit Selinunti wieder,620 ohne zugleich auf die Provinz Cilicia hinzuweisen. Daher besteht für den Leser die Gefahr einer Verwechslung mit dem sizilischen Selinuntum. Die falsche Ortsangabe Seleucia Isauriae bei Eutropius und, als sekundäre Angabe, bei Hieronymus, ist vermutlich damit zu erklären, dass Traians Seereise in Seleucia Pie­ ria begann, der Hafenstadt Antiochias,621 und dass damit das gleichnamige Seleucia, an der Küste Isauriens (als Provinz eingerichtet Anfang des 4. Jh.) gelegen, verwechselt wurde. In Σελινοῦϛ, das ca. 100 Meilen westlich von Seleucia Isauriae liegt, musste Traian dem Bericht Cassius Dios zufolge die Reise wegen seiner Erkrankung abbrechen. Cassius Dio (68,33,2–3) nennt mehrere mögliche Todesursachen: Gift (Traian selbst habe diesen Verdacht geäußert), bösartige Hämorrhoiden, einen Schlaganfall, Stephan Busch, Versus balnearum. Die antike Dichtung über Bäder und Baden im römischen Reich, Stuttgart und Leipzig 1999, 505–511. 618 Burgess 2014, 170. 619 Beispiele: Strobel 2010, 402; vgl.  Hanslik, M. Ulpius Traianus, in: RE Suppl. 10 (1965) Sp. 1101. Karte: E. Olshausen, Die Entwicklung der römischen Provinzen in Kleinasien (2. Jh. v. Chr. bis 5. Jh. n. Chr.), in: Historischer Atlas der antiken Welt, DNP Suppl. Bd. 3 (2007) 182 f. 620 Vgl. Chr. pasch. 473,12: Σελινοῦντί. 621 Strobel, a. a. O. Traian hatte vor seiner Abreise Hadrian, der seit Anfang 117 Statthalter Syriens war, den Oberbefehl über die Truppen im Osten des Reiches übertragen; s. Strobel 2010, 400, 402. 617

4.3 Die Caesaren: Adrianus

193

der zu einer teilweisen Lähmung führte, und, von Dio als Hauptkrankheit bezeichnet, Wassersucht (τὸ δ’ ὅλον ὑδρωπίασε). Dass Traian in Selinus an Wassersucht starb, berichten auch Chr. pasch. 473,11 und Synk. 425,13–14. Die Stadtchronik weist mit der Formulierung excessit auf eine natürliche Todesursache hin, was mit den meisten der zitierten Quellen übereinstimmt. Die neuere Forschung beurteilt die von Dio erwähnte Überlieferung, Traian sei möglicherweise vergiftet worden, als unglaubwürdig und geht von einem krankheitsbedingten Tod aus.622 Fazit: Die Angaben der Stadtchronik über die Todesursache Traians und seinen Sterbeort sind unpräzise, aber im Kern zutreffend. 4.3.15 Adrianus Andere literarische Quellen nennen ihn Ἁδριανός (Cass. Dio 69,1–22), Hadrianus (z. B. Aur. Vict. 14,8; Eutr. 8,8; Hier. chron. z.d.J. 117–137; HA Hadr. 1–27) oder bisweilen Aelius Hadrianus (Aur. Vict. 14,1; Eutr. 8,6). Sein Geburtsname war P. Aelius Hadrianus.623 Nach der offiziellen Überlieferung wurde er von Traian kurz vor dessen Tod adoptiert. Daher lautete die Titulatur nach der Kaiserproklamation: Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus (auf griechischen Inschriften: Nerva Traianus Hadrianus); nur in seinen ersten Regierungsjahren übernahm er zusätzlich die Siegernamen seines Adoptivvaters: Optimus Germanicus Dacicus Parthicus. Nach seinem Tod wurde er als Divus Hadrianus konsekriert, allerdings erst auf Drängen seines Nachfolgers hin (Cass. Dio 70,1; HA Hadr. 27,2; Pius 5,1; Eutrop. 8,7). Die Stadtchronik kennzeichnet ihn nicht als Divus, behandelt ihn also diesbezüglich ebenso wie seine beiden Vorgänger Nerva und Traian. imp(eravit) ann(os) XX m(enses) X d(ies) XIIII. A) Burgess zur Regierungsdauer Hadrians624 (Zusammenfassung) Von Hadrians offiziellem dies imperii, dem 11. August 117 (HA Hadr. 4,7), bis zu seinem Todestag, dem 10. Juli 138 (HA Hadr. 25,6) dauerte seine Regierungszeit 20 Jahre, 10  Monate und 29/30  Tage. Die meisten der im Folgenden genannten Datierungen bezeichnet Burgess als „Relevant Chronologies“: 20  Jahre, 10  Monate und 28  Tage: Theoph. ad Autol. 3,27; Clem. Al. strom 1,21,144,4, Liber gen. (I), 388. Diesen drei Texten liegt offenbar eine gemeinsame

622 Kienast 2017, 117; vgl. Heil, PIR2 8,2 (2015) V 865, 460; Strobel 2010, 402 f.; Hanslik, M. Ulpius Trai­ anus, in: RE Suppl. 10 (1965) 1101. 623 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 122–124; Strobel 2010, 405; Stein, PIR2 1 (1933) A 184, 28–30; vgl. auch P. von Rohden, Aelius Nr. 64, in: RE 1,1 (1893) 493–500. 624 Burgess 2014, 56.

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B) 4. Item imperia caesarum

Quelle zugrunde. 20 Jahre und 11 Monate: Cass. Dio 69,23,1; Symeon Log. 63,2; Zon. 11,24. Die fehlerhaften Angaben der vier folgenden Quellen gehen Burgess zufolge auf Marius Maximus zurück: 21 Jahre, 10 Monate und 29 Tage: Eutr. 8,7,3. 1 Monat weniger als 22 Jahre: Aur. Vict. 14,12. 21 Jahre u. 11 Monate: HA Hadr. 25,11. 22 Jahre: Epit. de Caes. 14,1. B) Ergänzung: Hier. chron. z.J. 117 n. Chr. überliefert eine offenbar aufgerundete Zahl: ann. XXI. C) Fazit: Die Stadtchronik gibt die Zahl der Jahre und der Monate korrekt an. Die falsch angegebene Zahl der Tage (XIIII statt XXVIIII) dürfte, auch nach Burgess’ Ansicht, auf einen Kopistenfehler zurückzuführen sein. congiarium dedit X ∞. Wie bei Traian verzeichnet die Stadtchronik die Gesamtsumme mehrerer congiaria. Dass Hadrian der erste Kaiser gewesen sei, auf dessen Münzen die congiaria durchgezählt wurden, wie Nickbakht/Stein meinen,625 stimmt nicht, denn schon Traians Münzen weisen die Zählung auf; richtig ist aber, dass erstmals in der Regierungszeit Hadrians in den Münzlegenden anstelle von congiarium die Bezeichnung liberalitas erscheint. Hadrian ließ nachweislich sieben congiaria verteilen; die Höhe der beiden ersten überliefert die Historia Augusta. Erstes congiarium Hadrians: 3 aurei (=75 Denarii), verteilt im Jahr 117, noch bevor Hadrian erstmals als Kaiser in Rom eintraf; Anlass war ein posthumer Triumph für Traian wegen dessen Siegen im Partherkrieg. Beleg: HA Hadr. 6,3; 7,3. Zweites congiarium: 150 Denare, verteilt Mitte 118 nach Hadrians Ankunft (9. Juli) in Rom; Anlass war die Regierungsübernahme. Belege: HA Hadr. 7,3 (congiarium duplex);626 RIC 2 (1926) Hadrian Nr. 552 (Reverslegende LIBERALITAS AUG. ohne Zählung). Drittes congiarium: Verteilt vermutlich 119 n. Chr. aus Anlass von Hadrians drittem Konsulat. Beleg: RIC 2 (1926) Hadrian Nr. 582 (LIBERALITAS AUG. III. S. C.). 625 Nickbakht/Stein 2017, 99. Zur Datierung der congiaria Hadrians s. Berchem 1939, 152–154; Barbieri 1957, 843–846; Kienast 2017, 124. 626 Die ungünstige Stimmung im Volk sollte laut der Historia Augusta positiv beeinflusst werden; s. hierzu Birley 1997, 95.

4.3 Die Caesaren: Adrianus

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Viertes congiarium:

Verteilt vermutlich im Jahr 125 anlässlich der Rückkehr des Kaisers von einer mehrjährigen Reise, die ihn u. a. nach Britannien und Griechenland geführt hatte. Beleg: RIC 2 (1926) Hadrian Nr. 648 (LIBERALITAS AUG. IIII). Fünftes congiarium: Möglicherweise wurde es im Jahr 134 nach Hadrians Rückkehr von einer zweiten Reise verteilt. Münzen, welche ein congiarium bzw. eine liberalitas mit der Zählung „V“ ausweisen, sind nicht erhalten.627 Sechstes congiarium: Verteilt Mitte 136 aus Anlass der Adoption des L. Ceionius Commodus (unter dem Namen L. Aelius Caesar). Belege: HA Hadr. 23,11 f.; RIC 2 (1926) Hadrian Nr. 253; 765; 817 (LIBERALITAS AUG. VI). Laut HA Ael. 6,3 wurde bei dieser Gelegenheit sowohl ein donativum als auch ein congiarium gewährt, zusammen über 300  Mio. Sesterzen; in HA Ael. 3,3 wird diese gewaltige Summe allein für das donativum veranschlagt. Siebtes congiarium: Verteilt im Februar 138 aus Anlass der Adoption des T. Aurelius Fulvus, des späteren Kaisers Antoninus Pius, der die Summe aus eigenen Mitteln erhöhte. Belege: HA Pius 4,9; RIC 2 (1926) Hadrian Nr. 254 und 766 (LIBERALITAS AUG. VII). Es ist nicht überliefert, wie hoch die congiaria Nr. 3 bis 7 jeweils waren. Barbieri hält die von der Stadtchronik angegebene Summe für zu hoch;628 akzeptiert man sie, müssten bei mindestens einer dieser Spenden mehr als 150 Denare bewilligt worden sein. hoc imper(ante) templum Romae et Veneris fabricatum est. Über den Bau des größten Tempels in Rom geben Parallelquellen genauere Auskunft: Laut Cass. Dio 69,4,3–5 stammte der Entwurf von Hadrian selbst. Dieser sei über die Kritik, die der Architekt Apollodorus an der Planung übte, derart verärgert gewesen, dass er Apollodorus habe hinrichten lassen. Athen. 8,361: Als Hadrian den Bau eines Tempels für die Göttin Roma anordnete, sei das alte Fest der Parilia (begangen am 21. April, vgl. S. 52) nun als Rhomaia gefeiert worden. HA Hadr. 19,12: Für den Bau des templum urbis (die offenbar populäre Kurzbezeichnung weist darauf hin, dass der Tempel um 400 n. Chr. als zentrales Staatsheiligtum betrachtet wurde) habe man die Kolossalstatue Neros (die inzwischen als die des Sonnengottes galt, s. Plin. nat. 34,45) unter Einsatz von 24 Elefanten versetzen müssen. Hieronymus verzeichnet die Fertigstellung des Tempels unter dem  Jahr 131 (Templum Romae et Veneris sub Hadriano in urbe factum), Cassiodor unter dem Jahr 135. 627 Vgl. RIC 2 (1926) 329; Berchem 1939, 154. 628 Barbieri 1957, 845 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

Der Tempel629 wurde auf dem Velia-Hügel westlich des Flavischen Amphitheaters erbaut. Reste des Gebäudes und seine Basis, ein 9 m hohes Podium mit einer Fläche von ca. 145 × 100  m, sind noch erhalten. Der für den Bau vorgesehene Platz wurde im  Jahr 121  n. Chr. offenbar zur Zeit der Parilia geweiht; Baubeginn war vermutlich 125/126 n. Chr. Die Fertigstellung des Tempels erfolgte, entgegen der Datierung durch Hieronymus und Cassiodor, wahrscheinlich erst nach Hadrians Tod. Das gewaltige Bauwerk wurde zu einem kultischen Zentrum nicht nur Roms, sondern des gesamten Imperiums: Die in Münzlegenden gepriesene Verbindung der Schutzgöttin Roma (Roma Aeterna) mit der Venus Felix sollte den ewigen Bestand Roms bzw. des Reiches verheißen. Venus galt laut dem Gründungsmythos Roms als Mutter des Aeneas und damit als göttliche Stammmutter nicht nur der Iulier, sondern römischer Kaiser generell. Die Stadtchronik hätte weitere römische Großbauten Hadrians erwähnen können, vor allem das Mausoleum, das ebenfalls erst nach seinem Tod fertiggestellt wurde, sowie das in neuer Gestalt wieder aufgebaute Pantheon. excessit Bais veteribus. Mit der Wortwahl excessit weist die Stadtchronik auf eine natürliche Todesursache hin, ohne diese aber näher zu charakterisieren. Die Mehrzahl der Parallelquellen überliefert, Hadrian sei an Wassersucht (morbus aquae intercutis) gestorben; einige bestätigen die Ortsangabe Baiae: Laut Cassius Dio (69,17,1–2; 69,20,1) litt Hadrian unter Blutverlust durch heftiges Nasenbluten, schließlich auch noch unter Wassersucht (Ἁδριανὸς […] ὑδρωπίασεν). Eus. Chron. can., Arm. Karst 221: „Adrianos verstarb, einer tödlichen Wassersucht verfallen, in Baies“. Series regum 155,3: „Adrianos verschied wassersüchtig, ruhrbefallen.“ Hier. chron. can. z.J. 137/138: Hadrianus morbo intercutis aput Baias moritur. Aur. Vict. 14,12: apud Baias tabe interiit. 630 Eutr. 8,7,3: obiit in Campania. HA Hadr. 25,6: apud […] Baias periit. Dass Hadrian in dem im südlichen Kampanien gelegenen Baiae starb, ist mehrfach überliefert, aber nur die Stadtchronik verwendet das Adjektiv vetus. Es kann in diesem Kontext nicht mit „alt“ übersetzt werden, denn Baiae war keine sehr alte Stadt. Mit Bais veteribus kann auch nicht deren „Altstadt“ gemeint sein, denn Baiae war eine An629 Zum Tempel der Roma und der Venus: Boatwright 1987, 121–128; Knell 2008, 36–43 (Baugeschichte und Bautechnik) und 44–46 (Münzbilder und Symbolik); Venus et Roma, Templum, in: Richardson NTDAR, 409 f.; Birley 1997, 282. Birley hält Cass. Dio 69,4,5, wonach Hadrian den Architekten Apollodorus habe hinrichten lassen, nicht für glaubwürdig. Zur Restaurierung des Tempels unter Maxentius s. u. S. 342 f. 630 Der Begriff tabes kann Auszehrung, Schwindsucht oder Pest bedeuten; s. Georges Hwb Bd. 2, Sp. 3001.

4.3 Die Caesaren: Adrianus

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sammlung luxuriöser Villen, Gärten und Thermalbäder, die in den letzten Jahrzehnten der Republik am Golf von Puteoli (h. Pozzuoli) entstanden war. Im Verlauf des ersten Jh. v. Chr. hatte sich Baiae zu einem bei der römischen Oberschicht äußerst beliebten Villen- und Badeort entwickelt. In Baiae und in dessen näherer Umgebung ließen Prominente wie Caesar, Crassus, Cicero und Hortensius Hortalus repräsentative Landsitze erbauen, die später großteils in kaiserlichen Besitz übergingen. Mit der Bezeichnung vetus wollte der Autor der Stadtchronik höchstwahrscheinlich darauf hinweisen, dass sich, aus der Perspektive des vierten Jh. n. Chr. gesehen, das Erscheinungsbild des Küstenortes Baiae seit der Zeit Hadrians merklich verändert hatte: Das gesamte südliche Kampanien zwischen Cumae und Neapel, also auch Baiae, lag auf dem Gebiet der Phlegräischen Felder, d. h. in einer vulkanisch geprägten Gegend mit heißen Quellen und einer Küstenzone, die durch die sogenannte bradyseismische Erdbewegung häufigen Senkungen und Hebungen ausgesetzt war und noch ist. Es gilt als wahrscheinlich, dass ein Teil der Küste bei Baiae spätestens um 300 n. Chr. im Meer zu versinken begann, also vor Niederschrift der Stadtchronik. In den folgenden Jahrzehnten sank die Küste noch weiter ab, so dass die Küstenregion für die römische Oberschicht immer unattraktiver wurde.631 Vor Baiae wurden 1981 auf dem Meeresgrund die Überreste eines Kaiserpalastes aus der Zeit des Claudius entdeckt; heute befindet sich hier ein „Unterwasser-Archäologiepark“.632 Ein von Claudius im Jahr 46 n. Chr. erlassenes Edikt wurde wohl in diesem Palast (Baiis in praetorio, CIL V 5050) ausgefertigt. Zweifellos blieb er in kaiserlichem Besitz; Hadrian könnte in einem der Räume gestorben sein. Allerdings ist durch HA Hadr. 19,2 überliefert, dass er in omnibus paene urbibus Bauten errichten ließ; also wurde möglicherweise für ihn an der Küste von Baiae ein neuer Palast gebaut, der dann wie jener des Claudius ebenfalls im Meer versank. Fazit: Die Angabe der Stadtchronik, Hadrian sei eines natürlichen Todes gestorben, ist richtig; allerdings geht sie im Unterschied zu anderen Quellen nicht näher auf die Ursache ein. Den Sterbeort bezeichnet sie treffender als alle anderen Quellen, denn die Übersetzung für Bais veteribus muss hier „im ehemaligen Baiae“ lauten. Ergänzende Bemerkungen zu Krankheit und Tod des Kaisers: Von seinem letzten Aufenthalt in Baiae hatte sich Hadrian offenbar eine Besserung seines Gesundheitszustands erhofft (HA Hadr. 25,5–6). Über die dortigen wegen ihrer Heilkraft gerühmten heißen Quellen und die durch sie gespeisten Dampfbäder berichten Plin. nat. 31,2,2; Vitr. 2,6,2; Cass. Dio 48,51,2; Strab. 5,227; 5,244. Mehrere Autoren 631

Zur Siedlung Baiae: Cass. Dio 48,51; Hülsen, Baiae 1, in: RE 2,2 (1896) 2774 f. Zur Veränderung der Küste bei Baiae: Stärk 1995, 35 und die hier angegebene Literatur; Pappalardo 2007, 20, 27. Offenbar veränderte sich die Küste im 3. und 4. Jh. nicht nur bei Baiae, sondern auch beim wenige Kilometer entfernten Puteoli, denn aus CIL X, 1690–1692 kann geschlossen werden, dass Ende des 4. Jh. im Hafen Puteolis neue Kaianlagen errichtet wurden. Diese Baumaßnahmen scheinen durch vorhergehende Bodensenkungen notwendig geworden zu sein; s. Dubois 1907, 266 f. 632 Stärk 1995, 35; Pappalardo 2007, 20.

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B) 4. Item imperia caesarum

sprechen von einem langen Siechtum Hadrians. Seine lange Leidenszeit scheint für Hadrian schließlich so unerträglich geworden sein, dass er mehrere Selbstmordversuche unternahm (Cass. Dio 69,17,2–3; 69,22,1–4; HA Hadr. 24,8–12). Wegen seiner Erkrankung versuchte Hadrian bereits Mitte 136 n. Chr. die Nachfolge zu regeln, indem er L. Ceionius Commodus adoptierte, der nun L. Aelius Caesar genannt wurde. Als dieser Anfang 138 starb, adoptierte er T. Aurelius Fulvus, den späteren Kaiser Antoninus Pius (Cass. Dio 69,17,1–3; 69,20,1–5; HA Hadr. 23,10–24,1). Hadrians Leichnam wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit zunächst auf dem ehemaligen Landsitz Ciceros bei Puteoli bestattet (HA Hadr. 25,7). Als Hadrians Mausoleum in Rom fertiggestellt war (laut Stiftungsinschrift 139 n. Chr., s. CIL VI 984), ließ Antoninus Pius die sterblichen Überreste seines Adoptivvaters dorthin überführen (HA Pius 5,1; Cass. Dio 69,23,1). 4.3.16 Antoninus Pius Dieselbe Bezeichnung verwenden auch andere literarische Quellen, z. B. Cass. Dio 70,1 (Ἀντωνῖνος ὁ Εὐσεβής); Hier. chron. z.J. 160; HA Pius 1,8; 7,5. Sein Geburtsname lautete T. Aurelius Fulvus; später ergänzte er ihn durch Boionius (Gentilname der Großmutter mütterlicherseits) und Arrius Antoninus (Name des Großvaters mütterlicherseits). Nachdem ihn Hadrian, dessen Gentilname Aelius lautete, am 25. Februar 138 adoptiert hatte, führte er den Titel Imperator T. Aelius Caesar (Hadrianus) Antoninus. Nach Hadrians Tod wurde zunächst nur der Titel Augustus hinzugefügt, kurz danach, vermutlich ab dem 19. September 138, auch der Beiname Pius. Die Quellen (am ausführlichsten: HA Pius 2,3–7) liefern unterschiedliche Begründungen für dieses cognomen; wahrscheinlich wollte der Kaiser öffentlichkeitswirksam hervorheben, dass er die römische Kardinaltugend der pietas als seine politische Leitlinie ansah. Bald nach seinem Tod erfolgte die consecratio als Divus Antoninus (Augustus Pius).633 Wie bei den Vorgängern (Nerva, Traian, Hadrian) versäumt es die Stadtchronik, die Divinisierung zu erwähnen. imp(eravit) ann(os) XXII m(enses) VIII dies XXVIII. A) Burgess zur Regierungsdauer des Antoninus Pius634 (Zusammenfassung) Der dies imperii des Antoninus Pius war der 10. Juli 138 n. Chr. (Fer. Dur. 2,20).635 Sein Todestag war wahrscheinlich der 7. März 161, da dieser Tag als dies imperii des Marc 633 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 128; Stein, PIR2 1 (1933) A 1513, 310 f.; Hüttl 1936, 27, 45. Zum cognomen: Hüttl, a. a. O. 50–57. 634 Burgess 2014, 57. 635 Auch Kienast (2017, 128) nennt dieses Datum unter Verweis auf Fer. Dur. 2,20; obwohl der Papyrus, welcher den Festkalender überliefert, an der fraglichen Stelle beschädigt ist. Aber der 10. Juli 138 ist durch HA Hadr. 25,6 als Todestag Hadrians belegt; daher war er vermutlich auch der dies imperii des Antoninus Pius.

4.3 Die Caesaren: Antoninus Pius

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Aurel belegt ist (s. u. S. 204 und 209). Daraus ergibt sich für Antoninus Pius eine Regierungsdauer von 22 Jahren, 7 Monaten und 25/26 Tagen. Mehrere Quellen überliefern z. T. ähnliche Daten; die ersten drei dieser Quellen bezeichnet Burgess als „Relevant Chronologies“: 22 Jahre und 7 Monate: Lib. chron. 433,9; 22 Jahre und 8 Monate: Syn. chron. B 17,9; [?] Jahre, 8 Monate und 22 Tage: Liber gen. (I), 389 (Burgess vermutet, dass durch einen Kopistenfehler aus XXV Tagen XXII Tage wurden.); 22 Jahre, 7 Monate und 6 Tage: Theoph. ad Autol. 3,27; 22 Jahre, 3 Monate und 7 Tage: Clem. Al. strom. 1,21,144,4; 22 Jahre und 3 Monate: Eus., Chron. can. 202 (=Hier. chron. z.J. 138 n. Chr.); Nicephorus 94,2; Chron. syn. 101,5. B) Ergänzungen: 24 Jahre verzeichnet Cass. Dio 70,4,2; 23 Jahre: Epit. de Caes. 15,7; 20 Jahre: Aur. Vict. 15,4. C) Fazit: Die von der Stadtchronik genannte Regierungszeit ist um mehr als einen Monat zu lang, aber nur wenige andere Quellen bieten genauere Angaben. Möglicherweise geht der Fehler auf dieselbe Tradition zurück wie Liber gen. (I), 389; dieser Ansicht ist auch Burgess (a. a. O.). cong(iarium) dedit X DCCC. Wie schon bei Traian und Hadrian gibt die Stadtchronik die Gesamtsumme aus mehreren congiaria an. Insbesondere durch Münzlegenden sind neun congiaria bzw. liberalitates des Antoninus Pius belegt;636 in den Reverslegenden der Münzen erscheint meist die Bezeichnung LIBERALITAS. Erstes congiarium:

Anfang 139 n. Chr. zur nachträglichen Feier des Regierungsantritts und aus Anlass des zweiten Konsulats von Antoninus Pius. Belege: RIC 3 (1930) Antoninus Pius Nr. 537 (Reverslegende: LIBERALITAS COS. II); Nr. 540–542 (LIBERALITAS AUG.). Zweites congiarium: Anfang 140 n. Chr., als Antoninus zum dritten Mal Consul wurde. Belege: RIC 3 (1930) Antoninus Pius Nr. 74 (LIBERALITAS AUG. II). Drittes congiarium: Belege: RIC 3 (1930) Antoninus Pius Nr. 75, 608  A (LIBERA­ LITAS AUG. III). Die Datierung sowie der Anlass werden in 636 Sie werden beschrieben bei RIC 3 (1930) 13 f.; Hüttl 1936, 341–344; Berchem 1939, 154 f.; Barbieri 1957, 846–849; Schmidt-Dick 2008, 108–111; vgl. auch Kienast 2017, 129.

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der Forschung kontrovers diskutiert: Während van Berchem annimmt, die Verteilung sei im Jahr 144 n. Chr. erfolgt, um das tirocinium des Lucius Verus zu feiern, datieren andere die Spende in das Jahr 142. Dass L. Verus zu diesem frühen Zeitpunkt bereits die toga virilis anlegte, gilt aber als unwahrscheinlich. Ein weiterer Vorschlag lautet daher: Das congiarium könnte 143/144 aus Anlass der Verlobung Marc Aurels mit Faustina, der Tochter des Antoninus Pius, verteilt worden sein.637 Viertes congiarium: 100 Denare im Mai 145; Anlass: das 4. Konsulat des Antoninus Pius sowie die Heirat von dessen Tochter Faustina und Marc Aurel. Beleg: FOst, Vidman S. 50: Annia Faustina M. Aure­ lio Caesari nupsit. […imp. A]ntoninus Aug. congiar(ium) dedit (denarios) C. III id. Mai. dies promi[ssos…ed]ere coepit. Münzbelege: RIC 3 (1930) Antoninus Pius Nr. 140; 141; 155; 774; 776 A; 819; 821 A (unterschiedliche Reverslegenden, aber stets als vierte liberalitas ausgewiesen). In welchem Jahr die folgenden congiaria jeweils verteilt wurden, ist durch Münzlegenden oder durch die Fasti Ostienses bekannt; die jeweiligen Anlässe können jedoch nur vermutet werden. Fünftes congiarium: 148 n. Chr. (am 10. Juli?), wahrscheinlich aus Anlass des zehnten Regierungsjubiläums (decennalia). Belege: RIC 3 (1930) Antoninus Pius Nr. 138; 142; 169; 775; 776; 803; 821; 845 (unterschiedliche Reverslegenden, viermal erscheint als Reverslegende LI­ BERALITAS AUG. V). Sechstes congiarium: am 22. Mai 151 n. Chr.; das Datum ist belegt durch FOst, Vidman S. 51: XI ka[l. I]un. cong(iarium) dedit (denarios) […]. Weitere Belege: RIC 3 (1930) Antoninus Pius Nr. 198 a, b (Reverslegende: COS. IIII LIB. VI); 867 (Reverslegende: LIBERALITAS VI). Siebtes congiarium: 152 n. Chr.; Belege: FOst, Vidman S. 51; RIC 3 (1930) Antoninus Pius Nr. 207; 208; 228; 229; 235; 236; 237; 905; 915 (Reverslegende: LIBERALITAS VII COS. IIII). Möglicher Anlass: die Geburt eines Sohnes. Achtes congiarium: 158 n. Chr. (10. Juli?), vermutlich aus Anlass des 20. Regierungsjubiläums. Belege: RIC 3 (1930) Antoninus Pius Nr. 282; 976; 987; 991 (Reverslegende: LIB. VIII).

637 Auf das Jahr 142 wird die Spende datiert von Kienast (2017, 129), von Schmidt-Dick (2008, 108, 110) und von Barnes (1967, 68). Kienast (2017, 135) datiert das tirocinium des L. Verus auf 144 oder 146  n. Chr., Barbieri (1957, 846) auf das  Jahr 145, Barnes (a. a. O.) auf 146  n. Chr. Datierung der Spende auf 143/144 anlässlich der Verlobung Marc Aurels: RIC 3, 1930, 14; Hüttl 1936, 342.

4.3 Die Caesaren: Antoninus Pius

201

Neuntes congiarium: 161 n. Chr.; Anlass: der 3. Konsulat des Marc Aurel und der zweite Konsulat des Lucius Verus. Belege: RIC 3 (1930) Antoninus Pius Nr. 308; 311; 312; 791; 1043; 1044; 1047. Reverslegenden: entweder CONG. AUG. VIIII oder LIBERALITAS AUG. VIIII. Nur die Höhe des vierten congiarium ist überliefert: 100 Denare. Die von der Stadtchronik angegebene Gesamtsumme, 800 Denare, ist glaubwürdig und lässt vermuten, dass bei fünf congiaria jeweils 100 und bei den vier übrigen jeweils 75 Denare verteilt wurden; dieser Ansicht sind auch Mattingly/Sydenham (RIC 3, 1930, 13) und Barbieri (1957, 849). hoc imper(ante) circensibus Apollinaribus partectorum columna ruit et oppressit homines ∞ CXII. Die einzige Quelle, die ebenfalls über dieses Ereignis berichtet, ist HA Pius 9,1. Hier wird der Einsturz des circus maximus im Zusammenhang mit einigen Katastrophen erwähnt, die sich in der Regierungszeit des Antoninus Pius ereignet hatten: fames […], circi ruina, terrae motus […] et Romae incendium […]. Offensichtlich ist der Bericht der Stadtchronik über den Einsturz des circus wesentlich genauer, denn er überliefert nicht nur Anlass und Ursache des Unglücks, sondern auch die Zahl der Opfer. Seit 212 v. Chr. fanden im circus maximus Spiele zu Ehren Apollos statt (Liv. 25,12,14); 208 v. Chr. legte man als jährlichen Termin den 13. Juli fest (Liv. 27,23,6). Von Anfang an gehörten zu den ludi Apollinares neben den circenses (Pferde- und Wagenrennen sowie Tierhetzen) auch ludi scaenici. Schon bald dauerten die Spiele mehrere Tage, kaiserzeitliche Festkalender verzeichnen schließlich eine achttägige Dauer vom 6. bis zum 13. Juli. Während der ersten sieben Tage wurden ludi scaenici veranstaltet, nicht nur im circus, sondern immer häufiger in eigens dafür errichteten Theatern. Der 13. Juli blieb den circenses vorbehalten.638 Da in der Stadtchronik speziell von den circenses, nicht allgemein von den ludi Apollinares die Rede ist, muss sich das Unglück an einem 13. Juli ereignet haben. Nicht leicht zu deuten ist die Formulierung partectorum columna ruit, mit der die Unglücksursache beschrieben wird; vgl. Platner/Ashby, 117: „What the partecta were, is not known.“ Der Thesaurus Linguae Latinae und auch Georges verzeichnen zwar das Substantiv partecta (Plur. n.), nennen aber als einzige Belegstelle die Stadtchronik, denn nur diese verwendet das Wort, um auf zwei katastrophale Ereignisse im circus maximus hinzuweisen: einmal zur Zeit von Antoninus Pius, das andere Mal zur Zeit Diokletians (partectorum podius ruit). Beide Werke verweisen außerdem auf Theodor Mommsens 1892 geäußerte Vermutung, partectum gehe auf das griechische Verb παρατεκταίνω (falsch zimmern) zurück oder gehöre zum Bedeutungsumfeld des grie-

638 Zu den ludi Apollinares s. Bernstein 1998, 183 f.; vgl. A. Hönle, circus (Spiele), in: DNP 2 (1997) 1213.

202

B) 4. Item imperia caesarum

chischen παραστάς (Pfeiler, Vorhalle) bzw. dessen Pluralform αἱ παραστάδες (Säulengang, Vorhalle, Eingang). Im hier zitierten ThLL-Eintrag vermutet Paolo Gatti, mit partecta sei eine Balkenkonstruktion bzw. ein Dielenboden für die Zuschauer gemeint (genus contignationis, contabulationis sim.). Georges schlägt vor: „vielleicht die Seitenhallen im Zirkus“. Walde/Hofmann vermuten: „höher gelegene Plätze im Zirkus, wahrscheinlich die Gerüste, welche die hinteren Sitzreihen bildeten.“639 Dion. Hal. ant. 3,68,2–4 beschreibt das Erscheinungsbild des circus maximus zur Zeit des Augustus: Es gab drei Sitzränge mit jeweils mehreren emporsteigenden Sitzreihen. Nur die Sitzreihen im untersten Rang bestanden aus Stein, die anderen aus Holz. An der Außenseite des Gebäudes befand sich eine aus Holz erbaute einstöckige Portikus mit Läden und Passagen. Durch letztere gelangte man über Korridore und Stufen zu den Sitzrängen. Da der circus maximus überwiegend aus Holz errichtet worden war, ist leicht zu erklären, weshalb er mehrfach durch Brände zerstört wurde: 31 v. Chr., 36 und 64  n. Chr. (der Stadtbrand unter Nero brach im circus maximus aus) sowie zur Zeit Domitians.640 Nachdem ihn Traian wieder aufgebaut hatte (Cass. Dio 68,7,2), bestand er hauptsächlich aus Stein, wodurch die Brandgefahr verringert wurde. Aber das Gewicht, das auf den tragenden Bauteilen lastete, war nun viel größer, auch deshalb, weil Traian die Außenwände mit einer massiven Attika und einer Galerie gekrönt, vielleicht sogar einen vierten Sitzrang hinzugefügt hatte.641 Die Ursache für den Einsturz in der Zeit des Antoninus Pius lag vermutlich darin, dass eine überlastete Säule zusammenbrach; vielleicht im unteren Bereich, denn hier war die Belastung am größten. Hingegen vermutet Humphrey, bei partecta handle es sich um schwache Stützen für den vierten Sitzrang oben an der Galerie; ähnlicher Ansicht sind Walde/Hofmann (s. o.). Die Stadtchronik dürfte sich bei der Substantivform partectorum auf eine griechische Quelle gestützt haben, die auf einen Konstruktionsfehler hinwies, denn das griechische Verb παρατεκταίνω bedeutet, wie oben erwähnt, „falsch zimmern“. excessit Lorio. Mit der Wortwahl excessit weist die Stadtchronik auf eine natürliche Todesursache hin; dies sowie wie der angegebene Sterbeort stimmt mit den im Folgenden genannten Vergleichsquellen überein: Series regum 155,4: „Antoninos Eusebes verschied zu Silorios.“ Aur. Vict. 16,3: apud Lorios […] mortuo […]. Eutr. 8,8,4: obiit apud Lorium villam suam miliario ab urbe duodecimo.

639 Zitierte Deutungsversuche für partecta: ThLL Bd. 10,1, Sp. 491; Georges Hwb Bd. 2, Sp. 3511; Mommsen 1892, 146 Anm. 6; Walde/Hofmann Bd. 2 (31954) 259. Zu den Bedeutungen der griechischen Wörter s. Pape GDHW, Bd. 2, Sp. 499, 502; Frisk Etym., Bd. 2 (1970) 478. Das OLD hat keinen Eintrag für partectum oder partecta. 640 Circus Maximus, in: Richardson NTDAR, 85. 641 Nielsen, Circus, in: DNP 2 (1997) 1211; Humphrey 1986, 104, 111 (Skizze), 115.

4.3 Die Caesaren: Divus Verus

203

Hier. chron. z.J. 160 n. Chr.: Antoninus Pius aput Lorium villam suam XII ab urbe miliario moritu. Epit. de Caes. 15,7: apud Lorios villa propria milibus passuum duodecim ab urbe febri […] consumptus est. HA Pius 12,6: spiritum reddidit apud Lorium. Lorium (h. La Bottaccia bei Castel di Guido) lag 12 Meilen (ca. 19 km) westlich von Rom an der via Aurelia. Antoninus Pius war hier aufgewachsen; später erbaute er laut HA Pius 1,8 an diesem Ort ein palatium, in dem er sich offenbar gerne aufhielt642. Die Quellen sprechen meistens von einer villa und berichten übereinstimmend, er sei in dieser gestorben. Über den Tod des Kaisers berichtet ausführlich HA Pius 12,4–6: Nach einer allzu üppigen Mahlzeit habe er Fieber bekommen und zwei Tage später sei er friedlich entschlummert, nachdem er der Wache als letzte Parole aequanimitas ausgegeben hatte. Vermutlich geht diese Überlieferung auf Cassius Dio zurück, der ebenfalls von einem sanften Tod des Antoninus Pius berichtet (Cass. Dio 70,3,3). 4.3.17 Divus Verus Zwar wird der Geburtstag des Divus Verus als Festtag im Chronographen von 354 verzeichnet (s. u. S. 354), aber bei den literarischen Quellen stellt diese respektvolle Bezeichnung eine Ausnahme dar: L. Aurelius Verus wird meist schlicht Lucius, L. Verus oder Verus genannt.643 Sein Geburtsname lautete, wie der seines Vaters, L. Ceionius Commodus.644 Der Vater wurde Mitte des Jahres 136 n. Chr. unter dem Namen L. Aelius Caesar von Hadrian adoptiert, starb aber bereits am 1. Januar 138. Daraufhin adoptierte Hadrian am 25. Februar 138 Titus Aurelius Fulvus Boionius Arrius Antoninus, den späteren Kaiser Antoninus Pius, und veranlasste, dass dieser seinerseits den M. Annius Verus (den späteren Kaiser Marc Aurel) sowie L. Ceionius Commodus (den Jüngeren) adoptierte. Letzterer hieß nun L. Aelius Aurelius Commodus. Der Titel Caesar blieb ihm während der Herrschaft des Antoninus Pius vorenthalten. Nach dessen Tod am 7. März 161 erhob ihn sein Adoptivbruder Marc Aurel zum Mitregenten. Sein Name und Titel lautete nun Imperator Caesar L. Aurelius Verus Augustus. Das bisherige Cognomen Commodus wurde also durch jenes ersetzt, das sein Adoptivbruder M. Annius (Verus) getragen hatte, während dieser das Cognomen des Adoptivvaters (Antoninus) 642 Dies geht aus seinem Briefwechsel mit M. Cornelius Fronto hervor, dem Lehrer der Adoptivsöhne des Antoninus Pius. Belege bei Hüttl 1936, 30 Anm. 17, sowie bei P. v. Rohden, Aurelius Nr. 138, in: RE 2,2 (1896) 2495, Z. 20 f. 643 Beispiele für Lucius: Cass. Dio 71,1–2; Aur. Vict. 16,5; Hier. chron. z.J. 169; HA Ver. 1,8. Beispiel für L. Verus: Aur. Vict. 16,3. Beispiele für Verus: Epit.de Caes. 16,5; HA Ver. 1,1; 2,3; 3,1; 7,3. 644 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 135; Stein, PIR2 2 (1936) C 606, 138–141; Stein, Ceionius Nr. 8, in: RE 3,2 (1899) 1834–1838, 1854.

204

B) 4. Item imperia caesarum

annahm. Beide Kaiser behielten den von ihrem Adoptivvater übernommenen Gentilnamen Aurelius, verzichteten aber auf Hadrians Gentilnamen Aelius. Bald nach seinem Tod wurde L. Verus als Divus Verus konsekriert; auf Inschriften ist diese Bezeichnung häufig mit dem Siegerbeinamen Parthicus Maximus verbunden. imp(eravit) ann(os) VII m(enses) VIII dies XII. A) Burgess zur Regierungsdauer des L. Verus645 (Zusammenfassung) Die Regierungszeit des L. Verus dauerte vom 7. März 161 (als Beleg nennt Burgess das Feriale Duranum) bis zu seinem Tod, der auf Ende 168 oder Januar/Februar 169 datiert wird. Demnach herrschte er 7 Jahre und 9 oder 11 Monate lang. Außer der Stadtchronik erwähnen nur wenige Quellen die Regierungsdauer des L. Verus. Die Angaben schwanken zwischen 12 und 8 Jahren; meist wird fälschlich die Zahl „11 Jahre“ genannt: Eutr. 8,10,4; Epit. de Caes. 16,5; Hier. chron. z.J. 169 (anno regni nono sive ut quidam putant XI); HA Ver. 11,1. Zwei Quellen aus dem 6. bzw. dem 9. Jh, die 8 Jahre und damit annähernd die richtige Zeitspanne verzeichnen (Ioh. Mal. 11,32; Georgii Monachi Chronicon 451,21), scheinen nur zufällig eine relativ genaue Angabe zu machen, da sie ansonsten fast nichts über L. Verus wissen. Aus der Quellenanalyse zieht Burgess die folgenden Schlüsse: Da die vom Breviarium Vindobonense angegebene Regierungsdauer zum 19. November 168 als Todestag des Verus führe, greife es vermutlich um ca. einen Monat, maximal um zwei Monate, zu kurz. Die Angabe komme jedoch der tatsächlichen Regierungsdauer des L. Verus näher als jede andere Quelle. Der Verfasser scheine allerdings nicht gewusst zu haben, dass L. Verus und Marc Aurel gemeinsam regierten, sonst hätte er dies entsprechend vermerkt, wie er es auch bei einigen Kaisern des 3. Jh. praktiziere. B) Ergänzungen: Burgess nennt den 7. März 161 als Regierungsbeginn des Verus und beruft sich dabei auf das Feriale Duranum. In Fer. Dur. 1,21 wird jedoch, offenbar irrtümlich, der 6. März angegeben: PRID NON[is ma]R[tis ob] IM[perium divi marci antonini et divi luci veri d]IVO MARCO.646 Einen eindeutigen Beleg dafür, dass der Beginn der Herrschaft des Marc Aurel und damit auch die seines Mitregenten L. Verus auf die Nonen des März (= 7. März) zu datieren ist, bietet hingegen die Inschrift IGRR 1, 1509.647 Hinsichtlich des Sterbedatums des L. Verus ist die Quellenlage sehr dürftig: Galenos von Perga645 Burgess 2014, 57 f. Hinsichtlich des Sterbedatums verweist Burgess auf Barnes 1967, 73 (laut Barnes starb Verus vor Ende des Jahres 168) und auf Kienast 1996, 144 (= 2017, 135); Kienast datiert den Tod des Verus auf Januar/Februar 169. 646 Offenbar war versucht worden, die Zeitangabe PRID in der Inschrift zu tilgen; s. R. O. Fink, Roman Military Records on Papyrus. Philological Monographs of the American Philological Association, Nr. 26 (1971) 424 f. Anm. zu Z. 21. 647 Als dies imperii sowohl des Marc Aurel als auch des L. Verus nennt Kienast (2017, 131 und 135) den 7. März 161, aber ohne Quellenangabe.

4.3 Die Caesaren: Divus Verus

205

mon (Aelius Galenus) berichtet, L. Verus sei mitten im Winter 168/169 n. Chr. gestorben: κατὰ μέσον τοῦ χειμῶνος (Gal. XIV, 650 Kühn). Diese Aussage bezieht Kienast (vgl. Anm. 645) offenbar auf Januar oder Februar 169. Hingegen scheint eine von einer Militärstation im südlichen Noricum stammende Inschrift darauf hinzudeuten, dass Verus noch vor dem Ende des Jahres 168 starb: Die Inschrift kann dem Jahr 168 zugeordnet werden, denn sie verzeichnet die Namen der damaligen Consuln: Paulo II et Aproniano II. Da sie aber nur einen einzigen Augustus erwähnt, wurde sie anscheinend kurz nach dem Tod des L. Verus eingemeißelt.648 Auf diese Inschrift beruft sich T. Barnes (vgl. Anm. 645). Er räumt jedoch ein, dass mit ihr das Sterbedatum des L. Verus nicht mit letzter Sicherheit auf das Jahresende 168 n. Chr. datiert werden kann. Fazit: Das Sterbedatum des L. Verus ist nicht gesichert, aber die Stadtchronik kommt mit der von ihr angegebenen Regierungsdauer der Wahrheit näher als andere Quellen. congiar(ium) ded(it) X CCCC. Wie bei den drei vorhergehenden Kaisern verzeichnet die Stadtchronik die Gesamtsumme aus mehreren congiaria. Belegt sind vier congiaria,649 welche die beiden Augusti Lucius Verus und Marcus Aurelius gemeinsam verteilen ließen; von der Stadtchronik werden sie fälschlich allein dem L. Verus zugeordnet. Die von der Stadtchronik genannte Summe gilt als Beleg dafür, dass der bei einem congiarium bisher übliche Betrag von 75 Denaren ab der Mitte des zweiten Jahrhunderts auf jeweils 100 Denare erhöht wurde. Erstes congiarium:

März 161  n. Chr. zur Feier des gemeinsamen Regierungsantritts. Belege: RIC 3 (1930) S. 215 Nr. 15–17; S. 251 Nr. 459; S. 278 Nr. 806–811; S. 317 Nr. 1301 f. Die Averslegende der Münzen auf den Seiten 251 und 317 nennt den Namen Verus, jene der Münzen auf den Seiten 215 und 278 den des Marc Aurel; die Reverslegende enthält jeweils die Abkürzung LIB. AUGUSTOR. Zweites congiarium: Mitte 165, möglicherweise aus Anlass der Heirat (im Jahr 163?) des L. Verus mit Lucilla, der Tochter des Marc Aurel. Belege: RIC 3 (1930) S. 283 Nr. 893 f.; S. 325 Nr. 1416–1418. Die Averslegende der Münzen auf S. 325 nennt den Namen Verus, jene der Münzen auf S. 283 den des Marc Aurel; die Reverslegende enthält jeweils die Abkürzung LIBERAL. AUG.

648 Jenö Fitz, Der markomannisch-quadische Angriff gegen Aquileia und Opitergium, in: Historia 15 (1966) 336–367, hier S. 340. Fitz zitiert den Text der Inschrift nach R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Noricum, Wien 1916, 98. 649 Diese vier congiaria beschreiben van Berchem (1939, 155 f.), Barbieri (1957, 850 f.) und SchmidtDick (2008, 111 f.). Kienast (2017, 133 und 136) datiert einige bis auf den Monat genau.

206 Drittes congiarium:

Viertes congiarium:

B) 4. Item imperia caesarum

Oktober 166; Anlass: Triumph über die Parther. Belege: RIC 3 (1930) S. 224 Nr. 144 (Avers: Marc Aurel; Revers: LIB. AUG. III); S. 258 Nr. 546 (Avers: L. Verus; Revers LIB. AUG. III); S. 285 Nr. 913–915 (Avers: Marc Aurel; Revers: CONG. AUG. III); S. 286 Nr. 917 (Avers: Marc Aurel; Revers: LIB. AUGUS­ TOR.). Anfang 167 aus Anlass des 3. Konsulats des L. Verus. Belege: RIC 3 (1930) S. 226 Nr. 166 f.; S. 259 Nr. 568; S. 288 Nr. 946. Die Averslegende der Münze auf S. 259 nennt den Namen Verus, jene der Münzen auf den Seiten 226 und 288 den des Marc Aurel; die Reverslegende enthält jeweils die Abkürzung CONG. AUG. IIII.

hoc imper(ante) scrofa porcellum peperit in effigiem elefanti. Wahrscheinlich betraf die Missbildung v. a. den Rüssel des Ferkels. Es stellt sich die Frage, ob der Bericht über eine Missgeburt lediglich dazu dienen sollte, den Leser mit einer monströsen Begebenheit zu unterhalten, oder ob der Autor bewusst an die literarische Tradition von Berichten über böse Vorzeichen (prodigia) anknüpfte. Ein prodigium (oft wurden synonym die Begriffe omen, portentum, monstrum verwendet) galt in der Zeit der Republik als Hinweis darauf, dass die Götter erzürnt waren und man versuchen musste, drohendes Unheil mit Hilfe religiöser Rituale abzuwenden.650 Es war üblich, eine Missgeburt, ob bei Tieren oder bei Menschen, als prodigium zu interpretieren; dies überliefern z. B. Liv. 31,12,6–7 und Obseq. 50. Vermutlich benutzte der Autor der Stadtchronik eine Quelle, die das missgestaltete Ferkel als böses Vorzeichen deutete. Vielleicht brachte sie es mit dem überraschend frühen Tod des L. Verus in Verbindung. Dessen Geburtsdatum war der 15. Dezember 130,651 demnach starb er bereits im Alter von 38 Jahren. In der vorliegenden Textstelle fehlt jedoch diese Information; daher kann der Leser höchstens ahnen, worauf sich das prodigium beziehen könnte. Es gibt noch eine andere Deutungsmöglichkeit; auch enthält der Text der Stadtchronik zwei weitere Prodigienberichte. Näheres dazu s. u. S. 368 f. excessit Altino. Einige Vergleichsquellen erwähnen ebenfalls die in Venetien gelegene Stadt Altinum: Series regum 155,5: „Beros verschied zu Latinos (= Altinum).“ Aur. Vict. 16,9: cum Lucium satis constet Altini, Venetiae urbe, morbo consumptum. Während Aurelius Victor den frühen Tod des L. Verus ganz allgemein auf eine Krankheit zurückführt, geben andere Vergleichsquellen als Todesursache explizit einen Schlaganfall an. Den genauesten Bericht erhalten wir durch HA Ver. 9,10 f.: conposito 650 Vgl. dazu Engels 2007, 11–14, 259–261; Götz Distelrath, prodigium, in: DNP 10 (2001) 369 f. 651 Kienast 2017, 135.

4.3 Die Caesaren: Divus Verus

207

autem bello in Pannonia urgente Lucio Aquileiam rediere[t], […] sed non longe ab Alti­ no subito in vehiculo morbo, quem apoplexin vocant, correptus Lucius depositus e vehiculo detracto sanguine Altinum perductus, cum triduo mutus vixisset, apud Altinum perit. Eine davon leicht abweichende Version bieten drei auf der EKG basierende Quellen: Eutr. 8,10,3: obiit […] in Venetia, cum a Concordia civitate Altinum proficisceretur et cum frater in vehiculo sederet, subito sanguine ictus, casu morbi, quem Graeci apople­ xin vocant. Hier. chron. z.J. 169  n. Chr.: Lucius […] inter Concordiam et Altinum apoplexi extinctus est sedens cum fratre in vehiculo. Epit. de Caes. 16,5: Verus inter Altinum atque Concordiam iter faciens ictu sanguinis, quem morbum Graeci ἀπόπληξιν vocant, exstinctus est. Cassius Dio (71,2,4), Aurelius Victor (16,5–8) und die HA (Aur. 15,5 f.; Ver. 11,2) erwähnen Gerüchte, denen zufolge Verus von Marc Aurel vergiftet worden sei, aber sowohl Aurelius Victor als auch die Historia Augusta bezeichnen diese Gerüchte als unglaubwürdig. Aus den oben zitierten Berichten, insbesondere aus den von der Historia Augusta überlieferten Details, lassen sich die Todesumstände des L. Verus wie folgt rekonstruieren: Nachdem die Kämpfe an der Donaugrenze ein vorläufiges Ende gefunden hatten, befanden sich L. Verus und Marc Aurel auf dem Rückweg über Aquileia (vgl. Gal. XIV, 650 Kühn) nach Rom. Die Adoptivbrüder benutzten einen Reisewagen, in welchem L. Verus zwischen den Ortschaften Concordia und Altinum einen Schlaganfall erlitt. Man hob ihn aus dem Wagen, ließ ihn zur Ader und brachte ihn nach Altinum, wo er nach dreitägiger Bewusstlosigkeit starb. Altinum (h. Altino), damals eine blühende Handelsstadt nahe der adriatischen Küste, lag an der Straße von Aquileia nach Patavium (h. Padua); die Entfernung zwischen Aquileia, dem zeitweiligen Aufenthaltsort der beiden Kaiser, und Altinum betrug ca. 60 Meilen.652 Iulia Concordia (h. Concordia Sagittaria), seit der Zeit des Augustus eine römische Kolonie, lag etwa in der Mitte zwischen Aquileia und Altinum.653 Fazit Eutropius, Hieronymus und die Epitome de Caesaribus berichten wohl fälschlich, L. Verus sei dort gestorben, wo er den Schlaganfall erlitt, also zwischen Concordia und Altinum. Hingegen lokalisiert die Stadtchronik den Sterbeort mit Altino wahrscheinlich richtig. Ihre Formulierung excessit weist auf eine natürliche Todesursache hin; die Berichte der Vergleichsquellen stehen damit im Einklang, sind aber meist wesentlich genauer. 652 Hülsen, Altinum Nr. 2, in: RE 1,2 (1894) 1697 f. Vgl. die Karte bei J. Untermann, Venetisch, in: DNP 12,2 (2002) 11 f. 653 Hülsen, Concordia Nr. 1, in: RE 4,1 (1900) 830 f.

208

B) 4. Item imperia caesarum

4.3.18 Marcus Antoninus So wird Marc Aurel auch von anderen literarischen Quellen genannt. Beispiele: Cass. Dio 71; Hier. chron. z.J. 161; HA Aur.1,1 (in dieser vita heißt er meist nur Marcus). Manche nennen ihn (Marcus) Aurelius Antoninus (Aur. Vict. 16,1; Epit. de Caes. 16,1) oder Marcus Aurelius (Tert. apol. 25,5; Hier. chron. z.J. 175 n. Chr.). Heute wird stets die zuletzt genannte Namensform verwendet. Alle zitierten Namensvarianten findet man auch auf Münzlegenden. Laut HA Aur. 1,9 trug er in den ersten Lebensjahren den Namen seines Urgroßvaters mütterlicherseits, Catilius Severus. Diese Angabe wurde von der modernen Forschung meist als zutreffend akzeptiert, aber in jüngster Zeit angezweifelt: Jörg Fündling vertritt die Ansicht, der spätere Kaiser habe zunächst den Namen des Vaters getragen und erst nach dessen Tod eine Zeitlang (Marcus Annius) Catilius Severus geheißen.654 Unstrittig ist, dass er einige Zeit nach dem frühen Tod seines Vaters von seinem Großvater väterlicherseits adoptiert wurde, woraufhin sein Name ab dem 17. März 136 M. Annius Verus lautete. Am 25. Februar 138 wurde der Onkel des knapp 17jährigen Marcus, der spätere Antoninus Pius, von Hadrian adoptiert. Dieser veranlasste, dass sein Adoptivsohn seinerseits den Neffen Marcus unter dem Namen M. Aelius Aurelius Verus adoptierte. Dieser wiederum nahm nach dem Tod des Antoninus Pius den Kaisernamen Imperator Caesar M. Aurelius Antoninus Augustus an. Bald nach seinem Tod erfolgte die consecratio als Divus M. Antoninus Pius. Laut HA Aur. 18,3 sei man dabei aufgrund der überaus großen Beliebtheit des Verstorbenen vom üblichen Verfahren abgewichen: Senat und Volk hätten ihn nicht, wie es sonst üblich gewesen sei, nacheinander, sondern in einer gemeinsamen Zeremonie zum Gott erklärt. Während er in den Aufzeichnungen der fratres arvales zum Jahr 186 n. Chr. (CFA Nr. 95, Z. 8) sowie im Feriale Duranum 1,21 als Divus geführt wird, fehlt der Hinweis auf die Divinisierung sowohl in der Stadtchronik als auch bei den im Chronographen von 354 verzeichneten Kaiserfesttagen (s. u. S. 354). imp(eravit) ann(os) XVIII m(enses) XI dies XIIII. A) Burgess zur Regierungsdauer des Marc Aurel655 (Zusammenfassung) Marc Aurel herrschte vom 7. März 161 (Beleg: Fer. Dur.) bis zum 17. März 180 (Belege: Tert. apol. 25,5; Cass. Dio 71,33,4); das ist eine Zeitspanne von 19 Jahren und 10/11 Tagen. Damit stimmen die Angaben der folgenden Quellen („relevant Chronologies“) überein: Clem. Al. strom 1, 21, 144; Theoph. ad Autol. 3,27; Cassius Dio 71,34,5; Zon.

654 Fündling 2008, 23, 186 Anm. 19. Hingegen orientieren sich an HA Aur. 1,9: P. v. Rohden, Annius Nr. 94, in: RE 1,2 (1894) 2282; Stein, PIR2 1 (1933) A 697, 119; Rosen 1997, 22; Kienast 2017, 131 f.- Im Folgenden basieren die Angaben zu den Namen und Titeln v. a. auf Kienast, PIR und Fündling (jeweils a. a. O.). 655 Burgess 2014, 58 f.

4.3 Die Caesaren: Marcus Antoninus

209

12,3 (S. 531, Z.15 f.). Bei Theophilus lautet die Angabe „19 Jahre und 10 Tage“, bei den anderen Quellen „19 Jahre und 11 Tage“. Auch die meisten anderen Quellen überliefern eine Regierungsdauer von 19 Jahren, nennen jedoch hinsichtlich Monaten und Tagen unterschiedliche Zahlen. Beispielsweise verzeichnet der Liber generationis I (390) über die 19 Jahre hinaus weitere 5 Monate und 12 Tage, während Hier. chron. z.J. 161 n. Chr. eine aufgerundete Zahl angibt: 19 Jahre und 1 Monat. Burgess versucht zu erklären, wie die falschen Zahlenangaben im Breviarium Vindobonense zustandegekommen sein könnten. Vermutlich seien beim Kopieren der ursprünglich richtigen Zahlen im Lauf der Zeit mehrere Fehler begangen worden: – Aus XI Tagen seien XI Monate geworden; – später seien zusätzlich XI  Tage hinzugefügt worden, was folgende Regierungsdauer ergeben habe: ann. XVIIII m. XI dies XI; – aus ann. XVIIII konnten durch einen weiteren Kopistenfehler leicht ann. XVIII werden; – unerklärbar bleibe, wie aus dies XI fälschlich dies XIIII werden konnten. B) Ergänzung: Als Beleg dafür, dass der dies imperii des Marc Aurel der 7. März des Jahres 161 war, nennt Burgess nur Fer. Dur. 1,21. Diese Textstelle ist aber nicht unproblematisch; vgl. S. 204 mit Anm. 646. Hingegen bietet IGRR 1,1509 einen eindeutigen Beleg. C) Fazit: Die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer ist um fast einen  Monat zu kurz. Burgess bietet für diesen Fehler eine detaillierte Erklärung an, die größtenteils plausibel, aber natürlich nicht beweisbar ist. cong(iarium) ded(it) X DCCCL. Wieder gibt die Stadtchronik die Gesamtsumme mehrerer congiaria an. Bei den ersten vier congiaria traten die beiden Augusti Marcus Aurelius und Lucius Verus gemeinsam als Spender auf. Zu diesen Geldspenden aus den Jahren 161 bis 167 n. Chr. s. o. S. 205 f. Die Fachliteratur verzeichnet für die Jahre 169, 175 und 177 drei weitere congiaria des Marc Aurel.656 Die Historia Augusta berichtet von einer achten Geldspende, die anlässlich der Hochzeit des Commodus mit Bruttia Crispina verteilt worden sei (HA Aur. 27,8), d. h. im Jahr 178.657 Demgegenüber erwähnt Cassius Dio (71,33,1) zwar die Heirat, sagt jedoch nichts davon, dass aus diesem Anlass ein congiarium verteilt worden sei. Außerdem lässt Cass. Dio 71,33,2 darauf schließen, dass der Kaiser damals nicht über genügend Geld verfügte, um ein weiteres congiarium 656 Kienast 2017, 133, 142; Berchem 1939, 156; Barbieri 1957, 851–854. 657 Datierung nach Kienast 2017, 140. F. v. Saldern (2003, 27 Anm. 138) glaubt nicht an ein congiarium aus Anlass dieser Heirat. Vgl. dazu auch Barbieri 1957, 853.

210

B) 4. Item imperia caesarum

finanzieren zu können. Im Folgenden werden die wesentlichen Forschungsmeinungen und Belege zu den congiaria zusammengestellt, die Marc Aurel nach dem Tod seines Mitregenten Lucius Verus nachweislich verteilen ließ. Fünftes congiarium:

Ausbezahlt im  Jahr 169. Anlass: Entweder, wie van Berchem annimmt,658 der Tod des L. Verus oder, was als weniger wahrscheinlich gilt, die Heirat der Lucilla (Tochter Marc Aurels, Witwe des L. Verus) mit Ti. Claudius Pompeianus im Herbst 169. Kienast teilt offenbar die Ansicht van Berchems, da er sowohl den Tod des L. Verus als auch das congiarium auf Anfang 169 datiert. Belege: RIC 3 (1930) M. Aurelius Nr. 206; 221; 267; 284. Die Reverslegende lautet stets LIBERAL. AUG. V. COS. III.; der dritte und letzte Konsulat des Marc Aurel wird auf Januar 161 datiert. Die Averslegende der Münze Nr. 206 besagt, dass er zum 23. Mal die tribunicia potestas innehatte. Daher wird die Prägung dieses Denars auf den Zeitraum von Dezember 168 bis Dezember 169 datiert.659 Daraus ergibt sich auch die Datierung der Geldspende auf 169. Die drei anderen Münzen wurden, offenbar zur Erinnerung an diese Spende, zwischen Dezember 169 und Dezember 173 geprägt. Sechstes congiarium: Anlass war das tirocinium des Commodus. Commodus empfing die toga virilis am 7. Juli 175 (HA Comm. 2,2; 12,3) an der Reichsgrenze (HA Aur. 22,12), vielleicht in Sirmium. Kienast datiert das congiarium ebenfalls auf Juli 175, aber laut HA Comm. 2,1 wurde die Spende in der Basilica Ulpia unter dem Vorsitz des Commodus verteilt, als er die toga virilis noch nicht angelegt hatte (in praetexta puerili congiarium dedit), d. h. bevor er am 19. Mai 175 zu seinem Vater nach Germanien (HA Comm. 12,2) bzw. Pannonien aufbrach. Weitere Belege: RIC 3 (1930) M. Aurelius Nr. 317–321 (Reverslegende: LIBERAL. AUG. VI.); 597; 598; 612 (Reverslegende jeweils LIBERALITAS AUG.); 1147–1149 (Reverslegende: LIBERAL. AUG. VI.), 1516 u. 1517 (LIBERALITAS AUG. S. C.). Siebtes congiarium: Verteilt vermutlich Anfang 177 (vgl. Kienast 2017, 133).

658 Berchem 1939, 156. Es war üblich, bei Begräbnissen Geldspenden, die sportula oder auch exequiari­ um genannt wurden, an Arme zu verteilen. 659 RIC 3, 228 f.

4.3 Die Caesaren: Marcus Antoninus

211

Mögliche Anlässe: Marc Aurel feierte gemeinsam mit seinem Sohn660 einen Triumph über die Germanen und Sarmaten. Außerdem beteiligte er Commodus an der Regierung: Er verlieh ihm den Titel imperator (laut HA Comm. 12,4 am 27. November 176) und vermutlich am gleichen Tag die tribunicia potestas; des Weiteren war Commodus im Jahr 177 das erste Mal consul und wurde noch vor dem 17. Juni zum Augustus erhoben.661 Van Berchem erwähnt neben dem gemeinsamen Triumph nur den Konsulat des Commodus, nennt aber als zusätzlichen Anlass für das siebte congiarium die Heirat des Kaisersohnes. Diese fand allerdings erst im Jahr 178 statt. Belege: Laut HA Aur. 27,5 gewährte der Kaiser ein congiarium, als er Commodus durch die Verleihung der tribunicia potestas zum Mitregenten machte. Cassius Dio berichtet, Marc Aurel habe, als er nach acht Jahren Abwesenheit wieder in die Hauptstadt kam, pro Kopf acht Goldstücke, also acht aurei (=200 Denare), gespendet (Cass. Dio 71,32,1). Numismatische Quellen: RIC 3 (1930) M. Aurelius Nr. 1150–1152; 1205–1210; 1222 (Reverslegenden: LIBERALITAS AUG. VII); 1211 (Reverslegende: LIBERAL. AUGUSTOR.). Bei den folgenden Prägungen erscheint in der Averslegende jeweils der Name des Commodus: RIC 3 (1930) M. Aurelius Nr. 1558 und 1559 (Reverslegende: TR. P. II COS. – S. C. – LIBERALITAS AUG. ohne Zählung); bei Nr. 1560–1562 und 1593 weisen die Reverslegenden jeweils auf eine zweite libe­ ralitas des Commodus hin: LIBERALITAS AUG. II. Der Stadtchronik zufolge betrug die Summe der congiaria Marc Aurels 850 Denare pro Kopf. Marc Aurel hatte bei den ersten vier congiaria gemeinsam mit L. Verus 400 Denare gespendet (s. o., S. 205 f.). Als siebte Spende wurden laut Cassius Dio acht aurei gegeben, also 200 Denare. Demnach müsste jeder Empfangsberechtigte beim fünften und sechsten congiarium insgesamt 250 Denare erhalten haben, wahrscheinlich 100 Denare als fünfte und 150 als sechste Spende. Die sechste und v. a. die siebte Spende fielen wohl höher aus als die vorhergehenden, weil Marc Aurel daran interessiert sein musste, seinen Sohn als Nachfolger populär zu machen; daher wurden sie offenbar zugleich in dessen Namen verteilt. 660 P. v. Rohden (Annius Nr. 94, in: RE 1/2, 1894, 2302) ist aufgrund von HA Aur. 16,1; 27,4 und Comm. 2,4; 12,4 der Ansicht, Marc Aurel habe am 27. November 176 triumphiert, Commodus am 23. Dezember. Hingegen hält Kienast (2017, 132, 140) einen gemeinsamen Triumph am 23. Dezember 176 für wahrscheinlich. Desgleichen F. v. Saldern (2003, 26), da HA Comm. 2,4 sich nur auf den Beschluss des Senats über den Triumph beziehe, nicht auf diesen selbst. 661 Zu den Datierungen s. Kienast 2017, 140–142.

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B) 4. Item imperia caesarum

hoc imper(ante) instrumenta debitorum fisci in foro Romano arserunt per dies XXX. Über dieses Ereignis berichten auch mehrere andere Quellen: – Eus. Chron. can., Arm. Karst 223 unter Bezug auf Marc Aurel und Commodus: „Und wer immer nur Geld an den Fiskus schuldete, dem erließen sie es und die (Schuldverschreibungs-) Urkunden verbrannten sie auf dem Romanesia-Markte“. – Syncellus (432, 9–10) gibt das Geschehen in kürzerer Form wieder: Marc Aurel und Commodus hätten auf dem römischen Forum Schuldurkunden verbrannt. – Hier. chron. z.J. 178: Imperatores multis multa largiti sunt et pecuniam, quae fisco debebatur, provinciis concedentes tabulas debitorum in medio Romanae urbis foro in­ cendi praeceperunt. – Cass. Dio 71,32,2: καὶ τοῖς ὀφείλουσί τι τῷ βασιλικῷ καὶ τῷ δημοσίῳ πᾶσι πάντα τὰ ὀφειλόμενα ἀφῆκεν ἀπὸ ἐτῶν ἓξ καὶ τεσσαράκοντα, χωρὶς τῶν ἑκκαίδεκα τοῦ Ἁδριανοῦ· καὶ πάντα τὰ περὶ αὐτῶν γράμματα ἐν τῇ ἀγορᾷ καυθῆναι ἐκέλευσε. Abgesehen von dem Schuldenerlass für die Provinzen, den nur Hieronymus erwähnt, sind die Angaben Cassius Dios (bzw. der Xiphilinos-Epitome) am präzisesten. Demnach erließ Marc Aurel Schulden, die während der vergangenen 46 Jahre gegenüber dem kaiserlichen fiscus und der Staatskasse noch nicht vollständig beglichen worden waren. Der Hinweis auf die 16 Jahre Hadrians ist wohl so zu verstehen, dass Hadrian, der kurz nach seinem Regierungsantritt einen Schuldenerlass für einen Zeitraum von 16 Jahren verfügt hatte (Cass. Dio 69,8,1; vgl. Hier. chron. z.J. 118; HA Hadr. 7,6), mit dieser Maßnahme das Vorbild für Marc Aurels großzügige Anordnung war, von diesem aber noch übertroffen wurde. Laut HA Hadr. 7,6 hatte Hadrian die Schuldurkunden auf dem Traiansforum verbrennen lassen. Marc Aurel tat dasselbe auf dem forum Romanum; dies überliefern neben der Stadtchronik auch die vier anderen oben genannten Quellen. Die Stadtchronik ist hinsichtlich eines Details genauer als jene: Das Verbrennen der Schuldtafeln auf dem Forum zog sich offenbar über einen ganzen Monat hin. Vermutlich wollte der Kaiser dem Volk damit nachdrücklich vor Augen führen, dass er über die Herrschertugend der liberalitas verfügte und dass es um die Staatsfinanzen gut bestellt war. Eine ähnliche Ansicht wird in einer neueren Biographie Marc Aurels vertreten: „Mit den Schuldtafeln, die auf dem Forum verbrannt wurden, verlor die öffentliche Hand hauptsächlich wohl Geld, das sie sowieso nicht mehr gesehen hätte, doch die Symbolwirkung übertraf diesen tatsächlichen Effekt.“(Fündling 2008, 151) Fündling datiert das Ereignis wie Hieronymus in das Jahr 178, wobei er davon ausgeht, die populäre Maßnahme habe im Sommer dieses Jahres im Zusammenhang mit der Hochzeit des Commodus stattgefunden. Diese Annahme leuchtet ein: So lässt sich auch erklären, wieso die Historia Augusta behaupten konnte, anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen sei ein congiarium gewährt worden (HA Aur. 27,8; s. o. S. 209). Vermutlich verwechselte der Verfasser der Historia Augusta den Schuldenerlass, mit dem Marc Aurel seine libe­

4.3 Die Caesaren: Marcus Antoninus

213

ralitas hatte demonstrieren wollen, mit einem congiarium. Für eine Geldspende an das römische Volk war im Laufe des zweiten Jahrhunderts der Terminus liberalitas geläufig geworden (s. die Münzlegenden seit Hadrian). Zu dem Irrtum könnte zusätzlich beigetragen haben, dass die Reverslegenden von im Jahr 178 geprägten Münzen auf die zweite liberalitas des Commodus hinwiesen (RIC 3, 1930, M. Aurelius Nr. 1560–1562 und 1593; s. o. S. 211), obwohl es sich eigentlich um Marc Aurels siebtes congiarium handelte, das im Jahr 177 verteilt wurde. In den Consularia Constantinopolitana662 erscheint der folgende, den Consuln des Jahres 218 n. Chr. zugeordnete Eintrag, der fast wörtlich mit dem Bericht der Stadtchronik über den Schuldenerlass Marc Aurels übereinstimmt: His conss. instrumenta debitorum fisco in foro Romano arserunt per dies XXX. Offenbar wurde hier die Formulierung der Stadtchronik übernommen, jedoch fälschlich der Zeit Caracallas zugeordnet. Diese Ansicht vertreten auch Mommsen und Burgess.663 excessit Pannonia superiore. A) Zum Sterbeort: Traian teilte um 103/106 n. Chr. die römische Provinz Pannonia in den westlichen Teil Pannonia superior (mit den wichtigen Orten Carnuntum, Vindobona und Brigetio) und den östlichen Teil Pannonia inferior (mit den wichtigen Orten Aquincum im Norden, Mursa und Sirmium im Süden).664 Alle antiken Autoren, die geographische Angaben zum Tod des Marc Aurel machen, stimmen darin überein, dass er in Pannonien starb; darüber, wo genau dies geschehen sei, gibt es jedoch unterschiedliche Aussagen: Die vage Ortsangabe Pannonia findet man bei Herodian. 1,3,1; Series regum 155,6; Eus. Chron. can., Arm. Karst 223; Synk. 432,12; Chr. pasch. 1,489, Z. 12 f.; Hier. chron. z.J. 179/180; Cassiod. chron. z.J. 179. Als Sterbeort Marc Aurels wird die Stadt Vindobona genannt von Aur. Vict. 16,14 (Vendobonae interiit) und der Epit. de Caes. 16,12 (apud Bendobonam morbo consumptus est). Dies stimmt mit der Ortsangabe der Stadtchronik insofern überein, als Vindobona in der Provinz Pannonia superior lag. Jedoch berichtet Tertullian, Marc Aurel sei bei Sirmium gestorben: cum M. Aurelio apud Sirmium rei publicae exempto (Tert. apol. 25,5). Tertullian bietet die zuverlässigste Überlieferung, denn er schrieb sein Apologeticum bereits um 197 n. Chr., also weniger als 20 Jahre nach dem Tod des Kaisers. Bannert zufolge starb Marc Aurel wahrscheinlich bei Bononia, dem Donauhafen Sirmiums; die verballhornte Form Bendobona in der Epitome de Caesaribus deutet darauf hin, dass der kleine Ort Bononia von antiken Autoren mit dem viel bekannteren Vindobona ver-

662 Für die Beibehaltung der von Th. Mommsen geprägten Bezeichnung Consularia Constantinopolita­ na plädiert Becker 2016, 3–7; gegen R. W. Burgess, der für die Umbenennung in Descriptio consulum eintritt (s. Burgess 2014, 103–106). 663 Mommsen 1850, 653 Anm. 69; Burgess 2014, 172. 664 Burian/Schön/Wittke, Pannonia (II), in: DNP 9 (2000) 254; vgl. Christ 2009, 299.

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B) 4. Item imperia caesarum

wechselt wurde. Auch dürfte Bannerts Vermutung zutreffen, dass aufgrund der lautlichen Ähnlichkeit mit Bononia häufig Pannonia als geographische Angabe für den Tod Marc Aurels genannt wurde.665 B) Zur Todesursache: Die Formulierung der Stadtchronik enthält keinen Hinweis darauf, dass Marc Aurel auf gewaltsame Art zu Tode kam. Dies stimmt mit der Mehrzahl der anderen Quellen überein, denn sie überliefern, Marc Aurel sei einer schweren Krankheit erlegen: Eus. Chron. can., Arm. Karst 223; Synk. 432,12; Chr. pasch. 1,489, Z. 12 f.; Hier. chron. z.J. 179/180; Cassiod. chron. z.J. 179; Epit. de Caes. 16,12; HA Aur. 28,1–8. Hingegen behauptet Cassius Dio, aus sicherer Quelle zu wissen, dass nicht die Krankheit zum Tod des Kaisers führte; ursächlich seien vielmehr Ärzte, die auf die Dankbarkeit des Nachfolgers Commodus gehofft hätten (Cass. Dio 71,33,4). Die von Cassius Dio ins Spiel gebrachte Mordthese hat in der neueren Forschung keine Zustimmung gefunden. Stattdessen wurden laut Bannert verschiedene unbeweisbare Thesen über die Todesursache aufgestellt, wie Medikamentenmissbrauch, Krebs etc. Gesichert sei jedoch nur, dass Marc Aurel jahrelang an einem Brustleiden erkrankt war (Cass. Dio 71,6,4) und dass um das Jahr 180 eine pestilentia genannte Seuche epidemisch auftrat. Ob auch der Kaiser dieser Seuche zum Opfer fiel, sei unsicher.666 Den ausführlichsten antiken Bericht über den Tod Marc Aurels bietet die Historia Augusta: Der Kaiser sei überzeugt gewesen, an der pestilentia erkrankt zu sein, und habe seinen Sohn rasch vom Krankenlager weggeschickt, um ihn vor Ansteckung zu bewahren (HA Aur. 28,1–9). C) Fazit: Die Stadtchronik weist mit der Formulierung excessit zu Recht auf eine natürliche Todesursache hin. Die meisten anderen Quellen geben diesbezüglich genauere Auskunft: Marc Aurel sei einer Krankheit erlegen; der Historia Augusta zufolge starb er vermutlich an einer Seuche. Der Autor der Stadtchronik verwechselte wahrscheinlich wie andere antike Schriftsteller das nahe Sirmium gelegene Bononia mit Vindobona und gab daher fälschlich an, der Kaiser sei in Pannonia superior gestorben.

665 Bannert 1979, 459–472. In der neueren Forschung teilt man weitgehend die Ansicht Bannerts, vgl. Kienast 2017, 132; Fündling 2008, 171, 214 Anm. 7; Burgess 2014, 172. Burgess irrt jedoch, wenn er schreibt „only Sirmium is in Pannonia Superior“ und daher meint, die Ortsangabe des Breviari­ um sei „accurate“. 666 Bannert 1979, 459 f. Auch Fündling (2008, 171) bleibt hinsichtlich der Todesursache unentschieden, orientiert sich aber bei der Schilderung von Marc Aurels Lebensende an HA 28, wo von pesti­ lentia die Rede ist. Die „Antoninische Pest“ wird in der Forschungsliteratur als eine der größten Katastrophen des Altertums angesehen. Dass es sich tatsächlich um die Pest handelte, d. h. um dieselbe Seuche wie den „Schwarzen Tod“ des 14. Jh., ist aber zu bezweifeln; vgl. J.F. Gilliam, The plague under Marcus Aurelius, in: AJPh 82, 1961, 225–251, insbesondere die Seiten 225–227 und 250 f.

4.3 Die Caesaren: Commodus

215

4.3.19 Commodus667 So wird er in den literarischen Quellen am häufigsten genannt; vgl. Cass. Dio 72; Herodian. 1,5,2–2,2,3; Eus. Chron. can., Arm. Karst 223; Hier. chron. z.d.J. 180–192; Aur. Vict. 17,7; HA Comm. 1,3–20,1. Eine Ausnahme ist HA Comm. 1,1, wo sein Name Commodus Antoninus lautet. Sein Geburtsname war wohl L. Aurelius Commodus, möglicherweise L. Aelius Aurelius Commodus.668 Nachdem ihn sein Vater Marc Aurel Mitte des Jahres 177 zum Mitkaiser erhoben hatte, lauteten Name und Titel  Imperator Caesar L. Au­ relius Commodus Augustus. Als Alleinherrscher, nach dem Tod des Vaters, nannte er sich ab März 180 zuerst L. Aurelius Commodus Antoninus Augustus, seit Oktober 180 Marcus Aurelius Commodus Antoninus Augustus. Im Jahr 191 oder 192 änderte er seinen Namen nochmals zu L. Aelius Aurelius Commodus Augustus, womit er sich wohl als von seinem Vater unabhängig zeigen wollte. Nach seinem Tod beschloss der Senat zunächst die damnatio memoriae, aber Septimius Severus ließ ihn im Jahr 195 konsekrieren als Divus Commodus, frater Imp. Caes. L. Septimi Severi. Von April 217 bis Juni 218 erfolgte unter Macrinus vorübergehend erneut die damnatio memoriae. In dem um 227  n. Chr. verfassten Feriale Duranum wird Commodus noch als Divus verzeichnet (Fer. Dur. 3,1), nicht jedoch in der Stadtchronik; bei den im Chronographen von 354 verzeichneten Kaiserfesttagen erscheint sein Name überhaupt nicht mehr. imper(avit) ann(os) XVI m(enses) VIII d(ies) XII. F. v.Saldern vertritt die Ansicht, Commodus habe den 27. November 176 zu seinem dies imperii erklärt, da er an diesem Tag erstmals zum imperator ausgerufen wurde (HA Comm. 2,4; 12,4); vermutlich erhielt er an diesem Tag auch die tribunicia potestas.669 Als Tag seiner Ermordung ist der 31. Dezember 192 überliefert (Cass. Dio 72,22,4; Herodian. 1,16,1; HA Pert. 4,8). Die Zeitspanne zwischen dem 27. November 176 und dem 31. Dezember 192 beträgt 16 Jahre, 1 Monat und 4/5 Tage; der Stadtchronik zufolge soll Commodus sogar noch länger geherrscht haben. Gegen die Annahme einer so langen Herrschaftsdauer spricht u. a., dass Commodus am 31. August 176 erst 15 Jahre alt geworden war (vgl. Fer. Dur. 3,1; HA Comm. 1,2; 10,2; Cass. Dio 72,22,6). Paul v.Rohden und R. W. Burgess datieren den Regierungsbeginn des Commodus auf den 17. März 180,670 den Todestag Marc Aurels. Demnach herrschte Commodus nur 12 Jahre, 9 Monate und 14/15 Tage lang. Auch Clemens von Alexandria (strom. 667 Handschrift V überliefert Commalus. Alle Editoren emendieren dies zu Commodus. 668 Es ist unklar, ob Commodus den Namen Aelius, also das Gentiliz Hadrians, gleich nach der Geburt oder etwas später erhielt; s. dazu Saldern 2003, 9 Anm. 3; P. v. Rohden, Aurelius Nr. 89, in: RE 2,2 (1896) 2465, 2469 f. Zu den Namen und Titeln des Commodus s. Stein, PIR2 1 (1933) A 1482, 301–303; Kienast 2017, 140 f. Literarisch ist die vollständige Kaisertitulatur bei Cass. Dio 72,15,5 belegt. 669 Saldern 2003, 25 f.; vgl. Kienast 2017, 140 f. 670 P. v.Rohden, Aurelius Nr. 89, in: RE 2,2 (1896) 2469; Burgess 2014, 59.

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B) 4. Item imperia caesarum

1,21,144) und Cassius Dio (72,22,6; Xiph.), denen als Zeitgenossen des Commodus besonderes Gewicht beizumessen ist, haben so gerechnet, denn sie überliefern als dessen Regierungsdauer 12 Jahre, 9 Monate und 14 Tage. Andere Quellen verzeichnen für Commodus ebenfalls meistens 12 Regierungsjahre (vgl. Burgess a. a. O.), nennen aber hinsichtlich der Monate und Tage unterschiedliche Zahlen; Beispiele: Liber gen. I (391): 12 Jahre, 8 Monate und 24 Tage; Eutr. 8,15: 12 Jahre und 8 Monate; Cedrenus 441,3: 12 Jahre und 9 Monate; Zon. 12,5 (S. 538, Z. 11 f.): 12 Jahre, 9 Monate und 14 Tage. Auf 13 Jahre runden auf: Herodian. 1,17,12; Hier. chron. z.J. 180 n. Chr. Burgess (a. a. O.) ist der Ansicht, dass die Stadtchronik ursprünglich als Regierungsdauer des Commodus wohl 12  Jahre, 8  Monate und 14  Tage angegeben hatte. Die von ihm vorgeschlagene Erklärung für die Fehler, die sich bei der Textüberlieferung einschlichen, erscheint durchaus plausibel: Aus XII  Jahren wurden durch Schreibfehler XVI Jahre, aus XIIII Tagen wurden XII Tage. Die Zahl von 8 Monaten ist zwar falsch, es scheint aber eine solche Tradition gegeben zu haben, wie die Angaben von Liber generationis und Eutropius zeigen; auch Malalas 12,1 verzeichnet 8 Monate (neben der falschen Zahl 22 statt 12 Jahre). Dass die Stadtchronik fälschlich menses VIII überliefert, ist daher einer fehlerhaften Tradition anzulasten. cong(iarium) dedit X DCCCL. Wie bei allen Kaisern seit Traian gibt die Stadtchronik auch hier die Gesamtsumme mehrerer congiaria an. Für Commodus sind acht solche Spenden belegt; die zwei ersten hatte er 175 und 177 n. Chr. gemeinsam mit seinem Vater verteilt. Diese beiden congiaria (sechstes und siebtes congiarium Marc Aurels, auf Münzlegenden als erstes und zweites des Commodus gezählt), wurden auf S. 210 f. behandelt; daher gehe ich im Folgenden nur auf die weiteren sechs congiaria ein:671 Drittes congiarium:

Viertes congiarium:

Ausbezahlt 180 n. Chr. Anlass: Tod Marc Aurels und Triumph über die Germanen. Belege: RIC 3 (1930) Commodus Nr. 10 (Reverslegende: LIB. AUG. TR. P. V IMP. IIII COS. II P. P.); Nr. 300 (LIBERALITAS AUG. TR. P. V IMP. IIII COS. II P. P. S. C.) und Nr. 302 (LIB. AUG.). Verteilt im  Jahr 181. Anlass: Im Januar 181 wurde Commodus zum drittenmal consul. Belege: RIC 3 (1930) Commodus Nr. 22 (Reverslegende: LIB. AUG. IIII TR. P. VI IMP. IIII COS. III P. P.); Nr. 309 und 310 (LIB. AUG. IIII).

671 Basierend auf den Angaben bei Berchem 1939, 157 f.; Barbieri 1957, 854 f.; Kienast 2017, 142; Saldern 2003, 163 f.

4.3 Die Caesaren: Commodus

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Fünftes congiarium:

Verteilt im Jahr 182; Anlass unbekannt. (Datierung durch Barbieri und Kienast aufgrund der Münzlegenden; gegen die These van Berchems, die Spende sei erst im Jahr 183 aus Anlass des vierten Konsulats gewährt worden). Belege: RIC 3 (1930) Commodus Nr. 36 (Reverslegende: LIB. AUG. V TR. P. VII IMP. IIII COS. III P. P.); Nr. 37 und 329 (LIBERAL. V). Sechstes congiarium: Verteilt im Jahr 186 aus Anlass des 5. Konsulats des Commodus. Belege: RIC 3 (1930) Commodus Nr. 132–135; 471; 471a; 478; 484 (unterschiedliche Reverslegenden, fünfmal erscheint LIB. AUG. VI, bei Nr. 471 zusätzlich COS. V). Siebtes congiarium: Verteilt im Jahr 190 aus Anlass des 6. Konsulats. Belege: RIC 3 (1930) Commodus Nr. 202; 208; 562–564 (die Reverslegenden lauten unterschiedlich; dreimal erscheint LIBERAL[ITAS] AUG. VII). Achtes congiarium: Verteilt im Jahr 192 aus Anlass des 7. Konsulats. Belege: RIC 3 (1930) Commodus Nr. 239 (Reverslegende: LIB. AUG. VIII); 617–619; 627 (unterschiedliche Reverslegenden, bei Nr. 619 und 627 erscheint auch COS. VII). Die Reverslegende einer noch im Jahr 192 geprägten Münze erwähnt ein neuntes con­ giarium: RIC 3, 1930, Commodus Nr. 240, LIB. AUG. VIIII. Commodus wurde jedoch ermordet, bevor er es verteilen lassen konnte. Laut Historia Augusta ließ Pertinax das von seinem Vorgänger versprochene congiarium auszahlen: donativa et congiaria, quae Commodus promiserat, solvit (HA Pert. 7,5). Hinsichtlich der Höhe der von Commodus gewährten congiaria enthalten die Quellen widersprüchliche Angaben. Cass. Dio (Xiph.) 72,16,2 überliefert, Commodus sei sehr freigebig gewesen und habe oft (πολλάκις) congiaria in Höhe von 140 Denaren po Kopf verteilen lassen. Laut Stadtchronik spendete er dem Volk insgesamt 850 Denare, laut HA Comm. 16,8 aber nur 725 Denare. Man kann die Angabe der Stadtchronik möglicherweise mit der von Cassius Dio genannten Zahl in Einklang bringen: Dann nämlich, wenn jeweils nur jene sechs congiaria gemeint waren, die während der Alleinherrschaft von Commodus zur Auszahlung kamen: Sechsmal 140 Denare ergeben in der Summe 840 Denare, der Unterschied zur Angabe der Stadtchronik ist also minimal. Die von der Stadtchronik genannte Gesamtsumme kann nur aus jenen sechs congiaria errechnet worden sein, die zwischen 180 und 192 n. Chr. zur Auszahlung kamen. Denn beim congiarium des Jahres 177 (das siebte Marc Aurels, gleichzeitig das zweite des Commodus) wurden 200  Denare, beim vorhergehenden des  Jahres 175 wahrscheinlich 150 pro Kopf verteilt (vgl. S. 211). Würde die von der Stadtchronik genannte Summe, 850 Denare, auch diese beiden congiaria einschließen, hätte der bei den weiteren sechs Spenden gezahlte Betrag in keinem Fall höher als 100 Denare liegen können. Dann aber hätte Cassius Dio, in dem man einen zuverlässigen Zeitzeu-

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B) 4. Item imperia caesarum

gen sehen darf, nicht davon sprechen können, Commodus habe dem Volk mehrfach 140  Denare gegeben. Falko von Saldern ist ebenfalls der Ansicht, dass sich die von Dio, der Stadtchronik und der Historia Augusta angegebenen Summen auf jene sechs congiaria beziehen, die ab dem Jahr 180 gewährt wurden. Doch obwohl die von Cassius Dio und der Stadtchronik genannten Zahlen fast übereinstimmen, hält er nur den von der Historia Augusta genannten Betrag (725 Denare) für glaubwürdig, denn „ein Regelsatz von 100 Denaren bei drei Verteilungen würde für die restlichen drei einen Satz von etwas über 140 Denaren zulassen“ (Saldern 2003, 165). Diese Argumentation liefert jedoch keine überzeugende Begründung für die These, die Aussage der Stadtchronik sei weniger glaubwürdig sei als diejenige der Historia Augusta. Eine vergleichende Untersuchung kam 1991 zu dem Schluss, dass jene Zahlen, welche die Historia Augusta hinsichtlich kaiserlicher Spenden nennt, keineswegs zuverlässiger sind als die Zahlen der Stadtchronik.672 Neben den sehr großzügigen congiaria zählt Cassius Dio weitere Beispiele auf, um zu belegen, dass Commodus einen Hang zur Verschwendung hatte: Cass. Dio 72,15,3; 72,16,1–3). Pertinax fand bei Regierungsantritt eine fast leere Staatskasse vor; daher ließ er, um dem Mangel abzuhelfen, den Besitz des Commodus öffentlich versteigern (Cass. Dio 73,5,4–5; HA Pert.7,6; 7,8–11). hoc imp(erante) thermae Commodianae dedicatae sunt. Nur wenige andere Quellen sagen etwas über Bauwerke des Commodus aus. Aurelius Victor berichtet, Commodus habe die öffentlichen Bauten der Hauptstadt, die der Größe Roms nicht angemessen genug schienen, in Bäder verwandelt: Moenia Romae potentia vix digna lavandi usui instituit (Aur. Vict. 17,3). M. Aurelius Cleander, der zum mächtigsten Mann im Umfeld des Commodus aufgestiegen war, erbaute laut HA Comm. 17,5 Thermen im Namen des Kaisers; ansonsten seien keine weiteren Bauten von diesem erhalten. Auch Herodian betont, die Thermen seien das Werk Cleanders gewesen. Dieser habe geplant, selbst Kaiser zu werden, und sich mit dem großen Bauwerk beim Volk beliebt machen wollen (Herodian 1,12,4). Cassius Dio erwähnt ebenfalls Baumaßnahmen des Cleander: Er habe große Summen aufgewendet für Bäder, Häuser und anderes (Cass. Dio 72,12,5). Es scheint, als hätten neben Herodian auch die Historia Augusta und Cassius Dio die Thermen des Commodus dadurch entwerten wollen, dass sie Cleander als den eigentlichen Bauherrn herausstellten. Einige Angaben der Historia Augusta zur Baupolitik des Commodus sollten offenbar ein negatives Bild des Kaisers zeichnen: Dessen Namen habe der Senat dort, wo er an fremden Bauten angebracht gewesen sei, im Rahmen der damnatio memoriae tilgen lassen; überdies habe Commodus nicht einmal die von seinem Vater begonnenen Bauten vollendet (HA Comm 17,6–7). Diese Aus-

672 Delmaire 1991, 147–159.

4.3 Die Caesaren: Commodus

219

sagen stießen in der Forschung auf Skepsis, denn außerhalb der Historia Augusta gibt es keine Zeugnisse dafür, dass Commodus Bauten anderer für sich reklamiert hätte. Während seiner Regierung wurden nicht nur die nach ihm benannten Thermen fertiggestellt, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der Tempel für Marc Aurel, die Marcussäule und der Tempel für Faustina II.673 Hieronymus datiert in seiner Chronik die Fertigstellung der thermae Commodianae auf das Jahr 183, aber Cleander war wohl erst später cubicularius, a pugione und Prätorianerpräfekt; sein Sturz erfolgte wahrscheinlich 189.674 Daher ist anzunehmend, dass die Thermen des Commodus erst in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre errichtet wurden. Laut Herodian. 1,12,4 waren die Thermen außergewöhnlich groß, aber heute sind keine Reste mehr von ihnen erhalten. In der Stadtchronik wird der Eintrag hoc imp. thermae Commodianae dedicatae sunt in dem Decius gewidmeten Abschnitt wiederholt (s. u. S. 277); dies ist offensichtlich eine Korruptel. excessit domo Victiliana. A) Zur Todesursache: Aus der Formulierung der Stadtchronik geht nicht hervor, dass Commodus auf gewaltsame Art zu Tode kam. Er wurde aber zweifellos Opfer eines Mordanschlags. Bei der Inthronisierung seines Nachfolgers erklärte man jedoch der Öffentlichkeit, er sei eines natürlichen Todes gestorben (Herodian. 2,1,3; 2,2,6; HA Pert. 4,7). Lange konnte man diese Fiktion aber nicht aufrechterhalten, wie die ausführlichen Berichte von Cassius Dio (72,22,1–5) und Herodian (Herodian. 1,16–17) über Vorbereitung und Durchführung des Mordanschlags zeigen. Cassius Dio war Mitglied des Senats, als die Tat verübt wurde, und Herodian schrieb nur wenige Jahre nach Dio. Über den Mord an Commodus berichten auch Eutr. 8,15 (Eutropius drückt sich allerdings sehr unbestimmt aus); Hier. chron. z.J. 192; Aur. Vict. 17,7–9; Epit. de Caes. 17,5–6; HA Comm. 15,2; 16,3, 17,1–2; Pert. 4,4; 5,7. Die Berichte über die Verschwörung gegen Commodus und über jene gegen Domitian (vgl. S. 180 f.) weisen deutliche Parallelen auf: In beiden Fällen sollen die Hauptbeteiligten zum engen persönlichen Umfeld des Kaisers gehört und sich von diesem bedroht gefühlt haben. Bei Commodus waren es dessen Konkubine Marcia, der cubicularius Eclectus und der Prätorianerpräfekt Q. Aemilius Laetus. Der damalige praefectus urbi Pertinax war laut HA Pert. 4,4 ebenfalls eingeweiht. Am Abend des 31. Dezember 192 versuchten Marcia, Eclectus und Laetus zunächst, Commodus zu vergiften. Als aber das Gift nicht wie erhofft wirkte, ließen sie ihn durch einen Athleten namens Narcissus erdrosseln.

673 Saldern 2003, 168–171. 674 Laut P. v. Rohden (RE 2,2, 1896, 2476 f.) wurde Cleander um 185 cubicularius. Kienast (2017, 141) und Saldern (2003, 192 f.) datieren den Sturz des Cleander auf das Jahr 189.

220

B) 4. Item imperia caesarum

Es gibt deutliche Anhaltspunkte dafür, dass neben Pertinax noch weitere Senatoren zum Kreis der Verschwörer gehörten;675 dafür spricht sowohl das Verhalten des Senats als auch jenes des Pertinax in den ersten Stunden nach dem Tod des Commodus. Vermutlich waren aber außerdem einige Provinzstatthalter (darunter L. Septimius Severus) an der Verschwörung beteiligt.676 B) Zum Sterbeort: Kurz vor dem Mordanschlag war Commodus vom Palatin weggezogen, mit der Begründung, dort finde er keinen Schlaf, und hatte sich zu einem domus Vectiliana genannten Palast auf dem Caelius begeben (HA Comm. 16,3). Dort wurde er ermordet (HA Pert. 5,7). Den Ort bestätigen weitere Quellen, allerdings ist der Name auf unterschiedliche Weise entstellt: Series regum 155,7: „Komodos wurde begraben im Palaste des Vitelios“. Eus. Chron. can., Arm. Karst 223: „Komodos verendete unvermutet, erstickt im Palaste des Bestilianos“ = Chr. pasch. 492,14 (ἐν οἰκίᾳ Βεστιανοῦ). Hier. chron. z.J. 192 n. Chr.: Commodus strangulatur in domo Vestiliani. Woher der Name Vectiliana stammt, ist unklar. In HA Avid. 5,5 wird ein Caesonius Vecti­ lianus erwähnt; die Caesonii scheinen von Marc Aurel für ihre militärischen Verdienste ausgezeichnet worden zu sein.677 Laut HA Aur. 1,5 wurde Marc Aurel in der Gartenstadt auf dem Caelius geboren, seine Familie hatte also dort Besitz. Zwischen der do­ mus Vectiliana und den Gladiatorenkasernen, die am Caelius mons lagen (s. o. S. 176), muss ein baulicher Zusammenhang bestanden haben. Denn Cassius Dio und Herodian erwähnen zwar nicht den Namen Vectiliana, berichten aber beide, Commodus habe in der Gladiatorenkaserne übernachten wollen, um am Neujahrstag von dort aus vor das Volk zu treten (Cass. Dio 72,22,2; Herodian. 1,15,8; 1,16,3–5). Dio fügt hinzu, der Kaiser habe bei den Gladiatoren das erste Zimmer bewohnt, als ob er einer von ihnen gewesen wäre. Offenbar wollte Commodus nicht nur als siegreicher Gladiator und neuer Hercules verehrt werden (Cass. Dio 72,17,2–22,3; Herodian. 1,14,8–1,15,9), sondern vertraute auch darauf, bei den Gladiatoren in Sicherheit zu sein. Möglicher675 In erster Linie ist an die Senatoren Claudius Pompeianus und Acilius Glabrio zu denken. Siehe die Argumentation von Schöpe 2011, 258–261. Vgl. auch Gherardini 1974, 341 f. 676 Näheres dazu bei Birley 1969, 251 f. und 271–275; ders. 1971, 82–89. Birley ist der Ansicht, dass einige Männer, die 192/Anfang 193 Schlüsselpositionen innehatten (der Prätorianerpräfekt Laetus, der Stadtpräfekt Pertinax, der Statthalter Pannoniae Superioris Septimius Severus, der Statthalter Britanniae Clodius Albinus und andere) seit Jahren Bindungen zueinander aufgebaut und den 1. Januar 193 als Zeitpunkt eines Putsches gut geplant hatten. In neuerer Zeit wird Birleys Argumentation unterstützt u. a. durch Strobel 2004, 529–532. 677 Vgl. Palombi, Domus: Vectiliana, in: LTUR 2 (1995) 211. Die Schreibweise Vectiliana gilt in der Forschung als die richtige (s. Platner/Ashby, 197; Richardson NTDAR, 140; Burgess 2014, 173), vermutlich weil bei Eusebius, Hieronymus und Historia Augusta trotz sonstiger Unterschiede als zweiter Buchstabe ein „e“ zu lesen ist.

4.3 Die Caesaren: Pertinax

221

weise hatte er Verdacht geschöpft, dass erneut eine Verschwörung gegen ihn im Gange war, und fühlte sich auf dem Caelius sicherer als auf dem Palatin.678 Die Regionenkataloge Notitia und Curiosum verzeichnen das Gebäude als Victiliana in der Caelemontium bzw. Caeleomontium genannten Regio II. 679 Die Stadtchronik schreibt ebenfalls Victi­ liana; dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass sie auf die Urfassung von Notitia und Curiosum zurückgriff. C) Fazit: Der Sterbeort des Commodus wird von der Stadtchronik richtig angegeben, nur hieß das Gebäude wahrscheinlich nicht domus Victiliana, sondern domus Vectiliana. Es muss auf dem Caelius nahe bei den Unterkünften der Gladiatoren gestanden haben. Da die Ermordung des Commodus gut bezeugt ist, wäre die Formulierung occisus passender gewesen als excessit. Wie sich jedoch bei Eutropius zeigt, gab es noch in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts eine Tradition, der zufolge der Mord an Commodus nicht als bewiesene Tatsache galt: Obiit morte subita atque adeo, ut strangulatus vel veneno interfectus putaretur (Eutr. 8,15). So hielt es der Verfasser der Stadtchronik wohl für sicherer, die neutrale Formulierung excessit zu wählen. 4.3.20 Pertinax Die literarischen Hauptquellen (Cass. Dio 73,1–10; Herodian 2,1,3–2,6,1; HA Pert.) verwenden wie die Stadtchronik nur sein cognomen. Sein Geburtsname war vermutlich Publius Helvius.680 Er war der Sohn des Freigelassenen Helvius Successus, der laut HA Pert. 1,1 seinem Sohn wegen dessen Arbeitseifer den Beinamen Pertinax gegeben haben soll. Nach der Kaiserproklamation lautete sein Name Imperator Caesar P. Helvius Pertinax Augustus. Unter Septimius Severus wurde er divinisiert (HA Pert. 14,10; Sept. Sev. 7,8; Cass. Dio 73,17,4; 74,4,1–5,5). Erneut versäumt es die Stadtchronik, den Titel Divus zu erwähnen. Bei den im Chronographen von 354 verzeichneten kaiserlichen Festtagen wird er hingegen als Divus Pertinax erwähnt (s. u. S. 354). imper(avit) d(ies) LXXV. Wenige Stunden nach der Ermordung des Commodus wurde Pertinax in der Prätorianerkaserne zum Kaiser proklamiert; veranlasst hatte dies der Prätorianerpräfekt Aemilius Laetus. Die Historia Augusta datiert das Ereignis auf den späten Abend des 31. Dezember 192 (HA Pert. 4,8), aber laut Herodian. 678 Dies vermutet auch M. Gherardini 1974, 343 f. Die Autorin nimmt an, die domus Vectiliana sei identisch mit der Gladiatorenkaserne. Dieselbe Ansicht vertritt Hanslik, Vestilius, in: RE 8 A2 (1958) 1778. Dagegen: Palombi, Domus: Vectiliana, in: LTUR 2 (1995) 211. 679 Nordh 1949, 75. 680 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 145; Groag/Stein, PIR2 4,2 (1958) H 73, 63–67; Fluss, Helvius Nr. 15a, in: RE Suppl. 3 (1918) 895–899.

222

B) 4. Item imperia caesarum

2,2,2–10 fand es in den frühen Morgenstunden des 1. Januar 193 statt. Noch am gleichen Morgen wurde Pertinax vom Senat als neuer Augustus anerkannt (Cass. Dio 73,1,4; Herodian. 2,3,2–3; HA Pert. 4,11). Als sein Todestag wird durch HA Pert. 15,6 der 28. März 193 überliefert; die von Cassius Dio (73,10,3) angegebene Lebensdauer des Pertinax weist auf dasselbe Datum hin. Demnach regierte er 87 Tage lang. Exakt diese Zahl nennen Cass. Dio 73,10,3; Zon. 12,6 (S. 542, Z. 14); Cedrenus 441,15. Wie Burgess ausführlich darlegt, gibt es jedoch deutliche Hinweise darauf, dass Pertinax bereits am 26. März getötet wurde und sich die Zahl „87 Tage“ auf die zeitliche Distanz zwischen dem 1. Januar 193 und dem Regierungsantritt des Didius Iulianus am 28. März bezieht:681 Den ersten Hinweis erhalten wir durch die in HA Pert. 15,6 enthaltenen widersprüchlichen Daten: Zwar wird als Todestag des Pertinax der 28. März (193) genannt, aber die angegebene Regierungsdauer (mensibus II diebus XXV, übereinstimmend mit Epit. de Caes. 18, 1: dies octoginta quinque) weist auf den 26. März als Todestag hin. Zweiter Hinweis: Pertinax wurde am 1. August 126 geboren (CIL 12, S. 255; Fer. Dur. 2,23; HA Pert. 15,6). Laut HA Pert. 15,6 lebte er 60 Jahre (richtig wäre „66“), 7 Monate und 26 Tage. Die Monate und Tage sind offensichtlich auf den 26. März als Sterbedatum hin berechnet. Und schließlich der dritte Hinweis: Nach Herodian. 2,6,3 vergingen zwischen der Ermordung des Pertinax und der Kaiserproklamation des Didius Iulianus ungefähr zwei Tage. (Dagegen scheint jedoch Cass. Dio 73,13,1 zu sprechen, wonach Iulianus die Leiche des Pertinax noch im Palast vorfand.) Fazit: Wahrscheinlich starb Pertinax, wie Burgess vermutet, schon am 26. März 193 und regierte nicht 87, sondern nur 85 Tage. Dann wäre die falsche Angabe der Stadtchronik (75 Tage) leicht damit zu erklären, dass beim Kopieren der Zahl LXXXV versehentlich ein „X“ weggelassen wurde. congiarium dedit X CL. Laut Cassius Dio und Historia Augusta ließ Pertinax als con­ giarium nicht 150, sondern nur 100  Denare verteilen: Pertinax fand bei Regierungsantritt eine fast leere Staatskasse vor und musste daher, um die den Prätorianern und dem Volk versprochenen Geldgeschenke auszahlen zu können, den Besitz des Commodus öffentlich versteigern lassen. Durch Cass. Dio 73,5,4 ist überliefert, dass er bei der Versteigerung die versprochenen Summen nur mit Mühe erzielen konnte; dem Volk seien 100 Denare pro Kopf gegeben worden. Die Historia Augusta bestätigt diesen Betrag (Pert. 15,7) und berichtet an anderer Stelle (Pert. 7,5), Pertinax habe das von Commodus versprochene congiarium ausbezahlt (s. o. S. 217). Wie eng der finanzielle Spielraum des Pertinax war, belegt HA Pert. 15,7: Demnach bezahlte er den Prätorianern pro Kopf nur die Hälfte der ihnen versprochenen 12 000 Sesterzen. Aufgrund der 681

Burgess 2014, 60. Hingegen verzeichnet Kienast (a. a. O.), wahrscheinlich gestützt auf die genannten Quellen, den 28. März 193 als Todestag des Pertinax.

4.3 Die Caesaren: Pertinax

223

von Cassius Dio und der HA überlieferten Zahl geht man in der Forschung davon aus, dass der von der Stadtchronik genannte Betrag falsch ist.682 Darüber, wie der Fehler zustande kam, kann nur spekuliert werden. Numismatische Belege für das congiarium des Pertinax: RIC 4,1 (1936) Pertinax Nr. 5; 18; 19; 25a; 26; 34. Bei allen Münzen außer Nr. 5 lautet die Reverslegende LIB. AUG. TR. P. COS. II. S. C. Bei Nr. 5 ist zusätzlich zur Reverslegende LIBERATIS CIVIBUS die Personifikation der LIBERALITAS abgebildet. excessit Palatio. Da Pertinax ermordet wurde, wäre die Formulierung occisus passender gewesen als excessit. Die Ermordung ist vielfach bezeugt: Cass. Dio 73,9,1–10,3; Herodian. 2,5,2–2,5,9; Series regum 155,8; Eus. Chron. can., Arm. Karst 223; Hier. chron. z.J. 193 n. Chr.; Aur. Vict. 18,1; Epit. de Caes. 18,2; HA Pert. 11. Fast alle Quellen überliefern ebenso wie die Stadtchronik, dass der Ort, an dem Pertinax ums Leben kam, der Kaiserpalast auf dem Palatin war. Ausführliche Berichte über die Todesumstände des Pertinax findet man bei Cassius Dio, Herodian und der Historia Augusta. Deren Berichten zufolge drangen 200 oder 300 Prätorianer in den Palast ein. Pertinax floh nicht, sondern stellte sich den Bewaffneten und versuchte sie mit einerAnsprache zu beruhigen. Einer jedoch (Herodian spricht von mehreren) ließ sich davon nicht beeindrucken und stach als erster zu, andere taten es ihm nach. Zu den Motiven der Täter: Cassius Dio, Herodian und die Historia Augusta stimmen darin überein, dass die Prätorianer sich vom Kaiser größere finanzielle Vorteile erhofft hatten (Cass. Dio 73,8,1; Herodian. 2,5,1; HA Pert. 15,7). Hinzu kam, dass nach einem Putschversuch mehrere Prätorianer hingerichtet worden waren, was der Prätorianerpräfekt Laetus, der sich nun gegen Pertinax gewandt habe, angeblich dazu benutzte, seine Truppe gegen den Kaiser aufzustacheln (Cass. Dio 73,9,1; HA Pert. 10,8–10). Birley glaubt nicht, dass Laetus die treibende Kraft war, denn dieser habe ja offensichtlich keinen Nachfolger für Pertinax parat gehabt. Vermutlich habe Laetus dem Druck der unzufriedenen Prätorianer nichts entgegensetzen können. Hingegen ist Schöpe der Ansicht, Laetus sei mit dem als „Interimslösung“ vorgesehenen Kaiser Pertinax in Streit geraten und habe ihn deshalb wieder beseitigen lassen.683 Dass Pertinax, wohl v. a. in materieller Hinsicht, nicht nur gegen die Interessen der Prätorianer, sondern auch der Palastdiener handelte, brachte offenbar letztere ebenfalls gegen ihn auf; daher unterstützten sie die Soldaten bei der Ausführung der Tat (Cass. Dio 73,9,4; HA Pert. 11,5; 12,8, 13,9).

682 Berchem 1939, 158; Barbieri 1957, 856. 683 Schöpe 2011, 260; gegen Birley 1969, 273.

224

B) 4. Item imperia caesarum

4.3.21 Iulianus Cassius Dio (73,11,2–17,5), Herodian (2,6,6–2,13,1) und die Historia Augusta nennen ihn ebenfalls meist Iulianus (bzw. Ἰουλιανός), bisweilen auch Didius Iulianus. Sein Geburtsname lautete wahrscheinlich M. Didius Severus Iulianus; als Kaiser hieß er Impe­ rator Caesar M. Didius Severus Iulianus Augustus.684 In anderen literarischen Quellen taucht bisweilen fälschlich der Name Salvius (Iulianus) auf, z. B. bei Eutr. 8,17 und HA Sept. Sev. 17,5. imp(eravit) dies LXV. Didius Iulianus wurde von den Prätorianern zum Kaiser ausgerufen, nachdem er ihnen ein hohes Donativ versprochen und erklärt hatte, er würde sie für den Mord an Pertinax nicht bestrafen (Cass. Dio 73,11,2–6; Herodian. 2,6,4–11; HA Did. 2,4–7). Während durch Herodian. 2, 6, 3 überliefert wird, Iulianus sei erst zwei Tage nach dem Tod des Pertinax zum Kaiser ausgerufen worden, scheint aus Cass. Dio 73,11,1; 13,1 und HA Did. 2,4 hervorzugehen, dass die Akklamation noch am Todestag des Pertinax stattfand. Die Zustimmung des Senats erfolgte jedenfalls am Abend jenes Tages, an dem ihn die Prätorianer zum Kaiser gemacht hatten (Cass. Dio 73,12,1–13,1; HA Did. 3,1–3). Als Regierungsdauer des Iulianus geben Eutr. 8,17 und Epit. de Caes. 19,1, beide auf der sogenannten Enmannschen Kaisergeschichte basierend, 7 Monate an, während die meisten anderen Quellen nur eine Zeitspanne von etwas mehr als 2 Monaten überliefern: HA Did. 9,3 zufolge regierte Iulianus zwei Monate und 5 Tage, was mit den 65 Tagen der Stadtchronik übereinstimmt; Cass. Dio 73,17,5 und Cedrenus 442,1 geben 66 Tage an. Ausgangsdatum bei diesen Zeitangaben ist sicherlich der 28. März, laut HA Pert. 15,6 der Todestag des Pertinax. Dieser starb jedoch, wie oben (S. 222) ausgeführt, vermutlich schon am 26. März. Von diesem Tag ging offenbar der Verfasser des Liber ge­ nerationis I aus, als er die Regierungsdauer des Didius Iulianus berechnete, denn er überliefert zwei Monate und sieben Tage. Kienast datiert den Regierungsbeginn des Didius Iulianus auf den 28. März 193 (unter diesem Datum verzeichnet er auch den Tod des Pertinax) und seine Absetzung durch den Senat auf den 1. Juni 193.685 Daraus ergibt sich eine Regierungsdauer von 65 Tagen bzw. bei inklusiver Zählweise von 66 Tagen. Fazit: Andere Quellen folgen derselben Tradition wie die Stadtchronik, indem sie als Regierungsdauer des Iulianus 65 Tage bzw. nach inklusiver Zählweise 66 Tage über-

684 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 147; Stein, PIR2 3 (1943) D 77, 16–19; A. v. Wotawa, Didius Nr. 8, in: RE 5,1 (1905) 412 f. 685 Kienast 2017, 147. Der Todestag des Pertinax war aber wohl der 26. März (vgl. Burgess 2014, 61); dies lassen auch die in Abschnitt 393 des Liber generationis I genannten Zahlen vermuten.

4.3 Die Caesaren: Divus Severus

225

liefern. Diese Datierung ist richtig: Zwar wurde Pertinax wohl schon am 26. März 193 getötet, aber Iulianus trat vermutlich erst zwei Tage später die Nachfolge an. occisus Palatio. Die knappe Notiz, Iulianus sei im Palast getötet worden, stimmt mit den Angaben mehrerer Vergleichsquellen überein: Series regum 155,9: „Julianos wurde getötet im Palaste“; Aur. Vict. 19,4: apud palatium Romae obtruncavere; Eutr. 8,17: interfectus in Palatio; Epit. de Caes. 19,3: in abditas palatii balneas ductus […] decollatur; HA Did. 8,8: in Palatio […] occisus est. Die ausführlichsten Berichte über den Tod des Iulianus bieten Cass. Dio 73,17,3–5; Herodian. 2,9–12; HA Did. 8,5–8; Sept. Sev. 5,3–9. Nach diesen Quellen spielten sich die Ereignisse im Wesentlichen wie folgt ab: Septimius Severus, Statthalter von Pan­ nonia Superior, war Mitte April 193 in Carnuntum von seinen Soldaten zum imperator ausgerufen worden und marschierte bald darauf auf Rom zu. Da er verkündet hatte, er komme als Rächer des Pertinax, folgte ihm nicht nur seine Armee willig, sondern es öffneten ihm auch zahlreiche Städte die Tore. Er schickte Briefe nach Rom, in denen er den Prätorianern Straffreiheit für den Mord an Pertinax versprach, wenn sie dessen Mörder verhaften würden; außerdem sollten sie Didius Iulianus entweder verlassen oder töten. Als Septimius Severus nicht mehr weit von Rom entfernt war und seine Vorausabteilungen, die Zivilkleidung angelegt hatten, bereits innerhalb der Stadtmauern waren, lieferten die Prätorianer die Mörder des Pertinax dem amtierenden Consul aus, der rasch eine Senatssitzung einberief. Der Senat beschloss die Absetzung des Iulianus, die Anerkennung des Septimius Severus als Kaiser und das Todesurteil für Iulianus. Dieser blieb, von fast allen verlassen, im Palast, wo ihn ein vom Senat entsandter Prätorianer fand und tötete. 4.3.22 Divus Severus Die literarischen Hauptquellen nennen ihn meist nur Severus bzw. Σεουῆρος: Cass. Dio 73,14,3–76,17,1; Herodian. 2,9,2–3,15,8; die vita der Historia Augusta. Als sein Geburtsname gilt L. Septimius Severus (so auch der Name des Großvaters); sein Vater hieß P. Septimius Geta. Nachdem ihn seine Soldaten im April 193 zum Kaiser ausgerufen hatten, nannte er sich Imperator Caesar L. Septimius Severus Pertinax Augustus; indem er das Cognomen des Pertinax annahm, stilisierte er sich zu dessen Rächer. Im Sommer 195 verkündete er offiziell, er sei von Marc Aurel adoptiert worden. Mit dieser fiktiven Adoption wollte er seinen Herrschaftsanspruch noch überzeugender legitimieren als zuvor. Nun wurde seine Titulatur in folgender Weise ergänzt: Divi Marci (Antonini) Pii filius, Divi Commodi frater […] L. Septimius Severus Pius Pertinax Augus­

226

B) 4. Item imperia caesarum

tus. Nach seinem Tod wurde er divinisiert, vermutlich als Divus Severus Pius: Für den 11. April, seinen Geburtstag, enthält das Feriale Duranum (2,4) die Eintragung Divi Pii Severi; bei den Kaisergeburtstagen im Chronographen von 354 lautet sie (natalis) Divi Severi. Münzen, die anlässlich der Konsekration geprägt wurden, tragen die Averslegende DIVO SEVERO PIO.686 imp(eravit) ann(os) XVII m(enses) XI d(ies) XXVIII. Septimius Severus betrachtete aller Wahrscheinlichkeit nach den 9. April 193 als seinen dies imperii,687 denn an diesem Tag wurde er von seinen Truppen zum Kaiser ausgerufen (Fer. Dur. 2,3). Als Ort der Akklamation überliefert HA Sept. Sev. 5,1 das in der Provinz Pannonia superior gelegene Carnuntum. Das von derselben Quelle genannte Datum, idibus Augustis, beruht auf einem Irrtum oder auf einem Schreibfehler.688 Severus starb am 4. Februar 211 (Cass. Dio 76,15,2; HA Sept. Sev. 19,1). Die zeitliche Distanz zwischen dem 9. April 193 und dem 4. Februar 211 beträgt 17 Jahre, 9 Monate und 25/26 Tage. Aber laut Cass. Dio 76,17,4 regierte Severus nur 17 Jahre, 8 Monate und 3 Tage lang; demnach sah Dio im 1. Juni 193 den dies imperii des Severus: An diesem Tag hatte der Senat Iulianus abgesetzt und Severus als Kaiser anerkannt (vgl. S. 224). Fazit: Die von der Stadtchronik genannte Regierungsdauer ist um mindestens 2 Monate zu lang. Burgess ist der Ansicht, ihr Verfasser habe den 9. April 193 für den dies imperii des Severus gehalten;689 aber durch schwer erklärbare Schreibfehler sei es zu den Eintragungen XI (statt VIIII) Monate und XXVIII (statt XXVI) Tage gekommen. Die unkorrekten Zahlen der Stadtchronik könnten jedoch, wohl indirekt, auf Herodian zurückgehen, der nicht viel später als Cassius Dio schrieb und wie dieser als Zeitzeuge angesehen werden kann: Als Regierungsdauer des Septimius Severus überliefert Herodian (3,15,3; 4,1,1) die gerundete Zahl „18 Jahre“ (so auch Aur. Vict. 20,27; Hier. chron. z.J. 193 n. Chr.; Epit. de Caes. 20,11). Dies sind nur zwei oder drei Tage mehr, als von der fast 100 Jahre später verfassten Stadtchronik angegeben. cong(iarium) ded(it) X ∞ C. Für Septimius Severus sind sechs congiaria belegt;690 die Stadtchronik gibt deren Gesamtsumme an. Nur in einem Fall ist die Höhe des einzelnen congiarium bekannt: 250 Denare im Jahr 202; eine außergewöhnlich hohe Summe. Ab dem Jahr 196 beteiligte Severus seinen Sohn Caracalla an der Vergabe der Geldspenden, ab 202 auch Geta (s. u.). 686 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 149 f.; Heil, PIR2 7,2 (2006), S 487, 189–196; vgl. Fluss, Severus Nr. 13, in: RE 2 A2 (1923) 1940–1944. Kaisergeburtstage im Chronographen von 354 bei Divjak/Wischmeyer 2014, 95, 208; Münzlegenden bei RIC 4,1 (1936) 239. 687 Herz 1978, 285. 688 So auch Burgess 2014, 61 Anm. 14; Fluss, Severus Nr. 13, in: RE 2 A2 (1923) 1949. 689 Burgess a. a. O. 62. 690 Kienast 2017, 151; Beschreibungen bei Berchem 1939, 159 und Barbieri 1957, 857–860.

4.3 Die Caesaren: Divus Severus

227

Erstes congiarium:

Verteilt im  Jahr 193. Anlass: Der Regierungsantritt des Severus. Belege: Herodian. 2,14,5; RIC 4,1 (1936) Septimius Severus Nr. 18; 27; 653; 654; 662 (Prägestätte Rom; die Reverslegenden beginnen mit LIBERAL. AUG.); hinzu kommen zwischen 193 und 195 n. Chr. geprägte Münzen aus den Prägestätten Emesa (Septimius Severus Nr. 398; 399; 400–403) und Laodicea (Septimius Severus Nr. 442). Zweites congiarium: Verteilt im Jahr 196 gemeinsam mit Caracalla, nachdem Severus siegreich von seinem Feldzug im Osten gegen Pescennius Niger zurückgekehrt war. Belege: Herodian. 3,8,4; HA Sept. Sev. 14,11. Beide Quellen bringen die Geldspende fälschlich in Zusammenhang mit dem 197 errungenen Sieg über Clodius Albinus. Die Datierung auf das  Jahr 196 ist jedoch gesichert durch die Gedenkmünzen, deren Averslegenden die Prägung IMP. VIII aufweisen.691 Aus Herodians Formulierung μεγίστας νoμάς lässt sich ableiten, dass das congiarium außergewöhnlich großzügig war; also werden pro Kopf wohl mehr als 150 Denare ausbezahlt worden sein. Numismatische Belege: RIC 4,1 (1936) Septimius Severus Nr. 81a/b (Reverslegende: LIBERALITAS AUG. II); Nr. 481 und 482 (beide Münzen wurden 196/197 in Laodicea geprägt; Reverslegende ohne Zählung). Drittes congiarium: 250 Denare im April 202; Anlässe waren neben der siegreichen Heimkehr aus dem Partherkrieg der dritte Konsulat des Severus, die Feier seiner decennalia und die Hochzeit des Caracalla. Laut Cass. Dio (Xiph.) 76,1,1 wurden pro Kopf 10 aurei verteilt und die Gesamtkosten beliefen sich auf 50 Millionen  Denare. Weitere Belege: Herodian. 3,10,2; RIC 4,1 (1936) Septimius Severus Nr. 182 (Reverslegende: LIB. AUG. III); 275 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG. ohne Zählung). Das dritte congiarium des Severus gilt zugleich als das zweite des Caracalla und das erste des Geta. Die Averslegende einer vermutlich im Jahr 202 geprägten Münze lautet P. SEPT. GETA CAES. PONT., die Reverslegende lautet LIBERALITAS AUGUSTORUM (RIC 4,1: Geta Nr. 11 und 113). Viertes congiarium: Laut Kienast wahrscheinlich im Frühjahr 203 verteilt. Als Anlass vermutet van Berchem das tirocinium Getas. Dem widerspricht Barbieri, der annimmt, die Spende sei im Hinblick auf die Reise des Kaisers in seine Heimat, die Provinz Africa, erfolgt. Münz691 Vgl. Barbieri 1957, 857 f. Zur Datierung der imperatorischen Akklamationen des Severus s. Kienast 2017, 150; vgl. RIC 4,1 (1936) 54.

228

B) 4. Item imperia caesarum

belege: RIC 4,1 (1936) Septimius Severus Nr. 276 und 767 (Reverslegende: LIBERALITAS AUGG. IIII); Caracalla Nr. 134; 135; 416 (ähnliche Reverslegende); Geta Nr. 119 (LIBERALITAS AUGG. IIII S. C.). Fünftes congiarium: Verteilt im Januar 205. Anlass: der zweite Konsulat des Caracalla und der erste des Geta. Belege: RIC 4,1 (1936) Septimius Severus Nr. 277; Caracalla Nr. 136a/b (Reverslegende: LIBERALITAS AUGG. V); Caracalla Nr. 430 A (Reverslegende: LIBERALITAS AUGG. COS. II S. C.). Sechstes congiarium: Anders als Mattingly/Sydenham (RIC 4,1, S. 55 und 72), die vermuten, die Spende sei 209 anlässlich der Erhebung Getas zum Augustus verteilt worden, datieren van Berchem, Barbieri und Kienast das Ereignis bereits auf Januar 208. Der Anlass für das congiarium war demnach der dritte Konsulat des Caracalla und der zweite des Geta. Belege: RIC 4,1 (1936) Septimius Severus Nr. 278a/b; 279; Geta Nr. 44; Caracalla Nr. 158 (die Reverslegende lautet jeweils LIBERALITAS AUG. VI); Caracalla Nr. 159 (LIBERALITAS AUGG. VI). Die von der Stadtchronik genannte Gesamtsumme aller sechs congiaria, 1100 Denare, gilt vor allem deshalb als glaubwürdig, weil sowohl Cassius Dio als auch Herodian darauf hinweisen, Septimius Severus habe sich dem Volk gegenüber sehr großzügig gezeigt. Da feststeht, dass als drittes congiarium pro Kopf 250  Denare gezahlt wurden, könnten bei den fünf anderen jeweils 170 Denare verteilt worden sein. Das wäre zwar deutlich mehr als die bei Commodus üblichen 140 Denare (s. o. S. 217 f.), ist aber durchaus möglich. hoc imp(erante) Septizonium et thermae Severianae dedicatae sunt. In anderen spätantiken Quellen finden diese beiden Bauwerke des Septimius Severus ebenfalls besondere Erwähnung: Hier. chron. z.J. 200/201: Severo imperante thermae Severianae aput Antiochiam et Romae factae et Septizonium extructum. (= Cassiod. Chron. 144, z. J. 201 n. Chr.). HA Sept. Sev. 19,5: Opera publica praecipu eius extant Septizonium et thermae Severianae […]. An einer anderen Stelle der vita lautet der Name des erstgenannten Gebäudes Septizodium (Sept. Sev. 24,3). Ammianus Marcellinus (15,7,3) nennt es Septemzodium und bringt es fälschlich mit Marc Aurel in Verbindung. Die Regionenverzeichnisse Curiosum und Notitia verzeichnen es wie die Stadtchronik unter dem Namen Septizonium; heute ist man sich jedoch weitgehend darüber einig,

4.3 Die Caesaren: Divus Severus

229

dass der offizielle Name Septizodium war.692 Das Bauwerk ist heute verschwunden; die letzten erhaltenen Ruinen wurden 1588/89 abgetragen. Es stand an der Südostseite des Palatin bzw. nordöstlich des circus maximus und war die Kombination einer dreistöckigen, von Säulen gegliederten scaenae frons und eines monumentalen Nymphaeums. Die zur porta Capena und via Appia hin ausgerichtete Prachtfassade war ca. 95 m lang. Wie aus der Bauinschrift (CIL VI, 1032 = 31229) zu ersehen ist, wurde das Septizodi­ um im  Jahr 203  n. Chr. fertiggestellt. Der Name stellt zum einen den Bezug zu den sieben römischen Gestirnsgottheiten her (Sol, Luna, Mars, Merkur, Iuppiter, Venus, Saturn), zum anderen verweist er auf Kaiser Septimius bzw. die gens Septimia.693 Im Zentrum der Schaufassade des Gebäudes stand laut HA Sept. Sev. 24,4 eine Statue des Septimius Severus. Vermutlich war die Fassade mit Skulpturen von weiteren Mitgliedern der kaiserlichen Familie und mit Götterstatuen geschmückt. Der Kaiser ließ das Septizodium an einem zentral gelegenen, verkehrsreichen Platz als Teil eines größeren Bauprogramms errichten; er wollte mit dem imposanten Bauwerk zweifellos die eigene Familie verherrlichen. Ob er beabsichtigte, das Septizodium zu einem zusätzlichen Eingangsbereich des Palatin oder gar zu dessen Haupteingang zu machen, ist umstritten.694 Die thermae Severianae sind ebensowenig erhalten wie das Septizodium. Die Regionenverzeichnisse Curiosum und Notitia verzeichnen sie in Regio I, porta Capena. Ausgrabungsbefunde lassen darauf schließen, dass der Bäderkomplex wahrscheinlich südöstlich der porta Capena an der via Appia errichtet wurde und dass die Erneuerung der Aqua Claudia sowie der Aqua Marcia mit dieser Baumaßnahme in Zusammenhang stand.695 Wer auf der via Appia nach Rom kam, sah also vor der porta Capena zur Rechten am südwestlichen Hang des Caelius die Fassade der thermae Severianae, durchschritt dann die porta Capena und befand sich nun auf dem Platz vor dem Septizodium; links von diesem erhoben sich die südöstlichen Ränge des circus maximus. Dass die 692 Regionenverzeichnisse: Nordh 1949, 90 unter Regio X. Auf die Bezeichnung Septizodium weisen Fragmente der FUR hin, welche Teile einer zeitgenössischen Inschrift zeigen: CIL VIII, 14377 = ILS 5076. In späterer Zeit tauchen weitere Namensformen auf: Septidonium, Septisolium, Septi­ folium. Näheres bei Sartorio, Septizonium, Septizodium, Septisolium (2), in: LTUR 4 (1999) 270 f. Zu Name, Entstehung und Funktion des Septizodium siehe Lusnia 2014, 117–131; vgl. Thomas 2007, 327–367; Gorrie 2001, 653–670. Heute wird meist angenommen, dass es sich um ein Nymphaeum handelte; skeptisch ist Richardson NTDAR, 350. 693 Lusnia 2014, 125 f. 694 Laut HA Sept. Sev. 24,4 wurde behauptet, Septimius Severus habe beabsichtigt, den Haupteingang des Palastbereichs zum Septizodium hin zu verlegen. Dass dies geplant war, hält für glaubwürdig: Sojc 2013, 223 f. Dagegen: Gorrie 2001, 657. Skeptisch: Lusnia 2014, 119. Thomas (2007, 329 f.) glaubt, es habe zumindest ein vierter Zugang zu den Kaiserpalästen auf dem Palatin geschaffen werden sollen. 695 Lusnia 2014, 121–123; desgleichen Sojc 2013, 215, 225 f. Lusnia und Sojc repräsentieren den neueren Forschungsstand. Zuvor war allgemein angenommen worden, die thermae Severianae hätten sich südöstlich der thermae Antoninianae (Caracallae) befunden; vgl. Pollard, Thermae Severianae, in: LTUR 5 (1999) 64.

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B) 4. Item imperia caesarum

Thermen des Severus laut Eusebius/Hieronymus um 201 n. Chr. erbaut wurden (s. o.), steht im Einklang mit der Datierung der Renovierungsarbeiten an Aqua Claudia und Aqua Marcia. excessit Britaniae. Die Formulierung der Stadtchronik deutet auf eine natürliche Todesursache hin. Dies stimmt mit anderen Quellen überein, denen zufolge der Kaiser einer schweren Krankheit erlag: Cassius Dio berichtet (76,15,2), Severus sei im dritten Jahr seines Aufenthalts in Britannien am 4. Februar (211) an einer Krankheit gestorben, als er einen Feldzug gegen die schottischen Kaledonier vorbereitete.696 Herodian bestätigt, der Kaiser sei in Britannien lange Zeit krank gewesen, fügt aber hinzu, den letzten Schlag habe ihm letztlich der Kummer über seinen Sohn Caracalla versetzt (Herodian. 3,15,1–2). Bei der Krankheit handelte es sich Herodian zufolge um eine schlimme Form der Arthritis; Cass. Dio 76,14,3 und HA Sept. Sev. 18,9 berichten von einem qualvollen Fußleiden. Während Cassius Dio und Herodian nur hinsichtlich der Todesursache genauere Angaben machen als die Stadtchronik, bestimmen einige andere Quellen auch den Sterbeort genauer, nämlich die Stadt Eboracum (h. York), Hauptstadt von Britannia inferior: Series regum 155,10: „Seberos verschied zu Eburakos“. Aur. Vict. 20,27: in Britanniae municipio, cui Eboraci nomen […]morbo extinctus est. Eutr. 8,19,2: decessit Eboraci. Hier. chron. z.J. 210/211: Severus moritur Eburaci in Britannia. HA Sept. Sev. 19,1: Perit [a] Eoraci in Brittannia […] anno imperii XVIII., morbo gravissimo extinctus. 4.3.23 Geta Die literarischen Hauptquellen sind Cassius Dio (76,7,1–77,4,1), Herodian (3,14,9– 4,4,8) und die Historia Augusta. Cassius Dio und Herodian verwenden ausschließlich die Kurzbezeichnung Γέτας (= Geta); in der Historia Augusta wird er anfangs und im Titel der vita auch Antoninus Geta genannt. Er war der jüngere Sohn des Septimius Severus; sein Geburtsname lautete P. Septimius Geta.697 Den Beinamen Geta hatte er wohl 696 Wahrscheinlich begann der erste Feldzug, den Septimius Severus in Britannien unternahm, im Jahr 208 n. Chr.; s. Birley 1971, 255. 697 Kienast 2017, 160; Heil, PIR2 7,2 (2006), S 454, 171–174 (auch zu den folgenden Angaben bezüglich der Namen und Titel). H. Mattingly hält Lucius für den ursprünglichen Vornamen, der später zu Publius geändert worden sei (RIC 4,1, 1936, S. 78). Denn bei den Münzen, die Geta als Caesar 198 bis 200 n. Chr. prägen ließ, lautet die Averslegende L. SEPTIMIUS GETA CAES. (RIC 4,1, 1936, Geta Nr. 1–4; 94–96; 109–110); später erscheint als praenomen, sofern angegeben, stets „P.“. Vgl. Fluss, Septimius Nr. 32, in: RE 2 A2 (1923) 1565–1571. Kienast (a. a. O.) und Heil (a. a. O. 172) sind hingegen der Ansicht, Geta habe nur vorübergehend, von ca. 195 bis 205 n. Chr., zusätzlich auch den Vornamen Lucius getragen.

4.3 Die Caesaren: Geta

231

nach dem Großvater väterlicherseits erhalten. Vermutlich im Herbst 197 wurde Geta zum Caesar, im Herbst 209 oder 210 zum Augustus erhoben. Sein Name lautete nun Imperator Caesar P. Septimius Geta Augustus. Die Behauptung (HA Geta 1,5–2,2), sein Vater habe ihm denselben Beinamen wie Caracalla, nämlich Antoninus, gegeben, ist falsch. Ebenso unrichtig ist die Behauptung bei HA Geta 2,8 f., Caracalla habe ihn nach seinem Tod divinisieren lassen; vielmehr veranlasste jener, dass über seinen Bruder die damnatio memoriae verhängt wurde (Cass. Dio 77,12,6; Herodian. 4,4,8; Eutrop. 8,19). imp(eravit) menses X dies XII. Es gibt hierzu nur wenige Parallelquellen: Als Herrschaftsdauer Getas verzeichnen Malalas 12,23 und Syn. chron. A 33,15 ein Jahr, Cedrenus 448,21 und Georgii Monachi Chron. 460,1 hingegen nur zwei Monate. Letztere Angabe erweist sich, wie Burgess darlegt,698 als verstümmelte Abschrift von Cass. Dio 78,6,5, wo die Regierungsdauer Caracallas genannt wird. Die Zeitangabe der beiden erstgenannten Quellen ist offenbar gerundet. Ursächlich für die dürftige Quellenlage war vermutlich die über Geta verhängte damnatio memoriae, nicht seine kurze Regierungszeit, denn die extrem kurzen Regierungszeiten von Pertinax und Didius Iulianus sind deutlich besser belegt. Laut Cassius Dio (77,2,5) lebte Geta 22 Jahre und 9 Monate. Demnach kommt, da er am 7. März 189 geboren wurde,699 als sein Sterbedatum nur ein Termin im Dezember 211 in Frage. Der Verfasser der Stadtchronik hielt offensichtlich nicht die im Herbst 209 erfolgte Ernennung Getas zum Augustus für dessen dies imperii, sondern mit Recht den Todestag des Septimius Severus am 4. Februar 211. Von diesem Tag an regierte Geta gemeinsam mit seinem älteren Bruder Caracalla (HA Sept. Sev. 20,1; 23,6; Carac. 2,7; Geta 6,1; Eutr. 8,19). Allerdings trug nur dieser das Cognomen Severus; auch war er pontifex maximus und über zehn Jahre vor Geta zum Augustus erhoben worden. Die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer Getas würde zum 15./16. Dezember 211 als dessen Todestag führen. Aber laut Cass. Dio 77,2,1 lebte Geta noch, als am 17. Dezember die Saturnalien begannen. Zwei weitere wichtige Informationen liefert HA Carac. 4,2. Zum einen: Geta wurde ermordet, bevor Caracalla den Sohn des Papinianus töten ließ. Zum anderen: Papinianus iunior veranstaltete als neu gewählter Quaestor drei Tage vor seinem Tod aufwendige Spiele (opulentum munus); 698 Burgess 2014, 62–64. 699 Kienast 2017, 160. Zwar gibt die Historia Augusta (Geta 3,1) als Geburtsdatum Getas den 27. Mai (189) an, aber dagegen verweist Kienast auf die Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis 7,4. Laut dieser um 202/203 verfassten Quelle erlitten die Christinnen Perpetua und Felicitas sowie ihre Gefährten am Geburtstag des Caesar Geta das Martyrium. Gedenktag der beiden Märtyrerinnen ist der 7. März. Das Datum in HA Geta 3,1 erscheint auch deshalb nicht als verlässlich, weil hier Mailand als Getas Geburtsort genannt wird, während die Historia Augusta an anderer Stelle (Sept. Sev. 4,2) korrekt mitteilt, dass er in Rom geboren wurde. Aus HA Geta 3,1 in Verbindung mit Cass. Dio 77,2,5 zog man früher meist den Schluss, Geta sei erst Ende Februar 212 gestorben (so z. B. Mattingly, BMC 5, 1950, S. CXCIII). Zur Datierung von Getas Geburtstag und Todestag vgl. Timothy D. Barnes, Pre-Decian acta martyrum, in: JThS 19, 1968, 509–531 (hier: 522–525).

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B) 4. Item imperia caesarum

solche munera wurden üblicherweise zwischen dem 2. und dem 24. Dezember ausgerichtet.700 Den Angaben des Cassius Dio und der HA zufolge kann der Mord an Geta nicht vor dem 18. und nicht nach dem 26. Dezember 211 verübt worden sein. Daher datiert Kienast die Ermordung Getas auf den 19. oder 26. Dezember 2011, während Burgess den 19. Dezember favorisiert.701 Bei der von der Stadtchronik angegebenen Regierungsdauer stimmt nur die Zahl der Monate; die Zahl der Tage (dies XII) dürfte auf einem Kopistenfehler beruhen: Da Getas dies imperii der 4. Februar 211 war, könnte die Zahl der Tage ursprünglich XV oder XXII gelautet haben. Fazit: Vermutlich wurde Geta am 19. oder 26. Dezember 211 ermordet und nicht, wie es die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer nahelegt, am 15./16. Dezember. Zwar liegt bei der von der Stadtchronik genannten Zahl der Tage wohl ein Kopistenfehler vor, aber es ist keine Quelle bekannt, die genauere Zahlen hinsichtlich der Regierungsdauer Getas überliefert. Zusatzbemerkung: Dass Geta und Caracalla gemeinsam regierten, scheint dem Verfasser der Stadtchronik nicht bekannt gewesen zu sein. Er verzeichnet auch kein congiarium Getas. Doch in der ersten Hälfte des Jahres 211 ließen Caracalla und Geta ein gemeinsames congiarium verteilen, das auf Münzen als fünfte liberalitas Getas gezählt wird. Belege: RIC 4,1 (1936) Caracalla Nr. 215a-c und 215 A. Zu den congiaria des Septimius Severus, an denen er seine Söhne beteiligte, s. o. S. 226 f. occisus Palatio. Beide Angaben sind richtig. Während bei Eutr. 8,19 nur zu lesen ist, Geta sei als hostis publicus getötet worden, überliefern mehrere Quellen, dass Caracalla seinen jüngeren Bruder ermorden ließ: Cass. Dio 77,2,1–4; Herodian 4,4,2 f.; Aur. Vict. 20,32; Epit. de Caes. 21,3; HA Sept. Sev. 21,6; Carac. 2,4; Geta 2,8; 6,1. Als Tatmotiv wird in erster Linie das Streben nach Alleinherrschaft genannt. Zwar berichtet Herodian, Geta habe seinem Bruder zuvor ebenfalls nach dem Leben getrachtet, aber sowohl Cassius Dio als auch die Historia Augusta bewerten Caracallas Rechtfertigungsversuch, er habe in Notwehr gehandelt, als Lüge. Dass der Mord im Kaiserpalast geschah, bestätigen Cassius Dio, Herodian und HA Carac. 2,4. Den ausführlichsten Bericht liefert Cassius Dio. Ihm zufolge überredete Caracalla seine Mutter dazu, ihre beiden rivalisierenden Söhne zu einem angeblichen Versöhnungsgespräch in ihre Gemächer zu bestellen. So konnte er Geta, der sonst immer Beschützer um sich hatte, in eine Falle locken. Einige Centurionen, die Caracalla gedungen hatte, ermordeten Geta in den Armen der Mutter.

700 Zu den Saturnalien und den ludi (der neu gewählten Quaestoren) im Dezember: Divjak/Wischmeyer 2014, 216, 325–329; Fasti Filocali, Degrassi, Inscr. 42, S. 261; vgl. Schneider, Gladiatores, in: RE Suppl. 3 (1918) 766. 701 Kienast 2017, 160; Burgess 2014, 62 f. Alföldy (1970, 19) datiert die Ermordung Getas auf Ende Dezember, Campbell (CAH 12, 22005, 16) auf den 26. Dezember 211.

4.3 Die Caesaren: Antoninus Magnus

233

4.3.24 Antoninus Magnus Cassius Dio und Herodian nennen ihn meistens Ἀντωνῖνος (=Antoninus); von der Historia Augusta wird er häufig Bassianus genannt (z. B. HA Sept. Sev. 21,6; Carac. 1,1; 8,4 f.), aber auch Bassianus Antoninus (Sept. Sev. 16,3) sowie, im Titel der vita, Antoni­ nus Caracallus. Den Spitznamen Caracalla bzw. Caracallus erhielt er nach der caracalla, einem aus Gallien stammenden Kapuzenmantel, da er ihn häufig trug und die plebs Romana mit solchen Kleidungsstücke beschenkte.702. Heute wird er stets Caracalla genannt. Der erstgeborene Sohn des Septimius Severus hieß ursprünglich (L.) Sep­ timius Bassianus (Cass. Dio 78,9,3; Herodian. 3,10,5; Aur. Vict. 20,30); Bassianus nach dem Großvater mütterlicherseits (Epit. de Caes. 21,1). Als ihn sein Vater, der sich ab dem Jahr 195 als Adoptivsohn des Marc Aurel ausgab, im folgenden Jahr zum Caesar erhob, erhielt er den neuen Namen M. Aurelius Antoninus.703 Bald darauf erfolgte die Erhebung zum particeps imperii und zum Augustus, woraufhin er Imperator Caesar M. Aurelius Antoninus Augustus genannt wurde. Den zusätzlichen Beinamen Severus trug er erst, nachdem sein Vater am 4. Februar 211 gestorben war. Cassius Dio berichtet (78,9,3), Caracalla sei nach seinem Tod nicht mehr Antoninus, sondern Bassianus, Caracallus oder auch Tarautas genannt worden. Tarautas war ein weiterer Spitzname, nach einem Gladiator, der Dio zufolge wegen seiner Hässlichkeit und seines Blutdurstes berüchtigt war. Der Beiname Magnus taucht ab 213/214 zuweilen in Inschriften auf. Einige Zeit nach seinem Tod wurde Caracalla divinisiert als Di­ vus Antoninus Magnus, vermutlich schon unter Macrinus. Es ist bemerkenswert, dass ihn die Stadtchronik zwar nicht als Divus, aber doch als Antoninus Magnus bezeichnet. Andere literarische Quellen verwenden diesen Ehrennamen nicht. Ihn mit diesem zu benennen steht in einem auffälligen Widerspruch zur Mitteilung, der Kaiser habe ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Mutter gehabt. Möglicherweise hatte es der Verfasser darauf angelegt, den Leser ironisch auf diesen Widerspruch aufmerksam zu machen und ihn erkennen zu lassen, dass dieser Kaiser den Erwartungen, die gemeinhin gegenüber einem erhabenen Herrscher bestehen, nicht gerecht wurde. Hätte der Verfasser die Bezeichnung Caracalla oder (Bassianus) Antoninus gewählt, wäre die wohl erwünschte Wirkung schwächer gewesen. imp(eravit) ann(os) VI m(enses) II d(ies) XV. Das Feriale Duranum verzeichnet als Caracallas dies imperii den 4. Februar (Fer. Dur. 1,17), da Septimius Severus am 4. Februar 211 starb. In der Regierungszeit des Caracalla wurde als dessen dies imperii 702 Cass. Dio 78,3,3; HA Sept. Sev. 21,11; Carac. 9,7; Aur. Vict. 21,1; Epit. de Caes. 21,2. Als Caracallus wird er bezeichnet bei Cass. Dio 78,3,3; 78,9,3; HA Sept. Sev. 21,11; Carac. 9,7; als Caracalla bei Eutrop. 8,20; Aur. Vict. 21,1; Epit. de Caes. 21,1–2; 23,1; Hier. chron. z.J. 210/211 und z. J. 213. 703 Zu Namen, Titeln und Divinisierung: Kienast 2017, 156 f.; vgl. Heil, PIR2 7,2 (2006) S 446, 163–167; P. v.Rohden, Aurelius Nr. 46, in: RE 2,2 (1896) 2435–2437. Zum Beinamen Magnus s. P. v.Rohden, a. a. O. 2437.

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B) 4. Item imperia caesarum

der 28. Januar 198 propagiert, der Tag seiner Erhebung zum Augustus. Damit sollte an die vorhergehende Dynastie angeknüpft werden, denn der 28. Januar 98 war der dies imperii von Kaiser Traian; aber Caracalla war Anfang 198 erst zehn Jahre alt, also noch keinesfalls fähig zu regieren.704 Cassius Dio berechnete die Regierungszeit Caracallas ab dem 4. Februar 211 und datierte dessen Todestag auf den 8. April 217 (Cass. Dio 78,5,3; 78,6,5).705 Auch die Stadtchronik datiert Caracallas dies imperii offensichtlich nicht auf den 28. Januar 198, sondern auf den 4. Februar 211. Allerdings müsste sie, um korrekt zu sein, als Regierungsdauer 6 Jahre, 2 Monate und 4/5 Tage verzeichnen. Wie Burgess, wahrscheinlich zutreffend, vermutet, gab die Stadtchronik die Zahl der Tage ursprünglich mit „V“ an, woraus dann durch einen Kopistenfehler „XV“ wurde.706 Andere Quellen haben die Regierungsdauer Caracallas offenbar ebenfalls ab dem 4. Februar 211 berechnet, z. B. Eutropius, der 6 Jahre und 2 Monate überliefert (Eutr. 8,20,2). Herodian (4,13,8) nennt eine gerundete Zahl: „6 Jahre“. cong(iarium) dedit X CCCC. Wie erwähnt (s. o. S. 226 f.) hatte Septimius Severus seinen älteren Sohn an fünf seiner insgesamt sechs congiaria beteiligt. Für die Jahre 211 bis 214 sind vier weitere congiaria Caracallas belegt:707 Sechstes congiarium: Verteilt im Frühjahr 211, gemeinsam mit Geta als dessen fünftes congiarium, aus Anlass des Todes von Septimius Severus. Belege: RIC 4,1 (1936) Caracalla Nr. 215 a-c; Nr. 509 (die Reverslegende lautet jeweils LIB. AUGG. VI ET V, abgebildet sind Caracalla und Geta); Nr. 216 und 217 (Reverslegende: LIBERA­ LITAS AUG. VI). Siebtes congiarium: Verteilt im Frühjahr 212 anlässlich des Todes von Geta, von dem Caracalla behauptete, er habe ihn, Caracalla, ermorden wollen. Beleg: RIC 4,1, Caracalla Nr. 218 (Reverslegende: LIBERALI­ TAS AUG. VII). Achtes congiarium: Ausgezahlt im Januar 213 anlässlich von Caracallas viertem Konsulat. Belege: RIC 4,1, Caracalla Nr. 219; 220; 305 (Reverslegen-

704 Herz 1978, 286 f.; vgl. Kienast 2017, 156. 705 Laut HA Carac. 6,6 starb Caracalla am 6. April, aber Dio dürfte zuverlässiger sein: Sein Hinweis (78,6,5), Caracalla sei am 4. April [188] geboren worden und im Alter von 29 Jahren und 4 Tagen gestorben, passt zu Cass. Dio 78,5,3, wonach der 8. April [217] der Todestag des Kaisers war. Dass Cassius Dio als dessen Regierungsdauer fälschlich 6 Jahre, 2 Monate und 2 Tage statt 6 Jahre, 2 Monate und 4/5 Tage angibt, lässt sich wohl mit dem Fehler eines Kopisten erklären; vgl. Burgess 2014, 63 f. 706 Burgess, ebd. Hier bietet Burgess auch eine ausführliche und kommentierte Liste der Quellen, die Angaben zur Regierungsdauer Caracallas machen. 707 Vgl. die Beschreibungen und Datierungen bei Berchem 1939, 160; Barbieri 1957, 860 f.; Kienast 2017, 158.

4.3 Die Caesaren: Antoninus Magnus

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de: LIBERALITAS AUG. VIII); Nr. 510 a,b (Reverslegende: LI­ BERALITAS AUG. VIII S. C.). Neuntes congiarium: Verteilt Ende 213 oder Anfang 214 aus Anlass des Triumphes über die Germanen. Belege: RIC 4,1, Caracalla Nr. 302; 303 (Reverslegende: LIBERAL. AUG. VIIII); Nr. 527 (Reverslegende: P. M. TR. P. XVII IMP. III COS. IIII P. P. S. C. LIB. AUG. VIIII). Die von der Stadtchronik angegebene Gesamtsumme dieser vier congiaria, 400 Denare, ist glaubwürdig. Als einzelne Spende wurden offenbar jeweils 100 Denare pro Kopf ausgezahlt. Im Vergleich zur Spendenpraxis unter Septimius Severus ist diese Summe gering. Im Widerspruch dazu scheint HA Opil. 5,3 zu stehen, wonach Caracalla wegen seiner Spenden (außer Geld schenkte er auch Kleidungsstücke) beim Volk beliebt war: quod sciebat ob vestimenta populo congiaria data multum Antoninum a plebe dilectum. Allerdings hatte Septimius Severus, wie erwähnt, seinen älteren Sohn an fünf generösen Spenden beteiligt, daher konnte dieser auf die hohe Zahl von insgesamt neun congiaria verweisen. Dass Caracalla während seiner Alleinherrschaft dem Volk gegenüber weniger großzügig war als sein Vater, lag wohl zum einen an der schlechter gewordenen Finanzsituation.708 Zum anderen folgte Caracalla zumindest in finanzieller Hinsicht dem Rat, den Septimius Severus seinen Söhnen gegeben hatte: “Seid einig, bereichert die Soldaten, fragt sonst nach niemandem!“ (Cass. Dio 76,15,2) Hoc imp(erante) ianuae circi ampliatae sunt et thermae Antoninianae dedicatae sunt. Die Stadtchronik berichtet als einzige Quelle, Caracalla habe die Zugänge (ianuae) zum circus maximus vergrößert bzw. erweitert. Seit den Umbaumaßnahmen Traians bestand das Bauwerk größtenteils aus Stein. Die Außenseite war durch Arkaden gegliedert; durch einige dieser Arkaden an den Längsseiten und an der östlichen Schmalseite betraten und verließen die Besucher die Zuschauertribünen. Während Platner/Ashby der Ansicht sind, Caracalla habe diese Arkaden vergrößert, versucht Humphrey v. a. durch den Vergleich von Münzbildern nachzuweisen, dass Caracalla die Starttoranlage an der Nordwestseite des circus maximus erweitern bzw. ausbauen ließ.709 Die Anlage bestand aus zwölf Starttoren, die als carceres, oft auch als ianuae bezeichnet wurden. Münzen aus dem Jahr 213 scheinen die These Humphreys zu bestäti-

708 Laut Cassius Dio (77,9,1–5; 77,12,6) versuchte Caracalla auf verschiedene Arten, sich Geld zu verschaffen; dazu zählt Dio auch die constitutio Antoniniana (77,9,5). Zur Währungskrise in der Zeit Caracallas s. Christ 2009, 615, 624. Vgl. auch Barbieri 1957, 861. 709 Platner/Ashby 117; Humphrey 1986, 117 f., 144, 172, 648 Anm. 265.

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B) 4. Item imperia caesarum

gen, daher wird sie in der neueren Forschung akzeptiert.710 Seine Vermutung, Caracalla habe im Zentrum der Anlage ein dreizehntes Starttor hinzugefügt, fand aber wenig Anklang. Die thermae Antoninianae, heute üblicherweise Caracalla-Thermen genannt, zählten zu den größten Badeanlagen Roms; sie befanden sich ca. 500  m südöstlich der porta Capena an der via Nova, die Caracalla parallel zur via Appia anlegen ließ (HA Carac. 9,9). Obwohl die Thermen nur als Ruinen erhalten sind, wirken selbst diese wegen ihrer Monumentalität beeindruckend. Möglicherweise wurde mit ersten Bauarbeiten schon unter Septimius Severus begonnen. Das Hauptgebäude ließ Caracalla in den Jahren 212 bis 216 errichten; die äußeren Bauteile wurden in der Regierungszeit des Elagabal und des Severus Alexander hinzugefügt, das Bauwerk war somit erst um 235 komplett.711 Dass Caracalla die Thermen erbauen ließ und sie daher nach ihm thermae Antoninianae benannt wurden, überliefern neben der Stadtchronik folgende Quellen: Eutr. 8,20,1: opus Romae egregium fecit lavacri, quae Antoninianae appellantur. Hier. chron. z.J. 215/216: Antoninus Romae thermas sui nominis aedificavit. HA Sept. Sev. 21,11: Caracallus […] thermas magnificentissimas fecerit. HA Carac. 9,4–5: Opera Romae reliqui thermas nominis sui eximias (anschließend rühmt die Historia Augusta insbesondere die Konstruktion des zentralen Kuppelbaus). HA Carac. 9,9: viam novam munivit, quae est sub eius thermis, Antoni­ nianis scilicet. Durch HA Heliog. 17,9 ist überliefert, Elagabal habe begonnen, die porticus, die bei den Thermen des Antoninus Caracalla noch fehlten, zu bauen, sie seien aber erst von Alexander [Severus] vollendet worden. Letzteres bestätigt HA Alex. 25,6: Antonini Ca­ racalli thermas additis porti{o}cibus perfecit et ornavit. Hic suam matrem habuit. Die Mutter Caracallas und Getas war Iulia Domna, die zweite Gattin des Septimius Severus.712 In HA Sept. Sev. 20,2 wird jedoch behauptet, Bassianus (Caracalla) sei der Sohn aus der ersten Ehe seines Vaters und Iulia seine Stiefmutter gewesen. Als Stiefmutter (noverca) wird sie an einigen weiteren Stellen der 710 Scheithauer 2000, 188; Nickbakht/Stein 2017, 106; Rossetto, Circus Maximus, in: Steinby LTUR 1 (1993) 274; Richardson NTDAR, 85 f. Zu ianuae als Bezeichnung für die Starttore vgl. Nickbakht/ Stein a. a. O. Münzbeleg: BMC Emp. 5 (1950) 477 f., Caracalla Nr. 251–253; Abbildungen 75,2; 75,3. Zum Erscheinungsbild des circus maximus nach den Umbaumaßnahmen Traians s. Nielsen, Circus, in: DNP 2 (1997) 1211. 711 Zur Baugeschichte: Piranamonte, Thermae Antoninianae, in: LTUR 5 (1999), 42 f.; Thermae An­ toninianae, in: Richardson NTDAR, 387–389. Richardson hält Septimius Severus für den Initiator des Baus; die ältesten Ziegelstempel stammen mit einiger Wahrscheinlichkeit von Anfang 211 (Richardson a. a. O. 387). Auch Christ (2009, 624) ist der Ansicht, schon Caracallas Vater habe mit dem Bau der „Caracallathermen“ begonnen. 712 Kienast 2017, 156, 160; vgl. PIR2 7,2 (2006), S 446, 164; Birley 1971, 124 f.

4.3 Die Caesaren: Antoninus Magnus

237

Historia Augusta bezeichnet (HA Sept. Sev. 21,7; Carac. 10,1; Geta 7,3); dieselbe Bezeichnung verwenden Eutr. 8,20; Aur. Vict. 21,3; Epit. de Caes. 21,5; Hier. chron. z.J. 213 n. Chr. Alle diese Quellen berichten, wohl von der sog. Enmannschen Kaisergeschichte beeinflusst, Caracalla habe seine Stiefmutter zur Frau genommen, und bringen dies meist mit seiner zügellosen libido in Verbindung. Wenn es wirklich eine sexuelle Beziehung des Kaisers zu seiner Stiefmutter gegeben hätte, wäre dies, streng genommen, zwar kein Inzest gewesen, aber die Historia Augusta bezeichnet Caracalla dennoch nicht nur als Mörder (parricida), sondern auch als incestus (Carac. 11,5); er habe dem Brudermord die Blutschande hinzugefügt (Carac. 10,4: ad parricidium iun­ xit incestum). Der Inzestvorwurf wird damit begründet, dass die Stiefmutter sich von Caracalla stets als Mutter habe anreden lassen (Carac. 10,4; vgl. HA Sept. Sev. 21,7). An einer Stelle beschreibt die Historia Augusta relativ ausführlich, wie die intime Beziehung der beiden angeblich begonnen habe; hier wird Iulia Domna als schamlose Verführerin dargestellt (HA Carac. 10,1–4; ähnlich Epit. de Caes. 21,5). Dass sie zu Lebzeiten des Septimius Severus eine notorische Ehebrecherin gewesen sei, behaupten HA Sept. Sev. 18,8 und Aur. Vict. 20,23. Die von der Enmannschen Kaisergeschichte beeinflussten Quellen folgen einer Tradition, die eine feindliche Einstellung gegenüber Caracalla und Iulia Domna erkennen lässt.713 Sie geht möglicherweise bis auf den Prätorianerpräfekten Plautianus zurück, der bei Septimius Severus gegen dessen Gattin intrigierte (Cass. Dio 75,15,6; 78,24,1). Cassius Dio, unser zuverlässigster Zeitzeuge, sagt jedoch nichts davon, dass Iulia Domna, die er richtigerweise als Mutter, nicht als Stiefmutter Caracallas bezeichnet, sich sittenlos verhalten oder gar ein inzestuöses Verhältnis mit ihrem Sohn gehabt habe. Vielmehr habe sie ihn gehasst (Cass. Dio 78,23,1; 78,24,1). Caracalla, „der schlimmste aller Ehebrecher“, habe sich trotz der Versuche seiner Mutter, ihn zu vernunftgemäßem Handeln anzuleiten, nicht von Morden und anderen Verbrechen abhalten lassen (Cass. Dio 77,16,4; 77,18,1–2). Fazit: Zwar wiederholt die Stadtchronik hinsichtlich des Inzestvorwurfs eine offenbar verbreitete falsche Beschuldigung, sie sagt aber im Unterschied zu den von der EKG beeinflussten Quellen insofern etwas Richtiges, als sie von „Mutter“, nicht von „Stiefmutter“ spricht. Möglicherweise stützte sie sich dabei auf Berichte, denen zufolge Iulia Domna als „Iokaste“ (Mutter und Ehefrau des Ödipus) verspottet wurde (Herodian. 4,9,3). excessit inter Edessam et Carras. Da Caracalla ermordet wurde, wäre die Formulierung occisus passender gewesen als excessit. Ähnliches gilt für Aur. Vict. 21,5 und Eutr. 8,20,2: Hier wird zwar über den Tod Caracallas berichtet, aber von Mord ist nicht die

713

So auch Hohl 1976, 441 Anm. 94.

238

B) 4. Item imperia caesarum

Rede. Die Tatsache der Ermordung ist jedoch mehrfach bezeugt, u. a. durch Hier. chron. z.J. 217 n. Chr.; Epit. de Caes. 21,6; HA Carac. 6,6–7. Die ausführlichsten Schilderungen der Tat und ihrer Hintergründe stammen von Cassius Dio (78,4–5) und Herodian (4,12–13). Obwohl der Bericht des Cassius Dio nur als Epitome des Xiphilinos überliefert ist, kann er als der zuverlässigste gelten. Ihm zufolge glaubte der Prätorianerpräfekt Macrinus, der am Partherfeldzug Caracallas teilnahm, dass dieser ihm nach dem Leben trachte, und bereitete daher zusammen mit einigen Helfern ein Attentat vor. Die zentrale Figur des Mordanschlags war ein Reitknecht (strator) des Kaisers namens Martialis. Als Caracalla auf dem Weg von Edessa nach Carrhae eine Rast einlegte, um seine Notdurft zu verrichten, war er für kurze Zeit mit Martialis allein; das gab diesem die Gelegenheit, mit einem Dolch zuzustechen.714 Macrinus bemühte sich sehr, in der Öffentlichkeit nicht als Anstifter des Mordes zu gelten (Cass. Dio 78,11,4), und war damit anscheinend erfolgreich (HA Opil. 4,7–8). Einige Parallelquellen überliefern wie die Stadtchronik, Caracalla sei zwischen Edessa und Carrhae getötet worden: Cass. Dio 78,5,3; Epit. de Caes. 21,6; Hier. chron z. J. 217; HA Carac. 6,6; 7,1; Chr. pasch. 498,9; Synk. 436,13 f. Die Angaben von Cassius Dio und der Historia Augusta sind insofern besonders präzise, als sie berichten, Caracalla sei auf dem Weg von Edessa nach Carrhae gewesen; laut HA Carac. 6,6 hatte er in Edessa überwintert. Offenbar wollte er bei Carrhae einen Tempel besuchen (Herodian. 4,13,3). In der Forschung wird daher überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Mordanschlag auf Caracalla bei Carrhae verübt wurde.715 Fazit: Die Stadtchronik bleibt zwar hinsichtlich der Todesursache Caracallas undeutlich (ebenso wie Aurelius Victor und Eutropius), seinen Sterbeort gibt sie aber korrekt an. 4.3.25 Macrinus Sein Geburtsname lautete M. Opellius Macrinus.716 Die literarischen Hauptquellen für ihn sind Cassius Dio (Epitome des Xiphilinos), Herodian und die Historia Augusta. Bei Cassius Dio und Herodian heißt er, wie in der Stadtchronik, nur Macrinus, die 714 Zur Rekonstruktion der Verschwörung und des Tathergangs s. Hohl 1950, 280–287. 715 Kienast 2017, 157; Burgess 2014, 174; Hohl 1950, 286; P. v. Rohden, Aurelius Nr. 46, in: RE 2,2 (1896) 2450. Burgess (a. a. O.) weist darauf hin, die von der EKG abhängigen Quellen würden zwar vom Tod Caracallas, aber nicht von seiner Ermordung berichten und auch den Ort, an dem er starb, nicht korrekt bezeichnen. Dies trifft zu auf Aur. Vict. 21,5 (apud Edessam […] moritur) und Eutr. 8,20,2 (defunctus est in Osdroena apud Edessam), jedoch nur z. T. auf Epit. de Caes. 21,6, denn hier ist lediglich die Ortsangabe nicht ganz zutreffend: Cum Carras iter faceret, apud Edessam […]inter­ fectus est. 716 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 162 f.; vgl. Petersen, PIR2 5 (1987) O 108, 245 f.; v. Petrikovits, Opellius Nr. 2, in: RE 18,1 (1939) 540–545.

4.3 Die Caesaren: Macrinus

239

Historia Augusta nennt ihn zu Beginn der ihm gewidmeten vita, den Gentilnamen verschreibend, Opilius Macrinus. Als Kaiser nannte er sich Imperator Caesar M. Opellius Severus Macrinus Augustus. Den Namen Severus fügte er seinem eigenen sofort nach Regierungsübernahme hinzu (HA Opil. 5,7); damit wollte er den Eindruck erwecken, er gehöre der von Septimius Severus gegründeten Dynastie an. imp(eravit) anno uno menses IIII d(ies) II. Caracalla wurde am 8. April 217 ermordet. Der Drahtzieher des Attentats, der praefectus praetorio Opellius Macrinus, wartete drei Tage, bis er sich am 11. April zum Kaiser ausrufen ließ. Dieses Datum wählte er offenbar gezielt, da es der Geburtstag des Septimius Severus war (Cass. Dio 78,11,4–6). Infolge der Niederlage gegen die Truppen des Elagabal in der Schlacht bei Antiochia endete seine Herrschaft am 8. Juni 218 (Cass. Dio 78,39,1; Herodian. 5,4,6–8). Demnach regierte Macrinus ein Jahr, einen Monat und 28 Tage lang. Dieselbe Regierungsdauer („ein Jahr und zwei Monate minus drei Tage“) verzeichnen Cass. Dio 78,41,4 und Zon. 12,13 (S. 566, Z. 17 f.). Die Aussagen der im Folgenden zitierten Parallelquellen weichen davon nur unwesentlich ab: Eutr. 8,21 (imperium […] duum mensium et unius anni); Aur. Vict. 22,4 (mensibus ferme quattuor ac decem); Epit. de Caes. 22 (menses quattuordecim). Die von HA Opil. 8,2 erteilte Auskunft (anno am­ plius imperavit) ist sehr ungenau, aber HA Diad. 8,2 bestätigt die Angaben der oben zitierten Quellen: Macrinus und sein Sohn Diadumenianus, der im April 217 zum Caesar und Ende Mai 218 zum Augustus erhoben worden war, seien im 14. Monat ihrer Herrschaft getötet worden. Die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer scheint demnach um ca. zwei Monate zu lang zu sein. Zwar ist nicht auszuschließen, dass der Chronist die Zeit bis zum Tod des Macrinus berechnete, aber auch dann dürfte die angegebene Zeitspanne noch zu lang sein (s. u. S. 241). Burgess bietet eine mögliche Erklärung für den Fehler:717 Hinsichtlich der Regierungszeiten des Macrinus und des Elagabal habe der Verfasser der Stadtchronik wohl die unkorrekten Zahlen des Liber generationis I übernommen. Dieser verzeichnet für Macrinus ann. I, men. II, d. VI. In der Stadtchronik könnten die Ziffern bei Monaten und Tagen zunächst vertauscht worden sein: anno I, menses VI, dies II. Durch einen späteren Kopistenfehler sei dann wohl die Zahl VI zu IIII (menses) entstellt worden. cong(iarium) dedit X CL. Cass. Dio 78,34,3 überliefert ebenfalls, Macrinus habe den Bürgern Roms 150 Drachmen (=  150  Denare) gespendet. Offizieller Anlass für die Spende sei die Erhebung seines Sohnes Diadumenianus zum Augustus (Ende Mai 218, s. o.) gewesen, tatsächlich aber habe Macrinus um den Fortbestand seiner Macht fürchten müssen. Nachdem Teile seiner Truppen begonnen hätten, gegen ihn zu revoltieren, habe er versucht, seine Herrschaft durch Geldgeschenke an die Soldaten und

717

Burgess 2014, 65–67.

240

B) 4. Item imperia caesarum

das römische Volk zu stabilisieren. Die Anweisung zur Auszahlung des Geldes erteilte Macrinus offenbar in seiner vorläufigen Residenzstadt Antiochia; während seiner kurzen Regentschaft fand er keine Gelegenheit, Rom zu besuchen (HA Opil. 8,4; 10,1; Herodian. 5,4,12). Die Historia Augusta erwähnt zwar das congiarium (Diad. 2,9–10), nennt aber keine Summe. Für ein congiarium des Macrinus gibt es die folgenden numismatischen Belege: RIC 4,2 (1938) Macrinus Nr. 78; 79 (Reverslegende: LIBERA­ LITAS AUG.); 193 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG. S. C.); 194 (LIBERALITAS AUGUSTI S. C.). Kienast datiert das congiarium auf März oder Mai 218, die Akklamation des Elagabal zum Kaiser auf den 16. Mai 218.718 hoc imp(erante) amphitheater arsit. Über den Brand des flavischen Amphitheaters im Jahr 217 berichtet ausführlich Cassius Dio (Xiph., 78,25,2–3): Seinem Bericht zufolge schlug der Blitz am Tag der Vulcanalien in das Amphitheater ein, woraufhin die obere Galerie sowie die direkte Umgebung der Arena in Flammen aufging und auch alles Übrige durch den Brand beschädigt wurde; weder der heftige Regen noch die Löschversuche konnten das Feuer eindämmen. Laut Cassius Dio mussten die Gladiatorenspiele wegen der großen Schäden einige Jahre lang in das stadium des Domitian verlegt werden. Die Volcanalia fielen auf den 23. August und waren mit Brandopfern verbunden;719 daher war wohl außergewöhnlich viel Holz in der Arena vorhanden. Der Brand wird auch erwähnt bei Hier. chron. z.J. 218: Circensibus Vulcanaliorum Romae amphitheatrum incensum. Die Datierung des Hieronymus ist falsch: Am 23. August 218 war Macrinus bereits tot. Die Reparaturen am Amphitheater begannen unter Elagabal und wurden unter Alexander Severus fortgesetzt (HA Heliog. 17,8; Alex. 24,3). Ergänzende Baumaßnahmen gab es anscheinend noch um das Jahr 238; vermutlich wurden aber bereits im Jahr 223 wieder Gladiatorenspiele im Amphitheater abgehalten.720 occisus Arcelaida. Mit Arcelaida ist Archelais, das heutige Aksaray, gemeint, eine Stadt im südwestlichen Kappadokien. Unter Kaiser Claudius war sie zur Colonia Clau­ dia Archelais erhoben worden.721 Andere Quellen geben ebenfalls an, dass Macrinus an diesem Ort getötet wurde. Beispiele: Series regum 155,13 („Makrinos wurde getötet zu

718

Kienast 2017, 163, 165; vgl. Berchem 1939, 160; Barbieri 1957, 861. Alle drei Autoren verzeichnen nur ein einziges congiarium des Macrinus und datieren dieses auf das Jahr 218. Keine Akzeptanz fand die von H. v. Petrikovits vertretene These, dies sei das dritte congiarium des Macrinus gewesen: H. v. Petrikovits, Opellius Nr. 2, in RE 18,1 (1939) 549, 555. 719 Bendlin, Volcanus, in: DNP 12 (2002) 297. 720 Gall, Flavium amphitheatrum, in: RE 6,2 (1909) 2517; vgl. Hohl 1976, 500 Anm. 113. Zum Brand des Amphitheaters vgl. Rea, Amphitheatrum, in: Steinby LTUR 1 (1993) 31; Amphitheatrum Flavium, in: Richardson NTDAR, 7. Zur Verlegung der Gladiatorenspiele s. Stadium Domitiani, Richardson a. a. O. 366. 721 Strobel, Archelais, in: DNP 1 (1996) 984.

4.3 Die Caesaren: Macrinus

241

Archelaid“); fast gleichlautend Eus. Chron. can., Arm. Karst 224; Hier. chron. z.J. 218 (Macrinus occiditur in Archelaide). Hingegen erteilt die Historia Augusta eine andere Auskunft über den Sterbeort des Macrinus: in vico quodam Bithyniae occisus est (Opil. 10,3); occisus in suburbano Bithyniae (Opil. 15,1). Vermutlich orientierte sich der Verfasser der HA an Herodian. 5,4,11. Hier ist zu lesen, dass Macrinus, dessen Fluchtziel Rom gewesen sei, in einer Vorstadt-Villa des bithynischen Chalkedon gefasst wurde, bevor er die Propontis überqueren konnte. Da Herodian keine weiteren Orte nennt, sondern gleich anschließend mitteilt, die Verfolger hätten den Gefangenen enthauptet, konnte dies so verstanden werden, dass Macrinus in Chalkedon oder in dessen unmittelbarer Umgebung getötet wurde. Aber der genaueste antike Bericht über das Ende dieses Kaisers stammt von Cass. Dio (Xiph., 78,39,1–40,2). Er besagt, dass Macrinus nicht in Bithynien, sondern in Kappadokien zu Tode kam. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Antiochia am 8. Juni 218 sei er über Kilikien, Kappadokien, Galatien und Bithynien bis nach Chalkedon geflohen, wo er verraten und festgenommen worden sei. Von dort hätten ihn die von Elagabal ausgesandten Häscher offenbar nach Antiochia zurückbringen sollen. In Kappadokien habe er jedoch erfahren, dass auch sein Sohn in Gefangenschaft geraten war; daraufhin habe er sich vom Wagen gestürzt und sich dabei dabei den Arm gebrochen. Der Text ist an dieser Stelle nur lückenhaft überliefert, aber aus den unmittelbar folgenden Sätzen kann geschlossen werden, dass Macrinus noch in Kappadokien getötet wurde; vermutlich in oder bei Archelais, auch wenn der Name des Ortes in dem schadhaften Text nicht genannt wird. Auf seiner Flucht hatte Macrinus eine sehr große Strecke zurückgelegt. Rechnet man noch den Rücktransport bis Archelais hinzu, ist als Todesdatum ein Zeitpunkt anzunehmen, der einige Wochen nach dem 8. Juni lag. Kienasts Zusammenfassung zum Tod des Macrinus lautet daher: „Mitte 218 […] Auf der Flucht in Chalkedon (Bithynien) gefangen und auf dem Transport nach Antiochia in Archelais (Kappadokien) getötet.“722 Fazit: Die Stadtchronik überliefert zutreffend, dass Macrinus getötet wurde, und gibt den Ort des Geschehens korrekt an.

722 Kienast 2017, 162.

242

B) 4. Item imperia caesarum

4.3.26 Antoninus Eliogaballus Sein Geburtsname lautete Varius Avitus, vermutlich zusätzlich auch Bassianus.723 Der Gentilname stammte von seinem Vater S. Varius Marcellus, einem aus der Provinz Syria stammenden römischen Ritter; das cognomen Avitus stammte von Iulius Avitus, dem Großvater mütterlicherseits. Der Urgroßvater Iulius Bassianus, dessen ältere Tochter Julia Domna um 185 v. Chr. Septimius Severus heiratete, war Priester des syrischen Gottes Elah­Gabal (Gott des Berges, auch Sol Elagabalus genannt) gewesen. Da das Priesteramt in der Familie erblich war, ging es auch auf den noch jugendlichen Varius Avitus (Bassianus) über. Dessen Familie gab ihn als unehelichen Sohn des im Heer beliebten Caracalla aus (Cass. Dio 78,31 f.; Herodian. 5,3,10; HA Opil. 8,4). Als er im Mai 218 zum Kaiser proklamiert wurde, nahm er daher, um seine dynastische Legitimation herauszustreichen, den Kaisernamen (Imperator Caesar) Marcus Aurel(l) ius Antoninus (Augustus) an, den bereits Caracalla getragen hatte. Dieser Name wurde erst  Jahrzehnte nach seinem Tod durch den des syrischen Sonnengottes ersetzt, den die Griechen aufgrund einer falschen Etymologie Ἡλιογάβαλος nannten. Der posthum entstandene Kaisername beruht auf einem Missverständnis: Seit Ende 220 erscheint in der offiziellen Titulatur sacerdos amplissimus Dei invicti Solis Elagabali. Als Bezeichnung für den Kaiser taucht Heliogabalus in der entstellten Form Eliogaballus erstmals in der Stadtchronik auf. Cassius Dio verwendet, wenn er vom Kaiser spricht, zunächst dessen Geburtsnamen Avitus (Cass. Dio 78,30,2–32,2), aber später (ab 78,32,3) nennt er ihn Pseudoan­ toninus (Ψευδαντωνῖνος) und ab 79,11,2 Sardanapal, nach einem berüchtigten assyrischen Herrscher.724 Bei Herodian heißt er anfangs Bassianus (5,3,3–5,3,11), danach stets Antoninus (5,4,1–5,8,10). Spätere Autoren nennen ihn Marcus Aurelius Antoninus (Hier. chron. z.J. 218), Marcus Antoninus […] Heliogabalus dictus (Aur. Victor 23,1) oder auch Aurelius Antoninus Varius, idem Heliogabalus dictus (Epit. de Caes. 23,1). In der Historia Augusta wird nur zu Beginn der Elagabal-Biographie der Gentilnamen Varius und die Annahme des Kaisernamens Antoninus erwähnt, ansonsten nennt sie den Kaiser meist nur Heliogabalus; lediglich der Titel der vita lautet Antoninus Heliogabalus. Hinsichtlich der Bezeichnung Heliogabalus folgt der Verfasser der Stadtchronik offensichtlich 723 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 165; Heil, PIR2 Bd. 8,2 (2015) V 273, 138–153; Lambertz, Varius Nr. 10, in: RE 8 A1 (1955) 391–394. Lambertz ist der Auffassung (a. a. O. 393), Herodian (5,3,3–5,3,11) habe Varius Avitus irrtümlich als Bassianus bezeichnet, d. h. ihm das cognomen seines Vetters, des späteren Kaisers Severus Alexander, beigelegt. Aber schon Jahrzehnte vor Lambertz‘ Artikel hatte Paul Groebe die Ansicht vertreten, Bassianus bzw. Bassiana könne „eine Art Cognomen der ganzen Familie gewesen“ sein (Groebe, Aurelius Nr. 221, in: RE 2/2, 1896, 2526). Diese Ansicht Groebes wird heute meist geteilt; s. Preußer, Elagabal, in: DNP Suppl. 8 (2013), 391 f.; Klaus Altmayer, Elagabal. Roms Priesterkaiser und seine Zeit, Nordhausen 2014, 27; Icks 2014, 76; Heil, PIR2 Bd. 8,2 (2015) V 273, 140 f. Auch Caracalla hatte ursprünglich das Cognomen Bassianus getragen; s. o. S. 233. 724 Renger, Sardanapal, in: DNP 11 (2001) 54.

4.3 Die Caesaren: Antoninus Eliogaballus

243

derselben Tradition wie Aurelius Victor, die Epitome de Caesaribus und die Historia Augusta. In der neueren Literatur wird der Kaiser üblicherweise „Elagabalus“ oder „Elagabal“ genannt, nach dem Namen des syrischen Gottes, dessen Priester er war. imper(avit) annos VI m(enses) VIII dies XVIII. Am 16. Mai 218 proklamierte die bei Emesa stationierte Legion den ungefähr 14jährigen Varius Avitus zum Kaiser (Cass. Dio 78,31,4; ohne Datum: Herodian 5,3,12). Sein Nachfolger Severus Alexander wurde am 13. März 222 von der römischen Garnison zum Kaiser ausgerufen (Fer. Dur. 1,23); Elagabal war kurz zuvor ermordet worden.725 Berechnet man die Zeit vom 16. Mai 218 bis zum 12. März 222, dauerte die Herrschaft des Elagabal 3 Jahre, 9 Monate und 24/25 Tage. Nimmt man jedoch wie Cassius Dio den Tag des Sieges über Macrinus, also den 8. Juni 218, als Ausgangsdatum, ergibt sich eine Regierungsdauer von 3 Jahren, 9 Monaten und 4 Tagen. Diese Zahlen verzeichnen Cass. Dio 79,3,3; Zon. 12,14 (S. 570, Z. 18) und Cedrenus 449,18–19. Auf jeden Fall herrschte Elagabal nur ungefähr halb so lange wie von der Stadtchronik angegeben. Um den Fehler der Stadtchronik zu erklären, bietet Burgess einen sowohl ausführlichen als auch komplizierten Erklärungsversuch an: Er geht davon aus, dass sie die Daten für Macrinus und Elagabal vom Liber generationis I übernahm.726 Dieser verzeichnet als Regierungsdauer für Macrinus 1 Jahr, 2 Monate, 6 Tage und für Elagabal 3 Jahre, 8 Monate und 28 Tage. Wie Burgess vermutet, habe der Liber generationis jedoch die Zahl der Tage vertauscht; die Angabe „6 Tage“ hätte also bei Elagabal stehen müssen. Das Ausgangsdatum des Liber generationis für die Berechnung von Elagabals Regierungszeit sei möglicherweise fälschlich der 17. (statt des 8.) Juni 218 gewesen, denn dieses Datum lag 1 Jahr, 2 Monate und 6 Tage nach dem 11. April 217 (dies imperii des Macrinus). Enddatum hätte aber nicht der 17. März 222 sein dürfen (zu diesem Datum würden die vom Liber generationis genannten Zahlen führen), sondern hätte der 14. März 222 sein müssen, der dies imperii des Severus Alexander (laut Fer. Dur. 1,27 verlieh der Senat diesem am 14. März 222 die Titel Augustus, pater patriae und ponti­ fex maximus). In der Stadtchronik hätten sich, wie Burgess weiter annimmt, zusätzlich zwei Kopistenfehler eingeschlichen: Aus III Jahren wurden VI Jahre, aus XXVIII Tagen wurden XVIII Tage. Eine einfachere Erklärung für die Angabe in der Stadtchronik wird durch den Vergleich mit Eutr. 8,22 und Epit. de Caes.23,1 nahegelegt: Beide geben die falsche Auskunft, Elagabal habe 2 Jahre und 8 Monate lang geherrscht. Möglicherweise stammen diese Zahlen aus derselben Quelle wie jene der Stadtchronik; bei dieser hätten durch einen Kopistenfehler aus II Jahren VI Jahre werden können. Die XVIII Tage lassen sich auf diese Weise allerdings nicht erklären.

725 Vermutlich am 11. oder 12. März, s. Kienast 2017, 165. 726 Burgess 2014, 65–67; vgl. Komm. S. 239. Kaiserliste des Liber generationis I bei Mommsen 1892, 138.

244

B) 4. Item imperia caesarum

cong(iarium) ded(it) X CCL. Münzlegenden überliefern vier congiaria des Elagabal – eine überraschend hohe Zahl angesichts seiner relativ kurzen Regierungszeit. Die folgenden Angaben zu diesen vier congiaria basieren auf Kienast, van Berchem und vor allem auf Barbieri; Kienast bietet nur Datierungen.727 Erstes congiarium:

Laut Herodian. 5,5,8 gewährte Elagabal dem Volk die bei einem Regierungsantritt übliche Spende. Während van Berchem und Kienast meinen, dies sei bereits im  Jahr 218 geschehen, datiert Barbieri die Spende ins Jahr 219. Dies dürfte zutreffen, da Elagabal 218 in Nicomedia Winterquartier bezog (Cass. Dio 79,7,3; Herodian 5,5,3; HA Heliog. 5,1) und erst im August oder September 219 in Rom eintraf. Münzbelege: RIC 4,2 (1938) Elagabalus Nr. 97 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG.) und 352 (LIBERALITAS AUGUSTI S. C.). Zweites congiarium: Laut Cass. Dio 79,9,2 wurden anlässlich der Hochzeit Elagabals mit Iulia Cornelia Paula 150 Denare verteilt; ein weiterer Anlass könnte Elagabals zweiter Konsulat gewesen sein. Kienast, van Berchem und Barbieri datieren das congiarium übereinstimmend auf das Jahr 219. Numismatische Belege: RIC 4,2 (1938) Elagabalus Nr. 9 (Reverslegende: LIB. AUG. II. P. M. TR. P. II. COS. II. P. P.); Nr. 10 (Reverslegende: LIB. AUG. II. COS. II. P. P.), Nr. 98–102 (LIBERALITAS AUG. II.); Nr. 353 und 354 (LI­ BERALITAS AUGUSTI II. S. C.). Drittes congiarium: Verteilt im Jahr 220 aus Anlass des dritten Konsulats. Numismatische Belege: RIC 4,2 (1938), Elagabalus Nr. 103 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG. III.) und Nr. 354  A (LIBERALITAS AUGUST. III. S. C.). Viertes congiarium: Verteilt 221 oder 222 aus Anlass des vierten Konsulats. Münzbeleg: RIC 4,2 (1938) Elagabalus Nr. 104 (Reverslegende: LIBE­ RALITAS AUG. IIII.). Da Cassius Dio für das zweite congiarium 150 Denare überliefert und seit Marc Aurel nie weniger als jeweils 100 Denare pro Kopf ausbezahlt wurden, scheint der von der Stadtchronik angegebene Betrag von 250 Denaren zu niedrig zu sein (so auch Barbieri a. a. O. 862 f.). Nicht auszuschließen ist, dass der Verfasser nur Kenntnis von zwei con­ giaria des Elagabal hatte. Möglich ist aber auch eine andere Erklärung: Laut HA He727 Berchem 1939, 161; Barbieri 1957, 861–863; Kienast 2017, 166. Elagabals adventus in Rom, bei dem das erste congiarium verteilt wurde, datieren Barbieri (S. 862) und Kienast (S. 165) auf den Zeitraum August/September 219 n. Chr.

4.3 Die Caesaren: Antoninus Eliogaballus

245

liog. 8,3 ließ Elagabal bei Antritt des Konsulats keine Münzen verteilen, sondern Ochsen, Kamele, Esel und Hirsche (Cum conlatum inisset, in populum non nummos vel argenteos vel aureos bellaria vel minuta animalia, sed boves op[t]imos et camelos et asinos et cervos populo diripendos abiecit, imperatorium id esse dictitans). Wenn dies zutrifft, wurden beim dritten und vierten congiarium keine Münzen, sondern Naturalien verteilt; dann könnte die von der Stadtchronik genannte Summe stimmen. Eliogaballium dedicatum est. Bald nach seinem Einzug in Rom im August oder September 219 ließ der Kaiser für den syrischen Gott Elagabal auf dem Palatin einen Tempel errichten, in den zentrale römische Heiligtümer wie z. B. das Palladium überführt werden sollten (Herodian. 5,5,8; 5,6,3–5; HA Heliog. 3,4). Dieser Tempel, den Herodian als außergewöhnlich groß und prächtig beschreibt, wurde der Chronik des Hieronymus zufolge 221 eingeweiht. In seinem Inneren ließ der Kaiser laut Cass. Dio 79,12,2 ein mit Gold und Schmuck behängtes Kultbild des Gottes aufstellen; gemeint ist zweifellos der schwarze Stein von Emesa, den Herodian beschreibt (5,3,5). Cassius Dio zufolge gab der Kaiser dem Gott Elagabal einen höheren Rang als Jupiter (Cass. Dio 79,11,1). Die Historia Augusta stellt sogar die wenig glaubwürdige Behauptung auf (Heliog. 3,4), der Kaiser habe erreichen wollen, dass in Rom nur noch der syrische Sonnengott verehrt würde. Für den Standort des Tempels, der in Notitia und Curio­ sum nicht erwähnt wird, liegen keine eindeutigen literarischen Zeugnisse vor. Laut HA Heliog. 1,6 befand er sich dort, wo zuvor die aedes Orci gewesen sei; diese aber ist sonst unbekannt. Heute nimmt man an, dass der Tempel des Sol Invictus Elagabalus im Nordosten des Palatin auf dem Gelände der späteren „Vigna Barberini“ erbaut wurde; archäologische Untersuchungen konnten noch nicht endgültig klären, ob Elagabal dort den Tempel des Iuppiter Victor wiederaufbaute und vergrößerte oder ob er einen völlig neuen Bau errichten ließ.728 Den Tempel des Sol Elagabalus ließ Severus Alexander wahrscheinlich schon bald nach dem Tod seines Vorgängers umwandeln in den Tempel des Iuppiter Ultor:729 Ein Hinweis darauf, dass man glaubte, einige der Maßnahmen des syrischen Priesterkaisers seien als religiöse Freveltaten anzusehen und müssten gerächt werden. Elagabal hatte laut Herodian. 5,6,6 einen weiteren Tempel für die syrische Gottheit vor der Stadt errichten lassen, wahrscheinlich im Nordosten beim amphitheatrum Castrense. Möglicherweise wurden Teile dieses Tempels unter

728 Zum Standort: Broise/Thébert 1999, 745–747. Vgl. Coarelli, Heliogabalus, Templum; Heliogaba­ lium, in: Steinby LTUR 3 (1996) 10 f. Einen Neubau für wahrscheinlich halten Broise/Thébert, a. a. O. 746.; gegen Richardson (Elagabalus, Templum, Nr. 1, in: NTDAR, 142). Skeptisch hinsichtlich der Neubau-These ist Francoise Villedieu: La Vigna Barberini à l’époque sévérienne, in: Sojc/ Winterling/Wulf-Rheidt (Hrsg.), Palast und Stadt im severischen Rom, Stuttgart 2013, 157–180. 729 Icks 2014, 58; vgl. Scheithauer 2000, 195; Coarelli, a. a. O. (vgl. Anm. 728).

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B) 4. Item imperia caesarum

Constantin I. für den Bau einer Kirche verwendet, der heutigen S. Croce in Gerusalemme.730 occisus Romae. Dass Elagabal in Rom getötet wurde, ist auch durch andere Quellen belegt: Aur. Vict. 23,3: in castris praetoriis […] oppressus est. Eutr. 8,22: tumultu interfectus est militari. Hier. chron. z.J. 222 n. Chr.: Antoninus Romae occiditur tumultu militari cum matre Symiasera. Epit. de Caes. 23,5: ipse tumultu militari interfectus est; HA Heliog. 17, 1: in latrina, ad quam confugerat, occisus. Genauere Berichte über das Geschehen bieten Cassius Dio (79,17,2; 79,19,1–20,1) und vor allem Herodian (5,5,5; 5,8,1–8): Iulia Maesa, Großmutter des Elagabal und Schwester von Iulia Domna, der Gattin des Septimius Severus, hatte offenbar schon seit längerem erkannt, dass der junge Kaiser durch sein gegen römische Traditionen verstoßendes Auftreten den Senat immer mehr gegen sich aufbrachte. Um den Fortbestand der syrischen Dynastie zu sichern, veranlasste sie, dass Alexianus, der Sohn ihrer jüngeren Tochter und spätere Kaiser Severus Alexander, von Elagabal adoptiert wurde und den Titel Caesar erhielt; der Name Alexianus wurde in Alexander umgewandelt. Geldzahlungen von Mamaea, der Mutter des Alexander, trugen dazu bei, dass sich die Prätorianer vom Kaiser ab- und ihrem Sohn zuwandten. Als Elagabal dies erkannte, versuchte er Alexander als Caesar abzusetzen und, da dies nicht gelang, zu beseitigen. Dies löste die Rebellion der Prätorianer aus: Elagabal und seine Mutter wurden in der Prätorianerkaserne getötet; danach wurden ihre Leichen durch die Straßen geschleift, die Leiche des Kaisers warf man in den Tiber. 4.3.27 Alexander Nicht nur in der Stadtchronik lautet sein Kaisername schlicht Alexander, sondern auch bei Cassius Dio (79,1,1–79,5,1), Herodian (6,1,1–7,1,1) und Hieronymus (chron. z.J. 222). Aurelius Victor nennt ihn sowohl Alexander (Aur. Vict. 24,9) als auch Aurelius Alexander (24,1); in Epit. de Caes. 24,1 heißt er Severus Alexander. Die Historia Augusta nennt ihn im Titel der Lebensbeschreibung Alexander Severus, einmal auch Aurelius Alexander (Alex. 1,2), ansonsten stets Alexander. Nach Cass. Dio 78,30,3 hieß er ursprünglich Bassianos, nach Herodian (5,3,3) Alexia­ nos; der vollständige Geburtsname lautete vermutlich M. Iulius Gessius Bassianus Alexi­ 730 Coarelli, Heliogabalus, Neos, in: Steinby LTUR 3 (1996) 10; Elagabalus, Templum (2), in: Richardson NTDAR, 142.

4.3 Die Caesaren: Alexander

247

anus.731 Nachdem ihn Elagabal adoptiert hatte, wurde der Name Alexianus in Alexan­ der umgewandelt und er nannte sich nun M. Aurellius Alexander (Filiation: Imperator Caesar M. Aurelii Antonini Pii Felicis. Aug. fil., divi Antonini Magni Pii nepos, divi Severi pronepos). Sofort nach Übernahme der Herrschaft legte er die Bezeichnung als Sohn des Elagabal ab und nahm, da er als unehelicher Sohn Caracallas, somit als Enkel des Septimius Severus, ausgegeben wurde, den Beinamen Severus an. Von nun an nannte er sich Imperator Caesar M. Aurellius Severus Alexander p. f. Augustus (divi Antonini Magni Pii filius, divi Severi Pii nepos). Nach seinem Tod veranlasste Maximinus Thrax die damnatio memoriae. Diese wurde nach dem Tod des Maximinus 238 n. Chr. aufgehoben und Severus Alexander wurde divinisiert. Die Stadtchronik nennt ihn jedoch nicht Divus. imper(avit) ann(os) XIII m(enses) VIII d(ies) IX. Als dies imperii des Severus Alexander kann der 13. oder der 14. März 222 gelten.732 Am 13. März wurde er in Rom von den Prätorianern zum Kaiser ausgerufen (Fer. Dur. 1,23); am Tag danach verlieh ihm der Senat die Titel Augustus, pater patriae und pontifex maximus (Fer. Dur. 1,27). Sein Todesdatum ist nicht explizit überliefert, sondern muss aus den erhaltenen Quellenangaben über seine Regierungsdauer erschlossen werden. „13  Jahre und 9  Tage“ überliefern Liber gen. I (398), Eutr. 8,23 und HA Alex. 60,1, während Cedrenus 450,4 fast dieselben Zahlen nennt wie die Stadtchronik, nämlich „13 Jahre und 8 Monate“. Gerundete Zahlen nennen Hier. chron. z.J. 222 („13  Jahre“) und Herodian. 6,9,3–8; 7,1,1 („14  Jahre“). Nimmt man den 14. März 222 als dies imperii, führt die von Liber generationis, Eutropius und Historia Augusta überlieferte Regierungsdauer (13  Jahre und 9 Tage) zum 23. März 235. Da Maximinus Thrax jedoch bereits am 25. März in die römischen Priesterkollegien kooptiert wurde (CIL VI, 2001) und Severus Alexander weit von Rom entfernt bei Mainz ermordet worden war (s. u.) war der 23. März 235 sicherlich nicht Alexanders Todestag, sondern wahrscheinlich der Tag, an dem sein Nachfolger vom Senat offiziell anerkannt wurde. Diejenigen Quellen, die als Regierungsdauer des Severus Alexander 13 Jahre und 8/9 Tage angeben, rechneten also von dies imperii zu dies imperii. Demnach scheint die Stadtchronik eine um 8 Monate zu lange Regierungszeit anzugeben. Burgess erklärt dies damit, dass die Zeitangabe des Cedrenus („13 Jahre und 8 Monate“) wohl auf einem Kopistenfehler („8 Monate“ statt „8 Tage“) basiere. Ursprünglich seien vermutlich 8 Tage angegeben worden, ausgehend von der normalen Zählweise, während sich die von Liber generationis I, Eutropius und Historia Augusta verzeichneten „9 Tage“ aus der inklusiven Zählweise ergeben hätten. Die falsche Angabe „8 Monate“ müsse sich schon lange vor Cedrenus in die Überlieferung eingeschli731

Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 171; vgl. Stein, PIR2 1 (1933) A 1609, 327–329; Groebe, Aurelius Nr. 221, in: RE 2,2 (1896) 2526–2528. 732 Zu den Regierungsdaten des Severus Alexander: Kienast 2017, 171, 176; Burgess 2014, 67 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

chen haben und sei vom Verfasser der Stadtchronik zu „13 Jahre und 9 Tage“ hinzugefügt worden. Möglicherweise kann die Angabe der Stadtchronik aber doch als richtig gelten: Die gerundete Zahl („14 Jahre“) des Herodian, die Burgess nicht erwähnt, ist nicht allzu weit von den Zahlen der Stadtchronik entfernt, und Herodian war immerhin ein Zeitgenosse des Severus Alexander. Es dürfte eine Tradition gegeben haben, welche dessen Regierungsdauer ab seiner Erhebung zum Caesar berechnete, die laut Kienast um den 26. Juni 221 erfolgte. Zählt man ab diesem Datum 13 Jahre, 8 Monate und 9 Tage hinzu, ergibt sich als Regierungsende bzw. Todestag des Severus Alexander der 6./7. März 235. Dies ließe sich mit den Berechnungen Kienasts vereinbaren, der den Tod des Kaisers auf Februar/März 235 und die Akklamation des Maximinus auf die Tage zwischen 18. Februar und ca. 9. März 235 datiert.733 cong(iarium) ded(it) X DC. Die Historia Augusta behauptet, Severus Alexander habe nur drei congiaria gewährt (HA Alex. 26,1). Das ist nachweislich falsch, denn Münzlegenden überliefern fünf congiaria des Kaisers. Die folgenden Angaben zu ihrer Datierung und zum jeweiligen Anlass basieren auf van Berchem, Barbieri und Kienast.734 Erstes congiarium:

Verteilt 222, wie üblich aus Anlass des Regierungsantritts. Münzbelege: RIC 4,2 (1938) Severus Alexander Nr. 147; 148; 564–566 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG.); Nr. 148 und 150 (LIBERALITAS AUGUSTI). Zweites congiarium: Verteilt wohl 225, nicht, wie van Berchem meint, 224 n. Chr. Anlass war die Hochzeit des Kaisers mit Sallustia Orbiana. Kienast datiert diese Heirat auf einen Termin nach dem 28. August 225. Münzbelege: RIC 4,2 (1938) Severus Alexander Nr. 152 und 153 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG. II), Nr. 567–569 (LIBE­ RALITAS AUGUSTI II S. C.) und Nr. 570 (LIBERALITAS AU­ GUSTI II). Drittes congiarium: Verteilt 226 anlässlich des zweiten Konsulats. Münzbelege: RIC 4,2 (1938) Severus Alexander Nr. 154 (Reverslegende: LIBERA­ LITAS AUGUSTI III); Nr. 571–574 und 663 (LIBERALITAS AUGUSTI III S. C.).

733

Kienast 2017, 172, 176. Als Beleg nennt er (1996, 183) Papyrus P. Oxy VI 912. Gegen diese Deutung: Burgess 2014, 67 Anm. 22. Doch auch A. Lippold (1991, 181 f.) ist der Ansicht, dass die Stadtchronik die Regierungsdauer des Severus Alexander ab seiner Erhebung zum Caesar berechnet und dass Alexanders Tod sowie die Akklamation des Maximinus auf den Zeitraum vom 18. Februar bis zum 9. März 235 zu datieren sind. 734 Berchem 1939, 161; Barbieri 1957, 863 f.; Kienast 2017, 172.

4.3 Die Caesaren: Alexander

Viertes congiarium:

Fünftes congiarium:

249

Verteilt 229 anlässlich des dritten Konsulats. Münzbelege: RIC 4,2 (1938) Severus Alexander Nr. 204–206 (Reverslegende: LI­ BERALITAS AUG. IIII); Nr. 575–579 (LIBERALITAS AUGUS­ TI IIII S. C.). Verteilt 233, laut HA Alex. 57,6 anlässlich des Triumphes über die Parther. Münzbelege: RIC 4,2 (1938) Severus Alexander Nr. 242 und 243 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG. V); Nr. 533 und 534 (LIBERALITAS AUGUSTI V S. C.).

Es gibt keinen Grund, die Höhe der von der Stadtchronik angegebenen Gesamtsumme in Zweifel zu ziehen. Barbieri vermutet, dass Severus Alexander dreimal 100 und zweimal 150 Denare spendete. hoc imp(erante) fuit polyfagus natione Italus qui manducavit pauca: cistam lactucas, vascellum sardinarium, sardas X, melopepones LXX, tallos de scopa palmea, mappas IIII, panes castrenses IIII, cistam cardos cum suas sibi spinas,735 et ebibit vini grecanicum plenum et venit ad templum Iasurae et ebibit labrum plenum et adhuc esuriens esse videbatur. Einige der hier gewählten Formulierungen verwendet der Verfasser der Stadtchronik auch bei seinem Bericht über den am Hofe Neros auftretenden Esskünstler Arpocras: hoc imp. fuit polyfagus […] qui manducavit pauca […], tallos de scopa palmea, mappas IIII […] et adhuc esuriens esse videbatur (s. o. S. 22 und 134). Aber anders als bei jenem wird hier kein Name mitgeteilt. Ansonsten wirkt die Aufzählung dessen, was der Esskünstler verspeist haben soll, so unglaublich wie diejenige bei Arpocras. Da das Substantiv cista in der Aufzählung zweimal erscheint und der Verzehr von Holzkisten oder Körben schlicht unmöglich ist, darf man annehmen, dass mit cista in beiden Fällen eine Maßangabe gemeint ist, auch wenn nach cista eigentlich nicht erneut der Akkusativ (lactucas, cardos) stehen dürfte. Demnach aß der polyfagus angeblich eine so große Menge an Salat und Artischocken, wie jeweils in eine handelsübliche Kiste passte. Ähnliches gilt vermutlich für das vascellum sardinarium: Zwischen den Speisefi735 Die Zeichensetzung stammt von Mommsen, in der Hs. V stehen keine Kommata. sarda/sardina: Beide Bezeichnungen stehen für „Fisch aus Sardinien“, womit primär junge (einjährige) Thunfische gemeint sind (s. Alfred C. Andrews, The „Sardinian Fish“ of the Greeks and Romans, in: AJPh 70 (1949), 171–185 (hier v. a. 183–185); vgl. Plin. nat. 32,151; Hünemörder, Thunfisch, in: DNP 12,1 (2002) 513 f. Bei Isid. orig. 12,6,38 werden sarda und sardina praktisch gleichgesetzt. melopepo (vgl. Plin. nat. 19,67): die apfelförmige Zuckermelone, s. Steier, Melone, in: RE 15,1 (1931) 561– 567 (hier v. a. 565 f.); Nickbakht/Stein 2017, 109. carduus: echte Artischocke oder deren Wildform, die sehr spitze Stacheln (spinae) besaß; s. Olck, Artischocke, in: RE 2,2 (1896) 1455–1457. panis (militaris) castrensis: ungesäuertes Fladenbrot, 20–30 cm Durchmesser; s. Markus Junkelmann, Pa­ nis militaris: Die Ernährung des römischen Soldaten oder der Grundstoff der Macht, Mainz 1997, 131, 133.

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B) 4. Item imperia caesarum

schen sardina und sarda scheint man nicht streng unterschieden zu haben; also befanden sich die zehn sardae wahrscheinlich in dem zuvor genannten vascellum und waren nicht das zweite Fischgericht. Mit panes castrenses ist grobes, fladenförmiges Soldatenbrot gemeint (s. Anm. 735). Am Ende der Aufzählung wird über zwei Trinkkunststücke des polyfagus berichtet: Zunächst trank er ein nicht eindeutig definiertes Quantum Wein: ebibit vini greca­ nicum736 plenum. Mommsen vermutet, die ursprüngliche Textversion habe ebibit vini Graecanici cadum gelautet, es sei also ein Krug griechischer Wein ausgetrunken worden; hingegen ist Jordan der Ansicht, grecanicum (dolium) sei eine Bezeichnung für die großen Fässer gewesen, in denen der beliebte Bithynerwein gelagert wurde.737 Da beide Deutungen nicht überzeugen könnten, schlagen Nickbakht/Stein als Konjektur Graecanicum cadum vor, wodurch cadus zu der klar definierten Mengenangabe von knapp 40 Litern werde.738 Der polyfagus trank also laut Stadtchronik einen cadus Wein. Danach ging er zum templum Iasurae und trank dort ein gefülltes Becken (labrum plenum) leer. Dabei handelte es sich vermutlich um ein mit Wasser gefülltes Steinbecken; möglicherweise identisch mit dem heiligen Teich, der sich beim templum Iasurae (= deae Syriae, s. u.) befand.739 Wie bereits Jordan und Mommsen erkannten, wurde Iasurae fälschlich für diasurae geschrieben.740 Letzteres Wort, ein Pseudokompositum, entstand offenbar aus dea Suriae bzw. Syriae. Der Kult dieser Göttin war laut Suet. Nero 56,1 (hier in der Schreibweise dea Syria) schon zu Neros Zeiten nach Rom gekommen, wurde aber unter dem aus Syrien stammenden Severus Alexander vermutlich intensiver als zuvor gefördert. Italische und provinzialrömische Weiheinschriften verzeichnen für Atargatis, so ihr ursprünglicher syrischer Name, die erwähnten Namensformen dea Syria und dea Suria; ihr Tempel war sehr wahrscheinlich außerhalb des pomerium in der regio Transtiberim, möglicherweise an der via Portuensis, errichtet worden.741 Der sicherlich stark übertriebene Bericht der Stadtchronik über den polyfagus wirkt ein wenig glaubhafter, wenn man Folgendes bedenkt: Wahrscheinlich arbeitete er wie ein moderner Zauberkünstler mit diversen Tricks bzw. Täuschungshandlungen. AuGraecanicus, ­a, ­um: lt. Georges HwB Bd. 1, Sp. 2957: „nach Art der Griechen“. Mommsen 1892, 147 Anm. zu Z. 23; Jordan 1872, 314. Nickbakht/Stein 2017, 110 unter Verweis auf Isid. orig. 16,26,13 (cadus Graeca amphora est). Zu labrum s. Jordan 1872, 315; Nickbakht/Stein 2017, 111. Für die Vermutung von Salzman (1990, 53) und Burgess (2014, 153), es habe sich um einen mit Wein gefüllten Behälter gehandelt, gibt es keinen zwingenden Grund. Bei jedem Tempel der Des Syria befand sich ein heiliger Teich, s. Cumont, Dea Syria, in: RE 4,2 (1901) 2236–2243, hier: 2242. Zum Haupttempel der Dea Syria in Hierapolis und dem dortigen Teich mit den heiligen Fischen: Lukian von Samosata, De Dea Syria 45. 740 Jordan 1872, 314 f.; Mommsen 1892, 147 Z. 24; zustimmend: Nickbakht/Stein 2017, 111. 741 Zum Namen der Göttin: Monika Hörig, Dea Syria – Atargatis, in: ANRW II, 17,3 (1984) 1538–1540, 1572–1575. Zum Standort des Tempels: Jordan 1872, 315, 317–322; vgl. Dea Suria, Templum, in: Richardson NTDAR, 107. Platner/Ashby (S. 148) vermuten, der Tempel sei unter Severus Alexander erbaut worden. 736 737 738 739

4.3 Die Caesaren: Alexander

251

ßerdem legte er, nachdem er Wein aus einem (vollen?) cadus getrunken hatte, zu Fuß vermutlich eine größere Strecke zurück: vom Stadtzentrum oder vom Palatin über den Tiber hinweg zum Tempel der dea Syriae. Danach dürfte er dazu fähig gewesen sein, eine größere Menge Wasser zu trinken. Auch hatte er für seine Ess- und Trinkleistungen wahrscheinlich viele Stunden zur Verfügung. Denn die Historia Augusta berichtet, ein anderer polyfagus habe im Verlauf eines ganzen Tages große Mengen an der Tafel des Aurelian verspeist (HA Aurelian. 50,4). Es mutet allerdings seltsam an, dass es dem Verfasser der Stadtchronik als wichtig erschien, ausgerechnet hinsichtlich der Regierungszeit des Severus Alexander, den die Historia Augusta als streng und sparsam beschreibt (HA Alex. 4,2; 33,3–34,2; 37,1–12), von einem polyfagus zu berichten. Bei dem verschwenderischen Nero ist dies weniger erstaunlich, obwohl sich gerade zur Zeit Neros in Rom Wichtigeres ereignete (v. a. der Stadtbrand und die Christenverfolgung). Unter Severus Alexander durfte der polyfagus vielleicht nur kurze Zeit die Hofgesellschaft unterhalten, denn laut HA Alex. 34,2 schenkte der Kaiser dem Volk eine größere Anzahl von Unterhaltungskünstlern, zu denen jener gehört haben könnte: nanos et nanas et moriones et vocales exsoletos et omnia acroamata et pantomimos po­ pulo donavit. et thermae Alexandrinae dedicatae sunt. Zwei weitere Quellen berichten, Severus Alexander habe in Rom Bäder erbauen lassen, die seinen Namen trugen: Hier. chron. z.J. 227 n. Chr.: Thermae Alexandrianae Romae aedificatae. HA Alex. 25,3–4: Opera veterum principum inst{r}auravit, ipse nova multa constituit, in his thermas nominis sui iuxta eas, quae Neronianae fuerunt, aqua inducta, quae Alexandriana nunc dicitur. nemus thermis suis de privatis aedibus suis, quas emerat, dirutis aedificiis fecit. Der Historia Augusta zufolge scheint der Kaiser die auf dem Campus Martius erbauten Thermen Neros nicht nur restauriert, sondern auch umgestaltet zu haben, woraufhin sie von nun an seinen Namen trugen. Offenbar kaufte er zusätzlich Gelände an, das an diese Thermen angrenzte, und ließ darauf einen Park anlegen, der wie die Thermen durch eine aqua Alexandriana genannte Wasserleitung versorgt wurde. Dieser Bericht der Historia Augusta wird in der neueren Forschung als glaubwürdig eingestuft.742 Eutropius erwähnt nur, die thermae Neronianae seien später in thermae Alexand­ rianae umbenannt worden (Eutr. 7,15). Cassiodor datiert die Thermen des Alexander zwar wie Hieronymus auf das Jahr 227, berichtet aber im Unterschied zu diesem nicht von einem neuen Bauwerk, sondern nur von einer Namensänderung: Albinus et Maximus. His conss. Neronianae thermae Alexandrianae vocatae sunt (Chron. min. II, S. 146). Einige Handschriften, welche die Chroniken des Hieronymus und des Cassi742 Ghini, Thermae Neronianae/Alexandrinae, in: Steinby LTUR 5 (1999) 60; Thermae Neronianae, in: Richardson NTDAR, 393 f.; Hohl 1976, 501 Anm. 123.

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B) 4. Item imperia caesarum

odor überliefern, bieten statt (thermae) Alexandrianae ebenfalls die vom Verfasser der Stadtchronik gewählte Schreibweise (thermae) Alexandrinae. Alexander occisus Mogontiaco. Der gewaltsame Tod des Severus Alexander ist vielfach belegt. Den ausführlichsten Bericht, allerdings ohne genaue Ortsangabe, liefert Herodian. 6,7,6–6,9,8. Demnach war der Kaiser, von seiner Mutter begleitet, mit Truppen an den Ufern des Rheins eingetroffen und bereitete einen Feldzug gegen die Germanen vor. Um den Krieg zu vermeiden, habe er aber zunächst Verhandlungen aufgenommen. Aus Verärgerung darüber habe ein Teil des Heeres den Maximinus Thrax zum Kaiser proklamiert. Dieser habe den Marsch zum nahegelegenen Feldlager des Severus Alexander befohlen. Dessen Soldaten seien zu Maximinus übergelaufen. Der habe daraufhin einen Militärtribunen und einige Centurionen (χιλιάρχην ἑκατοντάρχας τέ τινας) entsandt, um Alexander und dessen Gefolge zu ermorden. Der Befehl sei ausgeführt worden. Die Historia Augusta spricht an einer Stelle (Alex. 59,7) ebenfalls davon, Maximinus habe den Mord befohlen, überliefert jedoch auch eine andere Version: Ein germanischer Soldat aus der Umgebung des Kaisers habe aus Angst, wegen eines Dienstvergehens bestraft zu werden, die Bluttat veranlasst (HA Alex. 61,3–7). Burgess erwähnt Herodian nicht, sondern weist nur darauf hin, dass die auf Eusebius basierenden Quellen mit der Stadtchronik übereinstimmen, da sie Mainz als Schauplatz des Mordes an Severus Alexander ausweisen:743 Series regum 155,15; Eus. Chron. can., Arm. Karst 225 („Alexandros ward getötet zu Mogontiakon“); Chr. pasch. 500,11–13; Synk. 439,7–9; Hier. chron. z.J. 235. Hingegen seien die Quellen aus lateinischer Tradition völlig verworren. Gemeint sind folgende Quellen: Aur. Vict. 24,4: vico Britanniae, cui vocabulum Sicilia, [milites] trucidavere; Eutr. 8,23: periit in Gallia; HA Alex. 59,6: eum […] in Britannia, ut alii volunt in Gallia, in vico cui Sicilia nomen est […] occiderunt. Vor einigen Jahren unternahm Leonhard Schumacher jedoch den Versuch, die verwirrenden Ortsangaben der drei zuletzt genannten Quellen in Einklang mit jenen zu bringen, die von Mainz als Tatort sprechen744 Aus Hinweisen über kaiserliche Reisegepflogenheiten und aus dem Bericht Herodians, der Mordanschlag habe im Zelt (σκηνή) des Kaisers stattgefunden, könne man schließen, dass Severus Alexander in einem mobilen Feldlager außerhalb des Legionslagers Mainz Quartier genommen hatte. Auf diesem Gelände könnte ein vicus Brittonum, analog zur Siedlung vicus Gallorum bei Carnuntum, existiert haben, eine Ansiedlung von Brittones, d. h. von Veteranen, deren 743 Burgess 2014, 175 f. Zum Bericht der Historia Augusta über den Mord vgl. Straub 1980, 237–250. 744 Schumacher 2004, 1–10. – Er teilt die Ansicht J. Straubs, der Kaiser sei wahrscheinlich im „heutigen Ort Bretzenheim bei Mainz, der in Urkunden der Karolingerzeit Villa Brittanorum heißt“ (Straub 1980, 234 Anm. 4), ermordet worden. Ähnlich äußert sich Christ 2009, 632.

4.3 Die Caesaren: Maximinus

253

Einheit oder Truppengattung ursprünglich aus Britannien stammte. In karolingischen Urkunden wird die Gemarkung Bretzenheim bei Mainz als villa nominata Prittonorum, villa Brittanorum oder Brettanorum bezeichnet. Aurelius Victor könnte den vicus Brit­ tonum als vicus Britanniae missverstanden haben. Wenn Eutropius und die Historia Au­ gusta von Gallia sprechen, dann laut Schumacher deshalb, weil in spätantiken Quellen das linksrheinische Gebiet der Provinz Germania (superior) des Öfteren als Teil Galliens angesehen wurde, so auch in HA Maximin. 7,4. Mit dem bei Aurelius Victor und in der HA erwähnten Sicilia sei keine Siedlung und schon gar nicht die Insel gemeint, sondern ein luxuriöser kaiserlicher Speisesaal, denn auch in HA Pert. 11,6 werde der Begriff mit dieser Bedeutung verwendet. Severus Alexander habe demnach in einem Prunkzelt residiert. Schumachers kenntnisreiche und detailliert vorgetragene Argumentation wirkt überzeugend. Seiner Schlussfolgerung, der Ort, an dem Severus Alexander starb, könne auf dem Gebiet des heutigen Mainzer Vororts Bretzenheim lokalisiert werden, wurde jedoch insbesondere von Astrid Böhme-Schönberger energisch widersprochen.745 Sie kann allerdings im Gegensatz zu Schumacher keine konstruktive Erklärung für die erwähnten Angaben bei Aurelius Victor, Eutropius und der Historia Augusta anbieten, die somit rätselhaft bleiben würden. Außerdem zieht sie grundsätzlich in Zweifel, dass Severus Alexander in oder bei Mainz ermordet wurde, und lässt damit die Aussage der Stadtchronik sowie die mit ihr übereinstimmenden Parallelberichte, welche definitiv die Ortsangabe Mogontiacum enthalten, außer Acht. 4.3.28 Maximinus So nennen ihn auch die literarische Hauptquelle Herodian (Bücher 7 und 8), die Chronik des Hieronymus (z. J. 235), Eutropius (9,1) und die Historia Augusta (vita der Maximini duo). Bei Aur. Vict. 25,1 heißt er Gaius Iulius Maximinus. Die erste Quelle, die ihn (Iulius Maximinus) Thrax nennt, ist die Epitome de Caesaribus (25,1). Heute lautet die übliche Bezeichnung Maximinus Thrax. Als sein Geburtsname gilt C. Iulius Verus Maximinus;746 das Gentiliz Iulius Verus deutet darauf hin, dass seine aus den Balkanprovinzen Thrakien oder Moesien stammende Familie das römische Bürgerrecht unter der Regierung des Marc Aurel und des Lucius Verus erhielt. Sein Kaisername 745 Astrid Böhme-Schönberger, Wurde Alexander Severus [sic] in Bretzenheim ermordet? In: Mainzer Zeitschrift (Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte), Jg. 99, Mainz 2004, 11–16. Die Autorin weist u. a. darauf hin, dass Schumachers Thesen nicht durch archäologische Befunde belegt werden. Diese Argumentation wird unterstützt von Ronald Knöchlein, Bretzenheim-Zahlbach-Dalheim. Die archäologischen Zeugnisse bis in die fränkische Zeit. Archäologische Ortsbetrachtungen, H. 11, Mainz 2009, 28 (Anm. 21) und 45. 746 Zu den Namen, der Herkunft und den Titeln: Kienast 2017, 176–178; Huttner 2008, 161–168; Petersen PIR2 4,3 (1966) I 619, 288 f.; Hohl, Iulius (Verus) Nr. 526, in: RE 10,1 (1918) 852–855.

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B) 4. Item imperia caesarum

war Imperator Caesar C. Iulius Verus Maximinus Augustus; seinen Sohn Maximus ließ er Anfang des Jahres 236 zum Caesar erheben. imp(eravit) ann(os) III m(enses) IIII d(ies) duos. Die Quellenaussagen zur Regierungsdauer des Maximinus Thrax differieren beträchtlich: Unglaubwürdig sind Berichte, denen zufolge er entweder nur zwei Jahre (HA Max. Balb. 15,7) oder aber bis zu sechs Jahre lang (Zon. 12,16, S. 578, Z. 10; Cedrenus 450,13) herrschte. Die meisten Quellen sprechen von drei Jahren.747 Um nur die wichtigsten zu nennen: Herodian. 7,4,1; Hier. chron. z.J. 235 n. Chr.; Aur. Vict. 27,5; Epit. de Caes. 25,1; HA Max. Balb. 15,7 (ut quidam dicunt). Genauer als diese ist Eutr. 9,1: imperaverat triennio et paucis diebus. Im Folgenden wird skizziert, welche Datierungen Kienast, Huttner, Lippold, Peachin und Burgess vorschlagen:748 Die Akklamation des Maximinus Thrax zum Kaiser datiert Kienast, ähnlich wie Lippold, auf den Zeitraum 18. Februar bis 9. März 235. Peachin hält Ende Februar/Anfang März für wahrscheinlich; eine genauere Datierung sei unmöglich, da man nicht wisse, wieviel Zeit verging, bis die Nachricht der Akklamation in Rom eintraf. Vermutlich wurde Maximinus Thrax am 23. März 235 vom Senat als Augustus anerkannt (s. o. S. 247), so dass dieser Tag als sein dies imperii gelten konnte. Das würde gut zu dem frühesten belegten Datum seiner Regierung passen, denn am 25. März 235 wurde er als Augustus in das Priesterkolleg der sodales Antoniniani kooptiert (laut CIL VI 2001, 12–16). Geht man vom 23. März 235 als dies imperii des Maximinus Thrax aus, ergibt sich aus der von Eutr. 9,1 überlieferten Regierungsdauer (s. o.), dass seine Herrschaft etwa Anfang April 238 endete. Damit übereinstimmend datiert Kienast den Tod des Maximinus auf Mitte April 238, während Huttner sich eher vage ausdrückt: „Frühjahr 238“. Peachin hingegen ist der Ansicht, Maximinus sei erst Anfang Juni 238 getötet worden; er verweist auf den Papyrus P. Oxy. XLIII 3107, aus dem hervorgeht, dass Maximinus am 7. April in Ägypten noch als Kaiser galt, am 13. Juni aber nicht mehr. Lippold hält es dennoch für wahrscheinlich, dass Maximinus und sein Sohn erst Anfang Juli getötet wurden. Angesichts der unterschiedlichen Meinungen zum Verlauf der Geschehnisse im Jahr 238 konstatiert Börm, die Chronologie sei zwar nach wie vor umstritten; die gängigste

747 Vgl. die umfangreiche Liste bei Burgess 2014, 68 f. Dass Zonaras und Cedrenus von 6 Jahren sprechen, hält er für einen Irrtum, der ursprünglich auf eine lateinische Quelle zurückzuführen sei, in der die korrekte Zahl III zu VI Jahren entstellt wurde. 748 Kienast 2017, 176; Huttner 2008, 177; Lippold 1991, 182, 190; Peachin 1990, 26 f.; Burgess 2014, 68 f.

4.3 Die Caesaren: Maximinus

255

biete aber Kienast.749 Indem dieser den Tod des Maximinus auf April 238 datiert, geht er offenkundig davon aus, dass jene Quellen, die für Maximinus Thrax eine Regierungszeit von etwa drei Jahren angeben, dessen Herrschaft erst mit seinem Tod für beendet hielten. Burgess ist jedoch der Ansicht, die Quellen hätten als Ende seiner Herrschaft jenen Termin betrachtet, an welchem der Senat die beiden Gordiane (s. u. S. 258) als Augusti anerkannte und Maximinus sowie dessen Sohn zu hostes publici erklärte. Das sei Ende März/Anfang April 238 geschehen;750 Kienast hingegen datiert diese Ereignissse um ca. ein Vierteljahr früher.751 Da als dies imperii des Maximinus Thrax der 23. März 235 gilt (s. o.), führt die von der Stadtchronik angegebene Herrrschaftsdauer zum 27. Juli 238. Auch wenn mit diesem Termin nur das Todesdatum des Maximinus gemeint sein kann, muss er nicht nur aus der Sicht Kienasts, sondern auch aus jener von Burgess und der anderen oben erwähnten Autoren als zu spät erscheinen. Burgess hält die von Eutropius genannte Regierungsdauer von etwas mehr als drei Jahren für richtig und nimmt an, dies sei die Zeitspanne bis zur Absetzung des Maximinus; daher sei die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer um vier Monate zu lang.752 Für die fehlerhafte Zeitangabe der Stadtchronik findet er eine mögliche Erklärung: Wenn man die Regierungszeiten der beiden Gordiane (22 Tage) sowie von Balbinus und Pupienus (99 Tage) addiere, ergeben sich in der Summe 4 Monate und 1 Tag. Dies ist ungefähr dieselbe Zeitspanne, um welche die von der Stadtchronik für Maximinus angegebene Herrschaftsdauer länger ist als die von Eutropius genannte; daher müsse die Stadtchronik eine Quelle benutzt haben, welche die Herrschaft der Gordiane sowie von Balbinus und Pupienus als illegal ansah und deren Regierungsdauer deshalb zu jener des Maximinus Thrax hinzuaddierte.

749 Börm 2008, 72 Anm. 15. Börm bezieht sich auf Kienast 32004, 183–187 (unveränderter Nachdruck von Kienast, Römische Kaisertabelle 21996). – Zu den Forschungsmeinungen 1958–1977 über die Chronologie des Jahres 238 s. die Übersicht bei K. Dietz, Senatus contra principem. Untersuchungen zur senatorischen Opposition gegen Kaiser Maximinus Thrax, München 1980, 345–347. Lippold (1991, 185 Anm. 39) kommentiert die Übersicht bei Dietz mit den Worten, es sei „nahezu unmöglich […], hinsichtlich der Chronologie des Jahres 238 zu gesicherten Ergebnissen zu kommen.“ 750 Burgess 2014, 68 f. Damit teilt er die Ansicht von Peachin 1989, 604; Lippold 1991, 191 f.; Brandt 1996, 90. Laut Mattingly (RIC 4,2, 1938, S. 141) wurden in Rom noch bis April 238 Münzen des Maximinus Thrax geprägt, während Kienast meint, damals hätten bereits Pupienus und Balbinus regiert (s. Anm. 751). 751 Kienast datiert die Ausrufung Gordians I. und II. zu Kaisern auf „Anf. (?) Jan. 238“, ihre Anerkennung durch den Senat auf „Mitte (?) Jan. 238“, den Tod der beiden Gordiane auf „ca. 20. Jan (?) 238“ (Kienast 2017, 180, 182; = 1996, 188, 190). Huttner datiert wie Kienast die Kaiserproklamation des Gordianus senior auf den Jahresbeginn 238; im Widerspruch dazu steht seine Annahme, Pupienus und Balbinus, die nur 99 Tage lang regierten (s. Kienast 2017, 183 und 185), seien erst Juli/August 238 getötet worden (Huttner 2008, 170, 179). Aber Kienast datiert den Tod der beiden Senatskaiser um ein Vierteljahr früher auf Anfang Mai (Kienast 2017, 183, 185; = 1996, 191, 193). 752 Burgess 2014, 69. Obwohl sie auf diese Stelle bei Burgess verweisen, übersehen Nickbakht/Stein (2017, 112) die Differenz zwischen Eutr. 9,1 und der Angabe der Stadtchronik.

256

B) 4. Item imperia caesarum

cong(iarium) ded(it) X CL. Die Stadtchronik berichtet als einzige literarische Quelle von einem congiarium des Maximinus Thrax. Dass es ein solches gab, wird durch Münzlegenden bestätigt. Da keine der Reverslegenden, welche eine liberalitas des Maximinus Thrax bezeugen, eine Zählung aufweist, ließ er offenbar nur ein einziges congiarium verteilen. Das ist nicht erstaunlich angesichts seiner kurzen Regierungszeit und einer v. a. auf die Interessen der Soldaten ausgerichteten Finanzpolitik (s. Herodian. 7,3). Belege für das congiarium, das wahrscheinlich wie üblich bald nach der Regierungsübernahme verteilt wurde: RIC 4,2 (1938) Maximinus I. Nr. 9 u. 10 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG.); 48, 49 u. 50 (LIBERALITAS AUG. S. C.); 51, 52, 53 (LIBERALITAS AUGUSTI S. C.) und 111 (LIBERALITAS AUGUSTI). Die von der Stadtchronik angegebene Summe ist glaubwürdig. Auch Macrinus hatte eine Spende von 150 Denaren pro Empfänger gewährt, Elagabal im Jahre 219 ebenfalls und bei zwei congiaria des Severus Alexander war vermutlich derselbe Betrag gezahlt worden.753 hoc imp(erante) magna pugna fuit cum Romanis et praetorianis. Sicherlich ist ein Kampf zwischen Römern (bzw. Teilen der römischen Bevölkerung) und Prätorianern gemeint; bei Cons. Const. 350,5 und Cons. Const. 378,2 wird cum ebenfalls als Präposition mit der Bedeutung „zwischen“ verwendet.754. Die literarische Hauptquelle für die Ereignisse während der Regierung des Maximinus Thrax ist Herodian. 7,1,1 bis 8,5,9; auf diesen gehen auch spätere Darstellungen zurück, insbesondere die vita Maximin­ orum der Historia Augusta.755 Herodian berichtet ausführlich über Kämpfe in Rom, die bald ausgebrochen seien, nachdem der Senat den Maximus (Pupienus) und den Balbinus zu Kaisern gewählt hatte. Herodian zufolge hatten die beiden Senatoren Gallicanus und Maecenas zwei Prätorianer ermordet und das Volk gegen deren Kameraden aufgehetzt, da sie in diesen Anhänger des abgesetzten Maximinus Thrax sahen. Nun habe Gallicanus das Volk bewaffnet und auch Gladiatoren zu Hilfe gerufen. In der Folge sei es zu einer Belagerung der Prätorianerkaserne gekommen; bei Ausfällen hätten die Soldaten viele der Belagerer getötet und Wohnhäuser in Brand gesteckt, so dass ein großer Teil der Stadt abbrannte (Herodian. 7,11,1–7,12,7). Die Darstellung der Ereignisse fällt bei der Historia Augusta (Maximin. 20,6; Max. Balb. 9,2; 10,4–8) wesentlich weniger detailliert aus, aber auch hier werden Gallicanus und Maecenas als Verursacher des Bürgerkriegs genannt. Laut HA Maximin. 20,6 konnte Balbinus die Situation Zum einzigen congiarium des Maximinus Thrax vgl. Barbieri 1957, 865; Huttner 2008, 164; Kienast 2017, 177. 754 Darauf weisen auch Nickbakht/Stein (2017, 112) hin; Mommsens Änderungsvorschlag (magna pugna fuit Romanis cum praetorianis, Mommsen 1892, 147, Anm. zu Z. 27) sei also unnötig. Vgl. auch Burgess 2014, 152 f. 755 Lippold 1991, 59 f.; vgl. Hohl, RE 10, 1 (1918) 853. Der Verfasser der HA weist selbst darauf hin, dass er sich auf den Bericht Herodians stützt (HA Maximin. 13,4; Max. Balb. 15,3); bisweilen scheint er diesen allerdings fälschlich Arrianus zu nennen: HA Maximin. 33,3; Gord. 2,1; Max. Balb. 1,2; vgl. dazu Lippold a. a. O., 59 Anm. 2 und 667 f.; Brandt 1996, 118 f. 753

4.3 Die Caesaren: Maximinus

257

nicht unter Kontrolle bringen, während Maximus (Pupienus) bereits mit Truppen auf dem Weg nach Norditalien gewesen sei, um dort die Verteidigung gegen das Heer des Maximinus Thrax zu organisieren. Huttner vermutet, dass die Unruhen in Rom von Anhängern Gordians III. angeheizt worden waren, um so die beiden Senatskaiser in Schwierigkeiten zu bringen.756 occisus Aquileia. Diese Angaben sind richtig. Dass auch Maximus, der Sohn des Maximinus Thrax, bei Aquileia getötet wurde, erwähnen Herodian 8,5,9; Aur. Vict. 27,3–4; Eutr. 9,1; Epit. de Caes. 25,2; HA Maximin. 23,6. Die Ereignisse des Jahres 238 bei Aquileia werden detailliert geschildert von dem Zeitzeugen Herodian (8,2,2–8,6,4) und, etwas weniger ausführlich, von der Historia Augusta (Maximin. 21,6–23,6): Zwei Beauftragte des Senats hatten für alle nötigen Maßnahmen gesorgt, um Aquileia gegen das Heer des Maximinus Thrax zu verteidigen. Nachdem dessen Verhandlungsversuche gescheitert waren, gelang es ihm weder durch Belagerung noch durch Sturmangriffe, die Stadt einzunehmen. Als sich die Angreifer auch noch vor erhebliche Versorgungsprobleme gestellt sahen und die Soldaten Hunger litten, brach im Heer des Maximinus eine Rebellion aus, bei der er und sein Sohn getötet wurden. Die Köpfe der beiden Ermordeten wurden nach Rom geschickt. Im Folgenden werden einige Vergleichsquellen zitiert, welche die Aussage der Stadtchronik, Maximinus Thrax sei bei Aquileia getötet worden, bestätigen: Series regum 155,16: „Maximinos wurde getötet zu Akileia.“ Eus. Chron. can., Arm. Karst 225: „Maximinos ward getötet zu Akileia.“ Hier. chron. z.J. 238 n. Chr.: Maximinus Aquileiae a Pupieno occiditur. Aur. Vict. 27,4: Eos Pupienus Aquileiae obsidione confecit. Eutr. 9,1: Maximinus […] a Pupieno Aquileiae occisus est […] cum filio. Epit. de Caes. 25,2: apud Aquileiam seditione militum discerptus est una cum filio. HA Maximin. 23,6: milites […] et Maximinum et filium eius […] occiderunt. Beim Vergleich der Quellen zeigt sich, dass Hieronymus, Aurelius Victor und Eutropius fälschlicherweise behaupten, Kaiser Pupienus habe Maximinus Thrax besiegt und getötet. Laut Herodian 8,6,5 hielt sich Pupienus mit seinen Truppen zur fraglichen Zeit bei Ravenna auf.

756 Huttner 2008, 179. Er nimmt offenbar wie Christ (2009, 656) an, dass die Kämpfe zwischen Teilen des römischen Volkes und den Prätorianern erst nach dem Tod des Maximinus Thrax begannen. Zu Problemen mit der Interpretation der Quellen und der Rekonstruktion der zeitlichen Abläufe s. Lippold 1991, 159–163, 539–542.

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B) 4. Item imperia caesarum

4.3.29 Duo Gordiani Es handelt sich um Vater und Sohn, die beide denselben Namen trugen (M. Antonius Gordianus Sempronius Romanus Africanus)757 und im Frühjahr 238 in der Provinz Africa zu Kaisern ausgerufen wurden. Die Historia Augusta nennt sie Gordianus senior und Gordianus iunior bzw. minor (HA Gord. 2,2; 15,3; 17,2; 18,2); Gordianus senior war, bevor er zum Augustus akklamiert wurde, amtierender proconsul der Provinz Africa gewesen. Der Senat erkannte ihn und seinen Sohn rasch als Augusti an und erklärte Maximinus Thrax und dessen Sohn zu hostes. Nicht nur die Stadtchronik wählt die Formulierung duo Gordiani, sondern auch die Historia Augusta: HA Opil. 3,5; Diad. 6,3 (duos Gordia­ nos, patrem et filium); Heliog. 34,6 (duos Gordianos narrare coepero, patrem et filium); Gord. 10,1 (Gordiani duo in Africa{m} interempti sunt); Gord. 22,1 (post mortem duo­ rum Gordianorum). Bei HA Gord. 2,1 beruft sich der Verfasser auf die griechischen Historiker Arrian758 und Dexippus, die, wie er betont, wahrheitsgemäß von drei statt nur von zwei Gordiani berichten würden. Den dritten Gordianus, Enkel des Gordianus senior, nennt er anfangs Gordianus parvulus, Gordianus adulescens und Gordianus puer (HA Gord. 22,2; 22,5; 22,9; 23,1), da er erst um 225 geboren wurde. Aurelius Victor, Eutropius und Ammianus Marcellinus, die ihre Werke in Latein verfassten und sich auf die sog. Enmannsche Kaisergeschichte stützten, kennen nur zwei Gordiani. Wenn diese drei Autoren von Gordianus iunior sprechen, meinen sie Gordianus III, von dem sie fälschlich annehmen, er sei der Sohn, nicht der Enkel des Gordianus senior (Aur. Vict. 27; Eutr. 9,2; Amm. 23,5,17). Hinsichtlich der Gordiane verfügte der Verfasser der Stadtchronik offenbar über genauere Informationen als jener der EKG, da er zunächst von zwei Gordiani und später von einem weiteren Gordianus berichtet. Er sagt allerdings weder etwas über die Verwandtschaftsverhältnisse noch nimmt er Notiz davon, dass jeder der drei Gordiani nach dem Tod als Divus Gordianus konsekriert wurde. imper(averunt) dies XX. Diese Angabe der Stadtchronik ist das früheste erhaltene Zeugnis hinsichtlich der Regierungsdauer der beiden Gordiane. Die beiden wichtigsten Quellen, die diesbezüglich ebenfalls konkrete Zahlen nennen, sind zwei wesentlich später verfasste byzantinische Weltchroniken: die des Johannes Malalas aus dem 6. Jh. und die des Johannes Zonaras aus dem 12. Jh. Laut Ioh. Mal. 12,25 (VIIIa und IXa, Thurn 226 = Mommsen 436, 9 f.) regierte der ältere Gordian 22 Tage, der jüngere 20 Jahre. Bei der zweiten Zahl hat der Schreiber offenbar versehentlich „Jahre“ statt „Tage“ notiert, wie auch Burgess (s. u.) annimmt. Zonaras bestätigt die Angabe des Malalas, der ältere Gordian habe 22 Tage regiert (Zon. 12,17; S. 579, Z. 21 f.). Demnach 757 Zu den Namen, der Herkunft und den Titeln: Kienast 2017, 180, 182; Huttner 2008, 170 f.; vgl. Stein, PIR2 1 (1933) A 833, 159 f. und A 834, 161; v. Rohden, Antonius Nr. 61, in: RE 1,2 (1894) 2628–2631; ders., Antonius Nr. 62, ebd., 2631 f. 758 Möglicherweise ist Herodian gemeint; vgl. Anm. 755.

4.3 Die Caesaren: Duo Gordiani

259

scheint dieser seinen Sohn um zwei Tage überlebt zu haben. Dazu würden der Bericht der Historia Augusta (Maximin. 19,2; Gord. 16,3) und die Sekundärversion des Herodian (7,9,9) passen, wonach er Selbstmord beging, nachdem sein Sohn im Kampf gegen Capelianus, den Statthalter Numidiens, gefallen war. Dieser Version folgen Kienast, Burgess, Christ, Stein und v. Rohden.759 Der Zeitzeuge Herodian (7,9,4) berichtet jedoch als Primärversion, der ältere Gordian habe sich das Leben genommen, bevor sein Sohn starb. Auf diese Überlieferung Herodians stützt sich anscheinend Huttner, während Kienast bzw. Eck/Heil der Mehrheitsmeinung folgen: Gordian I. habe nach dem Tod seines Sohnes Selbstmord begangen; möglicherweise orientieren sie sich an der Angabe der Stadtchronik, denn sie schreiben weiter, Gordian I. habe nach 20 Tagen Regierung Selbstmord verübt, und vermuten als Todestag für beide Gordiane (ungefähr) den 20. Januar 238.760 Da Herodian die Ereignisse des  Jahres 238 aus sehr kurzer zeitlicher Distanz beschreibt, kann seine (primäre) Aussage nicht einfach beiseite geschoben werden. Doch die chronologische Abfolge seiner Sekundärversion bzw. des Berichts in der Historia Augusta ist plausibler: Warum hätte der ältere Gordian zu einem Zeitpunkt Selbstmord begehen sollen, als sein Sohn noch am Leben und der Kampf gegen Capelianus noch nicht entschieden war? Wahrscheinlich nahm er sich zwei Tage, nachdem sein Sohn gefallen war, das Leben; war also 22 Tage lang an der Regierung. Trotz der Differenz von zwei Tagen ist die Angabe der Stadtchronik insofern korrekt, als beide gemeinsam 20 Tage lang regierten. Man muss also nicht, dem Vorschlag von Burgess (a. a. O.) folgend, unterstellen, dass sich in der Stadtchronik auch an dieser Stelle ein Kopistenfehler eingeschlichen hat: Burgess meint, da sowohl Malalas als auch Zonaras für Gordianus senior eine Regierungsdauer von 22 Tagen überliefern, habe die Stadtchronik hinsichtlich der duo Gordiani ursprünglich wohl ebenfalls eine Regierungszeit von XXII Tagen überliefert. excesserunt Africae. Ohne Zweifel kamen beide Gordiani in der Provinz Africa zu Tode. Gordianus iunior im Kampf gegen Capelianus, den Statthalter Numidiens; Gor­ dianus senior beging Selbstmord, indem er sich erhängte: Herodian. 7,9,4–7; HA Maximin. 19,2; Gord. 15,1–16,3; Series regum 155,17 („Gordianos erdrosselte sich selbst in Aphrike“). Zumindest für Gordianus iunior hätte der Verfasser der Stadtchronik besser die Formulierung occisus wählen sollen, da das Verb excedere auf einen Tod ohne äußere Gewalteinwirkung hindeutet. Vermutlich hatte der Autor der Stadtchronik keine präzisen Informationen darüber, auf welche Weise die beiden Gordiani ums Leben kamen.

759 Kienast 2017, 180; Burgess 2014, 70 f.; Christ 2009, 653; Stein, PIR2 1 (1933) A 833, 160; P. v. Rohden, Antonius Nr. 61, in: RE 1,2 (1894) 2630. 760 Huttner 2008, 172; Kienast 2017, 180, 182.

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B) 4. Item imperia caesarum

4.3.30 Pupenius et Balbinus761 Das Cognomen des M. Clodius Pupienus Maximus ist hier nicht korrekt wiedergegeben. Er war praefectus urbi und nach dem Tod der beiden Gordiani Mitglied der aus Consularen bestehenden Senatskommission der XXviri ex s. c. rei publicae curandae. Herodian nennt ihn stets Μάξιμος (Herodian. 7,10,3–8,8,5). Von ihm übernimmt der Verfasser der Historia Augusta die Bezeichnung Maximus; er weist aber auch darauf hin, dass andere Historiker im Gegensatz zu Herodian und Dexippus den Betreffenden Puppienus nennen würden (HA Max. Balb. 1,2; 15,3–4; vgl. Maximin. 24,5). Seine zutreffende Schlussfolgerung lautet, Maximus sei mit Puppienus identisch (HA Max. Balb. 16,7). Die korrekt geschriebene Kurzbezeichnung Pupienus erscheint bei Eutr. 9,2, Epit. de Caes. 26 und Hier. chron. z.J. 240; bei Aur. Vict. 26,7 lautet der Name Clo­ dius Pupienus. In einigen später verfassten Quellen taucht der Name in sehr entstellter Form auf, z. B. als Pulpius (Ioh. Mal. 436,7 f.) oder Puplius (Chr. pasch. 501,4 f.; Zon. 12,17; S. 579, Z. 6 f.). Balbinus, mit vollem Namen D. Caelius Calvinus Balbinus, hatte ebenfalls der erwähnten aus 20 Senatoren bestehenden Kommission angehört, bevor er vom Senat zum Augustus gewählt wurde; hinsichtlich ihrer Kompetenzen waren er und Pupienus völlig gleichgestellt. Auch andere literarische Quellen verwenden für ihn meist die Kurzbezeichnung Balbinus (Herodian. 7,10,3–8,8,5; Eutr. 9,2; Epit. de Caes. 26,2; Hier. chron. z.J. 240; HA Max. Balb.). imper(averunt) dies XCIX. Bald nach dem Tod des Gordianus senior wurden Pupienus und Balbinus in einer Senatssitzung gemeinsam zu Augusti gewählt (Herodian. 7,10,3–5; HA Max. Balb. 1,1–3,1);762 nach kurzer Regierungszeit wurden sie am gleichen Tag ermordet (Herodian. 8,8,7; HA Max. Balb. 14,6). Herodian, die ausführlichste Quelle hinsichtlich der beiden Senatskaiser, sagt leider nichts über die Dauer ihrer Regierung. Die zweite Hauptquelle, die Historia Augusta, gibt zwei unterschiedliche Auskünfte: Laut HA Max. Balb. 15,7 regierten Pupienus und Balbinus ein  Jahr, laut HA Gord. 22,5 zwei Jahre. Während die Zahlen der Historia Augusta von der Angabe der Stadtchronik erheblich abweichen, stimmen andere Quellen weitgehend mit dieser überein: Chr. pasch. 501,4 f. verzeichnet für Balbinus drei  Monate, für „Puplius“ 100 Tage. Zonaras (12,17; S. 579, 6 f.) gibt als Regierungsdauer von „Puplius Balbinus“ drei Monate an; laut Ioh. Mal. 12,25 (VIIa, Thurn 226) regierte „Pulpius“ 3 ½ Monate. Vermutlich wegen dieser Übereinstimmungen hält man in der neueren Forschung die

761 Zu den Namen, der Herkunft und den Titeln: Kienast 2017, 183, 185; Huttner 2008, 173 f.; vgl. Stein, PIR2 2 (1936) C 1179, 278 f. und C 126, 24 f.; Stein, Clodius Nr. 50, in: RE 4,1 (1900) 88–98; ders., Caelius Nr. 20, in: RE 3,1 (1899) 1258–1265. 762 Die in HA Max. Balb. 1,1 genannten Daten (7. Juni oder 9. Juli 238) gelten als fiktiv; s. Kienast 2017, 185; Brandt 1996, 113; Lippold 1991, 506 f.; Stein, Caelius Nr. 20, in: RE 3,1 (1899) 1258 f.

4.3 Die Caesaren: Pupenius et Balbinus

261

Angabe der Stadtchronik für verlässlich.763 Kontrovers diskutiert wird jedoch, wann genau die Regierung der beiden Kaiser begann und endete: Während Kienast ihre Wahl auf Ende Januar/Anfang Februar und ihren Tod auf Anfang Mai 238 datiert, sind Peachin, Brandt und Huttner aufgrund papyrologischer Hinweise der Auffassung, dass sie von Ende April/Anfang Mai bis Anfang August 238 regierten.764 Huttners Argumentation ist insofern widersprüchlich, als er zuvor die Usurpation der beiden Gordiane wie Kienast auf den Beginn des Jahres 238 datiert hatte; ähnlich widersprüchlich argumentiert Burgess: Einerseits hält er den Datierungsvorschlag Kienasts für ebenso akzeptabel wie denjenigen Peachins, andererseits gibt er doch eher Peachin Recht, indem er wie dieser die Ansicht äußert, die beiden Gordiane seien erst Ende März/Anfang April 238 vom Senat als Augusti anerkannt worden.765 Als Fazit bleibt festzuhalten, dass kein stichhaltiges Argument gegen die Annahme spricht, die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer von 99 Tagen sei zutreffend. Burgess hält diese Angabe für zumindest annähernd korrekt: „if the ninetynine days is not the correct figure, it is very close“(Burgess 2014, 72). cong(iarium) dederunt X CCL. Wie schon bei Maximinus Thrax ist auch bei den beiden Senatskaisern die Stadtchronik die einzige literarische Quelle, die ein congiari­ um überliefert. Die Historia Augusta berichtet lediglich (HA Max. Balb. 8,4), sie hätten dem Volk Spiele geboten, nachdem der Senat sie zu Augusti gewählt und den Enkel Gordians I. zum Caesar ernannt hatte (zu diesem s. u. S. 262); später, nach dem Tod des Maximinus Thrax, habe Pupienus den Soldaten große Geldgeschenke gemacht (HA Max. Balb. 12,8; vgl. Herodian. 8,7,7). Münzlegenden belegen, dass die Augusti nach ihrem Regierungsantritt auch dem Volk eine Geldspende gewährten: RIC 4,2 (1938) Balbinus Nr. 3 (Reverslegende: LIBERALITAS AUGUSTORUM); 14, 15, 15a (LIBERALITAS AUGUSTORUM S. C.; abgebildet sind die beiden Augusti Balbinus und Pupienus sowie der junge Caesar Gordianus III.); Pupienus Nr. 3 (Reverslegende: LIBERALITAS AUGUSTORUM); 13, 14 (dieselben Reverslegenden und Abbildungen wie bei den Münzen des Balbinus Nr. 14 und 15). Die von der Stadtchronik angegebene Summe ist glaubwürdig.766 Schließlich wurde das congiarium nicht von einem einzelnen Kaiser, sondern von zwei Augusti gewährt, die auch noch einen jungen Caesar daran beteiligten und die sicherlich demonstrieren wollten, dass sie dem Volk gegenüber wesentlich freundlicher gesonnen waren als Maximinus Thrax, der nur 150 Denare gegeben hatte und inzwischen zum hostis erklärt worden war. 763 Vgl. Kienast 2017, 183, 185 (=  1996, 191, 193); Huttner 2008, 179; Brandt 1996, 232; Stein, Clodius Nr. 50, in: RE 4,1 (1900) 96; ders., Caelius Nr. 20, in: RE 3,1 (1899) 1265. 764 Peachin 1989, 604; ders. 1990, 28 f.; Brandt 1996, 90 f.; Huttner 2008, 179; vgl. Anm. 750 und 751. 765 Huttner 2008, 170; Burgess 2014, 69, 71; Peachin 1989, 604. 766 So auch Huttner 2008, 181; Barbieri 1957, 865. Zwar verzeichnet auch Kienast (2017, 183, 185) ein von Balbinus, Pupienus und Gordian III. gemeinsam gewährtes congiarium, er nennt aber keine Summe.

262

B) 4. Item imperia caesarum

occisi Romae. Dass Pupienus und Balbinus auf den Straßen Roms von Prätorianern ermordet wurden (zu den Straßenkämpfen s. o. S. 256 f.), berichten Herodian. 8,8,6–8 und HA Max. Balb. 14,5–6; besonders detailliert ist Herodians Schilderung. Beiden Darstellungen zufolge wurden die beiden Kaiser von Prätorianern aus dem Palast entführt, verwundet und wenig später auf offener Straße getötet. Andere Quellen fassen sich wesentlich kürzer und erwähnen ebenso wenig wie die Stadtchronik, dass die Tat von Prätorianern begangen wurde: Series regum 155,18 („Pupinios und Balbinios [wurden] getö[tet]“); Aur. Vict. 27,6 (Clodio Caecilioque Romae intra palatium caesis); Eutr. 9,2,2 (Balbinus et Pupienus in Palatio interfecti sunt); Hier. chron. z.J. 240 (Pupienus et [B]albinus … in Palatio occisi). Die drei lateinischen Quellen behaupten im Unterschied zu dem Zeitzeugen Herodian, die beiden Senatskaiser seien im Palast getötet worden; ihre Angaben sind also ähnlich ungenau wie jene der Stadtchronik.767 4.3.31 Gordianus Gemeint ist Gordian III.; zu seinem Namen in Vergleichsquellen s. o. S. 258. Er war der Enkel jenes in Africa zum Kaiser proklamierten Gordianus (I.), den die HA Gordianus senior nennt (HA Gord. 2), und Sohn der Schwester Gordians II. Der Senat musste, unmittelbar nachdem er Pupienus und Balbinus zu Augusti gewählt hatte, dem Druck des römischen Volkes nachgeben und den Dreizehnjährigen zum Caesar ernennen. Nach der Ermordung der beiden Senatskaiser riefen ihn die Prätorianer zum Augustus aus; sein Kaisername lautete Imperator Caesar M. Antonius Gordianus Augustus. Seine spätere Divinisierung überliefert u. a. Eutr. 9,2; von der Stadtchronik wird sie aber ebenso wenig erwähnt wie die seines Großvaters und seines Onkels.768 imper(avit) ann(os) V m(enses) V d(ies) V. Das Geschichtswerk Herodians endet mit dem Jahr 238 n. Chr., daher kann es nicht zum Vergleich herangezogen werden. Laut Aurelius Victor starb Gordian III. im sechsten Jahr seiner Regierung: periit se­ xennio imperii (Aur. Vict. 27,8). Diese Angabe steht nicht im Widerspruch zu jener der Stadtchronik, ist aber sehr viel weniger genau. Die meisten anderen erhaltenen Parallelquellen geben an, Gordianus habe sechs Jahre lang regiert: Epit. de Caes. 27,1: Gordianus […] imperavit annos sex. Hier. chron. z.J. 238/239: regnavit Gordianus ann. VI.

767 Nickbakht/Stein (2017, 114) meinen irrtümlich, die Kaiser seien im Palast getötet worden. 768 Zur Abstammung und zu den Titeln Gordians III: Kienast 2017, 187; Huttner 2008, 179–189; Stein, PIR2 1 (1933) A 835, 161–163; P. v. Rohden, Antonius Nr. 60, in: RE 1,2 (1894) 2619–2628. Zu der vom Volk erzwungenen Übertragung der Caesarwürde s. Huttner 2008, 174 f.; Christ 2009, 653.

4.3 Die Caesaren: Gordianus

263

Dieselbe Regierungsdauer überliefern Malalas 12,25 (Xa, Thurn 227 =  Mommsen 436,11); Chr. pasch. 501,6 (hier wird allerdings fälschlich Gordianus senior genannt) und Zon. 12,17; S. 580, Z. 14. Da aber Cedrenus 451,11 nur vier Regierungsjahre angibt, äußert Burgess folgende Vermutung:769 Hinsichtlich der Ereignisse 238 bis 244 stützen sich Chronicon paschale und Cedrenus wahrscheinlich auf eine lateinische Quelle, vielleicht auf die Enmannsche Kaisergeschichte; diese Quelle dürfte für Verwechslungen bei den drei Gordiani verantwortlich sein. In einer Abschrift derselben Quelle könnte als Regierungsdauer Gordians III. statt der Zahl VI irrtümlich IV eingetragen und dann von Cedrenus übernommen worden sein. In der neueren Forschung herrscht Konsens darüber, dass Gordian III. nicht volle sechs Jahre lang herrschte; die genaue Datierung wird jedoch von Peachin, Herrmann, Kienast, Huttner und Burgess kontrovers diskutiert:770 Peachin kommt aufgrund der Analyse von ägyptischen Papyri und Inschriften zu dem Ergebnis, dass Gordian III. von Anfang August 238 bis Ende Januar/Anfang Februar 244 regierte, also 5 Jahre und ca. 6 Monate. Hinsichtlich des Sterbedatums verweist er auf die ägyptische Inschrift SB V 8487 vom 26. Februar 244; dies sei der letzte inschriftliche Beleg für Gordian III. Dessen dies imperii datiert Herrmann auf Anfang/Mitte August 238; als Todesdatum gibt sie das Jahr 244 an, ohne den Termin näher einzugrenzen. Kienast datiert Gordians Ausrufung zum Augustus auf Anfang Mai oder Anfang Juni 238, seinen Tod auf den Zeitraum zwischen dem 13. Januar und dem 14. März 244. Daraus würde sich eine Regierungsdauer von 5 Jahren und ca. 7 bis 10 Monaten ergeben. Huttner orientiert sich v. a. an Peachin: Gordian III. habe von Juli/August 238 bis Januar/März 244 regiert, also 5 Jahre und 6 bis 7 Monate lang. Burgess hält sowohl Kienasts Datierung als auch diejenige Peachins für möglich. Fazit: Die von der Stadtchronik genannten Zahlen scheinen der tatsächlichen Herrschaftsdauer Gordians III. sehr nahe zu kommen, denn nach heutigem Forschungsstand regierte er als Augustus ungefähr 5 ½ bzw. maximal ca. 5 ¾ Jahre lang. Jene antiken Quellen, welche eine Regierungszeit von 6 Jahren angeben, haben möglicherweise ab dem Zeitpunkt gezählt, an dem Gordian zum Caesar ernannt wurde (Caesar war er ca. drei Monate lang, s. o. S. 260 f.) und dann eine gerundete Zahl überliefert. cong(iarium) ded(it) X CCCL. Münzlegenden überliefern vier congiaria Gordians III. Die folgenden Angaben zu ihrer Datierung und zum jeweiligen Anlass basieren auf Barbieri, Kienast und Huttner.771 769 Burgess 2014, 70. 770 Peachin 1990, 29 f.; Herrmann 2013, 68–71, 164; Kienast 2017, 187 (=1996, 195); Huttner 2008, 179, 188; Burgess 2014, 72 f. Kienast verweist hinsichtlich des Todesdatums auf den Codex Iustinianus: Aus Cod. Iust. 6,10,1 geht hervor, dass Gordian III. am 13. Januar 244 noch gelebt haben muss; das erste Reskript des Philippus Arabs (Cod. Iust. 3,42,6) datiert vom 14. März 244. 771 Barbieri 1957, 865 f.; Kienast 2017, 188; Huttner 2008, 181.

264

B) 4. Item imperia caesarum

Erstes congiarium:

Verteilt 238 anlässlich der Ernennung Gordians zum Caesar. Es handelt sich um das gemeinsame congiarium von Balbinus, Pupienus und Gordianus (s. o. S. 261). Einziger Münzbeleg für die Beteiligung des Gordianus: RIC 4,2 (1938) S. 177, Gordian (III) Caesar Nr. 2 (Reverslegende: LIBERALITAS AUGUSTORUM S. C.). Das zweite congiarium wurde vermutlich 239 verteilt. Möglich sind zwei Anlässe: zum einen die Proklamation Gordians zum Augustus, die noch vor Mitte 238 erfolgte, zum anderen sein erster Konsulat, den er Anfang Januar 239 antrat. Münzbelege: RIC 4,3 (1949), Gordian III. Nr. 36, 42, 45, 53, 58, 66 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG. II); Nr. 186 (LIBERALITAS AUG.); Nr. 269a/b, 279a/b, 289 (LIBERALITAS AUG. II S. C.); Nr. 270a/b, 275 (LIBERALI­ TAS AUGUSTI II S. C.). Das dritte congiarium wurde wahrscheinlich Anfang 241 anlässlich des zweiten Konsulats verteilt. Münzbelege: RIC 4,3 (1949) Gordian III. Nr. 67, 223 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG. III); Nr. 275a (LIBE­ RALITAS AUGUSTI III S. C.); Nr. 283a/b, 290a/b/c (LIBERA­ LITAS AUG. III S. C.). Viertes congiarium: Wahrscheinlich verteilt noch im Jahr 241 anlässlich der Heirat Gordians mit Furia Sabinia Tranquillina. Münzbelege: RIC 4,3 (1949) Gordian III. Nr. 137 (Reverslegende: LIBERALI­ TAS AUG. IIII); Nr. 316a/b/c (LIBERALITAS AUG. IIII S. C.); 317a/b (LIBERALITAS AUGUSTI IIII S. C.). Cohen verzeichnet einen Sesterz mit der Reverslegende LIBERALITAS AUGUSTI V. Obwohl dessen Echtheit schon früh bezweifelt wurde,772 nimmt Kienast an, Gordian habe aus Anlass eines Sieges über die Perser (victoria Persica) im Jahr 243 ein fünftes congiarium gewährt. Barbieri weist aber zu Recht darauf hin, dass die bei Cohen verzeichnete Münze nicht in RIC 4,3 aufgenommen wurde. Auch aus einem weiteren Grund sind Zweifel an einem fünften congiarium Gordians III. gerechtfertigt: Die von der Stadtchronik angegebenen 350 Denare können sich nur auf die congiaria beziehen, die er als Augustus gewährte, denn bei der gemeinsamen Spende von Balbinus, Pupienus und dem Caesar Gordian wurden ja bereits 250 Denare gezahlt. Angesichts der zuvor üblichen Spendenpraxis ist es wahrscheinlich, dass Gordian in der Zeit seiner Alleinherrschaft eine Spende über 150 Denare und zwei weitere über je 100 Denare gewährte. Hätte er die 350 Denare auf vier Spenden verteilt, wären es unübliche und allzu 772 David Magie, Roman Rule in Asia Minor Bd. 2, Princeton 1950, 1564 Anm. 21 (s. auch die hier angegebene Literatur) zu H. Cohen, Description historique des monnaies frappées sous l’empire romain, Bd. V2, Paris 1885, S. 35, Nr. 152.

4.3 Die Caesaren: Gordianus

265

niedrige Summen gewesen (z. B. dreimal 90, einmal 80 Denare). Auch Huttner ist der Ansicht, dass Gordian III. insgesamt nur vier liberalitates verteilen ließ und dabei die erste aus seiner Zeit als Caesar mitzählte. Er geht wie Barbieri davon aus, dass die von der Stadtchronik überlieferte Spendenhöhe zutrifft. hoc imp(erante) mula hominem commedit. Zu den Themen, welche der Verfasser der Stadtchronik für berichtenswert hielt, zählte Mommsen unter anderem „monströse Erscheinungen“ (Mommsen 1850, 598). Damit dürfte er auch die Nachricht gemeint haben, ein Maultier habe einen Menschen aufgefressen. Bei den Berichten über die beiden polyphagi unter Nero und Severus Alexander (s. o.) liegen zwar auch Sensationsnachrichten zum Thema Fressen vor, aber die naturwidrige Nahrungsaufnahme des Maultiers gehört doch wohl eher in dieselbe Kategorie wie das missgebildete Ferkel, das angeblich zur Zeit des L. Verus geboren wurde (s. o. S. 206), und wie die Vierlingsgeburt zur Zeit Diokletians (s. u. S. 334). Der Verfasser der Stadtchronik scheint mit diesen drei als unnatürlich empfundenen Ereignissen an die Tradition der Prodigienberichte angeknüpft zu haben. In dem von Iulius Obsequens wohl Ende des 4. Jh. n. Chr. verfassten Liber prodigiorum ist mehrfach von Maultieren die Rede, die mit einer Missbildung geboren wurden (Obseq. 5; 15) oder sich naturwidrig verhielten, z. B. ein Fohlen zur Welt brachten (Obseq. 52; 65; 70). Möglicherweise benutzte der Verfasser der Stadtchronik eine Quelle, die das monströse Vorzeichen des menschenfressenden Maultieres auf den Tod Gordians III. bezog, der schon im Alter von etwa 19 Jahren starb. Zur Deutung des Vorzeichens und zu weiteren Prodigien s. u. S. 368 f. agonem Minervae instituit. Ein Agon (griech. ἀγών), ursprünglich in Griechenland entstanden, war ein mit einem öffentlichen Fest verbundener Wettkampf in sportlichen oder musischen Disziplinen; am bekanntesten sind heute noch die Olympischen Spiele. Wettkämpfe der griechischen Art waren seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert auch in Rom beliebt, allerdings wurden sie dort zunächst unregelmäßig abgehalten. Erst Nero gründete mit den Neronia einen Agon, der alle fünf Jahre ausgetragen werden sollte, aber wegen der über Nero verhängten damnatio memoriae nach seinem Tod nicht mehr stattfinden durfte. Auf Domitian geht der agon Capitolinus zurück, der bis ins 4. Jh. alle vier Jahre in Rom abgehalten wurde, obwohl auch hinsichtlich Domitian die damnatio memoriae beschlossen worden war. Erst wieder in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. wurden weitere Agone in Rom eingeführt: Durch Elagabal die Antoneinia Pythia, die lediglich einmal ausgetragen wurden, und durch Gordian III. der agon Minervae.773 Die Stadtchronik ist die einzige Quelle, die letzteres in dieser Klarheit berichtet. Als Bestätigung ihrer Angabe gilt meist Aur. Vict. 27,7, wonach Gordian III. vor sei773 Zur Einführung der ersten Agone in Rom s. Meier, Agone in Rom, in: RE 1,1 (1894) 866 f.; Wallner 2004, 223–225. Zum agon Capitolinus: Wissowa, Capitolia, in: RE 3,2 (1899) 1527–1529.

266

B) 4. Item imperia caesarum

nem Feldzug gegen die Perser ein weiteres certamen (die lat. Bezeichnung für griech. ἀγών) in Rom eingeführt habe: Eoque anno lustri certamine, quod Nero Romam indu­ xerat, aucto firmatoque in Persas profectus est, cum prius Iani aedes, quas Marcus clause­ rat, patentes more veterum fecisset. Aurelius Victor erwähnt nicht, dass das von Gordian III. erweiterte und bestätigte (aucto firmatoque) certamen der Minerva gewidmet war; unter anderem aus diesem Grund wurde die Textstelle unterschiedlich interpretiert. Bei der herkömmlichen Übersetzung geht man davon aus, dass certamine durch lustri näher bestimmt wird, und sieht darin einen Hinweis auf die Fünfjahresperiodizität des Agon. Außerdem wird eoque anno auf den vorhergehenden Satz (Neque multo post tu­ multu militarium Clodio Caecilioque Romae intra Palatium caesis Gordianus solus regnum obtinuit.) bezogen. Daher lautet die Übersetzung bei Fuhrmann:774 „Nachdem er in jenem  Jahre den Fünfjahres-Wettkampf, der von Nero in Rom eingerichtet worden war, ausgedehnt und bestätigt hatte, zog er gegen die Perser; er hatte zuvor das von Marc Aurel geschlossene Janustor nach dem Brauch der Alten wieder aufgetan.“ Ausgehend von diesem Textverständnis wurden die beiden folgenden Interpretationen angeboten: Variante 1: Gordian III. habe Neros Neronia erneuert und in agon Minervae umbenannt; vermutlich im Jahr 240 n. Chr.775 Variante 2: Er habe nicht die Neronia erneuert, da diese seit über 170  Jahren nicht mehr stattgefunden hatten, sondern die Capitolia bzw. den agon Capito­ linus des Domitian erweitert. Dies sei auf das Jahr 238 zu datieren, denn durch eoque anno sei der Satz mit dem vorhergehenden verbunden. Es sei ungewiss, ob der agon Minervae etwas mit der Erweiterung der capitolinischen Spiele zu tun habe.776 Obwohl lustri auf einen in fünfjährigem Zyklus veranstalteten Wettkampf, somit auf die Neronia, hindeutet, widerlegt dies nicht die in Variante 2 enthaltene These, es seien die nur alle vier Jahre ausgetragenen Capitolia gemeint. Denn aufgrund der inklusiven Zählweise galten auch solche Wettkämpfe als penteterischer Agon: Sueton bezeichnet sowohl die Neronia als auch die Capitolia Domitians als quinquennale certamen (Suet. Nero 12,3; Dom. 4,4). Aber seit einigen Jahren wird für Aur. Vict. 27,7 eine Interpretation vorgeschlagen, die auf einem anderen Textverständnis beruht und der zufolge die Textstelle als Bestätigung und Ergänzung der Aussage der Stadtchronik aufzufassen ist: In der Textpassage eoque anno lustri certamine kann sich lustri auch auf anni statt auf certamine beziehen.777 Demnach könnte man den Satz folgendermaßen überset774 S. Aurelius Victor, Die römischen Kaiser/Liber de Caesaribus, lat.-dt., hrsg., übers. und erläutert von K. Groß-Albershausen und M. Fuhrmann, Zürich/Düsseldorf 1997, 83. 775 P. J. Meier, Agone in Rom, in: RE 1,1 (1894) 867. Meier begründet die Datierung nicht. 776 Hartke, Neronia Nr. 2, in: RE 17,1 (1936) 47. 777 Wallner 2004, 226–228. Wallners ausführliche Argumentation basiert auf Louis Robert, Deux concours grecs à Rome, in: Opera minora selecta Bd. 5, Amsterdam 1989, 656 f.

4.3 Die Caesaren: Gordianus

267

zen: „Und im fünften Jahr seiner Regierung, nachdem er den Wettkampf, der (erstmals) von Nero in Rom eingeführt worden war, erweitert und zu einer dauerhaften Einrichtung gemacht hatte, zog er gegen die Perser; zuvor hatte er den Janustempel, der von Marc Aurel geschlossen worden war, wieder nach dem Brauch der Alten geöffnet.“ Folglich gründete Gordian III. etwa Mitte 242, als sich sein dies imperii zum fünften Mal jährte, einen neuen Agon; ungefähr gleichzeitig ließ er zum Zeichen, dass Rom sich im Krieg befand, den seit Jahrzehnten geschlossenen Janustempel wieder öffnen und begann danach den Feldzug gegen die Perser. Dazu passt die Mitteilung der Stadtchronik, er habe den neuen Agon der Minerva bzw. der Athena Promachos gewidmet. Die Stiftung des Agon sollte offenbar der propagandistischen Vorbereitung des Feldzugs dienen, denn durch sie empfahl der Kaiser sich und das Heer dem Schutz der Athena Promachos: „Dieselbe Göttin, die Jahrhunderte zuvor den Griechen gegen die Perser zum Sieg verholfen hatte, sollte nun die Römer über denselben Feind triumphieren lassen.“ (Wallner 2004, 227) Dieser plausiblen Interpretation der beiden Quellen (Stadtchronik in Verbindung mit Aur. Vict. 27,7) schließen sich mehrere Vertreter der neueren Forschung an.778 excessit finibus Partiae. Die Formulierung excessit ist ungenau: Alle anderen Quellen stimmen darin überein, dass Gordian III. keines natürlichen Todes starb. Allerdings sind die Aussagen der Quellen darüber, wo und wie der junge Kaiser ums Leben kam, widersprüchlich; daher gibt auch die moderne Forschung unterschiedliche Antworten auf diese Fragen. Ich stelle zunächst die Hauptquellen vor, danach auch einige repräsentative Forschungsmeinungen. Zur Quellensituation und zu der durch sie bedingten Forschungsdiskussion hat Christian Körner eine detaillierte Analyse vorgelegt, auf die auch Ulrich Huttner und Katrin Herrmann hinweisen.779 Wie Körner zu Recht feststellt, lassen sich die Quellen hinsichtlich der Ortsangaben in drei Gruppen einteilen: 1. Laut Zos. 1,18,3–1,19,1 wurde Gordian zwischen Carrhae und Nisibis von meuternden Soldaten ermordet, noch bevor die römische Armee die persische Grenze überschritten hatte; auch bei HA Gord. 27,6 sind Carrhae und Nisibis die zuletzt genannten Orte, bevor über die Ermordung des Kaisers berichtet wird. Der Syn­ opsis Sathas (S. 36, Z. 28) zufolge starb er in Nisibis. 2. Nachdem Gordian mit dem Heer auf persisches Gebiet bis Ktesiphon vorgestoßen war, sei er getötet (Eus. Chron. can., Arm. Karst 225) bzw. von meuternden Soldaten ermordet worden (Epit. de Caes. 27,2; Synk. 443,8–9; Zon. 12,18; S. 582, Z. 1 f.). Zur Lokalisierung passt die den persischen Sieg glorifizierende SchāpūrInschrift, der zufolge Gordian bei Mišik (bzw. Misiche; unweit von Ktesiphon, 778 Herrmann 2013, 120–123; Huttner 2008, 185; Nickbakht/Stein 2017, 114 f.; offenbar auch Kienast bzw. Eck/Heil, da sie die Gründung des Agon Minervae auf das Jahr 242 datieren. 779 Körner 2002, 75–90; Huttner 2008, 188 Anm. 246; Herrmann 2013, 164–167.

268

3.

B) 4. Item imperia caesarum

ca. 40 km westlich vom heutigen Bagdad) in einer Schlacht gegen König Schāpūr (pers. Šābuhr, sonst meist Sapor I. genannt) besiegt und getötet wurde (RGDS § 6–7; zitiert nach Winter/Dignas 2001, 80). Diese Schlacht wird in römischen und griechischen Quellen nicht erwähnt; allerdings sind einige Forscher der Ansicht, Zon. 12,17 würde sich auf Gordian III. beziehen: Hier berichtet Zonaras, Gordian II. sei im Kampf gegen die Perser tödlich verletzt worden, als sein Pferd stürzte. Zur Schlacht bei Mišik/Misiche s. u. Anm. 782. Nach siegreichen Kämpfen in Persien habe die römische Armee den Rückmarsch angetreten. Bei dem in Grenznähe liegenden Ort Circesium sei der Kaiser Unruhen bzw. Intrigen – meist wird der Name Philippus genannt – zum Opfer gefallen: Eutr. 9,2,2 f.; Festus 22; Hier. chron. z.d.J. 241–244; Oros. hist. 7,19,4; Amm. 23,5,17;780 Ioh. Ant., Frg. 147, FHG IV, p. 597.

Die Ortsangabe der Stadtchronik (finibus Partiae) lässt sich mit den unter Punkt 1 und 3 genannten Überlieferungen vereinbaren, aber excessit scheint im Gegensatz zu den anderen Quellen auf eine natürliche Todesursache hinzudeuten. Abgesehen von Eusebius und Orosius machen die genannten antiken Autoren jedoch Marcus Philippus, der während des Feldzugs den Timesitheus als Prätorianerpräfekt abgelöst hatte, für die Ermordung Gordians verantwortlich: Er habe die Meuterei herbeigeführt (so die meisten der unter Punkt 2 genannten Quellen) oder gar den Mordbefehl gegeben (HA Gord. 30,8 f.). Auch Aurelius Victor erwähnt insidiae des Prätorianerpräfekten Marcus Philippus (Aur. Vict. 27,8), jedoch nicht den Ort des Geschehens. Hinsichtlich der Frage, wie Kaiser Gordian III. starb, konnte in der Forschung bisher kein Konsens erzielt werden: Einige Autoren folgen der Mehrheit der Quellen und sehen im späteren Kaiser Philippus Arabs den Hauptschuldigen.781 Andere sind der Ansicht, Gordian sei ohne Philipps Schuld im Kampf mit den Persern tödlich verletzt worden, vermutlich beim Sturz seines Pferdes;782 sie stützen sich dabei v. a. auf die Schāpūr-Inschrift und auf Zon. 12,17.

780 Die Stelle bei Ammian ist nicht eindeutig: Körner (2002, 76 Anm. 28) glaubt, sie beziehe sich auf den Rückmarsch; hingegen spricht Bleckmann (1992, 73 Anm. 68) von Hinmarsch. 781 Bleckmann 1992, 66, 72–76; Körner 2002, 89–93, 97 f.; Nickbakht/Stein 2017, 115. 782 Zu ihnen zählen u. a.: David MacDonald, The Death of Gordian III – Another tradition, in: Historia 30 (1981) 502–508; Erich Kettenhofen, Rezension zu K. Herrmann, Gordian III. Kaiser einer Umbruchszeit (2013), in: H-Soz-Kult 09.09.2013. Kettenhofen schließt aber eine Mitschuld des Philippus nicht völlig aus. Hingegen glauben Winter/Dignas (2001, 97), die antiken Autoren, die Philipp beschuldigten, hätten damit die römische Niederlage bei Mišik verdecken wollen. Kienast, Eck und Heil legen sich nicht fest: Gordian III. sei entweder „vor Ktesiphon an einer Verwundung gestorben oder von Philippus Arabs ermordet“ worden (Kienast 2017, 187). Den Tatenbericht des Schāpūr sowie Triumphalreliefs, die den Tod Gordians auf den Sieg des Schāpūr zurückführen, werten Huttner (2008, 188) und Körner (2002, 88 f.) als Propaganda.

4.3 Die Caesaren: Duo Philippi

269

Fazit: Die Historizität der Schlacht bei Mišik (Misiche) ist nicht zu bezweifeln, also auch nicht die Überlieferung, der zufolge Gordian mit dem Heer bis Ktesiphon vorstieß. In dessen Nähe wurde der Kaiser möglicherweise nicht in der Schlacht getötet, sondern beim Sturz seines Pferdes oder bei einer Meuterei unter Beteiligung des Philippus Arabs. Diejenigen Quellen, die angeben, er sei unweit der römisch-persischen Grenze zu Tode gekommen, nahmen irrtümlich an, dies habe sich bei Circesium ereignet, wo ihm das Heer auf dem Rückmarsch ein Kenotaph errichtete (HA Gord. 34,2; laut Amm. 23,5,7 hieß der Ort Zaitha).783 Der Autor der Stadtchronik dürfte demselben Irrtum erlegen sein, da er angibt, Gordian III. sei finibus Partiae gestorben. Aber im Unterschied zu jenen Autoren, die ungefähr dasselbe berichten und sich dabei vermutlich auf die sog. Enmannsche Kaisergeschichte stützen, erwähnt er Philippus nicht; auch verwendet er statt der Formulierung occisus, die er sonst häufig wählt, das neutrale excessit – vielleicht zu Recht. 4.3.32 Duo Philippi Gemeint sind der heute meist Philippus Arabs genannte Kaiser M. Iulius Philippus und sein gleichnamiger Sohn. Philippus iunior trug bis Mitte 247 das von seiner Mutter Otacilia Severa her stammende cognomen Severus, sein voller Name lautete also anfangs M. Iulius Severus Philippus.784 Der Beiname Arabs geht darauf zurück, dass Philippus senior aus der Provinz Arabia stammte. Bei Aurelius Victor heißt er Marcus Iulius Philippus Arabs Thraconites (Aur. Vict. 28,1) oder imperator Philippus (28,6). Der Verfasser der Historia Augusta nennt ihn in der vita der Gordiani tres anfangs Philippus Arabs (Gord. 29,1), später verwendet er ebenso wie die Stadtchronik und andere antike Autoren die Kurzform Philippus (HA Gord. 29–31; vgl. Eutr. 9,3; Hier. chron. z.d.J. 244–251; Epit. de Caes. 28,4). imper(averunt) ann(os) V m(enses) V dies XXIX. Die Stadtchronik gibt hinsichtlich der Regierungsdauer der beiden Philippi wesentlich präziser Auskunft als andere Quellen, allerdings kann nur Philippus senior, der Anfang 244 zum Kaiser proklamiert wurde, ca. 5 ½ Jahre lang regiert haben. Er versuchte, seine Herrschaft dynastisch abzusichern, indem er seinen um 237 geborenen Sohn Mitte 244 zum Caesar und Mitte 247 zum Augustus erheben ließ.785 Fünf Regierungsjahre für Philippus senior verzeichnen Aur. Vict. 28,11, Epit. de Caes. 28,1 und Eutr. 9,3; sechs Jahre sind es bei Chr. pasch.

783 Vgl. Körner 2002, 80–84, 88–90. 784 Zu den Namen, der Herkunft und den Titeln: Kienast 2017, 190–192; vgl. Körner 2002, 30, 42 f., 184, 211 f.; Petersen, PIR2 4,3 (1966) I 461, 246 f. und I 462, 248 f.; Stein, Iulius Nr. 386, in: RE 10,1 (1918) 756–758; ders., Iulius Nr. 387, in: RE 10,1 (1918) 770 f. 785 Kienast 2017, 192; Körner 2002, 42 f.

270

B) 4. Item imperia caesarum

502,6, sieben  Jahre bei: Hier. chron. z.J. 244; Oros. hist. 7,20,1; Synk. 443,16. Durch Münzen, Papyri und Inschriften sind sechs tribunizische Gewalten für Philipp belegt; er regierte also während sechs Kalenderjahren.786 Die von der Stadtchronik genannten Zahlen entsprechen weitgehend jener Regierungsdauer, die auch in der modernen Forschung als die wahrscheinliche gilt: Kienast datiert den Regierungsbeginn des Philippus Arabs auf den Zeitraum zwischen dem 13. Januar und dem 14. März 244, wobei er sich auf den Codex Iustinianus stützt: Cod. Iust. 6,10,1 zufolge war Gordian III. am 13. Januar noch am Leben; das erste Reskript des Philippus (Cod. Iust. 3,42,6) datiert vom 14. März. Philipps Tod datiert Kienast auf Sept./Okt. 249; demnach dauerte die Regierungszeit des Philippus Arabs 5 Jahre und 6 bis maximal 9 Monate.787 Die von Peachin und Körner vorgeschlagenen Datierungen, die teilweise auf ägyptische Quellen gestützt sind,788 weichen nur unwesentlich von jenen Kienasts ab: Peachin und Körner nehmen an, dass Gordian III. Ende Januar/Anfang Februar starb und Philippus Ende Februar/Anfang März vom Senat als Nachfolger anerkannt wurde. Ums Leben gekommen sei Philipp wohl im September 249; demnach sei er 5  Jahre und ca. 6  Monate lang Kaiser gewesen. Die Stadtchronik gibt ungefähr dieselbe Regierungsdauer an; dennoch äußert sich Peachin ihr gegenüber skeptisch. Im Gegensatz zu ihm beurteilte Xavier Loriot 1975 die von der Stadtchronik genannten Zahlen als so zuverlässig, dass er seine Datierung der Regierungsdauer Philipps auf sie stützte: Loriot errechnete aufgrund der Zahlen der Stadtchronik, die Schlacht bei Verona, bei der Philipp getötet worden sei, habe zwischen dem 30. August und dem 11. September 249 stattgefunden.789 cong(iarium) ded(erunt) X CCCL. Die Stadtchronik ist die einzige literarische Quelle, die von congiaria des Philippus Arabs berichtet; die genannte Summe legt nahe, dass es mehrere gewesen sein müssen. Durch Münzlegenden gesichert sind drei congiaria Philipps, an denen er stets auch seinen noch minderjährigen Sohn beteiligte. Die folgenden Angaben zu ihrer Datierung und zum jeweiligen Anlass basieren auf Mattingly, Barbieri und Kienast.790

786 Kienast, a. a. O. 190; Körner, a. a. O. 69; Peachin 1990, 30, 62. 787 Kienast, a. a. O. 187, 190. Den dies imperii des Nachfolgers Decius datiert Kienast (a. a. O. 195) vor den 16. Oktober 249. 788 Peachin 1990, 30 f.; Körner 2002, 68–71. Die letzte inschriftliche Erwähnung Gordians III. datiert Peachin auf den 26. Februar 244. Er verweist auf SB V (= Sammelbuch 5, Preisigke) 8487; dort lautet das Datum aber „25. Februar 243“. Die letzte Urkunde, die nach Philipp datiert, ist ein Papyrus aus Oxyrhynchus vom 22. September 249; das erste überlieferte Reskript des Decius datiert vom 16. Oktober 249 (Cod. Iust. 10,16,3). 789 Loriot 1975, 795 f. Loriots These, Philipp sei vor dem 11. September 249 ums Leben gekommen, erwähnt auch Kienast 2017, 190. 790 Mattingly, RIC 4,3 (1949) 64; Barbieri 1957, 866–868; Kienast 2017, 191.

4.3 Die Caesaren: Duo Philippi

271

Erstes congiarium:

Verteilt wurde es im Jahr 244 aus Anlass der Regierungsübernahme. Münzbelege: RIC 4,3 (1949) Philipp I Nr. 37 A (Reverslegende: LIBERALITAS AUG.); Nr. 177 (LIBERALITAS AUG. S. C.); 178, 179 (LIBERALITAS AUGG. S. C.). Das zweite congiarium wurde wahrscheinlich im Jahr 245 gewährt. Anlass war der erste Konsulat des Philippus Arabs. Münzbelege: RIC 4,3 (1949) Philipp I Nr. 38 a/b, 180 a/b (Reverslegende: LIBERALITAS AUGG. II); Nr. 56 (LIBERALITAS AUG. II); Philipp II Nr. 266 (LIBERALITAS AUGG. II S. C.). Das dritte congiarium wurde im Jahr 248 verteilt. Anlass laut Barbieri: Philipp sen. war in diesem Jahr zum dritten Mal, Philipp iun. zum zweiten Mal consul. Möglicher weiterer Anlass war die 1000-Jahr-Feier Roms im April 248. Außerdem dürfte Philippus Arabs damals wegen der Usurpation des Pacatianus jede Möglichkeit genutzt haben, die Loyalität der römischen Bevölkerung ihm gegenüber sicherzustellen. Münzbelege: RIC 4,3 (1949) Philipp I Nr. 95 (Reverslegende:LIBERALITAS AUG. III); Nr. 181, 182, Philipp II Nr. 267 (LIBERALITAS AUGG. III S. C.); Philipp I Nr. 183, Philipp II Nr. 230 (LIBERALITAS AUGG. III). Die von der Stadtchronik angegebene Summe ist glaubwürdig. Vermutlich ließ Philippus Arabs wie zuvor Gordian III. zwei Spenden über je 100 Denare und eine weitere über 150 Denare verteilen. Die Reverslegende eines in Antiochia im Namen seines Sohnes geprägten Antoninianus lautet zwar LIBERALITAS AUGG. IIII (RIC 4,3 Philipp II Nr. 245), was auf ein viertes congiarium hinweisen würde. Höchstwahrscheinlich handelt es sich aber bei dieser Münze um eine Fehlprägung des Antoninianus, den RIC 4,3 unter „Philipp II Nr. 230“ (Reverslegende: LIBERALITAS AUGG. III) verzeichnet.791 hi seculares veros in circo maximo ediderunt. Die Formulierung seculares veros ist nicht nur orthographisch unkorrekt, sondern auch verkürzt. Korrekt und vollständig müsste sie lauten: saeculares ludos veros. Gemeint ist zweifellos die Tausendjahrfeier Roms. Es ist hinreichend belegt, dass deren Beginn von Philippus Arabs und seinem Sohn am 21. April 248 zelebriert wurde. Während die Datierung in den literarischen Quellen zwischen 244 und 249 n. Chr. schwankt, ist das Jahr 248 durch numismatische Zeugnisse gesichert. Die fünfte Münzemission Philipps ist thematisch ganz auf die Tausendjahrfeier abgestellt: Die Rückseiten der Münzen zeigen meist Tierdarstellungen und weisen mit diesen darauf hin, dass im circus maximus Tierhetzen bzw.

791

RIC 4,3 (1949) 65; 97, Anm. zu Nr. 230; vgl. Barbieri 1957, 868.

272

B) 4. Item imperia caesarum

Kämpfe mit Tieren stattfanden; abgebildet sind aber auch Wagenrennen. Die Reverslegende lautet meist SAECULARES AUGG.792 Im Folgenden eine Zusammenstellung der wichtigsten literarischen Quellen: Eutr. 9,3: Philippi duo, filius ac pater […] His imperantibus millesimus annus Romae urbis ingenti ludorum apparatu spectaculorumque celebratus est. Eus. Chron. can., Arm. Karst 225: „Zu Beginn der Regierung des Philipos mit seinem Sohne ward das tausendste Jahr Roms erfüllt; und wilde Tiere wurden im großen Kirkes niedergehauen, Theater wurden im Ares-Felde über Nacht drei Tage hindurch veranstaltet, und die ganze Nacht über feierten sie drei Tage lang […].“ Hier. chron. z.J. 246 n. Chr. (= a. A. 2262): Regnantibus Philippis millesimus annus Romanae urbis expletus est. Ob quam sollemnitatem innumerabiles bestiae in circo magno interfectae ludique in campo Martio theatrales tribus diebus ac noctibus populo pervigilante celebrati. Cassiod. chron. z.J. 249: Aemilianus et Aquilinus. His conss. millesimus annus urbis Romae expletus est […] Aur. Vict. 28,1: Igitur Marcus Iulius Philippus Arabs Thraconites, sumpto in consorti­ um Philippo filio […] annum urbis millesimum ludis omnium generum celebrant. Epit. de Caes. 28,3 (in Bezug auf Philippus iunior): patremque ludis saecularibus petulantius cachinnantem […] Laut HA Gord. 33,1–3 habe Philipp für die saeculares ludi Gladiatoren und sehr viele Tiere verwendet, die Gordian III. eigentlich für seinen Triumph über die Parther vorgesehen hatte. Oros. hist. 7,20,2 (in Bezug auf Philippus Arabs): post tertium imperii eius annum millesimus a conditione Romae impletus est. Aus den Angaben von Eusebius/Hieronymus, Eutropius und Aurelius Victor geht hervor, dass für die Jubiläumsfeier ein gewaltiger Aufwand betrieben wurde; offenbar dauerten die Tierkämpfe im circus maximus und die Theateraufführungen auf dem Marsfeld drei Tage und drei Nächte lang. Nun gilt es zu klären, weshalb in der Stadtchronik zur Kennzeichnung der Jubiläumsfeier Roms das Adjektiv verus verwendet wird: Wie Christian Körner ausführlich erläutert,793 gab es zwei Arten von Saecularfeiern, deren religiöser Hintergrund aber bereits in der Antike nicht immer klar unterschieden wurde: zum einen die ludi sae­ culares, die erstmals 17 v. Chr. durch Augustus veranstaltet wurden. Diese, von Körner als die „eigentlichen Saecularspiele“ bezeichnet, dienten der feierlichen Entsühnung, wodurch alles Unglück und Elend der vergangenen Jahre überwunden und der Beginn 792 RIC 4,3 (1949) Philipp I Nr. 12–24. Andere Reverslegenden: bei Philipp I Nr. 25 SAECULUM NO­ VUM; bei Philipp I Nr. 157 MILIARIUM SAECULUM S. C. 793 Körner 2002, 250–256.

4.3 Die Caesaren: Duo Philippi

273

eines neuen, glücklichen saeculum gefeiert werden sollte; sie fanden erneut 88 n. Chr. unter Domitian und (zum letzten Mal) 204 n. Chr. unter Septimius Severus statt, und zwar jeweils vom 31. Mai bis 3. Juni. Zum anderen gab es jeweils am 21. April, dem dies natalis Roms, die Feiern zum Jahrestag der Stadtgründung, so die 800-Jahrfeier unter Claudius 47 n. Chr., die 900-Jahrfeier unter Antoninus Pius 147 n. Chr. und eben die Tausendjahrfeier unter Philippus Arabs 248 n. Chr. Letztere war nicht nur eine (die letzte) Jubiläumsfeier Roms, sondern sollte auch eine politische Botschaft propagieren, die am prägnantesten durch die drei Münzlegenden Saeculares Augg. – Miliarum Saeculum  – Saeculum Novum (Belege s. Anm. 792) zum Ausdruck gebracht wurde. Indem der Beginn eines neuen, glücklichen Zeitalters gefeiert wurde, übernahm die Jubiläumsfeier nun auch die populäre Funktion der von Augustus gegründeten ludi saeculares, weshalb diese im 4. Jahrhundert wohl als weniger wichtig galten als die Jubiläen der Stadt Rom. Dass nun letztere als die eigentlichen Jahrhundertfeierlichkeiten galten, lässt sich nicht nur durch die Formulierung der Stadtchronik (seculares veros) belegen: Eutrop, Aurelius Victor und die Epitome de Caesaribus sagen über die in der augusteischen Tradition stehenden ludi saeculares nichts, berichten aber sehr wohl von der Tausendjahrfeier; Aurelius Victor erwähnt außerdem die 800- und die 900-Jahrfeier (Aur. Vict. 4,14; 15,4). Der Verfasser der Historia Augusta erwähnt die Feiern des Septimius Severus nicht, allerdings auch nicht die Jubiläumsfeier des Antoninus Pius; die Tausendjahrfeier nennt er, ähnlich wie die Stadtchronik, saeculares ludi. Bisweilen wird in der neueren Literatur die Meinung vertreten,794 die Tausendjahrfeier habe verspätet stattgefunden, da Philipp durch die Kämpfe im Donauraum den richtigen Termin im Jahr 247 nicht habe einhalten können. Auf den ersten Blick leuchtet die These ein, denn die vorhergehenden Jubiläumsfeiern waren in den Jahren 47 und 147 zelebriert worden. Einige der eingangs zitierten Quellen betonen jedoch, man habe die Vollendung des 1000. Jahres gefeiert: Eus. Chron. can./Hier. chron. z.J. 246; Cassiod. chron. z.J. 249; Oros. hist. 7,20,2. Da Rom nach Varros Berechnung 753 v. Chr. gegründet worden war, waren 1000 Jahre erst nach Ablauf des Jahres 247 n. Chr. vollendet; deshalb konnte aus der Sicht des Philippus Arabs der 21. April 248 als der richtige Termin für die Jahrtausendfeier gelten. occisus senior Verona, iunior Romae in castris praetoriis. Ungefähr dasselbe überliefern einige auf der sog. Enmannschen Kaisergeschichte basierende Autoren, die im Folgenden zitiert werden. Offenbar orientierten sich Stadtchronik und EKG hinsichtlich der beiden Philippi an derselben Quelle.795 Eutr. 9,3: ambo deinde ab exercitu interfecti sunt, senior Philippus Veronae, Romae iunior. 794 Zum Beispiel Christ 2009, 659; RIC 4,3 (1949) 62. Unter Vorbehalt: Körner 2002, 248. Gegen die These: Huttner 2008, 198. 795 So auch Burgess 2014, 177.

274

B) 4. Item imperia caesarum

Hier. chron. z.J. 251/252: Philippus senior Veronae, Romae iunior occiditur […] De­ cius cum Filippos patrem et filium interfecisset, […]. (Dieselben Orte wie Hieronymus nennt Cassiod. chron. z.J. 251 n. Chr.) Aur. Vict. 28,10–11 (in Bezug auf Philippus senior): His actis filio urbi relicto ipse quamquam debili per aetatem corpore adversum Decium profectus Veronae cadit pul­ so amissoque exercitu. Quis Romae compertis apud castra praetoria filius interficitur. Epit. de Caes. 28,2–3: Veronae ab exercitu interfectus est […] Filius autem eius […] Romae occiditur. Orosius (hist. 7,20,4) betont zwar ebenfalls, dass die beiden Philippi an unterschiedlichen Orten getötet wurden, nennt aber im Gegensatz zu Eutrop (obwohl er dessen Breviarium als Quelle benutzte) die Ortsnamen nicht: Ambo tamen quamvis diversis locis tumultu militari et Decii fraude interfecti sunt. Die byzantinischen Autoren Zosimus (1,22,2) und Zonaras (12,19) berichten, ebenfalls ohne Ortsangabe, Philippus Arabs sei in der Schlacht gegen Decius gefallen; Philipps Sohn sei an demselben Ort wie sein Vater getötet worden. Die meisten der zitierten Quellen überliefern, Philippus senior sei bei Verona in der Schlacht gegen Decius, sein Sohn aber in Rom getötet worden. Die Formulierungen bei Eutropius, Epitome de Caesaribus und Orosius deuten eher auf eine Rebellion des Heeres als auf eine Schlacht hin. Körner setzt sich damit und mit zwei von Slobodan Dušanić vertretenen Thesen auseinander, die vor allem auf die nur in Fragmenten erhaltene Quelle Johannes Antiochenus, Frg. 148 (FHG IV, S. 597 f.) gestützt sind:796 Der ersten These zufolge wurde Philippus Arabs nicht in der Schlacht bei Verona getötet, sondern bei Beroea/Beroia in Thrakien ermordet; der Verfasser der EKG habe dieselbe griechische Vorlage wie Johannes Antiochenus verwendet, aber Βερόη/ Βέροια (Beroea/Beroia) als „Verona“ (Βερώνα/ Βερώνη) gelesen. Mit der zweiten These wird behauptet, Philipps Sohn habe den Vater eine Zeitlang überlebt und zunächst allein, dann in einer Samtherrschaft zusammen mit Decius bis Ende 249 regiert. Aber nach eingehender Prüfung des Antiochenus-Fragments sowie weiterer Quellen hält Körner beide Thesen nicht für stichhaltig. Sein Ergebnis lautet, Philippus Arabs sei bei Verona in der Schlacht gegen Decius getötet und sein Sohn im Prätorianerlager in Rom ermordet worden. Die Schlacht bei Verona datiert Körner auf Ende September/Anfang Oktober 249. Mehrfach wurde vermutet, die Schlacht zwischen Philippus und Decius habe weder bei Verona noch beim thrakischen Beroea/Beroia (Augusta Traiana, h. Stara Zagora in Bulgarien) stattgefunden, sondern in der Nähe des makedonischen Beroia/Beroea (h. Veria, Nordgriechenland). So teilt z. B. Huttner die Ansicht Körners hinsichtlich Philipp iunior, hält es aber für möglich, dass die Schlacht zwischen dessen Vater und De-

796 Körner 2002, 305–320; zu: Dušanić, The End of the Philippi, in: Chiron 6 (1976) 427–438.

4.3 Die Caesaren: Decius

275

cius nicht bei Verona stattfand, sondern bei Beroia/Beroea in Makedonien. Außerdem sei unklar, ob Philipp senior im Schlachtgetümmel oder durch Attentäter ums Leben kam. Kienast, Eck und Heil schließen keinen der drei genannten Orte aus, scheinen aber Verona den Vorzug zu geben.797 Fazit Dass Philippus Arabs bei Verona, sein Sohn aber in Rom getötet worden sei, berichtet nicht nur die Stadtchronik. Sie bezeugt als früheste erhaltene Quelle, Philippus Arabs sei bei Verona getötet worden, lässt jedoch im Unterschied zu einigen anderen Quellen offen, ob dies während einer Schlacht geschah. Einige Vertreter der neueren Forschung halten die Aussagen der Stadtchronik für zutreffend, aber es ist nicht völlig auszuschließen, dass der Ort, an dem Philippus Arabs ums Leben kam, nicht Verona war, sondern das thrakische oder das makedonische Beroea/Beroia. In Bezug auf Philipps Sohn macht die Stadtchronik eine präzise Ortsangabe: in castris praetoriis. Diese wird durch Aur. Vict. 28,11 und Ioh. Ant., Frg. 148 (FHG IV, S. 597 f.) bestätigt. 4.3.33 Decius Ursprünglich hieß er Caius Messius Quintus Decius Valerinus (oder Valerianus). Als Kaiser legte er den Namen Valeri(a)nus ab und nannte sich stattdessen Traianus, nach dem berühmten Vorgänger. Der von den meisten Urkunden überlieferte Kaisername lautete Imperator Caesar C. Messius Quintus Traianus Decius Augustus798 Nicht nur vom Verfasser der Stadtchronik, sondern auch von anderen antiken Autoren wird er kurz Decius genannt. Beispiele: Eutr. 9,4; Hier. chron. z.J. 251; Aur. Vict. 28,10–29,3; Epit. de Caes. 29,1–2; HA Valer. 5,3–6,6. Obwiohl seine Konsekration belegt ist, nennt ihn

797 Huttner 2008, 203; Kienast 2017, 190. Weitere Literaturangaben bei Brecht (1999, 169) sowie bei Körner, a. a. O. 314 Anm. 42; 315 Anm. 47; 316 Anm. 49; 317 Anm. 56. Brecht bleibt in der Frage, an welchem Ort die Schlacht stattfand, unentschieden: „Letztlich hängt alles an der Frage nach Philipps Itinerar, d. h. ob er sich 249 auf dem östlichen Balkan aufhielt […] oder in der Stadt Rom […] Es sei außerdem noch darauf hingewiesen, daß Decius beim thrakischen Beroea eine Schlacht gegen die Goten verlor […]; vielleicht ist auf verschlungenen Wegen eine Nachricht hiervon mit Philipps Niederlage bei Verona in Verbindung gebracht worden und es läge damit […] eine Verquickung Philipps mit Decius vor.“(Brecht 1999, 169) 798 Zu den Namen und Titeln s. Kienast 2017, 195–198; Petersen, PIR2 5,2 (1983) M 520, 261–265; Wittig, Messius Nr. 9, in: RE 15,1 (1931) 1244–1264. Kienast und Petersen sehen Valerinus bzw. Valeria­ nus als ursprünglichen Namensbestandteil des Decius (s. auch Huttner 2008, 201); gegen Wittig (a. a. O. 1251). Wittig und Kienast nennen auch Namen und Titel der Söhne des Decius.

276

B) 4. Item imperia caesarum

die Stadtchronik nicht Divus.799 Im Unterschied zu Parallelquellen (wie z. B. Aur. Vict. 29,1–30,1) erwähnt sie auch nicht seine Söhne Herennius Etruscus und Hostilianus, die im Jahr 250 zu Caesares und 251 zu Augusti, also Mitregenten, erhoben wurden. imper(avit) annum unum m(enses) XI d(ies) XVIII. Hinsichtlich der Regierungsdauer des Decius gibt die Stadtchronik präziser Auskunft als die meisten anderen Quellen; deren Angaben schwanken meistens zwischen einem Jahr und zwei Jahren. Beispiele: Ein Jahr: Chr. pasch. 503,6; Georgii Monachi Chron. 466,20. Ein Jahr und drei Monate: Eus. Chron. can., Arm. Karst 226 = Hier. chron. z.J. 251. Ein Jahr und acht Monate: Ioh. Mal. 12,25 (XVIIa, Thurn 227 = Mommsen 436,16). Nicht ganz zwei Jahre: Eus. HE 7,1; Zon. 12,20; S. 589, Z. 2. Zwei Jahre: EKG (= Eutr. 9,4; Aur. Vict. 29,4); Synk. 445,3; Cedrenus 453,6. 30 Monate (= zwei Jahre und sechs Monate): Epit. de Caes. 29,1. Die unterschiedlichen Zeitangaben bei Eus. Chron. can. und Eus. HE erklärt Burgess so: „Even Eusebius changed his mind in the time between the composition of the Chron. can. and the HE, and his ‘not quite two years’ and the KG’s ‘two years’ mirror the Breviarium’s figure” (Burgess 2014, 75). Demnach griffen Eusebius, der Verfasser der Enmannschen Kaisergeschichte und jener der Stadtchronik letztlich auf dieselbe Quelle zurück; die von der EKG bezüglich Decius genannten Zahlen wurden von Eutropius und Aurelius Victor entweder übernommen oder auf zwei Jahre aufgerundet. Hinsichtlich der Datierung von Beginn und Ende der Herrschaft des Decius gelangt die neuere Forschung zu weitgehend übereinstimmenden Resultaten: a) Akklamation durch das Heer vor Mitte 249, vermutlich im Juni.800 b) Anerkennung als Augustus durch den Senat kurz nach der Schlacht bei Verona im September, spätestens Anfang Oktober 249.801 Terminus ante quem ist der 16. Oktober 249, da das erste Reskript des Decius auf diesen Tag datiert ist (Cod. Iust. 10,16,3). c) Tod des Decius in der Schlacht bei Abrittus Ende Mai/Anfang Juni 251.802 Peachin und Kienast (jeweils a. a. O.) datieren die Schlacht auf Anfang Juni 251; in der aus 799 Belege für die Divinisierung: Eutr. 9,4; CIL VI 36760. Kienast (2017, 195) datiert die consecratio auf die Tage vor dem 24. Juni 251; schon kurz darauf, noch vor dem 15. Juli 251, sei jedoch die damnatio memoriae beschlossen worden. Wittig hatte die damnatio memoriae als nicht bewiesen angesehen (Messius Nr. 9, in: RE 15/1, 1931, 1274 f.); Petersen (PIR2 5/2, 1983, 265) und Huttner (2008, 213) zweifeln an ihrer konsequenten Umsetzung. 800 Körner 2002, 320; Huttner 2008, 202; Wittig, RE 15,1 (1931) 1254; Peachin 1990, 32; Kienast 2017, 195. 801 Körner, Peachin, Kienast jeweils a. a. O.; Huttner 2008, 203; Burgess 2014, 74. Peachin nimmt an, dass Decius den Tag seiner Bestätigung durch den Senat als seinen dies imperii ansah; dem folgen offenbar Nickbakht/Stein 2017, 117. 802 Huttner 2008, 211; Burgess 2014, 74.

4.3 Die Caesaren: Decius

277

Rom stammenden Inschrift CIL VI 31130 vom 24. Juni wird Decius bereits Divus genannt. Von September/Anfang Oktober 249 an gerechnet regierte Decius ein Jahr und etwa acht/neun Monate. Demnach wäre die von der Stadtchronik überlieferte Regierungsdauer um etwa drei Monate zu lang. Da die Angaben von Eusebius (HE), Eutropius, Aurelius Victor und Zonaras aber nicht sehr von jenen der Stadtchronik abweichen, ist es wahrscheinlich, dass alle diese Autoren glaubten, als dies imperii des Decius sei der Tag der Akklamation durch das Heer anzusehen. Möglich wäre auch, dass sich Decius das Datum der Ausrufung zum Kaiser nachträglich vom Senat als dies imperii bestätigen ließ. Diese Ansicht vertrat Wittig (s. Anm. 798) und verwies auf die Präzedenzfälle Vespasian und Hadrian. Als Fazit kann festgehalten werden: In der neueren Forschung herrscht weitgehend Konsens darüber, dass zwischen der Akklamation durch das Heer und dem Tod des Decius knapp zwei Jahre lagen. Die Angabe der Stadtchronik könnte also stimmen, sie lässt sich aber nicht verifizieren. cong(iarium) ded(it) X CCL. Die Stadtchronik ist zwar die einzige literarische Quelle, die von einem congiarium des Decius berichtet, aber ihre Überlieferung wird durch Münzlegenden bestätigt. Keine der Reverslegenden, welche eine liberalitas des Decius bezeugen, weist eine Zählung auf; demnach ließ er offenbar nur ein einziges congiarium verteilen, sicherlich noch vor Ende 249 aus Anlass der Regierungsübernahme.803 Münzbelege: RIC 4,3 (1949) Trajan Decius Nr. 19 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG.); 106, 120–122 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG. S. C.). Bei der Münze Nr. 123, einem Dupondius, lautet die Reverslegende LIBERALITAS AUGG. S. C. – ein Hinweis darauf, dass Decius seinen älteren Sohn Herennius Etruscus der Öffentlichkeit als Mitspender präsentierte. Dieser, im Mai/Juni 250 zum Caesar, Anfang Juni 251 zum Augustus erhoben,804 ist neben seinem Vater auf der Münze Nr. 122 abgebildet. Die von der Stadtchronik überlieferte relativ hohe Summe ist glaubwürdig, denn Decius musste daran interessiert sein, bei der hauptstädtischen Bevölkerung populär zu werden, wenn er bei seinem Versuch, eine Dynastie zu gründen, erfolgreich sein wollte. Auch im Hinblick auf den damaligen Währungsverfall (s. u. S. 346) durfte die Summe nicht zu niedrig sein. hoc imp(erante) thermae Commodianae dedicatae sunt. Hier liegt offensichtlich eine Korruptel vor, denn dieselbe Formulierung findet sich, wie ja auch zu erwarten, bei der Eintragung zu Commodus (s. o. S. 218 f.). Dass Decius Thermen errichten ließ, die nach ihm thermae Decianae benannt wurden, geht unter anderem aus den Regio803 So auch Kienast 2017, 196; Barbieri 1957, 868. 804 Kienast 2017, 197.

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B) 4. Item imperia caesarum

nenverzeichnissen hervor. Unter Regio XIII (Aventinus) findet man die entsprechenden Eintragungen: Thermas Syres et Decianas (im Curiosum) bzw. Thermas Suranas et Decianas (in der Notitia).805 Weitere literarische Quellen, welche den Bau der thermae Decianae belegen: Eutr. 9,4: Decius […] Romae lavacrum aedificavit. Aur. Vict. 29,1: At Decius […] filium Etruscum nomine Caesarem facit; statimque eo in Illyrios praemisso Romae aliquantum moratur moenium gratia, quae instituit, dedicandorum.806 Cassiod. chron. z.J. 252 n. Chr. (Konsulat von Gallus und Volusianus): His conss. Decius lavacra publica aedificavit, quae suo nomine appellari iussit. Des Weiteren gibt es zwölf epigraphische Belege für die Thermen des Decius, welche allerdings nur in zwei dieser Inschriften explizit erwähnt werden.807 Eine der beiden enthält die Worte in Aventino […] ad Decianas, in der anderen ist u. a. thermas dec[zu entziffern. Sieben der zwölf Inschriften sind in Basisblöcke von Marmorstatuen gemeißelt, die, wie genauere Analysen ergeben haben, sehr wahrscheinlich einst in den thermae Decianae standen. Zehn der zwölf epigraphischen Zeugnisse, die aus dem Zeitraum Mitte 4. Jh. bis Anfang 5. Jh. stammen, wurden auf dem Aventin gefunden. Dass die Decius-Thermen auf dem Aventin standen, bestätigen sowohl archäologische Untersuchungen als auch eine Planskizze aus der Zeit der Renaissance: Der Architekt Andrea Palladio (1505–1580) hatte um 1550 den einzigen erhaltenen und mit Maßen versehenen Plan des Bauwerks angefertigt, bevor es fast vollkommen zerstört wurde. Laetitia La Follette beschreibt den Versuch, die Decius-Thermen v. a. auf der Basis dieser Planskizze zu rekonstruieren.808 Einige ihrer Schlussfolgerungen aus der Analyse der Quellen sowie aus dem Rekonstruktionsversuch lauten sinngemäß: Die Thermen wurden im Sommer des Jahres 250 eingeweiht, aber frühestens Mitte 251 vollendet. Ihre Grundfläche betrug ca. 44 × 70 Meter; damit waren sie um ein Vielfaches kleiner als die Caracalla-Thermen. Dennoch scheinen sie im vierten und fünften Jahrhundert sehr beliebt gewesen zu sein, allerdings wurden sie damals in erster Linie von jenen Angehörigen der Oberschicht besucht, die in der näheren Umgebung wohnten. In der Zeit der Soldatenkaiser stellte das Bauprojekt des Decius eine Ausnahme dar. Offenbar wollte Decius nicht nur durch die Wahl des Namens Traianus zeigen, dass er sich diesen zum Vorbild genommen hatte, sondern auch durch den Bau von Thermen. 805 Nordh 1949, 94. 806 Wittig (Messius Nr. 9, in: RE 15/1, 1931, 1276) bezieht das Substantiv moenia zu Unrecht nicht auf die Thermen und übersetzt es offenbar mit „Mauern“. Es hat jedoch auch die Bedeutung „Gebäude (der Stadt)“ (s. ThLL Bd. 8, Sp. 1327 f.; Georges Hwb Bd. 2, Sp. 972 f.; Walde/Hofmann Bd. 2, 31954, S. 100 f.) und kann im hier gegebenen Kontext auf ein öffentliches Gebäude wie die Thermen des Decius bezogen werden; vgl. La Follette 1994, 15 Anm. 31; Fuhrmann 2009, 246 f. 807 La Follette 1994, 15–21, 83–85. Vgl. dies., Thermae Decianae, in: Steinby LTUR 5 (1999) 51–53. 808 La Follette 1994, 25–65, 79–82.

4.3 Die Caesaren: Decius

279

Aur. Vict. 29,1 (oben zitiert) bezieht sich zweifellos auf die Einweihung der thermae Decianae, obwohl deren Name nicht genannt wird. Inhaltlich verknüpft ist der Satz mit Aur. Vict. 29,3: Qua causa Decio quam potuit maturrime Roma digresso Iulius Valens cupientissimo vulgo imperium capit. Victors Aussagen deuten darauf hin, dass Decius die (unvollendeten) Thermen Mitte des Jahres 250 einweihte, denn sein Sohn Herennius Etruscus wurde Mai/Juni 250 zum Caesar erhoben und kurz darauf zur Grenzsicherung an die Donau geschickt. Nachdem Decius bald darauf selbst in die Kämpfe eingreifen musste, ließ sich Iulius Valens Licinianus in der zweiten Jahreshälfte in Rom zum Kaiser ausrufen, konnte sich aber nur kurze Zeit halten.809 occisus praetorio Abrypto. Diese Angaben stimmen im Kern mit einigen anderen Quellen überein, denen zufolge Decius und sein Sohn Herennius Etruscus bei Abrit(t)us bzw. Ἄβριττος, einer römischen Siedlung in der Provinz Moesia inferior, im Kampf gegen Germanen getötet wurden.810 Zum Vergleich einige der wichtigsten Parallelquellen: Eus. Chron. can., Arm. Karst 226: „Dekos ward mitsamt seinem Sohne zu Abritos getötet.“ Hier. chron. z.J. 252 n. Chr.: Decius cum filio in Abryto occiditur. Aur. Vict. 29,4–5: Decii barbaros trans Danubium persectantes bruti 811 fraude cecidere exacto regni biennio. Sed Deciorum mortem plerique illustrem ferunt; namque filium audacius congredientem cecidisse in acie; patrem autem, cum perculsi milites ad solandum imperatorem multa praefarentur, strenue dixisse detrimentum unius militis parum videri sibi. Ita refecto bello, cum impigre decertaret, interisse pari modo. Eutr. 9,4: Cum imperassent biennio ipse et filius, uterque in barbarico interfecti sunt. Iord. Get. 18,103: Decius imperator […] veniensque ad Abritto Moesiae civitatem cir­ cumseptus a Gothis et ipse extinguitur imperii finem vitaeque terminum faciens. Über den Tod der Decii berichten Aurelius Victor und Iordanes, dessen Text hier gekürzt wiedergegeben wird, am ausführlichsten. Laut ihnen musste Decius bei Abrit(t)us mit ansehen, wie Herennius im Kampf gegen die Goten fiel; danach habe 809 Zu den Datierungen: Kienast 2017, 197, 199; vgl. Huttner 2008, 204–209; Wittig, Messius Nr. 9, in: RE 15,1 (1931) 1261–1267. 810 Vgl. Huttner 2008, 211; Kienast 2017, 195, 197. Abrit(t)us bzw. Ἄβριττος hieß ein römisches Kastell und die damit verbundene Zivilsiedlung, ca. 2 km entfernt vom heutigen Razgrad in Bulgarien; s. Iris v. Bredow, Abrit(t)os, in: DNP 1 (1996) 31. Die Schreibweise der Stadtchronik (Abrypto) dürfte vom Fehler eines Kopisten herrühren; s. dazu auch die folgende Anmerkung. 811 Die Teubner-Ausgabe von 1970 (Fr. Pichlmayr) enthält an dieser Stelle die Lesart Bruti, nimmt aber als Fußnote auch den Alternativvorschlag Abruti auf. Burgess (2014, 178) entscheidet sich für Abruti, eine wohl durch einen Kopisten verursachte orthographisch und grammatikalisch fehlerhafte Wiedergabe des Ortsnamens Abritus. Einen ähnlichen Vorschlag wie Burgess machen GroßAlbershausen/Fuhrmann, indem sie für Abryti plädieren (Fuhrmann 2009, 86). Ähnlich Brecht 1999, 202 Anm. 36.

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B) 4. Item imperia caesarum

er sich selbst in die Schlacht gestürzt und sei dabei ebenfalls getötet worden. Aurelius Victor weist darauf hin, es sei hinterlistige Täuschung im Spiel gewesen (fraude), was Zosimus und Zonaras dahingehend präzisieren, dass sie Trebonianus Gallus, den damaligen Statthalter von Moesia superior,812 des Verrats beschuldigen (Zos. 1,23,2; Zon. 12,20; S. 589, Z. 9 ff.). Er habe Decius und dessen Truppen in ein Sumpfgelände gelockt und so den „Barbaren“ zum Sieg verholfen. Allerdings scheint die kurze Notiz der Stadtchronik mit diesem Vorwurf nicht vereinbar zu sein: Sie ist die einzige Quelle, die berichtet, Decius sei im Hauptquartier (praetorio) in oder bei Abryptus getötet worden. Dies kann mit der Aussage des Chronicon paschale in Verbindung gebracht werden, Decius und sein Sohn seien von einem der Unterfeldherren in oder bei813 „Abyrtus“ umgebracht worden: ἐσφάγη μετὰ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ ἀπό τινος τῶν ἕξάρχων ἐν Ἀβύρτῳ (Chr. pasch. 505,5 f. = Ioh. Mal. 12,25, XVIIe, Thurn 227). Aufgrund der Angaben von Stadtchronik und Osterchronik ist Burgess der Ansicht, Decius sei möglicherweise im praetorium des Feldlagers von einem seiner Präfekten ermordet worden: „Greek sources […] state that Decius was assassinated by one of his prefects at Abritus, which could easily have taken place inside the camp praetorium“ (Burgess 2014, 178). – Offenbar hält Burgess den Trebonianus Gallus nicht für den Schuldigen, sondern nimmt an, es könnte einen Attentäter gegeben haben, dessen Namen nicht überliefert ist. Dieser Verdacht ist nicht völlig abwegig, denn Gallus wird weder in der Stadtchronik noch von Aurelius Victor, Malalas und Chronicon paschale als derjenige bezeichnet, der den Tod des Decius verschuldete. Aber enthält die Formulierung occisus praetorio Abrypto wirklich, wie Burgess meint, die eindeutige Aussage, Decius sei im praetorium seines Feldlagers ermordet worden? Es ist eher wahrscheinlich, dass der Verfasser der Stadtchronik in „Abryptus“ das damalige militärische Hauptquartier (praetorium) des Decius sah und ausdrücken wollte, der Kaiser sei bei diesem Hauptquartier bzw. in dessen Nähe gewaltsam zu Tode gekommen. Die Überlieferung des Chronicon paschale, die Decii seien ἐν Ἀβύρτῳ von einem der Unterfeldherren getötet worden, könnte als Anspielung auf Trebonianus Gallus verstanden werden, der ja als Provinzstatthalter zu den Unterfeldherren des Decius gehörte. Dennoch bleibt zweifelhaft, ob Zosimus und Zonaras ihre Beschuldigung zu Recht erhoben: Mit dem Hinweis des Aurelius Victor (29,4), Decius und sein Sohn seien einer hinterlistigen Täuschung zum Opfer gefallen, kann auch eine Kriegslist gemeint sein, mit welcher die Goten Decius auf Sumpfgelände lockten. Laut Zos. 1,24,1 ließ Gallus nach seiner Machtübernahme offiziell erklären, Decius und sein Heer seien Opfer eines Anschlags geworden, an dem Decius „selbst die Schuld“ trage. Dies deutet

812 813

Kienast 2017, 200: Die Präposition ἐν kann in diesem Kontext sowohl „in“ als auch „bei“ bedeuten; s. Pape GDHW, Bd. 1, 821–824.

4.3 Die Caesaren: Gallus et Volusianus

281

darauf hin, dass sich Gallus mit Gerüchten konfrontiert sah, die ihn des Verrats beschuldigten. In der neueren Forschung gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, ob Gallus zu Recht des Verrats beschuldigt wurde; meist scheint man den Vorwurf als unglaubwürdig anzusehen.814 Mittels detaillierter Quellenvergleiche geht Bleckmann sehr ausführlich auf die Entstehung der Verratsversion ein: Er ist der Ansicht, diese sei vor allem deshalb entstanden, weil Gallus entsprechend dem ihm von Decius zugewiesenen Auftrag am Ort der Schlacht, also bei Abrittus, nicht anwesend war. Zonaras habe „die Erzählung seiner Grundquelle über den Verrat des Trebonianus mißverstanden“ (Bleckmann 1992, 169) und Zosimus habe letzteren einseitig negativ darstellen wollen. 4.3.34 Gallus et Volusianus Die Kurzformen Gallus und Volusianus, die auch andere Autoren verwenden (z. B. Aur. Vict. 30), stehen für C. Vibius Trebonianus Gallus und dessen Sohn C. Vibius Afinius Gallus Veldumnianus Volusianus.815 Beide wurden nach dem Tod des Decius vom Heer zu Imperatoren ausgerufen. Kurz darauf erkannte der Senat den Trebonianus Gallus als Augustus an. Sein Sohn trug zunächst nur den Caesartitel, wurde aber nach einigen Wochen ebenfalls zum Augustus erhoben. Nach ihrem Tod wurde für beide die damnatio memoriae angeordnet, jedoch erfolgte später, vermutlich unter Valerian, ihre Divinisierung. Diese ist nur inschriftlich belegt: CIL XI 4999 (divus Volusianus). imper(averunt) ann(os) II m(enses) IIII d(ies) IX. Zwei  Jahre und vier  Monate, also ungefähr dieselbe Regierungsdauer, überliefern zwei weitere Quellen aus dem 4. Jh. n. Chr.: Hier. chron. z.J. 252; Epiphanius, De mens. et pond. 269. Dieselbe Zeitangabe findet sich bei Iord. Rom. 258. Die meisten anderen Quellen verzeichnen für Gallus und Volusianus ebenfalls zwei Regierungsjahre, hinsichtlich der Monate differieren die Angaben aber z. T. erheblich: Nicht ganz zwei Jahre: Eus. HE 7,10,1; Eutr. 9,5; Oros. hist. 7,21,4–5. Zwei Jahre: Aur. Vict. 31,3; Epit. de Caes. 30,1; Synk. 459,16. Zwei Jahre und sechs Monate: Eus. Chron. can., Arm. Karst 226. Zwei Jahre und acht Monate: Zon. 12,21; S. 591, Z. 6; Cedrenus 452,14. 814 Den Vorwurf für glaubwürdig hält Wittig, Messius Nr. 9, in: RE 15,1 (1931) 1273. Huttner (2008, 211) will nicht völlig ausschließen, dass Gallus Verrat beging. Andere sehen in dem Vorwurf eine böswillige Verleumdung, so z. B. Wachtel/Heil, PIR2 8,2 (2015) V 579, 306. Skeptisch ist auch Brecht (1999, 204 Anm. 36) unter Verweis auf weitere Autoren, welche die Verratsversion ablehnen, z. B. Bleckmann 1992, 157–175. 815 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 200 f.; Wachtel/Heil, PIR2 8,2 (2015) V 579, 301–309; dies., V 535, 276–281; Hanslik, Vibius Nr. 58, in: RE 8 A2 (1958) 1984–94; ders., Vibius Nr. 65, RE a. a. O. 1996 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

Synkellus nennt zwei weitere Daten: „drei  Jahre“ (459,16) und, unter Verweis auf Dexippus, „18 Monate“ (459,15). Burgess vermutet, Dexippus habe wohl 28 Monate statt 18 Monate überliefert („KH“ statt „IH“), womit sich die Angabe „zwei Jahre und vier Monate“ beim Breviarium Vindobonense sowie bei Hieronymus erklären lasse.816 Die Ergebnisse der neueren Forschung hinsichtlich der Regierungsdaten von Gallus und Volusianus weichen nur geringfügig voneinander ab: a) Akklamation der beiden durch das Heer Anfang oder Mitte Juni 251;817 als dies imperii dürfte der Tag der Akklamation gegolten haben, nicht erst der Tag, an dem kurz darauf die Anerkennung durch den Senat erfolgte. b) Volusianus trug zunächst nur den Caesar-Titel, während Hostilianus, der jüngere Sohn des Decius, für kurze Zeit neben Gallus als der zweite Augustus regierte. Der Augustus-Titel wurde nach dem Tod des Hostilianus vermutlich im August 251 auf Volusianus übertragen.818 c) In Ägypten wurden Gallus und Volusianus letztmals am 22. August 253 als Augusti erwähnt (P. Oxy. VIII 1119.30). Gestützt v. a. auf diese Quelle wird ihr Tod von Hanslik und Kienast auf August 253 datiert; von Peachin auf Ende Juli/Anfang August 253.819 Gallus und Volusianus regierten demnach zwei Jahre und knapp zwei Monate lang. Die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer ist folglich um mindestens zwei  Monate zu lang, hinsichtlich Volusianus sogar um vier  Monate, da dieser als gleichberechtigter Augustus nur knapp zwei Jahre regierte, worauf offenbar Eusebius (HE), Eutropius und Orosius Bezug nehmen. Burgess (a. a. O.) bietet eine mögliche Erklärung dafür, dass die Stadtchronik eine um mehr als zwei Monate zu lange Regierungsdauer überliefert: Ihr Verfasser könnte eine Quelle, vermutlich Dexippus, benutzt haben, welche die Regierungszeit des Aemilianus außer Acht gelassen und sie zu derjenigen von Gallus und Volusianus hinzuaddiert hatte. Da Eusebius (Chron. can., Arm., Karst 226) den Aemilianus überhaupt nicht erwähnt, erscheint Burgess’ Erklärungsversuch plausibel. cong(iarium) dederunt X CCL. Wie Münzlegenden bestätigen, ließen die beiden Augusti Gallus und Volusianus ein congiarium verteilen; dies geschah vermutlich Ende 251 oder Anfang 252 aus Anlass der Regierungsübernahme und des 252 gemeinsam bekleideten Konsulats.820 Münzbelege: RIC 4,3 (1949) Trebonianus Gallus Nr. 36, 113, 178; Volusian Nr. 178, 254 (Reverslegende: LIBERALITAS AUGG. S. C. oder LIBERA­

816 817 818 819 820

Burgess 2014, 76. Anfang Juni: Peachin 1990, 35; Huttner 2008, 211. Mitte Juni: Kienast 2017, 200. Kienast a. a. O. 198, 201; Huttner a. a. O. 212 f. Hanslik, Vibius Nr. 58, in: RE 8 A2 (1958) 1993; Kienast a. a. O. 200 f.; Peachin 1990, 36. So auch Kienast 2017, 200 f.; Barbieri 1957, 869.

4.3 Die Caesaren: Gallus et Volusianus

283

LITAS AUGG.). Die Stadtchronik überliefert als einzige Quelle, welcher Betrag pro Kopf gezahlt wurde. Er ist glaubwürdig, da Decius ein congiarium in gleicher Höhe gewährt hatte. his imp(erantibus) magna mortalitas fuit. Offenbar schon bald nach Regierungsbeginn von Gallus und Volusianus brach eine verheerende Seuche aus und wütete mehrere Jahre lang. Dies ist vielfach belegt, z. B. durch Hier. chron. z.J. 253: Pestilens morbus multas totius orbis provincias occupavit maximeque Alexandriam et Aegyptum. Im Folgenden nenne ich eine Auswahl weiterer Belege: Cypr. mort. 14; Eus. Chron. can., Arm. Karst 226; Aur. Vict. 30,2; Eutr. 9,5; Oros. hist. 7,21,5; Zos. 1,26,2; Cedrenus 452,14; Zon. 12,21; S. 590, Z. 12. Die Seuche breitete sich, anscheinend 250 n. Chr. von Ägypten ausgehend, bis in die europäischen Teile des Imperium Romanum aus; unzählige Menschen fielen ihr zum Opfer. Laut Aur. Vict. 30,2 und Epit. de Caes. 30,2 soll sie auch den frühen Tod des Hostilianus verursacht haben; hingegen behauptet Zos. 1,25,2, Gallus habe ihn ermorden lassen. Cyprians 252 oder 253 verfasste Schrift De mortalitate beschreibt die Symptome der Seuche (Cypr. mort. 14); dennoch war es bisher nicht möglich, die Epidemie eindeutig zu identifizieren,821 die laut Cedrenus und Zonaras 15 Jahre lang grassierte. Ähnliche Formulierungen wie die Stadtchronik bieten die Fasti Vindobonen­ ses priores und die Excerpta Sangallensia (beide Bezeichnungen stammen von Theodor Mommsen) mit Angaben, die sich auf Seuchen des 5. und 6. Jh.  n. Chr. beziehen.822 Fasti Vind. pr. 599: Fuit boum nimia mortalitas (Chron. min. I, S. 305); Exc. Sang. 702: Fuit nimia mortalitas in homines ex vulneribus (Chron. min. I, S. 334); Exc. Sang. 715: et fuit hominum et boum nimia mortalitas (Chron. min. I, S. 336); Exc. Sang. 718:et fuit hominum nimia mortalitas (Chron. min. I, S. 336). occisi in foro Flamini. Die folgende kurze Zusammenfassung der Ereignisse, die zum Tod des Gallus und seines Sohnes führten, basiert v. a. auf Huttner und Hanslik:823 Mitte 253 gelang dem Statthalter Niedermoesiens, M. Aemilius Aemilianus, ein bedeutender Sieg über Truppenverbände der Goten, woraufhin ihn seine Legionen zum Kaiser ausriefen. Um seinen Herrschaftsanspruch gegen die regierenden Kaiser durchzusetzen, führte er sein Heer von der Donau nach Italien. Gallus und Volusianus zogen ihm mit zahlenmäßig unterlegenen Truppen entgegen. Sie wurden von ihren eigenen Soldaten ermordet, als diese die Übermacht des Gegners realisiert hatten. Der Ort, an dem die beiden Augusti getötet wurden, lag an der via Flaminia in Umbrien: Laut Eusebius (Chron. can., Arm. Karst. 226) in oder bei Forum Flaminii, einem Ort 821

Huttner 2008, 214; Brecht 1999, 218 f.; Jürgen Grimm, Die literarische Darstellung der Pest in der Antike und in der Romania, München 1965, 87–93. 822 Vgl. Burgess 2014, 178; L. M. Hartmann, Chronica Italia, in: RE Suppl. 1 (1903) 296–298. 823 Huttner 2008, 215 f.; Hanslik, Vibius Nr. 58, in: RE 8 A2 (1958) 1992 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

ca. 20 Meilen nördlich von Spoletium (h. Spoleto).824 Hingegen nennen die sich auf die Enmannsche Kaisergeschichte stützenden Quellen (Aur. Vict. 31,2; Eutr. 9,5; Epit. de Caes. 31,1) das ca. 30 Meilen weiter südlich gelegene Interamna (h. Terni). Für Hieronymus kommen beide Orte in Frage: Gallus et Volusianus, cum adversum Aemilia­ num, qui in Moesia res novas moliebatur, ex urbe profecti essent, in foro Flamini sive, ut alii putant, Interamnae interfecti sunt (Hier. chron. z.J. 254). Die Stadtchronik scheint in diesem Fall ein weiteres Mal dieselbe Quelle wie Eusebius verwendet zu haben. Darauf weist auch Burgess hin, der die Ansicht vertritt, foro Flamini[i] sei die korrekte Ortsangabe und die EKG habe fälschlich Interamna, wo das Heer von Gallus und Volusianus eine Niederlage erlitten habe, als den Ort angegeben, an dem die beiden getötet wurden. Da jedoch die beiden einzigen Quellen, die von einem Kampf berichten (Zon. 12,21; Syn. Sath. 38,6), aus dem 12. und 13. Jahrhundert stammen, wird Burgess’ Meinung nicht allgemein akzeptiert.825 Die Quellen aus dem 4. und 5. Jh. (Aur. Vict. 31,2; Eutrop. 9,5; Epit. de Caes. 31,1; Hier. chron. z.J. 254; Zos. 1,28) erwähnen keine Entscheidungsschlacht. Daher bleibt es unklar, ob vor der Ermordung von Gallus und Volusianus ein Kampf zwischen ihrer Armee und der des Aemilianus stattgefunden hatte.826 Fazit: Die von der Stadtchronik verwendete Formulierung occisi ist zweifellos richtig. Aber auf der Basis der vorhandenen Quellen lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob auch die Ortsangabe in foro Flamini[i] korrekt ist. Interamna, das auch in Frage kommt, lag ebenfalls an der via Flaminia, jedoch ca. 30 Meilen weiter südlich. 4.3.35 Aemilianus Auch von anderen literarischen Quellen wird meist die Kurzbezeichnung Aemilianus verwendet; eine Ausnahme ist Aur. Vict. 31,1, wo er Aemilius Aemilianus genannt wird. Sein Geburtsname war M. Aemilius Aemilianus. Nachdem er als Statthalter der Provinz Moesia inferior den Sieg über ein Gotenheer errungen hatte, riefen ihn seine Truppen Mitte 253 zum Kaiser aus. Nach seiner Anerkennung durch den Senat lauteten Name und Titel Imperator Caesar M. Aemilius Aemilianus Augustus.827

824 Karte: Köder/Wittke, Historischer Atlas der antiken Welt, DNP Suppl. Bd. 3 (2007) 111. Laut Radke (Forum 1, in: Kl P 2, 1979, 602) lag Forum Flaminii beim heutigen Vescia, einem Stadtteil von Foligno. 825 Burgess 2014, 178. Sowohl Interamna als auch Foro Flaminii kommt in Frage für: Kienast 2017, 200; Huttner 2008, 216; Brecht 1999, 222; Hanslik, Vibius Nr. 58, in: RE 8 A2 (1958) 1993. 826 Vgl. Huttner 2008, 216 Anm. 505; Nickbakht/Stein 2017, 118 f. 827 Zu den Namen und Titeln s. Kienast 2017, 203; Stein, PIR2 1 (1933) A 330, 50 f.; Klebs, Aemilius Nr. 24, in: RE 1,1 (1899) 545 f.

4.3 Die Caesaren: Aemilianus

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imper(avit) dies LXXXVIII. Ungefähr dieselbe Regierungsdauer, nämlich drei Monate, verzeichnen auf der Enmannschen Kaisergeschichte basierende Quellen: Aur. Vict. 31,3 (tres menses); Eutr. 9,6 (tertio mense … extinctus) = Hier. chron. z.J. 254 n. Chr. = Oros. hist. 7,21,6; = Iord. Rom. 286. Hingegen überliefern einige griechische Quellen vier Monate (Belege bei Burgess828); ähnlich Zon. 12,22 (S. 592, Z. 3: „nicht ganz vier Monate“) und Epit. de Caes. 31,2 (mense quarto). Dass Eutropius und Hieronymus berichten, Aemilianus sei im dritten Monat seiner Herrschaft ums Leben gekommen, scheint die Angabe der Stadtchronik, er habe nur 88 Tage regiert, zu bestätigen. Vermutlich deshalb weist Kienast für Aemilianus eine 88tägige Herrschaft aus; er datiert dessen Regierungsbeginn (Akklamation durch das Heer) auf Juli/August 253, seine Ermordung auf September/Oktober 253.829 Während Huttner ebenfalls feststellt, Aemilianus habe nicht ganz drei Monate regiert und bis September 253 gelebt, kommt Peachin auf der Basis ägyptischer Papyri zum Ergebnis, er habe nur von Ende Juli bis Mitte September 253 regiert, also knapp zwei Monate. Um zu entkräften, dass einige der literarischen Quellen Peachins Datierung widersprechen und „drei Monate“ überliefern, meint er, sie hätten lediglich aussagen wollen, Aemilianus habe in jedem der drei Monate Juli, August und September 253 eine Zeitlang regiert.830 Burgess widerspricht dieser Interpretation und möchte an der Überlieferung einer Regierungsdauer von drei oder vier  Monaten festhalten.831 Außerdem weist er darauf hin, dass die Stadtchronik nicht nur für Aemilianus, sondern auch für Florianus eine Regierungsdauer von 88 Tagen überliefert. Da es sehr unwahrscheinlich sei, dass zwei Kaiser exakt gleich lange regierten, und weil Hieronymus für Florianus ebenfalls eine Herrschaftsdauer von 88 Tagen verzeichnet, hält Burgess die letztere Angabe für zutreffend und jene hinsichtlich Aemilianus für eine Dittographie. Fazit: Diese Argumentation ist plausibel. Die Vergleichsquellen lassen darauf schließen, dass Aemilianus drei bis vier Monate lang Kaiser war. Die in der Stadtchronik verzeichneten 88 Tage sind wohl nur hinsichtlich Florianus korrekt; die Zahl dürfte versehentlich (=  Dittographie) auf Aemilianus übertragen worden sein. Die Stadtchronik vermerkt kein congiarium des Aemilianus. Dies wohl zu Recht, denn es sind keine Münzen erhalten, die er zur Feier einer liberalitas prägen ließ. Offenbar regierte er nicht lange genug, um eine Geldspende organisieren zu können. occisus ponte Sanguinario. Was einige der auf der EKG basierenden Quellen über den Tod des Aemilianus berichten, gilt in der neueren Forschung als falsch (morbo absumptus est; Aur. Vict. 31,3) oder als ungenau: extinctus est (Eutr. 9,6; Hier. chron. z.J. 828 829 830 831

Burgess 2014, 76. Kienast 2017, 203 = 1996, 212. Dieselben Datierungen: Stein, PIR2 1 (1933) A 330, 51. Huttner 2008, 218; dagegen: Peachin 1990, 36 f.; ihm folgt Brecht 1999, 223. Burgess (2014) 76 mit Anm. 32, 90.

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B) 4. Item imperia caesarum

254); hingegen gelten als zuverlässige Überlieferung Zos. 1,29,1 und Zon. 12,22; S. 592, Z. 4–5.832 Diesen beiden Autoren zufolge wurde Aemilianus von seinen Soldaten ermordet, als sie erkannten, dass Valerianus (s. u. S. 287) mit überlegenen Truppen im Anmarsch war. Laut Epitome de Caesaribus sind zwei verschiedene Orte überliefert, an denen der Mord an Aemilianus verübt worden sein könnte: Zum einen Spoletium (h. Spoleto), zum anderen eine Brücke zwischen Narnia (h. Narni) und Ocriculum, dem heutigen Otricoli. Diese Brücke, pons Sanguinarius genannt, habe ihren Namen aufgrund des Kaisermordes erhalten: Aemilianus vero mense quarto dominatus apud Spoletium, sive pontem, quem ab eius caede Sanguinarium accepisse nomen ferunt, inter Ocricolum Narni­ amque, Spoletium et urbem Romam regione media positum (Epit. de Caes. 31,2). Während Huttner und Stein auf beide möglichen Tatorte verweisen, erwähnen Kienast und Klebs (s. Anm. 832) nur einen: Aemilianus sei von seinen Soldaten „bei Spoletium“ ermordet worden. Spoletium lag an der jüngeren östlichen Trasse der via Fla­ minia und ca. 20 Meilen nordöstlich von Narnia; dieses lag an der alten via Flaminia, nur wenige Meilen nördlich von Ocriculum.833 Der zwischen Narnia und Ocriculum erbaute pons Sanguinarius, von dem noch Reste sichtbar sind, führt über einen Wildbach, der heute Sanguinario genannt wird; ein moderner archäologischer Reiseführer teilt mit, die Brücke sei nach dem Bach benannt worden. Im heutigen Spoleto gibt es ebenfalls einen ponte Sanguinario, der in der Nähe der piazza Vittoria über das Flüsschen Tessino führt und angeblich in augusteischer Zeit erbaut wurde.834 Fazit: Die Mitteilung der Stadtchronik, Aemilianus sei getötet worden, trifft zu. Der von ihr angegebene Ort stimmt ebenfalls, nur versäumt sie es leider, die Brücke genauer zu lokalisieren. Auf der Basis der spärlichen Überlieferung kann nicht geklärt werden, an welcher der beiden in Frage kommenden Brücken Aemilianus getötet wurde. 4.3.36 Gallienus cum Valeriano Im Unterschied zu Vergleichsquellen nennt die Stadtchronik, vielleicht aus Unachtsamkeit, Gallienus an erster Stelle; da zudem statt der Konjunktion et die Präposition cum verwendet wird, kann in doppelter Hinsicht ein falscher Eindruck entstehen: Zum einen, Gallienus sei der ältere oder der erstrangige Herrscher gewesen. Zum anderen, 832 Klebs, Aemilius Nr. 24, in: RE 1,1 (1899) 546; Stein, PIR2 Bd. 1 (1933) 51; Huttner 2008, 218; Goltz/ Hartmann 2008, 226 f.; Burgess 2014, 179; Kienast 2017, 203. 833 Karte: M. Köder/A.-M. Wittke, in: Historischer Atlas der antiken Welt, DNP Suppl. Bd. 3 (2007) 111; M. Rathmann, Via Flaminia, in: DNP 12,2 (2002). 834 Zur Sanguinario­Brücke bei Narnia: Marcello Gaggiotti u. a., Umbria Marche, in: Guide archeologiche Laterza, Rom 1980, 49. Zur Brücke in Spoletium: Julia Reichardt, Reiseführer Umbrien, Ostfildern 2016, 220.

4.3 Die Caesaren: Gallienus cum Valeriano

287

beide hätten gleich lange regiert; diesen Eindruck erweckt allerdings auch Hier. chron. z.J. 254 n. Chr.: Romanorum XXVII regnavit Valerianus et Gallienus ann. XV. Die Kurzformen Gallienus und Valerianus, die auch andere antike Autoren verwenden (z. B. Eutr. 9, 7; Hier. chron. z. J. 254 ff.; HA Gall. und HA Valer.), stehen für P. Licinius Egnatius Gallienus und dessen Vater P. Licinius Valerianus.835 Dieser wurde, auf die Nachricht des Todes von Gallus und Trebonianus hin, Mitte 253 in Raetien vom Heer zum Kaiser erhoben. Schon bald nach dem Tod des Aemilianus erkannte ihn der Senat als den neuen Augustus an. Gallienus erhielt zunächst den Titel Caesar, Valerian machte ihn jedoch bereits im September/Oktober 253 zum Mitregenten und veranlasste, dass der Senat auch ihm den Titel Augustus verlieh. Nachdem Valerianus Mitte 260 in persische Gefangenschaft geraten war, erklärte sich Gallienus zum Alleinherrscher. Den verschleppten Vater scheint er für tot erklärt zu haben. Er ließ ihn vermutlich nicht, wie in HA Gall. 10,5 behauptet wird, divinisieren. Gallienus selbst wurde unter seinem Nachfolger Claudius Gothicus als Divus Gallienus konsekriert (s. Aur. Vict. 33,27). imper(avit) ann(os) XIIII m(enses) IIII dies XXVIII. Neben Hieronymus (s. o.) überliefern weitere literarische Parallelquellen, Valerian und Gallienus hätten 15 Jahre lang regiert: Eus. Chron. can., Arm. Karst 226: „Valerianos und Gallianos, Jahre 15.“ HA Gall. 21,5: Gallieni et Valeriani […] quindecim annos eosdem imperasse constet. Ebenso Synk. 465,6; Cedrenus 454,3; Zon. 12,25 (S. 602, Z. 14). Die Überlieferung, beide hätten 15 Jahre lang regiert, ist so zu verstehen, dass sie zunächst gemeinsam regierten und dass diese Zeit zuzüglich der anschließenden Alleinherrschaft des Gallienus den Zeitraum von etwa 15 Jahren ergibt. Diese Interpretation ergibt sich aus den differenzierten Angaben der folgenden Quellen: Eus. HE 7,28,4 zufolge regierte Gallienus 15 Jahre lang. Aur. Vict. 32,5 über Valerianus: interiit imperii sexto anno. Aur. Vict. 33,35 über Gallienus: Huic novem annorum potentia fuit. Eutr. 9,11: Gallienus interea Mediolani […] occisus est imperii anno nono. Epit. de Caes. 33,2: (Gallienus) regnavit annos quindecim, septem cum patre, octo solus. HA Gall. 21,5: constet, id est Gallien[us] usque ad quintum decimum pervenisset, Va­ lerianus vero sexto sit captus, alii novem annis, [v]i[x] decem alii etiam Gallienum imperasse in litteras mittant.

835

Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 205 f., 209; Geiger 2013, 82 f., 189 f.; Goltz/Hartmann 2008, 228–249; Petersen, PIR2 5,1 (1970–1987), L 197, 41–45; L 258, 62–65.

288

B) 4. Item imperia caesarum

Hinsichtlich der genauen Datierungen weichen die Ergebnisse der neueren Forschung nicht gravierend, d. h. meist nicht mehr als um einige Wochen, voneinander ab: Die Akklamation Valerians zum Kaiser durch das Heer in Raetien datiert Kienast in den Zeitraum Juni/August 253; Goltz/Hartmann datieren das Ereignis auf Ende Juli/ Anfang August 253.836 Die Erhebung des Gallienus zum mitregierenden Augustus fand laut Peachin schon in der zweiten Septemberhälfte statt; laut Kienast im September oder Oktober; laut Goltz/Hartmann vor dem 22. Oktober 253.837 Gefangennahme Valerians bei Edessa: Heute besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Valerian wahrscheinlich im Juni 260 (auf jeden Fall vor dem 22. Juli) in persische Gefangenschaft geriet.838 Tod des Gallienus: Ende August/Anfang September 268.839 Fazit Von September/Oktober 253 (Erhebung des Gallienus zum Augustus) bis Anfang September 268 (Ermordung des Gallienus) ergibt sich eine Regierungsdauer von etwas weniger als 15  Jahren. Die antike Überlieferung, der zufolge Gallienus als Augustus 15 Jahre lang regierte (offensichtlich war nicht nur die Zeit seiner Alleinherrschaft, sondern auch die Samtherrschaft mit Valerian gemeint), erweist sich demnach als recht zuverlässig. Außerdem kann die Angabe der Epitome de Caesaribus (33,2) als bestätigt gelten, wonach Gallienus 8 Jahre allein regierte. Die von der Stadtchronik angegebene Regierungszeit ist demnach um ca. ein halbes Jahr zu kurz. Zu demselben Ergebnis kommt auch Burgess; eine mögliche Erklärung für die Unstimmigkeit erwähnt Wickert:840 Laut HA Claud. 4,2 traf die Nachricht von der Erhebung des Claudius gegen Gallienus bereits am 24. März (268) in Rom ein (VIII. kal. Aprilis). Falls diese offenbar falsche Datierung auf einer älteren Tradition beruhte, auf welche der Verfasser der Stadtchronik sich verließ, wäre sein Fehler weniger gravierend. Valerianus occisus in Syria. Aus den Vergleichsquellen geht hervor, dass Valerianus in persische Gefangenschaft geriet; die Aussagen über sein weiteres Schicksal sind widersprüchlich. Der dreisprachige Tatenbericht des Sassanidenherrschers Schāpūr I. überliefert, Valerian und sein gesamter Offiziersstab seien während oder nach der 836 Kienast 2017, 205; Goltz/Hartmann 2008, 223. Adventus Valerians in Rom: Mitte/Ende September (Peachin 1990, 37) oder September/Oktober 253 (Kienast a. a. O.; Goltz/Hartmann a. a. O. 227). 837 Peachin a. a. O. 39; Kienast und Goltz/Hartmann jeweils a. a. O. 838 Kienast a. a. O. 206; Geiger 2013, 93; Goltz/Hartmann a. a. O. 249 f.; Brecht 1999, 255; Peachin a. a. O. 37 f. Der Zeitpunkt wurde lange kontrovers diskutiert, s. dazu Goltz/Hartmann a. a. O. 248 f. Zwar plädierte bereits Wickert für „Mitte 260“ (Licinius Nr. 173, in: RE 13/1, 1926, Sp. 493; Licinius Nr. 84, in: RE a. a. O. Sp. 353), aber das Ereignis wurde auch auf das Jahr 259 oder sogar 258 datiert, z. B. auf Herbst 259 bei Petersen, PIR2 5,1 (1970) L 258, 64. 839 Peachin a. a. O. 37 f.; Goltz/Hartmann a. a. O. 289; Geiger a. a. O. 190; Kienast a. a. O. 209. 840 Burgess 2014, 77; Wickert, Licinius (Egnatius) Nr. 84, in: RE 13,1 (1926) 362.

4.3 Die Caesaren: Gallienus cum Valeriano

289

Schlacht bei Edessa gefangengenommen und in die Persis verschleppt worden (RGDS § 18, zit. nach Winter/Dignas), d. h. über tausend Kilometer weit bis in die Region um Persepolis.841 Die Kernaussage der RGDS wird im Wesentlichen von griechischen und römischen Quellen bestätigt: Eus. Chron. can., Arm. Karst 226: „zur Stunde verfiel er der Knechtschaft durch die Barbaren. Nachdem Valerianos als Gefangener nach Persien abgegangen […]“ Hier. chron. z.d.J. 258–260: Valerianos […] a Sapore Persarum rege capitur ibique servitute miserabili consenescit […] Valeriano in Persas ducto […]. Chron. ad an. 724, 98,23 f.: servitutem statim apud Persas pertulit; et postquam is captus est. Von einer langen Gefangenschaft des Valerian in Persien, während der er unwürdig behandelt worden sei, berichtet nicht nur Hieronymus, sondern auch Eutr. 9,7: captus apud Parthos ignobili servitute consenuit. Ähnlich Epit. de Caes. 32,5–6; hier geht der Autor allerdings noch mehr ins Detail: Der Perserkönig habe, wenn er sein Pferd besteigen wollte, den Rücken Valerians als Steighilfe benutzt. Andere Quellen berichten noch Schlimmeres: Valerian sei getötet worden (Chr. pasch. 508,1–2), an den Folgen einer grausamen Folter gestorben (Aur. Vict. 32,5), nach seinem Tod gehäutet worden (Lact. mort. pers. 5,6). Letzteres sehen Goltz/Hartmann als glaubwürdig an, ebenso die unwürdige Behandlung des gefangenen Valerian; sie nehmen jedoch wie Winter/ Dignas an, dass er nach längerer Gefangenschaft eines natürlichen Todes starb.842 Fazit Die Vergleichsquellen widersprechen der Aussage der Stadtchronik, Valerianus sei in Syrien ums Leben gekommen: Er starb als Gefangener in der Persis, wahrscheinlich eines natürlichen Todes. Dennoch kann man Burgess nicht uneingeschränkt beipflichten, wenn er feststellt: „This notice is one of the very few in the Breviarium that is completely wrong” (Burgess 2014, 179). Denn mit der Formulierung occisus folgte die Stadtchronik vermutlich einer Tradition, der zufolge Valerianus getötet wurde (s. o.: Aurelius Victor; Chronicon paschale). Dass diese Tradition zu Unrecht besteht, kann bislang nur vermutet werden. Gallienus cong(iarium) dedit X ∞ CCL et binionem aureum. Zwar weist die Stadtchronik hier nur auf Gallienus als den Spender von congiaria hin, aber da eine sehr hohe Summe genannt wird und die Textstelle mit den Worten Gallienus cum Valeriano 841 Zur Persis s. Duchesne-Guillemin, Persis, in: Kl P 4 (1979) 653 f. In der Persis lag Naqš-i Rustam, wo die RGDS in Stein gemeißelt wurden, sowie Bišapur, wo die Siege Schāpūrs in Felsreliefs verherrlicht wurden; s. Winter/Dignas 2001, 78–82, 93–98. 842 Goltz/Hartmann 2008, 253 f.; Winter/Dignas 2001, 99.

290

B) 4. Item imperia caesarum

beginnt, muss es sich um den Gesamtbetrag aus allen congiaria handeln, die während der Herrschaft von Valerian und Gallienus gewährt wurden. Für den Zeitraum, in welchem Valerianus und Gallienus gemeinsam regierten, sind durch Münzlegenden drei (gemeinsame) congiaria dokumentiert; für die Zeit der Alleinherrschaft des Gallienus gilt ein weiteres congiarium als wahrscheinlich.843 Erstes congiarium:

Verteilt 253 anlässlich der Regierungsübernahme der beiden Augusti. Münzbelege in RIC 5,1 (1927): Valerian Nr. 42, 98 (Reverslegende: LIBERALITAS AUGG.); Nr. 164, 185, 196 (LIBE­ RALITAS AUGG. S. C.); Valerian and Gallienus Nr. 3 (LIBERA­ LITAS AUGUSTORUM) und Nr. 5 (LIBERALITAS AUGG. I.); Gallienus S. 85, Nr. 220 (LIBERALITAS AUGG. S. C.); Gallienus S. 87, Nr. 255 (LIBERALITAS AUG. S. C.) und S. 89, Nr. 270 (LIBERALITAS AUGG. S. C.). Zweites congiarium: Verteilt 254, vermutlich auch 255. Mögliche Anlässe: die Divinisierung der Mariniana (Gattin Valerians und Mutter des Gallienus) und die Erhebung der Salonina (Gattin des Gallienus) zur Augusta; außerdem Valerians zweiter Konsulat und Gallienus’ erster Konsulat. Münzbelege in RIC 5,1 (1927): Valerian Nr. 43, 99, 100, 101, 102 (Reverslegende: LIBERALITAS AUGG.); Nr. 166 (LIBERALITAS AUGG. II. S. C.); Valerian and Gallienus Nr. 6 (LIBERALITAS AUGG. II.); Gallienus S. 81, Nr. 147, 148, 149 (LIBERALITAS AUGG.); S. 85, Nr. 221 (LIBERALITAS AUGG. S. C.); S. 89, Nr. 271 (LIBERALITAS AUG. II. S. C.); Valerian II Nr. 18 (LIBERALITAS AUGG.). Drittes congiarium: Verteilt 256 anlässlich der Erhebung Valerians II. (so hieß der Sohn des Gallienus und der Salonina) zum Caesar. Münzbelege in RIC 5,1 (1927): Valerian Nr. 44, 104, 105, 167, 168 (Reverslegende: LIBERALITAS AUGG. III.), Nr. 45 (LIBERALITAS AUG. III.), Nr. 197 (LIBERALITAS AUG. III. S. C.); Valerian and Gallienus Nr. 7 (LIBERALITAS AUGG. III.); Gallienus S. 75, Nr. 82, 83, 84; S. 81, Nr. 151; S. 98, Nr. 386; S. 102, Nr. 431 (LIBERALITAS AUGG. III.); Gallienus S. 85, Nr. 223 und 224 (LIBERALITAS AUGG. III. S. C.). Einige weitere Münzen, die auf eine liberalitas hinweisen, aber keine Zählung angeben, sind wahrscheinlich ebenfalls dem dritten congiarium zuzuordnen.

843 Zur Datierung der congiaria und zum jeweiligen Anlass: Barbieri 1957, 869–871; Kienast 2017, 206, 210; vgl. RIC 5,1 (1927) 33. Zu den drei gemeinsamen congiaria vgl. Göbl 2000, 58, 77 f. Einige Münzen weisen zwar die Reverslegende LIBERALITAS, aber keine Zählung auf.

4.3 Die Caesaren: Gallienus cum Valeriano

Viertes congiarium,

291

unter Gallienus als allein regierendem Augustus: Vermutlich im  Jahr 263 aus Anlass der decennalia des Gallienus verteilt. Als Münzbelege gelten: RIC 5,1 (1927) Gallienus S. 135, Nr. 55; S. 151, Nr. 227 (Reverslegende: LIB oder LIBERAL AUG.); S. 139, Nr. 111; S. 163, Nr. 369 (LIBERAL AUG.); S. 151, Nr. 228 (LIBERA­ LIT AUG.); Salonina Nr. 77 (LIBERAL AUG.).

Als Gesamtsumme aller vier congiaria gibt die Stadtchronik an: X ∞ CCL et binionem aureum. Das ist wohl so zu verstehen, dass pro Kopf 1250 Denare in der üblichen Silberwährung und 50 Denare in Form eines (goldenen) binio, also eines zweifachen au­ reus,844 gezahlt wurden. Die insgesamt 1300  Denare könnten auf drei congiaria zu je 300  Denare und eines zu 400  Denaren verteilt worden sein. Zwar waren zuvor seit Decius offenbar nur jeweils 250 Denare gespendet worden, aber vielleicht wurde es durch den sinkenden Edelmetallgehalt des Münzgeldes nötig, die Summen zu erhöhen.845 Allerdings überliefert die Stadtchronik, dass Claudius II., der Nachfolger des Gallienus, nur 250 Denare spendete. Da die Münzen, die an eine liberalitas des Gallienus während dessen Alleinherrschaft erinnern, keine Zählung aufweisen, ist nicht auszuschließen, dass es insgesamt fünf congiaria gab, bei denen jeweils 250 Denare gezahlt wurden. Den Binio ließ Gallienus wahrscheinlich im Jahr 263 im Rahmen der decen­ nalia verteilen, denn zum einen waren diese ein herausragender Anlass und wurden dementsprechend gefeiert, wie HA Gall. 8 überliefert. Zum anderen gab es 260 bis 262/263 zahlreiche Goldprägungen; ein Teil dieser Goldmünzen wurde als Donativ an die Prätorianer ausgegeben.846 occisus Mediolano. Zahlreiche Parallelquellen überliefern ebenfalls, dass Gallienus bei Mailand getötet wurde. Beispiele: Eus. Chron. can., Arm. Karst 226; Hier. chron. z.J. 269; HA Gall. 14,8–9. Aurelius Victor und die Epitome de Caesaribus berichten, der Kaiser sei von Männern aus seiner unmittelbaren Umgebung ermordet worden: Gal­ lienus […] Mediolanum […] oppugnat, ab suis interiit (Aur. Vict. 33,18–19); Mediolanum obsedit […] a suis interiit (Epit. de Caes. 33,2). Die Historia Augusta behauptet, ein Offizier namens Cecropius habe den Mord begangen (HA Gall. 14,9). Hinsichtlich der Todesumstände bei Gallienus gelten die Berichte von Zosimus (Zos. 1, 40,1–2) und insbesondere Zonaras (Zon. 12,25; S. 601,1–602,14) als aufschluss844 Seit Caracalla waren als neue Münzen der (silberne) Doppeldenar, modern „Antoninian“ genannt, und der doppelte aureus, in der Antike binio genannt, im Umlauf; s. Kuhoff 2001, 487. Auch in der Regierungszeit des Gallienus hatte der aureus trotz zeitweise verringertem Goldgehalt einen nominalen Kurswert von 25 Denaren; s. Strobel 2002, 138. Dass unter Gallienus als Sondernominale auch biniones geprägt wurden, ist belegt; s. Ehling 2008, 848; Göbl 2000, 106. 845 Zur Erhöhung und Aufteilung der Summe: Barbieri 1957, 871. Zur Münzverschlechterung, die um 260 n. Chr. vorgenommen wurde: Ehling 2008, 852 f.; vgl. Strobel 2002, 115–117, 132–138. 846 Geiger 2013, 213 f.

292

B) 4. Item imperia caesarum

reich und zuverlässig,847 obwohl sie nicht in allen Punkten übereinstimmen. Ihnen zufolge wurde Gallienus Opfer einer Verschwörung, an der hauptsächlich der Prätorianerpräfekt Heraclianus sowie die späteren Kaiser Claudius (Gothicus) und Aurelianus beteiligt waren. In der Forschung nimmt man an, dass Aurelian die Tat ausführte; das Hauptmotiv der Verschwörer dürfte gewesen sein, dass diese aus Illyrien stammenden Offiziere den von Gallienus geplanten Orientfeldzug ablehnten und primär am Schutz der Donaugrenze interessiert waren.848 4.3.37 Claudius Auch von anderen literarischen Quellen wird er meist nur Claudius genannt. Beispiele: Eutr. 9,11; Aur. Vict. 33,27–32; 34,1; Hier. chron. z.d.J. 269–271; Epit. de Caes. 34; HA Claud. 2,5; 4,2; 6,1–5; 7,6; Zos. 1,40–46; Zonar. 12,25–26 (S. 604–606). Bisweilen bezeichnet ihn die Historia Augusta auch ehrerbietig als princeps Claudius (HA Claud. 1,1; 3,2) oder als Divus Claudius (Titel der vita; HA Claud. 11,1; Aurelian. 16,4). Heute wird er üblicherweise als Claudius (II.) Gothicus bezeichnet.849 Den Beinamen Gothicus (maximus) erhielt er (vgl. Anm. 849), da er als Kaiser im Jahr 269 bei Naissus ein gotisches Heer besiegt hatte. Sein Kaisername war Imperator Caesar M. Aurelius Claudius Augustus. Praenomen und Gentiliz M. Aurelius verdankte er wohl der Constitutio Antoniniana von 212. Die in der Stadtchronik nicht erwähnte Divinisierung als Divus Claudius ist unter anderem durch Münzlegenden belegt. imper(avit) ann(um) unum m(enses) IIII d(ies) XIIII. Die wichtigsten Vergleichsquellen überliefern meist eine um einige Monate längere Regierungsdauer. Zwei Jahre: Eus. HE 7,28,4; Chr. pasch. 508,3; Cedrenus 454,11. Etwas weniger als zwei Jahre: Eutr. 9,11,2 (intra imperii biennium morbo interiit). Ein Jahr und neun Monate: Eus. Chron. can., Arm. Karst 226; Hier. chron. z.J. 269; Epit. de Caes. 34,1; Epiphanius, De mens. et pond. 269. Laut Synk. 469,16 regierte Claudius nur ein Jahr lang; an anderer Stelle (474,4) erwähnt Synkellos jedoch ein zweites Regierungsjahr.

847 Siehe die ausführliche Untersuchung von Hartmann 2006, 81–106. Auf diese Darstellung bezieht sich auch großteils Geiger 2013, 182–189. 848 Zur Verschwörung und zum Kaisermord: Geiger 2013, 184 f.; Goltz/Hartmann 2008, 289–291; Hartmann 2006, 101–106. Zum Motiv: Geiger, a. a. O. 193–196; Goltz/Hartmann, a. a. O. 291; Hartmann, a. a. O. 107–118. 849 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 222; Hartmann 2008 b, 297–307; Kuhoff 2001, 30; Peachin 1990, 86 f.; Stein, PIR2 1 (1933) A 1626, 331–333; Henze, Aurelius Nr. 82, in: RE 2,2 (1896) 2458–2462. Peachin (a. a. O.) zufolge waren „Germanicus maximus“ und „Parthicus“ keine offiziellen Titel des Claudius; der Beiname Gothicus sei ihm möglicherweise erst posthum im Jahr 270 verliehen worden. Aber laut Kienast (a. a. O.) und Hartmann (a. a. O. 304) wurde er schon 269 Gothicus genannt.

4.3 Die Caesaren: Claudius

293

Zon. 12,26 (S. 606, Z. 3 f.) berichtet, die Angaben seiner Quellen würden zwischen einem Jahr und zwei Jahren (als Beispiel erwähnt er Eusebius) schwanken. Burgess vermutet, in der Stadtchronik sei die Zahl IIII (menses) durch einen Schreibfehler entstanden (aus VIIII).850 Das ist durchaus möglich, da es offenbar eine starke Tradition gab, der zufolge Claudius ein Jahr und neun Monate lang regierte. Die von der Stadtchronik genannte Zahl der Tage (d. XIIII) lässt sich nicht verifizieren. Vor allem die Auswertung ägyptischer Papyri führte dazu, dass man in der neueren Forschung annimmt, Claudius habe ein Jahr und elf Monate oder knapp zwei Jahre lang regiert. Die Datierungen schwanken allerdings zwischen September/Oktober 268 als Regierungsbeginn und August/September 270 als Regierungsende.851 Fazit: Die Angabe der Stadtchronik bzgl. der Regierungsdauer des Claudius Gothicus basiert vermutlich auf dem Fehler eines Kopisten, der IIII statt VIIII Monate schrieb. Es handelt sich ursprünglich wohl um dieselbe Tradition wie bei der Chronik des Eusebius sowie bei Epiphanius, Hieronymus und der Epitome de Caesaribus. Diese Quellen überliefern eine Regierungszeit von einem Jahr und neun Monaten. Neuere Forschungsergebnisse, die sich v. a. auf die Auswertung von Papyri stützen, lassen aber darauf schließen, dass Claudius wohl zwei Monate länger regierte. cong(iarium) dedit X CCL. Münzlegenden bestätigen, dass Claudius II. ein congia­ rium verteilen ließ; sicherlich noch im  Jahr 268 aus Anlass der Regierungsübernahme.852 Münzbelege: RIC 5,1 (1927), Claudius Gothicus Nr. 57, 58, 59, 278 (Reverslegende: LIBERALITAS AUG.); Nr. 183 (LIBERAL. AUG.). Die Höhe der Geldspende wird nur von der Stadtchronik überliefert; die Summe ist glaubwürdig, denn auch Decius und Gallus hatten jeweils 250 Denare gespendet. excessit Sirmi. Dass Claudius bei Sirmium starb, bestätigen die folgenden Quellen: Hier. chron. z.J. 271 (Claudius Sirmii moritur); Oros. hist. 7,23,1 (apud Sirmium); Chr. pasch. 508,8; Zon. 12,26; S. 605, Z. 12. Es ist bemerkenswert, dass nur wenige Quellen den Sterbeort dieses Kaisers überliefern. Burgess hat jedoch nicht Recht, wenn er meint: „Only Eusebius and the Brevia­ rium are aware of the location of Claudius’ death” (Burgess 2014, 180). Die Stadtchro850 Burgess 2014, 78. 851 Zur Papyrusforschung: Hinsichtlich der Ergebnisse von Rea (1972) und Rathbone (1986) s. Hartmann 2008 b, 299 f. mit Anm. 9 und 10. Datierungen der Regierungszeit in der neueren Literatur: September/Oktober 268 bis September 270 (Kienast 2017, 222 = 1996, 231); Ende August/Anfang September 268 bis Ende August 270 (Hartmann 2008 b, 299, 306); Anfang September 268 bis Mitte August 270 (Peachin 1990, 40, 42 f.). Burgess (2014, 77) hält sowohl die Datierung Peachins als auch jene Kienasts für akzeptabel. 852 Vgl. Kienast 2017, 222; Barbieri 1957, 872.

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nik ist allerdings die früheste erhaltene Quelle. Parallelquellen zufolge erlag Claudius II. einer schweren Krankheit bzw. einer Seuche: Eutr. 9,11,2: morbo interiit. Oros. hist. 7,23,1: morbo correptus interiit. HA Claud. 12,2: Finito sane bello Gothico gravissimus morbus increbruit, tunc cum etiam Claudius adfectus morbo mortalis reliqui. Laut Zos. 1,46,2 starben viele Römer, auch Claudius, an der Pest (λοιμός). Die Quellenaussagen lassen den Schluss zu, dass Claudius an der Pest erkrankte, die im Sommer 270 auf dem Balkan wütete, und ihr in Sirmium zum Opfer fiel.853 Die Formulierung der Stadtchronik (excessit) stimmt damit insofern überein, dass sie auf eine natürliche Todesursache hindeutet. 4.3.38 Quintillus Vermutlich aufgrund eines Senatsbeschlusses (Zon. 12,26; S. 605, Z. 16 f.) folgte er seinem Bruder Claudius Gothicus auf dem Thron nach; sein Kaisername war Imperator Caesar M. Aurelius Claudius Quintillus Augustus. Auch andere literarische Quellen nennen ihn meist Quintillus. Beispiele: Eutr. 9,12; Hier. chron. z.J. 271 (hier Quintilius); Epit. de Caes. 34,5; HA Claud. 12,2–5; Oros. hist. 7,23,2; Zos. 1,47. Die Stadtchronik zählt ihn nicht zu den Divi. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass er divinisiert wurde: RIC 5,1 verzeichnet eine Münze (Quintillus Nr. 15) mit der Averslegende DIVO QUINTILLO und der Reverslegende CONSECRATIO; diese Reverslegende trägt auch die Münze Quintillus Nr. 41. Beide Münzen gelten jedoch als nicht verifiziert; demnach ist die Divinisierung des Quintillus nicht sicher bezeugt.854 imp(eravit) dies LXXVII. Andere Quellen überliefern für Quintillus meist eine Regierungsdauer von lediglich 17 Tagen: Eutr. 9,12; Hier. chron. z.J. 271; HA Claud. 12,5; Oros. hist. 7,23,2; Joh. Mal. 12,29; Synk. 469,22; Zon. 12,26 (S. 606, Z. 1). Bei Malalas, Synkellos und Zonaras geht diese Angabe laut Burgess855 wahrscheinlich auf Eutropius bzw. auf die Enmannsche Kaisergeschichte zurück. Da auch die Epitome de Caesaribus (34,5) von paucis diebus spricht, liegt die Vermutung nahe, dass die EKG als Regierungszeit des Quintillus 17 Tage überliefert hatte. Georgii Monachi Chron. 467,17 und Cedrenus 454,19 verzeichnen sogar nur 7 Tage, was Burgess (a. a. O.) mit einem Kopis-

So auch Kienast 2017, 222; Hartmann 2008 b, 306; Christ 2009, 674; Henze, Aurelius Nr. 82, in: RE 2,2 (1896) 2462. 854 Zum Kaisernamen: Kienast 2017, 224. Zur Frage der Divinisierung: Kienast a. a. O. 224; Hartmann 2008 b, 308 Anm. 39; P. H. Webb, in: RIC 5,1 (1927) 240, 242. 855 Burgess 2014, 78. 853

4.3 Die Caesaren: Quintillus

295

tenfehler (ζ’ statt ιζ’ Tage) erklärt. Die bei HA Aurelian. 37,6 genannte Zahl „20 Tage“ dürfte eine gerundete Version der sonst meistens genannten „17 Tage“ sein. Mit der Angabe der Stadtchronik scheint nur eine einzige, relativ späte, Quelle übereinzustimmen: Laut Zos. 1,47 regierte Quintillus doch immerhin „wenige Monate“. Kienast orientiert sich an der Mehrzahl der Quellen, denen zufolge Quintillus 17 Tage regierte, und bezeichnet die von der Stadtchronik genannte Zahl als falsch.856 Hingegen ist Burgess der Ansicht, Quintillus habe ungefähr zwei Monate lang regiert (67 oder 77 Tage).857 Seine drei Hauptargumente lauten sinngemäß: 1) Die Angabe bei Zos. 1,47 stimmt ungefähr mit jener der Stadtchronik überein. Burgess vermutet, Zosimos stütze sich auf Eunapius, eine um 378 n. Chr. entstandene, fragmentarisch überlieferte Quelle. 2) Im Namen des Quintillus wurden an verschiedenen Münzstätten so viele Münzen geprägt, dass Burgess eine Regierungsdauer von lediglich 17 Tagen für „quite simply impossible“ hält. 3) Eus. Chron. can. (= Hier. chron. z.J. 271 n. Chr.) und Epit. de Caes. 35,1 überliefern, Aurelian habe 5 Jahre und 6 Monate regiert. Burgess ist der Ansicht, dabei sei die Regierungszeit des Quintillus mit eingerechnet, denn Eusebius erwähne diesen überhaupt nicht: Zu Recht weist Burgess darauf hin, dass der Eintrag bei Hier. chron. z.J. 271 bezüglich Quintillus (XVII imperii die Aquileiae occiditur) eine eigenständige Ergänzung der Eusebius-Chronik durch Hieronymus ist. Die Stadtchronik veranschlage für Aurelian 5  Jahre und nur 4  Monate, weil sie die Regierungszeit des Quintillus separat ausweise. Zur Frage, wie sich die Diskrepanz zwischen „17“ und „77“ Tagen erklären lässt, macht Burgess folgenden Vorschlag: Die Enmannsche Kaisergeschichte habe sich vielleicht auf eine lateinische Quelle gestützt, welche die Zahl LXVII verzeichnete. Durch einen Kopistenfehler könnte daraus einerseits die Zahl XVII geworden sein (u. a. bei Eutrop und Hieronymus), durch einen anderen die Zahl LXXVII (in der Stadtchronik). Auch Kienast räumt hinsichtlich der von ihm angenommenen Regierungsdauer von 17 Tagen ein: „Allerdings verwundern bei einer so kurzen Regierungszeit die Münzprägungen in so vielen Städten.“ (Kienast 2017, 224) 856 Kienast 2017, 224. Hartmann (2008 b, 308 Anm. 38) drückt sich vorsichtiger aus als Kienast: Er hält die Angabe der Stadtchronik für „unwahrscheinlich“, da Quintillus „nur wenige Wochen“ regiert habe; dessen Regierungsbeginn datiert er wie Kienast auf Anfang September 270. Peachin (1990, 43) wendet sich gegen die auf die Analyse ägyptischer Papyri gestützte Argumentation Rathbones (1986, 121 f.) der zufolge Quintillus bis zu 27 Tage lang Kaiser gewesen sein könnte, und geht wie Kienast von einer 17tägigen Regierungsdauer aus (29./30. August bis Mitte September 270). 857 Burgess 2014, 78 f. mit Anm. 35; hinsichtlich der Münzen verwendet er dasselbe Argument wie Percy H. Webb in RIC 5,1 (1927) 201. Auch Bleckmann (1992, 298) glaubt, Quintillus habe ca. zwei Monate lang regiert.

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B) 4. Item imperia caesarum

Fazit Die drei oben wiedergegebenen Hauptargumente von Burgess sind plausibel; seine Vermutung hinsichtlich der Kopistenfehler könnte ebenfalls zutreffen. Aber möglicherweise lässt sich die Diskrepanz zwischen „17“ und „77“ Tagen auch so erklären, wie Sylviane Estiot vorschlägt:858 Als Aurelian vom Heer zum Kaiser ausgerufen wurde, herrschte Quintillus seit 17 Tagen; sein Leben endete jedoch erst 77 Tage nach seiner eigenen Akklamation (oder vielleicht nach 67 Tagen, da auch Estiot einen Kopistenfehler nicht ausschließt). cong(iarium) promisit sed non dedit. Im Namen des Quintillus wurde ein Antoninian geprägt, dessen Reverslegende LIBERALITAS AUG. lautet. Die Existenz dieser Münze belegt: Quintillus hatte die Absicht, ein congiarium verteilen zu lassen. Angesichts der Kürze seiner Regierungsdauer konnte die Auszahlung jedoch höchstwahrscheinlich nicht mehr realisiert werden.859 Es gibt keinen Grund, an der Aussage der Stadtchronik zu zweifeln. Allerdings ist die Formulierung insofern unpassend, als sie ungerechterweise den Anschein erweckt, Quintillus habe sein Versprechen absichtlich gebrochen. occisus Aquileia. Die Wiener Handschrift V bietet aquilegia. Nur eine einzige weitere Quelle gibt ebenfalls Auskunft darüber, wo Quintillus ums Leben kam: Hier. chron. z.J. 271 bestätigt Aquileia als Sterbeort. Trotz dieser schmalen Quellenbasis ziehen Kienast und Hartmann die Richtigkeit der Ortsangabe nicht in Zweifel.860 Beide lassen jedoch offen, ob Quintillus ermordet wurde oder Selbstmord beging. Während Kienast davon ausgeht, das Heer des Quintillus sei von Aurelians Heer in einer Schlacht besiegt worden, folgt Hartmann dem Bericht der Historia Augusta (Aurelian. 37,6), dem zufolge die Truppen des Quintillus zu Aurelian überliefen, als dieser mit überlegenen Kräften anrückte. Einige Quellen überliefern ebenso wie die Stadtchronik, Quintillus sei getötet worden: Eutr. 9,12 (occisus est); Hier. chron. z.J. 271 (Aquileiae occiditur); Oros. hist. 7,23,2 (interfectus est). Laut HA Claud. 12,5 wurde Quintillus von seinen eigenen Soldaten getötet: eo genere, quo Galba, quo Pertinax interemptus est. Hingegen berichten drei andere Quellen, er habe Selbstmord begangen: HA Aurelian. 37,5; Zos. 1,47; Zon. 12,26 (S. 605; Z. 21–22). Diese Version halten Bleckmann und Christ für glaubwürdig.861 Eine weitere Version wird bei HA Claud. 12,6 erwähnt: Laut Dexippus, auf den sich die Historia Augusta auch an anderer Stelle beruft (z. B. bei HA Gord. 2,1), 858 Sylviane Estiot, Monnaies de l’Empire Romain, XII, 1: D’Aurelian à Florien (270–276 après J.C.), Bd. 1, Paris 2004, 9 Anm. 53. Auch V. Cubelli ist der Ansicht, Quintillus habe wahrscheinlich 77 Tage lang bis Ende November 270 regiert: Cubelli, La durata del regno di Quintillo: Osservazioni su Eutropio IX 12, in: ZPE 92, 1992, 235 f. 859 So auch Barbieri 1957, 872. Beleg für den Antoninian: RIC 5,1 (1927) Quintillus Nr. 23. 860 Kienast 2017, 224; Hartmann 2008 b, 308. 861 Bleckmann 1992, 296; Christ 2009, 675.

4.3 Die Caesaren: Aurelianus

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sei Quintillus möglicherweise „einfach verstorben“. 1996 zog Kienast die Möglichkeit eines natürlichen Todes noch in Betracht, aber in der Ausgabe von 2017 ist davon nicht mehr die Rede. Fazit Es besteht kein Anlass, an der Ortsangabe der Stadtchronik zu zweifeln. Anders verhält es sich mit der Formulierung occisus: Da einige Quellen berichten, Quintillus habe Selbstmord begangen, ist sie möglicherweise ebenso unpassend wie im Hinblick auf Nero (s. o. S. 136). 4.3.39 Aurelianus Im Falle Aurelians ist gut erkennbar, dass der Name „Stadtchronik“ gerechtfertigt ist: Sie widmet ihm mehr Zeilen als den meisten anderen Kaisern, da seine Herrschaft in der Stadt Rom besonders deutliche und bleibende Spuren hinterließ. Sein voller Name lautete L. Domitius Aurelianus; der Beiname Aurelianus wird auf den Gutsherrn seines Vaters, eines einfachen Pächters, zurückgeführt.862 Auch von den anderen antiken Autoren wird er meist nur mit diesem cognomen benannt. Beispiele: Eutr. 9,13–15; Aur. Vict. 35,1–4; Hier. chron. z.d.J. 271–275; Epit. de Caes. 35,1–4; Oros. hist. 7,23,3. Die Historia Augusta verwendet ebenfalls meistens die Kurzform Aurelianus. Seine Konsekration als Divus Aurelianus wird in der Stadtchronik nicht erwähnt; sie ist jedoch belegt durch mehrere Inschriften sowie durch Eutr. 9,15 und HA Aurelian. 1,5; 3,1; 41,2; 41,13–15. imp(eravit) ann(os) V m(enses) IIII d(ies) XX. Die meisten Vergleichsquellen überliefern eine längere Regierungsdauer: Sechs Jahre: Eus. HE 7,30,22; Ioh. Mal. 12,30; Chr. pasch. 508,9; Synk. 469,25; Cedrenus 455, 1. Einige Monate weniger als sechs Jahre: Zon. 12,27; S. 608, Z. 3 f. Fünf  Jahre und sechs  Monate: Hier. chron. z.J. 271 n. Chr.; Epit. de Caes. 35,1; Oros. hist. 7,23,3; Epiphanius, De mens. et pond. 270. Einige Tage weniger als fünf Jahre und sechs Monate: HA Aurelian. 37,4 (impera­ vit annis sex minus paucis diebus). In der hier zitierten Zeitangabe der Historia Augusta handelt es sich bei um eine in der Edition Hohl 1965 enthaltene Konjektur von C. Giambelli. Burg-

862 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 225 f.; Stein, PIR2 3 (1943) D 135, 41 f.; Groag, Domitius Nr. 36, in: RE 5,1 (1903) 1351–1358, 1403.

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B) 4. Item imperia caesarum

ess ist jedoch der Ansicht,863 nur das in dieser Textstelle überlieferte diebus beruhe auf einem Kopistenfehler: Die Textstelle der Historia Augusta basiere wie Zon. 12,27 auf Eunapius und habe ursprünglich folgendermaßen gelautet: imperavit annis sex minus paucis mensibus. Vor allem aufgrund der Auswertung ägyptischer Papyri durch Rathbone gilt heute als communis opinio, dass Aurelian nur wenig länger als fünf Jahre regierte.864 Groag zufolge gibt die Stadtchronik die tatsächliche Regierungsdauer Aurelians richtig an, während bei Hieronymus und bei der Epitome de Caesaribus die Zeit des Inter­ regnum zwischen Aurelians Tod und dem Regierungsbeginn des Tacitus mitgezählt werde.865 Die Frage, weshalb mehrere Quellen Aurelian eine Regierungsdauer von bis zu sechs  Jahren bescheinigen (s. o.), lässt sich vermutlich mit dem ägyptischen Kalender beantworten: Der ägyptische Neujahrstag war der 29. August, und Claudius Gothicus starb wahrscheinlich kurz vor dem 29. August 270.866 Aurelian wollte als der direkte Nachfolger des Claudius gelten und scheint deshalb Mitte des Jahres 272, als er nach seinem Sieg über die Palmyrener in Ägypten einzog, angeordnet zu haben, seine Regierungsjahre ausgehend vom Todesdatum des Claudius neu zu datieren, also vom Jahr 269/70 an und ohne die Regierungszeit des Quintillus zu berücksichtigen. So wurde das Jahr 271/72, welches eigentlich das zweite Regierungsjahr des Aurelian war, zu dessen drittem und das Jahr 274/75 konnte als sein sechstes gelten.867 Fazit Nach heute mehrheitlich vertretener Auffassung regierte Aurelianus nicht wesentlich länger als fünf Jahre, d. h. fünf Jahre und etwa einen Monat. Die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer ist zwar um über drei Monate länger, trifft aber eher das Richtige als dies bei anderen literarischen Quellen der Fall ist. Möglicherweise hatte der Verfasser der Stadtchronik die Zeit des Interregnum nach Aurelians Tod mitgezählt; seine Zeitangabe wäre dann allerdings noch immer um ca. einen Monat zu lang.

863 Burgess 2014, 80. 864 Rathbone 1986, 122–125. Datierung auf die Zeit von September 270 bis September/Oktober 275: Kienast 2017, 225; Hartmann 2008 b, 309, 321 Anm. 78. Von der zweiten Septemberhälfte 270 bis Ende Oktober 275: Watson 1999, 47, 104, 221–225. Von der zweiten Augusthälfte 270 bis in den Zeitraum zwischen Mitte September und Anfang Dezember 275: Peachin 1990, 43. Burgess (2014, 79) hält alle genannten Datierungen für akzeptabel. Hartmann lehnt die „in der Forschung vielfach übernommene These vom Regierungsbeginn im Winter 269/70 oder im Frühjahr 270“ (Hartmann a. a. O. 309) ab, da sie den ägyptischen Papyrusdatierungen widerspreche. Damit wendet er sich u. a. gegen Groag, der die Ausrufung Aurelians zum Kaiser auf März/April 270 datiert hatte (Groag, Domitius Nr. 36, in: RE 5/1, 1903, 1354 f.). 865 Groag a. a. O. 1357 f. Nach neuerem Forschungsstand dauerte das Interregnum nur wenige Wochen: Hartmann 2008 b, 322 f.; Johne 2008, 379–381; Kreucher 2003, 104; Peachin 1990, 44. 866 Hartmann a. a. O. 299. Zum Todesdatum des Claudius s. o. S. 293 f. 867 Hartmann a. a. O. 309 f.; vgl. Rea 1972, 23 f.; Rathbone 1986, 124; Peachin a. a. O. 43 f.; Kienast 2017, 225.

4.3 Die Caesaren: Aurelianus

299

congiarium dedit X D. Für eine einzige Geldspende erscheint diese Summe extrem hoch, denn laut Stadtchronik hatte Aurelians Vorgänger Claudius nur 250 Denare gespendet. Dennoch glaubt Kienast, Aurelian habe nur das bei Regierungsantritt übliche congiarium verteilen lassen; auch Barbieri hält die Summe für unüblich hoch, meint aber, sie lasse sich mit der fortschreitenden Geldentwertung erklären.868 Es ist jedoch eher wahrscheinlich, dass Aurelian zwei congiaria verteilen ließ, vermutlich jeweils 250 Denare pro Kopf; die Stadtchronik dürfte wie in anderen Fällen die Gesamtsumme nennen. Letzteres glaubt auch Saunders,869 hinsichtlich der Zahl der congiaria folgt er jedoch der Historia Augusta, die drei Spenden überliefert (HA Aurelian. 48,5). Diese Zahl lässt sich aber mit einer Gesamtsumme von 500 Denaren schlecht vereinbaren: Wenn diese stimmt, hätte sich Aurelian bei den drei einzelnen Spenden nicht so großzügig präsentiert wie sein Vorgänger. Möglicherweise zählt die Historia Augus­ ta die von ihr erwähnten Sachspenden (HA Aurelian. 35,1–2; 48,1–5) als congiarium und kommt dadurch auf die Zahl von drei congiaria. Für eine Geldspende Aurelians an die römische plebs existiert nur ein einziger numismatischer Beleg: RIC 5,1 (1927) Aurelian Nr. 229, Reverslegende LIBERALIT. AUG. Diese Münzlegende enthält keine Zählung, was jedoch die These, unter Aurelian habe es zwei congiaria gegeben, nicht widerlegt: Einige Liberalitas­Münzen des Gallienus, der nachweislich an mindestens drei congiaria beteiligt war, weisen ebenfalls keine Zählung auf. hic muro urbem cinxit Nachdem die germanischen Iuthungen in den  Jahren 270 und 271 in Italien eingefallen waren, war es dringend nötig geworden, die Hauptstadt durch eine neue und bessere Befestigungsanlage zu schützen. Für die Errichtung der Aurelianischen Stadtmauer liegen zahlreiche Vergleichsquellen vor, insbesondere Aur. Vict. 35,7; Eutr. 9,15; Hier. chron. z.J. 275 n. Chr.; Epit. de Caes. 35,6; Oros. hist. 7,23,5; HA Aurelian. 21,9; 22,1; 39,2; Zos. 1,49,2; Ioh. Mal. 12,30; Chr. pasch. 508, Z. 13 f. Malalas und das Chronicon paschale überliefern fälschlich, Aurelian habe die Mauer „wiederhergestellt“. Die Aurelianische Mauer war jedoch ein neues Befestigungswerk (Aur. Vict. 35,7; Epit. de Caes. 35,6; HA Aurelian. 21,9; 39,2) und mit fast 19 Kilometern wesentlich länger als die alte Servianische Mauer.870 Der Baubeginn erfolgte laut den Consularia Constantinopolitana im Jahr 271. Die Formulierung cinxit wird auch bei Eutr. 9,15 und Oros. hist. 7,23,5 verwendet. Dem Bericht des Zosimos (1,49,2) zufolge wurde der Bau von Aurelian begonnen, aber erst von Probus beendet. templum Solis et castra in campo Agrippae dedicavit Nach dem Sieg über Zenobia förderte Aurelian den Kult des Sonnengottes intensiv und ließ dem Sol invictus in Rom 868 Kienast a. a. O. 226; Barbieri 1957, 872. 869 Saunders 1991, 381. 870 Zur Aurelianischen Mauer: Hartmann 2008 b, 320; Watson 1999, 143–152; Saunders 1991, 357–360; Groag, Domitius Nr. 36, in: RE 5,1 (1903) 1376 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

einen Tempel erbauen (Eutr. 9,15,1; Hier. chron. z.J. 275; HA Aurelian. 1,3; 25,6.). In der Nähe dieses Tempels wurde die Kaserne (castra urbana) für die cohortes urbanae entweder erneuert oder neu erbaut. Dass der Tempel und die Kaserne auf dem campus Agrippae erbaut wurden, d. h. auf einem östlich der via Flaminia gelegenen Teil des Marsfeldes, überliefert als einzige literarische Quelle die Stadtchronik. Zweifellos ist ihre Aussage richtig, denn in den Regionenverzeichnissen Notitia und Curiosum folgt auf den Eintrag Campum Agrippae unmittelbar der Eintrag Templum Solis et castra; der Tempel stand in der Nähe der heutigen Kirche San Silvestro.871 Mehrere Quellen berichten von der außergewöhnlich prächtigen Ausstattung des templum Solis: Aur. Vict. 35,7; HA Aurelian. 35,3; 39,6; Zos. 1,61,2; Synk. 470,12–13. genium populi Romani aureum in rostra posuit. Die kultische Verehrung des ge­ nius populi Romani, auch genius publicus genannt, wird erstmals bei Liv. 21,62,9 im Zusammenhang mit dem zweiten Punischen Krieg erwähnt. Noch zur Zeit der Republik errichtete man dieser Schutzgottheit des römischen Volkes und des gesamten Reiches (s. Anm. 873) einen Tempel (Cass. Dio 47,2; 50,8), der anscheinend auf dem nordwestlichen Areal des forum Romanum dicht beim Concordia-Tempel stand.872 Die Stadtchronik überliefert als einzige Quelle, Aurelian habe ein goldenes Standbild des genius populi Romani auf den rostra aufstellen lassen; gemeint ist wohl die ältere Rednertribüne im Westen des forum Romanum (vgl. Anm. 875). Das Standbild dürfte den genius so dargestellt haben, wie man ihn v. a. von Münzbildern her kannte: Seit dem ersten Jh. v. Chr. zeigten Münzen meist das Bild eines jungen Mannes mit nacktem Oberkörper, einem um die Hüften geschlungenen Mantel und einem Füllhorn; in der Zeit des Interregnum nach dem Tod des Aurelian ließ der Senat einen Sesterz prägen, der den genius populi Romani als jungen Mann zeigt, der auf dem Kopf einen Turm und eine Strahlenkrone trägt.873 Aurelian wollte die Kaiserherrschaft durch eine theokratische Fundierung festigen und war daher offensichtlich bestrebt, nicht nur den Kult des Sol, sondern auch den des genius populi Romani wieder aufleben zu lassen. Indem der Kaiser der Schutzgottheit Roms ein goldenes Bild widmete, wies er indirekt auf seine Rolle als Beschützer des Reiches und auf seine enge Verbundenheit mit den Göttern Not. und Cur.: Nordh 1949, 83 unter Regio VII, Via Lata. Zum Sol-Tempel: Hartmann 2008 b, 320 f.; Watson 1999, 143–152; Calzini Gysens/Coarelli, Sol, templum, in: Steinby LTUR 4 (1999) 331–333; Saunders 1991, 361 f.; Groag, Domitius Nr. 36, in: RE 5,1 (1903) 1398 f. Kienast (2017, 225) datiert die dedicatio unter Vorbehalt auf den 25. Dezember (Natalis Solis invicti) des Jahres 274. Zur topographischen Lage des campus Agrippae und der castra urbana: Coarelli, campus Agrippae, in: Steinby LTUR 1 (1993) 217. Zur Kaserne: Hartmann 2008 b, 320; Watson 1999, 153; Saunders 1991, 363; Coarelli, castra urbana, in: Steinby LTUR 1 (1993) 255. Coarelli zufolge ließ Aurelian die Kaserne nur erneuern; die anderen Autoren sprechen von einem neuen Bauwerk. 872 Palombi, Genius publicus/populi Romani in: Steinby LTUR 2 (1995) 366; Genius populi Romani, in: Richardson NTDAR, 181. 873 Hille Kunckel, Der römische Genius, Heidelberg 1974, 12, 37, 65; zum Genius populi Romani als Schutzgott des gesamten Reiches ebd. S. 11 f. 871

4.3 Die Caesaren: Aurelianus

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hin. Die Fasti Filocali verzeichnen für den 11. und 12. Februar das Fest der genialici, das jährlich veranstaltet wurde, möglicherweise zu Ehren des genius populi Romani. In der Forschung wurde kontrovers darüber diskutiert, wo genau Aurelian den goldenen genius aufstellen ließ: Da der von Cassius Dio erwähnte Tempel ganz in der Nähe der westlichen rostra stand, sind Platner/Ashby der Ansicht, Aurelian habe das Standbild des genius in diesem Heiligtum und nicht auf der Rednertribüne aufstellen lassen. Der Tempel hatte aber laut Richardson inzwischen dem templum Vespasiani et Titi Platz machen müssen.874 Mehrere Autoren akzeptieren die Aussage der Stadtchronik, der genius sei auf den (westlichen) rostra platziert worden.875 Diese Angabe scheint von dem Notitia genannten Regionenverzeichnis bestätigt zu werden: In ihm beginnt die Liste für Regio VIII/forum Romanum mit den Einträgen Rostra III; Genium populi Romani aureum et equum Constantini; Senatum. Im Curiosum lauten die Einträge Rostras III; Genium P. R.; Senatum.876 Es fällt auf, dass sowohl die Notitia als auch die Stadtchronik die Formulierung genium populi Romani aureum verwenden. porticus termarum Antoniniarum arserunt et fabricatum est. Die thermae Anton­ inianae, heute üblicherweise Caracalla-Thermen genannt, zählten zu den größten Badeanlagen Roms; das Hauptgebäude ließ Caracalla in den Jahren 212 bis 216 errichten (s. o. S. 236). Die Stadtchronik ist die einzige Quelle, welche von Brand und Wiederherstellung der Portiken unter Aurelian berichtet; ihre Angaben gelten als glaubwürdig, auch wenn deren Richtigkeit durch archäologische Untersuchungen bisher nicht bestätigt werden konnte und die Frage, in welcher Weise die Portiken mit dem Hauptgebäude verbunden waren, kontrovers diskutiert wird.877 panem oleum et sal populo iussit dari gratuite. Dass Aurelian kostenlos Lebensmittel an die zum Empfang der frumentatio berechtigten Bürger Roms verteilen ließ, wird durch mehrere Parallelquellen bestätigt: Über die Verteilung von Schweinefleisch berichten Aur. Vict. 35,7; Epit. de Caes. 35,6; HA Aurelian. 35,2. Über die tägliche Vergabe je eines Weizenbrotes an Berechtigte: HA Aurelian. 35,1. Über die Verteilung von 874 Platner/Ashby, 246; Genius populi Romani, in: Richardson NTDAR, 181. 875 Bauer 2012, 59–64; Watson 1999, 185; Verduchi, Rostra Augusti, in: Steinby LTUR 4 (1999) 214–217, hier 216; Palombi, Genius publicus/populi Romani, in: Steinby LTUR 2 (1995) 365–368, hier 366 f.; Otto, Genius, in: RE 7 (1910) 1155–1170, hier 1166. Die westlichen rostra waren im 4. Jh. v. Chr. errichtet und von Caesar, dann von Augustus, umgestaltet worden (s. Verduchi, Rostra Augusti a. a. O. 214 f.) Die östlichen rostra, 29 v. Chr. von Augustus als Vorbau zum Tempel des Divus Iulius errichtet (s. Iulius, Divus, Aedes, in: Richardson NTDAR, 213 f.), wurden üblicherweise als rostra aedis Divi Iulii oder als rostra Iulia bezeichnet, z. B. bei Suet. Aug. 100,3; Frontin. aqu. 2,129; Cass. Dio 56,34,4. 876 Nordh 1949, 84. Da zur Zeit Diokletians eine dritte Rednertribüne errichtet wurde (s. Bauer 2012, 58–65), ist hier von rostra III die Rede. 877 Piranamonte, Thermae Antoninianae, in: Steinby LTUR 5 (1999) 42; Platner/Ashby, 520; Hülsen, Antoninianae thermae, in: RE 1 (1894) 2567.

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B) 4. Item imperia caesarum

Brot bei Aurelians letztem Romaufenthalt: Zos. 1,61,3. Laut HA Aurelian. 48,1–4 habe Aurelian nicht nur Brot, Öl und Schweinefleisch verteilen lassen, sondern angeblich geplant, dem Volk auch Wein zu spenden. Offenbar ersetzte Aurelian die traditionelle monatliche Verteilung von Getreide durch die tägliche Vergabe von Weizenbroten.878 Öl war bereits unter Septimius Severus kostenlos verteilt worden (HA Sept. Sev. 18,3), aber nach dessen Tod hatte man das wohl nicht lange fortgesetzt (vgl. Watson a. a. O.). Erst Aurelian ließ erneut Öl verteilen; außerdem erhielt das Volk nun auch ein Quantum Schweinefleisch gratis. Die vom Staat organisierte Verteilung von Brot, Fleisch und Öl wurde laut HA Aurelian. 35,1–2; 48,1 von nun an Jahrzehnte lang praktiziert. Dass auch Salz an die Empfangsberechtigten verteilt wurde, überliefert allein die Stadtchronik. Das Salz war möglicherweise u. a. dafür gedacht, das Schweinefleisch haltbar zu machen; das Einsalzen von Schinken war schon um 150 v. Chr. von M. Porcius Cato beschrieben worden (De agri cultura 162). In den Jahren vor Aurelians Regierungsübernahme war es offenbar zu einer Versorgungskrise gekommen, sodass es nicht länger möglich war, die Lebensmittelversorgung Roms mit den Mitteln des freien Marktes sicherzustellen. Der Staat begann nun, Bäcker und Viehhändler in die Pflicht zu nehmen, was in der Forschung als Beginn der Zwangskorporierung gesehen wird, die von Diokletian und dessen Nachfolgern ausgeweitet wurde.879 agonem Solis instituit. Dass Aurelian einen Agon, also einen mit einem öffentlichen Fest verbundenen Wettkampf (s. o. S. 265), zu Ehren des Sonnengottes Sol stiftete, wird bestätigt durch Hier. chron. z.J. 275: Primus agon Solis ab Aureliano institutus. Der Kaiser dürfte den Agon ungefähr zu jener Zeit gegründet haben, zu der er auch das templum Solis einweihte, also in der zweiten Hälfte des Jahres 274 bei seinem letzten Romaufenthalt. Die genaue Datierung ist jedoch umstritten. Die 354 n. Chr. verfassten Fasti Filocali verzeichnen zwei Festtermine zu Ehren des Sonnengottes; einer davon könnte auf Aurelian zurückgehen: Die ludi Solis dauerten vier Tage vom 19. bis 22. Oktober und endeten mit der außergewöhnlich hohen Anzahl von 36 Wagenrennen; der dies natalis invicti wurde am 25. Dezember gefeiert, wobei 30 Wagenrennen stattfanden. Mehrheitlich ist man der Ansicht, die ludi Solis seien mit dem agon Solis identisch,880 während Mommsen zwischen einem Agon und mehr der Unterhaltung dienenden ludi unterscheiden wollte.881 Kaiser Iulian erwähnt in einer Rede offenbar zwei verschiedene agones zu Ehren des Sol: einen Agon am Jahresende (Iul. or. 4,156 B-C; Hertlein S. 202) und einen alle vier Jahre ausgetragenen Agon (Iul. or. 4,155 B;

878 Watson 1999, 138 f.; Saunders 1991, 382; Groag, Domitius Nr. 36, in: RE 5,1 (1903) 1397. 879 Herz 1988, 192 f. 880 Divjak/Wischmeyer 2014, 314; Watson 1999, 192; s. auch die Aufzählung bei Saunders 1991, 347 Anm. 245. 881 Mommsens Kommentar zu den Fasti Filocali, CIL2 I (1), 333.

4.3 Die Caesaren: Aurelianus

303

Hertlein S. 201). Daher sind einige Autoren der Ansicht, Aurelians agon Solis habe nur alle vier Jahre stattgefunden.882 Wäre das der Fall, könnte man ihn jedoch nicht, wie von Watson vorgeschlagen, mit den ludi Solis gleichsetzen, denn in den Fasti Filocali sind jährlich stattfindende Feste verzeichnet. Aufgrund der widersprüchlichen Quellensituation unterlassen es andere Autoren, den von Aurelian gestifteten agon Solis genauer zu datieren.883 occisus Caenophrurio.884 Wie Aurelian zu Tode kam, überliefern vor allem die folgenden Quellen recht genau: Lact. mort. pers. 6,2; Aur. Vict. 35,8; Eutr. 9,15,2; Hier. chron. z.J. 276; Epit. de Caes. 35,8; HA Aurelian. 35,5–36,6; Zos. 1,62; Ioh. Mal. 12,30; Zon. 12,27 (S. 607 f.). Demnach entstand, als Aurelian im östlichen Thrakien einen Feldzug vorbereitete, eine Verschwörung. Er hatte einem seiner Sekretäre angedroht, ihn zu bestrafen. Dieser fälschte daraufhin kaiserliche Dokumente, indem er Todesurteile für einige Offiziere einfügte, und legte die Fälschungen den Betroffenen vor. Diese glaubten, ihr Leben nur durch die Ermordung des Kaisers retten zu können, und nutzten eine günstige Gelegenheit, um die Tat auszuführen.885 Die Angabe der Stadtchronik, Aurelian sei an einem Ort namens Caenophrurium bzw. Caenofrurium ermordet worden, stimmt mit mehreren Vergleichsquellen überein: Den Ortsnamen Caenofrurium/Caenophrurium nennen Lactantius, Aurelius Victor, Eutropius, Hieronymus, die Historia Augusta und Malalas. Lactantius’ De morti­ bus persecutorum, als einzige der lateinischen Vergleichsquellen früher verfasst als die Stadtchronik, geht über deren Angaben lediglich in zwei Punkten hinaus: Der Ort Caenofrurium liege in Thracia und Aurelian sei von einigen seiner Freunde ermordet worden (ab amicis suis interemptus). Eutr. 9,15,2 und Hier. chron. z.J. 276 lokalisieren Caenophrurium zwischen Constantinopolis und Heraclea. Dieses (ehemals Perinthos genannt) lag an der Nordküste der Propontis, ca. 50 Meilen westlich von Constantinopolis, das zu Aurelians Zeit noch Byzantion hieß. Karsts Übersetzung des Aurelian betreffenden Eintrags in der armenischen Fassung der Eusebius-Chronik lautet: „Als Aurelianus eine Verfolgung gegen unser Bekenntnis hervorzurufen beabsichtigte, 882 Watson 1999, 192; Groag, Domitius Nr. 36, in: RE 5,1 (1903) 1399. 883 Saunders 1991, 347; Reinmuth, Agon(es), in: Kl P 1 (1979) 139. 884 In Handschrift V lautet die Ortsangabe ceno fluvio. Frick (S. 120) berichtigt dies zu Cenofrurio, Mommsen (1892, S. 148) zu Caenophrurio; ihm folgen Nickbakht/Stein 2017, 44. Burgess bezeichnet die Version der Hs. V als „etwas entstellt“ (slightly garbled); dennoch gibt er sie in seiner Edition unverändert wieder (Burgess 2014, 154, 180), obwohl er Frick und Mommsen offenbar zustimmt. 885 Vgl. Hartmann 2008 b, 322; Watson 1999, 105; Saunders 1991, 273–276. Laut HA Aurelian. 35,5–36,5 hieß der Sekretär Mnesteus und der Mörder Mucapor. Aber Mnesteus ist eigentlich kein Name, sondern vom griechischen Titel des Sekretärs (μηνυτής, dem lat. notarius entsprechend) abgeleitet; so auch Saunders 1991, 274 f. Laut Zos. 1,62 und Zon. 12,27 hieß der Sekretär Eros.

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B) 4. Item imperia caesarum

ward er […] durch Hinterlist getötet in Neuwardein“ (Eus. Chron. can., Arm. Karst 227). Karst nennt hier den Namen eines Ortes, der zur Zeit der Habsburgermonarchie im Grenzgebiet zwischen Ungarn und Rumänien lag. Er wird aber wohl kaum diesen geographischen Ort gemeint haben, sondern wollte vermutlich darauf hinweisen, dass καινὸν φρούριον mit „neue Festung“ übersetzt werden kann, analog zur Etymologie von Neuwardein („neue Warte“/„neue Wache“). Auch Chron. ad an. 724 (99,3 f.) und Pseudo-Dionysius (110,17 f.), zwei auf Eusebius basierende lateinische Quellen des 8. Jh., übersetzen καινοφρούριον mit custodia nova. Eutropius und Hieronymus beschreiben die geographische Lage von Caenophrurium etwas unpräzise: Es war eine der römischen Befestigungsanlagen, die zur Sicherung der großen Überlandstraßen neu angelegt worden waren, und lag ca. 25 Meilen nordöstlich von Heraclea, ca. 10 Meilen von der Küste entfernt, an der via Egnatia; in der Nähe des ehemaligen Caenophru­ rium liegt heute das türkische Dorf Sinekli, Distrikt Silivri.886 4.3.40 Tacitus Sein Geburtsname war M. Claudius Tacitus, nicht Aurelius Claudius, wie von der Histo­ ria Augusta (Aurelian. 41,4) fälschlich angegeben. Mit dem großen Historiker Cornelius Tacitus war er nicht verwandt.887 Die literarischen Quellen verwenden, ebenso wie die Stadtchronik, für den Kaiser fast immer die Kurzbezeichnung Tacitus. Beispiele: Eutr. 9,16; Aur. Vict. 36,1; Hier. chron. z.J. 276; HA Tac. 3,1; 4,1. Gewährte Tacitus ein congiarium? Laut HA Tac. 9,1 versprach Tacitus bei Regierungsbeginn dem Volk und den Soldaten das jeweils übliche Geschenk: stipendium et donativum ex more promisit. An späterer Stelle wird jedoch berichtet, er habe dem Volk in seiner sechsmonatigen Regierungszeit „kaum eine Spende gegeben“ (HA Tac. 16,1: Tacitus congiarium p. R. intra sex menses vix dedit). Allerdings ließ Tacitus Münzen mit der Reverslegende ANNONA AUG und ANNONA AUGUSTI prägen, woraus Stein und auch Johne den Schluss ziehen, der Kaiser habe ein congiarium verteilen lassen.888 Ein solches wird jedoch in der Stadtchronik nicht erwähnt. Vielmehr deuten die annona-Münzen auf die Verteilung von Lebensmitteln wie Brot und Fleisch hin, wie sie schon unter Aurelian nachweis886 Andreas Külzer, Ostthrakien. Tabula Imperii Byzantini Bd. 12, hrsg. J. Koder, Wien 2008, 421 sowie die Karte im Anhang; Drakoulis, Dimitris P., European and Asiatic settlements of the Bosporus hinterland in the Early Byzantine period, in: The Bosporus: Gateway between the Ancient West and East (1st Millenium BC – 5th Century AD), Proceedings of the Fourth International Congress on Black Sea Antiquities, Istanbul, 14th–18th September 2009, BAR International Series 2517, Oxford 2013, 239, 241. 887 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 241; Johne 2008, 383–393; Stein, PIR2 2 (1936) C 1036, 251 f.; Stein, Claudius Nr. 361, in: RE 3,2 (1899) 2872–2881. 888 Stein a. a. O. 2877; Johne a. a. O. 391. Münzbeleg: RIC 5,1 (1927) Tacitus Nr. 123–125, 182.

4.3 Die Caesaren: Tacitus

305

lich in großem Umfang vorgenommen worden war (s. o. S. 301 f.). Da weder durch die Stadtchronik noch durch Münzen ein congiarium bzw. eine liberalitas des Tacitus überliefert wird und die Angaben der Stadtchronik hinsichtlich der kaiserlichen Spenden meist zuverlässig sind, teile ich die Meinung Kreuchers und Barbieris, dass die plebs urbana während der Regierungszeit des Tacitus keine Geldspende erhielt.889 imper(avit) m(enses) VIII dies XII. Den meisten Vergleichsquellen zufolge regierte Tacitus ungefähr sechs Monate: Eus. Chron. can., Arm. Karst 227; Hier. chron. z.J. 276; Aur. Vict. 36,2; Epit. de Caes. 34,1; Eutr. 9,16; HA Tac. 13,5; 14,5; Oros. hist. 7,24,1; Epiphanius, De mens. et pond. 270; Iord. Rom. 292. Eine Regierungsdauer von sechs Monaten überliefern auch byzantinische Quellen des neunten Jh.; vgl. dazu Burgess.890 Malalas verzeichnet sieben Monate (Ioh. Mal. 12,31). Burgess zufolge (a. a. O.) rundete er die 200 Tage auf, die Aurelius Victor und die Epitome de Caesaribus überliefern. Zonaras 12,28 (S. 608, 20) verweist auf widersprüchliche Aussagen der Quellen: Von manchen werde berichtet, Tacitus habe nicht ganz sieben Monate lang regiert, andere aber sprächen von fast zwei Jahren. Cedrenus 463,7 überliefert „zwei Jahre“. Die Forschung folgte bis in die erste Hälfte des 20. Jh. der von den literarischen Quellen mehrheitlich überlieferten Angabe und datierte die Regierungsdauer des Tacitus auf sechs bis sieben Monate. Dass die Stadtchronik eine Dauer von mehr als acht Monaten verzeichnet, wurde damit erklärt, sie habe wohl die Zeit des Interreg­ num nach Aurelians Tod mit eingerechnet.891 Das kann nicht ausgeschlossen werden, doch die Berechnungen hinsichtlich der Dauer des Interregnum differieren um bis zu sieben Wochen.892 Ausgehend von Papyrusquellen herrscht in der neueren Forschung die Auffassung vor, dass Tacitus acht bis neun Monate lang regierte.893

889 890 891 892

Kreucher 2003, 110 mit Anm. 137; Barbieri 1957, 872. Burgess 2014, 80 f. Er verweist auf Synk. 471,1; Georgii Monachi Chron. 476,10; Chron. syn. 101,23. Stein, PIR2 2 (1936) C 1036, 252; ders., Claudius Nr. 361, in: RE 3,2 (1899) 2879. Etwa drei Wochen: Webb, RIC 5,1 (1927) 254. „Wenige Wochen“: Hartmann 2008 b, 322 f.; Kreucher 2003, 104; Peachin 1990, 44. Einen Zeitraum von vier bis immerhin acht oder sogar zehn Wochen für möglich hält Johne 2008, 379–381. 893 Das letzte von einem ägyptischen Papyrus bezeugte Datum für die Herrschaft des Tacitus ist laut Kreucher (2003, 51, 53) der 25. Juli 276; er beruft sich auf Papyrus PSI V 457, 20–21. Peachin (1990, 46 f.) verweist stattdessen auf P. Oxy. VI 907, 27–28, vom 25. Juni/24. Juli 276; daher glaubt Johne (2008, 392), man könne das Regierungsende nur ungefähr auf die Zeit zwischen dem 25. Juni und dem 24. Juli datieren. Hinsichtlich der Regierungszeit des Tacitus gibt es heute folgende Vorschläge: Ab Mitte September/Anfang Dezember 275 bis Juni 276 (= 6 bis 9 Monate): Peachin 1990, 46 f. Oktober/November 275 bis Juli 276 (= ca. 9 Monate): Kreucher 2003, 107, 121. Von November/Anfang Dezember 275 bis Juli 276 (= 8 bis 9 Monate): Johne 2008, 380, 391; Kienast 2017, 241 = 1996, 250. Für Burgess ist offenbar jede der drei Datierungen akzeptabel; s. Burgess 2014, 80 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

Daher lautet das Fazit: Hinsichtlich der Herrschaftsdauer des Tacitus erweist sich die Stadtchronik als die zuverlässigste literarische Quelle,894 denn die von ihr angegebenen acht  Monate stimmen ziemlich genau mit den Ergebnissen der neueren Forschung überein. Allerdings ist es, wie oben erwähnt, nicht auszuschließen, dass der Verfasser der Stadtchronik die Zeit des Interregnum nach Aurelians Tod mit eingerechnet hat. occisus Ponto. Von einem natürlichen Tod des Tacitus durch Krankheit berichten Epit. de Caes. 36,1 (apud Tarsum febri moritur) und HA Tac. 13,5. Der Autor der Histo­ ria Augusta will sich hier aber offensichtlich nicht festlegen, ob es sich nicht doch um einen Mordanschlag handelte: interemptus est enim insidiis militaribus, ut alii dicunt, sex­ to mense, ut alii, morbo interiit. Hinsichtlich Epit. de Caes. 36,1 wird eine Verwechslung mit dem Sterbeort des Florianus vermutet.895 Anderen Quellen zufolge wurde Tacitus ermordet. Die ausführlichsten Berichte stammen von Zosimos und Zonaras. Beide teilen aber nicht mit, wo genau der Mord stattfand. Zos. 1,63,1 erwähnt lediglich, Tacitus sei, nachdem er die in die Gebiete zwischen Pontos (Euxeinos) und Kilikien eingefallenen „Skythen“ besiegt habe, auf dem Rückweg nach Europa gewesen. Laut Zos. 1,63,2 und Zon. 12,28 hatte er einen Verwandten zum Statthalter Syriens ernannt, der einer Verschwörung zum Opfer fiel. Aus Furcht, der Kaiser werde die Tat rächen, sei auch auf diesen ein Anschlag verübt worden. Dass der Kaisermord in Pontos bzw. Pontus verübt worden sei, überliefern die folgenden Quellen: Eus. Chron. can., Arm. Karst 227 („nach dessen Tötung in Pontos“) = Hier. chron. z.J. 276 n. Chr. (Quo aput Pontum occiso) = Synk. 471,2 (ἐν Πόντῳ); Oros. hist. 7,24,1 (sexto mense occisus in Ponto est); Cassiod. Chron. S. 148 (Tacitus in Ponto occisus est); Iord. Rom. 292 (Quo occiso apud Pontem suscepit imperium Florianus). Aber die Ortsangabe Pontus ist eine sehr grobe Lokalisierung: Pontus, ein Teil des ehemaligen Königreiches Pontos, gehörte zur fraglichen Zeit zur römischen Doppelprovinz Bithynia et Pontus. Erst durch Diokletians Verwaltungsreform entstand die Dio­ ecesis Pontica, die jene spätantiken Autoren wohl im Blick hatten, die hinsichtlich des ermordeten Tacitus auf Pontus verwiesen. Zu dem riesigen Gebiet der Dioecesis Pontica gehörte seit der Reform auch die Stadt Tyana. Dass Tacitus in dieser Stadt ums Leben gekommen sei, überliefern Aur. Vict. 36,2 (Tacito […] Tyanae mortuo) und die Consu­ laria Constantinopolitana z. J. 277 (occisus est Tacitus Tyana). Aufgrund dieser Angaben

894 So auch Kreucher 2003, 121. Weitgehend zustimmend: Burgess, a. a. O. 895 Burgess 2014, 181; Kreucher 2003, 120; Stein, Claudius Nr. 361, in: RE 3,2 (1899) 2876.

4.3 Die Caesaren: Florianus

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gilt in der Forschung das in Kappadokien gelegene Tyana als der Ort, an dem Tacitus ermordet wurde.896 Fazit: Die Aussage der Stadtchronik, Tacitus sei getötet worden, wird durch mehrere Quellen bestätigt; insbesondere durch die detaillierten Berichte von Zosimos und Zonaras. Dass Tacitus in Pontus getötet worden sei, bestätigen zwar Eusebius und einige auf ihm basierende Quellen, aber diese Ortsangabe ist sehr ungenau. Wahrscheinlich wurde er in Tyana ermordet, das damals zur Provinz Cappadocia, seit Diokletian jedoch zur Diözese Pontica gehörte. Der Verfasser der Stadtchronik und Eusebius scheinen bezüglich Tacitus eine gemeinsame Quelle genutzt zu haben; offenbar verfügten Aurelius Victor und die Consularia Constantinopolitana über genauere Informationen. 4.3.41 Florianus Auch andere literarische Quellen verwenden diese Kurzbezeichnung. Beispiele: Eutr. 9,16; Aur. Vict. 36,2; Hier. chron. z.J. 277; HA Tac. 14. Als sein Geburtsname gilt M. Annius Florianus. Als Kaiser nannte er sich Imperator Caesar M. Annius Florianus P. F. Invictus Augustus. Laut HA Tac. 17,4 war er der Halbbruder mütterlicherseits des vorherigen Kaisers M. Claudius Tacitus.897 imper(avit) d(ies) LXXXVIII. Ebenfalls eine Herrschaftsdauer von 88 Tagen überliefern: Hier. chron. z.J. 277; Cassiod. Chron. z.J. 279 (S. 148); Synk. 471,2. Ungefähr dieselbe Auskunft gibt Oros. hist. 7,24,1: Florianus […] tertio demum men­ se […] interfectus est. Auch Zonaras (12,29; S. 609, Z. 3) überliefert, Florianus habe „nicht ganz 3 Monate” geherrscht. Aber anderen Vergleichsquellen zufolge regierte er nur etwas mehr als 80 Tage lang: Eus. Chron. can., Arm. Karst 227: „ […] regierte Phlorianos, 82 Tage.” Eutr. 9,16: Florianus […] duobus mensibus et diebus XX […] in imperio fuit (= 80 Tage). Nach einer anderen Tradition war die Regierungsdauer noch kürzer: 60  Tage bzw. zwei Monate überliefern Epit. de Caes. 36,2 (Florianus dierum sexaginta […] imperio usus); HA Tac. 14,5; Malalas 12,32. Laut Aur. Vict. 37,1 herrschte Florianus kaum ein

896 Kienast 2017, 241; Burgess 2014, 181; Johne 2008, 393; Kreucher 2003, 115, 120; Stein, Claudius Nr. 361, in: RE 3,2 (1899) 2876. 897 Zu Namen, Abstammung und Titeln: Kienast 2017, 243; Kreucher 2008, 395 f.; Stein, PIR2 1 (1933) A 649, 110; P. v. Rohden, Annius Nr. 46, in: RE 1,2 (1894) 2266.

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B) 4. Item imperia caesarum

oder zwei Monate lang (Qui uno mense aut altero vix retentata dominatione); HA Tac. 14,2 zufolge kaum zwei Monate lang: denique vix duobus mensibus imperium tenuit. Aufgrund der widersprüchlichen Überlieferung hält man in der neueren Forschung eine Regierungsdauer entweder von ca. 2 ½  Monaten oder von 88  Tagen für wahrscheinlich.898 Fazit Zwar berichten einige Vergleichsquellen, Florianus sei nur zwei Monate lang Kaiser gewesen, aber andere sprechen von mehr als 80 Tagen, manche überliefern ebenso wie die Stadtchronik 88 Tage. Deren Angabe könnte demnach zutreffen. Einige Vertreter der neueren Forschung teilen diese Auffassung. occisus Tharso. Ταρσός bzw. Tarsus, so die übliche Schreibweise, war die Hauptstadt der römischen Provinz Cilicia.899 Die meisten Vergleichsquellen stimmen mit der Stadtchronik darin überein, dass Florianus in dieser Stadt getötet wurde. Als ausführlichste und zuverlässigste Quelle gilt Zos. 1,64,1–4. Demnach waren Florianus und Probus ungefähr gleichzeitig von ihren jeweiligen Armeeeinheiten zum Kaiser ausgerufen worden. Ihre Heere trafen bei der strategisch günstig gelegenen Stadt Tarsus, die Florianus besetzt hatte, aufeinander und lagen sich einige Zeit gegenüber. Es herrschte große sommerliche Hitze und in Tarsus brachen Krankheiten aus. Obwohl ein Angriff auf die Stadt zunächst nicht zum Erfolg führte, konnte Probus das Heer des Florianus dahingehend beeinflussen, dass dieser entmachtet und schließlich von den eigenen Soldaten ermordet wurde. Weitere wichtige Parallelquellen: Eus. Chron., Arm., Karst 227: „Nach dessen Tötung zu Tarson […]“; Hier. chron. z.J. 277: Hoc quoque aput Tarsum interfecto; Aur. Vict. 37,1: apud Tarsum ab suis interficitur; Oros. hist. 7,24,1: apud Tarsum interfectus est. HA Tac. 14,2: occisus est Tarsi a militibus, qui Probum audierant imperare, quem om­ nis exercitus legerat; ähnlich HA Prob. 13,4. Laut Epit. de Caes. 36,2 beging Florianus Selbstmord, indem er sich die Pulsadern aufschnitt. Vermutlich verwechselte der Autor der Epitome hier Florianus, den Halb898 Von Juni bis August 276 (= zwei bis drei Monate): Peachin 1990, 47. Von Juli bis Ende September/ Anfang Oktober 276 (= 2 ½ Monate): Kreucher 2008, 395, 400; ders. 2003, 53. Von Juli bis September 276: Kienast 2017, 243. Kienast, Eck und Heil halten wie Burgess (2014, 82) eine Regierungszeit von 88 Tagen für wahrscheinlich. 899 Hild, Tarsos, in: DNP 12,1 (2002) 37 f.; Olshausen, Tarsos, in: Kl P 5 (1979) 529 f. Zur Schreibweise: Lateinische Quellen nennen den Ort üblicherweise Tarsus, wie die oben genannten Beispiele (Aurelius Victor, Hieronymus, Cassiodor, Historia Augusta, Orosius) zeigen; vgl. auch Plin. nat. 5,92; 6,214; 13,6 sowie Suetons Bericht (Dom. 10,1) über einen Hermogenes Tarsensis. Die übliche Schreibweise in griechischen Quellen ist Ταρσός; vgl. die folgenden Beispiele: Xen. an. 1,2,23; Arr. an. 2,4,5; Strab. 14,673 f.; Plut. Demetrios 47,1; Cass. Dio 47,26; Zos. 1,64,1 f.

4.3 Die Caesaren: Probus

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bruder des Tacitus, mit Quintillus, dem Bruder des Claudius Gothicus; nach heutiger communis opinio beging Florianus daher nicht Selbstmord, sondern wurde von seinen Soldaten ermordet.900 Fazit Inhaltlich wird die Angabe der Stadtchronik durch mehrere Vergleichsquellen bestätigt. Auffällig ist jedoch die Schreibweise Tharso: Es dürfte sich um ein Versehen handeln, da der Verfasser der Stadtchronik im Hinblick auf den Tod des Maximinus Daia die übliche Schreibweise Tarso verwendet. Allerdings ist nicht völlig auszuschließen, dass der Verfasser hinsichtlich Florianus auf eine Quelle mit der Schreibweise Tharsus oder Θάρσος zurückgriff. Denn Flavius Josephus berichtet in seinen Antiquitates Iudai­ cae, der Stammvater der Einwohner von Ταρσός sei der Urenkel des biblischen Patriarchen Noah gewesen und habe Θάρσος geheißen; erst in späterer Zeit sei das „Theta“ im Stadtnamen durch das „Tau“ ersetzt worden (Ios. ant. Iud. 1,127). 4.3.42 Probus Auch von anderen literarischen Quellen wird er meist so genannt. Beispiele: Eutr. 9,17; Aur. Vict. 37,1; Hier. chron. z.J. 277. Sein Kaisername war Imperator Caesar M. Aurelius Probus P. F. Invictus Augustus.901 Praenomen und Gentiliz M. Aurelius verdankte er wohl der Constitutio Antoniniana. Spätestens unter Diocletian wurde er divinisiert.902 Wie bei einigen seiner Vorgänger versäumt es die Stadtchronik auch bei ihm, ihn als Divus zu bezeichnen. imper(avit) ann(os) VI m(enses) II d(ies) XII. Die Vergleichsquellen nennen unterschiedliche Zahlen. Eine sehr kurze Regierungszeit von zwei Jahren und vier Monaten verzeichnen im 10. Jh. Symeon Logothetos (Hrsg. Wahlgren 2006, app. crit. 103,2) und im 12. Jh. Cedrenus (463,11). Laut Malalas, der um 560/570 schrieb, soll Probus hingegen drei Jahre und drei Monate regiert haben (Ioh. Mal. 12,33). In der Forschung hält man die genannten Zeitangaben für viel zu kurz und führt sie auf eine fehlerhafte Überlieferung zurück.903 900 Kienast 2017, 243; Kreucher 2008, 400; ders. 2003, 128 f.; P. v. Rohden RE 1,2 (1894) 2266. Die Berichte von Zosimos (1,64,3–4) und Zonaras (12,29; S. 609,3), denen zufolge die Mörder des Florianus im Auftrag des Probus handelten, hält Kreucher für glaubwürdig. 901 Zum Namen und zu den Titeln: Kienast 2017, 244 f.; Kreucher 2008, 396–416; ders. 2003, 91–97, 126, 147, 186; Kuhoff 2001, 30; Stein, PIR2 1 (1933) A 1583, 322–324; Henze, Aurelius Nr. 194, in: RE 2,2 (1896) 2516–2523. 902 Zur Divinisierung: Kreucher 2003, 186 mit Anm. 607; Kienast 2017, 244. 903 Burgess 2014, 82; Kreucher 2003, 185 Anm. 602; Henze, Aurelius Nr. 194, in: RE 2,2 (1896) 2519 f., 2523.

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B) 4. Item imperia caesarum

Eine längere Regierungsdauer des Probus überliefern folgende Quellen: Fünf Jahre: HA Prob. 21,3; 22,2. Annähernd sechs Jahre: Eus. HE 7,30,22; Aur. Vict. 37,4 (paulo cis sextum annum); Zon. 12,29 (S. 610, Z. 18 f.). Sechs Jahre: Epit. de Caes. 37,1; Chr. pasch. 509,5; Georgii Monachi chron. 476,16. Sechs Jahre und drei Monate: Cassiod. Chron. S. 148 f. Sechs Jahre und vier Monate: Eus. Chron. can., Arm. Karst 227; Hier. chron. z.J. 277; Oros. hist. 7,24,2; Epiphanius, De mens. et pond. 269; Zos. 1,71,5; Synk. 471,3. Bereits 1896 war Henze (vgl. Anm. 903) der Ansicht, Probus habe von Juli 276 bis Oktober 282, also 6 Jahre und ca. 3 Monate lang, regiert. Ungefähr zum gleichen Ergebnis gelangt die neuere Forschung aufgrund der Datierungen in ägyptischen Papyri.904 Fazit Die meisten Vergleichsquellen bestätigen, dass Probus ca. sechs Jahre lang regierte. Berechnungen der neueren Forschung ergaben eine etwas längere Regierungsdauer; die Angabe der Stadtchronik stimmt damit erstaunlich genau überein. hoc imp(erante) senatores agitaverunt in circo maximo missos XIIII. Eine Vergleichsquelle, die diese Angabe bestätigt, ist nicht bekannt. Das Substantiv missus ist die Bezeichnung für ein Wagenrennen über mehrere Runden. Schon bei Sueton erscheint das Wort in dieser Bedeutung (Suet. Claud. 21,2; Nero 22,2; Dom. 4,3). Die Deklinationsform missos ist grammatikalisch nicht korrekt, denn das Wort gehört zur u-Deklination, also müsste der Akkusativ Plural missus lauten. Dem Substantiv agitator kommt primär die Bedeutung „Wagenlenker“ zu, doch das Verb agitare kann zahlreiche Bedeutungen haben; der ThLL-Eintrag legt nahe, es im vorliegenden Kontext mit „austragen“ bzw. „ein Wagenrennen fahren“ zu übersetzen.905 Als vorläufige Übersetzungsmöglichkeit für die Textzeile käme also in Betracht: „Die Senatoren trugen (als Wagenlenker) im circus maximus 14 Rennen aus (an einem Tag)“. Der eigentliche Sinn des Satzes erschließt sich jedoch erst, wenn der historische 904 Kienast 2017, 244: von Juli 276 bis ca. August/September 282 (= 6 Jahre und ca. 2 Monate). 1996 hatte Kienast den Tod des Probus auf September/Oktober 282 datiert; daraus würde sich eine Regierungszeit von 6 Jahren und ca. 3 Monaten ergeben. Burgess 2014, 82: Möglich sei sowohl Kienasts Datierung von 1996 als auch diejenige von Peachin, der eine etwas längere Regierungsdauer annimmt (s. u.). Kreucher 2008, 399, 416; ders. 2003, 126, 185: ungefähr von Juli 276 bis September/Oktober 282, d. h. 6 Jahre und 2 bis 3 Monate. Peachin 1990, 47: von ca. Juni 276 bis zu einem Termin zwischen September/Oktober und dem 9. Dezember 282 (= 6 Jahre und 3 bis 5 Monate). Ägyptischen Papyri zufolge liege der terminus post quem für den Regierungsbeginn des Carus ungefähr bei Sept./Okt. 282. Da für diesen eine zweite tribunicia potestas gesichert sei (so auch Kienast 2017, 248), müsse der Tod des Probus und die Machtübernahme durch Carus in den Zeitraum zwischen September/Oktober und 10. Dezember (Antrittstag der Volkstribunen) 282 datiert werden. 905 agitator/agitare: Georges Hwb Bd. 1, Sp. 251–255; Otto Hey in ThLL Bd. 1 (1900) Sp. 1330, Z. 39–41.

4.3 Die Caesaren: Probus

311

Zusammenhang, in den die hier erwähnte Begebenheit einzuordnen ist, rekonstruiert wird: Im Rahmen der ein- oder mehrtägigen römischen Feste wurden im circus ma­ ximus regelmäßig Wagenrennen veranstaltet, seit Claudius I. meist 24 an dem für solche Rennen vorgesehenen Tag (Cass. Dio 60,27,2). Diese Anzahl überliefern die Fasti Filocali für 56 der insgesamt 64 „Renntage“ des Jahres, während sie für die restlichen 8 Tage folgende Zahlen verzeichnen: 12 Rennen am 25. Februar und am 1. Juni; 28 am 1. März; 30 am 13. November und am 25. Dezember; 36 am 22. Oktober; 48 Rennen am 18. September und am 8. November. Die Anzahl von 14 Wagenrennen pro Tag taucht also in diesem im Jahr 354 erstellten Kalender nirgends auf.906 Daher ist anzunehmen, dass die in der Handschrift V verzeichnete Zahl XIIII auf einem Kopistenfehler beruht und ursprünglich XXIIII lautete.907 Das wäre um so mehr zu vermuten, wenn der Verfasser ausdrücken wollte, dass tatsächlich Senatoren als agitatores in Erscheinung traten. Denn schon seit langem gab es den Stand der professionellen Wagenlenker, die meist aus den unteren Schichten kamen, aber durch die Preisgelder reich und zu Publikumslieblingen werden konnten.908 Wären nur 14 der üblichen 24 Rennen von Senatoren gefahren worden, hätte das Publikum sicherlich erkennen können, dass die Fahrkünste der Amateure deutlich hinter jenen der Profis zurückblieben. Allerdings sprechen gewichtige Argumente für die Annahme, dass agitaverunt in der vorliegenden Textstelle nicht mit „Senatoren trugen als Wagenlenker Rennen aus“ übersetzt werden darf. Der Alternativvorschlag lautet: „(die) Senatoren veranstalteten (als Geldgeber) Wagenrennen“, wobei auch in diesem Fall wahrscheinlich eher von 24 als von 14 Rennen (pro Tag) die Rede ist. Die These lässt sich wie folgt begründen: Traditionell galt es als mit der dignitas der Nobilität unvereinbar, sich einem Massenpublikum als Wagenlenker zu präsentieren. Dies berichtet um ca. 30 v. Chr. Cornelius Nepos (Vir. ill. praef. 5). Zum einen wären das Ansehen und die Ehre des von einer Niederlage betroffenen römischen Aristokraten bedroht gewesen, zum anderen zählten die Wagenlenker auch im dritten nachchristlichen Jahrhundert, ja selbst noch in der Spätantike, zu den personae inhonestae.909 Die zu interpretierende Textzeile dürfte im Zusammenhang stehen mit dem Problem, die Finanzierung der zahlreichen ludi publici bzw. ludi circenses, insbesondere der exorbitant teuren Wagenrennen, sicher-

906 Zu den Fasti Filocali: Divjak/Wischmeyer 2014, 186–331, insbesondere 217 f. In den Monatsfasten wird circenses, missus generell mit c m abgekürzt. Beispielsweise lautet die Eintragung für den 7., 13., 20. und 24. Januar (im Anschluss an die jeweilige Bezeichnung des Festes) c m XXIIII. 907 So auch die Annahme von Burgess 2014, 154 f., allerdings nennt er keine Begründung. 908 Regner, Ludi circenses, in: RE Suppl. 7 (1940) 1633–1639. 909 Tert. spect. 22; Cod. Theod. 15,7,2. Vgl. hierzu auch Letzner 2009, 87; Hönle, Circus II, Spiele, in: DNP 2 (1997) 1219. Zwar präsentierten sich unter Caligula einige Senatoren als Wagenlenker (Suet. Cal. 18,3) und Nero trat vor Massenpublikum als Sänger und Wagenlenker auf (Suet. Nero 20–22), aber bei der Oberschicht galt Neros Verhalten als äußerst anstößig; s. o. S. 136.

312

B) 4. Item imperia caesarum

zustellen.910 Für die Begleichung der Kosten, die sogenannte cura ludorum, waren seit dem Jahr 22 v. Chr. die Prätoren zuständig, wobei ihnen ein Zuschuss aus der Staatskasse gewährt wurde (Cass. Dio 54,2,3). Die Differenz zwischen staatlichem Zuschuss und den realen Kosten scheint jedoch meist so hoch gewesen zu sein, dass das Prätorenamt immer mehr als bedrückende Last empfunden wurde. Laut Cass. Dio 60,27,2 hatten einige Prätoren bereits unter Kaiser Claudius I. ihr Amt niedergelegt, weil sie den finanziellen Aufwand für die circenses nicht länger tragen konnten. Unter Constantin kam es dann sogar vor, dass sich Senatoren weigerten, die Prätur zu übernehmen, woraufhin der Kaiser sie durch ein Edikt dazu zwang (Zos. 2,38,3–4). Vor diesem Hintergrund ist die hier diskutierte Textzeile wahrscheinlich wie folgt zu interpretieren: Zur Zeit des Probus waren die amtierenden Prätoren nicht mehr in der Lage, aus eigenem Vermögen die Kosten für die Wagenrennen zu bestreiten, daher mussten sie bei ihren Standesgenossen Unterstützung suchen. In Senatorenkreisen leistete man einander in finanzieller Hinsicht oft großzügig Beistand, wie Seneca (de benef. 2,21,5 f.) und Iuvenal (3,212–220) überliefern. Vermutlich kam es unter Probus zu einer Regelung, der zufolge der zahlungskräftige Teil des Senats, offiziell möglicherweise das gesamte Gremium, eine Zeit lang die cura ludorum bei den Wagenrennen übernahm, aber wohl nur für die üblichen 24 Rennen pro Tag. Immer dann, wenn unter Probus mehr als die üblichen 24 Rennen auszurichten waren, dürfte der Kaiser die Kosten übernommen haben. Anscheinend wurden auch sonst die außerordentlichen ludi und munera in Rom grundsätzlich vom Kaiser veranstaltet.911 Außerdem hatte schon Augustus Geld aus eigenem Vermögen beigesteuert, als weder Staatskasse noch Senatoren über genügend Mittel verfügten, um die öffentlichen ludi zu finanzieren (Cass. Dio 53,2,1). Andere Kaiser folgten seinem Beispiel; so erhielt Hadrian im Jahr 107 n. Chr. von Traian zwei Millionen Sesterzen, um als Prätor die Spiele veranstalten zu können (HA Hadr. 3,8). Barnes hält es für wahrscheinlich, dass die von der Stadtchronik erwähnten Wagenrennen während der im September veranstalteten ludi Romani, auch ludi magni genannt, stattfanden, denn am letzten der vier Festtage verzeichnen die Fast Filocali die übliche Zahl von 24 Wagenrennen; Barnes’ Argumentation ist aber wohl eher als spekulativ zu bezeichnen.912

910 Meine Argumentation zu diesem Themenkomplex basiert v. a. auf folgender Literatur: Letzner 2009, 87–93; Koch, Praetor, in: RE 22,2 (1954) 1599–1604; Regner, Ludi circenses, in: RE Suppl. 7 (1940) 1650–1662; Habel, ludi publici, in: RE Suppl. 5 (1931) 614–624. 911 Paul Veyne, Brot und Spiele. Gesellschaftliche Macht und politische Herrschaft in der Antike, Frankfurt/New York 1988, 588 f. 912 Timothy D. Barnes, Three Notes on the Vita Probi, in: The Classical Quarterly 20/1, 1970, 198–203 (hier: 201). Gegen Barnes’ These: Kreucher 2003, 180 Anm. 15. Zu den ludi Romani/ludi magni: Habel, Ludi publici, in: RE Suppl. 5 (1931) 617–620.

4.3 Die Caesaren: Probus

313

occisus Sirmi. Zahlreiche Quellen bestätigen, dass Probus bei Sirmium getötet wurde, bieten aber meist genauere Informationen. Überwiegend wird berichtet, er sei von eigenen Soldaten ermordet worden. Das Motiv für diese Tat erklären Aurelius Victor (37,3–4) und die ausführlichste Quelle, die Historia Augusta (Prob. 20,1–21,3), folgendermaßen: Er habe seine Truppen bei Sirmium Sümpfe trockenlegen lassen und ihnen gesagt, bald werde man keine Armee mehr benötigen. Dadurch habe er sich bei seinen Soldaten derart unbeliebt gemacht, dass sie sich gegen ihn erhoben und ihn erschlugen. Eutropius (9,17,3) berichtet teilweise dasselbe, erwähnt aber keine Erdarbeiten: Hic cum bella innumera gessisset, pace parata dixit brevi milites necessarios non futuros. […] Interfectus tamen est Sirmii tumultu militari in turri ferrata. Andere Quellen geben keine Auskunft über das Mordmotiv, erwähnen aber meist wie Eutropius den turris ferrata: Hier. chron. z.J. 283 n. Chr.: Probus tumultu militari aput Sirmium in turre, quae vocatur ferrata, occiditur. (= Cassiod. Chron. 149) Epit. de Caes. 37,4: Hic Sirmii in turri ferrata occiditur. Oros. hist. 7,24,3: ipse autem apud Sirmium in turre ferrata militari tumultu interfec­ tus est. Cons. Const. z.J. 283 n. Chr.: occisus est Probus Sirmium. Während von keiner der genannten lateinischen Quellen ein Zusammenhang zwischen dem Mord an Probus und dessen Nachfolger Carus hergestellt wird, berichten Zosimos (1,71,4–5) und Zonaras (12,29), Teile der Armee hätten Carus zum Kaiser ausgerufen und die Truppen, die Probus gegen diesen in Marsch gesetzt habe, seien übergelaufen. Beide Autoren bestätigen, dass Probus von eigenen Soldaten ermordet wurde. Malalas (12,33) führt die Armeerevolte weder auf die in lateinischen Quellen genannten Gründe noch auf die Usurpation des Carus zurück, sondern auf Unzufriedenheit wegen des Mangels an Lebensmitteln. Nach Ansicht Kreuchers entstand die Unzufriedenheit des in Pannonien versammelten Heeres infolge der ihm auferlegten Erdarbeiten und der Lebensmittelknappheit; die angebliche Aussage des Probus, in Bälde seien keine Soldaten mehr nötig, hält er für eine propagandistische Erfindung des Carus.913 Glaubwürdig sei hingegen der Bericht des Zonaras, dem zufolge die bei Sirmium zurückgebliebenen Soldaten gegen Probus revoltierten und ihn schließlich töteten, nachdem sie gehört hatten, dass ihre dem Carus entgegengeschickten Kameraden zu diesem übergelaufen waren. Vermutlich habe Probus zunächst noch in einer kleineren Befestigungsanlage Zuflucht gefunden, in dem von einigen Quellen erwähnten „eisernen Turm“, aber nur für kurze Zeit.

913

Kreucher 2008, 415; ders. 2003, 182 f., 184 f.

314

B) 4. Item imperia caesarum

4.3.43 Carus So wird er auch von anderen literarischen Quellen üblicherweise genannt. Beispiele: Eutr. 9,18–19; Aur. Vict. 38,1; 39,10; Hier. chron. z.d.J. 283–284. Als Kaiser nannte er sich Imperator Caesar M. Aurelius Carus P. F. Invictus Augustus. Vermutlich stammte er aus dem ordo equester oder war in diesen aufgestiegen; der ursprüngliche Gentilname könnte Numerius gelautet haben. Wie durch Inschriften und Konsekrationsmünzen belegt ist, ließ ihn sein Sohn und Nachfolger Carinus divinisieren; als jedoch Diokletian die Macht übernahm, veranlasste dieser möglicherweise, dass über Carus die damnatio memoriae verhängt wurde.914 imp(eravit) m(enses) X d(ies) V. Nur wenige andere Quellen machen Angaben zur Regierungszeit des Carus: Zwei Jahre überliefern Epit. de Caes. 38,1; Oros. hist. 7,24,4; Joh. Mal. 12,34. Die beiden einzigen Überlieferungen, die nahe bei den Zahlen der Stadtchronik liegen, sind zwei byzantinische Quellen des 9. Jh., denen zufolge Carus nur ein Jahr lang regiert haben soll: Georgii Monachi chron. 476,19; Chron. syn. 101,24. Die meisten Quellen gehen offenbar von einer gemeinsamen Regierung des Carus und seiner beiden Söhne aus, denn sie fassen die Regierungszeiten von Carus, Carinus und Numerianus zusammen; dabei nennen sie jedoch unterschiedliche Zahlen: Drei Jahre: Chr. pasch. 509,15. Nicht ganz drei Jahre: Eus., HE 7,30,22; Zon. 12,30 (S. 612, Z. 6–7). Zwei Jahre: Aur. Vict. 39,12; Hier. chron. z.J. 283; Epiphanius, De mens. et pond. 270; Synk. 471,14–15; Cedrenus 464,6. Einige aus dem 9. bis 12. Jh. stammende byzantinische Quellen verzeichnen für Carus, Carinus und Numerianus ebenfalls eine gemeinsame Regierungsdauer von insgesamt zwei Jahren.915 Dass man die Regierungszeiten des Carus und seiner beiden Söhne zusammenfasste, ist nachvollziehbar, denn Carus ernannte seine Söhne im Herbst 282, also bald nach seiner Machtübernahme, zu Caesares; den älteren Sohn Carinus erhob er März/April 283 zum Augustus, womit eine Herrschaftsteilung verbunden war.916 Vom Regierungsbeginn des Carus bis zum Tod des Carinus (Numerianus war vor diesem gestorben) vergingen wohl nicht ganz drei Jahre (s. u. S. 320). Aufgrund der Datierungen in ägyp-

914 Zu den Namen u. Titeln: Kienast 2017, 248 f.; Altmayer 2014, 66–69, 130; Kreucher 2008, 415–422; Stein, PIR2 1 (1933) A 1475, 299; Henze, Aurelius Nr. 77, in: RE 2,2 (1896) 2456 f. Zur Divinisierung des Carus s. Altmayer 2014, 156 f. 915 Belege bei Burgess 2014, 83. 916 Kienast 2017, 250, 252; Altmayer 2014, 78, 196–201.

4.3 Die Caesaren: Carus

315

tischen Papyri wird in der neueren Forschung angenommen, dass Carus im Sommer 283 starb; demnach war er weniger als ein Jahr lang Kaiser.917 Neuerdings geht man davon aus, dass Carus früher als bisher angenommen zum Kaiser ausgerufen wurde. So datiert A. Stefan diese Akklamation bereits auf Ende Juli/ Anfang August 282; offenbar teilen Eck/Heil die Ansicht Stefans, denn sie datieren die Herrschaft des Carus auf die Zeit von Ende Juli/Anfang August 282 bis Juli/August 283, woraus sich eine Amtsdauer von 11 bis 12 Monaten ergibt.918 Fazit Hinsichtlich Carus gilt in der neueren Forschung eine Regierungszeit von ca. 10 oder 12 Monaten als wahrscheinlich, je nachdem, ob seine Akklamation zum Augustus durch das Heer oder der Tod des Probus als Ausgangspunkt für die Berechnung genommen wird. Geht man vom letztgenannten Termin aus, dürfte die Angabe der Stadtchronik („10 Monate“) zutreffen, aber die Zahl der Tage lässt sich nicht verifizieren. excessit Seleucia Babyloniae. A) Die Todesursache: Die Stadtchronik weist mit der Formulierung excessit auf eine natürliche Todesursache hin. Die meisten Vergleichsquellen berichten, Carus sei vom Blitz erschlagen worden: Aur. Vict. 38,2–3: filio Numeriani comitatu in Mesopotamiam pergit protinus […] Ubi fusis hostibus, dum gloriae inconsulte avidior Thesiphonta urbem Parthiae inclitam trans­ greditur, fulminis tactu conflagravit. Eutr. 9,18,1: Cochen et Ctesiphontem, urbes nobilissimas, cepit. Et cum castra super Tig­ ridem haberet, vi divini fulminis periit. Hier. chron. z.J. 284/285: Carus […] cum omni Parthorum regione vastata Cochem et Ctesifontem, nobilissimas hostium urbes, cepisset, super Tigridem castra ponens fulmine ictus interiit. Oros. hist. 7,24,4: postquam duas nobilissimas Parthorum urbes Cochem et Ctesiphon­ tem cepit, super Tigridem in castris fulmine ictus interiit. Epit. de Caes. 38,2: Hic apud Ctesiphonta ictu fulminis interiit. Die ähnlichen Aussagen bei Aurelius Victor, Eutropius, Hieronymus und der Epito­ me weisen auf die Enmannsche Kaisergeschichte als gemeinsame Quellenbasis hin.919 Dass Carus am Tigris tödlich vom Blitz getroffen worden sei, berichten in späterer 917

Belege für die Papyri bei Peachin 1990, 48. Beispiele für die Datierung der Regierungszeit des Carus: Laut Altmayer (2014, 11, 62, 129) regierte er nur knapp 10 Monate ab dem Tod des Probus ca. Ende September/Anfang Oktober 282 bis Anfang/Mitte Juli 283. Kienast (1996, 253, 258) errechnet eine Regierungsdauer von 10 bis 12 Monaten: August/September 282 wird Carus vom Heer zum Augustus ausgerufen; Tod des Probus September/Oktober 282; Tod des Carus Juli/August 283. Den Datierungen Kienasts folgt Kreucher (2003, 53, 247; ders. 2008, 416, 419). 918 Stefan 2016, 275; Kienast 2017, 248. 919 Burgess 2014, 181 f.

316

B) 4. Item imperia caesarum

Zeit auch Iord. Rom. 294; Chr. pasch. 510,7; Synk. 472,12–13 und Zon. 12,30 (S. 611, Z. 10–14). Laut Zonaras könnte er aber auch im Kampf „gegen die Hunnen“ getötet worden sein. Der Verfasser der Historia Augusta folgt einer anderen Tradition: Er hält den tödlichen Blitzschlag für ein Gerücht und meint, Carus sei höchstwahrscheinlich einer Krankheit erlegen: Mesopotamia Carus cepit et tesifontem usque pervenit […] verum cum avidus gloriae […] longius progressus esset, ut alii dicunt morbo, ut plures fulmine interemptus est. negari non potest eo tempore, quo perit, tantum fuisse subito ton­ itruum […] unde suit fama emersit fulmine interemptum eum, quem, quantum scire possmus, aegritudine constat absumptum (HA Car. 8,1–3; 8,7). Laut Cedrenus 464,9 starb Carus an einer Seuche. Die von der Mehrzahl der Quellen überlieferte Version, der zufolge Carus vom Blitz erschlagen wurde, hält man in der neueren Forschung für eine Legende.920 Altmayer weist zu Recht darauf hin, dass es im Interesse Diokletians liegen musste, die Legendenbildung vom Tod durch Blitzschlag zu fördern, denn so habe er seinen Gegner Carinus als Sohn eines Kaisers darstellen können, der vom Blitze schleudernden Jupiter bestraft worden war. Nach Ansicht der in Anm. 920 genannten drei Autoren starb Carus zwar plötzlich und überraschend, sein Tod sei aber wahrscheinlich auf eine Krankheit zurückzuführen. B) Zum Sterbeort: Die früheste Quelle, die armenische Fassung der Chronik des Eusebius, erteilt nur ungenaue Auskunft, da sie auf das gesamte Mesopotamien hinweist, ohne eine bestimmte Stadt zu erwähnen: „Nach des Karos Tod im Zwischenstromlande […]“ (Eus. Chron. can., Arm. Karst 227). Im Vergleich dazu bietet die Stadtchronik eine genauere Ortsangabe: Seleucia Babyloniae (in Handschrift V steht Seleucia Babilonis; dazu s. u.). Zweifellos ist das nicht weit von der ehemaligen Metropole Babylon gelegene Seleukeia am Tigris gemeint. Aber abgesehen von der Stadtchronik ist Zonaras die einzige Quelle, die im Zusammenhang mit dem Tod des Carus den Ortsnamen Seleucia bzw. Seleukeia verwendet: Laut Zon. 12,30 (S. 611, Z. 1) eroberte Carus nicht nur Ktesiphon, sondern auch Σελεύκεια; manchen Quellen zufolge sei er kurz darauf in einem Feldlager am Tigris vom Blitz erschlagen worden. Einige der oben unter Punkt A genannten Vergleichsquellen (Aurelius Victor, die Epitome de Caesaribus und die Historia Augus­ ta) erwähnen nur die sassanidische Residenzstadt Ktesiphon. Eutropius, Hieronymus und Orosius berichten, Carus habe außerdem eine Stadt namens Coche erobert.

920 Kienast 2017, 248; Altmayer 2014, 124–128; Kreucher 2008, 419. Altmayer hält einen Herzinfarkt für möglich. Kreucher schließt nicht aus, dass die oben erwähnte Sekundärversion des Zonaras zutrifft, der zufolge Carus an einer im Kampf erlittenen Verwundung starb. Die von manchen Forschern vertretene These, Carus könnte einem Mordkomplott zum Opfer gefallen sein, lehnt Altmayer ab; Kreucher steht dieser These ebenfalls skeptisch gegenüber.

4.3 Die Caesaren: Carus

317

Die scheinbaren Widersprüche in den Quellen hinsichtlich der Ortsangaben können folgendermaßen aufgelöst werden:921 Vom Diadochenherrscher Seleukos I. und seinen Nachfolgern wurden um 300 v. Chr. mehrere Städte namens Seleukeia gegründet. Am größten und bekanntesten wurde jenes Seleukeia, das am rechten Ufer des Tigris lag. Direkt gegenüber am linken Ufer entstand nach 200 v. Chr. Ktesiphon, die Hauptstadt der Partherkönige. In dieser Region kommen sich Euphrat und Tigris am nächsten, daher konnte man die Flüsse auch leicht durch schiffbare Kanäle verbinden. Um 165 n. Chr. wurde Seleukeia von den Truppen des römischen Feldherrn Avidius Cassius völlig zerstört (Cass. Dio 71,2,3). Der Sassanidenherrscher Ardashir I. ließ um ca. 230 n. Chr. auf dem südlichen Gelände des ehemaligen Seleukeia eine neue Stadt erbauen, der er den Namen Veh Ardashir gab, die aber inoffiziell von vielen Einwohnern „Coche“ genannt wurde.922 Diesen Namen verwendet auch Ammianus Marcellinus: Coche, quam Seleuciam nominant (Amm. 24,5,3). Gleich anschließend erwähnt er eine von Carus zerstörte Stadt: civitatem desertam […] a Caro principe quondam excisam. Sie wird von Bleckmann und, ihm folgend, Altmayer als das unmittelbar vor SeleukeiaCoche gelegene Meinas Sabatha identifiziert.923 Kurz nachdem er dieses zerstört hatte, muss Carus zuerst Veh Ardashir/Coche, dann auch Ktesiphon erobert haben. Handschrift V der Stadtchronik bietet Seleucia Babilonis. Diese Ortsangabe wurde von Mommsen zu Seleucia Babyloniae emendiert, während die Editionen von Frick und Burgess den ursprünglichen Wortlaut beibehalten. Burgess begründet dies zu Recht mit dem Hinweis, dass eher die Stadt Babylon als die gesamte Region Babylonia, d. h. der südliche Teil Mesopotamiens, gemeint sei.924 Tatsächlich wurde Babylon im römischen Reich auch dann noch als große Metropole angesehen, als es schon längst seine Bedeutung verloren hatte und von Seleukeia in den Hintergrund gedrängt worden war. So erwähnten antike Autoren den Namen Babylon bisweilen irrtümlich in einem Kontext, in dem sie eigentlich Seleukeia hätten nennen müssen.925 Der Verfasser der Stadtchronik griff möglicherweise auf eine Quelle zurück, die von dieser Tradition 921

922 923 924 925

Zu Seleukeia, Ktesiphon, Babylon s. Olshausen, Seleukeia (1), in: Kl P 5 (1979) 83–85. Zu Seleukeia und Coche s. auch die ausführliche Darstellung von Streck 1917, 24–36. Zu Seleukeia während der Herrschaft der Sassaniden s. Ihsān Yāršātir (Hrsg.), The Cambridge History of Iran, Bd. 3 (The Seleucid, Parthian and Sasanian periods), Cambridge 1983, 120 f., 724, 758. Altmayer (2014, 104–106) meint, Seleukeia sei unter den Sassaniden Coche genannt worden, während Bleckmann (1992, 133) darauf hinweist, auf dem Territorium des von Avidius Cassius zerstörten Seleukeia seien Nachfolgesiedlungen entstanden, von denen eine Coche geheißen habe. Bleckmann stützt seine Argumentation auf F. Paschoud, Zosime II, 1, Paris 1979, 158–162. Im Unterschied zu Streck und Yāršātir nennen Bleckmann und Altmayer den offiziellen neuen Namen Veh Ardashir nicht. Laut Streck (1917, 27, 45) verwendeten die jüdischen Einwohner Seleukeias nach dessen Zerstörung nicht den offiziellen Namen Veh Ardashir, sondern die aramäische Bezeichnung Machoza („große Stadt“), während vor allem die christlichen Bewohner die neue Stadt Coche nannten. Bleckmann 1992, 133; Altmayer 2014, 104. Burgess 2014, 182. Zur Region Babylonia: Oelsner, Babylonia, in: DNP 2 (1997) 388. Beispiele, auf die auch Streck (1917, 9, 20) verweist: Lucan. 1,10 in Verbindung mit 6,50, wo behauptet wird, Babylon liege am Tigris; Athen., Dipnosophistae 12,513 f.

318

B) 4. Item imperia caesarum

beeinflusst war, oder er wusste zu wenig über Ktesiphon und verwies stattdessen auf Babylon, um eine Verwechslung mit einem anderen Seleukeia auszuschließen (z. B. mit Seleukeia Pieria). Dass Babylon am Euphrat lag und ca. 40 Meilen von dem am Tigris gelegenen Seleukeia entfernt war, war ihm wohl nicht bekannt. Spätere Autoren wie Hieronymus und Ammian orientierten sich offensichtlich an anderen Quellen als der Verfasser der Stadtchronik; daher gaben sie dem Namen Coche, der von vielen Einwohnern der Stadt verwendet wurde, den Vorzug vor Seleucia. Dass Seleukeia unter dem persischen Namen Veh Ardashir neu gegründet worden war, nahm man im Westen offenbar nicht zur Kenntnis. Zum Tod des Carus schreibt Kreucher, er sei am Tigris ums Leben gekommen; Kienast präzisiert dies mit dem Hinweis, Carus sei am Tigris bei Ktesiphon gestorben.926 Altmayer berücksichtigt die etwas genaueren Angaben bei Eutropius, Hieronymus, Orosius sowie Zonaras und lokalisiert den Tod des Carus in der Nähe des eroberten Ktesiphon, „in einem Feldlager beim oder oberhalb des Tigris“ (Altmayer 2014, 108). Er meint zwar, das Lager müsse sich am linken Ufer des Tigris befunden haben, jedoch ist nicht auszuschließen, dass es am anderen Ufer beim vormaligen Seleukeia angelegt wurde, wo später auch die Armee Kaiser Julians lagerte. Ammianus Marcellinus erwähnt Coche in diesem Zusammenhang zum zweiten Mal (Amm. 24,6,2); anschließend berichtet er, am folgenden Tag habe der Angriff auf Ktesiphon begonnen. Fazit Die von der Stadtchronik gewählte Formulierung excessit weist darauf hin, dass Carus an einer natürlichen Todesursache starb. Dies wird auch von mehreren Vertretern der neueren Forschung für wahrscheinlich gehalten. Die Ortsangabe Seleucia Babilonis („Seleukeia bei Babylon“) kann ebenfalls als zutreffend gelten, obwohl außer Zonaras keine weitere Vergleichsquelle den Namen Seleukeia im Zusammenhang mit dem Tod des Carus erwähnt. 4.3.44 Carinus et Numerianus So werden sie auch in anderen literarischen Quellen genannt. Beispiele: Eutr. 9,18–20; Aur. Vict. 38–39; Hier. chron. z.d.J. 283–285. Als Kaiser hieß der ältere Sohn des Carus Imperator Caesar M. Aurelius Carinus P. F. Invictus Augustus, der jüngere Imperator Cae­ sar M. Aurelius Numerianus P. F. Invictus Augustus. Der Verfasser der Stadtchronik berücksichtigt nicht, dass Carinus für kurze Zeit gemeinsam mit seinem Vater regierte: Carus erhob seinen älteren Sohn im März oder April 283 zum Augustus und teilte von da an die Herrschaft mit ihm. Erst nach dem Tod des Vaters Mitte 283 regierte Carinus

926 Kreucher 2008, 419; Kienast 2017, 248.

4.3 Die Caesaren: Carinus et Numerianus

319

gemeinsam mit seinem Bruder. Als Numerianus gegen Ende 284 starb, ließ Carinus ihn, wie zuvor den Vater, konsekrieren. Aber Numerianus wird von der Stadtchronik ebensowenig als Divus tituliert wie Carus.927 imper(averunt) ann(os) II menses XI d(ies) II. Wie oben erwähnt (S. 314 im Hinblick auf die Regierungsdauer des Carus), gehen die meisten Quellen von einer gemeinsamen Regierung des Carus und seiner beiden Söhne aus; sie fassen daher alle drei Regierungszeiten zusammen. Allerdings nennen sie unterschiedliche Zahlen: Drei Jahre: Chr. pasch. 509,15. Nicht ganz drei Jahre: Eus. HE 7,30,22; Zon. 12,30 (S. 612, Z. 6–7). Zwei  Jahre: Aur. Vict. 39,12; Hier. chron. z.J. 283/284; Epiphanius, De mens. et pond. 270; Synk. 471,14–15; Cedrenus 464,6. Einige aus dem 9. bis 12. Jahrhundert stammende byzantinische Quellen verzeichnen für Carus und seine Söhne ebenfalls eine gemeinsame Regierungsdauer von insgesamt nur zwei Jahren. Nur wenige Quellen geben an, wie lange die Söhne des Carus nach dessen Tod regierten: Ioh. Mal. 12,35–36 überliefert für jeden der beiden eine Regierungszeit von zwei Jahren; laut Malalas regierte zuerst Numerianus zwei Jahre lang, danach Carinus. Georgii Monachi chron. 477,2 und Chron. syn. 101,25 f. geben an, Carinus sei zwei Jahre lang Kaiser gewesen, nach ihm habe Numerianus ein Jahr lang regiert. Die Angaben der drei zuletzt genannten Quellen basieren offensichtlich auf der falschen Annahme, Carinus und Numerianus hätten nacheinander und nicht gleichzeitig regiert. Tatsächlich jedoch war beiden im Herbst 282 der Titel Caesar verliehen worden; nach dem Tod des Vaters übten sie als Augusti die Herrschaft einige Monate lang gemeinsam aus. In der jüngeren Forschung hält man die folgende Chronologie für wahrscheinlich: Spätsommer/Herbst 282: Carus löst Probus als Kaiser ab (s. o. S. 314 f. mit Anm. 917). Bald nach seinem Amtsantritt, vermutlich im November, ernennt er Carinus, dann auch Numerianus zum Caesar.928 Frühjahr 283: Carus erhebt den älteren Sohn, Carinus, zum Augustus, bevor er gemeinsam mit Numerianus zum Feldzug gegen die Perser aufbricht.929 Nach dem plötz927 Zu den Namen und Titeln der beiden Brüder: Kienast 2017, 250, 252; Stein, PIR2 1 (1933) A 1473, 298 f. und A 1564, 319 f.; Henze, Aurelius Nr. 75 (Carinus), in: RE 2,2 (1896) 2455 f. und Aurelius Nr. 174 (Numerianus) ebd. 2513 f. In einigen Inschriften lautet der Name des jüngeren Bruders M. Numerius Numerianus oder M. Aurelius Numerius Numerianus; s. Altmayer 2014, 79. Zu den Datierungen: Kienast a. a. O.; Altmayer 2014, 69–80, 129 f., 156–164, 196–201; Kreucher 2008, 417–422. Die Divinisierung des Numerianus belegen Konsekrationsmünzen: RIC 5,2 (1933) Numerianus Augustus Nr. 424, 426 (Reverslegende: DIVO NUMERIANO) und Nr. 425 (DIVO NUMERIANO AUG.); vgl. Altmayer 2014, 141. 928 Kienast 2017, 250, 252; Altmayer 2014, 78; Kreucher 2008, 417 f. 929 Burgess 2014, 83; Kreucher 2008, 418, 420; Peachin 1990, 49. Datierung bei Kienast (2017, 250): „zwischen Anfang März und Mitte Mai“; bei Altmayer (2014, 149, 200): „Ende März 283“.

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B) 4. Item imperia caesarum

lichen Tod des Carus im Perserreich rufen die dortigen römischen Truppen Numerianus wohl noch im Juli 283 zum Augustus aus, da sich Carinus weit entfernt in Europa aufhält.930 Im November 284931 stirbt Numerianus während des Rückmarsches nach Europa. Die Mehrzahl der Quellen beschuldigt den Prätorianerpräfekten Aper, ihn ermordet zu haben, aber nach neuerem Forschungsstand gilt eine Krankheit als mögliche oder wahrscheinliche Todesursache.932 Carinus wird im Jahr 285 bald nach der Schlacht am Margus ermordet. Das Datum der Schlacht ist umstritten; hauptsächlich werden drei Datierungen diskutiert: Frühjahr 285; Ende Juni/Anfang Juli 285; August/September 285.933 Fazit Carinus führte seit März/April 283 den Titel Augustus. Mit seinem Vater teilte er die Herrschaft während ca. vier  Monaten bis Juli 283, als Carus starb; danach war sein Bruder Numerianus für ungefähr 15 Monate der zweite Augustus. Nach den neuesten Forschungsergebnissen regierte Carinus als Augustus vermutlich bis ca. Juli 285, also maximal zwei Jahre und vier Monate lang. Die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer ist demnach um etwa sieben Monate länger als die Zeitspanne, in welcher Carinus den Titel Augustus trug. Für die auf den ersten Blick fehlerhafte Angabe der Stadtchronik sind mehrere Erklärungen möglich. Dass der Verfasser die Regierungszeiten von Carinus und Numerianus addierte, kann man allerdings ausschließen, denn zum einen würde seine Berechnung in diesem Fall noch weniger stimmen, zum anderen geht er auch bei anderen Herrscherpaaren (duo Philippi, Gallus et Volusianus, Gallienus cum Valeriano) zu Recht davon aus, dass die Genannten zumindest eine Zeit lang gemeinsam regierten. Sollte die folgende Vermutung zutreffen, wäre ihm hinsichtlich der Regierungsdauer von Carinus und Numerianus aber kein gravierender Fehler unterlaufen: Möglicherweise lässt er seine Berechnung mit der Ausrufung des Carus zum Kaiser (ca. August 282, s. o. S. 315) beginnen. Er könnte auf eine Quelle zurückgegriffen haben, welche wie Eus. HE 7,30,22 von einer gemeinsamen Regierung des Carus und seiner beiden Söhne ausging und zu einem Resultat kam, das knapp unter drei Jahren lag.934 Tatsächlich vergingen nach heutigem Forschungsstand zwischen der Erhebung des Carus zum Kaiser und dem Tod des Carinus nicht ganz drei  Jahre. Da der Verfasser der Stadtchronik außerdem angibt, Carus habe ca. 10 Monate alleine regiert, muss er sich dabei an einer 930 931 932 933

Kienast 2017, 252; Altmayer 2014, 129 f., 153; Burgess, a. a. O.; Kreucher 2008, 419; Peachin, a. a. O. Kienast a. a. O. 252; Altmayer, a. a. O. 137; Burgess, a. a. O.; Kreucher, a. a. O. 420; Peachin, a. a. O. Kienast a. a. O., 252; Kreucher a. a. O., 420; Kolb 1987, 12–14; Altmayer a. a. O., 141. Frühjahr 285: Peachin 1990, 49. – Ende Juni/Anfang Juli 285: Kienast 2017, 250, 257; Stefan 2016, 279. – August/September 285: Kienast 1996, 261; Altmayer 2014, 174; Kreucher 2008, 423. Zur Datierung der Schlacht vgl. auch die Übersicht bei Kuhoff 2001, 25 Anm. 31. 934 Dies hält auch Burgess (2014, 83) für wahrscheinlich.

4.3 Die Caesaren: Carinus et Numerianus

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anderen Quelle orientiert haben, welche die Regierungszeit des Carus erst ab dem Tod des Probus berechnet hatte. Burgess kommentiert dies mit der Bemerkung „Once again, we can see that the author of the Breviarium has added inconsistent figures from different sources” (Burgess 2014, 83). cong(iarium) ded(erunt) X D. Als einzige literarische Quelle überliefert die Stadtchronik ein congiarium. Die Höhe der genannten Summe lässt vermuten, dass zwei congiaria zu je 250 Denaren pro Kopf verteilt wurden. Folgerichtig verzeichnet Kienast je eine liberalitas des Carinus für die Jahre 283 und 284.935 Erhalten ist ein aureus, der unter Carinus in der Münzstätte Siscia, Provinz Pannonia superior, geprägt wurde und die Reverslegende LIBERALITAS AUGG. trägt. Die Averslegende erwähnt nur den Namen des Carinus. Die Münze ist nicht datiert, aber der Plural AUGG. bezieht sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf Carinus und Carus, sondern auf Carinus und Numerianus.936 Als Fazit kann festgehalten werden: Die plebs urbana erhielt vermutlich zweimal eine Geldspende im Namen der beiden Söhne des Carus. Die Höhe der von der Stadtchronik angegebenen Summe ist plausibel, denn einige Jahre zuvor hatte Aurelian offenbar ebenfalls zwei congiaria verteilen lassen mit insgesamt 500 Denaren pro Kopf. his imper(antibus) fames magna fuit et operae publicae arserunt senatum, forum Caesaris, basilicam Iuliam, et Graecostadium. Grammatikalische Fehler in der handschriftlichen Überlieferung: 1) Korrekt wäre opera publica. 2) Bei senatum und basilicam wird fälschlich der Akkusativ (zur Verwendung des Akkusativ vgl. S. 163) anstelle des Nominativ Singular verwendet. 3) In allen Editionen wurde der Eintrag patrimonium zwischen Caesaris und basili­ cam emendiert. Anscheinend herrschte während der Regierungszeit von Carinus und Numerianus in Teilen des römischen Reiches tatsächlich eine Hungersnot, denn für 284  n. Chr. enthalten die Consularia Constantinopolitana den Vermerk: Caro II et Numeriano: his conss. magna fames fuit. Die Konsuln des Jahres 284 waren allerdings Carinus und Numerianus. Dies geht aus der Konsulnliste des Chronographen von 354 hervor, deren Eintragungen als zuverlässig gelten.937 Carus hatte den Konsulat im Vorjahr bekleidet, zusammen mit Carinus. Angesichts der fehlerhaften Eintragung in den Consularia 935 Kienast 2017, 250. 936 So auch Barbieri 1957, 872. Münzbeleg: RIC 5,2 (1933) Carinus Augustus Nr. 309, S. 176. 937 Divjak/Wischmeyer 2014, 355; die Liste: ebd. 365 ff. Ältere Edition: Mommsen 1892, 50 ff. Die Autoren des Kommentars zu den Consularia Constantinopolitana weisen zwar auf die fehlerhafte Angabe hinsichtlich der Konsuln von 284 hin, datieren aber die Hungersnot dennoch auf dieses Jahr: Becker 2016, 67.

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Constantinopolitana kann die Hungersnot nicht genauer als auf die Zeit von Mitte 283 bis Herbst 284 datiert werden, d. h. auf die Zeit, in der Carinus und Numerianus als Augusti herrschten.938 Es ist anzunehmen, dass die Hauptstadt selbst von der Hungersnot betroffen war, denn die Stadtchronik verbindet die Aussage fames magna fuit mittels der Konjunktion et mit dem Bericht über Brände, denen einige römische Großbauten im westlichen Teil des forum Romanum zum Opfer gefallen seien. Die Kombination beider Themen in einem Satz führte zu der Vermutung, damals sei in Rom eine Hungerrevolte ausgebrochen, bei welcher es zur Brandstiftung am forum Romanum kam.939 Diese These wirkt zwar plausibel, sie lässt sich aber wegen der ungünstigen Quellenlage nicht verifizieren. Die einzige Quelle, die ebenfalls überliefert, in der Regierungszeit des Carus und seiner Söhne sei in Rom ein Brand ausgebrochen, ist HA Car. 19,2: pegma praeterea, cuius flammis scaena conflagravit, quam Diocletianus postea magnificentiorem reddidit. Hier wird im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Vorführungen und Attraktionen, die dem römischen Volk geboten wurden, von einer „Theatermaschine“940 berichtet, die in Brand geraten sei; die von den Flammen zerstörte Bühne habe Diokletian prächtiger wiederhergestellt als zuvor. Wahrscheinlich handelte es sich um die Bühne des theatrum Pompeii, denn diese wird von der Stadtchronik unter den von Diokletian restaurierten Bauten aufgeführt. Die Historia Au­ gusta datiert den Bühnenbrand sehr ungenau; er muss daher keineswegs zum gleichen Zeitpunkt stattgefunden haben wie die von der Stadtchronik erwähnten Brände am Forum Romanum. Letzteres wäre auch unwahrscheinlich, denn das theatrum Pompeii lag weit westlich des Forum und über einen Großbrand, von dem beide Orte betroffen gewesen wären, hätten sicherlich zahlreiche Quellen berichtet. Die durch Feuer zerstörten Gebäude, welche die Stadtchronik aufzählt (sena­ tum, forum Caesaris, basilicam Iuliam, et Graecostadium), tauchen mit Ausnahme des graecostadium in ihrer Liste der Baumaßnahmen Diokletians wieder auf. Diese wird eingeleitet mit den Worten senatum, forum Caesaris, basilicam Iuliam. In der archäologischen Literatur wird der Brand, dem diese Bauten zum Opfer gefallen waren, häufig auf 283  n. Chr. datiert,941 obwohl hinsichtlich der Brandkatastrophe das  Jahr 284 938 So auch Altmayer 2014, 266. 939 Bauer 2012, 11. Seine Begründung: Die Brände im Nord- und Südwesten des Forum Romanum seien allem Anschein nach fast gleichzeitig ausgebrochen. Dies lege den Verdacht auf Brandstiftung nahe, vielleicht als Folge einer Hungerrevolte. Für die Jahre 351 bis 402 ist mehrfach belegt, dass Hungerrevolten in Rom mit Brandstiftung einhergingen; s. Hans Peter Kohns, Versorgungskrisen und Hungerrevolten im spätantiken Rom, Bonn 1961, 22, 96–98. 940 So übersetzt E. Hohl (1985, 289) das Substantiv pegma. Vgl. die Erklärung für pegma bei Georges Hwb Bd. 2, Sp. 1538: „ein künstliches Gerüst, eine Maschine im Theater u. Amphitheater, die von selbst rasch vom Boden aufstieg […] u. wieder niedersank, od. mit der größten Schnelligkeit sich auflöste, auf der man Gladiatoren kämpfen ließ od. Menschen zur Belustigung der Zuschauer emporschnellte.“ 941 In Bezug auf das Senatsgebäude zum Beispiel: Tortorici, Curia Iulia, in: Steinby LTUR 1 (1993) 333; Richardson, Curia Iulia, in: NTDAR 1992, 103. Coarelli (2013, 62) datiert den „Brand des Carinus“ ebenfalls auf das Jahr 283.

4.3 Die Caesaren: Carinus et Numerianus

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ebensowenig ausgeschlossen werden kann wie hinsichtlich der Hungersnot (s. o.). Das Senatsgebäude, die curia Iulia, wurde nach dem Brand mehrfach restauriert und ist daher noch heute im Nordwesten des Forum Romanum zu sehen. Im Südwesten des Forum, ca. 100 m von der curia entfernt, stand die basilica Iulia, während sich von der Rückwand der curia das forum Iulium, auch forum Caesaris genannt, 160 m nach Nordwesten erstreckte.942 Da zwischen curia Iulia/forum Iulium einerseits und basilica Iulia andererseits eine relativ große räumliche Distanz bestand, wurde vermutet, dass unter Carinus nicht nur diese Gebäude vom Brand betroffen waren, sondern das gesamte westliche Forum Romanum zwischen forum Iulium und basilica Iulia verwüstet wurde.943 Dezidiert anderer Ansicht ist F. A. Bauer: Da der Severusbogen und die Tempel am Abhang des Kapitol damals offenbar nicht durch Brände zerstört wurden, sei nicht von einem flächendeckenden Großbrand im Westbereich des Forum Romanum auszugehen, „sondern von zwei getrennten Bränden, einem im Bereich des Senats und des Caesarforums und einem im Bereich der Basilica Iulia“ (Bauer 2012, 11; Hervorheb. i.O.). Das graecostadium, nicht zu verwechseln mit der durch Baumaßnahmen Caesars 46 bis 44 v. Chr. zerstörten graecostasis, war keine Sportstätte, wie man aufgrund des Namens annehmen könnte, sondern ein Sklavenmarkt, der sich unmittelbar südlich der basilica Iulia befand.944 Der Name ist in entstellender Weise abgeleitet von statarion Graecorum; das griechische Substantiv στατάριον war in der Spätantike die Bezeichnung für einen Sklavenmarkt.945 Da die Stadtchronik bei ihrer Aufzählung der Bauten Diokletians das graecostadium nicht erwähnt, liegt die Vermutung nahe, dass es nach dem Brand von 283/284 nicht wieder aufgebaut wurde. In beiden Regionenverzeichnissen, die man auf die Zeit Konstantins datiert,946 wird es allerdings unter Regio VIII (Forum Romanum) erwähnt: Im Curiosum zwischen Vicum iugarium und der Basilica Iulia; in der Notitia nach Vicum iugarium et unguentarium, aber ohne den Hinweis auf die Nachbarschaft der Basilica Iulia.947 Wie sich bei archäologischen Untersuchungen zeigte, hatte man zur Zeit Diokletians beim Wiederaufbau der basilica Iulia an deren Südseite 17 tabernae angefügt; das graecostadium wurde also vermutlich nicht an der früheren Stelle wiederhergestellt. Dass es dennoch in den Regionenverzeichnissen er-

942 Zum forum Iulium s. Hurschmann, Forum [III 5] F. Iulium, in: DNP 4 (1998) 616 f. Für die Topographie s. die Karte zu Heinzelmann, Roma, in DNP 10 (2001) 1093 f. und die Karte bei Coarelli 2013, 42 f. 943 Coarelli 2013, 62. 944 Coarelli, Graecostadium, in: Steinby LTUR 2 (1995) 372. Hingegen war die graecostasis ein Teil des comitium, eine erhöhte Tribüne für Gesandte aus dem Ausland; s. Coarelli, Graecostasis, in: Steinby LTUR 2 (1995) 373. 945 Paolo Poccetti, Gr. στατάριον/Lat. statarium „Sklavenmarkt“: Lehnwort oder Bedeutungsentlehnung? In: Glotta 63 (1985) 172–180. 946 Fuhrmann, in: HLL 5 (1989) § 520. 947 Nordh 1949, 85.

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B) 4. Item imperia caesarum

wähnt wird, ist möglicherweise mit einer Übernahme des Eintrags aus älteren Listen zu erklären.948 occisus campo Margense. Auf wen sich das Partizip occisus bezieht, ist nicht klar erkennbar; erst der Vergleich mit anderen Quellen zeigt, dass hier von Carinus die Rede ist, der nach der Schlacht am Fluss Margus getötet wurde. Angaben zum Tod des Numerianus fehlen. campo: Das Substantiv campus ist mehrdeutig;949 campo ließe sich u. a. mit „in der Ebene“ übersetzen. Im hier gegebenen Kontext ist aber wohl die Übersetzung „auf dem Schlachtfeld“ zu wählen, da in der Ebene bei der Mündung des Margus in die Donau die Schlacht zwischen den beiden Heeren des Carinus und des Diokletian stattfand. Die Consularia Constantinopolitana vermerken zum Jahr 285 n. Chr.: occisus est Cari­ nus Margo. Diese Angabe ist ähnlich knapp wie jene der Stadtchronik, aber immerhin nimmt sie eindeutig Bezug auf Carinus. Dass dies in der Stadtchronik unterbleibt, ist möglicherweise auf einen Kopistenfehler zurückzuführen. Relativ ausführlich berichten Aurelius Victor und Eutrop über das damalige Geschehen. Aur. Vict. 39,11–12: At Carinus ubi Moesiam contigit, illico Marcum iuxta Diocletiano congressus, dum victos avide premeret, suorum ictu interiit, quod libidine impatiens militari­ um multas affectabat, quarum infestiores viri iram tamen doloremque in eventum belli dis­ tulerant. Quo prosperius cedente metu, ne huiuscemodi ingenium magis magisque victoria insolesceret, sese ulti sunt. Eutr. 9,20,2: (Diocletianus) Carinum omnium odio et detestatione viventem apud Mar­ gum ingenti proelio vicit, proditum ab exercitu suo, quem fortiorem habebat, aut certe deser­ tum, inter Viminacium atque Aureum montem. Beide Autoren stimmen darin überein, dass in der Nähe des Margus950 eine Schlacht zwischen dem Heer des Carinus und jenem des Usurpators Diokletian stattfand. Eutrop lokalisiert die Schlacht apud Margum zwischen Viminacium, der Hauptstadt der Provinz Moesia superior,951 und einem Berg namens Aureus. Im Gegensatz zu Aurelius Victor behauptet er, Carinus sei von Diokletian besiegt worden; zuvor habe sein Heer ihn im Stich gelassen. Einige lateinische Quellen berichten (ähnlich wie Eutrop, aber nicht so ausführlich), Carinus sei in der Schlacht apud Margum besiegt und getötet worden: Hier. chron. z.J. 285 n. Chr.: Carinus proelio victus aput Margum occiditur. 948 Zu dieser Vermutung sowie zu den 17 tabernae vgl. Bauer 2012, 23 f. 949 Georges Hwb Bd. 1, Sp. 948 f. 950 Der Margus (h. Morava) mündete, von Süden kommend, wenige Meilen westlich von Viminacium in die Donau. Östlich der Flussmündung lag das wohl nach dem Fluss benannte Städtchen Mar­ gus/Margum. Zur Topographie s. die Karte bei Burian/Schön/Wittke, Moesi, Moesia, in: DNP 8 (2000) 329 f. 951 Burian, Viminacium, in: DNP 12,2 (2003) 225; vgl. Groß, Viminacium, in: Kl P 5 (1979) 1276.

4.3 Die Caesaren: Diocletianus et Maximianus

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HA Car. 18,2: ultima pugna apud Margum commissa victus occubuit. Cassiod. chron. 149, Z. 1009: Carinus apud Margum proelio victus interiit. Iord. Rom. 38,295: Carinus vero apud Margum in proelio victus occiditur. Die meisten Quellen drücken sich eher vage aus, indem sie berichten, die Schlacht habe apud Margum stattgefunden. Diese Ortsangabe kann sich sowohl auf den Fluss als auch auf die gleichnamige Stadt beziehen. Meist wird aber angenommen, dass der Fluss gemeint ist.952 Die Schlacht wurde wahrscheinlich zwischen der Mündung des Margus in die Donau (im Mündungsgebiet lag auch die Stadt Margus) und Viminaci­ um geschlagen.953 Das Itinerarium Burdigalense, ein um 333 verfasstes Pilgerhandbuch, enthält nach dem Eintrag civitas Margo den Vermerk civitas Viminacio: Ubi Diocletianus occidit Carinum (Itin. Burdig. 564,7–9). Das Pilgerhandbuch ist die früheste Quelle für den Tod des Carinus; daher nimmt Burgess an, er sei bei Viminacium gestorben, nachdem er das eigentliche Schlachtfeld verlassen hatte.954 Es ist jedoch fraglich, ob sich das Schlachtfeld überhaupt so genau eingrenzen lässt, da Carinus laut Aur. Vict. 39,11 den zurückweichenden Truppen Diokletians nachsetzte, sie also offenbar über eine größere Strecke hinweg verfolgte. Wie erwähnt, siegten laut Aurelius Victor die Truppen des Carinus. Kurz nach der Schlacht sei dieser jedoch von eigenen Soldaten ermordet worden, weil er angeblich den Frauen dieser Soldaten nachgestellt hatte und die Männer befürchteten, nach seinem Sieg werde er seine Leidenschaft noch weniger zügeln. Ähnliches überliefern Epit. de Caes. 38,8 und Zos. 1,73,3: Carinus sei von einigen seiner Offiziere attackiert worden; den Todesstoß habe ihm ein Militärtribun gegeben, dessen Ehefrau vom Kaiser verführt worden sei. Dass der Mord an Carinus durch dessen Sexualverhalten motiviert war, wird in der neueren Forschung sehr bezweifelt. Alles andere, was Aurelius Victor über das Ende des Carinus berichtet, gilt hingegen als glaubwürdig; man hält außerdem für wahrscheinlich, dass die Offiziere, die den Kaiser ermordeten, zuvor mit Diokletian heimlich in Kontakt getreten waren.955 4.3.45 Diocletianus et Maximianus Der Geburtsname des aus der Provinz Dalmatia stammenden Diokletian war C. Va­ lerius Diocles. Als Kaiser nannte er sich zunächst M. Aurelius C. Valerius Diocletianus, später C. Aurelius Valerius Diocletianus. Bald nachdem er Maximianus zum Augustus

952 Henze, Aurelius Nr. 75, in: RE 2,2 (1896) 2456; Peachin 1990, 49; Kuhoff 2001, 25; Kreucher 2008, 423; Kienast 2017, 250. 953 So auch Altmayer 2014, 174. 954 Burgess 2014, 182. 955 Altmayer 2014, 176 f., 182; Kreucher 2008, 423; Kuhoff 2001, 25.

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B) 4. Item imperia caesarum

erhoben hatte, nahm Diokletian das zusätzliche Cognomen Iovius an und betonte so seine Nähe zu Iuppiter.956 Die literarischen Quellen verwenden in der Regel die Kurzbezeichnung Diocletianus (z. B. Eutr. 9,19–28); von Aurelius Victor wird er meistens Valerius genannt. Laut Eutr. 9,28 und Hier. chron. z.J. 316 n. Chr. wurde er später divinisiert; diese Angabe gilt jedoch nicht als zweifelsfrei, da es für die Divinisierung keine epigraphischen und numismatischen Zeugnisse gibt. Seit seiner Ernennung zum Caesar trug Maximianus den Namen M. Aurelius Vale­ rius Maximianus; demnach hatte er zum Zeichen der brüderlichen Eintracht Diokletians Gentiliz Valerius erhalten, so wie dieser Maximians Gentiliz Aurelius übernahm. Maximian verdankte sein ursprüngliches Gentiliz wohl der Constitutio Antoniniana von 212. Als er zum Augustus erhoben wurde, nahm er das zusätzliche Cognomen Her­ culius an und wurde frater Augusti Diocletiani genannt. Die literarischen Quellen nennen ihn sowohl Maximianus als auch Herculius; bisweilen werden auch beide Kurzbezeichnungen zusammen verwendet (Beispiele: Eutr. 9,20; 9,22; Hier. chron. z.J. 287). Nach seinem Tod Mitte 310 ließ ihn sein Sohn Maxentius konsekrieren. Constantin veranlasste die damnatio memoriae; wie Konsekrationsmünzen von 317/318 belegen, wurde Maximian aber schon bald erneut als Divus anerkannt. imper(averunt) ann(os) XXI m(enses) XI dies XII. Wenn nicht ausdrücklich vermerkt, verzeichnen die im Folgenden genannten Vergleichsquellen nur die Dauer der Regierung Diokletians. Zwanzig Jahre: Aur. Vict. 39,48 (laut Victor regierte Herculius ein Jahr kürzer); Hier. chron. z.J. 285; Epiphanius, Ancoratus 60,4 (S. 72, Z. 9); Chr. pasch. 510,18; Chron. syn. 101,29 (Diokletian und Maximian); Zon. 12,32 (S. 618, Z. 4). Zwanzig Jahre und neun Monate: Joh. Mal. 12,37. 22 Jahre: Georgii Monachi chron. 477,10; Cedrenus 464,14. 25 Jahre: Epit. de Caes. 39,1. Sicher belegt ist, dass Diokletian am 20. November 284 bei Nikomedeia zum Kaiser ausgerufen wurde und am 1. Mai 305, gemeinsam mit Maximian, abdankte.957 Berechnet man die Dauer seiner Regierung von der Akklamation an (und nicht erst ab Juli 285, als Carinus getötet wurde), regierte er 20 Jahre, 5 Monate und 11/12 Tage. Maximian wurde vermutlich zwischen Oktober und Dezember 285 zum Caesar und laut den Consularia Constantinopolitana am 1. April 286 zum Augustus erhoben;

956 Zu beider Namen und Titeln (auch zur Divinisierung): Kienast 2017, 257 f., 262 f.; Kuhoff 2001, 19–42, 485 f.; Kolb 1987, 10, 16–55; Enßlin, Valerius Nr. 142, in: RE 7 A (1948) 2419–2495; Stein, PIR2 1 (1933) A 1627 (Diokletian) 332–335 und A 1628 (Maximian) 335–337; Enßlin, Maximianus Nr. 1, in: RE 14,2 (1930) 2486–2516. An der Divinisierung Diokletians zweifelt Kuhoff 2001, 933. 957 Kienast 2017, 257 f.

4.3 Die Caesaren: Diocletianus et Maximianus

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in beiden Fällen ist die Datierung umstritten.958 Seine reale Regierungszeit ist zwar um ungefähr ein Jahr kürzer anzusetzen als diejenige Diokletians, aber im November 303 feierten die beiden Augusti gemeinsame vicennalia, womit die Fiktion einer gleich langen Regierungsdauer geschaffen wurde.959 Der von der Stadtchronik angegebene Zeitraum ist offensichtlich zu lang. Dafür wurden zwei unterschiedliche Erklärungen angeboten: Ausgehend vom 1. Mai 305 würden die Zahlen der Stadtchronik, bei inklusiver Zählweise, zum 20. Mai 283 als dies imperii des Diokletian führen. Es wurde vermutet, der Chronist habe dieses Datum für den Todestag des Carus und zugleich für den Regierungsbeginn des Diokletian gehalten, aber überzeugender ist die Argumentation von Burgess:960 Berechne man die Zeitspanne vom 20. November 284, dem dies imperii Diokletians, bis zum 28. Oktober 306, dem dies imperii des Maxentius, laute das Resultat 21 Jahre, 11 Monate und 8 Tage. Der Verfasser der Stadtchronik habe die Regierungsdauer des Diokletian vermutlich auf diese Weise berechnet, denn die Differenz zwischen den beiden Zeitangaben beträgt nur 4 Tage. Allerdings habe er dabei die kurze Herrschaft des Constantius (als Augustus) zwischen Mai 305 und Juli 306 übersehen. Aber letztlich sei dieser Fehler darauf zurückzuführen, dass während der Tetrarchie die Regierungszeiten mehrerer Kaiser einander überlappten; dieses Problem sorgte auch bei anderen Quellen für Verwirrung. cong(iarium) dederunt X ∞ DL. Dass Diokletian und Maximian Geldspenden gewährten, belegen Münzfunde:961 a) ein 295 in Trier geprägter Antoninian mit der Averslegende IMP DIOCLETI­ ANUS AUG. und der Reverslegende AUSPIC FEL. (RIC 5/2, 1933, Diocletian Nr. 115); b) ein 295/296 ebenfalls in Trier geprägter Antoninian; Averslegende MAXIMIA­ NUS P F AUG., Reverslegende AUSPIC FEL. (RIC 5/2, 1933, Maximianus Herculeus Nr. 469). Im Text der Münzlegenden erscheint nun nicht mehr das Wort LIBERALITAS, sondern die Abkürzung von AUSPICIIS FELICIBUS. Auf beiden Münzen ist die personifizierte liberalitas abgebildet, die eine tessera (= Berechtigungsmarke) und einen cadu­

958 Kienast 2017, 257, 262: Erhebung zum Caesar zwischen Ende Oktober/Anfang Dezember 285, zum Augustus am 1. April 286 (nach Cons. Const.). Kuhoff 2001, 32–35: Erhebung zum Caesar vermutlich im Oktober 285, zum Augustus im Dezember 285. Kolb 1987, 38–41, 49–52: Erhebung zum Caesar am 13. Dezember 285 (= dies imperii), zum Augustus mit Sicherheit vor dem 29. August 286. 959 Kolb 1987, 122; Kuhoff 2001, 243. 960 Burgess 2014, 84 f.; gegen Jacques Schwartz, À propos des données chronographiques de l‘ Histoire Auguste, in: Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1964/65, Bonn 1966, 206. 961 Vgl. Barbieri 1957, 872 f.

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ceus (= Heroldsstab) in den Händen hält, wie es auch bei früheren Münzprägungen, die an Geldspenden erinnern sollten, häufig der Fall war. Die Stadtchronik gibt als einzige Quelle Auskunft über die Höhe des Betrags, den Diokletian und Maximian spendeten. Ihre Angabe dürfte glaubwürdig sein. Zwar erscheinen 1550  Denare pro Kopf als eine sehr hohe Summe, aber sie wird durch die gewaltige Inflation (s. dazu S. 333) erheblich relativiert. Die beiden Kaiser regierten zwanzig Jahre lang und in diesem Zeitraum hätten fünf congiaria über jeweils 250 Denare und eines über 300 Denare verteilt werden können. Doch die Vizennalfeier Diokletians und Maximians im November 303 war ein mit solchem Aufwand begangenes Ereignis (s. u. S. 331–333), dass wohl ein besonders hohes congiarium gewährt wurde. Vermutlich bezieht sich darauf der Satz sparserunt in circo aureos et argenteos in der Stadtchronik, wie auch Kolb, Kuhoff und Bauer meinen.962 Entgegen der von Kolb und Bauer vertretenen Ansicht kann aber nicht die gesamte Summe von 1550 Denaren bei der Vizennalfeier verteilt worden sein: Die oben erwähnten Münzen wurden viel früher geprägt; außerdem dürfte schon 298 beim ersten Besuch Maximians in Rom ein congiarium gewährt worden sein, wie auch Kuhoff annimmt.963 his imper(antibus) multae operae publicae fabricatae sunt: senatum, forum Caesaris, basilica Iulia, scaena Pompei, porticos II, nymfea III, templa II Iseum et Serapeum, arcum novum, thermas Diocletianas. Diese Baumaßnahmen gehen in erster Linie auf Maximian zurück, denn sein Zuständigkeitsbereich war der Westen des Reiches und damit auch Rom. Er hielt sich allerdings nur zweimal für kurze Zeit in der Stadt auf (in den Jahren 298 und 303), Diokletian sogar nur einmal (303).964 Zur falschen Verwendung des Akkusativ (bei senatum, porticos II, arcum novum, thermas Diocletianas) vgl.  die Bemerkungen zu den Bauten Domitians auf S. 163. Senatsgebäude (curia Iulia), Caesarforum und basilica Iulia gehörten zu jenen Gebäuden, die 283/284 während der Regierungszeit von Carinus und Numerianus abgebrannt waren (s. o. S. 321 f.). Vermutlich im gleichen Zeitraum wurde die scaena des theatrum Pompei durch Feuer zerstört, nachdem eine Theatermaschine in Brand geraten war; auf dieses Feuer bezieht sich offenbar der Bericht bei HA Car. 19,2. Durch archäologische Untersuchungen wird der Wiederaufbau von curia Iulia und basilica Iulia in der Zeit Diokletians und Maximians eindeutig belegt. Außerdem gibt es deutliche Hinweise darauf, dass damals auch das forum Caesaris und die mehrgeschossige scaena frons des Pom-

962 Kolb 1987, 148; Kuhoff 2001, 236 Anm. 649, 244; Bauer 2012, 67. 963 Kuhoff 2001, 210 f. 964 Kuhoff 2001, 210 f., 234, 243 f., 383. Schon zuvor hatten sich mehrere „Soldatenkaiser“ nur selten, bisweilen auch nie, in Rom aufgehalten. Zur Zeit der Tetrarchen lagen die bevorzugten Kaiserresidenzen in der Nähe der gefährdeten Grenzen: Mediolanum, Augusta Treverorum, Sirmium, Thessalonica, Romuliana, Nicomedia und Antiochia; vgl. Kuhoff, a. a. O. 382 f.

4.3 Die Caesaren: Diocletianus et Maximianus

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peiustheaters wiederhergestellt wurden.965 Carinus hätte dies während seiner kurzen Regierungszeit nicht mehr durchführen können. Unmittelbar nach der scaena Pompei erwähnt die Stadtchronik porticos II. Es dürfte kaum ein Zweifel daran bestehen, dass jene Portiken gemeint sind, die sich hinter dem Pompeiustheater befanden. In diesem Bereich wurden zwei Weiheinschriften gefunden, die sich auf eine Iovia porticus und eine Herculea porticus beziehen. Die Schlussfolgerung, welche F. A. Bauer zieht, ist plausibel: „Offenbar hatte man nicht nur die baufälligen Portiken wiedererrichtet, sondern diese auch nach den Schutzgöttern der Dyarchen benannt. Statuen der Genien der beiden Herrscher zierten fortan die Säulenhallen.“ (Bauer 2012, 32) Unter nymfea sind monumentale Brunnenanlagen zu verstehen, die oft eine mehrstöckige Schaufassade vom Typ der scaenae frons besaßen.966 Die Regionenverzeichnisse weisen insgesamt 15 Nymphaen aus, von denen sie drei (Nymfea III) der Regio XIII (Aventinus) zuordnen.967 Scheithauer vermutet, unter diesen nymfea tria seien die in der Stadtchronik genannten nymfea III zu verstehen; es habe sich wohl um eine einzige aus drei Brunnen bestehende Anlage gehandelt.968 Hingegen meint Bauer, mit Sicherheit davon ausgehen zu können, dass eines der in der Stadtchronik erwähnten Nymphaen identisch sei mit dem in Nachbarschaft des arcus novus errichteten nymphaeum Iovis.969 Dieses wird in den Regionenverzeichnissen bei den Bauten der Regio VII (Via Lata) unmittelbar nach dem arcus novus genannt;970 beide Bauwerke standen ca. 350 m östlich des Pantheon.971 Das nymphaeum Iovis kann nicht nur wegen der Namensgebung mit dem Iovius Diokletian in Verbindung gebracht werden, sondern auch wegen der Nähe zum arcus novus, der zweifellos zu den unter Diokletian und Maximian errichteten Bauten gehört. Der arcus novus überspannte die via Flaminia, deren innerhalb der Stadtmauer gelegener Teil den Namen via Lata erhielt. Papst Innozenz VIII. ließ den Bogen im Jahr 1491 abtragen; heute steht an dieser Stelle die Kirche S. Maria in Via Lata. Im 16. und 20. Jh. fand man bei Grabungen Überreste des arcus, unter anderem Reliefs; dadurch 965 Belege hinsichtlich der genannten vier Gebäude bei Bauer 2012, 12–30. 966 Ursprünglich war mit dem griechischen Wort νυμφαῖον die heilige Quellgrotte einer Nymphe gemeint, doch bei der Bezeichnung nymphaeum/nymfeum für römische Bauten der Kaiserzeit war diese Bedeutung verschwunden; s. Nielsen, Nymphäum, in: DNP 8 (2000) 1068–1070; A. v. Gladiß, Nymphaeum, in: Kl P 4 (1979) 207. 967 Nordh 1949, 94, 104. 968 Scheithauer 2000, 216. 969 Bauer 2012, 33–35. 970 Nordh 1949, 82. 971 Vgl. die Kartenskizze bei Bauer 2012, 34. Bauer hält an den bislang in der Forschung akzeptierten Lokalisierungen von arcus novus und nymphaeum Iovis fest (a. a. O. 33–35). Er wendet sich damit gegen die Vorschläge von V. Jolivet, den arcus novus mit dem Arco di Portogallo und das nympha­ eum Iovis mit der Brunnenexedra auf dem Pincio gleichzusetzen: Vincent Jolivet, La localisation des toponymes de la Rome antique à partir des Régionnaires. Une étude de cas, in: A. Leone, D. Palombi u. S. Walker (Hgg.), Res bene gestae. Ricerche di storia urbana su Roma antica in onore di Eva Margareta Steinby, Rom 2007, 103–125.

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wurden Versuche möglich, sein Aussehen zu rekonstruieren. Offenbar war man bei seinem Bau ebenso vorgegangen wie später beim Konstantinsbogen: Man hatte architektonische Elemente älterer Monumente verwendet, in diesem Fall v. a. Spolien vom nicht weit entfernten Britannienbogen des Claudius. Es gab eine kontroverse Diskussion über die Frage, zu welchem Anlass der arcus novus erbaut wurde. Heute ist man überwiegend der Auffassung, dass er 293 aus Anlass von Diokletians und Maximians zehnjährigem Regierungsjubiläum errichtet wurde,972 obwohl beide Augusti wegen der bedrohlichen Lage an den Grenzen nicht in Rom anwesend sein konnten. Man hat die Bildsprache der Reliefs, die den arcus novus schmückten, als indirekte Aufforderung an die regierenden Kaiser interpretiert, ihren traditionellen Verpflichtungen gegenüber der Hauptstadt besser gerecht zu werden.973 Unter den opera publica Diokletians und Maximians erwähnt die Stadtchronik (als die einzige Quelle) auch templa II Iseum et Serapeum, die sie aber zuvor, ohne den Zusatz templa, als Bauten Domitians ausweist; s. o. S. 169 f. Die Bezeichnung Iseum et Se­ rapeum verwenden auch Not. und Cur.;974 Eutr. 7,23,5; HA Alex. 26,8. Bei Hier. chron. z.J. 89/90 heißen die Gebäude Isium ac Sarapium, bei Apul. met. 11,26 [templum] Isis Campensis. In der Literatur wird häufig die Bezeichnung Iseum Campense für die zur Zeit des Augustus erbaute Gartenanlage gewählt, in der die beiden Tempel für Isis und Serapis standen; sie befand sich westlich der via Lata, nicht weit entfernt vom arcus novus. Nach der Zerstörung durch den Stadtbrand des Jahres 80 hatte Domitian den Wiederaufbau des Heiligtums veranlasst. Offenbar wurde es unter Diokletian und Maximian erneut notwendig, die Anlage zu restaurieren. Warum und in welchem Umfang dies geschah, ist nicht bekannt. Allerdings gibt es Belege dafür, dass die Tetrarchen den ägyptischen Gottheiten Isis und Serapis besondere Wertschätzung entgegenbrachten; insbesondere im Zusammenhang mit den jährlichen vota publica, den Gelübden für das Wohl des Staates und der Herrscher.975 Am Ende ihrer Liste der Baumaßnahmen Diokletians und Maximians erwähnt die Stadtchronik die nach Diokletian benannten Thermen, das größte Neubauprojekt während der Zeit der Tetrarchen. Sie werden nicht allein von der Stadtchronik als ther­ mae Diocletianae bezeichnet, sondern auch bei Hier. chron. z.J. 302 und in den Regionenverzeichnissen. Letztere ordnen sie bei den Bauwerken im Nordosten der Stadt (Regio VI, Alta Semita) ein, unter denen sich auch die castra praetoria befanden.976 972 Kienast 2017, 262; Bauer 2012, 41 f.; Kuhoff 2001, 146 f. mit Anm. 403, 594; Richardson NTDAR, 27. Dagegen ist Kolb (1987, 181 f.) der Ansicht, der Bogen sei erst im Jahr 297 erbaut worden, um die quinquennalia der Caesares Constantius und Galerius sowie die Rückeroberung Britanniens zu feiern. Die These, er sei für den Triumph des Jahres 303 errichtet worden (Enßlin, RE 7 A, 1948, Sp. 2488), gilt als widerlegt. 973 Bauer 2012, 43. 974 Die beiden Tempel sind bei Regio IX eingeordnet; s. Nordh 1949, 88. 975 Bauer 2012, 43–46. 976 Nordh 1949, 81.

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Der Text der erhaltenen Bauinschrift besagt unter anderem, der Augustus Maximian, der von Africa nach Rom gekommen sei, habe angeordnet, die Thermen zu errichten und sie auf den Namen seines „Bruders“ Diokletian zu weihen.977 Des Weiteren geht aus der Inschrift hervor, dass die Thermen zwischen 299 und 305/306 erbaut wurden. Folglich konnte man sie erst fertigstellen, nachdem die beiden Augusti Diokletian und Maximian bereits abgedankt hatten. Aber wenn man die Monumentalität des Badepalastes, dessen Grundfläche jene der Caracallathermen übertraf, sowie seine luxuriöse Ausstattung berücksichtigt, dann war die Bauzeit erstaunlich kurz. Ein beträchtlicher Teil der Bausubstanz der Thermen ist bis heute erhalten, da diese im 16. Jh. zu zwei Kirchen und einem Kloster umgebaut wurden. Aus Anlass der Vicennalienfeier Diokletians und Maximians im Jahre 303 wurden auf dem Forum Romanum zwei Fünfsäulenmonumente errichtet, die das Aussehen des Platzes erheblich veränderten, da er nun deutlich vom Regierungssystem der Tetrarchie geprägt war.978 Diese bedeutende Baumaßnahme fehlt in der Liste der Stadtchronik. Eine mögliche Erklärung dafür liefert A. Scheithauer, die sich intensiv mit der Frage beschäftigt hat, welche Resonanz die kaiserliche Bautätigkeit in der antiken Literatur fand. Sie stellt unter anderem fest, dass jene Monumente, die primär der Selbstdarstellung der jeweiligen Kaiser dienen sollten, meist wenig Anerkennung in den literarischen Quellen fanden.979 sparserunt in circo aureos et argenteos. partectorum podius ruit et oppressit homines XIII; et mulier nomine Irene peperit pueros tres et puellam. Regem Persarum cum omnibus gentibus et tunicas eorum ex margaritis numero XXXII circa templa domini980 posuerunt. elephantes XIII, agitatores VI, equos CCL in urbem adduxerunt. Die Textstelle bezieht sich auf die mit einem Triumphzug verbundene Vicennalienfeier der Augusti Diokletian und Maximian im November 303.981 Andere literarische Quellen fassen sich bei ihren Nachrichten über dieses Ereignis noch kürzer als die Stadtchronik; meist beschränken sie sich auf eine knappe Beschreibung des Triumphzuges, der zweifellos als Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten galt. 977 CIL VI, 1130 = ILS, Dessau 646. Zur Interpretation der Inschrift und zu den weiteren Angaben über die Diokletiansthermen s. Bauer 2012, 46–57; vgl. Richardson NTDAR, 391–393. 978 Bauer 2012, 57–65. 979 Scheithauer 2000, 216–218. 980 Die Worte templa domini posuerunt werden hier übersetzt mit „die Gebieter stellten zur Schau“. Im 3. Jh. war es üblich geworden, den Kaiser als dominus noster zu bezeichnen; s. Demandt 2007, 260. Mommsen bezog domini zunächst auf templa und interpretierte dies als „Zusatz eines christlichen Copisten“ (Mommsen 1850, 655 Anm. 114). 1892 räumte er ein, domini könne auch als Nominativ Plural von dominus gelesen werden (Mommsen 1892, 148 Anm. zu Z. 27). Burgess entscheidet sich für keine der beiden möglichen Lesarten (Burgess 2014, 156); hingegen verstehen Nickbakht/ Stein domini ebenfalls als Titel der beiden Augusti (Nickbakht/Stein 2017, 129). 981 So auch Bauer 2012, 65; Kuhoff 2001, 234 mit Anm. 638; Enßlin, RE 7 A (1948) 2487 f. Datierung der Feier auf den 20. November 303: Kienast 2017, 258, 263; Kuhoff 2001, 230, 244. Datierung bei Kolb 1987, 122: „zwischen dem 20. November und dem 13. Dezember“ des Jahres 303.

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Aur. Vict. 39,48 streift das Regierungsjubiläum nur knapp, um auf die bald danach erfolgte Abdankung hinzuweisen: (Valerius) celebrato regni vicesimo anno valentior cu­ ram reipublicae abiecit. Andere Autoren berichten, neben der sonstigen Kriegsbeute seien die Frauen, Schwestern und Kinder des persischen Großkönigs Narses beim Triumphzug mitgeführt worden: Eutr. 9,27,2: post triumphum inclitum, quem Romae ex numerosis gentibus egerant, pom­ pa ferculorum inlustri, qua Narsei coniuges sororesque et liberi ante currum ducti sunt. Hier. chron. z.J. 304 n. Chr.: Diocletianus et Maximianus Augusti insigni pompa Romae triumpharunt antecedentibus currum eorum Narsei coniuge sororibus liberis et omni prae­ da, qua Parthos spoliaverant. Auch Iordanes (Rom. 302) geht auf den nach dem Sieg über die Perser veranstalteten Triumphzug ein: post quam victoriam mirabiliter Dioclitianus et Maximianus Romae triumphaverunt antecedentibus sibi liberis uxoribusque regis Persarum praedaque illa in­ genti gentium diversarum. Die Chronik des Zonaras bietet widersprüchliche Angaben: Laut Zon. 12,32 (S. 618, Z. 16–18) wurde die persische Königsfamilie beim Triumph zur Schau gestellt, doch zuvor heißt es bei Zon. 12,31 (S. 617, Z. 2), sie habe nach dem Friedensvertrag wieder an den Königshof zurückkehren dürfen. Offenkundig bestätigt keine der Vergleichsquellen die Angabe der Stadtchronik, der persische König selbst sei als Gefangener mitgeführt worden. Allerdings enthält der Bericht des Aurelius Victor über den Krieg gegen die Perser die Falschnachricht, Narses sei nach dem Sieg des Galerius in Gefangenschaft geraten (Aur. Vict. 39,35); vermutlich deshalb nimmt Burgess an, der überlieferte Text der Stadtchronik weise eine Lücke auf, und fügt nach omnibus gentibus als Ergänzung ein.982 Dieser Vorschlag ist nicht zwingend: Wahrscheinlich wurden bei dem Triumphzug Abbildungen des persischen Königs und seiner Familie mitgeführt, oder man ließ kostümierte Statisten diese Rollen spielen.983 Denn nach heutigem Forschungsstand gilt die folgende Chronologie als gesichert: Dem 293 zum Caesar erhobenen Galerius, Befehlshaber einer der beiden römischen Armeen im Krieg gegen die Perser, gelang es 297 oder 298, bei Satala das persische Lager einzunehmen und reiche Beute zu machen. Die Frauen, Schwestern und Kinder des Großkönigs gerieten in Gefangenschaft.984 Aber noch im Jahr 298 wurde zwischen Rom und Persien ein Friedensvertrag ausgehandelt. Kurze Zeit danach, keinesfalls erst fünf Jahre später, wurde die zentrale Forderung des persischen Königs, ihm seine Familien-

982 Burgess 2014, 156. Zur Fehlinformation durch Aur. Vict. 39,35: Kuhoff 2001, 175. 983 Dies vermuten auch Kuhoff (2001, 179 Anm. 490, 244) und Enßlin (RE 7 A, 1948, Sp. 2488); lediglich auf den König bezogen: Bauer 2012, 67. 984 Aur. Vict. 39,35; Eutr. 9,25; Fest. Brev. 25,3; Hier. chron. z.J. 302; Oros. hist. 7,25,11; Iord. Rom. 301; Zon. 12,31 (S. 616, Z. 19).

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angehörigen zurückzugeben, erfüllt.985 Folglich können sie nicht im Jahr 303 in Rom als Kriegstrophäen vorgezeigt worden sein und die oben zitierten Berichte müssen auf einem Irrtum beruhen. Die Stadtchronik hebt insbesondere hervor, man habe, offenbar nach dem Triumphzug, 32 perlenbestickte Prachtgewänder der persischen Königsfamilie bei den Tempeln zur Schau gestellt. Dass es dem Chronisten anscheinend vor allem um dieses lediglich auf Textilien bezogene Detail ging, spricht zusätzlich für die These, dass es sich nicht um die reale persische Königsfamilie handelte. Die bei der Eroberung des Perserlagers erbeuteten wertvollen Gewänder könnten während des Triumphzuges von Schauspielern getragen worden sein; danach wurden die Kleidungsstücke wohl an Holzgestellen befestigt und ausgestellt. Wahrscheinlich galt der Triumph nicht allein dem großen militärischen Erfolg gegen die Perser, sondern allen von den beiden Augusti bis zum Jahr 303 errungenen Siegen.986 Nach dem Triumph dürfte man die als Beute mitgeführten 250 Pferde bei den Spielen im circus maximus eingesetzt haben, die ebenfalls Teil der Jubiläumsfeiern waren. Laut Stadtchronik ließen die Augusti offenbar im Rahmen dieser Darbietungen aurei und argentei verteilen, vermutlich als congiarium (s. o. S. 328). Seit ca. 274 n. Chr. hatte sich die Inflation beschleunigt; um sie zu stoppen, hatte Diokletian eine Währungsreform987 durchgeführt, bei der eine neue Silbermünze geprägt wurde, der De­ narius argenteus, für den die Kurzbezeichnung argenteus üblich wurde. Sein Gewicht entsprach dem neronischen Denargewicht von 1/96 des römischen Pfundes, aber sein Wert wurde ab dem Jahr 301 auf 100 alte Denare festgesetzt. 24 argentei hatten den Wert eines aureus. Bei den Goldmünzen, die anlässlich der Vicennalienfeier verteilt wurden, handelte es sich wahrscheinlich um jene in Aquileia geprägten aurei und Halb-aurei, die als Reverslegende die Aufschrift SIC XX SIC XXX und die Umschrift GAUDETE ROMANI tragen.988 Die Stadtchronik scheint einen Zusammenhang herstellen zu wollen zwischen der Verteilung des Geldes und einem katastrophalen Unglück, bei dem angeblich 13 000 Menschen ums Leben kamen: Beide Ereignisse fanden im circus maximus statt und unmittelbar nach der Erwähnung der Geldspende folgen die Angaben über die Unglücksursache und die Zahl der Opfer. Tatsächlich kann man sich gut vorstellen, dass ein außergewöhnlich großer Massenandrang herrschte, als die wertvollen Münzen verteilt wurden. Der circus maximus bot Schätzungen zufolge Platz für ca. 150000 Zuschauer, aber die Zahl der Empfangsberechtigten bei einem congiarium lag damals ver-

985 Zum Sieg des Galerius sowie zum Friedensvertrag und zur Rückgabe der Gefangenen: Kuhoff 2001, 174–179. Belege dafür, dass die Familie des Narses nicht nach Rom verbracht wurde, bieten unter anderem Zon. 12,31 (S. 617, Z. 2) und Ioh. Mal. 12,39. 986 Vgl. Kuhoff 2001, 244; Bauer 2012, 67. 987 Zu Diokletians Münzreform: Kuhoff 2001, 530–535; Strobel 2002, 144 f.; Ehling 2008, 859 f. 988 RIC 6 (1973) S. 312, Nr. 14a–15; Kuhoff 2001, 236; Bauer 2012, 67.

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mutlich bei ca. 200000.989 Wahrscheinlich lastete auf jenen Tribünenteilen, die dem Ansturm am meisten ausgesetzt waren, ein so hohes Gewicht, dass sie einstürzten. Ungefähr 150 Jahre vorher, zur Zeit des Antoninus Pius, war eine überlastete Säule zusammengebrochen; dieses Unglück hatte laut Stadtchronik 1112 Opfer gefordert. In beiden Fällen ist sie die einzige Quelle für die Unglücksursache. Sie verwendet dabei das Wort partecta, das sonst nirgends vorkommt, aber auf eine Stützkonstruktion hindeutet (s. o. S. 201 f.). Daher kann man partectorum podius ruit mit „eine Stützmauer brach zusammen“ übersetzen.990 Unmittelbar anschließend an diesen Katastrophenbericht folgt die Mitteilung, eine Frau namens Irene habe Vierlinge geboren, drei Knaben und ein Mädchen. Dieses außerordentlich seltene Ereignis ist das letzte Beispiel für die Kuriositäten, welche der Verfasser der Stadtchronik gelegentlich in seinen Text einstreut (vgl. S. 206 und 265). Ein logischer Zusammenhang der Vierlingsgeburt mit dem Unglück im circus maximus ist nicht erkennbar; vordergründig wäre eine rein zeitliche Koinzidenz denkbar. Allerdings war in der römischen Tradition der Glaube an prodigia fest verankert: Die Geburt von Vierlingen wurde als böses Zeichen oder Vorzeichen aufgefasst, da das Ereignis unnatürlich und den Zorn der Götter verkündend zu sein schien. So deutete Plinius d. Ä. eine Vierlingsgeburt als Vorzeichen auf eine Hungersnot, die bald darauf ausbrach (Plin. nat. 7,33). Der Verfasser der Stadtchronik knüpft hier zwar ein weiteres Mal an die Tradition der Prodigienberichte an, aber möglicherweise nicht primär im Sinne eines Vorzeichens, denn über den katastrophalen Einsturz des circus maximus informiert er im vorhergehenden Satz. Der anschließende Bericht über die Vierlingsgeburt sollte vielleicht sicherstellen, dass der Leser auch den Gebäudeeinsturz als Hinweis auf den Zorn der Götter auffasste. Zusätzlich ist auch eine Deutung als Vorzeichen möglich; dazu und zu weiteren prodigia s. u. S. 368 f. excessit Diocletianus Salonas, Maximianus in Gallia. Die im Folgenden zitierten Parallelquellen stimmen darin überein, dass Diokletian in seinem Palast bei Salona gestorben sei: Eutr. 9,28: Diocletianus privatus in villa, quae haud procul a Salonis est, praeclaro otio senuit […] Contigit igitur ei, quod nulli post natos homines, ut cum privatus obisset, inter Divos tamen referretur. Hier. chron. z.J. 316: Diocletianus haut procul a Salonis in villae suae Palatio moritur. Prosp. Epit. chron. z. J. 315: Diocletianus haut procul a Salona in villa sua Spalato moritur.

989 Zuschauerzahl nach Nielsen, Circus, in: DNP 2 (1997) 1212. Zur Zeit des Septimius Severus hatten laut Cass. Dio 67,1,1 ca. 200000 Bürger das Recht auf ein congiarium. 990 Laut Georges Hwb Bd. 2, Sp. 1749 kann podius (als Nebenform zu podium) bedeuten: ein „fortlaufendes Postament als Untersatz für Säulen“ oder ein „terrassenartig auf der den Zirkus […] umgebenden Mauer sich erhebender […] Vorsprung.“ Auch Kolb (2002, 604) bezieht partectorum podius auf eine Mauer, meint aber, sie sei „hinter den obersten Sitzreihen“ zu lokalisieren.

4.3 Die Caesaren: Constantius et Maximianus

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Epit. de Caes. 39,5–7: Diocletianus […] in propriis agris consenuit […] Salonae […]. Morte consumptus est, ut satis patuit, per formidinem voluntaria. […] venenum dicitur hausisse. Cons. Const. z.J. 316 n. Chr.: his conss. diem functus Diocletianus Salona III Non. Dec. Über Maximian wird berichtet, er sei in Massilia gestorben: Lact. mort. pers. 29,7; 30,6: occupaverat Massiliam […] vitam […] finivit. Eutr. 10,3,2: profugit Herculius Massiliaeque oppressus […] poenas dedit iustissimo exitu. Hier. chron. z.J. 308 n. Chr.: Herculius Maximianus […] Massiliae fugiens occiditur. Epit. de Caes. 40,5: Maximianus Herculius a Constantino apud Massiliam obsessus, deinde captus, poenas dedit mortis genere postremo. In der Forschung wird nicht bezweifelt, dass Diokletian in seinem Palast in Spalato (h. Split) bei seinem vermutlichen Heimatort991 Salona starb und dass Maximian in Marseille den Tod fand. Noch immer kontrovers diskutiert wird jedoch die jeweilige Todesursache: Starb Diokletian an einer Krankheit oder durch Selbstmord? Beging Maximian Selbstmord oder wurde er im Auftrag Constantins ermordet?992 Fazit Die Ortsangabe der Stadtchronik ist hinsichtlich Diokletian korrekt, aber in Bezug auf Maximian ungenau. Auch ist die Formulierung excessit, die auf einen natürlichen Tod hinweist, zumindest im Falle des Maximian fragwürdig. 4.3.46 Constantius et Maximianus Andere literarische Quellen verwenden in der Regel ebenfalls den Namen Constantius (Beispiele: Lact. mort. pers. 8,7; 15,6–7; 18,10; Aur. Vict. 39,30; 40,11; Eutr. 9,22; 10,1; Hier. chron. z.d.J. 290, 291, 306), einige auch Maximianus (Beispiele: Lact. mort. pers. 19,2; 20,1; Cons. Const. z.d.J. 306 und 311). Statt Maximianus erscheint häufig die Bezeichnung Galerius Maximianus (z. B. Aur. Vict. 39,24; Eutr. 9,24; Hier. chron. z.d.J. 290, 301, 306) oder Galerius (z. B. Eutr. 9,22,1; 10,1; Aur. Vict. 39,30; Hier. chron. z.d.J. 290–292). Heute werden die beiden Kaiser üblicherweise „Constantius I.“ und „Galerius“ genannt. Im Frühjahr 293 wurden C. (oder M.) Flavius Constantius und C. Galerius Maximia­ nus von den regierenden Augusti zu Caesares erhoben, wodurch die Erste Tetrarchie geschaffen wurde. Damals nahmen beide Caesares als zweites Gentiliz Valerius an, da 991 Kuhoff 2001, 20 mit Anm. 17. 992 Zu diesen Fragen s. Kuhoff 2001, 848–853, 933 f.; Kienast 2017, 258, 263.

336

B) 4. Item imperia caesarum

Constantius von (Valerius) Maximianus und Galerius von (Valerius) Diocletianus adoptiert wurde. Constantius übernahm von seinem Adoptivvater den zusätzlichen Beinamen Herculius, Galerius von dem seinen den Beinamen Iovius. Aur. Vict. 39,24 zufolge war das ursprüngliche Gentiliz des Constantius Iulius; Galerius habe man ehemals den Beinamen Armentarius (=  Viehhirte) gegeben. Laut Lact. mort. pers. 18,13 lautete das ursprüngliche Cognomen des Galerius Maximinus; Diokletian habe es in Maximianus umgeändert, um seinen Mitkaiser zu ehren. Als Maximianus senior und Diokletian am 1. Mai 305 abdankten, ernannten sie Constantius und Galerius zu den neuen Augusti, die sich nun Imperator Caesar C. (oder M.) Flavius Valerius Constanti­ us Augustus und Imperator Caesar Galerius Valerius Maximianus P. F. Invictus Augustus nannten. Der Beiname Chlorus (Χλωρός = der Bleiche) für Constantius ist erst seit dem 6. Jh. bezeugt. Sowohl Constantius I. als auch Galerius wurden bald nach ihrem Tod divinisiert, aber keinen von beiden nennt die Stadtchronik Divus.993 imp(eraverunt) ann(os) XVI m(enses) VIII d(ies) XII. Nur wenige Vergleichsquellen geben Auskunft darüber, wie lange Constantius und Galerius regierten: Aur. Vict. 40,11: Nachdem Constantius und Galerius 13 Jahre lang Caesares gewesen seien, habe Galerius 5 Jahre und Constantius 1 Jahr lang geherrscht. Eutr. 10,1,3: Constantius sei im 13. Regierungsjahr gestorben. Hier. chron. z.J. 306 n. Chr.: Constantius sei im 16. Regierungsjahr gestorben. Origo Const. III 8: Galerius habe 19 Jahre lang regiert. Malalas bietet verworrene Angaben: Nach der Abdankung des Maximianus habe Maxentius, der auch Galerius geheißen habe, 3  Jahre lang regiert (Ioh. Mal. 12,47,1); danach Constantius Chlorus 13 Jahre lang (Ioh. Mal. 12,48,1). Burgess kommentiert die unterschiedlichen Quellenangaben wie folgt:994 Die von Hieronymus genannte Zahl XVI sei wahrscheinlich auf einen Kopistenfehler zurückzuführen (XVI statt der von Eutrop genannten XIII Jahre). Dies erscheint plausibel, da die Zahl „13“ in Bezug auf Constantius mehrfach auftaucht. Der von der Stadtchronik angegebenen Zahl XVI Jahre, so Burgess weiter, liege möglicherweise derselbe Fehler eines Kopisten zugrunde. Mit Sicherheit hätte für Constantius und Galerius nicht dieselbe Regierungsdauer angegeben werden dürfen, da Constantius fast 5 Jahre früher starb als Galerius. Burgess nimmt an, Constantius habe vom 1. März 293 bis zum 25. Juli 306 regiert (= 13 Jahre, 4 Monate und 24/25 Tage), Galerius vom 1. März 293 bis Ende

993 Zu den Namen und Titeln: Kienast 2017, 269 f., 272–274; M. Heil, PIR2 8,2 (2015) V 126 (Galerius) 62–72; Kuhoff 2001, 114–123, 299–305, 802, 883 f.; Enßlin, Maximianus Nr. 2 (Galerius), in: RE 14,2 (1930) 2516–2528; Stein, PIR2 3 (1943) F 390 (Constantius) 176 f.; Seeck, Constantius Nr. 1, in: RE 4,1 (1900) 1040–1043. 994 Burgess 2014, 85.

4.3 Die Caesaren: Constantius et Maximianus

337

April/Anfang Mai 311 (= 18 Jahre und 2 Monate). In beiden Fällen handelt es sich um die jeweilige Gesamt-Regierungsdauer als Caesar und als Augustus. Als gesichert gilt, dass Constantius am 1. März 293 zum Caesar erhoben wurde, dass er ebenso wie Galerius am 1. Mai 305 zum Augustus erhoben wurde und am 25. Juli 306 starb; die Erhebung des Galerius zum Caesar datieren Kuhoff und Kienast anders als Burgess auf den 21. Mai 293.995 Fazit: Ab der Erhebung zum Caesar regierte Constantius insgesamt 13 Jahre, 4 Monate und 24/25 Tage; Galerius insgesamt knapp 18 Jahre. Die Stadtchronik überliefert fälschlich, beide hätten gleich lange regiert: Diese Angabe ist bezüglich Constantius mehr als 3 Jahre zu lang, in Bezug auf Galerius etwa 1 Jahr und 4 Monate zu kurz. Möglicherweise lässt sich der Fehler hinsichtlich Constantius z. T. damit erklären, dass sich der Verfasser der Stadtchronik wie Hieronymus an einer Quelle orientierte, die XIII Jahre überlieferte, aus denen durch einen Kopistenfehler XVI Jahre wurden. cong(iarium) ded(erunt) bis X ∞ D. Silbermünzen bestätigen, dass Constantius I. und Galerius während jener  Jahre, in denen sie noch Caesares waren, congiaria verteilen ließen: a) ein 295 in Trier geprägter Antoninian mit der Averslegende CONSTANTIUS NOB. C. und der Reverslegende AUSPIC FEL. (RIC 5/2, 1933, Constantius I Nr. 649); b) ein ebenfalls 295 in Trier geprägter Antoninian mit der Averslegende MAXIMI­ ANUS NOB. C. und der Reverslegende AUSPIC FEL. (RIC 5/2, 1933, Galerius Maximianus Nr. 693). Wie bei den für Diokletian und Maximian geprägten Münzen erscheint in den Münzlegenden anstelle des Wortes LIBERALITAS die Abkürzung von AUSPICIIS FELICI­ BUS sowie die Personifizierung der liberalitas mit tessera und caduceus. Aus dem Zeitraum, in dem Constantius und Galerius als Augusti herrschten, sind keine Münzen erhalten, die ein von ihnen gewährtes congiarium belegen.996 Die Stadtchronik überliefert als einzige Quelle, wie hoch die von Constantius I. und Galerius gewährte Spendensumme war. Diese erscheint extrem hoch, verglichen damit, dass Diokletian und Maximian länger regiert, aber nur ungefähr halb soviel gespendet hatten. Maßgeblich für die hohe Summe dürfte die im  Jahr 301 von Diokletian verordnete massive Abwertung des alten Denars gewesen sein; s. o. S. 333. Die von der Stadtchronik erwähnte

995 Kienast 2017, 257, 262, 269, 272 f.; Kuhoff 2001, 112, 317 Anm. 821. Kuhoff hält allerdings für möglich, dass Galerius schon zwischen dem 1. und 10. Mai 293 zum Caesar erhoben wurde. Den Tod des Galerius datiert Kuhoff (a. a. O. 877) auf Ende April, Kienast (a. a. O. 273) auf Anfang Mai 311. 996 Vgl. Barbieri 1957, 873.

338

B) 4. Item imperia caesarum

zweite Spende über 1500 (alte) Denare könnte gewährt worden sein, als Constantius und Galerius am 1. Mai 305 zu Augusti aufstiegen. Constantius excessit in Gallia, Maximianus in Dardania. Die Formulierung exces­ sit weist auf einen natürlichen Tod hin. Das steht im Einklang mit der historischen Forschung: Als gesichert gilt, dass beide Kaiser an Krankheiten starben.997 Den Sterbeort des Galerius gibt die Stadtchronik annähernd richtig an, nicht aber jenen des Constantius, denn dieser starb in Eboracum (h. York) in Britannien. Die vage Ortsangabe in Gallia lässt sich vermutlich wie folgt erklären: Der Verantwortungsbereich des Constantius war die westliche Reichshälfte mit den Diözesen Britanniae, Galliae und Hispaniae; zur Zeit Constantins, als die Stadtchronik verfasst wurde, gehörten diese Gebiete zur praefectura Galliae.998 Die Ortsangaben der wichtigsten Vergleichsquellen: Eutr. 10,1,3: Constantius […] obiit in Britannia Eboraci. Hier. chron. z.J. 306 n. Chr.: Constantius […] diem obiit in Britannia Eboraci. Origo Const. II 4: Constantius pater Eboraci mortuus est; Origo Const. III 6: post­ quam vero Constantius in Britannia mortuus est […] Aur. Vict. 40,9: Galerius […] Italia decessit; pauloque post vulnere pestilenti con­ sumptus est […] apud Pannonios. Epit. de Caes. 40,16: Galerius […] ortus Dacia Ripensi ibique sepultus est; quem locum Romulianum ex vocabulo Romulae matris appellerat. Wie die Epitome de Caesaribus überliefert, stammte Galerius aus der Provinz Dacia Ripensis, aus einem Ort nicht allzu weit entfernt von Ulpia Serdica,999 den er später nach dem Namen seiner Mutter Romula in Romulianum umbenannte. Dort ließ er eine monumentale Residenz als Altersruhesitz errichten. In diesem Palast erlag er seiner Krankheit; unweit der Anlage liegt er begraben.1000 Die Ortsangabe der Stadtchronik

997 Zu den Todesursachen und Sterbeorten: Kienast 2017, 269, 273; Kuhoff 2001, 121, 761, 794 f., 871 f., 877 f. Constantius starb möglicherweise an Leukämie; darauf deutet sein Beiname Chlorus (Χλωρός = der Bleiche) hin, den Cedrenus (469,21) und Zonaras (12,31; S. 615, Z. 3) überliefern; vgl. König, Origo Constantini, Trier 1987, 76 f. Nach Auskunft der folgenden Quellen starb Galerius an einem Unterleibsgeschwür: Lact. mort. pers. 33; Epit. de Caes. 40,4; Origo Const. III 8; Oros. hist. 7,28,11–13. 998 Kienast 2017, 269; Kuhoff 2001, 124 f., 321. Karte: E. Olshausen, Die Provinzialverwaltung des Römischen Reichs im 4. Jh. n. Chr., in: Historischer Atlas der antiken Welt, DNP Suppl. Bd. 3 (2007) 224 f. 999 Eutr. 9,22,1: Maximianus Galerius in Dacia haud longe a Serdica natus. Das antike (Ulpia) Serdica war von Aurelian zur Hauptstadt der Provinz Dacia Ripensis erhoben worden; heute befindet sich hier die bulgarische Hauptstadt Sofia; s. I. v.Bredow, Serdica, in: DNP 11 (2001) 449 f. 1000 Der Ort heißt heute Gamzigrad und liegt im ostserbischen Bezirk Zaječar; bei Ausgrabungen fand man 1984 eine Inschrift mit den Worten Felix Romuliana; s. dazu Kuhoff 2001, 121, 761, 779–781.

4.3 Die Caesaren: Severus

339

hinsichtlich Galerius ist nicht völlig korrekt: Dardania gehörte zwar ebenfalls zur Dio­ ecesis Moesiae, war aber die südlich gelegene Nachbarprovinz von Dacia Ripensis.1001 4.3.47 Severus Andere literarische Quellen nennen ihn in der Regel ebenfalls Severus. Beispiele: Lact. mort. pers. 18,12; 26,5; 26,8; Aur. Vict. 40,1; Eutr. 10,2; Hier. chron. z.J. 306; Epit. de Caes. 40,1; Oros. hist. 7,25,16. Er stammte aus Illyricum und war nicht verwandt mit Kaiser Septimius Severus, der aus der Provinz Africa stammte. Als er im Mai 305 zum Caesar erhoben wurde, nahm er das allen Tetrarchen gemeinsame nomen gentile „Valerius“ an; zusätzlich auch „Flavius“, den Gentilnamen seines Adoptivvaters Flavius Constantius. Sein Kaisername lautete daher Flavius Valerius Severus. Nach dem Tod des Constantius wurde er von Galerius zum neuen Augustus des Westens erhoben. Heute nennt man ihn üblicherweise „Severus“, bisweilen auch „Severus II.“1002 imp(eravit) ann(os) III m(enses) IIII d(ies) XV. Die Regierungsdauer des Severus wird nur durch die Stadtchronik überliefert. Als gesichert gilt, dass er am 1. Mai 305 zum Caesar (Lact. mort. pers. 19,1) und, nach dem Tod des Constantius, im August 306 zum Augustus (Lact. mort. pers. 25,5) erhoben wurde. Er scheiterte vor den Toren Roms beim Versuch, den Usurpator Maxentius auszuschalten, musste sich mit Resten seines Heeres nach Ravenna zurückziehen und dort abdanken (Lact. mort. pers. 26,8–10). In der neueren Forschung wird die Abdankung auf März/April 307 datiert.1003 Demnach war er nur 1 Jahr und 10/11 Monate lang Kaiser; die Angabe der Stadtchronik ist also um ca. 1 ½ Jahre zu lang. Hinsichtlich seines Todesdatums gibt es unterschiedliche Ansichten: Kienast nennt den 16. September 307.1004 Als Beleg verweist er auf die Zahlen der Stadtchronik, wobei er bezüglich der Zahl der  Jahre offenbar einen Kopistenfehler unterstellt (als Herrschaftsdauer wären II, nicht III, Jahre anzugeben). Burgess hält Kienasts Datierung für unzureichend begründet;1005 meines Erachtens zu Recht. Einige Autoren, denen sich auch Kuhoff anzuschließen scheint, sind der Meinung, man könne den Todestag des Severus nicht genauer datieren als auf „Sommer 307“; allerdings wird Severus in ägyptischen Papyri noch am 24. September 307 als Kaiser genannt.1006 1001 J. Burian, Dardani, in: DNP 3 (1997) 317 f.; Karte wie in Anm. 998. 1002 Zu Namen, Herkunft und Titeln des Severus: Kienast 2017, 278; Bleckmann, Valerius II 31, in: DNP 12,1 (2002) 1112; Kuhoff 2001, 313, 321, 795; Jones /Martindale, Severus Nr. 30, in: PLRE 1 (1971) 837 f.; Seeck, Severus Nr. 15, in: RE 2 A2 (1923) 2002 f. 1003 Kienast 2017, 278; Burgess 2014, 86. 1004 Kienast ebd. (= ders. 1996, 290). 1005 Burgess 2014, 86. 1006 Kuhoff 2001, 814, Anm. 1594.

340

B) 4. Item imperia caesarum

ipse se interfecit via Latina miliario III. In den Vergleichsquellen findet man unterschiedliche Aussagen sowohl über den Ort, an dem Severus starb, als auch über die Todesart: Lact. mort. pers. 26,9–11: Ravennam confugit […] dedidit se ipse […] venis eius inci­ sis leniter mori coactus est. Aur. Vict. 40,7: fugiens obsessusque Ravennae obiit. Eutr. 10,2,4: Severus fugiens Ravennae interfectus est. Hier. chron. z.J. 307 n. Chr.: Severus Caesar […] Ravennae interficitur. Epit. de Caes. 40,3: Severus Caesar […] Romae ad Tres Tabernas exstinguitur, fun­ usque eius Gallieni sepulcro infertur, quod ex urbe abest per Appiam milibus novem. Auch Zos. 2,10,2 überliefert, Severus sei in dem Tres Tabernae genannten Ort bei Rom getötet worden. Origo Const. IV 10: Herculius, qui per peiurium Severum deceptum custodiae tradidit et captivi habitu in urbem perduxit et in villa publica Appiae viae tricentesimo miliario custodiri fecit. Postea cum Galerius Italiam peteret, ille iugulatus est et deinde relatus ad octavum miliarium conditusque in Gallieni monumento. Cons. Const. z.J. 307 n. Chr.: occisus Severus Romae. Aufgrund der besonders detaillierten Berichte und der Übereinstimmungen von Origo Constantini, Epitome de Caesaribus und Zosimos hält die neuere Forschung den folgenden Geschehensablauf für wahrscheinlich:1007 Im Herbst 306 war Maxentius, des Sohn des senior Augustus Maximianus, in Rom zum Kaiser ausgerufen worden, nachdem man dort erfahren hatte, dass Galerius und Severus planten, die Steuerprivilegien der Hauptstadt abzuschaffen und die Zahl der Prätorianer zu reduzieren. Maximian kehrte von seinem Altersruhesitz nach Rom zurück, um seinen Sohn zu unterstützen. Nachdem der Großteil seiner Truppen zu Maximianus übergelaufen war, floh Severus nach Ravenna, wo er sich aber dem senior Augustus ergeben und abdanken musste. Er wurde zurück nach Rom gebracht und eine Zeitlang in einer Villa in Tres Tabernae in Haft gehalten. Dieser Ort lag dreißig Meilen südlich von Rom an der via Appia, in der Nähe der heutigen Stadt Cisterna di Latina. Entgegen den ihm gemachten Zusicherungen wurde Severus ermordet, als Galerius mit seinem Heer auf Rom zumarschierte. Die Mörder waren Soldaten, die vermutlich im Auftrag des Maxentius handelten. Die von Lactantius überlieferte Version, man habe Severus (in Ravenna) einen leichten Tod durch Selbstmord ermöglicht, bezeichnet Kuhoff als „eine Variante zur teilweisen Entlastung der Sieger“ (Kuhoff 2001, 814).

1007 Kuhoff 2001, 806–815 mit Anm. 1594; vgl. Burgess 2014, 184; Bleckmann, Valerius II 31, in: DNP 12,1 (2002) 1112; Severus Nr. 30, in: PLRE 1 (1971) 838; Seeck, Severus Nr. 15, in: RE 2 A2 (1923) 2003.

4.3 Die Caesaren: Maxentius

341

Fazit Die Stadtchronik berichtet zwar zutreffend, Severus sei südlich von Rom und nicht, wie andere Quellen behaupten, in Ravenna gestorben, aber Severus kam nicht an der via Latina miliario III ums Leben, sondern dreißig Meilen entfernt von Rom an der via Appia.1008 Auch tötete er sich höchstwahrscheinlich nicht selbst, sondern er wurde ermordet. Der Verfasser der Stadtchronik übernimmt offensichtlich die Version vom Selbstmord, die von Autoren wie Lactantius verbreitet wurde; allerdings hatte dieser das Ende des Severus fälschlich nach Ravenna verlegt. 4.3.48 Maxentius Andere literarische Quellen nennen ihn ebenfalls Maxentius (Beispiele: Lact. mort. pers. 26; Aur. Vict. 40,5; Hier. chron. z.J. 312; Epit. de Caes. 40,2), bisweilen ergänzt durch den Hinweis Herculii (Maximiani) filius (Eutr. 10,2,3; Origo Const. III 6; Hier. chron. z.J. 312). Er war Sohn des M. Aurelius Valerius Maximianus Herculius und wurde Schwiegersohn des Galerius. Vor seiner Akklamation als Kaiser nannte er sich M. Valerius Maxentius, danach wählte er zunächst den an Augustus anknüpfenden Titel Princeps invictus. Nach der erzwungenen Abdankung des Severus März/April 307 nahm er den Titel Augustus an und nannte sich M. Aurelius Valerius Maxentius P. F. Invictus Augustus, ab Mitte 310 nach der Konsekration seines Vaters auch filius divi Maximiani.1009 imp(eravit) ann(os) VI. Diese Angabe ist richtig und präziser als der polemische Bericht des Aurelius Victor, dem zufolge Maxentius „im sechsten Jahr seiner Tyrannei“ getötet worden sei (interceptus est tyrannidis anno sexto, Aur. Vict. 40,23). In der Forschung besteht Konsens darüber, dass Maxentius vom 28. Oktober 306 bis zum 28. Oktober 312, also genau sechs  Jahre lang, als Kaiser über Mittel- und Süditalien sowie die Diözese Africa herrschte, jedoch von den anderen Herrschern der 3. und 4. Tetrarchie (Galerius, Severus, Constantin, Maximinus Daia, Licinius) nicht anerkannt wurde. 1010 Am 28. Oktober 306 hatten ihn die Prätorianer in Rom zum Kaiser ausgerufen (s. o. S. 340); am 28. Oktober 312 wurde er in der Schlacht an der Milvischen Brücke

1008 Die via Latina und die via Appia waren seit dem 4. Jh. v. Chr. die beiden wichtigsten Verkehrswege von Rom in Richtung Süden. Beide Straßen verlaufen anfangs ungefähr parallel; die via Appia war die jüngere der beiden Straßen und in Küstennähe gebaut worden. Vgl. M. Rathmann, Via Latina, in: DNP 12,2 (2002) 162 f. 1009 Zu den Namen und Titeln des Maxentius: Kienast 2017, 279; Jones/Martindale, Maxentius Nr. 5, in: PLRE 1 (1971) 571; Groag, Maxentius, in: RE 14,2 (1930) 2417–2484. 1010 Kienast ebd.; Kuhoff 2001, 804, 882, 908; Bleckmann, Maxentius, in: DNP 7 (1999) 1065–1067; Groag, a. a. O. 2423 f., 2477.

342

B) 4. Item imperia caesarum

besiegt und getötet.1011 Der Verfasser der Stadtchronik, der ja höchstwahrscheinlich in Rom lebte, war zweifellos gut informiert über die Regierungsdauer des Maxentius, da dessen Herrschaft in der alten Hauptstadt begann und endete; außerdem waren seither erst etwa 20 Jahre vergangen. hoc imp(erante) templum Romae arsit et fabricatum est. thermas in palatio fecit et circum in catecumbas Die einzige literarische Quelle, die ebenfalls Auskunft über die Baumaßnahmen des Maxentius gibt, ist Aur. Vict. 40,26: Adhuc cuncta opera, quae magnifice construxerat, urbis fanum atque basilicam Flavii meritis patres sacravere. Demnach habe der Senat alle von Maxentius in großer Pracht errichteten Bauwerke dem „Flavius“ (=  Constantin I.) geweiht; genannt werden aber nur zwei Bauwerke: das „Heiligtum der Stadt“ und eine Basilika. Mit dem Heiligtum ist zweifellos der unter Hadrian errichtete Doppeltempel der Roma und der Venus gemeint.1012 Unmittelbar westlich dieses Tempels ließ Maxentius eine imposante Basilika erbauen. Heute wird sie, zu Recht, häufig „Maxentiusbasilika“ genannt,1013 obwohl sie unter Constantin fertiggestellt und vom Senat nach diesem benannt wurde, nachdem über Maxentius die damnatio memoriae verhängt worden war. Sie ist nur als Ruine erhalten; aber deren gewaltige Ausmaße sind beeindruckend. Die Stadtchronik verwendet für das Bauwerk die offizielle Bezeichnung basilica Constantiniana, erwähnt es jedoch nur im Zusammenhang mit Domitian, um darauf hinzuweisen, dass dieser zuvor auf demselben Areal die horrea piperataria hatte errichten lassen (s. o. S. 167). Da der Chronist berichtet, während der Regierungszeit des Maxentius sei das templum Romae abgebrannt, aber dann wiederaufgebaut worden, nimmt man an, um das Jahr 306 n. Chr. habe ein Brand nicht nur den Tempel der Roma und der Venus, sondern auch die benachbarten horrea piperataria zerstört; Maxentius restaurierte den Tempel und ließ die Fläche, auf der die horrea gestanden hatten, durch Abtragen eines Teils des Velia-Hügels vergrößern, um Platz zu schaffen für die Basilika: eine kaiserliche Audienzhalle, die als imperiales Gegenstück zum größten städtischen Tempel konzipiert war.1014

1011 Paneg. XII 16,2; ungenau ist Lact. mort. pers. 44,4, wo auf den 27. Okt. 312 verwiesen wird; s. den Kommentar zu den Fasti Filocali/28. Oktober bei Divjak/Wischmeyer 2014, 315 f.; vgl.  Groag a. a. O. 2423. 1012 So auch Leppin/Ziemssen 2007, 55. Die Stadtchronik teilt mit, dass Hadrian den Tempel erbauen ließ, und erwähnt dabei auch dessen vollständigen Namen: templum Romae et Veneris (s. o. S. 195 f.; hier auch Angaben zur besonderen Bedeutung des Tempels für Rom). 1013 Leppin/Ziemssen 2007, 87–101; Ziemssen 2012, 95–101. Die Autoren geben detailliert Auskunft über Architektur und Baugeschichte der Basilika; eine knappe Zusammenfassung bietet Kuhoff 2001, 885. Ziemssen bezeichnet das Bauwerk, das als Empfangsaula vorgesehen gewesen sei, als „grandioses Experiment der Raumschöpfung, das den wirkungsvollen Rahmen für die Erscheinung des Herrschers schuf “ sowie als „Monument spätantiker Herrscherüberhöhung“ (Ziemssen 2012, 100 f.). 1014 Leppin/Ziemssen 2007, 90, 97–104; vgl. Kuhoff 2001, 885.

4.3 Die Caesaren: Maxentius

343

Die erhaltenen äußeren Gebäudereste des Tempels der Roma und der Venus stammen aus der Zeit seiner Gründung (ca. 126–138 n. Chr.); demnach war das Tempeläußere durch den Brand um 306 nicht zerstört worden. Maxentius ließ also vor allem den Innenraum restaurieren, wobei erhebliche Veränderungen vorgenommen wurden:1015 Die in opus caementicium erneuerten cellae erhielten gewölbte Decken, wurden durch zwei Apsiden ergänzt und prachtvoller ausgestattet als zuvor. Vermutlich in der westlichen Apsis stand die Statue der Stadtgöttin Roma, deren Kult von Maxentius intensiv gefördert wurde. Dieser ließ außerdem zahlreiche Münzen mit der Legende conserva­ tor urbis suae prägen; sie zeigen die Göttin den Globus haltend im Tempel der Roma und der Venus, einige auch Maxentius, wie er von der Schutzgöttin Roms die Weltkugel entgegennimmt.1016 Nach seinem Wiederaufbau scheint der Tempel vorrangig als Kultstätte für die Roma, weniger für die Venus, gegolten zu haben; darauf deutet die Bezeichnung templum Romae in der Stadtchronik hin. Deren Verfasser erwähnt unmittelbar anschließend thermae in palatio: Wie durch die Analyse von Mauertechnik und Ziegelstempeln nachgewiesen werden konnte, handelte es sich dabei keineswegs nur um eine auf Thermen begrenzte Baumaßnahme, sondern um den Ausbau des Palastes in einem erheblichen Umfang.1017 Maxentius ergänzte und erweiterte den südöstlichen Teil des Palastes, den Domitian und später Septimius Severus hatten errichten lassen: Sowohl der nach Südwesten vorspringende Abschnitt der sogenannten Domus Severiana als auch deren in Richtung des Septizo­ dium verlaufende Front wurde durch hohe Stützbögen um bis zu 15 Meter nach Süden vorgezogen. Die großteils erhaltenen Stützbögen waren Substruktionsarchitektur für das Hauptgeschoss des Palastes, welches nun noch dichter an den circus maximus herangerückt wurde. Auf dieser Gebäudeebene wurde nach Norden hin eine bereits vorhandene Thermenanlage vergrößert: Links und rechts eines großen Thermensaales befand sich nun je ein Badebecken. Nach Süden hin schlossen sich mehrere Räume an, die optimale Aussicht boten, unter anderem auf den circus maximus. Die Bezeichnung in catecumbas (richtiger: in catacumbas) ist eine mit dem Akkusativ verbundene feststehende Ortsangabe, die vom griechischen Toponym κατὰ κύμβας („bei den Mulden“) übernommen wurde: So nannte man ein durch Sandsteingruben geprägtes Areal am dritten Meilenstein der via Appia, wo im 3. Jh. einer der größten

1015 Detaillierte Angaben zur Neugestaltung des Tempels bei Leppin/Ziemssen 2007, 74–82. 1016 Vgl. Ziemssen 2012, 103. Abbildungen der Göttin: RIC 6 (1967), z. B. S. 295 (Ticinum) Nr. 100–110; S. 325 f. (Aquileia) Nr. 115–116 und Nr. 119–126; S. 375–385 (Roma) Nr. 187, Nr. 208–212 und Nr. 278– 280. Abbildungen des Maxentius mit der Göttin: RIC 6 (1967) S. 296 (Ticinum) Nr. 110; S. 325 (Aquileia) Nr. 113, 114; S. 372 und S. 378 (Roma) Nr. 166 und Nr. 213. 1017 Ausführliche Beschreibung bei Leppin/Ziemssen 2007, 60–67 unter Verweis auf Hoffmann/Wulf 2004, 168–175; vgl.  Ziemssen 2012, 88–91. Zu den Bauphasen der sog.  Domus Severiana s. Hoffmann/Wulf 2004, 153–171.

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B) 4. Item imperia caesarum

unterirdischen Friedhöfe Roms angelegt worden war.1018 Dass Maxentius einen circum in catacumbas errichten ließ, haben archäologische Untersuchungen bestätigt: An der via Appia, in der Nähe der Callistus-Katakombe, entstand während seiner Regierungszeit ein circus für ca. 10000 Zuschauer, verbunden mit Palastgebäuden und einem Mausoleum.1019 Inschriftenfunde (u. a. Fragmente von Widmungsinschriften für den divus Romulus) führten zu der Annahme, dass das Grabmal nur für den 309 n. Chr. verstorbenen Romulus, Sohn des Maxentius, erbaut worden sei, aber die neuere Forschung hält es für wahrscheinlich, dass eine Grabstätte für die gesamte Dynastie des Maxentius entstehen sollte. Der dreiteilige Baukomplex (Palastbezirk, circus und Grabmal) entstand etwa gleichzeitig mit dem Ausbau des südöstlichen Palatin-Areals und war als zusätzlicher Repräsentationsbereich des Kaisers bzw. seiner Dynastie gedacht. Etwa 150 Jahre zuvor hatte der mit Hadrian befreundete Herodes Atticus auf demselben Gelände zu Ehren seiner verstorbenen Gattin eine Sepulkrallandschaft anlegen lassen, deren Konzeption teilweise von Maxentius übernommen wurde. Auf der spina des circus an der via Appia ließ Maxentius jenen Obelisken aufstellen, der seit der Zeit Domitians vor dem Isisheiligtum gestanden hatte. Mitte des 17. Jh. wurde der Obelisk zur Piazza Navona gebracht, wo er bis heute Teil des Bernini-Brunnens ist (vgl. S. 170). Fazit zu den Bauten des Maxentius: In nur sechs Jahren ließ er in Rom und in der unmittelbarer Umgebung mehrere imposante Großbauten errichten. Dafür gibt es eine einleuchtende Erklärung:1020 Maxentius war in Rom von der Prätorianergarde zum Kaiser ausgerufen worden und betrachtete die Stadt als seine Machtbasis in der Auseinandersetzung mit den kaiserlichen Rivalen. Er wollte daher als herausragender Förderer Roms, als der wahre „römische“ Augustus, gesehen werden, worauf auch die Münzlegende conservator urbis suae hinweist. Indem er Rom prachtvoll ausbaute, versuchte er, alle Schichten der römischen Bevölkerung für sich zu gewinnen. Unter anderem wegen seiner Baupolitik zählt Maxentius zu jenen Kaisern, denen der Verfasser der Stadtchronik besondere Aufmerksamkeit widmet. fames magna fuit. Romani traxerunt militem Moesiacum et occisi sunt Romani a militibus homines V̅ I̅ . Romani traxerunt militem Moesiacum wird hier übersetzt mit „Einwohner Roms schleiften einen Soldaten aus der Diözese Moesiae zu Tode.“ 1021 Dieses Ereignis steht im Zusammenhang mit der Usurpation des L. Domitius Alexan1018 Der Name dieses unterirdischen Friedhofs (catacumbas/Katakomben) wurde ab dem 10. Jh. auf alle ähnlichen Anlagen auch außerhalb Roms übertragen; s. V. Fiocchi Nicolai, Katakombe (Hypogaeum), in: RAC Bd. 20 (2003) 342–422, hier 377 f. 1019 Detaillierte Beschreibungen bei Ziemssen 2012, 89–94; Leppin/Ziemssen 2007, 105–118; Kuhoff 2001, 738–743. 1020 Leppin/Ziemssen 2007, 30–32 (hier auch Belege für die Münzlegende conservator urbis suae); Kuhoff 2001, 887; Bleckmann, Maxentius, in: DNP 7 (1999) 1067; Christ 2009, 738. 1021 Als Bedeutung für trahere kommt zwar auch in Betracht „schleiften seine Leiche durch die Straßen“; s. die bei Georges Hwb (Bd. 2, Sp. 3172) genannten Beispiele. Vgl. aber Nickbakht/Stein 2017, 47, 135 sowie den Kommentar bei Becker 2016, 97 f. zu Cons. Const. 342,2.

4.3 Die Caesaren: Maxentius

345

der, vicarius der Diözese Africa. Als wahrscheinlich gilt der im Folgenden skizzierte Verlauf des Geschehens:1022 Nachdem Maxentius im November 308 von den Teilnehmern der Konferenz in Carnuntum nicht als rechtmäßiger Herrscher anerkannt worden war, versuchte er seine Regierungsgewalt über die Diözese Africa durch die Forderung von Geiseln zu sichern. Zu ihnen sollte auch der Sohn des Domitius Alexander gehören, woraufhin sich dieser noch 308 oder Anfang 309 von seinen Truppen zum Augustus ausrufen ließ (Zos. 2,12,2) und die Getreidelieferungen aus Africa und Sardinien nach Italien stoppte. Das führte zu Lebensmittelknappheit und Hungersnot in der Hauptstadt. In dieser Situation kam es zu Spannungen zwischen römischem Militär und Zivilbevölkerung, schließlich zu Straßenkämpfen mit Tausenden von Toten unter den Zivilisten. Dass die römische Bevölkerung in der Regierungszeit des Maxentius unter einer Hungersnot litt, überliefern auch Paneg. XII 4,4 und Eus. HE 8,14,6. Eusebius wirft Maxentius vor, auf seinen Befehl hin hätten die Prätorianer aus nichtigem Anlass Tausende Römer getötet (Eus. HE 8,14,3), und auch Aurelius Victor weist auf dieses Massaker hin, aber ohne den situativen Kontext zu erläutern: praetorianis caedem vulgi quondam annuerit (Aur. Vict. 40,24). Während Eusebius zuerst von dem Massaker und erst danach von der in Rom herrschenden Hungersnot berichtet, ist die von der Stadtchronik überlieferte Reihenfolge der beiden Ereignisse logisch eher nachvollziehbar: Da die in Rom stationierten Truppen, insbesondere die Prätorianer, sicherlich weniger unter der Hungersnot zu leiden hatten als die große Mehrheit des Volkes, dürfte in der Stadt eine angespannte Atmosphäre geherrscht haben, die leicht zu einer Eskalation führen konnte. Laut Zos. 2,13 geriet der Tempel der Fortuna in Brand, vielleicht als Folge einer Hungerrevolte, und viele Menschen, darunter offenbar auch Soldaten, versuchten zu löschen. Dabei habe ein Soldat (zweifellos der in der Stadtchronik erwähnte miles Moesiacus) die Göttin gelästert und sei deshalb von den Zivilisten umgebracht worden. Die Kameraden des Ermordeten, höchstwahrscheinlich Prätorianer, nahmen Zosimos zufolge grausame Rache an den Römern, ohne dass der Kaiser ihren Einsatz befohlen hatte. Auch die Stadtchronik weist Maxentius keine Schuld an dem Blutvergießen zu. Da Eusebius und Aurelius Victor erkennbar bemüht sind, diesen Kaiser zum abscheulichen Tyrannen zu stilisieren, sind die Berichte von Stadtchronik und Zosimos, soweit sie das Massaker an der römischen Bevölkerung betreffen, die glaubwürdigere Überlieferung.

1022 Einzelheiten bei Kuhoff 2001, 863–870, 888 f.; Groag, Maxentius, in: RE 14,2 (1930) 2440–2445, 2465 f.; vgl. auch Burgess 2014, 157; Leppin/Ziemssen 2007, 25. Die Usurpation des Domitius Alexander wird von Kuhoff (a. a. O. 864) auf Frühjahr 309 datiert; Terminus post quem ist der 20. April 308 (vgl. Kienast 2017, 279, 281). Erst Ende 309/Anfang 310 eroberte Maxentius Africa zurück (Kienast ebd.).

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B) 4. Item imperia caesarum

Romanis omnibus aurum indixit et dederunt. Durch Vergleichsquellen ist belegt, dass Maxentius, um seinen Finanzbedarf zu decken, vor allem von den Senatoren Zwangsabgaben eintrieb.1023 Laut Aurelius Victor sei dieser Kaiser der erste gewesen, der die Senatoren und Landbesitzer gezwungen habe, Geldspenden für seine Verschwendung zu zahlen: primusque instituto pessimo munerum specie patres aratoresque pecuniam conferre prodigenti sibi cogeret (Aur. Vict. 40,24). Die Aussagen von Stadtchronik und Aurelius Victor stimmen darin überein, dass Maxentius eine neue Art der Besteuerung einführte. Es kann also nicht das bei besonderen Anlässen von der Oberschicht zu zahlende aurum oblaticium oder aurum coronarium gemeint sein, denn diese außerordentlichen munera waren schon seit vielen Jahren üblich.1024 Obwohl die Stadtchronik berichtet, Maxentius habe allen Römern eine (in Gold zu zahlende) Abgabe auferlegt, ist Groag der Ansicht, sie habe in erster Linie die Senatoren betroffen und sei mit der von Aurelius Victor erwähnten identisch.1025 Er hält jedoch für möglich, dass es sich um eine Sondersteuer wie jene handelte, die Constantin unter dem Namen auri lustralis collatio den Gewerbetreibenden und Händlern auferlegte. Die Formulierung der Stadtchronik lässt in der Tat auf eine Steuer dieser Art schließen, weil sie offenbar einen Großteil der Bevölkerung belastete und in Gold zu entrichten war. Möglicherweise führte Maxentius eine Zwangsabgabe ein, die als Vorläufer sowohl der auri lus­ tralis collatio als auch der collatio glebalis gelten kann. Letztere war eine Sondersteuer, die Constantin auf Ackerland erhob und vor allem auf der Senatorenschicht lastete.1026 In der Regierungszeit Diokletians war das neue auf der Kombination von Kopf- und Grundsteuer (capitatio­iugatio) basierende Steuersystem eingeführt worden, das auch innerhalb Italiens galt.1027 Die Einkünfte aus diesen Steuern sowie aus den traditionellen munera reichten offenbar nicht aus, um den immensen Geldbedarf des Maxentius zu decken. Die höchsten Kosten verursachten zweifellos das Heer und das kaiserliche Bauprogramm. Dabei ist zu berücksichtigen, dass während des gesamten Jahres 309 infolge der Usurpation des Domitius Alexander weder Getreide noch Steuern aus Africa nach Rom kamen. Laut Stadtchronik musste die von Maxentius geforderte Abgabe in Gold, also in aurei, entrichtet werden. Dies vermutlich deshalb, weil seit etwa 260 n. Chr. insbesondere bei der bisherigen Silberwährung ein starker Wertverlust eingetreten war. Schon unter Philippus Arabs war die Denarprägung eingestellt worden. Der Denar blieb zwar im Umlauf, aber an seiner Stelle wurde seit Caracalla der in der modernen Literatur „Antoninian“ genannte Doppeldenar geprägt. Aurelian versuchte 1023 Vgl. die Erläuterungen bei Kuhoff (2001, 890) zu Cod. Theod. 15,14,4. Bei Zon. 12,33 (S. 620, Z. 18 f.) wird Maxentius vorgeworfen, er habe den Wohlhabenden ihren Besitz weggenommen. 1024 Zu diesen Sonderabgaben: Kuhoff 2001, 487, 509; Edgar Pack, aurum coronarium, in: DNP 2 (1997) 327. 1025 Groag, Maxentius, in: RE 14,2 (1930) 2454 f. 1026 Zu beiden Steuern: Christ 2009, 755; E. Pack, Steuern/VI. Spätantike, in: DNP 12,2 (2002) 1128 f. Vgl. Pack, Collatio lustralis, in: DNP 3 (1997) 64 f. 1027 Kuhoff 2001, 495–510.

4.3 Die Caesaren: Maxentius

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ihn durch Münzen mit höherem Silbergehalt zu ersetzen und so die Inflation aufzuhalten, aber erst ab 294 n. Chr. konnte Diokletian eine erfolgreiche Währungsreform durchführen. Sein Währungsedikt von 301 legte den Wert der neuen Silbermünze, des Denarius argenteus, auf 100 alte Denare fest. Dies zeigt, wie sehr die alten Silbermünzen an Wert verloren hatten; bei den Goldmünzen war dies bei weitem nicht im gleichen Ausmaß der Fall gewesen.1028 Da Diokletians Währungsreform noch nicht lange zurücklag, ist es verständlich, dass Maxentius bei der Einführung einer neuen Steuer auf die relative Stabilität des Goldes setzte. Fossatum , sed non perfecit. Die fehlerhaft überlieferte Textstelle Fossa­ tum ist hier übersetzt mit: „Er hob einen (Verteidigungs-) Graben aus.“ 1029 Dass der Graben als eine gegen Constantin gerichtete Defensivmaßnahme gedeutet wird,1030 erscheint logisch, insbesondere weil der Chronist direkt anschließend vom Tod des Maxentius in der Schlacht am pons Mulvius berichtet. Als Constantins Heer Mitte 312 von Norden her in Oberitalien einmarschiert war und die dort stationierten Truppen des Maxentius in mehreren Gefechten besiegt hatte, wollte dieser zunächst die Entscheidungsschlacht an den starken Mauern seiner Residenzstadt Rom schlagen. Wie archäologische Untersuchungen erwiesen haben, hatte er Vorsorge getroffen, indem er die aurelianische Mauer beträchtlich erhöhen und verstärken ließ. Die Stadtchronik überliefert als einzige Quelle, dass man zusätzlich begonnen hatte, vor der Mauer einen Graben anzulegen, um den Angriff auf die Stadt noch besser abwehren zu können. Außerdem wurde, vermutlich erst wenige Tage vor der Schlacht, der pons Mulvius (auch Milvius genannt) unterbrochen, auf dem die via Flaminia ca. 3 km nördlich der porta Flaminia den Tiber überquert; damit sollte das auf dieser Straße heranrückende Heer Constantins behindert werden.1031 occisus ad pontem Mulvium in Tiberim. Dies ist m. E. wie folgt zu übersetzen: „Er wurde an der Mulvischen Brücke getötet (und starb) im Tiber.“ 1032 Die meisten 1028 Zur Währungsentwicklung im 3. Jh. und zu Diokletians Währungsreform: Ehling 2008, 843–860; Strobel 2002, 88–149; Kuhoff 2001, 515–542; Christopher Howgego, Geld in der antiken Welt, Darmstadt 22011, 136–168. 1029 In Hs. V steht Fossatum ferunt; ist Konjektur Mommsens (1892, 148 Z. 35). Als alternative Konjektur bietet Burgess (2014, 156) an: ; für überzeugender halte ich die Konjektur bei Nickbakht/Stein 2017, 136. 1030 Groag, Maxentius, in: RE 14,2 (1930) 2475; Kuhoff 2001, 902; Burgess 2014, 157. 1031 Zu den Gefechten in Oberitalien und den Maßnahmen des Maxentius: Kuhoff 2001, 898–902; ders. 2011, 15–18. Zur Tiberbrücke: G. Messineo, Mulvius Pons, in: LTUR-Suburbium, Bd. 4 (2006) 76 f. 1032 Dem Verfasser dürfte es überflüssig erschienen sein, die bekannte Brücke durch in Tiberim näher zu bezeichnen. Vielmehr bezieht sich diese Ortsangabe wohl auf occisus. Als Antwort auf die Frage „Wo?“ kann die lat. Präposition „in“ auch den Akkusativ statt des Ablativ nach sich ziehen; s. Georges Hwb Bd. 2, Sp. 123, Abschnitt C 6; Hofmann/Szantyr, Lateinische Syntax und Stilistik (HdAW 2,2,2) 1972, § 156, S. 273 f.

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B) 4. Item imperia caesarum

Parallelquellen berichten über den Tod des Maxentius in der Schlacht beim pons Mulvius wesentlich ausführlicher als die Stadtchronik. Die wichtigsten Quellen werden im Folgenden zitiert: Lact. mort. pers. 44,3–9: Constantinus […] e regione pontis Mulvii consedit. […] Maxentianus proterretur, ipse in fugam versus properat ad pontem, qui interruptus erat, ac multitudine fugientium pressus in Tiberim deturbatur. Eus. HE 9,9,5–7: Maxentius habe eine Schiffsbrücke über den Tiber bauen lassen, die als Falle für das Heer Constantins dienen sollte. Aber sie sei unter Maxentius und seiner Gardetruppe zusammengebrochen, so dass diese selbst umgekommen seien. Eutr. 10,4,3: Constantinus […] Maxentium […] apud pontem Mulvium vicit. Hier. chron. z.J. 312 n. Chr.: Maxentius iuxta pontem Mulvium a Constantino super­ atus occiditur. Aur. Vict. 40,23: Maxentius […] tandem urbe in Saxa rubra milia ferme novem ae­ gerrime progressus, cum caesa acie fugiens semet Romam reciperet, insidiis, quas hosti apud pontem Milvium locaverat, in transgressu Tiberis interceptus est. Epit. de Caes. 40,7: Maxentius, dum adversus Constantinum congreditur, paulo su­ perius a ponte Mulvio in pontem navigiis compositum ab latere ingredi festinans lapsu equi in profundum demersus est. Origo Const. IV 12: egressit ex urbe Maxentius campum supra Tiberim, in quo dimi­ caret, elegit. Ubi victus, fugatis omnibus suis, inter angustias arcentis populi periit, equo praecipitatus in fluvium. Zos. 2,15,3–2,16,4: Der pons Mulvius wird nicht erwähnt. Maxentius habe eine Holzbrücke über den Tiber schlagen lassen, um der Armee Constantins eine Falle zu stellen. Aber als er mit den Resten seines Heeres die Flucht ergreifen musste, sei die Brücke unter der Last zusammengebrochen und dabei sei er mit seinen Soldaten ertrunken. Cons. Const. z.J. 312 n. Chr.: victus et occisus Maxentius Romae ad pontem Mulvium. Die antiken Quellen liefern zum Teil ein widersprüchliches Bild des Schlachtverlaufs. Im Folgenden wird der Rekonstruktionsversuch Wolfgang Kuhoffs in Grundzügen zusammengefasst; im Wesentlichen stimmt er mit dem älteren von Edmund Groag überein:1033 Als das auf der via Flaminia heranrückende Heer Constantins sich Rom bis auf ca. 30 km genähert und beim heutigen Dorf Casal Malborghetto ein Lager aufgeschlagen hatte (dort fand angeblich Constantins Kreuzeserscheinung statt), entschloss sich Maxentius entgegen dem vorherigen Kriegsplan, einen Teil seines Heeres dem Feind entgegenzuschicken. Die Gründe für diesen Entschluss wurden bereits von den antiken Berichterstattern diskutiert; aus heutiger Sicht erscheinen sie nicht völ-

1033 Kuhoff 2011, 15–18; ders. 2001, 903–911; Groag, Maxentius, in: RE 14,2 (1930) 2475–2480.

4.3 Die Caesaren: Maximianus

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lig unverständlich. Vermutlich kurz vor der Änderung seines Plans hatte Maxentius den pons Mulvius unterbrechen lassen. Daher überquerten seine Truppen den Tiber in der Nähe des pons Mulvius auf einer hölzernen Behelfsbrücke, die anscheinend so konstruiert war, dass sie rasch zerstört werden konnte, bevor die Soldaten Constantins sie erreichten. Wie Aurelius Victor berichtet, versuchte das Heer des Maxentius, dem Gegner jenseits des Tibers bei der Engstelle von Saxa Rubra (ca. 14 km nordwestlich Roms) den Weg zu verlegen. Als dies misslang, führte Maxentius seine Reservetruppe ebenfalls über die Holzbrücke. Sein Heer wurde jedoch von der Streitmacht Constantins zurückgedrängt und musste sich über die Brücke zurückziehen. Diese brach unter der Last der Fliehenden zusammen, wobei Maxentius und viele seiner Soldaten ums Leben kamen. Als Fazit kann festgehalten werden: Die Stadtchronik berichtet als einzige Quelle von einem Verteidigungsgraben vor der Stadtmauer Roms, der nicht fertiggestellt wurde; diese Überlieferung ist plausibel. Die kurze Notiz über den Tod des Maxentius am pons Mulvius stimmt mit den Aussagen anderer Quellen überein, aber da weder Constantin noch die Schlacht erwähnt werden, liefert die Stadtchronik ein unvollständiges Bild des Geschehens. Andere Quellen sind meist ausführlicher. 4.3.49 Maximianus Sein Geburtsname ist nicht bekannt; er war der Neffe des Galerius und wurde von diesem adoptiert. Am 1. Mai 305, als sein Adoptivvater zum Augustus aufstieg, wurde er zum Caesar für die Diözese Oriens erhoben; sein offizieller Name lautete nun Galerius Valerius Maximinus Nobilissimus Caesar, Iovius. Nach der Konferenz von Carnuntum (November 308) wurde er wie Constantin zum filius Augustorum erhoben. Da ihm dieser Titel nicht genügte, ließ er sich im Jahr 310 zum Augustus proklamieren. Sein inoffizieller Beiname war Lactantius zufolge Daia (Lact. mort. pers. 18,13); daher nennt man ihn heute Maximinus Daia. Die durch Epit. de Caes. 40,18 überlieferte Variante seines Beinamens lautet Daca. Dies wird als Hinweis auf seine Herkunft aus der Provinz Dacia Ripensis verstanden.1034 Galerius hatte dem Adoptivsohn seinen eigenen ursprünglichen Beinamen Maximinus gegeben (Lact. mort. pers. 18,13); die meisten literarischen Quellen bezeichnen ihn mit diesem Namen. Beispiele: Eutr. 10,4,4; Hier. chron. z.J. 306 und 311; Aur. Vict. 41,1; Epit. de Caes. 40,18; Oros. hist. 7,25,16; Zos. 2,8,1. Hingegen nennen ihn Stadtchronik und Cedrenus (473,10) Maximianus. Das ist wohl damit zu erklären, dass Galerius dieses Cognomen seit seiner Erhebung zum Caesar 1034 Zum Namen und zu den Titeln: Kienast 2017, 276; Wolfgang Kuhoff/Kay Ehling, Maximinus Daia, in: RAC Bd. 24 (2012) 495–504, hier 495–497; Bleckmann, Maximinus [1], in: DNP 7 (1999) 1071. Bei Ausgrabungen Ende des 20. Jh. stieß man auf Reste einer unvollendeten Altersresidenz, die Maximinus bei Sharkamen (dieser Ort liegt heute im östlichen Serbien nahe Negotin) anlegen ließ. Daher gilt inzwischen als gesichert, dass er wie sein Onkel Galerius aus der Dacia Ripensis stammte; vgl. dazu Demandt 2007, 87; Kuhoff/Ehling a. a. O. 499.

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B) 4. Item imperia caesarum

trug (vgl.  S. 336) und die Verfasser irrtümlich meinten, es sei auf den Adoptivsohn übertragen worden. imper(avit) ann(os) IX m(enses) VIII d(ies) VI. Hinsichtlich der Regierungsdauer des Maximinus Daia existieren nur wenige und einander widersprechende Vergleichsquellen; sie geben kürzere Regierungszeiten an. Maximinus habe neun Jahre lang regiert: Chr. pasch. 521,2–3. Nachdem er einen Tag weniger als acht Jahre lang regiert habe, sei er von Licinius besiegt worden: Lact. mort. pers. 46,8. Als Caesar habe er vier  Jahre, als Augustus drei  Jahre lang regiert: Epit. de Caes. 40,18. Als Augustus habe er zwei Jahre lang regiert: Aur. Vict. 41,1. Burgess orientiert sich an dem von Lact. mort. pers. 46,8 überlieferten Datum der Schlacht, in der Maximinus Daia von Licinius besiegt wurde: 30. April 313. Die Regierungszeit des Maximinus, die am 1. Mai 305 begann, habe mit dieser Niederlage geendet; demnach habe er 7 Jahre, 11 Monate und 29/30 Tage lang regiert.1035 Allerdings lebte Maximinus nach der Niederlage noch einige Monate; er floh bis nach Kappadokien, verfügte aber wohl noch über Teile seiner Armee und sammelte zusätzliche Truppen. Da er sich selbst offenbar noch immer als Augustus sah (Lact. mort. pers. 47,6).1036 erscheint es legitim, das Ende seiner Regierungszeit mit seinem Tod gleichzusetzen. Diesen datiert Kienast, gestützt auf P.Oxy 3144 und P. Cairo Isid. 103,20, auf den Zeitraum zwischen dem 23. Juli und dem 13. September 313.1037 Aber im Hinblick auf die Zeit, welche die Übermittlung von Nachrichten aus Tarsus nach dem ägyptischen Oxyrhynchus benötigte, erscheint Kuhoffs Vorschlag überzeugender: Maximinus Daia sei innerhalb des Zeitraums von Mitte Juli bis Ende August 313 gestorben.1038 Demnach war er acht Jahre und ca. vier Monate lang Kaiser. Fazit: Die von der Stadtchronik angegebene Regierungsdauer ist um ein Jahr und ca. vier Monate zu lang.

1035 Burgess 2014, 86. 1036 Kuhoff (2001, 930 f.) hält diese Überlieferung für glaubwürdig. 1037 Kienast 2017, 276. Der auf den 23. Juli 313 datierte Papyrus P.Oxy 3144 ist bisher das letzte Dokument, in dem auf den 3. Konsulat des Maximinus Daia Bezug genommen wird. In dem auf den 13. September 313 datierten Papyrus Cair. Isid. 103,20 ist sein Name durch den des Licinius ersetzt. Zu den beiden Papyri: Rea 1975, 124 f. 1038 Kuhoff 2001, 930.

4.3 Die Caesaren: Maximianus

351

occisus Tarso. Nachdem er in Thrakien von Licinius besiegt worden war,1039 floh Maximinus Daia mit den Resten seines Heeres über den Bosporus bis nach Nikomedeia und von dort aus noch weiter nach Osten (Lact. mort. pers. 47,4–6). Dass er einige Zeit später in Tarsus starb, der Hauptstadt der römischen Provinz Cilicia, überliefern auch Parallelquellen: Lact. mort. pers. 49,1–7 (die früheste Quelle): Tarsum postremo confugit. Ibi […] spiritum […] efflavit. Zos. 2,17,3: Auch Zosimos berichtet, Maximinus Daia sei in Ταρσός gestorben. Die Angaben der vier folgenden Quellen dürften auf der Enmannschen Kaisergeschichte basieren.1040 Die Formulierungen deuten darauf hin, dass Daia an einer schweren Krankheit oder durch einen Unfall starb: Aur. Vict. 41,1: Maximinus […] fusus fugatusque a Licinio apud Tarsum perit. Eutr. 10,4,4: Maximinus […] vicinum exitium fortuita apud Tarsum morte praevenit. Hier. chron. z.J. 311 n. Chr.: Maximinus […] aput Tarsum moritur. Epit. de Caes. 40,8: Maximinus apud Tarsum morte simplici periit. Lactantius überliefert als einziger, Maximinus habe, indem er in auswegloser Lage Gift nahm, Selbstmord begangen. Das Gift habe jedoch nicht sofort gewirkt, so dass Maximinus Daia auf sehr qualvolle Weise gestorben sei (Lact. mort. pers. 49,2–7). Eusebius (HE 9,10,13–15) berichtet von einer akuten schweren Erkrankung. Im Gegensatz zu einigen anderen Vertretern der neueren Forschung hält Kuhoff die Selbstmordversion nicht für glaubwürdig: Maximinus sei „unter ungeklärten Umständen“ gestorben, wahrscheinlich an „einer plötzlichen Krankheit“.1041 Kuhoffs Skepsis gegenüber dem Bericht des Lactantius dürfte berechtigt sein, denn dieser ist offensichtlich bemüht, den Christenverfolger Maximinus Daia äußerst negativ und die Art seines Todes als verdiente Strafe Gottes darzustellen (Lact. mort. pers. 36,6–40,4; 49,2–7). 1039 Die Schlacht fand laut Lact. mort. pers. 46,9 auf dem Campus Serenus (eigentlich wohl Ergenus) statt, d. h. auf einer Ebene in Thrakien, die zwischen Adrianopel (Hadrianopolis) und Herakleia (ehemals Perinthos genannt) lag; s. die Ortsangaben bei Lact. mort. pers. 45,4–6. Zu Campus Er­ genus statt Serenus s. Alfons Städele (Übers.), Lactantius: De mortibus persecutorum; lat.-deutsch = Die Todesarten der Verfolger, Turnhout 2003, 18 Anm. 21 und 210 Anm. 155. Auch Kuhoff lokalisiert die Schlacht „Auf dem Campus Ergenus rund 40 km nördlich von Heraclea“ (Kuhoff 2001, 930); ähnlich Bleckmann (Maximinus [I], in: DNP 7, 1999, 1071 f.). Bei Kienast hingegen lautet die Ortsangabe „auf dem Campus Serenus bei Adrianopel“ (Kienast 2017, 282) bzw. „bei Adrianopel“ (a. a. O. 276). Ähnlich Burgess: „defeat near Adrianople“ (Burgess 2014, 86). Die genaueste Ortsangabe findet man bei O. Seeck, Licinius Nr. 31a, in RE 13,1 (1926) 223 f.: Die bei Lact. mort. pers. 45,6 erwähnten beiden Poststationen, zwischen denen die Schlacht stattfand, identifiziert Seeck als Tzirallum (südlich gelegen) und Drizipara (nördlich gelegen). 1040 Vgl. Burgess 2014, 184. 1041 Kuhoff 2001, 930 f. In Anm. 1704 bietet Kuhoff einen Überblick über die Forschungsliteratur zu diesem Thema.

352

B) 4. Item imperia caesarum

Fazit: Der Ort, an dem Maximinus Daia starb, wird von der Stadtchronik zutreffend angegeben. Hingegen ist die Formulierung occisus falsch, da Maximinus weder im Kampf getötet noch ermordet wurde. Vielmehr starb er wahrscheinlich an einer plötzlich auftretenden Krankheit. Da der Chronist für „Tod infolge einer Erkrankung“ sonst üblicherweise die Formulierung excessit verwendet, hatte er wohl keine genauen Informationen über die Todesursache bei Maximinus Daia. 4.3.50 Licinius So wird er üblicherweise auch von anderen literarischen Quellen genannt. Beispiele: Lact. mort. pers. 20,3–4; 32,1; 35,3; 36,1; 43,2; 45,1–50,5; Aur. Vict. 41,1–9; Eutr. 10,4– 6; Hier. chron. z.J. 320; Epit. de Caes. 40,2–41,8; Origo Const. III 8; V 13–29. Man nimmt an, sein Geburtsname sei Licinius Licinianus gewesen. Nachdem er im November 308 in der Konferenz von Carnuntum zum Augustus erhoben und von (Valerius) Diokletian adoptiert worden war, nannte er sich Valerius Licinianus Licinius, später auch Iovius Licinius.1042 imp(eravit) ann(os) XV m(enses) IIII d(ies) XVI. Hinsichtlich der Regierungsdauer des Licinius gibt es nur wenige Vergleichsquellen. Origo Const. V 29: Licinius […] qui regnavit annos XVIII […]. Epit. de Caes. 41,8: Licinius annum dominationis fere post quartumdecimum […] occidit. Laut Ioh. Mal. 12,49 herrschte Licinius 7 Jahre lang. Keine dieser Angaben trifft zu: Licinius war 15 Jahre und ca. 10 Monate lang Kaiser: Als sein dies imperii gilt in der Forschung überwiegend der 11. November 308, als Abdankungstermin ein Datum bald nach dem 18. September 324, dem Tag seiner Niederlage gegen Constantin bei Chrysopolis.1043 Daraus ergibt sich eine Regierungsdauer von 15 Jahren, 10 Monaten und mindestens 8 Tagen. Folglich ist die von der Stadtchronik überlieferte Regierungszeit um ungefähr ein halbes  Jahr zu kurz, aber immerhin gibt ihr Verfasser im Unterschied zu den Vergleichsquellen die Zahl der Regierungsjahre korrekt an.

1042 Zu den Namen: Kienast 2017, 282; Kuhoff 2001, 834 f.; Bleckmann 1999, 173; Licinius Nr. 3, in: PLRE 1 (1971) 509; Seeck, Licinius Nr. 31a, in: RE 13,1 (1926) 222. 1043 Kienast a. a. O.; Burgess 2014, 86; Kuhoff 2001, 832 f.; Bleckmann 1999, 173 f.; Seeck, a. a. O. 222, 229 f. – Während Burgess und Kienast die Abdankung auf den frühestmöglichen Termin datieren, auf den 19. September 324, geben die anderen genannten Autoren kein genaues Datum für das Regierungsende des Licinius an.

4.3 Die Caesaren: Licinius

353

occisus Thessalonica. Nachdem Licinius in den Schlachten bei Hadrianopolis (3. Juli 324) und, endgültig, bei Chrysopolis (18. September 324) von Constantin besiegt worden war, musste er in Nikomedeia kapitulieren und als Kaiser abdanken.1044 Dank der Vermittlung seiner Gattin, der Schwester Constantins, erhielt er die eidliche Zusicherung, er könne in der nordgriechischen Stadt Thessalonica unbehelligt seinen Lebensabend verbringen.1045 Einige Monate später jedoch, im Jahr 325, ließ Constantin ihn dort ermorden.1046 Die Kämpfe zwischen Constantin und Licinius beschreibt Zosimos ausführlich (2,18,1–2,26,3); auch für Abdankung und Tod des Licinius ist er die ergiebigste Quelle (Zos. 2,28,1–2). Die meisten lateinischen Vergleichsquellen (s. u.) berichten ebenso wie die Stadtchronik, Licinius sei in Thessalonica getötet worden, liefern aber noch zusätzliche Informationen. Allerdings nennt Orosius keinen Ort und Aurelius Victor lokalisiert den Tod des Licinius fälschlich bei Chalkedon, in dessen Nähe die Entscheidungsschlacht stattgefunden hatte.1047 Eutrop, Hieronymus und Zosimos betonen, mit seiner Ermordung sei der ihm geleistete Eid gebrochen worden; außerdem sei er bereits ein Privatmann gewesen. Letzteres erwähnt auch Orosius. Aur. Vict. 41,8–9: apud Thracas Licinius pulsus Chalcedona concessit. Ibi […]oppressus est. Origo Const. V 29: Licinius Thessalonicam missus est: sed […] (Constantinus) in Thes­ salonica iussit occidi. Eutr. 10,6: Postremo Licinius […] victus apud Nicomediam se dedidit et contra religio­ nem sacramenti Thessalonicae privatus occisus est. Hier. chron. z.J. 324: Licinius Thessalonicae contra ius sacramenti privatus occiditur. Epit. de Caes. 41,7: Constantinus […] apud Bithyniam adegit Licinium […] Inde Thessa­ lonicam missum paulo post eum […] iugulari iubet. Oros. hist. 7,28,19: Constantinus Licinium […] tandem ad deditionem coegit; sed […] privatum iussit occidi.

1044 Datierung beider Schlachten nach Cons. Const.; vgl.  Kienast 2017, 282; Bleckmann 1999, 174. Chrysopolis lag am Ostufer des Bosporus gegenüber von Byzantion, nördlich der Hafenstadt Chalkedon und nordwestlich von Nikomedeia. Dieses war die Hauptstadt der Dioecesis Pontica, östlich des Bosporus in der Provinz Bithynia gelegen; s. Eckhard Wirbelauer/Karl Strobel, Niko­ medeia II und III, in: DNP 8 (2000) 928 f. Karten: E. Olshausen, in: Historischer Atlas der antiken Welt, DNP Suppl. Bd. 3, 2007, S. 224 f. (Die Provinzialverwaltung des Römischen Reichs im 4. Jh. n. Chr.) und S. 239 (Die byzantinische Themenverfassung). 1045 Thessalonica, Hauptstadt der Dioecesis Moesiae, war unter Galerius zu einer kaiserlichen Residenzstadt geworden; s. Robert M. Errington, Thessalonike, in: DNP 12,1 (2002) 452. Karte: s. Anm. 1044. Gestützt auf Epit. de Caes. 41,8 (Licinius […] post […] vitae proxime sexagesimum occidit) gibt Kienast (2017, 282) an, Licinius sei „um 265“ geboren. Andere Autoren nehmen hingegen an, er sei bereits um 250 n. Chr. geboren: Bleckmann 1999, 173; Ingemar König, Kommentar zu Origo Constantini: Anonymus Valesianus, Trier 1987, 92 f.; Seeck, RE 13,1 (1926) 222. 1046 Bleckmann 2011, 93; ders. 1999, 174; Seeck a. a. O. 229 f. Datierung nach Cons. Const. auf 325 n. Chr. 1047 Vgl. Anm. 1044.

354

B) 4. Item imperia caesarum

Fazit: Die Angaben der Stadtchronik zum Tod des Licinius sind korrekt, aber äußerst knapp. Vergleichsquellen bieten wesentlich mehr Informationen. 4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche 4.4.1 Die Anzahl der Divi Das Kapitel imperia caesarum handelt von 58 Kaisern, die vom Senat als legitim anerkannt worden waren; es endet mit Licinius. Obwohl 30 dieser Kaiser nachweislich divinisiert wurden, erscheint der Titel Divus in nur fünf Fällen: Divus Octavianus Au­ gustus, Divus Vespasianus, Divus Titus, Divus Verus, Divus Severus. Die im Chronographen von 354 enthaltene Liste der Natales Caesarum nennt dieselben Divi, darüber hinaus aber noch elf weitere einschließlich Constantin, dessen Name in der Kaiserliste der Stadtchronik nicht mehr erscheint. Die relativ geringe Anzahl der in der Liste der Natales Caesarum verzeichneten Kaiser ist ein Beleg dafür, dass in der Zeit der konstantinischen Dynastie, während der auch die Stadtchronik entstand, nur noch von etwa der Hälfte der bis dahin divinisierten Kaiser der Titel Divus im öffentlichen Bewusstsein präsent war. Im Kalenderteil des Chronographen (Fasti Filocali) sind 19 Kaisergeburtstage als Festtage verzeichnet; in diesen Monatsfasten wird sogar nur bei acht Kaisern der Titel Divus verwendet: Während Vespasian fehlt, sind es ansonsten dieselben wie in der Stadtchronik, zusätzlich Divus Adrianus, Divus Pertinax, Divus Constantius (I.) sowie Divus Constantinus.1048 Die Frage liegt nahe, ob andere Geschichtswerke des 4. Jh. mehr Divi erwähnen als die Stadtchronik: Zieht man zum Vergleich drei pagane Werke (die Breviarien des Aurelius Victor und des Eutropius sowie die Epitome de Caesaribus)1049 und die christliche Chronik des Hieronymus heran, fällt zunächst Folgendes auf: Während ihre Verfasser das Attribut divus bei keinem Kaiser dessen Namen voranstellen, ist letzteres in der Stadtchronik ebenso der Fall wie in der Liste der Natales Caesarum und in den Fasti Filocali. Vor allem aber: Nur Eutropius verzeichnet mehr Divi als die Stadtchronik; für den Zeitraum von Augustus bis einschließlich Licinius berichtet er über die Divinisierung von 19 Kaisern, meist mit den Worten inter Divos relatus est. Aurelius Victor erwähnt nur die Divinisierung von Hadrian, Pertinax, Commodus und Gallienus (Aur. Vict. 14,13; 20,1; 20,30; 33,27); außerdem berichtet er, man habe Augustus Ehrungen „wie einem Gott“ (Aur. Vict. 1,6) erwiesen. Die Epitome de Caesaribus erwähnt keine Divinisierungen; sie weist lediglich darauf hin, man habe Augustus und Marc Aurel Tempel geweiht (Epit. de Caes. 1,28 und 16,1). Der christliche Autor Hieronymus 1048 Neueste Edition des Chronographen: Divjak/Wischmeyer 2014, 91–98 (Natales Caesarum), 205– 221 (Fasti Filocali). 1049 Zur paganen Grundhaltung dieser Breviarien s. Sehlmeyer 2009, 12, 243, 267 f.

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche

355

spricht explizit nur ein einziges Mal von Divinisierung: Als einziger von allen Kaisern sei Diokletian als Privatmann zu den Göttern erhoben worden (Hier. chron z. J. 316). Folglich ist es kein eindeutiges Indiz für eine christliche Perspektive (s. u. S. 376 mit Anm. 1082), dass der Verfasser der Stadtchronik nur fünf Divi erwähnt. Eutropius ist eher als Ausnahme zu sehen. 4.4.2 Die Angaben zur jeweiligen Regierungsdauer Anders als die auf Eusebius basierende Chronik des Hieronymus bietet die Stadtchronik keine Jahreszählung; diese beginnt bei Eusebius/Hieronymus mit der auf das Jahr 2016 v. Chr. datierten Geburt Abrahams. Aber sowohl bei Hieronymus als auch in der Stadtchronik werden die einzelnen nach Kaisern gegliederten Abschnitte mit der jeweiligen Regierungsdauer eingeleitet. Doch während Hieronymus sich wie andere Quellen meist auf die Zahl der Jahre und Monate beschränkt, gibt die Stadtchronik fast immer (außer bei Maxentius) auch an, wieviele Tage der Betreffende regierte. Damit erweckt sie den Anschein extremer Genauigkeit. Ihr Schema hinsichtlich der jeweiligen Regierungsdauer lautet meist: Jahre/Monate/Tage. Da sie bei einigen Kaiserpaaren (z. B. bei Duo Gordiani und Diocletianus et Maximianus) eine gemeinsame Regierungsdauer verzeichnet, ergeben sich bei den insgesamt 58 Kaisern 50 Zahlenangaben. Zu diesen erstellte Burgess 2014 auf den Seiten 87–118 eine vergleichende Zusammenfassung („general summary“), die von acht Tabellen gestützt wird. Im Folgenden gebe ich zunächst die wichtigsten Ergebnisse dieses „general summary“ wieder und nehme kritisch zu ihnen Stellung. Danach versuche ich mit Hilfe von zwei selbst erstellten Tabellen zu veranschaulichen, inwieweit die Zahlen der Stadtchronik zuverlässig sind. Die zentralen Analyseergebnisse von Burgess: Burgess,Table 4:1050 Laut Burgess sind die Zahlen der von ihm Breviarium Vindobonense genannten Stadtchronik nur bei Caesar, Didius Iulianus, Florianus und Maxentius völlig korrekt („accurate“). Meines Erachtens gehören jedoch auch die dies XC bei Otho und die dies XX bei den duo Gordiani in diese Kategorie (s. o. S. 145 und 259). Dann würde Otho nicht mehr zu Burgess’ Kategorie „accurate report of erroneus or variant tradition“ zählen, Gordian I und II wären nicht mehr der Kategorie „apparent minor corruption“ zuzuordnen. Dass die Bezeichnung „erroneus or variant tradition“ in zwei verschiedenen Kategorien (s. u.) erscheint, fördert ohnehin nicht die Übersichtlichkeit der Darstellung. Ich pflichte Burgess bei, dass vermutlich 15 weitere von der Stadtchronik überlieferte Regierungsdaten ungefähr stimmen, jedoch nicht eindeutig veri-

1050 Burgess 2014, 93 f.

356

B) 4. Item imperia caesarum

fizierbar sind. Dies sind die Daten der folgenden Kaiser: L. Verus, Geta, Maximinus Thrax, Pupienus/Balbinus, Gordian III., Philippus Arabs/Philippus iunior, Decius, Gallus/Volusianus, Aemilianus, Claudius Gothicus, Quintillus, Aurelianus, Tacitus, Probus und Carus. Hinsichtlich dessen, was Burgess als gravierende Fehler („major corruption“) der Stadtchronik bezeichnet, bin ich allerdings z. T. anderer Meinung als er. Zur Kategorie „major corruption“ zählt er die 16 Regierungsdaten von Nero, Vespasian, Titus, Nerva, Traian, Marc Aurel, Commodus, Septimius Severus, Macrinus, Gallienus/Valerian, Carinus/Numerian, Diocletian/Maximian; Constantius/Galerius, Severus, Maximinus Daia, Licinius. Bei manchen dieser Kaiser irrt sich der Chronist bisweilen um einige Jahre, so dass die Einstufung als „gravierender Fehler“ gerechtfertigt ist. Jedoch kann man nur schwer nachvollziehen, weshalb Burgess die Zahlen für Domitian (mehr als 2 Jahre Abweichung, s. Komm. S. 162) und Elagabal (3 Jahre Abweichung, s. Komm. S. 243) nicht ebenfalls in die Kategorie „major corruption“ einordnet statt in jene der „apparent minor corruption of erroneus or variant tradition“. Andererseits liegen in den folgenden Fällen, die Burgess als „major corruption“ einstuft, m. E. keine allzu gravierenden Fehler vor: – Bei Traian beträgt die Abweichung nur ca. 1 ½ Monate, s. Komm. S. 186–189; – bei Marc Aurel beträgt sie nur knapp einen Monat, s. Komm. S. 209; – bei Septimius Severus nur ca. zwei Monate, s. Komm. S. 226; – bei Macrinus ca. zwei Monate, vielleicht weniger; s. Komm. S. 239. Nach meiner Einschätzung würden zur Kategorie „major corruption“ nicht 16, sondern nur 14 Kaiser zählen, ein Prozentsatz von 28 % statt 32 %; vgl. aber S. 360. Burgess, Table 5:1051 Hier überprüft Burgess, ob ein signifikanter Unterschied besteht hinsichtlich der Zuverlässigkeit jener Zahlen, welche die Stadtchronik jeweils für Regierungsjahre, Monate und Tage überliefert. Er kommt zu dem Schluss, dass die Fehlerhäufigkeit bei den Zahlen für die Tage auffällig hoch ist. Wahrscheinlich sei dies damit zu erklären, dass der Verfasser die Tageszahlen immer dann einfach erfand, wenn er in den Quellen keine finden konnte. Er habe vermutlich sein beeindruckendes dreiteiliges Zahlenraster konsequent beibehalten wollen. Einen Beleg für die These, manche Zahlen seien schlicht erfunden, sieht Burgess im überdurchschnittlich häufigen Vorkommen bestimmter Tageszahlen (vor allem der Zahlen 12 und 28), das nicht dem Zufallsprinzip entspricht. Diese Analyseergebnisse dürften zutreffen.

1051 Burgess 2014, 95 f.

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche

357

Burgess, Tables 6, 7 und 9;1052 Vergleich der Regierungszeiten, die Eusebius/Hieronymus überliefern, mit den Zahlen der Stadtchronik: Burgess wählt in Table 6 die Zahlenangaben für 28 Kaiser aus, deren Regierungsdauer gesichert ist, und berücksichtigt beim Vergleich nur die Anzahl von Jahren und Monaten. So kommt er zu dem Ergebnis: „Clearly Eusebius is more accurate than the Brevia­ rium“ (Burgess 2014, 98). Denn Eusebius gebe 13 Regierungszeiten völlig richtig und 18 annähernd richtig an, die Stadtchronik aber nur 9 völlig richtig und 10 annähernd richtig. Tatsächlich ist aber das Ergebnis zugunsten Eusebius nicht ganz so eindeutig: – Laut Burgess nennt Eusebius für Caesar die korrekten Zahlen „3/7/-“, aber hier irrt sich Burgess: Die armenische Version der Chronographia bietet „4 Jahre und 5 Monate“ (Karst, S. 61 Z. 23); „4 Jahre und 4 Monate“ sind es im „Chronicon-Kanon“ (Karst, S. 209); bei Hier. chron. z.J. 49 v. Chr. steht ann. IIII mensib. VII. Im Hinblick auf Caesars Regierungsdauer (3/7/6) sagt Burgess an anderer Stelle: „The Breviarium is […] not only perfectly correct but is the only fully detailed, accurate source we possess.” (Burgess 2014, 39) – Für Traian lauten die Zahlen der Stadtchronik „19/4/27“, diejenigen des Eusebius „19/6/-“. Burgess meint, die Angabe des Eusebius sei genauer, denn richtig sei „19/6/12“. Aber damit stützt er sich auf die offizielle Verlautbarung nach Traians Tod, die zumindest hinsichtlich der Zahl der Tage wahrscheinlich nicht korrekt war (s. Komm. S. 186–189). – Zwar ist es zu rechtfertigen, dass Burgess die Zahlen für Lucius Verus und Geta nicht in Table 6 aufnimmt, weil diese Daten nicht als gesichert gelten können. Aber immerhin sind die von der Stadtchronik genannten Zahlen wahrscheinlich annähernd richtig (so auch Burgess in Table 4), während Eusebius keinerlei Angaben macht. In Table 7 vergleicht Burgess die von Eusebius/Hieronymus überlieferten Regierungszeiten der sogenannten Soldatenkaiser mit den entsprechenden Zahlen der Stadtchronik aus dem Zeitraum vom 23. März 235 (Amtsantritt des Maximinus Thrax) bis zum Tod des Carinus, den Burgess auf April/Mai 285 datiert. Für den Vergleich addiert er die jeweils angegebenen Regierungszeiten, wobei er wieder nur die Anzahl von Jahren und Monaten berücksichtigt. Das Resultat lautet: 50 Jahre und 11 Monate bei Eusebius, 51 Jahre bei der Stadtchronik. Es sei überraschend, so Burgess, dass sich keine signifikanten Unterschiede ergäben und offenbar beide Autoren zu recht zuverlässigen Ergebnissen gekommen seien. Beide hätten offenbar versucht, die jeweilige Regierungsdauer von dies imperii zu dies imperii zu berechnen. Ergänzend stellt Burgess bei der Auswertung von Table 9 fest, dass die Stadtchronik die Regierungszeiten der Kaiser, die in den Jahren 235 bis 282 regierten, genauer berechnet als Eusebius.

1052 Ebd., 97–100, 107.

358

B) 4. Item imperia caesarum

Die Schlussfolgerungen, die Burgess aus den Tables 7 und 9 zieht, sind überzeugend. Was die von Burgess erstellte Table 4 betrifft, bin ich, wie oben erwähnt, in einigen Punkten anderer Auffassung als er. Daher versuche ich, mittels der selbst erstellten Tabelle 1 einen Überblick darüber zu verschaffen, bei welchen Kaisern die Zahlen der Stadtchronik jeweils stark, wenig oder gar nicht von der tatsächlichen Regierungsdauer abweichen. Bei völliger Übereinstimmung steht der Vermerk „korrekt“; wenn ein gesichertes Urteil über die reale Regierungsdauer nicht möglich ist, wird dies durch „?“ signalisiert. Die genauen Zahlenangaben, gegliedert nach Jahre/Monate/Tage, bietet die Tabelle 2 auf den Seiten 361–363. Tabelle 1: 50 Regierungszeiten Abweichung um Caesar Augustus Tiberius Caligula Claudius Nero Galba Otho Vitellius Vespasian Titus Domitian Nerva Traian Hadrian Antoninus Pius L. Verus Marc Aurel Commodus Pertinax Didius Iulianus Sept. Severus Geta Caracalla Macrinus Elagabal

Jahre

Monate

Tage

korrekt zu wenige: 2 1 zu viel zu wenige: fast 2 zu viele: 8 zu viele: 10 1 zu viel

1 zu wenig

zu viele: 9

zu viele: 10 zu viele: 6

korrekt zu viele: 2 Kopistenfehler zu viele: 2 zu viele: 4

zu viele: 5 zu wenige: 1 ½ ?

zu wenige: 8 ? zu wenige: 15

ca. 1 zu viel 1 zu viel ? ca. 1 zu wenig zu viele: ca. 4 zu wenige: 10 korrekt zu viele: ca. 2 zu wenige: 3 ? zu viele: 10 zu viele: 1 bis 2 zu viele: ca. 3

359

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche

Abweichung um

Jahre

Severus Alex. Maxim. Thrax duo Gordiani Pupen. u. Balb. Gordianus III. duo Philippi Decius Gallus/Volusian. Aemilianus Valerianus und Gallienus Claudius II. Quintillus Aurelianus Tacitus Florianus Probus Carus Carinus/Numer. Diokletian u. Maximianus Constantius u. Galerius Severus II. Maxentius Maximinus Daia Licinius

Monate

Tage

zu viele: 8 ? vgl. aber S. 248 zu viele: 4 ? korrekt korrekt ca. 1 zu wenig ? korrekt ? korrekt ? zu viele: ca. 2 ? ca. 1 zu wenig/ zu viel ? zu wenige: ca. 6 ? zu wenige: 6 ? zu viele: 10 ? zu viele: ca. 3 ? korrekt ? korrekt ? korrekt ? 1 zu wenig ? zu viele: 7 ? zu viele: ca. 1 ½ zu viele: ca. 2 ½ zu wenige: 1 ¼? zu viele: 1 ½ ? korrekt zu viele: 1 ½ ? zu wenige: 6 ?

Die Auswertung der Tabelle 1 führt zu folgenden Ergebnissen: – Völlig richtig (= „korrekt“) sind 6 Angaben, vermutlich richtig 5. – Abweichungen von einigen Tagen bis zu 3 Monaten: 22 – Abweichungen von mehr als 3 Monaten: 15; davon mehr als 1 Jahr: 9 – nicht sicher zuzuordnen sind Titus (Kopistenfehler, s. o. S. 156 f.) und Severus Alexander, dessen Regierungsdauer möglicherweise ab seiner Ernennung zum Caesar berechnet wurde (vgl. S. 248). Die 15 Abweichungen von mehr als 3 Monaten sehe ich als „gravierende Fehler“ an; bei insgesamt 50 Zahlenangaben entspricht dies 30 %. Hinzu kommt der ebenfalls größere

360

B) 4. Item imperia caesarum

Fehler bei Titus. Damit ergibt sich ein Wert, der nur unwesentlich unter den 32 % liegt, die Burgess als „major corruption“ deklariert. Allerdings sind es nicht durchweg dieselben Kaiser, die Burgess zu dieser Kategorie zählt (s. o. S. 356). Bei der Einstufung als „gravierender Fehler“ ist Folgendes zu bedenken: Tabelle 1 macht keine Aussagen darüber, welche Fehlerquellen den Abweichungen möglicherweise zugrunde liegen; z. B. ob die benutzte Quelle fehlerhaft war. Wollte man dies genau erfassen, wäre das Ergebnis unübersichtlich. So taucht bei Burgess (in dessen Table 4) die Klassifizierung „erroneus or variant tradition“ in zwei verschiedenen Kategorien auf. Weitere Beispiele, bei denen die Einstufung als „gravierender Fehler“ fragwürdig erscheint: Bei Carinus beträgt die vermutete, also nicht verifizierbare Abweichung ca. 6–7 Monate; die Vergleichsquellen aber bieten eindeutig falsche Zahlen, s. Komm. S. 319 f. Ähnlich ist es bei Licinius: Hier beläuft sich die vermutliche Abweichung auf knapp 6 Monate; die Zahlen der Stadtchronik sind jedoch zweifellos genauer als die der Vergleichsquellen; s. Komm. S. 352.

Vergleich zwischen den von der Stadtchronik überlieferten Regierungszeiten und den Zahlen bei Aurelius Victor, Eutrop sowie der Epitome de Caesaribus: Um die Zuverlässigkeit und den Quellenwert der Stadtchronik besser beurteilen zu können halte ich es für unerlässlich, die Zahlenangaben der Stadtchronik mit jenen dieser wichtigen Parallelquellen mittels einer Übersichtstabelle (Tabelle 2) genau zu vergleichen. Wie erwähnt, schlägt Burgess für die Stadtchronik die Bezeichnung Breviarium Vindobonense vor; dennoch vergleicht er dessen Zahlen im Rahmen seines „general summary“ nur punktuell mit den genannten Breviarien. Zu Tabelle 2 ist noch Folgendes anzumerken: Die Breviarien des Aurelius Victor und des Eutrop sowie die Epitome de Caesaribus enthalten ebensowenig eine Jahreszählung wie die Stadtchronik. Bei Aurelius Victor und Eutrop sind die Angaben über die Regierungsdauer der Kaiser, sofern vorhanden, entweder in den Text integriert oder ans Ende des jeweiligen Abschnitts gestellt; die Epitome hingegen weist, ähnlich wie die Stadtchronik, immer als erstes auf die Regierungszeit des betreffenden Kaisers hin. In der Tabelle auf den beiden folgenden Seiten sind die Zeitangaben der vier Quellen meist nach dem von der Stadtchronik vorgegebenen Schema ( Jahre/Monate/Tage) gegliedert; diejenigen Angaben, die sich beim Vergleich als die genauesten herausstellen, werden durch Fettdruck kenntlich gemacht (bisweilen ist dies in mehr als nur einer Spalte der Fall). Die mit „korrekt“ überschriebene Spalte zeigt (bei bisweilen variierender Zählweise) die historisch gesicherte oder mit dem Vermerk „?“ die wahrscheinliche Regierungsdauer an.

361

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche

Tabelle 2: Zahlenangaben von Stadtchronik

Aur. Vict.

Eutropius

Epit. de Caes.

korrekt

Caesar

3/7/6

-

-

-

3/7/6

Augustus

56/4/1

ca. 44/-/-

56/-/(44 J. allein)

56/-/(44 J. allein)

56/4/3

22/7/28

23/-/-

23/-/-

23/-/-

22/6/25 oder 22/6/28

Caligula

3/8/12

3/-/

3/10/8

4/-/-

3/10/6

Claudius

13/8/27

14/-/-

14/-/-

14/-/-

13/8/19

Nero

14/5/28

14/-/-

-

13/-/-

13/7/27

Galba

-/8/12

-/7/7

-/7/-

-/7/7

-/7/7 oder: -/9/13

Otho

-/-/90

-/-/85

-/-/95

-/3/-

-/-/90

Vitellius

-/8/11

-/8/-

-/8/1

-/8/-

-/8/1

Vespasian

12/8/28

10/-/-

9/-/7

10/-/-

9/11/22

Titus

8/-/12

2/9/-

2/8/20

2/2/20

2/2/20

Domitian

17/5/5

15/-/-

15/-/-

15/-/-

15/-/5

Nerva

5/4/1

1/4/-

1/4/8

1/4/10

1/4/10

Traian

19/4/27

fast 20/-/-

19/6/15

20/-/-

19/6/12 ?

Hadrian

20/10/14

21/11/-

21/10/29

22/-/-

20/10/29

Antonin. Pius

22/8/28

20/-/-

im 23. Jahr

23/-/-

22/7/25

L. Verus

7/8/12

-

11/-/-

11/-/-

7/9/- ? 7/11/- ?

Marc Aurel

18/11/14

18/-/-

im 18. Jahr

18/-/-

19/-/10

Commodus

16/8/12

fast 13/-/-

12/8/-

13/-/-

12/9/14

Pertinax

-/-/75

-/-/80

-/-/80

-/-/85

85 Tage ? 87 Tage ?

Didius Iulian.

-/-/65

-

-/7/-

-/7/-

65 Tage

Sept. Severus

17/11/28

18/-/-

16/3/-

18/-/-

17/8/3 oder 17/9/25

Geta

-/10/12

-

-

-

-/10/15 ? -/10/22 ?

Caracalla

6/2/15

6/-/-

6/2/-

6/-/-

6/2/4

Macrinus

1/4/2

fast 14 Mon.

1/2/-

-/14/-

1/1/28

Elagabal

6/8/18

2/6/-

2/8/-

2/8/-

3/9/26

Sev. Alex.

13/8/9

13/-/-

13/-/8

13/-/-

13/-/9

Max. Thrax

3/4/2

3/-/-

3/-/et paucis diebus

3/-/- -

3 Jahre und einige Tage ?

Tiberius

362

B) 4. Item imperia caesarum

Stadtchronik

Aur. Vict.

Eutropius

Epit. de Caes.

korrekt

duo Gordiani

-/-/20

-

-

-

-/-/20 ?

Pup. u. Balb.

-/-/99

-

-

-

-/-/ca. 99 ?

Gord. III.

5/5/5

6/-/-

-

6/-/-

5 Jahre u. 6 Mon. ?

duo Philippi

5/5/29

5/-/-

5/-/-

5/-/-

5/ca. 6/- ?

Decius

1/11/18

2/-/-

2/-/-

2/6/-

1 Jahr u. 8–11 Mon. ?

Gallus/Volus.

2/4/9

2/-/-

knapp 2 J.

2/-/-

2/2/- ?

Aemilianus

-/-/88

-/3/-

Tod: tertio mense

Tod: mense quarto

3 bis 4 Monate ?

Valerian und Gallienus

14/4/28

Valerian 6 J., Gallien. 9 J.

Gallien. 9 J.

15/-/- (davon knapp 15 J., Gall. 8 solus) davon Gall. allein 8 J. ?

Claudius II.

1/4/14

-

knapp 2 J.

1/9/-

1/11/- ?

Quintillus

-/-/77

-

-/-/17

paucis diebus

17 oder 67 Tage ?

Aurelian

5/4/20

-

5/6/-

5/6/-

5 J. und ca. 1 Mon. ?

Tacitus

-/8/12

200 Tage

knapp 6 Monate

200 Tage

8 bis 9 Monate ?

Florianus

-/-/88

1 bis 2 Mon.

-/2/20

-/-/60

ca. 2 ½ Mon. bis zu 88 Tage ?

Probus

6/2/12

knapp 6 J.

-

6/-/-

6 J. u. 2 bis 3 Monate ?

Carus

-/10/5

-

2 J. mit den Söhnen

2/-/-

10 bis 12 Monate ?

Carinus und Numerianus

2/11/2

2 J. zus. mit Carus

2 J. zus. mit Carus

-

Carinus 2 J. u. 5 Mon. ?

Diocletian und Maximianus

21/11/12

Diocl. 20 J. Max. 19 J.

-

Diocl. 25 J. Max. 20 J.

D.: 20/5/11 M.: 19/6/- ?

Constantius I. und Galerius

16/8/12

13 J. Caesares/1 J. Aug.: Const.; 5 J.: Galerius

Constantius: 13 J.

-

Severus II.

3/4/15

-

-

-

1 J. u. 10 bis 11 Monate ?

Maxentius

6/-/-

knapp 6 J.

-

-

6/-/-

Maxim. Daia

9/8/6

2 J. als Aug.

-

4 J. als Caesar, 3 J. als Augustus

7/11/30 oder 8 J. und ca. 4 Mon. ?

Constantius: 13/4/24 Galerius: knapp 18 J. ?

363

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche

Stadtchronik Licinius

15/4/16

Aur. Vict. -

Eutropius -

Epit. de Caes. ca. 14 J.

genaueste Angaben:

25

8

11

11

davon ganz exakt:

5

2

2

4

korrekt 15/10/8 ?

Fazit Die Angaben der Stadtchronik treffen wesentlich häufiger zu als jene der drei Vergleichsquellen. Dies gilt insbesondere für die Zeit der Soldatenkaiser von Maximinus Thrax bis Carinus. Hinsichtlich dieses Zeitabschnitts kommt Burgess beim Vergleich mit Eusebius (Table 9 auf S. 107 f.) zu einem ähnlichen Ergebnis. 4.4.3 Die congiaria Die Stadtchronik gibt bei 40 der 58 verzeichneten Kaiser an, welche Summen sie dem Volk als congiaria spendeten. Diese Angaben gelten als überwiegend zuverlässig. Als Quellen werden sie beispielsweise genutzt von D. van Berchem (1939), G. Barbieri (1957) und Szaivert/Wolters (2005)1053; auf van Berchems Ergebnisse wiederum stützt sich Kienasts „Römische Kaisertabelle“ (21996 und 62017). Die positive Einschätzung besteht zu Recht, denn nach eingehender Prüfung sämtlicher Angaben der Stadtchronik hinsichtlich der kaiserlichen congiaria lässt sich Folgendes feststellen: – Jedesmal, wenn die Stadtchronik einen Kaiser als Spender eines congiarium ausweist, wird die Richtigkeit der Aussage durch mindestens eine weitere Quelle bestätigt. Immer dann, wenn die Stadtchronik die einzige literarische Quelle ist, lassen sich entsprechende Münzlegenden als Belege finden. – Bei 18 Kaisern ist die Stadtchronik die einzige literarische Quelle, die congiaria überliefert. Das spricht nicht gegen, sondern für ihre Bedeutung als Quelle. Es handelt sich um die folgenden Kaiser: Maximinus Thrax, Pupienus und Balbinus, Gordian III., Philippus Arabs und sein Sohn, Decius, Gallus und Volusianus, Gallienus und Valerianus, Claudius Gothicus, Carinus und Numerianus, Diokletian und Maximianus, Constantius I. und Galerius. – Die Berichterstattung der Stadtchronik über congiaria ist insofern einzigartig, als sie stets für jeden Kaiser (bzw. jedes Kaiserpaar) die gezahlten Gesamtsummen nennt.1054 Dies ist bei anderen literarischen Quellen meist nicht der Fall. 1053 Wolfgang Szaivert/Reinhard Wolters: Löhne, Preise, Werte. Quellen zur römischen Geldwirtschaft, Darmstadt 2005, 292–294. 1054 Ab Traian bezieht sich die Abkürzung cong. meist auf mehrere congiaria.

364 – – –



– – –

B) 4. Item imperia caesarum

Diejenigen Summen, welche die Stadtchronik bei den congiaria von Caesar, Claudius (I.), Nero, Domitian und Macrinus nennt, werden durch andere literarische Quellen bestätigt. Bei den meisten anderen Kaisern zeigen Münzlegenden, dass die von der Stadtchronik angegebenen Summen mit hoher Wahrscheinlichkeit stimmen. Nachweislich unkorrekt sind nur die hinsichtlich Augustus, Tiberius, Caligula und Pertinax genannten Summen; bei Tiberius und Caligula könnte bewusst eine etwas zu niedrige Summe (72 ½ Denare) angegeben worden sein, um ihnen indirekt einen Mangel an Großzügigkeit vorzuwerfen. Während die vier congiaria des Elagabal vielleicht zu niedrig angesetzt sind, werden bei Diokletian/Maximian und Constantius I./Galerius extrem hohe Summen genannt; diese sind aber wahrscheinlich mit dem massiven Wertverlust des Denars zu erklären (vgl. S. 333, 337, 346 f.). Bei den vier congiaria des L. Verus verschweigt der Verfasser, dass auch Marc Aurel an ihnen beteiligt war; auch lässt er ein congiarium unerwähnt, das die Brüder Caracalla und Geta gemeinsam verteilen ließen (vgl. S. 232). Hinsichtlich Galba, Titus und Quintillus erhalten wir die Mitteilung cong. promi­ sit sed non dedit. Wie erwähnt, ist dies im Falle Galbas nur ansatzweise zutreffend und bei Titus liegt eine Korruptel vor. Bei den vor Traian regierenden Kaisern verzeichnet die Stadtchronik nur drei con­ giaria, die höher waren als 75 Denare pro Kopf (bei Caesar, Augustus und Nero). Demnach scheint der übliche Betrag in den ersten Jahrzehnten der Prinzipatszeit 75 Denare pro Kopf gewesen zu sein; noch Domitian und Nerva ließen congiaria in dieser Höhe verteilen. Aus den Angaben der Stadtchronik und aus Münzlegenden, welche die Anzahl der congiaria des jeweiligen Kaisers überliefern, lässt sich ferner ableiten, dass unter den Adoptivkaisern Spenden von 100 bis 150 Denaren pro Kopf üblich wurden (manchmal wurde auch mehr gezahlt) und dass offenbar ab der Regierungszeit des Decius in der Regel 250 Denare als congiarium ausgehändigt wurden.1055 4.4.4 Kaiserliche Baumaßnahmen und sonstige außergewöhnliche Ereignisse

Tabelle 3 stellt eine Übersicht dar über jene Angaben der Stadtchronik, die häufig an dritter Stelle nach den Aussagen über die Regierungsdauer und die congiaria des jeweiligen Kaisers platziert sind. Der Chronist berichtet beispielsweise über kaiserliche Bauten (opera publica), aber auch über Unglücksfälle mit zahlreichen Opfern. Die Tabelle macht deutlich: Zahlreiche Angaben der Stadtchronik werden durch Vergleichs-

1055 Vgl. Delmaire 1991, 152.

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche

365

quellen bestätigt, für Vieles ist sie jedoch die einzige literarische Quelle. Nur wenige ihrer Angaben sind nachweislich fehlerhaft oder unglaubwürdig. Tabelle 3 Durch andere literarische Quellen bestätigte Angaben

einzige literarische Quelle

f.: Acatus als Schiffsname; ugw.: Frachtmenge

Augustus

ein Obelisk per Schiff von Ägypten nach Rom

Tiberius

Amphitheater in Fidenae stürzt ein

4205 Opfer

Caligula

wirft Geld von Basilica Iulia, dadurch Tote

Zahl der Opfer in der Volksmenge

Claudius

Hinrichtungen, vergoldete metae

Zahl der Hingerichteten

Nero

ein polyfagus

Arpocras: Name und Fressleistungen

Galba

horrea Galbae

Vespasian

gründet das amphi­ theatrum

tribus gradibus

Titus

baut weiter am amphi­ theatrum

zwei weitere Stockwerke (gradus)

Domitian

opera publica: Palatium; horrea piperataria; templum gentis Flaviae; templum Divorum; Iseum et Serapeum; templum Minervae Chalcidicae; odium; stadium; ludus matutinus; templum Ves­ pasiani et Titi; Capitolium (templa); curia Iulia; meta sudans; pantheum

weitere opera publica: atria VII; templum Castorum et Minervae; horrea Vespasiani; porta Capena; porticus Minucia vetus; thermae Titianae et Traianae; amphithe­ atrum usque ad clypea; drei weitere ludi; Bauten auf oder beim Hügel Palatium und auf dem Capitolium

f.: cong. promisit ugw.: erster Erbauer der horrea Galbae

Nerva

funeraticium X LXIIS

Traian

Frauen in den Thermen des Traian

Hadrian

templum Romae et Veneris

Antoninus Pius

Einsturz des circus maximus

Lucius Verus

fehlerhaft (f.) oder unglaubwürdig (ugw.)

Ursache: partectorum columna ruit; Opferzahl Ferkelmissgeburt (prodigium)

366

B) 4. Item imperia caesarum

Durch andere literarische Quellen bestätigte Angaben

einzige literarische Quelle

Marc Aurel

Schuldscheine auf forum Romanum verbrannt

die Feuer brennen 30 Tage lang

Commodus

neues Bauwerk: thermae Commodianae

Septimius Severus

neue Bauten: Septizonium, thermae Severianae

Caracalla

thermae Antoninianae; Inzestvorwurf

Macrinus

Brand des Amphitheaters

Elagabal

Tempel des Sol Elagabal

Severus Alexander

thermae Alexandrinae

Maximinus Thrax

Kampf zwischen röm. Zivilisten und Prätorianern

Gordian III.

ein neues certamen; vgl. Aur. Vict. 27,7

duo Philippi

Tausendjahrfeier

Decius

thermae (Decianae)

Gallus und Volusianus

magna mortalitas durch eine Seuche

Aurelian

neue Bauten: Stadtmauer; templum Solis et castra. Brot und Öl werden kostenlos an das Volk verteilt; Gründung des agon Solis

Probus Carinus und Numerianus

er erweitert die ianuae circi (carceres)

Leistungen eines poly­ fagus; templum Iasurae

ein Maultier frisst einen Menschen (prodigium); agon Minervae f.: thermae Commodianae

templum Solis et castra auf campus Agrippae; Statue des genius populi Romani in rostra; auch Salz wird verteilt; Brand u. Renovierung der Caracalla-Thermen (porticus) Senatoren veranstalten 14 Wagenrennen

fames magna fuit

fehlerhaft (f.) oder unglaubwürdig (ugw.)

Brände zerstören die curia Iulia, das forum Caesaris, die basilica Iulia und das Graecostadium

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche

367

Durch andere literarische Quellen bestätigte Angaben

einzige literarische Quelle

fehlerhaft (f.) oder unglaubwürdig (ugw.)

Diocletian u. Maximianus

erbaut werden die thermae Diocletianae; Triumphzug bei der Vicennalfeier

opera publica: curia Iulia, forum Caesaris, basilica Iulia, scaena Pompei, porticus II, nymfea III, templa II Iseum et Sera­ peum, arcus novus. Die beim Triumphzug mitgeführte Beute; Einsturz des circus maximus bei einer Geldspende, 13000 Opfer; Vierlingsgeburt (prodigium)

f.: bei dem Triumphzug seien der persische König und seine Familie mitgeführt worden

Maxentius

Baumaßnahmen am templum Romae; Hungersnot, danach kommt es zu Straßenkämpfen in Rom; eine neue Steuer wird erhoben

Restaurierung des Tempels nach einem Brand; Maxentius lässt thermae auf dem Palatin und einen circus in catecumbas (= an der via Appia) erbauen; die Steuer ist in Gold zu entrichten; vor der Aurelianischen Mauer beginnt man einen Graben anzulegen

Kommentar zu drei Aspekten der Tabelle 3 1) Die Bauwerke: Offensichtlich misst die Stadtchronik den Bauwerken Roms erhebliche Bedeutung bei, denn sie ordnet 15 Kaisern eine große Zahl von opera publica zu, wobei Domitian als der eifrigste Bauherr dargestellt wird. Allerdings unterscheidet der Chronist häufig nicht zwischen Restaurierungen und Neubauten; so waren fast 50 % der Bauten, die er Domitian zuschreibt, keine Neubauten (s. o. S. 180). Die Liste der opera publica ist bei weitem nicht vollständig; z. B. tritt Augustus als Bauherr gar nicht in Erscheinung, obwohl er das Stadtbild Roms nachhaltig prägte.1056 Zwar ist die Stadtchronik für zahlreiche in der Liste aufgeführte Bauwerke die einzige literarische Quelle, aber fast immer gibt es archäologische Belege für die Richtigkeit ihrer Aussagen. Dafür, dass der Chronist den opera publica so große Aufmerksamkeit widmet, dürfte es zwei Gründe geben: Zum einen waren sie ebenso wie die congiaria ein Nachweis für die Tugend kaiserlicher liberalitas dem Volk gegenüber und wurden daher von den Kaisern bewusst als Mittel der Selbstdar-

1056 Vgl. Scheithauer 2000, 136.

368

B) 4. Item imperia caesarum

stellung eingesetzt.1057 Zum anderen verliehen monumentale Bauwerke dem Glanz und der Bedeutung Roms sichtbaren Ausdruck. Letzteres war wohl der wichtigere Grund: Die Stadtchronik war höchstwahrscheinlich aus stadtrömischer Perspektive für ein in Rom ansässiges Lesepublikum konzipiert (vgl. S. 377 f.). 2) Die Zahlenangaben: Auffällig sind mehrere extrem genaue Zahlenangaben, v. a. die jeweilige Opferzahl bei Unglücksfällen, die Frachtmenge eines ägyptischen Schiffes zur Zeit des Augustus oder die detailliert aufgezählten Fressleistungen von polyphagi. Meist gibt es keine Vergleichsquellen für diese Zahlen, so dass sie weder verifiziert noch falsifiziert werden können. Aber da sich die hinsichtlich der congiaria genannten Summen größtenteils als richtig erweisen, sollte man m. E. auch den in dieser Rubrik verzeichneten Zahlen nicht zu sehr misstrauen. Jedoch gilt es zu relativieren: Jenes Schiff, das zur Zeit des Augustus einen Obelisken von Ägypten nach Italien brachte, konnte vermutlich auch 1200 Passagiere oder 400 000 modii Getreide transportieren, aber nicht alles gleichzeitig (s. o. S. 111)! Ähnliches dürfte für die Mengen gelten, welche ein polyphagus angeblich vertilgen konnte (s. o. S. 134, 249 f.). 3) Die Prodigientradition: Bei vier Kaisern berichtet die Stadtchronik von Ereignissen, die der Verfasser offensichtlich als naturwidrig interpretiert: In der Zeit des L. Verus sei ein missgebildetes Ferkel geboren worden (s. o. S. 206); in der Zeit Gordians III. habe ein Maultier einen Menschen gefressen (s. o. S. 265); während der Regierung Diokletians und Maximians seien Vierlinge geboren worden (s. o. S. 334). Mit der Erwähnung derart außergewöhnlicher Begebenheiten knüpft der Autor offenbar an die aus republikanischer Zeit stammende Tradition der Prodigienberichte an.1058 Den Terminus prodigium verwendete man üblicherweise für ein böses Zeichen bzw. Vorzeichen, das anzeigte, dass die pax deorum gestört war und man versuchen musste, die Götter zu besänftigen und weiteres drohendes Unglück durch Entsühnungsrituale abzuwenden.1059 Es sind auch andere Vorzeichentermini überliefert (ostentum, por­ tentum, miraculum, monstrum, omen); prodigium scheint der Oberbegriff gewesen zu sein.1060 Die Zeichendeutung gehörte zu den wichtigsten Aufgaben der Priesterkollegien; waren sie zu einem Urteil gelangt, sprachen sie in republikanischer Zeit gegenüber dem Senat Empfehlungen aus.1061 Jahrhunderte lang war man der Ansicht, böse Vor1057 Bestes Beispiel sind die Res gestae divi Augusti, die zahlreiche opera publica nennen; vgl. dazu auch Scheithauer 2000, 12 f. Aus Sicht der Historia Augusta (HA Comm. 17,5) waren fehlende opera pu­ blica ein deutliches Zeichen für die Unfähigkeit des Commodus; vgl. Scheithauer a. a. O. 182. 1058 So auch Nickbakht/Stein 2017, 101, 114, 132 f. 1059 Götz Distelrath, Prodigium, in: DNP 10 (2001) 369 f. 1060 Engels 2007, 259 f. 1061 Rosenberger 1998, 50–65.

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche

369

zeichen würden vor Gefahren warnen, welche die gesamte res publica bedrohten; in der Kaiserzeit jedoch bezog man sie in erster Linie auf die Person des Herrschers und verwendete die Termini omen/omina. 1062 Als die wichtigsten Quellen für das römische Prodigienwesen gelten Livius1063 und das auf seinem Geschichtswerk basierende Liber prodigiorum des Iulius Obsequens, das wohl Ende des 4. Jh. verfasst wurde und über prodigia aus dem Zeitraum 190 bis 11 v. Chr. berichtet.1064 Livius und Obsequens beschreiben zahlreiche, ganz überwiegend schlimme Vorzeichen, zu denen sie stets auch Missgeburten bei Tieren und Menschen zählen. Beispiele: Liv. 31,12,6–7; 32,9,1–5; Obseq. 5; 12; 27. Als Missgeburten galten auch Hermaphroditen (Obseq. 22; 27a.; 32), siamesische Zwillinge (Obseq. 25), Drillingsgeburten (Obseq. 14) oder Vierlingsgeburten (Plin. nat. 7,33). Missgebildete Tiere und Menschen wurden üblicherweise sofort nach der Geburt getötet (Liv. 31,12,7; Sen. de ira 1,15; Obseq. 32; 47). Mehrfach tauchen in der Prodigienüberlieferung Maultiere auf: Meist wird berichtet, ein Maultier habe ein Fohlen geboren (Obseq. 52 und 70: mula peperit; ähnlich Obseq. 65). Da sich Maultiere in der Regel nicht fortpflanzen können, wurde dies als naturwidriges Ereignis und daher als besonders schlimmes Vorzeichen aufgefasst. Wie oben erwähnt (S. 265), interpretierte die vom Autor der Stadtchronik verwendete Quelle den Bericht über das Maultier, das angeblich einen Menschen fraß, vermutlich als prodigium für den allzu frühen Tod Gordians III. Zusätzlich könnte diese Interpretation einen versteckten Hinweis auf denjenigen enthalten haben, der von einigen Quellen als Mörder Gordians genannt wird: Philippus Arabs (s. o. S. 268 f.). Wegen seiner Herkunft aus der Provinz Arabia sahen viele Angehörige der römischen Oberschicht in ihm einen unzivilisierten Emporkömmling.1065 Das Maultier galt als „Metapher für den Mischling“ (Rosenberger 1998, 107) und konnte daher als Hinweis auf Philipp verstanden werden. Der missgestaltete porcellus zur Zeit des L. Verus könnte ursprünglich als böses omen interpretiert worden sein, das auf den frühen Tod des Verus hindeutete. Da aber Schweine wohl schon immer als unreine Tiere galten, könnte man in dieser Missgeburt auch eine Anspielung auf den liederlichen Lebenswandel (vgl. HA Ver. 4,4–5,2; 8,8–11) des Kaisers gesehen haben. Die Vierlingsgeburt während der Herrschaft von Diokletian und Maximian könnte man als schlechtes omen für das System der Tetrarchie gedeutet haben, welches sich tatsächlich nicht allzu lange hielt. Dass die Geburt der Vierlinge als besonders schlimmes Vorzeichen aufgefasst wurde, ist umso wahrscheinlicher, als die Stadtchronik mit diesem Bericht jenen über den katastrophalen Einsturz des circus maximus verbindet.

1062 Distelrath, DNP a. a. O. 370; Rosenberger, Omen (II), in: DNP 8 (2000) 1198 f. 1063 Rosenberger 1998, 24. 1064 P. L. Schmidt, Iulius Obsequens und das Problem der Livius-Epitome, in: Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse, Jg. 1968, Nr. 5, Wiesbaden 1968, 153–244; hier v. a. 161–171, 229 f. 1065 Körner 2002, 30–32.

370

B) 4. Item imperia caesarum

Möglicherweise übernahm der Verfasser der Stadtchronik die Prodigienberichte einfach als Kuriosität, ohne dass ihm das Deutungspotential voll bewusst war. Man kann aber nicht ausschließen, dass er mit solchen Hinweisen unterschwellig Kritik an einzelnen Kaisern üben wollte. Dieselbe Absicht könnte, wie erwähnt, hinsichtlich der falschen Beträge bei den congiaria von Tiberius und Caligula bestanden haben (s. o. S. 116 f., 122 f., 364). Weniger versteckt ist die Kritik an Caracalla, indem ihm Inzest vorgeworfen wird (s. o. S. 236 f.). 4.4.5 Todesarten und Sterbeorte der Kaiser Die Stadtchronik gibt bei fast jedem der von ihr verzeichneten 58 Kaiser an, auf welche Weise und an welchem Ort er zu Tode kam; nur hinsichtlich Numerianus (gestorben 284 n. Chr.) fehlen diesbezügliche Aussagen. Todesarten: Hinsichtlich der Todesart verwendet der Verfasser bei 24 Kaisern das Wort excessit. Das Verb excedere hat in diesem Kontext die Bedeutung „aus dem Leben scheiden, verscheiden“;1066 excessit ist folglich mit „er starb“ zu übersetzen. Offenbar möchte der Chronist mit seiner eigentlich neutralen Formulierung auf eine natürliche Todesursache hinweisen, denn in fast allen anderen Fällen (31 von insgesamt 58) verwendet er das Wort occisus. Im hier gegebenen Kontext hat das Verb occidere die Hauptbedeutung „erschlagen, niederhauen, töten“.1067 Mit der Formulierung occisus gibt der Chronist folglich zu verstehen, dass der betreffende Kaiser getötet wurde; dabei ist jedoch nicht erkennbar, ob dieser durch Mord oder bei einer militärischen Auseinandersetzung zu Tode kam. Bei Otho und (Flavius Valerius) Severus wird als Todesursache Selbstmord angegeben: ipse se interfecit. Hinsichtlich Galba teilt der Verfasser ausnahmsweise ein Detail mit: decolatus foro Romano iacuit. Der einzige Kaiser, dessen Sterbedatum genannt wird, ist Traian: VII idus Iulias. In folgenden Fällen wäre die Formulierung occisus treffender als excessit: – Commodus (ermordet, vgl. S. 219); – Pertinax (ermordet, vgl. S. 223); – Antoninus Magnus (Caracalla wurde ermordet, vgl. S. 238); – Gordian II. (Tod in der Schlacht, vgl. S. 259); – Gordian III. (ermordet oder im Kampf tödlich verwundet, vgl. S. 267 f.).

1066 Georges Hwb Bd. 1, Sp. 2514. 1067 Georges Hwb Bd. 2, Sp. 1296.

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche

371

Bei Nero steht fälschlich occisus statt ipse se interfecit (vgl. S. 136); bei Gordian I. steht ungenau excessit statt ipse se interfecit (vgl. S. 259). Wahrscheinlich unkorrekt sind folgende Angaben: – bei Maximianus excessit; er wurde entweder ermordet oder beging Selbstmord (vgl. S. 334 f.); – bei Severus II. ipse se interfecit; er wurde vermutlich ermordet (vgl. S. 340 f.); – bei Maximinus Daia occisus; er starb wohl an einer Krankheit (vgl. S. 351 f.) Möglicherweise unkorrekt: – bei Valerianus occisus; vermutet wird ein natürlicher Tod (vgl. S. 288 f.); – bei Quintillus occisus; Selbstmord ist nicht auszuschließen (vgl. S. 296 f.) Sterbeorte: Bei 57 Kaisern wird der Sterbeort genannt, bisweilen sehr genau (z. B. palatio); in ca. 40 Fällen wird ein Ort außerhalb Roms angegeben. Nur bei acht Kaisern nennt die Stadtchronik eindeutig einen falschen Ort; drei weitere Angaben sind ungenau und zwei unsicher (s. u.). Burgess vergleicht die Angaben der Stadtchronik hinsichtlich des jeweiligen Sterbeortes mit anderen Quellen und erstellt eine Vergleichstabelle.1068 In dieser Table 11 berücksichtigt er die anonyme Series regum, die Chronik des Eusebius sowie Quellen, bei denen eine Abhängigkeit von der sogenannten Enmannschen Kaisergeschichte angenommen wird (u. a. Eutropius). Einige seiner wichtigsten Schlussfolgerungen lauten: The Breviarium is incorrect only four times, and of those two are paralleled by the Series regum and/or Eusebius (§§ 43 and 74), which shows that the fault lay with the compiler’s source. The other two instances are late in the work […] The source employed by the compiler of the Breviarium was very closely related to the ultimate source used by the compiler of the Series regum, whoever and whenever that was. (Burgess 2014, 189, 191)

Diesen Feststellungen ist weitgehend zuzustimmen: Die Fehler hinsichtlich Vitellius und Tacitus (s. bei Burgess § 43 und § 74) sind der vom Chronisten verwendeten Quelle anzulasten, da sie auch bei Eusebius und bei der Series regum festzustellen sind. Von den insgesamt 23 Ortsangaben der Serius regum stimmen 19 mit den Angaben der Stadtchronik überein.1069 Dies deutet darauf hin, dass letztlich dieselbe Quelle zugrunde lag. Aber es kann nicht die einzige gewesen sein, die verwendet wurde, da sich einige Angaben unterscheiden.

1068 Burgess 2014, 158–192; Table 11 auf S. 187–189. 1069 Vgl. Burgess 2014, 190.

372

B) 4. Item imperia caesarum

In Table 11 vermerkt Burgess zu Recht, dass die Stadtchronik die Sterbeorte folgender Kaiser falsch angibt: – Vitellius: occisus Palatio; er wurde am Kapitolshügel getötet (vgl. S. 148 f.); – Tacitus: occisus Ponto; wahrscheinlich wurde er in Tyana ermordet (vgl. S. 306 f.); – Constantius I.: excessit in Gallia; er starb im britannischen Eboracum (vgl. S. 338 f.); – Severus II: via Latina miliario III; er wurde an der via Appia getötet (vgl. S. 340 f.). Von den 49 Angaben der Stadtchronik, die Burgess als zutreffend ansieht, sind allerdings 4 falsch, 3 ungenau und 2 unsicher: – Vespasian: Curibus Sabinis; richtig ist Aquae Cutiliae (vgl. S. 155 f.); – Titus: Curibus Sabinis; richtig ist auch hier Aquae Cutiliae (vgl. S. 158–161); – Marc Aurel: Pannonia superiore; richtig ist wahrscheinlich Bononia in Pannonia inferior (vgl. S. 213 f.); – Valerianus: occisus in Syria; tatsächlich starb er in der Persis (vgl. S. 288 f.); – Septimius Severus: excessit Britaniae ist ungenau, er starb in Eboracum, der Haupstadt von Britannia inferior (vgl. S. 230); – Gordian III: finibus Partiae ist ungenau, denn Gordian wurde auf parthischem Gebiet weit von der Grenze entfernt getötet (vgl. S. 267–269); – Galerius: in Dardania ist nicht ganz exakt (vgl. S. 338 f.); – Gallus und Volusianus: in foro Flamini könnte zutreffen, aber auch Interamna kommt in Frage (vgl. S. 283 f.); – Philippus Arabs: occisus […] Verona: zwei andere Orte können nicht völlig ausgeschlossen werden (vgl. S. 273–275). 4.4.6 Die Quellen der Stadtchronik Welche Quellen der Verfasser der Stadtchronik benutzte, bleibt größtenteils ungewiss.1070 Mit hoher Wahrscheinlichkeit lässt sich nur Folgendes sagen: – Hinsichtlich der nomina dictatorum orientierte er sich wohl letztlich an derselben Quelle wie Lucius Ampelius und wie der Autor der anonymen Schrift De viris illustribus urbis Romae (s. o. S. 64 f.). – Hinsichtlich der römischen Kaiser deutet manches auf Sueton hin, z. B. die bei den congiaria des Augustus und des Tiberius genannten Summen (s. o. S. 108, 117) sowie der polyfagus Neros (s. o. S. 135). Nach P. L. Schmidts Ansicht kommt als Quelle für die römische Frühzeit ebenfalls Sueton in Betracht, nämlich dessen verlorenes Werk De regibus.1071

1070 Vgl. Peachin 1990, 23 f.; Burgess 2014, 15 f. 1071 Schmidt, HLL 5 (1989) § 531,5.

4.4 Das Kapitel imperia caesarum: Zusammenfassung und Vergleiche



373

Der Chronist verwendete offenbar auch die Urfassung der Regionenkataloge: Obwohl bei der Auflistung von Gebäuden nach fabricatae sunt der Nominativ stehen müsste, zählt er die opera publica, die Domitian (s. o. S. 163) und Diokletian/ Maximian (s. o. S. 328) errichten ließen, unter Verwendung des Akkusativ auf (in Curiosum und Notitia ist dieser wegen des einleitenden continet erforderlich); vgl.  die Aufzählung der unter Carinus/Numerianus abgebrannten Bauwerke (s. o. S. 321). Die Schreibweise (domus) Victiliana in Bezug auf den Sterbeort des Commodus (s. o. S. 221) ist ein weiterer Beleg für die These.

Im Folgenden knüpfe ich an einige von Burgess geäußerte Vermutungen1072 an: – Hinsichtlich kaiserzeitlicher Bauten scheinen Stadtchronik und Enmannsche Kaisergeschichte dieselben Quellen benutzt zu haben; s. o. S. 165 mit Anm. 488. – Für manche Regierungszeiten verwendete der Autor offenbar dieselben Quellen wie Cassius Dio, z. B. bei Galba; s. o. S. 138 f. – Bei den Angaben über Regierungszeiten basiert das Breviarium Vindobonense meistens auf besseren Quellen als die Enmannsche Kaisergeschichte. – Es muss sich um zahlreiche Quellen unterschiedlicher Art gehandelt haben. – Viele dieser Quellen hatten nicht erzählenden Charakter, sondern wohl eher die Form von (Herrscher-)Listen, die man als sub-literarische Gattung (Burgess: „sub-literary genre“) bezeichnen kann. Meines Erachtens dürften sie dem letzten Abschnitt der Series regum („Der römischen Selbstherrscher Todesarten“, s. o. S. 92) geähnelt haben. – Wie bei den Angaben über die Könige (s. o. S. 42, 51 f.) dürften auch bei den Kaisern Quellen benutzt worden sein, auf denen z. T. auch die Chronik des Eusebius bzw. Hieronymus basiert. Darauf deuten übereinstimmende Angaben bei einigen Kaisern hin, z. B. bei Vitellius (s. o. S. 149), Domitian (s. o. S. 161), Nerva (s. o. S. 185), Decius (s. o. S. 276), Gallus/Volusianus (s. o. S. 284) und Tacitus (s. o. S. 307). – Auffällige Übereinstimmungen mit der Series regum lassen eine gemeinsame Quelle bezüglich der Todesarten und Sterbeorte der Kaiser annehmen; s. o. S. 149, 185 und 371.

1072 Vgl. Burgess 2014, 15 f., 47 f., 100.

374

B) 5. Schlussbetrachtung

5. Schlussbetrachtung: In welcher Tradition steht die Stadtchronik und mit welcher Intention wurde sie verfasst? Theodor Mommsen hatte die von ihm gewählte Bezeichnung „Stadtchronik von Rom“ 1850 damit begründet, dass der Text „nicht Ereignisse von allgemein geschichtlicher Bedeutung, sondern durchgängig städtische Merkwürdigkeiten“ (Mommsen 1850, 598) zum Gegenstand habe. Diese Feststellung erweist sich meistenteils als richtig, insbesondere hinsichtlich des Kapitels imperia caesarum. Auf die Angaben zu den Sterbeorten der Kaiser trifft sie allerdings häufig nicht zu, da viele dieser Orte weit von Rom entfernt waren. Auch wenn die Stadtchronik sich von anderen lateinischen Chroniken wie z. B. der des Hieronymus u. a. dadurch unterscheidet, dass sie nicht jahrweise gegliedert ist, kann sie zweifellos in die chronikalische Tradition eingeordnet werden (vgl. Komm. S. 36 f.).1073 Diese geht auf die fasti genannten Aufzeichnungen der pontifices zurück, demnach handelt es sich bei lateinischen Chroniken ursprünglich um durch die Eintragung wichtiger Ereignisse erweiterte Kalender, auf denen die annalistische Geschichtsschreibung aufbauen konnte.1074 Seit spätrepublikanischer Zeit wurden die jahrweise geordneten Listen von Magistraten, insbesondere Konsulnlisten, als fasti bezeichnet, auch wenn das Interesse nicht dem Kalender, sondern nur der Liste in ihrer Funktion als „Ehrentafel“ der römischen Adelsgeschlechter galt.1075 Solche Magistratslisten konnten dann leicht zu Consularia (Beispiel: die Consularia Cons­ tantinopolitana) oder zur Form der Chronik (Beispiel: die Fasti Ostienses) hin erweitert werden.1076 J. Rüpke weist zu Recht darauf hin, dass die Stadtchronik der Gattung fasti, die er als Grundstruktur des Chronographen von 354 bezeichnet, sehr ähnlich ist: Die Einträge sind kurz, bilden zum Teil, bei den albanischen Königen und bei den Heroen, reine Namenslisten; von der sprachlichen Form her könnten sie auch in einer fülligeren Konsulnliste stehen. Genau das geht aber aus einem sachlichen Grund nicht: Regierungszeiten von Königen und Kaisern lassen sich nicht adäquat in den nur jährliche Einträge zulassenden Listen der fasti unterbringen. (Rüpke 1997, 84)

Durch die Hinzufügung historischer Notizen überschreitet der zeitlich geordnete Text der Stadtchronik zwar die Grenze der bloßen Liste hin zur Chronik, aber durch ihren äußerst knappen, häufig rein aufzählenden Berichtstil und die eng begrenzte Thematik ist sie jenen Texten zuzuordnen, die als „Primitivform“ der Geschichtsschreibung bzw. 1073 Ergänzend zitiere ich zwei Einträge aus Lexika: „Chroniken halten sich nicht so streng an die jährl. Abfolge der Nachrichten wie die Annalen“ (Brockhaus Enzyklopädie Bd. 5, 212006, 696); „Im Unterschied zu den Annalen mit ihrer Notierung der Ereignisse in Jahresfolgen fassen die Chroniken größere Zeitabschnitte zusammen“ (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 5, 1972, 712). 1074 H./A. Petersmann, Annales, in: HLL 1 (2002) § 108.4, S. 61; Glassner/Rüpke, Chronik/D. Römisch, in: DNP 2 (1997) 1170 f. 1075 Rüpke 1997, 75. 1076 Rüpke, Fasti, in: DNP 4 (1998) 438.

B) 5. Schlussbetrachtung

375

„Proto-Geschichte“ (s. Rüpke 1997, 75, 77) bezeichnet werden können. Dies unterscheidet sie vom Breviarium, das als „narrative Kurzform der Geschichtsschreibung“ definiert ist.1077 Die Breviarien des 4. Jh. behandeln die römische Geschichte wesentlich ausführlicher als die Stadtchronik; aber auch die christliche Weltchronik des Hieronymus bietet in dieser Hinsicht mehr Informationen als sie. Noch stärker ausgeprägt als bei der Stadtchronik ist der Listencharakter beim Liber generationis II (s. o. S. 37, Anm. 17). Diese christliche Weltchronik knüpft an die Genealogie des Alten Testaments an und will damit zeigen, dass die jüdisch-christliche Geschichte älter ist als die römische. Sie kündigt an, sie werde auch die imperatorum Romanorum nomina a Gaio Iulio Caesare et consulibus nennen.1078 Dieses Versprechen wird durch die Stadtchronik eingelöst. Zusätzlich berichtet diese von den Königen vor und nach der Gründung Roms; hinsichtlich der consules beschränkt sie sich darauf, 26 Heroen der Republik (meist hatten sie mehrfach den Konsulat bekleidet, s. o. S. 75) aufzulisten, die sie dic­ tatores nennt. Wie schon in Vorwort und Einleitung erwähnt, wurde Mommsens Auffassung, die Stadtchronik gehöre zu jenen Texten, die von Anfang an mit dem Chronographen von 354 verbunden waren, lange nicht in Frage gestellt. Heute besteht weitgehend Konsens darüber, dass der Chronograph von 354 bei seiner Entstehung neben dem Bild- und Kalenderteil sechs Listen enthielt, u. a. die fasti consulares von 509 v. Chr. bis 354 n. Chr., die Liste der Stadtpräfekten Roms von 254 bis 354 und die Liste der römischen Bischöfe bis zu Liberius, der von 352 bis 366 amtierte. Jedoch wurde in der neueren Forschung kontrovers über die Frage diskutiert, ob die christliche Weltchronik des Liber generationis II, die Stadtchronik und das Notitia genannte Regionenverzeichnis zum ursprünglichen Bestand des Chronographen gehörten. Einen vorläufigen Schlusspunkt in dieser Diskussion setzen die detaillierten Untersuchungen von R. W. Burgess 2012 („The Chronograph of 354: Its Manuscripts, Contents, and History“) und von Divjak/Wischmeyer 2014 („Das Kalenderhandbuch von 354. Der Chronograph des Filocalus“): Beide Arbeiten kommen zu dem Ergebnis, dass die genannten drei Texte, obwohl schon vor 337 verfasst, erst lange nach dem Jahr 354 den anderen Teilen des Chronographen beigefügt wurden.1079 Mindestens ebenso wichtig aber ist ein weiteres von Divjak/Wischmeyer präsentiertes Ergebnis: Es spreche alles dafür, dass ähnlich strukturierte „Handbücher in größerer Zahl, in unterschiedlichen Bearbeitungen und in mehreren zeitgleichen Exemplaren vor dem Jahr 354 und danach existierten“ (Divjak/Wischmeyer 2014, 47). Es müsse frühere Kompendien aus den  Jahren 335 bzw. aus dem Zeitraum 337–353

1077 ders., Breviarium, in: DNP 2 (1997) 770; vgl. Sehlmeyer 2009, 25 f., 28 f. 1078 Zitiert nach Mommsen 1892, 90. 1079 Burgess 2012, 381–392; ders. 2014, 9–11; Divjak/Wischmeyer 2014, 5 f., 51 f.  – Rüpke (2015, 261) übernimmt diese Einschätzung.

376

B) 5. Schlussbetrachtung

gegeben haben,1080 die individuell für den jeweiligen Empfänger zusammengestellt worden waren, so wie das Exemplar von 354 für einen gewissen Valentinus bestimmt war. Man darf daher mit Recht vermuten, dass die vor Constantins Tod (337 n. Chr.) erstellte Stadtchronik Teil einer dieser älteren chronographischen Sammelhandschriften war, die im Wesentlichen wohl ebenso strukturiert waren wie der Chronograph von 354: Ein illustrierter Kalenderteil, der noch keine christlichen Feste verzeichnete, war kombiniert mit Listen, die u. a. die Namen von Bischöfen und von christlichen Märtyrern enthielten und die z. T. zur Chronikform hin erweitert waren. Ähnlich wie im Kompendium von 354 auf die Liste der Stadtpräfekten eine Liste der römischen Bischöfe folgte, fand in der älteren Version die christliche Weltchronik des Liber gene­ rationis II eine Ergänzung durch die nicht eindeutig christlich geprägte Stadtchronik. Das Adverb item in der ersten Zeile der Stadtchronik signalisiert die Anfügung; analog dazu ist die depositio martyrum im Chronographen von 354 ebenfalls durch item mit dem vorhergehenden Kapitel verbunden.1081 Eine christliche Perspektive kann für die Stadtchronik nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden,1082 auch wenn römische Gottheiten wie Faunus und Romulus euhemeristisch beschrieben werden und hinsichtlich einiger Kaiser (Tiberius, Caligula, Lucius Verus und besonders deutlich bei Caracalla) versteckte Kritik erkennbar ist:1083 Auch Nichtchristen sahen manche Kaiser äußerst kritisch; im Text der Stadtchronik ist an keiner Stelle vom Christentum die Rede. Nach den mythischen Königen und zahlreichen viri illustres der Republik präsentiert die Stadtchronik die (als legitim anerkannten) römischen Kaiser in lückenloser Reihenfolge bis hin zu Licinius. Sie erhebt aber offenbar nicht wie z. B. Eutropius den Anspruch, ein Breviarium der römischen Geschichte zu bieten, sondern will u. a. dem Unterhaltungs- bzw. Sensationsbedürfnis des Lesers gerecht werden: Zu den „städtischen Merkwürdigkeiten“ zählen unter anderem der „Einsturz von Gebäuden“ und „monströse Erscheinungen, ja sogar das Auftreten von Fresskünstlern“, wie schon Mommsen (1850, 598) anmerkte. Des Weiteren knüpft der Text gelegentlich an die Tradition der frühen Prodigienberichte an, wenn auch nicht explizit. Bis zu einem gewissen Grad ist die Stadtchronik ein Unikat; allerdings gibt es Texte mit teilweise ähnlicher Struktur: Beispielsweise listet der Liber generationis II in großem Umfang ebenfalls Regierungsjahre auf und verwendet dabei stereotyp die Verbform regnavit, die auch die Stadtchronik stets bei den Königen (bei den Kaisern: imperavit) einsetzt. Die Liste der römischen Bischöfe im Chronographen von 354 verzeichnet deren Amtszeiten bis auf 1080 Divjak/Wischmeyer erläutern dies ausführlich auf den Seiten 51–56. 1081 Mommsen 1892, 70 f.; Divjak/Wischmeyer 2014, 500. Auch Nickbakht/Stein (2017, 6, 14 f.) deuten das item als Hinweis darauf, dass die Stadtchronik an den Liber generationis II angefügt wurde. 1082 Mommsen (1850, 599) vermutete, der Text stamme von einem christlichen Verfasser (s. o. S. 40), aber Nickbakht/Stein (2017, 3) bezweifeln dies. Salzman (1990, 54) und Burgess (2014, 14) halten die Stadtchronik für ein paganes Werk, da sie das Christentum nirgends erwähnt. 1083 Vgl. Komm. S. 116 f., 122 f., 236 f., 369.

B) 5. Schlussbetrachtung

377

den Tag genau, ebenso wie dies in der Stadtchronik hinsichtlich der Kaiser geschieht, nur dass im Chronographen zusätzlich die bischöfliche Amtszeit nach den Jahreskonsuln datiert wird. Analog zur Aufzählung der kaiserlichen opera publica in der Stadtchronik gibt die Bischofsliste an, welche Kirchen Bischof Iulius (337–352) erbauen ließ: Iulius ann(is) XV m(ense) I d(iebus) XI. fuit temporibus Constantini a consulatu Feli­ ciani et Titiani […] hic multas fabricas fecit: basilicam in via portese miliario III, basilicam in via Flaminia miliario II quae appellatur Valentini, basilicam Iuliam […]1084 Auch der Verfassser der Stadtchronik ist deutlich bemüht, dem Leser zahlreiche Details, vor allem möglichst genaue Zahlenangaben, zu präsentieren. Die bis zu den Urkönigen zurück reichende Liste der Herrscher mit den detaillierten Angaben über deren jeweilige Regierungsdauer sowie die Aufzählung von congiaria und opera publica legen den folgenden Schluss nahe: Es scheint ihm vor allem darum gegangen zu sein, in knapper Form einen Eindruck von der imposanten Tradition und Größe Roms zu vermitteln, welche nicht nur durch die weit über tausendjährige Geschichte der Stadt repräsentiert wurden, sondern auch durch ihre prachtvollen Bauten und die zahlreichen Geldspenden der Herrscher. Das Anliegen des Chronisten wurde sicherlich von der mehrheitlich altgläubigen1085 Senatorenschicht Roms begrüßt. Diese musste in der Umbruchszeit des vierten Jahrhunderts mit Sorge zur Kenntnis nehmen, dass das Christentum immer mehr an Macht gewann und die alte Reichshauptstadt ihren Status weitgehend eingebüßt hatte, womit ein weiterer Bedeutungsverlust des römischen Senats verbunden war. Schon in der Zeit der Tetrarchie waren die Kaiser nur noch selten in Rom präsent gewesen; Constantin machte Konstantinopel zur Residenzstadt und damit zur christlich geprägten Hauptstadt des Reiches. Nach seinem Tod begannen fanatische Christen im Osten des Reiches heidnische Tempel zu verwüsten und im Jahr 357 ließ Constantius II. erstmals den Victoria-Altar aus der Kurie des römischen Senats entfernen, wogegen die Senatsmehrheit offen opponierte. Die Protagonisten der paganen Opposition im stadtrömischen Senat gehörten dem sogenannten Symmachus-Kreis an: Q. Aurelius Symmachus (praefectus urbi 384), Vettius Agorius Praetextatus (praefectus urbi 367–368, praefectus praetorio 384) und Flavianus Nicomachus (praefectus praetorio 390–394).1086 In der neueren Forschung gilt es als wahrscheinlich, dass Valentinus, der Adressat des Chronographen von 354, ein naher Verwandter des genannten Symmachus war, möglicherweise sein Neffe.1087 Er war vermutlich kein Christ,1088 aber von einem Angehörigen der senatorischen Oberschicht wurde erwartet, über einen Bildungsstand zu verfügen, der auch Kenntnisse hinsichtlich des vom Kaiserhaus privilegierten Christentums einschloss.1089 Dies erklärt die 1084 1085 1086 1087 1088 1089

Zitiert nach Divjak/Wischmeyer 2014, 528. Demandt 2007, 508. Demandt 2007, 508; Manfred Fuhrmann, Rom in der Spätantike, München/Zürich 1994, 67–69. Rüpke 2015, 249 f.; vgl. Salzman 1990, 199–201. Rüpke 2015, 251; gegen Schmidt, HLL 5 (1989) § 531.2. Vgl. Rüpke 2015, 264 f.

378

B) 5. Schlussbetrachtung

Einfügung christlich geprägter Textteile in den Chronographen von 354 bzw. in eine Vorgängerversion, in welcher „mit Welt- und Stadtchronik das christliche […] und das römisch-säkulare Geschichtsbild unvermittelt nebeneinander“ stehen (Schmidt, HLL 5, 1989, § 531.4). Dass der Autor der Stadtchronik bisweilen an die Tradition der Prodigienberichte anknüpfte, passte gut zu dem ausgeprägten Interesse des Symmachus-Kreises an der alten Religion: Der dem Kreis nahe stehende1090 Iulius Obsequens sammelte die Prodigien, die Livius überliefert hatte. Im Grunde verfolgte der Verfasser der Stadtchronik ein ähnliches Ziel wie später die meist paganen1091 Autoren von Breviarien des 4. Jh.: In erster Linie wollte er auf die beeindruckend lange Tradition der ehemaligen Reichshauptstadt hinweisen, indem er einen kurz gefassten Überblick über deren Vorgeschichte und Geschichte präsentierte; aus seiner Sicht umfasste dieser Zeitraum mehr als 1600 Jahre. Die Werke von Breviatoren wie Aurelius Victor und Eutrop, die Roms mythische Anfänge ausblendeten, dienten dem „Wachhalten der Rückbesinnung auf Roms Größe als Kulturbewusstsein und Reichsgesinnung“ (Schmidt, HLL 5, 1989, S. 174). Sie wendeten sich dabei an anspruchsvolle Leser; so verband Aurelius Victor mit der Gliederung der Kaiserzeit in vier Epochen (Aur. Vict. 11,12; 24,9; 37,5) die Absicht, dem Leser eine Interpretation historischer Zusammenhänge anzubieten. Dieses Niveau versucht der Verfasser der Stadtchronik nicht zu erreichen; stattdessen nennt er genaue Zahlen, zählt viele der großen Bauwerke Roms auf und streut gelegentlich Nachrichten mit Sensationswert ein: Gebäudeeinstürze, Brände, ein riesiges Schiff, polyfagi etc. Für manches, insbesondere für viele kaiserliche congiaria und opera publica, ist die Stadtchronik die ergiebigste oder die einzige literarische Quelle. Ihre Angaben zu den Regierungszeiten der Kaiser sind zwar oft fehlerhaft, aber doch meist genauer als jene der Breviarien des 4. Jh., insbesondere für die Zeit der Soldatenkaiser.

1090 Demandt 2007, 509. 1091 Sehlmeyer 2009, 12, 243, 267 f.

Abkürzungen AJPh Albrecht, röm. Lit. Ampel. ANRW BMC Emp CAH CFA CFHB Chron. Min. CIL Cons. Const. CSHB Cur. Degrassi, Fasti Degrassi, Inscr. DNP EKG Fer.Dur. FOst Frick Frisk Etym. FUR GCS

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380 Georges Hwb HA HdAW HLL Hs. V IGRR JRS Kl P Komm. Liber gen. I MGH Mommsen 1850 Mommsen 1892 MRR 1/MRR 2 Nordh 1949 Not. O. g.Rom. OLD Origo Const. Pape GDHW PG PIR2 Platner/Ashby PLRE RAC Richardson NTDAR RE RgdA RGDS RIC

Abkürzungen

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Abkürzungen

RIC 2,1 Steinby LTUR ThLL Val/Zuc Vir. ill. Walde/Hofmann ZPE

381

The Roman Imperial Coinage, 2. fully rev. Ed., from AD 69–96. Vespasian to Domitian, hrsg. von I. A. Carradice/T. V. Buttrey, London 2007 Lexikon topographicum urbis Romae, 6 Bde., hrsg. von Eva M. Steinby, Rom 1993–2000 Thesaurus Linguae Latinae, 10 Bde., Leipzig 1900 ff. Roberto Valentini/Giuseppe Zucchetti (Hrsg.), Codice Topografico della Città di Roma, Rom 1940, 266–281 De viris illustribus urbis Romae (Ps. Aurelius Victor) A. Walde/J. B. Hofmann, Lateinisches Etymologisches Wörterbuch, 2 Bde., Heidelberg 31938–1954 Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik

Verzeichnis der antiken Quellen (Literarische, epigraphische, numismatische und juristische Quellen) Ammianus Marcellinus: Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, lat.-dt. und mit einem Kommentar versehen von Wolfgang Seyfarth, Bd. 1–4, Berlin 1968–1971 Ampelius: Lucius Ampelius, Liber memorialis. Was ein junger Römer wissen soll, lat.-dt., herausgegeben, eingeleitet und übersetzt von Ingemar König, Darmstadt 2010 (Texte zur Forschung 94) Appian: Appian von Alexandria, Römische Geschichte 2. Teil: Die Bürgerkriege, Übers. Otto Veh, Stuttgart 1989 (Bibliothek der griechischen Literatur Bd. 27) Arvales fratres: John Scheid (Hrsg.), Commentarii Fratrum Arvalium qui supersunt. Les copies épigraphiques des protocoles annuels de la confrérie arvale (21 av.–304 ap. J.-C.), Rom 1998 (Zitiert wird nach Nummerierung und Zeile.) Aurelius Victor: Franz Pichlmayr/Roland Gründel (Hrsg.), Sexti Aurelii Victoris Liber de Caesari­ bus, praecedunt Origo Gentis Romae et Liber de viris illustribus urbis Romae, subsequitur epitome de Caesaribus, Leipzig 1970, 77–129 (Zitiert wird nach Kapitel und Abschnitt.) Cassiodor: Theodor Mommsen (Hrsg.), Cassiodori Senatoris chronica, in: MGH Auctores antiquis­ simi XI, Chronica minora saec. IV. V. VI. VII. (II). Berlin 1894, 109–161 (Zitiert wird nach der Seitenzahl dieser Edition.) Cassius Dio: U. P. Boissevain (Hrsg.), Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanorum quae su­ persunt, Bd. 2 u. 3, Berlin 21955. (Zitiert wird nach Buch, Kapitel und Abschnitt.) Cedrenus (Georgios Kedrenos): I. Bekker (Hrsg.), Georgius Cedrenus Bd. 1, Bonn 1838 (CSHB, zitiert wird nach Seite und Zeile.) Chronicon ad an. 724: J.-B. Chabot (Übers.), Chronicon miscellaneum ad annum Domini 724 per­ tinens. In: Chron. min. 2, Corpus scriptorum christianorum orientalium 4, Scriptores Syri 4: Scriptores Syri 3,4, versio. Louvain 1904, 63–119 (Zitiert wird nach Seite und Zeile.) Chronicon paschale: L. Dindorf (Hrsg.), Chronicon paschale Bd. 1, Bonn 1832 (CSHB, zitiert wird nach Seite und Zeile.) Chron. syn. (Χρονογραφεῖον σύντομον): In: Alfred Schoene (Hrsg.), Eusebii chronicorum libri duo, Bd. 1, Appendix 4, Berlin 1875, 58–102 (Kaiserliste; zitiert wird nach Seite und Zeile.) Cicero: Konrat Ziegler (Hrsg.), Cicero. Staatstheoretische Schriften (De re publica. De legibus), lat.-dt., Berlin 21979; Plasberg/Ax (Hrsg.), Scripta quae manserunt omnia: De divinatione, Stuttgart 1977 (M. Tullius Cicero Bd. 46) Clemens von Alexandria, Stromata: Otto Stählin/Ludwig Früchtel (Hrsg.), Clemens Alexandrinus Bd. 2, Stromata Buch I–VI, Berlin 41985 (GCS Bd. 15; zitiert wird die Kaiserliste in Abschnitt 1,21,144,4)

Verzeichnis der antiken Quellen

383

Codex Iustinianus: Bruce W. Frier u. a. (Hrsg.), The Codex of Justinian: a new annotated translation, with parallel Latin and Greek text based on a translation by Justice Fred H. Blume, Bde. 1–3, Cambridge 2016 Cohen: H. Cohen, Description historique des monnaies frappées sous l’empire romain, Bd. V2, Paris 1885 Consularia Constantinopolitana: R. W. Burgess, The Chronicle of Hydatius and the Consularia Con­ stantinopolitana, Oxford 1993, 215–245. Zitiert wird nach dem Jahr des Eintrags. Burgess bevorzugt inzwischen die Bezeichnung Descriptio consulum, aber für die von Th. Mommsen geprägte Bezeichnung Consularia Constantinopolitana plädieren neuerdings wieder M. Becker/M. A. Nickbakht, Consularia Constantinopolitana, Paderborn 2016 (in: KFHist Bd. 1, 1–158). Diese neue Edition berücksichtigt jedoch nur die Zeit ab 250 n. Chr. Curiosum: Arvast Nordh (Hrsg.), Libellus de regionibus urbis Romae, Lund 1949, 73–106 (Zitiert wird nach der Seitenzählung dieser Edition.) Dionysios von Halikarnassos: Dionysius von Halikarnass, Römische Frühgeschichte. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Nicolas Wiater, 2 Bde., Stuttgart 2014 und 2018 (Bibliothek der griechischen Literatur Bd. 75 u. 85) Epiphanius, Ancoratus: Karl Holl (Hrsg.), Epiphanius Bd. 1, Leipzig 1915, 1–149 (GCS 25, zitiert wird nach Buch und Abschnitt, zusätzlich nach Seite und Zeile dieser Edition.) Epiphanius, Liber de mensuris et ponderibus: J.-P. Migne (Hrsg.), Paris 1864 (PG 43, zitiert werden Sp. 259–272 nach der Spaltenzählung dieser Edition.) Epitome de Caesaribus: Franz Pichlmayr/Roland Gründel (Hrsg.), Sexti Aurelii Victoris Liber de Caesaribus. praecedunt Origo Gentis Romae et Liber de viris illustribus urbis Romae, subsequitur epitome de Caesaribus, Leipzig 1970, 133–176 (Zitiert wird nach Kapitel und Abschnitt.) Eusebius: J. Karst, Die Chronik aus dem Armenischen übersetzt mit textkritischem Kommentar. Eusebius Werke Bd. 5, Leipzig 1911 (GCS 20; 1–143: „Chronographie“/156–227: „ChronikonKanon“; zitiert wird nach der Seitenzählung dieser Edition.) Eusebius, HE (Historia ecclesiastica): E. Schwartz (Hrsg.), Die Kirchengeschichte, Eusebius Werke Bd. 2, Leipzig 1903–1908 (GCS 9) Eutropius: Carlo Santini (Hrsg.), Eutropii Breviarium ab urbe condita, Stuttgart/Leipzig 1992 (ND der Erstausgabe von 1979; zitiert wird nach Buch und Kapitel.) Fasti Ostienses: Ladislav Vidman (Hrsg.), Fasti Ostienses, Prag 21982. (Zitiert wird nach der Seitenzählung dieser Edition.) Fasti Filocali: Johannes Divjak/Wolfgang Wischmeyer, Das Kalenderhandbuch von 354. Der Chronograph des Filocalus, Bd. 1, Wien 2014, 186–216. Feriale Duranum: Robert O. Fink (Hrsg.), Roman Military Records on Papyrus, 1971 (Philological Monographs of the American Philological Association 26, 420–430; zitiert wird nach Kolumne und Zeile des Fer. Dur.) Flavius Josephus, De bello Iudaico: griech.-dt.; herausgegeben, übersetzt und mit einer Einleitung sowie mit Anmerkungen versehen von Otto Michel und Otto Bauernfeind, Bd. 1 (Buch 1–3) und Bd. 2,1 (Buch 4–5), München 31982/1963 Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, übersetzt und mit einer Einleitung und mit Anmerkungen versehen von Heinrich Clementz, Wiesbaden 61985 Georgios Monachos: K. de Boor/P. Wirth (Hrsg.), Georgii Monachi Chronicon Bd. 2, Stuttgart 1904 (ND 1978; zitiert wird nach Seite und Zeile.) Herodian: Friedhelm L. Müller (Hrsg. u. Übers.), Herodians Geschichte des Kaisertums nach Marc Aurel, griechisch u. deutsch, Stuttgart 1996

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Verzeichnis der antiken Quellen

Hieronymus, Chron. can. (Chronici canones): Rudolf Helm (Hrsg.), Eusebius Werke Bd. 7, Die Chronik des Hieronymus, Berlin 31984 (GCS 7; zitiert wird nach der vom Hrsg. vorgenommenen Zuordnung des jeweiligen Eintrags zum Jahr nach christl. Zeitrechnung, statt, wie sonst üblich, nach dem Jahr ab Abrahams Geburt oder nach der Seitenzahl bei Helm.) Historia Augusta: Ernst Hohl (Hrsg.), Scriptores Historiae Augustae. 2 Bde., Leipzig 1965 (Zitiert wird nach den im ThLL verwendeten Siglen für die einzelnen Viten sowie nach Kapitel und Abschnitt.) Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes I, III und IV (alles Erschienene), hrsg. von R. Cagnat, Paris 1911–1927 Iordanes: Theodor Mommsen (Hrsg.), Iordanes, Romana et Getica, MGH Auctores antiquissimi 5,1, Berlin 1882, ND 1961. (Zitiert wird nach der Abschnittszählung dieser Edition.) Itinerarium Burdigalense: Otto Cuntz (Hrsg.), Itineraria Antonini Augusti et Burdigalense; Stuttgart 1990 (Itineraria Romana Bd. 1, ND der Erstausgabe Leipzig 1929) Johannes Antiochenus: C. Müller (Hrsg.), Joannis Antiocheni Fragmenta, Paris 1851 (in: Fragmenta Historicorum Graecorum, Bd. 4, 535–622; auf diese ältere Edition beziehen sich die im Komm. zitierten Autoren. Neuere Editionen: U. Roberto 2005; S. Mariev 2008) Lactantius: De mortibus persecutorum/Laktanz, Die Todesarten der Verfolger, übersetzt und eingeleitet von Alfons Städele, Turnhout 2003 Liber de viris illustribus: Franz Pichlmayr/Roland Gründel (Hrsg.), Sexti Aurelii Victoris Liber de Caesaribus, praecedunt Origo Gentis Romae et Liber de viris illustribus urbis Romae, subsequitur epitome de Caesaribus, Leipzig 1970, 25–74 (Zitiert wird nach Kapitel und Abschnitt.) Liber generationis: Theodor Mommsen (Hrsg.), Liber generationis, in: MGH Auctores antiquissimi 9, Berlin 1892, 89–140 (Die Kaiserliste auf S. 137 f. gehört zum Liber generationis I; aus ihr wird nach den Nummern der Einträge zitiert, ansonsten nach der Seitenzahl dieser Edition.) Livius: Hans Jürgen Hillen (Hrsg.), T. Livius. Römische Geschichte, lat.-dt., Bd. 1–11, München/ Zürich 1987–2000 (Sammlung Tusculum) Malalas: Hans Thurn/A. Kambylis (Hrsg.), Ioannis Malalae Chronographia, Berlin/New York 2000 (CFHB Bd. 35, zitiert wird nach Buch und Kapitel; zusätzlich, nach Seite und Zeile, wegen der Lücken in 12,25 auch nach dem von Th. Mommsen hrsg. Laterculus imperatorum Ro­ manorum Malalianus, in: MGH AA 13,1, Berlin 1898, 426–437.) Martial: D. R. Shackleton Bailey (Hrsg.), M. Valerii Martialis epigrammata, Stuttgart 1990; K. M. Coleman (Hrsg. und Übers.), M. Valerii Martialis Liber spectaculorum, lat.-engl., Oxford 2006 Natales Caesarum: Johannes Divjak/Wolfgang Wischmeyer (Hrsg.), Das Kalenderhandbuch von 354. Der Chronograph des Filocalus, Bd. 1, Wien 2014, 95 Notitia: Arvast Nordh (Hrsg.), Libellus de regionibus urbis Romae, Lund 1949, 73–106 (Zitiert wird nach der Seitenzählung dieser Edition.) Obsequens: Otto Rossbach (Hrsg.), Iulii Obsequentis ab anno urbis conditae DV prodigiorum liber, Anhang zu: W. Weissenborn/M. Müller (Hrsg.), T. Livi ab urbe condita libri, pars IV, libri XLI– XLV, Stuttgart 1981, 149–181 Origo Constantini: Anonymus Valesianus, Teil 1; Text und Kommentar von Ingemar König, Trier 1987 Origo gentis Romanae: Die Ursprünge des römischen Volkes. Hrsg., übersetzt, kommentiert und mit Essays versehen von Markus Sehlmeyer, Darmstadt 2004 (Texte zur Forschung 82) Orosius: C. Zangemeister (Hrsg.), Pauli Orosii Historiarum adversum paganos libri VII, Leipzig 1889 Ovid: Franz Börner (Hrsg., Übersetzer und Kommentator), P. Ovidius Naso. Die Fasten, lat.-dt., Bd. 1, Heidelberg 1957; Michael v. Albrecht (Hrsg. u. Übers.), P. Ovidius Naso, Metamorphosen, lat.-dt., Stuttgart 2013

Verzeichnis der antiken Quellen

385

Panegyrici Latini: T. Baier/K. Brodersen/M. Hose (Hrsg.), Panegyrici Latini. Lobreden auf römische Kaiser, Bd. 1 (von Diokletian bis Konstantin), lat.-dt., eingeleitet, übersetzt und kommentiert von B. Müller-Rettig, Darmstadt 2008 Philostratos: Vroni Mumprecht (Hrsg. und Übers.), Philostratos. Das Leben des Apollonius von Tyana, griech.-dt., München 1983 Plinius: R. König/G. Winkler (Hrsg. u. Übers.), C. Plinii Secundi naturalis historiae libri XXXVII, lat.-dt., Bd. 1–37, München 1973–1994 Plutarch: Konrat Ziegler/Hans Gärtner (Hrsg.), Plutarchi vitae parallelae, Bd. 3/2, Stuttgart/Leipzig 21973 Res gestae divi Augusti: Hans Volkmann, Res gestae divi Augusti. Das Monumentum Ancyranum, Berlin 1957 (Zitiert wird nach Kapitel und Zeile der RgdA.) Res Gestae Divi Saporis: Engelbert Winter/Beate Dignas, Rom und das Perserreich. Zwei Weltmächte zwischen Konfrontation und Koexistenz, Berlin 2001, 78, 94, 98 The Roman Imperial Coinage I–X, hrsg. von H. Mattingly, E. A. Sydenham u. a., London 1923– 1994, I2 London 1984; II2,1 London 2007 Series regum: Eusebius, Chronographia; J. Karst, Die Chronik aus dem Armenischen übersetzt mit textkritischem Kommentar. Eusebius Werke Bd. 5, Leipzig 1911 (GCS 20, 144–155; zitiert wird nach Seite und Zeile dieser Edition.) Sueton: Maximilian Ihm (Hrsg.), C. Suetonii Tranquilli opera, Vol. I, De vita Caesarum libri VIII, Stuttgart 1967 (ND der Ausgabe Leipzig 1908) Syncellus (Synkellos): Alden A. Mosshammer (Hrsg.), Georgii Syncelli Ecloga chronographica, Leipzig 1984 (Zitiert wird nach Seite und Zeile dieser Edition.) Tacitus: Erich Koestermann (Hrsg.), P. Cornelii Taciti libri qui supersunt, Tom. I, Ab excessu divi Au­ gusti (Annales), Leipzig 1960; Historiae: Cornelius Tacitus, Historien, 2 Bde. lat.-dt., eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Alfons Städele, Darmstadt 2014 Tertullian, Adversos Iudaeos: Marc-Aeilko Aris u. a. (Hrsg.), Turnhout 2007 (Bd. 75 der Fontes Christiani; zitiert wird nach Kapitel und Abschnitt.); Apologeticum: Marc-Aeilko Aris u. a. (Hrsg.), Turnhout 2015 (Bd. 62 der Fontes Christiani; zitiert wird nach Kapitel und Abschnitt.) Theophilus von Antiochia: R. M. Grant (Hrsg. u. Übers.), Theophilus of Antioch. Ad Autolycum, Oxford 1970 (zitiert wird die Kaiserliste in Kapitel 3,27) Vergil, Aeneis: Gian B. Conte (Hrsg.), P. Vergilius Maro, Aeneis, Berlin 2011 (Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana 2005) Zonaras: Moritz Pinder (Hrsg.), Ioannis Zonarae Annales 2, Bonn 1844 (CSHB, zitiert wird nach Buch und Abschnitt, zusätzlich nach Seite und Zeile dieser Edition.) Zosimus: Zosime, Histoire nouvelle, hrsg. und übers. von F. Paschoud, 5 Bde., Paris 1971 ff. (Zitiert wird nach Buch und Abschnitt.) Deutsche Übersetzung: Zosimos, Neue Geschichte, übersetzt und eingeleitet von O. Veh, durchgesehen und erläutert von S. Rebenich, Stuttgart 1990 (Bibliothek der griechischen Literatur, Bd. 31)

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur (Einmalnennungen in den jeweiligen Anmerkungen) Alföldi 1977 Alföldy 1970 Alföldy 1995 Alföldy 2011 Altmayer 2014 Anderson 1983 Anderson 1985 Baldwin 1977 Bannert 1977

Barb 1978 Barbieri 1957 Barnes 1967 Bauer 2012

Becker 2016 Behrwald 2009

Andreas Alföldi, Das frühe Rom und die Latiner (aus dem Englischen übersetzt von Frank Kolb), Darmstadt 1977 Géza Alföldy, Der Sturz des Kaisers Geta und die antike Geschichtsschreibung (in: Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1970, 19–51) Géza Alföldy, Eine Bauinschrift aus dem Colosseum, in: ZPE 109, 1995, 195–226 Géza Alföldy, Römische Sozialgeschichte, Stuttgart 42011 Klaus Altmayer, Die Herrschaft des Carus, Carinus und Numerianus als Vorläufer der Tetrarchie, Stuttgart 2014 James C. Anderson jr., A topographical Tradition in fourth Century Chronicles: Domitian’s Building Program, in: Historia 32, 1983, 93–105 James C. Anderson jr., The Date of the Thermae Traiani and the Topography of the Oppius Mons, in: American Journal of Archaeology 89, 1985, 499–509 Barry Baldwin, Polyphagus: Glutton or Crocodile? in: AJPh 98, 1977, 406–409 Herbert Bannert, Der Tod des Kaisers Marcus, in: Latinität und alte Kirche. Festschrift für Rudolf Hanslik zum 70. Geburtstag, Wien/ Köln/Graz 1977, 9–19 (zitiert nach: Marc Aurel. Wege der Forschung Bd. 550, Darmstadt 1979, 459–472) Alphons Barb, Gift, in: RAC 10, 1978, 1209–1247 G. Barbieri, Liberalitas, Rom 1957 (in: Dizionario di Antichità Romane 4/2, 838–886) Timothy D. Barnes, Hadrian and Lucius Verus, in: JRS 57, 1967, 65–79 Franz Alto Bauer, Stadt ohne Kaiser. Rom im Zeitalter der Dyarchie und Tetrarchie (285–306  n. Chr.), in: Therese Fuhrer (Hrsg.), Rom und Mailand in der Spätantike: Repräsentationen städtischer Räume in Literatur, Architektur und Kunst, Berlin/ Boston 2012, 3–86 Consularia Constantinopolitana. Ediert, übers. und kommentiert von M. Becker/M. A. Nickbakht, Paderborn 2016 (in: Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike Bd. 1, 1–158) Ralf Behrwald, Die Stadt als Museum? Die Wahrnehmung der Monumente Roms in der Spätantike, Berlin 2009 (Klio Beihefte, Neue Folge Bd. 12)

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur

Bengtson 1967 Bengtson 1979 Berchem 1939 Bernstein 1998 Binder 2002 Birley 1969 Birley 1971 Birley 1997 Bleckmann 1992

Bleckmann 1999 Bleckmann 2011 Boatwright 1987 Börm 2008 Börm/Havener 2012 Brandt 1996 Brecht 1999

Broise/Thébert 1999 Burgess 1993 Burgess 1995

387

Hermann Bengtson, Grundriss der römischen Geschichte mit Quellenkunde Bd. 1, 1967 (HdAW 3,5 Neubearb.) Hermann Bengtson, Die Flavier, München 1979 Denis van Berchem, Les distributions de blé et d’argent a la plèbe Romaine sous l’empire, Genf 1939 Frank Bernstein, Ludi publici. Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung der öffentlichen Spiele im republikanischen Rom, Stuttgart 1998 Gerhard Binder, Der Kalender des Filocalus, in: W. Geerlings (Hrsg.), Der Kalender. Aspekte einer Geschichte, Paderborn/ München/ Wien/Zürich 2002, 61–95 Anthony R. Birley, The Coups d’Etat of the Year 193, in: Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums 169, 1969, 247–280 Anthony R. Birley, Septimius Severus, the African Emperor, London 1971 Anthony R. Birley, Hadrian. The restless emperor, London/New York 1997 Bruno Bleckmann, Die Reichskrise des III.  Jahrhunderts in der spätantiken und byzantinischen Geschichtsschreibung: Untersuchungen zu den nachdionischen Quellen der Chronik des Johannes Zonaras, München 1992 Bruno Bleckmann, Licinius [II 4], in: DNP 7 (1999) 173–175 Bruno Bleckmann, Okzident gegen Orient. Die Kämpfe zwischen Konstantin und Licinius, in: K. Ehling/G. Weber (Hrsg.), Konstantin der Große, Darmstadt/Mainz 2011, 89–93 Mary T. Boatwright, Hadrian and the City of Rome, Princeton N. J. 1987 Henning Börm, Die Herrschaft des Kaisers Maximinus Thrax und das Sechskaiserjahr 238, in: Gymnasium 115, 2008, 69–86 Henning Börm/Wolfgang Havener, Octavians Rechtsstellung im Januar 27 v. Chr. und das Problem der „Übertragung“ der res publica, in: Historia 61, 2012, 202–220 Hartwin Brandt, Kommentar zur Vita Maximi et Balbini der Historia Augusta, Bonn 1996 (Antiquitas Reihe 4, Beiträge zur Historia­Augu­ sta-Forschung, Serie 3, Bd. 2) Stephanie Brecht, Die römische Reichkrise von ihrem Ausbruch bis zu ihrem Höhepunkt in der Darstellung byzantinischer Autoren, Rahden/Westf. 1999 (Althistorische Studien der Universität Würzburg, Bd. 1) Henri Broise/Yvon Thébert, Èlagabal et le complexe religieux de la Vigna Barberini, in: Mélanges de l‘ École Francaise de Rome 111, 1999, 729–747 Richard W. Burgess, The Chronicle of Hydatius and the Consularia Constantinopolitana, Oxford 1993 Richard W. Burgess, Jerome and the Kaisergeschichte, in: Historia 44, 1995, 349–369

388 Burgess 2012

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur

Richard W. Burgess, The Chronograph of 354: Its Manuscripts, Contents, and History, in: Journal of Late Antiquity 5/2, 2012, 345–396 Burgess/Kulikowski 2013 Richard W. Burgess/Michael Kulikowski, Mosaics of time, The Latin Chronicle Traditions from the First Century BC to the Sixth Century AD, Bd. 1, Turnhout 2013 Burgess 2014 Richard W. Burgess, Roman Imperial Chronology and Early- FourthCentury Historiography: The Regnal Durations of the So-called Chronica urbis Romae of the Chronograph of 354, Stuttgart 2014 Castillo 2002 Arcadio del Castillo, The Emperor Galba’s assumption of power: Some chronical Considerations, in: Historia 51, 2002, 449–461 Christ 2009 Karl Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit von Augustus bis Konstantin, München 62009 (Erstausgabe 1988) Clarke 1966 Graeme Wilber Clarke, The date of the consecratio of Vespasian, in: Historia 15/3, 1966, 318–327 Clauss 2001 Manfred Clauss, Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, Darmstadt 2001 Coarelli 2013 Filippo Coarelli, Rom. Der archäologische Führer, Darmstadt/ Mainz 2013 (ital. Originalausgabe 2008) Collins 2009 Andrew W. Collins, The palace revolution: The assassination of Domitian and the accession of Nerva, in: The Phoenix 63 (1–2), 2009, 73–106 Cornell 1995 T. J. Cornell, The Beginnings of Rome. Italy and Rome from the Bronze Age to the Punic Wars, London/New York 1995 Dahlheim 2010 Werner Dahlheim, Augustus, München 2010 Darwall-Smith 1996 Robin H. Darwall-Smith, Emperors and Architecture: A Study of Flavian Rome, Brüssel 1996 Degrassi 1962 Attilio Degrassi, Nerva funeraticium plebi urbanae instituit, in: Bulletino dell’ Istituto di Diritto Romano, Ser. 3/2, Bd. 63, 1960, 233–238 (zit. nach: A. Degrassi, Scritti vari di Antichità, Rom 1962, 697–702) Delmaire 1990 Roland Delmaire, Les Donations Imperiales dans l’Histoire Auguste (in: Historiae Augustae Colloquium Paris 1990, 147– 159) Demandt 2007 Alexander Demandt, Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr., München 22007 (HdAW 3,6) Divjak/Wischmeyer 2014 Johannes Divjak/Wolfgang Wischmeyer, Das Kalenderhandbuch von 354. Der Chronograph des Filocalus, Bd. 1, Wien 2014 Dubois 1907 Charles Dubois, Pouzzoles Antique. Histoire et Topographie, Paris 1907 Eck 2002 Werner Eck, An Emperor is made: Senatorial Politics and Trajan’s Adoption by Nerva in 97, in: G. Clark/T. Rajak (Hrsg.), Philosophy and Power in the Graeco-Roman World: Essays in honour of Miriam Griffin, Oxford 2002, 211–226 Ehling 2008 Kay Ehling, Das Münzwesen, in: Klaus-Peter Johne u. a. (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235–284), Bd. 2, Berlin 2008, 843– 860 Elkins 2006 Nathan T. Elkins, The Flavian Colosseum Sestertii: Currency or Largess? In: The Numismatic Chronicle 166, 2006, 211–221

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur

Engels 2007 Frank 1959 Fündling 2008 Fugmann 2016 Fuhrmann 2009 Geiger 2013 Gerkan 1925 Gesche 1968 Gherardini 1974 Göbl 2000

Goltz/Hartmann 2008

Gorrie 2001 Hainsworth 1962 Hartmann 2006

Hartmann 2008 a Hartmann 2008 b Hartmann 2008 c Harvey 2002 Herrmann 2013

389

David Engels, Das römische Vorzeichenwesen (753–27 v. Chr.). Quellen, Terminologie, Kommentar, historische Entwicklung, Stuttgart 2007 (Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge 22) Tenney Frank, An economic Survey of Ancient Rome, Bd. 5, Paterson/New Jersey 1959 Jörg Fündling, Marc Aurel, Darmstadt 2008 Ps. Aurelius Victor. De viris illustribus urbis Romae. Die berühmten Männer der Stadt Rom, lat.–dt.; hrsg., übersetzt und kommentiert von Joachim Fugmann, Darmstadt 2016 (Texte zur Forschung 110) S. Aurelius Victor, Die römischen Kaiser/Liber de Caesaribus, lat.-dt., hrsg., übersetzt u. erläutert von Kirsten Groß-Albenhausen und Manfred Fuhrmann, Düsseldorf 32009 Michael Geiger, Gallienus, Frankfurt a. M. 2013 Armin von Gerkan, Das Obergeschoss des flavischen Amphitheaters, in: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts 40, 1925, 11–50 Helga Gesche, Die Vergottung Caesars, Kallmünz 1968 Maria Gherardini, Studien zur Geschichte des Kaisers Commodus, Wien 1974 Robert Göbl, Die Münzprägung der Kaiser Valerianus I./Gallienus/ Saloninus (253/268), Regalianus (260) und Macrianus/Quietus (260/262), Wien 2000 (Veröffentlichungen der Numismatischen Kommission Bd. 35) Andreas Goltz/Udo Hartmann, Valerianus und Gallienus, in: KlausPeter Johne u. a. (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jh. n. Chr. (235–284), Bd. 1, Berlin 2008, 223–295 Charmaine Gorrie, The Septizodium of Septimius Severus Revisited: the Monument in Its Historical and Urban Context, in: Latomus 60/3, 2001, 653–670 J. P. Hainsworth, Verginius and Vindex, in: Historia 11, 1962, 88–96 Udo Hartmann, Der Mord an Kaiser Gallienus, in: Klaus-Peter Johne/Thomas Gerhardt/Udo Hartmann (Hrsg.), Deleto paene imperio Romano. Transformationsprozesse des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert und ihre Rezeption in der Neuzeit, Stuttgart 2006, 81–124 Udo Hartmann, Die literarischen Quellen, in: Johne u. a. (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jh. n. Chr. (235–284), Bd. 1, Berlin 2008, 19–44 Udo Hartmann, Claudius Gothicus und Aurelianus, in: Johne u. a. (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser a. a. O., Bd. 1, 297–323. Udo Hartmann, Die Geschichtsschreibung, in:. Johne u. a. (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser a. a. O., Bd. 2, 893–916 Brian Kenneth Harvey, The dies imperii of Nerva, in: The Ancient History Bulletin 2002, 44–56 Katrin Herrmann, Gordian III. – Kaiser einer Umbruchszeit, Speyer 2013

390

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur

Herz 1978

Peter Herz, Der dies imperii unter den Severern, in: ZPE 31, 1978, 285– 290 Peter Herz, Studien zur römischen Wirtschaftsgesetzgebung. Die Lebensmittelversorgung, Stuttgart 1988 (Historia Einzelschrift 55) Alfred Heuß, Römische Geschichte, Paderborn/München/Wien/ Zürich 61998 Hans Jürgen Hillen, Von Aeneas zu Romulus. Die Legenden von der Gründung Roms. Mit einer lat.-dt. Ausg. der Origo gentis Romanae, Düsseldorf/Zürich 2003 Adolf Hoffmann/Ulrike Wulf (Hrsg.), Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom. Das Zentrum der römischen Welt und seine Bauten, Mainz 2004 Ernst Hohl, Das Ende Caracallas, in: Miscellanea Academica Berolinensia 2/1, 1950, 276–293 Ernst Hohl (Übers.), Historia Augusta. Römische Herrschergestalten, Bd. 1, Zürich/München 1976 Ernst Hohl (Übers.), Historia Augusta. Römische Herrschergestalten, Bd. 2, Zürich/München 1985 Ludwig Holzapfel, Römische Kaiserdaten, in: Klio 12, 1912, 483–493 Ludwig Holzapfel, Römische Kaiserdaten, in: Klio 13, 1913, 289–304 Ludwig Holzapfel, Römische Kaiserdaten, in: Klio 15, 1918, 99–121 Ludwig Holzapfel, Römische Kaiserdaten, in: Klio 17, 1921, 74–93 Willy Hüttl, Antoninus Pius, Bd. 1, Prag 1936 John H. Humphrey, Roman Circuses. Arenas for Chariot Racing, London 1986 Ulrich Huttner, Von Maximinus Thrax bis Aemilianus, in: K.-P. Johne u. a. (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jh. n. Chr. (235– 284), Bd. 1, Berlin 2008, 161–221 Martijn Icks, Elagabal, Darmstadt 2014 (engl. Erstausg. 2011) Klaus-Peter Johne, Der „Senatskaiser” Tacitus, in: Johne u. a. (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jh. n. Chr. (235–284), Bd. 1, Berlin 2008, 379–393 Brian W. Jones, The Emperor Domitian, London/New York 1992 Henri Jordan, Topographie der Stadt Rom im Alterthum, Bd. 2, Berlin 1871 Henri Jordan, Das templum deae Syriae in Rom, in: Hermes 6/3, 1872, 314–322 Dietmar Kienast, Nerva und das Kaisertum Trajans, in: Historia 17, 1968, 51–71 Dietmar Kienast, Römische Kaisertabelle: Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 21996 Dietmar Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt 42009 (Erstausgabe 1982) Dietmar Kienast/Werner Eck/Matthäus Heil, Römische Kaisertabelle: Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie, Darmstadt 6 2017

Herz 1988 Heuß 1998 Hillen 2003 Hoffmann/Wulf 2004 Hohl 1950 Hohl 1976 Hohl 1985 Holzapfel 1912 Holzapfel 1913 Holzapfel 1918 Holzapfel 1921 Hüttl 1936 Humphrey 1986 Huttner 2008

Icks 2014 Johne 2008 Jones 1992 Jordan 1871 Jordan 1872 Kienast 1968 Kienast 1996 Kienast 2009 Kienast 2017

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur

Kierdorf 1986 Kissel 2003 Kissel 2006 Kloft 1970 Knell 2008 König 2010 Körner 2002 Kolb 1987 Kolb 2002 Krause 2004 Kreucher 2003 Kreucher 2008 Kuhoff 2001 Kuhoff 2011 La Follette 1994 Lembke 1994 Leppin/Ziemssen 2007 Letzner 2009 Lippold 1991 Littmann 1976 Loriot 1975

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Wilhelm Kierdorf, Funus und consecratio. Zu Terminologie und Ablauf der römischen Kaiserapotheose, in: Chiron 1986, 43–69 Theodor Kissel, 9. Juni 68 n. Chr., in: Antike Welt. Zs. für Archäologie und Kulturgeschichte 3/34, 2003, 307 f. Theodor Kissel, Kaiser zwischen Genie und Wahn, Düsseldorf 2006 Hans Kloft, Liberalitas Principis, Köln 1970 Heiner Knell, Des Kaisers neue Bauten, Mainz 2008 Lucius Ampelius, Liber memorialis. Was ein junger Römer wissen soll, lat.-dt. ; hrsg., eingeleitet und übersetzt von Ingemar König, Darmstadt 2010 (Texte zur Forschung 94) Christian Körner, Philippus Arabs. Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats, Berlin/New York 2002 Frank Kolb, Diocletian und die Erste Tetrarchie. Improvisation oder Experiment in der Organisation monarchischer Herrschaft? Berlin 1987 Frank Kolb, Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike, München 2 2002 Clemens Krause, Die Domus Tiberiana  – Vom Wohnquartier zum Kaiserpalast, in : Hoffmann/Wulf (Hrsg.), Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom, Mainz 2004, 32–58 Gerald Kreucher, Der Kaiser Marcus Aurelius Probus und seine Zeit, Stuttgart 2003 Gerald Kreucher, Probus und Carus, in: K.-P. Johne u. a. (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jh. n. Chr. (235–284), Bd. 1, Berlin 2008, 395–423 Wolfgang Kuhoff, Diokletian und die Epoche der Tetrarchie. Das römische Reich zwischen Krisenbewältigung und Neuaufbau (284– 313 n. Chr.), Frankfurt a. M. 2001 Wolfgang Kuhoff, Die Schlacht an der Milvischen Brücke, in: Kay Ehling/Gregor Weber (Hrsg.), Konstantin der Große, Darmstadt/ Mainz 2011, 10–20 Laetitia La Follette, Rome Papers Part 1: The Baths of Trajan Decius on the Aventine, in: Journal of Roman Archaeology, Supplementary series 11, Ann Arbor/MI 1994, 6–88 Katja Lembke, Das Iseum Campense in Rom. Studie über den Isiskult unter Domitian, Heidelberg 1994 (Archäologie und Geschichte Bd. 3) Hartmut Leppin/Hauke Ziemssen, Maxentius. Der letzte Kaiser in Rom, Mainz 2007 Wolfram Letzner, Der römische circus. Massenunterhaltung im römischen Reich, Mainz 2009 Adolf Lippold, Kommentar zur Vita Maximini duo der Historia Au­ gusta, Bonn 1991 (Antiquitas Reihe 4, Beiträge zur Historia­ AugustaForschung 3,1) Robert J. Littmann, The meaning of polyphagus, in: AJPh 97, 1976, 369 Xavier Loriot, Chronologie du règne de Philippe l’Arabe (244– 249 après J. C.), in: ANRW II/2, 1975, 788–797

392

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur

Lusnia 2014

Susann S. Lusnia, Creating Severan Rome. The Architecture and SelfImage of L. Septimius Severus, Brüssel 2014 Caterina Maderna-Lauter, Rezension zu G. Spinola, Il congiarium in età imperiale, 1990, in: Gnomon 65, 1993, 341–348 Christian Meier, Caesar, München 1986 Theodor Mommsen, Über den Chronographen vom  Jahr 354, in: Abhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaft, phil.-hist. Klasse 1, Leipzig 1850, 547–668 Friedrich Münzer, Römische Adelsparteien und Adelsfamilien, Stuttgart 21963 Charles L. Murison, Galba, Otho and Vitellius: Careers and Controversies, Hildesheim/Zürich/New York 1993 Charles L. Murison, The Death of Titus: A Reconsideration, in: The Ancient History Bulletin 9, 1995, 135–142 Charles L. Murison, Rebellion and Reconstruction, Galba to Domitian: An Historical Commentary on Cassius Dio’s Roman History Books 64–67, Atlanta 1999 Origo gentis Romanorum. Ediert, übersetzt und kommentiert von M. A. Nickbakht/M. Stein, Paderborn 2017 (in: Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike Bd. 5, 1–140) Inge Nielsen, Amphitheatrum, in: DNP 1 (1996) 619–623 Inge Nielsen, Circus, in: DNP 2 (1997) 1210–1220 Inge Nielsen, Kolosseum, in: DNP 6 (1999) 668–670 Inge Nielsen, Palast, in: DNP 9 (2000) 180–185 Umberto Pappalardo, Die römischen Villen am Golf von Neapel, in: R. Aßkamp u. a. (Hrsg.), Luxus und Dekadenz. Römisches Leben am Golf von Neapel, Mainz 2007, 16–29 Michael Peachin, P. Oxy. VI 912 and the Accession of Maximinus Thrax, in: ZPE 59, 1985, 75–78 Michael Peachin, Once more A. D. 238, in: Athenaeum 67, Jan. 1989, 594–604 Michael Peachin, Roman Imperial Titulature and Chronology, A. D. 235–284, Amsterdam 1990 Jens Pflug, Die bauliche Entwicklung der domus Augustana im Kontext des südöstlichen Palatin bis in severische Zeit, in: Sojc/Winterling/Wulf-Rheidt (Hrsg.), Palast und Stadt im severischen Rom, Stuttgart 2013, 181–211 Heinz-Peter Preußer, Elagabal, in: DNP Suppl. 8 (2013) 391– 404 D. W. Rathbone, The Dates of the Recognition in Egypt of the Emperors from Caracalla to Diocletianus, in: ZPE 62, 1986, 101–131 J. R. Rea (Hrsg., Übers. und Komment.), The Oxyrhynchus Papyri Bd. 40, London 1972 (Graeco-Roman Memoirs Bd. 56) J. R. Rea (Hrsg., Übers. und Komment.), The Oxyrhynchus Papyri Bd. 43, London 1975 (Graeco-Roman Memoirs Bd. 60) Brigitte Richter, Vitellius. Ein Zerrbild der Geschichtsschreibung, Frankfurt a. M./Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1992 (Prismata Bd. 3)

Maderna-Lauter 1993: Meier 1986 Mommsen 1850 Münzer 1963 Murison 1993 Murison 1995 Murison 1999 Nickbakht/Stein 2017 Nielsen 1996 Nielsen 1997 Nielsen 1999 Nielsen 2000 Pappalardo 2007 Peachin 1985 Peachin 1989 Peachin 1990 Pflug 2013

Preußer 2013 Rathbone 1986 Rea 1972 Rea 1975 Richter 1992

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur

Rickman 1971 Rosen 1997 Rosenberger 1998 Rostowzew 1906 Rüpke 1997 Rüpke 2015 Saldern 2003 Salzman 1990 Saunders 1991 Scheithauer 2000 Schmidt, HLL 5

Schmidt-Dick 2008 Schöpe 2011 Scholz 2011 Schumacher 2004

Sehlmeyer 2004 Sehlmeyer 2009 Shotter 2008

393

Geoffrey Rickman, Roman Granaries and Store Buildings, Cambridge 1971 Klaus Rosen, Marc Aurel, Reinbek 1997 Veit Rosenberger, Gezähmte Götter. Das Prodigienwesen der römischen Republik, Stuttgart 1998 (Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien Bd. 27) Michael Rostowzew, Römische Bleitesserae. Ein Beitrag zur Sozialund Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit, in: Klio, Beiträge zur alten Geschichte, 1906, 1–131 Jörg Rüpke, Geschichtsschreibung in Listenform: Beamtenlisten unter römischen Kalendern, in: Philologus 141/1, 1997, 65–85 Jörg Rüpke, Roles and Individuality in the Chronograph of 354, in: Éric Rebillard/Jörg Rüpke, Group identity and religious individuality in late antiquity, Washington D. C. 2015, 247–269 Falko von Saldern, Studien zur Politik des Commodus, Rahden/ Westf. 2003 Michele Renée Salzman, On Roman Time. The Codex Calendar of 354 and the Rhythms of Urban Life in Late Antiquity, Berkeley/Los Angeles/Oxford 1990 Randall T. Saunders, A Biography of the Emperor Aurelian (A. D. 270–275), Dissertation an der University of Cincinnati, Ann Arbor 1991 Andrea Scheithauer, Kaiserliche Bautätigkeit in Rom. Das Echo in der antiken Literatur, Stuttgart 2000 P. L. Schmidt, Der Bildkalender des Filocalus/Liber generationis mun­ di/Origo gentis Romanorum, in: HLL 5, Restauration und Erneuerung. Die lateinische Literatur der Antike von 284 bis 374 n. Chr., München 1989, § 531.2, § 531.4 und § 531.5 (HdAW 8,5) Franziska Schmidt-Dick, Vom Congiarium zur Liberalitas, in: Numismatische Zeitschrift 116/117, 2008, 103–113 Björn Schöpe, Pertinax – ein verrückt normaler Kaiser, in: Stephan Faust/Florian Leitmeir (Hrsg.), Repräsentationsformen in severischer Zeit, Berlin 2011, 253–269 Udo W. Scholz, Der römische Kalender. Entstehung und Entwicklung, Mainz/Stuttgart 2011 Leonhard Schumacher, Die Sicilia in Mainz-Bretzenheim. Zur Lokalisierung der Ermordung des Kaisers Severus Alexander, in: Mainzer Zeitschrift (Mittelrhein.  Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte) Jg. 99, Mainz 2004, 1–10 Markus Sehlmeyer (Hrsg., Übers. und Komment.), Origo gentis Ro­ manae. Die Ursprünge des römischen Volkes, lat.-dt., Darmstadt 2004 (Texte zur Forschung 82) Markus Sehlmeyer, Geschichtsbilder für Pagane und Christen. Res Romanae in den spätantiken Breviarien, Berlin/New York 2009 David Shotter, Nero Caesar Augustus. Emperor of Rome, London 2008

394

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur

Sojc 2013

Natascha Sojc, Der severische Palast im urbanen Kontext, in: Sojc/ Winterling/Wulf-Rheidt (Hrsg.), Palast und Stadt im severischen Rom, Stuttgart 2013, 213–230 Holger Sonnabend, August 14. Der Tod des Kaisers Augustus, Darmstadt 2013 Holger Sonnabend, Nero. Inszenierung der Macht, Darmstadt 2016 Ekkehard Stärk, Kampanien als geistige Landschaft. Interpretationen zum antiken Bild des Golfs von Neapel, München 1995 Alexandra Stefan, La date de la victoire de Dioclétien sur Carin au Margus à propos de P. Oxy. L 3569 et de CJ 2,53,3, in: ZPE 198, 2016, 271–282 Johannes Straub, Scurra barbarus. Zum Bericht der Historia Augusta über das Ende des Severus Alexander, in: Bonner HA-Colloquium 1977/78, Bonn 1980, 233–253 Maximilian Streck, Seleucia und Ktesiphon, in: Der alte Orient, 16. Jg. Teil 3 und 4, Leipzig 1917, 1–64 Karl Strobel, Domitian  – Kaiser und Politik, in: Pallas 40/1994, S. 359–395 Karl Strobel, Geldwesen und Währungsgeschichte des Imperium Ro­ manum im Spiegel der Entwicklung des 3. Jh. n. Chr. – Wirtschaftsgeschichte im Widerstreit von Metallismus und Nominalismus, in: Karl Strobel (Hrsg.), Die Ökonomie des Imperium Romanum. Strukturen, Modelle und Wertungen im Spannungsfeld von Modernismus und Neoprimitivismus, St. Katharinen 2002, 86–168 Karl Strobel, Commodus und Pertinax: ’Perversion der Macht‘ und ’Restauration des Guten‘? In: Ad fontes! Festschrift für Gerhard Dobesch, Wien 2004, 519–532 Karl Strobel, Kaiser Traian. Eine Epoche der Weltgeschichte, Regensburg 2010 Ronald Syme, The Imperial finances under Domitian, Nerva and Trajan, in: JRS 20, 1930, 55–70 Edmund Thomas, Metaphor and identity in Severan architecture: the Septizodium at Rome between ‘reality’ and ‘fantasy’, in: Swain/Harrison/Elsner (Hrsg.), Severan culture, Cambridge 2007, 327–367 Rudi Thomsen, King Servius Tullius. A historical Synthesis, Kopenhagen 1980 Catherine Virlouvet, La plèbe frumentaire à l’époque d’Auguste, in: Adalberto Giovannini (Hrsg.), Nourir la Plèbe. Actes du colloque tenu a Genéve 28./29.9.1989 en hommage à Denis van Berchem, Basel/Kassel 1991, 43–65 Hans Volkmann, Res gestae divi Augusti. Das Monumentum Ancyra­ num, Berlin 1957 Gerhard H. Waldherr, Nero, eine Biografie, Regensburg 2005 Christian Wallner, Der Agon Minervae: eine Dokumentation, in: Tyche 19, Wien 2004, 223–235 Alaric Watson, Aurelian and the Third Century, London/New York 1999

Sonnabend 2013 Sonnabend 2016 Stärk 1995 Stefan 2016 Straub 1980 Streck 1917 Strobel 1994 Strobel 2002

Strobel 2004 Strobel 2010 Syme 1930 Thomas 2007 Thomsen 1980 Virlouvet 1991

Volkmann 1957 Waldherr 2005 Wallner 2004 Watson 1999

Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur

Wifstrand Schiebe 1997 Winter/Dignas 2001 Winterling 2003 Yavetz 1969 Yavetz 1987 Yavetz 1999 Yavetz 2010 Ziemssen 2012

395

Marianne Wifstrand Schiebe, Vergil und die Tradition von den römischen Urkönigen, Stuttgart 1997 (Hermes-Einzelschriften 76) Engelbert Winter/Beate Dignas, Rom und das Perserreich. Zwei Weltmächte zwischen Konfrontation und Koexistenz, Berlin 2001 Aloys Winterling, Caligula: eine Biographie, München 2003 Zvi Yavetz, Plebs and Princeps, Oxford 1969 Zvi Yavetz, The Urban Plebs in the Days of the Flavians, Nerva and Traian, in: Opposition et Résistances a l’Empire d’Auguste a Trajan, Genf 1987 (Entretiens sur l’antiquité classique 33, 135–181) Zvi Yavetz, Der traurige Kaiser, München 1999 Zvi Yavetz, Kaiser Augustus, Reinbek 2010 Hauke Ziemssen, Die Kaiserresidenz Rom in der Zeit der Tetrarchie (306–312 n. Chr.), in: Therese Fuhrer (Hrsg.), Rom und Mailand in der Spätantike: Repräsentationen städtischer Räume in Literatur, Architektur und Kunst, Berlin/Boston 2012, 87–110

Verzeichnis der mehrfach zitierten RE-Artikel (Einmalnennungen in den jeweiligen Anmerkungen) Berve, Helmut, Liberalitas, in: RE 13,1 (1926) 82–93 Enßlin, Wilhelm, Maximianus Nr. 1 (Maximian), in: RE 14,2 (1930) 2486–2516 Enßlin, Wilhelm, Maximianus Nr. 2 (Galerius), in: RE 14,2 (1930) 2516–2528 Enßlin, Wilhelm, Valerius Nr. 142 (Diocletianus), in: RE 7 A (1948) 2419–2495 Fitzler/Seeck, Iulius Nr. 132 (Augustus), in: RE 10,1 (1918) 275–381 Fluss, Max, Helvius Nr. 15a (Pertinax), in: RE Suppl. 3 (1918) 895–904 Fluss, Max, Septimius Nr. 32 (Geta), in: RE 2 A2 (1923) 1565–1571 Fluss, Max, Severus Nr. 13 (Septimius Severus), in: RE 2 A2 (1923) 1940–2002 Fluss, Max, Sulpicius Nr. 63 (Galba), in: RE 4 A1 (1932) 772–801 Gall, Robert, Flavium amphitheatrum, in: RE 6,2 (1909) 2516–2525 Gelzer, Matthias, Iulius Nr. 133 (Caligula), in: RE 10,1 (1918) 381–423 Gelzer, Matthias, Iulius Nr. 154 (Tiberius), in: RE 10,1 (1918) 478–536 Graffunder, Paul, Regionarii, in: RE 1 A1 (1914) 477–480 Groag, Edmund, Claudius Nr. 256 (Kaiser 41–54 n. Chr.), in: RE 3,2 (1899) 2778–2839 Groag, Edmund, Domitius Nr. 36 (Aurelian), in: RE 5,1 (1903) 1347–1419 Groag, Edmund, Maxentius, in: RE 14,2 (1930) 2417–2484 Groebe, Paul, Aurelius Nr. 221 (Severus Alexander), in: RE 2,2 (1896) 2526–2542 Habel, Paul, Ludi publici, in: RE Suppl. 5 (1931) 608–630 Hanslik, Rudolf, Vibius Nr. 58 (Trebonianus Gallus), in: RE 8 A2 (1958) 1984–1994 Hanslik, Rudolf, Vibius Nr. 65 (Volusianus), in: RE 8 A2 (1958) 1996 f. Hanslik, Rudolf, Vitellius Nr. 7b, in: RE Suppl. 9 (1962) 1706–1733 Hanslik, Rudolf, M. Ulpius Traianus, in: RE Suppl. 10 (1965) 1035–1102 Henze, Walter, Aurelius Nr. 75 (Carinus), in: RE 2,2 (1896) 2455 f. Henze, Walter, Aurelius Nr. 77 (Carus), in: RE 2,2 (1896) 2456 f. Henze, Walter, Aurelius Nr. 82 (Claudius Gothicus), in: RE 2,2 (1896) 2458–2462 Henze, Walter, Aurelius Nr. 174 (Numerianus), in: RE 2,2 (1896) 2513 f. Henze, Walter, Aurelius Nr. 194 (Probus), in: RE 2,2 (1896) 2516–2523 Hohl, Ernst, Domitius Nr. 29 (Nero), in: RE Suppl. 3 (1918) 349–394 Hohl, Ernst, Iulius (Verus) Nr. 526 (Maximinus Thrax), in: RE 10,1 (1918) 852–868 Klebs, Elimar, Aemilius Nr. 24 (Aemilianus), in: RE 1,1 (1893) 545 f. Klotz, Alfred, Iulius Nr. 131 (Caesar), in: RE 10,1 (1918) 186–275 Koch, Carl, Quirinus, in: RE 24 (1963) 1306–1321 Lambertz, Max, Varius Nr. 10 (Elagabal), in: RE 8 A1 (1955) 391–404 Mielentz, Fritz, Tarpeia (Tarpeius Nr. 6), in: RE 4 A2 (1932) 2332–2342 Münzer, Friedrich, Decius Nr. 16, in: RE 4,2 (1901) 2281–2284

Verzeichnis der mehrfach zitierten RE-Artikel

Nagl, Alfred, Salvius Nr. 21 (Otho), in: RE 1 A2 (1920) 2035–2055 Petrikovits, Harald von, Opellius Nr. 2 (Macrinus), in: RE 18,1 (1939) 540–558 Pollack, Erwin, Circus, in: RE 3,2 (1899) 2571–2585 Regner, Johannes, Ludi circenses, in: RE Suppl. 7 (1940) 1626–1664 Rohden, Paul von, Aelius Nr. 64 (Hadrian), RE 1,1 (1893) 493–520 Rohden, Paul von, Annius Nr. 46 (Florianus), in: RE 1,2 (1894) 2266 Rohden, Paul von, Annius Nr. 94 (Marc Aurel), in: RE 1,2 (1894) 2279–2307 Rohden, Paul von, Antonius Nr. 60 (Gordian III.), in: RE 1,2 (1894) 2619–2628 Rohden, Paul von, Antonius Nr. 61 (Gordian I.), in: RE 1,2 (1894) 2628–2631 Rohden, Paul von, Antonius Nr. 62 (Gordian II.), in: RE 1,2 (1894) 2631 f. Rohden, Paul von, Aurelius Nr. 46 (Caracalla), in: RE 2,2 (1896) 2434–2453 Rohden, Paul von, Aurelius Nr. 89 (Commodus), in: RE 2,2 (1896) 2464–2481 Rohden, Paul von, Aurelius Nr. 138 (Antoninus Pius), in: RE 2,2 (1896) 2493–2510 Rostovtzeff, Michael, Congiarium, in: RE 4,1 (1900) 875–880 Schneider, Karl, Gladiatores, in: RE Suppl. 3 (1918) 760–784 Schulten, Adolf, Dies imperii, in: RE 5,1 (1903) 477 f. Seeck, Otto, Chronograph vom J. 354, in: RE 3,2 (1899) 2477–2481 Seeck, Otto, Constantius Nr. 1, in: RE 4,1 (1900) 1040–1043 Seeck, Otto, Severus Nr. 15, in: RE 2 A2 (1923) 2002 f. Seeck, Otto, Licinius Nr. 31a, in: RE 13,1 (1926) 222–231 Stein, Arthur, Caelius Nr. 20 (Balbinus), in: RE 3,1 (1899) 1258–1265 Stein, Arthur, Ceionius Nr. 8 (L. Verus), in: RE 3,2 (1899) 1832–1857 Stein, Arthur, Claudius Nr. 361 (Tacitus), in: RE 3,2 (1899) 2872–2881 Stein, Arthur, Clodius Nr. 50 (Pupienus), in: RE 4,1 (1900) 88–98 Stein, Arthur, Cocceius Nr. 16 (Nerva), in: RE 4,1 (1900) 133–154 Stein, Arthur, Iulius Nr. 386 (Philippus Arabs), in: RE 10,1 (1918) 755–770 Stein, Arthur, Iulius Nr. 387 (Philippus iunior), in: RE 10,1 (1918) 770–772 Weynand, Rudolf, Flavius Nr. 77 (Domitian), in: RE 6,2 (1909) 2541–2596 Weynand, Rudolf, Flavius Nr. 206 (Vespasian), in: RE 6,2 (1909) 2623–2695 Weynand, Rudolf, Flavius Nr. 207 (Titus), in: RE 6,2 (1909) 2695–2729 Wickert, Lothar, Licinius (Egnatius) Nr. 84 (Gallienus), in: RE 13,1 (1926) 350–369 Wittig, Karl, Messius Nr. 9 (Decius), in: RE 15,1 (1931) 1244–1284 Wotawa, August von, Didius Nr. 8 (Didius Iulianus), in: RE 5,1 (1905) 412–424 Ziegler, Konrat, Palatium, in: RE 18,3 (1949) 5–81

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Register A. Personen Was die Namen der Könige und Kaiser anbelangt, erfasst das Register nur jene Textstellen, die nicht mit Hilfe des Inhaltsverzeichnisses auffindbar sind. Aemilianus 90, 96, 283 f., 356, 359, 362 Aemilius Paullus, L. 68, 71 Aeneas (Urkönig) 41 f., 46, 67 Aeneas Silvius (Kg. v. Alba Longa) 49 f. Agrippa (M. Vipsanius Agrippa) 63 Agrippina (Mutter Neros) 131 Anchises 46 Ancus Marcius (Marcius Philippus) 62 Antoninus Pius 88, 190, 195, 198, 203, 208, 273, 334, 358, 365 Apollodorus (Architekt) 195 App. Claudius Caecus 66, 74 Ascanius (Kg. v. Alba Longa) 67 Atilius (Freigelassener) 118 Augustus 98, 113–17, 134, 142, 160, 167, 169, 171, 175, 189, 272, 312, 330, 354 f., 358, 361, 365, 367 f., 372 Aulus Vibenna 60 Aurelian 61, 91, 134, 251, 292, 295 f., 305 f., 321, 338, 346, 356, 359, 362, 366 Avidius Cassius 317 Balbinus 92, 255 f., 262–64, 356, 359, 362 f. Bassianus (Iulius Bassianus, Urgroßvater des Elagabal) 242 Britannicus 129, 131 Brutus (M. Iunius Brutus) 74 Burrus (praef. praet.) 131 Cacus 44 f. Caecilius Metellus Pius Scipio (Nasica) 72

Caecilius Metellus Pius, Q. 72 Caligula 78, 83, 110 f., 114–19, 126 f., 129 f., 177, 311, 358, 361, 364 f., 370, 376 Capelianus (Statthalter Numidiens) 259 Caracalla 96, 226–28, 230–32, 239, 242, 247, 291, 301, 346, 358, 361, 364, 366, 370, 376 Carinus 91, 314, 316, 326, 328 f., 356 f., 359 f., 362 f., 366, 373 Carus 90, 95, 310, 313, 319–22, 327, 356, 359, 362 Cassius Chaerea (praef. praet.) 124 f. Claudius Crassus Inregillensis, App. 66 Claudius I. 83, 99, 110 f., 120, 132–34, 171, 197, 240, 273, 311 f., 330, 358, 361, 364 Claudius II. Gothicus 126, 287 f., 291, 295, 298 f., 309, 356, 359, 362 f. Cleander (M. Aurelius Cleander) 218 f. Clodius Albinus 220, 227 Commodus 44, 88, 167, 209–14, 221 f., 228, 277, 354, 356, 358, 361, 366, 368, 370, 373 Constantin I. 33, 85, 90–92, 96, 109, 111, 126, 167, 246, 312, 326, 335, 338, 341 f., 346–49, 352–54, 375, 377 Constantius I. 91, 137, 327, 330, 339, 354, 356, 359, 362 f., 364, 372 Constantius II. 92 f., 377 Cornelius Nepos 64, 311 Cornelius Sabinus (praef. praet.) 124 Cornelius Scipio Aemilianus, P. 71 Cornelius Scipio Africanus, P. 63, 65 f. Cornelius Scipio Barbatus, L. 68 Cornelius Scipio Barbatus, P. 68

Register

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Cornelius Scipio Nasica Corculum, P. 63, 68 Cornelius Sulla Felix, L. 67, 70, 72, 74, 128 Curius Dentatus, M. 63, 73

Gordian II. 255, 260–62, 355, 359, 362, 370 Gordian III. 90, 257 f., 261, 270 f., 356, 359, 362 f., 366, 368 f., 370, 372

Decius 89 f., 91, 219, 270, 274, 282 f., 291, 293, 356, 359, 362 f., 364, 366, 373 Decius Mus, P. 71 Diadumenianus 239 Diokletian 91, 96, 201, 265, 301 f., 306 f., 314, 316, 322–25, 336 f., 346 f., 352, 355, 359, 363 f., 368 f., 373 Domitia (Gattin Domitians) 160, 180 f. Domitian 88, 91, 94, 136, 153, 156, 158 f., 182 f., 189, 202, 219, 240, 265 f., 273, 328, 330, 342– 44, 356, 358, 361, 364 f., 367, 373 Domitilla (Nichte Domitians) 180 Domitius Alexander, L. (vicarius) 344 f.

Hadrian 52, 87, 90, 179, 181, 184, 198 f., 203 f., 208, 212 f., 215, 277, 312, 342, 344, 354, 358, 361, 364 Helikon 129 Hercules/Herakles 43–45, 220 Herennius Etruscus 276 f., 279 Hippolytus (B f. von Rom) 37, 89 Horatius Barbatus, M. 68 Hostilianus 276, 282 f. Hyginus (C. Iulius Hyginus) 64 f.

Elagabal 236, 239–41, 247, 256, 265, 356, 358, 361, 364, 366 Epaphroditus 136 Fabius Ambustus, M. 68 Fabius Ambustus, Q. 69 Fabius Buteo, M. 69 Fabius Maximus Rullianus, Q. 66, 68, 71, 74 Fabius Maximus Verrucosus, Q. (Cunctator) 69, 72, 75 Fabius Pictor 48–51, 53, 59 Faunus (Urkönig) 41 f., 46, 376 Filocalus 32, 38, 375 Flavius Norbanus (praef. praet.) 181 Florianus 285, 306, 309, 355, 359, 362 Gaetulicus (Cornelius Lentulus Gaetulicus) 140 Galba 79, 87, 132, 144, 156 f., 187, 358, 361, 364 f., 370, 373 Galerius 91, 330, 332, 335–41, 349, 353, 356, 359, 362–64, 372 Gallicanus 256 Gallienus 34, 90, 292, 299, 354, 356, 359, 362 f. Gallus (Trebonianus Gallus) 90, 278, 280 f., 284, 287, 293, 356, 359, 362 f., 366, 372 f. Germanicus 116, 120, 125, 128 Geta 226, 228, 234, 236, 356–58, 361, 364 Gordian I. 255, 260–62, 355, 359, 362, 371

Ilia (Mutter des Romulus) 51 f. Iulia Domna 236 f., 246 Iulia Maesa (Schwester der Iulia Domna) 246 Iulianus (Didius Iulianus) 222, 226, 231, 355, 358, 361 Iulius Caesar, C. 76, 79–81, 83, 102, 171, 355 Iulius Valens Licinianus (Usurpator) 279 Iunius Brutus Callaecus, D. 69 Iunius Brutus, L. (Consul 509 v. Chr.) 73 f. Iunius Bubulcus Brutus, C. 74 Laetus (Q. Aemilius Laetus, praef. praet.) 219– 21, 223 Latinus (Urkönig) 41–43, 47 Lavinia 46–48 Licinius 33, 76, 86, 91, 341, 350 f., 354, 359, 363, 376 Livia 112 Livius Salinator, M. 73, 75 Locusta 129, 131 Lucullus (L. Licinius Lucullus) 73, 75, 119 Lutatius Catulus, C. 70 Lutatius Catulus, Q. 70 Macrinus 215, 233, 238, 243, 256, 356, 361, 364, 366 Macro (praef. praet.) 119, 121 Manlius (Imperiosus) Torquatus, T. 70, 75 Marc Aurel 77, 84, 88, 90, 200 f., 203–7, 215–17, 219 f., 225, 228, 233, 244, 253, 266 f., 354–56, 358, 361, 364, 366, 372 Marcia (Konkubine des Commodus) 219

400

Register

Marcius Rutilus, C. 70, 75 Marius 72 f. Martialis (Reitknecht des Caracalla) 238 Mastarna 61 Maxentius 85, 91, 167, 177, 326 f., 336, 339 f., 355, 359, 362, 367 Maximianus 137, 336, 340 f., 355, 359, 362 f., 367, 371 Maximinus Daia 91, 309, 341, 356, 359, 371 Maximinus Thrax 77, 90, 247 f., 252, 257, 261, 357, 359, 363, 366 Maximus (Sohn des Vorigen) 254, 257 Narses (pers. König) 332 f. Nero 35, 77, 82 f., 87, 91, 126, 128 f., 131, 137–40, 144, 151, 153 f., 167, 172, 174, 177, 195, 202, 249–51, 265 f., 297, 311, 333, 356, 358, 361, 364 f., 371 f., Nerva 164 f., 168, 176, 181, 186 f., 189 f., 193, 198, 356, 358, 361, 364 f., 373 Nicomachus (Flavianus Nicomachus, (praef. urbi) 377 Numa Pompilius 40, 53, 55, 58 Numerianus 86, 90, 314, 328, 359, 362 f., 366, 370, 373 Nymphidius Sabinus (praef. praet.) 140 f. Obsequens (Iulius Obsequens, Autor) 265, 369, 378 Ogulnius, Cn. und Q. 51 Otho 87, 142 f., 147, 151, 355, 358, 361, 370 Pacatianus (Usurpator) 271 Parthenius 180 Pertinax 217–20, 224 f., 231, 354, 358, 361, 364, 370 Pescennius Niger 227 Petronius Secundus (praef. praet.) 181 Phaon 136 Philippus Arabs 89 f., 263, 268 f., 346, 356, 359, 362 f., 369, 372 Picus 10, 40 f. Piso (C. Calpurnius Piso, Verschwörer gegen Nero) 135 Piso (L. Calpurnius Piso Licinianus, Mitregent Galbas) 140, 142 f. Plautianus (praef. praet.) 237

Pompeius Magnus, Cn. 67 Popillius Laenas, M. 66 Porsenna 63 Postumus Silvius (Kg. v. Alba Longa) 49 Praetextatus (Vettius Agorius Praetextatus, (praef. urbi) 377 Probus 299, 308, 315, 319, 321, 356, 359, 362, 366 Protogenes 129 f. Pupienus 92, 255–57, 260–62, 264, 356, 359, 362 f. Quinctius Capitolinus Barbatus, T. 68 Quinctius Cincinnatus Capitolinus, T. 69 Quinctius Cincinnatus, L. 69, 74 Quintillus 298, 309, 356, 359, 362, 364, 371 Rabirius (Architekt) 177 Remus 44, 49, 51 Remus Silvius (Kg. v. Alba Longa) 49 Romulus (König Roms) 40 f., 44, 48 f., 55, 62, 82 Romulus (Sohn des Maxentius) 344 Sallustius Crispus 185 Sapor (Schāpūr) I. 268, 288 f. Saturnus (Urkönig) 40–42 Saul (jüd. König) 40 Septimius Severus 34, 80, 82, 166, 215, 220 f., 225, 231–37, 239, 242, 246 f., 273, 302, 334, 339, 343, 354, 356, 358, 361, 366, 372 Severus II. 91, 341, 356, 359, 362, 371 Severus Alexander 85, 89 f., 134, 137, 236, 242 f., 245 f., 256, 265, 359, 361, 366 Statilius Taurus, L. 153 Symmacchus (Q. Aurelius Symmacchus, (praef. urbi) 377 f. Tacitus (Kaiser) 298, 307, 309, 356, 359, 362, 371–73 Tarpeia 54 f. Terentius Varro, M. 42 f., 52, 59, 95, 273 Tiberius Gemellus 121 f. Tigellinus (praef. praet.) 140 Titus 87, 150–55, 161–63, 165, 169 f., 172–75, 178, 180, 354, 358–61, 364 f., 372 Titus Tatius 51

Register

Traian 87, 172 f., 180–83, 185, 193 f., 198 f., 202, 213, 216, 234 f., 275, 278, 312, 356–58, 361, 363–65, 370 Tullus Hostilius 48 f., 58 Turnus/Tyrrhenos 46 f. Valerian 90 f., 137, 281, 286, 356, 359, 362 f., 371 f. Valerius (Maximus) Corvinus, M. 71, 75 Valerius Poplicola, M. 67 Valerius Poplicola, P. 67

401

Verus (Lucius Verus) 200 f., 209–11, 253, 265, 354, 356–58, 361, 364 f., 368 f., 376 Vespasian 78, 86, 126, 133, 145, 148 f., 157 f., 160 f., 163, 167, 169, 173–77, 185, 277, 354, 356, 358, 361, 365, 372 Vindex (C. Iulius Vindex) 138 f. Vinius, T. (Consul, Kollege Galbas) 143 Vitellius 140, 144–46, 150 f., 175, 358, 361, 371–73 Xenophon (Arzt von Claudius I.) 131

B. Rom B 1: Topographisches Aventin 44, 141, 168, 278 Caelius mons 155, 168, 176, 220 f., 229 campus Martius/Marsfeld 54, 62, 101 f., 153, 169–171, 251, 272, 300 Capitolium/Kapitol 42, 44, 55, 59–61, 124, 149, 155, 163–65, 171, 175, 177, 179 f., 323, 365, 372

Palatium – mons (Palatinus) 54, 124, 176 – Kaiserpalast 124 f., 131, 148 f., 166, 176 f., 179 f., 223, 225, 232, 262, 343, 371 f. palus Caprae 53 f. Quirinal 54, 185

forum Boarium 44 f. forum Romanum 123 f., 142, 149, 167, 174, 176, 212, 300 f., 322 f., 331, 366

Tarpeium Saxum 55 Tiber 44, 46, 54, 62, 101, 111, 120, 141, 149, 164, 246, 250 f., 347–49

horti Sallustiani 185

Velia (mons) 167, 196, 342 via Lata 329 f. via Nova (bei den Caracallathermen) 236 via Sacra 10, 149, 167

in catacumbas 343 f. lacus Curtius 142 Lupercal 44, 51

B 2: Bauwerke amphitheatrum Flavium/Colosseum 118, 152– 55, 157–59, 172–74, 176, 178, 196, 240, 365 f. amphitheatrum Castrense 245 Aqua Claudia 229 f. Aqua Marcia 168, 229 f. ara maxima 45

arcus novus 329 f., 367 arcus Titi 165 atria VII 162, 165 f., 179 f., 365 atrium Vestae 178 Aurelianische Mauer 299

402

Register

basilica Constantiniana 167, 342 basilica Iulia 123 f., 321–23, 328, 365, 367 basilica Ulpia 84, 210 bibliotheca Palatina 177, 180 carceres (des circus maximus) 130, 235, 366 castra urbana 300 castra praetoria/Prätorianerkaserne 131, 143, 221, 246, 256, 274, 330 circus maximus 63, 109 f., 130, 201 f., 229, 235 f., 271 f., 310 f., 333 f., 343, 365, 367, 369 circus Vaticanus 130 curia Hostilia 57, 101 curia Iulia 101, 176, 180, 323, 328, 365–67 curia Pompeii 101, 177 domus Augustana 177, 180 domus Flavia 177, 180 domus Severiana 177, 343 domus Tiberiana 177, 180 domus Vectiliana 220 f. forum Caesaris 321–23, 328, 366 forum Nervae/Transitorium 164 f., 176 forum Traiani 164 f., 212 genius populi Romani 300 f., 366 graecostadium 321–23, 366 Heliogabalium (templum, Sol Elagabalus) 245, 366 horrea Galbae 141 f., 365 horrea piperataria 162, 164 f., 167, 180, 342, 365 horrea Vespasiani 167, 180, 365 Iseum/Serapeum 164 f., 169 f., 180, 328, 330, 365, 367 ludus dacicus 176 ludus gallicus 176 ludus magnus 176 ludus matutinus 164 f., 176 Mausoleum Augusti 169 Mausoleum Hadriani 196, 198 meta sudans 164 f.,174, 178, 180, 365 Minucia frumentaria (porticus) 61, 171 Minucia vetus (porticus) 171, 180, 365

nymphaeum Iovis 329 odium/odium 164 f., 179 f., 365 Pantheon 163–65, 178 f., 196, 329, 365 porta Capena 168, 180, 229, 236, 365 porta Flaminia 347 rostra 300 f., 366 Saepta Iulia 170 scalae Caci 44 scalae Gemoniae 149 Septizodium 228, 343, 366 Servianische Mauer 61, 168, 299 stadium Domitiani 164 f., 171, 180, 240, 365 templum (Divi) Augusti 177, 180 templum Castorum (et Minervae) 167, 170, 179 f., 365 templum deae Syriae 249 f., 366 templum Divorum 156, 164 f., 169 f., 175, 180, 365 templum Fortunae 168, 345 templum gentis Flaviae 156, 164, 169, 175, 180, 365 templum Minervae Chalcidicae 170, 180, 365 templum pacis 176 templum Romae et Veneris 195, 342 f., 365, 367 templum Solis invicti 245, 299 f., 366 templum Vespasiani (et Titi) 164 f., 174 f., 180, 301, 365 theatrum Pompeii 101, 163, 177, 322, 329 thermae Antoninianae (Caracallathermen) 229, 235 f., 278, 301, 331, 366 thermae Commodianae 218 f., 277, 366 thermae Decianae 277–79, 366 thermae Diocletianae 330 f., 367 thermae Neronianae/Alexandrianae 172, 251 f., 366 thermae Severianae 228–30, 343, 366 thermae Titi/Titianae 155, 164, 172–74, 180, 365 thermae Traianae 164, 172 f., 180, 190–92, 365

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403

C. Geographica außerhalb Roms (Orte, Provinzen, Straßen, Brücken) Abrittus 276, 279–81 Actium 103–106 Africa (Prov.) 65 f., 71, 91, 93, 95, 100, 185, 227, 258 f., 262 Africa (Dioec.) 331, 341, 345 f. ager Laurens 43 Alba Longa 10, 48–50 Alexandria 88 f., 109–11, 149, 283 Altinum 206 f. Antiochia 88, 95, 187, 192, 228, 239–41, 271, 328 Aquae Cutiliae 155 f., 159 f., 372 Aquileia 207, 257, 295 f., 333 Arabia 269, 369 Archelais 240 f. Ardea 47

Eboracum 230, 338, 372 Edessa 237 f., 288 f. Emesa 227, 243, 245

Baiae 166, 196 f. Bedriacum/Betriacum 144–48 Beroea/Beroia 274 f. Bithynia 241, 306, 353 Bononia 213 f., 372 Britannia/Britannien 123, 127, 195, 220, 230, 252 f., 330, 338, 372 Brixellum 145 f.

Illyricum/Illyrien 292, 339 Interamna 284, 372

Caenophrurium 303 f. Cappadocia 240 f., 307, 350 Capri 112, 119 Carnuntum 213, 225 f., 252, 345, 349, 352 Carrhae 238, 267 Chalkedon 241, 353 Chrysopolis 352 f. Cilicia 187 f., 192, 241, 306, 308, 351 Circesium 268 f. Clusium 63 Coche 315–18 Concordia (Iulia Concordia) 207 Constantinopolis 95 f., 303, 377 Cremona 146 Cures Sabini 155 f., 160, 372 Dacia Ripensis 338 f., 349 Dardania 338 f., 372

Falacrinae 149 Fidenae 118, 365 Forum Flaminii 283 f., 372 Gallia 252 f., 334, 338, 372 Gallia Lugdunensis 138 Germania/Germanien 120, 139 f., 186, 210, 253 Hadrianopolis 351, 353 Heraclea 303 f., 351 Hispania/Spanien 43, 100, 138, 338

Köln 146, 148, 187 Ktesiphon 267–69, 316–18 Lanuvium 184 Laodicea 227 Latium 10 f., 40 f., 43, 46–48 Laurentum 41, 43, 46 Lavinium 47 f. Mailand 231, 291, 328 Mainz 247, 252 f. Margus 320, 324 f. Marseille 335 Mesopotamia 85, 315 f. Misenum 119–21 Moesia inferior (Prov.) 279, 284 Moesia superior (Prov.) 280, 324 Moesiae (Dioec.) 339, 344 f., 353 Munda 100 Mutina 104 Naissus 292 Narnia 286 Nikomedeia 91, 244, 326, 328, 351, 353 Nisibis 267

404 Nola 112 f., 115 Ocriculum 286 Ostia 58, 85, 110 f. Pannonia 207, 213 f., 220, 225 f., 321, 372 Persepolis 289 Pharsalos 74, 99 f., 105 pons Mulvius (Rom) 347–49 pons Sanguinarius 286 Pontus/Pontica (Dioec.) 306 f., 372 Puteoli 110, 112, 197 f. Ravenna 257, 339–41 Reate 149, 155 f. Salona 334 f. Saxa Rubra 348 f. Seleucia/Seleukeia am Tigris 315–18 Seleucia Isauriae 192 Seleucia Pieria 192 Selinuntum 192 Selinus/Traianopolis 192 f. Serdica 338 Sirmium 210, 213 f., 293 f., 313, 328

Register

Spalato 334 f. Spoletium 284, 286 Syria 186, 192, 242, 250, 288 f., 306, 372 Tarquinia 59 Tarsus 308, 350 f. Thessalonica 328, 353 Thracia/Thrakien 253, 274 f., 303, 351, 353 Tres Tabernae 340 Trier 327, 337 Troia 40, 46, 48 f., 52 Tyana 306 f., 372 Veji 46, 49 Verona 146, 270, 273–76, 372 via Appia 66, 168, 229, 236, 340 f., 343 f., 367, 372 via Egnatia 304 via Flaminia 283 f., 286, 300, 329, 347 f. via Nomentana 136 via Patinaria 136 via Salaria 136, 155 f. Vindobona 213 f.

D. Sachen Bei den Begriffen Akklamation, congiarium, Denar, dies imperii und liberalitas werden nur diejenigen Seiten angeführt, auf denen Grundsätzliches angesprochen wird. Aborigines 43, 46 agon Minervae 265–67, 366 Akklamation 76, 78, 83, 105 Antoninian 271, 291, 296, 327, 337, 346 aureus 291, 321, 333 auri lustralis collatio 346 aurum coronarium/oblaticium 346

Chronograph von 354 10, 32, 34 f., 37–39, 92, 98, 116, 203, 208, 215, 221, 226, 321, 354, 374–77 congiarium 34, 53, 56, 76, 79–85, 205, 226, 363 f., 367 f., 370, 377 f. consecratio 76, 98, 102, 125, 186, 198, 208 constitutio Antoniniana 235, 292, 309,326 cura annonae 142

bellum Iudaicum 86, 152 f., 165 Brittones 252

Denar 83, 333, 337, 346 f., 364 dies imperii 78, 85, 357 donativum 53, 56, 58, 79, 83, 107, 126, 128, 132, 140 f., 162, 195, 217, 224, 291, 304 Dupondius 57, 277

capitatio/iugatio 346 Census 57, 61, 81, 169

405

Register

euhemeristisch/Euhemerismus 40, 49, 54, 376

42–45,

fasti Filocali 32, 188, 301–03, 311, 354 Feralia 56 feriae Latinae 49 frumentatio 61, 80–83, 107, 134, 171, 301 funeraticium 183–85, 365 imperium 74, 76, 104 f., 111, 115, 144, 196, 283 Kalender (röm.) 32, 39, 52, 56, 85, 99 f., 201, 311, 354, 374 f. lex Cornelia de sicariis et veneficiis 128 lex de imperio Vespasiani 150 lex metalli Vipascensis 191 liberalitas 79 f., 82 f., 134, 174, 194, 213, 223, 327, 337, 367 ludi Apollinares 201 ludi Palatini 125 ludi saeculares 271–73 ludi Solis 302 f. Lupercalia 56

maenianum 154 opera publica 76, 82, 162 f., 179, 228, 321, 328, 330, 342, 364 f., 367, 373, 376–78 Parilia 52, 195 f. plebs 35, 79–83, 101, 105–08, 120, 123, 134, 141, 171, 184, 233, 299, 305, 321 polyphagus 35, 134 f., 137, 249–51, 365 f., 368 pontifices 41, 56, 368, 374 Prätorianer 78, 82 f., 119, 121, 124, 126, 131–134, 139–43, 160, 162, 181, 183, 219–225, 237 f., 246 f., 256 f., 262, 268, 274, 291 f., 320, 340 f., 344 f., 366 prodigium 206, 265, 334, 365–70, 376–78 Rutuli 46 f. Sabini 54 f., 149, 159 sarda/sardina 249 f. Saturnalia 42 tessera 82, 84, 134, 327, 337 tribunicia potestas 78, 105 f., 115, 144, 210 f., 215, 310 Vestalin 54–56, 178

E. Quellen (Auswahl) Erfasst sind nur Quellenstellen, die kommentiert werden. Ammianus Marcellinus Amm. 15,7,3 228 Amm. 17,4,13 111 Amm. 23,5,17 258, 268 f. Ampelius, L. 64, 75, 372 Ampel. 17 51, 57 f. Ampel. 18,1 74 Ampel. 18,2 67 Ampel. 18,4 69 Ampel. 18,3; 22,1 70 Ampel. 18,6 66, 72 Ampel. 18,8 73 Ampel. 18,11 71

Ampel. 18,13 68 Ampel. 18,14-15 72 f. Ampel. 18,16 67 Ampel. 18,18 73 Ampel. 18,19 67 Ampel. 19,2 66 Ampel. 19,4; 26,2 69 Ampel. 19,7; 40,2 70 Ampel. 19,11 68 Ampel. 20,6 72 Ampel. 22,2 71 Ampel. 46,3 70

406 Aurelius Victor 37, 93 f., 97, 354, 360–63 Aur. Vict. 1,2 103 Aur. Vict. 11,12 378 Aur. Vict. 24,4 252 Aur. Vict. 24,9 378 Aur. Vict. 27,1-6 257 f. Aur. Vict. 27,6 262 Aur. Vict. 27,7 265–67, 366 Aur. Vict. 29,1 278 f. Aur. Vict. 29,4 276 Aur. Vict. 31,3 285 Aur. Vict. 36,2 306 f. Aur. Vict. 37,5 378 Aur. Vict. 39,11 f. 324 f. Aur. Vict. 39,35 332 Aur. Vict. 40,23 341 Aur. Vict. 40,24 345 f. Aur. Vict. 41,8 353 Cassius Dio 88 f., 373 Cass. Dio 43,21,3; 55,10,1 80, 107 Cass. Dio 58,28,3 119 Cass. Dio 59,30,1 121 Cass. Dio 60,25,7 80 Cass. Dio 64,15,2 144,151 Cass. Dio 66,17,1-3 155 Cass. Dio 66,25,1 154 Cass. Dio 66,26,1 157, 159 Cass. Dio 67,14,5-17,2 180 Cass. Dio 68,33,1-3 192 Cass. Dio 69,1,1-4; 69,2,1 f. 188 Cass. Dio 70,3,3 203 Cass. Dio 71,32,2 212 Cass. Dio 71,33,4 214 Cass. Dio 72,12,5 218 Cass. Dio 72,16,2 217 Cass. Dio 72,22,1-5 219 Cass. Dio 72,22,6 216 Cass. Dio 76,1,1 80, 82 Cass. Dio 77,2,1-4 232 Cass. Dio 77,16,4; 77,18,1 f. 237 Cass. Dio 78,4-5 238 Cass. Dio 78,5,3; 78,6,5 234 Cass. Dio 78,23,1; 78,24,1 237 Cass. Dio 78,39,1-40,2 241 Cass. Dio 79,3,3 243

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Cedrenus/Kedrenos 86, 97 Cedrenus 302,9-14 109 Cedrenus 450,4 247 Cedrenus 450,13 254 Cedrenus 451,11 263 Cedrenus 454,19 294 f. Cedrenus 463,11 309 Cedrenus 473,10 349 Chronicon paschale 86, 96 Chr. pasch. 501,6 263 Chr. pasch. 505,5 f. 280 Chr. pasch. 508,13 f. 299 Clemens von Alexandria 88 Clem. Al. strom. 21,144 99, 103, 147, 216 Codex Iustinianus Cod. Iust. 3,42,6 263, 270 Cod. Iust. 6,10,1 263, 270 Cod. Iust. 10,16,3 270, 276 Consularia Constantinopolitana 86, 94 z.J. 218 213 z.J. 277 306 f. z.J. 284 321 f. z.J. 285 324 z.J. 286 326 f. De viris illustribus urbis Romae 64 f., 75 Vir. ill. 2,13 f. 53 Vir. ill. 5,3 62 Vir. ill. 7,7 61 Vir. ill. 8,1 62 Vir. ill. 10 73 Vir. ill. 14 72 Vir. ill. 15 67 Vir. ill. 26; 27 72 Vir. ill. 28 70 Vir. ill. 29 71 Vir. ill. 32 66 Vir. ill. 33 73 Vir. ill. 34; 37 66 Vir. ill. 41 70 Vir. ill. 43 72 Vir. ill. 44 68 Vir. ill. 49 66 Vir. ill. 50 73 Vir. ill. 56 68 Vir. ill. 58 71 Vir. ill. 63; 67 72 f.

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Vir. ill. 74 73 Vir. ill. 75; 77 67 Vir. ill. 82 74 Dionysios von Halikarnass 51 Dion. Hal. ant. 1,30,3; 1,64,2 f. 47 Dion. Hal. ant. 1,40,6 45 Dion. Hal. ant. 1,42,1 44 Dion. Hal. ant. 1,44 f.; 1,63; 1,74 46 Dion. Hal. ant. 1,57,1; 1,59,3 47 Dion. Hal. ant. 1,60 47 Dion. Hal. ant. 1,70 48 Dion. Hal. ant. 1,75,2 57, 60, 62 Dion. Hal. ant. 1,77,2 52 Dion. Hal. ant. 1,88,3 52 Dion. Hal. ant. 2,38-40 54 f. Dion. Hal. ant. 2,46-50 51 Dion. Hal. ant. 2,50,4 54 Dion. Hal. ant. 2,56 53 Dion. Hal. ant. 2,63,2-64,5 56 Dion. Hal. ant. 3,44,4 58 Dion. Hal. ant. 4,1,2 61 Dion. Hal. ant. 4,61,2 60 Dion. Hal. ant. 4,84 f. 62 Dion. Hal. ant. 5,13,2-4 62 Epiphanius De mens et pond. 350,1 126 Epitome de Caesaribus 37, 94, 354, 360–63 Epit. de Caes. 1,26-28 112 Epit. de Caes. 1,30 103 Epit. de Caes. 16,5 204 Epit. de Caes. 16,12 213 Epit. de Caes. 20,6 166 Epit. de Caes. 23,1 243 Epit. de Caes. 25,1 253 Epit. de Caes. 28,2 f. 274 Epit. de Caes. 31,2 285 f. Epit. de Caes. 33,2 287 f. Epit. de Caes. 34,5 294 Epit. de Caes. 35,1 295 Epit. de Caes. 36,2 308 Epit. de Caes. 40,3 340 Epit. de Caes. 41,8 352 Eusebius von Caesarea 42, 91 f. Eus. Chronographia, Arm. Karst 136 41–44, 46 f. Eus. Chronographia, Arm. Karst 137 48

407

Eus. Chronographia, Arm. Karst 140 51 Eus. Chronographia, Arm. Karst 141 63 f. Eus. Chron.can., Arm. Karst 182 53 Eus. Chron.can., Arm. Karst 183 55 f. Eus. Chron.can., Arm. Karst 184 57 Eus. Chron.can., Arm. Karst 185 58 Eus. Chron.can., Arm. Karst 186 59 Eus. Chron.can., Arm. Karst 187 60 Eus. Chron.can., Arm. Karst 189 62 Eus. HE 7,1 276 Eus. HE 8,14,3 345 Eutropius 86, 93, 258, 354 f., 361-63, 371 Eutr. 7,8,2 103 Eutr. 8,5,2 192 Eutr. 8,10,4 204 Eutr. 8,15 219 Eutr. 8,22 243 Eutr. 8,23 252 Eutr. 9,1 254, 257 Eutr. 9,2 258 Eutr. 9,2,2 262, 268 Eutr. 9,3 273 f. Eutr. 9,15 299, 303 f. Eutr. 9,17,3 313 Eutr. 9,20,2 324 Eutr. 9,28 326 Flavius Josephus 86, 88 Ios. ant. Iud. 1,127 309 Ios. ant. Iud. 19,71 124 Ios. ant. Iud. 19,201 121 Ios. ant. Iud. 20,148 131 Ios. bell. Iud. 2,180 114 f. Ios. bell. Iud. 2,204 121 Ios. bell. Iud. 4,547 f. 145 Herodian 89 f., 226 Herodian. 1,16 f. 219 Herodian. 2,9-2,12 225 Herodian. 3,8,4 227 Herodian. 3,15,3; 4,1,1 226 Herodian. 6,9,3-8; 7,1,1 247 Herodian. 6,7,6-6,9,8 252 Herodian. 7,1,1-8,5,9 256 Herodian. 7,9,4; 7,9,9 259 Herodian. 7,10,3-5 260 Herodian. 8,2,2-8,6,4 257

408

Register

Herodian. 8,8,6-8 262 Hieronymus (Chronik) 35, 40 f. 93, 354 f., 357 Hier. chron. z.d.J. 1179–1177 v. Chr. 41 Hier. chron.z.J. 773 v. Chr. 52 Hier. chron.z.J. 755 v. Chr. 52 Hier. chron.z.J. 729 v. Chr. 51, 54 Hier. chron.z.J. 728 v. Chr. 53 Hier. chron.z.J. 716 v. Chr. 53 Hier. chron.z.J. 715 v. Chr. 55 Hier. chron.z.J. 714/713 v. Chr. 56 Hier. chron.z.J. 674 v. Chr. 57 Hier. chron.z.J. 619 v. Chr. 59 Hier. chron.z.J. 581 v. Chr. 61 Hier. chron.z.J. 547 v. Chr. 62 Hier. chron.z.J. 532 u. 512 v. Chr. 62 Hier. chron.z.J. 510/509 v. Chr. 63 f. Hier. chron.z.J. 116/117 n. Chr. 192 Hier. chron.z.J. 169 n. Chr. 204 Hier. chron.z.J. 218 n. Chr. 240 Hier. chron.z.J. 222 n. Chr. 247 Hier. chron.z.J. 235 n. Chr. 252 f. Hier. chron.z.J. 238 n. Chr. 257 Hier. chron.z.J. 240 n. Chr. 262 Hier. chron.z.J. 254 n. Chr. 285, 287 Hier. chron.z.J. 271 n. Chr. 295 f. Hier. chron.z.J. 276 n. Chr. 303 f. Hier. chron.z.J. 306 n. Chr. 336 f. Hier. chron.z.J. 316 n. Chr. 326, 355 Historia Augusta 90, 218 HA Ver. 9,10 f. 206 f. HA Aur. 27,8 209, 212 f. HA Aur. 28,1-9 214 HA Comm. 2,1 84 HA Comm. 17,6-7 218 f. HA Pert. 11,6 253 HA Pert. 15,6-7 222 HA Did. 8,5-8 225 HA Sept. Sev. 5,1 226 HA Sept. Sev. 14,11 227 HA Geta 1,5-3,1 231 HA Carac. 10,1-4; 11,5 237 HA Heliog. 3,4 245 HA Alex. 25,3-4 251 HA Alex. 26,1 248 HA Alex. 59,6 252 HA Maximin. 19,2 259 HA Gord. 16,3 259

HA Gord. 22,5 260 HA Max. Balb. 15-16 260 HA Claud. 12,6 296 f. HA Aurelian. 37,4 297 f. HA Aurelian. 37,6 295 HA Aurelian. 41,4 304 HA Aurelian. 48,5 299 HA Tac. 13,5 306 HA Prob. 20,1-21,3 313 HA Car. 8,1-3; 8,7 316 HA Car. 19,2 322 Iohannes Antiochenus Ioh. Ant. Frg. 147 268 Ioh. Ant. Frg. 148 274 f. Isidor von Sevilla Isid. orig. 5,27,23 62 Isid. orig. 9,3,32 53 Itinerarium Burdigalense 325 Itin. Burdig. 564,7-9 325 Lactantius 91 Lact. mort. pers. 5,6 289 Lact. mort. pers. 6,2 303 Lact. mort. pers. 26,9-11 340 f. Lact. mort. pers. 36,6-40,4; 49,1-7 351 Liber generationis 37–40, 75, 89, 97, 375 f. Liber gen. (I) 381 126 Liber gen. (I) 396 239, 243 Liber gen. (I) 398 247 Livius 41 f., 51, 378 Liv. praefatio 6 41 Liv. 1,2,2 47 Liv. 1,3,6 f. 49 f. Liv. 1,4,2 52 Liv. 1,10 f. 47, 51 Liv. 1,11,5-9 54 f. Liv. 1,14,1 54 Liv. 1,16 53 Liv. 1,20,3-5 56 Liv. 1,21,6 52 Liv. 1,31,8 57 f. Liv. 1,32,1 58 Liv. 1,33,9 58 Liv. 1,39,5; 1,47,10 61 Liv. 1,44,1 57 Liv. 1,48,8 60

Register

Liv. 1,50,6 62 Liv. 1,58-60 62 Liv. 1,60,3 61 f. Liv. 2,5,1-4; 2,21,5 62 Liv. 6,1 41, 51 Malalas 96 Ioh. Mal. 11,32 204 Ioh. Mal. 12,1 216 Ioh. Mal. 12,25 96, 258 Ioh. Mal. 12,29 294 Ioh. Mal. 12,30 299 Ioh. Mal. 12,31 305 Ioh. Mal. 12,33 309, 313 Ioh. Mal. 12,35 f. 319 Ioh. Mal. 12,47 f. 336 Ioh. Mal. 12,49 352 Martial Mart. 8,36,5 166 Notitia regionum urbis Romae 38 f., 85 f., 163 Origo Constantini 91 Origo Const. IV 10 340 Origo Const. V 29 352 f. Origo gentis Romanae 33, 41 O. g. Rom. 3,1; 4,4; 9,1 43 O. g. Rom. 17,4 50 Orosius 86, 95 Oros. hist. 7,19,4 268 Oros. hist. 7,20,4 274 Oros. hist. 7,24,1 306 f. Plutarch 87 Plut. Galba 2,1-2; 8,1 140 Plut. Galba 4,3 138 Plut. mor. de tuenda sanitate praecepta 3/123D 158 Series regum 86, 92 Series regum 154,27 149 Series regum 155,1 185 Series regum 155,4 202 Series regum 155,5 206 Series regum 155,6 213 Series regum 155,7 220 Series regum 155,9 225

Series regum 155,13 240 f. Series regum 155,15 252 Sueton 87 f., 97, 372 Suet. Tib. 40 97 Suet. Tib. 72,2-73,1 119 Suet. Cal. 12,2 f. 119 Suet. Cal. 50,2; 51,1 124 f. Suet. Nero 37,2 135 Suet. Nero 40-49 136 Suet. Tit. 10,1 159 Suet. Dom. 2,3 156 Suet. Dom. 14,1-17,3 180 Synkellos 45, 86, 96 Synk. 432,9 f. 212 Synk. 439,7-9 252 Synk. 459,15-16 282 Synk. 469,22 294 Tacitus 87 Tac. ann. 1,9,1 104 f. Tac. ann. 1,5,1-3 112 Tac. ann. 4,62 f. 118 Tac. ann. 6,50,5 119 Tertullian Tert. apol. 25,5 213 Theophilos von Antiochia 88 Theoph. ad Autol. 3,27 99, 126 Vergil Verg. Aen. 1,265 47 Verg. Aen. 8,194-270 44 Verg. Aen. 8,270-280 45 Verg. Aen. 8,357 f. 41 Verg. Aen. 12,838 46 Zonaras 86, 97 Zon. 12,16 254 Zon. 12,17 258, 260, 268 Zon. 12,20 276, 280 f. Zon. 12,21 284 Zon. 12,22 286 Zon. 12,25 291 f. Zon. 12,26 294 Zon. 12,27 297 f. Zon. 12,28 305 Zon. 12,29 307, 313 Zon. 12,30 316

409

410 Zon. 12,31 f. 332 Zosimos 86, 95 Zos. 1,23,2 280 f. Zos. 1,24,1 280 Zos. 1,29,1 286 Zos. 1,40,1-2 291 f. Zos. 1,47 295 Zos. 1,63,1 f. 306 Zos. 2,10,2 340 Zos. 2,13 345 Zos. 2,18,1-2,26,3; 2,28,1 f. 353 Inschriften Arvales fratres (acta/commentarii) 85, 98 CFA Nr. 48, Z. 29–34 158

Register

Fasti Ostienses 85, 374 FOst, Vidman S. 45 183 FOst, Vidman S. 51 200 RgdA 15 80, 82, 106–108 IGRR1, 1509 204, 209 RGDS § 6–7 268 § 18 289 SB V 8487 263, 270 Papyri Feriale Duranum 85, 99 Fer. Dur. 1,21 204 P. Oxy. VIII 1119,30 282 P. Oxy. XLIII 3107 254

Theresia Raum

Szenen eines Überlebenskampfes Akteure und Handlungsspielräume im Imperium Romanum 610–630 romA AeternA – bAnD 9 2021. 254 Seiten 978-3-515-12905-3 gebunDen 978-3-515-12908-4 e-book

Zu Beginn des 7. Jahrhunderts kämpfte das Imperium Romanum um seine Existenz. Nach jahrelangem intensivem Ringen gelang ihm am Vorabend der arabischen Expansion noch einmal der Triumph über äußere Feinde und innere Krisen. Theresia Raum fragt nach den Bedingungen und Folgen dieses Überlebenskampfes und zeigt dabei auf, wie sich Kaisertum und Reich unter dem Druck der Bedrohung veränderten. Während der Kaiser mit verschiedenen Strategien auf den enormen Handlungsdruck zu reagieren suchte und dabei das Rollenbild eines soldatischen Kaisers annahm, verschob sich das politische Kräfteverhältnis zugunsten anderer Akteure wie dem Senat oder dem Patriarchen. Gleichzeitig richteten sich gesellschaftliche Erwartungshaltungen im Sinne eines gestiegenen Frömmigkeitsbedürfnisses neu aus und stellten den Kaiser damit wiederum vor die Herausforderung, seinen Platz im politischen System zu finden und zu behaupten. In kom-

pakter Form macht die Darstellung mit den Ereignissen jener existenzbedrohenden Phase vertraut und leuchtet die Handlungsspielräume zentraler Akteure behutsam aus. Die Autorin Theresia Raum studierte Geschichte, Latein und Sozialkunde an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und wurde an der Eberhard Karls Universität Tübingen promoviert. Sie arbeitet zu Themen aus dem Bereich der Spätantike und der antiken Militärgeschichte. Aus Dem inhAlt Einleitung: Hinter den Kulissen | Erster Akt: Die Usurpation im Jahr 610 | Zweiter Akt: Die Jahre 610 bis 622 | Dritter Akt: Die Jahre 622 bis 628 | Vierter Akt: Die Rückführung des Kreuzes im Jahr 630 | Schluss: Der Vorhang fällt | Quellen- und Literaturverzeichnis | Register

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Patrick Brimioulle

Das Konzil von Konstantinopel 536 ROmA AETERnA – BAnD 8 323 Seiten 978-3-515-12666-3 gEBUnDEn 978-3-515-12667-0 E-BOOk

Im Jahr 536 wurde in Konstantinopel ein Konzil einberufen, auf dem Anthimos, der Bischof der Hauptstadt, nach nur einem Jahr Amtszeit abgesetzt und zahlreiche Bischöfe mit ihm als Häretiker verurteilt und aus der Stadt verbannt wurden. Bei diesem Ereignis handelte es sich um die jüngste Eskalation in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen, die nach dem Konzil von Chalkedon 451 die Kirche erschütterten – es sollte sich als Wendepunkt in der Kirchenpolitik Justinians (527–565) erweisen. Patrick Brimioulle rekonstruiert den genauen Ablauf des Konzils, seine Organisation und sein Verhältnis zur bisherigen kaiserlichen Kirchenpolitik sowie seine Einbettung in die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen seiner Zeit. Brimioulle untersucht die gesellschaftlichen Dynamiken bei religiösen Streitigkeiten und beleuchtet damit erstmals die kirchenpolitischen Verwicklungen auch aus sozialgeschichtlicher Perspektive. Im Zentrum steht dabei, wie es zur Ausformung einer spezifischen eigenen Identität und zur

Bildung unterschiedlicher Parteien unter Bischöfen, Mönchen und gewöhnlichen Gemeindemitgliedern kam. DER AUTOR Patrick Brimioulle studierte Alte Geschichte, Mittelalterliche Geschichte und Katholische Theologie und arbeitete zu Themen aus dem Bereich der Spätantike und der alten Kirchengeschichte. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung christlicher Dogmen im Hinblick auf die Christologie im 5. und 6. Jahrhundert. AUs DEm InhAlT Einleitung | Die Kirchenpolitik des Anastasios (491–518) | Die kirchenpolitischen Entwicklungen unter Justin I. (518–527) | Die Kirchenpolitik Justinians bis zum Konzil von 536 | Das Konzil von Konstantinopel 536 | Zur Herausbildung kirchenpolitischer Identitäten | Ausblick – Die Reaktion Justinians auf das Konzil 536 | Quellen | Literatur

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Die Chronica urbis Romae erzählen von den mythischen Ursprüngen Roms, nennen zahlreiche Heroen der römischen Republik und berichten über Details aus der Regierungszeit von 58 Kaisern. Der ca. 334 n. Chr. verfasste Text beginnt mit Picus, Saturni filius, und endet mit Kaiser Licinius, den Constantin 325 n. Chr. ermorden ließ. Überliefert sind die Chronica urbis Romae als Teil eines spätantiken Sammelwerks, das unter dem Namen Chronograph von 354 bekannt ist. Beide Begriffe wurden von Theodor Mommsen geprägt. Günther Pfund prüft in seinem historischen Kommentar eingehend, inwieweit die Chronica urbis Romae zuverlässig sind. Besonders ausführlich behandelt er deren Angaben zu den Regierungszeiten, den Geldspenden (congiaria), den Baumaßnahmen und zum Tod der Kaiser. Dabei schließt Pfund Lücken in der Analyse von Einzelaspekten, die R. W. Burgess 2014 publiziert hat, und ergänzt dessen Resultate. Abschließend bietet der Kommentar Reflexionen zur Verfasserintention und zur Gattungsgeschichte sowie Vergleiche mit historischen Breviarien.

ISBN 978-3-515-12875-9

9 783515 128759

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