256 31 56MB
German Pages 310 [372] Year 1822
T. L U C R E T I U S VON
CARUS
DER
NATUR DER DINGE.
Carmina sublimis tunc sunt peritura E x i t i o terras cum dabit una
Lucretii,
dies. OVID.
L E I P Z I G BEI
G l i ORG J O A C H I M
GÖSCHEN
iß2
i.
V
JNlicht
O
R
R
ohne Bedenklichkeit,
E
D
ich
E
.
gestehe es , tibergebe ich
gegenwärtige Übersetzung des Lukrez dem Publicum. Fürs erste sind n u r w e n i g e ,
die den ächten Geist dieses
philosophischen Gedichtes heurtheilen k o n n t e n ; und dann sind seihst Meinungen und Grundsätze d a r i n ,
die nicht jedem zu-
lässig, ja manche, die sogar ungereimt scheinen dürften. Was noch hinzukommt, selbst der Geist dieser hohen Poesie, ist heinahe u n t e r uns verschwunden.
Die lehrende Muse zeigt
sich höchstens noch im Trauerspiel; das übrige ist auf leichtes Spiel der Phantasie und Unterhaltung berechnet. So war es nicht immer.
Die Denkmale, die uns Griechen
und Römer in ihren Gedichten hinterlassen h a b e n , deuten gröfstentheils auf eine tiefere Grundlage, die auch selbst in ihren Scheinen und Spielen hervorblickt.
Schönheit galt ihnen vor
allem; aber leere Phantasie w a r ihnen keine muíste einen innern Natur gegründet w a r . D O
Poesie.
Diese
Gehalt h a b e n , der auf Sittlichkeit und
V O R R E D E .
IV
Unter den Piömern hat Lukrez durch sein Gedicht von der Natur der Dinge einen hohen Fiang erhalten;
ja sich einen
imsterblichen Namen gemacht. Der feurige Geist des edlen Jünglings strebte nach W a h r h e i t , und sah sie unter allem Reitze der Poesie.
Was er seihst
nicht erforschen k o n n t e , das schöpfte er aus den reichen Quellen des Gargettischen W e i s e n , und trank daraus im Uberflufs. Enthusiastisch eingenommen schen Philosophie, noch
die
von den Lehren der Epikuri-
die damals u n d zu seiner Zeit w o h l auch
konsequenteste
seyn m o c h t e , da sie sich an
die
hlofsen Naturerscheinungen hinhielt, glaubte er sich im Besitz der vollkommenen W a h r h e i t ; u n d in dieser Überzeugung forderte er
alle Schätze
Einbildungskraft a u f ,
seiner reichen poetischen
Kunst
und
um auch seinen Freund Memmius von
der erkannten W a h r h e i t su überzeugen. Edle Seelen vergessen nie der Wohlthaten, die sie empfangen h a b e n , auch der längst Verstorbenen gedenken sie noch mit d a n k b a r e m G e m ü t h e ;
so w a r
auch er nicht undankbar
gegen die Verdienste seines grofsen Meisters, und suchte ihn sogar bis zum Himmel zu erheben. Obgleich n u n die Grundsätze u n d Lehren desselben nicht immer auf sichern Grundfesten r u h e n , ja zu unsern neuern Erfahrungen u n d Kenntnissen n u r wenig passen, so mufs man doch den Geist derselben e h r e n , u n d den Dichter b e w u n d e r n , der sie so aufzufassen, u n d in solcher anscheinlichen Klarheit hinzustellen wiifste.
V O R R E D E .
V
Unter dieser Ansicht w i r d man nicht n u r den Inhalt des Lukrezisclien Gedichtes zum Theil entschuldigen, sondern man w i r d auch dem W e r k e seihst das gebührende Lob nicht versagen können. Von der VortrefFlichkeit des Gedichtes, blofs als Gedicht betrachtet, will ich w e i t e r keine Rede führen.
Sie ist allge-
mein a n e r k a n n t , u n d obgleich falscher Eifer solche zu verkleinern und herunter zu setzen suchte, so bleibt ihm unter allen Lehrgedichten, die w i r k e n n e n , noch immer der glänzendste Vorzug.
Diesen gestanden ihm auch die alten Heroen der Dicht-
kunst z u , und Virgil selbst beweifst durch die häufige Nachbildung seiner Ausdrücke u n d Verse, w i e hoch er den Dichter geschätzt. Indessen h a t u n t e r allen Dfehtern des Alterthums vielleicht keiner so wenig Sorgfalt und so viel Nachtheil, durch Unkunde oder Verkehrtheit der Herausgeber, erfahren müssen, als eben unser Lukrez. Ein M a n n , von verwandtem Geiste mit dem Dichter, u n d von trefflicher Gelehrtheit, Gilbert Wakefield, erkannte dieses, und unternahm es den Text von den unsaubern Lesarten zu reinigen, und in seinem alterthümlichen Glänze wieder herzustellen. O b ich gleich nicht immer seinen Meinungen beistimmen k o n n t e ,' so habe ich doch das Original von ihm der ÜbersetzungO ö * beifügen lassen, zu mehrerem Verständnifs der Sache, und weil solches in Deutschland noch selten ist. Aus Mangel eines Freundes, der m i c h , besonders in philo-
V O R R E D E .
VI
logischer Hinsicht, gehörig unterstützen könnte, hahe ich die Noten weggelassen.
Vielleicht könnten sie zu anderer Zeit noch
erscheinen; indessen mag die Ubersetzung selbst einstweilen zum Kommentar dienen. Von dem Leben des Dichters weifs man nur wenig.
Er war
von edeln Eltern geboren, und aus altem Geschlechte; nicht lange vor den Zeiten des Cicero und des Virgil.
Wahrschein-
lich führte Lukrez, nach den Grundsätzen seines Meisters Epi kur selbst, ein von öffentlichen Geschäften entferntes und swrückgezogenes Leben.
Fromme Männer haben ihm,
vermuthlich
aus heiligem Eifer, oder aus Mangel besserer Urkunden, alberne Mährchen angedichtet, die dann in der Folge fleiisig nachgeschrieben wurden. Beinahe jede Seite seines Buches zeuget von dem ächtmoralischen tiefen Sinne des Verfassers;
wir aber wollen uns
fiu das übrige damit begnügen, dafs ihm der Beinahme Carus, der G e l i e b t e , allgemein beigelegt worden. Den Hauptinhalt jedes Buches habe ich aus der Meinekeschen Ubersetzung beiliigen lassen, damit man sich desto leichter finden könne.
Übrigens beziehen sich die Zahlen in den
Ubersichten immer nur auf den lateinischen Text. Jena am ersten Mai iQ2i.
DEN
MANEN
WAKEFIELD'S.
U n t e r den Trümmern Roms, im geweiheten Boden Achaja's, Suchet der Wanderer oft Spuren des älteren Geists; Hat er gefunden das dauernde Mal, ehrwürdig den Zeiten, Stellt er der Nachwelt auf solches zum bleibenden Ruhm. Auch du stelltest ein herrliches Mal der künftigen Zeit auf; Nicht der einzige z w a r , aber der würdigste doch; Und ich hab' es gewagt, in vaterländischen Worten Wiederzugeben den Geist, welcher den Römer erhob: Möge sein dauernder Ruf sich günstig erzeigen für uns auch Mit ihm unser Bemühn gleiten im Strome der Zeit.
VON K N E B E L .
UBERSICHT
DER
SECHS BÜCHER
VON DER
Lucret-
T.
DES
LUKREZ
NATUR DER
DINGE.
a
E R S T E S
B U C H .
M a n h a t sich g e w u n d e r t , w i e L u k r e z , d e n m a n d o c h f ü r einen F e i n d der G ö t t e r g e h a l t e n h a t , g l e i c h z u A n f a n g seines W e r k e s , seinen G r u n d s ä t z e n so u n t r e u , die G ö t t i n V e n u s z u r S c h u t z g ö t t i n seines Gedichtes anrufen konnte. D i e , w e l c h e solche Z w e i f e l a n r e g e n , m ü s s e n w e n i g m i t den F r e i h e i t e n eines D i c h t e r s b e k a n n t s e y n , dem alles zu G e b o t e s t e h t , w a s i h m . z u r V e r s c h ö n e r u n g seines W e r k e s d i e n e n k a n n . D a f s L u k r e z h i e r den Begriff der g a n z e n N a t u r in der P e r s o n einer G ö t t i n v e r e i n i g t d a r s t e l l t , die m a n zu seiner Z e i t als G ö t t i n der S c h ö n h e i t v e r e h r t e , u n d der m a n den T r i e b u n d die E r z e u g u n g aller l e b e n d i g e n W e s e n z u s c h r i e b , das d a r f k e i n e n w u n d e r n , der d i e U n b e f a n g e n h e i t seines grofsen d i c h t e r i s c h e n Geistes e r k a n n t h a t . D i e s e p e r s ö n l i c h e D a r s t e l l u n g ist n i c h t e t w a ein l e e r e s , dichterisches B i l d ; sie •umfafst v i e l m e h r alle G e f ü h l e , w e l c h e d i e r e i t z e n d e N a t u r d a r b i e t e t , u n d s c h m ü c k t das G e d i c h t m i t den g l ä n z e n d s t e n F a r b e n der P o e s i e . So m o c h t e es dem D i c h t e r e r l a u b t s e y n , d u r c h die E r h e b u n g der G ö t t i n zur h ö c h s t e n W ü r d e , als S c h ö p f e r i n der D i n g e , dem r ö m i s c h e n V o l k e , das sich v o n i h r e n t s p r o s s e n h i e l t , eine s c h m e i c h e l n d e E r i n n e r u n g seines U r s p r u n g e s zu geben. U n d n u n das G e m ä l d e selbst. W e l c h ein A n b l i c k ! die G ö t t i n k o m m t , u n d die W o l k e n w e i c h e n v o r i h r , die W i n d e legen s i c h , die E r d e s t r e u t i h r l i e b l i c h e B l u m e n , d i e F l ä c h e n des M e e r e s l a c h e n i h r e n t g e g e n , u n d der b e s ä n f t i g t e H i m m e l g l ä n z t mit a u s g e b r e i t e t e m Litihte. A l s o b a l d k o m m e n die V ö g e l h e r v o r , u n d b r i n g e n i h r L i e d ; der G ö t t i n G e w a l t d u r c h s c h ü t t e r t i h n e n d i e H e r z e n ; die T h i e r e der W i l d n i f s h ü p f e n d u r c h die A u e n , setzen d u r c h r e i f s e n d e S t r ö m e , u n d v o m z a u b r i s c h e n R e i t z e d u r c h d r u n g e n , f o l g t i h r alles m i t L u s t u n d b r ü n s t i g e m V e r l a n g e n . D i e f s ist das B i l d der N a t u r selbst im F r ü h l i n g des J a h r e s . E s f ü l l t die B r u s t m i t E n t z ü c k e n .
4
Ü B E R S I C H T
Dieser Gottheit widmet sich der Dichter, denn sie beherrscht alle Naturkräfte, und von ihr erwartet er Schutz und Beistand zu seinem Werke. Dafs sie, um seinem vortrefflichen Freunde Memmius zu gefallen, den Wohlreitz seiner Verse noch verdoppeln möge , ist ein herrlicher Zug; und das darauf folgende Bild von der Vereinigung der Göttin der Schönheit mit dem Kriegsgotte Mars, in Bezug auf den für die Römer zu stiftenden Frieden, ist von der anziehendsten Schönheit; längst gepriesen und bewundert. So wollen wir nun weiter den Hauptinhalt des Gedichtes nur kurz berühren, und die vorzüglichsten Stellen desselben anzudeuten suchen. Der Dichter fängt vom 4ßsten Verse an, den Inhalt seines Gedichtes auszulegen. Er spricht von der Natur und den Eigenschaften der Götter, und zürnt auf die Verbrechen jener Religion, die man hier, wie durchaus in dem Gedichte, für den falschen Aberglauben anzunehmen hat. Diese schildert er als ein schreckliches Ungeheuer, das sein Haupt aus den Gegenden des Himmels hervorstreckt, und von da mit gräfslichem Blick den Sterblichen drohet. Ein Mann tritt auf, (Epilturus) und wagt dem Ungeheuer entgegen zu gehen. Nichts vermag ihn abzuschrecken. Er durchbricht endlich die Kerker, worin die Natur so lange verschlossen lag, dringt durch die Mauern des Weltalls, und bringt uns von da die Kenntnifs, auf was Weise diese Zusammenfügung der Dinge möglich geworden sey. Mit weiser Vorsicht begegnet hier der Dichter dem Vorwurfe der Gottlosigkeit, und dafs seine Lehren auf böse Wege hinführen könnten. Er leugnet dieses, und beweiset vielmehr durch ein Beispiel, wie verderblich die Folgen einer falschen Religion seyn können. Hier das Opfer der Iphigenia. Die Gegenwart des Vaters, die Priester mit dem Mordstahl, die Thränen in den Augen des Volkes; die Jungfrau selbst, die zitternde, ohnmächtige; ergriffen von Händen der Männer, die sonst keine Jungfrau berühren durften; das casta inceste nebeneinandergestellt; sie, die Erstgeborene des Königs; nahe ihrem Brauttage! — das sind Bilder und Worte, die jedes Herz in Bewegung setzen müssen.V. n o . Nun kömmt der Dichter auf die Furcht vor den ewigen Höllenstrafen, welche Furcht er meist doch nur aus Unkunde von der Natur unseres Geistes herleitet. Hier beschuldigt er noch den Dichter Ennius, dem er sonst ein
DES
E R S T E N
BUCHS.
5
vortreffliches L o b ertheilt, dafs er doch auch diesen Träumereien nachgehangen habe. E r w i l l daher nebst den übrigen Gegenständen , die Natur des Geistes und der Seele genauer erforschen; die Erscheinungen untersuchen, die uns zuweilen wirklich das B i l d der L ä n g s t v e r storbenen w i e gegenwärtig vorstellen Klage über die Schwierigkeiten seiner Sprache , die E r f o r s c h u n g e n der Griechen in lateinischen Versen vorzutragen. Aber der P r e i f s seiner Bemühungen sey die Tugend seines Freundes, das erhoffte Vergnügen seiner süfsen F r e u n d s c h a f t , die ihm jede Arbeit leicht mache, und ihn Nächte zu durchwachen heifse, um die W o r t e zu finden, die seinem Geiste klare B e g r i f f e g e b e n , und ihm verborgene D i n g e enthüllen möchten. D e n n nur reine Ansicht der N a t u r und gründliche E r wägung der D i n g e zerstreuen jene Nebel des Geistes; V . 1 5 1 . H i e r fängt der D i c h t e r an seinen ersten Grundsatz fest zu stellen : ,, dafs nämlich aus Nichts nichts entstehen könne. " Den Bew e i s dieses Satzes f ü h r t er auf sinnreiche Art durch mancherley Argumente, die zugleich B e w e i f s e sind seines tiefen Sinnes und des R e i c h thums seiner E i n b i l d u n g s k r a f t . D i e schönen Verse von V . 2 5 1 a n , werden keinem e n t g e h e n , der Sinn dafür hat. — V . 270. Aber es giebt auch K ö r p e r , die w i r nicht sehen und doch e m p f i n d e n ; w i e zum B e i s p i e l die W i n d e , deren G e w a l t der D i c h t e r höchst poetisch beschreibt. So auch die G e r ü c h e . D i n g e nehmen ab und verzehren s i c h , ohne dafs w i r die abnehmenden Theile bemerken. Mehrere Beispiele poetisch ausgeführt. — D i e Natur f ü h r t ihr W e r k aus durch verborgene Körper. V . .330. Aber nicht alles hält dicht gedrängt zusammen. E s giebt auch ein L e e r e s . D a s zu wissen ist von höchster Wichtigkeit. G a b ' es ein solches nicht, so könnte nichts fortrücken, nichts gedeihen noch sich bewegen. M e h r e r e sinnreiche B e w e i f s e hievon. Alles bezieht sich in der Natur auf zwei D i n g e , auf K ö r p e r und Leeres. D i e s e sind stets mit einander verbunden. Alles übrige, welchen Namen man ihm auch g i e b t , ist nur Z u s t a n d oder E r e i g n i f s dieser beiden. V . 460. K ö r p e r sind theils die ersten, die Urkeime der D i n g e , theils aus diesen zusammengesetzte. - J e n e sind von einfacher dichter N a t u r , unveränderlich und unvernichtbar, können durch keine Gewalt aufgelöset oder zerstört werden, und sind daher e w i g ; diese hingegen, mit dem L e e r e n v e r m i s c h t , sind auflöfsbar und also vergänglich.
6
Ü B E R S I C H T
V. 540. Fernere B e w e i f s e des L e e r e n , durch vielerlei Ansichten und Gründe unterstützt. D i e Materie ist von e w i g e r D a u e r , sonst wäre vielleicht alles schon w i e d e r in's Nichts übergegangen. Aber die Stoffe erhalten das D a s e y n der D i n g e , und bringen e s , durch Vermischung mit dem L e e r e n , immer w i e d e r zu neuer Gestalt und Blüthe. V . 593. N o c h giebt es auch in den D i n g e n ein K l e i n s t e s , sonst müfste sich alles in unendliche T h e i l e auflösen lassen. V . 676. V o n den E l e m e n t e n . W i e verschieden diese von andern angegeben worden. H e r a k l i t u s nimmt das F e u e r als ersten Grundstoff aller D i n g e an , und w i r d deshalb scharf getadelt. V . 7 1 7 . Grofses L o b des E m p e d o k l c s . •— D i e ganze Insel S i c i l i e n , sein Geburtsland, mit allen seinen W u n d e r n und Schätzen, w i r d diesem grofsen Manne gleichsam zur Fufsstelle hingesetzt, w o rauf E r zu höchst steht. Treffliche Schilderung dieser Insel und des Berges Aetna. V. 735. D o c h hat auch E r und mehrere seiner N a c h f o l g e r geirrt, indem sie vier Elemente annahmen. V . 74g. Vielfältige E i n w ü r f e dagegen. V . 830. N u n zu der Homöomerie des A n a x a g o r a s . D i e Unmöglichkeit derselben w i r d mit scharfem Urtheile bewiefsen. Alles was besteht, besteht seiner Gestalt nach, aus fremden Theilen. Schöne Beispiele aus der Natur. Nur das verschiedene Verhältnifs der Stoffe zu einander bewirkt die Verschiedenheit der Körper. V . 920. N u n nimmt der Dichter einen neuen Schwung. E r f ü h l t die S c h w i e r i g k e i t der D i n g e ; aber die grofse H o f f n u n g des L o b e s hat ihn mit dem Thyrsus durchbohrt, und zugleich in sein Herz die süfse L i e h e der Musen eingeflöfst, wodurch er angetrieben, mit regem Geiste die pierischen Gefilde durchwandelt, die noch kein F u f s betreten hat. E r sucht neue Quellen auf, um daraus zu schöpf e n ; neue Blumen w i l l er b r e c h e n , um sich daraus einen Kranz zu w i n d e n , den die M u s e noch keinem Dichter verliehen hat. E r erklärt hierauf die W e i s e seines V e r f a h r e n s ; w i e er von grofsen D i n g e n r e d e , L i c h t in das D u n k e l bringe, und zuletzt alles mit der Anmuth der Musen ausschmücke: hierin den geschickten Aerzten ähnl i c h , welche den Kindein den bittern, aber heilsamen Saft im honigbestrichenen Becher darreichen. Gleichermafsen scheint es ihm nöthig, der widersetzlichen und unverständigen Menge die L e h r e n der W a h r h e i t , gleichsam mit dem Honig der Musen b e s p r e n g t , einzuflöfsen, und die Natur in ihrer Schönheit darzustellen.
DES
ERSTEN
BUCHS.
V . 957. D a s A l l ist unendlich. N i r g e n d , von keiner Seite hat es ein Aeufserstes oder Gränzen. Herrliche Gleichnisse. N i m m , es hätte G r ä n z e n , und du würdest einen P f e i l s c h ü t z e n auf den äufsersten R a n d derselben hinstellen, würde nicht der abgedrückte P f e i l entweder ein Hindernifs finden, weiter f o r t zu fliegen, oder auf den Schützen zurückkehren? Beides zu denken w ä r e ungereimt. N u n folgen mehrere Gründe, aus der V e r n u n f t und Natur genomm e n , mit ausnehmender Beredsamkeit vorgetragen. V . 1050. Zuletzt sucht der D i c h t e r noch die Meinung derjenigen umzustofsen, welche g l a u b e n , dafs a l l e s , aufser den feineren L ü f ten und dem F e u e r , nach dem Mittelpunkte des Ganzen hinstrebe; das übrige aber sich nach der E r d e d r ä n g e , die d a n n , auf sich selbst gestützt, auch unter ihr Thiere und G e s c h ö p f e ernähre, und ihren eigenen Himmel h a b e ; das F e u e r hingegen und die feinere L u f t flöge in die höheren R e g i o n e n , und sammle sich daselbst, und baue die M a u e r n der W e l t , d i e , w e n n sie einmal aus einander sprängen und zerflögen, den allgemeinen R u i n der ganzen W e l t nach sich reifsen würden. . . . D i e s e bestreitet und verspottet e r , und schliefst mit prächtigen Versen.
Z W E I T E S
B U C H .
W e r vom hohen Felsen auf dem vom Sturme durchwühlten M e e r e ein nothleidendes Schiff sieht, der kann sich erfreuen, nicht ob dem U n f a l l anderer, sondern w e i l er sich selbst von diesen Bedrängnissen befreit fühlt. Gleichermafsen ist es angenehm, die streitenden Schaaren der Krieger aus der F e r n e zu schauen, gesichert vor eigenen Gefahren. A b e r süfser ist n i c h t s , als die von den W e i s e n hocherbauten, wohlbefestigten T e m p e l zu b e w o h n e n ; w o du hinab kannst sehen auf andere, w i e sie im Irrthum schweifen und den W e g des Lebens vergeblich suchen ; T a g und N a c h t arbeiten, Reichthümer zu erwerben , sich zu M a c h t und Herrschaft empor zu heben.
8
U B E R S I C H T
O die armen, blinden M e n s c h e n ! w i e verderben sie sich selbst den kurzen Moment des L e b e n s ! Sehen sie denn n i c h t , dafs die Natur nichts weiter fodert, als dafs wir, vom Schmerze befreit, ohne Furcht noch Sorge des heitern Sinnes geniefsen m ö g e n ? W e n i g nur verlangt sie zur Unterhaltung des Körpers; j a , sie reicht zuweilen Ergötzlichkeiten d a r , mehr als w i r selbst zu fodern scheinen. Halten nicht goldene Jünglingsgestalten, im Gold - und Silbergeschmückten Saale, flammende Fackeln empor, den nächtlichen Schmaus zu erhellen; schallt nicht Cithergesang von getäfelten Wänden wieder : nun so lagert man sich unter dem Schatten hoher Bäume, neben dem rieselnden B a c h , auf weiche Rasen h i n , pfleget des Körpers f r o h , auch ohne grofsen Reichthum. Sonderlich dann, wann die Jahreszeit lacht, und mit bunten Blumen die grünenden W i e s e n überstreuet. W a h r l i c h , das F i e b e r weicht nicht schneller von gemahlten und purpurnen D e c k e n , als wenn du dich in gemeines Gewand einhüllst. M ö g e n daher nicht S c h ä t z e , noch E h r e n der W e l t , etwas zum W o h l des Körpers beitragen, so möchten sie wohl noch weniger zur Befriedigung des Gemüthes hinreichen. Müfste denn s e y n , dafs wenn du deine Heerschaaren auf dem Marsfeld umherschweifen siehst; deine Flotten durch die Meere schwimmen, dafs dann sich der erschrockene Aberglaube und die F u r c h t vor dem Tode dir aus der Brust entfernen, und diese frei lassen möchten. F i n d e t sich a b e r , dafs dieses nur Tand und Kinderspiele sind; dafs die Furcht in dem M e n s c h e n , dafs die verfolgende Sorge sich nicht vor dem Schalle der Waffen scheut, noch vor wildem Geschosse, sondern kühn unter Könige tritt und unter der Länder B e herrscher, unverblendet vom Goldglanz und vom Purpur ihres Kleides: dann sieht man klar ein, dafs diefs alles nur wenig helfe; zumal da dieses L e b e n noch so tief in Finsternifs l i e g t , und w i r , wie die Kinder im Dunkeln, so bei hellem L i c h t e des Tages, vor jeder Kleinigkeit erzittern und beben. Diese Schrecken des Geistes jedoch und diese Finsternisse können nur durch freie Ansicht der Natur und Erkenntnifs der D i n g e zerstreuet werden.
DES
Z W E I T E N
BUCHS.
9
Ich habe den A n f a n g dieses zweiten Buches etwas umständlicher und paraphrastischer hergesetzt, damit man seine ganze Schönheit übersehen möge. Noch w i r d man mir erlauben, demselben einige Bemerkungen beizufügen. So trocken dieses B u c h vielen scheint, und in der That auch w e n i g Anziehendes f ü r die meisten h a t , so mufs man immer Kunst und Geschicklichkeit in demselben bewundern. E s w a r nämlich keine leichte A u f g a b e f ü r den D i c h t e r , das wunderliche, und wenn man w i l l , chimärische System von Entstehung der Welt aus A t o m e n , einigermafsen sinnlich und zusammenhängend darzustellen. W i e vieles mufste er sich dabei e r d e n k e n , und w i e schön hat er es dennoch durch Gleichnisse, B i l d e r und Stellen zu erheben g e w u f s t ! — Dieses b e w o g vielleicht den nicht zu günstigen Cicero, dem Dichter den R u h m der K u n s t nicht abzusprechen; ja Quintilian gesteht ihm selbst E l e g a n z zu. Uebrigens lassen w i r uns h i e r , w i e anderwärts, durchaus nicht auf das System e i n ; sondern w i r loben und bewundern nur den M e i ster, der solchen Gegenstand so herzustellen g e w u f s t hat. V . 6 1 . H i e r fängt nun der Dichter a n , die Eigenschaften dieser ersten K ö r p e r , Stoffe oder A t o m e n , näher auszulegen. Zuerst spricht er von den B e w e g u n g e n , wodurch sich die Körper der Materie erzeugen, oder wieder auflösen; von der K r a f t , die sie treibt; von ihrer Schnelligkeit, durch's weite L e e r e zu gehen. E r ermahnt seinen Memmius zur Aufmerksamkeit. V . 65. Keine Materie hängt dicht gedrängt zusammen. Dinge nehmen z u , und nehmen ab. W i r s e h e n , w i e Alles sich verzehret, und gleichsam zuletzt aus den Augen verschwindet. Aber die Summe des Ganzen bleibt unveränderlich stehen; denn was hier abgeht, setzt sich dort wieder an. Jenes veraltet, dieses blüht auf. So wechselt und verändert sich alles # W i r borgen gleichsam nur das L e b e n von andern; w i e jene L ä u f e r der B a h n , bei den Festspielen der Athenienser, nimmt einer die F a c k e l aus der Hand des andern. V . 79. Irrig und ungereimt wäre es zu sagen , die Stoffe verweilten in-ihrem L a u f . D a sie sich im L e e r e n b e w e g e n , so treibt sie entweder eigene S c h w e r e , oder der Stöfs von andern. Auch giebt es ja in dem unendlichen L e e r e n kein Oberstes noch Unterstes. Sie werden von allen Seiten getrieben, haben keine R u h e , und stofsen und verwickeln sich auf mancherlei Art. So bilden sie hier Felsen Lucret. I .
b
10
Ü B E R S I C H T
und starres E i s e n ; dort die dünne L u f t und das glänzende L i c h t der Sonne. V. loß. Noch viele andere schwärmen frei im L e e r e n umher, die keine Verbindung getroffen haben. Hier das Beispiel von den Sonnenstäubchen, deren geheime und verborgene Triebe auf eine anziehende K r a f t hindeuten k ö n n t e n , die aller Materie eigen zu seyn scheint. V . 1 4 1 . N u n ihre schnelle B e w e g u n g . Sie ist w e i t schneller als die Strahlen der Sonne. E i n schönes B i l d von der aufgehenden Sonne. Y . 167. I i i e r ein Ausfall auf diejenigen, welche glauben, es müsse alles durch H ü l f e der Götter entstanden seyn. D e r Dichter glaubt behaupten zu können, dafs dieser Weltbau nicht durch göttliche M a c h t für uns erschaffen s e y , da er so viele M ä n g e l noch in sich trägt. E r verspricht anderswo sich hierüber zu erklären. V . 134. D a f s kein Körper von sich selbst in die Höhe steige; mehrere Argumente. Y . 2 1 6 . Abweichung der Atome im Niederfallen. D a h e r entsteht die Veränderung in den Dingen. Selbst das Schicksal, und der freie W i l l e des Menschen. Dieser zeiget sich sogar bei den T h i e r e n ; aber er wohnet in der Brust des Menschen und könne auch äufserer Gewalt und selbst dem Schicksal widerstehen. V. 294. D i e Beschaffenheit und B e w e g u n g der Atome bleibt sich immer gleich. D i e Summe der D i n g e nimmt nicht a b , noch zu. V. 3oß. W a r u m u n s , bei beständiger B e w e g u n g der D i n g e das Ganze doch in R u h e zu bleiben scheint. Gleichnisse. W a n n du auf der H ö h e eines Berges stehest, und eine Heerde Schaafe in der F e r n e weiden siehst, so bemerkest du gleichsam nur einen stehenden w e i f s e n F l e c k auf dem grünen Hügel. Ingleichen scheint dir ein Trupp Reuter, der im Anlauf ist, aus derselben Höhe , nur w i e ein Blitzstrahl auf den Feldern. Diese beiden Gleichnisse sind schön ausgemahlt; jenes mit Zartheit, dieses mit K r a f t . V. 333. Nun kommt der D i c h t e r auf die verschiedenen Formen und Figuren der Urkeime oder A t o m e : Sie sind unendlich an Z a h l und Verschiedenheit. Diese Verschiedenheit ist nicht nur in den Geschlechtern, sie theilt auch die Individuen auseinander. W i e könnte sonst die Mutter ihr K i n d , das Kind die Mutter erkennen ? Treffliches und rührendes B i l d einer M u t t e r , die ihr zum Opfer
DES
Z W E I T E N
BUCHS.
11
geschlachtetes Kalb sucht. Sie durchstreift die T r i f t e n , die Büsche, um ihren Säugling zu erspähen. Nun füllt sie den W a l d mit Klag e n ; kehrt oft wieder zurück zum Stalle, um da ihn zu finden. Nicht die zarten W e i d e n , keine Kräuter reitzen sie mehr. Nicht die am hohen U f e r hinstreichende F l u t h mag sie ergötzen, noch ihr Gemüth vom Kummer erlösen. Selbst die Zucht anderer Heerden auf der F l u r kann sie nicht zerstreuen: so sehr hängt ihr Herz an dem E i genen, an dem B e k a n n t e n ! — W e l c h e s Gemähide! Auch das stöfsige Böckchen erkennt die M u t t e r , auch das springende Lämmchen. Alle treibt die Natur an die Brust hin die ihnen eigen ist. o V. 3 7 1 . E b e n den Unterschied bemerken w i r auch an den Getraidearten, Fruchten, Muscheln und anderm. Jedes Einzelne ist verschieden von dem andern. Gleiches wendet nun der Dichter auf alle K ö r p e r der Natur an, deren wesentlicher Unterschied durch die Verschiedenheit der F ü g u n g e n und F i g u r e n der Stoffe besteht. S o mag auch das F e u e r des Blitzstrais aus kleinern und feinern Stoffen bestehen, als unser gewöhnliches F e u e r aus Lampen und Fackeln. D a s L i c h t geht durch K ö r p e r , durch welche das Wasser nicht dringt. Honig besteht aus glatten und runden Stoffen. Selbst was die Sinne auf angenehme oder w i d r i g e Art berührt, das liegt in der Beschaffenheit der Stoffe. Mehreres hierüber hat der Dichter w e i t l ä u f t i g und zierlich ausgeführt. Vom 528- Vers an sucht er seinen Vortrag noch gefälliger zu m a c h e n , indem er l e h r t , dafs zwar die Stoffe aller A r t , von allen S e i t e n , durch unaufhörlichen T r i e b , aus dem unbegrenzten A l l herb e i f l ö g e n ; jedoch aber gewisse Arten und Figuren derseiben in manchen Gegenden sich seltner, in manchen häufiger fänden. Hieraus beweifst er die-Seltenheit mancher Thiere und G e s c h ö p f e , die sich an gewissen Orten häufiger erzeugen. Hier f u h r t er uns den Elephanten vor mit dem Schlangenrüssel. Seine Z a h l ist in Indien zu T a u s e n d e n , und er umgiebt das L a n d gleichsam mit einem elfenbeinernem W a l l . D o c h sieht man derselben bei uns nur w e n i g e , gleichsam nur als Muster. V . 552. Um seinen Gegenstand näh^r zu bezeichnen und die Folgen eines ungeordneten H i n w u r f s der S t o f f e anzudeuten, stellt er uns abermals ein Bild v o r : Einen Sturm im M e e r e ; die gescheiterten S c h i f f e , R u d e r b ä n k e , S t e u e r , S e g e l , M ä s t e , w i r f t das erzürnte
12
Ü B E R S I C H T
M e e r weithin an alle Küsten der E r d e , dafs sie den Menschen ein warnendes Zeichen seyn sollen, nie den schmeichlerischen ungetreuen Wogen zu vertrauen. Diesem vergleicht der D i c h t e r die hin und hergeworfenen M a s sen der M a t e r i e , die sich zerstreuen würde, wenn nicht eine unzählige Z a h l der Stoffe von jeder Gattung vorhanden wäre. W ä r e sie es nicht, so könnten die D i n g e , die aus der begrenzten Art entstanden, nie w i e d e r hergestellt werden. . So dauert aber der W e c h s e l der verschiedenen Gattungen e w i g f o r t , um das immer wieder aufs neue herzustellen, was verloren gegangen ist. H i e r der T o d , dort neues L e b e n . Jeder Tag vernimmt das Wimmern des Säuglings eingemischt in die Klage um den Todten. Y . 5 3 1 . Nichts kann aus Stoffen einerlei Art entstehen. D i e M a n nigfaltigkeit derselben bringt die M a n n i g f a l t i g k e i t der D i n g e hervor. V . 589- So ist unsre Erde. Sie besteht aus den mannigfaltigsten S t o f f e n , und bringt alle D i n g e hervor. D a r u m haben sie auch die alten Dichter der Grajen als Mutter der Götter und Menschen und aller lebendigen Wesen verehrt, und ihr zu Ehren feierliche Feste gegeben. D e r D i c h t e r beschreibt dieselben mit wahrem dichterischem Pomp, und f ü g t noch hohe Sprüche der Weisheit seiner Erzählung bei. V . 640. E u k r e z erkennt die Vortrefflichkeit. dieser Vorstellungen, ob sie gleich von der wahren Beschaffenheit der D i n g e abweichen. Sinn und E m p f i n d u n g könne man der E i d e nicht beilegen; w o l l e man jedoch das M e e r , N e p t u n u s , das G e t r a i d e , C e r e s , den W e i n , B a c c h u s , nennen, so habe er nichts dagegen, w e n n man auch die Erde die grofse M u t t e r der Götter benennen w o l l e . V . 659. O f t trifft man auf e i n e r W i e s e verschiedne weidende Tliiere a n ; Wollenheerden , R i n d e r , R o s s e , die unter demselben Himmel leben und dieselbe Nahrung geniefsen. D o c h sind si«' an Gestalt, Art und W e i s e sehr verschieden; und erhalten Art und Sitten ihrer E l tern. So grofs mufs die Verschiedenheit der Stoffe in jeder Art P f l a n zen s e y n ! S o enthält auch das H o l z verschiedenartige T h e i l e , R a u c h , Flamme und Asche. A u c h finden w i r D i n g e , die zugleich mehrere Eigenschaften in sich enthalten, z. B . die des Geruches und Geschmacks zugleich. D i e s e s kommt auch zum Theil aus der verschiednen Verbindung und Zusammensetzung; so w i e du auch in diesen Versen bemerken kannst, dafs dieselben Buchstaben durch verschiedne Zusammensetzung verschiednen Sinn und Bedeutung erhalten.
DES
Z W E I T E N
BUCHS.
13
V . 700. D o c h mufs man nicht glauben, dafs alles auf alle Art könne verbunden w e r d e n ; sonst würden w i r Ungeheuer von mancherlei Gestalt vor uns sehen. N e i n , alles besteht aus bestimmtem Samen, von bestimmter M u t t e r , damit es im Fortwuchs sein Geschlecht erhalten möge. V . 724. D i e Verschiedenheit der Stoffe bewirkt auch Verschiedenheit der Z w i s c h e n r ä u m e , G ä n g e , V e r b i n d u n g , Bewegving und des Gewichts. D a d u r c h werden nicht allein die lebenden Geschöpfe, dadurch w i r d auch Himmel und E r d e getrennt. V. 729. N u n zu dem Unterschied von den Farben. Diese hat der Dichter mit F l e i f s untersucht. D a s Weisse besteht nicht aus weissen S t o f f e n , noch das SchwaTze aus s c h w a r z e n , so w i e keine F a r b e aus den ähnlichen. D i e Stoffe haben keine Farbe. B e w e i s e hievon. D i e W o g e n des blauen Meeres werden w e i f s , w e n n der Sturm sie bewegt. D a s könnten sie n i c h t , wann die Stoffe blau wären. So verändern sich auch die Farben an dem Halse der T a u b e n , am Schweife der Pfauen. D e r verschiedene W u r f des L i c h t e s bewirkt es. W a n n die Stoffe selbst von verschiedener Farbe wären , so w ü r d e man nicht die bestimmte F a r b e an den Theilen gewisser Thiere finden. W i r würden weisse Raben s e h e n , und schwarze S c h w ä n e ; zuweilen auch bunte. Auch bemerkst d u , w a n n du Körper in ihre kleinsten T h e i l e zerl e g s t , dafs diese die Farbe verlieren. So verliert das Gold seinen Glanz , der Purpur seine Rothe. Ü b r i g e n s , da du nicht allen Körpern Ton und Geruch einräumst, so kann es auch Körper geben , die du nicht sehen kannst. Aber nicht allein der Farbe sind die Stoffe b e r a u b t , sondern auch der K ä l t e , der W ä r m e , des Schalles und des Geruchs. So , w a n n du wohlriechende Salben aus Narden oder andern B l ü then bereiten w i l l s t , suchst du das reinste Oehl aus, um nicht fremde Gerüche darunter zu mischen. Alles andre Zerbrechliche oder A u f l ö s l i c h e ist weit von den Stoffen entfernt. V . 864. N u n b e w e i f s t der D i c h t e r , dafs das E m p f i n d l i c h e aus Unempfindlichem hervorkomme. Aus dem stinkenden M i s t kommen hei nasser Witterung lebendige Maden hervor. W a s s e r , L a u b , K r ä u t e r , wandeln sich in T h i e r e ; das Fleisch der
i4
Ü B E R S I C H T
Thiere in menschliche K ö r p e r ; diese oft in L e i b e r w i l d e r Thiere und Raubvögel. So verwandelt die Natur alle Speise in lebende K ö r p e r , und daraus erzeugt sich Sinn und Empfindung. N i c h t anders verkehrt sich trocknes Holz in Feuer und Flamme. Und endlich, w a s ist d a s , was unser Gemüth selbst rührt und bew e g t ? was so mancherlei Empfindungen in uns h e r v o r b r i n g t , w e n n du das E m p f i n d l i c h e nicht aus dem Unempfindlichen hervor gehen lassest. — N u n wiederholt der Dichter nochmals, dafs er nicht aus allem Unempfindlichen Empfindliches hervor gehen lasse; als aus Holz, S t e i n e n , E r d e u. dergl., sondern dafs es darauf ankomme, von welcher Beschaffenheit und Gröfse die Stoffe s e y e n ; welches ihre F i g u r , L a g e und B e w e g u n g , und die Verbindungen unter einander. So geht er nun weiter in seinen folgereichen Sätzen f o r t , und beleuchtet sie auf gar mancherlei Weise. V. 990. Zuletzt ruft er gleichsam aus: sind w i r denn nicht alle aus himmlischem Samen erzeugt? haben w i r nicht alle Einen Vater, von dem die gütige E r d e die feuchten T r o p f e n empfängt; woraus sie glänzende Saaten g e b i e r t , fröhliche B ü s c h e , und zuletzt das Menschengeschlecht und alle Geschlechter der T h i e r e ; denen sie ihr Futter reicht, wodurch sie ihre L e i b e r nähren, ein süfses L e b e n f ü h ren , und ihr Geschlecht fortpflanzen. Zurück zur E r d e w e i c h t , was von ihr entstanden i s t ; was von dem Himmel k o m m t , steigt w i e d e r zu seinen gestirnten W o h n u n g e n empor. N i c h t s vernichtet der T o d gänzlich, nur die Verbindungen werden zerstreut. V. 1022. N u n nimmt der D i c h t e r einen hohen F l u g zu neuen, noch unerhörten D i n g e n . Vorher eine kleine Ausschweifung. N ä m l i c h , dafs kein D i n g so leicht zu begreifen s e y , das nicht anfänglich Z w e i f e l und Widerspruch errege; und wieder nichts so wunderbar und g r o f s , w o r ü b e r sich nicht nach und nach die B e wunderung vermindere. S o , die reine und klare Farbe des Himmels, die Pracht seiner G e s t i r n e , der herrliche Glanz der Sonne und des Mondes. Alle diese D i n g e , w e n n sie jemand zuerst und von ungefähr sehen w ü r d e , was w ü r d e er bewunderungswürdiger finden können ? E t w a s , das niemand nur g e w a g t hätte zu glauben? — Und nun, gesättigt und ermüdet von dem A n b l i c k , w ü r d i g t kaum einer einmal zu den lichten Gewölben des Himmels emporzuschauen.
DES
Z W E I T E N
BUCHS.
15
Deshalb sagt er zu seinem M e m m i u s , w o l l e da dich nicht durch die Neuheit der Sache erschrecken lassen , noch meine Gründe verwerf e n ; sondern sie desto genauer p r ü f e n , und findest du sie w a h r , so reiche mir die H a n d ; scheinen sie dir hingegen f a l s c h , so rüste du dich gegen mich! — Nun zur S a c h e ! Nämlich es fragt sich das Gemüth, da noch aufser den Mauern dieser W e l t ein unendlicher R a u m ist, was w o h l d o r t seyn möge , wohin der Verstand blicken , und einen freien Wurf seines Gemüthes hinrichten k ö n n e ? D a n u n , w i e w i r schon anfänglich gelehrt h a b e n , das Ganze keine Grenzen h a t , weder o b e n , noch u n t e n , noch an i r g e n d e i n e r Seite; w i e auch dieses die Natur der Sache selbst a u s w e i f s t ; so ist es auf keine W e i s e wahrscheinlich, (da von allen Seiten ein unendlicher R a u m offen steht, auch die Z a h l der Stoffe unendlich i s t , die durch e w i g e R e g u n g auf mancherlei W e i s e umherschwärmen), dafs nur dieser einzige Erdkreis und dieser einzige Himmel entstanden. Daher ist es nothwendig einzugestehen, dafs auch anderwärts ähnliche Verbindungen der Materie vorhanden seyen, durch welche unsre gegenwärtige W e l t besteht; andere E r d e n , bewohnt von Menschen und Thieren. Diesen Gedanken v e r f o l g t L u k r e z nun w e i t e r ; auch aus dem G r u n d e , dafs in der Natur kein D i n g sey, das sich nur einzig erzeuge; einzigo und allein in seiner Art. Hierauf kommt er auf die Behauptung, dafs diese Natur frei und durch sich selbst da s e y , und findet es lächerlich, dafs man die R e g i e rung aller dieser unermefslichen D i n g e einer einzigen Hand anvertrauen wolle , w o doch so mancherlei D i n g e dem W i l l e n eines E i n z i gen widersprächen. V . 1 1 0 4 . N u n folgen noch mehrere Betrachtungen über den B a u dieser W e l t : dafs nach erster Entstehung derselben noch mehrere Theile können hinzugekommen seyn, auch vieles wieder im Abnehmen sey. . D a z u f ü h r t er Ursache und Beispiele an ; schliefst aus diesen G r ü n d e n , dafs die E r d e zuletzt sich ganz erschöpfen und zerfallen werde. Schon jetzt bemerke man die Abnahme in vielen D i n g e n . £r m e i n t , die E r d e habe sonst w e i t gröfsere Menschen hervorgebracht. Kräuter und Früchte seyen w e i t üppiger gewachsen. D e r Landmann habe weit w e n i g e r Arbeit und M ü h e g e h a b t , und er seufze nun oft, w a n n er die gegenwärtige Z e i t mit der vorigen v e r g l e i c h e , w o die Menschen noch frömmer g e w e s e n , und bei geringerm Umfang des Ackers w e i t glücklicher und zufriedner leben konnten.
Ü B E R s I C II T
D R I T T E S
B U-C
H.
Y . i. D e r Dichter bricht aus in L o b und Bewunderung seines Meisters Epikurus. Er glaubt ihm allein alles schuldig zu seyn, und nur aus L i e b e zu ihm sucht er ihn nachzuahmen. M i t kindlicher E h r f u r c h t preifst und erhebt er seine goldenen Aussprüche. Seine Lehre von der Natur der D i n ooe habe sich nicht sobald kund gethan, so seyen die Schrecken der Seele entflohen; die Sitze der Gotter haben sich aufgeschlossen, w o e w i g e Ruhe und Zufriedenheit herrscht. Nirgönds erblicke man mehr die Schlünde des Acherons ; denn auch alles unter uns sey klar und aufgedeckt. Hiebei nun ergreife ihn himmlische L u s t und Schauder, wenn er bedenke, dafs s o , durch die Kraft seines Geistes, die ganze Natur sich enthüllt habe. V . 15. Bei diesem Verse eine kleine Bemerkung. Gegen alle Autorität der Handschriften, wie W akefield deutlich bewiesen hat, haben hier die Herausgeber und Kommentatoren ein kleines Wörtchen haud eingedrängt, welches der Stelle ihren wahren Werth und Nachdruck benimmt. Auch im fünften Buch V . 336. bedient sich der Autor des Ausdrucks: haec natura rerum et ratio, um sein W e r k damit zu bezeichnen. Creech giebt es blos durch den allgemeinen Namen : Philosophia. V. 31. D e r Dichter wiederholt hier in kurzem, was er in vorigem Buche besungen, und rüstet sich nun auch die Natur des Geistes und der Seele zu erklären, da durch deren wahre Erkenntnifs allein Schrecken und Furcht des Todes aus den Gemüthern zu vertreiben wären. Y . 41. Z w a r , sagt e r , hätte es schon viele gegeben, die gleiches gelehrt hätten, nämlich, dafs die Seele des Menschen im Blute wäre, und dafs Krankheit und ein schändliches L e b e n ärger zu scheuen seyen, als die Schlünde des T o d e s ; auch s e y , dieses zu beweisen, unsre L e h r e überflüsig. Dafs sie dieses mehr aus eitler Ruhm und Prahlsucht, als aus eigener Ueberzeugung, sagen, dazu sehe man ihr Leben a n ! Verabscheut von Menschen, ohne Vaterland, mit Schmach und
DES
D R I T T E N
BUCHES.
17
Schande beladen, suchen sie doch immer noch das L e b e n zu erhalten. W o h i n sie nur ihr Elend t r e i b t , begehen sie T o d t e n f e i e r , schlachten schwarzes O p f e r v i e h , verehren die unterirdischen Götter, und hängen im Unglück nur ängstlicher dem Aberglauben an. Darum mufs man den Menschen in mifslichen Umständen und im Unglück beobachten, w i e er da ist. D a n n erst dringt die Stimme der W a h r h e i t aus dem Busen hervor. D i e L a r v e f ä l l t , der Mensch bleibt. V . 59. In den folgenden Versen leitet der D i c h t e r alle bösen L e i denschaften , Unheil und L a s t e r , auch den Selbstmord, aus der ungezähmten L u s t zum L e b e n und aus der F u r c h t vor dem Tode her. M a n mufs die Stellen selbst l e s e n , um sie beurtheilen zu können. V. 94. Endlich bestimmt er die wesentlichen Eigenschaften des G e i s t e s ; den man auch Sinn und Verstand n e n n e , und der R a t h und Steuer des L e b e n s führeE r s a g t : dieser sey ein T h e i l des Menschen, w i e H a n d , F u f s , und jegliches Gliedmafs. E i n T h e i l der Weisen hätte dafür gehalten, dafs der geistige Sinn nicht einen bestimmten Sitz im Menschen h a b e , sondern eine gewisse lebendige Beschaffenheit desselben sei, welche die Griechen Harmonie nannten; so .wie etwa die Gesundheit eine Beschaffenheit des M e n schen s e y , die keinen besondern Theil desselben ausmacht. L u k r e z erkennt dieses f ü r einen Irrthum; denn ö f t e r s , sagt er, ist die Seele k r a n k , der Körper aber gesund; und so umgekehrt. D e r Fuss schmerzt, der Kopf ist ohne Schmerz. D e r Körper liegt sinnlos im S c h l a f , und doch ist etwas noch in u n s , das mancherlei Vorstellungen erweckt. Auch können w i r einen grofsen Theil des Körpers v e r l i e r e n , und doch erhält sich noch das Leben. Weicht aber ein T h e i l der W ä r m e und des lebendigen Hauches von uns, so f o l g t der T o d ; so, dals man sehen k a n n , der Geist sey nicht in gleichen Theilen durch den Körper verbreitet. V . 1 3 1 . Nun sein bestimmter Begriff von dem was man Geist oder Seele nennt. B e i d e sind aufs engste verbunden, und machen E i n e Natur a u s ; doch ist das, w a s w i r Geist oder Verstand nennen, gleichsam das H a u p t , und beherrscht den ganzen Körper. Sein Sitz ist in der M i t t e der Brust. H i e r schlägt Furcht und H o f f n u n g ; hier schmeichelt uns die Freude. D e r übrige Theil der Seele ist durch den ganzen Körper verbreit e t , und gehorcht dem W i l l e n des Geistes.
D e r Geist hat f ü r sich
allein Urtheil und V e r g n ü g e n , w e n n auch Seele und Körper keinen Lucret- I .
i8
Ü B E R S I C H T
Theil daran nehmen.. N u r bei heftigen und gewaltsamen Anfällen dringt die B e w e g u n g durch die Seele in alle Glieder. Daraus erkennen w i r , dafs die Natur des Geistes und der Seele körperlich seyn müsse. D e n n wenn sie die Glieder forttreiben, den Menschen aus dem Schlaf aufraffen, die Gesichtszüge verändern, den ganzen Menschen regen und bewegen k ö n n e n , so müssen sie- körperlich seyn. N u r der Körper berührt, und läfst sich w i e d e r berühren. V . 169. D i e Seele theilt mit dem Körper seine Leiden. W e n ein P f e i l t r i f t , ob dieser gleich nicht tödtlich i s t , den befällt Mattigk e i t , ein Verlangen zur Erde zu sinken, ein Herumwerfen auf derselben, und ein ungewisses Streben sich wieder empor zu richten. V . i78- D e r Dichter läfst diese körperliche Natur der Seele aus sehr kleinen, runden und glatten Stoffen bestehen, und sucht durch mancherlei Gleichnisse ein anschavilichesTiild liievon zugeben. Zuletzt legt er noch dem Geist eine vierte E i g e n s c h a f t b e i , nämlich den warmen Lebenshauch. Hierüber macht er sinnreiche Bemerkungen und Vergleichungen mit andern natürlichen D i n g e n , und sucht die äufserst zarte Natur des Geistes w o möglich sinnlich begreiflich zu machen. E s fehlt dabei nicht an tiefen Bemerkungen und trefflich ausgemahlten B i l d e r n , z. B . von den verschiedenen Temperamenten der Thiere, in A n w e n d u n g auf den Menschen. Jedem ist sein.eigenes Naturell gegeben, F l e i f s und Unterricht können es bessern, doch nie ganz ausrotten; demohngeachtet bleibt so wenig d a v o n , dafs es uns nie hindern kann , ein Götter würdiges L e b e n zu führen. Y . 325. N o c h mehr k r ä f t i g e B e w e i s e , dafs Geist, Seele und Körper mit den engsten Banden unter sich v e r k n ü p f t sind. V. 360. A b w e i s u n g einiger ungereimten Vorstellungen von der Wirkung des Geistes und der Seele auf den Körper. V. 372. M e i n u n g des D e m o k r i t u s , des herrlichen M a n n e s , dafs die Stoffe oder Atomen des Körpers und der Seele gleich vertheilt im Menschen sich befänden , und die Glieder zusammenhielten. Er sucht diese M e i n u n g durch mehrere aus der Natur entlehnte Gründe zu widerlegen. V . 397. Doch sagt er zuletzt, der Geist herrscht mächtiger den Körper als die Seele. E r allein erhält das L e b e n ; mit ihm flieht die Seele. E r b l e i b t , wenn auch ein grofser T h e i l des pers und der Seele verlohren geht. B e w e i s e aus E r f a h r u n g Natur. V . 420. Nun kommt der Dichter auf die S ä t z e ,
über entKörund
wodurch er zu
DES
DRITTEN
BUCHS.
l9
beweisen sucht, dafs Geist und Seele , welche beide er nun für Ein und dasselbe nimmt, zugleich mit dem Körper entstanden, zugleich auch wieder mit ihm vergehen. Der Beweise sind v i e l e , mit tiefer physiologischer Einsicht auf Gründe der Natur gestützt und trefflich ausgeführt; aber zum Auszuge hier zu weitläuftig und beschwerlich. W i r wollen uns also sogleich zum Schlufs desselben begeben. V. 842. Nichts ist also der T o d ; (beginnt nun der Dichter} indem er unser ganzes Wesen auflöfst. Und w i e w i r in voriger Zeit kein Uebel empfanden, als der Pöner von allen Seiten eindrang uns zu bek r i e g e n , und Himmel und Erde vom Kriegestumult erschüttert wurden, so werden w i r auch in künftiger F o l g e - Z e i t nichts fühlen, wann unser Wesen w i r d aufgelöfst s e y n , und w i r nicht mehr sind. Dieses zu beweisen fährt er fort und zeigt zuletzt V. 883- dafs die erbärmlichen Klagen der Menschen über ihr Schicksal nach dem Tode hauptsächlich nur daher rühren, dafs sie sich von der Idee ihres S e l b s t , n i c h t losmachen können. Sie fühlen sich immer noch fort in dem nicht mehr mit Gefühl begabten Körper. V. 907. Diese Klagen nimmt der Dichter einem von ihnen aus dem M u n d e , und trägt sie persönlich v o r ; berührt dabei mit zartem Gefühle , was auch den • edeln Menschen am meisten an's L e b e n binden könnte. Er beantwortet diese Klagen. V. 925. W e i t e r noch scherzt er über diejenigen, die nur bei L u s t und Schmauis über die Kürze des Lebens klagen. Gleichsam, fügt er hinzu, als wenn es das einzige Elend im Tode s e y , von Durst ausgetrocknet, verdorren zu müssen. V. 944* Hier fängt der Dichter eine eigene Prosopopöie an, indem er die Natur selbst redend einführt, die sich gegen die unbilligen Klagen der Menschen vertheidigt. „ W a s klagst du denn, Sterblicher, (sagt sie) seufzest und beweinst den T o d ! Ist dir dein bisheriges Leben angenehm gewesen, sind nicht alle Geschenke desselben bei d i r , w i e durch ein durchlöchertes Fafs ausgeflossen, und ohne Dank zu Nicht geworden; warum gehst du nicht w i e ein gesättigter Gast von der M a h l z e i t , und nimmst, o du T h o r , die sichere Ruhe a n ! Ist dir aber jeder Genufs gleichsam hingescliüttet, und ist das Leben dir z u w i d e r , warum suchst du noch mehr anzuhäufen, damit es auch zu Grunde gehe und deinen Widerwillen vermehre. W a s ich weiter erfinden s o l l , dir das Leben gefällig zu machen, weifs ich nicht. Alles ist immer dasselbe. Wenn
20
Ü B E R S I C H T
auch dein Körper von Jahren noch nicht verzehrt i s t , die erschöpften Glieder noch nicht ermattet und schlaff s i n d , so bleibt doch alles übrige dasselbe, w e n n du auch Jahrhunderte durchleben w ü r d e s t ; ja noch weit m e h r , wenn du nie aufhören würdest zu leben. " — W a s sollten w i r hierauf a n t w o r t e n ? sagt der Dichter. Nichts w e i t e r , als dafs die Natur R e c h t h a b e , und uns gerechte V o r w ü r f e mache. — D i e s e Unterredung setzt er f o r t , mit mehrern und wichtigen Gründen. V . 984- Zuletzt führt er uns noch auf die Zeiten z u r ü c k , ehe w i r geLoren w a r e n , und läfst uns diese von der Natur gleichsam als einen Spiegel unserer Z u k u n f t v o r h a l t e n ; sie f r a g t : ,,siehst du w a s schreckliches darin? etwas das dich betrübt machen k ö n n t e ? ist nicht alles Ruhe und ein sicherer S c h l a f ? — V . 991. Nun kömmt er auf die Vorstellungen, die man sich v o n der Hölle macht. Alles dieses, w a s man vom T a n t a l u s , T i t y u s , Sisyphus und andern e r z ä h l t , sei bei uns im L e b e n vorhanden, und aus demselben genommen. Tantalus zittre nicht unter der L a s t eines überhängenden F e l s e n ; sondern diefs sey der Abergläubische, der sich vor jedem Z u f a l l des Schicksals fürchtet. A u c h T i t y o s hackten nicht die A d l e r ; sondern die niedrigen Begierden und Wollüste verzehrten die Menschen. D e n Sisyphus sehen w i r alle T a g e vor Augen. E r ist es, der E h r e n und Würden vom V o l k zu erhalten sucht, und immer zurückgewiesen, immer wieder aufs neue anstrebt. D a s ist d e r , der den schweren Stein auf den B e r g zu wälzen sucht, der aber immer w i e d e r zurückrollt. D i e Danaiden zuletzt,- die schönblühenden J u n g f r a u e n , die immer mit durchlöchertem E i m e r s c h ö p f e n , sind sie es n i c h t , die unser undankbares Gemüth darstellen, das sich durch keinen Genufs des L e bens ersättigen und ausfüllen l ä f s t ? V . 1023. E n d l i c h kommt der D i c h t e r auch auf die Strafen der Hölle. Cerberus, F u r i e n , einen T a r t a r u s , giebt es nicht. Sie sind nie gewesen und können auch nicht seyn^ Aber das böse Gewissen im Menschen ist statt G e i f s e l , R u t h e n , F o l t e r und Henkersknechte, D a h e r die Furcht vor den S t r a f e n , die noch immer heftiger bevorstehn, und von denen man kein E n d e sieht. So ist das L e b e n der Thoren das w a h r e L e b e n im Orkus. V . 1037. Hier kommen einige Trostgründe, die w i r über die K ü r z e des L e b e n s fassen können, und die aus dem gleichen Schicksale
DES
D R I T T E N
BUCHS.
2t
so vieler grofsen und vortrefflichen Männer und Helden hergeleitet sind. Hat nicht der gute A n k u s auch das L i c h t des L e b e n s verlassen? E r , der so viel besser w a r , als d u , Undankbarer! So viele K ö n i g e , so viele Herrscher der V ö l k e r , so viele grofse Feldherren? E r selbst, der sich ehemals den W e g über das M e e r gebahnt hat, und seine L e g i o n e n darüber g e f ü h r t , er, X e r x e s selbst, hat er nicht seine Seele dem sterbenden K ö r p e r ausgehaucht? S c i p i o , der K r i e g e s d o n n e r , der Schrecken K a r t h a g o ' s , auch er h a t , w i e der geringste K n e c h t , seine Gebeine der E r d e gegeben. V. 1049- Nimm noch die E r f i n d e r der Wissenschaften und Künste, die Freundesgenossen der Helikonischen M u s e n ; unter denen H o m e r u s allein den Scepter trägt, der doch eben w i e jene im süfsen Schlummer ruht. Als den D e m o k r i t u s das hohe Alter erinnerte, dals die B e w e gungen seines Geistes matter w ü r d e n , gab er sich f r e i w i l l i g hin dem Tode. J a E p i k u r u s selbst, der die Grenzen des menschlichen Geistes zu überschreiten schien, starb nach vollendeter L a u f b a h n . V . 1 0 5 3 . Und du stehst noch an und zauderst zu sterben ? D u , der schon bei lebendigem L e i b e todt i s t ? der den gröfsten T h e i l des Lebens im Schlafe zubringt; wachend schlummert, nicht aufhört Träume zu sehen, und unter Schrecken und Furcht ein trübseliges L e b e n f ü h r t ; o f t seihst nicht finden k a n n s t , was dir f e h l t , und w i e ein Trunkner stets, von Sorgen umhergetrieben, auf ungewisser W o g e des Gemüthes schwankst? — V . 1065. Kennten die Menschen die U r s a c h e n , a u s w e i c h e n die L a s t entsteht, die auf ihre Gemüther drückt, und die sie doch fühlen, sie würden ein anderes L e b e n f ü h r e n , w i e gewöhnlich, da keiner w e i f s was er w i l l , immer umhersucht, und den Ort verändert, gleichsam als wenn er die L a s t daselbst ablegen könnte. V . 1073. E i n e leichte Schilderung eines Menschen solcher Art. V . 1090. E n d l i c h , welche Gierde nach L e b e n treibt u n s , unter solchen G e f a h r e n ! D e m Menschen steht nun einmal sein E n d e bevor, und überdem treiben w i r uns ja immer in demselben Kreise herum, und kein neues Vergnügen erzeugt sich bei längerem L e b e n . Was w i r entbehren müssen, reizt uns am meisten. W i r streben immer nach N e u e m , und wenn w i r es erhalten h a b e n , ekelt uns auch dieses an. Auch in der T h a t nehmen w i r
durch ein längeres L e b e n von der
22 Z e i t des Todes
Ü B E R S I C H T
nicht das geringste h i n w e g .
L e b t e n w i r auch J a h r h u n -
derte, so w i r d der T o d doch immer eine E w i g k e i t d a u e r n , u n d der, welcher heute s t i r b t , w i r d nicht l ä n g e r g e s t o r b e n s e y n , als j e n e r , der vor M o n a t e n und J a h r e n u n t e r g e g a n g e n ist.
V I E R T E S
B U C H .
M i t derselben B e g e i s t e r u n g , w e l c h e den D i c h t e r e h e m a l s , gegen E n d e des ersten B u c h e s , zu dem A u f e n t h a l t e der P i e r i n n e n auf n o c h unbetretenen P f a d e n h i n g e f ü h r t h a t , f ä n g t sich dieses v i e r t e B u c h an. E r w i l l aus u n b e r ü h r t e n Q u e l l e n s c h ö p f e n , er w i l l n e u e B l u m e n brec h e n , sich d a v o n einen K r a n z zu b e r e i t e n , w i e ihn die M u s e noch keinem D i c h t e r z u v o r v e r l i e h e n hat. D e n n er singt v o n g r o f s e n und w i c h t i g e n D i n g e n ,7 sucht die G e m ü t h e r v o n den B a n d e n des A b e r o D glaubens los z u w i n d e n , b r i n g t L i c h t in das D u n k l e , und s c h m ü c k t dieses alles m i t dem R e i z e der M u s e n aus. H i e r v e r g l e i c h t er sich geschickten Ä r z t e n , die den K i n d e r n den bittern K e l c h mit H o n i g bestreichen, um i h n e n den h e i l s a m e n L e b e n s s a f t e i n z u f l ö f s e n . V o m 2.6. V e r s an w i e d e r h o l t er in k u r z e m , w a s er b i s h e r g e l e h r e t ; nämlich die N a t u r u n d E i g e n s c h a f t der A t o m e , u n d dann die des Geistes in V e r b i n d u n g mit dem K ö r p e r . N u n w i l l er a n f a n g e n auch von d e m j e n i g e n z u r e d e n , w a s man die B i l d e r der D i n g e b e n e n n t , und deren D a s e y n b e w e i s e n . D i e s e sind n u n g l e i c h s a m zarte H ä u t c h e n , die sich von dem äufsersten R a n d e der K ö r p e r a b l ö s e n , u n d h i n u n d h e r in den L ü f t e n herumfliegen. D i e s e l b e n sind es a u c h , die uns o f t m a l s w a c h e n d u n d im Schlaf erscheinen , uns seltsame Gestalten v o r h a l t e n , sogar B i l d e r der L ä n g s t e n t s c h l a f e n e n ; und uns in den W a h n setzen, als könnten die Schatten dem A c h e r o n entfliehen, u n d unter L e b e n d e n u m h e r w a n d e l n . V . 46. I c h sage a l s o , f ä n g t er a n , dafs A b b i l d u n g e n der D i n g e , zarte F i g u r e n , sich v o n jedem K ö r p e r los machen. D i e s e k ö n n t e man a u c h M e m b r a n e n , dünne H ä u t c h e n oder S c h e l f e n n e n n e n , w e i l sie F o r m und Gestalt derjenigen D i n g e e r h a l t e n , v o n denen sie abfliefsen. V . 5 1 . L e i c h t läfst sich dieses b e g r e i f e n . L ö s e n sich nicht v o n D i n g e n , die uns v o r den A u g e n l i e g e n , K ö r p e r l o s : zum T h e i l aus
DES
VIERTEN
BUCHS.
23
einander gestreut, w i e R a u c h und Feuer aus dem H o l z ; zum Theil mehr verdichtet und v e r w e b t , w i e die Häutchen, welche die Cicaden ablegen, oder welche die Kälber bei ihrer Geburt umschliefsen, oder die man von den schlüpfrigen Schlangen an Dornen und Hecken hängen sieht. So mufs auch ein dünnes B i l d sich von jedem Körper losmachen ; denn es wäre nicht einzusehen, warum jene, die doch viel .dichterund gröber s i n d , den D i n g e n entweichen könnten, und nicht vielmehr diese f e i n e r n , dünnern und zarten. V. 70. So sehen w i r auch viele D i n g e aufsteigen und sich losmachen, nicht nur von dem Innern der K ö r p e r , w i e vorher gesagt, sondern von ihrer äufsersten Oberfläche, z. B . die F a r b e n , die sich von den bunten D e c k e n , w o m i t man die Theater umhängt, losmachen, und das Parterre und den ganzen Schauplatz mit ihrem Scheine tünchen. So sind auch die Bilder , die w i r in Spiegeln, im W a s s e r , und auf jeder glatten Oberfläche sehen, nothwendig Abdrücke der äufsern Gegenstände. V . 1 0 3 . D i e s e B i l d e r nun sind den D i n g e n vollkommen ähnliche A b d r ü c k e , leicht und dünn, dafs man sie einzeln nicht zu sehen verm a g ; aber durch beständigen und häufigen Antrieb geben sie von der glatten Fläche des Spiegels die Gestalten wieder. V . 109. Von der Kleinheit dieser Bilder. Sinnreich läfst sie uns der Dichter errathen. E s giebt ja Thierchen , sagt e r , deren Dritttheil man kaum mehr mit der Schärfe des Auges entdecken kann. N i m m , w i e grofs die innern Theile eines solchen Thierchens seyn mögen? die A u g e n ? das H e r z ? Gelenke und Glieder? und endlich gar die T h e i l e , die sein Gemüth b e w e g e n ? — D a n n auch die Theilchen der D ü f t e , die Kräuter und Blumen von sich hauchen? — Daraus magst du erkennen, w i e klein ein solches Bildchen seyn könne. V . 1 3 0 . D o c h nicht allein die B i l d e r c h e n , die sich von Körpern l o s m a c h e n , schwärmen u m h e r ; es giebt auch solche, die sich von selbst erzeugen, und sich in diesem untern Himmel zusammenfügen. W i e oft staunen w i r die seltsamen Gestalten der W o l k e n a n ! V . 144. L e i c h t e und schnelle Erzeugung dieser B i l d e r , die ohne Unterlais von den D i n g e n abfliefsen. Fallen sie auf lockere Sachen, so gehen sie durch; von rauhen und harten werden sie zerrissen; nur von der dichten glatten Oberfläche des Spiegels werden sie gehörig zurückgeworfen. U n d w i e die Sonne stets neue Stralen schiefsen mufs,
Ü B E R S I C H T damit sich alles mit L i c h t e r f ü l l e , so stralen auch in jedem Augenblick von jeder Seite neue B i l d e r hervor. Y . 1 7 7 . N u n von der schnellen B e w e g l i c h k e i t dieser Bilder w i l l der Dichter s i n g e n , und zwar in w e n i g e n , doch lieblichen Versen. L i e b l i c h e r ist das kurze L i e d des S c h w a n s , als das in den W o l k e n verhallende Gekreisch der Kraniche. Kleine und leichte K ö r p e r sind sehr schnell. D i e f s bemerkt man an den Stralen der Sonne und ihrer W ä r m e . So müssen auch die Bilder in einem Augenblick unermefsliche Räume durchlaufen können, schneller noch als die Sonnenstralen, da sie nichts in ihrem W e g e aufh ä l t , und sie von der kleinsten Bildung sind. V . 2 1 7 . So müssen w i r also zugestehen, dafs es dergleichen Körperchen g i e b t , die das Auge treffen und das Gesicht reizen. E b e n so fliefsen auch beständig von gewissen Dingen Gerüche a u s , w i e K ä l t e von F l ü s s e n , Wärme von der Sonne, Salzduft von den Meereswogen, der die Mauern an den Ufern ausfrifst. Immer schwärmen auch Stimmen u m h e r ; gehen w i r am Meeresufer, so setzt sich Salzduft an unsre L i p p e n , und bittrer Geschmack an den Orten, w o man Wermuth zerstöfst. So geht von allen D i n g e n ohne Unterlafs etwas fliefsend hinw e g ; denn w i r f ü h l e n , s e h e n , riechen und hören immer. Auch stimmt Gesicht und G e f ü h l in vielen Sachen überein. W a s w i r als Viereck fühlen, zeigt sich auch dem Auge als Viereck. In den Bildern liegt also der G r u n d , dafs w i r die D i n g e sehen k ö n n e n , und ohne diese sehen w i r nichts. V . 240. D i e B i l d e r schiefsen nach allen Seiten h i n ; aber w e i l w i r blos mit den Augen sehen können, so erscheinen sie uns von der Seite, w o h i n sich das A u g e richtet. Auch sind die B i l d e r U r s a c h e , dafs w i r die D i n g e in der E n t f e r nung sehen. Umständlicher B e w e i s hievon. W a r u m w i r die B i l d e r einzeln nicht sehen k ö n n e n , nur ihre W i r kung im Ganzen fühlen. Beispiele vom W i n d , von der Kälte. Stofsen w i r mit dem F i n g e r an einen Stein , so berühren w i r nur die Oberfläche, fühlen sie nicht, aber die Härte, die durch den ganzen Stein geht. V . 270. Hier erklärt der D i c h t e r die Erscheinungen mit dem Spiegel ; die man aber selbst nachlesen mufs. V . 3 2 5 . Glänzende D i n g e beleidigen das Auge. D i e Sonne macht erblinden, w e n n man sie lange ansieht; denn sie treibt die B i l d e r mit H e f t i g k e i t h e r a b , und zerstört dadurch den B a u und das G e w e b e der Augen.
DES
VIERTEN
BUCHS.
25
D e m G e l b s ü c h t i g e n e r s c h e i n e t alles b l e i c h u n d g e l b , b l e i c h e S a f t der A u g e n d i e B i l d e r z u v o r t ü n c h e t .
weil
V . 3 3 8 . "Warum m a n aus d e m D u n k e l n ins H e l l e sehen k a n n , n i c h t aus dem H e l l e n ins D u n k l e . Y . 354- N u n f o l g e n m e h r e r e S i n n e n t ä u s c h u n g e n .
der aber
V i e r e c k i g t e T h i i r m e s c h e i n e n in der F e r n e r u n d . W o h e r der S c h a t t e n u n s z u f o l g e n s c h e i n t . F a h r e n w i r zu S c h i f f e , so s c h e i n t u n s u n s e r S c h i f f s t i l l zu stehn, die G e g e n s t ä n d e a b e r v o r ü b e r zu g e h e n . S o m i t den G e s t i r n e n . Sie scheinen alles in b e s t ä n d i g e r B e w e g u n g ist.
still zu stehen,
da doch
W e i t g e t r e n n t e F e l s e n i m M e e r e s c h e i n e n aus d e r F e r n e n u r E i n e Insel auszumachen. K n a b e n , die sich im S p i e l e h e r u m d r e h e n , d e n e n s c h e i n t Z i m m e r u n d S ä u l e n sich m i t z u d r e h e n . W a n n d i e N a t u r die r ö t h l i c h e S o n n e n s c h e i b e m i t z i t t e r n d e n S t r a l e n M o r g e n s ü b e r die B e r g e h e b t , so s c h e i n t d i r i h r F e u e r die S p i t z e n der B e i ge b e i n a h e zu b e r ü h r e n , und d o c h l i e g e n u n g e h e u r e M e e r e , L ä n d e r und R e i c h e n o c h z w i s c h e n den beiden. Z e i g t dir n i c h t j e d e P f ü t z e e i n e n t i e f e n A b g r u n d , w o r i n du S o n n e , M o n d und Sterne erblicken kannst! S t e h t dein R o f s mitten im S t r o m e s t i l l , u n d du schaust h i n a b in die r e i s s e n d e F l u t h , so s c h e i n t dir dein P f e r d g e g e n den F l u f s h i n g e t r i e b e n , und alle u m l i e g e n d e G e g e n s t ä n d e m i t ihm. D e r S ä u l e n g a n g , der in g l e i c h e m M a a f s , R i c h t u n g u n d H ö h e , f o r t l ä u f t , s c h e i n t sich gegen das E n d e z u s a m m e n z u z i e h e n , u n d d i e S p i t z e s e l b s t sich z u r E r d e zu n e i g e n . D e m S c h i f f e r a u f dem M e e r e s c h e i n t die S o n n e aus den W e l l e n e m p o r z u s t e i g e n , u n d in den W e l l e n u n t e r z u g e h n . S c h i f f e , die im H a f e n l i e g e n , s c h e i n e n dem U n k u n d i g e n s c h i e f z u s e y n , u n d m i t g e b r o c h e n e n R u d e r n den W o g e n a n z u s t r e b e n . D i e T h e i l e ü b e r der F l u t h sind g e r a d e , w a s u n t e r dem W a s s e r ist, g e b o g e n u n d s c h r ä g , sich z u r ü c k w e n d e n d , und b e i n a h e a u f der Oberfläche schwimmend. W a n n n ä c h t l i c h d e r W i n d die z e r s t r e u t e n W o l k e n u m h e r t r e i b t , so scheinen d i e g l ä n z e n d e n G e s t i r n e sich g e g e n sie zu b e w e g e n , u n d v o n der g e w ö h n l i c h e n L a u f b a h n a b z u w e i c h e n . Drückst Lucret- I.
du m i t
der H a n d
das
eine
Auge empor,
so e r s c h e i n t d
26
Ü B E R S I C H T
dir alles d o p p e l t ; d o p p e l t die b l ü h e n d e n K e r z e n mit den L e u c h t e r n , und doppelt der ganze Hausrath. E n d l i c h , ^ a n n der süfse Schlaf die G l i e d e r gebunden h ä l t , und der Körper g ä n z l i c h in R u h e aufgelöfst- i s t , so scheint doch n o c h etwas in uns z u w a c h e n , s o , dafs w i r glatiben uns'ré G l i e d e r z u b e w e g e n , die S o n n e zu s e h e n , und alle Gegenstände der N a t u r ; weite Reisen zu machen , T ö n e zu h ö r e n , selbst bei s c h w e i g e n d e m Ernste der N a c h t , und am eingeschlossenen Orte. Y . 464. M e h r e r e D i n g e dieser A r t , die w u n d e r b a r scheinen, zeigen sich u n s , und suchen gleichsam allen G l a u b e n an die Sinne in uns z u s c h w ä c h e n . D o c h u m s o n s t ; das G e m ü t h täuscht sich nur s e l b e r ; kann das Z u v e r l ä s s i g e n i c h t v o m Z w e i f e l h a f t e n trennen, und v e r f ä l l t in Irrthum. W e r übrigens v o r g i e b t , dafs man n i c h t s w i s s e n k ö n n e , der w e i f s ja das selbst n i c h t , dafs er nichts w e i f s . Y . 475. H i e r f ä n g t n u n der D i c h t e r an z u b e w e i s e n , dafs aller Grund der W a h r h e i t auf der Z u v e r l ä s s i g k e i t der Sinne beruhe. D a z u t r ä g t er mehrere sehr t r i f t i g e A r g u m e n t e vor. V . 516. E n d l i c h , w e n n bei einem B a u e das erste R i c h t m a a s n i c h t gerade und eben gestellt i s t , so w i r d der ganze B a u fehlerh a f t , k r u m m und s c h i e f w e r d e n . So w ü r d e n w i r auch v o n keiner Sache ein richtiges U r t h e i l f a l l e n k ö n n e n , w e n n w i r uns n i c h t auf den z u v e r l ä s s i g e n G r u n d der S i n n e stützen k ö n n t e n . V . 525. N u n k o m m t der D i c h t e r auch auf die ü b r i g e n Sinne, w i e und auf w a s W e i s e w i r durch" sie e m p f i n d e n . E r s t l i c h das G e h ö r . T o n und S t i m m e treffen auf den Sinn, u n d sind also k ö r p e r l i c h . A u c h g r e i f e n sie selbst das W e r k z e u g der Stimme an ; denn sie m a c h e n es rauher, und l a n g e R e d e n s c h w ä c h e n die M e n s c h e n . Andere F o r m e n der Stoffe dringen ins O h r , w e n n die T u b a aufb r u m m t , oder w e n n der S c h w a n sein letztes süfses L i e d anstimmt. V . 576. V o m W i e d e r h a l l oder E c h o . D e r D i c h t e r selbst befand sich an O r t e n , die sechs - bis siebenmal die W o r t e w i e d e r g a b e n . S o w i r f t ein H ü g e l dem andern die a n s c h l a g e n d e n L a u t e z u r ü c k . D e r g l e i c h e n Orte hält der L a n d m a n n v o n F a u n e n b e w o h n t , und b e h a u p t e t , dafs sie da ihr nächtliches ben. A u c h höre man o f t das G e t ö n e der Saiten und u n d w e i t h e r das Geräusche des F i c h t e b e k r ä n z t e n P a n s , g e s a n g seiner v i e l t ö n i g e n F l ö t e .
und N y m p h e n K u r z w e i l triesüfsen F l ö t e n , u n d den W a l d -
DES
VIERTEN
BUCHS.
27
Solches sagen s i e , damit man nicht glauben m ö g e , die öden Orte seyen ganz von den Göttern verlassen, oder aus irgend einem andern G r u n d e ; denn man w e i f s j a , w i e sehr das Menschengeschlecht nach Fabeln und Mährchen das Ohr hängt. V . 600. W a r u m die T ö n e die den Augen verschlossenen Orte durchdringen können. IT D i e Töne theilen und verbreiten sich nach allen S e i t e n , aber die Bilder gehen in gerader R i c h t u n g , deshalb man auch nicht über sich- noch rückwärts sehen kann. V. 620. Nun zum Geschmack. E r k l ä r u n g , w i e sich dieser der Z u n g e und dem M u n d e mittheilt. D e r Geschmack tlieilt sich nur bis zu Ende des Gaumes m i t ; w e i t e r hinab verliert er sich. W a r u m dem E i n e n angenehm und gedeihlich i s t , w a s dem andern w i d r i g und schädlich seyn kann. Dasselbe auch bei den Thieren. V i e l hängt von der Beschaffenheit des Körpers a b , ob er sich in gesundem oder kränklichem Zustande befindet. V . 677. D e r Geruch. D a f s es viele D i n g e g e b e , von denen ein gewisser D u f t ausfliefse, ist klar. E i n i g e der Theilchen sind jedoch mehr als andere gewissen Thieren willkommen. So reizt der Geruch vom Honig weither die B i e n e n ; den Geier hingegen der Geruch des Aases. D i e Spur der gespaltenen Klaue des Wildes zieht die Hunde nach s i c h , und die schneeweifse G a n s , die Beschützerin der romulischen B ü r g e r , wittert weither den menschlichen Geruch. So l o c k t der verschiedene Geruch die verschiedenen Thiere jedes zu seinem E u t t e r , und schreckt sie ab von dem, w a s ihnen schädlich seyn könnte. D e r Geruch erstreckt sich indefs nicht so w e i t als die andern Sinne. Ursache hievon. V . 7 1 0 . N i c h t aber Geschmack und Geruch allein sind einigen zuträglich, andern w i d r i g . Auch die äufsern Gestalten und Farben bekommen nicht jeglichem. S o , sagt m a n , kann der L ö w e die Gestalt und das Geschrei des Hahnes nicht ertragen. E r flieht sogleich davon. Ursache. V . 726. I i i e r beschliefst nun der D i c h t e r seine E r k l ä r u n g e n über die äufsern Sinne und deren E i g e n s c h a f t e n , und kommt auf das, was unsern innern Sinn und das Gemüth rührt und in B e w e g u n g setzt. E r leitet allen E i n d r u c k von den Bildern h e r , die auf dasselbe wirk e n ; s i e , die sich beständig von allen D i n g e n ablösen, und in Unzahl in den freien L ü f t e n umherschwärmen. D i e s e sind noch viel feiner
Ü B E R S I C H T
¿0 u n d zarter als j e n e , sichtbar machen. Lüften,
d i e in u n s e r A u g e d r i n g e n ,
und uns die
Dinge
S i e m i s c h e n u n d v e r b i n d e n s i c h a u c h l e i c h t in den
und bringen dadurch o f t w u n d e r l i c h e Gestalten h e r v o r ,
dafs
w i r S c y l l e n u n d C e n t a u r e n z u s e h e n g l a u b e n , u n d d i e G e s t a l t e n derjenigen, die schon längst die E r d e b e d e c k t hat. U e b e r diese E r s c h e i n u n g e n ,
so w i e ü b e r u n s r e T r a u m g e s i c h t e u n d
Phantasien k o m m e n nun w e i t l ä u f t i g e und sinnreiche E r k l ä r u n g e n ,
die
w i r aber w e g e n ihrer zu speciellen A n d e u t u n g übergehen müssen. Y . 905.
N u n k o m m t der D i c h t e r a u f den S c h l a f , u n d w o h e r s o l c h e r
entstehe.
E r ermahnt zuvörderst seinen F r e u n d ,
und einen aufmerksamen Sinn z u z u w e n d e n , v o n sich stofse, und von d e m , w a s
ihm
ein z a r t e s
Ohr
d a m i t er n i c h t das W a h r e
er n i c h t r i c h t i g v e r s t a n d e n h a b e ,
die S c h u l d ihm beimesse. D e r S c h l a f e n t s t e h t , w e n n die K r a f t der S e e l e in den G l i e d e r n auseinander
gegangen
ist,
zum
Theil
hinausgetrieben,
a u c h t i e f e r in das Tnnere z u r ü c k g e z o g e n .
Es
G e f ü h l in u n s d u r c h die S e e l e e r r e g t w i r d . hemmt,
Da
mehr
jedoch nicht g a n z , zurückbliebe,
erstarrt l i e g e n . verstecktes
der
sonst w ü r d e , Körper
im
n u n der S c h l a f d i e s e s
ewigen
Von
zu
entstehe,
dieses
den T r ä u m e n . kommt
führen
ihm
Prozesse,
die Seele
das s u c h t
Erfahrungen. und
womit
gemeiniglich Feldherren
Wobei
der
was ich
Mensch
er s i c h am m e i s t e n wieder
Krieg,
im T r a u m e
Schiffer
liegen
S t r e i t m i t den W i n d e n , u n d i c h t r e i b e h i e r dieses , f o r s c h e der D i n g e n a c h , u n d s c h r e i b e ,
ver-
der D i c h -
erklären.
am meisten b e i T a g e v e r w e i l t ,
Versen
der
Todes
N u n aber bleibt die Seele gleichsam w i e unter A s c h e
ter a u f m a n c h e r l e i W e i s e
Advokaten
F r o s t des
Feuer.
A u f w a s W e i s e aber nun dieser S c h l a f
schäftigt,
für vertrie-
wenn kein Theil
stört w e r d e , d e r K ö r p e r in E r m a t t u n g h i n s i n k e ,
V . 959-
sich
dafs S i n n u n d
s o m u f s man die S e e l e f ü r v e r s t ö r t u n d g l e i c h s a m
ben h a l t e n ; Seele
zum T h e i l
ist k l a r ,
bevor. im
der N a t u r
erforscht, in vaterländischen
nieder.
D e n j e n i g e n , die m e h r e r e T a g e h i n d u r c h ö f f e n t l i c h e n S p i e l e n b e i gewohnt, Augen
scheinen
zu schweben.
solche
noch
Sie
n o c h vor sich zu sehen,
lange
glauben
den
Schall
hernach
die der
gleichsam
Spielenden Zither
und
u n d der S a i t e n
h ö r e n , u n d die g a n z e V e r s a m m l u n g u n d d e n G l a n z des zu überschauen.
vor
den
Tanzenden zu
Schauplatzes
S o v i e l l i e g t an der G e w o h n h e i t u n d A u f m e r k s a m -
DES
V I E R T E N
BUCHS.
keit auf die D i n g e , w o m i t man umgeht. Dieses werden w i r nicht nur an Menschen, w i r werden es auch an Thieren gewahr. So siehst du die schnellen R o s s e ; obgleich ihre Glieder im Schlummer gestreckt l i e g e n , doch schnauben sie noch o f t , keuchen und schwitzen, gleichsam als w e n n s i e , bei geöffneten Schranken, nach der Siegespalme strebten. Auch die Jagdhunde w e r f e n öfters im Schlafe die F ü f s e umher, schlagen a n , ziehen häufigen Athem a n , als w e n n sie die Spur des verfolgten W i l d e s schon gefunden hätten. Sie erwachen, und scheinen noch dem Bilde des flüchtigen Hirsches nachzujagen. Auch das schmeichelnde Geschlecht der hausgewöhnten Hündchen schüttelt o f t den leichten Schlaf von den Augen ; sie raffen sich eilig a u f , als wenn sie irgend eine fremde Gestalt vor sich sähen. J e rauher aber die Stoffe der Bilder s i n d , desto gewaltsamer sind sie auch im Traume. D i e bunten Vögelchen fliehen und beunruhigen nächtlicher Weise die Haine der G ö t t e r , w e n n ihnen im leisen Schlaf ein Habicht erscheint, der seine B e u t e zu verfolgen sucht. V. 1005. W a s nun die Menschen mit grofsen Bewegungen thun oder vornehmen, das erscheint ihnen wieder im Schlafe. Könige erobern, ordnen das T r e f f e n , werden g e f a n g e n , schreien laut a u f , als wenn sie eben ermordet w ü r d e n , oder als wenn ein Panther oder L ö w e sie zerrisse. Andere sprechen über w i c h t i g e D i n g e , und haben sich selbst o f t im Schlafe verrathen, Viele werden zum Tode g e f ü h r t , andre stürzen sich vom F e l s e n , erwachen, und zittern noch am ganzen K ö r p e r , kommen kaum wieder zu sich selbst. D e r Durstende glaubt am Flusse oder an einer nahen Quelle zu sitzen, und schöpft die ganze F l u t h in sich. K i n d e r , vom tiefen Schlafe gebunden, glauben am Scherben oder an einer nahen P f ü t z e zu stehen, lassen den ganzen gesammelten Vorrath von sich, und befeuchten die prächtigen Babylonischen D e c k e n . V. 1 0 2 3 . N u n kommt der Dichter auf die physischen T r i e b e zur Erzeugung. E r mahlt sie mit allem F e u e r der Einbildungskraft aus ; doch so , dafs er nie dem Gedanken ein lüsternes oder schlüpfriges Bild unterschiebt. Im Gegentheil zeigt er den strengsten Ernst eines sittlichen L e h r e r s , und ist sowohl im Ethischen als Physiologischen unübertrefflich. Sein Vers nimmt einen höhern S c h w u n g , um der Sache, mehr W ü r d e zu g e h e n , und sie von allem Gemeinen zu enthalten.
30
Ü B E R S I C H T
Um den Ton etwas zu verändern, hat er auch die Lächerlichkeit thöricht verliebter Gecken komisch genug dargestellt. Nachdem er die L i e b e mit allen ihren verderblichen Einflüssen und Folgen geschildert h a t , giebt er auch zuletzt noch einige allgemeine gute Vorschriften und Regeln.
F Ü N F T E S
BUCH.
D e r Dichter ist voll vom L o h e Epikurus. E r weifs ihm kein L i e d zu singen , das würdig wäre seiner hohen Verdienste. Kein Sterblicher vermag es; denn göttliche Ehre gebührte dem, der uns zuerst jene Lehren der Weisheit gegeben h a t , wodurch das L e b e n aus Finsternifs und Stürmen zu klarem L i c h t und in den ruhigen Hafen gebracht worden. Vergleiche man die Wohlthaten jener, denen man doch göttliche Ehren erzeigt. Ceres hat Saaten gestiftet, Bacchus das Gewächs des W e i n e s ; doch konnte man ohne diese D i n g e das Leben erhalten, wie man an Völkern e r s i e h t , die jetzt noch ihrer entbehren. I s t aber die Brust nicht gereinigt, so ist glückliches Leben nicht möglich. Um so mehr verdient dieser, dessen Ruhm schon überall verbreitet i s t , ein Gott zu heifsen, der mit so süfsem Trost das L e b e n erquickt hat. Solltest du aber meinen , die Thaten des Herkules giengen noch zuvor, so würdest du sehr dich irren. Denn was schadete uns noch jetzt jener Nemäische L ö w e , das Arkadische Schwein, der Kretische S t i e r , die Lernäische Schlange? W a s sollte uns die dreifache Brust des Riesen Geryon , des Diomedes Feuerschnaubende Rosse, die Arkadischen Vögel mit krummen Krallen, oder der ungeheure Drache, der die Hesperischen Aepfel b e w a c h t ? W a s soll uns dieser, dort an der Atlantischen K ü s t e , die keiner der unsern betritt, auch nicht einmal der Barbar ? — Noch giebt es Ungeheuer aller Art auf der E r d e ; aber es steht ja in unsrer G e w a l t , die Orte zu vermeiden. Ist dir aber die Brust nicht r e i n , welch Unglück steht dir bevor! W e l c h e N o t h ! W e l c h e Gefahr! W i e zerreissen die wilden Begierden
DES
F Ü N F T E N
BUCHS.
3i
(las H e r z ! Was richtet der Hochmuth nicht an ! U e b e r m u t h , Unsauberkeit, S c h w e l g e r e i , und die niedrige F a u l h e i t ! Solche D i n g e , die E r , nicht mit W a f f e n , sondern mit W o r t e n , unter sich gebracht und aus der Brust des Menschen verjagt hat, sollte man Ihn nicht unter die Z a h l der Götter setzen können? Sonderlich n o c h , da er selbst so viel herrliches über die Götter gelehrt hat, und uns der D i n g e ganze Natur aufgeschlossen. V. 36. Tn seine F u f s t a p f e n w i l l nun der Dichter treten, und dart h u n , d a f s , unter welchem Beschlufs jegliches geschaffen worden, unter solchem es auch fortdauern müsse; nichts die mächtigen Gesetze der Natur verändern könne. Und so haben w i r g e l e h r t , dafs die Natur der Seele, mit dem Körper zugleich entstanden, auch mit ihm vergänglich sey. N u r im Traume erscheinen uns zuweilen die Gebilde der Verstorbenen. V . 65. Nun führt ihn die F o l g e seiner L e h r e zu b e w e i s e n , dafs auch diese W e l t sterblicher Natur s e y ; entstanden, wieder vergehe. D a n n a u c h , w i e sich E r d e , H i m m e l , M e e r , die Gestirne, Sonne und M o n d , gebildet h a b e n ; welche Thiere die E r d e erzeugt hat, und welche n i c h t ; w i e endlich der Mensch durch den Gebrauch der R e d e die D i n g e bezeichnet h a t ; w i e die Furcht vor den Göttern ihn getrieben, B i l d s ä u l e n , H a i n e , Tempel und Altäre als heilig zu verehren. Ferner noch w i l l er den L a u f der Sonne und des Mondes erklär e n ; damit man nicht glauben möge, diese vollendeten aus freiem W i l l e n ihren jährlichen Umlauf zwischen Himmel und E r d e ; oder andern Trrthümern beipflichte, die eine fremde Herrschaft annehmen, nicht w i s s e n d , dafs jedem D i n g e zu seinem Dasein ein bestimmtes Gesetz obwalte. V . 92. Nun fängt der D i c h t e r an von dem Untergange der W e l t zu sprechen , in feierlichen Versen. E r sieht diesen als g e w i f s v o r a u s , und verwahrt sich vor der M e i n u n g derjenigen , die es f ü r ruchlos halten, nur solches zu denken ; da E r d e , S o n n e , M o n d und Sterne von göttlicher Beschaffenheit seyen. D i e s e widerlegt e r , und z e i g t , dafs diese vielmehr alles lebendigen Sinnes beraubt sind. Geist und Seele, sagt er, können nicht in jedem Körper wohnen, so wenig als der B a u m im Aether , der F i s c h auf den Feldern, und W o l k e n unter dem Meere. Jedem ist der eigene Ort bestimmt, worin es aufwachsen und gedeihen kann. S o kann auch die Seele nicht
32
Ü B E R S I C H T
allein für sich bestehen, ohne K ö r p e r , ohne Nerven und Blut. Konnte sie e s , so würde sie ja auch in jedem T h e i l e des Körpers wohnen können. D a nun aber die Orte bestimmt s i n d ; w o h e r sie Wachsthum und Gedeihen nehmen k a n n , so beweist dieses um so m e h r , dafs sie nicht aufser dem K ö r p e r , ohne thierische B i l d u n g , bestehen könne; noch dafs E r d e , Sonrte, W a s s e r oder Liuft beseelt, oder gar von göttlicher Natur seyn möchten. E b e n so wenig magst du g l a u b e n , dafs die heiligen Sitze der Götter in diesen Theilen der Welt sich befinden. D a die göttliche Natur die allerzarteste i s t , s o , dafs w i r sie kaum mit dem Sinne des Gemüthes erreichen können , so müssen auch ihre Wohnungen , sehr verschieden von den unsrigen, von der feinsten Beschaffenheit seyn. Ferner zu sagen , dafs die Götter um der Menschen willen dieses herrliche W e r k der S c h ö p f u n g f ü r e w i g e Zeiten zubereitet hätten, und dafs es billig deshalben s e y , solches zu l o b e n , es f ü r unsterblich zu halten, und keinesweges an dessen Untergang zu glauben ; dergleichen Reden scheinen mir albern. W a s mag w o h l den Unsterblichen, E w i g s e l i g e n , daran l i e g e n , unserthalben sich solche M ü h e zu geben? W a s könnte sie antreiben, nach so langer Z e i t der R u h e zu entsagen, und etwas Neues zu unternehmen? W a r e n sie etwa des Vorigen ü b e r d r ü s s i g ? Brachten sie die Z e i t vor Entstehung der W e l t in Trauer und Finsternifs z u ? Oder konnten w i r über den Verlust des L e b e n s k l a g e n , das w i r niemals gekostet hatten? Dieses führet nun der D i c h t e r noch w e i t e r a u s , und leugnet, nach den L e h r e n seiner P h i l o s o p h i e , den E i n f l u f s seiner Götter (deren E x i s t e n z w i r allerdings nicht recht begreifen k ö n n e n ) auf den Bau und die Einrichtung dieser W e l t . V . 196. H i e r wiederholt e r , w a s schon oben gesagt w a r , dafs, wenn er auch keine Kenntnifs von den ersten Stoflen der Materie hätte, er sich dennoch getraue, aus der Ansicht des Himmels selbst, und aus so vielen andern Gründen, zu behaupten, diese Natur der D i n g e , mit so vielen Mängeln b e h a f t e t , könne nicht ein W e r k der Gottheit bereitet f ü r uns seyn. Für's erste, von dem was hier der weite U m f a n g des Himmels u m s c h l i e f s t , w i e v i e l reissen davon nicht die Berge w e g , die v o n wilden Thieren bewohnte W ä l d e r , F e l s e n , Seen und S ü m p f e , und das M e e r , das die Küsten der E r d e w e i t auseinander hält. Beinahe zwei Theile nimmt die glühende Hitze und der starre E i s f r o s t dem Menschen w e g . D e n übrigen T h e i l des L a n d e s würde die Natur mit
DES
F Ü N F T E N
BUCHS.
53
D i s t e l n und D o r n e n u m z i e h e n , w e n n nicht die m e n s c h l i c h e K r a f t widerstünde. W ü r d e diese n i c h t mühsam mit s c h w e r e m l ' f l u g e die fruchtbaren Schollen d u r c h w ü h l e n , u n d den B o d e n reizen, die K e i m e h e r v o r z u b r i n g e n , n i m m e r m e h r w ü r d e n sie von selbst in die f r e i e n L ü f t e empor steigen. U n d d o c h , w a s er mit s c h w e r e m F l e i f s e hervorgebracht h a t , w e n n alles schon b l ü h t und fruchtbare E r n d t e n v e r k ü n d e t , v e r s e n g t es z u w e i l e n n o c h die Sonne durch ihre glühende H i t z e , oder P l a t z r e g e n ersäufen e s , f r o s t i g e r R e i f oder heftige YVindstürme zernagen es. U e b e r d i e f s , w a r u m nähret die E r d e reissende T h i e r e , die f e i n d l i c h dem M e n s c h e n z u W a s s e r und z u L a n d e s i n d ? W a r u m f u h r e n die J a h r e s w e c h s e l K r a n k h e i t e n h e r b e i ? W a r u m so viele frühzeitige L e i c h e n ? S i e h e das K n ä b l e i n , w i e ein durch die W u t h der W e l l e n an das U f e r g e w o r f e n e r S c h i f f e r , l i e g t es d a , das arme K i n d ! n a c k t , auf der E r d e , aller L e b e n s h ü l f e d ü r f t i g , w a n n es zuerst die N a t u r aus dem S c h o o f s e der M u t t e r m i t S c h m e r z e n losgerissen hat. M i t klägl i c h e m G e w i m m e r e r f ü l l t es seinen Geburtsort. U n d das w o h l mit R e c h t , dem so v i e l U e b l e s n o c h im L e b e n b e v o r s t e h t ! A b e r die T h i e r e , die zahmen w i e die w i l d e n , sie wachsen empor, b r a u c h e n k e i n e K i n d e r k l a p p e r n , k e i n e k o s e n d e n W o r t e der Säugamm e n , k e i n e nach der W i t t e r u n g veränderte K l e i d u n g ; e n d l i c h auch k e i n e W a f f e n , keine h o h e n M a u e r n , ihr E i g e n t h u m z u b e s c h ü t z e n . A l l e s giebt ihnen die E r d e reichlich v o n selbst, und d i e N a t u r , die Schöpferin mannigfacher Dinge. V . 236. D e r D i c h t e r fängt nun an zu s c h l i e f s e n , d a f s , da alle T h e i l e , w o r a u s dieses G a n z e z u bestehen scheint , • E r d e , W a s s e r , L u f t und F e u e r , h i n f ä l l i g e r N a t u r und s t e r b l i c h s i n d , so müsse auch diese W e l t selbst A n f a n g und E n d e haben. E r v e r w a h r t sich g e g e n seinen M e m m i u s , hier nicht e t w a eine unbesonnene M e i n u n g geäufsert z u h a b e n , und sucht durch E r f a h r u n g der überall abnehmenden V e r b i n d u n g e n und K r ä f t e d a r z u t h u n , dafs alles sich nach und nach a u f l ö s e und verzehre. U n g e m e i n sinnreich und in t r e f f l i c h e n V e r s e n , mit erhabenen Ansichten und G e d a n k e n über die V e r g ä n g l i c h k e i t der D i n g e , f ü h r t der D i c h t e r sein Argument a u s ; w e l c h e s j e d o c h z u w i e d e r h o l e n hier z u w e i t l ä u f t i g w ä r e . Z u l e t z t , V . 3Q1. sagt er n o c h : D a w i r die w i c h t i g s t e n T h e i l e der W e l t , W a s s e r und F e u e r , in beständigem Streite s e h e n , w ä r e es n i c h t möglich, dafs in der F o l g e eines das andere a u f r i e b e und v e r z e h r t e ? A u c h ist die S a g e , Ijucret.
I.
dafs d e r g l e i c h e n
schon
ehemals
im
Werke 6
34
Ü B E R S I C H T
gewesen sey. Einmal habe das Wasser alles zu überschwemmen gesucht ; darauf habe aber das F e u e r die Oberhand erhalten, als mit reissender Gewalt die Sonnenpferde aus ihrer B a h n w i c h e n , und den Phaethon über die E i d e hinweg durch den Himmel schleppten. Aber der allmächtige V a t e r , von heftigem Z o r n entbrannt, schleuderte den heldenmi'ithigen J ü n g l i n g mit schnellem Blitzstral vom W a g e n herab. Aber der Sonnengott kam ihm e n t g e g e n , und nahm die e w i g e F a r k e l der W e l t w i e d e r auf von seinem S o h n e , führte die zerstreuten Rosse z u r ü c k , spannte sie an den W a g e n , und nun auf gewohnter B a h n hinfahrend erquickt er die W e l t mit seinem L i c h t e . So sangen es die alten Dichter der Grajen , welches jedoch weit von dem wahren Gange der Natur entfernt ist. D i e s e s setzt der Dichter auseinander. V . 4 1 7 . Auf was W e i s e nun dieses Zusammentreffen der Materie H i m m e l , E r d e , die Meerestiefen, Sonne und M o n d , gegründet habe, das will er jetzt erklären. D i e Stoffe seyen nämlich seit unendlicher Z e i t , in unzähliger M e n g e , auf mancherlei W e i s e , durch Stöfse und B e w e g u n g e n aller Art herumgetrieben , endlich zu dieser Ordnung und Verbindung der D i n g e gelangt, wodurch diese W e l t entstanden. D i e s e Grundannahme setzt er nun mit Geist und trefflicher poetischer R e d e w e i t l ä u f t i g auseinander, um die M ö g l i c h k e i t davon zu e r w e i s e n , und die Entstehung der Welt und aller D i n g e daraus darzuthun. V. 5 1 0 . H i e r beginnt er die B e w e g u n g der himmlischen Gestirne zu erklären, w i e und auf was W e i s e solche geschehe. V. 5 3 5 . D i e E r d e Tuht in den mittlem Gegenden der W e l t . D a m i t sich ihre Schwere etwas vermindere, mufs sie eine andere Natur unter sich haben , die von ihrem Anfange an schon mit ihr verbunden, gänzlich ihr angeeignet i s t , und dieses sind die luftigen Theile der W e l t , in welchen sie gleichsam eingepflanzet festsitzt. W i r dürfen uns nicht wundern, dafs sie die L ü f t e nicht eindrückt, noch ihnen zur L a s t w i l d . Sind doch dem Menschen seine Glieder nicht zur L a s t , nicht der K o p f dem H a l s , noch den Füfsen der ganze Körper. Nur was ihm von aufsen kommt, öfters geringe Dinge, drükken und beschweren ihn. So viel kommt darauf an, mit welchen D i n g e n c ne Sache gleich vom Anfange an verbunden gewesen ist. V . 5 5 1 . Weitere Argumente. V . 565. D a s R a d der Sonne ist nicht viel gröfser noch kleiner als es unsern Augen erscheint. D e r R a u m zwischen uns und dem Körper,
DES
FÜNFTEN
BUCHS.
der uns Licht und Wärme zuströmen kann , nimmt der Flamme nichts von ihrem Umfange weg, noch verkleinert er das Feuer. D a - w i r nun L i c h t und W ä r m e d e r ' S ö n n e f ü h l e n , so mufs auch der Umrifs der Sonne nicht viel gröfser noch kleiner seyn als er erscheint. V. 575. Auch der M o n d , mag er nun mit entlehntem oder eigenem Lichte scheinen, ist nicht gröfser als w i r ihn sehen. Hievon der Erweis. V. 585- Auch die Sterne ( d a die irdischen Feuer, so lange ihr Stral uns hell leuchtet, nur w e n i g an Gröfse ä n d e r n ) so können auch sie nur um W e n i g e s kleiner oder gröfser seyn. Y. 592. Wollet' die so kleine Sonne einen solchen Strom von Licht ausgiefsen könne, um Erde, Meer und Himmel damit zu erfüllen, und alles mit Wärme zu erquicken. Mehrere Gründe und Gleichnisse. V. 613. W i e es aber komme,, dafs die Sonne von den Sommerzeichen zu dem Steinbock sich wende, und von da wieder zu dem Zeichen des Krebses k e h r e ; i n g l e i c h e n , dafs der Mond den jährlichen Umlauf der Sonne in Monaten vollende, hievon, sagt der Dichter, liefs sich keine einfache und bestimmte Ursache angeben. Er führt deshalb mehrere Meinungen a n , und unter andern die vom Demokritus, dafs, je näher die Gestirne der Erde sind, desto weniger könnten sie von dem grofsen W i r b e l des Himmels mit fortgerissen werden. Y. 649. Die Nacht bedeckt mit tiefem Dunkel die E r d e ; entweder w e i l die Sonne, wann sie die äufsersten Grenzen des Himmels erreicht hat, ermattet ihre Glut aushaucht; oder w e i l dieselbe Gewalt, die sie über die Erde hintreibt, sie nun zwingt ihren L a u f unter der Erde zu nehmen. V. 655. Die Göttin Matuta führt zu bestimmter Zeit die rosige Morgenröthe am Himmel herauf, und schliefst die Pforten des L i c h t s a u f ; entweder w e i l die unter der Erde verborgene Sonne, zurückkehrend, ihre Stralen voraussendet, oder w e i l viele Stoffe des Feuers zu bestimmter Zeit zusammenfliefsen, wodurch sich das L i c h t der Sonne immer wieder aufs neue entzündet. So , sagt man, könne man von den hohen Idäischen Bergen bei angehendem Tageslicht zerstreute Feuer sehen, die dann sich zur Kugel ballten und einen Kreis bildeten. Wundern darf man sich übrigens n i c h t , dafs diese Feuerstoffe so, zu bestimmter Z e i t , zusammenfliefsen, um den Glanz der Sonne herzustellen« W i r sehen ja, dafs vieles bei vielen Dingen in bestimmtem
Ü B E R S I C H T Zeitlaufe geschieht. Blühen doch die Bäume ztl gewisser Z e i t , verlieren auch ihre Blüthen zu gewisser Zeit. Z u gewisser Z e i t wachsen die Z a h n e , und f a l l e n auch w i e d e r a u s ; die Wangen des Jünglings umkleidet ein zarter Pflaum, und der Bart wächst. U n g e w i t t e r , Schnee, Regen und Stürme, kommen zu gewisser Iahreszeit; alles f o l g e t dem T r i e b e , den einmal die Natur ihm eingelegt hat. Y . 679. abnehmen;
W i e es k o m m e , dafs die T a g e w a c h s e n , und wieder im W i n t e r die Nächte lang und im Sommer kurz sind.
V . 703. D i e Ursachen des Mondwechsels. Zierliche Schilderung der auf einander folgenden Jahreszeiten. V . 75o. Von Sonne- und Mondfinsternifs. V . 77ß. Nun kommt endlich der Dichter auf die erste Beschaffenheit der neuentstandenen W e l t ; w a s die noch weiche E r d e hervorbringen, und dpn unbeständigen Winden anvertrauen konnte. Zuerst bekleidete sie die B e r g e und H ü g e l mit grünem Schmuck der K r ä u t e r ; die F e l d e r glänzten von lichteren Farben. Nachher stiegen die mannichfaltigen Bäume mit freiem Z ü g e l in die L u f t . W i e F e d e r n , Haare und Borsten sich an den Gliedern vierfüfsiger Thiere und V ö g e l e r z e u g e n , so brachte die noch junge E r d e Kräut e r , Stauden und B ü s c h e hervor. Dann erschuf sie die Geschlechter lebendiger T h i e r e ; v i e l e , von mancherlei Art und Gestalt. U n d so gebührt der E r d e mit R e c h t der M u t t e r n a m e , w e i l alles aus ihr entstanden ist. A u c h jetzt noch entstehen mancherlei T h i e r e , erzeugt von feuchtem R e g e n und dem erwärmenden Stral der Sonne. Was Wunder denn, dafs damals mehrere und gröfsere entstanden s i n d , da die E r d e noch jung w a r , und kräftiger der Aether. V. Qoo. Z u e r s t verliefsen die fliegenden Geschlechter und V ö g e l zur Frühlingszeit ihre E i e r ; w i e ungefähr jetzt noch die Cicaden die • rundlichen B ä l g e a b l e g e n , und dann von selbst Nahrung und Speise suchen. Dann brachte die E r d e die übrigen Thiere hervor, da noch viel W ä r m e und F e u c h t i g k e i t auf den Feldern übrig war. Hieraus entw u c h s e n , w o irgend die Orte günstig w a r e n , Bärmütter, an Wurzeln b e f e s t i g t ; und da das reifende Alter der Kinder, das die Nässe fliehend nach L u f t strebte, diese durchbrochen hatte, öffnete die Natur daselbst die Poren der E r d e , und liefs einen S a f t h e r v o r f l i e f s e n , der M i l c h g l e i c h ; w i e noch jetzt die Frauen nach erfolgter Geburt sich mit M i l c h e r f ü l l e n , da alle Nahrung nach den Brüsten sich hindrängt.
DES
FÜNFTEN
EUCIIS.
37
D e m K i n d e gab die E r d e S p e i s e , d i e W ä r m e das K l e i d , sein S c h l a f b e t t der w e i c h e R a s e n . D i e n e u e W e l t k a n n t e w e d e r den h a r t e n F r o s t , n o c h die b r e n n e n d e S o n n e n h i t z e , n o c h die h e f t i g w ü t l i e n d e n Stürme. Alles n i m m t a u f g l e i c h e Art z u , u n d e r h ä l t n a c h u n d nach gröfsere K r ä f t e . M i t n o c h h ö h e r e m R e c h t e g e b ü h r t also der M u t t e r n a m e der E r d e , da sie alles zur r i c h t i g e n Z ( i t h e r v o r g e b r a c h t h a t . V. 0 2 4- A b e r w e i l d o c h e i n m a l das Vermögen zu gebären ein E n d e h a t , so r u h t e die E r d e a.us; w i e ein W e i b e r s c h ö p f t vom Alter. D i e Z e i t v e r ä n d e r t die G e s t a l t aller D i n g e ; ein Z u s t a n d n i m m t den a n d e r n auf. K e i n D i n g b l e i b t d a s s e l b e ; alles w e c h s e l t , alles v e r ä n d e r t die N a t u r , u n d b r i n g t N e u e s z u m V o r s c h e i n . So verm o r s c h t das e i n e , e r s c h l a f f t v o m A l t e r ; a n d e r e s w ä c h s t a u f , u n d geht aus seinem n i e d r i g e n Z u s t a n d h e r v o r . E b e n so v e r ä n d e r t a u c h die Z e i t die N a t u r der g a n z e n W e l t . E i n Z u s t a n d der E r d e f o l g t auf den a n d e r n ; w a s sie e h e m a l s k o n n t e , k a n n sie j e t z t n i c h t m e h r ; v e r m a g a n d e r e s , w a s sie e h e m a l s n i c h t v e r m o c h t h a t . V. 035- V o n den U n g e h e u e r n , die e h e m a l s die E r d e hervor z u b r i n g e n s u c h t e , die sich a b e r n i c h t f o r t p f l a n z e n k o n n t e n . Die Nat u r selbst v e r a b s c h e u t e i h r e V e r m e h r u n g . V. 053- Viele G e s c h l e c h t e r der T h i e r e sind bereits u n t e r g e g a n gen. L i s t , S t ä r k e oder S c h n e l l i g k e i t , h a t die ü b r i g e n e r h a l t e n . M a n c h e h a b e n sich a u c h d u r c h i h r e N ü t z l i c h k e i t uns e m p f o h l e n ; als die w a c h s a m e n t r e u e n H u n d e , die L a s t t l i i e r e , die w o l l e t r a g e n den H e e l d e n , u n d das g e h ö r n t e V i e h . V. Q76. C e n t a u r e n u n d Scyllen gab es n i e ; k a n n es a u c h n i c h t g e b e n , so w e n i g als C h i m ä r e n u n d G e s c h ö p f e d o p p e l t e r N a t u r , a u s f r e m d a r t i g e n G l i e d e r n z u s a m m e n g e s e t z t , n i c h t m i t gleichen K r ä f t e n begabt. V . 923. V o m M e n s c h e n . J e n e s M e n s c h e n g e s c h l e c h t auf den F e l dern w o h n e n d , w a r w e i t h ä r t e r e r N a t u r , erzeugt v o n harter E r d e . I n w e n d i g m i t gröfsern u n d f e s t e r n K n o c h e n a u s g e r ü s t e t , u n d m i t der F l e c h s e n m ä c h t i g e n B a n d e n . W e d e r H i t z e noch K ä l t e k o n n t e sie t r e f f e n ; n o c h die V e r ä n d e r u n g der S p e i s e , n o c h i r g e n d ein U n g e m a c h des K ö r p e r s . G l e i c h den T h i e r e n ein h e r u m s c h w e i f e n d e s L e h e n f ü h r e n d , l e b t e n sie viele L u s t r e n h i n d u r c h . K e i n e r w a r L e n k e r des k r u m m e n P f l u g e s , k e i n e r w u f s t e m i t E i s e n die F e l d e r zu bänd i g e n , n o c h das j u n g e R e i s der E r d e e i n z u g r a b e n , n o c h m i t der H i p p e d e m h o h e n B a u m die m o r s c h e n A e s t e zu b e n e h m e n . Was
38
Ü B E R S I C H T
S o n n e und R e g e n g a b , w a s die E r d e f r e i w i l l i g d a r b o t , das nahmen sie an als ein freundliches G e s c h e n k ; pflegten sich unter den eicheltragenden B ä u m e n , oder mit rothen F r ü c h t e n des E r d b e e r b a u m e s , die damals w e i t gröfser w u r d e n , oder mit andern F r ü c h t e n , welche die junge E r d e h ä u f i g hervorbrachte. D e n D u r s t löschten sie an F l ü s s e n , oder Q u e l l e n und Bächen, deren Geräusch sie h e r b e i l o c k t e , oder die auf freiem F e l d e sich ergossen, o
N o c h w u f s t e n sie nicht die D i n g e mit F e u e r zu b e h a n d e l n , kannten auch nicht den Gebrauch der H ä u t e noch Felle. S i e bewohnten die Haine, B e r g b ö l e n und W ä l d e r ; verbargen unter Gesträuch die schmutzigen Glieder, sich vor W i n d und R e g e n schützend. Von gemeinschaftlichem G u t e w a r nichts zu d e n k e n ; w e d e r Sitte kannten sie noch R e c h t . W a s jedem das G l ü c k zur B e u t e z u w a r f , das nahm er mit sich , nur f ü r sich und sein W o h l s e i n besorgt. In den W ä l d e r n verbanden sie sich zur L i e b e . D i e G e w a l t des M a n n e s , seine h e f t i g e B e g i e r d e , brachte sie z u s a m m e n , oder auch ein G e s c h e n k von Eicheln , B e e r e n oder Birnen. Stark durch die K r a f t ihrer F ä u s t e und die Schnelligkeit der t"üfse, verf olgten sie die W a l d t h i e r e , mit S t e i n w ü r f e n oder schweren K e u l e n ; hüllten sich N;ichts in B a u m b l ä t t e r ein oder Z w e i g e . V. 980. Am meisten lag ihnen am Herzen die F u r c h t vor den wilden Thieren ; w e n n ein b o r s t i g e s S c h w e i n a n k a m , oder ein mächtiger L ö w e . D a n n verliefsen sie die felsigen Häuser und überliefsen ihr mit Blattern bestreutes L a g e r dan grausamen Gästen. U n d doch verliefsen damals nicht viel mehrere M e n s c h e n , als j e t z t , das süfse L i c h t des L e b e n s . W u r d e einer oder der andere ein R a u b dieser T h i e r e , so verliefs er unter, gräfslichem Geheul das L e b e n ; aber es w u r d e n doch nicht viele T a u s e n d e unter den F a h nen h i n g e f ü h r t , das S c h l a c h t o p f e r E i n e s T a g e s ; auch schleuderten die ungestümen M e e r e s w o g e n nicht M ä n n e r un d ScfiiiFe an Felsen und Klippen. V e r g e b l i c h tobte das M e e r bei aufgeregten W o g e n ; und leicht legte es auch w i e d e r seine unnützen D r o h u n g e n . Keinen konnte die. schmeichelnde Hinterlist des lachenden M e e r e s ins Verderben l o c k e n ; denn noch w a r die verderbliche Schiffskunst nicht erfunden. D a m a l s starben viele aus H u n g e r , jetzt erstickt sie der Uberflufs. J e n e schenkten sich unvorsichtigerweise G i f t e i n ; jetzt reicht man e s , g e s c h i c k t e r , dem andern.
D E S V. 1009.
F Ü N F T E N
B U C H S .
E r s t als s i e s i c h H ü t t e n erbauet hatten , sich behleirlende
F e l l e und F e u e r a n g e s c h a f f t , in E h e n l e b t e n , erst dann f i n g das M e n s c h e n g e s c h l e c h t grenzende
59
errichteten
freundliche
Kinder daraus
ersahen,
an sanfter zu w e r d e n .
Nahan-
B ü n d n i s s e u n t e r e i n a n d e r , eich
z u b e s c h ä d i g e n , n o c h sich z u b e l e i d i g e n ,
W e i b e r und K i n d e r
nicht
einander
e m p f o h l e n s e y n zu lassen. V. 1027.
W i e die M e n s c h e n z u r S p r a c h e g e l a n g t sind.
Unsinn
wäre
es
zu
glauben,
ein
Sprache g e l e h r t , und diese w ä r e n so
Einziger
habe
die übrigen
gefällig g e w e s e n ,
sie v o n
die ihm
anzunehmen. D e r D i c h t e r m a c h t d i e s e V o r s t e l l u n g a u s m e h r e r n G r ü n d e n lächerlich.
Z u l e t z t , sagt e t , w a s ist d e n n so w u n d e r n s w ü r d i g e s
der M e n s c h , der Z u n g e und S t i m m e h a t , die v e r s c h i e d e n e n
dabei, dal's Dingenach
s e i n e r v e r s c h i e d e n e n E m p f i n d u n g mit einem L a u t b e z e i c h n e t e ? w i r doch auch bei T h i e r e n , d a f s sie v e r s c h i e d e n e T ö n e h e n , nachdem sie F u r c h t , S c h m e r z oder L u s t Hier kommen geistreiche Schilderungen letzt
auch
von
Vögeln,
wie
sie bei
Finden
v o n sich
ge-
treibt.
von
Hunden, Pferden, zu-
verschiedenen
Eindrücken
ver-
schiedene Stimmen äufsern. V.
1090.
W i e die M e n s c h e n d a z u g e k o m m e n sind F e u e r z u erhal-
ten , S p e i s e n z u k o c h e n u. s. w . V.
1107.
Nun
fingen Könige
an
Städte
zu e r b a u e n , B u r g e n
zurichten , sich selbst zum S c h u t z und zur F r e i s t a t t . und Aecker a u s ,
jedem
nach
Ansicht
K r ä f t e des K ö r p e r s o d e r des G e i s t e s .
ein-
S i e theilten V i e h
seiner s c h ö n e n G e s t a l t ,
seiner
A m meisten v e r m o c h t e
jedoch
k ö r p e i l i c h e S c h ö n h e i t und K r a f t . Zuletzt
erfand
man
Reichthum
und G e l d .
der S c h ö n h e i t u n d S t ä r k e den V o i z u g ; f o l g t auch der S c h ö n e r e und
D i e s e s benahm leicht
denn dem A n h a n g des R e i c h e n
Stärkere.
W u f s t e n die M e n s c h e n , r u f t der D i c h t e r nun a u s , wahrer Vernunft einzurichten, Reicbthum
so
würden
s e y , bei r u h i g e m G e m ü t h e m ä f s i g
b r a u c l i t , dem m a n g e l t es selten.
Aber
zu leben. Glück
und in R e i c h t h u m ein g e m ä c h l i c h e s L e b e n z u f ü h r e n . bereiten sich s e l b s t e i n e g e f ä h r l i c h e B a h n ; v o n der H o h e herab. ten.
Lafst
sie
Wer
die M e n s c h e n w o l l e n
und g r o f s s e y n , um auf d a u e r n d e G r u n d f e s t e n ihr
r u h i g zu l e b e n ;
ihr L e b e n
mit
sie f i n d e n , d a f s es g r o f s e r
zu
wenig mächtig stützen,
Umsonst!
Sie
ein B l i t z s t r a l s c h l e u d e r t sie
D a h e r es w e i t b e s s e r i s t , bei n i ä f s i g e m
Glück
l i e h e r zu g e h o r c h e n , als n a c h d e r H e r r s c h a f t zu trachmit
Schweifs
und
Blut
a u f dem schmalen W e g e der
4°
Ü B E R S I C H T
Ehrsucht sich b e k ä m p f e n ; der N e i d t r i f f t , w i e d e r B l i t z , meist n u r die hohen Orte. Aber sie sind n u r a u s f r e m d e m M u n d e k l u g ; h a n d e l n m e h r nach dem, w a s sie von andern h ö r e n , als nach e i g e n e r U e b e r l e g u n g . So ist es j e t z t , so w a r es e h e m a l s , u n d so w i r d es auch in Zu* kunft s e y n . V. 1135. D i e K ö n i g e w a r e n ermordet. D i e alte M a j e s t ä t der T h r o n e w a r u m g e w o r f e n ; es lagen die stolzen S c e p t e r im S t a u b . D e r p r ä c h tige H a u p t s c h m u c k des Fürsten l a g b l u t i g u n t e r den Füfsen des V o l k e s ; denn w a s man zu sehr g e f ü r c h t e t h a t , w i r d b e g i e r i g e r niedergetreten. Nun kam die Herrschaft z u r n i e d r i g s t e n H e f e des V o l k e s ; denn jeder w o l l t e sie haben. Ein grofser T h e i l v e r l a n g t e n a c h h e r einen M a g i s t r a t , Gesetz u n d Constitution. A u c h das M e n s c h e n g e s c h l e c h t , müde u n t e r H a f s , F e i n d schaft und G e w a l t z u l e b e n , u n t e r g a b sich f r e i w i l l i g e r n u n der Vorschrift u n d dem G e s e t z . G e w a l t und U n r e c h t f l i c h t sich sein e i g e n e s N e t z , u n d das G e w i s s e n straft z u l e t z t j e d e n . V . x i ö o . W e l c h e U r s a c h e die E r k e n n t n i f s der Götter auf der g a n z e n E r d e verbreitet h a t , mit A l t ä r e n die S t ä d t e a n g e f ü l l t , F e s t e g e o r d n e t , und dergleichen. W o h e r a u c h d i e s e r S c h a u d e r vor den Göttern d e n Sterblichen e i n g e p f l a n z t w o r d e n ; das w i r d nicht s c h w e r s e y n zu e r k l ä r e n . D i e M e n s c h e n sahen n ä m l i c h schon bei w a c h e n d e n A u g e n h e r r liche Bilder der G ö t t e r , noch mehr aber im S c h l a f e ; von w u n d e r b a r e r Gröfse und W u c h s des K ö r p e r s . S i e l e g t e n diesen Sinn und E m p f i n dung b e i ; d e n n sie s a h e n , w i e sie die Glieder b e w e g t e n , s t o l z e W o r t e , s p r a c h e n , ihrem A n s e h e n u n d ihren K r ä f t e n g e m ä f s . Sie l e g t e n i h n e n noch u n s t e r b l i c h e s L e b e n b e i , w e i l sie ihnen immer in derselben J u « gendkraft sich zeigten , die k e i n e r G e w a l t u n t e r w o r f e n zu s e y n schien. F ü r so g l ü c k l i c h e r hielten sie d i e s e l b e n , w e i l sie k e i n e F u r c h t de>s T o d e s k a n n t e n , u n d o h n e M ü h e w u n d e r b a r e Sachen verrichteten. Ueberdiefs sahen sie auch den Zustand des H i m m e l s , und w i e sich das J a h r in bestimmien Kreisen dreht. H i e v o n konnten sie die U r s a chen nicht e r g r ü n d e n , deshalb f l ü c h t e t e n sie zu den Göttern und d e r e n allmächtigem Wink. Tn den Himmel versetzten sie i h r e W o h n u n g e n , w e i l sie da S o n n e und M o n d sich u m w ä l z e n s a h e n , und T a g und N a c h t , und die ernsten L i c h t e r der N a c h t , die s c h w ä r m e n d e n F a c k e l n des H i m m e l s , die
DES
F Ü N F T E N
BUCHS.
fliegenden F e u e r , W o l k e n , T h a u , R e g e n , S c h n e e , W i n d , Blitze, H a g e l , die geräuschvollen Stürme und den schrecklichen D o n n e r . O unseliges Geschlecht der Menschen ! Dergleichen D i n g e den Göttern zuzuschreiben, und noch dazu aus grimmigem Zorne. Wie viel E l e n d bereiteten sie sich s e l b s t , w i e viel auch uns und den Nachkommen ! Frömmigkeit ist das n i c h t , mit verhülltem Haupte sich oftmals um den Stein zu d r e h e n , alle Altäre a n z u r e n n e n , sich auf die Erde nied e r z u w e r f e n , mit ausgebreiteten H ä n d e n v o r den Bildern der Götter zu l i e g e n , die Altäre mit B l u t e der T h i e r e z u bespritzen, Gelübde auf Gelübde zu h ä u f e n . Frömmigkeit ist e s , hinsehen zu können.
mit' beruhigtein
G e m ü t h e auf
die
D i n g e alle
W e n n man auch den Blick zu den hohen G e w ö l b e n de» Himmels h i n w e n d e t , zu den glänzenden G e s t i r n e n ; w e n n w i r die S o n n e , den M o n d betrachten, dann erhebt die von andern Uebeln bisher unterdrückte S o r g e ihr Haupt e m p o r , und f r a g t : ob nicht eine unermefslicbe M a c h t der Götter diese glänzenden Gestirne auf mannigfaltige Art bewege? D e n n der M a n g e l an Kenntnifs setzt uns in Z w e i f e l über die Entstehung der W e l t , ; über ihren U n t e r g a n g ? Wie lange noch die M a u e r n derselben die L a s t solcher B e w e g u n g e n tragen können ? Oder ob s i e , von der Gottheit mit ewigem Heile beglückt, durch die unendliche F o l g e der Zeit fortdauernd sich erhalten mögen ?
—
V . 1 2 1 7 . Nun leitet der Dichter die Furcht vor den Göttern auch aus der furchtbaren G e w a l t der G e w i t t e r h e r , und dem S c h r e c k e n , der die Menschen dabei befällt. D i e Darstellung des Befehlshabers einer F l o t t e , der mit seinen L e gionen auf dem Schiffe durch die G e w a l t der Stürme zu Grunde geht. E r fleht die Götter a n ; aber umsonst! Sein Schiff zerschellt an den K l i p p e n . H i e r schliefst der Dichter mit den Worten : so sehr scheint e s , dafs eine g e w i s s e verborgene G e w a l t die menschlichen D i n g e zu Grunde richtet, Bündel und Beil zu Boden tritt, und sie zum Spiele sich macht. V. 1 2 4 0 . Zuletzt wurden noch die Metalle, G o l d , S i l b e r , B l e i , E r z und Eisen entdeckt; wahrscheinlich durch grofse W a l d b r ä n d e , oder durch irgend einen andern Z u f a l l . N u n entdeckten sie auch den Nutzen derselben. E r z zog man dem Golde v o r , w e i l es härter w a r , und sich nicht so leicht umbog. N u n gilt d i e s e s , und bat die höchste Würde erreicht, T.ucrct. T.
f
Ü B E R S I C H T
42
So verändert die U m w ä l z u n g der Z e i t das S c h i c k s a l der D i n g e .
Was
eliemals galt, g i l t n u n nicht m e h r ; dann w i r d dieses e r h o b e n und g e l a n g t z u den h ö c h s t e n E h r e n .
T ä g l i c h w ä c h s t das V e r l a n g e n danach, und hat
man es g e f u n d e n , so b l ü h t es in P r e i f s und W u n d e r . V.
i2ßo.
Y . 1296.
V o m E i s e n und dessen
Gebrauch.
V o n den K r i e g s r ü s t u n g e n .
E r s t bestieg man nur b e w a f f n e t
das P f e r d , dann kam man a u f die z w e i s p ä n n i g e n W a g e n , V i e r g e s p a n n und die S i c h e l w a g p n .
Die
dann auf das
P ö n e r lehrten die g r ä f s l i c h e n
L u k a n i s c h e n O c h s e n , mit dem S c b l a n g e m ü s s e l
mit T h ü r m e n
auf
den R i i r k e n ( d i e E l e p h a n t e n ) , die W u n d e n des K r i e g e s e r t r a g e n ,
und
und
V e r w i r r u n g in die K r i e g e s h a u f e n zu b r i n g e n . S o eifand die blutige Z w i e t r a c h t ein v e r d e r b l i c h e s W e r k z e u g dem andern
nach
A u c h v e r s u c h t e man Stiere g e g e n den F e i n d z u s c h i c k e n
u n d wilde Eber. Die
P a r t h e r f ü h r t e n L ö w e n mit b e w a f f n e t e n
Anführern vor
S c h l a c h t r e i h e n her.
D o c h w a r diefs ein eitler V e r s u c h .
T h i e r e , noch
erhitzt
mehr
durch den
ihren
D i e grausamen
mörderischen K a m p f ,
brachten
V e r w i r r u n g a u f beiden S e i t e n ; s e t z t e n die R o s s e in S c h r e c k e n , die sich n i c h t m e h r b ä n d i g e n l i e f s e n ; w ü t h e t e n und zerrissen F r e u n d und F e i n d . D e r D i c h t e r schildert diesen A u f r u h r mit brennenden Farben. V.
1350.
V o n der K l e i d u n g .
dann f o l g t e die W e b k u n s t ,
A n f a n g s k n ü p f t e man F e l l e z u s a m m e n ,
nach E r f i n d u n g des F i s e n s ;
d e n n dieses
brauchte man , die v e r s c h i e d e n e n G e r ä t s c h a f t e n zu v e r f e r t i g e n . Die Männer bearbeiteten,
n o c h e h e r als die W e i b e r ,
die
Wolle;
ist g e s c h i c k t e r z u r A r b e i t .
Der
strenge
denn das m ä n n l i c h e G e s c h l e c h t
A c k e r s m a n n aber machte i h n e n einen S c h i m p f d a r a u s ; s o , dafs sie dieses den H ä n d e n der W e i b e r überlassen härteres W e r k V . i~)6o.
mufsten.
Sie sollten nämlich
ein
t r e i b e n , H ä n d e und G l i e d e r bei härterer Arbeit stärken.
'Vom
Landbau.
Ein
Vorbild,
Saamen z u s t r e u e n ,
und
B ä u m e z u i m p f e n , gab ihnen die N a t u r s e l b s t , die S c h ö p f e r i n der D i n g e . R e i f e B e e r e n und E i c h e l n , die m a n den B ä u m e n entfallen sah,
erzogen
um sich einen S c h w ä r m v o n S p i ö f s l i n g e n . Sie suchten
ihr A e c k e r c h e n
immer g e f ä l l i g e r a n z u b a u e n ,
weil
sie
sahen , dafs durch C u l t u r auch die F r u c h t sich verbesserte. S i e z w a n g e n die rauhen W ä l d e r immer m e h r auf die B e r g e z u r ü c k ; an deren F u f s e sie ihre P f l a n z u n g e n anlegten. So
w u i d e die G e g f n d immer a n m u t h i g e r und g e f ä l l i g e r , w i e du
sie
n o c h j e t z t s i e h s t , durch a b w e c h s e l n d e n R e i z g e s c h m ü c k t . V.
1578*
^em M u n d e die h e l l t ö n e n d e n Stimmen der V ö g e l nach-
DES
F Ü N F T E N
BUCHS.
43
z u a h m e n , w a r lange schon im Gebrauch , ehe inan noch die lieblichen L i e d e r mit Gegang zu begleiten verstand. Z e p h y r s Säuseln im hohlen R o h r lehrte zuerst den L a n d m a n n in den gehöhleten Halm zu blasen. Nach und nach lernten sie auch die süfsen Klagen der F l ö t e unter den Fingern des Künstle? s ; die in abgelegenen H a i n e n , Triften und W ä l dern erfunden w o r d e n , an den öden Octen der H i r t e n , bei himmlischer Mufse. So bringt die Z e i t eines nach dem andern h e r v o r ; Nachdenken erhöht e s , und stellt es in gehöriges L i c h t . Damit nun schmeichelten und ergötzten s i e d e n S i n n , w e n n sie satt von Speise waren ; denn dann ist die R u h e am gefälligsten. V . 1 ^ 9 1 . O f t ergötzten sie sich a u c h , hingestreckt auf weiche Rasen, im Schatten hoher B a u m e , neben dem rinnenden B a c h , und waren fröhlich mit geringem A u f w a n d . Sonderlich wann der F r ü h l i n g l a c h t e , und die grünen Fluren mit B l u m e n bestreute. D a n n regten sich Scherz, süfses G e s c h w ä t z und munteres G e l ä c h t e r ; dann blühte die ländliche M u s e . D a n n w u r d e Haupt und Schulter mit K r ä n z e n u m w u n d e n , mit Blättern und B l u m e n , w i e es der fröhliche Uebermuth eingab. A u f s e r T a k t die schweren Glieder zu b e w e g e n , mit tölpiscbem F u f s e die Muttererde zu s t a m p f e n , das erregte Gelächter und schäkernden L u s t s i n n ; w e i l damals alles noch u n g e w o h n t und neu war. D e n Schlaf suchten sie durch Veränderung der Stimmen zu ersetzen und durch Beugungen des G e s a n g e s ; auch mit gekrümmter L i p p e das R o h r zu durchlaufen. A u c h jetzt noch treiben w i r dergleichen, und haben gelernt T a k t und W e l s e zu halten ; demungeachtet haben w i r nicht im geringsten m e h r V e r g n ü g e n d a v o n , als jene lohen Söhne der E r d e hatten. V . 1 4 1 0 . D a s G e g e n w ä r t i g e , w e n n w i r vorher nichts Besseres ge« kannt haben, gefällt v o r z ü g l i c h , und scheint das beste zu seyn. K o m m t w a s Besseres, so verliert jenes, und der Geschmack ändert sich gänzlich. S o ist die Eichel uns z u w i d e r g e w o r d e n ; so sind jene L a g e r v o n L a u b und Z w e i g e n v e r l a s s e n ; der W e r t h der Felle und der Kleider von T h i e r häuten ist gefallen und w i r d verschmäht; und doch glaube ich, dafs der e r s t e , der diese K l e i d u n g erfunden und getragen hat, so vom Neid verfolgt w u r d e , dafs er seines L e b e n s nicht sicher w a r ; j a , dafs man ihn zerrissen h a t , und das mit B l u t befleckte K l e i d nicht einmal zum Nutzen angewendet. V. 1 4 2 a . Damals waren es H ä u t e , nun ist es Gold und Purpur, was den Menschen in Sorgen setzt und solchen K a m p f verursacht. Desto
44
Ü B E R S I C H T
mehr liegt die Schuld an u n s , w i e ich glaube. J e n e Erdenkinder plagte die K ä l t e , weil sie nackt und ohne Bekleidung w a r e n ; aber was schadet es u n s , w e n n w i r kein purpurnes mit G o l d und E d e l steinen gesticktes K l e i d h a b e n , da uns doch ein gemeines G e w a n d zum Schutz hinlänglich genug seyn k ö n n t e ! So quält sich immer der M e n s c h vergeblich und ohne G r u n d , und verzehrt sein L e b e n in eiteln S o r g e n ; w e i l er nämlich seinem Verlangen kein M a i s setzen k a n n , und nicht kennt die w a h r e G r e n z e des Vergnügens. D i e s e s hat nach und nach das L e b e n in ein weites M e e r des Uebels f o r t g e f ü h r t , und die W o g e n des innerlichen K r i e g e s erregt. V. 1 4 3 5 . S o n n e aber und M o n d , die W ä c h t e r des grofsen sich umwälzenden Tempels der W e l t , haben den M e n s c h e n den W e c h s e l der Jahreszeiten g e l e h r t , und dafs alles in bestimmter Ordnung auf einander folge. V . i439- Sicher brachten nun die M e n s c h e n ihr L e b e n zu, umschlossen von mächtigen T h ü r m e n . D a s L a n d w u r d e abgetheilt und bebaut. D a s M e e r blühte von Segeln. M a n schlofs Bündnisse zu Freundschaft und Beihülfe. D i c h t e r f i n g e n an die Thaten in L i e d e r n zu f e i e r n , bald nach E r f i n d u n g der B u c h s t a b e n . Deshalb können w i r auch nicht von dem, was in der V o r z e i t sich z u t r u g , genau unterrichtet s e y n , w a n n die Vernunft nicht noch einige Spuren auffindet. V. 1447. S c h i f f b a u , L a n d b a u , Architektur, R e c h t s w i s s e n s c h a f t , W a f f e n , S t r a f s e n b a u , K l e i d u n g , und w a s noch zur Bequemlichkeit des L e b e n s gehört; desgleichen auch die Annehmlichkeiten desselben, Verskunst, M a h l e r e i und B i l d h a u e r k u n s t , lehrte erst später G e b r a u c h , G e schicklichkeit und E r f a h r u n g , mit unverdrossenem F l e i f s langsam fortschreitend. So bringt nach und nach die Z e i t jedes D i n g zum Vorschein. Eines erhebt das andere zu hellerem L i c h t , bis es zuletzt den höchsten G i p f e l erreicht hat.
Vi
S E C H S T E S
B Ü C H .
L u k r e z w i r d nicht müde das L o b seines Meisters Epikurus zu singen. Athen, sagt e r , die herrliche Stadt, hat viel preiswürdiges für die Menschheit erfunden. Es hat den Fruchtbau g e l e h r t , hat weise Gesetze gestiftet, und dadurch gleichsam ein neues Leben geschaffen. Aber das herrlichste i s t , dafs es den M a n n erzeugt hat", der süfsen Trost dem Leben brachte; der von so hohem Geiste w a r , und sein Mund der M u n d der W a h r h e i t . Auch hat sich sein Ruhm schon längst über die Erde verbreitet, und steigt nun nach seinem Tode zum Himmel. Als dieser ersah, dafs den Menschen alles bereitet sey was sie zum Unterhalt bedurften, auch was zu ihrer Sicherheit nöthig; dafs sie R e i c h t h u m , E h r e , Ruhm besitzen, auch durch g u t e n Ruf ihrer Kinder noch höher erhoben w u r d e n ; demungeachtet aber ihnen ein geheimer W u r m immer am Herzen nage, der sie zu feindlichen Klagen z w i n g t : da merkte er, dafs der Schaden an dem Gefäfse selbst liege, welches, alles was man hineingiefst ungeschmackt und w i d r i g macht; theils, w e i l es w i e durchlöchert und durchstofsen, nie zu erfüllen i s t ; theils a u c h , w e i l es alles vergnügliche, w a s ihm von aufsen kommt, selbst mit häfslichem Geifer bespritzt. Nun suchte er mit Worten der W a h r h e i t die Brust zu l ä u t e r n ; setzte-Begierden und Furcht die gehörigen Schranken; l e h r t e , w a s das höchste Gut s e y , wonach w i r doch alle trachten, und was uns in gerader Strafse zu ihm führe. Dann lehrte er auch, dafs es mancherlei Übel in den menschlichen Dingen selbst gebe; theils aus natürlichen Gründen, theils durch Z u f a l l , und w i e man solchen zu begegnen habe. Zuletzt zeigte er noch, w i e das Menschengeschlecht die traurigen W o g e n der Sorge meist vergeblich in der Biust umwälze.. Diese Irrthümer, sagt e r , können nicht durch die leuchtenden Stralen der Sonne vertrieben w e i d e n , sondern durch Erkenntnifs und Teine Ansicht der Natur. V. 4*. Nun fängt der Dichter an sein begonnenes W e r k weiter fortzusetzen, und nachdem er gelehrt h a t , dafs Himmel und Erde sterb-
46
Ü B E R S I C H T
liclier N a t u r , und alles w a s darin ist vergänglich s e y , ermahnt er seinen Freund das übrige zu vernehmen. D e n n , ( a u f das vollbrachte Geschäft zurücksehend, und gleichsam sich selbst erkräftigend) setzt er hinzu: ich habe nun einmal den glänzenden W a g e n bestiegen, in H o f f n u n g des S i e g e s , und die W u t h der S t ü r m e , die mir entgegen w a r e n , hat sich gelegt. V . 49. W a s nun das übrige betrifft, das im Himmel und auf Erden sich z u t r ä g t , da die Menschen solches sich nicht zu erklären wissen, so erfüllt es sie mit Schrecken und zitternder Furcht. Sie schreiben es nämlich den Göttern z u , denen sie eine gewaltsame Herrschaft einräumen. D e n n obgleich sie wohlbelehret s i n d , dafs die Götter ein friedliches Lieben f ü h r e n , so reifst sie doch das Erstaunen über D i n g e h i n , deren Ursachen sie nicht einsehen k ö n n e n ; vorzüglich aber über diejenigen, die sich über ihrem Haupte und am Himmel ereignen, und sie fallen alsobald w i e d e r in den alten Aberglauben z u r ü c k ; stellen sich, elender W e i s e , die Götter als unerbittliche Tyrannen v o r ; indem sie nicht w i s s e n , w a s seyn k a n n , und w a s nicht seyn k a n n , und w i e jedes D i n g durch seine eigene Natur beschränkt ist. So führt sie nun ein tiefer Irrthum w e i t vom Wahren hinweg. W e n n du nun dergleichen nicht gänzlich aus deinem Gemüthe verbannest, und dir unwürdiges von den Göttern d e u k s t , so werden dir die entehrten heiligen Gestalten immer vor den Augen s c h w e b e n ; nicht als könnten diese erhabene Wesen selbst beleidiget werden und in Z o r n gerathen, sondern w e i l du s i e , die höchst friedlichen, feindschaftlich und zur R a c h e geneigt dir denkest. D u w i r s t nun nicht mehr dich mit beruhigtem Gemüthe ihren Tempeln nahen k ö n n e n , noch die heiligen B i l d e r derselben, die von ihrer erhabenen Gestalt in die Seelen der Menschen dringen, mit befriedigtem Sinne auffassen. W e l c h E l e n d w i r d daraus f ü r dein L e b e n e r f o l g e n ! Dieses w e i t von uns zu entfernen hat bereits die wahre L e h r e der Vernunft schon vieles durch mich ausgesprochen; vieles blieb dennoch z u r ü c k , um es dir unter dem Reitze der Dichtkunst annehmlicher zu m a c h e n , und dir G r u n d und Ursache der himmlischen Erscheinungen aufzudecken. N o c h mufs ich von den Ungewittern und den leuchtenden Blitzen dir reden , von ihrer Gewalt, und w o h e r sie kommen ; damit du nicht, in alte Irrthümer v e r f a l l e n d , den Unsterblichen zuschreibest, w a s aus natürlichen Gründen zu erweisen ist.
DES
SECHSTEN
BUCHS.
47
D u , sinnreiche M u s e , K a l l i o p e ! L u s t der Götter und Menschen! D u zeige m i r , der ich jetzt dem letzten Ziele meiner Bahn z u e i l e , du selbst den W e g , dafs ich den herrlichen Kranz mit Ruhm erreichen möge! So scheint sich der Dichter mit besonderer Kraft ausrüsten zu wollen , da er von so erhabenen Dingen zu sprechen gedenkt. V. 95. D e r Donner erschüttert die Räume des Himmels, entweder durch zusammenstofsen der hohen ätherischen Wolken mit den W i n d e n ; denn von der heitern Seite des Himmels kommt kein Schall h e r ; sondern je dichter die W o l k e n aufeinander gehäuft sind, desto heftiger entsteht das Geräusch. V. 100. Beschaffenheit der Wolken. V . 107. Verschiedenartiges Geräusch und Gang der Wolken. V . 120. Noch eine andere Ursache des schrecklichen Donners. Wann nämlich ein gewaltiger Sturmwind sich in die Wolken eingedrängt h a t , darinn sich im W i r b e l umdreht, sie aushöhlt und verdichtet, sodann mit Gewalt losbricht und das Schrecken erregende Geräusch hervorbringt. Kein Wunder, da oft eine kleine mit L u f t erfüllte Blase ähnlichen Schall erregt. V. 1 3 1 . Auch kann der Wind selbst Geräusch erregen, wann er durch die Wolken fährt; wie etwa wann der Sturm den dichten W a l d durchwühlt, und Z w e i g e und Aeste zerbricht. V . 1 4 1 . E s giebt auch Wogen in den Wolken, die sich brechen, w i e im Meere : die Brandung. o V . 144. Auch geschieht es, dafs der glühende Blitzstral von einer W o l k e in die andere fährt, daher das Geräusch, w i e wann du glühendes Eisen in Wasser tauchst. V. i49- Fährt das Feuer in eine trockne W o l k e , so entzündet sicli diese mit grofsem Geräusch; wie etwa wann der Sturmwind Feuer in die lorbeerhaarigen Bergwälder bringt; denn vor allen entzündet sich der Delphische Lorbeer mit gewaltig knisternder Flamme. V . 1 5 5 . O f t mag auch zerschellendes E i s und'der Schlag vom Hagel Geräusch in den hohen Wolken erwecken. Der W i n d stopft sie nämlich zusammen, treibt sie an enge Orte, und Berge von Hagel und E i s zerschellen. V. 159. E s blitzt, wann die W o l k e n durch Zusammenstofs viele Fetiersaamen auswerfen. Gleiches geschieht, wann du einen Kiesel an den andern reibst, oder ihn mit dem Stahl schlägst. Später kommt der Donnerschlag zu unserm O h r e , als der B l i t z , weil Dinge später
Ü B E R S I C H T zum Ohre als zum Gesichte kommen. D u kannst dieses auch bemerk e n , wann man einen Baum ^umschlägt. D u siehst den F a l l vorher, ehe der Schlag dir zum Ohre kommt. V. 1 7 r . Auch noch auf andere Art mag es k o m m e n , dafs die W o l ken die Erde mit schnellem L i c h t e t ü n c h e n , und das U n g e w i t t e r mit wallendem Feuer leuchtet. W a n n nämlich der W i n d in eine W o l k e eindringt, die Seiten verdichtet, und sich darin eine Höhle bereitet, dieselbe durch seine Schnelligkeit in Gluth setzt; denn durch schnelle B e w e g u n g w i r d alles erhitzt und geräth in G l u t ; auch eine bleierne K u g e l schmilzt durch weiten Fortschufs. H a t nun der glühende W i n d die schwarze W o l k e durchbrochen, so streut er die gleichsam mit Gew a l t ausgedrückten Saamen des Feuers umher, wodurch dann die zuckenden Flammenblitze entstehen. D a r a u f folgt der S c h a l l , der später kommt. Dieses aber entsteht nur bei dichten und hochübereinander gebauten W o l k e n . Y . iq6. L a i s dich hierin nicht i r r e n , dafs w i r hier unten mehr die Breite als die H ö h e der W o l k e n sehen. Betrachte nur einmal, wann die W i n d e den Bergen gleiche W o l k e n durch die L ü f t e t r a g e n , oder wann du sie an hohen Gebirgen hingelagert siehst, eine über der andern, w i e die obern die untern niederdrücken, obgleich alle Winde schweigen. Hieraus kannst du die ungeheure L a s t der W o l k e n erkennen. V. 203. Auch mag jener goldfarbige Stral reinen Feuers daraus entstehen, dafs die W o l k e n selbst viele Saamen des Feuers in sich fassen. W^ann sie nämlich ganz ohne Nässe s i n d , so sind sie meist von feuriger F a r b e und hellglänzend; denn sie mögen viele Theile des Sonnenlichtes in sich a u f f a s s e n , wodurch sie erröthen und Feuer ausgiefsen. Hat nun diese der treibende W i n d vereinigt und an einen Ort zusammengeprefst, so ergiefsen sich die Saamen des F e u e r s , und w i r sehen die Feuerflammen blitzen. V . 2x3. Auch wann die W o l k e n sich verdünnen, blitzen sie. E i n leichter W i n d f ü h r t sie auseinander, löfst sie a u f , von freien Stücken entfallen die Stoffe des F e u e r s , die den Blitz machen. E r leuchtet ohne Geräusch und Schall. V . 21Q. Was übrigens die Natur des Blitzes angeht, so zeigt diefs der Stral a n , mit dem er t r i f f t , die eingebrannten M a a l e , und der beschwerliche Schwefelduft, den sie aushauchen. Sie zünden die Dächer an , und setzen die Häuser selbst in Flammen. Sein Feuer mufs von den allerdurchdringendsten und regsten Stoffen s e y n , dem nichts w i derstehen kann. E s dringt durch Mauern , Stein, und E i s e n ; schmilzt
DES
SECHSTEN
BUCHES.
49
Erz und Gold im Augenblick. Aus unbeschädigten Fässern macht es den W e i n verschwinden; denn es erweitert die Seitentheile des Fass e s , dafs die Hitze hineindringen k a n n , und die Stolle des W e i n e s a u f l ö s e n d , verjagt es dieselben. So k a n n , was die Sonnenhitze in langer Zeit nicht v e r m a g , der mächtige Stral im Augenblick. V. 233. V o n der M a c h t und G e w a l t des Blitzes. Y. 255. Schilderung eines s c h w e r e n U n g e w i t t e r s . Der Dichter scheint diesen Gegenstand v o r z ü g l i c h und unter allen Erscheinungen am meisten mit poetischer E n e r g i e ausgearbeitet zu haben. Auch w i e d e r h o l t er hier nochmals die E r f a h r u n g , dafs bleierne Kugeln im Fortschufs ( w i e er hier s a g t ) glühend werden. V. 334- Hier k o m m t eine S t e l l e , die v i e l l e i c h t auf die N e w t o n i sche Anziehungskraft hindeuten könnte. D e r D i c h t e r sagt nämlich, indem er von der S c h n e l l i g k e i t des Blitzes s p r i c h t : diese entsteht auch daher, w e i l alle Körper von Natur abwärts n e i g e n ; k o m m t noch ein Stöfs h i n z u , so verdoppelt sich die S c h n e l l i g k e i t , und der Trieb wird stärker. E n d l i c h , w a s v o n w e i t e m h e r k o m m t , nimmt im Fortgang an S c h n e l l i g k e i t z u , und g e w i n n t immer neue und neue Kräfte, die den Schlag verstärken; es zieht nämlich die umher befindlichen Stoffe an s i c h , und treibt sie häufig nach E i n e r Stelle hin. Vielleicht befinden sich auch noch T h e i l e in der L u f t s e l b s t , die die S c h n e l l i g k e i t vermehren helfen. V. 347. W e i t e r e Erklärungen von der D u r c h d r i n g l i c h k e i t des Blitzes. V i 356. W a r u m im Frühjahr und Herbst die Gewitter stärker sind. V. 373. D e r Dichter schliefst nun diesen Gegenstand, und meint, diefs sey die rechte W e i s e über die Erscheinungen des Blitzes zu sprechen; nicht aus jenen alten Tyrrhenischen Gesängen den geheimen Sinn der Götter daraus deuten zu w o l l e n ; w o h e r der Blitz gek o m m e n , w o h i n er sich g e w e n d e t , auf w a s Art er durch die Mauern g e d r u n g e n , und von da sich w i e d e r siegend erhoben h a b e ; auf w e l ches U n g l ü c k sein Schlag d e u t e ? V. 336. D e r D i c h t e r k o n n t e sich bei dieser G e l e g e n h e i t nicht enth a l t e n , dem Blitzeschleudernden Jupiter und seinem Anhange einige spitzige Reden zu g e b e n , u n d scharfe V o r w ü r f e zu machen. Sind sie e s , sagt e r , die mit schreckenerregendem Geräusche die G e w ö l b e des Himmels erschüttern, u n d nach B e l i e b e n die Blitze umherschleudern ; warum treffen sie denn denjenigen n i c h t , der ungescheut jeden Frevel b e g e h t , und lassen i h n , andern Sterblichen zum Lucret. I. g
5o
Ü B E R S I C H T
E x e m p e l , aus d u r c h b o h r t e r B r u s t die Blitzesflainmen a u s h a u c h e n ? N u r d e r j e n i g e , der sich k e i n e r S c h u l d b e w u f s t i s t , w i r d in F l a m m e n verwickelt von dem h i m m l i s c h e n F e u e r w i r b e l h i n w e g g e r i s s e n . F e r n e r , w a r u m s c h i e f s e n sie i h r e P f e i l e , m i t v e r g e b l i c h e r M ü h e , auf öde O r t e ? T h u n sie e s , uin i h r e A r m e u n d S c h u l t e r n zu ü b e n ? W a r u m lassen sie die P f e i l e des V a t e r s auf der E r d e s t u m p f w e r d e n ? E r s e l b s t , w a r u m läfst er es z u , u n d v e r w a h r t sie n i c h t v i e l m e h r gegen die F e i n d e ? E n d l i c h , w a r u m s c h l e u d e r t J u p i t e r n i e seine B l i t z e v o m h e i t e r n H i m m e l , u n d giefst seine D o n n e r a u s ? O d e r s t e i g t er e t w a selbst in den b e w ö l k t e n H i m m e l h i n a b , um d e s t o sicherer den S c h u f s zu r i c h t e n ? W a r u m schiefst er ins M e e r ? W a s h a b e n i h m die W e l l e n get h a n , die wässernen F l ä c h e n , u n d die s c h w i m m e n d e n F e l d e r ? W i l l er j e d o c h , dafs w i r u n s v o r den S t r a l h ü t e n s o l l e n , w a r u m m a c h t er n i c h t , dafs w i r i h n s e h e n k ö n n e n ? W i l l er aber u n s u n v e r sehens m i t dem F e u e r e r s t i c k e n , w a r u m d o n n e r t er von jener Seite her, u n d reizt uns zur F l u c h t ; erregt zuvor D u n k e l , Geräusch und Getöse ? W i e k a n n s t d u b e g r e i f e n , dafs er seine P f e i l e z u g l e i c h an m e h r e r e Orte schickt? U n d doch wissen w i r , d a f s , w i e Hagel und Regen, a u c h die B l i t z e a n m e h r e r e n O r t e n z u g l e i c h n i e d e r f a l l e n . Ui\d nun z u l e t z t , w a r u m z e r s c h m e t t e r t er m i t seinem D o n n e r die heiligen T e m p e l der G ö t t e r ; j a , seine e i g e n e n h e r r l i c h e n S i t z e ? Stürzt die k ü n s t l i c h g e a r b e i t e t e n B i l d e r der G ö t t e r n i e d e r , u n d e n t stellt sein e i g e n e s d u r c h g e w a l t s a m e S c h l ä g e ? W a r u m z i e l t er meistens n u r n a c h h o h e n O r t e n , u n d w a r u m s e h e n w i r d i e m e i s t e n S p u ren davon auf d e n G i p f e l n der B e r g e ? V. 423. N u n g e h t der D i c h t e r auf d i e ü b r i g e n E r s c h e i n u n g e n u n d W u n d e r ü b e r , d i e sich h a u p t s ä c h l i c h a u f u n s e r e r E r d e z u t r a g e n , u m die U r s a c h e n d a v o n a u f z u s u c h e n . E r s t von der N a t u r des P r e s t e r s , o d e r der W a s s e r h o s e , w e l c h e , w i e der D i c h t e r m e i n t , sich aus dem v o r i g e n l e i c h t e r e r k l ä r e n lasse. V. 45°- Von E n t s t e h u n g der W o l k e n . V. 494- Vom R e g e n . V. 523. Vom R e g e n b o g e n . V. 526. D i e übrigen E r s c h e i n u n g e n der o b e r n L u f t , als S c h n e e , W i n d , H a g e l , R e i f , das starre E i s , lassen s i c h , w i e der D i c h t e r i n e i n t , g l e i c h f a l l s aus dem v o r i g e n l e i c h t e r k l ä r e n .
DES
SECHSTEN
BUCHS.
V. 533. D i e Erdbeben u n d i h r e Ursachen l e g t er m i t grofsem A u f w ä n d e dichterischer und p h y s i k a l i s c h e r Beschreibung dar. W i r können ihm h i e r i n n i c h t folgen , und müssen , w i e bei m e h r e rem , auf den T e x t v e r w e i s e n . A u s den Erdbeben p r o p h e z e i h t er den U n t e r g a n g der Erde. V. 607. W a r u m das M e e r n i c h t an Gröfse z u n i m m t ? Y. 659. D e r A e t n a . H e r r l i c h e D a r s t e l l u n g e n , U r t h e i l e xind Gedanken. V. 712. N u n der N i l ; von dessen Ü b e r s c h w e m m u n g e n er die Gründe d a r l e g t , die noch h e u t zu T a g e gelten, V. 730- Von den G e g e n d e n , die man die A v e r n i s c h e n n e n n t , w e i l sie einen g i f t i g e n Aushauch haben , der die V ö g e l , die darüber fliegen sogleich tödtet. S i e w e i d e n poetisch b e s c h r i e b e n . V. 767. M e h r e r e g i f t i g e Aushauche von D i n g e n . M a n s a g t , auf des H e l i k o n s Gebirgen fände sich ein B a u m , der den M e n s c h e n , der an seine B l ü t h e r i e c h e t , a u g e n b l i c k l i c h tödtet. V. 040. Von B r u n n e n , die im Sommer k a l t und im W i n t e r warm sind. M e h r e r e E r s c h e i n u n g e n dieser Art. Ursachen davon. V. 906. Vom M a g n e t s t e i n . W e i t l ä u f t i g e Erklärung. E r hat seinen Namen von der L a n d s c h a f t , w o er g e f u n d e n w i r d . V. 942. Von den unsichtbaren W i r k u n g e n der N a t u r , die w i r an mehreren Gegenständen g e w a h r w e r d e n . V. ioöß. ,Der D i c h t e r v e r w e i l t l a n g e bei dem v o r i g e n Gegens t a n d e , und geht nach und nach über auf die Art und Beschaffenh e i t einiger Krankheiten. Beschaffenheit der L u f t und des Ortes haben darauf den meisten E i n f l u f s , und daher giebt es K r a n k h e i t e n , die nur g e w i s s e n Gegenden eigen sind. E l e p h a n t i a s i s , ist eine K r a n k h e i t , die sich nur in E g y p t e n an den U f e r n des Nils zeigt. Im Attischen Gebiete herrscht das P o d a g r a , und im Achajischen l e i d e n die Augen. So sind andere Gegenden andern T h e i l e n des Körpers schädlich. W a n n sich nun eine solche v e r d e r b l i c h e L u f t in B e w e g u n g setzt, und w i e N e b e l und G e w ö l k a l l m ä h l i c h f o r t s c h l e i c h t , so ändert und verdirbt sie den ganzen L u f t k r e i s , w o h i n sie kommt. Kommt sie nun zu u n s , so macht sie diesen sich ä h n l i c h und verdirbt ihn. D i e s e r fremde P e s t h a u c h f ä l l t nun zum T h e i l auf das Wasser, setzt sich an die S a a t e n , an N a h r u n g e n der M e n s c h e n und T h i e r e ; oder er b l e i b t auch i n der L u f t selbst h a n g e n , vermischt sich mit
Ü B E R S I C H T dieser und wird mit ihr von uns eingehaucht. So fällt er auch auf Heelden aller Art. Auch ist es dasselbe , ob w i r an jeneOrte kommen, wo dieser Gifthauch herrscht, oder ob ihn die jNatur von selbst uns zubringt. V. 11.36. Hier kommt nun der D i c h t e r auf die bekannte und berühmte Erzählung von der Atheniensischen P e s t ; w o r ü b e r ein Gelehrter von uns sogar ein B u c h geschrieben hat. Der Dichter hat den Stoff hiezu zum T h e i l wörtlich aus dem Thucydides genommen. Aber zwischen einer prosaischen und poetischen Erzählung bleibt immer noch ein Unterschied; und mit welcher Feierlichkeit und W ü r d e , mit welchepi Nachdruck des Verses und der W o r t e , hat sich der Dichter hier nicht ausgesprochen! Man mufs kein G e f ü h l f ü r Dichtkunst haben, wenn man nicht dieses Gemälde als hohes poetisches Produkt zu schätzen w e i f s . Auch hat der D i c h t e r eigene Bemerkungen h i n z u g e t h a n , die nicht ohne W e r t h und Bedeutung sind.
E
J.ncret.
Fi
T.
S
T
E
S
B U C H .
I n h a l t
Anruf an V e n n s , lebendigen
Wesen,
als Mutler
v.
i -45.
Hauptinhalt des Gedichtes, kunis Lol), v. 6 5 - S o , Si.
Beispiel
des
ersten
des
Buches.
römischen Geschlechts und Erzeugerin
Zueignung
v. ÖO-56.
seinem Freunde M e m m i i i s ,
Die Natur der
Götter,
abergläubischer
Anzeige der zu untersuchenden Materien,
scher Behandlung derselben, chen Leben, v. i 4 ' i - l 4 6 . l55.
wird
vernichtet,
Grundsatz: 267.
Volksreligion,
v. i 3 5 - i 4 3 .
Schwierigkeit dichteri-
Empfehlung der Philosophie zum glückli-
x.
Entgegengesetzte Behauptung:
211-212.
Beweise hievon,
Nichts von
v. 2 i 3 - 2 6 i .
lijdem,
Zweiter
„Es giebt K ö r p e r , die mit keinem Sinn empfunden w e r d e n , " v. 2 6 2 -
Beispiele aus der Erfahrung, v. 268-321.
328 - 4 o g .
Wirkung
v. 85 - 102.
L o b des Ennius, v. 1 1 8 -
v. 127-134.
Dritter
ist Materie, sondern es giebt auch einen leeren R a u m , " v.
Epi-
E r s t e r G r u n d s a t z : . „ A u s Nichts w i r d Nichts. " v.
Beweise hlevon, v. i 5 6 - 2 i o .
•was ist,
v. 5 7 - 6 2 .
V e r t e i d i g u n g gegen die Irreligiosität seines Gedichtes, v. 8 1 -
schrecklicher Wirkungen
Warnung vor den Vorstellungen der Dichter, v , 1 0 3 - 1 1 7 . 126.
aller
v. 4 6 - 4g.
Vierter
und Folge
Grundsatz:
„Alles
dieser beiden Prinzipe,
G r u n d s a t z : „ N i c h t alles
v. 3 2 2 - 3 2 7 .
übrige ist blos
der
Beweise hievon, Eigenschaft
Materie und des leeren
oder
Raums."
v. 4 l o - 4 5 g .
Nähere Betrachtung der Materie; der Körper des Urstoffs und der A g g r e -
gate daraus.
Erstere sind dicht,
weise , v. 4 8 8 - 6 2 1 ; zum
Grundstoff
Widerlegung anderer Philosophen.
aller
Dinge machte.
Gründe gegen seine Behauptung, annahmen,
v. 6 9 2 - 702.
des, v. 703 - 7 2 1 .
mit Zwischenräumen versehen , v. 46o - 487.
Uebergang
zur
v. g 5 5 - i o j 2 .
Philosophen die mehrere
Gründe zu seiner Widerlegung, v. 722-815.
folgenden
Beweise.
Betrachtung,
v. 6 2 2 - 6 3 1 . Elemente
L o b dieses Philosophen und seines Vaterlan-
rung der Homüomerie desselben, v. 8 1 6 - 8 3 2 .
Weltalls.
Des Heraklitus, der das Feuer
Schilderung dieses Philosophen,
v. ( p 2 - 691.
Empedokles.
Be-
Anaxagoras, Erklä-
Widerlegung, v. 8 3 3 - g o 4 .
v. go5 -
g34.
Pathetischer
Ueber die Unendlichkeit des
Erläuterung durch ein Beispiel, und Wegräumung eines Einwurfs,
I m W e l t a l l ist kein Mittelpunkt, v. i o 3 3 - i o 4 2 .
Antipoden, v. i o i 3 - i o i g . Sclilufs des Buches, v.
Es giebt auch keine
Widerlegung entgegengesetzter Behauptungen, v. i o 5 o - 1089.
1090-iog4.
V. 1
lp.
M u t t e r der Aeneaden, o W o n n e der Menschen und Götter, ttolde
V e n u s ! d i e , unter den gleitenden L i c h t e r n des Himmels,
D u das beschiffete M e e r und die Früchte gebärende Erde Froh mit Leben erfüllst; denn alle lebendigen W e s e n W e r d e n erzeuget durch d i c h , und schauen die Stralen der Sonne. W a n n d u , Göttin, erscheinst, entfliehen die W i n d e , die Wollten Weichen vor d i r ; dir treibt die buntgeschmückete Erde Liebliche Blumen empor;
dir lachen die Flächen des M e e r e s ,
Und es zerfliefset in Glanz vor dir der beruhigte Himmel. Denn sobald sich die Frühlingsgestalt des Tages enthüllt hat, Und entfesselt der zeugende Hauch des Favonius auflebt,' o Künden die Vögel der L u f t dich zuerst a n , Göttin, und deinen E i n t r i t t ; deine Gewalt durchschüttelt ihnen die Herzen. Rüstige Heerden springen alsdann durch fröhliche Matten, Setzen durch reifsende Ströme: so mächtig fesselt die Anmuth, Und dein zaubrischer R e i z die .Natur der Lebenden aller, Dafs mit Begier dir jegliches f o l g t , w o h i n du es anlockst. Und so erregst du im M e e r , auf Bergen, in reifsenden Flüssen, Unter der Vögel belaubetem H a u s , auf grünenden Auen,
4
ERSTES
BUCH.
v. 20 — 45.
Allen tief in der Brust die schmeichelnde L i e b e , w o d u r c h sie Sich fortpflanzen mit brünstiger L u s t in A r t und Geschlechtern. W e i l denn du nur allein die Natur der D i n g e regierest, Ohne dich nichts hervor an die Pforten des himmlischen L i c h t s tritt, Nichts den fröhlichen Trieb noch liebliches W e s e n g e w i n n e t : Wünsch' ich, ö Göttliche, dich zur G e h ü l f i n ; zu schreiben die Verse, D i e v o n der D i n g e Natur anjetzt ich zu bilden beginne Unserm Memmiussohn: i h m , den d u , G ö t t i n , vor allen Immer schmücken gewollt mit allen vortrefflichen Gäben. U m so mehr nun verleihe den W o r t e n ewigen L i e b r e i z : SchalF a u c h , dafs indessen das w i l d e G e w e r b e des Krieges M ö g ' überall entschlummern in allen L a n d e n und Meeren. Denn du kannst nur allein mit süfsem Frieden erfreuen Unser Menschengeschlecht; da die wilden Geschäfte des Krieges M a v o r s , der w a f f e n m ä c h t i g e , l e n k t ; der sich o f t in den Schoos dir H i n w i r f t , niedergebeugt v o n e w i g e r W u n d e der L i e b e : Und so schauend e m p o r , mit zurückgebogenem N a c k e n , Weidet mit L i e b ' er den gierigen B l i c k , anlechzend d i c h , Göttin ! Und der L i e g e n d e schöpft aus deinem M u n d e den Odem. Buht e r , H e r r l i c h e , nun auf deinem geheiligten Schoose, Neige dich über ihn h i n , und giefse die liebliche B e d e Nieder auf ihn, erflehend gefälligen Frieden den Römern. D e n n ich selber vermag diefs W e r k mit geruhigem Geist nicht, U n t e r des Vaterlandes G e f a h r und Stürmen zu f ö r d e r n ; N o c h kann auch der herrliche Sprofs des Memmischen Stammes Sich dem gemeinsamen W o h l bei solchen D i n g e n entziehen.
ERSTES
BUCH.
v. 46 _
71.
Aber, o Memmius, d u , verlei.li' ein müssiges Ohr mir; Lege die Sorgen zurück, und merk' auf die Lehre der Wahrheit: Wirf das Geschenk, das ich dir mit treuem Fleifse bereitet, Nicht verachtend h i n w e g , bevor du es gänzlich geprüft hast. Denn von der himmlischen Dinge N a t u r , vom Wesen der Götter, Will ich dir reden, und dir eröffnen die Kenntnifs der Stoffe; Draus die Natur schafft jegliches D i n g , es mehrt, und ernähret, Und worein es dieselbe Natur auflöset im Tode. Diese nennen wir auch in unserer Lehre den Grundstoff, Allerzeugende K ö r p e r , die Samen und Stoffe der Dinge, Auch ursprüngliche Körper, w e i l alles aus ihnen entstanden. Aber die Götter müssen durch sich, und ihrer Natur nach, In der seligsten Ruh' unsterbliches Leben geniefsen, Weit von unserem Thun und unseren Sorgen entfernet. Denn von jeglichem Schmerze befreit, und befreit von Gefahren, Selbst sich in Fülle genug, nicht dürftig unseres Beistand's, Rührt sie nicht unser Verdienst, noch reizet sie unser Vergehen. Schmälichen Anblicks lag auf Erden das Leben der Menschen, Unter der Religion gewaltsam niedergetreten; D i e vorstreckte das Haupt aus den himmlischen Regionen, M i t entsetzlichem Blick herab auf die Sterblichen drohend: D a trat auf ein grajischer M a n n , und wagte zuerst es, Aufzuheben dagegen das A u g ' , und entgegen zu streben: Nicht der Götter R u f , noch Blitze, noch drohende Donner Schreckten ihn ab; sie reizten vielmehr nur schärfer des Geistes Angestrengeten M u t h , die Riegel niederzubrechen,
ERSTES
6
BUCH.
v. 7 2 — 97.
Und der erste zu s e y n , die N a t u r aus dem K e r k e r zu lösen. Also
hat obgesiegt die lebendige K r a f t , u u d der G e i s t drang
Ueber die Grenzen hinaus der F l a m m e n w ä l l e des Aethers, Forschte mit G e i s t und Sinn das unermefsliche W e l t a l l . Von da kam er als Sieger zurück , und lehrte w a s seyn kann, U n d w a s n i c h t ; und w i e beschränkt durch die eigenen K r ä f t e , J e g l i c h e m D i n g ein Z i e l , ein endliches M a f s ihm gesteckt sey. U n d so l i e g e t die R e l i g i o n nun w i e d e r zur E r d e , U n t e r die F ü f s e getreten; der S i e g erhebt uns 2mm H i m m e l . D o c h ich fürchte h i e b e i , du mögest g l a u b e n , es könnten Solche L e h r e n v i e l l e i c h t auf v e r w e g e n e Sätze dich f ü h r e n , Hin auf des L a s t e r s B a h n .
M i t nichten; öfter vielmehr w a r
J e n e R e l i g i o n die M u t t e r gräulicher Thaten. So w i e in A u l i s e i n s t , am A l t a r der göttlichen J u n g f r a u , F ü h r e r der D a n a e r , s i e , die e r w ä h l t e n H ä u p t e r der H e l d e n , Iphianassens B l u t abscheulicher W e i s e verspritzten. Als nun das O p f e r h a n d , die zierlichen L o c k e n
umwindend,
I h r an der W a n g e n P a a r i n gleichen E n d e n herabflofs, U n d sie den "Vater e r s i e h t , der traurig an dem A l t a r steht, Ihm zur Seite die P r i e s t e r , die v o r ihr verbergen den M o r d s t a h l , U n d hinblickend auf sie mit thränendem A u g e die B ü r g e r , D a verstummt sie v o r F u r c h t , i h r sanken die K n i e e zur E r d e . A c h , da half der U n g l ü c k l i c h e n n i c h t , dafs einst sie mit süfsem V a t e r n a m e n zuerst den grausamen K ö n i g beschenkt h a t ! A u f g e h o b e n v o n Händen der M ä n n e r , die Z i t t e r n d e , w a r d sie H i n zum A l t a r e g e f ü h r t ; nicht d a f s , nach vollendeter W e i h e ,
E R S T E S B U C II.
v. 98 —
125.
7
F e s t l i c h sie k e h r t e z u r ü c k , b e i jauchzenden H y m e n s g e s ä n g e n : N e i n , blutschänderisch f i e l das k e u s c h e O p f e r , v o m V a t e r H i n g e s c h l a c h t e t , da selbst n u n eben sie r e i f t e dem B r a u t t a g : N u r dafs ein g ü n s t i g e r W i n d der G r i e c h e n F l o t t e b e f c r d r e ; Solche V e r b r e c h e n räth dem M e n s c h e n die R e l i g i o n
an!
A b e r auch d u , b e f a n g e n v o n S c h r e c k e n b i l d e r n der D i c h t e r , W i e du i m m e r es w a r s t , w i r s t suchen dich uns zu entziehen. D e n n ich k ö n n t e ja selbst dir T r ä u m ' erbilden in
Menge,
U m z u s t o f s e n damit die r i c h t i g e n G r ü n d e des L e b e n s , U n d dir j e g l i c h e s G l ü c k mit F u r c h t und S c h r e c k e n zu trüben. U n d auch mit R e c h t ; denn w o f e r n im T o d e die M e n s c h e n ein sichres E n d e der M ü h s a l s ä l i e n , so k ö n n t e n mit e i n i g e m G r u n d sie S i c h den R e l i g i o n e n und allem D r o h e n der D i c h t e r W i d e r s e t z e n : doch nun ist n i r g e n d den Schrecken des T o d e s A u s z u w e i c h e n ; es b l e i b t die F u r c h t v o r e w i g e n Strafen. U n d diefs r ü h r e t d a h e r , dafs der Seele N a t u r nicht erkannt w i r d . Ob mit dem K ö r p e r sie w a r d , ob e i n g e f l ö f s e l dem K ö r p e r , Ob sie mit diesem zugleich im T o d e w i e d e r
vergehe;
O b sie die N ä c h t e des Orkus b e s u c h t , die g e w a l t i g e n S ü m p f e , 1 O d e r durch g ö t t l i c h e M a c h t in andere T h i e r e verpflanzt w i l d ? W i e es mein E n n i u s s a n g ; e r , w e l c h e r zuerst von des T i n d u s L i e b l i c h e n H ö h e n den K r a n z v o n immergrünendem
Laube
N i e d e r g e b r a c h t ; ihm R u h m bei allem I t a l i s c h e n V o l k e . D e n n o c h g e d e n k e t auch e r , in seinen u n s t e r b l i c h e n
Versen,
Acherusischer R ä u m e , w o h i n nicht K ö r p e r noch Geist
dringt;
S o n d e r n nur S c h a t t e n g e b i l d e , v o n b l e i c h e m schaurigem Anselm.
Ö
ERSTES
BUCH,
Y, 124 —
D o r t h e r s e y , w i e er s a g t , des e w i g b l ü h ' n d e n
146.
Homerus
Schattengestalt ihm e r s c h i e n e n , die heifse T h r ä n e n
vergossen,
U n d ihm h a b e der D i n g e N a t u r in W o r t e n eröffnet.
D a r u m w o l l e n auch, w i r n i c h t allein der himmlischen
Dinge
W e i s e g e n a u e r f o r s c h e n ; den L a u f der S o n n e , des M o n d e s , U n d w e l c h ' innere K r a f t die irdischen D i n g e
regiere;
S o n d e r n v o r allem mit F l e i f s n a c h s p ü r e n , w o r a u s denn die Seele S t a m m ' , und des Geistes N a t u r : w a s
das s e y , das uns im W a c h e n
V o r k o m m t , uns noch im S c h l a f nachher und in K r a n k h e i t e r s c h r e c k e t ; D a f s w i r g l a u b e n , zu sehen , ja g e g e n w ä r t i g zu hören, J e n e , deren G e b e i n schon längst die E r d e bedeckt hat.
Z w a r ich w e i f s es z u w o h l , w i e s c h w e r es w e r d e , der G r i e c h e n D u n k l e E r f o r s c h u n g e n k l a r in L a t e i n i s c h e n V e r s e n z u m a c h e n ; S o n d e r l i c h da w i r h i e z u n o c h neuer W o r t e b e d ü r f e n , W e i l die Sprache z u a r m , u n d die Gegenstände noch neu sind. D e i n e V o r t r e f l i c h k e i t d o c h , das erhoffte V e r g n ü g e n der sülsen F r e u n d s c h a f t , t r e i b e t mich a n , n i c h t F l e i f s n o c h M ü h e z u scheuen, H e i t e r e N ä c h t e z u w a c h e n , und W o r t u n d V e r s e z u suchen, D e i n e m G e i s t e die D i n g e mit hellerer F a c k e l zu z e i g e n ; U n d z u enthüllen i h m g a n z den G r u n d v e r b o r g e n e r D i n g e .
D u r c h a u s müssen daher des Geistes S c h r e c k e n und D u n k e l , N i c h t d u r c h , d i e Stralen der S o n n e , des T a g e s leuchtende P f e i l e , . Sondern sich durch der N a t u r A n s c h a u n u n d E r k e n n t n i f s zerstreuen.
ERSTES
BUCH.
v. 147 —
172.
D i e s e gehet bei uns u r s p r ü n g l i c h v o n folgendem Satz a u s : D a f s aus N i c h t s nichts w i r d , selbst n i c h t durch W i l l e n der G ö t t e r . D e n n so enge b e s c h r ä n k e t die F u r c h t die Sterblichen
alle;
D a sie so v i e l der E r s c h e i n u n g e n s e h n , am H i m m e l ,
auf E r d e n ,
D e r e n . w i r k e n d e n G r u n d sie n i c h t z u erfassen vermögen, D a f s sie g l a u b e n , d u r c h g ö t t l i c h e M a c h t sey dieses entstanden. H a b e n w i r aber e r k a n n t , dafs aus N i c h t s n i c h t s k ö n n e hervorgehn, W e r d e n w i r r i c h t i g e r s e h n , w o n a c h w i r f o r s c h e n ; w o r a u s denn, U n d w i e , alles e n t s t e l l ' , a u c h ohne die H ü l f e der G ö t t e r . K ö n n t e n aber aus N i c h t s die D i n g e w e i d e n , so k ö n n t ' auch A l l e s aus allem entstehen; n i c h t s b r a u c h t e des zeugenden Samens. M e n s c h e n k ö n n t e das Mfier» die J E r d ^ d i e s c h u j i i i i g e n Fische Z e u g e n , und V ö g e l der L u f t ; dem H i m m e l eritstürzten die H e e r d e n : A l l e r T h i e r e G e s c h l e c h t , die w i l d e n s o w o h l als die zahmen, W ü r d e i v o n u n g e w i s s e r G e b u r t , bald W ü s t e n
bewohnen,
B a l d das bebauete L a n d : n i c h t immer dieselbigen
Früchte
T r ü g e der B a u m ; es k ö n n t ' ein jeglicher jegliclies bringen. D e n n w o f e r n e die D i n g e des eigenen zeugenden Grundstoffs N i c h t b e d ü r f e n , w i e rühmten sie sich d o c h sicherer A b k u n f t ? N u n , da jegliches D i n g aus eigenem Samen erzeugt
wird,
W i r d es nur a u s g e b o r e n , u n d t r i t t h e r v o r in den L i c h t r a u m , D a , w o der G r u n d s t o f f i h m , w o die ersten K ö r p e r v o r h a n d e n . U n d so k a n n es n i c h t s e y n , dafs alles aus allem entstehe, W e i l i n w o h n t dem b e s o n d e r n D i n g ein besondres V e r m ö g e n . F e r n e r , w a r u m schafft R o s e n der L e n z , die E r n d t e n der Sommer, U n d einladend der H e r b s t die süfsern F r ü c h t e des W e i n s t o c k s ? Lucret. I .
ß
10
ERSTES
BUCH.
v. i 7 3 —
W a r u m anders, als w e i l , w e n n zu richtiger Z e i t die bestimmten Stoffe zusammengeflossen , sich dann das Erschaffene k u n d t l i u t ; Unter der W i t t e r u n g G u n s t , u n d w a n n der belebete Boden Sicher den zarten Keim zum L i c h t e der Sonne h e r v o r b r i n g t ? Käme das alles aus N i c h t s , so w ü r d e n sie plötzlich entstehen, O h n e bestimmete Folg*, und nicht zur gehörigen Jahrszeit. D e n n es w ä r e n die Stoffe nicht d a , die an Zeugungsverbindung H i n d e r n k ö n n t e des Jahr's ungünstig sich zeigender Einflufs. Auch zum W a c h s t h u m w ä r e die Zeit nicht n ö t h i g den D i n g e n N a c h dem geschwängerten K e i m , w o f e r n aus Nichts sie erwüchsen. Plötzlich w ü r d e zum J ü n g l i n g das K i n d , es schöss' aus der E r d e , Plötzlich e n t s t a n d e n , der B a u m : dergleichen doch nimmer geschiehet, W i e es am Tage l i e g t ; denn alles erwachset allmählich, W i e sich's g e h ö r t , aus eigenem S a m e n ; erhält dann im F o r t w u c h s Art und Geschlecht; s o , dafs du hieraus gar deutlich erkennest, Alles erwachs* u n d nähre sich n u r aus eigenem Grundstoff. D a z u k o m m t , dafs o h n e des Jahrs bestimmete R e g e n Nicht die e r f r e u l i c h e B r u t h e r v o r k a n n treiben die E r d e ; Dafs , der N a h r u n g b e r a u b t , kein T h i e r sein L e b e n erhalten, Oder auch sein Geschlecht fortpflanzen k ö n n t e : s o , dafs w i r Müssen in mehreren D i n g e n vielmehr gemeinsamen Urstoff A n e r k e n n e n , w i e o f t den W o r t e n die L e t t e r n gemein sind, Als dafs wir könnten ein D i n g annehmen ohne den Grundstoff. F e r n e r , w i e konnte Natur nicht Menschen erschaffen von solcher G r ö f s e , dafs sie das M e e r mit den Füfsen k ö n n t e n durchwaten, Berge zerreifsen mit H ä n d e n , und ganze Säklen d u r c h l e b e n ?
ERSTES
BUCH.
v. 199 — 224.
D a r u m , w e i l den bestimmeten Stoff sie jeglichem D i n g e A n g e w i e s e n , woraus sich e r z e u g t , w a s aus ihm entsteh'n kann. Sicher bleiht es s o n a c h , aus N i c h t s w i r d nichts; denn die D i n g e Haben zu ihrer Entstehung des Zeugungssamen vonnöthen, Aufzuspriefsen durch ihn zum Anhauch milderer L ü f t e . Endlich dieweil w i r sehen -die angebaueten F e l d e r Fruchtbarer als die w ü s t e n , den K e i m durch F l e i f s sich verbessern, M u f s die E r d e ja doch ursprüngliche T h e i l e v e r b e r g e n ; « D i e w i r , indem mit dem Pfluge die fruchtbaren Schollen w i r wenden U n d a u f w ü h l e n den B o d e n der E r d * , erwecken zum A u f t r i e b . W ä r e n solche nicht d a , so w ü r d ' auch jegliche Pflanze Besser von selber g e d e i h n , als unter der Pflege des Menschen. Diesem kommt noch h i n z u , dafs N a t u r in die eigenen Stoffe Alles wieder zerlegt;
dafs nichts sie gänzlich vernichtet.
W ä r e vergänglich ein D i n g in jedem der T h e i l e , so w ü r d ' es, Schnell den Augen entrückt, sogleich auch völlig zu Grund g e h n ; K r a f t nicht w ä r e vonnöthen, die Theile desselben zu trennen, Oder die inn're Verbindung von ihm auflösen zu können. N u n da ein unvergänglicher Stoff den D i n g e n zum Grund liegt, L ä s s e t , w o f e r n nicht äufserer Schlag dieselben zertrümmert, Öder innere K r a f t durchs L e e r e schleicht, und sie auflöst, Ihren Untergang die N a t u r nicht sichtbar uns werden. Sollt' auch ferner , die Z e i t , das w a s allmählich sie wegnimmt, Gänzlich v e r z e h r e n , sogar vernichten im eigenen Grundstoff; W o h e r brächte denn Venus die Arten lebendiger Wesen Immer w i e d e r ans L i c h t ?
die buntgestaltete E r d e ,
ERSTES
12
BUCH.
v. 2 2 5 — 250.
Woher nähme sie Stoff das Hervorgebrachte zu n ä h r e n ; Wachsthum ihm zu v e r l e i h ' n , zu bereiten jeclem sein F u t t e r ? Woher nähmen das M e e r und die lauteren Quellen den Vorratli, Und die nie versiegenden Flüsse ? Seine Gestirne?
W i e nährte der Aether
W a s nur besteht aus sterblicher Masse
Hätten schon lange die Z e i t und die vorigen T a g e verzehret. Waren die Stoffe j e d o c h , woraus das Gesammte bestehet, Und noch stets sich e r n e u t , schon da im vergangenen Z e i t r a u m ; Nun so sind sie g e w i f s begabt mit e w i g e r D a u e r , Und es können zu N i c h t s nicht wiederkehren die D i n g e . Endlich b e d ü r f t ' es ja nur zu jegliches D i n g e s Vernichtung Ein und derselbigen K r a f t , w o f e r n nicht dauernder Grundstoff, Mehr oder minder v e r k n ü p f t , in engeren Banden sich hielte: Schon die Berührung wäre des Tod's hinlängliche Ursach. Denn woferne die S t o f f e nicht e w i g fester N a t u r sind, Könnte die mind'ste G e w a l t in ihrer Verbindung sie lösen. Doch nun da die Verflechtung der uranfänglichen T h e i l e Selber verschieden i s t , und ewig die D a u e r des Grundstoffs, Bleiben die D i n g e so lang im eigenen W e s e n gesichert, Bis zu heftige K r a f t , nach M a f s des G e w e b e s , sie anfällt. Kein D i n g kehret daheT in Nichts zurück ; ja getrennet Kehren sie alle zurück in die ersten Körper des Urstoffs. Z w a r der Regen v e r g e h t , wann Vater Aether von oben Niedergegossen ihn hat zum Mutterschoofse der E r d e : A b e r die glänzende Saat steigt a u f , mit grünenden Z w e i g e n Schmückt sich der Baum, und wächst, und trägt die lastenden Früchte.
ERSTES
BUCH.
v. 2 5 1 — 276.
13
D a v o n nährt sich der Menschen Geschlecht, die Geschlechter der T h i e r e ; Fröhliche Städte blüh'n von Schaaven munterer Knaben, U n d es ertönt überall v o n jungen Vögeln der L a u b w a l d . D a h e r legt das ermattete V i e h auf blumigen Auen Nieder den schweren L e i b ; aus seinem strotzenden Euter Rinnet der glänzende milchige S a f t .
D a s üppige Saugkalb
Scherzet auf junger F l u r mit noch unsicherem Schenkel, V o n der lauteren M i l c h die zarten Sinne berauschet. Nichts geht unter demnach v o n allem dem w a s w i r erkennen; E i n e s stellt die N a t u r aus dem andern h e r , und sie läfst nur Immer Neues entstehn aus anderer D i n g e V e r w e s u n g . A u f denn, und da ich gelehrt, dafs aus Nichts nichts könne hervorgehn, N o c h auch w i e d e r in Nichts das Geborene könne zurückgehn : D a f s kein Z w e i f e l dich f a f s t an dieses Satzes Gewifsheit, W e i l du nicht siehst mit Augen die Uranfänge der D i n g e ; Höre von Körpern anjetzt, die ganz unläugbar in D i n g e n Anerkennen du m u f s t , obgleich nicht sichtbar dem Auge. E r s t , die erregte G e w a l t des W i n d e s peitschet das Meer a u f ; M ä c h t i g e Schiffe stürzt er dahin, und jaget die Wolken. Unterweilen durchläuft sein reissender W i r b e l die Felder, Strecket die hohen Bäume zu B o d e n , und braust um den B e r g w a l d , Setzt ihn krachend in S p l i t t e r ; so rast mit scharfem Geräusche Schäumend e m p ö r , und tobt mit drohendem Donner die Meerflutli. W i n d e demnach sind K ö r p e r , obgleich unsichtbar dem A u g e : D i e s e durchstreichen L ä n d e r und M e e r und W o l k e n des Himmels, Reissen im plötzlichen W i r b e l mit sich w a s ihnen entgegnet.
H
ERSTES
BUCH.
v. 277 — 302.
Nicht auf andere Art auch fluten s i e , alles verwüstend, Als wann der vollere Strom im eilenden Zuge dahin schiefst; Den von den Bergen herab die häufigen Güsse der Regen Angeschwellet; er reifst die Trümmer des Waldes und Bäum' und Büsche mit sich hinfort; die Joche der Brücken vermögen Nicht entgegen zu halten dem Stöfs der drängenden Wogen. Und so setzt er zuletzt, von trübenden Wassern geschwollen, Gegen den Steindamm an, und unter gewalt'gem Geräusche Stürzt er diesen in Schutt: dann wälzet die brausende W o g e Unter sich Felsen und Stein, nichts ^widerstehet dem Flutschwall. Eben so müssen sich auch forttreiben die Stöfse des Windes; Der wie ein mächtiger Strom, nach allen Seiten sich hinwirft, Vor sich die Dinge drängt, durch häufige Stöfse sie umstürzt, Bald im Kreise sie dreht, und sie mit sich reisset im Wirbel. Ganz unläugbar daher sind Wind' unsichtbare Körper; Da sie an Eigenschaften und K r a f t so ähnlich sich zeigen Strömen mächtiger F l u t , die jeder f ü r Körper erkennet. Ferner empfinden w i r auch der Dinge verschiedne Gerüche, Sehen indessen, nicht, dafs solche die Nase berühren: Auch die Hitze sehen wir nicht, noch können die Kälte Wir mit dem Aug' erfassen, so wenig als Stimmen und Töne. Alles dieses jedoch mufs körperlicher Natur seyn; Denn wie könnten sie sonst den Sinn anstofsen und rühren? Nur der Körper berührt, und lässet sich wieder berühren. Aufgehängte Gewänder am wellenbrechenden U f e r Feuchten sich an ; sie trocknen der Sonn' entgegen gespreitet:
ERSTES
BUCH.
v. 303 — 323.
15
Dennoch sehen w i r nicht, w i e solche die Nässe des Wasser* Einziehn, oder wie dieses am Stral der Sonne verdunstet. Also löst sich das Nafs in mindere flüchtige Theil* auf, D i e nicht fähig man ist mit der Schärfe des Auges zu fassen. Ring am Finger verdünnt das Tragen mehrerer Jahre; Wasser das niederstürzt von der Traufe holet den Stein aus; In der Furche zerreibt das Eisen sich endlich am Pfluge: Tritt nicht der Fufs der Menge zuletzt den steinernen P f a d aus? Siehet man nicht die Hände von ehernen Bildern der Götter, Nächst den Thoren der Stadt, vom Berühren der Wandrer geschmälert ? Augenscheinlich daher ist's, dafs sich dieselben vermindern: Aber wie dieses geschieht, und welche Theilchen von ihnen Jegliche Zeit ablöst, das hat die Natur uns verhehlet. Wiederum, was die Natur und Zeit den Dingen hinzusetzt, Ihren mächtigen Wuchs befördernd, erspüret das Auge Eben so wenig als das, was Alter und Krankheit hinwegnimmt. Was die Felsen des Meeres vom fressenden Salze verlieren, Wird in keinem Punkte der Zeit dem Auge bemerkbar: Und so führt die Natur durch verborgene Körper ihr W e r k aus. D o c h nicht alles ist dicht zusammen gedränget im Ganzen Durch der Körper N a t u r ; denn es ist in den Dingen ein Leeres. Das zu erkennen wird nützlich dir seyn in mancherlei Rücksicht; W i r d dich den schwankenden Zweifeln entziehn, der steten Verwirrung Ueber des Ganzen N a t u r , dem Mifstraiin unserer Worte. Unberührbar, ein lediger O r t , ist aber das Leere. Wäre nicht solch ein Raum , w i e könnten sich Dinge bewegen ?
i6
ERSTES
BUCH.
v. 329 —
354.
Immer wäre das Eigne der K ö r p e r , zu hemmen, zu hindern, Jedem im W e g e , zu jeglicher Z e i t ; nichts rückte von
dannen:
W e i l in der Dinge keinem der Gruiid zu weichen vorhanden. Aber nun sehen im M e e r , am H i m m e l , auf E r d e n , w i r manches, Sich auf mancherlei Art, nach mancherlei Richtung b e w e g e n ; W e l c h e D i n g e jedoch, wofern kein L e e r e s vorhanden, Nicht der steten Bewegungen nur beraubet sich fänden, Sondern auch ganz und gar selbst nicht zur Entstehung gelangten, W e i l von allen Seiten gecjrängt, still stünde die Masse, Ferner, obgleich die D i n g e für dicht w i r pflegen zu halten, Magst du hieraus doch ersehn, dafs dieselben lock'rer Natur sind. Seiget in Holen sich nicht des Wassers lauteres Nafs durch, Und umthränet den Fels mit dickgeschwollenen
Tropfen?
Theilet die Speise sich nicht in den ganzen Körper des Thiers aus ? Bäume wachsen, und schütten die F r u c h t zur schicklichen Jahrszeit, W e i l der nährende S a f t , durch W u r z e l n und Fasern gesauget, Sich in dem ganzen Stamm durch Aest' und Z w e i g e verbreitet. Wände durchdringet der Schall, und fliegt durch verschlossene Thuren, Und der erstarrende Frost durchschleichet das M a r k der Gebeine. Wäre der Raum nicht d a , w o d u r c h sich die Körperchen drängen, Warlich es würden sich nie dergleichen Erscheinungen zeigen. Endlich bemerken w i r noch in Körpern ähnlicher Gröfse Ganz verschiednes G e w i c h t .
W a r ' ebendieselbige Masse
Körper im Wollenknäul, als im B l e i , so müfste die Schwere Beiden die nehmliche seyn: denn eigenthümlich den Körpern ist es, niederzudrücken; dagegen es aber dem L e e r e n
ERSTES Ganz am Gewichte fehlt.
BUCH.
v. 355 — 5Qo.
J 7
W a s gleich ist also an Grüfse,
Minder schwer an Gewicht, scheint mehr von dein Leeren zu haben; Dahingegen was schwer, nothwendig Theile des Festen Mehr besitzet, und minder in sich des Leeren verschliefset. Klar ist also, dafs d a s , w a s mit dem Verstand wir erforschen, Sey mit den Dingen gemischt, und dieses benennen w i r Leeres. Dafs kein Irrthum dich hier abführe vom W e g e der Wahrheit, Mufs i c h , w a s einige falsch e i n w e n d e n , bestreiten im voraus. Nämlich sie sagen: es weiche das Wasser den drängenden Fischen, OefFne denselben die^ flüssige B a h n ; w e i l diese beim Fortgehn Hinter sich lassen den R a u m , wo zusammenfliefsen die Flut
kann.
Jede Bewegung finde nur statt auf ähnliche W e i s e , Jede Verändrung des Orts , ob erfüllt gleich alles durchaus sey. Diefs ist alles jedoch aus falschen Gründen genommen: Denn wo könnte der Fisch zuletzt hindringen, wofern ihm Raum nicht gäbe die F l u t ? und wohin nur sollte das W a s s e r W e i c h e n , wofern sich in ihm der Fisch nicht könnte b e w e g e n ? Schlechterdings ist daher zu leugnen der Körper Bewegung, Oder man mufs zulassen der Dinge Gemisch mit dem Leeren; Aus dem jedes sich nimmt den Anfang seiner Bewegung. W a n n zwei Körper, von ebener F l ä c h e , zusammen gestofsen, Plötzlich wieder sich trennen, so mufs das L e e r e , das dadurch Zwischen ihnen entsteht, mit L u f t sich wieder erfüllen. Strömte mit eilendem Hauche sogleich auch diese zusammen; Dennoch vermag sie es n i c h t , auf einmal sämmtliche Räume Auszufüllen; sie mufs den einen Ort nach dem andern, Liieret. I .
3
ERSTES
13
BUCH.
v.
— 406.
Immer den nächsten zuerst, in der Folge das Ganze besetzen. Glaubt man vielleicht, es-sprängen daher auseinander die Körper, Weil sich dazwischen die L u f t zuvor schon habe verdichtet, Irrt man; ein Leere« entsteht, da, wo es zuvor nicht gewesen, Wieder auch füllet sich an, was zuerst ein lediger Raum war. Auch nicht läfst sich die L u f t auf solcherlei Weise verdichten.. W a r ' es, so könnte doch nicht, sie, ohne die Hülfe des Leeren, In sich hinein sich ziehn, in Eins zusammen sich drängen. Und so mag man sich auch noch manche der Zweifel ergrübein;. Immer doch mufs man gestehn, es sey in den Dingen ein Leeres. Mehrere könnt' ich dir noch von diesen Beweisen hinzuthun, Ueberzeugende Kraft und Glauben den Worten zu schaffen: Aber Gemüthern schärferen Sinns sind diese geringen Spuren der Wahrheit genug, das weitere selber zu forschen. Gleich
den Hunden, sobald auf die sichern Spüren des Weges
Einmal geleitet sie sind, des Bergumschweifenden Wildes Lager sie leicht aufwittern, und Laub und Büsche durchstöbern; Also magst du auch selbst in diesen Dingen erforschen, Wie aus dem einen das andere kömmt; in versteckete Winkel Dringen, hervorzuziehn aus ihnen die Beute der Wahrheit. Säumst du jedoch und trittst du zurück vom Glauben der Sache, Kann ich, mein Memmius, dir mit geringer Mühe geloben, Einen so reichen Strom, aus den Quellen selber geschöpfet, Auszugiefsen, aus voller Brust, mit lieblicher Zunge, Dafs ich befürcht', es möcht' ein trägeres Alter sich eher M i r durch die Glieder schleichen, und lösen die Bande des Lebens,
E R ST E S
B U C H.
v. 407 — 432,
19
E h e zuvor mein Vers von jeglichem einzelnem Satze Alle die Schaar der B e w e i s e zum Ohr dir liefse gelangen ; L a f s demnach das begonnene W e r k uns weiter verfolgen. Also die ganze N a t u r , s i e , durch sich selber, bestehet Aus z w e i D i n g e n a l l e i n ; au? Körpern nämlich und L e e r e m : Jene liegen in diesem ; diefs macht die Bewegungen möglich. Schon der gemeine Sinn b e w e i s t , dafs Körper vorhanden: Könnt' auf diesen sich nicht der Glaube zuvörderst
begründen,
Auf w a s sollten w i r denn, in den D i n g e n w e l c h e w i r nicht sehn, Stützen uns k ö n n e n , B e w e i s von ihnen zu fällen und U r t h e i l ? W a r ' a u c h , ferner, nicht R a u m noch Ort, der Leeres benannt wird, W o r i n sollten sich denn die Körper befinden ? w i e könnten Ihren verschiedene^ Gang und W e g und Richtung sie nehmen ? Hievon hast du jedoch den B e w e i s schon oben gehöret. Wiederum giebt es auch nichts, das ganz von dem Körper verschieden, Auch von dem L e e r e n getrennt, und gleichsam dritter Natur sey. S e y was immer es w i l l , so ist es doch irgend ein E t w a s , D a s , grofs oder auch k l e i n , zum mindesten wirklich doch da ist. L ä s t sich's b e r ü h r e n , so leicht und gering es immer auch seyn mag, W i r d es gehören zur Z a h l der K ö r p e r , und mehren die Summe; Ist es doch unberührbar, und s o , dafs es nirgend den D u r c h g a n g Einem der K ö r p e r v e r w e h r t , so ist es der Raum und das L e e r e . U e b r i g e n s , w a s l u r f ü r sich Bestand h a t , wirket entweder, Oder es w i r d gebraucht, und von fremder W i r k u n g getrieben; Oder gestattet in sich der D i n g e Yeränd'rung und Daseyn. Leiden aber und T h u n ist ohne den K ö r p e r nicht möglich;
20
ERSTES
BUCH.
v. 433 — 458-
Raum zu gewähren vermag allein das ledige L e e r e ; Folglich läfst in der Zahl der selbst bestehenden Dinge, Aufser Körper und R a u m , kein drittes Wesen sich denken; Eines das mit dem Sinn jemahls wahrnehmen w i r könnten, Oder auch das der Verstand erreichen könnte durch Schlüsse. Alles w a s Namen h a t , das findst du vereinet in diesen B e i d e n , oder es i s t , wie du siehst, von ihnen Erfolg nur. Aber vereint ist das, w a s , ohne Zerstörung des Ganzen, Niemals trennen sich läfst, auf keinerlei W e i s e sich sondern; W i e von dem Stein die Schwere, vom Feuer die Wärme, vom Wasser Nässe, vom Körper Berührung, und Nichtberührung vom Leeren. Freiheit, Knechtschaft, jedoch, und Reichthum, oder auch Armuth,, Krieg und F r i e d e n , und was dem ähnlich ferner benannt
wird;
Das, ob es i s t , ob n i c h t , das Wesen der Dinge nicht a n g r e i f t ; Pflegen w i r , und mit R e c h t , Erfolg und Ereignifs zu nennen. So auch bestehet für sich die Zeit nicht.
Selber die Dinge
Geben uns erst den B e g r i f f , von dem was ehe geschehen, Was jetzt w i r k l i c h geschieht, und w a s in der Folge noch seyn wird. Keiner hat an und für sich die Zeit jemals noch empfunden, Ganz von der Dinge B e w e g u n g getrennt, in friedlicher Ruhe. Endlich, wenn irgend man sagt, vom Raube der Tochter des Tyndars, Von dem Trojanischen K r i e g , als D i n g e n , die seyen, so lafs dich Nicht bereden, dies Seyn für w i r k l i c h bestehend zu halten. Denn du Geschlechter der Menschen, bei denen sich solches ereignet, Hat die vergangene Zeit unwiederruflich entführet. Einiges kann man hievon Ereignisse nennen des Landes,
ERSTES
BUCH.
v.
459 — 434.
21
Andres Ereignifs des H e e r s , w a s irgend dergleichen sich zutrug. W a r die Materie n i c h t , der D i n g e dauernder Grundstoff, W a r nicht Ort noch R a u m , worinnen sich alles ereignet; Hätte w o h l je die schöne Gestalt der Tochter der L e d a In des Phrygischen Fremdlinges Herz den Funken geworfen, Welcher in Brand ausschlug, und blutigen Schlachten den Ruhm gab? Auch nie hätten bei schweigender Nacht die Söhne der Grajen, Aus dem Bauche geschüttet des balkengerippeten Rosses, Priamus B u r g in Flammen gesetzt.
So , dafs du aus diesem
Deutlich erkennest, es seyen geschehene D i n g e durchaus nicht, So w i e die K ö r p e r , von eignem Bestand und eigenem Wesen, N o c h auch unter den Namen des leeren Raumes zu fassen; Sondern vielmehr von der A r t , sie Ereignisse nennen zu müssen, B e i d e s , der K ö r p e r , des R a u m s , in welchem sich jegliches zutrug. Ferner noch sind die Körper zum Theil Elemente des Urstoffs, Theils Zusammenverein von diesen Urelementen. K e i n e Gewalt kann je den uranfänglichen Theilen E t w a s entreissen; sie siegen zuletzt durch Dichte des Körpers. Freilich scheinet es schwer , sich zu überzeugen, dafs etwas Durchaus dichter Natur in den Körpern finden sich lasse. D r i n g t ja der himmlische Blitz durch Mauern und Wände der Häuser, W i e das Geschrei und der S c h a l l ;
das Eisen glühet im F e u e r ; •
Springen doch Felsen selbst durch glühenden Dunst auseinander; Starrendes Gold w i r d zum Fliefsen erweicht in flammender H i t z e ; Selber des Erzes E i s zerschmilzt durch die Flamme bewältigt. Glut durchströmet das S i l b e r , so w i e auch die stechende Kälte:
22
ERSTES BUCH.
v. 435 — 510.
Fühlen wir's doch, wenn, nach Zechergebrauch, die Hand den Pokal fafst, Und man von oben ihn füllt mit labendem Thau des Getränkes. So sehr scheint es, dafs nichts ganz durchaus dichter Natur sev. Aber dieweil die Vernunft, ja selber der Dinge Natur uns Zwinget; wohlan, so lafs in wenigen Versen dir zeigen, Dafs dergleichen es giebt, die ewig fester Natur sind; Welche wir Samen der Dinge, die Uranfänge benennen, Und aus welchem das All der jetzigen Dinge geschaffen.. Erstlich hab' ich gezeigt, dafs zwei verschied'ne Naturen Zwoer Dinge vorhanden; die Körper, der fassende OrtraumBeide müssen durchaus für sich bestehen und rein seyn. Denn wo sich öffnet der Raum, und das was wir Leeres benameu, Kann der Körper 'nicht seyn; und da wo sich Körper befinden, Läfst sich der leere Raum auf keinerlei Weise gedenken. Drum sind dicht und des Leeren beraubt die Körper des Urstoffs. Da in erzeugten Dingen sich nun das Leere befindet, Mufs nöthwendig öin Stoff, der dicht ist, solches umgeben. Niemand kann mit Vernunft von einem der Dinge behaupten, Dafs es Leeres enthalte, wenn nicht zugleich er das Dichte Zugiebt, welches in sich das Leere begreifet und einschliefst. Aufser dem festen Y e r e i n der Grundmaterie aber, Was könnt' irgend noch seyn, das Leere zusammen zu halten? Also kann die Materie nur, die dichter Natur ist, Ewiger Dauer seyn, wenn das übrige allei sich auflöst. Gab' es übrigens nicht ein ledigstehendes Leere, Alles wäre dann dicht; und wären nicht Körper vorhanden,
ERSTES
BUCH.
v. 5 1 1 — 536.
23
W e l c h e den R a u m a u s f ü l l e n , die freien Orte besetzen, Würde der sämmtliclie R a u m nichts seyn als ein lediges Leeres. Gegenseitig trennt sich demnach das L e e r e vom K ö r p e r ; Volles herrscht nicht a l l e i n , und eben so wenig das L e e r e : Volles scheiden demnach begränzte Körper vom Leeren. Diese können nun nicht durch Schläge von aüfsen zertrümmert W e r d e n , noch a u f g e l ö s t , durchdrungen-in inn'rer Verbindung, Oder durch M i t t e l anderer A r t erweicht und geschwächet; W a s ich eben zuvor dir oben erwiesen schon habe. D e n n , w i e es scheint, kann nichts zerstofsen, ohne das L e e r e , Oder zerbrochen w e r d e n , auch nicht zerleget in T h e i l e ; Feuchtigkeit nichts einsaugen, in nichts die Kälte sich schleichen, Noch eindringen das F e u e r , das alle D i n g e verzehret. J a so mehr nur ein D i n g deS L e e r e n enthält und verscliliefäet. Desto leichter auch wird's von jenen Kräften Zerstöret. Sind nun dichter Natur die utanfänglichen Körper, U n d des L e e r e n b e r a u b t , sö sind nothwendig sie ewig. W ä r e der Grundstoff nicht von ewiger D a u e r , so w ä r e Jegliches D i n g schop längst in Nichts versunken, und alles W ä r e , was irgend w i r sehen, aus Nichts von neuem geboren. D o c h da ich aber gezeigt, dafs aus Nichts nichts könne hervorgelm, Auch das Erschaffene nicht in Nichts sich körine verkehren j Müssen die Ursprungstheile von ewig fester Natur seyn, In die jegliches D i n g im endlichen' W e c h s e l sich auflöst; D a f s hinlänglicher Stoff zur Wiedererneuerung da sey. E i n f a c h dichter Natur sind also die K ö r p e r des Ui'stoffs {
24
ERSTES
BUCH.
Y. 537 —
562.
D e n n w i e t o n n t e n sie s o n s t , f o r t d a u e r n d d u r c h e w i g e Z e i t e n , Seit undenklicher F r i s t n o c h i m m e r die W e s e n e r n e u e n ? E n d l i c h h ä t t e N a t u r der Z e r m a l m u n g u n d T h e i l u n g der D i n g e Keine G r e n z e n g e s e t z t , so w ä r e l ä n g s t s c h o n der G r u n d s t o f f Solcherweise z e r n i c h t e t d u r c h alle v e r g a n g e n e Z e i t e n , D a f s n i c h t s k ö n n t e v o n i h m , v o n g e w i s s e r Z e i t der E m p f ä n g n i f s H i n an das hölieste Z i e l der L e b e n s b l ü t e
gelangen.
L e i c h t e r w i r d jegliches D i n g , w i e m a n s i e h t , g e t r e n n t u n d z e r s t ö r e t , Als v o n neuem e r b a u t ; d r u m k ö n n t e w a s v o r i g e r T a g e U n e r m e f s l i c h e Z e i t , die l a n g e n v e r g a n g e n e n J a h r e H a b e n i n T h e i l e z e r s t ü c k t , u n d a u f g e l ö s t , u n d zerstreuet, N i m m e r d u r c h alle F o l g e der Z e i t sich w i e d e r ergänzen. Aber n u n ist ein sicheres Z i e l der Z e r s t ö r u n g g e s e t z e t ; U n d w i r sehen d a h e r , dafs jegliches w i e d e r sich h e r s t e l l t ; Jeglichem D i n g e n a c h A r t , f e s t s t e h t das b e s t i m m e t e Z e i t m a a s , Um in g e h ö r i g e r F r i s t zur B l ü t e des A l t e r s zu k o m m e n . Ueber d i e s e s , so f e s t a u c h i m m e r die K ö r p e r des U r s t o f f s , Kann aus a l l e n sich d o c h das W e i c h e w i e d e r u m b i l d e n , L u f t u n d W a s s e r u n d E r d ' u n d die f e u r i g e n D ü n s t e ;
nach Art wie
Solches g e s c h i e h t , u n d w e l c h e r l e i K r a f t sie z u s a m m e n v e r b i n d e t : D e n n es ist n u n e i n m a l g e m i s c h t in die D i n g e das L e e r e . W ä r e n hingegen w e i c h die u r a n f ä n g l i c h e n S t o f f e ; W i e dam. das E i s e n e n t s t ü n d ' , u n d w o h e r die K r ä f t e des Kiesels, L i e f s e sich schwer ausforschen ; d e n n d u r c h a u s f e h l t e n o c h imm'mer A l l e r D i n g e N a t u r die letzte f e s t e r e S t ü t z e . K r ä f t i g sind sie d a h e r , w e i l d i c h t ihr W e s e n u n d e i n f a c h ;
ERSTES
BUCH,
v, 5 6 3 — 58C-
25
Und je gedrängter sie nur sich verbinden , halten sie fester Alle D i n g e zusamm, und erweisen die mächtige Grundkraft. Sollt' auch, f e r n e r , kein Z i e l der Körper Zerstörung gesetzt seyn, Müssen einige doch aus jenen unendlichen Z e i t e n , Uebrig geblieben bis j e t z t , in der W e l t vorhanden sich finden, Welche dar allgemeinen G e f a h r entrissen sich hätten. Aber wenn alle so schwach und gebrechlich in ihrer Natur sind, L e u c h t e t nicht e i n , w i e sie immer, geplagt v o n unzähligen Stöfsen, Konnten die e w i g e Z e i t ausdauern, und noch sich erhalten. E n d l i c h indem die N a t u r die Grenzen des Lebens und Wachsthums Jedem nach A r t b e s t i m m t , und unverbrüchlich ihr B u n d steht, W a s ein jegliches k a n n , was_ nicht erreichen es k ö n n e : Nichts sich v e r ä n d e r t , ja alles durchaus sein' Wesen so fest hält, D a f s die V ö g e l sogar in den eigenen Gattungen immer Ebendieselben Farben auf ihrem Gefieder uns zeigen : So erhellet daraus, dafs ein unzuverändernder Grundstoff Untergeleget s e y : denn könnten nur einmal der D i n g e Uranfänge w a n k e n , auch diese besieget noch werden, D a n n w a r ' es u n g e w i f s , was werden k ö n n t e , was nicht kann W e r d e n ; auf welcherlei Art die eigenen K r ä f t e beschränkt sind Jegliches D i n g e s , das Z i e l , das jedem am Ende gesteckt ist. Auch nicht immer würden der Thiere Geschlechter und Arten, L e b e n s w e i s ' und Instinkt und Natur der E l t e r n ererben. D a n u n , f e r n e r , ein äufserster P u n k t in jeglichem K ö r p e r D a i s t , den mit dem Auge w i r keinesweges e r f a s s e n ; M u f s untheilbar er s e y n , das kleineste seiner N a t u r nach. Liieret. I.
4
2G
ERSTES
BUCH.
v. 509 — 614.
Niemals hat er besonders f ü r sich als Körper bestanden, Kann auch nie so bestehn, er ist ja selber des andern Eister und letzter T h e i l : es reihen dann ähnliche Theilclien Eins an das andre sich a n , und füllen zusammen in Einen Dichten Haufen gedrängt, des Körpers ganze Natur aus. Da nun diese f ü r sich nicht können bestehen, so müssen Fest sie zusammenhangen, dafs nichts von einander sie losreist. Einfach dichter Natur sind also die ersten der Körper ; Hängen dichte gedrängt in den kleinesten Theilen zusammen; Nicht durch Zusammenkunft fremdartiger Theile verbunden, Sondern vielmehr durch die K r a f t des ewig einfachen W e s e n s : Nichts läfst je die Natur abstreifen von i h n e n , noch mindern, Sondern b e w a h r t sie vielmehr zu ewigen Samen der D i n g e . Nähme man übrigens nicht ein kleinestes a n , so bestände Jeglicher K ö r p e r , so klein er auch i s t , aus unendlichen Theilen. Immer liefse die H ä l f t e sich wiederum theilen zur H ä l f t e , Ins Unendliche f o r t ; nichts setzete Schranken den Dingen. Wäre dann U n t e r s c h i e d , vom kleinesten D i n g e zum g r ö f s t e n ? Keiner f ü r w a h r ; denn obsclion die Summe der sämnitlichen D i n g e Selber unendlich i s t , so w ü r d e das kleineste D i n g doch, Gleich dem Gesammten selbst aus unendlichen Theilen bestehen. Aber dagegen sträubt sich V e r n u n f t , und verweigert den Glauben Z u z u s a g e n ; du mufst daher durch Gründe besieget, Eingestehn , dafs es g i e b t , die nicht mit Theilen begabt sind, U n d von der kleinsten N a t u r : und ist dem also, so mufst du Gleichermafsen gestehn, dafs sie dicht und e w i g zugleich sind.
ERSTES
BUCH.
v,
— 640.
27
Endlich w o f e r n die N a t u r , der Wesen S c h ö p f e r i n , alles Nicht durch ihre G e w a l t auflöst' in die kleinesten T h e i l e ; W ü r d e sie nichts daraus auch wiederum können ersetzen. Denn wofern es gebricht an Z u f l u f s mehrerer Theilchen, Fehlt die gehörige K r a f t , , durch welche der zeugende Stoff w i r k t , Fehlen Verbindungen mancherlei A r t , , der Trieb t(nd die Schwere, Und der Z u s a m m e n s t o ß , die B e w e g u n g , die alles hervor bringt. Deshalb scheinet es a u c h , dafs d i e , die das F e u e r als Grundstoff Aller D i n g e g e w ä h n t , aus diesem, dem einzigen F e u e r , Alles lassen ents.tehn, sich w e i t von dem W a h r e n entfernen. Unter ihnen v o r a n , als Held Und F ü h r e r des Haufens, Steht Heraklitus ; mehr berühmt ob der dunkelen Sprache Unter den-eiteln K ö p f e n , als unter den ernsteren Griechen, Welche nach Wahrheit forschen.
D e n n Thoren lieben am meisten,
U n d bewundern nur das, was unter verschrobenen Worten Sie zu entdecken meinen: f ü r w a h r gilt ihnen, was irgend Schön um die Ohren klingt, geschminket mit lieblichem Wortschall. Fragen möcht' i c h , woher der D i n g e Verschiedenheit käme, Wären sie all' allein w a h r h a f t i g aus Feuer erschaffen ? Sind die Theile derselben Natur w i e das Ganze des Feuers, M a g man verdichten , verdünnen, sie bleiben doch immer dieselben : Heifser w ü r d e die K r a f t bei zusammengedrängeten T l i e i l e n ; Jene gelinder s e y n , w o diese getrennt und zerstreut sind. D i e s ist alles w a s kann entstehen aus solcherlei U r s a c h ; D o c h bei weitem noch n i c h t , dafs solche Verschiedenheit könnte Unter den D i n g e n s e y n , aus dicliterm und dünnerem Feuer.
ERSTES
28
BUCH.
v. 641 —
666.
N ä h m e n s i e , f e r n e r , n o c h a n , dafs L e e r e s in D i n g e n g e m i s c h t sey, Könnten das F e u e r sie d o c h bald dicht bald dünner sich d e n k e n ; D o c h w e i l i h n e n z u v i e l h i e r i n , w i e sie s e h e n ,
entgegen,.
U n d sie des reinen L e e r e n N a t u r erkennen n i c h t w o l l e n , Scheu'n sie den s c h w i e r i g e n P f a d , und verlieren darüber den w a h r e n : Sehen auch w i e d e r n i c h t e i n , d a f s , f e h l t e das L e e r e den Körjmrn,. _ A l l e s zusammengeprefst z u E i n e m K l u m p e n sich s e t z t e ; D e r nichts könnte v o n sich w e g s c h l e u d e r n , w i e brennendes F e u e r L i c h t h i n s c h i e s s e t , und um sich, verströmt die f e u r i g e n D ü n s t e ; Wo
du es deutlich e r s i e h s t , diefs k ö n n e n i c h t dichter N a t u r seyn.
B i l d e n sie aber sich e i n , das F e u e r k ö n n e verlöschen, W a n n es zusammen sich d r ä n g t , und z u anderem K ö r p e r sich bilden, U n d behaupten sie n o c h , dafs durchaus solches g e s c h e h e ; N u n so sinket in N i c h t s die g ä n z l i c h e M a s s e des F e u e r s , U n d es entstehet aus N i c h t s ein n e u g e s c h a f f e n e s W e s e n . D e n n w a s einmal verändert aus seinem W e s e n
hinausgeht,
Stirbt in dem A u g e n b l i c k als d a s , w a s es eben z u v o r w a r . E t w a s mufs sich v o m F e u e r daher f e s t b l e i b e n d erhalten, D a f s n i c h t alles z u l e t z t in N i c h t s z e r f a l l e v o n G r u n d aus, W i e d e r aus N i c h t s e r z e u g t a u f g r ü n e die F ü l l e der D i n g e . Ist es n u n a u s g e m a c h t , dafs bestimmte K ö r p e r der A r t sind, D i e sich in ihrer N a t u r stets unverändert
erhalten;
A b e r durch T r e n n u n g , V e r b i n d u n g , durch W e c h s e l des Orts und der L a g e , A e n d e r n dei D i n g e N a t u r , u n d andre E r s c h e i n u n g e n machen ; D a n n ist's a l l z u g e w i f s , dafs solche n i c h t f e u r i g e r A r t sind. D e n n w a s l ä g e d a r a n , ob T h e i l c h e n sich t r e n n t e n ,
entfernten,
ERSTES
BUCH.
v. 667 — 692.
2.9
Andre sich wieder verbänden, und wechselten Ordnung und L a g e , W a n n sich des Feuers Natur doch immer in allen erhielte : Feuer könnte nur s e y n , w a s irgend aus ihnen entstünde. Aher die Sache verhält nach meiner Meinung sich also : Ordnung, Zusammenflufs , B e w e g u n g einiger Körper, Ihre verschied'ne F i g u r und L a g e , bewirken das F e u e r : Aendern diese, so ändert damit der Sache Natur sich. Jene Körper jedoch sind keinesweges dem Feuer A e h n l i c h , noch Dingen der A r t , die Theilclien könnten den Sinnen Senden , und unser Gefühl durch Anstofs könnten berühren. Aber zu sagen, es sey das Feuer alles in allem, Nichts sey wesentlich d a , von den Dingen a l l e n , als F e u e r ; W i e es doch jener t h u t ; das scheinet mir völliger Unsinn. Sinnen ruft er zu H ü l f , und streitet doch wider die S i n n e ; Schwächet den Glauben an d i e , von denen der Glaube doch a u s g e h t j Durch die selbst, w i e er sagt, was er Feuer nennet, erkannt wird. F e u e r , v e r m e i n t e r , erkennten a l l e i n , die Sinne mit Wahrheit, Alles übrige n i c h t , so klar es auch immer nur seyn mag; W e l c h e s mir eben so leer als albern und thöricht zu seyn scheint. W o r a n hielten w i r uns ? w a s könnt' uns ferner gewifs seyn, W ä r e n die Sinne es nicht ? w i e bezeichnen w i r Wahres vom Falschen ? Könnte man nicht v i e l m e h r , statt alles das andre zu leugnen Und das Feuer allein zum W e s e n der Dinge zu machen, Diesem seine Natur absprechen, das übrige lassen? Beides wäre jedoch zu sagen ähnliche Thorheit. Daher scheinen s o w o h l , d i e , welche das Feuer zum Grundstoff
5°
ERSTES
BUCH.
v. 693 — 7HJ.
Aller Dinge gemacht, aus Feuer erschaffen das Ganze; Als auch, welche die L u f t angehen zur zeugenden Ursacli; Oder aus sich das Wasser allein die sämmtlichen Dinge Bilden lassen; w i e d i e , die alles erschaffen aus Erde ; Glauben, es könn' umwandeln in alle Naturen sich diese; Alle scheinen mir w e i t vom AVahren entfernet zu irren. Gleich ist jenen der F a l l , die die Urelemente verdoppeln, Paaren Feuer und L u f t , verbinden W a s s e r und E r d e : Auch mit jenen, die alles aus vier Elementen hervorgehn L a s s e n ; aus Feuer und L u f t und E i d ' und W a s s e r , das Ganze. Diesen stehet voran Empedokles aus A g r i g e n t u m ; Welchen das Eiland trug an dreifach spitziger Küste, D a s , vom Ionischen Meer in weiten Bogen umflutet, Rings mit salzigem Schlamm anspritzt die bläuliche W o g e . Der, durch den schmalen Sund sich drängende, reifsende Meerstrom, Trennt es von Aeolus L a n d .
Hier ist der Schlund der Charybdis,
Hier der A e t n a ; der droht mit unterirrdischem Donner, Wieder zu sammeln die W u t h der Flammen , aufs neue die Rachen Aufzureissen , heraus zu spei'n den gewaltigen Glutstrom, Und an des Himmels Gewölbe die leuchtenden Blitze zu schiefsen. Ob aus mancherley Gründen dies L a n d den Völkern der Erde Als ein Wunder erscheint und w e r t l i , dafs sie solches besuchen, R e i c h an allerlei Gut, und ausgerüstet mit M ä n n e r n ; Hat es doch nichts, w i e es scheint, das herrlicher, h e i l i g e r , tlieurer, Wunderbarer auch s e y , in dem eigenen Schoose getragen, Als den einzigen Mann.
Ja selber die hohen Gesänge
ERSTES
BUCH.
v. 7*9 — 7Vi-
3i
Seiner göttlichen Brust, die Erforschungen, die er uns ltund that, Sprechen so laut es aus, dafs in seinem Gemütlie man ansteht, Oh auch wirklich der Mann erzeugt aus sterblichem Blut sey. Doch hat dieser, und andre, von denen zuvor wir gcsprochcn, Ihm in mehreren Stücken so ungleich, weit ihm geringer; Oh sie auch manches ersonnen, das wohl und von göttlichem Anhauch, W i e aus des Herzens heiligem Sitz, w e i t würdigern Ausspruch, Sicherer solchen ertheilt, als herab vom Delphischen Dreifufs, Und aus dem Lorber Apolls , die pythische Priesterin : dennoch Sind gescheitert auch sie an den ersten Gründen der Dinge, Haben durch grofsen Fall die eigene Gröfse bezeichnet. Erstlich, nehmen sie an B e w e g u n g , ohne das Leere, Lassen auch Körper z u , die weich und lockrer Natur sind; Sonne, Feuer und L u f t , und Erd' und Thier' und Gcwächsc; Ohne das Leere jedoch denselben unterzumischen. Dann auch weil ins Unendliche fort die Theilung sie treiben: Durchaus leugnen den Punkt, wo der Körpef Zerbrechlichkeit aufhört: Auch kein kleinstes erkennen; obsclion uns das Auge belehret, Dafs die äufserste Spitze des Dings das kleinste von ihm sey: Leicht zu schliefsen hieraus, was ganz unsichtbar dem Auge Sich an das äufserste setzt, das sey in den Dingen das kleinste. W e i t e r noch hatten sie auch die Uranfänge der Dinge Weicher N a t u r ; da uns doch die Ansicht lehret, das W e i c h e Müfs' erst werden erzeugt, und sey hinfälligen W e s e n s : Und so müfsten zurück die Dinge nun wieder in Nichts gehn, Müfste wieder aus Nichts aufsprossen die Fülle der Wesen:
ERSTES
52
BUCH.
v. 745 — 770.
Beides doch hast du g e s e h n , w i e es w e i t abweiche vom Wahren. Auch sind jene sich selbst feindselig unter einander, Sind sich auf mancherlei A l t verderblich; und würden daliero, Wenn sie zusammentreffen, sich selbst aufreiben ; vielleicht auch Würden sie eilend zerfliegen; so w i e bei gedrängtem Gewitter Blitze zerfliegen , und Regen und W i n d vom treibenden Sturme. E n d l i c h , wenn alles was i s t , nur aus vier D i n g e n entstünde. U n d in solche zurück auch alles sich wiederum loste : W i e sind diese denn doch Elemente der D i n g e zu n e n n e n ; Nicht die D i n g e vielmehr Elemente von ihnen? da beide Wechselnd sie sich erzeugen, Gestalt und Farbe verändern; J a die ganze N a t u r , seit allen undenklichen Zeiten. Solltest du glauben vielleicht es vermischten sich Feuer und Erde, Und die himmlische L u f t , und der T h a u der reinen Gewässer, S o , dafs nichts beim Verein in ihrer N a t u r sich verändre; Sage, w i e könnte sich doch ein Geschöpf aus ihnen erzeugen, Nicht ein beseeltes, auch nur ein unbeseeltes, ein B a u m n u r ? Jedes behauptete stets, obgleich in gemengeten H a u f e n , Seine N a t u r ;
es w ü r d e gemischt auch neben der E r d e
L u f t sich z e i g e n , auch unter der F l u t sich F e u e r befinden. Stoffe müssen jedoch bei E r z e u g u n g und Schaffung der D i n g e Bergen ihre N a t u r , und nicht sie bemerkbar uns machen; D a f s am Erschaffenen nichts hervorzustechen vermöge, W e l c h e s im Gegenspruch mit des D i n g e s eigner Natur sey. J a , vom Himmel fangen sie an und den Feuern des H i m m e l s : L a s s e n zuerst im luftigen Hauch das F e u e r sich wandeln,
ERSTES
BUCH.
v. 7 7 1 — 796.
Draus sich Regen erzeugen, aus Regen aber die E r d e : Lassen dann wieder zurück von der Erde sich jegliches w e n d e n ; Wasser zuerst, dann L u f t , zuletzt das Feuer entstehen. Also im ewigen W e c h s e l , vom Himmel zur E r d e , von dieser Wieder empor zu Gestirnen der W e l t .
Unmöglicher Weise
D ü r f t e jedoch diefs seyn der Gang ursprünglicher Körper. Immer ein Unveränderndes mufs in D i n g e n hervorstehn; D a f s nicht alles zuletzt in Nichts versinke von Grund aus. D e n n was einmal verändert aus seinen Grenzen heraustritt, Stirbt in dem Augenblick als das, was zuvor es gewesen. Aber da diese, w o v o n w i r eben gesprochen, sich oftmals Umgestalten, so müssen auch sie nothwendig aus andern Körpern wieder bestelin, die keine Veränderung leiden: D a f s nicht alles zuletzt in Nichts sich wieder verkehre. Füglicher könnte man so sich der Körper Eigenschaft denken ; D a f s , wenn einige nun das Ffeuer geschaffen, dieselben Könnten , bei einiger Theile Verminderung , anderer Zusatz, B e i veränderter F o l g e der Ordnung , B e w e g u n g und L a g e , L u f t ausbilden; und so sich andre verwandeln in andres. A b e r du sagest, es ist doch augenscheinlich, dafs alles Aus der E r d ' aufwächst in die L u f t , und so sich ernähret: U n d w o f e r n e das J a h r versaget gedeihliche Witt'rung, W a n n nicht schwanken die Büsche, beschwert vom träufelnden R e g Nicht ein ergiebig Geschenk von Wärme die Sonne bereitet; Wachsen die Saaten nicht a u f , nicht B ä u m e , noch lebende Wesen. W a h r ist's: kämen auch nicht dem Körper trockene Nahrung, Xucret. I.
5
5-i
ERSTES
BUCH.
Y. 797 — ßa2.
Flüssiger Trank zu H ü l f e , so würd' er schwinden, es w ü r d e Aus Gebeinen und Nerven gar bald das Leben sich lös£n. Und so nähren w i r uns durch gewisse D i n g e ; so werden Andere wieder genährt durch Gebrauch von anderen Dingen. Aber woher ? als w e i l in den vielen verschiedenen Dingen Vielerlei Grundstoff l i e g t , der mehreren Dingen gemein i s t ; Und so mag das Verschiedene sich vom Verschiedenen nähren. Noch liegt mächtig d a r a n , mit welchem die nämlichen Stoffe In der Verbindung stehn; die L a g e , die wechselnde Wirkung.; Denn aus ähnlichem Stoff sind Erd' und Himmel gebildet, Und die Sonn' und das M e e r ; aus ähnlichem, Pflanzen und Tliien Nur der verschiedene Grad verschiedener Mischung bestimmt sie. J a , du kannst es sogar in unsern Versen bemerken, W o viel Lettern du siehst, die mehreren Worten gemein sind; Und doch mufst du gestehn, dafs W o r t e sowohl als die Verse Nicht sich gleichen im T o n , noch nach dem verschiedenen Inhalt. Solches vermögen allein durch veränderte Stellung die L e t t e r n ; W i e w e i t mehreres noch gewäliren die Stoffe der Dinge, Durch der Verbindungen Zahl verschiedene Wesen zu schaffen. Lafs die Homöomerie des Anaxagoras jetzt uns Annoch beleuchten! So nennt der Grieche sie; aber die Armuth Unserer Sprache versaget das W o r t , die Sache zu nennen; Fällt es auch gleich nicht schwer sich auszulegen mit Worten J e n e Homöomerie, als Grundursache der Dinge. Alles, so sagt e r , sey in den kleinesten Theilen sich ähnlich; Knochen nämlich entstünden aus kleinen winzigen Knöclilein,
ERSTES
BUCH.
r . » 2 3 — a4ß.
55
Und die innern Theil' aus den kleinsten inneren TheiJen; So auch das Blut aus vielen zusammengeronnenen Tröpflein Blutes; die L u f t aus Pünktchen der L u f t ; aus kleineren Schollen Könnte die Erd' erwachsen; aus Fünkchen Feuers das Feuer; Wasser aus Wassertröpfchen.
So läfst er die übrigen Dinge
Alle auf ähnliche A r t , in seinen Gedanken entstehen. Aber er leugnet durchaus d i e Natur des Leeren in D i n g e n ; Noch giebt Grenzen er z u , die der Körper Theilung gesetzt sind. Solchergestalt nun scheinet er mir in beidem mit jenen, D i e w i r oben benannt, auf ähnliche W e i s e zu irren. U e b e r d i e f s , denkt er sich auch die Grundelemente der Dinge Viel zu gebrechlich und s c h w a c h , wenn anders Stoffe sie heifsen; S i e , die den Dingen selbst durchaus an Beschaffenheit gleich s i n d ; L e i d e n , w i e diese, vergebn, dafs nichts vom Verderbeil sie abhält. Sprich, w a s möchte hievon beim Drucke gewaltiger Kräfte Noch ausdauern, dem Tod zu entfliehn, ihm unter den Zähnen? F e u e r ? W a s s e r ? die L u f t ? was sonst? das B l u t ? und die Knochen? Nichts, w i e immer mich d e u c h t ; denn "billig sind ja die Theile Eben vergänglich w i e das, was überwiegende Kräfte Uns vor dem Aug' hinrichten, von welchem das Ende w i r sehen. Aber doch dafs sich in Nichts nicht könneil die Dinge verwandeln, Oder erwachsen aus Nichts, das zeug' ich auf obige Sätze. Ferner, dieweil sichernährt durch Speise der Körper, und aufwächst, Ist es auch k l a r , dafs Blut und Geäder und Knochen und Nerven, Aus fremdartigen Theilen bestehn: denn möchte man sagen, Dafs die Speisen vielmehr vermischete Körper enthalten,
36
ERSTES
BUCH.
y. 849 — 074-
Kleine Theile von K n o c h e n , Geäder und N e r v e n und B l u t e : W ü r d e n u r f o l g e n d a r a u s , dafs T r a n k u n d Speise n u n selber Aus f r e m d a r t i g e n D i n g e n z u s a m m e n gesetzet e r s c h e i n e n ; N ä m l i c h aus K n o c h e n u n d N e r v e n , gemischt m i t Adern u n d B l u t e . E b e n so ist's m i t d e m ü b r i g e n a u c h , w a s w ä c h s t aus der E r d e ; Ist's in der E r d e b e r e i t s , so mufs die E r d e b e s t e h e n Aus f r e m d a r t i g e n T l i e i l e n , die aus i h r selber h e r v o r g e h n . W e n d ' es auf j e g l i c h e s a n , es g e l t e n dieselbigen
Worte:
Sind in dem H o l z e F l a m m e n u n d R a u c h und_ A s c h e v e r s t e c k e t , N u n so b e s t e h e t , das H o l z aus i h m f r e m d a r t i g e n T h e i l e n , Aus f r e m d a r t i g e n T h e i l e n , u n d die aus dem H o l z e h e r v o r g e h n . Z w a r z u r A u s f l u c h t b l e i b t i h m h i e r ein W i n k e l n o c h offen, Dessen er a u c h sich b e d i e n t ; i n d e m er alles in allem M i s c h e n sich läfst auf v e r b o r g e n e A r t : d o c h zeige sich das n u r , W a s in der M i s c h u n g das m e h r e s t e s e y , am m e i s t e n h e r v o r s t i c h t , U n d am l e i c h t e s t e n h i n n a c h der O b e r f l ä c h e sich w e n d e t . Aber die W a h r h e i t s t ö f s e t z u r ü c k a u c h diese B e h a u p t u n g : M ü f s t e n d i e F r ü c h t e n i c h t o f t von des M ü h l s t e i n s K r ä f t e n z e r m a l m e t , Z e i c h e n g e b e n des B l u t s ; v i e l l e i c h t a u c h a n d e r e r D i n g e , D i e der K ö r p e r e r n ä h r t ? V o m Stein am S t e i n e g e r i e b e n Flösse w i e d e r das B l u t : a u c h w ü r d ' auf n ä m l i c h e Art o f t K r ä u t e r n e n t t r ö p f e l n der S a f t , an G e s c h m a c k u n d Siifse v e r g l e i c h b a r J e n e m , w e l c h e n im E u t e r v e r b i r g t das w o l l i g e S c h a a f v i e h . J a o f t w ü r d e n sich auch in z e r r i e b e n e n Schollen der E r d e K r ä u t e r verschiedener A r t , u n d K ö r n e r zeigen u n d
Zweige,
H i n u n d w i e d e r z e r s t r e u t , k l e i n u n t e r g e s t e c k e t dem E r d r e i c h :
ERSTES
BUCH.
r . 8 7 5 — 900.
U n d es wäre zuletzt selbst in dem gesplissenen Holze Rauch und Asche zu sehn , und kleine verborgene Funken. Aber da augenscheinlich hievon sich nirgends nichts kund tliut, Ist es begreiflich und klar , dafs so nicht die D i n g e gemischt sind Sondern es müssen vielmehr verschiedene Samen der Dinge, Vielen Dingen gemein verborgener W e i s e gemischt seyn. A b e r , sagst d u , geschieht es nicht o f t auf hohen Gebirgen, D a f s die erhabenen G i p f e l benachbarter Bäume , vom Südwind Ann eregt, sich eiitzünden, indem mit G e w a l t er sie anreibt, Bis die Flamme zuletzt in lichter L o h e herausschlägt? W o h l , das w e i f s i c h : das F e u e r jedoch w o h n t selber im Holz nicht Samen der Hitze sind's, d i e , durch das gewaltige Reiben H ä u f i g zusammengeführt-, den Brand erzeugen im Walde. W a r ' in den Bäumen bereits versteckt die gebildete Flamme, o Könnte f ü r w a h r sie sich nicht nur Augenblicke verbergen, Sondern sie griff' umher, verzehrete W a l d und Gcbüsche. Also bemerkest du w o h l , w a s eben zuvor ich berühret, Sehr viel liege daran, mit welchen die nämlichen Stoffe Seyen verbunden, und w i e in der L a g e zusammen sie treffen; W e l c h e B e w e g u n g und Stöfs sie wechselseitig sich geben. E i n e geringe Veränderung nur derselbigen Stoffe Schaffet Feuer aus Holz : beinah' auf die nämliche W e i s e , W i e man aus ähnlichen L e t t e r n , nur durch die geringe Versetzung, W o r t e b i l d e t , verschiedenen L a u t s , verschied'ner Bedeutung. Glaubest du endlich,
die D i n g e ,
die w i r mit den Augen erkennen
Könnten nicht anders entstelin, als wenn der Materie Körper
38
ERSTES
BUCH.
y.. Jjox. — 926.
Aelinlich mit ihnen, und gleicher N a t u r , und gleicher Gestalt sind Nun so thue Verzicht auf alles was Stoffe w i r nennen: Bald auch werden sie noch auflachen mit schüttelndem Kichern, Oder mit salziger F l u t Gesicht und W a n g e benetzen. A u f , und vernimm das übrige noch in hellerem T o n e ! Z w a r ich weifs es zu w o h l , w i e schwierig die D i n g e : doch stechend Hat mit dem Tbyjcsus durchbohrt die Hoffnung d e s L o b e s das Herz m i r ; U n d sie hat mir zugleich in die Brust getrieben der Musen Süfses Verlangen; wovon ich angeregt und begeistert Ungebahnte Gefilde der Pieriden durchwandre, D i e ltein F u f s noch betrat: die ungekosteten Quellen W i l l ich suchen und schöpfen und neue Blumen mir brechen, Meiner Scheitel daraus den herrlichen Kranz zu bereiten, W o m i t keinem zuvor die M u s e die Schläfe verhüllt hat., Denn ich singe vorerst von erhabenen D i n g e n , und suche Aus dem verstricketen N e t z der Religionen die Seele L o s z u w i n d e n ; und dann verbreit' ich noch über das D u n k l e L i c h t e n G e s a n g , mit dem R e i z der M u s e n alles besprengend; D e n n auch dieses ist nicht olin' allem G r u n d , w i e es scheinet. Sondern w i e heilende A e r z t e , wann Kindern sie widrigen
Wermuth
W a g e n zu r e i c h e n , zuvor den R a n d des Bechers benetzen M i t dem gelblichem S a f t e des süfsen Honigs , damit sie Täuschen den unvorsichtigen Sinn ^rnd die kindische L i p p e ; D i e indessen verschlucket den Trank des bitteren Wermuths, U n d durch solches Benehmen getäuscht, und doch nicht betrogen, Sondern vielmehr erquickt Gesundheit und L e b e n empfanget.
ERSTES
BUCH.
v. 927 —
95a.
59
A l s o nunmehr auch i c h , da den meisten w i d r i g und herb s c h e i n t D i e s e L e h r e , die n i c h t h i n l ä n g l i c h v o n ihnen erforscht ist, U n d der P ö b e l davor z u r ü c k e
s c h a u d e r t ; so w o l l t ' ich
Im süfsredendeii L i e d e der P i e r i n n e n die Gründe D i r a u s l e g e n , und gleichsam b e s p r e n g e n mit H o n i g der M u s e n ; Ob es auf diese W e i s e v i e l l e i c h t -mir m ö g e gelingen, Fest dir zu halten den G e i s t in meinen Ver&eii, bis. ganz du Schauest der D i n g e N a t u r , u n d ihre g e s c h m ü c k e t e
Bildung.
H a b ' ich dir also g e z e i g t , dafs die dichten K ö r p e r des Urstoffs, U n ü b e r w u n d e n durch Z e i t , in steter B e w e g u n g sich t r e i b e n ; L a f s uns e n t w i c k e l n a n j e t z t , ob die Summe derselben begrenzt seyy O d e r ob u n b e g r e n z t ? ob das L e e r e , das v o n uns erforscht ward, H e i f s ' es R a u m oder O r t , w o r i n n e n sich alles ereignet, Ob durchaus es beschränkt und endlich in seiner N a t u r s e y ; O d e r sich ohne M a a s aufschliefst in grenzlosen
Tiefen?
A b e r es ist das A l l v o n keiner Seite b e g r e n z e t : W ä r ' es, so müfst' ein Aeufserstes scyn ; doch scheint es dafs nirgends K ö n n ' ein Aeufserstes seyn, w o sich n i c h t ein endlicher P u n k t z e i g t , U e b e r w e l c h e n hinaus n i c h t w e i t e r die K r ä f t e des Sinns gehn. A b e r da aufser dem A l l nichts ferner sich lasset gedenken, Ist k e i n Aeufserstes d a , kein M a a s noch E n d e der D i n g e . S e y w o du w i l l s t in i h m , und in w e l c h e n G e g e n d e n , W i r d v o n dem O r t w o du bist sich eben dieselbige S i c h ein u n e n d l i c h e s A l l nach allen Seiten
immer
Weite,
erstrecken.
N i m m , es w ä r e der R a u m des A l l s in Grenzen
geschlossen;
W ü r d e , w e r sich zum äufsersten R a n d desselben erhübe,
4o
ERSTES
BUCH.
v. p53 •— p7ö-
Einen beflügelten P f e i l von da zu w e i f e n ; obgleich er Diesen mit angestrengeter Kraft fortschleuderte; w ü r d ' er Solchen w e i t e r h i n a u s , w o h i n er ihn s e n d e t e , t r e i b e n ; Oder w ü r d e zuletzt ihn e t w a s hindern und obstehn? Eines oder das andere mufst durchaus du b e k e n n e n : Jegliches sperrt den Ausgang d i r ; und es z w i n g t zum Geständnils, Dafs ein unendliches All ohn' alle Schranken sich öffne. Immer w ü r d e ja sonst der W e c h s e l b l e i b e n ; entweder, Dafs so ein etwas s e y , das den P f e i l zu fliegen verhindre, Nicht zu gelangen d a h i n , zu dem Z i e l , nach dem er gesandt w a r d ; Oder a u c h , flog er h i n a n , so kam er vom äufsersten R a n d nicht. Immer verfolg' ich dich so : w o h i n du das äufserste Ziel steckst, W e r d ich dich immer b e f r a g e n , was sey aus dem Tfcile geworden :' Bis du erkennest z u l e t z t , dafs nirgend ein Ende bestehn kann, Dafs der unendliche R a u m die F l u c h t nur immer e r w e i t e r t . W ä r e n o c h , f e r n e r , der R a u m des Ganzen in sichere Grenzen Eingeschlossen, b e s c h r ä n k t ' v o n allen Seiten und e n d l i c h ; Dann so hätte die Masse des Stoffs durch eigene L a s t sich Längst zu Boden g e s e n k t , und w ä r e zusammengeflossen; Nichts könnt' unter dem Dache des Himmels sich w e i t e r e r e i g n e n ; J a , der Himmel w ä r e dann n i c h t , noch die leuchtende S o n n e : Alle Materie, lag' seit schon undenklichen Zeiten Fest im Klumpen v e r e i n t , in den sie sich niedergesenket. Aber anjetzt, da nirgend die R u h e den zeugenden Körpern Zugestanden ; indem durchaus kein Unterstes da ist, W o sie zusammcnfliefsen, und Sitz erhalten sie k ö n n t e n ;
ERSTES
BUCH.
v. 979 —
1004.
W e r d e n in u n a u f h ö r l i c h e m T r i e b die sämmtlichen Din
Figur.
Figuren
der Atomen
E i n w u r f gegen die
Widerlegung
desselben
Nichts besteht aus einerlei Grundstoff, v.
aus
563-568. 7
E r l ä u t e r u n g ans d e r N a t u r g e s c h i c h t e d e r E r d e , r . 5 6 g - 5 7 g . religiösen G e b r ä u c h e
Moralische Deutung der
bei V e r e h r u n g d e r C v b e l e a l s p e r s o n i f i c i r t e n E r d e , v . 5 3 o - 6 3 7 .
W e i t e r e B e s t ä t i g u n g obigen S a t z e s d u r c h B e i s p i e l e ,
v. 6 3 8 - G 7 7 .
stoffe k ö n n e n sich indessen z u r B i l d u n g d e r K ö r p e r v e r e i n e n .
Nicht alle
N ä h e r e B e s t ä t i g u n g dieses
Salzes a u s d e r E i n r i c h t u n g d e r Thiei-e ; aus d e r g a n z e n N a t u r , v. 678 - 708. m e n sind f a r b e n l o s .
M e h r e r e B e w e i s e dieses Satzes, v . 7 0 g - 8 0 7 .
i h n e n entstehen.
Widerlegung anderweitiger Vorstellungen.
hievon.
durch
Auflösung
und
v. 1 0 7 5 - 1 1 0 0 .
Zerstreuung
m e h r so f r u c h t b a r a l s e h e m a l s ,
Mehrere Beweise,
N o c h einige B e w e i s e .
v. 8 3 7 ~ g o i .
S c h l n f s des g a n z e n
A u f s e r u n s r e r W e l t g i e b t es noch u n z ä h l i g e .
Folgerung daraus, v. 1 0 1 7 - 1 0 7 4 .
A n h ä u f u n g der A t o m e n ,
S i e haben a u c h
m i t S i n n u n d E m p f i n d u n g begabte Körper aus
B e w e i s aus d e r G e n e r a t i o a e q u i v o e a .
R ä s o n n e m e n t s , v. g o 2 - i o i 6 .
Die A t o -
S i e haben a u c h w e -
d e r G e r u c h noch . G e s c h m a c k , w e d e r W ä r m e noch K ä l t e , v . 808 - 8 3 6 . nicht Sinn und E m p f i n d u n g , obgleich
Grund-
Beweise
N e u e W e l t e n können noch entstehen, a u s n e u e r So
derselben,
II2O-II44.
können auch wieder Welten noi-liig.
vergehen,
S e l b s t d i e E r d e ist n i c h t
S ü f s ' ists, anderer Noth bei tobendem Kampfe der W i n d e Auf hocliwogigem M e e r , vom fernen Ufer z u s c h a u e n ; Nicht als könnte man sich am Unfall andrer ergötzen, Sondern dieweil man es s i e h t , von welcher Bedrängnifs man frei ist. Süfs' auch ist e s , zu scliaun die gewaltigen Kämpfe des Krieges In der geordneten Schlacht, vor eignen Gefahren gesichert. Aber süfser ist nichts, a]s die wohlbefestigten heitern Tempel inne zu haben, erbaut durch die L e h r e der W e i s e n : W o du hinab kannst sehn auf andere, w i e sie im Irrthum Schweifen , immer den W e g des Lebens suchen, und fehlen; Streitend um Geist und W i t z , um Ansehn, Würden und Adel; Tag und Nacht arbeitend, mit unermüdetem Streben, Sich zu dem Gipfel des Glücks, empör sich zu drangen zur Herrschaft. O unseliger o Geist,7 o blinde Herzen der Menschen! In welch finsterer Nacht und unter welchen Gefahren W i l d diefs Leben verbracht, der M o m e n t ! Es liegt ja vor Augen, Dafs die Natur für sich so heifs nichts fodert, als dafs w i r , Ist der Körper von Schmelzen b e f r e i t , des Geistes geniefsen, Frohen Gefühls, entfernet von Furcht und jeglicher Sorge.
52
ZWEITES
BUCH.
v. 20 — 45.
U n d so sehen w i r ein , es sey zur Erhaltung des Körpers Weniges nur vonnöthen , ihm jeglichen Schmerz zu benehmen : J a , dafs Ergötzlichkeiten sogar sich häufig erbieten, W i e sie zuweilen selbst die N a t u r nicht süfser erheischet. Halten im weiten Saal nicht goldene Jünglingsgestalten Flammende F a c k e l n e m p o r , den nächtlichen Schmaus zu erhellen; Glänzt nicht von Silber das I l a u s , und wiederstrahlt es von Gold nicht ; Schallt nicht Zithergesang zurück von getäfelten Wänden : N u n so lagert tnan sich vertraut auf weichlichen Rasen, Neben dem rinnenden B a c h , im Schatten erhabener Bäume, Pfleget des Körpers f r o h , obwohl bei geringem Vermögen. Sonderlich dann, wann die Witterung lacht, wann die fröhliche Jahrszeit Wieder die grünende F l u r mit Blumen und Blüten bestreuet. W a r l i c h nicht schneller entweicht die Fieberhitze vom Körper, Ob auf Purpur du dich und gestickten Teppichen wälzest, Oder gemeines G e w a n d um deine Schultern herum schlägst. Mögen demnach nicht Schätze, noch Gold, noch Adel noch Herrschaft, Körpeilich W o h l b e f ö r d e r n ; so ist gar leicht zu ermessen, Dafs sie w e n i g e r noch zum W o h l des Gemüthes vermögen. Miifste denn s e y n , w a n n du siehst das B i l d des Krieges erwecken Deiner L e g i o n e n G e w ü h l auf offenem M a r s f e l d , TJeiner Geschwader G e w ü l ü auf w e i t e r Fläche sich tummeln, D a f s , von diesem verscheucht, die zitternde Furcht vor den Göttern, Sammt den Schrecken des Todes entilöh'11 aus deinem Gemütlie, U n d das L e b e n dir frei und ledig liefsen von Sorgen. Finden w i r a b e r , dafs diefs nur Spiele der Kinder und T a n d s e y ;
ZWEITES
BUCH.
v. 4 6 —
71.
D a f s in der T h a t die F u r c h t im M e n s c h e n , die n a g e n d e S o r g e , N i c h t vor W a f f e n g e t ö s e sich s c h e u t , n o c h drohenden L a n z e n , S o n d e r n sich dreist u n t e r K ö n i g e m i s c h t , u n d u n t e r der D i n g e H e r r s c h e r ; u n d dafs sie sich n i c h t v o m Goldglanz lasset v e r b l e n d e n , N o c h vom s t r a l e n d e n L i c h t e des p u r p u r f a r b e n e n K l e i d e s : Z w e i f e l s t d u n o c h , diefs sey n i c h t alles M a n g e l an E i n s i c h t ? U m so m e h r , da so tief n o c h der M e n s c h e n l e b e n d i e N a c h t druckt. D e n n w i e die K i n d e r e r z i t t e r n u n d alles f u r c h t e n im F i n s t e r n , Also f ü r c h t e n auch w i r j beim h e l l e n L i c h t e des T a g e s , D i n g e , die eben n i c h t m e h r v e r d i e n c t e n F u r c h t zu e r w e c k e n , Als w a s die K i n d e r im F i n s t e r n e r s c h r e c k t , u n d w o m i t sie die Angst täuscht D u r c h a u s müssen d a h e r des Geistes S c h r e c k e n u n d D u n k e l , N i c h t d u r c h die Stralen der S o n n e , des Tages leuchtenden P f e i l e n , S o n d e r n sich d u r c h der N a t u r A n s c h a u n u n d F r k e n n t n i f s z e r s t r e u e n . A u f , u n d lafs dir n u n m e h r e n t w i c k e l n durch w e l c h e B e w e g u n g J e n e z e u g e n d e n K ö r p e r die m a n n i g f a l t i g e n D i n g e Hier durch Vereinigung b i l d e n , und dort durch Trennung zerstören W e l c h e K r a f t so zu w i r k e n sie t r e i b t ; die B e w e g l i c h k e i t , w e l c h e I h n e n e i g e n , den W e g d u r c h ' s u n e n d l i c h e L e e r e zu m a c h e n : D u , m e i n M e m m i u s , l e i h ' ein still a u f m e r k e n d e s O h r m i r ! — K e i n e M a t e r i e h ä n g t ganz u n z e r t r e n n b a r zusammen : D e n n w i r sehen es j a , w i e alle die D i n g e sich m i n d e r n , Gleichsam s c h w i n d e n d a h i n v o m l a n g a u f z e h r e n d e n Alter ; Bis sie endlich die Z e i t den Augen g ä n z l i c h e n t r ü c k e t . A b e r die S u m m e selbst s c h e i n t u n v e r ä n d e r t z u b l e i b e n ; D e n n die T l i e i l c h e n , die stets den K ö r p e r n e n t w e i c h e n , vermindern
54
ZWEITES
BUCH.
v.
72 — 97.
I i i e r die M a s s e , vergröfsern sie dort: wann jenös' veraltet» Dränget sich dieses hervor zu neuer lugend und B l ü t e ; Bleibt nicht dauernd auch da.
So w i r d die Summe des Ganzen
Immer wieder erneut, so borgt man das L e b e n von andern. E i n V o l k steiget e m p o r , ein anderes sinket danieder; D i e jetzt lebende W e l t ist nicht in kurzem dieselbe : So w i e die L ä u f e r der Bahn nimmt einer die F a c k e l vom andern. Irrig und ungereimt zu denken w a r ' e s , die Stoffe Könnten im Trieh nachlassen, und s o , durch V e r w e i l e n , den Dingen E i n e n veränderten Stand und neue B e w e g u n g e n geben. W e i l im L e e r e n sie schwärmen, so treibet sie eigene Schwere, Oder auch äufserer S t ö f s : denn o f t m a l s , wenn sie im Fortschufs Gegen einander prellen , geschieht's , dafs schnell aus einander Wieder sie springen; und leicht ist das zu b e g r e i f e n , da hart ist Ihre N a t u r , und schwer durch D i c h t h e i t ; nirgends im R ü c k e n E t w a s entgegen steht} sie aufzuhalten vermögend. J a , damit du noch mehr, w i e die Körperchen alle sich jagen, Einsiehst, denke z u r ü c k , dafs nichts im ganzen Gesammten Irgend das Unterste s e y ; kein Punkt f ü r Körper des UrstofFs Fest zu stehen; ein R a u m olm alle Grenzen und E n d e Dehnt sich ins Unermefsliclie a u s , nach jeglicher S e i t e : D i e f s nun zeigt' ich b e r e i t s , und bewährt' es durch sichcre Gründe. I s t nun dieses g e w i f s , so ist auch unter des Urstoffs K ö r p e r n nirgend die R u h ' im unerniefslichen Weltraum : Sondern sie jagt ein beständiger Trieb nach mancherlei R i c h t u n g ; Sprenget die einen weiter z u r ü c k , wenn zusammen sie treffen,
ZWEITES
BUCH.
v. 98 — 123.
55
U n d verbindet im engeren R a u m die andern durch Anstois. W a s nun dichter zusammen gedrängt in näheren Räumen W i e d e r zurücke s p r i n g t , w i r d durch die verworrenen Formen In sich selber v e r s c h r ä n k t , u n d bildet Stoffe der Felsen, M ä c h t i g e ; starre des E i s e n s , u n d andere Körper von der A l t ; W e n i g e nur : w a s ferner jedoch im L e e r e n herumschwärmt, S p r i n g t auch w e i t e r z u r ü c k , und w e c h s e l t in w e i t e r e n Räumen Seinen v e r l ä n g e r t e n L a u f ; und dieses schaffet die L u f t uns, L o c k e r und dünn , und das L i c h t der h e r r l i c h stralenden Sonne. U e b r i g e n s schwärmen im R a u m viel Körperchen, die mit den Dingen Keinen Verein e r h a l t e n , und ausgeschlossen von diesem, N i e zu gemeinsamen T r i e b zusammengesellen sich können. Hie^ön kann ich dir leicht ein Vorbild geben , das immer Uns vor den Augen schwebt.
Schau , w i e sich im Strale der Sonne,
W e l c h e n sie zwischen durch in schattige Oerter der Häuser E i n s c h l i e f s t , Körperchen d r e h n , und unter einander sich mischen, V i e l e , auf mancherlei A l t , im eigenen glänzenden L i c h t s t r a l . Schlachten erregen und Kampf sie in ununterbrochenem Kriege, Gleichsam streitend i n S c h a a r e n ; sie sammeln und trennen sich w i e d e r , Sonder R u h e noch R a s t : w o d u r c h dir ein deutliches Eild w i r d W^ie sich im L e e r e n jagen die u r a n f ä n g l i c h e n Stoffe: L ä f s t sich ein B e i s p i e l a n d e r s , von D i n g e n , welche so grofs sind, D u r c h so g e r i n g e g e b e n , die Spur nur i h r e r Erkenntnifs. A u c h verdienen sie noch um so mehr B e t r a c h t u n g die Körper, D i e in der Sonne Stral in solcher V e r w i r r u n g sich t r e i b e n ; W e i l ihr treibendes Irren auf inn're v e r b o r g ' n e B e w e g u n g
56
ZWEITES
Aller Materie zielt.
BUCH.
v. 124 —
i4p :
D e n n oftmals wirst du sie sehen^
W i e vom geheimen Stöfs sie erregt die Richtung verändern j Rückwärts b a l d , bald dahin und dorthin , nach jeglicher Seite Hingetrieben durch ihn.
V o n diesem lieget der Grund schon
Im ursprünglichen,. Triebe der erstem Körperchen aller. Diese bewegen sich erst durch sich selbst, dann erregen sie andre Durch verborgenen S t ö f s , die von engem V e r e i n , und die gleichsam A n der Materie Urkraft; selbst angrenzend zunächst s i n d ; D i e s e reizen nachher auch andere gröfsere Theilchen. Also steigt von Stoffen empor die B e w e g u n g , und zeigt.sich Unseren Sinnen zuletzt: so dafs sich auch jene bewegen, D i e w i r im Sonnenlichte zu sehn vermögen; der Stöfs nur, Welcher solches bewirkt, erscheint nicht deutlich dem A u g e . L a f s dich, mein Memniius , jetzt mit wenigem annoch belehren, Welche B e w e g l i c h k e i t sey, des Urstoffs Körpern verliehe«. Wann Aurora mit L i c h t aufs neue die E r d e bestreuet, Und das gefiederte Chor, die dünneren L ü f t e durchstreichend Im entlegenen F o r s t , m i t hellen Gesängen ihn a n f ü l l t ; Dann w i r d jeder g e w a h r , w i e schnell die erwachende Sonne M i t dem Stralengewande die ganze Gegend bekleidet. Aber der wärmende. S t r a l , den S o l von oben herabschiefst, U n d sein glänzendes L i c h t , gehn nicht durch die ledigen R ä u m e ; Sondern sie werden somehr in ihrem L a u f e verspätet, D a sie d u r c h W o g e n der L u f t sich gleichsam schlagen; auch einzeln G e h t nicht jedes der Theilchen f ü r sich des wärmenden Lichtstrals, Sondern zusammengefafst und gleichsam zusammengeballet;
ZWEITES
BUCH.
v. 1 5 0 —
175.
57
S o , dafs unter sich selbst g e h e m m t , und durch äufsern Obstand A u f g e h a l t e n , den W e g langsamer sie m,üssen vollenden. D o c h die von einfach dichter N a t u r , wann solche durchs L e e r e Streichen, hindert sie nichts von aufsen; und einzeln, als Theilchen, Streben sie einzig allein zum Punkte , zu dem sie begonnen. U n d so müssen sie w e i t an schneller B e w e g u n g und E i l e Uebertreffen die Stralen des S o l s : im nämlichen Zeitpunkt, W o nun die Blitze der Sonne die Himmelsräume durchschiefsen, Müssen sie mehrere male die ähnlichen W e i t e n
durchmessen.
D e n n in der T l i a t , sie werden sich nicht aus Bedenken verweilen; A u c h erforschen sie nicht mit S o r g f a l t jeglichen Umstand, Sich zu belehren, wodurch die Führung der D i n g e bewirkt wirdE i n i g e d o c h , U n w i s s e n d e , streiten dagegen, und sagen, D a f s die Materie nicht, ohn' allen göttlichen Einflufs, Menschlichen D i n g e n so sehr sich anzueignen v e r m ö g e : Jahreszeiten zu w e c h s e l n , und Früchte der E r d e zu schaffen; J a auch das übrige n o c h , w o z u die Sterblichen antreibt," U n d sich zeiget, als Führerin selbst, die göttliche W o l l u s t ; D a f s sie in schmeichelnder L u s t fortpflanzen sich mögen, damit nicht Untergehe der Menschen Geschlecht.
D o c h wann sie es wähnen,
D a f s f ü r diese die Götter allein nur. alles erschaffen, Fallen sie tiefer hinab vom richtigen W e g e der W a h r h e i t . D e n n , w e n n ich auch die Natur ursprünglicher S t o f f e nicht kennte, W ü r d ' ich mir doch getrau'n, aus des Himmels Beschaffenheit selber, D r e i s t zu behaupten, und noch aus mehreren anderen Gründen; Dieses Gebäude der W e l t , mit solchen Mängeln behaftet, Lucret. I.
ß
58
Z W E I T E S
BUCH.
v. 1 7 6 —
201.
S e y kein göttliches W e r k zu u n s e r m G e b r a u c h e g e s c h a f f e n . D o c h diefs w e r d ' i c h , m e i n M e m m i u s , dir in der F o l g e noch d a r t h u n : L a f s von der S t o f f e B e w e g l i c h k e i t jetzt die R e d e m i c h enden. H i e r nun scheint mir der O r t , dir noch zu b e w e i s e n , es k ö n n e Sich durch e i g e n e K r a f t a u f w ä r t s k e i n K ö r p e r b e w e g e n . L a f s n i c h t e t w a h i e r i n die F l a m m e n k ö r p c r dich
täuschen:
A u f w ä r t s steigen sie z w a r , u n d w a c h s e n e m p o r in die H ö h e ; S a a t e n auch w a c h s e n e m p o r , und P f l a n z e n u n d h e r r l i c h e B ä u m e , D a durch eignes Gc w i c h t doch alles zur E r d e sich h i n s e n k t . S p r i n g e t das F e u e r empor zum G i e b e l u n d D a c h e des H a u s e s , U n d u m z ü n g e l t G e b ä l k und Sparren mit eilender F l a m m e , D a r f man n i c h t g l a u b e n , es t h u ' es von selbst, olin' ä u f s e r e n A n t r i e b ; E t w a so w i e das B l u t , aus unsern A d e r n
entlassen,
R a s c h in die H ö h e h ü p f t , und die P u r p u r r ö t h e
verspritzet.
S i c h doch , mit w e l c h e r G e w a l t das W a s s e r B a l k e n und. B o h l e n W i e d e r zur H ö h e s t ö f s t : je t i e f e r man s o l c h e h i n a b
drückt,
U n d mit m ä c h t i g e r K r a f t sie s e n k r e c h t dränget zu B o d e n , D e s t o h e f t i g e r n u r speit a u f w ä r t s w i e d e r die F l u t s i e , D a f s noch ein g r ö f s e r e r T l i e i l als z u v o r v o n i h n e n
herausspringt.
Niemand z w e i f e l t j e d o c h , dafs diese durch e i g e n e
Schwere
Abwärts w ü r d e n g e d r ü c k t im leeren u n d n i c h t i g e n
Räume.
O
O
E b e n so mögen die F l a m m e n , e m p o r g e t r i e b e n vom U u f t h a u c h , A u f w ä rts steigen, o b g l e i c h im K a m p f mit der e i g e n e n
Schwere,
W e l c h e dagegen streitet, und nieder sie suchet zu leiten. S i e h e die F a c k e l n der N a c h t , die h o c h den H i m m e l d u r c h f l i e g e n ; W i e s i e die flainmigen F u r c h e n in l a n g e n S t r e i f e n dahinzielin,
Z W E I T E S
BUCH.
v . 202 —
227.
59
W o nur immer N a t u r den F o r t g a n g ihnen g e w ä h r t h a t ! Siehst flu nicht S t e r n e herab v o m H i m m e l fallen zur E r d e ? Streuet nicht a l l e r w ä r t s v o m erhabenen G i p f e l die S o n n e A u s die stralende G l u t h , u n d besät mit L i c h t e die F e l d e r ? A b w ä r t s g i e f s t sich demnach das F e u e r der Sonne zur E r d e . E b e n so siehst du den B l i t z die G e w i t t e r w o l k e n d u r c h k r e u z e n ; D e r sich e n t r e i f s e n d e Stral t r i f f t h i e r , t r i f f t dorten zusammen, A b e r die flammende K r a f t stürzt n i e d e r g e w ö h n l i c h zur E r d e . N o c h v e r l a n g ' i c h , mein M e m m i u s , dir zur E r k e n n t n i f s zu bringen, D a f s die K ö r p e r des S t o f f s , da sie s e n k r e c h t f a l l e n im L e e r e n , D u r c h i h r eignes G e w i c h t , in nicht zu b e s t i m m e n d e n Z e i t e n , N o c h am bestimmten O r t , v o n der B a h n abtreiben ein w e n i g ; W e n i g , so v i e l du nur magst die mindeste A e n d e r u n g heifsen. F ä n d e dieses nicht s t a t t , so f i e l e n die K ö r p e r gerade, W i e die T r o p f e n des R e g e n s herab , durch T i e f e n des L e e r e n : A n s t o i s w ü r d e n i c h t s e y n , nichts w ü r d ' auch treffen z u s a m m e n ; U n d so hätte N a t u r nichts bilden k ö n n e n n o c h schaffen. M ö c h t e man s a g e n , v i e l l e i c h t sind s c h w e r e S t o f f e v o r h a n d e n , W e l c h e schneller deshalb in gerader R i c h t u n g durchs L e e r e F a l l e n , getrieben v o n oben h e r a b , auf die unteren leichtern, A l s o b e w i r k e n d den S t ö f s zur lebenerzeugenden R e g u n g . W e r d i e f s s a g e t , v e r f e h l t bei w e i t e m die richtigen G r ü n d e : D e n n in der L u f t , im W a s s e r , b e s c h l e u n i g e t jeglicher K ö r p e r S e i n e n n a t ü r l i c h e n F a l l , dem M a a s n a c h seines G e w i c h t e s ; W e i l die leichtere L u f t , das dichtere W a s s e r , n i c h t können J e g l i c h e s D i n g a u f h a l t e n auf ein' u n d die n ä m l i c h e W e i s e ;
6o
ZWEITES
BUCH.
v . 228 — 253.
Sondern wann schwereres d r ü c k t , so müssen sie schneller entweichen. Aber der leere R a u m setsst niemals sich einem der D i n g e Irgend auf eine W e i s ' entgegen, so dafs es den W e g nicht Nehmen könne d a h i n , w o h i n es die eigne Natur treibt. Alles nrnfs sich d a h e r , ob bei ungleichem G e w i c h t e , Abwärts treiben mit nämlicher E i l ' im ruhigen L e e r e n . N i e kann also das S c h w e r e herab aufs L e i c h t e r e stürzen, N o c h erzeugen den S t ö f s , der aller Entstehungen Grund w i r d . U n d so müssen durchaus sich ein w e n i g beugen die S t o f f e ; A b e r das mindeste n u r ; denn niemals geben w i r eine Schräge B e w e g u n g z u ; die E r f a h r u n g streitet dagegen. Zeigt ja der Augenschein, kein K ö r p e r , stürzend von oben, Könne sich schräg hinab durch eigene Schwere b e w e g e n : Aber ob solcher durchaus vom geraden W e g e nicht etwas A b w e i c h t , könnte das w o h l die Schärfe des Auges bemerken? Ferner wenn alle B e w e g u n g genau an einander geknüpft ist, Also dafs stets ein Glied bestimmt erregte das a n d r e ; Wenn nicht läge der G r u n d , der auf Abweichungen hinzielt, Schon in den ersten Keimen des S t o f f s , zu zerreifsen des Schicksals Bande, damit nicht e w i g sich F o l g ' ankettet an F o l g e : Woher liefse sich dann der freie W i l l e gedenken ? Dieser dem Schicksal entrissene W i l l e der lebenden W e s e n , D u r c h den jegliches g e h t , w o h i n es die eigene L u s t führt. A u c h w i r beugen die R i c h t u n g , in unbestimmetem Z e i t l a u f , U n d an unbestimmetem O r t , nach eigener Willkiihr. D e n n w e r z w e i f e l t e n o c h , dafs unsrer B e w e g u n g e n jede
Z W E I T E S
BUCH.
v. 2 5 4 —
279.
61
E r s t im Willen entstellt, von da in die Glieder sich fortpflanzt? Siebest du nicht, wann zum L a u f dem Renner die Schranken sich öffnen, D a f s sein Schenkel die Bahn so schnell druchbrechen nicht könne, Als sie der Sinn schon erreicht? denn alle die Fülle der Stoffe M u f s durch den ganzen Körper erregt, durch alle Gelenke, Sich versammeln , vereint dem Triebe des Sinnes zu folgen. S o , dafs hieraus du erkennst, es entspringe die Regung im Herzen; Geh' anfänglich hervor aus eigenem W i l l e n der Seele, U n d in den Körper von d a , und in alle Gelenke des Körpers. Anders verhält es sich d o c h , wann überwiegende Kräfte A u f uns stofsen, und uns mit Gewalt hinzwingen zum Fortgang. Klar ist's, dafs sich alsdann die sämmtliche Masse des Körpers W i d e r den W i l l e n b e w e g t , und fortgerissen mit werde; Bis der W i l l e zuletzt die Obhand wieder gewonnen. Daraus magst du ersehn, obgleich die äufsere Kraft oft Viele treibet und z w i n g t , auch wider den eigenen Willen, Ja mit Gewalt sie reifst, dafs dennoch in unserer Brust selbst E t w a s noch s e y , das sich könn' entgegen ihr setzen und streiten 5 Und auf dessen Geheifs die angehäufeten Stoffe Müssen Gehorsam leisten in allen Gelenken und Gliedern; D a f s sie den Fortschufs hemmen, sich wieder in Ruhe zurückziehji. Eben dasselbe mufst du demnach erkennen im Grundstoff; D a f s noch ein anderes s e y , das, aufser dem Stöfs und der Schwere, Ihn in B e w e g u n g setz', und ertheile diefs inn're Vermögen: W e i l aus Nichts nichts w i r d , w i e bereits die E r f a h r u n g es lehret. E i g e n e Schwere verhindert, dafs äufsere W i r k u n g des Stoises
62
Z W E I T E S
BUCH.
v. 230 — 5 0 5 .
Alles allein nicht v e r m a g : dafs aber im Innern der Geist selbst Nicht nothwendig bestimmt zu jeder der Handlungen w e r d e , Gleichsam gefesselt s e y , jedwedes zu dulden und l e i d e n ; Dieses b e w i r k t allein die geringe Beugung der Stoffe, Am Verschiedenen O r t , und in nicht zu bestimmenden Zeiten. Dichter waren die Stoffe der Urmaterie niemals An einander gedrängt, nie mehr auseinander gedehnet; D e n n sie vermehret sich n i c h t , und nichts geht unter von solclicr. U m deswillen auch ist die B e w e g u n g , in welcher die Stoffe Gegenwärtig noch s i n d , schon seit undenklichen Zeiten Iiigen ihnen g e w e s e n , und w i l d auch ferner es noch seyn. Was sie erzeugten v o r d e m , das w i r d auf nämliche Art auch Künftig w i e d e r erzeugt; denn dasselbe M a a s und Bedingnifs Ihres Vermögens, Wachsthums und Seyns , w i r d immerhin bleiben, W i e die Natur nach ihrem Gesetz es jeglichem zutlieilt: Nichts was irgend nur i s t , mag ändern die Summe der D i n g e . Denn w o w ä r e der O r t , w o h i n die Tlieilchen des Urstoffs Sollten dem A l l entfliehn? w o sollten auch w i e d e r die neuen Kräfte sich sammeln, zu dringen ins A l l , zu verändern der D i n g e Ganze N a t u r , den L a u f und die Ordnung ihrer B e w e g u n g ? Wundre dich übrigens n i c h t , dafs bei dem beständigen Umtrieb Aller Urelemente das Ganze doch scheine zu r u h e n ; Ausgenommen was sich durch eigene K r ä f t e beweget. W e i l von der Sinne Bezirk entfernt liegt alle Natur uns J e n e r Urelemente : da diese du selber nun nicht kannst S e h e n , entziehet sich auch den Augen ihre B e w e g u n g .
Z W E I T E S
BUCH.
v. 306 —
531.
S e l b s t die D i n g e , die w i r m i t den A u g e n erkennen,
verbergen
I h r e B e w e g u n g e n o f t , durc*h w e i t e r e F e r n e n des Ortraums. Gleiten über die H ü g e l die w o l l e t r a g e n d e n H e e l d e n , A e z e n d die f r o h e W e i d u n g , w o i m m e r ein jegliches einlädt Lieblicher Kräuter Genufs , vom frischen Thaue bepcrlet; L ä m m e r c h e n spielen g e s ä t t i g t u m h e r , u n d stutzen zusammen: A b e r v o n w e i t e m s c h e i n e t uns d i e f s ein v e r w o r r e n e r H a u f e , G l e i c h s a m ein w e i s e r F l e c k auf g r ü n l i c h e m B o d e n bestehend. G l c i c h e r m a f s e n , w e n n n u n , das B i l d des K r i e g e s e r w e c k e n d , M ä c h t i g e L e g i o n e n die O r t ' im L a u f e besetzen : A u f zum H i m m e l steiget der B l i t z , es l e u c h t e t die E r d e K i n g s um w i e d e r v o m ehernen G l a n z , und unter dem F u f s t r i t t T ö n t v o n der M ä n n e r G e w a l t der B o d e n ; das laute Geschrei p r a l l t W e i t v o n den B e r g e n z u r ü c k ,
bis hin zu Gestirnen des H i m m e l s :
Schaaren der K e u t e r fliegen umher , und lassen im F l u g e S t r e c k e n der F e l d e r z u r ü c k , die erzittern unter dem H u f s c h l a g . D e n n o c h scheinen sie u n s , v o n g e w i s s e n H ö h e n des B e r g e s , U n b e w e g l i c h zu stebn , und der B l i t z auf den F e l d e r n zu w e i l e n . A u f , u n d h ö r e n u n m e h r die E i g e n s c h a f t e n der K ö r p e r U r e r z e u g e n d e n S t o f f e s : w i e m a n n i g f a l t i g an F o r m e n D i ö s e s i n d , an F i g u r w i e sehr v o n einander verschieden. N i c h t , dafs w e n i g e n u r sich ä h n l i c h w ä r e n an B i l d u n g , S o n d e r n w e i l alle durchaus n i c h t allen anderen g l e i c h sind. A u c h begreiflich ist das ; denn da die M e n g e so g r o f s ist, D a f s w i e ich oben g e l e h r t , n i c h t M a a s n o c h S u m m e sie kennet, K ö n n e n auch alle sie n i c h t g l e i c h s e y n an F i g u r u n d an Umrifs.
66
ZWEITES
BUCH.
v. 3 3 2 — 3 5 7 .
Nimm nun ferner das Menschengeschlecht, der schuppigen Fischc Stumme H e e r d e n , das V i e h der W e i d e , die Tliiere des W a l d e s , Und das bunte G e f l ü g e l , d a s , theils an lustigen Wassern Frölich zusammen k ö m m t , an U f e r n der Quellen, und Seen.; Theils B e w o h n e r des W a l d e s
r
die stillen Haine durchs chwirreu.;
S i e h , w i e jegliches d o c h , nach Art der eigenen Gattung,. Sich auszeichnet vom andern, an F ä r b ' und B i l d u n g verschieden. U n d w i e könnte denn sonst das J u n g e die M u t t e r , die M u t t e r W i e d e r ihr Junges erkennen? U n d gleichwohl zeigt die E r f a h r u n g , D a f s sie sich unter einander so gut w i e die Menschen erkennen. O f t vor der Götter B i l d , am W e i h r a u c h dampfenden Altar Fällt das geschlachtete K a l b , die warmen Ströme des Blutes Hauchend aus seiner B r u s t : dann irrt die verwaisete M u t t e r Durch die grünenden T r i f t e n u m h e r , und läfst in den B o d e n Eingedrückt die Spur der doppelt gespaltenen K l a u e n . Jeglichen Ort durchspähet ihr A u g ' , ob irgend sie möchte Wieder erblicken i h n , den S ä u g l i n g , den sie vermisset. Und nun stehet sie d a , und f ü l l t mit K l a g e n den L a u b w a l d ; Kehrt oft w i e d e r zurück zum S t a l l , durchboret von. Sehnsucht., Nicht die zarten W e i d e n , die Kräuter erfrischet vom T h a u e Reitzen sie nicht, noch der Strom, der hoch am U f e r dahin streicht; Nichts ergötzt ihr G e m ü t h , nichts kann den Kummer ihr w e n d e n : . N i c h t die übrige Z u c h t der Kälber auf fröhlichem Anger K a n n ihr anders richten den Sinn , noch heben die Sorge : S o sehr hanget das Herz an dem Eigenen , an dem Bekannten. A u c h das meckernde Böckchen erkennt die geliörnete M u t t e r ,
¿WEITES
BUCH.
v. 358 — 383-
65
Und das wollige Scliaaf am Geblöck das stutzige Lämmchen. Und so findet sich jegliclies da, wohin die Natur ruft, Auch das säugende W i l d , am eigenen Euter der Mutter. Nimm noch jegliche Art von Samen und Körnern; du wirst sie Ganz gleich unter sich n i e , auch selbst in der eigenen Gattung, Finden; es läuft an Form stets etwas verschiedenes unter. Auch das Muschelgeschlecht malt, w i e wir es sehen, der Erde Schoos auf ähnliche Art; allda, wo mit sanfterer W e l l e Schlaget das Meer den saugenden Sand der gekriimmeten Ufer. Und so müssen aus ähnlichem Grund die Samen der Dinge; Da sie das Werk der Natur, und nicht nach bestimmtem
Modelle,
Sind von Menschen geformt; in Figur verschieden auch schweben. Leicht begreift es sich nun, weswegen das Feuer des Blitzes Schneller und heftiger wirkt, als Feuer entstanden aus Fackeln: W e i l es sich sagen liefsc, dafs jenes Feuer des Himmels Feiner in seinem Stoff', aus kleinern Figuren bestehe: Deshalb dringet es auch durch Oeflnungen, welche das Feuer Nicht zu durchdringen vermag, das aus Holz und Kerzen erzeugt
wird.
Licht durchdringet das Horn; doch diefs drängt von sich das Wasser: Aber w a r u m ? deshalb, weil kleiner die Stoffe des Lichtes Körperlich sind, als woraus bestehet das lautere Wasser. Schnell und ohne Verzug, w i e man sieht, fliefstWein durch die Seilifi; Da hingegen das Oel nur langsam tröpfelt und zaudert: W e i l die Stoffe vielleicht von diesem gröfser, vielleicht auch Mehr aneinander gehakt, und mehr ineinander verschränkt sind: Diefs ist Ursach, warum so behend nicht einzelne Theilchen Lucret. I .
Q
66
ZWEITES
BUCH.
v. 384 — 409.
Auseinander gezogen sich trennen können von andern, Durchzufliefsen durch jedes der einzelnen L ö c h e r der Seihe. Kommt noch diesem hinzu, dafs der S a f t der M i l c h und. des Honig» Süfs in dem M u n d e zeriliefst; hingegen bitterer W e r m u t h , Oder das strenge Centaurium ihn mit E k e l verziehen. L e i c h t erkennt man d a r a u s , w a s lieblich die Sinne berühret, Miifs' aus glatten bestehn und rundlichen Körpern des U r s t o f f s ; Dahingegen was bitter und streng, den Sinnen zuwider, M e h r sich verbindet in sich durch hakenförmige Körper. Dieses pfleget daher die feineren Gänge der Sinne Aufzureitzen , und durchzureifsen die T h e i l e des Körpers. Endlich was böfs oder g u t , was hold oder widrig den Sinnen, Streitet unter sich selbst durch verschiedenart'ge Figuren. Denke dir etwa n i c h t , es bestehe der rasselnden Säge Scharfes Geräusch , aus eben so glatten und schlüpfrigen Stoffen, Als das melodische L i e c f , das reg' durch die Saiten der Künstler M i t dem belebenden F i n g e r e r w e c k t , und bildet dem Ohre. Auch ganz anderer Theilchen F i g u r dringt ein in die Nase, Von dem eklen Gerüche der faulenden nährenden Aeser, O
'
Als wann die B ü h n e nun frisch enthauclit den cilicischen Safran, Und der Altar a u f d a m p f t panchäische Opfergerüche. Auch die gefälligen F a r b e n , an welchen das Auge sich weidet, Halte mit jenen'du nicht aus ähnlichen Stoffen bestehend, W e l c h e durchstechen das Aug' und gleichsam Thräncn erzwingen, Oder den grauen und schmutzigen a u c h , die häfslich dem Anblick. D e n n w a s den Sinnen beliagt und den Augen schmeichelt, das alles
Z W E I T E S
BUCH.
v. 4 1 0 — 435.
Ist ursprünglich begabt mit einer gefalligen Glätte; Alles was widrig hingegen und r a u h , und ihnen beschwerlich, Findet sich innner bereits schon harsch und widrig im Grundstoff. Aber es giebt der Körperchen a u c h , die wede^ für glatte, Noch f ü r krumme zu h a l t e n , an denen die Spitzen gebogen; Sondern sie scheinen vielmehr vorragende E c k c h e n zu haben, Minder zu stechen damit die S i n n e , als solche zu kitzeln; Unter diese gehört W e i n r a h m und saftiger Alant. E n d l i c h beweist auch noch das G e f ü h l , dafs brennendes Feuer, U n d der gefrorene R e i f , gezahnt auf verschiedene W e i s e , A u f verschiedene Art auch unsere Sinne verletzen. D e n n das G e f ü h l , das G e f ü h l , bei allen unsterblichen Göttern! Tst d i e - E m p f i n d u n g des K ö r p e r s , wann äufs're Berührung entweder E i n d r i n g t , oder, im Innern erzeugt uns etwas beleidigt; Oder auch süfser E r g u f s ergötzet in Werken der L i e b e ; Oder wann Theile des Stoffs selbst gegen einander im Körper Streiten, und also erregt den Sinn in einander v e r w i r r e n : W i e du es selber erfährst, wenn irgend an einen der Theile D e i n e s Körpers du dicli mit deiner eigenen Hand schlägst. W e l c h e s b e w e i s t , dafs die S t o f f e , die so verschied'ne G e f ü h l e W e c k e n k ö n n e n , auch selbst gar sehr verschieden
an F o r m sind.
E n d l i c h , alles w a s dicht und hart den Sinnen erscheinet, M u f s durch Stoffe die hakiger sind zusammengehalten, Gleichsam ästig verschränkt, fest an einander sich schliefsen. Unter diese gehört vor den übrigen allen der Demant, Steht in der R e i h e voran, und scheut den gewaltsamen Schlag nicht.
68
ZWEITES
BUCH.
v. 436 — 4 6 1 .
Auch das Kieselgeschlecht und des Eisens trotzende Härte, Und das tönende E r z an den Angeln mächtiger Thore. Aber was nafs und feucht aus flüssigen Körpern bestehet, M u f s aus glatten vielmehr und gerundeten Stoffen erzeugt seyn. Auch das Gesäme des M o h n s ergiefst sich beinahe w i e W a s s e r ; W e i l die geballten K ü g e l c h e n , los von jeder Verbindung, Frei fortschiefsen, und leicht hinrollen v o n neigender Fläche. E n d l i c h , was irgend du siehst sich augenblicklich zerstreuen, Als den N e b e l , den R a u c h , die F l a m m e ; w o f e r n auch die Stoße A l l e nicht glatt und rund, so müssen doch nicht sie verschränkt seyn, Noch auch verwickelt in s i c h : w i e könnten sie Steine durchdringen, Oder zerstechen die H a u t ? Auch nicht aneinander sich hängen, W i e man an Kletten es sieht: woraus gar leicht du erkennest, D a f s sie, aus spitzigen m e h r , als verwickelten Stoffen bestehen. D a f s du D i n g e bemerkst die bittern G e s c h m a c k e s , doch
flüssig,
W i e die Nässe des M e e r s , darf keinesweges dich w u n d e r n : Denn das F l ü s s i g e kommt von runden und schlüpfrigen S t o f f e n ; Aber mit diesen vermischt sind rauhe und schmerzliche Stoffe, Welche doch nicht nothwendig gehakt an einander sich halten; Kuglicht müssen sie s e y n , obgleich von hökriger B i l d u n g , Hinzurollen, und doch zugleich zu verletzen die Sinne. Auch zum klaren B e w e i f s , dafs rauhes und glattes gemischt sey In den Stoffen, woraus Neptunus K ö r p e r bestehet, S i n d ja M i t t e l zu scheiden sie d a , und sie einzeln zu sehen. E b e n dasselbe Nafs wird s ü f s , w a n n öfters geläutert D u r c h den Boden es fliefst, und dann in der Grube sich mildert:
ZWEITES
BUCH.
v. 462 — 437.
D e n n es läfst an der R i n d e zurück das widrige Seesalz, Welches da rauh sein S t o f f , auch leicht an der E r d e bekleibet. F ü g l i c h knüpfen w i r hier an diese L e h r e noch jene, D i e auch ihren B e w e i f s v o n derselben entlehnet; dafs nämlich Alle Figuren des Stoffs in bestimmtem Maase nur wechseln. Wär's nicht a l s o , so müfs't ein T h e i l von denselben an Umfang Unzuermessend s e y n ; doch können bei ähnlicher Kleinheit Ihrer K ö r p e r , sie nicht so sehr in Verschiedenheit ändern. L a f s den winzigen Körper um d r e i , um mehrere T h e i l e , Gröfser w e r d e n , und nimm die T h e i l e desselbigen Körpers A l l e , setze, w a s oben zu unterst, zur rechten, w a s links ist; A l l e verschied'ne F i g u r e n , die diese Versetzungen geben, Hast du nun völlig versucht; und willst du sie weiter verändern, M u f s t du mehrere noch und andere Theile hinzuthun : U n d stets mehrere n o c h , je mehr du zu ändern gedenkest. Immer müfste daher mit neuer Bildung die Masse Sich auch v e r g r ö f s e r n ; woraus hinlänglicher Grund sich ergiebet, U m zu glauben es müsse begrenzt der Stoffe Figur seyn: D e n n man müfste f ü r w a h r von ungeheuerer Gröfse M a n c h e sich denken; w o z u , w i e oben gesagt, der B e w e i f s fehlt. U n d nun lägen dir schon die barbarischen köstlichen K l e i d e r , Meliböischer P u r p u r , in B l u t Thessalisclier Schnecken E i n g e t a u c h t ; mit lachendem Reitze der Pfauen bemalte Goldene Schleier der F r a u e n , besiegt von neueren Farben. Smyrnas Gerüche würden verschmäht, die Süfse des Honigs, U n d der Schwanengesang, und die holden phöbeischen Lieder,
69
7°
ZWEITES
BUCH.
v. 488 — 5^3-
Wechselnd auf S a i t e n ; auch sie verstummten aus ähnlichem Grunde: Denn ein Neueres stets, ein Besseres, käme zum Vorschein. Rückwärts könnten auch so zum Schlimmem schreiten die Dinge : Immer etwas dem A u g e , dem O h r , dem Geschmack und Gerüche, W i d r i g e r als zuvor durch neue Yeränd'rungen werden. Aber da diefs nicht i s t ; vielmehr da den Dingen gesetzt ist Grenze von beiden S e i t e n , zusammenzuhalten das Ganze; M u f s die Verschiedenheit auch in der Stoffe Figuren begrenzt seyn. Gleichergestalt auch ist das Maas der brennenden Hitze, Bis zu dem W i n t e r f r o s t , auf beiderlei Seiten bestimmet. Denn das Ganze des Jahrs ist Kält' und H i t z e ; dazwischen Liegen die lauen W e c h s e l , die Stufenleiter erfüllend. Auseinander stehn sie daher in bestimmeten
Grenzen,
Sind an beiderlei Enden mit schneidender Schärfe bezeichnet; Hier mit Flammen besetzt, und dort mit dem starrenden Eisfrost. Füglich k n ü p f ich annoch an diese L e h r e die andre, Die auch ihren Beweifs von solcher entlehnet: dafs nämlich Sich die Zahl derjenigen Stoffe, die gleich an Figur sind, Ins Unendliche hin erstrecke: so fern ja beschränkt Ist Ihrer Formen verschiedene A r t , so folgt dafs die Anzahl Jener unendlich s e y , die an Form und an Bildung sich gleichen: Oder es wäre beschränkt die gesammte Summe des Urstoffs S e l b e r ; wovon ich jfedoch zuvor schon zeigte den Urgrund. Nun da ich dieses gelehrt, so w i l l i c h , mein Memmius , annoch, Z w a r in w e n i g e n , doch süfs redenden Versen, dir darthun, Dafs die Körper des Stoffs, durch ununterbrochenen Fortschufs
ZWEITE/S
BUCH.
y. 514 — 539.
Seit u n d e n k l i c h e r Z e i t , e r h a l t e n die sämmtlichen D i n g e . Seltner sehen w i r z w a r g e w i s s e Geschlechter der T h i e r e , Obgleich ihre N a t u r auf m e h r e r e Fruchtbarkeit d e u t e t ; Ebendieselben jedoch sind h ä u f i g in anderen L ä n d e r n , Andern Orten und S t r i c h e n der E i d ' , und f ü l l e n die Zahl aus. So w i e vor andern man s i e h t , im Geschlecht vierfüfsiger Thiere, Am E l e p h a n t e n m i t S c h l a n g e n r ü s s e l ; m i t tausenden ihrer, Gürtet India sich , w i e mit e l f e n b e i n e r n e r B r u s t w e h r , D a f s man nicht durchzubrechen v e r m a g : so grofs ist die A n z a h l D e r e r , von w e l c h e n w i r h i e r nur einzelne w e n i g e sehen. Aber g e s e t z t , es gab' auch ein D i n g von n a t ü r l i c h e m A u f w u c h » , E i n z i g in seiner A r t , w o n i r g e n d das Gleiche sich f ä n d e ; W ä r e der Y o r r a t h n i c h t unendlich des ähnlichen Grundstoffs, Aus dem erzeugt erwachsen es k ö n n t e , so w ä r e sein D a s e y n Nimmer m ö g l i c h , noch Nahrung d a f ü r , noch w e i t e r e r F o i t w u c h s . Stelle dir einmal v o r , es sey zu den einzelnen D i n g e n N u r ein beschränkter zeugender Stoff im Ganzen vorhanden; W i e , und w o , auf w e l c h e r l e i A r t , durch w e l c h e s Vermögen, S o l l t e sich dieser z u s a m m e n , im Oceane der Stoffe, U n t e r den S t r u d e l g e m e n g t f r e m d a r t i g e r T h e i l e , verbinden? N i r g e n d k a n n ich den Grund von solcher Vereinigung f i n d e n : S o n d e r n , so w i e die w o g i g e S e e , nach g e w a l t i g e m Schiffbruch, R u d e r b ä n k e und M a s t , und Seegelstangen und Steuer, Kiel und S c h n ä b e l der S c h i f f e , das b u n t e flutende S c h n i t z w e r k , W e i t an alle Küsten zerstreut entlegener L ä n d e r ; D a f s sie ein Z e i c h e n w e r d e n , ein B e i s p i e l lehrend die Menschen,
72
ZWEITES
BUCH.
v. 540 — 565.
N i e des gewaltigen Meeres verborgener T ü c k e zu trauen ; J a , noch dann es zu s c h e u n , und niclit sich darauf zu verlassen, Wann sie die spielende F l u t mit buhlender Freundlichkeit anlacht. Eben so w ü r d e n , w o f e r n e die Z a h l von einigen Stoffen Eingeschränket man n i m m t , v o n wechselnden W o g e n des Urstoffs E w i g umher g e w ä l z t , sie nie zur Verbindung gelangen, N i e festsetzen sich können, und nie sich vergröfsern durch Wachsthum. Aber dafs dieses geschieht, das sehen w i r dennoch vor A u g e n ; D a f s sieb Wesen erzeugen, und dafs das E r z e u g e t e f o r t w ä c h s t : U n d w i r schliefsen daraus , die Z a h l ursprünglicher Körper Sey in jeglicher A r t , das Ganze zu stützen, unzählbar. Und so behalten denn nicht die Bewegungen., welche zerstören, Immer die O b h a n d , zu begraben e w i g die W o h l f a h r t Aller D i n g e ; noch können auch d i e , die Z e u g u n g und Wachsthum Fördern, erschaffene W e s e n in ewiger D a u e r erhalten. Und so führt sich der K r i e g der uranfänglichen Körper Seit undenkbarer Z e i t mit gleichem Verlust und G e w i n n fort. Hier erhalten den Sieg die lebenerweckenden D i n g e , Werden dort ü b e r w u n d e n : es mischt ins L e i c h e n g e p r ä n g e Sich das Gewimmer des Kindes, das auf zur Schwelle des Tags b l i c k t : Niemals löset die N a c h t den T a g a b , oder das Frühroth Wieder die N a c h t , dafs sie nicht das Wimmern hörten des Säuglings, Eingemischt in Gestöhn, dem Begleiter des Tod's und der Bahre. E i n s nur präge dir fest in den S i n n , und erhalt es darinnen: D a f s in der D i n g e N a t u r , so w e i t uns diese bekannt ist, Nichts s e y , welches aus einerlei Art und S t o f f e bestehe;
ZWEITES
BUCH.
v . 566 — 5 9 1 .
Nichts von allem, das nicht aus vermischtem Samen erzeugt s e y : Und je mannichfacher ein Dirrg an Vermögen und Kraft ist, Um so verschiedener ist's an Art und Gestalten der Stoffe. Also die E r d e v o r e r s t : sie hat U r k ü r p e r , durch welche .Tenes unendliche M e e r durch die Flüsse wälzenden Quellen Immer sich w i e d e r erneut: sie hat auch Stoffe des Feuers, Denn der Boden der E r d ' entbrennt an verschiedenen Orten ; Aber am heftigsten rast mit wüthenden Flammen der Aetna. Ferner noch hat sie die S t o f f e , woraus sie glänzende Saaten, Fröhliche Büsche läfst aufsteigen zum Nutzen des M e n s c h e n ; A u c h däfs sie hangende Z w e i g e daraus und blühende Kräuter Kann darreichen, zum Futter dem bergdurchschweifenden Wilde. D a r u m w i r d sie zugleich die grofse M u t t e r der Götter Und der Thiere benannt, die Erzeugerin unsers Geschlechtes. D i e s e , so sangen vordem die weisen Dichter der Grajen, Sitzt auf dem W a g e n , und treibt die doppelspännigen L ö w e n : Anzudeuten damit, grofs schwebe die E r d ' in dem L u f t r a u m , Könn' auch wieder sich nicht auf die E r d e stützen die Erd«. W i l d e Thiere gesellte man b e i ; zu l e h r e n , so wild auch S e y ein G e s c h l e c h t , so w e r d ' es bezähmt durch Liebe der Eltern. E i n e M a u e r k r o n ' umschliefst das erhabene Haupt ihr, W e i l an erhabenen Orten sie Vesten träget und Städte. Also gekrönt durchzieht sie die weiten Strecken der L ä n d e r ; Schauer erregend erscheinet das B i l d der göttlichen Mutter. Auch w i r d diese von V ö l k e r n , nach altem geheiligten Brauche, M u t t e r von Ida benannt: sie geben auch Scharen der Phryger Lucret. I .
74
Z W E I T E S
BÜCH.
v. 592 — 6 1 7 .
Ihr zum G e l e i t ; w e i l e r s t , w i e sie sagen , von phrygischer Grenze Ueber der E r d e Kreis der Fruclitbau seye gekommen. Auch entmannete Priester begleiten sie: also zu deuten, D a f s w e r die M u t t e r nicht e h r t , den D a n k versaget den E l t e r n , U n w e r t h sey ein lebend Geschlecht zum L i c h t e zu bringen, Pauken donnern v o n schlagender H a n d , die gehöhleten Z y m b e l n Schallen u m h e r , es brüllt mit heiserem R u f e das Krummhorn, U n d es reitzet mit schärferem T o n die phrygische P f e i f e . Spitzige W a f f e n trägt man v o r a n , die Zeichen der R a c h w u t h , U m zu erschrecken, durch F u r c h t vor der Göttin erhabenen Hoheit, Undankbare Gemüther, des Pöbels frevelnde Sinnen. Fährt sie in solchem Pomp um daher durch erhabene Städte, Stummbeglückend die Menschen mit ihrem schweigenden S e g e n ; Streuen sie Silber und E r z auf alle die Strafsen des W e g e s , Spenden ihr reichliche G a b e n , und überschneien mit einem Rosenschauer die Göttin , und deren begleitend G e f o l g e . Aber ein andrer bewaffneter T r u p p ; ihn nennen die Griechen Phryg'sche K u r e t e n : sie spielen vertheilt im K a m p f e zusammen, Stampfen nach M a a s und T a k t , bethränt mit B l u t e , den Boden. Schüttelnd auf ihren Häuptern die furchtbar wallenden Büsche, Stellen sie jene Kureten aus D i k t e v o r , die man saget, D a f s 111 Kreta sie einst das Wimmern des Iupiters bargen: A l s die Knaben umtanzend in fliegenden R e i h e n den Knaben, U n d bewaffnet im T a k t , an die Schilde schlugen die S c h w e r t e r ; D a f s Saturnus ihn nicht, ihn e r g r e i f e n d , möchte verschlingen, U n d der M u t t e r ins Herz die e w i g e W u n d e versetzte:
ZWEITES
BÜCH.
v. 618 — Ö43.
Darum begleiten sie auch die grofse Mutter in W a f f e n ; Oder auch anzudeuten , tlie Göttin verlange mit Waffen Und mit tapferem M u t h sein väterlich Land zu vertheid'gen; Sich zu r ü s t e n , der Schutz und die Zierde der Eltern zu werden. Ist diefs alles nun gleich gar schön und trefflich ersonnen, W e i c h t es doch gänzlich ab vom richtigen Grunde der Wahrheit. Denn es müssen die Götter, durch sich und ihrer Natur nach, In der seeligsten R u h unsterbliches L e b e n geniefsen, W e i t von unserm Thun und unseren Sorgen entfernet. Frei von jeglichem Schmerz, und befreit von allen Gefahren, Selbst sich in Fülle g e n u g , nicht unserer Dinge bedürftig, R ü h r t sie nicht unser Verdienst, noch reizet sie unser Vergehen. Z w a r Empfindung und Sinn ist gänzlich der Erde versaget; Aber da solche besitzt die Stoffe zu mancherlei Dingen, Bringt sie vieles hervor ans L i c h t auf vielerlei Weise. W i l l nun einer das Meer Neptunus nennen, die Feldfrucht Ceres; vielmehr misbrauchen des Bacchus göttlichen Namen, Als das Getränk mit selbst ihm eigner Benennung bezeichnen; Sey es doch unbenommen auch ihm, zu sagen , der Erdkreis Sey die Mutter der Götter, wofern nur die Sache gemeinj ist. Grasend findet sich oft auf derselben W e i d e zusammen, Wolletragendes V i e h , die Zucht der krieg'rischen Rosse, Und das gehörnete R i n d : bedeckt vom nämlichen Himmel, Von der nämlichen Flut getränket des strömenden Flusses ; D o c h , ungleich an Gestalt, erhalten, der Eltern Natur sie, Ahmen sie nach die Sitten der A l t , zu der sie gehören.
76
ZWEITES
BUCH.
v. 644 — 669.
Solche Verschiedenheit ist der Gmndmaterie eigen, Selbst in jeglichem G r a s , und selbst in dem W a s s e r der Flüsse. F e r n e r , das nämliche B l u t , dieselbigen Knochen und Adern, Farben und F e u c h t i g k e i t e n , Gedärm und N e r v e n und Sehnen, Sind bei jeglichem Thier , nach dem A n s c h e i n , immer dieselben ; D a sie doch untersich selbst w e i t von einander verschieden, Ganz aus verschied'ner F i g u r der Anfangsstoffe sich bilden. E h e n so ist es mit d e m , w a s das F e u e r flammend verzehret; Nähret es sonst auch nichts, 50 sind doch Theilchen darinnen, Feuer zu schleudern von sich,, in die Ilölie zu schiefsen den Licht$tral, F u n k e n zu sprühen, und w e i t umher zu zerstreuen die Asche. W e n n du das übrige noch mit ähnlichem Geiste durchwanderst, W i r s t du f i n d e n , dafs stets von mehreren Dingen die Körper Samen verbergen in s i c h , verschied'ne F i g u r e n enthaltend. Endlich finden w i r noch viel D i n g e , w o r i n sich die Farbe. IVTit dem Geruch und Geschmacke vereint; besonders in Gaben: W o die R e l i g i o n durch schändlichen T a u s c h , sich v e r s ü h n e t ; Diese bestehen sonach aus vielgestaltetem Grundstoff. Denn der Geruch dringt e i n , wohin der Geschmack nicht gelanget; Wieder zu anderem Sinn der Geschmack und die Nahrung des Saftes : Welches der Unterschied der Grundgestalten erweiset. Dieser verschieden gestaltete Stoff verbindet zu E i n e r M a s s e sich nun, und alles besteht aus gemischetem Samen. A l s o bemerkest du selbst zum T h e i l in unseren Versen, L e t t e r n die vielen Worten gemein; da die W o r t ' und die Verse, Immer zusammengesetzt aus andern L e t t e r n bestehen.
ZWEITES
BUCH.
v. 670 — 695.
77
Nicht w e i l diese vielleicht nur selten in jenen erschienen, Oder der W o r t e nicht z w e i aus sämmtlichen ähnlich sich f ä n d e n ; Sondern indem überhaupt nicht alle in allem sich gleich sind. Ehen a u c h , wenn sich gemeinsamer Stoff hei anderen Dingen Findet in grofser Z a h l , so können sie unter einander, W a s das Ganze b e t r i f f t , doch von sehr verscliied'ner Natur seyn; D a f s man behaupten könnte mit R e c h t , aus anderen Stoffen Sey das Menschengeschlecht, und T h i e r ' , und P f l a n z e n , entstanden. Stelle dir aber nicht v o r , dafs alle atif allerlei W e i s e Sich verbinden; du sähst v o l l Ungeheuer die W e l t dann. Menschen mit T h i e r g e s t a l t , zuweilen aus lebenden Körpern Wachsende Z w e i g e des B a u m s , und o f t mit Gliedern des Seethiers Iii Verbindung gesetzt des Landthiers mancherlei Glieder. Alsdann würde Natur auf allgebährender E r d e W i l d e Chimären w e i d e n , mit Flammenschnaubendem Rachen. D a f s doch niemals dergleichen geschieht, ist k l a r ; denn w i r sehen, D a f s aus eigenem Samen erzeugt, in eigener Mutter, Alles in seiner Art sich erhalten könne beim Fortwuchs. U n d diefs mufs nothwendig geschehn nach bestimmten Gesetzen. Denn die besonderen S t o f f e , die jeglichem eigen gebühren, Scheiden aus jeder Nahrung sich a b , in die eig'nen G e f ä f s e , U n d erregen d a r i n , so bald sie verbunden sich haben, Schickliche L e b e n s b e w e g u n g ; hingegen die Theile die fremd sind W i r f t die Natur von sich : viel andere fliehen unmerkbar Aus dem Körper h i n w e g , von anderen w i e d e r getrieben. Sie sinds, welche sich nicht zum Gehrauch des Körpers verbinden,
78
ZWEITES
BUCH.
v. 696 —
72.1.
Nicht zustimmen, und nicht eintreten zur L e b e n s b e w e g u n g . Denke doch nicht, diefs Gesetz beschränke die thierische W e l t n u r ; Irgend ein ähnlicher Grund setzt alle D i n g ' auseinander. Denn w i e jegliches D i n g , das erzeugt w i r d , anderen ungleich Ist in seiner N a t u r , so mufs auch jedes beinahe Aus verschied'ner F i g u r ursprünglicher Stoffe bestehen: Nicht dafs w e n i g e nur von ähnlichen Formen sich fänden, Sondern indem überhaupt nicht alle in allem sich gleich sind. Ist nun verschieden der S t o f f , so sind verschieden die R ä u m e , Z w i s c h e n g ä n g e , G e w i c h t , die Art der V e r b i n d u n g , der Forttrieb, Und der Zusammenstofs und B e w e g u n g : welche die T h i e r w e l t Nicht n u r , welche sogar das weite M e e r und die E r d e Scheiden , und welche zurück von dem Erdrauin halten den Himmel. A u f , und vernehme du jetzt die W o r t e , die süfses Bemühen Ausgeforschet: dafs n i c h t , w a s w e i f s dem A u g e sich darstellt, W e i f s erscheine d e s h a l b , w e i l w e i f s e Stoffe der Grund s i n d ; Oder w a s schwarz aussieht, aus schwarzem Samen erzeugt s e y : Noch auch jegliches D i n g , das irgend gefärbt w i r erblicken, Also sich z e i g e , dieweil schon ähnliche F a r b e von dieser In der Materie selbst, in dem U r s p r u n g s s t o f f e , vorhanden. Alle Materie ist ganz ohne F a r b e ; den D i n g e n Weder hieiinnen g l e i c h , noch ungleich ihnen zu nennen. Sa gst du clor menschliche Geist vermöge nicht Körper zu fassen Solcherlei A r t , so irrest du sehr und täuschest dich gänzlich. N i m m dir den Blindgebohrnen d o c h ; die göttliche Sonne H a t er nimmer gesehn, doch kennet e r , durch das G e f ü h l blos,
ZWEITES
BUCH.
v. 722 — 747-
79
Dinge, die nie im Leben mit Farbe verbunden ihm w a r m . Eben so läfst sich verstehn, w i e die Seele Begriffe von Körpern Machen sich könne, die nicht mit Farbe von aufsen getüncht sind. Selbst die D i n g e , die w i r bei Nacht und im Dunkeln betasten, Unterscheiden sich u n s , obgleich w i r die Farbe nicht fühlen. W a s die Erfahrung bezeugt, lafs jetzt durch Gründe mir darthun. Jegliche Farbe verwandelt sich leicht in jegliche Farbe; Aber das dürfen doch nie die Urelemente der Dinge. Stets mufs etwas bestehn, das unveränderlich bleibe, Soll nicht alles in Nichts von Grund aus wieder sich k e h r e n : Denn was irgend verläfst die Grenzen des eigenen Daseyns, Stirbt als das, was es w a r , wird augenblicklich ein andres. Hüte dich also den Stoff mit wechselnden Farben zu tünchen, Soll ins völlige Nichts zuletzt nicht alles zurückgehn. Sind die Stoffe nun gleich nicht farbig ihrer Natur nach, Sind sie dennoch begabt mit mannigfaltigen Formen, Wechselnde Farben daraus von allerlei Arten zu schaffen. Dann auch lieget noch viel an Mischung und L a g e der Stoffe, W i e sie sich unter sich selbst, und wieder zu andern verhalten; W e l c h e Bewegung sie geben, und welche sie wieder empfangen; Also dafs leicht sich hieraus ein rechenschaftlicher Grund giebt, W i e , w a s kurz noch zuvor von Farbe dunkel und schwarz war, Könn' urplötzlich darauf sich in Marmorweifse verwandeln. Eben so wird auch das M e e r , von heftigen Winden erreget, Umgewandelt in W o g e n von heller und glänzender Weifse. Sagen liefse sich dann, dafs das, was öfters w i r schwarz sehn,
80
ZWEITES
BUCH.
v. 748 — 773-
Wann es die Stoffe durchmischt, die Ordnung derselben verändert, Einige sich vermindern, und andre dagegen vermehren; Dieses auf einmal alsdann sich weifs und glänzend erzeigeWären die Fluten des Meeres jedoch schon dunkel im Grundstoff, Dann so könnten auf keinerlei Art ins W e i f s e sie w a n d e l n ; Möchtest du noch so sehr in einander jagen die Stoffe, Nimmer würden ins W e i f s e sie übergehen, die dunkeln. W ä r e n die Samen jedoch, aus denen der einfache, klare, Meeresschimmer besteht, mit verschiedenen Farben gefärbet, W i e man ein Viereck o f t , und andre bestimmte Figuren, Bildet aus anderen Formen, und unterschied'nen F i g u r e n ; Müfste man a u c h , w i e hier die verschiedenen Formen, im Viereck, So in der Fläche des M e e r s , und in jeder lauteren Glanzflut, Bunte, und w e i t von einander verschiedene Farben bemerken. Uebrigens zeigt sich die äufs're F i g u r vollkommen im Viereck, Sind auch die Glieder, woraus es besteht, verschieden an B i l d u n g : Aber verschiedene Färb' an den Dingen verhindert es gänzlich, Dafs dasselbige D i n g einfarbig jemals erscheine. Irgend ein Grund, der uns noch verführen könnte' den Stoffen Einzuräumen die Farbe , zerfällt und verlieret sich gänzlich, Wenn man bedenket, dafs nicht aus weifsen entstünde das Weifse, Noch was Schwärze man nennt aus schwarzen; vielmehr aus verschied'nen. W e i t natürlicher ists, dafs W e i f s e s aus Stoffen entspringe Ganz farbloser Natur, als dafs es aus schwarzen sich zeuge, Oder aus jeglicher Farbe mit welcher es gänzlich im Streit liegt. F e r n e r , da ohne Licht nicht können bestehen die Farben,
ZWEITES
BUCH.
v. 774 — 799.
8-1
Aber hervor ans L i c h t ursprüngliche Stoffe nicht treten} F o l g t natürlich h i e r a u s , dafs diese von Farben entblöfst sind. W i e kann Farbe sich eignen dem lichtberaubeten D u n k e l ? S i e , die sich selbst verändert im L i c h t und verschieden zurück glänzt, J e nachdem sie der Stral schief oder gerade getroffen. An dem Gefieder der T a u b e n , w o m i t sich Hals und ihr Nacken Rings umkränzt, kannst diefs du erschaun im Strale der Sonne: Anders gewandt erscheinet es roth , im Glanz des P y r o p u s , Wieder anders L a s u r , in grüne Smaragden gemischet. So auch des P f a u e n S c h w e i f ; zur volleren Sonne gewendet, W a n d e l t auf ähnliche A r t er die manniclifaltigen Farben. D a nun des L i c h t e s eigener W u r f die W i r k u n g hervorbringt, Ist es auch k l a r , d a f s , ohne das L i c h t , nicht solches geschähe. Ferner noch, da die Pupille durch andere Stöfse gereitzt w i r d Wann sie das W r eifse f ü h l t , durch andere wieder vom Schwarzen, W i e d e r auf andere Art von jeglicher anderen F a r b e ; Auch an der Farbe des D i n g e s , w o f e r n du solches berührest, W e n i g l i e g e t , vielmehr an der F o r m und der eigenen B i l d u n g ; Also erhellt, dafs Stoffe durchaus nicht Farbe bedürfen, Sondern verschiedener F o r m e n , verschied'ne Gefühle zu wecken. Sollte gewisser F a r b e n N a t u r bestimmten Figuren E i g e n nicht s e y n , und könnte daher mit jeglicher Farbe Jegliche Bildung der Stoffe bestehn : w i e kommt es, dafs D i n g e Nicht auf ähnliche Art in jegliche Farbe sich kleiden? D a n n so traf' es sich w o h l , dafs zuweilen den fliegenden Raben W e i f s e r Schimmer entglänzte, vom w e i f s e n Gefieder und F l ü g e l ;
Lucret. I.
11
82
ZWEITES
BUCH.
v. 8 ° ° — Ö2j.
Schwarze S c h w a n e n e n t s t ü n d e n , aus s c h w a r z e m S a m e n e r z e u g e t , Oder auch e i n f a c h u n d b u n t , i n jeder b e l i e b i g e n F ä r b u n g . Ja du b e m e r k e s t s o g a r , je k l e i n e r m a n D i n g e zerth eilet, D e s t o m e h r n u r v e r l i e r t sich die F a r b e , die e n d l i c h v e r s c h w i n d e t . So w e n n man G o l d z e r r e i b e t zu f e i n e m S t a u b e , des P u r p u r s Glänzendes R o t h z e r l e g t in die a l l e r z a r t e s t e n F ä d e n : "Welches dir k l a r e r w e i s t , d a f s , e h e zum Stoffe sie k e h r e n , Alle die T h e i l c h e n z u v o r a u s h a u c h e n jegliche F a r b e . E n d l i c h , indem du T o n u n d G e r u c h n i c h t j e g l i c h e m K ö r p e r Z u g e s t e h e s t , so r ä u m e s t du e i n , dafs K ö r p e r es gebe O h n e T o n u n d G e r u c h : auf ä h n l i c h e W e i s e b e g r e i f t sich's, D a f s , i n d e m w i r n i c h t alles m i t A u g e n zu fassen v e r m ö g e n , D e n n o c h K ö r p e r v o r h a n d e n , die also der F a r b e b e r a u b t sind, W i e des G e r u c h e s u n d w i e des t ö n e n d e n Schalles die a n d e r n : U n d es e r k e n n t der f o r s c h e n d e Geist n i c h t m i n d e r d i e s e l b e n , Als die in a n d e r e n D i n g e n a u c h a n d e r e r Z e i c h e n e n t b e h r e n . Bilde dir aber n i c h t e i n , als s e y e n die K ö r p e r des U r s t o f f s N u r der F a r b e b e r a u b t : a u c h m a n g e l t es i h n e n an W ä r m e , So w i e an K ä l t e : sie sind t o n l o s u n d ledig des S a f t e s ; Auch v e r h a u c h e n sie n i c h t aus dem K ö r p e r e i g n e G e r ü c h e . S o , w a n n aus M a j o r a n u n d M y r r h e n , u n d aus des J a s m i n e s N e c t a r b l ü t e n , m a n D u f t süfs h a u c h e n d e r S a l b e n b e r e i t e t ; S u c h e n vor allem m a n m u f s , w o m ö g l i c h , g e r u c h l o s e n Oeles R e i n e N a t u r , w o v o n k e i n H a u c h die N e r v e n b e r ü h r e t : D a f s im mindesten nicht es die e i n g e m i s c h e t e n D ü f t e M i t dem e i g n e n Geruch a n s t e c k ' , u n d s o l c h e v e r d e r b e .
ZWEITES
BUCH.
v. QZ6 — Qm.
85
Und so müssen, aus ähnlichem Grund, ursprüngliche Stoffe Weder Geruch noch Ton zu den Dingen bringen, die durch sie Werden erzeugt: w e i l nichts aus sich selbst entlassen sie können. Aus demselbigen Grund sind eben die Stoffe geschmacklos, Können nicht Kalte von sich, noch W ä r m e , noch Hitze versenden. Alles übrige noch, hinfällig der eignen Natur nach; Nämlich das Schmeidige, B r ü c h i g e , H o h l e f von lockerem Körper, Diefs mufs gänzlich getrennt von allem ursprünglichem Stoff seyn; W e n n w i r auf unvergänglichen Grund das W e s e n der Dinge W o l l e n erbauen, worauf doch das Heil des Ganzen gestützt ist, Und nicht wieder in Nichts hingehen w a s irgend nur da ist. Nunmehr fordr' ich dich auf mir einzugestehen, dafs alles, W a s nur Empfindung h a t , aus unempfindlichen Stoffen Sey zusammengesetzt.
Dagegen streitet Erfahrung
Nicht, noch der Augenschein; sie führen beide vielmehr uns Selbst bei der Hand, und zwingen zu glauben, dafs, w i e ich behaupte, Aus urifühlendem Stoffe die lebenden Wesen erzeugt sind. Siehet man nicht aus stinkendem M i s t lebendige Maden Kriechen , wenn häufiger Hegen den Boden in Fäulnifs gesetzt h a t ? Siehet man nicht überdem, w i e alle die Dinge sich w a n d e l n ? W a s s e r sich wandelt in grünendes Ijaub ; die blühenden Auen In der Thiere Natur; in unsere L e i b e r die Thiere ? Eben so geben auch w i r , durch unsere Körper, dem Raubthier Kräfte z u w e i l e n , zuweilen den fittigmächtigen Vögeln. Also verkehrt die Natur die Nahrung in lebende Wesen, Und erzielet aus ihr Sinn und Empfindung für alle :
ZWEITES
BUCH.
v. 052 — Q77-
Nicht auf andere A r t , als w i e sie die Flammen aus dürrem IIolz' e n t w i c k e l t , und w i e in Feuer sie alles verkehret. Wirst du nunmehr es g e w a h r , dafs es s e y von grofser Bedeutung, W i e sich in L a g e geordnet die Stoffe b e f i n d e n , jnit w e l c h e n . Anderen Stoffen gemischt sie B e w e g u n g empfangen und gehen2.-F e r n e r , w a s ist's, das selbst das Gemüth uns oftmals erschüttert, D a s uns erregt, und in uns verschiedne Gefühle hervortreibt-- T W e n n das Empfindliche nicht aus U n e m p f i n d l i c h e m herkommt ? W a h r ist's, Stein' und H o l z und E r d e ,
zusammengemischet^
Können zwar nicht die lebendige Kraft des Gefühles e r z e u g e n : D o c h man erinn're sich nur der B e d i n g u n g , die ich gesetzet, Dafs nicht jeglicher S t o f f , woraus die Erschaffungen werden, finmer und alsogleich das Empfindungsvermögen
erzeuge;
Sondern, dafs viel zuvörderst daran g e l e g e n , wie klein sie S i n d , und von w e l c h e r F i g u r , s i e , die das E m p f i n d e n d e w i r k e n : Dann an der O r d n u n g , B e w e g u n g , der L a g e
gegeneinander;
W o von allem du nichts an H o l z und Schollen gewahr wirst. D i e s e bringen jedoch w o f e r n sie in Fäulnifs gerathen, Maden und W ü r m e r h e r v o r : w e i l , w a n n nun die Nässe hinzudringt, Solche die Körper des Stoffs aus den vorigen Ordnungen rücket, U n d sie also v e r e i n t , dafs sie lebende W e s e n gebären. Ferner, wenn jene, die nicht aus sich selbst zu denken g e w o h n t sind, A u s empfindendem Stoff das E m p f i n d e n d e zeugen sich lassen, M a c h e n die Stoffe sie w e i c h : denn alles Empfindende w o h n e i N u r in
den inneren T h e i l e n , in Adern und N e r v e n ; und diese
Sind v o n w e i c h e r N a t u r , in ihrer Erschaffung vergänglich.
ZWEITES
EUCH.
v._ 87ß — 905.
85
Aber gesetzt, es könnten auch sie fortdauernd sich h a l t e n ; Miifsten entweder sie doch E m p f i n d u n g haben des Tlieiles, Oder sie wären auch selbst gleichartig vollendeten Thieren. Theile können jedoch durchaus nicht f ü r sich empfinden; Keiner der T h e i l e nimmt der anderen Glieder Gefühl an: Auch vermag nicht die I l a n d , noch irgend, ein anderes Gliedmafs, Abgetrennet vom L e i b und allein, E m p f i n d u n g erhalten. Uebrig b l e i b t , dafs sie ganz an G e f ü h l e vollkommenen
Thieren
Gleichen, von allen Seiten den Lebenssinn zu vereinen. Aber w i e hiefsen sie nun ursprüngliche
Stoffe der
Dinge?
K ö n n t e n , als w i r k l i c h e T h i e r e , vermeiden die W e g e des T o d e s ? S i e , die mit jedem G e s c h ö p f , das sterblich, einer Natur sind. D o c h es sey ihm nun s o ; was-könnte durch ihre Verbindung Anders werden , als blofses Gemisch und Schwärme von Thieren ? So w i e Menschen, und zahmes V i e h , und Thiere der W i l d n i f s , Nicht mit einander vereint, durch Zeugung etwas b e w i r k e n : Immer müfsten daher sie empfinden nach unserer Weise. Aber verlieren vielleicht die empfindenden S t o f f e , verbunden N u n mit andern, das eigne G e f ü h l , und nehmen ein anders? W o z u gabst d u , was wieder du nimmst? — So bleibet denn immer, D a s , was zuvor w i r gesucht: w e i l nämlich die E i e r der V ö g e l Können in Küchelchen sich verwandeln , und w e i l des Gewürmes Wimmelnde Heere kriechen aus nassem und faulendem Boden, Kann auch Sinn und G e f ü h l aus Nichtgefülile hervorgehn. Möchte man sagen, aus Nichtempfindenden könn' in sofern nur E t w a s Empfindendes kommen, als Solches Veränderung leidet;
86
ZWEITES
BUCH.
v. 904 — 929.
Gleichsam durch eine Geburt hervor zum L e b e n gebracht w i r d : Dieser möge vorerst aus Gründen begreiflich sich machen, Dafs nichts liömmt zur G e b u r t , als durch die Vereinung des Urstoifs ; Nichts verändert auch w i r d durch ähnliche W i e d e r v e r e i n u n g : S o , dafs E m p f i n d u n g zuvor nicht statt h a t ; ehe das T h i e r nicht Selbst gebildet schon ist.
D i e S t o f f e , w o r a u s es sich bildet,
L i e g e n im Wasser z u v o r , in der L u f t zerstreut, in der E r d e , U n d in dem Erderzeugten; und können a u c h , w a n n sie zusammen Sind getreten, sogleich die schickliche L e b e n s b e w e g u n g Nicht ausfinden, wodurch des Thiers allschauende Sinnen Angezündet, ihm selbst den Schutz zur Erhaltung gewähren. Ferner, wann irgend ein Thier ein Schlag trifft, härter als solchen Seine Natur e r t r ä g t , so w i r f t er sogleich es danieder, Und in dem Augenblick ist Sinn und G e f ü h l in Verwirrung. Aus einander gelöst w i r d nämlich der Stoffe Verbindung, Und die Lebensbewegung gehemmt; bis gänzlich zerrüttet Alle Materie nun im B a u e der sämmtlichen Glieder L o s von dem K ö r p e r trennet die Lebensknoten der Seele, Und dann diese zerstreut durch alle, Kanäle hinausjagt. Denn was könnte der Schlag w o l i j anders b e w i r k e n , als dafs er Alle Theile zerstöfst und ihre Verbindungen aufliebt ? Doch es ereignet sich auch , w a n n minder gewaltig der Schlag traf, D a f s nun wieder die R e s t e der Lebensbewegungen siegen ; Siegen , und sie den Tumult des tödlichen Streiches besänft'gen, Alles nun w i e ler in Gang und die vorige L a g e versetzt w i r d ; Glcichsam die in dem Körper schon herrschende Todesbewegung
ZWEITES
BUCH.
v. 93t) — 955-
87
Wieder zerstreut, und entzündet der halberloschene Sinn w i l d . Denn was wäre der Grund, der diese Reste zum Leben Wiederum riefe'zurück, zur Besinnung vom Rande des Todes; Nicht hingehen sie liefse die fast vollendete L a u f b a h n ? Ueberdieses ; wo findet sich Schmerz, als da wo in Gliedern, In den lebendigen Theilen die Stoffe g e w a l t i g gereitzet, In dem innersten Sitz erschüttert werden ? und wieder Folgt ein schmeichelnd Gefühl bei hergestelleter Ordnung. Ist es hieraus nicht k l a r , dafs weder Schmerz noch Vergnügen Eigen den Stoffen s e y ? da sie selbst nicht Theilchen besitzen, D i e durch veränderten Gang Empfindungen litten des Schmerzes, Oder welche durch ihn des Vergnügens Süfse genössen : Und so sind sie durchaus beraubt jedweder Empfindung. Endlich, wenn jeglichem Thiere zu seinem Empfindungsvermögen Stoffe empfindsamer Art sind beizulegen; so möcht' ich W i s s e n , woraus der Mensch doch eigenthümlich bestünde? Nämlich die Stoffe kichern, und werden vom Lachen erschüttert; Oder ein Thränenthau fliefst ihnen die Wrangen herunter? Auch verstehen sie klug von der Mischung der Dinge zu sprechen, Forschen den Stoffen n a c h , aus welchen sie selber gemacht sind? Sintemal sie belebt, und gleich sind eignen Geschöpfen, Müssen aus anderen Stoffen auch sie zusammengesetzt seyn, Diese wieder aus andern, dafs nirgend ein Ende zu finden. Denn ich folgere f o r t : was spricht und l a c h t , wie du sagest, Klug auch ist, das besteht aus andern die Gleiches vermögen. Ist nun dieses, w i e jeder erkennt, wahnsinnig und rasend;
38
ZWEITES
BUCH.
v. 956 — 981-
Kann man l a c h e n , u n d s p r e c h e n , u n d k l u g e S a c h e n b e d e n k e n , Ohne aus Stoffen z u s e y n , d i e ä h n l i c h e s t h u n u n d v e r m ö g e n j Sollten denn a n d e r e D i n g e , die w i r m i t E m p f i n d u n g b e g a b t s e h n , M i n d e r aus E l e m e n t e n b e s t e h n , die des Sinnes b e r a u b t s i n d ? Sind w i r n i c h t alle z u l e t z t aus h i m m l i s c h e m Samen e n t s p r u n g e n , Alle v o n E i n e m V a t e r ? v o n i h m e m p f a n g e t die E r d e , Sie die g ü t i g e M u t t e r , die T r o p f e n s c h m e l z e n d e n R e g e n s , U n d erzeuget im Schoose die g l ä n z e n d e n S a a t e n u n d B ä u m e , S a m m t dem M e n s c h e n g e s c h l e c h t u n d allen G e s c h l e c h t e n der T h i e r e ; D e n e n das F u t t e r sie r e i c h t , w o m i t sie die L e i h e r ersätt'gen^ U n d f o r t p f l a n z e n die A r t , u n d der Süfse des L e b e n s g e n i e f s e n : U n d so w i r d i h r m i t R e c h t der M u t t e r n a m e g e w ä h r e t . Auch kehrt wieder zurück zur E r d e , was aus ihr entstanden, W a s von dem A e t h e r k a m steigt a u f w ä r t s w i e d e r z u m A e t h e r , Z u den G e w ö l b e n des H i m m e l s .
So g a n z z e r s t ö r e t der T o d nicht-
Alle D i n g e , dafs selbst der M a t e r i e G r u n d er z e r n i c h t e : Sondern er t r e n n t die V e r b i n d u n g e n n u r ; d a n n f ü g e t er a n d e r s W i e d e r z u s a m m e n , b e w i r k t die V e r w a n d l u n g der ä u f s e r e n Foim.en, Aendert F ä r b ' u n d G e s t a l t ; bis z u l e t z t zur E m p f i n d u n g die D i n g e W i e d e r g e l a n g e n , d i e a u c h z u r g e s e t z t e n Z e i t sich v e r l i e r e t . D a r a u s magst d u e r s e h n , v o n w e l c h e r B e d e u t u n g es seie, W i e , und mit w e l c h e n , d i e Stoffe g e m i s c h t , u n d z u s a m m e n g e f ü g t sind, W e l c h e B e w e g u n g e n sie m i t t h e i l e n , u n d w i e d e r e r h a l t e n . B i l d e dir auch nicht e i n , dafs m i n d e r desh^lben die Stoffe E w i g e r D a u e r s i n d , d i e w e i l du in ä u f s e r e n D i n g e n I m m e r sie s c h w a n k e n s i e h s t , e n t s t e h e n u n d p l ö t z l i c h v e r s c h w i n d e n .
Z W E I T E S
BUCH.
v. 902 —
1007.
89
A u c h in unseren Versen sogar k o m m t vieles darauf an, W i e sie z u s a m m e n g e s t e l l t , w i e jedes darinnen gemischt sev. E b e n dieselben L e t t e r n b e z e i c h n e n H i m m e l und E r d e , U n d die S o n n e , das M e e r , u n d die F l ü f s ' , und eben dieselben Saaten und B ä u m ' und T h i e r ' ; und sind sie nicht alle die gleichen, Ist's doch der gröfsere T h e i l ; die S t e l l u n g ändert die Sachen. E b e n so ist's mit den D i n g e n auch s e l b s t ; verändern die Stoffe Z w i s c h e n r ä u m e , und G a n g ' , u n d B i n d u n g , die S c h w e r e , den Antrieb, U n d der Z u s a m m e n s t o f s , B e w e g u n g u n d O r d n u n g u n d L a g e , A e n d e r n sie in der F i g u r , so ändern auch selber die D i n g e . N u n m e h r w e n d e den G e i s t auf tiefere Sätze der W a h r h e i t : N e u e S a c h e v e r l a n g t mit G e w a l t in's O h r dir z u dringen, N e u e r D i n g e Gestalt dir hin v o r die A u g e n zu.treten. A b e r es ist kein D i n g so l e i c h t z u b e g r e i f e n , dafs anfangs Schwerer den E i n g a n g nicht zum Glauben es f ä n d e ; und nichts ist W i e d e r so w u n d e r b a r und so g r o f s , dafs nicht durch G e w o h n h e i t N a c h und nach die B e w u n d ' r u n g v e r l o r ' , und mind're die A c h t u n g . N i m m das glänzende B l a u und die reine F a r b e des Himmels, U n d das stralende L i c h t der irrenden H i m m e l s g e s t i r n e , U n d den M o n d , u n d den herrlichen G l a n z der leuchtenden S o n n e : W ü r d e zum erstenmal diefs alles dem A u g e des Menschen Dargestellet
als trat' es h e r v o r nun eben am S c h a u p l a t z ;
K ö n n t e w a s w u n d e r n s w ü r d i g e r ' s w o h l man nennen, nur e t w a s , D a s die M e n s c h e n z u v o r nie hoffen d u r f t e n zu s e h e n ? N e i n , in der T h a t , so grofs und so h e r r l i c h w ä r e der A n b l i c k . D e n n o c h w ü r d i g e t k a u m , des S c h a u s p i e l s m ü d e , nur E i n e r Lucret. I .
12
9o
ZWEITES
BUCH.
v.
IOOQ
—
1033.
Aufzuschlagen die Augen zum leuchtenden Tempel des Himmels. Darum wolle D u nicht, von der Neuheit selber erschrecket, Werfen die Gründe von d i r ; vielmehr mit geschärfetem Urtheil Prüfen dieselben; und find'st du sie w a h r , so reiche die Hand mir; Findest du aber sie falsch , so rüste dagegen zum Kampf dich. Denn es suchet der denkende Geist, da unendlich der Raum ist Aufser den Mauern der W e l t , was weiter noch möchte daselbst seyn, Das mi't dem Sinn des Gemüths erreichen er könne ; wohin er Einen freieren W u r f des Gedankens zu richten vermöge. Erstlich, es ist in dein A l l , w i e gesagt, kein Ende der D i n g e ; Nirgends, von keiner Seite, nicht unten , noch oben; zur Rechtcn Nicht, noch zur L i n k e n : es spricht die Sache sich selbst durch sich laut aus, Und es leuchtet hervor aus des Unbegrenzten Natur schon. Unwahrscheinlich daher ist's, dafs bei unendlichem Räume, Bei unzählbarer Zahl der Stoffe , welche die Tiefen Allenthalben durchschwärmen , von ewiger Rege getrieben, Dafs sich nur Eine W e l t , nur dieser Himmel g e b i l d e t ; Jener unendliche Stoff ohn' alle W i r k u n g geblieben. Und vorzüglich auch noch, da die W e l t das W e r k der Natur i s t ; Selbst sich von u n g e f ä h r , aus freien S t ü c k e n , der Dinge Samen gegen einander auf mancherlei W e i s e getroffen; Sonder Absicht und Z w e c k , zufällig zusammen gedränget; Endlich in solcher Gestalt sich vereinet haben zur Masse, Dafs sie im plötzlichen W u r f e der Ursprung wurden von grofsen D i n g e n ; der Erde, des M e e r s , des Himmels, der lebenden Wesen. Dafs kein Zweifel demnach zur Ueberzeugung dir obsteht,
ZWEITES
BUCH.
v. 1 0 3 4 — 1059.
9l
D a f s die Materie nicht an anderen mehreren Orten Gleiche Verbindungen h a b e , w i e diese Verbindung der W e l t ist, Welche der Aether umfafst mit w e i t umscliliefsenden Armen. W o die Materie nun in ergiebiger Menge vorhanden, W o es an R a u m nicht g e b r i c h t , kein D i n g das hindert im W e g ' i s t ; D a mufs etwas entsteh'n , da müssen die W e s e n sich bilden. Ist nun die Z a h l der Stoffe so g r o f s , dafs solche zu zählen Nicht hinreichte das Alter von allen erschaffenen W e s e n ; Bleibt fortdauernd dieselbige K r a f t , dieselbe Natur da, Hinzuschleudern an jeglichen Ort die Samen der D i n g e , Auf die nämliche Art w i e sie hieher wurden g e w o r f e n : Könntest du z w e i f e l n , dafs nicht in anderen Gegenden andre Erden noch s i n d , ein andres Geschlecht d e r , T h i e r e , der M e n s c h e n ? D a z u kömmt, dafs in weiter Natur kein Wesen zu finden, D a s nur einzig in A r t , nur einzig entstehet und aufwächst : Immer gehört es zu einem Geschlccht, und eben der Art sind Mehrere dai
So ist's vorzüglich bei lebenden W e s e n ;
Mehrere sind der Arten des hergdurclischweifenden Wildes, U n d des Doppelgeschlechts der M e n s c h e n , der schuppigen Fische Stummen H e e r d e n , der sämmtlichen Schaar geflügelter Wesen. Dieses beweiset uns k l a r , dafs E r d ' und Meer und der Himmel, U n d die S o n n e , der M o n d , und alle die übrigen D i n g e , Auf die nämliche A r t , nicht e i n z i g , sondern unzählbar D a sind : ihnen das Z i e l so g e w i f s vom Schicksal gesteckt sey, U n d sie eben sowohl aus sterblicher M a s s e bereitet, Als ein jedes Geschlecht, so zahlreich solches in Art ist.
92
Z W E I T E S
BUCH.
v. 1 0 6 0 —
1085.
Hast flu dieses e r k a n n t , so w i r d l i i n f o r t die N a t u r dir F r e i erscheinen, und f e r n v o n der H e r r s c h a f t stolzer G e b i e t e r ; .Alles b e w i r k e n d durch s i c h , o h n ' allen g ö t t l i c h e n E i n f l u f s . .Denn bei der G ö t t e r h e i l i g e m S i n n , die in f r i e d l i c h e r R u h e Ungestöret g e n i e f s e n ein e w i g h e i t e r e s L e b e n ; W ö r v e r m ö c h t e d i e f s A l l , das U n b e g r e n z t e , z u l e n k e n ; W e r m i t mächtige!' ITand zu halten die l e i t e n d e n Z ü g e l ? W T er vermöchte z u g l e i c h die H i m m e l alle zu drehen, TTnd mit ätherischem F e u e r zu dünsten die f r u c h t b a r e n E r d e n ? G e g e n w ä r t i g zu seyn an allen O r t e n , zu allen Z e i t e n ? damit er den T a g in W o l k e n h ü l l e , des H i m m e l s Av.cn mit D o n n e r e r s c h ü t t ' r e ; dann B l i t z e s c l i l e u d ' r e , die eignen T e m p e l damit zu s t ü r z e n ; d a r a u f v o l l G r i m m in die W ü s t e n Z i e h e n d , übe n o c h da das G e s c h o f s ; das ö f t e r s v o r ü b e r S c h u l d i g e g e h t , h i n s c h m e t t e r t den U n v e r s c h u l d e t e n ,
Biedern?
N a c h der G e b u r t s z e i t u n s e r e r W e l t , u n d n a c h dem entstand'nen E r s t g e b o r e n e n T a g des M e e r e s , der E r d e , der S o n n e , Kamen von a u f s e n h i n z u n o c h v i e l e der K ö r p e r , n o c h v i e l e Samen von a u f s e n h e r b e i , aus dem g r o f s e n G a n z e n g e s c h l e u d e r t : D a f s die E r d e , das M e e r ,
dadurch a n w a c h s e n n o c h k ö n n e ,
U n d sich erweitern d a r a u s der R a u m des h i m m l i s c h e n H a u s e s ; H ö h e r sich hebe sein D a c h , v o n der E r d ' a u f s t e i g e der L u f t r a u m . D e n n aus jeglichem O r t w i r d jedem der eigene G r u n d s t o f f Z u g e t h e i l e t durch T r i e b , u n d w e n d e t zu seiner N a t u r sich. W a s ser e r w ä c h s t zum W a s s e r , durch e r d i g e S t o f f e die E r d e , F e u e r s c h m i e d e t das F e u e r , zum A e t h e r steiget der A e t h e r :
ZWEITES
BUCH.
v. 10 q6 —
im.
93
Bis die Vollenderin-dann, die schaffende rege N a t u r , sie Alle zum letzten Z i e l , des eigenen Wuchses gebracht hat. Dieses geschieliet, sobald die schopfenden Lebensgefäfse M e h r nicht fassen des S t o f f s 7, als ihnen entweichet und abseht: D Dann erreichen die D i n g e die höchste Stufe des Zustands; Hier beschränkt die Natur durch eigene K r ä f t e den Anwuchs. Denn was immer in fröhlichem W u c h s aufschiefset und grofs wird, Nach und nach zu den Stufen des reiferen Alters emporklimmt, Nimmt mehr Stoffe zu s i c h , als es austreibt: w e i l die Gefäfse L e i c h t e r die Nahrung empfangen, und selbst so w e i t nicht gedehnt sind Viel zu entlassen dax'On; den. A u f w a n d gröfser zu machen. Als der E r t r a g einbringt, und der Mensch durch die Speise zu sich nimmt: D e n n nur allzu g e w i f s entdünstet gar vieles den Dingen, U n d entweichet d a v o n ; doch bis sie den G i p f e l des Wachsthums Völlig haben erreicht, mufs mehr ansetzen sich ihnen. Nachher bricht allmählig die Zeit Vermögen und Marinkraft, U n d es schmilzet das Leben dahin zur schlimmeren I l a l f t c . D e n n je gröfser ein D i n g an U m f a n g oder an Masse, Nimmt man den Z u w a c h s i h m , so werden nur mehrere Tlieile Allenthalben von ihm zerstreuet, und weiter versendet: Selbst auch d i e N a h r u n g vertheilt nicht mehr so ganz und so leicht sicli; U n d sie reichet nicht h i n , bei solch' ausströmender M e n g e , Z u des Verlustes E r s a t z , durch den die Natur sich erneuet. Also verzehrt sich ein D i n g , indem sich dasselbe durch Abgang M i n d e r t , auch alles zuletzt den äufseren Schlägen erlieget: Denn die Nahrung entgeht mit dem hohen Alter dem K ö r p e r ;
94
Z W E I T E S
BUCH.
v. 1 x 1 2 —
1137.
Niemals lassen auch ab die hämmernden K ö r p e r v o n nufsen Z u zermalmen ein D i n g , u n d f e i n d l i c h es n i e d e r z u s c h l a g e n . Also w e r d e n , b e k ä m p f t v o n allen S e i t e n , des W e l t b a u s M ä c h t i g e M a u e r n dereinst in S c h u t t u n d R u i n e n z e r f a l l e n . Alles mufs sich allein durch S p e i s e w i e d e r
ergänzen;
W i r d durch S p e i s e g e s t ü t z t , u n d u n t e r h a l t e n durch Speise. A b e r u m s o n s t ; es nehmen n i c h t m e h r den n ö t h i g e n Z u i l u f s A u f die G e f ä f s e ; hinlänglichen D i e n s t v e r s a g t die N a t u r auch. Solches erweist die entkräftete Z e i t : die e r s c h ö p f e t e E r d e B r i n g t k a u m kleine T l i i e r e h e r v o r ; sie , die alle Geschlechter Sonst e r z e u g t e , die M u t t e r v o n Ungeheuern Gestalten. D e n n n i c h t h a t , w i e mich d ü n k t , die G e s c h l e c h t e r l e b e n d e r W e s e n N i e d e r g e l a s s e n ein goldenes S e i l vom H i m m e l zur E r d e ; N o c h das M e e r sie e r z e u g t , n o c h die k l i p p e n s c h l a g e n d e n W o g e n , Sondern die E r d e , die jetzt sie e r n ä h r t , die h a t sie g e b o r e n . A u c h hat ü p p i g e S a a t , auch hat sie den f r ö h l i c h e n W e i n s t o c k , Selbst, aus e i g e n e r K r a f t , zuerst dem M e n s c h e n g e s t i f t e t . Sie gab l i e b l i c h e Z u c h t auf f r ö h l i c h e n A n g e r n u n d W e i d e n , Deren G e d e i h e n w i r k a u m durch F l e i f s u n d A r b e i t e r z w i n g e n . W i r ermatten den S t i e r , e r s c h ö p f e n die K r ä f t e des L a n d m a n n s ; K r ä f t e , die nun k a u m m e h r den t r ä g e n F e l d e r n g e n u g
sind:
A l s o verzehrt sich der K e i m , so m e h r e t sich A r b e i t und M ü h e ! U n d schon schüttelt das H a u p t der g r a u e K l ü g e r , u n d s e u f z e t , D a f s ihm die Arbeit so o f t hinab ins E i t l e g e f a l l e n . D a n n v e r g l e i c h t er die Z e i t , die jetzt i s t , m i t der v e r g a n g ' n e n , P r e i s e t der V ä t e r G l ü c k .
A u c h k l a g e t der t r a u r i g e
Winzer,
ZWEITES
BUCH.
v. 1 1 3 3 —
1x44.
Wann er die vorige Z e i t durchschaut, die veraltete R e b e Und die Götter a n , den nicht mehr günstigen Ilimmcl. Schilt, w i e doch ehemals, w o mehrere Frömmigkeit herrschte, Auch hei begrenzetein G u t , die Menschen gemächlicher lebten; Als weit weniger Aecker und F e l d f ü r den einzelnen da war. Aber er sieht nicht e i n , w i e alles allmählig sich abzehrt, Alles zu Grabe g e h t , von dem langen Alter ermattet.
D R I T T E S
Lucret. I .
B U C H .
Inhalt
des
L o b des E p i k l l r u s , v. l - 29. und empfindenden
Prinzips.
d e i n T o d e , v. 5o - 3cj.
dritten
Inhalt
Zweck
der Untersuchung:
n i c h t in d e r H a r m o n i e Gesundheit
fortdauernden
dern.
2 ) Der
V e r t r e i b u n g der F u r c h t v o r
und
aller
w i e H a n d u n d F u f s , u . s. f. v. g 3 - l o 4 .
Theile,
Heiterkeit
der
W i r k s a m k e i t d e r Seele i m
f ü r seine B e h a u p t u n g .
D i e N a t u r des denkend. - »
Sie ist d i e Q u e l l e a l l e r L a s t e r u n d S c h a n d t h a t e n , v . 5 8 - g ; i .
D i e Seele ist ein T h e i l des M e n s c h e n ,
maligeu
dieses G e s a n g e s .
T o d e s f u r c h t ist a l l g e m e i n e P l a g e d e r M e n s c h e n ; so w e n i g s'u
es selbst gestehen, v.Ao-5-j.
steht
Buches.
1 ) Das Prinzip
Mensch stirbt,
wann
welches bewiesen
Seele h e i
wird:
ihm Wärme
aus d e r o f t -
körperlichen Leiden ;
S c h l a f e , v. i o 5 - n 5 .
des L e b e n s
1)
Be-
2 ) aus der
G r ü n d e des Dichters
ist n o c h bev v e r s t ü m m e l t e n und
Glie-
116-]2S
Athem entgeht, r .
U n t e r s c h i e d des Geistes ( d e r D e n k k r a f t ) u u d der Seele ( d e s lebenden W e s e n s . ) sind innigst v e r b u n d e n . per v e r t h e i l t ,
v o m Geiste r e g i e r t .
D e r Geist allein d e n k t u n d e m p f i n d e t ; Beide sind m a t e r i e l ; bestehen aus r u n -
und
wird
D e r Geist w o h n e t in d e r B r u s t ; die Seele ist i m g a n z e n K ö r -
Seele u n d K ö r p e r sind g e f ü h l l o s , v . j i y - l y b . den
und
Beide
sehr feinen S t o l l e n ,
176-180.
ligkeit d e r G e d a n k e n , v. i 8 i - 2 o 5 . Gewicht sie
2)
nichts v e r l i e r t , v . 2 0 6 - 2 7 5 *
für einfach zu
halten.
D i e F e i n h e i t des Stoffes berechtigt
und
des K ö r p e r s ,
v. 3 5 3 - 3 6 3 .
v. 3 1 8 - 3 5 2 .
Die
D e m o k r i t u s M e i n u n g von d e r
Seelenstoffe w i r d w i d e r l e g t , v . 3 6 4 - 3 8 8 . 4og.
Luft,
noch nicht, Wind,
E r k l ä r u n g der
Genaue Verbindung
A u g e n sind n i c h t
harmonischen
Temperamente
Anzahl
Fenster der
Beweisen, v. 4 i 8 - 4 3 4 .
der
D e r G e i s t "herrscht ü b e r die S e e l e ,
Resultat
aller
dieser G r ü n d e .
der
Seele,
Körper - uud
G e i s t u n d Seele sind s t e r b l i c h , e n t s t e h e n u u d v e r g e h e n , v . 4 i o - 4 i 7 -
zahl von
und
Dieser n a m e n l o s e T h e i l ist das P r i n z i p d e r E m p f i n -
N ä h e r e B e s t i m m u n g , v. 2 5 3 - 2 8 2 .
u n d des N a t u r e i s b e i M e n s c h e n u n d T h i e r e n , v. 2 8 3 - 3 1 7 . Seele
1 ) aus der S c h n e l -
aus d e r E r f a h r u n g , dai's ein t o d t e r K ö r p e r an
D a s Materielle d e r Seele ist W a r m e ,
eine vierte n a m e n l o s e S u b s t a n z . d u n g , v. 2 2 6 - 2 0 2 .
Dieses w i r d b e w i e s e n :
v. 3 8 q -
Eine A n -
M i t d e m T o d e ist
alles a u s , v. 4 3 5 - 8 4 6 .
W e i t e r e A u s f ü h r u n g dieser G r ü n d e .
1 ) Fortdauer der Seele
würde uns bei veränderter Persönlichkeit nichts h e l f e n , v. 8 4 7 - 8 7 4 .
2)
K l a g e über
den Tod ist Folge der Unwissenheit und verkehrter B e g r i f f e , v. 8 7 6 - 8 9 0 . eingebildeter V e r l u s t , den w i r d u r c h den T o d leiden. v. 8 9 1 - 9 3 5 .
Es ist ein
Der T o d selbst ist kein
Bestätigung dieser Sätze d u r c h den M u n d der Natur.
Uebel
Die Vorstellungen
von den Strafen i n der U n t e r w e l t sind aus diesem Leben e n t l e h n t , v. g36 - 982. k l ä r u n g der F a b e l v o m Tantalus. V o m C e r b e r u s , v. 9 8 3 - 1 0 2 9 .
V o m Tityos.
V o m Sis\ nhus.
V o n den Danaidcn.
Trost gegen den T o d aus der Geschichte, die da lehrt,
dafs alles vergänglich s e v , v . i o 3 o - i o 5 l .
Mangel richtiger Vorstellungen vom T o d e
ist die Quelle vieles Elendes und v i e l e r U n r u h e i m L e b e n , v. i o 5 2 - i o 8 2 . triebene Begierde zum Leben ist tliiiricht, w e i l w i r es sen.
Er-
1 ) doch e i n m a l verlieren m ü s -
2) w e i l ein längeres Leben keine neue F r e u d e n g e w ä h r t .
bei dem längsten Leben nie befriediget w e r d e n . dadurch nicht verkürzet w i r d , t .
1o83-iioi.
TTeber-
3 ) w e i l unsere W ü n s c h e
4 ) die Zeit des e w i g e n Todes doch
D er du zuerst aus Dunkel und Nacht die leuchtende Fackel Konntest erheben, damit aufhellend des Lehens Geschenke; D i r nur folg' i c h , o Zierde der Grajen! und setze den Fufstritt Ein in die S p u r e n , die du mit deinem Fufse bezeichnet. Nicht wetteifernd mit dir, n e i n , nur aus L i e b e , dich suchend Nachzuahmen.
W i e soll mit dem Schwan Wettstreiten die Schwalbe
Oder das Böckchen mit schwankendem Knie im L a u f mit dem Rennpferd D u , o Vater, du bist Erfinder der D i n g e ; du reichst uns Deine Lehren als Kindern: Aus deinen Schriften, du Edler, Saugen w i r , w i e die B i e n e n , die jegliche Blüte bekosten Auf der bebliimeten Au', die goldenen Sprüche der W a h r h e i t ; Goldene Sprüche, werth der unvergänglichen Dauer. Denn sobald dein erhabener Geist der Dinge Natur uns L a u t zu: verkünden begann in Worten göttlicher W e i s h e i t , Flohen dahin die Schrecken der Seele ; die Schranken des W e l t b a u ' s Weichen zurück; ich seh' im Leeren entstehen die D i n g e : M i r erscheinet der Götter H o h e i t , die ruhigen Sitze,7 o Die nicht erschüttert der W i n d , und die feuchten W o l k e n mit Regei
102
DRITTES
BUCH.
v. 19 — 44.
Nicht anspritzen, noch bleicher S c h n e e , vom F r o s t e gehärtet, Niederfallend entstellt:
ein nimmer b c w ö l k c t e r Aetlier
Lacht um sie h e r , und breitet sicli aus in Strömen des L i c h t e s . Ihnen auch reicht die Natur von selber a l l e s , und nichts kann Ihre selige R u h nur Augenblicke vermindern. Nirgends erblick' ich jedoch die acherusischen Schlünde; Auch die E r d e vermag nicht abzuhalten die Ansicht Dessen , w a s unter uns im unendlichen L e e r e n sich zuträgt. I i i e r nun ergreift mich himmlische L u s t und innerer Schauder; W a n n ich bedenke, dafs s o , durcli deine K r ä f t e des Geistes A u f g e d e c k t , die Natur sich von allen Seiten enthüllt hat. Und n u n , da ich g e l e h r t , w i e die Uranfänge der D i n g e Alle beschaffen, und w i e , verschieden in Formen und Bildung, Frei sie im F l u g umschwärmen, erregt durch ewigen Antrieb; Auch wie alles sich kann aus diesen erzeugen und b i l d e n : Scheint m i r , es sey zunächst in meinen Versen des Geistes Und der Seele N a t u r dir aufzuklären noch übrig, Und hinunter zu stofsen mit M a c h t die Schrecken des O r k u s ; J e n e , welche v o n Grund aus trüben das L e b e n der M e n s c h e n ; Alles mit Todesfarbe b e s c h w ä r z e n , und nie dem Gemüthe Reine Freude v e r g ö n n e n , noch ungestörete Wollust. Menschen finden sich z w a r , die sagen, Krankheit und Schande Seien zu fürchten noch mehr als des Todes finsterer A b g r u n d ; U n d sie wiifsten, der Seele Natur sey einzig im B l u t e , Oder im lebenden Hauch; wenn allda man lieber sie a u f s u c h t ; U n d es brauche hiezu durchaus nicht unserer L e h r e .
DRITTES
BUCH.
v. .45 — 70.
103
M e r k ' aus folgendem d i r , dafs vielmehr um Ruhm zu erhaschen Solches sie prahlen, denn dafs aus Ueberzeugung sie sprächen. Ausgestofsen vom Vaterland , v o n menschlichem Anblick Gänzlich v e r j a g t , sind sie's , die , mit jeder Schande gebrandmarkt, Siech v o n K u m m e r undSclimach, doch irtimer noch wünschen zu leben: Todenopfer b e g e h n , w o immer ihr E l e n d sie hintreibt; Schwarzes Opfervieh hinschlachten, den unteren Göttern Weihungen bringen ; und so , bei w i d r i g e n D i n g e n des Schicksals, Strenger in ihrem Gemüth zum Aberglauben sich wenden. U m so nöthiger i s t ' s , in mifslichen D i n g e n den Menschen, U n d hei w i d r i g e r L a g e des Glücks ihn zu schaun, w i e er da sey: D a n n erst dringt aus dem Busen hervor die Stimme der Wahrheit; R e i f s t man die L a r v e h i n w e g , so bleibt die wahre Gestalt stehn. E n d l i c h , der niedere G e i z , und die blinde Begierde nach Ehren, S i e , die über die Schranken des Rechts unglückliche Menschen T r e i b e n , und o f t sie z w i n g e n , als Mitgenossen und Dieiier Schwarzer T h a t e n , bei Nacht und T a g , mit rastloser Arbeit Anzustreben zum G i p f e l des Glücks ; auch diese , die Eiter Unseres L e h e n s , sie nährt nicht wenig die Furcht vor dem T o d e . Nämlich Verachtung und Schmach und peinliche bittere N o t h d u r f t , Scheinen ihnen getrennt vom süfsen befestigten Leben, Gleichsam ihrer bereits an den Pforten des Todes zu warten. D a r u m suchen die M e n s c h e n , von irrigen Schrecken getrieben, W e i t zu entfliehen von d a , sich w e i t zu entfernen von diesen: Treiben durch Bürgerblut Vermögen zusammen , verdoppeln. G i e r i g Güter und G o l d , auf M o r d t b a t h ä u f e n d die Mordthat;
DRITTES
BUCH.
v. 7* — 96.
Grausamfroh im H e r z e n b e i m L e i c h e n z u g e des B r u d e r s , Hassen und s c h e u e n sie n o c h b e i B l u t s v e r w a n d t e n das G a s t m a l . E b e n d i e s e l b i g e F u r c h t e r w e c k e t das N a g e n des N e i d e s , U n d aus ä h n l i c h e m G r u n d : der i s t v o r d e n A u g e n u n s
mächtig,
Alles s c h a u t n u r auf i h n , auf i h n , der im P u r p u r e i n l i f i i s t r a l t ; U n d w i r A r m e n , w i r s c h l e p p e n u n s h i n i m S t a u b u n d im D i m k e l . M a n c h e s t ü r z t i n das Grab der W u n s c h n a c h S ä u l e n u n d
Namen;
J a , aus F u r c h t vor dem T o d ' , e r g r e i f t o f t . also die M e n s c h e n B i t t e r e r L e b e n s h a f s , u n d der H a f s des h i m m l i s c h e n L i c h t e s , D a f s sie sich selber d e n T o d m i t t r a u r i g e m H e r z e n b e s c h l i e f s e n ; N i c h t b e d e n k e n d , es s e y dieselbige F u r c h t n u r die Q u e l l e Ihres K u m m e r s ; n u r sie v e r l e t z e die S c l i a a m , das G e w i s s e n , B r e c h c der F r e u n d s c h a f t B a n d , z e r s t ö r e w a s h e i l i g u n d r e c h t ist. W u r d e n am V a t c r l a n d e n i c h t o f t , a n F r e u n d e n u n d E l t e r n , M e n s c h e n V e r r ä t l i e r u m n u r . z u e n t g e h e n des A c h e r o n s Schlünden.?., D e n n w i e die K i n d e r e r z i t t e r n , u n d alles f ü r c h t e n i m F i n s t e r n , Also f ü r c h t e n a u c h w i r , b e i m h e l l e n L i c h t e des T a g e s , D i n g e , die e b e n n i c h t m e h r v e r d i e n e t e n F u r c h t z u e r w e c k e n , Als w a s die K i n d e r im F i n s t e r n e r s c h r e c k t , u n d w o m i t sie d i e Ä n g s t t ä u s c h t . Diese S c h r e c k e n des G e i s t e s d e m n a c h , diefs D ü n k e l der Seele, Müssen n i c h t S t r a l e n der S o n n e , d i e l e u c h t e n d e n P f e i l e des T a g e s , Sondern N a t u r - A n s i c h t u n d E r k e n n t n i f s der D i n g e z e r t r e i h e n . Also sag' ich z u e r s t , der G e i s t , d e n a u c h ö f t e r s V e r s t a n d w i r N e n n e n , welcher den R a t h u n d das S t e u e r f ü h r e t im M e n s c h e n , S e y v o n diesem ein T h e i l , w i e H a n d u n d F u f s , u n d die A u g e n , I m m e r n u r sind ein T h e i l des g a n z e n b e l e b e t e n W e s e n s .
D R I T T E S
BUCH.
v. 97 —
122.
105
Unter der Weisen Schaar sind viele der Meinung gewesen, D a f s der Qeist nicht sey an gewisse Theile gebunden; Sondern er sey vielmehr des Körpers lebendige Stimmung, Harmonie von den Griechen benannt; die Sinn und Empfindung In uns erregt, da der Geist nicht w o h n ' in dem einzelnen Theile. Und wie zu sagen man p f l e g t , es geniefse der Mensch der Gesundheit, Ob die Gesundheit gleich an keinem der T h e i l e f ü r sich i s t ; Eben so geben dem Geist sie keinen besonderen W o h n s i t z . Aber sie scheinen hierin mir sehr vom wahren zu weichen : Kränkelt nicht sichtbar o f t der K ö r p e r ? dennoch im Innern Sind w i r heiter und f r o h ; auch wiederum pflegt es zu kommen, D a f s an der Seel' erkrankt , w e r gänzlich von Körper gesund ist. Nicht auf andere A r t , als so w i e den Kranken -iea-J?ufs schmerzt, Unterdessen das Haupt von allen Beschwerden befreit ist. F e r n e r , wann jegliches Glied in weichem Schlummer versenkt liegt, Hingegossen und ohne G e f ü h l , vom Schlafe belastet, Ist doch ein anders in uns , das auf mannichfaltige W eise W i r d zur selbigen Zeit umher getrieben; der Freuden Regungen»in sich e m p f ä n g t , und die leeren Sorgen des Herzens. N u n zum E r w e i s e , dafs auch in der That die SeeF in den Gliedern E i n w o h n t , nicht Harmonie zu halten pflege den K ö r p e r : S a g e , w i e kömmt e s , dafs o f t , bei grofsem Verluste des K ö r p e r s , Immer das L e b e n annoch in unseren Gliedern v e r w e i l e t ? Eben dasselbe jedoch, sind w e n i g e Stoffe der W ä r m e Von ihm entflohn , ist ausgehaucht aus dem M u n d e die L u f t erst, Weichet es plötzlich d a v o n , und verläfst die Adern und Knochen. Lu cret. I .
14
DRITTES
BUCH.
v. 125 — 143.
Auch erkennst du h i e r a u s , dafs nicht alle Stoffe den gleichen Antheil haben am Heil und an der Erhaltung des L e b e n s : Sondern am meisten die Stoffe der L u f t , die Stoffe der W ä r m e , Sorgen d a f ü r , dafs L e b e n zuletzt in den Gliedern v e r w e i l e . W ä r m e demnach und lebendiger H a u c h im Innern des Körpers, Diese sind e s , die uns im Sterben die Glieder verlassen. H a s t du nunmehr e r k a n n t , es sey das W e s e n des Geistes U n d der S e e l ' , allein als ein T h e i l zu betrachten des M e n s c h e n ; Gieb H a r m o n i e , den Najnen, zurück : von des Helikons W ä l d e r n * Niedergebracht vielleicht von den M u s i k e r n , oder w o sonst sie Her ihn h o l t e n , der Sacli' ihn a n z u e i g n e n , die damals Eigenen Namen vermifste.
Den N a m e n , w i e immer es seyn mag,
Lasse nur fahren deshalb , und vernimm die übrige Rede. Und so sag' ich , die Seel' und der Geist sind untereinander Fest verbunden; nur E i n e Natur sind beide zusammen. Aber die denkende K r a f t , die Geist und Verstand w i r beneijnen, Herrscht durch den ganzen L e i b , ist gleichsam diesem zum Haupt d a ; Und in der M i t t e der Brust hat solche den Sitz sich gegründet. Hier schlägt S c h r e c k e n und Furcht, und um diese Gegenden schmeichelt Süfser Freuden Genufs ; und deshalb w o h n e t der Geist hier. Untergeordnet ist ihm w a s w e i t e r zur Seele' gehöret, Und sich im Körper z e r s t r e u t ; sie folget dein W i n k e des Geistes: E r nur beräth sich s e l b s t , und geniefset der eigenen Freuden, Ohne dafs Körper und Seele daran zugleich mit ihm Theil nimmt. W i e w i r zuweilen im Haupt und im Auge Schmerzen empfinden, Oh^ie zu leiden deshalb am ganzen Körper; so leidet
DRITTES
BUCH.
v . 1 4 9 . — 174.
Selbst z u w e i l e n der G e i s t , e m p f ä n g t auch frohe Gefühle, W ä h r e n d die Seele davon auch n i c h t im Geringsten erregt w i r d , "Weder in T h e i l e n noch Gliedern.
Erschüttert h e f t i g e r Schrecken
Aber den Geist, dann w i r d durch sämmtliclie Glieder die Seele M i t ihm z u g l e i c h e r r e g t : der S c h w e i f s bricht a u s , und der ganze Körper e r b l e i c h e t ; es stockt die Z u n g ' , es f e h l e t die Stimme, D u n k e l beziehet das A u g ' , es g e l l e n die O h r e n , das Knie sinkt. P l ö t z l i c h sehen w i r o f t , von Geistesschrecken b e f a l l e n , M e n s c h e n zur E r d e s t ü r z e n : w o r a u s denn d e u t l i c h e r h e l l e t , Z w i s c h e n der S e e l ' und dem Geist sey ein B a n d ; ergriffen vom GeistrStöfst auf den Körper die S e e l ' , u n d w i r f t ihn danieder zu Boden. Ebendasselbe b e w e i s t , das W e s e n des Geist's und der Seele M ü s s e körperlich seyn : w i e könnten sie sonst doch die Glieder V o r w ä r t s t r e i b e n , vom Schlaf aufraffen den K ö r p e r , GesichtesZüge v e r ä n d e r n , und ganz, den Menschen regieren und w e n d e n ? Nichts läfst irgend hievon sich ohne B e r ü h r u n g gedenken, Noch die B e r ü h r u n g , ohne den K ö r p e r : w i e kann man noch z w e i f e l n , Körperlich sey die N a t u r des Geistes s o w o h l als der S e e l e ? Ferner bemerken w i r noch , dals Geist und Körper zusammen Aehnlich g e s t i m m e t , z u g l e i c h auch ähnlich empfinden und leiden. Ist ein tödlicher P f e i l , obgleich er das Lieben nicht w e g r a u b t , So in den Körper g e t r i e b e n , dafs N e r v e n und Knochen er s p a l t e t ; F o l g t doch E r m a t t u n g d a r a u f , ein sanftes Neigen zur E r d e , U n d auf der E r d ' alsdann a u f w a l l e n d e r T a u m e l des G e i s t e s ; Oft unsicheres M ü h e n sich auf von der E r d e zu richten. Körperlich mufs demnach durchaus des Geistes N a t u r seyn,
108
DRITTES
D a sie, getroffen
BUCH.
v. i?5
— 200.
vom K ö r p e r des P f e i l ' s , erkranket und w u n d w i l d .
Welch ein Körper jedoch diefs geistige W e s e n , aus welchen Stoffen gebildet es s e y , soll jetzt mein Vers dich belehren. D a f s es nun äusserst subtil und nur aus dem feinesten Stoff sey, Dieses beliaupt' ich zuerst.
D e n Grund von solcher Behauptung
Magst d u , sobald du genau es e r w ä g s t , aus diesem erklären: "Nichts schcint in der Natur sich schnelleres denken zu lassum, Als des Geistes E n t s c h l u f s , das, was in sich selber er vornimmt. Schneller ist also der Geist als irgend ein anderes D i n g ist, D a s vor Augen uns l i e g t , und dessen Natur w i r erkennen. Aber was immer so schnell und reglich i s t , mufs auch aus runden, Und aus den winzigsten Stoffen bestehn ; die vom leisesten Anhauch In die B e w e g u n g gerathen.
Und also regt sich das Wasser
L e i c h t , und w a l l e t empor von dem allermindesten Anstois.; Weil es aus Stoffen b e s t e h t , die äufserst schlüpfrig und klein sind. Aber schon minder giebt des Honigs zähe Natur n a c h ; Zaudernd fliefst er und t r a g ' , und mühsamer ist die B e w e g u n g : Denn aneinander klebt schon fester die sämmtlicke Masse, W e i l sie aus solchen Stoffen b e s t e h t , die w e n i g e r glatt sind, Minder subtil v o n F o r m und F i g u r , und minder gerundet. So führt Körner geschütteten M o h n s der leiseste L u f t h a u c h M i t sich hinweg, bis zuletzt der erhabene H a u f e zerrinnet; L i e g e n läfst er hingegen den Schutt von Steinen und Spiefsen. A l s o , je kleiner ein K ö r p e r , je glatter er i s t , um so leichter W i r d in B e w e g u n g derselbe gesetzt: was massig und rauh ist, R e g e t sich nicht so leicht, und es haftet fester dem Grund an.
DRITTES
BUCH,
v , 2 0 1 — 226.
10
,
N u n , da w i r haben erkannt die Natur des Geistes, w i e diese Aeufserst beweglich s e y , so niufs auch dieselbe bestehen Aus sehr kleinen und glatten und runden Körpern des Urstoß's. Dieses zu w i s s e n , mein F r e u n d , w i r d dir in verschiedener Rücksicht Vortheil b r i n g e n , und L i c h t und E r k e n n t n i f s um dich verbreiten. Auch beweiset dir folgendes n o c h , w i e dünn von Gewebe Diese Geistesnatur; w i e gering ihr Körper an U m f a n g Werden w ü r d e , w o f e r n man in E i n s zusammen sie ballte. Nimm dir den Menseben
sobald der T o d in die sicheren Arme
Eingeschlossen ihn h a t , wann Geist und die Seele dahin s i n d ; Nichts ist an der G e s t a l t , und nichts am G e w i c h t ihm entgangen, Nichts entnimmt ihm der T o d , als Hauch des L e b e n s und Wärme. Also besteht der Seele Natur aus den winzigsten Stoffen, E i n g e w e b e t in Adern , und Eingeweiden und Nerven : Denn wenn sie gänzlich entweicht vom ganzen K ö r p e r , so fehlet Diesem an Umrifs nichts, und nicht an der Schwere das mind'ste. Eben so ist's wann dem WeLne der D u f t entschwindet, der Salbe L i e b l i c h e r Geist in L ü f t e n zerfliegt; auch irgend von andern Körpern der S a f t e n t w e i c h t : nicht w i r d es das Auge gewahr nur, D a f s sich mind're die S a c h ' , an Gewicht ihr etwas entgehe. Nämlich Gerucli und S a f t w i r d nur durch die Menne des kleinsten o Stoffes hervorgebracht von dem ganzen Körper der D i n g e . Und so bleibt es nunmehr unleugbar g e w i f s , dafs der Seele U n d des Geistes Natur besteh' aus den winzigsten Stoffen ; W e i l sie, auch wann sie entfliehn, an G e w i c h t nichts nehmen dem Körper. Aber f ü r einfach dürfen w i r doch nicht halten diefs W e s e n :
HO
D R I T T E S
B U C H .
v . 2.2.7 —
D e n n ein u n z u b e m e r k e n d e r H a u c l i , m i t W ä r m e G e h t vom S t e r b e n d e n a u s ; d i e W ä r m e z i e h e t
252.
vermischet,
die L u f t
nach:
D e n n sie g e s e l l e n s i c h stets, u n d m i t W ä r m e v e r m i s c h e t die L u f t s i c h . N ä m l i c h der W ä r m e N a t u r i s t l o c k e r b e k a n n t l i c h ; so m ü s s e n V i e l e S a m e n der L u f t s i c h z w i s c h e n
derselben
bewegen.
D r e i f a c h h a b e n w i r n u n das W e s e n des G e i s t e s g e f u n d e n : A L e r das T e i c h t n i c h t h i n z u e r z e u g e n G e f ü h l u n d E m p f i n d u n g ; D e n n die V e r n u n f t f a f s t n i c h t , w i e n u r e t w a s k ö n n e v o n d i e s e n , S i n n e r z e u g e n d e n T r i e b , der G e d a n k e n w ä l z e t , E i n e g e w i s s e v i e r t e N a t u r ist's n ö t h i g
erschaffen.
dahero
B e i z u f ü g e n ; die doch auf keinerlei W e i s e benennhar. Nichts b e w e g l i c h e r e s , nichts zarteres läfst sich e r d e n k e n ; N i c h t s das so k l e i n ,
so g l a t t , in s e i n e m u r s p r ü n g l i c h e n S t o f f s e y ,
A l s diefs, w a s den anfänglichen Stoff zur E m p f i n d u n g ertheilet. D i e s e s e r r e g t s i c h z u e r s t , da s e i n e F i g u r e n die k l e i n s t e n ; D a n n e r h ä l t d i e W ä r m e den S t ö f s , der v e r b o r g e n e H a u c h d a n n , D a n n n o c h d i e L u f t , u n d d a n n g e r ä t h i n B e w e g u n g das G a n z e : D r a u f e r f o l g e t E r s c h ü t t ' r u n g des B l u t ' s , I n die i n n e r e n T h e i l e ,
dann dringt die E m p f i n d u n g
zuletzt in K n o c h e n u n d M a r k e i n ;
S e y ' s nun E m p f i n d u n g der L u s t , s e y ' s i r g e n d e i n s c h m e r z e n d e r A n f a l l . Hieher jedoch z u m Innersten m a g nicht S c h m e r z noch ein U e b e l D r i n g e n so l e i c h t , d a f s n i c h t in A u f r u h r a l l e s g e r a t l i e ; S o dafs dem L e b e n s o g a r d e r O r t n i c h t b l e i b e t ,
der S e e l e
T h e i l e v o n dannen fliehn d u r c h a l l e K a n ä l e des K ö r p e r s . A b e r g e m e i n i g l i c h b r i c h t am ä u f s e r e n K ö r p e r s i c h g l e i c h s a m S c h o n d i e E r s c h ü t t e r u n g ; also e r h ä l t das L e b e n s i c h a n n o c h .
DRITTES
BUCH.
v. 253
—273.
111
N u n , w i e diese vermischt zusammen bestehen, mit vrelch(en Eigenschaften begäbet sie sinrl, das möcht' ich dir darthun Gerne; jedoch mich hält die D ü r f t i g k e i t unserer Sprache, Wider den W i l l e n ; so lafs nur diefs mich kürzlich berühren. Unter sich mit so reglichem Trieb durchlaufen sich diese Uranfänge des S t o f f s , dafs keiner sich lasset besonders Unterscheiden, auch nicht die K r a f t sich theilen durch Trennung; Sondern, w i e mehrere K r ä f t e des einzigen K ö r p e r s , so sind sie. Gleichermaafsen w i e man an jeglichem Tliiere bemerket, W ä r m e , Geschmack und G e r u c h , die dennoch zusammen nur Einen Völligen Körper bilden: so bildet auf ähnliche W e i s e Mischung der W ä r m e , der L . u f t , und jenes verborgenen Hauchcs, E i n e N a t u r ; und hiezu kommt jene bewegliche K r a f t noch, Welche den andern ertheilt den A n f a n g ihrer Bewegung, Durch die zuerst im Innern entsteht das Empfindungsvermögen. Ganz verborgen in uns liegt jetzt erwähnete G r u n d k r a f t ; Nichts ist tiefer versteckt in unserem K ö r p e r ; sie ist es D i e man möchte die Seele der ganzen Seele benennen. So w i e gemischt die K r ä f t e des Geistes, der Seele Vermögen, Allenthalben im Körper und sämmtlichen Gliedern versteckt sind ; D e n n sie bestehen ja nur aus kleinen und wenigen S t o f f e n : E b e n so ist auch die K r a f t , die unbenannte, dieweil sie N u r aus winzigen Stoffen besteht, im Innern verborgen; Ist die Seele der S e e l ' , und herrschet üljer den Körper. Gleich auf nämliche A r t , mufs Hauch und I r n f t und die Wärme, Unter einander gemischt im Körper sich k r ä f t i g erhalten;
112
DRITTES
BUCH.
v. 279 — 304.
Eins vor dem anderen mehr sich liervorthun oder zurückstehn, D a f s aus allen zusammen ein Ganzes scheine zu w e r d e n ; Nicht die Wärme, getrennet vom Hauch, von diesem die L u f t nicht Einzeln den Sinn aufheben , und völlig durch Sonderung losen, Wanne herrscht itn Geinüth, wann Z o r n sich seiner bemächtigt, Dieser in ihm a u f k o c h t , und Glut aus den Augen hervorblitzt. Aiier der frostige Hauch isi der Furcht G e f ä h r t e , die Schauder In den Gliedern erregt, und den B a u des Körpers erschüttert. W a n n die ruhige L u f t die Herrschaft über uns ausübt, SchaiFet sie Fried' in der B r u s t , und heiteren B l i c k in dem Auge. Ist ein Geinüth sehr h e f t i g , und leicht zum Zorne gereitzet, Dann wohnt mehr von der W a n n e darin.
So zeichnet der L e u sich
Unter der Thiere Geschlechtern durch seine gewaltige W u t h aus : Tief aufstönend bricht er die Brust mit häufigem Brüllen, Kann nicht fassen die Fluten des Zorns in seinem Gemiithe, Aber es herrschet der kältere Hauch im Sinne des Hirsches, Und er erreget schneller in ihm die frostigen L ü f t e , D i e ein zitterndes Beben durch alle Gelenke bewirken. Ruhige L u f t belebt die Natur der friedlichen Ochsen; Selten erhebet sich nur des Zornes F a c k e l in ihnen Dampfend, düstere N a c h t und schwarze Schatten ergiefsend; Auch erstarren sie nicht von den kalten P f e i l e n des Hauches; So dofs ihre Natur lieat o zwischen den L ö w e n und Hirschen, Ehen so ist's mit dem Menschengeschlecht; ob einige gleich schon Unterweisung gebildeter m a c h t , so bleiben die Spuren D e r ihm eignen Natur doch jedem.
W i r mögen vergeblich
DRITTES
BUCH.
v. 305 — 550.
115
Uns bemühen heraus mit der W u r z e l das Uebel zu r c i f s e n : Immer w i r d jener geneigt dem Z o r n nachrennen; ein andrer L ä f s t sich bemächt'gen von F u r c h t ; ein dritter zeigt sich gelafs'ner, Als er sollte vielleicht : und also bei mehreren Dingen Ist nothwendig es a u c h , dafs das N a t u r e l l , und die Sitten Welche folgen daraus, verschieden sich zeigen im Menschen. D o c h ich kann dir hie von nicht alle verborgene Gründe Jetzt entwickeln, und nicht ausfinden alle die N a m e n Jener F i g u r e n des S t o f f s , die diese Verschiedenheit wirken. N u r das scheint mir hierin sich klarer bezeichnen zu lassen; D a f s die von der Natur uns eingedrücketen
Spuren,
W e l c h e V e r n u n f t nicht könnte, zurecht sich weisen , so hie in sind, D a f s nichts hindert ern L e b e n (L21: Gotter würdig zu führen. D i e s e Geistesnatur ist ganz vom Körper umfangen; Ist ihm selber zum Schutz, und der Grund zu seiner Erhaltung. Beide hangen sie fest an einer W u r z e l zusammen; Ohne der beiden R u i n kann keines sich trennen vom andern. Eben so, w i e man den D u f t nicht leicht entziehet dem W e i h r a u c h , Ohne damit zugleich desselben Natur zu zerstören; E b e n so könnte man auch nicht leicht den Geist und die Seele Ganz dem Körper entziehn, ohn' alles dadurch zu zerstören. Also innig verwebt in ihren ursprünglichen Stoffen, Sind sie vom A n f a n g her bestimmt zu gemeinsamen L e b e n . Ohne das andere scheint besondere K r ä f t e von ihnen Keines üben zu k ö n n e n , so w e n i g der Geist als der K ö r p e r ; N u r durch gemeinsamen Trieb v o n beiderlei Arten der Stoffe Lucret. I.
15
DRITTES
BÜCH.
v. . 3 3 1 — 356.
W i r d zusammengehauchet der S i n n , entzündet im Inn-ern. Ferner noch kann sich der L e i b nicht bilden ohne die Seele, Noch fortwachsen , noch auch sich dauernd erhalten im Tode. Z w a r das Wasser verliert die mitgetheilete W ä r m e , Und verzehret sich selbst nicht dadurch; es bleibt der Bestand i h m : Aber die Trennung des Geist's mag so der verlassene Körper N i c h t ertragen; er fällt zerrüttet zusammen,, und modert. Schon von dem ersten Beginn gewöhnen sich Körper und Seele. So durch Wechselberührung zusammen zum wirkenden L e b e n ; Schon in der Mutter L e i b , selbst noch verborgen im Schoofse, D a f s T o d oder R u i n auf der beiden Trennung erfolget. Daraus magst du ersehn, da die W o h l f a h r t beider vereint ist, D a f s auch beider Natur durch Bande zusammengeknüpft sey. Uebrigens, w e r G e f ü h l abspricht dem K ö r p e r , und glaubet, D a f s nur die Seel' a l l e i n , die ganz mit dem Körper gemischt ist, Jene B e w e g u n g e n nehme, die Sinn und G e f ü h l w i r benennen; D e r bestreitet w a s w a h r , und augenscheinlich uns vorliegt. Denn w a s es s e y , des Körpers G e f ü h l , w i e kann man es dartliun, Als aus der Sache s e l b s t , aus dem w a s E r f a h r u n g uns lehret ? Doch, wann die Seel' entweicht, fehlt ganz die E m p f i n d u n g dem K ö r p e r ! J a , er verlieret nur jetzt w a s nie sein eigen g e w e s e n : Vieles verlieret er auch w a n n das Alter die Seele hinausjagt. Ferner noch, w e n n man uns sagt, die Augen sähen ein D i n g nicht, Sondern die Seele schaue durch s i e , als eröffnete T h ü l e n ; I s t diefs schwer zu begreifen , da selbst dagegen ihr Sinn spricht. D i e s e r ziehet die Bilder an s i c h , und drängt sie zum B l i c k "hin;
D R I T T E S
B U C H .
v. 3 5 7 —
302
.
115
U n d so können w i r o f t h e l l s c l i i m m e r n d e D i n g e nicht sehen, W e i l v o m stralenden L i c h t e die A u g e n w e i d e n gehlendet. Gleiches ist n i c h t m i t den T h ü r e n der F a l l : die T h ü r e durch w e l c h e M a n hinschauet , erhält d u r c h Ö e f f n u n g , keine B e s c h w e r d e n . U e b r i g e n s , sollten die A u g e n f ü r T h ü r e n u n d Oeffnungen gelten, M ü f s t e die S e e l e n o c h m e h r bei a u s g e n o m m e n e n ^Augen K ö n n e n die D i n g e s e h n , w e n n die P f o s t e n s e l b e r h i n w e g sind. K e i n e s w e g s auch m a g s t du h i e r i n b e i p f l i c h t e n der M e i n u n g , W e l c h e der g ö t t l i c h e M a n n D e m o k r i t u s gelten g e m a c h t h a t ; D a f s die S t o f f e des G e i s t e s m i t E l e m e n t e n des K ö r p e r s E i n z e l n g e p a a r t , durch W e c h s e l das B a n d der G l i e d e r erhalten. N ä m l i c h die S t o f f e des Geist.'s sind u n g l e i c h k l e i n e r als jene S t o f f e , w o r a u s der K ö r p e r besteht und die inneren T h e i l e : D i e s e n auch stehen sie nach an der Z a h l , und sind in den G l i e d e r n K ä r g l i c h v e r t h e i l t , dafs allein nur dieses g e w ä h r e n w i r k ö n n e n ; D a f s so v i e l e der T h e i l c h e n des Seelenstoffes v o n n ö t h e n S i n n e r z e u g e n d e R e g u n g in unserem K ö r p e r zu w e c k c n , E h e n so v i e l e darin die Z w i s c h e n r ä u m e besetzen. O e f t e r s f ü h l e n w i r s n i c h t , w a n n S t a u b dem K ö r p e r sich anhängt, O d e r K r e i d e sich setzt auf die H a u t .
W i r f ü h l e n den N e b e l
N i c h t bei der N a c h t , n o c h im G e h e n der Spinne l u f t i g e F ä d e n , D i e uns u m s t r i c k e n ; i h r m o d r i g e s K l e i d , w e n n es uns auf das I l a u p t f ä l l t : N i c h t die F e d e r d a u n e n , die
fliegenden
F l o c k e n der D i s t e l ,
W e l c h e , zu l e i c h t an G e w i c h t , n u r m ü h s a m sinken zu B o d e n , A u c h den schleichenden G a n g v o n so m a n c h e m k r i e c h e n d e n Thierchen S p ü r e n w i r n i c h t , n o c h den T r i t t v o n M ü c k e n und andern Insekten,
DRITTES
BUCH.
v. 383 — 4oß.
W e l c h e den leisen F u f s h i n s e t z e n auf u n s e r e L e i b e r . Also müssen v o r e r s t in M e n g e die Stoffe des K o r p e r s , E i n g e m i s c h t in die G l i e d e r , e r w e c k t u n d rege g e m a c h t s e y n , E h e die Stoffe der Seel' e r r e g t z u r E m p f i n d u n g g e l a n g e n ; E h e sie k ö n n e n z u s a m m e n , aus w e i t e n R ä u m e n g e s t o f s e u , L a u f e n , sich e i n e n , u n d d a n n a b s p r i n g e n im t r e i b e n d e n W e c h s e l . K r ä f t i g e r h ä l t z u s a m m e n der G e i s t die R a n d e des L e b e n s , H e r r s c h e t darob mit m e h r e r e r M a c h t , als die K r ä f t e der Seele. O h n e des Geistes K r a f t k a n n a u c h k e i n T h e i l c h e n der Seele A u g e n b l i c k e sich n u r in des K ö r p e r s G l i e d e r n v e r w e i l e n ; S o n d e r n es eilt als Begleiter d a v o n , n n d verflieget in L ü f t e n , L ä f s t die e r s t a r r e t e n Glieder z u r ü c k im F r o s t e des T o d e s . Aber w e m K r a f t des Geistes n o c h bleibt, dem bleibt a u c h das L e b e n , Selbst bei verstiimijieltein L e i b , b e i g a n z zerfleisclieten G l i e d e r n ; R u m p f n u r , der Seele b e r a u b t i n den a b g e r i s s e n e n G l i e d e r n , Lebet e r , athmet annoch den H a u c h ätherischer L ü f t e . Ist nur die Seele n i c h t g a n z , o b g l e i c h in b e t r ä c h t l i c h e m T l i e i l e , Von ihm g e n o m m e n , so z a u d e r t er n o c h im L e b e n , u n d h ä n g t d r a n . W i e bei v e r l e t z e t e m A u g ' , ist n u r die P u p i l l p d a r i n n i c h t Angegriffen; sie d o c h , z u s e h n , die l e b e n d i g e K r a f t h ä l t : H a s t du den ganzen K r e i s n u r n i c h t z e r s t ö r e t des Auges, R u n d um ihn a b g e s c h ä l t , u n d aus aller V e r b i n d u n g g e r i s s e n : D e n n diefs k ö n n t e n i c h t o h n e V e r l u s t v o n b e i d e n g e s c h e h e n : I s t h i n g e g e n der kleineste T h e i l der M i t t e z e r f r e s s e n , D a n n e r l ö s c h t urplötzlich das L i c h t , u n d die F i n s t e v n i f s f o l g e t ; O b v o l l k o m m e n a u c h hell u n d g e s u n d der ü b r i g e Kreis i s t :
DRITTES
BUCH,
v- 409 — 434.
Eben ein solches Band hält Geist und Seel« zusammen. -Auf denn, damit du erkennst, dafs der Geist und das Wesen der Seeli M i t dem Körper zugleich e r z e u g e t , auch sterblich w i e er s e y ; L a f s mich anjetzt, was F l e i f s und süfses Bemühen erforscht hat, D i r im würdigen L i e d , mein Memtnius , ferner entwickeln. Füge die beiden jedoch in E i n e n Namen zusammen; D a f s wenn des Wortes Bequemlichkeit halben ich nenne die Seele, Und sie f ü r sterblich erkläre, du gleiches verstehest vom Geist auch; D a sie zusammengeknüpft', und beide hierinnen nur E i n s sind. E r s t l i c h , so hab' ich gelehrt, diefs zarte W e s e n bestehe Aus ganz winzigen Körpern , aus noch w e i t kleineren Stoffen, Als des Wassers lauteres N a f s , als Rauch und der Nebel. Denn w e i t reglicher ist e s , vom leisesten Spiele getrieben, Schon von Bildern des Nebels und Rauchs in Bewegung gesetzet. Eben so wann w i r sehen
versenkt im Schlafe , die hohen
Opferaltäre flammen, und Rauch sich erheben von i h n e n ; W o kein Z w e i f e l entsteht, dals solches durch Bilder erzeugt wird. W e n n du das Wasser demnach aus lecken Gefäfsen zerrinnen Sieh'st, und entweichen sein Nafs , und R auch und Nebel zerfliegen Glaube m i r , eben auch so verdünste die S e e l e , ja schneller; L ö s e sich eiliger auf in die uränfanglichen Körper, Ist sie einmal entfloh'n und entwichen den Gliedern des Menschen, Kann der Körper sie n i c h t , der gleichsam der Seele G e f ä f s ist, L ä n g e r zusammenhalten, wann Z u f a l l solchen zerrüttet, Oder zu grofser Verlust des Blutes ihn gänzlich erschöpft h a t ; W i e doch vermöchte die L u f t sie fester zusammenzuhalten,
H3
DRITTES
BUCH.
v. 4 3 5 — 460.
D i e weit lockerer ist als unser Körper und dünner? Ferner bemerken w i r n o c h , dafs , zugleich erzeuget die Seele Mit dem K ö r p e r , zugleich heranwächst mit i h m , und altert. Weich und zart ist das K i n d , ihm schwanken die K r ä f t e des Körpers, Und mit ihnen der Sinn.
N u n reifet das stärkere Alter,
Und mit diesem zugleich die Ueherlegung und D e n k k r a f t . H a t die gewaltige Zeit zuletzt den Körper zerrüttet, U n d die Glieder sinken mit stumpf gewordenen K r ä f t e n , D a n n so sinkt auch der G e i s t , Gedank' und Sprache verirrt sich, Jegliche K r a f t nimmt a b , zuletzt fällt alles auf einmal. Also löset sich auf das gesammte Wesen der Seele, Und es z e r g e h t , w i e der Rauch in den hohen L ü f t e n zergehet: Sintemal w i r es sehn sich zugleich mit dem Körper erzeugen, Gleich fortwachsen mit ihm , und mürbe vom Alter zerlechzen. Kommt noch hinzu, dafs w i r sehen den Körper befallen von Krankheit Schrecklicher Art, gedrückt von empfindlichen Schmerzen und L e i d e n ; Gleiches bemerken w i r auch an der Seele, die Kummer und Furcht drückt; Sind nicht beide daher die Genossen ähnlichen Schicksals? J a , wann der K ö r p e r e r k r a n k t , irrt oftmals selber der Geist auch, Fällt in W a h n s i n n , spricht verkehrete irrige D i n g e : Auch versinkt er zuweilen in schweren Schlummer durch Schlafsucht, Tief in den ewigen S c h l a f , mit sinkenden Augen und Antlitz. Stimmen der Menschen hört er nun n i c h t , er kennt die Gesichtet Seiner Freunde nicht mehr, die um ihn stehen, zum L e b e n Ihn a u f r u f e n d , und Wang" und Gesicht mit Thränen benetzen. D a r u m mufst du gestehn, auflöfsbar müsse der Geist seyn,
DRITTES
BUCH.
v. 461 — 4q6.
W e i l ansteckendes G i f t der K r a n k h e i t in ihn hineindrinsrt. D K r a n k h e i t u n d S c h m e r z sie sind U r h e b e r des T o d e s ja b e i d e , W i e der V e r l u s t so M a n c h e r h i e v o n schon längst uns b e l e h r t h a t . E n d l i c h , h a t die G e w a l t des W e i n e s die H e r z e n
durchdrungen,
U n d die v e r t h e i l e t e G l u t sich ein in die Adern geschlichen, D a n n f o l g t S c h w e r e der G l i e d e r ; der F u f s v e r s a g e t , die Z u n g e L a l l e t , es s c h w i m m e n die A u g e n , die S e e l ' ist selber b e t r u n k e n . L ä r m und Geschrei entsteht, und Schluchzen, u n d widrige Zanksucht, U n d w a s i m m e r n o c h pflegt in d e r g l e i c h e n F ä l l e n z u k o m m e n . A b e r w a s ist's w o h l s o n s t , als dafs der g e w a l t s a m e K r a f t t r a n k P f l e g e t im K ö r p e r selbst die Seel' in V e r w i r r u n g z u s e t z e n ? W a s n u n v e r w i r r e n sich l ä f s t , sich in seinen W i r k u n g e n
hindern,
Z e i g e t , w a n n i r g e n d ein G r u n d , der s t ä r k e r n o c h w i r k e t h i n z u d r i n g t , D a f s es k ö n n e z e r s t ö r t , des k ü n f t i g e n W ä h r e n s b e r a u b t seyn. W i e von dem D o n n e r g e r ü h r t s t ü r z t p l ö t z l i c h einer z u r E r d e , W e l c h e n e r g r e i f t des U e b e l s G e w a l t : es s t e h e t der S c h a u m i h m A u f den L i p p e n , er s t ö h n t , er z i t t e r t in allen G e l e n k e n ; Sinnlos Hegt e r , g e s p a n n t v o m K r a m p f u n d g e f o l t e r t , u n d k e u c h e t W i e d e r h o l e n d , u n d w i r f t , u n d e r m a t t e t im W e r f e n , die G l i e d e r . E b e n so w i e die G e w a l t des G i f t e s , z e r t h e i l t in den G l i e d e r n , S t ü r m e t u n d s t ö f s t auf den Geist, so k o c h e n u n d schäumen die W o g e n A u f dem gesalzenen M e e r e , v o n h e f t i g e n W i n d e n
getrieben.
S e u f z e r e r p r e s s e t die B r u s t , w e i l S c h m e r z die Glieder b e f a s s e t ; W e l c h e r von i n n e n sogar die Stoffe der S t i m m e h i n a u s t r e i b t , U n d n a c h dem M u n d e sie f ü h r t , als i h r e m g e w ö h n l i c h e n Ausgang, W o sie i n H a u f e n g e d r ä n g t den D a m m d e r L i p p d n
durchbrechen.
120
DRITTES
BUCH.
v. 487 — 512.
Wahnsinn aber entsteht, da die Kraft des Geist's und der Seele In Verwirrung geräth, und w e i l , w i e ich oben gelehret, Diese getrennt durch den giftigen Stoff auseinander gezerrt sind. Ist nun des Uebels Grund auf einige W e i s e gehoben, Ist der scharfe verdorbene S a f t zurück aus dem Körper In die Gefafse gekehrt; so erhebt der Kranke sich anfangs Gleichsam im Taumel nur, und nimmt allmählig Besinnkraft, Und mit dieser zuletzt die ganze Seele zurücke. Diese nun, welche du siehst mit so grofsen Uebeln behaftet, Schon in dem Körper selbst elendiger W e i s e zerrissen; D i e s e , glaubest du n o c h , sie ltönn' auch ohne den Körper, Frei in den L ü f t e n , zu Stürmen gesellt, sich lebend erhalten? Sehen die Seele w i t nun d m c l i Heilkraft wieder genesen, Durch Arzeneien e r w e c k t , w i e den kranken Körper; so deutet .Auch schon dieses d a r a u f , dafs sterblich ihre Natur sey. Theile müste man fügen h i n z u , die L a g e versetzen, Immer, so w e n i g es s e y , dem Ganzen etwas benehmen, Wenn man versuchte der Seele Natur zu verändern; auch irgend Eines andern D i n g e s Natur zu wenden geduckte. Doch das Unsterbliche w i l l nielit Theile versetzen sich lassen, Oder sich etwas eignen h i n z u , noch Minderung leiden. Denn was einmal verläfst die Grenzen des eigenen Daseyns, Stirbt in dem Augenblick, in dem w a s zuvor es gewesen. Ob nun erkranket die Seel', und ob sie geneset durch Heilkunst, Immer giebt sie von sich das M e r k m a l sterblicher Abkunft. Also scheinet sogar betrüglicherr Schlüssen die W a h r h e i t
DRITTES
BUCH.
v. 5x3 —
53ö.
121
Selbst entgegen zu g e h n , zu verschliefsen denselben den Ausweg, Und zu besiegen den Irrthum mit doppelschneidigen Gründen. Oftmals sehen w i r auch w i e der Mensch allmählig dahingeht; Ein Glied nach dem andern Gefühl und Leben verlieret. Gelblich werden zuerst an den F ü f s e n ' N ä g e l und Zähen; Drauf erstirbt der F u f s , die B e i n e ; die Spuren des kalten Todes schleichen von da hinauf zu den übrigen Gliedern. Trennt nun diese Natur der Seele sich s e l b e r , und ist nur Unvollständig sie da in Einem und selbigem Zeitpunkt, Mufs man für sterblich sie halten. Und denkst du, sie könnte sieh etwa Einwärts ziehn aus den Gliedern, in Eins zusammen sich drängen, Und den sämmtlichen Gliedern dadurch Empfindung benehmen; Müfste sich doch der Ort, w o sich solche Fülle der Seele Anhäuft, mehr mit Gefühl begabt und empfindlicher zeigen: Aber da nirgendwo sich ein solcher befindet, so mufs sie Stückweis werden verjagt aus dem Körper, und gehet dann unter. Lafs indessen mich auch den irrigen Satz dir gewähren, Dafs aufwinden sich könn' in dem Körper derer die Seele, Die theilweise verläfst das L i c h t des Lebens im Sterben; Immer kannst du noch nicht vom Tod lossprechen die Seele. W e n i g liegt ja daran, ob diese zerstiebet in Lüften, Oder ob sie verdumpft, bei zusammengezogenen T h e i l e n ; W a n n die Empfindung zuletzt von jeglicher Seite den Menschen Mehr und mehr verläfst, stets minder vom Leben zurück bleibt. Da nun die Seel' ein Theil des Menschen i s t , ihren bestimmten Sitz in dein Körper h a t , w i e die A u g e n , oder die Ohren, I-ucret. I.
16
122
DRITTES
BUCH.
v. 559 — 564-
Oder ein anderer S i n n , die S t e u e r f ü h r e r des L e b e n s : U n d , gleich w i e nun die I l a n d , das A u g ' und die N a s e , besonders. Abgeschnitten vom L e i b , n i c h t f ü h l e n k ö n n e n , noch da s e y n ; Sondern in kurzer Zeit h i n s c h w i n d e n müssen in M o d e r : Also kann auch der Geist f ü r sich nicht s e l b e r , und ohne Körper des M e n s c h e n b e s t e h n , der gleichsam dessen Gefäfs i s t ; Oder ein Näheres n o c h , w e n n sich irgend e t w a s
verbundner's.
D e n k e n noch läfst; d i e w e i l fest an ihm h a n g e t der Körper. E n d l i c h n o c h , w i r k t die lebendige Kraft des K ö r p e r s , der Seele, Nur in Verbindung gesetzt, zusammengeniefsend des L e b e n s . Ohne den Körper vermag allein die Seele f ü r sich nicht L e b e n s e r r e g u n g e n w e c k e n ; n o c h , ohne die S e e l e , der Körper Dauernd erhalten sich selbst, und seiner Sinne gebrauchen. Eben so w i e das A u g ' aus seiner Umfassung gerissen, Und von dem Körper g e t r e n n t , die K r a f t zu sehen v e r l i e r e t ; Eben so scheinen f ü r sich nichts S e e l ' und Geist zu vermögen. Nämlich d a r u m , w e i l solche g e m i s c h t in die innern Gefäfse, Und in die N e r v e n und Knochen, vom ganzen Körper unischränkt s i n d ; Auch die Stoffe sich n i c h t so frei in geräumlichen W e i t e n Flüchten k ö n n e n ; w o d u r c h , zusammengeschlossen , erregt w i r d Sinnevzeugender T r i e b , d e n , aufser dem K ö r p e r , in L ü f t e n , Hat sie der Tod e n t j a g t , n i c h t w i e d e r e r w e c k e n sie k ö n n e n ; W e i l kein ähnliches B a n d sie fafst und fürder zurückhält. D e n n es erzeugte die L u f t so L e i b als S e e l e , w e n n diese H a l t e n sich könnte d a r i n , sich ?usanimenschliefsen , zu jenen L e b e n s b e w e g u n g e n , welche zuvor im Körper sie übte.
D R I T T E S
E F C H ,
v. 565
— 590.
125
A l s o mufs man g e s t e l m , dafs w e n n aller H ü l l e des K ö r p e r s Gänzlich e n t b l ö l s t , und a u s g e j a g t der lebendige H a u c h ist, A u f g p l ö s e t auch w e i d e der Sinn des G e i s t ' s , und die S e e l e ; W e i l derselbige G r u n d f ü r b e i d e r L e b e n bedingt ist. D a nun f e i n e r die S e e l e n i c h t l ä f s t v o m K ö r p e r sich trennen, Ohne dafs dieser s o g l e i c h in stinkende F ä u l n i f s
geratlie;
K ö n n t e s t du z w e i f e l n , dafs nicht, aus den innersten Sitzen getrieben, Ihm entiliefsen , w i e R a u c h , zerstreut die K r ä f t e der S e e l e ? W ü r d ' in f a u l e n R u i n so g ä n z l i c h der K ö r p e r
zerfallen,
H ä t t e n aus ihren F u g e n sich nicht die S t ü t z e n
gehoben,
U n d entflöfse sie n i c h t aus allen G e l e n k e n , die S e e l e , A l l e n K a n ä l e n und F o r e n , die i r g e n d im K ö r p e r b e f i n d l i c h ? A l l e s b e w e i s e t sonach durch mehrere G r ü n d e , die Seele H a b e zertheilt die G l i e d e r v e r l a s s e n , und s e y e v o r h e r schon I n sich g e t r e n n e t , und selbst im K ö r p e r , zerrissen
gewesen,
E h e sie noch sich ergofs und auf in die w e h e n d e L u f t s c h w a m m . Selbst noch immer den S c h r a n k e n des L e b e n s , w a n n i r g e n d ein Z u f a l l M ä c h t i g sie t r i f t , scheint o f t e n t k r ä f t e t gänzlich die Seele H i n z u s c h e i d e n , sich nach und nach v o n dem K ö r p e r zu lösen. S c h o n erbleicht das G e s i c h t , als w i e b e i ' m nahenden E n d e , U n d es sinken e r s c h l a f f e t herab am K ö r p e r die Glieder. D i e f s i s t , w a s i n s g e m e i n im L e b e n man nennet die O h n m a c h t ; O d e r man s a g t , es e n t w e i c h e der G e i s t : man z a g e t , m a n suchet A n z u k n ü p f e n a u f s neu' die letzten F ä d e n des L e b e n s . I n n i g s t w e r d e n erschüttert alsdann die K r ä f t e des Geistes U n d der S e e l e ; sie sinken z u g l e i c h m i t dem K ö r p e r z u s a m m e n :
124
DRITTES
BUCH.
v. 591 —
616.
Wenig braucht es nur n o c h , so würden sie gänzlich gelöst seyn. Auch hier zweifelst du n o c h , diefs schwache Seelchen, gestofsen Aus des Körpers Behältnifs, in freien L ü f t e n , der Hülle Aller beraubt, ob es w o h l , nicht Ewigkeiten durchdauern, N e i n , nur in Augenblicken der Zeit erhalten sich könne ? Keiner noch h a t , wie es scheint, jemals im Sterben empfunden, Dafs die Seele gesund und heil aus dem Körper hinaus geht; Erst zu der Kehle hinauf, dann zur Mundeshöle hinansteigt: Sondern vielmehr sie erlischt am eig'nen bestimmeten Orte, W i e jedweder andere Sinn an eigener Stelle Aufgelöset sich fühlt.
Und war' unsterblich die Seele,
Würde sie sterbend so sehr sich über die Trennung beklagen ? Würde sie nicht sich freu'n , zu scheiden, ihr Kleid zu verlassen, W i e die Schlang' ihr Gewand, wie der alternde Hirsch das Geweih läfst. Endlich , warum erzeugt des Geistes verständige Kraft sich Nie in dem Haupt, noch in Füfsen und Händen, und sitzet nur einzig Jeglichem fest am bestimmeten Ort, in der eigenen Gegend? Ist nicht Ursach hievon, dafs jedes den sicheren Ort hat Seiner Geburt, allwo fort kann das Erschaffene dauern ? Diefs auch findet auf mancherley Art sich im Baue der Glieder, So dafs nie sich verkehrt hierin die Ordnung erweiset. Also erfolgt ein D i n g aus dem andern ; es werden aus Fluten Nie sich die Flammen bilden, noch E i s sich erzeugen im Feuer. Ist unsterblich dennoch die Natur und das Wesen der Seele; Kann s i e , getrennet vom L e i b , fortdauernd Empfindung erhalten; Müssen wir mit fünf Sinnen sie auch, w i e es scheinet, begaben.
D R I T T E S
BUCH.
v. 617
—
642.
125
Sonst w i e könnte man sich die unteren Seelen g e d e n k e n , Schwärmend umher um des A c h e r o n s F l u t ? A u c h haben n o c h immer D i c h t e r und M a l e r der v o r i g e n Z e i t dieselben uns also V o r b e s t e l l e t , und stets sie ausgestattet mit Sinnen. Aber b e s o n d e r s , und e i n z e l n f ü r s i c h , k a n n , ohne die Seele, W e d e r das A u g e b e s t e h n , n o c h die N a s e , n o c h selber die Hand auch, Oder die Z u n g e s das O h r k a n n eben so w e n i g die T ö n e F ü r sich vernehmen a l l e i n , n o c h irgend allein sich erhalten. F ü h l e n w i r nun durchaus l e b e n d i g e n Sinn in dem K ö r p e r , Sehen a u c h , dafs er durchaus zum lebenden W e s e n b e s e e l t s e y ; T r a f ' ihn p l ö t z l i c h ein S c h l a g , der mit a l l g e w a l t i g e r K r a f t ihn M i t t e n spaltet' e n t z w e i , dafs die beiden H ä l f t e n z e r f i e l e n ; M ü f s t e die Seele f ü r w a h r z u gleichen T h e i l e n getrennet, A u s einander gerissen z u g l e i c h mit dem K ö r p e r auch sie seyn. A b e r w a s irgend getheilt kann w e r d e n , in Stücke zerrissen, M a g sich eben dadurch lossprechen von e w i g e r D a u e r . S i c h e l b e w a f f n e t e W a g e n , vom B l u t der Erschlagenen dampfend, Sagt m a n , mähten die G l i e d e r so schnell h i n w e g , dafs am B o d e n U n s n o c h der abgeschnittene T h c i l in R e g u n g sich zeige, E h e des M e n s c h e n G e f ü h l die schnelle V e r w u n d u n g erreicht hat. D a nun der k a m p f b e g i e r i g e G e i s t f o r t w ä h r e n d auf Streit denkt, Strebt mit dem ü b r i g e n K ö r p e r er n o c h , zu f e c h t e n , z u m o r d e n ; W i r d auch o f t n i c h t g e w a h r , dafs seine verlorene L i n k e W a r d m i t ' d e m Schilde z u g l e i c h , durch das R a d und die reifsenden Sicheln U n t e r die R o s s e geschleudert.
E i n anderer f ü h l e t im D r a n g e ,
W e n n er die M a u e r n e r s t e i g t , die a b g e s c h l a g e n e H a n d n i c h t ;
126
DRITTES
BUCH.
v. 643 — r
der
Religion
haben
i544-i36i.
der
Musik,
Kalender u n d O r d n u n g in den G e s c h ä f t e n ,
gegangen,
v. 8 6 5 - 9 1 0 .
Maleri-
Anfang der
E r f i n d u n g des F e u e r s ,
Vereinigung
d e r Meuschen
in
W i e die Menschen auf die V o r k o m m e n k ö n n e n , v.
M e t a l l e , v. 1 2 2 6 - 1 2 6 4 ;
v. 1 2 6 5 - i 3 3 2 ;
v. 8 1 3 - 823.
verloren
sche S c h i l d e r u n g des ersten Menschen i m S t a n d e d a r INatur, v. 9 1 1 - 9 9 4 . Kultur, 995-1012.
v. 7 0 9 -
erklärt,
Erde,
siud
C e n t a u r e n u n d dergleichen U n g e h e u e r gab es n i e ,
möglicher
U r s p r u n g der T h i e r e
K r ä f t e der Thieren
Gründe,
w a n n er eigenes
ähnliche A r t
R ü c k k e h r z u r E r d e , u n d den ersten P r o d u k t e n derselben.
Milsffeb u r t e n ,
mögliche
Kleider
1116-1225.
besonders des E i s e n s ; und Gewebe,
v.
der
i333-i5*5.
G e s a n g , B l a s i n s t r u m e n t e , v. I j 6 2 - I 4 i 3 . 1*19-1426.
Künste des B e d ü r f n i s s e s u n d des V e r g u ü g e n s , v. 1*27 - i 4 i o .
Dichtkunst,
und
ander«;
W e r hat Kräfte der Brust ein w ü r d i g e s L i e d zu bereiten, Diesen erhabenen D i n g e n gemäfs, und ihrer E r f i n d u n g ? W e r hat W o r t e d a z u , dem M a n n e zu Lüden ein L o b l i e d , Ihm nach V e r d i e n s t , der uns so herrliche Schätze des Lebens, D i e sein forschender Geist sich e r w a r b , zum Geschenke zurückliefs V K e i n e r , w i e immer mich deucht, aus sterblichem Blute geborer.! D e n n , w a n n sagen man s o l l , w a s die Hoheit selber der D i n g e , D i e er erkannt, von uns heischt, so w a r er ein Gott! J a , e i n G o t t w a r ' M e m m i u s , w e l c h e r zuerst die L e h r e des Leben;, erforscht h a t , W e l c h e man W e i s h e i t nennet an j e t z t ; und e r , der durch Kunst u n s T i e f aus w o g e n d e r F l u t , aus schreckendem D u n k e l , das L e h e n I n den geruhigen T o r t , in so klares L i c h t es gebracht hat. ]Nimm, w o f ü r man den andern die Götterehren entlichtet. C e r e s , saget der R u f , h a t S a a t e n dem Menschen gestiftet, B a c c h u s g e l e h r t den Gebrauch des R e b e n e r z e u g e t e n Saftes, Ohne d e r g l e i c h e n jedoch der M e n s c h e n L e b e n bestelin m a g ; W i e von V ö l k e r n man hört die jetzt noch ihrer entbehren. Aber w o rein nicht die B r u s t , ist g l ü c k l i c h e s L e b e n nicht möglich. U m so mehr und m i t gröfserem R e c h t s c h e i n t dieser ein Gott uns,
F Ü N F T E S
BUCH.
v. 2 0 —
45,
W e l c h e r irrt süfsem T r o s t , v e r b r e i t e t durch L ä n d e r u n d "Volker, A u c h anjetzt noch e r q u i c k t der sterblichen M e n s c h e n G e m ü t l i e r . Solltest du g l a u b e n j e d o c h , die T h a t e n des H e r k u l e s stünden A n n o c h diesem z u v o r , so irrtest du m e h r noch v o m VYahren. D e n n w a s schadete jetzt der u n g e h e u e r e H a c h e n Jenes Nemäischen L ö w e n ?
der Z a h n des A r c a d i s c h e n K e u l e r s ?
W a s aus K r e t a der S t i e r ? und w a s des L e r n ä i s c h e n S u m p f e s S c h e u f s l i c h e P e s t , die H y d r a , mit g i f t i g e n N a t t e r n u m g ü r t e t ? W a s die d r e i f a c h e B r u s t des dreigestalteten R i e s e n s G e r y o n ? oder die R o s s e des D i o m e d e s , die F l a m m e n S c h n a u b t e n , a u f T h r a c i s c h e m G r u n d , und auf den B i s t o n i s c h e n F l u r e n , U n d an dem I s m a r u s ? K a n n so mächtiges U e b e l uns k o m m e n V o n den A r c a d i s c h e n V ö g e l n , mit f u r c h t b a r e n K r a l l e n ,
Bewohnern
l e n e s S t y m p h a l i s c h e n S e e s ? U n d sollt' uns schrecken der D r a c h e , D e r , der H e s p e r i s c h e n F l u r g o l d g l ä n z e n d e A e p f e l b e w a c h e n d , W i l d , mit g r i m m i g e m B l i c k , m i t u n g e h e u e r e m K ö r p e r , Rings
u m s c h l i e f s e t den B a u i n ? W a s k ö n n t ' er doch endlich uns schaden,
D o r t am A t l a n t i s c h e n M e e r , an dem m e n s c h e n f e i n d l i c h e n U f e r , W e l c h e s der U n s e r n k e i n e r b e t r i t t , auch selbst der B a r b a r n i c h t ? So mit dem ü b r i g e n H e e r der e r s c h l a g e n e n U n g e h e u e r ; W ä r e n sie n i c h t e r l e g t , w a s k ö n n t e n sie lebend uns s c h a d e n ? N i c h t s , w i e immer m i c h deucht. N o c h w i m m e l t ' s v o n schädlichen T h i e r e n U e b e r a l l auf der W e l t ,
die mit F u r c h t und S c h r e c k e n sie f ü l l e n ,
I n dem G e h ö l z , und auf dem G e b i r g ' , und in T i e f e n der W ä l d e r , W e l c h e Orte doch meist zu meiden in unsrer G e w a l t steht. A b e r b e i u n g e r e i n i g t e r B r u s t , w e l c h i n n e r e r K r i e g ist
F Ü N F T E S
BUCH.
v. 4 6 —
71.
205
N i c h t zu b e s t e h n , und w e l c h e G e f a h r , selbst w i d e r den W i l l e n ! W a s f ü r S o r g e n zerreifsen das H e r z , von B e g i e r d e g e ä n g s t i g t ! W a s f ü r S c h r e c k n i s s e f o l gC e n d a r a u f ! und w e l c h e V e r w ü s t u n g& 1
R i c h t e t der TTocbmuth a n , U n s a u b e r k e i t , üppige F r e c h h e i t , Prassender T J e b c r m u t h , und zuletzt die niedrige F a u l h e i t ! W e r dies alles demnach mit W o r t e n , und nicht mit den W a f f e n U n t e r sich hat g e b r a c h t , und verjagt aus dem H e r z e n , g e b ü h r t n i c h t D i e s e m , dafs unter die Z a h l der Gotter er w e r d e g e r e c h n e t ? U m so m e h r , da er noch so trelFliches, g ö t t l i c h e s , selber U e b e r die Gotter g e s a g t , und die M e n s c h e n zu lehren g e w o h n t w a r ; A u f g e s c h l o s s e n auch ihnen der D i n g e ganze N a t u r hat. T r e t e n d in seine S p u r v e r f o l g ' ich anjetzo die Gründe, L e h r e n d , dafs jegliches D i n g in derselben B e d i n g u n g , w i e a n f a n p s Solches geschaffen w a r d , durchaus fortdauern auch m ü s s e ; N i c h t s den gebietenden Spruch der Zeit zu entkräften v e r m ö g e . U n d so fanden w i r auch v o r z ü g l i c h das W e s e n der S e e l e M i t dem K ö r p e r zugleich e r w a c h s e n zu sterblichem D a s e v n ; G e g e n die D a u e r der Z e i t sich nicht zu erhalten vermögend. A b e r die B i l d e r p f l e g e n den G e i s t im T r a u m e zu täuschen, D a f s w i r noch glauben zu s e h n , dem längst das L e h e n e n t w i c h e n . W e i t e r f ü h r t mich anjetzt von unserer L e h r e die F o l g e , D i r zu e r w e i s e n , die W e l t s e y seihst ein v e r g ä n g l i c h e r K ö r p e r ; W e r d e , so w i e sie e n t s t a n d e n , dereinst auch w i e d e r v e r g e h e n . F e r n e r , auf w e l c h e r l e i A r t , durch jene V e r b i n d u n g des U r s t o f f s , E r d ' und H i m m e l und M e e r sich g r ü n d e t e n , S o n n ' und die Sterne, U n d die K u g e l des M o n d s : a u c h w e r d ' i c h d i r reden von Thieren,
20 6
F Ü N F T E S
BUCH.
v. 7 2 —
97.
W e l c h e die E r d ' e r z e u g t , und j e n e n , die n i e m a l s g e w e s e n . Auch w i e das M e n s c h e n g e s c h l e c h t m i t w e c h s e l n d e n T ö n e n der R e d e Unter einander zu leben b e g a n n , durch B c n a r a u n g der D i n g e : D a n n noch, w i e in die m e n s c h l i c h e B r u s t sich die F u r c h t v o r den G ö t t e r n E i n s c h l i c h ; w e l c h e n a c h h e r als h e i l i g v e r e h r t auf dem E r d k r e i s , H a i n ' und T e m p e l u n d S e e n , A l t a r ' und B i l d e r der G ö t t e r . F e r n e r erklär' ich dir noch den L a u f der S o n n e , des M o n d e s G a n g , und w i e die N a t u r sie durch ihre gebietende K r a f t lenkt. D a f s nicht e t w a du g l a u b s t , als ob sie n a c h e i g e n e m W i l l e n Z w i s c h e n H i m m e l und E r d e den jährlichen Z i r k e l erneuten, N u r um g e f ä l l i g den W u c h s der T h i e r ' und G e w ä c h s e zu f ö r d e r n ; Oder v i e l l e i c h t n a c h R i c h t u n g und R a t h der G ö t t e r sich w ä l z t e n . D e n n w e r r i c h t i g g e f a f s t , dafs G ö t t e r um irdische D i n g e W e n i g sich k ü m m e r n , und doch erstaunt b e y j e g l i c h e m A n l a f s , W e l c h e M a c h t d i e f s alles r e g i e r t ; v o r z ü g l i c h bei D i n g e n , W e l c h e man ü b e r dem H a u p t ersieht in des Aethers B e z i r k e n ; D e r f ä l l t w i e d e r z u r ü c k in die v o r i g e F u r c h t v o r den G ö t t e r n , N i m m t g e b i e t r i s c l i e H e r r e n sich an , die alles v e r m ö g e n ; W i e diefs g l a u b e n die A r m e n ! die n i c h t v e r s t e h e n w a s seyn k a n n , U n d w a s n i c h t ; n o c h w o d u r c h das V e r m ö g e n j e g l i c h e s D i n g e s W e r d e b e s c h r ä n k t , u n d j e d e m g e s t e c k t sein endliches Z i e l sey. U e b r i g e n s , dafs ich m i c h n i c h t zu lang im V e r s p r e c h e n v e r w e i l e ; W i r f die B l i c k e v o r e r s t a u f M e e r und H i m m e l und E r d e . D r e i f a c h ihre N a t u r , u n d aus drei K ö r p e r n bestehend, D r e i , so verschieden an ä u f s ' r e r G e s t a l t , an innerm G e w e b e , E i n T a g w i r d sie z e r s t ö r e n ; die L a s t der W e l t e n , i h r T r i e b w e r k ,
FÜNFTES
BUCH.
v. pß — 123.
207
D a s Jahrtausende h i e l t , zuletzt doch stürzt es zusammen. Fremd und seltsam f ü r w a h r rnufs dieser Gedanke dir s c h e i n e n , Dafs einst Himmel und Erde v e r g e h ' ; auch fällt des B e w e i s e s S c h w e r e mir ä u f : so w i e oft , w e n n man u n g e w ö h n l i c h e D i n g e Bringt zu den Ohren , und doch sie w e d e r dem Sinne des A u g e s Unterzulegen v e r m a g , noch darzureichen den H ä n d e n ; Als wodurch den gesicherten W e g am nächsten der Glaube Findet zur menschlichen Brust und des Geistes erhabener W o h n u n g ; Dennoch Sprech' ich es a u s : v i e l l e i c h t giebt selber den A u s s c h l a g M e i n e n W o r t e n die Sache z u l e t z t ; wann in kr.rzem du sehn w i r s t A l l e s g e w a l t s a m erschüttert vom Beben der kreisenden Erde. W e l c h e s doch möge von uns das alles beherrschende Schicksal W e n d e n , und mehr uns hievon die V ernunft, als Erfahrung, b e l e h r e n , D a f s in w i l d e m R u i n einst könn' einstürzen das W e l t a l l . Ehe jedoch ich beginne hievon die Schlüsse des Schicksals A u s z u s p r e c h e n ; s i e , h e i l i g e r noch und g e w i s s e r , als jene, W e l c h e die P y t h i a spricht aus des Phöbus L o r b e r vom D r e i f u f s ; SchaiF ich dir reichlichen Trost aus wohlbeleliretem H e r z e n : D a f s nicht e t w a du w ä h n e s t , vom Aberglauben gefesselt, E r d e , H i m m e l und M e e r , und S o n n ' , und M o n d , und die S t e r n e , M i i f s t e n sich e w i g f o r t , als göttliche W e s e n , b e w e g e n ; Glauben m ö g e s t , es müfsten mit R e c h t , nach Art der G i g a n t e n , Jene die Strafen büfsen f ü r u n g e h e u e r e n Frevel, W e l c h e die Vesten der W e l t zu bestürmen suchten mit Schlüssen, Auszulöschen gedächten die l e u c h t e n d e S o n n e des Himmels, D a sie unsterbliche D i n g e b e z e i c h n e n m i t s t e r b l i c h e r Rede.
203
F Ü N F T E S
B U C H .
v. 124 —
149.
D i e s e doch s c h e i n e n so w e i t v o m g ö t t l i c h e n W e s c - n e n t f e r n e t , U n t e r der G ö t t e r Z a h l so w e n i g g e b ü h r e n d z u s t e h e n , D a f s sie uns s c h e i n e n v i e l m e h r z u r K e n n t n i f s v o n dem z u v e r h e l f e n , W a s der B e w e g u n g des L e h e n s u n d j e d e r E m p f i n d u n g hci'auht ist. D e n n w i e möchte man g l a u b e n ,
dafs Geist und v e r n ü n f t i g e s W e s e n
I i ö n n ' i n w o h n e n in j e g l i c h e m K ö r p e r ? E s m a g in d e m A e t h e r N i c h t b e k l e i b e n der B a u m , n o c h " W o l k e n i n s a l z i g e r M e e r f l u t , N o c h auf den F e l d e r n l e b e n der F i s c h ; n i c h t B l u t in dem H o l z e , N o c h im S t e i n e s i c h f i n d e n der S a f t : w e i l f e s t u n d b e s t i m m t ist J e d e m das e i g e n e D i n g , in d e m es g e d e i h e t u n d a u f w ä c h s t . E b e n so k a n n der S e e l e N a t u r n i c h t o h n e d e n K ö r p e r , F ü r s i c h a l l e i n e n t s t e h n , v o n B l u t und N e r v e n g e s o n d e r t . K ö n n t e sie d a s , d a n n w ü r d e sie w o h l v i e l m e h r in dem H a u p t e , O d e r den S c h u l t e r n e n t s t e h n ,
v i e l l e i c h t in den u n t e r s t e n F e r s e n ,
O d e r in j e d e m a n d e r e n G l i e d e i n w a c h s e n u n d w o h n e n , A l s in d e m s e l b e n G e f i i f s d e s s e l b e n M e n s c h e n z u b l e i b e n . A b e r d i e w e i l es s i c h a u c h an u n s e r e m K ö r p e r
erweifset,
D a f s ein g e w i s s e r O r t d e m G e i s t u n d der S e e l e b e s t i m m t s e y , I h n zu b e w o h n e n ,
z u w a c h s e n - d a r i n ; so w e n i g e r d a r f m a n
G l a u b e n , als k ö n n t e n sie g a n z , d i e b e i d e n , U n d der t h i e r i s c h e n F o r m ,
a u f s o r dem
Körper
f o r t d a u e r n in S c h o l l e n der E r d e ,
O d e r im F e u e r der S o n n e v i e l l e i c h t ,
im W a s s e r ,
im A e t l i e r .
G ä n z l i c h sind sie d a h e r b e r a u b e t des g ö t t l i c h e n S i n n e s ; S i n t e m a l sie auch s e l b s t n i c h t k ö n n e n m i t L e b e n
beseelt seyn.
B i l d e dir f e r n e r n i c h t e i n , der G ö t t e r g e h e i l i g t e r
Wohnsitz
M ü s s e do^li i r g e n d w o in e i n e m d e r T l i e i l e der W e l t s e y n .
FÜNFTES
BUCH.
V. 150 —
175.
209
Z a r t und dünn ist der G ö t t e r N a t u r , von unseren Sinnen W e i t e n t f e r n e t , dafs k a u m des Geistes Begriff sie e r f e i c h e t . D a sich dieselbe nun g ä n z l i c h e n t z i e h t der Berührung der IJände, Kann sie auch selbst n i c h t f a s s e n , w a s fühlbar unserer H a n d i s t : W a s nicht betastbar i s t , kann auch nicht selber betasten. D a r u m müssen auch selbst die Sitze der G ö t t e r verschieden V o n den unsrigen seyn , nach der zarten Beschaffenheit ihrer K ö r p e r : w e l c h e s ich w i l l nachher umständlich dir darthun. Ferner z u s a g e n , es sey diefs herrliche W e l t e n g e b ä u d e N u r um der M e n s c h e n w i l l e n allein v o n den Göttern erbauet; S o l c h ' p r e i f s w ü r d i g e s W e r k sey also gebührend z u loben, M ü s s e f ü r e w i g g e h a l t e n , unsterblich in seiner N a t u r s e y n : A u c h g e z i e m ' es sich n i c h t , w a s erst nach unendlichem R a t h s c L l u i s S e y f ü r das M e n s c h e n g e s c h l e c h t auf e w i g e Z e i t e n begründet, Irgend auf einige A r t durch Z w e i f e l w a n k e n zu machen, Oder mit W o r t e n z u t a d e l n , z u oberst das Untere kehrend. U e b e r t r e i b u n g e n solchcrlei A r t , mein M e m m i u s , sind mir A l b e r n ; w i e könnte denn w o h l den U n s t e r b l i c h e n , S e l i g e n ,
etwas
L i e g e n an unserem D a n k ; dafs unserthalben sie möchten I r g e n d beginnen ein W e r k ? H a t etwa ein neuerer W u n s c h sie, S i e , die so l a n g e g e r u h t , v e r l o c k t , ihr L e b e n zu ändern? D e n n w i e es s c h e i n t , e r g ö t z t sich nur der am W e c h s e l z u m N e u e n , , . D e i n n i c h t mehr das A l t e b e h a g t : w e n aber kein U e b e l H a t in den v o r i g e n Z e i t e n g e d r ü c k t , w e r g l ü c k l i c h g e l e b t hat, K ö n n t e bei diesem sich w o h l die L u s t z u N e u e m entzünden ? L e b t e n die Götter v i e l l e i c h t v o r h e r in T r a u e r und U n m u t h , Lucret,
I.
27
210
FÜNFTES
BUCH.
v. 1 7 6 — 201.,
Ehe der Glanz aufgieng v o n der D i n g e zeugendem U r s p r u n g ? Und welch' Uebel w a r ' es f ü r uns , w e n n nie w i r geschaffen ? Nur der Geborene mag so lange sich wünschen zu leben Als die schmeichelnde L u s t ihn h ä l t : w e r aber z u v o r nie Liebe des L e b e n s g e n o f s , nie stand in der L e b e n d e n Reihe, W a s verliert er dabei, w e n n er niemals w u r d e geschafFen? Sage mir f e r n e r , w i e kam zuerst in die G ö t t e r das V o r b i l d D e r zu erzeugenden D i n g e ; ja selbst der Begriff von dem Menschen V D a f s sie wufsten und sahen im G e i s t , w a s schaffen sie w o l l t e n ? W o h e r schöpften sie Kenntnifs der K r a f t ursprünglicher Stoffe, W a s bey veränderter Ordnung sie unter einander vermöchten, Hätte Natur nicht selbst der Schöpfungen M u s t e r gegeben? Denn seit e w i g e r Z e i t , auf mancherlei W e i s e getrieben, Theils durch eignes G e w i c h t , und theils durch Stöfse v o n aufsen, Haben die Stoffe zuerst sich vermischt auf allerlei W e i s e , Allerlei W e g e v e r s u c h t , w a s irgend sie könnten erschaffen Durch den Zusammentritt in ihrer verschiednen V e r b i n d u n g : Und ist's W u n d e r d a h e r , w a n n diese zuletzt in dergleichen Lage g e r i e t h e n , in solches G e t r i e b , w o d u r c h sich anjetzo, Stets sich e r n e u e n d , erhält die Summe der sämmtlichen W e s e n ? D e n n , w e n n ich auch die Natur ursprünglicher Stoffe nicht kennte, W ü r d ' ich mir doch getraun , aus des Himmels Beschaffenheit selber, D r e i s t zu behaupten , und noch aus mehreren anderen Gründen, D i e s e r Dinge N a t u r , mit so grofsen Mängeln behaftet, S e y kein göttliches W e r k , allein f ü r den Menschen bereitet. Nämlich vorerst, was bedeckt des Himmels mächtiger Umschwung,
FÜNFTES
BUCH.
v. 202 — 227.
211
D a v o n reifsen die B e r g e , die Thierebewohneten W ä l d e r , Einen gewaltigen T h e i l an sich; auch dergleichen die Felsen, Ungeheure M o r ä s t e , vor allem doch aber das Weltmeer, Welches weit von einander die Küsten trennet des Erdreichs. Ferner werden beinah zwei Theile dein Menschen entzogen, Durch der brennenden Sonne G l u t , und den ewigen E i s f a l l . D a s , was von Felsen noch bleibt, beziehet mit Disteln und D o r n e n Trieb der eignen N a t u r ; wenn des Menschen Arbeit und K r a f t nicht Diesem entgegen sich setzt; um der Nahrung willen gewöhnet. Aufzustöhnen unter dem K a r s t , zu zerreifsen das Erdreich M i t dem niedergedrücketen Pflug.
J a , würde der Mensch nicht
M i t der Pflugschar stürzen die fruchtbaren Schollen, den Boden N i c h t u m w ü h l e n , an's L i c h t die Keime zu w e c k e n , sie würden N i e in die dünnere L u f t sich aus freien Stücken erheben. U n d ist endlich die Frucht durch Fleifs und Bemühung erzwungen, Grünen und blühen umher die Felder zu fröhlicher H o f f n u n g , So versengt sie vielleicht die Glut der erhabenen Sonne, Oder der Regen ersäuft s i e , es tödtet der starrende Frost sie, Oder des Windes G e w a l t zerreifst sie im saufsenden Wirbel. F e r n e r , warum erzeuget und nährt auf der E r d ' und im M e e r e R e i f s e n d e r Thiere Gestalt die N a t u r , zum Schaden des M e n s c h e n ? W a r u m bringet der W e c h s e l des Jalirs uns tödtliche S e u c h e n ? W a r u m darf sich der T o d an Kinder und Säuglinge w a g e n ? Siehe das Knäblein , es l i e g t , bedürftig jeglicher H ü l f e , E i n e m gescheiterten g l e i c h , den die W u t der W e l l e n am Strand warf, Nackt am B o d e n , das K i n d ; nachdem an die Küsten des Lichtes,
212
FÜNFTES
BÜCH.
v. 22ß — ¡253
Durch die Wehen es erst aus dem Schoofse die M u t t e r hervorgofs. Traurig füllt es umher den Ort mit W i m m e r n ; w i e recht ist D e m , dem im L e b e n annoch so manches der Uebel bevorsteht. Aber w i e anders wachset das V i e h , die H e e r d e n , das W i l d a u f : Kinderklappern bedürfen sie n i c h t , noch schmeichelnder Ammen Lallendes K o s e n ; auch nicht den W e c h s e l veränderter Kleidung Nach der W i t t ' rung d e s J a h r s ; nicht brauchen sie W a f f e n noch T h ü r U m das Ihre zu schützen; denn alle versorget mit Allem R e i c h l i c h die Erde selbst, und Natur die bildende Mutter. Also zuerst, da die K ö r p e r , aus deren Mischung das Ganze Scheint zu bestellen ; die E r d e , die L u f t , die Fluten des Wassers, Und das erwärmende F e u e r ; da diese von solcher Natur sind, D a f s sie werden erzeugt und wieder vergehen , so mufs man Diese Natur der W e l t von gleicher Beschaffenheit halten. Denn w o w i r Glieder s e h e n , und einzelne T h e i l e des Körpers Erst entstehen , und dann h i n f ä l l i g in ihren Gestalten, D a bemerken w i r auch des Ganzen Entstehung und H i n f a l l . Seh' ich demnach von der W e l t so mächtige Glieder und Theile Aufgelöset und w i e d e r erzeugt; so schliefs' ich aus Gründen, D a f s auch Himmel und E r d e vordem auf ähnliche W e i s e Anfang haben g e h a b t , und dafs ihnen das E n d e bevorsteht. Memmius halte das nicht f ü r zu schnell und flüchtig gefasset, D a f s ich Feuer und E r d ' erkläre, f ü r sterbliche W r esen, A u c h die Vergänglichkeit nicht der L u f t und des Wassers b e z w e i f l e S a g e , dafs eben dieselben auf's neue sich bilden und zeugen. Siehe, w i e immer ein Theil der E r d e durchglühet von Sonnen,
FÜNFTES
BUCH.
v. .2.54 —- 279.
215
Unter den Fi'ifsen der M e n g e zerstampft, aufwallet in N e b e l n U n d in W o l k e n von S t a u b ; darauf sich in L ü f t e n zerstreuet, Mächtig umher von den W i n d e n v e r f u h r t ; ein anderer Theil noch W i r d vom Regen v e r s c h w e m m t , und den U f e r nagenden Flüssen. F e r n e r , was anderem dient zum A n w u c h s , wird in dem M a a s e Selber ihm wieder ersetzt; und da kein Z w e i f e l , dafs diese E r d e , die Mutter a l l e r , auch aller gemeinsames Grab sey, Zehret sie selbst sich ab , und wiiehst und mehrt sich auch wieder. D a f s es übrigens nicht an Zuilufs Meeren und Flüssen, U n d an Quellen gebricht, dafs immer die Nässe für sie rinnt, Braucht des Beweises nicht: W o h e r sonst käme der Ablauf M ä c h t i g e r Ström' in das M e e r ? doch immer ein Theil von der Masse F ü h r t sich h i n w e g , und dadurch wächst nicht zu gewaltig die F l u t an. Nämlich ein Theil w i r d entführt und weggekehret von W i n d e n , Oder w i r d a u f g e w e b t von den Stralen der höheren Sonne ; W i e d e r verliert sich ein Theil in den unteren Gängen der E r d e . Denn hier seihet sich durch die Salzflut; wieder zurücke Fliefsen die StoiFe des W a s s e r s , zu Quellen der Flüsse sich sammeln, W e l c h e die E r d ' alsdann durchströmen in lieblichem Z u g e , D a w o sich einmal die F l u t die nassen P f a d e gebahnt hat. Nunmehr komm' ich zur L u f t , w i e diese zu jeglicher Stunde F a s t unzählige M a l ' im ganzen Bestände sich ändert. Nämlich was immer den D i n g e n e n t f l e u f s t , strömt wieder dem grofsen M e e r e der L ü f t e z u ; und w o f e r n nicht diese den Abgang W i e d e r ersetzten den D i n g e n , den Ausflufs w i e d e r ergänzten, Hätte sich alles bereits g e l ö s t , und in L u f t sich verwandelt.
FÜNFTES
BUCH.
v. ¿ 8 » — 505.
U n a u f h ö r l i c h daher ist der W e c h s e l zur L u f t v o n den D i n g e n , U n d zu den D i n g e n v o n i h r , den g e w i f s s t r ö m t alles b e s t ä n d i g . Also b e s t r ö m e t die S o n n e , der Q u e l l ä t h e r i s c h e n L i c h t e s , I m m e r den h i m m l i s c h e n R a u m m i t w i e d e r e r n e u e t e r G l a n z f l u t , Augenblicklich e r s e t z e n d m i t n e u e n S t r a l e n die Stralen ; D e n n w o h i n er n u r f ä l l t , v e r s c h w i n d e t der v o r i g e S c h i m m e r . D e u t l i c h e r k e n n e s t d u d a s , w a n n W o l k e n sich u n t e r der S o n n e W e g z i e h n , gleichsam den S t r a l u n t e r b r e c h e n des h i m m l i s c h e n L i c h t e s : U n v e r z ü g l i c h erlischt die u n t e r e T h e i l u n g d e r s e l b e n , U n d w o h i n sich n u r w e n d e t der Z u g , da f o l g e n die S c h a t t e n : D a r a u s e r k e n n s t du , dafs stets e r n e u e r t e r S c h i m m e r v o n n ö t h e n , U n d dafs der v o r i g e W u r f des L i c h t e s sogleich a u c h v e r g e h e : Ja , dafs die S o n n e selbst n i c h t s i c h t b a r u n s m a c h t e die D i n g e , W e n n die Q u e l l e des L i c h t s n i c h t stets e r s e t z t e den Z u i l u f s . A u c h die L e u c h t e n der N a c h t , aus i r d i s c h e m F e u e r e r z e u g e t , H ä n g e n d e L a m p e n u n d F a c k e l n , die G l a n z u n d S c h i m m e r v e r b r e i t e n D a m p f e n d v o n f e t t e m Q u a l m ; a u c h die sind i m m e r g e s c h ä f t i g , Angereitzt v o n der G l u t , u n s n e u e B e s t r a l u n g zu l i e f e r n : Stets e r z i t t e r n die F l a m m e n , in u n u n t e r b r o c h e n e r F o l g e Breitet das L i c h t sich a u s , u n d i m m e r u n d eilig im Z u t r i e b , W i r d der F l a m m e V e r l u s t a u f s n e u e d u r c h F l a m m e n ersetzet. E b e n so denke m a n sich d i e S o n n e , den M o n d u n d die S t e r n e , I m m e r das L i c h t f o r t s c h i e f s e n d a u s f r i s c h e r Q u e l l e ; da immer S i c h das vorherige w i e d e r v e r l i e r t ; d a m i t du n i c h t g l a u b e s t , D i e s e l e b t e n vielleicht mit u n v e r z e h r b a r e m S c h i m m e r . S e h e n w i r ü b r i g e n s n i c h t , dafs die Z e i t a u c h S t e i n e b e s i e g e t ?
FÜNFTES
BUCH.
v. 306 — 3 3 1 .
2 1
Thürme stürzen d a h i n , der erhabene Felsen v e r w i t t e r t : Auch die Tempel der Götter und ihre Gebilde zerbersten : Ihre Gottheit vermag nicht weiter zu rücken des Schicksals Schranken , oder mit M a c h t der Natur Gesetz zu bekämpfen. Sehen w i r nicht Denkmale der Herrscher und Helden zerfallen, D a f s sie sich endlich selbst, w i e es scheint, die Vergessenheit s u c h e n ? Felsen reissen sich l o s , und stürzen von Höhen der Berge, Unvermögend die L a s t des drückenden Alters zu tragen, Welches sein Ziel erreicht.
Sie rissen sich, w a r l i c h , und stürzten
Nicht so plötzlich hinab , wenn seit undenkbaren Jahren Sie die Folter der Zeit ohn' alle Zerrüttung erduldet. Schaue du ferner empor zu dem, was oben den Erdkreis R u n d umfassend beschliefst, und das, wie es einige lehren, Alles aus sich erzeugt, und wir-derzuriick in sich aufnimmt: Ist es nicht offenbar von sterblich erschaffenem D a s e y n ? M u f s nicht das, was die andern aus sich ernähret und pfleget, Selbst abnehmen, darauf durch ihren Verlust sich erholen? W ä r e die E r d e nun nicht, noch der Himmel, erzeugeten Ursprungs, Sind sie von E w i g k e i t h e r , warum sang keiner der Dichter V o r dem Thebanischen K r i e g , und noch vor der Asche von T r o j a , Andre Geschichten und T h a t e n ? wohin ist immer versunken Jener öftere R u h m so vieler Helden und Männer? Blieb kein D e n k m a l ü b r i g , dem eingeimpfet er b l ü h e ? Aber jedoch, w i e mich d ü n k t , ist neu dies Weltengebäude, J u n g noch in seiner N a t u r , und nicht von längerer Herkunft. Darum werden auch jetzt erst einige Künste verfeinert,
216
FÜNFTES
BUCH.
v. 532 — 357-
Andere steigen e m p o r : so h a t sich v e r b e s s e r t die S c h i f f k u n s t , M u s i k e r haben n i c h t längst der T ö n e V e r h ä l t n i f s e i f u n d e n ; U n d ist dieser Begriff der N a t u r , u n d die G r ü n d e desselben, N i c h t erst k ü r z l i c h e r f o r s c h t ? u n d b i n n i c h t selbst ich der erste, D e r sie n u n m e h r v e r s e t z t in d i e v a t e r l ä n d i s c h e R e d e ? G l a u b s t d u j e d o c h , es sey d i e f a alles v o r h e r s c h o n g e w e s e n ; Aber der M e n s c h e n G e s c h l e c h t s e y u n t e r g e g a n g e n in F l a m m e n , S t ä d t e seyen v e r s u n k e n bei grofser E r s c h ü t t ' r u n g der E r d e , R e i s s e n d e Ströme seyen v i e l l e i c h t aus den U f e r n g e t r e t e n , A n g e s c h w e l l t v o n der F l u t f o r t d a u e r n d e r R e g e n , u n d h ä t t e n Stadt' u n d L ä n d e r b e d e c k t : so m e h r n u r m u f s t d u , b e s i e g t n u n , Z u g e s t e h e n , dafs e i n s t a u c h H i m m e l u n d E r d e v e r g e h e n . D e n n ist s o l c h e r G e f a h r u n d dergleichen k r ä n k l i c h e m Z u s t a n d U n t e r w o r f e n die W e l t , w i e , w a n n n o c h g e w a l t ' g e r der Z u f a l l E i n t r i t t , m ü f s t e sie n i c h t in S c h u t t u n d R u i n e n z e r f a l l e n ? J a , w i r h a l t e n d a r u m u n s selbst f ü r s t e r b l i c h e W e s e n , W e i l w i r auf ä h n l i c h e A r t u n d an g l e i c h e n U e b e l n e r k r a n k e n , D u r c h d i e a n d r e z u v o r ein R a u b des T o d e s g e w o r d e n . F e r n e r , dafs i r g e n d ein D i n g zu e w i g e r D a u e r b e s t i m m t sey, L i e g t e n t w e d e r d a r i n , w e i l solches v o n d i c h t e r N a t u r ist, N i c h t vom S c h l a g e z e r m a l m t , d u r c h E i n d r a n g n i m m e r g e t r e n n t w i r d . W e l c h e r im I n n e r e n l ö s t e die e n g e n B a n d e der T h e i l e ; U n d so sind, w i e ich o b e n g e z e i g t , die K ö r p e r des Urstoffs. A u c h läfst ewige D a u e r s i c h n o c h v o n e t w a s g e d e n k e n , W e l c h e s des Angriffs fähig n i c h t i s t , u n d d i e f s ist das L e e r e : U n b e t a s t b a r b l e i b t ' s , u n d achtet des ä u f s e r e n S c h l a g s n i c h t .
FÜNFTES
BUCH.
v.-35Ö —• 583-
2
Oder auch ewig ist das , was nirgend Raum um sich her hat, In dem gleichsam entfliehn und lösen sich könnten die Dinge : So ist ewig die Summe des All's; kein Ort ist vorhanden Aufser ihm, wo es zersprang', und nirgend ein Körper, der könnte Niederfallen darauf, durch mächtigen Stöfs es zerschellen. Aber nun, w i e ich gelehrt, ist dicht von Körper die Welt nicht, Weil das Leere sich immer gemischt in den Dingen befindet; Seiher auch gleicht dem Leeren sie nicht, da Körper vorhanden. Welche herbeigeführt aus den uncrmefslichen Räumen Könnten zusammenstürzen das All im gewaltigen Wirbel, Oder auf andere Art den tödlichen Streich ihm versetzen. Endlich fehlt es auch nicht an weitein unendlichem Oi iraum, W o die Vesten der W e l t ausstreuen sich könnten in Trümmern, Oder auch könnten durch andere Kraft zerstofsen zu Grund gehu. Nicht ist also das Thor des Todes verschlossen dem Himmel, Nicht der Sonne., der Erde, den tiefen Gewässern des Meeres, Sondern es gähnet sie an mit ungeheuerem Rachen. Darum mufst du sie auch von Herkunft sterblich erkennen: Und sie hätten wohl nicht, vergänglich in ihrem Bestände, Immer von Ewigkeit her dem gewaltsam wirkenden Angriff Unermeßlicher Zeit vermocht ausdauernd zu trotzen. Endlich noch dieser empörende Streit der mächtigsten Glieder Unsers Gebäudes der W e l t , die verderblichen inneren Kriege; Könnten auch solche sich nicht zuletzt beilegen und enden? Wenn die Sonne vielleicht und das Feuer den wässernen Vorrath Sämmtlichen aufgezehrt, und allein nun erhielten die Obinacht. Liieret.
I.
28
210
FÜNFTES
BUCH.
v. .394 —
409.
D e m auch streben sie n a c h , o b g l e i c h mit g e r i n g e m E r f o l g n o c h : So sehr strömen die F l ü s s e h e r a n , und drohen d a g e g e n , Tief aus den Schlünden des M e e r s z u ersäufen die sämmtlichen D i n g e . A b e r u m s o n s t ; denn die W i n d e durchstreichen die w ä s s e r n e n F l ä c h e n , M i n d e r n die F l u t , u n d S o l , sie a u f w ä r t s w e b e n d in Stralen. D i e s e trotzen s o g s r noch alles z u v o r z u v e r t r o c k n e n , E h ' den b e g o n n e n e n Z w e c k die W a s s e r sollten erreichen. U n d so athmen g e w a l t i g e n K r i e g sie g e g e n einander, K ä m p f e n den gleichen K a m p f , z u E n t s c h e i d u n g mächtiger D i n g e . E i n m a l , saget der R u f , sey Sieger das F e u e r g e w o r d e n ; E i n m a l h a b ' auch die F l u t geherrschet über die F e l d e r . D a m a l s siegte das F e u e r , verzehrete fressend die E r d e , A l s die Rosse des S o l , v o n ihrer g e w o h n e t e n L a u f b a h n W e i c h e n d , mit reissender W u t den P h ä e t h o n w e i t durch den Aetlier Ueber dem E r d k r e i s schleppten.
D a nahm der a l l m ä c h t i g e V a t e r
H e f t i g im Z o r n e r g r i m m t , den schnell hintreffenden Blitzstral, Schleuderte v o n dem Gespann den h e l d e n h e r z i g e n J ü n g l i n g T i e f zur E r d e h i n a b : jedoch dem F a l l e n d e n eilte Phöbus zu H ü l f ' , und nahm die e w i g e F a c k e l der W e l t a u f ; Führt die zerstreueten R o s s e z u r ü c k , und spannt sie am W a g e n , Kehrt dann w i e d e r zur B a h n , und beherrscht und e r q u i c k e t den W e l t k r e i s . A l s o sangen es uns die G r a j i s c h e n D i c h t e r der V o r z e i t ; W c l c h e s die U e b e r l e g u n g j e d o c h mit G r ü n d e n z u r ü c k stöfst. D e n n es kann nur alsdann das F e u e r g e w i n n e n die H e r r s c h a f t , W a n n in M e n g e der Stoff aus dem U n b e g r e n z t e n sich a n h ä u f t : D a n n e n t s i n k e n die K r ä f t e , v o n stärkeren K r ä f t e n b e s i e g e t ;
F Ü N F T E S
B U C H .
v. 4 1 0
435,
2 1 f
Oder auch alles v e r g e h t , v o n g l ü h e n d e m D u n s t e v e r z e h r e t . E i n s t auch sammelten s i c h , \yie die S a g e l a u t e t , die W a s s e r ; B r a c h e n g e w a l t i g h e r v o r , u n d v e r s c h l a n g e n in H a u f e n die . M e n s c h e n : G e g e n k r ä f t e jedoch v e r d r ä n g e t e n w i e d e r des W a s s e r s Aus u n e n d l i c h e n R ä u m e n zusammenströmende M a s s e , H e m m t e n die G ü s s e des R e g e n s , und setzten in Schranken die F l ü s s e . A b e r w i e jener W u r f des u r a n f ä n g l i c h e n S t o f f e s , Gründete H i m m e l und E r d ' und die tiefen S c h l ü n d e des W e l t m e e r s , U n d den L a u f der S o n n ' und des M o n d ' s , das w i l l ich erklären. D e n n in der T h a t , mit B e d ä c h t und w o l i l ü b e r l e g e t e r W e i s e , H a b e n die S t o f f e sich nicht in gehörige Ordnung begeben, N o c h den V e r t r a g gemacht zu wechselseitigem A n s t o f s : Sondern von e w i g e r Z e i t auf mancherlei W e i s e getrieben, T h e i l s durch eignes G e w i c h t , und theils durch S t ö f s e von a u f s e n , H a t sich die M e n g e zuerst gemischt auf allerlei W e i s e , A l l e r l e i W e g e versucht , w a s m ö g l i c h s e y e zu schaffen D u r c h den Z u s a m m e n t r i t t ; und so hat es endlich g e t r o f f e n , D a f s nach l a n g e m V e r s u c h in einem u n e n d l i c h e n Z e i t r a u m J e d e r B e w e g u n g und jedes V e r e i n s , zusammen sich fanden, D i e s e , w e l c h e nun w u r d e n von g r o f s e n D i n g e n der U r k e i m : N ä m l i c h der E r d e , des M e e r s , des H i m m e l s , der lebenden W e s e n . D a m a l s sah man n o c h n i c h t , v e r b r e i t e n d Ströme des L i c h t e s , H o c h h e r s c h w e b e n das R a d der S o n n e ; die Sterne des g r o f s e n W e l t b a u ' s w a r e n n o c h n i c h t ; nicht M e e r , noch E r d e , n o c h Himmel, Oder auch e t w a s zu sehn dem jetzo V o r h a n d e n e n ä h n l i c h ; N i c h t s als die s t ü r m i s c h e , n e u e , z u s a a i m e n g e d r ä n g e t e Masse.
220
FÜNFTES
BUCH.
v. 436 — 4 6 1 .
Thelle begannen hierauf sich zu sondern, und sich mit den gleichen Gleiche Dinge zu p a a r e n , die W e l t auseinander zu schichten. Glieder fiengen sich an zu b i l d e n , in mächtige Massen, Aus vielartigem S t o f f , sich zu scheiden, und sich zu vertheilen, Aber verschiedene F o r m e n , des Stoff's ungleiche F i g u r e n , Brachten V e r w i r r u n g und Streit, in den Zwischenräumen, den Gängen In den Verbindungen, in dem G e w i c h t , der B e w e g u n g , dem Antrieb, U n d im Zusammenstofs, dais unaufhörlich sie k ä m p f t e n ; W e i l nicht alles verharren in solchen Verbindungen konnte, N o c h auf schickliche Art sich unter einander bewegen : Nämlich die E r d e zu trennen dadurch vom erhabenen Himmel, D a f s sich geschieden das M e e r ausbreit' in sichtbarer Fläche, Abgesondert erschienen die reinen F e u e r des Aethers. Also vereinigten sich zuerst die Stoffe der E r d e , W e i l sie die schwersten w a r e n , und mehr in einander v e r w i c k e l t ; Nahmen den tiefsten Sitz in dem M i t t e l p u n k t e des Ganzen ; Und je enger sie sich zusammengedrängt, um so mehr noch Prefsten sie S t o f f e h e r v o r , durch die sich das M e e r und die Sterne Bildeten, Sonn' und M o n d , und die weiten M a u e r n des Weltbau's. Den sie alle b estehn aus g l a t t e m und runderen Saamen, Und sind alle durchaus bei w e i t e m kleineren Urstoffs Als die Stoffe der E r d ' : und also erhub sich zuvörderst F e u r i g der Aetlier, und brach aus den lockeren Räumen der E r d e M ä c h t i g hervor, und nahm leicht mit sich die M e n g e der Feuer. Aehnliches sehen wir o f t , wann frühe die stralende Sonne R ö t h e t mit goldenem Lichte die thaubeperieten Kräuter ;
FÜNFTES
BUCH.
v. 462 — 437.
221
Nebel die See aushaucht und die stets fortströmenden Flüsse, J a zuweilen auch selbst zu dampfen scheinet das E r d r e i c h : W i e in der Höh' alsdann die Dunste zusammen sich ziehen, Dichtes G e w ö l k e w e r d e n , und unterweben den Himmel. Damals hat sich auch so der leichte zerfliefsende Aether Ein in die dichtere Masse gehüllt, umschlossen mit dieser, Dann sich weiter ergossen nach allen Seiten und Enden, Und nun das Ganze zuletzt umfafst mit strebenden Armen. Nun erst fiengen sich an der Mond und die Sonne zu bilden, D i e sich zwischen den beiden geballt in den L ü f t e n bewegen, D a sie die E r d e sich nicht zueignete, noch auch der Aether: D e n n nicht waren sie s c h w e r , zur Erde sich niederzusenken, Noch auch so leicht, hinweg an dem äufsersten Rande zu gleiten So dafs zwischen den beiden sie hin als lebende Körper Schwebten, und wurden ein Tlieil des sämmtlichen Weltengebäudes. Eben so finden w i r auch an unserem K ö r p e r ; dafs Glieder In der R u h e verbleiben, indessen sich andre bewegen. Als nun diese hervor aus gemeiner Masse getreten, S a n k , w o sich jetzt ausdehnt die bläuliche Fläche des Meeres, Nieder alsbald die E r d ' , und höhlte die T i e f e n mit Salzüut: U n d je mehr nun die Glut des Aetliers, die Stralen der Sonne, R u n d um drangen auf sie mit ihren gewaltigen P f e i l e n ; D a f s s i e , welche noch blos und offen am äufsersten R a n d l a g , Dichter zusammenziehn nach dem Mittelpunkte sich m ö c h t e ; Desto häufiger prefsten sie ihr den salzigen S c h w e i f s a u s ; D e r anschwemmte das M e e r , und die w e i t e n wässerneo Plänen :
222
FÜNFTES
EUCH.
v. 480 — 5 i 5 .
Desto Läufiger auch entflogen der L u f t und des Feuers Theilchen; und stiegen empor, und verdichteten fern von der Erde, Jenen
schimmernden Bau der erhabenen Himmelsgewölbe.
Thäler senkten sich e i n , es stieg' die Steile der Berg' a n ; Denn es konnten sicli n i c h t , w i e weiche M a s s e n , die Felsen Niederlassen, noch gleich sich ebenen alle die Theile. Und so hatte die L a s t der Erde sich fester gesetzet; Gleichsam der Schlamm der übrigen W e l t flofs unten zusammen; S c h w e r , und setzte sich t i e f , w i e Hefen am untersten Grund an. Und nun haben sich Meer und L u f t , der gestirnete Aether Selber, alle durchaus, als flüssige Körper, gesäubert. Leichter w a r einer jedoch als der andere: fliifsig vor allen, Und der leicht'ste, der Aether, umflielst die L ü f t e von oben; Aber vermischet sich, lauter und rein, mit der stürmischen L u f t n i c h t ; Läfst sie mit Ungestüm umkehren im W i r b e l die Dinge, Alles durchjagen mit wechselnden VVettern; er selber indessen Führt, mit bestimmtem Trieb h i n g l e i t e n d , die himmlischen Feuer. Denn dafs sich mäfsig iin F l u f s , gleichförmig in seiner B e w e g u n g , Halten könne der Aether , bezeuget das Pontische Meer uns, Immer denselben Gang hingleitend mit ähnlichem Forttrieb. Lafs mich singen anjetzt der Gestirne bewegende Ursach. Erstlich, drehet sich selbst der w e i t umkreisende Himmel; Dann umfasset die L u f t von beiden Seiten die Pole, Drückt und schliefst sie zusammen: es ziehet ein anderer Luftstrom Ueber diesem sich h i n , und treibt nach eben der Richtung, W i e die schimmernden Sterne sich drehn am äufsersten Weltrand :
F Ü N F T E S
EUCH.
v. 5 x 4 —
53
A b e r ein anderer treibt v o n unten diesem e n t g e g e n ; So w i e die R ä d e r und E i m e r v o n F l ü s s e n g e w e n d e t w i r sehen. M ö g l i c h aber auch i s t , dafs u n b e w e g l i c h der H i m m e l F e s t s t e h t , w ä h r e n d umher die leuchtenden Sterne sich d r e h e n : Soy's , dafs v e r s c h l o s s e n e r T r i e b des heftigen A e t h e r s , den A u s g a n g S u c h e n d , w i r b e l n d u m h e r , die zerstreuten L i c h t e r des H i m m e l s W ä l z t , f o r t r e i s s e n d mit sich durch die ungeheuren
Gewölbe;
Oder dafs irgend w o h e r zuströmend ein äufserer L u f t s t o f s T r e i b e n d sie r o l l t ; v i e l l e i c h t , d a f s , f ä h i g der eignen B e w e g u n g , N a h r u n g suchend sie w a n d e l n , w o h i n das Verlangen sie a n l o c k t , I h r e {lammigen K ö r p e r zerstreut am Himmel zu w e i d e n : D e n n w a s in der Art D i n g e n mit Sicherheit sagen sich liefse, I s t zu bestimmen s c h w e r : nnr w a s seyn k a n n , oder was da ist, I n den verscliiednen W e l t e n , verschiedener W e i s e geschaifen, D a s nur lehr' i c h ; und lege deshalb dir mehrere Gründe V o r , die könnten im A l l der Gestirne B e w e g u n g b e w i r k e n ; U n t e r w e l c h e n doch E i n e r mufs seyn von allen der w a h r e , D e r anreget den L a u f der G e s t i r n e ; doch w e l c h e r es seyn mag, D a s g e b ü h r e t nicht d e m , der den F e h l t r i t t s c h e u t , zu bestimmen. U m in der M i t t e zu r u h e n der W e l t , mufs unsere E i d e N a c h und nach an G e w i c h t sich mindern und etwas verlieren ; M u f s , v o n a n d r e r N a t u r v o n unten u m g e b e n , in diese, D i e von der f r ü h e s t e n Z e i t mit den l u f t i g e n Theilen des W e l t r a u m s I n n i g v e r e i n t schon w a r , fest e i n g e p f l a n z e t nun leben. U n d so drückt sie mit L a s t die u n t e n b e f i n d l i c h e L u f t n i c h t : S o w i e dem M e n s c h e n n i c h t die eigenen G l i e d e r zur L a s t sind,
2
224
FL : N 1 ' TES
BUCH-
v. .540 — 56/3.
Noch dem Nacken das Haupt, noch in unsern Füfsen w i r fühlen Schwere des ganzen Körpers, die lastet auf ihnen von oben; Doch was von aufsen kömmt, und die Bürde , die man uns auflegt, Ob sie geringer auch s e y , doch machet sie gröfs're Beschwerde: So viel lieget daran, was ein Ding auf das andre vermöge. Plötzlich daher ist nicht aus anderer Gegend die Erde Hergeführet, und nicht in die fremden L ü f t e geschleudert; Sondern, empfangen sogleich mit der ersten Gründung des Weltbaus, Ist sie von diesem ein T h e i l , wie von uns die Glieder ein Theil sind. Wird nun erschüttert die Erde vom mächtigenDoonet, so theilt sie Schnell die Erschütterung jeglichem mit, was über ihr da ist; Aber wie könnte sie das, wenn nicht umwunden sie wäre Mit'den luftigen Theilen der W e l t , und den Räumen des Himmels? Denn sie hängen vereint an gemeinsamer Wurzel zusammen, Seit Entstehung der Welt verknüpft und zusammengewachsen. Siehst du auch nicht, wie die zarte Substanz der Seele die ganze Schwere des Körpers erträgt? und diefs , weil innig verbunden Mit demselben sie ist, genau sie zusammenverknüpft sind. Ja sie vermag im Sprunge sogar den Körper zu heben; Denn wer thäte diefs sonst, als die Kraft, die die Glieder beherrschet? Nunmehr siehest du w o h l , was die allerzart'ste Natur kann, Ist sie zusammen genau mit dem schweren Körper verbunden; W i e mit der Erde die L u f t , und mit unserm Körper die Seele. Gröfser und kleiner ist kaum das Rad der brennenden Sonne, Als es dem Sinn* erscheint; denn in "welcher Entfernung das Feuer Reitzen d.»s Auge noch kann, und die Glut anhauchcn den Gliedern,
FÜNFTES
BUCH.
v. 566
—
59
i.
In derselben v e r l i e r e t von s e i n e r M a s s e d i e F l a m m e N i c h t s , und an U m f a n g n i c h t s das F e u e r in s e i n e r E r s c h e i n u n g . T r i f t die S i n n e d e m n a c h der S o n n e - G l u t und ihr L i c h t s t r o i n , I , d i c h t e t die F.rde d u r c h s i e , so müssen Gestalt und der U m r i l s So w i e sie i s t , s i e z e i g e n , n i c h t m e r k l i c h g e r i n g e r noch g r ö f s e r . A u c h der u m w a n d e l n d e M o n d , e r g l ä n z t in e r b o r g e t e m L i , c h t e r Oder streut er von sich den G l a n z a u s e i g e n e m K ö r p e r ; W ie i h m auch s e y , er s c h w e b t n i c h t g r ö f s e r an w i r k l i c h e m U i p f a u j A l s w o r i n er e r s c h e i n t , und als er dem A u g e sich z e i g e t . D e n n die D i n g e , d i e w i r a u s w e i t e r E n t f e r n u n g e r b l i c h e n , S c h e i n e n v i e l m e h r d u r c h die D i c k e der L u f t v e r w o r r e n in B i l d u n g , A i s von z a r t e r e m S t r i c h : da a b e r der M o n d uns im L'mrifs D i e bis zum R a n d e b e s t i m m t e F i g u r und k l a r e Gestalt z e i g t , Kann n i c h t g r ö f s e r er s e y n , a l s w i r ihn h i e n i e d e n a u c h s e h e n . E n d l i c h die F e u e r des A e t h e r s , die dort uns l e u c h t e n v o n o b e n , D a schon i r d i s c h e s L i c h t , je w e i t e r es von u n s e n t f e r n t i s t , Ist nur der S c h i m m e r r e i n , und dem A u g ' e r k e n n b a r d i e F l a m m e , H i e r a b w e i c h e t und d a , b a l d m e h r , b a l d m i n d e r sich z e i g e t ; A l s o m ö g e n a u c h d i e v i e l l e i c h t uin e i n i g e s g r ö f s e r , O d e r g e r i n g e r n o c h s e y n , a l s w i r k l i c h dem A u g e sie s c h e i n e n . W u n d r e d i c h ü b r i g e n s n i c h t , w i e die k l e i n e S o n n e so g r o f s e s F i c h t a u s g i e f s e ; das M e e r , d i e L ä n d e r d e r F r d ' , xind d e n H i m n u F ü l l e mit S c h i m m e r , und alles-erwärme durch stielenden Ausflufs D e n n es m a g sich v i e l l e i c h t des s ä i n n i t l i c h e n ü b r i g e n W e l t r a u m s E i n z i g e r r e i c h a u s s t r ö m e n d e r Q u e l l des L i c h t e s h i e r ö f f n e n ; H i e r , w o a u s a l l e r W e l t , s i c h v o n a l l e n S e i t e n des F e u e r s Lucret.
I.
226
FÜNFTES
BUCH.
v . 592 —
617.
Stoffe versammeln, und so zusammenströmen zum H i n s c h u f s , D a f s w i e aus einem B o r n e die G l u t sich derselben h e r v o r g i e f s t . Siehst du nicht auch , w i e z u w e i l e n ein Q u e l l v o n g e r i n g e m Gewässer W e i t durchnetzet die F l u r , und ganz ü b e r s c h w e m m e t die F e l d e r ? M ö g l i c h aber auch ist's, dafs das w e n i g e F e u e r der S o n n e M i t unmäfsiger G l u t die L u f t e r g r e i f e t und a n s t e c k t ; W a n n sie dazu v i e l l e i c h t g e s c h i c k t und eben bereit ist, V o n der geringeren G l u t des F e u e r s entzündet zu w e r d e n . E b e n so sehen w i r o f t , dafs ein e i n z i g e r F u n k e des F e u e r s Saaten und S t o p p e l n e r g r e i f t , und um sich die F l a m m e n verbreitet. M a g es auch s e y n , dafs h o c h die rosige F a c k e l der Sonne R i n g s u m F e u e r v e r b i r g t in düstern unscheinbaren G l u t e n , D i e beitragen die M a c h t so h e f t i g e r Stralen z u mehren. A b e r w a r u m sich Sol v o n der heifsen G e g e n d des H i m m e l s W e n d e zum W i n t e r k r e i s e des S t e i n b o c k s ; w i e d e r v o n da sich H i n zu dem S o m m e r z i e l e des Krebses d r e h e ; h i e v o n läfst Sich kein einfacher G r u n d , n o c h sichere R e c h e n s c h a f t geben. Eben so w e n i g , w a r u m den K r e i s l a u f , w e l c h e n die S o n n e Erst im Jahre b e s c h l i e f s t , in M o n d e n L u n a v o l l e n d e : Diefs mufs , w i e i c h g e s a g t , sich auf mehrere G r ü n d e beziehen. M a g v o r z ü g l i c h hierin des D e m o k r i t u s M e i n u n g dir gelten, Jenes göttlichen M a n n e s : dafs h i m m l i s c h e L i c h t e r , je näher H i n an der Erde sie g l e i t e n , sie minder der W i r b e l des A e t h e r s M i t sich zu reifsen v e r m a g ; indem sein g e w a l t i g e r U m t r i e b U n t e r w ä r t s sich verliert, sein F o r t s c h w u n g nach und nach abnimmt. N u n da die S o n n e , und die ihr f o l g e n d e n L i c h t e r , am H i m m e l
F Ü N F T E S
BUCH.
v. 618 —
645.
227
T i e f e r und niederer stelm , als die hohen brennenden Z e i c h e n , Bleibt sie zurück allmählig j der M o n d am m e i s t e n , denn dieser L ä u f t vom H i m m e l entferneter n o c h , und näher der E r d e , Kann so minder den L a u f mit jenen erhabneren halten. Und je entkräfteter nun sein W i r b e l unter der Sonn' ist, D e s t o schneller erreicht ihn jegliches himmlische Zeichen, W a l l e t an ihm vorbei : so scheint es,, er w e r d e geschwinder F o r t zu denselben g e r ü c k t , da fliese sich schneller ihm nähern. D e n k e n liefse sich a u c h , dafs aus den entgegengesetzten E n d e n der W e l t , zu geordneter Z e i t , ein anderer L u f t s t r o m H e r t r e i b t , w e l c h e r vermag den M o n d v o n den Z e i c h e n des Sommers H i n z u d r ü c k e n zur W e n d e des W i n t e r s , zur starrenden Iiälte ; W i e d e r ihn dann zurück von den Nächten des frostigen W i n t e r s Stöfst in die heifse Z o n e , die glühenden Zeichen des Sommers. E b e n so ändern vielleicht die Sonn' und die übrigen Sterne,> o W e l c h e vollenden in gröfierem Kreis die gröfseren Jahre, N a c h verschiedenen Strömen der L u f t die verschiedene L a u f b a h n . Siehet man n i c h t , w i e W o l k e n , entgegen die niedern den obern, D u r c h verschiedene W i n d e verschieden sich treiben in R i c h t u n g ? K ö n n t e n w e n i g e r sich in den w e i t e n Kreisen des Aethers Jene Gestirne d r e h n , nach verschieden strömendem A n h a u c h ? A b e r die N a c h t b e d e c k t mit g e w a l t i g e m D u n k e l den E r r l k r e i s ; W e i l e n t w e d e r , w a n n Sol zum R a n d e des Himmels die R o s s e I l i n g e t r i e b e n , ermattet allda er die F l a m m e n v e r h a u c h e t , W e l c h e der w e i t e W e g und die L u f t a n s t ö f s e g e s c h w ä c h e t ; O d e r w e i l eben die K r a f t , die über der E r d e sein R a d trieb,
223
F Ü N F T E S
BUCH.
v . 644 — 669.
Solches nun z w i n g e t den L a u f zu w e n d e n u n t e r der E r d e . .Auch zu g e o r d n e t e r Z e i t f ü l i r t hin an den H i m m e l M a t u t a Jlosenfai'big g e s c h m ü c k t A u r o r e n , u n d breitet das L i c h t a u s : S c y ' s , dafs eben die S o n n e , sich w e n d e n d unter der E r d e , Sendet die S t r a l e n v o r a u s , u n d v e r s u c h t zu entzünden den Hiinm O d e r , dafs F e u e r s i c h s a m m e l n , und h ä u f i g die S t o f f e der G l u t e n I n der bestimineten Z e i t zusammenzufliefsen g e w o h n t sind, I m m e r erneuetes L i c h t dadurch zu v e r s c h a f f e n der S o n n e . A u c h erzählet der R u f , dafs v o n Idas hohem G e b i r g e B e i anbrechendem T a g e zerstreute F e u e r man sehe, W e l c h e z u s a m m e n g e b a l l t zuletzt zur K u g e l sich runden. W u n d e r n darf es dich n i c h t , dafs so in bestimmetem Z e i t m a a s D i e s e S a a m e n der G l u t z u s a m m e n z u f l i e f s e n v e r m ö g e n , U m aufs neue dadurch den G l a n z der S o n n e zu w e c k e n : D e n n w i r b e m e r k e n ja auch im W e c h s e l m e h r e r e r D i n g e Aehnlich bezeichnetes Maas.
E s b l ü h e n P f l a n z e n und B ä u m e
Z u der b e s t i m m e t e n Z e i t } v e r b l ü h n auch w i e d e r i n d i e s e r ; A u c h zu gesetzter Z e i t v e r o r d n e t dem K i n d e das A l t e r Z ä h n e zn w e c h s e l n , es k l e i d e t in F l a u m die W a n g e des J ü n g l i n g s U n d bestimmet die Z e i t Wann der w e i c h e B a r t sich herabsenkt. R e g e n g ü s s e , G e w i t t e r und S c h n e e , und W o l k e n und W i n d e , F o l g e n in ziemlich b e s t i m m e t e m L a u f der O r d n u n g des J a h r e s . D e n n w i e sogleich im B e g i n n der G r u n d von jedem g e l e g t w a r d , W i e sich im Anfang schon die F ü g u n g der D i n g e g e t r o f f e n , A l s o f o l g t sich N a t u r in u n z u v e r ä n d e r n d e r . O r d n u n g . W a c h s c n m ö g e n die T a g ' an L i c h t u n d s c h w i n d e n die N ä c h t e ,
FÜNFTES
BUCH.
v. 670 —
D a n n a b n e h m e n (las L i c h t , i n d e m sich die N ä c h t c v e r l a n g e r n W e i l e n t w e d e r die S o n n e , in u n g l e i c h zirkelnden B o g e n U e b e r u n d u n t e r der E r d e des Aetlicrs Räume d u r c h s c h r e i t e n d , Scheidet den h i m m l i s c h e n Kreis in ungleich w e c h s e l n d e T h e i l e ; D a f s , w a s dem einen sie n i m m t , sie d o r t ansetzet dem a n d e r n G e g e n s t e h e n d e n T h e i l , der a n w a c h s t d a d u r c h an G r ö f s e ; Bis sie gelanget z u l e t z t zu jenem Z e i c h e n des H i m m e l s , W o der K n o t e n des Talus gleich m a c h t die N a c h t e den T a g e n : D e n n hier hält sie sich gleich von den beiden Z i e l e n e n t f e r n e t , W e l c h e z w i s c h e n dem N o r d u n d dem S ü d w i n d scheidet der H i m m e l ; W e goe n der o L a g e der schiefumscliliefsenden sternichten Zone,1 D u r c h die t r a g sich im L a u f e des J a h r s liinwindend die Sonne E r d ' u n d H i m m e l bestralt mit s c h r ä g g e w o r f e n e m L i c h t e . Also zum m i n d ' s t e n bezeichnen es d i e , die jegliche L a g e , J e g l i c h e n I l i m m e l s o r t , nach g e o r d n e t e n Bildern erklären. M a g auch dicker vielleicht an gewissen O r t e n die L u f t seyn, D e f s h a l b u n t e r der E r d e die w a l l e n d e F l a m m e der S o n n e Z ö g e r n , u n d n i c h t so leicht d u r c h d r i n g e n d sich h e b e n zum A u f g a n g D a h e r zaudern so l a n g in den W i n t e r z e i t e n die N ä c h t e , H a r r e n d , bis endlich erscheint das s t r a l e n d e Z e i c h e n des T a g e s . O d e r s t r ö m e t v i e l l e i c h t in w e c h s e l n d e n Z e i t e n des Jahres J e n e r f e u r i g e Stoff j e t z t f r ü h , j e t z t s p ä t e r , zusammen, D a f s die S o n n e djäher a u f s t e i g t am v e r ä n d e r t e n Orte. L e u c h t e n k a n n u n s der M o n d , w e i l Stralen ihn t r e f f e n der Sonni Täglich uns a u c h z u w e n d e n das L i c h t b e i g r ö f s e r e m A n w u c h s Seiner G e s t a l t , je m e h r er e n t w e i c h t der S c h e i b e der S o n n e ;
230
F Ü N F T E S
BUCH.
v. 696 — 7 2 1 .
B i s er im vollen Glanz i h r g e g e n ü b e r daherstralt, Untergehen sie s i e h t , i n d e f s er erhaben e m p o r s t e i g t . Eben so mufs er darauf r ü c k w ä r t s e n t z i e h e n sein L i c h t uns, W i e er sich nach und n a c h annähert dem Fjeuer der S o n n e , U n d den h i m m l i s c h e n K r e i s d u r c h r o l l t von der anderen Seite. Also erklären es d i e , die den M o n d als K u g e l b e t r a c h t e n , U n t e r der S o n n e hin die L a u f b a h n l e n k e n ihn lassen, U n d es s c h e i n t in der T h a t , dafs diese das W a h r e g e t r o f f e n . M ö g l i c h w a r ' es j e d o c h , dafs mit eigenem L i c h t e der M o n d sich D r e h e t e , uns darstellend die w e c h s e l n d e n F o r m e n des G l a n z e s . D e n n es k o n n t e v i e l l e i c h t ein anderer K ö r p e r mit ihm sich W ä l z e n a u f seiner B a h n , der v o r l ä u f t , ihm in den W e g tritt, M a n n i g f a l t i g , des L i c h t e s b e r a u b t , uns selber nicht sichtbar. F e r n e r noch k ö n n t e der M o n d v i e l l e i c h t , b a l l f ö r m i g g e r u n d e t , N u r zur H ä l f t e des T h e i l s mit s c h i m m e r n d e m L i c h t e g e t ü n c h t s e y n , U n d im D r e h e n alsdann in w e c h s e l n d e n F o r m e n sich z e i g e n ; B i s er zuletzt den T h e i l , der ganz mit F e u e r e r f ü l l t ist, U n s zu G e s i c h t e r ü c k t , und mit v o l l e n A u g e n uns a n s i e h t : N a c h h e r w i n d e t er sich a l l m ä h l i g w i e d e r z u r ü c k e , Und entziehet dem A u g e die glänzende S e i t e der K u g e l : W i e der C h a l d ä e r S y s t e m , im G e g e n s p r u c h e mit andern L e h r e r n der S t e r n e n k u n d e , z u ü b e r w e i s e n uns suchet. Gleichsam als k ö n n t e n i c h t eines so g u t w i e das andre bestehen, O d e r als wäre der G r u n d w e i t s t ä r k e r f ü r dieses als jenes. E n d l i c h läfst es sich s c h w e r h i n l ä n g l i c h aus G r ü n d e n e r w e i s e n , W a r u m ein n e u e r M o n d nicht j e g l i c h e n T a g sich erzeuge ;
FÜNFTES
BUCH.
y. 722 — 747.
231
Seihst in der R e i b e der F o r m e n , und nach den bestimmten Gestalten, Dafs der erschaffene nicht an j e g l i c h e m Tage vergehe, Und statt dessen am anderen Ort ein andrer sich h e r s t e l l t ; Da so vieles sich doch in bestimmtester Ordnung erzeuget. L e n z und Venus e r s c h e i n t , und des L e n z e s Verkünder der Z e p h y r Schreitet g e f i e d e r t v o r a n ; ihn begleitet F l o r a , die Mutter, W e l c h e die Tritte bestreut mit lieblichen Farben und Düften. Ihnen folget darauf der trockene S o m m e r ; zur S e i t e Ihm die bestäuhete C e r e s , und Hauch der Etesischen W i n d e . Nachher schreitet A u t u m n u s , und mit ihm E v i u s E v a n : U n g e w i t t e r erfolgen d a r a u f , und die W i n d ' und die Sturme, Hoch herdonnernd V o l t u r n u s , der B l i t z e schleudernde Auster. Bruma bringet zuletzt den S c h n e e , und die starrende Kälte; Und der W i n t e r e r f o l g t , und der Zähne klappernde Eisfrost. Ist's nun W u n d e r , w e n n auch in bestimmten Zeiten der M o n d sich W i e d e r e r z e u g t , und w i e d e r erlischt im hestimmeten Z e i t r a u m ; D a so manches geschieht nach festgeordnetem Zeitmaas ? Eben so lafst das Erdunkeln der Sonn', u n d des Mondes V e r s t e c k e n , Auch auf ähnliche Art sich aus mehreren Gründen erklären. Kann von dem Sonnenlichte der M o n d abschneiden die E i d e , U n d von unten herauf das erhabene H a u p t ihm bedecken, Kann vorhalten dem brennenden Stral die finstere S c h e i b e ; W a r u m sollte zur nämlichen Zeit ein a n d e r e r Körper, D u n k l e r N a t u r , sich w ä l z e n d mit i h m , n i c h t gleiches v e r m ö g e n ? Könnte die Sonne nicht auch zu g e w i s s e r Zeit sich erschöpfen, Ihren Schimmer v e r l i e r e n , und neu sich ihn w i e d e r erschaffen,
232
F Ü N F T E S
BUCH.
V. 7 4 8
— 775-
W a n n sie an O r t e g e l a n g t , w o d i e L u f t , f e i n d s e l i g d e n F l a m m e n , M , i c l i t , dafs i h r F e u e r e r l i s c h t , das s i c h b a l d e n t z ü n d e t a u f s n e u e ? W a r u m k ö n n t e d i e E r d e d e n M o n d b e r a u b e n des L i c h t e s , S c h w i n g e n d s i c h ü b e r d i e S o n n ' , u n d g e d r ü c k t sie u n t e r s i c h h a l t e n d , W a n n er im M a n a t s l a u f d u r c h r o l l e t d i e S c h a t t e n d e s . K e g e l s : U n d es k ö n n t e n i c h t a u c h e i n a n d e r e r K ö r p e r , i m s e l b e n Z e i t p u n k t , u n t e r dein M o n d h i n l a u f e n , o d e r s i c h w ä l z e n U c b e r der Sonne K r e i s , den S t r o m i h r e s L i c h t e s zu
hemmen?
S t r a l e t denn w i r k l i c h der M o n d im a n g e b o r e n e n L i c h t e , K a n n e r e r m a t t e n d o c h a u c h an g e w i s s e n O r t e n d e s W e l t r a u m s , W a n n er d u r c h G e g e n d e n i r r t , die dem eigenen L i c h t e z u w i d e r . J e t z t , n a c h d c m ich g e z e i g t , auf w e l c h e r l e i W e i s e sich alles I n d e m g e r ä u m i g e n B l a u des H i m m e l s k ö n n e b e g e b e n ; D a f s w i r der S o n n e v e r s c h i e d e n e n L a u f ,
den W e c h s e l des M o n d e s
M ö g e n e r k e n n e n hieraus , die K r a f t u n d den G r u n d der sie a n r e g t ; W i e bei v e r h a l t e n e m L i c h t o f t j a i e g z n s c h w i n d e n sie p f l e g e n ; D a n n umziehen die-Erde mit unerwarteten
Schatten,
Gleichsam die Äugen schliefsend; und dann mit-geöffneten Blicken Alles w i e d e r b e s c l i a u n , u n d d i e l i c h t e r h e l l e t e n
Orte:
W e a d ' i c h n u n m e h r m i c h w i e d e r . z u r ü c k z u r J u g e n d des W e l t b a u s , U n d zu d e r w e i c h e r e n E r d e ; w a s d i e s e b e i m e r s t e n G e b ä h r e n W a g t e z u b r i n g e n ans L i c h t , unsicheren W i n d e n
vertrauend.
A n f a i ' . i s k l e i d e t e sie m i t m a n c h e r l e i K r ä u t e r n d i e H ü g e l , U n d mit glänzendem G r ü n ; auf allen den niedrigen F l u r e n Straltcu die blühenden Auen mit grünlich gefärbetem Schimmer. B a l d a u c h w u r d e v e r g ö n n t der B ä u m e v e r s c h i e d e n e n A r t e n
F Ü N F T E S
BÜCH.
v. 7 7 4 —
79p.
253
A u f z u s t e i g e n zur L u f t , w e t t e i f e r n d im strebenden F o r t w u c h s . W i e an behaareten T h i e r e n , an L e i b e r n befiederter V ö g e l , F e d e r n , B o r s t e n , und H a a r , zuerst a u f s p r i e f s e n und w a c h s e n ; A l s o trieb auch zuerst die n e u g e b o r e n e E i d e Kräuter und Stauden e m p o r ; dann s c h u f sie der lebenden W e s e n V i e l e , ' v o n mancherlei A r t , erzeugt durch verscliied'ne V e r b i n d u n g . D e n n , v o n dem H i m m e l herab sind nicht die T h i e r e g e f a l l e n , N o c h aus salzigem S u m p f die E r d b e w o h n e r g e s t i e g e n ; U n d es behauptet daher den M u t t e r n a m e n die E r d e M i t eebührendem R e c h t ,' w e i l alles entstanden aus E r d e . D A u c h erzeugt sie noch jetzt die M e n g e der lebenden Weesen, W e l c h e die R e g e n und Sols erwärmende Stralen gebildet. W e n i g e r ist es daher zu w u n d e r n , dafs mehrere damals, G r ö f s e r e , w u r d e n , durch T r i e b und J u g e n d der E r d ' und des A e t l i e r s . E r s t l i c h s c h l ü p f t e n h e r v o r im L e n z e der V ö g e l Geschlechter A u s den verlassenen E i e r n : w i e jetzt noch im Sommer die H e i m c h e n F r e i e n Stückes verlassen die glattgerundeten B ä l g e , S i c h durch eigenen T r i e b a u f s u c h e n d N a h r u n g und L e b e n . U n d dann brachte die E r d e zuerst Geschlechter der T h i e r e ; D e n n es blieb v i e l N ä s s e zurück und W ä r m e den Feldern. D a r a u s w u c h s e n h e r v o r B ä r m ü t t e r , b e f e s t i g t mit W u r z e l n An den B o d e n , w o i r g e n d sich n u r ein schicklicher Ort f a n d . A l s nun in w a c h s e n d e r Z e i t der R e i f e n d e n Alter sie d u r c h b r a c h , F l i e h e n d den w ä f s ' r i g e n R a u m , und a u f n a c h den L i i f t e n verlangend, L e n k t e dahin die N a t u r der E r d e R ö h r e n , u n d z w a n g sie E i n e n S a f t zu e r g i e f s e n aus ihren g e ö l l n e t e n A d e r n , Liieret. I.
30
234
FÜNFTES
BUCH.
v. 8 ° o — 025.
Gleich dem Safte der M i l c h : w i e jetzt die leihliche Brust noch Nach der Gebährung sich f ü l l t mit süfser M i l c h ; denn es dränget Aller der Nahrungssaft sich hiri zu den Brüsten der Mutter. Erde reichte die Speise dem K i n d , die Wärme das K l e i d ihm, Und das weichere B e t t der sanftaufschwellende Rasen. Nämlich es traf die jüngere W e l t die Strenge des Frost's nicht, Noch die heifsere G l u t , nock die M a c h t der stürmenden W i p d e i Alles erwächst allmählig, und nimmt allmählig an K r a f t zu. U n d so erhielt ja mit Recht den Mutternamen die E r d e , D e r ihr gebührt; denn sie schuf die Geschlechter der Menschen, der Thiexe» Gofs sie beinahe zur nämlichen Z e i t hervor aus dem Schoose; A l l e , w e l c h e mit W u t durchstreifen die hohen Gebirge, Und die luftigen Vögel mit buntgemalten Gestalten. Aber es hat nun einmal die Z e i t des Gebährens ein E n d e ; Und so hörte sie a u f , w i e ein W e i b erschöpfet vom Alter. Denn es w i r d durch die Z e i t die Natur der Wesen verändert, Und ein anderer Stand nimmt auf den vorherigen Z u s t a n d : Nichts bleibt selber sich gleich ; es wechseln und wandeln die D i n g e j Alles verändert N a t u r , und z w i n g t es in andre Gestalten. Ein Ding m o d e r t , und liegt verzehrt vom kränkelnden A l t e r ; Wieder ein anderes w ä c h s t , und tritt hervor aus dem Dunkel. Also verändert die Z e i t die N a t u r des sämmtlichen Weltbaus, U n d auch die Erde vertauscht beständig den vorigen Z u s t a n d ; K a n n , was sie konnte, nicht mehr, undbringt, was sie sonst nicht gebracht hat. A u c h verschiedene Arten der Misgeburten hat damals Aüsgeboren die E r d e , von seltsamen Formen und G l i e d e r n :
FÜNFTES
BUCH.
v. 8 2 6 — 051.
255
Nämlich das M a n n w e i b , D o p p e l g e s c h l e c h t , zu k e i n e m g e h ö r i g ; Andre der Füfse b e r a u b t , und andere w i e d e r der H ä n d e ; Stumme a u c h , ohne M u n d , und B l i n d e , der Augen e r m a n g e l n d ; M a n c h e mit ganzem L e i b fest a n e i n a n d e r gewachsen, Unvermögend nur e t w a s zu t h u n , von der Stelle zu schreiten, Auch z u e n t g e h n der Gefahr, und sich selbst zu bedienen nach N o t h d u r f t . M e h r e r e Ungeheuer der Art erzeugte die E r d e : Aber umsonst; es scheute Natur selbst ihre V e r m e h r u n g ; Konnten erreichen auch nicht die g e w ü n s c h t e B l ü t e des Alters, Oder sich Nahrung schaffen, vereinen in W e r k e n der L i e b e . Denn es mufs in der T h a t sich vielerlei treffen zusammen, Fortzusetzen der L e b e n d e n Art durch ihre Begattung : Schickliche Nahrung vorerst, und dann der zeugende Saame, D e r ergiefsen sich kann in die aufgeiöfsten Gefäfse; Glieder e n d l i c h , w o d u r c h , zum wechselseit'gen Genüsse Bei der L i e b e Geschäft, der M a n n und das W e i b sich v e r e i n e n . M e h r e r e Arten demnach der L e b e n d e n mufsten schon damals, Nicht zur Vermehrung g e s c h i c k t , sich ganz von der Erde v e r l i e r e n . D e n n die w i r jetzt noch sehn der belebenden L ü f t e geniefsen, D i e s e schützt' und e r h i e l t , seit erster Entstehung derselben, L i s t u n d - S t ä r k e zum T h e i l , zum T h e i l das Vermögen zu
fliehen:
M e h r e r e nahmen w i r a u c h , die sich anempfohlen durch N u t z e n , W i l l i g in unsern S c h u t z , und brachten sie fort auf die Z u k u n f t . Erst und vor andern hat das Geschlecht.des feurigen L ö w e n Seine Stärke b e s c h ü t z t , w i e die ü b r i g e n reifsenden T h i e r e : So w i e die F ü c h s e die L i s t , und die s c h n e l l e n L a u f t e die Hirsche.
256
FÜNFTES
BUCH.
v. 052 —
077
.
Aber die treue B r u s t des l e i c h t zu e r w e c k e n d e n H u n d e s , U n d das ganze G e s c h l e c h t der L a s t e n t r a g e n d e n T l i i e r e ; Auch das w o l l i g e V i e h , die Z u c h t der g e h ö r n e t e n H e e r d e n , D i e s e , m e i n M e m m L u s , s i n d dem S c h u t z e des M e n s c h e n v e r t r a u e t . D e n n sie entflohen ä n g s t l i c h d e n T h i e r e n des R a u b e s , u n d s u c h t e n F r i e d e n , und ohne Gefahr erworbenes reichliches F u t t e r ; D a s w i r auch g e r n e yerleili'n zum L o h n , der g e l e i s t e t e n D i e n s t e . A b e r w e l c h e n v o n i h n e n es selbst v e r s a g t die N a t u r h a t , T h e i l s zu erhalten sich selbst, t h e i l s N u t z e n zu schaffen d e m M e n s c h e n ; W e s s e n w i l l e n w i r S c h u t z u n d N a h r u n g ihnen g e w ä h r t e n ; D i e s e lagen n u n d a , der R a u b u n d die B e u t e der a n d e r n ; E i n g e s c h l u n g e n ins N e t z v o m eigenen bösen V e r h ä n g n i f s , Bis die N a t u r z u l e t z t die G a t t u n g e n g ä n z l i c h v e r t i l g t h a t . D o c h nie w a r e n C e n t a u r e n , a u c h k a n n das n i e m a l s e n t s t e l l e n ; E i n aus z w e i N a t u r e n , aus z w e i v e r s c h i e d e n e n K ö r p e r n , Und fremdartigen Gliedern zusammengesetztes V e r m ö g e n ; W e i l die ä h n l i c h e K r a f t v o n diesem z u j e n e m n i c h t sein k a n n : W a s du aus f o l g e n d e m k a n n s t m i t h a l b e n S i n n e n b e g r e i f e n . E r s t l i c h , das m u t h i g e R o f s h a t die B l ü t e des A l t e r s e r r e i c h e t Bald mit dem d r i t t e n J a h r ; n i c h t also der K n a b e , zu der Z e i t Sucht im S c h l a f er n o c h o f t die s ä u g e n d e n B r ü s t e der M u t t e r . W a n n das alternde R o f s n u n m e h r o die K r ä f t e v e r l i e r e t , Schlaffer an Gliedern w i r d , i n d e m i h m das L e b e n e n t g e h e t ; D a n n erst nahet das K i n d dem b l ü h e n d e n Alter der J u g e n d , W e l c h e mit weichem Flaum ihm Kinn und W a n g e bekleidet. B i l d e dir also n i c h t e i n , als k ö n n t e n v e r m i s c h e t d u r c h S a a m e n
FÜNFTES
BUCH.
v. 0 7 8
—
903.
237
B e i d e r , des R o s s e s , des M a n n s , Centauren e n t s t e h e n ; so w e n i g Als je S c y l l e n g e w e s e n , umgürtet mit bellenden Hunden, M i t halbfischigem L e i b ; noch ähnliche W u n d e r g e s t a l t e n , U n g l e i c h a r t i g von G l i e d e r n ; denn diese können nicht a u f b l ü h n , Oder zugleich fortrücken in K r a f t , noch das Airer v o l l e n d e n ; Auch entglühen sie nicht von ähnlicher L i e b e , verschieden Durch die N e i g u n g und A r t , durch eigne g e d e i h l i c h e Nahrung. Sieht man die bärtigen Ziegen nicht oft sich mästen von S c h i c r l i n g ; W e l c h e r dem.Menschen jedoch ein heftiges tödtliches Gift w i f d ? D a von den Flammen der L e i b der falben L ö w e n nicht minder Pflegt i n w e n d i g verbrannt und aufgezehret zu werden, Als auf Erden jegliches T h i e r ' s , das M a g e n und B l u t h a t ; W i e ist's m ö g l i c h , dafs jemals ein Thier mit dreierlei Körper, L ö w e v o r a n , und hinten ein D r a c h ' , in der M i t t e Chimära, Aus dem gräfslichen Schlund ausbliese die wütenden F l a m m e n ? Träumte man doch, da der Himmel noch neu, die Erde noch j u n g w a r , Hätten Thiere der Art erzeugen und bilden sich k ö n n e n ; Stützend h i e r i n sich allein auf den leeren Namen der Neuheit, D a n n so könnte von ähnlichem Schlag manch' M ä h r c h e n man dichten. Goldene F l u s s e hätten d a m a l s , so könnte man sagen, U e b e r die E r d e g e s t r ö m t , und Edelsteine geblühet An den G e b ü s c h e n ;
es seyen so ungeheuer von Gliedern
Menschen g e b o r e n , dafs sie mit den Fiifsen über die M e e r e Hinzuschreiten v e r m o c h t , m i t den H ä n d e n den H i m m e l zu drehen. D e n n ob die Saamen der D i n g e w o h l w a r e n auf Erden in M e n g e D a m a l s , als T e l l u s zuerst die lebenden W e s e n h e r v o r g o f s ;
258
F Ü N F T E S
BUCH.
v . 904 —
929.
Ist kein Zeichen doch d i e f s , d a f s u n t e r e i n a n d e r g e m i s c h t e Körper sie k o n n t e g e b ä r e n , n o c h f ü g e n v e r s c h i e d e n e r T h i e r e Glieder; a u c h b r i n g e t sie n o c h m i t ü p p i g p r a n g e n d e m W ü c h s e K r ä u t e r u n d Saaten h e r v o r , und d i c h t b e l a u b e t e B ä u m e , Ohne dafs s o l c h e j e d o c h z u s a m m e n g e w a c h s e n entstünden. Sondern da jedes v o n ihnen den e i g e n t ü m l i c h e n W u c h s hat, H ä l t das G e s e t z der N a t u r sie alle getrennt auseinander. A u c h w a r jenes M e n s c h e n g e s c h l e c h t , das auf F e l d e r n e m p o r w u c h s , H ä r t ' r e r N a t u r , w i e ' s geziemt aus harter E r d e G e b o r n e n , A u s g e r ü s t e t im I n n e r n mit mächtigem B a u e /ler K n o c h e n , U n d z u s a m m e n g e f ü g t durch der F l e c h s e n k r ä f t i g e B a n d e . W e d e r H i t z e , noch F r o s t , noch ungewohnete Nahrung, K o n n t e sie treffen so l e i c h t , n o c h i r g e n d ein U e b e l des K ö r p e r s . U n d so lebten sie hin der S o n n u m w ä l z e t e n J a h r e Viele;
s c h w e i f e n d u m h e r , n a c h A r t der T h i e r e des F e l d e s .
D a w a r k e i n e r annoch des P f l u g e s r ü s t i g e r L e n k e r , K e i n e r verstand mit E i s e n zu w e n d e n die m ü f s i g e n A e c k e r , Oder das zarte R e i f s in den S c h o o s der E r d e zu s e n k e n , Oder den morschen Ast dem B a u m m i t der H i p p e zu nehmen. W a s die S o n n ' u n d der R e g e n v e r l i e h ' , f r e i w i l l i g die E r d e A u f s c h u f , w a r ein G e s c h e n k ,
das r e i c h l i c h g e n ü g t e dem H e r z e n .
Gütlich thalen sie meist, sich in E i c h e l t r a g e n d e n W ä l d e r n ; F r ü c h t e des E r d b e e r b a u m s , die anjetzt man siehet im W i n t e r R e i f e n mit P u r p u r r o t h , bot damals h ä u f i g die E r d e , G r ö f s e r e n o c h ; auch trug die b l ü h e n d e .Tugend des E r d r e i c h s M e h r e r e w i l d e K o s t , dem d ü r f t i g e n M e n s c h e n zur L a b u n g .
FÜNFTES
BUCH.
v. 950 — 5,55.
259
Quellen und Flüsse luden sie e i n , den D u r s t sich zu s t i l l e n ; W i e noch jetzo die F l u t , den hohen Gebirgen entstürzend, W e i t durch Geräusch herruft die dürstenden Heerden des W i l d e s . Haingewölbe der N y m p h e n , die irrend umher sie gewahrten, Waren ihr A u f e n t h a l t , aus denen das schlüpfrige N a f s quoll, Welches bespülte mit reichlicher F l u t die rieselnden F e l s e n ; Rieselnde F e l s e n , auf grünendes Moos abträufelnd von oben, Theils auf eb'nem G e f i l d ausbrach und sprudelnd hervorquoll. Noch verstanden sie nicht zu behandeln die D i n g e mit F e u e i , Nicht der Felle G e b r a u c h , noch in R a u b sich zu lileiden der T h i e r e ; Sondern bewohnten die B ü s c h e , die Wälder und Höhlen der B e r g e : Bargen unter Gesträuch die schmuzigen G l i e d e r , gezwungen Sich vor Regen und W u t der stürmenden Winde zu schützen. Auf das geineinsame W o h l ward keine Sorge gerichtet; Sitten kannten sie nicht, und nicht den Gebrauch der Gesetze. W a s der Z u f a l l jeglichem g a b , das nahm er zum R a u b h i n ; .Teder nach seinem Trieb nur besorgt f ü r L e b e n und W o h l s e y n . Venus fügte zusammen der L i e b e n d e n L e i b e r in W ä l d e r n : Theils ergab sich das W e i b aus gegenseitiger N e i g u n g , Oder durch M a n n e s g e w a l t , und der übermäfsigen L u s t g i e r ; Oder auch um ein Geschenk v o n E i c h e l n , Birnen und Beeren. Sicher auf ihrer Fäuste G e w a l t und die Schnelle der F ü f s e , Wurden von ihnen v e r f o l g t Geschlechter der Thiere des W a l d e s , M i t geschleuderten Steinen und schwerem Gewichte der K e u l e ; Viele wurden erlegt, vor manchen verbarg man sich w i e d e r : Wurden sie aber berückt von der N a c h t , sö w a r f e n die Glieder
FÜNFTES
BUCH.
v. 956 — 981.
Nakt auf den Boden sie hin, dem w i l d e n und borstigen Schwein g l e i c h ; Eingehüllet in Blätter und laubige Zweige der Bäume. Nicht mit grofsem Geheul und langumirrend vor Schrecken, Suchten in finsterer Nacht sie den Tag und die Sonn' auf den F e l d e r n ; Sondern sie warteten s t i l l , und tief in Schlummer begraben, Bis mit rosiger F a c k e l die Sonn' am Himmel das L i c h t trug. Denn von Kindheit auf schon gewöhnt den Wechsel der Tage U n d der Nächte zu sehn, w i e konnten sie irgend sich wundern, Odey befürchten auch n u r , es möchte die Erde beherrschen E w i g e N a c h t , sich auf immer das L i c h t entziehen der Sonne? Gröfser w a r ihre Besorgnifs, dafs nicht durch reifsende Thiere Werde die R u h e der Nacht
feindselig den Armen gestöret.
Aus der Behausung g e j a g t , entflohn sie den steinernen Höhlen, W a n n ein schäumender Eber h e r a n , ein mächtiger L e u , k a m ; Ueberliefsen bei feindlicher Nacht den grausamen Gästen Toller Schrecken ihr L a g e r mit laubigen Aesten bestreuet. Doch kaum mehrere M e n s c h e n , als jetzt, verliefsen des Lebens Siifses L i c h t zur selbigen Zeit mit Klagen und W e h m u t h . Wurde dann einer noch mehr erhascht von den reifsenden Thieren, Ihrem zerfleischendem Zahn ein lebendes F u t t e r , so füllt' er W e i t umher das Gehölz' und W a l d und Gebirg mit Geheul a n ; Sah den lebendigen L e i b im lebenden Grabe verschlossen. W e r durch die Flucht noch entrann, mit angefressenem Körper, R i e f nachher, mit bebender Hand die scheuslichen W u n d e n D e c k e n d , und gräfslich brüllend, herbei den T o d , bis zuletzt er Unter folterndem Schmerz und gewaltigen Zuckungen h i n s t a r b ;
FÜNFTES
BUCH.
v. 90a —
1007.
Aller H ü l f e beraubt, unkundig heilender Mittel. Aber Tausende führte noch nicht E i n Tag zum Verderben Unter den Fahnen dahin : es wurden Männer und Schiffe Nicht, von den stürmenden Wogen zerschellt, an Klippen geschleudert: Gegen sie rasten noch nicht die oft vergeblich empörten Wogen des M e e r s ; auch legten sie leicht ihr eiteles Drohen. Keinen konnte der buhl'rische Reiz der lachenden Flache Tückischer Weise jemals in Trug und Schaden verlocken; Denn die verderbliche Kunst der Schiffahrt lag noch verborgen. Mangel an Speise, gab die ausgezehreten Glieder Damals dem T o d ; und anjetzt erdrückt sie die sctiwelg'rische F ü l l e : Aus Unwissenheit schenkten sie o f t sich selber das G i f t ein; D a s man geschickter anjetzt f ü r andere sucht zu bereiten. N a c h h e r , als sie sich Hütten v e r s c h a f f t , und F e u e r und Felle, U n d mit dem Manne das W e i b begann zusammen zu w o h n e n ; Als die ergötzliche Frucht der keuschen E h e n erkannt w a r d Im gesonderten L i e b e s v e r e i n , und man Kinder aus sich s a h ; D a n n erst nahm das Menschengeschlecht die weichere Bildung. D e n n des Feuers Gebrauch erzeugete frostige Körper, Nicht vermögend w i e v o r , die Strenge des Himmels zu tragen: Auch der L i e b e Genufs erschwächte die K r ä f t e ; der Kinder Schmeichelndes Kosen beugte den Sinn der trotzigen Eltern. Dann auch traten zusammen die Nachbarn grenzender Fluren, Freundschaft zu s t i f t e n , sich L e i d nicht zuzufügen noch Schaden. Auch empfahlen sie sich die Kinder zum S c h u t z ' , und die Weiber, M i t Geberden und S t i m m ' ; indem sie mit Stammeln bezeigten, Lucret. I .
31
FÜNFTES
BUCH.
v. iooß —
1033.
Immer müsse man sich der Geringen und Schwachen erbarmen. Freilich herrschte noch nicht bei allen gleiches Verständnifs; Aber ein grofser und guter T h e i l hielt treu das Gelobte: Aufgerieben hätten sich sonst die Menschen schon damals, Und es konnte sich nicht ihr Geschlecht fortpflanzen bis jetzo. D o c h die Natur zwang selbst die verschiedenen T ö n e der Sprache, V o n sich zu schicken j B e d ü r f n i f s erdrang der D i n g e Benamung. F a s t auf die nämliche A r t , w i e das Unvermögen zu sprechen K i n d e r zu treiben scheint mit Geberden sich H ü l f e zu geben, U n d mit dem Finger auf das w a s gegenwärtig zu deuten: Jedem verräth die eigene K r a f t w o z u sie ihm nütz sey. E h e dem jungen Stier an der Siirne die Hörner liervorstehn, Stöfst er im Z o r n e damit, und drängt erzürnt auf den G e g n e r : Aber die junge B r u t der Pantherthiere, der L ö w e n , Beifst frühzeitig um s i c h , und w e h r t sich mit Tatzen und Klauen, Wann sich die Zähne noch kaum und die Krallen an ihnen erweisen. Ferner sehen w i r a u c h , dafs alle Geschlechter der V ö g e l Nur auf die F l ü g e l vertraun, und im Flattern sich suchen die H ü l f e . Thöriclit ist es daher, sich einzubilden, es habe Irgend ein einzelner Mensch den D i n g e n die Namen ertheilet; Nachher hätten sie erst von diesem die andern e 1 lernet. Denn wie hätte der E i n e g e w u f s t zu bezeichnen der D i n g e Jedes mit Stimm' und W o r t , und hervor die Töne zu bringen, W ä h r e n d zur selbigen Z e i t es keiner der andern vermocht h a t ? F e r n e r , wann ähnlich sich nicht auch andre der Sprache bedienten, W o h e r entstand davon der B e g r i f f ? w i e hatte der E i n e
FÜNFTES
BUCH.
v. 1 0 3 4 _
lo5p
.
^
N u r das Vermögen zu w i s s e n , und durchzusehen den Nutzen Dessen, was könnt' entstehn, was er seihst vorhatte zu m a c h e n ? Einer hatte doch auch nicht M a c h t zu zwingen die Mehrern, D a f s sie die Namen der Dinge gelehrig mufsten erlernen; Hütt' auf keinerlei Art die Tauben bereden und lehren Können, was nöthig zu thun; denn keiner w a r je so gefallig, Wiird' auch nicht mit Geduld es ertragen haben , die Ohren Unnütz ihm zu betäuben mit ungewohntem Getöne, W a s ist endlich hierin so grofser Bewunderung würdig, D a f s das Menschengeschlecht, mit Zung' und Stimme bi-gahet, Nach dem verschied'nen G e f ü h l ansprach die verschiedenen D i n g e ? Giebt ja das stumme V i e h , auch selber die wilden Geschlechter, L a u t und Stimme von s i c h ; die ungleichartig verschallen, Treibet sie Furcht oder Schmerz, und wandelt sie fröhliche L u s t an. Täglich giebt die E r f a h r u n g hievon uns klare B e w e i s e . R ü m p f t der Molossische B r a c k e die weichen hangenden L e f z e n , W e n n man ihn r e i t z t , und k n u r r t , und zeigt die geschliffenen Z ä h n e ; Dann ist anders der L a u t , w o m i t sein fletschender Grimm droht, Als wann mit lautem Gebell er ringsher alles erfüllet. D o c h wann die J u n g e n er nun mit schmeichelnder Zunge belecket, Sie mit den Pfoten k o l l e r t , mit zärtlichen Bissen sie anfällt, U n d mit behutsamem Z a h n gleichsam zu verschlingen sie scheinet, Gleicht bei weitem dann nicht sein schmeichelndes spielendes Klaffen J e n e m , wann eingesperrt er das Haus durchheulet, noch wann er Winselnd den Schlägen entflieht mit eingezogenem Fiücken. U n d dann, scheinet nicht auch verschieden das Wiehern der Ilosse;
FÜNFTES
BUCH.
v.
IOÖO
—
1035.
W a n n (3er b l ü h e n d e H e n g s t v o l l J u g e n d k r a f t im G e s t ü t e T o b t , vom S p o r n e g e r e i t z t des F l ü g e l b e s c h w i n g e t e n G o t t e s ; Oder zu a n d e r e r Z e i t a u f w i e h e r t mit z i t t e r n d e n G l i e d e r n , U n d zum K a m p f e b e r e i t d u r c h die N ü s t e r n s c h n a u b e t u n d a u f b r a u s t ? E n d l i c h v e r s c h i e d e n e A r t e n der V ö g e l , des b u n t e n Geflügels, H a b i c h t , A d l e r u n d M ö w e n , die w o h n e n auf W o g e n des M e e r e s , U n d auf der salzigen F l u t sich N a h r u n g s u c h e n u n d l e b e n , G e h e n v o n sich zu anderer Z e i t gaflz a n d e r e S t i m m e n , A l s w a n n sie z a n k e n u m R a u b , u n d sich u m die S p e i s e b e k ä m p f e n . T h e i l s v e r ä n d e r n sie a u c h m i t dem W e t t e r i h r r a u h e s G e k r ä c h z e ; W i e das b e j a h r t e K r ä h e n g e s c h l e c h t , u n d die S c h w ä r m e der R a b e n : A l s d a n n s a g t m a n v o n i h n e n , sie f o d e r t e n W a s s e r u n d R e g e n , R i e f e n z u w e i l e n m i t i h r e m G e s c h r e i den W i n d e n u n d S t ü r m e n . Z w i n g e t die T h i e r e d e m n a c h , ob gleich sie s t u m m v o n N a t u r sind, D o c h ein v e r s c h i e d ' n e s G e f ü h l v e r s c h i e d e n e T ö n e z u g e h e n ; W i e u m so m e h r n i c h t k o n n t e der M e n s c h a n f ä n g l i c h b e z e i c h n e n Dinge verschiedener Art mit anderm und anderem W o r t l a u t ? L a i s v o n f o l g e n d e m n o c h den g e h e i m e n Z w e i f e l dir n e h m e n : N ä m l i c h das F e u e r b r a c h t e z a e r s r den M e n s c h e n der B l i t z s t r a l Nieder zur E r d e ; v o n da v e r t h e i l t e die G l u t sich der F l a m m e n . D e n n noch sehen w i r m a n c h e s v o n h i m m l i s c h e n F e u e r n e n t z ü n d e t L o d e r n e m p o r , w a n n G e w i t t e r die L u f t a n s c h w ä n g e r n . m i t D ü n s t e n . A u c h der ästige B a u m , v o n W i n d e n g e p e i t s c h e t , e r h i t z t sich S c h w a n k e n d , indem er sich s e n k t in die Z w e i g e des a n d e r e n B a u m e s , D a f s das F e u e r erprefst durch des R e i b e n s h e f t ' g e G e w a l t w i r d . J a es s c h i m m e r t a u c h o f t des F e u e r s e n t z ü n d e t e G l u t a u f ,
FÜNFTES
BUCH.
v. 1036 —
im.
245
Reiben nur gegenseitig sich Aest' und Stamm an einander, Dafs durch beides vielleicht dem Menschen das Feuer verschafft w a r d . Nachher Speise zu kochen, sie weicher zu machen durch Feuer, Lehrte die Sonne; man sah, dafs häufig die Früchte des Feldes Milder w u r d e n , durchkocht vom brennenden Stral und der Hitze. Täglich erfanden nunmehr, die sinnreich waren vor andern, Muthig zu neuem Versuch, die vorige Nahrung und Speise Abzuändern, das Feuer und andere Dinge gebrauchend. Könige fingen nun an die Städte zu gründen, und Burgen Aufzubauen, sich selber zum Schutz und Orte der Zuflucht. Axich vertheilten sie Aecker und V i e h , und gaben es jedem, W i e die Gestalt ihn empfahl, und die Kraft des Körpers und Geistes; Denn die äufs're Gestalt galt v i e l , und die stattliche Mannkraft. Nachher sann man auf Gut, entdeckt auch wurde das Gold n u n ; Dieses brachte gar bald den Starken und Schönen um Ansehn: Denn in des Reichen Gefolg begiebt sich gemeiniglich jeder, Ob er auch ausgestattet mit Leibesbildung und Kraft ist. W ü r d e nach wahrer Vernunft der Mensch sein Leben beherrschen, Dann wär's grofser Reichthum für ihn bei gleichem Gemüthe Mäfsig zu leben; denn nie gebricht e s , wo wenig vonnöthen. Aber die Menschen wollten berühmt und mächtig sich machen, Um auf dauerndem Grund ihr Glück befestigt zu sehen, Und in der Güter Genufs ein ruhiges L e b e n zu führen. Aber umsonst; wetteifernd zum höchsten Ziele der Ehren Aufzuklimmen, machten sie selbst die Bahn sich gefahrvoll. Haben sie schon den Gipfel erreicht, so schlaget der Neid sie
246
FÜNFTES
BUCH.
v. 1112 —
1137.
O f t , w i e ein B l i t z s t r a l , s c h m ä l i g h i n a b in d e n s c h e u s l i c h e n A b g r u n d . Da/'s weit besser es ist in r u h i g e r Stille g e h o r c h e n , Als nach der O b e r g e w a l t , n a c h des R e i c h e s H e r r s c h a f t zu s t r e b e n . L a f s sie d e m n a c h , h i n s c h w i t z e n d in B l u t , sich v e r g e b l i c h e r m ü d e n , U m d u r c h d e n e n g e n W e g der E h r s u c h t k ä m p f e n d z u d r i n g e n j S i n t e m a l d o c h v o m . N e L d e , so w i e vom g e s c h l e u d e r t e n B l i t z s t r a l , M e i s t n u r der G i p f e l d a m p f t , u n d d a s , was. vor a n d e r n h e r v o r r a g t : D e n n sie b e r a t h e n sich nur aus a n d e r e r M u n d , u n d sie s c h ä t z e n M e h r n a c h f r e m d e m G e h ö r , als n a c h e i g n e m G e f ü h l e , die D i n g e : U n d so ist e s , w i e ehmals es w a r , u n d k ü n f t i g es s e y n w i r d . K ö n i g e w a r e n e r m o r d e t , es lag g e s t ü r z e t der T h r o u e n Alte M a j e s t ä t , u n d der Stolz e r h a b e n e r S c e p t e r . B l u t i g lag vom S c h e i t e l des F ü r s t e n der g l ä n z e n d e H a u p t s c h m u c k U n t e r den F ü f s e n des V o l k s , die h o h e n W ü r d e n b e t r a u e r n d : D e n n nur begieriger tritt man auf d a s , was zu sehr man gefürchtet. Also s e t z t e n die D i n g e sich w i e d e r z u r u n t e r s t e n H e f e , U n d zu der R o t t e des V o l k s ; d e n n jeder b e g e h r t e die H e r r s c h a f t . E i n i g e s c h l u g e n d a n n v o r , sich B ü r g e r g e w a l t e n zu w ä h l e n , R e c h t e zu g r ü n d e n , d a m i t dem Gesetz m a n m ö c h t e g e h o r c h e n . D e n n das M e n s c h e n g e s c h l e c h t w a r m ü d e der e w i g e n F e h d e n , Miid' auch u n t e r G e w a l t das L e b e n zu f ü h r e n : so m e h r n u n U n t e r w a r f es sich selbst dem Gesetz u n d dem Z w a n g e der R e c h t e . H e f t i g e r reitzte der Z o r n die m e i s t e n v o n i h n e n zur R a c h s u c h t , Als es gestattet ein billig G e s e t z ; d r u m w u r d ' es dem M e n s c h e n W i d r i g zuletzt und verhafst ein g e w a l t s a m e s L e b e n zu f ü h r e n . D a h e r t r ü b e t den L e b e n s g e n u f s die F u r c h t v o r den S t r a f e n ;
F Ü N F T E S
B U C H .
r.
1138 —
1163.
D e n n es u m s t r i c k t die G e w a l t und das U n r e c h t j e d e n , u n d m e i s t e n s K e h r t es z u j e n e m z u r ü c k , v o n d e m es e n t s t a n d e n u n d a u s g i n g . N i c h t leicht m ö g l i c h auch ist's, ein geruhiges L e b e n z u f ü h r e n , D e m , der m i t T h a t e n v e r l e t z t die g e m e i n s a m e n B a n d e des F r i e d e n s : D e n n ob G ö t t e r u n d M e n s c h e n i h m a u c h z u t ä u s c h e n g e l ä n g e , Ist er d o c h i m m e r in F u r c h t , es w e r d e n o c h k o m m e n z u m V o r s c h e i n . H a b e n n i c h t v i e l e s i c h s c h o n im S c h l a f , i n d e r H i t z e des F i e b e r s , Ausgeplaudert, und langverborgene Frevel v e r r a t h e n ? A b e r w o d u r c h sich auf E r d e n der. G ö t t e r erhabenes A n s e h n U n t e r die V ö l k e r v e r b r e i t e t ,
erfüllt mit Altären die S t ä d t e ;
W a s zu verordnen gebot geweihete heilige Feste, D i e n u n an g r o f s e n O r t e n b e i h o h e n E r e i g n i s s e n
blühen;
A u c h w o h e r s i c h in M e n s c h e n g e p f l a n z t d i e z i t t e r n d e E h r f u r c h t , W e l c h e den G ö t t e r n n o c h j e t z t a u f w e i t b e w o h n e t e m
Erdkreis
N e u e T e m p e l e r b a u t , u n d d r ä n g t sie z u f e i e r n an F e s t e n ; D a v o n lassen s i c h l e i c h t a n g e b e n h i n l ä n g l i c h e G r ü n d e . N ä m l i c h schon damals sahen bei w a c h e n d e m ' G e i s t e die M e n s c h e n Herrliche Göttergestalten , noch öfter dieselben im Traume ; Ausgerüstet mit Körpern von wundererhabenem A u f w u c h s . D i e s e n e i g n e t e n n u n sie G e f ü h l z u ; w e i l sie d i e G l i e d e r S c h i e n e n z u r e g e n , u n d h o c h in p r ä c h t i g e n W o r t e n z u t ö n e n ; Ihrem ansehnlichen W ü c h s e g e m ä f s , und ihrer G e w a l t k p a f t . U n v e r g ä n g l i c h e s L e b e n ertheilte man i h n e n , d i e w e i l sie I m m e r s i c h g l e i c h s c h ö n z e i g t e n , u n d i m m e r in ä h n l i c h e n
Formen;
A u c h d e s h a l b s c h o n a l l e i n , w e i l solch* a u s n e h m e n d e K r ä f t e K e i n e a n d ' r e G e w a l t , w i e sie g l a u b e t e n , k ö n n e b e s i e g e n .
248
F Ü N F T E S
BUCH.
v. 1164
— 1189.
U e b c r die M a a f s e n b e g l ü c k t schien deshalb i h n e n i h r Z u s t a n d , W e i l u n a n g e f o c h t e n v o n S c h r e c k e n des T o d e s sie b l i e b e n : D a n n a u c h , w e i l sie im T r a u m e so m a n c h e r l e i W u n d e r v o n i h n e n Sahen v e r r i c h t e t ,
w o z u n i c h t M ü h e sie b r a u c h t e n n o c h A r b e i t .
F e r n e r b e m e r k t e n sie n o c h des H i m m e l s b e s t i m m t e B e w e g u n g , U n d die Z e i t e n des J a h r ' s in g e o r d n e t e m K r e i s e sich d r e h e n ; K o n n t e n die U r s a c h n i c h t a u s f i n d e n , w i e solches g e s c h e h e ; U n d so nahmen sie nun zur M a c h t der G ö t t e r die Z u f l u c h t , L i e f s e n nach" W i l l e n u n d W i n k derselben sich j e g l i c h e s w e n d e n . Göttern w i e s e n sie an den Sitz u n d die W o h n u n g im H i m m e l ; D a r u m , w e i l sich a l l d a , w i e man s i e h t , der M o n d und die S o n n e , M o n d und S o n n e sich drehn, und die N a c h t , und die ernsten Gestirne ; U n d die s c h w e i f e n d e n F a c k e l n der N a c h t , und die
fliegenden
Flammen;
W o l k e n , und R e g e n , und S c h n e e , und die W i n d e , die B l i t z e , der H a g e l , U n d der r e i f s e n d e S t u r m , und die f u r c h t b a r r o l l e n d e n D o n n e r . O unseliges M e n s c h e n g e s c h l e c h t , d e r g l e i c h e n den G ö t t e r n Z u z u s c h r e i b e n , u n d n o c h als Z e i c h e n des b i t t e r e n G r o l l e s ! W e l c h e S e u f z e r e r p r e f s t e t ihr da euch s e l b s t , und w i e t i e f e W u n d e n s c h l u g t i h r a u c h u n s , u n d bereitetet T h r ä n e n den E n k e l n ! F r ö m m i g k e i t ist das n i c h t , m i t v e r h ü l l e t e m H a u p t e sich o f t m a l s R u n d um den S t e i n z u d r e h n , u n d jeden A l t a r zu b e r e n n e n ; H i n sich zur E r d e zu w e r f e n , mit a u s g e b r e i t e t e n H ä n d e n , V o r den Bildern der G ö t t e r ; mit O p f e r b l u t e der T h i e r e I h r e n Altar zu besprengen ; G e l ü b d ' an G e l ü b d e z u r e i h e n : S o n d e r n beruhigt im Geist h i n s c h a u e n zu können a u f alles. R i c h t e t man n ä m l i c h den B l i c k zum e r h a b e n e n H i m m e l s g e w ö l b e ,
FÜNFTES
"BUCH.
v.
1190 —
1215.
Auf zu dein Firmament, mit funkelnden Steinen befestigt, Und man bedenkt den Gang der S o n n e , die W e g e des M o n d e s ; Dann beginnt in der B r u s t , auch jene von anderen Uebeln Unterdrückete S o r g e , ihr wachendes Haupt zu erheben: Ob es vielleicht nicht das W e r k unermefslicher göttlicher M a c h t sey, D i e in verschiedenein L a u f umwälzet die hellen Gestirne? Denn es verwirrt den zweifelnden Sinn der M a n g e l an Finsiclit: Ob einst irgend auch w a r der W elt erzeugender U r s p r u n g ? Ob ein E n d ' auch s e y ? w i e lange die Mauern des W e l t b a n s Können die L a s t austragen auch dieser so stillen B e w e g u n g ? Oder ob irgend ein Gott sie mit e w i g e r D a u e r beschenkt hat, D a f s hingleitend im L a u f e von unzuermessenden Jahren, Trotzen sie können der M a c h t der alles zerstörenden Zeiten ? Ferner noch, wem ergreifet die Furcht vor den Göttern das Herz nicht, W e r w i r d nicht zusammengeschreckt in jeglichem Gliede, Wann die entzündete E r d ' aufbebt vom schrecklichen Blitzschlag, o7 Und hinrasseln die Donner durch räumige Weiten des H i m m e l s ? L ä n d e r und Völker erzagen alsdann; die erschütterten Glieder Stolzer Könige fafst Entsetzen und Furcht vor den Göttern; D a f s durch ein übermüthiges W o r t , ein schändlich Begehen, Endlich herangereift die rächende Stunde der Schuld sey. W i r f t den Gebieter der Flotte die Macht empöreter W T inde Weithin über die Fluten des M e e r ' s , und seine gewalt'gen Legionen mit i h m , und die mächtigen E l e p h a n t e n ; Geht er die Götter dann nicht mit Gelübden a n , und erflehet Angstvoll R u h e des S t u r m s , und der W i n d e gelinderen Anhauch? Liieret. I.
32
250
FÜNFTES
BUCH.
v. 1 2 i ö —
1241.
Aber umsonst; ihn ergreift nicht minder der mächtige W i r b e l , Schleudert ihn liin an die Furten des Todes.
S o w a h r ist denn irgend
Eine verborgene M a c h t , die menschliche D i n g e zu Grund t r i t t ; Welche das ernste B e i l und die bunten bedräuenden B ü n d e l Unter die F ü f a e w i r f t , und-.zum Spiele zu machen s i e scheinet. E n d l i c h , w a n n selbst a u f s c h w a n k t der E r d k r e i s unter den FüTsen; Hier die erschütterten Städt' einsinken, und dort es bedrohen-; Ist es zu w u n d e r n , w o f e r n e der Mensch sich dann f ü r gering hält ? E i n e erhabene M a c h t und Wundervermögen den Göttern E i n r ä u m t , welches die W e l t und sämmtliche D i n g e beherrschet-? N u n zu den übrigen n o c h : das E r z , und das G o l d , und das E i s e n , Und des Silbers G e w i c h t , und das B l e i , entdeckte man anfangs, Als auf hohem Gebirg ansehnliche Waldungen hatte Glut des Feuers verzehrt; vom Blitz entweder geschleudert^ Oder wann unter sich selbst feindselige K r i e g e verführend, Wälder sie steckten in B r a n d , den F e i n d durch F u r c h t zu v e r j a g e n ; Oder w a n n angereitzt von des Bodens Güte die fetten Aecker erweitern sie w o l l t e n , und urbar machen die F e l d e r ; Oder ertödten das W i l d , vom R a u b e der Beute gelocketi Denn anfänglich brauchte zur J a g d man F e u e r und Gruben, E h ' man mit Garnen umstellte den F o r s t , und hetzte mit Hunden. W i e es auch sey, und welches der Grund der flammenden Glut w a r , D i e mit entsetzlichem Brausen den W a l d a u f f r a f s bis zur W u r z e l , U n d durchkochte mit Feuer das L a n d ; aus den siedenden Adern F l o f s in die klüftigen Räum' ein B a c h von Gold und von S i l b e r , U n d von K u p f e r zusammen und B l e i : als diese verhärtet,-
FÜNFTES
BUCH.
v. 1242 ~
1267^
251
Und sie sahen, w i e hell von F ä r b ' auf dem Boden sie blinkten, Nahmen sie solche zuletzt, vom glatten Schimmer bezaubert; Und sie bemerkten, sie seyen nach ähnlichen Formen gebildet, Als es die Höhlungen wiesen, in welche sich jedes gelagert. Dann kam ihnen in S i n n , dafs diese, geschmolzen im Feuer, Könnten zerfliefsen in jegliche Form und beliebige B i l d u n g ; Auch sich unter dem Schlag ausdehnen liefsen in scharfe Spitzen und Flächen, daraus sich Geräth zu schaffen und W e r k z e u g : Niederzufallen das Holz in den Wäldern , zu hobeln , zu glätten, Balken damit zu behau'n, unil einzubohren dieselben; Auch mit solchen zu hämmern , und M e i s e l und Nägel zu machen. Dieses gedachten sie erst nicht minder mit Gold und mit Silber Als zu verrichten mit K r a f t des unbezwingbaren E r z e s : D o c h sie versuchten's umsonst; es w i c h die weichere Masse, Konnte nicht ähnlicher Weise die harte Behandlung ertragen. Höher wurde demnach das E r z geachtet, das Gold lag, W e i l untauglich es w a r bei leicht sich stumpfender S c h ä r f e ; Und nun lieget das E r z : Gold stieg zur höchsten Verehrung. Also verändert die Zeit umwälzend das Schicksal der D i n g e : W a s erst wurde geschätzt, w i r d endlich beraubet der E h r e n , Anderes folget d a r a u f , und hebt sich hervor aus dem D u n k e l ; Täglich wächst das Verlangen darnach, es blühet in L o b a u f , Und es erfüllet die Menschen mit tiefer Bewund'rung und E h r f u r c h t . Nunmehr kannst du dir l e i c h t , mein M e m m i u s , selber erklären, W i e man das Eisen entdeckt.
D i e H ä n d e , die N ä g e l , die Zähne,
Waren die ältesten W a f f e n ; auch Knüttel v o n B ä u m e n , und Steine.
252
FÜNFTES
BUCH.
v. 126ß —
1293.
Nachher, als man verstand die F l a m m ' und das F e u e r zu nützen, Wurde des Eisens G e w a l t und die M a c h t des E r z e s erforschet. Aber des Erzes Gebrauch w a r d früher erkannt als des E i s e n s ; W e i l es geschmeidiger i s t , und in gröfserer M e n g e sich vorfand. E r z umwühlte den Boden der E r d ' , E r z mischte die W o g e n In der verheerenden Schlacht, und säete tiefere W u n d e n ; D a m i t Täubten sie Aecker und V i e h : dem Bewaffneten f i e l dann L e i c h t das Unbewaffnete z u , das Nacket' und Blose. N a c h und nach dann brachte man vor die Schwerdter von E i s e n ; N u r zu verdächtigen D i n g e n gebrauchte man eherne S i c h e l n ; F i n g nun mit Eisen an zu brechen den Boden der E r d e , Auch entschied man mit ihm den Kampf der zweifelnden Feldschlacht. F r ü h e r schon w a r es Gebrauch auf das R o f s sich gewaffnet zu schwingen, D i e f s mit dem Z ü g e l zu l e n k e n , indefs die Rechte den Kampf f ü h r t , E h man des Krieges Geschick zweispännigen W a g e n vertraute: Später w u r d e dann auch das Viergespann noch ersonnen, Und von dem Sichelwagen herab gerüstet zu streiten. Nachher lehrten die P ö n e r , die braunen Lukanisclien B ü f f e l , M i t dem gethürmeten L e i b , mit Schlangenrüsseln,, des Krieges Wunden zu d u l d e n , und durchzubrechen die R e i h e n des M a v o r s . Eins aus dem andern erzeugte nunmehr die grausame Zwietracht, D a s zur W a f f e dem Menschengeschlecht verderblicher diente ; U n d so vermehrten die Schrecken des Krieg's sich mit jeglichem Tage. Stiere versuchte man auch zum Geschäfte des Krieges zu brauchen, U n d zu hetzen gegen den F e i n d die wütenden Keuler. Grimmige L ö w e n schickten voran die Reihen der Parther,
FÜNFTES
BUCH.
v. 1294 — , 3 1 9 .
253
Unter der strengen Zuclit bewaffneter rüstiger Führer, Die sie bewältigen konnten , und fest sie halten in Banden: Aber sonder E r f o l g ; erhitzt vom vermischetem Morde, Stürzten wütend sie los auf Schaaren der Freund' und der Feinde, Schüttelten allerwärts die schrecklichen Mähnen des Hauptes : Vor dem Gebrüll entsetzt sich das R o f s ; das konnte der Reuter Nicht besänftigen mehr, um gegen den Feind es zu wenden. Löwinnen warfen im Sprung sich auf jeglichen ; packten von vorne Den entgegenkommenden an , und rissen von hinten, Eh er sich solches versah, den andern nieder zu B o d e n ; Fest umklammert ihn h a l t e n d , den fast schon entseelte die W u n d e ; Eingehakt mit grimmigem Bifs und geschärfeten Klauen. Hoch auf sclileüderten Stiere die eigenen Krieger, und traten Nieder sie mit den Füfsen, und schlitzten von unten den Rossen Bauch und die Weichen auf mit den Hörnern, und wühlten dieErd* auf. Minder nicht fielen die Eber mit mächtigen Hauern die eignen Streitenden an , und färbten mit Blut im Grimme die Waffen, M i t dem eigenen Blut die an ihnen zersplitterten Waffen ; Brachten Verwirrung und Tod in die Haufen zu Pferd' und zu Fufse. Denn es suchte das Rofs durch Seitensprünge dem Anfall Auszuweichen, auch bäumten sie sich empor in die L ü f t e : Aber umsonst; sie sanken mit abgeschnittenen Sehnen, Und bedecketen schwer mit lastendem Falle die Erde. Hielte man noch zuvor im Stalle die Thiere bezähmet, Sali' in dem Taumel der Schlacht aufs neue man wütliend sie werden, Durch das Geschrei, und die Flucht, d u r c h W u n d e n , und Schreckengetös?.
254
FÜNFTES
BUCH.
y. 1 3 2 0 —
1345.
Keines auch brachte man wieder zurück von ihnen nach H a u s e ; Alle verliefen sie s i c h , so viel und verschieden sie w a r e n : Wie auch jetzt noch im K r i e g die Lukanischen B ü f f e l verwundet F l i e h n , und den ihrigen o f t noch stiften gewaltigen Schaden. Stritten die Menschen nun so, so kann ich doch kaum mich bereden,' D a f s sie vorher nicht konnten b e m e r k e n , im Geiste vöraussehn, W i e verderblich f ü r beide die ähnliche W e i s e des Kriegs sey. L i e b e r möchtest du mir behaupten, es habe dergleichen J r g e n d sich zugetragen im AU , in den mancherlei W e l t e n , Als an einem bestimmeten Ort und auf unserem ErdkreisA b e r es mochte hiezu sie minder die Hoffnung des Sieges Reitzen , als dafs sie dem F e i n d , der ihnen an W a f f e n und Anzahl Ueberlegen, auch selbst im Tode noch gäben zu seufzen. Anfangs knüpfte man F e l l e zusammen, dann webte man Kleider ; Webkunst kam nach dein E i s e n ; aus E i s e n bereitet man W e r k z e u g ; Ohne diefs konnte man nicht so glattes Geräthe sich schaffen. Tritt' und Spindel lind S p u l , die schallenden Schiffchen und R o l l e n . Auch der natüfliche Trieb .hat fiülier die Männer als Weibe« W o l l e zu spinnen gelehrt; der Marin ist geschickter zur Arbeit, W e i t sinnreicher zu jedem Geschäft und künstlichem W e r k e . Aber der rohe B a u e r des Feld's wandt' ihnen zum Schimpf d a s ; D a f s sie der Weiberhand diefs Geschäft nun lieber verliefsen, U n d sich selber vielmehr gewöhnten zu rauherer A r b e i t ; N u n in dem harten Geschäft abhärteten Glieder und Hände. A b e r das Vorbild, Saanien zu streun, und Bäume zu impfen, W a r anfangs die N a t u r , der D i n g e Schöpferin selber.
FÜNFTES
BUCIL
v. 134« — x37i-
255
Beeren und Eicheln fielen herab, und unten entsprofsten Schwärme von junger Brut in der eigenen schicklichen Jahr'szeit. Darauf versuchte man auch in den Ast zu senken den Spröfsling, Und auf die Felder umher das junge Geschosse zu pflanzen. Immer nun suchten sie mehr und mehr das liebliche Feldgut Anzubauen: sie sahn, dafs herbe Früchte sich milder Durch die zarte Behandlung, durch Pflege des Bodens, erzeugten. Täglich zwangen sie auch die Wälder zurück nach den Bergen Mehr sich zu ziehen , die niedere Flur zu räumen dem Fruchtbau: Wiesen und Teich' und Bäcli' und Saaten und fröhliche Reben Auf den Hügeln umher und den Fluren zu haben; dazwischen Konnten dann zierlich vertheilt die bläulichen Reihen des Oelbauins Ueber die Hügel laufen, durch Thäler und Flur sich ergiefsen. W i e man auch jetzt noch sieht mit dem mannigfaltigen Reitze Alles geordnet, was Fleifs auszieret mit lieblichem Obstbau, Und es mit Hecken umschliefst von fröhlich grünendem Fruchtstrauch. Pfeifend ahmte der Mensch die lieblichen Stimmen der Vögel Lange zuvor schon nach, noch ehe die schmeichelnden Lieder Er mit Gesang zu begleiten verstand, und das Ohr zu ergötzen. Zephyrs Säuseln im hohlen Rohre belehrte den Landmann In den gehöhleten Halm zu blasen: sie lerneten nachmals M i t allmähliger Kunst die süfsen klagenden Töne, Welche die Flöt' ausgiefst vom Finger des Sängers gerühret; Die man erfand im einsamen H a i n , in W ä l d e r n , auf Triften, An den verödeten Orten der Hirten , bei göttlicher Mufse. Also bringt allmählig die Zeit jedwedes zum Vorschein ;
25 6
FÜNFTES
BUCH.
v. 1 3 7 2 —
1397.
Und Nachdenken erhebt, und stellt in gehöriges L i c h t das. Damit schmeichelten nun sie dem S i n n , und ergötzten die Herzen, Hatten sie sich mit Speise gelabt; denn die M u f s e behagt dann. Oft nun lagen zusammengestreckt sie auf weichlichem Rasen, Neben dem rinnenden B a c h , im Schatten erhabener B ä u m e ; "Wurden des L e b e n s f r o h , obwohl bei geringem V e r m ö g e n : Sonderlich d a n n , wann die W i t t e r u n g lachte, die fröhliche Jahrszeit W i e d e r die grünende F l u r bemalte mit Blumen und Blüten. Fröhlicher Scherz, und lustige R e d e n , und süfses Gelächter, Brachen dann aus; dann blühte die K r a f t der ländlichen Muse. Ueppiger Frohsinn reitzte sie a n , das Haupt und die Schultern Sich mit geflochtenen Kränzen, mit L a u b und mit Blumen zu schmücken ; In dem bäurischen Tanz aas Takt und R e i h e zu treten, Und mit tölpischem F u f s auf die Muttererde zu stampfen. Dann erschallte das laute Gelächter, der schäkernde L u s t s i n n ; Denn diefs alles w a r neu damals, und reitzte gewaltig. Auch den Ersatz f ü r den S c h l a f , bei langen wachenden Stunden, Gab die verschiedene Beugung derStimm',
und die wechselnden T ö n e ;
Oder auch über das R o h r mit gekrüinmeter L i p p e zu laufen. Dieses erhielt sich auch jetzt bei Wachenden noch im Gebrauche, Und sie erlerneten T a k t und Weise zu h a l t e n , jedoch ist Ihnen im mind'sten dadurch das Vergnügen nicht giöfser geworden, Als dem rohen Geschlechte der erdentsprossenen Menschen. D e n n das gegenwärtige reitzt v o r z ü g l i c h , und scheinet A u f uns zu wirken mit M a c h t , bevor w i r das holdere kannten: F o l g t ein Besseres dann, so verlieret das vorige wieder,
FÜNFTES
BUCH.
v. 1398 — 1423.
257
U n d das Neue verändert uns stets den Geschmack an dem A l t e n . Also w u r d e zum E k e l die Kost von E i c h e l n ; verlassen W u r d e das L a g e r , bestreut m i t Kräutern und h ä u f i g e m L a u b e . Eben so sank der W e r t h der K l e i d e r aus Fellen der T h i e r e : Und doch, glaub' ich, es w a r d der, w e l c h e r die Kleidung zuerst t r u g , So vom Neide v e r f o l g t , dafs man ihm nach dem L e b e n g e t r a c h t e t ; Und dafs man dennoch das Kleid mit B l u t e befleckt und zerrissen, Ohne Gebrauch h i n w a r f , und 7.u k e i n e m N u t z e n v e r w a n d t e . D a m a l s w a r e n es H ä u t e , nun ist es das Gold und der P u r p u r , W a s in Kummer die Menschen v e r s e t z t , und F e i n d s c h a f t e r r i c h t e t ; U m so gröfserc Schuld l i e g t , w i e es mich d ü n k e t , auf uns jetzt. J e n e nackenden K i n d e r der E i d ' , aus M a n g e l an Kleidung, Starrten vor K ä l t e ; doch u n s , w a s schadet es, ob w i r des P u r p u r s Müssen e n t b e h r e n , mit Gold d u r c h w i r k t und starrendem Z i e r r a t h , Da ein gemeines Gewand h i n l ä n g l i c h e n Schutz uns g e w ä h r e t ? So arbeitet das Menschengeschlecht umsonst und v e r g e b l i c h Immer mit M ü l l ' , und verzehrt in nichtigen Sorgen das L e b e n : W e i l es n'imlich nicht w e i f s der Habsucht Grenze zu setzen ; Gänzlich v e r k e n n e t , w i e w e i t das w a h r e V e r g n ü g e n erwachse. D i e f s hat allgemach in ein M e e r das L e b e n getrieben, H a t vom Grunde herauf erreget die W o g e n der Z w i e t r a c h t . Aber die W ä c h t e r der W e l t , die den grofsen u m w a l l e n d e n T e m p e l R u n d umleucliten mit L i c h t , der M o n d und die S o n n e ,
sie l e h r t e n ,
Dafs im w e c h s e l n d e n Kreise sich drehn die Zeiten der J a h r e , Und dafs dieses geschieht in der F o l g e bestimmter Gesetze. Sicher lebten sie nun von m ä c h t i g e n T h ü r m e n u m s c h l o s s e n ; Lucret, I .
33
258
F Ü N F T E S
BUCH.
v. 1 4 2 4 —
1440.
Hatten vertlieilet das L a n d , u n d b e b a u e t e n j e d e r den G r e n z t h e i l . D a n n erst b l ü h t e das M e e r , u m D ü f t e zu h o l e n , v o n S e g e l n ; H ü l f und B e i s t a n d hatte man sich durch B ü n d n i f s e r w o r b e n ; A l s nun D i c h t e r b e g a n n e n , in I j i e d e r n die T h a t e n der M e n s c h e n A u f z u z e i c h n e n ; n i c h t l a n g e z u v o r e r f a n d man die S c h r i f t auch. D a r u m k ö n n e n w i r n i c h t in die älteren Z e i t e n z u r ü c k s c h a u n , A u f s e r w o selbst die V e r n u n f t h i n l ä n g l i c h e S p u r e n uns a n z e i g t . S c h i f f a h r t , A c k e r b a u , E r r i c h t u n g der S t ä d t e , W a f f e n und S t r a f s e n , B e k l e i d u n g ;
Gesetze,
w a s i r g e n d dem L e b e n s h e d ü r f n i f s
W e i t e r n o c h a n g e h ö r t ; a u c h des L e b e n s E r g ö t z u n g e n alle, D i c h t k u n s t , M a l e r e i , dädalische B i l d e r ;
das lehrte
M a n n i g f a l t ' g e r G e b r a u c h , und z u g l e i c h mit demselben E r f a h r u n g , U n v e r d r o s s e n e n S i n n e s , in langsam eilendem F o r t s c h r i t t . A l s o b r i n g t a l l m ä h l i g die Z e i t j e d w e d e s zum V o r s c h e i n , U n d N a c h d e n k e n e r h e b t , u n d stellt in g e h ö r i g e s L i c h t d a s : D e n n w i r b e m e r k e n es w o h l , dafs in K ü n s t e n sich eins aus dem andern A u f h e l l t , b i s sie z u l e t z t z u des G i p f e l s H ö h e gelangen.
S E C H S T E S
B U C H .
Inhalt
des
sechsten
Buches.
L o h der Stadt A t h e n u n d der Verdienste E p i k u r s ,
v. i - 4 i .
im vorigen Buche abgehandelten M a t e r i e n , v. 4 2 - 4 6 . 81.
v. 1 1 9 - i j 8 .
-
E r z e u g u n g der Blitze, v. 1 5 9 - 2 4 2 .
W i r k u n g e n derselben,
v. 3 7 G - 4 1 7 .
v. 243 - 375.
Thorheit
E r k l ä r u n g der Prester Wasserhosen
445. E r z e u g u n g der W o l k e n , v. 446 - 487, Bildung des Regenbogens, v. 517 — 51 g. E r d b e b e n , v. 5ij-5qi).
v. 9 1 0 - 1 0 7 6 .
der Divinalion aus d e m Blitze,
Erzeugung
i m M e e r e , v. 4 i 8 -
des Regens, v. 488 - 5 l 6 . Das
G r ü n d e , w a r u m sich das Meer nicht v e r g r ö ß e r t , y. 6 0 0 - 6 3 o . Das Aurschwellen des Nils, v. 7 o i M e r k w ü r d i g e Brunnen u n d
W i r k u n g e n des Magnetes, v. 8 9 6 - 9 0 9 .
Quellen,
E r k l ä r u n g seiner Erscheinungen,
U r s p r u n g der K r a n k h e i t e n u n d S e u c h e n ,
A t h e n , v. 1 1 2 6 - 1 2 7 1 .
Eigenschaften
A n d e r e Naturerscheinungen, v . 6 2 0 - 5 2 6 .
Avernische Oerter u n d S e e n , v. y5o-83j.
v. 8 3 8 - 8 g 5 .
Mancherlei G r ü n d e
Mancherlei
oder T r o i n b e n
E r k l ä r u n g der Feuerspeienden B e r g e , v. 6 3 1 - 7 0 3 . 729.
der
Entstehung des D o n n e r s u n d seiner W i r k u n g e n , v. 82 - 1 1 S .
liievon, und
Wiederholung
Inhalt dieses Gesäuges, v.
v. 1 0 7 7 - 1 1 2 5 .
Die Pest zn
S a a t e n milderer F r u c l i t hat einst dem b e k ü m m e r t e n M e n s c h e n , H e r r l i c h an N a m e n , A t h e n , zuerst vor allen e r t l i e i l e t ; N e u das L e b e n g e s c h a f f e n , u n d w e i s e Gesetze gegeben. A u c h den süfseren T r o s t des L e b e n s gab es zuerst uns, Als es den M a n n e r z e u g t , der so von vortrefflichem Geist w a r , D a f s sein M u n d über alles ergofs u n t r ü g l i c h e W o r t e : D e s s e n v e r b r e i t e t e r R u h m , der h o h e n E r f o r s c h u n g e n w e g e n , N u n da er selbst schon e r l o s c h , n o c h e m p o r sich zum H i m m e l e r h e b e t . D e n n als dieser e r s a h , d a f s , w a s das B e d ü r f n i f s e r h e i s c h e t , Alles den S t e r b l i c h e n sei bereits h i n l ä n g l i c h e r w o r b e n ; Alles w o d u r c h sie das L e b e n in S i c h e r h e i t stellen sich k o n n t e n ; D a f s bei R e i c h t h u m u n d G u t , n o c h R u h m sie u n d E h r e g e n ö s s e n , A u c h sie der gute R u f der K i n d e r n o c h h ö h e r e r h ü b e ; M i n d e r d o c h n i c h t im i n n e r e n H e i z e n ein ängstliches B a n g e n J e g l i c h e m w o h n e , das q u ä l t m i t eitelen Klagen das L e b e n : M e r k t e r , der w a h r e G r u n d so b i t t e r e r f e i n d l i c h e r K l a g e n L i e g e d a r i n , dafs selbst das G e f ä f s u n s a u b e r u n d s c h l e c h t s e y ; D a f s n u r dieses allein im I n n e r e n alles v e r d ü r b e , W a s v e r g n ü g l i c h e s n u r u n d g u t e s v o n a u f s e n m a n eingiei&t:
262
SECHSTES
BUCH.
v . 20 —
45.
Tlieils, w e i l solches er sah zerlechzt und d u r c h s t o f s e n , dafs niemals Irgend auf einige A r t a u s f ü l l e n dasselbe man k ö n n e ; Tlieils a u c h , w e i l er b e f a n d , dafs alles im Innern es gleichsam Selbst anspritze mit f a u l e m G e s c h m a c k , w a s irgend es aufnahm. A l s o sucht' er die B r u s t mit der W a h r h e i t W o r t e n zu l ä u t e r n ; Setzte B e g i e r d e n u n d F u r c h t die eignen g e h ö r i g e n
Schranken;
L e h r t e das höchste G u t , nach w e l c h e m w i r alle doch trachten, W a s es nur s e y ; und zeigte dahin den kürzesten P f a d uns, W i e man könne zu ihm auf geradem W e g e gelangen. F e r n e r die U e b e l mancherlei Art in menschlichen D i n g e n ;
d
*
W a s aus natürlichen Gründen entspringt, und w e c h s e l n d umher s c h w e b t , Bald durch Z u f a l l , bald durch G e w a l t , w i e es so die N a t u r f ü g t ; U n d aus w e l c h e m der T h o r e b e g e g n e n man j e g l i c h e m müsse. U n d so legt' er uns d a r , w i e meist mit v e r g e b l i c h e r M ü h e M e n s c h e n in ihrer B r u s t u m w ä l z e n die W o g e n der S o r g e . D e n n w i e die K i n d e r im F i n s t e r n v o r allern zittern und heben, Also f ü r c h t e n z u w e i l e n auch w i r beim L i c h t e des T a g e s , D i n g e , die eben n i c h t mehr ve'rdieneten F u r c h t zu e r w e c k e n , Als was die K i n d e r i m F i n s t e r n erschreckt, und w o m i t sie d i e A n g s t tauscht. Und so müssen daher des Geistes S c h r e c k e n und D u n k e l , N i c h t durch die Stralen der S o n n e , noch leuchtende P f e i l e des T a g e s , Sondern sich durch der N a t u r A n s c h a u n und E r k e n n t n i f s zerstreuen. E i f r i g e r web' ich nunmehr an dem a n g e s p o n n e n e n W e r k f o r t . U n d nachdem ich g e l e h r t , dafs dieser g e w ö l b e t e W e l t b a u S t e r b l i c h , erschaff'ner N a t u r des H i m m e l s z i r k e l n d e r U m k r e i s ; D a f s , w a s in i h m e n t s t e h t , und w a s n o t h w e n d i g entstehn mufs,
S E C H S T E S
BUCH.
v. 46 —
71.
263
M e i s t a u f l ö s e n sich lasse : so h ö r e das übrige f e r n e r . D e n n mich hat nun einmal zu besteigen das herrliche F a h r z e u g A n g e r e g e t der W i n d e B e s ä n f t i g e r ; alle die Stürme H a b e n sich a u s g e s ö h n t , und zur g l ü c k l i c h e n B u h e g e w e n d e t . N u n zu dem übrigen n o c h , w a s am H i m m e l , auf E r d e n , die M e n s c h e n O f t als E r s c h e i n u n g e n sehn , und in hängliche Z w e i f e l ihr H e r z s e t z t ; Z a g e n sie macht in ihrem G e m ü t h aus F u r c h t v o r den Göttern, U n d zur E r d e sie d r ü c k t : denn es z w i n g t U n k u n d e der G r ü n d e M e n s c h e n , die D i n g e der W elt dem Gel,ei fs und der H e r r s c h a f t der G ö t t e r A n z u v e r t r a u e n ; und w o durchaus man die w i r k e n d e U r s a c h N i c h t zu erkennen v e r m a g , da schreibt man sie göttlicher M a c h t zu. D e n n , w e n n man richtig g e f a f s t , dafs Götter um irdische D i n g e W e n i g sich k ü m m e r n , und doch erstaunt bei jcglichem A n l a f s , W e l c h e M a c h t diefs alles r e g i e r t ; v o r z ü g l i c h bei D i n g e n , W e l c h e man über dem H a u p t ersieht in des Aetliers B e z i r k e n ; F ä l l t man w i e d e r zurück in die v o r i g e F u r c h t v o r den G ö t t e r n , N i m m t gebietrische H e r r e n man an , die sie alles 7,11 können G l a u b e n , die A r m e n ! die nicht v e r s t e h » , w a s kann in der T h a t s e y n , U n d w a s n i c h t ; noch w o d u r c h das V e r m ö g e n jegliches D i n g e s W e r d e b e s c h r ä n k t , und jedem gesteckt sein endliches Z i e l s e y : U m so w e i t e r v e r i r r e n sie sich auf finsterem A b w e g . W a n n n i c h t dieses du g a n z v e r b a n n s t aus deinem G e m ü t h e , A l s u n w ü r d i g der G ö t t e r , und f r e m d i h r e r seligen B u h e ; W e r d e n , geschmälert v o n d i r , die B i l d e r der heiligen G ö t t e r D i r v o r dem A u g ' o f t s t e h n : n i c h t so , d a f s die g ö t t l i c h e A l l m a c h t K ö n n t e g e k r ä n k e t w e r d e n , entrüstet v o m Z o r n e zur R a c h s u c h t ;
264
SECHSTES
BUCH.
v . 7 2 — 97-
Sondern d i e w e i l du sie d i r , im F r i e d e n g e f ä l l i g e r R u h e , W i r s t vorstellen als s c h a u m e t e n sie v o n W o g e n des E i f e r s . N i c h t mit gelassener B r u s t w i r s t du dich nahen der G ö t t e r T e m p e l n , noch r u h i g in dir a u f n e h m e n k ö n n e n die B i l d e r , W e l c h e , Verkündigerinnen erhabener Göttergestalten, V o n dem g e h e i l i g t e n L e i h zu dem G e i s t des M e n s c h e n gelangen. L e i c h t a b n e h m e n l ä f s t sich h i e r a u s , w e l c h L e h e n e r f o l g e ! D i e s e s so w e i t als m ö g l i c h v o n uns durch G r ü n d e der W a h r h e i t A b z u w e n d e n ^ o b g l e i c h srrhnn manches h i e r ü b e r ich a u s s p r a c h , B l i e b doch v i e l n o c h z u r ü c k , dir es. auszuschmücken, in V e r s e n . N o c h ist R e c h e n s c h a f t dir v o n den h i m m l i s c h e n D i n g e n z u g e b e n ; Sind die G e w i t t e r a n n o c l i , und die leuchtenden B l i t z e zu s i n g e n ; W a s sie b e w i r k e n , die K r a f t und die U r s a c h , die sie dahintreibt, D a f s du nicht sinnlos bebst v o r des H i m m e l s g e t h e i l t e n B e z i r k e n : W a n n e n er k a m der fliegende S t r a l , w o h i n er sich w a n d t e , U n d auf w e l c h e r l e i A l t ex durch die u m s c h l i e f s e n d e n M a u e r n E i n d r a n g , w i e d e r v o n da mit s i e g e n d e r M a c h t sich e m p o r h u b . U n v e r m ö g e n d h i e v o n sich e i n i g e G r ü n d e zu g e b e n , L e i t e n sie alles allein von. der G ö t t e r W i l l e n u n d M a c h t h e r . 0 K a l l i o p e , d u , s i n n r e i c h e M u s e ! der M e n s c h e n L a b s a l ; W o n n e der G ö t t e r ! d u selber z e i g e die B a h n m i r L a u f e n d e n , nach dem letzten mir v o r g e z e i c h n e t e m Z i e l e : D a f s ich geleitet v o n dir e r g r e i f e die h e r r l i c h e K r o n e . A l s o v o r e r s t , das l ü m i p l i s c h e B l a u erschüttert der D o n n e r , W a n n hochfliegende W o l k e n durch g e g e n s t r e i t e n d e W r inde W e r d e n z u s a m m e n g e s t o f s e n ; denn v o n der e r h e i t e r t e n S e i t e
SECHSTES
BUCH.
v. 98 — 123.
265
Kömmt kein Geräusch uns h e r ; w o aber die W o l k e n am d i c h t s t e n Sich a n h ä u f e n , da brüllt der D o n n e r , da rauscht er am stärksten. Ferner, der Körpergehalt k a n n nicht von den W o l k e n so d i c h t seyn, Als vom Gestein und H o l z , noch eben so dünnen Gewebes, Als der Nebel und fliegende R a u c h : sie müisten e n t w e d e r Niederfallen mit plumpem Gewicht w i e Steine zur Erde ; Oder sie müfsten flüchtig w i e R a u c h und ohne Bestand seyn, Nicht zusammenzuhalten den S c h n e e ,' noch die S c h a u e r des Habels. o Oftmals rauschen sie auch durch die r ä u m i g e n Plänen des H i m m e l s ; So w i e im hohen T h e a t e r die aufgespanneten Seegel R a u s c h e n , die zwischen Gebälk h i n w o g e n und zwischen den M a s t e n ; Rasen z u w e i l e n , zerrissen von frecheren W i n d e n , und ahmen Nach das scharfe Geräusch und Knistern z e i i c h l i t z t e r Papiere ; Denn auch dieses Geräusch vernimmt man z u w e i l e n im Donner ; Oder als w a n n ein Gewand im F r e i e n , w a n n fliegende B i ä t t e r , Von den peitschenden W i n d e n g e d r e h t , hinseufzen in L ü f t e n . Denn oft träat es sich z u ,1 dafs entgegenkommende Wolken Ö DO Nicht mit der Stirne sich stofsen , zur Seite nur streifen sich k ö n n e n , U n d durch entgegen l a u f e n d e n Zug der Körper sich r e i b e n ; D a h e r entsteht das trockne Geräusch und sclieuret die Ohren, Zieht auch l a n g e sich hin , bis dem engen l ' a i s sie entschlüpft sind. Auch aus f o l g e n d e m Grund scheint unter gewaltigem D o n n e r Oftmals alles zu b e b e n , u n d , schnell auseinander gerissen, Scheinen zerbersten zu w o l l e n die m ä c h t i g e n M a u e r n des W e l t b a u s ; W a n n ein g e w a l t ' g e r Orkair sich s c h n e l l m i t gesammelten Kräften E i n d r e h t in ein G e w ö l k , und darin v e r s c h l o s s e n von allen Liieret.
I.
34
2 66
SECHSTES
BUCH.
v. 1 2 4 —
149.
Seiten, und immer m e h r , und mit reifsendem W i r b e l die W o l k e Z w ä n g e t , dafs solche gehöhlt mit dichtem R a n d e sich einschliefst: N a c h h e r , wann sich die K r a f t und der Trieb inwendig erregt hat, Bricht losschmetternd sie aus mit Schrecken erregendem Krachen. Ünd was W u n d e r , da o f t , mit W i n d e r f ü l l e t , die kleinste B l a s e , die plötzlich zerplatzt, solch einen gewaltigen Schall giebt. N o c h ein Grund ist, w a r u m , wann W i n d e durchblasen die W o l k e n , D a n n ein Geräusch entsteht; denn oftmals i s t , w i e w i r sehen, R a u h das G e w ö l k , voll Z a c k e n , und mannigfaltig an Formen. S o , wann Kannis den W a l d durchbraust und das dicke Gehölze, Geben die Z w e i g ' und Aeste von sich ein krachend Getöse. O f t auch reifst die erregte G e w a l t des mächtigen Windes Mitten die W ö l k ' e n t z w e i , wenn gerad' auf dieselbe sie zustöfst. Denn was der W i n d in der Höhe vermag ist leicht zu erachten, D a hier unten er schon, auf der E r d e , w o linder die K r a f t ist, Auszudrehen vermag mit den tiefsten W u r z e l n die Bäume. W o g i g durchströmen sich auch die W o l k e n , und machen Geräusche, Stark aneinander schlagend; w i e solches von tieferen Flüssen, Oder im M e e r e geschieht, bei starkanschlagender Brandung. Mag es auch s e i n , w a n n glühend die K r a f t des Blitzes von W o l k e Fährt in die W o l k e , dafs diese, g e f ü l l t mit N ä s s e , das Feuer Aufnimmt, plötzlich darauf mit Geräusch es wieder ertödtet: S o w i e glühendes E i s e n aus heiiser E s s e genommen A u f z i s c h t , wenn man sogleich in das kalte Wasser es eintaucht. Ist nun trockner die W o l k e , in welche der feurige Stral fährt, Plötzlich entzündet sie sich und entbrennt mit lautem Geprassel:
SECHSTES
BTTCH.
v. 150
_
267
So w i e auf Lorbeerbehaartem G e b i r g , vom W i r b e l des W i n d e s A n g e f ä c h e t , die F l a m m ' auflodert und brausend sich f o r t t r e i b t : Denn nicht irgend ein D i n g verzehret die raaschende F l a m m e M i t so furchtbarem Prasseln als Phöbus Delphischen L o r b e e r . Endlich brausen auch oft hoch in den verbreiteten W o l k e n Stücke zersclielleten E i s e s , und h ä u f i g e Trümmer des H a g e l s : Denn durch den W i n d z u s a m m e n g e s t o p f t , und ins enge g e z w ä n g e t , Scheitert der a u f g e t r i e b e n e B e r g von Schnee und von H a g e l . Aber der B l i t z entsteht, w a n n der W o l k e n gesammeltes F e u e r D u r c h den Zusammenstofs sich h e r a u s s c h l ä g t : eben als w a n n man Stein' an S t e i n e s c h l ä g t , mit dem Stahl den Kiesel b e r ü h r e t ; Denn auch alsdann springt Feuer heraus und Funken entsprühen. Aber den Donner vernehmen w i r erst nachher in den Ohren, W a n n w i r den B l i t z schon gesehn ; w e i l immer das hörbare später Hin zu den Ohren g e l a n g t , al« das w a s den Sinn rlps Gesichts r e i t z t . Auch die Erfahrung bezeugt, w e n n ein Baum in der Ferne g e f ä l l t w i r d , Dafs man die Streiche der Axt schon eher b e m e r k e t , bevor man Höret den Schlag in der L u f t : so sieht man den Schimmer des B l i t z e s Ehe den Donner man h ö r t ; ob beide zugleich schon entstehen, U n d aus dem nämlichen G r u n d , durch zusaminenstofsende W o l k e n . Auch auf f o l g e n d e Art färbt düst'res G e w ö l k e den H i m m e l M i t auffliegendem L i c h t , und stralet m i t zuckendem B l i t z e : Hat sich nämlich der W i n d in die W o l k e versetzt, und d a r i n sich E i n g e w i r b e l t , so höhlt er sie a u s , w i e g e s a g t , und v e r d i c k t s i e ; Dann erhitzt er sich selbst durch U m t r i e b ; denn durch B e w e g u n g W e r d e n die D i n g e heifs und entzünden s i c h : bleierne Kugeln
S E C H S T.ES
J5UCIL
v. 176 — A U .
Schmelzen sogar im F l u g , durch weitere Räume getrieben. Hat nun der glühende W i n d die schwarze W o l k e zerrissen, Streuet er auS die Saamen des F e u e r s , die gleichsam Gewalt ihm Ausgepreist, und dadurch entstehen die zuckenden Flammen. Di auf erfolget der S c h l a g , der weniger schnell das Gehör trifft, Als was sichtbar gelangt in unserer Augen Bezirke. Dieses jedoch ereignet sich nur bei dichtem Gewölke, D a s sich erhebt auf einander gethürmt mit gewaltigem Auftrieb. L a i s dich nicht täuschen h i e r i n , dafs wir hierunten die Breite M e h r von den W o l k e n sehn , als die Höh' in der sie sich aufbaun S'ondern betrachte vielmehr, wann Bergen ähnlich Gewölke Queer durch die Lüfte
bewegt vom Winde werden getragen;
Oder du selbiges siehst gelagert um hohe Gebirge, W ö l k ' auf W o l k e , wie s c h w e r , obschon bei entschlafenen W i n Niederdrücken die nbern auf jene der unteren Lage. Dann erst magst du begreifen das Ungeheure der M a s s e n : Gleichsam H ö h l e n , erbaut von überhangenden Felsen, Magst du ersehn; und'haben sich die bei entstandnem Gewitter Angefüllt mit W i n d e n , so zürnen die Wolkenumsclilofsnen Brüllend darin, und g r o l l e n , wie wilde T h i e r ' in dem K ä f i g ; Schicken bald hie bald da ihr dumpfes Gebrüll durch die Wolken Irren umher, und suchen den W e g , und wälzen aus W o l k e n Saamen des Feuers h e r b e i , und häufen sie drängend zusammen; D r e h e n dii: Flammen wirbelnd in ihren gehöhleten Oefen, Bis die W o l k e zerreifst, und aus ihr der schimmernde Blitz fährt. Auch mag deshalb vielleicht der regliche goldene Lichtstral
SECHSTES
BUCH.
v. 202 —
227.
J e n e s gereinigten F e u e r s herab sich stürzen zur E r d e ; W e i l n o t h w e n d i g die W o l k e n die f e u r i g e n Saamen in M e n g e Fassen in s i c h ; denn sobald der N ä s s e sie gänzlich beraubt sind, Scheinen sie f e u e r g e f a i b t , u n d meist v o n glänzendem A n b l i c k . D e n n es muis sie g e w a l t i g der S t r a l a n s c h w ä n g e r n der S o n n e , D a f s sie stark erröthen d a v o n und F e u e r e r g i e f s e n . H a t nun diese der S t u r m in eins z u s a m m e n g e d r ä n g e t , U n d sie an Orte g e z w ä n g t , so presset er f e u r i g e S a a m e n , D i e sich e r go i e f s e n 1, und leuchten m i t f a r b i eof l a m m e n d e m S c h i m m e r . J a z u w e i l e n auch b l i t z t es aus dünnem G e w ö l k e des H i m m e l s : W e n n diefs nämlich im L a u f e nur l e i c h t v o n W i n d e n getrennt w i r d , U n d auseinander geführt-, so müssen v o n selber die Saamen, W e l c h e den B l i t z e r z e u g e n , auch w i d e r W i l l e n ,
entfallen;
A b e r doch ohne Geräusch und ohne den schrecklichen A u f r u h r . W e l c h e s nun übrigen« noch des B l i t z e s w a h r e N a t u r s e y , D a v o n zeugen genug die brandigten M ä l e r des F e u e r s , U n d der s c h w e f l i c h t e D a m p f , der stinkend v o n ihnen noch a u s h a u c h t : D a s sind Z e i c h e n des F e u e r s , nicht Z e i c h e n des W i n d e s n o c h R e g e n s . O f t auch stecket der B l i t z , , mit rascher F l a m m e , der H ä u s e r H o h e B e d a c h u n g an , und v e r h e e r e t das inn're Gebäude. D i e s e s subtile F e u e r erschuf die N a t u r aus den ersten F e u e r s t o f f e n , der k l e i n e s t e n A r t , die alles durchdringen ; W e l c h e n zu w i d e r s t e h e n durchaus nichts irgend im S t a n d i s t : D e n n der g e w a l t s a m e B l i t z d r i n g t ein d u r c h g e m a u e r t e W ä n d e , W i e das G e s c h r e i und der S c h a l l ; er d r i n g t durch S t e i n ' u n d durch E i s e n , S c h m e l z e t im A u g e n b l i c k e das G o l d u n d alle M e t a l l e :
270
SECHSTES
BUCH.
v. 223 —
253.
Plötzlich macht er den W e i n aus dem u n v e r s e h r t e n G e f ä f s e Fliehen d a v o n ; i n d e m er u m h e r d i e S e i t e n desselben L o c k e r t , u n d solche v e r d ü n n t d u r c h n a h a n d r i n g e n d e H i t z e ; S o , dafs er selbst ins G e f ä f s e i n d r i n g t , u n d d a r i n n e n die Stoffe Alle des W e i n s a u f l ö s t , u n d e n t f ü h r t d u r c h die schnelle B e w e g u n g . Selbst w a s in J a h r e n v i e l l e i c h t zu b e w i r k e n die I l i t z e der S o n n e N i c h t v e r m a g , das b e w i r k t die t r e f f e n d e s c h i m m e r n d e B l i t z g l u t ; U m so d u r c h d r i n g e n d e r ist u n d s i e g e n d e r i h r e G e w a l t k r a f t . W i e sich n u n m e h r erzeuget der B l i t z , w o h e r ihm die K r a f t k o m m t , D a f s er vermag mit dem S c h l a g e die T h ü r r a e zu s p a l t e n , die H ä u s e r N i e d e r z u s c h m e t t e r n , u n d D i e l e n h i n w e g u n d B a l k e n zu reifsen, U m z u w ü h l e n u n d n i e d e r z u s t ü r z e n die M a l e der M ä n n e r , M e n s c h e n entseelen , u n d allerlei Vieh h i n s c h l a g e n zu B o d e n , U n d w a s übrigens n o c h von des Blitzes g e w a l t s a m e r K r a f t z e u g t , D a s e r k l ä r ' ich dir j e t z t , n i c h t l ä n g e r m i t W o r t e n dich h a l t e n d . N u r aus d i c k e m G e w ö l k , das h o c h auf e i n a n d e r g c t l i ü n j i t ist, M a g sich e r z e u g e n der B l i t z ; nie f ä h r t er v o n h e i t e r e m H i m m e l , Oder aus W o l k e n h e r a b , die l e i c h t e r zerflossen u n d d ü n n sind. Jeglichen Z w e i f e l h i e r ü b e r b e n i m m t die E r f a h r u n g g e n u g s a m : D e n n es d r ä n g e n die W o l k e n sich d a n n z u s a m m e n im L u f t k r e i s Allerwärts; dafs m a n g l a u b t dem A c h e r o n seien die N ä c h t e All' entstiegen, u n d h ä t t e n e r f ü l l t die H ö h l e n des H i m m e l s : S o l c h ' ein Schreckengesiclit z u s a m m e n g e d r ä n g t e r
Gewitter
H ä n g t v o n oben herab in sclieufslichen N ä c h t e n zur E r d e , D a n n , w a n n der W e t t e r s t u r m a n f ä n g t die K e i l e z u s c h w i n g e n . O f t m a l s s t ü r z t sich im M e e r ein s c h w a r z e s G e w i t t e r g e w ö l k e ,
SECHSTES
BUCH.
v. 2 5 4 _
27p.
271
D a s w i e ein Strom von P e c h v o m H i m m e l sich s e n k e t , m i t s o l c h e r W u t h in die W o g e n , und zieht n o c h w e i t sich in düsterer N a c h t f o r t ; Schleppt den finstern O r k a n , mit B l i t z e n und Stürmen g e s c h w ä n g e r t , N a c h s i c h , am meisten doch selbst mit F e u e r und W i n d e n e r f ü l l e t ; S o , dafs am L a n d auch alles e r b e b t , und ängstlich den Schutz sucht. D a r a u s kann man e r a c h t e n , dafs hoch die G e w i t t e r am H i m m e l l i e b e r dem TIaupt uns stehn ; -sonst w ü r d e n sie nimmer die E r d e A l s o vergraben in N a c h t , w e n n W o l k e n i c h t über der W o l k e A u f g e t h ü r m e t , den T a g und das L i c h t der S o n n e verschlössen. A u c h nicht konnten sie sich so g e w a l t i g ergiefsen im F o r t z u g , A n z u s c h w e l l e n die F l ü s s e , zu Seen die F e l d e r zu machen, W ä r e der A e t h e r nicht selbst hoch angebauet mit W o l k e n . D o r t ist alles demnach mit W i n d e n und F e u e r erfüllet, U n d es entstehen die B l i t z e daher und der h ä u f i g e D o n n e r . D e n n ich lehrte bereits , dafs der W o l k e n H ö h l u n g e n v i e l e F e u e r s a a m e n enthalten; und dafs n o t h w e n d i g sie deren V i e l v o n der S o n n e G l u t auffassen und ihrer B e s t r a l u n g . H a t nun der nämliche W i n d , der z u v o r sie an einen der Orttj I r g e n d z u s a m m e n g e d r ä n g t , v i e l S a a m e n des F e u e r s erpresset, U n d sich s o g l e i c h v e r m i s c h t mit diesem F e u e r ; so dreht er, E i n g e f a n g e n d a r i n , im W i r b e l die T i e f e der W o l k e n , S c h m i e d e t daselbst den B l i t z in l i e i f s e r glühender E s s e . A u c h entzündet er sich auf d o p p e l t e W e i s e ; vom e i g n e n D r e h e n glühend g e m a c h t , u n d a n g e s t e c k t v o n der W o l k e , riat
sich der W i n d nun s t ä r k e r e r h i t z t , u n d h a t ihn das F e u e r
H e f t i g e r a n g e f a c h t , so z e r r e i f s e t er p l ö t z l i c h die W o l k e ,
272 Gleichsam
SECHSTES
BUCH.
V. 2ß0 — 305-
jetzo g e r e i f t ; und schleudert? den g l ü h e n d e n S t r a l hin,
Welcher mit S c h i m m e r u m h e r die ganze Gegend erleuchtet. Drauf erfolget der h e f t i g e S c h l a g , dafs die Veste des H i m m e l s Scheint auseinander g e s p r e n g t , u n d nieder zur E r d e zu stürzen. Tiefes E r z i t t e r n d u r c h d r i n g e t das L a n d ; duihpf rollen die D o n n e r D u r c h die G e w ö l b e des H i m m e l s ; das ganze v e r e i n t e G e w i t t e r Beht erschüttert a l s d a n n , und h e f t i g e r b r ü l l e n die D o n n e r . Auf die Erschütterung f o l g t der s c h w e r sich ergiefsende R e g e n , , D a f s es s c h e i n t , ob in R e g e n sich ganz v e r w a n d l e der Aether, S t ü r z e n d mit jäher G e w a l t z u r ü c k z u r u f e n die Sündilut. Solcher T u m u l t e n t s t e h t , w a n n zerbirst u r p l ö t z l i c h die W o l k e , Und ihr der Sturm e n t f ä h r t , und der B l i t z sich schleudert zur Erde. Auch noch t r ä g t es sich zu , dafs ein h e f t i g e r äufserer W i n d s t o l s Hoch auf die W o l k e t r i f f t , die s c h w e r von B l i t z e n schon reif ist. W a n n er sie n u n z e r r e i f s t , so f ä l l t u r p l ö t z l i c h aus solcher Jener f e u r i g e S t r u d e l , den W e t t e r l e u c h t e n w i r n e n n e n : Auch von mehreren S e i t e n g e s c h i e h t ' s , w o h i n nur der Stöfs t r i f t . Oft e r e i g n e t sich a u c h , dafs , ohne F e u e r entstürzend, Erst im R ä u m e der W i n d sich entzündet auf längerem W e g e : W e n n er auf seiner F a h r t v i e l l e i c h t die gröberen T h e i l e Absetzt, w e l c h e die L u f t so schnell n i c h t können d u r c h d r i n g e n ; Andre dagegen e n t f ü h r t , die er selbst entreibet den L ü f t e n ; K l e i n e r e , die s i c h , mit i h m v e r m i s c h t , entzünden im F l u g e . F a s t auf die nämliche Art w i e die bleierne K u g e l e r g l ü h e t , F e r n e getrieben , indem sie verläfst die starrenden T h e i l e In dem s c h n e l l e r e n L a u f , und F e u e r f a n g e t in L ü f t e n .
SECHSTES
BUCH.
v.
306^-331.
275
Auch des Stofses Gewalt kann oftmals Feuer e r w e c k e n , S c h l a g e t , ob selbst gleich k a l t , der W i n d mit g e w a l t i g e r M a c h t a n ; Denn sein h e f t i g e r Streich kann selber die StoiFc des F e u e r s Aus ihm treiben z u s a m m e n , z u g l e i c h auch jene des Körpers, W e l c h e r den Schlag e r h i e l t : so entfliegt das Feuer den Steinen, Schlägt man mit Eisen d a r a n ; und ist schon selber das Eisen Kalter N a t u r , so treffen die Saamen des f e u r i g e n F u n k e n s Doch zusammen beim S c h l a g ' : und eben so w i r d von dem Blitzschlag Alles entzündet, w a s nur entzündbar und fähig der F l a m m ' ist. Aber so ganz und gar läfst dennoch der h e f t i g e W i n d nicht Kalt sich d e n k e n , der oben herab mit solcher Gewalt f ä h r t , , S o l l t ' auch zuvor er sich nicht im L a u f e mit Feuer entzünden, Kömmt er doch immer e r w ä r m t , und vermischt mit f e u r i g e m Stoff an. Alier des Blitzes durchdringende Kraft, sein h e f t i g e r S c h l a g , k ö m m t , Und sein eilender F l u g mit dem er zur Erde herabstürzt, D a h e r , w e i l sich zuvor die erregete Kraft in den W o l k e n Schon g e s a m m e l t , und nun anstrebt, zum g e w a l t i g e n Ausbruch. Kann die W o l k e darauf nicht halten den wachsenden Zudrang, D r ü c k t er sich los, und entflieht mit demselben g e w a l t i g e n F o r t s c h u f s , W i e aus grobem Geschütze geschnellt hinfliegen die L a s t e n . Setze noch diesem h i n z u , dafs der B l i t z aus kleinen und g l a t t e n Urelementen b e s t e h t , die nicht leicht Hindernifs finden, D a sie den engesten R a u m d u r c h s c h l ü p f e n und solchen d u r c h d r i n g e n : F o l g l i c h kann er auch n i c h t bei der D i n g e mehrerem Obstand Zaudernd v e r w e i l e n ; er stürzt v i e l m e h r im e i l i g s t e n F l u g hin. Ferner,- jedes G e w i c h t t r e i b t a b w ä r t s s e i n e r N a t u r n a c h ; Lucret. I .
35
274
SECHSTES
BÜCH.
v. 3 3 2 — 357-
Kommt zu diesem a n n o c h ein äufserer h e f t i g e r Anstois, Wird die G e s c h w i n d i g k e i t nur v e r d o p p e l t , verstärket der AntrieL. Ileft'ger zerschmettert es dann und schneller w a s irgend im L a u f e Ihm entgegen sich s e t z t , und hindert die B a h n zu verfolgen. E n d l i c h , was f e r n h e r kömmt mit h e f t i g e m T r i e b e , das legt sich S c h n e l l i g k e i t z u , die sich immer vermehrt und w ä c h s t im F o r t g a n g , Neue K r ä f t e g e w i n n t , und des Schlages S t ä r k e vergröfsert. D e n n es werden dadurch die sämmtliclien Stoffe des D i n g e s Gleichsam nach E i n e m Z i e l in gerader R i c h t u n g g e t r i e b e n ; D r ä n g e n sich alle d a h i n , und w i r b e l n im selbigen L a u f e . M a g es auch sein, dafs der B l i t z aus der L u f t n o c h mancherlei anzieht, D a s durch h e f t i g e n T r i e b die eigene S c h n e l l e vermehret. Unversehrend durchdringet er auch noch viele der K ö r p e r , L ä s s e t sie u n b e s c h ä d i g t , indem das flüssige F e u e r Schlüpft durch die P o r e n ; zerschlägt auch viele, w a n n Stoffe des B l i t z e s Selber treffen a u f d i e , durch die ihr G e w e b e sich f e s t h i e l t . L e i c h t zerschmiltzt er das E r z , und löst auch p l ö t z l i c h das Gold a u f ; D e n n sein W e s e n besteht aus glatten und w i n z i g e n Stoffen, Von der subtilsten N a t u r , die l e i c h t e i n d r i n g e n ; und sind sie Eingedrungen , e r w e i t e r n und lösen sie alle V e r b i n d u n g . Immer am h ä u f i g s t e n w i r d im H e r b s t e das sternengezierte Himmlische H a u s , und der K r e i s der E r d ' erschüttert vom D o n n e r : Auch wann die holde Z e i t des blühenden L e n z e s sich aufschliefst. F e u e r fehlet im W i n t e r , im S o m m e r fehlen die W i n d e , U n d der W o l k e n Gehalt ist dann von B e s t ä n d e so dicht nicht. I s t nun z w i s c h e n den beiden die H i m m e l s z e l t in der M i t t e ,
SECHSTES
BUCH.
v. 558
—583-
275
D a n n trifft jeglicher Gruiul zur E r z e u g u n g des B l i t z e s zusammen : .Denn bei dem U n t e r g a n g e des J a l n s vermischt sich m i t
Kälte,
Hitze ; die beide zusammen zum Schmieden der B l i t z e v o n n ö t h e n : D a f s durch inneren Z w i s t mit W u t aufwalle der L u f t k r e i s , U n t e r empörtem Geräusche des W i n d e s sowohl als des Feuers. Nun ist die F r ü h l i n g s z e i t des Frostes E n d e , der W ä r m e A n f a n g ; Streit daher mufs unter den D i n g e n entstehen U n g l e i c h a r t i g in ihrer N a t u r , d i e , g e m i s c h t , sich bekämpfen. G e h t nun der Sommer zu E n d ' , und beginnt von neuem der W i n t e r , D a n n erscheinet die Z e i t , die Herbst man pfleget zu nennen; U n d aufs neue bekämpfen sich dann der F r o s t und die H i t z e ; D a h e r könnten sie heifsen des J a h r s kriegführende Z e i t e n . W u n d e r ist es auch n i c h t , bei dergleichen W e c h s e l , dafs häufig B l i t z sich erzeuget, und trüb am Himmel G e w i t t e r sich a u f z i e l m ; W e i l gleich heftig auf jeglicher Seite der zweifelnde K r i e g t o b t , D o r t mit Flammen und hier mit regenvermisrheten W i n d e n . D a s nun heifst die Natur des feiierfübrenden B l i t z e s Sorgsam e r f o r s c h e n ; zu schaun, was desselben W i r k u n g und K r a f t sey : N i c h t vergeblicher W e i s e , die alten T y n l i e n e r g e s ä n g e Nachzublättern , darin der Götter verborgene D e u t u n g Auszuspüren: von w a n n e n er kam der fliegende Blitzstral, Oder w o h i n sich solcher g e w a n d t ? und w i e er durch M a l i e r n E i n g e d r u n g e n , von da mit siegender M a c h t sich e r h o b e n ? Oder was U n h e i l sonst verkünde der himmlische S t r a l n o c h ? I s t ' s , dafs I u p i t e r s e l b s t , und andere G ö t t e r , des Himmels L e u c h t e n d e T e m p e l erschüttern mit S c h r e c k e n erregendem D o n n e r ,
276
SECHSTES
BUCH.
v. 384 — 409.
Und sie das Feuer verschleudern, w o h i n es nur jedem beliebet: Warum treffen sie nicht auf den, der jedes Verbrechen Ungescheuet begeht, und lassen die flammenden Blitze Hauchen aus seiner durchbohreten Brust zum schreckenden Beispiel V Lassen jenen v i e l m e h r , der sich keiner Schande bewufst ist, Keinen Frevel b e g i n g , verstrickt in Flammen sich wälzen, Plötzlich vom wirbelnden Stral des himmlischen Feuers ergriffen ? "Warum verschwenden sie oft an verödeten Orten die B l i t z e ? E t w a die Arme zu üben dadurch, sich die Schultern zu stärken? Lassen den Donnerkeil des Vaters gegen die Erde Sich abstumpfen: er selbst läfst's z u , und spart ihn dem Feind n i c h t ? Endlich , warum w i r f t Iupiter nie vom erheiterten Himmel Seine Geschosse herab, und schüttet die Donner von da a u s ? Steigt er vielleicht erst dann, wann die W o l k e n sich untergezogen, In das Gewoge h i n a b , um näher dem Ziele zu r ü c k e n ? Warum blitzt er ins M e e r ? w a s haben ihm immer die W o g e n , Und die flüssige Masse gethan., und die. schwimmenden F e l d e r ? Ist's sein W i l l e jedoch, dafs entgehen w i r sollen dem Blitzstral, Warum stehet er a n , zu zeigen i h n , eh' er ihn los schnellt? W i l l er uns unversehens jedoch mit dem Feuer ersticken, Warum donnert er dort, w a n n hier w i r vermeiden es können? W a r u m erregt er zuvor N a c h t , B r a u s e n , und rauschendes M u r m e l n ? Kannst, du begreifen, w i e immer zugleich er an mehreren Orten Seine Blitze verschiefst? nicht läfst sich die Sache doch leugnen, Dafs zur selbigen Zeit an mehreren Orten es einschlägt. Häufig ereignet sich das, und mufs sich auch öfters ereignen;
SECHSTES
BUCH.
v . 4 1 0 — 435.
277
So vrie zur nämlichen Z e i t an mehreren Orten der R e g e n , D a f s auch zur nämlichen Z e i t an mehreren Orten der B l i t z f ä l l t . E n d l i c h , w a r u m zerspaltet er doch die heiligen T e m p e l , J a den eigenen h e r r l i c h e n S i t z , mit feindlichem D o n n e r ? Schmettert e n t z w e i die mit K u n s t gebildeten Säulen der G o t t e r , U n d e n t w ü r d i g t sein eigenes B i l d mit schnöder V e r l e t z u n g ? W a r u m zielet er meist nach erhabenen O r t e n ? w o sieht man ¿Mehrere Spuren des F e u e r s als hoch auf den G i p f e l n der B e r g e ? U e b r i g e n s läfst es sich leicht anjetzt aus diesem erklären, W a s , nach der S a c h e s e l b s t , den P r e s t e r die G r a j e n b e n a n n t e n ; W i e er entstellt, und w i e er herab sich v o n oben ins M e e r s e n k t ; D e n n sie lassen sich o f t , g l e i c h einer hangenden S ä u l e , N i e d e r v o m H i m m e l ins M e e r ; und rings um k o c h e t der M e e r s u n d A u f unter i h n e n , erregt von h e f t i g brausenden S t ü r m e n : U n d w i r d irgend e i n ' S c h i f f e r g r i f f e n v o m m ä c h t i g e n A u f r u h r , K ö m m t es, geschleudert umher, in die ä u f s e r s t e N o t h und B e d r ä n g n i f s . D i e s e s e n t s t e h t , w a n n ein h e f t i g e r W i n d z u w e i l e n n i c h t M a c h t h a t , D u r c h z u b r e c h e n die W o l k e , die er e r g r i f f e n ; sie nieder D r ü c k t , dafs sie stehet im M e e r , w i e eine v o m H i m m e l g e l a f s n e S ä u l e : so eben als w a n n mit F ä u s t e n und Armen von oben E t w a s h i n u n t e r gedrängt sich ü b e r die W o g e n verbreite. H a t nun die W o l k e zerrissen d e r W i n d , so stürzt er mit M a c h t l i i n U e b e r die F l u t , und e r r e g t ein g e w a l t i g e s B r a u s e n und K o c h e n . D e n n es f ä h r e t z u g l e i c h a b w ä r t s sich d r e h e n d der W i r b e l M i t der W o l k e gedehnetem L e i b ; u n d h a t er die s c h w a n g ' r e N i e d e r zur M e e r e s f l ä c h e g e d r ü c k t , so stürzt er sich plötzlich
273
SECHSTES
BUCH.
v. 456 — 461.
Ganz in die Wogen h i n e i n , und w ü h l e t mit schrecklichem Brausen Alle die Fluten a u f , und treibet sie siedend zur Höhe. Auch geschiehet es w o h l , dafs solch ein wirbelnder Windstofs Wolkenstoffe der L u f t e n t r a f f t , und darein sich v e r w i c k e l t ; Und sich auf ähnliche A r t , w i e der P r e s t e r , neiget vom Himmel. H a t er die E r d ' erreicht, und löset sich plötzlich die W o l k e , Speiet er wütende W i r b e l h e r v o r , und stürmet sie von sich. Seltener doch ereignet sich das auf dem L a n d e , w o B e r g e I h m entgegenstehn; viel häufiger zeigt es sich aber T i e f auf offener S e e , w o weiter der Himmel sich aufschliefst. W ö l k e n bilden sich d a n n , wann viele der rauheren Stoffe, Schweifend umher in der oberen L u f t , schnell treten zusammen, Und in einander verhängt, obwohl nur in loser Verbindung, Dennoch zusammengedrückt sich erhalten.
Kleinere W o l k e n
Bilden sie e r s t , und fassen sich dann, und häufen sich dichter; Wachsen durch ihren Verein , und werden so lange von Winden Umgetrieben, bis jetzt das grause Gewitter erregt ist. Auch bemerken w i r o f t , je näher die G i p f e l der B e r g e Ragen zum H i m m e l , so mehr nur dampfen und rauchen sie immer, Eingehüllet in düstere N a c h t des falben Gewölkes. Und diefs rühret d a h e r , w e i l a n f a n g s , wann sich die W r olken B i l d e n , ehe das A u g ' ihr dünnes G e w e b e noch siehet, H i n sie der tragende W i n d zur höchsten Spitze des Bergs drängt: U n d so kommt es, dafs d o r t , versammelt in gröfsere H a u f e n , D i c h t und gedrängt sie sich zeigen; zugleich vom G i p f e l des Berges Scheinen emporzusteigen zum höheren Kreise der L ü f t e .
SECHSTES
BUCH.
v . 462 —
/iß7.
Selbst schon die S a c h e l e h r t ' s , dafs erhabene Orte den W i n d e n F r e i s t e h n ; auch das G e f ü h l , w a n n w i r hohe B e r g e besteigen. U e b r i g e n s , dafs die N a t u r v o n der ganzen F l ä c h e des M e e r e s Theilchen treibet e m p o r , b e z e u g e n die T i i c h e r am U f e r A u s g e s p a n n e t , die an sich ziehn die verdünstete N ä s s e : M e h r e r e k ö n n e n demnach, w i e es scheint, von der s c h w a n k e n d e n S a l z l l u t A u f zu den W o l k e n s t e i g e n , w o d u r c h sich b e f ö r d e r t ihr A n w u c h s ; D e n n auf ähnliche A r t verdunstet die F e u c h t i g k e i t alle. H ä u f i g sehen w i r auch von F l ü s s e n , ja selbst v o n der E r d e N e b e l und D u n s t a u f s t e i g e n , der sieb w i e ein H a u c h von denselben A u s g e p r e s s e t e r h e b t , den H i m m e l umziehet mit D u n k e l , U n d allmählig v e r e i n t in der H ö h e die W o l k e n v e r s t ä r k e t : A u c h drückt oben herab der T r i e b des gestirneten Aethers, D r ä n g e t sie dichter h i n a n , sein B l a u u n t e r w e b e n d mit W o l k e n . M ö g e n an diesen sich noch anschliefsen die K ö r p e r von aufseil. W e l c h e die W o l k e n bilden uud schaffen die
fliegenden
Dünste.
D e n n , dafs sie u n e r m e f s l i c h an Z a h l , unendlich an S u m m e D o r t in den T i e f e n s i n d , das hab ich g e l e h r e t ;
gezeiget
Ihren behenden F l u g , u n d mit w e l c h e r S c h n e l l e die K ö r p e r P f l e g e n h i n a b z u s c h i e f s e n durch unzuermessende R ä u m e . W u n d r e dahero dich n i c h t , w a n n öfters im kürzesten Z e i t r a u m U n g e h e u r e G e b i r g ' , und M e e r ' , u n d L ä n d e r der E r d e , U e b e r h a n g e n d e N ä c h t ' und G e w i t t e r w o l k e n u m z i e h e n ; W e i l doch von allen S e i t e n , durch alle K a n ä l e des A e t h e r s , Gleichsam durch alle R ö h r e n der L u f t des u n e n d l i c h e n W e l t b a u s , E i n und auszugehen den U r s t o f f s k ö r p e r n v e r g ö n n t ist.
280
SECHSTES
RUCH.
v.
4ßß
A u f , ich erkläre dir n u n , w i e die R e g e n n ä s s e sich sammle Hoch
in den W o l k e n , und w i e der fliefsende R e g e n zur E r d e
Nieder sich stürze.
Z u e r s t e r w e i s ' i c h , dafs Saamen des W a s s e r s
Sich mit den W o l k e n z u g l e i c h aus allen vorhandenen D i n g e n H ä u f i g e r h e b e n , u n d dafs sie z u g l e i c h anwachsen die b e i d e n ; Nämlich die W o l k e n und das in den W o l k e n e n t h a l t e n e W a s s e r ; So w i e z u g l e i c h mit dem Körper a n w ä c h s t die M a s s e des Blutes,. .. W i e auch der S c h w e i f s und j e g l i c h e r S a f t in den Gliedern b e f i n d l i c h . Oftmals saugen sie a u c h , von den W i n d e n über die M e e r e H i n g e t r i e b e n , auf Art w i e h a n g e n d e w o l l i g e Y l i e f s e , F e u c h t i g k e i t ein von dem M e e r ; auf eben d i e s e l b i g e W e i s e Hebt sich von allen
Flüssen empor zu den W o l k e n die N ä s s e ;
Haben in M e n g e sich nun und von allen Seiten vereinet Saamen des W a s s e r s , so läfst das a n g e s t o p f t e G e w ö l k e Nun aus doppeltem Grund den Voxrath f a l l e n zur E r d e i N ä m l i c h , es drängt die G e w a l t des W i n d e s sie engex zusammen, Und der w a c h s e n d e Z w a n g sich stets a n h ä u f e n d e r D u n s t e D r ü c k t sie von oben h e r a b , und macht entströmen den R e g e n , F e r n e r , w a n n jetzo der W i n d v e r d ü n n e t die W o l k e n , die S o n n e Stralen darauf v e r s c h i e f s t , auflösend dieselben durch H i t z e , Lassen das R e g e n n ä f s sie f a l l e n in T r o p f e n ; w i e über W r ävmendem F e u e r das W a c h s z e r s c h m i l z t , und h ä u f i g herabfliegst. H e f t i g e r Regengufs e n t s t e h t , w a n n den W o l k e n sich beides A u f d r ü c k t , eigene L a s t und Stöfs des g e w a l t i g e n W i n d e s . L a n g a n h a l t e n d e Regen ereignen g e w ö h n l i c h sich dann nur, W a n n sich die h a u f e n w e i s zusammengeflossenen Stoffe
SECHSTES
BUCH.
v. 5 1 4 — 53p.
Wassers, und W ö l k ' auf W ö l k ' , und immer triefende
Nebel,.
W e i t hinziehen, herbei von jeglichem Ende getrieben; S o , dafs die E r d e , die d a m p f t , zurück haucht wieder die Nässe. Schimmertnun, zwischen dem dunkeln Gewitter, die stralende Sonne Grad' entgegen allhier dem niederträufelnden Regen, Dann entsteht in dem schwarzen G e w ö l k ' der farbige o Bogen. 0 Alles das übrige noch, was hoch sich erzeuget im L u f t r a u m , Was sich in Wolken vereint, und allda sich bildet: als Hagel, W i n d und Schnee und gefrorener R e i f und des Eises G e w a l t k r a f t , Welche die Wasser erhärtet, und zähmt im L a u f e die Flüsse, Alles dieses ist leicht zu erspüren, dem Sinne des Forschers E i n z u s e h e n , w i e alles geschieht, und wodurch es erzeugt w i r d ; Wann du genauer die K r a f t ursprünglichen Stoffes erkannt hast. A u f , und vernehme du jetzt den Grund des Erbebens der E r d e : Suche vor allem jedoch dir einzuprägen, dafs unten Eben so sey w i e oben beschaffen die E r d e ; mit Höhlen Ausgefüllt voll W i n d e n , mit Seen und stehenden Sümpfen, D i e sie im Schoofse trägt, mit Gestein, und gespaltenen Felsen. V i e l der verborgenen Ströme, mit Macht fortwälzend die W o g e n , Magst du unter dem Rücken der E r d ' , in den T i e f e n , dir denken: Denn dafs in allem die E r d e sich gleich s e y , fodert die Sache. Haben w i r dieses einmal zum Grund der Erscheinung geleget, So erbebet der E r d e R a n d , w a n n mächtiger E,insturz T i e f sie erschüttert; die Z e i t die ungeheueren Höhlen Untergrabend zerstört.
D a stürzen dann B e r g e zusammen,
U n d vom gewaltigen Sturz w a l l t weithin schnelles Erschüttern. Lttcret. I.
¿¡6
2ß2
SECHSTES
BUCH.
v. 540 —
565.
A u c h kein W u n d e r ; v o n leiclit b e f r a c h t e t e n W a g e n erzittern Ganze Iliiuser ja schon an n a h a n l i e g e n d e r S t r a f s e ; Ja sie h ü p f e n e m p o r , w a n n schneller getrieben die R o s s e Rasselnd erschüttern den W a g e n mit E i s e n b e s c h l a g e n e n R ä d e r n . A u c h ist m ö g l i c h der F a l l , w e n n das A l t e r . g e w a l t i g e ¡Massen W ä l z t von der E r d e hinab in die w e i t e n und mächtigen Seeen, D a f s v o m G e w o g e der F l u t a u f w a l l e die s c h w a n k e n d e E r d e : E b e n so w i e ein Gefäfs nicht fest k a n n s t e h e n , b e v o r n i c h t D a s enthaltene N a f s nachläfst im Z w e i f e l 7,11 s c h w a n k e n . H a t sich nun ferner der W i n d in den unteren H ö h l e n der E r d e A n g e h ä u f e t , und stürzt er mit M a c h t nach einer der Seiten, Sich mit gedrängter G e w a l t entgegenstemmend der W ö l l m r g ; D a n n sinkt ein der B o d e n s e l b s t , w o die vorderste K r a f t d r ü c k t : Jene Gebäude s o d a n n , die allhier aufstehen der E r d e , U n d am meisten die h o c h a u f r a g e n empor z u dem H i m m e l , N e i g e n sich sinkend h i n , und hängen nach selbiger S e i t e : A u c h das v e r s c h o b n e G e b ä l k hängt v o r , und drohet zu stürzen. U n d doch s c h e u e t man sich zu g l a u b e n , dem W e l t e n g e b ä u d e Steh' ein T a g noch b e v o r des U n t e r g a n g s und V e r d e r b e n s ; D a einsinken man sieht so g e w a l t i g e M a s s e n der E r d e ? L i e f s e z u w e i l e n n i c h t nach der H a u c h der W i n d e , so könnte Nichts das V e r d e r b e n h e m m e n , v o m U n t e r g ä n g e die D i n g e N i c h t s erretten: j e d o c h , da w e c h s e l s w e i s c die W i n d e B a l d verstärken die M a c h t , bald r ü c k w ä r t s w i e d e r u m einziehn, G l e i c h s a m sich sammeln zur F l u c h t , und z u r ü c k g e s c h l a g e n sich w e n d e n , D r o h e t h ä u f i g e r noch , als er w i r k l i c h e r f o l g e t der E i n s t u r z :
SECHSTES
BUCH.
v. 566 —
5,
283
D e n n erst n e i g e t die E r d e sich v o r , dann b e u g t sie sich r ü c k w ä r t s , N i m m t n u n w i e d e r z u l e t z t d u r c h eigene S c h w e r e den R u h p u n k t . D a h e r s c h w a n k e n d e n n a u c h die I l ä u s e r a l l e ; die h o h e n M e h r als die m i t t l e r e n n o c h , am m i n d e s t e n aber die n i e d e r n . A u c h d i e n t f o l g e n d e s n o c h zum G r u n d e des grofsen E r b e b e n s : W a n n mit g e w a l t i g e r K r a f t ein W i n d s t ö f s oder ein L u f t z u g , Sey es von aufsen her , sey's selbst aus dem I n n e r n der E r d e , P l ö t z l i c h h i n e i n sich w i r f t i n i h r e geliohleten T i e f e n , U n d in den w e i t e n H ö h l u n g e n da z u v o r m i t T u m u l t b r a u s t , T r e i b t er sich k r e i s e n d u m h e r ; b r i c h t n a c h m a l s , h a t sich der Z u d r a n g H e f t ' g e r e r r e g t , h e r v o r m i t G e w a l t , u n d s p a l t e t des E r d r e i c h s T i e f e n zugleich , u n d reifst r i n g s u m sich den m ä c h t i g e n S c h l u n d auf. Solch' ein U n f a l l traf elimals das s y r i s c h e S i d o n , Aegiuin auch im P e l o p o n n e s .
W i e so m ä c h t i g e S t ä d t e
H a t er zerstöret der L u f t a u s b r u c h u n d der h e f t i g e E r d s t o f s , W e l c h e r darauf e r f o l g t ' ! es fielen so m a n c h e der V e s t e n U n t e r der E r d e g e w a l t i g e m S t ö f s ; so m a n c h e der S t ä d t e H a b e n v e r s c h l u n g e n die T i e f e n des M e e r ' s , sammt i h r e n B e w o h n e r n . B r i c h t er auch selbst n i c h t a u s , so d r i n g e t des O d e m s G e w a l t d o c h , U n d u n b ä n d i g e r W i n d , d u r c h h ä u f i g e Gänge der E r d e , W i e ein v e r b o r g e n e r S c h a u d e r e m p o r , u n d s c h ü t t e l t mit M a c h t s i e : W i e w a n n der F r o s t e i n d r i n g t in u n s e r e G l i e d e r , er solche U n w i l l k ü h r l i c h e r s c h ü t t e r t , dafs s c h a u d e r n sie müssen u n d b e b e n . Z w i e f a c h E n t s e t z e n e r g r e i f e t a l s d a n n die z a g e n d e n S t ä d t e r ; O b e n vom S t u r z e der H ä u s e r , u n d u n t e n als m ö c h t e der E r d e H ö h l e n m i t e i n e m m a l die N a t u r a u f r e i f s e n , d e n w e i t e n
284
SECHSTES
BUCH.
v. 592
Schlund auseinander z i e h n , u n d i h n f ü l l e n mit i h r e n R u i n e n . M ö g e n sie i m m e r d a h e r n o c h w ä h n e n , dafs H i m m e l u n d E r d e U n z u v e r d e r b e n d s e y e n , v e r t r a u t der e w i g e n W o h l f a h r t ; D e n n o c h l e g e t z u w e i l e n die M a c h t der n a h e n G e f a h r selbst I r g e n d aus e i n e r F u r c h t den S t a c h e l n o c h u n t e r , " es m ö c h t e Stracks e n t z o g e n d e n F ü f s e n h i n u n t e r sich s t ü r z e n die E r d e . T i e f in den S c h l u n d , u n d ihr n a c h die sämmtliche R e i h e der D i n g o F o l g e n , n u r E i n R u i n der v e r w o r r e n e H a u f e der W e l t seyn. N u n zu der F r a g e , w a r u m das M e e r an Gröfse n i c h t z u n i m m t ? Z w a r v e r w u n d e r t man s i c h , dafs die M a s s e desselben n i c h t a n w ä c h s t , Bei dem n a t ü r l i c h e n L a u f e so viel z u s t r ö m e n d e r W a s s e r , Aller sich ü b e r a l l in das M e e r e r g i e f s e n d e n F l ü s s e . N i m m n o c h die z i e h e n d e n R e g e n , u m h e r z e r s t r e u t e G e w i t t e r , W e l c h e L ä n d e r und M e e r d u r c h w ä s s e r n , und solche begiefsen ; N i m m n o c h die e i g e n e n Q u e l l e n : d o c h ist diefs alles ein T r o p f e n K a u m , die M a s s e des M e e r s , das G a n z e d a m i t zu v e r m e h r e n : W u n d r e dich m i n d e r d a h e r , dafs das M e e r an G r ö f s e n i c h t z u n i m m t . E i n e n b e t r ä c h t l i c h e n T h e i l e n t z i e h e t i h m f e r n e r die S o n n e : Sehen w i r n i c h t , dafs diese die n ä s s e t r i e f e n d e n K l e i d e r Aussaugt m i t dem v e r t r o c k n e n d e n S t r a l u n d d e n b r e n n e n d e n G i u t e n ? Aber g r o f s , w i e w i r s e h n , w e i t u n t e r g e b r e i t e t der S o n n e , L i e g e t das M e e r ; so w e n i g am e i n z e l n e n O r t e die S o n n e A u f l e c k t , trägt sie d o c h v i e l von dein g r o f s e n u n d m ä c h t i g e n R a u m f o r t . W i n d e mögen a u c h n o c h , d u r c h k e h r e n d die w ä s s e r n e n P l ä n e n , K e i n e n g e r i n g e n T h e i l der M e e r e s w o g e n e n t f ü h r e n . T r o c k n e n in einer N a c h t sie d o c h o f t m a l s S t r a f s e n u n d W e g a u f ,
SECHSTES
BUCH.
v. 6 1 8 — 645.
£
U n d verdicken den Schlamm mit einer verhärteten Kruste. Ferner lehret' ich schon, dafs die W o l k e n häufige Nässe, Aus dem Meere g e s c h ö p f t , forttragen über die Erde, Und sie verspritzen in jeglicliem L a n d ; sobald sich der Regen Aus dem Windegetragnem G e w ö l k ' ergiefst auf die Erde. Endlich ist ja die E r d ' ein lockerer K ö r p e r , verbunden Ueberall mit dem M e e r , das von allen Seiten sie einschliefst: Folglich m u f s , w i e das M e e r empfanget die W a s s e r der E r d e , Wieder die salzige F l u t zurück in die E r d e sie f ü h r e n : D e n n der salzige Stoff w i r d abgeseihet, des Wassers E i g n e r Bestand iliefst d u r c h , sich sammelnd zu Quellen der F l ü s s e ; W e l c h e die E i d ' alsdann, dunchsirömen im lieblichen
Zuge,
D a w o sich einmal die F l u t die nassen F f a d e gebahnt hat. W a s nun die Ursach s e y , warum die Schlünde des Aetna M i t so gewaltiger W u t aushauchen die wirbelnden Flammen, D a s erklär' ich dir jetzt: denn nicht aus Rache der Götter I l a t die sikulischen Fluren verheert das Flammengewitter, U n d mit Entsetzen erfüllt die nahangrenzenden V ö l k e r : Als sie sahen umher die rauchenden Ilimmelseewölbe o F u n k e n sprühen, und bang vor E r w a r t e n jedem das I l e r z schlug ; W e l c h ein neues Geschick die Natur den Dingen bereite! D i n g e von dieser Art erfodern den tieferen Hinblick, U n d dafs weiter den Sinn nach jeglicher Seite man richte; Stets sich erinnere, grois sey dieses Gesammte des Weltraums ; D e n k e , w i e gegen ihn E i n Himmel nur so gering sey, Kaum so viel als ein Mensch zu dem Ganzen umfassenden Erdkreis.
SECHSTES
BUCH.
v. 644 — 669.
Hast flu dieses genau in's A u g e gefafst und erwogen, Wird dein Staunen hinfort bei mehreren D i n g e n sich mindern. Wundert sich einer von u n s , wann wallendes B l u t in den Adern Hitziges Fieber erregt, und irgend auch andere Krankheit, Welche den Schmerz in den Gliedern erzeugt ? Ihm scliwillet der F u f s an Plötzlich ; den andern befällt ein heftiges L e i d e n der Zähne, Oder es geht selbst über ins A u g ' : es ¡zeigt sich das heil'ge F e u e r , schleicht durch den L e i b , und brennet in jeglichem Gliede, D a s es ergreift: dehn es giebt ja Stoffe zu mancherlei D i n g e n ; Himmel und E r d ' ist voll von bösem verderblichen Ausflufs, D r a u s gar leiclitlich die Macht unendlicher U e b e l erwachset. Aelinlicher W e i s e strömt wahrscheinlich dem H i m m e l , der E r d e , Aus unendlichem R a u m hinlängliche F ü l l e des Stoffs zu, D e r zu erschüttern vermag mit schnellem Erbeben die E r d e , D e r , als ein reifsender W i r b e l , durchjaget die L ä n d e r und Meere Ueberschwellen macht die Feuerschlünde des Aetna, Und in Flammen den Himmel versetzt: denn dieses geschieht auch, Und es erglüht sein hohes Gewölb.
Auf eben die W e i s e
Werden die R e g e n w e t t e r entstehn bei stärkerem Zudrang, Wann zufällig sich also der Saamen des Wassers gehäuft hat. Aber, sagst d u , zu grofs ist die Glut des wirbelnden Brandes, Scheint nicht jenem der F l u f s der gröfseste , welcher den gröfsern Niemals gesehn? so scheinet ein B a u m , so scheinet ein M e n s c h , dem Ungeheuer und g r o f s , w i e D i n g e von jeglicher Gattung, D e r nie ¡¡röfsere sah: und was ist dieses doch alles, W a s ist Himmel und Erd' und M e e r , mit allem dem U m f a n g ,
S E C H S T E S
BUCH.
r . 670 —
69j.
2Ö7
Gegen die S u m m e der S u m m e des unzuermessenden G a n z e n ? A b e r anjetzt erklär' ich dir n o c h , w i e , plötzlich erreget, A e t n a die F l a m m ' ausbläfst aus den ungeheueren E s s e n . U n t e r g e l i ö h l e t v o r e r s t , ist die sämmtliche M a s s e des B e r g e s , Stützt beinahe sich ganz auf F e l s e n g e w ö l b e : mit L u f t sind U n d mit W i n d e n e r f ü l l t die H ö h l u n g e n a l l e ; denn W i n d e W e r d e n e r z e u g t , w a n n h e f t i g erregt und getrieben die L u f t w i r d . S i n d sie nun h e i f s , und haben erhitzt durch w ü t e n d e n U m t r i e b F e l s und G e s t e i n , u n d w a s sie b e r ü h r t ; u n d haben sie F e u e r A u s g e s c h l a g e n aus diesen mit schnell h i n r e i s s e n d e n F l a m m e n , H e b e n sie grad sich e m p o r , und s c h i e f s e n aus S c h l ü n d e n des B e r g e s W i r h e i n d e Gluten h i n a u f , und weithinfliegende
Asche;
W ä l z e n Säulen von R a u c h in dickeres D u n k e l gehiillet, F e l s e n z u g l e i c h ausschleudernd v o n ungeheueren L a s t e n ; D a s h i n l ä n g l i c h die M a c h t u n b ä n d i g e r L ü f t e b e w e i s e t . U e b r i g e n s brechen sich auch a m . F u f s e dcsselbigen B e r g e s G r o f s e n T h e i l e s die F l u t e n des M e e r ' s , und lösen die B r a n d u n g H i e r , v o m M e e r e , nun a n , bis h o c h zu den S c h l ü n d e n des B e r g e s , S t e i g e n v o n unten h i n a u f die H ö h l u n g e n : selber die S a c h e L e h r t , dafs von h i e r h i n a u f , bei des M e e r e s f r e i e r e m Z u g a n g , O f f e n stehe der W e g ; nun auszublasen die S t r ö m e , A u f z u t r e i b e n die F l a m m e n ,
e m p o r zu schleudern die F e l s e n ,
G a n z e W o l k e n von S a n d zu h e b e n , und v o n sich zu stofsen. D e n n an dem G i p f e l des B e r g s ' sind K r a t e r s , w i e sie sie n e n n e n ; D i e in unserer S p r a c h e die M ü n d u n g e n , S c h l ü n d e , benannt sind. E i n i g e D i n g e giebt's , v o n denen man mehrere Gründe
233
SECHSTES
BUCH.
v . 696 — 7 2 1 .
Mufs angeben ; ist einer auch nur der richtige , wahre. Sielist du von ferne liegen den Körper eines Entseelten, Magst du vielleicht die A r t e n , die möglichen a l l e , des Todes Nennen , damit die E i n e , die w a h r e desselben , du angiebst. Ob ihm vielleicht das S c h w e r t , ob der Frost den T o d ihm gegeben, Oder auch K r a n k h e i t , oder ein G i f t , läfst nicht sich erweifsen;-. E t w a s von dieser A r t , w i r wissen e s , ist ihm begegnet: E b e n verhält es sich so bei mehreren anderen D i n g e n . E i n z i g in seiner A r t , und der F l u i s des ganzen A e g y p t u s , Schwillt im Sommer der N i l , und überschwemmet die F e l d e r : M e i s t durchwässert er nur das L a n d in der brennenden H i t z e ; W e i l zur selbigen .Zeit N o r d w i n d e gegen die M ü n d u n g A n w e h n , die man alsdann etesische W i n d e benennet: Diese halten zurück den F l u f s , und drängen die W o g e n A u f w ä r t s ; schwellen sie a n , und zwingen dieselben zum Stillstehn. Denn kein Z w e i f e l ist d a , dafs der Hauch der W i n d e sich treibe Gegen des Stromes L a u f , von des Nordpols eisiger A x e : E r hingegen entfleufst dem südlichen S t r i c h e , vom Auster Her, det- mit Farbe durchkocht die schwarzen Geschlechter, der Menschen, Nehmend den Ursprung w e i t in den Mittelbezirken des Tages. Möglich könnt' es auch seyn, dafs von Sand sich ein mächtiger Anwuchs Gegen die Mündungen dämmt, und den L a u f der Fluten zurückhält; W a n n , von Winden e r r e g e t , das M e e r denselben hineinstürzt; D e n n er benimmt dem Strome dadurch den freieren Ausflufs, U n d der regere F a l l der W o g e n vermindert sich merklich. M a g es auch s e y n , dafs alsdann um des Flusses Quellen die R e g e n
S E C H S T E S
BUCH.
v. 722 —
747.
289
H ä u f i g e r f a l l e n ; zur Z e i t w a n n des Nords etesische H a u c h e A l l e s G e w ö l k h i n j a g e n nach jenem südlichen Striche. N ä m l i c h , indem die W o l k e n der W i n d in die Gegend des M i t t a g s H i n w i r f t , sammeln sie s i c h , u n d w e r d e n um hohe G e b i r g e E n g e r zusammengedrängt, w o der W i n d auf dieselben m i t M a c l i t s t ö f s t K o m m t sein s c h w e l l e n d e r W u c h s vielleicht v o n erhabenen B e r g e n Aetliiopieris h e r ; w o die allbeleuchtende Sonne M i t dem schmelzenden Stral den Schnee in die F e l d e r h i n a b z w i n g t ? A u f , und lafs dir anjetzt die O e r t e r und Sceen erklären, D i e man avernische n e n n t ; die N a t u r und B e s c h a f f e n h e i t dieser. D a f s man avernische solche b e n e n n t , entspringt aus der Sache E i g n e n Beschafferrheit^ wreit f e i n d s e l i g dftti V ö g e l n i h r H a u c h i s t ; W e l c h e , so bald sie im F l u g ' hierher an die O r t e gelangen, Ihrer R u d e r v e r g e s s e n , und streichen die Segel der F l ü g e l ; L a s s e n den N a c k e n s i n k e n , und stürzen gerade zur E r d e , O d e r in's W r asser hinab , w a n n unten der See sich verbreitet. A l s o hei K u m ä der O r t ; w o s c l i w e f e l e r f i i l l e t e B e r g e D a m p f e n , in ihrem Schoose v o n heifsen Q u e l l e n genähret. Tn den B e z i r k e n A t h e n s ist eben ein solcher zu f i n d e n , H o c h auf dem G i p f e l der B u r g , beim T e m p e l der g ö t t l i c h e n Pallas : N i e m a l s s c h w i n g e n dahin sich im F l u g e die heiseren Krähen, Selbst nicht w a n n der Altar v o n O p f e r g a b e n empor r a u c h t ; So sehr scheuen sie h i e r , nicht e t w a den E i f e r der Pallas O b dei genauen W a c h t , w i e die grajischen D i c h t e r es sangen, Sondern des Ortes N a t u r e r z e u g e t v o n selber die W i r k u n g . A u c h in S y r i e n soll den O r t man s e h e n , w o gröfs're Lucrct.
I.
V7
SECHSTES
BUCH.
v. 740 — 773-
T h i c r c sogar, sobald, sie den F u f s h i n s e t z e n , zur E r d e Nieder sie w i r f t des H a u c h e s G e w a l t ; nicht anders als fielen Unterirdischen Göttern sie schnell ein geschlachtetes Opfer. A l l e s (fieses e n t s p r i n g t aus Llofsen natürlichen Gründen, U n d h i n l ä n g l i c h e r h e l l e t der Q u e l l , aus w e l c h e m es lierfliefst, D a f s nicht e t w a man g l a u b t , es s e y e n die P f o r t e n des Orkus I i i e r zur S t ä t t e gesetzt; durch w e l c h e die Götter des Abgrunds N a c h m a l s zögen hinab an des Acherons U f e r die S e e l e n : So w i e man oftmals g l a u b t , dafs die
flügelfüfsigen
Hirsche
Z ö goe n aus L ö c h e r n hervor mit der Nase der S c h l a CT n g e n Geschlechter. Aber w i e w e i t entfernet diefs sey von j e g l i c h e m Grunde W i l l ich dir zeigen
aiijctzt,
die Sache selber erörternd!
Erstlich sag' ich 6s n o c h , w a s oft ich g e s a g e t zuvor schon, D a f s in der Erde F i g u r e n der Stoffe von allerlei Art s i n d ; V i e l e zur N a h r u n g bequem und heilsam , andere w i e d e r , K r a n k h e i t , selber sogar den T o d , zu befördern vermögend. E i n i g e s i n d , w i e ich oben g e z e i g t , den lebenden W e s e n D i e n l i c h e r , mehr als a n d r e , zur U n t e r h a l t u n g des L e b e n s ; . Ob der V e r s c h i e d e n h e i t i h r e r N a t u r , dem v e r s c h i e d n e n Gewebe, D a s sie zusammen h ä l t , u n d der Form a n f ä n g l i c h e r Stoffe. ' r» M a n c h e s tönt uns w-idrig ins O h r ; dem Gerüche der Nase Ist gar manches z u w i d e r , und r a u h und scharf dem G e f ü h l e ; A u c h nicht w e n i g e s ist zu betasten g e f ä h r l i c h , und andres Ist f ü r das Auge zu sclieu'n , dem Geschmack ein anderes ekel. Z e i g t die E r f a h r u n g es n i c h t , dafs m e h r e r e D i n g e dem M e n s c h e n S o n d e r l i c h f e i n d l i c h s i n d , und E k e l erregend den S i n n e n ?
SECHSTES
BUCH.
v. 774 — 799.
o^i
Bäume gewisser Art sind so von beschwerlichem Aushauch, Dafs es empfindlichen Schmerz jedwedem im Haupte verursacht, Welcher sich unbesorgt hinlagert im Schatten derselben. Ferner findet man noch auf des Helikons hohen Gebirgen Einen B a u m , der Menschen ertödtet durch stinkende Blüten. Dieses alles entsteht und steigt aus dem Boden der Erde, W e i l viel Saamen der D i n g e , gemischt auf mancherlei Weise, Sie in dem Schoose verbirgt, und gesondert den Dingen sie nüttheilt. Nächtlicher Lampe D a m p f , wann sie eben verlaschte , betäubet So mit des Fettes scharfem Geruch die S i n n e , dafs oftmals, W i e vom Schlage gerührt, man niedersinket zur Erde. Heftiges Bibergeil w i r f t schlummerbetroffen ein W e i b hin, Und es entfliefset der zärtlichen Hand die niedliche Arbeit, Riecht sie irgend daran wann ihre gewöhnliche Zeit ist. Noch mehr anderes löfst die erschlaffenden Kräfte der Glieder, Und macht wanken den Geist inwendig im innersten Sitze. W a n n du zu lanjre o verweilst in warm durchheitzeten Bädern,' Oder in heifser W a n n e , nach reichlich genossener Mahlzeit, W i e mag leichtlicli daselbst dich tudtlichc- Schwäche befallen ! Heftiger Kohlendampf nimmt augenblicklich den Kopf ein, Hast du nicht Wasser zuvor, um diefs zu verhüten,
getrui.ken.
Hat der Geruch des gährenden W e i n s die Kammern des Ilauses Angefüllet, so w i r k t er auf dich, w i e ein mördrischer Schlag w i i k t . Siehst du nicht auch, dafs selbst in der Erde sich Schwefel erzeuget, Dafs zusammengerinnet in ihr das stinkende Erdpecli? Ferner noch, w o man die Adern des Golds aufsucht und desSill'ers,
292
SECHSTES
BUCH.
v. 800 — 825.
U n d mit Eisen durchforscht die E i n g e w e i d e der E r d e , W f l c h ein schädlicher Dunst entsteigt dein t i e f e r e n Schacht nicht ? W a s f ü r U e b e l entsteh« vom Hauch g o l d r e i c h e r M e t a l l e ! W i e er die Menschen e n t s t e l l t ! w i e bleich sie w e r d e n von F a r b e ! Siehst du und hörest du n i c h t , w i e z e i t i g sie pflegen zu e n d e n ; W i e sie g e r i n g an K r a f t und L e b e n s v e r r n ü g e n , sie alle, D i e eip strenges Gesetz verdammt zu so. g r a u s a m e r A r b e i t ? S o l c h e D ä m p f e demnach erzeuget und k o c h e t die Erd' auf, U n d sie hauchet sie aus in dem freien u m g e b e n d e n L u f t r a u m . E b e n so mufs es der F a l l hei jedem avernisclien Ort s e y n , D a f s aus der Erd' empor erstickende D a m p f ' e r . d e n Vögeln, S e n d e , w e l c h e zum T l i e i l die L u f t in der Gegend v e r g i f t e n . Ist nun der V o g e l i m F l u g ' an solcherlei Orte gerathon, So e r g r e i f e t ihn mitten d a r i n der verborgene G i f t h a u c h , D a f s er gerad' hinab in den Z u g des t ö d t l i c h e n D a m p f s fällt. Ist er h i n e i n g e s t ü r z t , so w e r d e n durch diesen ihm v o l l e n d s A l l e R e s t e des L e b e n s aus allen Gliedern e n t f ü h r e t . A n f a n g s n ä m l i c h e r r e g t ihm gleichsam T a u m e l der H a u c h n u r ; N a c h h e r ist er h i n a b in den Giftquell selber g e s u n k e n , Z w i n g t ihn das L e b e n aus sich zu spei'n der erstickende Zuflufs. M a g auch z u w e i l e n die K r a f t von solchem avernisclien Dunste A l s o zertreiben die L u f t , die z w i s c h e n der Erd' und dem V o g e l , D a f s beinahe d a d u r c h ein R a u m e n t s t e h e t , der leer i s t : K o m m e n die V ö g e l n u n m e h r gerade darüber zu
fliegen,
L ä h m t sich im A u g e n b l i c k das eitele Streben des F i t t i g s , Und v e r g e b l i c h ist n u r von den beiden F l ü g e l n der Antrieb.
SECHSTES
BUCH.
v. 8 2 6 —
295
D e n n da sie h i e r nicht flattern, und nicht mit den F l ü g e l n s i c h sichern K ö n n e n , w i r f t ihr Gewicht von seihst sie danieder zur E r d e ; U n d h i n s i n k e n d nunmehr in dem fast entleereten R ä u m e , T r e i b t sich die Seele h i n a u s durch alle Kanäle des Körpers. F e r n e r , zur Sommerszeit w i r d k ä l t e r das W a s s e r im Brunen ; W e i l die I l i t z e die Erd' a u s d e h n t , dafs diese des Feuers Saamen , w e n n solche sie h a t , schnell von sich entläfst in die L ü f t e : U m so mehr nun die Erd' erschöpft von der H i t z e Sonn' ist, U m so k ä l t e r auch w i r d das W a s s e r , das in ihr v e r b o r g e n . W a n n in der F o l g e sie ganz z u s a m m e n g e d r ä n g e t vom F r o s t ist, Gleichsam z u s a m m e n w ä c h s t , so preist sie hei dieser V e r e n g u n g A l l e W ä r m e , die e t w a sie f ü h r t , h i n a b in den Brunnen. W i e man uns s a g t , so ist beim T e m p e l des J u p i t e r Hammon Irgend ein Q u e l l , der k a l t beim T a g s l i c h t , w a r m in der N a c h t ist. Allzusehr ist er nur von M e n s c h e n b e w u n d e r t : sie g l a u b e n , D a f s er alsbald a u f k o c h e von unterirdischer Sonne, W a n n mit grausem D u n k e l die Nacht die Erde bedeckt h a t ; W e l c h e s doch a l l z u w e i t vom r i c h t i g e n Grunde sich abneigt. D e n n w ö f e r n e die S o n n e , die n a c k e t e Fläche berührend, S o l l t e v o n oben herab nicht können erwärmen das W a s s e r , D a ihr oberes L i c h t so mächtige Gluten v e r b r e i t e t ; W i e vermöchte sie unter dem dichten Körper der Erde A u f z u k o c h e n das W a s s e r , und dieses zum F e u e r g e s e l l e n ? J a , da sie k a u m vermag durch g e m a u e r t e W ä n d e der H ä u s e r Einzusenden die f e u r i g e Glut der b r e n n e n d e n S t r a l e n . W a s ist also der Grund ? der n ä m l i c h , dafs lock'rer das Erdreich
294
SECHSTES
BUCH.
v. 852 — 877-
Rings um den Brunn als das übrige L a n d ; und dafs in der Nähe Jenes Quelles sich mehr der Saamen des Feuers befinden. Hat nun mit thauigen Schatten die Nacht bedecket die E r d e , Wird sie von unten sogleich erkältet, und zieht sich zusammen; Solchergestalt geschieht's, dafs gleichsam den Händen entpresset, Sie in den Quell ausdrückt die enthaltenen Saamen des F e u e r s ; Wärmer das Wasser man fühlt, und wärmer es auch in der T h a t ist. Oefnet hierauf der Stral der neuaufgehenden Sonne W i e d e r die E r d ' , und lockert sie auf durch erwärmenden Einflufs, D a n n kehrt wieder zum vorigen Sitz der Saame des Feuers,. Und in die E r d ' entweicht die sämmtliche W ä r m e des W a s s e r n Also erkaltet aufs neu der Brunn am L i c h t e des Tages. Ferner geräth durch die Stralen der Sonn' in W a l l u n g das Wasser, Und es verdünnt von der zitternden Glut sich am Tage die M a s s e ; Darum verliert sich auch das darin enthaltene F e u e r : Gleichergestalt wie es oft entlässet die Stoffe des Frostes, W a n n es das E i s zerschmilzt, und dadurch sich entbindet der Fesseln. Noch ein anderer Brunn ist k a l t ; doch wirft man auf solchen W e r g , so entzündet es s i c h , und lodert zur plötzlichen Flamm' auf; Eben entzündet sich auch an den W e l l e n desselben die Fackel, Leuchtend, w o immer der Hauch der L ü f t e sie schwimmend hinantreibt. Nämlich das W a s s e r enthält sehr viele der feurigen Saamen; Tlieilchen des Feuers müssen sogar aus dem Boden der Erde S t e i g e n , und überall sich umher verbreiten im Brunnen, Auch nach aufsen athmen zugleich, und frei in die L u f t g e h n ; Nicht so lebendig j e d o c h , dafs der Brunn davon sich erwärme.
SECHSTES
B II C II.
v. 878 ~
903.
2
g3
Eine verborgene Kraft z w i n g t nun die zerstreueten T h e l l c h e n Plötzlich d u r c h s ' W a s s e r zu b r e c h e n , sich über demselben zu s a m m e l n : Aehnlich f i n d e t sich auch ein Quell iin Aradischen M e e r e , W e l c h e r siifs a u f q u i l l t , rings um sich vertreibend die Salzllut. Noch an mehreren Orten g e w ä h r t dem durstenden Seemann Gleichen V o r t h e i l das M e e r ; da hervor aus salziger Seeflut Süfses W a s s e r es s p e i t : und eben so können des F e u e r s Saamen aus jenem Quell sich a u f w ä r t s drängen , und sprudeln, Uebergelien ins W e r g ; und haben sie da sich gesammelt, Oder sich a n g e h ä n g t an den Körper der F a c k e l , so lodern L e i c h t und plötzlich"sie a u f : denn v i e l e der brennbaren Theile Sind in dem Werg'e bereits, und sind'in der. F a c k e l enthalten. So auch bemerkest du n o c h , w e n n du nah an die nächtliche T-nnipe F l a c h s h i n b r i n g e s t , der eben v e r l i s c h t , w i e schnell er das. L i c h t fängt, E h ' er die F l a m m e b e r ü h r t ; und also entbrennt auch die F a c k e l . So sind mehrere D i n g e , die schon auflodern von w e i t e m , Eli' sie das F e u e r b e r ü h r t , und die Nähe desselben sie a n s t e c k t : D a f s ein gleiches geschieht bey jenem B r u n n e n , ist g l a u b l i c h . F e r n e r b e goi n n ' ich anietzt das Gesetz der N a t u r zu erklären,' * W i e der b e k a n n t e S t e i n das Eisen vermöge zu z i e h e n , W e l c h e n die Grajen M a g n e t , nach dem eignen Orte der H e r k u n f t N e n n e n ; w e i l im Gebiet der M a g n e t e r man solchen entdeckt h a t . M e n s c h e n b e w u n d e r n den S t e i n , indem eine Kette von R i n g e n , D u r c h ihm eigene Kraft herab von ihm h ä n g e n d , er b i l d e t . F ü n f oft sieht man an i h m , ja m e h r e r e , h a n g e n d in R e i h e , L e i c h t e n W i n d e n ein S p i e l ; da einer sich u n t e r dem andern
2 96
SECHSTES
BUCH.
v. 904 — 929.
Anhängt, einer vom andern des Steines bindende K r a f t b o r g t : Solche Gewalt strömt aus und dringet von ihm durch sie alle. Dinge von dieser Art sind nicht so bequem zu erörtern, Ehebevor nicht manches zum Grunde der Sache gelegt w i r d ; Und man gelanget dahin nicht ohne beträchtlichen U m w e g : Um so mehr erfordr' ich mir jetzt aufmerksame Sinne. Also bemerke vorerst; von a l l e m , was sichtbar erkannt w i r d , Müssen Körperchen stets ausströmen , sich Theilchen zerstreuen, W e l c h e die Augen treffen und reitzen den Sinn des Gesichtes. Immerwährend entiliefsen gewissen D i n g e n G e r ü c h e ; So w i e die Kälte den F l ü s s e n , der Sonne-die W ä r m e , dem Mfieie Salzduft; welcher zerfiifst an seinem Gestade die JVIaucrn: Auch abwechselnde Töne durchwallen beständig die L ü f t e . Gehn w i r am Ufer des M e e r e s , so setzt sich an unsere L i p p e n Oft ein Geschmack von Salz ; und bitter schmeckt es hingegen, Steht man nahe dabei w o man mischt und bereitet den Werinuth. So treibt immer ein etwas sich ab von jeglichem D i n g e , Welches sich allerwärts verbreitet nach jeglicher Seite. Weder R u h e noch R a s t hemmt ihnen den strömenden A u s i l u f s : Immer ja werden die Sinne erregt, auch sehen w i r immer, Riechen immer, und stets vernehmen w i r tönende L a u t e . U n d nun mufs ich es noch auf's neu' ins Gedächtnifs dir führen, W a s schon erhellt aus dem ersten G e s a n g ; w i e alle die Körper L o c k r e r Beschaffenheit sind.
TJnd ist die Erkenntnifs von diesem
Nützlich zu vielem, so ist sie noch mehr zu bestätigen nöthig I i i e r , bei der S a c h e , die jetzt ich zu untersuchen b e g i n n e ;
SECHSTES
BUCH.
v. 930 —
955.
297
D a f s nichts in der Natur als Körper mit Leerem gemischt sey. Ueberwölbende Felsen in Höhlen schwitzen die Nässe Von s i c h , und träufeln herab die dickgeschwollenen T r o p f e n . Bricht nicht über den ganzen L e i b der dünstende Schweifs aus ? Wächst nicht der B a r t , und die Haar' an jeglichem Theile des Körpers ? In die Gefäfse vertheilt vermehret und nähret die Speise Jeglichen T h e i l , ur.d sogar die äufsersten Glieder und Niigel. D a f s auch die Kälte das E r z durchdringt und der wärmende Dunsthauch, Fühlen w i r , fühlen auch n o c h , dafs sie Gold durchdringen und Silber, W a n n in der Hand man hält den angefülleten Becher. Steinerne Wände durchflieget der Schall der Stimmen und W o r t e ; Auch durchdringet sie' K a l t ' , und- Geruch^- und die Wärme des F e u e r s ; D i e s e , welche zuletzt auch dringt durch das mächtige E i s e n , D a w o den Hals rings um zusammen schliefset der Panzer. E b e n so schleicht ansteckendes G i f t in den Körper von a u f s e n : U n g e w i t t e r , die E r d ' und Himmel zusammengetrieben, L ö s e n sich durch das Gesetz der Natur in Himmel und E r d ' a u f ; So ist jegliches D i n g verbunden mit lockerem Körper. Kommt noch diesem hinzu, dafs die Körperchen, w e l c h e von D i n g e n W e r d e n hinweggeschnellt, nicht gleich an Beschaffenheit w i r k e n , N o c h auf ähnliche Art f ü r jegliche D i n g e geschickt sind. E r s t l i c h , die Sonne kocht und trocknet den Boden der E r d ' aus, Schmilzt hingegen das E i s , und z w i n g e t auf hohen Gebirgen Hochgethürmeten Schnee vor dem feurigen Strale zu schwinden; Gleichelgestalt zerfliefset auch W a c h s , in die Sonne geleget. Feuer bringet das E r z in F l u f s , und löset das, Gold a u f ; Lucret.
I.
58
298
SECHSTES
BUCH.
v. 956 — 981.
L e d e r hingegen und F l e i s c h verschrumpft es und zieht sie zusammen. E i s e n , ins W a s s e r g e t a u c h t aus der G l u t , erhärtet darinnen, Da getrocknetes F l e i s c h u n d L e d e r in solchem e r w e i c h t w i r d . Bärtigen Ziegen b e h a g t so sehr die W e i d e des Oehlstrauchs, Ob Ambrosia sich und Nectar darüber e r g ö f s e ; D a doch nirgend ein B l a t t so bitter dem M e n s c h e n hervorgrünt» Endlich fliehet das S c h w e i n M a j o r a n und duftende S a l b e n , U n d sie sind in der Tliat ein h e f t i g e s Gift ihm ; die M e n s c h e n M ö g e n h i n g e g e n oft ZUT E r q u i c k u n g sich ihrer bedienen. N i c h t s unflätiger ist und w i d r i g e r uns als ein M i s t s u m p f ; Aber das S c h w e i n ergötzt sich daran ; er b e h a g e t so sehr i h m , D a f s es darin sich w ä l z e t mit unersättlicher W o l l u s t . Noch ist übrig a l l h i e r ein W o r t zu e r ö r t e r n , bevor ich S c h r e i t e zur Sache s e l b s t ; w a s vorher schon sagen ich s o l l t e : W e i l die v e r s c h i e d e n e n D i n g e in M e n g e m i t Poren b e g a b t sind, M ü s s e n sie auch von verscliiedner N a t u r , und W e s e n , u n d Gang seyu. Denn auch j e g l i c h e m T h i e r i n w o h n e n verschiedene S i n n e , Deren j e g l i c h e r doch die e i g e n e S a c h e nur a u f n i m m t . Töne dringen in u n s durch a n d e r e G ä n g e ; durch andre Dringet der s a f t ' g e G e s c h m a c k ; durch andere w i e d e r der F e t t d a m p f . Eben so scheinet es a u c K , ein anderes d r i n g e durch S t e i n e , Andres durch H o l z ; durch Gold dringt anderes w i e d e r u m ,
andres.
D r i n g t durch Silber und Glas : denn dieses gestattet den B i l d e r n D u r c h f l u f s , jenes durchschleicht die W ä r m ' : auch sehen w i r manches, D a s durch d.isselbige Ding g e s c h w i n d e r als anderes h i n l ä u f t . H i e z u z w i n g e t sie nun die N a t u r der R ö h r e n und Gänge,
S E C H S T E S
B U C H .
v. 982 —
1007.
2 99
M a n n i c h f a l t i g im W e c h s e l , w i e e b e n b e r e i t s i c h g e z e i g e t , O b der v e r s c h i e r l n c n N a t u r u n d d e m e i g n e n G e w e b e der D i n g e . H a b e n w i r dieses e i n m a l v o r h e r z u r e c h t uns g e s t e l l e t , F e s t d u r c h s i c h e r n E r w e i s , u n d in O r d n u n g u n d L a g e
gerücket;
D a n n w i r d l e i c h t u n s das ü b r i g e n o c h h i n f ü h r e n z u m G r u n d e , D e r uns e r k l ä r e t , w o d u r c h das m ä c h t i g e E i s e n sich a n l o c k t . E r s t l i c h m ü s s e n d e m S t e i n in M e n g e d i e S a a m e n des UrstoiTs, O d e r ein H a u c h e n t w a l l e n , der t h e i l t u n d z e r t r e n n e t d i e L ü f t e , W e l c h e sich irgend z w i s c h e n dem Stein und dem E i s e n b e f i n d e n . I s t n u n der R a u m e n t l e e r t , Ort entlediget,
und mitten darinnen ein w e i t e r
s t ü r z e n v e r e i n t u r p l ö t z l i c h des E i s e n s
E l e m e n t ' in das Leere dahin;, und also g e s c h i e h t es, D a f s n a c h f o l g e t der R i n g , u n d sein g a n z e r K ö r p e r s i c h A u c h ist n i r g e n d ein D i n g ,
hinzieht.
das, seinem ursprünglichen Stoff nach,
M e h r in e i n a n d e r g e h a k t , s i c h e n g e r z u s a m m e n v e r b ä n d e , A l s des E i s e n s m ä c h t ' g e N a t u r , sein s t a r r e n d e r S c h a u d e r . M i n d e r z u w u n d e r n ist es d a h e r , w o f e r n , w i e i c h s a g t e , D i c h t e r g e h ä u f e t e S t o f f e des E i s e n s s i c h s t ü r z e n ins L e e r e , D a f s a u c h m i t i h n e n z u g l e i c h der g a n z e K o r p e r des R i n g s f o l g t . D i e s e s g e s c h i e h t in der T h a t ; er f o l g e t so l a n g e , b i s e n d l i c h S e l b s t den S t e i n er b e r ü h r t , u n d an i h m m i t h e i n i l i c h e m B a n d h ä n g t . E b e n dasselbe g e s c h i e h t n a c h allen S e i t e n ; w o leer w i l d I r g e n d der R a u m , es s e y n u n s e i t w ä r t s o d e r v o n o b e n , A l s b a l d w e r d e n z u m L e e r e n g e f ü h r t d i e n ä c h s t e n der K ö r p e r : S t ö f s e v o n a u f s e n t r e i b e n sie a n , s o n s t w ü r d e n sie n i e m a l s S i c h d u r c h e i g e n e K r a f t in die H ö h e z u s c h w i n g e n
vermögen.
goo
SECHSTES
BUCH.
v. 1008 —
1033.
Kommt noch diesem hinzu:, w.as mehr zu der M ö g l i c h k e i t beiträgt: D a f s , sobald nur die L u f t am Oberrande des R e i f e s Dünner g e w o r d e n , der R a u m entledigt und völlig geleert ist, Alsbald alle die L u f t , die hinter dem R i n g e befindlich, Vorwärts treibet und s t ö f s t , und gleichsam schiebet vom Rücken. Denn die umgebende L u f t schlägt immer und stöfset die Dinge.; Aber in,diesem M o m e n t treibt selber das Eisen sie vorwärts, W e i l es der leere R a u m an dem einen Theil in sich aufnimmt. W e n n nun die L u f t , der ich eben gedacht, aufs feinste des Eisens H ä u f i g e Räume durchdringt, bis hin in die kleinesten Tlieilchen, Stöfst und treibt sie es f o r t ; w i e Schiff' und S,eegel durch VVinde, W i r d auch dieses allhier durch B e w e g u n g und H ü l f e getrieben. Endlich n o c h , jegliches D i n g mufs L u f t enthalten im K ö r p e r ; D e n n der D i n g e Natur ist lockeren K ö r p e r s , versetzet Ueberall mit umgehender L u f t i auch, w a l l t sie beständig, Hier im E i s e n umher , worinnen sie tiefer verschlossen; Schlägt durch ihre B e w e g u n g , w i e nicht zu z w e i f e l n , den R i n g an, Den sie dadurch von innen erregt; und treibt in der R i c h t u n g , W o h i n einmal gestürzt sie sich h a t , auch mit sich den R i n g f o r t ; Nämlich zum leeren R a u m , w o h i n ' i h r Streben sich wendet. Auch zuweilen geschieht's, dafs v o n diesem Steine das E i s e n Sich abwendet, ihn flieht, und darauf ihn w i e d e r verfolget. Hüpfen sah ich sogar Samothracische eiserne R i n g e ; Feilstaub kochen und wallen in ehernen S c h a l e n , sobald man Unterlegte den Stein des Magnets,
M i t solchem E r r e g e n
Scheint vor dem Steine das Eisen zu fliehn, durch die mächtige Z w i e t r a c h t ,
SECHSTES
BUCH.
y. 1 0 3 4 —
ioß9.
501
Welche das zwischen kommende E r z erzeuget; und dadurch, W e i l , wann die offenen W e g e der Eisenkörper der AusfluCs Jenes Metalles zuerst in Besitz genommen, sich nachher Erst einfindet der wallende Trieb des magnetischen Steines; D e r nun alles erfüllt in dein E i s e n f i n d e t , und nirgends Durchzuströmen v e r m a g , w i e solches zuvor er gewohnt war. Dieses zwingt ihn demriacli selbst gegen des Eisens Gewebe Anzuschlagen, und a n z u w o g e n ; so stöfst er es von sich, Treibet umher durch das E r z , w a s , ohne d i e f s , immer er ansog. W u n d r e dich übrigens n i c h t , dafs von diesem Steine der Ausflufs Nicht atich andere D i n g e vermag in R e g u n g zu setzen. E i n i g e s i n d , w i e das G o l d , durch eigene Schwere zu träge, And're zu locker in ihrem Bestand; die Strömungen
fliefsen
Ohne Berührung hindurch, und treiben sie nicht von der Stelle: So w i e es scheint, gehöret das Holz zu diesem Geschlechte. Eisen hingegen hält von den beiden Naturen die M i t t e ; Haben sich Theilchen von E r z darunter gemischet, so kömmt es, D a f s des Steines magnetischer Strom dasselbe sich abstülst. Nicht so entfremdet jedoch sind diese D i n g e von andern, D a f s dergleichen ich nicht anführen noch mehrere könnte, D i e auf besondere A r t sich zusammen eignen und binden. Siehest du nicht, w i e durch K a l k allein sich die Steine v e r b i n d e n ? L e i m aus Gallert des Stiers fügt also die Bretter zusammen, D a f s weit eher dir oft des Holzes G e f ä f s e zerspringen, E h ' nachliefse der bindende L e i m zu halten die Bande. Rebenerzeugeter S a f t w a g t dreist sich in W a s s e r der Quelle
502
S E C H S T E S
BUCH.
v. 1 0 6 0
—
lo
05-
E i n z u m i s c h e n ; das P e c h d o c h v e r s a g t ' s , und das leichtere O e l auch. F a r b e der P u r p u r s c h n e c k e v e r e i n t zum e i n z i g e n K ö r p e r S o sich mit W o l l e , dafs n i c h t s sie v e r m a g von einander zu t r e n n e n ; N i c h t mit N e p t u n i s c h e r F l u t v e r m ö c h t e s t du rein sie zu w a s c h e n , N i c h t , w e n n mit a l l e n W o g e n das M e e r ausspülen sie w o l l t e . E n d l i c h ein eigenes D i n g v e r m ä h l e t das G o l d mit dem G o l d e ; Z i n n b e w i r k e t allein die feste V e r b i n d u n g des K u p f e r s . W i e v i e l liefse sich nicht v o n d e r g l e i c h e n D i n g e n n o c h s a g e n ? A b e r w o z u ? du hast nicht w e i t e r e W e g e v o n n ö t h e n , U n d mir steht es nicht a n , auf solche den F l e i f s zu
verwenden:
L i e b e r doch mag ich allliier mit w e n i g e m viele« n o c h f a s s e n . Ti'iiFt der G e w e b e T erbindurig bei eigenen A r t e n der D i n g e A l s o z u s a m m e n , d a f s , w a s h i e r h o h l i s t , dorten sich a n f ü l l t , U n d so w e c h s e l n d ; so hat die V e r e i n i g u n g D a u e r u n d F e s t e . E i n i g e mögen denn auch , w i e mit Haken gleichsam und R i n g e n In einander g e f l o c h t e n , sich also v e r k e t t e t e r h a l t e n : U n d so scheint es der F a l l auch h i e r mit dem S t e i n und dem E i s e n . W a s nun die U r s a c l i ' s e y durch w e l c h e die S e u c h e n entstehen, W i e ansteckendes G i f t so p l ö t z l i c h e T o d e s v e r w ü s t u n g U e b e r die M e n s c h e n h a u c h t , und über die H e e l d e n der T h i e r e , D a s e n t w i c k l ' ich anjetzt.
V o r e r s t e r w i e s ich schon oben,
D a f s viel S a a m e n der D i n g e f ü r uns sind lebenerhaltend, A n d ' r e dagegen in M e n g e , die w i e d e r verbreiten sich müssen, Krankheit fördernd und Tod.
H a t diese g e h ä u f e t ein Z u f a l l ,
U n d die u m g e b e n d e L u f t damit g e t r ü b e t , so w i r d sie S i e c h : doch der k r ä n k l i c h e Stoff und diese G e w a l t der V e r p e s t u n g
SECHSTES
BUCH.
v. 10Q6 —
i m .
503
Kommt aus dem Innern v i e l l e i c h t der L u f t , w i e W o l k e n und Nebel, D i e durch den Himmel z i e h n ; v i e l l e i c h t auch seihst aus der E r d e ; Steiget von da e m p o r , w a n n Psässe zum faulenden Schlamm w i r d , D u r c h unmäfsige R e g e n und Gluten der brennenden Sonne. Zeigt die E r f a h r u n g es nicht, dafs aus ferner Gegend und W o h n u n g Kommende, vieles erleiden durch Aendrung der L u f t und des W a s s e r s , W e i l in diesen an sich so grofse V e r s c h i e d e n h e i t l i e g e t ? W a s f ü r ein Unterschied mufs z w i s c h e n B r i t a n n i e n s H i m m e l Und dem A e g y p t i s c h e n s e y n , a l l w o sich die A x e der W e l t n e i g t ? W e l c h ein verschiedener Kreis der L u f t in P o n t u s , u n d Gades, B i s zn den scliwarzcn Geschlechtern der sonnedurclikocheten M ä n n e r ? V i e r R e g¡-1i o n e n sin(Ps,' (Tie unter-verschiedenein W i n d e n ,7 U n t e r des H i m m e l s verschiedenem Strich g e t h e i l e t w i r s e h e n ; Eben so sondern sich auch an Gestalt und F a r b e die M e n s c h e n ; Auch Krankheiten besonderer Art sind eigen den "Völkern. 0 E l e p h a n t i a s i s ist die K r a n k h e i t , die sich am Nilus, M i t t e n im L a n d A e g y p t u s e r z e u g t , und nirgend w o anders. In der Genend von Attika ist an I'üfsen die S c h w ä c h e e> H ä u f i g , und im Gebiet Achajas leiden die Augen. So ist immer ein L a n d noch mehr als das andere f e i n d l i c h T h e i l e n und Gliedern des L e i b e s ; der L u f t V e r s c h i e d e n h e i t w i r k t es. H a t sich nun diese L - u f t , die uns v o r z ü g l i c h zu Gift w i r d , In die B e w e g u n g g e s e t z t , und w e i t e r zu ziehen begonnen, Schleicht allmählig. sie f o r t , w i e Nebel und W o l k e n , u n d trübet A l l e s , w o h i n sie g e l a n g t , und ändert durch i h r e G e w a l t es. U n d so kömmt e s , sobald in unseren H i m m e l sie eintritt,
SECHSTES
BUCH.
v. 1 1 1 2
— "37-
D a f s sie auch diesen verdirbt, ihn ähnlich sich m a c h t , und uns w i d r i g . D i e f s entstehende G i f t und dieser verpestende L u f t l i a u c h Senkt sich plötzlich herab aufs W a s s e r , haftet an Saaten, Oder an anderer Nahrung der Menschen und Futter d.er T b i e r e : Oder er bleibt vielleicht im L u f t k r e i s hangen , und wann w i r Dorther athmend die L u f t einziehn, die mit ihm vermischt ist, Saugt notliwendig mit ihr der Körper auch giftige T h e i l ' ein. Auf die nämliche Art kömmt o f t ansteckende Seuche Unter gehörnetes V i e h und die matten blökenden Heelden. A u c h liegt wenig daran, ob hin w i r gelangen an Orte, W i d r i g f ü r u n s , und ob das G e w a n d . d e s Himmels w i r ändern^ Oder ob uns die Natur von selbst den verderblichen Dunstkreis Z u f ü h r t i irgend ein D i n g , das fremd ist unserm Gebrauche; D a s durch den neuen Gebrauch den U n f a l l über uns herbringt. Solch ein verderblicher Stoff und solch ein mördrischer Hauch hat Einst das Cekropische L a n d in L e i c h e n g e f i l d e v e r w a n d e l t ; Oede die Strafsen gemacht, entschöpft die Stadt von B e w o h n e r n . Tief entsprungen im L a n d , von den äufsersten Grenzen Aegyptus K o m m e n d , Strecken der L u f t und der Wassergefilde durchmessend, L i e f s er sich schwer herab auf das V o l k P a n d i o n s : es fielen Schaarenweise die M e n s c h e n , ein Opfer der Pest und des Todes. Anfangs spürten im H a u p t die Kranken brennende H i t z e ; B e i d e die Augen w a r e n mit Feuerröthe durchgossen; Innen der Schlund w a r s c h w a r z , und schwitzete B l u t , und der Stimme D u r c h g a n g w a r mit Geschwüren besetzt, und zog sich zusammen: Auch des Geist's Dollmetsclierin flois, die Z u n g e , von E i t e r
SECHSTES
BÜCH.
v. 1138
w.63.
505
Und von Blut; war rauh und schwer zu bewegen, .und Kraftlos. Wann dasUebel hierauf durch, den Schlund hinab in die Brust sank, U'nd ins beklemmete Herz des bangen Kranken nun eintrat, Fingen zu wanken an die Riegel alle des Lebens. Aus dem Munde hervor quoll häfslich stinkender Athem, Gleich dem faulen Geruch, den stinkende Aeser verbreiten: Jegliche Kraft des Geistes entschwand, und jede des Körpers Löfste sich auf; w i e bereits schon selbst aii der Schwelle des Todes. Unerträglichem Schmerz war immer ängstliches Bangen Beigesellt; Wehklagen vermischt mit tiefem Geächze. Tag und Nacht, hindurch zwang häufiges Schluchzen die Nerven Und die Glieder im zuckenden Krampf, und löfste beständig Die schon ermatteten auf, und regte sie wieder aufs neue. Keine zu heftige Glut war indefs am äufseren Körper. Merkbar, noch an der Haut; vielmehr nur mäfsige Wärme, L a u das Gefühl der Hand: zugleich war über und über Roth der Körper, so wie von brandigen Eitergeschwüren, Oder als hiitt' über ihn sich das heilige Feuer ergossen. Innen hingegen verzehrte der Brand sie bis auf die Knochcn; Und wie die Esse glüht, so glüht' inwendig der M a g e n : So, dafs keine, Bedeckung, so dünne sie immer und leicht war, Ihnen behülflich.
Sie sucheten L u f t und suchten die Kühle,
Tauchten in kalte Flüfse die fieberbrennenden Glieder, Warfen entblöfst in die Fluten den L e i b : noch andere stürzten. Sich in die Wellen.hinab mit offenen lechzenden Lipperu. Unauslöschlicher brennender Durst taucht' immer, sie unter, Lucret. I .
3$)
5-o6
SECHSTES
BUCH.
y. 1 1 6 4 —
1189.
Machte für sie die reichlichste F l u t zu wenigen Tropfen. Keine R u h e der Qual w a r h i e r : es lagen die Körper Matt umher; still murmelte nur die furchtsame Heilkunst: Denn sie wälzten umher die offenen L i c h t e r der Augen, Glühend vor H i t z ' , es hatte sie ganz der Schlummer verlassen. Auch erschienen darauf noch mehrere Zeichen des Todes 1 E i n verstöreter Geist,- voll Furcht und drückender Schwermuth; Finstere Stirnen, und Wuth und heftiger Zorn im Gesichte ; Aengstliches O h r , das stets mit gellenden Tönen erfüllt w a r ; Häufiges Athetnziehn; dann wieder tie'fer und seltner; Und ein glänzender S c h w e i f s , der herunter .tsöpfitfe « m H a l s e : Wenig
Speichel und dünn,
von safrangclblicher Farbe,
Salzig, hervor gehustet mit M ü h ' aus heiserer K e h l e : Krampfiges Ziehen der H a n d , und in allen Gliedern ein Zittern. Auch allmählig begann der Frost empor von den Füfs.en Sich in den Körper zu ziehn: und nahte die Stunde des Todes, Dann w a r enger geprefst die N a s e , die vorderste Spitze D ü n n e , die Augen h o h l , und einge'drücket die S c h l ä f e ; Hart und frostig die H a u t , und rauh zu fühlen heim Angriff, Und die gespannte Stirn schien wegzuscheiden: nicht, lange Nachher lagen gestreckt im startenden Tode die Glieder. Meistens schieden sie hin mit dem achten L i c h t e der Sonne, Oder wann diese die Fackel zum neunten M a l e hervortrug. W a r noch einer f ü r jetzt entgangen dem finsteren Schicksal, M i t Geschwüren am L e i h und schwarzem blutigem Ausflufs, Wartete dennoch zuletzt auszehrende Schwäch' und der T o d sein:
S E C H S T E S
BUCH.
v. 1190 —
121,5.
507
O d e r v e r d o r b e n e s B l u t flofs h ä u f i g , b e i h e f t i g e m K o p f w e h , I h m zur N a s e h e r a u s , u n d mit diesem L e b e n und K r ä f t e . A b e r w e r a n n o c h e n t k a m dem scharfen und h ä f s l i c h e n B l u t f l u f s , D i e s e m w a r f sich das G i f t a u f N e r v e n u n d G l i e d e r , j a selber H i n a u f die T h e i l e der Z e u g t m g ; s o , dafs sich auch e i n i g e selber Ihres männlicheil T h e i l e s , u m f o r t z u l e b e n , b e r a u b t e n ; Andere sich mit V e r l u s t v o n H ä n d e n u n d F ü f s e n d a s L e b e n N o c h zu erhalten s u c h t e n , zum T h e i l m i t V e r l u s t e der A u g e n : S o sehr h a t t e die F u r c h t des T o d e s dieselben b e f a n g e n . E i n i g e h a t t e so sehr die E r i n n e r u n g v o r i g e r D i n g e Aller v e r l a s s e n , d a f s selbst sie nicht mehr e r k e n n e n sich k o n n t e n . H a u f e n ' l a e ; e n a u f TTaufeh v o n nnheerfiigten
Leichen;
D e n n o c h s a h m a n die V o g e l u n d andere T h i e r e des R a u b e s W e i t v o n den O r t e n
fliehn,
den P e s t g e s t a n k zu v e r m e i d e n ;
O d e r k o s t e t e n s i e , so s a n k e n sie b a l d in den T o d hin, J a es erschien n i c h t leicht in denselben T a g e n ein V o g e l ; A u c h k a m nicht a u s den W ä l d e r n hervor ein schädliches Raubt.hier ; D e n n es b e f i e l die m e i s t e n d i e s e l b e t ö d t l i c h e Seuche, Ü n d sie s t a r b e n d a r a n : die t r e u e n H u n d e , vor allen, H a u c h t e n , l i e g e n d u m h e r in den S t r a f s e n , peinlich die Seel' a u s ; D e n n es entrifs das h e f t i g e G i f t m i t Q u a l e n das L e b e n . E i l i g u n d ohne G e l e i t ' e n t t r u g m a n die S c h a a r e n der T o d t e n ; A u c h k e i n M i t t e l b e s t a n d d u r c h a u s g l e i c h w i r k s a m f ü r alle : D e n n w a s dem einen g a b die L ü f t e .des L e b e n s zu s c h ö p f e n , U n d m i t erheitertem A u g ' e m p o r z u m H i m m e l zu s c h a u e n , W a r f ü r den anderen G i f t , den T o d zu b e s c h l e u n i g e n fähig.
gog
SECHSTES
BUCH.
v . 12x6 —
1241.
Aber das gröfseste U e b e l , das j a m m e r v o l l s t e v o n allen, W a r , dafs jeder v o n i h n e n , sobald er m i t Spuren der K r a n k h e i t Irgend b e h a f t e t sich s a h , zum T o d e sich gleichsam verdammt h i e l t ; Ohne H o f f n u n g und T r o s t mit trauerndem H e r z e n sich h i n w a r f , Hin nach den L e i c h e n schauend daselbst aushauchte die Seele. A u c h griff w e i t e r umher dadurch die fressende S e u c h e , D a f s von dem einen das G i f t ein anderer immer sich e i n s o g ; W i e hei dem W o l l e n v i e h u n d den hörnertragenden H e e l d e n : U n d es häuften dadurch am meisten sich L e i c h e n auf L e i c h e n . S c h e u t e sich nämlich einer den k r a n k e n d e n F r e u n d zu b e s u c h e n , A u s zu h e f t i g e r L i e b e zum L e h e n und F u r c h t VOT dem T o d e » B a l d w a r d dieser bestraft nachher
durch ähnlichen
Kaltsinn,
O h n e H ü l f e n o c h T r o s t dem h ä f s l i c h e n T o d e g e o p f e r t . A b e r w e r h i i l f r e i c h w a r , den rifs ansteckendes G i f t f o r t , U n d d a s B e m ü h n u m den leidenden F r e u n d , w o z u ihn die P f l i c h t z w a n g , U n d die flehende S t i m m e , mit K l a g e n der A r m e n vermischet. So w a r i m m e r der To'd das L o o s des redlichsten M a n n e s . I m m e r b e s c h ä f t i g t e i n V o l k der i h r i g e n u n t e r die andern E i n z u g r a b e n , e r s c h ö p f t e n sie sich durch T h r ä n e n und: K u m m e r ; K e h r t e n n a c h H a u s ' , u n d es w a r f der Qram die m.eistejj danieder. J a , zur s e l b i g e n Z e i t w a r k e i n e r z u f i n d e n , den K r a n k h e i t , T o d , oder S c h m e r z u m den F r e u n d , hätt' unverschonet gelassen. A l l b e r e i t s w a r der H i r t u n d jeglicher F ü h r e r der H e e r d e , U n d der rüstige L e n k e r des krummen P f l u g e s , v o m U e b e l Angegriffen.
G e d r ä n g t in die engen H ü t t e n zusammen
L a g e n die K ö r p e r , die N o t h u n d K r a n k h e i t w e i h t e dem T o d e .
SECHSTES
BUCH
v. 1 2 4 2 —
509
I J e t e r entseeleten L e i t e r n der K i n d e r konntest du Eltern L i e g e n sehen.., rnid w i e d e r auf L e i c h e n von Vater und Mutter Kinder den Geist aufgeben.
D e s Uebels beträchtlicher T h e i l ilofs
Von dem L a n d e zur S t a d t , durch H a u f e n des krankenden L a n d v o l k s , Welche von allen Seiten der seuchebehafteten Gegend K a m e n , die Häuser füllten und jeglichen W i n k e l : so mehr nur Häuft' ansteckender T o d in Schaaren sie über einander. Viele lagen am W e g e , vom D u r s t e daniedergestreckct; Oder sie hatten sich hin an laufende Brunnen gewälzet, U n d unmäfsige L u s t zu trinken erstickte das L e b e n . A n den VorsaminlungspHit7.cn des V o l k s , an Strafsen und Wegen, Sähe man halb entseelt die 'Körper
mit schmachtenden
Gliedern,
Scheufslich von Schmutz, mit L u m p e n bedeckt, im eigenen Unflat, L a n g s a m sterben: es hing die Haut nur über die Knochen, Unter häfslichem E i t e r und Unratli fast schon begraben. A l l e die heiligen Tempel der Götter hatte der T o d schon A n g e f ü l l t mit L e i c h e n ; auch blieben zum Theil die Kadaver L i e g e n , der Himmlischen Stätte belastend : die Hüter der Tempel Hatten solche geräumt den Fremdlingen.
Wenig geachtet
W u r d e der Götterdienst, so w i e s i e , die Gottheiten selber: Alles überwog der gegenwärtige labimer. A u c h erhielt in der Stadt sich nicht die Beerd'gung der T o d t e n , W i e sie von jeher w a r dem frommen Volke gebräuchlich: D e n n sie liefen umher voll V e r w i r r u n g ; jeglicher brachte T r a u r i g , so gut er k o n n t e , die Seinigen unter die E r d e .
SECHSTES
BUCH.
v. 1 2 6 7 —
1271.
Nocli zu manchem V e r g e h n rieth N o t h und die dringende Armuth Denn sie legten die L e i c h e n der nahen Verwandten von ihnen H i n , mit grofsem G e s c h r e i , auf die Scheiterhaufen, von andern Auferbauet, und steckten sie an mit F a c k e l n , und stritten E h e sich bis aufs B l u t , als dafs sie die Körper verliefsen.