Vom mystischen Schweigen zum Reden aus Gewissheit: Wittgensteins Sprachparadigmen theologisch gedeutet - mit einer Anwendung auf Tillichs Symboltheorie. Dissertationsschrift 9783631610084, 9783653021653, 3631610084

Diese Untersuchung beschäftigt sich mit den Bedingungen der Möglichkeit sinnvoller religiöser Rede auf dem Hintergrund d

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
0. Einleitung – oder: Zur Betrachtung fundamentaltheologischer Probleme mit Ideen Ludwig Wittgensteins
1. Darstellung der Philosophie Wittgensteins
1.1. „Tractatus logico-philosophicus“ – oder: Das Schweigen über das, was „sich zeigen“ muss
1.1.1. Ontologie
1.1.2. Abbildtheorie
1.1.3. Erkenntnistheorie
1.1.4. Theorie der „Namen“ und ihre Implikationen
1.1.5. „Sprache“ und „Satz“
1.1.6. Logik, Ethik/Ästhetik, Mystik und offenes Ende
1.1.7. Eine theologische Beurteilung
1.2. Zu den Weichenstellungen der `mittleren Phase´ – oder: Vom mystischen Schweigen zur „Grammatik“ der religiösen Sprache
1.2.1. „Bemerkungen über logische Form“ – oder: Zweifel am bisherigen Sprachparadigma
1.2.2. „Vortrag über Ethik“ – oder: Anregung zur `Fideismusdebatte´
1.2.3. „Ursache und Wirkung“ – oder: Kausaldenken und Religionswissenschaft
1.3. „Philosophische Untersuchungen“ und „Über Gewißheit“ – oder: Neue Möglichkeiten für sinnvolle religiöse Rede
1.3.1. Das neue Sprachparadigma des ‚Anti-Augustinismus‘ – oder: Das Auffinden der „Sprachspiele“
1.3.2. Positionsbestimmung ex negativo – oder: Zur „Therapie“ verbreiteter Vorstellungen
1.3.2.1. ‚Anti-Platonismus‘
1.3.2.2. ‚Anti-Aristotelismus‘
1.3.2.3. ‚Anti-Cartesianismus‘
1.3.2.4. `Anti-Empirismus´
1.3.2.5. `Anti-Psychologismus´
1.3.3. Eine theologische Beurteilung (II)
2. Zur theologisch-religionsphilosophischen Rezeptionsgeschichte
2.1. Universelles Verifikationsprinzip oder logische Eigenständigkeit?
2.1.1. Paul M. van Buren – oder: Der Verzicht auf die ‚kosmologisch-ontologische Sprach-Garnitur‘
2.1.2. Die `Fideismusdebatte´ – oder: Der Streit um die logische Eigenständigkeit der religiösen Sprache
2.1.2.1. Der ‚frühe‘ Dewi Z. Phillips – oder: Die Inkompatibilität religiöser „Sprachspiele“
2.1.2.2. John Hick – oder: „Die eschatologische Verifizierung“
2.1.2.3. Humphrey Palmer – oder: Verstehen ohne Glauben
2.1.2.4. William D. Hudson – oder: Die „Schulung“ im Glauben
2.1.2.5. Der `spätere´ Dewi Z. Phillips – oder: Ein ‚moderater Fideismus‘
2.1.3. Gleiche Wörter, verschiedene Gewißheiten – oder: Über die Kompliziertheit der Vernetzung
2.2. Zur deutschsprachigen protestantischen Rezeption
2.2.1. Erste Wahrnehmungen Wittgensteins
2.2.1.1. Ingolf U. Dalferth – oder: Das Postulat singulärer Existenzsätze
2.2.1.2. Wolf-Dieter Just – oder: Sinn und Sinnkriterien
2.2.1.3. Joachim Track – oder: Das Wort `Gott´ als Nominator
2.2.1.4. Dietrich Ritschl – oder: Das ‚Story-Sprachanalyse-Konzept‘
2.2.2. Intensivere Wittgenstein-Rezeption
2.2.2.1. Ernstpeter Maurer – oder: Eine ungewöhnliche Barth-Analyse
2.2.2.2. Thomas Niedballa – oder: Innere und äußere Erfahrung
2.2.2.3. Hans-Peter Großhans – oder: Plädoyer für einen `internen Realismus´
2.2.2.4. Regine Munz – oder: Beispielhaftes Beispielgeben
2.2.2.5. Thomas Wabel – oder: Die Zirkelstruktur des Verstehens bei Wittgenstein und Luther
2.2.2.6. Martin Laube – oder: Wider die „Eigenständigkeitsthese“
2.2.2.7. Swantje Eibach-Danzeglocke – oder: Die „Grammatik“ als bloße Propädeutik
2.2.2.8. Andreas Hunziker – oder: Ein Glaube ohne Metaphysik
2.2.3. Zusammenfassung
3. Eine Anwendung auf die Symboltheorie Paul Tillichs
3.1. Die Symboltheorie Tillichs
3.1.1. Von Sinn und Struktur der Symboltheorie Tillichs
3.1.2. Zur Charakterisierung des Begriffes „Symbol“
3.1.3. Zum Spezialfall des „religiösen Symbols“
3.2. Tillich und Wittgenstein – Affinitäten und Divergenzen
3.2.1. Tillich und der `frühe Wittgenstein´
3.2.2. Tillich und der `mittlere Wittgenstein´
3.2.3. Tillich und der `späte Wittgenstein´
3.2.3.1. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Augustinismus‘
3.2.3.2. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Platonismus‘
3.2.3.3. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Aristotelismus‘
3.2.3.4. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Cartesianismus‘
3.2.3.5. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Empirismus‘
3.2.3.6. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Psychologismus‘
3.2.3.7. Symboltheorie und „Sprachspiel“-Konzeption
4. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Texte Ludwig Wittgensteins
Weitere Literatur
Personenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Vom mystischen Schweigen zum Reden aus Gewissheit: Wittgensteins Sprachparadigmen theologisch gedeutet - mit einer Anwendung auf Tillichs Symboltheorie. Dissertationsschrift
 9783631610084, 9783653021653, 3631610084

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Vom mystischen Schweigen zum Reden aus Gewissheit

Europäische Hochschulschriften European University Studies Publications Universitaires Européennes

Reihe XXIII Theologie Series X XIII

Theology

Série X XIII

Théologie

Band /Volume 936

Karsten Schneider

Vom mystischen Schweigen zum Reden aus Gewissheit Wittgensteins Sprachparadigmen theologisch gedeutet – mit einer Anwendung auf Tillichs Symboltheorie

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 2000

D 294 ISSN 0721-3409 ISBN 978-3-631-61008-4 (Print) E-ISBN 978-3-653-02165-3 (E-Book) DOI 10.3726/978-3-653-02165-3

© Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2013 Alle Rechte vorbehalten. PL Academic Research ist ein Imprint der Peter Lang GmbH Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.peterlang.de

Meinen Eltern, meinem Bruder und meiner Familie

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Vorwort Eine erste Version der vorliegenden Arbeit unter dem Titel „Wittgensteins Sprachparadigmen und ihre fundamentaltheologische Bedeutung“ wurde bereits im WS 1999/2000 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Die aus den verschiedensten, in erster Linie privaten Gründen eingetretene Verzögerung bei der Veröffentlichung hat es ermöglicht, manches nun noch klarer zu sehen und einige neue Aspekte zu integrieren. Nach einer Aktualisierung der Arbeit sowohl hinsichtlich der philosophischen Diskussion als auch in Bezug auf die theologische Rezeption und einer Überarbeitung des Schlusskapitels konnte sie nun veröffentlicht werden, selbst noch nach so langer „Ruhezeit“. In diesem Zusammenhang möchte ich Prof. Dr. Beyer und Prof. Dr. Jähnichen meinen Dank für ihr Verständnis aussprechen. Für eine äußerst geduldige Betreuung, anhaltende Gesprächsbereitschaft und immer wieder weiterführende inhaltliche Anregungen habe ich zudem meinem Doktorvater Prof. Dr. Christofer Frey sehr zu danken. Auch dem Zweitgutachter, Prof. Dr. Werner Strube von der philosophischen Fakultät, an dessen – zusammen mit Prof. Dr. Hans-Ulrich Hoche durchgeführten – logisch-sprachanalytischem Kolloquium ich teilnehmen durfte, schulde ich besonderen Dank für immer konstruktive Begleitung und viele wertvolle Hinweise. Ebenfalls ein herzlicher Dank gilt der für die Graduiertenförderung zuständigen Stipendienkommission der Ruhr-Universität-Bochum, besonders Prof. Dr. Gert König und Dr. Ulrich Dierse, ohne deren Unterstützung diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Viele Wegbegleiter haben weiterhin zum Gelingen beigetragen: Es seien genannt Prof. Dr. Ernstpeter Maurer, der mich als erster angeregt hat, Wittgenstein und Theologie aufeinander zu beziehen, Prof. Dr. Wolfgang Maaser, Prof. Dr. Peter Dabrock, Dr. Martin Schewe und Dr. Isolde Arends. Es sollen aber auch die vielen konstruktiven Bekanntschaften von den Wittgenstein-Symposien in Österreich, insbesondere M.A. Peter Böke, ebenso wenig unerwähnt bleiben wie die stets hilfreiche Begleitung, die ich von Seiten meiner Eltern und meines Bruders Detlev Schneider erfahren habe. In der Zeit der Aktualisierung der Arbeit hat nicht zuletzt auch meine eigene Familie mich bei so mancher Unternehmung entbehren müssen und mir die Freiräume ermöglicht, die nötig waren. So gebührt meiner Frau und unseren Töchtern großer Dank für die Geduld, die gerade auch sie für dieses Projekt aufgewendet haben. Dortmund/Bad Driburg, im Herbst 2012 Karsten Schneider

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Inhaltsverzeichnis 0.

Einleitung - oder: Zur Betrachtung fundamentaltheologischer Probleme mit Ideen Ludwig Wittgensteins

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1.

Darstellung der Philosophie Wittgensteins

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1.1.

„Tractatus logico-philosophicus“ – oder: Das Schweigen über das, was „sich zeigen“ muss Ontologie Mit dem Schaubild ‚Zur Vision des Tractatus‘ Abbildtheorie Erkenntnistheorie Theorie der „Namen“ und ihre Implikationen „Sprache“ und „Satz“ Logik, Ethik/Ästhetik, Mystik und offenes Ende Eine theologische Beurteilung

28 31 32 37 43 45 50 63 74

1.1.1. 1.1.2. 1.1.3. 1.1.4. 1.1.5. 1.1.6. 1.1.7. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3. 1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.3.2.1. 1.3.2.2. 1.3.2.3. 1.3.2.4. 1.3.2.5. 1.3.3.

Zu den Weichenstellungen der `mittleren Phase´ – oder: Vom mystischen Schweigen zur „Grammatik“ der religiösen Sprache „Bemerkungen über logische Form“ – oder: Zweifel am bisherigen Sprachparadigma „Vortrag über Ethik“ – oder: Anregung zur `Fideismusdebatte´ „Ursache und Wirkung“ – oder: Kausaldenken und Religionswissenschaft „Philosophische Untersuchungen“ und „Über Gewißheit“ – oder: Neue Möglichkeiten für sinnvolle religiöse Rede Das neue Sprachparadigma des ‚Anti-Augustinismus‘– oder: Das Auffinden der „Sprachspiele“ Positionsbestimmung ex negativo – oder: Zur „Therapie“ verbreiteter Vorstellungen ‚Anti-Platonismus‘ ‚Anti-Aristotelismus‘ ‚Anti-Cartesianismus‘ ‚Anti-Empirismus‘ ‚Anti-Psychologismus‘ Eine theologische Beurteilung (II)

88 89 93 97 106 108 124 125 128 134 140 143 148

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2.

Zur theologisch-religionsphilosophischen Rezeptionsgeschichte

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2.1. 2.1.1.

Universelles Verifikationsprinzip oder logische Eigenständigkeit? Paul M. van Buren – oder: Der Verzicht auf die ‚kosmologisch-ontologische Sprach-Garnitur‘ Die `Fideismusdebatte´ – oder: Der Streit um die logische Eigenständigkeit der religiösen Sprache Der ‚frühe‘ Dewi Z. Phillips – oder: Die Inkompatibilität religiöser „Sprachspiele“ John Hick – oder: „Die eschatologische Verifizierung“ Humphrey Palmer – oder: Verstehen ohne Glauben William D. Hudson – oder: Die „Schulung“ im Glauben Der ‚spätere‘ Dewi Z. Phillips – oder: Ein ‚moderater Fideismus‘ Gleiche Wörter, verschiedene Gewißheiten – oder: Über die Kompliziertheit der Vernetzung Mit dem Schaubild ‚Überzeugungskomplexe unterschiedlicher Individuen‘

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2.1.2. 2.1.2.1. 2.1.2.2. 2.1.2.3. 2.1.2.4. 2.1.2.5. 2.1.3.

2.2. Zur deutschsprachigen protestantischen Rezeption 2.2.1. Erste Wahrnehmungen Wittgensteins 2.2.1.1. Ingolf U. Dalferth – oder: Das Postulat singulärer Existenzsätze 2.2.1.2. Wolf-Dieter Just – oder: Sinn und Sinnkriterien 2.2.1.3. Joachim Track – oder: Das Wort `Gott´ als Nominator 2.2.1.4. Dietrich Ritschl – oder: Das ‚Story-Sprachanalyse-Konzept‘ 2.2.2. Intensivere Wittgenstein-Rezeption 2.2.2.1. Ernstpeter Maurer – oder: Eine ungewöhnliche Barth-Analyse 2.2.2.2. Thomas Niedballa – oder: Innere und äußere Erfahrung 2.2.2.3. Hans-Peter Großhans – oder: Plädoyer für einen `internen Realismus´ 2.2.2.4. Regine Munz – oder: Beispielhaftes Beispielgeben 2.2.2.5. Thomas Wabel – oder: Die Zirkelstruktur des Verstehens bei Wittgenstein und Luther 2.2.2.6. Martin Laube – oder: Wider die „Eigenständigkeitsthese“

160 170 172 174 178 182 186 189 192 194 197 197 204 208 212 215 215 223 225 228 231 235

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2.2.2.7. Swantje Eibach-Danzeglocke – oder: Die „Grammatik“ als bloße Propädeutik 2.2.2.8. Andreas Hunziker – oder: Ein Glaube ohne Metaphysik

252

2.2.3.

Zusammenfassung

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3.

Eine Anwendung auf die Symboltheorie Paul Tillichs

271

3.1.

Die Symboltheorie Tillichs

273

3.1.1. 3.1.2. 3.1.3.

Von Sinn und Struktur der Symboltheorie Tillichs Zur Charakterisierung des Begriffes „Symbol“ Zum Spezialfall des „religiösen Symbols“ Mit dem Schaubild ‚Schematisierung der Tillichschen Symboltheorie‘

273 275 278

3.2.

Tillich und Wittgenstein – Affinitäten und Divergenzen

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3.2.1.

Tillich und der `frühe Wittgenstein´

286

3.2.2.

Tillich und der `mittlere Wittgenstein´

289

3.2.3. 3.2.3.1. 3.2.3.2. 3.2.3.3. 3.2.3.4. 3.2.3.5. 3.2.3.6. 3.2.3.7.

Tillich und der `späte Wittgenstein´ Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Augustinismus‘ Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Platonismus‘ Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Aristotelismus‘ Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Cartesianismus‘ Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Empirismus‘ Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Psychologismus‘ Symboltheorie und „Sprachspiel“-Konzeption

293 293 295 302 304 306 308 310

4.

Zusammenfassung und Ausblick

313

243

281

Literaturverzeichnis 315 (Zitiert und verwiesen wird anhand der hier durch Kursivsetzung kenntlich gemachten Kurztitel, sofern nicht auf den gesamten Titel hingewiesen wird.) Personenverzeichnis Sachverzeichnis

342 347

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Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen folgen Siegfried M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zweite, überarb. und erw. Aufl., Berlin/New York 1992 (IATG2). Zusätzliche Abkürzungen (nähere Angaben s. im Literaturverzeichnis): BFGB BLF GT GW KD PU STh TLP TB UuW ÜG VB VuG VüE

= = = = = = = = = = = = =

„Bemerkungen über Frazers Golden Bough“ von L. Wittgenstein „Bemerkungen über logische Form“ von L. Wittgenstein „Geheime Tagebücher“ von L. Wittgenstein „Gesammelte Werke“ von P. Tillich „Kirchliche Dogmatik“ von K. Barth „Philosophische Untersuchungen“ von L. Wittgenstein „Systematische Theologie“ von P. Tillich „Tractatus logico-philosophicus“ von L. Wittgenstein „Tagebücher 1914 - 1916“ von L. Wittgenstein „Ursache und Wirkung“ von L. Wittgenstein „Über Gewißheit“ von L. Wittgenstein „Vermischte Bemerkungen“ von L. Wittgenstein „Vorlesungen und Gespräche über Ästhetik, Psychoanalyse und religiösen Glauben“ von L. Wittgenstein = „Vortrag über Ethik“ von L. Wittgenstein

Bibelzitate Alle Bibelzitate, sofern sie nicht selbst wieder in Zitaten enthalten sind, nach „Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers – Bibeltext in der revidierten Fassung von 1984, hg.v. der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, Stuttgart 1985“. Zur Verwendung der Anführungszeichen „ ... “ ` ... ´ ‚ ... ‘

= Normales Zitat, aber auch einzelne Begriffe, die aus der besprochenen Literatur übernommen werden. = Gängige Termini aus der Philosophie- oder Theologiegeschichte, die ohne weitere Verweise benutzt werden. Auch Zitate oder Anführungen innerhalb eines Zitates. = Ausdruck des Verfassers.

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0. Einleitung – oder: Zur Betrachtung fundamentaltheologischer Probleme mit Ideen Ludwig Wittgensteins Thesen und Gang der Arbeit: Die Kenntnis der Philosophie Wittgensteins1 und somit das Wissen um sein Fortschreiten von einem idealistischen zu einem sprachpragmatischen Sprachparadigma ist bei bestimmten fundamentaltheologischen2 Überlegungen äußerst hilfreich. Die Frage nach dem Sprachparadigma, auf der der Schwerpunkt der Darstellung liegen wird, ist angesichts der sprachlichen Verfasstheit aller Erkenntnis für die Behandlung aller im weitesten Sinne erkenntnistheoretischen Probleme grundlegend. Somit kommt ihr auch für die Antwort auf das theologische Fragen nach den Bedingungen der Möglichkeit sinnvollen Redens von Gott eine zentrale Bedeutung zu. Die Philosophie Wittgensteins wird in ihrer chronologischen Abfolge vorgestellt, da auf diese Weise die entscheidenden Resultate der Spätphilosophie am besten verständlich werden. So zeigt sich nicht nur – anhand des `frühen Wittgenstein´ – der zu kritisierende Hintergrund sprachanalytischer Religionskritik, sondern auch – anhand des `späten Wittgenstein´ – die Möglichkeit des Redens von Gott als eines sprachanalytisch verantwortbaren Sprechens. Zudem können einige traditionelle philosophische Positionen aus dieser Perspektive heraus als nicht mehr haltbar benannt werden. Sie sollten demnach auch von theologischer Rede nicht aufgenommen werden. Dies ist z.B. bestimmten vermittlungstheologischen Denkweisen entgegenzuhalten (Kap. 1). Die Spätphilosophie Wittgensteins ist allerdings im Laufe der bisherigen Theologiegeschichte nur unzureichend unter den genannten Gesichtspunkten rezipiert worden. Anfangs waren es bestimmte Missverständnisse, die die Rezeption 1

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Als Quelle wurde – wie weiterhin allgemein üblich – die Werkausgabe, Frankfurt am Main 1984, verwendet. – Für textkritische und genetische Fragestellungen allerdings sind folgende Ausgaben unabdingbar: Ludwig Wittgenstein. „Wiener Ausgabe“, hg.v. M. Nedo, Wien/New York 1993ff, die u.a. die sehr akribische textkritische Aufarbeitung der Manuskripte aus den Jahren 1929-1934 enthält [vor allem die „Philosophische(n) Bemerkungen“ und die „Philosophische Grammatik“]; vgl. dazu Kap. 1.2. der vorliegenden Arbeit; zudem: Wittgenstein´s Nachlass. The Bergen Electronic Edition, und sodann die kritischen Editionen: Logisch-philosophische Abhandlung. Tractatus logico-philosophicus. Kritische Edition, hg.v. B. McGuinness/J. Schulte, Frankfurt am Main 1998, und Philosophische Untersuchungen. Kritisch-genetische Edition, hg.v. J. Schulte, Frankfurt am Main 2001. Nachdem zunächst G. Ebeling in: Erwägungen, ZThK 67 (1970), S. 479-524, den Begriff `Fundamentaltheologie´ aus der katholischen Theologie übernommen hatte, ist es – spätestens seit W. Joest, Fundamentaltheologie, Stuttgart u.a. 1974 – auch im Rahmen protestantischer Theologie üblich geworden, die ‚theologische Grundlagendiskussion‘ so zu benennen, ist doch die Redeweise von `Prolegomena´ durch die spezifische Verwendung, die ihr Karl Barth gegeben hat, nämlich als einer „Dogmatik in nuce“ (Ch. Frey, Die Theologie Karl Barths, S. 154), zweideutig geworden.

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leiteten und z.B. zu der so genannten `Fideismusdebatte´ geführt haben. In den dann folgenden Jahrzehnten einer zeitweise recht intensiven Beschäftigung mit Wittgenstein kam es in vielerlei Hinsicht dann zu einem angemesseneren Verständnis seiner Gedanken. Es sind aber im deutschsprachigen Raum trotz mancher Veröffentlichungen nur wenige Ansätze auszumachen, die die Folgerungen aus seinen Darlegungen konsequent aufgreifen (Kap. 2). Die fundamentaltheologischen Implikationen der Philosophie Wittgensteins werden sodann in einem eigenen Versuch auf die Symboltheorie Tillichs bezogen. Es wird sich zeigen, dass dessen Konzeption zwar in einigen Teilen mit dem Geforderten kongruent geht, doch an entscheidender Stelle – hinsichtlich seiner impliziten ontologischen Vorgaben – verändert werden müsste. Dazu wird ein Lösungsansatz im Sinne des `späten Wittgenstein´ unterbreitet (Kap. 3). Warum aber ist die theologische Beschäftigung mit der sprachanalytischen Problematik ihres Redens überhaupt geboten? – Ein Blick auf die jüngere Entwicklung der Auffassungen von Kirchenmitgliedern in Deutschland hinsichtlich ihres Glaubens und ihrer Einstellung zur Kirche soll die Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung aufzeigen. Als Friedrich Nietzsche vor schon weit mehr als einhundert Jahren in der Parabel „Der tolle Mensch“ 3 eben diesen emphatisch verkünden ließ: „Gott ist todt! Und wir haben ihn getödtet!“, musste er damals doch bei nüchterner Analyse gleichzeitig konstatieren: „Christenthum haben, wie mir scheint, im alten Europa auch heute noch die Meisten nöthig: deshalb findet es auch immer noch Glauben.“4

Zwar gehören heutzutage weiterhin fast zwei Drittel der Bevölkerung Deutschlands einer der beiden großen Volkskirchen an, doch hat sich seit Nietzsche viel im Bewusstsein der Mitglieder verändert. Der Institution Kirche und dem Glauben an Gott stehen mittlerweile viele Menschen sehr kritisch gegenüber. Die Motive für die Beibehaltung der Mitgliedschaft liegen häufig nicht in einem religiösen Glauben begründet, sondern sind oft von rein ethischen Überlegungen getragen.5 Beide Kirchen verzeichnen seit Jahren recht hohe Zahlen von Mitgliedsaustritten. Im Laufe der Zeit haben die philosophische, im Osten auch die bewusst politisch umgesetzte Religionskritik – ob nun logischer, psychologi3

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F. Nietzsche, Wissenschaft, § 125, S. 480-482. Das im obigen Text direkt folgende Zitat findet sich auf S. 481. Ders., a.a.O., S. 581 in § 347. Zu Motiven und Erwartungen von Kirchenmitgliedern vgl. die Mitgliedschaftsstudien, die die Evangelische Kirche in Deutschland mittlerweile alle zehn Jahre durchführt, und die dazugehörigen Publikationen von 1974 („Wie stabil ist die Kirche?“), 1984 („Was wird aus der Kirche?“), 1997 („Fremde Heimat Kirche“, zur Befragung von 1992/93, aber auch mit einem guten Überblick über die beiden vorigen Studien) und 2006 („Kirche in der Vielfalt der Lebensbezüge“; in Bezug auf die Erhebung von 2002).

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scher oder sprachanalytischer Provenienz6 – , aber auch viele andere Faktoren7 dafür gesorgt, dass der Agnostizismus mittlerweile immer mehr Verbreitung findet. Christentum ist den meisten Menschen in Mitteleuropa, selbst großen Teilen derjenigen, die formal noch dazugehören, fremd geworden. Die Kirchen und ihre bewussten Mitglieder sehen sich wachsender Gleichgültigkeit gegenüber dem christlichen Glauben ausgesetzt und werden häufig nicht ernst genommen, wenn sie versuchen von Gott zu reden. Der Glaube an Gott wird zunehmend als unzeitgemäß betrachtet.8 So betont der Religionspädagoge Karl Ernst Nipkow in diesem Zusammenhang, dass es für die Kirche nicht nur darauf ankomme, ihre Inhalte auf modernere Weise anzubieten, sondern auch darauf, diese als ‚glaub-würdig‘ darzustellen. Der Gehalt selbst sei das In-Frage-Stehende, inhaltliche Überzeugungsarbeit sei zu leisten, auch unbequemem Nachfragen dürfe nicht ausgewichen werden. Es sei „unmöglich“, heutzutage „dem Thema Religionskritik als solchem entfliehen zu wollen“9. Von theologischer Seite wurde diesen Anfragen lange Zeit kaum offensiv begegnet, sondern man machte sie sich im Gegenteil – u.a. unter dem Eindruck des starken Aufbrechens des Theodizee-Problems nach den Erfahrungen der Shoa und der Weltkriege insgesamt – häufig selbst zu eigen. Teilweise fühlte man sich sogar gezwungen, den ursprünglich auf `Transzendenz´ hin angelegten christlichen Gottesbegriff radikal in die `Immanenz´ hineinzuholen und Theologie unter Absehung jeglichen ontologischen Anspruches nur noch als besondere Form von Politik oder Psychotherapie zu verstehen.10 Konsequenterweise wurde 6

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9 10

Diese Dreiteilung ist nur als ein Vorschlag zur Aufgliederung von Begründungsmustern gedacht; bei einzelnen Philosophen werden immer Mischungen zu finden sein. So basieren z.B. – wie häufig unterschlagen wird – L. Feuerbachs psychologische Überlegungen in „Das Wesen des Christentums“ auf logischen Anfragen an den Gottesbegriff und auch dem `späten Bloch´ erscheint das logisch genommene Theodizee-Problem – mehr noch als die psychologische Kritik der marxistischen Tradition – als der ausschlaggebende Grund, die traditionelle Gottesvorstellung durch einen Glauben „an Auszug“ zu ersetzen (vgl. E. Bloch, Atheismus, S. 163-166). Es sei zumindest verwiesen auf die generelle Metaphysik-Feindlichkeit der `Postmoderne´ und eine eng damit verbundene materialistisch-konsumorientierte Grundeinstellung. Als Beleg für diese These sei auch auf den großen Erfolg der Bücher von Richard Dawkins (z.B. ders., Der Gotteswahn, Berlin 2007) und Stephen Hawking (z.B. ders./L. Mlodinow, Der große Entwurf – Eine neue Erklärung des Universums, Reinbek 2010) verwiesen. Sie beanspruchen darin gezeigt zu haben, warum es Gott nicht geben könne. – Dass sie bei ihren Argumentationen aber irrigen Vorstellungen hinsichtlich der Kompatibilität von Religion und Wissenschaft folgen, könnte mit Wittgenstein deutlich gemacht werden, ist allerdings nicht Thema der vorliegenden Arbeit (vgl. dazu aber durchaus auch Kap. 1.2.3). K.E. Nipkow, Erwachsenwerden, S. 72. In Kap. 2.1.1. dieser Arbeit wird exemplarisch P. van Buren vorgestellt werden als jemand, der diese Art von `Theologie´ ausführlich mit Argumenten sprachanalytischer Herkunft begründet. – Als eine in Deutschland immer noch sehr bekannte Vertreterin, die dieser Rich-

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der Gottesbegriff – selbst in `Gottes´-diensten – manchmal ganz gemieden und religiöse Systeme wurden nur noch als `atheoretische Sinnzusammenhänge´ begriffen, an die die Wahrheitsfrage zu stellen sinnlos sei. Gerade diese letztere Auffassung wird häufig auch mit Gedanken des `mittleren´ oder `späten Wittgenstein´ zu begründen versucht.11 Eines der Anliegen dieser Arbeit ist es aber zu zeigen, dass es sich hierbei um eine überzogene Reaktion auf eine Kritik handelt, die – und nicht nur insoweit sie direkter sprachanalytischer Herkunft ist – auf ganz bestimmten und, wie zu begründen sein wird (Kap. 1.2. und 1.3.), fehlgehenden Vorstellungen vom Funktionieren der Sprache und von dem Verhältnis zwischen Sprache und Welt beruht.12 Als besonders eindrucksvolle und wirkungsgeschichtlich bedeutende Ausformulierung dieser zu kritisierenden `idealsprachlichen´ Anschauungen wird deshalb zu Beginn des ersten Teils dieser Arbeit der „Tractatus logico-philosophicus“ (TLP) des `frühen Wittgenstein´ ausführlich dargestellt werden (Kap. 1.1.) – nicht ohne aufzuzeigen, dass dessen neopositivistische Interpretation, die durch die Mitglieder des sog. `Wiener Kreises´ (R. Carnap, M. Schlick, O. Neurath, H. Hahn, V. Kraft u.a.) verbreitet wurde, der dem TLP zugrunde liegenden Weltsicht nicht gerecht werden konnte und wohl auch nicht wollte. 13 Leider hat auch K. Popper – trotz seiner Auseinandersetzung mit dem `Wiener Kreis´ – dazu beigetragen, das positivistische Missverstehen des Wittgensteinschen Frühwerkes zu fördern.14 Bei aller Kritik an dieser Art der Interpretation ist allerdings nicht zu leugnen, dass Wittgenstein in dieser Phase denjenigen Philo-

11 12

13

14

tung zugeordnet werden kann, sei Dorothee Sölle genannt (deutlich z.B. in: dies., Stellvertretung. Ein Kapitel Theologie nach dem „Tode Gottes“, 4. Aufl., Stuttgart/Berlin 1967. Vgl. besonders die Einleitung, S. 7-18, und das Kapitel „III. Der Stellvertreter (Entwurf einer nachtheistischen Theologie)“, S. 131-205). Vgl. u.a. die in Kap. 2.1.2.1. dargestellte Argumentation von D. Z. Phillips. Nur kurz wird angedeutet werden können, dass mit dem Aufdecken dieser Überzeugungen auch Schwachpunkte der logischen und psychologischen Religionskritik deutlich werden (Kap. 1.2.3.). Vgl. Werkausgabe Bd. 3, Wittgenstein und der Wiener Kreis. – Einen guten Einblick in die Inhomogenität des `Wiener Kreises´ und seine Wittgenstein-Rezeption gibt auch M. Geier, Wiener Kreis, besonders S. 72-81; vgl. R. Haller, Neopositivismus, S. 82-100. Vgl. z.B. K. Popper, Vermutungen, S. 96-109: Hier wird die Leugnung Wittgensteins, dass es „echte philosophische Probleme“ gebe, so interpretiert, als ob im TLP tatsächlich die Auffassung vertreten werde, dass man sich über nichts zu wundern habe und einen Positivismus ähnlich dem von Auguste Comte akzeptieren müsse (S. 101). Popper übersieht dabei, dass Wittgenstein im Grunde einen Vorschlag zur Terminologie macht: die Gruppe der „eigentlichen Lebensprobleme“ will er nicht mehr als „philosophische Probleme“ angesprochen wissen, die innerhalb der „Welt“ auflösbar seien, sondern letztlich als „ethische“. Dies führt nach Wittgenstein zu einer Verlagerung in das „Transzendentale“ und somit zu einem großen Unterschied in ihrer Behandlung (Kap. 1.1.6.).

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sophen zuzurechnen ist, die Sprache als ein ‚eindimensionales Geschehen‘ 15 begreifen. Es ist gerade eine seiner damaligen Grundthesen, dass Sprache als innerweltliches Ereignis nicht auf Transzendentes verweisen könne, sondern konsequent ‚auf einer Ebene’ gedacht werden müsse. Der TLP entstand kurz vor und während des Ersten Weltkrieges, also zu einer Zeit, als – vor allem im deutschsprachigen Raum – Neukantianismus, Lebensphilosophie und Phänomenologie die dominierenden philosophischen Strömungen waren. Dennoch sind nicht sie es, die die Grundideen des TLP geprägt haben.16 Vielmehr basiert er zu wesentlichen Teilen auf Gedanken Russells und Freges und versteht sich als Weiterführung, gar als Vollendung derselben. Vor allem Russell hat nicht nur als Mitverfasser der „Principia Mathematica“ entscheidenden Einfluss auf die logischen Fragestellungen des TLP gewonnen, sondern hat Wittgenstein in persönlichen Gesprächen auch die Philosophie des englischen Empirismus, aber ebenso auch Platon und Leibniz näher gebracht. Eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die hinter den logischen Thesen stehenden Überzeugungen hatte ferner Schopenhauer, mit dessen Schriften Wittgenstein schon in jungen Jahren bekannt wurde.17 Es spricht vieles dafür, dass Wittgenstein vom Entwurf Kants zunächst auch nur via Schopenhauer Kenntnis gehabt hat, obwohl eine der Grundideen des TLP ausgesprochen von Kant beeinflusst scheint: Die Suche nach den Bedingungen der Möglichkeit sinnvollen Redens kann als die sprachanalytische Wendung kantischen Fragens begriffen werden.18 Allerdings steht auch diese transzendentalphilosophische Interpreta15

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Dieser Ausdruck ist H. Marcuse nachempfunden, der mit seiner Bezeichnung „Der eindimensionale Mensch“ den allein auf bestimmte ökonomisch-technische Denkschemata fixierten Teilhaber an „fortgeschrittenen Industriegesellschaften“ meint. Dieser Mensch bilde letztlich eine „eindimensionale Philosophie“ aus, die „gegen alle Metaphysiken, Transzendentalismen und Idealismen als obskurantistische und regressive Denkweisen“ (ders., Der eindimensionale Mensch, S. 186) gerichtet sei. Marcuses Bestreben, die Sprachanalyse hier einzuordnen und ihren „wesentlich ideologischen Charakter“ (ebd., S. 185) aufzuzeigen, impliziert eine sozialphilosophisch motivierte Wittgenstein-Kritik (vgl. ebd., S. 184-213). Ihr soll hier nicht weiter nachgegangen werden, weil sie sich nicht – wie es für die Verfolgung der skizzierten fundamentaltheologischen Ziele nötig wäre – auf eine argumentative Ebene mit der sprachanalytischen Philosophie zu stellen bereit ist. Es muss allerdings erwähnt werden, dass Marcuse mit seiner Kritik nicht nur den `frühen´, sondern auch den `späten Wittgenstein´ (s.u.) zu treffen meint, bei dem die vorliegende Arbeit aber gerade ein Aufbrechen des „eindimensionalen Denkens“ konstatieren kann. Das mag damit erklärt werden, dass Wittgenstein seinen Lebensmittelpunkt vom Frühjahr 1908 an bis Anfang Oktober 1913 in England hatte (zu dieser Zeit vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 45–107), kann aber auch mit seinem Hang dazu, sich gerade nicht an gängigen Denkmustern auszurichten, in Verbindung gebracht werden. Vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 35. Immerhin ist eine der lange Zeit einflussreichsten TLP-Interpretationen, nämlich E. Stenius, Wittgensteins Tractatus, Ithaca/New York 1960, eine transzendentalphilosophische. Vgl. auch W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 555.

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tion – wie die schon erwähnte neopositivistische – in der Gefahr, durchaus im „Tractatus“ vorhandene Aspekte einseitig zu verabsolutieren.19 Für das Lebensgefühl nun, aus dem heraus Wittgenstein den TLP geschrieben hat, war die Lektüre von L. Tolstoj 20 wie auch die der Arbeiten von W. James über Religion21 wichtig. Die Beschäftigung mit diesen beiden Autoren begründete sein positives Verhältnis zur `Mystik´ (Kap. 1.1.6. und 1.1.7.). Deren weitgehende inhaltliche Unbestimmtheit jedoch – verbunden mit einer starken Betonung der Ethik – geht auf die Auseinandersetzung mit F. Nietzsches „Der Antichrist“ zurück.22 Darüber hinaus wären noch viele andere Namen von Denkern, die bereits den jungen Wittgenstein beeinflusst haben, zu nennen23 und mit bestimmten Ansichten Wittgensteins in Verbindung zu bringen. Da aber das Interesse dieser Untersuchung nicht primär philosophiegeschichtlicher Art, sondern theologischer Natur ist, sollen diese wenigen Hinweise und einige Andeutungen im Laufe der Arbeit genügen. Um die Intentionen Wittgensteins klarer zu sehen, wird jedoch nicht darauf verzichtet werden können, gelegentlich auch seine Tagebücher, Briefe usw. mit zu berücksichtigen24, handelt es sich doch beim TLP um ein Werk, in dessen Vorwort Wittgenstein ursprünglich andeuten wollte, dass dieses Buch ohne einen bestimmten Hintergrund kaum zu verstehen sei: „ich wollte nämlich schreiben, mein Werk bestehe aus zwei Teilen: aus dem, der hier vorliegt, und aus alledem, was ich nicht geschrieben habe. 25 Und gerade dieser zweite Teil ist der Wichtige.“ 19

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Zur Diskussion über die transzendentalphilosophische `Lesart´ vgl. Kap. 1.1.6., Kap. 2.2. und Kap. 2.2.2.8. Vgl. R. Monk, a.a.O., S. 133-135, und K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 63-66. Vgl. L. Wittgenstein, Letters, S. 10 (Brief an B. Russell vom 22.6.1912), und R. Monk, a.a.O., S. 130. Vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 139-141 (vgl. Kap. 1.1.7.). Vgl. L. Wittgenstein, VB, S. 476, wo er von sich behauptet: „So haben mich Boltzmann, Hertz, Schopenhauer, Frege, Russell, Kraus, Loos, Weininger, Spengler, Sraffa beeinflußt.“ – In der neueren Forschung wird zudem die Bedeutung Kierkegaards für Wittgenstein immer stärker herausgearbeitet; vgl. Kap. 2.2. Einen synopsenartigen Überblick über die TLP-Parallelstellen in den „Tagebücher(n) 1914-1916“ (TB; Werkausgabe Bd. 1, S. 87-187) und in verschiedenen Briefen, aber auch im „Prototractatus“, einer Frühfassung des TLP (vgl. R. Monk, a.a.O., S. 170), gibt eine „Kritische Edition“ von B. McGuinness/J. Schulte, Frankfurt am Main 1998. Zudem findet sich hier ein Gesamt-Abdruck des „Prototractatus“ (S. 181-255). – Die „Geheimen Tagebücher 1914-1916“ (GT), hg.v. W. Baum, 2. Aufl., Wien 1991, bringen in ihren ersten beiden Teilen keine für das Verständnis des TLP wichtigen Ergänzungen; im dritten Abschnitt jedoch finden sich einige Hinweise auf den bereits erwähnten Einfluss Tolstojs, die Auseinandersetzung mit Nietzsche und auf Wittgensteins Gottesbegriff (vgl. W. Baum, Weg zum Glück, in: ZKTh 104 (1982), S. 191-195; s. auch Kap. 1.1.6. und 1.1.7.). L. Wittgenstein, Briefe an Ludwig von Ficker, S. 23.

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Durch die Einbeziehung der genannten Dokumente und den damit erkannten religiösen Fragen, die Wittgenstein bewegt haben, wird es legitim, sein Frühwerk – gerade aufgrund seiner konsequent ‚eindimensionalen‘ Auffassung von Sprache – als Einweisung in die fundamentaltheologische Problematik von der Möglichkeit des Redens von Gott zu begreifen. Letztlich ist so der TLP als ‚radikalnegative Theologie‘ anzusprechen26, die das grundlegende Dilemma jeglichen Theologie-Treibens vor Augen führt, das Karl Barth folgendermaßen formuliert hat: „Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und 27 unser Nicht-Können, wissen und eben damit Gott die Ehre geben.“

Die damit skizzierte Ausgangsproblematik haben die protestantischen Theologen des letzten Jahrhunderts vor allem im deutschen Sprachraum meist hermeneutisch anzugehen versucht28; die sprachanalytisch-philosophische Sicht war noch nicht im Blick. Dabei sei hier unter `sprachanalytischer´ Philosophie jegliche Methodik verstanden, die versucht, die klassischen Fragestellungen der Philosophie wie Erkenntnistheorie, Ontologie usw. dadurch besser zu begreifen, dass sie das ‚Arbeiten der Begriffe’ zu durchschauen sucht, ohne diesem sofort eine z.B. existenzialphilosophische Interpretation zu unterlegen oder gar nach dem Wesen dessen zu fragen, was denn die Begriffe bezeichneten. Letzteres wäre charakteristisch für ein Denken, das in dieser Arbeit ‚platonistisch‘ bzw. `essenzialistisches Missverständnis´ genannt wird (Kap. 1.3.2.1.). 26

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Behauptet die `Negative Theologie´ die prinzipielle Unvollkommenheit geschöpflicher Gotteserkenntnis und bestimmt ihre Begrifflichkeit `via negationis´ – z.B. indem sie Gott alle irdischen Unvollkommenheiten abspricht – , so steigert Wittgenstein sie insofern, als er die Inadäquatheit jeglicher Begrifflichkeit in diesem Zusammenhang herausstellt. – Einige Ähnlichkeiten mit der Stoßrichtung alttestamentlicher Religionskritik sind dabei durchaus bemerkenswert (Kap. 1.1.7.). K. Barth, Wort Gottes, S. 158 (das im Zitat kursiv Geschriebene ist im Original gesperrt gedruckt). Vgl. besonders die Arbeiten von G. Ebeling (z.B. die in: ders., Wort und Glaube. Gesammelte Aufsätze Bd. 1, zusammengestellten Beiträge wie „Wort Gottes und Hermeneutik“, S. 319-348, und „Elementare Besinnung auf verantwortliches Reden von Gott“, S. 349371) und R. Bultmann (in den Sammelbänden „Glauben und Verstehen“, worin der Aufsatz „Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden?“ [Bd. I, S. 26-37] mit seiner Unterscheidung zwischen dem einzig möglichen „von Gott reden“ und dem unmöglichen „über Gott reden“ theologiegeschichtlich besonders bedeutsam geworden ist), aber auch die Beiträge von E. Fuchs (es sei hier exemplarisch verwiesen auf seine „Hermeneutik“ und auf den Aufsatz „Das Problem der theologischen Hermeneutik“ in: ders., Zum hermeneutischen Problem in der Theologie, S. 116-137). – Eine kurze, aber treffende Darstellung dieser drei Positionen findet sich in der in Kap. 2.2.5. vorgestellten Dissertation von E. Maurer, Sprachphilosophie bei Karl Barth, S. 16-22.

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Wenn `Sprachanalyse´ derart weit verstanden wird, können sowohl alle Phasen der Philosophie Wittgensteins unter diesen Begriff gebracht als auch alle ‚rein sprachphilosophischen‘ Überlegungen abgegrenzt werden, die Sprache – neben anderen Themen wie Ethik, Religion, Kultur, Geschichte usw. – lediglich als Objekt des Philosophierens betrachten (z.B. Johann Gottfried von Herder, Wilhelm von Humboldt oder Johann Georg Hamann).29 `Sprachanalyse´ wurde allerdings vor allem im deutschen Sprachraum fast ausschließlich als theologiefeindlich eingestuft. Dies mag zu einem großen Teil darin begründet liegen, dass sich eine besonders scharfe Form von Religionskritik `sprachanalytischer´ Argumente bediente30 und diese Art philosophischen Fragens dadurch von vornherein bei den Theologen in Misskredit geraten war. So wurde `sprachanalytische´ Philosophie irrtümlicherweise meist auch mit einer idealsprachlichen Normierungsforderung positivistischer Prägung zusammen gedacht. Diese gedankliche Kombination ist jedoch – obwohl durchaus häufig anzutreffen und auch im TLP zu finden – keineswegs eine ständige oder gar zwangsläufige.31 Hier wäre es hilfreicher gewesen, aufmerksamer zu beachten, dass aufgrund der Einsicht in die Unzulänglichkeit des bisherigen Modells, aber auch wegen der jetzt stärkeren Berücksichtigung der Impulse, die von der `ordinary language philosophy´ des in Cambridge wirkenden Philosophen G. E. Moore ausgingen, gerade auch bei Wittgenstein eine vollständige Ablösung des bisherigen Sprachparadigmas erfolgte und durch eine gänzlich andere Auffassung ersetzt wurde (Kap. 1.2. und 1.3., besonders 1.3.1.).32 Diese sprengte die Ansicht der ‚Eindimensionalität‘ von Sprache und schaffte somit für `religiöse Rede´33 wieder neue Spielräume. 29

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Dieser Sprachgebrauch folgt H.-U. Hoche, Einführung, S. 57. – Damit ist natürlich nicht bestritten, dass hier unterschiedene Gruppen – z.B. der `späte Wittgenstein´ und die genannten Sprachphilosophen – von einer anderen abstrakten Ebene aus betrachtet durchaus als zusammengehörig empfunden und z.B. als rhetorisch-sprachphilosophische Strömung abgegrenzt werden könnten gegen eine logizistische Richtung (vgl. Ch. Taylor, Bedeutungstheorien, S. 52-117, in: Negative Freiheit?), während hingegen die Zusammenfassung der beiden Wittgensteinschen Ansätze dieser Sicht problematisch erscheinen muss. Vgl. z.B. die Argumentationen der Mitglieder des schon erwähnten `Wiener Kreises´. Als besonders herausragend vgl. R. Carnap, Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache, in: Erkenntnis 2 (1931/32), S. 219-241; einfacher zugänglich in: H. Schleichert, (Hg.), Logischer Empirismus – Der Wiener Kreis, München 1975, S. 149-171. Vgl. W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 487. In Kap. 1.2. werden auch Wittgensteins theologisch sehr interessante, weil die psychologische Religionskritik betreffenden Bemerkungen zu verbreiteten Vorstellungen über Kausalzusammenhänge genauer betrachtet. Für diesen Ausdruck wird hier eine allgemeine Verständlichkeit vorausgesetzt. – In Kap. 2.1.3. wird darauf eingegangen werden, inwieweit eine Definition nötig und einem Verständnis der Problematik förderlich ist.

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Damit wurde aber auch das Verhältnis zur kantischen Philosophie – ganz abgesehen davon, wie man es für die Frühphilosophie genauer bestimmt – distanzierter: Der Hinweis auf die transzendentale Dimension der Logik als Antwort auf die Frage nach den Grundbedingungen sinnvollen Sprechens wurde ersetzt durch „das Zeigen“ auf die selbstregulative Funktion von Sprache und auf die grundlegende Rolle der so genannten „grammatischen Sätze“.34 Anhand der Entwicklung der Wittgensteinschen Philosophie ist also nicht nur das logisch-positivistische Sprachparadigma besonders eindrücklich darstellbar, sondern auch seine Überwindung und die Ausarbeitung eines neuen Modells, das der Theologie im Diskurs mit der Philosophie wieder neue Möglichkeiten an die Hand gibt. Gerade an Wittgenstein ist ausgesprochen gut aufzuzeigen, dass die Geschichte der sprachanalytischen Philosophie selbst sich gegen die Voraussetzungen ihrer eigenen Religionskritik wendet.35 Neben G.E. Moore seien für diese Weiterentwicklung der Philosophie Wittgensteins vor allem F. Ramsey und P. Sraffa als ihn besonders inspirierende Kräfte hervorgehoben. Sie – und auf eher indirekte Weise auch A.N. Whitehead – förderten die Einsicht in die Unzulänglichkeit des Sprachparadigmas des TLP und somit die Hinwendung zur `ordinary language philosophy´, die Wittgenstein auf charakteristische Weise weiterentwickelte. Beim `späten Wittgenstein´ kommt man nun ohne die Kenntnis von Platon, Augustin, Descartes, Hume und Kant kaum aus. Da aber Wittgensteins philosophiehistorische Anspielungen ebenso wie die ‚eigentliche Thematik’ fast immer sehr versteckt sind, muss man sich bei der Frage, was er – vor allem in späteren Jahren – wirklich gelesen hat, meist mit Spekulationen begnügen.36 Offenbar wollte er seine Gedanken auch gar nicht durch expliziten Rekurs auf berühmte Philosophen untermauern, sondern im Gegenteil durch das Verschweigen ihrer Namen die Verschiedenheit seiner `Theoria´ von ihren Theorien herausstellen. Die fehlende Angabe von Autoritäten lässt die Methode, sich den Problemen 34

Zum Verhältnis des `späten Wittgenstein´ zu Kant vgl. S. Fromm, Wittgensteins Erkenntnisspiele contra Kants Erkenntnislehre, München 1979. 35 Wittgenstein ist hierfür auch durchaus repräsentativ, trifft diese Beobachtung doch ebenso auf z.B. die weitere Entwicklung von Überlegungen des `Wiener Kreises´ zu: Die nicht zuletzt auf die Anfragen Poppers zurückgehende, immer weitere Modifizierung des `Empiristischen Sinnkriteriums´ (vgl. M. Geier, Wiener Kreis, S. 106-115), nach dem nur letztlich empirische Sätze Sinn und Gültigkeit beanspruchen können, führte in einen nicht zu lösenden Selbstwiderspruch: Die bloße Ausformulierung dieses Kriteriums widerspricht seinen eigenen Forderungen, weil es selbst kein empirischer Satz ist. 36 Es kann nicht Aufgabe dieser Abhandlung sein, sich daran zu beteiligen. Deshalb sollen in dieser Arbeit Verweise auf andere Philosophen lediglich an Punkten, an denen es für das Verständnis besonders förderlich scheint, erfolgen. Ebenso sparsam soll mit Hinweisen auf die vielfältige philosophische Wirkungsgeschichte umgegangen werden, um den Blick freizuhalten für die Fragestellung nach den fundamentaltheologischen Rezeptionsansätzen.

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immer wieder neu, immer wieder von Anfang an zu nähern, in den Vordergrund treten. Die Darstellung der Spätphilosophie Wittgensteins nun wird anhand ausgesuchter Schwerpunkte erfolgen (Kap. 1.3.), sind in die vorliegende Arbeit doch unmöglich auch nur annähernd alle Aspekte der „Philosophische(n) Untersuchungen“ (PU) oder von „Über Gewißheit“ (ÜG) integrierbar, um nur die Hauptwerke dieser Phase zu nennen. Nach der Skizzierung des neuen Sprachparadigmas, der `Sprachspieltheorie´37 (Kap. 1.3.1.), werden als auch theologisch interessante ‚Hauptstoßrichtungen‘ der Spätwerke, die eine nähere Positionsbestimmung – allerdings `ex negativo´ – ermöglichen, vor allem fünf zentrale Thesen herausgestellt werden (Kap. 1.3.2.): 1) ‚Anti-Platonismus‘ (Kap. 1.3.2.1.): Diese oben schon kurz erwähnte Denkbewegung richtet sich gegen die permanente Suche nach dem `Wesen´ dessen, das durch einen bestimmten Begriff bezeichnet wird, also gegen die Annahme, dass es immer einen `Wesenskern´ eines Ausdruckes gebe, der in jeder Verwendung dieses Wortes mitschwinge. – Dagegen wird die nicht an ontologische Vorentscheidungen gebundene, sondern situativ-deskriptiv bleiben wollende Konzeption der „Familienähnlichkeit“ von Benennungen und die damit verknüpfte `Sprachspieltheorie´ gesetzt. 2) ‚Anti-Aristotelismus‘ (Kap. 1.3.2.2.): Hier wird vor allen Dingen der `Korrespondenzbegriff der Wahrheit´ – und damit verbunden: die Abbildtheorie des TLP – als unhaltbar herausgestellt. – Gegen diesen Entwurf wird ein pluralistischer eingebracht, ohne dass in eine relativistische Willkürlichkeit verfallen wird. 3) ‚Anti-Cartesianismus‘ (Kap. 1.3.2.3.): Der angebliche Zerfall der Welt in eine `res cogitans´ und eine für diese erkennbare `res extensa´ und damit die Möglichkeit einer `Ersten Philosophie´ wird als falsches philosophisches Konstrukt enttarnt. Dessen letztlich in den Solipsismus mündende Subjektzentriertheit muss – allein schon als methodischer Ausgangspunkt aller Überlegungen – abgelöst werden durch die Erkenntnis des nicht hintergehbaren Eingebundenseins des Subjektes und seiner Sprache in die Welt. 4) ‚Anti-Empirismus‘ (Kap. 1.3.2.4.): Da auch der Empirismus einseitig das Ego in den Mittelpunkt seiner Reflexionen stellt und auch er letztlich zu keiner Sicherheit über die Außenwelt gelangen kann, da er mit den von ihm zugelasse37

Da Wittgensteins Interesse daran lag, zu einer neuen `Schau´, einer `Theoria´, der Sprache anzuleiten, wird in dieser Arbeit der Ausdruck `Sprachspieltheorie´ nur hier in Kap. 0 einleitend mit eben diesem Gedanken im Hintergrund benutzt. Eine `Theorie´ im Sinne eines geschlossenen Systems aber wollte Wittgenstein gerade nicht aufstellen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, wird in den folgenden Kapiteln diese Bezeichnung vermieden. (Vgl. W. Welsch, Vernunft, S. 864-867, wo er „Wittgensteins Version von Theorie“ (S. 864) skizziert.)

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nen „Sprachspielen“ über die Gültigkeit seiner `Sinnesdaten´ ebenso wenig Auskunft geben kann wie über die Geltung seiner Logik, ist er am Ende aus ähnlichen Gründen wie der Cartesianismus abzulehnen. 5) ‚Anti-Psychologismus‘ (Kap. 1.3.2.5.): Gegen Auffassungen, die davon ausgehen, dass mit bestimmten Verben – wie z.B. `denken´, `verstehen´ oder `meinen´ – auf private, aber eindeutig festzulegende psychische Vorgänge Bezug genommen wird, weist Wittgenstein auf die Unzulänglichkeit einer Introspektion hin, die sich von der Vorstellung eines derartigen ‚Sprache-Psyche-Abbildverhältnisses‘ in die Irre führen lässt und so ein Verständnis für das, was in den einzelnen „Sprachspielen“ mit den jeweiligen Verben tatsächlich ausgedrückt wird, nicht erreichen kann. Sind dies alles Konsequenzen, die sich aus der `Sprachanalyse´ im Sinne der PU ergeben, so dürfte schon an dieser Stelle offensichtlich sein, dass auch die Implikationen für die Theologie nicht nur ‚kosmetischer Art‘ sind. Es kann nicht allein darum gehen, eventuell einige Abzweckungen für die Disziplinierung theologischer Begriffsbildung herauszuarbeiten, eine Relativierung des Wahrheitsbegriffes zugunsten eines offeneren ökumenischen oder interreligiösen Dialoges vorzunehmen oder eine Sprachauffassung darzulegen, innerhalb derer das Reden von Gott als `nicht wahrheitsfähig´ oder nicht als „unsinnig“38 zu gelten hat. Es muss vielmehr versucht werden, das erreichte Sprachverständnis selbst wieder theologisch zu verarbeiten, d.h. es muss von Anfang an in den theologischen Ansatz integriert werden, um nicht mehr der Gefahr ausgesetzt zu sein, eine der oben als verfehlt charakterisierten Positionen zum Ausgangspunkt für ein theologisches System bzw. für theologisches Denken überhaupt zu nehmen. So betrachtet ist `Sprachanalyse´ also nicht etwas der Theologie Gegenüberstehendes, mit deren Hilfe die Theologen z.B. ihre eigene religiöse Sprache auch im säkularen Umfeld mit Anspruch auf Verständlichkeit zu Gehör bringen (vgl. Kap. 2.1.2.) oder die sie im Nachhinein als Korrektiv zu ihrer Begriffsbildung – sozusagen zu Verschönerungszwecken – instrumentalisieren könnten, mit der sie also in einem quasi zweiten Schritt ein Gespräch anfangen könnten. Sie ist vielmehr von Beginn an genuin theologische Aufgabe, ohne die – selbst in Bezug auf ‚nur’ innerkirchliches Reden – gar nicht recht angefangen werden kann. Somit ist sie fundamentaltheologische Aufgabe im engsten Sinn. Die frühen theologischen Rezeptionen sind aber von dieser Einsicht noch weit entfernt. Zwar wurde die sog. `Sprachspieltheorie´ Wittgensteins – neben der Entdeckung des `performativen´ Charakters vieler sprachlicher Äußerungen durch J.L. Austin und seine Einteilung in `locutionary´, `illocutionary´ und `perlocutionary acts´39 sowie der vor allem im Anschluss an den Letztgenannten von 38 39

Zum Begriff des „Unsinnigen“ im TLP vgl. Kap. 1.1.5. Vgl. J.L. Austin, How to Do Things With Words, Oxford 1963; zu der genannten Dreiteilung besonders S. 91ff.

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J.R. Searle entwickelten `Sprechakttheorie´40 – insofern theologisch aufgenommen, als eine Reihe von Einzelanalysen verschiedener `religiöser Sprachspiele´ bzw. `Sprechakte´ erfolgte.41 Und dies ist verglichen mit bloßen Satz– oder gar Wortanalysen sicherlich als ein Fortschritt zu begreifen, wie auch keineswegs in Abrede gestellt werden soll, dass hier ein deutlich angemesseneres Verständnis des Sprachgeschehens in vielen Situationen erreicht wurde. So wurden die Kontextabhängigkeit der geäußerten Formeln und die verschiedenen Möglichkeiten ihrer Verwendung betont, aber die Charakterisierung der `Äußerungsbedingungen´ – i.S. von Searle – wies meist nicht weit über das hinaus, was auch unter dem theologisch wohl bekannten Stichwort `Sitz im Leben´ hätte verhandelt werden können, und blieb damit deutlich hinter den nötigen Grundlagenreflexionen zurück. 42 Die Bedeutung insbesondere der Überlegungen Wittgensteins für einen theologischen Ansatz als solchen geriet mit diesen Untersuchungen somit nicht ausreichend in den Blick. 43 Die Vernachlässigung der Grundlagenprobleme in diesem Zusammenhang ist u.a. darauf zurückzuführen, dass man sich mit den Überlegungen, die zum Wechsel des Sprachparadigmas bei Wittgenstein führten, nicht wirklich auseinander setzte. Dies lag natürlich z.T. darin begründet, dass die entsprechenden Texte des `mittleren Wittgenstein´ noch kaum veröffentlicht waren. Die tieferen Gründe der Hinwendung Wittgensteins zur `ordinary language philosophy´ (Kap. 1.2.) sind nun aber für das Verständnis des neuen Sprachparadigmas (Kap. 1.3.) und damit auch für die Grundlegung einer philosophisch legitimen Möglichkeit sinnvollen Redens von Gott sowie dessen Ausgestaltung äußerst wich40

Vgl. J.R. Searle, Speech Acts, Cambridge 1969, und ders., Expression and Meaning, Cambridge 1979. 41 Als zeitlich noch vor Searle liegendes Beispiel (1966) sei hier verwiesen auf L. Bejerholm/G. Hornig, Wort und Handlung. Hier versucht Bejerholm – nicht von ungefähr aus Schweden stammend, wo die Rezeption sprachanalytischer Philosophie viel selbstverständlicher und deshalb auch weiter fortgeschritten war als in Deutschland – , in direkter Anlehnung an Austin, insbesondere Wortverbindungen, die in Zusammenhang mit Kasualhandlungen auftreten, als `performative´ zu begreifen, also als solche, bei denen das Aussprechen bestimmter Formeln in einem geeigneten Kontext genau die (Status-)Veränderung bewirkt, die in ihnen genannt ist, z.B. bei Taufe, Trauung, Segen usw. – Vgl. auch den Artikel „Performativ“ von G. Hornig, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 7, Sp. 253-255. 42 Dies gilt für die angesprochene Arbeit von Bejerholm ebenso wie für Überlegungen neueren Datums. Stellvertretend sei verwiesen auf G. Hornig, Analyse und Problematik der religiösen Performative, in: NZSyTh 24 (1982), S. 53-70. 43 Viel zu wenig wurde gesehen, dass die ‚Wirksamkeit’ der Performative u.a. vom Anerkennen bestimmter „grammatischer Sätze“ im Sinne des `späten Wittgenstein´ abhängig ist (Kap. 1.3.1.), die sich z.B. nicht ohne Weiteres mit dem zugrunde liegenden `Credo´ und dessen verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten (vgl. L. Bejerholm/G. Hornig, a.a.O., S. 37-76, d.i. das zweite Kapitel: „Die Logik des Glaubensbekenntnisses“.) identifizieren lassen.

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tig. Somit ist klar, dass hier dieser fundamentaltheologischen Fragerichtung nachgegangen werden soll und nicht beabsichtigt ist, z.B. den zahlreichen Sprechakt-Analysen noch eine weitere hinzuzufügen. Ebenso wenig soll in die allgemeine Debatte der mittlerweile breit gefächerten sprachanalytischen Religionsphilosophie44 eingegriffen und etwa über das Für und Wider logischer `Gottesbeweise´ gesprochen werden – eine Debatte, die seit Kant zunächst lange für beendet gehalten wurde45, aber in letzter Zeit wieder aufgebrochen ist46. Eine solche Diskussion kann aber insofern keine fruchtbaren Ergebnisse bringen, als die Gültigkeit der jeweiligen Beweise an das verwendete modallogische System gebunden ist. Es lassen sich jedoch keine zwingenden Gründe dafür angeben, warum ausgerechnet das jeweils gewählte Ordnungsschema adäquat sein sollte.47 Bestenfalls können sprachanalytisch-religionsphilosophische Versuche dieser Art das klarstellen, was auch nur die einzig legitime Aufgabe sog. `vermittlungstheologischer´ Ansätze – z.B. existenzialphilosophischer Provenienz – sein kann: die Betonung ‚logischer Gleichwertigkeit‘ religiöser und atheistischer „Sprachspiele“48, also das Resultat, dass eine Entscheidung für oder wider die Gotteshypothese – und als eine Hypothese wird die Gottesvorstellung in diesem Kontext ja behandelt – keine Frage der Logik sein kann. In der vorliegenden Arbeit soll nach der Darstellung der Philosophie Wittgensteins vielmehr zunächst durch die Beschäftigung mit Paul van Buren (Kap. 2.1.1.) verdeutlicht werden, dass der Verzicht auf die „kosmologisch-ontologische Sprach-Garnitur“ als übertriebene Reaktion auf sprachanalytische Religi44

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Zu einer ersten Einführung immer noch geeignet ist J. M. Bochenski, Logik der Religion, Köln 1968. Mit einem größeren Problemhorizont dann A. Nygren, Meaning and Method, London 1972, und – mit weiteren Hinweisen vor allem zur Diskussion im Bereich der katholischen Fundamentaltheologie – H. Schrödter, Analytische Religionsphilosophie, Freiburg i.Br. 1979. I. Kants Widerlegung der traditionellen Gottesbeweise findet sich in KrV A 567-642/B 595-670 (Werkausgabe Bd. IV, Frankfurt am Main 1974, S. 512-563). Sein Haupteinwand gegen den `ontologischen Gottesbeweis´ Anselm von Canterburys, nämlich dass „aus bloßen Begriffen“ kein „Existentialsatz“ ableitbar sei, da dieser ein „synthetisches Urteil“ wäre und eben kein „analytisches“, wird aber mehrfach angeführt, z.B. auch in KpV A 250 (Werkausgabe Bd. VII, Frankfurt am Main 1974, S. 272). Angeregt wurde die neueste Diskussion vor allem durch K. Gödel, Ontological proof, in: ders., Collected Works III, S. 403f. Hier führt der österreichische Logiker und Mathematiker einen `Gottesbeweis´ mit Hilfe der Modallogik zweiter Ordnung. – Dazu vgl. die einführenden Bemerkungen von R. M. Adams: Introductory note, in: K. Gödel, Collected Works III, S. 388-402. Dies gilt natürlich auch, wenn z.B. H.G. Hubbeling, Analytische Philosophie und Theologie, in: ZThK 67 (1970), S. 98-127, beansprucht, in seiner Darlegung des kosmologischen Gottesbeweises das „`Normalsystem´ der Modallogik“ (S. 123) zu verwenden. Zu diesem Terminus vgl. Kap. 1.3.1.

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onskritik, die dem am TLP dargestellten Sprachparadigma verhaftet ist, abgelehnt werden muss. Sodann soll die vor allem durch den `mittleren Wittgenstein´ initiierte `Fideismusdebatte´ betrachtet werden (Kap. 2.1.2.). Sie ist die zum `sinnvollen Sprechen´ analoge Problematik nach dem Wechsel des Sprachparadigmas, weil auch sie die Verstehbarkeit religiöser Rede in Form der Frage nach deren logischer Eigenständigkeit betrifft. Der Behauptung einer extremen Selbstständigkeit steht die Negation jeglicher Besonderheit gegenüber. – Im Anschluss an die kritische Darstellung dieser Diskussion wird vom Vf. unter Zuhilfenahme der bis dahin ausgearbeiteten Einsichten eine zwischen diesen Polen vermittelnde Auffassung vorgestellt (Kap. 2.1.3.). In der weiteren Abfolge von Kapitel 2 wird sodann der Blick auf einige protestantische Theologen des deutschen Sprachraums gelenkt (Kap. 2.2.1.). Es werden die für diesen Bereich ersten bedeutenderen Rezeptionsversuche Wittgensteinscher Philosophie kritisch referiert: Von Ingolf U. Dalferth wird exemplarisch sein Postulat der Einführung „singulärer Existenzsätze“ zur sprachanalytischen Rechtfertigung der Rede von Gott besprochen (Kap. 2.2.1.1.); von WolfDieter Just werden seine Überlegungen zur Findung von Sinnkriterien für religiöse Rede skizziert (Kap. 2.2.1.2.); von Joachim Track kommt sein Vorschlag zur Einführung des Wortes `Gott´ zur Sprache (Kap. 2.2.1.3.) und von Dietrich Ritschl gelangt sein Entwurf „Zur Logik der Theologie“ zur Darstellung (Kap. 2.2.1.4.). Im Anschluss an diese erste Phase der Wahrnehmung Wittgensteinscher Philosophie im Rahmen des deutschen Protestantismus wird dann der Blick auf eine zweite, intensivere Welle der Rezeption gerichtet (Kap. 2.2.2.). Es sollen in der chronologischen Abfolge ihres Erscheinens einige Dissertationen vorgestellt werden, die ein recht vollständiges Bild der neueren deutschsprachigen protestantischen Wittgenstein-Rezeption abgeben und diese in ihrer ganzen Breite vor Augen führen (Kap. 2.2.2.1. bis 2.2.2.8.). Von besonderem Interesse ist dabei die von Ernstpeter Maurer vorgelegte Untersuchung, die eine Parallelisierung des `offenbarungstheologischen´ Ansatzes Karl Barths mit den Vorstellungen des Funktionierens von Sprache beim `späten Wittgenstein´ unternimmt und damit versucht, das Sprachparadigma der PU als ganzes konsequent auf fundamentaltheologische Fragestellungen zu beziehen (Kap. 2.2.2.1.). Zudem wird sehr ausführlich die Arbeit von Andreas Hunziker in den Blick genommen (Kap. 2.2.2.8.), um dessen Argumentation genau nachvollziehen zu können. Er repräsentiert nämlich einen breiten Strom von Wittgenstein-Interpreten, die mit Wittgenstein die Auflösung jeglicher Metaphysik betreiben wollen und damit zwar auf andere Weise, aber letztlich ähnlich wie schon Paul van Buren (Kap. 2.1.1.) der religiösen Rede eine genuine Dimension nehmen. – Neben diesen beiden Autoren werden die Arbeiten von Thomas Niedballa (Kap. 2.2.2.2.), Hans-Peter Großhans (Kap. 2.2.2.3.), Regine Munz (Kap. 2.2.2.4.), Thomas Wabel (Kap. 2.2.2.5.), Martin Laube (Kap. 2.2.2.6.) und

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Swantje Eibach-Danzeglocke (Kap. 2.2.2.7.) dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen. Im Schlussteil der vorliegenden Arbeit wird es darauf ankommen, die Konsequenzen aus den dargestellten sprachanalytischen Einsichten Wittgensteins für die Grundlegung und Ausgestaltung theologischer Rede anhand eines Beispieles zu illustrieren. Dazu wird die Symboltheorie Paul Tillichs (Kap. 3.1.) auf Strukturähnlichkeiten mit Wittgenstein (Kap. 3.2.) hin untersucht, ohne die Unterschiede zu nivellieren. Es wird sich zeigen, dass Tillichs Konzeption zwar in einigen Teilen mit dem Geforderten kongruent geht, doch an entscheidender Stelle – hinsichtlich seiner impliziten ontologischen Vorgaben – verändert werden müsste. Sie ist, so wie sie bei Tillich ausgearbeitet ist, sowohl theologisch als eben auch aus sprachanalytischer Perspektive heraus betrachtet eine zu ‚starre Theorie‘, innerhalb derer `Offenbarung´ letztlich nicht adäquat gedacht werden kann. Dazu wird ein Lösungsansatz im Sinne des `späten Wittgenstein´ skizziert werden, der die Interpretation der zentralen „religiösen Symbole“ als „grammatische Sätze“ in den Mittelpunkt stellt (Kap. 3.2.3.7.). Zusammenfassend wird festzustellen sein, dass Wittgensteins Philosophie – gerade auch als ein Anstoß von außerhalb der Theologie – zu einem deutlicheren Erkennen der theologischen Grundlagenprobleme verhilft, bestimmte Konsequenzen für fundamentaltheologische Fragestellungen in Bezug auf `Sprache als Medium der Offenbarung´ und auf einen theologischen Ansatz als solchen ziehen lässt und nicht zuletzt religiöse „Sprachspiele“ im Diskurs mit sprachanalytischer Philosophie rehabilitiert (Kap. 4.). So kann mit P.L. Holmer resümiert werden: „Meiner Ansicht nach redet Wittgensteins Werk nicht einem leichtfertigen Skeptizismus das Wort, sondern drängt vielmehr auf eine intensive Beschäftigung mit Details und auf eine gewissenhafte Suche nach der Ursache 49 der Verwirrung, in der der Theologe sich befindet.“

Möge diese Arbeit einen kleinen Beitrag dazu leisten, in diese „Verwirrung“ ein wenig Klarheit zu bringen.

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P.L. Holmer, Wittgenstein, S. 27.

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1. Darstellung der Philosophie Wittgensteins 1.1. „Tractatus logico-philosophicus“ – oder: Das Schweigen über das, was „sich zeigen“ muss These: Im „Tractatus logico-philosophicus“ wird die idealistische Sprachvorstellung radikal durchdacht. Auf dieser Grundlage werden die Bedingungen der Möglichkeit sinnvoller religiöser Rede scheinbar gänzlich destruiert. Die religionskritischen Folgen für eine auf einem derartigen Sprachparadigma aufbauende Weltanschauung sind deutlich: Es bleibt nur das mystische Schweigen über das, was „sich zeigen“ muss. Wittgensteins Frühwerk, der „Tractatus logico-philosophicus“50 (TLP), erschien – nach großen Mühen, überhaupt einen Verleger zu finden51 – erstmals 1921 in Wilhelm Ostwalds52 „Annalen der Naturphilosophie“ als „Logisch-philosophische Abhandlung“ 53 und wurde zunächst wenig beachtet. Als er dann aber 1922 auch in England veröffentlicht54 und hier – anfangs hauptsächlich aufgrund eines Vorwortes von Bertrand Russell55 – viel gelesen wurde und für großes Aufsehen sorgte, gelangte Ludwig Wittgenstein bald zu großer Berühmtheit. J. Schulte nennt den TLP sicherlich zu Recht einen „der vertracktesten Klassiker der Philosophiegeschichte“56. N. Malcolm spricht gar davon, dass es „ein enigmatisches Werk“57 sei. Es ist im Laufe der Zeit auch tatsächlich sehr unterschiedlich verstanden worden; schon die ersten Interpretationen wiesen in diver50

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Der Titel geht auf eine Anregung von G.E. Moore zurück (vgl. z.B. J. Schulte, Vorwort, S. 7, Anm. 1, und R. Monk, Wittgenstein, S. 225) und ist eine Anspielung auf B. de Spinozas „Tractatus theologico-politicus“ (vgl. B. de Spinoza, Theologisch-Politischer Traktat, hg.v. G. Gawlick, 2., durchgesehene Aufl., Hamburg 1984). Vgl. die Schilderungen bei R. Monk, a.a.O., S. 191-203 und S. 221-227. Zu W. Ostwald vgl. J. Mehlhausen/D. Dunkel, Art. „Monismus/Monistenbund“, in: TRE Bd. 23, S. 212-219, darin: S. 215 und 217. So auch Wittgensteins eigener Titel (vgl. L. Wittgenstein, Letters, S. 68; hier nennt er in einem an Bertrand Russell geschriebenen Brief aus der italienischen Kriegsgefangenschaft vom 13.3.1919 auch das Datum der Fertigstellung: „I finished the book in August 1918“ [ebd.]). Die Übersetzung stammte hauptsächlich – mit Hilfestellung durch C.K. Ogden und brieflicher Unterstützung durch L. Wittgenstein selbst – von F. Ramsey (vgl. R. Monk, a.a.O., S. 224f). Dieses wurde auch auf Deutsch abgedruckt in den „Annalen der Naturphilosophie“ von 1921. Heute besser zugänglich in: L. Wittgenstein, Schriften. Beiheft, Frankfurt 1960, S. 68-81. J. Schulte, Vorwort, S. 9. N. Malcolm, Sprache und Gegenstände, S. 136, wo er weiter schreibt: „Es kann vorkommen, daß verschiedene Leser die Beziehungen zwischen den Grundbegriffen des Buches völlig verschieden auffassen.“

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gierende Richtungen58. Aus diesem Grunde soll im Folgenden wesentlich die Sicht des Verfassers vorgestellt werden, die – durch die theologische Fragestellung bedingt – ihre eigenen Schwerpunkte setzen und z.B. auf logische Detailprobleme weniger eingehen wird. Natürlich wird aber nicht darauf verzichtet werden können, wenigstens die Hauptlinien einiger abweichender Sichtweisen anzudeuten und auf verbreitete Missverständnisse hinzuweisen. Die Darstellung richtet sich in ihrer Abfolge nach dem Aufbau des Werkes selbst, da hierin – trotz des von vielen Seiten betonten aphoristischen Charakters des TLP59 – eine gewollte Reihung der Behandlung von Ontologie, Abbild- und Erkenntnistheorie, ‚sprach-logischer’ Philosophie und Überlegungen zur Ethik und Mystik zu erkennen ist60. Sie schließt sich an die kantischen Fragen nach Wissen, Tun, Hoffen und Sein des Menschen an. Diese Einsicht darf allerdings nicht zu dem anfangs verbreiteten Missverständnis verleiten, es handele sich hier um einen deduktiven Aufbau61, bei dem aus anfänglichen Axiomen alles Weitere gefolgert werden könne. Dies ist zwar eine Annahme, zu der das Dezimalnummernsystem, in dem der TLP vorliegt62, also die Einteilung in Haupt- und mehrere Schichten von Unterthesen, ebenso verführen kann wie die im TLP zu einer Hauptaufgabe erhobene Suche nach der „allgemeine(n) Form des Satzes“ (TLP 6) bzw. nach der „allgemeine(n) Form der Wahrheitsfunktion“ (ebd.), aus der alle sinnvollen Sätze ableitbar seien. Und sicherlich ist dieses letztere Anliegen auch durch die Forderung Russells und Whiteheads in den „Principia Mathematica“, die ganze Mathematik auf möglichst wenige logische Grundbegriffe und Axiome zurückzuführen63, inspiriert. Solch ein ‚Fundierungsprogramm‘ liegt aber in Bezug auf den TLP als Ganzen gerade nicht vor64, im Gegenteil: Die Vision wird nicht in kleinen Schritten ent58

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Man vgl. nur B. Russells Vorwort (vgl. Anm. 55), die Rezension von F. Ramsey (auf Deutsch in: Texte zum Tractatus, hg.v. J. Schulte, S. 11-31) und die Stellungnahmen der Mitglieder des `Wiener Kreises´ (vgl. M. Geier, Wiener Kreis, S. 72-81) untereinander. – Vgl. auch die Schwierigkeiten des Verständnisses, die Wittgenstein selbst vorhersah, z.B. im schon erwähnten Brief an B. Russell (L. Wittgenstein, Letters, S. 68). Vgl. G. Gabriel, Logik als Literatur?, S. 353ff, oder M. Kroß, Klarheit, S. 13-28. Ähnlich W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 526. Dieses wird klassisch – nach dem Vorbild Euklids – durchgeführt bei B. de Spinoza in seiner „Ethica Ordine Geometrico demonstrata“ (vgl. ders., Ethik, lat. und dt., rev. Übers. v. J. Stern, Stuttgart 1977). – Die Ähnlichkeiten, aber natürlich auch die Unterschiede in struktureller und inhaltlicher Hinsicht zwischen diesem Werk und dem TLP untersucht M. Aenishänslin, Wittgenstein et Spinoza, Basel 1994. (Zu Spinoza vgl. schon Anm. 50.) Im Folgenden wird nach dieser Nummerierung zitiert werden. Vgl. A.N. Whitehead/B. Russell, Principia Mathematica, S. 2: „ ... haben wir die gegebene Mathematik zu analysieren mit dem Bestreben, aufzudecken, welche Voraussetzungen darin stecken, ob diese Voraussetzungen verträglich sind und ob sie der Zurückführung auf noch fundamentalere Voraussetzungen fähig sind.“ Vgl. G. Gabriel, Grundprobleme, S. 153.

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wickelt, sondern ist bereits von Anfang an vollständig da. In Anknüpfung an Schopenhauer war der `frühe´ Wittgenstein nämlich offensichtlich der Meinung, dass „eine organische Darstellung“ dadurch charakterisiert sei, „daß kein Satz der erste und keiner der letzte ist und jeder Teil der Darstellung jeden anderen und das Ganze trägt, wie er seinerseits von ihnen getra65 gen ist.“

Entbehrt man der Vision, so sieht man gar nichts in der richtigen Zuordnung. Erkennt man die Zusammenhänge jedoch, so kann die Reihenfolge der Darstellung wechseln. Dies deutet Wittgenstein selbst später in den „Philosophischen Untersuchungen“ (PU) an, wenn er – als er von „der besondern Täuschung“ (PU § 96) spricht, der er im TLP in Bezug auf den Status des Denkens erlegen sei – die Abfolge umdreht: „Die Begriffe: Satz, Sprache, Denken, Welt, stehen in einer Reihe hintereinander, jeder dem andern äquivalent.“ (PU § 96)

Ebenso sind dann auch die Zusammenstellungen der TLP-Aussagen ganz anders denkbar66, womit eine auf den ersten Blick nicht gleich ersichtliche, durch das Nummerierungssystem sogar verdeckte Ähnlichkeit zur späteren `ZettelkastenPhilosophie´ Wittgensteins (Kap. 1.3.1.) herausgestellt ist. So gilt auch für den TLP, was im Vorwort zu den PU formuliert ist: Die „Natur der Untersuchung selbst ... nämlich zwingt uns, ein weites Gedankengebiet, kreuz und quer, nach allen Richtungen hin zu durchreisen. ... Die gleichen Punkte, oder beinahe die gleichen, wurden stets von neuem von verschiedenen Richtungen her berührt ... “ (PU, Vorwort, S. 231.)

Trotz der vielen Möglichkeiten, die Darstellung durchzuführen, bleibt die im TLP beschriebene, schon von Beginn an vorausgesetzte Struktur doch immer dieselbe. Es handelt sich hierbei um im `logischen Raum´ gleichberechtigt nebeneinander existierende Ebenen, die zwar durch die Logik der Abbildung und – primär – durch ihre gemeinsame Fundierung in der Logik zusammengehalten werden67, bei denen aber keine auf der anderen aufbaut. Sein, Denken, Sprache 65

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E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 143. – Nur so wird auch Wittgensteins Verärgerung über Freges Vorschlag, den TLP zum Zwecke der Veröffentlichung in einer philosophischen Zeitschrift in Teile aufzugliedern, wirklich verständlich (vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 193f). Vgl. den Versuch E.-M. Langes, aus den 526 Bemerkungen des TLP 140 verschiedene 7erReihen als „Sinneinheiten der Darstellung“ (S. 143) zu konstruieren, bei denen die Position einer bestimmten Bemerkung – ob am Anfang, in der Mitte oder am Ende einer jeweiligen Reihe – sich immer wieder verschiebt (E.-M. Lange, a.a.O., S. 142-151). Will man die Termini der „Ethik“ B. de Spinozas (vgl. Anm. 64) verwenden, so kann man feststellen, dass die Logik als gemeinsamer Grund im TLP die Rolle der „natura naturans“ übernimmt, die Ebenen der Welt, der Sprache, des Denkens usw. die der „natura naturata“ erfüllen (ähnlich auch M. Aenishänslin, Wittgenstein et Spinoza, Basel 1994).

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und alles Abbilden, sei es mittels formaler Logik oder in der Kunst – aber gerade nicht die Logik als solche, die Ethik und die Ästhetik – sind sozusagen diverse Ausprägungen im `logischen Raum´ und als solche zwar aufeinander bezogen, aber nicht einander fundierend übereinander geschichtet. Sie sind wie verschiedene Speichen eines Rades. Die im TLP vorzufindende Reihung hat lediglich „darstellungslogisch(e)“ 68 und historische Gründe: Sie will ein Bild der Entwicklung der abendländischen Philosophiegeschichte sein. 69 Nur deshalb wird diese Art der Darstellung von Wittgenstein bevorzugt und so verstanden soll sie auch den folgenden Ausführungen zugrunde liegen. Zu einem ersten Überblick soll – in Anknüpfung an das bisher Gesagte – das Schaubild ‚Zur Vision des Tractatus‘ auf der folgenden Seite verhelfen, das in seinen Einzelheiten im weiteren Verlauf des Kapitels erklärt wird.

1.1.1. Ontologie These: Die ‚ontologische Speiche‘ bezieht sich auf die Zergliederung der „Welt“ in die „Gesamtheit der Tatsachen“ (TLP 1.1), wobei diese „Tatsachen“ als kontingent, unabhängig voneinander und als aus „Sachverhalten“ bestehend gedacht werden. Diese „Sachverhalte“ wiederum werden als „eine Verbindung von Gegenständen (Sachen, Dingen)“(TLP 2.01) aufgefasst. Bei diesen kleinsten Einheiten handelt es sich um eine Forderung des `logischen Atomismus´ 70, also nicht um „Gegenstände“ im alltagssprachlichen Sinne, sondern um die für die „Welt“ kleinsten, konstitutiven Elemente. Sie müssen zwar als real existierend postuliert werden, sind aber unserer Erfahrung nicht direkt zugänglich. So heißt es in einem Tagebucheintrag vom 23.5.1915: „Aber auch das scheint sicher, daß wir die Existenz einfacher Gegenstände nicht aus der Existenz bestimmter einfacher Gegenstände schließen, sondern sie vielmehr als Endresultat einer Analyse – sozusagen durch die Beschreibung – durch einen zu ihnen führenden Prozeß kennen.“ (TB, S. 142.)

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G. Gabriel, Grundprobleme, S. 153. Ders., a.a.O., S. 153f. Als dessen Hauptvertreter sind B. Russell und der Wittgenstein des TLP anzusehen. Für einen groben Überblick vgl. I.U. Dalferth, Sprachlogik, S. 12-21. Detaillierter zu Wittgenstein z.B. J. Griffin, Wittgenstein’s Logical Atomism, Oxford 1964.

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Wenn der Ausdruck „Gegenstände“71 als Terminus für die Endpunkte der Analyse reserviert bleiben soll, liegt die Pointe gerade in der „Einfachheit“ dieser „Gegenstände“. Deswegen wendet sich Wittgenstein auch mit den Sätzen 2.02: „Der Gegenstand ist einfach.“ und 2.021: „Die Gegenstände bilden die Substanz der Welt. Darum können sie nicht zusammengesetzt sein.“ explizit gegen den Gegenstandsbegriff, den Russell und Whitehead in den „Principia Mathematica“ benutzen. Dort heißt es u.a.: „Die Welt besteht aus Gegenständen, die verschiedene Eigenschaften haben und in verschiedenen Relationen stehen. Einige der Gegenstände, die in der Welt vorkommen, sind komplex; wenn ein Gegenstand komplex ist, so besteht er aus untereinander in Beziehung stehenden Teilen.“72

Diese Vorstellung eines „zusammengesetzten, komplexen Gegenstandes“ ist für den `frühen Wittgenstein´ eine contradictio in adiecto: Sollen die „Gegenstände“ die Bausteine der Welt sein, dürfen sie selbst nicht wiederum zusammengesetzt sein. Die scheinbare „Einfachheit“, mit der wir „komplexe Gegenstände“ behandeln können, sei „nur konstruiert“73. Zudem führe es nicht nur in terminologische, sondern auch in formal-logische Schwierigkeiten, mit „Gegenstand“ mal Komplexes und mal Einfaches zu bezeichnen. Ferner lenkt der TLP die Aufmerksamkeit darauf, dass ein „Ding“ – diese Bezeichnung wird für einen „Gegenstand“ der ‚ontologischen Speiche‘ gebraucht74 – „nicht allein für sich bestehen“75 könne, sondern immer nur als Bestandteil von „Sachverhalten“ vorkomme und auch nicht außerhalb von diesen gedacht

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Es kann hier natürlich nicht darum gehen, die ganze, sehr verwickelte Diskussion um den Gegenstandsbegriff des TLP nachzuzeichnen; dennoch soll versucht werden, eine plausible Verständnismöglichkeit aufzuzeigen. A.N. Whitehead/B. Russell, Principia Mathematica, S. 63. – Vgl. auch den Gegenstandsbegriff in Russells programmatischer Schrift von 1918, The Philosophy of Logical Atomism, in: D. Pears, (Hg.), Russell’s Logical Atomism, S. 31-142. (Dieser „Logische Atomismus“ darf also – wie schon an diesem Beispiel ersichtlich – nicht einfach mit dem Wittgensteins gleichgesetzt werden.) TB, S. 163, 21.6.1915. Die Interpretationen gehen in diesem Punkt sehr auseinander. Einen interessanten Vorschlag unterbreitet E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 64: „Dinge sind aber unanalysiert Einfache (bzw. als einfach behandelte Entitäten), insofern sie von Namen als einfachen Zeichen bezeichnet werden.“ Allerdings spiegeln die zur Begründung herangezogenen Tagebucheinträge m.E. nicht den Sprachgebrauch in der Endfassung des TLP wider. TLP 2.0121, wo es weiter unten ganz deutlich heißt: „Wenn ich mir den Gegenstand im Verbande des Sachverhalts denken kann, so kann ich ihn nicht außerhalb der Möglichkeit dieses Verbandes denken.“ – Dies ist sicherlich auch gedacht als Kritik an der Suche nach dem `Ding an sich selbst betrachtet´.

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werden könne.76 Deshalb betont Wittgenstein so sehr – wiederum gegen die Auffassung von Russell und Whitehead gerichtet – , dass die „Welt“ aus der „Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge“ (TLP 1.1) bestehe. Alle Möglichkeiten der „Sachverhalte“, in denen ein „Ding“ auftreten kann, seien dabei schon vorher in ihm festgelegt: „Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen kann, so muß die Möglichkeit des Sachverhaltes im Ding bereits präjudiziert sein.“ (TLP 2.012)

Es können nur „Sachverhalte“ – und darauf aufbauend aus ihnen zusammengesetzte „Tatsachen“ – entstehen, die von vornherein als zu den „Dingen“ passend vorgesehen sind; die Logik ist nicht nachträglich veränderbar. Welche „Sachverhalte“ sich in der „Welt“ dann aber einstellen – welche „Sachlagen“, als „mögliche Sachverhalte“ verstanden, sich also realisieren77 – , ist allerdings kontingent. Daraus folgt, dass auch „die Sachverhalte ... von einander unabhängig“ (TLP 2.061)78 sind. Die Interpretation von „Sachverhalt“ als „möglicher Tatsache“ und, dem korrespondierend, von „Tatsache“ als „bestehender Sachverhalt“ – wie sie teilweise zu finden ist79 – ist offenbar nicht haltbar. Im Brief an Russell vom 19.8.1919 heißt es ganz deutlich: „Sachverhalt is, what corresponds to an Elementarsatz if it is true. Tatsache is what corresponds to the logical product of elementary prop[osition]s 80 when this product is true.“ 76

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Vgl. G. Pitcher, Philosophie Wittgensteins, S. 32f, der freilich „Dinge“ alltagssprachlich auffasst und somit auch eine der Pointen, nämlich die Undenkbarkeit von „Dingen“ außerhalb von „Sachverhalten“, übersieht. Ob tatsächlich eine derartige Unterscheidung zwischen „Sachverhalt“ und „Sachlage“ im Sinne des TLP legitim ist, ist in der Forschung umstritten. Vielleicht rührt dies daher, dass es eventuell eine späte terminologische Differenzierung ist, die in ältere Passagen des Manuskriptes nicht vollständig eingearbeitet wurde. Aufgrund von TLP 2.01 und 2.0272 – in Bezug auf „Sachverhalt“ – und TLP 2.11 sowie 2.202f – zur näheren Bestimmung von „Sachlage“ – scheint die obige Lösung aber ausreichend durch den Text gestützt. Insbesondere TLP 2.11 spricht ausdrücklich davon, dass „die Sachlage im logischen Raume“ darin bestehen kann, dass ein „Sachverhalt“ nicht besteht. „Sachlage“ gehört demnach in die ‚Speiche’ der Logik und ist nicht – wie z.B. G. Pitcher, a.a.O., S. 63, behauptet – auf die Ebene der „Sachverhalte“ zu rücken. Vgl. auch 2.062: „Aus dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Sachverhaltes kann nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines anderen geschlossen werden.“ – Hier handelt es sich um einen wichtigen Punkt, der dann zentral werden wird, wenn es um die Frage geht, warum Wittgenstein seine TLP-Theorie aufgibt (Kap. 1.2.1.). Vgl. z.B. N. Malcolm, Sprache und Gegenstände, S. 140: Es „ ... kann a priori (d.h. durch die Logik) bestimmt werden, daß der Sachverhalt eine Verknüpfung von Gegenständen ist, daß die Tatsache ein bestehender Sachverhalt ist ...“. L. Wittgenstein, Letters, S. 72.

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Zwar wird erst unten (Kap. 1.1.5.) deutlich werden, was Wittgenstein unter einem „Elementarsatz“ versteht; es ist aber durch dieses Zitat bereits klar, dass solch ein Satz wahr sein muss, also seine ‚Entsprechung‘ in der „Welt“ – in dem Ausschnitt aus dem Bereich des Möglichen, der sich als „Welt“ konstituiert – realisiert sein muss, soll der Begriff „Sachverhalt“ seine Anwendung finden. Nur insofern „Sachverhalte“ verschiedene „Tatsachen“ im Sinne komplexerer Zusammensetzungen ermöglichen, sind sie „mögliche Tatsachen“, nicht aber als Entsprechung der „Tatsachen“ im „logischen Raum“, der alle Möglichkeiten umfasst. „Sachverhalt“ und „Tatsache“ gehören beide auf die Seite der „Welt“, sind Teile ein und derselben ‚Speiche‘ und in ihrer Zusammensetzung jeweils kontingent. Festgelegt ist nur „die Form des Gegenstandes“ (TLP 2.0141)81, d.h. die Art und Weise seines Vorkommens in „Sachverhalten“ und „Tatsachen“: „Der Fleck im Gesichtsfeld muß zwar nicht rot sein, aber eine Farbe muß er haben: er hat sozusagen den Farbenraum um sich. Der Ton muß eine Höhe haben, der Gegenstand des Tastsinnes eine Härte, usw.“ (TLP 2.0131)

In diesem Punkt können alle `möglichen Welten´ also nicht voneinander abweichen. Sie müssen sozusagen alle innerhalb des „form“-gebenden „logischen Raumes“ existieren; die „Form“, in die sie gegossen werden können, bleibt immer gleich.82 An dieser Stelle drängt sich somit noch ein Blick auf die Frage nach dem ‚ontologischen Status‘ der „Gegenstände“ auf, d.h. auf eine Kontroverse, bei der die Frage zur Entscheidung ansteht, ob der `frühe Wittgenstein´ „Gegenstände“ als außersprachliche Gegebenheiten voraussetzt oder nicht. Häufig wurde versucht die Antwort zu finden, indem man untersuchte, welcher Art der Analyse die Priorität gebührt, welche „Analyse“ also im eingangs dieses Unterkapitels zitierten Tagebucheintrag gemeint ist: Steht bei ihr die Vorstellung im Hintergrund, dass wir bei der Suche nach der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke in einen unendlichen Regress gerieten, der uns jegliches Verstehen unmöglich machte, gäbe es nicht kleinste sprachliche Einheiten, die eindeutig bezeichneten, somit den „Sinn“ unseres Redens garantierten und aus denen die ganze weitere Begrifflichkeit einer Sprache aufgebaut ist? Bestimmt also die Analyse der logischen Syntax von Sprache die Sicht der „Welt“, über deren Konstitution selbst gar nichts ausgesagt werden kann, so dass die Forderung nach „Gegenständen“ letztlich als sprachimmanent begriffen werden muss? 81

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Auf die „Form“ zielt auch die Kenntnis der notwendigen, sog. „internen Eigenschaften“ ab, z.B. Farbfähigkeit, die von den kontingenten „externen Eigenschaften“, z.B. welche Farbe der Gegenstand in der Welt hat, unterschieden werden (vgl. TLP 2.01231 und 2.0233). Vgl. TLP 2.022. – Hier hat auch der Substanz-Begriff des TLP – eingeführt als die Gesamtheit der „Gegenstände“ (TLP 2.021) – seinen Ort: „Die Substanz ist das, was unabhängig von dem, was der Fall ist, besteht.“ (TLP 2.024)

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Wenn ja, dann würde unsere ‚ontologische Zergliederung’ der „Welt“ zwar für unser Bild von ihr aufgrund der Struktur unserer Sprache – und damit unseres Denkens – unumgänglich sein, aber – bereits ‚postmodern‘ – nichts über die sprachunabhängige Realität aussagen. – Oder aber ist die „ontologische Analyse“ vorgängig? Ist das Postulat eines unendlichen Regresses zunächst auf der Seite der „Welt“ als absurd zu erkennen und dann der Schluss zu ziehen, dass sich auch Sprache immer in kleinste Einheiten zergliedern muss, damit sie überhaupt Bezug nehmen kann auf die „Gegenstände“ als „Substanz“ und „Form der Welt“? Ist es also die Struktur der erfahrbaren Welt, die uns die Struktur unserer Sprache und unserer Gedanken aufdrängt? An diesem Punkt spalten sich die Wittgenstein-Interpreten in zwei Lager: Während die einen Wittgensteins Einsicht in die Vorgängigkeit der Sprache vor jeglicher – und dann notwendig im `Konstruktivistischen´ verbleibenden – Welterfassung herausstellen83, betonen die anderen die Sprachunabhängigkeit der Existenz der „Gegenstände“ des TLP84, die wiederum die Struktur unserer Sprache bestimmen müsse, wenn diese zur Welterfassung tauglich sein wolle. Es muss aber die Frage gestellt werden, ob die aufgezeigte Alternative, auf die die Diskussion sich fixiert hat, die Sichtweise des TLP überhaupt in einer der beiden Positionen enthält. Es gehen doch beim `frühen Wittgenstein´ beide Analysen – sowohl die der logischen Syntax als auch die ontologische – Hand in Hand, quasi parallel, und führen beide zu dem Postulat von kleinsten, konstitutiven Elementen: die erstere, um die Bestimmtheit des „Sinnes“ unseres Redens zu ermöglichen, die zweite, um die „feste Struktur“ der „Welt“ zu garantieren.85 Und die Begründung für dieses Resultat liegt für den `frühen Wittgenstein´ nicht darin, dass etwa eine der beiden ‚Speichen‘ der anderen ihre Struktur aufdrängt bzw. aufzudrängen sucht, sondern darin, dass sie sich beide im alles strukturierenden „logischen Raum“ entfalten.86 Dadurch, dass sich dieser „logische Raum“ als das allem Vorgängige erweist, ist er sowohl der sprachanalytischen wie auch der ontologischen Analyse ‚ontisch voraus‘.87 Deshalb gibt es im TLP auch keinen Grund, Erkenntnisfähigkeit 83

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Vgl. z.B. P. Winch, Trying to make sense, Oxford 1987, besonders S. 3-17, und H. Ishiguro, Namen. Gebrauch und Bezugnahme, in: J. Schulte, (Hg.), Texte zum Tractatus, Frankfurt am Main 1989, S. 96-135. – Diese Position vertritt aber auch J. Track, Untersuchungen (vgl. Kap. 2.2.2.). Vgl. z.B. N. Malcolm, Nothing is Hidden, Oxford 1986, besonders deutlich im ersten Kapitel dieses Buches; vgl. ebenfalls seinen schon erwähnten Aufsatz „Sprache und Gegenstände“. Ähnlich auch P.M. Simons, Komplex und Tatsache, S.81. Vgl. TB, S. 155-157, 17.6.1915. Vgl. dazu D. Hyder, Meaning, S. 113-151. Vgl. TLP 2.013: „Jedes Ding ist, gleichsam, in einem Raume möglicher Sachverhalte. Diesen Raum kann ich mir leer denken, nicht aber das Ding ohne den Raum.“ – Dazu vgl. N. Malcolm, Sprache und Gegenstände, S. 139f.

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mittels Sprache zu leugnen, weil die „Welt“ eventuell anders aufgebaut sein könnte als die Sprache. Und deshalb besteht auch umgekehrt ebenso wenig die Möglichkeit einfach anzunehmen, dass die Struktur der „Welt“ uns auch die Struktur der Sprache direkt aufzwinge. Vielmehr muss konstatiert werden, dass beide ‚Speichen’ aufgrund der Vorgängigkeit des „logischen Raumes“ gar nicht anders können als sich analog aufzubauen. Die gemeinsame Eingebundenheit von Sprache und „Welt“ in den logischen Raum garantiert, dass sie nicht auseinanderfallen und dass Erkenntnis möglich ist. Wittgensteins Lösung liegt folglich außerhalb der beschriebenen Alternative und deutet bereits seine Kritik an dem traditionellen Schema „Solipsismus“ oder „Empirismus“ an.88 Am ehesten könnte man noch von einem `erkenntnistheoretischen Realismus´ im TLP sprechen, weil die „Gegenstände“ von der Logik als reale außersprachliche Entitäten postuliert werden müssen. Die Vorstellung von der tragenden Rolle des „logischen Raumes“ ist aber auf jeden Fall eine ungewöhnliche Weise, einen `Realismus´ zu begründen.89 Die Verbindung zwischen den einzelnen ‚Speichen‘ kommt im TLP aber nicht nur indirekt über den „logischen Raum“ zustande, sondern auch direkt mittels „Abbildung“. Diese nun zu skizzierende Vorstellung ist für den TLP deshalb zentral, weil sie die Möglichkeiten sprachlicher „Abbildung“ generell festzulegen sucht. Da auf diese Weise auch die religiöse Rede aus dem Bereich „sinnvollen“ Sprechens ausgegrenzt wird, ist die Abbildtheorie für die fundamentaltheologische Frage nach der Bedingung der Ermöglichung sprachlich verfasster Religiosität eine besondere Herausforderung. 1.1.2. Abbildtheorie These: Die `Abbildtheorie´ wird dadurch, dass der „logische Raum“ allem zugrunde liegt und gleiche Strukturen garantiert, ermöglicht. Sie legt dar, dass durch eine `eineindeutige Zuordnung´ eine direkte Verbindung zwischen den verschiedenen ‚Speichen‘ angenommen werden darf, so dass z.B. der Erkennende wirklich zur Struktur der Dingwelt vorstößt und nicht nur im Bereich der Phainomena verbleibt. Auf diese Weise soll das Problem geklärt werden, das Russell in seinem „Vorwort“ zum TLP mit folgender Frage umreißt: 88

89

Vgl. TLP 5.64: „Hier sieht man, daß der Solipsismus, streng durchgeführt, mit dem reinen Realismus zusammenfällt.“ (Vgl. Kap. 1.1.6.) Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 59, spricht aufgrund der Funktion des „logischen Raumes“ sogar von einer „Wirklichkeitstheorie, die `logisch´ in einem neuen Sinne und nicht ontologisch zu nennen ist, weil sie das Scheinproblem der `Objektivität´ der Welt transzendiert.“

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„`Welche Beziehung muß eine Tatsache (wie zum Beispiel ein Satz) zu einer anderen Tatsache haben, um ein Symbol für diese sein zu können?´“90

Die im TLP angebotene Lösung findet sich dort als Bindeglied zwischen den `ontologischen´ Grundüberlegungen am Anfang und den `erkenntnistheoretisch´ zu nennenden Darlegungen ab Satz 3. Wittgenstein führt sein Modell der „Abbildung“ mit dem lapidaren Satz ein: „Wir machen uns Bilder der Tatsachen.“ (TLP 2.1)

Dabei kann aber nicht von einem „Bild“ her auf das Bestehen der „vorgestellten“ „Sachlage“ als „Sachverhalt“ in der „Welt“ geschlossen werden, da es auch den Fall gibt, in dem ein solches „Bild“ nichtbestehende „Sachlagen“ „vorstellt“91, d.h. Möglichkeiten der Kombination der „Gegenstände“ aufzeigt, die in der „Welt“ nicht realisiert sind. „Den Gegenständen entsprechen“ nämlich – auch dann, wenn das Abgebildete nicht verwirklicht ist – „die Elemente des Bildes“ (TLP 2.13), deren empirische Erfahrbarkeit damit aber ebenso im Dunkeln bleiben muss wie die der „Gegenstände“ selbst. Überhaupt gilt es, sich von einem alltagssprachlichen „Bild“-Begriff zu lösen, um die abstrakte Art von „Abbildung“ zu begreifen, auf die Wittgenstein hinaus will. Es ist auch hier wieder so, dass ein aus der Umgangssprache geläufiges Wort im TLP nur in einem ganz bestimmten technischen Sinne gebraucht wird.92 Die angesprochenen kleinsten „Bild“-Elemente werden nun – insofern das „Bild“ auch als „Bild“ in der „Welt“ ist, und sei es als „Gedanke“93 – zu „Sachverhalten“ zusammengesetzt, die wiederum, als Bausteine des „Bildes“, das „Bild“ als „eine Tatsache“ (TLP 2.141) konstituieren. Die Pointe dieser Überlegung liegt nun nicht so sehr darin, dass auch die `Tatsache´, dass Menschen sich „Bilder“ von „Tatsachen“ machen, als „Tatsache“ angesprochen werden kann.94 Es geht vielmehr um das „Tatsache“-Sein des „Bildes“ in dem Sinne, dass es zwar als „Bild“ „Tatsache“ ist, damit aber über die Tatsächlichkeit des Abgebildeten noch nichts entschieden ist. Es ist als eigenständige „Tatsache“ selbstständig in der „Welt“, unabhängig vom Abgebildeten95, nur abhängig vom „logischen Raum“. 90

91 92 93 94

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B. Russell, Vorwort, S. 68. Er führt ebd. aus, dass es um die „Bedingungen für eine richtige Symbolik“ gehe. Vgl. zu diesem Wortgebrauch Wittgensteins TLP 2.11 und 2.15. So auch J. Schulte, Wittgenstein, S. 77f. Zum „Gedanken“ vgl. Kap. 1.1.3. Darauf hinaus möchte vor allem E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 71f, weil er durch diesen Gedanken Ontologie und Erkenntnistheorie vermittelt sieht. Hierauf kommt E.-M. Lange, a.a.O., S. 76, zwar auch noch zu sprechen, aber er gibt dieser Einsicht kein besonderes Gewicht. Obwohl die Zielrichtung der Gedankengänge des TLP oft durch Russell als Gegenüber bestimmt wird (vgl. J. Schulte, a.a.O., S. 58), erkennt Lange an dieser Stelle offenbar keine gegen Russell gerichtete Argumentation.

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Somit ist etwas ausgesagt über die Sinnhaftigkeit des „Bildes“, also über die Möglichkeit des Bestehens der dargestellten „Tatsache“ und des Verstehens der „Abbildung“. Es ist aber keine Entscheidung über deren „Wahrheit“ oder „Falschheit“ getroffen. Allerdings muss gemäß der Auffassung des TLP als notwendige, keineswegs aber hinreichende Bedingung für ein Wahr-Falsch-Urteil vorausgesetzt werden, dass das „Bild“ „Sinn“ hat, d.h. als eine Möglichkeit der Zusammensetzung von „Gegenständen“ innerhalb des „logischen Raumes“ begriffen werden kann. Demnach basiert die Möglichkeit der Zuschreibung von Wahrheitswerten auf dem „Sinn“-Haben der „Bilder“, es setzt jedoch nicht umgekehrt „Sinn“-Haben schon ein „Wahr“-Sein voraus.96 Letzteres hatte Russell in seinen Urteilstheorien von 1910 bzw. 1913 gefordert.97 Nach ihm muss immer schon ein vorgängiges Wissen um „logische Wahrheiten, die durch die Bekanntschaft mit einer platonischen Welt kennen gelernt werden“98, postuliert werden, z.B. ein Wissen um die allgemeine Form der Proposition. 99 Nur so – mittels einer sinnvollen Zusammensetzung empirischer und logischer „Gegenstände“ – sei Verstehen überhaupt möglich. Nach Wittgenstein aber ist – obwohl gerade er auf die Suche nach der allgemeinen Satzform geht (Kap. 1.1.5.) – jegliche Art platonischen Vorwissens entbehrlich100, da in seinem Denkmodell die „logischen Wahrheiten“ Russells bereits als strukturgebende Elemente der Weltkonstituierung allen „Wahrheiten“ – allen in der Welt realisierten „Sachlagen“, also allen „Sachverhalten“ und „Tatsachen“ – voraus sind. Deshalb spricht Pears zu Recht von einer – im Gegensatz zur Russellschen „Zweiweltentheorie“ stehenden – „Einwelttheorie der Sprache und Logik“101 im TLP. So wird auch verständlich, dass die Logik gar nicht „ausgesagt“ werden kann – als ob sie von der Sprache als etwas, das außerhalb von ihr getrennt exis96

Vgl. TLP 2.22: „Das Bild stellt dar, was es darstellt, unabhängig von seiner Wahr- oder Falschheit, durch die Form der Abbildung." – Zum Zuschreiben von „Wahrheitswerten“ vgl. besonders G. Frege, Funktion und Begriff, und ders., Sinn und Bedeutung. 97 In die gleiche Richtung geht auch schon sein berühmter Aufsatz „On denoting“ von 1905; dt. als „Über das Kennzeichen“ in: B. Russell, Aufsätze, S. 3-22. Aufgrund der Kritik Wittgensteins veröffentlichte Russell seine Ansichten aber nur teilweise; die Theorie von 1913 erschien gar erst posthum als „Theory of Knowledge“, hg.v. E.R. Eames, London 1984. – Zu den angesprochenen Urteilstheorien vgl. D. Pears, Beziehung. 98 D. Pears, a.a.O., S. 58. 99 Man vgl. mit diesen Ansichten die Überzeugungen von N. Chomsky, der allerdings keine ‚platonische Bekanntschaft‘ fordert, sondern genetisch determinierte mentale Strukturen. (Vgl. ders., Rules and Representations, Columbia 1980.) 100 Dieser frühe ‚Anti-Platonismus‘ deutet schon auf den der Spätphilosophie, ist aber nicht mit diesem zu verwechseln (Kap. 1.3.2.1.). 101 D. Pears, a.a.O., S. 56. – Vgl. zu diesem Gegensatz sowie überhaupt zur besprochenen Problematik A. Brosch, Wittgensteins `Sinn´ und Russells `Bekanntschaft´, in: Beiträge 1994, S. 91-97.

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tierte, beschrieben werden könnte – , sondern „sich zeigen“ muss – und zwar innerhalb des Vollzugs von Sprache. 102 Deshalb kann im TLP darauf verzichtet werden, `logische Gegenstände´ anzunehmen, wie Russell es innerhalb seiner Urteilstheorien fordern musste und wovon übrigens auch Frege gesprochen hatte103. Dies hat den großen Vorteil, dass man nicht mehr genötigt ist, über den besonderen ontologischen Status `logischer Gegenstände´ zu spekulieren.104 Dagegen muss Wittgenstein nun seinerseits konsequenterweise jegliche ‚Abbildungstätigkeit‘ der logischen Zeichen leugnen: „Mein Grundgedanke ist, daß die `logischen Konstanten´ nicht vertreten. Daß sich die Logik der Tatsachen nicht vertreten läßt.“ (TLP 4.0312)

Auf diesen Gedanken wird unten noch einmal eingegangen werden müssen (Kap. 1.1.5. und 1.1.6.); hier aber ist vor allem wichtig, dass es für Wittgenstein keine auf irgendeine Weise existierenden Entsprechungen der „logischen Konstanten“ sind, mit deren Hilfe ein „Bild“ mit der „Wirklichkeit“ in Beziehung gebracht werden kann. Die Bekanntschaft mit einer Relation R, die Russell als gesonderte und somit abstrakte gefordert hatte, ist der TLP-Auffassung nach schon mit der Bekanntschaft der jeweiligen „Gegenstände“ gegeben. Als deren „interne Eigenschaften“ (vgl. Kap. 1.1.1.) sind sie von Anfang an in die „Welt“ integriert und müssen nicht noch zusätzlich ‚herbeigeschafft‘ werden. „Die Form der Abbildung“ als die „Möglichkeit“ für den jeweiligen „Zusammenhang der Elemente des Bildes“ (TLP 2.15) kann dafür beansprucht werden: „Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, daß sich die Dinge so zu einander verhalten, wie die Elemente des Bildes. Das Bild ist so mit der Wirklichkeit verknüpft; es reicht bis zu ihr.“ (TLP 2.151 und 2.1511)105

Ist diese „Form der Abbildung“ das, was „Bild“ und Abgebildetes gemeinsam haben müssen (vgl. TLP 2.16-2.174) – um ein Beispiel zu nennen: in der Malerei kann kein Ton „abgebildet“ werden – , so muss „zum Bilde auch noch die 102

Über das Transzendentale kann nach Ansicht des `frühen Wittgenstein´ nicht „gesprochen“ werden. Vgl. Kap.1.1.6. 103 Vgl. G. Frege, Sinn und Bedeutung, S. 49, wo er die Auffassung vertritt, dass „ein Wahrheitswert ... ein Gegenstand“ sei. 104 Bei diesem Problem hat sich Russell anfangs stark an die Ideen von A. Meinong angelehnt, der den Bereich der „Gegenstände“ auch auf „nicht existierende“ und sogar auf „unmögliche“, wie z.B. „das runde Viereck“, ausdehnen wollte (vgl. A. Meinong, Gegenstandstheorie, besonders S. 8 und S. 74), ist später jedoch immer mehr davon abgekommen. 105 „Wirklichkeit“ wird m.E. meist als mit „Welt“ synonym gebraucht (vgl. vor allem TLP 2.222 und 2.223), auch wenn an einigen Stellen der Eindruck entsteht, dass dieses Wort dort nicht nur die „Welt“ als den kontingenterweise realisierten Ausschnitt aus dem Bereich aller Möglichkeiten innerhalb des „logischen Raumes“ bezeichnet, sondern zusätzlich auch noch den nicht realisierten Teil meint.

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abbildende Beziehung“ hinzutreten, „die es zum Bild macht“ (TLP 2.1513). Gemeint sind damit die „Zuordnungen der Elemente des Bildes und der Sachen“ (TLP 2.1514), letztlich also der Vorgang der Projektion. Wittgenstein dürfte dabei an eine `eineindeutige Zuordnung´ in der Mathematik gedacht haben; und auch für seinen TLP-Entwurf ist es ja gut möglich, in Bezug auf das Verhältnis der jeweils kleinsten ‚Speichen-Elemente‘ zueinander von einem `bijektiven Homomorphismus´, also von einer Isomorphie im strengen Sinne, zu reden. 106 Der Vorgang der Projektion kann nun nur dann stattfinden, wenn „Bild“ und „Welt“ beide eine „logische Form“ aufweisen. Dieser Minimalforderung aber – als kleinstem gemeinsamen Nenner aller „Formen der Abbildung“ (vgl. TLP 2.18 und 2.182) – müssen sie bereits von vornherein, als beide in den logischen Raum eingebunden, genügen. Dieser „logische Raum“ als die Bedingung der Möglichkeit von „Abbildung“ garantiert, dass die ‚Abbildungstätigkeit‘ nicht ins Leere läuft, sondern gelingen kann: „Das logische Bild kann die Welt abbilden.“ (TLP 2.19)107

Weil es sich hier offensichtlich nicht um eine im Selbstgespräch verbleibende solipsistische Ansicht handelt, wird an diesen Stellen auch die gegen Ende von Kap. 1.1.1. vorgeschlagene Redeweise von einem `erkenntnistheoretischen Realismus´ gestützt, selbst wenn das, was durch den Vorgang der „Abbildung“ isomorph projiziert wird und somit erkannt werden kann, lediglich die Struktur der jeweiligen „Tatsache“ ist. Da jede „Abbildung“ nun nach dieser Theorie einen eindeutig bestimmbaren „Sinn“ hat, der durch die jeweilige Kombination der Elemente des „Bildes“ festgelegt ist, ist dieser auch durch Vergleich mit der Wirklichkeit – und nur dadurch, nur a posteriori – eindeutig zu verifizieren bzw. zu falsifizieren (vgl. TLP 2.223, 2.224 und 2.225).108 Wenigstens ist dies die logisch konsistent erschei106

Auch W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 539-550, nimmt sich für seine TLP-Darstellung im Unterkapitel „Die Isomorphietheorie der Satzbedeutung und der Erkenntnis“ die „umkehrbar eindeutige Zuordnung“ (S. 540) aus der Mathematik zum Leitbild. 107 Die Vorgängigkeit des „logischen Raumes“ wird allerdings von vielen Interpreten nicht konsequent beachtet: Es ist nicht so, dass wir deswegen, weil wir verstehen, folgern können, dass die „Aussage“ ein „Bild“ der „Sachlage“ sein muss (so z.B. G. Pitcher, Philosophie Wittgensteins, S. 97). Diese Art der Argumentation könnte sich dem Solipsismus – und der Postmoderne – nicht erwehren. Vielmehr können wir nach Auffassung des TLP nur deswegen verstehen – also „Abbildungen“ als „Bilder“ von „Sachlagen“ begreifen – , weil sich beide ‚Speichen‘ parallel im „logischen Raum“ entfalten. Eine Aussage ist somit auch notwendigerweise „Bild“ einer „Sachlage“. 108 Dies ist m.E. die ‚TLP-Variante‘ der aristotelischen `Korrespondenztheorie´ der Wahrheit (vgl. D.S. Shwayder, Wittgenstein’s `Picture Theory´ and Aristotle, in: J.V. Canfield, (Hg.), The Philosophy of Wittgenstein Bd. 1: The Early Philosophy – Language as Picture, New York/London 1986, S. 171-204). Diese Ansicht wird vom `späten Wittgenstein´ heftig kritisiert werden (vgl. Kap. 1.3.1. und 1.3.2.2.).

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nende und im weiteren Verlauf des TLP auch immer als zumindest theoretisch möglich vorausgesetzte Folgerung aus diesen Ansichten; in der Praxis dürfte aber zumindest eine „Verifizierung“ kaum durchführbar sein, müsste die Analyse doch bis zu den „Gegenständen“ hinabreichen. Auch hier bleibt die vorliegende Ausprägung des „logischen Atomismus“ letztlich ein Postulat, das höchstens in einem idealsprachlichen Kontext – z.B. innerhalb eines mathematischen Systems – realisierbar scheint.109 Die nahe liegende Frage, inwieweit Wittgenstein überhaupt die Funktionsweise der Umgangssprache beschreiben wollte, ist umstritten. Schon zu Anfang seiner Rezension wendet sich Ramsey gegen die von Russell im Vorwort vertretene Ansicht, dass es um die Konstruktion einer logisch vollkommenen Sprache ginge, und meint dagegen, dass Wittgenstein seine Ansichten wohl auch auf natürliche Sprachen angewendet wissen wolle. 110 Die Alternative `Analyse gewöhnlicher Sprachen´ oder ‚Idealsprachenkonstruktion‘ ist allerdings wiederum111 unglücklich. Es geht doch sowohl um eine logisch vollkommene Beschreibung der vorfindlichen Sprachen (vgl. TLP 4.002) als auch – normierend – um die Festschreibung der Bedingungen „sinnvoller“ Rede.112 Auch die zunächst rein deskriptiv scheinende Abbildtheorie wirkt sich de facto normativ aus: Letztlich wird, indem sie auf Sprache angewendet wird und diese damit in einen geschlossenen Prozess innerhalb der „Welt“ verwoben erscheint, dem üblichen Sprachgebrauch eine Norm vorgeschrieben, die weite Teile gebräuchlicher Sprache, in denen ethische, ästhetische oder religiöse Inhalte ausgedrückt werden, in Misskredit bringt (Kap. 1.1.6. und 1.1.7.). Eine `philosophische´ Theorie wird hier zur richtenden Instanz über die Sprache erhoben, was sicherlich nicht nur theologisch, sondern auch philosophisch problematisiert werden kann. In der Spätphilosophie wird es dann auch insofern umgekehrt sein, als sich hier Bedeutungstheorien an den praktizierten „Sprachspielen“ bewähren müssen (Kap. 1.3.1.). Von dieser Idee sind die Überlegungen des TLP aber noch weit entfernt.

109

Schon F. Ramsey hat auf dieses Problem hingewiesen: „Buchstäblich genommen, lässt sie (sc. die TLP-Definition für den Bild-Sinn) sich überhaupt nur in einem einzigen Fall anwenden, nämlich im Fall des vollständig analysierten Elementarsatzes.“ Dieser aber lasse sich aus der Umgangssprache kaum herausschälen, nur „in einer vollkommenen Sprache wären alle Sätze vollständig analysiert“ (F. Ramsey, Rezension, S. 17 und 18). 110 Vgl. ders., a.a.O., S. 11f. 111 Vgl. schon Ende von Kap. 1.1.1. 112 Diese Intentionen gleichen bereits denen der Spätphilosophie (vgl. Kap. 1.3.).

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1.1.3. Erkenntnistheorie These: Aus dem bisher Gesagten folgt die ‚eindimensionale‘ Begrenztheit der Erkenntnis auf die Struktur der „Tatsachen“, weil nur sie isomorph projiziert wird. Folgerichtig muss der „Gedanke“ definiert werden als „das logische Bild der Tatsachen“ (TLP 3). 113 Der in die Form des „Satzes“ gebrachte „Gedanke“ soll als „Satzzeichen“ angesprochen werden. Um das „logische Bild einer Tatsache“ sein zu können, müssen die „Gedanken“ alle möglichen „Sachlagen“ „abbilden“ können: „Der Gedanke enthält die Möglichkeit der Sachlage, die er denkt. Was denkbar ist, ist auch möglich.“ (TLP 3.02)

Ansonsten müsste es möglich sein, „unlogisch“ zu denken, was aber undenkbar ist114, weil sich auch die „Gedanken“ nur als eine weitere ‚Speiche‘ innerhalb des „logischen Raumes“ entfalten können. Auch ihr Material, aus denen sie zusammengesetzt sind, sind letztlich „Gegenstände“, wobei diese „Gegenstände des Gedankens“ (TLP 3.2) von Wittgenstein weder weiter benannt noch genauer charakterisiert werden und natürlich auch nur Postulatscharakter haben. So heißt es in einem Brief an Russell vom 19.8.1919: „I don't know what the constituents of a thought are but I know that it must have such constituents which correspond to the words of Language. ... Does a Gedanke consist of words? No! But of psychical constituents that have the same sort of relation to reality as words. What those constituents are I don't 115 know.“

Auch hier ist ganz deutlich, dass die verschiedenen ‚Speichen‘ in ihrem Aufbau streng parallel geführt werden sollen und dass die nähere Charakterisierung der kleinsten Bestandteile die Aufgabe einer empirischen Wissenschaft sein müsse, in diesem Falle der Psychologie116. Der Philosoph, der Logiker, braucht sich darum nicht zu kümmern. Er weiß aber, dass es – aufgrund der Kontingenz der „Sachverhalte“ und entsprechend auch der Zusammensetzungen der „Bild“- bzw. der „Gedanken“Elemente – ebenso wenig wie ein a priori wahres Bild auch keinen a priori richtigen Gedanken geben kann, da eine bloße Möglichkeit zwar notwendige Bedingung für Wahrheit ist, selbst aber keine Wahrheit bedingen kann (vgl. TLP 113

Vgl. Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 74-76, und E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 78-82. Vgl. TLP 3.03. – Die Bemerkung 3.031 („Man sagte einmal, daß Gott alles schaffen könne, nur nichts, was den logischen Gesetzen zuwider wäre. ...“) ist m.E. eine Anspielung auf die Kritik des Wunderglaubens bei B. de Spinoza (vgl. ders., Theologisch-Politischer Traktat, S. 93-112). 115 L. Wittgenstein, Letters, S. 72. 116 Vgl. ders., ebd. 114

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2.225, 3.04 und 3.05). Die Zuschreibung des „Wahrheitswertes“ „wahr“ für einen „Satz“ „sinnvoller“ Rede117 bedarf im Kontext dieser Theorie immer der Überprüfung eines „Bildes“ an einem Vergleichsobjekt.118 Schon von daher könnte – selbst unter Berücksichtigung von modallogischen Erwägungen – der `ontologische Gottesbeweis´, auf den Wittgenstein möglicherweise in TLP 3.04 und 3.05 anspielt, keinen Anspruch auf „Wahrheit“ erheben. „Wahr“ als quasi sekundäres Prädikat im Sinne von „Übereinstimmung mit einem in der Welt realisierten Sachverhalt bzw. mit einer Tatsache“ kann einem „Satz“ nicht a priori zugesprochen werden119 – ganz abgesehen davon, dass eine Aussage über die Existenz Gottes für den TLP überhaupt kein „sinnvoller Satz“ wäre, da sie nichts über die „Welt“, nichts über in der „Welt“ Verwirklichtes zu sagen beabsichtigte (Kap. 1.1.6. und 1.1.7.). Mit dem bisher Dargestellten ist nun schon implizit angedeutet, dass ein „Satz“ im Sinne des TLP das „sinnlich wahrnehmbar(e)“ (TLP 3.1) Pendant zum „Gedanken“ ist. Wie „Tatsachen“ und deren „Bilder“ durch die Zuordnung ihrer Elemente zusammenhängen, so werden „Satz“ und „Gedanke“ durch das „Denken“ verbunden: „Die Projektionsmethode ist das Denken des Satz-Sinnes.“ (TLP 3.11)120

Wittgenstein unterscheidet im Folgenden zwischen „Satzzeichen“ und „Satz“, wobei ersteres lediglich den „Gedanken“ ausdrückt, letzterer aber das Schema bereitstellt für die jeweils zugehörige „projektive Beziehung zur Welt“ (TLP 3.12). Das „Satzzeichen“ ist der in die Form des „Satzes“ gebrachte „Gedanke“, so dass man u.a. sagen kann: „Im Satz ist die Form seines Sinnes enthalten, aber nicht dessen Inhalt.“ (TLP 3.13)

Ramsey schlägt bereits in seiner Rezension vor, die Differenzierung von Ch. S. Peirce in „token“ und „type“ zu benutzen. 121 Wittgenstein selbst dürfte sie beim Abfassen des TLP kaum gekannt haben und sein eigener Sprachgebrauch 117

Bei „sinnlosen“ Feststellungen gibt es allerdings die Tautologien, die „bedingungslos wahr“ sind (TLP 4.461; Kap. 1.1.5.). 118 Dies ist eine Gemeinsamkeit mit der von B. Russell in „On denoting“ (vgl. ders., Über das Kennzeichen, in: Aufsätze, S. 3-22) entworfenen Kennzeichen-Theorie, obwohl die Begründung bei Wittgenstein eine ganz andere ist. 119 Die Ähnlichkeit mit I. Kants Kritik am `ontologischen Gottesbeweis´ ist offensichtlich (vgl. Kap. 0.) 120 Hier handelt es sich erneut um eine Überzeugung, die in der Spätphilosophie vehement angegriffen wird (vgl. Kap. 1.3.2.3. und 1.3.2.5.). 121 Vgl. F. Ramsey, Rezension, S. 16. – Der Sache nach gibt es diese Unterscheidung bereits in der Kabbala. Wittgensteins jüdischer Hintergrund lässt Bekanntschaft auch mit ihr vermuten, obwohl Vf. darüber nichts Sicheres in Erfahrung bringen konnte.

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scheint hier auch nicht ganz stringent zu sein122. Trotzdem ist diese Unterscheidung dem Verständnis förderlich und es ist Ramsey zuzustimmen, wenn er feststellt: „Der eigentliche Satz jedoch ist ein Typ, unter den alle Einzelsatzzeichen fallen, denen ein bestimmter Sinn – und nicht eine bestimmte physische Er123 scheinung – gemeinsam ist.“

Es ist dabei jedoch zu beachten, dass das „Satzzeichen“ – wie auch das „Bild“ und der „Gedanke“ – eine „Tatsache“ ist (vgl. TLP 3.14 und 3.142), also – unabhängig davon, ob schon eine Entscheidung über den zugehörigen „Wahrheitswert“ getroffen ist – ein Aufzeigen einer möglichen Zusammensetzung der „Gegenstände“ in der „Welt“ und damit selbst eine realisierte Konfiguration von „Gegenständen“. Dieser wesentliche Charakterzug des „Satzzeichens“ werde nun „durch die gewöhnliche Ausdrucksform der Schrift oder des Druckes verschleiert.“ (TLP 3.143). Diese suggeriere nämlich die Vorstellung von einer bloßen Aneinanderreihung, wo es doch auf die Art und Weise der Verkettung ankomme. Frege z.B. verkenne dies, wenn er einen „Satz“ als „einen zusammengesetzten Namen“ (TLP 3.143) auffasse. Schon diese Formulierung ist für Wittgenstein – ganz analog zur Rede von einem „zusammengesetzten Gegenstand“ (vgl. oben Kap. 1.1.1.) – ein Widerspruch in sich selbst. Nach Auffassung des TLP kann man überhaupt keine „Sachverhalte“ oder gar „Tatsachen“ „benennen“ (TLP 3.144), da für „Namen“ eine ganz eigene Rolle vorgesehen ist. 1.1.4. Theorie der „Namen“ und ihre Implikationen These: „Namen“ sollen die Grundelemente sein, aus denen jede sprachliche Äußerung letztlich zusammengesetzt ist. Sie sind demnach die „Gegenstände“ der Sprache, die kleinsten Sprachelemente wiederum postulatorischen Charakters.124 Darauf aufbauend kann der „Satz“ als eine „Funktion“ seiner Bestandteile beschrieben werden – und zwar ausschließlich unter Zuhilfenahme „einfacher Symbole“. Dies impliziert zum einen eine Kritik an `Russell’s Typentheorie´, zum anderen lässt es besser verständlich werden, dass man ein „Gemeinsame(s) aller Notationen für die Wahrheitsfunktionen“ (TLP 3.3441) angeben kann.

122

Auch F. Ramsey ist sich bewusst, dass „Satz“ im TLP mitunter auch zur Bezeichnung eines „Einzelzeichens“, also im Sinne von „Satzzeichen“, benutzt wird (vgl. ders., ebd.). 123 Ders., ebd. 124 Vgl. E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 25, und G. Pitcher, Philosophie Wittgensteins, S. 47f.

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Auf keinen Fall sind die „Namen“ des TLP zu verwechseln mit den Eigennamen der Umgangssprache125, an deren besondere Funktionsweise 126 Wittgensteins Terminologie zwar anknüpft, die im Sinne seiner Theorie aber keine „Namen“ sind, weil man sie als Komplexe begreifen und somit zerlegen, analysieren kann.127 – Eingeführt werden die „Namen“ im TLP als die angewandten Satzzeichenelemente128: „Die im Satze angewandten einfachen Zeichen heißen Namen.“ (TLP 3.202)129

Als „Name“ sei das „einfache Zeichen“ mit dem „Gegenstand“ als seiner „Bedeutung“ verknüpft (TLP 3.203), wobei dies allerdings nur im Satzzusammenhang der Fall sein könne.130 Mit diesem Hinweis übernimmt Wittgenstein Freges `Kontextprinzip´131 und erkennt nur dem „Satz“ „Sinn“ zu. „Sinn“ ist im TLP zu verstehen als eine auf eine „Sachlage“, einen „Sachverhalt“ oder eine „Tatsache“ hinweisende ‚Projektionstätigkeit‘ – ähnlich dem Fregeschen „Sinn“-Begriff als einer Bezeichnung für „die Art des Gegeben-Seins“132 einer bestimmten „Bedeutung“. Dabei ist die Blickrichtung der Analyse bei den beiden Autoren allerdings unterschiedlich: Besteht die Pointe bei Frege darin, dass eine „Bedeutung“ auf verschiedene Art und Weise gegeben sein kann, so fragt Wittgenstein nach den Bedingungen der Möglichkeit des „Sinn“-Habens. Erst die Anwendung macht also aus „einfachen Zeichen“ „Namen“ (vgl. TLP 3.262 und 3.3). Deren Verbindung untereinander muss somit Ausgangspunkt aller weiterer Sprachhandlungen sein; hinter sie kann nicht zurückgegangen werden, auf sie ist aber alles zurückzuführen (vgl. TLP 3.221). Zu betonen ist, dass 125

Dies betont besonders J. Schulte, Wittgenstein, S. 70-73. Über die Funktion von Eigennamen ist viel diskutiert worden. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Texte bietet U. Wolf, Eigennamen, Frankfurt am Main 1993. Vgl. für einen Überblick auch ihre dortige Einleitung, S. 9-41. 127 Eher erinnert der „Namens“-Begriff des TLP an den Russells: Auch dessen „Namen“, denen umgangssprachlich am ehesten das Demonstrativpronomen „dieses“ entspricht, sind die unhintergehbaren Endpunkte der Analyse. Vgl. B. Russell, Atomism, besonders S. 5557. 128 Als ‚unangewandte‘ Satzzeichenelemente werden sie lediglich als Bestandteile der Welt der „Zeichen“ aufgefasst und „einfache Zeichen“ genannt (TLP 3.201). 129 Im weiteren Verlauf werden für „Name“ noch weitere Bezeichnungen eingeführt: „einfaches Symbol“ (TLP 3.24) und „Urzeichen“ (TLP 3.26). 130 Deshalb ist es auch völlig unangemessen, der TLP-Konzeption einen Gegensatz zwischen „benennen“ und „gebrauchen“ zu unterstellen. So mit H. Ishiguro, Namen, S. 96, wo sie auf diesen Unterschied als auf einen bloß „vermeintlichen“ verweist. 131 Vgl. G. Frege, Grundlagen der Arithmetik, besonders § 60: „Man muß aber immer einen vollständigen Satz ins Auge fassen. Nur in ihm haben die Wörter eigentlich eine Bedeutung.“ 132 Vgl. ders., Sinn und Bedeutung, S. 41. 126

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die hier vom TLP nahe gelegte Analyse immer eindeutig sein soll; ihr Weg wird festgelegt durch die Definitionskette, mittels derer durch die Kombination „einfacher Zeichen“ Zeichen für Komplexe definiert werden (vgl. vor allem TLP 3.24, 3.25 und 3.261).133 Dabei soll dann jeder „Sinn“ charakterisierende Satzteil wie auch der „Satz“ als Ganzer „Ausdruck“ heißen (TLP 3.31). Dass es hierbei um die jeweils zugrunde liegende logische Syntax geht – um „Ausdruck“ als die „Form“ des Satz-Sinnes, die mit Hilfe einer logischen Symbolik „abgebildet“ werden kann – , wird an folgendem Zitat deutlich: „Der Ausdruck setzt die Formen aller Sätze voraus, in welchen er vorkommen kann. Er ist das gemeinsame charakteristische Merkmal einer Klasse von Sätzen.“ (TLP 3.311)

In der logischen Notation soll der „Ausdruck“ durch eine Variable dargestellt werden, die Wittgenstein „Satzvariable“ nennen will (TLP 3.313). Sie kann also sowohl ganze „Sätze“ als auch Bestandteile von „Sätzen“ symbolisieren, wobei das Ende der Analyse den Punkt angibt, an dem die Variable zur Konstanten wird – als „Symbol“ für einen „Elementarsatz“ (vgl. ebd. die Bemerkung in der Klammer). Damit ist der „Satz“ als eine „Funktion“ seiner Bestandteile beschrieben – ganz auf der Linie Freges und Russells (vgl. TLP 3.318). Der Übergang zur logischen Notation lässt die Willkürlichkeit der „Zeichen“Gebung erkennen; wird ein „Zeichen“ auf verschiedene Art und Weise angewandt, was die logische Syntax zum Vorschein bringen sollte, so kann es offensichtlich nicht mehr dasselbe bezeichnen. Wittgenstein meint, dass diese Erscheinung der Äquivokation viele philosophische Probleme überhaupt erst hervorgebracht habe (vgl. TLP 3.324).134 Um Missverständnisse und Schlussfehler zu vermeiden, müsse man demnach den Gebrauch der „Zeichen“ genau beachten und eine logische Notation, eine „Begriffsschrift“, entwickeln, in der die Symbolik diesen „Zeichen“-Gebrauch genau widerspiegele (vgl. TLP 3.325-3.327). Dabei dürfe die „Bedeutung“ der Zeichen keinerlei Rolle spielen (vgl. TLP 3.33); gemeint ist z.B., dass es für die logische Syntax unbedeutend sein müsse, ob es sich um Begriffe handelt, die im Sinne einer bestimmten Theorie als ‚Metabegriffe‘ gedeutet werden könnten oder nicht. Mit diesem Gedanken ist Wittgensteins Kritik an `Russells Typentheorie´, die in den „Principia Mathematica“ vorgestellt wird, vorbereitet.135 Offensichtlich nimmt Russell mit seiner Idee für die Überwindung des Problems der Selbstbezüglichkeit136 innerhalb der logischen Notation Bezug auf die 133

Gerade diese Eindeutigkeit der Analyse wird in der Spätphilosophie bestritten werden (vgl. Kap. 1.3.1.). 134 Gemeint ist z.B. die Amphibolie in logischen Schlüssen. 135 Zur Typentheorie der „Principia Mathematica“ und der Kritik Wittgensteins an ihr vgl. E. Tatievskaya, Verstehen, S. 29-55. 136 Als Beispiele für dieses Problem seien die Vorstellung von der Menge aller Mengen, die

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Bedeutung der „Zeichen“, wenn er die Symbole hierarchisieren und Aussagetypen klassifizieren will. 137 Nach Wittgenstein bildet aber die logische Syntax nur eine Ebene: Die auch von Russell erhobene Forderung, immer andere Symbole einzuführen, wenn die „Zeichen“ auf andere Art und Weise bezeichnen, führt Wittgenstein konsequent durch. Danach erhält dann „Menge“ als „Zeichen“ für „Menge aller Mengen“ ein anderes „Symbol“ als die „Mengen“, aus denen sie gebildet wird, weil das Wort, durch das scheinbar die problematische Selbstbezüglichkeit hervorgerufen wird, auf zweierlei Weise verwendet wird. So verschwindet die Selbstbezüglichkeit von selbst (vgl. TLP 3.331-3.333). Wenn – so die Auffassung des TLP – die Analyse der komplexen Ausdrücke bis zum Schluss durchgeführt wird, d.h. alle Zusammensetzungen aufgelöst und in der logischen Syntax unter Zuhilfenahme der nun „einfachen Symbole“ dargestellt sind, wird klar, dass am Ende tatsächlich alles auf eine Ebene gebracht werden kann und man gar keine Klassifizierungen benötigt. Russell suchte letztlich auch hier wieder ein ‚platonisches Konzept‘ zu verwirklichen, das Begriffen ein starres Klassifizierungsschema überstreifen will, indem er prinzipiell darauf Rücksicht nehmen und in seiner logischen Notation auch durch verschiedene Symbole zum Ausdruck bringen wollte, ob nun jeweils von Individuen oder von Klassen oder von Klassen von Klassen usw. geredet wird. Bei Wittgenstein hingegen werden derartige Ausdifferenzierungen von Komplexität abgelehnt und „nur eine einzige Grundunterscheidung, und die betrifft die Art und Weise, in der definierte Zeichen einerseits und undefinierte Zeichen andererseits bezeichnen“138, anerkannt. Dabei wird die Funktionsweise der letzteren, der „Namen“, im TLP mit „benennen“ bzw. „bedeuten“ beschrieben, die der ersteren dagegen mit „bezeichnen“. Der Anspruch Wittgensteins ist auch hier in Bezug auf die logische Notation der, mit ihr als Beschreibungssystem ein „Bild“ zu liefern, das tatsächlich „abbildet“, sich aber auch auf das „Abbilden“ beschränkt und ganz analog zu der Funktionsweise aller anderen „Bilder“ eine `eineindeutige Zuordnung´ aufzeigt, ohne selbst die Struktur der Elemente des Abgebildeten zu verändern oder gar eigene Anordnungsanweisungen einzutragen. Russell's Typentheorie sieht Wittgenstein also als solch einen unbedingt zu vermeidenden Fremdeingriff an. Wäre dieser zulässig, dann wäre Beschreibung durch Normierung ersetzt und die „Abbildung“, die die logische Notation leisten soll, gestört. Somit wäre auch das Bild als „Bild“ unbrauchbar und die logische Analyse von „Sätzen“ mit einer derartigen logischen Syntax könnte gar nicht mehr beanspruchen, die vorgegebene Analyse überhaupt zu leisten. sich selbst nicht enthalten, und die Behauptung des eigenen Lügens, das sog. `EpimenidesProblem´, genannt. 137 Vgl. TLP 3.331: „ ... Der Irrtum Russells zeigt sich darin, daß er bei der Aufstellung der Zeichenregeln von der Bedeutung der Zeichen reden mußte.“ 138 H. Ishiguro, Namen, S. 102.

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Da aber nun die Festlegung der definierten „Zeichen“ nicht starr vorgegeben ist, weil sie auf der Kombination der undefinierten beruht, kommt in das Modell des TLP ein `nominalistisches´ Element hinein. Dieses steht jedoch deshalb nicht im Widerspruch zu den bisherigen – eher `realistisch´ zu nennenden – Äußerungen über die Möglichkeit von „Abbildung“, als nur die Wahl der „Bezeichnung“ der Komplexe freigestellt ist. Die „Benennung“ der „Gegenstände“ mit „Namen“ ist hingegen zwingend, sonst könnte es dem TLP nach keine abbildende Sprache geben. Diese Überzeugungen sind zweifelsohne als Parallele zur Ontologie aufzufassen, nach der – wie beschrieben wurde (Kap. 1.1.1.) – die realisierten „Sachverhalte“ sämtlich kontingent sind, jedoch von den „internen Eigenschaften“ der zugrunde liegenden „Gegenstände“ abhängen. Die Forschung ist auf die Stringenz der Analogie gerade auch in diesem Punkt allerdings noch kaum aufmerksam geworden. Schon beim `frühen Wittgenstein´ ist demnach ein Wandel der „Bedeutung“ von Begriffen immer möglich ist. Die Wahl der „Zeichen“ ist im Grunde unwichtig und die Abgrenzung des Wortfeldes kann für ein äußerlich gleiches Wort theoretisch bei jedem Gebrauch neu vorgenommen werden. – Dieser Hinweis erscheint deswegen wichtig, weil dem TLP häufig das Festschreiben einer starren Begrifflichkeit unterstellt wird. 139 Die `Gebrauchstheorie der Bedeutung´ in den PU (Kap. 1.3.1.) wird nämlich oft als radikaler Gegensatz zur TLP-Auffassung angesehen, obwohl doch in diesem Punkt durchaus Kontinuität herrscht. – Diese Interpretation wird auch dadurch nicht erschüttert, dass sich aus einmal erfolgten Festlegungen zwingend andere ergeben, da ja auch die logische Syntax – als eine der ‚Speichen‘ – den Gesetzen des „logischen Raumes“ gehorchen muss: „An unseren Notationen ist zwar etwas willkürlich, aber das ist nicht willkürlich: Daß, wenn wir etwas willkürlich bestimmt haben, dann etwas anderes der Fall sein muß. (Dies hängt von dem Wesen der Notation ab.)“ (TLP 140 3.342)

Das „Wesen der Notation“ besteht nun auch darin, dass es ein „Gemeinsame(s) aller Notationen für die Wahrheitsfunktionen“ (TLP 3.3441) gibt. Dieses Gemeinsame selbst ist allerdings nicht direkt ausdrückbar, sondern muss „sich zeigen“. Der Logiker kann maximal auf z.B. Sheffer’s Arbeiten verweisen141, in 139

U.a. H. Ishiguro, Namen, S. 96, macht darauf aufmerksam, dass dem TLP oft irrtümlicherweise vorgeworfen werde, seine Ansicht „schließe jeden Begriffswandel aus und stehe der Gesellschaftskritik im Wege.“ 140 In dieser Überlegung liegt ein schwerwiegendes Argument gegen relativistische bzw. postmoderne Interpretationen des TLP. 141 Vgl. H.M. Sheffer, Transmissions of the American Mathematic Society, Vol. XIV, S. 481488. (Literaturangabe nach B. Russell, Vorwort, S. 73).

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denen diejenige der Möglichkeiten der Kennzeichnung dieses Gemeinsamen zum „Ausdruck“, also in eine „logische Form“ gebracht wird, die auch Wittgenstein im TLP benutzt. Es handelt sich dabei um die Einsicht, dass sich alle Wahrheitsfunktionen letztlich als Konstruktionen aus ` ¬p ‫¬ ר‬q´ (weder p noch q) darstellen lassen.142 So kann man z.B. die Adjunktion begreifen als: ¬ (¬p ‫¬ ר‬q) = p v q

Nachdem nun die Grundfragen der logischen Syntax geklärt sind, wird im TLP nochmals auf den „Satz“ eingegangen, der „einen Ort im logischen Raum“ (TLP 3.4) markiere. Dessen Position in diesem Bereich der Möglichkeiten sei festgelegt durch das mit den „logischen Koordinaten“ verknüpfte „Satzzeichen“ (TLP 3.41). Logische Operationen mit diesem „Satz“ – wie z.B. die Verneinung oder die Bildung eines logischen Produktes – verschieben nach Wittgenstein lediglich die Positionierung des „Satzes“ im „logischen Raum“ statt etwas Neues einzuführen. Daraus folgt, dass jeder „Satz“ immer schon den ganzen „logischen Raum“ voraussetzt; nur in ihm kann er überhaupt „Satz“ sein, kann er einen „Gedanken“ darstellen, der so in der „Sprache“ zu Wort kommt. 1.1.5. „Sprache“ und „Satz“ These: Die „Sprache“ wird als „die Gesamtheit der Sätze“ (TLP 4.001) vorgestellt.143 Die Angabe der „allgemeine(n) Form des Satzes“ bzw. der „allgemeine(n) Form der Wahrheitsfunktion“ (TLP 6) soll die Bildung aller möglichen „Sätze“ erklären. Allerdings weisen die „Sätze“, deren Bestandteile unzureichend „benannt“ sind, keinen „Sinn“ auf. Die Menschen jedoch benutzen die „Sprache“, ohne dass ihnen dieses bewusst wäre und ohne dass ihnen die Wort„Bedeutungen“ und die tiefer liegende Sprachlogik klar wären. Menschen gebrauchen die „Sprache“ – dem TLP nach – , ohne dass ihnen dadurch die zugrunde liegende Struktur des „Gedankens“ klar vor Augen trete: „Die Sprache verkleidet den Gedanken. Und zwar so, daß man nach der äußeren Form des Kleides nicht auf die Form des bekleideten Gedankens schließen kann; weil die äußere Form des Kleides nach ganz anderen Zwecken gebildet ist als danach, die Form des Körpers erkennen zu lassen.“ (TLP 4.002) 142

Auch eine Rückführung auf „¬p v ¬q“ wäre möglich, würde Wittgensteins Suche nach der „allgemeine(n) Form der Wahrheitsfunktion“ (TLP 6) aber unnötig verkomplizieren. 143 Aus der Sicht der PU wird dies als eine sehr verkürzte und künstliche, als die ‚augustinische‘ Bestimmung der Sprache wahrgenommen werden (vgl. Kap. 1.3.1.). Weil es sich somit im TLP um einen genau definierten „Sprach“-Begriff handelt, wird er als solcher in der vorliegenden Darstellung in Anführungszeichen gesetzt.

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Gerade weil die Sprachlogik aber nicht unmittelbar erkennbar ist, kann die Umgangssprache nach Auffassung des TLP dazu missbraucht werden, nur scheinbar „Sinn“ auszudrücken. Wurde oben die `eineindeutige Zuordnung´ als Bedingung der Möglichkeit von „Abbildung“ und somit von „Erkenntnis“ herausgestellt (Kap. 1.2.1.), so werden jetzt im weiteren Verlauf des TLP alle die „Sätze“, die dieser Prämisse nicht genügen, als ‚Schein-Sätze‘ und somit als „unsinnig“ kritisiert. Dies geschieht durchaus in dem Wissen darum, dass auch die „Sätze“ des TLP unter dieses Verdikt fallen144, aber eben dieses Bewusstsein, dass die eigenen „Sätze“ in der Absicht der ‚Selbstüberwindung‘ gesagt sind, unterscheidet die „unsinnigen“ TLP-„Sätze“ von den meisten „unsinnigen Sätzen“ anerkannter Philosophen über klassische philosophische Probleme: „Die meisten Fragen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, daß wir unsere Sprachlogik nicht verstehen.“ (TLP 4.003)

Die „Sätze“ des `frühen Wittgenstein´ aber wollen weg von der Verstrickung in „unsinnige“ Fragestellungen hin zum Verständnis der Sprachlogik führen, auch wenn sie dieses nur mit „unsinnigen“ Formulierungen erreichen können. 145 Im spätphilosophischen Bild von der Philosophie als einer ‚therapeutischen Tätigkeit‘ (vgl. PU §§ 133 und 255) – im Gegensatz zur Philosophie als einem Lehrgebäude146 – könnte man sagen, dass sich die „Therapie“ auf die „Krankheit“ einstellen muss. Zu dem Zweck der ‚Behandlung‘ wird im TLP nun eine weitere stark normierende und die ‚Eindimensionalität‘ von Sprache weiter festschreibende Vorentscheidung in Bezug auf die Möglichkeiten von Sprache getroffen. Als Kriterium für einen „sinnvollen“ Satz soll nämlich gelten, dass er ein „logisches Bild“ einer realisierten oder realisierbaren „Sachlage“ darstellt (vgl. TLP 4.03), so dass er einen „Gedanken“ bietet, der mit der „Welt“ in Hinblick auf seine Verwirklichung verglichen werden kann: „Die Wirklichkeit muß durch den Satz auf ja oder nein fixiert sein.“ (TLP 4.023) 144

Vgl. TLP 6.54: „Meine Sätze erläutern dadurch, daß sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muß sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.)“ 145 Auch W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 560, spricht von „eine(r) wichtige(n) Erläuterungsfunktion“, die „sinnlose Sätze“ [sc. „unsinnige“] haben können. 146 Diese Gegenüberstellung findet sich schon in TLP 4.112 und 6.53. – Die sich mehr und mehr verstärkende Abneigung gegen starre Doktrinen teilt Wittgenstein sowohl mit Goethe als auch mit dem ihm schon früh durch seine Schwester Margarete näher gebrachten Kierkegaard (vgl. K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 30), dessen Einfluss auch auf diese Ideen häufig unterschätzt wird. So erwähnt P.M.S. Hacker, der sich vor allem in den Kapiteln I und V seines Buches „Einsicht und Täuschung“ sehr erhellend mit Wittgensteins Auffassung von Philosophie beschäftigt, Kierkegaard in diesem Zusammenhang nicht einmal. – Zur Bedeutung Kierkegaards für Wittgenstein vgl. u.a. die Hinweise in Kap. 2.2.

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Dieses Vergleichen kann offensichtlich nur dann geschehen, wenn man weiß, wie zu analysieren ist. Selbst wenn man die benutzten logischen Attribute als „interne Eigenschaften“ der „Gegenstände“ und nicht als „logische Gegenstände“ kennen gelernt hat, müssten sie angegeben werden können – ebenso wie die Interpretationsregeln der vorkommenden „Namen“.147 Dies mache gerade das Vertrautsein mit einer Sprache aus. Ist der „Satz“ nun „isomorphes Bild“ einer „Tatsache“, so ist er „wahr“, ist er hingegen nur „Abbild“ einer im Raum des Möglichen gebliebenen „Sachlage“, so ist er „falsch“. Bei einem „falschen Satz“ aber von einem „nichtisomorphen Bild“ der „Tatsache“ zu reden, wie Stegmüller es vorschlägt148, ist problematisch, weil ein „Bild“ ja immer „isomorph“ ist. Die Bezeichnung „nichtisomorphes Bild“ wäre erneut ein Widerspruch in sich selbst und eine indirekte Ausformulierung einer irrigen Vorstellung, vor der auch im TLP gewarnt wird: „Beachtet man nicht, daß der Satz einen von den Tatsachen unabhängigen Sinn hat, so kann man leicht glauben, daß wahr und falsch gleichberechtigte Beziehungen von Zeichen und Bezeichnetem sind. Man könnte dann z.B. sagen, daß „p“ auf die wahre Art bezeichnet, was „¬p“ auf die falsche Art, etc.“ (TLP 4.061)

An dieser Stelle ist es wichtig, auf die in Kap. 1.1.2. schon angesprochene Idee Wittgensteins zurückzukommen, die er seinen „Grundgedanke(n)“ nennt und nach der „die `logischen Konstanten´ nicht vertreten“ (TLP 4.0312; vgl. auch 4.0621). Diese Idee ist – wie oben bereits angedeutet – folgendermaßen zu verstehen: Im „Satz“ werden die „Gegenstände“ durch „Zeichen“ „vertreten“ (vgl. TLP 4.0312). Damit müssten aber auch schon ihre „internen Eigenschaften“ projiziert sein, weshalb auch die Struktur der „Tatsache“ bereits als „abgebildete“ vorliegen müsste149; für die „logischen Konstanten“ bleibt nichts mehr, was sie noch „abbilden“ könnten. So zieht McGuinness auch ganz richtig die Schlussfolgerung: „Durch die logischen Konstanten wird nichts ins Spiel gebracht, was im 150 Atomsatz nicht schon vorhanden wäre.“

Das zeigt sich auch daran, dass sie ineinander überführbar sind (vgl. Kap. 1.1.4.). Die logische Struktur der „Tatsachen“ wird demnach vollständig an der Konfiguration der „Gegenstände“ bzw. der kleinsten Bildelemente deutlich. Sie lässt sich aber nicht „vertreten“, nicht als solche an die Oberfläche bringen; sie 147

Darauf macht auch W. Stegmüller, a.a.O., S. 547, aufmerksam. Ders., a.a.O., S. 549. 149 Vgl. B. McGuinness, Grundgedanke, S. 41: „Zeichen vertreten Gegenstände, eben weil sie – wenn sie richtig gebildet oder (was auf das gleiche hinausläuft) richtig verstanden sind – nicht in für die Gegenstände unmöglicher Weise miteinander verbunden werden können.“ 150 Ders., a.a.O., S. 46. Vgl. auch R. Raatzsch, Wittgenstein, S. 57-66. 148

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liegt immer zugrunde – auch dem „Bild“, das sie „abbilden“ soll.151 Daraus ergibt sich nun als Postulat: „Am Satz muß gerade soviel zu unterscheiden sein, als an der Sachlage, die er darstellt.“ (TLP 4.04)

Ist das aber gegeben, so gilt: „Der Satz stellt das Bestehen und Nichtbestehen der Sachverhalte dar.“ (TLP 4.1)

Aus dem „Welt“-Begriff, wie er anfangs eingeführt worden ist (vgl. Kap. 1.1.1.), folgt nun, dass „die Gesamtheit der wahren Sätze ... die gesamte Naturwissenschaft“ (TLP 4.11) repräsentiert. Aufgrund solcher Formulierungen, die die Mitglieder des `Wiener Kreises´ gerne aufgriffen, konnte Wittgenstein leicht eine große Nähe zum `logischen Positivismus´ unterstellt werden (vgl. Kap. 0.), obwohl er für derartige Aussagen ganz andere Gründe hatte als die Vertreter dieser Weltauffassung. So weist Stegmüller darauf hin, dass die „These von der Sinnlosigkeit der Metaphysik“152 – und damit auch der Religion – im Kontext der logisch-positivistischen Weltanschauung eine von einem `empiristischen Sinnkriterium´ abhängige, somit nur relative These sei. Bei Wittgenstein hingegen sei diese Ansicht insofern absolut, als bei ihm die ontologische Fundierung der für einen „sinnvollen Satz“ benötigten Abbildtheorie verbiete, „Bilder“ anzunehmen, die nach anderen Gesetzmäßigkeiten funktionieren. Im TLP sind die Bedingungen für eine gelingende ‚Abbildungstätigkeit‘ unverrückbar festgelegt und unhintergehbar. Gabriel stellt zu Recht fest, Wittgenstein gehe somit „über frühere Formen der Metaphysikkritik wesentlich hinaus“153. Dennoch wird im weiteren Verlauf des TLP die Möglichkeit des „Sich-Zeigens des Mystischen“ angeführt werden (Kap. 1.1.6.), die im `logischen Positivismus´ selbstverständlich keinerlei Entsprechung hat. Hat nun dieser Positivismus im Verlaufe seiner Geschichte das `empiristische Sinnkriterium´ mehr und mehr modifiziert (vgl. Kap. 0.), um die von ihm vertretene ‚Eindimensionalität‘ abzusichern und sich der in den Naturwissenschaften geübten Praxis immer besser anzupassen, so ist „Philosophie“ schon für den `frühen Wittgenstein´ eine von den Naturwissenschaften völlig unabhängige Tätigkeit154: 151

Vgl. TLP 4.041: „Diese mathematische Mannigfaltigkeit kann man natürlich nicht selbst wieder abbilden. Aus ihr kann man beim Abbilden nicht heraus.“ In TLP 4.0411 wird das Scheitern einiger trotzdem unternommener Abbildungsversuche, die hauptsächlich durch Indexikalisierung zum Ziel gelangen wollen, vorgeführt. 152 W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 556. 153 G. Gabriel, Grundprobleme, S. 159. 154 Vgl. schon oben (Kap. 1.1.3.) bei dem Problem der „Gegenstände“ der „Gedanken“, das an die Psychologie verwiesen wird.

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„Die Philosophie ist keine der Naturwissenschaften. (Das Wort `Philosophie´ muß etwas bedeuten, was über oder unter, aber nicht neben den Naturwissenschaften steht.) Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedanken.“ (TLP 4.111 und Anfang von 4.112)

Damit allerdings steckt sie den Naturwissenschaften ihr Feld ab – wie allem, auch theologisch-metaphysisch Denkbarem und Bestreitbarem überhaupt. Auf diese Weise wird sie aber auch „das Unsagbare bedeuten“ (TLP 4.115), das, was außerhalb der Möglichkeit der Bezeichnung durch die „Sprache“ liegt, weil es sich außerhalb der „Wirklichkeit“ als dem Raum aller möglichen „Sachlagen“ bewegt und diesen überhaupt erst konstituiert. – Die „philosophische“ Rede des TLP ist als ein Sprechen über das Sprechen von der „Welt“ demnach also nicht Bestandteil unserer „welt“-beschreibenden Objektsprache, sondern besteht aus Wörtern, die als „formale Begriffe“ bezeichnet werden und im Grunde die Wegweiser für die logische Zerlegung sind. Aber auch hier gilt wieder: „Daß etwas unter einen formalen Begriff als dessen Gegenstand fällt, kann nicht durch einen Satz ausgedrückt werden. Sondern es zeigt sich an dem Zeichen dieses Gegenstandes selbst. (Der Name zeigt, daß er einen Gegenstand bezeichnet, das Zahlenzeichen, daß es eine Zahl bezeichnet, etc.)“ (TLP 4.126)

Deshalb ist bei der logischen Notation auch darauf zu achten, dass „formale Begriffe“ nicht wie eigentliche Begriffsworte in sie eingehen und z.B. als Funktionen oder Klassen symbolisiert werden – wie Frege und Russell dies praktizierten – , sondern als „variable Namen“ aufgefasst werden, wie es Wittgenstein am Beispiel „des Scheinbegriffes Gegenstand“ (TLP 4.1272) verdeutlicht: „So kann man z.B. nicht sagen `Es gibt Gegenstände´ wie man etwa sagt: `Es gibt Bücher´ Und ebenso wenig: `Es gibt 100 Gegenstände´... Und es ist unsinnig, von der Anzahl aller Gegenstände zu sprechen.“ (TLP 4.1272; Hervorhebung im Original)

Dass „Gegenstände“ unter bestimmte „formale Begriffe“ fallen, „zeigt sich“ – deshalb darf es in der logischen Syntax auch keine Bezeichnungen für sie geben. „Formale Begriffe“ sind der direkten Symbolisierung aus strukturellen Gründen von vornherein entzogen.155 Hingegen sind „Elementarsätze“, die nun ausdrücklich eingeführt werden, durch Konstanten, die die kleinsten Einheiten der logischen Notation bilden, zu symbolisieren. „Elementarsätze“, die prinzipiell nicht ausformulierbar sind156, weil sie – ähnlich wie die „Namen“ – in der „Sprache“ immer schon ‚verschluckt‘ sind, behaupten nämlich das Bestehen von „Sachverhalten“ (vgl. TLP 155 156

Vgl. die Darstellung bei G. Gabriel, Grundprobleme, S. 161f. Vgl. G. Pitcher, Philosophie Wittgensteins, S. 48.

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4.21). Um nun die Kontingenz der „Sachverhalte“ auf der ‚Speiche‘ der „Sprache“ widerzuspiegeln, muss die Forderung aufgestellt werden, dass die „Elementarsätze“ zueinander nicht in Widerspruch geraten können (vgl. TLP 4.211).157 – An dieser Stelle wird die spätere Kritik am Sprachparadigma des TLP einsetzen (vgl. Kap. 1.2.1.). Wie nun die „Sachverhalte“ Verknüpfungen der „Gegenstände“ aufgrund ihrer „internen Eigenschaften“ sind, so sind die „Elementarsätze“ aus „Namen“ zusammengesetzt. Sie sind „ein Zusammenhang, eine Verkettung, von Namen.“ (TLP 4.22)158 In der logischen Notation soll sich dies insofern niederschlagen, als „Namen“ durch die „einfachen Symbole“ `x´, `y´, `z´ „abgebildet“ werden sollen, „Elementarsätze“ hingegen als deren „Funktion“ – z.B. `fx´ – oder als „die Buchstaben p,q,r“ (TLP 4.24) zur Darstellung kommen. Wären nun alle „Elementarsätze“ und ihre „Wahrheitswerte“ bekannt, so läge eine vollständige Beschreibung der „Welt“ vor (vgl. TLP 4.26). Wäre hingegen nur eine bestimmte Menge von „Elementarsätzen“ ohne die zugehörigen „Wahrheitswerte“ gegeben, so hätte man eine durch alle Varianten der Kombination festgelegte Anzahl von „Wahrheitsmöglichkeiten“. Ein „Satz“ greift dann eine dieser Möglichkeiten behauptend heraus (vgl. TLP 4.27-4.42). Wittgenstein stellte seine Überlegungen dazu in Form von Schemata dar und entdeckte auf diese Weise die heute in der mathematischen Logik allgemein gebräuchlichen `Wahrheitstafeln´ wieder. 159 Erst mit ihrer Hilfe konnte die Analyse der „Satzbedeutung“ betrieben werden, war doch die Abbildtheorie mit ihrer `eineindeutigen Zuordnung´ direkt nur auf die „Elementarsätze“ anzuwenden, nicht aber unmittelbar auf komplexe „Sätze“ beziehbar (vgl. TLP 4.434.45).160 Nun gibt es Tafeln, deren letzte Spalte durchgängig ein „wahr“ aufweist, dann aber auch solche, die dort ausnahmslos ein „falsch“ zeigen. In beiden Fällen führen sämtliche Wahrheitsmöglichkeiten der als „Elementarsätze“ behandelten Untereinheiten zu immer demselben Ergebnis: Im ersten Fall handelt es sich um eine „Tautologie“, im zweiten um eine „Kontradiktion“ (TLP 4.46). Diese beiden Extremfälle möchte Wittgenstein nicht mehr als „sinnvolle Sätze“ begreifen:161 „Der Satz zeigt was er sagt, die Tautologie und die Kontradiktion, daß sie nichts sagen.

157

Vgl. E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 100, und J. Schulte, Wittgenstein, S. 70. Vgl. TB, S. 92f, 20.9.1914. – Vgl. auch E.-M. Lange, a.a.O., S. 101, der noch einmal betont, dass die „Verkettung“ der „Namen“ im „Elementarsatz“ eine „die Verkettung der Gegenstände im Sachverhalt isomorph abbildende“ ist. 159 Vgl. E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 106. 160 Vgl. W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 551-554. 161 Vgl. Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 81-83, J. Schulte, Wittgenstein, S. 81-85. 158

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Die Tautologie hat keine Wahrheitsbedingungen, denn sie ist bedingungslos wahr; und die Kontradiktion ist unter keiner Bedingung wahr. Tautologie und Kontradiktion sind sinnlos.“ (TLP 4.461; dort mit dieser Interpunktion.)

Im Unterschied zu metaphysischen Spekulationen, denen in der „Welt“ nichts entsprechen kann und die deshalb „unsinnig“ sind, verwendet Wittgenstein hier den Terminus „sinnlos“, da Tautologie und Kontradiktion zwar einen korrekten Symbolismus aufweisen, aber nicht in der Lage sind, eine Information über die „Welt“ „abzubilden“; sie lassen der Verwirklichung einer „Sachlage“ entweder ‚zu viel Raum‘ oder aber ‚gar keinen Platz‘ (vgl. TLP 4.4611-4.4661). Nachdem nun die „unsinnigen“ Sätze der spekulativen Philosophie und der Religion ebenso ausgeschlossen sind wie „sinnlose“ Bemerkungen tautologischer bzw. kontradiktorischer Art, kann der Versuch angegangen werden, „die allgemeinste Satzform anzugeben“ (TLP 4.5). Wittgenstein paraphrasiert diese zunächst mit der Formulierung: „Es verhält sich so und so.“ (ebd.) Ist diese Umschreibung anwendbar – unter Einhaltung eben der Grenzen, die der zugrunde liegende „Welt“-Begriff mitsamt der beschriebenen Theorie der „Abbildung“ gezogen haben – , so liegt nach Auffassung des TLP ein „sinnvoller Satz“ vor. In der Spätphilosophie wird Wittgenstein ausführlich kritisieren, dass er hier eine einseitig am Zuschreiben von „Wahrheitswerten“ orientierte ‚Engführung‘ vorgenommen habe.162 Aus Sicht des TLP allerdings sind alle „Sätze“ gegeben, wenn alle „Elementarsätze“ vorliegen, da deren sämtliche Kombinationsmöglichkeiten die Gesamtheit der „Sätze“ darstellen (vgl. TLP 4.51 und 4.52). Danach müsste „die allgemeine Form des Satzes“ mit einer Variablen symbolisiert werden können (vgl. TLP 4.53).163 Da der „Satz“ nun als „eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze“ aufgefasst wird (TLP 5), können für eine gegebene Anzahl von „Elementarsätzen“ alle Kombinationen ihrer Wahrheitsmöglichkeiten tabellarisch aufgelistet werden. Dabei sollen diejenigen Teile der Verknüpfungen, die zum „Wahrheitswert“ „wahr“ führen, „Wahrheitsgründe“ genannt werden (vgl. TLP 5.101). Auf diese Weise gelangt man z.B. zu einer Art ‚Metabeschreibung‘ der klassischen Syllogismen: „Sind die Wahrheitsgründe, die einer Anzahl von Sätzen gemeinsam sind, sämtlich auch Wahrheitsgründe eines bestimmten Satzes, so sagen wir, die Wahrheit dieses Satzes folge aus der Wahrheit jener Sätze.“ (TLP 5.11)

Und auch `analytische Urteile´ lassen sich mit Hilfe dieser Vorstellung paraphrasieren: 162 163

Vgl. PU §§ 114f und 134ff (vgl. Kap. 1.3.1.). Vgl. E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 108f.

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„Insbesondere folgt die Wahrheit eines Satzes `p´ aus der Wahrheit eines anderen `q´, wenn alle Wahrheitsgründe des zweiten Wahrheitsgründe des ersten sind.“ (TLP 5.12; vgl. auch TLP 5.121-5.1241 und 5.14.)

Die genannten Beziehungen zwischen „Sätzen“ nennt der TLP „intern“ (TLP 5.131), d.h. sie „zeigen sich“ direkt in der durch die logische Notation symbolisierbaren Struktur der „Sätze“. Diese müssen also nicht erst noch in einem zweiten Schritt nach ihrer Formulierung untereinander in Verbindung gesetzt werden, sondern weisen diese Verflechtung schon von vornherein auf. So genannte „`Schlussgesetze´“ „bilden“ nach dieser Ansicht – wie die logischen Konstanten (vgl. Kap. 1.1.4.) – nichts zusätzlich zu dem „ab“, was nicht auch schon bei der Nennung der „Sätze“ vorhanden wäre (vgl. TLP 5.132). Deshalb lässt sich feststellen: „Alles Folgern geschieht a priori.“ (TLP 5.133)

Haben wir diverse „Sätze“ mit nur unterschiedlichen Bestandteilen, so kann auch nicht von einem auf den anderen geschlossen werden. Alle Ansichten, die jedes Ereignis als folgenreich für alle anderen „Sachverhalte“ ansehen – die also eine Verkettung von allem mit allem fordern – , müssen von daher zurückgewiesen werden.164 Und da die ‚Zusammen-Stellung‘ der „Sachverhalte“ kontingent ist, gilt sogar darüber hinaus: „Die Ereignisse der Zukunft können wir nicht aus den gegenwärtigen erschließen. Der Glaube an den Kausalnexus ist der Aberglaube.“ (TLP 5.1361)

Wittgenstein knüpft offensichtlich an Kant an165, wenn er die Kausalität nicht als eine „innere Notwendigkeit ... wie die des logischen Schlusses“ (TLP 5.1362) begreift166, sondern als eine an die „Welt“ herangetragene Denkform des `Verstandes´. Als solche ist sie zwar nicht zu vermeiden, entbehrt aber insofern der „Härte des logischen Muß“167, als ihre ‚Abbildungstätigkeit‘ nicht gesichert ist. Allerdings wohne den auf ihr basierenden Prognosen eine gewisse „Wahrscheinlichkeit“ inne. Als deren Maß fasst Wittgenstein das Verhältnis der be164

Solche Vorstellungen sind z.Z. häufig im Zusammenhang mit chaostheoretischen Überlegungen anzutreffen, aber schon z.B. bei G.W. Leibniz zu finden (vgl. ders., Monadologie, § 61, S. 55). 165 Vgl. I. Kant, KrV A 189-211/B 232-256 (Werkausgabe Bd. III, Frankfurt am Main 1974, S. 226-242). – Vgl. aber auch S. Kierkegaard, Philosophische Brocken, S. 68-85. 166 Bis zu diesem Punkt der Kritik an der Vorstellung eines Kausalnexus ist Wittgenstein auch mit Hume einig (vgl. D. Hume, Untersuchung, S. 41-77). Es handelt sich hierbei um ein für Wittgenstein zentrales Thema, das sich in vielen Variationen durch seine gesamte Philosophie hindurchzieht. Am deutlichsten tritt es in der `mittleren Phase´ hervor (vgl. Kap. 1.2.3.). 167 J. Schulte, Wittgenstein, S. 124. Vgl. dazu L. Wittgenstein, Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik, I, § 118.

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kannten „Wahrheitsgründe“ der „Wahrheitsargumente“ eines „Satzes“ zu den unbekannten auf (vgl. TLP 5.15). Ein analytisches Urteil aus einem als „wahr“ bekannten „Satz“ hat dabei selbstverständlich immer „die Wahrscheinlichkeit 1“ (TLP 5.152): „Die Gewißheit des logischen Schlusses ist ein Grenzfall der Wahrscheinlichkeit.“ (ebd.)

Zwar kann man „Wahrscheinlichkeit“ auf diese Weise in einem gewissen Sinne berechnen168, sie ist aber nicht als ein „Mittelding“ (TLP 5.153, vgl. auch 5.1511) zwischen „wahr“ und „falsch“ aufzufassen. Es gibt kein ‚Wesen der Wahrscheinlichkeit‘; ‚platonistische Vorstellungen‘ (vgl. Kap. 1.3.2.1.) sind auch hier abzulehnen. Letztlich müsste man auch einem „Satz“, der mit Vorbehalt geäußert wird, immer einen „Wahrheitswert“ zuschreiben können, wenn man denn genug Informationen hätte (vgl. TLP 5.156). Die „internen Beziehungen“ der „Sätze“, die zur Findung logischer Urteile und zur Angabe eines Maßes von „Wahrscheinlichkeit“ nutzbar sind, können danach theoretisch immer „als Resultat einer Operation“ (TLP 5.21) aufgefasst werden. Diese führt durch Anwendung der logischen Konstanten – und gegebenenfalls unter Hinzufügung neuer „Elementarsätze“ bzw. neuer Verbindungen von ihnen – einen „Satz“ in einen anderen über. Das soll sich in der logischen Notation durch den Gebrauch von Variablen zeigen (vgl. TLP 5.21-5.242). Dabei ist zu beachten, dass die „Operationen“ selbst keine „Formen“ abbilden, wie ihre gegenseitige Ersetzbarkeit zeigt. In der „Welt“ entspricht ihnen nichts; sie bringen lediglich einen Formenunterschied zum Ausdruck (vgl. TLP 5.241). Es interessiert demnach nur das Ergebnis der „Operationen“ und nicht, welche von ihnen wie oft – und sei es auch „successive“ (TLP 5.2521)169 – angewandt wurden. Damit wird ein „Satz“ ganz allgemein begriffen als eine durch „Wahrheitsoperationen“ mit „Elementarsätzen“ erzeugte „Wahrheitsfunktion“, die auch auf andere Weise hätte erreicht werden können (vgl. TLP 5.3-5.32). Letztlich kann die dem „Satz“ entsprechende „Wahrheitsfunktion“ sehr komplex sein, also Resultat der mehrfachen Anwendung von „Operationen“ auf zunächst einfache „Wahrheitsfunktionen“ – ähnlich wie im Bereich der Ontologie die Komplexität der „Tatsachen“ recht unterschiedlich sein kann. Die schon mehrfach erwähnte Abweisung der Vorstellung einer ‚Abbildungstätigkeit‘ der logischen Konstanten bzw. der Annahme „logischer Gegenstände“ ist dem `frühen Wittgenstein´ so wichtig, dass er immer wieder darauf zurückkommt. Auch die Möglichkeit des Erreichens ein und desselben Ergebnisses durch Anwendung von ganz unterschiedlichen „Operationen“ nutzt er erneut, um noch einmal ausdrücklich auf die genannte Pointe als eines der Hauptanlie168 169

Vgl. E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 111f. Mittlerweile hat sich zur Bezeichnung der fortgesetzten Anwendung auf das eigene Resultat der Terminus „iterative Funktion“ eingebürgert.

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gen des TLP auf dem Feld der Logik hinzuweisen (vgl. TLP 5.42): So sage z.B. auch die doppelte Verneinung nichts anderes als die Bejahung; hätte `¬´ aber materiellen Gehalt, so müsste jene mehr sagen als diese (vgl. TLP 5.44). Der „Satz“ bringt sozusagen alle Möglichkeiten seiner Transkription und alles das, was mit ihm an „Operationen“ durchgeführt werden kann, schon von vornherein mit ein; der gewählte „Ausdruck“ ändert an ihm nichts. Im Symbolismus einer logischen Syntax „zeigt sich“ nun die Logik; sie kann diesen Vorstellungen nach nicht direkt „abgebildet“ werden. Die logischen Konstanten sind immer aufeinander bezogen und lassen sich nicht aus dieser Vernetzung lösen; „Grundbegriffe“ im Sinne voneinander unabhängiger „Benennungen“, wie man sie z.B. zur Konstituierung eines Axiomensystems braucht, sind sie nicht (vgl. TLP 5.45-5.4541, insbesondere 5.451). Die allgemeine Form der Kombinationen der logischen Konstanten wäre demnach das „eigentliche allgemeine“ – und ‚unabbildbare‘– „Urzeichen“ (TLP 5.46), „die Eine logische Konstante“ (TLP 5.47). Als die kleinste Einheit der „Zusammengesetztheit“ (ebd.) enthalte sie schon alle weiteren Möglichkeiten von Zusammensetzung: „Man könnte sagen: Die Eine logische Konstante ist das, was alle Sätze, ihrer Natur nach, mit einander [sic, Vf.] gemein haben.“ (ebd.)

Könnte man das Wesen von „Zusammengesetztheit“ angeben, so hätte man „das Wesen des Satzes“, „aller Beschreibung“, ja der ganzen „Welt“ vor Augen (vgl. TLP 5.471 und 5.4711).170 Und wenn durch die Logik – durch das Zugrundeliegen des „logischen Raumes“ – jegliche „Zusammengesetztheit“ bestimmt ist, so kann gar nicht falsch zusammengesetzt werden. Nicht die rechtmäßige Bildung der „Sätze“ gebe ihnen „Sinn“ – so die Auffassung Freges – , sondern der zugrunde liegende Vorgang der „Benennung“: Wenn dieser fehle, gehe auch der „Sinn“ verloren. 171 Mangelnder „Sinn“ sei also immer Kennzeichen unzureichender bzw. ausgebliebener „Benennung“ der Bestandteile und nicht von ‚unlogischer‘ Zusammensetzung oder gar von falscher „Benennung“ der Elemente, kann doch „Benennung“ – da sie willkürlich ist – nicht „falsch“ sein (vgl. TLP 5.473-5.4733).172 Sprachanalytische Religionskritik hat diesen Punkt besonders betont und behauptet, dass z.B. nicht „gezeigt“ werden könne, was mit „Gott“ „benannt“ sei, im strengen Sinne also keine „Benennung“ vorliege und deshalb auch kein „Sinn“ zustande kommen könne – seien die „Sätze“ der Religion bzw. der Theo170

Vgl. unten Kap. 1.3.2.1. als Kritik des `späten Wittgenstein´ an derartigen ‚platonistischen‘ Vorstellungen. 171 Der Hinweis auf die Notwendigkeit der „Benennung“ sei nach Wittgenstein auch die Absicht von „Occams Devise“ gewesen (vgl. TLP 5.47321). 172 Vgl. TB, S. 89 und 92, 22.8. und 8.9.1914.

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logie äußerlich betrachtet auch korrekt gebildet.173 – Erst ein neues Sprachparadigma (vgl. Kap. 1.3.1.) wird die Unhaltbarkeit dieser Art der Kritik aufweisen können. Gibt es nun nach Ansicht des TLP nur eine grundlegende „Zusammengesetztheit“, so erledigt sich sofort die Frage nach der Zahl der Grundbegriffe: „Es ist klar, daß es sich hier nicht um eine Anzahl von Grundbegriffen handelt, die bezeichnet werden müssen, sondern um den Ausdruck einer Regel.“ (TLP 5.476)

Zu fragen ist nach dem Algorithmus, mit dem die vorliegende Mannigfaltigkeit generiert werden kann. Der Ausgang von einer Art Axiomensystem, wie Russell und Whitehead ihn in den „Principia Mathematica“ versuchten, scheint demnach – zumindest für das Problem der „allgemeinen Form des Satzes“ – prinzipiell verfehlt. So benutzt Wittgenstein für die gesuchte iterative Funktion nun die Weder-Noch-Struktur (vgl. Kap. 1.1.4.), deren Ergebnisspalte – unabhängig von der Anzahl der analysierten Satzelemente – nur im letzten Fall, nämlich bei der Verneinung sämtlicher „Elementarsätze“, den „Wahrheitswert“ „wahr“ hat: „Jede Wahrheitsfunktion ist ein Resultat der successiven Anwendung der Operation (-----W) (,....) auf Elementarsätze.“ (TLP 5.5)174

Damit werden also alle denkbaren „Sätze“ verneint, was mit „N()“ abgekürzt werden soll (vgl. TLP 5.502). So sei der ganze Raum aller Möglichkeiten der „Welt“-Gestaltung dargestellt.175 Offensichtlich wird „Möglichkeit“ dabei nicht als durch eine zusätzliche Prädikatisierung vorgenommen gedacht. Sie liegt dieser Ansicht nach vielmehr immer schon vor – sozusagen ‚strukturimmanent‘– , wenn es sich um einen „sinnvollen Satz“ handelt, ebenso wie „Gewißheit“ bei einer Tautologie und „Unmöglichkeit“ bei einer Kontradiktion (vgl. TLP 5.525). 173

Repräsentativ auch hier der schon in Kap. 0 erwähnte Beitrag von R. Carnap, Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache, in: H. Schleichert (Hg.), Logischer Empirismus – Der Wiener Kreis, München 1975, S. 149-171, besonders S. 154-157. Hinzuweisen ist aber auch, da wirkungsgeschichtlich gleichfalls äußerst wichtig, auf die frühen Arbeiten von A.J. Ayer, z.B.: A Demonstration of the Impossibility of Metaphysics, in: Mind 43 (1934), S. 335-345. 174 Zu dieser Stelle vgl. G. Gabriel, Grundprobleme, S. 157f; J. Griffin, Atomism, S. 142, und E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 36 und 119f. 175 Dass dies nicht so ist, hat erst die spätere Diskussion erbracht. Vgl. die bei E.-M. Lange, a.a.O., S. 36, formulierte Kritik: „Es ist gezeigt worden, daß Wittgensteins System in dieser Hinsicht expressiv unvollständig ist, weil sich mit seiner Operation (...) nicht alle Satzformen mit gemischten Quantoren erzeugen lassen.“

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Eine vollständige Beschreibung der realisierten „Welt“ müsste allerdings zusätzlich kenntlich machen, welche „Sätze“ alle „wahr“ sind. Dazu reiche es, die „Wahrheitswerte“ der „Elementarsätze“ zu kennen, seien doch nur diese kontingent und voneinander unabhängig, so dass sich aus ihnen die Logik der „Welt“Entfaltung und somit auch die Wahr- bzw. Falschheit von „Sätzen“ direkt ergebe (vgl. TLP 5.5262). Um zumindest theoretisch in der Lage zu sein, diese fraglichen „Wahrheitswerte“ angeben zu können, muss aber auch das Problem der „Identität“ geklärt sein. Man muss wissen, ob man es mit unterschiedlichen „Elementarsätzen“ zu tun hat oder nicht. Schon Frege hatte die Analyse der „Identität“ als Ausgangspunkt für seine Unterscheidung von „Sinn“ und „Bedeutung“ genommen und die „Sinn“-Ebene eingeführt, um einen Erkenntnisgewinn bei Identitätsaussagen zu gewährleisten.176 Er wollte also „Identität“ aus dem Bereich der „Bedeutung“ heraushalten. Auch Wittgenstein betont, „daß die Identität keine Relation zwischen Gegenständen ist“ (TLP 5.5301) und auch nicht als Eigenschaft definiert werden kann. Deshalb müsse in der „Begriffsschrift“ direkt deutlich werden, ob von zwei „Gegenständen“ oder nur von einem die Rede ist: Unterschiedliche Symbole müssten auch verschiedene „Gegenstände“ darstellen; sie dürften nicht im Nachhinein durch ein Gleichheitszeichen als miteinander „identisch“ deklariert werden: „Das Gleichheitszeichen ist also kein wesentlicher Bestandteil der Begriffsschrift.“ (TLP 5.533)

Damit sind nicht nur viele „Scheinsätze“ der logischen Syntax – wie z.B. die Formulierung eines Gesetzes der Transitivität für die „Identität“ – ausgeschlossen (vgl. TLP 5.534), sondern auch das Problem, dass es für einen „Gegenstand“ innerhalb einer Nomenklatur mehrere „Namen“ geben könnte. Dies sei in einer logischen Syntax ebenso zu vermeiden wie Äquivokationen. In der Wittgensteinschen Symbolik stellt sich die `eineindeutige Zuordnung´ von „Name“ und „Gegenstand“ bereits mit Beginn der Notation selbst dar. Nun war für Wittgenstein noch ein besonders von Russell und Moore vorgebrachter Einwand gegen die Theorie des „Satzes“ als einer iterativen Anwendung des Shefferschen Striches auf „Elementarsätze“ zu diskutieren: „Sätze“, die mit Verben wie glauben, denken, meinen usw. eingeleitet werden, scheinen eine Person in eine Beziehung zu einer schon selbst wiederum in einem „Satz“ ausgedrückten „Tatsache“ zu setzen. Für den TLP liegt hier allerdings kein Son-

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Vgl. G. Frege, Sinn und Bedeutung, zusammenfassend S. 65: „Wenn wir den Erkenntniswert von „a“ = „a“ und „a“ = „b“ im allgemeinen verschieden fanden, so erklärt sich das dadurch, daß für den Erkenntniswert der Sinn des Satzes, nämlich der in ihm ausgedrückte Gedanke, nicht minder in Betracht kommt als seine Bedeutung, das ist sein Wahrheitswert.“

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derfall vor, der die Allgemeingültigkeit der beschriebenen „Satz“-Theorie bedrohen könnte, sondern nur der „Ausdruck“ einer übergeordneten „Tatsache“: „Und hier handelt es sich nicht um eine Zuordnung von einer Tatsache und einem Gegenstand, sondern um die Zuordnung von Tatsachen durch Zuordnung ihrer Gegenstände.“ (TLP 5.542)

Auch die Wahrnehmung, Äußerung usw. einer „Tatsache“ ist nach Meinung des TLP eine Art ‚Abbildungsvorgang‘, der eine „Tatsache“ mit einem „Gedanken“ bzw. einem „Satzzeichen“ in Verbindung setzt.177 Die Nennung des Subjektes eines „Gedankens“ kann so selbst wiederum als Kurzform für den „Ausdruck“ einer „Tatsache“ aufgefasst werden und somit genauso als „Satz im Satze“ (TLP 5.54) wie das Wahrgenommene, Geäußerte usw.178 Dass es möglich sei, aus ein und derselben Zeichnung Verschiedenes zu erkennen, zeige schon, dass es sich eben um die Konstituierung einer „Tatsache“ als eines übergeordneten Komplexes handele (vgl. TLP 5.5423). 179 Stellen aber auch diese „Sätze“ keine Ausnahme von der Regel dar, dass „Sätze“ als aus „Elementarsätzen“ unter Zuhilfenahme des Shefferschen Striches generierte begriffen werden können180, so steht jetzt aus Sicht des TLP nur noch „die Frage nach allen möglichen Formen der Elementarsätze“ (TLP 5.55) an, also die nach den „Formen“ ihres Zusammengesetzt-Seins. Offensichtlich ist sie aber a priori gar nicht zu lösen, weil man zu ihrer Beantwortung wirkliche „Elementarsätze“ kennen müsste. Für den sich aus empirischen Fragestellungen heraushaltenden Philosophen kann nur gelten: „Die Angabe jeder speziellen Form wäre vollkommen willkürlich.“ (TLP 5.554).

Begründet wird diese Behauptung nun aber nicht nur mit der praktischen ‚Ungreifbarkeit‘ der „Elementarsätze“, sondern auch mit der Rolle der Logik überhaupt.

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Vgl. E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 71f. Im Rahmen der TLP-Abbildtheorie – gerade auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen „Gedanke“ und „Tatsache“ – scheint mir die von Wittgenstein hier vertretene Auffassung durchaus kohärent, auch wenn z.B. G. Gabriel, Grundprobleme, S. 164, sie – in Anspielung auf die Diskussion über `intensionale Kontexte´ – „nicht überzeugend“ findet. 179 Die Möglichkeit des „Aspektwechsels“ wird in der Spätphilosophie eine große Rolle spielen (vgl. Kap. 1.3.1.). 180 Die in Anm. 178 angedeuteten formallogischen Anfragen meinte Wittgenstein mit TLP 5.52 und den folgenden Untersätzen zurückgewiesen zu haben (vgl. E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 120), doch später erkannte er selbst die Unzulänglichkeit seiner Argumentation (vgl. L. Wittgenstein, Philosophische Grammatik, Teil II - II - 8, S. 268f). 178

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1.1.6. Logik, Ethik/Ästhetik, Mystik und offenes Ende These: Neben der Logik werden auch die Ethik und die mit ihr zusammenfallende Ästhetik als transzendental erkannt. Damit werden sie gleichfalls unaussprechlich. Ebenso liegt auch der „Sinn der Welt“ „außerhalb ihrer“ selbst (TLP 6.41). Deshalb ist mit der Lösung aller logisch-philosophischen und naturwissenschaftlichen Fragen für das `transzendentale Subjekt´ kein wirklicher Fortschritt zu erzielen. Es bleibt darauf angewiesen, dass „sich“ das Unaussprechliche als „das Mystische“ „zeigt“, und muss über die „Lebensprobleme“ (TLP 6.52) im Schweigen verharren. Die Logik, die die Möglichkeiten der „Welt“-Entfaltung vorgibt, weiß über die Relationen zwischen den „Gegenständen“ nichts. Sie kann sich nicht mit der Konstituierung der „Elementarsätze“ beschäftigen, auch wenn sie selbst nicht auskommen kann, ohne einen Begriff vom „Elementarsatz“ zu haben (vgl. TLP 5.555). Sie zeigt, wie das Was geordnet sein kann, ohne dass sie das Was selbst näher bestimmen könnte. Somit ist sie aller Erfahrung als deren ‚transzendentale Ermöglichung‘ voraus: „Die `Erfahrung´, die wir zum Verstehen der Logik brauchen, ist nicht die, daß sich etwas so und so verhält, sondern, daß etwas ist: aber das ist eben keine Erfahrung. Die Logik ist vor jeder Erfahrung – daß etwas so ist. 181 Sie ist vor dem Wie, nicht vor dem Was.“ (TLP 5.552) 182 „Die Logik ist transzendental.“ (TLP 6.13) (Hervorhebungen im Original.)

Man könnte hier demnach von einer (sprach-)logischen Transformation der kantischen Transzendentalphilosophie sprechen183, obwohl eine wirklich stringente Analogisierung – ebenso wie die zur Schopenhauerschen Willensmetaphysik (vgl. im weiteren Verlauf dieses Kapitels) – nur schwer durchzuführen sein dürfte.184 181

Die eingangs dieses Zitates angesprochene ‚Ur-Erfahrung‘, dass etwas ist, als Basis aller weiteren „Erfahrung“, wird später als „das Staunen über das Dass der Welt“ thematisiert werden (vgl. Kap. 1.2.2.). 182 Vgl. PU § 97: Hier beschreibt Wittgenstein rückblickend seine TLP-Auffassung: „Das Denken ist mit einem Nimbus umgeben. – Sein Wesen, die Logik, stellt eine Ordnung dar, und zwar die Ordnung a priori der Welt, d.i. die Ordnung der Möglichkeiten, die Welt und Denken gemeinsam sein muß.“ 183 Vgl. W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 555. 184 K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 81, schreiben dazu: „So besteht zwar eine Analogie zwischen den Fragen nach den Bedingungen der Möglichkeit von auf Welt bezogener Sprache und der Kantischen Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt. Aber das unbefangene Sprechen vom synthetischen Apriori, von der Funktion eines transzendentalen Subjekts oder gar von einer transzendentalen Deduktion bei Kant

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Ohne dass die Logik festlegt, was es in der „Welt“ gibt und was nicht, umschreibt sie also im TLP das Feld der Möglichkeiten der „Welt“-Entfaltung (vgl. TLP 5.61). Insofern sie gleichfalls die „Welt“-Wahrnehmung wie das Denken und Sprechen des Ich auf diese grundlegende Weise bestimmt, ist nach Wittgenstein auch der Skopus solipsistischer Überlegungen richtig (vgl. TLP 5.62): Die „Welt“ kann nicht anders, als sich für mich in den Grenzen auch und gerade ‚meiner Logik‘ zu entfalten: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ (TLP 5.6) „Ich bin meine Welt. (Der Mikrokosmos.)“ (TLP 5.63)

Das Ich, das Subjekt der „Welt“-Wahrnehmung, ist in keinem Fall Bestandteil der „Welt“; es ist kein „Gegenstand“ in der „Welt“. Zur Verdeutlichung benutzt Wittgenstein den auch von Schopenhauer herangezogenen Vergleich „mit Auge und Gesichtsfeld“ (TLP 5.633)185: Das Auge sieht sich nie selbst, es kann sich nie selbst zum „Gegenstand“ werden. Analog kann man nicht „über sich“ reden, weil man immer „von sich aus“ redet.186 Das metaphysische Subjekt kann sich in keiner noch so radikalen transzendentalen Reduktion selbst zum Objekt werden, es kann sich nicht ‚hintergehen‘. Somit kann es auch nicht – im Unterschied zum empirisch erfahrbaren Subjekt – zum Thema der Psychologie werden; es ist ihr im Gegenteil prinzipiell entzogen, ist „nichtpsychologisch“ (TLP 5.641). Die „Seele“ ist – und hier wendet sich Wittgenstein implizit gegen den Sprachgebrauch Freuds – eben keine „zusammengesetzte“ (vgl. TLP 5.5421). Die beschriebene, in der Tradition Kants und Schopenhauers stehende Form von „transzendentalem“ oder „kontemplativem Solipsismus“187, den man auch als „logical solipsism“ 188 bezeichnen könnte, bringt nicht notwendigerweise eine radikale ‚ontologische Reduktion‘ mit sich. Er erlaubt vielmehr die Akzeptanz der „Welt“ der Phainomena als „Realität“ (vgl. Kap. 1.1.1.) und es wird verständlich, wie Wittgenstein sagen kann: wird im Traktat zum vagen Hinweis auf ein `kristallklares´ Sehen von Sichzeigendem. Dadurch verliert der transzendentale Gedanke an Gewicht.“ – Kritik an einer übertriebenen Analogiebildung äußert auch E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 39. Vgl. auch Kap. 2.2. und Kap. 2.2.6. 185 A. Schopenhauer verwendet dieses Bild bereits in seiner Dissertation. Vgl. ders., Vierfache Wurzel, S. 74-86. 186 Vgl. die bereits in Anm. 27 erwähnte Unterscheidung R. Bultmanns zwischen dem Reden „über“ und dem Reden „von“ Gott, in: „Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden?“, GuV I, S. 26-37. 187 Dazu vgl. G. Gabriel, Grundprobleme, S. 164-170; R. Raatzsch, Wittgenstein, S. 84-90, aber auch W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 555, der gerade in Bezug auf diese Thematik von „eine(r) irreführende(n) Terminologie“ Wittgensteins spricht, wenn dieser „den transzendental-philosophischen Standpunkt“ `Solipsismus´ nenne. 188 Vf. übernimmt diesen Terminus von L. Kneip, Early Wittgenstein, S. 210.

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„Hier sieht man, daß der Solipsismus, streng durchgeführt, mit dem reinen Realismus zusammenfällt. Das Ich des Solipsismus schrumpft zum ausdehnungslosen Punkt zusammen, und es bleibt die ihm koordinierte Realität.“ (TLP 5.64)

Diese Erwägungen zum Solipsismus haben offensichtlich zum Ziel, das `transzendentale Ich´ aus der „Welt“ und somit natürlich auch aus dem Bereich dessen, über das „sinnvoll“ gesprochen werden kann, auszuschließen, das `empirische Ich´ jedoch als komplex und somit als „Tatsache“ zu begreifen, wodurch sich mögliche Einwände gegen die wahrheitswertfunktionale Theorie des „Satzes“ abwehren lassen (vgl. Kap. 1.1.5.). Auf diese Weise noch einmal zusätzlich abgesichert, kann nun die Angabe der allgemeinen Satzform erfolgen: „Die allgemeine Form der Wahrheitsfunktion ist: [p,,N ()]. Dies ist die allgemeine Form des Satzes.“ (TLP 6)

Mit dieser Notation meint Wittgenstein nichts anderes als die iterative Anwendung des Shefferschen Striches – des Weder-Noch189 – auf die Menge der verneinten, zugrunde liegenden „Elementarsätze“. Mit dieser Regel sei die Bildung eines jeden (komplexen) „Satzes“ beschreibbar (vgl. TLP 6.001).190 Aber auch die allgemeine Form der Überführung von „Sätzen“ in andere „Sätze“ sei damit gegeben (vgl. TLP 6.002 und 6.01), ebenso wie eine operationale Auffassung der Kardinalzahlen (vgl. TLP 6.02-6.031) – im Gegensatz etwa zu der Ansicht Freges von den Zahlen als „Gegenständen“. – Wittgenstein betont nun nochmals, dass „die Sätze der Logik“ nicht greifbar seien und sich an ihnen nur die logischen Eigenschaften der „Sprache“ und der „Welt“ zeigten191: „Die Sätze der Logik demonstrieren die logischen Eigenschaften der Sätze, indem sie sie zu nichtssagenden Sätzen verbinden.“ (TLP 6.121)

Damit haben sie keine direkte Verbindung mit der realisierten „Welt“ und sind invariant gegenüber jeglicher Erfahrung (vgl. TLP 6.1222). An ihnen ‚hängt‘ allerdings die „Welt“; sie sind „das Gerüst der Welt“ (TLP 6.124). 192 Deswegen 189

Dessen Eigenschaft, alle sonstigen aussagenlogischen Junktoren ersetzen zu können (vgl. Kap. 1.1.4.), ist an dieser Stelle grundlegend. 190 Vgl. G. Gabriel, Grundprobleme, S. 157f; J. Griffin, Atomism, S. 142, aber auch den von E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 36, gegebenen Hinweis auf die Unvollständigkeit der intendierten Generierung in Bezug auf „Sätze“ mit gemischten Quantoren. (Vgl. oben Ende von Kap. 1.1.5.) 191 Nach W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 555-559, handelt es sich hier um ein „`inneres Zeigen´“ („zeigeni“), das im Unterscheid zum die „äußere Struktur“ abbildenden „zeigene“ und zum mystischen „zeigenm“ auf die „innere Struktur“ verweist. 192 In diesem Punkt sind sie mit den „grammatischen Sätzen“ der Spätphilosophie vergleichbar (vgl. Kap. 1.3.1.), obwohl diese nicht starr gedacht werden.

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können wir die Logik auch nicht willkürlich verändern; so frei wir bei der Wahl unserer Zeichen sind, so festgelegt ist doch nach erfolgter Wahl die Architektur unserer Symbolik (vgl. Kap. 1.1.4.). Daraus folgt, dass man zwar mit „logischen Sätzen“ einen „sinnvollen Satz“ aus einem anderen herleiten kann, dass jedoch innerhalb der Logik keine „Beweise“ durchgeführt werden können. Hier ist nur die Überleitung von einer Tautologie zu einer anderen möglich; das Vorliegen bzw. Aufzeigen einer Tautologie ist immer schon „Beweis“ in sich selbst (vgl. TLP 6.126-6.1265). Als den „logischen Sätzen“ analog werden die Gleichungen der Mathematik vorgestellt. Dieser Auffassung nach sind sie ebenfalls „Scheinsätze“, die nicht selbst „abbilden“ und keinen eigenen „Gedanken“ darstellen, sondern lediglich zum Schlussfolgern benutzt werden. Sie spielen demnach die Rolle der „Ausdrücke“ der logischen Syntax. Im Unterschied zu Freges Auffassung „bedeuten“ Zahlen und Zeichen für mathematische „Operationen“ hier demnach gar nicht(s), eben auch keine „logischen Gegenstände“. Vielmehr spiegeln auch sie lediglich die zugrunde liegende Struktur der Logik wider (vgl. TLP 6.2.-6.241). Wird die Mathematik – ganz in der Tradition des Ansatzes der „Principia Mathematica“ Russells und Whiteheads – somit als Teilgebiet der Logik aufgefasst, kommt man innerhalb des Wirklichkeitsverständnisses des TLP zu folgender Aussage: „Die Erforschung der Logik bedeutet die Erforschung aller Gesetzmäßigkeit. Und außerhalb der Logik ist alles Zufall.“ (TLP 6.3).

Das hat allerdings interessante Konsequenzen: Das Induktionsgesetz z.B. kann nur noch als „sinnvoller Satz“, der immer der Überprüfung an der „Welt“ bedarf, begriffen werden; das Gesetz der Kausalität hingegen stellt sich als leerer „Ausdruck“, als mögliche Form eines wissenschaftlichen „Satzes“, heraus, die der inhaltlichen Auffüllung mit „Sachverhalten“ bzw. „Tatsachen“ bedarf, um „sinnvoll“ zu werden (vgl. TLP 6.31-6.34).193 Dabei darf man nun aber – besonders nach einer solchen ‚materiellen Auffüllung‘– nicht in den Fehler verfallen, diese „Form“ selbst als „abbildend“ zu begreifen; sie ist nur Teil des Netzwerkes, das wir über die „Welt“ legen194, um diese überhaupt „abbilden“ zu können, um überhaupt zu einer „Weltbeschreibung“ zu gelangen: „So auch sagt es nichts über die Welt aus, daß sie sich durch die Newtonsche Mechanik beschreiben läßt; wohl aber, daß sie sich so durch jene beschreiben läßt, wie dies eben der Fall ist.“ (TLP 6.342, vgl. auch 6.341). 193

Schon Schopenhauer hatte in seiner Dissertation „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“, hg.v. M. Landmann/E. Tielsch, 2. Aufl., Hamburg 1970, die Vielfalt dieser ‚inhaltlichen Auffüllung‘ betont und damit eventuell dazu beigetragen, dass im TLP das „Kausalitätsgesetz“ als „Gattungsname“ aufgefasst wird (TLP 6.321). 194 Zu diesem Bild vgl. TB, S. 124-126, 6.12.1914.

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Und etwas weiter heißt es ganz im Sinne Kants: „Gesetze wie der Satz vom Grunde, etc. handeln vom Netz, nicht von dem, was das Netz beschreibt.“ (TLP 6.35)

Welche Pläne wir auch immer verfolgen, um zu einer kohärenten Darstellung der „Welt“ zu gelangen, und sei es auch der Versuch einer naturwissenschaftlichen Beschreibung, so müssen doch alle diese Charakterisierungen der Logik gehorchen. Wieder besteht die Analogie zu der Freiheit bei der Wahl unserer Zeichen-Setzung einerseits und dem letztlichen ‚Doch-Nicht-Entweichen-Können‘ aus dem „logischen Raum“ andererseits. So sucht unser Denken nach Gesetzmäßigkeiten, die wir den Erscheinungen in der „Welt“ ‚auf-setzen‘ können: „In der Ausdrucksweise Hertz’ könnte man sagen: Nur gesetzmäßige Zu195 sammenhänge sind denkbar.“ (TLP 6.361)

Dabei werden im Allgemeinen vor allem solche „Erklärungen“ akzeptiert, die uns als „das einfachste Gesetz“ (TLP 6.363) erscheinen.196 Dem ist aber entgegenzuhalten: „Dieser Vorgang hat aber keine logische, sondern nur eine psychologische Begründung. Es ist klar, daß kein Grund vorhanden ist, zu glauben, es werde nun auch wirklich der einfachste Fall eintreten.“ (TLP 6.361)

Damit kritisiert Wittgenstein den modernen Glauben an die Naturgesetze, der diese als „die Erklärungen der Naturerscheinungen“ (TLP 6.371) ansehe und ihnen insofern einen ihnen nicht zukommenden ontologischen Status einräume, der über rein erkenntnistheoretische Erwägungen weit hinausweise. Diese Betrachtungsweise ersetze den bisherigen Glauben an einen Gott, der jedoch „einen klaren Abschluß“ (TLP 6.372) der Erklärung zugegeben habe, während der Glaube an die Naturwissenschaft und die von ihr unterbreiteten Gesetzmäßigkeiten vorgebe, dass „alles“ auf empirisch-naturwissenschaftliche Weise „erklärt“ werden könne (ebd.). Letztlich bleibe aber jegliche Wissenschaft – gerade weil sie empirisch sei – der „Welt“ verhaftet. Die transzendentalen Voraussetzungen könnten sich auch hier lediglich „zeigen“; direkt „abbildbar“ seien sie 195

Der Einfluss des deutschen Physikers Heinrich Hertz (1857-1894) auf den `frühen Wittgenstein´ war recht groß (vgl. J. Schulte, Wittgenstein, S. 59, aber auch oben Anm. 22). Insbesondere hat seine Schrift „Die Principien der Mechanik, in neuem Zusammenhange“, Leipzig 1894, in der er eine Grundlegung der Mechanik unter Vermeidung des Begriffes der Kraft versuchte und dies mit einer Kritik überkommener Kausalitätsvorstellungen verband, stark auf die Untersätze von TLP 6.3 (vgl. dazu Kap. 1.2.3.) gewirkt. – Zu der Bewunderung, die Wittgenstein für Hertz hegte, vgl. G.P. Baker/P.M.S. Hacker, Understanding and Meaning, S. 16f. 196 Die Tendenz, einfache Erklärungen gegenüber komplizierteren zu bevorzugen, ist dabei nicht zu verwechseln mit Ockhams Grundsatz, unnötige Entitäten zu vermeiden.

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nicht. Eine ‚wirkliche Erklärung‘ sei auf diese Weise aber nicht zu finden. Alle lösbaren Probleme – und nur sie seien überhaupt als „Probleme“ aussprechbar – seien somit innerhalb der ‚Speichen‘ des Schaubildes angesiedelt, ohne dass ihre ‚Voraus-Setzungen‘ „sinnvoll“ besprochen werden könnten. Das Herausarbeiten einer möglichst adäquaten symbolischen Syntax, in der sich die allen empirischen Problemen zugrunde liegende Logik „zeigen“ kann, ist danach das Äußerste, was aufgrund der ‚strukturellen Vorgaben‘ möglich ist. Es ist dies gleichzeitig das „Zeigen“ auf die „Unsinnigkeit“ vieler klassischen philosophischen Probleme und damit die einzig wirkliche Aufgabe eines Philosophen, die der `frühe Wittgenstein´ mit seinem Werk aber im Prinzip als vollendet betrachtet hat. So wird der Schluss des TLP-Vorwortes verständlicher: „Ich bin also der Meinung, die Probleme [sc. der Darstellung der Logik und 197 somit – indirekt – die der klassischen Philosophie ] im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit zweitens darin, daß sie zeigt, wie wenig damit getan ist, daß diese Probleme gelöst sind.“ (TLP-Vorwort, S. 10).

Dass zudem auch mit der Lösung der naturwissenschaftlichen Probleme für das transzendentale Ich kaum etwas gewonnen wäre, wird an folgender Einsicht deutlich, die eine der Prämissen für das Funktionieren von „Abbildung“ und damit für den Erkenntnisgewinn durch Wissenschaft ausdrückt: „Die Welt ist unabhängig von meinem Willen.“ (TLP 6.373)

Im Kontext der Zurückweisung der Vorstellung von einer Notwendigkeit innerhalb angeblicher Kausalgesetzmäßigkeiten – also außerhalb der Logik – wird hier die Idee eines „logische(n) Zusammenhang(s) zwischen Willen und Welt“ (TLP 6.374) abgewehrt. Natürlich gibt es Veränderungen, die nicht besser als durch die Rede von Kausalzusammenhängen beschrieben werden können; „Notwendigkeit“ und „Unmöglichkeit“ bleiben aber der Logik vorbehalten (vgl. vor allem TLP 6.375). Dies ergibt sich auch aus der Theorie der voneinander völlig unabhängigen „Elementarsätze“, da ansonsten die Ansicht von der Kontingenz der „Sachverhalte“ und damit das ganze „Welt“-„Bild“ des TLP aufzugeben wäre. Selbst die Feststellung, „daß z.B. zwei Farben zugleich an einem Ort des Gesichtsfeldes sind“ (TLP 6.3751), sei eine logische und keine physikalische Unmöglichkeit.198 – Aus der Zufälligkeit allen Geschehens in der „Welt“ kann nun die Gleichwertigkeit aller „Sätze“ (vgl. TLP 6.4) und damit im Grunde ihr ‚Un-Wert‘ für das transzendentale Subjekt gefolgert werden: 197 198

Vgl. VB, S. 455, eine Bemerkung aus dem Jahre 1930. F. Ramsey bewertete diesen Gedanken bereits in seiner Rezension als nur schwer haltbar (ders., Rezension, S. 23) und insistierte auch später auf dieser Kritik. So war es vor allem dieses Problem, das Wittgenstein veranlasste, die Grundvision des TLP von einer ‚absoluten Logik‘ später aufzugeben (vgl. Kap. 1.2.1.).

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„Der Sinn der Welt muß außerhalb ihrer liegen. In der Welt ist alles, wie es ist, und geschieht alles, wie es geschieht; es gibt in ihr keinen Wert – und wenn es ihn gäbe, so hätte er keinen Wert.“ (TLP 6.41; vgl. Kap. 1.1.7.)

In einer „Sprache“, die den Kriterien des TLP genügt, ist dieser „Sinn der Welt“ aber auf keinen Fall aussprechbar; es ist bestenfalls erlebbar, dass diese „Welt“ einen „Sinn“ hat, den man „Gott“ nennen könnte.199 Aus der Gleichwertigkeit bzw. der lediglich naturwissenschaftlichen Wertigkeit von „Sätzen“ folgt zudem der ‚Un-Wert‘ von „Sätzen“ für die Ethik: „Darum kann es auch keine Sätze der Ethik geben. Sätze können nichts Höheres ausdrücken.“ (TLP 6.42)

Neben der Logik wird auch die Ethik – und mit ihr die Ästhetik – als „transzendental“ begriffen (vgl. TLP 6.421). Sie ist danach „eine Bedingung von Aspekten unseres Verständnisses von Welt“200, die weder direkt gewusst noch ausgesprochen, also auch nicht in die Form einer Lehre gebracht werden kann. Zwar können Handlungen und ihre Folgen mit „Sätzen“ beschrieben werden; begründet oder gar be-„wertet“ werden können sie auf diese Art jedoch nicht, wären ‚wirkliche Bewertungen‘ doch transzendental oder gar in einer Transzendenz gegründet. 201 Ihren Sinn und „Wert“ erhalten sie einzig und allein von dort her. Innerhalb der „Welt“ kann keine „Wertung“ vorgenommen werden: „Wenn etwas gut ist, so ist es auch göttlich. Damit ist seltsamerweise meine Ethik zusammengefaßt. Nur das übernatürliche kann das Übernatürliche ausdrücken. [mit dieser Groß- bzw. Kleinschreibung, Vf.] Man kann die Menschen nicht zum Guten führen; man kann sie nur ir202 gendwohin führen. Das Gute liegt außerhalb des Tatsachenraums.“

Die Ethik ist dem Ich somit strukturell und als Absolutes vorgegeben; es kann ihrem Anspruch prinzipiell nicht entrinnen. Auch wenn die Ausformulierung des kategorischen Imperativs im Sinne des TLP keinen „sinnvollen Satz“ darstellt, so ist doch deutlich, dass für Wittgenstein der Anspruch der Ethik ein kategorischer ist. Dennoch führen seine Anschauungen in der Praxis zu einer Art intuitionistischer Ethik, insofern keine Normierung, kein „Wert“ mittels eines „sinnvollen Satzes“ formuliert – geschweige denn: begründet – werden kann. 199

Vgl. TB, S. 167, 11.6.1916. E.-M. Lange, Wittgenstein, S. 39. 201 J. Schulte, Wittgenstein, S. 86, macht darauf aufmerksam, dass „nicht klar ist, ob dieser Ausdruck hier [sc. `transzendental´ in Bezug auf die Ethik, Vf.] in einem an Kant gemahnenden Sinne ... gemeint ist oder bloß gleichbedeutend mit `transzendent´ (also etwa im Sinn von `jenseits des Bereichs des Sagbaren´).“ 202 VB, S. 454, Bemerkungen aus dem Jahre 1929. 200

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Innerhalb der Denkweise des TLP sind die gezogenen Konsequenzen aber nur folgerichtig: „Vom Willen als dem Träger des Ethischen kann nicht gesprochen werden.“ (TLP 6.423)

Die Betonung liegt auch hier darauf, dass von ihm in einem „sinnvollen Satz“ nicht gesprochen werden kann: Es „zeigt sich“, dass er der „Träger des Ethischen“ ist.203 Eine Prädikatisierung mit „gut“ und „böse“, wenigstens eine als absolut gedachte204, meint also nichts in der „Welt“ – wie jede „sinnvolle“ Prädikatisierung es tut – , sondern versucht, vom „wollenden Subjekt“ zu sprechen: „Man könnte (Schopenhauerisch) sagen: Die Welt als Vorstellung ist weder 205 gut noch böse, sondern das wollende Subjekt.“

Somit kann „das gute oder böse Wollen“ auch keine Veränderung der „Welt“, der „Tatsachen“ und „Sachverhalte“, bewirken. Wohl aber „kann es ... die Grenzen der Welt ändern“ (TLP 6.43), kann die Einstellung zur „Welt“ als Ganzer beeinflussen und damit gewissermaßen einen ‚Makroaspektwechsel‘ des transzendentalen Subjektes herbeiführen: „Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“ (TLP 6.43)

Hier ist also nicht von einem „phenomenal will“ die Rede, der sich auf „Sachverhalte“ bzw. „Tatsachen“ bezieht und als „welt“-verändernd begriffen werden kann. Dieser „Wille“ war Thema, als es um die Abwehr der Vermutung logisch zwingender Zusammenhänge zwischen „Welt“ und „Wünschen“ ging (s.o.). Er gehört für den `frühen Wittgenstein´ auf die Seite des empirischen Ich und ist eine der „Tatsachen“ der „Welt“, die z.B. Thema der Psychologie werden kann (vgl. TLP 6.423).206 Im TLP ist hier jetzt vielmehr der „ethical will“ gemeint207, der die Einstellung des transzendentalen Subjektes zur „Welt“ als Ganzer ausdrücke und – im Gegensatz zum „phenomenal will“ – frei sei und ohne jegliche 203

Vgl. TB, S. 175, 5.8.1916: „Wäre der Wille nicht, so gäbe es auch nicht jenes Zentrum der Welt, das wir das Ich nennen, und das der Träger der Ethik ist.“ 204 Zur Unterscheidung zwischen einem „relativen“ und einem „absoluten“ Gebrauch von „gut“ und „böse“ bzw. „schlecht“ vgl. unten Kap. 1.2.2. 205 TB, S. 174, 2.8.1916. 206 Vgl. die obigen Ausführungen zum Status des Subjektes in Sätzen, die intensionale Kontexte artikulieren (Ende von Kap. 1.1.5.). 207 Mit der Unterscheidung von „phenomenal“ und „ethical will“ wird hier der Sache und der Terminologie nach eine Differenzierung übernommen, die in Anlehnung an TLP 6.423 Cyrill Barrett in die Diskussion über den `frühen Wittgenstein´ eingebracht hat (WittgensteinSymposium in Kirchberg/Österreich im August 1995). – Vgl. auch L. Hughes, Wert, S. 80.

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Einschränkung gut sein könne.208 Zwar sei der „ethical will“ im „Leben“ als „Grenze der Welt“ auf die „Welt“ in ihrer Gesamtheit gerichtet; er könne sich aber auch als „ewig“ begreifen, wenn er es verstehe, „unzeitlich“, d.h. radikal in der Gegenwart zu leben (vgl. TLP 6.4311). Dieses Aufgehen in der Gegenwart erinnert stark an die johanneische Eschatologie, die als philosophische Idee in der abendländischen Geistesgeschichte immer wieder anzutreffen ist und auch Wittgenstein sicherlich nicht unbekannt war; vielleicht ist diese Akzentuierung aber auch der Entstehungsgeschichte des TLP während des Ersten Weltkrieges geschuldet.209 Die Rede von der „zeitliche(n) Unsterblichkeit der Seele des Menschen“ (TLP 6.4312) löse nun dagegen überhaupt kein Rätsel, wenn sie lediglich verstanden werde als andauernde Fortsetzung des Bezuges des transzendentalen Subjektes auf die „Welt“. Im Tode höre dieses ‚Gerichtet-Sein‘ gerade auf: „Die Lösung des Rätsels des Lebens in Raum und Zeit liegt außerhalb von Raum und Zeit.“ (ebd.)

Auch eine mögliche Offenbarung Gottes, die den Unglücklichen glücklich machen könnte, vollzieht sich demnach nicht in einer Gebundenheit an die „Welt“. Sie bezieht sich vielmehr direkt auf das transzendentale Subjekt als „Grenze einer Welt“, die für dieses dann eine ganz andere wird. Nur so macht die Rede vom „Mystischen“, das zwar „unaussprechlich“ ist, „sich“ aber „zeigt“ (TLP 6.522), einen Sinn: Es „zeigt sich“ „nicht in der Welt“ (TLP 6.432), d.h. weder durch Veränderungen im Bereich der „Tatsachen“ und „Sachverhalte“ noch – wie die Logik – in den Strukturen der „Welt“-Gestaltung. Ebenso ist es aber auch nicht im Verhalten des transzendentalen Subjektes zur „Welt“ zu finden – wie die Ethik und die Ästhetik (vgl. TLP 6.421) – , sondern es „zeigt sich“ tatsächlich nur im direkten Herantreten an das transzendentale Ich.210 208

Vgl. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA 1ff (Werkausgabe Bd. VII, Frankfurt am Main 1974, S. 18ff). – Die Freiheit der Einstellung des transzendentalen Subjektes illustriert T. Wachtendorf am trivialen Beispiel eines Wasserglases: „Das zur Hälfte Wasser enthaltende Glas kann als halb leer oder halb voll bewertet werden. Auf diese Weise bekommen die Gegenstände der Welt von den Subjekten eine Wertigkeit zugeordnet, die schließlich ihre Wirklichkeit konstituiert.“ (T. Wachtendorf, Ethik, S. 55f.) – Vgl. auch L. Hughes, Wert, S. 71-81, und H. Watzka, Sagen und Zeigen, S. 79-82. 209 Vgl. R. Munz, Schreiben im Ersten Weltkrieg, die einen biographischen Zugang u.a. zum Verständnis der Ethik- und Mystik-Auffassung des TLP aufzeigt und dadurch, dass sie den „Tractatus als Kriegsprodukt“ (S. 166) begreift, durchaus einige Pointen Wittgensteins verständlicher werden lässt. 210 W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 555-559, unterscheidet drei Verwendungsweisen des Wortes „zeigen“ im TLP (s.o., Anm. 141). Seine dritte Kategorie – das „Zeigen“, „das den Weg über das mystische Erlebnis nehmen muß“ und das „das Analogon zu dem, was für Kant nur als ein `Postulat der praktischen Vernunft´ gegeben ist“ (S.559), darstellt – dürfte mit obigem ‚Herantreten an das transzendentale Ich‘ übereinstimmen.

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Diese Überlegungen zur Erfahrbarkeit des „Mystischen“, das an das Ich herantritt und seine „Welt“-Sicht verwandelt, muten an wie die abstrakte Beschreibung eines Bekehrungserlebnisses, ohne dass jedoch die erlebte „Offenbarung“ inhaltlich gefüllt wird. Ein Bezug z.B. auf Christus als in der „Welt“ inkarnierter Gottessohn ist nicht erkennbar, könnte natürlich auch im Sinne des TLP nicht in „sinnvollen Sätzen“ ausgesagt werden. Allerdings gibt es doch eine Reihe von Indizien, die darauf weisen, dass Wittgenstein durchaus ein derartiges Erlebnis gehabt haben könnte. Monk redet von einem „Wandel in Wittgensteins Haltung zur Religion“211, die aufgrund einer Theateraufführung212 stattgefunden habe. Ferner weisen die intensive Lektüre der Werke Tolstojs an der Front während des Ersten Weltkrieges213 sowie die Mitteilung Russells, dass Wittgenstein ernsthaft überlegt habe, katholischer Priester zu werden214, aber auch die erhaltenen Tagebuch-Eintragungen215 und der noch zu besprechende „Vortrag über Ethik“ (Kap. 1.2.2.) in die gleiche Richtung. Auch das Thema des plötzlichen Aspektwechsels in der `Spätphilosophie´ (Kap. 1.3.1., aber auch Kap. 2.2.2.1.) könnte sich auf diese Weise deuten lassen. Primär aber „zeigt sich“ „das Mystische“ nun dem TLP zufolge in keinen konkreten Erlebnissen216, sondern einfach durch das Dasein der „Welt“217: „Nicht wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern daß sie ist.“ 218 (TLP 6.44) 211

R. Monk, Wittgenstein, S. 68, die dortige Anmerkung. Es handelt sich um das Stück „Die Kreuzlschreiber“ von Ludwig Anzengruber (vgl. R. Monk, a.a.O., S.68). – Weiteres vgl. Kap. 1.1.7. und 1.2.2. 213 Vgl. R. Monk, a.a.O., S. 133-135, und K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 63-66. 214 B. Russell, Brief an Lady Ottoline Morrell vom 20.12.1919, zitiert in: Wittgenstein, Letters, S. 82. 215 Vgl. die Hinweise in Kap. 1.1.7.; s. aber auch W. Baum, Weg zum Glück, S. 194f, der eine Übersicht über Eintragungen in den „Geheimen Tagebüchern“, die den Einfluss Tolstojs, die Auseinandersetzung mit Nietzsche und „Wittgensteins Frömmigkeit“ betreffen, bietet. 216 Diese Art von Erfahrungen wie „das Erlebnis der absoluten Sicherheit“ und „das des Schuldgefühls“ thematisiert Wittgenstein erst 1929 im „Vortrag über Ethik“ (vgl. VüE, S. 16; s. Kap. 1.2.2.), obwohl die Überlegungen zum Glücklich-Sein im TLP sicherlich auch mit der Sehnsucht Wittgensteins nach Freisein von Schuldgefühlen in Verbindung stehen. 217 Vgl. H. Watzka, Sagen und Zeigen, S. 89: „In der Mystik werden keine anderen Objekte erfahren als die, die uns durch Empirie gegeben, d.h. mit der Sprache beschreibbar sind, sie werden nur in anderer Weise erfahren. Die Mystik fügt unseren Erfahrungen nichts hinzu, sie läßt das Erfahrene in einer Weise neu erleben, daß die Dinge für uns bedeutsam erscheinen. Der in der Mystik erfahrene Sinn ist unverfügbarer Sinn, wir deuten nicht, wir sehen die Dinge (plötzlich) anders.“ 218 Vgl. TB, S. 181, 20.10.1916. – Das Staunen über das Dass der Welt ist natürlich philosophiegeschichtlich nichts Neues; auch Leibniz hat es z.B. immer wieder einmal eingebracht. 212

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Damit ist aber keine Frage gestellt, keine Problemdiskussion eröffnet und kein Zweifeln eingeleitet; vielmehr handelt es sich um ein Feld, auf dem keine Antworten zu erwarten sind 219, da diese doch ausschließlich in Bezug auf Inner„Weltliches“ gegeben werden können: „Denn Zweifel kann nur bestehen, wo eine Frage besteht; eine Frage nur, wo eine Antwort besteht, und diese nur, wo etwas gesagt werden kann.“ 220 (TLP 6.51)

Auf diese Weise erübrigen sich alle nichtwissenschaftlichen Fragen: Sie werden gelöst in dem Sinne, dass ihre Auflösung, nicht ihre Beantwortung, betrieben wird (vgl. TLP 6.52 und 6.521): „Die richtige Methode der Philosophie wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen läßt, also Sätze der Naturwissenschaft – also etwas, was mit Philosophie nichts zu tun hat – , und dann immer, wenn ein anderer etwas Metaphysisches sagen wollte, ihm nachzuweisen, daß er gewissen Zeichen in seinen Sätzen keine Bedeutung gegeben hat.“ (TLP 6.53)

Wirkungsgeschichtlich war diese Passage sehr dazu geeignet, neopositivistische Interpretationen des TLP zu fördern. Wie aber das `empiristische Sinnkriterium´ nicht auf sich selbst angewandt werden kann, weil es seiner eigenen Normierung nicht standhält (vgl. Kap. 0), so muss auch der `frühe Wittgenstein´ am Ende des TLP zugeben, dass seine „Sätze“ keine „sinnvollen“, sondern „unsinnige“ waren, eigentlich also sich selbst zum Opfer fallen müssten, hätten sie nicht doch didaktischen, erläuternden Wert.221 – Die Vorstellung von der „Sagbarkeit des Sinns“ ist als „Illusion“222 erwiesen worden. So bleibt Wittgenstein am Ende des TLP nichts anderes, als die mit der `mystischen Zahl´ „7“ versehene, sicherlich bewusst mit dem Wort „schweigen“ endende und konsequenterweise ohne Untersätze gebliebene Einsicht auszusprechen: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“

Auch biographisch gesehen hielt sich Wittgenstein nun zunächst an diese Ansicht und hüllte sich ungefähr ein Jahrzehnt – zumeist als Volksschullehrer in Niederösterreich arbeitend223 – in philosophisches Schweigen. Doch dann kamen ihm Zweifel an der Position des TLP und einige Freunde konnten ihn zur Rückkehr nach Cambridge überreden. 219

Vgl. J. Schulte, Wittgenstein, S. 91: Es „kann sich dem mystisch Empfindenden keine arkane Lösung offenbaren.“ 220 Vgl. den ‚Anti-Cartesianismus‘ des `späten Wittgenstein´ (Kap. 1.3.2.3.). 221 Vgl. TLP 6.54 (s. dazu bereits Anfang von Kap. 1.1.5.). 222 Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 88. 223 Zu diesem Lebensabschnitt vgl. vor allem R. Monk, Wittgenstein, S. 211-253; weitere Lit. zu dieser Zeit s. Anm. 279.

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1.1.7. Eine theologische Beurteilung Ganz abgesehen davon, wie der TLP philosophisch zu bewerten ist – ob er, wie Vf. dargelegt hat, als typische Ausprägung einer `modernen´ Weltsicht anzusehen ist, die bei aller `Aufgeklärtheit´ noch ‚wirkliches Wissen‘, Episteme, und sei es nur in Bezug auf „Strukturen“, für möglich hält, oder ob er bereits die Wende zum `postmodernen´ Denkstil markiert, der jegliches Verstehen auf die Ebene der Zeichen begrenzt224 – , sind aus fundamentaltheologischer Perspektive vor allem folgende Punkte, zunächst als Thesen, festzuhalten: A) Die Unbrauchbarkeit des TLP-Sprachparadigmas für andere als empirisch-naturwissenschaftliche Aussagen ist evident. Das theologische Problem der Versprachlichung des ‚eigentlich Nicht-Verbalisierbaren‘, der Sprengung der Form durch den Gehalt, stellt sich durch die ‚eindimensionale Semantik‘ in seiner ganzen Schärfe. B) Die ‚Erfahrungsmöglichkeiten‘ des transzendentalen Subjektes gehen im TLP dennoch, im Gegensatz zum „Sprach“-Begriff, über das rein „Weltliche“ hinaus. So kann er auch in Bezug auf den Begriff der `Offenbarung´ durchaus als Einweisung in fundamentaltheologische Problemstellungen verstanden werden, obwohl der Glaube an einen sich in der Welt offenbarenden Gott schon deswegen nicht mit dem TLP in Verbindung gebracht werden kann, weil dessen Denken gänzlich ungeschichtlich ist bzw. Geschichte hier im Kontingenten verbleibt. C) Seine sprachanalytische Metaphysikkritik weist jedoch in Bezug auf die Frage nach der Rede von Gott einige nennenswerte Parallelen mit alttestamentlicher Religionskritik auf. D) Im Unterschied zu dieser bleibt dem TLP aber am Ende nur das Schweigen über die auch von ihm als ‚eigentliche‘ zugestandenen „Lebensprobleme“ und über die Sinn-Dimensionen des „Mystischen". E) So verbleibt auch die im Grunde mit einem kategorischen Anspruch verbunden gedachte Ethik im Bereich der Intuition des transzendentalen Subjektes, da sie keine „sinnvollen“ Normierungen zur Orientierung aussprechen kann. Im TLP handelt es sich somit sowohl dogmatisch als auch ethisch betrachtet um eine ‚radikalnegative Theologie‘. F) Die dennoch möglichen „mystischen“ Erfahrungen des transzendentalen Ich weisen strukturelle Ähnlichkeiten mit so genannten Bekehrungserlebnissen auf und scheinen zudem durchaus verwandt mit der klassischen `unio mystica´, sind aber keineswegs mit dieser zu verwechseln.

224

Zum Versuch der Vereinnahmung schon des `frühen Wittgenstein´ durch die `Postmoderne´ vgl. besonders J.F. Lyotard, Der Widerstreit, München/Regensburg 1987, S. 12f, 96-103, 109f u.ö.

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G) Die ‚transzendentale Trinität‘ von Logik, Ethik/Ästhetik und „Sinn der Welt“ lässt jedoch durchaus einige Parallelen zum christlichen Glauben an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist erkennen. Ad A): Wie gezeigt wurde, wird das Sprachparadigma des TLP von der Vorstellung getragen, dass die einzig „sinnvolle“ ‚Tätigkeit‘ der „Sprache“ die Darstellung der außerhalb des transzendentalen Subjektes vorfindlichen „Welt“ ist. „Wahre Sätze“ „bilden“ dieser Auffassung nach die Strukturen der realisierten „Welt“ auf `eineindeutige´ Weise ab; mit „falschen“ Aussagen wird immerhin noch eine denkbare Konstellation aus dem Raum der Möglichkeiten herausgegriffen. Prinzipiell aber muss jeder „Satz“ empirisch überprüfbar sein, um „sinnvoll“ sein zu können. Es wird von vornherein negiert, dass ein Gehalt in die Form der „Sprache“ eintreten könne, der über die „Welt“ hinausweist; kein Gehalt hat danach die Möglichkeit, die Form zu sprengen. Alles, was nicht als Innerweltliches angesprochen werden kann – und dies gilt selbst für die Entwicklung dieser Auffassung und die Nennung der ‚transzendentalen Rahmenbedingungen‘ – , muss „sich“ – in den dargestellten verschiedenen Sinnen – „zeigen“, kann nicht ausgesprochen, nicht von „Sprache“ vereinnahmt werden. Die mit dieser Anschauung gegebene Semantik kann als ‚konsequent eindimensional‘225 bezeichnet werden. Wird Sprache aber auf diese Art und Weise begriffen und wird geglaubt, dass sie dadurch hinreichend charakterisiert ist, so ist bereits vom Ansatz her jegliches metaphysische Philosophieren ebenso ausgeschlossen wie „sinnvolle“ religiöse Rede. Schon in der ‚eindimensional-empiristischen Engführung‘ des „Sprach“-Begriffes liegt alles Weitere beschlossen; Religions- und Metaphysik-Kritik sind nur `analytisches Urteil´ aus dieser Vorstellung vom Funktionieren von Sprache. Die vorgenommene Normierung ist zwar selbst nicht-empirisch, erkennt man sie aber zumindest als „erläuternd“ an, ähnlich wie es der ‚Leiter-Satz‘ (TLP 6.54) für die „Sätze“ des `frühen Wittgenstein´ nahe legt, oder lässt die Anwendung der eigenen Kriterien auf sich selbst auf der Meta-Ebene gar nicht erst zu, folgt aus diesem empiristischen „Sprach“-Begriff zwingend ein empiristisches Weltbild. So schließt sich auch die gesamte sprachanalytische Religionskritik226 diesem durch den TLP vorgegebenen Muster an, d.h. legt eben dieses Sprachparadigma zugrunde. Ad B): Auch wenn, wie im TLP, die Möglichkeit eines mystischen ‚Sich-demtranszendentalen-Subjekt-Zeigens‘, das als `Offenbarung´ angesprochen werden könnte, eingeräumt wird, bedeutet ein derartig eingegrenztes Sprachparadigma das Ende jeglicher als vernünftig ausgewiesenen Theologie. `Offenbarung´ und `Vernunft´ können nicht mehr miteinander in Beziehung gesetzt werden, eine 225 226

Vgl. Anm. 15. Vgl. dazu schon Kap. 0.

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`fides quaerens intellectum´ wäre strukturell somit gänzlich unmöglich gemacht und religiöse Rede verbliebe per definitionem im Bereich undeutbarer Glossolalie.227 Was aber nützt ein Offenbarungsbegriff dieser Art, das Zugeständnis der Möglichkeit des mystischen „Sich-Zeigens“, wenn das transzendentale Subjekt nicht verbalisieren kann, was ihm widerfahren ist? Nicht einmal für sich selbst könnte das transzendentale Ich eine Vergewisserung des Geschehenen festmachen228, obgleich es z.B. – über das mit ihm verbundene empirische Ich sprechend – feststellen könnte: ‚Ich bin jetzt glücklich.‘ Trotz dieser Einwände und obwohl sich das in „sinnvolle Sätze“ fassbare Sehen des transzendentalen Ich nur um „seine Welt“ dreht, lassen doch die „mystischen“ Erlebnisse die eigenen transzendentalen Vorgegebenheiten klarer erkennen und zumindest auch die Möglichkeit transzendenter Sinndimensionen in Betracht ziehen. Die Verkettung an die „Welt“ wird in diesem Zusammenhang gewissermaßen als ein ‚erlösungsbedürftiger Zustand‘ wahrgenommen, als – mit Luther gesprochen – `incurvatus in se´, als ein Sein in der „Existenz“ im Sinne Tillichs (vgl. Kap. 3.1.1.), das auf `Offenbarung´ und `Erlösung´ „von außerhalb der Welt“ her angewiesen ist (vgl. TLP 6.41). Da schon das transzendentale Ich „außerhalb der Welt“ liegt, könnte man vermuten, dass Wittgenstein eine Art `Selbsterlösung´ andeuten möchte, in dem Sinne, dass dieses Ich selbstständig die „richtige“ Einstellung zur „Welt“ finden könne und müsse. Weil aber die Ethik noch einmal von einer ‚höheren Ebene‘ aus als Anspruch an das transzendentale Ich herantritt, dürfte davon auszugehen sein, dass das Erlebnis des Glücklich-Seins eher ein als `Offenbarung´ erfahrenes Geschenk – eine Gnade – denn eine erlernbare Technik ist. 229 Jedenfalls führt die Lösung des TLP zwar zu einer – im Hegelschen Sinne – „Aufhebung“ der Sinnfragen, zu einer ‚Auf-Lösung‘ der „Lebensprobleme“, aber dieses Glücklich-Sein ist nicht vermittelbar. Es bleibt dem die „Welt“ „richtig“ (TLP 6.54) – vor und abgelöst von sich – sehenden transzendentalen 227

Dass dies im Christentum unbedingt zu vermeiden sei, schärft schon Paulus ein. Vgl. I Kor 14,9.13: „ ... Wenn ihr in Zungen redet und nicht mit deutlichen Worten, wie kann man wissen, was gemeint ist? Ihr werdet in den Wind reden. ... Wer also in Zungen redet, der bete, dass er’s auch auslegen könne.“ – Vgl. auch die Problematik der `Fideismusdebatte´ (Kap. 2.1.2.). 228 Vgl. die unter dem Stichwort ‚Anti-Cartesianismus‘ thematisierte Abweisung der Möglichkeit einer `Privatsprache´ (Kap. 1.3.2.3.). 229 Vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 406f, der Aufzeichnungen Wittgensteins vom Dezember 1938 über die „Auferstehung Christs“ zitiert und folgendermaßen resümiert: „Nur durch Liebe entkäme er [sc. Wittgenstein, Vf.] der Hölle seiner Einsamkeit: Mit ihr könne er seine Zweifel überwinden, an die Auferstehung glauben und damit erlöst werden. Doch mußte nicht zunächst Gott ihn lieben? ... Zwar floh Wittgenstein aus der Hölle der Einsamkeit Norwegens, aber für seine Flucht aus der Hölle des Lebens, aus seiner tiefen Einsamkeit, schien Gott zuständig zu sein.“ (S. 407).

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Subjekt vorbehalten; es ist in eine gedanklich und sprachlich nicht einholbare, in eine nicht verbalisierbare Sphäre entrückt. Dieses `Evangelium´ – will man überhaupt bei der offensichtlich fehlenden Verbindung zum Christus-Geschehen diese Bezeichnung verwenden – kann in diesem Kontext nun gerade nicht als ‚weitersagbare‘ Nachricht aufgefasst werden, sondern besteht hier in einer bestimmten, nur vom transzendentalen Subjekt erfahrbaren Einstellung zur „Welt als begrenzte(m) Ganze(n)“ (TLP 6.45), die nur indirekt durch „sinnlose“ Formulierungen andeutbar ist. Da zudem im TLP das „Sich-Zeigen“ des „Mystischen“ und damit die ‚EntDeckung‘ eines Lebenssinnes nicht mit einem theistischen Gottes-Begriff verbunden werden kann, mit dessen Hilfe die `Rechtfertigung´ des transzendentalen Subjektes in den Blick kommen könnte, muss zudem die Möglichkeit einer im Pessimismus verbleibenden „Mystik“ – ähnlich der Schopenhauers – in Betracht gezogen werden.230 Bestenfalls könnte man davon sprechen, dass das Auftauchen der Dimension des „Mystischen“ ein christlich verstandene Offenbarung vorbereitendes Geschehen sei – im Sinne einer `theologia naturalis´ und deren Postulat bestimmter, angeblich rationalistischer Schlüsse ersetzend. Aber schon in Kap. 1.1.6. wurde darauf aufmerksam gemacht, dass zwar Offenbarung in der Bedeutung des ‚Angegangen-Werdens‘ des transzendentalen Subjektes keineswegs ausgeschlossen werden darf, dass aber ein Bezug auf ein Inkarnations-Geschehen mit diesem Begriff von Offenbarung kaum herstellbar ist. Das Denken des TLP ist gänzlich ungeschichtlich und kann allein schon deswegen nicht mit dem Glauben an einen sich in der „Welt“ offenbarenden Gott in Verbindung gebracht werden. Zudem wird ja alles Geschehen in der „Welt“ als kontingent aufgefasst und somit nicht als auch nur teilweise von Gott bestimmt. – So ließe sich auch nur in einem sehr begrenzten Verständnis sagen, dass das „mystische“ Erlebnis, das im TLP vorgestellt wird, als – im Tillichschen Sinne (vgl. Kap. 3.1.3.) – „Symbol“ für Gott gedeutet werden dürfe. Ad C): Als im Offenbarungsbegriff ebenfalls sehr unterschiedlich, aber in seinem Urteil über den Willen, „das Höhere“ in „Abbilder“ zu zwängen, dem TLP sehr ähnlich, ist das Alte Testament zu nennen.231 Heißt es bei Wittgenstein am Ende in TLP 7 konsequent: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“,

so lesen wir z.B. in Ex 20,4.5a: 230 231

Vgl. McGuinness, Mystik, S. 178. Sicherlich könnten auch Parallelen gezogen werden zu einigen Positionen reformierter Theologie oder gar zu den `Bilderstürmern´ des 16. Jh. und den `Ikonoklasten´ des `Bilderstreites´ 726-843. Für Wittgenstein selbst war aber bei dieser Thematik, wenn überhaupt, nur das Alte Testament bedeutsam.

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„Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!“

Die sprachanalytische Metaphysikkritik des `frühen Wittgenstein´ weist offensichtlich in die gleiche Richtung wie die alttestamentliche ‚Religionskritik‘, die sich an der Anbetung von Götzenstatuen entzündete232 und in deren Folge jegliche Verbildlichung Gottes als Gotteslästerung und Götzendienst erscheint. Inwieweit Wittgensteins Überlegungen hier auch durch seinen jüdischen Hintergrund233 beeinflusst sein könnten, ist nicht deutlich. Es ist aber nur konsequent, das Bilderverbot auf die „Sprache“ auszudehnen, wenn diese mittels der Abbildtheorie als „Bild“ begriffen wird. Dann wäre auch die gesetzesartige Formulierung von TLP 7 verständlicher: Das Modalverb „muß“ „zeigt“ hier die höchste Form von Verbindlichkeit an; es „zeigt“ auf die Ethik (bzw. Ästhetik), die hinter dieser Formulierung steht und in Bezug auf „das Mystische“ zu größtmöglicher sprachlicher Ehrfurcht zwingt. Diese Interpretation scheint noch plausibler, wenn man davon ausgeht, dass Wittgenstein bekannt gewesen sein dürfte, dass im Judentum der Gottesname nicht ausgesprochen, sondern durch `Adonai´ (`mein Herr´) ersetzt wird: Über den Namen selbst wird aus Ehrfurcht geschwiegen.234 Es bleibt festzuhalten: „Gott“ bzw. „das Mystische“ ist – ohne beides vorschnell in eins setzen zu wollen – nicht in menschliche Vorstellungs- und Artikulationsformen zwängbar, sondern bleibt menschlicher Verfügbarkeit immer radikal entzogen. Er bzw. es bleibt `der/das ganz Andere´ im Sinne der `Dialektischen Theologie´.235 Weder diese noch die alttestamentlichen Propheten lassen es sich aber nehmen, ausführlich von Gott zu reden.236 Im TLP scheint dagegen 232

Als besonders eindrücklich vgl. Jer 2,26-28. Dort werden diejenigen lächerlich gemacht, „die zum Holz sagen: `Du bist mein Vater´ und zum Stein: `Du hast mich geboren´.“ (V. 27). 233 Vgl. K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 18-20. 234 Die Ehrfurcht Wittgensteins vor „dem Mystischen“ betont R. Munz in ihren Beiträgen (vgl. Kap. 2.2.7.). 235 Vgl. K. Barth, KD I/2, § 17 Gottes Offenbarung als Aufhebung der Religion, S. 304-397: Barths Kritik an „der Welt menschlicher Religion“ (S. 304, dort kursiv) richtet sich gegen die Selbstermächtigung des Menschen zu religiöser Rede, die Gottes Unverfügbarkeit nicht respektiert und von seiner Offenbarung zugleich gerichtet und versöhnt wird (vgl. Kap. 2.2.5. und 3.3.2.). 236 Dabei ist zu beachten, dass alttestamentliche Berufungsgeschichten häufig ausdrücklich erzählen, dass entweder Gott selbst (vgl. Jer 1,9) oder „einer der Serafim“ (Jes 6,6f) den Mund des Propheten berühren, um ihn zu seinem Auftrag zu befähigen. Bei Hesekiel übernimmt diese Aufgabe eine Schriftrolle mit den Worten Gottes, von der berichtet wird, dass der Prophet sie essen musste (vgl. Ez 2,8 - 3,3). Und auch wenn nicht von einer direkten Berührung des Mundes gesprochen wird, so ist doch eine Verheißung Gottes in Hinsicht

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– als Konsequenz des ‚eindimensionalen Sprachparadigmas‘237 – die Unverfügbarkeit Gottes noch radikaler gedacht. So hat der `frühe Wittgenstein´ an dieser Stelle nur noch die Möglichkeit, im Schweigen zu verbleiben und dieses als die einzig adäquate Reaktion auf eine Begegnung mit ‚dem Höheren‘ darzustellen. Ad D): Auf dem Gebiet der Gotteslehre muss nach den Vorstellungen des TLP also völlige Sprachlosigkeit herrschen. Gott bleibt hier trotz der „mystischen Erlebnisse“ ganz und gar ein `deus absconditus´, über den nicht geredet werden darf, weil allein schon sprachanalytisch betrachtet über ihn gar nicht geredet werden kann. Damit konform gehen auf theologischer Seite z.B. Tillichs Ablehnung, von der „Existenz“ Gottes zu sprechen238, und Bultmanns Absage an ein Reden über Gott; das hier dann aber doch erfolgende Zulassen des Redens von Gott hätte auf den `frühen Wittgenstein´ sicherlich halbherzig gewirkt. Auch wenn im TLP nicht eindeutig ist, ob sich die Rede von „dem Mystischen“ und von einem „Sinn außerhalb der Welt“ wirklich auf eine Gottesvorstellung oder lediglich auf das transzendentale Subjekt als sinngebende Instanz – in einem den Ideen Nietzsches ähnlichen Verständnis – bezieht, so lassen doch die Tagebucheinträge, die diese TLP-Passagen betreffen, durchaus den Rückschluss zu, dass Wittgenstein eine eher traditionelle Gottesidee im Sinne hatte: „An einen Gott glauben heißt, die Frage nach dem Sinn des Lebens verstehen. An einen Gott glauben heißt sehen, daß es mit den Tatsachen der Welt noch nicht abgetan ist. 239 An Gott glauben heißt sehen, daß das Leben einen Sinn hat.“

Noch einmal wird deutlich, dass dem TLP nach das Nichtzufällige ganz außerhalb des Zufälligen liegen muss; es bestimmt zwar die Strukturen der „Welt“, das Wie, geht aber selbst nicht in das Was ein. – So scheinen Schicksal und Freiheit in einem Gleichgewicht zu sein, aus dem sie prinzipiell nicht zu bewegen sind. Das bedeutet aber gleichfalls, dass in der kontingenten „Welt“ weder die ‚eigentlichen‘ „Lebensprobleme“ angemessen verbalisiert noch die „Sinn“Dimensionen des „Mystischen“ oder gar das Notwendige selbst ausgedrückt auf vollmächtige Rede wichtig; vgl. Ex 4,12, wo Mose gesagt wird: „So geh nun hin: Ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst.“ – Außerdem sei darauf aufmerksam gemacht, dass sowohl die Wortereignisformel als auch die Botenspruchformel zur Einleitung prophetischer Rede explizit auf eine Ermächtigung durch Gott verweisen. 237 Vgl. Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 90: „Für ihn [sc. Wittgenstein; Vf.] `folgt´ das Mystische aus der Begrenztheit von Denk- und Sagbarkeit, das Mystische gibt es nur, wenn die Bildtheorie richtig ist“. 238 Das wäre für ihn von seinem „Existenz“-Begriff her ein Selbstwiderspruch. Vgl. Kap. 3.1. 239 TB, S. 168, 8.7.1916. Vgl. GT, S. 71, 16.5.1916: „Gott sei mit mir! In Ewigkeit, Amen. Ich bin ein schwacher Mensch, aber er hat mich bis nun erhalten. Gott sei gelobt in Ewigkeit, Amen. Ich übergebe meine Seele Dir, Herr.“

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werden können. Nicht einmal die klassische `via negationis´, also negative Formulierungen von Gottesprädikationen wie das Absprechen aller irdischen Unvollkommenheiten in der traditionellen `negativen Theologie´ z.B. eines Thomas von Aquin, macht in dem Kontext der Sprachauffassung des TLP „Sinn“. Ad E): Dem entspricht, dass auch keine „Sätze der Ethik“ möglich sind (vgl. Kap. 1.1.6.), da sie keine „Tatsachen“ oder „Sachverhalte“ in der „Welt“ „abbilden“, sondern normieren bzw. bewerten wollen. Dies ist aber von einem Standpunkt innerhalb der „Welt“ – und diese können „Sätze“ nach der Auffassung des TLP eben nicht verlassen – nicht machbar. Gäbe es „Sätze der Ethik“, müssten sie von der „Welt“ aus ‚in das Absolute greifen‘ können, was nach der vorgestellten Abbildtheorie unmöglich ist. Befänden sie sich andererseits schon im Absoluten, d.h. nicht im Bereich der kontingenten Zusammensetzungen, so stünden sie gewissermaßen ‚außen vor‘, könnten nach Meinung des TLP gar nicht in die „Welt“ hineinsprechen. Eine `Inkarnation´ bis in die Sprache, bis in eine ‚Ver-Wortung‘ hinein schließt der TLP auch für die Ethik vollkommen aus. Diese bleibt als die Setzung eines absoluten Maßstabes letztlich bei Gott bzw. im Mystischen und d.h. außerhalb der „Welt“ und damit der ‚Versprachlichungsmöglichkeiten‘ des transzendentalen Subjektes. Was das Verhalten des empirischen Ich in der „Welt“ betrifft, so hat es also keinerlei Normierungen zur Verfügung. Es wäre allerdings eine falsche Konsequenz nun zu meinen, dass solch ein Mensch alles Mögliche in beliebiger Weise wollen kann. Immer wird er angetrieben durch das Bedürfnis des transzendentalen Subjektes nach `Erlösung´, nach dem „richtigen“ Verhalten zur „Welt“, das Glücklich-Sein impliziert. Auf diesem Hintergrund wird auch verständlich, aus welcher Motivation heraus Wittgenstein sein Vermögen an Künstler verschenken bzw. seinen Geschwistern übereignen konnte. 240 Er meinte, auf diesem Wege größere Unabhängigkeit von der „Welt“ und damit Freiheit für sein Ich zu gewinnen – für ihn eine Voraussetzung zum Glücklich-Werden.241 Lediglich durch diese Zielsetzung eingegrenzt bleibt es der Intuition des transzendentalen Ich vorbehalten, das Handeln zu bestimmen. 240 241

Vgl. K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 51f und 85. Gegen W. Bartley, Wittgenstein. Ein Leben, München 1983, muss betont werden, dass Wittgenstein nicht etwa aus einer sozialistischen Motivation heraus handelte. Ebenso sollte auch der kulturkritische Aspekt nicht so stark hervorgehoben werden wie z.B. bei S. Toulmin (vgl. ders., Wittgenstein war kein Positivist, und: Der Metaphysiker Wittgenstein, beides in: Neues Forum 17/1970, S. 620-624 und S. 699-703) bzw. – noch deutlicher – bei A. Janik/S. Toulmin, Wittgensteins Wien, München/Wien 1984. – Vgl. zu den Beweggründen Wittgensteins vielmehr die Perikope „Die Gefahr des Reichtums (`Der reiche Jüngling´)“, Mt 19,16-26, die ihm vermutlich bekannt gewesen ist.

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Damit wird die große Gefahr dieses Ethik-Ansatzes deutlich: Letztlich läuft er auf ein einfaches Hinnehmen der „Tatsachen“ der „Welt“ hinaus und sieht die größte Tugend im `stoischen´ Aushalten zugefügter Leiden. So kann auch ein wirkliches Engagement für die Mitmenschen nicht in den Blick kommen. Das eudämonistische Ziel einer glücklichen, integren Persönlichkeit bestimmt alles; der ‚solipsistischen Selbstverliebtheit‘ wird die Nächstenliebe geopfert – wenn nicht praktisch242, so doch zumindest philosophisch. Da also sowohl dogmatische als auch ethische Aussagen nach Ansicht des TLP strukturell unmöglich sind, soll hier von einer ‚radikalnegativen Theologie‘ gesprochen werden, die in beiderlei Hinsicht die scholastische `theologia negativa´ überbietet. 243 Jede denkbare sprachliche Annäherung an Gott und damit an den „Sinn der Welt“ ist und bleibt ausgeschlossen, wenn Gott auch nicht geleugnet, sondern im Gegenteil durch den Hinweis auf die Möglichkeit des „mystischen“ Erlebnisses für das transzendentale Subjekt im Grunde doch bejaht wird.244 Einer inhaltlichen Bestimmtheit dieses Geschehens allerdings kann nicht Rechnung getragen werden. Ad F): B. McGuinness macht darauf aufmerksam245, dass Russell bereits vor Entstehung des TLP einen Aufsatz über Mystik und Logik veröffentlicht hatte246. Die Affinitäten zwischen dem „Mystik“-Begriff Russells und dem des TLP 242

Zu Wittgensteins anhaltender Hilfsbereitschaft vgl. K. Wuchterl/A. Hübner, a.a.O., S. 53. Schon W. Baum hat „seit 1977 eine Neuinterpretation der Tractatusphilosophie als einer modernen Variante der negativen Theologie vorgeschlagen“ (W. Baum, Weg zum Glück, S. 191; vgl. dazu ders., Wittgensteins tolstojanisches Christentum, in: Österreichische Philosophen und ihr Einfluß auf die analytische Philosophie der Gegenwart Bd. 1, hg.v. J.C. Marek, Innsbruck 1977, S. 339-349; ders., Die Weltanschauung Wittgensteins, in: Wittgenstein, der Wiener Kreis und der kritische Rationalismus. Akten des 3. Internationalen Wittgenstein-Symposiums 1978 in Kirchberg, hg.v. H. Berghel/A. Hübner/E. Köhler, Wien 1979, S. 30-32, und ders., Ludwig Wittgenstein und die Religion, in: PhJ 86 (1979), S. 272-299). In der vorliegenden Abhandlung soll aber der Akzent darauf gelegt werden, dass Wittgenstein die traditionelle `via negationis´ noch ‚übersteigt‘. 244 Die in Kap. 1.1.3. erwähnte Ablehnung des ontologischen Gottesbeweises steht dazu keinesfalls in Widerspruch, da das „mystische“ Erlebnis nicht mit einer gedanklichen Beweisführung verglichen werden kann. 245 Vgl. B. McGuinness, Mystik, in: J. Schulte, Hg., Texte zum Tractatus, S. 165-191, hier: S. 165. – Neben diesem, im weiteren Verlauf vorgestellten Beitrag von B. McGuinness vgl. R.A. Dietrich, Untersuchungen über den Begriff des `Mystischen´ in Wittgensteins `Tractatus´, Göttingen 1971; L. Scharfetter, Bemerkungen über das `Unaussprechliche´ in der Philosophie Ludwig Wittgensteins, Salzburg 1970, und E. Zemach, Wittgenstein’s Philosophy of the Mystical, in: The Review of Metaphysics XVIII (1964), S. 38-57. 246 Nach B. McGuinness, ebd., sei dieser Aufsatz (vgl. B. Russell, Mysticism and Logic, in: ders., Mysticism and Logic and Other Essays, London 1918, S. 1-32, Reprint 1981) erstmals 1914 erschienen. Da Wittgenstein zu dieser Zeit schon nicht mehr in England war, sei es fraglich, ob er diesen Aufsatz bei der Abfassung des TLP gekannt habe. R. Monk, Wittgenstein, S. 79f, datiert Russell’s Beitrag hingegen bereits auf 1912 und beschreibt aus243

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seien nicht zu übersehen. Für Russell erfüllt der „Mystiker“ hauptsächlich vier Kriterien247, die der englische Philosoph allerdings sämtlich als verfehlt ablehnt, wenn sie auch nicht wertlos, sondern durchaus inspirierend seien: a) Der Mystiker glaubt, die Realität auf eine über Sinne und Vernunft hinausgehende Art und Weise wahrnehmen zu können. b) Die Wirklichkeit bildet für ihn eine ihm gegenüberstehende Einheit. c) Die Zeit hat für ihn jegliche Realität verloren. d) Auch das Böse – und eventuell sogar das Gute – sind für ihn nur trügerischerweise von der Art, wie sie erscheinen. McGuinness findet bei Wittgenstein nun die folgenden Entsprechungen248: ad a): Das unaussprechbare Wissen dessen, dem die „Lebensprobleme“ geschwunden sind, das „mystische“ Gefühl. ad b): Die Erfahrung der „Welt als begrenztes Ganzes“ (TLP 6.45). ad c): Das Spinoza-Zitat von der Betrachtung der „Welt“ „sub specie aeterni“ (ebd.) und die Auffassung von `Ewigkeit´ als ‚unzeitliches In-der-GegenwartLeben‘.249 ad d): „Gut“ und „Böse“ gibt es für den TLP nur außerhalb der „Welt“; sie seien in der Transzendentalität des Subjektes verankert und bestimmten dessen Glücklich- bzw. Unglücklich-Sein. McGuinness weist darauf hin, dass diese Themen – und zusätzlich auch das des „Solipsismus“ – in den Tagebüchern noch deutlicher miteinander verwoben sind als im TLP selbst und von Wittgenstein als eine Einheit aufgefasst wurden. 250 Als allen gemeinsame Quelle scheine die Erfahrung des Staunens über das Dass der „Welt“ zugrunde zu liegen.251 McGuinness zufolge sind Logik, Ethik und Ästhetik nun dem transzendentalen Ich des TLP vorgegeben, während Raum, Zeit und Kausalität lediglich dem empirischen Ich zukämen.252 Letztere könnten somit in der „mystischen Erfahführlich Wittgensteins zunächst schroff ablehnende Reaktion, die sich aber offensichtlich mehr auf das Dass der Publikation derartig „intimer“ Themen als auf den Inhalt bezog. 247 Vgl. die Zusammenstellung bei B. McGuinness, a.a.O., S. 166. 248 Vgl. B. McGuinness, Mystik, S. 166f. 249 Vgl. den Hinweis auf die johanneische Eschatologie in Kap. 1.1.6. 250 Vgl. B. McGuinness, a.a.O., S. 167f. – In den Tagebüchern Wittgensteins vgl. vor allem die Eintragungen ab dem 11.6.1916: TB, S. 167ff. 251

Vgl. z.B. TB, S. 181, 20.10.16. – Bei der Besprechung des „Vortrag(s) über Ethik“ (Kap. 1.2.2.) wird aber gezeigt werden, dass die „mystischen“ ‚Basis-Erfahrungen‘ Wittgensteins auf die Dreiheit Staunen, Schuld und Sicherheit ausgeweitet werden müssen. 252 Vgl. B. McGuinness, a.a.O., S. 181. – In gewisser Hinsicht treten also Logik, Ethik und Ästhetik an die Stelle der ‚klassischen‘ Transzendentalien verum, bonum und unum – m.E. in dieser eher unkonventionellen Reihenfolge.

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rung“ überwunden werden, erstere hingegen nicht.253 Die für die Befindlichkeit ausschlaggebende Einstellung zur „Gesamtheit der Tatsachen“ jedoch, d.h. das über Glücklich- oder Unglücklich-Sein entscheidende Verhältnis zur „Welt“, scheint auch nach der Darstellung von McGuinness von jeglicher transzendentalen Festlegung ausgenommen. Außer der Tatsache, dass das transzendentale Subjekt sich irgendwie zur „Welt“ verhalten muss, ist weiter nichts vorgegeben, ist das transzendentale Ich tatsächlich ‚frei‘. Es könne aber nur dann wirklich glücklich werden, wenn ihm eine vollständige Loslösung von der „Welt“ gelänge, wenn es die „Tatsachen“ also in `stoischer Ruhe´ anzublicken in der Lage sei und fähig wäre, alles, was ihm in der „Welt“ geschieht, in gleichmütiger Gelassenheit hinzunehmen. 254 Nicht äußere Ereignisse, seien es ‚positive‘ oder ‚negative‘ Widerfahrnisse, sollten der Auffassung des TLP nach die Befindlichkeit des Selbst bestimmen, sondern die aus dem eigenen Inneren her kommende Grundeinstellung. Die Ausführungen von McGuinness, insbesondere die generelle Einschätzung, dass das „mystische“ Gefühl auf die Unabhängigkeit von der „Welt“ abhebt, decken sich somit mit dem in Kap. 1.1.6. bereits Gesagten. In dem dargelegten Sinne ist nun auch zu verstehen, was Wittgenstein in einem Brief vom 22.6.1912 an Russell über das Werk „Varieties of Religious Experience“ von William James255 schrieb: „This book does me a lot of good. I don't mean to say that I will be a saint soon, but I am not sure that it does not improve me a little in a way in which I would like to improve very much: namely I think that it helps me to get rid of the Sorge (in the sense in which Goethe used the word in the 2nd part 256 of Faust).“

Aufgrund der jetzt umfasssenden Charakterisierung der „Mystik“ des TLP dürften die Unterschiede, aber auch die Ähnlichkeiten zu den traditionellen Formen der Mystik offenliegen. Als auffallendste Gemeinsamkeit soll die Überwindung der Gesetzmäßigkeiten von Raum und Zeit genannt werden.257 Z.B. gibt es auch bei Jakob Böhme – um von den bekanntesten Mystikern nur einen zu nennen – das Motiv der „`Ewigkeit in der Zeit´“ 258. 253

Was demnach das Verhältnis zwischen „dem Mystischen“ und der Logik betrifft, so ist Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 90, zuzustimmen, wenn er meint, „daß Wittgenstein `das Mystische´ logisch begründet“ (vgl. Anm. 186), aber es wäre hinzuzufügen, dass dies nur der methodologische Aspekt ist. Ontologisch gesehen gründet die Logik im Mystischen – es sei denn, beide hätten nichts miteinander gemein (dieser Auffassung ist Ch. Bezzel, ebd.). 254 B. McGuinness, Mystik, S. 188. 255 Vgl. W. James, Die religiöse Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit, Leipzig 1907. 256 L. Wittgenstein, Letters, S. 10. 257 Vgl. TLP 6.4311; s. aber auch 6.36111: Hier bringt Wittgenstein den „vierdimensionalen Raum“ in seine Überlegungen ein. 258 J. Böhme, De Regeneratione, S. 218.

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Ferner scheint das Glücksgefühl der mittelalterlichen Mystiker bei der angestrebten `unio´ mit dem Göttlichen dem Verschwinden der Probleme des Lebens, d.h. dem Erlöschen der Frage nach dem „Sinn der Welt“ zu korrespondieren. Überhaupt wäre eine Charakterisierung als ‚spirituelle Transformation‘ durchaus angebracht, insofern das „mystische“ Erlebnis bei Wittgenstein einen ‚Makroaspektwechsel‘ mit sich bringt (vgl. Kap. 1.1.6.). Eine wirkliche ‚Vereinigung mit der Gottheit‘ aber ist Wittgenstein fremd. Sie ist trotz einiger Spuren naturmystischer Tendenzen259 am ehesten noch im Gefühl der „absoluten Geborgenheit“ zu finden (vgl. Kap. 1.2.2.), aber auch hier ist keine Eins-Werdung mit dem Seinsgrund, kein Aufgeben der Einsamkeit der Individuation260 vorhanden – zumindest nicht in der radikalen Form, in der sie aus der traditionellen christlichen Mystik bekannt ist. Neben der allgemeinen ‚Grundbefindlichkeit‘ des `frühen Wittgenstein´, die sich durch die Kriegserlebnisse und die Tolstoj-Lektüre261 geändert hatte, wird 259

Z.B. könnten TLP 5.62 („Daß die Welt meine Welt ist, ...“), 5.621 („Die Welt und das Leben sind Eins.“) und 5.63 („Ich bin meine Welt. (Der Mikrokosmos.))“ so gelesen werden, dass ein Aufgehen des Subjekts in der Welt gemeint sei. B. McGuinness, Mystik, S. 184, unterstellt Wittgenstein deshalb „bestenfalls ... eine Form von Pantheismus“. Dies scheint jedoch eine etwas vorschnelle Folgerung, soll doch an diesen Stellen lediglich das „Welt“Haben des Ich herausgestellt werden. Das sei nach Wittgenstein zwar konstitutiv auch für das transzendentale Subjekt, zur Erreichung eines Glückszustandes aber müsste „Welt“ gerade als etwas vom metaphysischen Ich Abgetrenntes und der Kontingenz Ausgeliefertes begriffen werden, was B. McGuinness im weiteren Verlauf seines Beitrages auch selbst betont. „Mystik“ bei Wittgenstein hat viel gemeinsam mit einem ‚Sich-von-der-„Welt“-Abschließen‘ (vgl. griech. μύω, verschließen, schließen [besonders die Augen], auch wenn dieses Wort vielleicht keinen etymologischen Zusammenhang mit `Mystik´ aufweist [vgl. W. Stählin, Art. μῦθος, in: ThWNT Bd. IV, hg.v. G. Kittel, S. 769-803, hier: S. 772]; s. aber auch H. Krämer, Art. μυστήριον, in: ExWNT Bd. II, hg.v. H. Balz/G. Schneider, Sp. 10981105, hier Sp. 1104f: „Die Basis des Gebrauchs von μ. im NT liegt in der Grundbedeutung des griech. Wortes Unaussprechliches, d.h. dem natürlichen Denken nicht (jedoch dem Glauben) Zugängliches. ... Hier spielt die Tr. jüd.-apokalyptischer Vorstellungen (das verborgene, dann offenbarte Geheimnis) die größte Rolle“.). 260 M. Wieser charakterisiert den „sentimentalen Menschen“ des 19. Jh., der seiner Auffassung nach frühere Formen von Sentimentalität wiederbelebte, als in einer eingebildeten Einsamkeit gegenüber der Natur und den Menschen lebend. Er schreibt: „Der sentimentale Mensch steht daher als Eigenbrödler über der Masse, so sehr er sie in der Idee beherrschen möchte; er ist mit ihr gefühlsmäßig nicht verbunden. Er ist kein Revolutionär der Tat, so gern er ein Revolutionär der Idee sein will.“ Deshalb sei dem „sentimentalen Menschen“ die Mystik, die nur erfahren, nicht aber gelehrt werden könne, so wertvoll (M. Wieser, Der sentimentale Mensch, Gotha 1924, S. 111f). – Diese Hinweise können durchaus als Charakterisierung Wittgensteins gelesen werden. 261 Wittgenstein hat während des Ersten Weltkrieges L. Tolstojs „Kurze Darlegung des Evangeliums“ (Leipzig 1892) und „Meine Beichte“ gelesen, vermutlich auch noch andere Schriften. (Vgl. GT, S. 29, 11.10.1914: „Trage die `Darlegungen des Evangeliums´ von

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im Zusammenhang der Frage nach der Mystik Wittgensteins meist auch – wie in Kap. 1.1.6. bereits angesprochen – „eine Art religiöses Erweckungserlebnis ... nach einer Aufführung von Anzengrubers Stück Die Kreuzelschreiber“262 thematisiert. Dessen entscheidende Passage soll diejenige sein, in der der „Steinklopferhans“ von dem Gefühl der völligen Sicherheit spricht – egal, was ihm passiere, auch wenn er stürbe, es könne ihm nichts geschehen. Dass Wittgenstein dieses Gefühl auch auf sich bezogen und ihm einen hohen Stellenwert beigemessen hat, wird besonders im „Vortrag über Ethik“ (VüE) deutlich (vgl. Kap. 1.1.2.). Ad G): Hinsichtlich dieses VüE wird die Dreiheit von Staunen, Schuld und Sicherheit vorgestellt werden. M.E. korrespondiert sie mit der im TLP aufzufindenden ‚transzendentalen Trinität‘ von Logik, Ethik/Ästhetik und „Sinn der Welt“ bzw. Glücklich-Sein. In beiden Dreiheiten wiederum kann man Parallelen zum christlichen trinitarischen Glauben an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist aufzeigen. Zunächst ist die Beobachtung nicht von der Hand zu weisen, dass der im TLP als durchweg zugrunde liegend gedachte „logische Raum“ (vgl. das Schaubild in Kap. 1.1.) an die Stelle eines durch die `creatio continua´ die Rahmenbedingungen für seine Schöpfung erhaltenden Gottes getreten ist. Auch das Staunen über das Dass der Welt ist mit der Ehrfurcht vor einem die Welt erschaffenden Gott zu vergleichen263, selbst wenn Wittgenstein die Anschauung von einer `creatio ex nihilo´ unverständlich war. 264 Das Thema der Ethik, das im VüE als das Gefühl der Schuld wiederkehrt, steht insofern in einem christologischen Zusammenhang, als für Wittgenstein Jesus in ethischer Hinsicht „`das Vorbild´“ 265 sein kann und die Evangelien für ihn hauptsächlich eine Anleitung zu einem Leben in Demut und Anstand sind.266 Es passt in die Zeit einer immer noch vorherrschenden liberalen Theologie und ist wahrscheinlich auf seine Beschäftigung mit Nietzsches „Der Antichrist“ zurückzuführen267, dass der `frühe Wittgenstein´ – wenn auch schweren Herzens – Tolstoi immer mit mir herum wie einen Talisman.“; s. auch R. Monk, Wittgenstein, S. 133135, und K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 63-66.) 262 B. McGuinness, Mystik, S. 190. Er ist hier sehr vorsichtig bei der Einschätzung von Historizität und Wichtigkeit dieser Begebenheit für den frühen Wittgenstein, während z.B. O.A. Böhmer, Sternstunden, S. 147-159, dieses Erlebnis als das für die gesamte Wittgensteinsche Philosophie entscheidende betrachtet. Vgl. als eine Art ‚Mittelposition‘ die schon am Ende von Kapitel 1.1.6. erwähnte Darstellung von R. Monk, Wittgenstein, S. 68, der hier gefolgt werden soll. 263 Vgl. VüE, S. 16. 264 Vgl. N. Malcolm, Erinnerungsbuch, S. 90. 265 VB, S. 495, eine Bemerkung aus dem Jahre 1937. 266 Vgl. VB, S. 492, ebenfalls eine Bemerkung aus dem Jahre 1937. 267 Vgl. GT, S. 49f, 8.12.1914 (vgl. F. Nietzsche, Der Antichrist, KSA 6, S. 165-254); s. auch

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seinen Jugendglauben an die Auferstehung aufgibt268 und die Christologie in die Ethik hinein auflöst.269 Die pneumatologische Dimension der Erfahrung des „Sinnes der Welt“ nun ist unverkennbar. Dieses Erlebnis des transzendentalen Ich, das im VüE dem Gefühl der absoluten Sicherheit entspricht, ist sowohl in seiner gänzlichen Unverfügbarkeit als auch in seinem Ergebnis – der Unglückliche wird glücklich; er hat keine Fragen mehr; er sieht die „Welt“ „richtig“ – durchaus mit dem kompatibel, was aus christlicher Sicht eine Erfahrung des Heiligen Geistes genannt werden kann, wenn ihm auch deren inhaltliche Bestimmtheit fehlt: Es kann nur empfunden, nicht aber versprachlicht werden, womit es deutlich hinter dem zurückbleibt, was die Pfingstgeschichte beschreibt. Diese `vestigia trinitatis´, die man somit im Erleben des transzendentalen Ich des TLP konstatieren kann, könnten zufälliger Natur sein, aber vielleicht sind sie auch in bewusster Anknüpfung an Augustinus gebildet worden, hatte Wittgenstein doch bei diesem sicherlich Folgendes gelesen: „Ich möchte, daß die Menschen in sich selbst dreierlei ins Auge faßten. Wohl ist dies Dreifache etwas ganz anderes als jene Dreieinigkeit [sc. die Trinität Gottes; Vf.], aber ich nenne es, damit sie sich üben, prüfen und merken, wie groß der Unterschied doch ist. Ich meine diese drei: Sein, Erkennen und Wollen. ... Ist sich doch jeder selbst gegenwärtig, so schaue er in sich, sehe zu und antworte mir. Doch was er hier auch finden und vorbringen mag, er bilde sich nicht ein, das gefunden zu haben, was unwandelbar über dem allem ist, was unwandelbar ist, unwandelbar weiß und un270 wandelbar will.“ R. Monk, Wittgenstein, S. 139-141. – Gegen M. Fleischer, Spektrum, S. 14, in: NS 20 (1991), die – obwohl sie zumindest für die Spätphilosophie eine „Übereinstimmung in Sprach- und Metaphysikkritik“ konstatiert – jeglichen Einfluss Nietzsches auf Wittgenstein leugnet. 268 Vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 406: „Auf dem Schiff nach Bergen [sc. im Dezember 1938, Vf.] schrieb er [sc. Wittgenstein, Vf.] lange Passagen über die `Auferstehung Christs´ und fragte sich, warum selbst er daran glaubte [sc. geglaubt hatte, Vf.; vgl. S. 407]. Wenn Christus nicht von den Toten auferstanden sei, `so ist er im Grab verwest wie jeder Mensch. Er ist tot und verwest.´ Diesen Satz unterstrich er, um sich seine ganze Tragweite bewußt zu machen. In diesem Fall wäre Christus `ein Lehrer, wie jeder andere und kann nicht mehr helfen; und wir sind wieder verwaist und allein. Und können uns mit der Weisheit und Spekulation begnügen´.“ 269 Vgl. Wittgenstein und der Wiener Kreis, Werkausgabe Bd. 3, S. 118: „WAISMANN FRAGT WITTGENSTEIN: Hängt das Dasein der Welt mit dem Ethischen zusammen? WITTGENSTEIN: Daß hier ein Zusammenhang besteht, haben die Menschen gefühlt und das so ausgedrückt: Gottvater hat die Welt erschaffen, Gott-Sohn (oder das Wort, das von Gott ausgeht) ist das Ethische. Daß man sich die Gottheit gespalten und wieder als eines denkt, das deutet an, daß hier ein Zusammenhang besteht.“ 270 Vgl. A. Augustinus, Bekenntnisse, S. 374. – Dieses hier angedeutete Programm der Analo-

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Für den Fall, dass Wittgenstein hier tatsächlich Augustinus gefolgt sein sollte, gilt, dass eine derartige Analogisierung aus Gründen der Ehrfurcht nicht ausgesprochen werden durfte und aus Gründen des Sprachparadigmas auch nicht direkt gesagt werden konnte: Sie musste „sich zeigen“.271 Ad A)-G): Zusammenfassend kann festgehalten werden: Teilweise finden sich im TLP radikale Einweisungen in fundamentaltheologische Fragestellungen – z.B. in Bezug auf die Möglichkeit religiöser Rede überhaupt, auf den `ontologischen Gottesbeweis´ oder auf die Frage nach der `Offenbarung´ – , doch werden sie fast durchweg negativ, d.h. im Sinne einer ‚radikalnegativen Theologie‘ beantwortet. Dies liegt vor allem an dem die Überlegungen dominierenden ‚eindimensionalen‘ Sprachparadigma mit seiner `eineindeutigen´ Abbildtheorie. Das Aufbrechen von Zweifeln an dieser „Bild“-Konzeption und an der Richtigkeit der sprachlogischen Auffassungen des TLP soll nun im Folgenden Thema sein, da gerade dieser Prozess bei Wittgenstein Auswirkungen auf seine Auffassung über die Bedingungen der Möglichkeit sinnvoller religiöser Rede hat.

gisierung zwischen psychologisch-existenzialphilosophischer Analyse und dem Geheimnis der Trinität Gottes führt Augustinus später in seinem Werk „De Trinitate“ durch (dt.: ders., Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit, übers. v. M. Schmaus, München 1935), in dem er weitere Analogien (memoria, intelligentia, voluntas; Subjekt, Objekt und Tätigkeit des Liebens) bildete. 271 Über das Verhältnis zwischen dem, was die Menschen in sich finden, und der göttlichen Trinität schreibt Augustinus: „Wer wäre so vermessen, es mit menschlichen Worten zu sagen?“ (ders., Bekenntnisse, ebd.).

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1.2. Zu den Weichenstellungen der `mittleren Phase´ – oder: Vom mystischen Schweigen zur „Grammatik“ der religiösen Sprache Thesen und Verlauf des Unterkapitels: In der `mittleren Phase´ erweist sich die Unhaltbarkeit des ‚eindimensionalen‘ Sprachparadigmas aufgrund nicht eliminierbarer logischer Inkohärenzen (Kap. 1.2.1.). Wenn demnach auch die Abbildtheorie des TLP nicht mehr behauptet werden kann, ist für Wittgenstein – sowohl in sprachanalytischer als auch in ethischer Hinsicht – der Weg frei für eine neue Wertschätzung religiöser Sprache. Es fällt ihm zwar zunächst schwer, sich von seinen logizistischen Vorstellungen zu lösen (Kap. 1.2.2.), dann aber setzt eine intensive Beschäftigung mit religiöser Rede ein (Kap. 1.2.3.). Da für die vorliegende Untersuchung hauptsächlich diejenigen Entwicklungslinien der Wittgensteinschen Philosophie interessant sind, die für die theologische Rezeption besonders bedeutsam waren bzw. noch werden könnten, werden nur die für diese Fragestellung wichtigsten Arbeiten der `mittleren Phase´ herausgegriffen und besprochen werden. Auch alle Schriften, die als direkte Vorarbeiten zu den PU angesehen werden können, sollen keine eigene Darstellung erfahren. Dies gilt z.B. für die „Philosophischen Bemerkungen“, das so genannte „Big Typescript“ und die „Philosophische Grammatik“, aber auch für das „Blue Book“ und das „Brown Book“.272 All das wurde von Wittgenstein geschrieben mit Blick auf ein großes Gesamtwerk, für das die genannten Beiträge jeweils neue Anlaufversuche sind. Sie weisen deshalb einen sich stark überschneidenden Textbestand auf, dem man in den PU zu großen Teilen – und in reiferer Form – erneut begegnet, so dass hier von einer je eigenen Beschreibung der manchmal erst posthum von den Nachlassverwaltern als `Werk´ zusammengestellten Titel Abstand genommen werden kann. In dem nun folgenden Kapitel wird die Schwerpunktsetzung eine dreifache sein: Insbesondere geht es um die Gründe für die Überwindung des ‚eindimensionalen‘ Sprachparadigmas (Kap. 1.2.1.), um dadurch möglich werdende erste Überlegungen zur „Grammatik“ der religiösen Sprache (Kap. 1.2.2.) und um eine in der Mittelphase ausgearbeitete und zweifelsohne theologisch bedeutsame, weil die psychologische Religionskritik treffende Kausalkritik (Kap. 1.2.3.). Der ersten Thematik soll anhand des Aufsatzes „Bemerkungen über logische Form“ (BLF) von 1929 nachgegangen werden. Im Anschluss daran folgt die Darstellung der zweiten bekannten Arbeit aus diesem Jahr, des „Vortrag(s) über 272

Vgl. Werkausgabe Bd. 2, Philosophische Bemerkungen; Werkausgabe Bd. 4, Philosophische Grammatik, und Werkausgabe Bd. 5, Das Blaue Buch. Eine Philosophische Betrachtung (Das Braune Buch), alle hg.v. R. Rhees, Frankfurt am Main 1984. Das „Big Typeskript (MS 213)“ wurde hg.v. H. Nyman, in: Revue Internationale de Philosophie 43 (1989), S. 172-203. – Für eine genaue textkritische Aufarbeitung der Manu- und Typoskripte dieser Zeit (1929-1934) vgl. die „Wiener Ausgabe“ der Schriften Wittgensteins, hg.v. M. Nedo, Wien/New York 1993-98.

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Ethik“ (VüE). Diese Rede ist, gerade was den Bereich der Systematischen Theologie betrifft – hauptsächlich allerdings im englischsprachigen Raum – , wirkungsgeschichtlich nicht zu unterschätzen, insofern die in ihr dargebotenen Überlegungen den Ausgangspunkt für die `Fideismusdebatte´ markieren (vgl. Kap. 2.1.2.). Die Gedanken über „Ursache und Wirkung. Intuitives Erfassen“ (UuW), die „Bemerkungen über Frazers Golden Bough“ (BFGB) und die „Vorlesungen und Gespräche über Ästhetik, Psychoanalyse und religiösen Glauben“ (VuG) stellen sodann die Textgrundlage für den dritten Themenkreis dar.273 Nicht nur um die chronologische Abfolge einzuhalten, sondern auch um die Fragestellung, bei der die folgenschwerste und theologisch interessanteste Veränderung im Denken Wittgensteins stattgefunden hat, an den Anfang zu stellen, wird mit der ‚Aufsprengung‘ der TLP-Vorstellungen über das Funktionieren von Sprache begonnen. Inwieweit es daneben Themenbereiche gibt, in denen Wittgenstein zeit seines Lebens einer Ansicht geblieben ist, also letztlich die Frage, ob die Mittel- bzw. Spätphilosophie als Fortführung des TLP oder als völliger Bruch mit ihm anzusehen ist, soll im Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlich bedacht werden. Aufgrund des im Folgenden dargestellten `Paradigmenwechsels´274 erscheint es jedoch sinnvoll, trotz zahlreicher Kontinuitäten von einem Bruch zu sprechen. 1.2.1. „Bemerkungen über logische Form“ – oder: Zweifel am bisherigen Sprachparadigma These: Da sich die Idee der Unabhängigkeit der „Elementarsätze“ aus Gründen der logischen Kohärenz nicht durchhalten lässt, scheitert letztlich auch die Vision einer „Welt“ und „Sprache“ gemeinsam zugrunde liegenden Logik. Theologisch wichtig ist, dass damit auch die Abbildtheorie des TLP nicht mehr zu halten ist und eine `eineindeutige Zuordnung´ nicht mehr zum Maßstab für sinnvolle Rede erhoben werden kann. Die Syntax ist demnach nicht unabhängig von der Semantik zu denken. 273

Die ersten vier der genannten fünf Titel finden sich in: L. Wittgenstein, Vortrag über Ethik und andere kleine Schriften, hg. und übers. v. J. Schulte, Frankfurt am Main 1989: Bemerkungen über logische Form, S. 20-28; Vortrag über Ethik, S. 9-19; Ursache und Wirkung. Intuitives Erfassen, S. 101-139; Bemerkungen über Frazers Golden Bough, S. 29-46. Die „Vorlesungen und Gespräche über Ästhetik, Psychoanalyse und religiösen Glauben“ (erstmals dt. hg.v. C. Barrett, übers. und eingel. v. E. Bubser, Göttingen 1968) werden zitiert nach der Ausgabe Düsseldorf/Bonn 1994, hg.v. C. Barrett, übers. v. R. Funke. 274 Dieser Terminus wird in der vorliegenden Arbeit insofern in Anlehnung an T.S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2., rev. Aufl, Frankfurt am Main 1976, verwendet, als die Inkommensurabilität der neuen Sichtweise mit der vorigen verdeutlicht werden soll. Die kulturrelativistischen Implikationen, die dieser Begriff bei Kuhn aufweist, sollen allerdings nicht mitvollzogen werden.

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Nach den Jahren des philosophischen Schweigens als Volksschullehrer in Niederösterreich und dem Bau des Hauses für seine Schwester in der Wiener Kundmanngasse kehrte Wittgenstein im Januar 1929 nach Cambridge zurück.275 Dort traf er u.a. Frank Ramsey wieder, der ihn bereits in Österreich für längere Zeit besucht hatte. Ramsey hatte schon in seiner Rezension bezweifelt, dass die Ansicht des TLP durchhaltbar sei, nach der „die einzige Notwendigkeit die der Tautologie ist, die einzige Unmöglichkeit die der Kontradiktion.“276 Demnach müsse nämlich die Behauptung, dass ein Punkt nicht gleichzeitig verschiedene Farben haben kann, als Feststellung einer logischen Unmöglichkeit erwiesen werden.277 Ramsey gesteht aber nicht zu, dass diese Forderung durch die Zurückführung des Problems „auf das der notwendigen Eigenschaften von Raum, Zeit und Materie oder Äther“ 278 erfüllt wird, wie Wittgenstein im TLP suggeriert279. Für Ramsey liegt eine physikalische Notwendigkeit vor, die seinem Dafür-Halten nach nicht in eine logische übersetzbar ist. Zudem steht der TLP vor der Schwierigkeit, Farbprädikationen als komplex begreifen zu müssen: Das logische Produkt von „Elementarsätzen“, ihre Verknüpfung zu „Sachverhalten“, dürfte nämlich – der TLP-Theorie von der logischen und semantischen Unabhängigkeit der „Elementarsätze“ zufolge – niemals eine Kontradiktion sein, was aber bei einer Aussage wie z.B. „Dies ist (an derselben Stelle und zu derselben Zeit) rot und blau.“ der Fall wäre.280 Demnach müsste es sich hier schon um die Ebene der Vernetzung der „Sachverhalte“ handeln, denn erst auf dieser Stufe kämen (tautologische) „Notwendigkeit“ bzw. (kontradiktorische) „Unmöglichkeit“ ins Spiel. Wittgenstein war also zweifach gefordert, um sein im TLP enthaltenes Programm von der Trennung der Logik von der Semantik, das offensichtlich zur Absicherung der Abbildtheorie und damit zum Erklären des Zustandekommens von Erkenntnis überhaupt diente, zu retten: Zum einen musste er zeigen, dass die scheinbare physikalische Unmöglichkeit tatsächlich eine logische ist; zum anderen war zumindest andeutungsweise klarzulegen, wie eine Analyse von z.B. Farbprädikationen denkbar wäre. 275

Zur Rückkehr und der davor liegenden Zeit vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 187-275, und K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 87-104; zu den Jahren in Niederösterreich vgl. zudem K. Wünsche, Der Volksschullehrer Ludwig Wittgenstein, Frankfurt am Main 1985. 276 F. Ramsey, Rezension, S. 23. Vgl. TLP 6.375: „Wie es nur eine logische Notwendigkeit gibt, so gibt es auch nur eine logische Unmöglichkeit.“ 277 Zu dieser Problematik des Sich-Ausschließens unterschiedlicher Farbzuweisungen vgl. P.M.S. Hacker, Einsicht und Täuschung, S. 123-132. 278 F. Ramsey, ebd. 279 Vgl. TLP 6.3751: „Denken wir daran, wie sich dieser Widerspruch in der Physik darstellt: Ungefähr so, daß ein Teilchen nicht zu gleicher Zeit zwei Geschwindigkeiten haben kann“. 280 Vgl. TLP 6.3751: „(Es ist klar, daß das logische Produkt zweier Elementarsätze weder eine Tautologie noch eine Kontradiktion sein kann. ...)“

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Diese Problematik dürfte bei den häufigen Gesprächen, die Wittgenstein 1929 mit Ramsey führte, immer wieder diskutiert worden sein, so dass Wittgenstein sich schließlich veranlasst sah, sie zum Thema eines Vortrages zu machen, den er auf einem Philosophenkongress Mitte Juli desselben Jahres in Nottingham halten wollte. Zwar sprach er dort dann letztlich über ein anderes Thema 281, doch wurden in den Sitzungsberichten die vorher in Druck gegebenen „Some Remarks on Logical Form“ (BLF) publiziert282 – neben dem TLP die einzige philosophische Arbeit, die Wittgenstein selbst veröffentlichte. Nach der Betonung der Unvorhersehbarkeit der atomaren Form der „Sätze“ schlägt er hier vor, in die Darstellung ihrer Struktur auch Zahlen Eingang finden zu lassen (vgl. BLF, S. 22-24). Diese zunächst überraschende Idee erklärt sich dadurch, dass er ausdrücklich das Postulat der Komplexität der Farbprädikationen aufgibt und sich nun genötigt sieht, Eigenschaften mit gradueller Abstufung in die Beschreibung von „Elementarsätzen“ mit einzubeziehen: „Ich behaupte, daß die Aussage, welche einer Eigenschaft einen Grad zuschreibt, nicht weiter analysiert werden kann“ (BLF, S. 25).

Dann aber muss auch die TLP-These von der Unabhängigkeit der „Elementarsätze“ modifiziert werden. Wittgenstein legt zu diesem Zweck eine terminologische Differenz fest und postuliert, dass die „Elementarsätze“ sich zwar einander ausschließen, nicht jedoch widersprechen könnten: „Hier sage ich absichtlich nicht `widersprechen´, sondern `ausschließen´, denn zwischen diesen beiden Begriffen besteht ein Unterschied.“ (BLF, ebd.)

Diese Differenz müsste „sich“ in der logischen Notation durch den Wegfall der Zeile, in der man die Kontradiktion erwarten würde, „zeigen“. Diese Zeile dürfe gar nicht erst hingeschrieben werden, da es an dieser Stelle überhaupt kein logisches Produkt gebe (vgl. BLF, S. 26f). Es sei lediglich unsere mangelhafte Art und Weise des Niederschreibens, die die irreführende Vorstellung eines ‚Loches im logischen Raum‘ hervorrufe.283 – Trotz dieses Kunstgriffes ist aber hier die 281

Der wirklich gehaltene Vortrag befasste sich mit Fragen des Unendlichen in der Mathematik (vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 293). 282 Vgl. Aristotelian Society Supplementary Volume 9 (1929), S. 162-171. – Dt.: „Bemerkungen über logische Form“ in: L. Wittgenstein, Vortrag über Ethik und andere kleine Schriften, hg. und übers. v. J. Schulte, Frankfurt am Main 1989, S. 20-28. Nach dieser Ausgabe wird zitiert. 283 Vgl. P.M.S. Hacker, Einsicht und Täuschung, S. 125f: „Wittgensteins Vorschlag läuft auf die These hinaus, daß logische Junktoren nicht gegenstandsneutral sind und daß die im Tractatus angegebenen Junktoren-Regeln unvollständig waren. Der Bedeutung der Junktoren wird durch Wahrheitstafeln Rechnung getragen, die für Arten von Sätzen spezifisch sind. So sind für die Konjunktion von zwei Sätzen, die den Besitz von Graden einer bestimmten Qualität ausdrücken, FF, WF und FW wohlgeformt, WW aber muß als nicht

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Vision des TLP von der radikalen Unabhängigkeit der „Elementarsätze“ verabschiedet; die strikte Trennung zwischen logischer Syntax und Semantik wird aufgegeben.284 Auch die Überlegungen zum Problem der Notwendigkeit provozierten eine Vermischung von Logik und Semantik: Zwar kann Wittgenstein darauf beharren, dass es sich bei unterschiedlichen Farbzuweisungen für denselben RaumZeit-Punkt um eine logische Unmöglichkeit handelt, die auf unseren Definitionen, auf dem Anlegen unserer Koordinatensysteme beruhe285, d.h. wenn man keine Differenzierung zwischen z.B. grün und blau kennen würde, bezeichnete man auch beides mit einem Wort; doch gerade die Abhängigkeit der Notwendigkeiten vom jeweils angelegten Denksystem stellt die Logik als eine auch der Welt zugrunde liegende in Frage: Es „zeigt sich“ nur, wo wir die Grenzen ziehen. Es zeigt sich die Logik unserer Sprache, nicht die Logik schlechthin. Die Lösung für die aufgeworfene Problematik konnte letztlich nur darin bestehen, „die Idee einer notwendigen gemeinsamen Struktur von Sprache und Welt“286 – also den Kern der `Abbildtheorie´ des TLP – überhaupt aufzugeben; denn wenn auch die Logik unserer sprachlichen Beschreibung der Welt Teil der Deskription ist, d.h. sich als nicht von dieser ablösbar erweist, was rechtfertigt dann noch das Vertrauen in die sprachliche Darstellung, in die Richtigkeit der (metaphysischen) These vom sowohl der Wirklichkeit als auch ihrer Beschreibung gemeinsam zugrunde liegenden logischen Raum? Mit der Aufgabe der strengen Trennung zwischen logischer Syntax und Semantik zerbricht die für die Abbildtheorie und damit für die Möglichkeit von Erkenntnis fundamentale Voraussetzung von der Einheit von Natur und Geist, von Sein und Erkennen. Damit muss eine Überzeugung aufgegeben werden, die nicht nur zuvor für den deutschen Idealismus wesentlich gewesen ist, sondern auch die gesamte TLP-Konzeption getragen hat. Wittgenstein mag dies schon wohlgeformt ausgeschlossen werden“. Vgl. ders., a.a.O., S. 126f, und R. Monk, Wittgenstein, S. 294. 285 Vgl. Wittgenstein, VüE, S. 23, und später noch einmal ganz deutlich in „Das Blaue Buch“, S. 91: „Hier ist es das Bild einer physikalischen Unmöglichkeit, das sich aufdrängt, ...; aber wir können eher von einer Analogie sprechen, wenn wir sagen: `3 mal 40 cm passen nicht in einen Meter.´ Das ist eine grammatische Regel, die eine logische Unmöglichkeit feststellt.“ 286 R. Monk, Wittgenstein, S. 295. Vgl. E. Heller, Wittgenstein, S. 11, der von „der Preisgabe des Glaubens an einen im Schöpfungsplan beschlossenen Einklang zwischen der Logik unseres Sprachdenkens und der `Logik´ der Wirklichkeit“ spricht und in diesem Geschehen eine Parallele zwischen der Entwicklung Wittgensteins und der Nietzsches sieht. – Zur Aufgabe der Abbildtheorie vgl. P.M.S. Hacker, The Rise and Fall of the Picture Theory, in: J.V. Canfield, The Philosophy of Wittgenstein. Vol. 1: The Early Philosophy – Language as Picture, New York/London 1986, S. 379-403. Vgl. auch D. Hyder, Meaning, bes. S. 192-208; H. Watzka, Sagen und Zeigen, S. 40-45, und E. Tatievskaya, Verstehen, S. 96105. 284

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bald bewusst geworden sein, weshalb er wohl auch auf besagtem Philosophenkongress ein anderes Vortragsthema wählte. Er gestand sich immer mehr ein, dass er sich von ehemals grundlegenden Überzeugungen trennen musste.287 Es ist sicherlich nicht übertrieben zu sagen, dass sich hier ein wirklicher `Paradigmenwechsel´ anbahnte. Für einen Wittgenstein, dem die allen ‚Speichen‘ des Schaubildes zugrunde liegende Logik abhanden gekommen war, galt jetzt, was G. Gabriel über einen Descartes sagt, der auf seinen „Gottesbeweis“ in der III. Meditation verzichten müsste: „Ohne diesen Gottesbeweis steht – man muß es so sagen – Descartes 288 erkenntnistheoretisch ohne Welt da.“

So leicht aber wollte und konnte Wittgenstein sich nicht von seinen Auffassungen lösen, hatte er doch den Begriff der Notwendigkeit nicht nur wegen erkenntnistheoretischer Erwägungen aus der „Welt“ – also aus einer direkten Verknüpfung mit der Semantik – heraushalten wollen, sondern ebenfalls aufgrund seiner Überzeugung von der transzendentalen Vorgegebenheit des ethisch Guten und des mit diesem verbundenen absoluten Anspruchs: `Notwendigkeit´ sollte der Sphäre der ‚transzendentalen Trinität‘ vorbehalten bleiben, die bereits in Kap. 1.1.7. vorgestellt wurde und im „Vortrag über Ethik“ nun erneut begegnet. 1.2.2. „Vortrag über Ethik“ – oder: Anregung zur `Fideismusdebatte´ These: Nach Wittgenstein gibt es Erlebnisse, die uns veranlassen, gegen die „Grenzen der Sprache anzurennen“ und z.B. bestimmte Adjektive, die normalerweise in einem relativen Sinne benutzt werden, in einem absoluten Sinne zu gebrauchen. Dies sei ein „unsinniges“, aber kein „lächerliches“ Unterfangen. Auf Einladung von C.K. Ogden sprach Wittgenstein im November 1929 vor einem Kreis philosophisch interessierter Intellektueller, den – wie sie sich nannten – „Häretikern“, über Ethik. Monk vermutet, dass er diese Problematik vor allem deswegen wählte, um „das ... gravierendste Mißverständnis des Tractatus [zu] korrigieren: Der 289 Text sei im antimetaphysischen Geist des Positivismus geschrieben.“

Sicherlich wird aber auch die in Kap. 1.2.1. skizzierte ‚Grundlagenkrise‘ seiner Sprachtheorie dazu beigetragen haben, dass er ein für ihn so ungewöhnliches 287

Neben den Diskussionen mit Frank Ramsey ist bei diesem Prozess auch auf den Einfluss von Piero Sraffa zu verweisen (vgl. R. Monk, ebd., und K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 106). 288 G. Gabriel, Grundprobleme, S. 37. 289 R. Monk, Wittgenstein, S. 297.

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Vortragsthema aussuchte – auch wenn er diesen Beweggrund in seinen einleitenden Bemerkungen nicht zugesteht. Zunächst nimmt Wittgenstein eine Worterweiterung vor: Er wolle „Ethik“ so gebrauchen, dass dieser Ausdruck auch weite Teile des normalerweise „Ästhetik“ Genannten mit abdecke (vgl. VüE, S. 10).290 Sodann gibt er eine Reihe von Umschreibungen291, z.B. „Ethik sei die Untersuchung dessen, was Wert hat bzw. dessen, was wirklich wichtig ist“ (ebd.). Schon aus dem TLP ist bekannt, dass mit derartigen Formulierungen auf etwas abgezielt wird, dass nach Wittgensteins Auffassung außerhalb der „Welt“ und damit des sprachlich Fassbaren liegt. Nun lenkt er den Blick darauf, dass er bei all diesen Charakterisierungen die Wörter wie „gut“, „richtig“, „wichtig“ etc. in einem absoluten Sinne benutzt habe, der sich radikal unterscheide vom normalen Wortgebrauch.292 Letzterer beziehe sich nur auf relative Werturteile – z.B. schlecht Tennis spielen – und sei immer umformulierbar in „bloße Aussagen über Faktisches“ (VüE, S. 12). – Die damit postulierte kategoriale Differenz zwischen absolutem und relativem Wortgebrauch legt den Grund für die Überlegungen zur radikalen Besonderheit der „Grammatik“293 der religiösen Sprache und wurde deshalb im religionsphilosophischen Bereich zu einem der Ausgangspunkte für die so genannte `Fideismusdebatte´ (vgl. Kap. 2.1.2.), ist aber auch in der sprachanalytischen Philosophie der Ethik immer wieder kontrovers diskutiert worden.294 290

Vgl. schon TLP 6.421: „(Ethik und Ästhetik sind Eins.)“. Wittgenstein nimmt hierbei seinen Ausgangspunkt bei Moore’s Definition, dass die Ethik „die allgemeine Untersuchung dessen, was gut ist“, sei. Moore’s Skopus besteht darin, dass er mit dieser Festlegung über die Thematisierung allein „guten Verhaltens“ hinaus weisen will (vgl. G.E. Moore, Principia Ethica, S. 30f). Wittgenstein integriert diese Idee zwar in seine Umschreibungen, bleibt aber bewusst nicht bei einer allein gültigen Definition stehen: Erst viele Worterklärungen (vergleichbar mit einer „Kollektivphotographie“, VüE, S. 10) „zeigten“, was mit „Ethik“ gemeint sei. 292 Es geht Wittgenstein demnach um die Verwendungsweise einer spezifischen Gruppe von Wörtern. Er folgt damit dem sprachanalytischen Programm, das G.E. Moore, a.a.O., S. 72, ausgegeben hatte: „Die Besonderheit der Ethik besteht nicht darin, Aussagen über menschliches Verhalten zu erforschen, sondern Aussagen zu erforschen über die Eigenschaft von Dingen, die mit dem Begriff ›gut‹ und die gegenteilige Eigenschaft, die mit dem Begriff ›schlecht‹ bezeichnet wird.“ (Zeichensetzung wie im Original.) Die Art der Analyse des Sprachgebrauchs im VüE erinnert aber bereits an die Methodik, die die Spätphilosophie charakterisieren wird (vgl. Kap. 1.3.). – Vgl. dazu auch L. Hughes, Wert, S. 81-84; A. Koritensky, Phänomenologie, S. 134-144, und R. Raatzsch, Wittgenstein, S. 118-126. 293 Zu diesem Ausdruck, den Wittgenstein in hier bereits angedeuteter ungewohnter Bedeutung verwendet, vgl. Kap. 1.3.1. 294 Als einer der prominentesten Gegner dieser Differenzierung sei R.M. Hare genannt, der den „Gebrauch des Wortes ›gut‹ in moralischen Zusammenhängen“ nicht als „völlig verschieden von seinem Gebrauch in nicht-moralischen Zusammenhängen“ ansehen, sondern „gut“ in einer allgemeinen Definition als „das Wort, das man zum Empfehlen gebraucht“, 291

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Nach Wittgensteins Überzeugung enthielte nun ein „Welt-Buch ... mit sämtlichen physischen und psychischen Einzelheiten“ (ebd.) z.B. eines Mordes, letztlich mit allen Fakten überhaupt – und man könnte im Sinne des TLP hinzufügen: mit allen „Elementarsätzen“ samt der Zuschreibung ihrer Wahrheitswerte – keinen einzigen echten Satz der Ethik. Diese sei in keiner Weise an innerweltliche „Sachverhalte“ geknüpft.295 Damit sei sie aber – mittels der sich nach der Abbildtheorie des TLP nur auf Innerweltliches beziehenden „Sprache“ – unausdrückbar; alles Reden in dieser Richtung sei „Unsinn“ (vgl. Kap. 1.1.6. und 1.1.7.). Dennoch gebe es Situationen, in denen Menschen derart reden wollten. Für sich persönlich führt Wittgenstein drei Widerfahrnisse an, die bereits in Kap. 1.1.7. angedeutet und mit der ‚transzendentalen Trinität‘ von Logik, Ethik/Ästhetik und „Sinn der Welt“ parallelisiert wurden (VüE, S. 14-16): a) Das Staunen über die Existenz der Welt. b) Das Erleben einer absoluten Sicherheit. c) Das Fühlen von Schuld. Bei jedem Versuch, diese Erlebnisse formulieren zu wollen, müsse man aber erkennen, dass man die benutzten Wörter nur als Gleichnisse gebraucht habe, wobei man nicht einmal sagen könne, wofür sie stehen. Das mache sie zum „Unsinn“. Wie kann man über das Dass der Welt staunen, wenn man sich ein „Ohne-sie“ gar nicht denken kann? Wie kann man absolute Sicherheit fühlen, wo doch Sicherheit immer nur relativ gewährleistet sein kann? Und warum kann man etwas Derartiges wie Schuld empfinden? – Es gibt einfach im Sinne des TLP keine „Tatsachen“, auf die diese Erlebnisse, die selbst natürlich „Tatsachen“ sind, direkt Bezug nehmen. Eine solche „Sinnhaftigkeit“ würde sie auch nur an die „Welt“ binden, aus der sie hinausweisen wollen. Dieses Wollen aber ist und bleibt in der Sprache gefangen: „Dieses Anrennen gegen die Wände unseres Käfigs ist völlig und absolut aussichtslos. ... Doch es ist ein Zeugnis eines Drangs im menschlichen Bewußtsein, das ich für mein [sic!] Teil nicht anders als hochachten kann und um keinen Preis lächerlich machen würde.“ (VüE, S. 19)

Offensichtlich findet sich hier die „Mystik“ des TLP wieder (vgl. Kap. 1.1.6. und 1.1.7.); trotz aller Bemühung bleibt am Ende nur das ehrfürchtige Schweigen-Müssen über das, was „sich zeigen“ muss, weil es der „Welt“ zugrunde liegt und somit nichts Innerweltliches ist, auf das mit der Sprache „sinnvoll“ gedeutet werden könnte. Es handelt sich demnach nicht allein um die Explikation der

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auffassen will (vgl. R. M. Hare, Sprache der Moral, S. 173-188; Zitate S. 176 und S. 186). Damit wendet sich Wittgenstein implizit gegen den `naturalistischen Fehlschluss´, d.h. gegen die Überzeugung, aus Deskriptivem Normatives ableiten zu können. Auch in diesem Punkt stimmt er mit G.E. Moore, Principia Ethica, S. 40ff u.ö., überein.

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„Ethik“ des Tractatus, sondern dessen ganze Abbildtheorie steht – trotz aller Anfragen Ramseys und Sraffas – weiterhin im Hintergrund. Ein Ende des vorigen Unterkapitels schon angedeuteter tieferer Beweggrund, warum – abgesehen von den erkenntnistheoretischen Erwägungen zur Absicherung von Erkennen überhaupt – der Gedanke an Notwendigkeit aus dem innerweltlichen Bereich der Semantik herausgehalten werden sollte, tritt jetzt noch deutlicher vor Augen als schon im TLP: Gibt es das Ethische, das absolut Gute, den „Sinn der Welt“, dann dürfe es als solches auch die Kategorie der Notwendigkeit beanspruchen: „Nun wollen wir einmal schauen, was wir möglicherweise unter dem Ausdruck »die absolut richtige Straße« verstehen könnten. Ich nehme an, es wäre die Straße, die jeder, wenn er sie erblickte, mit logischer Notwendigkeit gehen müßte; ginge er sie nicht, müßte er sich schämen. Das gleiche gilt für das absolut Gute; wäre es ein beschreibbarer Sachverhalt, müßte ihn jeder – unabhängig von seinen jeweiligen Vorlieben und Neigungen – notwendig herbeiführen oder sich schuldig fühlen, weil er ihn nicht herbeiführt. Ein solcher Sachverhalt, möchte ich behaupten, ist ein Hirngespinst.“ (VüE, S. 13f)

Das absolut Gute kann also nicht in die „Welt“ hineingezogen werden. Es existiert gerade nicht als Sinn in der „Welt“, sondern ist ihr als ‚ihr außerhalb‘ und für die im „Käfig“ gefangene „Sprache“ (VüE, S. 17) unerreichbar vorgegeben. Somit ist es nur konsequent, die im TLP eingeführte Unterteilung in „sinnvolle“ und „unsinnige“ Sätze beizubehalten296, was der Differenz zwischen relativem und absolutem Werturteil entspricht. Damit bleibt Wittgenstein noch ganz auf dem Boden des TLP. Auch die für den `späten Wittgenstein´ so charakteristische Kritik metaphysischen Wortgebrauchs mittels des Aufweises diverser ‚Verirrungen‘ menschlichen Denkens, die aufgrund eines Fehlgeleitet-Werdens durch die Sprache provoziert werden (vgl. Kap. 1.3.2.), ist im VüE noch nicht zu entdecken. Zwar findet sich erstmals eine Berücksichtigung des Verwendungssinnes von Wörtern, indem Bedeutung und Kontext miteinander in Verbindung gesetzt werden, aber eine rechte Akzeptanz dieser Vorstellung ist noch nicht festzustellen. Die neue Methode deutet sich an, besitzt hier aber noch eine deutliche Ausnahmestellung, indem eine spezifische Gruppe von Wörtern zu dieser Methodik zwingt, ohne dass ihr schon ein allgemein gültiger Stellenwert eingeräumt wird. Aufgrund der gemachten Beobachtungen lässt sich festhalten, dass Ende 1929 der Paradigmenwechsel in Bezug auf die Sprachtheorie (vgl. Kap. 1.3.1.) – trotz der im vorigen Abschnitt (Kap. 1.2.1.) aufgezeigten, schon deutlichen Zweifel 296

Wie in Kap. 1.1.5. dargelegt, gibt es im TLP zusätzlich noch die „sinnlosen Sätze“, nämlich die Tautologien und die Kontradiktionen, aber diese interessieren im Zusammenhang der „Ethik“ nicht.

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an der alten Grundvorstellung – noch nicht vollzogen ist. 297 Deshalb sollte man den VüE auch besser nicht der Spätphilosophie zuordnen. 298 In diesem Jahr der Rückkehr nach Cambridge handelt es sich lediglich um eine – wenn auch viel problembewusstere – Neuaufnahme der TLP-Philosophie, die erst Anfang der 30er Jahre zu neuen Vorstellungen vom Funktionieren von Sprache kommt. Bevor diese aber hier vorgestellt werden, soll auf die Kausalkritik der Mittelphase eingegangen werden, da sie fundamentaltheologisch bedeutsam ist. 1.2.3. „Ursache und Wirkung“ – oder: Kausaldenken und Religionswissenschaft These: Indem Wittgenstein mittels seiner Sprachanalyse den Kausalbegriff einer sozialdarwinistisch eingestellten Religionswissenschaft – und damit den der psychologischen Religionskritik – als den Religionen unangemessen herausstellt, begegnet er auf originäre Weise der Herausforderung, die durch Feuerbach der Theologie gestellt ist. Religiöse Äußerungen kann man nach Wittgenstein nur dann wirklich nachvollziehen, wenn man ihnen eine teilweise besondere „Grammatik“, die einen von anderen Kausalitätsbegriffen deutlich unterschiedenen beinhaltet, zugesteht und auf diese Art ‚eindimensionales‘ Denken überwindet. Nach der Destruktion der Abbildtheorie und damit des ‚eindimensionalen‘ Sprachparadigmas des TLP besteht keine Notwendigkeit mehr, das Bilderverbot weiterhin im Sinne einer ‚radikalnegativen Theologie‘ (vgl. Kap. 1.1.7.) auf die Sprache auszudehnen, so dass Wittgenstein beginnt, sich explizit mit religiöser Rede zu beschäftigen. 299 Seine kausalkritisch begründete und durch sprachanaly297

So kommt auch T. Redpath, obwohl er seine Interpretation des VüE nicht recht mit dem TLP in Verbindung setzt, zu dem eigentlich richtigen Ergebnis: Wittgenstein selbst „has manufactured the `cage´ against the walls of which he tells us that it is `perfectly, absolutely hopeless´ to run.“ (T. Redpath, Wittgenstein and Ethics, in: A. Ambrose/M. Lazerowitz, Ludwig Wittgenstein. Philosophy and Language, London/New York 1972, S. 95-119, hier: S. 118.) 298 Gegen z.B. M. Kroß, Klarheit, S. 136-142, wo er unter „5.2. Das `Anrennen gegen die Grenze der Sprache´.“ die „Ethik in der Spätphilosophie“ (S. 136) darstellen will, obwohl doch gerade dieses Bild zur Sprachauffassung des TLP gehört. Inhaltlich konstatiert Kroß in seiner sonst sehr gelungenen Darstellung dann auch in Bezug auf die Ethik eine gegenüber dem TLP „unveränderte Denkweise“ (S. 137). – Vgl. dazu Wittgenstein und der Wiener Kreis, Werkausgabe Bd. 3, S. 117, wo eine Notiz Wittgensteins vom 17.12.1930 wiedergegeben wird, also nur ein gutes Jahr nach dem VüE: „Anrennen gegen die Grenze der Sprache? Die Sprache ist ja kein Käfig.“ 299 Wenn Wittgenstein im Folgenden behauptet, dass religiöse Sprache auf Bildern beruhe (vgl. VuG, S. 99f), so ist dies kein Einwand gegen die obige Feststellung, da die Pointe der Wittgensteinschen Behauptung darin liegt, dass religiöse Bilder anders aufgefasst werden

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tische Beispiele illustrierte Missbilligung der Vorgehensweise bestimmter Religionswissenschaftler, sich dem Phänomen der Religion mit sozialdarwinistisch geprägten Betrachtungsweisen zu nähern, soll hier nun vorgestellt werden. Schon bei der Darstellung des TLP ist auf die Kausalkritik Wittgensteins verwiesen worden (vgl. Kap. 1.1.5. und 1.1.6.). Durch Bemerkungen Russells über die angeblich wichtige Rolle der Intuition beim Erkennen von Ursachen300 scheint Wittgenstein angeregt worden zu sein, sich erneut mit diesem Thema auseinander zu setzen. Von 1937/38 stammen zumindest mehrere interessante Bemerkungen zu dieser Problematik. Sie sind auf deutsch unter dem Titel „Ursache und Wirkung. Intuitives Erfassen“ (UuW) von J. Schulte in z.T. nachträglicher deutscher Übersetzung veröffentlicht worden. 301 Selbst wenn Wittgenstein hier für den Bereich der Physik zugesteht, dass vermutete Zusammenhänge durch wiederholte Experimente zumindest falsifiziert werden können302, so sieht er diese theoretische Möglichkeit z.B. bei ästhetischen Urteilen oder auch bei Angaben von Gründen für bestimmte Gefühlsregungen nicht gegeben. Offensichtlich lägen hier ganz andere Vorgänge zugrunde, die aber gern ignoriert würden, weil man dazu neige, das Bild von Kausalität zu vereinheitlichen: „Wie nun, wenn ich sagte, wir vergleichen, wenn wir von Ursache und Wirkung reden, alles dem Fall des Stoßes; der ist das Urbild der Ursache der Wirkung?“ (UuW, S. 103) als ‚normale Bilder‘: Nur wenn sie wie diese – wie „Abbilder“ – gebraucht würden, wäre an das Bilderverbot zu erinnern. 300 Vgl. B. Russell, The Limits of Empiricism, in: Proceedings of the Aristotelian Society 1935/36. (Angabe nach R. Rhees, Anm. 1 zu UuW, S. 101.) 301 In: L. Wittgenstein, Vortrag über Ethik und andere kleine Schriften, hg.v. J. Schulte, Frankfurt am Main 1989, S. 101-139. Die englische Erstveröffentlichung, in: Philosophia 6 (1976), S. 392-408 u. 427-446, stammte von R. Rhees. – Dieser redet a.a.O., S. 120, Anm. 6, von Aufzeichnungen zu Vorlesungen, „die Wittgenstein im Herbst 1937 sowie im folgenden Winter und im Frühjahr 1938 im Trinity College, Cambridge, hielt.“ Das widerspricht aber offensichtlich den genau belegten Angaben Monks, nach denen Wittgenstein erst ab Mitte März 1938 wieder in Cambridge war und nur für das letzte Trimester des laufenden akademischen Jahres eine Dozentur erhielt (vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 414419; zu dem gesamten Zeitraum Sommer 1937 bis April 1938 vgl. S. 397-424.). 302 Er gebraucht den Ausdruck `Falsifikation´ selbst nicht, liegt hier der Sache nach aber auf einer Linie mit Karl Popper. Auffällig ist, dass dessen erstes großes Werk „Logik der Forschung“ 1935 erschienen war (vgl. 10. Aufl., Tübingen 1994), also kurz vor dieser Zeit, in der Wittgensteins Interesse am nicht nur für die Wissenschaftstheorie so wichtigen Kausalitätsproblem wieder erstarkte. Sicherlich kannte Wittgenstein dieses Buch, verband ihn mit Popper doch – trotz des wenig freundschaftlichen Verhältnisses beider (vgl. z.B. R. Monk, Wittgenstein, S. 524) – die kontinuierliche Kritik an den Vorstellungen des „Wiener Kreises“, wenn auch die Poppersche Frontstellung zumindest für die Zeitgenossen offensichtlicher war.

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Wittgenstein warnt aber vor dieser Übertragung der Idee der physikalischen Ursache, des „Anstoßes“, auf den Bereich der Gefühle und der Ästhetik, ja auf das gesamte Feld der Psychologie: „Warum nennt man das, was man unmittelbar erkennt, ebenso wie das, was uns wiederholte Erfahrung der Koinzidenz lehrt? Inwiefern ist es denn dasselbe? (Aus einer andern Erkenntnisquelle fließt eine andere Erkenntnis.)“ 303 (UuW, S. 110)

Das Denken in ‚mechanistischen Abläufen‘ ist aber mittlerweile auch in der Psychologie z.T. so selbstverständlich geworden, dass die In-Frage-Stellung dieser Denkweise manchmal gar nicht mehr verstanden wird. Nach Wittgenstein führt diese Vereinheitlichungstendenz jedoch zu falschen Vorstellungen und Postulaten: „Wenn von Graphologie, Physiognomik und dergleichen die Rede ist, hört man immer wieder den Satz: `... es muß freilich der Charakter sich irgendwie in der Schrift ausdrücken ...´ ›Es muß‹, d.h.: dieses Bild wollen wir unter allen Umständen anwenden.“ (UuW, S. 104)304 „Es gibt ein Ideal – eine Richtung, in die die Untersuchungen ständig gedrängt werden. Der Ausdruck `es muß geben´ entspricht diesem Ideal.“ (UuW, S. 127)

Die Aufgabe der Philosophie könne in diesem Fall nur darin bestehen, die „Grammatik“ des Wortes „müssen“, d.h. seine unterschiedlichen Verwendungsweisen zu klären. 305 Dazu gehöre aber auch darauf hinzuweisen, dass z.B. wiederholt entdeckte Übereinstimmungen nicht notwendig im Verhältnis kausaler Abhängigkeit stehen, die Verwendung von „müssen“ – als das Reden von einer Notwendigkeit – hier also keinerlei Berechtigung habe. So sei im Falle zweier Pflanzensamen, die Pflanzen unterschiedlicher Art hervorbringen, bei der Benennung des angeblich deutlichen Unterschiedes zu fragen: „»Woher weißt Du, daß das Merkmal, das Du entdeckt hast, nicht rein zufällig ist? Woher weißt Du, daß das etwas damit zu tun hat, daß einmal jene Pflanze aus dem Samen wird?«“ (UuW, S. 105) 303

Vgl. auch I. Kant, der an dieser Stelle ebenfalls differenziert und für das „ästhetische Urteil“ den Begriff des „Geschmacksurteiles“ benutzt (vgl. I. Kant, Kritik der Urteilskraft, A/B 3ff (Werkausgabe Bd. X, Frankfurt am Main 1974, S. 115ff)). – In VuG, S. 9-57, beschäftigt sich Wittgenstein ausführlich mit „ästhetischen Urteilen“: Wiederum kommt es ihm darauf an, die Vorstellung einer einheitlichen Beschaffenheit zu überwinden und zu zeigen, dass „ästhetische Urteile“ z.T. höchst unterschiedlicher Natur sind. 304 Als einer der damals bekanntesten Vertreter der Auffassung, dass die Physiognomie auf den Charakter schließen lasse, sei hier der Philosoph und evangelische Theologe Johann Kaspar Lavater (1741-1801) erwähnt (u.a. „Von der Physiognomik“, Leipzig 1772). 305 Diese Art der Aufgabenstellung entwickelt sich zu der die `Spätphilosophie´ charakterisierenden Methodik (vgl. Kap. 1.3.1. und 1.3.2.).

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Der bleibend hypothetische Charakter auch naturwissenschaftlicher Aussagen wird also herausgestellt, die Ähnlichkeit z.B. mit Popper ist unübersehbar.306 Auf dem Hintergrund der skizzierten Gedanken über Kausalität, über das fast zwanghaft zu nennende Annehmen einer Ursächlichkeit – und auch nur einer Art von ihr – , ist nun vieles aus Wittgensteins „Bemerkungen über Frazers Golden Bough“ (BFGB)307 besser verständlich. Frazer unternimmt in seinem Werk den Versuch, durch den Vergleich von Mythen, Gebräuchen, magischen Praktiken und damit verbundenen religiösen Vorstellungen die These zu belegen, dass sich die Glaubens-Überzeugungen der Menschheit in der Abfolge Mythos, Religion, Wissenschaft entwickelt hätten und damit ein Fortschreiten von Erkenntnis einhergegangen sei – von den naiven Vorstellungen eines primitiven Menschen hin zu den tiefen Einsichten eines modernen Denkers. Dass Wittgenstein solche im weitesten Sinne `sozialdarwinistisch´ inspirierten ‚modernen Fortschrittsmythen‘ 308 wenig interessierten – ganz abgesehen von ihren rassistischen Implikationen – , hatte er bereits im TLP dargelegt. 309 Seine Äußerungen beziehen sich deshalb auch nicht auf Probleme innerhalb des Gedankenganges von Frazer. Es geht ihm vielmehr um die Methode, um die Art der gestellten Fragen, und d.h. in diesem Kontext um das Herantragen inadäquaten Kausaldenkens. Somit ist für Wittgenstein der in der Tendenz religionsapologetische310 Aufweis wichtig, dass hier gänzlich Verschiedenes auf irreführende Weise vermischt wird: „Schon die Idee, den Gebrauch – etwa die Tötung des Priesterkönigs – erklären zu wollen, scheint mir verfehlt.“ (BFGB, S. 29) 306

Vgl. schon Anm. 302. – Zwar stellt Wittgenstein die Frage nach wissenschaftstheoretischen Konsequenzen aus der Problematik des induktiven Schließens bzw. – umgekehrt – aus der Nicht-Verifizierbarkeit von All-Sätzen nicht auf dieselbe Art wie Popper, sie schwingt jedoch immer mit. Vgl. seine Äußerung von wahrscheinlich schon 1931: „Jede Erklärung ist ja eine Hypothese.“ (Wittgenstein, BFGB, S. 31.) 307 1931 begann Wittgenstein zusammen mit Maurice Drury (zu diesem vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 283-285), den ersten von 13 Bänden von Frazers monumentalem Werk zu lesen, und diktierte noch im gleichen Jahr den ersten Teil seiner BFGB (vgl. M. Drury, Conversations, S. 120, Anm. 16). Die weiteren Abschnitte stammen wohl aus der Zeit nach 1936: Wittgenstein besaß nun ein eigenes Exemplar einer gekürzten Ausgabe und las immer wieder einmal darin (vgl. R. Munz, Rätsel, S. 340). – Zur Interpretation vgl. A. Koritensky, Phänomenologie, S. 145-163; N. Lillegard, Wittgenstein on Primitive Religion, in: Akten 1983, S. 170-172, und R. Munz, Religion als Beispiel, S. 50-64 (vgl. Kap. 2.2.7.). 308 Zur Aktualität von sozialdarwinistischen Anschauungen in Anthropologie und Psychologie vgl. J. Horgan, Die neuen Sozialdarwinisten, in: Spektrum der Wissenschaft 12/1995, S. 80-88. 309 Vgl. TLP 4.1122: „Die Darwinsche Theorie hat mit der Philosophie nicht mehr zu schaffen als irgendeine andere Hypothese der Naturwissenschaft.“ 310 Vgl. A. Engstler, Ergriffen und umgedreht, S. 121.

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Die Konsequenz dieses zwanghaften Wollens, das vorschwebende Bild von Kausalität und Fortschrittsgeschichte311 unbedingt anzuwenden, kommt Wittgenstein seltsam unpassend vor: „Es ist sehr merkwürdig, daß alle diese Gebräuche endlich sozusagen als Dummheiten dargestellt werden.“ (ebd.)

Die Anschauung Frazers impliziert, dass es irrtumsfähige – ‚quasi naturwissenschaftliche‘ – Meinungen gibt, die religiösen Praktiken zugrunde liegen, dass sich Religion also prinzipiell nach dem Schema Wissen/Irrtum beurteilen und letztlich ‚wegerklären‘ ließe, wie es psychologische Religionskritik, die dieser Einschätzung folgt, bereits lange versucht. Einer ihrer Begründer, nämlich Ludwig Feuerbach, soll an dieser Stelle zu Worte kommen: „Das Abhängigkeitsgefühl des Menschen ist der Grund der Religion; der Gegenstand dieses Abhängigkeitsgefühles, das, wovon der Mensch abhängig ist und abhängig sich fühlt, ist aber ursprünglich nichts anderes, als die Natur. Die Natur ist der erste, ursprüngliche Gegenstand der Religion, wie 312 die Geschichte aller Religionen und Völker sattsam beweist.“

Danach geht die Ausprägung von Religion letztlich auf das Missverständnis der Menschheit zurück, von übernatürlichen, in der Natur wirkenden Kräften abhängig zu sein, statt sich als direkt von der Natur abhängig zu begreifen. 313 Ist durch diese Ansicht die Rede Schleiermachers vom „schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühl“ 314, ja sogar jeglicher Ausgang der Theologie von einer anthropologischen bzw. existenzialphilosophischen Analyse als ein ‚Feuerbach-in-dieFalle-Gehen‘ vor allem bei den so genannten `Offenbarungstheologen´ in Verruf geraten und deshalb der radikale Anfang beim `Wort Gottes´ gesucht worden315, 311

Mit der Zurückhaltung der Benutzung der Kausalvorstellung in Bezug auf Geschichte weist Wittgenstein eine große Affinität zu F. Nietzsche auf, wenn sich dieser z.B. gegen die gänzliche Vereinnahmung des Geschehenen durch den kausal erklärenden Historiker wendet und in diesem Zusammenhang von „der historischen Krankheit“ als eines Symptoms des kulturellen Verfalls spricht (KSA I, Unzeitgemässe Betrachtung II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben, S. 243-334, hier: S. 329), ohne jedoch die Gültigkeit sozialdarwinistisch-psychologischer Religionskritik anzuzweifeln. 312 L. Feuerbach, Das Wesen der Religion, S. 229 (Komma-Setzung wie im Original.). 313 Das Christentum bildet für Feuerbach den sich historisch entwickelt habenden Spezialfall der Projektion des Wesens der Menschheit auf eine als transzendent vorgestellte Göttlichkeit, mit deren Hilfe das Individuum sich seine Wünsche als zukünftig erfüllt denke (vgl. L. Feuerbach, Das Wesen des Christentums, Ges. Werke Bd. 5, hg.v. W. Schuffenhauer, 2. Aufl., (Ost-)Berlin 1984). 314 Vgl. F. Schleiermacher, Der christliche Glaube, besonders §§ 32-35, S. 171-184. – Eine Kritik an seinem Entwurf wird allerdings aus anderen Gründen vorzubringen sein (vgl. Kap. 1.3.3., ad ‚Anti-Psychologismus‘). 315 Dazu vgl. vor allem Texte von Karl Barth, z.B.: Ludwig Feuerbach – Mit einem polemischen Nachwort, in: ZwdZ 5 (1927), S. 11-40; Das Wort in der Theologie von Schleierma-

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so widerspricht Wittgenstein den psychologisch-historischen Kausalerklärungen der Religionskritiker bereits innerhalb ihres eigenen Denkmodells, indem er den verwendeten Kausalbegriff als unpassend herausstellt. Damit reagiert er auf andere Weise als bisherige Theologie auf die durch Feuerbach formulierte Herausforderung; auch die so genannten `Vermittlungstheologen´ haben auf diese Schwäche der angesprochenen Religionskritik noch kaum hingewiesen. Normalerweise – so Wittgenstein – bringe man Menschen durch den Hinweis auf einen Irrtum zur Änderung ihrer Handlungsweise: „Aber das ist doch bei den religiösen Gebräuchen eines Volkes nicht der Fall, und darum handelt es sich eben um keinen Irrtum.“ (BFGB, S. 30)

Der Ausdruck „Irrtum“ erscheint hier – ebenso wie das gesamte wissenschaftliche Wortfeld316 – unangemessen. Wie schon in Kap. 1.1.6. und 1.1.7. deutlich geworden ist, ist Religion für Wittgenstein – und offensichtlich nicht nur für den des TLP – ein Sich-Verhalten zu der „Welt“ der „Tatsachen“, eine „Einstellung“ des transzendentalen Subjektes. Zwar „zeigt sich“ eine religiöse Einstellung an bestimmten religiösen Bräuchen und Riten in der „Welt“, aber sie lässt sich nicht wie die Behauptung einer „Tatsache“ überprüfen; sie liegt überhaupt nicht auf einer Ebene mit einem wie auch immer gearteten „Wissen“. Religion als Ausdruck der Grundbefindlichkeit des Menschen steht der transzendentalen Vorgegebenheit von Ethik und Ästhetik nahe, nicht aber naturwissenschaftlichen Aussagen – und ist deshalb auch nicht wie solche zu analysieren. Danach kann Religion gar nicht `wahr oder falsch´ sein, kann sie nicht auf ‚falscher Projektion‘ beruhen. Es ist zu betonen, dass die an der Religionswissenschaft à la Frazer oder – implizit – an der Religionskritik à la Feuerbach geübte Kausalkritik nicht notwendigerweise mit dem ontologischen bzw. transzendentalphilosophischen Konzept des `frühen Wittgenstein´ verknüpft ist, ebenso wenig wie mit seiner Mystik. 317 Zwar könnte man im Sinne des TLP sagen, dass die Kritisierten eine Kausalicher bis Ritschl, in: Die Theologie und die Kirche (Gesammelte Vorträge 2), München 1928, S. 190-211; Feuerbach, §18 in: Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert, 2. Aufl., Zürich 1952, S. 484-489, aber auch die Feuerbach-Stellen aus der KD, z.B. Bd. I/1, S. 131f, und Bd. III/2, S. 22f. 316 Indirekt drückt Wittgenstein hier bereits Kritik an Descartes aus (vgl. Kap. 1.3.2.3.): Die naturwissenschaftliche Unterordnung eines Objektes unter die kausale Fragestellung wurzelt letztlich im durch Descartes `philosophisch´ begründeten Auseinanderfallen von res cogitans und res extensa und wird dem Phänomen der Religion in keiner Weise gerecht. Sie führt nicht nur zu einer rein funktionalistischen Betrachtungsweise, sondern auch zu sozialdarwinistischen Überzeugungen. 317 Im Rahmen der Spätphilosophie wird die Kritik an bestimmten Kausalvorstellungen einen viel größeren Stellenwert gewinnen. Von ihr her werden grundsätzliche Veränderungen im Verständnis von Geschichte und Selbstwahrnehmung, von „Regel“-geleiteten Prozessen und von psychischen Vorgängen entwickelt werden (vgl. Kap. 1.3.2.4 und 1.3.2.5).

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tätsvorstellung, die sie berechtigterweise zur Beschreibung von „Tatsachen“ in der „Welt“ verwenden, auf das transzendentale Subjekt zu übertragen suchen, womit sie einen ‚Kategorienfehler‘ begehen; aber der Vorwurf der Verwendung eines inadäquaten Kausalbegriffes gilt unabhängig von der TLP-Konzeption. Das wird in den VuG noch einmal besonders deutlich. Neben einigen anderen Gesichtspunkten, die in VuG (Sommer 1938318) zumeist nur kurz angedeutet werden, ist die Inkompatibilität „normaler“ Beweisführung und religiöser Argumentation ein durchgängiges Thema: „Diese Auseinandersetzungen sehen ganz anders als normale Auseinandersetzungen aus. Die Begründungen sehen ganz anders aus als normale Begründungen.“ (VuG, S. 80) „Alles, was ich normalerweise Beweis nenne, hätte nicht den geringsten Einfluß auf mich.“ (VuG, S. 81)

Die unterschiedliche Kausalvorstellung bewirkt auch einen anderen Sprachgebrauch: „Wir sprechen nicht von Hypothesen oder von hoher Wahrscheinlichkeit. Auch nicht von Wissen. In einem religiösen Diskurs benutzen wir Ausdrücke wie »Ich glaube, dies und das wird geschehen«, und wir benutzen sie in anderer Art als in der Wissenschaft.“ (VuG, S. 82)

In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass Wittgenstein innerhalb dessen, was als `religiöser Diskurs´ bezeichnet werden kann, zwischen religiösem Glauben und Aberglauben unterscheidet.319 Aberglaube ist dadurch charakterisiert, dass er eine inadäquate Kausalvorstellung innerhalb der Religion anwendet, d.h. Erscheinungen religiös deutet, die auch auf andere, auf empirisch-wissenschaftliche Weise erklärt werden könnten: „Angenommen, ich fahre an einen Ort wie Lourdes in Frankreich. Angenommen, ich fahre mit einer sehr leichtgläubigen Person. Wir sehen dort, wie Blut aus etwas heraus fließt. Er sagt: »Da siehst du es, Wittgenstein. Wie kannst du zweifeln?« Ich würde sagen: »Kann das nur auf eine Weise erklärt werden? Kann es nicht so oder so sein?« Ich würde versuchen, ihn davon zu überzeugen, daß er nichts von Bedeutung gesehen hat.“ (VuG, S. 87) 318 319

C. Barrett, Vorwort, S. 7. Vgl. H. Putnam, Über den religiösen Glauben, S. 191: „Wittgenstein liegt daran, jegliche Kontinuität zu leugnen zwischen dem, was er für religiösen Glauben erachtet, und dem wissenschaftlichen Glauben. Wenn eine Kontinuität besteht – und nur dann, wenn wirklich Kontinuität besteht – ist Wittgenstein bereit, Wörter wie `lächerlich´, `absurd´, `leichtgläubig´ und `Aberglauben´ zu gebrauchen.“ Vgl. auch A. Engstler, Ergriffen und umgedreht, S. 123.

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Ebenso sei jemand, der seinen religiösen Glauben mit Vernunftargumenten beweisen wolle, dem gleichen Fehler der Vermischung verschiedener Ebenen und damit einem Aberglauben erlegen (vgl. VuG, S. 85). Religion ist nach Wittgenstein keine Frage der Vernunft, sondern liegt auf einer ganz anderen Ebene.320 In gewisser Weise könnte man sagen: Sie muss sich nicht der Vernunft unterordnen, sondern ist jeglichem Vernunftgebrauch vorgängig. Deshalb kann sie auch nicht – wie es hingegen den Aberglauben charakterisiert – in Widerspruch zur Wissenschaft geraten. Damit verknüpft ist der Aspekt der Inkommensurabilität: Wittgenstein insistiert immer wieder darauf, dass – als weitere Konsequenz der Unterschiedenheit religiöser Rede von „normalen“ Argumentationen – auch Widerspruch zu religiösen Aussagen dem Nicht-Religiösen eigentlich gar nicht möglich ist: „Angenommen, jemand glaubt an das Jüngste Gericht, ich dagegen nicht. Bedeutet das, daß ich das Gegenteil glaube, gerade, daß es so etwas nicht geben wird? Ich würde sagen: `Ganz und gar nicht, oder nicht in jedem Fall.´“ (VuG, S. 77)

Eine verbreitete Deutung dieser Stelle läuft darauf hinaus zu betonen, dass der gemeinsame Boden fehlt, auf dem Widerspruch überhaupt nur möglich ist, insofern hier zwei ganz unterschiedliche – ‚inkompatible‘– Sprachbereiche aufeinander treffen, die sich gegenseitig nicht verstehen können321 – die Grundidee der „Fideismusdebatte“ (vgl. Kap. 2.1.2.). Man könnte die zitierte Stelle allerdings auch – im Sinne des TLP – so lesen, dass Widerspruch deshalb nicht möglich ist, weil hier eine Einstellung des transzendentalen Ich zur „Welt“ „besprochen“ werden soll, was natürlich unmöglich bzw. „unsinnig“ wäre. So wird der Mystiker des TLP nicht widersprechen wollen, gerade weil er die ‚religiöse Dimension‘ – ein bestimmtes ‚Sich-zur-Welt-Verhalten‘ – begriffen hat. Hingegen beruhen sowohl die Möglichkeit des Widerspruchs zwischen religiösen Menschen als auch das ‚Unsinnigkeitsverdikt‘ von atheistischer Seite auf einem gemeinsamen Missverständnis: ‚Religiöse Menschen‘, die an die Bewahrung der Gläubigen im Jüngsten Gericht im Literalsinn glauben, behandeln religiöse Rede wie naturwissenschaftliche Aussagen, wie „sinnvolle Sätze“ über 320

Vgl. VuG, S. 83: „Jeder, der die Apostelbriefe liest, findet es ausgesprochen: nicht nur ist der Glaube nicht vernünftig, er ist Torheit. Nicht nur ist er nicht vernünftig, er gibt auch nicht vor, vernünftig zu sein.“ – A. Engstler macht darauf aufmerksam, dass Wittgenstein mit dieser Ansicht in der Tradition Kierkegaards bzw. mit diesem in der Lessings steht (vgl. A. Engstler, Ergriffen und umgedreht, S. 115f und S. 127-131). 321 H. Putnam weist darauf hin, dass dies nach Wittgenstein nicht daran liegt, dass man sich etwa nicht über die „Bedeutung“ verständigen könnte. Damit sei aber die herkömmliche Theorie der Inkommensurabilität nicht anwendbar, da sie gerade davon ausgehe, „daß die beiden Sprecher nicht miteinander kommunizieren können, weil ihre Worte verschiedene `Bedeutungen´ besitzen.“ (H. Putnam, Über den religiösen Glauben, S. 194; vgl. S. 191194). – Ähnlich auch A. Engstler, Ergriffen und umgedreht, S. 118.

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„Tatsachen“ in der „Welt“ – und können sich somit auch bei einzelnen Sätzen, eben weil sie beide dieses Verständnis haben, ‚wirklich‘ widersprechen. Sie haben eine Vorstellung von dem genauen Gegenteil der möglichen „Sachlage“ und können mit einem Widerspruch als Bejahung dieses Gegenteiles etwas anfangen. Dabei verkennen sie aber das ‚Anrennen-Wollen dieser Sätze gegen die Grenzen der Sprache‘ (VüE, S. 18f), d.h. das Ringen um einen sprachlichen Ausdruck für – in dem Fall der Vorstellung von einer Bewahrung im Jüngsten Gericht – das Gefühl der absoluten Sicherheit (vgl. Kap. 1.2.2.). Ein die „Grammatik“ der religiösen Rede missverstehender Atheist dagegen wird nicht widersprechen wollen, da er die religiöse Aussage als „Satz“ über eine „Tatsache“ der „Welt“ zu betrachten sucht, dies ihm aber – im Unterschied zur fundamentalistischen Auffassung – nicht gelingt und er sie deshalb als „unsinnig“ disqualifiziert.322 Wittgensteins eigene Position ist immer noch der des TLP ähnlich, auch wenn die Argumentation nun eine andere ist und er im Grunde eine Antwort ablehnt: Zwar könne er in gewisser Weise verstehen, benutze aber nicht die gleichen Bilder; deshalb sei nicht mehr klar, was „Widerspruch“ bedeuten würde (vgl. VuG, S. 77 und 80).323 Die mit diesen Überlegungen verbundene Einsicht in die in mancherlei Hinsicht besondere „Grammatik“ religiösen Sprechens (vgl. Kap. 2.1.2.) ist nun der Ausarbeitung des neuen Sprachparadigmas mit seiner Betonung der Mannigfaltigkeit und Kontextbezogenheit sprachlicher Aktivitäten, ihrer Eingebundenheit in „Lebensformen“ und der grundlegenden Differenzierung in „Gewißheiten“ und „Wissen“ (vgl. Kap. 1.3.) äußerst förderlich gewesen. 322

Vgl. die dem sowjetischen Kosmonauten Juri Alexejewitsch Gagarin zugeschriebene Aussage, er sei zwar im Weltraum gewesen, habe Gott dort aber nicht gesehen (vgl. J. Hick, Rechtfertigung, S. 234). – Ebenso „windschief“ (zum Gebrauch dieses Ausdrucks vgl. PU, S. 580, wo es um das Verhältnis von „Problem und Methode“ der Psychologie geht) wie diese Bemerkung verhalten sich auch die Überlegungen Frazers und die psychologischhistorische Religionskritik zur religiösen Rede wie zu dem gesamten Phänomen der Religion. Auch die sich naturwissenschaftlich gebende Religionskritik von z.B. R. Dawkins (vgl. ders., Der Gotteswahn, Berlin 2007) und St. Hawking (vgl. ders./L. Mlodinow, Der große Entwurf, Reinbek 2010) ist von derartigen Missverständnissen geleitet. Beide ordnen religiöse Rede in ihre Überlegungen über naturwissenschaftliche Kausalzusammenhänge ein, ohne die Besonderheit der „Grammatik“ religiöser Sprache zu sehen. In Hinsicht auf die Frage der Schöpfung, um die es beiden vornehmlich geht, ist zudem zu betonen, dass sowohl der mit einer creatio ex nihilo als auch der mit einer creatio continua in Verbindung zu bringende Kausalbegriff ohnehin jeweils ein anderer sein müsste als ein innerweltlich physikalischer. So wird denn auch im Hebräischen das Verb „‫ “ברא‬ausschließlich für Gottes schöpferisches Handeln reserviert (vgl. W. Gesenius, Handwörterbuch, S. 113). 323 Zum Verhältnis des `mittleren´ und `späten Wittgenstein´ zur Religion vgl. J. Balmuth, Wittgenstein and Religious Belief, in: Akten 1983, S. 157-160; M. Kroß, Klarheit, S. 107126, und W. Young, Wittgenstein and Christianity, in: Akten 1983, S. 153-156, besonders S. 154f.

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1.3. „Philosophische Untersuchungen“ und „Über Gewißheit“ – oder: Neue Möglichkeiten für sinnvolle religiöse Rede Thesen und Verlauf des Unterkapitels: Die Spätphilosophie Wittgensteins stellt ein der Frühphilosophie entgegengesetztes Sprachparadigma (Kap. 1.3.1.) vor, das aus fundamentaltheologischer Sicht insofern interessant ist, als es die ‚Eindimensionalität‘ der bisherigen Vorstellungen überwindet und dadurch neue Möglichkeiten für ‚sinnvolle‘ religiöse Rede eröffnet. In Kombination mit einer auf diesem Sprachparadigma aufbauenden Methodik, den vorfindlichen Sprachgebrauch zu befragen, ergibt sich zusätzlich ex negativo eine philosophische Standortbestimmung (Kap. 1.3.2.), hinter die auch theologische Rede – unabhängig von den ihr eigenen Kriterien – nicht zurückfallen sollte (Kap. 1.3.3.). Wurde die Frühphilosophie Wittgensteins in der vorliegenden Arbeit aufgrund der systematischen Geschlossenheit, die sie aufweist, anhand einer Paraphrasierung des TLP dargestellt, so wurde schon bei der Beschreibung der Mittelphase durch die Bildung dreier Schwerpunkte selektiv verfahren. Für die Skizzierung der Spätphilosophie bietet sich nun an, sie nach ‚Stoßrichtungen‘ zu ordnen, also nach einigen aus der Philosophiegeschichte bekannten und mit einer langen Wirkungsgeschichte verbundenen Sichtweisen, gegen die sie sich richtet (Kap. 1.3.2.). Da die Methodik, mit der all diese Kritik des `späten Wittgenstein´ geführt wird, auf einem vollständig erneuerten Sprachparadigma beruht324 und nicht ohne dieses verständlich ist, werden auf diese Weise sowohl die neuartigen Vorstellungen vom Funktionieren von Sprache wie auch ihre philosophische Bedeutsamkeit deutlich werden. Bevor also diese ‚Stoßrichtungen‘ als die Implikationen der neuen Überzeugungen thematisiert werden, ist es sinnvoll und für die Intentionen der vorliegenden Arbeit wichtig, das zugrunde liegende Sprachparadigma der Spätphilosophie selbst zu beschreiben (Kap. 1.3.1.). Wie bisher soll dabei die Konzentration auf eine kohärente Interpretation gelegt werden, ohne die `Irrungen und Wirrungen´ der Auslegungsgeschichte detailliert nachzuzeichnen. Hauptsächliche Textgrundlage sind hierbei die „Philosophische(n) Untersuchungen“ (PU), die zweifelsohne als die gelungenste Variante der Darstellung der Wittgensteinschen Spätphilosopie gelten dürfen. 325 Hier wird explizit die 324

Z.T. ähnliche Ideen wie bei Wittgensteins neuem Sprachparadigma, nicht aber hinsichtlich der auf ihm aufbauenden Methodik, finden sich erstmals bei Ch. S. Peirce (1839-1914), dessen Schriften (vgl. z.B.: Naturordnung und Zeichenprozeß. Schriften über Semiotik und Naturphilosophie, hg.v. H. Pape, Frankfurt am Main 1991) Wittgenstein wahrscheinlich über F. Ramsey kennen gelernt hat (vgl. U. Browarzik, Der grundlose Glaube, S. 76f; s. aber auch schon Kap. 1.1.3.). So darf hier ein Einfluss von Peirce vermutet werden. 325 Veröffentlicht in Bd. 1 der Werkausgabe, Frankfurt am Main 1984, S. 225-580. Der erste Teil (S. 225-485) ist in 693 Paragraphen eingeteilt und wird allgemein nach diesen zitiert;

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Auseinandersetzung mit dem Sprachparadigma des TLP geführt und die Überwindung von dessen ‚Eindimensionalität‘ durch ganz andersartige Vorstellungen vom Funktionieren der Sprache betrieben. In Verbindung mit einer bestimmten Methodik, den alltäglichen Sprachgebrauch gründlich zu befragen, wird zudem die Unhaltbarkeit einiger traditioneller philosophischer Positionen vor Augen geführt. Auf diese Weise wird also – nach der positiven Darstellung des neuen Sprachparadigmas – eine zusätzliche Positionsbestimmung ex negativo erreicht, die auch von großem fundamentaltheologischen Interesse ist (Kap. 1.3.3.). Da die PU in einer zwar bewusst geordneten, aber dennoch recht losen Abfolge von Bemerkungen vorliegen, die häufig – ausschließlich in alltagssprachliche Formulierungen gefasste – fingierte Streitgespräche enthalten und damit auch an Darbietungsformen der Scholastik erinnern, unterscheidet sich diese Art der Darstellung schon stilistisch recht deutlich vom TLP. Sie als „ein Meisterwerk der deutschen Prosa“ 326 zu bezeichnen, erfordert zwar einen weiten Begriff von `Prosa´, ist aber sicherlich nicht unberechtigt. Gelegentlich wird auch auf „Über Gewißheit“ (ÜG) zurückgegriffen werden. Dabei handelt es sich um Aufzeichnungen, die Wittgenstein in den letzten anderthalb Jahren seines Lebens vor allem in Auseinandersetzung mit Moore´s „Defense of common sense“327 niedergeschrieben hat328 und in denen manches, was in den PU nur angedeutet ist, klarer ausgesprochen wird.

der zweite Teil (S. 487-580) enthält in vierzehn Unterkapiteln sehr unterschiedlicher Länge von Wittgenstein zusammengestellte Bemerkungen aus den Jahren 1946-1948 (vgl. a.a.O., S. 620), die nicht durchnummeriert sind. Deshalb können hier nur Seitenzahlen angegeben werden. – Zur Geschichte der komplizierten Textentstehung – wie auch schon zur Genese des TLP (S. 77-116) – vgl. G.H. von Wright, Wittgenstein, Frankfurt am Main 1990, S. 117-143. – Als für die Lektüre hilfreiche Kommentare seien erwähnt: E. von Savigny, Wittgensteins „Philosophische Untersuchungen“. Ein Kommentar für Leser, Bd. I. Abschnitte 1 bis 315, Frankfurt am Main 1988, und Bd. II. Abschnitte 316 bis 693, Frankfurt am Main 1989; G.P. Baker/P.M.S. Hacker, An analytical commentary on the Philosophical Investigations, Vol. 1. Wittgenstein. Understanding and Meaning, Oxford 1980; dies., Vol. 2. Wittgenstein. Rules, Grammar and Necessity, Reprinted with corrections, Oxford/Cambridge (USA) 1992; P.M.S. Hacker, Vol. 3. Wittgenstein. Meaning and Mind, Oxford/Cambridge (USA) 1990. Vgl. auch G. Hallett, A Companion to Wittgenstein´s „Philosophical Investigations“, Ithaca/London 1977. 326 W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 563. 327 Vgl. G. E. Moore, Eine Verteidigung des Common Sense. Fünf Aufsätze aus den Jahren 1903-41, mit einer Einl. v. H. Delius, aus dem Engl. v. E. Bubser, Frankfurt am Main 1969. 328 Näheres vgl. z.B. im Vorwort von G.E.M. Anscombe und G.H. von Wright, in: Werkausgabe Bd. 8, Frankfurt am Main 1984, S. 115f. – ÜG findet sich dort auf den Seiten 119257.

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1.3.1. Das neue Sprachparadigma des ‚Anti-Augustinismus‘ – oder: Das Auffinden der „Sprachspiele“ These: Das neue Sprachparadigma orientiert sich konsequent am vorfindlichen Sprachgebrauch. Dadurch wird deutlich, dass die ‚eindimensionale Engführung‘ des Sprachverständnisses auf die eine Funktion des „Abbildens von Tatsachen“ nicht haltbar ist. So wird die Vorstellung vom einheitlichen, bestimmte Normen erfüllenden „Satz“ aufgegeben zugunsten der Annahme einer unbegrenzten und inhomogenen Pluralität höchst diverser, obgleich sich z.T. überschneidender Tätigkeiten in sehr ausdifferenzierten Kontexten – den „Sprachspielen“ – , die nicht ohne ihre lebensweltliche Einbettung zu verstehen sind. Das Sprachgeschehen wird zudem als in eine ‚offene Regelhaftigkeit‘ eingebunden begriffen, die sich an „grammatischen Sätzen“ bzw. „Gewißheiten“ und „Mustern“ orientiert. Im Vorwort der PU stellt Wittgenstein nüchtern fest: „Seit ich nämlich vor 16 Jahren mich wieder mit Philosophie zu beschäftigen anfing, mußte ich schwere Irrtümer in dem erkennen, was ich in jenem ersten Buche niedergelegt hatte.“ (PU, Vorwort, S. 232)

Diese „schwere(n) Irrtümer“ bezogen sich – nicht nur, aber in besonderem Maße – auf die Vorstellung davon, auf welche Art und in welchem Umfange Sprache „Erkenntnis“ vermittelt. Im TLP wird Sprache, wie beschrieben wurde (Kap. 1.1.), so aufgefasst, als ob sich ihr Funktionieren nach der dargestellten Abbildtheorie erklären ließe. Alles, was danach aus dem Bereich der Aussagen, der „sinnvollen Sätze“, herausfällt, sei entweder „sinnlos“ oder „unsinnig“. Aufgabe der Sprache ist es hier lediglich, empirisch erfahrbare „Sachverhalte“ bzw. „Tatsachen“ mittels einer letztlich `eineindeutigen Zuordnung´ „abzubilden“. Dass diese, einem naturwissenschaftlich-logizistischen Ideal verbundene und einer bestimmten ontologischen Konzeption verpflichtete Betrachtungsweise dem Phänomen Sprache nicht gerecht wird, wurde Wittgenstein zu Beginn der Mittelphase bewusst, als ihm deutlich wurde, dass die in der Sprache „sich zeigende“ Logik nur die Logik der Sprache, nicht aber gleichzeitig auch die Logik der „Welt“ ist (Kap. 1.2.1.). ‚Die Logik‘ muss nicht notwendigerweise dem Sein und der Sprache auf dieselbe Art zugrunde liegen; sie ist keine gleichsam ‚besondere platonische Idee‘, an der teilzuhaben nicht nur bruchstückweise möglich sei, sondern nach der sich alles ganz und gar richten müsse. Wittgenstein erkennt jetzt, dass das über die „Welt“ geworfene Koordinatennetz eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, deren ‚ontologische Relevanz‘ fraglich ist, da sie zwar unser Verstehen in bestimmte Bahnen leiten, über die Struktur der „Welt“ aber nichts direkt aussagen.

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Von dieser Einsicht aus ist es dann nicht weit zu dem Verdacht, dass die Sprache uns Menschen Vorstellungen suggeriert, die in keinerlei Zusammenhang mit der „Welt“ bzw. mit ‚eigentlicher Weltbeschreibung‘ stehen, obwohl sie im alltagssprachlichen Geschehen als direkte Deskriptionen aufgefasst werden. Diese Vermutung muss nach Wittgenstein aber als eine übertriebene Reaktion auf die von ihm vorgebrachten Überlegungen angesehen werden, weil sie bestimmte Aspekte des Sprachgeschehens wie z.B. dessen notwendige Einbettung in nonverbale Kontexte ignoriert und nur einen Gedanken absolut setzt. Somit wäre eine derartige Überzeugung von der Zusammenhanglosigkeit von „Welt“ und „Sprache“ im Sinne Wittgensteins nicht haltbar, sondern eher unter die möglichen „Verhexung(en) uns(e)res Verstandes“ (PU § 109) zu subsumieren, die durch seine Spätphilosophie kritisiert werden (vgl. Kap. 1.3.2.). Zunächst aber – und damit beginnt Wittgenstein die PU – muss ganz grundlegend eine Auffassung, die den „Gegenstands“-Begriff des `logischen Atomismus´ sowohl Russells als auch des TLP und die auf letzterem basierende Abbildtheorie begründete, hinterfragt werden. Diese zu kritisierende Vorstellung vom Funktionieren der Sprache findet Wittgenstein durch einige Bemerkungen in den „Confessiones“ des Augustinus illustriert329, auf die sich PU § 1 bezieht: „In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee: Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht.“ (PU § 1)

Hier werde nicht nur der Unterschied der Wortarten vernachlässigt, sondern auch – wie im TLP – der Begriff der „Bedeutung“ als ein `eineindeutiger´ ‚enggeführt‘330 und – in der `Bedeutung´: Entsprechung in der Wirklichkeit – auf Wörter der Sprache übertragen (z.B. auf Zahlwörter), deren Funktionsweise er so nicht adäquat beschreibe. Die Rolle von Wörtern in der Sprache ist demnach – dies bleibt als erste Einsicht festzuhalten – viel mannigfaltiger als man auf den ersten Blick denken könnte und keinesfalls ausschließlich an der angeblich alles erklärenden Vorstellung von einer ‚Abbildungstätigkeit‘ festzumachen.331 Um nun klarer zu sehen, wie vielschichtig Sprache ist – im Gegensatz zu der Idee von der einen, allein legitimen Funktionsweise – konstruiert Wittgenstein in einem ersten Schritt einige Fallbeispiele, bei denen man sich vorstellen soll, dass eine „vollständige primitive Sprache“ (PU § 2) benutzt werde, z.B. eine, die 329

Die Beschreibung des Spracherwerbs bei A. Augustinus (vgl. ders., Bekenntnisse, S. 40f) war allerdings nicht als eine Sprachtheorie im engeren Sinne gedacht (vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 388). 330 Vgl. W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 583. – Zur Kritik Wittgensteins an den Auffassungen des Augustinus vgl. auch schon ders., a.a.O., S. 580-582. 331 Vgl. PU § 5: „ ... , so ahnt man vielleicht, inwiefern der allgemeine Begriff der Bedeutung der Worte das Funktionieren der Sprache mit einem Dunst umgibt, der das klare Sehen unmöglich macht.“ – Vgl. dazu S. Schroeder, Wittgenstein, S. 55-71.

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nur aus Substantiven bestehe, deren Ausrufen einen bestimmten Befehl impliziere (vgl. ebd.). Hier sei deutlich, dass eine derartige Sprache durch „Abrichten“ – und nicht durch explizites „Erklären“ eines Gegenstandsbezuges – gelernt werde (PU § 5). Wittgenstein führt in diesem Zusammenhang den Terminus „Sprachspiel“ (PU § 7) ein, der sich auf eine derart „primitive Sprache“ als eines Bausteines geläufiger `Sprachen´ beziehe. Die damit verbundene Betonung kleiner Einheiten tritt noch klarer in Erscheinung, wenn etwas später weitere Beispiele für „Sprachspiele“ – wie „Bitten, Danken, Fluchen, Grüßen, Beten“ (PU § 23) – genannt werden. Schon im „Blaue(n) Buch“ ist eine derartige Begriffsprägung anzutreffen: „Sprachspiele ... sind einfachere Varianten zum Gebrauch von Zeichen als jene, nach denen wir Zeichen in unserer äußerst komplizierten Alltagssprache gebrauchen. Sprachspiele sind die Sprachformen, mit denen ein Kind anfängt, Gebrauch von Wörtern zu machen.“332

Ziel der Konzentration auf die „einfachere(n) Varianten“ ist die Gewinnung einer „übersichtlichen Darstellung“ (PU § 122) vom vorgefundenen Gebrauch eines Wortes bzw. von der Vielfalt der mit ihm gespielten „Sprachspiele“. Diese Übersicht soll dann zum Vergleich mit komplexeren Problemen – z.B. mit denen der klassischen Philosophie – herangezogen werden, um diese dadurch zur (Auf-)Lösung zu bringen.333 Mit M. Kroß ist die auf solche Weise angestrebte Klarheit als für die Wittgensteinsche Spätphilosophie programmatisch zu begreifen.334 Die schon angesprochene „Verhexung unsres Verstandes“ (PU § 109) soll so vermieden werden. Die Beobachtung nun, dass die „Sprachspiele“ immer mit charakteristischen Gesten, Bewegungen, Situationen, Handlungsabläufen usw. verbunden sind – mit bestimmten Tätigkeiten in bestimmten Kontexten also, die gemeinsam mit 332

L. Wittgenstein, Das Blaue Buch, S. 36f. - Zum Begriff des „Sprachspiels“ vgl. z.B. Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 11-36; G.P. Baker/P.M.S. Hacker, Understanding and Meaning, S. 89-98 und 157f; W. Kellerwessel, Sprachphilosophie, S. 123-130; A. Koritensky, Phänomenologie, S. 77-93; E. von Savigny, Mitmensch, S. 35-69; ders., Sprachspiele und Lebensformen: Woher kommt die Bedeutung?, in: ders., (Hg.), Klassiker Auslegen Bd. 13. Ludwig Wittgenstein. Philosophische Untersuchungen, S. 7-39; J. Schulte, Wittgenstein, S. 137-142; D.G. Stern, Wittgenstein, S. 20-22 und 120f, und W. Welsch, Vernunft, S. 401403. 333 Vgl. D.G. Stern, Wittgenstein, S. 21f, und F. Waismann, Logik, S. 119. 334 „Das Hauptanliegen“ seiner Arbeit besteht für M. Kroß „darin, das Motiv der Klarheit als Leitmotiv der Wittgensteinschen Philosophie herauszustellen“ (ders., Klarheit, S. 8). Der Titel seiner philosophischen Dissertation „Klarheit als Selbstzweck“ ist eine Anspielung auf eine frühe Fassung des Vorworts zu den „Philosophische(n) Bemerkungen“, wo Wittgenstein schreibt: „Mir dagegen ist die Klarheit, die Durchsichtigkeit, Selbstzweck.“ (VB, S. 459).

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den zugehörigen Worten eine „Lebensform“ ausmachen335, welche demnach ebenfalls als eine kleine zusammenhängende Einheit zu denken ist 336 – , steht ganz im Gegensatz zum TLP, in dem die als statisch-absolut begriffene Logik und das der empirischen Analyse entrückte transzendentale Subjekt die die ganze Konzeption tragende Rolle spielten (Kap. 1.1.6. und 1.1.7.). Den Theologen erinnert der Hinweis auf die „Lebensformen“ an die exegetische Fragestellung nach dem „Sitz im Leben“ einer Perikope. Bei Wittgenstein wird aber über formgeschichtliche Einsichten hinaus eine tiefer gehende philosophische Relevanz der Verbindung von Sprachgeschehen und Situation u.a. daran deutlich, dass die Einbettung der Sprache in non-verbales Geschehen als die Bedingung ihrer Möglichkeit begriffen wird. Zudem dient das Insistieren auf dieser Verknüpfung dazu, die Vorstellung von einem abzubildenden „Gegenstand“ als den vorfindlichen „Sprachspielen“ oft gänzlich inadäquat herauszustellen, sie also als fundamentale Idee für eine allgemeingültige Analyse jeglichen sprachlichen Vorgangs zu disqualifizieren (vgl. PU § 27). Einer der ersten ausdrücklichen Hinweise in den PU auf die Verflechtung von Sprechen und Handeln hat Anlass zu einem verbreiteten Missverständnis gegeben: „Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie 337 verwoben ist, das `Sprachspiel´ nennen.“ (PU § 7) 335

Vgl. PU § 23: „Das Wort »Sprachspiel« soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform.“ (Nach E. von Savigny, Kommentar Bd. I, S. 57, ist die Wittgensteinsche Formulierung ein „Anglizismus für `einer Tätigkeit, d.h. einer Lebensform´.“) Das „Sprechen der Sprache“ ist demnach wesentlicher Bestandteil bestimmter „Lebensformen“; es ist nicht als zu diesen hinzukommend zu begreifen. 336 Gegen eine in der Sekundärliteratur weit verbreitete Tendenz, den Begriff der „Lebensform“ als den „allgemeinen Lebenszusammenhang, in dem man aufwächst und in dem man sprechen lernt“ (H.-P. Großhans, Realismus, S. 185), im Grunde also als Synonym für `Kultur´, aufzufassen. N. Garver meint sogar – diese Interpretation noch überbietend – , dass Wittgenstein die menschliche Lebensform von anderen Lebensformen der Naturgeschichte, z.B. denen verschiedener Tiere, hätte unterscheiden wollen (vgl. ders., Lebensform, in: Grazer Philosophische Studien 21 (1984), S. 33-54, z.B. S. 34 u.ö.). Die breite Diskussion, die über diesen Begriff geführt wird (vgl. die Darstellung bei H.-P. Großhans, a.a.O., S. 183-189, bei A. Koritensky, Phänomenologie, S. 94-114, oder bei T. Wachtendorf, Ethik, S. 112-116), lässt kaum vermuten, dass Wittgenstein selbst den Ausdruck „Lebensform“ höchst selten gebraucht: Im weiteren Verlauf des ersten Teiles – nach PU §§ 19 und 23 – ist nur noch einmal (in § 241) von „Lebensform“ die Rede. (Die Register-Angabe § 325 bezieht sich lediglich auf den Inhalt, nicht den Wortgebrauch.) Im zweiten Teil der PU findet sich dieser Ausdruck nur noch zweimal (S. 489 und 572); auch in anderen Schriften Wittgensteins ist er kaum anzutreffen (Belegstellen sind z.B. UuW, S. 115, oder ÜG § 358). 337 An diesem Zitat wird deutlich, dass „Sprachspiel“ das außersprachliche Umfeld mit einschließt. Der Vorschlag von G. Pitcher, Philosophie Wittgensteins, S. 239, von „Sprechak-

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Die „Sprache“, die hier gemeint ist, ist eine der „primitiven Sprachen“, von denen vorher die Rede war – nicht etwa das Ganze einer `Sprache´ im herkömmlichen Sinne. Das Überlesen des Doppelpunktes hat bei vielen Interpreten zu einer Inflation des Ausdrucks „Sprachspiel“ geführt. Er wurde in der Diskussion schon bald nicht mehr nur als Bezeichnung für eine kleine zusammenhängende Einheit inklusive zugehöriger Verhaltensweisen benutzt, sondern zur Benennung beliebig großer und willkürlich abtrennbarer Teilgebiete von Sprache.338 Dies steht jedoch einer der Hauptintentionen der PU, nämlich dem Versuch, Unterschiede dort aufzuzeigen, wo vorschnell Gemeinsamkeiten vermutet werden, diametral entgegen und mindert den heuristischen Wert der Wittgensteinschen Bezeichnung sehr. U.a. bei der Darstellung der `Fideismusdebatte´ wird dies deutlich werden (vgl. Kap. 2.1.2.). Ein weiterer wichtiger Begriff für das Verständnis des neuen Sprachparadigmas ist der der „Familienähnlichkeit“, der in PU § 67 eingeführt wird.339 Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass viele Wörter – gleich, ob es sich nun um Substantive, Verben, Adjektive oder auch um Präpositionen und Partikeln handelt – nur scheinbar Gleiches bzw. auf gleiche Weise bezeichnen. Bei näherer Betrachtung der mit ihnen gespielten „Sprachspiele“ zeigt sich deutlich, dass sie sehr verschieden gebraucht werden. Wittgenstein liegt viel daran, auf diese ‚versteckten‘ Äquivokationen aufmerksam zu machen, führe doch häufig erst die Nivellierung der Unterschiede zu falschen Vorstellungen und zu „philosophischen Problemen“. War es aus der Sicht des TLP ein „unsinniger“ Sprachgebrauch, so ist es jetzt der Mangel an Einsicht in nötige Differenzierungen, der die ‚Gedanken verknotet‘. Recht verstandene, als „Therapie“ und „Tätigkeit“ und nicht als „Lehre“ aufgefasste „Philosophie“ bleibt aber – wie schon für den `frühen´, so auch für den `späten Wittgenstein´ – das therapeutische Mittel, um durch Vorführen der tivitäten“ zu reden, um „Sprachspiele“ zusammen mit ihren nichtsprachlichen Kontexten zu erfassen, fußt demnach auf einer Verkürzung des „Sprachspiel“-Begriffes auf das verbale Geschehen. W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 589, schließt sich Pitcher´s Vorschlag an, um „Sprachspiele“ von den `Sprechakten´ einer einzelnen Frage, eines einzelnen Rufes usw. besser abgrenzen zu können. Darüber hinaus nennt er „Sprachspiele“, die nur aus einem einzelnen `Sprechakt´ bestehen, „Miniatursprachspiele“ (ebd.) und steht somit in der Versuchung, auf der anderen Seite auch noch große Komplexe von „Sprachspielen“ als „Sprachspiel“ zu bezeichnen. 338 Gegen diesen ausufernden Wortgebrauch wendet sich innerhalb der theologischen Rezeption vor allem F. Kerr, Theology after Wittgenstein, S. 29f. 339 Zu diesem Terminus vgl. G.P. Baker/P.M.S. Hacker, Understanding and Meaning, S. 320366; R. Raatzsch, Wittgenstein, S. 147-153; E. von Savigny, Kommentar Bd. I, S. 115120; S. Schroeder, Wittgenstein, S. 96-100; J. Schulte, Wittgenstein, S. 149-155; W. Welsch, Vernunft, S. 403-407; H. Wennerberg, Der Begriff der Familienähnlichkeit, in: E. von Savigny, (Hg.), Klassiker Auslegen Bd. 13. Ludwig Wittgenstein. Philosophische Untersuchungen, S. 41-69.

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jeweils begangenen Unzulässigkeiten den Verstand von seinen Problemen zu erlösen. 340 Die Ähnlichkeit des Wortgebrauchs kann dabei – wenn es sich nicht um offensichtliche Äquivokationen handelt, durch die schon prima vista ganz unterschiedliche Dinge bezeichnet werden – z.B. so aussehen, dass es Überschneidungen der „Bedeutung“ sowohl bei der ersten und der zweiten Verwendung als auch bei der zweiten und der dritten gibt, die Schnittmenge der ersten und der dritten jedoch leer ist. In einem derartigen Fall werde durch die Benutzung desselben Zeichens, die durch das „Zwischenglied“ vermittelt ist, ein durchgehend gleicher Gebrauch lediglich vorgetäuscht. Das eben könne zu Missverständnissen führen. Gerade für gleiche Wörter in unterschiedlichen „Sprachspielen“ gelte häufig die ‚Diagnose‘ „Familienähnlichkeit“, also eine lediglich teilweise gleiche oder gar nur scheinbar analoge Verwendungsweise, die „sich in der Philosophie einer ... Betrachtung der Einzelheiten entgegensetzt“ (PU § 52). Nicht das Verwischen der Differenzen durch Abstraktion ist danach adäquate Methodik „philosophischer Untersuchungen“, sondern gerade das Aufdecken der Unterschiede durch akribische Beschreibung, die von sich aus nichts in die zu analysierenden „Sprachspiele“ eintragen darf: „Es darf nichts Hypothetisches in unsern Betrachtungen sein. Alle Erklärung muß fort, und nur Beschreibung an ihre Stelle treten.“ (PU § 109)

Das Erkennen von „Familienähnlichkeiten“ in der Umgangssprache könnte nun allerdings wieder dazu verführen, ähnlich wie im TLP – oder auch schon vorher bei Russell – das Postulat nach den „eigentlichen Namen“ zu erheben, die „das Einfache“, „die kleinsten Bestandteile“, „bedeuteten“ und aus denen alle weiteren Bezeichnungen zusammengesetzt wären, so dass – ganz idealsprachlich gedacht – die Möglichkeit von Missverständnissen aufgrund von Äquivokation bzw. „Familienähnlichkeit“ ausgeräumt wäre (vgl. Kap. 1.1.4.). Dieser Forderung nach `eineindeutiger Benennung´ liegt aber nach Meinung des `späten Wittgenstein´ eine falsche, eine ‚platonistische‘ Vorstellung (vgl. Kap. 1.3.2.1.) von „dem Einfachen“ und von „dem Zusammengesetzt-Sein“ zugrunde: Die Rede von „den einfachen Bestandteilen“ bzw. von „der Art und Weise des Zusammengesetzt-Seins“ ist selbst wiederum auf „Familienähnlichkeit“ hin zu überprüfen. Dann erweise sich, dass auch sie immer nur innerhalb 340

Zu Wittgensteins Auffassung von `Philosophie´ – in ihrer Kontinuität wie in ihren Wandlungen – vgl. vor allem P.M.S. Hacker, Einsicht und Täuschung, S. 15-54 und S. 155-196. – Die durchgehend zu konstatierende Theoriefeindlichkeit Wittgensteins trifft sich mit der Überzeugung des von ihm hochgeschätzten Goethe: „Theorien sind gewöhnlich Übereilungen eines ungeduldigen Verstandes, der die Phänomene gern los sein möchte und an ihrer Stelle deswegen Bilder, Begriffe, ja oft nur Worte einschiebt.“ (J.W. von Goethe, Maximen und Reflexionen, in: ders., Hamburger Ausgabe Bd. 12. Kunst und Literatur, S. 365-547, hier: S. 440).

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bestimmter „Sprachspiele“ einen „Sinn“ habe, der jeweils auch ganz unterschiedlich sein könne341: „Die Frage `Ist, was du siehst, zusammengesetzt?´ hat wohl Sinn, wenn bereits feststeht, um welche Art des Zusammengesetzt-Seins – d.h., um welchen besonderen Gebrauch dieses Wortes – es sich handeln soll.“ (PU § 47)

Ist dies aber nicht festgelegt, so sind häufig viele verschiedene Antworten denkbar; z.B. könne ein Schachbrett einmal als aus weißen und schwarzen Quadraten, zum anderen aber auch als „aus den Farben Weiß, Schwarz und dem Schema des Quadratnetzes zusammengesetzt“ (ebd.) gedacht werden: „Das Wort `zusammengesetzt´ (und also das Wort `einfach´) wird von uns in einer Unzahl verschiedener, in verschiedenen Weisen miteinander verwandten, Arten benützt.“ (ebd.)

Mit diesen Einsichten wird rigoros gegen die Überlegungen des TLP vorgegangen und dessen gesamte Sprach-Konzeption von der Einfachheit der „Namen“, der Eindeutigkeit des Zusammengesetztseins und deshalb der Analysierbarkeit342, damit aber auch von der Idee der „Elementarsätze“ und der „allgemeinen Form des Satzes“ ad absurdum geführt. 343 Wie aber wird nun in den PU erklärt, warum `Verstehen´ dann noch möglich ist? Wie kann der „Sinn“ von „Sätzen“ überhaupt noch vermittelbar sein, wenn sie sich nicht aus letztlich immer denselben und eindeutig benannten oder zumindest benennbaren Elementen zusammenfügen? Hängen `Bedeutung´ und somit auch `Verstehen´ dann nicht sozusagen in der Luft und sind der Willkür und bloß zufälligem Gelingen preisgegeben? Diese Anfragen von seiten der ‚klassischen Sichtweise‘ werden noch drängender, wenn man bedenkt, dass – wie Wittgenstein gern zugibt – die vermisste Absicherung auch dadurch nicht erreicht werden kann, dass man Wörter durch „hinweisende Definitionen“ einführt, weil diese immer missverständlich sind.344 341

Wittgenstein benutzt in seiner `Spätphilosophie´ „Sinn“ in Bezug auf Sätze, „Bedeutung“ in Bezug auf Wörter. Dabei kann man als Kriterium für die Zuschreibung von „Sinn“ mit J. Schulte, Wittgenstein, S. 167, feststellen: „Erstens muß der betreffende Ausdruck (Satz), ... , ein Zug des fraglichen Sprachspiels sein; zweitens muß er in diesem Sprachspiel einen Witz haben.“ 342 W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 565, unterscheidet „Absolutismus“ als die Ansicht von der eindeutigen Zerlegbarkeit und „Atomismus“ als die These, dass diese Analyse dann „zu einfachsten Tatsachen“ führe. 343 Zur Destruktion der Theorie „eigentliche(r) Name(n)“ vgl. besonders PU § 38, aber auch die folgenden Paragraphen bis etwa § 64. 344 Zur Hinweisdefinition vgl. G.P. Baker/P.M.S. Hacker, Understanding and Meaning, S. 168-184; im vorliegenden Zusammenhang noch überzeugender, weil die Schwächen einer derartig versuchten Festlegung mit Wittgenstein stärker herausstellend, E. von Savigny,

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Zwar werden in der Praxis viele Ausdrücke durch ostensive Definitionen gelernt, wenn diese in bestimmte „Sprachspiele“ des Zeigens eingebettet sind, immer aber könnte auch etwas anderes gemeint, auf etwas anderes gezeigt worden sein: „Das heißt, die hinweisende Definition kann in jedem Fall so und anders gedeutet werden.“ (PU § 28)

Erst bei einer Kollision zweier Gebrauchsweisen könnte später falsifiziert werden, dass der Lernende nicht richtig verstanden hat. An dieser Beobachtung zeigt sich bereits, dass nach Ansicht der PU nicht ein intentionaler Akt der Benennung, sondern vor allem der Gebrauch, der von den Worten gemacht wird, „Bedeutung“ bzw. „Sinn“ konstituiert. Zudem wird deutlich, dass aber der alleinige Hinweis auf die Vernetzung verbaler und non-verbaler Aktivitäten innerhalb eines „Sprachspieles“ nicht ausreicht, um „Sinn“ und `Verstehen´ voraussetzen zu können. Der Gebrauch in einer aktuellen, isolierten Situation (vgl. PU §§ 43 und 138) kann nicht ohne weiteres „Sinn“-konstituierend wirken, es müssen zusätzlich entsprechende Rahmenbedingungen gegeben sein. Der Lernende kann nämlich nur dann etwas mit einer deiktischen Erklärung anfangen, wenn er schon vorher weiß, welcher Platz im „Sprachspiel“ noch zu besetzen ist, welche Rolle also der fragliche Begriff in einem „Sprachspiel“ spielen soll. Wüsste er nicht, dass man ihm z.B. einen Farbnamen beibringen wolle, könnte er ihn vielleicht als Bezeichnung einer Form missverstehen (vgl. PU §§ 29f). Er muss also wissen, für welche Funktion im Ganzen der Sprache der fragliche Begriff als „Muster“ (PU § 50, aber auch §§ 16, 53, 72-74 und S. 489 und 576)345 anerkannt werden soll. Dies kann nur durch ein mehrfaches Benutzen dieses Ausdruckes in verschiedenen Kontexten deutlich werden. Nur dadurch kann schließlich ein Rückbezug auf dann als paradigmatisch anerkannte Verwendungssituationen, auf „eine Familie von Bedeutungen“ (PU § 77), vollzogen werden, auf die immer wieder zurückgegriffen werden kann. Das bedeutet allerdings nicht, dass man damit über einen allgemeinen Begriff dieses Wortes verfügt, der allen Verwendungsweisen gemeinsam zugrunde liegt. Die Kenntnis von „Mustern“, d.h. das Wissen um bestimmte Anwendungsweisen eines Ausdruckes in bestimmten Situationen, ist nicht zu verwechseln mit dem Besitz einer gleichsam ‚platonischen Idee‘ von z.B. dem Wesen eines Tisches, auf der alle Anwendungen des Wortes „Tisch“ basierten (vgl. Kap. 1.3.2.1.). „Muster“ fungieren im Grunde als eine Art „Regel“ (s.u.) für die Anwendung eines bestimmten Begriffs; sie regulieren den Gebrauch eines Wortes. Kommentar Bd. 1, S. 63-68. Vgl. dazu auch Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 31, und G. Hallett, Companion, S. 104. 345 Zum Begriff des „Musters“ vgl. G.P. Baker/P.M.S. Hacker, Understanding and Meaning, S. 184-205 und 284-296; E. von Savigny, Kommentar Bd. 1, S. 15-24, 46f, 94-97 und 125128; J. Schulte, Wittgenstein, S. 127 und 165-170.

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Der Sache nach ist ein Hinweis auf das Anerkennen eines „Muster(s)“346 in der Ausdrucksweise der PU als ein „grammatischer Satz“ zu bezeichnen, der keine Aussage macht über die Beschaffenheit des als „Muster“ benutzten Gegenstandes oder Vorganges, sondern Auskunft gibt über die Rolle, die er in einem bestimmten „Sprachspiel“ übernehmen soll. Wittgenstein benutzt den Ausdruck „Grammatik“ und Zusammensetzungen mit dem Adjektiv „grammatisch“ – wie bereits in Kap. 1.2. angesprochen – in ungewohnter Bedeutung 347: So führen z.B. verschiedene Verben seinem Sprachgebrauch nach eine je eigene „Grammatik“ mit sich (z.B. PU §§ 150, 182 und 187), die es zu vergleichen gelte, um Missverständnisse aufzulösen. Die „Grammatik“ fragt demnach nach den anerkannten Verwendungsweisen eines Wortes und zeigt deren Struktur auf. 348 Sie kann sich aber auch – in einer zweiten Bedeutung – auf ganze Bereiche der Sprache beziehen, die durch „grammatische Sätze“ geordnet sind.349 Der Ausdruck „grammatischer Satz“ kommt allerdings nur zweimal vor und wird erst in PU § 251 eingeführt: Hier ist der Zusammenhang derart, dass eine Behauptung daran als ein „grammatischer Satz“ zu erkennen ist, dass die ihr zugehörige Äußerung „»Ich kann mir das Gegenteil nicht vorstellen«“ nicht einen Mangel an Vorstellungskraft meint, sondern auf eine strukturelle Unmöglichkeit abhebt, d.h. auf etwas, das in der Sprache, so wie sie „gespielt“ wird, nicht vorgesehen ist. Das in den PU häufigste Beispiel für diesen Sachverhalt ist, dass „nur ich selbst wissen kann, ob ich einen Schmerz empfinde“ (PU § 251).350 346

Z.B. hat das Urmeter in Paris eine derartige, sogar allgemeine „Muster“-Funktion (vgl. PU § 50). 347 Zum Wittgensteinschen Begriff der „Grammatik“ und seines Gebrauchs des Adjektivs „grammatisch“ vgl. Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 37-40; P.M.S. Hacker, Einsicht und Täuschung, S. 197-247; W. Kellerwessel, Sprachphilosophie, S. 285-287; E. von Savigny, Kommentar Bd. I, S. 298; J. Schulte, Wittgenstein, S. 112-118 und 174-178; E. Tatievskaya, Verstehen, S. 319-342, und T. Wachtendorf, Ethik, S. 134-143. Vgl. zudem H.J. Schneider, Wittgenstein und die Grammatik, S. 11-29, in: Mit Sprache spielen, hg.v. H.J. Schneider/M. Kroß, der besonders das Offene des Wittgensteinschen „Grammatik“Begriffs betont: „Die hier angesprochene Kompetenz [sc. der Beherrschung der „Grammatik“] geht in einer Regelkompetenz nicht auf. Sie enthält als eine wesentliche Teilfähigkeit die Kompetenz, sich im „Offenen“ zurechtzufinden“ (ebd., S. 19). 348 Vgl. E. Tatievskaya, a.a.O., S. 331, wo sie „die Grammatik [sc. i.S. Wittgensteins] als eine Gesamtheit der Charakteristika des Gebrauchs eines Wortes“ kennzeichnet. 349 Vgl. L. Wittgenstein, Philosophische Grammatik, S. 87, d.i. Teil III § 44: „Die Grammatik, das sind die Geschäftsbücher der Sprache, aus denen alles zu ersehen sein muß, was nicht begleitende Empfindungen betrifft, sondern die tatsächlichen Transaktionen der Sprache.“ - Zu der oben im Text genannten Differenzierung vgl. J. Schulte, Wittgenstein, S. 112. 350 Vgl. auch PU § 252: „Wir könnten auf den Satz `Dieser Körper hat eine Ausdehnung´ antworten: `Unsinn!´ – neigen aber dazu, zu antworten: `Freilich!´ – Warum?“ Und die Antwort müsste natürlich lauten: Weil dieser Satz für uns als ein „grammatischer“ fungiert.

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Wird der Ausdruck „Grammatik“ auf diese Weise gebraucht, so sind gerade auch die für Religionen und Weltanschauungen grundlegenden Überzeugungen als „grammatische Sätze“ aufzufassen.351 In ÜG wird diese Bezeichnung dann aber größtenteils durch „Gewißheit“ abgelöst (vgl. Kap. 1.3.2.2.). Ein ganzes Set von „Gewißheiten“ ergibt danach ein „Weltbild“ (vgl. ÜG §§ 93-95, 162, 167 und 233; dazu Kap. 2.1.2.6.), innerhalb dessen der je aktuelle Gebrauch, der von Wörtern in konkreten Situationen, in Kombination mit bestimmten Verhaltensweisen und mit anderen Ausdrücken und in der – als regelgeleitet aufgefassten – Parallelisierung zu vorgängigem Sprachgebrauch gemacht wird, „Sinn“ konstituiert und unterschiedliche Formen des `Verstehens´ (vgl. PU §§ 531f) ermöglicht. Mit der „Grammatik“ auf das engste verbunden ist demnach auch der Begriff der „Regel“.352 Bei der Lektüre des `späten Wittgenstein´ muss man sich von der Vorstellung befreien, eine „Regel“ müsse auf irgendeine Art und Weise erlassen werden, d.h. artikuliert und in das Bewusstsein der nach ihr Handelnden gedrungen sein, damit sie überhaupt etwas regeln könne. Ihre Geltung ist nicht an derartige äußere oder intentionale Vorgänge gebunden. Sie ist aber andererseits auch nicht mit `Gewohnheit´ zu identifizieren, da ihr Nicht-Befolgen innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft – anders als z.B. das Unterlassen des gewohnten nachmittäglichen Kaffeetrinkens – durchaus eine als berechtigt empfundene Kritik durch die anderen Mitglieder der Gruppe nach sich ziehen kann. 353 So dürfte das Versäumen des Händefaltens zum gottesdienstlichen Gebet einiges Stirnrunzeln hervorrufen, ebenso wie das Nicht-Ergreifen einer zum Gruß ausgestreckten Hand im Allgemeinen Befremden auslösen wird. „Regel“ in diesem Sinne ist also weder ein einer Gemeinschaft auferlegtes Gesetz noch eine bloße Gewohnheit. Auch ist sie kein Ideal – wie z.B. die `Goldene Regel´ – , dessen Befolgung wünschenswert wäre, sondern die Beschreibung eines Verhaltens, das bereits über längere Zeit befolgt, d.h. regelmäßig praktiziert wird (vgl. PU § 198). Deshalb ist es innerhalb einer Gruppe auch nicht einfach abänderbar – zumindest dann nicht mehr, wenn es ein Bewusstsein 351

Vgl. L. Wittgenstein, Zettel § 717: „`Gott kannst du nicht mit einem Andern reden hören, sondern nur, wenn du der Angeredete bist.´ – Das ist eine grammatische Bemerkung.“ 352 Zum „Regel“-Begriff bzw. zum „Regelfolgen“ vgl. G.P. Baker/P.M.S. Hacker, Rules, Grammar and Necessity, S. 34-228; Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 40-44; G. Hallett, Companion, S. 158-167 und S. 239-306; W. Kellerwessel, Sprachphilosophie, S. 111-113 und S. 185-222; K. Puhl, Regelfolgen, in: E. von Savigny, (Hg.), Klassiker Auslegen Bd. 13. Ludwig Wittgenstein. Philosophische Untersuchungen, Berlin 1998, S. 119-142; R. Raatzsch, Wittgenstein, S. 180-183; E. von Savigny, Kommentar Bd. I, S. 111-172 und S. 235-280; ders., Mitmensch, S. 94-125; J. Schulte, Wittgenstein, S. 155-162; T. Wachtendorf, Ethik, S. 97-100, und P. Winch, Idea of a Social Science, S. 24-39. 353 Zu diesen Abgrenzungen vgl. E. von Savigny, Begriff, S. 34-39. Von Savigny ist in seinen dortigen, eigenen Ausführungen (vgl. ders., a.a.O., S. 34-84 und S. 357-362) stark vom „Regel“-Begriff Wittgensteins beeinflusst (seine direkten Beiträge dazu s. vorige Fußnote).

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für diese „Regel“ gibt. „Regeln“ werden dabei aber nicht als eine platonische Wesenheit ‚ent-deckt‘, also als immer schon prägend, quasi ontologisch zugrunde liegend, sondern sie werden nachträglich zur Beschreibung der Vergangenheit verwendet. So wird zurückliegendes Verhalten im Nachhinein als regelgeleitet erlebt. Mit dieser „Möglichkeit einer Reorganisierung der Vergangenheit durch die Gegenwart“ ist zwar „die Präsenz der Vergangenheit in der Gegenwart“ gegeben, die Zukunft aber keinesfalls determiniert.354 Demnach sind „Regeln“ – ebenso wie die aus ihnen bestehende „Grammatik“ – nicht starr und ein für alle Mal festgelegt, sondern im Laufe der Zeit einem kontinuierlichen Wandel unterworfen. Dabei sind diejenigen von ihnen, die konstitutive Bestandteile von „Weltbildern“ sind, als „hard rules“ weniger leicht veränderbar als die so genannten „soft rules“, die lediglich von den „Weltbildern“ relativ unabhängige Verhaltensweisen betreffen. 355 Erst in ÜG allerdings spricht Wittgenstein dies – in Anspielung auf Heraklit – deutlich aus: „Die Mythologie kann wieder in Fluß geraten, das Flußbett der Gedanken sich verschieben. Aber ich unterscheide zwischen der Bewegung des Wassers im Flußbett und der Verschiebung dieses; obwohl es eine scharfe Trennung der beiden nicht gibt.“ (ÜG § 97)

Eine starke „Verschiebung des Flußbettes“ kann eine grundsätzliche Veränderung des „Weltbildes“ zur Folge haben. Normalerweise sorgen aber die „Regeln“ – im Zusammenspiel mit den „Mustern“ und den „grammatischen Sätzen“ – dafür, dass eine bestimmte ‚Einstellung‘ aufrecht erhalten wird, also eine „Physiognomie“ des Handelns und Sprechens (PU § 235 und § 568, aber auch S. 547) entsteht, die beibehalten werden kann, weil – so die allgemein zugrundeliegende Überzeugung – die „Regeln“ in immer „ähnlicher Weise“ benutzt werden. Wer aber bestimmt auf welche Weise die „Richtigkeit“ der Anwendung der „Regel“? Mit dieser Frage ist das in den PU als „Paradox“ des „Regelfolgens“ angesprochene Problem angedeutet: 354

Beide Zitate von K. Puhl, Worüber man nicht sprechen kann, S. 118f; zur Thematik vgl. seinen ganzen Beitrag, in dem er Parallelen Wittgensteins mit Foucault und Deleuze aufzeigt und – über den Kausalbegriff kommend – u.a. auf die Wittgensteinsche Auffassung vom Regel-Folgen eingeht. Diese rückt er in die Nähe des Kierkegaardschen Begriffs der „Wiederholung“, nach dem Gewesenes durch eine Aktualisierung in der Gegenwart gänzlich neu entsteht – ohne jemals so gewesen zu sein – , die Offenheit der Zukunft also tatsächlich (auch) in der kontingenten Neuwerdung des Vergangenen manifest wird (vgl. vor allem S. 114-119.) – Dementsprechend spricht T. Rentsch davon, dass sich nach Wittgenstein „die Sprachpraxis (auch der Rede von Gott) … als freies Fortsetzen nicht-festlegender Anfänge charakterisieren“ lasse (T. Rentsch, Gott, S. 168; Hervorhebung ebd.). – Zu der damit verbundenen Frage der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge vgl. bereits oben Kap. 1.2.3. 355 Vgl. – auch zur Terminologie – A. Turanli, The Change in Rule Governed Practices in Wittgenstein´s Later Philosophy, S. 511-521, in: Beiträge 1994.

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„Unser Paradox war dies: eine Regel könnte keine Handlungsweise bestimmen, da jede Handlungsweise mit der Regel in Übereinstimmung zu bringen sei.“ (PU § 201)

Ähnliches kennt man aus der Mathematik, wo zu jeder Fortsetzung einer beliebigen Zahlenreihe auch eine „Regel“ angegeben werden könnte. Deshalb wäre es irreführend, die „Regeln“ der Sprache als Kalküle aufzufassen. Der Terminus „einer Regel folgen“ wäre dann jeglicher Bedeutung entleert. Somit stellt dieser Ausdruck für Wittgenstein die Beschreibung der Tatsache dar, dass die Mitglieder einer bestimmten Gruppe sich in einer bestimmten Situation gleich verhalten, d.h. auf die gleiche Weise „abgerichtet“ sind. Mit dem Hinweis auf eine „Regel“ ist aber keine Erklärung intendiert; es geht um kein Kalkül. Deshalb ist auch die praktisch vorfindliche „Vagheit in den Regeln“ (PU § 100) und das dadurch nach idealistischer Auffassung indizierte Problem der Bildung von ‚Regeln für Regeln‘, also das des sogenannten `unendlichen Regelregresses´, in Wirklichkeit unproblematisch356: Theoretisch wäre es zwar möglich, eine „Regel“ für eine „Regelbefolgung“ auszuformulieren und dann wiederum eine für jene usw.; und um sprachliche Ausdrücke, die wiederum geregelt werden könnten, käme man dabei nicht herum. Auch gelänge man – im Gegensatz zu der Auffassung des TLP – an kein Ende, sondern in einen Zirkel, wenn man nicht unendlich neue Ausdrücke erfände. Allerdings hätte hierbei ein ‚cartesianischer Zweifel‘, ein unangebrachter ‚Regulierungswille‘, gewirkt, dem Wittgensteins ganze Kritik gilt (vgl. Kap. 1.3.2.3.): Dort, wo es keinen natürlichen, etwa durch das Missglücken eines „Sprachspieles“ hervorgerufenen Zweifel gebe, dort müsse auch nicht weiter begründet werden, selbst `philosophisch´ nicht. Dort hat die Skepsis kein Recht auf ein „Sprachspiel“. Ein Ausbrechen aus dem Bereich der Sprache, das eine absolut gültige, ontologisch fundierte Begründung der Struktur unserer Zeichenwahl und des Umganges mit ihr geben könnte, ist dieser neuen Anschauung nach weder nötig noch möglich.357 Schon im TLP war diese Grenzüberschreitung nur didaktisch, also ‚eigentlich‘ bereits „unsinnig“. In den PU wird ein derartiger `idealistischer´ Begründungswille nun als gänzlich verfehlt dargestellt: Es tut z.B. dem Tennis-Spiel überhaupt keinen Abbruch, dass nicht festgelegt ist, wie hoch der Ball beim Aufschlag geworfen werden darf (vgl. PU § 68). Die ‚Offenheit‘ der „Regeln“ darf eben nicht mit Löchern in einer geschlossen zu haltenden Umgrenzung verglichen werden, obwohl sich gerade dieses Bild der ‚auslaufen‘ könnenden Bedeutung immer wieder aufdrängen will (vgl. PU §§ 99ff); es hatte ja sogar die 356

So mit M. Bremer, Der Regreß des Sprachregelfolgens - und warum er harmlos ist, S. 7581, in: Beiträge 1994. 357 Vgl. L. Wittgenstein, Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik, S. 333, d.i. Teil IV § 31: „Denn der Grund spiegelt uns immer wieder eine größere Tiefe vor, und wenn wir diese zu erreichen suchen, finden wir uns immer wieder auf dem alten Niveau.“

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ganze Konzeption des TLP bestimmt. Die idealistische Idee einer normativen Deutung, die eindeutige Prognosen zulässt, feste Kausalverbindungen in die Vorstellung von der „Regel“-befolgung eintragen möchte und eine letztgültige Erklärung anstrebt, will Wittgenstein – nicht nur in diesem Zusammenhang – aufgegeben wissen (vgl. PU im weiteren Verlauf des § 201; vgl. schon Kap. 1.2.3.).358 Dieses Aufgeben sei allerdings schwierig zu realisieren, da sich die idealistische Auffassung aufgrund unserer Involviertheit in die „Regeln“ förmlich aufdränge: „Damit es mir erscheinen kann, als hätte die Regel alle ihre Folgesätze zum voraus erzeugt, müssen sie mir selbstverständlich sein.“ (PU § 238)

Diese Selbstverständlichkeit scheint zudem die Möglichkeit privater Vergewisserung – z.B. via Introspektion – zu implizieren. Da „einer Regel folgen“ aber in den PU sinnvoll nur als die Gleichheit eines Verhaltens feststellender, nicht aber als ein eine unsichtbare „Regel“ offen legender Ausdruck verstanden werden kann, handelt es sich damit auch um die Abweisung derartiger privater „Regel“Interpretationen, die sich ein Einzelner selbstständig geben könnte: „Darum ist ›der Regel folgen‹ eine Praxis. Und der Regel zu folgen glauben ist nicht: der Regel folgen. Und darum kann man nicht der Regel ›privatim‹ folgen, weil sonst der Regel zu folgen glauben dasselbe wäre, wie der Regel folgen.“ (PU § 202)

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Eben dieses idealistische Regel-Verständnis trägt S. A. Kripke an Wittgenstein heran (vgl. ders., Wittgenstein über Regeln und Privatsprache. Eine elementare Darstellung, Frankfurt am Main 1987). Seiner Überzeugung nach wird in den PU eine „skeptische Lösung“ angeboten, die die Skepsis als letztlich unwiderlegbar akzeptiert. Auch wenn Kripke´s Wittgenstein-Interpretation z.T. namhafte Befürworter gefunden hat (z.B. W. Stegmüller, Hauptströmungen IV, S. 1-160), muss darauf hingewiesen werden, dass die Kripkesche Konstruktion eines „Hyperskeptikers“ (W. Stegmüller, a.a.O., S. 9 u.ö., spricht von „Hyperskepsis“) sicherlich nicht im Sinne Wittgensteins ist, da sie zum einen auf einem Missverständnis der Sprachspiele des Zweifelns beruht (vgl. auch Kap. 1.3.2.3.) und zum anderen die Pointe der Widerlegung aller Regelfolgen-Theorien in den PU verzeichnet. Der Fehler „liegt darin, daß das Handeln nach einer Regel analog einer Interpretation der Regel aufgefaßt wird; und interpretieren läßt sich freilich jede Regel in beliebiger Weise. Das Handeln nach der Regel dagegen ist ein Handeln im Rahmen einer bestimmten Praxis. Hier gibt es Abrichtung und Kontrolle, daher auch Richtig und Falsch.“ (J. Schulte, Wittgenstein, S. 160). – Für weitere Kritik an Kripke vgl. G.P. Baker/P.M.S. Hacker, Critical Study: On Misunderstanding Wittgenstein: Kripke´s Private Language Argument, in: Synthese 58 (1984), S. 407-450 (erneut abgedruckt in J.V. Canfield, (Hg.), The Philosophy of Wittgenstein. Vol. 10: Logical Necessity and Rules, New York/London 1986, S. 321-364), und D.G. Stern, Wittgenstein, S. 176-181, der verdeutlicht, dass „the paradox“ nach Wittgenstein „is due to a mistaken conception of understanding as a matter of `interpreting´, providing explanations where one substitutes one expression of a rule for another.“ (a.a.O., S. 178).

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Es ist die Gemeinschaft, die über korrekten bzw. inkorrekten Gebrauch von „Sprachspielen“ – und damit auch darüber, ob in einer bestimmten Situation einer „Regel“ gefolgt wurde oder nicht – entscheidet. Die inter-, aber auch intrasubjektiv (vgl. Kap. 1.3.2.3.) nicht überprüfbare Intention des Handelnden interessiert dabei nicht. Sprache wird somit aus dem Privatbereich des Einzelnen, der der TLP-Anschauung nach zumindest theoretisch selbst darüber entscheiden könnte, ob eine korrekte „Abbildung“ einer „Tatsache“ vorliegt oder nicht, gänzlich herausgeholt. 359 Nicht mehr die Nachbildung ‚quasi-naturwissenschaftlicher‘ Gegebenheiten ist normatives Leitmotiv und Kriterium für das angebliche Funktionieren der Sprache – wie im TLP – , sondern lediglich die deskriptiv festzustellende ‚Sanktionierung‘ durch die jeweilige SprecherInnenGemeinschaft garantiert dieser neuen Ansicht nach gelingendes Sprachgeschehen. – So kann Stegmüller in dieser Hinsicht auch völlig zu Recht behaupten: „Des Rätsels Lösung lautet, daß man Individuen nur als Gliedern umfassender Gemeinschaften die Beherrschung von Begriffen und Regelfolgen zusprechen kann. Für Wittgenstein ist somit der Mensch in einem viel grundsätzlicheren Sinn als ›soziales Wesen‹ aufzufassen, als dies diejenigen Philosophen vor ihm vertraten, die diese Redeweise bis zum Überdruß be360 tonten.“

Es ist aber äußerst wichtig zu sehen, dass Wittgensteins Auffassung nicht mit dieser soziologischen Komponente allein beschrieben ist und mit dem vorgestellten Begriff der „Regel“ die kreative Komponente eines jeden Sprachgebrauchs, jeder Wortwahl nicht negiert, sondern im Gegenteil besonders betont wird. Es handelt sich immer um eine ‚offene Regelhaftigkeit‘, die eine unbegrenzte Pluralität höchst diverser, obwohl sich z.T. überschneidender „Sprachspiele“ hervorbringt. Die Aktualisierung eines bestimmten „Musters“ durch einen Einzelnen in einer konkreten Situation ist durch die „grammatischen Sätze“ zwar in bestimmte Bahnen gelenkt, aber nie eindeutig vorherbestimmt; alle Prognosen müssen vage bleiben. Das ‚sich aufdrängende Bild von der physikalischen Ursache‘ (vgl. Kap. 1.2.3.) ist auch hier unzutreffend und nicht in das neue Sprachparadigma integrierbar. „Sprachspiele“ „sind nicht planbar und formalistisch generierbar“361. Allein die „Regeln“ können keine gelingende Kom359

Dazu vgl. auch das `Privatsprachenargument´, das im Kap. 1.3.2.3. unter dem Stichwort ‚Anti-Cartesianismus‘ dargestellt wird. 360 W. Stegmüller, Hauptströmungen IV, S. 15. 361 Ch. Bezzel, Wittgenstein, S. 27, in Anspielung auf N. Chomsky, Rules and Representations, Columbia 1980. – Vgl. auch H. J. Schneider, ‚Zwischen den Zeilen‘, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 45 (3/1997), S. 415-428, der viel Wert auf „den nicht regelhaften Teil der Sprachkompetenz“ (S. 418) legt, den er gerade bei Wittgensteins „Regel“-Auffassung berücksichtigt findet: „Obwohl der Sprecher also in seinen Handlungen auf die von ihm bis dahin jeweils erworbene Sprachkompetenz zurückgreift (...), ist diese Fähigkeit, einen die bisherige Praxis überschreitenden Schritt zu tun ..., entschieden mehr als die

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munikation garantieren. Der Gebrauch, der von den „Regeln“ gemacht wird und ohne den „Sinn“ und „Bedeutung“ inhaltslose Begriffe sind, ist letztlich nicht vorhersehbar, ist nicht im idealistischen Sinne regelbar: „Du mußt bedenken, daß das Sprachspiel sozusagen etwas Unvorhersehbares ist. Ich meine: Es ist nicht begründet. Nicht vernünftig (oder unvernünftig). Es steht da – wie unser Leben.“ (ÜG § 559)

Nur aufgrund dieser Unvorhersehbarkeit können Witze funktionieren, neue Gedanken entstehen, Metaphern gebildet werden und Wortbedeutungen und „Sprachspiele“ sich verändern. Es wird verständlich, warum die Sprache – wie das Leben – sich trotz aller Vorgegebenheit immer weiter entwickelt und es zu keiner Stagnation kommt. Implizit enthält die angesprochene ‚Offenheit‘ der „Sprachspiele“ somit auch eine historische Komponente. Ebenso wie bereits die Idee der „Familienähnlichkeit“ von Begriffen362, bietet auch die nicht-statische Auffassung von „Muster“, „Grammatik“ und „Regel“ nicht nur eine Anregung zu feinerer Analyse der synchronen Verflechtung von „Sprachspielen“, sondern durchaus auch einen Anknüpfungspunkt für eine diachrone Betrachtungsweise, die sich dementsprechend auch historischer Fragestellungen annehmen könnte. Allerdings ist dieses ein Gesichtspunkt, den Wittgenstein selbst nirgends direkt angeregt hat – wohl ganz bewusst aufgrund der Implikationen seiner Kausalkritik (vgl. Kap. 1.2.3.), der jegliche Form von Geschichtsphilosophie und sogar von erklären wollender Geschichtsschreibung suspekt erscheinen muss. Hat diese Skepsis, die vor allem ‚Anwendung‘ gegebener Strukturen, weil der neue Gebrauch in der alten Handlungsweise nicht enthalten, nicht vorgesehen ist.“ (S. 421). Vgl. auch ders., Phantasie und Kalkül, S. 264-361, insbesonders den Abschnitt „7. Projektion als Tätigkeit der Phantasie“, d.i. S. 332-345. – Diese Einsichten richten sich gegen eine Wittgenstein-Interpretation, die das Festgelegtsein durch die zu befolgenden „Regeln“ betont (vgl. W. Welsch, Vernunft, S. 419, Anm. 78). 362 Gerade historisch fragende Sprachwissenschaften machen auf Phänomene aufmerksam, die dem der „Familienähnlichkeit“ nahestehen: So gibt es zum einen den Wandel der Bedeutung eines Wortes, obwohl der Lautbestand kaum verändert erhalten geblieben ist (z.B. bedeutet italienisch „mento“ `Kinn´, obwohl etymologisch das deutsche `Mund´ als verwandt zu nennen wäre; oder vgl. italienisch „riva“ in der Bedeutung `Ufer´ mit englisch „river“ und mit polnisch „ryba“, das den `Fisch´ bezeichnet), während es andererseits möglich ist, dass Wörter mit derselben Bedeutung aufgrund mehrerer `Lautverschiebungen´ keinen gemeinsamen identischen Laut mehr besitzen und sprachlich nur über z.T. ausgestorbene „Zwischenglieder“, über gemeinsame Urformen, zusammenhängen (z.B. italienisch „pede“ mit dem deutschen „Fuß“). Wenn man die diachrone Betrachtung der Etymologie immer tiefer in die Geschichte ausdehnt, z.B. bis hin zum Indoeuropäischen, ist mit zunehmender Häufigkeit auch eine Kombination dieser beiden Möglichkeiten anzutreffen (z.B. italienisch „piano“ mit der Bedeutung `Stockwerk´ bzw. `flach´ ist ebenso wie deutsch „Feld“ auf die indoeuropäische Wurzel `pel-´ zurückzuführen [vgl. Duden, Bd. 7, S. 162]).

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die Übertragung der Vorstellung von der physikalischen Ursache in den Bereich menschlichen Handelns betrifft, z.B. für die Bewertung der Aussagen psychologisch-sozialdarwinistischer Religionskritik wichtige Auswirkungen (vgl. Kap. 1.2.3.), so ist ihre Konsequenz einer scheinbaren Ahistorizität immer auch Ausgangspunkt heftiger Kritik gewesen. Besonders K.-O. Apel hat u.a. diesen Gesichtspunkt als hermeneutische „Schwäche“ der Entwürfe sowohl des TLP als auch der PU immer wieder betont. 363 Allerdings hat er dabei übersehen, dass die vor allem mit den Begriffen „Familienähnlichkeit“ und „Regel“ indizierten Fragestellungen ohne die Idee einer sich durch die Historie ziehenden Genese als der sich wiederholenden Zuschreibung von „Ähnlichkeit“ nicht denkbar ist; ebenso sind „grammatische Sätze“ überhaupt nur als historisch gewordene verständlich. 364 Diese erste Klärung der grundlegenden Begriffe des neuen Sprachparadigmas der PU soll vorerst genügen. Manches wird jedoch bei der nun folgenden Hinwendung zu den z.T. schon angedeuteten ‚Stoßrichtungen‘ des `späten Wittgenstein´ noch weiter ausgeführt und in seiner philosophischen bzw. fundamentaltheologischen Bedeutung klarer werden.

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Vgl. K.-O. Apel, Wittgenstein und das Problem des hermeneutischen Verstehens, in: ZThK 63 (1966), S. 49-87; Wittgenstein und Heidegger. Die Frage nach dem Sinn von Sein und der Sinnlosigkeitsverdacht gegen alle Metaphysik, in: PhJ 75 (1967/68), S. 56-94; Die Entfaltung der „sprachanalytischen“ Philosophie und das Problem der „Geisteswissenschaften“, in: ders., Transformation der Philosophie Bd. 2, Frankfurt am Main 1973, S. 28-95. – Seine Kritik hat Apel im Übrigen nicht daran gehindert, im Zuge der Explikation seines „transzendentalhermeneutische(n) Begriffs der Sprache“ den Terminus „Sprachspiel“ von Wittgenstein zu übernehmen, ihn aber als das „transzendentale Sprachspiel“ (ders., Der transzendentalhermeneutische Begriff der Sprache, in: ders., Transformation der Philosophie Bd. 2, Frankfurt am Main 1973, S. 330-357, hier: S. 348) völlig zu entstellen: „Kurz: der Philosoph als Sprachkritiker muß sich darüber im Klaren sein, daß er bei dem Geschäft der Sprachspiel-Beschreibung selber ein spezifisches Sprachspiel in Anspruch nimmt, das auf alle nur möglichen Sprachspiele reflexiv und kritisch bezogen ist.“ (ders., a.a.O., S. 347). Da aber Wittgensteins „Beschreibung“ darin besteht, dass nur in Bezug auf bestimmte Fragestellungen konkrete „Sprachspiele“ durchgespielt und alle Letztbegründungen dadurch schon methodisch abgelehnt werden, gibt es ein solches allübergreifendes, von Apel postuliertes „transzendentales Sprachspiel“ gerade nicht. Auch die Beobachtung, dass „der Begriff `Sprachspiel´ kein Wesens-, sondern ein Familienähnlichkeitsbegriff“ ist (W. Strube, Wie Wittgenstein philosophiert, in: Philosophie. Beiträge zur Unterrichtspraxis, Heft 20, S. 70-83, hier: S. 74), entzieht der Apelschen Idee ihre Grundlage. 364 Die Geschichtlichkeit „grammatischer Sätze“ betont P. Böke in seiner philosophischen Magisterarbeit: Die begriffsanalytische Methode in der Spätphilosophie Wittgensteins, Marburg 2003, S. 111-113. Zudem weist er ebenfalls darauf hin, dass „wir … den innovatorischen Aspekt des Sprachgebrauchs nicht definitorisch unter Kontrolle bringen, d.h. abschließend beschreiben“ können (a.a.O., S. 64), da auch der „regelartig verwendete grammatische Satz“ (ebd.) immer wieder Neues generiert.

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1.3.2. Positionsbestimmung ex negativo – oder: Zur „Therapie“ verbreiteter Vorstellungen These: Ähnlich wie „sich“ die die „Welt“ strukturierende Logik im TLP nur an den „Bildern“, z.B. denen der logischen Syntax, „zeigen“, aber nicht direkt ausgesprochen werden konnte, muss „sich“ Wittgensteins eigene Position in Bezug auf klassische Fragestellungen der Philosophie durch die Analyse der diese betreffenden „Sprachspiele“ „zeigen“. Ist das neue Sprachparadigma als die produktive Seite der Spätphilosophie Wittgensteins anzusehen, so gibt es auch eine darauf aufbauende destruktive, die sich bemüht, vielen z.T. zu Allgemeinplätzen gewordenen und unsere Denkgewohnheiten bestimmenden Theoremen entgegenzusteuern: „[Ich glaube, einen Philosophen, einen der selbst denken kann, könnte es interessieren, meine Noten zu lesen. Denn wenn ich auch nur selten ins Schwarze getroffen habe, so würde er doch erkennen, nach welchen Zielen ich unablässig geschossen habe.]“ (ÜG § 387)

Die wichtigsten dieser Ziele und die Hauptlinien der Wittgensteinschen Kritik an ihnen sollen nun im Folgenden namhaft gemacht werden. Dabei geht es nicht primär darum, die Antworten klassischer Philosophen lediglich aus ‚Lust an der Destruktion‘ heraus als unhaltbar zu erweisen365, sondern es ist vielmehr der Skopus der Untersuchungen der, die traditionellen Fragestellungen klarer zu sehen und dadurch zu erkennen, welche Denkmodelle keine Lösungen bieten können. Manch einer mag bedauern, dass es sich um eine Darstellung „ex negativo“ handelt, und möchte direkt nach dem Positiven fragen, aber es liegt in der Methodik Wittgensteins begründet, dass der „Therapie“ der Irrwege breite Aufmerksamkeit geschenkt wird. Nur dadurch wird das ‚Spielfeld‘ deutlich, auf dem sich sprachspielanalytisch vertretbare Lösungen (und diese durchaus im Plural und jeweils situativ eingebunden) entfalten müssten – falls es denn überhaupt solche gibt und nicht schon durch die erfolgte Destruktion der Fragestellung die gesamte philosophiegeschichtlich gewordene Problematik ad absurdum geführt worden ist, wie z.B. bei bestimmten Annahmen Descartes´ (vgl. Kap. 1.3.2.3.). Wittgensteins späte Philosophie ist – und bleibt – in erster Linie Tätigkeit, ist kein Lehrgebäude mit Aussagen, die einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben wollen. Dennoch ist ein Erkenntnisgewinn immer intendiert. 365

Vgl. K. Wuchterl, Neue Tendenzen, S. 16f, wo er in einer breiten Strömung der neueren Wittgenstein-Interpretation (er nennt Rorty, Cavell und Sloterdijk) eine Form der „Radikalisierung der Sprachkritik zur Therapie-These“ (S. 17) wahrnimmt, die kein Interesse mehr an einer konstruktiven Erkenntnis habe. Mit Wuchterl ist zu konstatieren, dass solch eine dekonstruktivistische Vereinnahmung Wittgenstein nicht gerecht wird.

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1.3.2.1. ‚Anti-Platonismus‘ These: Die Suche nach dem `Wesen´ dessen, das durch einen bestimmten Begriff bezeichnet wird, stürzt das Denken oft in heillose Verwirrung und ist aufzugeben, da sie von der falschen Vorstellung ausgeht, dass es immer einen `Wesenskern´ eines Ausdruckes gebe, der in jeder Verwendung dieses Wortes mitschwinge. Stattdessen muss eingesehen werden, dass unsere Begrifflichkeit nicht von ihr zugrunde liegenden – absolut oder auch nur als Idee existierenden – `Wesenheiten´ bestimmt, sondern zumeist von „Familienähnlichkeiten“ geleitet wird. Die Vermutung, dass ‚hinter‘ den veränderlichen Dingen der wahrnehmbaren Welt, des `kosmos aisthetos´, die als ‚eigentlich seiend‘ begriffene Welt der vollkommenen und unwandelbaren Ideen, der `kosmos noetos´, liege und wahre Erkenntnis zwar bei den sinnlichen Gegebenheiten anfangen, aber dann aufsteigen müsse zur geistigen Schau – der `Theoria´ – der unstofflichen Wesenheiten, spielt seit Platon eine fundamentale Rolle in der abendländischen Geistesgeschichte. 366 Das Fragen nach dem Wesen dessen, was bestimmte Begriffe bezeichnen, die Suche nach ‚dem Eigentlichen‘ z.B. in unserer Vorstellung oder unserer Rede von irgendetwas, die Anwendung des Substanz-Akzidens-Modells auf Substantive oder substantivierte Verben unserer Sprachen, vor allem auch die Hypostasierung von Begriffen, verbunden mit der Tendenz, abstrahieren zu wollen in der Meinung, so zum ‚eigentlichen Verstehen‘ bzw. zum ‚Verstehen des Eigentlichen‘ zu gelangen, all dies soll in der vorliegenden Arbeit als ‚platonistisch‘ bezeichnet werden.367 Dabei interessiert hier nicht die Frage, ob solche Rede- und Verhaltensweisen auf der Linie der genuinen platonischen Philosophie liegen oder aber auf einem Missverständnis derselben beruhen. Durch die Verwendung des Adjektivs ‚platonistisch‘ (statt `platonisch´) soll aber – da es zu Platonismus und nicht zu Platon gebildet ist – eine einseitige Verabsolutierung bestimmter Ausgangsideen angedeutet werden. Eine ausführliche Diskussion hierüber würde allerdings den Rahmen dieser Untersuchung sprengen.368 366

Natürlich hat diese Denkrichtung im Laufe der Geschichte die unterschiedlichsten Ausprägungen angenommen. Man denke nur an den durch Plotin inspirierten `Neuplatonismus´, an die `realistische´ Position im die Scholastik durchziehenden `Universalienstreit´, an die Wiederaneignung platonischen Gedankengutes in der Renaissance durch die Begründung der Platonischen Akademie in Florenz 1459, aber auch an den durchaus kritischen Gebrauch platonischer Vorstellungen in der Philosophie des neueren Idealismus. 367 Als ein Beispiel für eine ‚platonistische‘ Verwirrung sei der Protagonist in U. Eco, Das Foucaultsche Pendel, S. 422, angeführt: „Und so begann ich, alles und jedes, was mich umgab, zu befragen, die Häuser, die Firmenschilder, die Wolken am Himmel und die Abbildungen in den Büchern, um ihnen nicht ihre eigene Geschichte, sondern eine andere zu entlocken, eine, die sie gewiß verbargen, aber die sie letztlich gerade aufgrund und kraft ihrer mysteriösen Ähnlichkeiten enthüllten.“ 368 Es sei aber zumindest verwiesen auf J.F. Findlay, Plato und der Platonismus. Eine Einführung, 2. Aufl., Königstein u.a. 1994, der nicht nur die Unterschiede zwischen vorsokrati-

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Gegen diese ‚platonistische Versuchung‘ geht Wittgenstein nun ständig an. 369 Wie ein roter Faden zieht sich diese Stoßrichtung durch die PU. Immer wieder wird auch anhand von Vorstellungen des TLP – z.B. dessen Suche nach der „allgemeinen Form des Satzes“ und sein darin impliziertes Voraussetzen eines allgemeingültigen Satz-Begriffes370 – illustriert, dass die permanente Suche nach dem `Wesen´ von etwas das Denken nur in unnötige und inadäquate Probleme verstrickt. „Philosophen“ kämen so plötzlich in die Versuchung, „Sprachspiele“ zu spielen, die mit denen der Alltagssprache nicht mehr kompatibel, ja in gewisser Weise „windschief“ zu ihnen seien 371, und konstruierten auf diese Weise merkwürdige und überflüssige Fragestellungen. Exemplarisch sei aus den PU eine Stelle herausgegriffen, in der Wittgenstein seine frühe Auffassung wie folgt kritisiert: „Wir sind in der Täuschung, das Besondere, Tiefe, das uns Wesentliche unserer Untersuchung liege darin, daß sie das unvergleichliche Wesen der Sprache zu begreifen trachtet. D.i., die Ordnung, die zwischen den Begriffen des Satzes, Wortes, Schließens, der Wahrheit, der Erfahrung, usw. besteht. Diese Ordnung ist eine Über-Ordnung zwischen – sozusagen – ÜberBegriffen. Während doch die Worte `Sprache´, `Erfahrung´, `Welt´, wenn sie eine Verwendung haben, eine so niedrige haben müssen, wie die Worte `Tisch´, `Lampe´, `Tür´.“ (PU § 97)

Statt „auf die Jagd nach Chimären“ (PU § 94) zu gehen, sollte man bei der Betrachtung von „Sprachspielen“ bzw. „Lebensformen“ sozusagen an der Oberfläche Halt machen; statt das Denken von metaphysischen Konstrukten dominieren zu lassen, sollte man deskriptiv bleiben, um „das Arbeiten unserer Sprache“ (PU § 109) richtig zu sehen. Methodisch sind die vermeintlichen „Über-Begriffe“ nicht anders zu behandeln als alle anderen Begriffe auch. Dann ergibt sich schnell die Einsicht in das in Kap. 1.3.1. vorgestellte Konzept der „Familienähnlichkeit“ von Begriffen, das allein schon ausreicht, um ‚platonistische‘ Tendenzen, die nach dem unwandelbaren Kern einer Bezeichnung fragen oder ihn schem, sokratischem und platonischem Gedankengut klarmacht, sondern auch die ‚Verfallsgeschichte‘ des platonischen Denkens (S. 152-179) erhellt. Er kennzeichnet den Platonismus folgendermaßen: „Als Denkweise läßt sich der Platonismus charakterisieren durch die Tatsache, daß er der Idee, dem Wesen oder der allgemeinen Bedeutung, Priorität über den Einzelfall, den konkreten Fall einräumt und letzteren als eine Abhängigkeit oder Modalität der Idee deutet“ (S. 152). 369 Vgl. G. Pitcher, Philosophie Wittgensteins, S. 251-264, der von einem „Angriff auf den Essentialismus“ spricht (s. auch S. 377f), und W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 579582 und 610-614. 370 Vgl. PU § 94, aber auch ÜG, z.B. § 320: „Hier muß man, glaube ich, daran denken, daß der Begriff ›Satz‹ selbst nicht scharf ist.“ 371 Vgl. PU S. 580, wo Wittgenstein „Problem und Methode“ der Psychologie „windschief“ zueinander nennt.

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auch einfach nur voraussetzen – mehr oder weniger bewusst also das SubstanzAkzidens-Modell und u.a. dadurch ein zu einfaches Bild von Sprache benutzend372 – , abzuwehren.373 Die Frage `Was ist x denn nun eigentlich? Woran partizipieren alle x? Was ist die Wesenheit von x?´ erkennt man dann als eine u.a. durch einen divergierenden Gebrauch der Kopula fehlgeleitete Konstruktion, die unangebracht ist, d.h. „sinnlos“. Sie müsste überführt werden in `Wie benutzt man diesen Ausdruck? Was für Verwendungsweisen kennen wir? Welche Verwendungsweisen würden wir nicht mehr anerkennen?´ Nach Wittgenstein fragt man erst auf diese Weise richtig. So sieht man, dass nicht die eine und `eigentliche´ Bedeutung eines Wortes das philosophisch zu Erfragende und Weiterführende ist, dass nicht die Suche nach der Bedeutung isoliert vom Sprachgebrauch betrachteter Begriffe dem Erkennen hilfreich sein kann, sondern dass es die `eigentliche´ Bedeutung gar nicht gibt und die Frage danach absurd ist, d.h. dem Funktionieren von Sprache gänzlich unangemessen. Dann wird auch verständlich, dass nicht etwa möglichst abstrakte Gemeinsamkeiten und Analogie-Bildungen zu einem tieferen Verstehen des Seins führen, sondern dass es die Unterschiede in der Begriffsanwendung und das „Finden[] und ... Erfinden[] von Zwischengliedern“ (PU § 122, vgl. auch § 161) sind, die den Blick schärfen für die nicht nivellierbare Vielgestaltigkeit des Vorfindlichen.374 Damit wird dann auch deutlich, dass ein Wort innerhalb eines bestimmten „Sprachspieles“ seinen Zweck nicht dadurch erfüllt, dass es aufgrund einer starren semantischen Zuordnung ein ontisches Korrelat „bedeutet“, sondern nur im konkreten Zusammenhang mit anderen Wörtern und Sätzen, mit Mimik und 372

Vgl. die eingangs der PU, z.B. § 2, geübte Kritik an der Auffassung des Augustinus als einer „Vorstellung einer primitiveren Sprache als der unsern“ (vgl. Anfang von Kap. 1.3.1.). 373 Diesen Zusammenhang zwischen „Familienähnlichkeit“ und ‚Anti-Platonismus‘ betonen R. Monk, Wittgenstein, S. 361; J. Schulte, Wittgenstein, S. 151f; W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 610f; H. Wennerberg, Familienähnlichkeit, S. 41-43, und K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 122f. 374 Ähnlichkeiten mit dem „gegenständlichen Denken“ Goethes (vgl. besonders dessen „Naturwissenschaftliche Schriften“, Hamburger Ausgabe Bd. 13 und in Bd. 14, S. 7-272, 8. bzw. 6. neu bearb. Aufl., beide München 1981, hg.v. E. Trunz, die Wittgenstein allerdings auch zu sehr kritischen Bemerkungen veranlasst haben, z.B. in: Bemerkungen über die Farben, S. 27f, d.i. Teil I §§ 70-73) sind bei dieser Konzeption „der übersichtlichen Darstellung“ (PU § 122) unübersehbar (vgl. J. Schulte, Wittgenstein, S. 30f und 109f, sowie ders., Chor und Gesetz. Zur ›morphologischen Methode‹ bei Goethe und Wittgenstein, in: Grazer philosophische Studien 21 (1984), S. 1-32). Wittgenstein tritt hier nicht für ein Kontinuitätsdenken (`natura non facit saltus´) ein, doch seien die ‚Sprünge der Natur‘ auch im Denken möglichst klein zu halten. (Bei diesen Überlegungen ist auf den Einfluss von L. Boltzmann zu verweisen; vgl. ders., Über die Unentbehrlichkeit der Atomistik in der Naturwissenschaft, in: ders., Populäre Schriften, Leipzig 1905, S. 141-157.)

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Gestik, mit Handlungen und Unterlassungen in jeweils bestimmten Situationen und aufgrund seiner, in ‚offener Regelhaftigkeit‘ erlebten Eingebundenheit in eine verschiedene „Sprachspiele“ übergreifende „Grammatik“ eine „Bedeutung“ gewinnt und einen „Sinn“ mit konstituiert. Diese Einsicht in den ‚anti-platonistischen‘ Charakter unserer Sprache hat Konsequenzen für den Begriff der `Wahrheit´, die im Folgenden dargestellt werden sollen. 1.3.2.2. ‚Anti-Aristotelismus‘ These: Die ‚eindimensionale Engführung‘ des Begriffes der `Wahrheit´ durch die Abbildtheorie des TLP, die aristotelische Vorstellungen aufgegriffen hatte, ist im Kontext des neuen Sprachparadigmas nicht haltbar. `Wahrheit´ muss nun kontextbezogen gedacht werden, wird jedoch nicht in konsenstheoretische Kontingenz oder konstruktivistische Willkürlichkeit entlassen, sondern bleibt weiterhin mit dem Anspruch auf `Episteme´ verbunden. In seinem „Organon“ 375 hatte Aristoteles die `formale Logik´ begründet und ihr ihre klassische Form gegeben, die später vor allem in der Scholastik prägend wurde376 und sich von da an, ohne entscheidende Ergänzungen zu erfahren, bis tief in die Neuzeit durchgehalten hat. Erst ab Ende des vorigen Jahrhunderts kann man – bewirkt durch die Arbeiten der Mathematiker Frege und Peano – von einem Fortschritt in dieser Disziplin sprechen. Die Ausformulierung der als unhintergehbar angesehenen Geltungsverhältnisse von Begriff, Urteil und Schluss basierte bei Aristoteles auf der Überzeugung, dass Denken und Sein in einer inneren Notwendigkeit miteinander verflochten seien und deshalb die logischen Gesetzmäßigkeiten die Grundstrukturen des Seins widerspiegelten. 377 Wie in Kap. 1.1. gezeigt worden ist, war auch 375

Seit dem 6. Jahrhundert wird die Gesamtheit der logischen Schriften des Aristoteles „Organon“, `Werkzeug´ (sc.: des Denkens), genannt. Vgl. Aristoteles, Organon, Bd. 1-4, hg., übers., mit Einl. und Anm. versehen v. H.G. Zekl, Darmstadt 1997/98. 376 Es sei daran erinnert, dass insbesondere der aufgeklärte Islam des Hochmittelalters (z.B. Averroes), aber auch die Juden (z.B. Maimonides) das historisch ungemein folgenreiche Verdienst haben, die Schriften des Aristoteles dem christlich geprägten Europa näher gebracht zu haben (man denke an Albertus Magnus und Thomas von Aquin). 377 Vgl. K.-O. Apel, Sprache und Ordnung, S. 168: „So begreift etwa Aristoteles seine Subjekt-Prädikat-Logik als Entsprechung einer ontologischen Ordnung (des Soseins des Seienden)“. Diese Auffassung von „Sprache als zeichenmäßige Abbildung einer Weltordnung“ (ebd.) hat das Nachdenken über Ontologie lange Zeit bestimmt. Dies gilt auch da, wo der `Aristotelismus´ als sich auf Aristoteles berufende philosophische Strömung nach seiner mittelalterlichen Blüte an Einfluss verlor. So konnte er z.B. im Protestantismus – obwohl durch Melanchthon angeregt – keine große Wirksamkeit erlangen. Ganz allgemein ist zu Beginn der Neuzeit ein Rückgang des aristotelischen Einflusses zu verzeichnen. Es

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die Frühphilosophie Wittgensteins von dieser Idee durchdrungen – bis er sie dann Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre als unhaltbar erkannt und aufgegeben hat (vgl. Kap. 1.2.1.). Das Zerbrechen der Vorstellung von der Einheit von Denken und Sein, das nach den aufklärerischen Anfängen als charakteristisches Kennzeichen der Moderne und erst recht der Postmoderne angesehen werden kann, hat nun aber immense Auswirkungen auf Erkenntnistheorie und Wahrheitsbegriff. War Aristoteles davon ausgegangen, dass `Wahrheit´ genau dann vorliege, wenn eine Aussage mit der Wirklichkeit übereinstimme – `Wahrheit´ nach dem Prinzip der Korrespondenz378 – , so hatte er implizit angenommen, dass die Feststellung der ‚Richtigkeit‘ der sprachlichen Abbildung im Grunde immer möglich und unproblematisch und dass `Wahrheit´ eine absolute Eigenschaft von Aussagen sei. Gerade diese ‚aristotelischen Präsuppositionen‘ werden aber in Wittgensteins Spätphilosophie bezweifelt. Ist nämlich `die Logik´ keine absolute, sondern eine sprachimmanente (vgl. Kap. 1.2.1.), so kann ihre Gültigkeit für die Wirklichkeit nicht mehr behauptet werden. Die adaequatio rei et intellectus, die im TLP noch so fundamental war, ist für den `späten Wittgenstein´ nicht mehr denkbar. Mit der Veränderung der Rolle der Logik muss auch die Zuschreibung von `Wahrheit´ neu bedacht werden; alle Denkmuster, die dem klassisch gewordenen, aristotelischen Wahrheitsbegriff anhängen, werden obskur, erscheinen von vornherein als eine falsche Vereinfachung und als dogmatische Verengung der Wahrnehmung von Sprache und Wirklichkeit. – Mit ‚Anti-Aristotelismus‘ soll in der vorliegenden Arbeit also lediglich dieses Herausstellen der Unhaltbarkeit des `Korrespondenzbegriffes der Wahrheit´ gemeint sein, ohne dass andere Aspekte der aristotelischen Philosophie dabei berücksichtigt wären. An die Stelle der Abbildtheorie des TLP tritt in der Spätphilosophie Wittgensteins nun ein kontextualistischer Wahrheitsbegriff379, für den die Verhaftung in einer bestimmten `Lebenswelt´ mit den sie prägenden „grammatischen Sätzen“ und den daraus in ‚offener Regelhaftigkeit‘ resultierenden „Sprachspielen“ bzw. ist allerdings festzustellen, dass im Deutschland des 19. Jh. eine durch Hegel inspirierte Aristoteles-Renaissance einsetzte, z.B. bei Friedrich Adolf Trendelenburg und Franz Brentano. Vor allem die Untersuchungen Brentanos zur Logik der Sprache könnten bereits dem jungen Wittgenstein bekannt gewesen sein und den ‚aristotelischen‘ Geist des TLP in Bezug auf die Vernetzung von Sprache und Denken mitgeprägt haben. Inwieweit Brentanos „Philosophie der Evidenz“ (vgl. W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 2-48) das Konzept des TLP oder auch das Programm der Spätphilosophie „Klarheit als Selbstzweck“ (Titel der Arbeit von M. Kroß, Berlin 1993) beeinflusst haben könnte, ist m.W. aber noch nicht diskutiert worden. 378 Zur „Korrespondenztheorie der Wahrheit“ vgl. L.B. Puntel, Wahrheitstheorien, S. 26-40. Hier wird auch deren Ausformung „als logisch-empiristische Bildtheorie“ bei Russell und dem `frühen Wittgenstein´ dargestellt (S. 36-40). 379 Vgl. W. Stegmüller, Hauptströmungen IV, S. 95.

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„Lebensformen“ fundamental ist. Dass zunächst einmal Rahmenbedingungen für einen Wahrheitsentscheid gelegt sein müssen und die Zuschreibung eines Wahrheitswertes nicht absolut, also sozusagen ‚im luftleeren Raum‘, erfolgt – wie es der TLP ‚aristotelisch‘ suggeriert hatte – , kommt deutlich an einigen Stellen aus ÜG zum Ausdruck: „Der Gebrauch von `wahr oder falsch´ hat darum etwas Irreführendes, weil es ist, als sagte man `es stimmt mit den Tatsachen überein oder nicht´, und es sich doch gerade frägt, was `Übereinstimmung´ hier ist.“ (ÜG § 199) „Hier sehen wir, daß die Idee von der ›Übereinstimmung mit der Wirklich380 keit‹ keine klare Anwendung hat.“ (ÜG § 215)

Somit handelt es sich bei „Übereinstimmung“ und – in der Konsequenz – bei `Wahrheit´ um „Familienähnlichkeits“-Begriffe. Nur innerhalb bestimmter „Sprachspiele“ sind diese Begriffe klar, ist ihre Bedeutung ersichtlich. Erst wenn die zugrunde liegenden „grammatischen Sätze“, d.h. die „Gewißheiten“, bestimmt sind, was zumeist unbewusst geschieht, ist das „Wissen“ platzierbar und wird einsichtig, was ein „Irrtum“ sein könnte – um die in ÜG favorisierte Terminologie zu benutzen381. Von `Wahrheit´ zu reden, hat also nur „Sinn“, wenn die Rahmenbedingungen klar sind. Diese können allerdings recht unterschiedlich sein, wie ein Blick auf die Differenz zwischen Wahrheitszuschreibungen in naturwissenschaftlichen Kontexten und denen bei ästhetischen „Geschmacksurteilen“ leicht erkennen 380

In der modernen Diskussion um korrespondenztheoretische Auffassungen geht es vor allem um die Frage, was unter Übereinstimmung genau zu verstehen ist. Mit dem Postulat unterschiedlicher Projektionsweisen wird von Verteidigern der Korrespondenz versucht, die Probleme, die mit einer `eineindeutigen Abbildung´ verknüpft sind, zu lösen (vgl. W. Sellars, Wahrheit und `Korrespondenz´, in: G. Skirbekk, (Hg.), Wahrheitstheorien, Frankfurt am Main 1977, S. 300-336, der auch eine Diskussion der TLP-Auffassung unternimmt [S. 312-324]). Dadurch aber wird „Wahrheit“ letztlich mit der Beschaffenheit von Denkakten verbunden, was ein kaum haltbares Verständnis der Beziehung zwischen mentalen Vorgängen und Sprache voraussetzt (vgl. Kap. 1.3.2.5.). Auch liegt der Verdacht eines ‚platonistischen‘ Missverständnisses nahe, nach dem das Wesen aller wahren Projektionen – seien sie noch so unterschiedlich – die Korrespondenz sein müsse. 381 Diese richtet sich meist gegen den Wortgebrauch von G.E. Moore in „Eine Verteidigung des Common Sense“ (vgl. ÜG §§ 112, 137, 151, 407, 414 u.ö.). Bei Moore werden auch „Gewißheiten“, also Formulierungen, die für Wittgenstein eigentlich „grammatische Sätze“ sind (vgl. Kap. 1.3.1.), mit „Ich weiß ...“ in der Absicht eingeleitet, eine `philosophische´ Überlegung zu bekräftigen. Aus der Sicht von ÜG muss hier von einem Missbrauch des Wortes „wissen“ gesprochen werden, da es sich gerade nicht auf die Grundlagen für die Verifikation bzw. die Falsifikation, sondern auf das zu Verifizierende bzw. zu Falsifizierende selbst beziehen sollte. – Vgl. den Sprachgebrauch S. Kierkegaards in: Einübung im Christentum, S. 31: „Kann man aus der Geschichte etwas über Christus zu wissen bekommen? Nein. Warum nicht? Weil es überhaupt kein `Wissen´ von `Christus´ gibt; er ist das Paradox, des Glaubens Gegenstand, nur da für den Glauben.“ (Die einleitende Frage ist im Original als Überschrift und gesperrt gedruckt.)

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lässt.382 `Wahrheit´ hängt ganz davon ab, welche Arten von Aussagen analysiert bzw. – in den zu analysierenden „Sprachspielen“ – analogisiert werden. Die Rahmenbedingungen selbst wiederum können nicht in „wahr“ und „falsch“ eingeteilt werden, sind sie doch die Prämissen – im Sinne von feststehenden, eben „gewissen“, Ermöglichungsbedingungen – für eine derartige Beurteilung: „Wenn das Wahre das Begründete ist, dann ist der Grund nicht wahr, noch falsch.“ (ÜG § 205, vgl. auch § 200)383

Jetzt wird auch deutlicher, warum schon der `mittlere Wittgenstein´, abgesehen von den in Kap. 1.2.3. vorgestellten Überlegungen, große Probleme hatte, den der `Wahrheit´ korrespondierenden Begriff der „Falschheit“ auf religiöse Aussagen anzuwenden, die er nicht teilte: Fehlt die Übereinstimmung mit den zugrunde liegenden „Gewißheiten“, so ist eine Entscheidung über „wahr“ und „falsch“ für den Gefragten gar nicht möglich – sie ist für ihn ebenso „sinnlos“ wie die getätigten Aussagen selbst; weder Zustimmung noch Widerspruch erscheinen angebracht. Damit liegt in der Spätphilosophie Wittgensteins ein pluralistisches Konzept von `Wahrheit´ vor, so dass sich die Frage stellt, ob jetzt die Gefahr eines Abgleitens in Willkürlichkeit gegeben ist, ob also postmoderne Nivellierungstendenzen hier bereits eine erste Ausprägung gefunden haben. Sollten jetzt auch „Mythologeme“ im Sinne C.G. Jungs 384, d.h. nur gruppenspezifisch auftauchende Phänomene, gleichberechtigte „Wahrheiten“ unter anderen sein? Sollte die Interpretation J.F. Lyotards, nach der lediglich von „Sprachinseln“ gesprochen werden kann, die untereinander nicht in Verbindung stehen, sondern ganz eigenständig „Sinn“ generieren, ihre Berechtigung haben?385 Dass mit einer derartigen Auslegung Wittgenstein falsch interpretiert wäre, machen schon seine Ausführungen über den „Regel“-Begriff (vgl. Kap. 1.3.1.) ebenso deutlich wie das Beharren auf einer möglichst allgemeinen und nicht nur gruppenimmanenten Intersubjektivität, also auf der Vernetzung aller „Sprachspiele“ im Geflecht der Sprache. Erst dadurch werde z.B. die Hypothese als Hy382

Wie vor allem in VuG klar wird, siedelt Wittgenstein `religiöse Rede´ nahe am Bereich der Ästhetik an (vgl. oben Kap. 1.2.3.). Vgl. aber auch schon im TLP 6.421: „(Ethik und Ästhetik sind eins.)“ 383 Die sich von Seiten theologischen Sprachgebrauchs aufdrängende terminologische Unterscheidung zwischen `glauben, dass´ und `glauben an´ war Wittgenstein wohl unbekannt (vgl. ÜG § 234, wo er beide Ausdrücke unterschiedslos gebraucht); ihr inhaltliches Anliegen aber scheint ihm keineswegs fremd gewesen zu sein, wenn er feststellt: „Nun, es hängt eben die Grammatik von `glauben´ mit der des geglaubten Satzes zusammen.“ (ÜG § 313). 384 C.G. Jung, Am Himmel, S. 17. 385 Vgl. J.-F. Lyotard, ›Nach‹ Wittgenstein, in: ders., Grabmal des Intellektuellen, Graz 1985, S. 68-74, besonders S. 70.

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pothese und die Fiktion als Fiktion erkannt. Das ‚Passen‘ von „Wahrheiten“ in das System der jeweils „gewissen“, aber eben nicht nur bestimmten Untergruppen vorbehaltenen „grammatischen Sätze“, d.h. ihr Zusammenpassen innerhalb eines Baues, dessen Grundfeste gar nicht ohne weiteres bezweifelt werden können (vgl. dazu Kap. 2.1.3.), ist für Wittgenstein ein wichtiger Gedanke: „Es ist ganz sicher, daß Automobile nicht aus der Erde wachsen. – Wir fühlen, daß, wenn Einer das Gegenteil glauben könnte, er allem Glauben schenken könne, was wir für unmöglich erklären, und alles bestreiten könnte, was wir für sicher halten. Wie aber hängt dieser eine Glaube mit allen andern zusammen? Wir möchten sagen, daß wer jenes glauben kann das ganze System unsrer [sic; Vf.] Verifikation nicht annimmt. Dies System ist etwas, was der Mensch durch Beobachtung und Unterricht aufnimmt. Ich sage absichtlich nicht `lernt´.“ (ÜG § 279; vgl. auch §§ 312, 410, 419 und 432.)

Das Festlegen von `Wahrheit´ kann demnach kein subjektiv-willkürlicher Akt sein, da Sprache von vornherein auf ein Gegenüber bezogen und von Anfang an, wie bereits hervorgehoben, soziales – und nicht nur gruppenspezifisches – Phänomen ist. Es handelt sich aber auch im intersubjektiven Bereich nicht um eine voraussetzungslose Übereinkunft, geht es doch auch, wie schon mehrfach betont, um die Einbettung der „Sprachspiele“ in nicht-sprachliche Kontexte wie z.B. in Mimik, Gestik und Lebensgewohnheiten386, damit aber ebenfalls um das ‚Passen‘ der „grammatischen Sätze“ zu der durch sie angeleiteten Erfahrung, die wiederum u.U. zu einer Korrektur der „Gewißheiten“ zwingt: „Die Prozedur, ein Stück Käse auf die Waage zu legen und nach dem Ausschlag der Waage den Preis zu bestimmen, verlöre ihren Witz, wenn es häufiger vorkäme, daß solche Stücke ohne offenbare Ursache plötzlich an387 wüchsen, oder einschrumpften.“ (PU § 142)

Diese Bemerkungen zeigen, dass Wittgensteins neue Auffassung von `Wahrheit´ nicht mit einer reinen `Kohärenztheorie´ verwechselt werden darf, die sich nicht um ihren Wirklichkeitsbezug kümmert und jeglichen Transzendenz-Anspruch aufgibt.388 Nach Wittgenstein verbleibt man auch keineswegs auf der rein se386

Vgl. PU S. 568: „Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen.“ Vgl. auch G. Hallett, Companion, S. 463-492: Hier kommentiert er unter der leitenden Überschrift „The Agreement of Thought with Reality“ die §§ 428-465 der PU. 388 Zur `Kohärenztheorie´ vgl. L.B. Puntel, Wahrheitstheorien, S. 172-182. – Varianten der Kohärenztheorie, die die Kohärenz nicht als absolutes Kriterium begreifen, sondern sie mit Korrespondenz in Verbindung bringen wollen, kommen Wittgensteins Überzeugungen allerdings näher: Vgl. D. Davidson, A Coherence Theory of Truth and Knowledge, in: E. LePore, (Hg.), Truth and Interpretation. Perspectives on the Philosophy of Donald Davidson, Oxford 1986, S. 307-319, und N. Rescher, Die Kriterien der Wahrheit, in: G. Skir387

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mantischen Ebene389 oder – wie nach konsenstheoretischer Auffassung – im Bereich lediglich intersubjektiver Verifikation390, denn durch die unhintergehbare Einbettung der Sprache in die Welt, durch ihren ‚Tätigkeitscharakter‘, hat man immer schon den Zirkel rein sprachlichen Verstehens durchbrochen. Es handelt sich nun aber auch nicht um eine Abwandlung pragmatischer Theorien, deren Kriterium der Nützlichkeit391 den Blick auf die Wirklichkeit zu stark auf einen Aspekt einschränkt. Aufgrund der Vernetzung von Sprache und Realität kann ebenfalls nicht – als ein letztes mögliches Extrem – die Rede sein von der Unentscheidbarkeit von `Wahrheit´, indem die `epistemische Kluft´ zwischen „Welt“ und „Sprache“ bzw. „Denken“ als – zumindest für uns Menschen – unüberbrückbar hingestellt wird. Das Verifikationsprinzip behält durchaus Bedeutung392, auch wenn jetzt deutlich geworden ist, dass zwischen verschiedenen Arten von Verifikation bzw. Falsifikation unterschieden werden muss. Damit geht Wittgenstein den Mittelweg eines zwar relativen, d.h. kontextbezogenen, aber weiterhin epistemischen Begriffes von `Wahrheit´, denn es gehört seiner Überzeugung nach zur „Grammatik“ von `Wahrheit´, eine tendenziell für alle Menschen nachvollziehbare Einsicht zu kennzeichnen. Gerade aufgrund der Kontextbezogenheit ist aber eine Wahrheitstheorie, die einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt und `Wahrheit´, d.h. die Struktur der zu gewährenden Einsicht, gleichsam ‚platonistisch‘ auf ein ihr wesentliches Element festzulegen sucht, seinen Ausführungen nach abzulehnen. Insofern sind die vorgestellten Überlegungen des `späten Wittgenstein´, die ihr hauptsächliches Gegenüber an korrespondenztheoretischen Überzeugungen haben, auch allen anderen Wahrheitstheorien gegenüber äußerst kritisch. Die Annahme eines zu überbrückenden Hiatus zwischen Welt und Sprache bzw. Denken, auf der die Korrespondenztheorie aufbaut, die aber auch anderen Wahrheitstheorien eigen ist, tritt in abgewandelter Form – in der so genannten `Subjekt-Objekt-Spaltung´ – auch im folgenden Unterkapitel in Erscheinung.

bekk, (Hg.), Wahrheitstheorien, 6. Aufl., Frankfurt am Main 1992, S. 337-390 (kritisch zu diesem Entwurf von Rescher äußert sich L.B. Puntel, a.a.O., S. 182-204). 389 Vgl. den Entwurf von A. Tarski, z.B. ders., Die semantische Konzeption der Wahrheit und die Grundlagen der Semantik, in: G. Skirbekk, (Hg.), a.a.O., S. 140-188. Kritisch dazu L.B. Puntel, a.a.O., S. 41-69, und E. Tugendhat, Tarskis semantische Definition der Wahrheit und ihre Stellung innerhalb der Geschichte des Wahrheitsproblems im logischen Positivismus, in: G. Skirbekk, (Hg.), a.a.O., S. 189-223. 390 Vgl. L.B. Puntel, a.a.O., S. 142-171, und W. Kamlah/P. Lorenzen, Wahrheit und Wirklichkeit. `Wahr´ und `falsch´ (die interpersonale Verifizierung), in: G. Skirbekk, (Hg.)., a.a.O., S. 483-495. 391 Vgl. N. Rescher, Kriterien, in: G. Skirbekk, (Hg.), Wahrheitstheorien, S. 337-390, hier: S. 346-349. 392 Vgl. H.-U. Hoche, Einführung, S. 63-67.

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1.3.2.3. ‚Anti-Cartesianismus‘ These: Die absurde Konsequenz des cartesianischen Denkens ist letztlich das bei sich selbst verbleibende Subjekt, das sowohl Außenwelt als auch Gott nur noch als eigene Ideen begreifen kann. Demgegenüber ist zu zeigen, dass schon der Ansatz dieser Art des `Philosophierens´, diese Suche nach einer `Ersten Philosophie´, ein ‚solipsistisches Missverständnis‘ vom Funktionieren der „Sprachspiele“ des Zweifelns enthält. Ebenso ist die Annahme der Möglichkeit einer `Privatsprache´ im Rahmen des neuen Wittgensteinschen Sprachparadigmas nicht aufrecht zu erhalten. Die idealistische Subjektzentriertheit muss als methodischer Ausgangspunkt aller Überlegungen abgelöst werden durch das Anerkennen des nicht hintergehbaren Eingebundenseins des Subjektes und seiner Sprache in die Welt. In den „Meditationes de prima philosophia“ (1641)393 von René Descartes wird der Eindruck erweckt, als sei es möglich, den Zweifel als Methode so weit zu instrumentalisieren, dass schließlich – unter Absehung von allen sonstigen „Gewißheiten“ – nur noch die Existenz des Ich als einer „res cogitans“ als notwendige Wahrheit herausgestellt werden kann.394 Die absolut gesetzte Selbstvergewisserung des sich selbst bemerkt habenden Denkens im cartesianischen „Cogito, ergo sum“ und der daraus folgende metaphysische Dualismus von „res cogitans“ und „res extensa“395 bringt der idealistischen Philosophie aber letztlich auch das Problem des Solipsismus und damit die Frage nach der Realität der Außenwelt ein.396 Wittgenstein geht es nun darum, diese Frage nach der Wirklichkeit der Außenwelt als ‚philosophisches Scheinproblem‘ herauszustellen. 397 Dies geschieht 393

Vgl. R. Descartes, Meditationen, übers. und hg.v. A. Buchenau, Hamburg 1994. Vgl. a.a.O., II. Meditation 6, S. 47. 395 Der hier angesprochene Dualismus hat – um nur zwei Beispiele zu nennen – die SubjektObjekt-Unterscheidung des `Deutschen Idealismus´ ebenso wesentlich mitgeprägt wie schon zuvor den von Arnold Geulincx und Nicolas Malebranche begründeten `Okkasionalismus´, der Gott – ähnlich wie bei Descartes als die der „res cogitans“ die Kenntnis über die Außenwelt vermittelnde Instanz gedacht – als die alleinige unmittelbare Ursache aller scheinbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge einführt und z.B. bei Malebranche als „primum esse ontologicum“ auffasst. Die Affinitäten zur Rolle des „logischen Raumes“ im TLP stechen dabei deutlich ins Auge (vgl. Kap. 1.1.7. und 1.2.1.). 396 Als derjenige, der durch konsequentes Weiterdenken des cartesianischen Ansatzes zum Hauptexponent dieser Problematik geworden ist, sei zumindest der Begründer des `subjektiven Idealismus´, George Berkeley, genannt. 397 Vgl. ÜG § 317 („Dieser Zweifel gehört nicht zu den Zweifeln unsers Spiels. (Nicht aber, als ob wir uns dieses Spiel aussuchten!)“) und § 329: „`Wenn er das bezweifelt - was immer hier ›bezweifeln‹ heißt - , dann wird er dieses Spiel nie erlernen.´“ (Diese Stellen beziehen sich direkt auf Variationen des Zweifels an der Außenwelt, vgl. § 327: „`Der vernünftige Mensch glaubt: daß die Erde längst vor seiner Geburt existiert hat ...´“) 394

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dadurch, dass er bereits die ihr zugrunde liegende Auffassung von der `SubjektObjekt-Spaltung´ als fehlgehende Annahme erweist. Bereits am Beginn der Überlegungen Descartes´ steht nämlich aus Sicht der „Sprachspiel“-Analyse ein Missverständnis. Es handelt sich dabei um eine Fehldeutung und eine daraus resultierende Fehlanwendung des „Sprachspiels“ des Zweifelns: „Man zweifelt aus bestimmten Gründen. Es handelt sich darum: Wie wird der Zweifel ins Sprachspiel eingeführt?“ (ÜG § 458)

Einer der Haupttopoi der Wittgensteinschen Spätphilosophie besteht darin, dass Zweifeln ein „Sprachspiel“ ist – oder richtiger: auf verschiedene, aber ähnliche „Sprachspiele“ abhebt398 – , das ohne den sicheren Grund anderer „Sprachspiele“ unmöglich funktionieren kann.399 Immer sind bereits „Gewißheiten“ vorausgesetzt, die zu bezweifeln dem Zweifelnden gar nicht in den Sinn kommt. Ein ‚Gleichzeitig-an-allem-Zweifeln‘ ist, da Zweifeln innerhalb des Mediums der Sprache geschieht, gar nicht möglich, sondern stellt lediglich die Behauptung einer contradictio in se dar. Es läuft der „Grammatik“ dieses Wortes zuwider. Nur aufgrund – auf dem Grund – bestimmter „Gewißheiten“ ist Zweifel praktizierbar400; jene sind das Primäre, dieser etwas Sekundäres. Erst, wenn man bereits etwas gelten lässt, hat das Anzweifeln von anderem überhaupt einen „Sinn“401: „`Jedes einzelne dieser Fakten [sic; Vf.] könnten wir bezweifeln, aber alle können wir nicht bezweifeln.´ Wäre es nicht richtiger zu sagen: `alle bezweifeln wir nicht.´ Daß wir sie nicht alle bezweifeln, ist eben die Art und Weise, wie wir ur402 teilen, also handeln.“ (ÜG § 232) 398

Schon die Meinung, dass es nur eine Art von „Sprachspielen“ mit dem Wort „Zweifel“ gebe, ist ein Irrtum. Man vgl. z.B. den Zweifel an der Existenz von Einhörnern mit Glaubenszweifeln in einem religiösen Kontext. 399 Mit einer etwas anderen, an die Abbildtheorie geknüpften Begründung findet sich die Kritik am Skeptizismus allerdings bereits in der Frühphilosophie; vgl. TLP 6.51: „Skeptizismus ist nicht unwiderleglich, sondern offenbar unsinnig, wenn er bezweifeln will, wo nicht gefragt werden kann. Denn Zweifel kann nur bestehen, wo eine Frage besteht; eine Frage nur, wo eine Antwort besteht, und diese nur, wo etwas gesagt werden kann.“ 400 Dabei ist allerdings zu beachten, dass nicht unbedingt ein für allemal feststeht, welches die jeweils unbezweifelbaren „Gewißheiten“ sind. Wie sie in Kap. 1.3.2.2. als die durchaus veränderlichen Rahmenbedingungen für die Zuschreibung von Wahrheitswerten vorgestellt worden sind, so ist auch hier daran zu erinnern, dass es zwar immer ein Fundament, ein „Flußbett“ (ÜG § 97), geben muss, dass sich dieses aber durchaus verschieben kann. 401 Dass „Ich zweifle ... kein erster Satz“ sein kann, greift auch J.F. Lyotard bei seiner Wittgenstein-Rezeption als ein wichtiges anti-idealistisches Argument auf (vgl. ders., Der Widerstreit, S. 108f). 402 Vgl. auch ÜG § 249: „Man macht sich ein falsches Bild vom Zweifel.“ und § 341.

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Wittgenstein trifft somit die ‚philosophische Krankheit des Cartesianismus‘ an der Wurzel und enttarnt den angeblichen Zerfall der Welt in „res cogitans“ und „res extensa“ als inadäquates ‚philosophisches Konstrukt‘. Die Selbstvergewisserung des transzendentalen Ich im „Cogito, ergo sum“ ist nicht der einzig gewisse Fixpunkt, als der er in der cartesianischen Philosophie angesehen wurde und von dem aus alles weitere Denken zu konstruieren sei, sondern nicht mehr als nur der Hinweis auf einen „grammatischen Satz“, auf eine „Gewißheit“, neben anderen. Die Vorgängigkeit anderer „Sprachspiele“ vor denen des Zweifelns ist deshalb auch dadurch anzuerkennen, dass das in dieser Vorgängigkeit von Anfang an mitgesetzte, nicht nur sprachliche, sondern auch reale Eingebettetsein des Subjektes in eine Sprachgemeinschaft ontologisch konzidiert und nachvollzogen wird. Die Eingebundenheit der Sprache bzw. der Sprechenden – und damit auch der Genese ihres Bewusstseins – in die Welt ist unhintergehbar, d.h. aber auch, dass die philosophiegeschichtlich so folgenreiche Idee der `Subjekt-ObjektSpaltung´ nicht aufrecht zu erhalten ist. Bewusstsein – einschließlich eines in einem sekundären, vorgeblich `philosophischen´ Schritt an der Realität seiner Konstitutionsbedingungen zweifelnden Selbst – ist der „Sprachspiel“-Analyse nach immer nur in einem realen Kontext denkbar; ein streng solipsistisches Für-sich-allein-Sein – ohne auf einer ontologisch gesehen gleichen Stufe Befindliches – ist undenkbar. Der Zerfall der Welt in Bewusstsein bzw. Sprache einerseits und Welt andererseits tritt somit gar nicht erst ein; es muss demnach auch nicht in einem zweiten Schritt versucht werden, die Diastase wieder zu überbrücken: Das Denken ist von diesem Problem erlöst.403 Die ‚anti-cartesianische Stoßrichtung‘ findet sich in der Spätphilosophie Wittgensteins allerdings nicht nur in der Form der Untersuchung der „Sprachspiele“ des Zweifelns, sondern es wird in den PU und in ÜG auch versucht, von vielen anderen Richtungen her die Inadäquatheit des idealistischen Ansatzes aufzuzeigen. An dieser Stelle soll jedoch nur noch auf das so genannte `PrivatsprachenArgument´ hingewiesen werden, das ebenfalls diesen Skopus aufweist. Nach der üblichen Einteilung handelt es sich dabei in den PU um die §§ 243-315404 bzw., 403

Vgl. R. Monk, Wittgenstein, S. 526, der darauf verweist, dass Wittgenstein, der bei einem Treffen der Jowett Society 1947 in Oxford über die Gültigkeit des „Cogito, ergo sum“ sprechen sollte, nicht den Eindruck eines ernsthaften Diskussionspartners erweckte, als er z.B. äußerte: „Wenn jemand zum Himmel aufblickte und zu mir sagte: `Ich glaube, es wird regnen, deshalb existiere ich´, dann würde ich ihn nicht verstehen.“ 404 S. A. Kripke, Regeln und Privatsprache, S. 13, verlegt allerdings „das eigentliche `Privatsprachenargument´“ aufgrund seiner besonderen skeptizistischen Interpretation (vgl. Kap. 1.3.1., Anm. 33) vor (§ 138 bis § 242) und sieht bereits § 202 der PU als Konklusion und die ab § 243 folgenden Erwägungen nur noch als Anwendungen an. Ihm folgt W. Stegmüller, Hauptströmungen IV, S. 1-160 (vgl. besonders S. 111-119 „zum Thema `innere Erfahrung und private Sprache´“ [S. 111]). Dieser Einteilung ist aber m.E. nicht zu folgen, steht

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wenn man die Analyse der „Grammatik“ des Wortes „denken“ noch mit einschließt, bis § 362.405 Eine Grundeinsicht, zu der diese Paragraphen verhelfen wollen, ist die folgende: Sprache als etwas intersubjektiv Gewordenes kann auf keinen Fall derart umfunktioniert werden, dass sie prinzipiell nicht mehr interpersonal vermittelbar wäre, d.h. sie kann nicht in einem derart radikalen Sinne „privat“ werden, dass kein anderer außer mir die nicht zumindest theoretische Möglichkeit hätte, sie zu verstehen. Natürlich will Wittgenstein nicht die Möglichkeit bestreiten, dass man sich ein eigenes, in der sonstigen Welt nicht vorkommendes Zeichensystem zurechtlegen könne; dechiffrierbar aber, und dies betont er, müsste es prinzipiell immer sein. Auch wenn man mit solch einer Sprache nur auf ganz bestimmte eigene Empfindungen abheben wollte, von denen man nur selbst wissen kann (vgl. PU § 243), so könnte – hätte man wirklich eine „Sprache“ – nicht nur man selbst sie verstehen. Man kann keine Sprache schaffen, die nur die ganz eigene, die ganz private wäre. Wittgenstein geht aber noch weiter, indem er auch die Möglichkeit, dass man sich privatim überhaupt eine „Sprache“ konstruieren könnte, mit der Begründung leugnet, dass man in diesem Falle der einzige Garant für die Konstanz der Wortbedeutungen und des eigenen Regel-Folgens (vgl. PU §§ 202 und 380) wäre, zugleich aber über keinen Maßstab dafür verfügte: „Aber in unserm Falle habe ich ja kein Kriterium für die Richtigkeit. Man möchte hier sagen: richtig ist, was immer mir als richtig erscheinen wird. Und das heißt nur, daß hier von ›richtig‹ nicht geredet werden kann.“ (PU § 258)

Bei der Idee einer `Privatsprache´ in diesem Sinne besteht die große Gefahr, der Täuschung zu erliegen, man könne dann auch `verstehen´ – ganz analog zum Umgang mit natürlichen Sprachen im intersubjektiven Diskurs. Genauer besie doch zu sehr unter dem Eindruck, dass Wittgenstein lediglich die Einwände des Skeptikers durchgehe: „Kripke begeht ... den Fehler zu glauben, es gebe hier nur ein – oder vor allem ein – einziges Problem. In Wirklichkeit steht das in § 243 geschilderte Privatsprachenproblem für einen ganzen Komplex weiterer Fragen“ (J. Schulte, Wittgenstein, S. 194, Anm. 81). 405 Besonders zum `Privatsprachen-Argument´ ist die Literatur Legion. Es seien erwähnt S. Candlish, Wittgensteins Privatsprachenargumentation, in: E. von Savigny, (Hg.), Klassiker Auslegen Bd. 13. Ludwig Wittgenstein. Philosophische Untersuchungen, S. 143-165; P.M.S. Hacker, Einsicht und Täuschung, S. 287-331 und 367-373; ders., Meaning and Mind, S. 3-286 bzw. bis S. 391; G. Hallett, Companion, S. 306-386 bzw. bis S. 419; W. Kellerwessel, Sprachphilosophie, S. 223-247; R. Raatzsch, Wittgenstein, S. 183-192; E. von Savigny, Kommentar Bd. I, S. 281-360, und Kommentar Bd. II, S. 1-49; S. Schroeder, Wittgenstein, S. 119-160; J. Schulte, Wittgenstein, S. 193-203; D.G. Stern, Wittgenstein, S. 175-186, und E. Tugendhat, Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung, S. 91-136. Vgl. auch den Sammelband von John V. Canfield, (Hg.), The Philosophy of Wittgenstein. Vol. 9: The Private Language Argument, New York/London 1986.

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trachtet wird aber klar, dass man hier nur zu verstehen glaubt, d.h. dass man sich sein Verstehen nur vortäuscht, obwohl man sich doch in einem Bereich gänzlicher Beliebigkeit befindet. Zudem müsste man sich in einer solchen `Privatsprache´ nicht nur Wortbedeutungen ausdenken und ihnen eine gewisse Konstanz verleihen, sondern für sie auch bereits eine „Umgebung“ haben (vgl. PU § 250), einen Zusammenhang, in dem man ihnen eine Rolle zuweisen, zusprechen, könnte. Man müsste sich demnach ein ganzes System von „Regeln“, „grammatischen Sätzen“ usw. „vornehmen“. Diese Forderung jedoch wirft die Frage auf, wie man sich etwas „vornimmt“, ohne auf Vorfindliches zurückzugreifen und damit die ‚Privatheit‘ der „Sprache“ zu zerstören: „Man könnte sagen: Wer sich eine private Worterklärung gegeben hat, der muß sich nun im Innern vornehmen, das Wort so und so zu gebrauchen. Und wie nimmt er sich das vor? Soll ich annehmen, daß er die Technik dieser Anwendung erfindet; oder daß er sie schon fertig vorgefunden hat?“ 406 (PU § 262)

Es kann somit nicht einmal gezeigt werden, was es heißen könnte, eine „private Sprache“ zu entwickeln. Sie ist unmöglich, eine contradictio in adiecto. Man muss in eine Sprache innerhalb einer Sprachgemeinschaft mit ihren „Lebensformen“ hineinwachsen, aber man kann sie sich nicht eigenständig in seiner bloßen Vorstellung erfinden. Der kategoriale Unterschied zwischen Eine-Sprache-Haben und Sich-eine-`Privatsprache´-Vorstellen kann illustriert werden an der Differenz zwischen Schmerzen-Haben und Sich-Schmerzen-Vorstellen: „Im Falle der Schmerzen glaube ich, ich könne mir diesen Unterschied privatim vorführen. Den Unterschied aber zwischen einem abgebrochenen und einem nicht abgebrochenen Zahn kann ich Jedem vorführen. – Aber zu der privaten Vorführung brauchst du dir garnicht [sic; Vf.] Schmerzen hervorzurufen, sondern es genügt, wenn du dir sie vorstellst, – z.B. ein wenig das Gesicht verziehst. Und weißt du, daß, was [sic; Vf.]du dir so vorführst, Schmerzen sind, und nicht z.B. ein Gesichtsausdruck? Wie weißt du auch, was du dir vorführen sollst, ehe du dir´s vorführst? Diese private Vorführung ist eine Illusion.“ (PU § 311)

Zur „Grammatik“ des Wortes „vorführen“ gehört demnach wesentlich, dass verschiedene Menschen sich gegenseitig etwas vorführen; sich selbst in seiner Vorstellung etwas, z.B. Schmerzen, vorführen zu wollen, ist ebenso wenig möglich wie imaginär wirkliche Schmerzen zu haben – wenn auch im letzteren Fall der Selbstwiderspruch offensichtlicher ist: 406

Vgl. auch PU § 257: „Wenn man sagt `Er hat der Empfindung einen Namen gegeben´, so vergißt man, daß schon viel in der Sprache vorbereitet sein muß, damit das bloße Benennen einen Sinn hat.“

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„Ich kann Schmerzen [sc. nur so; Vf.] vorführen, wie ich Rot vorführe, und wie ich Gerade und Krumm und Baum und Stein vorführe. – Das nennen wir eben `vorführen´.“ (PU § 313)

Die Unmöglichkeit der geforderten Selbst-Vorführung, implizit also die Absurdität des Ausdrucks „`mit der Aufmerksamkeit auf etwas zeigen´“ (PU § 275), wird vor allem durch die Verwirrung verschleiert, die meistenteils mit der „Grammatik“ des Wortes „meinen“ verbunden ist: Bei der Benutzung dieses Verbs wird keinesfalls ‚mit der Aufmerksamkeit auf etwas gezeigt‘, es ist damit – ebenso wie beim „Denken“, obwohl beide Verben ansonsten deutlich zu unterscheiden sind (vgl. besonders PU § 693) – keine bestimmte geistige Tätigkeit, sondern primär die Eröffnung der Möglichkeit verbunden, innerhalb des Geflechtes der „Sprachspiele“ Ausdrücke und Formulierungen gegeneinander auszutauschen. 407 Weder „meinen“ noch „denken“ können dem isolierten Ego des „Cogito, ergo sum“ demnach dazu verhelfen, tatsächlich konsequent solipsistisch eine Sprache und damit auch konkrete Vorstellungen von einer Außenwelt zu entwickeln, da nämlich in der Situation, in der sich das cartesianische Ego befindet, weder „meinen“ noch „denken“ möglich wären. Dieses Ich, das nach dem Wegfall seiner Gottesidee auf sich allein gewiesen ist, könnte zu keinem Bewusstsein und zu keiner Sprache finden. Die von Descartes suggerierte Isolierung des Subjektes ist also auch mit dem Versuch der Konstruktion einer radikalen `Privatsprache´ nicht denkbar; die Konzentration ganz auf ein transzendentales Ego und seine nur ihm eigene Welt ist und bleibt Fiktion. Um es auf eine Formel zu bringen: Das ‚Nur Ich‘ ist nicht machbar. Es könnte sich eigenständig weder eine Sprache konstruieren noch eine Sprache, die es hätte, in eine wirklich private Struktur hinein abändern, um sie ganz für sich zu behalten; entweder es nehmen prinzipiell alle als in die Welt eingebundene und aufeinander angewiesene Subjekte an der Sprache teil oder niemand. (Dann aber gäbe es auch keine Sprache.)

407

Vgl. neben PU §§ 661-693 und S. 552-557 auch L. Wittgenstein, Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie, Bd. 1 §§ 180-204 und 681-687. – Zu Wittgensteins Verständnis von „meinen“ vgl. G. Hallett, Companion, S. 598-610; G. Pitcher, Philosophie Wittgensteins, S. 300-313; E. von Savigny, Kommentar Bd. II, S. 259-333; ders., Mitmensch, S. 126-140, und T. Weiss, Meinen, ein Erlebnis der besonderen Art, in: E. von Savigny/O.R. Scholz, (Hg.), Wittgenstein über die Seele, Frankfurt am Main 1995, S. 5771.

140

1.3.2.4. `Anti-Empirismus´ These: In seiner Konzentration auf das Ego und im Anerkennen der `SubjektObjekt-Spaltung´ ähnelt der Empirismus dem Cartesianismus. Ebenso wie dieser kann auch er letztlich zu keiner Sicherheit über die Außenwelt gelangen, da er über die Gültigkeit seiner `Sinnesdaten´ und über die Regeln ihrer Interpretation keine Auskunft geben kann. Aus Sicht der „Sprachspiel“-Analyse offenbart der Versuch des Empirismus, „Gewißheiten“ aus `Sinnesdaten´ herzuleiten, ein Missverständnis von „Gewißheit“ und ignoriert die Sprachvermitteltheit jeglicher `Sinnesdaten´-Interpretation. Somit mündet er letztlich ebenfalls in ein mit sich und seinen `Sinnesdaten´ allein bleibendes transzendentales Subjekt. Schon im TLP hatte Wittgenstein festgestellt: „Hier sieht man, daß der Solipsismus, streng durchgeführt, mit dem reinen Realismus zusammenfällt. Das Ich des Solipsismus schrumpft zum ausdehnungslosen Punkt zusammen, und es bleibt die ihm koordinierte Realität.“ (TLP 5.64)

Traditionellerweise sieht man Idealismus und Realismus (i.S. des neuzeitlichen Empirismus) als sich widersprechende Positionen an, von denen die erste die ‚Unzugänglichkeit‘ der `Außenwelt´ für das transzendentale Ich betont, während die zweite das Ich der sich empirisch aufdrängenden „Welt“ bis hin zur `tabula rasa´ überlässt – zum einen die Vereinnahmung des Objektes durch das Subjekt, zum anderen die des Subjektes durch die Objekte. Dennoch scheint die oben zitierte Bemerkung aus dem TLP dann verständlich, wenn die Möglichkeit eines Zusammenfalls dieser scheinbaren Kontrapositionen im transzendentalen Subjekt der Kontemplation bedacht wird: Hier empfindet sich das transzendentale Ich in seiner visionären Schau der Welt sowohl radikal zugehörig als auch radikal entfremdet (vgl. Kap. 1.1.6.). Es zeigt sich auf diese Weise, dass auch der Empirismus in seinen diversen Ausprägungen – sei es z.B. bei Locke, bei Hume oder auch bei dem von den Platonismen der Frühphasen ‚gereinigten‘ Russell – eine versteckte Tendenz hat, das vermeintlich durch die `Eindrücke´ aus der Außenwelt konstituierte Subjekt über den Status als Empfänger von `Sinnesdaten´ hin zu einer Art ‚solipsistischem Ich‘ zu reduzieren und damit in dieselbe ontologische Problematik abzugleiten wie der Idealismus, der lediglich ‚von der anderen Seite‘ zu dieser Fragestellung gekommen war. In der Spätphilosophie führt Wittgenstein nun vor Augen, dass diese Reduzierung vor allem dadurch geschieht, dass die Aussagekraft der `Sinnesdaten´ immer fragwürdiger erscheint. Wittgensteins Auffassung nach kann der Empirist nämlich nicht darlegen, wie Sätze der Alltagssprache aus `Sinnesdaten´ deduzierbar sind:

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„Folgt, daß dort ein Sessel steht, aus den Sinneseindrücken, die ich empfange? – Wie kann denn ein Satz aus Sinneseindrücken folgen? Nun, folgt er aus den Sätzen, die die Sinneseindrücke beschreiben? Nein. – Aber schließe ich denn nicht aus den Eindrücken, Sinnesdaten, daß ein Sessel dort steht? – Ich ziehe keinen Schluß! – Manchmal aber doch. Ich sehe z.B. eine Photographie und sage `Es muß also dort ein Sessel gestanden sein´, oder auch `Aus dem, was man da sieht, schließe ich, daß ein Sessel dort steht.´ Das ist ein Schluß; aber keiner der Logik. Ein Schluß ist der Übergang zu einer Behauptung; also auch zu dem der Behauptung entsprechenden Benehmen. ›Ich ziehe die Konsequenzen‹ nicht nur in Worten, sondern auch in Handlungen. War ich dazu berechtigt, diese Konsequenzen zu ziehen? Was nennt man 408 hier eine Berechtigung? ...“ (PU § 486)

Wie an dem zitierten Beispiel ebenfalls deutlich wird, hängt die Unmöglichkeit, aus `Sinnesdaten´ Sätze ableiten zu wollen, damit zusammen, dass die `Sinnesdaten´ keine Erklärung für „Gewißheiten“ bieten können, sondern umgekehrt die „Gewißheiten“ die Grundlage für die Interpretation der `Sinnesdaten´ bilden. Die Erfahrung darf somit nicht als der Grund unseres Urteilens ausgezeichnet werden. Vielmehr muss ihr ‚Immer-schon-eingebunden-Sein‘ in ein System von „grammatischen Sätzen“, ohne das gar keine Erfahrung gemacht werden kann409, berücksichtigt werden: „Worauf gründet sich der Glaube, daß alle Menschen Eltern haben? Auf Erfahrung. Und wie kann ich auf meine Erfahrung diesen sichern Glauben gründen? Nun, ich gründe ihn nicht nur darauf, daß ich die Eltern gewisser Menschen kannte, sondern auf alles, was ich über das Geschlechtsleben von Menschen und ihre Anatomie und Physiologie gelernt habe; auch darauf, was ich von Tieren gehört und gesehen habe. Aber ist das denn wirklich ein Beweis?“ (ÜG § 240) „Aber ist es nicht die Erfahrung, die uns lehrt, so zu urteilen, d.h., daß es richtig ist, so zu urteilen? Aber wie lehrt´s uns die Erfahrung? Wir mögen es aus ihr entnehmen, aber die Erfahrung rät uns nicht, etwas aus ihr zu entnehmen ...“ (ÜG § 130) 408

Vgl. A. Kenny, Psychologische Begriffe, S. 164, und G. Pitcher, Philosophie Wittgensteins, S. 374: „Die Annahme geht fehl, daß Sprachspiele mit Wörtern wie `Stuhl´ und `laufen´ sich auf die Sinnesdaten-Sprachspiele des Philosophen ‚zurückführen‘ ließen oder daß letztere in gewissem Sinn grundlegend wären und die ersteren erklären könnten. Sie sind verschiedene Spiele mit komplizierten Beziehungen zueinander ...“ – Selbst wenn das Beispiel aus PU § 486 einen sensualistisch verkürzten `Sinnesdaten´-Begriff vorauszusetzen scheint, gelten Wittgensteins Überlegungen auch für das klassische Verständnis dieses Ausdrucks. 409 Man vgl. damit die „Gewißheit“, dass Menschen keine erinnerbaren „Erfahrungen“ aus ihrer Kleinkindzeit haben.

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„Die Äußerung `Ich weiß ...´ kann nur in Verbindung mit der übrigen Evidenz des ›Wissens‹ ihre Bedeutung haben.“ (ÜG § 432)410

Vernachlässigt der Empirismus aber gerade diesen Gesichtspunkt, so isoliert er das Ego auf unzulässige Weise von der „Welt“, trennt `Sinnesdaten´ und deren Verarbeitung durch das Subjekt in ein künstliches ‚erkenntnistheoretisches Nacheinander‘ auf und provoziert dadurch die Frage sowohl nach der ‚Richtigkeit‘ des `Eindruckes´ als auch nach der seiner Verarbeitung und kann beides letztlich nicht mehr garantieren. Diese ‚solipsistische Tendenz‘ des Empirismus offenbart demnach dieselbe falsche Subjektzentriertheit, die Wittgenstein schon beim Idealismus diagnostiziert hatte, auch wenn die Ausgangsfragen jeweils entgegengesetzt sind: Will der Empirismus von der Realität zur Konstituierung des Ich kommen – und von dort aus natürlich auch wieder zurück – , so fragt im Idealismus das Ego nach der „Welt“. Das angeblich durch `Sinnesdaten´ vermittelte „Wissen“ des Realismus um die Außenwelt ist dabei aber ebenso wie das scheinbare „Wissen“ des Ego um sich selbst im Idealismus als eine „Gewißheit“ im Sinne von ÜG zu betrachten, d.h. als ein „Glaube“, auf den hin gehandelt wird und der deshalb Grundlage all unseres „Wissens“ ist, nicht aber mit „Wissen“ selbst verwechselt werden darf. Die Wittgensteinsche Spätphilosophie leistet nun zweierlei: Zum einen kann aufgrund dieser Überlegungen der Cartesianismus kritisiert werden, ohne dass man sich genötigt sehen müsste, den Begriff des Subjektes generell aufzugeben; zum anderen kann man trotz der geleisteten Empirismus-Kritik die Außenwelt durchaus als Realität anerkennen und muss nicht etwa in einen Panfiktionalismus verfallen. Wittgenstein hat beides, Welt und Subjekt – aber nicht etwa nacheinander, sondern immer nur gleichzeitig und miteinander verflochten. Das Problem der Selbstkonstituierung des Selbstbewusstseins, das dem Cartesianismus und dem ihn in mehrfacher Hinsicht beerbenden Empirismus nach dem Wegfall der Gottesidee gestellt ist, lässt sich letztlich nur mit Hilfe der Widerständigkeit einer realen Außenwelt lösen – allerdings nur, wenn man sich in sie schon als von vornherein eingebettet begreift und sich nicht genötigt sieht, sie erst via `Sinnesdaten´ konstruieren zu müssen. – So kann man im Sinne Wittgensteins zusammen mit G. Gabriel feststellen: „Was der Realismus meint, ist richtig, wenn dessen Negation als Skeptizismus gedeutet würde; und was der Idealismus meint, ist richtig, sofern er keine skeptische Negation der Realität impliziert, sondern auf der Möglichkeit einer kontemplativen Einstellung besteht, die auf einem lebensweltli411 chen Realismus aufruht.“ 410

Vgl. auch ÜG §§ 214 und 434, sowie PU § 485: „Die Rechtfertigung durch die Erfahrung hat ein Ende [sc. bei den „Gewißheiten“]. Hätte sie keins, so wäre sie keine Rechtfertigung.“ 411 G. Gabriel, Grundprobleme, S. 190. Zur gesamten Problematik vgl. S. 184-190.

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Wittgensteins `Anti-Empirismus´ weist nun aber über die dargestellten Argumente hinaus noch eine weitere ‚Stoßrichtung‘ auf, die die Existenz der `Sinnesdaten´ überhaupt betrifft. Er richtet sich nämlich gegen die Auffassung, dass es bei jedem Erleben notwendigerweise ein `Sinnesdatum´ geben müsse, „das den Hauptinhalt der Erfahrung bilde“412. Da der hier kritisierte Gedanke aber nicht nur im Empirismus, sondern auch in anderen Zusammenhängen oft anzutreffen ist, soll diese Thematik in einem eigenständigen, dem nun folgenden Unterkapitel besprochen werden. 1.3.2.5. `Anti-Psychologismus´ These: Häufig wird die Ansicht vertreten, dass bestimmte Verben – wie `denken´, `verstehen´, `wollen´ oder `meinen´, aber auch z.B. `addieren´ oder `lesen´ – auf private, aber eindeutig festzulegende Vorgänge psychischer Art Bezug nähmen, die konstitutiv für die fragliche Tätigkeit seien. Demgegenüber ist zu zeigen, dass eine Introspektion, die durch die Vorstellung von einem derartigen ‚Sprache-Psyche-Abbildverhältnis‘ geleitet wird, nicht das adäquate Mittel ist, um zu einem Verständnis dessen zu gelangen, was die jeweiligen Verben in konkreten „Sprachspielen“ tatsächlich ausdrücken. Wittgensteins Skepsis gegenüber Erklärungsmodellen der Psychologie ist bereits im Zusammenhang der Zurückweisung psychologisch-sozialdarwinistisch eingestellter religionswissenschaftlicher Betrachtungsweisen, die den religiösen Phänomenen gegenüber als inadäquat herausgestellt wurden, zur Sprache gekommen (vgl. Kap. 1.2.3.). In diesem Kontext war es vor allem die Kausalkritik, die vor dem durch die „Familienähnlichkeit“ des Begriffes der „Ursache“ hervorgerufenen Missverständnis warnte, die Idee der physischen Ursächlichkeit auf den Gedanken einer analogen psychischen übertragen zu können. Jetzt geht es auf eine andere Weise gegen die von einer introspektiven Psychologie oftmals vorausgesetzten Kausalvorstellungen, insofern die zu kritisierende Ansicht implizit ein jeweils eindeutiges Kausalverhältnis zwischen äußeren Vorgängen und inneren Erlebnissen bzw. vice versa annimmt. Wittgensteins Spätphilosophie richtet sich gegen die Tendenz, psychische Zustände als Analoga zu sprachlichen Ausdrücken konstruieren zu wollen, um dann mit angeblich aus Introspektion gewonnenen Argumenten das Funktionieren bestimmter „Sprachspiele“ (z.B. solcher mit den Verben `meinen´ oder `verstehen´) zu erklären oder sogar eine empiristische Weltanschauung zu erhärten.413 412

R. Monk, Wittgenstein, S. 379. Über den Zusammenhang der im Folgenden geschilderten Problematik mit dem Empirismus vgl. auch W. Stegmüller, Hauptströmungen IV, S. 6266, und M. Kober, Gewißheit als Norm, S. 84-110. 413 Zur Lit. s. bereits die letzte Anm. von Kap. 1.3.2.3. Zusätzlich sei verwiesen auf: G.P. Baker/P.M.S. Hacker, Understanding and Meaning, S. 587-663; P.M.S. Hacker, Meaning and Mind, S. 287-467; G. Hallett, Companion, S. 623-637; M. Kober, Gewißheit als Norm, S.

144

Bei der Kritik an einer solchen Vorgehensweise soll keineswegs die Realität psychischer Erlebnisse geleugnet werden. Wittgenstein ist kein `ontologischer Behaviourist´, auch wenn er bei dieser Fragestellung auf unterschiedliche Gebrauchsweisen des Wortes `Realität´ bzw. von „Etwas“ aufmerksam macht (vgl. PU § 304).414 Ebenso wenig will Wittgenstein Introspektion von vornherein und für alle Fälle als unzulässige Argumentationsweise ausgeschlossen wissen (vgl. PU § 587)415, überprüft er doch im Gegenteil immer wieder die Stichhaltigkeit der ‚psychologistischen‘ Überlegungen durch die – allerdings immer an konkreten „Sprachspielen“ orientierte – Suche nach psychischen Entsprechungen für die jeweils fraglichen Verben. Er ist demnach auch kein `methodischer Behaviourist´, wie man aufgrund der Betonung des ‚Tätigkeitscharakters‘ der Sprache und ihrer unhintergehbaren Einbettung in die Welt mit ihren „Lebensformen“ hätte vermuten können. 416 Mit dem Zulassen von Introspektionsargumenten will Wittgenstein allerdings nur einen zusätzlichen Grund dafür beibringen, dass das ‚Sprache-Psyche-Abbildverhältnis‘ einige irrige Annahme ist. Gerade Introspektion, die sich nicht von dieser Idee als Prämisse leiten lässt, son84-129; R. Raatzsch, Wittgenstein, S. 192-215; E. von Savigny, Kommentar Bd. I, S. 173234; ders., Kommentar Bd. II, S. 1-257; O.R. Scholz, Vorstellungen von Vorstellungen, in: E. von Savigny, (Hg.), Klassiker Auslegen Bd. 13. Ludwig Wittgenstein. Philosophische Untersuchungen, Berlin 1998, S. 191-213; S. Schroeder, Wittgenstein, S. 161-194; W. Stegmüller, Hauptströmungen I, S. 625-645; ders., Hauptströmungen IV, S. 66-69 und 116-119; W. Strube, Über drei Methoden der sprachanalytischen Ästhetik, in: Conceptus XIX (1985) Nr. 46, S. 39-52, hier: S. 39-43 und S. 51f; zudem K. Wuchterl/A. Hübner, Wittgenstein, S. 123f. – Zu Wittgenstein selbst vgl. neben den PU und ÜG vor allem noch Werkausgabe Bd. 7 (enthält: Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie, S. 5-346; Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie, S. 347-488), dessen Textbestand sich aber zu einem nicht unerheblichen Teil mit den PU überschneidet (vgl. die Auflistung der Parallelstellen, S. 489-500). 414 Vgl. M. Kober, a.a.O., S. 112f; W. Lütterfelds, Sprachspiele, S. 107, und K. Wuchterl/A. Hübner, a.a.O., S. 124. 415 Darauf weist S. A. Kripke, Regeln und Privatsprache, S. 60f, nachdrücklich hin – ohne allerdings die unauflösliche Verbindung von Introspektion und jeweils zugehörigem „Sprachspiel“ entsprechend zu betonen. 416 Diese Beobachtung dahingehend zu interpretieren, dass man hier eine Tendenz zur Phänomenologie ausmacht, hieße sie überzubewerten. Die phänomenologische Analyse (im Sinne E. Husserls) fordert – z.B. innerhalb der `transzendentalen Reduktion´ – mit der Hinwendung zum Bewusstsein als dem ursprünglichen und jegliche Wesenhaftigkeit überhaupt erst konstituierenden Seinsboden ein Unternehmen ein, das keineswegs mit allgemein üblichen und von Wittgenstein akzeptierten Introspektionsargumentationen gleichgesetzt werden kann. Schon die `phänomenologische Reduktion´, d.h. das Absehen von der Frage, ob der Erkenntnisgegenstand unabhängig vom Bewusstsein existiert, und damit das Nicht-Zusammendenken von Sprache und Welt, müsste als Spielart des Solipsismus mit den vorgebrachten ‚anti-cartesianischen‘ Argumenten kritisiert werden (vgl. Kap. 1.3.2.3.; gegen H.-U. Hoche, Husserls Phänomenbegriff im Lichte sprachanalytischen Philosophierens, in: Phänomenologische Forschungen 8 (1979), S. 65-90).

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dern sich an dem tatsächlichen Begriffsgebrauch orientiert, trägt zur Einsicht in die Falschheit dieser Überzeugung und in die Belanglosigkeit der inneren Vorgänge für das Funktionieren der Sprache bei. 417 Und insofern der Behaviourismus den Blick von den begleitenden psychischen Prozessen weg auf die für das Funktionieren der Sprache ungleich wichtigeren äußeren Aspekte lenkt, meint er aus Sicht des `späten Wittgenstein´ sicherlich etwas Richtiges. Die Suche nach den inneren Prozessen basiert nämlich zumeist auf einer „Verhexung unsres Verstandes“ (PU § 109): Es wird nach für bestimmte Tätigkeiten wesentlichen Analoga im Bereich der Psyche gefragt, weil man mehr oder weniger unbewusst der Überzeugung ist, dass die „Bedeutung“ intentionaler Wörter in innerpsychischen Prozessen zu suchen ist und es die Intentionalität ist, die in diesen Fällen die Bezugnahme herstellt. Dass dies nicht der Fall sein kann, wird durch ein einfaches Beispiel veranschaulicht, das H. Putnam in einem Beitrag über die Auffassungen Wittgensteins anführt: „Einerlei, in welcher kausalen Verbindung das Wort Katze zur Welt steht, wenn ich hundertmal `Katze, Katze, Katze, Katze ...´ sage, beziehe ich mich immer noch nicht auf Katzen, während ich dann, wenn ich das Wort Katze 418 in bestimmter Weise gebrauche, tatsächlich auf Katzen Bezug nehme.“

Das Missverstehen von Intentionalität führt zu einer unangebrachten Konzentration auf die Introspektion, die zudem meist mit ‚platonistischen‘ und ‚aristotelistischen‘ Vorstellungen kombiniert wird, so dass auch die „Familienähnlichkeit“ intentionaler Begriffe auf diese Weise ignoriert ist. So wird nach dem `Wesen des Denkens´ oder nach dem des `Glaubens´ und des `Wissens´ gefragt und via Introspektion danach gesucht: „Man kann sagen `Er glaubt es, aber es ist nicht so´, nicht aber `Er weiß es, aber es ist nicht so´. Kommt dies von der Verschiedenheit der Seelenzustände des Glaubens und des Wissens? Nein. – `Seelenzustand´ kann man etwa nennen, was sich im Ton der Rede, in der Gebärde etc. ausdrückt. Es wäre also möglich, von einem seelischen Zustand der Überzeugtheit zu reden; und der kann der gleiche sein, ob gewußt oder fälschlich geglaubt wird. ...“ (ÜG § 42; vgl. §§ 569 und 589)

Introspektion und deren Analyse unter Absehung der damit verbundenen „Sprachspiele“ ist demnach in keinem Fall das Mittel, durch das das Funktionieren der Sprache deutlich wird. Die prinzipielle inter- und intrasubjektve Unüber417

Ähnliches gilt im Übrigen auch in Bezug auf das Handeln, d.h. für den Gebrauch des Wortes `wollen´. Die Realisierung von Handlungen ist ebenfalls nicht kausal mit bestimmten inneren Willensakten verknüpft. J. Quitterer, Mythos, stellt Wittgensteins Gedanken hierzu in den Kontext aktueller Debatten im Bereich der Neurowissenschaften und zeigt auf, wie deren Ergebnisse mit den Einsichten Wittgensteins korrespondieren. 418 H. Putnam, Bezugnahme und Relativismus, S. 210.

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prüfbarkeit, aber auch die offensichtlich zuweilen vorliegende ‚Vorstellungslosigkeit‘ – welchen Vorstellungsinhalt hat man z.B. beim Grüßen? – , ebenso wie die Möglichkeit, zu einem Begriff unterschiedliche, sich nirgends überschneidende Assoziationen haben zu können419, disqualifizieren den Versuch der Etablierung einer ‚reinen Introspektion‘– ähnlich wie den einer „privaten Sprache“ – vollständig. Ein sauberes Analysieren ohne spekulative Projektion ist auf diese Weise nicht möglich. Die Einbeziehung der Introspektion in die durch den Philosophen unternommene „Therapie“ kann nicht ohne die Rückbindung an konkrete „Sprachspiele“ geschehen und kann nur begleitendes Argument sein. Gerade dann aber unterstützt sie die Einsicht, dass es – anstatt zu behaupten, dass Menschen sich bei jedem Wortgebrauch etwas vorstellen – selbst in Bezug auf ein Verb wie `meinen´ (vgl. PU § 693) ein viel adäquateres Bild wäre zu sagen, dass man „mit Worten rechnet, operiert“ (PU § 449), sie vor sich hin und her schieben kann wie z.B. Schachfiguren (vgl. PU §§ 31, 33 u.ö.). Der der äußeren Welt verbundene Handlungscharakter der Sprache ist hervorzuheben. Selbst bei intentionalen Verben handelt es sich nämlich um keine jeweils bestimmte geistige Tätigkeit, sondern primär um die Eröffnung der Möglichkeit, innerhalb eines Gespräches mit einem wirklichen Gegenüber, innerhalb des Geflechtes der „Sprachspiele“, Ausdrücke und Formulierungen gegeneinander auszutauschen. 420 Und so fällt ja auch die Entscheidung über die Angemessenheit der Verwendung einer bestimmten Ausdrucksweise generell – und damit auch bei intentionalen Verben – nicht durch einen Vergleich von „Seelenzuständen“, sondern allein im intersubjektiven Diskurs: „Wir fragen uns: Was machen wir mit einer Aussage `Ich weiß ...´? Denn uns handelt sich's nicht um Vorgänge oder Zustände des Geistes. Und so muß man entscheiden, ob etwas ein Wissen ist oder keines.“ (ÜG § 230)

Gleiches gilt bei „Sprachspielen“, die auf ‚fühlbarere‘ Empfindungen abheben: „Es zeigt ein fundamentales Mißverständnis an, wenn ich meinen gegenwärtigen Zustand der Kopfschmerzen zu betrachten geneigt bin, um über das philosophische Problem der Empfindung ins Klare zu kommen.“ (PU § 314) 419

J. Schulte, Wittgenstein, S. 206, macht darauf aufmerksam, dass auch die Überlegungen zum „Aspektwechsel“ (vgl. PU S. 518ff), d.h. zu dem Sachverhalt, dass man z.B. ein und dieselbe Zeichnung auf gänzlich unterschiedliche Weisen sehen bzw. deuten kann (im Beispiel PU S. 519f sowohl als Hasen- als auch als Entenkopf), ein Argument gegen eine Introspektion, die sich von den „Sprachspielen“ löst, darstellen. 420 Belegstellen und Literatur vgl. bereits Kap. 1.3.2.3., letzte Anm. Vgl. auch H.J. Schneider, Wittgenstein und die Grammatik, S. 29: „Die sprachliche Handlungsmöglichkeit, die es zu verstehen gilt, ist ein Zug im „Offenen“; es ist der Schritt, die Verbform so einzusetzen, daß sie streng genommen keine Tätigkeit mehr bezeichnet.“

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Es wird aber nicht nur über die Angemessenheit des Gebrauchs auf interpersonaler Ebene entschieden, sondern es ist bereits das Erlernen der fraglichen Ausdrücke an den intersubjektiven Diskurs gebunden. Die Meinung, dass man Begriffe – Bezeichnungen für deutlich fühlbare Erfahrungen eingeschlossen – durch Introspektion lernen würde, ist nicht haltbar, hätte diese Überzeugung nämlich u.a. eine Konsequenz, die Pitcher folgendermaßen ausgedrückt hat: „... dann hat die These, `Schmerz´ bezeichne eine private Empfindung, die absurde Folge, daß die Feststellung unverständlich ist, jemand anders habe 421 Schmerzen.“

Offensichtlich lernen wir selbst das Wort `Schmerz´ nur in dafür typischen Situationen, d.h. nur im Zusammenhang mit Schmerzäußerungen – seien es die eigenen oder die anderer – , die als solche in einem „Sprachspiel“ kenntlich gemacht werden: „Gäbe es keine offenen Schmerzäußerungen oder -ausdrucksformen – ... – , dann könnte man sich nicht vorstellen, wie jemand den Gebrauch des Wor422 tes `Schmerz´ überhaupt lernen können sollte.“

Insofern Wittgenstein zeigt, dass die Verwendung von Ausdrücken, die psychische bzw. physiologisch nachweisbare Zustände zu implizieren scheinen, weder beim Erlernen noch bei ihrer Verwendung an ein durch den Gebrauch jeweils eindeutig festgelegtes ‚Bestimmte-Erlebnisse-Haben‘ gekoppelt werden können, destruiert er auch hier abbildtheoretische Vorstellungen, die in diesem Fall auf ein ‚Sprache-Psyche-Abbildverhältnis‘ konzentriert sind. Zudem verbaut er – wie beim `Privatsprachenargument´ (vgl. Kap. 1.3.2.3.) – der Reflexion den Rückzug auf eine angebliche Privatheit von Empfindungen (vgl. PU §§ 244248). E. von Savigny hat zwei Thesen aufgestellt, die die konstruktive Seite dieser in der vorliegenden Arbeit als ‚anti-psychologistisch‘ charakterisierten Stoßrichtung auf den Punkt bringen: „These über das Meinen: Daß jemand mit einer Äußerung, mit einer Handlung, mit einem Bild usw. etwas meint (etwas darunter versteht), betrifft ihn nicht isoliert. Vielmehr besteht diese Tatsache darin, daß die Muster seines individuellen Verhaltens in bestimmter Weise in Muster des sozialen Verhaltens in der Gemeinschaft, zu der er gerechnet wird, eingebettet sind. These über seelische Sachverhalte: Die Tatsache, daß jemand sich etwas vorstellt, etwas erwartet, etwas wünscht, etwas fühlt, an etwas denkt oder etwas beabsichtigt usw., betrifft ihn nicht isoliert. Diese Tatsache besteht vielmehr darin, daß die Muster seines individuellen Verhaltens in be421 422

G. Pitcher, Philosophie Wittgensteins, S. 337. Ders., a.a.O., S. 338.

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stimmter Weise in Muster des sozialen Verhaltens in der Gemeinschaft, zu der er gerechnet wird, eingebettet sind.“ 423

Somit entgeht Wittgenstein erneut der übermäßigen Zentrierung auf das Subjekt und kann wiederum eine letztlich in den Solipsismus mündende Betrachtungsweise mit Hilfe seiner begriffsanalytischen Methodik424 widerlegen. Es ist zu konstatieren: Die Vorgängigkeit der Einbindung allen Sprachgeschehens in die Welt ist auch mit ‚psychologistischen‘ Überlegungen nicht zu unterlaufen, da auch diese nicht haltbar sind. 1.3.3. Eine theologische Beurteilung (II) These: Als wichtigstes Ergebnis der Spätphilosophie Wittgensteins bleibt aus fundamentaltheologischer Perspektive die Ausbildung eines ‚mehrdimensionalen‘ Sprachparadigmas festzuhalten, mit dem zum einen sprachanalytische Religionskritik abgewiesen werden kann und das zum anderen religiöser Rede wieder neue ‚sinnvolle‘ Möglichkeiten eröffnet. Darüber hinaus ergibt sich durch eine aus diesem Sprachparadigma abgeleitete begriffsanalytische Methodik die Zurückweisung einer Reihe von klassischen philosophischen Positionen, damit aber auch von mit ihnen verbundenen religiösen bzw. theologischen Überzeugungen. Wittgensteins Philosophie ist somit durchaus auch als für die Theologie normierend zu begreifen, nämlich in der Hinsicht, dass eine Verquickung mit bestimmten Auffassungen, die in der Philosophiegeschichte begegnen, unterbleiben muss.425 Zwar ist damit natürlich kein im engeren Sinne theologisches Kriterium gegeben, aber dennoch sind auf diese Weise für die Theologie einige unhintergehbare Eckpunkte markiert. Die Darstellung der Spätphilosophie Wittgensteins hat sich bisher jeglicher direkter Andeutungen theologischer Konsequenzen enthalten. In einem groben Überblick sollen diese nun an einem Stück skizziert werden. Sie sind gleichzeitig die Leitlinien, nach denen die theologische Rezeptionsgeschichte in den Blick kommen soll. 423

E. von Savigny, Kommentar Bd. 1, S. 7. (Das kursiv Gedruckte ist im Original fett geschrieben.) Nach von Savigny´s sicherlich zu pointierter Überzeugung werden die PU lediglich durch diese zwei Thesen strukturiert: „Alle Argumentationen der `Philosophischen Untersuchungen´ dienen direkt oder indirekt der Begründung dieser beiden Thesen.“ (ebd.) 424 Im Verlaufe dieses Unterkapitels 1.3.2. ist implizit deutlich geworden, dass von Methodik im Sinne eines Arsenals mehrerer – durch „Familienähnlichkeit“ miteinander verwandter – Methoden gesprochen werden muss, nicht von einer einzelnen Methode. Vgl. PU § 133: „Es gibt nicht eine Methode der Philosophie, wohl aber gibt es Methoden, gleichsam verschiedene Therapien.“ 425 Den normativen Aspekt der Spätphilosophie Wittgensteins betont P. Böke, Begriffsanalytische Methode, S. 70 und S. 101-114.

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Ad ‚Anti-Augustinismus‘: Indem die Konzentration auf die die Welt abbildende Funktion von Sprache und damit ein ‚eindimensionales‘ Paradigma aufgegeben werden musste, wird zum einen der sprachanalytischen Religionskritik der Boden entzogen und eröffnen sich zum anderen für die religiöse Rede wieder neue Möglichkeiten. Durch die Annahme einer unbegrenzten und inhomogenen Pluralität von „Sprachspielen“, die nicht auf die eine Linie einer abbildtheoretisch geprägten allgemeinen Satzform zu bringen sind, wird eine ‚Mehrdimensionalität‘ geschaffen, die auch Raum für auf Transzendenz bezogene bzw. sich von dieser initiiert `glaubende´ „Sprachspiele“ lässt. Ebenso unverrechenbar nun wie der begriffsanalytischen Methodik zufolge die mit dem `Leib-Seele-Problem´ gegebenen „Sprachspiele“ untereinander sind426, sind auch diejenigen der Immanenz und der Transzendenz nicht ineinander zu überführen. Hauptsächliches Kriterium ist aber auch hier nicht die Introspektion – z.B. das unbestimmte Gefühl, das etwas verloren ginge – , sondern ein verändertes Verhalten der am „Sprachspiel“ Teilnehmenden. Ersetzte man in einer konkreten Situation z.B. ein Gebet durch eine auf Immanenz bezogene Meditation, so änderte sich ebenfalls z.B. die Körperhaltung der meisten Beteiligten; einige von ihnen gingen vielleicht sogar unter Protest weg. Dabei ist nicht entscheidend, dass vorstellbar ist, dass sie ihr Verhalten nicht zu ändern bräuchten, sondern dass sie es tatsächlich doch tun: Innerhalb der Vernetzung der wirklich gespielten „Sprachspiele“ ist eine Änderung des Verhaltens bei einer derartigen Modifikation der Sprache angebracht. Das zeigt, dass sich der „Sinn“ geändert hat und die „Sprachspiele“ nicht ineinander überführbar sind. Wäre tatsächlich dasselbe gemeint, so dürfte sich das Verhalten der Beteiligten nicht ändern. Mit dieser Beobachtung ist zwar noch nichts ausgesagt über den – epistemisch verstandenen – Wirklichkeitsgehalt der Inhalte der auf Transzendenz bezogenen „Sprachspiele“, aber es ist wichtig, dass aus Sicht der „Sprachspiel“Analyse nicht um diese religiösen „Sprachspiele“ gekürzt werden darf, weil sie nicht problemlos ersetzt werden können.427 Da hierdurch zumindest gezeigt ist, dass es „Sprachspiele“ bzw. „Lebensformen“ gibt, die als Verweis auf eine Transzendenz verstanden werden und als solche tatsächlich eine Funktion ha426

Dies zeigt W. Lütterfelds, Das »Durcheinander« der Sprachspiele. Wittgensteins Auflösung der Mentalismus-Alternative, in: E. von Savigny/O.R. Scholz, (Hg.), Wittgenstein über die Seele, Frankfurt am Main 1995, S. 107-120. 427 Vgl. Wittgenstein und der Wiener Kreis, Werkausgabe Bd. 3, S. 117: „Die Reden der Religion sind auch kein Gleichnis; denn sonst müßte man es auch in Prosa sagen können.“, und VuG, S. 99: „Nimm an, jemand, der nach China reist und mich vielleicht niemals wieder sehen wird, sagt mir: `Wir werden uns vielleicht nach dem Tode wiedersehen.´ - ... Ich würde sagen: `Nein, es ist nicht dasselbe wie zu sagen: »Ich mag dich sehr.« - und es bedeutet vielleicht nicht dasselbe wie irgend etwas anderes. Es sagt, was es sagt. Warum solltest du in der Lage sein, es durch etwas anderes zu ersetzen?´“

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ben, ist aus Sicht der „Sprachspiel“-Analyse der Frage nach der Bedingung der Möglichkeit sinnvoller religiöser Rede Genüge getan – ohne dass in Bezug auf den Inhalt eine ontologische Entscheidung getroffen wäre. Es war ja gerade das Kennzeichen der `eineindeutigen´ Abbildtheorie, dass sie implizit ontologische Vorentscheidungen getroffen hatte. Da das neue Sprachparadigma und die auf ihr beruhende Methodik aber ‚ontologisch neutral‘ sind428, kann jetzt auch aus sprachanalytischer Sicht die Theologie ihre Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit religiöser Rede sinnvoll stellen und über den Inhalt dieser Rede, über `Kerygma und Dogma´, in ein sinnvolles Nachdenken eintreten. Es kann sich nach dem Gesagten bei ihr auch nicht um „Unsinn“ in dem von der Wittgensteinschen Spätphilosophie nahegelegten Sinne handeln, dass ihre „Sprachspiele“ zwar „gespielt“ würden, aber keinerlei Auswirkungen auf das Verhalten hätten bzw. durch dieses vollständig konterkariert würden, wie es z.B. beim Solipsismus oder beim Skeptizismus der Fall ist. Es kann nicht – wie bei diesen – gezeigt werden, dass religiöse „Sprachspiele“ auf Fehldeutungen der Alltagssprache beruhen, es sei denn, es handelt sich um Aberglauben (vgl. Kap. 1.2.3.). So gibt es auch nicht von ungefähr in den PU keinen religiösen Interlocutor. Das Thema der religiösen Rede wird in der Spätphilosophie Wittgensteins vielmehr implizit bei den Überlegungen über „Gewißheiten“ angesprochen. Da es diese sind, die die Rahmenbedingungen für die „Sprachspiele“ bzw. die „Lebensformen“ darstellen, sind auch die den christlichen Glauben strukturierenden „grammatischen Sätze“ als ein Netz von „Gewißheiten“ anzusprechen, d.h. als das Fundament, bei dem die Erklärung ein Ende findet.429 Es ist beim `mittleren Wittgenstein´ sogar das Beispiel des Glaubens gewesen, das das Verständnis auch für nicht-religiöse „Sprachspiele“ angeleitet hat (vgl. Kap. 1.2.3.) und ‚Vor-Bild‘, d.h. „Muster“, wurde für das Erkennen von „grammatischen Sätzen“ in anderen Zusammenhängen.430 428

Vgl. PU § 126: „Die Philosophie stellt eben alles bloß hin, und erklärt und folgert nichts.“, aber auch M. Kroß, Klarheit, S. 115: „Ob der Ausdruck `Gott´ einem wie immer gearteten Wesen entspricht oder ob ein solches Wesen gar nicht existiert, bleibt für den Sprachphilosophen außer Betracht.“ 429 Die damit verbundene ‚Grundlosigkeit‘ des Glaubens betonen K. Brose, Wittgenstein als Religionsphilosoph. Religiöse Themen in Wittgensteins „Vorlesungen über den religiösen Glauben“ (1938), in: PhJ 96 (1989), S. 82-94, der die Einsichten des Spätwerkes „antizipativ“ (S. 86) auf die Vorlesungen von 1938 bezieht; U. Browarzik, Der grundlose Glaube. Wittgenstein über Religion, in: NZSTh 30 (1988), S. 72-100, und G. Graf, Am Grunde des begründeten Glaubens liegt der unbegründete Glaube: Wittgenstein über Religion und Wissenschaft, in: Akten 1983, S. 230-232. 430 Wittgenstein selbst spricht von „Mythologie“: „Die Sätze, die das Weltbild beschreiben, könnten zu einer Art Mythologie gehören.“ (ÜG § 95) oder: „In unserer Sprache ist eine ganze Mythologie niedergelegt.“ (BFGB, S. 38) – A. Koritensky, Phänomenologie, nimmt u.a. diese Stellen zum Anlass, auch die gesamte Spätphilosophie Wittgensteins durch reli-

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Bei all dem ist zu bedenken, dass mit den religiösen bzw. den christlichen „Gewißheiten“ kein starres System vorliegt, sondern aufgrund ihrer nicht immer eindeutig festgelegten Vernetzung mit anderen Arten von „Gewißheit“, ihres unhintergehbaren Verwobenseins in sich verändernde non-verbale Zusammenhänge und wegen der ‚offenen Regelhaftigkeit‘ selbstverständlich auch ihrer „Sprachspiele“ eine kreative Dimension aufweist, die theologisch gesehen pneumatologisch besetzt werden könnte. Jedenfalls müsste die Theologie auch die Offenheit des Regelfolgens von Beginn an in ihre Reflexion mit einbeziehen. Eine Gefahr für theologisches Nachdenken könnte nun darin bestehen, dass jetzt – nachdem das TLP-Sprachparadigma, das die strenge Ausrichtung auf die Abbildtheorie geboten und damit den Verzicht auf jegliche religiöse Rede nahe gelegt hatte, überwunden ist – der Wegfall einer allesübergreifenden Instanz zu stark betont und die weiterhin gegebene Vernetzung vernachlässigt wird. Christliche Rede könnte sich dann als gänzlich unabhängig von säkularen „Sprachspielen“ verstehen, d.h. als eine Sprachinsel, auf der nach ganz eigenen „Regeln“ gespielt wird. Diese Problemstellung wird im Folgenden immer wieder begegnen, wird aber besonders in Kap. 2.1.2. unter dem Stichwort `Fideismusdebatte´ behandelt werden. Ad ‚Anti-Platonismus‘: Wittgenstein lenkt den Blick auf die „Familienähnlichkeit“ vieler Ausdrücke. Ganz abgesehen von der damit verbundenen Anfrage, ob nicht auch viele theologische Begriffe „Familienähnlichkeitsbegriffe“ sind und das Nicht-Erkennen dieser Eigenart einiges an Verwirrung in z.B. systematischtheologischen Debatten, in der ökumenischen Diskussion oder im interreligiösen Dialog verursacht, wird auf diese Weise der Frage nach dem `natürlichen Wesen´ von Begriffen grundsätzlich ihre Berechtigung bestritten. Auch an die Theologie ergeht hierdurch die Aufforderung, diese Frage aufzugeben. Selbst wenn sie von der ihr zugrunde liegenden Offenbarung her – und selbstverständlich an den intersubjektiven Diskurs und an die anderen direkt und indirekt vernetzten „Sprachspiele“ gebunden – eine eigene konstruktive Bestimgiös-existentielle Fragestellungen bestimmt zu sehen: „Das Unausssprechbare wird nun zur Tiefendimension des Aussprechbaren. Es wird damit in die Sprache, in die Welt, hineingenommen, ohne in ihr aufzugehen. Das Unaussprechliche wird immer mehr zum Vorsprachlichen, aus dem sich die Sprache [sc. in ihrer Gesamtheit] entwickelt.“ (S. 145; vgl. auch S. 30 oder S. 44.) Dadurch erscheint „das Sprachspiel“, als ob es „geradezu für den Ausdruck des Religiösen im Wittgensteinschen Sinn geschaffen worden“ (S. 93) wäre. So weit soll in der vorliegenden Arbeit nicht gegangen werden, auch wenn sie sich mit Koritensky in dem Resümee einig weiß, dass Wittgenstein mit seiner Spätphilosophie „zur Rehabilitierung religiöser Ausdrucksformen im Zeitalter der wissenschaftlichen Weltanschauung“ (Untertitel bei Koritensky) beitragen kann. – Vgl. auch A. Koritensky, Ludwig Wittgensteins Erschließung der Religion durch Sprachspiele, S. 285-300, in: Wie läßt sich über Gott sprechen?, hg.v. W. Schüßler, Darmstadt 2008. Hier wird „Wittgensteins Werk … als Beitrag zur Bewältigung“ (a.a.O., S. 300) der ständig nötigen Reflexion über die dem Menschen tief innewohnende „religiöse Grundhaltung“ (ebd.) aufgefasst.

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mung eines Begriffes vornimmt, z.B. den Begriff der `Gerechtigkeit Gottes´ auf genuine Weise neu füllt, muss sie sich dabei ständig der Gefahr bewusst sein, dass diese Begriffsprägung nun als `übernatürliche´ und unveränderbare Wesensbestimmung gerade dieses Begriffes missverstanden werden könnte, obwohl doch auch er sich letztlich einer ‚offenen Regelhaftigkeit‘ nicht entziehen kann. Es darf – sprachanalytisch betrachtet – also auch in der Systematischen Theologie nicht darum gehen, ‚starre Systeme‘ errichten zu wollen. Selbst die einen theologischen Entwurf tragenden „grammatischen Sätze“, die in bestimmter Hinsicht die Rolle von ontologischen Aussagen übernehmen, müssen eine gewisse Offenheit und Durchlässigkeit bewahren, um in keinen `Fundamentalismus´ und in keinen Aberglauben im Sinne Wittgensteins zu führen. – Vor allem bei der Diskussion der Tillichschen Symboltheorie wird uns dies noch näher beschäftigen (vgl. besonders Kap. 3.2.3.2. und 3.2.3.7.). Ad ‚Anti-Aristotelismus‘: Wittgensteins Spätphilosophie enthält eine Absage an einen Dogmatismus, der einen starren und korrespondenztheoretisch geprägten Wahrheitsbegriff aufweist. Im Gegensatz zum TLP wenden sich die PU dagegen, dass ein am Ideal der `eineindeutigen´ Abbildung orientierter Begriff der Referenz das Wesentliche der Bezugnahme ausmache. Jetzt kommen auch ganz andere Arten von Bezugnahme in den Blick. Da nun auch religiöse Rede nicht mehr notwendigerweise nach dem „Muster“ einer direkten und immer gleichen Abbildung zu begreifen ist, ist sie jetzt auch nicht mehr zum Schweigen verurteilt, sondern wird auf andere Weise neu zugänglich. So können jetzt bestimmte religiöse Ausdrucksweisen ganz legitim als „Bilder“ aufgefasst werden – allerdings von ganz anderer Art als z.B. ein gemaltes Landschaftsbild. 431 Insofern gilt das Bilderverbot, das die Abbildtheorie implizit voraussetzt, für die allgemeine religiöse Rede also nicht mehr, sondern nur noch für ihr fundamentalistisches Missverständnis, das an der `eineindeutigen´ Abbildung festhält, somit eine inadäquate Projektionsweise unterstellt und demnach als Aberglaube anzusehen ist. Vernachlässigt man aber durch eine Konzentration auf Wittgensteins Argumentation gegen korrespondenztheoretische Überzeugungen den anderen Gesichtspunkt, dass durchaus ein epistemischer Anspruch erhalten bleibt, und weitet zudem den Begriff des „Sprachspieles“ auf ganze Bereiche der Sprache aus, so besteht die Gefahr, den Schluss zu ziehen, dass `das Sprachspiel der Religion´ gänzlich von „Sprachspielen“ mit referentiellem Charakter unterschieden werden müsse. Das kann zu einer rein funktionalistischen Auffassung von Religion führen, deren Ansicht nach jeglicher Transzendenz-Anspruch aufgegeben werden müsse. 431

Vgl. VuG, S. 99: „`Gottes Auge sieht alles.´ – Davon möchte ich sagen, daß ein Bild gebraucht wird.“ und die vorhergehende Besprechung des „Bild“-Begriffes a.a.O., S. 93ff, besonders auch den Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der Projektionsmethoden.

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Dieser Folgerung, d.h. dem Sprung aus ‚aristotelistischen‘ Überzeugungen in das gegenteilige Extrem, ist eine Berufung auf Wittgenstein aber ebenfalls nicht möglich. Da es sich letztlich um den referentiellen Bezug von „Gewißheiten“ handelt, die die Gesamteinstellung zum Leben bestimmen, muss diese Art von Bezugnahme zwar gerade auch nach Ansicht des `späten Wittgenstein´ durchaus verschieden sein von z.B. derjenigen, die bei naturwissenschaftlichen Diskursen zugrunde liegt432; dennoch muss dieser referentielle Bezug aber nicht aufgegeben werden. Da die diesbezüglichen „Sprachspiele“ durchaus einen am Verhalten der Beteiligten aufzeigbaren Sinn aufweisen, sie auch nicht auf Missverständnissen von z.B. dem Funktionieren von Sprache beruhen und zudem nicht einfach durch andere „Sprachspiele“ vollständig ersetzbar sind (vgl. oben unter „Ad ‚Anti-Augustinismus‘“), muss im Sinne der sprachspielanalytischen Methodik sogar darauf gedrungen werden, dass auf keinen Fall um diese Komponente gekürzt wird (vgl. dazu besonders Kap. 2.1.1. und 2.2.2.8.). Ad ‚Anti-Cartesianismus‘: Die Aufspaltung in „res cogitans“ und „res extensa“ kann in ihrer solipsistischen Konsequenz dazu verführen, `Gott´ lediglich als eine „Emanation“433 des denkenden Ego zu begreifen und die Gottesidee letztlich aufzugeben bzw. sich selbst absolut zu setzen. Theologisch gesehen müsste dies als eine Spielart des `incurvatus in seipsum´ aufgefasst werden, nach Luther der Grundzustand des Sünders.434 Das nur auf sich selbst bezogene und letztlich nur sich selbst anerkennende Ich müsste sich seiner eigenen Ansicht nach von seinen Fragen nun auch eigenständig erlösen, indem es z.B. seiner Welt einen Sinn gäbe, aber eine derartige Hybris wäre mit dem Lebensgefühl auch des `späten Wittgenstein´ sicherlich unvereinbar gewesen. So könnte hier bei ihm unter Umständen – neben den gewonnenen sprachanalytischen Einsichten – ein ‚quasi-religiöser‘ Antrieb für die Destruktion der cartesianischen Philosophie vorhanden gewesen sein, der noch 432

Genau betrachtet kann man selbst innerhalb der Naturwissenschaften nicht von einem einheitlichen Begriff der Referenz reden (man vgl. nur die unterschiedliche Art der Bezugnahme in den verschiedenen Disziplinen der Physik). 433 Vgl. F. M. Dostojewskij, Die Brüder Karamasow, S. 851. Hier lässt der von Wittgenstein hoch geschätzte Dostojewskij die cartesianische Philosophie durch die Person des Teufels ins Lächerliche ziehen. Auf die Verdächtigung des Iwan Karamasow, dass er dessen eigenes Ich wäre, antwortet der Satan: „Das heißt, wenn du willst, ich habe dieselbe Philosophie wie du, das wird dann richtig sein. Je pense, donc je suis, das weiß ich gewiß, alles übrige aber, was rings um mich ist, alle diese Welten, Gott, sogar der Satan selbst – all das ist für mich nicht bewiesen, ob es an sich existiert oder ob es nur meine Emanation ist, vorübergehend und in der gleichen Person ...“ 434 Schon die ‚Sprachlosigkeit‘ des Mystikers im TLP (vgl. Kap. 1.1.6. und 1.1.7.) könnte bereits als ‚erlösungsbedürftig‘ charakterisiert werden. (Gerade Stummheit kann im Neuen Testament auf die Notwendigkeit von Erlösung verweisen: vgl. z.B. Lk 1,19-22 oder Mk 7,31-37.)

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kaum bemerkt wurde. 435 Zumindest scheint die Kennzeichnung der SolipsismusProblematik als eine auch für Wittgenstein im weitesten Sinne religiöse Thematik nicht verfehlt. Indem die Philosophie von den cartesianischen Fehldeutungen befreit wird, wird indirekt betont, dass Gott nicht als vom Menschen abhängig begriffen werden kann – wie es in der solipsistischen Konsequenz des cartesianischen Denkens läge – , sondern von menschlichen Setzungen unabhängig ist. Zudem wird die Gottesidee nun nicht mehr der durch den Idealismus aufgekommenen Gefahr ausgesetzt, aufgrund ihrer Rolle als die das Wissen um die Außenwelt vermittelnde Instanz zu einer erkenntnistheoretischen Hilfskonstruktion abzusinken.436 Durch den Hinweis auf die Vorgängigkeit der Einbettung der Sprache in die Welt besteht allerdings auch die Möglichkeit, den Sprache-Welt-Zusammenhang selbst als die sinngebende und „absolute Sicherheit“ (vgl. Kap. 1.1.7. und 1.2.2.) garantierende Instanz aufzufassen, d.h. es ist zuzugestehen, dass bestimmte mystisch-pantheistische Positionen mit dem ‚Anti-Cartesianismus‘ der Wittgensteinschen Spätphilosophie vereinbar wären. Der Solipsismus, der im Zentrum der Kritik Wittgensteins steht, weist aber auch auf eine sozialethische Problematik hin, insofern er die „Gewißheit“ aufzugeben bereit ist, dass das Leben der anderen Menschen auf dieselbe Weise anzusehen sei wie das eigene. Ähnlich wie in den Naturwissenschaften die Unterordnung des Betrachteten unter die kausale Fragestellung das Objekt adäquat zu erfassen vorgibt, so werden aus solipsistischer Perspektive auch die Mitmenschen nur noch als Objekte ‚ego-istischen‘ Handelns und nicht mehr als eigenständige Personen betrachtet.437 Der zunehmenden Beschäftigung des Subjektes mit sich selbst – soziologisch als `Prozess der Individualisierung´ längst erkannt – muss auch aus ‚sprachspielanalytischer‘ Perspektive, wie besonders deutlich im `Privatsprachenargument´ vorgeführt wird, kritisch begegnet werden. Zwar ist Nächstenliebe nach christlicher Überzeugung anderweitig, nämlich im Verhalten Gottes, gegründet, und ist 435

‚Quasi-religiös‘ deshalb, weil Wittgenstein selbst einschränkend formuliert: „Ich bin zwar kein religiöser Mensch, aber ich kann nicht anders: ich sehe jedes Problem von einem religiösen Standpunkt aus.“ (zitiert bei R. Monk, Wittgenstein, S. 492). Und aus einer solchen Perspektive ist die solipsistische Entstellung des Gottesbegriffs völlig unerträglich. (Der erste Teil des Zitats dürfte sich auf Wittgensteins Gewohnheiten beziehen, dass er z.B. kein Kirchgänger war.) 436 Vgl. F. Kerr, Theology after Wittgenstein, New York/Oxford 1986, der betont, dass die ‚anti-cartesianische‘ Stoßrichtung des Wittgensteinschen Denkens der Theologie den Boden „for a non-metaphysical way of thinking“ (S. VII) bereite, indem sie von dem Zwang befreie, „`the absolute conception of reality´“ (S. 26) entwerfen zu müssen. 437 Das Thema des Fremdseelischen und damit verbundene Fragestellungen behandelt Wittgenstein besonders im zweiten Teil der PU, z.B. S. 495-499. (Vgl. S. 495: „Denke, ich sage von einem Freunde: `Er ist kein Automat.´ - Was wird hier mitgeteilt, und für wen wäre es eine Mitteilung?“) – Vgl. G. Hallett, Companion, S. 619-623.

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nicht weiter in Bezug auf die Konsequenzen für das eigene Verhalten zu begründen, da sie sich dann selbst ad absurdum führte438, doch könnte auch der philosophische Verweis auf die soziale Konstituierung des Selbst die Bereitschaft stärken, sich für die Perspektiven anderer nachhaltig zu interessieren und sie z.B. im Sinne des `role-taking´ der Habermasschen Diskurstheorie durchzuspielen. Ad ‚Anti-Empirismus‘: Die cartesianische Aufspaltung in „res cogitans“ und „res extensa“ kann nicht nur auf die solipsistische Art zur Verabschiedung der Gottesidee führen, sondern auch auf eine empiristische Weise. Wenn Gott nämlich nicht mehr als der Überwinder der `Subjekt-Objekt-Spaltung´, zu dem ihn Descartes letztlich gedanklich gemacht hat, benötigt wird, weil diese Auftrennung durch die Einführung der `Sinnesdaten´ als aufgehoben gedacht wird, wird die Gottesidee überflüssig. Mit der Abweisung des Empirismus durch das Aufzeigen der Unhintergehbarkeit der Verflochtenheit von Sprache und Welt trägt Wittgenstein also auch zu der Schwächung empiristisch motivierter Religionskritik bei. Es wird damit nämlich sowohl die empiristische Favorisierung eines ‚eindimensionalen‘ Sprachparadigmas unterlaufen wie auch der Empirismus selbst in seinen Grundüberzeugungen getroffen.439 Für die Theologie kann der Wittgensteinsche ‚Anti-Empirismus‘ aber nur bedeuten, dass auch für sie der Begriff der Erfahrung nicht in dem Sinne konstitutiv sein kann, dass die bewusste Erfahrung das allem andere Vorgängige wäre, das benannt und in eine Beziehung zu einer Gottesidee gesetzt werden müsste. Vielmehr ist es bereits für die Identifikation und die Beurteilung einer Erfahrung notwendig, über ein Netz von „Gewißheiten“ zu verfügen, das der christliche Glaube in der Botschaft Jesu findet.440 Das bedeutet aber auch, dass man für die 438

Wittgensteins Auffassung von Ethik dürfte mit dieser Charakterisierung übereinstimmen. Vgl. die folgende sprachanalytische Argumentation von H.J. Schneider, Schweigen der Philosophie, S. 17f: „Betrachten wir den Fall, daß jemand trotz eigener wichtiger Interessen seine Reise unterbricht und einem Verunglückten hilft, obwohl er sicher sein kann, daß es unbemerkt bliebe, wenn er vorbeiführe. Wir fragen ihn, warum er angehalten habe, und überlegen, bei welcher Antwort wir sagen würden, er habe aus moralischen Gründen gehandelt. Sicher nicht, wenn er sagen würde, es hätte doch herauskommen können, und das hätte Folgen gehabt, die er nicht wollte. ... Wer sein Handeln durch moralische Gründe bestimmen läßt, würde einfach antworten: Ich habe ihm geholfen, weil er sich nicht allein helfen konnte und Hilfe nötig hatte. Er könnte noch hinzufügen: So verstehe ich mein Leben und mein Verhältnis zu anderen Menschen.“ (Vgl. das Gleichnis „Der barmherzige Samariter“, Lk 10,25-37.) 439 Innerhalb theologischer Zusammenhänge bringt die übermäßige Konzentration auf die Empirie die Gefahr mit sich, z.B. aufgrund der Betonung der therapeutischen Fähigkeiten religiös-performativer Sprechakte die Dimension der Transzendenz zu vernachlässigen und die Theologie ins Funktionalistische aufzulösen. 440 Selbstverständlich bezieht sich diese Aussage nur auf Erfahrungen, die auch mit dem christlichen Glauben in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden können. Die Zu-

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Annahme dieses Glaubens keine bestimmten Erfahrungen benötigt – und dies gilt ebenso für äußere wie für innere Erfahrungen. Ad ‚Anti-Psychologismus‘: Dort, wo die Theologie – in einer idealistischen Tradition stehend – ihren Ausgang bei einer inneren Erfahrung nimmt441, ist sie zu fragen, auf welche Art und Weise denn die „frommen Erregungen ... einen gewissen Grad und eine gewisse Bestimmtheit“442 – als Bedingungen ihrer sprachlichen Ausdrückbarkeit – erreichen können. Aus Sicht der Wittgensteinschen Spätphilosophie ist nämlich nicht eine Vorgängigkeit der fides qua creditur zu behaupten, sondern der Einsatz bei der fides quae creditur zu suchen, d.h. es ist nicht die innere Erfahrung selbst in den Mittelpunkt der Reflexion zu stellen, indem z.B. nach dem adäquatesten Ausdruck des Gefühls gesucht wird, sondern es sind die Kriterien der Interpretation der Erfahrung zu thematisieren. Die theologische Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit religiöser Rede kann – auch ‚sprachspielanalytisch‘ betrachtet – ihre Antwort, ebenso wie ihren Grund, nicht via Introspektion finden; Theologie darf somit ihren Ausgangspunkt nicht wie Schleiermacher im Inneren des Menschen suchen. Ist somit erkannt, dass weder eine bestimmte – mehr oder weniger allgemeine – Gefühlslage noch ein genau beschreibbares (Bekehrungs-)Erlebnis als für diese fundamentaltheologische Problematik entscheidend angesehen werden können, damit aber auch nicht als grundlegend für die Praktizierung von Frömmigkeit zu betrachten sind, so ist doch nicht die Existenz und Bedeutsamkeit von Gefühlen geleugnet, die auf Transzendenz hin interpretiert werden können bzw. die für die sie Erlebenden auf Transzendenz verweisen. Allerdings können sie als solche erst dann identifiziert werden – kann das eigene Erleben erst dann als solches `gewusst´ werden – , wenn bereits ein Netz bestimmter „Gewißheiten“ besteht, auf das man sich mit dem Erlebten beziehen kann. Die Vorstellung eines ‚Sprache-Psyche-Abbildverhältnisses‘, auf das man einfach unter Anwendung von Intentionalität bzw. Introspektion zurückgreifen könnte, ist auch in diesem Kontext als ungerechtfertigt anzusehen. schreibung eines rein ästhetischen Urteils oder die Lösung einer Mathematikaufgabe sind hier natürlich nicht gemeint. 441 Man vgl. – als klassisches Beispiel – F. Schleiermacher, Der christliche Glaube. Nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt (1821/22), 7. Aufl., auf Grund der 2. Aufl. und krit. Prüfung des Textes neu hg. und mit Einl., Erläuterungen und Reg. versehen v. M. Redeker, Bd. 1 und 2, beide Berlin 1960. – Schleiermacher erhebt das „schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl“ (vgl. vor allem §§ 32-35, S. 171-184) zum Ausgangspunkt allen systematisch-theologischen Nachdenkens. Vgl. auch § 15, S. 105: „Christliche Glaubenssätze sind Auffassungen der christlich frommen Gemütszustände in der Rede dargestellt.“ und die in der zitierten Ausgabe zugehörige Fußnote: „ ... die Sätze (sind) nur das Abgeleitete und der innere Gemütszustand das Ursprüngliche.“, die die ‚psychologistische‘ Position Schleiermachers besonders deutlich hervortreten lässt. 442 Ders., a.a.O., § 15,1b, S. 105.

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Wittgenstein selbst machte im VüE auf drei innere Erlebnisse aufmerksam, von denen insbesondere das des Schuldgefühls hier in Erinnerung gerufen werden soll (vgl. Kap. 1.2.2.). Es kann nämlich als ein Widerfahrnis aufgefasst werden, das dem Schmerzen-Haben ähnelt. Dieses wiederum wird von Wittgenstein in den PU eingehend beleuchtet, wobei die ‚Öffentlichkeit‘ dieses Erlebnisses, d.h. die unhintergehbare Einbettung selbst dieses Gefühls in den Sprache-Welt-Zusammenhang, herausgestellt wird. Diese Art ‚Öffentlichkeit‘ selbst privatester Empfindungen wird ebenso wie die Vorgängigkeit der „Gewißheiten“ zu bedenken sein, wenn in theologischen Zusammenhängen von Gefühl (Abhängigkeits-, Schuldgefühl u.a.), Erfahrung, (Bekehrungs-)Erlebnis, Offenbarung u.ä. die Rede ist, um nicht durch eine von den „Sprachspielen“ losgelöste und durch ein ‚psychologistisches‘ Missverständnis gelenkte Introspektion auf falsche Wege geleitet zu werden. Es darf also gerade auch bei der theologischen Grundlagenreflexion nicht vergessen werden, dass all die genannten Begriffe schon von Anfang an in einem Geflecht von „Sprachspielen“ und damit von „Gewißheiten“ eingebunden sein müssen, um überhaupt angewandt werden zu können und „Sinn“ zu haben. Es ist für die Theologie somit allein schon aus ‚sprachspielanalytischen‘ Gründen nicht möglich, Offenbarung als etwas Privates zu begreifen und sie damit der spekulativen Introspektion zu überlassen, sondern es ist darauf zu achten, dass auch ihr Charakter ein öffentlicher ist. – Insofern wird Barths Kennzeichnung Jesu Christi als der „objektive(n) Wirklichkeit der Offenbarung“443 auch aus nicht-theologischer Perspektive gestützt.

443

K. Barth, KD I/2, § 13,1., S. 1. (Dort keine Hervorhebung.) – Dass mit dieser Beschreibung nicht zugleich auch die Realität der subjektiven Erfahrung geleugnet wird, zeigt sich auch bei Barth an dem Glauben, dass „der Heilige Geist ... sie [sc.: die Offenbarung] subjektiv (in uns) vollstreckt“ (ebd.). Wichtig ist jedoch, die Vorgängigkeit einer ‚öffentlichen Offenbarung‘ festzuhalten.

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2. Zur theologisch-religionsphilosophischen Rezeptionsgeschichte Thesen und Verlauf des Kapitels: Bei einem Blick auf die theologisch-religionsphilosophische Rezeptionsgeschichte – genauer dargestellt werden zunächst zwei charakteristische Beispiele aus der ersten Phase der englischsprachigen Rezeption (Kap. 2.1.), dann aber vor allem die Wirkungsgeschichte im Bereich des deutschsprachigen Protestantismus (Kap. 2.2.) – stößt man auf eine Vielfalt von Missverständnissen, die auch als solche durchaus lehrreich sein können, aber ebenso auf eine große Zahl an fruchtbaren Einsichten. Die in der vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt stehende Frage nach der fundamentaltheologischen Bedeutung der Wittgensteinschen Sprachparadigmen – insbesondere der sprachanalytischen Überwindung ‚eindimensionaler‘ abbildtheoretischer Idealvorstellungen durch die ‚mehrdimensionale‘ „Sprachspiel“-Konzeption und der Möglichkeiten und Folgerungen, die die ‚sprachspielanalytische‘ Methodik für die Theologie haben könnte – ist aber kaum einmal wirklich konsequent aufgegriffen worden. Wie die gesamte Wittgenstein-Rezeption, so ist auch die theologisch-religionsphilosophische Rezeptionsgeschichte breit gefächert. Häufig begnügt man sich hier allerdings mit dem Versuch der Fruchtbarmachung einzelner Ideen (z.B. der des „Schweigen“-Sollens oder der des „Sprachspiels“), ohne deren Einbettung in die Gesamtkonzeption Wittgensteinscher Philosophie – sei es in die mystische Grundhaltung des TLP, sei es in die Vorgehensweise und die Stoßrichtungen der PU – genauer zu beachten. Manche Autoren bleiben sogar bei dem vielversprechenden Hinweis auf `große theologische Relevanz´ stehen, ohne diese näher zu erläutern. Oft ist die Rezeption Wittgensteins auch stark mit der Übernahme von Anregungen ganz andersartiger sprachanalytischer Philosophen vermischt444, so dass die detaillierte Analyse der Wirkungsgeschichte – das Nachzeichnen des Stammbaumes bestimmter Vorstellungen oder Techniken – an vielen Stellen ins Spekulative abgleiten müsste. Aus all diesen Gründen soll hier nicht versucht werden, einen Überblick über die gesamte Rezeption im Bereich auch etwa nur der protestantischen Theologie zu geben, sondern es sollen zunächst zwei für die erste Phase der englischsprachigen Rezeption typische Interpretationen mitsamt einer, durch die zweite von ihnen ausgelösten Diskussion, die so genannte `Fideismusdebatte´, herausgegriffen werden (Kap. 2.1.). Diese Beispiele wurden ausgewählt, weil sie zum einen charakteristisch für die frühe theologisch-religionsphilosophische Rezeptionsgeschichte sind und sie zum anderen wichtige Fragen sprachanalytischen Philosophierens im Bereich der Religion berühren, an denen sich für fundamentaltheologische Überlegungen viel Bedeutendes zeigen lässt. 444

Vgl. den schon in der Einleitung (Kap. 0) genannten Einfluss von J.L. Austin und J.R. Searle.

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U.a. die Publikation der Texte zur `Fideismusdebatte´ in Deutschland war mitverantwortlich dafür, dass jetzt auch hier die sprachanalytische Philosophie und damit die Wittgensteins zu einem beachteten Thema wurde. So können dann – in einem nächsten Schritt dieser Arbeit – zwei Wellen der Wittgensteinrezeption im Bereich der protestantischen deutschsprachigen Theologie unterschieden werden (Kap. 2.2.): Nachdem in den 70er und frühen 80er Jahren erste Wahrnehmungen der Philosophie Wittgensteins auf dem Hintergrund der damaligen Diskussionsgrundlagen zu verzeichnen sind (Kap. 2.2.1.), begann eine wirklich intensive Phase der Rezeption Ende der 80er Jahre im Rahmen des 100. Geburtstages Wittgensteins. Sie erreichte ihre Blütezeit allerdings erst etwa zehn Jahre später und nahm danach langsam wieder ab (Kap. 2.2.2.).

2.1. Universelles Verifikationsprinzip oder logische Eigenständigkeit? Thesen und Verlauf des Unterkapitels: In der ersten Phase der englischsprachigen Rezeption wird vor allem die Frage nach dem Verifikationsprinzip diskutiert. Dem einen – Paul M. van Buren – fällt es dabei schwer, sich von einem universellen Verifikationsprinzip zu trennen, so dass er letztlich dem Sprachparadigma des TLP verhaftet bleibt (Kap. 2.1.1.); dem anderen – Dewi Z. Phillips – gerät die Absage an ein allgemein gültiges Wahrheitskriterium insofern zu radikal, als nun die gänzliche logische Eigenständigkeit religiöser Rede behauptet wird (Kap. 2.1.2.1. mit der sich anschließenden Diskussion in Kap. 2.1.2.2. bis 2.1.2.5.). Auf dem Hintergrund der bisher durch die „Sprachspiel“-Konzeption gewonnenen Einsichten kann keine der beiden Auffassungen aufrecht erhalten werden; sie sind vielmehr durch eine Mittelposition zu ersetzen (Kap. 2.1.3.). Das Augenmerk wird zunächst vor allem auf der Wirkung des ‚empiristischaristotelischen‘ Verifikationsprinzips des Sprachparadigmas des TLP liegen. Hatte der `frühe Wittgenstein´ durch die Übernahme des ‚aristotelischen‘ Korrespondenzbegriffes der „Wahrheit“ suggeriert, dass es ein allgemein gültiges Verifikationsprinzip für alle Arten von Aussagen gebe, so ist die sich anschließende fundamentaltheologische Frage die, ob man diese Überzeugung akzeptiert oder ob man einen auch in dieser Hinsicht selbstständigen Bereich `religiöser Sprache´ proklamiert, der dem Verdikt des TLP nicht unterliege. Mit Paul M. van Buren (Kap. 2.1.1.) wird zunächst eine Position dargestellt werden, die der ersten Meinung folgt und entsprechende Konsequenzen zieht. In der `Fideismusdebatte´ (Kap. 2.1.2.) steht sodann die Einschätzung des `frühen´ Dewi Z. Phillips zur Diskussion, der – auf dem Hintergrund von Mittelphase und Spätphilosophie Wittgensteins – die These der Eigenständigkeit religiöser Rede radikal vertritt. Mit diesen beiden Beispielen kommen auch heute noch verbreitete Missverständnisse über die theologischen Implikationen der Philoso-

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phie Wittgensteins in den Blick, nämlich zum einen die vermeintliche Übersetzbarkeit von einer „Sprach-Garnitur“445 in eine andere und zum anderen die Idee der Abspaltung religiöser Rede als eines zwar legitimen, aber gänzlich eigenständigen Bereiches innerhalb von Sprache. Die in der Überschrift dieses Unterkapitels ausgedrückte und als Leitfrage der Darstellung fungierende Ausformulierung des Problems wird sich bereits bei der historischen Darstellung der Diskussion und dann durch die Aufnahme der in Kap. 1.3. gewonnenen Einsichten als eine zu pointiert ausgedrückte Alternative herauskristallisieren, da keine der beiden Kontrapositionen aufrecht erhalten werden kann. Weder ein idealistisch-normierendes, den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebendes Konzept (vgl. TLP) noch ein relativistisches, alles in unverbunden nebeneinander stehende Einzelglieder auflösendes Modell (vgl. Fehldeutung der PU) werden dem Phänomen religiöser Sprache gerecht. Beide haben eine zu „primitive Vorstellung von der Art und Weise, wie die Sprache funktioniert“ (PU § 2). – Auf dieser Einsicht aufbauend sollen in Kap. 2.1.3. einige Bemerkungen des Vf. zu diesem Problemkomplex folgen, die – vor allem im Anschluss an Wittgensteins ÜG – die Kompliziertheit der Vernetzung der „Sprachspiele“, damit aber auch der „Gewißheiten“, betonen. Sowohl die Unhaltbarkeit einer ‚radikalfideistischen‘ Position (Kap. 2.1.2.1.) als auch die Unmöglichkeit der ‚Übersetzung‘ bzw. des Austausches angeblich bloß unterschiedlicher „Sprach-Garnituren“ (Kap. 2.1.1.) soll damit in ein deutlicheres Licht gesetzt werden als es in der `Fideismusdebatte´ selbst der Fall gewesen ist. 2.1.1. Paul M. van Buren – oder: Der Verzicht auf die ‚kosmologisch-ontologische Sprach-Garnitur‘ These: Van Buren möchte Christ-Sein auch in einem säkularen Umfeld vertretbar erscheinen lassen. So sucht er Konsequenzen aus einer Sprachauffassung zu ziehen, die letztlich und trotz anderweitiger Beteuerung als die des TLP identifiziert werden muss. Religiöse Rede ist für ihn nur dann noch „sinnvoll“, wenn sie sich aus einer Sprache, die direkt auf empirische Gegebenheiten Bezug nimmt, ableiten lässt. Deshalb sieht er sich veranlasst, die traditionelle ‚kosmologisch-ontologische Sprach-Garnitur‘ in eine neue religiöse Redeweise zu übersetzen, deren empirische Anbindung deutlich sei. – Demgegenüber ist zu betonen, dass eine derartige Überführung einer „Sprach-Garnitur“ in eine andere nicht ohne semantischen Verlust möglich ist. Grundlegende Aspekte gingen verloren. Zudem ist eine solche ‚eindimensionale Konsequenz‘ nicht mehr nötig, wenn man sich von den Überzeugungen des TLP wirklich löst und stattdessen die Vorstellungen der PU von der‚Mehrdimensionalität‘ der Sprache zugrunde legt. 445

Zu diesem Ausdruck vgl. Kap. 2.1.1.

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Aus van Burens Büchern, die er unter dem Einfluss seiner Beschäftigung mit der Philosophie Wittgensteins geschrieben hat, ist für die vorliegende Untersuchung das Werk „Reden von Gott – in der Sprache der Welt. Zur säkularen Bedeutung des Evangeliums“446 ausgewählt worden, weil hier die Auswirkungen des die Abbildtheorie und somit das Sprachparadigma des TLP bestimmenden empiristischen Verifikationskriteriums auf die Art und Weise des Theologie-Treibens und auf theologisches Selbstverständnis besonders deutlich werden. 447 Dies gilt entgegen dem ersten Anschein, nach dem sich der Autor mehr auf den `späten´ als auf den `frühen Wittgenstein´ stützt. – Zudem wird in dieser Veröffentlichung auf die meisten der damals einflussreichsten englischsprachigen Autoren sprachanalytischer Religionsphilosophie eingegangen, so dass auf diese indirekte Weise auch andere Konzeptionen kurz angedeutet werden können. Van Buren will in diesem Buch eine explizit für den heutigen säkular bestimmten Christen gedachte Auslegung des Evangeliums unternehmen und sieht sich hierbei in der Tradition von Dietrich Bonhoeffers Forderung nach einer `nicht-religiösen Interpretation´ des Christentums, die das Gespalten-Sein in traditionellen Offenbarungsglauben – und damit z.B. verbundenem Für-WahrHalten von Wundern – und säkularen Lebensstil – im Sinne von Leben im Vertrauen auf naturwissenschaftlich (an-)erkannte Gesetzmäßigkeiten – zu überwinden suche. Van Buren nimmt sich vor, „Bonhoeffers Frage durch Analyse der Sprache des Glaubens zu beantworten“ (S. 8), wobei es vor allem darum gehen wird, die Funktion von Glaubensaussagen innerhalb ihres jeweiligen historischen ‚Weltbild-Kontextes‘ zu ermitteln, um sie dann adäquat in das Reden des „säkularen Menschen“ übersetzen zu können. Ähnliches hatte Rudolf Bultmann bereits 1941 mit seinem `Entmythologisierungsprogramm´ gefordert. Van Buren kann diesem auch insofern zustimmen, als das Evangelium tatsächlich keine Behauptungen aufstellen wolle, die in

446

Erschienen Zürich/Stuttgart 1965 (ins Deutsche übertr. v. K. Huber). Auf diese Ausgabe beziehen sich die Seitenangaben im Text dieses Unterkapitels. – Titel der amerikanischen Originalausgabe: „The Secular Meaning of the Gospel. Based on an Analysis of its Language“, New York, o.J. 447 In „The Edges of Language. An Essay in the Logic of a Religion.“, London 1972, nimmt van Buren noch ausdrücklicher auf Wittgenstein Bezug. Die PU werden jetzt in ihren Intentionen wesentlich klarer gesehen, so dass das TLP-Sprachparadigma – auch aufgrund der Rezeption von Austin – seine Bedeutung verliert. Es handelt sich um einen etwas anderen van Buren, an dem die Auswirkungen der ‚empiristischen Sinnkriterien‘ weniger gut zu demonstrieren wären. Dennoch ist auch hier das Ergebnis eine säkularisierte religiöse Rede: „Those who have toyed with a religious use of ‚transcendence‘ have perhaps not seen the proper logic of `God´.“ (S. 147). Letztlich müsse man doch einsehen, dass ein „educated Christian ... is engaging in a special type of linguistic behavior which we have described as speaking at the edges of language.“ (S. 167). Und hierbei handele es sich zwar um einen besonderen `Sprechakt´, aber nicht um einen Verweis auf Transzendenz.

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Konkurrenz zu naturwissenschaftlichen Aussagen treten könnten.448 Andererseits sei bei Bultmann die Übersetzung des Kerygmas in die Terminologie der Existenzphilosophie Heideggers so vollständig, dass die Notwendigkeit des Rekurses auf ein geschichtliches Ereignis nicht mehr einsichtig zu machen sei.449 Deshalb möchte van Buren andere Wege beschreiten, darin allerdings weder Karl Barth noch der theologischen „`Linken´“ (S. 14) folgen: „Dem Christen von heute wird zugemutet, entweder die Welt, in der er lebt, und seine Verbundenheit mit ihr zu verleugnen [sc. K. Barth] oder die geschichtliche Grundlage seines Glaubens zu vergessen [sc. Sch.M. Ogden] ...“ (S. 17)

Mittels Sprachanalyse möchte van Buren nun eine für den „säkularen Gläubigen“ angemessene Mittelposition finden, wobei er betont, dass es sich bei „Sprachanalyse“ um eine Methodik und nicht etwa um eine positivistische Weltanschauung handle450. Zunächst gehe es darum, die „`Sprach-Garnitur´“ (S. 19) zu bestimmen, der eine Aussage angehöre, um „die verschiedenen Teile unsrer Sprache zu klassifizieren, damit wir nicht die Sprache der Liebe mit der biologischen oder die Sprache der Politik mit physikalischen Ausdrücken verwechseln.“ (S. 20)

Erst innerhalb dieses so gewonnenen ‚Verifikationsrahmens‘ ist nach van Buren die Zuschreibung eines Wahrheitswertes möglich. Mit dieser Auffassung folgt er offensichtlich dem ‚Anti-Aristotelismus‘ des `späten Wittgenstein´ (Kap. 1.3.2.2.). Überhaupt ist mit dem in der deutschen Ausgabe benutzten Ausdruck „Sprach-Garnitur“ eigentlich „Sprachspiel“ gemeint, wie Anm. 12, S. 19f, durch die Anführung der PU (§§ 7, 23 und 65ff) deutlich zeigt.451 Es handelt sich demnach um eine eigenwillige Rückübersetzung von „language-game“, die eine nicht unerhebliche Akzentverschiebung mit sich bringt, da sie nicht nur einzelne „Sprachspiele“, sondern ganze Bereiche der Sprache bezeichnet, die zusammenzugehören scheinen. Damit hat dieser neue Ausdruck aber den Vorteil, dass er 448

In einer an den TLP angelehnten Paraphrasierung könnte man dazu bemerken: Für das grundlegende Verhältnis des transzendentalen Ich zur „Welt“ ist es uninteressant, wie „die Dinge in der Welt“ sind, welche „Sachverhalte“ „Tatsachen“ sind. (Vgl. auch Wittgensteins Unterscheidung in religiösen Glauben und Aberglauben, Kap. 1.2.3.) 449 Diese Kritik an Bultmann ist nicht aufrecht zu erhalten, da er der `natürlichen Theologie´ ihre Berechtigung „außer Christus“ abstreitet (vgl. R. Bultmann, Die Frage der natürlichen Offenbarung, in: GuV II, S. 79-104, hier: S. 104). 450 Somit stimmt er in diesem Punkt mit dem Sprachgebrauch der vorliegenden Arbeit überein. 451 Die Unwissenheit des Übersetzers ist für die damalige Wittgenstein-Kenntnis in Deutschland ebenso bezeichnend wie der Sachverhalt, dass W. Knevels dies in seiner Rezension (ThLZ 92 (1967), Sp. 130-132) nicht erwähnt.

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im Folgenden mit eben dieser Bedeutung benutzt werden kann, ohne dass ein entstellter „Sprachspiel“-Begriff gebraucht werden muss. Ebenso grundlegend wie das Verständnis für „Sprach-Garnituren“ sei nun auch Wittgensteins angebliche Radikalisierung von Freges `Kontextprinzip´, nämlich dass man die Bedeutung eines Wortes nicht nur aus dem Zusammenhang entnehme, sondern dass sie gar im kontextuell gebundenen Gebrauch völlig aufgehe. Auch in diesem Punkt handelt es sich um eine ungenaue Rezeption, da die für jeden Wortgebrauch grundlegenden „Muster“ ebenso wie die fundierenden „Gewißheiten“ ausgeblendet werden. Wie sich zeigen wird, hat van Buren mit diesen beiden Missverständnissen – der Ausweitung des „Sprachspiel“Begriffes und der Vereinseitigung des `Kontextprinzips´ – die Voraussetzungen dafür geschaffen, bestimmte Bereiche der Sprache aufgeben zu können. Zunächst geht es ihm aber darum, die Funktion christologischer Aussagen genauer zu analysieren, um ein angemessenes Verständnis des Christentums zu erhalten. Dazu skizziert er kurz die Entwicklung der altkirchlichen Logos-Christologie bis hin zur Formel von Chalcedon. Als Ergebnis konstatiert er, dass die Kirchenväter „dem Menschsein Jesu von Nazareth nicht gerecht“ (S. 41) geworden seien. Jesus sei entgegen den altkirchlichen Bekenntnissen doch besonders durch „seine Verbindung mit andern Menschen“ (ebd.) zu charakterisieren. Die in Chalcedon schon implizierte, erst im 6. Jh. ausformulierte Lehre von der Enhypostasie – von der Existenz der menschlichen `Natur´ Christi nur in der `Hypostase´ des göttlichen Logos, vom Fehlen also der menschlichen `Hypostase´ – widerspreche letztlich dem wirklichen Mensch-Sein Jesu.452 Es verdiene allerdings betont zu werden, dass die Kirchenväter immer nur an einen einzigen Gott mit seiner einzigartigen Offenbarungsgeschichte glaubten, „Jesus als volle und adäquate Offenbarung Gottes“ (S. 45) ansahen und in ihm die Versöhnung als Tat Gottes, als Gnadenakt, vollbracht dachten. Dass ihr Denken dabei nicht unbedingt im Einklang mit dem Motiv vom Bundesschluss Gottes mit seinem Volk gestanden habe, habe moderne biblische Theologie oft genug betont. Da aber gerade dieser Gedanke für AT und NT zentral sei, möchte van Buren ihn als Rahmen für die Entwicklung einer modernen Interpretation, nämlich einer „Christologie von `Ruf´ und `Antwort´“ (S. 48), benutzen. 453 Ausgehend vom Titel „Sohn Gottes“ und einer nicht-patristischen Lesart des Johannes-Evangeliums, also der Vermeidung der Hypostasierung des Logos-Begriffes, gelangt er zu folgendem Ergebnis: 452

Vgl. den ganz anderen, vor allem sprachanalytisch-theologischen Stellenwert, den die Enhypostasie in der Barth-Interpretation von E. Maurer, Sprachphilosophie bei Karl Barth, zugesprochen erhält (s. unten Kap. 2.2.2.1.). 453 An dieser Stelle ist ein Einfluss Barths auf van Buren deutlich, nimmt doch auch in der KD der Bundesschluss eine fundamentale Stellung ein (vgl. KD III/1, § 41 Schöpfung und Bund, S. 44-377, und KD IV/1, § 57 Das Werk Gottes des Versöhners, S. 1-83). In der Ausführung dieses Grundgedankens unterscheiden sich beide Theologen jedoch erheblich.

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„Gebrauchen wir das Bild vom Bundesschluß, so wird Jesus von Nazareth hier als ein Mann gesehen, der von Jahwe zum Heil der Welt zu einer bestimmten geschichtlichen Rolle berufen ist.“ (S. 52)

Die Schwächen einer Adoptionschristologie, z.B. eines Paulus von Samosata, würden dadurch vermieden, dass diese Berufung als eine gedacht wird, die schon von Anfang der Welt an geplant war, die der Schöpfung also vorausgegangen sei. Die Vorstellung der Verwirklichung eines solchen Planes müsse sich nicht mit dem Problem eines ontologisch aufgefassten Eingehens des Göttlichen in das Menschliche abmühen und sichere Jesus sowohl die Wirklichkeit seines Mensch-Seins als auch die Einzigartigkeit seines Verhältnisses zu Gott. Auf seine Berufung antworte Jesus dann in Gehorsam mit seiner ganz eigenen Geschichte, die zu Ostern durch Jahwe beglaubigt werde. – Damit meint van Buren eine Interpretation vorgelegt zu haben, die den Anliegen der Kirchenväter durchaus gerecht werde. Aus Sicht der Spätphilosophie Wittgensteins ist aber bereits hier zu konstatieren, dass bei ihm doch ein stark reduktionistisches Vorgehen zu beobachten ist, das ontologische Kategorien so weit wie möglich auszublenden und durch ‚gleichwertige‘ historische zu ersetzen sucht. Hat van Buren seiner Auffassung nach also die altkirchliche Tradition – und damit die theologische `Rechte´ – adäquat berücksichtigt, so muss er jetzt auf Bedenken eingehen, die aus den Reihen der theologischen „Linken“ zu erwarten sind. Sie nämlich könnte seinen Entwurf noch als „bedauerlich mythologisch“ (S. 56) empfinden, weil er Jesus von Nazareth noch sehr direkt verhaftet bleibe. Kurz skizziert van Buren die aus der Kritik an Bultmann erwachsene Konzeption Ogdens, die letztlich auf „einen Glauben ohne Christus“ (S. 62) hinauslaufe. Dabei verwende Ogden existenzphilosophische Ersatzformulierungen für „Gott“ wie z.B. „`erfahrene nicht-objektive Wirklichkeit´“ (S. 63), die „sinnlos“ seien454. Sie wären auf „eine Vermischung von `Sprach-Garnituren´“ (S. 64) zurückzuführen und seien ebenso unzulässig wie der Versuch, von Gott in (anthropomorphen) Analogien zu sprechen. Scheint van Burens Einwand hier erneut auf den ersten Blick den PU zu folgen, so liegt seiner Kritik doch vielmehr das ‚eindimensionale‘ Sprachparadigma des TLP zugrunde, versucht er doch hier, das „Verifikationsprinzip“ in einem absoluten Sinne anzuwenden. Er spricht prinzipiell allen Wörtern mit „eine(r) Beziehung zum `Transzendenten´“ (S. 67) jegliche Sinnhaftigkeit ab, ohne die Möglichkeit ernsthaft in Betracht zu ziehen, dass auch solche „Sprachspiele“ – als die Verbalisierung von „Gewißheiten“ – gehaltvoll sein und gerade auch als auf Transzendenz bezogene das Verhalten von Gläubigen bestimmen könnten.455 454 455

Die an den TLP anknüpfende Wortwahl wäre „unsinnig“ (vgl. Kap. 1.1.5.). Vgl. S. 66: „Die Aussage `Gott liebt mich´ ist dagegen gegen jede Verifikation notorisch immun geworden.“ Dass sie aber z.B. als Begründung für ein bestimmtes Sich-Verhalten

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Grundsätzlich ist van Buren zwar mit der Übersetzung kosmologisch-ontologischer Redeweise in existenzialistische durchaus einverstanden, ja er fordert sie selbst (vgl. S. 66) – man könnte in seinem Sinne von einer ‚Aktualisierung der Sprach-Garnitur‘ sprechen – , nur dürfe man dann nicht mehr versuchen, mit existenzialistischer Terminologie ontologische Anliegen zur Sprache zu bringen. Konsequenterweise müsste van Buren zufolge die ‚klassische‘ Redeweise ganz aufgegeben werden. Dies kann – neben der Kritik an der Ausklammerung des historischen Jesus von Nazareth und des mit ihm verbundenen Oster-Ereignisses – als der Haupteinwand betrachtet werden, den van Buren gegenüber der theologischen „Linken“ erhebt. Zudem ergebe sich für sie das Dilemma, dass sie, wenn sie Christus als normierende Instanz beibehalten wolle, ihr Prinzip der `Entmythologisierung´ einschränken müsste (vgl. S. 72-77). Eine Alternative zu finden, sei nur über die „Sprachliche Analyse religiöser Aussagen“ (S. 81) möglich. Hier bringt van Buren nun eine Konzeption von R.M. Hare ins Spiel, der für die Grundhaltung eines Menschen, mit der dieser die Welt betrachtet, den Ausdruck „blik“ geprägt hat. Formulierungen des „blik“ dürfen danach nicht als „Erklärungen“ aufgefasst werden, wollen sie doch – in den Worten des TLP ausgedrückt – das Verhältnis des transzendentalen Ich zur Welt artikulieren und nichts Innerweltliches abbilden. 456 Diese Idee findet van Buren nun konstruktiv aufgegriffen z.B. bei I.T. Ramsey und R.B. Braithwaite. Ersterer versteht religiöse Ausdrücke derart, dass sie – ähnlich wie die Tautologie „Ich bin ich“ – auf fundamentale Orientierungen des Denkens und Handelns verweisen, die durch empirische Beschreibungen nicht zu erfassen sind, da sie – so könnte nach Ansicht der vorliegenden Arbeit im Sinne von ÜG ergänzt werden – als „Gewißheiten“ allem „Wissen“ zugrunde liegen.457 Braithwaite hingegen meint, Religion auf ein mit bestimmten Geschichten in Verbindung gebrachtes Ethos reduzieren zu können. 458 herangezogen werden kann, bespricht van Buren nicht. Dann wäre nämlich deutlich geworden, dass sie nicht einfach anthropologisch gewendet und durch „`Ich fühle mich sicher, begehrt, wertvoll´“ (ebd.) ersetzt werden kann. 456 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Hare bei seiner Konzeption vom TLP (vgl. z.B. TLP 6.43) oder von den PU-Überlegungen zum „Aspektwechsel“ (PU, S. 518ff) angeregt worden ist. – Vgl. den Beitrag von R.M. Hare (ohne Titel) zu der Diskussion „Theology and Falsification“, in: A. Flew/A. MacIntyre (Hg.), New Essays in Philosophical Theology, New York 1964, S. 99-103. 457 Vgl. I.T. Ramsey, Religious Language. An Empirical Placing of Theological Phrases, London 1957. 458 Vgl. R.B. Braithwaite, An Empiricist´s View of the Nature of Religious Belief. The Ninth Arthur Stanley Eddington Memorial Lecture, Cambridge 1955, wieder in: B. Mitchell (Hg.), The Philosophy of Religion, London 1971, S. 72-91. Dt.: Die Ansichten eines Empiristen über die Natur des religiösen Glaubens, in: I.U. Dalferth, (Hg.), Sprachlogik des Glaubens, München 1974, S. 167-189.

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Nach Einschätzung van Burens geben diese Positionen, die sich auf „einer nicht erkenntnismäßigen `blik´-Konzeption des Glaubens“ (S. 92) gründen459, die Richtung an, in der für den „säkularen Gläubigen“ die Christologie (re-)konstruiert werden müsste. Es soll demnach die empirisch-ethische Seite des Evangeliums betont werden, kosmologisch-ontologische Aussagen sind nicht mehr gefragt. Diese programmatische Beschränkung „auf den wenigstens im Prinzip menschlicher Nachprüfung zugänglichen Bereich“ (S. 98) macht erneut deutlich, dass – trotz aller Hinweise auf die PU – weiterhin ein dem TLP entsprechendes Sprachparadigma zugrunde liegt. Wenn daneben ein „Verifikationsprinzip“ zur Anwendung gelangen soll, das – im Sinne des `späten Wittgenstein´ – davon ausgeht, „daß ... der Sinn eines Wortes seinem Gebrauch im Zusammenhang entspricht“ (S. 99), so kann dieses nur sehr eingeschränkt zum Zuge kommen. Van Buren will im Grunde zwei verschiedene Sinnkriterien gleichzeitig benutzen. Das Festhalten an empirischer Verifikation und das gleichzeitige Zulassen anderer Sinnhaftigkeit via Gebrauch laufen aber gegeneinander. Dieses Problem scheint der Autor allerdings nicht zu sehen. Für ihn steht es offensichtlich außer Frage, dass der aus dem Kontext gewonnene Sinn, um Sinn zu machen, noch einmal in einem weiteren Schritt ‚verifiziert‘ werden muss – und dieses Mal empirisch, weil dies das Grundkriterium des „säkularen“ Menschen sei. Zwar warnt van Buren selbst vor einer Vermischung der „Sprach-Garnituren“ ‚Faktenbeschreibung‘ und ‚Selbstverpflichtung‘ (vgl. S. 100f), will aber die letztere überhaupt nur gelten lassen, wenn sie sich auf empirisch Nachprüfbares bezieht – und nicht etwa auf ein Wort wie „Gott“ oder dessen existenzialphilosophische Ersetzungen. Auf diesem Hintergrund wird nun die Christologie „rekonstruiert“: Jesus von Nazareth soll streng als jemand begriffen werden, der innerhalb der Profangeschichte seinen Platz hat. Die Berichte über ihn könnten bei den Hörern dann allerdings die Veränderung ihres „bliks“, d.h. ihrer gesamten Einstellung zur Welt, bewirken, so dass man sagen könne, sie hätten in der Geschichte einen „Sinn“ gefunden. Ein Teil der Profangeschichte habe für sie fundamentale Bedeutung erlangt. Sie verpflichteten sich in ihrer Sicht der Welt und ihrem Verhalten ihr gegenüber einem bestimmten historischen Vorkommnis. Zwar sei historisch gesehen wenig Zuverlässiges über Jesus sagbar, doch trete diese geschichtliche Person in der kerygmatischen Sprache des NT an uns heran, die zu Ostern ihren Anfang nehme, als die Jünger und Jüngerinnen Jesus in einem neuen Licht sahen (vgl. S. 109), und die ihn „als beachtenswert freie(n) Mann“ (S. 114) charakterisiert, insbesondere „frei von der Sorge um Sicherung seiner Identität, vor allem aber ... frei für seinen Nächsten“ (S. 115). Dass diese neue Sichtweise des Menschen Jesus von Nazareth gleichbedeutend geworden sei mit einem neuen Verhältnis zur Welt als ganzer und mit einem Sinn-Finden in der Geschichte, 459

Als das Gegenbeispiel eines erkenntnismäßigen Analytikers wird u.a. J. Hick und dessen Entwurf einer „eschatologischen Verifizierung“ genannt (vgl. Kap. 2.1.2.2.; Lit. dort).

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das vor allem auch die „Verpflichtung auf die Lebensgestaltung, wie sie Jesus gewählt hatte“ (S. 124), impliziere, werde durch „Ostern“ ausgedrückt: „Osterglaube war eine neue Lebensauffassung, welche aus einer Offenbarungssituation, in deren Mittelpunkt die Geschichte Jesu stand, erwachsen war.“ (ebd.)

Somit ist deutlich, dass es van Buren darauf ankommt, „Ostern“ nicht durch die Konstatierung von „Fakten“ festgelegt zu sehen, die empirisch hätten überprüft werden können – wie das leere Grab oder auch eine physische Erscheinung des Auferstandenen – , sondern als ‚Aspektwechselerlebnis‘ aufzufassen460, das seinerseits aber – durch das Verhalten der Jünger und Jüngerinnen – empirischer Überprüfung zugänglich gewesen sei. Mit Hilfe des TLP könnte man demnach van Burens Auffassung dahingehend paraphrasieren, dass mit „Ostern“ für van Buren kein Ereignis in der „Welt“ „abgebildet“, sondern auf eine „sich gezeigt“ habende Veränderung im Verhältnis des transzendentalen Ich zur „Welt“, auf ein „mystisches Erlebnis“, „gezeigt“ werden soll.461 Im Bekenntnis Jesu als des Herrn über die ganze Welt hätten die Jüngerinnen und Jünger eben dieses ausgedrückt. Für spätere Generationen, die unter dem Eindruck der Erzählungen über Jesus und das durch ihn bewirkte Ostererlebnis selbst zu einem derartigen ‚Aspektwechsel‘ kamen, sei nun der Begriff der „Bekehrung“ – aufgrund des „Wirkens des Heiligen Geistes“ – angebracht, ein „Ostern“ offensichtlich ähnlicher Vorgang (vgl. S. 127f). Die auf Christus bezogene Rede von „Exklusivität“ beziehe sich demnach lediglich auf die historische Angebundenheit der (neu gewonnenen) Lebenseinstellung (vgl. S. 129f). Die Verbindung mit der Geschichte Jesu kennzeichne den christlichen Glauben als eine „historische Perspektive“; andererseits werde mit diesem „blik“ jetzt auch die Zukunft angegangen (vgl. S. 134). Die von van Buren vorgelegte Sichtweise vermeidet bewusst den Begriff `Gott´.462 Hier sieht der Autor sich auf einer Linie mit dem Evangelisten Johannes, der auch – z.B. Joh 14,9-10 – betone, dass unabhängig von Jesus kein „Vater“ gefunden werden könne. So müsse einem direkten Fragen nach `Gott´ – ganz im Sinne von TLP 7 – entgegengehalten werden: „Schweigen ist die erste und beste Antwort auf Fragen über den `Vater´.“ (S. 137) 460

In der Terminologie des `späten Wittgenstein´ (vgl. PU, S. 518ff) müsste man sagen, dass nach van Buren die Jünger und Jüngerinnen zu Ostern einen „Aspektwechsel“ vollzogen haben, der die Einstellung zur Welt als ganzer betroffen hat. 461 Dazu vgl. van Buren, S. 125: „Wir gebrauchen den Ausdruck, um auf Ostern hinzuweisen und natürlich nicht, um Ostern zu beschreiben.“ 462 Vgl. die die vorliegende Untersuchung einleitende Problemanzeige in Kap. 0.

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„Theologie“ könne also nur als „Christologie“ in dem Sinne betrieben werden, dass konsequent auf eine ‚kosmologisch-ontologische Sprach-Garnitur‘ verzichtet werde: „Fragen nach `Gott´ bekommen ihre einzige nützliche Antwort in Form einer Geschichte dieses Menschen.“ (S. 139)

Mit der so beschriebenen Strategie meint van Buren die „Funktion“ neutestamentlicher Aussagen adäquat in das Denken des „säkularen Gläubigen“ übersetzt zu haben, so dass sich ein Aufrechterhalten alter Ausdrucksweisen erübrige. Auch die oben herausgearbeitete ‚kosmologische Sprach-Garnitur‘ der Kirchenväter decke sich in ihrer „Funktion“ mit der der ‚christlich-säkularen Redeweise‘. So entspreche z.B. die Verwerfung des Arianismus, also der Annahme eines Gottes „über“ dem Logos, dem Beharren auf der alleinigen Anbindung des Glaubens an den historischen Jesus und das mit ihm verbundene Osterereignis (vgl. S. 150). Und die Lehre der Enhypostasie wolle eben das zum Ausdruck bringen, was der säkulare Gläubige meine, wenn er darauf verweise, dass der historische Jesus für ihn „ohne die Folgen von Ostern ... nicht von zwingendem Interesse wäre.“ (S. 154) Ebenso wolle die christologische Formel von Chalcedon mit ihren Mitteln verdeutlichen, dass das Christentum sich sowohl einer geschichtlichen Gestalt als auch einem auf sie folgenden Offenbarungserlebnis verdanke: Beim gleichzeitigen Sprechen über dieses kategorial Unterschiedene würden notwendigerweise verschiedene „Sprach-Garnituren“ aufeinanderstoßen, was die paradox erscheinenden Formulierungen bedinge (vgl. S. 155f). Aber van Buren behauptet nicht nur, den Anliegen der Kirchenväter gerecht geworden zu sein, sondern auch die Schwächen moderner Theologen kompensiert zu haben: Die Überbetonung des Existenzialistischen bei der „theologischen `Linken´“, die zu einer Vernachlässigung der Anbindung an die Geschichte Jesu führe, sei mit seiner Konzeption ebenso abgewehrt wie die kosmologisch-ontologische Überbetonung der „theologischen `Rechten´“, die eine Vernachlässigung der säkularen Ausdrucksweise und ihres empiristischen Sinnkriteriums mit sich bringe (vgl. S. 158-160). Und so meint van Buren nun, die traditionelle theologische Begrifflichkeit in ihrer Gesamtheit nach der dargestellten Vorgehensweise interpretieren zu können – „Schöpfung“ z.B. wird zur „bejahende(n) Einstellung zur Welt der Menschen und Dinge“ (S. 164); „Taufe“ könne als „eine dramatische Darstellung dessen, was geschieht, wenn man den `blik´ wechselt“ (S. 171) aufgefasst werden. – Abschließend kann der Autor sein „säkulares Christentum“ nun folgendermaßen charakterisieren: „Wir sind der Meinung, daß es heute möglich ist, in bezug auf `jenseitige´ Kräfte und Wesen einen Agnostizismus zu vertreten, daß aber Menschen von Bedeutung seien, daß wir in einer Welt der Ich-Du-Beziehungen leben, ... Wir behaupten, daß Bubers Unterscheidungen wichtiger seien als dieje-

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nigen von Zeit und Ewigkeit, Unendlichem und Endlichem und viele andere, an denen den Christen eines andern Zeitalters gelegen war.“ (S. 180)

Die „empiristische Einstellung“ des säkularen Menschen komme eben dadurch zum Ausdruck, dass der „`diesseitige´ Aspekt des Evangeliums“ (ebd.) betont werde. Und in der Unmöglichkeit, eine ‚bedeutungsvolle‘ sprachliche Basis für kosmologisch-ontologische Aussagen zu finden, auf der „`mehr´“ als das ausgedrückt werden könne, was die Beschreibung eines „bliks“ beinhalte, zeige sich lediglich eine für die Moderne typische Reduktion analog etwa der Entwicklung der Astrologie zur Astronomie oder der Alchimie zur Chemie (vgl. S. 183). Van Buren beansprucht somit, „nichts Wesentliches aufgegeben“ (S. 185) zu haben, erfülle seine Interpretation doch dieselbe Funktion wie sie kosmologisch-ontologisch orientierter Redeweise zu anderen Zeiten zugekommen sei. Wie aber bereits in Kap. 1.3.3. (ad ‚Anti-Augustinismus‘) herausgestellt worden ist, kann die bei van Buren gestrichene „Sprach-Garnitur“ auch vom modernen Menschen als erhellend begriffen werden, insofern selbst für diesen die Verwendung von Worten wie `Gott´ ein sinnvolles „Sprachspiel“ konstituieren kann, das gerade aufgrund dieses eigenen Vokabulars auch ganz eigene Funktionen erfüllt. Nach Auffassung der „Sprachspiel“-Analyse ist man dem Zwang enthoben, analog zu den Vorstellungen des TLP die ‚klassischen‘ religiösen „Sprachspiele“ als `uneigentliche Rede´ aufzufassen und sie als „unsinnige“ entweder ganz aufgeben oder aber auf `eigentliche Rede´ reduzieren zu müssen. Vielmehr könnte man nun die „Sprachspiele“ der ‚kosmologisch-ontologischen Sprach-Garnitur‘ in ihrer Besonderheit würdigen und müsste sogar davor warnen, sie in der beschriebenen Weise zu verkürzen. Van Buren scheint anzunehmen, dass Glaubensaussagen von einem ‚Weltbild-Kontext‘ in einen anderen übertragbar seien. Dabei berücksichtigt er jedoch nicht ausreichend, dass gerade religiöse Formulierungen als „Gewißheiten“ das Weltbild entscheidend mitkonstituieren. Die Annahme von der Möglichkeit des Austausches von „Sprach-Garnituren“, die in der Ausweitung des „Sprachspiel“-Begriffes und einer radikalisierten Anwendung des `Kontextprinzips´ begründet ist, basiert offensichtlich auf einer „Vorstellung einer primitiveren Sprache als der unsern“ (PU § 2), scheint einseitig an der Möglichkeit der Ersetzung einzelner Bezeichnungen orientiert und wird der direkten Verflechtung von „Sprachspielen“ untereinander und in die sie tragenden „Gewißheiten“ nicht gerecht. Dass van Burens Analyse nicht bis zu dieser Einsicht vordringt, hängt wesentlich damit zusammen, dass er „Sprachanalyse“ von vornherein funktionalisiert und ihr im Grunde ihre Ergebnisse, die den Anschauungen des „säkularen Gläubigen“ entsprechen sollen, bereits vorgibt. Sein Bedürfnis nach „Übersetzung“ beruht auf der Annahme von einem für viele modernen Menschen fraglos geltenden Sprachparadigma, das mit seinem „Verifikationsprinzip“ letztlich den Vorstellungen des TLP entspricht. Somit wird die Sichtweise van Burens durch empiristische Grundannahmen geleitet (vgl. Kap. 1.3.2.4.). Zudem scheint er der

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Idee von einem Fortschritt in der Geschichte zu folgen, der für die Religion das Ablegen kosmologisch-ontologischer Redeweise bedeuten müsse; hierin ist er der Auffassung Frazers ähnlich und müsste ebenso wie dieser kritisiert werden (vgl. Kap. 1.2.3.) – ganz abgesehen von den Einwänden, die von Seiten traditioneller theologischer Hermeneutik hervorgebracht werden könnten.463 Aus Sicht der Sprachanalyse muss nach dem Gesagten festgehalten werden: Der Versuch der Etablierung einer ‚secular language theology‘ scheitert an dem inneren Widerspruch, der mit dieser Bezeichnung bereits ausgedrückt ist: Ein universell verstandenes, ‚eindimensional‘ empirisches Verifikationsprinzip im Sinne des TLP ist nicht mit religiöser Rede vereinbar; es sei denn, man ordnet den Ausdruck `religiöse Rede´ in die ‚Eindimensionalität‘ ein, indem man ihm einen Sinn gibt, den er in den vorfindlichen „Sprachspielen“ gerade nicht hat und auf den er ‚sprachspielanalytisch‘ betrachtet auch nicht reduziert werden kann. Van Buren umgeht mit seiner Konzeption allerdings ein Problem, das das Beharren auf der traditionellen Ausdrucksweise scheinbar zwingend mit sich bringt, wenn es auf der Unersetzbarkeit der ‚kosmologischen Sprach-Garnitur‘ durch eine säkulare, d.h. auf der Inkompatibilität der jeweils zugrunde liegenden „Sprachspiele“, insistiert: Wird tatsächlich kein allgemein gültiges Verifikationskriterium – wie das des TLP – anerkannt, sondern – wie in den PU – ein kontextuell eingebundener Wahrheitsbegriff favorisiert, taucht das Problem der Art der Vernetzung von „Wahrheiten“ auf bzw. die Frage, ob überhaupt eine Verbindung und nicht nur ein bloßes Nebeneinander von „Sprach-Garnituren“ zu konstatieren ist. Dies wird im folgenden Unterkapitel Thema sein. 2.1.2. Die `Fideismusdebatte´ – oder: Der Streit um die logische Eigenständigkeit der religiösen Sprache These: Während bei P.M. van Buren die Loslösung von einem universellen Verifikationsprinzip unterbleibt, wird sie beim `frühen´ D.Z. Phillips zu radikal vollzogen, insofern er die gänzliche logische Eigenständigkeit religiöser Rede postuliert (Kap. 2.1.2.1.). Dies konnte nicht unwidersprochen bleiben (Kap. 2.1.2.2. bis 2.1.2.4.). Es ist nach einem Mittelweg zu suchen, der die „Familienähnlichkeit“ von `Verifikation´ ebenso wie die Kompliziertheit der Vernetzung der „Sprachspiele“, damit aber auch der „Gewißheiten“, angemessen berücksichtigt (Kap. 2.1.2.5., dann aber vor allem Kap. 2.1.3.).

463

Vgl. W. Knevels, ThLZ 92 (1967), Sp. 130-132, der resümiert: „Von der Freiheit des Menschen und nicht von der Herrlichkeit Gottes zu reden oder zu behaupten, zwischen beiden bestehe kein Unterschied, ist ein existentialtheologischer Nonsens.“ (Sp. 132)

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Unter `Fideismusdebatte´ versteht man eine Diskussion, die Mitte der 60er bis Anfang der 70er Jahre vor allem im Bereich der englischsprachigen Theologie und Religionsphilosophie stattgefunden hat.464 Dabei ging es um die Frage, ob und inwieweit religiöse Sprache einen eigenständigen, nur aus sich selbst heraus verständlichen Sprachbereich darstellt.465 Angeregt durch erst kurz zuvor veröffentlichte Bemerkungen Wittgensteins aus seiner `Mittelphase´ – z.B. über absoluten und relativen Gebrauch wertender Adjektive (vgl. Kap. 1.2.2.) und darüber, dass ein Nicht-Gläubiger einem Gläubigen bzw. dessen religiösen Aussagen nicht wirklich widersprechen könne, weil der gemeinsame Grund für einen Widerspruch fehle (vgl. Kap. 1.2.3.) – , aber durchaus auch unter Bezug auf die PU war vor allem gegen Mitte der 60er Jahre verstärkt die Ansicht aufgekommen, dass Religion eine Sprache benutze, die mit sonstigem Sprachgebrauch inkompatibel sei. Das jeweilige System der zugrunde liegenden „Gewißheiten“ – um die Terminologie der `Spätphilosophie´ Wittgensteins zu gebrauchen – sei derart verschieden, dass eine Verständigung unmöglich sei. Selbst gleiche Wörter seien aufgrund dieser Einbettung in radikal zu differenzierende Kontexte lediglich Äquivokationen. Als einer der zumindest anfangs schärfsten Verfechter dieser Meinung wird in der vorliegenden Arbeit der walisische Religionsphilosoph Dewi Z. Phillips vorgestellt (Kap. 2.1.2.1.), der 1965 in „The Concept of Prayer“ diese Auffassung am Beispiel des Gebetes illustriert hat. 466 U.a. durch dieses Buch wurde er einer der führenden Vertreter dieser auch als `non-cognitive theology´ bezeichneten 464

Der Ausdruck `Fideismus´ bezeichnet zumeist eine Ansicht, die – im Gegenüber zu den praeambula fidei der traditionellen katholischen Lehre – eine Einschränkung der Fähigkeiten der Vernunft in Bezug auf das Erkennen religiös-metaphysischer Wahrheiten behauptet (vgl. P. Poupard, Art. „Fideismus“, in: Sacramentum Mundi Bd. 2, Freiburg 1968, Sp. 2326, und H. Dahm, Art. „Fideismus“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie Bd. 2, Basel 1972, Sp. 946f). Die im weiteren Verlauf dieses Unterkapitels diskutierte These spitzt diese Auffassung dahingehend zu, dass sie auch für das Verstehen des Glaubens eine logische Eigenständigkeit postuliert. – Dass die Diskussion, die über diese Überlegung geführt worden ist, im deutschsprachigen Raum trotz der diesbezüglichen Veröffentlichungen I.U. Dalferths (s.u.) wenig Beachtung gefunden hat, wird z.B. daran deutlich, dass in der TRE kein Artikel dazu erschienen ist. 465 Die nordamerikanische Kontroverse zwischen `Postliberals´, denen fideistische Tendenzen vorgeworfen werden, und `Revisionists´, die den Gegnern als relativistisch erscheinen, kann als eine Art Fortsetzung der `Fideismusdebatte´ unter anderen Vorzeichen – gut zwanzig Jahre später – verstanden werden. Diese Polarisierung stellt W.C. Placher, Unapologetic Theology. A Christian Voice in a Pluralistic Conversation; Louisville, Kentucky 1989, eindrücklich dar (vgl. S. 18-20 u.ö.). 466 Vgl. D.Z. Phillips, The Concept of Prayer, London 1965. – Im Nachhinein legte Phillips großen Wert auf die Feststellung, dass seine Meinung Ergebnis der Analyse und nicht sein die Untersuchung leitendes ‚Wittgensteinsches Vorurteil‘ gewesen sei. Dies war ihm mehrfach zum Vorwurf gemacht worden. Vgl. D.Z. Phillips, Religiöser Glaube, S. 247f. – Zu Phillips vgl. auch die Dissertation von S. Eibach-Danzeglocke (Kap. 2.2.2.7.).

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Position467, die oftmals als Fortsetzung der traditionellen `theologia negativa´ angesehen wird. 468 Die Einwände gegen diese „fideistische“ Sichtweise, die vor allem von John Hick (Kap. 2.1.2.2.) und Humphrey Palmer (Kap. 2.1.2.3.), aber auch von William D. Hudson (Kap. 2.1.2.4.) vorgebracht worden sind469, sollen kritisch zur Darstellung gelangen, bevor deren Zurückweisung – aber auch ihre teilweise Akzeptanz – durch Dewi Z. Phillips besprochen wird (Kap. 2.1.2.5.). 2.1.2.1. Der ‚frühe‘ Dewi Z. Phillips – oder: Die Inkompatibilität religiöser „Sprachspiele“ These: Der ‚frühe‘ Dewi Z. Phillips behauptet die völlige Abgeschlossenheit eines einer eigenen Logik gehorchenden religiösen Sprachbereiches und begründet diese Sichtweise mit einigen Ideen aus der `Mittelphase´ und der `Spätphilosophie´ Wittgensteins. Demgegenüber ist zu zeigen, dass diese Vorstellung von unvermittelt nebeneinander existierenden Sprachbereichen ein Missverständnis des ‚mehrdimensionalen‘ Sprachparadigmas der PU und von ÜG ist, das weder aufrecht erhalten noch Wittgenstein unterstellt werden kann. In dem genannten Buch „The Concept of Prayer“, in dem Phillips es unternimmt, die verschiedenen mit Gebeten verbundenen Vorstellungen und Tätig467

Vgl. J. Hick, Rechtfertigung, S. 231. – Weitere Repräsentanten der `non-cognitive theology´ sind R.W. Beardsmore and H.O. Mounce, die zusammen mit Phillips als `Swansea School´ bezeichnet werden, dann aber auch St. Cavell, P. Geach, N. Malcolm und P. Winch, der die „fideistische“ Position im Zusammenhang mit sozialwissenschaftlichen bzw. ethnologischen Fragestellungen vertritt. Als Lit. sei erwähnt: N. Malcolm, Anselm´s Ontological Arguments, in: PhRev 69 (1960), S. 41-62, und P. Winch, Understanding a Primitive Society, in: APQ 1 (1964), S. 307-324 (dt.: Was heißt `Eine primitive Gesellschaft verstehen´?, in: R. Wiggershaus (Hg.), Sprachanalyse und Soziologie. Die sozialwissenschaftliche Relevanz von Wittgensteins Sprachphilosophie, Frankfurt am Main 1975, S. 59-102). 468 Vgl. D. Cupitt, Negative Theology, S. 65. – Auch für Wittgenstein könnte man eine ähnliche Entwicklung aufzeigen, nämlich von der ‚radikalnegativen Theologie‘ der Frühphase (vgl. Kap. 1.1.7.) zur `non-cognitive theology´, die man durch die `Mittelphase´ nahe gelegt sehen könnte, aber in der `Spätphilosophie´ natürlich fortentwickelt wird. 469 I.U. Dalferth hat das Verdienst, charakteristische Beiträge der genannten Autoren in deutscher Übersetzung zusammengestellt zu haben; vgl. ders. (Hg.), Sprachlogik des Glaubens. Texte analytischer Religionsphilosophie und Theologie zur religiösen Sprache, München 1974. – Neben diesen Kritikern vgl. vor allem noch K. Nielsen, der in mehreren Beiträgen die „fideistische“ Position angegriffen hat (vgl. ders., Can Faith Validate God-Talk?, in: ThT 20 (1964), S. 158-173; Wittgensteinian Fideism, in: Philosophy 42 (1967), S. 191209, wo er die Bezeichnung `Fideismus´ in die Diskussion einbringt, und: Contemporary Critiques of Religion, London 1971).

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keiten gegen den Vorwurf der Verwirrtheit und Sinnlosigkeit zu verteidigen, läuft das Hauptargument auf die Anwendung des `Wittgensteinschen Kontextprinzips´ hinaus: Die Bedeutung eines Wortes sei kontextuell gebunden und erschöpfe sich auch in dem, was es in dem vorgefundenen Zusammenhang bezeichne. Ein wie auch immer geartetes ‚Darüber-Hinaus‘ sei ebenso wenig existent wie ein sich permanent durchhaltender ‚Bedeutungskern‘ eines Wortes. Die Anwendung eines Begriffes ist danach nicht der durch den Gebrauch in einer bestimmten konkreten Situation leicht schillernden Benutzung einer ansonsten feststehenden Bedeutung zu vergleichen, sondern konstituiert die Bedeutung selbstständig und völlig unabhängig vom Vorhanden-Sein einer etwaigen ‚platonischen Wesenheit‘. Zwar sind mit dieser Auffassung tatsächlich wesentliche Einsichten Wittgensteins aufgenommen470, doch ist bereits deutlich, dass bei Phillips – ähnlich wie bei van Buren (vgl. Kap. 2.1.1.) – die für das Sprachparadigma der Wittgensteinschen `Spätphilosophie´ so wichtigen Ideen der ‚offenen Regelhaftigkeit‘ und der fundierenden „Gewißheiten“ nicht ausreichend in die Überlegungen mit einbezogen werden. Das Zusammenspiel von Kontext und „Regelfolgen“ wird zwar innerhalb eines abgeschlossenen Bezirkes der Sprache durchaus anerkannt471, doch gleiche Wortwahl in unterschiedlichen Sprachbereichen scheint nur auf Zufälligkeiten zu beruhen. Dass auch hier eine Vernetzung über „Muster“ und „Familienähnlichkeiten“ vorliegen muss, ist ebenso wenig im Blick wie der Gedanke an gemeinsame „Gewißheiten“. So wird verständlich, dass Philipps seine Überzeugungen nun auch auf das Wort „Wirklichkeit“ anwenden kann, so dass es nicht mehr möglich erscheint, aus fremden Kontexten stammende, z.B. empirisch-naturwissenschaftliche Verifikations- bzw. Falsifikationskriterien auf religiöse Aussagen zu übertragen. Anders ausgedrückt: Der Begriff der `Wirklichkeit´ aus der „Sprach-Garnitur“472 der Empiristen, der eben durch die „Sprachspiele“ gekennzeichnet ist, welche diese mit ihm spielen, darf nicht identifiziert werden mit „Wirklichkeit“ im Zusammenhang religiöser „Lebensformen“. Bei diesen erscheint das `Verifikationsprinzip´ – will man überhaupt davon sprechen – eher pragmatisch als epistemisch-naturwissenschaftlich, eher lebensgestaltend und verhaltensorientiert als etwa an eine Abbildtheorie gebunden. Insofern hat es für Phillips Sinn, die völlige logische Eigenständigkeit religiöser Sprache zu behaupten und – der Gedanke der notwendigen Anbindung an anderweitigen Wortgebrauch gerät immer 470

Vgl. die obigen Ausführungen zur „Familienähnlichkeit“ von Begriffen (Kap. 1.3.1.) und zum ‚Anti-Platonismus‘ (Kap. 1.3.2.1.). Die Übernahme dieser Einsichten Wittgensteins erklärt Phillips´ Polemik gegen das „Verlangen, eine allumfassende einheitliche Darstellung der Wirklichkeit zu geben“ (D.Z. Phillips, Religiöser Glaube, S. 248.). 471 Vgl. D.Z. Phillips, The Concept of Prayer, S. 10. 472 Dieser Ausdruck wird hier aus Kap. 2.1.1. übernommen, um die Differenz zum Wittgensteinschen Begriff des „Sprachspieles“ zu verdeutlichen.

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weiter in den Hintergrund – ihr dabei jeglichen kognitiven Gehalt im Sinne epistemischen Erkennens abzusprechen.473 Dies wird allerdings nicht als Defizit empfunden, sondern positiv als das Freilegen des ‚wirklich Religiösen‘ gesehen. Mit diesem Religions-Begriff geht Phillips zu einem guten Teil mit dem `frühen Wittgenstein´ konform, der ja Religion als die Einstellung des transzendentalen Subjektes zur vorfindlichen „Welt“ aufgefasst hatte (vgl. Kap. 1.1.6. und 1.1.7.) – unabhängig von dem, was „wahr“ zu nennen ist. Und damit vermeidet Phillips auch – anders als der Aberglaube (vgl. Kap. 1.2.3.) – einen Konflikt mit den Naturwissenschaften; doch eine andere Konsequenz wäre – ähnlich wie im TLP, nach dessen Auffassung sich das transzendentale Ich nicht „sinnvoll“ mit einem anderen über seine Einstellung zur „Welt“ austauschen kann – die gänzliche Unverständlichkeit religiöser Äußerungen und ihrer „Wirklichkeit“ für Nicht-Gläubige. – Mit dieser These von einer nach außen unvermittelbaren religiösen ‚Binnensprache‘ war eine Behauptung aufgestellt, die sowohl theologische als auch sprachanalytische Kritik hervorrufen musste. 2.1.2.2. John Hick – oder: „Die eschatologische Verifizierung“ These: John Hick beharrt gegenüber den non-kognitivistischen Konsequenzen des `Fideismus´ auf der Ansicht, dass religiöse Aussagen Tatsachenbehauptungen seien, die prinzipiell empirischer Überprüfbarkeit nicht entzogen wären, auch wenn ihre Verifizierung nur eine eschatologische sein könne. Es gelingt ihm jedoch nicht, das Denkmodell einer „eschatologischen Verifizierung“ von seiner inneren Widersprüchlichkeit zu befreien. Wenn allein die Annahme einer vorherigen Offenbarung Gottes und seine Selbstbeglaubigung dieser Offenbarung im Eschaton eine „Verifizierung“ ermöglichen kann, rechtfertigt dies zwar die propositionale Struktur von Glaubensaussagen, aber die Art der postulierten „Verifizierung“ ist doch sehr verschieden von derjenigen bei innerweltlichen Tatsachenüberprüfungen, zu denen Hick eine Analogie aufzeigen wollte. Zu einer Annäherung der vom `Fideismus´ getrennten Sprachbereiche kann Hicks Idee somit nicht beitragen. Hick protestiert vehement gegen die von Phillips geforderte kontextuelle Einbindung auch der Begriffe „Wahrheit“ und „Wirklichkeit“ und beharrt darauf, dass es für die Gläubigen „eine faktische Wahrheit ist, daß Gott existiert“474. Mit der Bejahung der Existenz Gottes sei nicht nur – wie Phillips es suggeriere – eine Einstellung der Welt gegenüber ausgedrückt, sondern eine Tatsachenbehauptung, die als solche die präsuppositionale Grundlage sei für Wahr-Falsch-Prädi473 474

Vgl. D.Z. Phillips, The Concept of Prayer, S. 22ff. J. Hick, Rechtfertigung, S. 229.

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kationen von Sätzen, in denen „Gott“ das Subjekt ist. Negiere man dies, so lasse man eine für die meisten Gläubigen ganz wesentliche Dimension des Religiösen wegfallen.475 Wie bei jeder Aussage, so sei auch bei der Annahme der Existenz Gottes die Frage nach Wahr- bzw. Falschheit erlaubt und sinnvoll – gleich, ob sie nun (modal-)logisch beantwortet werden könne oder nicht (vgl. Kap. 0). Wenn diese Frage aber gerechtfertigt sei, dann könne es auch philosophische Argumente geben, die ein Für und Wider dieser Behauptung beleuchteten und die Glaubwürdigkeit bzw. Vernünftigkeit religiöser Aussagen mehr oder weniger wahrscheinlich machten.476 Phillips hingegen erkläre die Suche nach „Gründe(n) für oder gegen den Glauben“477 für unnötig und unangemessen. Er bleibe im Beschreiben stecken und gleiche „in dieser Hinsicht einem Anthropologen oder Soziologen“478, aber keinem Religionsphilosophen oder Theologen. Als solcher hingegen könne man zwar im Hier und Jetzt nur philosophische Entscheidungshilfen für einen Glauben an Gott anbieten, der Glaube selbst werde dann aber im Eschaton verifiziert werden. Offensichtlich ist die Position Hicks nicht primär von sprachanalytischen Untersuchungen bestimmt, sondern vielmehr von `vermittlungstheologischen´ Überlegungen, die nach Plausibilitätsargumenten für einen Glauben an Gott suchen. Es ergibt sich daraus das Interesse, religiöse Rede nicht als eigenständigen Sprachbereich zu isolieren. Ebenso wie es Hicks späterem Bestreben, eine Theologie der Religionen zu entwerfen479, entgegenliefe, wollte man einseitig auf den 475

Vgl. Kap. 1.3.3., ad ‚Anti-Augustinismus‘, wo die Überzeugung vertreten wird, dass sich bei einer derartigen Verneinung auch das Verhalten der Gläubigen ändert. Im Unterschied zu diesen Überlegungen argumentiert Hick aber eher von einem allgemeinen Begriff der Logik (dagegen Kap. 1.2.1.) und von introspektiv zu erschließenden Überzeugungen (dagegen Kap. 1.3.2.5.) aus (vgl. ders., a.a.O., S. 231 und 236f). 476 Vgl. ders., a.a.O., S. 233: „Philosophische Überlegungen sind für eine Entscheidung darüber relevant, ob es vernünftig ist zu glauben, daß Gott existiert, oder nicht.“ (Dieser Satz wird als „These III“ eingeführt und im Folgenden gegen Philipps, der diese Ansicht verneine, verteidigt.) 477 J. Hick, Rechtfertigung, S. 235. 478 Ebd. 479 Vgl. z.B. ders., Gott und seine vielen Namen, Altenberge/Soest 1985. – Neben Paul F. Knitter (vgl. ders., Ein Gott – viele Religionen. Gegen den Absolutheitsanspruch des Christentums, München 1988) kann Hick als einer der einflussreichsten Förderer des pluralistischen Ansatzes einer Theologie der Religionen aus dem Raum der englischsprachigen protestantischen Theologie angesehen werden. In diesem Kontext hat er dann selbst Wittgenstein rezipiert, indem er vor allem dessen Idee des „Aspektwechsels“ (vgl. PU, S. 518ff) aufgegriffen hat. Er bezieht allerdings nicht nur diesen Begriff auf große Zusammenhänge, sondern setzt auch „language-game“ mit „culture“ gleich (vgl. J. Hick, SeeingAs and Religious Experience, in: Akten 1983, S. 46-52, hier: S. 51). Durch dieses Vorgehen entsteht der Eindruck, als ob verschiedene Religionen als recht unverbunden nebeneinander stehende Blöcke begriffen werden könnten, die hauptsächlich verschiedene „spe-

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jeweiligen Eigenheiten insistieren, käme es für die Harmonisierung im weiteren Bereich von Reden und Denken überhaupt ungelegen, wollte man einen eigenständigen religiösen Bezirk ausgliedern.480 So bietet allein schon die theoretische Möglichkeit einer Verifizierung, sei sie auch in einer unbestimmten Zukunft, für Hick willkommenen und ausreichenden Anlass, das Postulat von der Realität der Existenz Gottes als Tatsachenaussage zu behandeln – über alles das hinaus, wozu Phillips es gebrauchen will. Hick kann allerdings im rein religionsphilosophischen Zusammenhang letztlich nicht zeigen, was eine ‚Verifizierung im Eschaton‘ bedeuten soll. 481 Sowohl theologisch als auch sprachanalytisch betrachtet müsste sie kategorial verschieden sein von dem, was im Zusammenhang z.B. naturwissenschaftlicher Aussagen mit `Verifizierung´ bzw. `Falsifizierung´ gemeint ist. Obwohl es nicht beabsichtigt ist und er im Gegenteil sogar eine Analogie ziehen will, sprengt Hick mit seinen Vorstellungen auch tatsächlich den herkömmlichen Sprachgebrauch auf. Normalerweise gehört es nämlich zur „Grammatik“ von „Verifizierung“, dass eine solche, um Konsequenzen für innerweltlichen Sprachgebrauch haben zu können, auch zumindest innerweltlich möglich sein müsste. Zudem ist zu bedenken, dass man nur dann etwas behaupten kann, wenn man weiß, dass dieser oder jener Sachverhalt auf eben die Weise bezeichnet wird, wie man selbst es tut, und dass deswegen auch jemand anderes diesen Sachverhalt als den gemeinten erkennen, d.h. die Behauptung „verifizieren“ kann. Ansonsten ist davon auszugehen, dass man sich von der „Verifizierung“ keine Vorstellungen machen kann. Damit fiele aber eine für sie notwendige Voraussetzung aus und im Eschaton fehlte es an zielle Aspekte“ Gottes (von „The Real“) artikulierten (vgl. ders., Juden, Christen, Muslime. Verehren wir alle denselben Gott?, in: Wertewandel und religiöse Umbrüche (Religionen im Gespräch 4), hg.v. R. Kirste/P. Schwarzenau/U. Tworuschka, Balve 1996, S. 189207). Dass aber auch sie – und dies gilt nicht nur für die drei abrahamitischen Religionen – ‚sprachspielanalytisch‘ gesehen als durch komplizierte „Sprachspiel“-Netzwerke, durch „Zwischenglieder“ (PU § 122, vgl. auch § 161), miteinander verbunden gedacht werden müssen – ähnlich wie sie, sowohl synchron als auch diachron betrachtet, in die säkularen „Sprachspiele“ verwoben sind (vgl. Kap. 2.1.2.6.) – , tritt dabei in den Hintergrund. 480 Damit wäre zudem die Gefahr einer religiösen ‚Binnenethik‘ gegeben, die keine gesellschaftliche Relevanz beanspruchen und sich zu einer weltfremden `Gesinnungsethik´ entwickeln könnte. (Vgl. die von M. Weber vorgenommene Unterscheidung in Gesinnungsund Verantwortungsethik, in: M. Weber, Politik als Beruf, in: ders., Gesammelte politische Schriften, hg.v. J. Winckelmann, 2., erw. Aufl., Tübingen 1958, S. 493-547.) 481 Ausführlicher als in dem bisher zitierten Beitrag zur `Fideismusdebatte´ findet sich die Idee der „eschatologischen Verifizierung“ in: J. Hick, Faith and Knowledge, London 1988 (Nachdruck der 2. Aufl., Ithaca 1966), S. 169-199; in: ders., Theology and Verification, in: ThTo 17 (1960), S. 12-31, und – mit leichten Abänderungen – in: ders., Eschatological Verification Reconsidered, in: RelSt 13 (1977), S. 189-202. – Als Vorläufer kann der Beitrag von I.M. Crombie (ohne Titel) zu der Diskussion „Theology and Falsification“, in: A. Flew/A. MacIntyre, (Hg.), New Essays in Philosophical Theology, New York 1964, S. 109-130, angesehen werden.

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der Erinnerung an den vorgängigen Sprachgebrauch – oder intentional ausgedrückt: an das, was gemeint war.482 Anders gesagt: Es wären keine „Muster“ und keine „Regeln“ für die „Verifizierung“ vorhanden – selbst für den Fall, dass das Eschaton eintritt, könnte es als noch ausstehend begriffen werden. Theologisch gesehen bleibt allerdings ein Ausweg offen: Eine „Verifizierung“ kann dann geschehen, wenn Gott selbst den Glauben an seine `Existenz´ im Rekurs auf eine vorherige konkrete Offenbarung „verifiziert“, d.h. wenn er selbst den Glauben beglaubigt. Letztlich erkennt auch Hick dies als die einzig mögliche Lösung an.483 Die Gläubigen können hier aber nicht zum Subjekt werden und die „Verifizierung“ eigenständig vornehmen, wie es bei der Überprüfung von innerweltlichen „Tatsachen“-Aussagen der Fall ist. Auch wenn sie aufgrund einer vorhergehenden Offenbarung durch Gott selbst in den Zirkel des Verstehens hineingeholt worden sind und aufgrund des Glaubensinhalts, aufgrund einer Christologie, über bestimmte „Regeln“ für das Erkennen Gottes des Schöpfers verfügen, ist die Anwendung dieser „Regeln“ auch und gerade im Eschaton ‚Sache des Heiligen Geistes‘. Der Mensch wird in die Selbsterkenntnis Gottes eingebunden – und nur auf diese Weise kann er Gott erkennen und religiöse Aussagen „verifizieren“. – Diese Einsicht dürfte aber kaum als ein Plausibilitätsargument für den Glauben an die `Existenz´ Gottes gewertet werden können. Sprachanalytisch ist demnach festzuhalten, dass zum einen Hicks ursprüngliche Absicht, nämlich zu zeigen, dass die Behauptung der `Existenz´ Gottes trotz ihrer Nicht-Falsifizierbarkeit und ohne die Annahme weiterer Voraussetzungen „verifiziert“ werden könne 484, verfehlt wird, und zum anderen die Idee der „eschatologischen Verifizierung“ im Zusammenhang der `Fideismusdebatte´ kein Argument gegen die Annahme der Eigenständigkeit der religiösen Sprache darstellt. Zwar ist zuzugeben, dass Hick mit seinen Überlegungen gezeigt hat, dass das Christentum von seiner Struktur her mehr sein kann als der bloße Ausdruck einer Einstellung zur Welt. Und mit der dadurch erreichten Verteidigung der propositionalen Form von Glaubenssätzen ist eine der Ansichten, die Phil482

Eine recht ausführliche, auf diesem Gedanken von der für eine Verifizierung notwendigen Zirkularität basierende Kritik an dem Entwurf von J. Hick bietet M. Laube, Im Bann der Sprache, S. 291-304. Vgl. auch – ebenfalls kritisch zu Hick – P.M.S. Hacker, Einsicht und Täuschung, S. 218-220, und T. Rentsch, Gott, S. 195-201, insbes. S. 198-200. 483 Vgl. J. Hick, Faith and Knowledge, S. 189ff. Hier bezieht er sich vor allem auf die Erfahrung der Gemeinschaft mit Gott, die durch Christus vermittelt werde und zur Spezifizierung der Erwartung – damit aber auch zur Ermöglichung der Verifizierung des Glaubens – beitrage. 484 A. Flew hatte in seinem Beitrag (ohne Titel) zu der Diskussion „Theology and Falsification“, in: A. Flew/A. MacIntyre, (Hg.), New Essays in Philosophical Theology, New York 1964, S. 96-99, die Nicht-Falsifizierbarkeit religiöser Aussagen anhand der so genannten `Gärtner-Parabel´ illustriert, nach der der Glaube an die Existenz Gottes demjenigen an einen unsichtbaren und auch sonst durch keine Methode anzutreffenden Gärtner für eine in einem Dschungel vorgefundene Lichtung entspricht.

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lips dazu bewegt hatte, die `Fideismus´-These aufzustellen, grundsätzlich in Frage gestellt und ein Argumentationsziel erreicht. Dennoch stützt die Annahme einer „eschatologischen Verifizierung“ – gegen die eigene Intention und gegen die Überzeugung, letztlich ein universelles Verifikationsprinzip voraussetzen und nutzen zu können – die Selbstständigkeitsthese sogar noch, indem sie vor Augen führt, dass „Verifizierung“ und „Kognitivität“ in Bezug auf Gott ganz anders – in einem anderen Zirkel – gedacht werden müssen als z.B. bei den „Sprachspielen“ der Naturwissenschaft. Eine Dialogfähigkeit der Religion wird durch die Konzentration auf die „Verifizierbarkeit“ gerade nicht erreicht. – In dieser Hinsicht erweist sich der Brückenschlag, der über das Eschaton versucht wird, als ebenso fragwürdig wie der Versuch Descartes´, der `res cogitans´ unter Zuhilfenahme einer Gottesidee die `res extensa´ zu sichern (vgl. Kap. 1.3.2.3. und 1.3.3.). 2.1.2.3. Humphrey Palmer – oder: Verstehen ohne Glauben These: Palmer behauptet, dass die `Fideismus-These´ eine Gleichsetzung von Verstehen und Glauben voraussetze. Dies könne aber nicht aufrecht erhalten werden, woraus folge, dass auch die Idee eines gänzlich eigenständigen Sprachbereiches aufgegeben werden müsse. – Demgegenüber ist festzustellen, dass die Einwände gegen die angesprochene Identifizierung die „Grammatik“ von `Verstehen´ betreffen. Die Problematik der Palmerschen Überlegungen liegt demnach bereits in ihrem Ausgangspunkt: Ähnlich wie Hick implizit auf einem universellen Verifikationsprinzip beharren möchte, geht Palmer von einem allgemeingültigen Verstehensbegriff aus und setzt dieses Verständnis gegen die ‚Engführung‘ des Verstehens bei Phillips. Die `Fideismus-These´ selbst ist damit nicht getroffen. Phillips´ Ansicht, dass religiöse Aussagen eigentlich nur von Gläubigen verstanden werden könnten, dass also der Glaube dem Verstehen derart vorangehe, dass Nicht-Gläubige nicht einmal einen Sinn in religiösen Behauptungen sehen könnten, nimmt Palmer als Ausgangspunkt für seine Überlegungen.485 Er sieht die Problematik in der Frage auf den Punkt gebracht, ob Verstehen religiöser Aussagen überhaupt je ohne Glauben auftreten könne, und neigt selbst dazu, diese Frage zu bejahen. Dass er damit aber keine Aussage trifft, die bestimmte Gegebenheiten beschreibt, sondern eine „Regel“ für den Wortgebrauch von `Verste485

Zum Folgenden vgl. H. Palmer, Zuerst Verstehen, in: I.U. Dalferth, (Hg.), Sprachlogik des Glaubens. Texte analytischer Religionsphilosophie und Theologie zur religiösen Sprache, München 1974, S. 237-247 (engl.: Understanding First, in: Theology 71 (1968), S. 107114).

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hen´ formuliert, ist ihm offensichtlich nicht bewusst. – Diejenigen, die die angesprochene Frage verneinten und somit `Fideisten´ seien, nennt er Anhänger der „Untrennbarkeitsthese“486, von der er drei Varianten unterscheidet: A) Zum Ersten könne so argumentiert werden, dass man die Sinnhaftigkeit religiöser Behauptungen an die Existenz eines Gottes bindet, so dass nur für diejenigen, in deren Denken Gott existiert, religiöse Sätze Sinn haben. – Dagegen möchte Palmer einwenden, dass das Verstehen von Aussagen im Allgemeinen nicht daran gebunden ist, ob das Subjekt tatsächlich existiert oder für existent gehalten wird. Warum es im religiösen Sprachbereich dabei eine Ausnahme geben sollte, könne nicht einsichtig gemacht werden. B) Zum Zweiten könne das Verständnis direkt mit dem Glauben an die zu verstehenden Inhalte gekoppelt werden. Dann aber wäre nicht mehr plausibel, dass es „echte Meinungsverschiedenheiten über religiöse Lehren“487 geben könne bzw. jemals gegeben hätte. Zumindest müsste – so Palmer – doch eingeräumt werden, dass Glaube-an-Aussagen in Glaube-dass-Sätze umformulierbar seien, so dass sprachlogisch betrachtet nicht verständlich sei, warum Verstehen an den glaubenden Vollzug des zu Verstehenden gebunden sein sollte. C) Zum Dritten könne Verstehen als glaubensimmanent betrachtet werden, wenn man für den Bereich der Religion eine eigene Logik postulierte. Phillips´ – und auch Wittgensteins – Überzeugung sei die, dass man zwar innerhalb der jeweiligen Religion logische Fehler machen, d.h. „falsche“ Folgerungen ziehen, dass „aber Religion selbst oder religiöse Sprache als Ganze ... kein logischer Fehler sein“488 könne. – Gegen diese Ansicht möchte Palmer darauf verweisen, dass der Metastandpunkt, von dem aus Religion als eigenständiger Bereich erkannt werde und der die Methoden der Analyse und der Grenzziehung liefere, selbst logische Kriterien ins Spiel bringen müsste, die wiederum einer Metametakritik ausgesetzt wären, usw. Zur Vermeidung dieses unendlichen Regresses schlägt Palmer vor, ganz auf die Differenzierung in logisch unterschiedliche Bereiche zu verzichten. Dies entspräche auch eher den Gegebenheiten: „Religion ist weder ein klar begrenzter Redebereich, noch ist bisher eine zufriedenstellende und konsistente Logik für Rede in diesem Bereich ausgearbeitet worden.“489

Auch als apologetischer Versuch, Angriffe gegen religiöse Grundüberzeugungen dadurch abzuwehren, dass man auf speziell religionsimmanente Sinne und eine eigene Logik verweise, sei Phillips´ Ansicht nicht geeignet, nehme sie der Theologie doch jede Kommunikationsmöglichkeit mit der ‚nichtgläubigen Außen486

H. Palmer, Zuerst Verstehen, S. 238. Ders., a.a.O., S. 239. 488 Ders., a.a.O., S. 242. 489 H. Palmer, Zuerst Verstehen, S. 244. 487

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welt‘ und ende schließlich bei einer „im Ergebnis agnostische(n) Analogietheorie“: „ ... man könnte ebenso den Gläubigen auffordern, keine Argumente mehr zu verwenden, und das hieße vom größten Teil traditioneller Theologie Abschied zu nehmen.“490

Letztlich sind also auch bei Palmer – ähnlich wie bei Hick – `vermittlungstheologische´ Anliegen dominierend. – Seinen Einwänden könnte nun folgendermaßen entgegnet werden: Ad A): Dass die Gottes-Existenz-Aussage sprachlogisch anders behandelt werden müsse als andere Existenz-Aussagen ist – zumindest innerhalb des religiösen Verstehens-Zirkels (vgl. Kap. 2.1.2.2.) – keineswegs eine abwegige Ansicht. Gerade wenn Gottes Existenz als notwendige Voraussetzung aller anderen (kontingenten) Existenzen begriffen werden soll, als Grund der „Welt“ im Sinne des TLP, ist ihr ein besonderer modallogischer Status zuzuschreiben (vgl. Kap. 2.2.1.1.). Da der Glaube sich nur als von Gott gewirkt begreifen und auch seine „Verifizierung“ ausschließlich durch ihn erwarten kann, könnte man auch das `Verstehen´ religiöser Aussagen als an die – und sei es nur geglaubte – Existenz Gottes gebunden betrachten. Ad B): Die grammatikalische Möglichkeit der Umformung von Glaube-an- in Glaube-dass-Aussagen darf nicht dazu verleiten zu übersehen, dass Glaube-an„Sprachspiele“ in der Regel „grammatische Sätze“ bzw. „Gewißheiten“ zur Sprache bringen, während Glaube-dass-Formulierungen eher auf weniger stark reglementierenden Ebenen des jeweils zugrunde liegenden Überzeugungssystems anzusiedeln und mit „Wissen“ bzw. Vermutungen in Verbindung zu bringen sind. Die Analyse konkreter „Sprachspiele“ müsste jeweils erweisen, welcher Fall vorliegt. 491 Zudem zeigen sich bei dem Versuch, einmal in umgekehrter Reihenfolge umzuformulieren, oftmals Schwierigkeiten492, so dass hier Unterschiede in der „Grammatik“ vermutet werden müssen. Dass Glaube-an-Aussagen in tatsächlich auffindbaren „Sprachspielen“ häufig eine für das `Verstehen´ grundlegende Funktion besitzen, Glaube-dass-Sätze hingegen nicht, scheint Palmer nicht bewusst zu sein. Ad C): Bei dem von Palmer inszenierten Problem des unendlichen AnalyseRegresses wäre auf die Parallelität mit dem „Paradox“ des „Regelfolgens“ (vgl. PU § 201, dazu Kap. 1.3.1.) zu verweisen. Solange also die Abgrenzung der Sprachbereiche nicht zweifelhaft ist, ist auch keine Diskussion über die Kriteri490

Beide Zitate ders., a.a.O., S. 247. Es sei nochmals auf die bereits in Kap. 1.3.2.2. zitierte Bemerkung Wittgensteins aus ÜG § 313 verwiesen: „Nun, es hängt eben die Grammatik von `glauben´ mit der des geglaubten Satzes zusammen.“ (Vgl. auch VuG, S. 85f.) 492 Dabei käme es zu Formulierungen wie z.B.: „Ich glaube an das Rot-Sein (bzw. die Röte) dieses Buches.“ 491

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en vonnöten. Zudem könnte man – ähnlich wie Wittgenstein in seiner Spätphilosophie – versuchen, dieser Problematik methodisch dadurch zu entgehen, dass man auf der Ebene des Deskriptiven bleibt und die Unterschiedlichkeit der „Sprachspiele“ durch das „Zeigen“ auf die ihnen immanente „Grammatik“ erweist, ohne ihnen ‚von außen‘ Kriterien aufzuerlegen. Grundlegender als die hier skizzierten Zurückweisungen der Einwände Palmers ist die Beobachtung, dass seine Überlegungen von einem universellen Verstehens-Begriff ausgehen. Es ist aber auch hier an die „Familienähnlichkeit“ von Ausdrücken und an die ‚Offenheit des Regelfolgens‘ zu erinnern. Man bedenke z.B. folgende „Sprachspiel“-Varianten (vgl. Kap. 1.2.3. mit dem Beispiel vom `Jüngsten Gericht´): Der Nicht-Gläubige könnte zwar zur Beschreibung seiner Verwirrung zum Gläubigen sagen: „Ich kann dich nicht verstehen.“, aber er könnte ebenso erklären: „Gerade weil ich verstehe, dass ich weder dieses eine noch sein Gegenteil glaube, lasse ich mich auf keinen Disput ein.“ Im letzteren Fall `versteht´ der Nicht-Gläubige – seinem Sprachgebrauch nach – den Gläubigen sehr wohl. Nach Palmer wäre die erste Version mit der fideistischen Sichtweise kongruent, die zweite der seinen adäquat. Die zu lösende Frage ist aber nicht die, wer ‚Recht hat‘, sondern die nach den Kriterien, die für den weiteren Wortgebrauch gelten sollen. Da diese hier offensichtlich fehlen, muss ein „grammatischer Satz“ oder ein „Muster“ das weitere „Regelfolgen“ leiten. – Wittgenstein hat selbst auf die Uneindeutigkeit des Ausdruckes `Verstehen´ in diesem Zusammenhang hingewiesen: „In einem Sinn verstehe ich alles, was sie [sc. eine gläubige Person] sagt – die deutschen Wörter `Gott´, `getrennt´ usw. verstehe ich. Ich könnte sagen: `Daran glaube ich nicht´, und es wäre wahr in dem Sinn, daß ich diese Gedanken oder irgend etwas damit Zusammenhängendes nicht habe. Aber ich könnte der Sache nicht widersprechen. Du könntest sagen: `Nun, wenn du ihm nicht widersprechen kannst, bedeutet das, daß du ihn nicht verstehst. Verstündest du ihn, dann könntest du es.´ Das ist wieder Spanisch für mich. Meine gewöhnliche Sprachfähigkeit läßt mich im Stich. Ich weiß nicht, ob ich sagen soll, daß sie sich verstehen oder nicht.“ (VuG, S. 80; vgl. auch S. 84)

Der `mittlere Wittgenstein´ weist die Überlegung, die Palmer als die (Wittgensteinsche) Position von Phillips anführt, als eine ihm „Spanisch“ erscheinende zurück. Später hätte er stattdessen vermutlich darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um einen „grammatischen Satz“ in Bezug auf den Wortgebrauch von `Verstehen´ handele, der zwar eingeführt werden könne, weil die üblichen Kriterien in diesem Zusammenhang nicht griffen, der aber die `Fideismus-These´ selbst nicht betreffe.

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Unabhängig von ihr könne man letztlich willkürlich jede der beiden folgenden Möglichkeiten als für den weiteren Sprachgebrauch ausschlaggebend festlegen: a) ‚Die Behauptung einer vollkommenen logischen Eigenständigkeit impliziert, dass ein `Verstehen´ für Außenstehende unmöglich ist.‘ b) ‚Die Behauptung einer vollkommenen logischen Eigenständigkeit impliziert nicht, dass ein `Verstehen´ für Außenstehende unmöglich ist.‘ Keine der beiden Versionen führt zwangsläufig zu einem dann zu behauptenden „Unsinn“, wie es Palmer zu erweisen sucht; es ist aber auch keine notwendig mit dem `Fideismus´ verbunden, wie es die eingangs erwähnte Ansicht von Phillips nahe legt. Auch wenn logische Selbstständigkeit postuliert wird, kann die Möglichkeit des `Verstehens´ für Nicht-Gläubige beibehalten werden. Die Einforderung dieser Variante aber sagt nur etwas darüber aus, wie man `Verstehen´ in diesem Kontext verstehen will. – Insofern wird an dieser Stelle der `Fideismusdebatte´ ein Scheinproblem diskutiert, das mit ‚platonistischen‘ und ‚psychologistischen‘ Fehlannahmen über die „Grammatik“ von `Verstehen´ zusammenhängt (vgl. Kap. 1.3.2.1. und 1.3.2.5.). Es gibt keine ‚richtige‘, d.h. auf einem angenommenen Wesentlichen des Verstandesaktes basierende Anwendung von `Verstehen´, die zeigen könnte, ob die `Fideismus´-These aufrecht erhalten werden kann oder nicht. 2.1.2.4. William D. Hudson – oder: Die „Schulung“ im Glauben These: Nach Hudson gibt es durchaus relativ eigenständige Gesetzmäßigkeiten im Bereich religiöser Rede, deren Befolgung die Gläubigen nur durch besondere „Schulung“ lernten. Diese „religiöse Schulung" basiere allerdings auf einer profan-alltagssprachlichen, weshalb jene nicht losgelöst von dieser zu denken sei. – Ist auch die Annahme einer derartig strikt gedachten chronologischen Abfolge ebenso problematisch wie die dargebotene, teilweise introspektive Züge aufweisende Argumentation, so steht Hudson mit der Überzeugung von der engen Vernetzung der Sprachbereiche der Position des `späten Wittgenstein´ näher als die `Fideismus-These´. Als mit der Zentralfrage nach der logischen Eigenständigkeit des religiösen Sprachbereichs eng verbunden thematisiert Hudson die „Schulung“, die zur Teilnahme am religiösen Glauben nötig sei, müsse doch – wie Wittgenstein (vor allem in den VuG) gezeigt habe – der richtige Gebrauch religiöser „Bilder“ ebenso gelernt werden wie das Ziehen bestimmter Schlussfolgerungen aus ihnen.493 Für Hudson wichtig ist dabei der Unterschied, der im rein mechanischen 493

Zum Folgenden vgl. W.D. Hudson, Einige Bemerkungen zu Wittgensteins Darstellung des religiösen Glaubens, in: I.U. Dalferth, (Hg.), Sprachlogik des Glaubens. Texte analytischer

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Aussprechen von Formeln oder Ausführen von Verhaltensweisen im Gegensatz zum verständnisvollen Nachvollzug liege. Wie bei Palmer (vgl. Kap. 2.1.2.3.) spielt die Frage nach dem `Verstehen´ demnach auch für Hudson eine wichtige Rolle und wird mit bestimmten intentionalen Akten in Verbindung gebracht494 (dagegen Kap. 1.3.2.5.). Verständnis wird seiner Auffassung nach vor allem dadurch charakterisiert, dass der Glaubende wüsste, „wie sich der Gebrauch bestimmter Ausdrücke von deren üblicher Verwendung in nichtreligiösen Kontexten unterscheidet; also daß man beispielsweise, obwohl Gott ein Auge hat, keine Fragen über die Augenbrauen Gottes stellt.“495

Dieses „Wissen“ schließe ein, dass der Gläubige auch den üblichen Gebrauch des fraglichen Ausdrucks kenne, also nicht nur den Unterschied, sondern auch die Ähnlichkeit der Wortbenutzung zu sehen in der Lage sei. Die „Schulung“ in diesen „allgemeineren Verwendungsweisen“ müsse der religiösen notwendig vorausgehen, sei doch die Ausdrucksweise der letzteren „einfach Alltagssprache in besonderer Verwendung“ 496. Auch eine Grundschulung für die Anwendung logischer Regeln müsse dem Folgern im religiösen Kontext zumindest in einem gewissen Maße vorangeschickt sein, so dass wenigstens insofern keine logische Eigenständigkeit religiöser Rede behauptet werden könne. Abgesehen davon, dass das von Hudson geforderte „Wissen“ nicht nur als Fertigkeit begriffen, sondern als mit bestimmten inneren Erlebnissen zusammenhängend verstanden werden soll, suggeriert die Rede von „Schulung“, dass es hier um Inhalte ginge, die gelernt werden könnten, indem man über sie informiert wird. Dass aber gerade das Erlernen von Sprache – sei sie profan oder religiös geprägt – an ihren Vollzug geknüpft ist497, ist nicht deutlich im Blick. Berücksichtigt man diesen Gesichtspunkt, so zeigt sich z.B., dass das Wort `Gott´ durchaus schon sehr früh gelernt werden kann. 498 Wahrscheinlich hat Hudson insofern recht, als es sicherlich auf einem Verständnis zumindest solcher Bezeichnungen wie `Vater´ oder `Mutter´ aufbaut; die These von der Vorgängigkeit der profanen Logik gerät aber durch diese Beobachtung in Schwierigkeiten. Es scheint durchaus möglich, grundlegende religiöse Überzeugungen – und das Ziehen von Schlussfolgerungen aus ihnen – vor der Etablierung einer alltagssprachlichen Logik (z.B. vor dem Verständnis für Widersprüchlichkeit499) Religionsphilosophie und Theologie zur religiösen Sprache, München 1974, S. 211-225. Vgl. ders., a.a.O., S. 212. 495 Ders. a.a.O., S. 214 (vgl. VuG, S. 100). 496 Ders., a.a.O., S. 215. 497 Vgl. PU § 5: „Das Lehren der Sprache ist hier kein Erklären, sondern ein Abrichten.“ 498 Vgl. VuG, S. 85: „Das Wort `Gott´ gehört zu den frühesten, die gelernt werden ...“ 499 Gegen W.D. Hudson, a.a.O., S. 214. 494

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oder zumindest gleichzeitig mit ihr zu erlernen. Die Ähnlichkeit logischer Gesetze bedeutet noch nicht, dass sie durch eine Transaktion aus dem profanen in den religiösen Bereich erklärt werden könnte – wie auch die in einigen Fällen zu beobachtende Verschiedenheit nicht dadurch verständlicher wird, dass man davon ausgeht, dass gelernt wurde, die Transaktion nicht zu vollziehen.500 Es muss vielmehr gesehen werden, dass diese „Sprachspiele“ von vornherein – sozusagen: von innen heraus – nach z.T. eigenen „Regeln“ gespielt werden und eigenen „Mustern“ folgen, die nicht in der Akzeptanz oder gar der Negation anderer „Muster“ bestehen, obwohl sie mit diesen – über Zwischenglieder – verknüpft sein mögen. Die Vorstellung von einer Übertragung aus einem Kontext in den anderen führt in die Irre, da sie die Trennung in verschiedene Bereiche bereits voraussetzt. Sie hilft aber in der `Fideismusdebatte´ insofern weiter, als sie den Blick auf die Ähnlichkeiten lenkt, die eher ein komplexes Verwoben-Sein als hermetisch abgeriegelte Bezirke vermuten lassen. Dass aber trotz der Wahrnehmung von Übereinstimmungen die Unterschiede nicht zugedeckt werden dürfen, bringt Hudson durch den Hinweis auf die Rolle religiöser „Gewißheiten“ in Erinnerung. Wittgenstein habe einen enormen Abgrund zwischen Gläubigem und Nichtgläubigem konstatiert, der vor allem deshalb bestehe, weil Aussagen der Religion als „Lebensregeln“ aufgefasst werden könnten, die vom Gläubigen nicht wie „Wissen“ oder wie wissenschaftliche Hypothesen behandelt würden. Hudson bemerkt dazu: „ ... zeitweilig scheint er [sc. Wittgenstein] mir beinahe nahegelegt zu haben, daß uns die Tatsache der bindenden Kraft religiöser Glaubensansichten irgendwie berechtigt, das lästige Problem ihrer konstativen Kraft zu überge501 hen.“

Religiöse Bilder gäben danach dem Gläubigen nicht nur eine „Norm zur Verhaltensleitung und Verhaltensbeurteilung“ 502 an die Hand, sondern seien darüber hinaus grundlegend für seine gesamte Wirklichkeitswahrnehmung. Aber selbst mit dieser „blik“-Interpretation503 müsste man nach Hudson Schwierigkeiten haben, weil sie zum einen wohl keine Darstellung biete, die ein Gläubiger als hinreichende Selbstcharakterisierung akzeptierte, und zum anderen zu der Frage nach einer „Supernorm“ für diese Normierungen dränge. 500

So werden z.B. „Bilder“ in religiösen Kontexten ganz anders behandelt als sonst üblich (vgl. VuG, S. 85 und 90). (Genauer betrachtet, gibt es sehr viele Weisen, Bilder zu `behandeln´. Einige von ihnen, die in nicht-religiösen Zusammenhängen auftreten, stehen manchen Arten des religiösen Bilderverständnisses dabei recht nahe.) 501 W.D. Hudson, Wittgensteins Darstellung, S. 218. 502 Ebd. 503 Vgl. die in Kap. 2.1.1. bereits skizzierte Idee des „blik“ von R.M. Hare (vgl. dessen Beitrag (ohne Titel) zu der Diskussion „Theology and Falsification“, in: A. Flew/A. MacIntyre, (Hg.), New Essays in Philosophical Theology, New York 1964, S. 99-103).

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Diese zuletzt genannte Problematik sei auf zweierlei Weise lösbar: Als „geschlossene Ansicht“ bezeichnet Hudson die Meinung, dass der Rationalitätsstandard unserer Kultur auch für die Normierung des Teilbereiches Religion entscheidend sei, als „offene Ansicht“, dass immer wieder neue Normen für Sinn und Unsinn auch aus ganz anderen Gebieten gewonnen werden könnten. Phillips – und zumindest der `späte Wittgenstein´ – neigten der letzteren Meinung zu, die aber ebenso wenig wie die erstere zufrieden stellen könne: Sei bei dieser die Gefahr des Dogmatismus gegeben, so entlasse einen jene in Willkürlichkeit. Jedenfalls zeigten aber allein diese Fragestellung und ihre Antwortmöglichkeiten, dass die Annahme eines logisch gänzlich selbstständigen Sprachbereichs für die Religion letztlich unverständlich sei. Die Maßstäbe für Sinn und Unsinn müssten immer irgendwie mit den Normen der Alltagssprache kompatibel sein, um – auch für den Gläubigen selbst – nachvollziehbar zu sein. Lediglich in Bezug auf drei Aspekte könne man von einer Selbstständigkeit religiöser Rede sprechen: „(1) Die bindende Kraft dieser Äußerung auf den Lippen des Gläubigen; (2) die regulative Funktion, die sie ausübt, indem sie bestimmt, was für ihn eine Erklärung darstellt und was nicht; (3) die spezifischen Emotionen der Ehrfurcht, des Schreckens oder was 504 sonst, die für ihn zur Substanz des Glaubens gehören.“

Damit vertritt Hudson eine Position, die den Vorstellungen Wittgensteins näher steht als die sich auf Wittgenstein berufende `Fideismus´-These. Hudson beachtet sowohl die spezifische Rolle von „Gewißheiten“ als auch die gesamte Vernetzung der verschiedenen „Sprachspiele“, die sich über die Grenzen der als getrennt angenommenen Bereiche erstreckt. Dabei erkennt er allerdings nicht, dass gerade durch diese Verbundenheit – und zusätzlich natürlich durch die unhintergehbare außersprachliche Einbettung – die Gefahr der Willkürlichkeit bezüglich der Rationalitätsstandards selbst bei der „offenen Ansicht“ nicht gegeben ist (vgl. Kap. 1.3.2.2.). Zeichnet sich hier bei Hudson bereits eine Mittelposition in der `Fideismus´Debatte ab, so ist auch für den `späteren´ Phillips festzustellen, dass er seine Ausgangsthese in ihrer Radikalität nicht beibehält, sondern entsprechend modifiziert.

504

W.D. Hudson, Wittgensteins Darstellung, S. 224f.

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2.1.2.5. Der `spätere´ Dewi Z. Phillips – oder: Ein ‚moderater Fideismus‘ These: Phillips reagiert auf die vorgebrachten Einwände mit einer Modifizierung seiner Überzeugung. Er gesteht zu, dass die ‚radikalfideistische‘ Position Anlass zu diversen Missverständnissen gibt, z.B. zu der Meinung, dass Querverbindungen zu anderen Sprachbereichen geleugnet würden. Das aber könne nicht behauptet werden. Dennoch sei es weiterhin sinnvoll, auf einer Eigenständigkeit religiöser Sprache zu beharren, um z.B. die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass bei vielen religiösen „Sprachspielen“ keine empirische Anbindung intendiert sei. – Somit reduziert sich die `Fideismus´-These auf eine mit einem klaren Ziel ausgestattete Anregung für eine Sprachregelung. In seinen Erwiderungen an die Kritiker 505 greift Phillips zunächst den Palmerschen Einwand auf, dass sich Religion durchaus auch als „Fehler“ – und sei es auf einer Metaebene, auf regulativem Gebiet – herausstellen könne. Für Phillips bleibt unverständlich, was Palmer damit meint: Sind Religion, Wissenschaft etc. verschiedene Betrachtungsweisen mit ihren je eigenen Rahmenbedingungen für das Zuschreiben von Wahrheitswerten, ja für die Konstituierung eines Wahrheitsbegriffes überhaupt, dann ist es unmöglich, sie an einem absolut gedachten ‚Meta-Wahrheitsbegriff‘ zu messen. Anders ausgedrückt: Die Einstellung des transzendentalen Subjektes ist keine Frage naturwissenschaftlicher „Wahrheit“; in ihrem Sinne kann ein Sich-Verhalten zur „Welt“ weder wahr noch falsch, also auch kein „Fehler“ sein (vgl. Kap. 1.1.6. und 1.1.7.). Dass es nun im Einzelfall durchaus schwierig sein könne, eindeutige Trennungslinien zwischen dem säkularen und dem religiösen Sprachbereich anzugeben, ist zwar auch für Phillips selbstverständlich, doch noch lange kein Grund, die Unterscheidung als solche überhaupt aufzugeben. Die Gottesidee sei in manchen Situationen doch eindeutig regulativ wirksam, in anderen Fällen dagegen gar nicht. Sämtliche Einwände von Palmer in Bezug auf das Verstehen gingen an dieser Einsicht vorbei. Gegen Hick nun müsse gesagt werden, dass er keineswegs erklären könne, wie man außerhalb religiöser Rede sinnvoll nach Gott fragen könne.506 Ebenso 505

Zum Folgenden vgl. D.Z. Phillips, Religiöser Glaube und philosophische Untersuchung. Eine Erwiderung an Dr. Hick und Dr. Palmer, in: I.U. Dalferth, (Hg.), Sprachlogik des Glaubens. Texte analytischer Religionsphilosophie und Theologie zur religiösen Sprache, München 1974, S. 247-257 (dt. Übersetzung eines Abschnittes aus: D.Z. Phillips, Faith and Philosophical Enquiry, London 1970), und ders., Religiöse Glaubensansichten und Sprachspiele, in: I.U. Dalferth, (Hg.), a.a.O., S. 258-282 (engl.: Religious Beliefs and LanguageGames, in: Ratio 12 (1970), S. 26-46). 506 Wie in Kap. 2.1.2.2. gezeigt wurde, nötigt der Vorschlag der „eschatologischen Verifizierung“ zumindest auch zur Annahme einer vorherigen innerweltlichen Offenbarung. Es ist keine „Verifizierung“ außerhalb eines Zirkels denkbar.

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wenig sei es umgekehrt möglich – wie Hick und auch Hudson dies täten – auf einer ontologischen Komponente der religiösen Sprache zu insistieren: Der Glaube an die Existenz Gottes könne gerade nicht wie eine naturwissenschaftliche Behauptung behandelt werden; empirisch falsifizieren wollende Wahrheitstheorien seien in diesem Zusammenhang eben nicht die letzte Instanz für sinnvolles Reden: „Mir kommt es darauf an, daß die Verständlichkeit der Familie von Sprachspielen, die unter den Terminus `Religion´ fallen, nicht durch umfassendere 507 Bedeutungskriterien zu beurteilen ist.“

Ein Wahrheitsanspruch im religiösen Kontext sei nur aus diesem selbst heraus verständlich. Werde nach anderen Kriterien gesucht, so ergäben sich absurde Konsequenzen. Die Gegenposition müsste z.B. zugestehen, dass für sie eine religiöse Lebensauffassung als sinnlos angesehen werden müsste, würde sich im Eschaton herausstellen, dass es keinen Gott gebe. Für Phillips selbst hätte es aber dennoch Sinn gehabt, ein religiös geprägtes Leben geführt zu haben; dieses wäre dadurch nicht sozusagen im Nachhinein lächerlich gemacht worden, nicht absurd geworden, sondern hätte seine Bedeutung schon aus sich selbst heraus innerhalb des gelebten Kontextes gehabt. Dieser Wert könne religiösem Leben weder durch nachträgliche „eschatologische Verifizierung“ gegeben noch durch eine `Falsifizierung´ genommen werden. Phillips muss bei seiner Argumentation die Möglichkeit einer `Falsifizierung´ annehmen, die jedoch prinzipell ausgeschlossen ist: Wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es auch kein Eschaton, in dem Gottes Nicht-Existenz erwiesen werden könnte. Das bedeutet aber, dass Hick die Hoffnung niemals genommen werden kann – und dies wiederum lässt Phillips´ Argumentation ins Leere laufen, obwohl seine Pointe trotzdem als erreicht betrachtet werden kann: Hicks Postulat verdeutlicht – ohne es zu wollen – auf eine andere Weise als die Überlegungen von Phillips die Eigenständigkeit der religiösen „Grammatik“. Trotz des Beharrens auf der Selbstständigkeit des Bereiches religiöser „Sprachspiele“ ist der ‚spätere‘ Phillips aber durchaus bereit, die Bedenken gegen seine Ansicht ernst zu nehmen und die Gefahren seiner Position zu sehen: Zwar könne er weiterhin nicht verstehen, was es bedeuten solle, im Sinne Hicks oder Hudsons Gründe für den Glauben an Gott vorzubringen – wie absolute Werturteile seien auch die für eine Weltanschauung fundamentalsten „Gewißheiten“ nicht mehr begründbar (vgl. Kap. 1.2.2. und 1.3.1.) – , aber er räumt jetzt ein, dass damit die Gefahr willkürlicher und sich auf beliebige Normierungen stützende Rede durchaus gegeben sei. Diese Isolationsgefahr werde auch durch interne Kriterien der Religion nicht gemindert. Deswegen geht Phillips jetzt dazu über, Verbindungslinien zwischen religiöser und säkularer Sprache zuzugestehen: 507

D.W. Phillips, Religiöser Glaube, S. 254.

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„ ... wenn wir uns den Gottesdienst von allem außerhalb der Zeremonie des Gottesdienstes abgeschnitten vorstellen, dann hört er auf, Gottesdienst zu 508 sein, und wird zu einem esoterischen Spiel.“ „Anstatt daß es wahr wäre, daß man sich religiöse Sprachspiele als isolierte, von allen anderen Lebensformen abgeschnittene Sprachspiele vorstellen könnte, ist es vielmehr eine Tatsache, daß religiöse Glaubensansichten überhaupt nicht verstanden werden können, wenn ihre Beziehung zu ande509 ren Lebensformen nicht berücksichtigt wird.“

Die zu Anfang des zweiten Zitates angesprochene Sichtweise, zu der der ‚frühe‘ Phillips neigte und die Wittgenstein an einigen Stellen suggeriert zu haben scheint, kann als ‚radikalfideistische‘ Position bezeichnet werden, die sich als unhaltbar erwiesen hat. Die modifizierte Auffassung, die den PU und ÜG, aber auch den VuG sicherlich gerechter wird510, muss als die reifere ‚moderate‘ Variante angesehen werden. Hier wird zwar noch die Differenz der regulativen „Gewißheiten“ betont und damit die Trennung in zwei Sprachbereiche nahe gelegt, diese werden jetzt jedoch als aufeinander bezogen und miteinander verknüpft betrachtet. Die Behauptung der Selbstständigkeit der Bereiche kann nun als ein Vorschlag für eine Sprachregelung begriffen werden, der vor allem bezweckt, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass die Kriterien für die jeweilige Wahrheitsfindung nicht aus einem Bezirk in den anderen übertragen werden können bzw. dass bei vielen religiösen „Sprachspielen“ keine – im herkömmlichen Sinne – empirische Anbindung intendiert ist.511 – Er stellt allerdings auch vor die Schwierigkeit, die Eigenständigkeit religiöser „Sprachspiele“ und ihre Anbindung an säkulare gleichzeitig denken zu müssen.512 508

D.Z. Phillips, Religiöse Glaubensansichten, S. 272. Ders., a.a.O., S. 273. 510 Vgl. W. Welsch, S. 419: „Wittgenstein rechnet durchaus mit Überschneidungen der Sprachspiele und sieht darin keine Verzerrung, sondern eine conditio sine qua non funktionstüchtiger Sprachspiele.“ 511 Dass es sich nur um eine Sprachregelung handeln kann, verdeutlicht auch H. Putnam mit der folgenden Feststellung: „Der Gebrauch der religiösen Sprache ist normalen Fällen der Bezugnahme sowohl ähnlich als auch unähnlich. Doch mit der Frage, ob es sich dabei `eigentlich´ um Bezugnahme handelt oder `eigentlich nicht´, bringt man die Dinge durcheinander. Es gibt kein Wesen der Bezugnahme.“ (H. Putnam, Bezugnahme und Relativismus, S. 213) – Vgl. auch M. Kroß, Klarheit, S. 115. 512 Mit dieser Darstellung soll hier keineswegs der Anspruch verbunden werden, D.Z. Phillips und seine Wittgenstein-Rezeption auch nur annähernd vollständig wiedergegeben zu haben. Seine gesamte Religionsphilosophie auch der folgenden Jahrzehnte ist dafür viel zu eng mit Wittgenstein verknüpft. Er bleibt aber auch in seiner späteren Entwicklung den hier vorgestellten Gedanken, die für unsere Fragestellung wichtig sind, eng verbunden. Vgl. dazu die verschiedenen Aufsätze in D.Z. Phillips, Wittgenstein and Religion, New York 1993. 509

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2.1.3. Gleiche Wörter, verschiedene Gewißheiten – oder: Über die Kompliziertheit der Vernetzung These: Die Darstellung hat gezeigt, dass weder die Anwendung eines universellen Verifikationsprinzips (vgl. Kap. 2.1.1.) noch die Behauptung einer gänzlichen logischen Eigenständigkeit (vgl. Kap. 2.1.2.) der religiösen Sprache gerecht werden können. Beide Positionen vernachlässigen wichtige Gesichtspunkte des ‚mehrdimensionalen‘ Sprachparadigmas des `späten Wittgenstein´. – Vor allem die `Fideismusdebatte´ hat vor Augen geführt, dass zwar in gewissem Sinne eine Selbstständigkeit religiöser Rede behauptet werden muss, ihre Abgeschlossenheit jedoch nicht angenommen werden kann. Da man bei der Beschreibung der demnach notwendigen Vernetzung mit säkularen „Sprachspielen“ nicht von dem einen typischen Gläubigen ausgehen kann, um nicht in eine ‚platonistische‘ Denkweise zu verfallen (vgl. Kap. 1.3.2.1.), wird bald deutlich, dass religiöse „Sprachspiele“ auf vielerlei Weise mit den unterschiedlichen Bereichen, die dann auch im Säkularen zu differenzieren sind, verwoben sein können. Dabei kann es sogar zu sich auf den ersten Blick widersprechenden Kombinationen auch der jeweils zugrunde liegenden Überzeugungen kommen. Indem die Gläubigen dennoch ihre z.T. nicht direkt miteinander zu vereinbarenden „Gewißheiten“ als zu der „Physiognomie“ der Religion passend empfinden, werden sie in einen inneren Zirkel religiösen Verstehens integriert, der sich seiner „Grammatik“ nach – also ‚sprachspielanalytisch‘ betrachtet – nur als ‚von außen‘ angestoßen verstehen kann. Zunächst muss festgehalten werden, dass beide sich in der `Fideismusdebatte´ gegenüberstehenden Seiten Gesichtspunkte einbringen, die durchaus alle einige Aspekte des Phänomens Religion zur Geltung bringen. Deswegen ist zu fragen, ob es sich tatsächlich um sich ausschließende Sichtweisen handelt oder ob die Unvereinbarkeit der Positionen eher von einer jeweiligen Überbetonung eines durchaus vorhandenen Elementes herrührt. Allerdings muss bei dem Versuch einer Harmonisierung der Anschauungen der Fehler van Burens vermieden werden, mit zwei im Grunde unverträglichen Prinzipien – bei ihm waren dies eine kontextualistische und eine letztlich dominierende empiristische Auffassung von Wahrheit (vgl. Kap. 2.1.1.) – gleichzeitig arbeiten zu wollen. Die Stärke der Position von Phillips liegt vor allem darin, dass er Religion einer unangemessenen Vereinnahmung von Seiten der Naturwissenschaften entzieht. Sollte die Redeweise von einem eigenständigen Bereich auch nur dieses intendieren, dass nämlich viele religiöse „Sprachspiele“ keine direkte empirische Anbindung beanspruchen, so hat sie ein klares und vertretbares Ziel. Durch die damit zum Ausdruck gebrachte konsequente Anwendung eines ‚sprachspielgebundenen‘ Wahrheitsbegriffs erübrigt sich das van Burensche Postulat der Übersetzung von einer Sprach-Garnitur in die andere; es wird im Gegenteil zu einem verdächtigen Unternehmen, da damit die Eigenständigkeit und das Spezi-

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fische der zu übersetzenden „Sprachspiele“ geleugnet wird. – Andererseits wird auch die Betonung eines ‚ontologischen Mehr‘ durch Hick u.a. verbreitetem religiösem Selbstverständnis gerecht. Die Anführung des Prinzips der „eschatologischen Verifizierung“ stützt dabei allerdings mehr die Annahme der Eigenständigkeit der Sprachbereiche, als es sie schwächt (vgl. Kap. 2.1.2.2.). Dennoch hat die `Fideismusdebatte´ gezeigt, dass die Abgeschlossenheit religiöser Rede von säkularen „Sprachspielen“ nicht behauptet werden kann. Ihr Ergebnis stellt somit vor das Problem, die Eigenständigkeit religiöser „Sprachspiele“ gleichzeitig mit ihrer Verwobenheit mit den säkularen denken zu müssen. Da ‚sprachspielanalytisch‘ hierbei nicht von ‚dem typischen Gläubigen‘ ausgegangen werden kann – dies wäre ein Rückfall in eine ‚platonistische Denkweise‘ – , wird die tatsächlich vorfindliche Vielfalt der Arten der Vernetzung schon bald deutlich: Die Übergänge der religiösen „Sprachspiele“ in den Bereich der – ebenfalls zu differenzierenden – säkularen sind reich an Variationsmöglichkeiten; religiöse Rede ist auf vielerlei Weise ‚mehrdimensional‘ mit säkularer Sprache – jeweils mit z.B. naturwissenschaftlichen, ästhetischen und logischen „Sprachspielen“ – verwoben. Deshalb können sogar die Kriterien für das, was als religiös geprägte Sprache angesehen wird, unterschiedlich sein. Diese Vagheit des Begriffes `religiöse Rede´ muss aber – wie bei allen anderen Begriffen auch (vgl. Kap. 1.3.1.) – nicht als Nötigung interpretiert werden, diesen Ausdruck aufzugeben, ist doch in den meisten „Sprachspielen“, in denen er benutzt wird, aufgrund des Kontextes deutlich, was mit ihm intendiert wird. Andererseits erweisen sich von konkreten Situationen abstrahierende und als starr verstandene Definitionen aufgrund des praktischen Fehlens einer „scharfe(n) Grenze“ (PU § 76) entweder als irreführend – weil sie ‚platonistisch‘ denken – oder als zirkulär, weil sie schon innerhalb des jeweiligen religiösen Verstehens vollzogen werden und um die Einbeziehung spezifisch religiöser Ausdrücke nicht umhin können.513 Da zudem jeder Gläubige über einen gewissen Vorrat an z.B. naturwissenschaftlichen oder historischen, aber auch an ethischen und ästhetischen „Gewißheiten“ verfügt, die zumindest in säkularen Gesellschaften nicht mehr direkt an 513

Als Beispiel sei genannt R. Preul, Gottesdienst und religiöse Sprache, in: ZThK 88 (1991), S. 388-406, hier S. 396: „Religiöse Sprache ist Sprache der Frömmigkeit, eine Sprache, in der Personen ihre eigene Beziehung zu Gott als Grund ihres Subjektseins und der Realität, mit der sie als Subjekte erkennend und gestaltend in Wechselbeziehung stehen, unmittelbar zum Ausdruck bringen.“ – EinVerständnis für `Gott´ (oder `Transzendenz´ o.ä.) muss immer schon vorausgesetzt werden, um zu verstehen, was hier gemeint ist, d.h. religiöse Sprache kann sich nicht außerhalb ihrer eigenen Sprache definieren. (Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass eine derartige Definition im Rahmen theologischer Selbstvergewisserung – z.B. innerhalb des Beitrages von R. Preul – sinnlos wäre.) – Gegen eine sprachliche Spezifizierung religiöser Rede und die Annahme von „spezifisch religiöse(n) Sprechakte(n)“ wendet sich I.U. Dalferth, Religiöse Sprechakte als Kriterien der Religiosität? Kritik einer Konfusion, in: Linguistica Biblica 44 (1979), S. 101-116, hier: S. 107.

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religiöse gekoppelt sind, ist auch für diese Ebene festzuhalten, dass hier zumindest theoretisch sehr viele Kombinationsmöglichkeiten vorhanden und in individualistisch geprägten Gruppierungen auch realisiert sind.514 Die Unterschiedlichkeit der „Gewißheiten“ der Gläubigen, die auch für den innerreligiösen Bereich zu konstatieren ist, „zeigt sich“ z.B. in Bibelstunden, Gemeindeversammlungen usw., wo häufig genug sehr kontrovers diskutiert wird. Die Vernetzung der als religiös anzusprechenden „Sprachspiele“ im Komplex der „Gewißheiten“ kann also, wie durch das folgende Schaubild515 verdeutlicht werden soll, sowohl untereinander als auch in Bezug auf nichtreligiöse „Gewißheiten“ recht unterschiedlich sein. 516 Die anhand dieser Skizze veranschaulichte Beobachtung von der vielfältigen Vernetzung der „Sprachspiele“ und der „Gewißheiten“ stellt allerdings nur einen Teil der sprachanalytischen Charakterisierung religiöser Rede dar. – Über die festgestellte Unterschiedlichkeit von „Gewißheiten“ hinaus ist nämlich auch ihr scheinbares Gegenteil zu konstatieren: Diejenigen, die in der Bibelstunde stark auseinander gehende Ansichten zu vertreten schienen, sitzen im Gottesdienst friedlich nebeneinander. Offensichtlich empfinden sie beide ihre nicht direkt miteinander zu vereinbarenden „Gewißheiten“ als zu der „Physiognomie“ des Christentums, d.h. als zu den für dieses von ihnen als charakteristisch angesehenen „Sprachspielen“, passend.517 In dieser „Gewißheit“ – in diesem `Glauben´ – stimmen sie überein. Gegen diese Interpretation könnte man jedoch einwenden, dass sie `eigentlich´ Verschiedenes meinten, wie die Auseinandersetzung in der Bibelstunde bewiesen habe; ihr Verhalten sei widersprüchlich. Aber dagegen wiederum ließe sich ebenso gut behaupten, dass sich im gemeinsamen Gottesdienstbesuch zeige, 514

Dabei wird gerade auch mit den religiösen „Gewißheiten“ heutzutage äußerst selektiv umgegangen. – Zu diesem religionssoziologischen Phänomen vgl. K.E. Nipkow, Erwachsenwerden, S. 79f (dort auch weitere Lit.). 515 Die Dreiteilung in ‚Trivialaussagen‘, ‚Grundsatzebene‘ und „Gewißheiten“ ist weder statisch noch als eine absolute gedacht, sondern soll nur veranschaulichen, dass die „Gewißheiten“ noch fundierendere Funktion haben als schon in alltäglichen Diskursen dem Grundsätzlichen zuerkannt wird. 516 Selbst die Rede von „Sprach-Garnituren“ wird auf diese Weise als Konstrukt des Analytikers deutlich, der auch andere „Sprachspiele“ zu einer „Garnitur“ hätte zusammenstellen können. 517 Wittgenstein benutzt den Ausdruck „Physiognomie“ in den PU nur an drei Stellen (in einigen Fällen ersetzt ihn die Bezeichnung „Gesicht“). In PU 568 verwendet er ihn als Bezeichnung für dasjenige, das in einem konkreten Zusammenhang als „wesentlich“ dazugehörig empfunden wird. – Dem folgend soll auch in der vorliegenden Untersuchung bei diesem Wortgebrauch die Betonung darauf liegen, dass hier etwas für einen größeren Komplex Charakteristisches gekennzeichnet werden soll, ohne dabei auf ‚platonistische‘ Vorstellungen abheben zu wollen: Eine „Physiognomie“, ein „Gesicht“, verändert sich – wenn auch langsam.

keine statischen Ebenen (analyse-abhängig)

„Gewissheiten“

„Grundsatzebene“

„TrivialAussagen“

z.T. fließende Übergänge intersubjektiv anerkannter

naturwissenschaftlich

logisch

religiös bzw. ‚quasi-religiös‘ stärker subjektives Empfinden

ästhetisch

‚Überzeugungskomplexe unterschiedlicher Individuen‘:

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dass sie auch in der Bibelstunde `eigentlich´ dasselbe gemeint hätten. – Es handelt sich um eine Frage, die auch die Beteiligten selbst nicht – auch und gerade nicht via Introspektion (vgl. Kap. 1.3.2.5.) – entscheiden können; zumindest steht innerhalb unserer Sprache dafür keine „Regel“ zur Verfügung. Deshalb kann auch sprachanalytische Philosophie an dieser Stelle nicht weiterhelfen. Sie kann aber immerhin darauf verweisen, dass hier ein gemeinsamer „Aspekt“ gefunden zu sein scheint, denn durch ihr Verhalten zeigen die Beobachteten, dass sie beide in denselben Zirkel religiösen Verstehens integriert sind. Die Sprachanalyse kann zu dieser Übereinstimmung weder auffordern noch sie als „unsinnig“ untersagen – ebenso wenig wie sie Argumente für oder gegen den christlichen Glauben beibringen kann518. Nach den bisherigen Überlegungen kann nun die „Physiognomie“ einer Religion als der ihr eigene Versuch angesehen werden, ihre „Gewißheiten“ auszudrücken, wodurch Zustimmung oder Ablehnung erreicht werden. Dieser Versuch kann sich offensichtlich – trotz seiner ‚mehrdimensionalen‘ Verwobenheit in die allgemeine „Sprachspiel“-Welt – immer nur in einem Zirkel bewegen, der von den „Gewißheiten“ zur „Physiognomie“ und wieder zurück verläuft und der sich – sowohl theologisch als auch sprachanalytisch betrachtet – sinnvoll nur als ‚von außen‘ angestoßen begreifen kann519. Er muss sich intern sogar – gerade ‚sprachspielanalytisch‘ gesehen – als vom Transzendenten und nicht von der Außenwelt bewirkt verstehen, da sonst seine spezifische „Grammatik“ mit ihrer Ausrichtung auf die Transzendenz nicht begriffen werden kann: Nur auf diese Weise kann erklärt werden, warum innerhalb dieses Zirkels eine „eschatologische Verifizierung“ gefordert werden muss (vgl. Kap. 2.1.2.2.). Das Erlebnis des ‚Passens‘ der eigenen „Gewißheiten“ zu denen, die als in der „Physiognomie“ des Christentums dargestellt begriffen werden, muss somit als Wirken Gottes, als Wirken des Heiligen Geistes, aufgefasst werden. Nur Gott selbst kann entscheiden, was als zu ihm ‚passend‘ geglaubt werden kann. 520 Gott selbst ist es, der die Menschen hier in den Prozess seiner Selbstidentifikation mit einbezieht.521 518

Gegen G. Taxacher, Vom Zeigen im Sagen. Wittgensteinsche Zugänge zum Theologischen in der Theologie, in: ThPh 71 (1996), S. 495-531, der es Wittgenstein zum Vorwurf macht, bei seiner Analyse der Sprache „im Raum einer Phänomenologie des Problems“ (S. 515) zu verbleiben. 519 Zur Argumentation vgl. Kap. 1.3.3., ad ‚Anti-Psychologismus‘. 520 Für die menschliche Wahrnehmung kann immer nur gelten, was Wittgenstein über das ‚Passen‘ „in Zusammenhang mit dem `Erkennen´“ anführt: „Nichts, was beim Nebeneinanderlegen der beiden herauskommt, könnte mich überzeugen, daß sie passen oder nicht passen.“ (Vgl. UuW, S. 138 [innerhalb des Anhangs C].) 521 Wieder lässt sich eine Parallele zu Barth ziehen (vgl. Kap. 1.3.3.): Auch dessen – als Gegenstück zur „analogia entis“ entworfene – Rede von der „analogia fidei“ (vgl. K. Barth, KD II/1, § 27 Die Grenzen der Erkenntnis Gottes, S. 200-287, besonders S. 252-278) intendiert, dass die Erkenntnis, die die Glaubenden von Gott haben können, nur von ihm

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2.2. Zur deutschsprachigen protestantischen Rezeption Thesen und Verlauf des Unterkapitels: Nach einer ersten Welle noch recht oberflächlicher Rezeption vor allem seit Mitte der 70er Jahre (Kap. 2.2.1.), aus der Dalferth (Kap. 2.2.1.1.), Just (Kap. 2.2.1.2.), Track (Kap. 2.2.1.3.) und Ritschl (Kap. 2.2.1.4.) für die Darstellung ausgewählt wurden, setzt – vermittelt u.a. durch die kontinuierlichen Publikationen Dalferths (Kap. 2.2.1.1.) – gegen Ende der 80er Jahre eine jetzt tatsächlich intensive Beschäftigung mit Wittgensteins Philosophie ein (Kap. 2.2.2.). In der chronologischen Abfolge ihres Erscheinens werden einige Dissertationen vorgestellt (Kap. 2.2.2.1. bis 2.2.2.8.), die in ihrer Gesamtheit ein recht vollständiges Bild dieser neueren Wittgenstein-Rezeption bieten. Dabei ist allerdings festzustellen, dass vor allem das Sprachparadigma des `späten Wittgenstein´ mit der auf ihm aufbauenden Methodik und den sich daraus für Philosophie und Theologie ergebenden Konsequenzen weiterhin unterschätzt und meist nur partiell genutzt wird (Kap. 2.2.3.). U.a. auch durch die `Fideismusdebatte´ angeregt, vergrößerte sich seit Mitte der 70er Jahre im Bereich der deutschsprachigen protestantischen Theologie 522, auf selbst aus in ihr Recht gesetzt werden kann: „Hier ist es so, dass menschliches Denken und Reden als Antwort auf jenes [sc.: Gottes] Wort durch dessen Schöpferakt allererst hervorgerufen, existent und aktuell wird.“ (Ders., Einführung in die evangelische Theologie, S. 26.) 522 In der deutschsprachigen katholischen Theologie stand zunächst vor allem H. Peukert für ein Interesse an Wittgenstein, den er im Rahmen handlungstheoretischer Theorien fruchtbar zu machen suchte (vgl. ders., Wissenschaftstheorie - Handlungstheorie - fundamentale Theologie. Analysen zu Ansatz und Status theologischer Theoriebildung, 2. Aufl, Frankfurt am Main 1988). Die wohl wichtigste Wittgenstein-Arbeit der letzten Jahre im Bereich der katholischen Theologie aber ist die in Bonn 2000/2001 als Dissertation angenommene Untersuchung von Klaus von Stosch mit dem Titel „Glaubensverantwortung in doppelter Kontingenz. Untersuchungen zur Verortung fundamentaler Theologie nach Wittgenstein.“ (Regensburg 2001). Von Stosch stellt Wittgensteins spätere Philosophie durchaus in einer Weise dar, die mit der hier vorliegenden Arbeit kongruent geht. Dabei sieht er Wittgensteins Nachsinnen über religiöse Fragestellungen von einer zweifachen Front bestimmt: Er argumentiere zum einen gegen die fideistische Position und zum anderen gegen transzendentalphilosophisch orientierte Letztbegründungsversuche, die von den letzten Begründungen der Grammatik, wie von Stosch richtig sieht, sauber unterschieden werden müssen. Die Divergenzen zur vorliegenden Arbeit aber fangen dort an, wo von Stosch eigenständig versucht, trotz aller Einsichten, die er aus der Auseinandersetzung mit Wittgenstein gewonnen hat, „Strategien der Glaubensbegründung nach Wittgenstein“ (S. 307-320) zu entfalten. Die detaillierte Auseinandersetzung damit kann hier nicht geleistet werden, aber es dürfte schon vom Ansatz her deutlich sein, dass es an dieser Stelle zu Verwicklungen kommen muss: Wittgensteins Einsichten in die Unmöglichkeit von Letztbegründungen kann man nicht auf der einen Seite übernehmen und auf der anderen Seite unterlaufen wollen. Ganz davon abgesehen, dass die Zentralstellung der Begründungsfrage Wittgensteins eigenem Denken gar nicht entspricht – wie dies Andreas Hunziker in seiner Rezension zu Recht anmerkt (A.

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die der Blick nun gelenkt werden soll, das bis dahin nur äußerst spärliche Interesse an der sprachanalytischen Philosophie. Bei dieser ersten, noch recht kleinen Welle der Kenntnisnahme erfolgte eine Rezeption der Gedanken Wittgensteins meist nur im größeren Zusammenhang der sprachanalytischen Philosophie als solcher und unter der leitenden Frage, was diese denn insgesamt gesehen für die Theologie austragen könne. Mit I.U. Dalferth, W.-D. Just und J. Track wurden drei Autoren aus dieser Anfangszeit ausgewählt, die bereits eine verhältnismäßig profilierte Kenntnis von Wittgenstein hatten. 523 Mitte der 80er Jahre veröffentlichte dann D. Ritschl sein Buch „Zur Logik der Theologie“, das von den Diskussionen im englischsprachigen Raum – damit aber auch von Wittgenstein – beeinflusst ist. So stellt er – neben den kontinuierlichen Publikationen besonders von Dalferth – in gewisser Weise das Bindeglied dar hin zu der zweiten Welle theologischer Wittgenstein-Rezeption. Diese konnte sich jetzt auf eine fortgeschrittene philosophische Interpretation und eine bessere Quellenlage stützen und brachte eine Reihe von Dissertationen hervor (vgl. Kap. 2.2.2.), die z.T. an den Lehrstühlen der Theologen der ersten Rezeptionsphase entstanden sind und hier detailliert vorgestellt werden sollen.524 Hunziker, von Stosch, ThLZ Jan. 2004). Von Stosch gerät damit in eine Problematik, die spezifischen Grundannahmen der katholischen Fundamentaltheologie geschuldet ist, nämlich letztlich der Überzeugung, dass es im Rahmen der Entfaltung der natürlichen Theologie für den denkenden Menschen Argumente geben muss, die ihn zu einem Glauben an Gott führen. Von Stosch kann sich von dieser Vorgabe im Grunde nicht befreien und damit am Ende auch Wittgenstein nicht ganz gerecht werden. Weitere bemerkenswerte Arbeiten zu Wittgenstein innerhalb der katholischen Theologie stammen von Clemens Sedmak, Kalkül und Kultur. Studien zu Genesis und Geltung von Wittgensteins Sprachspielmodell, Amsterdam 1996, und von Terrance W. Klein, so z.B. seine Untersuchung „How Things Are in the World“, Metaphysics and Theology in Wittgenstein and Rahner, Marquette University Press 2003. Hier zeigt er weitgehende Übereinstimmungen zwischen den beiden genannten Denkern auf, da er Rahner – anders als z.B. F. Kerr, Theology after Wittgenstein – nicht mehr dem cartesianischen Denken verpflichtet sieht. 523 Auch W. Pannenberg setzt sich 1973 mit Wittgenstein auseinander. Es kann aber bei ihm zu keiner konstruktiven Rezeption kommen, da der TLP wegen seines Verifikationskriteriums seiner Auffassung nach ebenso wenig einen „sinnvollen“ Anknüpfungspunkt für die Theologie bietet wie die PU aufgrund ihrer Auflösung eines übergreifenden Sinnzusammenhangs (vgl. ders., Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt am Main 1973). 524 Auf den ersten Blick mag auch das Buch von St. Gröne, „Gödel, Wittgenstein, Gott. Paradoxien in Philosophie und Theologie“, Fuchstal 2007, in diese Phase gehören. Dabei handelt es sich aber nicht um eine wirkliche Wittgenstein-Rezeption im engeren Sinne. Es werden lediglich einige wenige Gedanken Wittgensteins aufgegriffen, z.B. in Hinblick auf die Gegenständlichkeit von Zeichen (S. 195-212) und auf das Paradox des Regelfolgens (S. 233-236), um einen Paradox-Begriff darzustellen, der im Wesentlichen dem Gödels entspricht und mit dessen Hilfe eine Vielzahl von vorgeblichen Paradoxa vor allem aus der Theologie betrachtet werden.

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Zudem sind in den letzten Jahren – sowohl im deutschsprachigen als auch im angelsächsischen Raum – einige Arbeiten im Grenzbereich zwischen Religionsphilosophie und Theologie veröffentlicht worden, auf die hier nicht mehr umfassend eingegangen wird, weil sie ihr Schwergewicht im Religionsphilosophischen haben. Es sei aber in diesem Zusammenhang auf Thomas Rentsch verwiesen, weil seine Arbeiten alle wichtigen fundamentaltheologischen Fragen zur Sprache bringen und auf ähnliche Weise lösen wie hier vorgestellt. Er geht von einer transzendentalphilosophischen Interpretation des frühen und auch des späten Wittgenstein aus, die er bereits in seiner Dissertation über „Heidegger und Wittgenstein“ vorlegt525 und u.a. in seinem Buch „Gott“ weiter vertieft526. Hier zieht er sodann aus der Analyse einer ganzen Reihe von Philosophen, unter denen Wittgenstein durchaus eine Schlüsselrolle einnimmt, sieben Konsequenzen für die Theologie, die z.T. denen ähneln, die in der vorliegenden Arbeit im Anschluss an die Analyse Wittgensteins vorgestellt wurden.527 – Ist auch eine rein transzendentalphilosophische Sichtweise aus der Perspektive Wittgensteinscher Philosophie heraus zu einseitig und wiederum zu problematisieren528, so weiß sich die vorliegende Untersuchung doch in den fundamentaltheologischen Schlussfolgerungen mit Rentsch weitgehend einig. Bei ihm finden sich immer wieder auch Hinweise auf Verbindungslinien von Kierkegaard zu Wittgenstein, die in letzter Zeit zum Gegenstand mehrerer eigenständiger Untersuchungen geworden sind. Diese Analysen werden hier aber nicht weiter verfolgt, weil sie die an dieser Stelle interessierenden fundamentaltheologischen Fragestellungen – obwohl sie sie durchaus aufgreifen – nicht wesentlich vertiefen, sondern ihren Schwerpunkt anderweitig haben. 529 525

Rentsch, Thomas, Heidegger und Wittgenstein. Existenzial- und Sprachanalysen zu den Grundlagen philosophischer Anthropologie, Stuttgart 1985. 526 Ders., Gott, Reihe „Grundthemen Philosophie“, hg.v. D. Birnbacher u.a., Berlin/New York 2005; zu Wittgenstein vgl. dort insbesondere S. 156-172 und S. 179f. 527 Rentsch sucht „irreführende objektivistische, subjektivistische, relativistische, entfremdungstheoretische, funktionalistische, fiktionalistische und moralistische Vorstellungen von Gott und der Ebene eines möglicherweise sinnvollen Gottesverständnisses“ (T. Rentsch, Gott, S. IX; vgl. auch S. 170) zurückzuweisen. 528 Vgl. A. Hunziker, Wagnis des Gewöhnlichen, S. 28f, Anm. 37, wo er Rentsch kritisiert. Hunziker geht allerdings auf der anderen Seite zu weit, wenn er meint, die transzendentalphilosophische Fragestellung ganz ablehnen zu müssen, weil sie metaphysischem Denken verhaftet sei. Es ist Rentsch durchaus darin zu folgen, wenn er auf ihrer Sinnhaftigkeit beharrt; sie ist sicher auch nach Wittgenstein anders zu behandeln als z.B. das Problem der Existenz der Außenwelt oder die Frage nach dem Wesen der Farbe und hat trotz aller notwendigen Metaphysikkritik eine bleibend besondere Stellung (vgl. auch Kap. 2.2.2.8.). 529 Bereits D.Z. Phillips hat Wittgenstein und Kierkegaard miteinander verglichen (vgl. z.B. ders., Authorship and Authenticity, 1992). Die neueren Untersuchungen sind z.T. in kritischer Auseinandersetzung mit ihm entstanden. Exemplarisch sei auf Veröffentlichungen von G. Schönbaumsfeld verwiesen, insbesondere: A Confusion of the Spheres: Kierke-

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2.2.1. Erste Wahrnehmungen Wittgensteins These: Gerade die ersten Wahrnehmungen Wittgensteins im Bereich der deutschsprachigen protestantischen Theologie können nicht direkt an den Einsichten späterer Zeit gemessen werden, sondern müssen auf dem Hintergrund des damaligen Diskussionsstandes gesehen werden. Insofern besteht ihr Verdienst vor allem darin, die hiesige hermeneutische Diskussion um Ideen aus der analytischen Philosophie bereichert zu haben. Die weitreichenden Implikationen der Sprachparadigmen Wittgensteins waren damals selbst im angelsächsischen Bereich noch lange nicht im Blick. Insofern kann es auch in Deutschland zunächst nur zu einer recht eingeschränkten Rezeption kommen. 2.2.1.1. Ingolf U. Dalferth – oder: Das Postulat singulärer Existenzsätze These: Da Dalferth die Möglichkeiten, die für die Rede von Gott in der „Sprachspiel“-Konzeption Wittgensteins enthalten sind, noch nicht im Blick hat, sieht er sich genötigt, zur Absicherung der Sinnhaftigkeit religiöser Sprache, d.h. ihrer `Referenz´, das Postulat singulärer Existenzsätze aufzustellen. – Aus Sicht der sprachanalytischen Philosophie ist dies allerdings nicht mehr als ein Zirkelschluss: Da dem Theologen die gängige Auffassung von Existenzsätzen als Sätze über generelle Terme nicht ausreicht, fordert er eine Erweiterung dieser Theorie, mit der er sodann die Idee von der Existenz Gottes etablieren kann. – So wird deutlich, dass das Postulat singulärer Existenzsätze bereits eine positive Glaubensentscheidung voraussetzt und deshalb als Argument im Diskurs mit der sprachanalytischen Philosophie unbrauchbar ist. gaard and Wittgenstein on Philosophy and Religion, Oxford 2007. Hier stellt sie in mehreren Hinsichten eine große Nähe zwischen beiden Denkern fest (vgl. z.B. S. 10-36 und S. 83: „their conception of philosophical authorship is fundamentally an ethical one“ (Hervorhebung im Original).) Dabei steht für sie der spätere Wittgenstein mit seiner antimetaphysischen Stoßrichtung Kierkegaard noch näher als der frühe mit der Mystik des TLP (vgl. S. 151-155). Beide Denker hätten auch eine große Gemeinsamkeit hinsichtlich ihrer Auffassung des religiösen Glaubens, der eben nicht durch ein Für-Wahr-Halten metaphysischer Sätze, sondern eher als eine bestimmte Haltung der Welt gegenüber beschrieben werden könne (vgl. S. 156-201). – Als ein Beispiel für eine umfangreichere deutschsprachige Arbeit in diesem Bereich sei M. Nientied, Kierkegaard und Wittgenstein. „Hineintäuschen in das Wahre“, Berlin/New York 2003, genannt. Die von ihr aufgezeigten Verbindungen zwischen den beiden Gesamtwerken scheinen allerdings häufiger von nur lockerer Art zu sein. Am überzeugendsten wirkt die Darstellung der Gemeinsamkeiten in Hinsicht auf die sagenden und zeigenden Elemente von Sprache (innerhalb von Kap. II, S. 79-133) und in Bezug auf den `Sprung des Glaubens´ (innerhalb von Kap. IV, S. 203-310).

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Ingolf U. Dalferth hat sich wie bisher kein anderer um die Rezeption sprachanalytischer Philosophie in der systematisch-theologischen Reflexion des neueren deutschsprachigen Protestantismus verdient gemacht. Er verbreitete hier mit seinen Publikationen530 seit Mitte der 70er Jahre die Kenntnis der im englischsprachigen Bereich gängigen philosophischen Strömungen, nachdem er selbst – u.a. auf Anregung Eberhard Jüngels 531 – nach England gegangen war, um sich mit der sprachanalytischen Philosophie zu beschäftigen. Als Reaktion auf die dortige Diskussionslage stellte Dalferth mit Nachdruck und zu Recht heraus, dass die Wahrheitsfrage immer – und sei es nur in Form bestimmter Existenzpräsuppositionen – bestehen bleibe und weder die `Sprachspiel-´ noch die `Sprechakttheorie´ die Theologie davon entlasteten, über ihre `Referenz´ nachzudenken532, auch wenn und gerade weil diese zum theologisch-philosophischen Problem geworden sei. Seine Auseinandersetzung mit Wittgenstein ist aber vor allem durch die Analyse des Sprachparadigmas des TLP bestimmt 533, das als „radikal eingeschränkte(r) Sprachbegriff“ 534 eine viel zu eng geführte Konzeption anbiete, die im weiteren Verlauf der Sprachanalyse notwendigerweise destruiert werden musste. Bis zu diesem Urteil stimmt die vorliegende Untersuchung mit Dalferth 530

Man vgl. vor allem den von ihm herausgegebenen und in dieser Arbeit schon mehrfach angeführten Sammelband „Sprachlogik des Glaubens. Texte analytischer Religionsphilosophie und Theologie zur religiösen Sprache“, München 1974, der viele für die englische Diskussion repräsentative Texte erstmals auf deutsch zugänglich machte. – Auch seine Dissertation „Religiöse Rede von Gott“, München 1981, ist in diesem Zusammenhang zu nennen. 531 Dessen eigene Wittgenstein-Rezeption ist allerdings recht oberflächlich geblieben und erschöpft sich in der Darbietung philosophiehistorischer Schemata. Man vgl. z.B. die Gegenüberstellung der bei Jüngel hermeneutisch begründeten neuen „Sagbarkeit Gottes“ mit der durch den `frühen Wittgenstein´ illustrierten alten „Unsagbarkeit“ (E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt, S. 307-408, hier: S. 340) oder die Erwähnung des `Kontextprinzips´, d.h. von PU § 43, als für den `späten Wittgenstein´ charakteristisch (ders., a.a.O., S. 418). – Auch im Zuge seiner Auffassung von der „durchgehend metaphorische(n) Struktur der Sprache“ kann er Wittgenstein nur als Anhänger einer gegnerischen Ansicht begreifen, obwohl doch die PU-Überzeugung von der ‚Offenheit des Regelfolgens‘ auch seiner hermeneutischen Argumentation Anknüpfungspunkte böte (vgl. ders., Metaphorische Wahrheit, S. 138, Anm. 86). (Es erweist sich hier – wie auch bei Pannenberg – als Hinderungsgrund, Wittgenstein vor allem mit Hilfe von K.-O. Apel [vgl. Kap. 1.3.1., Anm. 363] interpretieren zu wollen.) 532 `Referenz´ ist durch W.V.O. Quine, The Roots of Reference, La Salle 1974, zu einem terminus technicus in der sprachanalytischen Philosophie geworden, der in etwa als Synonym zu `Gegenstandsbezug einzelner Wörter´ – im Unterscheid zu dem ganzer Sätze oder gar Theorien – aufgefasst werden kann. 533 Vgl. I.U. Dalferth, Religiöse Rede, Kap. 2.4: „L. Wittgenstein: Der logisch-philosophische Traktat als Entwurf eines kritischen Begriffs von Sprache“, d.i. S. 94-120. 534 Ders., a.a.O., S. 119.

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überein; die hier in Kap. 1.1.6. und 1.1.7. genannten und als Aspekte einer ‚radikalnegativen Theologie‘ herausgearbeiteten Komponenten des TLP und dessen impliziter Religionsbegriff als das Verhalten des transzendentalen Subjektes zur vorfindlichen „Welt“ sind bei ihm allerdings nicht im Blick. – Seine Kritik am TLP hingegen trifft das Wesentliche: „... Sprache hat keine Grenzen und es gibt nichts prinzipiell Unaussprechliches, so daß auch die Unterscheidung von Sagbarem und Unsagbarem nie absolut, sondern immer nur relativ hinsichtlich eines bestimmten Sprachbe535 griffs getroffen werden kann.“

Der Sprachbegriff des TLP wird nun bei Dalferth mit dieser Feststellung beiseite gelegt. Die Gründe der Aufsprengung dieses Paradigmas bei Wittgenstein selbst und seine Überwindung in den PU und in ÜG interessieren ihn weniger und werden nur am Rande thematisiert, d.h. zumeist kritisiert. An der „Sprachspiel“-Konzeption ist für Dalferth vor allem inakzeptabel, dass auch der Begriff der Wahrheit relativiert werde. Dabei scheint er allerdings der Meinung zu sein, dass Wittgenstein – und deswegen in seinem Gefolge auch Phillips (vgl. Kap. 2.1.2.1.) – rein kohärenztheoretische Auffassungen vertrete. Dass die verschiedenen „Sprachspiele“ zwar einerseits scheinbar unvermittelt nebeneinander stehen, aber andererseits doch durch übergreifende „Regeln“, durch ein Netz von fundierenden „Gewißheiten“ und – als „Lebensformen“ – durch die Einbettung in bestimmtes Verhalten zusammengehalten werden und somit die Gefahr willkürlicher Rede ausgeschlossen ist (vgl. Kap. 1.3.2.2.), gesteht Dalferth nicht zu. Allerdings hätte er wohl auch dieser differenzierteren Interpretation Wittgensteins entgegengehalten, dass „Wahrheit“ „absolut und nicht nur relativ“ sei: „Für sie gelten Kriterien (Wahrheitskriterien), die sich nicht auf ein bestimmtes Sprachspiel, einen bestimmten Sachbereich und auch kein Paradigma beschränken lassen. Wahrheit ist eine über Systemgrenzen hinweg 536 geltende invariante Größe ...“

Dass er hier einen Begriff von Wahrheit voraussetzt, der zwar u.U. als legitimes theologisches Postulat fungieren kann, indem man – innerhalb des Zirkels religiösen Verstehens – eine allumfassende Wahrheit bei Gott annimmt, dass dies aber ansonsten eine ‚aristotelischen‘ und ‚platonistischen‘ Ansichten verhaftete Forderung ist, die sich ‚sprachspielanalytisch‘ betrachtet nicht halten lässt, dürfte nach der obigen Wittgenstein-Darstellung offensichtlich sein. Es bleibt zu konstatieren, dass für Dalferth weder der `frühe´ noch der `späte´ Wittgenstein theologisch akzeptable Modelle für das Funktionieren von Sprache liefern. Da zudem weder die `Sprachspiel-´ noch die `Sprechakttheorie´ die 535 536

Ders., a.a.O., S. 119f. I.U. Dalferth, Religiöse Rede, S. 527.

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Theologie davon entlasteten, über ihre `Referenz´ und den damit verbundenen unaufgebbaren Wahrheitsanspruch nachzudenken, versucht er auf eigene Weise, die religiöse Rede von Gott sprachanalytisch zu etablieren. Komprimiert findet sich dieser Ansatz in dem Beitrag „Existenz und Identifikation“ 537. Im Unterschied zu den theologischen Strömungen, die am Beispiel van Burens besprochen wurden (vgl. Kap. 2.1.1.), aber auch in Abgrenzung zur gängigen Auffassung sprachanalytischer Philosophie formuliert er dort seine These folgendermaßen: „Die Behauptung `Gott existiert´ ist die sprachlogisch nicht eliminierbare Grundvoraussetzung aller christlichen Rede. Diese Voraussetzung ist logisch als singulärer Existenzsatz zu konstruieren und entsprechend zu ana538 lysieren.“

Geht die vorliegende Untersuchung mit dem ersten Teil dieser Aussage unbedingt konform, so beinhaltet der zweite jedoch einige Probleme. Diese entstehen daraus, dass Dalferth durch die schon den TLP bestimmt habende, von Russell, Frege u.a. herkommende und später vor allem im angelsächsischen Sprachraum vielfach weiterentwickelte Methodik logisch-sprachanalytischen Philosophierens geprägt ist. Für den `späten Wittgenstein´ war diese Form der Analyse aber nicht mehr akzeptabel, versucht sie doch, implizit einen ‚platonischen Kern‘ von Begriffen bzw. eine im Prinzip immer gleiche Anwendung voraussetzend, eine allgemein geltende Analyse zu etablieren. Dabei muss sie natürlich von der Eingebundenheit der „Sprachspiele“ als „Lebensformen“ in je spezifische Kontexte abstrahieren, also gerade von dem Punkt absehen, den Wittgenstein in den PU für äußerst wichtig erachtet hat. Nicht nach der konkreten Anwendung von Begriffen wird bei der traditionellen Analyse gefragt, nach den „Sprachspielen“, sondern nach dem allgemein gültigen Funktionieren eines Ausdruckes. Da Dalferth den `späten Wittgenstein´ beiseite gelegt hatte, kann er nun nicht mit ihm prinzipiell gegen die Vorgehensweise dieser Sprachanalyse argumentieren, sondern muss – ihre Methodik als im Grunde richtig akzeptierend – versuchen, innerhalb der kanonisch gewordenen Sprachlogik eine Möglichkeit zu finden, das Reden von Gott einzubringen. Zunächst muss er seiner Ansicht nach klären, ob das Wort `Gott´ als `genereller Term´ oder als `singulärer´ eingeführt werden soll. Die erste Möglichkeit wäre die übliche Auffassung allgemeinen philosophischen Redens über Gott, aber auch die der katholischen Fundamental- und protestantischer `Vermittlungstheologie´ z.B. im Gefolge Schleiermachers. Diese gehen normalerweise so vor, dass zunächst versucht wird, einen Konsistenzerweis der traditionellen Gottesprädikationen zu erbringen, um dann diese allgemeine Rede über Gott als sinnvoll 537

Vgl. ders., Existenz und Identifikation. Erwägungen zum Problem der Existenz Gottes im Gespräch mit der Analytischen Philosophie, in: NZSyTh 25 (1983), S. 178-202. 538 Ders., Existenz und Identifikation, S. 180. (Dort kursiv gedruckt.)

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deklarieren und in einem weiteren Schritt mit spezifisch christlichen Inhalten ergänzen bzw. präzisieren zu können. Nach Dalferth wird aber dieses Vorgehen der Erfahrung des Angeredet-Werdens durch den sich in Jesus von Nazareth inkarniert habenden Gott keineswegs gerecht. Barth und Jüngel folgend insistiert Dalferth auf dem nicht-prädikativen Charakter des christlichen Gottesbegriffes und auf der „These, daß `Gott´ in christlicher Rede ausschließlich als Designator zur Bezugnahme auf ein ganz bestimmtes singuläres Wesen fungiert.“539

Diese Überzeugung aber hat zur Konsequenz, dass `Gott´ ein singulärer Term wäre und entsprechend eine christliche Gottes-Existenz-Behauptung als singulärer Existenzsatz analysiert werden müsste. Nun schließt aber die gängige sprachlogische Auffassung diese Art von Existenzsätzen aus, da nach ihr eine Existenzzuschreibung eine Prädikation „zweiter Stufe“ ist 540 und nicht sinnvoll von individuellen „Gegenständen“ ausgesagt werden kann. Einen Gedanken Tugendhats aufgreifend, nach dem `existieren´ „nicht in jedem Fall Indikator der partikulären Urteilsform“ 541 ist und deshalb nicht immer wie der Existenzquantor behandelt werden kann, möchte Dalferth zunächst einen relationalen Existenzbegriff, der auf die raumzeitlich eingebundene Anwesenheit eines bestimmten Gegenstandes abhebt, vom allgemeinen `Es gibt´, das ohne die In-Beziehung-Setzung zum Sprecher auskommt, unterscheiden. Wenn jetzt Tugendhats verifikationistische Grundhaltung ausgeblendet werde542, könne die neu gewonnene Auffassung theologisch zu folgender These ausgeweitet werden: „Christen behaupten mit `Gott existiert´ einen realen Zusammenhang einer bestimmten Art zwischen sich als Geschöpfen und Gott als ihrem Schöpfer. Sie beanspruchen damit, daß Gott auf spezifische, nämlich christologisch zu explizierende Weise in ihre Geschichte integriert ist. Da mit diesem Anspruch der Kern des christlichen Glaubens zur Sprache kommt, ist die Behauptung `Gott existiert´ als komprimierte Kurzformel des christlichen Glaubens zu begreifen und dogmatisch entsprechend umfassend zu entfal539

I.U. Dalferth, Existenz und Identifikation, S. 184. Diese Formulierung geht auf G. Frege, Funktion und Begriff, zurück; vgl. dort S. 36: „Wie nun Funktionen von Gegenständen grundverschieden sind, so sind auch Funktionen, deren Argumente Funktionen sind und sein müssen, grundverschieden von Funktionen, deren Argumente Gegenstände sind und nichts anderes sein können. Diese nenne ich Funktionen erster, jene Funktionen zweiter Stufe. Ebenso unterscheide ich Begrffe erster und zweiter Stufe.“ 541 I.U. Dalferth, Existenz und Identifikation, S. 189. 542 Diese drückt sich u.a. darin aus, dass Tugendhat bei seinem Vorschlag einzelne, empirisch erfahrbare „Gegenstände“ im Blick hat (vgl. E. Tugendhat, Vorlesungen, S. 377-379 und 464-469). 540

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ten. Denn `Gott existiert´ ist kein unvermeidlicher `natürlicher Satz´, sondern wird erst auf dem Boden des Glaubens zu behaupten unumgänglich, da 543 allein im Glauben Gott als Gott identifiziert werden kann.“

So betrachtet ist das eigentlich theologisch interessierende Problem nicht das der Existenz Gottes, sondern das seiner Identifizierung, das grundsätzlich christologisch gelöst werden und eine eschatologische Komponente enthalten müsse. Diese Einholung der Gottes-Existenz-Problematik in spezifisch christliche „Sprachspiele“, die aus Dalferths `offenbarungstheologischem´ Ansatz folgt, ist eine Tendenz, die den Auffassungen des `späten Wittgenstein´ entgegenkommt. Dass Dalferth dazu allerdings eine Theorie über singuläre Existenzsätze aufstellen muss, macht seine Argumentation leicht umkehrbar: Wenn seine Ansicht nicht in die kanonisch gewordene sprachlogische integrierbar ist, warum sollte dann die traditionelle Sprachanalyse reformiert werden müssen und nicht vielmehr der christliche Standpunkt fragwürdig sein? 544 Zudem konstruiert Dalferth ja keine eigene neue Klasse singulärer Existenzsätze, sondern letztlich nur einen einzigen besonderen. So fragt es sich, ob es nicht sinnvoller wäre, die hier zum Diskussionspartner erhobene Art sprachlogischer Analyse auf dem Boden einer ‚sprachspielanalytischen‘ Betrachtungsweise einer prinzipiellen Kritik zu unterziehen als ihre Argumentationen teilweise zu übernehmen und zu versuchen, sie in sehr anfechtbarer Weise so zu modifizieren, dass ein christlicher Gottesbegriff zumindest nicht mehr im Widerspruch zur gängigen Ausformung dieser Methodik steht. In späteren Arbeiten ist Dalferth von dieser Art der Argumentation auch immer weiter abgerückt. Dies fällt zusammen mit einer zumindest differenzierteren Wahrnehmung der Spätphilosophie Wittgensteins und der Entdeckung von dessen `Mittelphase´. So referiert er z.B. in „Jenseits von Mythos und Logos“545 einige Passagen der VuG, wirft Wittgenstein aber vor, den „theoretischen Status“546 des in der Religion gebrauchten „Bild“-Begriffes nicht geklärt zu haben. Dalferth insistiert auf einer eindeutigen begrifflichen Bestimmung der „Differenzen zwischen religiösem und wissenschaftlichem Sprachgebrauch“547 und 543

I.U. Dalferth, a.a.O., S. 197. (Dort kursiv gedruckt.) Vgl. G. Frege, Funktion und Begriff, S. 36, Anm.: „Der ontologische Beweis für das Dasein Gottes leidet an dem Fehler, daß er die Existenz wie einen Begriff erster Stufe behandelt.“ 545 Vgl. I.U. Dalferth, Jenseits von Mythos und Logos. Die christologische Transformation der Theologie, Freiburg/Basel/Wien 1993 (QD Bd. 142). 546 Ders., a.a.O., S. 224. 547 Ebd. – Hier werden von ihm indirekt früher geäußerte Einsichten, die der vorliegenden Untersuchung zufolge der Problematik angemessener waren, verworfen, hatte er sich doch in: ders., Religiöse Sprechakte als Kriterien der Religiosität? Kritik einer Konfusion, in: Linguistica Biblica 44 (1979), S. 101-116, gegen die Möglichkeit einer sprachlichen Spezifizierung religiöser Rede gewendet (vgl. Kap. 2.1.3., Anm. 69). 544

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stellt somit eine Forderung auf, die sich in dieser radikalen Form bereits im Zusammenhang der `Fideismusdebatte´ als dem Funktionieren von Sprache inadäquat erwiesen hatte (vgl. Kap. 2.1.2.5. und Kap. 2.1.3.). Ist also nach Dalferth bereits die von Wittgenstein dargebotene Art der Deskription zu kritisieren, so empfindet er es als ein zusätzliches Defizit, dass Wittgenstein offensichtlich auch bei der Beschreibung stehen bleiben möchte. Über diese hinaus benötige man „Kriterien, die zwischen richtigem und falschem Bildergebrauch, adäquater 548 und inadäquater religiöser Praxis zu unterscheiden erlauben.“

Bei Dalferth trifft man demnach auf Unverständnis für die Wittgensteinsche Methodik.549 Betone man – so Dalferth – mit Wittgenstein nur die Beschreibung als Aufgabe der Theologie – so versteht er PU § 373: „(Theologie als Grammatik.)“ – , so gleiche man sie „der Soziologie des religiösen Glaubens“550 an. – Es ist deutlich, dass Dalferth sowohl die Pointe des Wittgensteinschen Begriffs der „Beschreibung“ als auch den Skopus der Formulierung in PU § 373 nicht erfasst: Eine Deskription im Sinne Wittgensteins führt gerade vor Augen, wo Fehler im Sprachgebrauch liegen, indem sie die ‚sprachspielimmanenten‘ Kriterien hervortreten lässt. Und das Verständnis von PU § 373 wird vielleicht durch eine Gegenüberstellung mit der Aufgabe der Philosophie deutlich: Diese müsste nämlich als die ‚Beschreibung der „Grammatik“‘ des Sprachgebrauchs gekennzeichnet werden. Indem die „Theologie“ aber „als Grammatik“ angesprochen wird551, wird über die Komponente der Deskription hinaus zum Ausdruck gebracht, dass sie in die sie betreffenden „Sprachspiele“ von vornherein – als „Grammatik“ – mit eingebunden ist und sie nur deshalb sagen kann, „welche Art von Gegenstand“ (PU § 373) ihr `Gott´ ist. Nur als solche kann sie den Satz `Gott existiert.´ als eine Aussage begreifen, die als „singulärer Existenzsatz“ analysiert werden müsste, wollte man traditioneller Sprachanalyse folgen. Dass Wittgenstein nicht selbst zum Theologen wird, kann man ihm nicht zum Vorwurf machen; vielmehr könnte man erkennen, dass der Sprachanalytiker – sozusagen ‚von außerhalb‘ – ein Verständnis für das Funktionieren und die Funktion von Theologie entwickelt, das ihrem eigenen Selbstverständnis entspricht, dass sie sich nämlich nur – und hier stimmt auch Dalferth552 zu – als von Gott selbst angestoßen, zirkulär und auf den Heiligen Geist angewiesen be548

I.U. Dalferth, Mythos und Logos, S. 234. Vgl. ders, a.a.O., S. 224: „Nicht was Wittgenstein beschreibt, sondern wie er es beschreibt, ist somit problematisch.“ 550 Ders., a.a.O., S. 236. 551 Dass Wittgenstein hier nicht elliptisch formuliert, verdeutlicht der volle Wortlaut von PU § 373: „Welche Art von Gegenstand etwas ist, sagt die Grammatik. (Theologie als Grammatik.)“ 552 Vgl. I.U. Dalferth, Mythos und Logos, S. 238. 549

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greifen kann. Insofern erfüllt Wittgenstein – gerade in PU § 373 – ein Postulat Dalferths, das dieser an anderer Stelle vorbringt, dass nämlich externe Konzeptionen „die Partizipantenperspektive ... zu rekonstruieren suchen“553 sollten. 2.2.1.2. Wolf-Dieter Just – oder: Sinn und Sinnkriterien These: Just erkennt in vielen Punkten die Leistungsfähigkeit der Wittgensteinschen Spätphilosophie und ihren Nutzen auch für fundamentaltheologische Fragen, insbesondere für die Sinn-Problematik. Da er sie aber nur in Teilen wahrnimmt und z.B. weder die durch das „Regelfolgen“ geleistete Vernetzung der „Sprachspiele“ noch die historische Dimension der Überlegungen zur „Familienähnlichkeit“ adäquat im Blick hat, hält er die „Sprachspiel“-Konzeption für defizitär. Sie bedürfe der Ergänzung durch traditionelle hermeneutische Ansätze. – Dagegen ist aber zu fragen, ob eine derartige Kombination überhaupt praktizierbar ist, ist die „Sprachspiel“-Analyse doch, obwohl in vielen ihrer Ergebnisse mit traditioneller Hermeneutik durchaus übereinstimmend, in einigen Punkten gerade Kritik hermeneutischer Überzeugungen. Intensiver als Dalferth würdigt Just die Philosophie(n) Wittgensteins in seiner Dissertation, die 1975 in einer gekürzten Fassung unter dem Titel „Religiöse Sprache und analytische Philosophie“554 erschien. Die leitende Frage ist die nach dem „Sinn religiöser Äußerungen“ (S. 11), wobei er sich – ähnlich wie die vorliegende Untersuchung (vgl. Kap. 0 und 2.1.3.) – gegen eine allgemeine Definition von „religiös“ wehrt und – im Sinne der `ordinary language philosophy´ – an die Sprachkompetenz der Leser appelliert (vgl. S. 12f). Just arbeitet die verschiedenen Positionen, die in der Philosophiegeschichte dieses Jahrhunderts zu dem genannten Problem vertreten wurden, deutlich heraus. Er referiert den `Logischen Atomismus´, den `Logischen Positivismus´, den `Kritischen Rationalismus´ und die `Philosophie der normalen Sprache´, bevor er generell die „Bedeutung sprachanalytischer Methoden für die Theologie“ (S. 134) zu würdigen sucht. Der TLP dient ihm zur Illustration des `Logischen Atomismus´. Just erkennt die Annahme der „Strukturgleichheit von Sprache und Wirklichkeit“ (S. 17) als fundamentale Voraussetzung der TLP-Philosophie und ihrer `Abbildtheorie´. Der Sprachgebrauch seiner Darstellung weicht zwar von der in Kap. 1.1.1. gebotenen Interpretation ab – so begreift er z.B. die „Tatsachen“ nicht als aus 553 554

Ders., Kombinatorische Theologie, S. 93. Vgl. W.-D. Just, Religiöse Sprache und analytische Philosophie. Sinn und Unsinn religiöser Aussagen, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1975. – Die in diesem Kapitel im Text angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Buch.

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„Sachverhalten“ zusammengesetzt, sondern lediglich als „bestehende Sachverhalte“ (S. 19) – , das hindert ihn aber nicht herauszustellen, dass dem TLP nach ein „Satz“ nur dann „sinnvoll“ sein kann, wenn er eine „mögliche Anordnung von Gegenständen“ (S. 21) abbildet: „Damit ist klar, daß religiöse Aussagen in das Reich dessen gehören, was nicht gesagt werden kann.“ (S. 23)

Es sei aber nach Wittgenstein nicht alles, was nicht gesagt werden könne, Unsinn. Unsinn liege vielmehr nur da vor, wo Nicht-Sagbares gesagt werden soll. Just folgert daraus: „Auf die Frage nach der Möglichkeit der Religion angewandt hieße das, daß er wohl die Unsinnigkeit religiöser Aussagen behauptete, nicht aber die Unsinnigkeit der Religion als solcher. Eine `Ausübung´ der Religion müßte konsequenterweise `sprachlos´ vor sich gehen, kontemplativen Charakter haben.“ (S. 24)

Um die Mystik des TLP besser zu verstehen, folgt Just nun einem Vorschlag von Stenius, nach dem die Logik transzendental, „das Mystische“ aber transzendent ist555. Nur das `Dass´ der Welt fasziniere den Mystiker, ihr `Wie´ sei für ihn ohne Belang. Im Gegensatz zu Stenius, der Wittgenstein letztlich „das Mystische“ doch noch als Unsinn verwerfen lässt556, beharrt Just – im Einklang mit der hier in den Kap. 1.1.6. und 1.1.7. gebotenen Interpretation – darauf, dass der TLP aus „einer mystischen Grundhaltung“ (S. 25) heraus geschrieben wurde. Im Folgenden problematisiert er besonders die Beziehung des TLP zu der in der Nachfolge Schleiermachers und Diltheys stehenden Hermeneutik. Letztere suche Gründe für Verstehensschwierigkeiten immer beim Interpreten und dessen mangelhaftem Nachvollzug der Autorintentionen, während Wittgenstein die Sinnhaftigkeit einer Textvorlage anzweifeln würde, da für ihn die Absichten des Verfassers unwichtig seien. Justs Einwand, dass diese letztere Position „ganz und gar dem empirischen Befund“ (S. 27) widerspreche, trifft aber den TLP nicht: „Die schlichte Tatsache, daß ein und derselbe Satz in verschiedenen Kontexten verschiedenen Sinn haben kann“ (ebd.), „zeigt“ nur, dass alltagssprachliche Benennungen nicht unbedingt im Sinne des TLP vorgenommen werden und man nach dessen Auffassung in einem derartigen Fall umbenennen müsste. So einfach, wie Just es hier vorschlägt, lässt sich das Sprachparadigma des TLP nicht beiseite legen (vgl. Kap. 1.2.1.). Als die empiristische Weiterentwicklung des TLP stellt Just den `Logischen Positivismus´ und als dessen Konsequenz den `Kritischen Rationalismus´ vor. Bei letzterem übernehme Poppers Postulat der Falsifizierbarkeit die Rolle eines Sinnkriteriums (vgl. S. 57f und S. 66ff), das aber in Bezug auf die Frage nach 555 556

Vgl. E. Stenius, Wittgensteins Tractatus, S. 208 und 222f. Vgl. ders., a.a.O., S. 293f.

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dem Sinn religiöser Rede – wie die Diskussionen um Flew, Hick u.a. zeigten (vgl. Kap. 2.1.2.2.) – keinen Erkenntnisgewinn mit sich bringe. Ein wirklicher Fortschritt könne aber durch die Betrachtung des `späten Wittgenstein´ erreicht werden (vgl. S. 87-96), durch den religiöse Ausdrücke wieder als sinnvolle rehabiliert würden. In den PU werde die Wortbedeutung nämlich nicht mehr als in dem Gegenstand liegend begriffen, für den das Wort steht, sondern als durch den Gebrauch in einer konkreten Situation bestimmt gedacht. Die verschiedenen Anwendungen des gleichen Wortes seien dabei als durch „Familienähnlichkeiten“ – nicht durch ein gemeinsames Wesen – verbunden aufgefasst. Just stellt damit die ‚anti-platonistische‘ Richtung der PU deutlich heraus (vgl. S. 90f), an späterer Stelle auch die ‚anti-psychologistische‘ (vgl. S. 154ff). Er führt sodann die Begriffe „Sprachspiel“ und „Lebensform“ ein, wobei er allerdings ersteres als Teil des letzteren begreift (vgl. S. 91) und nicht – wie es in Kap. 1.3.1. ausgeführt worden ist – als eine „Lebensform“, bei der gesprochen wird. Was nun für einzelne Wörter gelte, sei ebenfalls für ganze Sätze gültig. Auch ihr Sinn ergebe sich erst im Gebrauch und könne demnach für äußerlich gleiche Zeichenfolgen höchst unterschiedlich sein. Für Justs Fragestellung ist daran folgendes Ergebnis wichtig: „Wittgenstein hat in seinen PU die naive Identifizierung von Verifizierbarkeit und Sinn ad absurdum geführt und den Sinnbegriff in die Nähe der Wörter `Funktion´ und `Gebrauch´ gebracht.“ (S. 92)

Jetzt sei kein normierendes Sinnkriterium mehr gefragt, sondern der Sinn aus dem „Sprachspiel“ selbst zu entnehmen. Daraus ergebe sich die Frage, ob dann überhaupt noch von sinnlosen Aussagen gesprochen werden kann; aber, wie Just richtig bemerkt, auch für die PU gebe es „unsinnigen Sprachgebrauch“ (S. 93), der mit einer als Methode verstandenen Philosophie aufgedeckt werden müsse. Z.B. müsse diese darauf hinweisen, wenn Aussagen aus den „Sprachspielen“, in die sie gehören, herausgerissen werden und dadurch (‚platonistische‘) WesensFragen provozierten. Als weiteren Fehler nennt Just falsche Analogie-Bildungen innerhalb der Wortarten, wenn z.B. intentionale Verben derart behandelt werden, als ob sie eine körperliche Tätigkeit ausdrückten. Dabei überdecke die „Oberflächengrammatik“ die „Tiefengrammatik“ (vgl. PU § 664). Diese sinnkritische Dimension des `späten Wittgenstein´ sei in der Rezeptionsgeschichte weitgehend vernachlässigt worden, während das Beachten des Kontextes einer Aussage vielfach praktiziert worden sei. – Mit diesen Bemerkungen lässt Just seine Wittgenstein-Darstellung zunächst bewenden. Nach der Vorstellung der Konzeptionen anderer, der `ordinary language philosophy´ verbundener Denker, von denen vor allem Austins `Sprechakttheorie´ mit ihrem Hinweis auf den illokutionären Aspekt der Sprache von Just als fundamentaltheologisch wichtig eingestuft wird (vgl. S. 127-134), kommt Witt-

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genstein erst im Schlussteil der Arbeit wieder in den Blick. Hier zeigt sich dann auch, dass Austin und Wittgenstein zwar zu bestimmten `Sprechakt´- und Wortanalysen (z.B. von `glauben´ [S. 144-149]) anregen, die helfen, theologische Missverständnisse zu vermeiden, dass aber auch der gesamte Ertrag der Beschäftigung mit der sprachanalytischen Philosophie in dieser sinnkritischen Dimension gesucht wird. Es ginge lediglich darum, den „kritischen Impuls der analytischen Tradition zu bewahren“ (S. 160), der für die Theologie vor allem darin bestehe, darauf zu achten, dass sich ihre Sprache nicht zu sehr vom lebenspraktischen Gebrauch religiöser Äußerungen entferne (vgl. S. 152f). Die historische Dimension der Rede von „Familienähnlichkeit“ wird z.B. ebenso wenig erkannt wie die Bedeutung der Auffassung vom „Regelfolgen“. So ist verständlich, dass Just zur Ergänzung der sprachanalytischen Philosophie, nämlich zum Verstehen der Geschichte und von Texten, die nicht mit den Lesern in ein „Sprachspiel“ eintreten könnten, die traditionelle Hermeneutik einfordert.557 Diese stehe nämlich nicht im Widerspruch zu ihr, sondern könne mit ihr kombiniert werden, wenn sie denn „nicht die psychologistischen Vorstellungen Schleiermachers und Diltheys“ (S. 158) reproduzierte. Wie eine derartige Hermeneutik strukturiert sein müsste, erklärt Just nicht.558 Es ist zu fragen, ob die geforderte Kombination tatsächlich praktizierbar ist, versteht sich die „Sprachspiel“-Konzeption, obzwar sie in vielen ihrer Resultate mit der Hermeneutik übereinstimmt, doch in mancherlei Hinsicht gerade als Kritik hermeneutischer Grundannahmen.559 557

An dieser Stelle erweist sich wiederum, zu welchen Konsequenzen eine Ausweitung der grundlegenden Begriffe des PU-Sprachparadigmas führt. Just schreibt a.a.O., S. 156: Geschichtliches Verstehen wäre mit Wittgenstein deshalb schwierig zu denken, da er „die Möglichkeit des Verstehens von der Gemeinsamkeit der Lebensform abhängig gemacht hat. Wie aber, wenn ich mich in der Situation des Interpreten historischer Texte befinde und insofern nicht am Leben der dort Redenden teilhaben kann?“ Dies ist vor allem dann ein Problem, wenn „Lebensform“ als Synonym für `Kultur´ o.ä. aufgefasst wird; bleibt man bei „Lebensform“ als einer kleiner Einheit – wie z.B.: ein Buch lesen, etwas trinken, sich begrüßen – wird der Hermeneutiker darauf gelenkt, wie viel er bereits `verstehen´ kann, bevor er den weiteren geschichtlichen Zusammenhang – oder im Synchronen: den Kontext einer fremden Kultur bzw. einer fremden Person – mit einbeziehen muss. 558 Auch W. Schenk resümiert in seiner Rezension: „So gelangt die Arbeit nicht über das Postulat einer `sinnvolle(n) Kombination von hermeneutischen und sprachanalytischen Methoden´ (160) hinaus.“ (Ders., ThLZ 101 (1976), Sp. 956f, hier: 956.) – Weniger polemisch könnte man feststellen, dass sie eben mit diesem Postulat endet, weil die Sinnfrage aus Sicht des Verfassers gerade nicht mit den Mitteln der sprachanalytischen Philosophie, die zu untersuchen er sich zur Aufgabe gemacht hatte, allein zu lösen ist. 559 Dennoch sind einige instruktive Brückenschläge versucht worden, deren Diskussion aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Vgl. vor allem T. Rentsch, Heidegger und Wittgenstein. Existenzial- und Sprachanalysen zu den Grundlagen philosophischer Anthropologie, Stuttgart 1985 (vgl. Kap. 2.2.).

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Aus Sicht der vorliegenden Untersuchung kommt dieser Vorschlag also vor allem deshalb zustande, weil Just – geleitet durch seine Fragestellung – die Spätphilosophie Wittgensteins nur in verkürzter Weise wahrnimmt. Zwar erkennt er durchaus entscheidende Stoßrichtungen des Wittgensteinschen Denkens, befragt sie aber nicht konsequent nach ihrer Bedeutung für einen theologischen Ansatz. Immerhin besteht sein Verdienst darin, darauf hingewiesen zu haben, dass das Sprachparadigma der PU der religiösen Sprache ermöglicht, sich als sinnvolle Rede zu begreifen. 2.2.1.3. Joachim Track – oder: Das Wort `Gott´ als Nominator These: Track geht es um die Verstehbarkeit des Wortes `Gott´. Eine christliche Daseins- und Handlungsorientierung, die die Bezeichnung `Gott´ als einen synkategorematischen Ausdruck auffasse, müsse dabei notwendigerweise ergänzt werden durch eine religiöse Erfahrung, die `Gott´ als Eigenname spezifiziere, da sonst die Ersetzbarkeit des Wortes `Gott´ durch andere Ausdrücke denkbar wäre. Der hier zu vollziehende „Überschritt“, der erst als solcher die Annahme des Transzendenz-Gedankens bewirke, bleibe allerdings letztlich Gott selbst anheim gestellt. – Es ist zu fragen, ob diese Vorstellungen das tatsächliche Funktionieren der Sprache treffen. Schon die vorausgesetzten Kategorisierungen sind auf dem Hintergrund der PU fragwürdig. Mit Wittgenstein ist demgegenüber festzustellen, dass die Rolle eines Begriffs innerhalb bestimmter „Sprachspiele“ den Beteiligten deutlich ist bzw. sich im Laufe eines „Sprachspieles“ herausstellt. So kann auch der Ausdruck `Gott´ sowohl als allgemeiner Begriff als auch als Eigenname fungieren – und für das Verständnis der letzteren Variante muss nicht unbedingt der Umweg über eine zu postulierende religiöse Erfahrung gesucht werden. In seiner 1977 erschienenen Habilitationsschrift „Sprachkritische Untersuchungen zum christlichen Reden von Gott“560 will Joachim Track „die Chancen, die sich aus einem Dialog mit der analytisch orientierten Philosophie für die Untersuchung der religiösen Sprache ergeben“ (S. 14), aufzeigen. Dazu wird zunächst ein Überblick über die sprachanalytische Philosophie gegeben (S. 16-108), an dem hier vor allem interessiert, wie Wittgenstein interpretiert wird. Nach Auffassung Tracks werde erst im TLP das Wissen um „den transzendentalen Charakter von Sprache“ (S. 59) in seiner ganzen Bedeutung erkannt. Erkenntnis werde erstmals hier durch Sätze wie „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ (TLP 5.6) als gänzlich sprachgebunden be560

Vgl. J. Track, Sprachkritische Untersuchungen zum christlichen Reden von Gott, Göttingen 1977 (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Bd. 37). – Die in diesem Kapitel im Text angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Buch.

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schrieben, das transzendentale Subjekt somit neu bestimmt. Wittgenstein suche vor allem zu zeigen, dass die sprachliche Aufgliederung der Welt in „Gegenstände“, die nur innerhalb von „Sachverhalten“ gegeben sind, der Entscheidung über Wahrheit und Falschheit bereits der elementarsten Sätze vorausgehe, dass aber darüber, wie sinnvoll diese Aufgliederung ist, nichts gesagt werden könne. So seien auch „Sätze“ einer Philosophie, die Lehre sein wolle, „unsinnig“ (vgl. S. 61-64). Track kritisiert vor allem die Ontologie des TLP, da die ihr zugrunde liegende Prämisse der Existenz des Schlechthin-Einfachen und der einen Zergliederung der Welt nicht haltbar sei. Weiterhin sei das Exaktheitsideal verfehlt; auch über Status und Funktion von Meta-Aussagen müsse man anderer Meinung sein (vgl. S. 64-66). – Tracks Interpretation des Wittgensteinschen Frühwerkes tendiert dahin, „Sprache“ und „Welt“ nicht mehr recht miteinander vermittelt zu denken, d.h. die reale Erkenntnisfunktion von Sprache – so wie sie im TLP gedacht ist – unterzubewerten, weil er vor allem die TLP-Prämisse von der Vorgängigkeit des logischen Raumes vernachlässigt. Seiner Kritik der TLP-Ontologie als solcher ist allerdings zuzustimmen. An „Wittgenstein II“ (S. 77-89) hebt Track zunächst dessen Selbstkritik hervor. Sie betreffe das Exaktheitsideal, die damit verbundene einseitige Betrachtung von Sprache in ihrer nur deskriptiven Funktion, den „Logischen Atomismus“ mit seiner nur einen Zergliederung der Welt und die Überzeugung, „daß Wörter Bedeutung haben, weil sie Namen für Gegenstände sind“ (S. 78), obwohl doch die Bedeutung im Gebrauch eines Zeichens liege, d.h. in seiner Verwendung im „Sprachspiel“. Das alles verweise darauf, dass man hinter die Umgangssprache als Basis philosophischer bzw. theologischer Reflexion nicht zurückkomme. Zur Lösung philosophischer Scheinprobleme, die die „Bildungssprache“ uns aufdränge, bleibe man auf die Untersuchung der Alltagssprache angewiesen, wie Wittgenstein anhand des `Privatsprachenargumentes´ zeige (dazu vgl. aber Kap. 1.3.2.3.). In seiner „Stellungnahme“ (S. 85-89) betont Track, dass Wittgenstein „die Einsicht in den transzendentalen Charakter der Sprache“ (S. 85) wahre und nun mit der Erkenntnis verbinde, dass es unzählig „verschiedene Möglichkeiten sprachlicher Aufgliederung“ (S. 86) der Welt gebe, was durch die Mannigfaltigkeit der „Sprachspiele“ verdeutlicht werde. Track vermisst dabei allerdings eine „Unterscheidung zwischen Einführungssituationen und Redeverwendungssituationen“ (ebd.), die er in Anlehnung an K. Lorenz vornehmen möchte. 561 Die Situation des Erlernens von Wörtern – darin besteht ein Hauptanliegen Tracks – möchte er besonders ausgezeichnet wissen. Es ist deutlich, dass Track weder das ‚mehrdimensionale Sprachparadigma‘ der PU noch die auf ihm aufbauende Methodik mit ihren philosophischen und 561

Vgl. K. Lorenz, Elemente der Sprachkritik, S. 154ff.

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theologischen Implikationen in ihrer ganzen Tragweite erfasst. Deshalb kann Wittgenstein im Verlaufe der weiteren Argumentation auch keine zentrale Rolle spielen, obwohl z.B. das `Kontextprinzip´ immer wieder angeführt wird. Wichtiger ist Track die durch K. Lorenz und W. Kamlah/P. Lorenzen562 vertretene „konstruktivistische Position“, die einen logischen Begründungsaufbau von Aussagen versucht und dadurch verständnisvolles Reden (re-)konstruieren will. Aus Sicht der Wittgensteinschen Spätphilosophie – man denke nur an die ‚Offenheit des Regelfolgens‘ – ist nicht nur die Vorstellung eines derart starr gedachten sukzessiven Sprachaufbaus fragwürdig, sondern bereits die schon angesprochene grundlegende Unterscheidung von „Redeeinführungs- und Redeverwendungssituation“ (S. 104), wobei erstere als unerlässliche Prämisse jeglichen verstehbaren Redens angesehen werden soll und z.B. in einem Dreischritt vollzogen werde (Erlernen einer Handlung; Erlernen des Aussprechens eines Wortes; Herstellen des Zusammenhangs). Zwar ist auch in den PU von „Mustern“ die Rede und es wird auch dort komplexer Sprachgebrauch als aus einfachen „Sprachspielen“ zusammengesetzt gedacht, die weitergehende Einsicht ist jedoch die, dass Handlung und Wort im „Sprachspiel“ als einer „Lebensform“ zusammenfallen und Verständnis nicht an ein vorgängiges Erklären gebunden ist (vgl. Kap. 1.3.1.). Track überschätzt die Bedeutung von „Einführungssituationen“, da er das Entstehen von Sinnhaftigkeit im Vollzug der „Sprachspiele“ unterbewertet. Seine weiteren umfangreichen und sehr differenzierten Analysen, die von einer „Klassifizierung des Redens von Gott“ (S. 175-187) ausgehen und die verschiedenen Möglichkeiten der Auffassung des Wortes `Gott´ (als Nonsens, als Pseudokennzeichnung, als synkategorematischem Ausdruck oder als Nominator) durchspielen, weisen dann auch ein eher bescheidenes Ergebnis auf: Eine christliche Daseins- und Handlungsorientierung, die hauptsächlich als psychische Disposition beschrieben wird (vgl. S. 264-278)563, könne den Gebrauch des Wortes `Gott´ zunächst nur als synkategorematischen Ausdruck lehren, also als einen Begriff, der nur in einem bestimmten Zusammenhang, nicht aber von sich aus Träger von Bedeutung sei. Dann aber sei nicht deutlich, warum er nicht auch durch andere Bezeichnungen ersetzt werden könne. 564 Track sieht nicht, dass die „Sprachspiel“-Analyse aufzeigen könnte, dass dann tatsächlich auch andere „Sprachspiele“ gespielt würden. Stattdessen ist er der Auffassung, dass die mögliche Ersetzung durch andere Begriffe einzig dadurch vermieden werden könne, dass `Gott´ zusätzlich als Eigenname eingeführt wer562

Vgl. vor allem W. Kamlah/P. Lorenzen, Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens, Mannheim 1967. 563 Als Beispiele seien die Bereitschaft zur Weitergabe selbst erfahrener Liebe und die Einsicht, dass zum Leben auch das Leiden gehöre, genannt. 564 Vgl. Kap. 2.1.1., wo am Beispiel Paul M. van Buren´s der Versuch der Ersetzung der „kosmologisch-ontologischen Sprach-Garnitur“ vorgestellt worden ist.

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de; und nur als Nominator könne er wirklich auf Transzendenz verweisen und im christlichen Sinne verstanden werden. Diese Einführung und der darin zu vollziehende „Überschritt“ (S. 285) zur Annahme einer Transzendenz könne nur durch eine „zur Klasse der Erschließungserfahrungen“ gehörende (S. 283) religiöse Erfahrung geschehen, die von der Kirche zwar vorbereitet werden könne, aber nicht in ihrer Verfügungsgewalt stünde. Auch in einem solchen Ansatz erweist sich also – und darin geht die vorliegende Untersuchung mit Track zunächst konform – , dass Gott „nicht denknotwendig erkennbar“ ist (S. 310) und christliche Rede, die `Gott´ als Nominator begreift, auf „das Offenbarungsgeschehen“ (ebd.) angewiesen ist. Dass diese `Offenbarung´ aber nicht nur die in Jesus Christus geschehene allein sein könne, sondern darüber hinaus allen Gläubigen – auf welche Weise auch immer565 – zuteil werden müsse, damit sie ein adäquates `Gottes´-Verständnis haben könnten, ist ‚sprachanalytisch‘ nicht nachvollziehbar. Es ist äußerst zweifelhaft, dass `Gott´ als Eigenname nur dann verstanden werden kann, wenn man dieses Wort zuvor auch als synkategorematischen Ausdruck kennen gelernt und dann durch ein bestimmtes Ereignis näher spezifiziert erlebt habe. Dass z.B. das Gefühl der „absoluten Sicherheit“ (vgl. Kap. 1.2.2.) im Zusammenhang der religiösen „Sprachspiele“ als Widerfahrnis aufgefasst werden kann, das dem `Vater Jesu Christi´ – `Gott´ also verstanden als Nominator – zu verdanken ist, ist bereits Folge des Anerkennens derjenigen „Sprachspiele“, in denen `Gott´ als Eigenname fungiert. Der „Überschritt“, der Sprung in den Zirkel christlichen Verstehens, geschieht demnach schon vorher (vgl. Kap. 2.1.3.). Diese Zirkularität wird bei Track aber nicht reflektiert; hier wahrt er gerade nicht „die Einsicht in den transzendentalen Charakter der Sprache“ (S. 85), die er bei Wittgenstein gelernt haben will. Es müssen für den `Glauben´ eben nicht noch zusätzlich bestimmte religiöse Erlebnisse gefordert werden, um `Gott´ z.B. als `Vater Jesu Christi´ anerkennen zu können (vgl. auch Kap. 1.3.3. ‚Ad „Anti-Psychologismus‘“); sonst müssten alle diejenigen, die nicht auf derartige religiöse Erfahrungen verweisen können oder wollen, zugestehen, dass sie – sprachanalytisch gesehen – an `Gott´ nur als einen synkategorematischen Ausdruck glauben, obwohl sie ihn doch als Nominator verstehen. 566 565

Wie diese religiöse Erfahrung genau aussehe, könne nach Track nicht gesagt werden, da die „Sprachspiele“, in deren Horizont dieses Erlebnis stattfinde, es zwar als eben diese religiöse Erfahrung erkennen ließen (vgl. S. 287 mit Bezug auf Wittgensteins Äußerungen über Schmerz-Erleben), es jedoch nicht konkret vorherbestimmen könnten. 566 Auch in späteren Beiträgen beharrt J. Track darauf, dass „religiöse Erschließungserfahrungen“ als „Gründe die zu einer Weltsicht führen, ... zu benennen“ sind (vgl. ders., Lebensform, Bild und innere Erfahrung. S. 151-168, in: W. Vossenkuhl, (Hg.), Von Wittgenstein lernen, Berlin 1992, hier: S. 168). – In dem hier zitierten Beitrag ist – abgesehen von der Tatsache, dass nun auch ÜG und die Texte der Mittelphase Wittgensteins Berücksichtigung finden (BFGB und VuG) – keine Änderung gegenüber der Argumentation in der Habilitationsschrift festzustellen.

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So könnte denn auch im Sinne des TLP der vorgestellte „Konstruktivismus“ gefragt werden: Ist nicht der „Name“ sogar das Einfachere und deshalb das Vorgängige? Oder im Sinne der PU: Was ist denn überhaupt das Einfachere? – Die Vorstellung, dass erst eine Charakterisierung getroffen sein müsste, d.h. erst die Prädikationen erfragt werden müssten, bevor benannt werden kann, stammt aus der Analyse wissenschaftlicher Typisierungen, wo sie – auch als Meta-Theorie – ihr gutes Recht hat. Bezogen auf das Verständnis des Wortes `Gott´ stiftet sie aber eher Verwirrung. 2.2.1.4. Dietrich Ritschl – oder: Das ‚Story-Sprachanalyse-Konzept‘ These: Ritschl möchte auf die „Logik der Theologie“ aufmerksam machen, d.h. auf die „impliziten Axiome“, durch die sie und zugleich die „Story“, auf die sie bezogen ist, reguliert wird. Nur aufgrund dieser „regulativen Sätze“ werde die „Story“ von Israel und der Kirche zusammengehalten, ohne sie würde diese in viele unverbundene „Einzelstories“ zerfallen. – Diese Einsicht Ritschls erinnert an Wittgensteins Rede von „grammatischen Sätzen“ bzw. „Gewißheiten“. Von einer umfassenden Wittgenstein-Rezeption kann bei Ritschl allerdings nicht gesprochen werden. Mit seinem Buch „Zur Logik der Theologie“567, das als Entwurf zu einer dreibändigen Systematischen Theologie gedacht war568, sorgte Dietrich Ritschl Mitte der achtziger Jahre für einiges Aufsehen, war es doch – neben Dalferth, Just und Track – einer der wenigen Versuche eines deutschsprachigen Theologen, Überlegungen aus der sprachanalytischen Philosophie in höherem Maße zu berücksichtigen. Dabei war er von der Wichtigkeit des Beitrages dieser philosophischen Strömung überzeugt: „Was Kants Kritiken für die Theologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts bedeuteten, wird die Analytische Philosophie für die Theologie des ausgehenden 20. und des kommenden Jahrhunderts leisten können.“ (S. 28)

Das Buch gliedert sich in drei Teile: Im ersten soll eine „Sichtung des Gegenstandsfeldes der Theologie“ (S. 25-151) unternommen werden, dann folgt „Die Suche nach der Wahrheit“ (S. 153-270) und „Der Weg zur Ethik und Doxologie“ (S. 271-345). Diese Abschnitte sind auch überschrieben mit „Das Feld“, 567

Vgl. D. Ritschl, Zur Logik der Theologie. Kurze Darstellung der Zusammenhänge theologischer Grundgedanken, München 1984. Die Seitenzahlen im Text dieses Kapitels beziehen sich auf dieses Buch, das nach der 2. Aufl. 1988 zitiert wird. – Zum Story-Begriff und einigen weiterführenden Überlegungen dazu vgl. auch Kap. 2.2.2.8. 568 Leider ist diese bisher noch nicht erschienen, so dass hier auf das genannte Buch zurückgegriffen werden musste.

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„Die Theorie“ und „Die Bewährung“, wobei der Verfasser sich aufgrund der gegenseitigen Durchdringung der Fragestellungen auch eine andere Reihenfolge der Darbietung vorstellen kann (S. 25). Bereits im ersten der „Vorworte“ scheint sich eine Anspielung auf Wittgenstein zu finden: „Hat die Theologie überhaupt eine Logik? Logik im Sinn von Grammatik, die der Sprache das Zerfallen in Gedankensplitter und damit in die Zerstörung von Kommunikation verbietet, hat die Theologie schon. ... Es gibt `implizite Axiome´, `regulative Sätze´, die im Denken und Handeln der Gläubigen einen Unterschied machen, die eine bestimmte Logik haben. Ein großer Teil von ihnen – oder sind es die wichtigsten? – ist den Gläubigen aller Konfessionen gemeinsam. Sie gilt es aufzuspüren.“ (S. 13)

Beim Lesen dieser Zeilen könnte man vermuten, dass versucht werden soll, „Theologie als Grammatik“ im Sinne von PU § 373 zu entwickeln. Allein schon die Beobachtung, dass der Ausdruck „Grammatik“ dann aber nur noch zweimal – beide Male kurz darauf – vorkommt, lässt den Verdacht aufkommen, dass Wittgenstein hier vielleicht zwar der Anreger einiger grundlegender Fragestellungen gewesen sein mag, dass er aber danach zunehmend aus dem Blickfeld gerät, obwohl häufig – zumindest via Literaturangabe – auf ihn verwiesen wird. Diese Annahme findet sich bestätigt, wenn im Zuge der „Sichtung des Gegenstandsfeldes“ der Blick auf „Die Elemente hinter der christlichen Alltagssprache“ (S. 39) gelenkt wird und zunächst „Bilder, Imaginationen, Symbole“ (S. 40) genannt werden, deren Wahrnehmung von psychologischer Analyse, nicht aber von sprachanalytischer Philosophie geleitet wird. Ebenso verdankt sich der „Story“-Begriff eher psychoanalytischen Vorstellungen als sprachanalytischen Untersuchungen: „Das im Begriff Gemeinte entnehme ich sowohl alttestamentlicher Wissenschaft als auch der Psychoanalyse. Ein Mensch (eine Gruppe) ist das, was seine Story erzählt und was er aus seiner Story macht. Sie ist das Bündel und die Heimat seiner Perspektiven“ (S. 22; vgl. S. 45-51).569

Der hier verwendete Begriff der „Story“ ist nicht zu verwechseln mit Entwürfen narrativer Theologie, insofern er stark in Verbindung gebracht wird mit „der Suche nach `impliziten Axiomen´ bzw. `regulativen Sätzen´“ (S. 47). Diese haben nun aber sowohl in ihrer Funktion – z.B. halten sie die „Story“ Israels und der Kirche zusammen und bewahren sie vor dem Auseinanderfallen in viele „Einzelstories“ – und ihrer Veränderbarkeit als auch in der mit ihrer Ausformulierung verbundenen Problematik große Ähnlichkeit mit den „grammatischen Sät569

Vgl. auch H. Jones/D. Ritschl, »Story« als Rohmaterial der Theologie, München 1976 (ThExh 192).

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zen“ bzw. den „Gewißheiten“ Wittgensteins (vgl. S. 142-144 und S. 150f, aber auch S. 154-156 u.ö.; s. dazu Kap. 1.3.). Deshalb wäre an dieser Stelle auch die Bezugnahme auf ‚sprachspielanalytische‘ Fragestellungen zu vermuten gewesen, sie bleibt jedoch aus. Überhaupt spielt der Begriff des „Sprachspiels“570 im Entwurf Ritschls ebenso wenig eine Rolle wie ein generelles Bedenken der Sprache als Medium theologischen Redens. Dennoch gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass der Autor sich mit sprachanalytischer Philosophie intensiv auseinander gesetzt und auch eine Vielzahl an Konsequenzen gezogen hat. So sind z.B. seine Polemik gegen „Ableitungen von Ableitungen von summierten Stories“ (S. 50), die nicht mehr in direkter Beziehung zu den „Stories“ stehen und nur noch eine irreführende Begrifflichkeit darstellen, bzw. seine Hinweise zu „Scheinproblemen“ überhaupt (S. 117-120) zu nennen und mit der Rede Wittgensteins vom Leerlaufen der Sprache (vgl. PU § 132) zu vergleichen. Ebenso ist Ritschls Begriff von Wahrheit anzuführen, der auf der Erfahrung beruht, „daß wir unsere Perspektiven `bewohnen´“ (S. 58) und nur aus ihr heraus die „Tatsachen“ (dieser Begriff wird explizit vom `frühen Wittgenstein´ übernommen [vgl. S. 22]) sehen. Ausdrücklich wird erwähnt, dass „wir ... Dinge immer im Modus des `Sehens-Als´“ (S. 56) wahrnehmen. Dabei sind es die „Stories“ eines Menschen, die aufgrund ihrer notwendigen inneren Kohärenz eine „Perspektive“ bzw. – um es mit Wittgenstein zu sagen – einen „Aspekt“ (vgl. PU S. 518ff) aufrichten. Damit vertritt Ritschl eine Position, die der ‚anti-aristotelischen Stoßrichtung‘ der PU durchaus gerecht wird (vgl. Kap. 1.3.2.2.). Von einer eigentlichen Wittgenstein-Rezeption ist aber bei Ritschl kaum zu sprechen, obwohl die Liste der Beispiele von Ähnlichkeiten fortgesetzt werden könnte. Es ist häufig nicht deutlich, ob diese tatsächlich sprachanalytischer Reflexion entspringen oder nicht doch andere Gründe haben. 571 So spricht der Autor zu Beginn des zweiten Teiles seines Werkes die Erwählungslehre als „Ursatz biblisch begründeten Bekenntnisses und damit jeder christlichen Theologie“ (S. 159) an, der „fundamentale regulative Sätze der Theologie“ (ebd.) nach sich ziehe (wie im Folgenden in Hinblick auf Ekklesiologie, Trinitätslehre, Christologie und Anthropologie entfaltet wird). Damit zeichnet er zwar nicht nur eine theolo570

„Sprachspiel“ kommt im gesamten Buch nur zweimal vor: Zum einen bei einem kurzen Hinweis auf die `Fideismusdebatte´ (S. 82), zum anderen im Rahmen der Bestimmung doxologischer Sprache, die Ritschls Auffassung nach „stets dazu tendiert, ein autonomes Idiom zu werden, ein sich von anderen Bereichen abhebendes Sprachspiel.“ (S. 335). Hier wird demnach die Meinung vertreten, dass „Sprachspiel“ einen größeren Komplex verschiedener Tätigkeiten bezeichnet (vgl. dagegen Kap. 1.3.1.). 571 So schreibt auch H.-G. Fritzsche in seiner Rezension, in: ThLZ 110 (1985), Sp. 765-768, hier Sp. 768: „Die Anfrage des Rez. ist: ob zu dem allem die sog. Analytische Philosophie (...) wirklich eine wesentliche Voraussetzung oder doch nur eine begleitende und ausschmückende Zutat (...) ist.“

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gische Einsicht nach, sondern entspricht ebenso den in der vorliegenden Untersuchung entwickelten sprachanalytischen Ergebnissen: Der Eintritt in den Zirkel christlichen Verstehens kann auch sprachanalytisch gesehen nur als ‚von außen‘, als von Gott, von der durch ihn erfolgenden „Erwählung“ her angestoßen begriffen werden (vgl. vor allem Kap. 1.3.3.). Warum dann aber eine „Logik der Theologie“ nicht direkt an diesem Punkt einsetzt und von dort aus auch all ihre anderen „regulativen Sätze“ entfaltet, ihre Ethik und ihre therapeutisch-doxologische Einstellung begründet (vgl. Teil III, S. 271-345) und sich der Weite ihres „Gegenstandsfeldes“ bewusst wird, hat seinen Grund bei Ritschl sicherlich auch darin, dass solch ein Einsatz nicht als Konsequenz sprachanalytischen Philosophierens im Blick ist. 2.2.2. Intensivere Wittgenstein-Rezeption These: Erst Ende der 80er Jahre beginnt in Deutschland eine Wittgenstein-Rezeption, die wirklich auf einer intensiveren Auseinandersetzung mit seinem bis dahin publizierten Gesamtwerk basiert. Insofern wächst der Einfluss seiner Gedanken auf bestimmte theologische Entwürfe erheblich. In den folgenden Unterkapiteln werden mit Ernstpeter Maurer (Kap. 2.2.2.1.), Thomas Niedballa (Kap. 2.2.2.2.), Hans-Peter Großhans (Kap. 2.2.2.3.), Regine Munz (Kap. 2.2.2.4.), Thomas Wabel (Kap. 2.2.2.5.), Martin Laube (Kap. 2.2.2.6.), Swantje Eibach-Danzeglocke (Kap. 2.2.2.7.) und Andreas Hunziker (Kap. 2.2.2.8.) allesamt theologische Dissertationen im Bereich des deutschsprachigen Protestantismus vorgestellt, für die Wittgenstein eine zentrale Bedeutung hat.572 Sie sind allerdings in den Konsequenzen, die sie daraus für ihre jeweiligen Themenstellungen ziehen, durchaus nicht immer kongruent und stellen insgesamt gesehen eine große Bandbreite der Wittgenstein-Rezeption dar. 2.2.2.1. Ernstpeter Maurer – oder: Eine ungewöhnliche Barth-Analyse These: Maurer erhebt den Anspruch, die in den Prolegomena der „Kirchlichen Dogmatik“ Karl Barths implizit enthaltene theologische Semantik herauszuarbeiten. Dies gelingt insbesondere durch eine Parallelisierung mit der ‚Sprachspielkonzeption‘ des `späten Wittgenstein´. – Die Übereinstimmungen, die Maurer zwischen Barth und Wittgenstein konstatiert, sind keineswegs künstlicher 572

Mit der Darstellung dieser Arbeiten ist hier keineswegs der Anspruch auf Vollständigkeit verknüpft; die wesentlichen Merkmale der neueren Wittgenstein-Rezeption sollten an ihnen allerdings deutlich werden können.

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Natur, sondern lassen das Projekt „Theologie als Grammatik“ (PU § 373) als in der KD bereits vollzogen erscheinen. – Es geht allerdings nicht nur darum, mit Maurer zu erkennen, dass die sprachanalytisch aufweisbare Vorgängigkeit der Außenwelt mit der der Anrede Gottes parallelisiert werden kann. Vielmehr wäre sogar der theologische Einsatz bei dieser Anrede als sprachanalytisch notwendig zu begreifen. In seiner 1987 abgeschlossenen und 1989 leicht überarbeitet erschienenen Dissertation „Sprachphilosophische Aspekte in Karl Barths `Prolegomena zur Kirchlichen Dogmatik´“ 573 unternimmt Maurer den Versuch, sprachanalytische Philosophie – vor allem die des `späten Wittgenstein´ – auf Karl Barths „Kirchliche Dogmatik“ (KD) zu beziehen. Durch diese ungewöhnliche Perspektivierung soll ein besseres Verständnis der bei Barth immer nur implizit zum Ausdruck gebrachten „theologischen Semantik“ der KD – „über das ... Programm einer christologischen Begründung hinaus“ (S. 11) – erreicht werden. Dazu geht Maurer in zwei Schritten vor: Er unternimmt zunächst – im Anschluss an die die Verbindung zu der Fragestellung der hermeneutischen Tradition aufzeigende Einleitung (S. 11-29) – eine „strukturell-immanente Rekonstruktion“ (S. 13) der dem Gesamtprozess Barthscher Theologie zugrunde liegenden Methodik (S. 31123), die sodann mit der „Sprachspiel“-Konzeption der PU in Verbindung gebracht wird (S. 125-341, besonders S. 125-193). Durch diesen Schritt könne „zur Verschärfung der Kriterien für das Reden von Gott bei(ge)tragen“ (S. 15) und verdeutlicht werden, dass Barths Ablehnung einer religionsphilosophischen Fundierung von Theologie auf semantischen Gründen beruhe, die konform gingen mit der Spätphilosophie Wittgensteins. Dessen Frühphilosophie wird unter Verweis auf Dalferth (vgl. Kap. 2.2.1.1.) bereits in der Einleitung als „theologisch unbrauchbar“ (S. 16) erwähnt und später als Negativfolie immer wieder eingebracht; auf die mystische Grundhaltung des TLP bzw. dessen ‚radikalnegativtheologische‘ Überzeugungen (vgl. Kap. 1.1.6. und 1.1.7.) wird allerdings nicht hingewiesen. Dagegen wird – unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass trotz des ‚Unsinnigkeitsverdikts‘ weiterhin religiös geredet werde – behauptet, dass dieses Reden sich selbst vor dem Hintergrund des Sprachparadigmas des TLP nur noch als ein Reden „über Gott“ (S. 16) im Sinne Bultmanns 574 begreifen könne, weil es `Gott´ definitorisch fest573

Vgl. E. Maurer, Sprachphilosophische Aspekte in Karl Barths `Prolegomena zur Kirchlichen Dogmatik´, Frankfurt am Main 1989 (Europäische Hochschulschriften Reihe XXIII, Bd. 357). Die Seitenangaben in diesem Unterkapitel beziehen sich auf dieses Werk; dort Unterstrichenes wird hier kursiv wiedergegeben. – Vgl. ebenfalls: ders., Biblisches Reden von Gott – ein Sprachspiel? Anmerkungen zu einem Vergleich von Karl Barth und Ludwig Wittgenstein, in: EvTh 50 (1990), S. 71-82. Hier wird versucht, in den in der Dissertation vorgestellten Denkansatz einige Gedanken Hegels zu integrieren. 574 Vgl. R. Bultmann, Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden?, in: ders., Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze Bd. I (GuV I), 8. Aufl., Tübingen 1980, S. 26-37.

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legen müsste; das aber sei theologisch gesehen nicht möglich. – Diese Bemerkung Maurers birgt aber einen Selbstwiderspruch: Mit Hilfe des TLP-Sprachparadigmas kann das Wort `Gott´, soll es Transzendenz intendieren, überhaupt nicht „sinnvoll“ benutzt werden – selbst wenn man es definitorisch festlegte; es kann so nicht einmal „über Gott“ gesprochen werden. Maurer denkt nun nicht weiter über Argumente nach, dieses Sprachparadigma aus sich selbst heraus zu überwinden, sondern leitet mit dem genannten Hinweis über zu der Darstellung Bultmanns, an die sich kurze Beschreibungen der Gedanken von Ebeling, Fuchs und Jüngel anschließen (S. 16-24). Sie alle versuchten, auf hermeneutische Weise die Engführung des Sprachparadigmas zu vermeiden, und sind sich nach Maurer darin einig, dass großes Gewicht auf das jeweilige Ereignis des Sprachvollzugs gelegt werden müsse. Sprache müsse ihrer Auffassung nach als ein komplexes Geschehen begriffen werden, in dem die Konkretisierung menschlicher Existenz wichtiger sei als starre begriffliche Beziehungszusammenhänge. Erst diese Art der Überwindung des Paradigmas bloßer Deskriptivität und damit auch der Dichotomie von Sprache und Welt (vgl. Kap. 1.3.2.3.) ermögliche es nach hermeneutischer Ansicht, das Wort Gottes in seinem Begegnungscharakter ernst zu nehmen und es als `An-Spruch´ zu erkennen. Nach Maurer stelle sich dann allerdings die schwer wiegende methodologische „Frage, ob der Verweis auf die Konvergenz von existenzieller Entscheidung und Fraglichkeit der Wirklichkeit durch methodologische Präzisierung zu ersetzen ist“ (S. 25), z.B. durch den Bezug „auf begrenzte und bestimmte Sachverhalte“ (ebd.), die derart ausgezeichnet werden müssten, dass mit ihnen eine „quasi-induktive Theoriebildung“ (S. 33) möglich werde. Systematisch-theologisches Denken könne und müsse nämlich bestimmte Geschehnisse auf besondere Art in den Blick nehmen und sie dadurch als Erkenntnis erschließende Sachverhalte identifizieren. Dieser Überlegung korrespondiere Barths Forderung nach strenger Vorordnung der Realität des Dreieinigen Gottes vor begrifflichem Denken bzw. nach der Normierung der Verkündigung am biblischen Reden, aber letztlich auch sein Verzicht auf eine auf das menschliche Subjekt konzentrierte existenzialphilosophische Begründung. Die externe Dimension des Anspruch-Geschehens findet nach Maurer Entsprechungen in der Sprachauffassung des `späten Wittgenstein´, wenn dieser auf der vielfältigen Verflechtung von Sprache und Welt und sich daraus ergebender unterschiedlicher Sprachvollzüge, diverser „Sprachspiele“, insistiere. Zudem macht Maurer als weitere Parallele auf Wittgensteins „methodischen `Behaviorismus´“ (S. 27) aufmerksam, der bei Barth dem Verzicht auf existenzialphilosophische Begründungsmuster entspreche. Bei beiden werde das Dass psychischer Vorgänge nicht geleugnet, wohl aber die Schlüsselrolle ihres Wie bestritten.

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Maurers Einordnung Wittgensteins als eines `methodischen Behaviouristen´ ist – bei einem engen Verständnis dieser Bezeichnung – sicherlich nicht haltbar, da Wittgenstein unter bestimmten Voraussetzungen Introspektionsargumente durchaus zulässt (vgl. Kap. 1.3.2.5.). Der Pointe, auf die Maurer hinaus möchte, ist aber zuzustimmen: Die Analyse innerer Vorgänge kann ohne direkten Bezug auf die mit ihnen verbundenen „Sprachspiele“ auch für Wittgenstein keinen heuristischen Wert haben, weil die damit vorgenommene Ausblendung der Außenwelt der unhintergehbaren Vernetzung von Sprache bzw. Erkenntnis und Welt nicht gerecht wird. Hier kann man also durchaus eine Entsprechung zu der Barthschen Absage an existenzialphilosophische Begründungsversuche entdecken. Dass die Parallele allerdings auf andere Weise noch ein Stück weiter geht, sieht Maurer nicht. Es geht nicht nur darum, mit Wittgenstein den Anspruch der Außenwelt als vorgängig zu erfassen, sondern auch darum, mit Hilfe der „Sprachspiel“-Analyse zu sehen, dass der theologische Einsatz nicht nur nicht bei der Innenwelt, sondern auch nicht bei der Außenwelt sein kann. Beschränkte man sich auf den erstgenannten Aspekt wäre nämlich nicht einsichtig zu machen, warum nicht auch mit einer in der Immanenz verbleibenden allgemeinen Analyse der Außenwelt begonnen werden sollte. Dann aber könnte nicht mehr erklärt werden, warum religiöse „Sprachspiele“ nicht ohne semantischen Verlust um den mit `Gott´ verbundenen Transzendenz-Anspruch gekürzt werden können (vgl. Kap. 1.3.3.). – Um in den Zirkel christlichen Verstehens zu gelangen (vgl. Kap. 2.1.2.2.), bedarf es – auch sprachanalytisch gesehen – des Hereingenommenwerdens durch Gott selbst, d.h. der Anfang liegt bei ihm. – Diese Konsequenz der „Sprachspiel“-Analyse wird bei Maurer nicht erwähnt. Nach seinen ersten Hinweisen auf eine Parallelisierung von Barth und Wittgenstein, wendet er sich vielmehr – um nicht vorschnell bestimmte Ähnlichkeiten zu hoch zu bewerten – nun zunächst der KD zu. Die semantischen Implikationen ihrer Prolegomena sollen durch immanente Analyse zutage gebracht werden. Dabei soll das Augenmerk weniger auf die inhaltliche Auffüllung bestimmter Ausdrücke, sondern auf die Klärung der „`Superstruktur´“ (S. 31) gerichtet sein. Für eine äußerst wichtige Problematik der Prolegomena hält Maurer „das Verhältnis von Form und Inhalt oder Gestalt und Gehalt der Rede von Gott“ (S. 32). Barths Lösungsangebot nennt Maurer „anhypostatische Semantik“ (S. 33): Diese Bezeichnung soll verdeutlichen, dass der Gehalt von seiner sprachlichen Gestalt nicht zu trennen ist, sondern nur durch sie evident wird, selbst wenn er ihr nicht ent-, sondern widerspricht. Rede von Gott ist damit nicht reflexiv absicherbar, sie ist auf Gott selbst, auf seine Selbstdarstellung, angewiesen, d.h. aber auch auf die durch ihn selbst pneumatisch gestiftete Evidenz. Somit ist dem Menschen das Wort Gottes nur „in dieser doppelten Indirektheit“ (S. 34) gegeben: Sowohl seine Gestalt als auch deren Interpretation sind auf Gott selbst an-

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gewiesen. Das menschliche Erkenntnisvermögen ist nicht von sich aus imstande, die hier vorhandene Differenz – die „`hermeneutische Lücke´“ (S. 35) – zu überbrücken, sondern bedarf des Heiligen Geistes. Damit ist aber auch jegliche intensionale Theoriebildung ausgeschlossen und ontologische Sätze können nur „als Klasse der theo-logisch (sic) wahren Sätze“ (S. 33) begriffen werden. Sie werden zu „einer Funktion der Theoriebildung, nämlich ... (zur) Explikation ihrer Grundstrukturen“ (S. 95), d.h. „es handelt sich um Denkfiguren, welche für das singuläre Ereignis `Wort Gottes´ transparent sind“ (ebd.). Sie können ähnlich wie „Dogmen“ nur als „Approximationen“ (S. 36) begriffen werden und müssen notwendig in Indirektheit verbleiben. Mit diesem so gewonnenen analytischen Instrumentarium untersucht Maurer im Folgenden die Prolegomena der KD. Das soll hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. Wichtig für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit ist die dann im zweiten Teil der Maurerschen Dissertation vorgenommene Parallelisierung dieser Begrifflichkeit, die sich als für die adäquate Beschreibung der KD zutreffend erwiesen hat, mit „der Rede von `Sprachspielen´ bei Ludwig Wittgenstein“ (S. 125). Die Einbettung von „Sprachspielen“ in den Lebensvollzug und ihre Nicht-Beliebigkeit, die dem unmittelbaren Wahrnehmen von Ähnlichkeiten und somit dem jeweils kontingenten Befolgen gewisser Regeln verdankt werde, stellt Maurer als Anknüpfungspunkte für die Diskussion heraus. Insbesondere sei die „innere Logik bzw. Dialektik“, die die „Verkettung sprachlicher Gebilde“ (beide Zitate S. 128) leite, zu thematisieren. Wissenschaftstheoretische Skepsis und „anhypostatische Semantik“ seien zu parallelisieren; und um theologisches Denken und Reden in seiner Eigentümlichkeit besser zu verstehen, müssten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu sonstigem Denken und Reden beschrieben werden. Dazu weist Maurer nun zunächst auf die von Wittgenstein betonte Wichtigkeit von „Mustern“ für das Funktionieren von Sprache hin (vgl. PU § 50) und spricht dieser „paradigmatische(n) Referenz ... eine logisch-semantische Schlüsselrolle“ (S. 134) zu. Da „Muster“ aber zumeist ostensiv gelernt würden, damit immer unscharf und vor allem auf jeweils bestimmte Kontexte angewiesen blieben, sei schon hier erkennbar, dass sich auch Wittgenstein – wie Barth – gegen Modelle einer Semantik richte, die Sprache und Wirklichkeit eindeutig logisch vermitteln wollten (vgl S. 135). „Sprachspiele“ zerlegten – je nach ihren Paradigmen – die Welt eben immer wieder anders. Das Angewiesen-Sein auf die paradigmatische Referenz versperre jedoch andererseits auch den Weg in die Willkürlichkeit (vgl Kap. 1.3.2.2.). Dabei lasse sich beobachten: „Diese Einheit von paradigmatischem Gehalt und sprachlicher Gestalt wird nun in bestimmten Zusammenhängen als Relation deutlich.“ (S. 136)

Diese Beziehung kann als ein „Regelfolgen“ angesprochen werden, das aber als kontingent begriffen werden müsste (vgl. S. 139): Die jeweilige Fortsetzung –

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und auch das jeweilige Verstehen – sei nicht vorhersehbar, die Reihe der Beispiele könnte auch abreißen oder ganz anders als von einem Zuhörer erwartet weitergeführt werden. Es sei sozusagen auch bei einem alltagssprachlichen Geschehen immer eine pneumatische Dimension mit dabei: „Insofern erweist sich auch die von Barth hervorgehobene Einseitigkeit des Wortes Gottes als semantische Grundfigur.“ (S. 137)

Die im ersten Teil der Arbeit hervorgehobene „hermeneutische Lücke“, auf deren Offenhalten die Dogmatik ganz besonders zu achten habe, kann nun mit einer generell vorfindlichen „semantische(n) Lücke“ (S. 138) verglichen werden. Weder ihre Absolutsetzung im Postmodernismus noch ihre Auffüllung in idealsprachlichen Konzeptionsversuchen würden wirklichem Sprachvollzug gerecht. Überhaupt nur möglich werde die Fortsetzung einer Reihe, wenn sie „ein Gesicht“ (S. 140, Zitat aus PU § 228) habe „und somit die schlagartige Gegenwart der Wortverwendung mit dem Sehen der Beispiele als fortsetzbare Anfangsglieder zusammenfällt“ (ebd.).

In Bezug auf die Überprüfungsaufgabe der Dogmatik wäre gelingende Verkündigung also „als `folg-sames´ (sic) Fortsetzen der in der Schrift gegebenen Anfangsbeispiele menschlicher Rede von Gott zu beschreiben“ (141), als das Achten auf das ‚Passen‘ zu einer bereits vorliegenden „Physiognomie“. So können nun „Dogmen als `grammatische Sätze´“ (S. 143-158) analysiert werden. Maurer geht hier aus von Wittgensteins „Privatsprachenargument“ (vgl. Kap. 1.3.2.3.). Indem gezeigt werde, dass Privatsprachen an mangelnden Identitätskriterien scheiterten, werde damit auch verdeutlicht, dass Konstruktionen „nach dem Muster `Gegenstand und Bezeichnung´“ (S. 144 mit Zitat aus PU § 293) irreführend seien und man stattdessen nach den Regeln der Wortverwendung fragen müsse. Diese würden expliziert in dem, was Wittgenstein „grammatische Sätze“ (vgl. Kap. 1.3.1.) nenne, „welche als sprachliche Gebilde die Fortsetzung paradigmatischer Anfangsglieder unterstützen und sich durch eigentümlich reduzierte Vorstellbarkeit von Erfahrungssätzen unterscheiden.“ (S. 145)

Typisch seien Begriffsverschränkung, ein „tendenziell tautologischer Charakter“ (ebd.) und das Fehlen einer paradigmatischen Referenz. Die „Grammatik“ sei also selbstständig gegenüber den sprachunabhängigen Tatsachen. Darüber hinaus weise sie eine eigene „ontologische Tendenz“ (S. 146) auf, indem sie festlege, was als möglich aufgefasst werden könne und der Erfahrung, aber auch der Vorstellbarkeit und dem Denken vorausgehe. Durch „grammatische Sätze“ würden demnach Zusammenhänge geschaffen und zu fortsetzbaren Paradigmen erweitert, somit ein Vergleich von Kontexten und „Verstehen“ – als Wahrnehmung von Ähnlichkeit (S. 148f) – ermöglicht. In gewisser Weise können sie somit als „notwendig a posteriori“ aufgefasst werden:

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„Die Grammatik liegt als Regelfolgen der Erkenntnis voraus, doch kann ihre Explikation umgekehrt den Vollzug des Sprachspiels voraussetzen; es werden dann Sätze a posteriori formuliert, die im Kontext des Sprachspiels notwendig gelten.“ (S. 151)

Maurer nennt in diesem Zusammenhang vier Beispiele „analytischer Sätze“ aus der KD (die Kennzeichnung des Kyrios als des Herrn; die Beschreibung der innertrinitarischen Relationen; die Identifizierung von Jesus als dem Gottessohn und „schließlich auch die Gleichsetzung der Bibel mit dem Wort Gottes“ (S. 157)), die als „grammatische Sätze“ im Sinne Wittgensteins angesehen werden müssten. Ist auf diese Weise die Funktion von Dogmen näher beleuchtet, kann Maurer sich nunmehr der „Rolle begrifflicher Gebilde“ (S. 158-171) zuwenden. Ausgehend von Wittgensteins Beobachtungen zur Aspektwahrnehmung bzw. zum Wechsel des Aspektes575 betont Maurer die Wichtigkeit paradigmatischer Funktionen für das Erkennen. Das Hineinstellen von abstrakten Bildern in eine Reihe von „Mustern“ sei aber angewiesen auf Hinweise über die Umgebung, auf Implikationen, die die Explikation steuerten. Das deute aber gerade auf die Notwendigkeit der bereits angesprochenen „grammatischen Sätze“: „Die Anwendung begrifflicher Formulierungen bleibt unterbestimmt, solange nicht sprachliche Gebilde ohne intensionalen Gehalt die Fortsetzbarkeit solcher Formulierungen ermöglichen. So werden sie durch die grammatischen Gebilde in komplexe Zusammenhänge integriert und haben dadurch an deren Physiognomie teil.“ (S. 161f)

Erst im Vollzug eines „Sprachspiels“ – geleitet durch „grammatische Sätze“, die z.B. einen bestimmten Aspekt charakterisieren – ergebe sich also die Bedeutung der darin verwandten Begriffe, die so in eine Reihe integriert würden. Zu konstatieren sei also eine „enge Verflechtung der Semantik mit der sprachspielbezogenen Grammatik“ (S. 163). Die Bestimmung semantischer Begriffe könne demnach nur dadurch erfolgen, dass sie „durch paradigmatische Situationen im Vollzug von Sprachspielen“ (S. 165) beleuchtet würden. Erst durch eine fortgesetzte Anwendung – z.B. innerhalb der Bibel – könne ein Begriff eine „Physiognomie“ erhalten, könne er einen „Aspekt aufleuchten“ (S. 167) lassen. Da dieses „Regelfolgen“ nun nicht auf einen Abschluss hin angelegt sei, sei es ein Indiz für die ‚eschatologische Offenheit‘ von Begriffen (vgl. ebd). Für die biblischen Gestaltbegriffe gelte, dass sie „auf die objektive Seite der subjektiven Wirklichkeit der Offenbarung“ (ebd.) gehörten und in der Dialektik von Enthüllung und Verhüllung verstanden werden müssten. In der sich im Laufe der Geschichte vollziehenden Auffächerung durch immer neue Begriffsan575

Maurer geht ausführlich auf den Hasen-Enten-Kopf J. Jastrows, den Wittgenstein in PU S. 519ff bespricht, ein (vgl. S. 160).

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wendungen innerhalb des Leibes Christi trete der „konkrete Offenbarungsbezug“ (S. 168) dann immer klarer zum Vorschein. Die so entstandene „Physiognomie“ befähige die Dogmatik, ihren „Stoff“, die „`Grundworte und Grundlinien´ der kirchlichen Rede“ (ebd.), zu prüfen. Solch eine Prüfung sei aufgrund der dauernden Veränderung dieser Rede (vgl. S. 169) immer wieder neu vonnöten. Ihren zentralen Bezugspunkt hätten die Gestaltbegriffe nun im Namen Jesus Christus. Vor allem im Anschluss an die Eigennamen-Theorie Kripkes576, aber auch unter Einbeziehung von Putnams Auffassung über Indexwörter577, entwickelt Maurer seine Ansicht über den „Herrenname(n) als `starren Designator´“ (S. 171-193), die hier nicht mehr verfolgt zu werden braucht, weil sie nicht mehr in direktem Zusammenhang mit der Wittgenstein-Rezeption steht. Gleiches gilt für die Ausführungen über „Theologie als Wissenschaft“ (S. 194-341), wo zwar der Rückbezug auf Wittgenstein immer wieder einmal begegnet, aber nicht mehr zentral ist und für die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung keine neuen Erkenntnisse mehr bringt. Es ist aber deutlich geworden, dass Maurer eine sehr differenzierte Interpretation Wittgensteins auf Barth beziehen und erstaunliche Ähnlichkeiten konstatieren kann. Es sei besonders an die Funktion der „grammatischen Sätze“ und an die ‚Offenheit des Regelfolgens‘ erinnert. Auch die Rolle der Ontologie wird im Sinne eines ‚Anti-Aristotelismus‘ eingeschränkt, was auch ‚anti-platonistische‘ Konsequenzen mit sich bringt. Der ‚Anti-Cartesianismus‘ ist durch den Hinweis auf die enge Verflechtung von Sprache und Wirklichkeit immer im Hintergrund präsent und auch der ‚Anti-Psychologismus‘ erfüllt – wenn auch als „methodischer Behaviorismus“ überinterpretiert – eine wichtige Funktion. Die Methodik der „Sprachspiel“-Analyse ist allerdings nicht im Blick. Dies mag damit erklärt werden, dass Maurer diesen Begriff ausweitet und er seine Arbeit als Analyse des „biblisch-kirchlichen Sprachspiel(s)“ (S. 191) begreift, dessen Strukturähnlichkeiten mit säkularem Reden er durch den Vergleich mit Wittgenstein allerdings eindrucksvoll vor Augen führt. Dass sich biblisch-kirchliches Reden aber auch aus sprachanalytischer Sicht als von Gott selbst her angestoßen verstehen muss, wird nicht eigens thematisiert.

576

Vgl. S. A. Kripke, Name und Notwendigkeit, Frankfurt am Main 1993. – An dieser Stelle kann die Berechtigung dieser Auffassung, dass ein Eigenname ein `starrer Designator´ sei, nicht weiter diskutiert werden, doch sei darauf verwiesen, dass sie aus der Sicht der PU zu einseitig ist (vgl. PU § 79 und 87). Vgl. dazu U. Wolf, (Hg.), Eigennamen. Dokumentation einer Kontroverse, Frankfurt am Main 1993. 577 Vgl. H. Putnam, Die Bedeutung von `Bedeutung´, Frankfurt am Main 1979.

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2.2.2.2. Thomas Niedballa – oder: Innere und äußere Erfahrung These: Niedballa vertritt die Auffassung, dass eine Theologie, die sich an Wittgenstein orientiere, bei der Analyse beobachtbarer Äußerlichkeiten stehen bleiben müsse und inneren Erfahrungen nicht gerecht werden könne. – Im Ganzen stellt er eine der vorliegenden Untersuchung entgegengesetzte Wittgenstein-Interpretation vor. Wie in Kap. 2.2.1.1. im Gegenüber zu Dalferth begründet und in Kap. 2.2.2.1. anhand von Maurer exemplifiziert, ist PU § 373 („(Theologie als Grammatik.)“) nach Auffassung der vorliegenden Untersuchung derart zu verstehen, dass die Theologie, um „Grammatik“ sein und klären zu können, nur innerhalb des religiösen Verstehens vollzogen werden kann. Niedballa betont in seiner 1993 erschienenen Dissertation „Christliches Sprachspiel und religiöse Erfahrung – Wittgenstein und die Theologie“578 das genaue Gegenteil, dass nämlich Theologie und äußerlich beschreibende Religionswissenschaft nach Wittgenstein in eins fielen, und erklärt PU § 373 folgendermaßen: „Das würde bedeuten, den Sinn der Worte in der Lebenspraxis der Gläubigen zu entdecken, die die Verständlichkeit der `seltsam´ verwendeten Worte deutlich werden ließe. ... Die Aufgabe des Theologen ist dann – und die des Religionsphilosophen oder Religionswissenschaftlers könnte keine andere sein – , das Verhalten der Glaubenden im Kontext ihres Sprechens zu untersuchen.“ (S. 42)

Es bleibe für die Theologie dann keine andere Möglichkeit, als „Wittgensteins übliches begriffliches, antipsychologisches Vorgehen“ (S. 44) zu imitieren und lediglich Verhaltensregeln anzugeben. Diese Aufgabenstellung aber schaffe Probleme, denen sich Wittgenstein entzogen habe: „Dabei ergibt sich eine weitere Schwierigkeit, der Wittgenstein aus dem Weg gegangen ist. Wenn nämlich der christliche Glaube ein funktionierendes Sprachspiel ist, wie ist dann der Zusammenhang zu anderen Sprachspielen zu verstehen? Diese Fragestellung wird von den Wittgensteinianern nicht beachtet.“ (S.45)

Wie die obigen Ausführungen im Anschluss an die `Fideismusdebatte´, aber auch bereits das Insistieren auf „Sprachspiel“ als einer kleinen Einheit oder die Überlegungen zum ‚Netz der Gewißheiten‘ bzw. zur ‚Offenheit des Regelfolgens‘ gezeigt haben, gibt es auch zu dieser Fragestellung überzeugende Antwor578

Vgl. T. Niedballa, Christliches Sprachspiel und religiöse Erfahrung – Wittgenstein und die Theologie, Münster/Hamburg 1993 (Studien zur systematischen Theologie und Ethik Bd. 3). – Die in diesem Unterkapitel im Text angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Buch.

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ten, die man mit Wittgenstein geben kann. Das aber dann einer ganz anderen Wittgenstein-Interpretation gefolgt wird, als Niedballa sie bietet, wird besonders auch an dessen Verständnis des Begriffs der „Regel“ deutlich: „Für Wittgenstein ist das Verhältnis von sprechendem Subjekt und Sprache mechanisch und starr, Freiheit gegenüber Sprachregeln ist undenkbar. Das sprechende Subjekt geht ganz in der regelgeleiteten Situation auf, d.h., daß vom Subjekt nicht mehr die Rede sein kann ...“ (S. 56)

Es stimmt zwar mit dem oben beschriebenen ‚Anti-Cartesianismus‘ (vgl. Kap. 1.3.2.3.) überein, dass das Subjekt bei Wittgenstein anders gedacht wird als z.B. in idealistischen Vorstellungen, aber dies geschieht gerade, indem es direkter mit der Welt verwoben wird und jegliche Erfahrung – die des Abgerichtetseins, aber ebenso die der Freiheit – als unmmittelbare in den Blick kommt. Dem Ich bleibt dabei weiterhin eine in den „Grammatiken“ der Verben ausgezeichnete Position vorbehalten, die die ‚Offenheit des Regelfolgens‘ widerspiegelt und sich in der ‚sprachspielanalytischen‘ Methodik darin niederschlägt, dass Introspektion in direkter Verbindung mit konkreten „Sprachspielen“ durchaus auch als Argument gelten kann (vgl. Kap. 1.3.2.5.) und dass in den PU ‚nur‘ „Sprachspiele“ gespielt werden, an denen das Ich selbst teilnimmt oder die es zumindest beobachten kann. Der Rückgang auf das „transzendentale Sprachspiel“, das Niedballa im Anschluss an Apel einfordert (S. 49)579, verbietet sich nach Auffassung der vorliegenden Untersuchung schon allein dadurch. Dennoch wird Wittgenstein bei Niedballa einseitig dem Bereich der „äußeren Erfahrung“ zugeordnet, dem das „Sprachspiel B“ (als eine Art Kategorie verstanden) angehöre, das im Grunde das des unbeteiligten Beobachters ist oder aus Routine heraus gemäß feststehender Regeln vollzogen wird. Es zeichne sich insbesondere durch eine Dialogunfähigkeit „mit dem Fremden“ aus (S. 159). Dieses „Sprachspiel“ habe in bestimmten Zusammenhängen – z.B. in den Naturwissenschaften oder bei alltäglichen Verrichtungen – zwar durchaus Sinn, im Bereich christlichen Redens aber sei es unangemessen. Hier sei es zu überwinden zugunsten des „Sprachspiels A“, einem Sprechen von der „inneren Erfahrung“ – und damit auch vom Glauben – her, das „als Ausdruck der Identität des Glaubenden“ (S. 206) anzusehen ist. Theologie müsse – so Niedballas Forderung – an diesem „Sprachspiel A“-Gespräch teilnehmen; nur so – ausgehend „vom Glauben ... , der sich durch die Texte der Bibel angesprochen weiß“ (S. 233) – könne sie die „story“, die Gott in und durch Jesus Christus mit sich und damit mit Israel und der Kirche hat, nachvollziehen. 580 – Zu einer derartigen Einsicht aber hätte Wittgenstein auch auf direktere Weise verhelfen können, als es hier bei Niedballa der Fall ist. 579 580

Zu K.-O. Apel vgl. Kap. 1.3.1., Anm. 363. Niedballa übernimmt hier (vgl. S. 208-234) das „story-Konzept“ von H. Jones und D. Ritschl (vgl. Kap. 2.2.4.).

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2.2.2.3. Hans-Peter Großhans – oder: Plädoyer für einen `internen Realismus´ These: Großhans nimmt mit Wittgensteins Spätphilosophie eine Ergänzung und Präzisierung der Sprachauffassung des `internen Realismus´ vor. – Dies entspricht der Wittgenstein-Interpretation der vorliegenden Arbeit insofern, als auch nach obiger Darstellung (vgl. Kap. 1.3.2.2.) aristotelische Vorstellungen überwunden werden, ohne dass der Anspruch auf Wahrheit aufgegeben werden muss. Religiöse Rede kann sich auf diese Weise als realistisch und mit einem konkreten Wahrheitsanspruch verbunden begreifen. Hans-Peter Großhans ist seit 2008 Professor für Systematische Theologie und Direktor des Instituts für Ökumenische Theologie an der Evang.-theol. Fakultät der Universität Münster. Da in Kap. 2.2.2.8. via Andreas Hunziker eine neuere Arbeit von ihm in den Blick gerät und deren Wittgenstein-Rezeption dort besprochen wird, soll an dieser Stelle exemplarisch eine frühe Arbeit von ihm untersucht werden. Dies ist auch darin gut begründet, als er hier einen für die vorliegende Arbeit wichtigen Aspekt akzentuiert, nämlich den Gesichtspunkt, dass der intentionale Wahrheitsanspruch des Glaubenden auch nach Wittgenstein nicht aufgegeben werden muss. In seiner 1995 als Dissertation in Tübingen angenommenen und 1996 erschienenen Untersuchung „Theologischer Realismus. Ein sprachphilosophischer Beitrag zu einer theologischen Sprachlehre“581 unternimmt es Hans-Peter Großhans nämlich, die Spätphilosophie Wittgensteins zur Ergänzung und Präzisierung des Sprachverständnisses des `internen Realismus´ heranzuziehen. Dieser `interne Realismus´ wird von Großhans – aufbauend auf einer kritischen Betrachtung der kausalen Theorien der Referenz von S. Kripke582 und dem `frühen´ H. Putnam583 (S. 19-104) – in Anlehnung an den `späten´ H. Putnam584 als eine Mittelposition zwischen einem rein objektiven und einem lediglich subjektiven Verständnis von Wahrheit rekonstruiert (S. 105-163). Danach behauptet diese Auffassung, dass Sprache tatsächlich auf Wirkliches referiere, aber gleichzeitig auch die Möglichkeit zugestehe, dass es „viele wahre Theorien von Wirklichkeit“ (S. 106) gebe. 581

Vgl. H.-P. Großhans, Theologischer Realismus. Ein sprachphilosophischer Beitrag zu einer theologischen Sprachlehre, Diss. 1995, Tübingen 1996 (Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie Bd. 34). – Die im Text dieses Unterkapitels angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Buch. 582 Dazu vgl. vor allem S. A. Kripke, Name und Notwendigkeit, Frankfurt 1993. – Großhans kritisiert vor allem die deskriptive Unterbestimmung, die diese Theorie zugunsten einer Betonung der Referenz vornehme. 583 Vgl. z.B. die Beiträge in: H. Putnam, Mind, Language and Reality. Philosophical Papers, Vol. 2, 9. Aufl., Cambridge 1992. 584 Vgl. besonders H. Putnam, Reason, Truth and History, 9. Aufl., Cambridge 1992.

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Wird Wittgenstein zur Untermauerung dieser Überzeugung herangezogen, so liegt eine Interpretation seiner Spätphilosophie zugrunde, die den Wahrheitsbegriff zwar nicht mehr korrespondenztheoretisch zu fassen sucht, aber dennoch ein realistisches Verständnis nicht aufgibt. Insofern deckt sich das Anliegen von Großhans mit der in Kap. 1.3.2.2. dargelegten Ansicht eines ‚Anti-Aristotelismus‘, der sich nicht in Beliebigkeit verliert. Eine Absicht der mit Wittgenstein zu leistenden Präzisierung sei dabei das Aufzeigen der „Möglichkeit, ein Begriffsschema der Sprache des christlichen Glaubens zu denken, in das keine Begründungsstruktur eingetragen ist. Damit wird es möglich, dem Anliegen des internen Realismus zu entsprechen, das skeptische Dilemma von vornherein im Sprachverständnis zu vermeiden.“ (S. 162)

Fällt die Begründungsstruktur – unter Zuhilfenahme von „Gewißheiten“ (vgl. Kap. 1.3.1.) – allerdings aus, so bestehe die Gefahr – und das erkennt Großhans zu Recht – , mit der These eines `internen Realismus´ im Gefolge Putnams und damit auch der Behauptung eines eigenständigen Begriffsschemas in den Verdacht des `Wittgensteinian Fideism´ zu geraten. So stellt er zunächst die `Fideismusdebatte´ (vgl. Kap. 2.1.2.) – hauptsächlich anhand des Beitrages von Fideismus-Kritiker K. Nielsen585 – dar (S. 198-203 und 210-213), um dann aufzuzeigen, dass die Behauptung eines völlig eigenen, abgetrennten Sprachbereiches auch bei der Annahme eines selbstständigen Begriffsschemas nicht berechtigt ist und der Wittgensteinschen Philosophie nicht gerecht wird (S. 203-210; vgl. Kap. 2.1.2.5. und 2.1.3.). Die Ansicht eines `internen Realismus´ könne demnach auch gegen derartige Bedenken aufrechterhalten werden. Innerhalb des Christentums müsse nun die „Theologie als Grammatik“ begriffen werden. Auch Großhans bezieht sich also auf PU § 373. Da sich der Gottesbegriff als für das Begriffsschema zentral erweise, ergebe sich folgendes Programm: „Dementsprechend soll zuerst der Gottesbegriff grammatisch bestimmt und danach die Struktur der Grammatik der Sprache des christlichen Glaubens als bestimmt durch den christlichen Gottesbegriff skizziert werden.“ (S. 240)

Ähnlich wie bei Track (vgl. Kap. 2.2.1.3.) entwickelt Großhans – wenn auch unter Absehen von einer „religiösen Erfahrung“ – , dass der christliche Gottesname eine Näherbestimmung des sortalen Begriffs `Gott´ sei (vgl. S. 247). Er weise in eine ganz bestimmte Geschichte ein: „Der trinitarische Gottesname führt in die Geschichte dieses in sich differenzierten dreieinigen Gottes ein“, also „in die Geschichte Gottes mit sich 585

Vgl. K. Nielsen, Wittgensteinian Fideism, in: Philosophy 42 (1967), S. 191-209.

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selbst und in die Geschichte Gottes mit der von ihm geschaffenen Welt.“ (S. 247)

Sowohl der `interne Realismus´ als auch die „Sprachspiel“-Konzeption verböten nun ein metaphysisch-realistisches Fragen, das unabhängig von dieser Geschichte das Sein Gottes als solches beschreiben wolle (vgl. S. 248). Alle weiteren Bestimmungen, z.B. die, dass diese Geschichte durch und durch von Liebe bestimmt sei (vgl. ebd.), müssten sich aus der angesprochenen Geschichte selbst ergeben: „Die gesamte Sprache des christlichen Glaubens muß in eine widerspruchsfreie Relation zu dieser ihrer narrativen und begrifflichen Mitte gebracht werden können.“ (S. 249)

Damit könne nicht mehr „alles Mögliche ... in der Sprache des christlichen Glaubens ausgesagt werden“ (S. 250). „Die Eigenschaften Gottes“ (S. 250-253), die kohärent gefolgert würden, dürften aber „mit Gewißheit“ (250), d.h. mit dem Anspruch auf `Wahrheit´ (251) verbunden gedacht werden – selbst wenn bei unterschiedlichen „Frömmigkeitstraditionen das Gefüge der Begriffe im Begriffsschema der Sprache des christlichen Glaubens verschieden ist“ (S. 252). Gleich sei bei den diversen Strömungen, dass die Trinitätslehre als „das prägende Element der Grammatik der Sprache des christlichen Glaubens“ (S. 253) angesehen werden müsse. Auch Begriffe wie `Wahrheit´ und `Wirklichkeit´ seien als von ihr abhängig zu begreifen. Das in ihr implizit enthaltene und in der Bibel „sprachgenerierend“ (S. 258) festgehaltene Inkarnationsgeschehen wird dabei als die „Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis Gottes“ (S. 255) angesprochen: Ohne diese Integration des Menschen in die Geschichte Gottes mit sich selbst wäre keine menschliche Erkenntnis Gottes, die wiederum durch den Heiligen Geist als Subjekt aktualisiert wird (S. 257), möglich. Somit ist von Großhans ein traditionelles Verständnis unter veränderten Rahmenbedingungen entwickelt worden. Trotz einer zugestandenen Pluralität von Wahrheiten gilt für die Binnensicht des `internen Realismus´: „Die Pointe des Sprachverständnisses des internen Realismus und Wittgensteins liegt darin, daß die Gegenstände und Sachverhalte als so existierend behauptet werden, wie sie sprachlich dargestellt sind.“ (S. 260)

Großhans hofft demnach mit seinen Ausführungen gezeigt zu haben, dass „die immer wieder angeführte Alternative von religiösem Realismus und Konstruktivismus, von Essentialismus und Kontextualismus ... von vornherein schief [ist], da dabei die Basis solcher Behauptungen, nämlich die Sprachen und das Sprechen der Menschen, nicht angemessen berücksichtigt wird.“ (S. 265)

Er plädiert für „ein Sprachverständnis, in dem der Wirklichkeitsbezug nicht dem Sachgehalt der gesprochenen Sprache vorangestellt wird, sondern umgekehrt

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dem Sachgehalt der Sprache der von ihr ausgesagte Wirklichkeitsbezug zugestanden wird.“ (S. 268). So könne – unter Verzicht „auf jegliche Begründungsstruktur“ (ebd.) – „die Theologie als wirklich realistische Theologie“ (ebd.) begriffen werden. Die in der vorliegenden Untersuchung vertretene These vom ‚Anti-Aristotelismus‘ (vgl. Kap. 1.3.2.2.) stimmt also mit den Überlegungen von Großhans überein; die weiteren hier vorgestellten fundamentaltheologisch wichtigen Aspekte der Wittgensteinschen Philosophie sind aber – vermutlich aufgrund der Konzentration auf die Wahrheitsfrage – bei ihm nicht im Blick. 2.2.2.4. Regine Munz – oder: Beispielhaftes Beispielgeben These: Munz konzentriert sich in ihrer Dissertation vor allem auf den `mittleren Wittgenstein´. Dessen Beschäftigung mit religiöser Rede zeige, dass sie für ihn Beispielcharakter habe. Andererseits kennzeichne das Geben von Beispielen das Wittgensteinsche Philosophieren der `mittleren´ und `späten´ Phase und könne so seinerseits Vorbildcharakter für die Theologie haben. – Demgegenüber ist darauf zu beharren, dass sich Theologie als Wissenschaft, um ihrer Verantwortung im allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs und für die Verbreitung der biblischen Botschaft gerecht zu werden, nicht allein im Beispielgeben erschöpfen darf, sondern auch die Entfaltung ihrer „grammatischen Sätze“ aufzeigen muss. „Theologie als Grammatik“ bleibt unaufgebbar. In ihrer 1996 fertig gestellten und 1997 veröffentlichten Dissertation „Religion als Beispiel. Sprache und Methode bei Ludwig Wittgenstein in theologischer Perspektive“586 stellt Munz die Texte des `mittleren Wittgenstein´ (VüE, BFGB, VuG) in das Zentrum ihrer Betrachtung (S. 25-79). An ihnen zeige sich, dass Wittgenstein durch seine Beschäftigung mit Religion, die ihm ein inneres Anliegen gewesen sei, zu neuen Einsichten über das Funktionieren von Sprache im Allgemeinen gekommen sei: 586

Vgl. R. Munz, Religion als Beispiel. Sprache und Methode bei Ludwig Wittgenstein in theologischer Perspektive, Düsseldorf/Bonn 1997. Die in diesem Unterkapitel im Text angegebenen Seitenzahlen verweisen auf dieses Buch. – Vgl. zusätzlich dies., Die Lösung ist nicht beunruhigender als das Rätsel. Wittgensteins Bemerkungen über Frazers `The Golden Bough´, in: Beiträge 1994, S. 339-348, und dies., Wittgensteins Ehrfurcht, in: Beiträge 1995, S. 68-74. Zudem sei verwiesen auf ihren Aufsatz „Von mir kann ich nichts sagen. Ich lebe noch immer.“ Ludwig Wittgensteins Schreiben im Ersten Weltkrieg, in: Der Denker als Seiltänzer. Ludwig Wittgenstein über Religion, Mystik und Ethik, hg.v. U. Arnswald und A. Weiberg, Düsseldorf 2001, S. 157-178, in dem sie einen biographischen Zugang zum tieferen Verständnis des TLP auf dem Hintergrund der Erlebnisse des Ersten Weltkrieges aufzeigt (vgl. oben in Kap. 1.1.6.).

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„Zusammenfassend läßt sich sagen, daß religiöse Beispiele von Wittgenstein paradigmatisch, aber nicht exklusiv verwendet werden: Was religiösen Beispielen eignet, kann auch für andere Bereiche zutreffen. ... Die „Vorlesungen über den religiösen Glauben“ können so als Bestätigung der Ausgangsthese herangezogen werden, daß Religion für Wittgenstein ein Beispiel darstellt, anhand dessen er seine philosophischen Überzeugungen veranschaulicht und durchdenkt. Jenes Allgemeine nun, das sich mit Hilfe von Beispielen veranschauliche läßt, kann nur als Paradoxon formuliert werden, als etwas, das nicht allgemein zu fassen ist. In seiner Allgemeinheit bleibt es infolgedessen unaussprechlich; allerdings fächert es sich in seiner Konkretion in einzelne, für sich sprechende Beispiele auf.“ (S. 79)

Diese Einsicht wird nun im Folgenden (S. 81-114) weiter expliziert, wenn die Funktion, die das Beispiel für Wittgenstein aufweist, – nach einer Abgrenzung gegen die Begriffe `Paradigma´ und `Exempel´ (S. 87-93) – näher erläutert wird. Dabei stellt die Verfasserin vor allem heraus, dass Wittgenstein Beispiele nicht dazu benutzt, um kausale Erklärungen im herkömmlichen Sinne zu untermauern, sondern häufig im Gegenteil dazu, diese ad absurdum zu führen (vgl. Kap. 1.2.3.). Beispiele seien wesentliches Kennzeichen der Wittgensteinschen Methodik, die via Beschreibung ein „Bild“ davon vermitteln wolle, wie die Welt sei. Dabei ist die ‚anti-platonistische‘ Stoßrichtung des Wittgensteinschen Denkens (vgl. Kap. 1.3.2.1.) im Blick: „Ebensowenig wie Beispiele Vorstadien für Verallgemeinerungen abgeben, stellen Beschreibungen notwendige Grundlagen für Erklärungen dar. ... Beispiele und Beschreibungen machen nicht bloß eine welt- und beobachterzugewandte Seite von Wirklichkeit sichtbar, die indirekt etwas Verschleiertes, Verborgenes, Inneres, Wichtigeres birgt, das selbst wiederum zwar innerlich geschaut, aber erst mit Hilfe von richtigen Erklärungen zur Sprache gebracht werden kann, sondern sie bringen als Beschreibungen die Wirklichkeit selbst zur Darstellung.“ (S. 100f)

Darin kann Munz nun auch eine Verwandtschaft zum Begriff des „Sprachspiels“ aufweisen, den sie jetzt einführt (S. 105-109) und der ihr vor allem in seiner Plural-Bedeutung – im Gegenüber zum Singular, der das „Sprachganze“ (S. 105) bezeichne – wichtig ist. „Sprachspiele“ beseitigten, wenn man sie beispielhaft zusammenstellte, philosophische Begriffsverwirrungen. Voraussetzung dafür aber sei, dass das „Augenmerk gerade auf das Widerständige am Beispiel“ (S. 98) gerichtet werde und man sie nicht nur – wie etwa Schleiermacher (vgl. S. 109) – zu einer nachträglichen Exemplifizierung, d.h. zur Veranschaulichung einer These, umfunktionalisieren möchte. Die Rezeptionsgeschichte wird nun in einer kurzen „Landschaftsskizze“ (S. 115-164) vor allem daraufhin befragt, inwieweit dieser „Beispiel“-Begriff und die mit ihm verbundene Einstellung zur Welt im theologischen Bereich wahrge-

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nommen worden sei, kann aber nur ein ernüchterndes Ergebnis bringen. So versucht Munz selbst, in dem abschließenden Teil „Eine Theologie des Beispiels? Impulse und Grenzen“ (S. 165-205) einige Anregungen zu geben. Von der Grundüberzeugung ausgehend, dass „das Allgemeine innerhalb des Beschreibens als nicht ein für allemal verbindlich aussagbar“ (S. 194) gedacht werden müsse, mündet sie in die an sich interessante Forderung, nicht „an den Ideen der Vollständigkeit und des einen inneren theologischen Zusammenhanges“ (ebd.) festzuhalten, sondern stattdessen auf die „Errichtung einer theologischen Beispielsammlung“ (S. 199) zuzugehen.587 Damit sei die Theologie eingewiesen in „das Nachdenken über System, Anlage und Struktur“ (S. 200) einer derartigen „Beschreibung möglicher Einführungssituationen der für sie wichtigen Wörter“ (ebd.).588 Munz zieht nun nicht mehr die Schlussfolgerung, dass es gerade dafür des Rückbezuges auf „grammatische Sätze“ bedarf, um nämlich „Beispiele“ adäquat auswählen und in einer „übersichtlichen Darstellung“ (PU § 122) verständnisfördernd, d.h. dem „Regelfolgen“ dienlich, darbieten zu können. Für die Religionsphilosophie wäre ihr Vorschlag sicherlich eine auf der Linie des `späten Wittgenstein´ liegende Praxis; für die Theologie aber ist er nicht ausreichend – auch wenn man davon ausgeht, dass die „grammatischen Sätze“ selbst erst durch das Geben von Beispielen aufgedeckt werden können. Die über das Analysieren religiöser Rede hinausgehende normative Funktion der Theologie, d.h. die Diskussion um die Frage der Geltung bestimmter Beispiele, bleibt unaufgebbar. 589 587

Dieser Vorschlag von R. Munz weist große Ähnlichkeit mit einer der Forderungen auf, in die die philosophische Dissertation von A. Weiberg, „Und die Begründung hat ein Ende.“, Wien 2002, mündet: „Wer Wittgenstein und seine Philosophie ernst nimmt, kann sich mit ihr weder der Religionsphilosophie noch der Theologie zuwenden, sondern wird sich darauf beschränken, religiöse Handlungen und Sprachspiele zu beschreiben.“ (S. 171). Weiberg hat dabei allerdings vor allem „die Auseinandersetzung Wittgensteins mit dem Anspruch der katholischen Kirche, den Glauben mit Hilfe der Vernunft beweisen zu können sowie mit dem Problem der Gnadenwahl“ (S. 162) im Blick, zudem die Versuche apologetischer Theologie, „Gottesbeweise“ zu führen, die doch nur „nachträgliche Rechtfertigungsversuche des bereits gläubigen Menschen“ (S. 171) sein könnten. Damit sind ausschließlich theologische Beispiele und Vorgehensweisen angesprochen, die auf dem Hintergrund Wittgensteinschen Philosophierens tatsächlich abgelehnt werden müssen (vgl. Kap. 1.3.3.). Den Fokus allein auf diese Art(en) des Theologie-Treibens zu richten, bedeutet aber, eine recht eingeschränkte Auffassung von Theologie zur Grundlage der Analyse zu erheben – auch wenn dies genau die Beispiele sind, die Wittgenstein selbst immer wieder im Rahmen dieser Thematik anführt. 588 Zur Gefahr der Überschätzung von „Einführungssituationen“ vgl. Kap. 2.2.1.3. 589 So fragt auch W. Pfüller in seiner Rezension, ThLZ März 1998, an, ob die Arbeit von R. Munz nicht auch „als ein weiteres Beispiel einer auch in der Theologie längst heimischen „postmodernen“ Beliebigkeit“ angesehen werden müsse. Er möchte diese Frage nicht pauschal bejahen, weil für Munz Beispiele „auch beispielgebend“ seien, bemerkt aber zu Recht: „Freilich, wie die beispielgebenden theologischen Sprachhandlungen regulativ be-

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In ihrer Arbeit sieht Munz Vieles, das mit der hier vorliegenden Darstellung direkt übereinstimmt; die Einengung, die durch die bewusste Konzentration auf diejenigen Texte der Mittelphase, die direkt religiöse Themen ansprechen, gegeben ist, erweist sich jedoch auch durch den Verweis auf den Begriff des „Sprachspiels“ als nicht mehr umkehrbar, weil dieser Terminus nicht mehr in den größeren Zusammenhang des ‚mehrdimensionalen‘ Sprachparadigmas des `späten Wittgenstein´ eingeordnet wird. – So ist Munz gegenüber auf einer „Theologie als Grammatik“ (PU § 373) zu beharren. Nur auf diese Weise kann die Theologie die Entfaltung ihrer „grammatischen Sätze“ sinnvoll in einen gesellschaftlichen Diskurs einbringen und ihrer Verantwortung für die Verbreitung der biblischen Botschaft gerecht werden – so dienlich eine „theologische Beispielsammlung“ dafür auch immer sein mag. 2.2.2.5. Thomas Wabel – oder: Die Zirkelstruktur des Verstehens bei Wittgenstein und Luther These: Anhand der mit der Zirkelstruktur des Verstehens gegebenen Problematiken und einer der vorliegenden Untersuchung entsprechenden WittgensteinInterpretation gelingt es Wabel, Strukturähnlichkeiten zwischen Luther und Wittgenstein aufzudecken. – Über das bei Wabel bereits Gesehene hinaus ist zu vermuten, dass mit Hilfe des Begriffes der „Grammatik“ noch weitere Gemeinsamkeiten zu zeigen wären. Wabels Thema, das er in seiner 1998 erschienenen Dissertation „Sprache als Grenze in Luthers theologischer Hermeneutik und Wittgensteins Sprachphilosophie“590 untersucht, ist die Zirkelstruktur des Verstehens als eines Grundproblems sowohl theologischen als auch sprachanalytischen Denkens: „Es handelt sich – abstrakt formuliert – um die Schwierigkeit, innerhalb eines vorgegebenen Sprachzusammenhangs Aussagen zu treffen, die diesen Sprachzusammenhang umgreifen, wozu dieser vorgegebene Zusammenhang jedoch verlassen werden müßte. Dies wiederum ist unmöglich, weil der vorgegebene Zusammenhang die Möglichkeit erst bedingt, innerhalb seiner überhaupt Aussagen zu treffen.“ (S. 1)

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gründet werden sollen, wird … nicht ersichtlich.“ (Kursive Hervorhebungen wie im Orig.) Vgl. T. Wabel, Sprache als Grenze in Luthers theologischer Hermeneutik und Wittgensteins Sprachphilosophie, Berlin/New York 1998 (Theologische Bibliothek Töpelmann Bd. 92). – Die im Text dieses Unterkapitels angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Werk. – Vgl. außerdem ders., Wittgenstein´s Fascination with the Roots of the `Augustinian Picture of Language´, in: Beiträge 1994, S. 529-535, und ders., Verstehen statt Verstehenwollen. Wittgensteins Warnungen an eine philosophische Hermeneutik, in: Beiträge 1995, S. 732-739.

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Im theologischen Bereich zeige sich diese Problematik bei der Schriftauslegung, wenn es darum gehe, den `sensus scripturae´ hervortreten zu lassen, den `sensus proprius´ des Interpreten aber zum Verschwinden zu bringen. Luther habe mit der Festlegung von Christus als der Mitte der Schrift aus der Schrift selbst heraus ein Kriterium entwickelt, das eben dieses Ziel hat, gleichzeitig aber „dem Bemühen um die Auslegung der Schrift eine Grenze“ (S. 3) zieht. Wird sie überschritten, bedeute dies, dass der Zirkel des Verstehens des Glaubens durchbrochen und der `sensus proprius´ eingetragen werde. Dann aber werde nicht mehr von Gott gesprochen. Der Vergleich mit Wittgenstein soll aufzeigen, dass bei der Frage des Schriftverständnisses kein theologisches Sonderproblem vorliegt, sondern „ein sprachphilosophisches Grundproblem“ (S. 4), das z.B. auch dann auftritt, wenn über die Grundlagen der Sprache reflektiert werden soll. Die Lösungen sowohl Luthers als auch Wittgensteins will Wabel auf ihre Plausibilität hin überprüfen: Nur wenn sie sich als selbstbezüglich erweisen, könne davon gesprochen werden, dass sie der unentrinnbaren Zirkelstruktur des Verstehens mit ihrer jeweils eigenen Methodik gerecht werden und nicht „einer selbstverursachten Verstellung des zu verstehenden Textes“ (S. 6) bzw. Wortgebrauchs erliegen. Bereits anhand der Aufgabe, die Wabel sich stellt, dürfte deutlich geworden sein, dass er Wittgenstein für einen Philosophen hält, der sich der angesprochenen Zirkelstruktur bewusst war und sie in der Ausarbeitung seiner Ansichten berücksichtigt hat. Diese Vermutung bestätigt sich im weiteren Verlauf der Dissertation. Bereits der `frühe Wittgenstein´ wird vorgestellt als jemand, der die Sprache mitsamt der ihr inhärenten Logik als Grenze klar gesehen hat (vgl. TLP 5.6): „Die Unhintergehbarkeit der Logik bedingt, daß die Logik zwar (wie jede sprachliche Darstellung, so auch) die Darstellung dessen, wie Sprache bezeichnet, ermöglicht, selbst aber nicht in dieser Darstellung vorkommen kann.“ (S. 31)

Daher – so Wabel – mache Wittgenstein darauf aufmerksam, dass die Logik nicht aussagbar sei, sondern „sich zeigen“ müsse. – Sein Verständnis des TLP stimmt somit mit der in Kap. 1.1. gegebenen Interpretation, die das Zugrundeliegen des „logischen Raumes“ betont, überein. Gleiches gilt für die sich anschließende Kritik: Wabel weist darauf hin, dass die Konzeption des TLP an der Zirkelstruktur des Verstehens scheitere, obwohl sie sich ihrer bewusst sei. Sie müsse sich nämlich notwendigerweise in Sätzen ausdrücken, die ihrer eigenen Auffassung nach „unsinnig“ seien (vgl. TLP 6.54): „Gerade die Suche nach einer voraussetzungsfreien Analyse der Sprache erweist sich als mit Voraussetzungen behaftet.“ (S. 40; vgl. dazu oben Kap. 1.2.1.)

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Aufgrund dieser Einsicht in die Unhintergehbarkeit des Verstehens-Zirkels ändere der `späte Wittgenstein´ sein Verständnis von Philosophie – und damit seine Methodik – radikal. Für ihn gelte nun: „Wenn Wittgenstein die Praxis mißverstandenen Philosophierens angreift, kritisiert er nicht bestimmte philosophische Positionen und ersetzt sie durch andere. Vielmehr betrachtet er die Fragestellungen, auf die solche philosophischen Positionen Antwort zu geben versuchen, bereits als Ausdruck dieser Tendenz.“ (S. 43)

Missverständnisse im Bereich der Sprache gründeten vor allem auf dem augustinischen Bild von ihr (vgl. S. 46-51), aber daneben gebe es noch eine ganze Reihe anderer Vorstellungen – Tendenzen zur „Sublimierung“ (S. 55 u.ö.; vgl. PU § 38, 89 und 94) – , die zu einer Missachtung der Zirkelstruktur des Verstehens beitrügen. Wabel nennt vor allem den „Fortschrittsgedanke(n) in der logischen Analyse“ (S. 57), der sich in dem „Streben nach Vollständigkeit“ (S. 60) und nach „Exaktheit“ (ebd.) äußere, aber auch in der „Suche nach philosophischer Wesensbestimmung“ (S. 62), einem „Streben nach Umittelbarkeit in der logischen Analyse“ (S. 68) sowie nach „Reinigung“ (sc.: von der Vagheit der Bedeutung; S. 71) und „Verfeinerung und Überbietung der Alltagssprache“ (S. 74). In all diesen Bestrebungen versuche der „Sprachphilosoph ... eigenmächtig auf die Grundlagen der Sprache zu reflektieren, ohne zu berücksichtigen, daß diese seine Reflexion erst ermöglichen, ihr also als unübersteigbare Grenze vorgegeben sind.“ (S. 80)

Somit erweise sich die „`Theoriefeindlichkeit´“ der PU (S. 84) ebenso wie die Einführung eines „imaginäre(n) Gesprächspartner(s)“ (S. 87) und die Auffassung von der ‚Offenheit des Regelfolgens‘ (vgl. S. 89-101)591 als bewusste methodologische Antwort auf die Erkenntnis der Zirkelstruktur des Verstehens. Daher kann Wabel festhalten: „Nur unter Verkennung des Charakters von Wittgensteins philosophischer Methodik läßt sich der Vorwurf der Inkonsistenz aufrechterhalten.“ (S. 134) „Wittgenstein angesichts seiner `Theoriefeindlichkeit´ Inkonsistenz in seiner Philosophie durch das Erstellen eigener Theorien vorzuwerfen, setzt aber voraus, daß seine Bemerkungen nicht als das verstanden werden, was sie sind: Erläuterungen auf alltagssprachlicher Ebene, die die unzulässige Überfrachtung alltagssprachlicher Begriffe mit philosophischen Ansprüchen bloßlegen und so philosophische Probleme als selbstgeschaffen erweisen.“ (S. 135)

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Es ist nur folgerichtig, dass Wabel aufgrund dieser Einsichten Kritik an Kripke´s skeptizistischer PU-Interpretation (vgl. Kap. 1.3.1., Anm. 33) üben muss (S. 98-101).

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Insgesamt gesehen habe Wittgenstein in den PU einen Umgang mit dem eingangs skizzierten Problem der Zirkelstruktur des Verstehens demonstriert, der dem Kriterium der Selbstbezüglichkeit genüge und „konsequent die Sprache als unübersteigbare Grenze philosophischer Reflexion“ (S. 137) darstelle. Auf diesem Hintergrund könne Philosophie nur noch mittels „grammatischer Bemerkungen“ (S. 139 u.ö.) eingreifen, wenn Missverständnisse entstehen; sie habe keine positive Botschaft mehr (vgl. S. 139f). Der Vergleich dieser so beschriebenen Position Wittgensteins mit der Argumentationsstruktur Luthers – die als solche in Teil B der Arbeit eigenständig dargestellt wird – helfe die Konsequenzen zu verdeutlichen, die „eine bestimmte Pointe von Luthers Theologie“ (S. 143) habe – gemeint ist „die radikale Zurückweisung jedes eigenständigen Beitrages des Menschen zum angemessenen Verständnis des Wortes Gottes“ (ebd.). Mit dieser Forderung werde nämlich das Eintragen menschlicher Logik in den Bereich des göttlichen Seins bzw. Handelns strikt untersagt. Und dieses Hinnehmen des Glaubens sei vergleichbar mit dem Hinnehmen der Grenze, die durch die Sprache der Reflexion über ihre eigenen Grundlagen gesetzt werde. Es „besteht also eine Vergleichbarkeit von Luthers Überlegungen zur angemessenen Schriftauslegung mit Wittgensteins Nachweis, daß eine Reflexion auf die in der Sprache gesetzten Grenzen innerhalb der durch diese Grenzen bestimmten Sprache nicht möglich ist. Indem Luther die Unzulässigkeit philosophischer Schlußfolgerungen für die Theologie betont, hebt er auf die Selbstwidersprüchlichkeit des Versuches ab, unter Umgehung der in der Inkarnation Christi ermöglichten Rede die Dinge des Glaubens zur Sprache zu bringen.“ (S. 324)

Die Missachtung der „Grammatik“ der von Gott selbst initiierten `lingua nova´ bedeute nach Luther demnach das direkte Verlassen des christlichen Verstehenszirkels – wie bei Wittgenstein die Missachtung der „Grammatik“ der normalen Sprache deren „Leerlaufen“ (vgl. § PU 132) und das Sich-Verrennen in so genannte philosophische Probleme bedinge. So kann Wabel bilanzieren: „Gemeinsam ist diesen sachlich ganz unterschiedlichen Ansätzen ein kritisches Potential, das dogmatisierende `Ungerechtigkeiten´ dadurch zu vermeiden sucht, daß es die Grenzen eines eigenmächtigen Erklärenwollens aufdeckt.“ (S. 324) „Für Sprachphilosophie gilt ebenso wie für theologische Hermeneutik, daß die geschilderte Struktur gelingenden Verstehens nur in der Reflexion auf das Verstehen explizit hervortritt.“ (S. 340)

Wabel hat somit einige Strukturparallelen zwischen Luther und Wittgenstein aufgedeckt, die ihre Zielrichtung vor allem darin haben, immer wieder auf die Unhintergehbarkeit bestimmter Voraussetzungen zu weisen; man könnte somit –

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ihm folgend – in der klassischen Terminologie von einer `analogia proportionalitatis´ sprechen, eventuell sogar, da es sich in beiden Fällen um Sprachgeschehen handelt, von einer `analogia proportionalitatis intrinsecae´ (ohne dass damit schon die Idee einer analogia entis suggeriert wäre). Unter Zuhilfenahme des Begriffes der „Grammatik“ ließen sich vermutlich noch weitere Strukurähnlichkeiten zwischen Luther und Wittgenstein zeigen. – In diesem Zusammenhang wäre auch die Möglichkeit zu erwägen, ob Wittgenstein seine Auffassung von „Grammatik“ bzw. den Begriff des „grammatischen Satzes“ nicht direkt von Luther übernommen haben könnte. In Luthers „Disputatio de iustificatione“ heißt es nämlich über die Rechtfertigungslehre: „Est phrasis grammatica.“ 592 So ist der Gedanke vielleicht nicht abwegig, PU § 373 („(Theologie als Grammatik.)“) durchaus auch in einer möglichen Beschäftigung Wittgensteins mit Luther begründet zu sehen. 2.2.2.6. Martin Laube – oder: Wider die „Eigenständigkeitsthese“ These: Laube findet in Wittgensteins Auffassung von der immer schon vorgängigen Vermitteltheit von Sprache und Welt das Lösungsangebot für das seiner Ansicht nach zentrale Problem der analytischen Religionsphilosophie, nämlich für die Frage nach dem Verhältnis von Sprache und Welt. Die falsche `realistische´ Auffassung dieses Verhältnisses als einer primären Differenz habe lange die Sprachanalyse bestimmt, die Eigenständigkeit religiöser Rede behauptet und – daran anknüpfend – die sprachanalytische Religionskritik getragen, die aber mit der Überwindung dieser letztlich empiristischen Ansicht nicht mehr greife. – Bis dahin stimmt Laube mit der vorliegenden Arbeit überein. Auf anderem Wege kommt auch er zur Betonung der Unzulänglichkeit eines empiristischen Sprachparadigmas und zur Möglichkeit seiner Überwindung durch den `späten Wittgenstein´. Die sich bei Laube nun anschließende und ebenfalls auf Wittgenstein berufende rein funktionale Interpretation religiöser Rede übersieht allerdings, dass sich der Wahrheitsanspruch der Transzendenzbehauptung gerade auch ‚sprachspielanalytisch‘ betrachtet nicht einfach beiseite legen lässt.

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WA 39/I; 109,1. Dieses Zitat findet sich auch, allerdings ohne den Verweis auf den parallelen Wortgebrauch Wittgensteins, bei Wabel, S. 283f, der selbst nicht damit rechnet, dass Wittgenstein Luther gelesen haben könnte, vgl. S. 18-20. – Sollte die geäußerte Vermutung tatsächlich zutreffen, erhielte „Religion als Beispiel“ für Wittgenstein noch einmal eine weiter gehende Bedeutung als bei Munz (vgl. Kap. 2.2.2.4.), die dann sogar die Wortwahl beträfe. – Dessen ungeachtet gibt es natürlich auch große Differenzen zwischen beiden Denkern, auf die Munz in ihrer Rezension der Wabelschen Arbeit nachdrücklich hinweist (vgl. R. Munz, Wabel, ThLZ Mai 2000).

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Martin Laubes 1999 erschienene Dissertation „Im Bann der Sprache“593 befasst sich mit der für die sprachanalytische Religionskritik grundlegenden Behauptung der Eigenständigkeit der religiösen Sprache. Er formuliert das zentrale Problem seiner Arbeit folgendermaßen: „Die entscheidende Frage lautet also, wie sich das schlichte Faktum, daß die religiöse Rede als religiöse Rede einem allgemeinen Sprachbegriff verpflichtet ist, mit der gewünschten Zielsetzung verträgt, die religiöse Rede als religiöse Rede einem solchen Allgemeinen zugleich entziehen zu wollen.“ (S. 11)

Laube rekonstruiert die Entwicklung der analytischen Sprachphilosophie, indem er die Ansichten des Wiener Kreises und daran anschließend die Positionen von W.V.O. Quine, M. Dummett und D. Davidson skizziert (S. 16-68). Lediglich für letzteren kann Laube „eine dem Wittgensteinschen Problemniveau vergleichbare ... Umsetzung“ (S. 57) konstatieren, findet er doch hier die Auffassung von „ein(em) vorgängige(n) Horizont gemeinsamer Überzeugungen dessen, was als wahr zu gelten habe“ (S. 56), und somit die letztlich mit Wittgenstein gut zu vereinbarende Pointe (vgl. Anm. 160 auf S. 57) darin begründet, „daß gerade diese Vorgängigkeit eines gemeinsamen sprachlichen Weltbezugs die Annahme einer erkenntnistheoretisch relevanten Differenz von sprachlicher Form und empirischem Gehalt für unverständlich und überflüssig erklären kann.“ (S. 56)

Es deutet sich hier schon an, worauf die Arbeit hinauslaufen wird. Bevor der Blick aber auf Wittgenstein selbst gerichtet wird, folgt zunächst eine „Darstellung und Auseinandersetzung mit der analytischen Religionsphilosophie“ (S. 66; vgl. S. 69-116). Laubes zentrale Einsicht korrespondiert hier dem bereits zuvor Herausgearbeiteten: Die die analytische Religionsphilosophie dominierende „Eigenständigkeitsthese“ (S. 67 u.ö.), die die Selbstständigkeit religiöser Rede im Gegenüber zur allgemeinen Sprachlichkeit behauptet, fuße letztlich auf einem unhaltbaren Sprachbegriff, nämlich der realistischen Auffassung vom GetrenntSein von Sprache und Welt und einem damit einhergehenden Verifikationsprinzip der Bedeutung, das die epistemologisch behauptete Differenz semantisch wieder einholen möchte. Laube zeigt anhand einer Besprechung von Ayer, Flew und Braithwaite, dass die analytische Religionsphilosophie anfangs durchgängig von dieser Vorstellung getragen war. Auf dieser Grundlage aber sei es schlichtweg unmöglich, religiöse Aussagen als wirklich sinnvolle zu erweisen. – Dieses Ergebnis Laubes deckt sich mit der in der vorliegenden Arbeit am TLP veranschaulichten Ein593

Vgl. M. Laube, Im Bann der Sprache. Die analytische Religionsphilosophie im 20. Jahrhundert, Berlin/New York 1999 (Theologische Bibliothek Töpelmann Bd. 85). – Die Seitenzahlen im Text dieses Unterkapitels beziehen sich auf dieses Werk.

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sicht, dass die auf einer wie auch immer ausgestalteten Abbildtheorie basierende Engführung des Sprachparadigmas keinen Raum für religiöse Äußerungen lässt (Kap. 1.1.). Erst „die epistemische Wende in der analytischen Religionsphilosophie“ (S. 117), d.h. die Verknüpfung sprachanalytischer Einsichten mit denen der Epistemologie, bringt nach Laube ein tieferes Verständnis der Problematik. Jetzt komme es zu ersten postempirischen Ansätzen, die „die religiöse Rede aus der Umklammerung eines rigiden empiristischen Sprachbegriffs zu befreien suchen“ (S. 134). So stellt Laube nun ausführlich zwei Entwürfe vor, die bewusst im Anschluss an die analytische Epistemologie versuchten, die „von Barth schlicht in Anspruch genommene epistemische Eigenständigkeit des christlichen Glaubens“ (S. 135) zu fundieren. Zunächst wird A. Plantinga analysiert (S. 142-211), der eine „`proper basicality´“ (S. 152) des christlichen Glaubens an Gott postuliert.594 In einem zweiten Schritt wird dann I.U. Dalferth einer eingehenden Betrachtung unterzogen (S. 212-312). Während es in Kap. 2.2.1.1. der vorliegenden Untersuchung vor allem um Dalferths Wittgenstein-Rezeption ging, so unternimmt Laube eine Kritik des gesamten Dalferthschen Ansatzes, die hier nur angedeutet werden kann: Dalferth weise danach zunächst die Eigenständigkeit religiöser Rede gegenüber der allgemeinen Sprachlichkeit auf, u.a. durch die Analyse der christlichen Grunderfahrung als einer besonders qualifizierten Anredeerfahrung – zugespitzt „auf die Erfahrung Jesu als der Anrede Gottes“ (S. 240) – und durch die Mittelpunktstellung der Behauptung der Existenz Gottes (vgl. S. 244), die – wie jede andere Behauptung auch – in ihrem Wahrheitsanspruch „unaufhebbar assertorisch“ (S. 262) sei. Nachdem dies geleistet sei, versuche Dalferth nun wieder „eine Vermittlung beider Seiten, die die religiöse Rede ebenso als sprachliche Rede zur Geltung zu bringen erlaubt, ohne jedoch nun wieder die postulierte Religiosität einem allgemeinen Sprachbegriff unterordnen zu müssen“ (S. 280). Dies geschehe durch den Hinweis auf die Allgemeinheit der „Begründungspflichtigkeit christlich-religiöser Rede“ (S. 281), die also „einen echten Wahrheitsanspruch“ (ebd.) erheben müsse. Dieser könne allerdings nur eschatologisch verifiziert werden (S. 282-312). Damit schließt – wie Laube auch ausführlich erläutert – Dalferth an Hick an und muss ähnlich wie dieser kritisiert werden (vgl. Kap. 2.1.2.2.). – Nach Laubes Urteil scheitern sowohl Plantinga als auch Dalferth: „Beiden gelingt es nicht, die Eigenständigkeitsthese so zu explizieren, daß sie sich der vorgängigen Voraussetzung eines allgemeinen Sprachbegriffs 594

Sicherlich wäre auch eine tiefere Auseinandersetzung mit Plantinga lohnend, insbesondere unter dem Aspekt eines Vergleiches seiner „proper basicality“ mit dem, was Wittgenstein unter „Gewißheiten“ versteht (vgl. Kap. 1.3.1.). Dies kann aber hier, wo der Gesichtspunkt der Wittgenstein-Rezeption im Vordergrund steht, nicht geleistet werden.

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zu entziehen vermögen. Sie scheitern an dem schlichten Umstand, die religiöse Eigenständigkeit eben nicht als das Andere eines Allgemeinen, sondern nur als ein durch dieses Allgemeine vermitteltes Besonderes aussagen zu können.“ (S. 12; vgl. S. 310f)

Laube konstatiert, dass sich beide durch die Annahme eines Grabens zwischen Sprache und Welt in die angedeuteten Probleme verstricken, und kommt zu der These, dass „diese realistische Vorgabe erst den Anlaß zur Ausbildung jener Eigenständigkeitsthese gibt“ (S. 13). Deshalb müsse der Weg eingeschlagen werden hin zu einem „nichtrealistischen Verständnis religiöser Äußerungen“ (S. 312). Dies soll nun mit Wittgenstein geschehen, der eine „funktionale Bestimmung religiöser Rede“ (S. 312) vornehme. Auf diesem Hintergrund entfalle dann die Eigenständigkeitsthese – und damit auch alle philosophischen Legitimationsprobleme, die diese mit sich bringe. Unter der Überschrift „Die Kritik theologischer Sinnkonstruktion und die Unverzichtbarkeit religiösen Sinnvollzugs bei Ludwig Wittgenstein“ (S. 313) stellt Laube nun dessen Ansichten dar. Zunächst folgt eine Skizzierung des TLP (S. 318-350), die unter der bei Laube leitenden Fragestellung nach dem Verhältnis zwischen Sprache und Welt angegangen wird. Der TLP weise – wie auch in Kap. 1.1. der vorliegenden Untersuchung herausgearbeitet worden ist – auf die „vorgängige sprachlogische Vermitteltheit“ (S. 324) beider hin, woraus – bei Einbeziehung der Rolle des Ich – auch das „Ineinanderfallen von Solipsismus und Realismus“ (S. 334 in Bezug auf TLP 5.64) folge. Dabei sei die „mystische Einsicht in diese vorgängige Vermitteltheit von Ich und Welt“ (S. 345) religiös bedeutsam, auch wenn sich das mystische Gefühl sprachlich nicht ausdrücken könne, da `sinnvolle´ Sätze im TLP sich ja immer auf `Tatsachen´ in der `Welt´ beziehen müssten. Diese rigide Semantik habe zunächst durch die ihr eigene „Aufklärung der logischen Struktur der Sprache“ (S. 322) und die damit verbundene Absolutsetzung der logischen Abbildungsbeziehung zwischen „Satz“ und „Welt“ (vgl. S. 322f) die klassischen, philosophischen Probleme zu destruieren gesucht, damit aber auch den Weg frei gemacht für eine Religion und eine Ethik, die gerade nicht als System, sondern als sprachlich nicht einholbare „Haltung“ begriffen werden müssten. Diese „Haltung“ könne als „glückliche Übereinstimmung“ mit der „Welt“ beschrieben werden, die auf dem „mystischen Gefühl“ basiere, das „jenseits des sinnvoll Sagbaren die Welt als ein begrenztes Ganzes zu schauen vermag“ (S. 338 in Bezug auf TLP 6.45), ohne ihr entfliehen zu wollen 595. – Somit kann Laube seine TLP-Analyse folgendermaßen zusammenfassen: 595

Dies wurde in Kap. 1.1.6. und 1.1.7. etwas anders gesehen. Es ist zu überlegen, ob sich Laube hier nicht zu sehr von seinem Wunsch leiten lässt, „Ich“ und „Welt“ möglichst direkt miteinander zu verbinden. Er schreibt selbst: „Es geht Wittgenstein nicht um ein mystisches Einheitsgefühl, das das Gegenüber von Ich und Welt aufhebt und den Schauenden gänzlich in die von ihm geschaute Welt eingehen läßt.“ (S. 339)

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„Die Stärke des Wittgensteinschen Ansatzes liegt in dem Versuch, die grundsätzliche Destruktion metaphysischer und theologischer Sinnkonstruktion selbst wieder in den Dienst eines religiös-ethischen Interesses zu stellen. ... Die Schwäche des Wittgensteinschen Ansatzes liegt freilich in dem offenkundigen Umstand beschlossen, daß sein logizentrisches Programm es ihm verwehrt, dem Faktum einer inhaltlichen Bestimmtheit des religiösen Glaubens Rechnung zu tragen.“ (S. 349)

Die Spätphilosophie Wittgensteins (S. 350-463) fasst Laube nun „als Ausdruck einer konsequenten Umsetzung und Ausweitung des tractarianischen Programms selbst“ (S. 353) auf. Er unternimmt eine dreigliedrige Argumentation: Zunächst muss diese Kontinuitätsbehauptung gestützt werden (S. 356-375); dann kommt die Spätphilosophie mittels der Schlüsselbegriffe „Sprachspiel, Grammatik und Lebensform“ zur Darstellung (S. 375-392); abschließend soll Wittgensteins Beschäftigung mit der Religion (S. 392-463) dargelegt werden. Die Kontinuitätsbehauptung wird dadurch untermauert, dass Laube die durch die Problematik der Farbeninkompatibilität ausgelöste Preisgabe des TLP-Atomismus (vgl. Kap. 1.2.1.) und damit auch einer eindeutigen Bestimmtheit des Sinns als „unterhalb des religiös-ethisch motivierten philosophiekritischen Programms des Tractatus“ (S. 353f) ansetzt und die eigentliche Grundintention somit nicht berührt sieht.596 Er stärkt seine Auffassung zudem mit der sicherlich richtigen Beobachtung (vgl. oben Kap. 1.1.1.), dass der TLP bereits ontologiekritisch sei, da seine „Gegenstände“ keinen vorfindlichen Entitäten entsprächen. Somit könne also gerade nicht – wie bei Befürwortern eines philosophischen Bruchs597 – von der Ablösung einer realistischen Semantik gesprochen werden. Es komme in der Spätphilosophie vielmehr eine bereits im TLP angelegte antiessenzialistische Stoßrichtung zur Entfaltung, wenn die Suche nach dem `Wesen´ der Sprache durch die Aufgabe einer „übersichtlichen Darstellung“ (PU § 122) konkreten Sprachgebrauchs ersetzt werde (vgl. Kap. 1.3.2.1.). In dem jetzt folgenden Unterkapitel stellt Laube die Wittgensteinsche Spätphilosophie nun genauer dar, wobei die Einsicht in die Begrenztheit philosophischer Reflexion im Mittelpunkt steht (vgl. auch Kap. 2.2.2.5.). Nachdem Laube die methodische Seite der „Sprachspiele“ als aus der Vielfalt der Sprache bewusst herausgegriffene, „funktionale Beobachtungskategorie“ (bereits S. 373) 596

Da es letztlich um eine argumentativ nicht entscheidbare Gewichtung von Motivationen Wittgensteins geht, die auch anders vorgenommen werden könnte, indem man z.B. die Systemkritik durch das Sprachparadigma bestimmt sein lässt, soll Laubes Argumentation hier als eine mögliche hingenommen werden. Der Versuch, Ordnung in Wittgensteins Denken zu bringen und entsprechend terminologisch zu untermauern, kann immer auch mit PU § 132 beantwortet werden: „Wir wollen ... eine Ordnung herstellen: Eine Ordnung zu einem bestimmten Zweck; eine von vielen möglichen Ordnungen; nicht die Ordnung.“ 597 Vgl. z.B. P.M.S. Hacker, Einsicht und Täuschung, S. 145f.

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bestimmt hat598, betont er „die Verankerung eines Sprachspiels im Bereich des nichtsprachlichen Handelns“ (S. 376) und die gerade damit verbundene `Gebrauchstheorie der Bedeutung´. Auch der Regelbegriff und die Festlegung von „Gewißheiten“ seien beim `späten Wittgenstein´ nun eng verknüpft mit nichtsprachlichen Gepflogenheiten, ohne die nicht sinnvoll von „Regeln“ und ihrer Befolgung oder von „Gewißheiten“ gesprochen werden könne. Diese Art der Fundierung, deren intersubjektive Verfasstheit nicht nur durch die `Gebrauchstheorie der Bedeutung´, sondern auch durch das von Laube nur kurz angedeutete `Privatsprachenargument´ einsichtig gemacht werden könne (vgl. S. 382 und oben Kap. 1.3.2.3.), sei ebenso unbegründbar wie unhintergehbar und münde in je individuell geprägte `Weltbilder´ (vgl. Kap. 2.1.3.). Diese seien allerdings aufgrund ihrer grundsätzlichen Unabschließbarkeit nicht als `Systeme´ im traditionellen metaphysischen Sinne aufzufassen und deshalb auch nicht definitiv darstellbar. – Laubes Argumentationsziel ist eindeutig: Ohne diese fundamentale, vorsprachliche Einbettung der „Sprachspiele“ in die Welt, die sprachlich auf keine Weise eingeholt werden kann, weil ihre Versprachlichung selbst wieder auf sie angewiesen ist, ist Sprache als Sprache gar nicht möglich. Diese Einsicht impliziert „auch eine weitreichende Kritik jedweder Form von Realismus. Dabei liegt der Fokus auf der Verabschiedung des Gegenübers von Sprache und Welt als eines erkenntnistheoretisch relevanten Problems.“ (S. 330).

Damit werde die Bedingung der Möglichkeit einer Erkenntnistheorie negiert und verdeutlicht, warum die Pointe darin bestehe, dass es „nicht um eine Theorie, sondern um eine Methode geht“ (S. 385), „um die – funktionale – Beobachtung partikularer Sprachspiele“ (S. 386). Laube veranschaulicht dies an den Begriffen „Sprachspiel, Grammatik und Lebensform“ (S. 385-392; vgl. oben Kap. 1.3.1.599), indem er sie vor allem unter dem Gesichtspunkt ihrer „Konstruktivität“ beschreibt: „Sie fungieren nicht als erststufige Gegenstandsbegriffe, sondern als zweitstufige Beobachtungsbegriffe. Sie bezeichnen nicht beobachtungsunabhän598

Diese Auffassung bringt es mit sich, dass Laube den Begriff „Sprachspiel“ auch auf große Komplexe wie die Religion ausdehnen kann, was nach Ansicht der vorliegenden Untersuchung aber gerade nicht im Sinne Wittgensteins wäre (vgl. Kap. 1.3.1.). 599 Beim Verständnis des Begriffs der „Lebensform“ favorisiert Laube – entgegen der Auffassung der vorliegenden Arbeit, nach der „Sprachspiele“ „Lebensformen“ sind, bei denen gesprochen wird – die Schulte folgende Interpretation, nach der „die Gesamtheit der Praktiken einer Sprachgemeinschaft“ (J. Schulte, Wittgenstein, S. 146; zitiert bei Laube, S. 336) gemeint sei. Da dies aber doch wieder eine abgeschlossene Theoriebildung vermuten lassen könnte, beeilt sich Laube zu beteuern, dass auch der Rekurs auf „Lebensformen“ nur der Demonstration der „uneinholbare(n) Vorgängigkeit des Lebens vor aller sprachlich-philosophischen Reflexion“ (S. 392) diene.

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gig vorgegebene Entitäten – so als ob die Sprache auch ohne den beobachtenden Zugriff in einzelne Sprachspiele gegliedert sei – , sondern gehören auf die Seite des Beobachters selbst, um aus dem unübersichtlichen Geflecht des sprachlichen und nichtsprachlichen Verhaltens überschaubare Ausschnitte herausgreifen zu können.“ (S. 386f)

Bei Laube scheint es so, als seien „Sprachspiele“ willkürlich zusammenstellbare Einheiten. Implizit postuliert er damit die Freiheit des/der Beobachtenden von der Unhintergehbarkeit der Vernetzung von Sprache und Welt; das aber läuft seiner sonstigen Argumentation entgegen. Ausschließlich aus dieser Beobachterperspektive – und damit wird die Befürchtung Niedballas bestätigt, der ebenfalls eine derartige Schlussfolgerung aus der Wittgensteinschen Spätphilosophie meinte ziehen zu können (vgl. Kap. 2.2.2.2.) – gelangt nun abschließend die Religion in den Blick: „An die Stelle der epistemologischen Absicherung eines spezifisch religiösen `Weltbildes´ tritt so die funktionale Frage nach dem `Sitz im Leben´ religiöser Äußerungen.“ (S. 355)

Mit Hilfe des „kritisch-funktionale(n) Ansatz(es) bei Ludwig Wittgenstein“ (S. 411) werden religiöse Aussagen lediglich „als in Bilder gekleidete Lebensregeln“ (bereits S. 355) begriffen. Vor allem unter Bezugnahme auf die VuG und die VB konstatiert Laube: Wittgensteins „Augenmerk richtet sich auf den Umstand, daß der religiöse Glaube, recht verstanden, überhaupt keine Behauptungen aufstellt – weder in Konkurrenz noch als Ergänzung zu den Naturwissenschaften.“ (S. 422)

Wittgensteins Argumente gegen die Gleichsetzung naturwissenschaftlicher und religiöser Aussagen interpretiert der Autor dahingehend, dass jegliche Transzendenzbehauptung als verfehlte metaphysische Sinnkonstruktion und somit als Aberglaube angesehen werden müsse (vgl. S. 424). Nach Auffassung der vorliegenden Untersuchung (vgl. Kap. 1.2.3.) kann man aber nur dann von „Aberglaube“ im Sinne Wittgensteins reden, wenn die Ebenen empirischer Äußerungen und religiöser Rede dadurch vermischt werden, dass zwischen ihnen ein direkter Kausalzusammenhang hergestellt wird. Ist dies nicht der Fall, so ist religiöse Rede nach Wittgensteins Ansicht kein Aberglaube, sondern eine Überzeugung, die sich auf nicht mehr begründbare, aber auch nicht kritisierbare „Gewißheiten“ bezieht. – Laube hingegen zieht die Schlussfolgerung: „Für die Religion ergibt sich daraus, daß Wittgenstein sie auf den bloßen Gebrauch ihrer Bilder beschränken zu können meint.“ (S. 455)

Und als Ergebnis seiner Analyse Wittgensteins kann der Autor somit die Bestätigung seiner These festhalten,

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„daß der Gang an die Grenzen der Sprache in der Früh- ebenso wie in der Spätphilosophie dem Interesse dient, eine religiös-ethische Haltung anzusinnen, die sich jenseits der überzogenen Weltabschlußdeutungen von Philosophie und Theologie in das Leben selbst einfindet und so handelnd jenen Sinn realisiert, der der distanzierenden Reflexion notwendig verschlossen bleibt.“ (S. 315)

Das Einfinden „in das Leben selbst“ beinhalte das Akzeptieren einer Unhintergehbarkeit der immer schon vorgängigen Vermitteltheit von Sprache und Welt und wende sich somit gegen einen Graben, den der Realismus hier ziehen zu müssen meint. Auch löse sich auf diese Weise das Problem der religiösen Eigenständigkeit, da das funktionale Paradigma die Frage nach dem Allgemeinen im Besonderen der Religion gar nicht mehr aufkommen lasse. Laubes Verdienst besteht vor allem darin, dass er zeigt, dass – sobald das Verhältnisproblem bezüglich Sprache und Welt mit Wittgenstein erfolgreich unterlaufen wird – auch der Religion ihre Sprachlichkeit unproblematisch als eine sinnvolle zugestanden werden kann, ohne dass religiöse Rede als eine gänzlich eigenständige qualifiziert werden müsste. Deren eigener Anspruch, auf Transzendenz zu verweisen, kann allerdings mit einer funktionalistischen Analyse, die die ‚anti-aristotelische‘ Komponente des Wittgensteinschen Denkens (vgl. Kap. 1.3.2.2.) übertrieben interpretiert, nicht mehr eingeholt werden; Religion scheint bei Laube in ihrer innerweltlichen Funktion gänzlich aufzugehen. Demgegenüber ist darauf zu beharren, dass religiöse Rede ‚sprachspielanalytisch‘ gesehen ihren Wahrheitsanspruch nicht aufgeben muss – abgesehen davon, dass sie es gar nicht könnte, ohne sich nicht selbst ad absurdum zu führen. Selbst wenn sich mit Wittgenstein der Graben, den die idealistische Sicht zwischen Sprache und Welt aufgeworfen hatte, als Trugschluss erweist (vgl. Kap. 1.3.2.3. und Kap. 1.3.2.4.), bedeutet dies nicht, dass die Transzendenzbehauptung religiöser Rede beiseite gelegt und ausschließlich funktionalistisch verstanden werden muss, zielt doch religiöse Sprache nicht auf ein Innerweltliches, das mit ihr direkt verbunden wäre. Gerade ‚sprachspielanalytisch‘ betrachtet muss festgestellt werden, dass ein Beobachter religiöse Rede nicht ins Funktionalistische auflösen kann, weil er ihr sonst einen fundamentalen semantischen Verlust zufügte, der ihre „Grammatik“ zerstörte. Anders ausgedrückt: Ein Sprachanalytiker kann religiöse Sprache nicht um den Wahrheitsanspruch ihrer Transzendenzbehauptung kürzen. Letztere wird zwar einerseits innerhalb des Verwobenseins von Sprache und Welt aufgestellt, weist aber andererseits innerhalb der Zirkelstruktur des ihr eigenen Verstehens gerade aus dieser Verwobenheit hinaus auf eine ihr vorgegebene Transzendenz.

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2.2.2.7. Swantje Eibach-Danzeglocke – oder: Die „Grammatik“ als bloße Propädeutik These: Indem Wittgensteins Einsichten nur teilweise eingeholt werden, gelingt es Eibach-Danzeglocke nicht, die Bedeutung der Idee von „Theologie als Grammatik“ und vor allem die fundamentaltheologisch bedeutsamen Folgerungen aus der Wittgensteinschen Spätphilosophie in ihrer ganzen Tragweite vor Augen zu führen. Somit wird verständlich, wie bei ihr trotz weitgehender Einsichten das Unternehmen „Theologie als Grammatik“ nur als „Propädeutik“ angesehen werden kann. Auch durch die Einbeziehung der Lehren aus der Fideismusdebatte, an Dewi Z. Philipps kenntnisreich dargestellt, und der Impulse, die George A. Lindbeck zu verdanken sind, kann dieses Desiderat nicht gefüllt werden. Bei der Arbeit Eibach-Danzeglockes handelt es sich um eine Dissertation, die bei G. Sauter in Bonn entstanden ist und 2002 veröffentlicht wurde.600 Ihre Grundfrage nach dem, was „eine Rezeption Wittgensteinscher Philosophie für die Theologie leisten“ kann (S. 13), stimmt mit unserer Fragestellung überein. Bei der Durchführung kommt es allerdings zu erheblichen Unterschieden. Eibach-Danzeglocke „setzt nicht bei Wittgenstein selbst an“ (S. 16), um eine Antwort auf ihre Frage zu finden, sondern richtet – nach einer kurzen Klärung einiger Grundbegriffe der Wittgenstein´schen Spätphilosophie (S. 19-40) – das Augenmerk zunächst auf zwei Rezeptionen aus dem englischsprachigen Bereich. Der Religionsphilosoph Dewi Z. Phillips (vgl. oben Kap. 2.1.2., besonders 2.1.2.1. und 2.1.2.5.) soll „in der gesamten Spannung und Weite seines Denkens“ (S. 41) wahrgenommen werden „und nicht in den abgegriffenen Schematisierungen der bisherigen (wenigen) deutschsprachigen Rezeptionen“ (ebd.), die ihn einseitig „als Prototypen des Fideisten vorgestellt“ hätten (ebd.). Phillips´ Religionsphilosophie sei „gänzlich mit dem Wittgensteinschen Philosophiekonzept und der damit verbundenen Erkenntnis`theorie´ verwoben“ (S. 42). Anhand von „vier Eckpfeiler(n)“ (ebd.) in den Phillipsschen Ausführungen will EibachDanzeglocke diese These belegen. Als erster Eckpfeiler wird Phillips´ „spezifische Auffassung der Methode der Religionsphilosophie“ (ebd.) benannt, nach der Religionsphilosophie keinesfalls die Aufgabe habe, „Religion zu erklären oder gar zu rechtfertigen oder zu verwerfen“ (S. 43). Es ginge allein darum, „sie nachvollziehend zu verstehen“ (ebd.). Dieses könne nur rein deskriptiv geschehen und – ähnlich wie Wittgenstein es in den PU praktiziert – „durch das wohl durchdachte Nebeneinander600

Vgl. S. Eibach-Danzeglocke, Theologie als Grammatik? Die Wittgensteinrezeptionen D.Z. Phillips´ und George A. Lindbecks und ihre Impulse für theologisches Arbeiten, Frankfurt a.M. 2002. – Die Seitenzahlen im Text dieses Unterkapitels beziehen sich auf dieses Werk.

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stellen von Gedanken, durch das sich Zusammenhänge zeigen können“ (ebd.). Dann werde klar, welche Propositionen „in allen Kontexten des christlichen Glaubens vorausgesetzt werden“ (S. 44). Ihre jeweilige spezifische Bedeutung erhielten sie aber auch nur innerhalb eben dieses Kontextes, weshalb Religionsphilosophie sie auch nicht mit alltagssprachlichen Bedeutungen vermischen dürfe. Es gehe einzig und allein darum, „die Grammatik des religiösen Glaubens“ (S. 46) zu ermitteln, ohne sie selbst wiederum zu hinterfragen. Eibach-Danzeglocke stellt sodann „die Frage nach der Realität Gottes“ (S. 51) als zweiten Eckpfeiler der Phillipsschen Religionsphilosophie vor. Nach Phillips werde die Realität Gottes im religiösen Handeln sowohl von der physikalischer Objekte als auch von der der Menschen deutlich unterschieden. Selbst bei anthropomorphen Beschreibungen Gottes zeige die religionsphilosophisch zu leistende Aufdeckung der „Tiefengrammatik“, dass es sich um kategoriale Unterschiede zwischen Gott und Mensch handele. Nur so lasse sich auch verstehen, was sich im Gebet ereigne. – Dennoch erschienen Gottesprädikationen bei Phillips nur als „Regel(n) für den Gebrauch des Wortes `Gott´“ (S. 52). „Die Frage nach dem Wesen des Glaubens“ (S. 57) stelle nun den dritten Eckpfeiler Phillipsschen Fragens dar. Dabei sei es ihm wichtig, jegliche Form von „foundationalism“ hinter sich zu lassen, also die Auffassung, dass der Glaube an Gott einer wie auch immer gearteten Begründung bedürfe. Mit Wittgenstein sei er der Überzeugung, dass es ein solches Begründen nicht geben könne. Deshalb werde religiöser Glaube auch nicht über Beweise, sondern über das Erzählen von Geschichten vermittelt, die z.B. bewirkten, dass die Glaubenden sich als ein Geschöpf Gottes wahrnehmen und daraus bestimmte ethische Konsequenzen für ihr Handeln ziehen. Gerade in der Breite der resultierenden „Lebensform“ zeige sich das Wesen des Glaubens, nicht an einem „Fürwahrhalten von Glaubenssätzen“ (S. 61). Als letzten Eckpfeiler stellt Eibach-Danzeglocke „die Frage nach der Wahrheit“ vor (S. 61). Phillips breche „mit jeglicher Korrespondenztheorie der Wahrheit“ (ebd.; vgl. Kap. 1.3.2.2.). Als Konsequenz hole „er die Wahrheitsfrage in die jeweilige Religion hinein“ (ebd.), so dass sie am Ende gleichbedeutend sei „mit der Frage, ob eine Aussage innerhalb der einzelnen Religion Sinn macht oder nicht“ (ebd.). Die aus diesen Auffassungen resultierende `Fideismusdebatte´ (vgl. Kap. 2.1.2.) gelangt nun auch bei Eibach-Danzeglocke zur Darstellung. Zu Recht weist sie darauf hin, dass die zentrale fideistische These, dass nämlich „Religionen als hermetisch in sich abgeschlossene distinkte Einheiten funktionierten“ (S. 65), in dieser Form von Phillips von sich gewiesen werde. Auch in Kap. 2.1.2.5. wurde dies zumindest für den ‚späteren‘ Phillips gezeigt und die in Frage stehende These als eine Überlegung erwiesen, die sich nicht auf Wittgenstein berufen kann. – Richtigerweise stellt Eibach-Danzeglocke fest:

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„Die Bedeutung religiösen Glaubens für das Leben von Menschen kann nicht verstanden werden, wenn man eine Trennlinie zieht zwischen den Religionen und anderen Lebenszusammenhängen. Es ist für das Verständnis von Phillips entscheidend zu berücksichtigen, daß er den Menschen stets als Teilhaber verschiedener Sprachspiele sieht, die füreinander durchlässig sind.“ (S. 68)

Sie denkt sich „Sprachspiel“ offensichtlich als eine große Einheit (dagegen Kap. 1.3.1.) und scheint ‚die Kompliziertheit der Vernetzung‘, wie sie in Kap. 2.1.3. dargestellt wurde, ebenso wie schon Phillips nicht ausreichend im Blick zu haben.601 – Als Konsequenz ihrer Phillips-Darstellung bestimmt Eibach-Danzeglocke die Theologie nun als „die Grammatik des religiösen Diskurses (die Philosophie beschreibt diese Grammatik lediglich). Sie bestimmt, was über Gott gesagt werden kann und was nicht.“ (S. 70) In einem zweiten Anlauf stellt Eibach-Danzeglocke die Wittgenstein-Rezeption des amerikanischen lutherischen Theologen George A. Lindbeck in den Mittelpunkt ihrer Darstellungen. Lindbeck hätte vor allem aus Interesse an einer Weiterführung des ökumenischen Gesprächs mit der katholischen Kirche heraus nach einem postliberalen Ansatz gesucht, „der es ermöglicht, die dogmatischen Schwierigkeiten ohne gegenseitige Verletzungen zu reduzieren“ (S. 78). Dabei greife er Wittgensteins Sprachspielkonzeption „so auf, daß er eine Religion/Konfession zunächst als in sich abgeschlossene Einheit vorstellt, deren Wahrnehmung durch die Perspektive einer bestimmten, nicht religiös fundierten Theorie geleitet ist“ (S. 81). Eibach-Danzeglocke konstatiert, dass Lindbeck sich selten direkt auf Wittgenstein berufe und ihn auch nur „eklektizistisch“ (S. 82) rezipiere – wie er auch eine Reihe anderer Denker nur selektiv aufnehme. So könne am Ende bei ihm kein in sich konsistenter Entwurf entstehen, aber immerhin einige Fragmente, die zu neuen Denkanstößen führten. Lindbeck betone dabei die Partikularität der jeweiligen Religion/Konfession und die kulturelle Eingebundenheit ihrer Dogmen. Als „Negativfolie“ (S. 85) benutze Lindbeck zum einen einen „kognitiv-propositionale(n) Ansatz“ (ebd.), der theologische Sätze wie naturwissenschaftliche Aussagen behandele und dem korrespondenztheoretischen Modell der Wahrheit verpflichtet sei, und zum anderen den „erfahrungs- und ausdrucksorientierte(n) Ansatz“ (S. 86), der „im Anschluß an Schleiermacher … von einer allen Menschen gemeinsamen religiösen Erfahrung aus(geht), die sich lediglich in unterschiedlichen Ausdrucksformen zeigt“ (ebd.). – Damit stimmt Lindbeck mit den Ergebnissen unserer Arbeit überein (vgl. Kap. 1.3.2.2., 1.3.2.5. und 1.3.3.), auch 601

Von Stosch macht in seiner Rezension zudem darauf aufmerksam, dass eine Reflexion über „die epistemische Konzeption der Wittgensteinianer“ bei Eibach-Danzeglocke unterbleibt, für ihre Überlegungen an dieser Stelle aber durchaus weiterführend gewesen wäre (K. von Stosch, Rezension zu Eibach-Danzeglocke, ThLZ März 2004).

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wenn sie bei ihm nicht unbedingt Folgerungen aus seiner Wittgenstein-Rezeption sind, sondern er überwiegend auf anderem Wege zu ihnen gelangt. Mit dem „kulturell-sprachliche(n) Ansatz“ (S. 88), den er mitsamt dem Wittgensteinschen Sprachspielbegriff von dem Anthropologen Clifford Geertz übernehme (S. 89f), möchte er aber nun – im Sinne Kuhn´s – „ein neues Paradigma … etablieren, das in der Krisensituation des ökumenischen Dialogs nützlich sein könnte“ (84). Dabei würden „Dogmen als Regeln“ (S. 95 u.ö.) aufgefasst, ihre Bedeutung als Propositionen also relativiert. Um sie aber auch „als Regeln anwenden zu können“, die für den ökumenischen Dialog fruchtbar gemacht werden könnten, müsste Lindbeck zudem „unterscheiden zwischen dem, was die Regel ausmacht, und der äußeren Form der Formulierung“ (S. 97). EibachDanzeglocke betont zu Recht die damit verbundenen Schwierigkeiten. Letztlich gerät Lindbeck hier in Probleme, die er von seinem Ansatz her nicht lösen kann, weil die immer wieder betonte Eingebundenheit der Bedeutung der Dogmen in die „Praxis des christlichen Lebens“ (S. 98) auf der einen Seite und das gleichzeitige Postulat nach der Ausformulierung des `eigentlichen´ Gehaltes der Regel auf der anderen Seite sich widersprechen. 602 Die Aufgabe der Theologie müsse nach Lindbeck sodann darin bestehen, „das gemeinschaftsbildende Gerüst für die Glaubensgemeinschaft … verbindlich zu interpretieren“ (S. 103). Für das Christentum bedeute dies, dass die Bibel, die die für unsere Religion konstituierende „story“ enthalte, interpretiert werde – und zwar nach Lindbecks Vorstellung mit der Methode der „Intratextualität“ (ebd.). Hierbei lässt man die biblischen Texte sich gegenseitig interpretieren und sucht zudem nach innerbiblischen „Typologien“, die zur Alltagswelt der Glaubenden in Bezug gesetzt werden können. Da dabei die Gläubigen selbst ihre Glaubensüberzeugungen mit einem Wahrheitsanspruch versähen, der nur als korrespondenztheoretisch beschrieben werden könne, sehe sich Lindbeck vor der Aufgabe, dies mit seinem Ansatz, der einem „intrasystematischen Wahrheitsbegriff“ (S. 107) folge, in Verbindung zu bringen. Eibach-Danzeglocke konstatiert, dass Lindbeck somit „zu Umdeutungen von Termini und zu Hilfskonstruktionen greifen“ (S. 109) müsse, die allesamt nicht überzeugten. Selbst wenn „Gottes Sein und Wille“ (S. 108) als einzig möglicher externer „Maßstab für die Wahrheit eines Satzes“ (ebd.) angesehen würden, bliebe dies im Hier und Jetzt doch ein systemimmanentes Postulat, das im Sinne einer Kohärenztheorie zu deuten wäre – auch wenn sich im Eschaton Wahrheit dann im korrespondenztheoretischen Sinne erweisen ließe.603 Der Verzicht auf einen innerweltlichen Universalmaßstab für die Wahrheitsfrage und die Angebundenheit einer Glaubenssprache an eine konkrete Glau602

Ganz davon abgesehen, dass ein solches Postulat, das nach dem Wesen eines jeweils bestimmten Dogmas fragt, aus Sicht der `Spätphilosophie´ Wittgensteins ohnehin obsolet und als ‚platonistisch‘ zu kennzeichnen wäre (vgl. Kap. 1.3.1. und 1.3.2.1.). 603 Vgl. die Problematik einer „eschatologischen Verifizierung“ bei J. Hick in Kap. 2.1.2.2.

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bensgemeinschaft führe aber nach Lindbeck nun nicht dazu, dass ein „in sich hermetisch abgeschlossene(r) Raum“ (S. 114) entstehe. Dadurch, dass die Glaubenden auch „Mitglied(er) anderer Sprachspielgemeinschaften“ (ebd.) seien, seien „Überlappungen … möglich …, die ihrerseits dann zu Kommunikationspunkten werden“ (ebd.; vgl. Kap. 2.1.3.). – Der Fideismusvorwurf sei also unberechtigt. Eibach-Danzeglocke vergleicht nun in einem weiteren Schritt die Überlegungen Phillips´ und Lindbecks miteinander. Dazu wählt sie die Begriffe Rationalität und Kultur aus, weil diese „für die Entwicklung eines Verständnisses von `Theologie als Grammatik´ von zentraler Bedeutung“ (S. 117) seien. So entscheide sich am Begriff der Kultur „die Verhältnisbestimmung eines religiösen Sprachspiels zu seiner gesamtgesellschaftlichen Umwelt“ (S. 120). Phillips verdeutliche, dass „Religion … notwendig Teil einer Kultur“ (ebd.) sei und mit ihr in einer komplexen Wechselwirkung stehe. Diese könne allerdings nur anhand von konkreten Beispielen beschrieben, nicht aber auf eine allgemeine Formel gebracht werden. Religion müsse dabei, so Phillips, darauf achten, dass sie nicht nur auf gesellschaftlichen Wandel reagiere, sondern diesen auch aktiv mit präge; ansonsten würde sie allmählich bedeutungslos werden. Lindbeck gehe es weniger um eine Verhältnisbestimmung zwischen Kultur und Religion, sondern darum, beides als Einheiten betrachten und analysieren zu können (vgl. S. 123). In eine Religion könne man hineinwachsen wie in eine Kultur – beides werde von ihm aber als eine je spezifische Sprachgemeinschaft aufgefasst. Damit eine Verständigung zwischen diesen Gemeinschaften kontinuierlich gewährleistet bleibe, müsse immer wieder „einer von beiden sein Vokabular erweitern“ (S. 124). Dabei sei es für Lindbeck in erster Linie die Religion, die „christian story“604, die eine sich immer wieder ändernde Welt nach konstanten Kriterien deute, und nicht umgekehrt ein gefestigter säkularer Standpunkt, der der Religion eine immer neue Sprache aufzwinge. Eibach-Danzeglocke folgert nun, dass es nicht darum gehen könne, religiöse Sprache in säkulare zu übersetzen605. Sie möchte vielmehr „theologische Begriffe zunächst innerhalb des eigenen Sprachspiels exakt und ausführlich in ihren Zusammenhängen“ beschreiben (S. 126f) und das Eigene von „auch in der säkularen Umgangssprache gebräuchlicher Begriffe wie z.B. `Versöhnung´ und `Rechtfertigung´“ (S. 127) betonen. Bei diesem Unternehmen sei auf „ausreichende Überlappungen mit dem gesamtgesellschaftlichen Sprachspiel“ (ebd.) zu hoffen, damit die Explikationen auch allgemein nachvollziehbar würden. Diese „Frage nach der Kommunikabilität“ (ebd.) bestimme auch die Überlegungen zum Rationalitätsbegriff bei Lindbeck. Obwohl er eine Universalnorm ablehne (vgl. S. 128), halte er doch an der Möglichkeit der Nachvollziehbarkeit 604 605

Vgl. die zentrale Stellung des Story-Begriffes bei D. Ritschl (Kap. 2.2.1.4.) Vgl. dagegen die gegenteilige Auffassung von P. van Buren (Kap. 2.1.1.).

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religiöser Äußerungen durch nichtreligiöse Menschen fest. „Die Authentizität des Handelnden“ (S. 129) und die Plausibilität seiner Interpretation sei auch in einem größeren kulturellen Kontext erkennbar, selbst wenn die Einsicht in die Rationalität der Sprache des Glaubens den Glauben bereits voraussetze (vgl. S. 131). Auch Phillips könne von seinem Ansatz her keinen universalen Maßstab für Rationalität postulieren, sondern die Regeln für Vernünftigkeit immer „nur innerhalb einer Religion finden“ (S. 133), indem geklärt werde, wie die einzelnen Sachverhalte dieser Religion untereinander und wie sie zudem mit bestimmten Praktiken verbunden seien. Eibach-Danzeglocke sieht dadurch letztlich „neue Gesprächsräume eröffnet“ (S. 136), weil auf diesem Hintergrund im interkonfessionellen Diskurs wie auch im interreligiösen Gespräch kein Absolutheitsanspruch mehr vertreten werden müsse. – Bei beiden Denkern sei „die Abkehr von einem aufklärerischen Rationalismus“ (S. 137), die letztlich Wittgenstein zu verdanken sei, fruchtbringend für den Dialog über die eigenen Grenzen hinaus. In einem weiteren Schritt ihrer Arbeit wendet sich Eibach-Danzeglocke nun wieder Wittgenstein direkt zu. Nach einer Kurzbiographie Wittgensteins (S. 139-142) schließen sich zunächst einige Bemerkungen über „Wittgensteins Beziehungen zur Theologie“ (S. 142-150) an, vor allem mit Hinweisen auf seine Mystik und seine ethischen Grundeinstellungen sowie auf seine Überzeugung, dass es für den Glauben keine Vernunftgründe gebe, dass aber „die Leiden, die in erster Linie aus der moralischen Unvollkommenheit erwachsen, … zum Glauben“ (S. 146) leiten könnten. Theologie als Lehrgebäude habe Wittgenstein abgelehnt und dagegen immer auf die enge Verbindung zwischen religiösem Glauben und einer ihm entsprechenden Lebensführung hingewiesen. Eibach-Danzeglocke unternimmt es jetzt, den Begriff der „Grammatik“ als Schlüsselbegriff für alles Theologie-Treiben einzuführen. PU § 373 nenne eine „Möglichkeit von Theologie“ (S. 150), nämlich – als Klammerbemerkung – „Theologie als Grammatik“.606 Eibach-Danzeglocke analysiert nun diesen Hinweis Wittgensteins im allernächsten Kontext der PU. Die „Grammatik“ kommt in den Blick als der einzige „Wirklichkeitsbereich, innerhalb dessen verifiziert und falsifiziert werden kann“ (S. 153) und die Theologie wird aufgefasst als „ein Sprachspiel, innerhalb dessen sinnvolle und sinnlose … Aussagen über den Ge606

Vollständig heißt PU § 373: „Welche Art von Gegenstand etwas ist, sagt die Grammatik. (Theologie als Grammatik.)“ – Gerade wenn der weitere Kontext das Thema „Vorstellungen“ hat (vgl. Eibach-Danzeglocke, S. 151), liegt es m.E. nahe zu vermuten, dass es Wittgenstein u.a. auch darum geht, dass Theologie die Besonderheit des Begriffes „Gott“ herausstellt – als einer „Vorstellung“, die nicht mit der von anderen „Gegenständen“ kompatibel ist – und damit die „Grammatik“ dieses Begriffes zu beschreiben sucht. Dann schlösse sich § 374 auch plausibel an: „Die große Schwierigkeit ist hier, die Sache nicht so darzustellen, als könne man etwas nicht.“ (Hervorhebung im Original.), z.B. als könne man nicht von Gott reden. – Auf diese Interpretationsmöglichkeit kommt Eibach-Danzeglocke allerdings nicht.

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brauch eines Wortes gemacht werden können“ (S. 154) und das sich selbst „innerhalb eines bestimmten Bezugssystems bewegt und keinerlei Anspruch auf darüber hinausgehende Verifikation hat“ (ebd.). Zwei Bedeutungskomplexe werden nun in Bezug auf die Verwendung des Begriffes „Grammatik“ bei Wittgenstein von Eibach-Danzeglocke unterschieden: „Zum einen ist Grammatik die Fähigkeit eines kompetenten Sprechers, einem Wort seinen Ort innerhalb eines Sprachspiels zuzuweisen. Zum anderen stellt die Grammatik aber auch das Fundament des Sprachspiels dar, das aus der Summe der grammatischen Sätze gebildet wird.“ (S. 155) Auch der Wittgensteinsche Begriff der „Lebensform“ wird eingeführt, womit kontextuelle Handlungen gemeint seien, „die jedem Sprachspiel zugrundelieg(en)“ (S. 159). 607 Zudem wird auf den Unterschied zwischen „Oberflächengrammatik“ und „Tiefengrammatik“ verwiesen (ebd.). Letztere besitze „eine normative Funktion“ (S. 161); ihre „grammatischen Sätze“ entschieden über „sinnvoll“ und „sinnlos“. „Sie befinden sich so gesehen auf einer anderen Ebene als enzyklopädische und Erfahrungssätze.“ (ebd.) Zwar bildeten (auch) sie die Wirklichkeit nicht ab, müssten aber mit ihr verbunden sein, da sie „in ihre Umwelt passen“ (S. 162). In ÜG benutze „Wittgenstein für das Beschreibungsnetz der grammatischen Sätze zunehmend den Begriff `Weltbild´“ (ebd.), mit dem das Individuelle des jeweils gemeinten Netzes stärker betont werden könne, und in Verbindung damit den Ausdruck „Gewißheit“, mit dem die Sicherheit charakterisiert werde, die ein „Weltbild“ stütze (S. 163, vgl. Kap. 1.3.1.). Unter der leitenden Fragestellung „Was kann heutige Theologie von Wittgenstein lernen?“ (S. 164) werden jetzt – trotz der vorigen Analyse zentraler Begriffe der Spätphilosophie Wittgensteins – von Eibach-Danzeglocke Ansichten aus dem TLP ungebrochen in die PU übertragen, z.B. die mystischen Auffassungen von der gänzlichen Ineffabilität Gottes. Dass Wittgenstein mittlerweile ein gänzlich neues Sprachparadigma entwickelt hat, das gerade auch an dieser Stelle nicht mehr in die Sprachlosigkeit des TLP mündet, ist offensichtlich nicht im Blick. 608 So verwundert es nicht, dass sich nach Eibach-Danzeglocke letztlich die Aufgabe einer Theologie, die Wittgenstein folge, darin erschöpfe, „eine vorfindliche Sprachmenge“ derart darzustellen, „daß die Bedeutung der Worte und Sätze in 607

Dies deckt sich nicht mit der Auffassung der vorliegenden Arbeit, wonach – laut PU § 23 – die „Sprachspiele“ „Teil … einer Lebensform“ sind (vgl. Kap. 1.3.1.). 608 Auch von Stosch verweist in seiner Rezension auf diesen Punkt: „Der Grund für die Unterschätzung von Wittgensteins konstruktivem Potential für die Theologie scheint mir dabei darin zu liegen, dass die Vfn. den Bruch zwischen Wittgensteins Früh- und Spätphilosophie nicht genügend berücksichtigt und wiederholt Bemerkungen aus der frühen Periode als Quintessenz der Haltung auch des späten Wittgenstein zu religiösem Glauben, Ethik und Ästhetik ins Feld führt“ (K. von Stosch, Rezension zu Eibach-Danzeglocke, ThLZ März 2004).

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größtmöglicher Klarheit zugänglich wird“ (S. 165). Selbst wenn dadurch „der Blick auf bestimmte Sichtweisen freigegeben“ werde, „die die Lebenspraxis des religiösen Menschen bestimmen“ (S. 166), so ist die Bedeutung der Wittgensteinschen Spätphilosophie für fundamentaltheologische Fragen damit bei Weitem nicht erfasst. Auch die abschließenden Kapitel können dieses Desiderat nicht mehr einholen: Zunächst wird Phillips auf dem Hintergrund des bisherigen Ergebnisses erneut untersucht. Er gehe „einen entscheidenden Schritt über Wittgenstein hinaus, indem er den Sprachspielbegriff explizit auf Religionen anwendet“ (S. 166), genauer auf „religiöse Konzepte“ (ebd.). Auch hier könne es aber nur darum gehen, „Klarheit in diese Konzepte zu bringen“ (S. 169) und aufzuzeigen, „welchen Platz die Rede von Gott im menschlichen Leben hat“ (ebd.). Als Korrektiv „für den alltäglichen Gebrauch des Wortes Gott“ (ebd.) komme die Bibel in den Blick. Damit führe Phillips einen literarischen Bezug ein, den es so bei Wittgenstein nicht gebe. Dies bedeute aber nicht, dass Theologie damit normativ würde. Vielmehr müsse sie nach Phillips deskriptiv bleiben (vgl. S. 170), wenn sie dem Konzept „Theologie als Grammatik“ folgen wolle. Auch Lindbeck übertrage den Sprachspielbegriff auf Religionen, in einem weiteren Schritt auch auf die christlichen Konfessionen. Sein Ziel sei es, Verständnisschwierigkeiten innerhalb des ökumenischen Dialogs aufzuzeigen; somit sei für ihn die Arbeit mit dem Begriff des „Sprachspiels“ vor allem „ein diagnostisches Mittel“ (S. 173). Bezeichnend für ihn sei, dass er den „Grammatik“-Begriff nicht auf die Theologie insgesamt anwende, sondern nur „auf der Ebene der Lehrsätze“ (ebd.) gebrauche. Hier unterscheide er zwischen „Basisregeln“, „Anleitungen zum korrekten Regelfolgen“ und „paradigmatische(n) Regeln“ (S. 174f) mit dem Ziel, vor allem mit Hilfe der ersten beiden Kategorien „die Sprachspiele der christlichen Konfessionen soweit (zu) verändern“ (S. 175), dass es zu größerer ökumenischer Nähe kommt. An einer Ausarbeitung einer „Theologie als Grammatik“ im Sinne Wittgensteins sei Lindbeck also gar nicht interessiert. Er sei aber ein gutes Beispiel dafür, wie Ideen Wittgensteins eine theologische Konzeption bereichern könnten (S. 176). Nun zeigt Eibach-Danzeglocke fünf „Perspektiven einer Theologie nach Wittgenstein, Phillips und Lindbeck“ (S. 177) auf. Hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit von Theologie gehe es wieder vor allem darum, „religiöse Begriffe in größtmöglicher Präzision in ihren Zusammenhängen darzustellen, um die von der Umgangssprache unterschiedene Gebrauchsweise der Begriffe veranschaulichen zu können“ (S. 178). Als Beispiel für einen Entwurf, der auf eben dieses Anliegen eingehe, referiert Eibach-Danzeglocke nun ihrerseits kurz die Arbeit von Regine Munz und ihren Vorschlag einer „theologischen Beispielsammlung“ (S. 178f). Ihre Kritik an Munz stimmt mit der oben vorgetragenen (vgl. Kap. 2.2.2.4.) weitgehend überein: „Theologie kann im Unterschied zur Religionsphilosophie nicht in der reinen Deskriptivität verharren.“ (S. 180). – Es liegt

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Eibach-Danzeglocke also fern, Theologie in eine nur beschreibende Tätigkeit aufzulösen, auch wenn ihre Wittgenstein-Rezeption auf propädeutische Fragestellungen beschränkt bleibt, die das Deskriptive systematischer Theologie betreffen. In Hinblick auf den Bereich der Ethik stellt sie den katholischen Theologen Clemens Sedmak vor609, der mit seiner „Theologie als Theorie diakonischen Handelns“ (S. 181) der von Wittgenstein betonten Verknüpfung von religiöser Rede und Lebenspraxis gerecht werden wolle. Dogmatik werde bei Sedmak zu einer „Handlungswissenschaft“, die für die gesamte Praxis der Gläubigen Orientierung bieten wolle, indem sie das diakonische Handeln Gottes entfalte. Als normative Ebene komme bei Sedmak dann aber das kirchliche Lehramt hinzu. Dies wird von Eibach-Danzeglocke natürlich als nicht mehr mit Wittgenstein vereinbar kritisiert. Ohnehin habe Sedmak, zwar ausgehend vom Wittgensteinschen Kontextprinzip, aber dann doch sich immer weiter von Wittgenstein entfernend, einen recht eigenständigen Entwurf vorgelegt (vgl. S. 183). Die dritte Perspektive betrifft die Verknüpfung mit der Ästhetik. Hier gehe es vor allem darum zu vermeiden, dass Gott auf bestimmte Bilder festgelegt werde, und „um das Auflösen von festgefahrenen Bildern durch die Ermöglichung verschiedener ästhetischer Erfahrungen“ (S. 185). – Hinsichtlich einer vierten Perspektive, nämlich in Bezug auf „Sprachspiele in der Theologie“ (S. 185), möchte Eibach-Danzeglocke vor allem die diagnostischen und therapeutischen Implikationen des Sprachspiel-Begriffes nutzen. So könnten z.B. im ökumenischen Dialog Streitpunkte besser erkannt und eventuell mit Hilfe der Überlegungen zum Aspektwechsel entschärft werden. Als „gelungenes Beispiel“ nennt EibachDanzeglocke die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (S. 187). – In einer letzten Perspektivierung geht es ihr um die Thematik „Theologie und Lehre“ (S. 188). Mit Lindbeck und gegen Wittgenstein möchte sie daran festhalten, die Regeln, die das Fundament einer Glaubensgemeinschaft bilden, auch zu explizieren, weil dies für die Identiät einer solchen Gemeinschaft notwendig sei. Als Beispiel dient der Entwurf von Dietrich Ritschl (vgl. Kap. 2.2.1.4.), der die Aufgabe einer wissenschaftlichen Theologie „in der Explikation und Vernetzung der impliziten Axiome …, die hinter allem religiösen Reden von Gott liegen“ (S. 189), sehe. Diese Axiome dürfe man aber nicht als lediglich regulative Sätze auffassen, da sonst „die Gefahr“ bestünde, dass ihnen nur „eine sozialpsychologische Funktion“ (S. 190) zugemessen werde. Ritschl begegne dieser Versuchung zu Recht mit dem Hinweis darauf, dass die Wahrheit dieser Axiome nicht nur da sei, „wo Sinnzusammenhänge gesehen werden können“ (ebd.), sondern dass sie von Gott her ihre eigentliche Wahrheit bekämen. An immer wieder erzählten Beispielen dafür sei dies zu illustrieren. Der Verweis auf diese Externität sei und bleibe konstitutiv für Theologie. 609

Zu C. Sedmak vgl. die erste Anm. in Kap. 2.2.

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Abschließend stellt Eibach-Danzeglocke nun fest, dass alle vorgestellten Wittgenstein-Rezeptionen gewisse, alles bestimmende Einseitigkeiten aufwiesen (S. 193), z.B. bei Phillips die Fokussierung auf das rein Deskriptive und bei Lindbeck die Frage nach dem Ertrag für den ökumenischen Diskurs. Berücksichtige man hingegen alle von ihr aufgezeigten fünf Perspektiven, so lasse sich „im Vorfeld der Erstellung eines theologischen Begründungszusammenhangs“ (S. 194) eine Rezeption Wittgensteins gewinnbringend einsetzen – insbesondere, um Kommunikationsstrukturen aufzubrechen, Missverständnisse aufzudecken und Differenzen wahrzunehmen. Mit diesem Ergebnis, das die Einsichten Wittgensteins letztlich auf die Propädeutik beschränkt, bleibt Eibach-Danzeglocke weit hinter den Möglichkeiten zurück, die ihr eigener Ansatz in sich birgt. Zum einen nimmt sie – trotz längerer Reflexionen über den „Grammatik“-Begriff – nicht wahr, was die Wittgensteinsche Spätphilosophie auch für den theologischen Begründungszusammenhang selbst zu leisten vermag (vgl. Kap. 1.3.3.). Zum anderen kommen die Stoßrichtungen der PU und ihre theologische Relevanz nicht recht in den Blick (vgl. Kap. 1.3.2.1.-1.3.2.5.), weil sie nur eine sehr geringe Textbasis des `späten Wittgenstein´ für ihre Untersuchung heranzieht. Viele Schwierigkeiten ergeben sich zudem dadurch, dass ein sehr weiter „Sprachspiel“-Begriff benutzt wird, der immer wieder in die Problematiken um den Fideismus führt. So geht sie mit ihrer Arbeit im Grunde nicht über die Lehren, die aus der `Fideismusdebatte´ gezogen werden können, hinaus. Die Weite der fundamentaltheologischen Implikationen der Spätphilosophie Wittgensteins kommt bei ihr nicht zum Tragen. 2.2.2.8. Andreas Hunziker – oder: Ein Glaube ohne Metaphysik These: Andreas Hunziker legt mit „Das Wagnis des Gewöhnlichen“ eine in sich kohärente Wittgenstein-Interpretation vor, die allerdings mit ihrer radikalen Ablehnung jeglicher Metaphysik in der Gefahr steht, letztlich den TranszendenzGedanken gänzlich in die Immanenz hinein aufzulösen. Zwar beabsichtigt er keineswegs, den intentionalen Wahrheitsanspruch religiöser Glaubenssätze aufzugeben, aber ob er dies mit seinem Entwurf tatsächlich einlösen kann, scheint zumindest fraglich. Die Arbeit mit dem Titel „Das Wagnis des Gewöhnlichen“ von Andreas Hunziker wurde 2006 von der Theologischen Fakultät der Universität in Zürich als Dissertation angenommen; erschienen ist sie 2008.610 Doktorvater war Ingolf U. 610

Vgl. A. Hunziker, Das Wagnis des Gewöhnlichen. Ein Versuch über den Glauben im Gespräch mit Ludwig Wittgenstein und Stanley Cavell, Religion in Philosophy and Theology Bd. 32, Tübingen 2008. – Die Seitenzahlen in diesem Unterkapitel beziehen sich auf dieses Werk.

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Dalferth (vgl. Kap. 2.2.1.1.), der somit auch die aktuelle Wittgenstein-Rezeption immer noch inspiriert. – Nach einem ersten, philosophischen Teil, der mit „Philosophie des Gewöhnlichen“ (S. 5-159) überschrieben ist, folgt ein darauf aufbauender theologischer Teil, der den Glauben als „Das Wagnis des Gewöhnlichen“ zur Sprache bringen will (S. 161-314). Ausgehend von PU § 116, wo Wittgenstein für sich reklamiert, „die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung“611 zurückzuführen, stellt Hunziker zunächst Wittgensteins Spätphilosophie unter der Überschrift „Sprachphilosophie als Lebenswelthermeneutik“ (S. 6) vor. Mit Hilfe des Wittgensteinschen „Grammatik“-Begriffes will Hunziker zeigen, dass Wittgensteins Betrachtungsweise letztlich eine „Sprachphänomenologie“ ist, die als eine „Hermeneutik der Formen unseres lebensweltlichen Realitätszugangs“ (S. 7; im Original ebenfalls kursiv) aufgefasst werden könne. Daraus ergebe sich eine Kritik aller Philosophie, die dieses Lebensweltliche „durch metaphysisch-ätherische Erklärungen zu ersetzen versucht“ (S. 8). Nach Wittgenstein seien es ja die Gebrauchssituationen der Wörter, die ihnen ihre Bedeutung verliehen, und nicht etwa geheimnisvolle metaphysische Vorgänge. Hunziker folgt nun „Cora Diamonds Interpretation von Wittgensteins späterer Metaphysikkritik als Kritik an einer metaphysischen Denkweise“ (S. 11; Hervorhebung im Original). Letztere könne dadurch charakterisiert werden, dass sie nach „allgemeinen philosophischen Bedingungen“ (S. 13) frage, unter denen etwas möglich sei – gleich, wie diese Voraussetzungen nun angegeben werden. Dagegen zeichne sich der „realistic spirit“ (S. 13; dort ebenfalls kursiv) dadurch aus, dass er das genaue Hinschauen auf den einzelnen Fall praktiziere, ohne zu Allgemeinplätzen aufsteigen zu wollen. Immer wieder lasse sich der menschliche Geist „durch die (oberflächengrammatischen) Formen unserer Sprache in die Irre führen“ (S. 14); vereint „mit unserem Wunsch nach philosophischen Erklärungen“ (S. 15) führe dies zu metaphysischen Theoriebildungen unterschiedlichster Art. Somit werde verständlich, warum Wittgenstein sich bei den traditionellen „philosophischen Kontroversen nicht auf die ein oder andere Seite“ (S. 16) stelle. Er hinterfrage vielmehr grundsätzlich die grammatischen Voraussetzungen dieser Problemstellungen und lehre das Hinsehen auf den mannigfachen Gebrauch des Wortes innerhalb der Wirklichkeit der Lebenswelt. Damit enttäusche er uns, „wenn wir von der Philosophie Definitionen erwarten“ (S. 18). Stattdessen möchte er uns auf die „Komplexität der Tiefengrammatik“ (S. 20; Hervorhebung im Original) aufmerksam machen, die durch die vielfache Verwobenheit der Sprache in die „Lebensformen“ zustande komme. Es gehe darum zu begreifen, dass „die philosophische Begriffsarbeit“ (S. 23) nicht mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen verwechselt werden dürfe, dass sie eine begriffliche und keine sachliche Untersu611

Das Komma innerhalb dieses Zitates ist so in den PU zu finden.

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chung sei und dass sie der Überwindung einer „begriffliche(n) Desorientierung“ (S. 26) diene. Wenn nun die „Grammatik“ den Gebrauch eines Wortes steuere, dann sei – so Hunziker – die Versuchung groß, sie, wiederum metaphysisch gewendet, als transzendentalphilosophische Voraussetzung allen Redens zu deuten. Dagegen postuliert er: „Es gilt, an der Unterscheidung zwischen Logik und Erfahrungswissenschaft festzuhalten, ohne metaphysische Phantasie bzw. Mythologie dieser Unterscheidung.“ (S. 28) Hunziker wendet sich damit – in Übereinstimmung mit Diamond – gegen alle Versuche, den `späten Wittgenstein´ transzendentalphilosophisch zu vereinnahmen und seine Überlegungen als sprachphilosophisch zugespitzte Weiterführung kantischer Fragestellungen aufzufassen.612 So zeige auch die Diskussion um den Regelbegriff Wittgensteins, dass es starke Tendenzen gebe, „Wittgenstein transzendentalphilosophisch oder auf andere Weise theoretisch misszuverstehen“ (S. 31). Hunziker nennt als ein Beispiel Kripke, dessen Sichtweise des Regelfolgenproblems in der vorliegenden Arbeit (vgl. Kap. 1.3.1.) ja ebenfalls abgelehnt wurde – wenn auch anders begründet. Auf dem Hintergrund der Ablehnung eines jeglichen „metaphysical must“ werde auch Wittgensteins Bemerkung verständlicher, dass die Philosophie „den tatsächlichen Gebrauch der Sprache in keiner Weise antasten“ dürfe (PU § 124). Damit sei vor allem gemeint, dass sie keine Normierungen vornehmen dürfe, mit denen sie dann die Welt beurteile. Ihre „Phantasien, wie die Dinge sein müssen“ (S. 33f), dürfe sie nicht in die Diskussion eintragen. Dennoch könne sie durch das Aufdecken der Unsinnigkeit philosophischer Probleme durchaus sprachverändernd wirken. Die Wittgensteinsche Art des Philosophierens impliziere damit auch „eine Umstellung von der vertikalen (die Phänomene durchdringenden) zur horizontalen (an der Oberfläche bleibenden) Betrachtungsweise“ (S. 34f). In diesem Zusammenhang führt Hunziker nun den Aspekt aus, der in der vorliegenden Arbeit die ‚antiplatonistische Stoßrichtung‘ genannt wird (S. 34-38; vgl. Kap. 1.3.2.1.). Wittgensteins „Kritik am philosophisch-metaphysischen Gebrauch von Worten“ (S. 39), die dabei aus ihren gewöhnlichen Gebrauchssituationen herausgenommen würden, sei als eine „Doppelbewegung“ (S. 40) begreifbar. Zum einen sei sie insofern destruktiv, als sie „die philosophisch-metaphysischen Erklärungen als bloße Luftgebäude entlarvt“ (ebd.). Die Phänomene, die mit ihnen erklärt werden sollen, würden es nämlich bei genauem Hinsehen gar nicht, weil gerade die erfolgte Abstraktion das Denken an ihnen „vorbeigehen“ (ebd.) lasse. Zum anderen gehe es Wittgenstein aber positiv darum, durch die Beschreibung der „Grammatik“ der metaphysisch gebrauchten Worte die Erscheinungen, die 612

In diesem Zusammenhang kritisiert er auch – bei aller Wertschätzung für andere Fragestellungen – die Interpretation von Thomas Rentsch, die dieser z.B. in „Heidegger und Wittgenstein“ und in „Gott“ vorlegt (vgl. S. 28f, Anm. 37; vgl. Kap. 2.2.).

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sie erklären wollen, tatsächlich besser zu verstehen (vgl. S. 42-46). Hunziker weist darauf hin, dass der Wittgenstein-Interpret Cavell das Wissen um die „Grammatik“ deshalb auch als „transzendental“ bezeichne (S. 48). Zwar ordne er Wittgenstein damit „in die kantianische Tradition“ (ebd.) ein; in der praktischen Durchführung des Cavellschen Ansatzes laufe es aber dann doch auf eine Ablehnung eines „metaphysical must“ hinaus.613 Nach Wittgenstein erkenne man nun die „Grammatik“, indem man sich auf den Sprachgebrauch besinne. „Indem ich frage, was wir wann sagen und damit implizieren“ (S. 49), werde mir die „Grammatik“ der Sprache und damit meiner „Lebensformen“ bewusst. Die Klärung der „Grammatik“ ist so gesehen eine Klärung des eigenen Lebens, von Cavell deshalb auch „Selbsterkenntnis“ („selfknowledge“) genannt (vgl. ebd.). Zu dem sich so vergewissernden Selbst gehören dabei – nach Hunziker – zwei Dimensionen: zum einen „das gemeinschaftliche sprachliche Erbe“, zum anderen die „individuelle Verantwortung dafür, wie ich dieses Erbe gebrauchen und damit in neue Kontexte projizieren will“ (S. 50f; Hervorhebungen im Original). Betrachte man beide Bereiche als zwei Aspekte eines ansonsten einheitlichen Geschehens, dann seien sowohl Vorstellungen „radikaler Privatheit“ (S. 52) als auch Ideen einer allgemeinen, unpersönlichen Struktur des Sprachgeschehens nicht haltbar. – Damit verweist Hunziker auf Folgerungen aus der Wittgensteinschen Spätphilosophie, die in der vorliegenden Arbeit als ‚anticartesianisch‘ bzw. ‚anti-platonistisch‘ bezeichnet werden. Die auf diese Weise gegebene „Tatsache der sprachlichen Bedingtheit unseres Zugangs zur Welt“ (S. 54) sei nun aber „nicht im Sinne einer resignativen Grenzziehung, sondern im positiven Sinne einer Ermöglichungsbedingung zu verstehen“ (ebd.; Hervorhebung im Original). Zum Verständnis des „Hintergrund(s) von Wittgensteins Methode der Selbsterkenntnis“ (S. 58) verweist Hunziker auf McDowells Erwägungen hinsichtlich „des Ineinanderwachsens von Sprache, Welt, Anderem und Selbst“ (ebd.).614 Nach diesen Überlegungen ist „die Welt … in unserer alltäglichen Erfahrung `schon immer´ als begrifflich strukturierte präsent“ (S. 59). „Das gewöhnliche Tier Mensch“ (ebd.) habe von Anfang an weder die Natur ohne die Kultur noch umgekehrt. „Rezeptivität und Spontaneität“ (ebd.) seien, so Hunziker, nach Wittgensteins Auffassung also ganz direkt ineinander verwoben, so dass die Alternative zwischen metaphysischem Realismus und transzendentalem Idealismus unterlaufen werde – weder gelte ein direkter Zusammenhang zwischen Natur und Begriffs613

Exemplarisch für die Cavellsche Wittgenstein-Interpretation sei verwiesen auf Stanley Cavell, Das Wittgenstein´sche Ereignis, S. 21-38, in: G. Gebauer/F. Goppelsröder/J. Volbers (Hg.), Wittgenstein – Philosophie als „Arbeit an Einem selbst“, München/Paderborn 2009. 614 Vgl. J.H. McDowell, Geist und Welt, Paderborn 1998.

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bildung noch die gänzliche Leugnung einer Verbindung zwischen beiden Bereichen.615 Wittgenstein möchte – bei dieser und letztlich allen anderen Fragestellungen auch – das „Denken … von irreführenden Bildern befreien und sucht nach neuen Bildern bzw. Gleichnissen“ (S. 62). Dabei gehe es ihm aber nicht nur darum, ein bestimmtes Bild, z.B. vom Funktionieren der Sprache, als unzutreffend aufzudecken, sondern er beabsichtige, die gesamte Denkweise, die zu diesem Bild geführt hat, zu therapieren. Dies tue er, indem „er problematischen (Anwendungen von) Bildern andere (Anwendungen der) Bilder“ (S. 67; Hervorhebung im Original) gegenüberstelle – nicht, um einen metaphysischen Zwang durch einen anderen zu ersetzen, sondern um die „Sehweisen als Sehweisen“ (ebd.; Hervorhebung im Original) bewusst zu machen und u.U. für die jeweilige Fragestellung hilfreichere Perspektiven aufzeigen zu können. Wittgenstein möchte also – im jeweiligen Fall, aber auch grundsätzlich – eine Änderung der „Einstellung“ bewirken, nicht (nur) die einer „Meinung“ (vgl. S. 69f). Methodisch gesehen nehme er in den PU durch die Darstellung von durchaus repräsentativ sein wollenden Selbstgesprächen, die „die Stimme der Versuchung“ (S. 71) mit der „der Korrektur“ (ebd.) bzw. „des Gewöhnlichen“ (S. 72) führe, auch den Leser/die Leserin mit auf den Weg zu einer solchen Einstellungsänderung. Bisher ist schon deutlich geworden, dass die Cavellsche Wittgenstein-Interpretation für Hunziker eine zentrale Rolle spielt. So widmet er Cavell nun auch folgerichtig ein eigenes Kapitel (S. 73-159). Zunächst entfaltet er „die Wahrheit des Skeptizismus“ (S. 75): Dabei geht er von einer Neubestimmung des Skeptizismus-Begriffes durch Cavell aus, der diesen auffasse „als Enttäuschung über die (bloß) menschlich bedingten Merkmale unseres Wissens und Sprechens und (damit verbunden) als das Bemühen, dieses Gewöhnliche unserer menschlichen Welt zu überwinden“ (S. 76). Der Skeptiker im traditionellen Sinne verneine somit „den Realitätsprimat unserer gewöhnlichen Lebenswelt“ (S. 77), aber der Anti-Skeptiker sei ihm darin am Ende gleich. Wenn er z.B. eine Letztbegründung zu kennen meine, sei er der Lebenswelt gegenüber ebenso skeptisch eingestellt wie der Skeptiker, den er widerlegen wolle. So rechnet Hunziker mit Cavell auch den traditionellen Anti-Skeptiker unter die Skeptiker – und der so verstandene „skeptische Impuls“ (S. 76) fällt für ihn letztlich mit dem Drang zum Metaphysischen zusammen, der oben im Gefolge Diamonds skizziert wurde. All diese derart kritisierten Denkweisen seien durch das Bestreben charakterisiert, kontextunabhängig zu reden (vgl. S. 78-82), und die Sprache selbst verleite uns dazu, „das Gewöhnliche zu transzendieren“ (S. 83). Um zu verstehen, warum dies so sei, führt Hunziker „Cavells Interpretation des Wittgensteinschen Begriffs des Kriteriums“ (S. 84) an, der hin und wieder in den PU zu finden ist. Cavell fasse Wittgensteins Rede von Kriterien als eine Rede von „Identitätskri615

Vgl. K. von Stosch, Glaubensverantwortung in doppelter Kontingenz, insb. S. 99-106, dessen Position Hunziker hier zu Recht teilt.

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terien“ (S. 87) auf, die die Eigenschaften des zu beschreibenden Gegenstands näher eingrenzten; z.B. erlaubten bestimmte Verhaltensweisen in einem bestimmten Zusammenhang die Feststellung, dass jemand Schmerzen habe. Allerdings könne ein Kriterium niemals letzte Sicherheit darüber geben, ob es wirklich so sei, könne also in keinem Fall eine Antwort auf den Skeptiker bieten. Es gebe nur an, „was für uns als etwas zählt“ (S. 86; dort kursiv), impliziere aber keine Existenzaussage. Damit behalte der Skeptiker immer Recht; seine Rede von einem Nicht-Wissen-Können gehe aber trotzdem an den Gegebenheiten vorbei, weil es sich letztlich um einen „Bereich jenseits von Wissen und NichtWissen“ (S. 88) handele. Das werde deutlich, wenn man sich die „Grammatik“ des Wortes „wissen“ klar mache. Es könne nur funktionieren, „wenn es im Hintergrund Dinge gibt, die wir ohne `Wissen´ sagen“ (ebd.). Das „Wissen“ sei in bestimmter Hinsicht herausgehoben aus dem sonstigen Sprechen, das sich auf der Basis „einer gänzlich kontingenten, naturgeschichtlich bedingten … Übereinstimmung in unseren menschlichen … Formen des Lebens“ (S. 89) vollziehe. Dies hinzunehmen falle sowohl dem traditionellen Skeptiker als auch dem Anti-Skeptiker schwer, d.h. es kommt ihnen gar nicht in den Sinn: „Sie (an-)erkennen nicht, dass die Verhältnisse zur Welt, zu den Anderen und zu uns selbst weniger erkennender (theoretisch-epistemologischer) als expressiver und anerkennender (praktisch-existentieller) Natur sind.“ (S. 93; Hervorhebungen im Original.) Der „praktisch-existenzielle(…) Akt der Anerkennung der Welt und des Anderen“ (S. 96) sowie der Kontingenz unseres Sprachhandelns im Bewusstsein der durchlebten skeptischen Infrage-Stellung dieser Haltung könne nun zu einer besonders vertieften, zu einer „liebende(n) Anerkennung“ (S. 97; Hervorhebung im Original) der Welt und des Anderen führen. Gerade wenn man dem „skeptizistisch-metaphysischen Impuls der Kontingenzkompensation nicht“ nachgebe (S. 98), gingen „die `tiefen Probleme´ unseres Lebens“ (ebd.) nicht verloren; sie stellten sich aber anders dar, wenn man sie im Bewusstsein des Skeptizismus wiedergewinne. Diesem Impuls zu widerstehen sei allerdings viel schwieriger als den Skeptizismus als Theorie zu widerlegen, weil er dem Menschen offensichtlich eigentümlich sei (vgl. S. 101). Dieses Widerstehen stelle sich immer wieder neu als Aufgabe, fordere permanente Arbeit am eigenen Ich und führe letztlich zu einer Ausweitung der Selbsterkenntnis. So deutet Hunziker mit Cavell „Wittgensteins Philosophieren als … Versuch …, einem Individuum diese Aufgabe der Selbst-Transformation attraktiv zu machen“ (S. 103f). Motivierend sei es für den Einzelnen, wenn er den grammatischen Orientierungsverlust z.B. durch den Skeptizismus als Desorientierung im eigenen Selbstverständnis begreife und dadurch „die Rückführung der Metaphysik auf das Alltägliche“ (S. 104) als Aufgabe entdecke. Dann erscheine auch die „Kehre vom tatsächlichen Gewöhnlichen (mit dessen skeptizistischen Aufstiegsphantasien hin zum Außergewöhnlichen) zum möglichen Gewöhnlichen“

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(ebd.; Hervorhebungen im Original) als erstrebenswert. Diese Ausdifferenzierung des Gewöhnlichen, die Hunziker von Cavell übernimmt, dürfe nun aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass sie uns auffordere, „uns mit der Wirklichkeit unserer alltäglichen Praktiken … einfach abzufinden“ (S. 107). Es gehe dabei vielmehr um die letztlich ethische Aufgabe, dieses mögliche Gewöhnliche immer wieder neu in Verantwortung für die Welt, die Anderen und das eigene Selbst zu entdecken. Damit sei aber auch das innere Programm der PU aufgezeigt: Sie würden uns immer wieder neu „unsere(…) gewöhnliche(…) `Kreatürlichkeit´ bewusst“ (S. 108) machen, ebenso wie die dazu gehörende „Neigung …, diesem Gewöhnlichen zu entfliehen“ (ebd.). Indem sie immer komplexer werdende Lebensverhältnisse aufzeigten, böten sie „eine philosophische Grammatik unserer Verhältnisse zu den Anderen, der Welt und uns selbst“ (S. 109; Hervorhebung im Original). Es gehe ihnen also nicht nur um eine bestimmte Denkweise, sondern auch um mögliche Lebensweisen, zu denen aber immer bestimmte „Bilder vom Menschen“ gehörten (S. 108). Wittgenstein sei es wichtig, trotz aller Kritik an der Neigung, via Introspektion Antworten auf anthropologische Grundsatzfragen zu finden (vgl. Kap. 1.3.2.5.), „nicht-reduktiv und zugleich nicht-metaphysisch über die Seele“ (S. 111; Hervorhebung im Original) zu sprechen. So werde z.B. aufgezeigt, dass die „Grammatik“ des Ausdrucks „Schmerz“ „gerade nicht nach dem Muster von `Gegenstand und Bezeichnung´ konstruier(t)“ werde (S. 113; Hervorhebung im Original), sondern eng mit dem „Ausdruck des Schmerzes im Schmerzverhalten“ (ebd.; Hervorhebung im Original) verbunden sei – die Möglichkeit von Täuschung und Unterdrückung dabei immer mitgedacht. Diese Einsicht richte sich „gegen die falsche Verwendung des Innen/Außen-Bildes im Sinne einer Unterscheidung zwischen einem äußeren-physischen und einem inneren-psychischen Bereich“ (S. 114). „Schmerz“ sei also kein Etwas wie ein fassbarer Gegenstand; er sei aber auch kein Nichts, sondern unablösbar mit einem lebenden Körper verbunden. Inneres und Äußeres sind sozusagen eins. Wo dies im Denken in zwei separate Bereiche aufgespalten werde, entstünden `philosophische Probleme´; ebenso, wenn das innere Erleben vom bewussten Wahrnehmen desselben getrennt gedacht werde (vgl. S. 116-127). Auch die „Anerkennung des Anderen“ (S. 127) sei – nach Cavells Wittgenstein-Interpretation – in erster Linie praktisch-existentieller Natur: „Wir erkennen den Anderen nicht, sondern wir sind dazu bestimmt, ihn anzuerkennen (acknowledgment) oder nicht anzuerkennen (avoidance).“ (S. 129; Hervorhebungen im Original.) Mit dieser Lesart wird die Diskussion des Skeptikers mit dem Anti-Skeptiker unterlaufen. Es wird darauf verwiesen, dass es sich eben nicht um „ein intellektuelles Problem“ (S. 132, Hervorhebung im Original) handele, sondern – so wie wir den Schmerzbegriff gelernt haben – um eine Aufforderung, uns zu verhalten. Die metaphysische Problematik ist in der ethischen

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Anfrage, die sich uns stellt, gar nicht enthalten: „Der Andere ist nicht außerhalb meines Wissens, aber vielleicht außerhalb meines Interesses für ihn.“ (S. 132) Mit Cavell geht Hunziker dann so weit zu behaupten, dass der Skeptiker somit „unseren Wunsch“ ausspreche, uns der damit gegebenen „Verantwortung zu entledigen“ (S. 134). Ganz auf der Linie dieser psychologischen Deutung liegt dann auch „Cavells Neudeutung von Wittgensteins sogenanntem Privatsprachenargument“ (ebd.). Es weise letztlich darauf hin, dass „die Phantasie der privaten Sprache“ (S. 135) entweder der „Angst vor einer radikalen Einsamkeit und Ohnmacht“ (ebd.) oder einer „Phantasie der Selbstgenügsamkeit“ (ebd.) geschuldet sei. Hunziker bringt nun Cavells Wittgenstein-Interpretation in die Diskussion mit anderen bedeutenden philosophischen Ansätzen (S. 135-159). So kann er auf diesem Hintergrund auch in Derridas Dekonstruktivismus skeptizistisch-metaphysische Impulse finden und „als Flucht vor dem Gewöhnlichen“ (S. 136 u.ö.) deuten. Dem gegenüber kann Hunziker in Bezug auf Heidegger konstatieren, dass dessen „Orientierung am Gewöhnlichen … mit derjenigen Wittgensteins eng verwandt“ (S. 141) sei – trotz aller Unterschiede in Bezug auf Inhalt und Methode und der aus seiner Sicht unhaltbaren Heideggerschen Konstruktion „einer die Einzelwissenschaften transzendental begründenden Fundamentalontologie“ (S. 143). Selbst wenn letztere später im Hinblick auf die Theologie zurückgenommen werde, zeige sich an dieser Stelle allein schon im Fragen nach Letztbegründung dann doch ein erheblicher Unterschied zu Wittgenstein. An Rorty nun sei vor allem sein Vorwurf interessant, „die Orientierung am Gewöhnlichen sei nur eine weitere Variante der Metaphysik“ (S. 151). Dies könne aber nur behauptet werden, wenn vergessen werde, „dass die Rückführung der Metaphysik auf das Gewöhnliche im engagierten Modus der Selbsterkenntnis“ (ebd.) geschehe und sich „gegen die Annahme jeglicher apriorischen Struktur“ (S. 152) wehre. – Anregend dagegen schätzt Hunziker „Kierkegaards Rede von der `Entfremdung´“ (S. 153) ein, die schon Cavell selbst mit der Stimme der metaphysischen Versuchung in Zusammenhang gebracht habe. Demnach gehe es sowohl Wittgenstein als auch Kierkegaard darum, „unsere Menschlichkeit und Endlichkeit immer wieder von neuem anzunehmen“ (ebd.) und darin der Tendenz zur `Entfremdung´ zu widerstehen. 616 Cavell begnüge sich nun aber nicht mit einer Beschreibung des Lebens und seiner Möglichkeiten, sondern frage weiter nach einer ethischen Normierung. Hunziker sieht kritisch, dass Cavell den Übergang von der Beschreibung hin zu seinen eigenen ethischen Präferenzen nicht immer deutlich genug markiere. Sei man sich dessen aber bewusst, könne gerade diese ethische Fragestellung „für das kontroverse Gespräch mit einer Theologie, die selber auch normativ orientieren will, eine … fruchtbare Gesprächssituation eröffnen“ (S. 157). 616

Zu den Verbindungslinien zwischen Kierkegaard und Wittgenstein vgl. Kap. 2.2.

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Damit ist der Übergang zum zweiten Teil von Hunzikers Buch erreicht (S. 161314). Hier soll nun theologisch gefragt und der Glaube im Anschluss an das bisher Erarbeitete als „das Wagnis des Gewöhnlichen“ (S. 161 u.ö.) charakterisiert werden. Wittgenstein interessiert hier vor allem unter dem Gesichtspunkt, „was man von seiner allgemeinen philosophischen Denkweise für das … theologische Nachdenken lernen kann“ (S. 163) und inwiefern „man bestimmte Aspekte von Wittgensteins Überzeugungen (…) für … theologische Probleme fruchtbar machen kann“ (ebd.). Auch „Wittgensteins konkrete Beispiele“ (ebd.) in Bezug auf religiöse Begriffe geben Hunziker entscheidende Anregungen für sein theologisches Nachdenken. Insgesamt ist seine Wittgenstein-Rezeption aber vor allem „methodischer Art“ (S. 164), d.h. sie besteht in der Übernahme einer metaphysikkritischen Denkweise, so wie sie bisher entfaltet wurde. 617 Danach sei „christlicher Glaube ohne Metaphysik sehr wohl möglich“ (S. 166). Zunächst kritisiert Hunziker nun „ein aktuelles Beispiel metaphysischer Theologie“ (ebd.), gleichsam als Negativfolie. Als solche wählt er einen Beitrag von Jörg Dierken aus, nämlich dessen Aufsatz „Selbstbewußtsein endlicher Freiheit als Leitbegriff einer modernen Dogmatik“ (vgl. S. 167). Dierken stelle fest, dass „die Erfahrung zum Grundprinzip moderner Dogmatik geworden“ (ebd.) sei; Allgemeinheit könne sie allerdings nur auf dem Wege einer logisch-begrifflichen Plausibilisierung beanspruchen. „Mittels der Hegelschen Bestimmungslogik“ (S. 168) finde er „eine vorgegebene Struktur, mit deren Hilfe er argumentativ mit allen (modernen) Menschen immer schon vereint“ (ebd.) sei. Gerade so lasse sich aber nach Hunzikers Auffassung ein Anspruch auf Allgemeinheit nicht verwirklichen. Indem Dierken die Rückbindung an Bibel, Bekenntnisse, kirchlichen Sprachgebrauch usw. als unvollkommen kennzeichnet und nach einer fundamentaleren Begründungsstruktur frage, leugne er „den Realitätsprimat unserer gewöhnlichen Lebenswelt und deren gewöhnliche Formen von Rationalität“ (S. 169), mit denen allein auf Allgemeinheit abgezielt werden könne. Mit dem Ende „der metaphysischen Suche nach einer universalen Vernunft“ (ebd.) sei ja keineswegs die Konsequenz verbunden, gewöhnliche Begründungen, die Teil unserer Praxis seien, aufzugeben. Deshalb müsse man auch nicht, wie z.B. Rorty, einer „relativistisch-subjektivistischen Stimmung“ (S. 170) erliegen. – Recht verstandene religiöse Rede ist nach Hunziker also weder metaphysisch noch relativistisch. Zudem könne sie – trotz Metaphysik-Verzicht – „Konzeptionen von Transzendenz“ (S. 171) aufweisen, die bestimmtes religiöses Erleben charakterisierten. Positiv gewendet möchte Hunziker „gerade die gewöhnliche Glaubenserfahrung zu(m) … Ausgangspunkt“ (S. 172) einer „Theologie des Gewöhnlichen“ 617

Als von seinem Ansatz her gleichartigen Theologen verweist Hunziker auf D. Bonhoeffer, dessen „Ablehnung des `metaphysischen´ Denkens“ (S. 166, Anm. 9) ebenfalls deutlich sei und auch „keinen Immanentismus bedeuten“ (ebd.) würde.

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(ebd.) erheben. Es handele sich um eine „phänomenologische Hermeneutik“ (ebd.), die „die grammatische Eigenart der Glaubensphänomene“ (S. 173) in ihrer ganzen Vielfalt erkunde. Sie versuche, „den Glauben am richtigen Ort zu sehen“ (S. 174), nämlich eingebettet in den Lebensvollzügen der Glaubenden. Dieses „Hinschauen auf den Einzelfall“ (ebd.) müsse aber immer auch mit dem „Durcharbeiten unserer metaphysischen Phantasien“ (ebd.) verbunden sein, denn „nicht einfach jeder religiöse Glaubensvollzug“ sei „darum schon unproblematisch, weil er Teil der Praktiken“ (S. 175) sei, sondern stehe immer auch in der Gefahr, ins Metaphysische verkehrt zu werden. So verstandene Theologie sei also „eine Art begriffliche Orientierungsfertigkeit“ (S. 174) bzw. „ein therapeutischer Denkstil“ (ebd.), der nicht darauf aus sei, ein Gebäude von „Definitionen und Theorien“ (ebd.) zu erstellen. Dennoch bleibe die „normative(…) Frage nach der Wahrheit des Glaubens“ (S. 176; Hervorhebungen im Original) Aufgabe der Theologie. Dabei könne nun nicht mehr auf eine „unpersönliche und vorgegebene Struktur“ (S. 177) zurückgegriffen werden, sondern es müsse im Gespräch des sich theologisch vergewissernden Ich mit den anderen Menschen der Glaubensgemeinschaft die Suche angetreten werden „nach dem, was für `uns´ Glaubende repräsentativ ist“ (ebd.). Dieser Diskurs lasse sich also nicht durch den abstrakten Hinweis auf allgemein gültige Vorgegebenheiten umgehen, sondern müsse unter allen Umständen geführt werden, wobei dieses „engagierte Theologisieren im Modus der Selbsterkenntnis“ (S. 179) sich und die anderen Glaubenden „im Horizont der göttlichen Selbstauslegung“ (ebd.) besser verstehen lernen wolle. Das impliziere eine „Suche nach anderen Weisen des Fragens und Antwortens“ (S. 183) als sie z.B. die Allgemeingültigkeit beanspruchende Klärung des Glaubens-Begriffes darstelle, die im Sinne eines „Konstitution/Vollzug-Modell(s)“ (S. 182) Glauben abstrakt zu beschreiben versuche. Es solle nicht nach allgemeinen Bedingungen für das Auftreten des Phänomens des Glaubens gefragt werden. Selbst wenn die so gefundene Definition bestimmte theologische Postulate gänzlich erfüllen könnte, so würde sie doch „im Blick auf unsere lebensweltlichen Erfahrungszusammenhänge gleichsam `leer laufen´“ (S. 184). Unser „Wunsch nach philosophischen Erklärungen und Theorien“ (S. 185) führe uns aber ebenso wie die Oberflächengrammatik unserer Sprache immer wieder dahin, metaphysische Phantasien zu konstruieren und z.B. nach einem „Wesen des Glaubens“ (S. 186) zu suchen, das sich in ganz unterschiedlichen Praktiken Ausdruck verschaffen könne, dabei aber immer dasselbe bleibe. Letztlich fingen wir dann an, Vorstellungen eines Wesens zu formulieren, bei denen „wir (oder Andere) gar nicht mehr wirklich wissen, was wir (sie) mit unseren (ihren) Worten meinen“ (S. 191) – beispielhaft dargelegt an Jüngels Überlegungen zum Glaubensverständnis Bultmanns (S. 188-192), konkret an Formulierungen wie die von der „Vorstellung der `unmittelbaren Gegenwart des ganzen un-

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geteilten Daseins´“ (S. 191), die von H. Steffens ausgehend über Schleiermacher und Bultmann bis hin zu Jüngel als durchaus tragfähig anerkannt werde. Ausführlicher arbeitet Hunziker nun „Augustinus´ metaphysische Phantasie des Selbst“ (S. 192) durch. Er weist darauf hin, dass die Vorstellung vom Funktionieren der Sprache, die zu Beginn der „Confessiones“ des Augustinus präsentiert wird (vgl. Kap. 1.3.1.618), eng zusammenhänge mit „einem bestimmten Bild des menschlichen Selbst“ (S. 194; Hervorhebung im Original). Diesem zufolge habe bereits „das Kleinkind Augustinus … die Fähigkeit, gleichsam `privat´ bestimmte Gedanken und Wünsche `für sich´ zu artikulieren“ (S. 195), kann sie nur den Mitmenschen gegenüber noch nicht verständlich machen. Augustinus präsentiere hier das Bild „eines privaten Geistes …, eines vorsprachlichen, vorsozialen und nichtkörperlichen Selbst, das mit sich selbst immer schon vermittelt ist“ (S. 195f). Schon mit dieser Vorstellung sei die Grundlage gelegt für alle Probleme, die sich mit der nun anschließenden Frage der Vermittlung zwischen Selbst und Außenwelt stellen; der Skeptizismus ist danach eine durchaus logische Konsequenz. Theologisch gesehen sei interessant, dass das bei Augustinus vorgestellte innere Selbst „immer schon `im Gespräch´ mit Gott“ (S. 198; Hervorhebung im Original) stehe, ja, „das eigentlich Gott selbst ist oder zumindest dessen Bild“ (S. 200; Hervorhebung im Original). Hunziker sieht hier „die Vorstellungswelt des neuplatonischen Mythos“ (S. 201) am Werk, dem zufolge die Seele im Ideenhimmel bereits vor ihrer Zeit auf der Erde mit den Urbildern der Dinge vertraut gemacht und damit in die Lage versetzt worden sei, sie im Hier und Jetzt wieder zu erkennen. Dagegen möchte Hunziker sich nun für eine Vorstellung einsetzen, die „ohne Rekurs auf das augustinische `innere Licht´ meint auskommen zu können“ (S. 202). Augustins Idee des Sprechenlernens greife ja auch viel zu kurz und stelle „eine irreführende Übervereinfachung“ (S. 206) dar, indem sie die gesamten Sprachtätigkeiten auf die Benennung von Gegenständen reduziere. Warum Sprache weder auf so triviale Weise funktioniere noch durch hinweisendes Definieren erlernt werde, stellt Hunziker nun im Rückgriff auf den Beginn der PU dar (S. 204-226; vgl. Kap. 1.3.1.). Damit werden alle Auffassungen, die als individualistisch bzw. mentalistisch (vgl. Kap. 1.3.2.5.) bezeichnet werden können, als Missverständnisse zurückgewiesen. Positiv entgegengesetzt wird ihnen die Einsicht in die Komplexität des Spracherwerbs inmitten der Einbettung des Sprechens in die unterschiedlichsten „Lebensformen“. Sprechenlernen wird so als etwas verstanden, das primär im Handeln gegründet ist und nicht im Denken oder 618

In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff des ‚Anti-Augustinismus‘ bewusst nur in Bezug auf diese Ideen über die Sprache gebraucht, weil es hier primär darum geht, auch auf diesem Hintergrund das neue Sprachparadigma der Wittgensteinschen Spätphilosophie und dessen fundamentaltheologische Möglichkeiten zu entfalten. Hunziker hat dagegen andere Interessen, weshalb er Augustinus grundsätzlicher in den Blick nimmt.

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in unsichtbaren geistigen Vorgängen. Sprache wird damit erkannt als etwas, das „nicht in mechanischen Wiederholungen aufgeht, sondern … etwas wesentlich Flexibles ist“ (S. 217) und mehr mit dem Erlernen von Techniken als mit dem Kennenlernen von Benennungen zu tun hat. Mit Cavell möchte Hunziker dies als einen „Initiationsprozess“ (S. 220) begreifen, als Einführung in eine Vielzahl von „Lebensformen“ innerhalb eines kulturellen Raumes, „in dem wir in einem unendlich komplexen Prozess von Interaktionen zu Mit-Menschen mit einem Geist heranwachsen“ (S. 221). Trotz dieser Einsichten bleibe Augustins Hinwendung zum Inneren des Selbst gerade für die Theologie eine stetige Versuchung, da sie als „unser Hauptweg zu Gott“ (S. 225) vielen „unwiderstehlich“ (ebd.) erscheine. Selbst für bestimmte Formen nachreligiöser Vorstellungen sei „unser privates Innere der gleichsam geheiligte Ort …, an dem die Wende vom Niedrigen zum Höheren, von der Selbstentfremdung zur Authentizität“ (S. 226) erfolge. Dem gegenüber möchte Hunziker eine „positive Alternative zu Augustinus´ Bild der Sprache und des Glaubens … skizzieren“ (S. 227). Dazu greift er zunächst George Lindbecks Kritik an einem Religionsverständnis auf, demzufolge „Religionen unterschiedliche Ausdruckssysteme innerer Erfahrungen“ (ebd.) seien, theologiegeschichtlich bedeutsam z.B. bei Schleiermacher zu finden (vgl. S. 228f). Lindbeck, von Wittgenstein beeinflusst, setze „nun seine kulturellsprachliche Alternative entgegen“ (S. 229), bei der eine Religion wie ein Idiom aufgefasst werde, wie eine Sprache, die die Menschen, die sich ihrer bedienen, auch präge. Dabei werde das augustinische Innen-Außen-Modell umgekehrt: Nicht das innere Erleben sei ausschlaggebend, sondern die äußeren Lebensformen qualifizierten das Innere. Mit dieser Perspektive könne die „Trennung von Glaubensinhalt und Glaubensvollzug … unterlaufen“ (S. 232) und „das lebensweltliche Ineinander“ (ebd.) beider sichtbar gemacht werden. Die Konkurrenz zwischen den „orthodoxen“ Ansätzen, die die fides quae in den Mittelpunkt stellten, und den „liberalen“ Positionen, die die fides qua als fundierend betrachteten, werde aufgehoben (vgl. S. 232-238). Jetzt werde deutlich, dass „der Sinn von … Glaubenssätzen … verständlich“ werde, „wenn wir ihn als Teil unserer religiös-christlichen Lebenspraxis betrachten“ (S. 237). Ein Glaubenssatz könne also nicht ohne das zugehörige Glaubensleben verstanden werden, die Annahme der Existenz Gottes z.B. nicht ohne das Gebet. Dabei habe „das Praktische in der Regel Priorität“ (ebd.); das „Festhalten am intentionalen Gegenstand des Glaubens“ (ebd.) werde aber nicht aufgegeben. Von daher kritisiert Hunziker nun M. Laube, der auf eine gänzliche Überwindung von philosophisch-theologischen Begründungsansprüchen ziele und allein auf die Art und Weise der Lebensführung abhebe. Damit deckt sich Hunzikers Kritik an Laube durchaus mit der Sichtweise der vorliegenden Arbeit (vgl. Kap. 2.2.2.6.). Zudem folgert Hunziker aus dem kulturell-sprachlichen Modell einen

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„Vorrang des verbum externum“ (S. 239) – im Gegensatz zur `liberalen´ Theologie, die das `innere Wort´ als ausschlaggebend ansehe. Auch in diesem Punkt stimmt Vf. mit Hunziker überein (vgl. Kap. 1.3.3.). Das `verbum externum´ führe nun zu „einem neuen Selbstverständnis“ (S. 240) des Glaubenden, wobei Hunziker dies – im Unterschied zu Bultmann, dem er trotz großer Sympathie doch immer wieder eine Neigung zum Essentialistischen bzw. Metaphysischen nachzuweisen sucht (S. 239-246) – ausdrücklich als kontingente Fortschreibung der menschlichen Naturgeschichte verstanden wissen will. Bei dieser Sichtweise sei aber auch das Lernen zentral – „nicht im Sinne einer Mitteilung einer Theorie“ (S. 248), sondern „im lernenden Mitvollzug einer Praxis, … mit der bestimmte Inhalte unauflösbar verstrickt sind“ (S. 247), im Sinne also einer Einführung in bestimmte „Lebensformen“. Eine Anfrage an diese Überlegungen könnte sein, ob diese Sichtweise „nicht zu einem reduktionistischen Modell unseres Glaubens, zu einem Glauben gleichsam `ohne Seele´“ (S. 250) führe. In diesem Zusammenhang greift Hunziker „Hans-Peter Großhans´ Kritik am protestantischen Rekurs auf die Denkform der Subjektivität“ auf. 619 Zwar stimmt Hunziker der Großhansschen Wittgenstein-Darstellung „in ihrer allgemeinen Stoßrichtung zu“ (S. 251), insofern Wittgenstein tatsächlich die metaphysische Denkform der Subjektivität radikal kritisiere, doch erwecke Großhans „den Eindruck, Wittgenstein wolle tatsächlich etwas leugnen“ (S. 252) und „sei eine Art Behaviorist“ (ebd.), der den Gedanken an die Subjektivität gänzlich zum Verschwinden bringen wolle. Dies sei nach Hunziker nun aber nicht so, wie sich auch aus den obigen Ausführungen ergebe. Die ‚reduktionistische‘ Wittgenstein-Rezeption habe aber durchaus ihre Wirkungsgeschichte, von Hunziker exemplarisch dargestellt an Herbert Schnädelbach für den Bereich der Philosophie (S. 254f) und an Ulrich Barth als einem Beispiel aus dem Raum der Theologie (S. 256-261). Beide bemühten erneut – weil Wittgenstein in dieser verkürzten Sicht als defizitär erfahren werde – z.B. mentalistische Vorstellungen, die mit Wittgenstein eigentlich überholt seien. Positiv gewendet sei aber auch mit den Einsichten Wittgensteins ein „Glaube mit `Subjektivität´“ (S. 261) möglich, der allerdings von der Psychologie keine „Fundierung des Glaubens“ (S. 262) mehr erwarte und sich auch keiner bestimmten Richtung innerhalb der Psychologie direkt anschlösse. Im Gegenüber zu einer mentalistischen Sichtweise betont Hunziker immer wieder die „Sichtbarkeit des Glaubens“ (S. 267). Dabei will er allerdings nicht bestreiten, „dass der Glaube als Glaube an Gott auch für den Glaubenden etwas ist, woran auch er glaubt und in dem Sinne durchaus unsichtbar ist“ (ebd.; Hervorhebungen im Original). Das liege daran, dass „es zur Grammatik dieses 619

Vgl. H.-P. Großhans, Das moderne Selbstverständnis des Protestantismus und Wittgensteins Kritik der Subjektivität, in: Krisen der Subjektivität, hg.v. I.U. Dalferth und Ph. Stoellger, Religion in Philosophy and Theology Bd. 18, Tübingen 2006, S. 63-77. – Zu Großhans vgl. auch Kap. 2.2.2.3.

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Glaubens gehört, dass der Glaubende gerade dann glaubt, wenn er glaubt, dass er glaubt“ (S. 268). – Entscheidender ist für Hunziker aber das äußerlich sichtbare Eingebettet-Sein des Glaubens in bestimmte „Lebensformen“, in die man hineinwachsen und für die man somit dann auch Verantwortung übernehmen könne. Der Glaube trete in Form von bestimmten Verhaltensweisen und damit verbundenen Geschichten oder Bildern an mich heran und mit meinem zunehmenden Hineinwachsen in ihn verstünde ich ihn immer besser – bis ich ihn unter Umständen als für mein Leben relevant anerkenne. „Diese Dimension der existenziellen Aneignung“ (S. 271) ist es, die Hunziker nun im Schlusskapitel „neben dem Bild des `Lernens´“ (ebd.) „als für die Grammatik des Glaubens zentral“ (ebd.) vorstellen möchte. Zunächst beschreibt er jetzt Glauben „als Lebensweise in einem neuen Bezugssystem“ (S. 272), als „eine bestimmte Weise, unser Leben im unüberschaubaren Geflecht unserer Lebensverhältnisse vor Gott zu vollziehen“ (S. 273; Hervorhebungen im Original), und durchaus auch als „Erschließung neuer Lebensmöglichkeiten“ (ebd.). Wittgenstein habe gezeigt, „dass es sich beim Glauben … um Verschiebungen in der Grammatik unseres menschlichen Welt-, Fremdund Selbstverständnisses“ (ebd.) handele. Dies impliziere die Veränderung der Bedingungen, die Menschen als grundlegend für ihr Handeln ansähen, und ändere auch das Handeln selbst. Dabei spreche „Wittgenstein vom Glauben … als einem leidenschaftlichen Sich-Entscheiden“ (S. 275) und damit sei er anders charakterisiert „als andere unserer Weltbild-Einstellungen“ (S. 276), die auf dem Hintergrund einer von allen geteilten Lebenswelt als nicht frei wählbar erscheinen. Anders als andere „Gewissheiten“ sei er vom Zweifel begleitet – und könne doch ein ganzes Leben regeln. Über die Rolle des Zweifels habe nun Klaus von Stosch Entscheidendes gesagt.620 Trotz aller Versuche im Grunde aller theologischen und religionsphilosophischen Richtungen, „den Zweifel vom religiösen Glauben fernzuhalten“ (S. 279), plädiere er dafür, sowohl den intellektuellen als auch den existentiellen Zweifel als zur „Grammatik“ von religiöser Rede zugehörig zu begreifen. Religiösen Glaubenssätzen käme zwar durchaus eine regulative Funktion auch auf der Weltbild-Ebene zu, aber sie dürften nach Wittgenstein „in ihrem epistemischen Status mit anderen Glaubenssätzen unseres Weltbildes nicht gleichgesetzt“ werden (ebd.). Es gehe in ihnen eben nicht nur um den „Bezugsrahmen“, so Hunziker, sondern gerade auch um eine „Einstellung“ im Sinne der PU – „quer zu all unseren Fremd-, Welt- und Selbstverhältnissen“ (S. 281). Damit komme der Glaube nun 620

Zu von Stosch vgl. auch die erste Anm. in Kap. 2.2. – Über die dort angebene Arbeit hinaus („Glaubensverantwortung in doppelter Kontingenz“) nimmt Hunziker noch auf einen weiteren, kleineren Beitrag von von Stosch Bezug: Religiöser Glaube und Zweifel, in: PreProceedings of the 26th International Wittgenstein Symposium. Austrian Ludwig Wittgenstein Society, Kirchberg am Wechsel 2003, S. 334-336.

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weniger als „intellektuelles (Erkennen), sondern als existenziell-praktisches Problem (Anerkennung) in den Blick“ (S. 283) und wäre nicht mehr, aber auch nicht weniger als das Anerkennen des Sachverhaltes, dass wir zwar von Gott verschieden, nicht aber notwendig von ihm getrennt seien. „Wenn uns etwas trennt, dann ist es ein Aspekt des Geistes selbst“ (ebd.), den Hunziker mit W. Mostert als der klassischen Hybris ähnlich charakterisiert. „Es ist die Art unserer Einstellung zu ihm selbst“ (S. 285), die uns Gottes prinzipielle Unverborgenheit in der gewöhnlichen Welt nicht wahrnehmen lasse. Auch hier, in der Hybris, sieht Hunziker den „Versuch, die gewöhnlichen Bedingungen, wie wir Gott erfahren“ (ebd.), nicht akzeptieren, sondern „übersteigen“ (ebd.) zu wollen – ganz analog zum metaphysischen Impuls, der die alltäglichen Gegebenheiten nicht als letzte Bedingungen hinnehmen möchte und deshalb das Spekulieren dem Schauen vorziehe. Gerade auch in der Annahme Jesu Christi als des „beste(n) Bild(es) Gottes“ (S. 286) spitze sich diese Anerkennungsproblematik besonders zu, weil es eben ein so gewöhnliches Bild sei. Indem der Glaube nun zwar die Möglichkeit des Zweifels anerkenne, sie aber zugleich aufhebe, also den skeptischen Impuls überwinde, wird er zu einem „Wagnis des Gewöhnlichen“ (S. 291) mit dem Ziel „der Rückgewinnung von Lebensformen …, in denen Verhältnisse liebender Anerkennung möglich werden“ (S. 292). Mit dem so beschriebenen „Impuls …, gewissen Aspekten des Alltäglichen zu widerstehen oder sie gar zu verändern“ (ebd.), ist die von Hunziker so oft beschworene Kehre vom tatsächlichen zum möglichen Gewöhnlichen nun endlich näher charakterisiert. Hunziker schließt sich einem Bild von Ronald Hall an, wenn er hier von einem „nicht-resignativen Umarmen(…) meines endlichen Lebens vor Gott“ (ebd.; Hervorhebung im Original) spricht, das um Resignation, Verzweiflung und Skeptizismus wisse, dies alles aber zurückweise. Zum einen sehe der Glaubende also alle Lebenszusammenhänge coram deo und stelle somit „eine neue Weise der Anerkennung der Anderen, der Welt und uns selbst“ dar (S. 293; Hervorhebungen im Original), zum anderen biete er eine „Einstellung zu Gott … in Analogie zur Einstellung zu einem anderen Menschen (im Sinne einer `Einstellung zur Seele´)“ (ebd.; Hervorhebung im Original). Die liebende Anerkennung der Welt, der Anderen und unserer selbst ist danach mit der „liebende(n) Anerkennung Christi“ (S. 294) wechselseitig verschränkt; beides motiviere sich gegenseitig. Im Erlernen der „`story´ Israels und Jesu“ (S. 295)621 scheine dabei z.B. für Lindbeck der Schlüssel eines solchen Glaubensverständnisses zu liegen. Hunziker zeigt jedoch anhand von Überlegungen von Leo Barrett, dass man zusätzlich über bestimmte Fertigkeiten verfügen müsse, diese `story´ auch auf sehr bestimmte Weise auf sein eigenes Leben anzuwenden, damit sie eine derartige Bedeutung erhalte. Aus sich selbst heraus bleibe diese story gänzlich unbestimmt. 621

Vgl. zum Story-Begriff auch die Überlegungen von D. Ritschl (Kap. 2.2.1.4.), die hier in mancherlei Hinsicht eine Fortführung erhalten.

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Mit Hilfe von „Regeln“ und ihren paradigmatischen Anwendungen müssten vielmehr „die wirklichen und möglichen Lebens- und Sprachformen“ (S. 299) erkundet werden, die zu dieser `story´ passten, d.h. die eine Welt entstehen ließen, „in der Verhältnisse liebender Anerkennung zu Gott und den andern Menschen möglich“ würden (ebd.). Dabei gelte, wovon Wittgenstein und auch Kierkegaard gemeinsam überzeugt seien, dass nämlich „bestimmte christlich-religiöse Begriffe ihren Sinn nur im Zusammenhang mit bestimmten `Stimmungen´ bzw. `Lebensweisen´“ (S. 301) hätten, z.B. die „Sünde“ mit der Stimmung des „Ernstes“, die zum Handeln dränge, nämlich zur Buße, zur Wiedergutmachung usw. Auf diese Weise entscheide sich, ob religiöse Fragen tatsächlich zu wirklich bedrängenden Lebensfragen würden oder aber leeres Gerede blieben. Auf diesem Hintergrund kann Hunziker nun aber auch selbstkritisch fragen: „Habe ich den Glauben auf ein mundan-anthropologisches Phänomen reduziert …?“ (S. 304). Hunziker meint diesen Verdacht dadurch zurückweisen zu können, dass er darauf hinweist, dass er immer nur „auf die Neigung“ habe aufmerksam machen wollen, „metaphysische Beschreibungsperspektiven mit einer theologischen Beschreibungsperspektive zu verwechseln“ (ebd.; Hervorhebungen im Original). Er wolle damit aber keineswegs „in Abrede stellen“, „dass für den Glaubenden sein Glaube in dem Sinne mehr als ein bloßer Zufall ist, als er glaubt, dass sein Glaube wahr ist und ein wirkliches Verhältnis zu Gott (und damit ineins zu den Anderen, der Welt und sich selbst) darstellt“ (ebd.; Hervorhebungen im Original). Hunzikers „Versuch …, diesen Glauben in einer Terminologie des Gewöhnlichen zu beschreiben“ (ebd.) sei aber nicht nur sprachphilosophisch, sondern auch theologisch motiviert – nämlich in der Überzeugung, dass „sich uns Gottes Mit-Sein mit uns in der Geschichte Jesu Christi (im Kontext der Geschichte Gottes mit Israel) erschlossen hat“ (S. 305; Hervorhebung im Original). Damit hänge er auch eng „mit der Metapher der Inkarnation“ (ebd.) zusammen und erkunde vor allem „die Spuren der göttlichen Selbsterschließung … im Leben derjenigen Gemeinschaften und Einzelnen …, welche sich die Geschichte Jesu Christi … als Horizont des eigenen Lebens anzueignen versuchen“ (S. 305f). Fragestellungen aber wie die nach der Notwendigkeit von Inkarnation und Offenbarung, nach den Voraussetzungen „in Gott selbst“ (S. 305) für ein derartiges Geschehen usw. weise Hunziker damit als unangemessen und eben metaphysisch zurück. Zentral sei dagegen die Frage, wie sich die Glaubenden aufgrund ihres Glaubens neue Lebensmöglichkeiten in ihrem gewöhnlichen Leben erschlössen. Somit kann Hunziker im Rahmen einer abschließenden Gegenüberstellung von Cavell und Karl Barth betonen, dass er „Cavells Bestreben …, nach einer nachreligiösen Alternative zum religiösen Glauben Ausschau zu halten“ (S. 309), nicht teile und demgegenüber für eine „christliche Option“ (ebd.) eintrete. Cavells und seine eigene „Weise der Rückgewinnung des Gewöhnlichen“ (ebd.) hätten zwar denselben metaphysikkritischen Impuls, wären aber letztlich doch

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„grundverschieden“ (ebd.). Eine „christliche(…) Weise der Rückgewinnung des Gewöhnlichen“ (S. 310) könne als ebenso modern aufgefasst werden wie eine atheistische, bei der der andere Mensch an die Stelle des ganz Anderen trete. Während Kierkegaard aus seiner „Diagnose …, dass das Christentum seiner Zeit die Fähigkeit verloren hat, seine eigenen Worte zu gebrauchen“ (S. 311), das auch bei Wittgenstein zu findende Bestreben ableite, wieder „Klarheit in die Begriffsverwirrungen“ (ebd.) zu bringen, folgere Cavell, dass diese Begriffe keine „lebendige menschliche Möglichkeit“ (S. 312) mehr darstellten. Hunziker wolle aber mit Kierkegaard und Wittgenstein daran festhalten, dass die Auflösung der Begriffsverwirrungen eine sinnvolle Tätigkeit sei und eine, wenn nicht die Hauptaufgabe in der gegenwärtigen Theologie darstelle. Es gehe dabei nicht vor allem um Apologetik, sondern um ein Verstehen der Bedeutung dieser Begriffe und um den Erhalt bzw. die Wiederentdeckung der zugehörigen „Lebensformen“: „Es hieße dies, den Sinn dafür (wieder-)zugewinnen, was es heißt, als Glaubender mitten im gewöhnlichen Leben zu sein. Und es hieße dies zugleich, jene metaphysischen Phantasien hinter sich zu lassen, die einem den Sinn für dieses Gewöhnliche immer wieder von neuem verstellen.“ (S. 314) Aus Sicht der vorliegenden Arbeit ist aber anzufragen, ob die Metaphysikkritik Hunzikers bei diesem achtenswerten Versuch der Wiedergewinnung christlicher Begriffe nicht zu weit geht. Hunziker geht sehr lang mit Cavell konform, so dass der Eindruck entsteht, dass Cavell diesen Weg dann konsequenter fortführt, wenn er letztlich auch Gott selbst als Ausdruck einer „metaphysischen Phantasie“ begreifen möchte. Bei aller berechtigten Kritik an metaphysischen Verirrungen – nicht nur in Bezug auf Denkinhalte, sondern auch in Bezug auf Denkweisen – bleibt doch, und dies auch im Sinne Wittgensteins, festzuhalten, dass z.B. das Negieren jeglicher transzendentalphilosophischen Fragestellung noch einmal eine andere Dimension der Metaphysikkritik bedeutet als etwa die Kennzeichnung des Außenweltproblems als einer Verwirrung des Verstandes.622 Die Radikalität der Metaphysikkritik, so wie Hunziker sie vorstellt, bedeutet am Ende doch eine gänzliche Auflösung jeglicher Transzendenz-Vorstellung in die Immanenz.623 Und damit scheint das versprochene Ernst-Nehmen der intentionalen Wahrheiten gerade nicht mehr gegeben zu sein.

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Auch M. Wladika weist in seiner Rezension darauf hin, dass auch „der späte Wittgenstein …, wie minimalisiert auch immer, an Transzendentalphilosophischem“ partizipiere (M. Wladika, Rezension zu Andreas Hunziker, Das Wagnis des Gewöhnlichen, ThLZ Okt. 2009, online ohne Seitenzahlen.) 623 Auffällig sind die Ähnlichkeiten mit dem Ansatz von Paul M. van Buren und seinem Verzicht auf die ‚kosmologisch-ontologische Sprach-Garnitur‘ (vgl. Kap. 2.1.1.).

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2.2.3. Zusammenfassung These: Nur in Ausnahmefällen gelingt es, Wittgenstein theologisch wirklich fruchtbar zu machen. Selten wird deutlich gesehen, dass mit dem Sprachparadigma der PU die Bedingungen der Möglichkeit sinnvoller religiöser Rede zurückgewonnen werden. Bis auf Hunziker verweist niemand darauf, dass die ‚sprachspielanalytische‘ Methodik zu der Einsicht drängt, dass ein theologischer Ansatz sinnvoll nur ein `offenbarungstheologischer´ sein kann. Zur Erhellung partieller Problematiken jedoch trägt Wittgenstein häufig bei, wenn er konsequent auf diese hin befragt wird. Zudem zeigen vor allem Maurer und Hunziker, aber auch Wabel und Laube, dass sich mit Wittgenstein Einsichten gewinnen lassen, die die Grundlagen systematischer Theologie, d.h. ihre „Grammatik“, betreffen. Die Wahrnehmung des TLP in der deutschsprachigen protestantischen Wittgenstein-Rezeption ist zunächst (vgl. Kap. 2.2.1.) recht oberflächlich und im Grunde auf die stereotype Ablehnung der Abbildtheorie beschränkt, ohne dass z.B. erkannt würde, dass bei Wittgenstein wohl eine religiöse Motivation für dieses Unternehmen angenommen werden muss (vgl. Kap. 1.1.7.). In der zweiten Phase der Rezeption (vgl. Kap. 2.2.2.) wächst das Verständnis für die religiöse Dimension des TLP; seine Mystik wird adäquater begriffen. Auch die Bedeutung der Überzeugung von der Vorgängigkeit des „logischen Raumes“ – zuvor höchst selten gesehen – wird jetzt zumindest von einigen Autoren erkannt und thematisiert (Wabel, Laube). In Bezug auf die Spätphilosophie lässt sich vor allem für die erste Rezeptionsphase (Dalferth, Just, Track und Ritschl) feststellen, dass Wittgenstein – obwohl ein Gesamtverständnis intendiert ist – wieder nur partiell wahrgenommen wird. Insbesondere ist die ‚sprachspielanalytische‘ Methodik des `späten Wittgenstein´ entweder gar nicht im Blick oder wird als folgenlose `Beschreibung´ im alltagssprachlichen Sinne missverstanden. Insofern kann es nur zu einer begrenzten theologischen Fruchtbarmachung kommen, die hauptsächlich darin besteht, dass versucht wird, Argumente gegen die sprachanalytische Religionskritik auch mit Wittgenstein zu belegen. In der zweiten Phase ist die Wahrnehmung Wittgensteins ebenfalls häufig nur ausschnitthaft, z.T. sogar in bewusster Konzentration auf bestimmte Aspekte (Großhans, Munz, Eibach-Danzeglocke), obwohl jetzt auch die Texte des `mittleren Wittgenstein´ zur Kenntnis genommen werden. Diese verleiten allerdings dazu, sich auf Wittgensteins Äußerungen über Religion zu konzentrieren; das schränkt aber den Blick auf das, was er der Theologie in seinen anderen Überlegungen implizit mitzuteilen hat, z.T. erheblich ein. Zudem ist das Missverständnis des `methodischen Behaviourismus´ mehrfach anzutreffen; manchmal bleibt diese Auffassung so gut wie ohne Konsequenzen für die beabsichtigte Rezeption (Maurer); bei anderen Autoren sind jedoch große

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Folgen für die gesamte Interpretation zu verzeichnen (vor allem bei Niedballa, aber auch bei Laube, dessen funktionalistische Interpretation nur eine Variante dieser Überzeugung darstellt). Dennoch zeigt sich jetzt, dass eine konsequente Befragung Wittgensteins auf bestimmte partielle Problematiken hin viel Erhellendes zum Vorschein bringen kann (Großhans bezüglich der Wahrheitsproblematik, Wabel hinsichtlich der Zirkelstruktur des Verstehens und Laube in Bezug auf die Unhintergehbarkeit der Verwobenheit von Sprache und Welt). Vor allem aber wird bei Maurer, Wabel und Hunziker die Bedeutung der Wittgensteinschen Spätphilosophie für eine „Theologie als Grammatik“ (PU § 373) eindrucksvoll vor Augen geführt. Auch Eibach-Danzeglocke geht in diese Richtung, verbleibt aber dann letztlich doch auf der Ebene der propädeutischen Erwägungen. Besonders Maurer und Hunziker versuchen durchaus, das Sprachparadigma der PU als ganzes konsequent auf fundamentaltheologische Fragestellungen zu beziehen. Dass Wittgensteins Verständnis von „Gewißheit“ sich mit einem `offenbarungstheologischen´ Einsatz parallelisieren lässt, wird z.B. von Maurer deutlich gesehen; es wird allerdings auch von ihm nicht erkannt, dass sich ein derartiger Einsatz sogar zwingend ergibt, wenn die ‚sprachspielanalytische‘ Methodik Wittgensteins konsequent angewandt wird (vgl. Kap. 1.3.3.), weil sich danach – da jede Introspektion auf die Vorgängigkeit der Sprache angewiesen ist (vgl. Kap. 1.3.2.5.) – ein Ausgang bei der inneren Erfahrung ebenso verbietet wie der Einsatz bei der Außenwelt, der die – trotz ihrer weltimmanenten Verwobenheit – spezifische „Grammatik“ religiöser Rede nicht erklären könnte (vgl. Kap. 2.1.2. und 2.1.3.). Nur Hunziker deutet diese Überlegungen an, geht dann aber auf der anderen Seite mit seiner Metaphysikkritik zu weit. Im Ganzen gesehen findet sich ein breites Spektrum verschiedener Möglichkeiten Wittgenstein zu verstehen und somit auch, ihn theologisch nutzbar zu machen. Dabei zeigt sich, dass dort, wo man sich um ein adäquates Verständnis der Frühphilosophie bemüht, auch die Spätphilosophie deutlich besser erfasst wird. (Insofern sieht sich die vorliegende Untersuchung in ihrer Vorgehensweise bestätigt.) Wo dies geschieht, trägt es auch zum Erkennen von Ähnlichkeiten mit theologischen Konzeptionen bei und so wurden auch bereits einige Vergleiche mit kirchengeschichtlich bedeutenden theologischen Entwürfen vorgelegt: Vor allem Barth (Maurer) und Luther (Wabel) sind zur Sprache gekommen. Es überrascht etwas, dass sich bisher kein Versuch fand, Wittgenstein einmal auf die Theologie Paul Tillichs zu beziehen, lässt eine Symboltheorie, wie dieser sie ausgearbeitet hat, doch eine Reflexion auch sprachanalytischer Fragen vermuten. So sollen nun im Folgenden Verbindungslinien zwischen diesen beiden Denkern angedeutet, aber auch Dissonanzen aufgezeigt werden.

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3. Eine Anwendung auf die Symboltheorie Paul Tillichs These: Die Symboltheorie Paul Tillichs (vgl. Kap. 3.1.) erweist sich als zu einigen Teilen durchaus kompatibel mit dem durch die sprachanalytische Betrachtung im Sinne Wittgensteins Geforderten. Allerdings verbleiben eine Reihe von Kritikpunkten, die sich vor allem auf ihre impliziten ontologischen Voraussetzungen beziehen (vgl. Kap. 3.2.). Eine Weiterentwicklung der Tillichschen Symboltheorie, die z.B. auf die Überlegungen zur „ontologischen Partizipation“ verzichtete und die grundlegenden „Symbole“ stattdessen als „grammatische Sätze“ begriffe, könnte sie deutlicher als bisher als eine Möglichkeit sinnvollen christlichen Redens von Gott erscheinen lassen. Bisher ist gezeigt worden, dass eine Religion keine sprachlich eindeutig bestimmbaren Grenzen mit rein säkularer Rede aufweist, sondern vielmehr auf vielfältige Weise mit ihr verwoben ist. Dennoch sind die in ihrem Zentrum gespielten `Sprachspiele´ dadurch eng miteinander verbunden, dass diese sich alle – auf ganz unterschiedliche Weise und in verschiedenem Maße – auf die „Physiognomie“ dieser Religion beziehen, die als ein Zirkel des religiösen Verstehens und als die `Symbolisierung´ der „Gewißheiten“ dieser Religion aufgefasst werden kann (vgl. Kap. 2.1.3.). Von daher ist zu erwarten, dass eine `Symboltheorie´ die Grundlage zur Explikation der „Grammatik“ dieses Verstehenszirkels legt. Ebenso sollte sie den aus ‚sprachspielanalytischer‘ Sicht formulierbaren Bedingungen sinnvoller religiöser Rede nachkommen, d.h. positiv, dass sie – auf dem Hintergrund eines ‚mehrdimensionalen‘ Sprachparadigmas – das zugrunde liegende Netz von „Gewißheiten“ wahrnehmen und die ‚Offenheit des Regelfolgens‘ berücksichtigen sollte (vgl. Kap. 1.3.1.), und es bedeutet negativ, dass sie nicht auf ‚platonistischen‘, ‚aristotelischen‘, ‚cartesianischen‘, ‚empiristischen‘ oder ‚psychologistischen‘ Argumenten aufbauen sollte (vgl. Kap. 1.3.2.). Auch ist aus sprachanalytischer Sicht ein Ansatz zu fordern, der der Vorgängigkeit der Anrede Gottes gerecht wird (vgl. Kap. 1.3.3.). Ernstpeter Maurer hat eine Reihe dieser Überlegungen in Bezug auf Karl Barth ausführlich untersucht (vgl. Kap. 2.2.2.1.), Thomas Wabel hat einiges im Vergleich mit Martin Luther herausgearbeitet (vgl. Kap. 2.2.2.5.) und Andreas Hunziker (vgl. Kap. 2.2.2.8.) hat – wie zuvor auch schon Martin Laube (vgl. Kap. 2.2.2.6.) – hinsichtlich post-metaphysischer Denkansätze wichtige Anstöße geleistet. Hier soll nun die Symboltheorie Paul Tillichs (1886-1965) auf die genannten Punkte hin betrachtet werden. Selbstverständlich kann aber in der vorliegenden Arbeit keine erschöpfende Analyse weder der Tillichschen Theologie noch auch nur der Symboltheorie mehr erfolgen, ist dies zudem auch schon vielfach und

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von unterschiedlicher Seite her unternommen worden.624 Es ist ebenfalls nicht beabsichtigt, diese Symboltheorie auf ihre Verwandtschaft mit anderen hin zu untersuchen; Vergleiche dieser Art sind ebenfalls bereits mehrfach durchgeführt worden.625 Auch Genese und Wirkungsgeschichte interessieren an dieser Stelle nicht.626 Es sollen lediglich die Grundzüge von Tillichs Denken aufgezeigt werden und es geht allein um die Verträglichkeit der Tillichschen Überlegungen mit den Wittgensteinschen Einsichten in das Funktionieren der Sprache und den Konsequenzen, die daraus gezogen worden sind. So werden nach einer einführenden Beschreibung der Symboltheorie Tillichs (Kap. 3.1.) Affinitäten und Divergenzen zu den vorgestellten Auffassungen Wittgensteins kenntlich gemacht (Kap. 3.2.). Dabei wird das Schwergewicht – der Fragestellung entsprechend – auf einem Vergleich mit dem `späten Wittgenstein´ (Kap. 3.2.3.) liegen, es werden 624

Es sei vor allem verwiesen auf M. von Kriegstein, Paul Tillichs Methode der Korrelation und Symbolbegriff, Hildesheim 1975; K.-D. Nörenberg, Analogia Imaginis. Der Symbolbegriff in der Theologie Paul Tillichs, Gütersloh 1966; W. Schüßler, Paul Tillich, München 1997; J. Track, Der theologische Ansatz Paul Tillichs. Eine wissenschaftstheoretische Untersuchung seiner `Systematischen Theologie´, Göttingen 1975; G. Wenz, Subjekt und Sein. Die Entwicklung der Theologie Paul Tillichs, München 1979, und neuerdings St. Dienstbeck, Transzendentale Strukturtheorie. Stadien der Systembildung Paul Tillichs, Göttingen 2011, aber auch auf den Sammelband von H. Fischer, (Hg.), Paul Tillich. Studien zu einer Theologie der Moderne, Frankfurt am Main 1989. Aus dem englischsprachigen Bereich seien hier erwähnt D.F. Dreisbach, Symbols and Salvation. Paul Tillich´s Doctrine of religious Symbols and his Interpretation of the Symbols of the Christian Tradition, Lanham 1993, und W.A. Kay, Paul Tillich´s Hermeneutic of religious Symbols. A theological-philosophical Investigation, Zürich 1992. 625 Vgl. vor allem W. Müller, Das Symbol in der dogmatischen Theologie. Eine symboltheologische Studie anhand der Theorien bei K. Rahner, P. Tillich, P. Ricoeur und J. Lacan, Frankfurt am Main u.a. 1990 (Europ. Hochschulschriften Reihe XXIII Bd. 401), oder B. Luscher, Arbeit am Symbol. Bausteine zu einer Theorie religiöser Erkenntnis im Anschluss an Paul Tillich und Ernst Cassirer, Berlin 2008 (Tillich-Studien Bd. 19). 626 Zur Genese – im Überblick bei W. Müller, Symbol, S. 126f, skizziert – vgl. vor allem Chr. Danz, Symbolische Form und die Erfassung des Geistes im Gottesverhältnis, in: Internationales Jahrbuch für die Tillich-Forschung Bd. 2/2006, S. 59-75, der den Symbolbegriff bei Tillich zu Recht als Weiterentwicklung seines frühen Begriffes vom Paradox auffasst. – Die umstrittenste Frage der Genese aber ist sicherlich die nach dem Einfluss der Theorie des „kollektiven Unbewußten“ von C.G. Jung (vgl. ders., Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten, Darmstadt 1928; ders., Die Archetypen und das kollektive Unbewußte, 9. Aufl., Zürich 1996). Wirkungsgeschichtlich ist neben dem Beitrag zur theologischen Rehabilitierung des Mythos nach Bultmanns `Entmythologisierungsprogramm´ besonders ein praktisch-theologisches Arbeitsfeld zu nennen: In der Religionsdidaktik, in der zunächst nur die „Korrelationsmethode“ Tillichs (vgl. Kap. 3.1.1.) rezipiert worden war, wurde später auch der Einfluss seiner Symboltheorie auf die `Symboldidaktik´ wichtig (vgl. vor allem den Entwurf von P. Biehl, Symbole geben zu lernen I und II, Neukirchen-Vluyn 1989 und 1993).

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aber auch Querverbindungen zu dem `frühen´ (Kap. 3.2.1.) und `mittleren´ (Kap. 3.2.2.) angedeutet werden.

3.1. Die Symboltheorie Tillichs 3.1.1. Von Sinn und Struktur der Symboltheorie Tillichs These: Der Sinn der Tillichschen Symboltheorie liegt darin, das fundamentaltheologische Problem der Bedingung der Möglichkeit des Redens von Gott zu lösen. Tillichs Überzeugung nach gelingt die dafür notwendige Vermittlung zwischen weltlicher Immanenz und göttlicher Transzendenz durch „religiöse Symbole“, die an diesen beiden ‚ontologischen Wirklichkeiten‘ partizipierten und von der Transzendenz selbst ihre religiöse Qualität erhielten. Sprache wird demnach dadurch, dass das Göttliche von ihr Besitz ergreift, zum Medium von Offenbarung, zum „religiösen Symbol“ und somit transparent für das Transzendente. Nur so sei es möglich, von „dem, was uns unbedingt angeht“, zu sprechen. Tillichs theologischer Entwurf erhebt den Anspruch, die „letztgültige Offenbarung“627, nämlich „das Neue Sein in Jesus als dem Christus“628, zu allen Bereichen der Wirklichkeit und zu allen möglichen geschichtlichen Situationen in Beziehung zu setzen. 629 Dies geschieht mittels der „Methode der Korrelation“ 630, die die „unter dem Eindruck von Gottes Antworten“631 aus der Analyse der je627

Vgl. P. Tillich, Systematische Theologie (im Folgenden: STh) I, S. 159 u.ö. Vgl. STh II, S. 129-150. 629 Vgl. ders., Über die Idee einer Theologie der Kultur, in: Gesammelte Werke (im Folgenden: GW) IX, S. 13-31, und: Zur Theologie der Bildenden Kunst und der Architektur, in: ders., Grenze, S. 180-191. – Vgl. auch C. Rhein, „Tillich, Paul“, RGG 3, VI. Bd., Sp. 900f. 630 Vgl. STh I, S. 73-80. – Vgl. M. von Kriegstein, Methode, S. 22-72; W. Schüßler, Tillich, S. 87-95; J. Track, Ansatz Paul Tillichs, S. 271-290; G. Wehr, Tillich, S. 103-106, aber auch St. Dienstbeck, Strukturtheorie, S. 363-368. 631 STh I, S. 75: „Gott antwortet auf die Fragen des Menschen, und unter dem Eindruck von Gottes Antworten stellt der Mensch seine Fragen. ... Das ist ein Zirkel, der den Menschen zu einem Punkt treibt, wo Frage und Antwort nicht mehr voneinander getrennt sind.“ – Innerhalb der Durchführung dieses Programms der „Korrelationsmethode“ in der STh beginnt Tillich jedoch immer mit der Analyse der menschlichen Situation. M. Moxter unterbreitet den interessanten Vorschlag, „die Korrelation von Frage und Antwort nicht als Schema, sondern ihrerseits als ein Symbol“ (M. Moxter, Die Frage als Symbol, das Symbol als Frage; in: Internationales Jahrbuch für die Tillich-Forschung Bd. 2/2006, S. 31-45, hier: S. 32) aufzufassen, um sie nicht in einem bloßen Methodismus gleichsam leer laufen zu lassen. – Zur Problematik bzw. zur Unhintergehbarkeit solcher ‚Verstehens-Zirkel‘ vgl. auch Kap. 2.2.2.5. 628

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weils vorfindlichen historischen Situation gewonnenen Fragen mit den traditionellen christlichen Antworten in Beziehung zu setzen bestrebt ist. Die Fragen des Hier und Jetzt sollen also auf die „letztgültige Offenbarung“ bezogen werden. Hat nun diese ihre Letztgültigkeit gerade dadurch, dass „das, was uns unbedingt angeht“632, also das aller „Existenz“633 transzendente „SeinSelbst“634, sich selbst ursprünglich in ihr offenbart, so stellt sich die Frage, ob und wie menschliche Sprache es leisten kann, bei der Beschreibung dieses transzendenten Seins-Grundes und seiner Bedeutung in der je aktuellen Situation zwischen der Immanenz, die sie normalerweise bezeichnet, und der Transzendenz, die sie beschreiben will, zu vermitteln, wie also der Gehalt sinnvoll in eine ihm nicht adäquate Form gebracht werden bzw. durch eine ihm unangemessene Form zum Ausdruck kommen kann.635 Tillich hält dies letztlich deshalb für möglich, weil sich seiner Überzeugung nach „das Göttliche“ nicht nur in der „letztgültigen Offenbarung“, sondern – in unterschiedlich abgeschwächter Form – „in allem Seienden und durch alles Seiende hindurch“636 manifestiert. Somit ist prinzipiell nichts davon ausgeschlossen, Symbol zu werden. Dies ist eine der fundamentalen Säulen der Theorie vom „religiösen Symbol“, deren Grundintention demnach darin besteht, zwei gänzlich verschiedene ontologische Ebenen miteinander in eine enge Beziehung zu setzen.637 Voraussetzung ist somit das geglaubte In-Beziehung-Sein von Transzendenz und Immanenz – bei aller sonstigen Unterschiedenheit – sowie das Vertrauen auf die Möglichkeit des ‚geistgewirkten‘ Erfassens dieses Sachverhaltes in der jeweils aktuellen Situation. Von „dem, was uns unbedingt angeht“ kann man nun nach Tillich nicht wie von einem normal-vorfindlichen Gegenstand sprechen638, aber es könne symbo632

Diese Wendung steht bei Tillich häufig für „Gott“. Vgl. STh I, S. 19-22.

Zum „Existenz“-Begriff – als Gegenüber zur „Essenz“ – vgl. STh I, S. 236-238, besonders S. 238: „Die Unterscheidung zwischen Essenz und Existenz, religiös gesprochen: die Unterscheidung zwischen der geschaffenen und der wirklichen Welt, ist das Rückgrat des ganzen theologischen Denkgebäudes.“ Alles Existierende ragt als solches aus der bloßen Potentialität heraus, bleibt aber auch immer hinter „der Macht seines essentiellen Wesens“ (S. 237) zurück. 634 Diese ontologische Entsprechung zum existenzialphilosophischen „das, was uns unbedingt angeht“ ist erstmalig in STh I, S. 29, zu finden; zum Verständnis vgl. aber besonders ebd., S. 193f. 635 J. Ringleben drängt darauf, dass es korrekterweise heißen müsste, dass „sich die vermittelte Erfahrung vom Unbedingten“ „am Symbol ereignet“ (ders., Symbol und göttliches Sein, S. 173). 636 P. Tillich, Grenze, S. 181. 637 Über die Frage, ob dies tatsächlich so zu sehen ist oder ob es sich bei dem Transzendenten – so wie Tillich es auffasst – nicht vielmehr nur um eine weltimmanente Tiefenschicht handelt, wird kontrovers diskutiert. Vgl. auch Kap. 3.2.3.6. mit Bezug auf Kap. 1.3.2.5. 638 Vgl. P. Tillich, ebd. 633

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lisch beschrieben werden. Diese Rede sei zwar im Vergleich zu der von empirischen Dingen einerseits relativ unvollkommen, weil sie keine direkte sei und auch nicht sein könne, leiste aber andererseits viel mehr als diese, da sie aus der Immanenz „ekstatisch“639 herausweise. Deshalb wehrt sich Tillich auch vehement gegen eine Disqualifizierung symbolischer Rede „durch ein vorangestelltes `nur´“640. Es ermöglichen für ihn doch überhaupt erst „religiöse Symbole“ eine Rede „von Gott“ als einer Rede „von Gott her“ und nicht als eines bloßen Sprechens „über Gott“641; sie können somit seiner Auffassung nach gar nicht durch ein direkteres Ausdrücken überboten werden. Da sie zudem immer auch auf die göttliche Gnade angewiesen blieben, sich das Unbedingte also selbst immer wieder neu durch sie im Bedingten begreiflich mache, verdeutlichen nach Tillich „religiöse Symbole“ durch ihre Struktur auch die Unverfügbarkeit Gottes. Deshalb habe Theologie sie als von der Transzendenz her bestimmte Symbole zu kennzeichnen, die gerade nicht als eigene Konstrukte des denkenden Menschen verstanden werden können, sondern ihm gegeben sind. 3.1.2. Zur Charakterisierung des Begriffes „Symbol“ These: Tillich versucht, zunächst ganz allgemein Symbole als besondere sprachliche Erscheinungen zu begreifen und sie durch folgende Charakteristika näher zu beschreiben: Uneigentlichkeit, Anschaulichkeit, Selbstmächtigkeit, Anerkanntheit und Wirkungsfähigkeit. Kaum ein Begriff ist so umstritten und wird in so mannigfacher Weise benutzt, so unterschiedlich in „Sprachspielen“ verwendet, wie der des `Symbols´. U. Eco stellt provozierend fest, dass selbst in geisteswissenschaftlichen Kontexten „ein Symbol alles sein kann oder nichts“642. Für Tillich wichtig ist zunächst die Unterscheidung von „Symbol“ und „Zeichen“643: Letztere würden zwar auch „`diskursive´ Symbole“ genannt, was aller639

„Ekstatisch“ meint hier, „daß das Bewußtsein seinen gewohnten Zustand transzendiert“ (STh I, S. 135), wobei aber die „ekstatische Vernunft“ durchaus Vernunft bleibe. Sie sei allerdings „vom Mysterium ... ergriffen“ (ders., a.a.O., S. 136) und werde sozusagen ‚herausgehoben‘ aus der gewohnten Umgebung. Dies wiederum sei Voraussetzung jeglicher Offenbarung und damit jeder „Symbolisierung“. 640 Vgl. P. Tillich, Wesen, in: GW V, S. 220. – S. dazu St.-M. Wittschier, New York, in: R. Albrecht/ W. Schüßler, (Hg.), Tillich, S. 123f. 641 Zu dieser Unterscheidung vgl. R. Bultmann, Sinn, in: GuV I, S. 26-37. – Vgl. bereits Kap. 0. und 2.2.2.1. 642 U. Eco, Semiotik, S. 194. 643 Vgl. STh III, S. 74f: Hier knüpft Tillich an Heideggers vergleichbare Differenzierung in „Zuhandensein und Vorhandensein“ (S. 74) an. Ersteres verweise auf eine technisch ge-

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dings irreführend sei.644 Die normalen „Worte einer Sprache“ seien lediglich „Zeichen für einen von ihnen ausgedrückten Sinn“645. Dieser Sinn sei zwar etwas vom „Zeichen“ als solchem ganz und gar Verschiedenes 646, aber – laut Tillich – eindeutig mit ihm verbunden.647 Dass diese Eindeutigkeit allerdings erst durch die Anwendung in einer bestimmten Situation und in Kombination mit anderen `Zeichen´, mit Gesten usw. hergestellt wird, hat Tillich nicht im Blick. Sein Sprachparadigma knüpft hier an die ‚augustinische Tradition‘ an, ohne diese kritisch zu beleuchten (vgl. Kap. 1.3.1. und 3.2.3.1). Die Relation „Zeichen“– Sinn sei eine zum diskursiven Gebrauch festgelegte wie z.B. auch die Benutzung von Zahlzeichen in der Mathematik oder von Ampelzeichen im Straßenverkehr. 648 Deswegen seien „Zeichen“ im Prinzip zwar nicht beliebig, aber doch recht einfach veränderbar, falls man sich einig sei und die Festlegungen auf andere Weise treffen wolle.649 Gerade dies gelte nun für die „repräsentativen Symbole“ nicht. Da sie anders nicht sichtbar werdende Wirklichkeitsschichten aufdeckten650, seien sie notwendigerweise mit diesen verknüpft und von diesen abhängig: „Das Symbol repräsentiert etwas, was es nicht selbst ist, das es aber vertritt und an dessen Mächtigkeit und Bedeutung es teilhat.“651 Aufgrund dieses Teilhabens seien wirkliche „Symbole“ nicht einfach austauschbar. Sie vertreten ja nicht nur etwas, was gleichsam innerhalb des Diskurses einer Wirklichkeitsschicht – sozusagen auf einer Ebene – abläuft, sondern durch sie „zeigt sich“ – um die Ausdrucksweise des TLP zu bemühen – eine Verbindung von verschiedenen, hier zunächst einmal als weltimmanent gedachten Wirklichkeitsschichten, die nicht selbstständig durch eine von diesen und somit einfach auch ganz anders sichtbar gemacht werden könnte. Die Veränderung „repräsentativer Symbole“ ist somit Tillichs Auffassung nach auf das ‚Zusammenarbeiten der Ebenen‘ angewiesen und sei deshalb auch prägte, letzteres auf „eine kognitive Beziehung zur Wirklichkeit“ (ebd.). – Vgl. dazu J. Track, Ansatz Paul Tillichs, S. 42-47. 644 Vgl. P. Tillich, Recht und Bedeutung, in: GW V, S. 237. 645 P. Tillich, Wesen, in: GW V, S. 214. 646 Ders., ebd. – Diese Differenz nahm der `frühe Wittgenstein´ zum Anlass, im TLP alle „Zeichen“ mit „Bedeutung“ „Symbole“ zu nennen (vgl. Kap. 3.2.1.). 647 Vgl. P. Tillich, a.a.O., S. 215: Hier betont er noch einmal, dass „Zeichen“ „auf einen definierten Sinn hinweisen“. 648 Zu den Beispielen vgl. ders., a.a.O., S. 214. 649 Ders., a.a.O., S. 216. – Diese Feststellung korrespondiert offensichtlich mit der Behauptung der Kontingenz der `Benennungen´ im TLP (vgl. z.B. TLP 3.322). 650 Vgl. W. Müller, Symbol, S. 126: „Das Symbol eröffnet neue Wirklichkeitsdimensionen, die einem exklusiv diskursiven Denken verschlossen bleiben.“ 651 P. Tillich, a.a.O., S. 215.

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ein langsamer, kein sprunghafter Prozess.652 Demgegenüber könnten „Zeichen“ absichtlich und ohne Bezug auf die Situation eingeführt werden.653 Die Merkmale „repräsentativer Symbole“ lassen sich nach Tillich nun folgendermaßen konkretisieren654: A) Uneigentlichkeit: Nicht das Symbol selbst ist das Gemeinte, sondern das, auf das es verweist. Die Form verliert sich zugunsten des Gehaltes. B) Anschaulichkeit: Symbole bringen Unanschauliches auf sinnliche oder aber auch auf lediglich vorgestellte Art und Weise zur Anschauung. Dabei können bis dahin unzugängliche Wirklichkeitsschichten zugänglich werden. 655 C) Selbstmächtigkeit: Dieses Merkmal bezeichnet vor allem das, was bisher Teilhabe an einer anderen Wirklichkeitsschicht genannt wurde; man könnte auch von `ontologischer Partizipation´ an einer anderen Ebene sprechen. Diese, dem jeweiligen Symbol innewohnende Macht schützt es vor willkürlichem Austausch und abrupt hereinbrechender Bedeutungslosigkeit. D) Anerkanntheit: Mit dieser Kennzeichnung wird die soziale Einbettung eines Symbols angesprochen. Anerkanntheit gehört bereits zur Symbolgenese, die ohne sie gar nicht denkbar ist, hinzu und kann – bei aller sekundär stattfindenden Ausweitung – nicht erst nachträglich ergänzt werden. E) ‚Wirkungsfähigkeit‘: Symbole können – abhängig vom Charakter des Symbolisierten und von der Aufnahmesituation – sowohl heilend als auch zerstörerisch wirken. Ihre Macht, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, wird oft unterschätzt. Diese Beschreibung gilt nun für die „repräsentativen Symbole“ aus allen Bereichen des Lebens, wobei Tillich vor allem an die „Kunst – in der Dichtung, in 652

Die Rolle, die nach Tillich das `kollektive Unbewusste´ hierbei spielt, auf das er in Anlehnung an C.G. Jung zu sprechen kommt (P. Tillich, Wesen, in: GW V, S. 216), kann durchaus unterschiedlich aufgefasst werden, soll aber in der vorliegenden Untersuchung nicht eigens thematisiert werden (vgl. W. Müller, Symbol, S. 135ff). 653 Vgl. zu diesem Abschnitt auch STh I, S. 277. 654 Zu den Punkten A) - D) vgl. P. Tillich, Religiöse Symbol, in: GW V, S. 196f. Zu E) vgl. ders., Recht und Bedeutung, in: GW V, S. 239. Ebd., S. 238f, finden sich auch Ergänzungen zu A) - D), wenn auch in der Reihenfolge A)C)D)B). – Vgl. W. Müller, Symbol, S. 128-130, und G. Wenz, Subjekt und Sein, S. 162-165, der die Merkmale „Selbstmächtigkeit und Uneigentlichkeit“ als „die konstitutiven Strukturelemente des Symbols in seiner gesamten Phänomenologie“ (S. 165) ansieht und die anderen Charakterisierungen auf diese beiden zurückzuführen sucht. 655 Deshalb gehen sie dieser Auffassung nach auch über `Metaphern´ hinaus (vgl. J. Track, Ansatz Paul Tillichs, S. 43, und vor allem die Darlegung bei W. Müller, a.a.O., S. 155f). – Allerdings ist die sprachliche Abgrenzung der Begriffe `Symbol´ und `Metapher´ immer wieder Gegenstand der Diskussion. Dies kann hier nicht weiter verfolgt werden. Es sei aber E. Jüngel erwähnt, der der `Metapher´ eine entscheidende Rolle im Rahmen einer theologischen Hermeneutik zuweist (vgl. ders., Metaphorische Wahrheit, in: Entsprechungen: Gott – Wahrheit – Mensch, München 1980, S. 103-157).

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Malerei und Musik“656, aber auch in Tanz und Architektur – und an die Politik denkt. Er kann sogar „alle künstlerischen Schöpfungen“ 657 als Symbole identifizieren, insofern sie sich nicht selbst meinen, sondern sich negieren und damit auf anderes verweisen. Wird zudem beim Interpreten eine bestimmte Fragestellung bzw. ein bestimmtes Bewusstsein vorausgesetzt, führt das sogar zu der Feststellung: „Jedes menschliche Werk ist zugleich Sache und Symbol.“658 Jede Sache weise z.B. dadurch über sich hinaus, dass sie dem Betrachter auch etwas über den Hersteller mitteile. Mit diesem Hinweis darauf, dass im Grunde alles Verfertigte als Symbol aufgefasst werden könne, verwischt Tillich allerdings die Grenze zu den Symbolen, die in seinem Sinne von vornherein in bestimmten „Sprachspielen“ als Symbole fungieren und damit in der Sprache eine ganz andere Rolle spielen. Es zeigt sich daran aber auch, dass hier – wenn denn die jeweils angelegte Fragestellung die Charakterisierung als Symbol derart beeinflusst – nicht in starren Kategorisierungen gedacht werden sollte. 3.1.3. Zum Spezialfall des „religiösen Symbols“ These: Das „religiöse Symbol“ unterscheidet sich nach Tillich von allen anderen „repräsentativen Symbolen“ dadurch, dass ihm eine besondere Art der Selbstmächtigkeit zukommt, die als „ontologische Partizipation“ am UnbedingtTranszendenten begriffen und erfahren werden könne. – Als „Wert-“ bzw. „Wahrheitskriterien“ werden Authentizität und Angemessenheit genannt. Eine der größten theologischen Gefahren einer Symboltheorie besteht darin, dass sie – falsch verstanden – zu der Konsequenz führen könnte, „Religion überhaupt lediglich der menschlichen Symbolisierungsfähigkeit und nichts weiterem“ 659 zuzuschreiben, so dass sie Feuerbach und seinem Projektionsvorwurf660 geradewegs in die Arme liefe. Dem sucht Tillich – wie in Kap. 3.1.1. bereits angedeutet – mit dem Postulat der „ontologischen Partizipation“ der „religiösen Symbole“ am Transzendenten zu wehren. Dabei handele es sich um eine Teilhabe an der transzendenten Wirklichkeit des „Sein-Selbst“. Da diese die jeweils veranschaulichten Schichten aller anderen Symbole qualitativ unendlich übertreffe, weil sie ihnen immer schon voraus und zugrunde liege, sei das „religiöse 656

P. Tillich, Wesen, in: GW V, S. 215. Ders., Grenze, S. 180. 658 Dies ist der programmatische Anfangssatz des Aufsatzes „Die technische Stadt als Symbol“, in: ders., a.a.O., S. 174-179, hier: S. 174. 659 K.E. Nipkow, Erwachsenwerden, S. 73. 660 Vgl. L. Feuerbach, Das Wesen des Christentums, Ges. Werke Bd. 5, hg.v. W. Schuffenhauer, 2. Aufl., (Ost-)Berlin 1984. 657

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Symbol“ als das herausragende „repräsentative Symbol“ aufzufassen. Es handele sich um die „Veranschaulichung dessen ..., was die Sphäre der Anschauung unbedingt übersteigt, des im religiösen Akt Letztgemeinten, des Unbedingt-Transzendenten“661.

Da sich dieses gleichsam ‚freiwillig‘ in die Immanenz hineinbegebe – oder theologisch gesprochen: sich aus Gnade und Barmherzigkeit heraus inkarniere – , ereigne sich im Erkennen des „religiösen Symbols“ immer auch „Offenbarung“662. Auf diese Weise könne der Mensch „ekstatisch“ das Hineingehen des Unendlichen in das Endliche ergreifen (vgl. Kap. 3.1.1.). Tillich teilt nun die „religiösen Symbole“ ein in die beiden Hauptgruppen „Gegenstandssymbole“ bzw. „primäre Symbole“ und „Hinweissymbole“ bzw. „sekundäre Symbole“.663 Die ersteren „weisen direkt auf den transzendenten Seinsgrund aller religiösen Symbole hin“ 664. Er werde durch sie beschrieben, indem mit ihrer Hilfe – aber ausgehend vom Transzendenten selbst – eine „Analogie“665 aus dem menschlichen Erfahrungsbereich gebildet und sprachlich absolut gesetzt wird. Dabei unterscheidet Tillich drei Schichten der „Gegenstandssymbole“, von denen sich je eine auf Gottes Sein, auf sein Tun und auf seine „Inkarnation in der endlichen Welt“666 beziehe. Mit dieser Dreiteilung trennt Tillich also die „primären Symbole“ auf in solche, die sich auf Gott als das „Sein-Selbst“, solche, die sich auf „Wesen und Handlungen Gottes“667, und solche, die sich auf 661

P. Tillich, Religiöse Symbol, in: GW V, S. 197. `Offenbarung´ als „Sichtbarwerden des Seinsgrundes für die menschliche Erkenntnis“ (STh I, S. 114) wird in STh I im 1. Teil, II. Die Wirklichkeit der Offenbarung (S. 129-189), ausführlich beschrieben. Vgl. vor allem den Abschnitt A 2. c) „Das Wort als Medium der Offenbarung ...“, S. 147-151. 663 Zu den folgenden Ausführungen vgl. P. Tillich, Religiöse Symbol, in: GW V, S. 206-210, und ders., Recht und Bedeutung, in: GW V, besonders S. 241-244. 664 Recht und Bedeutung, GW V, S. 241. 665 Zu dem Begriff der „Analogie“ stellt K.-D. Nörenberg fest: „Analogie ist für Tillich ... als Symbolhaftigkeit zu verstehen. Dabei ist nicht die analogia entis, sondern die analogia imaginis, die allerdings eine analogia entis als Voraussetzung umfaßt, bei Tillich mit Symbolhaftigkeit gemeint.“ (Vgl. K.-D. Nörenberg, Analogia Imaginis, S. 173.) – Vgl. dazu STh II, S. 125f, wo Tillich die „analogia entis ... nicht als eine Methode versteht, Gott zu erkennen, sondern als einen Weg, und zwar den einzigen Weg, von Gott zu reden.“ Wird dieser Weg aber durch das „Sein-Selbst“ mittels eines Symbolereignisses eröffnet, ist Tillich wohl kaum eine analogia entis im scholastischen Sinne zu unterstellen (vgl. G. Wehr, Tillich, S. 110). 666 P. Tillich, Recht und Bedeutung, S. 242. 667 Ders., Religiöse Symbol, S. 207. 662

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durch Inkarnation heilig gewordene Persönlichkeiten668 und Objekte richten. Dabei leite die zuletzt genannte Untergruppe schon zu den „Hinweissymbolen“ über. Diese seien nicht mehr im eigentlichen Sinne „religiöse Symbole“669, sondern bereits deutlich metaphorische oder parabelhafte Umschreibungen, die zur Illustration der „primären Symbole“ dienten. Diese „sekundären Symbole“ ließen sich einteilen in zum religiösen Handeln (z.B. kultische Gebärden) und zur religiösen Anschauung (z.B. das Kreuz im Christentum) gehörende.670 Sie seien ausgesprochen zahlreich und stellten einen sehr breiten Bereich des religiösen Lebens dar. Viele von ihnen stammten aus der dritten Schicht der „primären Symbole“ und seien „abgesunken“671. – Somit ergibt sich aus dem Gesagten die auf der kommenden Seite erfolgende Übersicht. Die vorgestellte Hierarchisierung der „religiösen Symbole“ fungiert als ein Strukturelement des theologischen Gesamtentwurfes. Die Norm für alle Symbole werde dabei durch das Christusereignis gesetzt: Gerade indem Jesus gekreuzigt und damit sein göttlicher Anspruch auf nicht mehr überbietbare Weise negiert werde, werde sein göttlicher Anspruch bestätigt, werde er zum Symbol des Christus, dessen Transparenz auf das „Sein-Selbst“ hin als alle vorhergehenden und folgenden Symbole normierend und insofern als das Telos der Religionsgeschichte, ja der Geschichte überhaupt, angesprochen werden müsse. 672 Alle übrigen Symbole seien diesem Zentralsymbol auf je zu bestimmende Weise zuzuordnen: Es „kommt darauf an, die Schau des Urchristentums zu akzeptieren, daß Jesus als der Christus alles Partikulare vertritt und die Identität zwischen dem absolut Konkreten und dem absolut Universalen darstellt.“ „Die Logoslehre als die Lehre von der Identität des absolut Konkreten mit dem absolut Universalen ist nicht eine theologische Lehre unter anderen; sie ist die einzig mögliche Begründung einer christlichen Theologie, die den Anspruch erhebt, die Theologie zu sein.“ (beide Zitate, STh I, S. 24)

Nicht von ungefähr finden sich diese Zitate nicht erst in der Christologie Tillichs, d.h. in STh II, sondern bereits in der Einleitung zum Gesamtwerk, wo es darum geht, „das Wesen der systematischen Theologie“ (vgl. STh I, S. 15-37) zu 668

Gedacht ist auf dieser Ebene natürlich zunächst an Jesus Christus selbst (vgl. die folgenden Ausführungen); Beispiele für die erste Ebene wären „Gott“ oder „Buddha“, für die zweite „Liebe“ oder „Allmacht“. 669 Vgl. P. Tillich, Religiöse Symbol, S. 210. 670 Vgl. ders., a.a.O., S. 209. 671 Vgl. ders., a.a.O., S. 210. 672 Vgl. STh II, „II. Die Wirklichkeit des Christus“, S. 103-194, besonders S. 163-178. – Tillich kann so von „Jesus als dem Christus“ auch als „Ur-Symbol“ reden (vgl. dazu St.-M. Wittschier, Systematische Theologie, in: R. Albrecht/W. Schüßler, (Hg.), Tillich, S. 185).

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bestimmen. Hier wird aufgezeigt, dass es zum Dasein des Theologen – im Unterschied zu dem des Religionsphilosophen – unabdingbar dazugehört, sich in den „theologischen Zirkel“ (vgl. STh I, S. 15-18) zu begeben, d.h. „Jesus als den Christus“ (erstmals STh I, S. 24) anzuerkennen: „Innerhalb des theologischen Zirkels muß er eine existentielle Entscheidung getroffen haben, er muß in der Situation des Glaubens stehen.“ (STh I, S. 17f)

Dies bedeutet, dass auch die Symboltheorie immer schon aus der Sicht des Glaubens entwickelt wird673 und nicht etwa mit dem Ziel konzipiert ist, durch den Verweis auf ein bestimmtes Symbolgeschehen den Glauben für diejenigen, die außerhalb dieses „theologischen Zirkels“ stehen, plausibel erscheinen zu lassen. Es gilt: Fides quaerens intellectum. Gleiches ist auch über die Handhabung der „Korrelationsmethode“ innerhalb der „Systematischen Theologie“ zu sagen. Auch sie steht, wie bereits betont, immer schon „unter dem Eindruck von Gottes Antworten“ (STh I, S. 75; vgl. Kap. 3.1.1.), d.h. auch hier ist Gott derjenige, der den Anfang macht und den bereits Glaubenden zu seinen Fragen bewegt. 674 Nur so kommt es überhaupt zu der Zirkelstruktur des Verstehens. Als – demnach nur innerhalb dieses „theologischen Zirkels“ zu erkennende – Wahrheitskriterien für „religiöse Symbole“ kann es nun für Tillich nur die Fragen nach der „Authentizität“, also nach der Echtheit der zugrunde liegenden religiösen Erfahrung, und nach der „Angemessenheit“ geben, wobei dieser letztere Gesichtspunkt zwei Aspekte im Blick hat: Zum einen fordert er einen über sich hinausweisenden, sich verneinenden, sich gerade nicht selbst vergötzenden Charakter des Symbols und zum anderen sein „stoffliches“ Genommensein „aus 673

Unterstellt man Tillich nun noch zusätzlich eine Dehistorisierung des Offenbarungsbegriffes, indem man eine „scheinbar vollständige Verabschiedung des Geschichtlichen an der Offenbarung in Jesus Christus“ (St. Dienstbeck, Strukturtheorie, S. 212, mit Bezug auf G. Wenz, Subjekt und Sein) diagnostiziert, kommt man – da nun bei Tillich jegliches Korrektiv zu fehlen scheint – zu der Vermutung, dass hier „der Glaubensgrund … vom Glauben selbst hervorgebracht“ (ebd.) werde. St. Dienstbeck hat jedoch gezeigt, dass diese These vor allem deshalb nicht haltbar ist, „weil das Prinzip immer noch dem Dass der Offenbarung verpflichtet bleibt“ (a.a.O., S. 213). Zudem nehme Tillich „durchaus Bezug … auf die biblische Jesusdarstellung“ (ebd.), wenn auch eine starke Dehistorisierung nicht zu bestreiten sei. Sie sei vor allem darauf zurückzuführen, dass Tillich „die potentielle Gefahr einer Heteronomie, die sich durch einen fixierten historischen Jesus von Nazareth ergeben könnte, auszuschalten sucht“ (a.a.O., S. 212). 674 Dass es daneben – in Richtung auf rein säkulare „Sprachspiele“ – , z.B. im religionsdidaktischen Bereich, eine andere Art der Anwendung der „Korrelationsmethode“ gibt, sei nicht bestritten, obwohl auch hier letztlich die Wahrnehmung der Fragen der Nicht-Glaubenden, bzw. derjeniger, die nach dem Glauben fragen, schon immer aus der Perspektive des Glaubens heraus erfolgt.

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dem Bereich des Menschlichen“ 675. Nur so könne nämlich „das letzte menschliche Anliegen“676 überhaupt erst hervortreten. Das Angewiesensein religiöser Rede auf symbolische Sprache bzw. auf ein symbolisches Sprachnetz als unumgängliche und somit bleibende strukturelle Notwendigkeit bedeutet nun nicht – wie oben schon angedeutet, als auf die Möglichkeit des „Absinkens“ von „primären Symbolen“ hingewiesen wurde – , dass die religiösen Symbole auch statisch sein müssen. Im Gegenteil: Da sich die Situation sowie die Sprache und die Verhaltensweisen eines Menschen und der Menschheit als ganzer fortwährend ändern, können und müssen sich auch die Symbole als das, was die geschichtlich veränderte Situation mit dem „SeinSelbst“ in Korrelation setzen soll, ändern. Eine neue Symbolik entsteht – unter Einwirkung des Transzendenten selbst – , um zu der neuen Lage zu passen. Deswegen kann Tillich auch davon sprechen, dass die Grenzen zwischen den genannten Arten des „religiösen Symbols“ fließend sind. Sogar ein „Absterben“ bis hin zum Dasein als bloßes „Zeichen“ sei im Laufe der Geschichte möglich, wenn diese Ausdrücke nicht mehr über sich selbst hinaus auf Tieferes verwiesen, sondern an die Stelle dieser für ein Symbol notwendigen Selbstnegation ein „direktes Bezeichnen“ trete. Das ursprünglich Gemeinte sei dann nicht mehr auf diese Weise ausdrückbar – oder besser: es drückt sich nicht mehr so aus – , neue „religiöse Symbole“ müssen „geboren“677 werden. Es lässt sich folgern: Je näher die Symbole dem Zentralsymbol sind, desto weniger werden sie von solchen Veränderungen betroffen sein. 678 Die Einsicht in die Geschichtlichkeit der Symbolisierung versucht nicht nur, Ontologie und Geschichte miteinander zu verbinden, sondern richtet sich auch gegen eine `Vergötzung´ von Symbolen, die auf der Verwechslung von Symbolisiertem und Symbolisierendem beruht.679 Damit geht sie auch explizit gegen das Missverständnis des Fundamentalismus an, der nicht zwischen dem Symbol und seinem Gehalt zu differenzieren weiß.680 Die Symbole und die verschiedenen „Sprachspiele“, mit denen ihre Interpretation geleistet wird, unterliegen nach Tillich nun nicht nur einem natürlichen geschichtlichen Wandel, sondern vor allem auch „prophetischer Kritik“681. 675

P. Tillich, Recht und Bedeutung, in: GW V, S. 243. Ders., a.a.O., S. 244. 677 P. Tillich, Wesen, in: GW V, S. 216; zum ganzen Absatz vgl. ders., Religiöse Symbol, S. 209-212. – Vgl. auch W. Schüßler, Tillich, S. 56f. 678 Vgl. Wittgensteins Bild vom Flussbett in ÜG §§ 97 und 99. 679 Vgl. P. Tillich, Wesen, in: GW V, S. 217f und 222; ders., Recht und Bedeutung, in: GW V, S. 243. 680 Auf diese Stoßrichtung der Tillichschen Symboltheorie macht u.a. Chr. Schwöbel, Symbolische Rede von Gott, in: Internationales Jahrbuch für die Tillich-Forschung Bd. 2/2006, S. 9-29, nachdrücklich aufmerksam. 681 Zur „prophetischen Kritik“ vgl. vor allem P. Tillich, Der Protestantismus als kritisches und 676

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Droht sich ein Symbol durch übermäßige Betonung seines sakramentalen Elementes absolut zu setzen, sich selbst also nicht mehr ausreichend zu negieren, sondern autonom zu werden, so hat eben diese Kritik Einspruch zu erheben – als Ausdruck und im Sinne des „protestantischen Prinzips“, das begriffen wird als „der Wächter gegen die Versuche des Endlichen und Bedingten, sowohl im Denken als auch im Handeln, sich zur Würde des Unbedingten zu erheben“682. Der, wenn auch nur indirekten Behauptung, dass das Unbedingte im Bedingten durch die Symbole manifest zu haben sei, ist demnach entschieden zu widersprechen, aber nicht mit der für die Symboltheorie unverzichtbaren Überzeugung zu verwechseln, dass das Bedingte für das Unbedingte transparent werden kann, wenn es von diesem ergriffen wird. Es bleibt das Problem anzusprechen, ob vom „Sein-Selbst“ auch „nicht-symbolisch“ geredet werden kann – eine Frage, die immer wieder an Tillich gestellt wird, die auch mehrfach bei ihm selbst anzutreffen ist und bei deren Beantwortung er im Laufe der Jahre unterschiedliche Positionen einnimmt – oder besser: unterschiedliche Formulierungen favorisiert.683 So heißt es z.B. im ersten Band seiner „Systematischen Theologie“: „Der Satz, daß Gott das Sein-Selbst ist, ist ein nicht-symbolischer Satz. Er weist nicht über sich selbst hinaus. Was er sagt, meint er direkt und eigent684 lich.“ (STh I, S. 277)

Diese Aussage ist im Licht des Versuches zu sehen, sich gegen den Vorwurf zu wehren, alle theologische Rede ins Symbolische aufzulösen und damit der Unverbindlichkeit und Willkürlichkeit preiszugeben.685 gestaltendes Prinzip, in: GW VII, S. 29-53. – S. aber auch STh I, S. 168f, und STh III, S. 215, 247 u.ö. 682 Ders., Protestantisches Prinzip und proletarische Situation, in: GW VII, S. 84-104, hier: S. 86; vgl. den ganzen Abschnitt GW VII, S. 11-104, aber auch STh I, S. 264, und STh III, S. 205-207, S. 273f u.ö. – G. Wehr, Tillich, S. 117, charakterisiert das „protestantische Prinzip“ als „das Prinzip der Öffnung für den göttlichen Geist, das Prinzip des Verzichts auf allen religiösen Fanatismus oder der Rechthaberei“. 683 Vgl. z.B. W. Schüßler, Tillich, S. 58f, oder Chr. Schwöbel, Symbolische Rede von Gott, S. 16f, der kritisch darauf verweist, dass das Ineinander-Fallen von „religiösem Symbol“ und Wirklichkeit nicht nur als eschatologische Möglichkeit aufscheinen sollte, sondern bereits im Symbol selbst „zumindest antizipatorisch und fragmentarisch“ (S. 16) vorweggenommen sein sollte, um glaubhaft an der Gültigkeit der Symbolik festhalten zu können. 684 Ebenso in: P. Tillich, Wesen, S. 218. 685 Zum Vorwurf des Pansymbolismus vgl. W.M. Urban, A Critique of Professor Tillich´s Theory of the Religious Symbol, in: Journal of Liberal Religion, Vol. 2, No. 1 (1940), S. 34-36; wieder abgedruckt in: P. Tillich, Main Works/Hauptwerke Bd. 4, Writings in the Philosophy of Religion – Religionsphilosophische Schriften, hg.v. J. Clayton, Berlin/New York 1987, S. 269-271. Vgl. G. Wenz, Subjekt und Sein, S. 171-176, der die englischsprachige Diskussion zu diesem Thema referiert.

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Neben dieser Motivation mag bei der Formulierung in STh I aber auch die von Schüßler angeführte Überlegung eine Rolle gespielt haben: „Mit Begriffen wie `Person´ oder `Liebe´ benennen wir nämlich auch das Bedingte, mit Begriffen wie `Sein-Selbst´ oder `Macht des Seins´ hingegen das Bedingte nicht.“686

Somit könnten also letztere durchaus als „nicht-symbolisch“ verstanden werden, während erstere eindeutig zu den „religiösen Symbolen“ zu zählen wären. In der Einleitung zum zweiten Band der STh, in der Tillich ausdrücklich eine „Neuformulierung einiger im ersten Band gegebener Antworten“ (STh II, S. 11) bietet, kann er dann aber sagen: „Alles, was über Gott gesagt werden kann, ist symbolisch.“ (STh II, S. 15f)

Einzig und allein dieser Satz stellt für Tillich nun den Punkt dar, „wo eine nichtsymbolische Aussage über Gott gemacht werden muß“ (STh II, S. 15). Streng genommen liege diese Feststellung allerdings außerhalb des Redens von Gott, denn schon in der phänomenologisch und ontologisch arbeitenden Existenzanalyse687 kämen die Menschen zu dem „nicht-symbolischen“ Wissen, dass alles Reden vom „Sein-Selbst“ „symbolisch“ ist und bleiben muss.688 So führe schon der nächste Gedankenschritt an die Grenze zur symbolischen Rede: „In dem Augenblick jedoch, in dem wir über diesen Punkt hinausgehen, findet die Verschmelzung einer symbolischen mit einer nicht-symbolischen Aussage statt. Wenn wir sagen: `Gott ist das Unendliche oder das Unbedingte oder das Sein-Selbst´, sprechen wir zugleich rational und ekstatisch. Das beschreibt genau die Grenzlinie, an der symbolische und nicht-symbolische Rede zusammenfallen. Bis zu dieser Grenze ist jede Aussage nichtsymbolisch (im Sinne religiöser Symbolik). Jenseits dieser Grenze ist jede Aussage symbolisch (im Sinne religiöser Symbolik). Die Grenzlinie selbst ist beides: nicht-symbolisch und symbolisch.“ (STh II, S. 16)

Die so beschriebene, im Vergleich zu STh I differenziertere und letztlich dialektische Position Tillichs resultiert aus dem Versuch der Vermeidung jeglicher ‚Vergegenständlichung‘ Gottes, jeglichen ‚Über-Ihn-Verfügen-Wollens‘689, und kann von ihm gleichzeitig als „Ausdruck für die existenzielle Situation des Menschen“ (STh II, S. 16) angesehen werden, die zwar einerseits durch die Bedingungen der „Existenz“ charakterisiert sei, andererseits aber auch den Emp686

W. Schüßler, a.a.O., S. 59. Vgl. P. Tillich, Recht und Bedeutung, in: GW V, S. 240f. 688 Das gilt offensichtlich auch für die Erklärungen, die Tillich vor allem in STh I zu den Symbolen, z.B. von „Gottes Eigenschaften“, gibt (vgl. STh I, S. 273-332). 689 Vgl. STh II, S. 16: „Wenn wir auch nur eine nicht-symbolische Aussage über Gott machen, scheint seine Transzendenz gefährdet zu sein.“ 687

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fang von Offenbarung ermögliche. – Bis in die späten Aufsätze hinein ändert Tillich diese Korrektur von STh I in STh II nicht mehr. 690 Seine hier nun skizzierte Symboltheorie spielt in seiner „Systematischen Theologie“ eine im Wortsinne tragende Rolle. Durch sie werden Tillichs christlichtheologische Grundüberzeugungen, seine existenzialphilosophischen Analysen und seine ontologische Begrifflichkeit miteinander vermittelt. – Im Folgenden soll nun untersucht werden, wie diese Theorie, die ihr zugrunde liegende Auffassung von Sprache und ihre weiteren theologischen Konsequenzen sich zu den Einsichten Wittgensteins verhalten.

3.2. Tillich und Wittgenstein – Affinitäten und Divergenzen 3.2.1. Tillich und der `frühe Wittgenstein´ These: Tillichs Auffassung der Sprache ist zweigeteilt. Neben einem Bereich der „Zeichen“, den er ‚augustinisch‘ – und damit im Sinne des `frühen Wittgenstein´ – (miss-)versteht, gibt es für ihn den Bereich der „repräsentativen Symbole“, der gänzlich anderen Maßstäben folgt und – in Bezug auf Wittgenstein gesehen – die TLP-Mystik des „Sich-Zeigens“ von transzendentalen bzw. transzendenten Strukturen in die Sprache hinein verlängert. Da Tillich aber nicht wie Wittgenstein von einem kohärenten Sprachparadigma ausgeht, bedeuten die ‚augustinischen‘ Überzeugungen im Bereich der „Zeichen“ für ihn kein Hindernis für religiöse Rede. Diese kann im Gegenteil als eine besondere Kategorie sprachlichen Geschehens gewürdigt werden, deren Anbindung an die sonstige Sprache allerdings eine immerwährende Aufgabe bleibt (vgl. Kap. 3.2.2.). Die Vermutung liegt nahe, dass es bei Tillich letztlich seine ‚augustinischen‘ Grundannahmen im Miteinander mit seinen ontologischen Prämissen und seinen existenzialphilosophischen Überlegungen sind, die seine Vorstellungen vom Funktionieren der Sprache – sein zweigeteiltes Sprachparadigma – bestimmen. Mit ‚Augustinismus‘ ist in dieser Arbeit eine Auffassung von Sprache bezeichnet worden, die auf das „Abbilden von Tatsachen“ als zentraler Funktion allen Sprachgeschehens konzentriert ist, Worte als in der Regel eindeutige Benennungen auffasst und Sprache im Wesentlichen als eine bloße Addition solcher Verweisungen begreift. Der TLP des `frühen Wittgenstein´ ist exemplarisch als eine der stringentesten Durchführungen dieses Sprachparadigmas vorgestellt worden (vgl. Kap. 1.1., besonders 1.1.1. bis 1.1.5.). Auch für Tillich sind die genannten ‚augustinischen‘ Vorstellungen für einen großen Bereich der Sprache gültig. Dies wird besonders an seiner Unterschei690

Vgl. P. Tillich, Recht und Bedeutung (1961 entstanden), in: GW V, S. 241f.

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dung von „diskursiven“ und „repräsentativen Symbolen“ und der in diesem Zusammenhang gegebenen Beschreibung ersterer als eindeutig festgelegter, aber unter Konsens willkürlich austauschbarer „Zeichen“ deutlich. Situationsabhängigkeit, notwendige Vernetzung mit anderen Wörtern und mit Verhaltensweisen, „Familienähnlichkeit“, offene Regelhaftigkeit usw. sind als für die Sinngebung konstitutive Momente bei seiner Beschreibung des alltäglichen Sprachgebrauchs nicht im Blick (vgl. Kap. 3.1.2.). Tillichs Auffassung der „Zeichen“ erinnert vielmehr an die „Namen“ im TLP, an ihre Kontingenz und ihre Art der `eineindeutigen´ Benennung der „Gegenstände“ (vgl. Kap. 1.1.4.). Zieht der `frühe Wittgenstein´ nun aber aufgrund seiner zur allgemeinen Norm erhobenen Abbildtheorie den Schluss, dass alles nicht im Raum der „Tatsachen“ Befindliche und somit nicht eindeutig Benennbare für die Sprache nicht abbildbar ist und deshalb alle Versuche, davon trotzdem sprechen zu wollen, in den Bereich des „Unsinnigen“ verwiesen werden müssen, so sieht Tillich die Möglichkeit, dass Sprache von tieferen Wirklichkeitsschichten her aufgebrochen und so durchaus – mittels „repräsentativer Symbole“ – zum Träger eines im „Tatsachen“-Raum nicht abbildbaren Sinnes werden kann. In „religiösen Symbolen“ werde dies noch einmal überboten, indem hier der Grund aller Wirklichkeitsschichten zum Vorschein komme, d.h. das „Sein-Selbst“ unter den Bedingungen der „Existenz“ erfahrbar werde. 691 Diese Vorstellungen sind für den `frühen Wittgenstein´ gänzlich ausgeschlossen, da er sein ‚augustinisches‘ Sprachparadigma absolut setzt. Obwohl auch er die Transzendentalität eines nicht-empirischen Ich, der Logik, der Ethik und eines „Sinnes der Welt“ thematisiert (vgl. Kap. 1.1.6. und 1.1.7.), bleibt diese Wirklichkeit doch für ihn sprachlich uneinholbar. Zwar negiert er keineswegs die Möglichkeit, dass diese Bereiche „sich“ in der „Welt“ „zeigen“ können bzw. in einer „mystischen“ Erfahrung dem transzendentalen Ich begegnen, aber die Idee einer Offenbarung, die sprachlich ausgedrückt werden könnte, wird – sozusagen als das Wesen der Offenbarung verkennend – vehement abgelehnt.692 Bei Tillich ist das Vorgehen ein umgekehrtes. Es wird nicht der „Zeichen“Gebrauch der Sprache absolut gesetzt und von dort aus nach den Bedingungen der Möglichkeit religiöser Rede gesucht, sondern auf die „repräsentativen Sym691

Die Existenzfrage auf Gott selbst bezogen lehnt allerdings auch Tillich strikt ab, weil man damit das „Sein-Selbst“ den Bedingungen seiner eigenen Schöpfung unterwürfe. An dieser Stelle, an der er die Angemessenheit der Rede von „Existenz“ in Bezug auf Gott bestreitet, scheint er zunächst eine Gemeinsamkeit mit dem TLP aufzuweisen (vgl. dazu insbesondere auch die in Kap. 1.1.3 vermutete Kritik Wittgensteins am ontologischen Gottesbeweis). Sie ist jedoch nur oberflächlich, wie schon bald bei der Einführung der Rede von „Essenz“ – im Gegenüber zur „Existenz“ – deutlich wird (vgl. P. Tillich, STh II, S. 25-52) und bei all den Begrifflichkeiten, die Tillich als „symbolisch“ begreifen kann, während sie im TLP als „unsinnig“ angesehen und in den Bereich der `Mystik´ verwiesen werden. 692 Es sei erinnert an TLP 6.432: „Gott offenbart sich nicht in der Welt.“, und TLP 7: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“

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bole“ verwiesen, die den sprachphilosophischen Anknüpfungspunkt für die „religiösen Symbole“ darstellen. Sprache ist also seiner Auffassung nach bereits von vornherein daraufhin angelegt, für nicht-abbildbare Wirklichkeitsschichten transparent zu werden. Somit bedeuten für Tillich die ‚augustinischen‘ Überzeugungen und die mit ihnen verbundenen ‚aristotelischen‘ Auffassungen (vgl. Kap. 1.3.2.2. und 3.2.3.3.), die für ihn im Bereich der „Zeichen“ ihre Gültigkeit haben, auch kein Hindernis für eine daneben bestehende religiöse Rede. Diese kann im Gegenteil als eine ganz besondere Kategorie sprachlichen Geschehens gewürdigt werden, ohne – wie beim `frühen Wittgenstein´ – der Restriktivität eines zu engen Sprachbegriffes geopfert werden zu müssen. Warum Sprache aber im Bereich der „Symbole“ diese außergewöhnlichen Qualitäten aufweist, die „Zeichen“ hingegen auf die alltägliche Diskursivität, also auf die Beschreibung direkt zugänglicher Wirklichkeitsschichten festgelegt sind, kann Tillich sprachanalytisch gesehen nicht begründen. Es scheint eine den „Symbolen“ innewohnende bzw. sie von Seiten der „Essenz“ her ergreifende Kraft zu sein, die sie von den „Zeichen“ unterscheidet und ihnen eine ansonsten in der Sprache nicht anzutreffende Uneigentlichkeit und Wirkungsfähigkeit verleiht. Sprachanalytisch einholbar ist diese Auffassung aber nicht.693 Dass sich nach Tillich zudem auch das „Sein-Selbst“ dieser symbolischen Dimension der Sprache bedient und im „religiösen Symbol“ die durch die sonstigen „repräsentativen Symbole“ erfolgende Relativierung alltäglichen Sprachgeschehens noch einmal überbietet, ist eine Idee, die nun gänzlich in den „theologischen Zirkel“ gehört.694 Sie folgt für Tillich aus dem Glauben an „Jesus als den Christus“ als der Bedingung der Möglichkeit einer derartigen Offenbarung (vgl. Kap. 3.1.3.). Die Anbindung dieses Symbolgeschehens an die sonstige Sprache aber müsste so eine immerwährende Aufgabe bleiben, um nicht in eine `fideistische´ Position zu geraten (vgl. Kap. 3.2.2.). Philosophischem Nachfragen wird die zweigeteilte Sprachauffassung Tillichs als inkohärent erscheinen.695 Selbst wenn noch nachvollzogen würde, dass „re693

Wie innerhalb der Diskussion über die von Tillich beeinflusste Symboldidaktik vor allem von M. Meyer-Blanck betont wird, ist es semantisch nicht zu rechtfertigen, warum „Symbole“ als etwas ontologisch Besonderes angesehen werden sollten, handele es sich doch nur um eine Art der Anwendung von Wörtern unter vielen (vgl. M. Meyer-Blanck, Vom Symbol zum Zeichen, Hannover 1995). – Überhaupt erscheint die Differenzierung in „Zeichen“ und „Symbole“ auf dem Hintergrund der PU als idealtypische Verkürzung des vorfindlichen Sprachgebrauchs, die der Mannigfaltigkeit der Rollen, die Begriffe in „Sprachspielen“ übernehmen können, bei weitem nicht gerecht wird. 694 Man kann G. Wenz zustimmen, wenn er hinsichtlich dieser Konzeption des „religiösen Symbols“ feststellt, dass sie offensichtlich das Ziel habe, die exklusive Stellung der Religion herauszustellen: „in den Symbolen erscheint die Religion als eine Sonderfunktion“ (ders., Subjekt und Sein, S. 170). 695 Man vgl. die Anfragen, die im Sinne Cassirers an Tillichs Konzeption zu stellen sind, z.B.

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präsentative Symbole“ tiefere Wirklichkeitsschichten ausdrücken als bloße „Zeichen“ – Dimensionen der Wirklichkeit, die aber immer noch der „Welt“ im Sinne des `frühen Wittgenstein´ angehören müssten, also zwar transzendental, aber nicht transzendent sein können – , selbst dann könnte Tillich zumindest sprachanalytisch nicht begründen, warum „religiöse Symbole“ in der Lage sein sollten, auf Transzendentes zu verweisen. Der Ausweg über die Introspektion, z.B. durch einen Verweis auf die Erfahrung des Heiligen, ist sprachanalytisch im Übrigen nicht möglich und fiele unter die `Psychologismus´-Kritik (vgl. Kap. 1.3.2.5. und 3.2.3.6.), weil er zwar ein subjektives Erleben widergeben, jedoch keine Intersubjektiviät begründen kann. So wird man die sprachphilosophischen Grundlagen der Symboltheorie Tillichs sowohl seinen impliziten ontologischen Vorgaben als auch seinen existenzialphilosophischen Überzeugungen zuschreiben dürfen (vgl. Kap. 3.1.1.). Diese führen im Miteinander mit den ‚augustinischen‘ Grundannahmen zu eben diesem zweigeteilten696 Sprachparadigma. Auch wenn es also so erscheint, als würde Tillich nach dem Funktionieren von Sprache fragen, spiegeln seine Überlegungen dazu sprachanalytisch gesehen doch nur die eigenen ontologischen Vorentscheidungen wider. – Diese Eigenheit aber hat er offensichtlich mit dem `frühen Wittgenstein´ gemein, denn auch im TLP hat die Ontologie bzw. die dort vorausgesetzte Struktur des `logischen Raumes´ die Auffassungen vom Aufbau und vom Funktionieren der Sprache bestimmt (vgl. Kap. 1.1.1.). 3.2.2. Tillich und der `mittlere Wittgenstein´ These: Die Aufgabe der Überzeugung von der radikalen Trennung von Logik und Semantik (vgl. Kap. 1.2.1.) führt Wittgenstein allmählich zu einer höheren Wertschätzung religiöser Rede. Seine dafür zunächst wichtige Unterscheidung von relativem und absolutem Gebrauch bestimmter Adjektive (vgl. Kap. 1.2.2.) könnte man insofern als verwandt mit Tillichs Differenzierung in „Zeichen“ und „Symbole“ betrachten (vgl. Kap. 3.1.2.), als auch hier eine Zweiteilung von Sprache zugrunde gelegt wird. Um eine letztlich `fideistische´ Position zu vermeiden, wird die Korrelationsmethode wichtig. Dem Wittgensteinschen „Anrennen gegen die Grenzen der Sprache“ (vgl. Kap. 1.2.2.) wird mit der Konzeption der „religiösen Symbole“ (vgl. Kap. 3.1.3.) ein Perspektivenwechsel angeboten: Nach Tillich öffnet das „Sein-Selbst“ als Subjekt der „Offenbarung“ ‚aus der Tiefe heraus‘ die Begrenztheit aller sprachnach B. Luscher, Arbeit am Symbol, S. 90f, wo sie – Ergebnisse von Chr. Danz aufgreifend – Tillichs Symbolbegriff mit den Auffassungen Cassirers kontrastiert. 696 Bewusst soll hier nicht von einem zweidimensionalen Sprachparadigma gesprochen werden, weil die beiden ‚Funktionsarten‘ von Sprache – „Zeichen“ und „Symbole“ – recht unverbunden nebeneinander stehen.

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lichen Bezeichnung und lässt z.B. einen Begriff, einen Gegenstand oder ein Ereignis zu einem „repräsentativen Symbol“ werden. Tillich kann aber – über existenzialphilosophische und ontologische Erwägungen hinaus – nicht recht zeigen, woran eine derartige „Offenbarung“ letztlich sprachlich erkennbar ist. Eher auf einer Linie liegen Wittgensteins Kritik an Frazer (vgl. Kap. 1.2.3.) und Tillichs Hochschätzung von „religiösem Symbol“ und Mythos. Wenn auch auf unterschiedliche Weise, so nehmen doch beide die religiöse Rede aus der von der psychologischen Religionskritik im Gefolge Feuerbachs unterstellten Kausalfolge heraus, da diese Art von Kausalität keine universelle Gültigkeit beanspruchen könne. Tillich betont zu Anfang seiner STh die Erfolglosigkeit des „Versuch(es), die Philosophie auf die formale Logik zu beschränken“, da „jede Erkenntnistheorie Ontologie enthält“ (STh I, S. 27). Tatsächlich sieht sich Wittgenstein in den „Bemerkungen über logische Form“ gezwungen, die für den TLP fundamentale Überzeugung von der radikalen Trennung von Logik und Semantik zurückzunehmen und damit im Grunde aufzugeben (Kap. 1.2.1.). So war jetzt auch für ihn die Logik relativiert und somit das mit ihr analog gedachte Gute nicht mehr als transzendental vorgegeben denkbar. Dadurch stellte sich auch die Analyse religiöser Rede in einem neuen Licht dar. Im VüE wird nun der absolute Gebrauch bestimmter Adjektive wie z.B. „gut“ als Kennzeichen religiösen Sprechens aufgefasst. Ebenso wie die dort genannten Erfahrungen des Staunens über die Existenz der Welt, des Erlebens einer absoluten Sicherheit und des Fühlens von Schuld, die uns dazu drängen, „Unsinn“ reden zu wollen, scheinen sie – so benutzt – dem im Sinne des ‚augustinischen Sprachparadigmas‘ normalen Sprachgebrauch auf merkwürdige Weise enthoben zu sein, aus dem Bereich der alltäglichen Empirie herausgenommen. Für Wittgenstein, der sein neues Sprachparadigma noch nicht gefunden hat, kann es sich aber dabei auch weiterhin nur um ein „Anrennen gegen die Grenzen der Sprache“ handeln (vgl. Kap. 1.2.2.). Tillich besitzt zwar eine andere Perspektive; der Wittgensteinschen Unterscheidung zwischen relativem und absolutem Gebrauch entspricht in seinem Denken aber die Differenzierung in „Zeichen“ und „Symbole“ insofern, als auch hier eine Zweiteilung von Sprache zugrunde gelegt und ein Bereich beschrieben wird, der den `normalen Gesetzmäßigkeiten´ gerade nicht folge. Besonders „religiöse Symbole“ seien eben nicht innerhalb der Sprache und im Rahmen ihrer normalen Möglichkeiten ‚gefangen‘, sondern gerade ‚aus der Tiefe heraus’ initiiert, indem das „Sein-Selbst“ die Begrenztheit der Sprache überwinde, sich durch diese Symbole selbst in das Gespräch einbringe und so „Ekstase“ ermögliche. Auf diese Weise wird das, was beim `frühen´ und `mittleren Wittgenstein´ „unsinnig“ erscheint, bei Tillich als ‚sinn-volles‘ Geschehen für möglich gehalten, ja als Religion überhaupt erst konstituierend gedacht.

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Dadurch, dass diese „religiösen Symbole“ zwar in einer bestimmten, historisch gewordenen Substanz vorhanden, aber – durch das unverfügbare Sich-Einbringen dessen, „was uns unbedingt angeht“ – durchaus immer wieder veränderbar sind und sogar prinzipiell alles Innerweltliche zum „religiösen Symbol“ werden kann, vermeidet Tillich letztlich die Folgerung eines starr festgelegten religiösen Sprachbereiches, der nur aus sich selbst heraus verständlich wäre. Dennoch bleibt der Verdacht des `Fideismus´, zu dem die Wittgensteinsche Unterscheidung von absolutem und relativem Gebrauch von Adjektiven ja im Hinblick auf religiöse Rede ganz allgemein verführt hatte (Kap. 2.1.2.), zunächst auch für Tillich noch bestehen. Die neu besetzten, zum „religiösen Symbol“ gewordenen Begriffe, Personen, Dinge, Ereignisse oder Orte scheinen auch bei ihm einem Bereich besonderer Kommunikation zuzugehören, der durchaus ganz eigenen Regeln zu folgen scheint und für Nicht-Gläubige nicht unbedingt mehr nachvollziehbar ist, der ‚normalen‘ „offenen Regelhaftigkeit“ enthoben. Auch bei der Anwendung kausalkritischer Überlegungen, wo zwischen beiden Denkern große Übereinstimmungen zu konstatieren sind, drängt sich der `Fideismus´-Verdacht zunächst auf. Für Wittgenstein ist deutlich, dass das Phänomen der Religion nicht mit den Kategorien naturwissenschaftlichen Kausaldenkens und Bezeichnens erfasst werden kann, wie er vor allem mit seiner Kritik an der religionswissenschaftlich-sozialdarwinistischen Sichtweise Frazers zeigt (Kap. 1.2.3.). Schon hier beim `mittleren Wittgenstein´ läuft alles darauf hinaus, die religiösen „Sprachspiele“ als solche unverändert zu belassen, da ihre Eigenheiten nicht in andere übertragen werden können. Die implizit geltenden „Gewißheiten“ – um bereits hier noch einen weiteren Terminus aus der Spätphilosophie zu gebrauchen – wären nämlich in anderen „Sprachspielen“ außer Kraft gesetzt, die Perspektiven gewissermaßen verzerrt. Dass der Glaube an das `Jüngste Gericht´ beim `mittleren Wittgenstein´ dem ‚normalen‘ Schema von Zustimmung oder Ablehnung demnach also enthoben zu sein scheint (vgl. VuG, S. 77f, und Kap. 1.2.3.), könnte Tillich nun seinerseits als Beleg für seine These von der besonderen „ontologischen Partizipation“ „religiöser Symbole“ (vgl. Kap. 3.1.3.) deuten. Und in seiner Symboltheorie ist auch tatsächlich die entscheidende kausalkritische Komponente eben dieser Hinweis auf die notwendige „ontologische Partizipation“ der „religiösen Symbole“ am Unbedingten, d.h. aber auch – mit dem Bild der „Ekstase“ gesprochen – auf ihr ‚Herausgehobensein‘ aus innerweltlichen Kausalzusammenhängen: Nicht die Menschen seien es, die „Zeichen“ oder Personen, Dinge, Ereignisse oder Orte durch metaphorische Redeweise zu „religiösen Symbolen“ werden lassen, sondern dieser Vorgang gehe auf das Unbedingte selbst zurück. Diese Auffassung und die daraus resultierende Hochschätzung des Mythos 697, der bei Tillich als eine Vernetzung von Symbolen begriffen wird, betonen eben697

Vgl. P. Tillich, Mythos und Mythologie, in: GW V, S. 187-195, aber auch STh I, S. 97:

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so wie Wittgenstein die Eigenheit von religiöser Rede, die eben nicht in andere Sprachformen übertragbar sei. Nur so ist auch Tillichs Polemik gegen ein vor „religiöses Symbol“ gestelltes `nur´ erklärbar, handelt es sich doch bei symbolischer Rede seiner Auffassung nach um ‚eigentliche Redeweise‘. Deshalb dürfe auch der Mythos nicht `entmythologisiert´ werden. Zwar müsse gezeigt werden, was er im Hier und Jetzt bedeutet, da er sonst seine Wirkmächtigkeit verliere, aber als eigene Sprachform dürfe er – bei aller notwendigen Vermittlung mit den säkularen „Sprachspielen“ – nicht aufgegeben werden. 698 Damit liegt Tillich im Hinblick auf diesen Fragekomplex auf einer Linie mit Wittgenstein. Für beide läuft die Feuerbachsche Religionskritik ins Leere, weil sie einen unzulässig verkürzten, aber als universell gültig propagierten Kausalbegriff zur Anwendung bringt, damit die Perspektiven vermischt und religiöse „Sprachspiele“ mit Kategorien beurteilt, die – schon von ihrem `Sitz im Leben´ her – lediglich zur Bewertung naturwissenschaftlicher „Sprachspiele“ geeignet sind. All diese Aspekte dürfen nun nicht auf falsche Weise betont werden, um nicht in eine `fideistische´ Position zu geraten. Das Augenmerk auf die Anbindung an die Weltwirklichkeit und die sie bezeichnende Sprache darf nicht verloren gehen. Während Wittgenstein vor allem in seiner `Spätphilosophie´ durch seine Auffassung von der Vernetzung der „Sprachspiele“ den `Fideismus´ als unhaltbare Position erkennen lässt (vgl. Kap. 1.3.1.), wird bei Tillich an dieser Stelle die „Korrelationsmethode“ (vgl. Kap. 3.1.1. und 3.1.3.) wichtig. Sie wird – in ihrer Präzisierung in STh II, S. 19 – dialektisch verstanden als „Einheit von Abhängigkeit und Unabhängigkeit zwischen existentiellen Fragen und theologischen Antworten“. Dabei sind zwar die Fragen schon auf die Antworten ausgerichtet – und insofern von ihnen abhängig – , aber andererseits können die Antworten nicht aus den Fragen entwickelt werden – und sind in dieser Hinsicht von ihnen unabhängig. Dennoch sind sie auf sie bezogen, so dass die Gefahr der Aufteilung in völlig divergierende Sprachbereiche unterlaufen wird. Die religiöse Rede wird immer wieder an die nicht-religiöse zurückgebunden. Gerade dadurch, dass bei Tillich die religiösen Antworten nur in Hinsicht auf Fragen gegeben werden, die sich vorher aus der Analyse der aktuellen Lage ergeben haben, wird bei ihm eine Situation, wie Wittgenstein sie anhand des Beispieles mit dem `Jüngsten Gericht´ beschreibt, verhindert. – So ist die „Korrelationsmethode“ unter dem hier beschriebenen Gesichtspunkt vergleichbar mit „dem Finden und dem Erfinden von Zwischengliedern“ in den PU (§ 122), das „Weder ist der Mythos primitive Wissenschaft, noch der Kultus primitive Ethik.“ – Dies könnte man auch als die Auffassung Wittgensteins, die in BFGB zum Ausdruck kommt, bezeichnen. 698 Tillich richtet sich damit vor allem gegen R. Bultmanns `Entmythologisierungsprogramm´ (vgl. P. Tillich, Protestantische Gestaltung, in: GW V, S. 56). – Vgl. auch die Kritik, die aus ‚sprachspielanalytischer‘ Sicht an van Buren geübt werden musste (Kap. 2.1.1.).

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dem Ziel dient, „die `Zusammenhänge [zu] sehen´“ (ebd.). Indem sie immer wieder neu aktuelle Situation und christliche Antworten aufeinander bezieht, immer wieder neue Verbindungen aufzeigt, verhindert sie auch sprachlich ein Auseinanderfallen von Religion und Alltagswelt. So wird denn auch erst durch sie der `Fideismus´-Verdacht im Hinblick auf alle obigen Überlegungen endgültig abgewendet. Zusätzlich sorgt Tillichs Forderung des „protestantischen Prinzips“ (vgl. Kap. 3.1.3.) dafür, dass ein Erstarren in alten Formen bzw. in „abgestorbenen Symbolen“ unterbunden wird und eine Rückbindung an die jeweils aktuellen „Symbolisierungen“ geschieht. Auch auf diese Weise wird vermieden, dass die „religiösen Symbole“ sich in eine letztlich willkürliche Selbstständigkeit verflüchtigen, die sowohl Tillich als auch Wittgenstein als Gefahr religiösen Sprechens offenbar immer vor Augen hatten. 3.2.3. Tillich und der `späte Wittgenstein´ 3.2.3.1. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Augustinismus‘ These: Tillichs ‚zweigeteilte‘ Sprachauffassung weist mit seiner Charakterisierung der „Symbole“ auf Gesichtspunkte hin, die für das ‚mehrdimensionale‘ Sprachparadigma des `späten Wittgenstein´ allgemein kennzeichnend sind, ohne die ‚Mehrdimensionalität‘ von Sprache wirklich zu erfassen. Immerhin wird aber auch bei Tillich deutlich, dass die christlichen „religiösen Symbole“ derart miteinander verflochten sind, dass sie – aus der Sicht Wittgensteins gedeutet – in ihrer Gesamtheit als die „Physiognomie“ der „Gewißheiten“ des Christentums angesehen werden können. Als die hauptsächlichen Kennzeichen des neuen, ‚anti-augustinischen‘ Sprachparadigmas des `späten Wittgenstein´ wurden vor allem eine durch den Begriff des „Sprachspiels“ gewonnene und religiöse Rede sinnvoll ermöglichende ‚Mehrdimensionalität‘, der Bezug auf ein Netz zugrunde liegender „Gewißheiten“, die Einbettung von Sprache in bestimmte Verhaltensweisen und die ‚Offenheit des Regelfolgens‘ herausgestellt (vgl. Kap. 1.3.1. und 1.3.3.). Wie in Kap. 3.2.1. mit Perspektive auf den `frühen Wittgenstein´ bereits beschrieben wurde, sind Tillichs sprachanalytische Überzeugungen vom Ansatz her zwar nicht ‚mehrdimensional‘, aber bereits ‚zweigeteilt‘. In Bezug auf den Bereich der „Zeichen“ gelten für Tillich ‚augustinische‘ Vorstellungen. Diese werden allerdings für einen Teil des Sprachgeschehens überwunden, indem sie – für die allgemeine Rede von „repräsentativen Symbolen“ – um eine ontologisch bzw. existenzialphilosophisch begründete Fundierung erweitert werden. Mit einem zweiten Schritt – die „religiösen Symbole“ betreffend – , wird der Sprung in den „theologischen Zirkel“ unternommen.

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Sprachanalytisch betrachtet ist dies natürlich keine tragfähige Begründungsstruktur. Dennoch kommen bei Tillich mit der Einführung der Symbole Aspekte sprachlichen Geschehens in den Blick, die für das ‚anti-augustinische‘ Sprachparadigma des `späten Wittgenstein´ durchaus kennzeichnend sind. Die Charakterisierung eines Ausdruckes, eines Gegenstandes oder eines Ereignisses als „repräsentatives Symbol“ beinhaltet nämlich implizit die Bezugnahme auf eine Situation, deren spezifische Interpretation als „Muster“ (vgl. Kap. 1.3.1.) für die weitere Wortverwendung aufgefasst wird. So ist das Symbol „Kreuz des Christus“ auf eine bestimmte Sichtweise der Kreuzigung angewiesen (vgl. STh II, S. 165f). Diese Auslegung kann jedoch ihrerseits nicht als isolierte bestehen – im Gegensatz zu einer willkürlichen `Benennung´ im ‚augustinischen Sinne‘– , sondern bedarf der Verflechtung mit anderen Interpretationen von damit in Bezug gesetzten Ereignissen – z.B. mit Ostern als der „Auferstehung des Christus“: „Das `Kreuz des Christus´ und die `Auferstehung des Christus´ sind voneinander abhängige Symbole. Sie können nicht voneinander getrennt werden, ohne daß sie ihren Sinn verlieren.“ (STh II, S. 165)

Zu beiden hier genannten Symbolen können weitere aufgeführt werden, die sie ganz direkt „unterstützen“ (vgl. STh II, S. 171-178). Erst durch diese Vernetzung entsteht ein System, in dem sich die einzelnen Elemente gegenseitig halten und – durchaus im Sinne des `Kontextprinzips´ des `späten Wittgenstein´ – ihren Sinn bekommen; es entsteht ein Netz von „Gewißheiten“. Insofern sind die „Symbole“ Tillichs als Ausdruck der „grammatischen Sätze“ des Christentums, als dessen „Physiognomie“, ansprechbar.699 Da die einzelnen Symbole jedoch auf ihre je eigene Anerkanntheit angewiesen sind (vgl. Kap. 3.1.2., in der Liste der Merkmale Punkt D), die durch die angesprochene Verflechtung zwar ermöglicht wird, aber nicht garantiert ist, muss Tillich den Blick jetzt auch auf die soziale Einbettung der Symbole lenken; theologisch gesprochen: auf ihren `Sitz im Leben´. Damit ist hier aber nicht nur eine soziologische Fragestellung gemeint, sondern auch die Berücksichtigung des Wortumfeldes u.ä. – mit dem Wittgenstein der PU gesprochen: der Blick auf die „Sprachspiele“, die mit den „Symbolen“ durchgeführt werden. Dass `Bedeutung-Haben´ sich auf eine Vernetzung von Wörtern, von bestimmten Situationen, Verhaltensweisen und Dingen gründet – alles das, was Tillich bei seiner Auffassung vom Funktionieren der „Zeichen“ vernachlässigt hatte (vgl. Kap. 3.1.2. und 3.2.1.) – , muss er nun in Bezug auf die „Symbole“ zumindest indirekt einführen, ohne dass er dabei die Relevanz dieser Elemente auch für ein allgemeines Sprachparadigma erkennen würde. 699

Dieser Gedanke wird weiter unten (vgl. vor allem Kap. 3.2.3.7.) noch wichtig werden, da mit dieser Interpretation von „religiösen Symbolen“ einige Probleme vermieden werden können, die in den nun folgenden Unterkapiteln anzusprechen sind.

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Mit der Einbeziehung der lebensweltlichen Verwobenheit der Symbole wird implizit auch die ‚Offenheit des Regelfolgens‘ vor Augen geführt. Sie ist für Tillich der Sache nach allerdings theologisch bereits dadurch gegeben, dass auch die Unverfügbarkeit Gottes immer berücksichtigt werden muss. Dessen Offenbarung in der Welt ist nicht ‚dingfest‘ zu machen; die Rede vom Unbedingten kann nicht als starre Dogmatik aufgefasst werden (vgl. dazu auch Kap. 3.2.3.2.), sondern muss immer auch ihre unverrechenbare pneumatologische Dimension berücksichtigen. Sie findet sich in Tillichs Entwurf ausgedrückt im „protestantischen Prinzip“ (vgl. Kap. 3.1.3.) und in der „Korrelationsmethode“ (vgl. vor allem Kap. 3.2.2.); auf ihre je eigene Weise sind diese Prinzipien Hinweise darauf, dass im Grunde alles zum Symbol werden kann, existierende Symbole aber auch „absinken“ und vergehen, Sprache also ein dynamisches Geschehen ist. – Dennoch sind innerhalb der Tillichschen Theorie Bereiche auszumachen, die diese Dynamik nicht ausreichend berücksichtigen, wie im Folgenden deutlich werden wird. 3.2.3.2. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Platonismus‘ These: Trotz einiger Methoden, die für dynamische Prinzipien innerhalb der Theologie Tillichs stehen (vgl. Kap. 3.2.3.1.), tragen vieler seiner Grundüberlegungen ‚platonistische‘ Züge. Häufig fragt er nach dem „Wesen“ eines Begriffs, um ontologische Klärungen herbeizuführen. Dies deutet auf ‚platonistische‘ Anschauungen, die mit dem `späten Wittgenstein´ zu kritisieren sind. Insbesondere bereitet seine Vorstellung von der „ontologischen Partizipation“ der „religiösen Symbole“ am „Sein-Selbst“ Probleme, ist sie doch nicht wirklich dialektisch gedacht. Letztlich gefährden die Schwierigkeiten, die bei Tillich durch seine ‚platonistisch‘ geprägte Ontologie entstehen, die Idee der Symboltheorie sogar in ihren Grundzügen, so dass nach einer anderen Auffassung von „religiösem Symbol“ gefragt werden muss (vgl. Kap. 3.2.3.7.). Als junger Student erhielt Tillich einen Brief seines Vaters mit Ratschlägen für sein Studium. Darin ist u.a. zu lesen: „Du schreibst, die objektive Wahrheit könne sich nicht geschichtlich vermitteln; das ist Fichte, Kant, die beide überhaupt keinen lebendigen Begriff der Geschichte haben können. Freilich, nicht die ewigen Ideen haben eine Geschichte, aber ihre Offenbarung und ihre Erkenntnis, `daß Gott die Liebe ist´, ist ewige objektive Wahrheit, (nicht nur Werturteil, sondern Seinsurteil); aber diese Wahrheit ist erst durch Christi Person und Werk offenbart 700 und bezeugt.“ 700

Johannes Tillich an Paul Tillich: Ratschläge zum Studium (vom 16. Juni 1906), S. 36-39, in: Paul Tillich – Ein Lebensbild in Dokumenten – Briefe, Tagebuch-Auszüge, Berichte;

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Dass es „ewige Ideen“ gibt, wird hier von Johannes Tillich vorausgesetzt und scheint auch zwischen Vater und Sohn nicht strittig gewesen zu sein. Diese platonische Grundüberzeugung hat Paul Tillich offensichtlich auch weiterhin geprägt und wirkt sich sprachanalytisch betrachtet dahingehend aus, dass er diese „ewigen Ideen“ innerhalb unserer Begrifflichkeit nachzuweisen sucht. Auch im Rahmen seiner „Systematischen Theologie“ müht er sich häufig darum, das Wesen bestimmter Begriffe zu beschreiben, ohne in Erwägung zu ziehen, dass es sich dem Sinne nach auch um – in der Sprache Wittgensteins – „Familienähnlichkeitsbegriffe“ handeln könne. – Aus der Fülle der Beispiele sei die Beschreibung der „Vernunft“ herausgegriffen: „Im ästhetischen Bereich ist die Tiefe der Vernunft ihre Eigenschaft, durch jede Schöpfung der ästhetischen Einbildungskraft hindurch auf die Schönheit selbst hinzuweisen, nämlich auf einen unendlichen Sinn und eine höchste Bedeutung. Im Bereich des Rechts ist die Tiefe der Vernunft ihre Eigenschaft, durch jede Gestalt verwirklichter Gerechtigkeit hindurch auf die Gerechtigkeit selbst hinzuweisen, nämlich auf unendlichen Ernst und unbedingte Würde. Im Bereich der Gemeinschaft ist die Tiefe der Vernunft ihre Eigenschaft, durch jede Form wirklicher Liebe hindurch auf die Liebe selbst hinzuweisen, nämlich auf eine unendliche Fülle und eine letzte Einheit.“ (STh I, S. 97)

Und auch bei der Bestimmung der „Essenz“ als eines zweideutigen, d.h. sowohl logischen als auch wertenden Ausdrucks, heißt es zur Charakterisierung des erstgenannten Pols: „Essenz als das Wesen eines Dings oder als Qualität, an der ein Ding partizipiert, oder als Allgemeinbegriff hat keinen wertenden Charakter. Es ist ein logisches Ideal, das durch Abstraktion oder Intuition ohne Einmischung von Wertungen erreicht werden kann.“ (STh I, S. 237)

Andererseits wird das Wesen eines Begriffs für Tillich häufig auch durch die Begegnung mit dem Unbedingten greifbar. So liest man in Bezug auf den Begriff der Person: „Es ist nicht so, daß wir zuerst wissen, was Person ist und dann diesen Begriff auf Gott anwenden. Sondern in der Begegnung mit Gott erfahren wir zuerst, was Person sein soll, wie sie sich von allem Unterpersönlichen unterscheidet und wie sie gegen das Absinken ins Unterpersönliche geschützt 701 werden muß.“

Ergänzungs- und Nachlaßbände zu den Gesammelten Werken V, hg.v. R. Albrecht, Stuttgart/Frankfurt a.M. 1980, hier: S. 38. 701 P. Tillich, Biblische Religion und die Frage nach dem Sein, in: GW V, S. 138-185, hier: S. 152.

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Zwar scheint hier eine Absage an eine abstrakte philosophische Spekulation über das Wesen des Person-Begriffes zugunsten einer Erfahrung intendiert, doch bleibt die Vorstellung von einem wesentlichen Bedeutungskern des fraglichen Ausdrucks davon unberührt. Die hier vorgenommene Ausrichtung an der Begegnung mit „dem, was uns unbedingt angeht“ korrespondiert mit dem auch die Symboltheorie bestimmenden Hinweis auf die Gottesbegegnung – primär in „Jesus als dem Christus“ – als das alles Sprechen innerhalb des „theologischen Zirkels“ normierende Geschehen (vgl. Kap. 3.1.3.). Aber auch wenn beabsichtigt ist, auf diese Weise das Wesen eines bestimmten Begriffs zu finden, bleibt es fraglich, mit welchem Anspruch die gewonnene Redeweise dann auftreten kann. Sprachanalytisch betrachtet könnte jedenfalls eine Forderung nach ‚dem einen richtigen Wortgebrauch‘ nicht aufrecht erhalten werden, selbst wenn er sich an einer nicht mehr überbietbaren Norm orientiert. Auch theologisch gesehen müsste Tillich selbst mit seinem „protestantischen Prinzip“ gegen ein derartiges Postulat Einspruch erheben. Dennoch wäre es nur folgerichtig zu behaupten, dass die in der Begegnung mit dem Unbedingten einmal gefundene Formulierung ein für alle Mal Gültigkeit hätte, wenn man sich von der Wesens-Idee leiten ließe. Eine Dogmatik wäre dann – zugespitzt gesagt – im Sinne des TLP `eineindeutig´ formulierbar und für alle Zeiten gültig. Die Behauptung, dass das Wesentliche eines Begriffs durch eine Begegnung erfahren wird, von der her die weitere Anwendung des Ausdrucks geregelt wird702, ist demnach in der Konsequenz nicht zu unterscheiden von der `platonistischen´ Überzeugung, dass dieses Wesentliche durch Analyse möglichst aller verschiedenen Anwendungen gefunden werden könne. Die Kritik an diesen ‚platonistischen‘ Strukturen ist – ganz davon abgesehen, dass die PU in ähnlicher Weise den TLP beurteilen – verwandt mit dem, was Tillich selbst – im Anschluss an Marx und vor allem an Kierkegaard – als „Widerspruch gegen die idealistische Wesensphilosophie“, gegen „die verhüllende Funktion der Wesensphilosophie“ 703 formuliert hat: „Was mich an die Grenze des Idealismus geführt hat, ist ... der Anspruch der Idealisten, daß ihr System der sinngebenden Kategorien die Wirklichkeit als Ganzes abbildet, anstatt daß es als Ausdruck einer bestimmten, existentiell begrenzenden Begegnung mit der Wirklichkeit aufgefaßt wird.“704

Trotz dieser Einsicht scheint Tillich selbst im Rahmen seiner STh das idealistische „System der sinngebenden Kategorien“ durch ein ontologisch fundiertes existenzialphilosophisches Konzept ersetzt zu haben, das ebenfalls einen allge702

Vgl. STh I, S. 51, wo es u.a. heißt: „Die Frage der Erfahrung ist deshalb überall da eine zentrale Frage gewesen, wo es um Wesen und Methode der Theologie ging.“ 703 P. Tillich, Grenze, S. 49 und 50. 704 Ders., a.a.O., S. 49.

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meingültigen Anspruch zu erheben scheint, obwohl es sich doch aus sich selbst heraus begrenzen sollte. Folgte man hingegen dem ‚Anti-Platonismus‘ des `späten Wittgenstein´, dürfte die Theologie kein begrifflich festgefügtes System aufbauen, sondern müsste in immer wieder neuen „Sprachspielen“ versuchen, die Erfahrungen mit dem Unbedingten zu reformulieren; danach müsste Theologie also stärker narrativ vollzogen werden – in immer wieder neuer Aufnahme des Netzes ihrer „Gewißheiten“. Dabei könnten und sollten die an zentraler Stelle gefundenen Verstehensweisen eines Begriffes durchaus auch als „Muster“ im Sinne der PU fungieren, jedoch nicht als das Wesen des jeweiligen Ausdrucks missverstanden werden. Innerhalb der Symboltheorie scheint nun aber gerade die Rede von der – das „ekstatische Erkennen“ überhaupt erst ermöglichenden – „ontologischen Partizipation“ an die Stelle ‚platonistischer‘ Charakterisierungen zu treten, so dass der `späte Wittgenstein´ seine Anfragen wohl vor allem an diese Formulierung richten würde. Selbst wenn zugestanden wird, dass die „religiösen Symbole“ nach Tillich für eine tatsächliche Begegnung zwischen Göttlichem und Menschlichem, zwischen „Sein-Selbst“ und „Existenz“, in den Dienst genommen werden, sie also den Regeln für `normales´ sprachliches Geschehen gleichsam enthoben werden – `aufgehoben´ im Hegelschen Sinne – , ist ja dennoch zu fragen, wie die „Teilhabemetapher“705 – die Rede von der `ontologischen Partizipation´ – mit Mitteln menschlicher Vernunft nachvollzogen werden kann, wenn denn diese Rede nicht einfach „Mysterium“ bleiben soll. J. Ringleben schreibt in einem Beitrag aus dem Jahre 1975 zu den ontologischen Voraussetzungen der „Teilhabemetapher“: „Theologie hat (sc. nach Tillich) die ewige Wahrheit der geschichtlichen Situation entsprechend in sich wandelnder Weise zur Darstellung zu bringen. Dabei scheint vorausgesetzt, daß jene `ewige Wahrheit´, das `Fundament´, als ewig eine, sich selbst gleiche und in sich ruhende, gleichsam als unveränderliche Substanz gedacht werden müsse. Demgegenüber kann sich die `Zeitsituation´ allein als deren wechselnde Aneignung zur Geltung bringen; sie ist für sich die historisch-zufällig sich verändernde Auffangsform jener Substanz und derart in bezug auf die ewige Wahrheit in sich leer und be706 deutungslos, die rein äußerliche Bedingung von deren Darstellbarkeit.“

Scheint dies nun zunächst – ganz im Sinne der eingangs dieses Kapitels gebrachten Zitate – dahin zu führen, dass das Unbedingte nach Tillich als starr und als unabhängig von Geschichte und Symbol-Geschehen, von Vergangenheit und 705

M. Meyer-Blanck, Vom Symbol zum Zeichen, S. 16, 23 u.ö., übernimmt diesen Begriff von R. Roosen, Taufe lebendig, S. 111f. 706 J. Ringleben, Methode, S. 246f.

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Eschaton und als sich ewig gleich bleibend gedacht werden müsste707, so kommt Ringleben doch im Verlaufe seiner Untersuchung zu einem anderen Ergebnis. Er sucht nämlich zu zeigen, dass auch nach Tillich „das Bedingte als Bedingtes … notwendig“ sei, „damit das Unbedingte als es selber erscheinen kann“ (ders., a.a.O., S. 251). Damit habe aber letztlich das Unbedingte an der Geschichtlichkeit des Bedingten notwendigerweise Anteil, sei also – genau betrachtet – auch bei Tillich gar nicht als starr zu denken. Ringleben folgert: „Die ewige Wahrheit … umgreift ihre geschichtlich wechselnden Manifestationen als von ihr bestimmt, d.h. als sich selbst. Wahrheit hat selber, ist Geschichte (sc. nach Tillich).“708

So zeichnet der `frühe Ringleben´ ein recht dynamisches Bild von der Vorstellung des Unbedingten bei Tillich. Es ist allerdings zu fragen, ob ihm hier in seiner Darstellung gefolgt werden muss. G. Wenz, der Tillichs Symboltheorie als „univoken Symbolismus“ interpretiert, kommt aufgrund seiner Charakterisierung zu einer ganz anderen Sichtweise, die eine fundamentale Kritik an Tillichs Symboltheorie impliziert: „Damit aber gerät der Symbolgedanke in einen Widerspruch zu sich selbst und erreicht gerade das, was er verhindern sollte: Denn die Identität des Nichtidentischen, die das Symbol realisieren sollte, tritt als unmittelbare Identität in Erscheinung. Damit aber verfällt die universale Integrationseinheit den Bedingungen der Differenz … Das bedeutet zugleich: Verendli709 chung des Unbedingten …“

Da nach Wenz „die Symboldialektik von Uneigentlichkeit und Selbstmächtigkeit“710 nicht funktioniere, erstarre sozusagen das Unbedingte im Bedingten. Die Symboltheorie erreiche nicht das, was sie intendiere, weil Tillich Dialektisches undialektisch einzuführen versuche. Dies hänge mit seinen ontologischen Vorgaben zusammen, die er letztlich nicht überwinde und die dazu führten, dass das dialektische Zusammendenken der Polaritäten gar nicht erst gelingen könne. Das „religiöse Symbol“ bleibt hier also nicht mehr als ein Postulat. Dieser Position hat sich Ringleben später auch angeschlossen. So schreibt er in einem Ende der 80er Jahre erschienenen Aufsatz: „Tillich will eine Dialektik des Unbedingten denken, ohne sie als Dialektik von unbedingter Subjektivität (Gottes) zu denken. Da er sie nicht systematisch als Dialektik göttlichen Selbstseins, sondern als eine selbst-lose denkt, 707

Dann hätte das in der Gottesbegegnung geschehende, durch die „religiösen Symbole“ vermittelte „ekstatische Erkennen“ bei Tillich durchaus Ähnlichkeit mit der Anamnesis bei Platon. 708 J. Ringleben, a.a.O., S. 267f. 709 G. Wenz, Subjekt und Sein, S. 177. 710 Ders., a.a.O., S. 178.

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wird das Subjekt des endlichen Denkers zum eigentlichen Beweger und wird folgerecht statt wirklicher Dialektik nur deren Vergegenständlichung 711 (objektiv bestehende Komplementarität) gedacht bzw. vorgestellt.“

Die auf den ersten Blick interessante Frage, die sich hinsichtlich der „Teilhabemetapher“ aufgrund der Darlegung des `frühen Ringleben´ hätte stellen lassen, nämlich die, ob das „religiöse Symbol“ dauerhaft mit dem Unbedingten verbunden ist, das Geheiligt-Sein also eine bleibende Qualität ist oder ob dies nur vorübergehend der Fall ist und das „religiöse Symbol“ immer wieder neu aktualisiert werden muss (vgl. z.B. die konfessionellen Unterschiede im Verständnis des Abendmahls), rückt mit dieser These von Wenz und dem `späten Ringleben´ in den Hintergrund. Wenn es gar nicht erst möglich ist, dass die Rede von der „ontologischen Partizipation“ auf ein reales Geschehen verweist, wird dieses Detail zumindest im Rahmen der Diskussion der Tillichschen Symboltheorie obsolet. Da mit dem `späten Wittgenstein´ die Kritik von Wenz – und vom späteren Ringleben – durchaus geteilt werden kann, weil die „Sprachspiele“ mit der Vorstellung der „ontologischen Partizipation“ nicht nur nicht ohne ‚platonistische‘ Vorgaben auskommen, sondern letztlich auch nicht funktionieren und ins Leere laufen, muss dieser Kritik auch aus sprachanalytischer Sicht gefolgt werden.712 Was hier konkret mit dem ‚Ins-Leere-Laufen‘ gemeint ist, wird u.a. bei M. Murrmann-Kahl verdeutlicht, der am Beispiel der „abstrakten Entgegensetzung von Unendlichkeit und Endlichkeit“ zeigt, dass „Tillich logisch-kategorial zu kurz greift“713: „Wie Hegel gezeigt hat, kann man Endlichkeit und Unendlichkeit zwar entgegensetzen, muss aber einsehen, dass Unendlichkeit, die von Endlichkeit begrenzt wird, selber endlich ist, und dass umgekehrt Endlichkeit, die Unendlichkeit begrenzt, selber nicht mehr endlich ist, verunendlicht wird. So werden Endlichkeit und Unendlichkeit zu Relaten einer sie übergreifenden Relation herabgesetzt, in der Nichtendliches und Endliches eodem actu ineinander übergehen. … Kurz: Wenn man Endlichkeit und Unendlichkeit einander gegenübersetzt, wird man alsbald in die Dialektik dieser Relation verwickelt.“714

Da Tillich die „ontologische Partizipation“ aber undialektisch denke, geschehe dies bei ihm gerade nicht. Im Gegenteil breche er dialektische Denkprozesse häufig vorzeitig ab und beende sie mit starren Setzungen: 711

J. Ringleben, Symbol und göttliches Sein, S. 181. Auch die Überlegung, die „Teilhabemetapher“ selbst als „Symbol“ aufzufassen, kann hier keinen Ausweg aufzeigen. 713 M. Murrmann-Kahl, ‚Aporiefixierung‘, S. 193. 714 Ebd. 712

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„Dass solche Fixierungen der intendierten Dynamik von Tillichs Denken eigentlich widersprechen, ist offenkundig. Nach wie vor scheint das Problem nicht erledigt, wie sich diese denkerische Dynamik (der intendierte Vollzug von Gedanken) zur gewählten ontologischen Redeweise verhält. … Es wäre zu überlegen, ob nicht die Auflösung dieser Fixierungen und der Verzicht auf den ontologischen Referenzrahmen der Tillichschen Intention insgesamt näher kämen. Das bedeutete aber die Umstellung von Einheit auf 715 Differenz und die Auflösung ontologischer Restbestände.“

Vor allem aus Sicht des `späten Wittgenstein´ – es sei nur an seine vielfach begründete Ablehnung von Theorien gedacht und an seine Auffassung von Philosophie als einer Therapie starrer Lehrgebäude (vgl. Kap. 1.3., insbesondere 1.3.1., aber auch schon Kap. 1.1.5.) – ist eine solche Kritik nur zu unterstützen.716 Dabei sollte man allerdings nicht so weit gehen, wie oben am Beispiel von P. van Buren gezeigt (vgl. Kap. 2.1.1.), der gleich auf die gesamte „kosmologischontologische Sprach-Garnitur“ gänzlich verzichten und sie in andere „SprachGarnituren“ hinein auflösen wollte – dies war zu Recht als übertrieben abzulehnen – , doch ist tatsächlich zu fragen, inwieweit die Symboltheorie einer solchen ontologischen Fundierung wie bei Tillich bedarf – besonders, wenn sie nicht dialektisch durchgeführt werden kann, weil sie zu sehr auf das jeweils postulierte Wesentliche fixiert ist und damit zu ‚platonistisch‘ und eben auch zu starr denkt. Die Probleme, die sich Tillich durch seine ‚platonistisch‘ geprägte Ontologie einhandelt, gefährden die Idee der Symboltheorie somit sogar in ihren Grundzügen, so dass nach einer anderen Auffassung von „religiösem Symbol“ gefragt werden muss. Vielleicht kann hier der Hinweis auf eine Interpretation dieser Symbole als „grammatischer Sätze“ im Sinne Wittgensteins weiter führen (vgl. Kap. 3.2.3.7.). – Bevor diese Idee aber vertieft werden kann, sollen noch die weiteren Wittgensteinschen Stoßrichtungen aus Kap. 1.3. im Hinblick auf die Tillichsche Symboltheorie betrachtet werden.

715 716

Ebd., S. 194. Auch die Kritik von B. Luscher geht in diese Richtung. So fragt sie die Berechtigung der „Sprache der Seinsontologie“ (dies., Arbeit am Symbol, S. 82) vehement an und sucht die Begrenztheit dieser „Sprach-Garnitur“ (vgl. Kap. 2.1.1.) aufzuzeigen. Vgl. vor allem a.a.O., S. 82-84 u.ö.

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3.2.3.3. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Aristotelismus‘ These: Ist oben festgestellt worden (vgl. Kap. 1.3.2.2.), dass der `späte Wittgenstein´ sich gegen den Korrespondenzbegriff der Wahrheit wendet, so lehnt auch Tillich – vor allem aus existenzialphilosophischen Überlegungen heraus – korrespondenztheoretisch begründete Vorstellungen von Wahrheit ab. Konsequenterweise hätte er dann aber auch zu der Aufgabe aller `starren´ Vorstellungen z.B. in Bezug auf die Symboltheorie kommen müssen, was allerdings nicht der Fall war (vgl. Kap. 3.2.3.2.). In Fortführung von den im vorigen Unterkapitel zitierten Überlegungen zur Philosophie des Idealismus schreibt Tillich: „Mit der Ablehnung des geschlossenen Systems der Wesenslehre entsteht ein neuer Wahrheitsgedanke: Wahrheit ist an die Situation des Erkennenden 717 in der Existenz gebunden“.

Eine methodische Konsequenz dieser Erkenntnis ist die Einführung des „protestantischen Prinzips“, das – ebenso wie das gleichfalls bereits in Kap. 3.1.3. beschriebene „Absterben“ der Symbole – eine praktische Relativierung des Wahrheitsbegriffes voraussetzt. Ebenfalls erneut zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die „Korrelationsmethode“ (vgl. Kap. 3.1.1. und 3.2.2.), die durch den Rückbezug auf die jeweilige Situation nur schwer mit strengen korrespondenztheoretischen Überzeugungen in Einklang zu bringen wäre. Vielmehr wird gerade auch an ihr Tillichs Wahrheitsbegriff deutlich: Das jeweils Wahre muss immer wieder anders ausgedrückt werden, weil sich die Situation fortwährend ändert. – Insofern ist auch bei ihm – ähnlich wie bei Wittgenstein (vgl. Kap. 1.3.2.2.) – eine Kritik am starren ‚aristotelischen‘ korrespondenztheoretischen Begriff der Wahrheit festzustellen. Keiner der beiden Denker verfällt nun aber in das gegenteilige Extrem der völligen Beziehungslosigkeit zwischen Sprache und Welt, d.h. dem bloßen Verbleiben im Sprachraum. Sprache ist und bleibt sowohl für Wittgenstein als auch für Tillich ein tatsächliches Verweisen. Um allerdings wirklich verweisen zu können, bedarf es nicht nur der bereits erwähnten Netze von Wörtern (vgl. Kap. 3.2.3.1.), sondern auch – nach Tillich – der „katholischen Substanz“, unter der er das äußerlich sichtbare, bleibende, sakramentale Element des Christentums versteht: „Das protestantische Prinzip allein genügt jedoch nicht; die katholische Substanz, die konkrete Verkörperung der Gegenwart des göttlichen Geistes ist ebenso notwendig, aber sie ist dem Kriterium des protestantischen Prinzips zu unterwerfen.“ 717

P. Tillich, Grenze, S. 50.

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Es „folgt weiter, daß zur Erfahrung des göttlichen Geistes ein sakramentales Element gehört, so verborgen es auch sein mag. ... Die von mir oft gebrauchte Formel `protestantisches Prinzip und katholische Substanz´ bezieht sich fundamental auf die Einheit von Wort und Sakrament in der Vermittlung des göttlichen Geistes. Der Gedanke der vieldimensionalen 718 Einheit macht diese Formel anthropologisch möglich.“

An dieser Stelle bestätigt sich erneut, dass diejenigen Merkmale des Sprachparadigmas des `späten Wittgenstein´, die Tillich im Bereich der „Zeichen“ nicht wahrgenommen hat, in Bezug auf die religiöse Rede erkannt und um so mehr betont werden. Hier geht es im Grunde um die – bei Wittgenstein so klar gesehene (vgl. Kap. 1.3.1.) – immer benötigte lebensweltliche Einbettung des Sprachgeschehens, d.h. um die unhintergehbare Verflechtung von Wort und Welt. Durch die Hervorhebung dieses Aspektes vermeidet Tillich – ähnlich wie Wittgenstein (vgl. Kap. 1.3.2.2.) – , dass aus der Relativierung von „Wahrheit“ Beliebigkeit werden kann. Auch in Bezug auf die „Korrelationsmethode“ ist festzustellen, dass sie nicht nur relativiert, sondern durch ihr Kommen von und Gehen zu den göttlichen Antworten ebenso zur Kontinuität im Wandel beiträgt. Die dabei im Hintergrund stehende Vorstellung von der Wahrheit als einer absoluten wird bei Tillich tatsächlich auch nicht aufgegeben: „Im Erkenntnisbereich ist die Tiefe der Vernunft ihre Eigenschaft, durch die relativen Wahrheiten jedes Erkenntnisgebiets hindurch auf die Wahrheit selbst hinzuweisen, nämlich auf die unendliche Macht des Seins und auf das unbedingt Wirkliche.“ (STh I, S. 97)

Somit wird bei Tillich Wahrheit letztlich als bei Gott, als bei dem „Sein-Selbst“ seiend, aufgefasst. Sie bleibt transzendent, dem Menschen und seiner Sprache unverfügbar – und erinnert damit an den Schlusssatz des TLP, der das Schweigen über das Unsagbare empfiehlt. Dass die Wahrheit bei Gott ist, scheint theologisch ein unaufgebbarer Topos und könnte auch als theologische Anfrage an den `späten Wittgenstein´ aufgefasst werden, der Wahrheit kontextbezogen denkt und sie in den Vollzug der Sprache und der mit ihr verbundenen Verhaltensweisen verlegt, wenn er sich zwischen den Polen einer Korrespondenztheorie und eines reinen Relativismus bewegt. Zwar sind auch für den `späten Wittgenstein´ konsenstheoretische Kontingenz oder konstruktivistische Willkürlichkeit keine möglichen Optionen, aber ein Festhalten an der Idee einer absoluten transzendenten Wahrheit ist mit dem Glauben an Gott verbunden, kann demnach nur innerhalb des „theologischen Zirkels“ geäußert werden und hat den Charakter einer „Gewißheit“, die sprachanalytisch mit Wittgenstein nicht eingeholt werden kann. 718

STh III, S. 281 und 146; vgl. aber auch: ders., Die bleibende Bedeutung der katholischen Kirche für den Protestantismus, in: GW VII, S. 124-132.

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Dieses wichtige Aufrecht-Erhalten einer absoluten Wahrheitsvorstellung erklärt vielleicht auch, warum bei Tillich nun in Bezug auf seine ontologischen Vorstellungen keine rechten Konsequenzen aus seinen sonstigen Überlegungen zur Wahrheit gezogen werden. Die Ablehnung korrespondenztheoretischer Vorstellungen im Hinblick auf die Bedingungen der „Existenz“ hätte Tillich durchaus auch zu der Aufgabe aller „starren“ Vorstellungen z.B. in Bezug auf die Symboltheorie führen können; dies ist allerdings nicht geschehen (vgl. Kap. 3.2.3.2.). 3.2.3.4. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Cartesianismus‘ These: Richtet sich Wittgensteins Kritik an Descartes gegen dessen Methode, Philosophie zu betreiben, da diese von einem falschen Verständnis bestimmter „Sprachspiele“, insbesondere denen des Zweifelns, ausgehe (vgl. Kap. 1.3.2.3.), so weiß auch Tillich darum, dass Selbst und Welt erkenntnistheoretisch nicht getrennt werden dürfen und jeder Zweifel schon immer von einer Gewissheit getragen ist. Dennoch gibt es bei ihm den existenzialphilosophisch begründeten „essentiellen Zweifel“, der ein Ausdruck der allgemeinen Situation des Menschen sei und der nicht durch den Menschen selbst beseitigt werden könne. Diese Vorstellung kann sprachanalytisch mit Wittgenstein nicht eingeholt werden. – Gemeinsam hingegen ist beiden Denkern die Erkenntnis, dass das isolierte Ego zu keiner Selbstvergewisserung imstande ist. Wittgenstein lehnt den Dualismus von `res cogitans´ und `res extensa´ als Konsequenz des verfehlten Ansatzes Descartes´ ab: Dieser missverstehe vor allem die Struktur der „Sprachspiele“ des Zweifelns, weil er auf der Suche nach der `Ersten Philosophie´ sei (vgl. Kap. 1.3.2.3.). Wittgensteins Lösung – unser Denken und Sprechen vollzieht sich einzig im direkten Zusammenspiel mit der Wirklichkeit und ist gar nicht denkbar, wenn diese beiden Pole getrennt gedacht werden – zeigt, dass nicht etwa der Mensch mit seinen kognitiven Fähigkeiten der normgebende Faktor für das Erkennnisgeschehen ist, sondern dass er allein durch seine Partizipation an der Welt überhaupt in die Lage kommt, die Welt wahrzunehmen. – Diese Auffassung steht der Tillichs recht nahe, wenn dieser Descartes folgendermaßen kritisiert: „Beide Seiten der Polarität sind verloren, wenn eine der Seiten verloren ist. Das Selbst ohne Welt ist leer, die Welt ohne Selbst ist tot. ... Descartes versuchte verzweifelt und ohne Erfolg, die leere cogitatio des reinen Ichs mit der mechanischen Bewegung toter Körper zu vereinigen. Wenn immer die Selbst-Welt-Korrelation zerschnitten ist, ist eine Wiedervereinigung unmöglich.“ (STh I, S. 202)

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Es gehe darum, die der Subjekt-Objekt-Struktur der Vernunft zugrunde liegende „Selbst-Welt-Bezogenheit“ zu bejahen (vgl. ebd.); nur auf diese Weise könne man zu einer adäquaten Wirklichkeitserkenntnis gelangen. Obwohl Tillich demnach hier zumindest ansatzweise Wittgensteins Lösung teilt, wird die angenommene Subjekt-Objekt-Struktur der Vernunft nicht grundsätzlich hinterfragt, was Wittgenstein allerdings nahe legen würde. So spielt der Zweifel bei Tillich denn auch weiterhin eine wichtige Rolle, allerdings auf einer anderen Ebene, nämlich – existenzialphilophisch begründet – als Ausdruck der „Entfremdung“719 des Menschen vom „essentiellen Sein“: „Endlichkeit schließt Zweifel ein, da nur das Ganze die Wahrheit ist. ... Essentieller Zweifel steckt im methodisch-wissenschaftlichen Zweifel wie in der Ungewißheit über das eigene Selbst, die eigene Welt und den letzten Sinn beider. Jede Frage zeugt sowohl von einem Haben, ohne das die Frage nicht möglich wäre, als auch von einem Nichthaben, ohne das keine Frage nötig wäre.“ (STh II, S. 82)

Wittgenstein will den Zweifel durch den Hinweis auf die vorgängigen „Gewißheiten“ zur Ruhe bringen; Tillich jedoch insistiert hier auf einem – sprachanalytisch nicht einholbaren – „Nichthaben“, das den Zweifel weiterhin berechtigt sein lässt.720 Dennoch weiß auch der Theologe um eine, allerdings nicht in der Verfügungsgewalt des Menschen stehende Möglichkeit, den Zweifel zumindest situativ zu überwinden – seine gänzliche Überwindung ist in der Situation der „Existenz“ nach Tillich ausgeschlossen. Es handelt sich dabei um die durch ein „religiöses Symbol“ geschehende Offenbarung. Sie sei das Ereignis, in dem die „Entfremdung“, die Zerrissenheit menschlicher Erkenntnis, nicht aktuell sei. Dies liege an der „ontologischen Partizipation“ der Symbole am Unbedingten, die das Bedingte in eine außergewöhnliche Erkenntnissituation hineinnehme und die sich in Bezug auf die bestehende „Entfremdung“ als „Theonomie“ äußere721: „Theonomie ist nicht das Annehmen eines göttlichen Gesetzes, das der Vernunft von einer höchsten Autorität auferlegt ist; sie ist autonome Vernunft, die mit ihrer eigenen Tiefe verbunden ist. In einer theonomen Situation aktualisiert sich die Vernunft im Gehorsam gegen ihre Strukturgesetze und in der Macht ihres eigenen, unerschöpflichen Grundes.“ (STh I, S. 103) 719

Vgl. P. Tillich, Grenze, S. 70-72. Vgl. J. Dierken, Gewissheit und Zweifel, hier besonders S. 108, wo er darauf verweist, dass „Glaubensgewissheit und Zweifel“ bei Tillich immer zusammen gehören (man vgl. auch die Rolle der Anfechtung bei Luther). 721 Vgl. ders., a.a.O., S. 121. Auch Dierken gelangt bei seiner Darstellung zu der Frage, „ob die Denkform der `Ontologie´ tatsächlich der angemessene Rahmen ist, um die prozessuale Dialektik solchen Denkens zu fassen“ (S. 131); vgl. dazu Kap. 3.2.3.2. 720

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Somit wehrt Tillich auch die bei Wittgenstein im Mittelpunkt der Reflexionen stehende Gefahr des Solipsismus, die man bei dem Theologen der äußersten Ausprägung der Kategorie der „Autonomie“ parallel setzen könnte 722, durch den Gedanken der „Theonomie“ ab. Damit korrespondiert die Beobachtung, dass die Rede von „Theonomie“ bei Tillich zugleich auch eine gemeinschaftsbildende Funktion erfüllt, die letztlich einen ekklesiologischen Skopus aufweist: „Die Kirche als Gemeinschaft des Neuen Seins ist der Ort, wo die neue Theonomie sich verwirklicht.“ (STh I, S. 176)

Mit Wittgenstein könnte man diese Ansicht auch sprachanalytisch durch das `Privatsprachenargument´ (vgl. Kap. 1.3.2.3.) stützen: Der einzelne Gläubige bleibt auf die Sprach-Gemeinschaft der Gläubigen und – theologisch ergänzt – deren Geführt-Sein durch den Heiligen Geist unbedingt angewiesen. Es gibt keine Privatheit des Glaubens, wie es keine Privatheit von Sprache geben kann. Die Selbstvergewisserung des für sich bleibenden Ego ist also eine sprachanalytische und theologische Unmöglichkeit. 3.2.3.5. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Empirismus‘ These: Sowohl Tillich als auch Wittgenstein werfen dem Empirismus vor, entgegen seiner eigenen Überzeugung bei der Interpretation von `Sinnesdaten´ von apriorischen Gewissheiten auszugehen, die, da sie nicht als solche erkannt werden, auch nicht weiter hinterfragt werden, sondern in den verschiedenen empiristischen Entwürfen unbesehen in Geltung sind. Demgegenüber sei zu betonen, dass einer Erfahrung anderes als lediglich eine aus einer primären Erfahrung gewonnene Sicht der Welt zugrunde liege. Die Sichtweise der Empiristen sei der Komplexität der Wirklichkeit nicht angemessen. Wittgenstein zeigt, dass der Empirismus nicht in der Lage ist, den Schritt von den `Sinnesdaten´ zu den Sätzen über sie zu vollziehen. Die Anschauung, die mit dieser Möglichkeit rechne, verkenne die Sprachvermitteltheit menschlicher `Sinnesdaten´-Interpretation und ende letztlich – ähnlich wie der Cartesianismus – bei einem mit sich und seinen `Sinnesdaten´ allein bleibenden transzendentalen Subjekt (vgl. Kap. 1.3.2.4.). Diese Kritik am Empirismus stimmt mit der Einschätzung Tillichs überein, die dieser bereits zu Beginn seiner STh äußert: „Wird der empirisch-induktive Weg beschritten, so muß man fragen, woher der Autor sein Material bekommt. Lautet die Antwort, daß er es von allen Seiten und aus allen möglichen Erfahrungen bekommt, so muß man fragen, 722

Vgl. z.B. STh I, S. 102.

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welcher Realitäts- oder Erfahrungsbegriff die empirische Grundlage seiner Theologie ist. Wie auch die Antwort ausfallen mag, es liegt ein apriorischer Erfahrungsbegriff zugrunde.“ (STh I, S. 16)

Zusätzlich zu dieser Kritik findet sich bei Tillich – gegen Ende der STh – eine seine Auffassung erhellende Charakterisierung von Denkstilen, die nicht einfach einen Gegensatz bildeten, sondern „die Betonung verschiedener Seiten“ (STh III, S. 235) darstellten. Er beschreibt hier eine „existenzialistische“ Denkrichtung, in der „die Frage nach der menschlichen Existenz in Zeit und Raum und nach der menschlichen Situation in Einheit mit der Situation alles Seienden gestellt und in Symbolen oder Begriffen beantwortet wird“ (ebd.) und zu der er sich selbst zählt. Diese wird abgegrenzt gegen eine „essentialistische“ Denkweise, „deren Interesse sich mehr auf die Struktur der Wirklichkeit als auf die Situation des Existierens richtet“ (ebd.) und zu denen u.a. Locke und Hume als Vertreter des Empirismus gehörten (vgl. ebd.). Wenn wir in diese Systematik Wittgenstein einordnen sollten, so müsste man – als Ergänzung zu Tillichs Aufzählungen – feststellen, dass er mit dem TLP zunächst der Richtung der „essentialistischen“ Denker zuzurechnen gewesen sei, dann aber auf die Seite der „existenzialistischen“ übergewechselt ist. Tillichs Einwände gegen die Position der „Essentialisten“ gehen von deren Erfahrungsbegriff aus; gegen die Vertreter eines Empirismus im engeren Sinne formuliert er: „Der ontologische Sinn von Erfahrung ist eine Konsequenz des philosophischen Positivismus. Das positiv Gegebene ist nach dieser Theorie die einzige Wirklichkeit, von der wir sinnvoll sprechen können. Und positiv gegeben bedeutet: in der Erfahrung gegeben. ... Wenn Erfahrung in diesem Sinne als Quelle der systematischen Theologie gebraucht wird, kann in dem theologischen System nichts erscheinen, was die Gesamtheit der Erfahrung überschreitet. Ein göttliches Wesen im traditionellen Sinne ist in solch einer Theologie ausgeschlossen.“ (STh I, S. 53f)

In der Konsequenz eines derartigen empiristischen Ansatzes läge demnach auch der Ausschluss der Tillichschen Symboltheorie, da diese in einem ‚empiristischeindimensionalen‘ Sprachparadigma keinen Platz fände – ähnlich wie sie auch für den TLP „unsinnig“ gewesen wäre. Tillichs Kritik richtet sich aber in diesem Zusammenhang auch gegen jegliche Art von Fundamentalismus (vgl. STh I, S. 9-11) als eines Missverständnisses von ähnlicher Struktur wie es der Empirismus auf abstrakterer Ebene vollziehe: Die für den Fundamentalismus charakteristische Verwechslung von Symbol und Symbolisiertem ist analog zu sehen zu der Auffassung, dass die `Sinnesdaten´ eine direkte Information über die Außenwelt gäben. Sowohl theologisch als auch sprachanalytisch betrachtet kann demnach eine Position, die Erfahrung für das hält, was `eigentlich´ ist, die also in der Gefahr

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steht, Zeitbedingtes zu Zeitlosem zu ernennen, nicht aufrecht erhalten werden. Um dem komplexen Verhältnis von Ontologie, Erkenntnistheorie und Geschichte gerecht zu werden, darf – sowohl nach Tillich als auch nach Wittgenstein – nicht in ‚empiristischen‘ „Sprachspielen“ gedacht werden. In der Ablehnung dieser Denkweise sind sich beide also einig und auch in der Einschätzung der Hauptschwäche des Empirismus, nämlich des unbewussten Eintrags eines apriorischen Erfahrungsbegriffes, gehen sie konform. 3.2.3.6. Tillich und Wittgensteins ‚Anti-Psychologismus‘ These: Auffassungen, die das Funktionieren von Sprache an ein ‚Sprache-Psyche-Abbildverhältnis‘ knüpfen und vor allem Introspektion als allein ausschlaggebendes Argument anerkennen, lehnen sowohl Wittgenstein aus Gründen sprachanalytischer Art als auch Tillich aus theologischen Überlegungen heraus ab. In Kap. 1.3.3. (Ad ‚Anti-Psychologismus‘; vgl. auch Kap. 1.3.2.5.) wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, dass Schleiermachers theologischer Einsatz mit der Rede von der `schlechthinnigen Abhängigkeit´723 als ein Introspektionsargument gedeutet werden muss und somit nicht den Anforderungen gerecht wird, die allein schon aus sprachanalytischer Sicht an einen theologischen Entwurf zu stellen sind. Danach ist nämlich die Vorgängigkeit der Kriterien zur Interpretation vor jeglicher Erfahrung, also das Eingebettet-Sein auch scheinbar privater psychischer Erlebnisse in die geltenden „Sprachspiele“, unhintergehbar. – Auch Tillich greift Schleiermacher scharf an: Es „muß an Schleiermachers Methode in seiner `Glaubenslehre´ Kritik geübt werden. Er versucht darin, alle Inhalte des christlichen Glaubens von dem abzuleiten, was er das `religiöse Bewußtsein´ des Christen nennt.“ (STh I, S. 53)

Dennoch könnte auch Tillichs eigene Rede „von dem, was uns unbedingt angeht“ ebenso wie seine Auffassung vom „religiösen Symbol“ dem gleichen Verdacht ausgesetzt sein. 724 Die existenzialphilosophische Terminologie – die bei 723

Vgl. Fr. Schleiermacher, Der christliche Glaube. Nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt (1821/22), 7. Aufl., auf Grund der 2. Aufl. und krit. Prüfung des Textes neu hg. und mit Einl., Erläuterungen und Reg. versehen v. M. Redeker, Bd. 1 und 2, beide Berlin 1960 (vgl. besonders §§ 32-35, S. 171-184). 724 Kritiker halten die Rede von „dem, was uns unbedingt angeht“ lediglich für eine Aktivierung eines Selektionsprinzips, das der Mensch aufgrund seines Subjektseins selbst mitbringe, mit dem er aber nicht zu einem wirklich Transzendenten vorstoßen könne (vgl. z.B. die Münsteraner Dissertation von M.J. Korthaus, `Was uns unbedingt angeht´ – Der Glaubensbegriff in der Theologie Paul Tillichs, Stuttgart u.a. 1999).

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Tillich immer die ontologische „Sprach-Garnitur“ ergänzt – legt eine derartige Vermutung nahe. Es wird aber allein schon an den im vorigen Unterkapitel genannten Vorbehalten gegen Erfahrung im Allgemeinen deutlich, dass diese Rede zwar auf der Ebene der Erfahrung angesiedelt ist, aber nicht als Introspektionsargument im Sinne des von Wittgenstein abgelehnten ‚Psychologismus‘ (Kap. 1.3.2.5.) gedacht ist. Anderenfalls wäre z.B. nicht einzusehen, warum – aufgrund der dann anzunehmenden ‚Sprache-Psyche-Abbildtheorie‘ – religiöse Rede genuin symbolische Rede sein müsste (Kap. 3.1.3.) und sich nicht auch anders ausdrücken könnte. Tillich schreibt selbst: „Wenn die Erfahrung des göttlichen Geistes sich nur im Bewußtsein abspielt, ist sie nur eine intellektuelle, aber keine wirkliche Erfahrung des göttlichen Geistes.“ (STh III, S. 146)

Die Erfahrung eines „religiösen Symbols“ ist für Tillich demnach auch kein privates, inneres Erlebnis. Dies wird allein schon an dem Kriterium der öffentlichen „Anerkanntheit“ der Symbole deutlich. Auch mit der Formulierung „das, was uns unbedingt angeht“ verhält es sich nicht anders. Die Pluralform dieser Wendung, die im Allgemeinen wenig Beachtung findet, wird an dieser Stelle wichtig, weil sie darauf verweist, dass hier nichts Privates verallgemeinert werden, sondern etwas Allgemeines einen existenziellen Bezug erhalten soll. 725 Für Tillich ist die Vorgängigkeit eines normierenden Geschehens dabei unumstößlich: „Die christliche Theologie ist gegründet auf dem einzigartigen Ereignis: Jesus, der Christus, das trotz seiner unendlichen Bedeutung in seiner Konkretheit die Norm für jede religiöse Erfahrung bleibt. Dieses Ereignis ist der Erfahrung vorgegeben und nicht aus ihr abgeleitet.“ (STh I, S. 57)

Jede religiöse Erfahrung mit den christlichen Symbolen ereignet sich demnach im Horizont dieses Ereignisses und wird nur in Bezug auf dieses – innerhalb des „theologischen Zirkels“ – überhaupt als religiöse Erfahrung erkannt. – Insofern fungiert „Jesus als der Christus“ wie ein „grammatischer Satz“ im Sinne Wittgensteins, der in der „Physiognomie“ des Christentums die herausgehobenste Stellung einnimmt. Zudem ist der Gesichtspunkt der Unverfügbarkeit über eine religiöse Erfahrung, d.h. ihre pneumatologische Dimension, nochmals zu betonen: Gegenüber einer Engführung des Glaubensbegriffes, nach der `Glaube´ bedeute, ganz bestimmte mentale Erlebnisse und Vorstellungen zu haben, und die sich in dem 725

Es gibt nur wenige Stellen, an denen Tillich diese Wendung im Singular formuliert, z.B. zu Beginn seiner STh bei der Einführung des „theologischen Zirkels“, wenn er dort von dem Theologen spricht, der in eben diesen Zirkel gehöre, weil „die christliche Botschaft ihn unbedingt angeht“ (STh I, S. 18). Dieser Theologe steht hier aber sicherlich als pars pro toto.

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Bestreben einiger auch innerkirchlicher Gruppierungen äußert, `Bekehrungserlebnisse´ durch Anleitung zu intensiver Introspektion herbeizuführen, ist theologisch mit Tillich darauf zu verweisen, dass der Glaube Geschenk Gottes ist und bleibt. Der Versuch einer Selbstvergewisserung des Ego ist sowohl sprachanalytisch – mit Wittgenstein – als auch theologisch – mit Tillich – auch über den Weg der Introspektion nicht möglich. 3.2.3.7. Symboltheorie und „Sprachspiel“-Konzeption These: Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Tillichsche Symboltheorie den Anforderungen, die für fundamentaltheologische Fragestellungen aus der Wittgensteinschen „Sprachspiel“-Konzeption folgen (vgl. Kap. 1.3.3.), teilweise durchaus gerecht wird, allerdings auf der anderen Seite auch erhebliche Defizite aufweist. Dies liegt vor allem daran, dass sie ontologische Vorentscheidungen in die symboltheoretischen Überlegungen einträgt. Eine Weiterentwicklung der Tillichschen Symboltheorie scheint deshalb sinnvoll. Sie sollte u.a. auf die Überlegungen zur „ontologischen Partizipation“ der „religiösen Symbole“ am besten ganz verzichten und stattdessen die grundlegenden dieser „Symbole“ als „grammatische Sätze“ begreifen, die zwar keine ontologischen Gesetzmäßigkeiten widerspiegeln, durchaus aber die ‚GlaubensGewissheiten‘ aussprechen und strukturieren. Dann könnte diese Symboltheorie besser als bisher als eine Möglichkeit sinnvollen christlichen Redens von Gott aufgefasst werden. Im Laufe der vorigen Unterkapitel konnten eine Reihe von Affinitäten, aber auch einige Divergenzen zwischen Tillich und dem `späten Wittgenstein´ bzw. den Anforderungen, die für fundamentaltheologische Fragestellungen aus der Wittgensteinschen „Sprachspiel“-Konzeption folgen (Kap. 1.3.3.), festgestellt werden. In Bezug auf den Begriff der Wahrheit (Kap. 3.2.3.3.), das kritische Verhältnis zum Empirismus (Kap. 3.2.3.5.) und die Einschätzung des ‚Psychologismus‘ (Kap. 3.2.3.6.) wurde eine recht große Ähnlichkeit in den Auffassungen beider Denker konstatiert. Bei der Einschätzung des Cartesianismus zeigte sich eine Grunddifferenz zwischen theologischer und philosophischer Reflexion, insofern „Zweifel“ – und so stellte sich dieser Begriff als „Familienähnlichkeitsbegriff“ heraus – im religiösen Kontext noch einmal anderes ausdrücken kann als Wittgenstein bei seiner Zurückweisung des cartesianischen Zweifels intendierte (Kap. 3.2.3.4.). Vor allem in Bezug auf den ‚Anti-Platonismus‘ aber sind einige doch grundlegende Anfragen an Tillich auch aus sprachanalytischer Perspektive heraus zu stellen (Kap. 3.2.3.2.). Bereits in Kap. 3.2.3.1. wurde ein Vergleich der Sprachparadigmen durchgeführt. Tillichs ‚zweigeteilte‘ Auffassung konnte für den Bereich religiöser Rede eine gewisse Ähnlichkeit mit dem ‚mehrdimensionalen‘ Sprachparadigma des

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`späten Wittgenstein´ beanspruchen, insofern er hinsichtlich der Charakterisierung von „Symbolen“ die Defizite, die seine Auffassung von „Zeichen“ beinhaltet, zumindest teilweise wieder einholen kann. Einige Stärken der Tillichschen Konzeption sollen hier – inklusive der Einschränkung unter Punkt D – noch einmal mittels einer groben Übersicht zusammengestellt werden: A) Die ‚sprachspielanalytische‘ Forderung nach der Berücksichtigung der Tatsache, dass es zwischen säkularer und religiöser Sprache keine feste Grenze gibt, wird innerhalb der Symboltheorie mit dem Hinweis darauf beantwortet, dass prinzipiell alles zum „religiösen Symbol“ werden kann. Zusätzlich sorgen die „Korrelationsmethode“ und das „protestantische Prinzip“ dafür, dass „theologischer Zirkel“ und Alltagssprache miteinander vernetzt bleiben. Die Gefahr des Abgleitens in eine `fideistische´ Auffassung ist damit verhindert. B) Der ‚Offenheit des Regelfolgens‘ wird Tillich mit dem Hinweis auf das Werden und Vergehen der Symbole gerecht. Zudem ist auch hier erneut wichtig, dass nichts von vornherein davon ausgenommen ist, ein „religiöses Symbol“ zu werden. Auch das „protestantische Prinzip“ und die „Korrelationsmethode“ sind wiederum zu nennen. – Der natürlichen Kreativität im Raum der Alltagssprache entspricht zudem die Betonung der pneumatologischen Dimension jeglicher religiösen Rede. C) Trotz der Verflechtung religiöser mit säkularer Sprache ist ein Netz von „Gewißheiten“ anzunehmen, das die religiöse Rede als solche strukturiert und mittels seiner „Physiognomie“ die „Grammatik“ des Christentums erkennbar werden lässt. Auf diese Anforderung antwortet Tillich mit einer Hierarchisierung der christlichen Symbole, die ihren Ausgangspunkt in „Jesus als dem Christus“ hat. In der STh wird sodann die gegenseitige Verflechtung der Symbole vor Augen geführt. D) Der Eintritt in den inneren Verstehenszirkel der Religion gelingt – sprachanalytisch ausgedrückt – durch die Akzeptanz ihrer „Physiognomie“. In Kap. 1.3.3. und 2.1.3. war nun die ‚sprachspielanalytische‘ Forderung erhoben worden, dass dieser Zirkel sich sinnvoll nur als von Gott selbst her angestoßen begreifen kann. Diesem Anspruch sucht Tillich durch den ausdrücklichen Hinweis auf den „theologischen Zirkel“ zu entsprechen, der seinen Ausgang bei „Jesus als dem Christus“ nehme bzw. in ihm seine normierende Mitte habe. – Das religiöse Symbolgeschehen selbst mittels der „Teilhabemethaper“ als vom Unbedingten aus initiiert zu begreifen, gelingt allerdings mit den ontologischen Überlegungen Tillichs nicht (Kap. 3.2.3.2.). 726 726

Dennoch kann auch J. Ringleben hinsichtlich der Symboltheorie feststellen: „Im spezifischen Falle des `Unbedingten´ dürfte einleuchtend sein, daß wir überhaupt nur darum `von ihm her´ zu reden versuchen können, weil und insofern es selber von sich `her´ dies ermög-

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Somit weist Tillichs Symboltheorie aus ‚sprachspielanalytischer‘ Sicht gesehen schon eine Reihe guter Voraussetzungen auf, um als eine Möglichkeit sinnvollen christlichen Redens von Gott anerkannt werden zu können. Allerdings wird dies nur möglich sein, wenn vor allem ihre ontologischen Voraussetzungen reformiert, am besten ganz aufgegeben werden. In ihrer von Tillich ausgearbeiteten Form verhindern die ontologischen Implikationen ein wirkliches Funktionieren der Symboltheorie (vgl. Kap. 3.2.3.2.). Ein im Sinne Wittgensteins denkbarer Weg wäre also der Verzicht auf die ontologischen Vorgaben und eine Konzentration auf die „grammatische Funktion“ der „religiösen Symbole“ im Gesamtgeflecht der „Sprachspiele“ der religiösen Rede. Dann dürfte recht schnell erkennbar sein, dass vor allem die von Tillich als „Gegenstandssymbole“ bezeichneten „Symbole“ (vgl. Kap. 3.1.3.) die „Gewißheiten“ des Christentums aussprechen und insofern Bemerkungen zur „Grammatik“ des Christentums sind bzw. sogar die „grammatischen Sätze“ selbst darstellen, die durch ihre sprachregulative Funktion und in ihrer gegenseitigen Verflechtung dem Christentum eine bestimmte „Physiognomie“ verleihen, in die die Gläubigen auf ihre je eigene Art einwilligen können (vgl. Kap. 2.1.3.). Durch die „Symbole“ und ihre Anwendungen werden zudem auch „Muster“ für das Verstehen von Ereignissen, Lebenslagen, Stimmungen u.ä. gegeben und „Regeln“ bereitgestellt, die dazu verhelfen, bestimmte „Aspekte“ bzw. Einstellungen zum Leben aufrechtzuerhalten. Im Gefolge der Wittgensteinschen „Sprachspiel“-Konzeption würden die „Symbole“ nicht mehr dazu dienen, eine bestimmte Seinsontologie zu transportieren, sondern vielmehr dazu verhelfen, in immer neuen Anläufen, Erfahrungen mit dem Unbedingten zu reformulieren – in dem Bewusstsein, dass es keine `direkte Rede´ von Gott wäre, die ja ohnehin nicht möglich ist. Sie wären zudem keiner eindeutigen Kategorisierung mehr unterworfen, sondern stärker im Fluss – obwohl es weiterhin normierende Zentralsymbole geben müsste, wie z.B. „Jesus als der Christus“ oder „Gott ist Liebe“, die aufgrund der biblischen Vorgegebenheiten eine zu begründende regulative Stellung einnähmen. Die „Symbole“ würden so in ihrer Gesamtheit eine bestimmte, dennoch allseits im Fluss seiende „Physiognomie“ ausbilden und von einer „Theologie als Grammatik“ als ihre „Gewißheiten“ bzw. ihre „grammatischen Sätze“ begriffen werden können, ohne den Anspruch zu haben, eine transzendente Ontologie abzubilden.

licht. Eben diese Ermöglichung zu thematisieren, ist aber der theologische Symbolbegriff geeignet.“ (J. Ringleben, Symbol und göttliches Sein, S. 173).

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4. Zusammenfassung und Ausblick These: Die Beschäftigung mit Wittgenstein (Kap. 1) hat verdeutlicht, dass vor allem seiner „Sprachspiel“-Konzeption und der auf ihr aufbauenden Methodik Relevanz für fundamentaltheologische Probleme zukommt. Erst die hier gelungene Überwindung ‚eindimensionaler‘ Sprachkonzeptionen eröffnet religiösem Reden auch aus sprachanalytisch-philosophischer Perspektive heraus betrachtet die Möglichkeit, sinnvolles Reden zu sein. Auch gibt sie der Theologie einige philosophische Vorgaben an die Hand, die nach Wittgenstein unhintergehbar sind (vgl. insbesondere Kap. 1.3.3.). Obwohl der „Sprachspiel“-Konzeption selbst – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – noch keine adäquate theologische Rezeptionsgeschichte widerfahren ist (Kap. 2), sind doch unabhängig von ihr – chronologisch betrachtet z.T. sogar vor ihr – theologische Denkmodelle entstanden, die in ihren Grundzügen durchaus mit einer ganzen Reihe ihrer Einsichten kompatibel sind. In der vorliegenden Arbeit ist dies für Tillichs Symboltheorie skizziert worden, die allerdings an wichtigen Stellen – vor allem hinsichtlich ihrer ontologischen Vorgaben – modifiziert werden müsste, um den mit Wittgenstein erstellten Kriterien im Ganzen zu entsprechen (Kap. 3). Die ausführliche Darstellung der Frühphilosophie Wittgensteins (Kap. 1.1.) wurde als zum Verständnis der Spätphilosophie notwendig erachtet. Sie brachte auch bereits eigene theologische Ergebnisse hervor, insofern sich der TLP als ‚radikalnegative‘ Theologie erwies, die auch Ähnlichkeiten mit alttestamentlicher Religionskritik erkennen ließ. Zudem deutete die Darstellung von Logik, Ethik/Ästhetik und „Sinn der Welt“ durchaus eine Hochschätzung religiöser Fragestellungen an und erinnerte entfernt auch an trinitarische Strukturen im Sinne des Augustinus. Das Sprachparadigma des TLP jedoch „zeigte sich“ als in seiner ‚eindimensionalen‘ Konsequenz nicht mehr steigerungsfähig, damit aber auch als äußerst begrenzt und gänzlich unfruchtbar für religiöse Rede. In seiner Mittelphase (Kap. 1.2.) gab Wittgenstein die Ansicht vom GetrenntSein von Logik und Semantik und damit auch das TLP-Sprachparadigma auf. Auf der Suche nach adäquateren Vorstellungen von dem Funktionieren der Sprache beschäftigte er sich verstärkt mit religiöser Rede. Dies führte insbesondere zu einer eindrücklichen Kausalkritik an sozialdarwinistisch-psychologistischen Erklärungsmodellen von Religion. Die Spätphilosophie (Kap. 1.3.) brachte mit ihrem neuen ‚mehrdimensionalen‘, ‚anti-augustinischen‘ Sprachparadigma, das vor allem mit den Begriffen „Sprachspiel“, „Lebensform“, „Gewißheit“ und ‚Offenheit des Regelfolgens‘ gekennzeichnet werden kann, auch eine auf diesem Paradigma aufbauende ‚sprachspielanalytische‘ Methodik mit sich, mit deren Hilfe sich bestimmte ‚platonistische‘, ‚aristotelische‘, ‚cartesianische‘, ‚empiristische‘ und ‚psychologistische‘ Vorstellungen als irreführend herausstellten.

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Die theologische Rezeptionsgeschichte hätte auf diese Erkenntnisse zurückgreifen können, verwickelte sich aber zunächst in Debatten um Verifikationsprinzipien und die logische Eigenständigkeit religiöser Rede (Kap. 2.1.). Diese hatten zum Ergebnis, dass die `fideistische´ These von der gänzlichen Selbstständigkeit der religiösen Sprache ebenso unhaltbar ist wie auf der anderen Seite die Behauptung eines universellen Verifikationsprinzips. Nun wurde der Blick auf die deutschsprachige protestantische Rezeptionsgeschichte gelenkt (Kap. 2.2.). Hier war festzustellen, dass nach zurückhaltenden Anfängen in den 70er und frühen 80er Jahren (Kap. 2.2.1.) gegen Ende der 80er Jahre eine verstärkte Beschäftigung mit Wittgenstein einsetzte, die bis heute anhält, allerdings in ihrer Dichte wieder nachgelassen hat (Kap. 2.2.2.). Die in dieser Zeit veröffentlichten Arbeiten weisen eine große Bandbreite von Versuchen auf, Wittgenstein zu rezipieren, aber nur hin und wieder auf eine Weise, die theologische Fragestellungen wirklich in größerem Maße befruchten könnte. In Kap. 3 wurde nun eine Anwendung Wittgensteinscher Ideen auf die Symboltheorie Tillichs unternommen. Dies geschah unter Zuhilfenahme von Kriterien, die direkt aus der Spätphilosophie Wittgensteins abzuleiten waren oder indirekt im Laufe der vorliegenden Untersuchung entwickelt worden sind, wie z.B. das ‚sprachspielanalytische‘ Postulat, dass sich der innere Zirkel religiösen Verstehens selbst sinnvoll nur als von Gott angestoßen begreifen kann. Die Symboltheorie Tillichs erwies sich dabei als mit den sprachanalytischen Forderungen durchaus zu großen Teilen kompatibel. Um allerdings aus ‚sprachspielanalytischer‘ Sicht als eine Möglichkeit sinnvollen christlichen Redens von Gott wirklich anerkannt werden zu können, müsste sie an wichtigen Stellen modifiziert werden – vor allem in Hinsicht auf die von Tillich vertretenen Überlegungen zur Ontologie. Gelänge dies, z.B. indem die These von der „ontologischen Partizipation“ aufgegeben würde und die zentralen „religiösen Symbole“ als „Gewißheiten“ bzw. „grammatische Sätze“ im Sinne Wittgensteins erkannt und beschrieben würden (andeutungsweise skizziert in Kap. 3.2.3.7.), könnte man für eine modifizierte, ‚ent-ontologisierte‘ Symboltheorie Tillichs zu einem ähnlichen Ergebnis kommen, wie Maurer dies bereits für weite Teile des Barthschen Entwurfes herausgearbeitet hat (Kap. 2.2.2.1.), nämlich eine Kompatibilität mit den sich aus der Wittgensteinschen Spätphilosophie ergebenden Forderungen konstatieren. Für die vorliegende Untersuchung ist festzustellen, dass die Beschäftigung mit Wittgenstein geholfen hat, viele fundamentaltheologische Probleme deutlicher und in einem neuen Licht zu sehen. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass das ‚mehrdimensionale‘ Sprachparadigma des `späten Wittgenstein´ eine Reihe von Kriterien bereit stellt, diese Probleme auch zu lösen, und es zudem ermöglicht, auch unter dem Gesichtspunkt sprachanalytischen Fragens sinnvoll zu reden von dem, der der tiefere Grund all dieser Untersuchungen ist, nämlich von „Jesus als dem Christus“.

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Personenverzeichnis Adams, R.M. 25 Aenishänslin, M. 29, 30 Albertus Magnus 128 Albrecht, R. 275, 280, 296 Ambrose, A. 97 Anscombe, G.E.M. 107 Anselm 25, 172 Anzengruber, L. 72, 85 Apel, K.-O. 123, 128, 198, 224 Aristoteles 41, 128f Arnswald, U. 228 Augustinus 21, 86f, 109, 127, 262f, 313 Austin, J.L. 23f, 158, 161, 206f Averroes 128 Ayer, A.J. 60, 236 Baker, G.P. 67, 107, 110, 112, 114f, 117, 120, 143 Balmuth, J. 105 Balz, H. 84 Barrett, C. 70, 89, 103 Barrett, L. 266 Barth, K. 13, 19, 26, 78, 101, 157, 162f, 193, 201, 215-222, 237, 267, 270f, 314 Barth, U. 264 Bartley, W. 80 Baum, W. 18, 72, 81 Beardsmore, R.W. 172 Bejerholm, L. 24 Berghel, H. 81 Berkeley, G. 134 Bezzel, Chr. 37, 43, 55, 73, 79, 83, 110, 115-117, 121 Biehl, P. 272 Birnbacher, D. 196 Bloch, E. 15 Bochenski, J.M. 25 Böhme, J. 83 Böhmer, O.A. 85 Böke, P. 123, 148 Boltzmann, L. 18, 127 Bonhoeffer, D. 161, 260 Braithwaite, R.B. 165, 236 Bremer, M. 119 Brentano, F. 129 Brosch, A. 39 Brose, K. 150 Browarzik, U. 106, 150

Buber, M. 168 Bubser, E. 89, 107 Buchenau, A. 134 Bultmann, R. 19, 64, 161f, 164, 216f, 261f, 264, 272, 275, 292 Candlish, St. 137 Canfield, J.V. 41, 92, 120, 137 Carnap, R. 16, 20, 60 Cassirer, E. 272, 288f Cavell, St. 124, 172, 252, 255-259, 263, 267f Chomsky, N. 39, 121 Christus, Jesus 72, 77, 85f, 130, 155, 157, 162-168, 177, 201, 211, 221f, 224, 232, 234, 237, 266f, 273, 280-282, 288, 294, 297, 309, 311f, 314 Clayton, J. 284 Comte, A. 16 Crombie, I.M. 176 Cupitt, D. 172 Dahm, H. 171 Dalferth, I.U. 26, 31, 165, 171f, 178, 182, 186, 190, 194f, 197-204, 212, 216, 223, 237, 252f, 264, 269 Danz, Chr. 272, 289 Darwin, Ch. 100 Davidson, D. 132, 236 Dawkins, R. 15, 105 Deleuze, G. 118 Delius, H. 107 Derridas, J. 259 Descartes, R. 21, 93, 102, 119, 124, 134ff, 139, 155, 178, 304 Diamond, C. 253f, 256 Dienstbeck, St. 272f, 282 Dierken, J. 260, 305 Dietrich, R.-A. 81 Dilthey, W. 205, 207 Dostojewskij, F.M. 153 Dreisbach, D.F. 272 Drury, M. 100 Duden, K. 122 Dummett, M. 236 Dunkel, D. 28 Eames, E.R. 39 Ebeling, G. 13, 19, 217 Eco, U. 125, 275

343 Eibach-Danzeglocke, Sw. 27, 171, 215, 243-252, 269f Engstler, A. 100, 103, 104 Epimenides 48 Euklid 29 Feferman, S. 317 Feuerbach, L. 97, 101f, 278, 290, 292 Fichte, J.G. 295 Findlay, J.N. 125 Fischer, H. 272 Fleischer, M. 86 Flew, A. 165, 176f, 184, 206, 236 Foucault, M. 118 Frazer, J.G. 89, 100-102, 105, 170, 228, 290f Frege, G. 18, 30, 39f, 45-47, 54, 59, 61, 65f, 128, 163, 200-202 Freud, S. 64 Frey, Chr. 13 Fritzsche, H.-G. 214 Fromm, S. 21 Fuchs, E. 19, 217 Funke, R. 89 Gabriel, G. 29, 31, 53f, 60, 62, 64f, 93, 142 Gagarin, J.A. 105 Garver, N. 111 Gawlick, G. 28 Geach, P. 172 Gebauer, G. 255 Geertz, C. 246 Geier, M. 16, 21, 29 Gesenius, W. 105 Geulincx, A. 134 Gödel, K. 25, 195, 317 Goppelsröder, F. 255 Graf, G. 150 Griffin, J. 31, 60, 65 Gröne, St. 195 Großhans, H.-P. 26, 111, 215, 225-228, 264, 269f Habermas, J. 155 Hacker, P.M.S. 51, 67, 90-92, 107, 110, 112-117, 120, 137, 143, 177, 239 Hahn, H. 16 Hall, R. 266 Haller, R. 16 Hallett, G. 107, 115, 117, 132, 137, 139, 143, 154

Hamann, J.G. 20 Hare, R.M. 94f, 165, 184 Hawking, St. 15, 105 Hegel, G.W.F. 76, 129, 260, 298, 300 Heidegger, M. 123, 162, 196, 207, 254, 259, 275 Heller, E. 92 Heraklit 118 Hertz, H. 18, 67 Hesekiel 78 Hick, J. 105, 166, 172, 174-178, 180, 186f, 190, 206, 237, 246 Hoche, H.-U. 20, 133, 144 Holmer, P.L. 27 Horgan, J. 100 Hornig, G. 24, 319 Hubbeling, H.G. 25 Huber, K. 161 Hudson, W.D. 172, 182-185, 187 Hübner, A. 18, 51, 63, 72, 78, 80f, 85, 90, 93, 127, 144 Hughes, L. 70f, 94 Hume, D. 21, 57, 140, 307 Hunziker, A. 26, 194-196, 215, 225, 252271 Husserl, E. 144 Hyder, D. 36, 92 Ishiguro, H. 36, 46, 48f James, W. 18, 83 Janik, A. 80 Jastrow, J. 221 Jeremia 78 Jesaja 78 Jesus s. Christus Joest, W. 13 Jones, H. 213, 224 Jüngel, E. 198, 201, 217, 261f, 277 Jung, C.G. 131, 272, 277 Just, W.-D. 26, 194f, 204-208, 212, 269 Kamlah, W. 133, 210 Kant, I. 17, 21, 25, 29, 44, 57, 63f, 67, 69, 71, 99, 212, 295 Kay, W.A. 272 Kellerwessel, W. 110, 116f, 137 Kenny, A. 141 Kerr, F. 112, 154, 195 Kierkegaard, S. 51, 57, 104, 118, 130, 196f, 259, 267f, 297 Kirste, R. 176

344 Kittel, G. 84 Klein, T.W. 195 Kneip, L. 64 Knevels, W. 162, 170 Knitter, P.F. 175 Kober, M. 143f Köhler, E. 81 Koritensky, A. 94, 100, 110f, 150f Korthaus, M.J. 308 Kraft, V. 16 Krämer, H. 84 Kraus, K. 18 Kripke, S.A. 120, 136f, 144, 222, 225, 233, 254 Kroß, M. 29, 97, 105, 110, 116, 129, 150, 188 Kuhn, T.S. 89, 246 Lacan, J. 272 Landmann, M. 66 Lange, E. M. 30, 33, 38, 43, 45, 55f, 58, 60, 62, 64f, 69 Laube, M. 26, 177, 215, 235-242, 263, 269-271 Lavater, J.K. 99 Lazerowitz, M. 97 Leibniz, G.W. 17, 57, 72 LePore, E. 132 Lessing, G.E. 104 Lillegard, N. 100 Lindbeck, G.A. 243, 245-247, 250-252, 263, 266 Locke, J. 140, 307 Loos, A. 18 Lorenz, K. 209f Lorenzen, P. 133, 210 Lütterfelds, W. 144, 149 Luscher, B. 272, 289, 301 Luther, M. 76, 153, 231f, 234f, 270f, 305 Lyotard, J.F. 74, 131, 135 MacIntyre, A. 165, 176f, 184 Maimonides, M. 128 Malcolm, N. 28, 34, 36, 85, 172 Malebranche, N. 134 Marcuse, H. 17 Marek, J.C. 81 Marx, K. 297 Maurer, E. 19, 26, 163, 215-223, 269-271, 314 McDowell, J.H. 255

McGuinness, B.F. 13, 18, 52, 77, 81-85 Mehlhausen, J. 28 Meinong, A. 40 Melanchthon, Ph. 128 Meyer-Blanck, M. 288, 298 Mitchell, B. 165 Mlodinow, L. 15, 105 Monk, R. 17f, 28, 30, 72f, 76, 81, 85f, 9093, 98, 100, 109, 127, 136, 143, 154 Moore, G.E. 20f, 28, 61, 94f, 107, 130 Morrell, O. 72 Mose 79 Mostert, W. 266 Mounce, H.O. 172 Moxter, M. 273 Müller, W.W. 272, 276f Munz, R. 26, 71, 78, 100, 215, 228-231, 235, 250, 269 Murrmann-Kahl, M. 300f Nedo, M. 13, 88 Neurath, O. 16 Niedballa, Th. 26, 215, 223f, 241, 270 Nielsen, K. 172, 226 Nientied, M. 197 Nietzsche, F. 14, 18, 72, 79, 85f, 92, 101 Nipkow, K.E. 15, 191, 278 Nörenberg, K.-D. 272, 279 Nygren, A. 25 Nyman, H. 88 Occam, Ockham 59, 67 Ogden, C.K. 28, 93 Ogden, Sch.M. 162, 164 Ostwald, W. 28 Palmer, H. 172, 178-183, 186 Pannenberg, W. 195, 198 Pape, H. 106 Paulus (Apostel) 76 Paulus von Samosata 164 Peano, G. 128 Pears, D. 33, 39 Peirce, Ch.S. 44, 106 Peukert, H. 194 Pfüller, W. 230 Phillips, D.Z. 16, 159, 170-179, 181f, 185189, 196, 199, 243-245, 247f, 250, 252 Pitcher, G. 34, 41, 45, 54, 111f, 126, 139, 141, 147 Placher, W.C. 171 Plantinga, A. 237

345 Platon 17, 21, 125, 299 Plotin 125 Popper, K. 16, 21, 98, 100, 205 Poupard, P. 171 Preul, R. 190 Puhl, K. 117f Puntel, L.B. 129, 132f Putnam, H. 103f, 145, 188, 222, 225f Quine, W.V.O. 198, 236 Quitterer, J. 145 Raatzsch, R. 52, 64, 94, 112, 117, 137, 144 Rahner, K. 195, 272 Ramsey, F. 21, 28f, 42, 44f, 68, 90f, 93, 96, 106 Ramsey, I. 165 Redeker, M. 156, 308 Redpath, Th. 97 Rentsch, Th. 118, 177, 196, 207, 254 Rescher, N. 132f Rhees, R. 88, 98 Rhein, C. 273 Ricoeur, P. 272 Ringleben, J. 274, 298-300, 311f Ritschl, D. 26, 102, 194f, 212-215, 224, 247, 251, 266, 269 Roosen, R. 298 Rorty, R. 124, 259f Russell, B. 17f, 28f, 31-34, 37-40, 42-49, 54, 60f, 66, 72, 81-83, 98, 109, 113, 129, 140, 200 Sauter, G. 243 Scharfetter, L. 81 Schenk, W. 207 Schleichert, H. 20, 60 Schleiermacher, Fr. 101f, 156, 200, 205, 207, 229, 245, 262f, 308 Schlick, M. 16 Schmaus, M. 87 Schnädelbach, H. 264 Schneider, H.J. 116, 121f, 146, 155 Schneider, G. 84 Scholz, O.R. 139, 144, 149 Schönbaumsfeld, G. 196 Schopenhauer, A. 17f, 30, 63f, 66, 70, 77 Schroeder, S. 109, 112, 137, 144 Schrödter, H. 25 Schüßler, W. 151, 272f, 275, 280, 283285

Schuffenhauer, W. 101, 278 Schulte, J. 13, 18, 28f, 36, 38, 46, 55, 57, 67, 69, 73, 81, 89, 91, 98, 110, 112, 114117, 120, 127, 137, 146, 240 Schwarzenau, P. 176 Schwöbel, Chr. 283f Searle, J.R. 24, 158 Sedmak, C. 195, 251 Sellars, W. 130 Sheffer, H.M. 49, 61f, 65 Shwayder, D.S. 41 Simons, P.M. 36 Skirbekk, G. 130, 132f Sloterdijk, P. 124 Sölle, D. 16 Spengler, O. 18 Spinoza, B. de 28-30, 43, 82 Sraffa, P. 18, 21, 93, 96 Stählin, W. 84 Steffens, H. 262 Stegmüller, W. 17, 20, 29, 41, 51-53, 55, 63-65, 71, 107, 109, 112, 114, 120f, 126f, 129, 136, 143f Stenius, E. 17, 205 Stern, D.G. 29, 110, 120, 137 Stoellger, Ph. 264 Stonborough-Wittgenstein, Margarete s.u. Wittgenstein, Margarete Strube, W. 123, 144 Tarski, A. 133 Tatievskaya, E. 47, 92, 116 Taxacher, G. 193 Taylor, Ch. 20 Tielsch, E. 66 Tillich, J. 295f Tillich, P. 14, 27, 76f, 79, 152, 270-314 Tolstoj, L. 18, 72, 84f Toulmin, St. 80 Track, J. 26, 36, 194f, 208-212, 226, 269, 272f, 276f Trendelenburg, A. 129 Trunz, E. 127 Tugendhat, E. 133, 137, 201 Turanli, A. 118 Tworuschka, U. 176 Urban, W.M. 284 van Buren, P.M. 15, 25f, 159-170, 173, 189, 200, 210, 247, 268, 292, 301 Volbers, J. 255

346 von Aquin, Th. 80, 128 von Ficker, L. 18 von Goethe, J.W. 51, 83, 113, 127 von Herder, J.G. 20 von Humboldt, W. 20 von Kriegstein, M. 272f von Savigny, E. 107, 110-112, 114-117, 137, 139, 144, 147-149 von Stosch, K. 194f, 245, 249, 256, 265 von Wright, G.H. 107 Vossenkuhl, W. 211 Wabel, Th. 26, 215, 231-235, 269-271 Wachtendorf, Th. 71, 111, 116f Waismann, Fr. 86, 110 Watzka, H. 71f, 92 Weber, M. 176 Wehr, G. 273, 279, 284 Weiberg, A. 228, 230 Weininger, O. 18

Weiss, Th. 139 Welsch, W. 22, 110, 112, 122, 188 Wennerberg, H. 112, 127 Wenz, G. 272, 277, 282, 284, 288, 299f Whitehead, A.N. 21, 29, 33f, 60, 66 Wieser, M. 84 Wiggershaus, R. 172 Winch, P. 36, 117, 172 Winckelmann, J. 176 Wittgenstein, Margarete 51 Wittschier, St.-M. 275, 280 Wladika, M. 268 Wolf, U. 46, 222 Wuchterl, K. 18, 51, 63, 72, 78, 80f, 85, 90, 93, 124, 127, 144 Wünsche, K. 90 Young, W. 105 Zekl, H.G. 128 Zemach, E. 81

347

Sachverzeichnis a posteriori 41, 220f a priori, apriorisch 34, 43f, 57, 62f, 259, 306-308 Abbild, Abbildung, abbilden 30-32, 3741, 43, 47-49, 51-53, 56f, 59, 66-68, 75, 77, 80, 98, 108, 121, 128-130, 152, 167, 286 Abbildbarkeit 59, 67f, 287f Abbildtheorie 22, 29, 37, 42, 53, 55, 62, 78-80, 87-90, 92, 95-97, 108f, 128f, 135, 147, 149-152, 158, 161, 173, 204, 237, 269, 287, 309 Abbildungsbeziehung 238 Abbildungstätigkeit 40f, 53, 57f, 109 Abbildungsvorgang 62 Aberglaube (s. auch Wunderglaube) 57, 103f, 150, 152, 162, 174, 241 Abhängigkeitsgefühl - schlechthinniges 101, 156, 308 abrahamitisch 176 Abrichtung 120 Absolutheitsanspruch 175, 248, 303 adaequatio rei et intellectus 129 Adjektiv 93, 112, 171, 289-291 Adjunktion 50 Adoptionschristologie 164 Agnostizismus, agnostisch 15, 168, 180 Alchimie 169 Algorithmus 60 Allgemeinbegriff 296 Allmacht 280 All-Sätze 100 Alltägliches, alltäglich 107, 191, 224, 250, 253, 255, 257f, 266, 287f, 290 Alltagssprache, alltagssprachlich (s. auch Umgangssprache) 31, 38, 107, 109f, 126, 140, 150, 182f, 185, 205, 209, 213, 220, 233, 244, 269, 281, 311 Alltagswelt 246, 293 Altes Testament, alttestamentlich 19, 74, 77f, 213, 313 altkirchlich 163f Amphibolie 47 Analogie, analog 37, 45, 48f, 63f, 66f, 87, 92, 120, 127, 131, 137, 143, 145, 164, 169, 174, 176, 206, 266, 279, 290, 307

- analogia entis 193, 235, 279 - analogia fidei 193 - analogia imaginis 279 - analogia proportionalitatis 235 Analogietheorie 180 Anamnesis 299 Anerkanntheit 275, 277, 281, 294, 309 Anfechtung 305 Angemessenheit (i.S. Tillichs) 278, 281f, 287 Anredeerfahrung 237 Anschaulichkeit 275, 277, 281 Anschauung 16, 69, 75, 85, 100f, 119, 121, 169, 189, 277, 279f, 295, 306 Anthropologie, anthropologisch 100f, 165, 175, 196, 207, 214, 246, 258, 267, 303 anthropomorph 164, 244 Anti-Aristotelismus, anti-aristotelisch 22, 128-133, 152f, 162, 214, 222, 226, 228, 242, 302 Anti-Augustinismus, anti-augustinisch 108, 149-151, 153, 169, 175, 262, 293f, 313 Anti-Cartesianismus, anti-cartesianisch 22, 73, 76, 121, 134-139, 144, 153-155, 222, 224, 255, 304 Anti-Empirismus, anti-empiristisch 22, 140-143, 155f, 306-308 anti-essenzialistisch 239 anti-metaphysisch 93, 197 Anti-Platonismus, anti-platonistisch 22, 39, 125-128, 151f, 173, 206, 222, 229, 254f , 295, 298, 310 Anti-Psychologismus 23, 101, 143-148, 156f, 193, 211, 222, 308 Anti-Skeptiker 256-258 Apologetik, apologetisch 179, 230, 268 Apriori, apriorisch s. a priori Äquivokation 47, 61, 112f, 171 Arianismus 168 aristotelisch 41, 128-130, 159, 199, 214, 225, 242, 271, 288, 302, 313 aristotelistisch 145, 153 Arithmetik 46 Aspekt 18, 22, 69, 80, 83, 104, 109, 123, 129, 133, 145, 148, 160, 169, 176, 185,

348 189, 193, 199, 206, 214, 216, 218, 221, 225, 228, 237, 254f, 260, 266, 269, 281f, 292, 294, 303, 312 Aspektwechsel 62, 70, 72, 84, 146, 165, 167, 175, 221, 251 Ästhetik, ästhetisch 31f, 42, 63, 69, 71, 75, 78, 82, 85, 89, 94f, 98f, 102, 130f, 144, 156, 190, 192, 249, 251, 296, 313 Astrologie 169 Astronomie 169 Atheismus, atheistisch (s. auch NichtGläubiger) 15, 25, 104f, 268 Atomismus - logischer 31, 33, 42, 109, 114, 204, 209, 239 Atomsatz 52 Attribut 52 Auferstehung 76, 86, 167, 294 aufklärerisch 129, 248 Auge 46, 64, 86, 134, 152, 183 Augustinismus, augustinisch 50, 86f, 109, 127, 233, 262f, 276, 286-290, 293f, 313 Ausdruck (i.S. des TLP) 47, 50, 59, 62, 66 Aussage - religiöse 131, 173f, 177f, 205, 236, 241 Aussagetypen 48 Außenwelt 22, 134, 139f, 142, 154, 179f, 193, 196, 216, 218, 262, 268, 270, 307 Äußerungsbedingung 24 Authentizität 248, 263, 278, 281f Autonomie, autonom 214, 284, 305f Axiom 29, 212f, 251 Axiomensystem 59f Barmherzigkeit 279 Basisregeln 250 Bedeutung, bedeuten 13, 18, 24, 35, 39f, 46-51, 54, 61, 66, 73, 77, 91, 94, 96, 103f, 109f, 113-116, 119, 122f, 126-128, 130, 133, 142, 145, 158, 161, 163, 166, 168, 173, 187, 204, 207-210, 215, 221f, 229, 233, 235f, 240, 243-247, 249f, 253, 266, 268-270, 274, 276f, 279, 283, 285f, 294, 296, 303, 309 Bedeutungskern 173, 297 Bedeutungskomplex 249 Bedeutungskriterium 187 Bedeutungslosigkeit 277 bedeutungsvoll 169 Bedingtes 275, 284f, 299, 305

Begriff, begrifflich 13, 19f, 22f, 25, 30, 35, 38f, 46-50, 53f, 56, 63, 67, 74f, 77, 79, 81, 89, 91, 93f, 99, 107, 109-113, 115118, 121-123, 125-128, 130f, 133, 141143, 145-147, 151-153, 155, 157, 163, 167, 169, 173-175, 181, 190, 195, 198203, 206-208, 210, 212-214, 217, 221224, 226f, 229, 231, 233, 235, 240, 247256, 260-262, 266-268, 272, 274f, 277, 279, 285, 288, 290f, 293, 295-298, 302, 307, 310, 313 - religiöser 250, 260, 267 Begrifflichkeit 19, 35, 49, 125, 168, 214, 219, 286f, 296 begriffsanalytisch 123, 148f Begriffsarbeit 253 Begriffsbildung 23, 255f Begriffsschema 226f Begriffsschrift 47, 61 Begriffsverwirrung 229, 268 Begriffswandel 49 Behavio(u)rismus 145, 217, 222, 269 Behavio(u)rist 144, 218, 264 Beispielsammlung 230f, 250 Bekehrung, Bekehrungserlebnis (s. auch Erweckungserlebnis) 72, 74, 156f, 167, 310 Bekenntnis 86f, 109, 163, 167, 214, 260 Beliebigkeit 138, 219, 226, 230, 303 Benennung, benennen 13, 22, 45f, 48-50, 59, 99, 112f, 115, 138, 205, 211, 262f, 276, 285-287, 294 Berufung 153, 164 Berufungsgeschichte 78 Bewusstsein 14, 51, 95, 117, 136, 139, 144, 257, 275, 278, 308f, 312 Bezeichnung, bezeichnen 17, 19, 22, 33, 35, 45-49, 52, 54, 58, 60, 64, 75, 77, 92, 103, 107, 112f, 115-117, 125f, 147, 162, 169f, 172f, 176, 183, 191, 208, 210, 218, 220, 232, 240, 258, 274, 283, 290-292 Bezugnahme 36, 145, 152f, 188, 201, 214, 241, 294 BFGB 89, 100-102, 150, 211, 228, 292 Bibel, biblisch 163, 214, 217, 221f, 224, 227f, 231f, 246, 250, 260, 282, 312 Bild 26, 31f, 36, 38-45, 48, 51-53, 64, 66, 68, 78, 87, 92, 97-99, 101, 105, 109, 113, 119, 121, 124, 127, 135, 146f, 150,

349 152, 164, 182, 184, 194, 202, 211, 213, 221, 229, 233, 241, 251, 256, 258, 262f, 265f, 283, 291, 299 - isomorphes 52 - logisches 41, 43, 51 - religiöses 97, 184 Bildergebrauch 203 Bilderstreit 77 Bilderstürmer 77 Bilderverbot 78, 97f, 152 Bildungssprache 209 Binnenethik 176 Binnensprache 174 BLF 88-93 blik 165-169, 184 Botenspruchformel 79 Buddha 280 Bund, Bundesschluss 163f Buße 267 Cartesianismus, cartesianisch 23, 119, 134, 136, 139f, 142, 144, 153-155, 195, 255, 271, 306, 310, 313 chaostheoretisch 57 Chemie 169 Christen, Christentum, christlich 15, 75-77, 81, 84-86, 101, 128, 130, 150f, 154-156, 161-163, 167-169, 175-177, 191, 193, 200-202, 208, 210f, 213-215, 218, 223f, 226f, 234, 237, 244, 246f, 250, 260, 263, 267f, 271, 274, 278, 280, 286, 293f, 302, 308-312, 314 Christologie, christologisch 85f, 163, 166, 168, 177, 201f, 214, 216, 280 contradictio s. unter Kontradiktion creatio continua 85, 105 creatio ex nihilo 85, 105 Credo 24 Darstellung - übersichtliche 110, 127, 230, 239 Das, was uns unbedingt angeht s. unter Gott Definition 20, 42, 47, 92, 94, 114f, 133, 190, 204, 253, 261f - hinweisende, ostensive 114f, 262 Definitionskette 47 Dehistorisierung 282 Dekonstruktivismus 124, 259 Demut 85

Denken 17, 19, 23, 30, 36, 43f, 63f, 67, 74, 77, 84, 89f, 96f, 99, 125-129, 133f, 136f, 139, 143, 145, 154, 163, 165, 168, 176, 179, 194-196, 208, 213, 217, 219f, 229, 231, 239, 242f, 254, 256, 258, 260, 262, 272, 276, 284, 290, 301, 304f Denkform 57, 264, 305 Denkinhalt 268 Denkstil 74, 261, 307 Denkweise 13, 17, 70, 97, 99, 126, 189f, 253, 256, 258, 260, 268, 307f Designator 201, 222 deus absconditus s. unter Gott Dezimalnummernsystem 29 diakonisch 251 Dialektik, dialektisch 78, 219, 221, 285, 292, 295, 299-301, 305 Ding 31-34, 36, 40, 72, 94, 113, 125, 162, 168, 188, 214, 234, 254, 257, 262, 275, 291, 294, 296 Ding an sich selbst betrachtet 33 Diskurstheorie 155 Dogma 150, 219-221, 245f Dogmatik, dogmatisch 13, 74, 81, 129, 201, 215f, 220, 222, 245, 251, 260, 272, 295, 297 Dogmatismus 152, 185 Doxologie, doxologisch 212, 214f Dreieinigkeit, dreieinig (s. auch Trinität) 86f, 217, 226 Dualismus 134, 304 Ego (s. auch Ich) 304, 306, 310 Ehrfurcht 78, 85, 87, 95, 185, 228 Eigenname 46, 208, 210f, 222 Eigenschaften - externe 35 - interne 35, 40, 49, 52, 55, 57 Eigenständigkeitsthese 235-238 Einbildungskraft 296 Eindimensionalität, eindimensional 17, 19f, 43, 51, 53, 74f, 79, 87f, 97, 106108, 128, 149, 155, 158, 160, 164, 170, 307, 313 eineindeutig 37, 41, 48, 51, 55, 61, 75, 87, 89, 108f, 113, 130, 150, 152, 287, 297 Einführungssituation 209f, 230 Einhorn 135

350 Einstellung 14, 70f, 76f, 83, 102, 104, 118, 142, 166-169, 174, 177, 186, 215, 229, 256, 265f, 312 Ekklesiologie, ekklesiologisch 214, 306 Ekstase, ekstatisch 275, 279, 285, 290f, 298f Elementarsatz 32, 34f, 42, 47, 54-56, 58, 60-63, 65, 68, 89-92, 95, 114 Emanation 153 Emotion s. Gefühl Empfindung 116, 137f, 146f, 157, 192 Empirie, empirisch 21, 38f, 43, 53, 62, 64f, 67f, 70, 72, 74-76, 80, 82, 103, 108, 111, 140, 155, 160, 165-167, 170, 173f, 186-189, 201, 205, 236, 241, 275, 287, 290, 306f Empirismus, empiristisch 17, 20-22, 37, 53, 60, 73, 75, 129, 140, 142f, 155, 159, 161, 165, 168f, 173, 189, 205, 235, 237, 271, 306-308, 310, 313 Endliches, Endlichkeit, endlich 169, 259f, 266, 279, 284, 300, 305 Enhypostasie 163, 168 Entfremdung 259, 305 Entmythologisierung 161, 165, 272, 292 Episteme, epistemisch 74, 128, 133, 149, 152, 173f, 237, 245, 265 Epistemologie, epistemologisch 236f, 241, 257 Erfahrung 15, 31, 44, 63, 65, 72, 74, 82f, 86, 99, 126, 132, 136, 141-143, 147, 155-157, 177, 201, 208, 211, 214, 220, 223f, 226, 237, 245, 251, 255, 260, 263, 270, 274, 282, 287, 289f, 297f, 303, 306309, 312 - ästhetische 251 - religiöse 83, 208, 211, 223, 226, 245, 282, 309 Erfahrungsbegriff 307f Erfahrungssatz 220, 249 Erfahrungswissenschaft 254 Erfahrungszusammenhang 261 Erkenntnis, Erkennen 13, 20, 22, 27, 37, 41, 43, 51, 63, 86, 90, 92, 96, 98-100, 108, 113, 124f, 127, 150f, 171, 174, 177, 193, 208f, 217f, 221, 227, 233, 243, 266, 270, 272, 279, 295, 298f, 302-305 Erkenntnistheorie, erkenntnistheoretisch

13, 19, 29, 37f, 41, 43-45, 67, 93, 96, 129, 142, 154, 236, 240, 243, 290, 304, 308 Erlösung 76, 80, 153 Erschließungserfahrung 211 Erwählung, Erwählungslehre 214f Erweckungserlebnis (s. auch Bekehrung, Bekehrungserlebnis) 85 Eschatologie, eschatologisch 166, 174, 176-178, 186f, 190, 193, 202, 221, 237, 246, 284 - johanneische 71, 82 Eschaton 174-178, 187, 246, 299 Essentialismus 19, 126, 227, 264, 307 Essenz, essentiell 274, 287f, 296, 304f Ethik, ethisch 14, 16, 18, 20, 29-32, 42, 63, 69-72, 74-76, 78, 80-82, 85f, 88f, 91, 93-98, 102, 111, 116f, 131, 155, 166, 176, 190, 197, 212, 215, 223, 228, 238f, 242, 244, 248f, 251, 258f, 287, 292, 313 Ethos 165 Etymologie, etymologisch 84, 122 eudämonistisch 81 evangelisch 156, 308 Evangelium 77, 84f, 161, 163, 166, 169 Ewigkeit, ewig 71, 79, 82f, 169, 295f, 298f - sub specie aeterni 82 ex negativo 22, 106f, 124 Existentialsatz (s. auch Existenzsatz) 25 existentialtheologisch 170 existentiell, existenziell 151, 217, 257f, 265f, 282, 285, 292, 297, 309 Existenz, existieren 31, 36, 44, 76, 79, 95f, 134f, 143f, 150, 153, 156, 163, 174177, 179f, 187, 196f, 200-203, 209, 217, 237, 263, 274, 285, 287, 290, 298, 302, 304f, 307 - Existenz Gottes s. unter Gott Existenzanalyse 285 Existenzaussage 257 existenzialistisch 165, 168, 307 existenzialphilosophisch 19, 25, 87, 101, 166, 217, 218, 274, 286, 289f, 293, 297, 302, 304f, 308 Existenzphilosophie 162, 164 Existenzsatz (s. auch Existentialsatz) 26, 197, 200-203 Falschheit, falsch 39, 52, 55, 58f, 61, 131, 145, 175, 209

351 Falsifikation 98, 130, 133, 165 Falsifikationskriterium 173 Falsifizierbarkeit 205 Falsifizierung, falsifizieren 41, 98, 115, 176, 187, 248 Familienähnlichkeit 22, 112f, 122f, 125127, 130, 143, 145, 148, 151, 170, 173, 181, 204, 206f, 287 Familienähnlichkeitsbegriff 123, 151, 296, 310 Farbe 35, 90-92, 115, 196 Farbeninkompatibilität 239 Fehlschluss - naturalistischer 95 Fideismus, Fideisten, fideistisch 171f, 174, 178f, 181f, 185f, 194, 226, 243f, 247, 252, 288f, 291-293, 311, 314 Fideismusdebatte 14, 26, 76, 89, 93f, 104, 112, 151, 158-160, 170f, 176f, 182, 184, 189f, 194, 203, 214, 223, 226, 243f, 252 fides qua (creditur) 156, 263 fides quae (creditur) 156 fides quaerens intellectum 76, 282 Flussbett 118, 135, 283 Form 15, 20, 26, 29, 32, 35f, 39-41, 43f, 47, 50, 53, 55f, 58-60, 62, 64-66, 69, 74f, 78, 83f, 88f, 91, 114f, 117, 122, 124, 126, 128, 133, 136, 168, 177, 198, 200, 203, 218, 236, 240, 244, 246, 253, 257, 260, 263, 265, 272, 274, 277, 281, 290, 293, 296, 312 Freiheit, frei sein 20, 67, 71, 79f, 83, 170, 224, 241, 260 Frömmigkeit, fromm 72, 156, 190 Frühphilosophie, früher Wittgenstein 13, 16, 21, 33, 35f, 40, 49, 51, 53, 58, 67f, 70, 73-75, 78f, 84f, 102, 106, 112, 129, 135, 159, 161, 172, 174, 196-199, 209, 214, 216, 232, 242, 249, 270, 273, 276, 286-290, 293, 313 Fundamentalismus, fundamentalistisch 105, 152, 244, 283, 307 Fundamentalontologie 259 Fundamentaltheologie, fundamentaltheologisch 13f, 17, 19, 21, 23, 25-27, 37, 74, 87, 97, 106f, 123, 148, 156, 158f, 194196, 200, 204, 206, 228, 243, 250, 252, 262, 270, 273, 310, 313f Funktion 45, 47, 55, 58, 60f, 168

- iterative 58, 60f, 65 Gärtner-Parabel 177 Gebärde 145, 280f Gebet, beten 78, 110, 117, 149, 171-174, 244, 263 Gebrauch 36, 47, 49, 58, 70, 94, 100, 105, 110, 113-115, 117, 121f, 125, 127, 130, 145, 147, 163, 166, 171, 173, 182f, 188, 206f, 209f, 241, 244, 248-250, 253f, 276, 287, 289-291 Gebrauchssituation 253f Gebrauchstheorie (der Bedeutung) 49, 240 Gebrauchsweise 115, 144, 250 Gedanke 14, 16f, 21f, 32, 36, 38, 40, 4345, 47, 50f, 53f, 61f, 64, 66, 68, 89, 96, 100, 109, 112, 118, 122, 132, 143, 145, 163, 173, 177, 181, 188, 195, 201, 208, 215-217, 235, 244, 252, 262, 264, 294, 301, 303, 306 Gefühl 82-86, 99, 105, 149, 156f, 185, 211, 238 Gegenstand 28, 31-40, 42f, 45f, 49, 52-55, 58, 61-66, 71, 101, 109, 111, 116, 130, 196, 201, 203, 205f, 209, 220, 227, 239, 248, 258, 262f, 274, 277, 287, 290, 294 Gegenstandssymbol 279, 312 Gehalt 15, 59, 74f, 174, 218f, 221, 236, 246, 274, 277, 283 Geist - göttlicher 284, 302f, 309 - heiliger 75, 85f, 157, 167, 177, 193, 203, 219, 227, 274, 306 Geisteswissenschaft 123, 275 genetisch 39 Gerechtigkeit 152, 296 Gericht - Jüngstes Gericht 104f, 181, 291f Geschichte, geschichtlich (s. auch historisch) 20f, 53, 74, 101f, 107, 122, 125, 130, 133, 162, 164-168, 170, 201, 207, 221, 226f, 244, 265, 267, 273, 280, 282f, 295, 298f, 308 Geschichtlichkeit 123, 283, 299 Geschichtsphilosophie 122 Geschichtsschreibung 122 Geschmacksurteil 99, 130 Gesellschaftskritik 49 Gesetz 61, 66f, 117, 127, 305 Gesicht 138, 191, 220

352 Gesichtsfeld 35, 64, 68 Gesinnungsethik 176 Geste, Gestik 110, 128, 132, 276 Gewissheit 22, 58, 60, 105-108, 117, 130132, 134-136, 140-143, 150f, 153-157, 160, 163-165, 169-171, 173, 180, 184f, 187-193, 199, 212, 214, 223, 226f, 237, 240f, 249, 265, 270f, 291, 293f, 298, 303-306, 310-314 Glaube(n) 14f, 19, 57, 67, 74f, 77, 84f, 89, 92, 100f, 103f, 106, 130, 132, 141f, 145, 149f, 155-157, 161f, 164-168, 171-173, 175, 177-182, 185-187, 191, 193, 195, 197f, 201-203, 211, 216, 223f, 226f, 229f, 232, 234, 237, 239, 241, 244f, 248f, 252f, 260f, 263-267, 282, 288, 291, 303, 306, 308-310 Glaubende s. unter Gläubige Glaubensansicht 184, 186, 188 Glaubensaussage 161, 169, 174, 180 Glaubensbegriff 309 Glaubensbegründung 194 Glaubensbekenntnis 24 Glaubensentscheidung 197 Glaubenserfahrung 260 Glaubensgemeinschaft 246f, 251, 261 Glaubensgewissheit 305 Glaubensgrund 282 Glaubensinhalt 177, 263 Glaubensleben 263 Glaubensphänomen 261 Glaubenssatz 156, 177, 244, 252, 263, 265 Glaubenssprache 246 Glaubensverständnis 266 Glaubensvollzug 261, 263 Glaubenszweifel 135 Gläubige, Glaubende 104, 162, 164, 166, 168f, 171, 174f, 177f, 180-185, 189-191, 193, 211, 213, 223-225, 244, 246f, 251, 261, 264-268, 282, 291, 306, 312 Gleichnis 78, 95, 149, 155, 256 Glossolalie 76 Glücklich-Sein, glücklich 70-72, 76, 80, 82f, 85f, 238 Gnade 76, 275, 279 Gnadenakt 163 Gnadenwahl 230 Gott, göttlich 13-16, 19, 23f, 26, 43f, 59, 64, 67, 69, 71, 74-81, 85-87, 101, 105,

117f, 134, 150-155, 161, 163f, 166-170, 174-181, 183, 186f, 190, 193-203, 208, 210-212, 215-222, 224, 226f, 232, 234, 237, 244-246, 248-251, 254, 261-268, 271, 273-275, 277, 279-285, 287, 295f, 299f, 302f, 305, 307, 309-312, 314 - Das, was uns unbedingt angeht 273f, 291, 297, 308f - deus absconditus 79 - Existenz Gottes 44, 174-177, 180, 187, 197, 200, 202, 237, 263 - Sein Gottes (s. auch Sein-Selbst) 202, 227, 246, 279, 281 - Sohn (Gottes) 75, 85f, 163, 296 - Unverfügbarkeit Gottes 79, 275, 295 - Wort Gottes 217-221, 234 Gottesbegegnung 297, 299 Gottesbegriff 15f, 18, 154, 201f, 226 Gottesbeweis 25, 44, 81, 87, 93, 202, 230, 287 - ontologischer 87, 202, 287 Gottesdienst 117, 188, 190f Gotteserkenntnis 19 Gotteshypothese 25 Gottesidee 79, 139, 142, 153-155, 178, 186 Gottesname 78, 226 Gottesprädikation 80, 200, 244 Gottessohn 72, 221 Gottesvorstellung 15, 25, 79 Göttliches 84, 164, 273f, 298 Gottvater 75, 78, 85f, 167, 183, 211, 296 Grammatik, grammatisch 13, 21, 24, 27, 62, 65, 88, 92, 94, 97, 99, 105, 108, 116118, 121-123, 128-133, 135-139, 141, 146, 150, 152, 176, 178, 180-182, 187, 189, 193f, 203, 212-214, 216, 220-223, 226-228, 230-232, 234f, 239f, 242-245, 247-250, 252-255, 257f, 261, 264f, 269271, 294, 301, 309-312, 314 Graphologie 99 GT 79, 84f Gutes 69, 82, 96, 290 GW 273, 275-279, 283-286, 291f, 296, 303 Handlungstheorie 194 Handlungswissenschaft 251 Hasen-Enten-Kopf 221 Heiliges, heilig 75, 85f, 157, 167, 177, 193, 203, 219, 227, 274, 289, 300, 306

353 Hermeneutik, hermeneutisch 19, 123, 170, 197f, 204f, 207, 216f, 219f, 225, 231, 234, 253, 261, 277 Herrenname 222 Heteronomie 282 Hinweisdefinition (s. auch ostensiv) 114f Hinweissymbole 279f historisch (s. auch Geschichte) 31, 101f, 105, 122f, 128, 160f, 164-168, 190, 204, 207, 274, 282, 291, 298 Hochmittelalter 128 Homomorphismus - bijektiver 41 Hybris 153, 266 Hyperskepsis 120 Hypostase 163 Hypostasierung 125, 163 Ich (s. auch Ego) 69-72, 74, 76, 80, 82-84, 86, 134, 139f, 142, 153, 162, 165, 167, 174, 238, 257, 261, 287, 304 - empirisches 63, 70 - nicht-empirisches 287 - transzendentales (s. auch Subjekt, transzendentales) 65, 68, 71, 104, 136, 140, 287 Ich-Du-Beziehung 168 Ideal 99, 108, 117, 152, 296 Idealismus, idealistisch 13, 28, 92, 119f, 122, 125, 134-136, 140, 142, 154, 156, 160, 224, 242, 255, 297, 302 - subjektiver 134 - transzendentaler 255 idealsprachlich 16, 20, 42, 113, 220 Identität 61, 166, 224, 280, 299 Identitätskriterium 256f Ikonoklast 77 illokutionär 206 Immanentismus 260 Immanenz 15, 149, 218, 252, 268, 273275, 279 Imperativ - kategorischer 69 incurvatus in se(ipsum) 76, 153 Indexikalisierung 53 Indexwort 222 Individualisierung 154 individualistisch 191, 262 indoeuropäisch 122 Induktionsgesetz 66

induktiv 100, 217, 306 Ineffabilität (s. auch Unaussprechliches und Unsagbares) 249 Inkarnation 72, 77, 80, 227, 234, 267, 279281 innertrinitarisch 221 Innerweltliches, innerweltlich (s. auch Weltliches) 17, 73-75, 95f, 105, 165, 174, 176f, 186, 242, 246, 273, 291 Intension, intensional 62, 70, 219, 221 Intention, intentional 115, 117, 121, 145f, 177f, 183, 206, 225, 252, 263, 268, 301 Intentionalität 145, 156 interkonfessionell 248 interreligiös 23, 151, 175f, 248 Intersubjektivität, intersubjektiv 131-133, 137, 146f, 151, 192, 240, 289 Intratextualität 246 Introspektion, introspektiv 23, 120, 143147, 149, 156f, 175, 182, 193, 224, 258, 270, 289, 308, 310 Introspektionsargument 144, 218, 308f Intuition, intuitiv 74, 80, 89, 98, 296 intuitionistisch 69 Irrtum 48, 101f, 108, 130, 135 Islam 128 Isomorphie, isomorph 41, 43, 52, 55 Israel 212f, 224, 266f Jahwe 164 Jude, Judentum, jüdisch 44, 78, 84, 128, 176 Jünger, Jüngerin 166f Junktor 65, 91 Kabbala 44 Kalkül 119, 122, 195 kantianisch, kantisch 17, 21, 29, 63, 254f Kardinalzahl 65 Käse 132 Kasualhandlung 24 katholisch 13, 25, 72, 171, 194f, 200, 230, 245, 251, 302f Katze 145 Kausalbegriff 97, 102f, 105, 118, 292 Kausaldenken 97, 100, 291 Kausalgesetzmäßigkeit 68 Kausalität 57, 66f, 82, 97-105, 120, 143, 145, 154, 225, 229, 290 Kausalkritik, kausalkritisch 88, 97f, 102, 122, 143, 291, 313

354 Kausalzusammenhang 20, 68, 105, 241, 291 KD 78, 102, 157, 163, 193, 215f, 218f, 221 Kerygma, kerygmatisch 150, 162, 166 Kirche, kirchlich 14f, 102, 156, 211-213, 222, 224, 230, 245, 251, 260, 303, 306, 308 Kirchenväter 163f, 168 Klarheit 27, 29, 97, 105, 110, 129, 150, 188, 250, 268 Kohärenztheorie 132, 199, 246 Koinzidenz 99 Komplementarität 300 Konfession, konfessionell 213, 245, 250, 300 Konjunktion 91 konsenstheoretisch 128, 133, 303 Konstante 40, 47, 52, 54, 57-59 Konstruktivismus, konstruktivistisch 36, 128, 210, 212, 227, 303 Kontemplation, kontemplativ 62, 140, 142, 205 Kontext, kontextuell 24f, 42, 44, 53, 62, 68, 70, 77, 80, 96, 100, 128, 135f, 143, 145, 156, 163, 166, 169f, 173-175, 182184, 187, 207, 221, 223, 248f, 267, 310 - intensionaler 62, 70 Kontextbezogenheit 105, 133 Kontextprinzip 46, 163, 169, 173, 198, 210, 251, 294 Kontextualismus, kontextualistisch 129, 189, 227 Kontingenz, kontingent 31, 34f, 43, 49, 55, 57, 61, 68, 74, 77, 79f, 84, 118, 128, 180, 194, 219, 256f, 264f, 276, 287, 303 Kontingenzkompensation 257 Kontradiktion (s. auch Widerspruch) 32f, 55f, 60, 90f, 96, 135, 138 - contradictio in adiecto 33, 138 - contradictio in se 135 Koordinaten, Koordinatennetz 50, 108 Kopfschmerzen 146 Kopula 127 Korrelation 272f, 283, 304 Korrelationsmethode 272f, 282, 289, 292, 295, 302f, 311 Korrespondenz 129f, 132

Korrespondenztheorie, korrespondenztheoretisch (s. auch Wahrheit, Korrespondenzbegriff der Wahrheit) 41, 129f, 133, 152, 226, 244-246, 302-304 Kosmos, kosmologisch 25, 125, 160, 165f, 168-170, 210, 268, 301 - kosmos aisthetos 125 - kosmos noetos 125 Kraft 16, 67, 184f, 288, 291 Krankheit 51, 101, 136 Kreuz 280f, 294 Kreuzigung 294 Kriterium 21, 51, 114, 121, 132f, 137, 148f, 232, 234, 256f, 302, 309 Kultur, kulturell 20, 101, 111, 175, 185, 195, 207, 245-248, 255, 263, 273 kulturkritisch 80 Kultus 281, 292 Kunst 31f, 113, 273, 277 Lautverschiebung 122 Leben 71, 76, 79f, 82, 84f, 89, 101, 107, 122, 153-155, 161, 187, 207, 210, 240, 242, 245f, 250, 255, 257, 259, 265-268, 277, 280, 292, 294, 312 Lebenseinstellung 167 Lebensform 105, 110f, 126, 130, 138, 144, 149f, 173, 188, 199f, 206f, 210f, 239f, 244, 249, 253, 255, 262-268, 313 Lebensfragen 267 Lebensführung 248, 263 Lebensmöglichkeiten 265, 267 Lebensphilosophie 17 Lebenspraxis 223, 250f, 263 Lebensprobleme 16, 63, 74, 76, 79, 82, 84 Lebensregel 184, 241 Lebensverhältnisse 258, 265 Lebensvollzug 261 Lebensweise 258, 265, 267 Lebenswelt, lebensweltlich 108, 129, 142, 253, 256, 260f, 263, 265, 295, 303 Lebenswelthermeneutik 253 Lebenszusammenhänge 245, 266 Lehramt - kirchliches 251 Lehrsatz 250 Leib-Seele-Problem 149 Leid, Leiden 81, 210, 248 Letztbegründung 123, 194, 256, 259

355 Liebe, liebend 76, 162, 210, 227, 257, 266f, 280f, 285, 295f, 312 lingua nova 234 Literalsinn 104 Logik, logisch 14-17, 20f, 23-26, 29, 3043, 47-71, 75, 81-83, 85, 88-92f, 95f, 98, 108-111, 124, 128f, 133f, 141, 159, 170173, 175, 179, 182-185, 189f, 192, 195, 198, 200, 204f, 209f, 212f, 215, 219, 232-234, 238, 254, 260, 262, 269, 287, 289f, 296, 300, 313f logizistisch 20, 88, 108 Logos 163, 168, 202f Logoslehre 280 Löwe 132 Lücke - hermeneutische 219f - semantische 220 lutherisch 245 Macht 274, 277, 281, 285, 303, 305 marxistisch 15 materialistisch 15 Mathematik, mathematisch 25, 29, 41f, 53, 55, 57, 66, 91, 119, 128, 156, 276 Mechanik 66f mechanistisch 99 Medium 27, 135, 214, 273, 279, 281 Mehrdimensionalität, mehrdimensional (s. auch vieldimensional) 148f, 158, 160, 172, 189f, 193, 209, 231, 271, 293, 310, 313f Meinen 139, 143, 146f, 177 Menge - Menge aller Mengen 47f mental 39, 130, 309 Mentalismus, mentalistisch 149, 262, 264 Metapher, metaphorisch 122, 198, 267, 277, 280, 291 Metaphysik, metaphysisch 15, 20, 26, 53f, 56, 60, 64, 71, 73, 75, 80, 84, 92, 96, 123, 126, 134, 154, 171, 196f, 227, 239241, 253-262, 264, 266-268, 270f Metaphysikkritik 17, 53, 74f, 78, 86, 196, 253, 260, 267f, 270 Mikrokosmos 64, 84 Mimik 127, 132 Mitgliedschaftsstudien (der EKD) 14 Mittelalter, mittelalterlich 84, 128

Mittelphase, mittlerer Wittgenstein 24, 26, 57, 88, 97, 105f, 108, 131, 150, 159, 171f, 181, 202, 211, 228, 231, 269, 273, 289-291, 313 Modallogik, modallogisch 25, 44, 175, 180 Moderne 129, 169, 272 Monismus 28 Moral, moralisch 94f, 155, 248 Musik 32, 278 Muster 75, 108, 115f, 118, 121f, 147f, 150, 152, 163, 173, 177, 181, 184, 210, 219-221, 258, 294, 298, 312 Mysterium 275, 298 Mystik, Mystisches, mystisch 18, 28f, 53, 63, 65, 71-85, 88, 95, 102, 154, 158, 167, 197, 205, 216, 228, 238, 248f, 269, 286f Mystiker 82, 84, 104, 153, 205 Mythologeme 131 Mythologie, mythologisch 118, 150, 164, 254, 291 Mythos 100, 145, 202f, 262, 272, 290-292 Nächstenliebe 81, 154, 166 Name 18, 21, 32f, 36, 45f, 48f, 52, 54f, 61, 78, 113f, 138, 175, 209, 212, 222, 225, 287 narrativ 213, 227, 298 Natur 18, 30, 59, 84, 86, 92, 99, 101, 127, 163, 165, 216, 255, 257f - natura naturans 30 - natura naturata 30 Naturgeschichte 111, 257, 264 Naturgesetz 67 Naturphilosophie 28, 106 Naturwissenschaft, naturwissenschaftlich 53f, 63, 67-69, 73f, 100-102, 104f, 108, 121, 127, 130, 153f, 161f, 173f, 176, 178, 186f, 189f, 192, 224, 241, 245, 253, 291f Neopositivismus 16, 18, 73 Netz, Netzwerk (s. auch Verflechtung und Vernetzung) 66f, 114, 150, 155f, 199, 223, 249, 271, 293f, 298, 302, 311 Neues Testament 153, 168 Neukantianismus 17 Neuplatonismus 125, 262 Neurowissenschaft 145 Neuzeit, neuzeitlich 128, 140 nicht-empirisch 287

356 Nicht-Falsifizierbarkeit 177 Nicht-Gläubiger (s. auch Atheismus) 171, 174, 178, 181f, 184, 282, 291 nicht-metaphysisch 258 nicht-religiös 183, 191, 248, 292 nicht-symbolisch 284f nominalistisch 49 Nominator 208, 210f Nonsens (s. auch Unsinn) 170, 210 Norm, normativ 42, 108, 120f, 143, 148, 184f, 230, 249-251, 259, 261, 280, 287, 297, 309 Normierung, normierend 42, 48, 51, 69, 73-75, 80, 148, 160, 165, 184f, 187, 206, 217, 254, 259, 280, 297, 304, 309, 311f Notation 47-49, 54f, 57f, 61, 65, 91 Notwendigkeit, notwendig 14, 35f, 39, 43, 57, 59, 68, 79, 90, 92f, 96f, 99, 109, 128, 134, 153, 155, 162, 173, 176f, 180, 182f, 189, 196, 214, 216, 219-222, 225, 229, 232, 242, 247, 251, 266f, 273, 276, 283, 287, 291f, 299, 302, 313 - metaphysical must 254f Nummerierungssystem 30 Oberflächengrammatik 206, 249, 253, 261 Objekt 20, 64, 72, 87, 102, 133-136, 140, 154f, 244, 280, 305 objektiv 157, 164, 221, 225, 295, 300 Offenbarung 27, 71f, 74-78, 87, 151, 157, 162f, 174, 177, 186, 211, 221, 267, 273275, 279, 282, 286-290, 295, 305 - letztgültige 273f Offenbarungserlebnis 168 Offenbarungsgeschichte 163 Offenbarungsglauben 161 Offenbarungssituation 167 Offenbarungstheologie 26, 101, 202, 269f Okkasionalismus 134 Ökumene, ökumenisch 23, 151, 208, 225, 245f, 250-252 Ontologie, ontologisch 14f, 19, 22, 25, 27, 29, 31, 33, 35-38, 40, 44, 49, 53, 58, 64, 67, 81, 83, 87, 102, 108, 118f, 127f, 136, 140, 144, 150, 152, 160, 164-166, 168170, 172, 187, 190, 202, 209f, 219f, 222, 268, 271, 273f, 277f, 281, 283, 285-291, 293, 295, 297-301, 304f, 307-314 ontologiekritisch 239 Ordnung 25, 63, 126, 128, 239

ostensiv (s. auch Hinweisdefinition) 115, 219 Ostern 164-168, 294 Panfiktionalismus 142 Pansymbolismus 284 Pantheismus 84, 154 Paradigma 149, 199, 217, 229, 242, 246, 313 Paradigmenwechsel 89, 93, 96 Paradox 118-120, 130, 168, 180, 195, 229, 272 - Paradox des Regelfolgens 118,120 Partizipation (s. auch Teilhabe) - ontologische 271, 277f, 281, 291, 295, 298, 300, 305, 310, 314 passen 191, 220 Performativ, performativ 23f, 155 Person 61, 103, 153, 166, 181, 207, 285, 295-297 Pfingstgeschichte 86 Pflanzensamen 99 Phänomen, Phainomena 37, 64, 70, 98, 102, 105, 108, 113, 122, 131f, 143, 160, 189, 191, 254, 261, 267, 291 Phänomenologie, phänomenologisch 17, 94, 100, 110f, 144, 150, 193, 261, 277, 285 Phantasie 122, 254, 259, 261f, 268 Philosoph 15, 17, 20f, 30, 43, 51, 62, 68, 81f, 99, 121, 123f, 126, 141, 146, 153, 158, 196, 232 Philosophie, philosophieren, philosophisch 13f, 16f, 19-22, 24-30, 34, 41f, 45, 47, 51, 53f, 56, 57, 62-64, 68, 71, 73-75, 81, 85, 88, 90f, 93f, 97, 99f, 102, 106-108, 110-113, 116f, 119, 121, 123-130, 134, 136f, 139, 141, 144, 146-148, 150, 153155, 158-161, 165, 171, 175, 186, 193198, 200, 203f, 206-209, 212-216, 226, 228-231, 233f, 238-240, 242f, 245, 253255, 257-261, 263f, 288, 290, 297, 301f, 304, 307, 310, 313 - analytische 197, 204, 212, 214 - sprachanalytische 17, 21, 195, 197f, 200, 207f, 212-216 - ordinary language philosophy 20f, 24, 204, 206 - Zettelkasten-Philosophie 30 philosophiekritisch 239

357 Photographie 141 Physik, physikalisch 68, 90, 92, 98f, 105, 121, 123, 153, 162, 244 Physiognomie 99, 118, 189, 191, 193, 220-222, 271, 293f, 309, 311f physisch 45, 95, 143, 167, 258 Platonismus, platonisch 39, 48, 108, 115, 118, 125f, 140, 173, 200, 296 platonistisch 19, 58f, 113, 125f, 128, 130, 133, 145, 182, 189-191, 199, 206, 222, 229, 246, 255, 271, 295, 297f, 300f, 313 pneumatisch 218, 220 pneumatologisch 86, 151, 295, 309, 311 Positivismus, positivistisch 16, 20f, 53, 80, 93, 133, 162, 204f, 307 postempirisch 237 Postliberale, postliberal 171, 245 post-metaphysisch 271 Postmoderne, postmodern 15, 36, 41, 49, 74, 129, 131, 230 Postmodernismus 220 Prädikat 44, 128 Prädikation 174f, 212 Prädikatisierung 60, 70 praeambula fidei 171 Priesterkönig 100 primum esse ontologicum 134 Prinzip - protestantisches 284, 293, 295, 297, 302f, 311 Privatheit, privat 23, 120, 136-139, 143, 146f, 157, 255, 259, 262f, 306, 308f Privatsprache 76, 120, 134, 136-139, 144, 146, 259 Privatsprachenargument 121, 136f, 147, 154, 209, 220, 240, 259, 306 Projektion 41, 43, 46, 52, 101f, 122, 130, 146 Projektionsmethode 44, 152 Projektionsvorwurf 278 Projektionsweise 130, 152 Prolegomena 13, 215f, 218f Propädeutik, propädeutisch 210, 243, 251f, 270 Prophet, prophetisch 78f, 283 Protestantismus, protestantisch 19, 26, 128, 158f, 175, 194, 197f, 215, 264, 269, 283f, 293, 295, 297, 302f, 311, 314 Prototractatus 18

Pseudokennzeichnung 210 Psyche, psychisch (s. auch Seele) 23, 43, 95, 102, 143-145, 147, 156, 210, 217, 258, 308f Psychoanalyse 89, 213 Psychologie, psychologisch 15f, 20, 43, 53, 64, 67, 70, 87f, 97, 99-102, 105, 123, 126, 139, 143f, 213, 259, 264, 290 Psychologismus, psychologistisch 144, 148, 156f, 182, 206f, 271, 289, 309f, 313 Psychotherapie 15 PU 22f, 26, 30, 49-51, 56, 63, 88, 105120, 123, 126f, 132, 136-139, 141f, 144148, 150, 152, 154, 157f, 160-162, 164167, 169-172, 175, 180, 183, 188, 190f, 195, 198-200, 203f, 206-210, 212-214, 216, 219-224, 226, 230f, 233-235, 239, 243, 248f, 252-254, 256, 258, 262, 265, 269f, 288, 292, 294, 297f Quantor 60, 65 Rationalismus, rationalistisch 77, 81, 204f, 248 - kritischer 81, 204f Rationalität, rational 247f, 260, 285 Rationalitätsstandard 185 Raum 14, 17, 30-32, 34-41, 43, 49f, 52, 54, 56, 59f, 67, 71, 75, 82f, 85, 89-92, 130, 134, 149, 171, 175, 193, 195f, 209, 232, 237, 247, 263f, 269, 287, 289, 307, 311 - logischer 30-32, 34-41, 43, 49f, 59, 67, 85, 91f, 134, 209, 232, 269, 289 Realismus, realistisch 37, 41, 49, 65, 111, 125, 140, 142, 225-228, 235f, 238-240, 242, 253, 255 - interner 225-227 - metaphysischer 255 Realität 36, 64f, 82, 133f, 136, 140, 142, 144, 154, 157, 176, 190, 217, 244 Realitätsbegriff 307 Rechtfertigung 26, 77, 105, 142, 172, 174f, 247 Rechtfertigungslehre 235, 251 Redeeinführungssituation 210 Rede - religiöse Rede, Rede von Gott (s. auch Sprache, religiöse) 19f, 23, 26, 28, 37, 75f, 78, 87f, 97, 104-106, 131, 148-152, 156, 159-161, 170, 175, 182f, 185f, 189-

358 191, 198, 200, 202, 206, 208, 216, 218, 220, 225, 228, 230, 235-238, 241f, 250f, 260, 265, 269-271, 273, 275, 279, 283, 285-293, 303, 309-314 Redeverwendungssituation 209f Reduktion - transzendentale 144 - phänomenologische 144 reduktionistisch 264 Referenz 152f, 197f, 200, 219f, 225 Regel, regulativ 60, 62, 65, 91f, 102, 115123, 131, 136-138, 140, 144, 151, 177f, 180, 183-186, 188, 193, 199, 212-215, 219f, 224, 230, 240, 244, 246, 248, 250f, 263, 265, 267, 286, 291, 298, 312 - Goldene Regel 117 - hard rules 118 - soft rules 118 Regelbegriff 240, 254 Regelfolgen 117-121, 137, 151, 173, 180f, 195, 198, 204, 207, 210, 219, 221-224, 230, 233, 250, 254, 271, 293, 295, 311, 313 - Offenheit des Regelfolgens 151, 181, 198, 210, 221-224, 233, 271, 293, 295, 311, 313 Regelhaftigkeit - offene 108, 121, 128f, 151f, 173, 287, 291 Regelkompetenz 116 Regress, Regelregress 35f, 119, 179f Relativismus, relativistisch 22, 49, 145, 160, 171, 188, 196, 260, 303 Religion, Religiöses, religiös 14f, 18-20, 23-28, 37, 42, 53, 56, 59, 72, 75f, 78, 81, 85, 87-89, 94, 97f, 100-106, 117, 131, 135, 143, 148-156, 158-162, 165, 169180, 182-194, 197-200, 202-208, 211, 216, 218, 223, 225-231, 235-252, 260f, 263-265, 267, 269-271, 273-275, 277301, 303, 305, 308-314 Religionsdidaktik 272, 282 Religionsgeschichte 280 Religionskritik 13-16, 19-21, 25f, 28, 59, 74f, 78, 88, 97, 101f, 105, 123, 148f, 155, 235f, 269, 290, 292, 313 - alttestamentliche 19 - psychologische 20, 101f, 123, 290 - sozialdarwinistische 123

- sprachanalytische 20f, 25f, 269 Religionsphilosoph 150, 171, 175, 223, 243, 282 Religionsphilosophie 25, 94, 158, 161, 171f, 176, 178, 183, 186, 188, 196, 198, 216, 230, 235-237, 243f, 250, 265 - analytische 235-237 - sprachanalytische 25, 161 religionssoziologisch 191 Religionswissenschaft 97f, 102, 143, 223, 291 Religiosität 37, 190, 202, 237 Renaissance 125, 129 res cogitans 22, 102, 134, 136, 153, 155, 178, 304 res extensa 22, 102, 134, 136, 153, 155, 178, 304 Revisionisten 171 Ritus 102 role-taking 155 Sache (i.S. des TLP) 31f, 41 Sachlage 32, 34, 38f, 41, 43, 46, 51-54, 56, 105 Sachverhalt 31-36, 38f, 43-46, 49, 53-55, 57, 66, 68, 70f, 80, 90, 95f, 108, 116, 146f, 162, 176, 205, 209, 217, 227, 248, 266, 274 Sagbares 69, 199, 238 Sakrament, sakramental 284, 302f säkular 23, 151, 160-162, 166, 168-170, 176, 186-190, 222, 247, 271, 282, 292, 311 Satan 153 Satz 21, 24, 27, 29f, 32f, 35, 38f, 42-48, 50-62, 65-70, 72f, 75f, 80, 86, 91, 95f, 99f, 104f, 108, 114, 116-118, 121, 123, 126f, 129-132, 135f, 138, 140f, 150, 152, 156, 175, 179-181, 197f, 202f, 205f, 208f, 212- 214, 219-222, 228, 230232, 235, 238, 245f, 249, 251, 271, 284f, 294, 301, 306, 309f, 312, 314 - allgemeine Form 29, 39, 50, 56, 59, 65, 114, 126, 149 - allgemeinste Satzform 56 - grammatischer 21, 24, 27, 65, 108, 116118, 121, 123, 129-132, 136, 138, 141, 150, 152, 180f, 212-214, 220-222, 228, 230f, 235, 249, 271, 294, 301, 309f, 312, 314

359 - regulativer 212-215, 251 - religiöser 179 - sinnloser 51, 96 - sinnvoller 44, 53, 55f, 60, 66, 69f, 72, 76, 104, 108, 238 - wahrer 53, 75, 219, 236 Satzbedeutung 55 Satzvariable 32, 47 Satzzeichen 32, 43-45, 50, 62 Schachbrett 114 Schachfigur 146 Scheinproblem 37, 134, 182, 209, 214 Scheinsatz 61, 66 Schicksal 79 Schlussgesetz 57 Schmerz 116, 138f, 147, 157, 211, 257f Schmerzäußerung 147 Schmerzbegriff 258 Schmerzverhalten 258 Scholastik, scholastisch 81, 107, 125, 128, 279 Schöpfer, Schöpfung 85, 105, 163f, 168, 177, 201, 287, 296 Schöpfungsplan 92 Schrift - heilige s. Bibel Schriftauslegung 232, 234 Schuld 82, 85, 95, 290 Schuldgefühl 72, 157 Schweigen, schweigen 28, 63, 73f, 77, 79, 88, 90, 95, 152, 155, 158, 167, 287, 303 Seele, seelisch (s. auch Psyche) 64, 71, 79, 139, 145-147, 149, 258, 262, 264, 266 Segen 24 Sein 25, 29f, 38f, 46, 62f, 71, 76, 80, 82f, 86, 92, 108, 113f, 123, 127-129, 136, 141, 160f, 163f, 169, 173, 180, 184, 219, 227, 232, 234, 236, 246, 250, 265, 267, 272-274, 276-285, 287-290, 295f, 298-300, 303, 305f, 308, 312f - Neues Sein 273, 306 - Sein Gottes s. unter Gott Sein-Selbst 274, 278-281, 283-285, 287290, 295, 298, 303 Seinsgrund 84, 279 Seinsontologie 301, 312 Seinsurteil 295 Selbst 52, 68, 83, 98, 136, 139, 141, 146, 151f, 155, 171, 191, 242, 244, 246, 250,

255, 257, 259, 261-263, 274, 278-280, 283-285, 287-290, 295, 298, 303-305 Selbstbewusstsein 137, 142, 260 Selbstbezüglichkeit 47f, 234 Selbstentfremdung 263 Selbsterkenntnis 177, 255, 257, 259, 261 Selbsterschließung 267 Selbstmächtigkeit 275, 277f, 281, 299 Selbstnegation (s. auch Selbstverneinung) 283f Selbst-Transformation 257 Selbstvergewisserung 134, 136, 190, 304, 306, 310 Selbstverneinung (s. auch Selbstnegation) 281 Semantik, semantisch 74f, 89f, 92f, 96, 127, 132f, 160, 215f, 218-221, 236, 238f, 242, 288-290, 313 - anhypostatische 218f Semiotik 106, 275 sensus proprius 232 sensus scripturae 232 Sentimentalität 84 Sessel 141 Sheffersche Strich 61f, 65 Shoa 15 sich zeigen s. unter zeigen Sicherheit 22, 72, 82, 85f, 95, 105, 140, 154, 211, 249, 257, 290 Sinn 19, 21, 23, 32, 35f, 39-42, 45-47, 5052, 59, 61, 63f, 69, 71-75, 79-81, 84f, 94-96, 114f, 117, 121-123, 128, 130f, 135, 138, 141, 149, 151, 153, 157, 166, 170, 173, 178f, 181, 185, 187, 204-206, 213, 216, 223f, 238f, 242, 244, 257, 263, 267f, 273, 275f, 287, 294, 296, 305, 307, 313 - absoluter 94 - Sinn der Welt 32, 63, 75, 81, 84-86, 95f, 287, 313 - Sinn des Lebens 79 Sinnesdatum 23, 140-143, 155, 306f Sinngebung, sinngebend 287, 297 Sinnhaftigkeit 39, 95, 164, 166, 179, 196f, 205, 210 Sinnkonstruktion 238f, 241 Sinnkriterium 21, 26, 53, 73, 161, 166, 168, 204-206 - empiristisches 21, 53, 73, 161, 168

360 sinnkritisch 206f Sinnlosigkeit, sinnlos 16, 44, 51, 53, 56, 77, 96, 108, 123, 127, 131, 164, 173, 187, 190, 206, 248f sinnvoll 13, 17, 21, 24, 26, 28f, 32, 37, 39, 42, 44, 51, 53, 55f, 60, 65f, 68-70, 7276, 87, 89, 95f, 104, 106, 108, 120, 148, 150, 155, 160, 169, 174f, 186f, 193, 195f, 200-202, 205-209, 217, 231, 236, 238, 240, 242, 248f, 268f, 271, 274, 290, 293, 307, 310-314 Sinnzusammenhang 16, 251 Sitz im Leben 24, 111, 241, 292, 294 Skepsis, Skeptiker, skeptisch 119f, 122, 137, 142f, 219, 226, 256-259, 266 Skeptizismus, skeptizistisch 27, 135f, 142, 150, 233, 256f, 259, 262, 266 Sohn (Gottes) s. unter Gott Solipsismus, solipsistisch 22, 37, 41, 64f, 81f, 134, 136, 139f, 142, 144, 148, 150, 153-155, 238, 306 - logical solipsism 64 Sorge 83, 166 sozialdarwinistisch 97f, 100-102, 123, 143, 291, 313 sozial 121, 132, 147f, 155, 277, 281, 294 sozialethisch 154 sozialphilosophisch 17 sozialpsychologisch 251 Soziologie, soziologisch 121, 154, 172, 175, 203, 294 Spätphilosophie, spätphilosophisch, später Wittgenstein 13f, 16f, 21f, 24, 26f, 39, 41f, 44, 47, 51, 56, 59, 62, 65, 72f, 86, 89, 94, 96f, 99, 102, 105f, 109, 110, 112114, 117, 123f, 129, 131, 133, 135f, 140, 142f, 145, 148, 150-154, 156, 159, 161f, 164, 166f, 171-173, 181f, 185, 189, 194, 196-200, 202, 204, 206, 208-210, 215217, 225f, 228, 230f, 233, 235, 239-243, 246, 249f, 252-255, 262, 268-270, 272, 291-295, 298, 300-303, 310f, 313f Sprachanalyse, sprachanalytisch 13, 15-17, 19-21, 23-25, 27, 36, 74f, 78f, 88, 94, 97f, 123, 148-150, 152f, 155, 158f, 161163, 169f, 172, 174-177, 191, 193, 195198, 200, 202-204, 207f, 211-216, 218, 222, 231, 235-237, 242, 269-271, 288f, 293f, 296f, 300, 303-308, 310, 311, 313f

Sprachbegriff 198f, 236f, 288 Sprachbereich 104, 171-175, 178-180, 182, 186, 188, 190, 226, 291f Sprache, sprachlich 13, 16f, 19-23, 26-28, 30, 34-37, 39f, 42, 45, 49-52, 54f, 60, 63-65, 69, 72, 74f, 77f, 80f, 88f, 92-97, 105-112, 115f, 119, 121-123, 125-139, 143-147, 149f, 152-157, 159-163, 165f, 169-173, 177-180, 183, 186-190, 193, 196-199, 201-204, 206, 208f, 211, 213f, 217-222, 224-229, 231-242, 246-248, 253-256, 259, 261-263, 270-279, 283, 286-290, 292-296, 298, 301-303, 306, 308f, 311, 313f - private s. Privatsprache - religiöse (s. auch Rede, religiöse) 23, 88, 94, 97, 105, 159f, 165, 170-173, 177, 179, 183, 186-190, 197, 204, 208, 223, 236, 242, 247, 275, 290, 293, 297, 311, 314 Sprache-Psyche-Abbildtheorie 309 Sprache-Psyche-Abbildverhältnis 23, 143f, 147, 156, 308f Spracherwerb 109, 262 Sprachfähigkeit 181 Sprachform 110, 267, 292 Sprach-Garnitur 25, 160, 162-166, 168170, 173, 189, 191, 210, 268, 301, 309 Sprachgebrauch 20, 33, 42, 44, 64, 103, 106-108, 112, 116f, 121, 123, 127, 130f, 162, 171, 176f, 181f, 202-204, 206, 210, 239, 255, 260, 288, 290 Sprachgemeinschaft 136, 138, 240, 247, 306 Sprachgeschehen 24, 109, 148, 255, 286, 288, 293f, 303 Sprachhandeln 257 Sprachhandlung 46, 230 Sprachkompetenz 121, 204 Sprachkonzeption 114, 313 Sprachkritik 86, 123f, 209 Sprachlogik, sprachlogisch 31, 50f, 87, 165, 172, 178-180, 182, 186, 198, 200202, 238 Sprachlosigkeit 79, 153, 249 Sprachparadigma 13, 20-22, 24, 26, 28, 55, 60, 74f, 79, 87-89, 97, 105-108, 112, 121, 123f, 128, 134, 148, 150f, 155, 158f, 161, 164, 166, 169, 172f, 189, 194,

361 197-199, 205, 207-209, 216f, 231, 235, 237, 239, 249, 262, 269-271, 276, 286f, 289f, 293f, 303, 307, 310, 313f Sprachphänomenologie 253 Sprachphilosoph 19f, 150, 233 Sprachphilosophie, sprachphilosophisch 19f, 110, 116f, 137, 163, 172, 216, 225, 231f, 234, 236, 253f, 267, 288f - analytische 236 Sprachregelung, sprachregulativ 186, 188, 312 Sprachspiel 23-25, 27, 42, 108, 110-116, 119-124, 126-132, 134-136, 139-141, 143-147, 149-153, 157-160, 162-164, 169f, 172f, 175f, 178, 180f, 184-191, 193, 197-200, 202-204, 206-211, 214, 216-219, 221-224, 227, 229-231, 239241, 245, 247-252, 271, 275, 278, 282f, 288, 291-294, 298, 300, 304, 308, 310, 312f - religiöses 188, 218, 247 - transzendentales 123, 224 Sprachspiel-Analyse, sprachspielanalytisch 124, 150, 153f, 156-158, 169f, 176, 189f, 193, 199, 202, 204, 214, 218, 222, 224, 235, 242, 269-271, 292, 311-314 Sprachspielbegriff 246, 250 Sprachspiel-Konzeption 158f, 197, 199, 204, 207, 215f, 227, 245, 310, 312f Sprachspieltheorie 22, 23 Sprachtheorie 93, 96, 109 Sprachvermitteltheit 140, 306 Sprachwissenschaft 122 Sprechakt 24f, 112, 155, 161, 190, 202, 207 Sprechakttheorie 24, 198f, 206 Staunen 63, 72, 82, 85, 95, 290 STh 273-275, 277, 279f, 282, 284f, 287, 290-292, 294, 296f, 303-309, 311 Stoa, stoisch 81, 83 Story 212-214, 224, 246f, 266f Stummheit 153 Subjekt 22, 62-64, 68, 70f, 74-77, 79-84, 87, 102f, 111, 128, 133-136, 139f, 142, 148, 154f, 174f, 177, 179, 186, 190, 199, 209, 217, 224, 227, 272, 277, 282, 284, 288f, 299f, 305f - transzendentales (s. auch Ich, transzendentales) 63, 68, 70f, 74-77, 79-81, 83f,

86, 102f, 111, 140, 174, 186, 199, 209, 306 Subjekt-Objekt-Spaltung 133, 135f, 140, 155 Subjektsein 308 subjektiv 132, 134, 157, 192, 221, 225, 289 subjektivistisch 260 Subjektivität 264, 299 Subjektzentriertheit 22, 134, 142 Substanz 33, 35f, 125, 127, 185, 291, 298, 302f - katholische 302f Substanz-Akzidenz-Modell 125, 127 Sünde 267 Sünder 153 Swansea School 172 Syllogismus 56 Symbol 27, 38, 45-48, 54f, 61, 77, 213, 271-295, 297-302, 305, 307-312, 314 - diskursives 275, 281, 287 - einfaches 48 - primäres 279f, 283 - repräsentatives 276-279, 281, 286-290, 293f - religiöses 27, 273-275, 278-285, 287295, 297-301, 305, 308-312, 314 - sekundäres 279f Symbolbegriff 272, 289, 312 Symboldialektik 299 Symboldidaktik 272, 288 Symbolereignis 279 Symbolgedanke 299 Symbolgeschehen 282, 288, 298, 311 Symbolhaftigkeit 279 Symbolik, Symbolisches, symbolisch 38, 47, 61, 66, 68, 272-275, 283-285, 287f, 292, 309 Symbolisiertes 277, 281, 283, 307 Symbolisierung 47, 54, 57, 271, 275, 283, 293 Symbolismus 56, 59, 299 - univoker 299 Symboltheorie 14, 27, 152, 270-273, 278, 281-284, 286, 289, 291, 295, 297-302, 304, 307, 310-314 synkategorematisch 208, 210f Syntax 35f, 59, 61, 66, 68, 89, 92, 124 - logische 47-50, 54, 61, 66, 124

362 tabula rasa 140 Tagebuch 18, 33, 35 Tatsache 31f, 34-36, 38-41, 43-46, 52, 58, 61f, 65f, 70f, 79-81, 83, 95, 102f, 105, 108, 114, 119, 121, 126, 130, 147, 162, 177, 184, 188, 204f, 211, 214, 220, 238, 255, 286f, 311 Tatsachenaussage 176 Tatsachenbehauptung 174 Tatsachenraum 69 Tatsachenüberprüfung 174 Taufe 24, 168, 298 Tautologie, tautologisch 32, 44, 55f, 60, 66, 90, 96, 165, 220 TB 36, 55, 59, 66, 69f, 72, 82 Teilhabe, teilhaben (s. auch Partizipation) 17, 207, 245, 276-278, 281 Teilhabemetapher 298, 300, 311 Telos 280 Tennis 94, 119 Teufel 153 Theodizee 15 Theologie, theologisch 13-15, 18-29, 42f, 54, 60, 74f, 77-81, 85, 87-89, 97, 101f, 106, 112, 131, 148, 150-159, 161-165, 168, 170-172, 174-180, 183, 186, 190, 193-204, 207-210, 212-219, 222-226, 228-232, 234-236, 238f, 242f, 245-253, 259-265, 267-275, 277-280, 282, 284, 286, 288, 292-298, 303, 306-314 - der Religionen 175f - dialektische 78 - katholische 194f, 200 - liberale 85, 263f - natürliche 77, 162, 195 - narrative 213 - negative 19, 80f, 172 - non-cognitive theology 171f, 174 - radikalnegative 19, 74, 87, 97, 172, 199, 216, 313 - systematische 89, 208, 212, 217, 223, 225, 251, 269, 272, 280, 282, 284, 286, 296, 307 Theonomie 305f Theoria 21f, 125 Theoriefeindlichkeit 113, 233 Therapie, therapieren, therapeutisch 51, 112, 124, 146, 148, 155, 215, 251, 256, 261, 301

Tiefe 119, 126, 289f, 296, 303, 305 Tiefengrammatik 206, 244, 249, 253 TLP, Tractatus 13, 16-23, 26, 28-98, 100, 102, 104-109, 111-114, 119, 121, 123f, 126, 128-131, 134f, 140, 151-153, 158162, 164-167, 169f, 174, 180, 195, 197200, 204f, 208f, 212, 216, 228, 232, 236, 238f, 249, 269, 276, 286f, 289f, 297, 303, 307, 313 Tod 16, 71, 149 tolstojanisch 81 Tractatus s. TLP Transitivität 61 Transzendentales, transzendental 16, 21, 40, 63-65, 67-71, 74-77, 79-86, 93, 95, 102-104, 111, 123, 136, 139f, 144, 162, 165, 167, 174, 186, 199, 205, 208f, 211, 224, 255, 259, 272, 286f, 289f, 306 transzendentalhermeneutisch 123 Transzendentalien 82 Transzendentalität 82, 287 Transzendentalphilosophie 17f, 63, 102, 194, 196, 254, 268 Transzendentes 17, 164, 193, 273f, 278f, 281, 283, 289, 308 Transzendenz, transzendent 15, 69, 76, 101, 132, 149, 152, 155f, 161, 164, 190, 193, 205, 208, 211, 217f, 235, 241f, 252, 260, 268, 273-275, 278f, 285f, 289, 303, 312 Trinität, trinitarisch (s. auch Dreieinigkeit) 75, 85-87, 93, 95, 214, 226f, 313 - Trinitätslehre 214, 227 - vestigia trinitatis 86 Typentheorie 45, 47f Typologie 246 Übereinstimmung 44, 86, 119, 130f, 193, 238, 254, 257 Übernatürliches 69 ÜG 22, 107, 111, 117f, 122, 124, 126, 130-132, 134-136, 141f, 144-146, 150, 160, 165, 172, 180, 188, 199, 211, 249, 283 Umgangssprache (s. auch Alltagssprache) 38, 42, 46, 51, 113, 209, 247, 250 unabbildbar 59, 67f, 287f Unanschauliches 277, 281

363 Unaussprechliches, unaussprechlich (s. auch Ineffabilität und Unsagbares) 63, 71, 81, 84, 151, 199, 229 Unbedingtes 274f, 284f, 291, 295-300, 303, 305, 311f Unbedingt-Transzendentes 278f, 281 Unbewusstes - Kollektives Unbewusstes 272, 277 Uneigentlichkeit 275, 277, 281, 288, 299 Unendlichkeit, unendlich 35f, 119, 179f, 263, 278, 296, 300, 303, 309 Unendliches 91, 169, 279, 285 Unglücklicher 70f unio (mystica) 74, 84 Universalienstreit 125 univok 299 Unmöglichkeit, unmöglich 15, 22, 35, 60, 68, 76, 80f, 90, 92, 104, 109, 116, 132, 135, 138f, 141, 160, 169, 171, 182, 186, 194, 231, 236, 304, 306 Unsagbares (s. auch Ineffabilität und Unaussprechliches) 54, 199, 303 Unsinn, unsinnig (s. auch Nonsens) 23, 32, 51, 54, 56, 73, 93, 95f, 104f, 108, 112, 116, 119, 135, 150, 164, 169, 182, 185, 193, 204-206, 209, 232, 287, 290, 307 Unsinnigkeit 68, 205, 254 Unsinnigkeitsverdikt 104, 216 Unsterblichkeit 71 Unterpersönliches 296 Unverfügbarkeit - Unverfügbarkeit Gottes s. unter Gott Urbild 98, 262 Urchristentum 280 Urmeter 116 Ursache 27, 89, 97-99, 118, 121, 123, 132, 134, 143 - physikalische 121,123 Ur-Symbol 280 Urteil, urteilen 25, 39, 58, 75, 77, 99, 128, 135, 141, 156, 198, 237 - analytisches 25, 58, 75 - synthetisches 25 Urteilstheorie 39f Urzeichen 32, 46, 59 UuW 89, 97-99 Vagheit, vage 119, 121, 190, 233 Variable 47, 56, 58

Vater s. unter Gottvater VB 18, 68f, 85, 110, 241 Verantwortung 228, 231, 255, 258f, 265 Verantwortungsethik 176 verbum externum 264 Verendlichung 299 Verflechtung, Verflochtenheit (s. auch Netz und Vernetzung) 57, 111, 122, 128, 142, 155, 169, 217, 221, 222, 293f, 303, 311f Vergötzung, vergötzen 282f Verhalten 71, 80, 94, 102, 104, 117f, 120, 147, 149f, 153-155, 164, 166f, 175, 186, 191, 193, 199, 223, 241 Verhaltensweisen 112, 117f, 125, 183, 257, 265, 283, 287, 293f, 303 Verheißung 78 Verhexung (sc. des Verstandes) 109f, 145 Verifikation 130, 132f, 164, 166, 170, 249 Verifikationskriterium 161, 170, 173, 195 - empiristisches 161 Verifikationsprinzip 133, 159, 164, 166, 169f, 173, 178, 189, 236, 314 Verifikationsrahmen 162 Verifizierbarkeit 100, 178, 206 Verifizierung, verifizieren 42, 133, 166, 174-178, 180, 186f, 190, 193, 237, 246, 248 - eschatologische 166, 174, 176-178, 186f, 190, 193, 237, 246 Verkündigung 217, 220 Vermittlungstheologie 13, 25, 102, 175, 180, 200 Vernetzung, vernetzt (s. auch Netz und Verflechtung) 59, 90, 115, 129, 131, 133, 149, 151, 160, 170, 173, 182, 185, 189-191, 204, 218, 241, 245, 251, 287, 291f, 294, 311 Vernunft, vernünftig 22, 71, 75, 82, 104, 110, 112, 122, 171, 175, 230, 248, 260, 275, 296, 298, 303, 305 Vernunftgrund 248 Versöhnung 163, 247 Verstand 57, 109f, 113, 145, 268 Verstehbarkeit 26, 208 Verstehen 19, 35, 39, 47, 63, 74, 92, 108, 114-117, 123, 125, 127, 133, 136-138, 143, 171f, 177-183, 186, 189f, 193, 199,

364 207, 210f, 215f, 218, 220, 223, 231-234, 242, 268, 270f, 273, 282, 312, 314 Verstehensweisen 298 Verstehenszirkel (s. auch Zirkel u.ä.) 234, 271, 273, 311 Verwirrung 27, 125, 139, 151, 181, 212, 268 Verzweiflung 266 via negationis 19, 80f vieldimensional (s. auch Mehrdimensionalität) 303 Volkskirche 14 Vorstellung 15f, 20, 23, 26, 33, 35, 37, 45, 47, 52, 56-59, 68, 70, 73, 75, 79, 84, 88f, 91, 96-100, 105-109, 111-113, 117, 120, 123-129, 138f, 143-145, 147, 156, 158, 160, 164, 169, 172, 176, 184f, 191, 196, 206-208, 210, 212f, 224f, 233, 236, 246, 248, 255, 261-264, 268, 286f, 293, 295, 297, 299f, 302-304, 309, 313 VüE 72, 85f, 89, 92-97, 105, 157, 228, 290 VuG 89, 97, 99, 103-105, 131, 149, 152, 180-184, 188, 202, 211, 228, 241, 291 Waage 132 Wahrheit, wahr (s. auch Wahrheitsbegriff u.ä.) 32, 39, 41, 43f, 52f, 55-58, 60f, 126, 128-134, 159, 170f, 174f, 186, 189, 198f, 209, 212, 214, 225, 227, 236, 244246, 251, 256, 261, 268, 277, 295, 298f, 302-305, 310 - Kohärenztheorie s. dort - konsenstheoretisch s. dort - Kontextualismus s. dort - Korrespondenzbegriff der Wahrheit (s. auch Korrespondenztheorie) 22, 129, 159, 302 Wahrheitsanspruch 187, 200, 225, 235, 237, 242, 246, 252 Wahrheitsargument 58 Wahrheitsbedingung 56 Wahrheitsbegriff (s. auch Wahrheit u.ä.) 23, 129, 152, 170, 186, 189, 226, 246, 302 - kontextualistischer 129, 189, 227 - intrasystematischer 246 Wahrheitsentscheid 130 Wahrheitsfindung 188 Wahrheitsfrage 16, 198, 228, 244, 246

Wahrheitsfunktion 29, 45, 49f, 56, 58, 60, 65 - allgemeine Form 29, 50 Wahrheitsgrund 56-58 Wahrheitskriterium 159, 199, 278, 281f Wahrheitsmöglichkeit 55f Wahrheitsoperation 58 Wahrheitsproblematik 270 Wahrheitstafel 55, 91 Wahrheitstheorie 129f, 132f, 187 Wahrheitsvorstellung 304 Wahrheitswert 39f, 44f, 55f, 58, 60f, 95, 130, 135, 162, 186 Wahrheitszuschreibung 130 Wahrscheinlichkeit 57f, 103 Welt 16, 22, 30-42, 44-46, 51, 53-61, 6372, 74-86, 89, 92-96, 102-105, 108f, 124-126, 133f, 136f, 139f, 142, 144-146, 148f, 151, 153-155, 157, 161f, 164-168, 174, 177, 180, 186, 193, 197-199, 205, 208f, 217-219, 224, 227, 229, 235f, 238, 240-242, 247, 254-258, 265-267, 270, 273f, 279, 287, 289f, 295, 302-306, 313 Weltanschauung 28, 53, 81, 117, 143, 151, 162, 187 Weltbild 75, 117f, 150, 161, 169, 240f, 249, 265 Welt-Buch 95 weltimmanent 270, 274, 276 Weltkrieg - Erster Weltkrieg 17, 71f, 84, 228 - Beide Weltkriege 15 Weltliches (s. auch Innerweltliches) 73f Wert 68-71, 73, 94, 112, 121, 171, 187, 218, 278 Wertkriterium 281 Werturteil 94, 96, 187, 295 Wesen, Wesentliches, wesentlich 15, 17, 19, 22, 29, 49, 53, 58f, 63, 92, 101, 115, 121, 123, 125f, 130, 134, 138, 145, 150152, 161, 168f, 188, 191, 196, 199, 201, 206, 215, 239, 244, 246, 261, 263, 274280, 283f, 287, 295-298, 301, 307 Wesenheit 118, 125, 127, 173 Wesensbestimmung 152, 233 Wesenslehre 302 Wesensphilosophie 297

365 Widerspruch (s. auch Kontradiktion) 45, 49, 52, 55, 81, 90, 104f, 131, 170f, 202, 207, 297, 299 Wiener Kreis 16, 20f, 29, 53, 60, 81, 86, 97f, 149, 236 Wille, Willensakt 68, 70f, 77, 145, 246 - ethical will 70f - phenomenal will 70 Willkürlichkeit, willkürlich 22, 47, 49, 59, 62, 66, 112, 128, 131f, 182, 185, 187, 199, 219, 241, 277, 281, 284, 287, 293f, 303 Wirklichkeit 40f, 43, 51, 54, 71, 82, 92, 109, 119, 129f, 133f, 137, 157, 164, 173f, 204, 217, 219, 221f, 225, 227, 229, 249, 253, 258, 273, 276, 278-280, 284, 287, 289, 297, 304-307 Wirklichkeitsbereich 248 Wirklichkeitsbezug 132, 227f Wirklichkeitsdimension 276 Wirklichkeitsschicht 276f, 287-289 Wirkmächtigkeit 292 Wirkung 17, 89, 97f, 118, 134, 159 Wirkungsfähigkeit 275, 277, 281, 288 Wissen, wissen 13, 29, 39, 51, 74, 82, 101-103, 105, 115, 130, 142, 145f, 154, 156, 165, 180, 183f, 208, 255-257, 259, 285 Wissenschaft, wissenschaftlich 14f, 43, 66-68, 89, 100, 102-104, 150f, 184, 186, 202, 212f, 222, 228, 251, 292, 305 Wissenschaftstheorie, wissenschaftstheoretisch 98, 100, 194f, 219, 272 Wollen 70, 86, 95, 105, 143, 145 Wort - Wort Gottes s. unter Gott Wortereignisformel 79

Wortfeld 49, 102 Wortgebrauch 38, 94, 96, 111-113, 130, 146, 163, 173, 178, 181, 191, 232, 235, 297 Wortumfeld 294 Wunderglaube (s. auch Aberglaube) 43, 161 Wunsch 70, 101, 238, 253, 259, 261f Zahl 14, 65f, 91 Zahlenreihe 119 Zahlenzeichen, Zahlzeichen 54, 276 Zahlwort 109 Zahn 138 Zeichen 33, 40, 46-49, 52, 54, 66f, 73f, 110, 113, 195, 209, 275-277, 281, 283, 286-291, 293f, 298, 303, 311 Zeichensystem 137 zeigen, sich zeigen 21, 28, 40, 49, 53f, 57, 59, 63f, 67f, 70-72, 75-77, 87, 91f, 94f, 102, 108, 124, 167, 181, 191, 205, 232, 276, 278, 286f, 310, 313 Zeit 14f, 17, 25, 28, 71, 73, 81-83, 85, 88, 90, 92, 98, 100, 117f, 128, 169, 196f, 262, 268, 307, 314 Zentralsymbol 280, 283, 312 Zirkel, Zirkularität (s. auch Verstehenszirkel) 119, 133, 177f, 180, 186, 189f, 193, 199, 203, 211, 215, 218, 232f, 271, 273, 282, 288, 293, 297, 303, 309, 311, 314 - theologischer 282, 288, 293, 297, 303, 309, 311 Zirkelschluss 197 Zirkelstruktur 231-234, 242, 270, 282 Zufall, zufällig 66, 99, 267, 298 Zweifel, Zweifeln 73, 76, 87, 89, 96, 119f, 134-136, 265f, 304, 305, 310 Zwischenglieder 122, 127, 176, 184, 292