Vom Eigenen und dem der anderen: Supervision in der Trauerbegleitung [1 ed.] 9783666402623, 9783525402627


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Vom Eigenen und dem der anderen: Supervision in der Trauerbegleitung [1 ed.]
 9783666402623, 9783525402627

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V

EDITION

 Leidfaden

Hrsg. von Monika Müller

Die Buchreihe Edition Leidfaden ist Teil des Programmschwerpunkts »Trauerbegleitung« bei Vandenhoeck & Ruprecht, in dessen Zentrum seit 2012 die Zeitschrift »Leidfaden – Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer« steht. Die Edition bietet Grundlagen zu wichtigen Einzelthemen und Fragestellungen im (semi-)professionellen Umgang mit Trauernden.

Eva Chiwaeze

Vom Eigenen und dem der anderen Supervision in der Trauerbegleitung

Vandenhoeck & Ruprecht

In Erinnerung an Matthias Dölling (1956–2016)

Mit 2 Abbildungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-40262-3 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Umschlagabbildung: Steffz/photocase.de © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7 Supervision Ehrenamtlicher – eine Einführung . . . . . . . . . . .  11 Trauerbegleitung – ein kleiner Überblick . . . . . . . . . . . . . . . .  15 Supervision in der Trauerbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  21 Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  29 Monika Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  29 Erwin Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  33 Hannelore Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  37 Marianne Ridder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  41 Gabriele Mariel Pauls-Reize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  44 Praxisbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  53 Teamsupervision der Leiterinnen einer Trauergruppe für Witwer und Witwen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  53 Teamsupervision zur Krisenintervention . . . . . . . . . . . . . . . . .  63 Teamsupervision von Begleiterinnen für Trauerreisen . . . . . .  69 Einzelsupervision – Koordinator Ambulanter Hospizdienst .  76 Einzelsupervision einer ehrenamtlichen Trauerbegleiterin . .  79 Gruppensupervision für ehrenamtliche Begleiterinnen eines Trauercafés . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  82

6   Inhalt

Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  89 Methoden zu Beginn der Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  90 Methoden zur Fallbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  93 Methoden zum Abschluss der Supervisionssitzung . . . . . . . . .  102 Feldkompetenz für Supervision in der Trauerbegleitung . . .  103 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  109 Anhang: Ethische Leitlinien der DGSv (Deutsche Gesellschaft für Supervision e. V.) . . . . . . . . . . . . .  111

Vorwort »Und sie setzten sich zu ihm auf die Erde sieben Tage und sieben Nächte lang, ohne dass einer ein Wort zu ihm redete; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.« (Hiob 2,13)

Trauernde zu begleiten erfordert seelische und emotionale Kraft. Die Erfahrung von Ohnmacht angesichts der existenziellen Berührung durch die Offenbarung tiefen Schmerzes durch das Gegenüber und die damit oft verbundene Angst vor eigenen Verlusten – oder die Erinnerung an eigene Trauer – lösen persönliche Prozesse aus, die der Reflexion bedürfen, um die persönliche Sicherheit, den angemessenen Abstand und die achtsame Aufmerksamkeit für die Trauernden zu behalten. Supervision bietet sich als Format dazu an. Dies ist unbestritten. Supervision ist verpflichtender Bestandteil der durch den Bundesverband Trauerbegleitung (BVT) zertifizierten und anerkannten Ausbildungen zur Trauerbegleitung und wird aktiv Begleitenden regelmäßig empfohlen. Trauerbegleitung wird inzwischen vielfältig angeboten. Der Begriff »Trauerbegleitung«, im Suchportal des Internets eingegeben, findet etwa 500.000 Treffer in einer halben Sekunde. Beim Begriff »Supervision für Trauerbegleiter« sind es circa 40.000 Verweise auf Angebote. Das ist eine Fülle, die dennoch nicht alle aktiv Begleitenden erreicht. Die Masse des Angebotes ist darüber hinaus nicht gleichzusetzen mit dem Maß seiner Qualität und Brauchbarkeit. Trauernde werden oft durch Ehrenamtliche begleitet, die sich auf unterschiedliche Weise auf diese Aufgabe vorbereitet haben. Etliche begegnen Ausbildungsanforderungen, wie sie durch den

8   Vorwort

BVT formuliert wurden1, und auch Supervisionsangeboten mit

großer Skepsis. Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter, die aus therapeutischen und sozialpädagogischen, pflegerischen und seelsorglichen Arbeitsgebieten kommen, sind mit dem Format Supervision vertraut und nutzen es oftmals regelmäßig. Sie arbeiten im professionellen Kontext immer auch persönlich, mit ihren eigenen Erfahrungen und Geschichten, somit sind sie verwickelt. »Trauerbegleitende sollten bereit sein, sich einzulassen auf die Geschichte und das Schicksal eines trauernden Menschen mit dem je individuell erlittenen Verlust«, heißt es in der Beschreibung notwendiger Kompetenzen durch den Bundesverband Trauerbegleitung e. V. (Infobroschüre BVT e. V., 2015, S. 6). Wer verwickelt wird, braucht die Möglichkeit der regelmäßigen Distanzierung und des Verlassens der begleiteten Trauersituation durch Supervision. Für diejenigen, die Trauernde begleiten, ist Supervision notwendig. Die Kosten für die Supervision Ehrenamtlicher übernehmen in der Regel die Hospizvereine oder Kirchengemeinden. Selbstständige Beraterinnen und Berater beklagen allerdings die mit dem Angebot von Supervision verbundenen hohen Kosten. Da Trauerbegleitung durch die Krankenkassen nicht finanziell gefördert wird, fehlen manchen Freiberuflern die finanziellen Mittel für Supervisionseinheiten. »Je mehr ich als Trauerbegleiter über mich selbst und meine eigene Trauer weiß, desto mehr kann ich Trauerbegleiter sein, der in der Lage ist, den individuellen Weg des Trauernden im konstruktiven Umgang mit seiner Trauer zu unterstützen. Demnach ist die Selbsterfahrung, also das Wissen um eigene psychische Mechanismen, ein unverzichtbarer Bestandteil in der Qualität in der Ausbildung von Trauerbegleitern«, postuliert bereits im Juni 2002 anlässlich der Zweiten NRW-Trauerkonferenz der 1 http://bv-trauerbegleitung.de/standards/qualitaetsstandards/

Vor wort   9

Psychotherapeut Thorsten Adelt in einem Vortrag (in: Trauer­ Institut Deutschland e. V., 2003, S. 15). Dieser Anspruch ist auch an die Supervisorinnen und Supervisoren in diesem Arbeitsbereich zu stellen. Das Wissen um das Eigene, um die persönlichen Prägungen durch Abschied und Trauer, ist Voraussetzung für die Reflexion des Umgangs mit dem der anderen. Methodische Sicherheit und Vielfalt allein genügen nicht, wenn die Selbsterfahrung und bewusste Entdeckung und Entwicklung der persönlichen Haltung zum Thema fehlen. Profunde Kenntnis von aktuellen Ansätzen und Methoden in der Trauerbegleitung und der Ergebnisse wissenschaftlichen Forschens bedeuten Kompetenz, die sicheres Arbeiten ermöglicht und Klärungsprozesse trägt. Dieses Buch will zur Supervision ermutigen – die Begleitenden ebenso wie die Supervidierenden. Vor mehr als zwanzig Jahren habe ich als Koordinatorin eines ambulanten Hospizdienstes die Einführung von Supervision für die Ehrenamtlichen miterlebt. Was ist eigentlich Supervision? Diese Frage stellten alle. Sie wollten »sowas« eher nicht, waren verunsichert und hatten Befürchtungen: dass sie nicht gut genug wären; dass sie sich entblößen, vielleicht blamieren würden; dass Dinge, die verborgen sind, ans Licht kämen; dass sie verstört und verwirrt würden, während sie doch intuitiv, aus dem Herzen oder dem Bauch heraus, schon wüssten, was zu tun sei. Weil sie sich dennoch die Supervision zugemutet hatten, standen diese Frauen und der eine Mann gemeinsam mit ihrer Supervisorin am Beginn einer Entwicklung, die Supervision in diesem Hospizdienst heute selbstverständlich und gewünscht sein lässt. Ich möchte die Frage, was Supervision eigentlich ist, kurz und verständlich für die ehrenamtlich engagierten Leserinnen und Leser beantworten. Für die Supervisorinnen und Supervisoren in diesem Feld werde ich darüber hinaus darstellen, welche spezifischen Notwendigkeiten die Supervision in der Trauer-

10   Vorwort

begleitung vor allem bei Ehrenamtlichen hat. Durch ein Interview mit Monika Müller wird lebendig, wie das Angebot von Trauerbegleitung in Deutschland sich entwickelt hat – schon von Anfang an war den Initiierenden bewusst, welche Notwendigkeit und Qualität die Supervision für Trauerbegleiter hat bzw. haben muss. Alsdann kommen Ehrenamtliche und hauptberufliche Begleiter zu Wort, um zu beschreiben, warum sie keine Supervision in Anspruch nehmen oder aber, warum sie ihnen so wichtig ist. Im Praxisteil werden eine Auswahl möglicher Methoden sowie Fallbeispiele vorgestellt. Dazu gehören zwei Beispiele von Supervisionsprozessen als Elemente von Trauerbegleitung. Die im Anhang abgedruckten ethischen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Supervision e. V. enthalten die spezifischen Anforderungen an die Supervision/Supervisoren und sind Rahmen und Hintergrund meiner Ausführungen. So hoffe ich, Supervisorinnen und Supervisoren zur persönlichen und methodischen Vertiefung des Arbeitsfeldes Trauerbegleitung einzuladen und Begleitende zu inspirieren, Supervision wahrzunehmen.

Supervision Ehrenamtlicher – eine Einführung

Supervision als Beratungsform geht zurück auf die Entstehung der Sozialarbeit in den USA vor mehr als hundertfünfzig Jahren. Ehrenamtliche sollten dabei unterstützt werden, ihre Betreuungsarbeit für ankommende Einwanderinnen und Einwanderer sachlich angemessen und persönlich gut erträglich tun zu können. Sie wurden fachlich durch die – meist hauptberuflich arbeitenden – Leitungskräfte beraten. Die englische Vokabel für Leitungskraft ist »Supervisor«. In den 1950er Jahren wurde Supervision zunehmend relevant für psychotherapeutisch ausgerichtete Arbeit. Selbstreflexion und Wahrnehmung der eigenen emotionalen Beteiligung in Beratungsprozessen zur Klärung und Entwicklung des professionellen Umgangs mit den Klientinnen und Klienten waren Thema. Es ging nicht mehr ausschließlich um die Vermittlung solider Arbeitsgrundlagen durch am konkreten Fall orientierte, auch fachlich (be-)lehrende Beratung, sondern um die Wahrnehmung eigener emotionaler Prozesse und die Betrachtung der ihnen folgenden Handlungen. Insbesondere das Phänomen der nichtbewussten Übertragung eigener Gefühle, Erwartungen, Einstellungen und Systeme in die Erlebniswelt der Klienten kam in den Blick. Die Supervision Ehrenamtlicher war, wie bereits erwähnt, der Ursprung von Supervision und ist heute wieder ein wachsendes Arbeitsfeld. In vielen Bereichen der Gesellschaft sind Menschen heute ehrenamtlich engagiert und tragen so zur Kompensation der durch die Veränderung von Familien- und Nachbarschafts-

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Supervision Ehrenamtlicher – eine Einführung

strukturen ausfallenden Pflege- und Betreuungsleistungen bei. Ehrenamtliche im Bereich der Hospizarbeit, Telefonseelsorge, Notfallseelsorge oder als Begleitende demenziell erkrankter Menschen erwarten heute häufig, dass ihr Engagement ihnen bei der persönlichen Entwicklung und Sinnfindung dient: »Mut haben, Dinge ausprobieren, zu reflektieren, zu möglichen Fehlern stehen. Gelassenheit und Geduld. Mehr Selbstvertrauen, auch eigener Intuition zu trauen. Unsere positive Entwicklung wird von der Außenwelt gespiegelt. Wir sind Multiplikator und Ansprechpartner. Wir haben tieferes Verständnis für das Menschsein. Wir erleben Bereicherung für unser persönliches Leben, die uns beim Sterben von Familie und Freunden hilft. Wir lernen ständig und entwickeln uns weiter. Wir haben Respekt vor dem Anderssein« – so beschreiben es ehrenamtliche Sterbebegleiterinnen.2 Die Begegnungen zwischen Hilfebedürftigen und Helfenden geschehen zunehmend auf Augenhöhe und in gegenseitigem Respekt – und die dankbare Folgsamkeit der Betreuten wird so nicht mit Gottes Lohn verwechselt. Diese persönlichen Entwicklungen und Erfahrungen haben Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben: Verständnis, Toleranz, die Fähigkeit, sich zu entwickeln und sich als Lernende zu begreifen, die die Angst vor dem Anderssein verlieren, sind Haltungen, mit denen unsere Gesellschaft den vielfältigen notwendigen Veränderungsprozessen eher gewachsen ist als durch Angst und Feindseligkeiten. Doch neben positiven Entwicklungsprozessen erfahren die Ehrenamtlichen natürlich auch Belastungen3: »Wir können oft nicht Abschied nehmen. Die körperlichen Symptome, die Laute, die Gerüche in Sterbeprozessen belasten uns ebenso wie schwie2 Arbeitsgruppenergebnis »Entwicklung« beim Fortbildungswochenende der Hospizgruppe Lüdinghausen im Juni 2016. 3 Arbeitsgruppenergebnis »Belastungen« beim Fortbildungswochenende der Hospizgruppe Lüdinghausen im Juni 2016.

Supervision Ehrenamtlicher – eine Einführung  

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rige Familienverhältnisse, in denen die begleiteten Menschen sterben. Das ist schwer auszuhalten. Es fällt uns schwer, uns selbst Grenzen zu setzen und sie dann einzuhalten. Manchmal können wir nicht loslassen. Wir müssen mit Ablehnung umgehen, ohne sie persönlich zu nehmen, und Vertrauen von Vertraulichkeit unterscheiden. Wir müssen mit der Angst umgehen, dass unsere Familien oder wir in ähnliche Situationen kommen. Wir müssen aushalten, uns rauszuhalten.« Anhand der genannten Belastungen wird das Themenfeld der Supervision Ehrenamtlicher deutlich. Sie ist sowohl daran orientiert, am Fallbeispiel zu arbeiten als auch in der Reflexion eigener emotionaler Einbindungen. Im Kontext der Supervision Ehrenamtlicher geht es in der Regel auch um das Erleben der Verbundenheit in einer Gruppe. Das ist ein Supervisionsauftrag, aus dem sich ebenso Empfehlungen für die Struktur von Supervisionssitzungen wie herausfordernde Themen (Ehrlichkeit – Konfliktfähigkeit – Durchlässigkeit) ergeben.

Trauerbegleitung – ein kleiner Überblick Haus ohne Fenster Der Schmerz sargt uns ein in einem Haus ohne Fenster. Die Sonne, die die Blumen öffnet, zeigt seine Kanten nur deutlicher. Es ist ein Würfel aus Schweigen in der Nacht. Der Trost, der keine Fenster findet und keine Türen und hinein will, trägt erbittert das Reisig zusammen. Er will ein Wunder erzwingen und zündet es an, das Haus aus Schmerz. Hilde Domin

»Die Zeiten, in denen die Begleitung trauernder Menschen mehr oder weniger selbstverständlich im familiären Umfeld oder in einer kirchlichen Gemeinde stattfand, liegen lange zurück. Gesellschaftliche Veränderungen haben es mit sich gebracht, dass viele Menschen, die von einem Todesfall betroffen sind, weitgehend unverbunden oder vollständig allein zurückbleiben. Sie haben ein berechtigtes Bedürfnis nach Anerkennung ihres Schmerzes und ihrer Trauer, finden aber in vielen Fällen nicht das Verständnis und die Wertschätzung, die sie als Trauernde

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Trauerbegleitung – ein kleiner Überblick

benötigen. Das nachvollziehbare und wichtige Bedürfnis, eines verstorbenen Menschen zu gedenken, die Erinnerung wach zu halten und immer wieder davon zu erzählen, findet keine oder häufig nur eine zeitlich begrenzte Beachtung. […] Umso mehr stellt sich heute die Frage, wo Menschen in Trauer Orte und Rahmenbedingungen finden, in denen sie trauern dürfen und wo sie Mitmenschen treffen, die ihnen auf dem individuellen Weg durch ihre Trauer begleitend zur Seite stehen. Gemeint ist damit eine solidarische und mitmenschliche Begleitung, die einer Qualifikation bedarf und die jenseits einer (Psycho-)Therapie stattfindet. Trauer als natürliche Reaktion eines Menschen auf Verlust erfordert keine Therapie, sondern Menschen, die in der Lage sind, sich solchen Situationen zu stellen, sie auszuhalten und auf Augenhöhe im Tempo des trauernden Menschen in eine echte und zugewandte menschliche Begleitung zu gehen« (Bundesverband Trauerbegleitung, 2015, S. 5). Diese Passage aus einer Informationsbroschüre des Bundesverbands Trauerbegleitung beschreibt und fasst die Entwicklung der vergangenen dreißig Jahre zusammen. Die Angebote umfassen heute Einzelsettings, Gruppen, die zur Teilnahme offen oder geschlossen, zeitlich begrenzt oder unbegrenzt stattfinden, Trauercafés, Trauerreisen, Trauerseminare, Trauerwanderungen und mehr. Häufig werden sie durch Kirchengemeinden oder Hospizgruppen organisiert. Auch private Anbieterinnen und Anbieter sind zu finden. Trauerbegleitung wurzelt in der Hospizarbeit. In den 1980er Jahren entwickelte sich die Hospizbewegung. Der Forderung nach einem anderen Umgang mit Sterben und Tod schloss sich die Erfahrung an, dass trauernde Menschen regelmäßig Unverständnis und Isolation erleben und Begleitungsangebote sinnvoll wären. Im kirchlichen Raum und in einigen Familienberatungsstellen entstanden Angebote für Trauernde, häufig geleitet von ehrenamtlich oder hauptberuflich Tätigen, oft Seelsorgenden der jeweiligen Gemeinden. Die Angebote unterscheiden sich bis

Trauerbegleitung – ein kleiner Überblick  

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heute. Der Prozess der Trauer wird vielfältig betrachtet, reflektiert und erforscht. Auch Begleitungskonzepte werden regelmäßig hinterfragt und weiterentwickelt (vgl. Brathuhn und Adelt, 2015). Trauer soll Raum haben in der Gesellschaft, sie soll sich entwickeln können und Begleitung sollte all jenen zur Verfügung stehen, die sie wünschen. Trauer soll enttabuisiert werden. Trauernde sind, nachdem sie den Tod eines Angehörigen erlebt haben, damit konfrontiert, weiterzuleben – aber auch mit der unumstößlich für eine geraume Zeit nicht mehr zu verdrängenden auch eigenen Endlichkeit. Begleitung ist sicherlich häufig hilfreich und dennoch bei Weitem nicht immer nötig. Ob ein Bedarf für sich besteht, weiß der Betroffene allein. Die öffentliche Diskussion von Trauer, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Trauerprozessen, mit den konstatierten und wenig erforschten Bedürfnissen von Trauernden sowie deren – wenn mögliche – Erfüllung bringen mit sich, dass Trauerwege immer mehr normiert und kontrolliert werden können (vgl. Foucault, 1977). Manche sehen sich mit Erwartungen an ihr Verhalten und ihre Bedürfnisse als Trauernde konfrontiert, die nicht ihrem eigenen Erleben entsprechen. Zuweilen werden sie auf die Neugestaltung ihres Lebenssinns und des Standes ihrer Lernprozesse so häufig angesprochen, dass sie die Effizienz ihres Trauerprozesses für die Gestaltung des Weiterlebens mit dem selbstverständlich zu integrierendem Verlust meinen regelrecht belegen zu müssen – alles muss zu etwas zunutze sein. Aufmerksame Mitmenschen empfehlen professionelle, mindestens zertifizierte Trauerbegleitung. Trauernde erleben Beileidsbekundungen großer Emotionalität von Menschen, die sie zu unpassenden Zeitpunkten ungebeten mit ihrem Schmerz konfrontieren. Besorgte Fragen danach, ob der Schmerz, den der Trauernde vielleicht nicht so kostbar findet wie der außenstehende Betrachter, fließen darf, setzen unter Druck. Fragen

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Trauerbegleitung – ein kleiner Überblick

danach, ob man sich seinen Gefühlen stellt, um auch dauerhaft gesunden zu können, ohne die Zinsen für einen Verdrängungsprozess zu zahlen, werden manchmal sogar recht übergriffig gestellt und belasten manch Trauernden. So wird aus dem Recht zu trauern manchmal die Pflicht, so zu trauern, wie es nach dem neuesten Stand des wohlmeinend interessierten Mitmenschen am gesundesten und effektivsten sei.4 Michael Wissert hat damit begonnen, im Rahmen der Studie »TrauERleben«5 zu untersuchen, wer von Trauerbegleitung profitiert, was Trauernde als hilfreich empfinden und wovon Begleitende glauben, dass es hilfreich sei. Zunächst deutet sich an, dass Menschen nach unvorbereiteten, oft auch gewaltbehafteten Todesfällen naher Angehöriger, vor allem des Partners oder eines Kindes, die also durch ihre Erfahrung stark belastet und aus dem Alltag geworfen sind, von Trauerbegleitung profitieren. Vor allem empfinden sie es als hilfreich, dass ihnen zugehört und dass ihre Trauer in Art, Umfang und Tiefe akzeptiert wird. Sie wünschen sich darüber hinaus Unterstützung bei der Entwicklung von Ideen, mit der Erfahrung ihrer Trauer wieder zu alltagstauglichem Umgang mit sich zu finden. Dem Austausch über die belastenden tiefen Gefühle, den Schmerz sowie Methoden und Ritualen wird weniger Bedeutung zugemessen. Begleitende wiederum glauben, dass von ihnen in erster Linie der Umgang mit Schmerz und Gefühlen sowie Sicherheit in Methode und Ritual erwartet werde. Dieser vermeintliche Widerspruch ist eine Quelle supervisorischer Themen. Im Ergebnis ist es dieser, der Auseinandersetzung mit möglichen Gefühlen Trauernder folgende, respektvolle Umgang mit ihnen, der ihnen den spürbaren gewünschten 4 Persönliche Ansicht der Autorin nach Selbsterfahrung, noch nicht erforscht und bewiesen. 5 Zusammenfassung der Studie und ihrer Ergebnisse: www.projekt-trauererleben.de

Trauerbegleitung – ein kleiner Überblick  

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Raum gibt, ihre Trauer zu äußern. Unter Druck geraten Begleitende, die anfangen, sich verantwortlich zu fühlen für die Gefühle der Trauernden: Sind alle vorhanden? Zu stark – zu schwach – pünktlich – verzögert – …? Überall dort, wo Begleitende Trauernden die Gestaltung ihres je eigenen Weges überlassen, erleben diese Respekt und Akzeptanz. Die Herausforderung der Begleiterinnen und Begleiter besteht also darin, die Trauernden ihren eigenen Weg suchen und finden zu lassen und Schmerz und vermeintliche Umwege auszuhalten. Das konfrontiert Begleitende immer wieder mit ihren eigenen Gefühlen, Erwartungen und Ängsten sowie mit der vermeintlichen Wirkungslosigkeit ihres (Nichts-)Tuns. Die Kenntnis der Trauertheorien unterstützt die Einordnung von Verhaltensweisen – nicht nur, um den Progress des Trauernden zu diagnostizieren, sondern um die eigene Sicherheit in der Begleitung zu etablieren. Diese kann dann wiederum an den Trauernden weitergegeben werden, wenn er Angst hat, in der belastend heftigen Vielfältigkeit des Trauerprozesses zu kentern. Wichtig für eine gute Trauerbegleitung ist, dass sie qualitativ hochwertig ist und von reflektierten und empathischen Menschen angeboten wird.

Supervision in der Trauerbegleitung

Eine gängige Frage zu Beginn einer Supervisionssitzung mit Ehrenamtlichen ist: Was soll hier in den nächsten Stunden geschehen, damit Sie zufrieden gehen? Die folgende Antwort ist eindeutig und beschreibt, was gute Supervision zu bieten hat und leisten kann: »Ich möchte mit größerer Klarheit, entlastet, mit einer Idee für meinen nächsten Schritt, vertrauensvoll und ermutigt mit Freude gehen.«6 Um Begleitende gut zu supervidieren, ist es unerlässlich, einige theoretische Kenntnisse über psychologische Mechanismen in einem solchen Setting zu haben. Übertragungen, Projektionen und Gegenübertragungen sind in der Reflexion von Begleitungsprozessen Trauernder von erheblicher Bedeutung, geht es doch um die Arbeit mit existenziellen Gefühlen aller Richtungen. Trauernde lösen oft beim Gegenüber Betroffenheit, Verunsicherung, Angst und den Drang, etwas zu tun, aus. Um in der Verunsicherung Sicherheit zu gewinnen, bietet es sich für Begleitende an, die eigenen Vorstellungen vom Fühlen in einer solchen Situation vom anderen zu erwarten, verwirklicht zu sehen, sie also zu projizieren und entsprechend zu reagieren. Eigene Trauererfahrungen wiederum können in der Gegenübertragung dazu führen, sich vor dem Wiedererleben zu schützen oder aber in das eigene Erleben zu gehen und daraus zu 6 Eine Teilnehmerin in der Eröffnungsrunde einer Supervisionssitzung vom 18. 05. 2015.

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Supervision in der Trauerbegleitung

reagieren. Das erklärt die teilweise unbeholfenen Reaktionen auf Trauernde. Supervision in der Trauerbegleitung wird sich also immer auch mit Emotion und Beziehung, Wertesystemen und existenziellen Fragen beschäftigen müssen, sie kann nie nur am Fall orientiert und auf Wissensvermittlung konzentriert sein. Trauerbegleitung lässt sich nicht versachlichen, sie hat grundsätzlich eine persönliche Komponente. Sie ist immer Begegnung, wenn nicht gar Konfrontation mit der Endlichkeit – der eigenen und der von Bezugspersonen. Neben den genannten Themen ist regelmäßig der mit dem Begriff »vicarious grief« (vgl. Howarth und Leaman, 2003, S. 225) bezeichnete Prozess der begleitenden Trauer, der auftritt, wenn Menschen ob des Todes anderer, ihnen überhaupt nicht persönlich bekannter oder wenig vertrauter Personen selbst trauern, Gegenstand von Supervision in diesem Themenfeld. Heute gibt es vielfältige theoretische Begründungen und methodische Ansätze von Supervision (vgl. Möller, 2012). Die in der humanistischen Psychologie wurzelnden Verfahren bieten sich für die Supervision von Trauerbegleiterinnen und Trauerbeleitern an. Viele Fachgesellschaften beschäftigen sich mit dem Umgang mit Trauer – in Teams, mit Betroffenen, als Begleitende – und entwickeln die Ansätze weiter. So auch Ulrich ­Pfeifer-Schaupp aus Freiburg: »Wie können Trauer und (Abschieds-)Schmerz in der systemischen Supervision und Beratung angemessen und hilfreich thematisiert werden? Im systemischen Ansatz werden Probleme gerne als Lösungen gesehen. Dabei besteht meines Erachtens die Gefahr, Phänomene wie Trauer, Abschied, Tod und Schmerz allzu schnell umzudefinieren und – im Sinne des Wortes – nicht ›wahr‹ zunehmen oder sie zu verdrängen. Probleme sind nicht nur Lösungen […], es gilt, auch schmerzvolle Erfahrungen, insbesondere Trauer, als solche offen zu thematisieren, wo es angemessen ist, sie zu würdigen und ihnen in der Supervision einen

Supervision in der Trauerbegleitung  

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angemessenen Raum zu geben. Eine ausschließliche und vor allem kurzfristige Lösungsorientierung angesichts existenzieller Grenzerfahrungen erscheint nicht hilfreich. […] Zunächst geht es darum, Trauer einfach wahrzunehmen, das Sonnenlicht der Achtsamkeit auf unsere Trauer scheinen zu lassen – es wird sie verwandeln. Achtsamkeit für den Atem, Achtsamkeit für unsere Gefühle. Achtsamkeit für das, was ist, ob Trauer, Wut, Langeweile oder Freude, scheint mir vielleicht die wichtigste Grundhaltung – auch für Systemikerinnen. Es geht nicht um einen Trost, der ›erbittert das Reisig zusammenträgt‹, um ein ›Wunder zu erzwingen‹, wie es Hilde Domin so wunderschön formuliert hat. Wir ›zünden es an, das Haus aus Schmerz‹ – aber häufig geht es darum, das ›Haus aus Schmerz‹ einfach sein zu lassen, ohne es mit Trost zu belagern. Hier – wie bei den anderen Grundhaltungen – kann Supervision den Helferinnen Anregungen vermitteln, die sie auch an Kollegen wie an Klienten weitergeben können« (2008, S. 32, 44). In der im Psychodrama verwurzelten Supervision sind die Methoden der surplus reality, der Aufstellung und des Rollentausches wirkungsvolle, aber mit großer Sorgfalt und auf der Basis erheblicher Erfahrung einzusetzende Methoden, durch die Übertragungen und Projektionen sowie kreative, auch über den Verlust hinausweisende Ideen freigesetzt werden können. Insbesondere im Umgang mit Gruppen sind das theoretische Modell und die vielfältigen gruppenpädagogischen Methoden der Themenzentrierten Interaktion (TZI) hilfreich und weiterführend.7 Beratende bedienen sich oft der Elemente verschiedener psychotherapeutischer und kommunikationswissenschaftlicher Verfahren und Ausbildungen. Eine allgemein geltende wissenschaftliche Definition von Supervision ist bislang nicht gelungen, 7 Informationen: http://www.ruth-cohn-institute.org/tzi-konzept.html

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Supervision in der Trauerbegleitung

auch wenn inzwischen Supervision mit wissenschaftlich fundierter Grundlage zum Studienfach geworden ist (vgl. Schreyögg, 2010). Menschen ohne Supervisionserfahrung, zumeist ehrenamtlich Engagierte, stehen häufig dem Angebot oder gar der Aufforderung skeptisch gegenüber, weil sie Supervision hierarchisch deuten: Jemand, ein Experte, erzählt mir, was ich zu tun oder zu lassen habe. Nach den geltenden europäischen Standards und von ihrem Anspruch her ist die inhaltliche Dimension des Begriffes »Supervision« hingegen perspektivisch und nicht hierarchisch zu deuten: Jemand, der nicht »drinsteckt«, schaut von außen darüber. Von Respekt getragener Überblick, der durch die Distanz zum Geschehen entsteht – und nicht die vorgesetzte Belehrung –, macht gute Supervision aus. »Supervision und Coaching sind die konzeptionellen Grundlagen für die Beratung von Personen in ihren beruflichen Rollen und Positionen. Zentrales Element des Beratungsprozesses ist die Reflexion. Der Ratsuchende wird dabei unterstützt, Klärung und Entwicklung auf Basis eigener Erkenntnisse zu erreichen.«8 Diese Definition bezieht sich auf berufliche Arbeitszusammenhänge. In der Trauerbegleitung sind etliche Begleiter/-innen ehrenamtlich engagiert. Die immer auf einen Fall bezogene Arbeit an Zusammenhängen und eigenen Anteilen wird in der Supervision von Ehrenamtlichen durch die Erwartung positiven Gruppenerlebens, Selbsterfahrung und auch den Wunsch nach Hilfe bei persönlichen Lebensfragen erweitert. Hinzu kommen möglicherweise nicht bewusste Konkurrenzen zwischen der hauptberuflichen Supervisorin und den unentgeltlich Beschäftigten und innerhalb der Gruppe oder des Teams (vgl. Belardi, 2015, S. 170 ff.). 8 Definition der Deutschen Gesellschaft für Supervision, DGSv, Köln – http://www.dgsv.de

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Anders als ausgebildete Sozialarbeiterinnen, Beraterinnen und Therapeutinnen sind vielen Ehrenamtlichen die Sprache, die Theorien und die Kulturen der methodischen Schulen nicht vertraut. Manchen ist die Reflexion eigener Gefühle und Bedürfnisse zunächst fremd. Sie wollen etwas für andere tun und haben möglicherweise zunächst Hemmungen, sich zum Thema zu machen – also in den Mittelpunkt zu stellen. Deshalb ist ein wertschätzendes, angstfreies Klima in der Supervision für Ehrenamtliche wesentlich. Ein inhaltlich gebotenes klares Hinterfragen der Motivation und der nicht bewussten eigenen Erlebnisanteile als Ursprung von zu thematisierendem Übertragungsgeschehen kann verschrecken, wenn dem nicht die ernst gemeinte und auch tatsächlich empfundene Würdigung des Tuns vorausgeht und folgt. Wer ein ehrenamtliches Engage­ment eher als Ausdruck persönlicher Defizite deutet, sollte Ehrenamtliche nicht supervidieren. Die Fähigkeit, das eigene Verhalten fragend zu betrachten, muss oft erlernt werden, da viele der über 60-Jährigen, in diesem Zusammenhang überwiegend weiblichen Ehrenamtlichen geprägt sind von der Haltung, dass eine Frage an sich schon Kritik bedeutet.9 Die gewünschte Vertrautheit in der Gruppe kann sich als brüchig erweisen, vor allem wenn es in der Supervision »zu tief« geht, wenn zu viel Persönliches in die Öffentlichkeit gelangt, sorgfältig zum Eigenschutz und zur eigenen Sicherheit gepflegte Selbstbilder wackeln und vor allem im kleinstädtischen und ländlichen Milieu das Gefühl bleibt, das Gesicht verloren und zu viel gezeigt zu haben. Behutsamkeit ist angebracht. Dennoch: Wenn es keine »Fälle« aus dem ehrenamtlichen Tun zu besprechen gibt, können in einer sich vertrauenden Gruppe per9 »Dass ihr so früh über euch und das, was ihr im Leben wollt, nachdenken durftet und konntet, das erschüttert mich. Das durfte ich nicht« (Maria, 65 Jahre, im Vorbereitungskurs auf ein hospizliches Ehrenamt).

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Supervision in der Trauerbegleitung

sönliche Fragestellungen im vom Protagonisten vorgegebenen und zu achtenden Rahmen Raum nehmen, weil die Beschäftigung mit Trauer immer wieder die Sicherheit im Erleben des eigenen Lebens in Frage stellt. Supervision und Coaching setzen die Bereitschaft voraus, einen ergebnisoffenen Beratungsprozess zu gestalten. Der weitgehend unabhängigen Position der Supervisorin kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Erfahrung und Wissen um die zu bearbeitenden Themenfelder und eine solide Ausbildung zur Supervision tragen zum Gelingen dieses Anspruches bei. Supervision wird sowohl Einzelnen als auch Gruppen oder Teams angeboten. Diese Beratungsform unterscheidet sich von Therapie und Fort- und Weiterbildung. Eigentlich. Immer wieder kommt es, je nach Bedürfnislage der Supervisanden und Qualifikation der Supervidierenden, zu Vermischungen. Die Bearbeitung eigener persönlicher Anteile, nicht bewusster eingesperrter Erlebnisse und biografischer Prägungen berührt die Grenze therapeutischen Arbeitens. Im ehrenamtlichen Kontext ergeben sich oft aus einer Fallbearbeitung Themen, zu denen sich ad hoc Fortbildungsimpulse anbieten. Regelmäßig kommt es vor, dass niemand etwas einzubringen hat – dann ist »eigentlich« alles klar. Eine angemessene supervidierende Intervention könnte sein, die Sitzung zu beenden – wenn es nichts zu besprechen gibt. Das allerdings wird kaum eine Gruppe ehrenamtlicher Begleitender verstehen oder akzeptieren. Sie bringen immerhin ihre Zeit ein – und erwarten etwas, auch wenn sie gerade nichts zur Besprechung vorlegen. Als Thema bietet sich dann an zu fragen, warum das so ist, um möglichen Widerständen nachzugehen. Die Beantwortung dieser Frage erschöpft sich gelegentlich in Einsilbigkeit. Dann ist also auch das Thema »Widerstand« nicht dran. Weiterführend ist in solchen Situationen beispielsweise das Angebot, an Themen zu arbeiten, die die Gruppe zur

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Aktualisierung des Wissens besprechen möchte.10 Deswegen ist es hilfreich, wenn die Supervisorin oder der Supervisor auch als Weiterbildender in der Thematik fit und mit gruppenpädagogischen Methoden vertraut ist. Supervision ist bei hauptamtlichen Begleitenden ein bekanntes und – wenn finanzierbar – genutztes Format. Supervisionsthemen, die sich hier stellen, betreffen fallorientierte Klärungen auf Basis von wissenschaftlich fundiertem Fachwissen, die Bearbeitung eigener durch die Begleitung oder Beratung indizierter Prozesse und den Erhalt der Offenheit für die Trauernden. Chris Paul, eine der renommiertesten deutschen Trauerbegleiterinnen, antwortet auf die Frage, was sie von Supervision erwartet: »Ich bin als Trauerbegleiterin mit dem Hintergrund Heilpraktikerin für Psychotherapie, als Trainerin und als Autorin tätig. Für alle drei Felder nutze ich meine Supervisorin. Ich besuche meine Supervisorin nicht, weil sie viel von Trauer versteht (tut sie tatsächlich etwas weniger als ich selbst). Aber sie ist mir weit voraus, wenn es um Gruppenprozesse und um psychische Störungen geht, ich lerne auch von ihr. Vor allem ist sie großartig darin, meine eigenen Prozesse mit mir anzusehen und mir Impulse zu geben. Ihre Haltung ist menschenfreundlich und ressourcenorientiert, sie ist gelassen, fern von Vorwürfen gegen irgendjemanden, respektvoll und unterstützend für mich in meinem Prozess – und das alles auch in Richtung auf die Klientinnen und Klienten und Gruppenteilnehmerinnen 10 Eine Gruppe Ehrenamtlicher aus einem Trauercafé fand beispielsweise kein aktuelles Thema. Eine Teilnehmerin hatte in der Eingangsrunde erzählt, dass sie sich beim Kondolenzschreiben an eine Nachbarin trotz aller Erfahrung schwer getan habe. Die Supervisorin greift das Thema auf und bietet es der Gruppe an. Im Ergebnis beschäftigten die Teilnehmenden sich mit ihrer Rolle als Trauerbegleitende, den Ansprüchen, die sie daraus an sich und ihre Aufmerksamkeit haben, und mit dem Aspekt der Beziehung zum Hinterbliebenen und der Verstorbenen als Indikator für das eigene Handeln.

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und Gruppenteilnehmer, über die ich bei ihr sprechen kann. Die hohe menschliche und fachliche Kompetenz und der ›gute Draht‹, den wir miteinander haben, die Übereinstimmung des Menschenbildes und des Verständnisses von fachlicher Unterstützung schätze ich an ihr. Am meisten brauche ich sie mit all diesen Kompetenzen wohl in ihrer Parteilichkeit für mich. Angesichts der vielen Menschen, die ich als Beraterin und Trainerin bei der Entwicklung ihres Potentials unterstütze, brauche ich diese Fachperson, die für mich und meine Prozesse und Entwicklungen da ist« (E-Mail an Autorin, Juni 2016). Michaela Pfadenhauer warnt aus professionssoziologischer Sicht davor, dass in dem »wohl kritischsten Moment der Begegnung« zwischen Professionellem und Ratsuchendem, »der Festlegung dessen, was ›eigentlich‹ der Fall ist«, das Damokles­schwert der vorschnellen Verkürzung der individuellen Problemlage drohend im Raum schwebt. »Der Professionelle transformiert in einem Prozess der Zuschneidung [und] der Konkretisierung […] die diffuse Schilderung des Klienten in ein spezifisches und damit überhaupt erst professionell zu bearbeitendes Problem«. Dieser Zugriff kann aus erkenntnistheoretischen Erwägungen nicht von der ganzheitlichen Position der Ratsuchenden aus erfolgen, sondern er folgt zwangsläufig den Problemdefinitionen und Lösungskonzepten, die durch das verfügbare Expertenwissen der Berater zur Verfügung stehen. »Das diffus vorliegende Problem wird also einem Problem­typus angeglichen, zu dem eine Lösung verfügbar ist«, und dabei nicht selten massiv »zugeschnitten, zugespitzt, umgedeutet [und] definiert« (Pfaden­hauer, 2003, S. 139–141, 150).

Interviews

Monika Müller

Monika Müller ist Autorin, Supervisorin und Therapeutin. Sie beschreibt im folgenden Interview die Anfänge der Trauerbegleitungsausbildung und deren notwendige Ansprüche an Qualität. EVA CHIWAEZE (EC): Wie bist du zur Beschäftigung mit Trauer gekom-

men? MONIKA MÜLLER (MM): Während meiner Beschäftigung in der Fami-

lienbildungsstätte Bonn kam eine Studentin der Psychologie auf mich zu. Sie wollte eine Doktorarbeit über die Trauer machen, und so entstand die Idee einer ersten Trauergruppe. Es stellte sich die Frage, wer die Gruppe begleitet. Mit der Entwicklung der Hospizbewegung und den Entwicklungen für sterbende Menschen kam uns verstärkt die Situation der trauernden Angehörigen in den Blick. EC: Wie ist die Idee entstanden, eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin anzubieten? MM: Wir haben Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre beobachtet, dass vielerorts durch Menschen aus diversen Berufsrichtungen mit sehr unterschiedlichen Prägungen Trauernden Begleitung angeboten wurde. Leider nicht zwingend qualifizierte Begleitung. Es gab kein einheitliches Konzept zur fundierten Begleitung Trauernder. Es fehlten Standards, wie zum Beispiel die notwendige Definition von Zielen im Begleitungsprozess oder zur Frage, ob

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Begleitende in den Prozess der Klienten eingreifen sollen oder dürfen – oder eher nicht. EC: Die Verpflichtung zur Supervision für die Teilnehmenden am Ausbildungsgang ist Bestandteil des Curriculums – warum? MM: Im Laufe der Zeit zeigte sich, dass die Fortbildung zum Trauerbegleiter Grundlage für die Arbeit ist, aber allein nicht ausreichend ist, weil laufende Prozesse auch der Reflexion und Begleitung bedürfen. Supervisionsangebote waren Wunsch der Teilnehmenden, denn die Ausbildenden konnten im Laufe der Zeit nicht mehr alle Fragen aus den Prozessen beantworten. Heute sind (mindestens) fünf Einzelsupervisionen Bestandteil der Ausbildung. EC: Es gibt Menschen, denen das Format Supervision fremd, manchmal sogar höchst unsympathisch ist. Woran mag das liegen? MM: Ich glaube, es ist die Angst, dass ungeschützt das Intimste nach außen gekehrt wird. Manche haben ja durchaus schlechte Erfahrungen gemacht, wenn zum Beispiel in Teamsupervisionen Prozesse über das Angemessene hinausgingen. Hinzu kommt das Unbehagen daran, sich weiter zu hinterfragen oder die Befürchtung, doch manches verkehrt gemacht zu haben oder Trauerprozesse nicht im Sinne der Betroffenen gesehen zu haben. EC: Was sind wichtige Themen der supervisorischen Fragestellungen für Trauerbegleitende? MM: Das gesamte als Übertragung definierte Spektrum der Versuchungen in der Begleitung: (»als ich damals unser Kind verlor  …«); die Übertragung der eigenen emotionalen Erfahrungen in die Erwartung an die Reaktion des Gegenübers oder die Abwehr der Begegnung mit den eigenen schmerzhaften Emotionen durch die Vermeidung bestimmter Themen. Wesentlich ist auch die Übertragung des eigenen Konzeptes von dem, wie Trauer »richtig« oder »konstruktiv« sein sollte, als Erwartung auf die Begleiteten. Auch die Aktualität in der Kenntnis neuer Forschungsergebnisse und Erfahrungen Trauernder und Begleitender ist wesentlich, damit zum Beispiel nicht versucht wird, anhand

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des Vier-Phasen-Modells den Prozess zu steuern. Nicht immer gelingt es, die große Diversität der Trauernden und ihrer Wege zu akzeptieren. Viel Anstrengung entsteht auch, wenn die Begleitende sich die Ziele des Trauernden zu eigen macht. So wird zu viel an Symptomen gearbeitet. EC: Wie meinst du das? MM: Wenn eine Trauernde zum Beispiel über Schlafstörungen klagt und der Begleiter dann Techniken, Verfahren oder Medizin zur Beseitigung dieser vollkommen angemessenen und dem Prozess immanenten Schlaflosigkeit anbietet und dabei nicht genug Raum für den Trauernden selbst lässt, dieses Problem für sich zu bewerten, seinen Sinn und letztlich seinen Umgang damit zu finden. Zu diesen Fragestellungen gibt es einige interessante Untersuchungen. So hat Michael Wissert bei »TrauERleben« (www.projekt-trauererleben.de) die gegenseitigen Erwartungen Trauernder und der Begleitenden auf deren Übereinstimmung und Unterschiedlichkeit mit hochinteressanten Ergebnissen untersucht. EC: Worin unterscheiden sich professionelle und ehrenamtliche Trauerbegleiter möglicherweise in Bezug auf das Angebot von Supervision? MM: Hauptberufliche kommen oft aus Berufen, in denen sie Gesprächsführung und Reflexion gelernt haben. Oft haben sie, in durchaus positivem Sinn, schon früh eine Helferpersönlichkeit angelegt, die Verantwortung mit anderen getragen, Anteil genommen. Bei ehrenamtlichen Trauerbegleitern, die aus ganz unterschiedlichen Hintergründen, oft motiviert durch eigene Verlusterfahrungen, in die Begleitung kommen, kann es durchaus sein, dass sie nicht gewohnt sind, sich und ihr Handeln im Kontext der Trauerbegleitung regelmäßig und ohne das Gefühl, etwas verkehrt gemacht zu haben, in Frage zu stellen. EC: Was macht für dich einen guten Trauerbegleiter aus? MM: Das ist ein Mensch, der unsicher bleibt und sich berühren lässt von der Trauer des anderen und sich in seinem Tun regelmäßig hinterfragt.

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EC: Was kann ein guter Supervisor für Trauerbegleiter tun? MM: Hinterfragen: Erklär mir zum Beispiel deine Intuition  – kann

doch die Intuition oft eine Verkleidung von Übertragungs- oder auch eigenen Erfahrungsprozessen sein, die die Begleitung möglicherweise beeinflussen und geklärt werden sollten. Sie kann gut mit den problematischen Situationen und Schicksalen umgehen, über und von denen sie hört. Er steht kollegial zur Seite und muss Feldkompetenz zum Thema Trauer haben. Er darf durchaus effizient sein, soll Supervision ja dazu dienen, Belastungen und Unklarheiten aufzuräumen, um offene empathische Begleitung zu ermöglichen. EC: Hast du ein Lieblingsbuch oder einen Lieblingstext, ein Gedicht zum Thema Trauer? Clive Staples Lewis: Über die Trauer. Der Begleiter für schwere Stunden. Mit einem Vorwort von Verena Kast. Der Film »Shadowland« basiert auf diesem Buch.

Fazit

Für die Begleitung der Begleitung Trauernder sind ebenso hohe Kompetenzen gefordert wie für die qualifizierte Begleitung an sich. Jemanden zu begleiten bedeutet eben nicht, einen Prozess zu steuern und zu zeigen, wo es lang geht, oder auch zu entwickeln, wo die zu Begleitende behutsam hingeführt werden könnte, um den Prozess ihrer Trauer zu optimieren – denn es ist ihrer und nicht der des Begleitenden. Das Ziel von Begleitung ist das Ziel der Begleiteten und der Weg ist der, den die zu Begleitende wählt, auch wenn er schwer verständlich ist, und würde er für den Begleitenden unerträglich, liegt es nahe, die Begleitung zu beenden. Das ist ein hohes Ziel und erfordert immer wieder die Reflexion des eigenen Handelns, der persönlichen Motivation und Abgrenzung. Insbesondere Übertragungsmechanismen sollten beachtet werden. In der beruflichen Rolle ist zudem ein wichtiges Thema, offen zu bleiben für die Wege der Trauernden,

Erwin Richter  

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sich immer wieder neu auf diese Wege einzulassen und sie als einzigartig zu begreifen. Die Rezeption aktueller Forschungsergebnisse sichert die durchgehend offen lernende Grundhaltung Trauernden und Begleitenden gegenüber.

Erwin Richter

Erwin Richter ist der Initiator einer ökumenischen Trauerbesuchsdienstgruppe, die fast zwanzig Jahre lang mit Angehörigen Verstorbener, deren Adressen sie mit ihrem Einverständnis durch die Kirchengemeinden bekam, Kontakt aufnahm und, wenn gewünscht, besuchte. Herr Richter ist katholischer Diakon, 65 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. EC: Was hat Sie bewogen, Trauernde zu begleiten? ERWIN RICHTER (ER): Bei meiner vierjährigen Ausbildung zum katho-

lischen Diakon besuchte ich mehrere Seminare zum Thema Sterben, Tod und Trauer. Hierbei stellte ich fest, dass ein großer Bedarf besteht, Trauernde zu begleiten. In der Kirche war Trauerbegleitung zur damaligen Zeit kaum anzutreffen. Mit der Bestattung und dem eventuell folgenden Sechswochenamt hörte ihr Dienst auf. Aufgrund eigener Erfahrungen und meiner ausgeprägten Fähigkeit, gut mit anderen Menschen zu kommunizieren, fasste ich den Entschluss, mich in der Trauerarbeit zu engagieren. Es folgten weitere Ausbildungsschritte in der damals noch wenig bekannten Arbeit als Trauerbegleiter. EC: Seit wann begleiten Sie Trauernde? ER: Vor meiner Weihe zum Diakon stellte ich dem Bischof meine Idee einer Trauerbegleitung als Schwerpunkt meiner Arbeit vor und sie wurde akzeptiert. Somit begann ich dann 1995 nach meiner Weihe mit der Trauerbegleitung und dem Aufbau einer Begleitungsgruppe im Rahmen der Gemeinde.

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EC: Was bedeutet Trauer und Begleitung für Sie? Haben Sie in der Beglei-

tung ein Ziel oder einen Wunsch? ER: Der Tod gehört zum Leben und somit auch die damit verbun-

dene Trauer. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass Trauer nicht nur bei Verlust eines geliebten Menschen eintritt, nur wird sie hier besonders stark empfunden. Auch mir erging es in meinem Leben so, dass die Empfindung sich erst im Todesfall eines nahen Angehörigen stark für mich zeigte. Durch die Kenntnisse während meiner Ausbildung zeigte sich eine zunehmende Wahrnehmung, dass Trauer durchaus ein positiver Moment im Leben eines jeden Menschen sein kann. Er braucht hierzu sicherlich in vielen Fällen Begleitung, um seinerseits diese Wahrnehmung zu erfahren und somit seine Trauer als positiv zu akzeptieren. Ein langer Weg, der schließlich den Trauernden zu einem normalen Leben zurückführen kann. Das sollte in jeder Begleitung unser Ziel sein. EC: Wie begleiten Sie Trauernde? Was erleben Sie – bereichernd oder auch belastend? ER: Ich selber bin der Meinung, dass eine Einzelbegleitung, möglichst in der häuslichen Umgebung, die beste Voraussetzung für einen guten Verlauf des Trauerprozesses ist. Zugegeben, ein zeitaufwendiger Weg, der aber laut meiner Erfahrung und auch in unserer Trauergruppe der effektivste ist. Eine Gruppenbegleitung wurde jedoch auch immer parallel angeboten. Die Belastungen wurden im Rahmen der regelmäßigen Zusammenkünfte unserer Gruppe gemeinsam aufgearbeitet und damit getragen. Bereichernd waren die durchaus positiven Berichte und Ergebnisse, sowohl für den Einzelnen sowie auch für die Bestätigung in der Gruppe. EC: Wann ist eine Trauerbegleitung gelungen? ER: Ich denke, wenn der Trauernde selbst wieder in seinem Leben aktiv wird, in die Zukunft blickt um sein Leben wieder neu zu planen, ohne den Grund seiner Trauer zu verdrängen, ist meine Trauerbegleitung gelungen. Jedoch sollte der Kontakt, wenn auch in größeren Abständen, nicht gänzlich abgebrochen werden.

Erwin Richter  

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EC: Wie haben Sie sich auf die Begleitung Trauernder vorbereitet? ER: Im Rahmen meiner Ausbildung zum Diakon gab es verschie-

dene Kurse zum Thema. Bekannte Autoren, etwa Verena Kast, Ruth­m arijke Smeding, Michael Schibilsky, Jürgen Bärsch, Beate ­K owalski und andere waren gute Referenten in der Ausbildung und später auch in der Weiterbildung, die ich als sehr wichtig erachte; ständige Auffrischung auch mit der Lektüre neuer Autoren ist ebenso erforderlich. Mit meiner Gruppe wurden Weiterbildungen, zum Beispiel auch in der »Recklinghäuser Gasthauskirche«, im jährlichen Rhythmus durchgeführt. EC: Wie reflektieren Sie Ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus den Begleitungen? ER: Wie schon oben beschrieben wurden Erfahrungen und Erlebnisse aus der Begleitung im Rahmen unserer Gruppe reflektiert. Jeder wurde in der Gruppe in seiner ganzen Persönlichkeit ernst genommen und durch alle anderen getragen und unterstützt. Durch die langjährige Zeit der Arbeit in unserer Gruppe war das Vertrauen so stark gewachsen, dass selbst private Probleme eingebracht und besprochen wurden. Hier sollte auch Erwähnung finden, dass selbst die Ehepartner der einzelnen Mitglieder nichts aus diesen Gesprächen erfuhren. Verschwiegenheit und Vertrauen ist ein wichtiger Punkt. EC: Nehmen Sie Supervision in Anspruch? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht – gute und schlechte? ER: Im Rahmen meines Dienstes als Diakon habe ich Zugang zu Supervision. Sie wird auch vierteljährlich angeboten im Rahmen eines Konveniats mit dem Regionalbischof (Einzelsupervision). Meine Erfahrungen damit sind trotz wechselnder und sicherlich gut ausgebildeter Personen nicht unbedingt die besten. So verzichte ich heute darauf, es hat mir nie etwas gebracht. Das Gleiche gilt für eine angeordnete gemeinsame Supervision im Rahmen der kirchlichen Mitarbeiter vor einigen Jahren. Alle waren sich einig, sie nicht zu wiederholen.

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EC: Gibt es einen Text oder ein Gedicht, das für Sie als Trauerbegleiter von

Bedeutung ist? ER: Im Rahmen unserer Trauerarbeit gibt es immer wieder Texte, die

mich besonders ansprechen. Sie wurden nach eingehender Diskussion oftmals in den jährlichen Gottesdiensten für die Trauernden am Allerseelentag eingesetzt. Mir persönlich hat der Text von Jörg Zink, »Trauer hat heilende Kraft« (1985), auch in meinen Begleitungen oft geholfen. Es gab kaum einen Trauernden, der sich hier nicht wiederfand. Auch in meinen Vorträgen zum Thema Trauer, ob nun in der Fortbildung meiner Diakonkollegen oder auch ganz allgemein im Rahmen der Erwachsenenbildung, war er stets hilfreich.

Fazit

Herr Richter steht für eine große Gruppe ehrenamtlich engagierter Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter. Auf der Basis persönlicher Erfahrung und mit dem Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft hat er ein Begleitungsangebot aufgebaut und innerhalb der Gemeinde vernetzt. In erster Linie sind es Aufmerksamkeit, Zuwendung und Zuspruch, die Trauernde erreichen und unterstützen. Ziel der Begleitungen ist die Ermutigung und Einladung, ins Leben zurückzufinden. Die Gruppe der Begleiter ist für ihre Mitglieder von hohem Wert. Der Austausch über das eigene Leben, reflektiert an den Verlusterfahrungen, denen sie durch ihre Aufgabe begegnen, ist wesentlich und von allen gewünscht. Inzwischen hat die Gruppe ihre Begleitungsarbeit eingestellt, weil sie mit ihrem Angebot nicht in die neustrukturierte Kirchengemeinde passte und sich in ihrem gemeindlichen Engagement als nicht mehr wertgeschätzt erlebte. Die Gruppe trifft sich auch ohne die Aufgabe der Trauerbesuche weiterhin. Supervision kam für die Gruppe nicht in Frage. Sie sei nicht notwendig, man bespreche sich innerhalb der Gruppe. Das sei Entlastung und Beratung genug. Mögliche Konkurrenz oder Übertragungs-

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phänomene und sich daraus ergebende Schwierigkeiten waren keine wahrgenommenen Themen im Gruppenzusammenhang. Sie waren auch nicht gewünscht. Die Gruppe hatte klare Rituale in der Kontaktaufnahme mit den Trauernden. Sie hat Trauernde besucht und nicht den Anspruch formuliert, Begleitungsprozesse zu beginnen, allerdings haben durchaus mehrere Besuche stattgefunden, mit denen Trauernde über eine längere Zeit begleitet wurden. Da, wo die Lebenswelten und Werte passten, waren es gelungene gemeinsame Wege. Da, wo sie sich unterschieden, kam es nicht zu wiederholten Kontakten. Gruppenmitglieder, die sich nicht mit den gelebten Gruppennormen identifizierten, verließen die Gruppe. Somit war und ist sie homogen und schwer zugänglich für neue Mitglieder oder Zielgruppen. Mit dieser Kultur ist die Trauerbesuchsdienstgruppe typisch für viele langjährig arbeitende, aus der – häufig kirchlichen – ehrenamtlichen Arbeit kommenden Gruppen. Supervision wird als unnötiges, oft unklar bedrohliches und kostspieliges Angebot wahrgenommen, das der bewusst erlebten Gemeinschaft in der Gruppe nicht förderlich sei. Gemessen an ihren eigenen Zielen arbeitet die Trauerbesuchsdienstgruppe seit Jahren störungsfrei und benötigt nach wie vor keine Supervision.

Hannelore Schmidt

Hannelore Schmidt ist 57 Jahre alt, verheiratet, wohnt am Niederrhein und hat vier Kinder. Sebastian, das erste Kind, ist 1980 im siebten Schwangerschaftsmonat tot zur Welt gekommen, Susanne wurde 1981 geboren, Daniel 1983 und Lisa 1987. Sie hat Bankkauffrau gelernt, war und ist seit langem ehrenamtlich tätig, etwa als Kindergottesdiensthelferin, im Kinderschutzbund, in der Flüchtlingshilfe, lange Zeit bei der Telefonseelsorge und jetzt in der Hospiz-Initiative Wesel e. V.

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EC: Was hat Sie bewogen, Trauernde zu begleiten? Seit wann beglei-

ten Sie Trauernde? HANNELORE SCHMIDT (HS): Ich denke, durch meine eigene Trauer-

erfahrung und durch die Begleitung von Sterbenden und ihren Angehörigen bin ich zur Trauerbegleitung gekommen. Seit fast fünf Jahren, nach meiner Ausbildung zur Trauerbegleiterin, begleite ich Trauernde. EC: Was bedeutet Trauer und Begleitung für Sie? Haben Sie in der Begleitung ein Ziel oder einen Wunsch? HS: Trauer ist für mich ein wichtiger Prozess, um einen Verlust bewältigen zu können und dann in sein weiteres Leben zu integrieren. Dabei möchte ich Trauernde begleiten, über die verschieden Formen und Phasen informieren und sie so dabei unterstützen, dass sie ihren Prozess leben und gestalten können. Ich möchte begleitend zur Seite stehen und freue mich, wenn nach der Trauer das Leben und die Zukunft wieder wichtig werden. EC: Wie begleiten Sie Trauernde? Was erleben Sie – bereichernd oder auch belastend? HS: Überwiegend begleite ich Trauernde durch Gespräche, aber auch durch kreative Gestaltung, Körperarbeit, Märchen und Rituale. Ich versuche, die Trauernden auf verschiedenen Ebenen zu erreichen. Durch das Schaffen von Vertrauen und das Annehmen der Person, so wie sie gerade ist, können sich Trauernde öffnen und zeigen ihre tiefe Trauer. Das berührt mich oft sehr und ich bin sehr dankbar für das Vertrauen. Gewisse Lebenssituationen der Trauernden, die nicht zu ändern sind, sind für mich manchmal schwer mit auszuhalten. Das beschäftigt mich oft noch einige Zeit. EC: Wann ist eine Trauerbegleitung gelungen? HS: Wann eine Trauerbegleitung gelungen ist, kann man schwer sagen. Ich denke, wenn der Trauernde mit seiner Trauer leben kann und sich dem Leben mit dem Verlust wieder zuwendet und Pläne für die Zukunft schmiedet.

Hannelore Schmidt  

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EC: Wie haben Sie sich auf die Begleitung Trauernder vorbereitet? Wie

reflektieren Sie Ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus den Begleitungen? HS: Neben meiner eigenen Trauererfahrung, durch die Ausbildung und durch weitere Seminare wächst langsam eine Haltung den Trauernden gegenüber. Dazu gehören auch die Supervision und der Austausch mit anderen Trauerbegleiter/-innen. EC: Sie nehmen Supervision in Anspruch. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht – gute und schlechte? HS: Supervision ist für mich sehr wichtig und sollte meiner Meinung nach von jedem Trauerbegleiter genutzt werden. Schon allein, um eine Trauerbegleitung gut abschließen zu können, ist es wichtig, nochmals eine Sicht auf den ganzen Ablauf der Begleitung zu bekommen. Sich Fragen zu stellen wie: Was ist gut gelaufen? Wo hatte ich Schwierigkeiten? Welche Gefühle wurden bei mir ausgelöst? Was kann ich beim nächsten Mal ändern? Für mein Verständnis von Trauer und meiner Entwicklung halte ich eine Reflexion für wichtig. Das kann in Form von einem Gespräch sein, in einem Rollenspiel geschehen oder durch eine Aufstellung oder ein Ritual – was eben gerade angebracht ist. Supervision ist für mich eine Möglichkeit, meinen Horizont zu erweitern, eine andere Sichtweise zu bekommen, zu wachsen und durch die Erfahrungen der anderen Teilnehmenden viele Möglichkeiten von Lösungsansätzen angeboten zu bekommen. Ich habe mit Supervision gute Erfahrungen gemacht. Sich selbst in Frage und auf den »Prüfstand« zu stellen erfordert manchmal auch Mut. Mein Mut wurde bisher immer belohnt. EC: Gibt es einen Text oder ein Gedicht, das für Sie als Trauerbegleiter von Bedeutung ist? HS: Das Gedicht »Aufhebung« von Erich Fried benutze ich oft in den Trauergruppen und es spricht mich persönlich sehr an.

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Aufhebung Sein Unglück ausatmen können tief ausatmen, so dass man wieder einatmen kann. Und vielleicht auch sein Unglück sagen können in Worten in wirklichen Worten die zusammenhängen und Sinn haben die man selbst noch verstehen kann und die vielleicht sogar irgendwer sonst versteht oder verstehen könnte und weinen können. Das wäre schon fast wieder Glück. Erich Fried

Fazit

Eine persönliche Erfahrung ist Ausgangspunkt des Interesses für Hannelore Schmidts Begleitung Trauernder. Dabei ist es nicht das Ergebnis eigener Erfahrung, das weitergegeben werden soll, sondern das Interesse am Prozess der Trauer als einem Prozess

Marianne Ridder  

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der persönlichen Entwicklung, die je individuelle Ausprägungen hat. Dem ehrenamtlichen Engagement geht eine fundierte Fortbildung zur Trauerbegleitung voraus. Supervision wird als hilfreich zur Reflexion empfunden, Vernetzung und Austausch als bereichernd und das Bearbeiten eigener Fragestellungen als den eigenen Horizont erweiternd – die Wahl des Begriffs »Prüfstand« verdeutlicht, dass beim Einbringen von Problemen oder Fragen tendenziell Versagensangst oder das Gefühl, Fehler gemacht zu haben, mitschwingen. Das erfordere Mut – beschreibt Frau Schmidt eine vielfach geteilte Skepsis von Haupt- und Ehrenamtlichen zur Supervision. Sie haben die Angst, dumm dazustehen oder sich eine Blöße zu geben. Und diese ist nicht unbegründet, denn die individuellen Umgangsweisen mit Lernerfahrungen sind hoch unterschiedlich. Für manche liegt die Tatsache, überhaupt eine Frage zu haben, schon im Bereich des Versagens, während andere aus Fehlern und vermeintlichen Misserfolgen Lern- und Entwicklungschancen machen können. Das stellt Anforderungen an die Präsenz, die Analysefähigkeit von Gruppenprozessen und die methodische Vielfalt der Supervidierenden.

Marianne Ridder

Marianne Ridder ist 64 Jahre alt und verheiratet. Sie hat drei Kinder und sechs Enkelkinder, ist ausgebildete Einzelhandelskauffrau und lebt am Niederrhein. EC: Was hat Sie bewogen, Trauernde zu begleiten? Seit wann beglei-

ten Sie Trauernde? MARIANNE RIDDER (MR): Ich kam auf Anfrage unseres Freundes Dia-

kon Erwin Richter zur Trauerarbeit, wir waren zu der Zeit, 1995, gemeinsam im Krankenbesuchsdienst. Ich selbst hatte Schmerz an Seele und Körper erlebt und es begann ein neuer Lebensabschnitt.

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EC: Was bedeutet Trauer und Begleitung für Sie? Haben Sie in der Beglei-

tung ein Ziel oder einen Wunsch? MR: Ich möchte Trauernden Hilfestellung und das Gefühl geben, dass

sie nicht allein sind. Ich möchte Trauernde in ihrer Trauer abholen und begleiten, ihnen Raum geben, um über ihre Gefühle zu reden und sich mit anderen Trauernden auszutauschen. Mein Ziel ist es, ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, das neue Leben zu leben. Häufig entstehen aus den Gruppentreffen Kontakte, die viele Jahre bestehen. EC: Wie begleiten Sie Trauernde? Was erleben Sie – bereichernd oder auch belastend? MR: In unserer Trauerbegleitungsgruppe machten wir circa sechs Wochen nach dem Tod eines Angehörigen einen Hausbesuch. Leider wurde diese Aufgabe nach 19 Jahren eingestellt. Im Jahre 2002 gründete ich den ökumenischen Trauerkreis Herz-Jesu und Friedenskirche. Im Trauerkreis können Trauernde mit anderen Betroffenen erfahren, dass sie in dem Chaos der Gefühle nicht alleine sind. Ich erlebe Trauernde, die in der Wut auf den Verstorbenen, Ärzte oder Familie nicht ihre Trauer leben können. Menschen, die sich in der Trauersituation selbst nicht verstehen, glauben verrückt zu werden etc. Bereichernd für mich ist, dass Trauernde mir oft versichern, dass sie durch die Teilnahme am Trauerkreis wieder Lebensmut gefasst haben und die gegebenen Impulse hilfreich waren. Ferner bekomme ich auch Jahre später noch Rückmeldungen von verschiedenen Gruppen, die sich im Trauerkreis kennen gelernt haben und weiter regelmäßige private Treffen veranstalten. Als belastend erlebe ich, wenn ich durch mein »Mitmenschsein« berührt bin. EC: Wann ist eine Trauerbegleitung gelungen? MR: Eine Trauerbegleitung ist erfolgreich und abgeschlossen, wenn der Trauernde sich selbst wiederfindet. EC: Wie haben Sie sich auf die Begleitung Trauernder vorbereitet? MR: Durch Seminare des Bischöflichen Generalvikariats Münster im Gasthaus Recklinghausen, zum Beispiel bei Agnes Laurs und

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Dr. Ruthmarijke Smeding, durch Veranstaltungen der Wasserburg Rindern mit Chris und Ida Maria Paul und bei Marie-Louise Wölfing und einigen anderen Referentinnen und Referenten habe ich mich auf meine Aufgabe vorbereitet und fortlaufend weitergebildet. EC: Wie reflektieren Sie Ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus den Begleitungen? Nehmen Sie Supervision in Anspruch? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht – gute und schlechte? MR: Supervision halte ich für sinnvoll. Ich hinterfrage meine Ideen und Antworten, vergleiche Erfahrungen. Ich war nicht in einer Supervisionsgruppe. Die Trauerbegleitungsgruppe (neun Personen) traf sich alle vier Wochen zum Gespräch. Mit diesen Personen, die viele Jahre ein Team bildeten, konnte über Empfindungen und Zweifel gesprochen werden. Jeder war sicher, immer eine ehrliche Antwort zu bekommen. Außerdem konnte man kurzfristig telefonisch ins Gespräch kommen. Jetzt, nachdem die Treffen der Begleitungsgruppe wegfallen, könnte ich noch jederzeit die alten Kollegen kontaktieren. Meine persönliche Supervision ist die Verbindung zum Schöpfer, besonders in der Natur. Diese Zwiegespräche sind sehr hilfreich. Ich habe nur gute Supervisionserfahrungen gemacht. EC: Gibt es einen Text oder ein Gedicht, das für Sie als Trauerbegleiter von Bedeutung ist? MR: Mir wichtige Texte im Zusammenhang der Trauerbegleitung sind die folgenden: »Das will ich mir schreiben in Herz und Sinn, dass ich nicht für mich nur auf Erden bin, dass ich die Liebe, von der ich lebe, liebend an andere weitergebe« (P. Friedhelm Groth, evangelisch, über: Lukas 10, 27). und »Da ist ein Land der Lebenden und ein Land der Toten, und die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe – das einzige Bleibende, der einzige Sinn« ( Thornton Wilder, Die Brücke von San Luis Rey).

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Fazit

Aus dem in der persönlichen Religiosität und eigenen schmerzvollen Erfahrungen wurzelnden Bedürfnis, Menschen in der Lebenskrise Trauer beizustehen, ist durch ehrenamtliches Engage­ment ein Trauerkreis entstanden. Fortbildungen und Austausch mit den anderen Interessierten und Engagierten des Trauerbesuchskreises bereiten vor und begleiten das Engagement. Supervision wird in der Praxisbegleitung und Weiterbildung erlebt und positiv gewertet. Vor allem Vertrauen und Ehrlichkeit in der Gruppe sind Frau Ridder wichtig, um einen Austausch zu erleben, der weiterführt. Die Blickrichtung ist auf die Trauernden gerichtet, eigene Prozesse sind im Hintergrund, denn im dargestellten Projekt geht es um die Hilfe für andere, die als christliches Tun verstanden wird und die eigenen Bedürfnisse in diesem Zusammenhang nicht zum Thema macht. So werden persönliche Belastungen zwar durchaus wahrgenommen und benannt, aber nicht in der Supervision, sondern beispielsweise im Gebet oder im Gespräch mit Vertrauten bearbeitet und abgegeben.

Gabriele Mariel Pauls-Reize

Gabriele Mariel Pauls-Reize, Jahrgang 1957, ist systemische Familientherapeutin, Trauerbegleiterin und Journalistin. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder, arbeitet bei ZOF – ZukunftsOrientierteFörderung e. V., Duisburg, und leitet dort die Abteilung für Krisen- und Trauerbewältigung (Schwerpunkt Flüchtlinge). Sie ist die Erste Vorsitzende des Vereins Young Supporters e. V. zur Unterstützung junger Menschen, die mit einem schwerkranken Menschen leben oder um einen Nahestehenden trauern.

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EC: Was hat Sie bewogen, Trauernde zu begleiten? Seit wann beglei-

ten Sie Trauernde? GABRIELE MARIEL PAULS-REIZE (MP): Der Tod meiner Mutter hat mich

in eine tiefe Krise gestürzt. Plötzlich konnte ich keine Kinderlieder (meine Söhne waren zu diesem Zeitpunkt sieben und neun Jahre alt) mehr hören, das machte mich traurig. Auch fühlte ich eine tiefe Melancholie in mir und hatte zeitweilig das Gefühl, die Welt »wie durch Watte« zu erleben. Dieser Zustand hat mich erschreckt und gleichzeitig konnte ich ihn nicht einordnen. Durch Gespräche mit Mitarbeitern des  – damals  – ersten und einzigen Ambulanten Palliativdienstes in Hamburg wurde mir klar, dass ich mich in einem Trauerprozess befinde. Dass ich über diesen zutiefst menschlichen (archetypischen) Zustand überhaupt nichts wusste, auf keine Traditionen (außer dem Ritual der Beerdigung) zurückgreifen konnte und auch im Familien- und Freundeskreis keine wirklichen Gesprächspartner fand, machte mich unruhig und neugierig zugleich. Ich begann zu recherchieren und viele Jahre später habe ich eine Fortbildung zur Trauerbegleiterin durchlaufen. Neben meiner Ausbildung als systemische Familientherapeutin habe ich die große Basisqualifikation der Trauerbegleitung an der Universität Duisburg-Essen absolviert. Ich nehme verschiedene Fortbildungsangebote wahr und lese als Mitglied des BVT regelmäßig die Fachzeitschrift »Leidfaden«. Parallel zu meiner Fortbildung 2010–2011 habe ich begonnen, mit Trauernden zu arbeiten. Trauer ist ein zutiefst menschlicher Prozess, der viele Facetten einer Krankheit in sich trägt (Melancholie, Traurigkeit, Unruhe, Schlaflosigkeit, Selbstvorwürfe, körperliche Symptome), ohne eine Krankheit zu sein! Der Verlust eines nahestehenden Menschen, von Heimat, von körperlicher oder seelischer Gesundheit (bei schwerer Erkrankung) stürzt in eine tiefe Krise. Die Erfahrung und Verarbeitung des Verlustes ist der Prozess, den man Trauer nennt.

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EC: Was bedeutet Trauer und Begleitung für Sie? Haben Sie in der Beglei-

tung ein Ziel oder einen Wunsch? MP: Begleitung bedeutet für mich, neben der einzig wirklich kom-

petenten Person (der Trauernden) zu gehen. Ich kann den Blick auf bestimmte Aspekte im Trauerprozess lenken, die Ressourcen aufzeigen und die Selbstheilungskräfte stärken, allein die Klientin/der Klient bestimmt das Tempo, die Themen, die angesprochen und angeschaut werden sollen. Wichtig ist mir, eine tragfähige Verbindung zum anderen herzustellen, die von Mitgefühl und Vertrauen geprägt ist. Mein Wunsch ist es, den Trauernden verständlich zu machen, dass sie weder krank noch »verrückt« sind. Sie befinden sich in einem Zustand, der zutiefst menschlich und – wenn auch kulturell verschieden ausgelebt – in seiner tiefsten Dimension bei allen Menschen gleich ist: die Erfahrung des Schmerzes bei Verlust. Diese Erkenntnis weiterzugeben, ist mir wichtig. EC: Wie begleiten Sie Trauernde? MP: Ich biete Gruppen- sowie Einzelgespräche an. In der Kinderund Jugend-Trauergruppe unseres Vereins Young Supporters e. V. arbeiten wir mit kreativen Mitteln, sei es, dass wir Anfang November das mexikanische Totenfest feiern, einen Friedhof besuchen oder einfach nur spielen. In Trauergruppen für Erwachsene dominiert das Gespräch. Fantasiereisen, Meditationen und Achtsamkeitsübungen sind ebenfalls Elemente meiner Arbeit. Auch hier setze ich kreative Elemente ein. Als Systemikerin arbeite ich auch mit Aufstellungselementen, gerade wenn schwierige Familienkonstellationen, wie das plötzliche Auftauchen von Kindern aus erster Ehe, Erbstreitigkeiten etc., den Trauerprozess behindern. Auch die von mir für die verschiedenen Trauerphasen entwickelten Lösungssätze verhelfen zu mehr Klarheit und Erkenntnis. EC: Was erleben Sie – bereichernd oder auch belastend? MP: Ich erlebe häufig Menschen, die verunsichert sind. Einige sind

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von ihren Gefühlen überwältigt und haben Angst, sich für immer in diesem Zustand zu verlieren. Andere sind verwirrt und können mit den Gefühlszuständen nicht umgehen. Wieder andere sind erstarrt und kraftlos. Der Verlust des Objektes bringt häufig auch den Verlust der eigenen ( Teil-)Identität mit sich. Ganz häufig kommen Menschen zu mir, die sich mit Schuldgefühlen plagen. Oft geht es um die Gedanken: Ich habe nicht genügend getan für meinen sterbenden Angehörigen, oder um eine misslungene Verabschiedung. Manchmal wird mit dem Tod des Angehörigen auch eine Beziehungsbilanz gezogen. Berührend sind auch Kinder, die den Vater oder die Mutter nie kennengelernt haben, oder Geliebte, die am offiziellen Trauerprozess nicht teilnehmen dürfen. Bei Kindern und Jugendlichen fällt mir auf, dass sie bitterlich weinen können und im nächsten Moment wieder herzlich lachen können. Ich treffe in der Begleitung von Trauernden auf alle Schichten unserer Gesellschaft, allerdings habe ich es deutlich mehr mit Frauen als mit Männern zu tun, was die altbekannte Tatsache bestätigt, dass Frauen sich Unterstützung holen, während Männer ihre Probleme in sich reinfressen. Die deutlich höhere Suizidrate bei Männern unterstreicht dies. In den meisten Fällen empfinde ich meine Arbeit als bereichernd und erfüllend. In fast allen Fällen habe ich auch nach der konkreten Begleitung noch Gedanken und Gefühle zu der Sitzung. Sie sind aber eher reflektierender Natur. Belastend und bedrückend ist für mich der Suizid eines jungen Menschen. Hier verweile ich länger in meinen Gedanken bei den Angehörigen und verspüre auch ein »Mittrauern«, das über mein sonstiges empathisches Mitfühlen hinausgeht. EC: Wann ist eine Trauerbegleitung gelungen? MP: Eine Trauerbegleitung ist für mich abgeschlossen und gelungen, wenn der/die Trauernde den Satz sagen und fühlen kann: »Du hast immer einen Platz in meinem Herzen, aber nun wende ich

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mich wieder meinem Leben zu.« Dann sind Trauer und Schmerz, Fassungslosigkeit und Schuldgefühle angeschaut und im Idealfall durchgearbeitet worden. Wenn der Tote als tot, zugehörig ins Reich der Toten, und nicht als »Untoter«, der weiterhin Entscheidungen des eigenen Lebens bestimmt, angesehen wird. Das bedeutet nicht, das der Hinterbliebene sich nicht mit den Gedanken und Lebenseinstellungen des oder der Verstorbenen auseinandersetzt, »Was hätte er oder sie zu dieser Sache gesagt?«, aber dann eigene Entscheidungen fällt und dafür die Verantwortung übernimmt. EC: Wie bereiten Sie sich auf die Begleitung Trauernder vor? MP: Ich fertige nach der Begleitung, ob Gruppe oder Einzelbegleitung, ein Protokoll (eher kurz) an. Oft denke ich auch noch ein bis drei Tage (Selbstbeobachtung) über besondere Aussagen, Gesten, Mimik und, falls kreative Prozesse stattgefunden haben, auch über die entstandenen Arbeiten nach. Parallel dazu überprüfe ich mein Konzept für die nächste Einheit und nehme unter Umständen Änderungen vor. EC: Wie reflektieren Sie Ihre Erlebnisse und Erfahrungen aus den Begleitungen? Nehmen Sie Supervision in Anspruch? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht – gute und schlechte? MP: Ich versuche dreimal im Jahr zur Supervision zu gehen. Ich habe gute und schlechte Erfahrungen gemacht. In einer sehr schwierigen Phase von »Young Supporters« habe ich mehrere sehr kompetente Supervisoren getroffen. Die Zusammenarbeit war sehr fruchtbar, wertschätzend und vertrauensvoll. Ich habe mich unterstützt gefühlt und konnte nach der Supervision Entscheidungen leichter und begründeter treffen. Leider habe ich auch Supervisionen erlebt, die ich unprofessionell fand. Die von Hospizen oder Palliativdiensten angebotenen bzw. verpflichtenden Supervisionen, bei denen der Supervisor fast verpflichtet ist, der Leitungsebene über Inhalte der Supervision berichten zu müssen, halte ich für kontraproduktiv. Super-

Gabriele Mariel Pauls-Reize  

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visionen sollten einen geschützten Raum darstellen, in dem Verschwiegenheitspflicht herrscht! Grundsätzlich halte ich Supervisionen für Trauerbegleiter/-innen für sinnvoll und notwendig. Allerdings finde ich die Preise für Supervisionssitzungen überzogen. Da die meisten freiberuflichen Trauerbegleiter von ihrer Arbeit nicht leben können, ist eine Supervision zum Stundenpreis von 120–150 Euro meiner Meinung nach überzogen. Freiberuflich tätige Trauerbegleitende können sich diesen »Luxus« wahrscheinlich nur einmal im Jahr leisten. EC: Gibt es einen Text oder ein Gedicht, das für Sie als Trauerbegleiter von Bedeutung ist? MP: Mein wichtiges Gedicht in Bezug zur Trauerbegleitung: »Ein Elefant im Raum« von Terry Kettering (in Übersetzung von Margit Bassler): Ein Elefant ist im Raum. Breit sitzt er da, und es ist schwierig, um ihn herumzukommen. Und doch quetschen wir uns vorbei, sagen »Wie geht’s?« Und »Mir geht’s gut«. Und viele andere Floskeln und Geschwätz. Wir reden über das Wetter. Wir reden über die Arbeit. Außer – über den Elefanten im Raum.   Ein Elefant ist im Raum. Wir alle wissen, dass er da ist. Wir denken an den Elefanten, während wir miteinander reden. Wir denken ständig an ihn. Er ist nämlich ziemlich groß. Er tut uns allen weh. Aber wir sprechen nicht über den Elefanten im Raum.  

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Bitte, sagt ihren Namen. Bitte, sagt noch einmal »Barbara«. Bitte lasst uns über den Elefanten im Raum sprechen. Denn wenn wir über ihren Tod reden, dann können wir vielleicht auch über ihr Leben sprechen. Kann ich den Namen »Barbara« in eurer Gegenwart sagen, ohne wegschauen zu müssen? Denn wenn ich das nicht kann, dann lasst ihr mich Allein … In einem Raum … Mit einem Elefanten.11

Fazit

Als freiberuflich arbeitende Beraterin und Trauerbegleiterin verfügt Gabriele Mariel Pauls-Reize über eine Bandbreite von Qualifikationen und Einsatzgebieten. Sehr deutlich wird hier die ökonomische Ebene der Qualitätssicherung durch Supervision. Sie muss von Freiberuflern erwirtschaftet werden, was schwerfällt, solange Trauerbegleitung nicht finanziell durch die Krankenkassen bezuschusst wird. Mit der Frage, ob wir bezahlte, professionelle Trauerbegleitung brauchen, beschäftigt sich Barbara Djaja in einem Aufsatz im Fachmagazin »Leidfaden« (2016, S. 81 ff.). Sie kommt zu dem Ergebnis, dass dem durchaus so sei, denn diese Form der Zuwendung hat im Bereich der sozialen Zugehörigkeit keinen selbstverständlichen Platz mehr. Wenn die Begleitung qualifiziert sein soll, braucht es dazu Mittel. Die müssen verdient werden. Frau Pauls-Reize thematisiert eine weitere Schwierigkeit der Supervisionsangebote, die sie, durch Vereine finanziert, erlebt hat. Das sei Auftragssupervision gewesen und da fehle ihr die 11 www.anencephaly.info/elefant.htm

Gabriele Mariel Pauls-Reize  

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Vertraulichkeit. In hospizlichen Zusammenhängen ist es noch nicht immer üblich, im Bereich der Supervision Kontrakte zu schließen, Ziele zu vereinbaren und Arbeitsaufträge zu klären. Diese gängigen Mittel der professionellen Teamsupervision sind im hospizlichen Kontext also nicht selbstverständlich. Somit können unklare Strukturen zu Undurchsichtigkeiten führen, die das notwendige Vertrauen und die nötige Offenheit für die Supervisionsprozesse unmöglich machen oder zumindest erschweren.

Praxisbeispiele

Teamsupervision der Leiterinnen einer Trauergruppe für Witwer und Witwen

Das Gesprächsangebot für Witwen und Witwer in einer geschlossenen und zeitlich befristeten Gruppe wird als Angebot eines ambulanten Hospizdienstes jährlich von November bis Juni organisiert. Sie wird von zwei ehrenamtlich arbeitenden Trauerbegleiterinnen, die sich nach den Standards des Bundesverbands Trauerbegleitung qualifiziert haben, konzipiert und geleitet. Beide nehmen regelmäßig Supervision wahr. Die Teilnehmenden erfahren durch Ankündigungen in der Tages- und Wochenzeitung, durch Internet und Kirchenzeitungen vom Angebot. Bevor sie sich zur Teilnahme entscheiden, hat jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ein etwa einstündiges Vorgespräch mit den beiden Leitenden. So wissen diese bereits vom Kummer der Interessierten und die Witwer und Witwen kennen die Örtlichkeiten und die Leitung. Schon zu Beginn der Treffen wird vermittelt, dass die Gruppe sie für einen Abschnitt auf dem Weg der Trauer begleitet und dass eine Chance der Begegnungen in der Vernetzung mit anderen liegt. Zunächst, von November bis Neujahr, trifft die Gruppe sich wöchentlich, vierzehntägig dann von Januar bis März, dem folgen drei monatliche Treffen, bis die Gruppe im Juni aus der Leitung entlassen wird. Ob die Teilnehmenden sich danach weiter begegnen, liegt bei ihnen. Drei Männer und fünf Frauen, alle etwa acht bis zwölf Monate verwitwet, kommen zu den Treffen.

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Fallgeschichte

Im April, also zum Ende des Zyklus, meldet sich eine Teilnehmerin telefonisch bei einer der Leitenden. Sie werde nicht mehr kommen. Sie wolle nicht sagen, warum. Das habe sich möglicherweise schon in der Gruppe herumgesprochen. Im Gespräch über diese Entwicklung erfährt die Leitende dann, dass die Teilnehmerin nicht mehr kommen wolle, weil sie sich durch einen Teilnehmer bedrängt und belästigt fühlt, sogar Angst davor hat, dass er sie stalken würde. Daraus ergibt sich, dass die beiden Leiterinnen den männlichen Teilnehmer aus der Gruppe ausschließen wollen, um der sich belästigt fühlenden Witwe eine Fortsetzung zu ermöglichen. Der Witwer war schon zuvor mit seinem als schwierig empfundenen Verhalten Thema in der Supervision gewesen. Er hatte damit begonnen, die eine Leiterin zu duzen und ihr kleine Geschenke mitzubringen, die diese mit dem Zusatz: »Interessiert mich nicht, ich gebe das an meinen Mann weiter!«, annahm. Sie hatte ihn nicht brüskieren und sich dennoch abgrenzen wollen – so sollte deutlich werden, dass sie keinen persönlichen Kontakt oder ein Beziehungsinteresse hat. Nachdem diese Situation besprochen ist, nimmt diese Leiterin deutlich sichtbar die Rolle der Leitung wahr. Es wird beschlossen, dem als übergriffig empfundenen Verhalten dieses Teilnehmers deutliche Grenzen zu setzen. Konkret soll er nicht mehr bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Treffen kommen und auch nach den Treffen nicht noch länger bleiben. Ausgesparte Themen

Die unterschiedlich gestalteten Rollen und ihre Relation zwischen den Leiterinnen wurden nicht thematisiert. Es war zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, das Thema »Sexualität – Körperlichkeit – Anmache – Beziehungssehnsucht« hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die betroffene Leiterin und somit

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in der Gruppe zu öffnen. Ein dahingehendes Angebot der Supervisorin – »Könnte es sein, dass das Thema ›Anmache‹ für dich auch schwierig ist?« – blieb aus. Denn die Angst und das Unwohlsein bei diesem Thema waren in der Supervision deutlich zu spüren; auch körperlich signalisiert durch eine enge Selbstumarmung, eng zusammengestellte Beine und einen verunsicherten Gesichtsausdruck der betroffenen Leiterin. Das Thema Sexualität anzusprechen hätte eine Schamgrenze überschritten, die deutlich gesetzt war und im Kontext der supervidierenden Begegnung respektiert wurde, weil der Supervisorin ihre eigene Schamgrenze in diesem Themenbereich erst in ihrer eigenen Kontrollsupervision bewusst wurde. Auch sie beherrscht die indirekte Kommunikation durch Gesten gut. Sie weiß, »was sich gehört«, und benahm sich dann entsprechend. In der Übertragung verdeckte sie das Thema. In der ersten Sitzung zum Thema des Umgangs mit dem »schwierigen« Teilnehmer wurde also nicht angeregt, klare Aussagen dem Witwer gegenüber zu machen, denn diese Komponente seines Verhaltens lag schamhaft unter einem blinden Fleck – der Supervisandinnen und der Supervisorin. Sie hat sich darauf konzentriert, mit der Trauerbegleiterin deren Leitungsrolle zu thematisieren und zu erarbeiten. Bis zum Anruf und der Ankündigung der betroffenen Witwe, dass sie die Gruppe verlassen würde, war das Verhalten des Mannes in den folgenden Wochen kein Thema mehr. Er hielt sich zurück, seine Beiträge blieben sperrig und manches Mal ohne verstandenen Zusammenhang zum Thema des Gruppengespräches, aber Geschenke und Berührungen blieben aus. Eine Teilnehmerin aus dem Gesprächskreis bekam auch außerhalb der Gruppentreffen Kontakt mit ihm. Die beiden schienen sich gut zu verstehen. Es gab Telefonate, einen Besuch des Witwers bei der Witwe zum Kaffee. In der Gruppe wurde diese Annäherung wahrgenommen.

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Bekanntlich werden nicht bearbeitete Störungen zu Problemen. In der Supervisionssitzung zur Bearbeitung wählte die Supervisorin die Methode der Darstellung durch Figuren, Tiere oder Symbole auf einer Tischbühne, um mit Hilfe von kleinen Puppen die Situation aufzustellen. Die Verwickelungen und Beziehungen wurden im Verlauf der Sitzung in der Aufstellung mittels Fäden von Wollknäueln sichtbar gemacht. Die beiden Leiterinnen saßen sich gegenüber, zwischen ihnen hatte die Supervisorin ihren Platz. Sie verständigten sich auf die Auswahl der Puppen für die Gruppenmitglieder. Diese Wahl ging einher mit Beschreibungen: Für Frau W. wurde eine großmütterlich gestaltete Figur gewählt. Sie sei im Hintergrund, fühle sich wohl damit, da zu sein und in der Gruppe, sei aber wenig aktiv. Drei Frauen und ein Mann wurden mittels lockererer, jünger wirkender Puppen aufgestellt. Eine der Frauen war gemeinsam mit dem jugendlich dargestellten Mann in einer neuen Beziehung und bringe die Freude darüber oft in die Gruppe ein. Ein Teilnehmer, Herr R., wurde großväterlich symbolisiert – er sei ein feiner Herr mit gutem Benehmen und von angenehmer Zurückhaltung. Ihm gegenüber stand der »schwierige« Witwer, symbolisiert durch die Figur eines Jugendlichen – denn so verhalte er sich – wie ein alt gewordener Junge, der nicht erwachsen sein wolle. Zwei Frauen, die in der Gruppe in der Wahrnehmung der Leiterinnen eine gewisse Dominanz haben, bekamen die Figuren erwachsener Frauen. Die Auswahl der Figuren wird durch das vorhandene Angebot von Puppen beeinflusst. Sie ist dennoch keineswegs zufällig und in sich aussagekräftig. Sichtbar werden die Perspektive der Leiterinnen und deren eigene Positionierung. Die Auswahl der Figuren wird mit den wahrgenommenen Charakteristika der Aufgestellten begründet. So hat die Figur der sich bedrängt fühlenden Witwe, für die es nur noch die großmütterliche Puppe im Fundus gab, ihre eigene Ausprägung durch die Beigabe einer

Teamsupervision der Leiterinnen einer Trauergruppe  

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Stola erhalten, denn sie trete sehr gepflegt auf – und verdecke oder überdecke manches, vor allem Dissonanzen. Auch Anziehungen und Ablehnungen werden in der Beschreibung hörbar. Ebenso das Wertesystem der Aufstellenden. Auch die Gruppenleiterinnen werden gebeten, für sich Symbole zu finden – Gegenstände, die sie im Arbeitsraum sehen. Sie wählen für sich einmal die eigene Armbanduhr und zum anderen die Brille. »Zufällig« ist die Leiterin mit dem Symbol der Uhr die ruhiger wirkende der beiden Frauen, sie achtet auf die Struktur und den zeitlichen Rahmen, auch darauf, dass alle Teilnehmer zu Wort kommen dürfen, wenn sie es denn wünschen. Die von ihr gewählte Uhr in der Tischbühnenaufstellung »passt« ebenso wie die gewählte Brille zur Rolle der anderen Leiterin: Sie sieht viel, analysiert und bietet ihre Perspektive zur Reflexion an. Auf diese Art erleben die beiden eine als sehr konstruktiv beschriebene und empfundene Zusammenarbeit. Eine weitere Dimension der Szene auf der Tischbühne ergibt sich durch die Betrachtung der Platzierungen. Stimmen

Foto: Eva Chiwaeze

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die Abstände, sind die Positionen richtig, wer blickt in welche Richtung? In der Entwicklung der Szene fragt die Supervisorin nach: Steht er oder sie da richtig? Neben der geeigneten Person? Stimmt der Abstand? Stimmt die Blickrichtung? Wenn die Szene steht, werden die Positionen und die Beziehungen interpretiert. So wird oft dann erst bewusst, wie diese Beziehungen gestaltet sind. Prozess und Erkenntnis

Herr A. – der aufgrund seines Verhaltens isolierte und tendenziell abgelehnte Gruppenteilnehmer – steht weit außen. Ihm genau gegenüber, aber nicht in seinem Blick, steht der »feine« Witwer. In seiner Nähe, ihm zugewandt, Frau H., die Teilnehmerin, zu der er den meisten Kontakt hat. Sie wendet sich auch ein wenig von der Gruppe ab – hat diese eher im Rücken als im Blick. Neben ihr steht eine Witwe, Frau G., die in der Gruppe eine starke Position habe, denn sie sei mit fast allen Teilnehmenden im Gespräch und mit Beiträgen präsent in der Gruppe. Durch die Positionierungen werden folgende Beziehungskonstellationen deutlich: Herr A. ist außen vor. Er gehört nicht in den Kreis der Gruppe. Frau H. ist die Einzige, die sich ihm zuwendet und damit von der Gruppe abwendet. Die Distanz zu den anderen Teilnehmenden und zur Leitung ist groß. Die zu Beginn der Gruppe von Herrn A. umworbene Leiterin steht nun hinter Frau H. und zwischen Frau H. und Frau G. Die Leiterin mit dem Symbol der Uhr hat die ganze Gruppe im Blick, auch Herrn A. Die Gruppe bildet keinen geschlossenen Kreis. An diesem Bild ließe sich intensiv zur Gruppendynamik, zur Beziehung der Leitung untereinander und zur Gruppe, zur Beziehung einzelner Gruppenmitglieder zueinander vertieft arbeiten, wenn die Analyse der Gruppenbeziehungen Thema der Supervision wäre. In der hier beschriebenen Arbeit war der nächste Schritt, die Beziehungen von Herrn A. in die Gruppe

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und zu Einzelnen, wie sie von den Leiterinnen wahrgenommen werden, zu entwickeln und mit den Fäden darzustellen. Der helle Faden zeigt die Verbindungen in der Gruppe. Interessanterweise spart er zwei Teilnehmerinnen aus. Der Faden läuft hinter der einen Leiterin und an der anderen Leiterin vorbei, weil hier die Beziehungen unter den Teilnehmenden gezeigt werden, die beiden Leiterinnen haben sich bewusst ausgenommen. Der Faden erreicht Herrn A. nicht. Eine erneute Bestätigung der Wahrnehmung seines Ausgegrenztseins. Der dickere, dunklere Faden beschreibt die angenommenen Beziehungen von Herrn A. in der Gruppe. Er läuft hinter Frau H. entlang, die bei der Verlegung darüber stolperte, geht an der ursprünglich auch betroffenen Leiterin vorbei zu Frau G., die sich auch mit Herrn A.s Auftreten beschäftigt hatte, das sie schon früh als übergriffig empfand. Im Gespräch während der Entwicklung der Verwicklungen von Herrn A. bekommt er den Faden um den Kopf gelegt. Herr A. ist taub und blind. Verwickelt, so die Interpretation der Leiterinnen, in sein großes Bedürfnis nach Nähe und Intimität. Er sei in seinem Bedürfnis so gefangen, dass er die Reaktionen seiner Gegenüber gar nicht mehr wahrnehme. Die Supervisorin fragt, ob dieses Bedürfnis nach Intimität möglicherweise als unangenehm und grenzüberschreitend empfunden wird, weil es eine deutlich spürbare sexuelle Komponente habe. Damit wird das Thema, das in der ersten Bearbeitung dieser Problematik ausgespart war, geöffnet und es wird spürbar, dass eigene Schamgrenzen berührt wurden und werden. Es folgt ein Gespräch über die Varianten dieses Verhaltens in der Trauer. Nicht selten führt die große innere Not, es kaum auszuhalten, dass nie wieder Intimität, Vertrauen und Geborgenheit gelebt werden können, zu schneller intensiver Partner(innen) suche. Demgegenüber steht das Bedürfnis, allein und in Ruhe vom Verstorbenen/der Verstorbenen Abschied zu nehmen, vielleicht zum Beweis der großen gelebten Liebe, sich nie wieder neu

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zu binden, doch wenigstens nicht zu bald. Das gesellschaftliche Augenbrauenheben bei schneller neuer Verpartnerung wird von vielen Witwen und Witwern verinnerlicht und führt zu Konflikten zwischen der eigenen Bedürftigkeit und dem normgerechten Verhalten. Herr A. war mehr als vierzig Jahre verheiratet – und ist sicher ungeübt darin, neue Beziehungen anzubahnen. Seine Interpretationen von freundlichen Worten oder Zugewandtsein als ein Interesse an einer Beziehung mit ihm führt zu Grenzverletzungen. In der Trauergruppe entsteht sehr schnell ein Gefühl von Vertrautheit und Vertraulichkeit. Am Beispiel von Herrn A. wird deutlich, dass diese Vertraulichkeit keineswegs alltagstauglich ist. Sie bezieht sich auf die Zeit der Treffen in der Gruppe und bedeutet eben nicht, dass sich die Teilnehmenden kennen – ganz im Gegenteil: Sie sind sich in vielen Bereichen des Lebens noch fremd und bleiben das auch möglicherweise, wenn sie wieder auseinandergehen. So kann die Einladung, sich zu vernetzen und zu treffen, möglicherweise falsch verstanden werden. Herr A. ist auf der Suche und die Trauergruppe offenbar nicht der Ort, um eine Partnerin zu finden – auch wenn das durchaus mal geschehen kann. Daraus ergibt sich für die Leiterinnen der Gedanke, in den Vorgesprächen und in der nächsten Gruppe die Thematik Vertrautheit und Vertraulichkeit, mögliche Anspannungen zwischen Männern und Frauen, die Partnersuche offen anzusprechen, als Thema zu bearbeiten und in der Gruppe zu vereinbaren, dass diese bei allem Vertrauen nicht als Partnerbörse funktioniert – oder funktionieren will. Teilnehmende, die ihre Bedürfnisse dann nicht verwirklicht sehen, können sich entscheiden, ihre Zeit anderorts zu investieren, und müssen sich nicht frustrieren lassen oder andere frustrieren. Der dickere, dunklere Faden symbolisiert die Verwicklungen von Frau H. Sie hat aktiv Teil an der Begegnung. Sie hat

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Herrn A. zum Kaffee in ihrer Wohnung eingeladen. Sie äußerte im Gespräch mit der einen Leiterin, dass Herr A. sie an ihren verstorbenen Mann erinnere in seiner unbeholfenen Hilflosigkeit. Die Supervisorin spricht das Thema Übertragungen an. Könnte es sein, dass auch Frau H. das Bedürfnis hat, einen anderen Partner zu finden, der in einer Beziehung sozusagen ihren Mann fortsetzen könnte? Hat sie das möglicherweise in Herrn A. gesehen? Frau H. scheint verunsichert gewesen zu sein, denn sie machte die Bemerkung gegenüber der Leiterin, dass die Gruppe »schon gucken« würde. Und könnte es sein, dass es dann zu einer Gegenübertragung gekommen ist? Weil Frau H. gemerkt hat, dass Herr A. überhaupt nicht wie ihr Mann ist, und weil sie sich möglicherweise geschämt und ausgegrenzt gefühlt hat, weil sie diesen Kontakt zugelassen hat und sie nun sein Verhalten als aggressiv wahrnimmt und die Gruppe verlassen will, bevor sie von der Gruppe oder einigen Personen darin verlassen/verabscheut würde? Dieser Gedanke hat für die Leiterinnen Potenzial. Die Ambivalenz der Gefühle von Frau H. und die aus der Verunsicherung folgenden Aktionen scheinen ihnen sinnvoll. Es bleibt allerdings auch die Einschätzung, dass Herr A. durch bis zu dreißig täglichen Telefonate und darin wohl dubiosen Mitteilungen Frau H. bedrängt und ihr Angst gemacht hat. Die Erörterung der Frage, wie der Ausschluss von Herrn A. der Gruppe vermittelt werden kann, führt zu folgenden Ergebnissen: Die eigenen Schamgrenzen und die eigene Konfliktfähigkeit sollen nicht überfordert werden. Frau H. würde schon die Frage, ob es bei ihr ambivalente Gefühle, vielleicht sogar eine Sehnsucht geben könnte, als persönliche Kritik empfinden. Da sie in einem Trauergesprächskreis und nicht in einer Selbsterfahrungsgruppe ist, halten die Leiterinnen es nicht für sinnvoll, das zu thematisieren.

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Herr A. soll nicht in seiner Abwesenheit zum Thema werden. Da er vor dem beabsichtigten Ausschluss aus der Gruppe selbst gesagt hat, dann käme er eben nicht mehr, kann in der Gruppe mitgeteilt werden, dass er ausgeschieden sei, weil eine weitere Teilnahme zum jetzigen Zeitpunkt für ihn keinen Sinn habe. Dann bleibe es Frau H. überlassen, ob sie mehr zum Thema sagen wolle. Fazit

Anhand der aus dem Psychodrama stammenden Methode der Aufstellung mittels Symbolen auf der Tischbühne (vgl. S. 57) wird sehr deutlich, wie sich Beziehungen und Verwicklungen gestalten, wie sich Menschen und Themen gegenüberstehen bzw. sehen, wo Konflikte liegen, welche Ursprünge sie haben. Im Fallbeispiel sind einige der möglichen Fragestellungen aufgegriffen worden. Wesentlich mehr wäre möglich gewesen: Die Rollen der beiden Leiterinnen in der Gruppe und miteinander zu betrachten, die Beziehungen der Gruppenmitglieder untereinander und die Analyse der Ausgrenzungen und Beliebtheiten, die Rolle der einzelnen Mitglieder, die Identifizierung von und der Umgang mit Tabus bzw. Lieblingsthemen der Leiterinnen, die Frage von Zielen der Gruppenarbeit und anderes mehr. Weiterführend könnte mit der Aufstellung auf der Tischbühne gearbeitet werden. Die Protagonisten nehmen zum Beispiel die Rollen von Gruppenmitgliedern ein und spielen sie im Rollenwechsel, wenn es um die Reflexion einer Gruppensitzung ginge oder eine Zukunftsprobe gemacht werden sollte, wie etwas eingebracht und vermittelt werden könnte. Supervision arbeitet innerhalb der durch die Protagonisten bestimmten Grenzen an den von ihnen benannten Themen. Andere Themen, die die Supervidierenden hören und sehen,

Teamsupervision zur Krisenintervention  

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können den Klienten angeboten werden – mit aller Offenheit dafür, dass sie sie vielleicht nicht wollen. Supervidierende selbst sparen mit großer Wahrscheinlichkeit Themen und Perspektiven aus, die sie nicht wahrnehmen oder vermeiden wollen; darum bleibt die regelmäßige Kontrollsupervision der eigenen Prozesse von hohem Wert zur nachhaltigen Qualitätssicherung. Angewandte Methoden

Aufstellung Rollenspiel mit aufgestellten Figuren (Tischbühne) Intermediärobjekte

Teamsupervision zur Krisenintervention

Nach dem tragischen Unfalltod eines Kollegen bittet die Mehrheit eines Teams, das aus dreißig Personen besteht und sozialpädagogisch und therapeutisch mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, um eine Supervision. Zum Zeitpunkt der Sitzung liegt der Tod fast drei Wochen zurück, Trauerfeier und Bestattung haben vier Tage zuvor stattgefunden. Etliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben daran teilgenommen. Das Team trifft sich in der großen Runde regelmäßig am Mittwochmorgen für drei Stunden. Der Kontakt zur Supervisorin entstand durch die Adressenliste des Bundesverbandes Trauerbegleitung, die das Team im Internet fand. Supervisorin und Team kannten sich also zuvor nicht. Die Teamleitung formulierte den Wunsch, das Team bei dem möglicherweise sehr emotionalen Gespräch zu unterstützen und dabei zu helfen, Umgangsweisen mit der Situation zu entwickeln. Teilen des Teams sei der Termin zu früh. Es werde ein Zuviel an Emotionalität befürchtet. Diesen Mitarbeitenden werde die Möglichkeit gegeben, sich in einen Raum der Stille zurückzuziehen.

64   Praxisbeispiele

Ablauf der Teamsitzung

Nach einer kurzen Begrüßung in der Runde mit 22 Teilnehmenden, die im offenen Stuhlkreis sitzen, übergibt die Teamleiterin an die Supervisorin. Die Supervisorin stellt sich vor und beschreibt ihr Angebot für die folgende Sitzung: einen Raum öffnen, um sich über die momentane Gefühlslage, die jetzt offenen Fragen und die Wünsche zum Umgang mit dem Tod des Kollegen und miteinander auszutauschen. Das Team ist damit einverstanden und findet seinen Auftrag darin wieder. Als Eröffnungsimpuls legt die Supervisorin vier große Steine in die Mitte des Raumes und fragt: »Wie stehen Sie aktuell zu Ihrem Kollegen und seinem Tod?« Und bittet: »Finden Sie Ihre Position, Ihren Standpunkt. Wie betroffen und berührt fühlen Sie sich durch sein Sterben?« Bevor Bewegung in die Gruppe kommt, meldet sich eine Frau zu Wort, der das eine Zumutung ist und die dies alles an diesem Morgen nicht ertragen kann. Es wird geklärt, dass sie das auch nicht muss und dass sie wie alle anderen, die einen ähnlichen Impuls haben, nicht an der Begegnung teilnehmen muss. Sie und fünf weitere Kolleginnen verlassen den Raum. Die anderen stehen auf und finden ihren Platz. Die Positionierungen sind sehr homogen. Vier Personen finden in einem Kreis in etwa einem halben Meter Abstand ihren Platz, die übrigen Zwölf reihen sich in einer Runde etwa ein Meter hinter dem Innenkreis auf. Es gibt kleine Positionsunterschiede im hinteren Kreis. Eine nach dem anderen beschreibt ihre momentane Situation. Nach der Zusicherung, dass es völlig okay ist, zu weinen oder Tränen in Augen und Stimme zu haben – ohne das aber zu müssen –, nehmen sich die Teilnehmenden den Raum, den sie brauchen. Es entsteht ein sehr lebendiges Bild des toten Kollegen, seiner Einbindung ins Team, seiner Rollen im Team und der Lücken, die er hinterlässt. Es wird deutlich, dass die Beziehung zu ihm für jede und jeden eine andere war. Dass sich die Trauer immer etwas anders anfühlt.

Teamsupervision zur Krisenintervention  

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Durch diese Aufstellung ist ein Resonanzraum für die Emotionen, die sich durch das Team bewegen, entstanden. Die Einzelnen sind in Kontakt mit ihren Gefühlen gekommen, die Raum einnehmen und Berechtigung haben. Die Gruppe ist sprachfähig geworden, Wörter wie »Tod« und »gestorben« können ohne Angst ausgesprochen werden. Durch diesen Einstiegsimpuls ist für die Teilnehmenden sofort deutlich spürbar gewesen, ob sie sich in der gegebenen Situation mit ihren Gefühlen und ihren Gefühlen zeigen wollen oder können. So hatten die, die das nicht konnten oder wollten, gleich zu Beginn die Gelegenheit, den Prozess nicht zu beginnen. Die Supervisorin sah sich in ihrer Annahme bestätigt, dass das Team den Tod des Kollegen wahrgenommen hat und dabei ist, zu verstehen, was geschehen ist, und es anzunehmen. Wieder in der Runde versammelt, entscheiden die Teilnehmenden, die leeren Stühle der Kolleginnen, die sich in den Raum der Stille begeben haben, stehen zu lassen, denn sie gehören ins Team und wählen in dieser Situation nur einen eigenen Weg für sich. Es folgt ein offenes Gespräch auf die Impulsfrage: »Was bedeutet der Tod von G. für dich und deine Arbeit?« Alle Anwesenden bis auf eine Frau nutzten den Raum zur Reflexion. Es wurde klar, wie unterschiedlich die Empfindungen und die Einordnung des Erlebten sind. Sowohl die persönliche als auch die soziale, die emotionale und die spirituelle Ebene wurden angesprochen. Neben der Bedeutung für die berufliche Rolle wurde thematisiert, welche privaten, existenziellen Fragen dieser tragische Tod aufwirft. Eine Teilnehmerin erzählte, dass sie, obwohl nach vier Monaten Beschäftigung noch sehr neu im Team, sehr berührt sei vom Tod G.s, weil dieser ihr so freundlich und wertschätzend begegnet sei und ihr Sicherheit vermittelt habe. Sie habe den Glauben, dass es ihn irgendwo noch gebe. Dieser Glaube, für

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den sie sich tendenziell entschuldigte, der tröste sie. Ihr Onkel sei vor vier Monaten tödlich verunglückt und all das erinnere sie mit aller Wucht – was sich dann auch in Weinen ausdrückte. Eine andere ältere Kollegin bezieht sich darauf und erklärt, dass vorangegangene Trauererfahrungen ihr helfen, mit dieser Situation nun umzugehen; sie wisse, dass sich neue Wege abzeichnen und gegangen werden. G. hat mit den von ihm betreuten Kindern viel musiziert. Eine Kollegin mag den Musikraum nicht betreten, während eine andere sich gern dort aufhält und sich G. nahe fühlt. Jemand äußert das Gefühl von Wut wegen der sinnlosen Unbedachtheit, durch die G. sein Leben verloren hat. Eine Therapeutin berichtet, dass sie im Klassenraum während des Unterrichts einfach angegangen worden sei, ob das denn stimme, was man da über G. höre – sei der wirklich tot?! Sie sei wie gelähmt gewesen und habe gar nicht die Kraft gehabt, sich dieses Gespräch zu dem Zeitpunkt und an dem Ort zu verbitten. Sie sei überdies ein Mensch, der seine Gefühle nicht zeigen könne. Sie wirke dann nach außen völlig erstarrt, aber in ihr sei es turbulent. Andere antworten ihr mit Dank für ihre durchaus wahrzunehmende Unterstützung und Empathie. Eine jüngere Frau empfindet es als Defizit, dass sie nicht genug fühlen könne. Sie bekommt die Vergewisserung, dass es kein genug oder zu wenig gebe und dass sie mit sich geduldig sein darf. Dass sie als wenig mit G. zu tun habende Kollegin einen distanzierteren Bezug habe, sei nachvollziehbar und in Ordnung. Die Schwierigkeit, mit den Fragen und Reaktionen der Klienten umzugehen, wird zum Thema. Ja, es sei belastend in jeder Lage, unvorbereitet mit der Frage und dem Schock der anderen umzugehen. Das Team bespricht, dass es völlig in Ordnung ist, kurz zu antworten und zu sagen, dass man nun nicht weiter über das Thema reden könne. Die neue Mitarbeiterin beschreibt, wie beeindruckt sie von den Kolleginnen und Kollegen ist – und dass sie die Trauer schmerzlich mitempfindet. Auf die Frage, ob

Teamsupervision zur Krisenintervention  

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es nicht schwer werden könnte, als Therapeutin Klienten von G. zu übernehmen und ihn zu ersetzen, erwidert sie, dass sie darin auch eine Chance sehe, weil sie neu und recht unbeteiligt in die Beziehungen gehen und so Trauerprozesse auch stützen könne. Dieser Austausch zeigt die Vielfältigkeit und die diversen Ebenen, in denen sich das Team im Umgang mit dem Tod des G. bewegt. Eine hervorragende Qualität des Teams wird deutlich: Akzeptanz des jeweiligen Seins und das Seinlassen. Sprachfähigkeit und wertschätzendes Feedback. Erleichternd für alle ist die Wahrnehmung der Unterschiedlichkeit, das Sich-erklärenKönnen, Emotionen, vor allem ausgedrückt durch Tränen, zeigen zu dürfen – aber nicht zu müssen. Ein Gefühl tiefer Verbundenheit wird den Teilnehmenden spürbar und einvernehmlich verbalisiert: »Jetzt spüre ich, wie verbunden und getragen ich im Team bin.« Die Funktion der Supervisorin in dieser Phase war, durch Informationen zum Trauerprozess Sicherheit in die eigene Empfindungsfähigkeit und Umgangsweise zu entwickeln und den Raum für die Diversität zu öffnen und zu zeigen. Die Abschlussphase der Sitzung wird mit der Frage: »Was möchtest du, was soll hier in Bezug auf G.s Tod weiter passieren – und was auf keinen Fall?« Die Runde ist sich einig darin, dass G. einen Platz im Team behalten soll. Ein Bild von ihm ist aufgehängt – das sei gut, ein anderes Bild wäre vielleicht noch schöner. Außerdem soll sein Name nicht von der Plantafel gewischt werden. Auch möge es weiterhin möglich sein, über ihn zu sprechen und ihn nicht totzuschweigen. Die Leiterin erzählt, dass es ihr schwergefallen sei, die Passwörter zu verändern, G. abzumelden, seinen Klienten abzusagen – und dass auch sie vorläufig sein Postkörbchen beibehalten möchte; jede Absage und Abmeldung wirkt wie eine Einverständniserklärung mit G.s Tod, und davon könne keine Rede sein. Diese Haltung findet im Team Zustimmung. Daraus entwickelt sich das Einvernehmen, dass der Tod von G. eine Lücke hinterlassen hat,

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die zu spüren sein darf: Er darf verstören und stören, denn das tut er. Die für ihn vereinbarten Therapietermine sind zunächst ausgesetzt, bis geklärt ist, wer übernehmen kann. Es ist eben vieles nicht mehr so wie zuvor. Nach neunzig Minuten endet die Sitzung. Die Supervisorin stellt ihre Wahrnehmung, dass das Team die Situation annehme und auf wertschätzende und offene Art gestalte und so gemeinsam trage, zur Verfügung. Sie benennt die von ihr gesehenen Ressourcen des Teams, das sich der Situation und den damit verbundenen Emotionen stellt, sich für die Perspektiven der anderen interessiert und die Unterschiedlichkeit des jeweilig individuellen Blicks als Möglichkeit begreift und nutzt, möglichst viel zu sehen und dann über Handlungsschritte nachzudenken. Fazit

Der Einstieg in die Arbeit wurde bewusst gewählt, um einen ersten Resonanzraum für Emotionalität und Beziehungsqualität nach dem unerwarteten tragischen Verlust entstehen zu lassen, mit dem das Team umgehen lernen und gemeinsam Wege finden will. Für diejenigen, die sich zum gegebenen Zeitpunkt nicht dieser möglicherweise aus der Fassung bringenden Emotionalität aussetzen wollten, war unmittelbar spürbar, dass eine Grenze überschritten würde. Sie mussten einen Prozess, der ihnen zum gegebenen Zeitpunkt nicht gut getan hätte, gar nicht erst beginnen, später verlassen oder gar durchleiden. In diesem Setting wäre alternativ vorstellbar gewesen, mit einer klassischen, dem Team vertrauten Eingangsrunde zu beginnen, in der die Teilnehmenden sich zu ihrem Befinden und zu ihren Erwartungen äußern können. Damit wären die im Team unterschiedlich ausgeprägten Gefühle der Fassungslosigkeit, des Schmerzes, des Verlustes, der Ohnmacht, der Hilflosigkeit, der Überforderung etc. nicht in der Dichte, Intensität und Gleichzeitigkeit sicht- und spürbar geworden. Möglicherweise

Teamsupervision von Begleiterinnen für Trauerreisen  

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wären so einige der Mitglieder, die die Runde verlassen hatten, geblieben und einbezogen gewesen. Die Bedeutung des Todes von G. für die eigene Arbeitssituation könnte durch eine Schweigediskussion bearbeitet werden. Die Methode der Schweigediskussion (mit Packpapier beklebte Fläche, meistens Tische, um die die Gruppe geht und auf die jede und jeder aufschreiben kann, was ihr oder ihm durch Kopf und Herz geht) erlaubt den Einzelnen, zu ihren Gefühlen zu kommen. Da sie nicht ausgesprochen werden, fällt es bei starker emotionaler Beteiligung möglicherweise leichter, sie in Schriftform zu äußern. Diese Methode birgt zudem eine hohe Intensität. Die Impulse aus dem Impulsfragen hätten in vier Kleingruppen weiter vertieft werden können und anschließend in der gesamten Gruppe – etwa über eine »fish bowl«, also sechs Stühle in der Mitte, vier besetzt durch je ein Kleingruppenmitglied und zwei, wenn jemand zu einem Aspekt etwas sagen und dazukommen möchte – ausgetauscht werden können. Angewandte Methoden

Soziometrische Abbildung Aufstellung Rundgespräch mit Impulsfragen Raum der Stille

Teamsupervision von Begleiterinnen für Trauerreisen

Sieben Frauen, fünf Trauerbegleiterinnen, alle mit zertifizierter Trauerbegleitungsfortbildung über 120 Stunden und mehr, und zwei Reisekauffrauen, die die touristische Leitung der Reisen verantworten, treffen sich zu einem gemeinsamen Klausurtag, den eine Supervisorin moderiert. Die Teilnahme an mindestens einer bis hin zu fünf Reisen haben die Trauerbegleiterinnen

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jeweils in ihrem Erfahrungsschatz. Die Reisekauffrauen fahren pro Jahr bei sechs bis acht Reisen mit. Jeweils etwa zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer, meistens Witwer und Witwen, treffen während einer Reise aufeinander. Das Konzept des Unternehmens besteht darin, Hinterbliebenen touristisch hochwertige Reisen zu schönen Zielen in wunderbaren Hotels und während der gesamten Reise bei Bedarf qualifizierte Trauerbegleitung anzubieten. Das Thema Trauer wird nicht in vorgegebenen Strukturen, also Gesprächsrunden, Ritualen oder festen Programmpunkten, behandelt, sondern dann, wenn es akut wird. Es gibt demzufolge trauernde Gäste, die nicht begleitet – oft auch nicht angesprochen – werden wollen, ebenso wie solche, die Gespräche, gemeinsame Unternehmungen und Ansprache zu diversen Zeiten wünschen. Das verlangt den Trauerbegleiterinnen ein hohes Maß an Flexibilität und Erfahrungen sowie Methodenvielfalt ab. Die touristischen Leitungspersonen haben keine Fortbildung zur Trauerbegleitung. Ihre Aufgabe ist während der Reise eine andere: Sie organisieren Ausflüge, Führungen und kleine gesellschaftliche Events, kümmern sich um Beschwerden über Essen, Service und Zimmer. Dennoch werden auch sie durch Begegnungen und Gespräche mit dem Thema Trauer konfrontiert – ebenso wie die Begleiterinnen mit Fragen des Komforts, des Ablaufs und des Services. Die Zusammenarbeit ist wichtig. Hilfreich ist es, wenn beide Gruppen den Alltag der anderen ein wenig kennen und sich austauschen. Oft sind die Beobachtungen der Reiseleiterinnen hilfreich für die Begleiterinnen, um Prozesse und Situationen zu erfassen, die sie nicht gesehen haben – und umgekehrt. Ablauf des Klausurtages

Zur Einstimmung in den Tag und aufeinander wählen die Teilnehmerinnen aus Stofftieren eines aus, mit dem sie eine ihre Haupteigenschaften als Trauerbegleiterin bzw. Reiseleiterin ver-

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binden. Das macht allen Freude und »erwärmt«. Dann werden auf einer Tischbühne Szenen aus dem Ablauf einer Reise mit Symbolen und Figuren aufgestellt. Hier tauschen die sieben Frauen ihre Erfahrungen und Erwartungen aus. So sei das erste Aufeinandertreffen mit der Gruppe schon bedeutsam für die Atmosphäre der Reise. Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten oft eine Kraftanstrengung hinter sich, sich überhaupt auf die Reise einzulassen, und träfen häufig mit klammen Gefühlen und Bangheit am Abfahrtsort ein. Die erste Begrüßungsrunde sei wichtig, um das Angebot der Begleitung zu beschreiben, um anzukommen und zu erfassen, wer möglicherweise Ansprache erwarte und das nicht signalisieren könne und wer nicht angesprochen sein möchte. Informationen zum touristischen Teil und zur Organisation vervollständigen das Programm dieser Runde. Neben dem Austausch über pragmatische Fragen ergibt sich so Rollenklarheit für die Beteiligten. Im Anschluss stehen schwierige Begleitungssituationen zur Besprechung an. Um aus der Vielzahl der Erfahrungen auszuwählen, setzen sich zunächst je zwei bis drei Frauen zusammen, um sich auf eine Situation zu einigen, die eingebracht werden soll. Wieder in der gesamten Runde beschreiben die Frauen ihre Situation kurz. Szene1: Eine Reisende bricht auf dem Weg zur Besichtigung eines Weingutes in Tränen aus, verweigert die weitere Mitreise und verlangt die sofortige Rückkehr in das Hotel. Szene 2: Eine Reisende sammelt die Gäste, die sie mag, um sich herum und grenzt sich von anderen Gästen bis hin zur Beleidigung ab. Szene 3: Ein Gast äußert sich am Ende der Reise sowie im Internet-Portal negativ über den Reiseveranstalter. Er war schon während der Reise sehr isoliert und oft unzufrieden gewesen. Alle drei Szenen werden nachgestellt und nachgespielt.

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Fallgeschichten

Szene 1 wird auf der Tischbühne aufgestellt. Die betroffene Begleiterin stellt sich, die Reisende und die Gruppe mit Figuren auf. Sie nimmt ihre Figur in die Hand und spielt ein Gespräch mit einem Gast nach, währenddessen ihr auffällt, dass eine Teilnehmerin abseits der Gruppe weint. Sie geht mit ihrer Figur auf die Weinende zu und spricht sie an. Im Rollenwechsel, wozu sie jeweils die Figur in der Hand hält, in deren Rolle sie ist, erarbeitet sie das Gespräch und entwickelt ein neues Verständnis ihrer Rolle und tiefes Einfühlen in die Trauernde. In der Vorstellung des Falls dominierte ihr Ärger über diesen komplizierten Gast, der ständig Aufmerksamkeit forderte, alles durcheinanderbrachte und nun auch noch den Ausflug, auf den sie sich gefreut hatte, verdarb. Außerdem fühlte sie sich zwischen allen Stühlen – andere brauchten sie ja auch. Durch die aufgestellte Szene und die Identifizierung mit der Weinenden durch den Rollenwechsel wurde ihr deutlich, in welchem Schmerz die Witwe war, dass diese völlig überwältigt war und keinen Moment ertragen konnte, in lustiger Runde eine Weinprobe zu durchstehen. Sie war völlig aufgelöst, verloren und allein. Die Begleiterin erfasste die Dimension des Verlustes in der Situation. Noch mehr Druck entstand durch die Annahme, dass sie, die Witwe, mitverantwortlich für ein schönes Gruppenerleben wäre. Sie wollte sofort ein Taxi und allein zurück ins Hotel. Helfen konnten keine gut gemeinte Ermutigung, es doch zu versuchen und sich einen Moment Pause in der Trauer zu gönnen, zu spüren, dass andere Menschen da seien und sie tragen würden, dass sie vermisst würde – ein wesentlicher Moment der Wahrnehmung des Verlustes. In der Situation entschied die Begleiterin nach kurzem Zögern, die betroffene Frau ins Hotel zu begleiten. Die anderen Mitglieder der Gruppe wussten um die akute Krise und kannten die plötzliche und unerwartete heftige Überwältigung

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durch den Schmerz. Die Begleiterin blieb an der Seite der Trauernden während der Taxifahrt. Im Hotel wollte die Frau allein und in ihrem Zimmer sein, wusste eine Ansprechpartnerin in der Nähe. Sie nutzte die Zeit nicht mehr für ein Gespräch. War die Begleiterin vor der Betrachtung des Geschehens noch verunsichert und verärgert, war ihr nun klar, dass sie richtig gehandelt hatte. Begleitet zu werden, nicht allein zurückgeschickt zu werden und zu wissen, da ist jemand, der sich um sie sorgt, halfen der Betroffenen. Im anschließenden Gespräch der Begleiterinnen und Reiseleiterinnen wurden wesentliche Grundlagen und Rollen deutlich benannt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Reisen sind an ganz unterschiedlichen Punkten ihres Trauerweges, sie sind sehr unterschiedliche Individuen und beanspruchen je individuelle Unterstützung. Diese sollen sie nach Möglichkeit während der Reise bekommen. Trauernde haben grundsätzlich das Recht auf Behutsamkeit, Zuwendung und ihren eigenen Raum. Es war richtig, den eigenen Ausflug zur Weinprobe abzubrechen, um die Klientin zu begleiten. Es ist nachvollziehbar, dass das Frustration ausgelöst hat, aber das Risiko, Höhepunkte einer Reise zu verpassen, weil ein Trauernder im Moment und sofort Begleitung und Fürsorge braucht, gehört zur Rolle der Begleiterin. Szene 2 wird mit einer »Zukunftsprobe« bearbeitet. In der Darstellung des Falls wird deutlich, dass die Begleiterinnen gegenüber einer Teilnehmerin, die eine andere ausgrenzte und teilweise beleidigte, hilflos waren, Angst hatten, sie zu verärgern und möglicherweise als Kundin zu verlieren, denn sie fuhr oft mit auf den Reisen. Die Begleiterinnen hofften sprachlos, dass es sich nicht allzu schlimm entwickeln würde. Einig waren sich alle, dass das kein optimales Verhalten sein kann. Trauernde, die sich in der Gruppe befinden, haben nicht das Recht, andere

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zu beleidigen und sie aus der Gruppe auszugrenzen. Das sollte anders werden. In der Zukunftsprobe übernahm eine Begleiterin die Rolle der Reisenden und eine die (eigene) Rolle der Begleiterin. Durch das Gespräch, das mit dem klaren Satz begann: »Frau H., ich möchte mit Ihnen über ein Thema sprechen, das mich beschäftigt und Ihnen möglicherweise nicht genehm ist«, wurde viel deutlich. Zum einen war der Reisenden nicht bewusst, wie verletzend sie gewirkt hatte. Nein, sie wollte nicht mit dieser Frau in näheren Kontakt kommen, sie möge sie nicht sehr, sie entspreche nicht »ihrem Stil« – aber sie wolle ihr »nix Böses«. Es gebe ja auch andere Leute in der Gruppe. Außerdem erinnere sie diese Frau an ihren eigenen akuten Schmerz und sich selbst in dieser Situation der Trauer – so klein, so unbeholfen, so verloren, so bitter. In der Zukunftsprobe kam sie sogar zur Erkenntnis, wie sehr sie in der damaligen Situation eine Begegnung mit einer Person wie sie niedergeschmettert hätte und dass sie sich ab sofort zurücknehmen würde. Es darf durchaus bezweifelt werden, dass diese Erkenntnis am Ende eines realen Gespräches stünde – allerdings hat sie den Begleiterinnen verdeutlicht, woher die ausgrenzenden und beleidigenden Bemerkungen der Reisenden kommen könnten, und somit eine Dimension des Verständnisses für sie eröffnet und dazu ermutigt, Störungen dieser Art zeitnah, klar und wertschätzend anzusprechen. Szene 3 wurde im Kreis besprochen. Die Eingangsfrage war: »Wie geht es dir mit Kritik, die du unangemessen findest – wie fühlt sich das an?« Deutlich wurde, dass es keiner damit gut geht und dass es schwierig ist, damit umzugehen. Wunderbar, wenn es zu korrigieren geht – schwächend, wenn eine Verteidigung in eine Haltung von Defensivität führt – möglicherweise erleichternd, es als die subjektive Wahrheit des Kritikers stehen zu lassen, vor allem dann, wenn andere Reaktionen dieser Kritik in

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keiner Weise entsprechen. Also entschied die Gruppe, den kritischen Beitrag im Gästebuch stehen zu lassen, und machte sich klar, dass eben doch nicht, trotz allen Versuchens, alle Kunden und Kundinnen zufriedenzustellen sind – und dass das durchaus erträglich ist. Fazit

Vor allem die Aufstellungen, der Rollenwechsel und die Methode des Spiegelns in den vielen Gesprächssequenzen verdeutlichten die jeweilige Emotionalität, die Unterschiedlichkeit der Perspektive und eröffneten konstruktive Lösungswege, aber auch Grenzen des eigenen Handelns. Die Supervisorin brachte in die Besprechungen auch das Modell der Werdeschritte in der Trauer und die dort benannten hilfreichen Unterstützungsmöglichkeiten ein (Brathuhn und Adelt, 2015). Dadurch wurde die Komplexität der Begleitung der Trauerreisen deutlich und das Reaktionsspektrum erweitert. An diesem Tag wurden einige, von der Supervisorin durchaus wahrgenommene Themen nicht bearbeitet. Beispielsweise wurden in Szene 1 die Gefühle und Erwartungen der Begleiterinnen angesprochen, allerdings wurde ihr Stellenwert für die Betroffene und die Wirkung ihrer Enttäuschung nicht analysiert. Die Anstrengung, die eine solche Reisebegleitung bedeutet, war spürbar, aber in diesem Rahmen nicht besprechbar in Bezug auf die Grenzen, die eine Begleiterin möglicherweise setzen will und muss, wenn sie die erforderliche Präsenz in Begleitungssituationen anbieten können soll. Der Prozess sollte fortgesetzt werden. Eine Vertiefung dieser Themen wäre wünschenswert und gut für das Team und jede Einzelne. Angewandte Methoden

Erwärmung mit Tischbühne und Intermediärobjekten Offene zirkuläre Fragen

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Gruppenarbeit Szenische Aufstellung und Exploration im Rollenwechsel Protagonistenspiel/Rollenspiel

Einzelsupervision – Koordinator Ambulanter Hospizdienst

M., Koordinator in einem Hospizdienst, entscheidet sich zur Einzelsupervision, nachdem er während einer Fortbildungsveranstaltung, als es um das Thema Suizid geht, heftig körperlich mit Beklemmung, Herzrasen und immenser Traurigkeit reagiert und den Raum verlassen muss. Diesem Erleben will er nachgehen. Fallgeschichte

Etwa zwei Jahre zuvor war er privat als Nachbar und Freund in eine Situation verwickelt, von der er glaubt, dass diese Bedeutung habe für seine Reaktion, die ihn vollkommen überrascht habe, weil er überhaupt nicht damit gerechnet hatte, dass ihm so etwas im professionellen Zusammenhang passieren könnte. Früh morgens habe sein Freund ihn angerufen und gebeten, sofort zu ihm zu kommen. Er und seine Frau hatten die Nachricht erhalten, dass ihre 14-jährigeTochter Lisa, die eng mit M.s eigener Tochter befreundet war, sich etwa 300 km von zu Hause entfernt vor einen Zug geworfen habe. Die Eltern wähnten sie in einer Ferienfreizeit. In der Rekonstruktion stellten sich viele Einzelheiten heraus, die – neben der Verzweiflung über diesen Tod – Versäumnisse anderer Menschen und Gruppen offenbarten. Die betroffenen Eltern waren zudem beschämt über das Verhalten ihrer Tochter, die zwei Tage vor ihrem Suizid wegen einer tabuisierten Regelverletzung aus der Freizeit nach Hause geschickt worden war. Sie waren erschüttert von den Gedanken an das Erleben des Mädchens in jenen zwei Tagen zwischen

Einzelsupervision – Koordinator Ambulanter Hospizdienst  

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Rauswurf und Tod – in denen sie sich nicht bei ihnen gemeldet hatte. M. war zutiefst bestürzt über den Tod des Mädchens und über die Ereignisse, die sie zu dieser Verzweiflungstat geführt hatten. Er war wütend und bedrückt, weil er niemanden direkt ansprechen durfte, denn sein Freund hatte ihn zum Schweigen über die Details verpflichtet. M. unterliegt auch in seiner beruflichen Rolle der Schweigepflicht. Mit wesentlich Beteiligten, deren Verhalten er überhaupt nicht begreifen konnte und als verantwortungslos einordnete, arbeitete er im Netzwerk zusammen. Er begegnet ihnen auch heute regelmäßig. Die Supervisorin bittet ihn, sich von den Steinen auf der Fensterbank jeweils die auszusuchen, die für Lisa, ihre Familie, für ihn und für seine Familie, für die Angst, die er während der Fortbildungsveranstaltung so unerwartet kennen lernte, und die Verschwiegenheit, die ihn bindet, stehen, und sie so hinzulegen, dass sie der aktuellen Bedeutung für ihn entsprechen. In der Arbeit mit den acht Steinen wird klar, dass zum einen der Tod von Lisa und alles, was darum herum geschah, von großer erschreckender Gewalt ist, die ihn nachhaltig erschüttert und in die Angst um seine Tochter gebracht hat, die kurz nach Lisas Tod die Schule verließ und mehr als sechs Monate zu Hause blieb. Er hatte Angst um ihr Leben. Er war durch die Ereignisse und in seiner verantwortungsvollen Rolle überfordert und hatte gleichzeitig keine Gelegenheit, sich zu entlasten, weil er nicht darüber reden durfte. Im weiteren Gespräch erarbeitet er, dass Lisa ihr Suizid als die einzige ihr mögliche Lösung erschien. Eine Lösung, die für ihn ebenso unerträglich ist wie die fehlenden Gespräche mit dem verzweifelten Kind und die Frage, warum sie sich nicht an ihre Freundin oder ihre Eltern oder eine andere Vertrauensperson wenden konnte. Über allem liegt ein großes Geheimnis, das auch Lisas Eltern weiter tragen. Sie sind nicht in der Lage, über die tabuisierten Ereignisse zu

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sprechen, das Geschehen zu öffnen. Im Verhalten der Eltern, die mit niemandem außer mit M. über das alles reden wollen, spiegelt sich die Verzweiflung Lisas – sterben war erträglicher als über ihr regelwidriges Verhalten zu sprechen und damit zu leben. Scham und Schuld sind bestimmende Gefühle in allem und belasten genauso wie das Wissen, dass solche Tragiken im Leben jedem und jeder, auch seiner Tochter, jederzeit passieren können – das macht ihm große Angst. Deutlich wird ihm die Belastung, die sich durch seine Rolle, die Rollenvermischungen und die von ihm akzeptierte, aber kaum zu tragende Schweigepflicht ergibt. Er beginnt zu sehen, dass die Kommunikations- und Konfliktkultur in der Familie seines Freundes sich sehr vom Umgang seiner Familie unterscheidet. Wichtig – lebenswichtig – scheint zu sein, dass nichts nach außen dränge und es keinen Grund für Aufmerksamkeit und Gerede gäbe. Lisas Tod hat ihn und seine Familie zutiefst erschüttert und vieles verändert. Es habe ihm gut getan, das alles zu besprechen. Er werde den Prozess fortsetzen, um sein Verhalten in Bezug auf seinen Freund und sein kollegiales Umfeld zu bedenken und sich zu entlasten. Fazit

Der Prozess war zunächst sehr wortlastig. Die Intensität des Gesprochenen schien den sitzenden M. fast zu sprengen. Die Konfusion führte in eine aufsteigende Hilflosigkeit, die sich im Duktus des Gesprochenen abzeichnete. Durch die Bitte, sich im Raum zu bewegen und die Steine auszusuchen, wurde das durchbrochen. Die Steine als Intermediärobjekte konnte er anfassen – etwas Konkretes in seinen Händen, etwas Spürbares, Erdendes. Die durch die Supervisorin angebotenen Themen und die Platzierung der Steine halfen M., seine Gedanken zu ordnen und seinen Gefühlen nachzuspüren.

Einzelsupervision einer ehrenamtlichen Trauerbegleiterin  

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Angewandte Methoden

Bewegung Aufstellung mit Intermediärobjekten

Einzelsupervision einer ehrenamtlichen Trauerbegleiterin

Die Ehrenamtliche begleitete über anderthalb Jahre eine Witwe. Diese hatte ihren Mann durch einen plötzlichen Tod unerwartet verloren und war mit drei Kindern im Alter von drei bis 14 Jahren von einem Tag auf den anderen in prekären sozialen und finanziellen Verhältnissen auf sich allein gestellt. Die Ehrenamtliche wurde durch einen Hospizdienst, mit dem sie zusammenarbeitet, mit der Begleitung beauftragt. Sie sprach ihre Klientin in deren Wohnung oder telefonisch. In der Regel trafen sie sich in den ersten sechs Monaten wöchentlich, dann vierzehntägig, zum Ende der Begleitung etwa einmal monatlich. Aufgabe der Supervision war, die Begleitung fachlich zu reflektieren und Raum für die Klärung der persönlichen Prozesse zu geben. Prozess

Zu Beginn fanden die Gespräche im Sprechzimmer der Supervisorin statt. Eingangsthemen waren die Frage nach dem Setting der Begleitung – die Schwierigkeit, sich im Wohnraum der Klientin zu bewegen – und in der Rolle der Begleiterin, vor allem in einer konstruktiven empathischen Distanz zu bleiben. Sich in der Wohnung zu treffen war sinnvoll, weil die Klientin kein Auto zur Verfügung hatte. Vormittage boten sich an, weil dann alle Kinder in der Schule oder im Kindergarten waren. Im Verlauf wurden die von der Begleiterin über ihre Begegnungen geschriebenen Aufzeichnungen die Grundlage der Sitzungen, die alle vier bis acht Wochen stattfanden. Diese wurden zuvor

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von der Supervisorin gelesen und – so oft das Wetter es zuließ – bei einem Spaziergang besprochen. Themen

Die Witwe geriet durch den Tod ihres Partners in existenzielle Not, soziale Spannungen, intensive Emotionen und an das Ende ihrer Kräfte. So geht es vielen relativ jungen Witwen mit Kindern. Diese Belastungen und die Häufigkeit der Begegnungen in den ersten Monaten belasteten die Begleiterin enorm. Sie erlebte eine schmerzhaft verzweifelte Frau, die sich mit den Alltagsanforderungen abmühte. Die Kinder waren häufig krank und brauchten alle Aufmerksamkeit, für die kaum Kraft da war. Die Familie des Vaters und der Witwe war zunächst sehr unterstützend, nach etwa sechs Monaten am Ende ihrer Kräfte und nicht mehr verlässlich in der Lage, die Kinder mitzubetreuen. Die Rente war niedrig, staatliche Transferleistungen wurden nötig. In deren Folge kamen Ämtergänge und die Verpflichtung für die Witwe, sich wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Eine Wiedereingliederungsmaßnahme wurde begonnen, scheiterte aber an der zu großen Belastung der Witwe durch eine halbtägige Berufstätigkeit bei gleichzeitiger Betreuung von drei Kindern, die ihre eigenen Probleme entfalteten. Das älteste Kind verließ die Familie und zog in eine Wohngruppe. Die Witwe fühlte sich zerrissen. Das Geld war und blieb knapp. Die Begleiterin war sich sehr klar über ihre Rolle. Sie begann nicht, Probleme zu lösen, sondern blieb dabei, diese anzuhören und sich zur Verfügung zu stellen, damit alles ausgesprochen werden konnte. Sie gab zwei fachliche Hinweise, zum einen auf die Schuldnerberatung, zum anderen auf die Möglichkeit, ­Mutter-Kind-Kuren zu beantragen. Sie fragte die junge Frau regelmäßig danach, wie es ihr gehe, und gab so Raum, über den verstorbenen Mann zu reden, über die gelebte Beziehung, das

Einzelsupervision einer ehrenamtlichen Trauerbegleiterin  

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Schöne, das Belastende. So entstanden Videos, die die Witwe zusammenstellte aus Bildern und Aufnahmen ihres Mannes. Die Begleiterin wertete nicht und blieb mit ihrer Aufmerksamkeit bei der Witwe. Sie versuchte nicht, deren Sicht der Dinge zu verändern oder gar zu korrigieren. Sie vermittelte Wärme und Respekt für die Frau, ihre Familie und ihre vielen Bemühungen, die kleine Familie und sich selbst stabil über Wasser zu halten. Sie achtete darauf, den Ablösungsprozess zu gestalten, so dass verabredet wurde, dass die Begleitung bis zum Beginn der inzwischen genehmigten Kur mit monatlichen Treffen weiterginge und dann beendet würde. Das war Schwerstarbeit für die Begleiterin. Oft sprach sie darüber, dass es einfacher wäre, Dinge verändern zu können, einzugreifen, sich einzumischen. Sie war sich der Versuchung, eine tragende und eben nicht die begleitende Rolle zu übernehmen, bewusst und widerstand. Das Wissen über die schwierigen, scheinbar unerträglichen Anforderungen und Tatsachen im Leben dieser Frau und ihrer Familie belastete sie. Zum einen ergaben sich handfeste gesellschaftliche und soziale Fragen und zum anderen erlebte die Begleiterin immer wieder Identifikationen mit der jungen Frau, verbunden mit den Übertragungen aus eigenen familiären Erfahrungen und Resonanzen der damit verbundenen geklärt geglaubten Gefühle und Ängste. Fazit

Auftrag dieses Supervisionsprozesses war, der Begleiterin Raum zu geben für die Klärung ihrer eigenen Prozesse, derer sie sich bewusst war, und die fachliche Beratung, damit sie in konstruktiver Distanz empathisch und angemessen begleiten konnte. Dieser Prozess erfreute die Supervisorin, denn trotz spärlicher Methodik war er effizient und zielführend.

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Angewandte Methoden

Regelmäßige Notizen im Begleitungsverlauf durch die Supervisandin Gespräche Spaziergänge

Gruppensupervision für ehrenamtliche Begleiterinnen eines Trauercafés

Eine Gruppe von sieben Frauen begleitet sechsmal jährlich ein Kaffeetrinken, das für verwitwete Angehörige und die Teilnehmenden von Trauergruppen eines Hospizdienstes angeboten wird. Fünf von ihnen sind auf diese Aufgabe mit einer vierzig Stunden umfassenden Fortbildung zu Trauerprozessen vorbereitet worden. Zwei andere haben eine durch den BVT zertifizierte Fortbildung zur Trauerbegleiterin gemacht. Die Gruppe bereitet die Treffen vor. Mit möglichst wenig kostenintensiven Mittel organisieren sie Material für eine schöne Dekoration der liebevoll eingedeckten Kaffeetafel. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden mit Handschlag begrüßt und bekommen ein Namensschildchen. An der Tafel verteilt haben die Begleiterinnen für sich Plätze reserviert, um möglichst überall eine Gesprächspartnerin zu haben. Die Gäste spenden Kuchen, der Verein den Kaffee, die Räume werden von der Kirchengemeinde zur Verfügung gestellt. Die Besucher und Besucherinnen des Trauercafés kennen sich teilweise durch die gemeinsame Erfahrung in der Trauergruppe. Andere kommen nach dem Tod eines Angehörigen neu dazu. Das Trauercafé ist ein niedrigschwelliges Angebot für Hinterbliebene, einen Nachmittag mit anderen zu erleben und sich möglicherweise für weitere Treffen zu verabreden. Es ist für die Teilnehmenden der Trauergruppen die Gelegenheit, sich zu treffen. Alle

Gruppensupervision für ehrenamtliche Begleiterinnen   

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begleitenden Ehrenamtlichen kennen das Format Supervision und nutzen es. Verlauf

Vor Beginn der Supervisionssitzung begrüßen sich die Frauen freundlich und zugewandt mit einer Umarmung und scherzen mit der Frage, die ihnen aus der Supervision bekannt ist: »Hast du was mitgebracht?« Die Antworten beziehen sich dann auf das Gebäck, einen Kater und ein verstauchtes Fußgelenk. Gleichwohl schwingt hier schon eine Ernsthaftigkeit in der Gruppe mit, klingen Fragen und Ereignisse an, die sie beschäftigen – und die Erfahrung des hilflos betretenen Schweigens, das entstehen kann, wenn in einer Supervision kein Thema zur Sprache kommen will. Die Supervisorin bittet als Eingangsrunde darum, dass sich die Frauen jeweils hinter ihren Stuhl stellen und in die Rolle eines Gastes des Cafés gehen, der auf die Frage »Wie gefällt Ihnen das Trauercafé?« antwortet. Durch diesen Rollenwechsel spiegeln die Teilnehmerinnen die von ihnen wahrgenommenen und ihre eigenen Haltungen bzw. Fragen zum Trauercafé-Angebot. Sie können sich so mit Leichtigkeit dem Thema nähern. Der spielerische Charakter der Runde öffnet für Kreativität, Perspektivwechsel und Anliegen. Die Gruppe ist gut erwärmt. In den Darstellungen wird die Zufriedenheit der Gäste ebenso deutlich wie deren häufig große Mühe, sich aufzumachen. Eine Frau spiegelt einen Gast, der sagt: »Ich bin da immer ziemlich still. Weiß gar nicht, was ich sagen soll. Finde schön, dass ich da sein kann. Der Kuchen ist lecker.« Von den anderen Frauen kommt heftiges Kopfnicken. Eine nach der anderen beschreibt ihre Anstrengung, ins Gespräch zu kommen. »Was soll man denn reden, wenn die nicht wollen?« Damit ist das erste Thema der Sitzung gefunden. Die Supervisorin schlägt vor, eine Tischszene zu spielen. Vier Frauen aus der Runde sind dazu bereit. Sie definieren ihre Bühne,

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die mit einem Tisch und vier Stühlen ausgestattet wird. Auf den Tisch platzieren sie eine im Raum vorhandene Zimmerpflanze. Um den Tisch sitzen drei Gäste und eine Begleiterin. Im freien Spiel entfaltet sich ein Gespräch. Ein Gast bemerkt, wie schön wieder alles sei. Zu Hause mache sie sich gar nicht die Mühe. Kopfnicken von anderen. Die Begleiterin fragt in die Runde, ob die anderen das auch von sich kennen. Eine sagt nur »Ja«. Die andere beginnt zu erzählen, dass sie gar keine Lust habe, zu kochen, geschweige denn, einen netten Tisch zu gestalten. »Ist eben alles anders.« Schweigende Zustimmung. »Ja, kann man nix machen.« Schweigende Zustimmung. »Und dennoch müssen Sie ihren Tag irgendwie rumkriegen«, bemerkt die Begleiterin. Die Gäste beginnen nun, sich über ihre Tagesgestaltung zu unterhalten. Ein Gespräch ist im Fluss. Die Szene wird beendet. Die vier Protagonisten entrollen sich durch Streifbewegungen und den Satz »Ich bin wieder …« und räumen die Szene von der Bühne. Im anschließenden Sharing tauscht die Gruppe sich darüber aus, inwiefern ihnen das, was da gespielt wurde, bekannt vorkommt. Alle erinnern solche Gespräche, die sie als gelungen wahrnehmen. Über eine einfache Bemerkung wurden belastende Erfahrungen Thema: die Anstrengung, für sich zu sorgen und einen Sinn im täglichen Tun zu finden, die Erschöpfung und Kraftlosigkeit, die Ohnmacht gegenüber dem Verlust und der Aufgabe, weiter zu leben. Die Rollenfeedbacks der Gäste spiegeln neben dem guten Gefühl, sprechen zu können und in Kontakt zu sein, auch andere Gefühle, zum Beispiel die Angst, in Tränen auszubrechen, dem Schmerz zu nahe zu kommen, die Fassung zu verlieren, verloren zu gehen. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass es sein könnte, dass während der Treffen des Trauercafés es nicht Anliegen der Gäste sei, in ihren Schmerz zu gehen, sondern trotz ihres Schmerzes einen Moment Leichtigkeit und Verständnis zu erleben.

Gruppensupervision für ehrenamtliche Begleiterinnen   

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Die Begleiterin hatte für sich gespürt, dass es nicht angebracht wäre, die erfahrene Sinnlosigkeit zum Thema zu machen, sondern durch ihre Intervention angeboten, sich über den praktischen Umgang mit der möglichen Leere der Tage auszutauschen. Als Konsequenz ergab sich für die Begleitenden daraus, dass es sinnvoll sein könnte, eher mit Alltagsthemen ein Gespräch plaudernd zu beginnen, so dass eine Beziehung unter den sich teilweise fremden Gästen entsteht, denn ein gutes Gefühl für Gäste scheint zu sein, überhaupt reden zu können. Anders als im therapeutischen Kontext, in dem »Plaudern« eher ein Zeichen für Distanzierung ist, um gerade nicht über Bindungsverlust und Bindungsverhalten zu sprechen, wäre es in ihrem Zusammenhang eine Brücke, die über das Schmerztal und die eigene Sprachlosigkeit hinaus führte und Angebote zur Vertiefung erhält, die von den Begleiterinnen angesprochen werden, aber von den Gästen aufgegriffen werden müssen. Außerdem handele es sich nicht um Therapie, sondern um ein punktuelles, begrenztes Begleitungsangebot. Im Abschluss dieser Sequenz brachte eine Frau mit der Bemerkung »… auch nicht so wichtig, was wir sagen, die Trauernden machen eh, was sie wollen« ein zweites, recht pikantes Thema ein. Die Gruppe wollte es bearbeiten, denn es gab den Konsens, dass selbstverständlich die Trauernden entscheiden, was sie tun und wollen und sollen – wo steckte also das Problem? Die Protagonistin stellte zwei Stühle gegenüber, dazwischen verlief ein Gartenzaun, denn was sie bewegte, war das Verhalten ihres alten Nachbarn, der, seit etwa einem Jahr verwitwet, so gar nichts tun wolle, was ihm gut tun könnte – wie ausgehen, neue Kontakte knüpfen, Essen auf Rädern bestellen, eine Putzfrau einstellen, zum Arzt gehen wegen der Schlaflosigkeit. Sie suchte eine Frau als Rollenträgerin für den Nachbarn aus und eine andere als ihre Stellvertreterin. Alsdann begann das Spiel. Sie setzte sich auf einen Stuhl dem Nachbarn gegenüber

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und begann mit ihm ein Gespräch. Dann tauschte sie den Stuhl und die Rolle und antwortete aus der Rolle des Nachbarn. Die Stühle wurden wieder getauscht. Sie kam aus der Szene und ihre Stellvertreterin wiederholte ihre Frage, die Frau in der Rolle des Nachbarn die Antwort. So wurde im Rollenwechsel der Protagonistin zwischen der Rolle des Nachbarn und ihrer eigenen, durch Doppeln der Frau in der Nachbarrolle und der Stellvertreterin die Situation eines Gespräches für sie gespiegelt. Zum Ende der Szene entrollte die Teilnehmerin ihre Mitspielerinnen durch ausstreifen und räumte die Bühne. In der Auswertungsrunde, beginnend mit der Frage an alle, ob sie solche Situationen kennen – ja, es erkannten sich viele wieder –, wurde durch das Rollenfeedback der Stellvertreterin und des Nachbarn erlebt, dass der Nachbar sich bedrängt und unter Druck und in der Grenzenlosigkeit seines Verlustes nicht respektiert fühlen konnte und dass die Protagonistin, sich hilflos fühlend, es kaum aushielt, dass es ihm so schlecht geht. Diese Gefühle bestätigte sie. Durch die gespiegelten Gesprächsfrequenzen erkannte sie für sich, dass sie den Nachbarn so nicht erreichte, und wollte »etwas vorsichtiger« mit ihm umgehen. »Aber er müsse doch da rauskommen. Von dieser Überzeugung konnte sie nicht lassen. Sie hörte kaum die anderen Teilnehmerinnen, die ihr freundlich, aber deutlich Auftrag und Pflicht absprachen, so zu intervenieren, weil es das Recht ihres Nachbarn sei, zu tun, was er für sinnvoll und richtig hält. Nach drei Stunden endete eine intensive Gruppensupervision. Fazit

Der Schwerpunkt dieses Treffens lag bei der Betrachtung der Gefühle und Bedürfnisse der trauernden Gäste. Nicht thematisiert wurde, welche Auswirkungen das Gefühl, nicht ins Gespräch zu kommen oder sich vor Sprachlosigkeit zu fürch-

Gruppensupervision für ehrenamtliche Begleiterinnen   

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ten, für die Begleiterinnen hatte und warum dies für sie schwer zu ertragen ist. Von den Teilnehmerinnen nicht zur Bearbeitung angeboten wurde die eigene Angst vor Verlust und Trauer, obwohl diese sich so deutlich in den Übertragungsprozessen, die die zweite Szene bestimmen, äußern. In der Supervision Ehrenamtlicher ist die Bearbeitung persönlicher Gefühle, vor allem als negativ definierter Gefühle wie Angst, Versagen, Überforderung, oft nur ansatzweise gewollt. Sie mögen sich oft nicht in den Mittelpunkt stellen und häufig gibt es die Scham, sich in der tiefen persönlichen Verletzlichkeit in der Gruppe zu zeigen, weil ein Statusverlust befürchtet wird. Hier liegen starke Wurzeln der Abwehr von Supervision. Angewandte Methoden

Spielerische Erwärmung durch Rollenspiel Szenisches Arbeiten im freien Rollenspiel und mit Antagonisten Sharing, Rollenfeedback, Doppeln und Spiegeln (Psychodrama)

Methoden

Das wichtigste Werkzeug in der Supervision bleibt die Supervisorin oder der Supervisor mit ihrer oder seiner Haltung, Feld- und Beratungskompetenz. Methoden ersetzen weder die Begegnung noch die vertrauensvolle Beziehung, die in der notwendigen empathischen Distanz einen freien Blick auf das Geschehen schafft. Die hier vorgestellte, im Übrigen kleine Auswahl von Methoden, will Bekanntes in Erinnerung rufen, eigene Ideen inspirieren und zur kreativ-aktiven Sitzungsgestaltung motivieren. Für Begleitende, die sich fragen, ob sie Supervision möchten, dient dieses Kapitel als Blick in ein noch unbekanntes Terrain. Bevor eine Methode von einem Supervisor genutzt wird, sollte er sie selbst erlebt und erfahren haben, um abwägen zu können, was sie zu bewirken vermag. Die beschriebenen Methoden spiegeln die Erfahrungen und Vorlieben der Autorin wider. Ihre Auswahl ist also subjektiv und nicht wissenschaftlich begründet. Somit werden hier mit Sicherheit sehr schöne, sinnvolle Methoden und Verfahren der Supervision keine Erwähnung finden. So zum Beispiel die unter dem Begriff Mind-Body-Medizin (MBM) zusammengefassten Verfahren, die neueste, in der Neurobiologie gewonnene Erkenntnisse mit sehr altem Wissen aus dem Bereich Meditation und Yoga zusammenführen: spüren und fühlen, sich bewegen und berühren. Methoden, die durch qualifizierte MBM-Verfahren inspiriert sind, haben das Ziel, die Haltung und den Zustand der Achtsamkeit zu finden, zu üben und zu fördern – und sind

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sicherlich gut integrierbar in Supervisionsprozesse. Supervision wäre ohne die Bereitschaft und den Wunsch zur Achtsamkeit nicht denkbar – Achtsamkeit ist allerdings mehrdimensional. Mit den MBM-Methoden bekommt sie die körperliche Dimension, die in vielen, eher im Gespräch verankerten Begegnungen auch dann, wenn kreativ-aktivierende Methoden genutzt werden, oft nicht genug Raum hat. Auf die theoretische Begründung der vorgestellten Methoden wird an dieser Stelle verzichtet. Ausführliche, wissenschaftlich belegte theoretische Begründungen finden interessierte Lesende in der entsprechenden Sekundärliteratur (z. B. Belardi, 2015 und Möller, 2012).

Methoden zu Beginn der Sitzung

Die Anfangsrunde soll dazu dienen, die Aufmerksamkeit zu sich selbst und in die Thematik zu lenken (kognitive und emotionale Dimension von Achtsamkeit). Sie spiegelt die Stimmung in der Runde wider und bietet Gelegenheit, Fragestellungen zur Bearbeitung einzubringen. Mitglieder, die dieses Ritual kennen, bereiten sich häufig darauf vor – und damit auf die Supervision, in dem sie sich fragen, was sie einzubringen haben und wie es ihnen eigentlich geht. Wenn es sich um eine Gruppe oder ein Team Ehrenamtlicher handelt, ist die ausführliche Eröffnungsrunde, in der Befindlichkeit – bezogen auf das Ehrenamt und das private Leben –, das Erleben, besondere Vorkommnisse und Anliegen für das Treffen Platz haben, sinnvoll einzuplanen. Es hat sich bewährt, mit der Gruppe und mit dem Team selbst über diesbezügliche Erfahrungen und Erwartungen zu sprechen, um miteinander zu klären, ob die Eröffnung ihren Sinn hat und damit ihre methodischen Ziele erreicht werden: gemeinsam

Methoden zu Beginn der Sitzung  

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beginnen, bei sich und in der Gruppe anzukommen, Themen sichtbar werden zu lassen. Impulsfragen – Symbole – Aufstellungen – Zirkuläre Fragen

Je nach Setting lässt sich die Eröffnungsphase einer Sitzung vielfältig gestalten. Außer der klassischen Impulsfragereihe: »Wie ist es Ihnen seit dem letzten Treffen ergangen, wie geht es Ihnen und haben Sie etwas für die heutige Sitzung mitgebracht?«, sind die bei den Systemikerinnen und Systemikern beliebten offenen Fragen weiterführend: »Was soll hier in den nächsten zwei Stunden passiert sein – oder auch nicht –, damit Sie zufrieden hinausgehen?« Diese Frage eröffnet diverse Optionen für die Teilnehmenden und richtet die Aufmerksamkeit auf ihre Erwartungen. Spielerische Zugänge zu folgenden Arbeitseinheiten ergeben sich durch die mit den Impulsfragen verbundenen Einladungen, eine Film- oder Märchenfigur zu benennen, die das derzeitige Befinden im Ehren- oder Hauptamt widerspiegelt. Ein Tier, eine Karte oder ein Gegenstand wird ausgesucht – wenn im Material vorhanden – oder sich vorgestellt. In den gewählten Symbolen reflektiert sich das Befinden der Gruppe, sind Tendenzen zu sehen und deuten sich Themen an, wenn sie nicht schon benannt und sichtbar werden. Neben der klassischen Runde – um einen Tisch herum oder im offenen Stuhlkreis – ist es vorstellbar, durch eine Aufstellung zu Beginn etwas Bewegung in die Gruppe zu bringen: Die Teilnehmenden bewegen sich im Raum und beantworten Fragen nach ihrer Aufmerksamkeit, ihrem Befinden, ihren Anliegen durch die Positionierung auf einem im Raum gedachten Koordinatenkreuz. Es gibt auf der gedachten Vertikalen eine Skala von eins bis zehn – ebenso auf der gedachten Horizontalen. Auf der vertikalen Linie liegt der Wert für das Befinden, auf der horizontalen der für die momentane Aufmerksamkeit. Damit ergibt sich eine aufschlussreiche Abbildung des Befin-

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dens und der Präsenz in der Gruppe. Mit diesem Koordinatenkreuz lässt sich auch erfassen und abbilden, wer ein Anliegen hat (Vertikale) und wie groß die Bereitschaft ist, es zu bearbeiten (Horizontale). Die aus dem systemischen kommende Methode der zirkulären Frage lässt sich mit spielerischen Methoden aus dem Psychodrama in der Eröffnungsrunde gut nutzen. Die Teilnehmenden stellen sich beispielsweise jeweils hinter ihren Stuhl und beantworten aus der Perspektive von Klienten oder Kollegen bzw. Familienmitgliedern die Frage nach dem Befinden oder den Belastungen oder den besonderen Erlebnissen der jeweils Teilnehmenden. Beispiel: Frau A. steht hinter ihrem Stuhl: »Ich bin Franz, der Ehemann. Also, meine Frau hat ganz schön daran zu knabbern, dass die Frau B. jetzt gesagt hat, dass sie keine Besuche mehr will. Das Gerede tät ihr nicht gut. Die ist ganz schön geknickt.« Durch die Distanzierung mittels Rollenwechsel kann sich Frau A. zunächst vom Geschehen distanzieren, es als Thema benennen, ohne es sofort zu öffnen. Diese Methode ist auch in anderen Situationen hilfreich. Immer dann, wenn ein Perspektivwechsel Blockaden lösen kann, weil sich neue Sichten öffnen, wenn emotionale Prozesse auf die Arbeitsebene kommen sollen, wenn die emotionalen Ebenen von Themen sichtbar werden, wenn Außensichten sinnvoll sein könnten. Eine Eingangsrunde oder eine Eingangsbegegnung im Einzelsetting gibt den Ton für die folgenden Begegnungen an und beantwortet die spannende Frage vieler Supervidierender zu Beginn eines Treffens: Gibt es genug Themen? Mögliche Schwierigkeiten umgehen

»Also mal ganz ehrlich, diese Befindlichkeitsrunden am Anfang, die kann ich ja mal hassen«, antwortete eine Palliativpflegefachkraft auf die Frage danach, was sie von einem guten Supervi-

Methoden zur Fallbearbeitung  

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sor, einer guten Supervisorin erwarte. Auch in anderen Kreisen erfreut sich diese Runde immer weniger der Beliebtheit. »Was gefällt Ihnen daran nicht?« »Das ist so ritualisiert. So gezwungen. Da muss ich was sagen. Wie es mir geht, kann und will ich oft in dieser Runde nicht umfänglich sagen. Das ist ein Krampf!« »Es soll dazu dienen, im Thema und als Gruppe anzukommen. Insofern durchaus als Ritual gedacht. Was denn stattdessen?« »Ich finde die Frage: ›Was haben Sie seit dem letzten Mal erlebt: Gutes oder Schlechtes?‹ besser. Da kann ich entscheiden, was ich einbringen will, mache keine Generalauskunft, bin für mich bei dem für die Sitzung Wesentlichen.« In diesem Austausch im Kontext der Hauptberuflichkeit deutet sich an, dass hier eine die berufliche Identität betreffende Eröffnung und ein aktionsorientierter Einstieg bevorzugt wird: »Was habe ich erlebt?« Also: »Was hat sich getan vor der Frage nach dem: ›Wie geht es Ihnen (damit)?‹«. So kommt man eher zum Thema – und kreist nicht ewig um anderes, hier Unwesentliches.

Methoden zur Fallbearbeitung

In den geschilderten Praxisbeispielen kamen bereits einige der schier unzähligen methodischen Möglichkeiten vor. Eine Supervisionssitzung muss nicht zum möglichst vielfältigen, unterhaltsamen Event, sozusagen multimethodal, werden, um gut zu sein. Die Methode ist nicht Zweck der Sitzung, sondern soll dazu dienen, Begegnung und vertrauensvolle Beziehung zu ermöglichen, sie soll dazu verhelfen, Themen zu finden, Perspektiven zu entwickeln und, wo möglich und gewünscht, neue Umgangsweisen definieren, entlasten und zentrieren. Supervi-

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sor oder Supervisorin müssen nicht zum Comedian mutieren. Auch eine vergleichsweise an Methoden karge Sitzung in intensivem Gespräch bleibt eine valide Option für Supervision, wenn damit den Bedürfnissen der Teilnehmenden entsprochen und die gewünschten Ergebnisse erreicht werden. Varianten des Rollenspiels

Die meisten Supervidierenden werden persönliche Erfahrungen mit Rollenspielen gemacht haben. Ein Rollenspiel braucht Zeit zur Vorbereitung, in der aktiven Phase und zur Nachbereitung. Das Rollenspiel in großem Setting wird also kaum in einer ­eineinhalbstündigen Sitzung nützlich sein. Außerdem wird Raum benötigt, um zu spielen. Es bietet sich an, wenn komplexe Situationen bearbeitet werden sollen, in denen sich oft konfliktträchtige Rollen gegenüberstehen und wenn Klarheit über die eigene Rolle gefunden werden soll. Erstaunlich häufig haben Teilnehmende schlechte Erfahrungen mit Rollenspielen gemacht und scheuen sie. Sie fühlen sich unter Umständen vorgeführt, bloßgestellt und überrollt. Die Teilnahme an einem Rollenspiel muss freiwillig sein. Wenn ein Team oder eine Gruppe sich nicht darauf einlassen kann, ist die Methode nicht angebracht. Es gibt unzählige Varianten des aktiven Spiels. Die hier geschilderten Verfahren wurzeln im Psychodrama nach Jacob L. Moreno (vgl. auch Schnegg, 2014). Vor Beginn des aktiven Spiels wird genau geklärt, um welche Situation es gehen soll und wer sie einbringt und bearbeiten will. Die Protagonistin oder der Protagonist entscheidet sich für den Ort, den die Bühne im Raum haben soll, und kennzeichnet sie. Die Bühne ist der Raum des Spiels, der Betrachtung, des Außergewöhnlichen, der übrige Raum ist in der Wirklichkeit des gelebten Alltags. Durch die klare Zuweisung und Kennzeichnung des Bühnenraums und seine Begrenzung bleibt es im Verlauf der

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Beschäftigung mit dem Spiel einfach, die Ebenen des Spiels und des »Ernstes« zu trennen. Das verhilft zu Prozesssicherheit durch Klarheit. Auf der Bühne bzw. in dem Raum, der als Bühne definiert ist, geht der Supervisor die Thematik mit dem Protagonisten durch und erarbeitet die genaue Frage, die geklärt werden soll – das Thema – und welche Rollen dazu besetzt werden sollen. Die Protagonistin oder der Protagonist bittet dann Gruppenoder Teammitglieder, eine Rolle zu besetzen, und platziert sie auf der Bühne. Für sich selbst sucht er oder sie eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter bzw. ein »Hilfs-Ich« aus. Im klassischen Psychodrama gibt der Protagonist oder die Protagonistin den jeweiligen Mitspielern klare Anweisungen in Form eines Satzes – sie werden »eingedoppelt«. Damit entfaltet sich die Szene auf Basis der Sicht der Protagonistin. Sie baut so ihre Vorstellung und Wahrnehmung des Geschehens auf. Dann werden auf der Bühne Szenen gespielt. Hat die Protagonistin ein Gespräch zur Klärung auf die Bühne geholt, beginnt das Spiel nun, indem sie sich selbst als Gegenüber der Rolle des Gesprächspartners spielt und dann, wenn eine Antwort fällig wird, in die Rolle des Gegenübers schlüpft, seine Haltung annimmt und eine Antwort gibt. So entstehen auf Seiten der Protagonistin Einfühlungen in das Gegenüber. Die erarbeiteten Gesprächsfrequenzen werden vom Hilfs-Ich und dem Gegenüber in der Rolle nachgespielt – gespiegelt –, während die Protagonistin von außen beobachtet und so einen Perspektivwechsel erlebt, der oft schon Lösungen sichtbar macht. Die hier elementaren Techniken des Rollentausches, Doppelns und Spiegelns erlauben dem Protagonisten eine umfassende Erarbeitung und Einfühlung in die Fragestellung. Das eingebrachte Spielmaterial ist sein eigenes. Es geht konzentriert um seine Fragen, seine Sicht der Dinge und letztlich seinen Lösungsansatz. Die Mitspielenden haben durch ihre Erfahrun-

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gen einiges an meist hilfreicher Resonanz zu geben und erleben ihre eigenen Zugänge zum Thema. Nach dem von Protagonist und Supervisorin gemeinsam konstatierten Ende der Szene entlässt der Protagonist die Mitspielenden aus ihrer Rolle, zum Beispiel durch das Ausstreichen an den Körperseiten entlang der Arme und Beine und durch den Satz: »Du bist wieder … (Namensnennung)«. Dieses Ritual ist wichtig, um den Bühnenraum Richtung Realitätsraum zu verlassen. In der Auswertungsrunde werden zunächst alle gefragt, ob ihnen die Situation bzw. Fragen des Protagonisten bekannt seien oder sie Ähnliches kennen. Dieses »Sharing« ist wichtig, um den Protagonisten aus seiner exponierten Rolle wieder in die Gruppe einzubinden als Teilnehmer, dessen Fragen auch andere beschäftigen. Für die Teilnehmenden ist es die Gelegenheit, Eigenes zu benennen und beteiligt zu sein. Alsdann stellen die Spielenden ihre Gefühle und Erlebnisse in der jeweiligen Rolle zur Verfügung. Daraus entsteht ein großer Resonanzraum für diverse Perspektiven und Gefühle, die in der Situation aufkamen. Sie wird dadurch umfassend sichtbar. Anschließend können die nicht aktiven Teilnehmenden einbringen, wie sie sich in der Identifikation mit einer Rolle gefühlt haben, was sie beobachtet und erkannt haben. Diese ausführliche, klar strukturierte Auswertungsrunde bezieht die gesamte Gruppe mit ein und führt häufig zu Lösungen. Varianten dieses Verfahrens sind vielfältig möglich: •• Die Rollenspieler können die Szene frei spielen und geben so dem Protagonisten die Möglichkeit, sich eine Außenwahrnehmung anzuschauen und in die eigene Betrachtungsweise einzubeziehen. •• Der Protagonist kann sich selbst im freien Spiel auf die Bühne bringen und erleben, wie er etwas bewirkt und was. •• Die Rollenspieler können aufgefordert werden, ihre durch die Rolle ausgelösten Gefühle zu schildern, und geben so einen

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Einblick in mögliche Wahrnehmungen der Betroffenen, die dem Protagonisten noch verschlossen sind. •• Die Rollenspieler können aufgefordert werden, sich anders aufzustellen, wenn sie den Impuls haben, und so ein neues Bild zeichnen, das dem Protagonisten neue Eindrücke vermitteln kann. Dia – Standbild – Skulptur

Für ein großes Rollenspiel ist oft keine Zeit während der Supervisionssitzungen. Für eine Momentaufnahme schon. Das Standbild, auch genannt »Dia« oder »Skulptur«, bezeichnet den Prozess der Aufstellung eines komprimierten oder auch blitzlichtartigen Ausschnitts einer geschilderten Situation. Mit dieser Methode wird gespiegelt, was beim Protagonisten von anderen wahrgenommen wird, gedoppelt, was der Protagonist von anderen erwartet, voraussetzt oder befürchtet, und nachempfunden, wie sich die Situation anfühlt. Durch Positions- und Haltungsveränderungen beginnen Lösungen. Das Dia ist gleichzeitig körperlich aktivierend und macht wach – was bei Supervisionsprozessen gelegentlich durchaus förderlich ist. Beispiel: Teilnehmende eines Trauercafés kommen zur Tür hinein – wie sehen die Begleiter sie? Das lässt sich schnell darstellen – entweder als Gruppenarbeit oder im Prozess mit einer Protagonistin. Mit dieser vergleichsweise kleinen Aktion können die befürchteten oder beobachteten Gefühle der Begleitenden, den Gästen des Trauercafés genügen zu müssen, oder die Scheu der Gäste, sich in den Raum zu begeben, sicht- und spürbar werden. Positionen lassen sich nachstellen, um sie nachempfinden zu können. Sowohl das Eigene als auch das der anderen ist sehr schnell und gut bearbeitbar da. Es macht außerdem oft viel Freude, die kleinen Bilder zu stellen. Die eingenommenen oder zugeschriebenen Haltungen und die Nähe-Distanz-Merkmale lassen vielfältige Schlüsse auf das

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Beziehungsgeschehen, auf Blockaden und Konstellationen zu. Durch die aufgestellte Veränderung in den kleinen Bildern zeichnen sich oft Schritte zur Lösung ab oder lassen sich auch ausprobieren. In einer Gruppe oder einem Team, die oder das sich kennt und schon eingeübt ist in gemeinsames, auch szenisch-kreatives Arbeiten, lässt sich die Frage nach dem Befinden in der Eingangsrunde auch gut durch eine Momentaufnahme oder ein Standbild darstellen. Die Teilnehmenden nehmen körperlich eine Position ein, in der anliegende Fragen und obenauf liegende – oder weiter darunterliegende – Gefühle schon geborgen sind. Geborgen, im doppelten Sinn: aufgehoben und als Arbeitsmaterial greifbar. Auch als Zwischenaufnahme bietet sich das Dia an. Soziometrische Abbildungen

Die Soziometrie ist eine von Jacob L. Moreno im Zuge seiner gruppentherapeutischen Arbeit entwickelten Methodik zur Erfassung von Beziehungen und Positionierungen innerhalb von Gruppen.12 Durch das Verfahren sollen sich Beziehungen verändern und Ausgrenzungen überwunden werden. Die Gruppe bildet im Wesentlichen die Antwort auf eine Frage und die Beziehung zur Frage ab. Das kann sich von eher unterhaltsamen Fragen nach dem Sternzeichen oder Geburtsort bis hin zur Abmessung von Beziehungsqualität in der Gruppe bewegen. Im Kontext der Supervision in der Trauerbegleitung bieten sich soziometrische Abbildungen an, um in einer größeren Gruppe die Befindlichkeit darzustellen oder auch um zu sehen, welches Thema bei Vorliegen mehrerer Themenwünsche bearbeitet werden soll. Dazu rücken die das Thema Einbringenden mit ihren 12 Moreno, 1989. Vgl. auch Zeitschrift für Psychodrama und Theorie, Heft 2, Wiesbaden, 2011.

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Stühlen in die Mitte, die am jeweiligen Thema Interessierten stellen sich hinter sie. Obschon immer wieder erklärt wird, dass es mit dieser Übung darum geht, die aktuelle Bedeutung eines Themas zu erfassen und nicht die Bedeutung des Einbringenden, erzeugt diese Art der Wahl bei Nicht-Gewählten möglicherweise eine leichte Kränkung. Es empfiehlt sich, das anzusprechen. Tischbühne

Die Tischbühne ist sowohl in Gruppen- und Teamsupervisionen als auch im Einzelsetting gut zu nutzen. Ein Tisch mit klarer Fläche ist das Spielfeld. Mit dem Sammelbegriff »Intermediärobjekte« werden Figuren, Puppen, Steine, Tiere und andere Gegenstände unterschiedlichster Art benannt, die im Spiel zur Darstellung von Rollen – das können Menschen sein oder Probleme, Einstellungen etc. – genutzt werden. Für eine Szene auf der Tischbühne besprechen Protagonistin und Supervisor am Tisch sitzend das Thema. Die Protagonistin wählt Stellvertreter für die gespielten Personen, Einstel-

Aufstellung mit Intermediärobjekten zum Thema Bereicherung Foto E. Chiwaeze

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lungen oder Fragen aus und beginnt, mit ihnen zu spielen. Sie nimmt je das Objekt, aus dessen Rolle heraus gesprochen wird, in die Hand. Im beschriebenen Beispiel der Einzelsupervision des Hospizkoordinators ging es darum, die Belastungen durch die eigene Betroffenheit und Trauer kombiniert mit der erdrückenden Pflicht zu schweigen sichtbar und spürbar zu machen, um einen anderen Umgang zu finden. Schuld und Scham, Schweigen fanden durch die Steine ihren Ausdruck, während durch Figuren die handelnden Personen dargestellt wurden. Die Protagonisten suchen sich aus, womit sie darstellen. Sie kommen aus den Rollen wieder hinaus, indem sie die Figuren und Objekte aus der Hand legen und zum Ende des Spiels wieder wegräumen. Im Spiel gibt es einen Zugang zu Empfindungen und gleichzeitig eine häufig erleichternde Distanzierung durch das Spiel, so dass diese Methode auch in der Trauerbegleitung gut einzusetzen ist. Im anschließenden Gespräch im Gruppensetting lassen sich über das Sharing und das Rollenfeedback weitere, oft hilfreiche Perspektiven bearbeiten – für die eingebrachte Fragestellung sowie für das Erleben der anderen Teilnehmenden. Aufstellungen

Im Rahmen der Supervision von Trauerbegleitern gilt für die Aufstellung ebenso wie für das große Rollenspiel, dass in der Regel die Zeit einer durchschnittlichen Supervisionsrunde dafür nicht ausreichend sein kann. Kurze Sequenzen einer Aufstellungsarbeit sind hingegen gut zu nutzen. Aufstellungen können im Gruppen- und Teamsetting mit Teilnehmenden gemacht werden, aber auch – wie im Einzelsetting – mit Intermediärobjekten. Werden Personen aufgestellt, ist Erleben der jeweiligen Mitspieler auf ihren Positionen eine Quelle erhellender Wahrnehmungen: Wie stehen sie da? Wie fühlen sie sich? Was

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spüren sie? Wen sehen sie? Wen nicht? Wer ist zu nah? Wer ist fern? Was verändert sich, wenn jemand die Haltung verändert oder die Position verlässt? Wenn mit Figuren oder Gegenständen aufgestellt wird, lassen sich diese Fragen beantworten. Es entsteht ein lebendiges, komplexes Bild, durch das oft Blockaden, Ängste und Sackgassen deutlich werden. Für Begleitende wird durch die Aufstellung der Situation von Begleiteten oft deutlich nachspürbar, wie groß und vieldimensional der erlittene Verlust und der damit verbundene Schmerz sind. Das wiederum befähigt zu tiefgehender Akzeptanz der Trauer – was für den Trauerprozess sehr hilfreich ist. Aufstellungen sind zudem erkenntnisreich, um die Verschiedenheit der eigenen Empfindung von der der zu Begleitenden zu erspüren, um dann zu entdecken, dass der als für den Begleitenden richtig empfundene Weg eben nicht der des Trauernden sein muss. Übertragung und Gegenübertragung werden gut thematisierbar. Positionswechsel

Um in knapper Zeit zwischen einzelnen Fall- oder Themenbesprechungen einen definitiven Schlusspunkt zu setzen, hat sich in der Praxis bewährt, die Teilnehmenden darum zu bitten, sich in der Runde einen anderen Platz zu suchen. Damit kommen alle etwas in Bewegung, atmen anders und blicken beim nächsten Fall aus einer anderen Richtung auf das Geschehen. Intermediärobjekte

Im supervisorischen Zusammenhang werden Gegenstände, also Karten, Puppen, Figuren, Murmeln, Kuschel- oder Plastiktiere, Symbole, Pflanzen, Steine etc., zur Hilfe genommen, um innere Prozesse nach außen zu tragen und damit für gespürte, aber möglicherweise noch nicht genau zu formulierende Gefühle Ausdruck zu finden. Mit der Wahl des Gegenstandes kommen

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der Protagonist, die Protagonistin bereits in Kontakt mit den für ihn oder sie mit dem Thema verbundenen Emotionen und (Be-) Wertungen. Ein kreativer, oft spielerischer Zugang öffnet sich. Durch Intermediärobjekte wird die Bearbeitung von Themen unterstützt, sie vermitteln das innerlich virulente nach außen und machen es sicht- und begreifbar.

Methoden zum Abschluss der Supervisionssitzung

Ähnlich wie der Beginn der gemeinsamen Arbeit mit der Eröffnungsrunde von manchen Teilnehmenden als zu statisch und vorhersehbar, als unnötige Pflichtübung erlebt wird, kann eine Abschlussrunde Widerstände hervorrufen. Dennoch ist sie sinnvoll. Ein letzter Platzwechsel im Gruppen- und Teamsetting, die Bitte an die Teilnehmenden, in einem Satz zu resümieren, wie es ihnen geht und was sie mitnehmen, oder, wenn es eine ausführlichere Runde sein darf, nochmals ein Rollenwechsel, die Einladung, ein Telefonat mit X zu spielen, in dem die Teilnehmenden ihm oder ihr erzählen, was sie gerade erlebt haben.

Feldkompetenz für Supervision in der Trauerbegleitung

Qua Definition grenzt sich Supervision von therapeutischer Beratung ab. Sie ist auf eine in der Regel bezahlte berufliche Tätigkeit bezogen und ist im beruflichen Alltag verortet. Im Bereich der Arbeit mit Ehrenamtlichen orientiert sich Supervision an den Erlebnissen und Erfahrungen in einem freiwillig gewählten, nicht monetär entlohnten Tätigkeitsfeld. Fallarbeit und die Reflexion persönlicher Prozesse sind miteinander verwoben und werden in der Supervision thematisiert. Die Deutsche Gesellschaft für Supervision veröffentlichte Ergebnisse einer gemeinsam mit dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) durchgeführte Befragung von Hospiz- und Palliativdiensten zu deren Umgang mit Supervision (DGSv, 2007). Dort sind die Erwartungen der Teilnehmenden an die Supervisoren und Supervisorinnen formuliert: »Ein hoher Prozentsatz (63 %) erwartet von ihrer/m Supervisor/in eine persönliche Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen; 97 % gehen davon aus, dass dies auch zutrifft. Kenntnisse des Arbeitsfeldes erwarten 83 % der Supervisand/ innen. Fachwissen zu Trauer und die Bereitschaft, spirituelle Aspekte zu besprechen, ist mehr als der Hälfte der Befragten wichtig. Für 42 Prozent ist ein bestimmtes Lebensalter wünschenswert, mit durchschnittlich vierzig Jahren. 70 Prozent geben an, dass ihre Erwartungen weitgehend erfüllt werden. Bei immerhin 30 % werden die Erwartungen nur teilweise abgedeckt.«

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Feldkompetenz für Supervision in der Trauerbegleitung

Das ist eine klare Aussage hinsichtlich der Erwartungen an die Supervidierenden, die offensichtlich auch erfüllt werden, wie der hohe Wert an Zufriedenheit zeigt. Im Zuge dieser Befragung wurde eine Fortbildung für Supervidierende, die sich für dieses Arbeitsfeld qualifizieren wollen, durchgeführt und entwickelt. Diese Fortbildung kombinierte die strukturierte und komprimierte Wissensvermittlung zu Hospizarbeit, Palliative Care und damit eingebunden Trauer mit der selbsterfahrungsbezogenen Auseinandersetzung mit den je eigenen Haltungen zu existenziellen Fragen um Abschied und Tod (Häßner, 2007). Die Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen waren zwar sehr zufrieden mit Angebot, Durchführung und Erkenntnisgewinn (dennoch wurde die Fortbildung nicht weiter fortgeführt). Es gibt also nach wie vor kein verbindliches Konzept zur Vorbereitung von Supervisoren und Supervisorinnen auf ihre beratende Tätigkeit in diesem Arbeitsfeld. Wird es gebraucht? Es ist durchaus umstritten, ob die Fähigkeit zur Supervision im Bereich der Hospizarbeit und Trauerbegleitung einer besonderen Feldkompetenz bedarf. Immerhin sind qualifizierte Supervisorinnen und Supervisoren darauf vorbereitet, mit den diversen Implikationen belastender Arbeitsereignisse und -bedingungen umzugehen. Ein vorbehaltloser, empathisch distanzierter Blick wird sicher auch ohne Fortbildung in diesem Bereich möglich, wenn es um Übertragungen, Gegenübertragungen und Verwicklungen geht. Immer dann, wenn Trauerbegleiter oder Hospizmitarbeitende in eine Aura des Geheimnisvollen, Schweren zu rücken, ja entschweben zu scheinen, denn immerhin sind sie mit der Endlichkeit »per Du« und ganz nah an der Ewigkeit, kann es schon sehr entlasten, wenn ein freundlicher Supervisor die »Luft rauslässt«. Allerdings erleben auch Supervidierende Einschränkungen und Eintrübungen ihrer Wahrnehmung und können sich in nicht bewussten Einstellun-

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gen und Gefühlen gegenüber den in diesem Themenfeld so häufig auftretenden Daseinsfragen verstricken, sich fangen lassen von stellvertretender Trauer oder in den Aktionismus bzw. die übereilte Lösungssuche getrieben werden. Sich als in diesem Bereich Supervidierende selbst mit der eigenen aus Trauer- und Verlusterfahrungen geprägten Haltung zu beschäftigen, ist sicherlich sinnvoll. Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Das Forschungsprojekt »TrauERleben« von Michael Wissert (www.projekt-trauererleben.de) zeigt diverse Ideen auf, zum Beispiel die, ein Curriculum zur Fortbildung von Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleitern zu entwickeln, das die nach definierten Qualitätsstandards zertifizierten diversen Fort- und Weiterbildungen zusammenfasst und die ersten wissenschaftlich fundierten Befragungsergebnisse hinsichtlich der Bedürfnisse Trauernder aufnimmt. Das wurde bislang nicht umgesetzt. Hier wäre der Ort, Art und Umfang empfohlener Supervision für Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter zu beschreiben und festzulegen. Die Wirksamkeit von Trauerbegleitung, auch durch unterschiedliche Personengruppen, muss weiter erforscht werden. Es deutet sich an, dass Begleitung, besonders bei unvorhergesehenen Toden naher Bezugspersonen, insbesondere von Partnern und Kindern, Trauernden hilft, wieder in das Werden zu wachsen (Brathuhn und Adelt, 2015). Allerdings setzt die Begleitung dieser Prozesse fundierte Kenntnisse voraus. Möglicherweise ist sie also im ehrenamtlichen Rahmen nicht verantwortungsvoll ausführbar, wenn die betreffenden Begleiter keine solide Weiterbildung als Qualifizierung gemacht haben. Der Status von Trauerbegleitung im großen Reigen von therapeutischen, seelsorglichen, pädagogischen und ehrenamtlichen Unterstützungsangeboten ist nicht geklärt. Der DHPV wandte sich noch im Juni 2016 gegen die Klassifizierung von

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andauernder Trauer als Behandlungsindikation nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD), weil Trauer keine Erkrankung sei. Andererseits ist eine solche Klassifikation aber zurzeit die einzige Möglichkeit, Trauerbegleitung als von den gesetzlichen Krankenkassen anerkannte Behandlungsform finanziert zu bekommen. Alle anderen Angebote, sofern sie nicht zu den von Hospizen angebotenen Leistungen gehören, müssen privat finanziert werden. Auch die große Mehrheit der qualifizierten Supervisorinnen und Supervisoren muss oder will Geld verdienen. Supervision in der Trauerbegleitung – unbestritten notwendig und in vielfältiger Weise möglich – bleibt so oft prekär, weil sie durch Spenden und Überschüsse zu finanzieren ist und im Rahmen der im Zuge der finanziellen Förderung von Hospizarbeit möglichen Abrechnungen mit den Krankenkassen nicht einbezogen wird, wenn sie als Supervision in der Trauerbegleitung gekennzeichnet ist. Supervision in der Trauerbegleitung ist sinnvoll und kann viel Freude und tiefe Erkenntnis bringen – für die Supervisanden und die Supervisoren. Sie verhilft Trauernden zu Begleiterinnen und Begleitern, die die von ihnen gewählten Wege respektieren und würdigen können. In der oben beschriebenen Fortbildung für Supervisoren und Supervisorinnen, die sich für die Arbeit in den Zusammenhängen der Hospizbewegung interessieren, formulierten die Teilnehmenden Regeln, durch die ein gutes Arbeitsklima geschaffen wurde. Diese Verabredungen beschreiben komprimiert, unter welchen Bedingungen Supervision in der Trauerbegleitung gelingen kann: •• »Offener und behutsamer Umgang mit eigenen und fremden Erfahrungen mit Sterben und Tod, •• Einnehmen einer wertschätzenden, suchenden, fragenden und neugierigen Haltung,

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•• Gestaltung von der Situation angemessener Nähe und Distanz, •• Wunsch und Bereitschaft, wahrgenommen zu werden in der eigenen Befindlichkeit und die anderen wahrzunehmen in ihrem Befinden, •• Äußerungen wertfrei stehen zu lassen; alles, was ist, darf sein, •• Ausgewogenheit zwischen sachorientiertem Arbeiten und Selbsterfahrung unter Nutzung der Gruppe als Ressource, •• prozessorientiertes Lernen und Reflexion der Inhalte, •• Tabuthemen ansprechen und Grenzen thematisieren, •• Fehler und Irrtümer (auch strukturelle) nutzbringend reflektieren« (Häßner, 2007, S. 89 f.). Wenn es gelingt, diesen Regeln zu folgen, dann kann es nur eine gute Supervisionserfahrung für alle Beteiligten werden, in dem das Eigene mit dem und durch das der anderen wächst und weise wird.

Literatur

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Pfeifer-Schaupp, Ulrich (2008). Trauer in der systemischen Supervision – Oder: Der Tod klopft öfter an, als man denkt. Kontext, 39, 1, 31–50. Schnegg, Matthias (2014). Erwärmen in der Trauer. Psychodramatische Methoden in der Begleitung. Göttingen. Schreyögg, Astrid (2010). Supervision.  Ein integratives Modell. Wiesbaden. Shah, Hanne; Weber, Thomas (Hrsg.) (2015). Trauma. Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen. TrauerInstitut Deutschland e. V. (Hrsg.) (2003). Qualität in der Trauerbegleitung. Dokumentation der 2. NRW-Trauerkonferenz, 9./10. Juni 2002. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie. 2015, Heft 2. Zink, Jörg (1985). Trauer hat heilende Kraft. Stuttgart.

Anhang: Ethische Leitlinien der DGSv (Deutsche Gesellschaft für Supervision e. V.)

Präambel In der DGSv haben sich Supervisorinnen und Supervisoren zusammengeschlossen, um ihre beruflichen und fachlichen Interessen gemeinsam zu vertreten und weiterzuentwickeln. Dies beinhaltet die Diskussion und Verständigung über gemeinsame Ziele, Werte und fachliche Fragen. DGSv-Supervisorinnen und Supervisoren begegnen jedem Menschen mit Respekt, unabhängig von dessen Herkunft, Weltanschauung und Lebensgestaltung. Sie achten die Unantastbarkeit und den Schutz der Würde jedes Einzelnen. Das berufliche Handeln in der Supervision basiert auf Fachlichkeit sowie auf ethischen und wissenschaftlichen Grundlagen. Supervisorisches Handeln bewegt sich im Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft. Die Basis für das supervisorische Handeln der Mitglieder der DGSv sind die berufsethischen Standards und kollektiven Leitlinien. Supervisorinnen und Supervisoren der DGSv verpflichten sich dieser Basis. Die Ethischen Leitlinien enthalten die Überzeugungen der Supervisorinnen/Supervisoren, die Ausdruck finden im Verhalten gegenüber ihren Supervisandinnen/Supervisanden sowie im Respekt vor allen beteiligten Personen. Das Auftreten gegenüber Kolleginnen/Kollegen und den Auftraggeberinnen/Auftraggebern sowie in der Öffentlichkeit ist an den ethischen Leitlinien ausgerichtet. Berufsethische Standards und kollektive Leitlinien dienen dazu, Super visorinnen und Super vi-

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soren für ethische Probleme ihrer Arbeit zu sensibilisieren. Die ethischen Leitlinien ermutigen, das eigene berufliche Handeln kritisch zu prüfen und Reflexion sowie Fortbildung zur Grundlage der Arbeit zu machen. Dafür geben die ethischen Leitlinien Orientierung. Sie bieten Schutz vor eigenen übersteigerten Vorstellungen und überzogenen Er wartungen der Klienten oder Kunden. Ferner benennen sie die Grundlagen, auf denen die Arbeit der Ethik-Kommission beruht und stehen dafür, in der Ausbildung Elemente berufsethischen Handelns zu vermitteln und zu einer entsprechenden Praxis anzuhalten. Um die in den ethischen Leitlinien genannten Ziele zu erreichen, bestätigen und unterstützen die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Supervision die folgenden Ausführungen.

Supervisorisches Selbstverständnis Supervision ist ein Beratungsverfahren, das sich auf Abläufe und Fragen bei der beruflichen Arbeit bezieht, auf Probleme der darin involvierten Menschen und auf ihre Beziehungen. Sie dient gleichermaßen der Emanzipation als auch der Bindung, der Ermöglichung neuer Sichtweisen und der persönlich-professionellen Weiterentwicklung von Einzelnen, Gruppen, Teams und Organisationen. Dabei werden verschiedene Dimensionen einbezogen: Ȥ Ȥ Person, Ȥ Ȥ Beruflicher Auftrag und Rolle, Ȥ Ȥ Organisation, Ȥ Ȥ Zusammenarbeit und Abgrenzung, Ȥ Ȥ Rahmenbedingungen, Ȥ Ȥ Gesellschaftliche Bezüge. Trotz der Vielfältigkeit und Komplexität der Aspekte ist Supervision eine Form der Beratung neben anderen  – ergänzenden und/oder

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konkurrierenden  – Verfahren. So werden Grenzen u. a. zu psychotherapeutischen Prozessen, zur Organisationsentwicklung, Unternehmensberatung, Mediation, Moderation, Unterricht und Selbsterfahrung gewahrt, auch wenn Kolleginnen und Kollegen über Mehrfachqualifikationen verfügen. In der allgemeinen Ausübung der Beratungstätigkeit arbeiten Supervisorinnen und Supervisoren häufig allein. Sie achten daher in ihrer Berufsausübung besonders auf ihre Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Eigenverantwortung. Sie verpflichten sich dem Gemeinwohl. Sie reflektieren bei jeder Anfrage selbstkritisch, ob die eigenen Kenntnisse, Fähigkeiten und persönlichen Bedingungen in diesem Fall sinnvoll einzusetzen sind. Sie gestalten ihr Vorgehen gegenüber Auftraggebern, Supervisandinnen und Supervisanden transparent. In der praktischen Arbeit stehen Offenheit und Verschwiegenheit in einer Spannung zueinander. Dies wird bei Kontraktabschluss, im daraus resultierenden Beratungsprozess und der Auswertung angemessen berücksichtigt. In der Praxis, Ausbildung und Forschung bedeutet dies: die menschliche und fachliche Qualität von Beratungs-, Ausbildungsund Forschungsprojekten hat Vorrang vor ökonomischen Interessen. Daher verbietet sich auch die Übernahme von Aufträgen totalitärer, sexistischer, fremdenfeindlicher oder rassistischer Organisationen von selbst.

Supervisorisches Handeln DGSv-Supervisorinnen und Supervisoren tragen die Verantwortung für ihr berufliches Handeln im Wissen um die möglichen persönlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen auf ihre Klientensysteme und messen der Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung Anderer eine hohe Bedeutung zu. Sie verhalten sich so, dass vorhersagbarer und vermeidbarer Schaden verhindert wird.

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Supervisorinnen und Supervisoren gehen die Selbstverpflichtung ein, sich auf jene supervisorische Leistung zu beschränken, die vereinbart wurde und in der eigenen Kompetenz liegt. In der Supervision wird auf eine möglichst klare Abgrenzung zu anderen Beratungsdisziplinen geachtet. Die Supervisorinnen und Supervisoren pflegen einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Vertrauensverhältnis, das aus den direkten oder indirekten beruflichen Beziehungen entsteht. Jede Vorteilsnahme und jeder Missbrauch  – ob zu Gunsten wirtschaftlicher, sozialer, sexueller oder anderer persönlicher Interessen – wird eindeutig abgelehnt. Die Mitglieder der DGSv achten darauf, dass sie zum System ihrer Klientinnen/Klienten und Kunden genügend Distanz haben. Sie respektieren den Persönlichkeitsschutz und verpflichten sich insbesondere zum verantwortungsvollen Umgang mit Macht und Abhängigkeit.

Kollegiales Verhalten Die Mitglieder der DGSv verpflichten sich zu kollegialer Kooperation und kollegialem Verhalten. Die Zusammenarbeit und Konfliktbewältigung entspricht den Prinzipien der gegenseitigen Achtung und Offenheit. Konkurrenz wird dadurch nicht ausgeschlossen, aber Loyalität, Toleranz und Kooperation gewahrt. Die Akzeptanz persönlicher und fachlicher Andersartigkeit ist eine Grundlage von Kollegialität. Mitglieder treten untereinander in geschäftliche Beziehungen, die vertraglich abgesichert werden. Kollegiale Beziehungen sind hierdurch geschützt.

Anhang: Ethische Leitlinien der DGSv  

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Mitgliedschaft im Berufsverband Die Ziele der DGSv sind in der Satzung und in Publikationen des Verbandes veröffentlicht. Die Mitglieder der DGSv verpflichten sich – entsprechend der entwickelten Qualitätsstandards – zu regelmäßiger Fortbildung und Kontrolle ihres beruflichen Handelns. Die Mitgliedschaft im Berufs- und Fachverband DGSv erfordert bei Mitgliedschaft in verschiedenen, anderen Verbänden Loyalität gegenüber der DGSv.

Selbstverpflichtung Ethische Leitlinien leben von einer ständigen Diskussion durch die Mitglieder der DGSv und der Orientierung daran. Die Funktionsträger des Berufs- und Fachverbandes Supervision tragen Sorge, dass die berufsethischen Diskurse unter den Mitgliedern wachgehalten und die ethischen Standards vor dem Forum der Öffentlichkeit erörtert werden. Die ethischen Leitlinien haben selbstverpflichtenden Charakter. Ihre Weiterentwicklung erfordert die Auseinandersetzung der Mitglieder der DGSv mit ihnen. Die Leitlinien haben mit dem 15. 11. 2003 Gültigkeit.