Vollständige Grammatik der neuhochdeutschen Sprache: Band 2 [Reprint 2022 ed.] 9783112667880, 9783112667873


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German Pages 346 [688] Year 1828

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Table of contents :
Vorrede.
Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes
Viertes Hauptstück. Von der Orthographie oder Rechtschreibung
Erster Abschnitt. Allgemeine Bemerkungen
Zweiter Abschnitt. Orthographie einzelner Buchstaben
Dritter Abschnitt. Von der Abtheilung und Abbrechung der Sylben mehrsylbiger Wörter
Fünftes Hauptstück. Von der Flexion oder Biegung der Wörter
Erster Abschnitt. Flexion der Substantiven
Zweiter Abschnitt. Flexion der Artikel
Dritter Abschnitt. Flexion der Adverbien
Vierter Abschnitt. Von der Concretion
Fünfter Abschnitt. Flexion der Adjectiven.
Sechster Abschnitt. Von den Zahlwörtern und ihrer Flexion
Achter Abschnitt. Deklination der Bestimmungswörter,, wenn ihrer mehrere vor einem Hauptworte stehen
Zusätze zum ersten Bande
Zusätze zum zweiten Bande
Druckfehler im ersten Bande
Druckfehler des zweiten Bandes
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Vollständige Grammatik der neuhochdeutschen Sprache: Band 2 [Reprint 2022 ed.]
 9783112667880, 9783112667873

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Vollständige

Grammatik der

neuhochdeutschen Sprache. Ausgearbeitet

von

Heinrich Bauer, Dr.

Zweiter Band. Tonte Voperation du langage consiste ä donner du corps a la penseez a en arreler le vagud par Pimpression fixe, que la is~ sent les sons articules; a forcer Fesprit de derouler Fensemlde de la pensee da ns les paroles, qui se succedent« Wilhelm von Humboldt.

Berlin , 1828. Gedruckt und bei

G.

verlegt

Reimer.

Vorrede.

Angelegentlich muß ich meine Leser, und besonders

die Herren Recensenten bitten,

mir nicht zu zürnen,

daß ich im gegenwärtigen zweiten Bande dieser Sprach­ lehre bei dem fünften Hauptstücke: von der Flexion der Wörter, schon sehr vieles vorgetragen habe, was

strenge genommen erst ins sechste Hauptstück des Syntaxes gehört.

Weder Bequemlichkeit noch auch Man­

gel an Ueberlegung hat mich dazu veranlasst,

denn

ich bin schon, und zwar namentlich von Seidenstücker, auf dessen Stimme ich sonst so großes Gewicht lege,

bei meiner frühern Sprachlehre darauf aufmerksam ge­

macht, und deshalb getadelt worden, indem derselbe

in seiner Jenaer Recension sagt: nicht scharf genug von

„die Syntaxe ist

der Etymologie

(,soll wohl

IV

heißen: von den frühern Hauptstücken der Etymologie

und der Flexion,)

geschieden; daher der Uebelstand,

daß so vieles doppelt, halb in der Etymologie (u. s.

w.), halb in der Syntaxe vorkömmt, und der Leser so oft zurück gewiesen werden muß.

Die Etymologie

(u. s. w.) sollte sich auf die bloße Form der Rede­

theile beschränken, und die Vereinigung derselben zu

einem Ganzen (?) ausschließlich der Syntaxe über­

lassen.

Zn keinem Fall durfte ein Zurückweisen Statt

finden."

Jetzt also würde ich wegen der Nicht-befolgung dieser Vorschrift doppelt tadelnswerth sein, wenn ich

deswegen überhaupt Tadel verdiente.

Das ist es aber

eben, wovon ich mich durchaus nicht überzeugen kann. Wenn es nämlich Seidenstücker zuerst einen Uebelstand

nennt, daß so vieles in einer Sprachlehre doppelt vor­ kommt, so ist das gewiß von seiner Seite ein Irr­

thum, denn es liegt in der Natur der Sache, daß in

einer Sprachlehre vieles nicht nur doppelt, sondern vielfach vorkommen, und z. B. von der Form eines

Worts nicht bloß in der Etymologie,

sondern

ihrer Classification in der Redetheillehre,

von

von ihrem

Ursprünge und ihrer Bildung in der Etymologie, von

ihrer Schreibung in der Orthographie, von ihrer Ver­ änderung in der Flexionslehre, von ihrer Gestaltung

bei Verbindung mit andern Redeformen

zu Sätzen

und Perioden im Syntaxe, von ihrer Stellung und

Folge in der Topik u. f. w. gesprochen werden muß. Ein Uebelstand könnte es nur heißen, wenn dasselbe,

dieselbe Sache mehr als einmal wiederholt würde.

Aber selbst dies lässt sich

nicht immer vermei­

den, sobald durch solche Wiederholung der Zusamnienhang und die aufgestellte neue Wahrheit deutlicher

wird. Ferner ist es undeutlich, was Seidenstücker un­ ter der Vereinigung der Redetheile zu einem Ganzen

eigentlich versteht.

Es ist ja unmöglich, die Flexion

namentlich der Adjectiven gründlich anzugeben, ohne

ihrer Verbindung unter einander und mit andern Re­ detheilen zu erwähnen.

Wollte man bei der «zierion

bloß die Formen der Deklination und

Consngation

angeben, so würden ja diese Abschnitte um eben so viel zu mager, dürr und trocken werden, wie sich der

Syntax

an

müsste.

Darum habe ich in der Etymologie der Or­

Umfang und

Gedankenfülle

aufbiahen

thographie, und dem Syntaxe in der Flexion vorgear­ beitet, und für diese sogleich besonders alles dasjenige herauszuheben, und gehörig zu ordnen gesucht, was

von ihnen für die Bildung der einzelnen (, einfachen

und zusammengesetzten)

Satze

vorläufig

zu

wissen,

wenn nicht nothwendig, doch nützlich und gut ist, so

daß der Syntax nur das Formelle dieser Satzbildung, und die Verbindung mehrerer Satze zu Perioden ent­

halten wird.

VI Herzlichst soll es mich freuen, wenn gründliche Grammatiker diese meine Anordnung zweckmäßig fin­ den, und mich dadurch über Seidenstückers Vorwurf, daß ein Zurückweisen in keinem Fall statt finden dürfe, zu trösten sich veranlasst fühlen, denn ich weiß recht gut, daß in der Regel s’accuse, qui s’excuse.

Bauer.

Inhaltsverzeichnis deS

zweiten Bandes. Seite

Viertes Hauptstück.

Von der Orthographie oder Rechtschre ibung. 1—114 § 233 biS § 272, . Erster Abschnitt. Allgemeine Bemerkungen. § 233—243. . Schreibe (nicht), wie du sprichst. § 234 u. 238. Folge dem Sprach- und Schreibgebrauch. § 237u.239. Folge (nicht) der Etymologie. § 237 u. 242. • Folge (nicht) der Analogie. § 237 u. 243. Zwei ter Abschnitt.

1—17 3 u. 9 8 u. 12 8 u. 14 8 u. 17

18—104 Orthographie einzelner Buchstaben. § 244—266. Ä) A A Y «St« AM kden AM Ytt .«(.MAU X großer A MA £ AM Anfangsbuchstaben. (lU X A A C AH § 244. Regeln über Gebrauch 18 a m

am

CD™r** über *e*t*A“ die Bezeichnung ------ der Dehnung —3 und Schärfung Regeln der Vocale. § 245.' .... 29 Bezeichnung der Dehnung des. Buchstaben a. § 246. 36 § 247. 37 § 248. 38 § 249. 40 § 250. 41 Gebrauch und Nicht--gebrauch des Buchstaben ä. § 252 bis 254 42 u. 48u; 51 Gebrauch und Nicht—gebrauch des Buchstaben ö. § 255. 54 — — — — — ü. § 256 u. 257 56,70 — — — — — ai. § 258. 71 — — — — — au,äu. §259 73 — — — — — eu. § 260. 74 — — — — — ei. § 261. 77 — — — — — oi, ui. § 262 78 Wörter mit gleicher Schreibung bei verschiedener Bedeutung § 263 78 Wörter mit ähnlicher Schreibung bei verschiedener Bedeutung § 265 Ueber Synonymen. H 266 Dritter Abschnitt. Theilung und Trennung der Snlben. §267—272. 104—114 Gebrauch des Apostrophs. § 271. 111 Schreibung der zusammengesetzten Wörter § 272. 113

VIII Sekte

Fünftes Hauptstück.

Von der Flexion oder Biequng der Wörter. § 273 — 500. . . 115—668 Erster Abschnitt. Flexion der Substantiven. § 273—365. . . 115—284 Erste Ab.tch eil u na. Vom Genus der Hauptwör­ ter. § 273 — 284. . . 115-153

Allgemeine Regeln über die drei Genus im Deutschen. §273. 115 Besondere Regeln über das Masculin. § 275. , . . 118 — — — — Feminin. § 276. . • . 121 — — — — Neutrum. § 277. . . . 124 Geschlecht der Zusammensetzungen. § 279. . 131 Substanhva generis communi«; Hund, Hündinn, Vater, Mutter, Vormund u. dgl.' § 281. ..... 152 Der und das Band, die Bande; das Buch und die Buche u. sw. § 282................................................................................. 137 Das Geschlecht fremder Wörter. § 283..................................... 142 Gottscheds Regeln. § 284. ............................................... 145 Zweire Abtheilung. Dom Plural der Hauptw ö r t e r. § 285 — 302. . . . 153—174 Wie der Plural der Hauptwörter vom. Singular abgeleitet wird. § 288.................................................................................... 157 Das e als Zeichen des Plurals. § 289. .... 158 Smgularia tantum. § 290. ...«•• 160 Pluralia tantum. § 291. ....... 161 Plural der Zahl-, Maß- und Gewichtßbenennungen. § 297. 164 Wörter mit mehreren Pluralformen. § 299 u.300. . 168u. 170 Fast gleich lautende Wörter mit ihren Pluralen. § 301. < 172 Leute. § 302.................................................................................... 172 Dritte Abtheilung. Deklination der Hauptwörwörter. § 303—365. . . . 174—284 Verhältnisse, welche die Casus bezeichnen. §306,307,308. 176—179 I. Deklination d er deutschen GattungSwörter. § 309 \ . 180 Wie viele solcher Deklinationen es giebt. § 309. * . . 160 Allgemeine Bemerkungen über die sechs Deklinationen. §310. 194 Wortes und Worts, Worte und Wort. § 311. . . , 195 Erste Deklination. Weibliche Wörter mit der Biegungssylbe e im Plural. § 312............................................................................199 Zweite Deklination. Weibliche Wörter mit der Biegungs­ sylbe n, en im Plural. § 314 . . . ♦ . 201 Bemerkungen über diese Deklinationen; zur Höllen fahren. § 316. .................................................................................... 203 Articulus post positivus. § 367 U 316. . . ♦ 291 U.203 Dritte Deklination. Nicht—weibliche Wörter ohne Endsylbe im Plural. § 317. . . . . . . . . 206 Welche Wörter auf el, er, en den Umlaut annehmen. §318. 206 Vierte Deklination. Nicht-werbüche Wörter mit der End­ sylbe e im Plural. § 319................................................................. 212 Fünfte Deklination. Nicht—weibliche Wörter mit der Biegungssylbe er im Plural. § 322. ..... 216

Seite

Sechste Deklination. Nicht-weibliche Wörter mit der Bie­ gungssylbe en, n im Plural. § 325. Erste Ausatzdeklination. Der Friede, des Friedens, die Frie­ den. § 328 Zweite Zusahdeklination. Das Auge, des Auges, die Augen. § 330 Wörter mit mangelhafter Deklination. § 332. Deklination der andern Redetheile, die als Hauptwörter ge­ braucht werden. § 333 II. Deklination nicht — deutscher Gattungs­ wörter. § 334................................................................. Deklination der griechischen und lateinischen Wörter nach ih­ ren Endungen. § 340 Deklination der französischen Wörter. § 342. Deklination der Wörter aus fremderen Sprachen. § 344. . III. Deklination der eignen Namen. § 345. . A. Deklination der Nichtpersonennamen ohne Artikel.

§351.

................................................................

B. Deklination der Nichtpersonennamen mit dem Ar­ tikel. § 354. . C. Deklination der Personennamen ohne Artikel; 1) der deutschen und derjenigen fremden' Personen­ namen, welche eine deutsche Endsylbe haben - § 355. 2) derjenigen, welche keine deutsche Endsylbe haben.

217

227 232 233

234

239 252 256 257

261 264

265

270 § 362. ... x..................................... D. Deklination der Personennamen. mit dem Artikel. § 363 276 Allgemeine Bemerkungen über die Biegung der Personenna­ men. § 365 28 L Zweiter Abschnitt. Flexion der Artikel. § 3G6— 36, & mit ch, pH, th, bloß weil die Römer eh, ph, th schrieben, das sch für den einfachen Laut, den die Hebräer doch schon einfach durch w bezeichnete», welchen aber die Römer für sich gar nicht hatten, und für griechische Wörter mit o% durch sch bezeichneten, das ä, ü durch ae, ue und ui, obgleich die Griechen y und v einfach schreiben, welches aber die Rö, mer, und eben deswegen auch wir, gewöhnlich bloß durch e, e bezeichnen, wogegen die Römer das v in griechischen Wörtern, dessen Ton sie für ihre eigne Sprache gar nicht hatten, wenn sie es nicht in u (11 i) veränderten, durch ein eignes Zeichen y ausdrückten, das wir in eine Zusammenziehung y aus i und

•) Radlof sagt in seiner Ochreibungrtehre, NlphilaS nahm jtt sei» ner gothischen Uebersetzung der R. T. die griechischen Buchstaben, veränderte dieselben aber nach der gothischen Runenschrift, deren Alter unbestimmbar ist. Radlof hat seinem Werke eine interes­ sante Tabelle verschiedener Buchstaben,, und namentlich Runen» schriftarten, mit Angabe seiner Quellen, beigefügt, deren erste er '»«christlich nennt.

j verwandelten. Nach der Analogie des ae, ue bildeten wir auch oe für ö, welcher Ton den Griechen nnd Römern ganz abging, oder doch von ihnen nicht bezeichnet wurde *)♦ Umgekehrt bezeichnete man die beiden Töne' des cs oder ks durch ein einfaches Zeichen x, (wenn dies Zeichen gleich fürs Schreiben aus c und dem umgekehrten s entstanden sein mag,) bloß weil die Griechen und Römer diese zwei Laute einfach bezeichneten § und x. 234) Die Orthographie soll nun lehren, nachdem die Schriftzeichen selbst für eine Sprache bestimmt sind, mit welchen Buchstaben die Wörter dieser Sprache geschrieben, und wie dieselben verbunden und getrennt werden müssen. Für unsre deutsche Sprache stellte man Namentlich Jahr­ hunderte hindurch den Grundsatz auf: schreibe, wie du sprichst! . Weil nun jeder, der sich hier eine Stimme anmaßen zu dürfen glaubte, auch wähnte, er spreche richtig^ so war dieser sogenannte Grundsatz die Quelle einer zahllosen Menge von Vorschlägen, unsre Schreibweise, die man doch immer Ortho­ graphie nannte, wenn matt sie auch für ganz unrichtig erklärte.

*) Keine Sprache enthalt alle möglichen Laute oder Töne der menschlichen Sprachorgane, und »eben so hat selbst keine einzige Sprache Zeichen oder geschriebene Buchstaben für alle ihre Töne oder gesprochenen Buchstaben, sondern immdv bleiben sehr viele Verhältnisse, Veränderuugen und Modistcationen der Laute in jeder Sprache unbezeichnet, woher es eben unmöglich ist, aus der Schrift irgend eines Volks seine Aussprache vollständig und vollkommen kennen zu lernen, oder eine todte Sprache wieder ins Leben zu rufen. Wie viele Töne muß nicht das einzige e ausdrücken, und »per kann diese alle genau beschreiben? Uebrigens bediente man sich zur Zeit der Erfindung der Buchdruckerkunst besonders der eckigen Schrift, welche man Mönchsschrift nannte, weil sie auch bei den Mönchen, vorzüglich für' ihre Abschrifte ndeutscher und lateinischer Werke, in Gebrauch war. Mit dieser Mbnchsschrift, die aber nicht mehr gothische heißen kann, druckte man Anfangs auch alle Bücher; bald nachher ersann man indessen in Italien eine rundere Schrift, mit welcher nun die italiänischen und lateinischen, und nach und nach auch die franzö, fischen, spanischen, portugiesischen, und selbst die englischen und holländischen Werke gedruckt wurden; dagegen haben die Deut, schen, Schweden, Dänen und die Bewohner des östlichen Euro­ pas jene alte eckige Mönchsschrift, doch nützlich nicht ohne mancherlei kleine Aenderungen, größestencheils noch bis jetzt für den Druck beibehalten. Lächerlich waren übrigens mehrere Vor­ schläge der neuern Zeit, sie noch eckiger und undeutlicher zu ma­ chen, um dadurch ein altdeutsches Ansehn zu gewinnen.

4

zu berichtigen und zu vereinfachen, welche aber nur zu oft eben so unbegründet wie lächerlich waren *)♦ Selbst Klopstock *) Ueber die Mängel unsrer Orthographie klagt man nun schon vielleicht ein halbes Jahrtausend und länger. So schreibt der ehrliche Christoffel Walther, des Herrn Buchdruckers Hans LufftS Corrector, im Jahr 1563 (mit Luthers Orthographie) Folgen­ des : „das aller vornennst vnd nötigst in allen Sprachen ist, daman Orthographiam Helt, das ist, das man alle Wörter mit jren eigenen vnd gebürlichen Buchstaben schreibe oder drücke, das man keinen Buchstaben aussen lasse, keinen zu viel neme, keinen für den andern neme" u. s. w.; und wieder: „aber in der Deutsche spräche schreibet ein jeder die Wörter mit Buchstaben, wie eS jm einfellet vnd in sinn körnet, das, wenn hundert Brieve, vnd gleich mehr, mit einerley Wörter geschrieben wörden, so wörden doch keiner mit den Buchstaben vbereinstimmen, daS einer mit Buchstaben geschrieben, wörde wie der ander. Deshalb ist die Sprache auch so vnuerständlich, dunckel vnd verworren, Ja gantz verdrieölich vnd unlustig zu lesen. Bnd sonderlich körnet sie frembden vndeudschen Leuten sehr schwehr vnd saver an zvuerstehen, vnd vnmöglich recht zu lernen. ES hat aber der theuer vbertrefflicher vnd hoch begnadeter Man Dort. Martinus Luther, vnser lieber Vater in Christo, vber alle vnaussprechliche wolthaten vnd Gaben, die er vnS Deudschen, mit Gottes hülffe, erzeiget vnd gethan hat, auch vn­ ser Mutter spräche sehr schön polirt vnd geschmückt. Dazu jm vleisstg vnd trewlich geholfen hat, der Ehrwürdige vnd Hochge-larter Herr Doct. Caspar Creutziger, welcher der erst Oberster Eorrector der Biblien vnd ander Bücher Lutheri ist gewesen." Um unter den neuen Tadlern unsrer Orthographie eine gar harte Stimme hören zu lassen, wollen wir hier auszugsweise an­ führen , waS Reinhard in der Zeitung für d. elegante Welt, 1814, Nr 76 sagt: „bisher haben wir in der schmutzigen Capelle -er sogenannten Orthographie mit gläubigen Herzen täglich den Götzen geopfert, ohne daran zu denken, daß sie dem Schlendrian d. h. dem Satan geweiht ist. — Vereint sind wir dem Sauberungsprocesse des orthographischen Augiasstalles vollkommen ge­ wachsen, und es darf uns nicht davon abhalten, daß einzelne Herkulisken an das herkulische Werk bisher ganz vergebens ihre schwache Hand legten. Ich schlage vor: kurze Vocale gar nicht, lange durch einen darunter gesetzten Punct zu bezeichnen; doch behalte ich zuweilen das h noch bei; wo es aber irgend geht, werfe ich eS weg: mer, serz hinter dem t ist es immer-völlig überflüssig, in manchen Fällen sogar absurd, z. B. Wirth. Auch nach dem r malen wir in griechischen Wörtern ein h lächerlich gelehrt auf das Papier hin; das ist nichts als Ostentation und Pedanterie, die durchaus keinen vernünftigen Zweck hat. Und . was soll das h im deutschen Rhein? Ist eö wohl denkbar, daß er von fäiv pufen seinen Namen habe, oder trägt er ihn nicht vielmehr von der Klarheit seiner Flut? Die rauhen Kehlen unsrer Vorfahren aspirirten freilich alles; wir aber, ihre gebildeten

wandte vergebens seinen ganzen Eifer und feinen ganzen Einfluß.an, um eine Umwälzung der bisherigen Schreibweise zu bewirken. Und es ist gewiß sehr gut, daß wir hierbei mit der so sehr getadelten deutschen Langsamkeit und Bedächtlichkeit zu Werke gehen, denn dies hat uns dahin gebracht, daß die mei­ sten unsrer jetzigen guten Schriftsteller wirklich eine recht lax benswerthe Orthographie haben, nach der man einsieht: es ist unmöglich, unsern gegenwärtigen SchrMegebrauch je wieder ganz umzuwerfen; es ist aber eben so ausführbar, nach und nach und behutsam immer mehrere Fehler der frühern Schreib­ weise wegzuschaffen, sobald man sie nur als wirkliche Fehler darzustellen weiß. Wirklich hat sich unsre Orthographie seit kaum fünfzig Jahren außerordentlich verbessert; doch datf man

Enkel, tragen ja kerne Bärenfells mehr. Warum sollen wir denn krächzen wie sie - — Alle Buchstaben, die bisher in ein­ zelnen Sylben verdoppelt wurden, vereinfache ich, weil sie dop­ pelt weder ausgesprochen werden können noch sollen: Par, Los, Se; ferner stum, Sin, Hel, Schis, verstimt, verwirk; ferner k für ck, 6 für ß, t fär dt: Glük, gewiS, tot. Etwas Einfältige­ res als das e nach dem langen i in derselben Sylbe läßt sich nicht denken. Man schlage den Papier fressenden Wurm ohne weiteres todt, und schreibe: di, Geni, bis er. — Es ist jetzt wahrlich höchste Zeit, daß wir unjre einzig schöne Sprache von dem entstellenden Buchstabenwuste befreien. Sie ist dadurch, be­ sonders durch die Non-valeurs von Consonanten, in die üble Nachrede gekommen als kakophoy und barbarisch. Vm dieses Zweckes willen habe ich auch das y in tic Acht erklärt. In deutschen Wörtern schreibt man eS schon seit langer Zeit Nicht mehr. Rhyth in Rhythmus ist ein hochkomisches Beispiel, wie weit Pedanten die Geschmacklosigkeit im Schreiben zu poussiren vermögen, um zu zeigen, daß sie die Ehre hatten, daö Jgrek, Dita, (Theta) und den Spiritus asper kennen zu lernen. Für das lateinische c schreibe ich immer k oder z, und für daS latei­ nische und französische 1 ebenfalls z, wo es so lautet: Diskrezion. Das sind die Verbesserungen alle, die wir schon jetzt ge­ trost wagen dürfen, bei denen wir aber auch vor der Hand blei­ ben müssen." Wie hätte sich nun wohl unsre herrliche Sprache so schön auSbilden gekonnt, wie sie es, selbst durch Luthers bedeutende Hülfe, unwidersprechlich seit seiner Zeit gethan.hat, wenn man seine Orthographie unverändert gelassen hätte? Aber umgekehrt was würde aus ihr werden, wenn man Reinhard'S unüberlegte Vorschläge, die er zum Glück selbst nicht zu befolgen wagt, und die durchaus keiner weitern Widerlegung bedürfen, annehmen wollte? Es ist sehr gut, daß alle ähnlichen Vorschläge, von Klopstock bis zu Wolke, im Ganzen vollkommen erfolglos gewe­ sen sind.

6 sie noch immer nicht für vollkommen halten, und deswegen kann man auch dem oft wiederholten Vorschläge nicht beistim­ men, sich geradezu für immer fest an Adelungs. Orthographie zu halten. Zu einer allgemeinen Uebereinstimmung werden wir indessen wähl nie kommen, schon aus dem Grunde, weil es in Deutschland, das keine allgemeine Hauptstadt, keine allge­ mein als Richterinn anerkennte Akademie für die deutsche Sprache hat, keine Entscheidung geben kann, die man nicht zu verwerfen berechtigt wäre, sobald man dieselbe aus statthaften Gründen nicht für richtig anerkennt. Uebrigens ist es um so weniger nothwendig, daß alle Deutschen ganz dieselbe Or­ thographie haben, da die Verschiedenheiten in ihr doch nie auf die Richtigkeit unsrer Gedanken selbst Einfluß haben *)♦

♦) Sehr richtig sagt Jqeobi im Taschenbuch Minerva, 1817: ,,die Einen erwarten von einem 'gewissen Buchstaben mehr, als sie sollten; die andern fürchten davon mehrmals sie sollten. Beide messen ihm eine Kraft zu, die er nicht hat, wollen ihn mit Ge­ walt einsetzen oder wegschaffen, merken nicht darauf, wie er in jeder Absicht nur zufällig ist." Eben so richtig sagt Grimm in seiner Sprachlehre!, @.517: „Veränderung in der Recht­ schreibung führt etwas Gewaltsames und Störendes mit sich; Niemand behelligt sich gern mit Kleinigkeiten. Beim Studium der Grammatik erscheinen aber die Buchstaben bedeutend, und zwecklose MiTbräuche ärgern. Zwecklos nenne ich eine Schrei­ bung, welche weder historischen Grund hat, noch die Aussprache mehr als halb trifft." Dieser Ausspruch ist sehr unbestimmt, er lehrt uns aber doch, keine Aenderung ohne wahres Bedürfniß vorzuschlagen; wenn dies indessen wirklich statt findet, sich auch nicht durch den bloßen Gebrauch zu sehr einschränken zu lassen. Pauli sagt: „eine Rechtschreibung hat das deutsche Sprach­ wesen nie besessen, zum Theil verloren, und dennoch beruht da­ rauf (,d. i. auf dem Besitze einer im Ganzen festen und sichern Orthographie,) in keiner kleinen Maaße, (Maße, soll wohl be­ deuten großentheils,) die wesenhafte Gestalt unsers merkwürdi­ gen Sprachkörpers, (soll wohl heißen das Wesen unsrer Sprache, und ihre Kraft,) al' (allen) jenen gefahrdrohenden Aenderungen zu widerharren, ^widerstehen,) welche Wechsel des Zufalls (,z. B. die Befolgung der reinhardschen Vorschläge,) über die Sprach­ herein zu führen pflegt." Uebrigens ist das, was Justi schon vor 70 Jahren auesprach, noch heute vollkommen wahr, nämlich: „eS ist sobald noch nicht zu hoffen, daß wir Deutsche in unsern Sprachregeln einförmig werden dürften. Diese Verschiedenheit wird täglich größer, und es stehn in unsern Tagen immer neue Sonderlinge auf, die nach ihren Grillen eine Reformation in der Rechtschreibung, in Abschaffung und Vermehrung dieser und jener Buchstaben, j- in der Art der Buchstaben überhaupt vornehmen wollen Das beste (Beste) dabei ist, daß eö gewöhnlich schlechte Helden sind, die dergleichen Mücken fangen, und der Beifall,

235) Mehrer« und zum Theil sehr achtungSwerthe Schrift« steller, z. ®. Spalding, haben den Vorschlag gethan, unsre deutschen S>-)ristzeichen ganz zu vernachlässigen, und alles mit lateinischen Buchstaben (, Lettern) zu schreiben und zu drucken (,was z. B. noch jetzt mehrere Literaturzeitungen thun). Ihr Hauptgrund ist: dann brauchen unsre Kinder, so wie die Aus­ länder, welche unsre Sprache studiren, nicht mehr drei verschie­ dene Schriftzeichen für jeden Buchstaben zu lernen, das latei­ nische so wie das deutsche Druck, und Schrcibezeichen, sondern nur das einzige lateinische. Allein dieser Grund ist sehr un­ zureichend, indem doch keine Macht bewirken kann, daß alle Deutschen zugleich diesen Vorschlag annehmen, und daß alle unsere Bücher, alle Bibliotheken, Archive und Registraturen umgedruckt und umgeschrieben werden. Für den ungebildetem Theil unsers Volks, der sich jetzt mit der Kenntniß der deut­ schen Schrift begnügt, entstände also nur eine Arbeit mehr, nämlich eben auch diese lateinischen Schriftzeichen noch leknen zu müssen. Will man diese Müh« geringe und unbedeutend nennen, so spricht man damit zugleich auch die Geringfügigkeit des ganzen Vorschlages aus. (Ueberdies giebt es im Lateini­ schen kein ß, und das fs ist ein schlechter Stellvertreter dafür; auch haben mehrere Völker gerade unsere deutschen und nicht die lateinischen Schriftzeichen.) Behält man nun aber die deutsche Schrift bei, so muß man auch immer alles Deutsche, alles, was auf irgend eine Art im Deutschen ausgenommen und als deutsch verständlich ist, also auch alle Fremdwörter und alle fremden Eigennamen mit diesen deutschen Schriftzeichen schreiben und drucken: Abra­ ham, der Cherub, Christus, die Apostel, Koran, Moskwa oder Moskau u. s. w. Nur wenn fremde Wörter und Redensarten als solche nufgeführt werden, so behalten sie billig auch die Schriftzeichen

den sie erlangen, ist also nicht von so großem Nutzen, daß er der Sprache selbst zum Nachtheile oder gegründetem Borwurfe gerei­ chen könnte." Daß aber auch in neuern Sprachlehren sogar noch immer solche unüberdachlen Vorschläge geschehen, beweiser z. B. de MarceS in seiner deutschen Sprachlehre, Leipzig, 1814- Er sagt unter andern; „überflüssig sind c, pH, th, rh in Deutschen und eingebürgerten Wörtern; nur zu gebrauchen in fremden Namen. (Wie unbestimmt! Was sollen eingebürgert und Namen hei­ ßen?) Man schreibe Zeder, Akzent, Schikane, Fantasie, Tester, Nazipn, Kurant, Statüe, Zipresse, Rütmus u. f. w.

8 ihrer Sprache: der Geistliche sprach: ora pro nobis und pax vobiscuin; Paulus sagt: wart« doxi/ia&re, 10 xcXov X«T$xeve. Doch leidet selbst diese Bemerkung ihre, wohlbegründclen Ausnahmen.' Wenn im deutschen neuen Testamente und in danach gebildeten Gesängen Christus Ausrufungen wörtlich angeführt werden: Kyrie eleison und Eli, Eli, lammah asavtani, so ist es ganz vernünftig, daß sie auch mit deutschen, nnd nicht die erste mit griechischen, die zweite aber mit hcbräischen Buchstaben geschrieben werden, weil sie sonst der gex wöhnliche Bibellcscr gar nicht lesen könnte. 236) Es ist schon angedeutet, daß das sogenannte erste Grundgesetz jeder Orthographie: schreibe, wie du sprichst, eben so irrclcitcnd wie unzureichend und nnbehülflich ist, alle vor­ kommenden Falle nach ihm zu bestimmen. Es ist freilich rlch-, tig, daß man der Regel nach keine andern Buchstaben schrei­ ben muß, als man in der Aussprache hört, nnd diese in der­ selben Ordnung, wie man sie hört; aber wie viele sprechen denn die Wortlaute richtig ans? wie sehr unterscheiden sich namentlich hierin die verschiedenen Vokksclassen der verschiede­ nen Provinzen Deutschlands, ohne daß eine einzige sich anma­ sten darf, ihre Aussprache als die allein richtige aufzustellen? wie vielerlei Laute hat nicht oft derselbe Buchstabe? wie oft müssen gleiche Laute mit verschiedenen Schriftzcichen geschrieben werden? und umgekehrt wie viele Schriftzeichcn werden beim Sprechen gar nicht gehört? Ans allen diesen und mchrern ähnlichen Gründen ergiebt sich offenbar, daß dies Gesetz: schreibe, wie du sprichst, der Orthographie gar wenig helfen kann, und daß man genöthigt ist, neben und mit ihm noch andre, sicherer leitende Hauptre­ geln aufzustellen. 237) Und dies sind besonders folgende zwei höchst ein­ fachen Regeln: 1) man richte sich nach dem Sprach- oder vielmehr Schreibegebrauch, insofern dieser allgemein, oder doch von den meisten und besten Schriftstellern als richtig und fest bestimmt anerkannt Ist, und insofern derselbe mit der erweislich richtigen Aussprache übereinstimmt; 2) in allen Fällen, wo keine solche allgemeine Uebereinstim­ mung des Schreibegebrauchs statt findet, richte man sich nach der Abstammung oder Ableitung der Wörter, weyn diese zuverlässig und anerkannt ist. Auch bei der Befolgung dieser beiden Regeln bleiben noch unentschiedene Fälle genug übrig. Bei diesen kann nicht selten

die Analogie oder die Berücksichtigung ähnlicher Fälle großen Nutzen gewähren; wo aber auch sie keine sichere Entscheidung veranlasst, da muß man es schon den einzelnen Schreibern ge­ statten, sich selbst nach eigenen vernünftigen Gründen der Grammatik zu bestimmen, für welche der verschiedenem Schreib, weisen sie sich erklären wollen *).

Wir müssen diese Bemerkung etwas ausführlicher ausein­ andersetzen. (Man vergleiche § 10.)

238) Was zuerst die Aussprache betrifft, so schreibe man z. B. nicht mehr Ambt, umb, sey, (d. i. sei),) eilf, eben weil man nicht mehr so spricht, sondern Amt, um, sei, elf, eben weil man jetzt nach der anerkannt besten Aussprache allgemein so spricht. Eben so schreibe man Schwefel, Stiefel, golden, und nicht Schwewel, Stiebel, gülden, weil dies nur eine ge-

♦) 2a Hinsicht der hiev ausgestellten, ganz bekannten beiden kHauptregeln sagt Pauli Folgendes: „für die Schreibung müssen alle Vortheile in Anschlag kommen, welche vereinbar sind mit Befol­ gung der obersten Schreibgesetze, des Gesetzes der Aussprache für einsylbigs und für unabgeleitete oder abkunftsdunkle mehrsylbiße(n) Wörter, und des Gesetzes der Herleitung für mehrsylbige Wörter von bestimmter Herkunft. Bei diesen als offenbaren Geschöpfen der Ueberlegung gehen billig die Ansprüche, welche Ohr und bloße Empfindung an die Schreibzeichnung haben, über auf das edlere Auge und den Verstand Ge> den Wörtern der ersten Classe giebt es keine andre Hauptrücksicht als die Aus­ sprache, und darum entscheidet das Ohr statt des Auges über ihre Schreibung. Man kann nur fragen, ob die einzelnen gebrauchten Hchreibzeichen den einzelnen in sich bedeutungsleeren Schallen, welche sie darstellen sollen, auch wirklich entsprechen. Bei Wörtern der zweiten Classe tritt die höhere Vergleichung ein, ob gewisse Worttheile, zufolge des Sinnes, welchen sie in der Verbindung mit ihrem Ganzen haben sollen, auch der Gestalt nach Übereinkommen mit Wörtern, welche dasselbe bedeuten. Wei Wörtern der ersten Classe muß sich die Schreibung nach der büßten (besten) Aussprache, bei denen der zweiten Klasse (Classe) die Aussprache nach der Schreibung richten " Zwar sagt auch Ouinctilian instit. orat. lib. i. c. 7: ego (,nisi quod consuefcudo conlinuerit,) sic scribendum quidquid judicn, quomodo lonat. Hic enim usus est literarum, ut custodiant voces, et velut depositum reddant legentibus. Itaque id exprimere debent, quod dicturi sumus. Doch aber behält Herder voll­ kommen Recht, wenn er spricht: „alle Eigenheiten und Sonder­ barkeiten der Orthographie rühren von der Unbehülflichkeit her, zu schreiben, (schreiben zu wollen,) wie man spricht." Wir ha­ ben schon bei einer andern Gelegenheit bemerkt, diese Regel ist weit fruchtbarer, wenn man sie umkehrt: sprich, wie du (nach gut test Regeln) schreibst.

10 meine, provincielle, anerkannt schlechte Aussprache ist. AuS demselben Grunde schreibe man fing, hing, ging, von fangen, hangen und gangen, gegangen, und nicht mehr.fieng, hieng, gieng, weil wohl keine Provinz Deutschland- diese Wörter noch dehnt. (Die Analogie entscheidet hier nichts: von den ge, schärften fallen, schaffen kommen her die gedehnten fiel, schuf, von den geschärften dringen, binden bleiben geschärft drang, band; von den gedehnten stehen, fließen werden geschärft stand, floß (,floss). Aber fing, hing, ging tönen am besten geschärft, weil zwei Consonanten in derselben Sylbe auf ihre Vocale folgen.) Diese Regel, der Aussprache beim Schreiben zu folgen, bestimmt besonders auch die Orthographie sehr vieler fremden Wörter: wenn solche schon förmlich im Deutschen an, und ausgenommen sind, (gleichsam schon da- deutsche Bürgerrecht erhalten haben,) und vorzüglich wenn sie deutsche Endsylben, besonders Ableitungssylben, angenommen Haben, so schreibt man sie auch der ihnen im Deutschen verliehenen Aussprache (und Gewohnheit) gemäß. Selbst Eigennamen unterwerfen sich oft dieser Regel. Lateinische Beispiele sind: Staat, Sta­ tus, Pöbel, populus, Alaun, alumen, Autor, auctor; fran, zisische: Pyder, poudre; griechische: Kaiser «aioag, kneipen, ; hebräische: Isaak, Jizchak, Moses, Moscheh, Salomo, Schlomon; türkische: Karavane oder Karawane, Kicrwane, Janitscharen, Jenkidscheri, Kaffe, Kahweh u. s. w. Nament, lich haben wir die meisten griechischen Wörter zunächst von den Römern entlehnt, und daher ließen wir ihnen, bis vor kurzer Zeit, allgemein die Gestalt und di« Aussprache, die ihnen die Römer gegeben hatten: Ulysses statt OdüsseuS, Oekonom statt Oikonom, Cimon statt Kimon, Cylinder statt Kyltnder, Bachus statt Bakchos. Jetzt aber haben viele der bedeutendsten Schrift, stellcr, besonders Philologen, Geschichtschreiber und Dichter, auf die Sonderbarkeit aufmerksam gemacht, daß wir auf diese Art eine schlechte Copie statt des Originals wählen, und daß es weit vernünftiger sei, die griechischen Namen, die wir anführen, auch unverändert und unverderbt zu lassen, (da wir durchaus kein Recht haben können, der ehrlichen Leute Namen nach Be, sieben zu beschneiden und zu verdrehen,) und eben so die grie­ chischen Wörter, die wir im Deutschen brauchen wollen, auch aus der ersten Quelle zu schöpfen (;es sind ja unsre eignen Wörter, würde Kuithan hinzusetzen). Gegen alle diese Gründe lässt sich eigentlich um so weni­ ger etwas einwendcu, da sich in der neuern Zeit das Studium der griechischen Sprache in Deutschland außerordentlich aus­ breiter, daß mqn die Kenntniß derselben bald bei jedem gebil-

beten Mann voraussetzen wird; das 'einzige Hinderniß der all, gemeinen Annahme dieses Vorschlages kann also nur die nächste Hauptquelle-unsrer Sprach, und Schreibregeln selbst sein: der Sprachgebrauch. Bis zum Ende des vorigen Jahrhuu, derts wagten es nur sehr wenige Schriftsteller, z. B. Voß, ge, gen den damaligen, allgemeinen Sprachgebrauch eigene Namen der Griechen nach griechischer Art zu schreiben und zu spre, eben: Phoinikier statt Phönicier, Platon statt Plato, Pallas, Athäna, Athana oder Athänaia statt Minerva, Athänai statt Athen; diese Aenderung auch auf die andern Arten der Haupt, Wörter und die übrigen Redetheile auszudehnen, erdreisteten aber auch sie sich nur höchst selten. Und das ist eben so noch heute der Fall, und die heftigsten Dercheidiger der Schreib, und Sprechweise: Häphaistos oder Hephaist sür Hephäst(us) oder Vulcan sagen auch jetzt gewiß noch nicht recht gern Kyklopen, Tropaie oder Tropäe statt Cyklopen, Trophäe; noch weniger aber wagen sie Thriambos oder Thriamb von ■&Qiaftßog, Poiätäs, Poiät von oder doch Poiet (,wenn man es auch ganz anfgeben wollte, ä statt e für q zu schreiben,) an die Stelle des lateinischen Triumph und Poet zu setzen. Und sie wagen es mit vollem Recht um so weniger, da ja die Rich, tigkeit der sogenannten erasmischen Aussprache durchaus nicht ent, schieden ist, und die reuchlinische, der selbst die Neugriechen folgen, wieder eine ganz andre Art auszusprechen anbefiehlt. So lange man dies aber nicht thut, ist die Aenderung immer unvollkommen und unvollständig; man könnte dann nur die ziemlich willkührliche Regel aufstellen: griechische Eigenna, men schreibe man auch nach griechischer Art gegen den bishe, eigen Sprachgebrauch; alle übrigen griechischen Wörter aber, die wir zunächst aus dem Lateinischen entlehnt haben, schreibe man nicht nach griechischer, sondern nach lateinischer Art, wie es der Sprachgebrauch einmal cingeführt hat. Diese Regel hätte wenigstens den Umstand jfür sich, daß man überhaupt den eignen Namen aller Sprachen jgern ihre ursprüngliche Schreibart nach Möglichkeit lässt: Voltaire, Rous, seau, Shakespeare, Leicester, (Lest'r gesprochen,) Manchester, (Männtscheßt'r gesprochen,) Rochester, (Rockst'r gesprochen,) Wellington, (Welligt'n gesprochen,) Worcester, (Uhster gespro, chen,) Waverley, (Wev'rli gesprochen,) Wedgewood, (Wedsch, uhd gesprochen,) Cicero, Ktesiphon, so auch Muhamed, Mu, hammeö oder Muhämmed, (sonst gewöhnlich Mahomed oder Mohamed,) Czarskojeselo (,sonst gewöhnlich Czarskeselo) u. s. w. Daß dies indessen nicht immer der Fall ist, wissen wir schon ans Namen wie Moses statt Moscheh. Ferner ist es auch na,

12 türlich, daß man fremden Wörtern mit Lauten, die wir im Deutschen eigentlich gar nicht haben, am liebsten ihre ursprüng­ lichen Laute und Lautzeichen lässt; hierher gehören namentlich die (vorher bemerkten) englischen und französischen Wörter; denn wenn man auch statt the, (dem englischen Artikel,) Shawl, Journal, Chambre de justier, welchen Wörtern der Ungebildete ihre Aussprache nicht anschen kann, dhst oder dhiu, Schaal oder Schanl, (nicht Schwal, wie Müller in seinem Mädchen von Ithaka, 1823, Th. I. S. 9 setzt,) Schurnal, Schambcr de Schüsticß schreiben wollte, so würde diese Schreibart dem, selben eben so wenig die richtige Aussprache lehren. Am liebsten ist es uns, wenn wir die fremden Wörter in. ihrer fremden Schreibart ganz deutschartig aussprechen kön­ nen: Scepter, (nach dem lateinischen sceptrum, statt Skcpter, oxtjnTQov,') Propst, Punct, Katechismus (statt —mos), Phpsphor u. s. w. Aus allen Bemerkungen dieses Paragraphen ergiebt es sich nun, wie unverzeihlich diejenigen sündigen, welche (nach dem eben so tadelhaften Vcrgange der Franzosen und andrer Natio­ nen , selbst der Römer in Hinsicht des Griechischen,) alle fremden Wörter und Namen nach der deutschen Aussprache mit deutschen Buchstaben schreiben wollen: Filosofi, Akzion, Konkrezion, Zizero, Lädi, Lard, statt Philosopbie, Action, Concrction, Cicero, Lady, Lord. Die Unwissenden lernen sie da­ durch doch nicht richtig lesen, und den Gebildetern wird dadurch der Ursprung und die Muttersprache derselben verdeckt. Wenn überdies die Aussprache des Cimon wieder in Kimon überge­ hen soll, so erscheint die Schreibart Zimon als ganz zweckwi­ drig. Und da wir jetzt wissen, daß die Römer ihr c wohl fast immer wie k ausgesprochen haben, wer kann dafür stehen, daß diese richtigere Aussprache nicht einst wieder auflcbt; wie wollte man dann aber die Schreibung Zizcro, Zesar, Zilinder richtig aussprechcn können? 239) Was zweitens den allgemeinen Sprachge­ brauch betrifft, so muß man sich ihm, insofern und so lange er allgemein ist, nicht nur in Hinsicht aller Wurzelwörter, de­ ren Orthographie allein durch ihn bestimmt wird, sondern selbst bei den abgeleiteten und zusammengesetzten Wörtern schlechter­ dings unterwerfen. Sehr oft müssen daher Aussprache, Ablei­ tung und Sprachähnlichkeit, als dem allgemeinen Sprachge­ brauch untergeordnete Regeln, geradezu vernachlässigt werden, bloß weil derselbe eine andere Schreibung, als diese wünschen möchten, durch seine Herrschergewalt nun einmal als allein gül­ tig festgesetzt hat.

Ganz unbeschränkt und dauernd bestimmt er natürlich vorzüglich bi» Orthographie aller derjenigen Wörter, über welche die Aussprache, Ableitung und Sprachähnlichkeit gar nichts Besonderes z» sagen wissen. So könnte man das Wort Vater mit immer gleicher Aus« spräche auch Vaater, Bather, Baather, Vahter, Vaahtcr, Fater, Faater, Facher, Faather, Fahler, Faahter, Vhater, Fhater u» s. w., und Hexe könnte man auch Haxe, Hekse, Heckse, Häkse, Hackse, Hekße, Heckße Häkße, Häckße u. s. w. schreiben; daß die Schreibung Vater und Hexe allein richtig ist, entscheidet allein der allgemeine Sprachgebrauch. Eben so bestimmt derselbe auch fast allein, ob und wie die Dehnung bei der Aussprache eines Vocals in der Schrift (,durch Verdoppelung des Vocals, h, e oder gar nicht,) bezeichnet werden soll. So befiehlt er Haar, fahr, Rath, da, Thee, sehr, Rhede, Rede, gieb, ihr, mir, Loos, hohl, roch, holen, Uhr, Muth, Spur, nähren, Käse, Oehr, böse, früh, für, blau, neu, drei u. s. w. zu schreiben, und alle Neuerungen und Kün­ steleien in dieser Hinsicht, bei denen nie ein wichtiger Bestim­ mungsgrund angegeben werden kann, sind nichtige Sonderbar­ keiten, die nie allgemeine Annahme finden werden. 240) Beispiele, in denen die Aussprache dem Gebrauch weichen muß, sind folgende: der, her, (die wie där, dähr, beer, här, hähr, Heer sauten,) das, (wie dass, daß,) in, (wie inn,) erst, (wie ährst oder ehrst ausgesprochen) u. s. w. Beispiele, in denen die Ableitung dem Gebrauch nachste­ hen muß, sind folgende: Kirche (statt Kürche von xvQtaxt]), Engel (statt Aengcl von angelus), besser (statt bässer von baß), der beste (statt der bässeste, bäßte), Fessel (von fassen), Henne (statt Hänne von Han, Hahn) u. s. w. Beispiele, in denen die Analogie dem Gebrauch nachgcben muß, sind folgende; Jagd statt Jacht, (weil man sonst bei Schärfung eines vorher gedehnten Vocals das g in ch verwandelt: schlagen, Schlacht,) der dritte (statt breite, da man sonst bei den Ordnungszahlen bloß te ohne weitere Aenderung an die Grundzahl setzt) u. s. w. 241) Die Sprachlehrer habe» zwar das Recht, es zu be­ merken, wenn sie Einwendungen mit Gründen gegen diesen allgemeinen Gebrauch zu mache» wissen; allein sie sollen eS sich billig nicht herausnehmen, ihre Vorschläge sogleich selbst zu befolgen. Dies müssen sie berühmten und gründlichen Schriftstellern überlassen, deren Werke gleich von Tausenden, namentlich von andern Schriftstellern und Sprachlehrern gelesen, und deren

14 Worte dann schnell allgemeiner beachtet werden. Auf diese Art ist es allein möglich, daß die Aussprache, Ableitung und Analogie in einzelnen Fällen über den allgemeinen Sprachgebrauch siegen, und denselben zwiügen sonne, ihnen nachzugcben. So haben früher schon mehrere Grammatiker bemerkt, daß die Construction: ich lehre dich die Musik gegen alle Ana­ logie war, wie denn Herder in seiner gekrönten Preisschrift: über den Ursprung der Sprache, Berlin, 1772, S. 12 schreibt: Egeria konnte diese Weisheit dem Numa nicht lehren; wahr­ scheinlichst danken wir es aber Bürgern allein, der in seinen Gedichten dies deutlich und stark aussprach, von dem es Tau­ sende hörten und annahmen, daß der Sprachgebrauch endlich nachgab, und nun zu schreiben befiehlt: ich lehre dir die Musik. Eben so befiehlt er jetzt, Aeltern, ich fragte, der Handtuch hing an der Wand zu sprechen und zu schreiben, und nicht mehr Eltern, frug, das Handtuch hängte an der Wand, und wer weiß, wie bald er erlauben und später befehlen würde, Aengel, bässcr zu schreiben, (so wie er wirklich schon zu sprechen er­ laubt: der Handtuch hangt an der Wand, statt des früheren hängt,) sobald nur recht viele Schriftsteller es wagen wollten, sich dem bisherigen Gebrauch zu widersetzen. Es herrscht also der allgemeine Sprachgebrauch nicht in allen seinen Bösitzungen fest, sicher und ungestört, und dies muß gründliche Sprachlehrer auffordern, ihm immerfort Veran­ lassung zu geben, seine Gesetze zu vervollkommnen. 242) Sobald nämlich dieser allgemeine Sprachgebrauch überhaupt gar nicht, oder doch jetzt nicht mehr über einen Ge­ genstand, namentlich der Orthographie, bestimmt entscheidet, so­ bald er schwankt und ungewiß ist, dann tritt zunächst die Ety­ mologie oder Sprachabstammung als Gesetzgeberinn für die Rechtschreibung auf, und gewöhnlich erkennet selbst der Sprachgebrauch, wenigstens nach und nach, ihre Vorschriften an. ES versteht sich, daß hier nur die niedere, nächste oder gemeine Etymologie gemeint sein kann, nicht aber die höhere, die auf keinem festen Grunde und Boden fußet. Namentlich schreibt man nach ihr die gebogenen (, fiectirten d. h. deklinirten und eonjugirten,) abgeleiteten und zusam­ mengesetzten Wörter mit den Buchstaben ihrer Stämme, ä, ö, ü, Lu nur in Ableitungen aus a, o, u, au, u. s. w. Dage­ gen muß sie uns doch erlauben, Höhe von hoch, behende von Hand, Heu von hauen, Gestalt und Anstalt von stellen, Durst und dürr, Geschwulst von schnullen und schwellen, Kunst von können, Sylbe von syllaba, Mittag statt Mitttag, Abt von

abbas, n. f. w. jll schreiben, weil es der Sprachgebrauch, meistens der Aussprache gemäß, so befiehlt, der auch dazu oft nicht unerhebliche Gründe für sich hat, wenn diese gleich nicht eigentlich an und für sich entscheidend sind. So kennen wir z. B. bereits die Regel, daß zwei Consonanten hinter einem Vocal in derselben Sylbe diesen scharfen: Hand, Holz; gewiß aus dieser Ursache nun hat der Gebrauch die Schreibart Kunst statt Kunnst von können, Brand und Brunst statt Brannd und Drunnst von brennen eingeführt, die auch wohl immer, jenes Grundes wegen, unverändert so bleiben wird. Doch darf man sich nicht verleiten lassen, diesen eigentlich sprachwi­ drigen Gebrauch auch auf solche Fälle auszudehnen, über wel­ che er noch nicht fest entschieden hat. Man schreibe also, der Vorschrift der Etymologie gemäß: herrscht von Herr, er schafft von schaffen , das Gespinnst, der Gewinnst wie Gewinn von spinnen und gewinnen, Schifffahrt und nicht Schiffahrt oder Schiffahrt. (S. § 245, Nr. 12.) Oft siegt diese Abstammung auch über die mehr oder weniger allgemeine Aussprache. So muß man nach ihrer Vorschrift vierzig, Viertel, Schmied schrei­ ben, wie häufig man auch virrzig, Virrtcl, Schmitt ausspricht; ja man kann selbst die Aussprache z. B. gibbst, gibbt, gibb, geradezu für falsch erklären, weil die Abstammung diese Ablei­ tungen von geben gedehnt zu sprechen und zu schreiben gebie­ tet: giebst, giebt, gieb. Nach diesen Bemerkungen versteht es sich von selbst, daß die Aussprüche der Etymologie gegen den Sprachgebrauch ganz unstatthaft sind, wenn ihre Behauptungtn sich nicht sicher und fest beweisen lassen. Wer kann cs z. B. beweisen, daß schmei­ cheln von Schmauch, Knebelbart von Knabe, Knoblauch von Knopf, emsig von Ameise, heucheln von Hauch, ereignen von Auge, Schere von Schaar oder Schar, (Pflugschar,) Esel von asinus abgeleitet sind, und daß man dem gemäß schmäucheln, Knäbelbart, Knoplauch, ämsig, häocheln, eräugnen, Schäre, Aesel schreiben müsse? Sehr oft stehn gewiß auch Wörter, deren eines man als eine Ableitung aus dem andern angiebk, nur im Verhältnisse der Seitenvcrwandten zu einander, die ih­ ren Ursprung gemeinschaftlich einem ältern, vielleicht verloren gegangenen Slammworte verdanken. Und so lassen sich die verschiedenen Schreibungen solcher verwandten Wörter dann sehr gut vertheidigen. Um nur ein Beispiel für Wörter ver­ wandten Sinnes anzugeben, so nennen Frisch, Gottsched, Heinatz u. s. w. das Wort Detter eine Ableitung von Vater,

16 wie patruus und patruelis von pater, und wollen eS dcSwt« gen auch Sitter schreiben. Das ist aber wohl gewiß unrich, tig, wie auch Adelung sehr gut auseinandersetzt. Es findet sich daS Wort Vetter vielleicht zuerst in den mouserischen Glos, sen/wo patruus und i'ratruelis durch Fetiro, aber patruelis durch Fetirinsun Vetterssohn übersetzt wird. Wachter giebt am wahr, scheinlichsten an,daß dies Fetiro, Fetir, Vetir von dem veralteten vetten, wetten, d. i. verbinden, beim UlphilaS withan, herkom« me. Von dieser Wurzel leben noch in der Volkssprache man, cher Provinz die Wörter einvetten sür einspannen In das Joch, ausvetten für ausspannen, zusammenvetten für verbinden, und wetten, angelsächsisch weddian, bedeutete im Altdeutschen ver, abreden, Übereinkommen, woraus auch wohl das englische wed, heirathen und wedded, verheirathet abgeleitet sind. Nach die, ser Ableitung bedeutete also Vetter nichts weiter als einen Ver, bundenen, einen Verwandten, welches Wort selbst entwe, der nach Wachter von winen lieben, win ein Freund, oder von winden hcrkommt, das wieder mit binden (, dessen b eine Verstärkung des w ist,) nah verwandt ist, so daß Better und Verwandter Seitenverwandte wären, deren gemeinschaftliche Wurzeln in vetten, wetten, winden und binden zu suchen sein würden. Uebrigens brauchen wir jetzt allgemein noch den Be, griff Vetter sehr ost in diesem weitern Sinne eines Verwand, ten, Verbundenen überhaupt. (Ob übrigens das Wort Vater selbst in Vat eine Wurzelsylbe der Sprache hat, oder vom veralteten föden, ernähren abgeleitet ist, lässt sich nicht mehr entscheiden.)

Ganz ähnlich verhält sich's mit den Wörtern Mutter und Muhme. Woher in Mutter, Moter, inater die Stammsylbe mut, mot, mat, und ob sie überhaupt abgeleitet ist, lässt sich nicht mehr entscheiden: Mag ist ein altes Wort für Verwandt, schäft, Mat für Speise, Ma einer der ersten Laute der lallen, den Kinder. Eben so wenig aber lässt es sich bestimmen, ob Mnhme, in den monserischen Glossen muoma, im vierzehnten Jahrhundert in Oberdeutschland müminei, eine Ableitung von Mama, Möme, Mutter ist, oder ob Muhme, als Seitenver, wandte von Mutter, mit diesem Worte einen gemeinschaftlichen Stamm im alten Ma, Mat, Mage (, ein Verwandter (Ge, mahl)) und mähen, mögen (, verbinden) hat. Wenigstens nennt man noch jetzt im weitern Sinn sehr oft jeden weibli, chen Verwandten Muhme, so wie im Oestreichischen jeden Ver, wandten überhaupt einen Mühmling.

243) Die Analogie bezieht sich für die Orthographie besonders darauf, daß die sämtlichen Biegungs- und Abtei/ tungssylben der Sprache in allen ähnlichen Fällen, d. h. wo mehreren Wörtern durch eine von ihnen derselbe Nebenbegriff beigelegt wird, auch aus gleiche Art geschrieben werden müssen. So befiehlt sie, wie weißlich, weislich, ähnlich, so auch röthlich und schwärzlich zu schreiben, nicht aber röthlicht, schwärzlicht oder röthlig, schwärzlig, weil es gar keine Ableitungssylben licht und lig giebt. Eben so gebietet sie adelig, schwindelig, und nicht adlich, schwindelich, zu schreiben, weil die Adverbien keine Ableitungssylbe ich haben. Auf dieselbe Art ist es auch-nach der Analogie unrichtig, du küßt, haßt, grüßt statt küssest, hassest, grüßest zu schreiben, weil alle regelmäßigen Zeitwörter die zweite Einheitsperson des Präsens mit st bilden: du bildest. Dage­ gen wendet sie nichts gegen die Schreibart du musst oder mußt ein, weil dies Verbum nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch die erste und dritte Einheitsperson des Präsens gegen ihre Vorschrift, ein e und t anznsetzen, bildet:, ich und er muß oder muss, und nicht ich müsse, er musst wie ich hole, er holt; noch williger duldet sie die Abweichung ich weiß, du weißt, er wriß statt ich weiße, du weißest, er weißt, weil diese regelmäßige Bil­ dung einen andern Sinn geben würde: ich weiße, du weißest er weißet die Wände, d. h. er macht sie weiß, und weil sich dies Verbum, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, noch meh­ rere Abweichungen von der Analogie erlaubt: ich wisse im Conjunctiv des Präsens, ich wusste im Imperfect, alle vielleicht, nm sich dadurch von weißen zu unterscheiden. Auf eine ähn­ liche Art möchte die Analogie lieber der größeste als der größte sagen, weil fast alle Superlativen mit st gebildet werden; da cs aber doch einige mit t giebt, die der allgemeine Gebrauch nicht ändern lasst: der letzte, so giebt sie wenigstens dem früher hierin gebietenden Sprachgebrauch nach, wenn dieser sich auch noch auf den Wohllaut berufen kann, und erlaubt größtenthells statt größestentheils zu sagen, wie man, wohl auch dieses Wohl­ lauts wegen, am viehischten statt viehischesten spricht.und schreibt; dagegen nennt sie es geradezu unrichtig, wenn man der schwärzte, weißte, weiste, kürzte, statt schwärzeste, weißeste, weiseste und kürzeste sprechen und schreiben will.

Bauer Spracht. IL

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Zweiter Abschnitt. Orthographie einzelner Buchstaben. 244) Der allgemeine Schrcibgebrauch fordert cs im Deut« sckcn, die Wörter >n mehrer» Fällen mit großen Anfangsbuch­ staben zu schreiben, und die Regeln dafür stimmen mit dem Gebrauch andrer Sprachen nicht überein. Sie sind folgende: 1) man mag schreiben, was man will, so wird das erste Wort, als das Anfangswort eines Satzes, immer mit einem großen Anfangsbuchstaben geschrieben. 2) Eben so wird am Ende eines ganzen Satzes, wenn ein neuer Hairptsatz anfängt, der erste Buchstaben des ersten Wortes dieses neuen Satzes groß geschrieben. 3) Am Ende eines solchen Satzes macht man Zur Be­ zeichnung seines Schlusses als Interpunktionszeichen entweder einen Punct, oder auch oft ein Ausrufnngs- oder Fragezeichen. Daher kann man die vorhergehende zweite Regel auch so aus­ drücken: wenn ein Punct, ein Ausrufnngs- oder Fragezeichen einen Hauptsatz schließt, so schreibt man das folgende erste Wort eines neuen Satzes immer mit einem großen Anfangsbuchstaben. Hierbei ist sogleich folgender Zusatz zu beachten: der wahre oder Schlußpnnct steht als Intcrpnnctionszeichcn nie anders als am Ende eines solchen Hauptsatzes, der als ein Genzcs betrachtet wird; daher folgt auf ihn immer ein großer Buch­ stabe. Hingegen das Ausrufnngs - und Fragezeichen macht man sowohl am Ende als in der Mitte eines Satzes zur Bezeich­ nung eines Ausrufs oder einer Frage; daher fordern dieselben auch nur dann einen großen Buchstaben hinter sich, wenn sie statt eines Schlußpunctes stehn, und also zugleich das Ende ihres Satzes bezeichnen; wenn dies aber nicht der Fall ist, und sie also statt eines andern Interpunktionszeichens stehen, so können sie auch nicht verlangen, daß ihnen ein großer Buch­ stabe folgen müsse, so wenig wie der Punct, wenn derselbe ein bloßes Abkürzungszeichen ist, indem man zum Beispiel n. s. w. statt und so weiter schreibt. Ein Beispiel ist folgendes: Ihr Herr Brnder, th. Fr., (oder th: Fr: d. i. theuerster Freund,) könnte viel für mich thun! Wollten Sie ihn wohl gefälligst darum bitten? Ich bin ja leider, leider! so sehr unglücklich. Was soll ich aber thun? hör« ich Sie fragen.

4) Jedes Hauptwort wird mit einem großen Anfangsbuch­ staben geschrieben *).

5) Eben deswegen wird auch jeder andere Redetheil groß geschrieben, dessen Begriff als selbstständig, als etwas Selbst­ ständiges, dargestellt werden soll, so daß ein solcher Redetheil die,Stelle eines Substanüv's vertritt. Sehr oft erhalt derselbe, wie ein förmliches Substantiv, einen Artikel oder cm anderes ähnliches Bestimmungswort des Hauptworts vor sich: der, ein, etwas, mein u. s. w. Beispiele: das Schönste in diesem Gemälde, mein Theurer, ist das Roth und Weiß, welches znm Bewundern zwingt; das Echt oder Unecht, so wie das Ob, Wann und Wie dabei, ist etwas, das uns jetzt nicht kümmert; nichts Gutes ist ja ohne etwas Fehlerhaftes; der Maler hat sein Ich zu Rathe gezogen, und das that selbst Friedrich der Große, der Einzige **)♦

*) ES lasst sich nicht leugnen, daß diese Regel weder in dem Ge­ brauch des Altdeutschen, noch in der Natur der Sache gegründet ist, da so viele Sprachen dieselbe nicht befolgen. Daher muß es auch den Schriftstellern frei stehen, sie in gewissen Fällen nicht anzunehmen, wie denn die gewöhnlichen Ausgaben der Bibel­ übersetzung Luthers die Hauptwörter, der Regel nach, klein schrei­ ben, und nur den Eigennamen, den Namen Gottes und andern Wörtern von ausgezeichneter Bedeutung, eben ihrer Auszeichnung halber, einen großen Anfangsbuchstaben geben. So schreibt auch Voß in mehrern Ausgaben feiner Ueversetzung des Homer, und Grimyr in seiner Sprachlehre die gewöhnlichen Hauptwörter klein, und Seidenstücker sagt (in seiner Jenaer Recension meiner frühern Sprachlehre): ,,unsre großen Buchstaben sind eine Ab­ surdität, die wir vor andern Nationen voraus haben, welche große Buchstaben nur schreiben, wenn das Gewicht des Begriffs sie dazu veranlasst. Warum wir die Hauptwörter groß schrei­ ben, möchte wohl niemand mit Gründen beantworten können." Indessen ist es doch nun einmal fast allgemeiner Schreibegebrauch, und wir wollen uns demselben um so williger unterwerfen, da es gewiß sehr ungerecht ist, ihn eine Absurdität zu nennen, in­ dem er durchaus nicht- Sprachwidriges zur Folge haben kann; im Gegentheil trägt er gar nicht selten zur Deutlichkeit des Sinnes wesentlich bei. Wenn man z B. schreibt: er opferte sein Vermögen, sein Theuerstes, woran sein ganzes Herz hing, so zeigt der große Anfangsbuchstabe bei Theuerstes sogleich, daß der Sinn nicht sein soll: fein theuerstes, liebstes Vermögen, sondern: sein Vermögen, welches ihm sein theuerstes Gut war. Und wie undeutlich schriebe man: welches sein theuerstes gut wart

♦*) Hiernach können wir es also nicht billigen, wenn Göthe im W. Meister 1, 203, schreibt: alles erreichte, erlangte that Wirkung; 2 *

20 So wie diese Regel hier angegeben ist, sieht man schon, daß sie dem Schreibenden oft freie Wahl lässt, ein Wort groß oder klein r.i schreiben, je nachdem sich derselbe einen Begriff als selbstständig denkt oder nicht. Ein Scheibenschützc kann z. B. schreiben: ich traf drei mal schwarz und zweimal weiß, indem er diese Wörter im advcrbicüen Sinn für gut und schlecht nimt; er kann aber auch schreiben: ich traf dreimal Schwarz und zwei mal Weiß, d. h. das Schwarze, das Weiße, ins Weiße. Hierher gehören besonders die Wörter recht und un­ recht. Man muß schreiben: mit Recht, er hatte Recht, ich Unrecht; du bist recht groß; du hast recht und unrecht gera­ then, d. h. zugleich richtig und unrichtig; das ist recht für rich­ tig ; aber man kann schreiben: das ist recht, daß du den Pro­ ceß verlierst, im Sinne gerecht, und anch: das ist Recht, im Sinne Gerechtigkeit; recht muß recht bleiben, und auch: Recht muß Recht bleiben, in eben diesem verschiedenen Sinne; eben so: schwarz ist schwarz, d. h. was schwarz ist, bleibt schwarz, und anch: Schwarz ist Schwarz d. h. das Schwarze. So unterscheidet Schiller sehr richtig im Don Carlos (,coltaische Ausgabe V, 79).: doch ja, ganz recht, das war vorhin, l vor­ her,) das ist recht gut, und dagegen: der König bat ganz Recht, d. h. er hak ganz das Recht auf seiner Seite, er hat das Recht ganz **). 6) Indessen bleibt doch ein bedeutender Fall übrig, über welchen der Sprachgebrauch noch nicht entschieden hat: er giebt eine Regel, daß im Deutschen kein Hauptwort durch ein Ad-

Doß in der Luise (, Louise) 1795, ®. 42: manches beschied uns Gott, gute» und böses, II. G., 151. Vers: fürs nüchterne trink Kaffe, III, 54: was gutes; Chr. Müller in den Farnkräutern, 1824, I, S. 39: nichts reitzendereS; Kiopstock im Messias ie Sparre. Es erqicbt sich übrigens von selbst, daß hierher nicht solche Wörter gehör ren, die von ganz verschiedener Bildung sind, als der Dau und das Gebäude. 281) Manche Hauptwörter, welche persönliche Begriffe ausdrücken, werden mit Beibehaltung des ihnen beigelegte» grammatischen Geschlechts von männlichen und weiblichen Per» fönen gebraucht: der Liebling, Zwilling, Findling, Witzling, Sonderling, (und mehrere solcher Wörter auf ling, so daß man nie die Findlinginn u. s. w. sagen darf,) die Waise, das Kind, (von Knaben uud Mädchen,) das Mündel *), der Gast,

•) Adelung führt in seinem Wörterbuch« dies Wort gerade zu als männlich der Mündel auf, und sagt: es komme vermuthlich von Mund d. i. Schutz, oder vielmehr vom veralteten munden, schützen her, und da« el sei nicht die VerkleinerungSsylbe, son­ dern bezeichne eine Person, von welcher etwas gesagt wird, eine dem Schutze eines andern anvertraute Person, daher sei es der Analogie gemäßer, nicht für männliche der und für weibliche die, sondern für alle solchen Schützlinge der Mündel zu sagen, wie man der Flegel, Rekel, Schlingel, Tölpel, Teufel für Per­ sonen jedes Geschlechts braucht; er tadelt Gotsched, der immer die Mündel, auch im Plural (,wo es dann Mündeln heißen müsste,) sagen will. Ferner bemerkt derselbe (unter dem Artikel

(sehr selten die Gästinn,) der Teufet, (sie ist ein wahrer Teu­ fet,) der Engel. Andre unterscheiden die verschiedenen natürli-

Vormund sehr ausführlich), i) daß mundius im Mittellatein schon für sich allein einen Beschützer bedeutet, also im Worte Vormund das vor nur des Nachdrucks wegen zu stehen scheine, wie das pro in protegere, protector* wenn man es nicht so wie in Vorsteher, vorstehen erklären will, ob es gleich billig nach unserm heutigen Gebrauch Fürmund heißen sollte, wie schon im Livius vom Jahre 1514 ein Fürmünder steht. Ferner giebt Ade< lung an, Vormund, schon in den monserischen Glossen foramund, lasse sich mit säst gleichem Grunde entweder vom veralteten mun­ den sprechen, wovon noch im, Tatian das Intensiv muntigan aussprechen, und die Zusammensetzung balmund verleumden, vor« komme, oder vom alten mund Schutz und munden schützen ab­ leiten, wie im Mittellatein mundualdus und im Jtal. noch jetzt mundualdo einen Mundwalt, Beschützer, Vormund bedeutet. Endlich sagt Adelung: der Vormund werde häufig auch von Personen weiblichen Geschlechts gebraucht, welche wirklich eine Vormundschaft führen, und die von andern Vormünderinnen ge­ nannt werben, welches Wort von der Vormünder abgeleitet sei, das auch dem jetzigen hochdeutschen Plural zum Grunde liege, der Vormünder heiße, obgleich Luther 2. Kön. iu, i. die Vor­ münde sage. Uebrigens nenne man in einigen Gegenden die Ehe­ frau eines Vormunds Vormündinn. In Hinficht aller dieser Angaben erlaube ich mir folgende ein-' fachen Bemerkungen: sollte es wohl von Verben abgeleitete männlichen Substantiven auf e l geben, worin diese Sylbe eine Person anzeigte, von welcher der Begriff des Zeitworts passiv ausgesagt wird, so daß dieselben zur Analogie für der Mündel dienen könnten? Die angeführten Schimpfwörter passen gewiß nicht dafür, und § 134 zeigt, daß ich überhaupt deren keines weiß, denn Schlägel, Stachel,-Wärtel, Weisel sind thätigen, und Wickel, Speichel zwar leidenden Begriffs, aber keine Personen, wofür auch Adelung nur Findel statt Findling anzuge­ ben weiß. Daher scheint mir denn die einfachste Erklärung die beste: wie Schutz, Rath, Hülfe unzählig oft statt Schützer, Ret­ ter, Helfer stehen, und Arm, (rechte) Hand u. s, w. in gleicher Bedeutung, so steht Mund in Vormund für Mund—habender, — leihender, —brauchender, für einen Mann, der seinen Mund braucht, und zwar vor efnem andern, vorher, früher, eher, als dieser ihn brauchen kann oder darf, und zugleich für ihn, d. i. zum Besten, statt desselben, statt des Mündels, welches Mün­ del ein kleiner Mund ist, ein Subject wir einem kleinen, noch (wenigstens gerichtlich) nicht hinlänglich großen, noch untüchtigen Munde, um selbst für sich gehörig sprechen und sorgen zu können. Dann also.bleibt el die Verkleinerungssylbe, und deshalb Mün­ del-sächlich. Der Plural von Vormund wird,' wie eben von Mund in seiner gewöhnlichen Bedeutung, sehr selten gebraucht, und kann im Nothfall immerhin von dem veralteten Mund in der Bedeutung Mann, und -war Mann von Kraft und Stärke,

134 chcn Geschlechter bloß durch den Artikel: der und die Pathe, der und die Sprosse (,so viel wie Sprössling, abgeleitet von sprossen, eigentlich von Pflanzen hcrgenommen und gebraucht, doch auch im weitern Sinn ans Menschen übertragen: unser König ist ein Sprosse, d. i. Abkömmling des hohenzollerschen Hauses; doch sagt man von Frauen wohl nur selten die Sprosse, sondern lieber ebenfalls der Sprosse: Katharina war ein Sprosse des anhaltischcn Hauses, selten eine Sprosse, wie denn Adelung, der diese Ucbertragung des Begriffs auf Menschen in seinem Wörterbuche anzugcben vergessen hat, sagt, daß der Sprosse im Hochdeutschen doch häufiger als die Sprosse von Pflanzen gebraucht zu werden scheine, obgleich Sommersprosse und Leiter^, Fenster- oder Wagensprosse, vielleicht von sprin, gen abgeleitet, weiblich sind) **). Noch andere geben dem männlichen Worte zur Bezeich­ nung des weiblichen Geschlechts mit dem weiblichen Artikel zu­ gleich die Endung in n. Solcher Wörter giebt es unzählige; die meisten derselben bezeichnen indessen, besonders wenn ihr Begriff allgemein angegeben werden soll, im männlichen zu­ gleich auch Subjecte weiblichen Geschlechts: der Erbe und die Erbinn, (meine Frau war Erbe oder der Erbe des ganzen Vermögens,) der Gatte und die Gattinn, (der Gatte muß nachsichtig gegen die Fehler des Gatten sein, d. h. der Gatte gegen die Gattinn, und die Gattinn gegen den Gatten,) der Gemal und die Gcmalinn, (Luther braucht noch-das Gemal zur Bezeichnung der Eheleute: jeder soll sein Gemal lieben und ehren; Hans willst du Grethen zum ehelichen Gemal? Adelung sagt, dieser Gebrauch sei oberdeutsch, und jetzt fürs Hochdeutsche veraltet;) der Gevatter und die Gevatterinn, (meine Frau steht Gevatter, sie ist heut der wahre Gevatter,) Freund und Freundinn, (wer ist mein Freund? Du, Schwester, das ist gewiß; indessen bei Anreden und wenn eine Frau selbst spricht, muß es immer Freundinn heißen: du, Schwester bist meine Freundinn; ja, ich bin deine Freundinn;) der König und die Königinn, (es lebe M. Theresia, unser König, rex, rufen die Ungarn;) meine Frau ist mein Koch, mein Schneider und mein Bedienter; sie ist ein sehr guter Koch oder auch eine gute KöBeistanb entlehnt werben, das nach Adelung im Plurak Münder hat, und schon bei den Longobarden mundus, mundualdus hieß. *) Dieser Gebrauch stimmt mit den Substantiven, Adjectiven und Participien überein: der und die Gute, Liebende, Geliebte.

chmn; so auch bei Thierbenennungen: der Hund und die Hün­ dinn, (mein Hund hat geworfen,) der Bär und die Bärinn; (der Bär säugt noch seine Jungen;) andere werden sehr festen oder gar nicht vom weiblichen Geschlecht gebraucht, ohne daß man ihnen inn ansetzt: der Näher und die Näherinn, wofür man auch gegen die Analogie, Nähterin» (/gleichsam von Naht, und im Brandenburgischen noch schlechter Nächsterinn) sagt; der Wascher und die Wäscherinn, der Diener und die Diene­ rinn (,die Silberdienerinn; doch kann ein Kaufmann sagen: ich halte keinen Ladendiener, denn meine Tochter ist mein Die­ ner oder Ladendiener; außerdem halte ich noch eine Ladendie­ nerinn oder ein Ladenmädchen). Es versteht sich, daß zu die, sen durch inn ins weibliche Geschlecht veränderten Substanti­ ven nicht die als Hauptwörter gebrauchten Adjectiven und Par­ ticipien gehören, indem diese das Geschlecht bloß durch den Artikel und die Flexionslaute bezeichnen: der und die Gute, der und die Liebende, ein Liebender und eine Liebende, der und die Geliebte, ein Geliebter und eine Geliebte. Endlich noch andere Begriffe haben für beide Geschlechter zwei verschiedene Wörter: der Vater und die Mutter, der Sohn und die Toch­ ter, der Bruder und die Schwester, der Knecht und die Magd; so auch der Mann, der Herr und die Frau, von welchen Wörtern man indessen doch auch in gewissen Beziehungen Her­ rinn, besonders mit dem Begriff Gebieterinn, und Männinn bildet: Gott schuf einen Mann, und von ihm eine Männinn, und in Zusammensetzungen der Kauf-, Haupt-, Rach-, Amt­ mann, und die Kauf-, Haupt-, Rath, und Amtmännin», nicht Kauf-, Haupt-, Rath-, Amtfrau, wohl aber auch Kauf-, Haupt-, Rath- und Amtmannsfrau, wie man immer sagt Fuhrmannsfrau; auch für Schieds- und Landsmänninn hak man gar keinen andern Ausdruck; dagegen sagt man von Edel­ mann, Bettelmann wirklich Edelfrau und Bettelfrau oder —weib; für Trödelmann und Trödelfra» oder —weib spricht man besser Trödler und Trödlerinn; von Hofmann und Schuld­ mann kann man gar kein weibliches Wort bilden, sondern man muß umschreiben; Fran eines Hof- oder Schuldmanns; so umschreibt man auch am besten bei Zimmermann, Schulmann, Frau eines Zimmermanns, Schulmanns, ob sich gleich Zim­ mermanns, und Schnlinaunsfrau nicht für falsch erklären, lässt; eine wirkliche Lehrerinn muß Schullehrerinn heißen. Ueber alle solchen Wörter entscheidet allem der Sprachgebrauch der hierbei zuweilen gar eigensinnig verfahrt; so sagt man für Mieter (einer Wohnung) auch Mietsmann, aber für Miete,

136 tinn darf man nicht Mietsftau sagen, indem man unter die­ sem Worte eine Vermieterinn (von Gesinde) versteht, für de­ ren Maskulin Vermieter man dagegen nicht Miet - oder Mets­ mann brauchen darf. (Adelung kennt diese Wörter mit Miets­ gar nicht, sondern nennt den Vermieter Miethcrr, den Mieten­ den Mietmann und die Vermieterinn Mietfrau, von welchem Worte er indeß sagt, daß es zuweilen eine Mieterinn anzcige. Er hat aber den Sprachgebrauch, gegen diese-seine unbestimm­ ten Bestimmungen.) In Ansehung der Thicrbeüennungen fin­ den ebenfalls viele Verschiedenheiten statt. Für viele der be­ kanntesten, dem Menschen wichtigsten Thiere giebt es in beiden Geschlechtern eigne Benennungen: der Täuber und die Taube, der Aentcr, < Enter,) Aenterich oder Erpel und die Aente, der Gänserich und die Gans, der Hahn und die Henne, der Kater und die Katze, der Eber und die Bache oder Sau, der Bock und die Ziege, auch der (Stähr,) Widder oder Schafbock und das Schaf, der Hengst und die Stute, der Stier und die Kuh, der Hirsch und die Hirschkuh oder Hindinn, und so auch beson­ ders in Niedersachsen der Köter (,wohl von Kotze, ein altes gemeines Wort für eine zottige Decke,) für der (männliche) Hund und die Petze für Hündinn; doch bezeichnen selbst bei diesen Wörtern die allgemeinen Ausdrücke Tauben, Aenten, Gänse, Katzen, Ziegen, Schafe, Hirsche, Hunde, beide Ge­ schlechter der Thiere, so wie die Ausdrücke Schweine (für Eber und Bachen), Pferde (für Hengste und Stuten), Rindvieh, Rinder oder auch wohl Ochsen (,was eigentlich verschnittne Stiere find, für Stiere und Kühe,) und Hühner, welches Wort zugleich den Plural von Henne abgiebt, da man die Hennen nicht sagt, so daß es in dieser Beziehung auch vorzugsweise das weibliche Geschlecht dieser Thiere bezeichnet. Auf eine ähnliche Art haben besonders die Jäger noch mehrere ihnen ei, gcnthümlichcn Ausdrücke zur Bezeichnung des verschiedenen Geschlechts der ihnen wichtigen Thiere, wogegen das Hochdeut­ sche für fast alle übrigen Thiere nur eine einzige Benennung hat: Wallfisch, Rhinoceros, Kamecl, Tiger, Panther, Affe, Maus, Aal,: Karpfen, Hecht, Rabe, Floh/Wanze, Mücke u. s. w. Soll nun von diesen Thieren das weiblische Geschlecht besonders bezeichnet werden, so kann man sich bei vielen Na­ men wieder durch Ansehung der Sylbe inn Helsen: Tigerinn, Aeffinn, Löwinn, Bärinn, Wölfinn, Füchsinn, Störchinn u. s. w.; bei sehr vielen andern erlaubt dies aber der Sprachge­ brauch nicht, und dann bleiben nichts als Umschreibungen zur Anshülfe übrig. So wie man sagen kann: der männliche

oder weibliche Tiger, so muß man sagen: der männliche oder weibliche Wallfisch, Aal, Karpfen, Rabe, Floh, die männliche oder weiblicheHyäne, Forelle, Natter, Maus, Ratte,Wanze, Fliege, das männliche oder weibliche Rhinoceros, Kameel, Stinkthier. 282) Nicht wenige deutschen Substantiven werden uns ter verschiedenen Bedeutungen auch in verschiedenen Geschlecht tern gebraucht, wobei einige mancherlei kleine Veränderungen leiden, oder auch in ihren verschiedenen Bedeutungen einen verschiedenen Plural bilden. (Man vergleiche § 263 bis H 265.) Und hierher gehören besonders folgende Wörter: das Aergerniß bedeutet theils etwas Anstößiges, einen schweren An­ stoß: ein Prediger giebt durch unsittliches Betragen seiner Ge­ meine ein Aergerniß, theils so viel wie Aerger; in dieser letz­ ten Bedeutung wird es oft auch weiblich gebraucht: solches Aergerniß oder gewöhnlicher solche Aergerniß (, b. i. solcher Verdruß, Aerger,) schadet der Gesundheit.- Der Alp, ein bös­ artiger Geist und das (von ihm bewirkte) Magendrücken; die Alpe, eigentlich jeder hohe Berg. Die Armuth, Mangel an zeitlichem Vermögen, Dürftigkeit, und das Armuth, ein fast ganz veraltetes Wort, zur Bezeichnung theils des collectiven Begriffs arme Leute, theils eines geringen Vermögens: das ist mein ganzes Armuth. (Adelungs Beispiele: mein Bißchen Armuth passen nicht, denn in diesem Ausdruck ist Bisschen, kleiner Bissen, als ein sächliches Hauptwort gebraucht, wie man auch sagt, das Bisschen Braten.) Die Alraun, eine Wnrzel, Pflanze, Wolfskirsche, die aber Adelung auch der Alratin nennt; der Alraun eine aus der Wurzel dieser Pflanze zu abergläubischem Gebrauch verfertigte Puppe in menschlicher Gestalt. Der Asch, ein Napf, und die Asche. Der Band, Plural die Bände, eines Lehrbuchs, das Band, Plural die Bänder, von Seide, an Kleidern, Tonnen; das Band, Plu­ ral die Bande, der Freundschaft (; die Bande, Plural Banden, beim Billard, bei Malereien, Diebe). Der Bach, kleiner Fluß, die Bache, Sau. Der Bund, Plural die Bünde, der Freundschaft, Kopfbedeckung, der türkische Bund; das Bund, Plural Bunde, (doch auch Bünde,) Schlüssel, Stroh, Glas, Garn u. s. w. Der Buckel, Rücken, Rückenerhöhung: er hat hinten und vorn einen Buckel; die Buckel, jede erha­ bene Ründung, besonders bei Schnallen,. Pferdegeschirren u. s. w. Der Bulle,t Stier; die Bulle, Siegel, Urkunde. Das Buch und die Büche. Der Bauer, Plural Bauern, Land­

mann; der Erbauer; das Bauer, Käfich, das Vogelbauer, doch in Obersachsen oft der Bauer, Vogelbauer, Plural Erbauer,

138 Bauer. Der Bruch, Plural Brüche, das Bruch, Plural Brücher, sumpfige, morastige legend. Der Chor, ein mehr,

stimmiger Gesang, auch der Verein der Sanger (oder Spre, cher: der griechische Chor), doch wird das Wort auch in dieser Bedeutung besonders in Obcrsachsen häufig sachlich gebraucht: das erste Chor, so auch in Klopstoks Mesfias XII, 112: das Chor, der Ort, wo gesungen (oder auch gespielt) wird, besonders in den Kirchen, der Haupttheil, wo der Altar u. s. w. ist, im Gegensatze des Schiffs der Kirche, auch die ganze Emporkirche. Der Caper und die Caper. Der nnd das Erbe. Die Er, kenntniß, Einsicht, und das Erkenntniß, Urtheil. Der Flur des Hauses, Plural Flure, und die Flur, Plural Fluren. (Adelung sagt immer die Flur, und bemerkt, der Hausflur oder Flor, Flohr, Floor sei niedersächsisch.) (Die Fiber und das Fieber sind ganz verschiedene Wörter.) Der und das Graben, und viele ähnlichen Ausdrücke, (derKarren und das Karren,) in denen das sächliche Wort, als der zum Hauptwort erhobene Infinitiv, (der Infinitivus nominascens nach der hebräischen Grammatik,) die selbstständig gedachte abstracte Handlung aus, drückt. Der Gespann (, Genosse/ und das Gespann. Der und die Geißel. Der Gemal, ein verheirathetcr Mann; das Gemal, eine verheirathete oder verlobte Person jedes Geschlechts, wie Luther Matth. 1, 20. 24 übersetzt: sürchte dich nicht, Ma, ria, dein Gemal zu dir zu nehmen. Adelung bemerkt zwar, dieser Gebrauch sei im Hochdeutschen veraltet; doch sagt noch Schiller: der des Fürsten eheliches Gemal in ein srevelnd Ehe, bett gerissen. Der Huf und die Hufe. Das Gift und die Gift, d. i. Gabe, die Mitgift. Das Wort Gehalt braucht Adelung in allen Bedeutungen männlich, obgleich viele es als Besoldung ins Neutrum setzen. Der Haft, Eigenschaft zu haften, das, wodurch etwas verbunden wird; Gleim sagt: dein Herz ist Felsen; Gram und Leid hat keinen Haft darauf; die Haft, gefängliche Bewahrung. (Reinbcck giebt auch noch daS Haft als den Namen eines Jnsects an; Adelung kennt dies Wort nicht.) Der und das Harz. Der und die Heide. Der und die Hut. Heft braucht Adelung in allen Bedeutungen sächlich; dagegen ist die Hefte ein Ausdruck beim Weinbau für das Anbinden oder Anheften der Reben. Klöppel oder Klöpr fel braucht Adelung immer männlich, obgleich viele die Werk, zeuge bei Verfertigung der Spitzen, Kanten, u. s. w. die Klöp, pel nennen. Der Kloben, eine zusammenhängende, verbundene Masse: ein Kloben Flachs, ein Werkzeug zum Halten, Zange, ein gespaltenes ansgehöhltes Werkzeug; die Klobc, ein starkes

Scheit Holz, das aber Adelung auch der Kloben nennt. Der Koller, Wuth der Thiere, das Koller, Halsbekieidung (,das Collret). Der und die Kunde. Die Kuppel, Kugelgewölbe; das Kuppel, das Degenkuppcl, das Kuppel Hunde; Adelung braucht es aber auch in dieser Bedeutung weiblich, und richti­ ger wäre wohl Koppel oder Coppel, da cs von copula her, kommt. Der Koth, Unrath, und das Koth oder die Kothe, schlechtes Haus. Der Kiefer, Kinnbacken, (nach Adelung aber die, und oberdeutsch das Kiefer,) die Kiefer, Baum und Fisch­ ohr. (Der Böttcher und Weinbesorger heißt Küper oder Kü­ fer von Küpe oder Küfe.) Der Krystall im Allgemeinen, und die Krystalle, ein einzelnes Stück. Der und das Laden, und die Lade. Der Leiter, Führer, Conducteur, und die Leiter. Das Lehen, die Sache, das Ding, das Recht, 'das zum Nieß­ brauch überlassen wird; die Lehen, das Verhältniß, wodurch der Nießbrauch einer Sache überlassen wird: um die Lehen ansuchcn, d. i. Belehnung; das Lehengeld: die Lehen entrichten? Der Lohn, die Folgen einer Handlung, Belohnung, der Gnadcnlohn; das Lohn, die Bezahlung; das Macherlohn, das Gnadenlohn. Leib war sonst ein höchst gewöhnliches Wort mit sehr vielen Bedeutungen, deren allgemeinste eine zusam­ menhängende Masse, ein Körper überhaupt, besonders von run­ der Gestalt ist. Es wird noch jetzt in vielen Gewerben des bürgerlichen Lebens als Kunstausdruck mit verschiedenen Be­ deutungen gebraucht; namentlich bedeutet im Oberdeutschen der Laib einen Körper, womit man Milch gerinnen macht oder kocht, und das (doch auch der) Laib ein Brod, eine Portion überhaupt; Luther schreibt ebenfalls: gieb jedem ein Laib Brod. Adelung sagt, das ganze Wort sei fürs Hochdeutsche jetzt ver­ altet, und schreibt immer der Leib dafür. (Der Leib und das Schnürleib.) Der Lauer, theils für Lauerer von lauern, wie Mauer für Mauerer von mauern, theils schlechter Nachwein, Wasscrmost, lat. und ital. lora, davon gemein Lorke; die Lauer, der Zustand des Wartens. Der Leisten des Schumachers, Tischlers, die Leiste am Tische n. s. w.; das Leisten, das Han­ deln, Ausführen. Der Lorber oder Lorbeer(baum), und die Lorbeere. Das Laub, der Urlaub, (mit Verlaub, veraltet,) die Laube. Das Leich, ein provincielles Wort für einen hohlen Raum: Hcrzensleich, ebenen Platz: Kcgcllcich für Kegelbahn, und für Ziel, Mahl; das Fischleich wird fast allgemein mit a i geschrieben, ob dies gleich Adelung oberdeutsch nennt; die Leiche. Der und die Marsch. Der und das Mensch (,von männisch, ehemals von Mannern gebräuchlich, noch jetzt in vielen Pro,

140 vinzen ohne verächtlichen Nebenbegriff). Die und das Man­ del. Die Mark (, Gränze, Brandenburg, 16 Loth, Münze,) und das Mark (in den Knochen, im Gehirn). Der und die Mast. Der und das Messer. (Das Messen, die Messe.) Der Muth, das Much, (ein sehr gewöhnliches Maß in Ober­ deutschland; schon Ottfried und Tatian haben inuttu, mutti, wo Luther Scheffel setzt; verwandt mit modius, fiodiog, Maß, Metze u. s. w.,) die Muthe ein Wort des gemeinen Lebens für Begehren, der Stamm, der in Zumuthung von muthen zum Grunde liegt; der Edclmnlh, Helden-- Hoch-, Ueber-, Un-, Wankclrnuth; die An-, De-, Groß-, Wehmuth. Klcinmuth sollte (wegen Großmuth) auch wohl weiblich gebraucht werden, steht aber oft männlich. Das Maß und die Maße (Mäßigkeit, mit Maßen trinken, fürs Hochdeutsche fast ganz veraltet). Der und die Mast. Der Mohr und das Moor (,Torfmoor, wie auch Adelung schreibt; andere schreiben auch das Mohr, verwandt mit Morast, Moder, Marsch; im Elsaß und in der Schweiz heißt die Mohr eine Sau). Der und die Mangel. Der und das Ohm. Der Pack (,Packet, Paquet) und das Pack (, Gesindel; doch witd dies Wort auch in der ersten Bedeutung oft sächlich gebraucht: das Pack Briefe, wenn gleich Adelung sagt, daß das männliche Geschlecht üblicher sei). Der Ratz, Haselmaus, und die Ratze. Das Reis von Bäu­ men, welches Wort auch männlich gebraucht wird, die Reise; der Reiß, die Getreideart. Der und das Rasen. Der,Rost und die Roste. Der See, (Landsee,) die See (,das Meer). Der Sproß und Sproffe, (Sprössling,) die Sprosse (einer Lei, ter). Der Schild, Plural die Schilde, zur Bcschützung, das Schild, Plural Schilder, der Kaufleute, Postboten. Die Schwulst, das Ausschwillen und Aufgeschwollensein des Lei­ bes u. s. w., der Schwulst, die figürliche Bedeutung des vo, rigen Wortes: der Schwulst der Schreibart. Der Scheuer, eine provincielle Benennung eines Bechers, die Scheuer, auch Scheure, für Scheune; die Scheu und der Abscheu; der Schauer, der Haut, Regenschauer; Wagenschauer u. s. w. wird oft säch­ lich, bei Adelung aber auch männlich gebraucht. Der Stift, Nagel, Bleistift, Plural die Stifte, das Stift, eine Stiftung, Plural nach Adelung auch Stifte, nach vielen andern Stifter, ob dies Adelung gleich gemein nennt. Die und das Steuer. Der Stollen, (das Stehende, Feste, die (kurze, dicke) Stütze, das Tiefe, Ausgehdhlte, ein Canal beim Bergbau,) die Stolle, (Masse, kurze, dicke,) Bulterstolle für Buttcrbrod oder Gebak-

kencs aus Butterteig. Das einfache Wort Theil braucht Ade­ lung immer männlich, giebt aber zu, daß Luther cs zuweilca auch sächlich nimt, z. B. 1. Mos. 13, 10; Luk. 10, 42. Bon den Zusammensetzungen sagt Adelung, daß bei einigen, als An­ theil, Bestand-, Nach-, Vortheil, das männliche, von andern, als Vorder-, Hinter-, Erb-, Berg-, Vater-, Muttertheil, Bicrtheil (für Vierttheil, und Viertel) u. s. w. das sächliche Geschlecht gebräuchlich sei; dieser Unterschied rühre bloß davon her, daß die sächlichen aus solchen oberdeutschen Gegenden ins Hochdeutsche übergcgangen wären, in welchen sie sächlich ge­ braucht wurden; Gegentheil aber werde selbst int Hochdeutschen in verschiedenen Bedeutungen theils männlich theils sächlich gebraucht. Der und die Taube. Der und das Thor. DaS Wort Tuch braucht Adelung noch immer sächlich; in neuem Zeilen nehmen sehr viele nur noch den Stoffnamen, das aus Wolle gewebte Zeug, sächlich, Plural die Tuche, das ist Arten des Tuchs, dagegen das Gattungswort, ein einzelner Tuch von unbestimmter Masse, männlich: der Hals-, Schnupf-, Grab­ tuch, der seidene Tuch, Plural Tücher. Der Verdienst an Geld, das Verdienst, das Verdienstliche einer Handlung. Der und die Weise. Der Wagen und die Wage. Der Weih, Vogel, und die Weihe. Der West und die Weste. Der Wind und die Winde. Das Wehr und die Wehre. Der Zehen für Zehn am Fuße, die Zehen, 10. Das Wort Zeug un­ terscheidet Adelung so: der Zeug bedeutet im Hochdeutschen 1) den Stoff, die Materie, woraus etwas bereitet wird, z. B. der Zeug, der Papiermacher, der Zeug zum Kleide (,wo man aber sehr häufig das Neutrum nimt); 2) gewisse,Hülfs­ mittel, etwas zn verrichten, namentlich beim Bergbau für Was­ sermaschinen, beim Jäger für Geräthschaften, Tücher und Netze, bei Bäckern für Gärungsmittel, die nicht Sauerteig und Bier­ hefen sind, beim Kriegswesen für Geschütz und Geräthschaften überhaupt; 3) Personen, durch welche man etwas verrichtet, in welcher Bedeutung es namentlich. für Kriegsheere u. dgl. in Luthers Bibel oft vorkommt, jetzt aber im 'Hochdeutsche» veraltet ist. Das Zeug bedeutet: 1) ein mechanisches Hülfs­ mittel, etwas zu bewerkstelligen: das Werkzeug, Feuerzeug, Fahrzeug, Spielzeug; 2) gewisses Beräth: das leinene, irdene Zeug, Leinenzeug, Kopfzeug, Nachtzeug; 3) Ding, Sache über­ haupt: dummes Zeug, liederliches Zeug. Der Zitz und die Zitze. Das Zinn und die Zinne. Der Zink und die Zinke. Der Zins, Abgabe überhaupt, Grundzins, Hauszins, Mietzins, Zinsfuß; (schon beim Ottfried Zinsa, Czins auch für Zoll;)

142 die Zinse, fast bloß im Plural Zinsen gebräuchlich, das vorige Wort mit der besondern Bedeutung der Abgabe für die Nut, zung geliehenen Geldes. 282) Die Wörter aus fremden Sprachen sollen eigentlich, wenn sie ihre ursprüngliche Gestalt und Endung behalten, auch im Geschlecht ihrer Muttersprache bleiben, und das geschieht auch bei den meisten: der Casus, die Allee, das Dogma, Ge, nus; doch werden die weiblichen lateinischen (»griechischen) En, düngen u s und r zuweilen männlich: der Methodus, Perio, dns, Synodus, Lex (,auch das Lex). Werfen sie hingegen ihre fremde Endsylbe weg, und nehmen dafür wohl gar eine deut, sche an, wohin besonders das e gehört, so richtet sich ihr Ge, nus meistens nach ihrer Endung, und ist alsobald dem fremden gemäß: der Canal, die Periode, das Substantiv, das Sacra, ment, bald von demselben verschieden: der Punct, (aber das Punctum,) der Altar, (doch auch das Altar,) der (,doch auch die) Sphinx, Tempel, Körper, Syntax, (doch in neuern Zei, ten auch die Syntax,) die Mode, (insofern man dies nicht von la mode, sondern mit mode von modus ableitet,) Kanzel, das Labyrinth, das (»zuweilen auch die) Echo, das Almosen, Fie­ ber, Pulver, der und das Katheder, der Moment (,doch sagt Schiller nach CottaS Ausgabe XII, 24 das Moment in der Bedeutung Augenblick, wogegen man gewöhnlich das Moment nur als einen Kunstausdruck in der Mechanik braucht,) u. s. w. Der Rector Lehmann in Lübben hat 1823 in einem Pro, gramm folgendes Verzeichniß fremder Wörter als das vollstän­ dige derer aufgeführt, die im Deutschen ein anderes Geschlecht annehmen, als sie in ihrer Muttersprache haben: 1) männlich im Lateinischen oder Griechischen und weiblich im Deutschen sind: nasus Nase, numerus Numer (oder Nummer), modus Mode, murus Mauer, floccus Flocke, soccus Socke, lacus Lache, postis Pfoste, cancellus Kanzel, bracellus Bräzel, (Prezel, s. § 232,) nodulus Nudel, mus Maus, musculus Muschel und Muskel, corallus Koralle, nervus Nerve, tapes Tapete» fructus Frucht, Fluctus Flut, Hymnus Hymne, dithyrambus Dithyrambe, mythus Mythe, pantomimus Pan, tomime, aster Aster, ranunculus Ranunkel, hyacinthus Hya, cinthe, nardssus Narcisse. 2) Männlich im Lateinischen oder Griechischen uud sächlich im Deutschen sind: Chorus Chor, libellus Libell, formatus Format, carcer Carcer, as As oder Aß, pulvis Pulver, crocodilus Krokodil, camelus Kamcel, labyrinthus Labyrinth, paradisus Paradies, secretus (locus) Secret, zXvaijQ Kly,

stier, consulatus Consulat, tribunatus Tribunal, rectoratus Reccorat, caelibatus Cälibat, und viele ähnlichen Wörter als triumviratus, diaconatus u. s. w. 3) Weiblich im Lateinischen oder Griechischen, und mannlich im Deutschen sind: pompa Pomp, ancora Anker, camphora Kampfer, purpura Purpur, calx Kalk, vernix Firniß, radix Rettig, (Radies vom ital. radice,) valeriana Baldrian, lavendula Lavendel, salata (herba) Salat, hederä Hederich, taxus Taxus, lactuca Lattich, sapphirus Sapphir, cavea Käsich, cella Keller, nebula Nebel, macula Makel, particula Partikel, urina Urin, panthera Panther, tigris Tiger, turris Thurm, domus Dom, (?) plebs Plebs, schedula Zeddel, (besser nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Zettel,) (periodus, insofern man auch wohl sagt der Periode,) synodus der Synod, (gewöhnlicher die Synode,) dialectus Dialekt, paragraphus (nach Gesners Thesaurus aber männlich und weiblich; in Schellers Handlexicon fehlt dies Wort;) Pakagraph, Cher* sonesus Chersones, Peloponnesus Peloponnes (sus). (Pluma der Flaum.) 4) Weiblich im Lateinischen oder Griechischen und sächlich im Deutschen sind: podagra Podagra, chiragra Chiragra, quarta (pars) Quart, echo Echo, orcheslra Orchester, ca­ thedra Katheder, eleemosina Almosen, febris Fieber, auris Ohr, fenestra Fenster, crux Kreuz, scapha Schaff, Schiff, Schapp, vioIa Veilchen, (?, die Viole,) auricula Aurikel, (besser aber die Aurikel,) pellis das Fell, Roma Rom, Italia Italien, Sicilia Sicilien, und so überhaupt die Namen der Städte, Inseln und Länder. 5) Sächlich im Lateinischen oder Griechischen, und männ­ lich im Deutschen sind: calendarium Kalender, sabbathum Sabbath, fulmentum ^eigentlich fulcimentum,) Füllmund, (der Grund eines Gebäudes, schon beim Notker follemunt,) scrinium Schrein, speculum Spiegel, mustum Most, vinum Wein, tabacum Tabak, templum Tempel, corpus Körper, punctum Punct, altare Altar, scabellum Schämet, oleum Oel, (besser das Oel,) balsamum Balsam, commercium Com­ merz, (?) marmor Marmor, momentum Moment, spectaculum Spectakel, tributum Tribut, gvpsum Gyps, Solarium Söller, sceptrum Scepter, (doch auch das,) palatium Palast, exarnen der (,besser aber das) Examen, breve Brief, pretium Preis, linum Lein, gummi der (,besser aber das) Gum­ mi, alabastrum Alabaster, vitriolum Vitriol, apium Eppich, (Aeppich,) hyssopum Ysop, chaerephyllon, chaerefolium,

144 cerefolium Kärbel oder Kerbel, anisum Anis, foeniculum Fenchel, trilicium Drillich, (doch ist thrilic, drilich, dHIhe wahrscheinlich ein altdeutsches Wort, das dreifach, ein Gedrittes bedeutet, vielleicht von drie drei, wie Zwillich von zwie zwei,) alumen Alaun, jubilum Jubel, oxdvSalov Skandal (für Lärm, doch auch das Skandal für Anstoß, das Argerniß), collare Koller, (man schreibt nicht Coller,) pactum Pact, Pacht, vallum Wall, triangulum Triangel, thermometrum der (,doch richtiger das Baro-, Hygro-, Aero- und) Ther­ mometer. 6) Sachlich im Lateinischen oder Griechischen, und weiblich im Deutschen sind: butyrum Butter, tinctym Tinte, (doch auck) tincta für tinctura,) praerniurn. Prämie, tropliaeum, tropaeum Trophäe, folium Folie, lilium Lilie, idyllium Idylle, episodium Episode, cymbalum Cymbel, calcatorium Keller, martyrium Marter, moretum Morte, (Biermörte; Adelung kennt dies Wort nicht;) petroselinum Petersilie, cicer Kicher (erbse), anecdoton Anekdote, organon Orgel, biblia Bibel, agenda Agende. Im Program von 1824 macht Herr Lehmann die inte­ ressante Bemerkung, daß bei vielen dieser Wörter man sich im Deutschen das Geschlecht verhältnissmäßiger oder analoger deut­ schen Wörter gedacht, und dies den fremden Wörtern beigelegt habe. Zu diesen analogen Wörtern gehören 1) solche, welche Gegenstände gleicher Art, coordinirte, und auch identisirende Begriffe ausdrücken. Weil z. B. die meisten Bäume, Sträu­ cher und Stauden im Deutschen männlich sind, so sagte man auch der Lolch, Tabak, Balsam, Taxus, Rosmarin, Lavendel; eben so die Steinarten: der Gyps, Marmor, Sapphir, Hya­ cinth, Kalk, Alabaster. Beispiele, bei denen man das Ge­ schlecht nach deutschen identisirenden Begriffen (wahrscheinlich) bestimmt hat, sind: der Pomp, (Auszug,) der Skandal, Spectakel, (Auftritt,) der Sabbath, (Ruhetag,) die Numer, (Zahl). 2) Solche Wörter, die specielle Begriffe bezeichnen, wur­ den oft nach dabei gedachten generellen deutschen Begriffen als subordinirte zu präordinirten Begriffen im Verhältnisse der Ar­ ten zu Gattungen bestimmt. So dachte man bei das Ka­ mee! (vielleicht) an das Thier, bei das Almosen an das Geld, bei der Brief an der Aufsatz. (Warum aber nicht an die Schrift, das Schreiben?) Uebrigens möchte Herr Lehmann we­ gen der Regel: unveränderte Wörter sollen auch ihr Geschlecht unverändert behalten, am liebsten sagen: die Echo, die Poda­ gra, die Chiragra, bei welchen Wörtern aber der Gebrauch wider

wider ihn ist, der indessen der Carcer und das Examen schon ziemlich allgemein ausgenommen hat; dagegen nennt er es Ei/ telkeit, sagen zu wollen der Cölibat, das Idyll, das Gyps, das Pact, (der Vertrag,) das Spectakel, der Kamcel, Dithyrambe, Mythe, Nerv, Krokodil, Labyrinth, (das Gebäude,) weil diese Wörter ihre fremde Endsylbe wcggeworfen haben. Aus dem­ selben Grunde verwirft er auch das Scepter, das doch vielleicht so häufig wie der Scepter gebraucht wird. Die Formen Rectorat, Conrectorat, Pastorat nennt derselbe verfehlte, (weil es im rechten Latein keine Wörter rectoratus, pastoratus giebt,) und bemerkt, sie sollten nach der Analogie von Prätur, O.uä, stur richtiger Rectur, Pastur klingen. (Das wären ja aber auch keine recht-lateinischen Wörter, und sie verletzten wieder die Analogie, daß die Namen der Aemter, der Regel nach, sächlich sind: das Consulat, Triumvirat, Tribunal, und so auch das Cölibat, Format.)

284) Am ausführlichsten hat unter den früheren Sprach­ lehrern der neuern Zeit Gottsched über das Genus der deut­ schen Hauptwörter gesprochen. Er, der in der That sich we­ sentliche Verdienste um unsere Grammatik und Literatur er­ worben hat, verdient es wohl, daß wir seine Aufstellungen, wenn auch nur als einen Beweis seines Fleißes, hier noch an­ führen, ob es sich gleich nicht leugnen lässt, daß dieselben we­ der dem Deutschen, der das Geschlecht der Hauptwörter aus dem Gebrauch kennt, noch dem Fremden, der so viele Angaben wohl schwerlich im Gedächtnisse behalten kann, von besonderm Nutzen sein werden, um so weniger, da sie nicht voll­ ständig sind, und also selbst nicht fürs Nachschlagen sichere Hülfe gewähren, was auch wohl der Grund ist, daß man sie nicht in die neuern Sprachlehren ausgenommen hat, die sonst doch so gern die frühern ausschreiben. In zweifelhaften Fäl­ len ist man also immer genöthigt, zu einem guten Wörterbuche seine Zuflucht zu nehmen. Nach den allgemeinen (in den vo­ rigen Paragraphen enthaltenen)' Regeln führt nun Gottsched folgende Bemerkungen an, um das Genus der Substantiven aus ihren Endungen zu erkenne»: 1) Wörter, die sich auf ahn, all, alm, and und ant, ang und ank, apf, arm, auch, anm enden, sind männlichen Ge­ schlechts; zum Beispiel: ahn, der Mahn, (Mohn,) Kahn, Krahn, Wahn, Zahn; ausgenommen die Bahn;

Bauer Spracht, u.

10

146 ai, der Baal, Pfahl, Saal, Stahl, Stral; ausgenommen die Wahl, Qual, Zahl, das Futteral, Mahl, Thal, Lineal und das Gemahl (Gcmal) in sei­ ner allgemeinen Bedeutung; (Local;) all, der Ball, Fall, Hall, Knall, Schall, Schwall, Stall, Wall; a lm, der Halm, Qualm; and und ant, der Alicant, (Was ist das? Wein?) Zucker­ kant, Band (am Buche), Brand, Rand, Sand, Stand, Strand; ausgenolnmen die Hand, Wand, Leinwand, das Band (von Seide), Gewand, Land; arm, der Allarm, Arm, Darm, Harm, Schwarm; ang und ans, Drang, Gang, Klang, Zwang, Dank, Stank, Ttrank; ausgenommen die Dank; a pf, der Napf (,Tapf, oberdeutsch Fußtapf für Fußtapfcn,) (Zapf, oberdeutsch für Zapfen); auch, der Bauch, Gauch, Hauch, Schlauch, Strauch; a u m, der Baum, Daum, Gaüm) Raum, Schaum. 2) Wörter, die sich auf el> elm, en, eig, eint, eis und ei|, er endigen, sind männlichen Geschlechts; zum Beispiel: c l, Bengel, Engel, Greuel, (Gräuel,) Flegel, (Gesell,) Him­ mel, Hügel, Kegel, Kringel, Kümmel, Lümmel, Mangel, Mantel, Nagel, Prudcl, Riegel, Schimmel, Schlüssel, Schlingel, Spargel, Spiegel, Sprengel, Sprudel, Stäm, pel, Stängel, Strudel, Teufel, Tigel, Titel, Vogel; ausgenommen die Eichel, Geißel, Gurgel, Insel, Ka­ chel, Klingel, Nadel, Nudel, Orgel, Regel, Schüssel, Trommel u. a. in., das Exempel, Siegel, so wie die Sammel - und Wiederholungsnamen mit ge: daS Ger flügel, Gesindel, Getümmel u. a. in.; elm, der Helm, Schelm; en, der Boden, Braten, Faden, Fladen, Frieden (undFrie­ de), Glaube (n), Haufe (n), Graben, Hopfen, Karren, Kuchen, Kragen, Laden, Magen, Name (n), Nutzen, Ra­ chen, Same(n), Schade (n), «Schinken, Schlitten, Schrä­ gen, Schuppen, Segen, Wagen, Zapfen, Funke (n), Gedanke (n), Karpfc (n), Wille (n); ausgenommen das Almosen, Becken, Kissen, Wappen, Wesen, Zeichen, und die hauptwörtlich gebrauchten In­ finitiven, als das Hegen, Küssen, Lachen, Lallen, Leben, Lesen, Wagen n. s. w.;

eig, der Steig, Teig, Zweig; c i m, der Keim, Leim, Reim, Seim, Schleim; eis und eiß, der Preis, Fleiß, Reiß, Schweiß; ausgenommen die Geiß, das Reis, und die Wörter mit der Borsylbe ge: das Geheiß, daß Geschmeiß; er, der Hammer, Jammer, Schlummer, Centner, Zucker u. s. w.; ausgenommen die Ammer, Kammer, Leiter, Schwester, das Leder, Wasser, Zimmer *)♦ 3) Wörter, die sich auf ieb, ich, icht, ieg, irbs, isch, itz endigen, sind männlichen Geschlechts; zuM Beispiel:

ieb, der Dieb, Hieb, Trieb; ausgenommen das Sieb; ich, der Dietrich, Käfich, Bottich, Stich, Strich; icht, der Bericht, Bösewicht,"Wicht; ausgenommen die Gicht, Pflicht, daß Licht und Mit der Vorsylbe ge:' das Gedicht, Gewicht, Gesicht, dagegen die Sicht, Ab-, An-, Ein-, Aussicht u. s. w.; ieg, der Krieg, Sieg, Stieg (,d. i. Steg, Steig,Jungfern­ stieg); irbs, der Knikbs, Kirbs für Kürbiß; isch und üsch, der Fisch, Plisch und Plüsch, Tisch, Wisch; ausgenommen mit der Vorsylbe g e: das Gebüsch, Ge­ misch, Gezisch; itz, Blitz, Ritz, Schlitz, Sitz, Witz; ausgenommen das Antlitz und Geschütz. 4) Wörter, die sich auf vck, vg, of, ohn, on, vl, vil, vlch, bpf, orn, ort, ost, otz endigen, sind männlichen Geschlechts; zum Beispiel: ock und og, der Block, Pflock, Rock, Stock, Trog;ausgenommen das Schock; of, der Hof, Stoff; ohn und on, der Hohn, Lohn, Sohn, Spion, Thon, Ton, Thron, Sermon, Skorpion; ausgenommen viele lateinischen, deren o ein n angesetzt ist: die Anction, Caution, Nation, Portion, Ration, Station u. s. w., auch die Person; s. II, 2.

*) Schon diese Bemerkungen des alten Gottsched zeigen, wie un­ richtig Curtmann's Bemerkung in der Schulzeitung, 1825, Juli Nr- 86 ist, nach welcher die meisten geographischen und natUrhi» sterischen Gegenstände auf el und er weiblich sein sollen.

148 ol und oll, der Pol, Spaniol, Kohl, Groll, Knoll, Zoll; v l ch, der Dolch, Molch; opf, der Knopf, Kopf, Kropf, Schopf, Topf, Tropf, Zopf; orn, der Born, Dorn, Sporn, Zorn; ausgenommen das Horn, Korn; ort und o rd, der Bort und Bord, Hort, Ort, Mord, Nord; ausgenommen das Wort; ost, der Frost, Most, Ost, Rost, Trost; ausgenommen die Post, Kost; otz, der Klotz, Trotz. 5) Wörter, die sich auf uch, uck, ug, umpf, und, unk, uß, ntz endigen, sind männlichen Geschlechts; zum Beispiel: uch, der Besuch, Bruch, Fluch, Geruch, Versuch, Spruch; ausgenommen das Buch, Gesuch, das Tuch als Stoffnamcn, und das Bruch, Plural Brücher, eine sum­ pfige Gegend; u ck, u k, u g, der Druck, Ruck, Schluck, Schmuck, Spuk, Bug, Flug, Krug, Pflug, Trug, Zug; umpf, der Rumpf, Strumpf, (Stumpf,) Sumpf, Trumpf; und, der Bund, Fund, Grund, Hund, Mund, Schlund; ausgenommen das Pfund, das Rund, das Bund Schlüssel; unk, der Prunk, Strunk, Trunk; u ß, der Fluß, Fuß, Genuß, Gruß, Guß, Kuß, Ruß, Schluß, Verdruß; ausgenommen die Nuß, das Muß; u tz, der Putz, Schutz, Stutz.

II. Dagegen sind nun weiblichen Geschlechts die Wörter, die sich endigen: 1) auf acht, ät, aft, au, enz; zum Beispiel: acht, die Acht, Fracht, Macht, (Obacht,) Pracht, Schlacht, Tracht (,Wacht für Wache); ausgenommen der Schacht, Pacht; 5 t, die Calamität, Communität, Diät, Elektricität, Facultät, Moralität, Majestät, Nativität, Probabilität, Pluralität, Qualität, Obscurität, Quantität, Universität u. s. w.; aft, die Haft, Kraft, alle mit der Endsylbe schäft: Bürger­ schaft, Herrschaft u. s. w.; ausgenommen der Schaft am Spieße, Saft, Taft; au, die Au, Frau, Sau, Schau; ausgenomnien der Bau, Pfau, Thau, und das Tau; enz, Condolenz, Excellenz, Impertinenz, Jurisprudenz rc.; ausgenommen der Lenz;

149 2) Auf ik, ie, ist, viele auf niß, fremde auf oh; zum Bei­ spiel: ik, Arithmetik, Mathematik, Mechanik, Botanik, Hydraulik, Statik, Logik, Metaphysik, Optik, Mnemonik, Physik, Pneumatik, Grammatik u. f. ro.; ausgenommen das Genick, Geschick, Glück, der Blick, Strick; (diese endigen sich aber alle auf ck;) ie, die Astronomie, Astrologie, Astrpgnosie, Geometrie, Gonometrie, Chronologie, Geographie, Philosophie, Theolo­ gie u. s. ro., roo ie einsylbig ist; ie, zroeisylbig Arie, Lilie, Linie, Historie, Glorie, Komödie, Tragödie, Hostie, Bestie; ist, die Mitgift, Schrift, Trift; ausgenommen das Gift, der und das Stift; niß, 'die Betrübniß, Finsterniß, Kümmerniß, Säumniß, Fäulniß; die und das Aergerniß, Erkenntniß in verschie­ dener Bedeutung; bei andern ist der Sprachgebrauch ge, theilt: die, jetzt meistens das Verhältniß, Hinderniß; an­ dere werden fast allgemein sächlich gebraucht: das Bekennt­ niß, Geständniß ii. s. ro.; on, Ambition, Communio», Oration, Proportion, Promo­ tion, Sanction, s. I, 4; so auch Person, Garnison; (aber der Sermon;) 3) Auf ucht, uft, nld, unft, ung, ur, uth, ut: z. B.: u ch t, die Bucht, Flucht, Frucht, Sucht, Schlucht, Zucht; uft, die Gruft, Kluft, Luft; ausgenommen der Schuft, als Mann, der Dust, viel­ leicht als Witterungsbezeichnung, wie der Dampf, Ne­ bel, und wie man an der Donau auch der Lust sagt; u l d, die Geduld,,Huld, Schuld; unft, die An-, Zukunft u. s. ro., Vernunft, Zunft; ung, die Aenderung, Heilung u. f. ro.; ausgenommen der Sprung, der Dung für Dünger; ur und uhr, die Cour, Cur, Kuhr, Fuhr, Natur, Präla­ tur, Präpositur, Spur, Statur, Uhr; ut und uth, die (und das) Armuth, Brut, An-, Groß-, Klein-, Weh,, Demuth, Flut, Glüht, die Hut, Obhut, Wuth; ausgenommen der Hut, pileus, Muth, Edel-, Helden-, Wankel-, Hoch-, Ueber-, Unmuth, Schutt, das Blut, Gut. Isumerk. Die roeiblichcn Ableitungen mit ei, hcit, keit hat Gottsched hier nicht wieder aufgcführt.

150

in.

Sächlichen Geschlechts sind die Wörter, welche sich

endigen: 1) auf at, ech, et, ter, iv; zum Beispiel: «t, das Canonicat, Cantorat, Concordat, Dekanat, Diakonat, Majorat, Pastorat, Rektorat, Seniorat; es sind dies totu ter lat. Wörter auf atus; daher gehören nicht hierher die Saat, die Wörter aus ath: der Rath, die Heirath, Heb Math; auch ist ausgenommen der Staat von Status; (ad ist bald sächlich: das Bad, bald nicht: der Pfad;) ech, das Blech, Pech; e t, das Banquet, Baret, (das Adelung Barett schreibt, ital. barretta und bareta, franz, barrete,) Cabinet, (Adelung Cabinett,) Stilet, Secret, Tapet, Lazarett) u. s. w.; ausgenommen der Komet, Magnet, Planet und die Mannsnamen Cornet, Poet, Prophet; ier, das Bier, Clavier, Klystier, Elixier, Panier, Papier, Quartier, Rappier, Revier, Turnier, und dergleichen; ausgenommen die Begier, Zier, so wie die Benennun, gen von Mannern, Thieren, Edelsteinen, als Barbier, Courier, Vezier, Officier n. s. w.; Seraskier, Sapphir, oder Sapphier, Stier u. s. w.; tv, das Creditiv, Perspectiv, Recitativ, Stativ, Vomitiv und dergleichen;

2) Auf och, or, os, oß, ot; zürn Beispiel; och, das Joch, Loch; ausgenommen der Koch als Mann; or, das Chor, Nadelohr, Ohr, Rohr, Thor u. s. w.; ausgenommen der Chor in anderer Bedeutung, der Flor, und die Mannsnamen, als der Major, Matador, Thor,-Mohr, Pastor, Rector u. s. w.; vs, Vos, oß, das Loos, Moos, Roß, Schloß, Geschoß,«.; ausgenommen der Kloß, Schoß, Stoß, Troß; v t und oth, das Brot oder Brod, Complot, Gebot, Loth, Jabot, Morgenroth, Schrot, u. s. w.; ausgenommen der Koth, die Noth (,der Spott, Tod, Sod).

Weil indessen alle diese Nachträge zu den früheren Haupt, regeln noch immer nicht eine vollständige Bestimmung über das Geschlecht der deutschen Hauptwörter gewähren, so hat Gottsched noch folgendes aber wieder unvollständige Verzeichniß solcher Wörter hinzugefügt, die unter gar keine Regel gehören, und welche er ebenfalls nach ihren Endbuchstaben geordnet hat:

Es sind: Männlichen Geschlechts: weiblichen Geschlechts!

B. Erwerb, Korb, Stab, Trah (,Leib).

D. Eid, Grind, Grund, Mond,Mund,Schlund Tod, Walb, Wind (,Sod) (,Schild),

sächlichen Geschlecht?;

.93. Grab, Laub, Lob, Sieb (,Schnürleib) (,Gewerb). D. D. Gegend, Jagd, Ju­ Brod, Bad,. Bild, Elend, Feld, Glied, gend, Tugend. Kleid Kleinod, Leid, Lied,Pfand,Pfund, Rav. (Schild.) F. F. Dorf, Haf, Schiff.

D.

F. Brief, Griff, Hanf, Hof, Huf, Kauf, Knauf, Kniff, Krampf, Lauf, Pfiff, Torf, Wurf. G, G. Balg, Berg, Bug, Burg. Ring, Trog, Trug, ©pruli!3, Tug, (3cug.) Zug. H. H. Bach, Bauch, Bruch, Milch, Schmach. ( Gauch,) Hauch, Schlauch.

G. Ding (,Zcug).

H. Buch, Dach, Fach, Fleisch, Gemach, Reich, Stroh. (Tuch.) (Reh.). 2I. I. Schrei, Mai, Boi. Ei, Geschrei. Bai, Convoi. K. K. K. (als Mark (als meDreck, Fleck, Gestank, Bank, Mark äuU»), Volk, Werk. Kalk, Kleck(s), Kork, Gränze u. s. w.). Quark, Rock. (Schnrk, Druck.) L. L. L. Apfel, Keil, Kiel, Deichsel, Eichel, Gei­ Drittel (,Drittheil) Pfeil, Meißel, Nabel, ßel (als Werkzeug), u. s. w., 93eil, Schlüssel, Theil, (der Gurgel, Insel, Kachel, Exempel, Fell, Heil, und das,) 2(n -, Vor- Klingel, Kugel, Kun, Knäuel, Lineal, theil u. s. w., Wür, kel, Morchel, Nadel, Maul, Mehl, Mit­ sel. (Geißel als Mann.) Orgel, Regel, Qual, tel, Del, Pistol,

152 männlichen Geschlechts: weiblichen Geschlecht-: sächlichen Geschlechts: (Griffel, Scheffel, Schaufel, Schüssel, (oder die Pistole,) Mispel.) Scheitel, Schindel, Protokoll, Räthsel, Semmel, Sichel, Segel, Seil, Siegel, Spindel, Staffel, Spiegel, Spiel, Thal, Stoppel, Trommel, Theil (der und das), Windel, Wiirzel. Urtheil u. s. w., Ziel. M. M. Gehorsam, Gram, Form, Scham. Lärm (das und der), Kram, Darm, Harm, Gedärm. Zaum. N. N. N. Alaun, Bann, Dorn, Pein, Person, Stirn. Dein, Garn, Gehirn, Stern, Zaun, Zorn, Gestirn, Kinn. Zwirn. PP. P. Syrup. ( Kneip, Kamp.) R. R. (der nnd das) Altar, Begier, Creatur, Fi­ Gehör, Geschwür, Staar und Star. gur, Gebühr, Gefahr, Haar, Jahr. Zubehör (die und das), Zier. S und ß. S und ß. S und ß. Biß, Kloß, Riß, Gqns, Geiß,Horniß, AaS, Eis, Faß, GaS, Reiß, Schoß, Stoß, Laus, Maus, Nuß. Glas, Gleis, Gras, Ruß, Troß, (der und Haus, Maß, Muß, die) Iltis, Fuß, Guß, Reis, Rieß, Wachs, Wuchs. (Flachs.) (bet«, das) WammS. St. St. St. Ast, Bast, Durst, Angst, Brunst, Brust, Fest, Gespenst, Rest. Dunst, Frost, Ost, Faust, Geschwulst, West, (der und die) Kunst, Last, List, Lust, Schwulst. (Rest.) Pest, Post, Wurst. Th, t. Th, t. Th,t. Andacht, An-, Ge­ Amt, Blatt, Blut, Bart, Eontract, Draht, Ein-, Gehalt, stalt, Armuth, Art, Brett, Edict, Ele­ Gurt, Kvth, Kitt, Art, Einfalt, Fahrt, ment, Gewicht, Ge­ Schnitt, Schritt, Fuhrt, Fracht,Furcht, macht, Geschlecht, Tritt, Der-, Bor-, Frucht, Geburt, Ge­ Gut, Haupt, Heft, Un-, Zierrath, Werth, genwart, Gestalt, Ge­ (?) Jahrhundert, walt, Glüht, Haut, Kraut, Licht, Loth, Bedacht.

M.

«.

männlichen Geschlechts: weiblichen Geschlechts:

sächlichen Geschlechts:

Heirath, Heimath, Recht, Pult, Scheit, Nacht, Naht, Pflicht, Schwtt.t, Stift, Un« Predigt, Schrift, schlitt, Zelt, Geräth. Stadt, Statt, Sucht, Vernunft, Welt, Zeit, Zucht, Zuversicht.

Noth.

X.

X. X. Tax (e), Eider (e), Crucifir. doch besser auch nach Adelung Eidechse. Z. 3Z. Erz, Geschütz, Ge­ Kranz, Latz, Matz, Pfalz. setz,Herz,Holz, Kreuz, Pelz, Putz, Platz, Satz, Schwanz, Malz,Salz,Schmalz.

Knix, Nir, Styr.

Schurz, Sturz, Tanz, Schutz, Schmelz.

Zweite

Abtheilung.

Dom Plural der Hauptwörter.

285) Wie die meisten andern Sprachen so bezeichnet auch die deutsche den Umstand oder die Verschiedenheit, daß der Begriff eines Hauptworts entweder an einem einzigen Gegen­ stände, oder an mehrer» zugleich gedacht werden kann und soll, zum Theil wenigstens an diesen Wörtern selbst,' und die Be­

zeichnung dieses Umstandes nennt man den Numerus oder die Zahl des Substantivs, der hiernach im Allgemeinen zwei­ fach sein muß, nämlich der Singular, die Einheit oder einfache Zahl, welcher nur ei nen Gegenstand andeutet. Man», und der Plural, die Mehrheit oder die mehrfache Zahl, welcher mehrere Gegenstände bezeichnet, Männer *). 286) Natürlich sind nur diejenigen Hauptwörter eines Plurals fähig, deren Begriff mehreren Gegenständen beigelegt, an mehrer» Dingen gedacht werden kann. Nun aber fragt eS sich, welche Classe oder welche Classen der Hauptwörter sind •) Einige Sprachen haben mehr als zwei Numerus, namentlich haben die griechische und hebräische noch einen Dual, welchen je­ ne im Allgemeinen braucht, wenn bloß von zwei Dingen die Rede ist, diese aber nur, wenn zwei Dinge paarweise geordnet sind.

154 das? Hierüber hat sich in neuern Zeilen unter den Sprach­ lehrern großer Streit erhoben, der uns aber fast bloßer Wort­ streit zu sein scheint, so daß er entschieden und vermieden wird, sobald man sich nur über genaue Definitionen der verschiedenen Snbstantkvclassen vereinigt. Erklärt man nämlich Eigennamen für Benennungen solcher concreten Gegenstände oder Individuen, welche nach allen ihren Merkmalen, Indivi­ dualitäten oder Eigenthümlichkeiten nur ein einziges mal da sind, cristiren oder gedacht werden können, so sicht man sogleich, daß die Eigennamen, bei diesem Begriff derselben, durchaus keines Plurals fähig, sind und sein können. So liegt jedem der. Wörter Europa, Deutschland, Berlin, Kyritz , Ostsee, Donau, Christus, Cicero nur ein einziges Substrat, ein einziges Indi­ viduum zum Grunde: Europa ist unser Erdthcil, und es kann kein zweites Europa, das auch unser Erdthcil wäre, geben; Christus ist die historische Person des Heilandes der Menschen, der von den Juden gekreuzigt wurde, uuo es kann keinen zwei­ ten Christus nach diesem Begriffe geben; Cicero ist allen Ge, bildeten die alleinige unverwechselbare Person des Verfassers dvr Schrift de officiis, und in dieser Hinsicht giebt es.für uns alle nur diesen einzigen Cicero. Erklärt man ferner Gattnngswörter, Appellativen für solche Substantivey, deren Begriff mehrer» Gegenständen zu­ gleich, ganzen Gattungen und Classen von Gegenständen jtv kommt, so folgt unmittelbar hieraus, daß jedem Gattungswort mehrere Substrate, Gegenstände, Subjecte zum Grunde liegen müssen, daß also in dieser Hinsicht jedes einen Plural haben muß. So versteht man unter Mensch jedes Erdcngeschöpf un­ srer Art mit Kopf, Herz und Willen, und so kann es nicht bloß einen Menschen, sondern es muß deren mehrere geben; das Wort muß einen Plural Menschen haben können und habxn. Versteht man unter einem Sammelnamen, Collectiv ein Wort, dessen Begriff für sich, in seiner Einheit schon eine Sammlung anzeigt, so wird die Beantwortung der Frage: hat das Collectiv einen Plural? davyn abhangen, ob es mehr als eine solcher Sammlungen, wie dasselbe anzeigt, giebt oder nicht, und man sicht sogleich, daß dies bei einigen derselben statt findet, bei andern nicht. Sv begreift das Wort Getreide alles Gewächs der. Erde, das die unter dem Wort Getreide gedachten Eigenschaften hat, das Wort Vieh alle Thiere der Erde, das Geblüt alles Blut (eines Menschen oder Thieres), das Gesinde alle Dienstboten

unter sich, und diese Sammelnamen, und so alle Sammelna­ men als Bczeichnungeü ganzer in ihrer All- und Einheit nur einmal gedachten Sammlungen, haben keinen Plural, und.sie können vermöge dieses ihres Begriffs als solche keinen haben. Ganz ähnlich verhält stch'S mit den Sloffnamen oder Ma, terialien; Mehl, Wasser, Gold haben keinen Plural, und kön, nen als Stoffnamen keinen haben, da ihr Begriff bloß eine Masse, den Bestandtheil einer Masse ansdrückt, und sich also eine Mehrheit solches Bestandtheils, solches Stoffs gat nicht denken, lässt. Abstract« Hauptwörter bezeichnen Eigenschaften concreter Gegenstände, Beschaffenheiten, Umstände und Zustände, durch den Verstand von diesen abstrahirt oder abgezogen, und als gleichsam selbstständig gedacht und dargcstellt; hieraus ergiebt sich sogleich, daß sie nicht mehrfach gedacht werden können, und also keines Plurals fähig sind: Zorn, Wuth, Neid, Schön, hcit, Klugheit, Glanz, Armuth, Menschheit, Küechtschast. Endlich für die Wiederholungsnamen, Iterativen,' dis sich von den concretcn Sammelnamen nur dadurch unterscheiden, daß sie abstracte Begriffe bezeichnen, lassen sich ganz dieselben Bemerkungen wie für die Collectiven machen: Gebrüll, Geschrei, Bettelei oder das Betteln, Kriecherei oder das Kriechen sind als Iterativen des Begriffs der Mehrheit, und also eines Plurals nicht fähig. 287) Aus diesen höchst einfachen Bemerkungen muß nun gewiß jeder Unbefangene den Schluß ziehen, daß es zunächst und ganz eigentlich die Gattungswörtcr sind, welche einen Plu­ ral in der Sprache haben müssen, wogegen die übrigen Classen der Substantiven nur dann einen Plural annchmen und be­ zeichnen, wenn und insofern sic als Gattungswörter gedacht, betrachtet und behandelt werden, so daß man sich ihren Be­ griff mehrfach, ebenfalls in ganzen Classen und Gattungen vorstellt *). ♦) Wenn in dem folgenden Citat sich Seidenstücker gegen mein« Aufstellung erklärt, den GattungswLrtern als solchen den Plu­ ral ab-, und diesen dagegen den Eigennamen zusprfcht, so scheint mir dies ganz offenbar eine bloße Verwechselung der Be­ griffe zu sein, indem Seidenstücker unter Appellativen, ganz wi­ der den gewöhnlichen und auch meinen Sprachgebrauch, Wörter versteht, die einen abstracte» Begriff anzeigen. Wan wird ihm fast in seiner ganzen Aufstellung Recht geben können, sobald man nur Abstractum für Appellativ fegt. Aber eben deswegen be­ weiset sein.Skaisonnement gar nicht, was es beweisen soll; denn

156 Will man z. D. von dem bekannten Individuum Cicero, seinem Vater und seinen Söhnen zugleich sprechen, so find Laß die Abstracten als solche keinen Plural leiden, giebt jeder, mann zu. Daß er aber den Eigennamen den Plural zuspricht, gilt nur, wie man sehen wird, wenn ihr Begriff appellativ gei nommen wird. Es sagt nun Seidenstücker, als Recensent von Gteinheils schon erwähntem Lehrgebäude: die Eigennamen erhei­ schen ihrem Begriff gemäß eine Pluralform, (?) und die Gatlungswörter ( Abstracten) werden erst dadurch für eine Plural­ form empfänglich gemacht, daß sie aus ihrer Sphäre der Abeun schon wissen, daß mehrere Wörter auf niß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch immer weiblich sind: die Kennt/ niß, Kenntnisse, so auch die Erkenntniß als Einsicht und das Erkenntniß als Urtheil, Mehrheit Erkenntnisse; eben so die und das Trübsal, Trübsale. (Man sehe H 282.) 2) Sehr viele weiblichen Wörter werden gar nicht im Plural gebraucht, z. B. die Achtung, Furcht, Ehrfurcht, Gunst, Dauer, die Statt, (an deiner Statt, an Kindes Statt, d. i. Stelle, welches Hauptwort in andrer Construction und Bcdcu, hing als die Präposition anstatt steht: anstatt des Kindes, an, statt deiner, so daß man das Wort die Stäte nicht etwa für den Plural von Statt halten darf, sondern es für ein eignes, anderes weibliches Hauptwort mit einer andern Bedeutung er, klären muß, das aber auch nur im Singular (,als ein Singu­ lare tantuiti,) gebraucht wird, wenn gleich beide Wörter ety, mologisch und der Bedeutung nach sehr nah mit einander ver, wandt sind. Andre Wörter bilden sehr selten den Plural, ent, weder weil ihre Bedeutung keinen Begriff der Mehrheit ge, stattet, oder weil der Sprachgebrauch ihn nicht eingeführt hat. So bildet man von den Wörtern die Billigkeit, Dicke, Ebbe, List sehr selten die Plurale Dicken, Ebben, Listen, Billigkeiten, von Flucht, Zuflucht fast nie den Plural auf e, (wohl aber Ausflucht, Ausflüchte,) und von Angst, Noth nur in dem fast sprüchwörtlich gebrauchten Ausdruck der gemeinen Rede: in Aengstes und Nöthen fein, so daß man diese Plurale also de, fectiv nennen kann. Auch von Brunst sagt nur die gemeine Sprechart zuweilen die Brünste, in Brünsten; wohl aber bil­ det Feuersbrunst den Plural ganz gewöhnlich, die Feuersbrünste. 3) Ehemals nahmen die weiblichen Wörter (der zweiten Deklination) auch im zweiten und dritten Fall der Einheit n

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oder en an, und diese alte Form hat flch selbst im Hochdeut­ schen an manchen Wörtern noch bis jetzt ziemlich allgemein er­ halten, ob sie gleich billig ganz vermieden werden sollte. Man sage also nicht mehr (,z. B. mit Luther in seiner Bibelüberset­ zung): der Schlangen (statt Schlange) den Kopf zertreten, der König der Ehren statt Ehre, der Seelen (statt Seele) Selig, keit, der Sonnen Pracht, (wohl aber Sonnenauf- und —Un­ tergang, Sonnenschein u. s. w.,) zur Höllen fahren, unsrer lieben Frauen Kirche, auch nicht mit Weglassung des Artikels: zu Gunsten, mit Freuden, in Gnaden, zu Schanden werden, von Seiten des Feindes, welche Ausdrücke sich für das jetzige Hochdeutsch höchstens dadurch entschuldigen lassen, daß man diese Wörter für Plurale erklärt; doch lasst sich auch diese Vertheidigung auf den Ausdruck auf Erden, statt auf der Erde, nicht anwenden. Es ist vielleicht wahr, daß im ältesten Deutsch wenigstens in gewissen Fällen der Artikel hinter das Hauptwort gesetzt worden ist, (so daß unsre Sprache einen articulus postposilions (§ 368) gehabt hätte,) aber dieser Umstand ist nicht entschieden *), und könnte, wenn er es auch wäre, doch für das jetzige Hochdeutsch eben so wenig einen Entscheidungsgrund abgeben, jene Ausdrücke beizubehalten, wie die erwiesene Wahrheit, daß die alten Genitiven und Dativen sich auf n, en endigten. Will man also diese analogisch wi-

*) H eyse spricht daher -u entscheidend, wenn er sagt: die En­ dung der Ausdrücke von Seiten u. s. w. ist der Dativ des den Substantiven hinten angehängten articulus postpositivus, der den Hauptwörtern in gewisstu allgemeinen, unbestimmten Re­ densarten angehängt wird, im Genitiv enS, s, (Seitens der Verwandten, NachtS zuvor,) und im Dativ und Accusativ en, n heißt. Auch die Deklination der Adjectiven ohne Bestimmungs, wort ist nichts anders als dieser articulus postpositivus (,guter, gutes, gutem für (gut—der,) gut—er, (gut —des,) gut—es, (gut—dem) gut—em. Das ist aber gewiß unrichtig, denn Herr Heyse hat ja selbst eben angegeben, daß dieser Artikel rm Dativ en, n habe, wogegen sich die bestimmt gebogenen Adjectiven männ­ lich und sächlich auf em, m, und weiblich auf er, r endigen). Noch bemerkt derselbe; „dieser Artikel, der sich schon in den äl­ testen Zeiten unsrer Sprache, besonders in der isländischen Mund­ art findet, scheint im innern Bau unsrer Sprache tief begründet zu sein, und ist sehr zweckmäßig bei Substantiven, die, ohne den gewöhnlichen Artikel gebraucht, in Hinsicht des Casus nicht deut­ lich genug sein würden". Daß die getadelte Endung doch noch selbst von den besten Schriftstellern gebraucht wird, zeigt Göthe's Beispiel, der in der cotraischen Ausgage seiner Schriften, Thl. VH, 1H6, sagt: Agamemnon fiel durch seiner Frauen und Aegistheus Tücke.

trigcn Ausdrücke auf Erden, zur Höllen fahren doch gern be, halten, so kann man sich nur auf den Sprachgebrauch bczie, hen, der sie noch nicht entschieden verworfen hat. Ja man muß zugestchen, daß cs in manchen Fallen sehr schwierig sein wird, diesen schlechten Sprachgebrauch zu bssscrn. Wie will man statt unsrer Frauen Kirche sagen? Unsrer Frau Kirche wäre richtig, klingt uns aber undeutlich und hart. In Frauen, kirche ließe sich en für einen bloßen Compositionslaut erklären, wie in Erdcnglück u. s. w. Uebrigcns vertheidigen noch man, che der neuesten Sprachlehrer diese alte Form. So sagt Bern, Hardt (I. c.) gerade zu, Frau habe vor dem regierenden Worte im Einheitsgenitiv Frauen, und macht a»S der König der Ehren eine eigne Deklination. Zusatz. Adelung sagt in seinem Wörterbuch (unter Statt), der Ausdruck von Statten gehn ist nicht der Plural, der Stätte heißen müsste, (?) sondern die Endsylbe en ist der wahre articulus postpositivus, welchen so viele Wörter annehmen, wenn sie ohne Artikel gesetzt werden: von Handen kommen, abhanden, vorhanden fein, zu jeman, des Gunsten sprechen, besonders die Wörter auf c: auf Er, den, in Gnaden u. s. w., obgleich alle Sprachlehrer von diesem angehängten Artikel schweigen. Wie gesagt, ich kann mich nicht überzeugen, daß es er, wiesen sei, unsre alte Sprache habe wichen Artikel gehabt; in Zusammensetzungen, wie Erdennorh, Gnadcnwahl, kann we, nigstens das n dieser Artikel nicht fein. 4) Die allgemeine Wahrheit, daß die Adjectiven, wenn sie als Hauptwörter gebraucht werden, doch nicht nach den Dekli, Nationen dieser Substantiven, sondern auch dann noch wie die Adjectiven gebogen werden, findet natürlich auch bei den weib­ lichen Wörtern ihre Anwendung, und Wörter wie die Schöne, Gute, Schwarze gehören also nicht zur Biegung der weiblichen Substantiven. Nur muß man mit ihnen nicht die da, raus abgeleiteten abstracten weiblichen Hauptwörter verwcch, sein: die Schwärze, die Güte, die Schöne, wie man zuweilen, besonders im höher» Styl, statt Schönheit sagt. Diese gchö, ren, ganz der Regel gemäß, zur ersten Deklination: von der Güte dieser Schwärze kann man sich leicht überzeugen; die Schöne (,Schönheit) der Aussicht, von der Schöne der Aus, sicht. Die meisten dieser Wörter werden, eben weil sie Abstrac­ ten sind, nie im Plural gebraucht; sobald man aber ihren Bc, griff concret nimt, leiden sie auch den Plural: die Schwärzen

206 sind dauerhaft, d. h. die Arten schwarjer Farben, so auch die Größe, der Größe, die Größen.

Dritte Deklination. Nicht-weibliche Wörter ohne Biegungssylbe Plural.

317) Beispiel. Einheit. 1. Fall (der) Schlüssel, 2. x (des) Schlüssels, 3. x (dem) Schlüssel, 4. x (den) Schlüssel,

im

Mehrheit, (die) Schlüssel, (der) Schlüssel, (den) Schlüsseln (die) Schlüssel.

318) Diese Biegungsart ist höchst einfach, indem sie bloß im zweiten Fall der Einheit s, und im dritte» der Mehrheit n anhangt. Es gehören zu derselben: 1) alle (nicht weiblichen) Wör­ ter mit den Endungen el, er, en. Von diesen nehmen alle sächlichen nie den Umlaut an: das und die Achtel, Tausendtel, Fuder, Geschwader, Almosen ii. s. w.; die einzige Ausnahme hiervon bildet das Wort das Klöster, Mehrheit die Klöster. Von den männlichen Wörtern auf el, er nehmen die meisten ebenfalls keinen Umlaut an: der und die Sattler, Buchdrucker, Kater, der und die Hasel (für Haselstock); fol­ gende erhalten denselben: a) auf el: Apfel, Acpfcl, Hammel, (wo aber auch schon viele Schriftsteller im Plural ebenfalls Hammel für Hämmel sagen,) Handel, (Händel, d. i. Streit,) Mangel, Mantel, Nabel, (Mehrheit auch oft schon Nabel für Näbel,) Nagel, Sattel, Schnabel und Vogel; b) auf er: Acker, Bruder, Hammer, Kläffer, Schwager und Vater. Was die Wörter auf en betrifft, so lassen in den ueuestcn Zeiten die meisten guten Schriftsteller dieselben alle ohne Umlaut, wozu sie unstreitig durch die Analogie veranlasst wur­ den, daß die Wörter, welche die Endsylbe e n im Plural an­ nehmen, nie den Umlaut erhalten. Adelnug giebt noch fol- ■> gcnde elf Wörter auf.e n an, denen der Umlaut gegeben werde: Boden, Bogen, Faden, Garten, Graben, Hafen, Kasten, La­ den, Ofen, Schaden und Wagen; einige setzen noch Magen hinzu; Rciubeck zählt wieder neun derselben auf, die den Zwi­ schenlaut, wie er für Umlaut sagt, hätten, indem er Kasten und Wagen fortlässt; und ein Recensent von Ramlers Bildung der deutschen Nennwörter in der höllischen Literaturzeitung, 1797,

Nr. 304, sagt sogar: „es ist der Natur gemäß, (?) den «Plu­ ral durch Umlaut zu bezeichnen; nimt man denselben nicht, so setzt dies einen, wenn auch veralteten Singular auf e vor, aus, z. B. die (mehreren) Backen, Brocken, Haufen von Backe, Brocke, Haufe; lässt sich daher dieser Singular aus e nicht voraussetzen, so ist der Umlaut nothwrndig, z. B. Oefen, Wagen, wovon nur die höhere Schreibart Ausnahmen macht. Bei zusammengesetzten Wörtern heischt das Ohr den Umlaut weniger: Regenbogen." Ohne darauf ein besonderes Gewicht zu legen, daß dieser Bestimmungsgrund Adelungs Behauptung widerspricht, nach welcher alle Wörter auf cf, er, en Ableitungen sein sollen, was sich wohl auch nicht historisch beweisen lassen möchte, 6c, merken wir nur, daß hiex die großentheils unbekannte alte Sprache über den jetzigen Gebrauch entscheiden fnff, und daß dabei dem todten Ohr die Entscheidung überlaßen bleibt.

Daher kann auch der Umstand hier nicht entscheiden, daß in der That die Oberdeutschen fast allen männlichen Wörtern auf e n diese Endung im Nominativ abschneidcn (,nnd sie dann nach der folgenden sechsten Deklination biegen, die überhaupt der dritten für die Wörter auf n ganz ähnlich ist): Brat, Ducat, Gart. Diese verstümmelte Form ist auch bei vielen Wörtern ins Hochdeutsche übergegangen', so daß sie wenigstens neben der längern, eigentlich richtigern Form besteht: der Brunn und Brunnen, Daum und Daumen; eben so Fels, Gaum, Klump, Lärm, Rahm, Reif, Riem, Striem, Streif. Ja manche dieser Wörter werden in der abgekürzten Forin selbst ganz anders (nach unsrer zweiten Zusatzdeklination) gebo, gen: des Daums, Gaums, Rahms und Daumens, Gaumens, Rahmens, die Daumen, Gaumen, Rahmen; doch haben sie auch dann keinen Umlaut; nur wenn man sie in der kurzen Form nach der vierten Deklination biegt, was bei einigen eben, falls geschieht, nehmen sie denselben an: des Daums, die Däumc, des Rahms, die Nähme. Indessen lässt es sich nicht leugnen, daß auch gute Schriftsteller selbst in der neuesten Zeit noch manchen Wörtern auf en den Umlaut geben; so sagt Müllner (in der Vorrede zum Schauspiel: der neunund, zwanzigste Februar): die Fäden, und I. Paul (Richter) int Roman Quintus Fixlein (,Baircnth; 1796, worin er sich aber mehrere Sünden gegen die Grammatik erlaubt): fünfzehn Zet-

208 tclkasten, und vom Worts Garten bildet man noch fast allge, mein den Plural Gärten *). Noch müssen wir über einige der hierher gehörenden Wörter mancherlei bemerken» Ueber die Form und Deklination des Worts Sporn ist der Sprachgebrauch sehr getheilt. Wir wollen von demselben und mehreren ähnlichen bei der zweiten Zusatzdeklination sprechen. Das weibliche Wort die Lehen, (in der Bedeutung, wie Adelung angiebt, des Verhältnisses einer Sache, vermittelst des­ sen ihr Nießbrauch einem andern zusteht, dann des daraus für den Besitzer dieser Sache entspringenden Rechts und der Ertheilung desselben: zur Lehen geben, die Lehen empfangen,) dessen Plural ungebräuchlich ist, gehört nicht hierher, sondern zur ersten Deklination; das sächliche Wort das Lehen, Lehn (in der Bedeutung einer Sache, eines Rechts, Vorzugs, die voin Besitzer einem andern zum Nießbrauch geliehen oder ge­ lehnt werden,) wird am besten zu dieser Deklination gerechnet, nur mit der Einschränkung, daß der Plural die Contraclion durch die Auswerfung des c nicht duldet; also das und dem Lehen, Lehn, des Lehens, Lehns, die, der, den Lehen (»nicht Lehn); doch lässt sich nicht leugnen, daß man den Plural nicht selten auch nach der vierten Deklination bildet: die Lehne (»was freilich auch für die eben so benannte Ahorn - oder Maß-, holderart, für die provincielle Benennung eines weiblichen wil­ den Schweins, oder des Achsennagcls beim Wagen, oder für eine Berg- oder Stuhllehne gehalten werden könnte, wenn gleich in den beiden letzten Wörtern das c gewöhnlich wie ä ausgesprochen wird). Das sehr alte Wort Kerl, das auch schon in alter Form Kerel, Karl, Karel lautete, und jeden Mann, später mit einer Menge Ncbcnbegriffe bezeichnete, wird eben deswegen am be­ sten auch zu dieser Deklination gerechnet, wie denn Adelung sagt, der Plural sei auch Kerl (für Kerel); dem gemäß muß man es nicht nach der vierten Dekiination, Plural Kerle, bie­ gen. Doch ist cs des Wohlklangs wegen wohl erlaubt, im Dativ der Mehrheit auch Kerlen für Kcrln zu brauchen. (Es ist mit dem Mannsnamen Karl dasselbe Wort, weshalb man diesen nicht Carl mit C zu schreiben braucht, wenn gleich Ade­ lung sagt, daß dies, wegen der lateinischen Form Carolus durchgängig geschehe.) *) Auch Götzinger sagt in seiner Sprachlehre ganz unrichtig: Gar­ ten, Wagen, Ofen, Laden, Bogen, Graben nehmen stets den

Umlaut an.

Ueberhaupt gab man in alten Zeiten (, nach einte ober, deutschen Mundart,) vielen Wörtern aus er im Plural e, nm desto leichter den Plural vom Singular zu unterscheiden, und sagte Bürgermeisters, Befchlshabere, Klägers; diese Form ist jetzt aber allgemein veraltet, und deshalb nicht mehr erlaubt. Andern auf er und el setzte man aus derselben Ursach im Plural.» an; auch dies ist jetzt für das Neuhochdeutsche, bis auf wenige Ausnahmen, fast allgemein verworfen; man sage also, ganz nach dieser Deklination der und die Humber, der und die Pantoffel, Stiefel, (wofür Adelung noch die doppelte Pluralform Stiefel und Stiefeln zulässt,) der und die Stachel (,obgleich Luther in der Uebersetznng des Hiob 4o, 21 die Sta, cheln sagt, was Adelung deswegen noch beibehält, wobei ec angiebt, es fei diese Form aus dem Oberdeutschen, wo man Stachel weiblich gebraucht habe, inö Hochdeutsche übergegan, gen). Die oben erwähnten einzigen Ausnahmen von dieser wichtigen Regel, daß alle nicht—weiblichen Wörter auf cl, er, en im Plural ohne Biegungslaut bleiben, sind bloß die Gat, tungswörter die Vettern, Gevattern, Bauern, welche Wörter also nach der zweiten Zusatzdeklination gebogen werden, doch so, daß man Bauer gewöhnlich ganz nach der sechsten De« klination biegt, und die Dolksnamen die Baiern, Kaffem und Pommern. (Der prvvineielle Ausdruck der oder auch das Bauer, Vogelbauer, für Käfich, behält den Plural Dauer.) Manche Schriftsteller geben auch dem Worte Neger im Plu, ral n; die, meisten biegen es aber ganz nach der dritten Dcklft Nation; selbst alle übrigen Eigennamen und die meisten fremden Wörter auf el, er, en richten sich ganz nach dieser dritten De, klination: der und die Chineser, (auch der Chinese, die Chine­ sen,) Engländer, Schweizer, Brandenburger, Kyritzer, der und die Apostel, Minister, Pronomen u. s. w. Auf keinen Fall also sage man die Dottern, Junkern, Schlüsseln, Ziegeln u. s. w. Doch lassen sich manche solcher dieser Regel nach verwerft lichen Plurale auf dieselbe Art, wie Adelung die Stacheln vom Singular die Stachel, rechtfertigt,, dadurch erklären und entschuldigen, daß ihnen ein weiblicher Singular zum Grunde liegt. Man verfährt daher am sichersten, sich in Ansehung des Geschlechts, wenn der hochdeutsche Sprachgebrauch nicht ganz entschieden ist, nach dem Gebrauch der meisten guten Schrift, steiler zu richten, und dann nach ihm den Plural zu bestimmen. So wird Splitter im Hochdeutschen fast allgemein Dauer Spracht. II. 14

210 männlich gebraucht. Daher sage man im Plural die Splitter, und nicht Splittern. DaS Wort Muskel wird in der neuesten Zeit, beson­ ders von medicinischen Schriftstellern, ebenfalls fast allgemein männlich gebraucht; wer nun der Muskel sagt, muß auch im Plural die Muskel bilden; die Muskeln kann nur vom Sin­ gular die Muskel abgeleitet werden. Dagegen wird Flitter fast allgemein. weiblich genommen, und von die Flitter kann der Plural nur die Flittern heißen; eben so sagt man fast all­ gemein die Hader, d. i. der Lappen, die Lumpe; daher heißt der Plural die Hadern (;der Hader ist Streit, und hat keinen Plural). Endlich macht Götzinger (in seiner Sprachlehre,Aarau, 1827,) über mehrere Wörter auf er folgende interessante Be­ merkung: nachdem derselbe früher seine Begriffe der Kern­ form und Sprossform der Wörter ungefähr so festgesetzt hat, daß die Kernform die einfachste, älteste uns bekannte Form der Wörter, die Wurzclform, besonders die substantive Form derselben, die Sprossform aber die nächste Ableitung, die indes­ sen gewöhnlich auch Stammform ist, bezeichnet, sagt er (Seite 74): „man unterscheide Häscher, Gräber, (Todteugräber,) Auf­ wärter und Hascher, Nachgrabcr, Aufwarter; jene sind von der Kcrnform, wie immer, durch den Umlaut, diese von dem Verbum unmittelbar abgeleitet; jene deuten männliche Perso­ nen an, denen etwas zum Geschäfft (, Götzinger schreibt Ge­ schäft und doch Irrthum!) geworden ist, diese solche, die in ei­ nem bestimmten Falle etwas thun. Nur der Vocal der Kern­ form lautet um, nie der Vocal eines Verbums oder einer Sprossform: Läufer von Lauf, (durch einen Druckfehler steht Läufer für Läufer,) aber Ankäufer. So auch Müßiggänger (von Müßiggang) und Müßiggcher (von gehen), Ritter und Reiter, Ucbelthäter und Nichtsthuer." — So interessant diese Bemerkung ist, indem sie uns z. B. zeigen könnte, warum man Bauer, Brauer von bauen, brauen, und nicht Bäuer, Bräuer sagt: so sieht man doch sogleich ein, daß sie leider nicht durchgängig passt. Selbst die angeführten Beispiele zeigen dies schon: ein Ritter bezeichnet nicht eine Person, der ein Ritt, das Reiten zum Geschäfft geworden ist, (und das i ist auch nur im weitern Sinn der Umwandlung des Stammvocals ei in i ein Umlaut zu nennen,) welcher Begriff dagegen in Rei­ ter für Cavallerist recht eigentlich zum Grunde liegt; so ist auch Sattler u. s. w. von der Kernform Sattel ohne Umlaut gebildet.

Und wenn man sich so wenden will, daß man sagt, ein Verkäufer, von der Kernform Verkauf, hat das Geschäfft deS Verkaufs, so kann man dies doch nicht so gerade hin vom Käufer, Einkäufer, Mörder, Verräther behaupten, wogegen Bauer, Brauer, ohne Umlaut von der Sprossform, offenbar solche Personen bezeichnen, welche die Geschäffte des Bauens und Brauens haben. Auch ist die dreiste Behauptung, eine Ableitung aus der Sproffform habe nie den Umlaut, unrich, tig. Ohne eß heraushebcn zu wollen, daß es schwer zu 6cx weisen sein möchte, daß Kläger, Schläger u. s. w. von Klage, Schlag, und nicht von klagen, schlagen abgeleitet sind, kommt z. B. Schlächter (,d. i. ein Fleischer,) ganz offenbar nicht von Schlacht, sondern von der Sproffform schlachten mit dem Umlaut her, so daß es mit einem (gewöhnlich, häufig) Schlachtenden, eben so wie Kläger mit einem Klagenden, ganz gleichbedeutend ist. 2) Ferner gehen nach dieser dritten Deklination alle (sZch, lichen) Verkleinerungswörter auf chen, el (,eben schon dieser Endung wegen,) und lein: das und die Mädchen, daS und die Mädel, das und die Mägdlein. Von dieser Regel giebt es gar keine Ausnahme. Wenn also die Sprache des gemeinen Lebens besonder» den Wörtern dieser Classe im Plural sehr gern ein s ansetzt, so darf man sich dies im Hochdeutschen nie erlauben. Man darf also nicht sagen die Mädchens, die Bündels, die Fräu leins *). 3) Auch alle sächlichen Wörter mit der Vorsylbe ge und dem lindernden Endlaut e nach einem weichen Consonanten bleiben im Plural unverändert: das und die Gebirge, Gefilde, Gehege, Gekröse, Gemälde, Gewerbe; so auch das und die Eingeweide. Nach fast allen Sprachlehren werden hierbei auch noch die Wörter mit der Vorsylbe be und diesem mildernden Endlaut e aufgcführt; solche Wörter möchte cs aber wohl in der ganzen deutschen Sprache gar nicht geben. Zwar führt man gc»vöhnlich die beiden Wörter das Beschläge und das Be, lege als Beispiele an, aber für jenes sagt man lieber der Be, schlag nach der vierten Biegungsart, Plural die Beschläge, und für dieses nimk man in der einen Bedeutung lieber die Bele, gung, und in der andern entweder der Beleg nach der v-erten

•) Es ist also ein Fehler, wen« Starklof in seinem Roman: der verlorne Sohn, Mainz, 1824, i. Theil, Seite 80 schreibt: die Mienen der schönen Fräulein«.

212 Diegungsart, Mehrheit die Gelege, oder der Belag ebenfalls nach der vierten Biegungsart, Plural die Beläge, wie z. B. der Propst Rees schreibt. Der wenig gebräuchliche Singn, lar der Beleg, d. h. der Beweis, das, ^vermittelst dessen etwas belegt oder bewiesen wird, ist vielleicht nach der Analogie von der Steg die Stege gebildet, d. h. dasjenige, vermittelst dessen gestiegen, etwas bestiegen, überstiegen wird. 4) Noch gehören zu dieser Deklination die beiden Wörter der Käse und das Erbe für Erbtheil. (Der Erbe geht nach der sechsten Biegungsart.)

An merk. Diese Bicgungsform ist sehr alt. Schon im Angelsächsischen deklinirte man im Singular das Rice (Reich), des Rices, dem und das Rice; der Plural weicht aber von unsrer Form ab. Im Mittelhochdeutschen deklmirte man weit mehrere Wörter nach dieser Form, als wir jetzt thun; man bog nicht nur der Engel, Athem, Acker ganz so wie wir, sondern man gab auch den Wör­ tern Mann, Haar, Speer u. s. w. dieselbe Form: der, dem, den Sper, des Spers, die, der Sperr, den Spe­ rrn. Am Genitiv der Mehrheit setzte man oft noch ein e an: die Wort, der Worte, den Worten, die Wort. Dagegen deklinirte man auch viele Wörter nicht nach dieser Form, welche wir ihnen jetzt geben, z. B. Nagel, Na« gelcs, Nagele, Nagel; Nagele, Nagele, Nagelen, Nagele. Eben so bog man auch die Wörter Eber, Segen u. s. w.

Vierte Deklination. Nicht-weibliche Wörter mit der Endsylbe e im Plural. 319) Beispiel. Einheit. Mehrheit. 1. Fall (der) Stall, 1. Fall (die) Ställe, 2. x (des) Stalles, Stalls, 2. (der) Stalle, 3. - (dem) Stalle, Stall, 3. (bei.) Ställen, 4. - (den) Stall, 4. (die) Ställe.

320) Auch diese Deklination ist sehr einfach: sie hat im zweiten Fall der Einheit o, im Plural e, an welches im drit­ ten Fall noch n kommt. Wann der zweite Fall der Einheit s, und wann cs, wann also der dritte nichts und wann der­ selbe e annimt, wissen wir schon aus einer eignen Regel (Z 311).

2U Die sächlichen Wörter dieser Deklination nehmen fast nie den Umlaut an: das Brod oder Brot, die Brode oder Brote, Haar, Jahr, Joch, Kleinod, (von dem man in der Mehrheit mir noch selten Kleinodien für Kleinode sagt,) Maß, Metall, Paar, Pfund, Pult, Roß, Salz, Schaf, Schock, Tau, Wort (im collectiven Sinn), und die Wörter auf sal: Drangsal, Schicksal, Trübsal. Ausgenommen sind bloß die wenigen Wör, ter Arsenal, wovon man aber auch schon oft -le Arsenale bil« dct, das Chor (in der Kirche, die Emporkirche, welches Wort den Umlaut wohl daher bekommen hat, weil der Chor, (Zängerchor, denselben annimt), Floß (,das nur provinciellen Ge­ brauch hat, und auch männlich gebraucht wird,) und das Rohr in der distributiven Bedeutung: die Röhre, die einzelnen Stücke Rohr, das Feuerrohr, die Feuerröhre, die spanischen Röhre, in der collectiven Bedeutung, Rohrarten, bleibt es ohne Umlaut: die Rohre. (Das weibliche Wort die Röhre besteht ganz für sich, und geht nach der zweiten Biegungsart.) Die männlichen Wörter dieser Deklination nehmen zum Theil den Umlaut an, zum Theil nicht, ohne daß sich darüber bestimmte Regeln angeben lassen. Mit dem Umlaut werden gebogen die deutschen Wörter der Asch, (ein provincieller Aus­ druck für ein Gefäß, eine Art Napf oder Topf, Mehrheit Aesche, unterschieden von der Aeschcr, Gefäß mit Asche,) Auf« Luhr, Band, Baum, Block, Brand, Bug (an der Schulter, ein provincieller Ausdruck), Darm, Diebstahl, Draht, (distribtitiv, collectiv Drahtarten bleibt es ohne Umlaut, Drahte,) Duft, Fang, Flor, (Zeug, Trauerflor,) Fund, Fuß, (Thierfüße, das Längenmaß die Fuße bleibt ohne Umlaut,) Gaul, (doch auch die Gaule,) Gesang, Geruch, Hahn, Kahn, Kamm, Kauf, (Einkäufe,) Kauz, (doch schon gewöhnlicher die Kauze,) Klotz, Kloß, Klump, (das fast nur in der gemeinen Rede gebraucht wird,) Krug, Latz, (auch ein provincieller Ausdruck, die Brustlätze,) Lauf, Markt, Morast, Muff, (Müsse, doch auch weiblich die Muffe, Muffen,) Pacht, (doch auch weiblich die.Pacht, Pachten,) Pack, Plan, Pflock, Rost (zum Braten, doch auch weiblich die Röste, Rösten), Saft, Sarg, Satz, Schacht, (doch auch ohne Umlaut die Schachte, oder nach der zweiten Znsatzdeklination, oder auch weiblich die Schacht, die Schachten,) Schaft, Schank, (Bierschank,) Schmaus, Schlauch, Schoß, (die Schöße,) Schopf, Schwan, Schwung, Schwur, Spaß, Spund, Stall, Stoß, Strauch, (Sträuche, doch auch collectiv Sträucher, fremde Sträucher, d. i. Straucharten,) Stahl, (distributiv, Feuerstahl; collectiv bleibt es ohne Umlaut, die Stahle, d. i.

214 Stahlartcn,) Strauß, (Blumensträuße,) Strumpf, Ton, Trumpf, Wanst, Wulst und Zoll (, Abgabe, die Zölle; das Längenmaß die Zolle bleibt ohne Umlaut). Von den Fremdwörtern neh« men folgende wenigen den Umlaut an: Abt (oder nicht so gut Abbt), Bart, Bischof, Canal, Capellan, Cardinal, Cho, ral, Marschal, Palast, Papst und Propst, denn selbst die Wör, ter Altar, Castcllan, Fiskal, Magistrat, Pocal und Tribunal, die sonst allgemein den Umlaut annahmen, lassen ibn jetzt schon sehr oft weg, was auch bei manchen deutschen Wörtern immer häufiger geschieht, z. B. Packe, Plane für Päcke, Pläne. Alle übrigen deutschen (und fremden) Wörter dieser Dekli, Nation bleiben ohne Umlaut, als: Aal, Aar, (Adler,) Ahorn, Amboß, Anwalt, Arm, Ballast, Bau, Besuch, Bort, Dachs, Docht, (oder nicht so gut Dacht,) Dolch, Dorsch, Drost, Ei, dam, Flachs, (Flachse sind Flachsarten,) Gemahl oder Gernal, Gurt, Halm, Hanf, Harnisch, Harz, Hauch, Herold, Herzog, (doch auch noch Herzöge,) Huf, Jrrsal, (ein provincieller Aus, druck,) Kalk, (Kalke sind Kalkarten,) Kobold, Kobalt, Kumm, (Kumt oder Kumpf bei Walkmühlen, ein provincieller Aus, druck, wie) Kur, Küraß (oder Cuiraffe), Lachs, Laut, Leichnam, Luchs, Mast, Mond, Mittag, Mord, Molch, Ort (collectiv), Pfad, Schrot, Schuh, Staar, Stoff, Strauß (Vogel), Tag, Thon, Trunkenbold, Uhu, Versuch, Vielfraß, Wiedehopf und Zoll als Längenmaß, u. s. w.; so bleiben auch die meisten fremden Wörter, die nach dieser Deklination gehen, ohne Um, laut, als: Admiral, Antiquar, Bastard, Balsam, Bisam, Ge, neral, Grad, Gran, Journal, Koloß, Original, Part in Wi, derpart und Gcgenpart, (juristische Ausdrücke, die man aber auch nach der zweiten Zusatzdeklination biegt,) Pol, Port, Puls, Punct, Salat, Scorpion, Tact, u. s. w. Wenn man Missionäre sagt, so muß auch der Singular schon nach fron, zösischcr Art Missionär missionaire heißen; bildet man diesen nach dem Lateinischen Missionar, missionarius, so bleibt auch der Plural ohne Umlaut. Das Wort Spall braucht man bald männlich, der Spalt, Mehrheit die Spalte, besonders im figürlichen Sinn der Zwiespalt, bald weiblich die Spalte, Spalten *).

*) Diese Verzeichnisse find Beispiele von solchen Wörtern, deren Plurale sich durch kein» bestimmten Regeln festsetzen lassen, fön» dern als gegeben betrachtet, und also aus dem Gebrauch oder Wörterbuch entnommen und erlernt werden müssen, uebrigens fand dies« ganze Biegungsart schon im Mittelhochdeutschen statt.

Es versteht sich von selbst, daß hier alle diejenigen Wör­ ter nicht aiifgeführt sind, welche gar keinen Umlaut annchmen können, als: Beil, Fleck, Gebet, Geschwätz, Gewicht, Kameel, Krieg, Packet, (besser als Paqucl, ob man es gleich leicht

falsch wie packet lesen kann,) Scheit, Seil, Sieb, Zelt. So auch das Gift, die Gifte (;die ©ist heißt Gabe, Mitgift, und hat Giften); der See, die Se—e (doch auch Seen, was zu­ gleich der Plural von die See ist) u. s. w. Zusatz. Götzinger sagt: „in dieser Deklination nehmen den Umlaut an: a) unter den sächlichen Wörtern das ein­ zige Kloster; b) von den männlichen alle Kernformen, z. B. Fuchs; ausgenommen sind: «) die Wörter, die eigent, lich zur schwachen (d. h. zweiten und sechsten) Deklination (mit n im.Plural) gehören, z. B. Pfau, Plural, Pfaue und Pfauen, ß) die Wörter Hund, Dolch, Molch, Aal, Arm, Tag, Halm, Luchs, Dachs, Laut, Hauch, Pfad, Hof und Ort." — Man sicht aus unserm Paragraphen sogleich, wie höchst unvollständig diese Bemerkungen sind; eben so folgende: „zu dieser vierten (starken) Deklination (mit e litt Plu­ ral) gehören alle fremden auf Schmelzlaute ausgehenden Wörter, also die sich auf al, ol, an, on, in, ar, ier, or en­ digen. Die Völkcrnamen auf ar, nr gehn aber natürlich schwach (nach der sechsten) Deklination, da sie eigentlich are, ure heißen, z. B. Barbare, Barbarn. (Woher weiß Herr G. das?) 321) Zu dieser Deklination gehören nun: **) 1) alle Ab­ leitungen ans ling: Frühling, Jüngling; so auch das Ding (,die Dinge; Dinger nach der fünften sagt man nur in der provinciellen Bedeutung für Kinder: niedliche Dinger, Dinger­ chen); 2) alle sächlichen Wörter auf niß: Verhältniß, Behältwo man auch visch (Fisch), vischeS,. vksche, visch; vrsche, vksche, vischen, vische, und dann ähnlich balc, balcs, batc, balc, beige, beige, beigen, beige bog. *) Götzinger giebt an: es gehn nach dieser Deklination: i) alle Sproffformen (mit Ableitungssylben, doch nicht mit th um, wel­ che ein altes Wort tfb, b) alle auf r, (auch erb, erz, Srz, und Knie, Reh,) e) alle auf l, m, n, die des Umlauts nicht fähig sind, z B Bein, d) alle mit einem langen o, z. B. Boot, Loth, e) die Wörter Schaf, Schiff, Kreuz, Sieb, Roß, Recht, Werk nnb manche von Gelehrten gebildeten Mehrzahlen, wie Salze. Eine Vergleichung mit unsern Angaben leigt bald, tote unvollständig diese Regeln sind.

216 uiß, Gcständniß; 3) alle Sammel- und Wiederholungswörter mit der Dorsylbe gc, die sich nicht auf r, cl oder er endigen: das Gericht, Gerücht, Gehirn, Gebüsch, Geschenk, Geleit, Ge­ räusch, und so auch das Gebrüll, Geläut, die sehr selten im Plural vorkommen; 4) sehr viele deutschen und fremden Wör, ter, die weiter unter keine Regeln und allgemeinen Bemer­ kungen gebracht werden können (, und deren der vorige Para­ graph viele enthält).

Fünfte Deklination, Nicht,weibliche Wörter mit der Biegungssylbe er im Plural. 322) Beispiel. Einheit. 1. Fall (das) 2. , (des) 3. , (dem) 4. , (das)

Wort, Wortes, Worts, Worte, Wort, Wort,

Mehrheit. (die) Wörter, (der) Wörter, (den) Wörtern, (die) Wörter.

323) Diese Deklination bildet den Singular eben so wie die vorhergehende vierte, den Plural aber mit er, woran im dritten Falk noch das n gesetzt wird. Alle Wörter dieser Bie, gungsart nehmen in 'der Mehrheit den Umlaut an, wenn sie desselben fähig sind. Cs gehören zn ihr nur sehr wenige männ, lichen Wörter, nämlich folgende: (der) Bösewicht, (das doch auch nach der vierten Biegungsart gebogen werden könnte, da sein Grundwort nach derselben gehl: der Wicht, die Wichte,) Daus, Geist, Gott, Leib, Mann, Ort, Rand, Vormund, Wald, Wurm und einige Wörter auf th um: Irrthum, Reichthum, (der und das) Wachsthum, und ehemals Beweisthum; alle übrigen sind sächlich, als: das Aas, (die Acser,) Amt, Bad, Volk, ii. s. w. Das Wort Gott hat im Genitiv Gottes, im Dativ aber doch, wenn vom einzigen wahren Gott die Rede ist, bloß Gott, und Gotte nur, wenn von einem heidnischen Gotte gesprochen wird: vom Gotte Jupiter, wo indessen dae doch auch wegbkeiben kann. 324) Es gehören zu dieser Deklination: 1) alle Wörter auf thum: das Alterthum, Bisthnm, das Herzogthum, Wachsthum, (der und das,) der Irrthum; 2) sehr viele an, der» *), die sich aber wieder unter keine bestimmten Regeln

♦) Götzinger sagt: bloß Kernformen (mit Ausnahme von Schaf u. s. w. Ü 321 Anm. e), und die Wörter auf l, m, n, welche umlauten können, ». B. Maul.

bringen lassen, und zwar vorzüglich folgende sachlichen: das Aas, Amt, Bad, das Band, (der Band geht nach der vierten Deklination, s. § 299,) Bild, Blatt, Bret (oder Brett), Buch, Dach, (Ding s. § 321 und § 298,) Dorf, Ei, Fach, Faß, Feld, Geld, Gemach, Gemüth, Geschlecht, Gesicht, (Gesichter der Menschen, die Gesichte, nach der vierten Biegungsart, sind Erscheinungen, s. H 299,) Gespenst, Gewand, Glas, Glied, Grab, Gras, Gut, Haupt, Hans, Holz^ (Hölzer und Holze, s. § 299,) Horn, (Hörner und Hörne, s. § 299,) Huhn, Kalb, Kind, Kleid, Korn, Kraut, Lamm, Land, (Länder und Lande, s. H 299,) Licht, (s. § 299,) Lied, Loch, Mahl, (oder Mal, die Mähler, Mäler, und Mahl, Male, s. § 299,) Maul, Nest, Pfand, Rad, Reis, Rind, Schloß, Schwert, Stift, (Stifter, der Stift, die Stifte, s. § 299,) Thal, Tuch, (Tücher und Tuche s. § 299), Volk, Wams, Weib, Wort (,Wörter und Worte, f. § 299); so auch viele fremde» Wörter, besonders auf el, ent und et, z. B. Camisol, Hospital, Spital, Parla, ment, Regiment, Cabinet oder Cabinett u. s. w. Das Wert Vieh wird nur im Singular (als ein singu­ lare tantum) gebraucht. Wenn man umgekehrt das Wort die Trümmer (sind schön) als einen Plural (, plurale tantum) betrachtet, so gehört es auch zu dieser Biegungsart, und setzt einen veralteten Singular Trumm voraus (;doch braucht man es auch weiblich, in der Einheit die Trümmer: diese Trümmer ist schön; dann geht es nach der zweiten Deklination, und hat im, Plural Trümmern).

Sechste Deklination. Nicht, weibliche Wörter mit dem Biegungslaut n oder en iw Plural. 325) Beispiel. Einheit. 1. Fall (der) Bote, Fürst, 2. » (des) Boten, Fürsten, 3. • (dem) Boten, Fürsten, 4. , (den) Boten, Fürsten,

326) Diese Deklination in allen Casus bloß n an, auf e endigt, und en, wenn endigt *). Sie enthält bloß

rm Mark Aurel statt Marcus Aurelius oder Aurel erlauben. Ver­ anlasst wurden sie zu dieser Form Mark unstreitig dadurch, daß der Namen Aurelius die Abkürzung, wie wir gleich sehen wer­ den, wirklich erträgt, und eS ihnen nun unanalogisch und hässlich schien, da fie diesen Namen in seiner erlaubten kurzen Form Aurel nehmen wollten, den ersten, unmittelbar mit diesem zwei­ ten verbundenen Namen in der ihm gebührenden ursprünglichen Form Marcus zu lassen, und Marcus Aurel zu sagen.

so daß sie dem Ohr widrig auffallen würden. Dem gemäß darf man nicht Erasm, Demelr statt Erasmus, Demetrius sagen. Aus einer ähnlichen Ursach, daß nämlich die abgekürzte Form auch undeutsch klingt, oder eine falsche Aussprache ver­ langt, oder umgekehrt in der schriftlichen Darstellung fürs Lesen veranlasst, "verbietet der Sprachgebrauch auch geradezu Abkür­ zungen wie folgende: Jrenä, Matthä, Tantal, Nicola, die undeutsch klingen, für Irenäus, Matthäus, Tantalus, Niko­ laus-, Polyb, Euseb, in welchen nicht nur das weiche b hart tönt, sondern die man als deutschartig klingende (wie Wiegleb,

Aurich) Polyb, Euseb zu lesen versucht sein würde, statt Polybius, Eusebius, Tacit, Dominik, Patercul, die man Tacit, Dominik oder Dominik, Patercul oder Patercul lesen würde, für Tacitus, Dominikus oder Dominicus, Paterculus, Apules, Volles, Pompes, die man leicht Bellei, Apulei, Pompei lesen

könnte, da kein deutsches Wort auf s ansgeht, für Bellejus,

Pompejus, Apulejus, Hieronym, Lazar, für Hieronymus, Laza­ rus, Honor, Arkad, die man Honor, Arkad accenkuiren wür­ de, und wo auch das d wie t oder t klingen müsste, für Honorius, Arkadius u. s. w. Alle diese und alle ihnen ähnlichen Namen müssen also ihr us und ins behalte«^ und werden in der ernster« und edler» Sprache nach § 361, in der gemeinern Umgangssprache nach H 357 deklinirt. Bei andern Namen darf man die abgekürzte Form we­ nigstens nicht mehr verwerfen,- da einige allgemein geschätz­ ten Schriftsteller sich schon ihrer bedient haben. So ist die Form Dionys für Dionysius an und für sich nicht bequem, weil sie auch auf einen Zischlaut ausgeht; da aber Schiller sie in dem bekannten Gedichte: zu Dionys dem Tyrannen schlich Moros u. s. w. braucht, so hat sie jetzt Eingang gefunden, ob in ihr gleich das weiche s hart wie ß klingt, und sie wird nach § 359 deklinirt: Genitiv Dionyses, Plural Dionyse. Dasselbe gilt von Theodos, wie man zuweilen für Theodosius sagt. In der gewöhnlichen, gemeinern Sprechart deklinirt man diese abgekürzten Formen auch wieder nach § 357: Theodosens, Theodosen, Theodose.

Bauer Spracht, u.

18

274 Wieder bei andern Namen sind beide Formen, die nr, sprüngliche und die abgekürzte, ganz gleich gebräuchlich, und dann hat der Sprechende und Schreibende, namentlich der Dichter, vollkommne Freiheit, die ihm bequemste oder wohllau­ tendste zu wählen. So kann man Cornelius, Basilius, Tibe, rius, Merkurius, Damitianus, Vespasianus u. s. w. sagen, und diese Formen edler nach § 361, gemeiner nach § 357

biegen, oder auch eben so gut Cornel, Basil, Tiber, Merkur, Domitian, Vespasian, und diese Form edler nach H 359: Cor­ nel, Cornels, Cornel, Mehrheit Cornele, gemeiner nach H 360 biegen, Cornel, Cornels, Cornelen, Cornelen, Mehrheit Cornele. Noch andere Namen werden nur noch selten oder auch gar nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form gebraucht, und dann nach § 361, d. h. gar nicht gebogen: Pindaros oder Pindarus, Ovidius, Virgilius, Vitruvius, Catullus, Tibullus; man nimt also diese Namen fast immer in der abgekürzten Form, und deklinirt sie in der ernstern und edlern Sprechart nach § 359:

Pindar, Ovid, Virgil, Catull, Tibull, Vitruv, Vitruvs, dritter und vierter Fall Vitruv, Mehrheit Vitruve, in der Umgangssprache nach § 360: Virgil, Virgils, Virgilen, Virgile. Eben dies gilt auch für die Namen anftius, die man jetzt fast nie mehr, ausgenommen in der höher» Schreibart, nach der ursprünglichen, zur sechsten Deklination (§ 361) ge­ hörigen Form Horatius, Lactantius, Propertius, sondern in der abgekürzten Form Horaz, Lactanz, Properz braucht, und diese gemeiner nach § 357, edler nach § 359 deklinirt, doch so, daß die Genitiven gewöhnlich, statt Horazes, nach H 357 Hora, zens u. s. w. heißen. Endlich nm für alle Wörter, die us und ius nicht weg­ werfen dürfen, und deren Biegung nach § 361 doch die Ca­ sus gar nicht unterscheidet, diese Casus deutlicher unterscheiden zu können, \o\)tu die hässliche Genitivform ussens § 357 nehmen zu dürfen, haben einige Schriftsteller sich in neuern Zeiten eine ganz neue Erlaubniß genommen. Sie behalten nämlich zwar im Einheitsnomiuativ us, ius, werfen diese En­ dung aber beim Dekliniren weg, und biegen also: Claudius, Claudiens, Claudien, Mehrheit Clandie; Brutus, Brütens, Bru­ ten, Brute; Tantalus, Tantalens, Tantalen, Tantale; Irenäus, Jrenäens, Jrenäen, Jrenäe. Es lässt sich nicht leugnen, daß diese Biegungsart recht gut ins Ohr fällt, aber sie verstößt doch zu sehr gegen alle Analogie, als daß man sie billigen könnte; überdies kann man bei ihr gar nicht unterscheiden, ob z. B.

275 der Genitiv Clandicns vom Nominativ Claudi, Claudie, Clau­ dia, Claudien, Claudieus oder Claudius hcrkommt. Eine besondere Bemerkung gebührt noch den in der hcili, gen Schrift, namentlich im neuen Testamente vorkommendcn Biegungen. (Man sehe § 346 und tz 334, die Anmerkung.) Braucht diese namentlich der Prediger bei seinen religiösen Vorträgen, die immer in der edler» Sprcchart gehalten wer/ den müssen, so lasse er sich nicht durch Geschichtschreiber (und Dichter) verleiten, diese Namen in die Form ihrer ursprünglir chen Sprache $ir verändern, und etwa von Moschch, Jitzchak, Petros sprechen zu wollen; aber er lasse sich auch nicht ein/ schüchtern, die gewöhnliche Form auch so lateinisch, und gric, chischartig dckliniren zu wollen, wie Luther gethan hat. Jenes versteht das Volk nicht, und dieses verlangt es eben so wenig. Er wird also gut, anständig und unanstößig sprechen, wenn er die Nominativen der Einheit nach Luther nimt, und diese Form in allen Casus beider Numerus unverändert lässt, inso, fern ihre Deklination undcutsch, hart oder widrig wäre. Er dcklinire z. B. Adam, Adams, Adam, Eva, Eva's, Eva, Je, sns, Christus in allen Casus, eben so Johannes, Petrus u. s. w. Höchstens nehme er, wenn es die Deutlichkeit fordert, den Ar, tikcl zu Hülfe, von dessen Hülfsgcbranch wir gleich sprechen werden (:Jehovah segnete den Abraham), nur nicht beim Na, men Jesus Christus. Es wäre auch ganz unzweckmäßig, die Apostel Paul, Peter, Johann nennen zu wollen; eben so zweckwidrig wäre die Form Jakob statt Jakobus, für den Apo, fiel, da wir unter Jakab in dieser hebräischen Form allemal den Sohn Isaaks verstehen. Noch eine allgemeine Bemerkung betrifft die Monatsna, men. Ihnen hat der allgemeine Sprachgebrauch ganz fest eine bestimmte Form gegeben, die wir durchaus nicht ändern dür, fen. Wir sagen also und dckliniren: der Januar (,vom Gott Janus benannt, nicht mehr Januarius,) nach § 359, des Ja­ nuars, die Januare; der Februar (von Februarius, welchem Wort ein Appellativbegriff zum Grunde liegt,) eben so nach § 359; der März (von Martins, abgeleitet vom Kriegsgott Mars,) auch nach § 359; der April, (von Aprilis, entweder von aperire eröffnen, oder wahrscheinlicher von atpQov, einem griechischen Namen der Venus,) ebenfalls nach § 359; der Mai (,ein altes Wort, lateinisch Majus, dem ein Stammwort mit dem Begriff schön, angenehm zum Grunde liegt,) nach tz 359; der Juni (vom Eigennamen Junius,) nach § 359, int Plural aber ohne e: des Juni's, dem Juni, die Juni; der 18 *

27h Juli (vorn Ggeüttame« Julius), eben wie Juni nach § 359; der August (vom Eigennamen Augustus,) nach § 359, Plural Auguste; endlich die Monate September, October, Novem6er, December (,d. i. der siebente, achte, neunte, zehnte [®o< not]) sind wahre Gattungswörter, die nach H 317 (wie Kater) deklinirt werden. Schließlich wissen wir schon, daß alle Eigennamen, so, bald sie im Plural gebraucht werden, im Grunde nicht mehr Eigennamen, sondern Gattungswörter sind.

D.

Deklination

der Personennamen mit dem Artikel.

363) Wir haben im Vorhergehenden ^besonders § 362,) nur zu oft anführen gemusst, wie widrig und schwierig den Deutschen die Deklination der Eigennamen, vorzüglich der Personennamen, durch Umänderung ihrer Endsylben in vielen Fällen wird. Um diese Schwierigkeit und Widrigkeit zu vermeiden, haben sie noch ein anderes Hülfsmittel eingeführt, das auch wirklich volle Hülfe gewährte, wenn ihm nicht leider wie, der eine neue Schwierigkeit im Wege stände. Dies Hülfsmittel besteht nämlich darin, daß man vor diese Personennamen zu ihrer Deklination den bestimmten Artikel (der oder die) setzt. Dieser Artikel hebt dann für den Singular auf einmal alle Schwierigkeit der Deklination der Personennamen in so fern, daß es eine ganz allgemeine Regel ist, von welcher der gute Sprachgebrauch durchaus auch nicht eine einzige Ausnahme zulässt: sobald der Artikel vorm Personennamen steht, so bleibt dieser selbst in allen Casus des Singulars immer ganz unverändert. Der Nominativ ist der Namen selbst, und bedarf al, so keines Artikels, ob ihn gleich die niedrige Sprechart häufig setzt; daher ist die Biegungsform folgende: (der) Xerxes, des Terxes, dem Tcrres, den Terxes. Wir wissen, daß die Personennamen, da ihren Substraten der Begriff der Selbstständig­ keit im höchsten Sinn zukommt, eben deswegen, als solche, zur Bezeichnung ihrer Selbstständigkeit keines Artikels bedür­ fen, insofern dieser die Selbstständigkeit oder Individualität des Begriffs bezeichnet, zu dessen Wortzeichen er gehört; folg­ lich soll der Artikel bei diesen Personennamen durchaus im Sin­ gular nichts weiter thun, als ihre Casus andcuten, und zwar auch nur dann, wenn sie dieselben wegen ihrer Endsylbe an sich selbst entweder nicht bequem oder nicht deutlich ausdrücken

277

ffcnrtcn. Die Deutlichkeit befördert der Artikel namentlich bei allen Personennamen, sobald Dativen und Accusativen derselben in einem Satze zusammen kommen, da diese beiden Casus, wie wir wissen, bei allen Eigennamen immer ganz gleich sind. Sagt z. B. jemand: ich habe Rothen Weißen empfohlen, so lehrt uns zwar die Lehre von der Wortfolge, (die Topik,) daß in solchen Sätzen der Regel nach der Accusativ vor dem Da­ tiv steht, und daß also Rothen der Accusativ, und Weißen der Dativ sein muß, wenn der Sprechende richtig gesprochen hat. Da man aber vielleicht nicht wissen kann, ob der Sprechende die Grammatik versteht, oder vb sie der Hörende genau^ kennt, so gewinnt offenbar die Deutlichkeit, wenn man wenigstens ei­ nem dieser Namen den Artikel giebt, und also entweder sagt: ich habe Rothen dem Weiß empfohlen, (und dies ist am be­ sten,) oder ich habe den Roth Weißen empfohlen (,denn beider Namen den Artikel zu 'geben, klänge hässlich: ich habe den Roth dem Weiß empfohlen). Eben so nützlich ist diese Set­ zung des Artikels zur Vermeidung aller widrigen Formen der Eigennamen; statt zu sagen : Terxessens Heer machte Themistoklessen und Philippussen Sorge, sagt man nun: des Lerxes Heer machte dem Themistokles und Philippus Sorge. So sehn wir also, daß dieser Gebrauch der Artikel als Casuszeichen sehr wichtig ist; nothwendig wird er, sobald der Eigennamen durch Vorsetzung eines Adjectivs u. s. w., oder durch Versetzung in den Plural im Grunde aufhört, ein Ei­ gennamen zu sein, und dadurch ganz die Natur eines Gat­ tungswortes annimt. Sobald man sagt: der achtzehnte Lud­ wig, so muß es auch einen ersten bis siebzehnten Ludwig ge­ geben haben, und Ludwig ist kein Eigennamen mehr, sondern ein Gattungswort, dem der Artikel gebührt; sobald man von einem tapfern Blücher redet, so setzt dies wenigstens die Mög­ lichkeit voraus, daß es auch einen feigen Blücher geben, oder gegeben haben könne, und Blücher ist nun ein Gattungswort; eben so verhalt es sich mit den Eigennamen in dem Satze: die Gedanken des erhabenen Pindar gaben dem wackern Gedicke Stoff zu Hymnen aus den großen Friedrich. In allen diesen Fällen ist also die Setzung des Artikels förmlich nothwendig; aber ihn als bloßes Casuszeichen zu brauchen, das ist nur ein Nothbehelf für schwierige Personen­ namen, welcher eben deswegen, weil der Artikel dabei seine ganze Kraft und Geltung verliert, dem Deutschen nicht ange­ nehm ist. Und dies ist die vorher erwähnte Schwierigkeit, welche durch seinen Gebrauch entsteht. Sie veranlasst zuerst

278 die Regel, den Artikel als bloße- CasuSzcichcy nur hn Noth­ falle zu brauchen, verweiset dann diesen Gebrauch für mehrere Fälle bloß in den niedrigen gemeinen Sprachgebrauch, in an­ dern bloß in den vertraulichen, einfachen Styl, und verbietet ihn für den ediern »nd höhcrn Styl in noch andern Fallen gänzlich. So wie wir nämlich (aus § 3G1) wissen, daß der Sprachgebrauch schon die Ansetzung der Endsylben zur Bezeich­ nung des dritten und vierten Einheitsfalles der Eigennamen, wenn auch nicht gemein, doch nur höchstens für. die gewöhn, liche Umgangssprache schicklich findet: eben so, nur in einem noch erhöhelern Maße, legt er dem Gebrauch des bloßen Artikels vor den Personennamen den Nebcnbegriff der Vertrau, lichkcit, Sorglosigkeit, oder gar der Geringschätzung und Ver, achtung bei. So wie man in der edler» Prose und Poesie nie Friedrichen, Gustaven, Nikolai», oder gar Nikolaussen, Louisen, Marien, Elisabethen sagen darf (,wenn gleich der Ge, nitiv Friedrichs, Nikolais, Elisabeths in jeder», auch in der höchsten Sprache erlaubt ist, doch so, daß man in dieser Ma, ria's, oder selbst Louise's statt Louisens, Mariens braucht): so sagt man nie des, dem, den Friedrich, wenn man mit Anstand und Würde sprechen will. Nur bei Namen des Alterthums, die auf einen Zischlaut ausgchn, wird der Genitiv allgemein mit dem Artikel bezeichnet; des Horaz, des Terxes, der Scmiramis. Sobald man daher vorzügliche Achtung und Ehrerbietung ansdrücken will, sucht man beide Arten der Biegung besonders dadurch ganz zu vermeiden, daß man dem Eigennamen einen Beisatz, sei cs ein Gattungswort, Pronomen, Adjectiv oder Zahlwort, zugiebt. So sagt man also in der ediern Schreib, art: mit Friedrich, durch Friedrich den Einzigen, vom Kaiser Franz, des Fürsten Hans, für Leopold den zweiten, das Wort dieses Paulus, das Leben der Jungfrau Maria, der Kaiserinn Maria Theresia, von der unvergesslichen Louise. Namentlich ist es durchaus nicht anständig, je mit dem Artikel des, dem, den Jesus Christus zu sagen, sondern diese Namen bleiben, wie schon bemerkt ist, am besten immer unverändert: das Lebe» Jesus, von, durch Christus. Schließlich zeigt es sich von selbst, daß unsere Sprache zur Bezeichnung der Casus bei Personen, »amen immer den bestimmten Artikel nimt. Sagt man also: ein Cicero spricht, die Denkart eines Cato war edler, so ton, ncn die Eigennamen, insofern diese Art des Ausdrucks erlaubt, richtig und rhetorisch gerechtfertigt sei» soll, entweder keine Ei­ gennamen mehr sein, sondern müssen die Bedeutung eines Gat,

tungsworrS haben, oder tie ganzen Redensarten müssen für elliptische erklärt werden, bei denen man vom Zuhörer oder Leser voraussetzt, daß er diese Ellipsen gehörig zu vervollstandü gen wissen werde. Sagt man z. B.: du sprichst nicht wie ein Cicero, wie ein Cato, so kann das bloß heißen sollen: wie ein guter Redner, wie ein tugendhafter Vaterlandssreund, und dann stehen die Eigennamen als und für die eben genannten Gat, tungswörter, und dies rechtfertigt ihren Einheitsartikel; sagt man aber: du wirst doch nicht die Constrnction eines Cicero, die Aussprüche eines Cato verwerfen wollen? so soll das hei­ ßen: die Construction Cicero's, eines Mannes, der allgemein für einen großen Sprachkenner anerkannt wird, den Ausspruch Catons, eines Mannes, der allgemein für einen sittlichen Phi, losophen oder wahrhaften Patrioten anerkannt wird. So nothwendig es ist, besonders die letzte Art zu spre, chen vorzüglich dem Rhetoren zu erlauben, und noch mehr, wenn der Eigennamen durch Bestimmungswörter ganz in die Natur eines Gattungsworts übergeht: dieser Ausspruch eines heiligen Johannes muß uns beruhigen, d. h. des heiligen Jo, Hannes, der als Lieblingsschüler des Herrn und Prediger der Liebe so großes Vertrauen verdient: so verwerflich ist es, diese Arten zu sprechen ohne Absicht und Zweck, ohne solche Kraft und Bedeutung zu brauchen; das geschieht nur zu oft von der Kanzel, lasst sich aber durch nichts entschuldigen. Man sage also nie: die Psalmen enthalten die Gesänge eines David und andrer Dichter, sondern David's; lasst uns hören, was ein Paulus, ein heiliger Paulus spricht, wenn es bloß bedeu, ten soll: was Paulus, der heilige Paulus spricht. 364) Was die Deklination der Personennamen mit dem Artikel im Plural betrifft, (wo sie freilich im Grunde keine Eigennamen mehr sind,) so benutzt man die Wahrheit, daß der Personennamen im Singular immer ganz unverändert bleibt, sobald der Artikel vor ihm steht, zu der Erweiterung, diese Na, men mit dem Artikel auch im Plural wie im Singular zu lassen, wenn ihre Pluralform (nach § 363) hart, hässl i ch oder nach der Entscheidung des Sprachge­ brauchs nicht edel genug ist. Dies ist besonders bei den Wörtern der Fall, die sich auf einen Zischlaut endigen. Daher sagt man jetzt nie mehr: die Laisse, die Aristotelesse, die Vosse, die Huffe, sondern bloß: die (schönen) Lais, die (Dich­ ter, gemüthlichen n. s. w.) Voß. Freilich ist dies eigentlich ein Verstoß gegen die Bemerkung, daß die Eigennamen im Plural der Sache nach Gattungswortcr sind, und deshalb auch

280 der Form nach unverändert tn den ihnen (durch §356 bis 361) angewiesenen Deklinationsformen des Plurals bleiben müs­ sen, möge der ihnen dann, gleich den wahren Gattungswör, tern, gebührende Artikel vor ihnen stehen oder nicht; wir wissen aber schon, daß wir des Wohllauts wegen dem neuesten Sprachgebrauchmit Recht erlauben, hässliche Biegungsarten aus dem bisherigen Gebrauch zu verstoßen.

Ja eine andere Analogie führt den neuesten Sprachge­ brauch noch weiter; man sagt nämlich: da der Artikel dazu die­ nen kann, und deswegen auch dazu dient, die Casus des Sin­ gulars der männlichen Personennamen anzuzeigen, so daß diese Namen nun unverändert bleiben dürfen (:des Cato statt Ca, to's), und da er eben so auch schon allein für sich im Stande ist, den Plural mit seinen Casus zu bezeichnen: so bleibe jeder männliche Personennamen auch in allen Casus des Plurals in der unveränderten Singularform, sobald er den Artikel vor sich hat; dem gemäß deklinirt man: die, der, den Melanchthon, Wiklef, wie die, der, den Luther, Huß, Horaz, und man über­ lässt es höchstens der gemeinen und niedern Sprechart, die, der Melanchthone, Wiklefe, Husse, Horaze, den Luthern, Me'anchthonen, Wiklefen, Hussen, Horazen zu sagen. Zwar lässt sich nicht entscheiden, welche Biegungsform der künftige Sprachge­ brauch festsetzen wird, wahrscheinlich aber dürfte dieser neue Gebrauch als allgemeine Regel in denselben übergehen.

Dagegen können die weiblichen Personennamen im Plural mit dem Artikel nicht eben so wie im Singular dekli­ nirt werden, eben weil der weibliche Artikel weder Numerus noch Casus gehörig unterscheidet. Wollte man nämlich die weiblichen Namen mit deut Artikel im Singular und Plural gleich biegen, so könnte die Chloe der erste und vierte Fall der Ein­ heit und Mehrheit, der Chloe der zweite und dritte Fall der Einheit und der zweite Fall der Mehrheitsein. Deshalb biegen dieselben vuch mit dem Artikel den Plural wie ohne Artikel: die Maria, Amalie, Hedwig, Adelheid, Mehrheit: die, der, den Marien und Amalien (nach §358), die, der Hedwige, Adelheide, den Hedwigen, Adelheiden. Indessen manche Schriftsteller beschränken selbst diese Regel auch schon bloß auf die Namen mit a und e, (also auf § 358 die Marien,) lassen aber die übrigen ebenfalls unverän­ dert: die (beiden, guten) Hedwig, Adelheid. (S. §365.) »(Daß man die Namen mit einem Zischlaut, auch wenn sie weiblich sind, unverändert zu lassen sich erlaubt, wissen wir schon: die (lieben) Doris, den (drei) Lais.)

281 E) Allgemeine Schlu ssbemerkungenjübsr dir De, klination der Personennamen.

365) Ueberhaupt ergiebt es sich aus dem Vorstehenden (§ 355 — 364), daß diese Eigennamen nach dem jetzigen Sprachgebrauch die Biegung nur dann an sich selbst bezeichnen sollen, wenn kein anderes, zu ihnen gehörendes und mit ihnen verbundenes Wort an sich den Casus der Construction andeutet, daß sie also unverändert bleiben, sobald ein solches Wort den Casus ausdrückt. Ja wenn man gedrängter, edler, würdevol, ler sprechen will, so lässt man den Eigennamen selbst ungebo, gcn, sobald sich nur der Casus der Construction an irgend ei, nem Worte deutlich erkennen lässt, sollte auch kein eignes Wort diesen Casus an sich bezeichnen: mit Friedrich, durch Friedrich (,wo man voraussetzt, daß der Leser weiß, mit re, giert den Dativ, durch aber den Accusativ). (Daß aber das o des Genitivs immer, selbst in der edelsten Schreibart bleibt, wenn es das einzige Casuszeichcn ist, wissen wir schon: Fried, richs, des großen Friedrich.)

Aus diesen allgemeinen Bemerkungen ergiebt sich, daß die eigenen Namen in der anständigen Sprech, und Schreibart also besonders unverändert bleiben müssen: 1) wenn eine vorstehende Präposition den (von ihr regierten) Casus (durch Zusammenziehung mit dem bestimmten Artikel) an sich selbst bezeichnen kann, und der Eigennamen dies nicht bequem ver, mag: vom Themistokles, beim Dämon, wo von Themistoklessen und bei Dämonen gauz schlecht wäre (,und wo die Zusgm, menziehungen vom und beim alles Widrige der Auflösungen von dem und bei dem verlieren); dagegen sind für die ge, wöhnliche Umgangssprache vom Schröder, beim Levi nicht so gebräuchlich wie von Schröder'«, bei Levi'n, eben weil diese letzten Formen nicht widrig klingen; edler heißt es ganz ein, fach: von Schröder, bei Levi; 2) wenn ein Pronomen, ein Zahlwort, ein wahres Adjectiv oder ein als Hauptwort gc, brauchtes Adjectiv mit dem Artikel vor oder auch hinter dem Eigennamen steht: das Leben dieser Maria, des vierzehnten Ludwig oder Ludwig des vierzehnten, des großen Friedrich und Friedrich des Großen, mit dem einzigen Friedrich und Fried, rich dem Einzigen, durch Peter den Grausamen, durch Adel, Heid die Gute; 3) wenn ein oder mehrere Gattungsnamen mit dem Artikel vorm Eigennamen stehen: des Arztes Schicblcr, dem Könige Salomo, den Philosophen Leibniß, des Herrn Rittmeisters Ehrenberg.

28) In Ansehung des letzten Falles ist eS ein alter, sonderbar rer Sprachgebrauch, in der vertrauten Sprechart den Artikel des Gattungsworts wegzulassen, wodurch dieses gleichsam mit dem Eigennamen zu einem unzertrennlichen Ganzen zusammen, wachst, (wenn gleich die Orthographie die Wörter (noch) ge, trennt lasst,) weshalb dann auch nicht mehr das Gattungswort, sondern der Eigennamen die Biegungszeichen annimt, insofern er dieselben bequem mit sich verbinden kann; wenn dies nicht der Fall ist, so bleibt er ebenfalls ganz unverändert: Kaiser Karl's Schwert, (besser schriebe man Kaiser, Karl's Schwert,) ohne Schwester Ernestinen, mit Freund Lanbe'n, durch Herr Brunnern, Bruder Gillet's Wein, aber Doctor Wallis Pfeife, mit Vetter Peterson, durch Muhme Urban, wo Wallisens, Pe, tersonen hässlich, und so wie Urbanen nicht anständig genug klingen würden. Doch findet diese ganze Art zu sprechen in der ernstern und hohem Prosa nie statt. Nur muß man mit ihr nicht den vorher erwähnten Fall verwechseln, wenn eine Präposition mit dem darauf folgenden bestimmten Artikel eine gebräuchliche Zusammenziehung bilden; dann bleiben sowohl die Eigennamen als die vor ihnen stehenden - Gattungswörter un, verändert: beim Kaufmann Wildegans, vom Wechsler Samel, durch's Schwesterchen Milberg. Diese Bemerkungen zeigen, daß ein und eben dasselbe Wort auf verschiedene Art deklinirt werden kann: das Gat, tungswort Bauer geht nach der sechsten Gattungswörterdekli, Nation (§ 325): des und die Bauern; der Personennamen Bemer geht nach der ersten Personennamen, biegungsart (§356): Bauer's und des Bauer, Mehrheit Bauer und die Bauer. (Es ist also falsch, wenn es in Klopstocks Messiade VII, 856 heißt: des Cäsars, insofern Cäsar der Personennamen sein soll; es wäre richtig, wenn Cäsar ein Gattungswort, so viel wie Kaiser oder Czar sein sollte.) Wenn eine Person mehrere Namen hat, sa bilden diese gleichsam alle zusammen ein einziges Wort, indem sie einen einzigen Begriff, die genannte Person, ausdrücken; demgemäß darf wieder nur der letzte Namen gebogen werden (,wie bei Kaiser Karl, und es darf nicht nur kein Komma zwischen den einzelnen Namen stehn, sondern es wäre sogar orthographisch besser, die einzelnen Namen alle zu einem einzigen Ganzen zu vereinigen): Johann Heinrich Ludwig Bauer's Formel zur Auflösung der Gleichungen. Bei den Namen der Fürsten und adligen Geschlechter bezeichnet der Namen, vor welchem von ficht, eigentlich und ursprünglich das Gut, das Land, wcl.

cheS der Familie gehörte, von der ein Mitglied durch den Na­ men angegeben wird, und so sind ihre sogenanten Vor/ oder Taufnamen ihre einzigen wahren Namen; daher wird nur der letzte dieser ihrer Taufnamen, der vor von steht, gebogen, und der Namen hinter von bleibt als Namen des Landes oder Guts, dessen Dativ er ausdrückt, unverändert: Friedrich Wil­ helms von Preußen Regierung, Hans Leopold's von Dessau Statue, Franz Ewald's von Kleist Schriften, mit Maria oder Marien von Medicis, durch Hans Leopolden oder Leopold von Rohr. Sobald man aber das von weglässt, so hört das ihm folgende Wort eben so grammatisch auf, ein Gut des genann­ ten Individuums zu bezeichnen, wie dessen Familie vielleicht schon seit Jahrhunderten in der That kein solches Gut mehr besaß, und dann muß natürlich auch dieses zum Familienna, men gewordene Wort, jwie bei allen Namen der Bürger, ge­ bogen werden: Friedrichs von Schiller oder Friedrich SchillerWerke, Blüchers große Verdienste, Kleistes Frühling *)♦

•) ES hat also in Seebode'S Bibl. 1822, IX, der Recensent der Regellehre der deutschen Sprache von Reinbeck (, Essen, 1821,) ganz Unrecht, Reinbecks richtige Form: Ewald Christians von Kleist Gedichte, sprachwidrig zu nennen, da das dem Stamm weggesetzte von keine Abweichung vom gewöhnlichen Sprachge­ brauch veranlassen könne. Derselbe setzt hinzu: so wie man sagt: Göthe's Schriften, "so muß man auch sagen: von Göthe'S Schrif­ ten, die Dornamen mögen, und zwar ohne alle Beugung, (nicht Christian'-,) davor stehen oder nicht. Man sieht, der Recensent hält Göthe, Schiller auch in den Formen Friedrich von Schiller, von Göthe für die Namen, wozu man freilich leicht verführt werden kann, da man nur zu gut weiß, daß eS bei solchen Neu­ geadelten gar keine Landgüter Schiller und Göthe giebt, aber da solche Männer doch unter die Analogie der wahren Edelleute gebracht werden, bei welchen das Wort hinter von das Stamm­ gut der Familie, und nicht den Namen einer Person angiebt, so müssen nun auch schon ihre Personennamen Schiller in die Ana­ logie der Güter übergehen. Oder glaubt der Recensent etwa, die Grafen Heinrich XL von Reuß, Heinrich L von Neuß, Hein­ rich LX von Reuß oder gar Leopold von Braunschweig, HanLeopold von Dessau heißen Reuß, Braunschweig? Wie die GutSnamen in Personennamen übergehen, wenn man sagt Stolberg's, Benzel - Sternau'ö, Neuwied'S Schriften, so gehen bei geadelten Bürgern die Personennamen in Gutsnamen über, wenn man sagt Friedrichs von Schiller Gedichte. Eben so Un­ recht haben also auch der Verfasser eines Werkchensr vom Ge­ schlecht und der Beugung hochdeutscher Substantive, Nürnberg, 1836 und sein Recensent in der Hallischen Literaturzeitung, 1827, Nr. 8i. wenn sie Heinrich von Kleist's Werke für richtig erklä­ ren.

284 Anmerk. Es versteht sich, wenn jemand dem (§ 216 — 231) schon besprochenen Gebrauch mehrerer neuen Schrift, steller folgt, den griechischen ins Deutsche übcrgegangenen Wörtern statt der bisherigen lateinischen ihre nrsprüng, liche griechische Form zu geben, so muß dies ganz vor, züglich auch bei den Eigennamen geschehen, und cs darf dann nicht mehr von Bachus, Ulysses, Herkules, sondern nur von Bakchos, Odüffeus, Herakles geschrieben und ge, sprachen werden, welche neuen Formen dann nach ihren Endungen unter die gehörigen Deklinationen gebracht wer, den müssen. Es lässt sich indessen schon jetzt mit ziemli, chcr Sicherheit voraussctzcn und Voraussagen, daß diese Neuerung, welche höchst bedeutenden Vertheidiger (,Voß ii. s. w.) sic auch gehabt hat, sich mit der Zeit wieder verlieren werde, da die bisherige Form zu tief in den ganz allgemeinen Gebrauch selbst der gemeinsten Umgangs, spräche cingedrungen ist, nm sich noch ändern zu lassen. Der Ockonom und das Scepter werden sich so wenig in Oikonom(os), Skepter, wie die biblischen Wörter Evan, gclist, Evangelium, Saducäer in Euaggclist.(a), Enagge, lion, Sadukaier verwandeln lassen, und eben so wenig werden Johannes, Petrus, Christus, Elisabeth in Joan, näs, PetroS, Christas, Eleisabäth übergehen.

Zweiter Abschnitt.

Flexion der Artikel. 366) Wir wissen (aus § 27, 316, 354, 363), daß die Artikel im Deutschen die dreifache Bestimmung haben, die Selbstständigkeit, das Genus und den Dcklinationscasus der Hauptwörter , um deren willen sie bloß in die Sprache cinge, führt sind, und ohne welche sie nie gebraucht werden dürfen, zu bezeichnen. Es hat nämlich der vorige Abschnitt gezeigt, daß die Hauptwörter an sich selbst und durch sich selbst nur in sehr wenigen Fällen ihr grammatisches Genus angcbcn, und daß sie eben so auch die Casus nur höchst unvollkommen an sich selbst bezeichnen; daher war für unsre Sprache ein Mittel unentbehrlich, um diesen Mängeln abzuhelfen, und so lässt es sich nicht leugnen, daß die Artikel, welche unter allen Rede,

theilen die vollständigste Deklination haben, und die Fallendun­ gen der verschiedenen Genus recht deutlich, wenigstens weit stärker als die Substantiven selbst andeuten, viel Licht und viele Bestimmtheit in unsere Sprache bringen. 367) Welches Volk oder welche Sprache den alten Deut­ schen veranlasst habe, in seine Sprache den Artikel aufzuneh­ men, lasst sich nicht mehr bestimmen, so wenig wie die Zeit des ersten Gebrauchs desselben *); aber das ist wohl ausge­ macht, daß es zuerst nur einen, und zwar den bestimmenden Artikel der, die, das in unsrer Sprache gegeben habe, und daß also der unbestimmende Artikel ein, eine, ein jüngern oder neuern Ursprungs ist, **) weil man schon den Gattungs*) Wakh (in seinem früher angeführten Werke S. 218) sagt: „die Griechen und Lateiner haben den hebräischen, die Deutschen 'ins­ gesamt den chaldäischen, die Franzosen und Spanier den arabi­ schen Artikel: o, to vom hebräischen een (hu, der), (hi, die, das); belgisch cP und dat vom chaldäischen 1 (d); das fran­ zösische le, la vom arabischen (al, z. B. Alkoran)." 1??) **) Es verdient hier geordnet dasjenige mitgetheilt zu werden, was sich in der Preisschrift von Zenisch: Vergleichung und Würdi­ gung von 14 Sprachen (,Berlin, 1796,) über die Artikel im All­ gemeinen, und über ihre Entstehung in verschiedenen Sprachen, zerstreut findet. Er sagt: die deutsche Sprache hatte schon in ihrem ursprünglichen Bau einen bestimmten und unbestimmten Artikel, (wogegen Pölitz behauptet, daß der letzte später als der erste entstanden sei,) welche beide durch ihren Klang und die Einfachheit ihres Gebrauchs den englischen Artikeln the und a ähnlich waren, und die sie wohl aus dem Persischen, als ihrer wahrscheinlichen Muttersprache, geerbt hat. Schon die gothische Bibelübersetzung des UlphilaS braucht den Artikel, aber noch höchst sparsam, z. B to barna, die Kindlein, Markus X, 4. So hat auch das Angelsächsische einen Artikel, braucht ihn aber ebenfalls nur sehr sparsam und dabei unregelmäßig. Selbst die rohen Hebräer haben an den Casuszeichen, dem 1 für den Dativ, dem m für den Ablativ und dem sch für den Genitiv, die of­ fenbarsten Spuren des Artikels, ja gewissermaßen selbst einen Artikel. Diese Buchstaben s, welche die Hebräer als Vorsylben unmittelbar mit den Hauptwörtern zusammensetzen,) müssen bei ihnen oft auch die Stelle der Präpositionen vertreten, gerade wie das französische a und de (, welche aber nicht mit den Sub­ stantiven zusammengesetzt werden, ausgenommen wenn de vor einem Vocal oder stummen h in d’ übergeht: de Paris, d’ame, d’homme). Daß dies bloße Buchstaben waren, und daß in den andern Sprachen die Artikel Sylben sind, macht in der Sache durchaus keinen Unterschied, um so weniger, da die Hebräer diese Laute auch wohl mit Vocalen, und das heißt ja als Sylben aus-

2K6

begriff ausgefrmden haben muffte, wenn man ein gewisses In­ dividuum als Theil der Gattung aufstellen wollte. gesprochen haben. (Das ist ein sehr gewöhnlicher Fall; aber wenn sie auch keinen wahren Vocal hinter sich haben, so folgt ihnen doch ein ganz kurzes, dunkles e, ein sogenanntes stummes e, das Schema (d. h. nichts) heißt, und gerade so kurz wie das e im Französischen Artikel le pere ausgesprochen wird. Eigentlich muß man auch wohl umgekehrt sagen: die hebräischen Casuszei­ chen 1 und m sind, gerade wie die französischen A und de, ur­ sprünglich Präpositionen gewesen, ei zu und min, mi, me von, aus, die noch als eigne Wörter in dieser »Bedeutung gebraucht werden, und erst mit der Zeit in Casuszeichen übergegangen, ge­ rade wie die französische Präposition A zu Zeichen deS Dativs geworden ist, fund wie man selbst im Deutschen spricht: er sagte -u David für dem Davids und de von Seichen des Ablativs. Uebrigenö bezeichnet das i im Hebräischen auch den Genitiv, von dem man kaum sagen kann, daß er durch sch ausgedrückt werde, da dies sch erst in der spätern Zeit des babylonischen Exils als eine Abkürzung des Worts niTtf (ascher, welcher, das für sich bestehende Pronomen,) mit dem 'folgenden Hauptworte zur Be­ zeichnung der Relation zusammengesetzt wurde, wobei es denn freilich oft dessen Genitiv dessen ausdrückt. Dagegen bezeich­ net der Hebräer den Accusativ durch das Wörtchen nx (et), das bald für sich allein steht, bald durch einen Bindestrich (Hyphen) mit dem folgenden Worte zusammengesetzt wird [111" HK et Da­ vid, den David). Diese ganze Bemerkung ist indessen weiter keine Ausstellung gegen Jenisch'S Darstellung. Die vorherge­ hende Anmerkung hat gezeigt, daß Wakh die Pronomen hu, hi, er, sie, es, für Artikel der, die, das erklärte.) Auch die grie­ chische Sprache hat unverkennbare Merkmale ihres Ursprungs aus dem Morgenlande, und so hat sie wahrscheinlich auch ihren Artikel einer morgenländischen, und am wahrscheinlichsten der he­ bräischen Sprache selbst nachgebildet, den indessen die Dichter und Redner, wenn es der Wohlklang und Fluß der Rede erfordert, immer wegzulassen Erlaubniß haben. Uebrigens hat der griechi­ sche Artikel o, w (ho, hae, to, der, die, das,) gewöhnlich eine Mittelbedeutung zwischen dem demonstrativen Pronomen und der unbestimmten Rede, steht aber doch oft auch ohne alle Bedeu­ tung : 6 nkatuiv ktyts der Plato sagt, statt Plato. Die late in t> sche Sprache hat dagegen keinen Artikel; aber so wahr eS auch ist, was schon ClericuS (de arte cntica) sagt, daß eine Sprache in vielen Fällen durch den Artikel an Deutlichkeit gewinnt, und daß der Lateiner in solchen Fällen sich nicht mit eben |0 wenigen Worten eben so bestimmt wie z. B. der Deutsche ausdrücken Fann: so ist es doch kleinlich und anmaßend, alle Ansichten und Borstellungen nach der unsrigen beurtheilen, und z. B. schließen zu wollen: die Lateiner konnten sich in manchen Fällen nicht ver­ ständlich ausdrücken, weil wir es in unsrer Sprache in diesen Fällen, ohne Artikel, nicht zu thun vermögen. Der Artikel giebt

Dieser Artikel der, die, das, sagt Pölitz, entstand wohl dadurch, daß der Mensch bei der Bezeichnung von Anschauung zwar größere Kürze, aber meistens nur um eine einzige Sylbe, was doch nicht bedeutend ist, und dagegen macht der Zwang, ihn überall brauchen zu müssen, die Sprache oft sehr schlep­ pend und lang. Gewiß haben Kritik und Sprachphilosophie den Artikel nicht erfunden, so wenig wie irgend eine Sprache selbst, und so auch das, was so innig und allgemein im Ganzen der Sprache verwebt ist, wie der Artikel; fie berichtigen, verallge/ meinern das Einzelne, bestimmen das Unbestimmte, und unter­ scheiden, was bis dahin noch nicht unterschieden war. Wo sie also den Artikel in einer Sprache fanden, da wandten sie ihn, den Gesetzen des Denkens und den Regeln der Bestimmtheit, Klarheit und des Wohllauts dieser Sprache gemäß an. Wo er aber nicht ist, da haben sie andere Mittel, die verschiedenen Nu­ ancen zu bezeichnen. Hat eine Sprache keinen Artikel, so mo­ delte str sich in ihrer ganzen übrigen Organisation nach dieser Eigenthümlichkeit, und passet ihre Empfindungen und Vorstel­ lungen dieser Organisation der Sprache gleichsam an. Der La­ teiner nimt so statt des Artikels seine Pronomen hic, ille u. f< w., und auch wir müssen ja im Deutschen, wenn der Artikel ei­ nen Nachdruck haben soll, einen besonders scharfen Ton darauf legen, (wodurch er aber eben deßwegen eigentlich aufhört, Arti­ kel zu sein,) oder ihn anders ausdrückcn, z. B. hier ist Sokra­ tes genannt, nicht Sokrates, der eine Kirchengeschichte geschrie­ ben hat, sondern der Sokrates, welchen Griechenland als feinen ersten Waisen verehrt; in diesem Falle nennen wir das des ebenfalls ein Pronomen. Wer lateinisch liefet, fühlt er je da­ bei den Mangel des Artikels, findet er nicht die Endung der Nomen und Derben hinreichend? Za wie schleppend werden nicht die meisten UeberseHungen aus dem Lateinischen eben schon deS Artikels wegen! Fragt man, wie das Spanische, Italiäni­ sche und Französische, als Töchter der artikellosen Römerinn, den Artikel bekommen haben, so erinnere man sich, daß diese Spra­ chen ursprünglich Pöbelsprache des römischen Volks sind, durch/ mischt mit Wörtern und Spracheigenheiten derjenigen wilden asiatischen Nationen, welche zur Zeit der großen Völkerwande­ rung sich in den römischen Provinzen eine Zeit verweilt, oder auch mit den Eingebornen vermischt haben. Rohe, ungebildete Völker verschlucken aber in der Aussprache gewöhnlich die letzten Sylben der Wörter; so ging es der gothischen Sprache des Ulphilas, so auch der lateinischen beim römischen Pöbel: man ver­ schluckte die Endungen der Namen und Gattungswörter, und man war nun genöthigt, weil Deklination und Conjugation der Sprache doch unentbehrlich sind, jene Endungen, durch welche diese sich im Lateinischen allein unterschieden, durch das bei be­ stimmten Fällen statt unsers Artikels sch^i gebräuchliche Prono­ men ille, illa, illud zu ersetzen, welches (nach Weglassung der ersten Sylbe)"das le upd la der Franzosen, das il und la der Ztaliäner, und das el und la der Spanier hrrvorbrachte, und

288

gen den wörtlich bezeichneten Gegenstand auch wirklich zeigte, der Fluß galt für den Ausdruck: dieser Fluß, den ich sehe, oder wozu man dann Beim Genitiv die Präposition de, und beim Da­ tiv die Präposition ä, das heißt ad setzte. Man folgte dabei vielleicht auch dem Vorgänge der Morgenländer, etwa der Ara­ ber, welche den Artikel al hatten. Den unbestimmten Artikel ud, une bildete man entweder aüs dem hun und huna (er, sie) der wendischen Völker, oder wahrscheinlicher aus dem Zahlwort unus; man wollte mit diesem un nichts anders ausdrücken, als daß der Gegenstand nicht der Qualität, sondern der Quantität nach vom andern verschieden sei, weil Dinge, welche man nur, zählen darf, in Ansehung alles Uebrigen in eine Classe gehö­ ren. (So unterscheidet man zwei gleiche Wassertropfen dadurch, daß man den einen den ersten, und den andern den zweiten nennt.) ES bezeichnet so un homme irgend einen Menschen, gleichviel welchen, (wo man nämlich, ohne alle Nebenunterschiede, nur zählen dürfte, und den ersten auch zum zweiten, und den zweiten auch zum ersten machen könnte,) l’homme hingegen deu, tet an, daß der genannte Gegenstand durch irgend eine Qualität von den andern seiner Gattung, und also nicht bloß der Zahl nach unterschieden ist. Uebrigens erklärt auch Engel (in seinen kleinen Schriften) die Entstehung des Artikels in den neuern Sprachen auf eben die Art, wie Jenisch dieselbe darstellt. Was namentlich noch die englische Sprache betrifft, der sich ein hoher Grad der Klarheit und Bestimmtheit nicht absprechen lässt, und die dabei doch nicht einmal den Vortheil der Endun­ gen der Nomen und Verben hat, so hat sie zwar auch die Arti­ kel a (ein) und the, of (der, das), die weiter keine Biegung in Casus und Numerus leiden, aber sie braucht dieselben sehr spar­ sam, indem sie the und of nur setzt, wenn das Substantiv in einer engern, bestimmtem Bedeutung genommen wird, wogegen the und of wegbleiben, sobald das Hauptwort in seiner allge­ meinern, weitern Bedeutung steht. Sie braucht dieselben also gleichsam nur zur Personification und Jndividualistrung der Be­ griffe. Der Wichtigkeit des Gegenstandes wegen, der in den neue­ sten Zeiten wieder vielfach zur Sprache gekommen ist, und zwar so, daß mehrere bedeutenden Stimmen, z. B. Grimm, sich ge­ gen die bisherige Art der Setzung des Artikels erklären, wes­ wegen sie ihn in vielen Fällen weglaffen, wo ihn der bisherige allgemeine Sprachgebrauch für nothwendig erklärte, möge hier noch das Wesentlichste von dem folgen, was Crevel (in seinem kleinen interessanten Werke: de l’Article et du Preterit, ä Goitmgue, 1802) über die Natur der Artikel (zunächst in Bezie­ hung auf die frar^fische Sprache) sagt. Nämlich: die Wörter Haus, Baum, Pferd malen in der Einbildungskraft keinen ge­ wissen Baum, kein bestimmtes Haus und Pferd, sondern das Bild eines unbestimmten Baumes, Hauses, Pferdes. Sage ich aber cher Daum, das Haus, so begreift der Zuhörer, daß sich

oder den ihr da sehet n. f. w. In der Folge wandte man das Wort, welches das Individuum bezeichnete, auch zur De­ von einem gewissen Baume tinb Hause besonders sprechen will; indessen weiß er noch nicht, von welchem Baume und Hause ge­ redet werden soll. Fahre ich nun fort: das Haus, welches er gekauft hat, der Baum, den ihr so liebt, so sieht der Zuhörer dasselbe HauS, denselben Baum, den ich sehe. Ich kann von beiden nun sagen, was mir beliebt, so wird der Zuhörer für sich urtheilen, ob das, was ich davon sage, ihnen zukomme oder nicht. Sagte ich hingegen bloß: das Haus ist schön, dec Baum stirbt ab, so müsste mich der klügste wie der einfältigste Mensch fra­ gen: von welchem Hause und Baume redest du denn? Hieraus ergiebt sich die erste allgemeine Bemerkung: der Artikel der, die, da- bestimmt seiner Natur nach, in der Iber des Sprechenden, einen bestimmten, individuell existirenden Gegenstand, upd bezeich­ net die Absicht, diesen demjenigen -u bezeichnen, zu welchem man spricht. Will man einwenden: in den Ausdrücken: das Pferd ist stolz, der Tiger grausam, spricht man ja nicht von einem ein­ zigen und einzelnen Pferde und Tiger, und der Zuhörer ver­ steht doch die Idee vollständig, ohne daß noch etwas hinzuge­ setzt zu werden braucht, so ist dieser Einwurf nur scheinbar, denn in der That muß noch etwas hinzugesetzt werden, aber der Spre, chende weiß und setzt voraus, daß der Zuhörer eS schon selbst zu­ setzen werde, ohne daß man es demselben zu sagen braucht, und darum lässt er eS als überflüssig weg; er setzt voraus, daß man bei seinem Ausdrucke denken werde: die Art der Thiere, welche wir Pferd nennen, hat die Eigenschaft des Stolzes. Der Arti­ kel bezieht sich eigentlich also nicht auf Pferd, sondern aus daß dabei verstandene Wort Art, und dieser Ausdruck Art wird da­ her als Individuum gedacht (; eS ist ein metaphysisches Indivi­ duum, ein abstraktes Substantiv, dessen Begriff man sich alselbstständig denkt). Eben so denkt man bei dem Satze: die Frau soll dem Mann unterworfen sein, niemals an eineu einzi­ gen, einzelnen Mann, eine einzige, einzelne Frau, sondern an die Art im Allgemeinen. Hieraus ergiebt sich, daß in solchen Phra­ sen der Singular figürlich statt des Plurals, das Individuum statt der Art oder Gattung genommen wird, so wie man denn auch in diesen Fällen nach Belieben den Plural oder Singular setzen kann. Sagt man ferner z. B.: welches Blutbad von allen Seiten! Man ermordet die Kinder und die Greise, die Tochter und die Mutter, den Sohn in den Armen des Vaters: so ist hier nur die Rede von einem kleinen Theil der Gattung, der in gewisser Art unbestimmt ist, und man kann (deswegen) auch den Artikel ganz unterdrücken: Kinder und Greise, Bürger und Soldaten wurden niedergemacht; aber dies verändert nichts in der Art der Vorstellung, sondern die vorige Bemerkung findet auch hier wieder ihre volle Anwendung. Endlich bei Ausdrücken wie:'der König ging vorbei, der Meister hat es gesagt, sieht man sogleich, daß der Artikel einen einzelnen König und Meister bestimmt, welche durch die bei der Rede statlfindenden Umstände Bauer Spracht, u VJ

290 Zeichnung der Art und Gattung an, und so

wurde aus dem

Eigennamen ein Gattungswort z doch aber behielt man immer den Artikel bei, weil man sich die Art und Gattung immer noch dunkel als selbstständig oder kndividualisirt (,der Mensch wie dieser Mensch,) dachte.

368) Die Deklination des bestimmten Artikels ist folgende:

1. 9,

3. 4.

Einheit. ?Rännltch. Weiblich. Sächlich. Fall der. die. das. « des. der. des. $ dem, dem, der, die, das. $ den.

Die Deklination des unbestimmten der keinen Plural hat, ist folgende: Männlich. Weiblich. 1. Fall ein, eine. eines, einer. 2. x einem, einer. 3. x einen. eine. 4. x

Mehrheit. Für alle drei Geschlechter. die.

der. den. die. oder Einhcitsartikels,

Sächlich. ein. eines. einem. ein.

des OrtS, der Zeit u. s. w. hinlänglich bezeichnete'Individuen sind. Da also dieser Artikel Individuen bestimmt, so ergiebt sich: i) daß derselbe ein Adjectiv -um Range eines Hauptworts er­ hebt: nichts ist schön als das Wahre (,wo das Wahre ein In­ dividuum, ein abstraktes Hauptwort darstellt); 2) daß auch In­ finitiven durch den Artikel zu Hauptwörtern, abstracto zu concreten Begriffen werden: das Wollen, das Sprechen, das Essen. (Man kann dies auf mehrere Redetheile mit gehöriger Umsicht übertragen.) 3) Umgekehrt muß die Auslassung des Artikels bei abstracten Wörtern immer die Individualität des Begriffs ver­ nichten: sich mit Klugheit benehmen, mit Recht beklagen, mit Ehre schlagen bezeichnen so viel wie klug, rechtlich, ehrenvoll, und die Wörter Klugheit, Recht, Ehre haben nur den Begriff der Adverbien, woraus sich der Unterschied von Ausdrücken wie durch Ehre und die Ehre, von ungefähr und durch das Ungefähr ergiebt. (Die Regeln, wann man im Deutschen den Artikel set­ zen oder weglassen muß und darf, gehören in den Syntax.) Uebrigens bemerkt Crevel auch noch: dans toutes les langues, qui admetlent les principales fouctions du nom (de le decliner), elles sont indiquees ou par son costurne ou par son cortege. De la resulte une difference essentielle dans le ge­ rne des langues. En esset que le capitaine soit ä Ja tete, ou ä la queue de la Compagnie, peu Importe, s’il a un uniforme distinctif. S’il n’en a point, c’est d’autre chose. En Frangais (et en Aliemand) le nom a un cortege, (savoir l’Article,) en Latin 11 a un uniforme, savoir les terminaisons des declin.iisons, qui poufroient Sire nommees Articulus postpositivus,

Zusatz. Mr haben »ms schon früher (§ 316) dahin er­ klärt, baß man im Neuhochdeutschen durchaus nicht bcrcch, tigt ist, außer diesen beiden Artikeln noch einen eignen nach­ gesetzten Artikel, articulus postpositivus, anzunehmen. Es ist schon sehr ungewiß, ob er je wirklich regelmäßig im Deutschen statt gefunden hat, was vielmehr sehr unwahr­ scheinlich bleibt; aber wenn dies auch wirklich der Fall wäre, so ist er doch jetzt in so fern völlig verschwunden, daß die Redensarten, welche man zum Beweise seines ehemaligen Daseins anführt, oder selbst auch als Gründe, ihn wieder in unsre Grammatik aufzunchmen, vom guten Sprachge­ brauch alle als veraltet und gemein gerade zu verworfen wer­ den. Dahin gehören besonders die Redensarten, deren man sich zuweilen in schlechten Kanzleien bedient: an Herrn Fclsch, Stadtrichtern in Kyritz, es ist Käufern überlassen, Klägern nach Umständen zu befriedigen, das soll heißen: den Stadtrichter und Kläger, dem Käufer; eben so die Re­ densarten des ganz gemeinen Mannes: ich habe es Vatern und Muttern gesagt, d. h. dem Vater, der Mutter, heute ist Vatcrns Geburtstag und morgen Mutterns, d. h. des Vaters und der Mutter. Diese jetzt ganz verworfene Form, die sich ähnlich auch im Dänischen und Schwedischen zeigt, hatte also, wenn sie je regelmäßige , förmlich ausgeprägte Sprachform war, für alle Genus im Genitiv der Einheit ns, ens, und im Dativ und Accusativ n, en. 368) Die Tabelle zeigt, daß im Plural alle Geschlechter denselben Artikel hqben, so wie der Plural überhaupt nie die Verschiedenheit des Genus bezeichnet, daß in beiden Artikeln sowohl der zweite (des) als dritte Einheitsfall (dem) des männ­ lichen und sächlichen Geschlechts gleich sind, daß dagegen im Feminin der zweite und dritte Fall (der) unter sich, und dem zweiten Fall der Mehrheit, so wie dem ersten Einhcitsfall des Masculins, daß dessen vierten Einheitsfall (den) dem dritten Mehrheitsfall, und daß endlich der erste und vierte Fall der weiblichen Einheit und der Mehrheit (die) sowohl unter sich als einander gleich sind. Auch zeigt diese Tabelle, daß der zweite Fall des Artikels immer des und der, der dritte Mchrheitsfall aber den heißt daß also dessen, deren oder derer, denen durchaus keine Arti­ kel sind *). *) Wenn also in der Kanzleisprache selbst jetzt noch nicht selten de­ rer Frau, und besonders denen Klägern, denen Leuten geschrie19 *

222 Wir wissen auch schon, wozu diese Artikel in der Spra­ che dienen. Der bestimmte Artikel der, die, das bezeichnet nämlich 1) sowohl im Singular als Plural die ganze Gattung oder Classe von Gegenständen, welche sein Hauptwort angiebt, mit allen darunter gehörigen, einzelnen Dingen, als selbstständig: der Mensch ist ein schwaches Geschöpf hat denselben Sinn wie der Satz: die Menschen sind schwache Geschöpfe; 2) er giebt im Singular ein einziges Ding (Individuum), im Plural aber mehrere einzelnen Dinge aus einer ganzen Classe, welche aber irgend einer im ganzen Zusammenhänge stattfindenden oder vor­ ausgesetzten Beziehung wegen schon als bestimmt, als bekannt, angenommen werden, als selbstständig an: der (bekannte) Mann ist wieder gekommen, hier liegt die (bestimmte, bekannte, bespro­ chene) Schere, hier sind die Charten ^diejenigen, welche du verlangt, erwartet hast); 3) er dient zur Bezeichnung der Ca­ sus, besonders für die Eigennamen, und überhaupt für diejeni­ gen Substantiven, welche an sich selbst die verschiedenen Diegungsfälle nicht deutlich anszudrücken vermögen.

Auf eine ähnliche Art bezeichnet der unbestimmende Arti­ kel ein, eine, ein, der nicht mit dem Zahlworte einer, eine, ei­ nes verwechselt werden darf, als selbstständig 1) die ganze Gat­ tung oder Classe von Gegenständen, welche sein Hauptwort an giebt, mit allen darunter gehörigen einzelnen Dingen, deren ei­ nes er unbestimmt, aber doch als Repräsentanten der ganzen Classe oder Gattung aufführt: ein Mensch ist immer ein schwa­ ches Geschöpf, das heißt jeder Mensch; 2) ein unbestimmtes einzelnes, nicht als bekannt vorausgesetztes Ding aus der gan­ zen Classe oder Gattung (,es sei welches und was für eines es wolle): gieb mir einen Thaler, da lauft ein Schwein, es ist eine Frau vor der Thür; 3) noch hat er einen claffificirenden Begriff, indem er die von ihm als ein einzelnes, unbe­ stimmtes selbstständiges Ding aufgeführte Art oder Classe von Gegenständen angiebt, zu welcher ein genanntes Subject ge­ hört: der Mensch ist ein schwaches Geschöpf, ein Mensch ist

-en wird, so sind bad förmliche Fehler, die sich durch nichts ent­ schuldigen lassen, auch durch keine Autorität, sondern es sind auch Fehler, wenn z. D. Göthe in seinem Werk Wahrheit und Dichtung, Theil II, Seite 85 und 428 schreibt: er führte ihn -u denen mir bekannten u. s. w. statt den.

293 ein schwaches Geschöpf, daS ist ein guter Mann, eine böse Frau *). (Man vergleiche H 209 und 211,)

Dritter Abschnitt.

Flexion der Adverbien. 369) Wir wissen (aus H 29), daß die Adverbien an sich theils Umstände theils Beschaffenheiten anzelgen, daß sie als solche Umstands- oder Beschaffenheitswörter nie unmittelbar zu Hauptwörtern gehören, und daß sie deshalb auch Nicht so wie diese deklinirt werden können. Ihre Flexion kann also nur theils in ihrer Comparativst (§ 39), theils in ihrer Conrretion *) Curtmann sagt über diese Bestimmung der Artikel (fn der Schulzeitung, 1825, Juli, Nr. 86) besonders Folgendes: der, hie, das steht, wo eine dem Sprecher und Hörer bekannte (oder als bekannt vorausgesetzte) Person oder Sache erwähnt werden soll, und macht also den Begriff, sei er Gattungsnamen oder nicht, für den Sprechenden (subjectiv, gleichsam) zum Ergennamen i :ber Mann ist da bedeutet so .viel wie Friedrich ist da, oder wie derselbe heißt; bei Sachen giebt eS freilich meistens keine Eigennamen: da hast du die Schere). Was daher nur einmal vorhanden ist, oder nach den vorausgeschickten Beziehun, gen nicht verwechselt werden kann, hat den bestimmten Artikel vor sich, welcher sich jedesmal mit; welcher, e, es uns be­ kannt ist, erklären lässt. Deshalb steht er (und nicht ein, eine, ein) vor Eigennamen, (insofern sie überhaupt eines Artikels be­ dürfen,) vor abstracten Begriffen und vor Superlativen (, weil beide eigentlich nur in der Einheit, als ein einziges mal vorhan­ den gedacht werden: der Zorn, der höchste Baum). Umgekehrt hebt ein, eine, ein nur ein einzelnes Individuum, gleichviel welches, aus einer Classe als Beispiel hervor, kann deshalb weder vor Eigennamen (, als solchen,) noch vor Sam­ melnamen (als solchen) stehen, (denn sobald irgend ein Begriff appellativ genommen wird, leidet er auch den Einheitsartikel: ein Gebirge, eine Schlägerei,) und lässt sich erklären: ein willkührliches, aus einer bekannten Classe genommenes Einzelwesen, (^s könnte noch bemerkt werden, daß deswegen die Stoffnamen nie den Einheitsartikel haben können: Geld, Butter, Flachs.) (Das Folgende scheint uns unrichtig: „daraus folgt, daß das Erste der abstracto das Andere der concrete Begriffsei, und daß vor jeder (??) und solcher nur ein, dagegen vor sämtli­ cher und bei aller nur der stehe»: kann." Wir werden unS darüber bei der Biegung der Zahlwörter erklären.)

(§ 4o) bestehen, durch welche Cöncrction sie dann aufhören, Adverbien zu sein, und in Adjectiven übergehen, welche wie die Hauptwörter flectirt werden. Che wir dies auseinanderseben, müssen wir anführen, was Pölitz sehr richtig zur Bestimmung der durch die Adverbien bezeichneten Begriffe sagt. Wenn die attributiven Sprachfor, n.en, das Adjectiv, Verbum und Particip, lehrt derselbe, zur erschöpfenden Bezeichnung des Verhältnisses zwischen Subject und Prädicat nicht ausreichen, dann tritt die Function des Adverbiums ein, wodurch das Prädicat in seinem Verhältnisse zum Subject näher modificirt wird. Seine Bestimmung ist also: die nähere Bezeichnung des Zufälligen am Prädicatc, so daß es einen Nebenbegriff, ein subordinirtes Merkmal aus, drückt; dies Zufällige am Prädicat kann aber entweder eine nähere Modification der im Prädicat ausgesagtcn Beschaffen, heit des Subjects sein, und das ist das adverbium qualitatis, oder cs bezeichnet die Umstände und Verhältniße, unter welchen das Prädicat dem Subjecte beigelegt wird, und das ist das adverbium circumstantiae. Das Beschaffenheitswort bc, zeichnet das Zufällige am dargestelltcn Subjecte (,abcr so, daß dieser Begriff für sid) allein nicht als dem Subjecte inhärirend oder cinverlcibt gedacht wird, z. B. die Gegend ist herrlich schön, er singt bezaubernd schön, er hob mich mächtig, er spricht geziert und affectirt); das Umstandswort hingegen bezeichnet das Zufällige außerhalb des dargestellten Subjects. Die Beschaffenheitswörter, welche Klügel sehr gut Attri, butivcn, adverbia oder nomina attributiva nennt, welche et, was, das in den Substanzen selbst befindlich ist (oder sein kann), aber als abgesondert von diesen, ganz für sich allein, und also unselbstständig darstellen, und deren es unzählige giebt, können eben deswegen in Ansehung ihres Begriffs nicht weiter classificirt werden; Beispiele derselben sind himmlisch, schön, mächtig, groß, klein, gut, böse, weiß, schwarz, enge. Die Umstandswörter *) aber zerfallen besonders in sol.

*) Fries in seinem wichtigen Merkchen: Untersuchungen über ei­ nige Wörter, Redensarten und Redetheile, Neustadt, 1827, S.gl sagt: ein Umstandswort ist ein mit seiner Präposition in ein Wort zusammengeschmolzene« Ortsadject oder Zieladjeck, (b. h. ein Zusatz zum Satze, der einen Ort, im weitesten Sinne dieseWorts, in seiner eigentlichen und uneigentlichen Bedeutung, als Zeit u. s. w., oder ein Ziel, eine Richtung anzeigt,) oder doch der Stellvertreter derselben. Ist dar Selbstständige der allei, nige oder doch der vorherrschende Begriff in dem OrtS- oder

gende Classen (,doch ohne daß wir behaupten, daß diese Angabe der verschiedenen Arten von Umstanden ganz vollständig sei): 1) Umstandswörter der Zeit in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: gestern, heute, morgen, ehemals, jetzt, nun, künftig. 2) Umstandswörter der Dauer, welche freilich auch eine Zeit, nämlich eine Zeitdauer bezeichnen, doch so, daß sie nicht, wie die vorigen, den Begriff des Vergangen-, Gegen, wärtig, oder Zukünftigseins im Allgemeinen ausdrücken. Bei diesen können wieder mehrere besondern Umstände berücksichtigt werden, nämlich vorzüglich: a) der Umstand der Eilfertigkeit: plötzlich, sogleich, schnell; b) der Unbegränztheit oder Gränzenlosigkeit: ewig, stets, immer, noch (in der Bedeutung: in oder zu dieser Zeit: bist du noch hier? in Redensarten wie: du wirst noch fallen, bezeichnet noch einen andern Umstand, etwa so viel wie unter diesen Umständen, wahrscheinlich; in der Rede: unter noch andern Zeiten heißt noch so viel wie wieder; in Re­ densarten wie: was willst du noch? heißt noch überdies, auch, und kann also sowohl zu den Umstands, als Binde­ wörtern gerechnet werden); Aieladject, so ist daS stellvertretende Adverbium ein Umstands­ wort im engern Sinn, adverbium circumstantiae, z. B. als lenthalben (,d. h. an allen Orten, bei allen Gelegenheiten, in allen Dingen) ist er mir hinderlich; darin (,d. h. in diesem, in dieser Sache) irrst du; wir sehen ihn gern (,d. h. mit Ver­ gnügen, mit Wohlgefallen); ich gehe heim (,d. h. nach Hause); heute (,d. h. an diesem Tage) friert es; hier (d. h. an dresem Orte) wohn.e ich; da- ist sehr (d. h. in hohem Grade) schlecht; er kommt herein l,d. h. in dieses Haus); so (,d. h» auf diese Art) ist es recht. Zst hingegen die dem Selbstständigen einverleibte Beschaffenheit der vorherrschende Begriff in dem Orts - oder Aieladject, oder ist diese Beschaffenheit als etwas Selbstständiges gedacht, so ist das stellvertretende Adverbium ein Beschaffenheits - Umstandswort, Beschaffenheit-Adverbium, adverbium qualitatis; er wohnt angenehm (,d. h. in einer an­ genehmen Gegend), sie benimt sich klug (,d. h. auf eine kluge Art, mit Klugheit). Au den Adverbren rechnet man auch die Wörter nicht, fa, nein, obgleich kaum mit Recht, da sie we­ der ein Orts- noch Aieladject vertreten. Nicht ist die vernei­ nende Partikel, und steht ganz allein in der Sprache; ja und nein vertreten ganze Sätze, daher man sie wohl Satzwörter nennen könnte. Gleiche Bewandtniß hat es mit einigen andern Wörtern: er kommt gewiß, zuverlässig, vermuthlich, vielleicht, d. h. es ist gewiß, ich vermuthe, es ist möglich, daß er kommt. Als Adverbien könnten diese Wörter Satz - Umstandswörter heißen

296 c) der Gränzen des Anfangs: feit, (d. h. von der Zeit an,) vorher, (b. h. bis zn dieser Gränze, bis zn diesem Zeitanfange,) nachher, (d. h. von diesem Zeitanfange an, von diesem Nun-an, der Gegensatz von vorher, d. h. bis z» die­ sem Nun, so daß es nicht hernach heißen muß, obgleich Göthe in seinem Herrmann und Dorothea, neue Ausgabe, Braun, schweig, S. 67, Z. 4 so schreibt,) nachdem in der ziemlich ver­ alteten Bedeutung dieses Worts nachher, postea, z. B. zu­ erst kam A, nachdem B; als postquam ist es ein Bindewort, z. B. nachdem er dies gesagt hatte, schlief er ein); d) der Gränzen, innerhi.lb deren etwas statt findet: damals, (d. h. zu der Zeit oder während dessen,) indessen oder indeß (,in der Bedeutung während dessen, z. B. wir aßen, indessen schlief er, oder indessen wir aßen schlief er, welche Bedeutung die edlere Sprache diesem Worte aber nur noch selten beilegt; in der Bedeutung aber ist es ein Bindewort, z. B» wenn du indessen willst, so u. s. w.); e) der Gränzen des Endes oder Ausgangs: bis, bisher. 3) Umstandswörter des Orts für nahe und entfernte Ge­ genstände sowohl in der Ruhe als Bewegung: hier, dort, da, (b. h. an diesem Ort, außerdem ist da ein Bindewort, z. B. da ich weiß, daß, u. s. w.,) heraus, hinein, dahin, daher, (für von daher, z. B. kam der Stein daher? sonst ist daher ein Bindewort, z. B, ich bin krank, daher gehe ich nicht aus,) überall, nirgends, fort, weg, drüben, droben, (für die vertrau­ liche Sprechart mit provinciellem Gebrauch, so daß diese,, wie alle ähnlichen Wörter, in denen dr wohl für dar, da steht, z. B. draußen für daraußen, das ist da außen, drunter, drinnen, im Hochdeutschen nach aller Möglichkeit vermieden werden); 4) des Umfangs: sämmtlich, allerseits, (das in deredlen Sprache nur noch höchst selten, so wie insgesamt gar nicht mehr gebraucht wird,) zugleich, meist, theils - theils, (wel­ che man auch wie Bindewörter braucht,) besonders, etwa, ein­ zeln, allein (,z. B. bist du allein hier? in der Bedeutung aber ist es ein Bindewort: ich wäre gern gekommen, allein u. s. w.); 5) des Grades (der Starke), in welchem das Prä­ dicat dem Subject znkommt: seht, vorzüglich, besonders (als vorzüglich f. Nr. 4), hauptsächlich, gänzlich, gar, fast, kanm, heftig; 6) der Art (und Weise), wie das Prädicat vom Sub­ ject ausgesagt wird: gern, lieber, in so fern, (in der Bedeutung wenn für das veraltete wofern, in welcher man alle drei Wörter gewöhnlich und gut in eins: insofern zusamipenzieht,

bilden sie ein Bindewort,) eben, gleich, gleichsam, wie, (ich weiß nicht, wie ich sitzen soll, d. h. ans welche Art; er arbeit tet wie ich, d. h. auf dieselbe Art, wie ich arbeite; sonst ist wie ein Bindewort, das aber im Grunde die Bedeutung des Adverbilims behalt: er arbeitet, wie ich, d. h. er arbeitet, und ich arbeite auch; das Komma unterscheidet hier den Sinn; er ist so groß wie ich; wie heißt du? s. § 370,) so (, d. h. anf diese Art: so musst du es machen; also ist in dieser Bedeu­ tung veraltet: also hat Gott die Welt geliebt, besser s o, außer­ dem ist so, wie also, ein Bindewort: wenn du willst, so komm); 7) derGemüthsstellung des Redenden, (oderderO.nalität des Satzes,) besonders um Fragen, Antworten, Bejahungen, Verneinungen, Zweifel auszudrücken: ja, nein, nicht, nichts, frei­ lich, wahrlich, allerdings, vielleicht, weswegen, warum, wann (kommst du? welche letzten drei in verbundenen Sätzen zugleich für Bindewörter gellen: ich weiß, weswegen, warum, wann er kommt); 8) der Zahl: nie, selten, oft, häufig, immer, stets (;ähn­ lich Nr. 1, 2, 4). Zu dieser letzten Classe der Umstandswör­ ter gehören im Grunde auch alle Zahlwörter, wenigstens in ihrer adverbiellen Form, die aber ihrer großen Menge und Wichtigkeit wegen, und auch weil aus ihucn so nothwendig und häufig Adjectiven und Substantiven abgeleitet werden, zu einem eignen Redetheil erhoben worden sind. (Etwas, viel, alles, nichts sind daher bei den Zahlwörtern besprochen.) Um wenigstens an einem Beispiele zu zeigen, wie wichtig es ist, die Bedeutungen ähnlicher Umstandswörter genau zu unterscheiden, wollen wir hier aus Eberhards Synonymik den Unterschied der beiden Umstandswörter der Zeit jetzt und nun angcben: jetzt bezeichnet die Gegenwart als einen Theil der abstracten, nun als einen Theil der concreten Zeit. Die abstracte Zeit betrachten wir als l e e r, so daß sich die Theile bloß durch die Folge als vorher und nachher unterscheiden, in­ deß sich die Theile der concreten Zeit durch Dinge, Begeben­ heiten, Zustande und Veränderungen, die in derselben wirklich sind, nntcrscheidcn. Nun zeigt also einen Zustand oder eine Veränderung an, die mit einem andern Znstande zu gleicher Zeit, und in ihm gegründet ist; ich bin nun zufrieden heißt unter diesen Umständen; jetzt bin ich zufrieden heißt: in der Gegenwart, ohne Rücksicht ans die Gegenstände und Umstände. Weil gegenwärtige Zustände und Veränderungen ihren Grund in den vorhergehenden haben, so bezieht sich nun auf diese kurz vorhergehenden noch fortwirkenden, die früher, die bis da-

298 hin noch nicht da waren; nun und jetzt heißt also in Bezie­ hung auf die Umstände, und in der (gegenwärtigen) Zeit; nun steht in Verbindung mit damals und dann, jetzt mit ehemals und einst. Daher braucht man nun auch als Folgerungspartikel, indem es den Untersatz eines Vernunstschlusscs herbciführt: alle Menschen können irren; nun bist du ein Mensch, also kannst du irren. Erste Abtheilung.

Komparation der Adverbien. 37o) Alle unsre Begriffe lassen sich im Allgemeinen so­ wohl ihrer Qualität nach, d. h. ihrer Beschaffenheit, ihrem In­ halt, ihrem Begriffe nach, als auch ihrer Quantität, das heißt ihrem Umfange nach mit einander vergleichen. Durch die erste Vergleichung nach der Qualität bestimmt man die Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit der verschiedenen Be­ griffe, mit Ausschluß aller Ausdehnung oder des Umfangs der­ selben, und daher kann in keiner Sprache eine Steigerung oder Erhöhung der Aehnlichkeitsbegriffe als solcher statt finden. Dagegen geht aus dem Umfange oder der Quantität der Be­ griffe ihre Gleichheit oder Ungleichheit hervor. Diese Gleich­ heit ist wieder als solche der Steigerung unfähig, weil sie dadurch sogleich aufhören würde, Gleichheit zu sein. Wenn man nun aber diese Begriffe der Gleichheit und Aehnlichkeit nicht so streng und genau nimt und unterscheidet, wie wir sie eben (mathematisch) *) definirt haben, so laufen

*) Sn der Mathematik nennt man zwei Größen gleich, äqual (=), wenn sie dieselbe Größe oder Quantität, dieselbe Art und Men­ ge von Theilen haben. So ist 12 gleich dreimal vier, (13 = 3x4,) ein Dreieck kann einem andern Dreieck, aber auch einem Biereck oder Kreise gleich sein; ähnlich heißen dagegen Größen, welche dieselbe Qualität haben. Was ist nun aber Qualität? Da­ rüber giebt es keine eigentliche, wahre Erklärung mit bestimm­ ten, positiven Merkmalen, sondern man hilft sich durch negative Festsetzungen, indem man sagt: unter der Qualität, wofür Be­ schaffenheit bloß eine nichts erläuternde Uebersetzung ist, ver­ steht man bei einem Gegenstände alles das, was nicht zu seiner Quantität gehört. Will man dies verdeutlichen, so ist man zu folgender Auseinandersetzung genöthigt: die ganze reine Mathe­ matik beschäfftigt sich theils in ihrem ersten Haupikheile, der all­ gemeinen Mathematik, deren erste Unterabteilung die Arithme­ tik ist, mit diScreten, d. h. mit solchen Größen, bei welchen man bloß auf die Art und Menge ihrer Theile, und das ist auf ihre

dieselben, für den gewöhnlichen Sprachgebrauch des geselligen Lebens, sehr in eickander, so wie denn beide, Gleichheit und Aehnlichkeit, ganz allgemein durch Vergleichung der Gegenstände entwickelt, gefunden und dargestellt werden. Hieraus ergiebt sich schon, daß es eine durchaus unrichtige Ansicht sein muß, nach welcher so viele Sprachlehrer behaup­ ten, das unbedeutende Dindewörtchen s o habe die Kraft, Aehn­ lichkeit in Gleichheit zu verwandeln, und die Aehnlichkeit zweier Begriffe werde durch wie, die Gleichheit hingegen dnrch als ausgedrückt **)♦ Quantität Rücksicht m'mt, theils in ihrem zweiten Haupttheile, der besondern Mathematik, deren erste Unterabtheilung die Geo­ metrie bildet, mit stetigen oder continuirlichen, d. b. mit solchen Größen, bei denen man nicht nur auf die Art uno Menge der Theile, sondern außerdem auch auf den Zusammenhang oder die Form derselben sieht, die folglich so beschaffen fein müssen, daß alle ihre Theile ohne Zwischenraum unmittelbar Zusammenhän­ gen. Hieraus folgt, daß in der Arithmetik, welche bloß die Quantität untersucht, nie die Rede von Aehnlichkeit sein kann, sondern daß bloß stetige Größen ähnlich sein können, und daß diese ähnlich sein werden, wenn sie in ihrer Form übereinstim­ men, und sich also nur in Hinsicht ihrer Quantität oder Größe unterscheiden. So hat man eine afsirmirende, positive Bestim­ mung für Aehnlichkeit gefunden, und sagt nun: Größen sind ähnlich, welche dieselbe Form haben. *) Daß diese Bestimmung: Aehnlichkeit werde durch wie. Gleich-heit durch als bezeichnet oder auögedrückt, falsch ist, zeigt nun sogleich schon der ganz allgemeine Sprachgebrauch in der Mathematik; man nennt das Verhältniß zweier Größen die Bestimmung oder Angabe, wie die eine derselben aus der an­ dern durch die einfachen Rechnungsarten oder Species entstehen oder abgeleitet werden kann, und eine Proportion die Gleich­ heit zweier Verhältnisse. Namentlich heißt eine geometrische Proportion die Gleichheit zweier geometrischen, b. h. solcher Verhältnisse, welche untersuchen, wie eine ihrer Größen aus der andern durch Multrplication oder Division entstanden gedacht werden kann, und man bezeichnet solche geometrische Proportion z. B. a:b = c:d, oder 3 rthl. : 12 rthl. = 5 Pfund : 20 Pfd., und diese Constructionen liefet man: es verhält sich a zu b, wie (=) c zu d, oder: Z rthl. entstehn aus »2rthl., (eben so) wie (=) 5 Psund aus 20 Pfunden (durch Division mit 4), Hier sagt nun kein Mensch, weder ein Mathematiker noch ein Nicht­ mathematiker, auch im ganz gemeinen Leben: 3 rthl. verhält sich zu 12 als 5 Psund zu 20 Pfund. Und so ist schon durch die­ sen Sprachgebrauch wenigstens so viel fest entschieden, daß auch die Gleichheit durch wie ausgedrückt wird, denn Proportio­ nen, welche nur die Quantität, und nie die Form untersuchen

300 Daß aber diese Bestimmungen fatsch sind, und namentlich welä-er der wahrhaft richtige, sprachgemäße Gebrauch der Bin­ dewörter wie und als für die Comparation der Adverbien ist, zeigt sich erst durch eine genauere UntersuchlMg über die Na­ tur und Bedeutung dieser Bindewörter wie und als, welche wir deswegen hier vorausschrckcn müssen. Die Sprachlehrer und Schriftsteller sind über diesen Gegenstand noch so sehr un­ einig und unentschieden, daß man sich dabei selbst nicht einmal auf den Sprachgebrauch berufen kann.

Eben deswegen müssen wir aber sehr ausführlich sein, da­ mit sich aus der Natur der Sprache selbst zeige, wie man we­ nigstens am richtigsten sprechen und schreiben sollte.

(In der Lehre von

den Bindewörtern werden wir den

Gebrauch der Conjunctionen als, wie, da und weil mit ein­ ander vergleichen, und uns dann auf die gegenwärtige Ausein­ andersetzung berufen. Man merke sich jetzt nur vorläufig, daß weil vorzüglich eine Ursach, das Bindewort da aber einen Grund, und dann auch eine Zeitbestimmung, doch nur mit dem Begriff eines causalen Zusammenhanges, bezeichnet, so daß

und bestimmen, geben nie Ähnlichkeit, sondern bloß Gleichheit oder -Ungleichheit zweier Verhältnisse an. Daß man diese Wahr­ heit: die Gleichheit wird durch wie ausgedrückt, aber auch aus der Mathematik auf den Sprachgebrauch des gewöhnlichen gesel­ ligen Lehens», also auf den Sprachgebrauch überhaupt, insofern er nicht durch böse Gewohnheit verderbt ist, übertragen kann, zeigt schon die Bedeutung des Worts ähnlich, welche man dem­ selben im gemeinen Leben ganz gewöhnlich beilegt. Nach dieser heißt ähnlich nichts weiter als: beinahe gleich, fast, doch noch nicht ganz gleich; Ähnlichkeit bedeutet nichts als eine Annähe­ rung zur Gleichheit, gleichsam einen geringern Grad der Gleich­ heit, eine noch nicht völlig erreichte Gleichheit. So sagt man: gleich ist zwar dieser Winter dem vorigen nicht, aber doch ähn­ lich ; es ist jetzt eine ähnliche Kälte wie im Jahre 1740; dieser Wein ist dem vorigen nicht bloß ähnlich, sondern wirklich ganz gleich; oder: er ist (,er kommt) ihm noch nicht gleich, aber doch (schon) ähnlich; die Stimme der Sonntag hat eine ähnliche Höhe wie die der Catalani (; freilich besser: der Sonntag Stim­ me ist in der Höhe der stimme der Catalani ähnlich, oder sie erreicht fast dieselbe Höhe, wie die C.) Diese Beispiele zeigen zugleich, daß auch die Ähnlichkeit durch wie ausgedrückt wird. Uebrigens heißen in der Mathematik Dinge, welche ähnlich und gleich sind, congruent- (Eine genauere Bestimmung dieser ma­ thematischen Begriffe enthält mein Lehrbuch der Mathematik, Berlin, 1817, bei Mittler.)

301

zwei Begebenheiten wie Grund nnd Folge von einander ab­ hangen *). 371) DaS Bindewort als fasst besonders folgende Be­ zeichnungen und Bedeutungen in sich: es ist 1) steigernd bei den Comparationen: er ist größer, nicht größer, kleiner als ich (§ 375); 2) erläuternd zur Andeutung einer Apposition: er hielt sich tapfer als ein würdiger Officicr; er zeigte sich als einen bra­ ven Officier; (von dem Unterschiede der Apposition des Sub­ jects er: ein braver Officier und des Objects sich: einen bra­ ven Officicr kann erst der Syntax beim Regimen der Zeit­ wörter sprechen;) ich empfehle mich Ihnen als Ihr gehor­ samer Diener, und auch (in einem andern Sinn) als Ihren gehorsamen Diener; 3) einschränkend oder restriktiv, insofern es die Rücksicht oder Einschränkung angiebt, nach welcher das von dem Gegen­ stände Ausgcsagte von demselben behauptet werden kann: Cicero sprach als Consul gegen diesen Vorschlag, als Gelehrter für denselben; unser König hat als Herzog von Schlesien mehrere Verpflichtungen; 4) umschreibend oder circumscriptiv, in welchem Falle wenn oder ob auf als entweder wirklich folgt, oder doch hinzu ge­ dacht werden muß: er thut, als ob er mich nicht kenne oder kennte; er thut, als kenne er mich nicht; sie kommen, als wenn sie gerufen wären. Oft dienen indessen als wenn und als o b zu nichts weiter, als die Rede fortzuführen, und dann steht besser und richtiger daß dafür: er will das Anschn haben, a l s wenn er es redlich meinte; besser: er will das Anschn haben, daß er es redlich mit mir meine; er wollte mich überreden, als ob cs zu spät sei, und als wenn er alles behalten habe, besser daß; auch mit Weglassung des ob und wenn: er wollte mich überreden, als komme er zu spät für daß. Zu entschuldigen ist diese Art zu sprechen, wenn ohne sie zu viele daß hinter einander folgten: es sei fern, daß ich behaupten wollte, als müsse man, oder als wenn man müsse für daß. (f. h 372 Nr. 6.)

*) ES wäre nicht nöthig, über diesen Gegenstand hier so wektläuftig zu sprechen, wie wir thun werden, wenn man nicht sehr wünschen müsste, daß doch endlich einmal ein vernünftiger Sprach­ gebrauch hierin allgemein werden möchte, da bisher die willkührlichen, unbegründeten, unvollständigen und sich widersprechenden Aufstellungen der meisten neuen Sprachlehrer ihn sich zu bilden nur zu sehr verhindert haben.

302 5) Ferner sicht als verbindend oder conjunctiv im Nach­ satze hinter sowohl in zusammengesetzten Sahen; in diesem Falle steht gewöhnlich auch neben als: sowohl mein Vater als (a u ch) mein Bruder nahmen ihn gut auf; er gab sowohl meinem Vater als (auch) meinem Bruder den Abschiedskuß; ich sah sowohl den König als auch die Königinn. Diese Bei­ spiele zeigen sogleich, was wohl zu merken ist, daß in solchen Sätzen mit sowohl als auch durchaus von gar keiner Ver­ gleichung die Rede ist, so daß als hier weder Gleichheit noch Steigerung anzeigen kann; (in Sätzen wie: mir ist so wohl wie dir, wie mir lange nicht war, sind so unfr wohl [b. i. gut, der Gegensatz von übcl,j Adverbien, so daß cs keine Bin, dewörter sowohl wie faucht giebt;) es zeigen sowohl als auch, gera de wie die lateinischen et-et, bloß die Verbindung zweier Begriffe und ihrer Wörter an, so daß sie nichts als eine zur größeren Lebendigkeit der Rede gewählte (oralorische) Uinschreibung des einfachen Bindeworts und ausmachen, was sich auch daraus zeigt, daß das mit solchen durch sowohl als auch ver­ bundenen Subjecten verknüpfte Zeitwort den Numerus des Plurals annimt; wie man sagt: A und B waren hier, so heißt es auch: sowohl A als (auch) B waren hier, und nicht: war hier; aus allem diesem ergießt es sich, daß es der Sprachgebrauch nicht mehr erlaubt, durch diese Bindewörter sowohl als auch zwei ganz verschiedene Sätze mit einander nä­ her zu verbinden, oder in einander zu verschlingen; man kann sagen: da ich sowohl Geld habe, als auch gesund bin, aber man darf nicht (mehr) sagen: meine Lage ist günstig, denn sowohl der Minister ist mir gewogen, als auch alle meine Collegey lieben mich herzlich; auch darf man nicht mehr sagen: sowohl der König gab seine Eiwilligung, als (auch) das Consistorium wünschte die Sache; 6) erklärend oder erplanativ, insofern cs einzelne Fälle als Erläuterungen desjenigen angiebt, was im Allgemeinen behaup­ tet wird, z. B. er sieht auf äußere Dinge, als Kleidung, Gang; es heißt hier soviel wie zum Beispiel *) oder, wenn es alle Theile eines Ganzen aufzählt, nämlich; 7) ausnehmend oder exceptiv, insofern es ein Gegentheil als eine Ausnahme bezeichnet, und mit nichts verbunden ist:

•) Der Gebrauch des atü restrictkv oder explanativ hinter Relati­ ven wird jetzt als veraltet verworfen: mein Freund, als welcher morgen kommt; der Ort, alS wohin ich reise, alS woher er kommt.

ich habe nichts gesehen als einen Kahn; er that nichts als weinen; cs bedeutet hier als so viel wie ausgenommen: cs war niemand da als die Herren A, B und C, was dem Sinn nach zusammenfällt mit der vorigen Bedeutung, wenn als alle Theile eines Ganzen aufzählt, wofür man freilich lie, ber nämlich nimt: es waren nur drei Männer anwesend, als A, B und C; 8) begründend oder causal im Nachsatze mit daß, wenn der Vordersatz zu hat: er ist zu bescheiden, als daß er wider­ sprechen sollte, das heißt: ich mache den Vernunftschluß, seine Bescheidenheit ist der Grund, enthält den Grund in sich, daß er nicht widerspricht, sein Nicht,widersprechen ist begründet in seiner Bescheidenheit; da er so bescheiden ist, so wird er 'nicht widersprechen; *) 9) zeitbestimmend oder konsekutiv, sowohl im Vorder, als Nachsatze, und dies ist diejenige Bedeutung, in welcher als am häufigsten gebraucht wird: als er so sprach, schwiegen alle; ich war eben vom Tische aufgestanden, als er zu mir kam. Wenn ein Vordersatz als hat, so kann sein Nachsatz da ha, bcn, welches Wort aber in diesem Fall bloß dann, damals bedeutet, also ein Umstandswort der Zeit, und nicht das be, gründende Bindewort ist; gewöhnlich indessen bleibt dies da ganz weg, indem man nur unter besondern Umständen zur Er, regung größerer Aufmerksamkeit sagt: als er sprach, da schwie­ gen alle. Spricht man: als du geboren wurdest, da weintest du, und die Umstehenden freuten sich, so heißt das bloß da­ mals; daher kann es eben auch wegbleiben, weil dieser Be, griff damals schon im ganzen Vordersatze, und namentlich in als liegt; sagt man: als du geboren wurdest, so weintest du, als er sprach, so schwiegen alle, so ist dies so ganz müßig.

*) Wir werden in ter Folge den wichtigen Unterschied zwischen Grund und Ursach näher kennen lernen; da- Wort causal schließt nach dem Sprachgebrauchs beide Begriffe in sich. Hier ist vom Grunde die Rede, der durch da bezeichnet wird, immer «inen Vernunftschluß vorautsetzt, und angiebt, daß etwa- statt findet, wogegen die Ursach durch weil au-gedrückt wird, und angiebt, warum eine gewisse Folge oder Handlung statt findet. Folgendes Beispiel versinnlicht diese Begriffe: da ich spazieren gehen soll, so will ich jetzt gehen, weil er schöne» Wetter ist. Der Grund, daß ich spazieren gehe, ist nicht da» schöne Wetter, sondern der Befehl de- Arzte», der mich schließen lässt: da ich gehn soll, so will ich'- auch thun; aber di« Ursach, warum ich jetzt gehe, ist di« Schönheit de- Wetters.

304 ohne alle BedeututtA ftnb deshalb nicht nur unnütz, sondern für so kurze Sätze selbst verwerflich, indem dies so, welches bloß dazu dient, den Vordersatz vom Nachsatze zu trennen, und den Anfang des Nachsatzes zu bezeichnen, zweckmäßig nur am Ende langer Vordersätze gebraucht wird, wenn man ohne das so den Anfang des Nachsatzes verkennen könnte. (Hier­ nach sieht man, daß Rcinbecks Regel [in seiner Regellehre): nach als folgt da im Nachsätze, nach da folgt so, z. B. als ich ihn bemerkte, da ging ich ins Haus, da ich ihn nicht spre­ chen konnte, s o ging ich ins Haus, in dieser Allgemeinheit des Ausdrucks falsch ist.) In mehreren Fällen vereinigt sich dieser Begriff der Zeit, den als eigentlich ausdrückt, mit dem Begriffe der Ur fach, welche durch weil ausgedrückt werden soll; dann behält im Ausdruck der Zeitbegriff den Vorzug, und man muß als, und nicht weil brauchen.

Diese Fälle können namentlich bei allen Aeußerungen der bloß sinnlichen Natur des Menschen eintreten, insofern diese Aeußerungen das Raisonnement der Vernunft od,er des Ver­ standes wenn auch nicht ausschließen, doch wenigstens durch ihre eigene stärke zurückdrängen, so daß es nicht sichtbar wird. Sagt z. B. jemand: als'er mir den Degen zeigte, fiel ich in Ohnmacht, so liegt freilich dieser Ohnmacht ein Raisonnement zum Grunde: mit diesem Degen kann und will er dich erste­ chen, du bist in Lebensgefahr, und dies Raisonnement war der Grund, daß ich in Ohnmacht fiel; es ging über in eine wirkende Ursach, es machte mich furchtsam, und ich fiel aus der Ursach in Ohnmacht, weil ich mich fürchtete; dies alles aber, das Raisonnircn über die Kraft jenes Degens, u,nd den bösen Willen dessen, der ihn mir zeigte, das Furchtsamwerden vor dem Degen, vor dem Tode, den der Dege» mir bringen, verursachen konnte, drängte sich in einen Moment zusammen mit meinem Ohnmächtig, werden, und dieser Umstand, die Gleichzeitigkeit des Degen-zeigens und des Ohnmächtig-wer­ dens ist es, was ich vorzüglich in meiner Rede ausdrücken, will; daher darf ich nicht sagen: da (Grund) ober weil (Ur­ sach) er mir den Degen zeigte, fiel ich in Ohnmacht; dies wäre wenn gleich nicht falsch, doch viel z» matt, zu nnbezcicknend gesprochen; sondern ich muß sagen: a l s er u. s. w., daS heißt, ich fiel in Ohnmacht, .weil er mir den Degen zeigte, und zwar in demselben Momente, als er mir denselben zeigte. Zusatz.

Zusatz» Veraltete Bedeutungen des als sind besonders: 1) für so zur Bezeichnung einer Schiussfolgc: da dies Halts verkauft werden soll, als wird solches hiermit angezeigt; 2) für wenn; das gute Gemüth, als es an Tugcnh denkt; 3) vor heute und gestern und ähnlichen Zeltbestinimungen: ich kam zu ihm, als heute früh, als gestern Abend, als Montag, den ersten )uli; 4) vergleichend für so, eben so; als lange sich der Tag erstreckt, hat seine Wolke sie bedeckt, bei Opitz; als Gott mir helfe, für so wahr (wie) mir Gott helfe.

io) Von diesen, alten Gebrauch des als ist noch als daß (,s. Nr. 8,) im erklärenden, aufzählenden Sinn allgemein üb­ lich: nichts ist so gewöhnlich, als daß, für wie dieses, daß u. s. w., nichts ist so gut oder besser, als daß du hier bleibst. 372) Das Bindewort wie hat folgende Kraft und Be­ deutung : 1) es vergleicht, und bezeichnet in dieser Hinsicht so­ wohl Gleichheit als Aehnlichkcit: er ist so groß wie du, (Gleich­ heit,) fast so groß wie du, (Annäherung zur Gleichheit, Aehnlichkeit,) nicht so groß wie dn, (geleugnete Gleichheit und Aehn, lichkeit,) er sieht aus wie ein Schornsteinfeger, (Aehnlichkeit,) er benimt sich wie ein Narr, wie ein Kind, wie ein Edelmann, wie ein Schurke (; immer Aehnlichkeit oder auch Gleichheit, und ganz unterschieden von den Redensarten: er benimt sich als ein Narr z. B. klug genug, d. h. er, der er doch ein Narr ist, (Appositionsbegriff, quain, en quallig de,] benimt sich hierbei klug genug, [et könnte auch als ein Narr sich hierbei wie ein Narr benehmen,] er benimt sich als ein Kind auch kindisch oder nicht kindisch, er benimt, beträgt sich als ein Edelmann wie ein wahrer Edelmann, d. h. er, der er ein Edelmann ist, betragt sich seines Adels würdig, so w i e sich ein Edelmann betragen muß *). (Wenn Rcinbeck sagt in seiner Sprachlehre, 1813, S. 102: wie ist vergleichend im Vorder­ satze, worauf so folgt: wie der Anfang, so das Ende; int Nachsatze steht besser als: so fleißig als er: so ist die letzte Behauptung offenbar als unbegründete Willkühr falsch.) *) Dieser Regel gerade entgegen sagt z. B. Reinbeck in der Regel» lehre, wenn ein Adverb durch so dem Grade nach bestimmt, so folgt allemal «16: er steht so fest als ein Fels. Sein Ree- iw Seebode's Bibl , i8»a, IX, sagt dagegen ganz richtig, daß hier beim Positiv wie, und nur beim Eomparati» al6 stehn mnß> Dauer Spracht, u. 20

306 2) Mit dieser Bedeutung sind die folgenden ganz nah ver­ wandt, indem wie namentlich noch anzeigt die Art (und Wei­ se), in welcher Hinsicht es besonders erklärend oder erplanativ ist: ich weiß, wie ich das mache, d. h. ich kenne die Art (und Weise), es zn machen; ich weiß nicht, wie du heute bist, wie du anssiehst, wie du dich beträgst; ich möchte wissen, wie er heißt; mir ist, ich weiß nicht wie. Es ist wie in dieser und mehreren der folgenden Bedeutungen eigentlich ein Umstands­ wort, das aber zugleich grammatisch eine verbindende Kraft hat, indem eS zwei Sätze ganz nach Art eines Bindeworts mit einander verknüpft: sie schläft, wie ich sehe; er ist wie tobt, er kommt wie gerufen. In der eben erwähnten erklärenden oder explanativen Be­ deutung wird daS wie besonders mit denn verbunden; doch verliert sich dieser Gebrauch immer mehr aus der ernsten und ediern Sprache, wogegen er in der einfachen Sprache des ge­ selligen Umgangs sich wohl gewiß erhalten wird: ich sagte ihm, wie es denn auch wahr ist, daß Reichthum nicht glücklich macht; ich ließ ihn, wie es denn nicht anders sein konnte, ohne alle Antwort; wir konnten wenig sehn, wie es denn auch dicker Nebel war (,wo man auch indem, weil und da brauchen konnte); ich ging heute Mittag, wie ich zu thun gewohnt bin, eine Stunde spazieren. Noch mehr hat sich im edler» Sprachgebrauch die Bor­ setzung des gleich vor wie in dieser Bedeutung verloren, die übrigens sowohl im Vordersatze, dem dann so im Nachsatze folgt, und im Nachsätze, als auch zwischen einzelnen Begriffen und ihren Wörtern statt finden kann: gleich wie (, jetzt lieber bloß wie) das Gold im Feuer geprüft wird, so (, nicht mehr also) die Tugend im Leiden; seid vollkommen, gleich wie (»jetzt lieber bloß wie) euer Vater im Himmel vollkommen ist; er lebt gleich wie (,jetzt lieber bloß wie) ejn Engel; gleich wie schloß wie) der Herr, so der Diener **). aber er nennt doch wie die Partikel der Ähnlichkeit, und al» der Gleichheit, der Selbstheit, was doch zwei ganz verschiedene Dinge sind. Kann denn die Ähnlichkeit des Positivs durch den Comparativ in Gleichheit übergehen? *) Schmitthenner tadelt cS kn Seebode's Bibl. 1825, III, baß man wie, althochdeutsch huin, daS auf welche Weise heiße, eine vergleichende Partikel nennt. Wie lässt sich daS tadeln? Er sagt übrigens, wie sei bekanntlich (??) der caeu» inttrumentalis von wer, der sich aus den ältesten Seiten unsrer Spra­ che erhalten habe.

3) Gan; ähnlich ist die Bedeutung des wie, wenn man cs mit Adverbien und Adjectiven verbindet: wie klug du auch bist, d. h. welche Art, welche Höhe, welche Größe deine Klug­ heit auch erreicht hat; wie sehr klug dn auch bist; wie wun­ derlich er sich auch benahm; wie gern ich auch wollte, d. h. wie sehr gern, so sehr gern ich auch wollte; wie glückliche Leute ihr seid; wie freundliche Gesichter ihr (auch) macht. Man kann bei dieser Art zu sprechen auch das wie vom Adverb, ja selbst vom Adjectiv trennen: wie ist ein solches Blatt so un­ bequem, wie seid ihr doch so grämliche Leute, wie wurdet ihr böse Dezahler statt wie böse Bezahler wurdet ihr. Man sicht leicht, daß man diese Redensarten auf mehrere verschiedenen Arten auflösen kann; die Einwürfe aber, die man aus diesem Umstande hcrlciten möchte, bleiben immer ganz unbedeutend. So kann man sagen: wie gern ich auch will, heißt: ob ich gleich (sehr) gern will, und das ist ganz richtig; (siehe Nr. 4;) wie glückliche Leute ihr seid heißt: was für glückliche Leute, und das ist wieder richtig, denn was für bezeichnet eben eine Classe, eine Art (und Weise). Gewiß hatte deswegen Hei­ ss atz ganz Unrecht, diesen Gebrauch des wie vor Adverbien, (in seinem Anbibarbarus) ganz zu verwerfen, und Immer so dafür setzen zu wollen; dieser-Vorschlag ist auch so wenig in den Sprachgebrauch übergegangen, daß z. B. Wieland in der neuesten Ausgabe seiner Werke gerade umgekehrt an vielen Stellen wie gesetzt hat, wo bei dieser Verbindung in den äl­ tern Ausgaben so stand, z. B. wie (,sonst so) gern ich wollte, wie (, sonst so) wunderlich es auch aussieht u. s. w. Auch Adelung gesteht diesen Gebrauch des wie vor Adverbien und Adjectiven zu. 4) Zn Verbindung mit wohl hat wie auf eine ganz ähn, liche Art eine einräumende, zugebende, conccssive Bedeutung: er wollte nicht, wiewohl es sein Vortheil war, wiewohl (in ei­ nem Wort, nicht wie wohl, das wäre wie sehr wohl,) ich ihm die besten Gründe angab, das heißt immer obgleich, und deutet auch auf eine Vergleichung (, seines Vortheils oder mei­ ner Gründe mit seinem Willen), auf Bestimmung einer Art (und Weise), eines Grades hin u. s. w. (S. Nr. 3.) 5) Derselbe Fall findet bei der Bedeutung statt, daß wie eine Frage anzeigt: wie heißt du? (und die erzählend ange­ führte Frage: ich wollte wissen, wie er heißt, welche beiden Redensarten immer eine Art fund Weise), die Art seiner Be­ nennung u. s. w. anzeigen,) wie all bist du? wie kommst du

308 hierher? (auf welche Art?) wie viele Leute sind da? So auch in der vertraulichen Rede; wie so? wie denn das? wie anders? 6) Da auch Ausrufe ganz die grammatische Gestalt der Fragen haben, so kann w i e auch einen Ausruf mit Bedeu« tung der Art fund Weisel bezeichnen: wie groß ist des All, mächtigen Güte! wie (so) herrlich hat er alles geschaffen! Zu diesem Gebrauch gehört auch die Construction, in wel« cher das bloße Frage- ober Ausrufswort wie im Grunde einen ganze» fragenden Satz ausdrückt, so daß man die Rede cllip, tisch nennen muß: wie, wenn ich dazu gehörte? das heißt: wie oder was ineinst du? wie oder was würdest du sagen oder thun, wenn ich dazu gehörte? (Man darf in diesem Fall das Komma nicht wcglassen; wie wenn ich dazu gehörte würde man in der Bedeutung als wenn oder als ob auf­ fassen; sieh tz 371 Nr. 4; ein eigentliches Bindewort wie wenn giebt cs nicht. Doch kann wie wenn in elliptischen Redensarten neben einander stehen: ich hörte, sagt Gesner, ein Plätschern, wie wenn Wellen an den Nachen schlagen, d. h. wie dann statt findet, wenn u. s. w.) 7) Oft steht wie verbindend, oder conjunctiv, doch im­ mer so, daß man sich eine Gleichheit, Achnlichkcit oder eine verglichene Art (und Weise) wenigstens dunkel dabei denkt: der Herr wie der Diener geben dir wie mir Scheltworte wie Stockschläge, das heißt: der Herr und (eben so, auf dieselbe Art, wie) der Diener geben dir und (eben so, auf dieselbe Art, wie) mir Schelte und (zugleich, eben so wie) Schläge. 8) Endlich steht wie zuweilen auch für daß, und die be­ sten Sprachlehrer sagen, daß es in diesem Falle eine causale Bedeutung habe; der Satz: ich wundere mich, wie er es wa­ gen kann, soll heißen: der Umstand, daß er es wagt, ist die Ursache meiner Verwunderung. So wenig sich auch gegen dies Beispiel einwenden lässt, so ist doch der ganze Begriff nicht richtig, und wie hat nie eine causale Bedeutung. Sagt man: ich weiß eS recht gut, ich weiß cs vielleicht, ich weiß es nicht, ich begreife oder begreife nicht, ich sehe, w i e er cs wa­ gen kann, das zu thun, so lässt sich dies doch vernünftig durch­ aus nicht auflösen iu: der Umstand, daß er dies zu thun wagt, ist die Ursache meines Wissens, Vielleicht-wissens, Nicht-wissens, Begreifens, Nicht - begreifens, meines Sehens u. s. w., sondern auch hier liegt für wie die alte Hauptbedeutung der Art (und Weise) zum Grunde: ich weiß, weiß vielleicht, weiß nicht, begreife, begreife nicht, sehe die Art (und Weise), wie er dies zu thun wagt, den Grad, den hohen Grad der Kühnheit

u. s. w., der dazu gehört, daß er dies zu thun wagt. Adehing entschuldigt diesen Gebrauch des wie, wenn außerdem zu viele daß hinter einander folgen würden: ich hörte, daß der Bruder sagte, wie er es nicht wisse, daß heute Sonntag ist,, statt daß *). 373) Nnn sind wir im Stande, über die Comparatiow der Adverbien bestimmter zu sprechen. Wir wissen jetzt die Bezeichnung sowohl der Aehnlichkeit als Gleichheit zweier oder mehrerer Begriffe geschieht durch das Bindewort wie. Se bezeichnen die Ausdrücke: Ludwig starb wie ein Verbrecher, wie Robespierre, wie Sokrates, Napoleon schrieb an Georg wie ein Freund, nur die Aehnlichkeit der Todesart und Schreibart, lassen aber unentschieden, ob Ludwig ein Verbre­ cher, ein Robespierre oder Sokrates, und ob Napoleon ein Freund Georgs auch wirklich war. Eben so zeigen die Aus­ drücke: das Mädchen blühte wie eine Rose, es war schön wie ein Engel, die Art und die Aehnlichkeit des Blühens und der Schönheit an, und das Bindewort wie bezieht sich in al­ len diesen Fällen zunächst auf das Zeitwort, indem es aus­ sagt, daß dessen Begriff (,das Prädicat) auf eine ähnliche Art^ in einem ähnlichen (oder gleichen) Grade den genannten Sub­ jecten zukomme. Diese Sätze sind also wahre Ellipsen, oder unvollständige Sätze, bei denen man voraussetzt, daß sich der Hörer oder Leser das, was ausgelassen ist, von selbst hinzuden­ ken werde. Vollständig würden sie heißen: Ludwig starb, wie ein Verbrecher sterbt, wie Robespierre und Sokrates starben, Napoleon schrieb an Georg, wie an diesen einer seiner Freunde schreiben würde, das Mädchen blühte, wie eine Rose blüht, es war schön, wie ein Engel schön ist. Ganz derselbe Fall findet statt, wenn das wie Prädicate, und namentlich Objecte oder Zwecke vergleicht: ich liebe dich wie meine Seele, d. h. ich liebe dich auf eine ähnliche Art, in einem ähnlichen oder auch ganz gleichen Grade, wie ich meine Seele liebe, er schmeichelte dem Könige, wie dem Volke, er sagte dem Könige, wie dem Volke, Schmeicheleien, wo wie entweder vergleichend erklärt werden kann: dem Volke auf eine ähnliche, gleiche Art, in ei­ nem ähnlichen, gleichen Grade wie dem Könige, oder bloß ver­ bindend: dem Könige und auch dem Volke. (In dieser Be­ deutung muß man das Komma vor wie weglassen.) Diese

*) Auch Reinbeck führt wieder den Satz: ich wundere mich, wie du das hast thun können, (thun gekonnt hast,) wobei wie für daß stehe, als Beweis an, daß wie causal sei.

310 letzten Beispiele zeigen deutlich, daß dies Bindewort, welches Aehnlichkeit und Gleichheit ausdrückt, eben deshalb an sich um entschieden lassen muß, ob man sich in einem einzelnen Satze Gleichheit oder nur Aehnlichkeit, das heißt nnvollkommne, nicht volle Gleichheit dabei zu denken habe. Die Vorsctzung des kleinen Umstandsworts so kann diese Unbestimmtheit nicht auf­ heben, da es auch einen mehrfachen Sinn: auf diese, dieselbe, eine ähnliche, gleiche Art, oder so sehr in sich schließt. Setzt man also in Sätzen, wo wie bedeutet; auf die Art, auf diese Art, auf dieselbe Art, in der Art, dies so noch vor wie, so wird dadurch der Sinn des Satzes im Grunde dnrchans gar nicht verändert: Ludwig starb, so wie ein Verbrecher (stirbt), hat ganz denselben Sinn mit: Ludwig starb wie ein Verbre­ cher. So haben auch ganz gleichen Sinn die Sätze: ich liebe dich, wie meine Seele; er gab dir wie mir Schelte, *) und ich liebe dich, so wie meine Seele, er gab dir so wie mir Schelte. Und so ist es völlig erwiesen, daß wie sowohl Aehnlichkeit als Gleichheit bezeichnet, und daß dies Wort so durchaus nicht die Kraft hat, den Begriff der Aehnlichkeit zur Gleichheit zu erheben. Will man dies, so setzt man nähere Bestimmungen hinzu, besonders: eben so, ganz eben so, eben so sehr, ganz eben so sehr n. s. w.: ich liebe dich eben so sehr wie meine Seele, er machte dir ganz eben so wie mir Vorwürfe. Auf dieselbe Art bedeutet: er ist schwarz, wie ein Mohr, daß das Subject schwarz ist, wie ein Mohr schwarz ist, er ist schwarz so wie ein Mohr hat denselben Sinn; hingegen er ist so schwarz wie ein Mohr soll sagen: er ist (fast) eben so schwarz wie ein Mohr; wenn wan diesen letzten Satz umstellt in: er ist schwarz, eben so wie ein Mohr, so will man weniger den Grad der Schwärze als die größere Aehnlichkeit mit einem Mohren bezeichnen; beide Sätze kann man nur steigern in: er ist eben so sehr schwarz wie ein Mohr, und das heißt immer: in eben dem Grade, seine Schwärze ist des oder der Mohren Schwärze nicht nur ähnlich sondern ganz gleich. Immer sieht

•) Eher könnt« man sagen; di« verschiedene Betonung und die Interpunktion, das heißt beim Sprechen das Anhalten mit der Stimme, veranlassen einen verschiedenen Sinn. Verändert man die vorigen Sätze in; ich liebe dich so wie meine Seele, er gab dir so wie mir Schelte, so sollen die Wörter so wie gewiß nicht» weiter al» Bindewörter mit dem Sinn und auch sein, und man will sagen: ich liebe dich, und auch mein« Seele liebe ich» er gab dir Schelte, und auch mir gab er Schelte.

man, daß durch daS f o die Aehnlichkeit nicht zur Gleichheit er­ hoben wird e). Sagt man: du bist groß wie er, so soll daS wie bloß verbindend sein; eben so wenn man sagt: du bist groß, wie er; beide Sätze heißen: du bist groß, und er ist groß, ihr seid beide groß (;man sehe die vorletzte Anmerkung). Sagt man aber: du bist so groß wie er, so heißt das, ihr habt beide dieselbe Größe, ihr seid beide in gleichem, in gleich ho­ hem Grade groß. Will man um Worte streiten, und sagen: der erste Satz (du bist groß, wie er) heißt: ihr seid euch beide ähnlich, denn euch kommt beiden dieselbe Qualität oder Be­ schaffenheit der Größe zu, hingegen der letzte Satz (du bist lebens so groß wie er) heißt: ihr seid euch beide gleich, denn ihr habt in Ansehung der-Größe dieselbe Quantität: so bleibt dies jedem unbenommen; doch lassen sich aus dieser verschiede­ nen Art des Ausdrucks keine weiteren Folgerungen ziehn, da wir erkannt haben, daß beide Begriffe der Aehnkichkeit und Gleichheit durch w i e ausgedrückt werden müssen. Eher könnte man es beklagen, daß wie sowohl eine verbindende als ver­ gleichende Kraft hat, und daß dies Undeutlichkeit veranlassen

*) Auch alle übrigen uns bekannten Sprachen drücken nicht eine solche Aehnlichkeit und Gleichheit durch verschiedene Binde, Wörter aus, da die französischen comme und que nach anderen Bestimmungen ihren Gebrauch feststellen. Hahn sagt: „hinter so können als und wie stehen; wie vergleicht, als legt einem Dinge etwas bei; als braucht man, um einem Dinge etwas gleich zu stellen, besonders um das Ge­ gentheil zu widerlegen, wenn einer über den andern erhoben wird., wenn z. B. von zwei Geschickten geredet wird, so sagt man: 2s ist so geschickt wie B, sagt man: als B, so setzte das voraus, daß man dem A mehr die Geschicklichkeit abgesprochen hätte; will jemand einen andern vom Platze verdrängen, so muß dieser sagen: ich kann hier so gUt stehn als Sie, und nicht wie Sie; wenn beide aber bequem neben einander stehen, so muß es heißen: ich stehe hier so bequem wie Sie." Man sieht ohne Erinnerung, daß in dieser Ausstellung fein Zusammenhang statt findet, und daß die Behauptungen weder logisch noch gramma­ tisch begründet sind. Eben so willkührlich und deshalb verwerfkich ist die Regel, welche He in atz giebt, der sich dabei auf Lu­ ther beruft: als muß stehn, wenn so mit einem Adverb oder Adjectiv vorhergeht, wie, wern dies nicht ist: macht es so wie ich, macht eS so gut als ich. Heinatz gesteht auch selbst, daß es heißen muß:- unwissend wie ein Laie (ist dieser Superintendent). Das ist richtig, Luther hat als, wie u. s. w. nicht nach festen Grundsätzen gebraucht, aber den eben erwähnten Gebrauch des wie vor Adverbien giebt doch fast jeder Sprachlehrer, auch Adelung, zu.

312 könn?. Sagt man z. D.: Huß starb wie Sokrates, so kann Dies heißen: Huß starb, und (auch) Sokrates starb. Da man aber bei vernünftigen Zuhörern oder Lesern voraussetzen kann, daß sie aus dem Zusammenhänge der Sätze von selbst entneh, men werden, ob von dieser trivialen Wahrheit die Rede sein soll, so erlaubt man sich, ohne weiteres Bedenken, bloß zu st» gen: Huß starb wie Sokrates, und doch dadurch den Sinn auszudrücken r sie starben beide auf ähnliche oder gleiche Art, eines gewaltsamen Todes, als Opfer der Wahrheit ihrer für die Mehrzahl ihrer Zeitgenossen zu freien Lehre. Will man dies indessen deutlicher bezeichnen, so muß man daS selbst aus, drücklich hinzusctzen, was man sonst dem Zuhörer oder Leser hinzuzusetzen überlässt, da es in dem Begriff des wie liegt, nämlich die Worte: eben so oder noch deutlicher: auf eben die Art. Dies ist natürlich zweckmäßig, wenn der erste con, junctive Begriff deS wie auch einen guten, nicht so trivialen Sinn giebt, den man aber doch nicht auödrücken will, und das ist besonders hinter Adverbien der Fall. Sagt man z. B.: der Hund ist gelehrig, wie der Mensch, so kann das bloß he» ßcn: beiden kommt Gelehrigkeit zu, der Hund und auch der Mensch sind gelehrig, und dann wird kein Grad der Gelehrig, feit bestimmt, beide werden nur als Gelehrige neben einander aufgeführt, aber nicht nach dem Grade ihrer Gelehrigkeit mit einander verglichen. Will man dies aber thun, so kann man -war den vorigen Ausdruck unverändert beibehalten, da er rich, tig ist, (nur muß das Komma wegfallen,) und man setzt dann voraus, daß der Hörende oder Lesende hinzusetzcn solle: eben so u. s. w.; deutlicher aber ist es, wenn man dies selbst thut, und also sagt: der Hund ist so gelehrig wie der Mensch, und das heißt nun, beiden kommt die Gelehrigkeit in gleichem Ma, ße, in gleichem Grade zu. Wie haben übrigens aus allen die, sen verschiedenen Fällen deutlich gesehn, daß so bei der Ber, gleichnng mehrerer Gegenstände nie die Ungleichheit, also auch nie eine Steigerung oder Verringerung, sondern immer die Gleichheit anzeigt. Da wir nun auch wissen, daß die Gleich, heil nie durch als, sondern immer durch wie ausgedrückt wird; so folgt hieraus von selbst, daß in dieser Beziehung-hin, ter so im Vordersatze immer wie (und nicht als) im Nach, satze folgen muß. (Daß sowohl als auch nicht hierher gehört, wissen wir.) So wie es in zufammtützezogenen Sätzen heißen muß: ich bin so groß wie h«, er singt so schön wie sie, du ver, lierst so wie wir, oder In der Umkehrung; wie wir, so verlierst

auch du ; wie du, so groß bin auch ich: eben so muß eS auch heißen: ich habe so viel gesehn, wie ich wollte, so weit gelescn, wie ich dachte, so große Fortschritte gemacht, wie niemand vermuthete. Gewiß hat noch niemand, der nur die geringste Kenntniß unserer Sprach« besaß, geschrieben oder gesagt: ich habe so große Fortschritte gemacht, als niemand vermuthete; wie geht es nun zu, daß so unzählige Schriftsteller sich nicht mit zu sagen erlauben: ich bin so groß, als du u. s. w., son­ dern auch: ich habe so viel gesehn, als ich wollte u. s. w.? Es giebt durchaus keinen vernünftigen, in der Logik oder Gram­ matik beruhenden Grund für diesen Gebrauch des als; man kann sich einzig und allein auf den Sprachgebrauch, und höch­ sten- noch in mancher Beziehung aufs Altdeutsche berufen. Da aber der jetzig« Sprachgebrauch doch schon durch die Wir­ kung der gegen den frühern aufgcführten Gründe sehr getheilt ist, so hat dieser frühere seine ganze Autorität und Kraft ver­ loren, und niemand hat jetzt noch das Recht, die falschen, schlechten Arten de- Ausdrucks: ich bin so groß al- er, ich singe so gut als er, ich sehe so viel als er durch den Befehl oder die Erlaubniß des Sprachgebrauchs, sich ihrer zu bedie­ nen, für gerechtfertigt und legitimirt zu erklären. Ganz eben so unzulässig ist die Berufung anf's Altdeutsche. Wir schrei­ ben und sprechen und kennen es nicht mehr; am wenigsten wollen wir daher so thöricht sein, uns durch Beibehaltung sei, ner Fehler zu quälen und zu schänden. Mag der Altdeutsche so schlecht und so falsch, oder so gut und richtig gesprochen ha, ben, wie er wolle: wir wollen daS Neuhochdeutsche nach allen unsern Kräften zn vervollkommnen uns bemühen, und deshalb auch nicht mehr sagen: er singt so schön als du, oder als tut kaum glaubst n. s. w. Jeder, der nur nachdenken will, muß sich von der Unrichtigkeit dieser Sprechart augenblicklich über­ zeugen. Allgemein spricht man: er singt wie du, und nieman­ dem fällt es ein, sagen zu wollen: er singt als du; setzt man nun diesem ganz einfachen Satze nach und nach immer neue Begriffe zu, so kann dies doch die Grundlage, Grundbedeutung und Grundbezeichnung nicht wesentlich ändern; demnach kann eS nicht anders heißen als: er singt wie du, er singt so wie du, er singt so schön wie du, er singt so schön, wie du singst, er singt so schön, wie du kaum glaubst «. s. w. 374) Indessen muß man zugcstehen, daß es mehrere Re­ densarten giebt, die noch ganz allgemein gebräuchlich sind, wel­ che nach dieser unserer Aufstellung Fehler enthalten, und diese zu Ändern und zu bessern, wird um so schwerer sein, und um

314 so mehrere Zeil erfordern, da viele derselben mehr als einen Sprachfehler enthalten. Eine jetzt hierher gehörende falsche Redensart ist folgende: eS giebt jetzt (noch eben, oder nicht mehr) so viele Thoren in der Stadt, als da ihr darin wäret (,que conune von» y 6tiez). In diesem Nachsatze ist erstens da falsch, da kein Grund angegeben wird, sondern bloß eine Zeit bezeichnet wer, den soll, was durch als geschieht; zweitens kann hinter so viele, eben so viele, nicht mehr so viele nicht als, sondern es muß, wie wir jetzt gesehn haben, wie folgen; daher kann denn dieser Nachsatz, wenn er richtig sein soll, nicht anders heißen alS: wle als ihr darin wäret. Freilich spricht und schreibt vielleicht noch niemand so, aber jeder sollte so sprechen, und wenn nur einige classischen Schriftsteller mit ihrem Beispiel vorangehen, so werden hoffentlich bald mehrere folgen. Wer bis dahin sich dieser Ausdrucksart enthalten will, weil sie un, gewöhnlich ist, (denn hart sie zu nenne», wäre unwahr und ungerecht,) der muß umschreiben: es sind jetzt (noch eben, oder nicht mehr) so viele Thoren in der Stadt, wie damals, als ihr darin wäret. Schwierigere Redensarten, die auch nach unserer Ansicht falsch zu sein scheinen, die aber ganz allgemein gebrauch, lich sind, enthalten folgende Constructionen: gieb ja den Brief ab; cs ist so gut, alt ob es schon geschehen wäre; es ist mir, als wenn et schon geschehen wäre, als wäre oder sei es schon geschehn; es scheint, als könnte ich das nicht thun, als hätte ich cs schon gethan. Hier nimt durchaus niemand wie statt alt; ja es scheint unt förmlich undentsch, und der Natur «n, serer Sprache zuwider, wenn jemand schreiben oder sprechen wollte: es ist mir, wie wäre cs schon geschehen, cs scheint, wie hätte ich es schon gethan. Adelung nennt solche Redens, arten (in seinem Wörterbuch) Gleichnisse, welche die Ursache einer Wirkung erläutern. Aber dieser vortreffliche Sprachleh, rer kann hier nicht entscheiden, denn er nimt als in gar vie, len Fällen, wo wir es gerade zu falsch nennen müssen, und wo eS jetzt anch fast kein guter Schriftsteller mehr braucht; er sagt: schöy, als eine Rose, er blüht als eine Rose, er steht als ein Berg Gottes, mich hungert als einen Wolf, er hat das Ansehn, als wenn er es redlich meint, er kommt, als wenn er gerufen wäre, und auch wieder: ich höre ein Plätschern, wie wenn Wogen an einen Nachen schlagen. Wir müssen also den Einwurf, welchen diese Art zu sprechen gegen unsere Aufstellung der Bedeutungen von wie und als zu Mache»

scheint, aus der Sprache und durch die Sprache selbst z» lösen und zu heben suchen. Und dies scheint höchst einfach und leicht, «nd doch ganz richtig durch folgende Bemerkung zu geschehen: wir wissen schon, es giebt durchaus kein zusammen, gesetztes oder zweitheiliges Bindewort wie ob; dies giebt uns jeder Deutsche zu; jeder erkennt Ausdrücke wie: er thut, wie ob er nicht gut klug wäre, für undeutsch und verwerflich; eben so wissen wir schon, daß es (nach tz 372 Nr. 6) kein solches zusammengesetztes oder zwcitbciliges Bindewort wie wenn giebt; dagegen kennen wir (aus H 371 Nr. 4) als ob und als wenn als ganz allgemein gebräuchliche, umschreibende oder circumscriptive Bindewörter, so wie wir auch wissen, daß von ihnen das ob und wenn oft wcggelassen wird. Dies ist die ganze Lösung der Aufgabe. In allen solchen Redensarten: es ist so gut, als hätte ich es gethan, als wäre er schon da, es war, es war ein Lärm, cs war nicht anders, als sollte der Himmel einfallen, ist als nichts als das umschreibende Binde­ wort, und cs ist wenn oder ob dabei ausgelassen. So sind diese Redensarten als allein richtig, und in der Natur der Sprache begründet, Aenderungen aber wie: es ist so sicher, w i e wäre es schon geschehen, als durchaus falsch und der Natur der Sprache zuwider dargestcllt. Aber wenn Adelung Recht hat, könnte man sagen, daß diese Redensarten Gleich, Nisse sind, welche die Ursach einer Wirkung erläutern, so zei, gen sie doch, daß als auch die Gleichheit bezeichnet. Gegen diese Bemerkung giebt es eine dreifache Antwort: ein Gleich, niß ist erstens an und für sich durchaus weder eine Aehn, ltchkcit noch Gleichheit, (man denke nur an Christus Para, bcln,) und kann also auch an sich nichts für die gramma, tische Bedeutung einer dabei gebrauchten Partikel beweisen; zweitens aber zeigt überhaupt als ob, als wenn und als (für als ob, als wenn) gar kein Glcichniß an, das die Ursache einer Wirkung erläutere, (gerade wie nach § 372 Nr. 8 wie keine Ursach anzeigt,) denn cs ist eine sehr gezwungene, müh, sam und gewaltsam hcrbcigczerrte Erklärung, zu sagen: er thut als schlafe er bedeute: sein Benehmen ist gleich dem Benehmen eines Schlafenden, und dieser sein scheinbarer Schlaf ist die Wirkung seines Thuns, seines Willens, diesen Schein eines Schlafenden annehmen zu wollen; vielmehr führt uns drittens Adelung, selbst auf die wahre Bedeutung des als, wie des als ob und als wenn, indem er sagt: dies Bindewort er, läutert. Darum nennt es Adelung ja eben ein umschreiben, des, circumscriptives Bindewort, weil cs umschreibend erläutert,

316 oder erläuternd umschreibt; und solche Umschreibung, Erläute­ rung setzt doch keine Vergleichung voraus. Wohl aber ist die­ ses Erläutern gerade eine wahre Hauptbedeutung des Binde­ worts als; wenn dasselbe eine Apposition angicbt (H 372 Nr. 2): er, als ein braver Osficicr, floh nicht, d. h. der er, insofern er ein braver Osficicr war, so erläutert es eben alS (explanatives) Bindewort; wenn dasselbe einen Begriff näher bestimmt oder beschränkt: Cicero hat cs als Consul gethan, d. h. insofern er Consul war, so erläutert es als restrictivcs Bin­ dewort ebenfalls (§ 372 Nr. 3); wenn dasselbe so viel wie zum Beispiel oder namentlich bedeutet (§ 372 Nr. 6) : eS sind Sachen zu verkaufen, als: Kleider, Betten [n. s. ro.], so erläutert es auch als erklärendes oder explanatives Binde­ wort, und in allen diesen Fällen zeigt cs keine Vergleichung, kein Gleichniß an. Gerade eben so vergleicht es nicht, sondern erläutert es bloß in der jetzt besprochenen umschreibenden oder circnmscriptiven Bedeutung.. Adelung sagt sehr richtig: als werde in dieser Bedeutung zur Bezeichnung eines gelinden Verweises gebraucht (»wobei man mit Uebcrgehnng des Vor­ dersatze- bloß den Nachsatz nennt): alS wüsstest du das nicht (,so thust du); alS hättest du keine Augen; als ob du trunken wärst; als wenn mein Schicksal nicht von dir abhinge (,fo benimst du dich); aber auch diese Ellipsen lassen sich durch eine Erläuterung: du thust, als ob u. s. w., eben so gut wie durch eine Aehnlichkcil des Benehmens erklären. Darum weil als ob, als wenn nicht eigentlich vergleicht sondern nur um, schreibt, erläutert, führt es auch eben die Rede oft bloß fort, und steht dann für daß (§ 372 Nr. 4). Jetzt sieht man schließlich die Richtigkeit folgender Bei­ spiele über den Appositionsgebranch von als und die verglei­ chende Kraft von wie deutlich ein: Orleans starb als Böse­ wicht wie Ludwig alS wohlwollender Regent, d. h. Orleans, der ein Bösewicht war, starb eben so, ans eben die Art (eines gewaltsamen TodeS) wie Ludwig, der ein wohlwollender Re­ gent war; Friedrich und Elisabeth schrieben sich als Feinde oft wie Freunde, d. h. Elisabeth und Friedrich, welche wirklich Feinde gegen einander waren, schrieben sich oft auf eben die Art, als ob sie Freunde wären, wie sich Freunde schreiben; man stellte Ludwig dem fünfzehnten den Grafen N. als Ge­ sandten Englands, aber anch einen Betrüger als persischen Gesandten vor. Dieser letzte Ausdruck ist undeutlich aber rich­ tig, denn wie kann hier nicht stehen, weil kein Vergleich, nicht der Satz ausgedrückt werden soll: wie man «inen persischen

Gesandten vorstellt oder vorstellen würde, sondern der Satz: als ob er ein Gesandter Persiens wäre, Oben so richtig aber auch nicht ganz deutlich sind die Satze: ich dachte ihn mir als einen Riesen/ d. h. so groß, als ob er ein Riese wäre (,wo als ob richtig hinter so steht); ich dachte, als Herr der Erde würde ich es besser machen; das soll heißen: wenn ich Herr der Erde wäre, könnte aber auch bedeuten: ich, der ich Herr der Erbe bin, welche Bedeutung z. B. in dem Satze zum Grunde liegen kann: ich dachte, als Wirth würde ich es besser machen. Daß es übrigens kein Bindewort als wie giebt, leuchtet von selbst ein; es ist also immer ganz falsch zu sagen: A ist so groß oder größer als wie B. Man könnte beide Wörter neben einander bringen, z. B. A ist größer als, wie ich den Fremden nennen will, B; solche Redensarten sind aber fast immer hart; ich sah dem Tode ins Antlitz, mehr wie einem Freunde, als, wie einem Gespenst; vollständig heißt diese Ellipse; als so, wie einem Gespenst (,s. § 176 die Anmerk.). Doch klingt es nicht hart, wenn es im Roman: der letzte der Mohicans, Braunschweig, 1826, Tht. 2. S. 56 ganz richtig heißt: du hast dich mehr wie ein Weib, als wie ein Mann benommen.

Zusatz. Der gründliche Herling weicht leider in sei­ nen Grundregeln des Styls (, Frankfurth, 1827,) ganz von unsern Ausstellungen über den Gebrauch des wie und als ab. Es sei uns erlaubt, seine Angaben hier auszugsweise folgen zu laßen, da sie theils viel Gutes enthalten, theils die Leichtigkeit, womit sich seine Meinungen, insofern sie von den unsrigen abweichen, widerlegen lassen, der beste Beweis sein möchte, daß sich nichts Gründliches gegen unsere Auf­ stellung einwenden lässt. Herling sagt (a. a. O. Seite 339 und ffg.): „die ur­ sprüngliche und allgemeinste Bedeutung des Wortes als ist, gemäß der Etymologie von all son-ganz so — ganz, dasselbe (dasselbe), die (Bedeutung) der Gleichstellung *) entweder

•) Zwar sagt auch Adelung, als komme von also (,und also komme von all so) her; dies scheint mir aber doch immer sehr unwahrscheinlich. Es ist erwiesen, daß als schon in den ä lte» st en Zeiten zur Bezeichnung einer Zeitfolge gebraucht wurde: als der König starb u. s. w.; wie passt da der vergleichende Begriff ganz so? und wenn Adelung bemerkt, daß schon Ott­ fried und Notker also mit einem l schrieben, so weiß er gar kei­ nen historischen Belag, daß man je als mit zwei l geschrieben

318 a) zweier Begriffe in Beziehung auf eine Aussage oder ein Attribut oder ein Subject, also zweier Begriffe in Beziehung auf einen andern; oder b) zweier Aussagen in Bezie­ hung auf die sie beide umfassende Zeit, oder unter einem auf Zeit gegründeten Nexus der Causalität. Zu der ersten Klasse (Classe) dieser Bedeutungen gehört 1) seine explanative nnd 2) seine restriktive Bedeutung; denn nur, je nach­ dem die mit einem andern gleich gestellten Begriffe diesen andern in seine Bestandtheile zerlegen, oder ihn vermöge ihrer engern Sphäre beschränken, wird daS als explanativ, oder restrictiv. Hierher gehört 3) das prädikative als, eine Gleichstellung oder Zusammenstellung eines Subject- und Prädicatbegriffes bezeichnend. Es unterscheidet sich von der reinen Apposition dadurch, daß es nicht zu einent ganzen Satze ergänzt werden, und ohne Verstümmelung des Satzes nicht ausgelassen werden kann. [Z. B. „ich sehe ihn als meinen Retter an! Retter ist hier Prädikat von ihn, wie in: „ich nenne ihn meinen Retter." Dies als ist von dem cxplanativen und restriktiven ganz verschieden, und selbst das comparative in der Form: „ich sehe ihn so an, als (? ?) ich meinen Retter ansche" würde einen ganz verschiedenen Sinn geben.) 4) Das comparative a l s, mag es zwei Attribute in Beziehung auf ein Subject, oder zwei Subjecte in Bezie­ hung auf ein Attribut, der Quantität der Attribute nach, gleichstellen, oder 5) nur vergleichen (,) [wenn hier nicht eine andere Ableitung zum Grunde liegt, nach welcher als = anders ist (,)) nnd 6) das exclusive, welches mit dem cbengenannten einerlei ist, (;) 7) das als, welches in ältern Schriften für so vor einem Attribut steht [:als besonnen ist der Mann, beim Theuerdank). Zu der andern Klasse gehört 8) das zeitbestimmende als, und 9) das als, welches in älteren Satzformen statt des so den Nachsatz einleitet [:als ich dessen gewiß bin, als werde ich nicht erlauben, daß u. s. w.). Außerdem 10) bezeichnet aber auch als eine Zusammenstellung nur ähnlicher Ver­ hältnisse (,) und wird hier mit wie am häufigsten ver, tauscht. („Er kam als [wie) gestern zu mir." „Er ist wie [auch wohl: als) unsinnig.") **) Dann wird es ferhabe. Zwar wird man sagen: a» der König starb heißt: ganz so, d. h. ganz zu derselben, in gleicher Zeit de« Lode« u. s. w.; mir scheint die« aber doch immer sehr gezwungen. •) Gerade nm diese« willkührliche und sprachwidrige vertauschen «der verwechseln de« al« und wie zu verhüten, haben wir diese

«er 11) in einigen Provinzen beim Verbnm in einer Be­ deutung gebraucht, die bei Erzählungen der Bedeutung des griechischen Imperfects gleich kommt (,) und in der Schrift, spräche durch pflegen, wiewohl nicht ganz erschöpfend, umschrieben werden könnte. Wahrscheinlich ist dies a l s aus a l l und einer bloß adverbiellen Endung s entstanden (,) und hat die Bedeutung von »11$eit, immer. [„Wir besuch, ten ihn als wir pflegten ihn zu besuchen.") In äl, teren Schriften wurde er 12) auch noch für alles gebraucht; als Fleisch ist Heu. Damit scheint Nr. 11 verwandt. Bei jeder Gleichstellung nach dem Grade des Attributs, oder nach Quantität; (,) ferner bei einer eigentlichen 93er, gleichung, der Quantität oder dem Grade des Attributs nach, also vor jedem vergleichenden, durch den Comparativ herbeigeführten Satz wird als gebraucht. Früher brauchte man im letzter» (letzten) Falle denn. Es ist unverkennbar, (heißt eS zur Erläuterung,) daß a l s auch hier bei der Gleichstellung auf eine gänzliche Ueber, einstimmung hinweiset, wie hingegen nur auf eine Aehn, lichkeit *). In der Verbindung: „mein Oheim lebt, als Gesandter, in China" leitet a l s eine bloße Apposition ein, und der Onkel ist wirklich ein Gesandter; aber: „mein Oheim lebt, wie ein Gesandter, in China" heißt: er ist nicht wirk, lich Gesandter, sondern er handelt und wird behandelt, wie es bei einem Gesandten der Fall ist **). In den Serbin, bungen, in welchen eine vollkommne Gleichstellung nach dem Grade eines Attributs Statt (statt) findet, sollte man nur als gebrauchen. Maaß (in feiner Synonymik, Theil 1. S. 34) will: „er ist vollkommen eben so gelehrt, als sein

ganze lang« Auseinandersetzung aufgestellt. Nach ihr ist es ganz falsch zu sagen: er kam wie gestern zu mir, er ist al» unsinnig, und veraltet r er kam a l 6 gestern zu mir. ♦) Daß diese so gewöhnliche Bestimmung ganz falsch ist, glaube ich eben in meiner Auseinandersetzung gezeigt zu haben.

**) Diese Erläuterung zeigt gerade gegen die Behauptung; denn da der Onkel wirklich Gesandter ist, so kann doch durchaus nicht vernünftig gesagt werden, daß al« hier eine Gleichstellung oder auch eine völlige Uebereinstimmung anzeige. E« ist ja förmlich widersinnig zu behaupten, der Onkel werde hier einem Gesand­ ten gleichgestellt, oder auch, der Begriff de« Oheim- werde in gänzlicher Uebereinstimmung mit dem Begriff eine- Gesandten dargestellt.

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Vater, beinahe sp hübsch, wie feine Mutter, und so reich, als [ober wie] sein Nachbar;" *) und der nöthigen (??) Abwechselung wegen soll (? ?) Lessing geschrieben haben: „die Künste •) Da- ist doch die ärgste, verwerflichste Willkühr, die sich nur den­ ken lässt; aber freilich sie folgt unmittelbar aus der falschen Annahme, daß als eine vollkommne, wie eine unvollkoiymne Gleichheit bezeichne, die man Aehnlichkeit nennen will. Es soll also heißen: so hübsch als die Mutter, beinahe so hübsch wie die Muttern Wer kann das ertragen? Und soll es denn nun heißen: nicht ganz so hübsch als die Mntter, oder: wie die Mutter? Man sollte denken, Herling müsse schon durch seine (freilich mir unrichtig scheinende) Etymologie veranlasst werden, hier wie statt als -u nehmen; A ist so groß als B hieße ja: A ist so groß ganz so B! Uebrigens widerspricht sich derselbe auch, denn er hat vorher selbst gesagt, daß als auch eine Aehn­ lichkeit bezeichne, und jetzt behauptet er, bei einer völligen Gleich­ stellung sollte man nur als nehmen. Und da er hier so man­ cherlei mathematische Constructionen braucht, warum fiel ihm denn nicht ein, daß a : b = c : d von jedermann gelesen wird: a verhält sich zu b wie e zu d, und daß Proportionen nie ähn­ liche, sondern ganz gleiche Verhältnisse bezeichnen, daß wie also hier ganz unverkennbar und ganz unwidersprechlich die völlige Gleichstellung, die gänzliche Uebereinstimmung zweier Verhältnisse bezeichnet? Und was soll die sonderbare Art des Ausdrucks: er ist so reich al S (oder wie) sein Nachbar? Will Herling dadurch auch unterscheiden: er ist so reich als sein Nachbar, heißer ganz eben so reich; wie sein Nachbar bedeute: nicht ganz eben so reich? DaS musste er deutlicher heraussagen! Oder kann ihm das selbst gar zu arg vor? ES scheint fast so; denn er drückt auch daS Folgende sehr unbestimmt auS: Maaß will u. s. w.; nun waS will Er, Herling, denn? Oder soll die Bezeichnung: er ist so reich als [ober wie] sein Nachbar, andeuten, eö sei willkührlich, man kön.ie als oder auch wie nehmen? Ja, dann ist aller Streit zu Ende, und der Knoten ist auf einmal zerhauen! Doch wäre daS freilich auch ein Widerspruch gegen die vorige Kegel: bei der Gleichstellung sollte immer nur als stehen. UedrigenS sind, um auch das noch zu berühren, in allen diesen Sätzen die Komma falsch gebraucht: wenn als, wie jedes an, dre Bindewort, zwei Wörter verbindet, so darf kein Komma davor stehen; dem gemäß muß man schreiben: er ist (eben) so gelehrt wie sein Vater, ohne ein Komma vor wie (oder als) zu machen; dies muß aber stehn, wenn man schreibt: er ist (eben) so gelehrt, wie sein Vater war, indem dann wie (als) zwei Sätze verbindet. Noch irriger ist eS zu schreiben: er lebt, aloder wie ein Gesandter, in China, wodurch der Ausdruck wie ein Gesandter, weil er zwischen zwei Komma steht, die Na­ tur eines Zwischensatzes, einer Parenthese annimt, was einen ganz andern Sinn gäbe; man könnte denken., es solle heißen: er, al- oder weil er Gesandter ist, lebt in China; er lebt in China- wo jeder Gesandte leben muß.

Künste sind bei uns in ebeü der Vollkommenheit, als in fedem andern Lande; nur die Künstler wollen eben so bezahlt sein, wie in jedem andern Lande *). Aber schon bei Lu­ ther in seiner Bibelübersetzung wird in dieser Bedeutung kein einziges Mal (mal) wie gebraucht. Zwar haben auch in den Fällen einer solchen Gleichstellung altere deutsche (n) Mundarten eine dem wie entsprechende Partikel gebraucht, z. B. Ulphilas goth. Uebers. d. N. T. Mark. 10, 21 ver­ glichen mit Mark. 1, 10; aber einerseits ist die Unterschei­ dung der Falle: „es traf ein, wie ich es vorher gesagt hatte, und: er war eben so groß, als sein Bruder, wo im ersten eine Art und Weise, in dem andern eine Gleichste!/ hing dem Grade des Attributs nach bezeichnet wird, nicht immer auf den Stufen früherer Bildung zu erwarten, an­ drerseits ist in den übrigen Fällen dcrs wie um so entschie­ dener qualitativer Bedeutung, daß man Unrecht thun würde, hier die ältern Gebrauchsweisen entscheiden zu lassen (,) und nicht lieber nach der Analogie andrer Sprachen fwie tantus, quantus, quam und talis, qualis, ut, im Franz, que et comine] beide Fälle scharf zu sondern **)• Luther braucht ♦) Wozu wäre denn in dieser Periode Lessing- eine Abwechselung nöthig? Und warum ist hier wieder da- undeutliche soll ge­ setzt? Rein, lasst uns nur gestehen: Lessing schried so, weil er die Ratur und den Gebrauch dieser Bindewörter als und wie sich nicht deutlich dachte, und sie ziemlich willkührlich brauchen -u dürfen glaubte. •*) Ferner heißt es: „Bauer tadelt deymach Heinatz, der dieser Ansicht ist, mit Unrecht." ES ist doch sonderbar, daß vorge­ fasste Meinungen auch den redlichsten Forscher so leicht zu son­ derbaren Schlüssen verleiten können. Hier soll, nach Herling, Luther eine Autorität sein für den Gebrauch: ich bin so groß al- du,'aber Ulplulas, der zwölfhundert Jahr früher lebte, soll nicht gehört werden! Uebrigenü steht Markus io, 21 weder alS noch wie, wohl aber heißt es Mark. >o, 15: wr daS Reich Gottes nicht empfängt als ein Kindlein, wo sich als ganz gut vertheidigen lässt als daS Zeichen der Apposition: in­ dem er dem Geiste, der Herzensunschuld nach ein Kind ist, und Markus 1, 10 heißt eS richtig: der Geist Gottes kam herab auf ihn, gleich wie eine Taube. Wohl aber steht Matthäus 10, 21: wären solche Thaten in Tyrus geschehen, als bei euch geschehen sind, wo es nach unserer Ansicht wie heißen muß, und Mark. 10, 25 findet sich: eS geht leichter ein Kameel durch ein Nadelöhr, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes komme. Auch die Berufung aufs Lateinische und Französische hilft bi ec gar nichts, denn wenn z. B- die qualitativen quaiis, ut hinter Bauer Spracht. 11. 21

322 hinter dem Comparativ Immer denn, niemals wie (,woran er sehr wohl thut). Der Lateiner und Franzose sagen bei der Gleichstellung und Vergleichung: ignoratio futuroruin inalonun utilior est, quam seienlia, nemo tum pauper vixit, quam nalus est, il saut plutöL perdre la vie que riioinieur, 11 est aussi bien fait que son frere, il est voJre servi­ le ur autant qu’. homme du inonde **). Jetzt würde : „er ist fast größer, wie. sie gleiä)bedeutend sein mit: er ist, wie sie, fast größer, nämlich als irgend jemand, und das wie wäre hier nicht durch den Comparativ herbekgeführt. (Ganz richtig.) Das wie deutet auf eine bloße Äehnlichkeit (,) und bezeichnet nur eine Vergleichung nach Qualität. „Es brauset und zischt, wie wenn Feuer und Wasser sich mischet." Stande hier als, so bezeichnete der vergleichende Satz nicht eine Ähnlichkeit der Erscheinung, eine Art und Meise derselben, sondern eine Gleichstellung im Grade der Attribute, und die Verbindung wäre gleichbedeutend mit — „Es brauset und zischt eben so sehr, als wenn Fener und Wasser sich mischet" **). Nur bei der Zusammenstel­ lung zweier.vergleichenden Verhältnisse wird zuweilen (?) die

talis durch wie übersetzt werden tollen, so spricht das ja gegen Luthers als in Matth, io, 21 : solche Thaten, als hier gesche­ hen sind; und wie willkührlich in vielen Fallen die.Franzüsen ihr qu-* und c< nrnie hinter Positiven und Comparativen und in qualitativen Sätzen u. s. w. brauchen, ist wohl bekannt genug: aus-J urantf, plus graud que mon freie, comme si als vb, als wenn, que vuus etes hrureux W i e U. s. W. *) Will Herling das letzte que denn aber auch durch als überset­ zend und findet hier denn nicht ganz offenbar eine qualitative und kerne quantitative Bedeutung statt?

**) Daß die Behauptung durchaus falsch ist, wie bezeichne bloß eine Ähnlichkeit, eine Vergleichung nach Qualität, kann gerade der'von Schiller entlehnte Satz: es brauset, wie wenn Feuer und Wasser sich mischet, ganz leicht und einfach und deutlich be­ weis-n. Es kam bei ihm wahrscheinlich dem Dichter nicht da­ rauf an, eine bloße Aehnlickkeit anmgeben, ein chemisches Expe­ riment zu beschreiben, er wollte nicht bloß den Umstand andeuv ten, daß eS in der Tiefe auf die Art gebrauset Und gezischt habe, wie es beim Eingießen des Wassers ins Feuer geschieht, sondern er wollte eben als Dichter recht lebendig und stark die Furchtbarkeit und den Grad des Brausens und Zischens durch ein paffendes Bild zeichnen, und der Sinn des Satzes sollte ge­ rade sein: es brauset und zischt da unten eben so sehr, eben so

Zusammenstellung durch wie**), die Vergleichung In den ein­ zelnen Verhältnissen der Proportion durch als bezeichnet» Besser stände hier wohl (?) das als statt des wie, das vergleichende denn aber statt des durch den Comparativ Herr beigeführten als**)» Wie, das jede Aehnlichkeit bezeichnen kann, setzt immer ein die Vergleichung vermittelndes Drit, tes [tertium compäratiunis] voraus, sei dies auch noch so unbestimmt und allgemein. In dem comparativen als vor einem Substantivsatze wird eigentlich eine Ellipse aNqezeigt: „Er ist zu verschwenderisch,,als daß er reich werden könnte/' Er ist verschwenderischer, a's für den Zweck oder die beab­ sichtigte und erwartete Wirkung, das Reichwerden, „daß er reich werden könnte/' gut ist. Bei jener Darstellung des elliptischen Verhältnisses ist die Vergleichung;" (,) aber bei der Verkürzung mit um: „um reich werden zu können," die Causalität schärfet hervvrgehoben. Man will auch wohl einen synonymischen Unterschied zwischen den comparativen als und denn finden»- Denn ist aber auch wohl hier

heftig, tote es brauset Und zischt, wenn Wässer Und Feuer sich mischen. (54 sollte also eine förmliche Gleichstellung, eine völlige Uebereinstimmung angedeutet werden. •) Hier bedient sich Herling des Wörtchens zuweilen, Um Urt» deutlich zuzugeben, was er doch nicht leugnen kann. Nicht zllr weilen, sondern ohne Ausnahme, immer werden in der Mathe­ matik zwei Verhältnisse durch wie zu einer Proportion zusam» Mengestelltr a b = c — d heißt a Zu d, wie c zu cl. Auch bemerkt Herling nicht, Ob und daß dies richtig Und gut ist, Und daß Proportionen nie die Aehnlichkeit, sondern die vvllkvmttme Gleichstellung zweier Verhältnisse ausdrücken Das wohl zeigt schon, daß Heklinq feiner Küche selbst nicht gewiß ist Er hat sich aber diese Behauptung auch wohl bloß gebildet, um nicht zugeben zu burfcn, daß es heißen muß: Eajus ist um eben soviel größer als Lnus, wie Karl größer ist alS Fritz, deshalb sagt er, diese Periode heiße besser- ,, Cüjus ist um eben so viel größer, denn Titus, ürs Earl größer ist, denn Fritz." Ohne es werter zu rügen, daß hier die Komma vot denn wieder wegfallen müssen, ist es doch offenbar ein Zeichen der Nvlh, daß Herling hier etwas mit Recht Veraltetes wieder neu auffrrscheN will, Um nur nicht zuzugeben, daß seine Ansicht von wie und als irrig ist. Nein, diese Art des Ausdrucks, bie vollkommen richtig ist, und deren sich jeder Deutsche seit vielen Jahrhunderten,bedient: A ist Urt) eben so Viel größer als B, wie C größer alsDist, beweiset unwidersprechlich, daß hincereben so viel, eben so sehr wie wenigstens richtig stehn kann; wrk aber behaupten, es muß wie stehn, und als wäre falsch.

324 eine äecusative Adverbialform des Pronomens, wie er das Pronomen der ent/ halten ist,) so kann eS selbst weder einen Artikel, noch irgend ein anderes Bestimmungswort vor sich nehmen, es mag ohne oder mit einem Hauptwort stehen. Wenn dasselbe absolut oder ohne Hauptwort steht, (wo, bei es sich aber immer auf ein solches beziehen muß,) so wird -es ganz bestimmt nnd regelmäßig, also auf folgende Art de/ klinirt r Einheit. Mehrheit. Männlich. Weiblich, Für alle 3 Geschl. Sächlich, keines, (keines,) keine, keine, 1. Fall; keiner, 2. # keines, keiner, keines, keiner, 3. B keinem, keiner- keinem, keinen, 4. keines, (kein's,) keinen. keine, keine.

Wenn es aber conjunctiv oder vor dem zu ihm gehören, den Hauptwort steht, so hat der Sprachgebrauch die Ausnahme eingeführt, daß man im Nominativ der Einheit nicht keiner, keine, keines, sondern kein, keine, kein sagt. Beispiele sind: das ist kein Wein und kein Wasser; ich habe keinen Wein und kein Wasser. Zu sahe. 1) Man sieht, dies Wort kein wird in An­ sehung seiner beiden Biegungsarten gerade wie das Zahl­ wort einer nnd ein behandelt. 2) Mr wissen auch schon (aus § 411 nnd 422 vergl. H 402, 409), daß man nicht aussagen und fragen darf: es ist einer da, ist einer da? sondern: es ist jemand da, ist jemand da? Gerade eben so darf man nicht fcimr und niemand verwechseln, und namentlich nicht keiner nehmen, wenn die Rede nicht ein Hauptwort angiebt, woraus sich keiner bezieht. So richtig es also ist, wenn von Wasser und Wein geredet wird, zu figen nnd zu fragen: es ist kei­ nes da, ist keiner da? so unrichtig ist cs, im Allgemeinen zu sagen: es ist feiner da, ist keiner da? sondern es muß heißen: es ist niemand da, ist niemand ta9 3) Auch können wir uns sogleich merken, da im Deut­ schen die Verneinung nur einfach bezeichnet wird, (nicht doppelt, wie es die Franzosen scheinbar so oft durch ihr ne pas f,das heißt aber eigentlich nicht ein Schritts thun,) daß man dem kein, das jetzt ja nur noch die Bedeutung

NO nicht ein hat, so wie dem niemand (»nie, niemals, nim­ mer, nichts, nirgend, nirgends) nicht noch durch nicht eine neue zweite Verneinung hinzufügen, und sagen darf: es ist keiner oder niemand nicht da, für: es ist keiner oder nie« mand da. (So falsch sind auch: es ist niemals nicht Recht, es ist nichts nicht da, er ist nie nicht da, er ist nirgendnicht zu finden, nimmer nicht zu finden) *). 424) Das allgemeine Zahlwort sämtlich nähert sich sehr dem Begriff des Wortes aller, bleibt als Adverbium na« türlich unverändert, z. B. sie sind sämtlich (,d. i. alle,) ange« kommen, und wird in der Adjectivform ganz wie die wahren Adjectiven behandelt und dcklinirt, das heißt, es kann absolut und conjunctiv stehen, »nd im letzten Fall daS einzige oder das erste Bestimmungswort seines Substantivs sein, oder auch andre Bestimmungswörter, namentlich den bestimmten Artikel und mehrere Pronomen vor sich nehmen, wodurch es sich in seiner grammatischen Form wesentlich von aller unterscheidet. Im letzten Fall wird cs selbst nach der unbestimmten Die« gungsart deklinirt, wenn und insofern das erste vor ihm ste, hende Bestimmungswort bestimmt deklinirt ist; in den übrigen Fällen, wenn es also absolut gebraucht wird, oder das erste (oder einzige) Bestimmungswort seines Hauptworts ist, oder ein unbestimmt gebogenes Bestimmungswort vor sich hat, wird dagegen bestimmt dcklinirt. Indessen braucht man in der neuern Sprache die- Wort immer seltner, und in der ediern Sprechart fast gar nicht mehr, was um so zweckmäßiger scheint, da sein Begriff durch die kürzere Formen jeder, aller u. dgl. vollkommen ersetzt ist, und mehrere der mit diesem Wort ge, bildeten Redensarten des ältern Sprachgebrauchs nicht nur schleppend, sondern zum Theil selbst grammatisch unrichtig sind. Doch haben freilich manche dieser Redensarten nicht allein den allgemeinen Gebrauch, sondern auch noch den Umstand für sich, daß sie sich durch keine andern eben so kurzen ersetzen lassen. Wenn man z. B. in (brieflichen) Anreden an Ge« sellschaften sagt: hochwürdige, hochwohlgeborne, sämtlich hoch.

•) Man hat solch« Redensarten wohl durch den alten Sprachge­ brauch vertheidigt, wo keiner auch für irgend einer, jemand ge­ setzt wurde; aber dieser Gebrauch ist langst völlig veraltet, so daß sich diese doppelt« Verneinung, wie häufig sie sich auch noch selbst bei neuern Schriftstellern findet, durch nicht« «ntschuldiqeo lässt. Falsch ist e« also, wenn $. B. selbst Klopstock im Mes­ sias (.Karlsruhe, 1818,) sagt l, 287: keiner nicht, und VI, 31: kein Engel konnte st« nicht Hadem

zuverehrende Herr««, so wacht der Ausdruck sämtlich darauf aufmerksam, daß unter den hochzuehrenden Herren auch diese, nigen Glieder begriffen sind, die etwa nicht hochwürdig und hochwohlgeboren sind, wenn er gleich unentschieden lässt, ob e« deren darunter giebt oder nicht; dagegen würde die Weglassung deS sämtlich glauben lassen, daß die hochzuehrendcn andre als die hochwürdigen und hochwohlgcborncn Herren wären. (Diese Andeutung fiele freilich weg, wenn man hochwürdige, hochwohlgcborne, hochzuehrenden Herren spräche und schriebe; dann aber müssten wieder alle Glieder der Gesellschaft hoch, würdig oder hochwohlgeboren sein.) Hier lässt sich nun, wie in vielen andern Redensarten mit sämtlich, dies Wort nicht mit aller vertauschen, und noch weniger mit den noch schlep, pendcrn selbst grammatisch ganz falschen Ausdrücken (gestimmt,) allesamt, insgesamt, insgemein, ftimt und sonders, allerseits. Andre Beispiele mit sämtlich sind folgende: sämtliches Haus, geräth, d. i. alles, das ganze, sämtliche Hausgenossen, d. i. alle, sämtlicher Wein wurde verkauft, besser der sämtliche Wein, und noch besser aller Wein, der ganze Weinvorrath ». s. w-, sämtliche Nachlassenschaft, besser die sämtliche, und noch besser die ganze Nachlassenschaft, sämtliches Vermögen, besser das sämtliche, nnd noch besser das ganze Vermögen, alles Vermö, gen, meine oder diese sämtlichen Gläubiger, besser: alle meine oder diese Gläubiger. 425) Wie das Zahlwort sämtlich als Adverb gebraucht werden kann, so wird das allgemeine Grundzahlwort nicht«, das man seines Begriffs wegen auch ein bestimmtes neu, nen könnte, immer nur alS Adverb gebraucht, und kann gar nicht concrescirt werden *). Es zeigt die Abwesenheit einer Menge, eines Umfangs, einer Quantität an, bleibt stets ttn, verändert, und stehl theils absolut, theils in so fern Conjunctiv, daß es sich, wenn gleich nicht vor wahre Hauptwörter, doch vor substantiv gebrauchte Adjectiven des sächlichen Geschlechts des Einheit setzen lässt, wo es dann für kein steht, welches, durch eine sonderbare Eigenthümlichkeit des Sprachgebrauchs, *) Der Endlaut » ist wahrscheinlich zur Unterscheidung dieses Worts vom Umstandswort nicht, da« kein Zahlwort ist, angesetzt wor» den. Luch die« nicht lässt sich nur durch Einschiebung der Syl­ be ig zum Adjectiv nichtiger, e, es concretciren. Da» Wort nicht selbst ist wahrscheinlichst zusammengesetzt aus n—icht, ne— »cht, indem dies icht, ichts, ichtenS im Altdeutschen für etwas, ir« gend eines, irgend eine Sache gebraucht wurde, nichts als» yt—ichts, nicht eine», nicht irgend etwas bedeutete.

442 vor frintffi solchen Peutrum substantiver Adjectiven gebraucht werden darf. So sagt man zwar: kein Tapferer, keine £k# bende, keine Frommen, aber man darf nicht sagen: kein Tap­ feres, kein Liebendes, kein Frommes, sondern man mnß dafür nehmen nichts Tapferes, nichts Liebendes, nichts Frommes; so auch nicht- Gutes, nichts Boses. Dies hangt unmittelbar mit der Spracheigenheit (§ 420) zusammen, daß man vor diese substantiven Adjectiven wohl im Maskulin und Feminin den unbestimmten Artikel setzt: ein Guter, eine Gute, aber nie im Neutrum, so daß man nie ein Gutes, sondern dafür et, was Gutes setzt, das ist nach alter Ausdrucksart icht Gutes, ichtS,lchtens Gutes. Da mm kein wahrscheinlichst fürk—ein, d. i. nicht—ein steht, so sagt man eben deswegen auf dieselbe Art wohl kein Guter, keine Gute, aber nicht kein Gutes, son­ dern dafür nicht, nichts Gutes, und daS ist nicht—ichts Gutes. (M. vergl. §402.) Sowohl bei diesem als beim ab, solnteu Gebrauch bleibt nichts in allen Casus unverändert: es ist nlckrS Gutes, er sieht nichts Gutes, es ist nichts, er weiß nichts, er geht mit nichts Gutem um, ans nichts ist die Welt geschaffen, er ist mit nichts zufrieden; indessen ver, meidet die höhere, edlere Art zu sprechen doch schon gern die, sen Gebrauch des Dativs, und noch widriger ist ihr, ja selbst auch der gemeinern Rede, der Gebrauch des nichts als Ge­ nitiv, so daß man nicht sage.» darf: er streitet sich wegen nichts, vermöge nichts Gutes oder Guten, er freut sich nichts oder nichts Erfreuliches oder Erfreulichen, so wenig wie keines oder keines Erfreulichen (,wohl aber im Nicht—Neutrum: er freut sich keines Tapfern, keiner Geliebten). Ilebrigens lässt sich nichts auch als Hauptwort, und dann mit seinem Artikel in allen Casus brauchen, giebt aber einen ganz andern Sinn als das Adverb nichts: das oder ein Nichts erfreut ihn, d. h. die kleinste Kleinigkeit, was einen dem Adverbium nichts, im Satze: nichts erfreut ihn, ganz entgegengesetzten Sinn giebt, denn dieser bedeutet: er freut sich über nichts mehr, er hat gar feine Freude; eben so: er denkt an ein Nichts, an eine ganz unbedeutende Kleinigkeit, an das Nichts, an das Nicht­ sein aller Dinge, an das Vacuum, er denkt an nichts, er hat gar keine Gedanken; er beschäfftigt sich mit einem, mit dem Nichts, er beschäfftigt. sich mit nichts, b. h. er beschäfftigt sich gar nicht; wegen eines' Nichts gerieth er in Zorn. 426) Das Wort etwas ist bald ein Zahlwort, wenn cs eine Quantität, einen Umfang bezeichnet: gieb mir nur etwas Futter, d. h. wenig, nicht viel, bald ein ‘Pronomen, wenn

feil» Begriff feinen Umfang, sondern etwa so viel pne das Hauptwort eine Sache, eine unbestimmte Sache, irgend ein Ding andeutet: ich weiß etwas, worüber du dich freuen sollst; wenn dich auch nichts mehr zu freuen scheint, etwas ist doch noch übrig, das dir willkommen fein wird; bald kann man et, was ein bloßes Umstandswort trennen: etwas Gutes, etwa» BöseS. Welchen Sinn nun etwas auch habe, so darf man nie was dafür sagen, wie oft es die gemeine Rede auch thut: gieb mir nur was davon, wenn aucb nicht viel; ich will die was sagen. (Selbst Göthe schreibt in der neuern Braunschwei, ger Ausgabe seines Herrmann und Dorothea, Seile 51, Zeil« 1: ich wäre was anders, in W. Meistcr's Lehrjahren III, 07: die Gäste haben was auSzusetzen, und Götzinger sagt gar in seiner deutschen Sprachlehre, Aarau, 1827, Theil 1, Seite 116: „statt etwas braucht man auch was, und e- ist bloßer Eigensinn, dies nicht erkennen zu wollen. In: wer was Gutes thut, ist was der Theilungsartikel." Dieser Arti» fei wäre, noch dazu in dieser Form, für die deutsche Sprache ja was ganz Neues! Wenn auch der Franzose Redens, arten wie quelque chose de bon, rien de nouveau hat, so nennt er doch nicht quelque chose, d. i. etwas, oder rien, rien ne, d. i. nichts, sondern de (bon), de (nouveau) den Theilungsartikel. Soll nichts in nichts Gutes nach Gö, tzinger etwa auch der Theilungsartikel sein? Das ist wahr, etwas Artikel—-artiges liegt in beiden Wörtern etwas und nichts bei diesem Gebrauch: etwas Gutes steht gleichsam für (irgend) ein Gutes, und es ist eine Spracheigenheit, diese substantiven Adjectiven nie im Neutrum mit dem unbestimmten Artikel zu brauchen, indem man wohl ein Guter, eine Gute, aber nie ein Gutes, sondern eben dafüL etwas Gutes sagt. (Man sehe § 425.]) Als Zahlwort mit der Bedeutung we, nig, einiges gelten nun in Hinsicht des Gebrauchs von etwas fast ganz dieselben Bemerkungen wie für nichts. Etwawird ebenfalls nur in adverbieller Form gebraucht, nie concres, eiet, Nie comparirt, und überhaupt nie verändert. Da es aber eine doppelte Bedeutung hat, so wird es auch auf eine dop, pelte Art construirt; als Zahlwort in der Bedeutung wenig, einiger, e, es, nicht—viel (, welche Wörter ebenfalls in ihrem Gebrauch und in ihrer Biegung beschränkt sind,) kann es vor allen Hauptwörtern stehn, die sich durch solchen (quantitativen, numeraren) Umfangsbegriff bestimmen lassen, wohin besonders die Stoff, und viele Sammelname» gehören, und zwar ohne

444 Anstoß in alle» Casus derselben: da ist etwa« (wie viel, tvemg, einiges, kein) Geld, dn hast doch etwas (,wie wenigen, einigen, nicht vielen) Muth, mit etwas (wie wenigem, einigem) Sauer«eig l,doch nicht Sauerteige bei diesem Gebrauch), kannst du ♦ie ganze Masse säuem, um etwas (wie wenigen, einigen) Gel­ des willen macht er zn viele Worte. (Doch nimr man diesen Genitiv wenigstens nicht recht gern.) Nur den Plural braucht man auch bei dieser Bedeutung höchst selten, und bloß in der gemeinern Art zu sprechen: er hat etwas Schulden, besser ei­ nige oder (nur) wenige Schulden. In diesem Sinn und Gebrauch ist etwas also ein unbiegsames (,adverbielles) allge«. meines Grundzahlwort jeden Geschlechts, daS man eben des«wegen und eben so wie einiges, wenig, viel tu f. w. nicht vor solche Substantiven setzen kann, die sich nicht in ihrer Einheit durch Zahlwörter bestimmen lassen; so wie man nicht fagew kann viel, wenig, einiger Mann, (wenn auch im Plural viels «. s. w. Männer,) Freund, Sohn, Tisch, Fuß, Frau, Hand, Kind, Haus, gerade eben so wenig kann man sagen etwas (oder nichts) Mann, Freund, Sohn, Tisch, Fuß, etwas Frau, Hand, etwas Kind, HauS. (In Redensarten wie: er ist et­ was Mann und etwas Kind, gehört etwas nicht zu Mann amd Kind, sondern zu ist, denn sie bedeuten: in etwas, in ei­ niger Hinsicht ist er Mann, in etwas, in einiger oder anderer Hinsicht ist er Kind.) Diesen Gebrauch vor wahren Haupt­ wörtern hat nichts nicht, ob es gleich auch ein Zahlwort ist» (f. 425,) eben weil es da nicht als Stellvertreter (der Noth) für kein nothwendig ist, sondern dies Wort selbst stehen kann: da ist kein Geld, du hast keinen Muth, mit keinem Sauer« teig (e), um keines Geldes willen, keine Schulden.

In seiner artikekartigen Bedeutung eines, irgend eines, (irgend eine Sache,) mag man es dann ein bloßes Um­ standswort nennen: ich weiß etwas Neues, oder ein (unbe­ stimmtes) persönliches Pronomen (,daS statt eines Hauptworts steht), oder eS auch in diesem Fall zu den Zahlwörtern rechnen: etwa- (,wie nichts, alles) weiß ich, d. i. eine Sache, (einige Dinge,) was dir lieb sein wird, steht es nie vor wahren Sub­ stantiven, sondern (»gerade wie nichts §425,) conjunctiv nur vor substantiven Adjectiven im Singular des Neutrums, be­ sonders im ersten und vierten, doch auch im dritten Fall: et­ was Gutes, mit etwas Gmein; nur der Genitiv wird in der edler» Sprache sehr ungern gebraucht: um etwas Guten wil­ len, wo man um etwas Gutes willen, vielleicht wegen der

445

Uebereinstimmung dieser eigentlichen Genitivform mit der Form des ersten und vierten Falles, noch unerträglicher findet. Auch absolut vermeidet man in jeder Bedeutung von was den Genitiv nach aller Möglichkeit: etwas ist in dieser Sache nicht klar, er sucht etwas darin, mit etwas mutz sich jeder beschäfftigen, (schon dieser Dativ ist nicht recht edel,) aber nicht: ich bin wegen etwas angeklagt, was ich nicht kenne, er beschuldigt mich etwas, (besser einer Sache,) waS (»die) er selbst nicht kennt. Wegen der verschiedenen Bedeutung des Worts etwas kann durch seinen Gebrauch Zweideutigkeit entstehen, die man natürlich, besonders durch Umschreibung oder durch die Wahl eines andern Ausdrucks, vermeiden muß, sobald der Zusammen« Hang nicht von selbst den Sinn ganz dentlich macht. Sagt man z. B. etwas Blaues, so kann das anzeigen: wenig, nicht viel, einiges von dem Blauen, (;. B. du hast etwas BlaueS ins Auge bekommen, d. h. einen kleinen Theil des zersprunge­ nen Stücks blauer Farbe,) wobei das Blaue ein concreteS (adjectives) Hauptwort ist, und dann ist etwaS daS Zahlwort, oder etwas BlaueS kann auch bloß bedeuten sollen, daß der Begriff des Blauen selbstständig, in dem zu einem abstracten Hauptwort erhobnen Adjectiv als eristircnd, übrigens aber in Hinsicht auf die Menge, auf den Umfang des Begriffs ganz unbestimmt gedacht werden soll: etwas BlaueS kann mich nicht reizen (am Kleide, Auge u. s. w.). AIS Zahlwort kann etwas auch vor andern Adverbien, sowohl Umstands, als Beschaffenheitswörtern, so wie vor Ad­ jectiven stehn: du kommst etwas (»wenig, nicht sehr, nicht viel) früh, er ist etwa- dick, etwas zu dick, ein etwas später Besuch, ein etwaS magrer Herr. Auch kann eS sich in dieser Dedeu, tung, als und wie ein wahres Umstandswort, auf das Ver­ bum beziehen: warte etwas, noch etwas, (exspecta paulisper,) steh etwas still. ES lässt sich nicht leugnen, daß besonders die, ser Gebrauch zu Zweideutigkeiten, und auch zu hässlichen, wi­ drigen Constructionen führt; daher hat man sich in mehrern Provinzen durch mancherlei Wörter und Redensarten, die man statt des etwas nimt, von diesem Uebelstande zu befreien gesucht; allein sobald und so lange diese der Hochdeutsche (clas, fische Schriftsteller) nicht annimt, müssen sie für Hochdeutsche immer alS ProvincialiSmen verworfen werden. So will man, wie wir schon wissen, im Hochdeutschen nicht recht gern sagen: mit etwas Sauerteig, mit etwas Liebe lässt sich viel auSrichten, noch weniger: um etwa« Geldes willen, und Reden-arten wir

446 um etwas tauten willen sind fast geradezu verboten; daher Hilst sich z. D. der Brandenburger sonderbar genug durch ev neu Stellvertreter, der vom Essen hergenommen ist, und sagt ei» Bisschen, der Oberdeutsche ein Bissel, d. i. ein kleiner Bis­ sen, der Pöbel gar ein Häppchen, ein Häppschen, d. i. ein kleiner Happen (für Dissen) statt etwas, selbst bei Gegenstän­ den, wo niemand beißen, kauen, kosten und essen will. Ein so guter und edler Ausdruck ein Bissen, z. B. ein Bissen Brod, an sich auch ist, so darf doch nur höchstens die scherz, haste Schreibart davon die Verkleinerungen ein Bisschen, Bisskein, Bissel ableitcn, da die Wörter auf en, (wie Ofen, Scha, den,) der Regel nach, diese Berkleinerungssylben nicht anneh, men sollen, weil sie dabei ihr en wegwerfen müssten, und als Adverbien für etwas dürfen diese Ausdrücke im Hochdeutschen nie gebraucht werden; man muß also ein Bisschen Brod (,noch mehr ein bisschen, ein Bischen) fürs Hochdeutsche so gut wie ein Bisschen Schmutz, wart ein Bisschen, mit einem Bisschen Sauerteig, (noch mehr mit ein bischen Liebe,) um. eines Biss­ chens Geld oder Geldes willen (,noch mehr um ein bischen Geld oder Geldes willen,) [um eines Bisschens Guten willen sagt niemand,) geradezu verwerfen (,wenn auch z. D. Karo, line Pichler in ihrer Erzählung: der Postzug in der Aglaja, 1823, schreibt: er fand dies Begehren ein bißchen stark). Endlich kann etwas auch als sächliches, aber an sich Doch immer ganz unveränderliches Hauptwort sowohl mit dem bestimmten und unbestimmten Artikel, als auch mit andern Bestimmungswörtern gebraucht werden: ein Etwas hielt mich ab; ich liebe das, dies, solches, ein solches, dergleichen Etwas nicht; von welchem Etwas redest du? von mehreren, vielen, wichtigen Etwas, deren jedes mich schon einzeln entschuldigt; um des Etwas, um deines wichtigen Etwas willen sei dir verziehen. 427) Das unbestimmte Grundzahlwort mancher, man, ehe, manches bezeichnet in seinem Plural mehrere der Zahl nach unbestimmte Dinge einer oder derselben, doch auch ver­ schiedener Art, mit dem Nebenbegriffc, daß ihrer nicht viele find, und in seiner Einheit einen einzelnen von diesen so be, jeichneten Gegenständen. Seines Begriffs wegen hat dieses Wort nie einen Artikel, Überhaupt nur äußerst selten ein an­ deres Bestimmungswort vor sich, und wird (deswegen) immer ganz nach der bestimmten Deklination gebogen, es mag dieses Jahr und jenes Jahr (der Vergangenheit oder Zu­ kunft), dieser berühmte Mann, (von dem ich jetzt spreche, in wie früher Zeit und an welchem entfernten Ort er auch gelebt haben mag,) jener berühmte Mann- (d. h. ein gewisser, der Zeit und dem Ort nach unbestimmt gelassener, aber vom Spre­ chenden und Hörenden entfernt, getrennt gedachter Mann,) diese und jene Seite des Flusses, (das dies- und jenseitige Ufer,) beten und arbeiten ist Christenpflicht, thue dieses oder dies, und lasse jenes nicht-; dies oder dieses rathe ich dir; (^ h. arbeite, und unterlaß das Beten nicht;) übe Tugend, und habe Vertrauen auf Gott; ohne dieses oder dies verlierst du jene gar leicht. Dieses oder (bei dieser Art zu sprechen gewöhnli­ cher) dies ist der Tag, der diesem deinem guten. Sohn und je­ ner meiner lieben Tochter dieses oder dies hohe Glück gewährt hat, das wir in jenen Tagen noch nicht ahnten, als sie diese Stadt ihres jetzigen Aufenthalts in jenem "so weit entfernten Lande zuerst sahen. Bei dem absoluten Gebrauch dieser Wörter verursachen die Genitiven sehr leicht Undeutlichkeit, da dieses, jenes nicht nur sowohl männliche als sächliche Substantiven bestimmen, sondern auch für Nominativen und Accusativen gehalten wer­ den können, und da eben so dieser und jener nicht nur als Genitiven sowohl die Mehrheit als die weibliche Einheit be­ stimmen, sondern auch für männliche Einheitsnominativen ge, halten werden können. Daher ist es der Regel nach fast im­ mer am besten, sich dieser absoluten Genitiven ganz zu enthal­ ten. Man sage demnach nie oder doch höchstens nur, wenn der Zusammenhang der Rede den Sinn ganz deutlich. macht: an die Rede dieser und jener kehre ich mich nicht, ich erwähne jener, die dich quälen, das ist die Sache dieser, die hier stehen, und noch weniger: ich erinnere mich dieses (Menschen vder Hauses), jenes aber nicht, das ist dieser oder jener (nämlich Frau, Familie oder Leute) Garten oder Stube oder Haus, die­ ser (nämlich Frau, Leute) Garten, Stube, Haus ist mir lieber als jenes (nämlich Mannes oder Kindes u. s. w.) Schloß oder Palast oder Stadt u. s. w., sondern man setze entweder die Hauptwörter hinzu, worauf sich die Pronomen beziehen, wodurch diese dann Conjunctiv werden, oder man wähle eine

deutlichere Construction besonders mit [ben] persönlichen oder possessiven Pronomen: ich erinnere mich seiner, das ist fein Haus, das ist ihr Garten oder Haus, ihre Stube *)♦ Freilich bleibt diese letzte- Art zu sprechen an sich auch noch immer undeutlich, da sein sich ans männliche und sächliche, i h r auf weibliche und auf Gegenstände der Mehrheit be­ ziehen kann; doch entscheidet darüber fast immer der Zusam­ menhang der Rede ganz leicht und deutlich. (Man vergleiche § 364.) 464) Nicht nur zur Abwechselung der Rede sondern auch (besonders in Hinsicht der eben 463] erwähnten Härte) zur größern Deutlichkeit derselben hat es der Sprachgebrauch ein­ geführt, statt beider Pronomen, vorzüglich aber statt dieser, das Wort der, die, das meistens zwar nur in der vertrauli­ chern Art zu sprechen, für gewisse Fälle aber doch in jeder noch so edlen und hohen Redeart nehmen zu dürfen, wie denn na, meutlich statt des Neutrums dieses oder dies unendlich oft daS gesagt wird. Dann hört der, die, das natürlich auf, Artikel zu sein, indem es als Stellvertreter von dieser und jener auch grammatisch den Werth und die Würde eines demonstrativen Pronomens annehmen, muß. (Wir werden in den nächsten Abtheilungen sehen, daß der, die, das ganz auf dieselbe Art in die Natur der folgenden Pronomenclassen übergeht.) Dies der, die, das kann nun, wenn es als Pronomen gebraucht wird, ebenfalls sowohl conjunetiv als absolut stehen. Beim conjunctiven Gebrauch vor dem durch dasselbe be­ stimmten Hauptworte wird es" jetzt, nach dem Sprachgebrauch aller guten Schriftsteller, ohne Ausnahme ganz eben so wie als Artikel deklinirt, so daß man nie mehr dessen Menschen, wegen derer oder deren Frau, Frauen oder Männer, denen Kindern sagen oder schreiben darf. Dagegen erhält es als Pronomen allemal den Redetow (,in neuern Zeiten auch wohl Wortton ge­ nannt, (§ 95,) welcher ihm als. Artikel nie gegeben werden kann und darf (,§ 96); prosodisch ist der Artikel der, die, das kurz, das Pronomen mittelzeilig, § 102, Band I, S. 256 und 259). Wenn aber der, die, das absolut steht, (wie der Artikel nie stehen kann,) so ist die Deklination folgende: *) Für die niedrige Schreibart besonders des GeschäfftsstylS hat eL der Sprachgebrauch erlaubt zu sagen: der Borzeigcr, Inhaber u. s. w. dieses, statt dieses Scheins, Zeugnisses, am siebenten dieses kommt der König, statt dieses Monats. Giebt es noch mehrere solcher vom allgemeinen Sprachgebrauch erlaubten Re­ densarten mit den absoluten Genitiven dieses und jenes?

566 Mehrheit

Einheit. Männlich.

1. 2. 3. 4.

, /

der. dessen, deß, (drss,) dem. den.

Weiblich.

Sächlich.

die, deren, der. die.

das, dessen, dem, das.

aller Geschlechter.

die, deren, derer, denen, die.

Man sieht aus diesem Schema, daß der absolute Mehr, heitsdativ denen (nicht den), und der männliche nnd sächliche Einheitsgenitiv dessen, das man in deß abkürzen kann, (nicht des) heißt, und hierüber findet weiter kein Zweifel statt: mit denen (statt diesen) hier bin ich zufrieden, mit jenen dort nicht, das sind Lügner, wer kann denen glauben? dessen (statt dieses) hier will ich mich annehmen, jenes (Knabens oder Mädchens) aber nicht. (Hier macht es der Zusammenhang der Rede ganz deutlich, daß jenes der Genitiv sein soll, und daher ist hier der Gebrauch dieses absoluten Genitivs jenes ganz erlaubt, f. § 463.) Dagegen hat der Sprachgebrauch noch immer nicht entschieden, wie der weibliche Einheits, und wie der Mehr, heitsgenitiv dieses absoluten Pronomens der, die, das heißen soll. Es sagt indessen wohl kein guter Schriftsteller im Ein, heitsgenitiv derer, z. B. wenn von einer Frau die Rede ist,, das ist Hier derer Schuld, sondern immer deren Schuld. (Auch Adelung führt nur den Einheitsgenitiv deren auf, hat aber gewiß Unrecht, wenn er meint, daß selbst diese Form de­ ren, und noch weniger die zusammengezogcne der, wohl nicht leicht vorkommen möchte, und man nicht sage: sie ist die Toch, ter deren, welche wir gestern sahen, sondern: der Frau.) Dem gemäß wäre es gewiß am einfachsten und deutlichsten, geradezu die Regel aufzustellen, der absolute Genitiv heiße in der weib­ lichen Einheit deren, und in der Mehrheit derer. Nun ist es aber nicht zu leugnen, daß die Befolgung dieser Regel zu, weilen einen Uebellaut verursacht, z. B. ich bin dies Geständ, niß derer Ruhe hier schuldig, die so ängstlich darauf warteten, wo es wohllautender ist, deren Ruhe zu sagen. Diese Be, rücksichtigung des Wohllauts lässt daher viele Sprachlehrer die Regel ausstellen, deren zu sagen, wenn dies Pronomen vor dem Hauptwort steht, durch welches, der Genitiv bestimmt oder regiert wird, "derer hingegen, wenn es hinter diesem Haupt, worte, oder ganz ohne solches regierende Substantiv steht, also: das ist deren Schuld, aber das ist die Schuld derer, ich erin­ nere mich derer. Es ist nur schlimm, daß durch diese Regel deS Wohllauts die Deutlichkeit nicht selten gefährdet wird, in­ dem man deren auch für den Singular halten kann. Wenn

man z. B. sagt: Hier sind zwei Männer und eine Frau, willst du dich deren Sache annehmen, so bleibt cs unentschieden- ob bloß die Sache der Frau oder die Sache aller gemeint ist, wel­ che Undeutlichkeit durch die Befolgung der ersten Regel weg­ fallen würde, da nach ihr deren nur auf die einzelne Frau bezogen werden dürste, und es derer heißen müsste, wenn von mehreren, wenn von allen die Rede ist. Wie gesagt, die Zu­ kunft muß erst entscheiden, was hierbei fester und bestimmter Sprachgebrauch werden soll. (Auch Bernhardt giebt für die jetzt besprochenen hindeutenden Pronomen in seiner Sprach­ lehre geradezu derer als den Mehrhcitsgenitiv an. Adelung sagt: das Demonstrativ hat außer allem Streit im Mehrheits­ genitiv derer, (?) und das Relativ hat, wenn man wenige Sonderlinge ausnimt, deren. Das Demonstrativs, Relativum (d. i. das -Determinativ) steht zwischen beiden in der Mitte, und verbindet gleichsam diese beiden Extreme. Es scheint daher billig zu sein, daß es in denjenigen Fällen, wo es sich mehr der demonstrativen Bedeutung nähert, d. h. wo es für derjenigen steht, derer, und wo es mehr Relatives an sich hat, oder für derselben steht, deren habe. Man ziehe ein gu­ tes Gehör zu Rathe, so wird man von der Billigkeit dieser Regel überzeugt werden.) Alle jetzt über die Deklination und den Gebrauch des Pro­ nomens der, die, das ausgestellten Bemerkungen gelten übri­ gens nicht bloß, wenn dasselbe ein demonstratives Fürwort ist, sondern auch wenn es als determinatives oder relatives Pro­ nomen steht (, so daß wir'»ms in den nächsten Abtheilungen auf den gegenwärtigen Paragraphen berufen können). 465) Die angegebenen Beispiele haben schon gezeigt, daß man allen dcmonstrariven Pronomen zur genauern Bezeichnung der anzudeutenden Nähe oder Entfernung (dem Orte, der Zeit nach u. f. iv.) oft noch die Adverbien hier, da oder dort hinzufügt: dieser Wein hier, die (für diese) Suppe da, jenes Wasser vort. 466) Dagegen ist es ei,ne durchaus falsche Angabe, ob sie sich gleich in den meisten Sprachlehren findet, und selbst Ade­ lung sie angiebt, daß bei drei anzudeutenden Gegenständen der nächste oder zuletzt genannte durch dieser, der mittlere durch der, und der entfernteste oder zuerst genannte durch jener angedeutct werden solle, so daß, wenn von Braten, Kuchen und Wein geredet wird, und jemand sagt: dieser war schlecht, der mittelmäßig, jener gut, dies schlechten Wein, mittelmäßigen Kuchen und guten Braten bezeichnen müsse. Nein, das Pro-

568 uomen der, die, das, in so fern es nicht für jener steht, was auch der Fall sein kann, wenn man z. B. sagt: nicht dies Mädchen will ich heirathen, sondern das da (statt jenes), ist ganz vollkommen gleichbedeutend mit dieser, und es macht durchaus nicht den mindesten Unterschied der Bedeutung,, ob man z. B. sagt: diesen Knaben liebe ich oder den Knaben hier liebe ich.. Dem gemäß ist die angegebene Regel ganz reine Willkühr ohne alle Begründung, so daß man sie in ihren bei, den ersten Theilen auch geradezu umkehren könnte, wenn es gleich richtig ist, daß ans den entferntesten oder zuerst genannten Gegenstand durch jener zurückgedeute't wird. Es ist bloß die gleichmäßig beobachtete Ordnung in der Folge und Stet, lung der Wörter, wenn man das angeführte Beispiel so ver, steht, wie angegeben ist. Man würde denselben Sinn damit verbinden, wenn man spräche: der war schlecht, dieser mittel­ mäßig, jener gut. Die Undeutlichkeit fällt freilich weg, wenn die angegebenen Gegenstände verschiedenen Geschlechts oder Nu­ merus sind, wenn man z. B. von den besprochenen Dingen Butter, Brod und Käse sagte: dieser (oder der) war gut, das (ober dies) schlecht, und jene mittelmäßig; sobald dies aber nicht der Fall ist, bleibt die Rede immer undeutlich^ eben weil man nicht wissen kann, ob der Sprechende oder Hörende diese Regel der Willkühr kennt, und hei der Rede befolgt, oder nicht. Außerdem muß man im Allgemeinen diese ganze Art des Aus­ drucks auch immer schlecht nennen, denn es ist noch eine wohl zu beachtende allgemeine Bemerkung über den absoluten Ge­ brauch .des demonstrativen Pronomens der daß man die Casus, in welchen es mit dem Artikel gleich bleibt^ nur das ausgenommen, in der anständigen und edeln Art zu spre­ chen nach aller Möglichkeit vermeidet, so daß nur die pöbel­ hafte, oder doch niedrige, oder höchstens die vertrauliche Art zn sprechen sagt: der da ist mir lieb, die hier kann ich nicht lei­ den, mit dem oder der komm nur nicht, und darum verwirft die anständige. Ausdrucksart die angegebenen Beispiele ganz und gar. Ueberdies würde diese ganze Regel, wenn, sie auch nicht so widrig wäre, wie sie ist, äußerst wenig helfen, da sie nur bei drei zu bezeichnenden Dingen, nicht aber bei vier und mehreren angewendet werden könnte. Daher ist es gewiß wie am deutlichsten und anständigsten so auch am besten, wenn auf drei oder mehrere Gegenstände zurückgedeutet werden soll, dies durch Zahlwörter zu thun, wobei es erlaubt bleibt, auch dieser und jener anzuwenden. Dem gemäß wird man das erste an­ gegebene Beispiel von Braten, Kuchen und Wein etwa so ver-

ändern: dieser war schlecht, der Kuchen mittelmäßig, jener aber gut, oder: der erste oder jener war gut, der zweite (oder nicht so gut der andere) mittelmäßig, und der dritte, der letzte oder dieser schlecht; das zweite Beispiel von Butter, Brod und Käse könnte man verändern in: dieser war gut, das Brod schlecht, jene mittelmäßig, oder: das erste mittelmäßig, das zweite schlecht, das dritre oder letzte gut, oder: die erste mittelmäßig, daS zweite schlecht, und der letzte, dritte gut. Bei weitem einfacher und besser ist es aber, wenn man geradezu sagt: die Butter war mittelmäßig, das Brod schlecht und der Käse gut. 467) Die absoluten Neutren das und dies werden, ge­ rade so wie es, sehr oft ohne alle Beziehung auf ein Haupt­ wort, und eben so oft auch, wenn sie wirklich auf ein Sub­ stantiv gehn, ohne alle Beziehung auf den Numerus und Ge­ nus desselben gebraucht, und wegen dieses wichtigen Dienstes, den sie leisten müssen, das Allgemeine zu bezeichnen, sind sie auch der edelsten und höchsten Sprechart unentbehrlich. So sagt man im Nominativ: das oder dies ist mir lieb/, (wie es ist mir lieb, z. B. daß du gesund bist,) das oder dies war un­ entbehrlich, das oder dies verändert die Sache, das oder dies bedeutete nichts, wird nichts zu sagen haben, das oder dies ist ein Knabe, oder eine Frau oder ein Mädchen, (wie-es ist ein Mädchen,) das oder dies sind Kinder, Narrheiten, es oder daS oder dies waren mir selige Tage, das oder dies werden Bett­ ler sein, werden Betrüger werden. Diese letzten Beispiele zei­ gen, daß sich das Zeitwort nicht nach den Singularen das, dies, (es,) sondern nach dem Numerus des Pradicats richtet; doch sind es nur die Verben sein und werden, bei welchen dies geschieht, denn bei allen andern bleibt der Singular: es, das oder dies hatte böse Folgen, giebt Kriege, wird Krankhei­ ten bringen. Beispiele für den Accusativ sind: ich weiß es, das und dies, ich liebe dies oder das (alles) nicht, ihr sahet das oder dies oder es richtig ein, die Kinder werden das oder dies oder es einsehn. (Man vergl. § 450.) Außer diesem allgemeinen Gebrauch des Neutrums daS für dies setzt man das conjunctive der, die, das überhaupt in jeder Sprechart meistens nach Belieben für dieser, e, es, sodaß man eben so gut und richtig (mit dem Redeton): der Baum

Ist gut, des Mannes erinnere ich mich wohl, mit der Entschul­ digung rettest du dich nicht, durch das Land muß ich ziehn, sa­ gen kann, wie dieser Baum, durch dieses oder dies Land u. s. w.; dagegen vermeidet die höhere Schreib- und Sprechart den

570 absoluten Gebrauch derjenigen Casus von der, die, das nach Möglichkeit, welche mit dem Artikel üvereinstimmen, und über, lässt diesen der vertraulichern und niedern Svrechart: jetzt ist der Mann, die Frau da; mit dem, mit der will ich wohl fer, tig werden; die Leute da sehen dich; durch die wird nichts ver, rathen; und fast nur die ganz gemeine Redeart setzt diese Casus hinter die Zeitwörter (in Form der Adverbien): die Sa, che war die, das Ende ist das, der Erfolg wird der sein, an, ständiger: diese, dies, dieser. 468) Man findet diese demonstrativen Pronomen dieser, jener und der, die, das bei vielen Schriftstellern absolut vor Genitiven von Hauptwörtern gebraucht, die durch sie bestimmt werden, und von ihnen abhanqen; das ist aber immer eint ha'te, misslautende und in sklavischer Nachahmung von den Franzosen entlehnte Art des Ausdrucks, welche deshalb für die hochdeutsche Schriftsprache geradezu verworfen werden muß. Dem gemäß sage man nie: die Größe der Sonne übertrifft die oder diese oder jene des Mondes, (celle [grandeur] de la lune,) mein Haus liebt er mehr als das oder dies oder jenes des Schneiders, (celle du tailleur,) er ist mit meinem Gar, ten oder mit meiner Stube oder mit meinen Zimmern zufrie, dener als mit dem, diesem, jenem, oder mit der, dieser, jener, oder mit denen, diesen, jenen des Kaufmanns, (il est plus Content de inon jardin que de celui, de ma chambre quß de celle, de ines apartemens que de ceux du inarchand,) sondern man wiederhole entweder das Hauptwort, oder wähle eine ganz andre Construction, um nur diese widrige Härte zu vermeiden: die Größe der Sonne übertrifft die Größe des Mondes, die Sonne übertrifft den Mond an Größe, er ist zu, friedener mit meinen Zimmern als mit den Zimmern des Kauf, manns, er ist mit den Zimmern des Kaufmanns nicht so zu, frieden wie, oder weniger zufrieden als mit den meinigen u. s. w.. (Man sehe § 462, und vergleiche § 464.) *)

*) Daß diese Ausdrücke leider noch immer gebraucht werden, zeigen folgende Stellen: Julie von Richtvofen sagt in der Zannia, Leipzig, 1825, S. 74: meine Thräne fiel auf ihre Hand, als die des Dankes drang fie durch die Wolken; in der Minerva, 1822, Juni, S- 335, steht: die (nämlich Stellung) des Schwa­ chen; in der Urania, 1827, S. 196 sagt Kruse: die Verzärte. lung von Seiten der Eltern, und die Unterwerfung von der sei­ ner Umgebung. Deswegen erlaubt sich Götzinger sogar, es in seiner Sprachlehre, S. 115 förmlich als Regel aufzustellen: „je­ der Deuter (,d. h. demonstratives Pronomen,) kann eben so gur

Uebrigens werden dieser und jener in ihrer Wurzelform mit seits zu Umstands- und Verhältnisswörtern diesseits, und jenseits (des Rheins) zusammengesetzt, welche für: auf dieser Seite, auf jener Seite stehen, ohne daß man jedoch gramma­ tisch den Ursprung dieser Ausdrücke kennt, und entscheiden kann, ob sie etymologisch wirklich aus dieser Seite, jener Seite ent, standen sind oder nicht. (Ueber die Schreibart diesseits oder diesseit s. § 202, vergl. 165.) Auf eine ähnliche Art wird der sächliche Einheitsgenitiv von das mit halb und wegen (und zuweilen auch willen) zu Adverbien zusammengesetzt: deshalb, deswegen *), und zuweilen auch um deswillen besser aber wohl getrennt: um deß willen. Vierte Abtheilung.

Won den determinativen Pronomen.

469) Die brstimmenden oder determinativen Pronomen stehen mit der folgenden Classe der beziehenden oder relativen Pronomen in genauer Beziehung, weswegen man sie auch wohl demonstrativ - relative nennt: die bestimmenden machen nämlich gewöhnlich auf ein Subject aufmerksam, von wel, chem im folgenden Satze mehr gesagt werden soll, so daß sie im Voraus auf einen solchen Gegenstand hinzeigen, auf wel, chen der folgende Satz durch ein relatives Pronomen zurück, führt. Auf diese Art bestimmend sind die Wörter derjenige, diejenige, dasjenige, der,, die, und dasselbe, (nicht mehr der, selbige, und auch nie mehr selber, selbe, selbes, so wie äußerst

wie das Hauptwort selbst einen Genitiv bei sich haben: die (Be­ deutung u. s. w.) des Geldes." Nein, diese Sprechart ist den» Genius der deutschen Sprache durchaus zuwider. ♦) In Ansehung der Orthographie schreiben in neuern Zeiten viele deffhalb, (deßhab,) deßwegen, und das Recht scheint auf ihrer Seite zu sein, da daö hier absolut steht, und also im Genitiv dessen haben muß, daö nur in dess oder deß, aber nicht in des zusammengezogen werden soll. Doch ist jene Schreibart deßhalb, deswegen fast noch allgemeiner Gebrauch, der zu seiner Verthei­ digung vielleicht noch anführen dürfte, daß man doch nie die lange Form deffenhalb, dessenwegen braucht; die kurze also wohl eine Reliquie aus einer Zeit sein könnte, wo man den Genitiv dessen noch gar nicht kannte, sondern das Pronomen auch abso­ lut wie den Artikel deklinirte. Selbst die ganz gemeine Sprech­ art, die wohl derentwegen sagt, erlaubt sich doch nie dessentwe­ gen zu sprechen. Im Masculin setzt man nicht zusammen, und sagt richtig: um dessen willen, dessen wegen.

572 selten noch selbiger,) wieder der, die, das (statt derjenige und derselbe), und solcher, e, es. 470) Die Wörter derjenige und derselbe sind Zusammen­ setzungen aus dem bestimmenden Artikel und den Pronomen selb, jenige für jene, wie Opitz noch dcrjene schreibt. (§ 451). Ihre Biegung besteht darin, daß das Bestimmungswort ganz wie der Artikel, und das heißt ganz bestimmt, das Grundwort aber (eben deswegen) nach der unbestimmten Deklination abgeändert wird. Dies ist freilich als eine Abweichung von der Regel, daß bei zusammengesetzten Wörtern nur das hinterste oder Grundwort deklinirt werden soll, indem man z. B. das Vaterland, des Vaterlandes, der Feuerstahl, des Fcuerstahls, der Bösewicht, des Bösewichts, und nicht deS Vatcrslandes, Fcuersstahls, Dösecwichls sagt, (siehe § 313 am «Schlüsse,) eine Unregelmäßigkeit in der Biegung; indessen giebt es doch manche Analogie für dieselbe: Insofern man näm, lich z. D. des Hohenpriesters, ein oder du Hoherpriester, die Hohenpriester, auch wohl der Langenweile, vor oder aus Langer, weile, und wieder solchergestalt, folgendermaßen, desgleichen u. s. w. schreibt, (s. H 212, Nr. 1,) und sie hat viele Iahrhun, derte hindurch den allgemeinen Sprachgebrauch für sich gehabt. Daher ist es wohl am besten, sie auch in der Zukunft ruhig in der Sprache zu dulden. Auf keinen Fall wird wenigstens die Sprache je zngeben, in diesen Wörtern das bloße Grund­ wort biegen, und etwa derselber, dersclbes, derselbem, derselben, derselbe u. s. w. sagen zu wollen. Will man also die Unre­ gelmäßigkeit durchaus wegschaffen, so bleibt nichts übrig, als die Wörter getrennt zu schreiben: der selbe, des selben, dem jeni, gen wie der gute, des guten, dem guten, *) was aber gewiß nicht gut ist. *) Das ist auch Bernhardts Vorschlag, der in seiner Sprachlehre sagt, es sei besser, diese Wörter getrennt zu schreiben: der selbe wie dieser selbe. Aber welcher gute Schriftsteller braucht wohl den letzten Ausdruck? Es ist eine Uebereilung, wenn Spiker in der Uebersetzung von Irvings Erzählungen, Berlin, 1825, I, S. 2ii schreibt; in diesem selben Zimmer. Uebrigens sieht man um so weniger ein, warum dessen ungeachtet Bernhardt bei der Bor, setzung von eben das Ganze als ein einziges Wort zusammen­ gesetzt schreiben will: ebenderselbe, ebendesjenigen, da sich hier gerade die Begriffe ganz gut unzusammengesetzt denken, und eben so ihre Wörter auch sprechen und schreiben lassen: eben derselbe wie eben solcher, eben der nämliche. Daß diese Abweichung von der Regel aber sehr alt ist, zeigt uns selbst die lateinische Spra­ che, welche zwar ganz natürlich aliquis, alicujtis, omnipotent, omnipolenlu, Deiphobe, Deiphobes, furis - oder jitreperilin,

Hiernach ist die Biegung dieser Wörter folgender

1. 2. 3. 4.

Männlich. Fall: derselbe, -desselben, x demselben, x denselben.

Einheit. Weiblich, dieselbe, derselben, derselben, dieselbe.

Sächlich, dasselbe, desselben, demselben, dasselbe;

Mehrheit Für alle drei Geschlechter. 1. Fall: dieselben, 2. x derselben, A. x denselben, 4. x dieselben. Ganz eben so wird derjenige deklinirt. Beispiele sind; das ist derselbe Mann, welcher gestern hier war; diejenigen, welche Recht haben, werden es auch behalten; dies ist dasselbe, was du behauptest. Wenn in diesen Beispielen wirklich relax tive Pronomen ans die determinativen folgen, so werden die Nachsätze mit diesen Relativen in andern Redensarten mit d e rx selbe "oft ausgelassen, müssen aber zum vollständigen Sinn

der Rede hinzugcdacht werden. Wenn z. B. jemand einen Griffel, Tinte, Papier oder Federn fordert, so wird man zu ihm bei Uebcrrecchung des Geforderten in der einfachen, schlichx ten Art zu reden sagen: hier hast du ihn, sic, cs, sie; ist der Fordernde mit dem Ueberrcichten nicht zufrieden, hält er es z. B. nicht für dasjenige, was er verlangt, so wird er fragen: ist denn das derselbe, eben derselbe, dieselbe, dasselbe, sind das diex selben? und man wird ihm sagen: es ist ja derselbe, eben derx selbe, dieselbe, dasselbe« sind ja dieselben, eben dieselben, wox bei man sich dann hinzudenken muß: welchen, welches, welche ich gefordert, gehabt habe, du gefordert, vorher bekommen, schon einmal als gut angenommen hast und dergleichen mehr. Doch muß man es schon der höhern, rednerischen oder dichterischen

jureperiti, aurifex, aurificis, multimodus, multimodi, multiloquus, muliiloqui biegt, und so das Bestimmungswort ebenfalls unverändert lässt, aber doch auch sowohl altewiira, alterutrius als alteriusutrius, alterautra, und so auch unusqtusque, uniuscujusque, unicuique, qaisquis, quemquem, cuicuimodo, meipfum sagt, und so beide Theile biegt. In idem, hicce, quispiam, quicunque u. s. w. biegt sie bloß den ersten Theil (, denn weder sie noch vielleicht irgend eine andere Sprache hat eine un­ srer unbestimmten entsprechende Biegungsform).

574 Redeweise gestatten, besonders wenn sie sich numeröser ausdräkFen, und nicht die kurzen Personwörter er, sie, es nehmen will, statt ihrer der/, die - und dasselbe zu brauchen, so daß dann das Determinativ ganz ohne Relativ für das bloße Personen, wort steht: hier hast du denselben, dieselbe, dasselbe, dieselben; es ist derselbe gen Himmel gefahren, statt er; ich bin mit dem, selben (statt ihm) zufrieden: ich habe dieselben (statt sie, z. B. Bücher) gelesen; ich erinnere mich derselben (statt ihrer) noch deutlich. Besonders steht das bestimmende statt des persönlichen Fürworts sehr oft, um Uebellaut zu vermeiden, wenn z. B. die öftere Wiederholung desselben Personworts nicht nur die Rede schleppend, sondern selbst den Sinn undeutlich macht:die Mütter lieben ihre Töchter; wenn sie sie schelten, so u. s. w., besser dieselben. Niemeier schreibt in seiner Reise nach England, 1822, Thl. 1, S'. 129: die Schiffer bringen Schild, Frören mit; die Aufkäufer haben ganze Höfe voll, worin sie heerdenweise umherkriechen; hier muß jeder Leser sie eigentlich auf das nächste Subject, d. L die Aufkäufer, beziehen; leichter sieht man, daß dies Subject auf die Schildkröten gehn soll, wenn man dieselben statt sie setzt. Ganz ohne nachfolgendes Relativ muß derselbe blei, ben, wenn der Sinn dieses Worts nicht bestimmend, sondern zwar wieder rein persönlich, aber doch so bestimmt ist, daß der Begriff adjectiv wird, eine Art Eigenschaft, die Identität, das Einerleisein, nicht bloß is sondern idem bezeichnet; z. B. brauch dasselbe, eben dasselbe, ein und eben dasselbe Wort nicht' z» oft, die Wiederholung (eben) derselben, einer und eben der, selben Erzählung erregt Langweil. Hier kann man gar kein anderes Pronomen als derselbe nehmen, kein Relativ folgen lassen, und auch nichts hinzudenken; sagt man: dieselben Ursa­ chen haben nicht immer dieselben Wirkungen, so ist das fast gleichbedeutend mit dem Adjectiv: gleiche Ursachen. Ehemals sagte man oft nämlicher dafür: er ist der nämliche, der ge, stern hier war, das ist das nämliche, die nämlichen Ursachen; dieser Gebrauch des nämlich wird aber vom jetzigen Hoch, deutsch ganz verworfen. Auf eine ähnliche Art braucht man diese Wörter oft auck statt der Possessiven sein und ihr. Ohne Absicht, Ursache und grammatische Begründung muß dies aber ebenfalls nicht geschehen. Heyse sagt: „das Hauptwort, für welches das possessive Pronomen sein steht, muß ein le, bendiges Wesen bezeichnen; also: ein Freund ist ein großes Gur; sein Besitz erhöht den Werth des Lebens; aber: das Geld ist ein großes Gut, der Besitz desselben erhöht den

Werth des Lebens". Diese Regel ist offenbar ganz falsch, in reiner Willkühr ausgestellt, und würde bei ihrer Befolgung dem Sprachgebrauch ohne alle vernünftige Ursach die höchste Gewalt anthun. Nein, in diesen beiden Sätzen mag man nach Belieben sein oder dasselbe sehen, der Sinn bleibt immer ganz derselbe, und auch gleich deutlich; warum also will Heyse den Gebrauch so eigensinnig und grundlos beschränken? Diesen Irrthum Heyse's bemerkt auch Lor berg (im ersten Heft seiner Zusätze zu desselben Sprachlehre), nnd sagt deshalb: „im er­ sten Fall scheint desselben stehn zu müssen (;also: ein Freund ist ein großes Gut, der Besitz desselben erhöht des Le­ bens Werth). In beiden Fällen liegt der Unterschied vielmehr darin, daß sein Besitz activ, der Besitz desselben pas­ siv ist." Das soll heißen: sein Besitz ist der Besitz des Sub­ jects, der Besitz, den das Subject hat oder besitzt, das, was das Subject besitzt; der Besitz desselben aber heißt das Sub­ ject, das besessen wird, das besessene Subject, der Besitz, wel­ chen das Subject leidet. Indessen ist diese Gegen—regel Lorbergs nichts als eine neue, bloße, durch nichts begründete Wiltkühr; warum soll denn das so sein? Es ist ein großer Irr­ thum, wenn ein Sprachlehrer glaubt, durch eine in eigner Machtvollkommenheit aufgestellte Regel den allgemeinen Sprach, gebrauch umändern und, sei es auch, berichtigen zu können. Nein, jeder Schriftsteller wird sich nach wie vor diesen Aufstel­ lungen ohne Bedenken erlauben, mit Heyse und Lorberg zu schreiben: der Mann ist todt; seine Frau (,die der lebendige Mann besaß,) trauert sehr; aber auch mit Heyse gegen Lor­ berg: der Mann ist todt; er hat seine Ernennung zum Staats­

rath nicht mehr, erlebt; wer könnte hier mit Lorberg sagen: die Ernennung desselben, obgleich der Mann nicht ernannte, son­ dern ernannt wurde? wieder wird man ge^en Heyse mit Lor­ berg schreiben: das Brod ist verdorben, das beweiset schon seine Farbe, wo man freilich auch desselben sagen kann; endlich wird man gegen Heyse und Lorberg unbedenklich schreiben und sprechen: man hat mir den Garten genommen, und doch machte mir seine Bearbeitung so viel Vergnügen; die Uhr ist verlo­ ren, wer hilft mir wieder zu ihrem Besitz? wo.man freilich auch desselben, derselben sagen kann; die Kinder spielten; die Peiniger derselben achteten ihrer nicht, wo freilich ihre eigentlich grammatisch richtiger gesprochen wäre, wenn das zweite ihrer dann nicht Uebellaut verursachte. Und wie so sehr oft würde man sich von beiden Führern verlassen finden, wessen Regeln man auch annähme, da in unzähligen Fällen

576 weder von einem eigentlichen Besitzer noch Besessenwerden &te Rede ist, weder activ noch passiv gesprochen wird, und man z. B. nicht weiß, ob Pflanzen, Schimmel an Broden u. dgl. von Heyse zu den lebendigen Wesen gerechnet werden oder nicht, es aber nach ihm im ersten Falle, wenn von einer Rose geredet wird, ihre Blätter, im zweiten die Blätter derselben heißen müsste; Lorberg wird sagen: die Wilden fanden den Weg, denn ihr Gesicht und ihr Geruch sind sehr scharf; die, ser Schriftsteller gefällt mir, beim sein Geschmack und sein Gefühl leiten ihn immer richtig; wird er aber schreiben: dieser Wein ist vortrefflich, sein Geschmack und sein Geruch sind gleich gut; der Unglückliche erregte Theilnahme, sein Todesnr, theil ward mit allgemeiner Erschütterung angehört? oder wird er hier desselben nehmen? hat der Wein Geschmack, Ge, ruch, oder leidet er denselben, wird er geschmeckt und gero, chcn? hat oder leidet der Unglückliche das Todesurtheil? Die erste Regel ist es, deutlich, allgemein verständlich zu sprechen, jede Zweideutigkeit nach aller Möglichkeit zu vermei, den; das hat Lorberg nicht genug, und Heyse gar nicht beacb, tet, denn.ob der besprochene Gegenstand lebt oder nicht, das hat auf die Deutlichkeit der Rede keinen Einfluß. Nach ihm würde man erzählen können oder müsstn: der Kriegesrath bc, urtheilte den Doctor zu schonend, weil er (wer?) seine (wes­ sen?) Schwester heirathen will; die Feinde der Religion mes, sen ihren Gegnern (,das müsste nach Heyse auf die Feinde der Religion gehen,) Fehler bei, die'sie (wer?) verabscheuen; die Römer luden die Sabiner zu einem Schauspiel ein; als sie nun (wer?) in demselben versammelt waren, fielen sie (wer?) über ihre (wessen?) Weiber her, und zwangen sie, (wen?) bei ihnen (bei wem?) zu bleiben; da es ihnen (wem?) indessen bei ihnen (bei wem?) nicht gefiel, und sie (wer?) lieber bei ihren (wessen?) Kindern gewesen wären, so zwangen sie sie (wer? wen?) durch die größcste Härte dazu, daß sie (wer?) in ihrer (wessen?) Stadt blieben. Und wer kann diese Rede verstehen? Alle Zweideutigkeiten und Willkührlichkeiten fallen dagegen fast immer weg, sobald man folgende Regeln annimt: bei mehreren verbundenen Sätzen muß das Personwort er, sie, es immer auf das Subject, das Determinativ derselbe, diesel, ben auf das Object oder andere Verhaltnisssubstantiven des vo, tigen Satzes bezogen werden; in einem und eben demselben Satze aber soll man eigentlich nur durch das Reflexiv (sich) und durch Possessiven (sein, ihr) auf das Subject desses,

ben,

Ben, sei cs ein Haupt, oder Personwort, auf andre Verhalt, nissbegriffe durch das Determinativ derselbe zurückdeuten. Die Wörter der, die, das, dessen u. s. w. können Determinativen, aber auch Demonstrativen (für dieser) sein, und als solche zur Anshülfe gegen Undeutlichkeit dienen. So heißt es: er hat sich getäuscht; sie hat ihre Wette, und er seinen Lohn verlo­ ren; man (Subject) muß bei einem Dortrage sich nach sei­ nen (des Subjects man) Zuhörern richten; nach den Zuhö­ rern desselben oder nach dessen Zuhörern heißt nach den Zuhö­ rern des Vortrages. Dem gemäß müssen die vorigen Sahe auf folgende Art ausgedrückt werden: der Kriegcsrath benrtheilte den Doctor zu schonend, weil er (d. h. der Kriegesrath) desselben oder dessen (d. h. des Doctors) Schwester hcirathcn will; (seine Schwester würde seine eigene Schwester heißen;) dagegen: weil derselbe (d. h. der Doctor) (nicht seine, sondern) dessen (des Krieges­ raths) Schwester heirathen will. Die Feinde der Religion messen (nicht ihren, das wäre ihren eignen, sondern) deren Gegnern oder den Gegnern derselben Fehler bei, welche diese oder dieselben (,fic wären die Feinde,) verabscheuen. Die Rö­ mer luden die Sabiner zu einem Schauspiele ein; als diese oder dieselben (,si c wären die Römer,) nun in demselben oder darin versammelt waren, fielen jene, oder die Römer (,si e wä­ ren die Sabiner als das Subject des nächst vorhergehenden Satzes,) über deren (oder derselben in Beziehung ans den er­ sten Hauptsatz) oder dec Sabiner Weiber her, (ihre wären der Römer Weiber,) und zwangen dieselben, bei ihnen (d. h. den Römern, weil zu zwangen das Subject sie, die Rö­ mer gehört,) zn bleiben; da es denselben (,ihnen wären die Römer,) indessen bei ihnen nicht gefiel, und sie (»hier sollte eigentlich dieselben stehn, da das -Subject des vorigen Satzes eS ist; aber eben weil dies Subject so unbestimmt ist, und dieser Satz im Grunde bedeutet: da dieselben sich bei ihnen nicht gefielen, so muß cs ganz erlaubt sein, in Beziehung auf das als Subject gedachte denselben nun auch sie folgen zu lassen,) lieber bei ihren (eigenen) Kindern gewesen wären, so zwangen die Römer (oder jene) sie mit der größesten Härte dazu, daß dieselben in deren Stadt blieben (»nicht in ihrer, das wäre der Weiber Stadt; besser indessen: in ihrer Stadt zu bleiben). So muß es auch heißen: der Vater schickt seinem Sohne viel Geld, allein derselbe (»der Sohn, er wäre der Vater,) weiß vs ihm (dem Vater) keinen Dank; der Vater liebt zwar Bauer Spracbl. IL 37

578 seinen Sohn, allein er (der Vater) verzieht denselben (oder auch ihn, U dies ihn nicht auf das Subject ergehen kann); der König ist ein guter Regent, er (eigentlich nicht derselbe) übt strenge Gerechtigkeit; er ist sehr liebreich gegen seine Die­ nerschaft, diese oder dieselbe ^eigentlich nicht sie, obgleich auch dies sie deutlich wäre,) llebt ihn aber auch wie ihren Vater; der Fürst ist sehr liebreich gegen seine Dienerschaft, er (eigent­ lich nicht derselbe) liebt dieselbe (eigentlich nicht sie) wie ein Vater. Noch ist die Bemerkung nicht zu vergessen, daß man sich nn diese Regel, wie richtig sie uns auch erscheint, nicht zn -strenge binden darf, sobald die Deutlichkeit darunter nicht lei­ det, sondern daß, um Harte und Eintönigkeit zu vermeiden, mancherlei Abweichungen von derselben ganz wohl erlaubt sind, insofern durch diese die Geschmeidigkeit und der Fluß der Rede befördert, und keine Zweideutigkeit veranlasst wird. Dies sei indessen für jetzt genug über den Gebrauch des Detecminativs derselbe gegen das Personwort er, insofern sich beide auf den Nominativ des vorhergehenden Hauptsat­ zes beziehen, und wir müssen die besondern Regeln für den Gebrauch der übrigen Casus und die Beziehungen derselben unter einander auf den Abschnitt über den Gebrauch der Pro­ nomen vorbehalten. Uebrigens haben wir es schon bei den Demonstrativen (§ 468) bemerkt, daß die determinativen so wenig wie die de­ monstrativen Pronomen absolut neben dem Genitiv des durch sie bestimmten Hauptworts stehen dürfen, daß es also hart und undentsch ist, wenn z. B. von dem Garten, der Wiese, dem Hause, den Feldern eines Küsters geredet wird, schreiben oder sprechen zu wollen: derjenige (wie dieser) des Küsters, diejenige, dasjenige oder diejenigen des Küsters (, celui, celle, ceux> celles du marguillier, wie es im Bastard, Thl. 2, S. 31 heißt: dasjenige snämlich Gesicht) des Blinden). Selbiger, e, es wird, insofern man dieses Wort noch braucht, ganz nach der bestimmten Biegungsart abgeandert. Ein anderes Bestimmungswort leidet dies veraltete oder doch veraltende Wort nie vor sich, wohl aber hinter sich, es mag Conjunctiv oder absolut stehen: selbiger Mann, selbige fremden Leute, selbige Fremden. 471) Solcher, e, es, das den Begriff einer Verglei* chung in sich schließt, leidet (wohl eben deswegen) auch das Wort ein als Zahlwort und als unbestimmenden (,doch nie den bestimmenden) Artikel, so wie zur Bezeichnung der Ver-

neinung daS Zahlwort kein (f—ein, nicht —ein) vor sich, nnd wird dann sowohl Conjunctiv als absolut in denjenigen Casus, in welchen diese beiden Bestimmungswörter an sich die bex stimmte Biegungscndung haben, unbestimmt, in den übrigen aber, in welchen diese vorstehenden Wörter nach der unbestimm­ ten Deklination endigen, bestimmt gebogen. Dem gemäß ist diese Biegung solgende: Einheit. Männlich. Weiblich, Nom. kein (od. ein) solcher (Mann), keine (od. eine) solche (Frau), Gen. keines solchen (Mannes), keiner solche» (Frau), Dat. keinem solchen (Manne), keiner solchen (Frau), Ace. keinen solchen (Mann), keine solche (Frau), Sächlich, kein (oder ein) solches (Kind), keines solchen (Kindes), kclnem solchen (Kinde), kein solches (Kind);

Mehrheit. Für alle drei Geschlechter. Nom. keine solchen (Männer s,Frauen, Kinder)), Gen. keiner solchen (Männer), Dat. keinen solchen (Männern), Acc. keine solchen (Männer). Wenn solcher, e, es allein ohne Bestimmungswort steht, wird es natürlich ganz nach der bestimmten Biegungsform (wie der, die, das) deklinirt. Nun fragt es sich aber, wie soll sol­ cher hinter andern Bestimmungswörtern gebogen werden? ES leidet deren freilich nicht viele vor sich, nämlich ohne ein und kein wohl nur die allgemeinen Grundzahlwörter jeder, aller, viele, wenige, manche, einige; aber wir wissen schon, und wir werden es sehr bald noch näher besprechen, daß gerade diese Schwierigkeiten in Hinsicht der mit ihnen verbundenen Bestim­ mungswörter verursachen. In Ansehung der Pronomen ist es uns bereits bekannt, daß die persönlichen nur eine einzige De­ klinationsart haben; ferner daß es (nach H 458, 459) derselbe Fall bei den Possessiven ist, wenn und in so fern sie Con­ junctiv stehen, daß es diese meine Freunde, jene seine Freunde so wie meine, seine Freunde heißt, (ob man sonst gleich diese guten Freunde, jene schlechten Menschen sagen muß,) und daß nur die absoluten meiniger, deiniger u. s. w. die doppelte Biegungsform leiden, gewiß weil sie durch Anhän, 37*

580 gtfng der Sylbe ig (fast) ganz die Natnr und Form der Ad, Activen angenommen haben. Zwar sagt man die Meinen, Deinen, Seinen, Unsern und Eucrn mit der Form der unbe, stimmten Deklination, aber wohl nur, weil diese Wörter durch Zusammenziehung aus Meinigen, Eurigen u. s. w. entstanden sind, und für diese länger» Formen stehen. In Ansehung der demonstrativen Pronomen haben wir gesehen, daß dieser und jener ebenfalls immer auf eine einzige Art deklinirt werden. Dasselbe gilt für die determinativen derselbe und derjenige. Denkt man nun aber daran, daß die meisten dieser Pronomen immer die ersten Bestimmungswörter bor den Substantiven sind, und daß andre, wie derselbe und derjenige, schon beide Deklinasionsformen in sich schließen, daß also die Bestimmung des Sprachgebrauchs, alle mciue Freunde, diese deine Hoffnun, gen, nur eine missbräuchlich f, nbusive) eingeführte Analogie der einzigen Biegungsweise dieser bisher angegebenen Prono, men sein dürfte: so könnte inan sagen, diese Analogie sollte billig nicht auf solcher ausgedehnt werden, da dies Wort ja doch auch schon beim Conjunctiven Gebrauch offenbar beide Bicgungsformen, solches und eines solchen, keine solchen (im Plural), an sich dulde, die bei den Possessiven nur für den ab, solutcn Gebrauch statt finden. Wie soll nun also entschieden werden? Zugcstchen muß man, da selbst der Begriff von f o l, cher einem Adjectivbegriff, z. B. rin gleicher, ähnlicher, ein so großer wenigstens sehr nahe kommt, daß cs nach der Analogie alle guter» Menschen, nach der Regel, die nachstehenden Be, stimmungswörtcr hinter (vorstehenden,) bestimmt dcklinirtcn, sich zugleich auf sic beziehenden Bestimmungswörtern unbestimmt zu biegen, besser und richtiger wohl heißen sollte: alle solchen Men, scheu, wie keine solchen Menschen, der Genuß vieler solchen Schwämme wie keiner solchen Schwämme. Aber bis jetzt ist es noch allgemeiner Sprachgebrauch, nicht so zu biegen, son­ dern solcher einzig und allein hinter ein und kein in den bestimmten Endungen dieser Wörter unbestimmt, sonst aber im, mer ganz bestimmt zu dcklinircn. Mag dies gleich ein bloßer, durch gar keine vernünftigen Gründe unterstützter Eigensinn des Sprachgebrauchs fein, so wird man sich demselben doch wohl noch so lange unterwerfen müssen, bis recht einflussreiche, allgemein gekannte und geachtete Schriftsteller sich demselben zu entziehen, alle solchen Dinge, jeder solche Fund, ja wohl auch alle meinen Freunde zu sagen wagen, und dadurch seine unbe, gründete Herrschaft untergraben und erschüttern, deren Sturz dann gewiß zu wünschen ist. Jetzt also wird man schon noch

mit Adelung sagen müssen: ässe solche Schriften, einige solche Schriften, der Genuß vieler solcher Schwämme, jeder solcher Freund u. s. w.. (Man vergleiche § 458.) Ucberhaupt zeigt der Gebrauch von solcher viele Eigenthümlichkeiten, deren mehrere das Hochdeutsche als fehlerhaft geradezu verwerfen muß. So darf cs nur der gemeinen und niedrigen Sprech­ art überlassen werden, so einer statt ein solcher zu brau­ chen, und z. B., wenn von verschiedenen Hüten die Rede ist, zu sagen: so ein Hut gefällt mir, so einer kleidet gut, so einen habe ich auch statt ein solcher, einen solchen u. s. w. Umge­ kehrt aber nintt man oft auch solcher in der bloßen Adverhialbedeutung des so, so sehr vor Adjectiven, nnd lässt dann gar gern die Concretionszcichen ganz weg, weil man wohl fühlte, daß eS in diesem Fall ein bloßes unconcrcscirbares Um­ standswort ist. Dieser Gebrauch muß fürs reine Hochdeutsch der mittlern und ediern Sprech / nyd Schreibart ebenfalls ver« morsen, und cs kann nur der gemeinen Sprcchart, so wie um, gekehrt der dichterischen und ganz erhabenen Rede gestattet wer, den zu sagen: solch' schönes Welter, solch' reines Deutsch, mit solch' edlem Anstande statt so (sehr) schönes Wetter u. s. w.. Will man, um die Vergleichung deutlicher zu bezeichnen, bei solchen Redensarten solches brauchen, so muß man cs billig guch in der vollen Adicctivgcstall concrcscirt nehmen, nnd sagen: solches schöne Wetter, (Nicht solches schönes Wetter, wie Adelung im Wörterbuch offenbar fehlerhaft schreibt,) mit soft chcm edlen Anstande. Eben so wenig lässt sich die Umkehrung und Abkürzung solch' ein Mann, solch' einen Mann, die Toch­ ter solch' einer Muttex statt ein solcher, einen solchen, einer solchen vertheidigen. Ganz verwerflich ist diese Advcrbialgestalt unmittelbar vor Substantiven: solch' Weib, solch' Blutgeld statt solches, oder ein solches, die sich aber auch nur die ge, meine Rede im ersten und vierten Emheitsfall des Neutrums erlaubt, da niemand solch' Mann, Frau, Leute, mit solch' Geld u. s. w. sagt. Noch ist es endlich ganz unrichtig, solcher ohne allen Vergleichsbegriff statt eines Personworts zu brauchen. Man darf nicht schreiben und sprechen, so oft es auch gesche­ hen mag: der König ist angekommen, und solcher will sogleich, oder und es will solcher sogleich wieder abreisen; die Türken weigern sich, diese Anträge anzunehmen, und wollen solche ihr Heil im Kriege versuchen, statt er und sie. Dagegen ist es nicht immer nothwendig, daß auf solches ein zweiter Satz mit einem relativen Pronomen folge, wenn nur der Begriff der Vergleichung richtig zum Grunde liegt: man straft der Kin,

582 der Fehler nur, damit sie solche nicht wieder begehn, d. h. eben solche, Fehler derselben Art, ähnliche oder auch dieselben; er ist auch ein solcher, kein solcher (,wie du glaubst); das ist schöner Wein; solchen habe ich noch nie getrunken; solcher ist das Himmelreich, Luther im Matth. 19, 4; doch klingt es schon veraltet, wenn man solches bloß demonstrativ für dieses nehmen will: es sei fern von mir, solches zu thun, Luther int K Mos. 44, 17; Israel soll solches thun, 2. Mos. 12,' 47; solches musste Christus leiden, Lukas 24, 26, statt dieses, dies. Was übrigens die Etymologie dieses Wortes betrifft, so sagt Adelmig, daß alle alten Formen desselben zeigen, es sei aus der Partikel so, und zwar vermuthlich zunächst in ihrem relativen Begriff, gebildet, der man die Ableitungssylbe lich angesetzt habe, ohne Zweifel ursprünglich in der Absicht, diese Partikel als ein Adjectiv brauchen zu können. Beim Isidor, Kero und Ottfried heißt dies Wort solih, sulih, beim Ulphilas, der swa für so sagte, swaleck, beim Notker, der auch sus für so hat, suslih, alsuslih, (alsus, also vergleichend für so,) im Schwedischen sonst solik, jetzt noch mehr zusammen/ gezogen sük, englisch such. (Aehnlich ist das schwedische dyJik, tolik, tocken, das griechische und das lateinische talis, sagt Adelung, aus dem Artikel der oder der Partikel da und lich zusammengesetzt.) 472) Fast dieselbe Bedeutung wie solcher haben die beiden Wörter dergleichen und desgleichen, die ihrer Form nach jetzt ganz unveränderlich, ganz wie Adverbien gebraucht werden. Ihrer Bildung nach ist desgleichen wahrscheinlich der sächliche Einheitsgenitiv des substantiv genommenen Adjec­ tivs das gleiche, das Gleiche l,wobei der Genitiv nach alter Art eine sehr vielseitige Bedeutung hat); deswegen wird dies Wort fast nie conjunctiv geftmden, mit einem Hauptworte so verbunden, daß es sein Bestimmungswort wäre, sondern abso­ lut: das ist Wein, Milch, Wasser, etwas, desgleichen ich noch nicht gefunden habe, desgleichen ist mir noch nicht vorgekom­ men. Darum hat auch wohl Gellert nicht geschrieben: des­ gleichen groben Mann, desgleichen fremden Antrag habe ich nicht vermuthet, wie Adelung meint, daß es eigentlich heißen müsste, sondern dergleichen. Das ist freilich nicht zu leugnen, auf einen Plural lasst man sich desgleichen wohl nie beziehen, indem man weder sagen wird: desgleichen Leute, noch: Leute, desgleichen sich hier finden; doch ließe sich dies auch dadurch erklären, daß bei solchen Pluralen der neutrale Singularbegriff: das Gleiche, sich nicht bequem denken lässt.

L83 unb man ist also durch diese Bemerkung allein noch nicht genöthigt, mit Adelung dies des, das er deswegen auch bcfs, deß (dessen) schreibt, für den männlichen und sächlichen Ein­ heitsgenitiv des demonstrativen und relativen Pronomens der, die, das, statt dieser und welcher gebraucht, gleichen aber für ein Umstandswort (mit der Adverbialendung en) zu erklä­ ren, ob man gleich zugeben muß, daß dies des in desgleichen sowohl dem Sinn als der grammatischen Eonstruction nach sehr oft theils demonstrativ, theils relativ gebraucht wird, wie denn auch die alten, veraltenden und veralteten Formen dessengleichen, desselbengleichen, desselbigengleichen (in der Einsetzungs­ formel des h. Abendmahls Lukas 22, 20) es ganz offenbar zeigen, doß des das Pronomen sein soll. Dies widerspricht aber unsrer Angabe gar nicht, denn dann ist die Etymologie: das, d. L dieses oder welches Gleiche,, des, d. i. dieses, wel­ ches, dessen Gleichen. (Daß desgleichen, wie ingleichem, imgkeichen, sehr oft auch als Bindewort in der Bedeutung wie auch gebraucht wird, ist werter nicht wichtig, und gehört auch nicht hierher.) So wie nun desgleichen Wein bedeutet: Wein des oder dieses Gleichen, Wein solcher Art, solcher Wein, Wein der, d. i. dieser oder welcher Art: so bedeutet auch dergleichen ganz dasselbe, und ist wahrscheinlichst grammatisch eben eine Ellipse, die aus der gleichen Art, d. i. solcher Art f,dieser Art, welcher 2(rt] entstanden ist. Adelung sagt nun wieder, der sei das demonstrative und relative Pronomen des Geni­ tivs der Mehrheit und der weibUchen Ernheit, (und gleichen das Adverb,) weswegen man eben nicht sagen solle dergleichen Wein und Wasser; aber jedermann spricht und schreibt doch so, und hat nach unsrer Angabe, es ttehen diese Ausdrücke el­ liptisch für Wein, Wasser, etwas, Milch, Leute der gleichen Art, solcher Art, (eigentlich nicht: derselben Art, dieser oder welcher 2(rt,) auch das vollkommne Recht, so zu sprechen und zu schreiben. Ja, wenn Karolme Pichler (im Roman Agathokles, Wien, 1808, Th. 1, S. 17) schreibt: ein Weib, das nichts solches anfzuweisen hat, so fühlen wir, daß uns hier der Ausdruck solches nicht gefällt, und wir dafür lieber der­ gleichen (Art, oder auch desgleichen) Horen möchten. Man sieht übriqens aus diesen Angaben, daß man eigent­ lich kaum berechtigt ist zu sagen, in Ausdrücken wie desgleichen oder dergleichen Wein oder Aufopferung stehen diese Wörter conjunctiv, hingegen in: desgleichen oder dergleichen ist mir noch nicht vorgekommen, absolut, da sie, insofern sie für Ge-

584 nitiven anerkannt werden, immer von einem andern, wenn auch ausgelassenen Worte abhangen oder regiert werden müsfett; man denkt sich namentlich im letzten Beispiele etwas hinzu: etwas des/ oder dergleichen ist mir noch nicht vorgekommen. 473) Statt derselbe und derjenige sagt man wieder sehr ost der, die, das, welche Wörter dann also bestimmende Pro, nomen sind. Ihr sowohl conjunctivcr als absoluter Gebrauch« so wie ihre Biegung stimmen indessen in diesem Fall wieder ganz mit dem Gebrauch und der Biegung des demonstratiaen der, die, das (§ 464) überein, so daß darüber weiter nichts gesagt zu werden braucht, als daß sie ebenfalls besonders für die vertrauliche und auch gemeinere Sprechart dienen, bis auf den absoluten Gebrauch derjenigen Casus, welche sich in ihrer Form von den Artikeln unterscheiden, denn diese werden in jeder, auch der höchsten, sowohl dichterischen als prosaischen Re« deweise gebraucht: das ist dessen Blut, (für desjenigen, der Undeutlichkcit wegen ja nicht: das ist dieses Blut, so daß dieses der absolute männliche Einheitsgenitiv sein soll,) welcher hier ermordet wurde; das ist deren Schuld, welche dich verrathen hat, die Schuld derer, welche dich verrathen haben; ich bin mit denen zufrieden, die sich nicht widersetzen. Auch das braucht man absolut in jeder Sprechart: du, Herr, hast das gethan, was mein Heil war; das, waS güt ist, ist auch heilsam. Die andern absoluten Casus nimt man in der edlem Sprache am wenigsten gern: das ist der, welcher, die, welche gestern hier war; thue dem kein Unrecht, der dich verkennt; liebe den, der guten Willen hat, liebe die, welche (hässlich die) guten Willen haben. Der Conjunctive Gebrauch erregt weniger Bedenken: der Mann, die Frau, welcher, welche dich liebt; nint dich willig des Menschen, der Fran an, welcher, welche deine Hülfe bedarf; durch die Genüsse nur hast du reine Freude, welche u. f. w.; zürne nie mit den Menschen, welche dich nicht verstehen *). 474) Oft kehrt man zwei Satze mit diesen Pronomen um, so daß man den Satz mit dem Relativ voranstcllt; dann

*) Luther hat in seiner Bibelübersetzung den absoluten Pluralgeni­ tiv deren oder derer zuweilen auch in die Artikelsorm zusammen­ gezogen, z. B. Luka« i5, 4: wer hundert Schafe hat, und der ein« verliert, und Wer« 8: ein Weib, die (statt da«) zehn Gro­ schen hat, und der einen verliert.

kann das Determinativ des nachgestellten Satzes meistens auch weggelassen werden *), Gewiß aber haben diejenigen neuern Sprachlehrer ganz Unrecht, welche ans dieser Umkehrung oder Anversion der Sätze zugleich auch eine Umkehrung dxr Begriffe ableiten wollen, und behaupten, es werde welcher, wer, was in diesem Fall ein determinatives, und derselbe, derjenige, der ein relatives Pronomen. Nein, in welcher Folge man auch verschiedene Begriffe und Gedanken denkt, auf die Natur, das Wesen dieser Vorstellungen kann das durchaus keinen Einfluß haben; ein Relativ bleibt relativ, es stehe mit dem Nachsatze, wozu es gehört, in der ihm gebührenden letzten Stelle, oder sei aus irgend einer, oder auch gar keiner bestimmten Ursach durch eine Inversion vor den Vordersatz mit feinem Determi« nativ gestellt, und dies kann dadurch eben so wenig je in eilt Relativ verwandelt werden. Der Gang der Gedanken ist im« niet: derjenige ist mein Freund, welcher, der (oder wer) mir stets in Liebe die Wahrheit sagt; mag man nun auch diese Sätze umstellen in: derjenige, welcher mir in Liebe die Wahr« heit sagt, ist mein Freund, oder in: wer mir in Liebe die Wahrheit sagt, derjenige (oder derselbe) oder der (oder dieser u. s. w.) ist mein Freund, oder mit weggelassenem Determi, nativ in: wer mir die Wahrheit sagt, ist mein Freund: immer bleibt das hingesetzte oder weggelassene derjenige, derselbe de« terminati», und welcher, der, wer relativ. Eben so in Ade«

*) Bemerkenswerth ist tä wohl, daß sich selbst die Hebräer bei ih« rer einfachen Denk- und Sprechweise doch diese Borsetzung de» Relativsatzes, und dann die Weglassung des bestimmenden Pro» nomenS erlaubten, wie es z. B. Mos. 22, 6, heißt: - vyx " FIX 1X1» nxn Wxi ^IDD Tp3Fi, t>. i. welchen du segnest, der Ge­ segnete (ist er),'und welchen du verfluchst, (er) wird verflucht; so auch ■nyx1? demjenigen welcher, Tj/XD von demjenigen, welcher, wo die Präposition mit dem ausgelassenen derjenige zusammen construirt, und das Relativ ntyx in dem Casus über­ setzt wird, den der folgende Satz verlangt.' Oft wird mit dem derjenige zugleich auch der Begriff Ort und Zeitausge» lassen, 1*7X3 an dem Orte wo, niyx $x an den Ort wo, IiyXD von der Zeitjan, wo, wann, oder als. Der Hebräer lässt sogar nicht selten, besonders in Gedichten, beide Pronomen das Demonstrativ oder Determinativ NZN und daS Relativ 1Vi»X weg: ort'? xSvnxs in (demjenigen) Lande, (das) ihnen nicht (gehört)."T

586 lungs Sätzen: wer mich bittet, soll cs haben; was er nur steht, das steht ihm an; wer sich mein schämt, dessen wird sich des Menschen Sohn auch schämen. So auch bei Auslassung des Determinativs: wer mich liebt, folge mir; was ich nickt weiß, macht mich nicht heiß; wer nicht wagt, gewinnt nicht, d. h. derjenige gewinnt nicht, welcher nicht wagt. (Adelung selbst ist hierbei nicht recht fest. Nachdem er im Wörterbuch unter wer dies wer geradezu als ein Determinativ aufführt, und angiebt, in: wer reich werden will, der fällt in Versu­ chung, sei wer determinativ, und der relativ, hingegen in: der fällt in Versuchung, wer reich werden will, fei der deter­ minativ und wer relativ, nimt er diese falsche Behauptung unter was selbst wieder durch die freilich undeutliche Aufstel­ lung halb zurück: „obgleich was ein Relativ ist, und also eigentlich im Nachsatze stehn sollte, so kann es doch auch sehr oft im Vordersatze stehen, oder vielmehr der Nachsatz kann nach einer sehr gewöhnlichen Inversion die Stelle des Vorder­ satzes cinnchmen, da [wobei) denn das was die Gestalt ei­ nes Determinativs annimt, es mag der Vordersatz mit das darauf folgen, oder [fein das oder er selbst) wegbleiben." Hier­ nach erkennt ja Adelung selbst an, daß was immer relativ bleibt, wo cs auch stehe, wogegen wir ihm gern zugeben, daß was, wer, welcher bei dieser Inversion freilich die Gestalt der Determinativen gnnehmen«) 475) Schließlich sind es noch ganz einfache, sich schon aus dem Zusammenhänge ergebende Bemerkungen, daß der, die, das so wenig wie derselbe, derjenige, solcher absolut vor einem durch das Determinativ bestimmten Genitiv des Haupt­ worts stehen darf, indem cs stets schlechtes Deutsch ist, sagen zu wollen: ich liebe den (oder denjenigen, z. B. Garten) des Küsters am meisten (von den mehreren Gärten desselben), wel­ cher am Wasser liegt, und daß man zur nähern, deutlichern, sinnlichern Bestimmung aller Determinativen noch das Um­ standswort eben vor dieselben setzen kann: das ist eben der­ selbe, eben derjenige, eben solcher, eben der Mann, welcher gestern hier war, eben dergleichen Wein, wie gestern gegeben wurde. Ja bei derselbe kann man zu noch deutlicherer Bezeichnung selbst ein und vor eben hinzufügen, und dann thut man gewiß am besten, ein ganz wie das Zahlwort zu behandeln, das heißt absolut dasselbe bestimmt, Conjunctiv aber wie den Artikel zu dekliniren: einer und eben derselbe, eine und eben dieselbe, eins und eben dasselbe, eines und eben des­ selben, einer und eben derselben u. s. w., hingegen: ein und

eben dasselbe Kleid, eines und eben desselben Mannes, Klei/ des u. s. w.. (Schlecht ist gewiß die Form, deren sich Hen« ning in den Jahrb. d. wiff. Kritik, 1827, Novbr., S. 1589 bedient: für das eine und selbe Gesetz statt: für ein und [e6cn] dasselbe Gesetz.)

Fünfte Abtheilung.

Don den relativen Pronomen. 476) Die beziehenden, beziehlichen, relativen, zurücksehen« den oder zurückführenden Pronomen zeigen bekanntlich in der Regel auf einen vorher schon genannten Gegenstand zurück (,bei welchem oft schon ein bestimmendes Fürwort es ange« deutet hat, daß ein so zurück zu beziehender Satz folgen soll); sie verknüpfen also in diesem Falle zwei Satze mit einander. Es sind dies die Wörter welcher, wer, was und der. 477) Welcher, welche, welches ist das vollständigste Re« lativ, (das deswegen der feierlichen Rede am angemessensten ist,) »vird immer nur auf eine und eben dieselbe Art, nämlich bestimmt deklinirt, leidet nie ein anderes Bestimmungswort des zu ihm gehörenden Hauptworts vor sich, und steht bei der gewöhnlichen, natürlichen Wort, und Satzfolge fast immer, ganz so wie die übrigen Relativen, absolut, eben weil es einen Nach, oder Nebensatz auf ein vorher schon genanntes Subject zurückführt. Zwar kann es zur Bewirkung größerer Deutlich« feit dies vorhergehende Hauptwort auch bei sich wiederholen, wenn es zu weit von demselben entfernt steht, aber diese Art des Ausdrucks verursacht doch fast immer widrige Härte: der beste König ist derjenige, welcher die wenigsten Fehler hat; den« jenigen Knaben ziehe ich allen andern vor, und werde demsel« den stets ganz besondere Aufmerksamkeit widmen, sobald er de« rcy bedarf, und sie mir nicht durch unübersteigliche Hindernisst gar zu schwer oder unmöglich gemacht wird, welcher Knabe Sittlichkeit mit angestrengtem Fleiße und wahrer Ordnungsliebe verbindet. Dagegen steht welcher bei Umkehrung der Satze sehr oft und ohne alle Härle conjunctiv: welches Haus er ge­ saust hat, weiß ich nicht; welche Häuser ihm gehören, möchte ich wissen, das heißt: ich möchte wissen diejenigen Häuser, wel­ che ihm gehören. Es versteht sich von selbst, daß der Vorder« satz statt des Dcterminativs auch ein Hauptwort selbst, eine andre Pronomcnclasse oder überhaupt einen andern Redetheil, besonders ein Zahlwort enthalten kann, worauf dtirch das re­ lative welcher znrückgeführt wird.

588 Die Haupttegel ist nur, daß cS immer ein bestimmter Gegenstand, etwas Selbstständiges, sei es concret pder abstrakt, gleichsa.n etwas Individuelles sein muß, worauf welcher zu, rückführen soll: der Mensch, welcher gestern hier war, ist heut gestorben; die Schönheit reizt mich, mit welcher Anmuth ver, bunden ist, das heißt freilich eigentlich derselbe, derjenige Mensch, diejenige Schönheit; dieser (Mensch) ist es, welcher gestern hier war; die Meinigen, welche freundlich grüßen, befinden sich wohl; du Unschuldige, gegen welche die Welt so lieblos ver, sahrt; du, welcher niemand helfen will, jammerst mich innig; es giebt wenige, einige, manche, viele, welche glücklicher sind, als sie verdienen *). Hierher gehören auch die Fälle, in denen welcher nach Adelungs (unrichtiger) Behauptung indirecke Fragen, jvelche «ine bloße Ungewissheit verrathen, bezeichnen soll: ich weiß nicht, (sehr gut, ganz genau,) in welchem Zustande er sich be, findet. Es findet hier nämlich eigentlich eine Ellipse, oder eine Trennung der Begriffe statt, indem der Gedanke vollständig und in der natürlichen Ordnung und Folge feiner Begriffe heißt: ich weiß, kenne nicht den Zustand, (denjenigen Zustand,) in welchem er sich befindet. Aehnlich erläutert sich auch das zwei« te und letzte Beispiel Adelungs: wer weiß, in welches gottlos« Hans er geht. Dies heißt zwar nicht geradezu: wer weiß das gottlose Haus, in welches er geht, denn diese Ausdrucksart würde es als auSgemacht voraussetzen, daß der Er in ein golt, loses Haus geht, da der Sinn der Rede doch nur sein soll: wer weiß, ob er nicht in gottlose Häuser geht, doch so, daß man sich durch die gewählte Art des Ausdrucks geneigt zeigt, dies zu glauben, und nur unentschieden lassen will, was für ein Haus, welches Haus, was für Häuser, welche Häuser es

*) Schulz macht die nicht uninteressante Bemerkung: „alle ger­ manischen Sprachen fragen und rcciprociren mit w, die lateini­ schen und ihre Bastardsprachen mit q, die griechische mit dem spiriius asper (; ausgenommen das Ti). Dagegen demonstriren die griechische Sprache durch t (tovtos), die germanische durch d und th, (dieser, this, nur jener macht hier eine Ausnahme, wie vorher umgekehrt «,) die lateinische mit i, (die, iste,) deren Ba­ stardsprachen mit c (,celui, ceci). Ein Beweis der Verwandt­ schaft der deutschen und griechischen Sprache." Wie gesagt, eine interessante Bemerkung; aber freilich ganz durchführen lässt sie sich nicht. So ist im Deutschen der nicht nur demonstrativ, sondern auch relativ; der Lateiner demonstrwt auch mit (dem Spiritus) h (hic); das griechische ovtoq, avn;, tol'to hat zu» gleich den Spiritus und das r.

sind. Im Grunde also ist die Rede doch immer eine Anklage, die nur schonend austritt, deswegen eine Ellipse macht, und dio Begriffe absichtlich etwas unter einander wirft und verwirrt. Im Ganzen ist eigentlich der Sinn doch immer: ich vermuthe, argwohne, fürchte, glaube, daß er in gottlose Häuser geht, aber wer weiß, kann wissen dasjenige, diejenigen, die Art, Beschaf­ fenheit derjenigen, in welche er geht. Auf die erste oder letzte Art erklären sich nun auch unzählige ähnlichen Redensarten: ich sehe, in welchen Händen du bist, d. h. die Hände, in wel­ chen du bist; die Nachricht, in welcher Gefahr du schwebst, d. h. die Nachricht der (großen) Gefahr, in welcher du schwebst; da cs bekannt wurde, durch welche Mittel er sich gerettet hatte, d. h. da die Mittel, diejenigen Mittel bekannt wurden, durch welche er sich gerettet hatte. (Uebrigcns kann man sowohl in Adelungs als in unsern jetzigen Beispielen statt welcher sehr oft eben so gut und richtig, und oft richtiger und besser wie, wie sehr, wie groß (,großer, e, es), besonders aber was für setzen, über welchen Ausdruck wir sehr bald (§ 480) näher sprechen wer­ den.) Will man indessen diese Auflösungsart als zu künstlich verwerfen, welches bei diesem Gebrauch nicht mehr relativ sondern demonstrativ oder demonstrativo—relativ nennen: so kann natürlich diese verschiedene Benennung (,und in verbies simus faciles!) weder auf die Bedeutung und den Sinn, noch auf die Construction und den Gebrauch dieses Wortes Einfluß haben. Ehemals brauchte man welches in einer andern Form etwelches, etwelche (s. § 428), aber auch als allgemeines, unbestimmtes, aber dabei doch zugleich relatives Zahlwort, das sich auf vorhergenannte Dinge zurückbezog, für etwas (§ 426), einiges, einige (§ 428), solche, dergleichen- deren oder dessen u. s. w.: von diesen Früchten waren welche (einige) süß, welche sauer; ich hatte sonst welche (, deren, solche,) bei mir (Gel­ lert); er hatte Glück, wenn ich welches (etwas, des, dessen,) gehabt hatte; da steht Käse, ist welcher da? willst du welchen? (Man nehme dafür: ist Käse, dessen oder etwas da? willst du dessen, davon, etwas Käse?) Adelung sagt zwar, dieser Ge­ brauch sei nur der vertraulichen Sprechart angemessen; aber auch das ist schon eine zu gutmüthige Erlaubniß. Nein, dieser Gebrauch ist ganz schlecht, und höchstens der ganz gemeinen Sprechart angemessen; und wie Adelung den Gebrauch des et­ welche gern geradezu verwirft, so muß man fürs Hochdeutsche auch den Gebrauch des welche als Zahlwort geradezu ver-

590 wirst, so muß man fürs Hochdeutsche auch den Gebrauch deS welche als Zahlwort geradezu verwerfen. Zwar sagt auch Götzinger wieder (S. 107): „viele wollen den Gebrauch des welcher als rückweisend für mehrere verwerfen; doch lasst sich weder sein Gebrauch in der Volkssprache so wie bei den be­ sten Schriftstellern, noch seine Unentbehrlichkeit in manchen Fällen ableugnen." Allein unentbehrlich ist welcher als Zahl, wort in der That nie, und man wähle lieber, wenn auch mit Mühe, eine andre Construction, um es vermeiden zu können, als daß man dies Wort ganz gegen seine Natur und Kraft braucht. In Ansehung der Etymologie dieses uralten Wortes wel, cher hieß es nach Adelung schon beim Kero, Isidor u. s. w. huuelich, welicher, uuelc, im Ulphilas hweileiks, und ist ans wa, der Wurzel von wer und was, durch lich abgeleitet. 478) Statt welcher sagt man besonders in der vertrau, lichen oder gewöhnlichen Zlrt zu sprechen (wieder wie statt die, ser, derjenige) sehr oft auch der, die, das, welches dann also ein relatives Pronomen ist. Die Deklination dieses relativen der, die, das stimmt mit der Biegung des demonstrativen (und veterminativen) sowohl beim eonjunctiven als absoluten Ge, brauch völlig überein, doch so, daß wohl kein guter Schrift, steller je derer statt deren sagt (,wie denn auch Bernhardt und Adelung geradezu der em als den Genitiv des Rückdeute, Worts aufführen). Desto getheilter sind dagegen die Sprach, lehrer in ihren Angaben über die Bedeutung, die Anwendung und namentlich die Unterscheidung dieses Pronomens der von welcher. Adelung sagt ganz kurz, welcher sei bestimmter als das kürzere der, und er giebt vollkommen richtig und wie. Verholt und deutlich an, daß sich welcher immer auf bestimmte Individuen bezicht; nirgend aber giebt er an, wie und wann sich der in der Bedeut! ng unterscheiden, und namentlich we, uiger bestimmt als welcher sein könnte; vielmehr sagt der, selbe (unter dem Artikel Der im Wörterbuch) geradezu: „wenn Vies Relativ auf derjenige oder das Demonstrativo—Relativnm (d. i. das Determinative) der (derselbe) folgt, so ist es mit welcher einerlei, schickt sich aber alsdann (dann) besser für die lebhafte und geschwinde Rede der Vertraulichkeit, als für die gesetztere und anständigere Schreibart," und dies ist buchstäblich die reine und die volle Wahrheit, aus welcher sich Vie einzelnen, näheren Bestimmungen von selbst ergeben, wenn man Wohllaut und Deutlichkeit gehörig beachtet. Alles Uebri, ge, was als hiervon verschieden noch angegeben wird, ist vom

Uebel! So sagt Heyse: „in dem mehr wissenschaftlichen und bedächtigen Vortrage ist welcher dem der vorzuziehen. (O nein; in der ernsten, kalten Mathematik z. B., wo oft schon die Ersparung einer einzigen Sylbe zur Deutlichkeit der Schlüffe nicht unbedeutend ist, wird man sehr oft das der dem welcher vorzichen. Adelung hat das Richtige in dieser Bemerkung weit besser ausgedrückt.) Welcher ist nämlich das echte beziehende Fürwort, und der sollte nur im Nothfall der Stell« Vertreter desselben (desselben) sein. [Id quod esset demon­ strandum ! Wenn auch welcher ein uraltes Wort ist, so ist es dock) schon eine Zusammensetzung aus was oder wo oder we, (der Wurzel von wer § 477,) und ans lich, und der, die, das ist nicht nur wenigstens eben so alt, (beim Ottfried ther, thia, thaz, beim Isidor dher, dhia, dhatz, übereinstimmend mit dem gothischen sa, so, thata, ja mit dem hebräischen nii, il, m, [ saeh, su, sot,] da die Zischlaute s und dH, th

bekanntlich in allen Zeiten und Sprachen so sehr in einander übergehen,) sondern zugleich eine reine Wurzel, und dabei un­ streitig früher in der Bedeutung eines (besonders demonstrati­ ven) Pronomens als des Artikels gebraucht, wie denn auch die alten Deutschen viele Jahrhunderte hindurch dies der, die, das als Pronomen und als Artikel immer ganz gleich, und auf eine und eben dieselbe, z. B. bei Ottfried auf folgende Art deklinirt haben: Sing. Nom. ther, thia, (thio, thiii und) thaz; Gen. thes, thera, thes; Dat. them, thera, themo; Theils, then, thia, thaz; Plural: thie, (thiu,) thero, then, thie. (Ablativ fon themo, tliera, themo, themo.)] Bei der Zusammenkunft mehrerer Pronomen sollte also [,was soll dies also hier heißen, und wodurd) ist es begründet?] wel­ cher zunächst auf das Subject oder auf den Hauptgegenstand gehen, der nur (?) auf eine andre Person oder Sache außer dem Subject: er ist der Freund meines Bruders, welcher (Freund) demselben viel Gittes erwiesen hat, aber: der (Bru­ der) ihm viel ii. s. w.. [Wodurd) will Heyse diese seine Re­ gel der reinen Willkühr begründen oder beweisen, die überdies zur Bestimmung aller Fälle immer höd)st nnzurcichend bliebe? Im Gefühl ihrer Unzulänglichkeit ist er deshalb auch genöthigt, sogleich selbst hinzuzusetzen:] So lange indessen so viel(e) Willkür (Willkühr) herrscht, drücke man fid) deutlich aus" rc. Heyse führt Seidenstücker an, welcher sagt: „es ist na­ türlich, dem leichtern der die nächste Stelle nad) feinem Sub­ stantiv, dem schwerfälligen welcher aber die entferntere anzu­ weisen, weswegen auch der muntere lyrische Dichter der vor-

592 ziehe, und das welcher dein bedächtigen Philosophen über­ lasse. Also: der Sohn des Hofraths, welcher (Sohn) meinen Water um das Geld gebracht hat, aber: der Sohn des Hof­ raths, der (Hofrath) meinen Daker um das Geld gebracht hat." Dieses Beispiel Seidenstückcrs ist freilich auch nach Hcvse's Regel richtig, aber das ist nur ein Zufall, der sich aus der hier gewählten Folge der Wörter ergiebt; dagegen wird Sei, denstücker nach dieser seiner Regel sagen müssen: des Hofraths guter uns allen ja bekannter Sohn, der (Sohn) meinen Va­ ter u. s. w., Heyse nach der seinigen aber: welcher meinen Vater u. s. w. *). Daß Scidenstücker seine Regel sehr undeutlich und un­ vollständig ausgedrückl hat, und daß er dieselbe durch die Schlussfolge für den Dichter und Philosophen im Grunde wieder ganz aufhebt, ergiebt sich übrigrns von selbst. Es lässt sich nicht leugnen, möchte man Heyse's oder Seidenstückers Regel annehmen, immer würde dadurch eine Menge Zweideutigkeiten wegfallen, welche beim jetzigen Sprachgebrauch statt finden, und in dieser Hinsicht könnte cs wünschenswerth scheinen, daß eine derselben angenommen würde. Eben so we­ nig aber lässt es sich auch leugnen, daß nach beiden immer noch eine weit größere Menge Zweideutigkeiten übrig bleiben wür­ den, über welche beide nicht entscheiden. Heyse lässt es z. B. ganz unentschieden, ob in dem Satze: mein Bruder hat den Sohn deß Hosraths gesehen, der heut angekommen ist, dies der auf den Hofrath oder Sohn gehn soll, da beide ja uicht das Subject ihres Satzes sind, so daß Heyse wohl die ganze Construction als undeutlich verwerfen müsste; nach Seidenstücker müsste der auf den Hofrath gehen; auf wen aber ginge nach ihm welcher, wenn man dies statt der setzte, auf den Sohn oder den Bruder? Ferner werden unsre nächsten Be, merkungen zeigen, daß es der ganz allgemeine Sprachgebrauch in vielen Fällen durchaus unausführbar macht, Heyse's oder Seidenstückers Regeln zu folgen. Am entschiedensten werden dieselben aber dadurch verworfen, daß es überhaupt ganz und gar gegen allen Sprachgebrauch so wie gegen die (grammati­

sche) Natur dieser Wörter ist, welcher und der ihrer Be___________

Deutung

•) Wenn ich so eben schrieb: Heyse führt Seidenstücker an, welcher sagt u. s. w., so daß sich dies welcher auf Seidenstücker beziehen soll, so wäre die» nach beiden Regeln «kn Fehler Wird aber jeder Unbefangene hier nicht gerade das welcher dem der vor­ ziehen, und der sagt ein« harte Sprechart nennen?

dcutnng nach unterscheiden zu wollen. Nein, gerade wie der als Demonstrativ mit dieser (und jener), als Determina­ tiv mit derjenige und derselbe durchaus ganz gleiche Bedeutung hat: gerade eben so hat der, die, das als Relativ mit welcher, e, cs durchaus ganz gleiche Bedeutung, und in unzähligen Fällen hangt cs völlig von der Willkühr des Sprechenden oder Schreibenden ab, w e l ch e r oder der zu setzen. Freilich in sehr vielen andern Fällen darf man nicht wel­ cher, sondern muß der, in andern darf man umgekehrt nicht der, sondern muß welcher nehmen; in sehr vielen andern Fällen entscheidet der Wohllaut, in noch andern eben so vielen die Deutlichkeit, auf welche man ja immer mit vorzüglicher Sorgfalt Rücksicht nehmen muß, ob der oder welcher für den Gebrauch vorzuziehen ist: nie aber ist es die Bedeutung dieser Wörter, welche ihren Gebrauch bestimmt, so wenig wie btirch die Anwendung und Stellung dieser Wörter je ihre Be­ deutung, und namentlich eine Verschiedenheit ihrer Be­ deutungen begründet wird. Diese verschiedenen Fälle, in denen entweder welcher oder der, sei es ausschließlich oder vorzugsweise, gesetzt werden muß, sind nun vorzüglich folgende: 1) welcher schickt sich im Allgemeinen, (bis auf die jetzt gleich anzugebendcn Fälle,) wie gesagt, mehr für die feier­ liche, der aber, nach Adelungs Ausdruck, mehr für die leb­ hafte, geschwinde Rede der Vertraulichkeit, als für die gesetztere und anständigere Schreibart. 2) Die absoluten Genitiven der Einheit welches und welcher werden fast nie gebraucht, gewiß besonders der größcrn Deutlichkeit wegen, da diese Ausdrücke leicht für den No­ minativ und Accusativ gehalten werden können. Man sagt also auch in der feierlichsten Rede: der Mann, dessen Gewissen rein ist, (nicht welches,) die Christinn, deren Herz in Andacht schlägt, (nicht welcher,) das Herz, dessen frommes Gefühl sich zu Golt erhebt, (nicht welches,) diejenigen, deren ich mit Ehr­ furcht gedenke, (nicht welcher,) die Sonne, von deren (nicht welcher) Glanz ich geblendet war, mein Wohlthäter, um dessen (nicht welches) Ruhmes willen ich mich gern opferte, das Schloß, durch dessen (nicht welches) Hallen wir wanderten, die Freunde, mit deren (nicht welcher) Wohl wir beschäfftigt wa­ ren. Höchstens stehen sie hinter Präpositionen, die den Geni­ tiv regieren: dir Zeit, binnen welcher (, nicht gern: binnen de­ ren) er zurückkehren wollte, ist verflossen; die Nachricht, laut welcher der Feind geschlagen ist. Dauer Spracht. 1L

.38

59.4 (Lorberg sagt zwar: „es ist falsch, daß welcher nie im Genitiv ohne Substantiv stehen könne; es muß nach einigen Präpositionen, die den Genitiv regieren, stehen. Wer möchte sagen: drei Jahre, während deren ich dort lebte. Es muß heißen: während welcher ich dort lebte." Allein wenn wir gleich zugeben wüsten, daß hier welcher stehen kann, eben weil die Präposition jede Undeutlichkeit verhindert, [cessante causa, cessat effectus,] weswegen wir auch bloß angeben, der absolute Genitiv werde fast nie gebraucht: so hat doch Lorberg gewiß Unrecht zu behaupten, welcher müsse bei solchen Prä­ positionen genommen werden, indem der Sprachgebrauch gewiß eben so gern, und eben so oft wie welcher auch die von Lor­ berg verworfene Sprechart braucht: während deren ich dort lebte. Ja, die meisten sagen in der vertraulichen Redcart ge­ wiß lieber: die Frau, statt deren du kommst, die Stadl, inner­ halb deren so viele Juden wohnen, die Verordnung, kraft de­ ren er hier befiehlt, vermittelst deren er hier Eingang findet, die Verbote, deren ungeachtet er hier blieb, die Häuser, unweit deren der Auflauf statt fand, die Befehle, vermöge deren wir hier sind, um deren wegen wir hier sind, als daß sie statt welcher, innerhalb welcher u. s. w. nehmen, wenn man diese Ausdrucksart gleich in der feierlichen Art zu sprechen vorziehen möchte. Aber selbst in dieser wird man nur sehr ungern das männliche und sächliche welches nehinen, und sagen: der Mann, statt welches du kommst, das Haus, inner­ halb welches, außerhalb welches u. s. w., und ganz verwerf­ lich ist diese Sprechart wieder, sobald sie Undeutlichkeit veran­ lasst : das Jahr, während wclcl>es Blut floß, binnen welches Elend uns heimsuchte, das Verbot, vermöge welches Unglück über uns alle kam u. s. w., wo man welches leicht auf das folgende Hauptwort beziehen kann; und bei Zusammensetzungen sagt man bekanntlich nie: nm welcherwillen, wclcheswegcn, sondern derentwillen s,wenn gleich auch dieser Ausdruck unedel ist, und besser unzusammengcsctzt bleibt: um deren willen oder auch um welcher willen, wie man im Maseulin nie dcsswegen, deßwegen znsammensetzen darf, sondern getrennt: der Mann, um dessen wegen, dessen willen ich hier hin, sagen muß, und es nur neutral als Umstands- oder Bindewort deswegen heißt).) Uebrigcns versteht es sich von selbst, daß es ganz verwerfliche Sprache des Pöbels ist, statt dieses absoluten Genitivs, den Accusativ von der mit dem possessiven Pronomen zur Bezeich­ nung der Relation zu nehmen, und z. B. zu sagen: der Mann, den seine Frau (statt dessen Frau) gestorben ist.

(dem [für welchem) seine Frau gestorben ist, hat natürlich tu nen andern Sinn,) der Vogel, den seine (dessen) Flügel lahm sind, die Frau, die ihr (deren) Mann gestorben ist, die Vögel, die ihre Flügel (deren) lahm sind *)♦

*) Merkwürdig ist e6, daß es für diesen in der ganz gemeinen Sprrchart noch immer sehr gewöhnlichen Fehler im Althebräischen eine Analogie giebt, welche aber in dieser so äußerst armen und in der Deklinarion beschränkten Sprache als. ein unentbehrliches Hülfsmittel der Noth durchaus keinem Tadel unterliegt. Der Hebräer verbindet nämlich sein einziges mangelhaftes Relativ­ pronomen wx (ascher) mit dem Possessiv zur Bezeichnung der Casus des Relativs; so heißt es 5. Mose 28,49: yö wörtlich: qu i non audies linguam s uam, statt Cujus non inteiliges linguam, also der (oder den) seine Sprache statt dessen Sprache, Ruth. 2, 12; VBJS-nnn D1DH1? nK2-WX wörtlich: gui (Deus) venisti refugium accipere sub alis suis, statt cujus sub alis venisti refugium accipere, also der (oder den) seine statt dessen Flügel. Hier ist also weder ein Casus noch Numerus und Genus, sondern ohne alle eigne Bedeutung ein bloßes Zeichen der Relation. 3a, durch dieS Hülfsmittel kann der arme Hebräer sogar die erste und zweite Person der Perso­ nalpronomen in allen Casus relativ machen, was selbst im Deut­ schen nicht möglich ist, wo es durch die dritte Person ersetzt wer­ den muß; (s. Nr. 3 im Texte;) so heißt es 1. Mose 45, 4: ’HK , gui vfendidieti« me statt guem vendidistis, wo also mich relativ ist', was im Deutschen (und Lateinischen) nur durch daS Relativ der dritten Person Welcheroderder (schlecht) umschrieben werden kann, daS wir so genöthigt sind^ sich auf alle drei grammatischen Personen beziehen zu lassen, in­ dem wir sowohl sagen: ich oder du, al-r er, den ihr kennt, so­ wohl: wir, ihr, als: sie, die ihr kennet. So spricht auch 4. Mos. 22, 30: die Eselinn zu Bileam, n:m- IW., d. r. der du geritten bist auf mir, für: auf de/du geritten bist, wo mir relativ ist; Jos. 22, 8 spricht Gott zu Jakob:' , der ich gewählt habe dich, für welchen (dich) ich gewählt habe, wo dich relativ ist. Sonderbar genug ist eö, daß wir im Nominativ dieser ersten und zweiten Person rich­ tig noch gerade eben so wie der alte Hebräer sprechen, indem wir der und die, ganz wie dieser sein iiy x , ohne allen weitern Sinn und Begriff als ein bloßes Zeichen der Relation brauchen, und sagen: (ich) der ich, die ich, (du) der du, die du, (wir) die wir, (ihr) die ihr, ob wir gleich nicht wie der Hebräer sagen können und dürfen im Masculin: der mir oder der mich, son­ dern dafür sagen müssen dem oder den, welchem oder welchen; eben so im Feminin nicht: der oder die mir oder mich, sondern 38 *

5. h. deren jeder reich war, und viele, und auch (,fogar, selbst, unter diesen vielen) reiche Männer gaben

nichts. Der Gegensatz dieser Ausdrucksart ist, da sich vlel^ nicht auf weise (und reiche) beziehen soll: nicht—vielt, wenige, nnwcise (,arme) Manner. Die zweite Ausdrucksart viele wei, scn Manner, wobei sich viele auf weisen beziehen soll, das des, wegen die unbestimmte Form annimt, bedeutet: viele von den weisen, unter den weisen Männern z. B. haben das geglaubt, (aber viele andern weisen Männer haben es nicht geglaubt,) jnulti virorum sapientum; (daher muß cs eben immer viele Weisen, und nie viele Weise Heißen;) der Gegensatz ist: nicht —viele, wenige weisen Männer. Diese zweite Ausdrucksart wird weit häufiger als die erste gebraucht, da gewöhnlich, ja fast immer die Adjectiven durch die Zahlwörter beschränkt und bestimmt werden sollen. Sehr selten will man den Begriff ausdrücken: einige, grie« chische Schriftsteller, oder: und namentlich griechische, pauci et graeci aulores, so daß zu den einigen auch nicht griechi, schc, z. B. chinesische gehören könnten; gewöhnlichst will man aussagen: einige unter den griechischen Schriftstellern, und daS kann füglich nur heißen: einige (»viele, manche, mehrere, we« nige, etliche, alle, andere, wie keine) griechischen Schriftsteller, weil einige den ganzen Begriff griechische Schriftsteller bcstim, men soll, pauci Graecorum autores. Ganz eben so verhält es sich mit allen ähnlichen Ausdrücken; wenige, arme Leute wohnen dort, d. h. wenige und zwar nur arme Leute, und in diesem Sinn (mit dem und zwar) nimt man diesen Aus, druck fast immer, und: wenige armen Leute wohnen dort, wohl aber nicht—wenige, desto mehrere, viele reichen Leute; einige, gute Menschen schützten mich, d. h. einige, und zwar gute Menschen, oder: wenige, doch gute, aber gute, indessen nicht viele Menschen schützten mich, unb einige guten Menschen schützten mich, während andere guten Menschen mich unge, schützt ließen, weil sie mich oder bk Sache nicht recht kann, tcn; doch auch viele schlechten Menschen schützten mich, etwa aus bösen Absichten. Auch in der Einheit kann man so un, terschciden: einiger oder anderer, guter Käse, und einiger oder anderer gute Käse, mancher, schöner Kuchen wurde gereicht, und mancher schöne Kuchen; freilich kann man bei viel und wenig dann die Formen oft nicht (anders als durch das Kom, ma) unterscheiden: du kochst mit vieler, frischer Butter, mit wenigem, feinem Zucker, und: mit vieler frischen Butter, mit wenigem feinen Zucker, aber: viel, guter Wein d. h. und zwar guter, wurde getrunken, ich habe nur wenig, trockncs Brod, d. h. und zwar, und auch: viel guter Wein, (aber

656 auch viel schlechter wurde getrunken,) wenig trocknes Brod wurde gegessen (;aber viel Butlerbrod). Kein bezieht sich immer auf die ihm folgenden Bestimmungswörter, und lässt also diese doppelte Ausdrucksart nicht zu: kein guter Mensch, keine guten Menschen, nie: keine, gute Menschen. Aller bezieht sich ebenfalls immer auf die ihm folgenden Bestiinmungs, Wörter, und fordert also deren unbcstiminte Biegungsform: al, ler gute Wein, alle feinen Liqueure wurden (aus) getrunken, so daß man nie sagen sollte: alle feine Weine, alle gute Geister. Es lässt sich wohl nur aus dem falsch verstandnen Sprachge­ brauch , und aus dem geringen Nachdenken erklären, womit man den Lehren der frühern Sprachlehrer und dem Beispiel der frühern Schriftsteller folgt, daß noch immer so viele spre­ chen und schreiben alle fremde Weine, ohne doch auch nur ei, nen einzigen vernünftigen Grund dafür angcbcn zu können. Man spricht und schreibt viele Ausdrücke im Singular fast all, gemein ganz richtig, da höchst selten sich ein guter Schriftsteller zu setzen erlauben wird: alles Schönes auf der Erde, alles Edles wird geachtet, alles edles Wild wurde geschont, statt al, les Schöne, alles edle (Wild); wie kann man sich also doch zu sagen gestatten: alles Gutes, aller süßer Wein? Muß man dies aber für den Singular als falsch anerkennen, so kann es auch für den Plural nicht anders heißen als alle guten Gei­ ster, wie jeder richtig spricht: alle Schönen sollen leben, und wie im zweiten Fall auch jeder richtig spricht und schreibt: al, ler gute« Dinge sind drei, das Vorbild aller wahren Christen, aller Frommen, und nicht aller guter, wahrer, frommer (Men, scheu). Welcher höchst widrige Verstoß gegen alle Analogie ist eS, in reiner Willkühr vorschreiben zu wollen, cs solle im er, sten und vierten Fall bestimmt alle gute, iin zweiten aber un­ bestimmt aller guten heißen! Niemandem fällt cs auch ein, ein Komma hinter aller zu setzen, wodurch man ja eingc, stcht, daß aller sich auf die ihm folgenden Wörter beziehen soll; warum will man also diesem Worte die regierende Kraft, die ihm zustehende Würde entziehen? Den andern allgemei­ nen Grundzahlen gestehen schon immer mehrere Sprachlehrer und Schriftsteller ihre regierende Kraft zu; nicht viele schreiben noch: einige gute, viele gute, manche gute Menschen; warum soll also aller eine Ausnahme begründen? Es versteht sich, daß man sich nicht irren darf. Ganz richtig ist cs gesprochen: das ist alles gutes Deutsch, großes Vieh, denn hier ist alles kein Bestimmungswort von Deutsch und Vieh, sondern ein Zusatz zu das, und ohne Inversion ist die Folge: das alles ist

65A

ist gutes Deutsch, großes Dich. Auch ist cS richtig gesprochen: alle, brave Truppen, sind lobenswerth, wo alle ebenfalls nicht zu Truppen gehört, sondern brave Truppen eine Apposition des absolut gebrauchten alle ist: alle als brave Truppen, alle, weil sie brave Truppen sind, sind lobenswerth. Solche Appo­ sitionen kann man auch zu den andern Zahlwörtern, so wie zn den früher besprochenen Rcdetheilen sehen (, und durch Komma unterscheiden): viele, gute Menschen, halfen mir, d. i. als gute Menschen, die gute Menschen waren, wobei viele ab­ solut steht; diese, gute Menschen, helfen mir, dieser, guter Wein, schmeckte auch mir, wo diese und dieser wieder absolut stehn; (wenn z. B. von Büchern die Rede ist,) meine, (näm­ lich Bücher,) herrliche Werke, stehen dir zu Befehl." Dagegen muß cs heißen: alle braven Truppen sollen belohnt, aber alle feigen bestraft werden. Wir wissen, daß von den bestimm­ ten Grundzahlen nur zwei und drei durch ihren be­ stimmt dcklinirtcn Genitiv auf die Form der folgenden Be­ stimmungswörter Einfluß haben können. Wohl kann man sich getrennt denken: zwei, gute Kinder, d. i. und zwar gute, z. B. habe ich verloren'; mit hundert, blanken Thalern, und auch, was am gewöhnlichsten ist, zusammenhängend: zwei gute Kinder hat er verloren, und drei schlechte; mit hundert blanken Tha­ lern, wegen vier verlorener Processe, aber diese Verschiedenheit des Sinns kann hier (,bis auf das Komma,) keinen Einfluß auf die Form haben, da wegen der unbestimmten Endung der Zahlwörter die Adjectiven immer bestimmt Leklinirt werden müssen. Nur bei zwei und drei muß es im Genitiv heißen: er ist der Vater zweier, schöner Söhne, (d. i. und zwar schö­ ner,) dreier, hässlicher Töchter, (d. i. und zwar hässlicher,) wenn der Sinn sein soll, daß er überhaupt nur zwei Söhne, die beide schön, und drei Töchter, die alle hässlich sind, hat, dage­ gen : er ist der Later zweier schönen und dreier hässlichen Töch­ ter, wenn der Begriff schöne Töchter durch zwei, und der Be­ griff hässliche Tochter durch drei bestimmt werden soll. (Er kann dann noch mehrere Töchter haben, die weder schön noch hässlich sind.) Wenn diese Grundzahlen als V e r t Heilungs­ zahlen gebraucht werden, so hat dqs auf ihre grammatische Form, Biegung und Verbindung durchaus keinen weitern Ein­ fluß, als daß solche seltenen Ausdrücke der Berthciliingszahlen am besten zusaminen wie ein einziges Wort betrachtet und be­ handelt werden: der Tanz zwei—und—zweier schönen Paare dauerte drei Stunden, nicht so gut: zweier und zweier, und falsch wäre: schöner Paare, (wenn man die Begriffe nicht Bauet Spracht. H; 42

658 trennen, und ein Komma hinter zweier setzen will,) nach im­ mer drei feierlichen Salven, dukch je hundert donnernde Ge­ schütze verkündet, begann das Hochamt. 499) 11) Die OrdnungS-, Wiedcrholungs,, Bervielfachungs, und Verhaltniffzahlen, z. B. erster, einmaliger, einfa­ cher, einfältiger, werden ganz wie Adjectiven (und Adverbien) betrachtet und behandelt, und bedürfen deshalb für unsern ge­ genwärtigen Zweck durchaus keiner neuen und eignen Bestim­ mungen, sondern werden ganz nach den Regeln des folgenden letzten Paragraphen (§ 500) verändert. 500) 12) Wenn bloß mehrere Adjectiven (oder wie Ad­ jectiven gebrauchte Rcdetheile, namentlich die Zahlwörterclasscn des h 499) vor einem Hauptwort stehen, deren jedes seine eigne Eigenschaft bezeichnet, so können die vordem sich entwe­ der auf die Hintern beziehen, und diese bestimmen, oder es kann jedes vom andern unabhängig gedacht werden sollen. Im ersten Falle gilt wieder die für denselben angegebene allgemeine Regel (§ 487 Nr. 2), daß das erste, vordere Adjectiv bestimmt, die folgenden, doh demselben beschränkten aber unbestimmt ge­ bogen werden; int zweiten Fall hingegen, wenn jedes Adjectiv für sich ganz allein auf das Hauptwort, und keines auf ein ihm folgendes bezogen werden soll, (weswegen sie auch durch Komma von einander abgesondert werden müssen,) muß auch jedes einzelne Adjectiv nach der allgemeinen Hauptregel (§ 487, Nr. 3 und 4) für sich in allen Casus bestimmt deklinirt werden, in so fern es dieser Biegungsart fähig ist. Wenn man z. B. große siegenden Armeen und kleine sie­ genden Armeen einander entgegen setzt, (z. B. jene müssen den geschlagenen Feind verfolgen, diese oft nicht,) so beziehen sich die Adjectiven groß und klein nicht bloß auf das Hauptwort Armeen, sondern auf den ganzen Bedriff siegende Armeen, und bestimmen also zugleich das Adjectiv siegenden. Sagt man hingegen: große, siegreiche Armeen (besetzen -das Land), so soll sich der Begriff große gar nicht auf siegreiche, sondern geradezu, eben so wie siegreiche, bloß auf das Hauptwort Ar­ meen beziehen; es bedeutet der Satz also nicht: siegreiche Ar­ meen, welche groß sind, sondern Armeen, welche groß und siegreich, groß und a u 6) siegreich, groß und dabei zugleich sieg­ reich sind, so daß man (statt des Komma) auch ein solches Bindewort zwischen die verschiedenen Adjectiven setzen kann. Eben so bedeuten vielfache, große Unglücksfälle solche Unglücks, falle, welche groß und auch vielfach sind, so daß sich vielfache nicht auf große bezieht, sondern einige dieser vielfachen Un-

glücksfälle auch klein sein sinnen; hingegen vielfache großen Unglücksfälle sind lauter große, und zwar solche großen Un, glücksfälle, welche in ihrer Art, als große Unglücksfälle, viel, fach, von vielfacher Art sind. Hieraus ergießt sich nun die doppelte Deklinationsform für diesen Fall, wenn bloß mehrere Adjectiven vor einem Hauptwort stehen. 1) Wenn kein vorhergehendes Adjectiv das folgende be, stimmt, und sie deswegen alle bestimmt deklinirt werden, (wes, wegen Komma zwischen ihnen stehen müssen,) so ist ihre Die, gungsform folgende: Einheit. 1. Fall: erster, einleitender Theil, 2. > erstes, einleitendes(n) Theils, 3. i erstem, einleitendem Theil, 4. , ersten, einleitenden Theil;

gute, liebe Frau, guter, lieber Frau, guter, lieber Frau, gute, liebe Frau;

dreimaliges, lautes Geschrei, dreimaliges, lautes(n) Geschrei'S, dreimaligem, lautem Geschrei, dreimaliges, lautes Geschrei; Mehrheit. 1. Fall: starke, feste, dreifache Ketten, 2. , starker, fester, dreifacher Ketten, 3. s starken, festen, dreifachen Ketten, 4. $ starke, feste, dreifache Ketten.

Daß die Genitiven dieser Form selten Vorkommen, ist un­ schön bekannt. Die angeführten Beispiele bedeuten: der erste und zwar einleitende Theil, dem kein zweiter einleitender Theil folgt, entgegengesetzt dem nicht—ersten und nicht—einleitenden Theile, wogegen der Ausdruck: erster einleitende Theil, d. L; erster unter oder von den einleitenden Theilen, einen zweiten einleix tcnden u. s. w. voraussetzt; Frau, die gut und (dem Sprechenden) lieb ist, entgegen, gesetzt einer nicht —guten und nicht—lieben Frau; Geschrei, das dreimal erscholl, und laut war, entgegen« gesetzt dem nicht — dreimaligen (, einmaligen, oftmaligen u. s. w.) und nicht — lauten (, unterdrückten, betäubenden u. s. w.) Geschrei; Ketten, die (,wenn auch nicht alle) stark und zugleich (, wenn auch nicht alle) fest und zugleich (,wenn auch nicht 42 *

660 alle) dreifach waren, entgegengesetzt den nicht—starken, (schwa­ chen,) nicht—festen (,zerreißlichen) und nicht—dreifachen (,cin, fachen, vielfachen u. s. w.) Ketten. 2) Wenn dagegen das erste Adjectiv den Begriff des der folgenden bcstiinmt und beschränkt, (weswegen auch Komma zwischen dem jerstcu und zweiten stehen darf,) diese darum unbestimmt dcklinirt werde» müssen, so ist Biegungsform folgende:

oder kein und ihre

Einheit. 1. Fall: schlechter erste Versuch, erste allgemeine Regel, 2. - x schlechtes ersten Versuches, erster allgemeinen Regel, 3. x schlechtem ersten Versuche, erster allgemeinen Regel, 4. # schlechten ersten Versuch; erste allgemeine Regel;

braves deutsche Heer, braves deutschen Heeres, bravem deutschen Heere, braves deutsche Heer; Mehrheit. 1. Fall: gute und liebe jungen Leute, 2. x guter und lieber jungen Leute, 3. x guten und lieben jungen Leuten, 4. x gute und liebe jungen Leute.

Die Genitiven dieser Form werden namentlich im Plux rale nicht selten gebraucht: der Besuch lieber und guter jungen Leute war mir sehr angenebin. Die angeführten Beispiele bedeuten: ein erster Versuch, der schlecht war, schlecht ausfiel, entgegengesetzt dem nicht— schlechten (»einem guten) ersten Versuche; ihm kann noch ein schlechter zweite, dritte Versuch u. s. w., doch auch ein nicht —schlechter zweite Versuch folgen; erste der allgemeinen Regeln, der eine zweite der allgex meinen Regeln folgen muß, welcher sie eben entgegensteht; deutsches Heer, das brav ist, entgegengesetzt einem nicht — deutschen Hsere, dus brav ist, (oder auch einem deutschen Heer, das nicht brav ist,) wogegen der Ausdruck braves, freut? schcs Heer nur dem Begriff nicht—braves und nicht—deut? schcs Heer entgegensteht; der letzte Ausdruck bedeutet junge Leute, die gut und (dem Sprechenden) lieb sind, und steht entgegen jungen Leu'.rn, die nicht—gut und nicht—lieb sind.

6S1 Aus diesen Beispielen und Bemerkungen folgt nun, daß cS z. B. heißen muß: nahe Verwandten, weil nahe das Der, wandte bestimmen muß; dagegen kann man sowohl sagen »er# traute Freunde und Verwandte, als auch vertraute Freunde und Verwandten; die erste Form bezieht vertrante nicht auf Verwandte, und lässt es also unentschieden, ob die Verwand, ten vertrant sind oder nicht, indem fle nur die Freunde ver# traut nennt; die zweite Form Verwandten bestimmt oder 6c# schränk? abrr dieses Wort durch vertrante, dessen bestimmte Form die unbestimmte Verwandten fordert oder regiert. Eben so kann man anreden: hochwürdige, hochwohlgeborne, hoch# -verehrte Herren, d. h. Herren, die oder deren vielleicht nur einige hochverehrte, aber vielleicht nicht zugleich hochwürdige und hochwohlgeborne sind, die oder deren einige hochwohlgcbo# rene, aber vielleicht nicht zugleich hochwürdige und hochverehrte sind, und Herren, die oder veren einige hochwürdige, aber viel# leicht nicht zugleich hochwohlgeborne und (ober) hochverehrte sind. Man kann aber auch anreden: hochwürdige, hochwohl# geborne hochverehrten Herren, d. h. (sämtlich, allerseits) hoch# verehrte Herren, die oder deren einige hochwohlgeborne sind, ohne vielleicht hochwürdige zu sein, und die oder deren einige hochwürdige sind, ohne vielleicht zugleich hochwohlgeborne zn sein. Und noch kann man anreden: hochwürdige hochwoblgebornen, hochverehrten Herren, welche Anrede den einzigen Sinn hat: Herren, die sämmtlich hochwürdige sind, denn dies Wort gehört mit seiner bestimmten Form unmittelbar zu Herren; auch deswegen, weil es mit dieser seiner bestimmten Form zu# gleich die unbestimmten Formen hochwohlgeborne», hochvcrehr# ten bestimmt und beschränkt, müssen sowohl die hochwohlgc# bornen als die hochverehrten Herren zugleich hochwürdige sein. (Man könnte es hierbei bedauern, daß es nicht noch eine dritte Deklinalionsform in der Sprache giebt, denn eine Zweideu­ tigkeit bleibt doch noch bei dieser Ausdrucksweise übrig: da nämlich die beiden letzten Bestimmungswörter wegen des sie beschränkenden hochwürdige, dieselbe unbestimmte Form an­ nehmen müssen, so bleibt es unentschieden, ob sie, nach Weg­ lassung des ersten Bestimmungsworts hochwürdige, heißen sol­ len: hochwohlgeborne, hochverehrte Herren, d. i. Herren, die oder deren einige hochverehrte, und die oder deren andere hochwohlqeborne sind, (wie man auch anredet: hochwohlgeborne, wohlgeborne Herren,) oder ob sie heißen sollen: hochwohlge­ borne hochverehrte» Herren, d. i. hochverehrte Herren, die sämmtlich zugleich hochwohlgeboren sind. Fürs Auge könnte

662 man dem Doppelsinn Durchs Komma Vorbeugen, das man fürs Ohr durch eine Pause ersetzen müsste: hochwürdige hoch, wohlgebornen, hochverehrten Herren mit dem Komma und der Pause ließe hochwohlgcborne nicht auf hochverehrte beziehen, so daß der Sinn wäre: hochwürdige hochwohlgebornen, und wieder (andre) hochwürdige hochverehrten Herren, wie man dann auch schreiben und sprechen müsste: hochverehrte hoch, wohlgebornen, wohlgebornen Herren, das heißt: (ihr) hoch, wohlgeborne und (ihr andere) wohlgeborne Herren, die sämt, lich hochverehrte sind; hochwürdige hochwohlgebornen hochver, ehrten Herren ohne Komma ließe dagegen hochverehrte nicht nur durch hochwürdige, sondern auch durch hochwohlgeborne bestimmt und beschränkt werden, und hätte also den einzigen Sinn: hochverehrte Herren, die sämtlich hochwohlgeborne, also hochwohlgeborne hochverehrten Herren, die dabei aber auch zu, gleich sämtlich hochwürdigc sind.) Es lässt sich nun schließlich in Ansehung der ganzen dop, peltsn Deklination mehrerer Adjectiven und adjcctivartigen (Zahl,) Wörter, die ohne andre Bestimmungswörter vor Sub, stantiven stehen, nicht leugnen, daß unsre Aufstellung darüber noch ziemlich neu ist; aber sie scheint so höchst einfach, sprach, und sachgemäß ans dem ganzen Bau unsrer Sprache und aus ihrem Wesen zu folgen, daß es nur als höchst wünschenswerth erscheinen kann, sie bald als richtig allgemein anerkannt, und dann befolgt zu sehen. WaS bisher dagegen eingewandt ist, das ist so höchst unbedeutend, daß es nur dazu dient, die Rich, tigkeit der Aufstellung zu bestätigen. Schulz thut den Machtspruch: „Wörterderselben Classe, zwei Adjectiven können einander nicht untergeordnet werden;" noch dictatorischer entscheidet Götzinger (Seite 105 seines Merkchens): „die Behauptung, daß von zwei nebeneinander stehenden Bcinahmcn der eine stark (bestimmt), der andere schwach (unbestimmt) deklinirt werden müsse, ist geradezu aus der Luft gegriffen; so muß es auch heißen: berühmte Gelehrte, nur daß man zuweilen des Wohllauts wegen (2?) den Genitiv auf en bildet: berühmter Gelehrter^." Solches Absprechen und solches Berufen statt aller Gründe auf einen vermeinten Wohllaut ist'frcilich gar sehr bequem; aber um sich dergleichen ohne Gefahr, verächtlich überhört zu werden, und bei aller an, gemaßten Autorität durchaus gar nichts zu bewirken, erlauben zu dürfen, muß man schon selbst anerkannter Meister und Sprachkenner sein. Wenn Schulz hinzusetzt: „ Seidenstückers Bestimmung ist ganz willkührlich, (was gewiß nicht wahr ist,)

und vom Sprachgebrauch weder geboten noch anerkannt:" so hat er in der zweiten Behauptung zwar vollkommen Recht, aber Seidenstücker, der sich durch seine ernst und tief durch, dachten Aufstellungen über diesen Gegenstand unsterbliche Ver, dienste um die Sprachlehre erworben hat, wollte ja durch die, selben eben vernünftige Sprachforscher auffordern und veran, lassen, ernstlicher und gründlicher über das Wesen der doppel, ten Biegungsakt nachzudenken, als bisher leider geschehen ist, damit sie den Sprachgebrauch, der bis jetzt selbst nicht recht wusste, was er wollte, (indem es z. D. im Roman: Umsonst, Frankfurt, 1824, S. 76 heißt: wir befinden uns hier auf classischem geweihten [statt geweihtem) Boden, und umgekehrt in Starklofs verlornem Sohn, Mainz, 1821, Theil 1, S.2v: mit anderin gebrochnem Spielzeug [statt gebrochnen, da kein Komma vorsteht, und der Sinn sein soll: dieses gebrochne Spielzeug, und anderes gebrochene Spielzeug) u. s. w., wo, gegen in Müllers Theorie der Dichtungsarten, Berlin, 1828, S. 383, richtig steht: mit vorherrschendem lyrischen Charakter u. s. w.,) veranlqffen möchten, feste, Vernunft, und sprachge, mäße Bestimmungen anzuerkennen, aufzunehmen, und dann an, zucmpfehlen und vorzuschreiben. Freilich auf solches vornehme, kalte und altkluge Anhören, und auf solches trage und ver, drossene Absprechcn, wie sich im jetzigen Jahrhundert so viele schwachen Jünger als Grammatikcnschreiber erlauben, hat er in seinem herrlichen, lebendigen Eifer für die wahre Vervoll, kommttung unsrer schwierigen Muttersprache nicht gerechnet. (0, möchte doch das.gegenwärtige Werk, wenn mich nur e t, wa s, dazu beitragen, die Unbescheldnen bescheidner, die Schreier schweigsamer, die oberflächlich und vorlaut Absprechenden nach, denkender zu machen, das wäre schon ein sehr großer Gewinn für die gute Sache, um so mehr da namentlich Männer wie Seidenstücker, vielleicht sogar absichtlich, in ihrem Eifer viel Unhaltbares hingcworfen haben, das scharf und sorgsam ge, sichtet sein will, damit man nicht die reichen, vollen Körner zugleich mit der Spreu wegwerfe!!) Denn freilich geht er oft zu weit, und will zu fein unterscheiden, und übersieht es, daß er den allgemeinen Sprachgebrauch wider sich hat, und daß er durch seine neuen Aufstellungen ältere, allgemein angenom, mene, logisch nnd grammatisch richtige Sprachbestimmungen umstoßen würde. Da hat er denn gewiß darauf gerechnet, daß man in solchen Uebcrcilungen ihm zwar nicht bcistimmen, aber dafür die Sache gründlich untersuchen werde, um sichre, feste Resultate für die Zukunft zu gewinnen.

664 Zu solchen unhaltbaren Behauptungen Seidenstückers ge« hören vorzüglich folgende: wir wissen, daß es (nach § 487, Nr. 2) heiße» muß: die oder diese guten, braven, preußischen Truppen, weil sich die oder diese auf alle Adjectiven bezieht und beziehen soll. Diese Regel kann durch unsre eben angegebenen Regeln über die Biegung mehrerer Adjectiven, die ohne andere Redetheile als Bestimmungswörter vor Hauptwörtern stehen, nicht aufgehoben werden, und darum muß es unrichtig fein, wenn Seidenstückcr unterscheiden will die tapfern preußischen, und die tapfre preußischen Truppen, und zur Begründung dieses Unterschiedes sagt: „der erste Ausdruck charactcrisirt alle preußischen Truppen als tapfer, (indem tapfern preußischen Trup, pen, weil tapfern und preußischen unbestimmt dcklinirt sind, zusammen durch d i e bestimmt, beschränkt oder begränzt werden,) hinge­ gen im Ausdruck: die typfre preußischen Truppen wurden belohnt, zeigt die bestimmende Form tapfere sogleich an, daß nicht der Begriff Soldat (mit den Eigenschaften preußische und tapfere durch d i e), sondern (mit) der Begriff preußischer Soldat (durch tapfere und die) naher begränzt und classificirt werden soll (,so daß der Sinn darin liegt: die feigen unter den preußischen Truppen wurden nicht belohnt)." Zugegeben, daß dies sein könnte, daß die Biegung der Adjectiven so bestimmt sein könnte, so ist es doch nun ein­ mal nicht so, und wir wollen uns sehr freuen, daß cs nicht so ist. Was man nämlich dadurch auf der einen Seite ge­ wänne, verlöre man auf der andern wieder mehrfach, selbst schon dadurch, daß dänn das erste Bestimmungswort die, diese ii. s. w., ganz gegen das ganze Wesen dieser Biegung, alle bestimmende, regierende Kraft verlöre, da die unbestimmte Form preußische» nicht von ihm, sondern von tapfere abhinge, und die bestimmte Form tapfere ganz frei und unabhängig, nicht bestimmt durch die da stände, so daß die bloß zu Truppen gehören könnte, da der Sinn doch auch tapfere durch die be, stimmen will, weswegen cs durchaus die tapfern Truppen hei­ ßen muß, mag man hinter tapfern noch andre Bestimmungs­ wörter, mit oder ohne Beziehung auf tapfern, einschicbcn oder nicht. Nach Seidenstückers Bemerkung müsste man eben so auch unterscheiden die tapfern Preußen, was alle Preußen als tapfer aussagte, und die tapfere Preußen, was nur die tapfern unter den Preußen anzcigcn würde. Dies ist aber gegen das ganze Wesen unsrer Biegung. Seidenstückcr bemerkte vollkom­ men richtig, daß unser Ausdruck: die tapfern Truppen, immer doppelsinnig ist, und unentschieden lässt, ob alle Truppen tap-

fcr genannt, oder ob nnr die tapfern von allen Truppen aus­ gehoben werden, daß eben so der Ausdruck unsre guten aufge­ klärten Einwohner es unentschieden lässt, ob unsre Einwohner alle (oder nur einige) aufgeklärt, und ob unsre aufgeklärten alle (oder nur einige) gut genannt werden. Das lässt sich nun einmal nicht andern. Glaubt man, nicht verstanden zu werden, so muß man die ganze Construction andern. (Ich namentlich weiß keine andere Hülfe als das eben vorher vor, geschlagene Komma: unsre guten, aufgeklärten Einwohner lasse guten nicht zu aufgeklärten beziehen, und heiße also: unsre giu ten und, wie auch unsre aufgeklärten Einwohner; unsre gu­ ten aufgeklärten Einwohner lasse aber guten zu aufgeklärten gehören, und heiße also: unsre guten unter unsern aufgeklär­ ten Einwohnern. Freilich bleibt auch dabei noch immer ein Doppelsinn übrig, da man aus dem Bau des Satzes nicht entscheiden kann, ob unsre Einwohner, worunter man im All­ gemeinen immer alle unsre Einwohner versteht, auch alle gut und aufgeklärt genannt werden, oder ob nnr die guten und aufgeklärten aus (allen) unsern Einwohnern herausgehoben werden sollen. Wollte man für die erste Bedeutung etwa wieder hinter unsre ein Komma sehen, so verbietet das der ganz allgemeine Schreibgebrauch schlechterdings, der durchaus kein Komma hinter unsre leidet, weil und wenn dies Wort den Begriff und die Form des folgenden Wortes guten be­ stimmt. Auch ließ sich noch etwa folgender Vorschlag thun: wie deine Brüder, unsre Schwestern, diese Stunden u. s. w. in der Regel immer alle deine Brüder, alle diese Stunden bezeichnet, so lasse man auch, ohne Berücksichtigung des Vor­ schlags mit dem Komma, in zusammengesetztern Ausdrücken alle vor einem Substantiv unbestimmt gebogenen Wörter ^ver­ steht sich, insofern dieselben auch der bestimmten Biegungsart fähig fttil),] auf das vorstehende, bestimmt deklinirte Bestim­ mungswort, das ihre unbestimmte Biegungsform fordert, be­ dingt oder regiert, sich beziehen; dann würden die Ausdrücke: unsre guten, aufgeklärten Einwohner, die braven, preußischen Truppen, jene geschickten englischen Künstler alle unsre Ein­ wohner gut und aufgeklärt, alle preußischen Trupptn brav, alle englischen Künstler geschickt nenüen. Sollte nun dies nicht angezeigt werden, so müsste man eine andre Ausdrucksart wäh­ len, wodurch man allgemein verständlich würde, etwa: unsre guten unter unsern aufgeklärten, oder die guten und aufge­ klärten unter unsern Einwohnern, die braven von, unter den

666 preußischen Truppen, die geschickten von, aus, unter jenen en, glischen Künstlern.) Ferner sind endlich unannehmsich auch noch folgende Auf, stellnngen, Meinungen und Vorschläge Seidenstückcrs: 1) er will, mit derselben Verschiedenheit des Sinns, die wir in seiner ersten Aufstellung eben angegeben haben, unter, scheiden; a. Einheit. 1. Fall: mein unglücklicher Freund, 2. , meines unglückliches Freundes, 3. , meinem unglücklichem Freunde, 4. , meinen unglücklichen Freund, und: b. Einheit. 1. Fall: mein unglückliche Freund, 2. , meines unglücklichen Freundes, 3. « meinem unglücklichen Freunde, 4. t meinen unglücklichen Freund;

Mehrheit. 1. F.: meine unglückliche Freunde,

Mehrheit. meine unglücklichen Freunde, u. s. w..

2) Eben so unterscheidet er jener verzagter, unglücklicher Freund und jener verzagte unglückliche Freund. 3) Er biegt: des Vaters, desselben u. s. w. gute Sohn, wenn der zu begränzende Begriff guter Sohn ist, aber des Vaters, desselben u. s. w. guter Sohn, wenn der Begriff Sohn begranzt werden soll. 4) Er setzt fest: wenn ein Hauptwort mehrere dasselbe be, schränkenden Rcdethcile vor sich hat, und wenn von diesen nicht nur der erste alle folgenden, sondern auck der zweite den dritten, oder den dritten und die folgenden beschränkt u. s. w.: so wird nicht nur der erste, sondern auch der zweite Redetheil u. s. w. auf die bestimmende Art dcklinirt, die übrigen nicht mehr bestimmenden, sondern nur bestimmten, zuletzt folgenden Redethcile erhalten die unbestimmende Biegung: mancher bie, derer geschickte Zeichner. 5) Er behauptet, es müsse heißen: dieser und jene Mann haben gelehrt, diese und jenen Männer, .dieser und jenen Frau, dieses und jene Kind, so daß die bestimmende, regierende Kraft des Wortes dieser sich gar über das Wort und wegerstrecken soll, wenn mehrere (,unbestimmt viele) genannt sind; hingegen dieser und jener Mann, wenn cs zwei bezeichnen soll.

6) Eben so solle es heißen: aller und jede Wein, alle und jebdn Weine, ein und derselbe, ein und dasselbe, ein und des, selben, ein und dieselben, und nach ihrer verschiedenen Bedeu­ tung ein anderer, einer und andere, der eine und andere (»aber nicht der einen und der andern). Daß und warum alle diese neuen Sprachformen sprach, widrig und verwerflich sind, haben wir bei Besprechung der, selben so ausführlich gezeigt, daß wir jetzt nichts weiter dar, über anzuführen nöthig haben. Die Art, wie eine Sprache verschiedene ähnlichen Begriffe durch verschiedene Formen be, zeichnet, ist ihr nicht so unbedeutend, daß sie sich so leicht Aen, derungen darin ausdrangen ließe. Es müssen triftige Gründe sein, welche in anerkannten Nothfällen den Sprachgebrauch dahin bringen können, ganz neue Formen anzunehmen. Für unsern jetzigen Fall haben wie die unsrige so auch deren ver, wandte Sprachen ebenfalls Formen eingeführt, welche mehrere oder wenigere Unbequemlichkeiten haben; doch möchte es sehr schwer halten, Aenderungen darin durchzusetzen. So setzt die englische Sprache, welche ihre Adjectiven gar nicht biegt, und dieselben, wie die deutsche, immer vor das Hauptwort stellt, beständig und zwischen zwei Adjectiven, die vorm Haupt, wort stehen, wenn der Begriff von jedem für sich allein ge, dacht werden soll, und lässt dies und (and) weg, wenn daS eine das andere bestimmen soll. Die lateinische Sprache, und nach ihr oft auch die französische, setzt ebenfalls im ersten Fall gern und (et) zwischen beide Adjectiven vorm Hauptwort, und im letzten Fall stellt sie das zweite Adjectiv gern hinter das Hauptwort, welche Stellung der Deutsche ganz entbehren muß, so, daß sie also den classificirendeo Bc, griff gern hinter das Hauptwort, den beschreibenden aber vor dasselbe setzt. So heißt guter, rother Wein englisch: good and red Wine, lateinisch: bonum, rubrum vinum, oder: bonum et rubrum vinum, französisch: de bon vin et roage, oder: du vin roage et bon; hingegen guter rothe Wein heißt englisch: good red Wine, lateinisch: bonum vinum rubrum, französisch: de bon vin rouge. Eben so heißen we, nige, blinde Menschen englisch: feu and blind men, lateinisch: pauci et (atque) coeci homines, französisch: peu d’hommes et aveugles, hingegen wenige blinden Menschen heißen en, glisch: feu blind men, lateinisch: pauci homines coeci, und französisch: peu d’hommes aveugles. Eben so heißen be, rühmte, weise Männer englisch: celebrated and wise men, lateinisch: darf et sapientes homines, oder: homines darf

668 et sapientes, französisch: de celebres

et savans hoinmes, ober: des hommes celebres et sages; hingegen berühmte weifen Männer heißen englisch: celebrated wise inen, Intcu nisch: clari homines sapientes, und endlich französisch: de celebres hoinmes savans. Es lässt sich wohl nicht mit Gewissheit im Voraus bestim, wen, wie sich endlich der deutsche Sprachgebrauch über diese Biegung mehrerer Adjectiven vor einem Hauptwort fest ent, scheiden wird; jetzt hat er sich noch nicht entschieden, denn: Graminatici certant, et adhuc sub judice lis est. Zusatz. Zum Schlüsse des zweiten Bandes fei hier am Ende der Lehre von der Deklination noch folgende Seiner, kung erlaubt: Schon die Stoiker nennen den Nominativ ntcSabg dpcasus rectus, die übrigen Casus aber ktwgus nXayiai, casus obliquL Sie suchten nämlich die verschiedenen Verhältnisse, welche durch die Casus angedeutet werden, da, durch anschaulich zu machen, daß sie dieselben mit verschie, denen, aus einem Punct einer geraden Linie auslausenden Linien verglichen; die senkrechte Linie war ihnen das Bild des Nominativs (und Vocativs), die schiefen re, präsentirten ihnen die übrigen, obliquen Casus. Hiermit hangt die Benennung xZung, declinatio für Casusbezeich, nung zusammen, denn sobald die Foxm des Nominativs durch ein Perpendikel veranschaulicht wird, so ist sie aller, dings eine oQ&waig) und die Bezeichnung der übrigen Ca, sus eine zu nennen. Man sehe Rosenbergs Vor, schule der deutschen Grammatik, Berlin, 1828, (l^rh.) Seite 191 und 192.

Zusätze zum ersten Bande. I.

Anmerkung zu § 13, Seite 52.

Recensent von Günthers Ausgabe des Taciti de sitir etc. Germaniae libellus, Helmstadt, 1826, in Secbode's fri# tlscher Bibliothek, 1828, Mai, Nr. 37, verwirft Günthers Er­ klärung, der nach Walchs Einen dal. Livian. p.79 a viclore durch secundum viclores auflösct, ganz und gar, und legt der besprochenen Stelle, nach der Vergleichung mit dem 13 und 14 Capitel, und in der Voraussetzung, daß Lacilus weder seine eigne Meinung, noch auch ein wirkliches Factum, sondern bloß eine fremde Meinung vortrage, folgenden Sinn bei: die jetzi­ gen Tnngrcr gingen über den Rhein, und vertrieben die Gal­ lier. Da sie nun sich sehr tapfer und ihrem Feldherrn sehr ergeben bewiesen hatten, (cap. 14 vom Anfänge bis zu prin­ cipe,) so daß er den Sieg, für den er focht, (Caesar d. b. g. 6, 23,) davon getragen hatte, so wurden sie von ihm, ih­ rem Anführer (und Sieger) Wchrmanner genannt ob metum, weil sie Furcht verbreitet hatte», und daß sic ferner Furcht ein­ jagen sollten (; dies war die Belohnung für ihren Muth und ihre Tapferkeit;) (ita — tlta Turselin. de partic. p. 438). Hierauf nun sagt Tacitus, da dieser Namen erfunden war von dem Sieger, (er gefiel ihnen,) wurde der Namen eines Völ­ kerstammes allgemeine Benennung einer ganzen Nation, denn sie nannten sich bald selbst unter einander Wehrmänncr.

670 II.

Zusatz zu § 196, S. 494 und § 209, S. 512.

Bei den Zusammensetzungen mit dem Zahlwort doppelt als Bestimmungswort fiydct die Unregelmäßigkeit statt, daß das« selbe seinen Endlaut t sowohl für Haupt, als Beschaffenheits, Wörter wegwirft: Doppelbier, Doppelehe, Doppclheirath, Dop, pclganger, Doppellaut, Doppcllouisd'or, Doppelpunkt, doppel, sinnig, doppelzüngig u. s. w.. Da nun auch die andern Sprachen dies Wort alle ohne t brauchen, schweb, dubbel, cngl. und franz, double, ital. doppio, lat. duplus, gr. 8istXoog, so zieht Adelung sehr richtig den Schluß, daß dies t nur zum Wohllaut als euphonicum dem Worte angehängt zu sein scheine.

III.

Zusatz zu § 228, Seite 584.

Ueber das Wort Küraß sagt Franz Hermes in der Hande« und Spenerschcn Berliner Zeitung, 1828, Februar, Nr. 36: es ist unrichtig, wenn man die Wörter Küraß und Kürassier von dem französischen cuire (Leder) ableitet; vielmehr stammen jene wie dieses von dem alten wendischen Worte Kuratze (oder, nach einer andern wendischen Mundart Kuritze, wie Helmold es schreibt: modius Slavorum vocatur lingua eolum Kuritze,) ab. Kuratze bedeutet Borke, Schale, Haut, und niml ferner die Bedeutung von Scheffel an, weil dieses Maß früher aus Borke verfertigt wurde. Auf ähnliche Weise bildete sich nun auch das Wort Küraß, weil gewissermaßen der Küraß dem Reiter das ist, was die Borke dem Baume. Auä) das plattdeutsche Wort kuranzcn (,die Haut durch, bläuen,) ist von Kuratze abzuleitcn.

Zusätze zum zweiten Bande. I. Zusatz zu § 245, Seite 31, Nr. 9. 8orberg sagt, er habe nur das einzige Wort Fehde aufge«

funden, in welchem das dehnende h vor einem andern als den flüssigen Consonanten (l, m, n, r) stehe. (Siche dessen Zusatze zu Heyse's Lehrbüchern u. s. w., zweite Lieferung, 1828, Wiesbaden, S. 10.) Adelung leitet dieses Wort (mit fechten, schon beim Kero fehtan, Feind) vom alten fi, flau d. i. hassen ab.

II. Zusatz zu § 277, Seite 129. In dem angeführten Büchlein: Lehre vom Geschlecht u. s. w., Nürnberg, 1826, heißt es: alle Thiernamcn auf el, außer den Saugethiercn (,das soll heißen: außer oder ausge« nommen die Namen der Säugethicre,) sind weiblich." Giebt es Ausnahmen von dieser Regel?

III. Zusatz zu § 367, (Seite 291. Nach Champollion (s. Morgenblatt, 1827, Nr. 200,) haben auch die alten Aegypter einen nachgcsctzten Artikel im Buchstaben t gehabt, so daß z. B. das ägyptische mou so wie das koptische mon Mutter, mont aber die Mutter bezeichnete. Die Kopten setzten denselben Buchstaben t als den Artikel weiblichen Geschlechts auch vorn an die Wörter, so daß mon Mutter, tmon die Mutter, sen Schwester, tsen die Schwe­ ster bedeutete.

672 IV. ZusaH zu § 383, Seite 371; Noch ein unregelmäßig concrescirtcs und defectiv comparirtcs oder vielmehr ganz »ngcstcigerl gebliebenes Wort endlich ist nieder. Es hat im ältern Deutsch ein Umstandswort nieden von der Wurzel niet» gegeben, das so viel wie un­ ten bedeutete, und schon beim Ottfried (Iiiar) nidana, so wie noch im Theuerdank, (da) uyden heißt. Dies ist jetzt für sich allein im Hochdeutschen ganz veraltet, und nur die höhere so wie die dichterische Schreibart sagt in der Verbindung mit hier, hie nod) hier nieten, hie nieden (,welche Ausdrücke aber eben deswegen, weil einer ihrer Theile veraltet ist, am besten als wahre Zusammensetzungen in einem Worte geschrieben wer­ den: hicrnicdcn, hienicden). In der Sd)wciz braucht man (nach Adelung) nod) die Wurzel selbst: ob ftd) und nied sich heißt über sich und unter sich, vorwärts und rückwärts, so wie im Dänischen und Schwedischen ned. Auch schon im Grie­ chischen hatte man die Partikeln veio&i, veio&ev, veg&e und evsQ&e. Von Lieser Wurzel nied gab es nun aber ebenfalls schon im Altdeutschen auch noch ein zweites Umstandstvort nieder, beim Ottfried nidar, beim Notker nider, das zugleich als Präposition (mit dem vierten, früher and) zuweilen mit dem dritten Falle) gebraucht wurde, sich indessen jetzt eben so wie nieden aus dem hochdeutsd)cn Sprad)gcbrauch als Um­ stands» und Vcrhällnisswort fast ganz verloren hat, indem cs nur nod) in einigen Redensarten: er geht, schreitet auf und nieder, (wo nieder nicht zum Zeitworte gehören kann,) und aiu ßerdcm bloß in unecht zusammengesetzten Zeitwörtern als trenn­ bare, und in andern echten Zusammensetzungen als untrennbare Partikel gebräuchlich ist:'niedcrlassen, ich lasse nieder, nieder­ schreiben, er schrieb es nieder u. s. w., Niederlassung, Nieder­ schlag, Niederlande, Niedersachsen, niederdeutsch, niederwärts u. s. w» , und als Grundwort in danieder, hernieder. Auch hat sich die Ableitung Niederung (,in Preußen zusammengczogen in Nehrung) davon erhalten. In Oberdeutschland braucht man nieder auch nod) zuweilen als Präposition: Oestreich ob und nieder der Ens. Ganz gebräuchlich ist dagegen das ans nieder regelmäßig concrescirle Adjectiv niederer, e, es, das also für keinen Comparativ gehalten werden darf. Es ist fast gleichbedeutend mit dem auch gleichförmigen unterer, e, es, und nod) mehr mit dem ebenfalls aus u i c d c r abgeleiteten nie, drig, niedriger, e, es, dod) so daß cs mehr theils in gewissen bestimmten Redensarten, theils in der edlem Sprechart, theils

in einem mildern «nd schonender» Sinn als niedrig ge« braucht wird, und so den Gegensatz von oberer und hoher bildet: die niedere und hohe Jagd, die niedere «nd hohe Ge, richlsbarkeit, (wo man nicht niedrige sagt,) die niederen, höhe­ ren und hohen Schulen; hier in den niedern Hütten, im nie­ deren Thal, wo Ruhe herrscht; die niedere und hohe Geistlich­ keit, die niedern und hohem oder hohen Staatsbeamten, Kriegs­ befehlshaber (,wo niedrigen unanständig sein würde); der niedere Geiz, Eigennutz, Stolz (,wo man auch niedrige sagen kann). Adelung bemerkt nun zwar, der Comparativ niederer und Su­ perlativ niederster (,als Adjectiv also niedrerer, e, es und nie­ derster, c, cs) komme im Ober- und Niederdeutschen häufig ge­ nug , und der Superlativ auch in der höher» Schreibart des Hochdeutschen nicht selten vor; indessen führt er doch unter assen seinen vielen Beispielen für diesen gar keines, und für den Comparativ nur das einzige an: ein Hügel ist niedrer als ein Berg. Darf aber ein Hochdeutscher so sprechen und schrei­ ben? Adelung giebt keinen Gewährsmann an. Nein, man thut gewiß am besten, hochdeutsch von niederer nicht nur den Comparativ eben so wenig wie von unterer zu bilden, da nie­ dererer, niedrerer in der That so hart wie untrerer, obrerer u. s. w. klingt, sondern sich auch des Superlativs niederster zu ent­ halten, da er wenigstcres sehr, wenn nicht ganz ungewöhnlich ist, und die Grade von niedrig die ausfallende Compäration von niederer so deutlich, leicht und einfach ersetzen: die (nie­ drige,) niedrigere oder nicdrigre und niedrigste Classe.

ffiAUi't Spracht. II.

43

Druckfehler im ersten Bande, Seite599 Zeile — 609 — — 613 — — 630 —

4 von oben lese man: bestrichnenThüren. 9 von unten stehe ein Komma hinter geschlagenen. 1 v. u. lese man: frohn. 4 v. o. falle das Komma hinter PyrrhichiuS weg.

Druckfehler des zweiten Bandes. Seite —, — — — — — — — — — — —

__ — — — __

6 — 12 14 15 23 26 32 — 45 47 50 57 58 60 — 61 64 65 67

70 73 81 — 84 85 88 —— __ __ __ — 90 — 91 — — 94

_ — — — __ _ —



97

Zeile 7 — 8 — 18 — 4 — 21 — 14 — 2 — 6 — 3 — 13 — 4 — 11 — 12 — 7 — 26 — 10 — 1 — 12 — 12 10 3 13 __ 9 — 18 — 1 — 15 25 14 17 22 — 9 __ 6 — 9 — 26 — 22 __ 6 — 23 — 18

von oben lese man: anerkannte. — unten lies so bald. —- o. l. Vorgänge. — o. l. können. — o. l. ein Komma hinter Aussprache. — o. l. Excellenz. — u. l. Noth. — u. L ein Komma hinter Blüte. — u. l. vertrete. — u. l. schwang statt schweng. — o. l. ein Komma hinter dräuen. — o. l. ein Komma hinter schmälen. —- o. l. Französischen. — u. l. (schießen. — u. l. (angels — u. l. ein Komma hinter früh. 0. l. — o. l. Kaninchen); — u. l. PD — u. falle das Komma hinter Gegend — u. I. Lauts,) — u. l. verdrießen statt verdießen. — u. stehe ein Komma hinter eü. — o. l. rinnen st. rienen. — u. l. auch st. auf. — u. l. DM und itJ. — u. l. auffliegen. — o. l. tücht'ger. — o. l. Docke für Decke.

— o. 1. sonus für senus. — — — —

u. u. u. u.

l. l. l. l.

ein Komma hinter euch. Erle statt Eele. Gewissen. Herren für Harren.

— u. 1. cavus. — o. l. s. § 256). — o. l. § 256. Nießbrauch). — o. l. Sohle (in

Zelte 98 — 99 — 107 — 109 — 112 — 117 — 123 — 124 — 128 — 141 — 142

Zeile — — — — — — — *T —

— 144



— 151

TT«

— — — — — —

152 — 184 — 194 — 196 *198 — 201 —

— — — — — — — —

203 204 205 220 221 227 231 233

— — — — — — — —

Z 250 Z — 255



— 263 — 269 — 281 — 287 — 296 — 298 — 311 — 315 — 323 — 338 — 338 — 343 — 344 — 346 — 350

— — — — — — — — — — — — — — —

6 von unten lies Don für die. 1 — u. l. Zügel für Hügel. 8 — o. l. gedehnte. 13u.l4 v. o. l. Beschränkt—heit. 13 von unten l. Wunsche ft. Wünsche. 15 — o. l. mehreren. 4 — o. l. Verbannter.) 16 — u. l. Kremnitzer. 4 — o. l. Uranis. 24 — o. l. Zehe für Zehn. 4 — o. l. 283 statt 282. 27 — o. l. ein Komma hinter her Zeug. 16 — o. I. Kelter st. Keller. 11 — u. l. Numer (,Zahl). 9 — o. stehe ein Komma hinter Kleid. 19u.2O v. o. I. Stroh (,TuH) (,Reh). 9 von oben l Nest statt Äest. 21 — o. l. im st. in. 4 — ix. I. Natürliche.) 13 — u. l. Aas'. 5 — o. I. ein Komma hinter StylS. 4 — o. l. kein Komma hinter Bedeutung. 15 — o.l. macht. 6 — o. l. w.). 14 — u. l. (DaS 6 — u. l. zweiten st. ersten. 22 — u. l. dem st. der. 21 — u. I. übrigen Casus. 2 — u. I. ein Komma hinter Bogel. 8 — o. I. ein Semikolon hinter Aspecten. 10 — o. l. und — Dein'S. 13 — o.l. ,( statt (, 12 -* o. l. wenigere. 5 — ox.l. (, und. 2 — u.l. Freiburge. 17 —- o.l. Ernsts. 21 — o. l. Namen vor- st. Stamm weg. 27 — o. l. Weisen st. Waisen14 — o. stehe ein Komma hinter aßen. 8 — o. falle weg: Erste Abtheilung. 7 — u. I. wenn. 4 — u. falle daS Komma hinter Adelung weg. 22 — u,. falle das Komma hinter Ausnahme weg. 2—o. stehe ein Komma hinter Prädicat. 18 — u. l. Ausdrucksart. 18 — u. l. unbestimmten. 24 — u. l. Verneinung. 5 — U. I. sage. 19 — u. l. das st. daß. 13 — ul. ein Komma hinter annehmen. 5 — u. l. ein Semikolon st. de- ersten Komma'6. 27 — u. l, Superlativ.

Seite 351 Jette 16 von unten l. ein Kolon hinter e. — 352 — 10 — o.>. I. naß. — 353 — 14 — u.i. l. tet statt tel. — 358 — 5 — o.'. I. Gottsched. — 359 — 11 *— u.i. l. fULoov statt tutoov. — 368 — 6 — o.•. l. andern. — 400 — 7 — 11t l beziehen. — 403 — 11 — o.. I. ein Komma hinter bloße, — 435 — 2 — u.t. l ein Komma hinter Mensch. — 438 — 8 — ui. l kein Komma hinter nirgend. — 441 — 9 — o l. — — — hochwohlgeborne. _ — — 14 — o.. I ein Komma hinter schleppender». — 450 — 20 — o.. I. Synonymik. 2 — u. l. steht st. sagt. — 452 8 — o. l ein Komma hinter verschiedene. — 474 _ 12 — u. I. mehreren. — 489 _ 23 — u. L. schlecht (,b. — 504 _ 1 — u. l. freche. — 512 — 4 — u. I kein Komma hinter Absatz. — 526 — 3 — o. l. ein Ausrufungszeichen statt de- Frage­

zeichens. — 527 1 — o. l. 450) □. — 14 — o. l. ein Komma hinter sieht. — 528 - 533 — 15 — u. l. bestimme die, und setze hinter genau ein Komma. — 538 4 — u. l. 450) b. — 539 — 8 — o. l. ein Kolon st. des Semikolons. — 549 — 14 — o. l. sämtlich. — 5.55 — 2 — o. I. Weisflog. — 556 _ 1 — u. l. Meiniges st. Weniges. — 568 — 17 — u l. ein Komma hinter der. — 572 — 5 — o. l. keinen Punct hinter schreibt, — — — 14 — o. l. Bösenwichts. — 585 — 13 — u. l. -itfv. — 589 — 2 — u. l. ganz st. gern; und dann falle weg: so muß man fürs Hochdeutsche auch den Gebrauch des welche als Zahlwort ge­ radezu verwirft, — 594 6 — u. l. heißt)). — 606 — 18 — u. I. das st des. — 610 — 22 — u l. Göthe. - 631 — 1 — o. L. VereinigungSworte. — 638 — 9 — u. l. das st. daß. — 639 — 1 — o. l. ein Semikolon st. des Komma'S.