Vollständige Grammatik der neuhochdeutschen Sprache: Band 1 [Reprint 2020 ed.] 9783112318645


170 37 44MB

German Pages 644 [648] Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorrede
Inhaltsverzeichniß des ersten Bandes
Einleitung
Erste Hauptstück. Classification der Redetheile
Zweites Hauptstück. Von der Rechtsprechung
Drittes Hauptstück. Von der Etymologie oder Wortforschung
Einleitung
Erster Abschnitt. Ueber die Bildung der Wörter durch! die Flexion. § 107
Zweiter Abschnitt. Bildung der Wörter durch die Ableitung. § 108-176
Dritter Abschnitt. Bildung der Wörter durch die Zusammensetzung. § 177 — 215
Vierter Abschnitt. Ueber den Gebrauch fremder Wörter in der deutschen Sprache. §216—232
Zusätze zum ersten Bande
Druckfehler des ersten Bandes
Recommend Papers

Vollständige Grammatik der neuhochdeutschen Sprache: Band 1 [Reprint 2020 ed.]
 9783112318645

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Vollständige

Grammatik der

neuhochdeutschen Sprache.

Ausgearbeitet von

Heinrich Bauer, Dr.

Erster Band. Non tarn praeclarum est scire Germanica, quam turpe nescire«

Berlin, 1827. Gedruckt und verlegt bei

G.

Reimer.

Ardua res est.> vetuslis novitatem dare, novis auctoritatem, obsoletis nitorem, obscuris lucem, fastiditis gratiamt dubiis fidem, omnibus vero naturam et nalurae suae omnia.

Seiner Majestät dem

Könige von Preußen,

Friedrich Wilhelm in,

in

ehrfurchtsvoller Umerthänigkeit jugeeignet vom

Verfasser.

Unveränderter photomechanischer Nachdruck

Archiv-Nr. 4587670

1967 Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen’sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trubner — Veit & Comp., Berlin 30 Printed in the Netherlands

Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen

Vorrede. Non sunt ferendi, qui grammaticam ut tenuem ac jejunam artem cavillantur. — Necessaria pueris, jucunda senibus, dulcis secretorum comes, et quae vel sola omni studiorum genere plus habet operis quam ostentationis. Ne quis igitur tamquam parva fastidiat gnammatices elementa, interiora velut sacri hujus adeuntibus adparebit multa rerum subtilitas, quae non modo acuere ingenia puerilia, sed exercere altissimam quoque eruditionem ao scientiam possit. (Quinctil. instit. orat. 1,4.) Diese Worte Quinctilians mögen meine Rechtfertigung sein, daß ich jetzt als alternder Mann mit einem bo­ genreichen Werk über die Grammatik unsrer herrlichen Sprache aufzutreten mich gedrungen fühle, nachdem ich bereits als rascher Jüngling vor fast einem Menschen­ alter in gebührender Bescheidenheit durch wenige Bo­ gen Bemerkungen über die deutsche Sprache (, Potsdam bei Horvath, 1800,) zuerst die Aufmerk­ samkeit der Sprachfreunde auch auf meine schwache Stimme zu lenken bemüht gewesen bin. Diese Jugendarbeit wurde von allen Beurtheilern in kritischen Blättern mit so vieler Nachsicht und Auf-

VI munterung ausgenommen, daß ich dadurch veranlasst werden muffte, mit der höchsten Anstrengung meine ganzen Kräfte dem ernstem Studium dieser Sprache tzU widmen. In Folge dieser strengern Arbeit gab ich (wieder hek Horvath) 1810 ein Lehrbuch der deutschen Sprache in drei Bänden, und 1812 einen Auszug davon zum Schulgebrauch heraus. Mit der innigsten Dankbarkeit gestehe ich es, alle Recensenten, deren Urtheile über diese Werke mir zu Gesicht gekommen sind, haben den ernsten Fleiß, den ich in der That auf ihre Ausarbeitung angewandt hatte, so willig, so offen, ja so gütig anerkannt, daß mir diese höchst ehrenvolle Belobung so vieler ganz unbe­ kannten und also gewiß ganz unparteiischen Männer der schönste Lohn für meine Mühe und zugleich die verpflichtendste Aufforderung sein muffte, unausgesetzt in diesen meinen Bemühungen fortzufahren. Hierzu hielt ich mich für um fo mehr verpflichtet, da besonders seit den letzten zehn Jahren unzählige, grö­ ßere und kleinere Werke über die deutsche Sprache von solcher Seichtigkeit und Oberflächlichkeit in einem so höchst anmaßenden Tone erschienen sind, daß dieselben leicht der unausgesetzt zu fördernden Ausbildung und Veredlung unsrer trefflichen Sprache wesentlichen Ein­ trag thun könnten, wenn nicht jeder, der es vermag, nach Möglichkeit dazu beiträgt, die Träume und Hirngespinnste der kecken Reformatoren zu widerlegen. Aus dieser Ursache habe ich in dem gegenwärtigen Werke sehr viele mir unrichtig scheinenden Ansichten und Behauptungen aufgeführt, und in ihrer Nichtig­ keit darzuftellen gesucht. Ich weiß recht wohl, daß ein ernstes, gründliches Lehrbuch sich jeder Kritik fal­ scher Lehren ganz zweckmäßig enthalten, und einfach darauf beschränken kann, einzig und allein die lautre Wahrheit vorzutragen; mir aber schien es in der jehi-

gen Zeit, die uns in sprachlicher Hinsicht gar gern viele Verböserungen für Verbesserungen verkaufen möchte, durchaus nothwendig, die Spreu vom Weizen zu sich­ ten. Und hierzu wünschte ich nach meinen besten Kräften mein Scherflein ebenfalls beizutragen. Sollte dies Lehrbuch so glücklich sein, nach hergestellter Ruh^ und Anerkennung der gesetzmäßigen Rechte des Sprachgebrauchs, so wie der Analogie und Etymolo­ gie, eine neue Auflage zu erleben, so würde ich dann mit Vergnügen alles daraus weglaffen, was nicht un­ mittelbar zur Darstellung der gegenwärtigen Resultate unsrer Sprachforschung gehört. Angelegentlich bitte ich alle Schriftsteller, die ich nach ihrer Meinung mit Unrecht oder vielleicht nicht immer schonend genug ge­ tadelt haben möchte, dies einzig und allein meinem le­ bendigen Eifer für die gute Sache zuzuschreiben, da von Persönlichkeiten zwischen Unbekannten ja nicht die Rede sein kann. Mich haben treffliche Männer, zum Beispiel Seidenstücker, weit über die Gebühr gelobt, das fühle und bekenne ich sehr gern; um so mehr sollte es mir daher leid thun, wenn sich jemand durch mich wider meinen Willen verletzt und gekränkt fühlte. Uebrigenö ist es mir unlieb, daß ich dem gegen­ wärtigen Werke den undeutschen Titel Grammatik ge­ ben muffte; ich konnte dasselbe indessen nicht Sprach­ lehre nennen, da wir mit diesem Worte einen weitern Begriff verbinden, nach welchem auch Styllehre, Rhe­ torik, Deklamation, Poetik u. s. w. zur Sprachlehre gehören, welche Wissenschaften alle ich von meinem Zwecke ausschließe, der sich auf die Darstellung der Grammatik unsrer hochdeutschen Schriftsprache der jet­ zigen Zeit beschränkt. Wegen der letzten Beschrän­ kung habe ich auch vom Alt- und Mittelhochdeutschen u. s. w. nur so viel aufnehmen zu müssen geglaubt, wie ich zu einer gründlichen Darstellung des Neuhoch­ deutschen für nothwendig hielt. Wer mehr (davon

VIII wissen will, muß Grimms Grammatik studiren, und des unsterblichen, musterhaften Sprachlehrers Adelung Wörterbuch nachschlagen. Dringendst ersuche ich nun unsre wahren Sprach­ kenner, dies Werk ernstlich zu prüfen; jeder gründliche Tadel soll mir wahrhaft willkommen sein. Flüchtig­ keit und Uebereilung wird man mir wenigstens nicht vorwerfen können, da ich das nonum prematur in annum fast' verdoppelt habe. Findet man eS aber auch nur dem größesten Theile nach empfehlenswerth, so bitte ich, dasselbe eben so ernstlich zu empfehlen, da ein Werk dieses Umfangs bei der Kälte und bei der —• Armuth selbst vieler Sprachfreunde sonst schwer­ lich früh genug Aufmerksamkeit gewinnen möchte, und wenn gleich aoXvfiaiHr] vöov ov 8t8« ausgesprochen. Don diesem Wort Deud, welches Gott bedeutet, werden wir deutsch, deutisch, Deudici genannt, auf sächsisch düdlsch. Gleichwie sich ihre Nachkommen hernach von Gott genannt Gottos, Gothos, welche Gothen, nämlich Dännemarker, Schwaben u. s. w. noch heut zu Tage Gott gud heißen. (Gott, persisch choda, heißt auch beim Ulphilas gud.) Uns scheint, als wenn dieser Namen Düd aus dem Hebräischen Doed (th) hergeflos, sen sei, welches heißt ein Ohm, Freund, Liebe. Also haben die Allen und ersten Väter der Deutschen Gott nennen wol, len Dod, d. i. Freund, Ohm, Liebe, gleichwie Israel ihn Baal d. i. Herr, Bräutigam oder Ehemann nannte. Aber auch das griechische theos scheint mit dem Namen Deud fast über» cinzustimmcn, sonderlich sp man es aussprach Teuds oder Teudsch. Und ist kein Zweifel, daß das lateinische deus vom griech. theos herkommt, man mag das rh durch ein d gelinde oder hart aussprechen. (Nam alii t raphessant per tb, all! per d, ita est magnus Symbolismus luter istas literas tenues, aspiratas et medias.) Unsre Franken nennen noch heute Dnd oder Dot einen geistlichen Vater oder Pathen, der ein Kind aus der Taufe gehoben, und dessen Taufzeuge ist." Wenn wir auch Luthern in Ansehung der Abstammung nicht beitreten können, so spricht er doch entschieden für die Schreibung deutsch. Auch Adelung sagt in seinem Wörterbuche: „zur Ab, lcitung des Wortes Deut-sch sind die vernünftigsten Wortfor, scher auf das alte thiud gefallen, doch ohne dessen wahren Sinn einzusehen. Thot, Dot ist ein altes Wort, das einen Blutsfreund bedeutet, und. mit dem hebr. (th) dod eine mehr als zufällige Verwandtschaft hat. Noch jetzt bedeutet im Ober, deutschen Gebiet das Geschlecht, und Dot einen Pathen. Dot, Deut scheint also überhaupt einen nahen Verwandten bedeutet zu haben, und dann collectiv einen Haufen solcher Verwand» len, eine Familie, ein Volk. So nannten di« Gallier am Niederrhein die Tungrer Deut,ische d. i. Verbündete, Alliirte. (Adelung beruft sich hierbei auf die hanöverischen Anzeigen vom Jahr 1750.) Noch zu Ottfried s Zeiten verstand man unter der deutschen Sprache vorzüglich die niedersächsisch« und

deren Tochter, die fränkische, wie denn das alte Gedicht über die Feldzüge Karl des Großen gegen die Saratenen (beim Schiller) D. 3981 sehr genau die Deutschen, Deusen genannt, von den Alemannen unterscheidet/' In dieser Angabe Adelungs, daS Historische unentschieden gelassen, ist besonders der Umstand wichtig, daß nach ihr das ganze Wort deutsch am Niederrhein entstanden, also niederlan, disch und niedersächsisch wäre, und schon deshalb mit d ge­ schrieben werden müsste. Noch bemerkt Adelung: '„der Nalnen der Deuten oder Teutonen, die anfänglich in Dänemark wohnten, scheint einetähnlichen Ursprung zu haben, obgleich nicht zn vermuthen ist, daß der spätere Namen der Deutschen von ihnen entstan, den sei." Auch Reichard erklärt Teutonia und Teutonen für bloße Gaunamen, giebt aber die Entstehung des Wortes deutsch auf «ine andere Art an, indem er sagt: „wahrscheinlich sind unsre Vorfahren zuerst von dem fränkischen Clerus in den Zeiten der Bekehrung Deutschlands zum Christenthum, mit Hinweisung auf den deutschen Gottcsnamen Theod, Tuisto, (uralt deutsch auch Thuisk, Deut, Teut, Diod,) aber gewiß nicht in einem rühmlichen Sinne, Deutsche (,gleichsam Anbeter des Götzen Theod, Teut, Götzendiener,) genannt worden, und später ha, ben dann die fränkischen Annalenschreiber diesen Namen in allgemeinen Gebrauch gebracht." *)

•) E» sei hierbei anzumerken erlaubt, baß Reichard, vorzüglich nach PtolemäuS, all die Gränzen des alten Germaniens, Germania magna, nach Süden und Südwesten hin den erst in der neuer» Zeit völlig entdeckten limes transdanubianus und transrhenanua festsetzt, einen ungeheuern Grinzwall der Römer von der Donau nordwestlich bis zu den sieben Bergen am Rhein, der von da an wohl noch über Paderborn fast ganz nördlich nach der Nordsee ging; ferner gegen Süden die Donau, und von ihr ab wohl nordöstlich die Tetrakette der Karpathen bi« zur Weichsel; öst­ lich die Weichsel bis zur Ostsee, und nördlich da« von den Ro­ mern nur al« Insel gekannte Scandia oder Skandinavien. Noch lehrt Reichard, da- man zu den Suev en alle Völkerschaften zwischen der Weichsel und Elbe, vom Ursprünge dieser Flüsse bis zu ihrer Mündung, und in diesem Striche noch «etter fort dis o6- am Ende eines Worts nie anders als einfach lauten könne, weil keine fortdauernde oder doppelte Debung möglich sei; also schreibe man statt des einfachen k bloß ck, um die Schärfung des Vocals zu bezeichnen, obgleich bei der Verlän, gcrung solches Worts nun daS ck fast wie ein doppeltes I laute, indem die Nebensykbe sich an die Stammsylbe anhange: Rock, Ricke, wie ja auch das ch nach einem geschärften Do, cal bei der Verlängerung deS WoreS fast wie zwei ch töne: Bach, Bäche. ES konnte zur Analogie auch noch angeführt werden, daß man im Alt, und Mittelhochdeutschen die Conso, «anten am Ende nie verdoppelte: span von spinnen, fal, Ge, Nitiv falleS, nanta statt nannita, tos, ricke; doch behauptet ©stimm, daß man auch den Vocal vorm einfachen Conso, «anten (,man d. i. Mann) gedehnt ausgesprochen habe, und man sieh» sogleich, daß hier eigentlich kein fester Streitpunct statt findet, da namentlich Klügel hierdurch da« ck so wenig wie das ff in schaff aus dem Hochdeutschen verdrängen will. Er könnte übrigens auch noch daS tz für seine Ansicht aufge, führt haben, daS (ebenfalls) kein wahrer Doppelconsonant ist, aber doch di« Kraft und daS Recht eines solchen hat.

74) Der flüssige Buchstab l behält im Deutschen immer seinen ihm eigenthümlichen Laut. Nur den Doppelconsonan, ten ll spricht man in mehrern französischen und andern frem, den Wörtern, besonders in solchen, deren Stämme im Lateini­ schen mit einem l geschrieben werden, auf eine ganz eigne, weiche Art (mouille) auS: Spadille, Manille, Mantille, An, eillon, Marseille, Artillerie, la Alle.

187 75) Der flüssig« Buchst»- m behält tbenfalls immer fei, neu eigenthümlichen Laut. 76) Auch da- flüssige n behält fast immer seinen bestimm, ten Laut; nur wissen wir (an- §. 70) schon, daß es vorm g in einfachen Wörtern mit diesem fast in einen einzigen Nasen, laut jnsammenschmilzt; diesen Nasenton hat eS auch, in sol, chen einfachen Wörtern vorm f: lang, lange, Dank, Danke, Denk — en, Gedank— e, aber nicht in Zusammensetzungen: ungülig, unkenntlich. Folgt ie auf n, so darf man dies jetzt nicht mehr wie je aussprechen: Linie, Pinien, nicht Linje. Der leichten Aussprache wegen hat sich das n in viele Wörter eingedrängt, in die es nicht gehört: Hunger von H u g, d. i. Gemüth, Neigung, Hägen, nackend für nacket, Tugend von Tangde, Gewand, Leinwand verwandt Mit Wat, Watt. De, sonders gehn n und m oft in einander über: ent in emp, Im, biß für Jnbiß, immaßen für inmaßen, Glimpf von linde, Vernunft, Kunst von vernehmen, kommen. 77) Der härteste Lippenlaut p behält immer seinen harten Ton: pralen, Alp, Trupp, zappeln, Raupe. Mit dem s wird daS p in deutschen Wörtern jetzt nie mehr verbunden, außer etwa am Ende der Sylben in den Wörtern der gemeinen Rede: Schnaps, haps, knaps, taps, hops, rips, raps, so wie in den provinciellen Rips, (Rübsen,) Raps, wohl aber in griechischen Wörtern: Psalm, Psycholo, gie (; im Griechischen giebt es für diesen Laut ein eignes einst, ches Zeichen, das psi ip). (Das gemeine Wort traps kommt offenbar von traben her, und ist daher trabs zu schreiben.) DaS pf ist nach einigen ein einfacher verstärkter Blase, kaut; nach den meisten ist eS aber förmlich aus p und f zu, sammengesetzt, und dies ist wohl richtiger, da es seinen vorher, gehenden Vocal immer schärft, was eben zwei Consonanten, der Regel nach, thun, und da bei der Verlängerung solcher auf pf ausgehenden Wörter diese Auflösung des pf in p und f deutlich und hörbar statt findet: Pfand, Topf, Tip—fe, tap—fer. Der Laut des pf ist härter als f, und darf natür, lich nicht in p oder f übergehn: Pfropfen darf nicht Fropsen oder Proppen; Zapfen nicht wie Zappen, umgekehrt aber auch Treppe nicht wie Trepfe ausgesprochen werden. 78) In Ansehung des pH wissen wir schon (auS §. 69), daß im Gothischen und Altdeutschen pH und f sehr oft in ein, ander übergingen, weswegen eben Grimm da- f einen (auS p und h) zusammengesetzten Laut nannte. Hierauf mögen sich wohl diejenige« stütze«, «eiche im«« auch tw griechischen Wör,

188

tern f statt pH schreiben walle«. Das thut z. (fließen,) (pi/vos) her, dem die althochdeut, fche Form rin (hrin ?) zur Seite steht, (hrinan, tangere,) die vielleicht mit dem gothischen reins, aber schwerlich mit rinnan, fluere, vereinbar ist, obgleich Adelung sagt, daß reinen der alte Stamm der Intensiven rinnen und rennen sei, und man im ältern Deutsch auch Hrein geschrieben habe. Griechi, *) Adelung sagt, das q fei allem Aasehn nach ein Ueberbleibsel des phönizischen oder hebräischen p Kus oder vielmehr richtiger Quf, das schon seinen Dlaselaut bei sich führte, so daß die Jsömer gar füglich qe, qia schreiben, und doch qne, quia lesen gekonnt hätten, so wie die Gothen bloß q statt qu schrieben, wogegen die Franzosen qu wie ein bloßes k lesen. Noch bemerkt Ade. tung, daß in Wörtern wie quetschen, quietschen da« qu zur ge, Dauern Bezeichnung de« Schall« unentbehrlich, und als» weder q (l) noch v (v) ein bloßer Lorschlag ist.

190 sch« Wirte, mH rh find Rhythmus, Rhombus il s. w. gur Verdoppelung schrieben die Griechen, rrh: PyrrhuS, Katarrh. 81) Die Aussprache des Zischlautes s leide» verschieden« Modificationen, je nachdem man die Lust zwischen den Ober, zähnen und der an diese gelegten Zunge mit größerer oder ge, ringerer Stärke hindurch drückt. Die Zeichen dieser verschie, denen Grade des Drucks sind f, S, ß, ff, die indessen alle ge, linder als der stärkste deutsche Zischlaut z tönen, wenn gleich im Holländischen umgekehrt daS z sanft und weich, (Züyder— Zee, Südersee,) und daS s scharf klingt (,SaS van Gent, Spuite wie Szpaute). Ueber die deutsche Aussprache diese» Laute sind folgende Bemerkungen wichtig: I. daS sogenannte lange s ist daS Zeichen det gelindesten SauselautS, und kann nur am Anfänge und in der Mitte, nie aber am Ende der Sylben stehn. Er behält seine sanfte Aussprache, so lange er kann, daS heißt immer, wenn nicht t oder p auf ihn folgen, oder einer der Laute b, ch, g, k und p in einfachen Wörtern vor ihm steht: Seele, lesen, Amsel, Per, son (»nicht Perschon); hingegen die Tön« b, ch, g, k, p tragen ihre Härte am Ende der Sylben zum Theil auf daS folgende s über: Krebs«, Mengsel, wachsen, schlucksen, Stöpsel (oder Stöppsel); nur in den Sylben sal und sam bleibt dem f auch in diesem Fall sein sanfter Laut: Labsal, Schicksal, wach, sam, langsam, betriebsam, wirksam *). Hieraus ergiebt sich schon, daß die Gewohnheit vieler Deutschen, daS s im Anfänge fremder Wörter vor c, k, l, m wie sch auszusprechen, verwerflich ist, ob eS sich gleich nicht leugnen lässt, daß die Aussprache vor solchen Consonantcn schär, fer wird; man spreche daher daS s in Sklave (von Slave), Slavonien, Skelet, Smaragd, Smirgel (»Schmirgel) eben so wie in Scävola, Scepter, Scipio, und nicht wie Schklave, Schmaragd auS. UebrigenS steht daS f, wenn man st, sp, sch für sich lässt, am Anfänge fast bloß vor Vocalen, denn Sbirren, Sforza, Shakespeare sind fremde oder eigne Namen. Was dagegen fp und st betrifft, die viele mit Unrecht für (zu, sammengesetzte) Zeichen einfacher Laute erklären **), wenn •) Dir Neugriechen sprechen ihr einfache« o, ihr sigma, wie die Lranrosen ihr , im Anfänge, immer scharf wie - au«; nur in Oft klingt «- sanft r wir dos’menos oder doaemenos.

•*) Adelung nennt in seinem Wörterbuch« da« ft einen zusammen, gesetzte» Mitlaut, der au« dem angeztschten t oder d bestehet, und sp führt derselb« gar nicht al« «inen eiufachrn »der «usa«meogesehtea Buchstaben auf.

gläch 6W Griechen für das letzte et« einfache« Zeichen Stigma (g) haben, welche« aber, wie

äolisch jtejwie, nolog jo, nisch xolog; b, d, g: dorisch odcÄog, yij dorisch dij;

218 so auch pH, th, ch. In Ansehung der Aspirationen ist das Sanskrit vielleicht die einzige Sprache, welche sie von allen weichen (tenues) und deren harten (inediae) Consonanten hat: bh, pH, dH, ch, gh und kh. 91) Endlich in Ansehung der Boeale macht Grimm zur Begründung seiner Behauptung, daß es ursprünglich in der Sprache nur drei kurze Vocale gebe, folgende interessante De, merkung: die uralte indische Sprache des Sanskrit, sie, deren Alphabet alle anderen Laute vollständig bezeichnet, kennt und erkennt außer den Kürzen a, i, u keine andern, und hat bloß für sie Buchstaben; eS ist unglaublich, daß sie keine Schrift, zeichcn für e und o gehabt haben sollte, wenn diese Lauts wirklich in der Sprache und Aussprache vorhanden gewesen waren. Es hat also diese uralte Sprache die Töne e und o gar nicht gehabt, und wir wissen ja, daß sie im Gothischen ebenfalls fehlen. Dies wird noch durch den Umstand bestä, tigt, daß auch im Griechischen nur die Vocale a, t, v für sich abgeschlossen sind, und daß sie kein Zeichen ihrer Verlängerung neben sich haben, während die späteren und jüngeren Vocale e lind o von »; lind w geschieden sind, lind daß auch in den semitischen Sprachen em, also dieselben drei Vocalbuchstaben a, i, u, den von der allmälichen Aussprache später hinzugefüg, teu Laut des e und o zugleich mit ausdrücken müssen.

Dritter Abschnitt.

Von der Aussprache der Sylben und Wörter, und von dem Accent. 92) Jede Sylbe muß einen einfachen oder doppelten Vo­ cal haben, damit dieselbe deutlich ausgesprochen werden kann; aber sie kann auch nie mehr als einen einzigen enthalten, weil sich mit einem einzigen Stimmabsatze nicht mehr als ein 9?o, cal aussprechen lässt. 06 auch in jeder Sylbe wenigstens ein Consonant statt finden müsse, wie viele behaupten, da- ist ein Worlstreit. Die Behauptung ist richtig, insofern eine bloße Oeffnung des Mundes noch keinen Laut bildet, sondern immer dabei zu, gleich die Luft ausgehaucht oder ÄrSgrstoßen werden, und dies

bei einer gewissen Lag« und Stellung der Sprachwerkzeug« ge, fchehen muß, wenn man eben diese Modification der Organe einen Eonsonanlen nennt; insofern man aber im engern Sinne unter Consonanten nur die merklichen, bestimmten und bestimmt angegebenen Modifikationen der Organe bei der Aussprache der Docale versteht, haben viele Sylben, ja manche ganzen Wörter keine Consonanten: a — ber, an, Au—e, Ei, o oder oh. 93) Alle Sylben, welche nicht mehr als einen Consonan, ten enthalten, der vor oder hinter dem Vocale stehen kann, heißen einfache Sylben: sie, ab, sie—he, en—de, Au—ge; zusammengesetzte Sylben heißen dagegen diejenigen, welche mehrere Consonanten enthalten, die entweder alle vor oder alle hinter oder theils vor und theils hinter dem Vocal der Sylbe stehen können. Ueber die Zahl der Consonanten darin lässt sich nicht- im Allgemeinen bestimmen; es giebt Döl, ter, die nie mehr als zwei in einer Sylbe verbinden, und wie, der andere, die ihrer so viele und so schwer vereinbare zusam, men auszusprechcn wissen, daß es andern Völkern ganz oder fast unmöglich fällt, solche Sylben ihnen nachzusprechen. Im Deutschen verursachen oft schon zwei Consonanten zusammen unerträgliche Härte: welcher Deutsche kann kbu, bku, ukb ein, sylbig aussprechen, wenn gleich ubk nicht so schwer fällt? Oft geben dagegen selbst vier bis fünf Consonanten eine ganz leichte Aussprache: Gruft, schmilzt, du pfänd'st (ihn aus). 94) Wenn man von einer Sylbe als Sylbe spricht, so sieht man bloß auf ihren Sylbenkörper, auf ihre Materie, auf die Buchstaben, welche in einem Stimmabsatze verbunden sind; sieht man dagegen auf den Inhalt der Sylben, auf ihre De, deutung, auf die Vorstellung, welche sie bezeichnen, so heißen sie Wörter, wenn und insofern sie eine bestimmte Borstel, lung ausdrücken, wogegen diejenigen, bei welchen dies nicht der Fall ist, auch keine Wörter bilden. So sind sto, tres im Deut, schen bloß Sylben und keine Wörter; im Lateinischen sind es zugleich Wörter; dagegen sind für uns du, treu, Sylben und zugleich auch einsylbige Wörter. Mehrsylbige Wörter erhalten ihr« nähere Benennung zwei,, drei,,viersylbig u.s. w. von der Anzahl der Sylben, die in ihnen zum Ausdruck einer einzigen Vorstellung vereinigt werden: gegen (2), Gegenwart (3), ge, genwärtig (4), vergegenwärtigt (s), vergegenwärtigen (,ein sechSsylbiges Wort). In den mehrsylbigen Wörtern heißt die, jenige Sylbe, welche erwiesen oder wahrscheinlichst den eigenl, liehen Begriff, den Stamm des Worts enthält, die Stamm­ sylbe; die andern werden Neben,, Bel, oder Abtei,

220 tungssylben genannt, und theilen sich in Bor« undNachsylben, je nachdem sic vor oder hinter der Stammsylbe stehn. So ist vom Stamm« und Wurzelwort ein, in den Wörtern einig, einigen, vereinigen, Veruneinigungen, die Sylbe ein die Stammsylbe, und jede andere eine Ableitungssylbe, von. denen ig, en, ung Nach«, so wie ver und im Vorsylbcn sind. 85) Wenn man alle Sylben eines mehrsylbigen Worts, und noch mehr eines Satzes oder einer ganzen Rede mit glei, cher Stimme, mit gleich starkem oder geringem Nachdrucke, mit gleicher Stärke oder Erhebung des Tons aussprechen woll, te, so würde dadurch nicht nur eine unausstehliche Eintönig, feit, sondern oft auch eine völlige Unverständlichkeit der Rede erfolgen. Daher war es nothwendig, die Sylben mehrsylbiger Wörter und die verschiedenen Wörter eines Satzes mit ver, schiedcncr Erhebung und Senkung der Stimme, mit verschie, dcner Betonung auszusprcchen, wodurch allein dem Zuhörer die wichtigste Sylbe des Worts und das wichtigste Wort des Satzes bemerkbar gemacht werden konnte. Hiernach versteht man unter dem Ton oder Accent die Erhebung der Stimme, mit der eine Sylbe (oder ein Wort) vorzugsweise vor andern ausgesprochen wird, und eS heißt jede Sylbe betont, welche den Ton hat, d. h. welche mit einer solchen vorzüglichen Erhebung der Stimme ausge, sprechen wird, wogegen diejenigen Sylben unbetont oder tonlos heißen, bei welchen dies nicht der Fall ist *). Auch ergiebt sich hieraus, daß dieser Ton in zwei Hauptarten zerfal, len muß: derjenige nämlich, wodurch ein Wort von den übrigen Wörtern desselben Satzes ausgezeichnet wird, heißt der Redeton, Redeaccent, oder auch der Wortton; derje, nige hingegen, wodurch eine Sylbe vor den übrigen Sylben desselben Wortes hervorgehoben wird, heißt am besten der Sylbenton, Sylbenaccent, ob er gleich von vielen Sprachlehrern auch Wortton genannt wird, welche dann den ersten bloß Redeton nennen dürfen. In vielsylbigen und be­ sonders in zusammengesetzten Wörtern werden mehrere Sylben vor den übrigen durch Erhebung der Stimme ausgezeichnet, doch erhält immer nur eine den stärksten Nachdruck; darum muß der Sylbenaccent wieder für sich in den Haupt- oder

♦) Freilich ist der Ausdruck: eine tonlos ausgesprochene Sylbe ei­ gentlich «in Widerspruch, indem jede Aussprache einen Son voraussetzt; der Kürze und des allgemeinen Gebrauchs dieses Aus­ drucks «egen «ollen wir ihn indessen auch behalte».

»ollen Ton, rtnb in den Neben, oder halben Ton zerfallen. So haben in den Wörtern Vereinigungen, Ziererei und Hin, tertrcppe die Sylben ein (ei), zei, hin den Haupt,, gun (ung), Zie, trep den Nebenton, und »er, i (ig), gen (en), re, ter, pe sind unbetont. Man könnte den Nachdruck, mit wel, chem man in einer ganzen Periode oder Rede einen ganzen Satz vor den übrigen Setzen auszcichnct, den Satz-, Phra­ sen, oder Redeaccent nennen; die- ist aber weiter nicht wichtig. 96) In Ansehung des Wort- oder RedetonS lassen sich wenige Regeln geben, da es in jedem einzelnen Falle immer »oit der Beurtheilung des Sprechenden abhangen muß, wel, chem Worte eines Satzes oder welchem Satze einer Periode er zu seinem Zwecke die größeste Aufmerksamkeit verschaffen will, denn diesem muß er dann auch die größeste Auszeichnung der Stimme, das heißt den Wort, und Redeton gewähren, weil er offenbar seinen Zweck ganz oder zum Theil verfehlen müsste, wenn er im Zuhörer nicht diejenigen Empfindungen und Begriffe erregt, welche die Rede beabflchtigt. Wenn der Sprechende z. D. im Satze: der Hund hat die Pantoffel zer, fressen anzeigen will, daß ein gewisser, bestimmter (,dieser) und ( in andrer Hund die Pantoffel zerfressen hat, so muß er, wenn er zweckmäßig sprechen will, den Wortton auf der le, gen; will derselbe angeben, daß es der Hund, und nicht ein anderes Thier, gewesen ist, so muß er den Wortton auf Hund setzen; um anzudeuten, daß das Zerfressen schon ge, schehen ist, uud nicht erst etwa, jetzt geschieht, muß der Wort, ton daS Wort hat besonders herausheßen; legt der Spre, chende den Wortton auf die, so erregt er die Vorstellung, »aß eS gerade diese (bestimmten, gezeigten), und keine andern Pantoffel gewesen sind; setzt derselbe den Wortton auf Pan­ toffel, so macht er den Zuhörer besonders darauf aufmerk­ sam, daß nicht Schuhe oder Stiefel, sondern Pantoffel zerfressen sind; um anzudeutcn, daß die Pantoffel nicht et, wa nur be, oder angefreffen, sondern (ganz) zerfressen sind, muß der Wortton auf die Sylbe zer gelegt werden; giebt man diesen endlich der Sylbe fress, so bedeutet es, daß die Pantoffel nicht zerkratzt oder zerrissen, sondern zerfressen sind. UebrigenS gehört die Anweisung, den Wort, oder Rede, ton gehörig zu setzen, nicht in die Grammatik, im engern Sinn, sondern zur Redekunst, in die Lehre von der Deklama­ tion (, vorn Vortrage). Es wird also dieser Gegenstand hier nicht weiter ausgeführt werden.

222 97) Nach dem, was bereit- früher (§. 57) über die Be­ griffe der gedehnten und geschärften Aussprache der Locale und vorläufig über die lprosodische) Länge und Kürze der Syl­ ben gesagt ist, müssen wir, um deutliche Regeln über den Syl, benton in unsrer Sprache angeben zu können, noch folgende allgemeinere Auseinandersetzung vorangchen lassen. Insofern die Sprache im Allgemeinen äußere Darstellung der innern Vorstellungen, und dem Menschen nicht allein zum bloß sinnlichen und thierischen Behelf gegeben ist, (siehe §. 1 bis 5,) kann und wird derselbe sich nicht begnügen, durch seine Sprache das Bedürfniß der Mittheilung fürs gemeine Leben und die Forderung des Verstandes zu befriedigen, sondern er wird sic auch zur Darstellung der Gebilde seiner Einbildung-, kraft und Phantasie benutzen. Die Sprache des gemeinen Lebens, als der Ausdruck un, srer Bedürfnisse, bildet mit der Sprache des Verstandes, al­ ber Darstellung unsrer Vorstellungen und Gedanken für die Wissenschaften, zusammen das, wa- wir prosaische Sprache, Sprache der Prosa oder geradezu Prosa nennen; dagegen nennen wir die sprachliche Darstellung der Gebilde unsrer Phantasie für die Einbildungskraft die poetische Sprache, Sprache der Poesie oder geradezu Poesie. Hieraus folgt sogleich, daß auch diese Poesie, die wir ebenfalls nur in (gesprochenen und geschriebenen) Worten darstellen können, im Allgemeinen den Gesetzen der Sprache unterworfen sein muß, so wie denn die geordnete und gere, gelte Phantasie sich eben nur nach der Natur und den Geset, zcn des Verstandes ordnen und regeln kann. Auch ergiebt sich sogleich, daß die Prose vorzüglich den Zweck haben muß, unsre Gedanken genau, richtig und wahr darzustellen, daß also Wahrheit ihr Hauptgesetz der Darstellung sein muß; dage, gen wird e- des Dichters vorzüglichster Zweck sein, der Ein­ bildungskraft seines Zuhörers oder Leser- recht lebendige, tref, sende, befriedigende Bilder vorzuführen, welche da- Gemüth desselben in diejenige Stimmung versetzen, die der Dichter zu erregen beabsichtigt; also wird das Hauptgesetz der Poesie, beiihrcr sprachlichen Darstellung der Bilder der Phantasie in ei, ner dem Zuhörer (oder Leser) wohlgefälligen Gedankenreihe, Schönheit sein, weil sie nicht reale Wahrheit, sondern nur den Schein derselben, ideale Wahrheit zu berücksichtige» braucht. Sie wird daher, diese- ihre- Zweckes der Schönheit.roe, gen, auch schon ihrem sprachlichen Ausdruck so viel Schönes,

und namentlich so vielen Wohllaut geben, wie es ihr nur mög, lich ist. In dieser Hinsicht lässt sie besonders gern (prosodisch) lange und kurze Sylben, Hebungen und Senkungen des To, neS der Aussprache in einer regelmäßigen an bestimmte Gesetze gebundenen Ordnung abwechselnd aus einander folgen, und insofern sie dies thut, heißt ihre Rede, oder Schreibart g c, bunden, wogegen die prosaische ungebundener Styl ge, nannt wird. Doch gehört cs nicht znm Wesen der Poesie, daß sie sich in gebundener Rede ausspreche, denn (GcsnerS) Idyllen und (gute) Schauspiele in ungebundenem Styl sind auch Poesie oder Gedichte; umgekehrt bildet der gebundene Styl allein noch kein Gedicht, wie denn sogenannte versus memoriales, z. D. grammatische Regeln in gebundener Rede mit Reimen, immer kalte, kahle, nackte Prose bleibe«. Unter dem Ausdruck Rhythmus oder Numerus überhaupt versteht man ein abgemessenes oder abgezähltes Zeitmaß der Bewegung *). Dieser Rhythmus kann sich sowohl auf unser Gesicht und Gefühl, als auf unser Gehör beziehen: der Pulsschlag ist ein Beispiel des Rhythmus fürs Gefühl; das Tactschlagen deS Anführers eines Orchesters, abgesehen von den Tönen der Musik, die gleichmäßigen Bewegungen beim Tanze, beim Aufheben und Nie, versetzen der Füße im Marschiren der Soldaten, beim Säen, Rudern u. s. w. sind Beispiele eines Rhythmus, der nur dem Auge bemerk, lich ist; endlich das regelmäßige Läute» einer oder mehrerer Gkok, ken, die regelmäßige Folge der Töne beim Dreschen, beim Hämmern der Schmiede und Bötticher sind Rhythmen, die dem Ohr durch Töne oder kaute bemerkbar werden. Es kön, nen alle drei Rhythmen vereinigt und zugleich, aber auch ge, trennt und einzeln statt finden und wirken. In Ansehung de» letzten nennt man den melodischen Wohllaut, welcher durch eine solche regelmäßige, tactartige Folge von (prosodischen) Län« gen und Kürzen so wie von Hebungen und Senkungen de» TonS in der Sprache entsteht, den poetischen Rhythm«» oder auch de» DerStact, weil eben der Tart oder Tactgang •) Heys« sagt in seiner Verslehre: Rhythmus ist dl« Darstellung des IrttfluffeS durch geregelte sinnlich« Zeichen, und der Rhyth, mu» in der Sprache besteht in einem ebenmäßigen (symmetri­ schen) Verhältnisse der Sprachelement« nach ihrem extensiven Werth«, d. i. nach ihrer quantitativen Ausdehnung in der Zeit, und dem qualitativen Grabe ihre« Lons Beide Erklärungen find zu »eit Und undeutlich. DaS Hera-fall« di» Gand« in der Sanduhr iß kein Rhythmus.

224 in der Musik, abgesehen von allen» Inhalte derselben, von den Tönen und deren Harmonie und Melodie, daS leichteste Bei, spiel eines solchen Rhythmus abgiebt *). ES muß dieser Rhythmus immer ohne Worte gedacht werden, indem diese gleichsam für sich bestehend den Tact jur rhythmischen Compo, fition liefern. Auch gute Pros« muß (wenigstens im ediern Styl) auf den Wohllaut ihres Ausdrucks scheu, und die dazu dienende überdachte Stellung und Folge der Wörter in den Sätzen, so wie der Sätze in den Perioden nennt man den rednerischen oder oratorischen Rhythmus, der aber keinen bestimm, ten Gesetzen folgt, sondern bloß vom (ästhetischen) Schönheit-, gefühl deö Sprechenden abhangt. Nach dieser Erklärung setzt nun die Anwendung deS poe, tischen Rhythmus auf eine Sprache ein gewisses Zeitverhältniß der Sylben in Ansehung der Zeitdauer ihrer Aussprache vor, au-, und dies nennt man die Quantität oder das Zeitmaß der Sylben, welche danach in prosodisch lange, kurze und mittelzeitige zerfallen; die letzten können lang und kurz gebraucht werden. Man bezeichnet, wenn man e6 angeben will, die Länge durch das Zeichen —, die Kürze durch v und die Mittelzeitigkeit durch v., z. D. die Freundschaft. Nicht alle Sprachen vermögen einen solchen Rhythmus in die Aus, spräche ihrer Sätze zu bringen, wenn gleich in allen die Syl, den mit verschiedener Zeitdauer ausgesprochen werden. So ha, ben die Hebräer (,so viel wir wenigstens urtheilen können,) ihn gar nicht beachtet oder zu beachten vermocht; die Italiäner und Franzosen haben nur einen sehr unvollkommucn Rhyth, in ihrer Sprache; hingegen wir Deutsche haben, gleich den Griechen und Römern, denselben so vollkommen in unsrer Sprache, wie ihn sich die Dichter nur wünschen können, wenn wir gleich das Zeitmaß der Sylben nach ganz andern Regeln al- die Griechen und Römer bestimmen. Diesen Rhythmus muß man noch vom Metrum oder Versmaße unterscheiden, worunter man nicht- al- eine grö, ßere oder kleinere Reihe von Längen und Kürzen versteht, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wechselnd aufeinander folgen. Eben so muß man den Rhythmu- so wie die Länge und Kür, z« nicht mit der Hebung und Senkung de- Ton- ver, wechseln •) Doch -ad, wir man sieht, Rhythmu» und Tart an sich durch­ aus nicht gleichbedeutend.

wechseln, welch« den rhythmischen Accent bestimmen, und nur für die Poesie gelten. Dieser rhythmische Accent oder die rhythmische Hebung, welche man Arsis nennt, und erforderlichen Falls durch den französischen accent aigu (') bezeichnet, besteht nämlich in der Hebung des Tons, mit web cher man die hervorgehobcne Sylbe eine- Worts oder Der-, fußes vor den übrigen (kurzen oder langen, betonten oder ton, losen) Sylben ausspricht, von welchen man dann sagt, daß sie in der rhythmischen Senkung oder sogenannten Thesis ste, hen, die durch einen accent grave (') über den Sylben 6t#

zeichnet werden kann, z. D. Uebergang, Vollmond. Erst wenn diese Hebung unb Senkung und die taetmä, ßig gegliederte rhythmische Bewegung sich mit dem Mettom verbindet, erhält die- Metrum einen Rhythmus. Es erhellet hieraus, daß durch die Hebung ein und dasselbe Mettum einen verschiedenen Rhythmus erhalten kann, so wie derselbe Rhyth, mus sich durch ein verschiedenes Metrum auSdrücken lässt. Ho

haben die Wörter Vollmond und frohlockt dasselbe Metrum, da jedes aus zwei Längen besteht, aber einen verschiedenen Rhythmus, da die Hebung im ersten Worte auf der ersten, und im zweiten auf der zweiten Sylbe ruht; dagegen haben

die Wörter frohlockt und unerhört denselben Rhythmus,, da in beiden die Hebung auf der letzten Sylbe ruht, aber tln ver, schiedenes Metrum, da da- letzte aus zwei Kürzen und einer Länge besteht. Die Lehre von der prosodischen Länge und JMry oder der Quantität, d. i. von dem Zeitverhältnisse und Zeitmaße der Sylben, nennt man jetzt Prosodie oder Sylbenmaßlehre, wogegen die Griechen unter dem Wort« Prosodie (d. l. Accentus, Antönung) bloß die Lehre vom Sylbenaccent oder Sylbentone verstanden. Demnach bildet jetzt die Prosodie die Grundlage der Metrik, insofern man unter der Metrik, Vers, kunst oder Lehre vom Versbau die Aufstellung der Gesetze »er, steht, nach welchen die Sprach« zum Dersbau angewandt wird. Zu diestr Metrik gehören außer der Lehre von der Prosodie dann noch die Lehre von den Versfüßen, von den Dersarten und vom Reime. Sie selbst aber ist wieder ein Theil der Poetik, als der Wissenschaft, welche die Grundsätze der Poe, sie oder Dichtkunst, sowohl nach ihrem innern geistigeu We, Äutn Spracht. L 15

226 fcn und Begriff als nach ihrer äußern körperlichen Form umfasst **). In einer Grammatik kann die Pootik, nach ihrem ersten geistigen Theile, so wenig wie die Redekunst, Deklamation, Mimik und Lehre vom Styl abgchandclt werden; aber die Me, trik als derjenige Theil derselben, welcher bloß die äußerliche, körperliche Form der Dichtkunst in Beziehung auf die Sprache als deren Stoff zum Gegenstände hat, darf in einer vollständig -en- Grammatik nicht ganz übergangen werden. Sie ist gleichsi»m -als die Grammatik der Porste zu betrachten, und so «in­ entbehrlich pie Grammatik im engern Sinn zur Kenntniß der Prose und der Sprache überhaupt ist, eben so nnentbchrlich ist .dj«. Metrik zur Kenntniß der Poesie als Sprache, zum DerstcWövftd Beurtheile» per Gedichte in Hinsicht ihrer Sprache**). Dem gemäß wollen wir jetzt nun gleich, nach den Regeln ,vom Dylbenacccnt (§. 98) oder Tonverhältnisse, die Lehre von der Hänge und Kürze oder vom Zeitverhältnisse der Sylben, yinb W ist die Prosodie folgen lassen, da diese beiden Destimfitungcn deS Ton- und Zeitvcrhältnisses offenbar gleich wcscnt, mit ganz gleichem Rechte zur Bestimmung der AuSfks-chk. her Sylben (in der Prose und Poesie) gehören ***). *) S« ist zu merken, daß alle die hier erklärte» Kunstausdrücke Mptrik, Prosodie, Metrum, Rhythmus, Accent u. s. w. von vrtschlrdrnt» Schriftstellern oft sehr verschieden erklärt werden; ich hab» dieselben so gestellt/wir «S der Sprachgebrauch der «neu Oki» gute» Schriftsteller neuerer Zeit -jetzt bestehlt. *♦) Nächst den ausführlichen Lehrbüchern über die Metrik von En. «L. Sof, Hermann, Perschfe, Grote send, Apel ist zu einer g», brqngten.Uebersicht ju empfehlen Hehse's kurzgefasste Verslehre der deütschm Sprache, Hanover 182'5. Bei der Nothwendigkeit, *1 de« gegenwärtigen Lehrbuch gleichsam-nur das Skelet der Metrik aufzunthmen, was eben bat Grammatische derselben be­ stimmt, bitte ich tut weitern Ausführung besonders dies, kleine, vorzüglich »Sch Grotefend bearbeitete Werk zuerst anzuwenden. Der Jahrgang 1822 des literarischen Conversationsblatt« und di« ersten Stück« der kritischen Bibliothek für das Schulwesen auf dar Jnhr»8'»4't,Hildesheim,) enthalten ebenfalls mehrere in» terrffaatsn Apfsütz« über die Metrik. In Ansehung der Poetik überhaupt ist vorzüglich Reinbeck's Handbuch her Sprachwissen­ schaft wichtig.

♦♦♦) Der Recensent von Heinssus's volksthümsichem Wörterbuch« in der hallischeu riteraturzeitung, rgrz, Nr. 258 sagt: beim Aus­ sprechen der Wörter kommen vorzüglich folgende Momente in Letracht r 1) die Aussprache der einzelne» Buchstaben, und zwar

98) Unsre deutsche Sprache unterscheidet sich von den meisten übrigen lebenden Sprachen in Ansehung des Sylben, acccntS oder Sylbentons wesentlich dadurch, daß sie der Re, gcl nach in jedem mehrsylbigca Worte der Stammsylbe den Accent, den Hauptaccent oder Hauptton giebt, so daß dieser von der Bedeutung, das ist von der innern Bedeutsamkeit der Sylben abhangt. Wir wollen ihn, wo es nöthig ist, durch ("), so wie den halben oder Nebenton durch (') bezeichnen. Die englische Sprache, welche großentheils von der deutschen-ab, stammt, ist diesem Grundsätze für die Aussprache der Sylben fast immer treu geblieben; dagegen folgen z. B. die französische und ita, liänische Sprache einem nach und nach herrschend gewordenen Gebrauche, für den sich in den meisten Fällen kein vernünfti, ger Grund angeben lässt. So liegt im Französischen der Sylben, accent gewöhnlich auf der letzten Sylbe, sie mag die Stamm, oder eine Ableitungssylbe sein: parier, etain, blanchissage (,wo das letzte (stumme) e gar nicht ausgesprochen wird); eben so willkührlich festgesetzt ist die italiänische Aussprache: fron-

■vato, ricordo, prestissimo. Ohne genau zu wissen, wie es die Römer und Griechen gemacht haben, sprechen wir das Lateinische und Griechische nach Bestimmungen aus, die sich

ebenfalls unter keine allgemeinen Regeln bringen lassen: amare, docere, legere, audire, osixvvpt,

oclvonßo-

pafHipaTW], pa&ipog. (Die griechischen Accente, über deren Wesen und Bedeutung bekanntlich seit Jahrhun, derten gestritten ist, welche von vielen ganz unnütz genannt, von andern über alle Gebühr erhoben werden, vermögen tbtp deswegen gar nichts über die Aussprache zu entscheiden. Hn

owtuco,

a) der Qualität nach; dazu gehören die verschiedene« Fautmodi(Kationen mehrerer Konsonanten, wie da< g, ch, und unter de« Vocalen besonder- das e; b) der Quantität nach, die Dehnu«und Schärfung der Vocale. 2) Die Lu-sprache der Sylben, und -war ebenfalls a) der Qualität, dem Lonverhältniffe nach, da- ist der Sylbenaccent, Sylbenton; b) der Quantität, dem Jeitverhältniffe nach, das ist ihre prosodische Geltung, da- Sylbenmas. Für Wörterbücher schlägt derselbe vor, alle- die-, wo nicht feste Regeln von selbst entscheiden, durch bestimmte Zeichen deutlich an-ugeben, besonder- auch die Dehnung und Schärfung

de- tiefen e, z. v. an reden, erblich, Erblaudpostmeister x — u.

228 Ansehung der Gedicht« ist et entschieden, daß man sie nich. nach den Accenten lesen oder fcandiren kann.) Auch vom He, bräistben kennen mir den Sylbenaccent der Wörter nicht mit Gewissheit; nach dem jetzigen erst sehr spät eingeführten Punc, tationssystem liegt derselbe immer auf einer der beiden letzten Sylben, verändert aber in einem Worte seinen Platz nach gar wanchfaltigen Bestimmungen, j. D. S’pjr,

’S’iopn

(fjaktil, jaktilenu, taktili). Die wichtigste Regel für den Sylbenaccent in der deut, schen Sprache ist also: in jedem einfachen mehrsylbigen Worte hat die Stamm, oder Wurzelsylbe den Hauptton, und die

übrigen sind tonlos: Bruder, brüderlich, verbrüdern, Gebet, gebet, erblich, er erblich. Sie leidet aber folgende nähern De, pimmungen, Einschränkungen und Ausnahmen: 1) einsylbige Wörter haben keinen Sylbenaccent: Tod, ich, da. r) Das Wort lebendig, da- früher den Ton richtig auf »er Stammsilbe le hatte, legt ihn jetzt auf ben: lebendig. 3) Alle Hauptwörter mit der Endsylbe ei legen auf diese

dm Haupt,, und auf die Stammsytbe den Nebenton: Heu,

thelei, Kindereien. 4) Die Zeitwörter auf irrn (und irren) legen auf i (ie) den Haupt,, und auf die Stammsylbe den Nebenton: halbiren, hansirtn; eben so in ihren Ableitungen, Zusammensetzungen

und in fremden Wörtern dieser Art: Halbirung, Hausirschein, marschiren, deployiren. 5) Abgeleitete Wörter bekommen außer diesem Hauptton auf der Stammsylbe auch noch den Nebenton auf ihren Nach, sylben, wenn diese in frühern Zeiten eigne Wörter gebildet, und sich also erst nach und nach zu bloßen Ableitungssylben verkürzt haben. Die- sind die Sylben: bar (von büren, d. i. tragen), Hand, (Art,) haft (von haben), heit, inn, (die Inne, Fra»,) keit, (ehemals wie heit ein eignes Wort,) lei, (Art,) lein, lings, niß, sal, sam, schäft und thum, deren Nebenton

besonders bei der Verlängerung der Wörter hervortritt: Freund,

schasl, FÄrstenthum, Finsternisse, rücklings, furchtbar. Die Sylbe bar nimt sogar in manchen Wörtern bei manchen Schriftstellern den Hauptton an; es scandirt Haller (richtig)

furchtbare, hingegen Wieland in einer Stelle: furchtbare (8e# filde. (Die Endsylben tel von Theil, zig und ßig bleiben je,

doch ohne Ncbcnton: Zehntel, vierzig, dreißig^ 6) Auch die Endsylben ich, icht (von achten), isch, lich, fing, ung bekommen bei Verlängerung ihrer Wörter einen je,

doch schwachem Nebenton: öffentliche, Beängstigungen. 7) Auch die Sylbe en ln enzen erhält den Nebenton

(m Worte faulenzen, ja sogar, wie die Sylbe a in den weni, gen Ableitungen auf age, den Hauptton in den gemeinen, ver, alteren provinciellen oder Kunstau-drücken: jude'nzen, kupferen, zen, bockenzen, (wie ein Dock riechen,) Leckage, Stellage, Pak,

kage, nach Analogie der fremden credenzen, Bagage.

(Schar,

wenzen oder scharwenzeln ist ungewissen Ursprung-, und auch nur noch in der gemeinen Sprechart im Gebrauch.)

8) Manche Wörter sind mit der Länge der Zeit so ver, ändert und umgestaltet worden, daß man sie leicht für Zusam, mensetzungen halten kann, und daher hat man ihnen denn an, ßer dem Haupt, auch noch den Nebenton gegeben: Ahorn, Arbeit,-Armuth (»sonst Ärmde) und Demuth, Bastard, Bro,

feinen, Elend, Heiland und weiland, Heima'th (,Heimde) und

Heirath (von heim und rath, sich für- Hau» berathen, oder von heuern, einen Vertrag schließen, Heuerleute,) Herold, Klein, öd, (wohl wirklich von Ob, ein Gut, da- vielleicht auch in Edelmann, Oedmann, Oedelmann, Gut-mann, Gut-besitzer zum Grunde liegt, ob die- Wort gleich andere von Adel, also statt Aedelmann, und wieder andere von edeler Mann ableiten,) Monat, (worin doch aber at ost auch ganz tonlo- bleibt,)

Oheim.

230 9) In Ansehung der Vorsylben abgeleiteter Wörter erhält miß in einigen den Haupt - in andern den Nebenton *):

Mißheirath, mißbilligen, das Mißfallen; für den Nebenton

führt Adelung nur die beiden Wörter an mißrathen und miß­ lingen; In andern Wörtern ist der Sprachgebrauch getheilt: die

Leute mißfallen oder mißfallen, mißfielen mir. (Bei noch an­ dern soll gar der Ton, nach einigen Sprachlehrern, eine vcr,

schiedene Bedeutung bewirken: die Leute mißhandelten darin, soll heißen: sie handelten schlecht, sündigten, hingegen sie miß,

handelten den Menschen soll heißen: sie behandelten ihn übel, hart; daS lässt sich aber nicht durch die Analogie vertheidigen; denn sonst müsste eS (nach den Regeln über die echt zusam, mengesetzten Zeitwörter) in der ersten Bedeutung heißen: sie haben darin gemißhandelt, (wie gefrühstückt,) und in der zwei,

ten: sie haben ihn mißyandelt (,wie durchbohrt, frohlockt). Stimmt damit aber der gut: Sprachgebrauch überein?) 10) Die Sylbe un wird vor Substantiven und Advcr, bien (mit ihren Adjectiven) als Abkömmling von ohne oder nicht, so wie in ihrer Bedeutung arg, böse, die sie im Dä, Nischen (ond) noch hat, wie eine bestimmende Präposition in unecht, zusammengesetzten Zeitwörtern behandelt, und hat deswegen den Hauptton, die Stammsylbe aber nut den Neben­

ton: Unglück, unglücklich, ungerechter. Untiefe, (arge Tiefe,) Unschuld, (doch scandirte Hölty: unschuldig und nichts, weiter,) ungelehrt (vom Adverbium gelehrt). Dagegen erhält sie vor Participien und solchen Adverbien auf bar, lich und sam, di« von Zeitwörtern Herkommen, nur den Neben-, die Stamm­ sylbe aber den H-aptton: üngerächt, ungerochen, ünbelohnt,

ängelehrt), unkennbar, unendlich (von enden), ungenügsam, (von •) C» ist unbegreiflich, wie Rablof in f. echrUbungslrhrr sagen kann, das den Lorsylben kein Hanptton zukommr, und das man «den deshald mig und picht miß schreiben soll«, »eil man au« dieser vrsach d« «chirsUug auch an au«, (?) auf, (?) in nicht «ehr bezeichn,. Oe denk« doch au Missethäter.

genigen), unlenksam, unduldsam (,das aber die meisten unduld­ sam aussprechen, und dann von duldsam und nicht von dulden

ableiten müssen).

So auch bei Zusammensetzungen: unaus­

sprechlich, unübersehbar, nnwidcrstehlich.

Einige Wörter ans

bar wie undankbar, unsichtbar machen nur eine scheinbar« Ausnahme von dieser Regel, indem man sie unmittelbar von den Adverbien dankbar und sichtbar, nicht aber von den Der, den danken und sehen abgeleitet hat, wogegen, z. D. uolehbar (.unabsehbar) offenbar von sehen hergenommen ist, indem man das einfache sehbar h-chst selten oder gar nicht braucht. 11) Die Dorsylbe ur hat nur selten den Neben-/ge­ wöhnlich den Hauptton, und ist ehemals wohl auch ein eignes Wort gewesen (,der Ur für Auerochs): Ursprung, Ursprache,

ursprünglich. 12) Endlich die Dorsylbe ant hat in den beiden Wörtern Antwort und Antlitz den Hauptton. 13) In Ansehung der Wörter, die aus fremden Spra­ chen in die deutsche ausgenommen sind, giebt es durchaus keine bestimmte Regel, nach welcher sich ihr Sylbenaecent fest, setzen ließe. In vielen trifft derselbe die Stammsylbe, in vie­ len andern lassen wir ihn derjenigen Sylbe, welcher wir ihli in ihrer Muttersprache zu geben angewiesen oder gewohnt- sind, und in noch andern legen wir denselben nach einem nun einmal allgemein angenommenen, aber weiter nicht begründeten Sprachgebrauch auf ihre deutsche oder fremde Ableitungssylbe. Beispiele sind: auf der Stammsylbe: Fenster (fenestra), komisch (xrö/Aog und xtofMxoc), Engel (ayyslog, adgeKis),

Syrien, entthronen, da»- Schisma, Sylbe, Skizze; „ach unfe, ter Aussprache der fremden Sprache: Armee, Tyrann, Salat,

Olive, Laterne, Konstantinopel, Planet; auf Ableitungssylben: Alkoran (statt der Koran), Advotat, Religion, Iujsiz, TheorÜ. Prinzeß oder galt Prinzessinn wie Äbtissinn (mit zwei Nach« sylben), Poet, poetisch, Poetik, Salomo (von Gchelomoh),

Llob statt

ES lässt sieb aus dieser Derwirruna leicht

232 begreifen, wie bei verschiedenen Ableitungen von demselben Stamme de» Sylbenaccent ans verschiedene Sylben kommen, und daß der Sprachgebrauch bei vielen Wörtern noch immer getheilt bleiben konnte, was den Schwächlingen Gelegenheit genug giebt, durch Abweichungen von dem fast allgemeinen Ge, brauch ihrer Eitelkeit das Ansehn besonderer Gelehrsamkeit zu

-eben.

So spricht man Muse, Musiker und doch Musik,

Musikant, Physiker und doch Physik/ Poetik und doch Poesie, harmonisch, melodisch und doch Harmonie und Melodie, oder

auch Harmonie und Melodie, aber wohl allgemein Harmonien, theoretisch und Theorie, Geographie und geographisch, Nation onh national, nationalisiren, Aether und ätherisch, Balsam und

balsamisch, Ironie und ironisch. Getheilt ist der Gebrauch

D.

in Altar und Altar, Palast und Palast, Geometer und Geometer,

auch wohl in Metaphysik und Metaphysik, ja manche sagen Mathe, watik, Arithmetik, Geometrie,, wo die meisten den Accent auf

die letzte Sylbe legen, so auch nach französischer Art Komödie, Tragödie statt Komödie, Tragödie; doch will niemand Historie

pal» Historie sprechen. Zuweilen bewirkt der Accent nach sei, »et verschiedenen Setzung sogar eine verschiedene Bedeutung: der Kanon ist ein Derzrichniß oder Register, das Canon statt die Laaoae (»großes Rohr, von la canne, wie le «alon von

la »alle,) daS Wurfgeschütz; der Barbar ist ein ungebildeter oder grausamer, der Barbar ein Mensch (oder auch Pferd) auS dem Lande, daS Barbarei heißt, AuS diesem Gebrauch, in fremben Wörtern den Accent so oft auf der Ableitungssylbe zu lassen, ist noch die neue Der, Wirrung entstanden, daß man Wötter, die offenbar »der doch wahrscheinlichst echt deutschen Ursprungs sind, die aber eine fremdartig klingende Endsylbe angenommen haben, nach de» Analogie wirklich fremder Wötter mit diesen Endsylbe« betont. Sv sagt «an der Blumist wie Artist, Morast wie Phantast,

Glasur wie Frisur und Matur, Stellage wie Etage (, wobei man auch da- g meist nach französischer Art ausspricht), Schwa,

dron (.Geschwader, escadron,) wie Person; so ist auch Kam, pan, das man wie Altan betont, wahrscheinlichst echtdeutsch, und der Stamm von Compagnon, Compagnie und accom-

pagner; Staket, Bankett (banquet), Paquet (statt Pack, Päckchen, paquet, das man aber nicht Packet schreiben darf, eben weil dies jeder nach deutscher Art wie packet lesen würde,)

wie Billet; Soldat wie Senat, obgleich dies Wort wohl ge, wiß von Sold (,und nicht von sol, italiänisch soldi Dreier, als dem geringen Gehalt) hergenommen, und erst aus dem Deutschen ins Französische (soldat) übertragen ist. 99) Die zweite Hauptregel über den Sylbenaccent betrifft die zusammengesetzten deutschen Wörter. Alle zusammengesetzten Wörter haben, der Regel nach, so viele Sylbenaccente, wie es Wörter in ihnen giebt; doch wird immer nur ein einziger Accent der Hauptton, und die andern gehn in Mebentöne über.

Diese Regel leidet indessen wieder viele nähem Destim, muogea, Einschränkungen und Ausnahmen. 1) In zweitheiligen Zusammensetzungen hat gewöhnlich das Bestimmung-wort den Haupt,, und das Grundwort den Nebenton: Hausrath, Rathhaüs, Mitarbeiter, (wo der Neben»

ton meistens regelwidrig auf -ei statt ar gelegt wird,) roth» braun, braünröth, wiederkömmen. Don dieser Regel führt Adelung folgende Ausnahmen auf:

a) die Hauptwörter Kaldaunen und Kalmäuser, insofern dies Zusammensetzungen sind. b) Di« Zeitwörter, welche mit den Umstandswörtern durch, über, um, unter so wie hinter, voll und wider echt« Zusam« mensetzungen bilden, z. B. durchbrechen, übersetzen, umgehe«, «uterha'lteu, hinterbriogen, vollbringen, völlleuda», widerstehen,

234 widerstand (, aber der Widerstand). Auch öffenbaren hat den Hauptton nicht auf dem Destimmungsworte *).

c) Folgende Zeitwörter mit auf und auü: aüferstehea, auferwecken, auserlesen, auserkohren, auserwählen, die aber

auch alle regelmäßig gebraucht werden: auserwählen. So ge, theilt ist der Sprachgebrauch auch in den drei Derben fröhlök,

ken und frohlocken, lobpreisen und lobpreisen, löbsingen und lobsingen. d) Die DeschaffenheitSwörter mit all: allmächtig, (aber All«

macht bleibt regelmäßig,) allein, alltäglich, allweise, so wie al, / // lerbester, allerliebster, allergnädigster u. s. w., in denen daS al, ler indessen meistens ganj unnütz steht. e) Folgende DeschaffenheitSwörter mit aus: ausbündig, auS,

drücklich, ausführlich, ausnehmend, unaussprechlich. f) Die meisten Beschaffenheitswörter mit hoch und groß, wenn sie j« Titeln gebraucht werden, legen den Hauptton ebenfallr auf da- Grundwort: größmächtig, höchedel; doch

spricht man Hochwürden und Hochwürden, hochgeboren, und so auch großmüthig, höchmüthig; dagegen sprach man ehemals auch wöhledel. g) Diele DeschaffenheitSwörter mit vor: vörnehmuch, vor,

trefflich, vörjüglich. h) Außerdem lassen dem Grundwort noch den Hauptton di« Beschaffenheit-wörter außerordentlich, (als Titel außerordentli, cher Professor bleibt die- Wort regelmäßig,) di'enstfreündlich, •) Adelung spricht über Mrt Wort offenbar verwirrt, denn er sagt: ,«ist au» offen «ad bar zusawmeaaesetzt, von welche» Wörtern auch ehedna jede« für sich allein für offenbar -«braucht wurde. Der Segel »ach liegt der Laa auf der ersten Sylbe, al« der Stammsylbe de« Hauptwort«» allein i» der nachdrückliche» Red« legt «an ihn »ft auf di« Lbleituogtsylbe bar.

freiwillig, inständig, die aber auch regelmäßig gebraucht «erden,

barmherzig, freieigen, handgreiflich, hauptsächlich, herzinnig. i) Ferner lassen dem Grundwort den Hauptton die Um, standswörter mit all, als, an, bei, bis, durch, hin, mit, in, ob, über, um, vor, zu, und mit dem Pronomen der, die, das: allezeit, (doch auch allezeit,) alSbald, annoch, (doch auch annöch,) anstatt, beisammen, bisweilen, durchaus, durch,

gängig, (aber der Durchgang,) mithin, indem, inzwischen,ob,

gleich, überall, umhtt, umsonst, vorbei, voraus, vorher, (doch

auch vorher,) vorbei, zusammen, zuweilen, zuerst, zumal, zuletzt,

zuwider, dereinst, desgleichen.

(Doch spricht man auch; durch,

auS, hast du etwas voraus, zum Voraus.) / //

} ff

k) Außerdem auch die Umstandswörter: dreieinig, dreifältig,

ehedem, (aber auch ehedem,) ehedessen, einander, einher, fort, an, forthin, fürwahr, gleichwie, hinfort, hervor, so wie die Wörter: feldein, bergab, bergan, bergauf, bergunter, jahraus,

jahrein, wenn man dieselben als Zusammensetzungen und im Hochdeutschen brauchen will, da sie meistens nur in der Rede des gemeinen LebenS üblich sind. l) Noch giebt man den Umstandswörtern mit da, die nicht (nach der folgenden Regel) in verschiedener Bedeutung ver« schieden betont werden, auf dem Grundworte den Haupton: daheim, danieder. m) Dies thun endlich auch hie Pronomen derselbe und der.

jeaige. UebrigenS behalten alle Wörter, die unmittelbar von die, sen Ausnahmen abgeleitet werden, gewöhnlich ebenfalls die un, regelmäßige Betonung: Allweisheit, Barmherzigkeit, Dreieinig, keit, kalmäusern. 2) Die zweite Hauptregel für die zweitheiligen Zusam, mensetzungen ist folgende:

236 in mehrere« Fällen kommt der Hauptton «ach der »er, schicdenen Bedeutung der Wörter bald auf da» Grund,, bald auf da» Bestimmung-wort, nämlich:

#) die Zeitwörter mit durch, über, am, unter, welche alechte Zusammensetzungen den HaupttSn auf dem Grundwort« haben, nehmen al- unechte denselben auf da- Bestimmung-, wort. (Als echte Zusammensetzungen haben sie Im Particip kein ge, und da- zu beim Infinitiv vorn; al- unechte nehmen ste da» ja and ge ln die Mitte.)

Beispiele sind: durchbre,

chen, Ich durchbreche, durchbrach, habe durchbrochen, Löffel mit

durchbrochener Arbeit, dir durchbrochene Linie der Feind«, zu durchbrechen: durchbrechen, ich breche da» Brod durch, (in zwei Stücke, von einander,) der Löffel ist durchgebrochen, durch,

Hubrechen. (In der Reden-art: brich durch mit deinen Schaa, »en erklärt man wohl am besten durch für ein Adverb, statt hindurch, ob man gleich richtig sagt brich ein, brich auf, von ein# und aufbrechen.) Eben so unterscheidet sich nun auch die

Autsprache und der Gebrauch von dürchrechen und durchreißen, durchschneiden, durchstechen; übergehen, ich übergehe, überging, ich habe etwa» übergangen, zu übergehn; laß an» übergehen (über den Fluß), ich gehe, ging über, ich bin übergegangen,

Iberzugehn; überlegen und überlegen, überbringen, übersetzen, überfahren; umgehen, ich umgehe, umging, ich habe (bin) die Stadt umgangen, zu umgehn; umgehe«, ich gehe um, ging um (mit ihm), umgegangen, umzugehn; (hiervon unterscheiden sich wieder dem Sinne nach di« nicht zusammengesetzten Wör, ter: ich wette auf dich, um zu gehen;) umfahren, umreite«;

unterhalten, ich unterhalte, unterhielt, ich habe ihn unterhalten, zu unterhalte«; unterhalte« «in Gefäß, unter den Brunnen,

ich halte unter, ich habe untergehalten, unterzuhalteu; unter,

schreiben und unterschreiben, untevehmea, untersetzen (,« ist »on untersetzter Gestalt) *). b) Auch manche zusammengesetzten Zeltwärter mit hinter, voll und wieder werden zuweilen in verschiedener Bedeu­

tung so verschieden betont: hinterbringen, ich hinlerbrachte die Nachricht, habe sie hinterbracht, zu hinterbringen; hinterbrin­ gen eine Sache, ich bringe den Stuhl hinter, er ist hinterge­ bracht, hinterzubringen; doch ist dieser ganze Gebrauch von

hinterbringen al- unechter Zusammensetzung statt nach hinten (,hin) bringen wohl nur in der gemeinen Art zu sprechen üb­

lich; so auch vollziehen, ich vollziehe, vollzog, habe vollzogen, zu vollziehen, und vollziehen, ich ziehe (das Blatt) voll, daBlatt ist völlgezögen, vollzuziehn; aber auch dieser Gebrauch von vollziehen ist sehr eingeschränkt, und vielleicht selbst ge­

mein; dagegen ist der Unterschied bei wieder z. D. von wie­

derholen und wiederholen, nicht abzuleugnen: ich wiederhole tu was, (sage es noch einmal,) ich habe es wiederholt; ich habe die Sache wiedergeholt, (d. i. zurückgeholt,) es wiederzuhöle» ist Mir zu schwer. (Don beiden Ausdrücken unterscheidet sich noch die Redensart ohne Zusammensetzung: ich will es wieder holen, d. i. noch einmal holen, wie ich eS schon geholt habe; man vergleiche den Schluß des folgenden Hauptstücks §. 213.) c) Die mit da und hier zusammengesetzten Umstandswir, ter legen den Hauptton auf das erste Wort, wenn sie ihre hinzeigende (, demonstrative) Bedeutung durch einen besonder» *) Heys« giebt irrig die Sätze: er schrieb unter (nicht ans) der Li» nie, er hat etwas unter di« Bittschrift geschrieben als Beispiel« der unechte» Zusammensetzungen an. Indem ich hier zu« erste» male Heyse't tadelnd gedenk«, kann ich nicht unterlassen, ein Urtheil Larberg« anjuführen, das sich im dritte» Stück des ersten Jahrgang« 1834 de« Archiv« für Philologie von Seebad« befindet, »eil die« Urtheil leider sehr gegründet ist: „der drn» kend» Lehrer »ird fast auf jeder Seite der heysesche» Sprach­ lehren zu Berichtigungen und Ergänzungen seine Zuflucht neh­ men müsse», um de» Schüler nicht in gar zu viele» Stücken falsch »der mangelhaft in belehren."

238 Nachdruck vorzüglich bemerkbar machen wollen; außerdem bleibt der Accent auf dem letzten Worte; in beiden Fällen lassen sie den andern Theil der Zusammensetzung fast immer ganz ton­ los; mit dem Sylbenaccent auf dem Grundwort werden die

meisten zugleich als Bindewörter gebraucht: davon weiß ich

nichts, (von dieser Sache,) er eilt davon, (fort, weg,) damit bin ich zufrieden, (mit dieser Sache,) damit du zufrieden seist, (Bindewort daß,) hierin liegt nichts, (in dieser Sache,) da­ rauf wäre ich nie gefallen, (auf diese Sache,) er sprach darauf zu mir, (nachher,) er erwiederte hierauf, (nachher,) darin liegt

nichts, es liegt etwas darin.

Dies gilt auch für deswegen und

deshalb: deswegen und deshalb habe ich dich gerufen, du brauchst deswegen und deshalb nicht unruhig zu fein.

d) Die mit w o zusammengesetzten Umstandswörter haben in der ihnen eigenthümlichen beziehenden (»zurückführenden, relati­ ven) Bedeutung den Accent allemal auf dem letzten Worte, und nicht auf wo: alles, wovon, worüber ich nicht- weiß, womit, rvodurch, woran, worin du dich befchäfftigst, die Stelle,

worauf, worunter (, woneben) du stehst. In ihrer fragenden Dedeutung können sie den Accent eben so legen; wollen sie aber das Deziehliche der Frage besonders herauShebcn, so kön­ nen sie auch der Sylbe wo den Accent geben: wovon und

wovon, worüber und worüber, wodurch und wodurch bist du so roth? wohin und wohin gehst du? woher und woher des

Landes?

Die- gilt auch für das Wort warum: warum und

warum kommt er nicht? so wie für die Wörter weswegen und weshalb: ich weiß nicht weswegen, weshalb ich berufen bin, weswegen, weshalb bist du berufen? Auch alle diese Wörter (der Numer d) lassen die nicht accentuirte Sylbe fast ganz tonlos. e) Das Wort einmal erhält den Ton hinten, wenn es

für einst steht: es war einmal ein Mann, vorn hingegen als Zahlwort: ich bin einmal da gewesen, (nicht zweimal,) wenn man cS in diesem Fall auch als eine Zusammensetzung schreibt. f) Das Bindewort also (ergo) hat den Ton regelmäßig auf al; als Umstandswort hat cs den Ton auf so, doch wird «S

nur noch selten in dieser Bedeutung gebraucht: also (,so, so sehr, auf diese Art) hat Gott die Welt geliebt. Die nicht,

accentuirte Sylbe bleibt bei also und einmal wieder fast ganj tonlos, aber nicht bei einmal.

g) Endlich bei folgenden Wörtern hangt e- von der Will, kühr des Sprechenden ab, wohin er den Hauptton legen will, und er wird ihn der Regel nach derjenigen Sylbe geben, deren Begriff er am meisten hervorhcben will: dorther und dorther, dorthin, nunmehr, und die Zusammensetzungen mit immer und

nimmer: immerdar und immerdar, nimmermehr und nimmer,

mehr. 3) Für den Sylbcnaecent in drei, und mehrtheiligen Zu, sammensetzungen bleibt zwar auch die Regel gültig, daß jede Stammsylbc jedes in ihnen enthaltenen Wortes einen Accent oder Ton erhält und behält, und daß von diesen betonten Sylben nur qine den Hauptton bekommt, so daß die Accente der übrigen zu Ncbentönen hinabsinkcn: aber die Bestimmung, welche Sylbe in jedem einzelnen Worte diesen Hauptton an, nimt, lässt sich in keine festen Regeln fassen, sondern ist gewiß großcntheilS durch den Zufall deS Sprachgebrauchs entschieden worden *).

•) Hieraus entstehn zwar für denirnkgen, der in Deutschland ge» Koren und erzogen »st, keine Schwierigkeiten, indem er von Ju­ gend auf diejenige Aussprache hört, die nun einmal der Sprach­ gebrauch (wenigsten« für seine Provinz) festgesetzt hat; desto größer« Schwierigkeiten hat aber in dieser Hinsicht der AutlLn, der zu überwinden, der sich hierbei nicht durch Sprachlehren, sondern nur durch gut« Wörtrrbüchrr h«lf«n kann, welch« dirs« Haupt - und Rrbeutön« gehörig bezeichnen.

240 Die beste Kegel ist gewiß noch folgende*: *) in denjenigen dreitheiligen Zusammensetzungen, deren zweite- und drittes SBort zusammen ein einziges Wort, eine zweitheilige gebräuch, liche Zusammensetzung bilden, so daß ihre beiden Begriffe sich zu einem einzigen vereinigen, der nun durch da- vorderste Wort Maa vergleiche Seidenstücker- Recension meiner kleineren Sprachlehre in der Jenaer Literaturzeitung, 1813, Junius, Rr. »2i. Gewöhnlich giebt man im Allgemeinen die Regel an, daß der wichtigste Begriff der Zusammensetzung den Hauptton er­ halte, und daß sich die übrigen Acctnre nach der Bedeutsamkeit ihrer Wörter für die Zusammensetzung adstufen, und eS ist rich­ tig, daß sich diese Regel in ihrer Anwendung auf die meisten Zusammensetzungen als paffend darstellen wird; aber sie ist un­ brauchbar, weil sie viel zu unbestimmt ausgedrückt ist, indem ei in vielen Wörtern zweifelhaft und ungewiß bleibt, welcher Theil ihr wichtigster Begriff ist. Im Jahrbuche der berlinischen Gesell­ schaft für die deutsche Sprache 1820 wird dieselbe Regel angege­ ben, die Seidenstücker und ich aufstellen, aber hinzugesetzt, sie scheine bei unseren Zusammensetzungen zum Grunde zu liegen, indem sich in der That nicht leugnen lässt, daß mehrere Aus­ nahmen auch von dieser Regel nun einmal durch den Sprachge­ brauch sanetionirt sind. Es hilft nichts, daß Seidenstücker be­

♦)

fiehlt, mau solle, dieser Regel gemäß, Laschen-Wörterbuch, Hand­ wörterbuch

accentuireu, da

ei keine Wörter Haudwörter und

Laschenwötter giebt; ei wird wohl immer bei der regelwidrigen Betonung Laschen - Wörterbuch und Hand - Wörterbuch bleiben.

Besonders veranlasst auch der Wort- oder Redeton Abweichung gen von der Regel, die aber eben deswegen nur scheinbare Aus­ nahmen sind; Seidenstücker sagt, dieser Wortton giebt seiner Sylbe den scharfen Accent, der Hauptton des Sylbenaeceutaher der seinigen den gedehnten Accent oder Cirkumflex. Er bezeichnet dies so, ohne weitere Beziehung: öberschulrath, im Segensatze Oberschulrath und Ünterschulrath; aber als Rath ei­

ner Oberschule: Oberschulrath; eben so öder - gerichtsverwalter, im Gegensatze C6tt= und ÜntergerichtSverwalter d. i.

oberer

ünd unterer Verwalter; aber Obergericht-- Verwalter, Verwal­ ter des Obergerichts. Uebrigens lässt es sich nicht leugnen, daß besondere unsre hässlichen langen Titel uns selbst beim Sprechen so verwirren, daß wir nicht recht wissen, wohin wir den Haupt­

ton legen sollen Generalfeldmarschal-lieuteuant, Oberland-gerichts - oberregistratorstelle. Endlich unterlasse man nicht, mit diese« ganzen Paragra­ phen §. 191 -u vergleichen.

Wort näher bestimmt wird, liegt der Hauptton auf dem mit, reisten Worte; hingegen in allen denjenigen' NesiHeiligen Zu­ sammensetzungen, deren beide ersten Wörter al- Bezeichnungen eine- einzigen Begriff- eine eigene, gebräuchliche zweitheilige Zusammensetzung bilden, liegt der Hauptton auf dem vorder­ sten Worte, und zwar auf der Tonsylbe diese- ersten zusam­ mengesetzten Worte-. Der zweite Theil dieser Regel ist nicht- al- die ganz na, türliche Erweiterung der allgemeinen Hauptregel für die zwei, cheiligeu Zusammensetzungen, nach welcher der Haupttoa auf dem Bestimmung-worte richt, denn die vorderste Zusammenset, zung, so wie sie für sich gedacht und gebraucht wird, bildet eben da- Bestimmungswort, und der übrige hintere Theil das Grundwort der ganzen Zusammensetzung. Noch lässt sich gleich im Allgemeinen bemerken, daß eben diese Regel auch für vier, und mehrtheilige Zusammensetzungen gilt. Richtige und paffende Beispiele für den eben besprochenen zweiten Theil unserer Regel sind nun folgende: Erdbeer — pflanze, wo Erdbeere al- Bestimmung-,, und Pflanze als daGrundwort betrachtet wird, Schornsteinfeger, Schornsteinfeger — -ursche, Reichstag — literatur, Reichstag — abschied, Schulleh, rer — fern in«, Schullehrer — bildungsanstalt, Handschuh — ma, cher, Handschuhmacher — meister, Haushaltung- — kunst, Kauf, mann- — diener, Papiermacher — kunst, Bürstenbinder - ge, werk, Freimaurer — loge, Drahtzieher — kunst, auch Stadt, simmeret' - casse. Richtige und paffende Beispiele für den ersten Theil unserer Regel sind dagegen folgende: Ober — kam, merherr, Hof — postmeister, Haupt — bösewicht, (wo man frei, lich auch Haupt — bösewicht betont,) All — gegenwart, Kreis— abschied, Reichs - abschied, Erz - truchseß, Erz - Mundschenk, Feld - marschal, Haus—Hofmeister, Ober-kellermeister, Ober — ämtmann, Feld - zeugmeister, Stadt — hauptrnann. Erb — statthalter Ober — küchenmeister. Gprachi. I,

16

242 In den bisherigen Deispiclen der letzten Art konnten die beiden ersten Wörter meisten- entweder ihrem Sinn nach gar keine eigene Zusammensetzung bilden, wie man denn Erbstatt, Oberkeller, Feldmar, Erzmund nicht sagen kann, oder der Sprachgebrauch hat sie doch wenigstens bis jetzt noch nicht ein, geführt, wie Oberküche, Oberkammer. Eben so war in den Deispiclen der ersten Art die Zusammensetzung der beiden letz, ten Wörter entweder nicht möglich, oder doch nicht für ge, wöhnlich eingeführt, wie Beerpfianze, Steinfeger, Haltungs, kunst. Dagegen kann man in sehr vielen Zusammensetzungen das mittelste Wort oder eines der mittlern Wörter bald mit dem vor, bald mit dem nachstehenden Worte zu einer gebrauch, lichen Zusammensetzung verbinden, und dann muß durch diese verschiedene Verbindung auch fast immer ein verschiedener Sinn, und dem gemäß zugleich auch eine verschiedene Betonung ent,

stehen.

So ist ein Land - jägermeister ein Jägermeister des

Landes, ein Landjägermeister ist ein Meister der Landjäger. Auf eine ähnliche Art unterscheiden sich dem Sinne, und ganz

regelmäßig

zugleich der Betonung nach ein Land-baumeister

und ein Landbau - meister, Ober-zollcinnehmer, und Öberzoll-

einnchmer, Unter-steuercmpsängcr, und Üntersteuer - empfän, ger, Ober-schulcollegium und Oberschul-collegium, Stadt-schul, lehrer und Sladtschul - lehrcr, Stadt - schullehrerbesoldungsfond

(,Fond für die Schullehrer der ganzen Stadt) und Stadt, schullehrer - besoldungsfond, (Fond bloß für die Lehrer der ein,

zigen Stadtschule,) Ober-gerichtsbote und Öbergerichts-bote, Land - schulrath und Landschul-rath, Land - wegeaufseher und

Landwege - aufseher,

Ober - leibarzt und Oberleib *-arzt, (dies

wäre ein Arzt des Oberleibes,) General-stabsarzt (,der oberste Stabsarzt) und Generalstabs-arzt, (der Arzt beim General, stabe) u. s. w. In manchen Fällen ist der Sinn ziemlich gleich, zu wel« chem Theile mau auch das mittlere Wort zieht; so ist eia

Wollen # oder Seiden - zeugweber ein Zeugweber der in Wolle

oder Seide arbeitet, enb ein Wollen, oder Seidenjeng - We­ ber ist ein Weber des Wollen.' oder Seidenzeoges. Etwas unterschieden von dieser ganzen Regel ist der Kall, wen» das miniere Wort mit keinem seiner Rachbarn zu ei­ ner eigenen Zusammensetzung verbunden werden kann; in di«, sen wenigen Wörtern hat aber eben dieses mittler« den Haupt, ton. So sagt man von der Pflanze krause Münze nicht Krausmünze, und man schreibt auch ungern Krausemünze; auch giebt es kein Wort Münzenbrauntwein; daher bekommt die Zusammensetzung Kraus-münzenbrauntwein, wenn man Branntwein als einfach betrachtet, in der Mitte den Hauptton. Eben so sagt man weder Frohnleichnam noch Leichnamtfest;

daher betont man Frohn - keichnamS - fest in der Mitte. Noch ist auch schon bemerkt, daß die mehr als dreitheiligen Wörter sich nach eben dieser Regel abzucheilen und zu betonen suchen: Ober - land - jägermeister, worin Ober und Land sich nicht aas einander beziehen, ist ein oberer Jägermeister in oder auf dem

Lande, Ober-landjägermeister ist ein

oberer Landjägerweister,

ein oberer Jägermeister des (ganzen) Landes, und Oberland-

Wägermeister ist ein Jägermeister

des Oberlandes; kaadesschul,

dea-tilgungsfond ist ein Tilguugsfond der LandeSschulden, der

Schulden des (ganzen) Landes, Landes-scholdentilgongSfoad ist ein Scholdenrilgongsfond für das (vielleicht platte) Land;

in Kron-groß-feldherr geht groß weder auf Kron« noch auf

Feld; und der Hauptton liegt auf Feld Erbkammer-thürhüter ist der Thürhüter der Erbkammer, und hatten höchsten Ton auf Erb, Erb-kammerthürhüter ist ein erblicher Kammerthürhüter. Bei den unzähligen Zusammensetzungen kann eS nun nicht fehlen, daß einige gegen unsre Regel verstoßen, und zwar besonders folgende: Krämer - Handwerk statt Krämer - Handwerk,

Erbzins-gut statt Erbzins-gut, Erzherzog statt Erz-Herzog; dies kommt aber daher, weil man Herzog für ein einfaches

Wort nahm;

Reichs - erzkanzler

statt

Reichs-erzkanzler; die

Aussprache Seeschiff-fahrt, Luftschiff - fahtt, Dampfschiff-fahrt ifi*

244 muß man so entschuldigen, daß man das einfache Wort Fahrt als Grundwort annimt. Uebrigens verlangt Seidenstücker, daß man in allen Wörtern, über Deren Betonung der Sprachge, brauch noch nicht entschieden hat, immer nach unsrer Regel betone.

Man accentuire also: Kammergerichts-rath, Wasser,

bau-meister, Ober-feldherr *)♦ *) Heyse sagt in seiner' großen Sprachlehre, es sei gewöhnlich dasjenige Wort hochtonig, (cd habe den Hauptton,) welches mit dem nachstehenden dem Sinne nach am nächsten verbunden ist, und er führt als Beispiel dafür auch das Wort Kirschbrannt­ wein an; dies widerspricht aber gerade seiner undeutlich au-ge­ drückten Bemerkung, wenn man es nicht Kirschbranntwein accentuiren will, indem hier offenbar brannt am engsten mit wein, Kirsch aber gar nicht mit brannt verbunden ist. Man hat übrigens aus allen diesen Aufstellungen gesehen, daß die Lehre vom grammatischen oder Sylbenaecent im Deut­ schen wichtig genug ist; doch giebt eS Völker, - B. die Chine­ sen und ihre Nachbarn, in deren Sprache der Ton eine noch viel größere, ja eine unglaublich große Wichtigkeit hat. So soll er im Tunkim'schen so viel bewirken, daß das einzige Wort B a, mit seinen verschiedenen Accenten und Tönen ausgesprochen, fol­ genden ganzen Satz bildet: drei Herren gaben der verlassenen Beischläferinn des Fürsten ein Geschenk; eine verächtliche Gefäl­ ligkeit. Uebrigens lässt sich nicht leugnen, daß unsere Gramma­ tik die Betonung so wie die verschiedene Aussprache der Accente und Sylben noch nicht gehörig unterschieden hat, indem B.

da- e in Demuth, die Ziege hat da- Hol- nicht ^fressen son­

dern gefressen förmlich die volle gedehnte Aussprache und die Betonung hat, die eS dagegen in der ersten und dritten Sylbe von gedehnte nicht mehr hören lässt, und noch weniger in gedacht, ohne daß man jedoch sagen kann, eS werde in diesen Wörtern das e geschärft. Aber eben die vielen und in den ver­ schiedenen Provinzen Deutschlands so sehr von einander abwei­ chenden Schattirungen (Nuancen) der Aussprache möchten es wohl sehr schwierig machen, sie alle genau aufzufaffen, und unter feste Bestimmungen und Benennungen zu bringen; wenigstensind alle Versuche dieser Art bis jetzt nicht gelungen. Einer der neuesten dieser verunglückten Versuche findet sich in der allgemei­ nen Schulzeitung, 1825, Juli, Nr. 86, wo Curtman sagt: „eine Sylbe ist entweder hochtonig oder tieftonig oder tonlos, a) Hoch­ tonig sind alle Stammsylben in einfachen, und die meisten Be, stimmwörter in zusammengesetzten Wörtern, b) Tieftonig die meisten Grundwörter in Zusammensetzungen und die Nachsylhen,

100) Was nun die Quantität, daS ist die prosodrsche Länge und Kürze der Sylben für die Dichtkunst betrifft, so gelten dafür in der deutschen ganz andre Regeln, als nament, lich in der griechischen und lateinischen Sprache. Immer heißt eine Sylbe lang, die zu ihrer Aussprache eine längere Zeit, oder, wie man sich auch ganz bestimmt auszudrücken pflegt, noch einmal so viele Zeit als eine andre eben deswegen kurz genannte Sylbe erfordert, so daß zwei Kürzen der Zeit, dauer nach so viele Quantität wie eine Länge Jaden *). Man deren Vocal nicht e oder i ist, und auch diese, wenn sie vor zwei oder mehreren Consonanten stehen, c) Tonlos alle Bildung-fylben, welche e oder i -um Vocal haben, auf welchen nicht mehr all ein Consonant folgt, und der Artikel. — Die betonten Sylben haben entweder lange Zeitdauer (gedehnte) oder kurze (geschärfte); von den tonlosen lässt sich beide- nicht unterscheiden. Man sieht ohne Erinnerung, daß hier eine babylonische Sprachverwirrung statt findet, so wie e- fast lächerlich wird, wenn jemand mit so wenigen Zeilen eine so verwirrte und schwie­ rige Sache abmachen zu können glaubt. Wahrscheinlich sollte durch diese Aufstellung doch der Accent bestimmt werden, was soll dann aber die Länge und Kürze? und ist diese mit Dehnung und Schärfung gleichbedeutend? Wa- heißt daS: an den ton­ losen Sylben lässt sich beide- (Dehnung oder Länge und Schär, fung oder Kürze?) nicht unterscheiden? Wa- sind sie denn, wenn sie weder lang noch kurz, weder gedehnt noch geschärft sind? Sollen sie gar nicht- sein? (Man vergleiche §. 58) •) Hierbei findet viel Wortstreit statt. ES lässt sich nicht leugnen, daß man besonders beim affectvollen Vortrage oft eine Sylbe drei-, vier, und mehreremale so lange al- eine andere tönen lässt, und deswegen mag Dilschneider in seiner Verslehre, Köln, 1823, die Längen in dreizeitige, zweizeitige und unvollkommne, (T^, Ts und t3v, ) so wie die Kürzen in einzeitige und halbzeitige (& und -fc) theilen; wenn derselbe aber sagt, daß -war nicht die Prosodie, welche nur lang und kurz — u betrachtet, wohl aber die Metrik diese Verschiedenheit der Längen und Kürzen beachten müsse, indem sie zu untersuchen habe, wie lang und wie kurz die Sylben sind, (wobei er Apel folgt,) so hat er ge­ wiß Unrecht, denn die Metrik holt ja ihr Material eben au- der Prosodie, und kann also auch nicht- al- Längen und Kürzen ha­ ben, da sie hier nicht- al- diese ohne weitere Bestimmung vorsindet. Die- sagt auch sein Recensent im dritten Heft der Bibliothek für da- Schulwesen, 1824, (Hilde-Heim,) und setzt hinzu: wie lang und kurz eine Sylbe sei, da- hangt vom Ge­ fühl-inhalte, vom Tempo, vom Tone, von der deklamatorischen oder musikalischen Executton ab. Eben so nennt auch ein Auf­ satz im zweiten Heft dieser Bibliothek von 1824 die- eine Ver­ wechselung der metrischen mit der musikalisch-deklamatorischen Quantitirung und Accenruirung. Ueberdie- sprechen ja auch die

verschiedenen Provinzen Deutschland! die Sylben an Länge und Kürze sehr verschieben au!.

246 nennt die Zeitdauer, d-» man zur Aussprache einer Kürze ap, «endet (eine) morn, Zeittheil, und sagt also, daß zu einer Länge zwei rnora gehören. Wie lange Zeit man auf solche mora verwenden will, das hangt natürlich vom schnelleren oder langsamern Sprechen ab. Im Griechischen und Lateinischen hangt diese Quantität der Sylben für die Dichtkunst besonders von folgenden drei Regeln ab: 1) jeder Diphthong wird gedehnt ausgesprochen, und ist eben deswegen prosodisch lang. 2) Wenn ein einfacher Vocal für seinen Gebrauch im Allgemeinen oder in einem bestimmten einzelnen Wort durch den Sprachgebrauch für gedehnt erklärt ist, so ist derselbe im, wer auch zugleich prosodisch lang. So ist z. D. das Omega («) im Griechischen, und das a, e und i itn Infinitiv der ersten, zweiten und vierten lateinischen Conjugation (,amare, docere, audire) immer gedehnt, und deswegen sind auch die Sylben mit diesen Vocalen (fast) immer prosodisch lang, und zwar nennt man alle lateinischen und griechischen Sylben, so, wohl mit Doppellauten als mit langen oder gedehnten einfa, chen Vocalen Naturlängen, d. h. sie sind nach der Natur ihrer Sprache ohne weitere Regel und fast ohne Ausnahme lang. 3) Wenn auf einen kurzen oder geschärft ausgesprochenen Vocal in derselben Sylbe oder in ihr und der folgenden Sylbe unmittelbar zwei oder mehrere Consonanten folgen, wodurch nothwendig ein längeres Derweilen, eine längere Zeitdauer bei ihrer Aussprache veranlasst wird, so wird diese Sylbe dadurch fast immer prosodisch lang: quadrupetante putrem sonitu qualit ungula campum. (Die Ausnahmen, welche die Der, bindungeu der flüssigen Consonanten unter sich und mit andern veranlassen, (muta cum liquida,) (wodurch pu in putrem kurz bleibt,) gehn uns für unsern jetzigen Zweck nichts an.) Man pflegt dies so auszudrücken: die Sylben werden bei der Folge zweier Consonanten durch Position lang. (Diesen Ausdruck erklärt man gewöhnlich: durch Annahme, Satzung, Fortsetzung; man könnte ihn auch: .durch ihre Stelle, Stel, hing, Lage erklären.) Wenn man noch hinzusetzt daß der Sprachgebrauch au, ßerdem in einzelnen Wörtern über die Quantität ihrer Sylbe bestimmt hat, welche namentlich (usu, ex auctoritate) lang sein sollen: so giebt es für diese Sprachen weiter keine allge.

meinen Regeln über die Quantität der Sylben. Man fleht au- ihnen, daß es bei der Bestimmung der Quantität im Griechischen und Lateinischen. durchaus nicht auf die Bedeutung und Bedeutsamkeit der Sylben, so wenig wie auf die Um# stände, ob dieselben die Stammsylben ihrer Wörter sind, und ob sie den Sylbenaccent haben, ankommt: sondern daß die Länge und Kürze der Sylben in ihnen bloß von dem Lautge, halt der Buchstaben abhangt, deren Zeitdauer bei ihrer AuS, spräche gleichsam abgemessen oder abgewogen wird, weswegen eben unzählige Sylben bald lang und bald kurz sein müssen, je nachdem ihren Vocalen zwei Consonanten oder nur einer oder gar keiner folgen. ES ist ihre Sylbenmessung also gleich, sam bloß körperlich, und dabei ganz unabhängig vom gram, malischen Sylbenaccent, der bei ihnen vielmehr sich eben nach dem Zeitmaße der letzten oder vorletzten Sylbe des Worts, nach ihrer projodischen Bestimmung richten, und fürs Recitiren oder Scandiren der Verse deswegen dem Metrum und Syl, benmaße sehr oft weichen oder unterliegen muß. Gewiß ha, ben die Alten beide zu vereinigen gewusst, da ihnen dies zum Lesen ihrer Gedichte nothwendig war: sie mussten den Sylben, accent hören lassen, weil man die Wörter sonst nicht erkannt und verstanden hätte, und sie musste« auch das Metrum hören lassen, weil sonst die Verse nicht Verse geblieben wären; bei pu in putrem musste man den Sylbenaccent und die prosodi, sche Kürze merkbar machen. Die meisten neuern Sprachen haben gar keine Quantität in den Sylben ihrer Wörter, sondern accentuiren dieselben bloß nach einem, meistens ohne alle (vernünftigen) Gründe eingeführten und allgemein angenommenen Sprachgebrauch, weswegen man sie, im Gegensatze der quantitirenden griechi, scheu und römischen, auch wohl accentuirende Sprachen nennt. Unsre deutsche Sprache steht zwischen diesen neuen und jenen alten Sprachen in der Mitte, sie hat sowohl Quantität, wie die alten, als auch Accent, wie die neuen Sprachen; aber dieser Sylbenaccent liegt, wie die vorigen Paragraphen gezeigt haben, der Regel nach nicht auf DiegungS, und Ableitungs, sylben, waS in jenen alten Sprachen sehr oft der Fall ist, die ihn deswegen auch häufig in demselben Worte von einer Syl, be zur andern rücken lassen, sondern er ruhet auf der Stamm, fylbe, und von diesem Sylbenaccent hangt die Bestimmung der Längen und Kürzen, die Quantität oder daS Sylbenmaß im Deutschen ab, das also ein Tonmaß, und nicht, wie bei den Griechen und Römern, rin Zeitmaß ist. Jede vollbe«

248 tonte Sylbe ist im Deutschen auch prosodisch lang, und des, wegen wird alle» Bedeutendere, alle» Hauptsächliche, der Regel nach, durch lauge Sylben, alle» Unbedeutendere, alle» Neben, sächliche durch kurze Sylben ausgedrückt. Die Bedeutsamkeit der Sylben bestimmt also in der Regel ihren prosodisch« Werth, und deswegen,ist ihre Sylbenmessung eine geistige*). Don einer solchen Buchstabenposition, wie im Griechischen und Lateinischen statt findet, kann daher im Deutschen nicht die Rede sein; wohl aber haben wir eine Sylbenposition, indem wir sehr viele Sylben mittelzeitig d. h. bald kur; und bald lang brauchen können, je nachdem wir rascher über dieselben wegeilen, oder länger auf ihnen verweilen. Dies hangt aber nie von vor, oder nachstehenden Buchstaben al« Buchstaben, sondern von vor, und nachstehenden Sylben und deren geritu gerer oder größerer Bedeutsamkeit, oft aber auch ganz von der Willkühr des Dichters ab. Eine unaccentuirte oder tonlose Sylbe kann im Deutschen nie prosodisch lang, eine v-llbetonte nie prosodisch kurz sein. Auch der Sprachrhythmus, da« abge, zählte Zeitmaß der Bewegung, oder der rhythmische Accent hangt mit diesem Grundgesetze genau zusammen, doch ohne daß deswegen beide ganz in einander fallen, indem z. D. die langen SyKen sowohl die rhythmische Hebung als Senkung

(,Arsis und Thesis) bekommen können: Kaltsinn, fäüfhmig, wogegen freilich kurze Sylben fast immer in der rhythmischen Senkung stehn.

Der Wort (/oder Rede) ton aber, der ein Wort de» *) S« ist schon bemerkt, bas auch noch jetzt dir Schriftsteller über die prosodisch« Läng« und Kürze im Deutschen nicht einig find. So stellt «in Recensent in rrsten Heft brr Bibliothek für» Schulwrsra vorn 824 (Hildesheim) Grundsätze auf, die drn unsrigen zum Theil gerade entgegen gesetzt sind. Sr sagt (S. 64 — 68) untre andernr da« Grundgesetz der Sylbrnmaßrs in als«» Sprach«» bezieht sich auf da« Körperlich«, auf Vocal« und Con­ sonanten. Daher mus 1) jede Sylbe mit einem gedehnten oder doppelten Betel lang sein; s) eine Sylbe, die vermög« de« Vo­ cal« kurz ist, (soll wohl heißen r bi« einen geschärften Vocal hat,) kann al« Red «theil lang sein, oder hat vegriff«ltnge, gramma­ tisch« Länge, (wie undeutlich!) g) Kurz sind also im Deutschen einzia und ohne Xutnahme di« viegungssylben und diejenigen «blettungtsylbea, welch« weder Vocal- noch Begrifftläag« ha­ ben, z. B. igz dagegen sind bi« Sylben schäft und un, al« «ntCanden aut ohne, und all« rtnsylbigrn Wörter, auch der, di«, «», «in, immer lang. — Gewiß laut«» ganz falsch« Sätz«l

Satzes dadurch vorzüglich heraa-hrbt, haß er eine, »nd zwar der Regel nach die betonte Sylbe diese- Wort- mit au-gezeich, ««er Erhebung der Stimme au endlicher > Raum noch die [ Wiege, Werde'| Mann und es | rost6 | eng dir die | Erde noch sein. . Hier folgen sich, noch, dir der angegebenen Regel, aber wird ist lang, ob es gleich zwischen einer Urlänge und Ur,

kürze steht. (So auch das Hochwürd'ge, und Eure Hochwür, den.) 4) Wenn all in einem Wort nicht den Hauptton hat, so ist es gewöhnlich lang vor einer Urkürze, und kurz vor einer Urlänge: das Weltall preiset Gottes Güte; Üeberall gebeutst Allmächt'ger du. 5) Die Ableitungssylben hast, heit, feit, schäft und thum, so wie wärts, die sich mehr zur Länge als Kürze neigen, und eben so die mittelzeitigen Wörter fach, halb, los, mals und »oll in Zusammensetzungen (,sieh III, 8 und 9,) werden schon lang, wenn sie auch nur eine kurze Biegung-, oder Ablei, tungssylbe in demselben Worte ihnen anschließt: glaubhafte, Freiheiten, Sonderbarkeiten, Wirthschafter, Reichthümer, aus, wärtig, so daß also Messungen wie dreifacher, seinthalben, spür, lose, oftmalig, leidvolle, glaubhaftig, glaubhafte gute Dichter sich nicht erlauben werden. Wenn dagegen die ihnen folgende Kürze zu einem andern Worte gehört, so folgen auch sie der Regel (3): glaubhaft erzählen, Freiheit erkennen, Süßigkeit lieben, auswärts verbreiten, grundlos erdichten. 6) Alle Ableitungssylben ohne den Docal e, mit Ausnahme von ig, ich, icht, isch, lich, (bar,) sind hinter einer Urlänge im, mer kurz, es mag ihnen eine Länge oder Kürze folgen: Freun, dinn, Fräulein willst du heißen; Jüngling »kenne. Bedräng, niste; nur wenn zwei Kürzen folgen, müssen auch sie (nach Mr. 1) lang fein: Furchtsame entfliehe, Freundschaften zerstö­ ren, Hoffnungen erwecken, Reichthümer begehren.

L65 Ai»merk. Nach dieser Regel misste ei für 6«t heiße»: furchtbar, furchtbare; furchtbar tönt, furchtbare Hcfchel, nuug. Es ist aber schau bemerkt, daß der Gebrauch über die Quantität dieser Sylbe nicht bestimmt entscheidet. Steht vor diesen Sylben dagegen eine Urkürze, so stad ste nur kurz, wenn eilte Urlänge folgt: die Sängerinn schwieg, die Leidenschaft tobt, Älterthumsfreünd, aber lang, sobald (auch nur) eine Kürze folgt: (leidenvolle, mühelose,) Förderun­

gen, Erfordernisse, Rechenschaft erwarten. Anmerk. 1. Hiernach müsste man also messen: offenbar erliegt er.

An merk. 2. 06 es je erlaubt sei, rei kurz za brauch«, da ei immer lang ist, bleibt wenigstens sehr zweifelhaft, indem und insofern rei ans er und ei zusammengezogen • * ist; es muß wohl heißen: Schwärmerei', Schwärmerei droht.

Eben so ist lei billig immer lang, wenn es aus

ek und ei besteht: Liebelei, Liebelei langweilt. An merk. 3. Die Sylben ig, ich, icht, isch, lich find zwar auch lang, wenn zwei Urkürzen folgen: freundliche Erzählung, heuchlerische Verstellung; and nach einer Ur­

länge sind auch sie kurz: freundlich; aber hinter einer Ur# kürze sollen sie vor einer Urkürze der Regel nach auch kurz bleiben: ärgerliche Nachricht, heuchlerischer Dube. | 104) Es lässt sich nicht leugnen, daß fich vielleicht in al­ len größer» Werken auch unsrer besten Dichter Abweichung« von den Bestimmungen der vorigen Paragraphen finden wer­ den, aber sie selbst find es, welche diese Regeln theils wörtlich angegeben, theils dadurch praktisch gelehrt haben, daß sie die­ selben fast immer befolgen, und jeder von ihnen wird gern zugestehen, daß sie der Natur unsrer Sprache vollkommen an­ gemessen, und aus deren innerm Wesen abgeleitet, und da- also alle Abweichungen davon Unregelmäßigkeiten find. Urtieren lang und Urlängen kurz zu brauchen, bleibt stets fehlerhaft; nur Mittelzeiten lang zu brauchen, wo fie kurz sein sollten, und umgekehrt, kann man in einzelnen Fällen wohl ausnahms­ weise als dichterische Freiheit gestatten, doch eigentlich auch nie gut heiß«. Die Bemühung« gefälliger Sprachlehrer, diese

266 dichterischen Freiheiten zu Regeln zu erheben, sind stets getadell »vordem So steht in Gottholds Hephästion: alle Kürzen können zwischen zwei Kürzen verlängert werden: du endetest den Zweifel (»Theil I. Seite 20); dies (/diese Länge der Ur­ kürze test,) ist aber dem Genius unsrer Sprache ganz zuwi­ der, und deswegen dem gebildeten Ohr unausstehlich; deswegen verwirft auch einer seiner Recensenten (in den Ergänzungsblättern der Hallischen Literaturzeitung 1823, Nr. 40.) diese Re, gel gerade zu; wenn derselbe aber hinzusetzt, noch eher sei die Länge einer Kürze nach zwei Kürzen zu entschuldigen: verständigerer, so wird man das zwar zugeben, und das lange

ter hinter 1>igc nicht so hässlich wie das lange test zwischen de und den finden; indessen ein kleiner Flecken des Gedichts bleibt solche Länge dock immer. So auch daS lange re in unaussprechliche" | re Barmherzigkeit hast du zu hoffen. Eben so falsch gemessen sind: der | Kern der | Tapfer | sten birgt | sich in | dem Gebäude (.Schiller); so | stehet | ein Berg | Got­ tes (Ramler); schatti | ger Par | näß ihr | heiss | gen Gc-1 büschc"(Uz); kennst dü | das Land | wo di'e | Citro'| nen blühn. ES ist unnöthig, viele Beispiele von Fehlern gegen die vorigen Regeln aus guten Gedichten auszuziehen, da jeder Leser der­ gleichen nur zu leicht selbst auffinden kann, und namentlich Schiller in dieser Hinsicht nur zu viele Sünden begangen, und dadurch andere Dichter zu ähnlichen verführt hat; eS mi, gen also nur aus einem der neuesten Gedichte von Fouqne: Bertrand du Guesclin, 3 Theile, Leipzig, 1823, einige der ärgsten Verstöße hier folgen, welche daraus in der Recension dieses Werks in der Hallischen Literaturzeitung 1823, Nr. 287. U . v . M M u «, V ausgeführt sind: östlich, Kampfspiel, zählt'ich, Zuschauer, un„

U U

ee

.

U

u

w

u



.

U

schönen, tnißachten, sorgt er, stillschweigend, zusehn, Hochernst, U . U « U U • u . V wildschwellende, ausrückt, weiß nicht, Pfeilregen, seltsamen, anV

_

V

.



V

U



w

u

greifen, wachthalten, lautlos, hübschartig, todmüde, giftsüßen, U



V

.

U„

v

w

u

_

o



drauf rasch, Halbinsel, freioffen, tiefdunkel, unferne, worthal­ tend, ehrbaren, tiefheimlich, Grenzland.

105) Eine sehr große Unbestimmtheit herrscht leider aber wirklich in der Sylbenguantität fremde« Wörter, wenn wir

dieselben in der deutschen Rede brauchen. Wir wissen nam, lich schon, daß sich der Sylbenacccnt für dieselben auf keine fes­ ten allgemeinen Regeln zurückbringen lässt; da nun die Quan­ tität größestenthcils von diesem Sylbenacccnt abhangt, so kann auch sie durch keine festen Regeln, sondern meistens bloß nach dem Sprachgebrauch bestimmt werden, dcr aber eben bei vielen Wörtern in den verschiedenen Provinzen Deutschlands sehr verschieden ist. So misst der Baron von Zedlitz in der Aglaja 1823 (Seite 79) dcr Delphin; Norddcutschland ist aber

gewohnt Delphin zu hören. Alle solchen Wörter, dürfen also prosodisch nicht nach den (§. 101 und 102) angegebenen Re­ geln, sondern nur nach den für sie (§. 98) ausgestellten De, merknngen über ihren Sylbenaccent, wie diesen der Sprachge, brauch wenigstens für die meisten Provinzen Deutschlands nun einmal bestimmt hat, gemessen werden. Jede in ihnen betonte Sylbe ist auch prosodisch lang, mag sie Stamm- oder Ablei­ tungssylbe sein; jede unbetonte ist kurz, mag sie auch die Stammsylbe oder selbst ein eignes Wort in einer Zusammen, setzung sein; jede tieftonige Sylbe, welche also den halben oder Nebenton hat, ist mittelzeitig. Hieraus crgiebt sich sogleich, daß die Länge sehr oft in ihnen, nach der verschiedenen Stel­ lung, Biegung und Ableitung dieser Wörter, von der einen Sylbe zur andern übergeht, daß zusammengesetzte Wörter ost nur eine, und einfache dagegen mehrere Längen haben. So misst man: Professor, die Projfe'ssojrcn lehren gern;

da der

Herr | Advocat | sich vertheidigen will; ihr Ädjvoca,tcn rn,hct nicht; Consonant, Consonanstcn erschweren den Ton, die Con-j

sonnn |tcn lic|6e ich; Hexameter, Hexamctrist, hexa, metrisch, — U — UU — U — V — U — O — fließt der Ders; Recensent, die Rejcensen,ten preijsen dich; -O 0-0 0-0 o XQO- Q O „ Recensl,onen er,heben das | Buch; Religion, Kosmographie, •

0-0

-

OOO-

-

O

~ O-

-

O

0-0

kosmographisch, Irreligion, Demonstration, Pramonstratenscr O

-

0-0

O

-

-0-00

und Prämonstratenser, Monstranz, porcellanene *)• ♦) Grotefenb in seiner Prosodie sagt: die stärkste ConsonantenanHäufung in fremden Wörtern kann die Sylbe, welche unmittel­ bar vor einer betonten steht, nicht lang machen: Diphthong,

268 Anmerkung. Wenn man sich eine vollständigere Ueber, sicht über die Betonung und Quantität der fremden Wörter verschaffen will, so kann man z. D. den Abschnitt vom Gebrauch fremder Wörter in unsrer Sprache hiermit vergleichen.

aber sie kann die Länge auf eine vorhergehende schwache (.schwach

betont«) Sylbe übertragen, wie in Remonstränt, den» in Rest, den», wo keine erschwerte Mittelsylbe dir erste Sylbe hebt, bleibt diese am bestrn kur»; so können selbst drei Kür»«» einer Länge vorangrhn, wenn keine Eonsonantenanhäufung ju Hülfe kommt, wie in SieUgiön, wiewohl man hier die Betonung der erste»

Sylbe schon eher erträgt als in SoUtanj. Wo aber auch nur gwei Consonanttn eine Sylbe verstärken, da kann sie nur unmit» telbar vor der langen Sylbe kur» bleiben, weshalb man eher o o — O O — Remonstranz al- Afforanz misst. Schon die wenigen für diese Bemerkungen angeführten Beispiele zeigen, wie wenig sicher sie letten, und sehr viele Wörter wird der Sprachgebrauch gegen o . * dieselbe» betonen. Go giebt Grotrfeob auch an: Sleernflon, O—

U



-

O

-L

Q

Q

Geographie, Concordat, Concordia; wie selten aber betont man so 3 Roch sagt derselbe«, ein bloße« i vor einem Vocal kann nie laug werden, wenn e« nicht den Ton hat, und wird auch vor ei­ nem einfachen Eonsonanten nicht leicht verlängert, wenn nicht «och einmal eine Sylbe mit i folgt, B. Municipalität, Irre­ ligiosität. Allein in diesen Wörtern werden wenigsten« von sehr vielen alle e kurz au«gesprochea.

misst man wohl libe­

rale, und gewiß Literatur, bst« nach dieser Regel liberale 6?« teratur beißen müsste.

DrttteS Hauptstü

Von der Etymologie oder Wort­ forschung. a r « 1111 u n 0. 106) M-, theilt die Etymologie einer Sprache In die höhere oder entferntere, welche den Ursprung der Sprache selbst und ihrer Wurzelwörter untersucht, und in die nieder» oder nähere, welche sich mit der Untersuchung beschäfftigt, wie neue Wörter durch die Biegung, Ableitung, Ausbildung und Zusammensetzung aus älteren entstehen. Gewiß konnte jede Gesellschaft von Menschen bei der Er, findung der Sprache nur erst Wörter für diejenigen Begriffe erfinden und bilden, die sie schon dachte, und nun auSdrücken wollte. So musste jede Sprache in der frühsten Periode ih, res Ursprungs also einen sehr geringen und einfachen Anfan­ haben, und sie konnte nur wenige und ungebildete Ausdrücke oder Wörter enthalten, da diese Gesellschaften, die sich erst nach und nach zu Vilkerstämmen und ganzen Völkern oder Ratio, nen ausdehnten, Anfangs bloß aus einer kleinen Anzahl roher oder doch sehr wenig gebildeter Personen bestanden. Diese kleine Sammlung von Wurzelwörtern jeder Sprache musste sich aber in eben dem Verhältnisse ausbilden, erweitern und vermehren, in welchem sich mit der Vergrößerung und AuSbil, düng dieser ersten Dolksgesellschafttn ihre Begriffe ausbildeten, erweiterten und vermehrten. Die neuen Wörter fanden sich dann auf eben dem Wege, auf welchem man zu den neuen Begriffen kam. Die meisten solcher neuen Begrifft entwickelten sich auS den alten, mit wtU

270 chen sie in irgend einer Hinsicht zusammenhingen; fben so mussten die meisten neuen Wörter für diese neuen Begriffe durch manckfaltige Veränderungen aus den alten entstehen, *) und nur dann konnte ein wirklich neuer ganz unabhängiger Ausdruck gebildet werden, wenn das Volk durch sich selbst oder durch seine Nachbarn auf eine ihm ganz neue Vorstellung ge­ leitet wurde, die sich an keinen aller schon bekannten Begriffe bequem oder leicht anknüpsen ließ. Hatte man einen solchen neuen Begriff einem fremden Volke zu danken, so nahm man gewiß zur Bezeichnung desselben gewöhnlich auch den fremden Ausdruck dafür, wenn man diesen vielleicht auch etwas verän, derte, um ihn der dunkel, gefühlten Eigenthümlichkeit der eignen Sprache nach Möglichkeit anzupassen. Und so ist es offen-ar,' daß sicher kein einziges Volk sei­ nen ganzen Sprachschatz bloß aus sich selbst gebildet und be­ reichert, sondern daß jedes gewiß mehrere oder wenigere Wör, ter von selnen Nachbarn entlehnt hat, je nachdem seine Ver­ bindung mit diesen enger oder lockerer war. ♦) Ganz unschätzbar ist besonder- auch in dieser Hinsicht Grimm­ deutsche Grammatik, die mit einer unbeschreiblichen Müheund Sorg­ falt ausgearbeitet ist, und unzählige neuen Wahrheiten enthält. Der Zweck de- gegenwärtigen Lehrbuch-, blos die neu- hoch­ deutsche Sprache in einer vollständigen Uebersicht darzuftellen, lässt un- nur wenig und selten aus dieser höchst reichhaltigen Quelle schöpfen; wer aber die Etymologie unsrer Sprache histo­ risch näher kennen lernen will, muß zuerst und ganz vorzüglich diese- Hauptwerk studire», dem kein andere- in unsrer ganzen Literatur gleich geschätzt werden kann. An Ansehung unsrer ge­ genwärtigen Bemerkung über die Ausbildung der Sprache führt Grimm (II. S. 392) Dobrowsky'S Eintheilung der Wörter in einfache und zusammengesetzte, der einfachen in vuces primitives und derivatas, (quae a vuribus jam ibrmatis deducuhtur,) und der Wurzeln in nudas und auctas an, und sagt dann, da Dodrop-ky erklärt: nudae sunt sine litera servili, äuctae aber liiera formatae, ihm sei der Unterschied zwischen Servil­ buchstaben und dem Element der Derivation bedenklich Ist nach d'esem System, fragt Grimm, das Wort Gift eine vox aucta '.der drrhata? Es stammt von giban. Wenn also Gift deni trt ist, warum soll e- Luft, dessen Verbum freilich unnachwei-lich scheint, nicht auch sein? sGrimm glaubt nämlich be­ haupten (tt müssen, daß die ersten Wurzeln Derben waren, und daß alle Wörter mit zwei Consonanten am Ende schon Ablei­ tungen (oder doch, nach DobrowSky, voces priraitivae aucta?. au-gebildere Wurzeln) frnb.J Schon aus diesem ganz einfachen Beispiele sieht man, wie schwierig und unsicher die höhere Ety­ mologie sein muß. Grimm hat schon unbeschreiblich viel zuv Aufhellung darin gethan.

Da aber die Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Völker, so wie ihrer Verbindung unter einander so höchst mangelhaft und unvollständig bekannt ist, so wird cs unmöglich, den Ursprung und die Ausbildung auch nur einer einzi, gen Sprache vollkommen zu ergründen, wie wichtig auch diese Geschichte der Entwickelung des menschlichen Denkvermögens sein müsste. Und so ist man denn genöthigt, sich in der höhcrn Ety, mologie mit sehr wenigen, einzelnen, unzusammenhangenden Bruchstücken zu begnügen, wobei man sich noch sorgfältig hü, ten muß, nichr oder weniger dunkle und ungewisse Dcrmuthun, gen für sichre Wahrheiten anzusehcn und auszugcben. Auch für unsre reiche deutsche Sprache ist es nicht möglich, alle ihre ursprünglichen Wurzeln anfzufinden, und chronologisch zu bestim, men, welche Ableitungen man aus ihnen, und wann man diese entwickelt hat. Diele derselben sind gewiß wieder im Laufe der Zeit gänzlich verloren gegangen, und sehr viele andern erklärt man für veraltet, so daß man ihren Gebrauch verbietet, ent, weder mit Recht, weil unsre jetzige erhöhet« ästhetische Bildung sie für hässlich erklären muß, oder mit Unrecht, weil bloß zu, fällig kein neuer classischer Schriftsteller dieselben gebraucht hat, ob sie gleich an sich untadelig sind. Da indessen unsre Spra, che eine lebende ist, und zugleich eine wahrhaft vollkommne, insofern Lamberts Ausspruch sich nicht bestreiten lässt, daß jede Sprache desto vollkommner ist, je mehrere Möglichkeiten sie enthält, aus ihren Wurzeln (und Ableitungen) neue Wörter mit jeder beliebigen Bedeutung abznleiten ünd zusammenzusetzcn, so daß man ans der Strnctur der neuen Wörter ihre Dcdcu, tnng verstehen kann: so muß cs erlaubt sein, nicht nur solche guten alten Wörter wieder hcrvorzusuchen, sondern auch, nach der Analogie der ältern, ganz neue zu bilden, und sie in Um, lauf zu setzen. Es gilt noch jetzt des Horaz Ausspruch: multa renascentur, quae jam cecidere, vocabula, und Krause sagt (in seiner Abhandlung über die Würde der deutschen Spra, che, Dresden 1816,) sehr richtig: „gut gebildete neue (n) Wör, ter beurkunden die Stufe des geistigen Leben (s), die Tiefe des Geistes und des Gemüthes der einzelnen Menschen und der Völker, welche diese Wörter bilden und annchmcn; sie wel­ ken das geistliche (?) und gemüthliche Leben im Kinde, so wie in ganzen Völkern; die Bildung neuer Wesenwörter ist, wie die ganze Sprachbildnng, eine heilige Angelegenheit. Der deut­ schen Sprache liegen zweitausend einfache, gleichartige, wohlbczeichnende Urlautganze oder Urlingc (,Wurzelsylben) znm

272 Grunde. Diese gestatten noch eine starke Vermehrung durch neue, in demselben Geiste gewühlte Urlinge, zum Behuf we, fenlicher, durch die vorhandenen Urlinge noch unbezeichneter Begriffe und Empfindnisse (?)". *) So schreibt auch ein Ungenannter (im deutschen Museum, 1777, S. 73, bei der Gelegenheit, daß Nicolai an LavaterS in der Physiognomik versuchten neuen Wortbildungen, die gro, ßentheils ganz gut waren, Anstoß nahm): „wenn jemand auf eigne Kosten denkt, so wird sich seine Herrschaft auch auf den eignen Gebrauch der Zeichen und Wörter ausdehnen, ja er wird die Sprache angreifen, wo sie noch nicht angegriffen ist, und der Werth dieser Eingriffe misst sich (,bie richtige Wahr, nehmung der Analogien vorausgesetzt,) an dem echten oder un, echten Werth seines Denkens überhaupt. Man muß bei dem Gebrauch der Bilder unterscheiden, ob jemand durch dieselben Neues denkt, (durch dieselben Neugedachtes oder Ncuempfund, neS bezeichnet,) oder ob das ganze Spiel einem Grillenfangen ähnlich sicht." (Man sehe liter. Conversationsblatt 1823, Nr. 106.) Man vergesse also bei solchen Versuchen zur Bereiche, rung bet Sprache ja nicht, daß Horaz in der vorherangeführ, ten Stelle fortfährt: cadentque, quae nunc sunt in honore, vocabula, si volet usus, quem penes arbrtrium est, et jus et norma loquendi. Man vergesse auch nicht, daß Quinctilian im Allgemeinen gewiß Recht hat, wenn er sagt, (I, 6) abolita et abrogata retinere, insolentiae cujusdam est, et frivolae in parvis jactantiae, und daß also nur be, deutende Gründe einen ästhetisch gebildeten Schriftsteller vcran, lassen dürfen, veraltete, todte Wörter wieder beleben, und neue erschaffen zu wollen; sonst wird das cadere et mori dem renasci nur zu rasch folgen. Die Dichter haben hierbei die meiste Freiheit; sie können es am leichtesten wagen, halb und ganz veraltete Wörter mit der Hoffnung zu brauchen, dieselben dadurch wirklich wieder zu beleben. So braucht Klopstock in seiner *) Wenn doch nur endlich Krause'« Urwortthum erschiene, da­ gewiß in dieser Hinficht höchst interessante Darstellungen liefern wird. Zu wünschen ist dabei, daß dieser Gelehrte in seiner eig­ nen Bildung neuer Wörter und Ableitungen, von denen schon di« obige Stell« rinigrn Borschmock giebt, immer vorsichtige werde, damit «r nicht selbst seine Leser zurückschreckt. Am Schluffe diese« Hauptstück« soll «in Paragraph «in« Menge un­ srer jetzigen Wörter al« Ableitungen aut altdeutschen Stimmen darstellen.

seiner Messiadc (I. 464) da- ne»,gebräuchliche Wort jetzt, und (I, 520) das halb veraltete jetzo; er bildet ne» (1,485): ein Leih, aus Heitre gebildet, und (I, 288) die Gestade, die sich zsisammengebirgten, und niemand findet dabei etwas zu tadeln. Namentlich hat nach ihm Voß mit großem Glücke viele neuen Ableitungen und Zusammensetzungen, so wie viele ganz neuen Wörter gebildet, und sehr viele mit Unrecht als gemein und schlecht bezeichneter Wörter wieder zu Ehrer ge, bracht. Wenn aber z. B. Ttek, in seiner Novelle: die Ge, mälde, Dresden 1823 S. 21, sagt: wenn ich ein gutes altes Bild male, und mich in seine Eigenheiten so recht sanftselig und saumthunlich hineindenke: so weiß man kaum, daß er damit wahrscheinlich ausdrücken will: säumig, laogsam arbei­ tend, und solches Wort hat also gewiß sehr wenige Hoffnung, vom Sprachgebrauch ausgenommen zu werden. Nach diesen wenigen allgemeinen Bemerkungen über die höhere Etymologie können wir nun zur Aufstellung der durch ihre Sicherheit und Zuverlässigkeit für die Grammatik weit wichtigern nieder» Wortforschung übergehn *). ♦) Wakh schreibt i?i3: ich sage et frei, »er tu den stledanken steht, er feie der best« Grammaticm, der glaub« nur smmer, w«nn «r di« alt« orientalische nicht wohl durchkroch«», er sei« gar keiner, und schlepp« sich mit «itltr Einbildung. Der vor­ nehmste Theil von dieser Runst ist ja unwidersprechlich dis Ety­ mologie, dadurch wir den Ursprung der Wörter, dexch Lee­ stand und Art erkennen sollen. Geidenstückrr sagt in dieser Hin­ sicht: „wenn ein gebräuchliches Wort «inen Begriff odiir eine Beziehung bezeichnet, die durchaus kein anderes Wort her ^Spra­ che so bezeichnet, so darf dies Wort nicht verworfen werden." Darum muh man di« Wörter der Sprach« erforschen und' kennen, um zu wisse», was sich durch sie bezeichnen lass:. (Sian sehe sein« Jenaer Recension meines frühern Lehrbuchs.) Stimm, stellt (in s. Gram. 11, S. 40Z) folgend« Wahrheit auf: es ist uayerkenndar« Richtung drr späteren Sprache, die Ableitungen aufzugehen, »nd durch Eompofitionea zu ersetzen. Dies destäsiat es/das meh­ rer« jetzt erlosch«»« Ableitungen votmals UÄnbtg, jetzt unver­ ständliche oder zweideutige vormal« sichtbar «ad deutlich gewesen sei» müsse». Die Zusammensetzung sagt des schöpfen» Lestim»lun- der Begriff« zu, dir Ableitung, so lgnge der alt« »olle Xt* loß als Adjectiv ge­ braucht wird, und übrig von über. Innig kann man entweder von in oder vom Adverbium inne aöl.iten. 5) Pronomen mit ig, die aber wieder nur in Form der Adjectiven gebraucht werden, sind: mcit.ig, die meinigen, deinig, das Deinige, seinig, ihrig, unsrig, einig von euer, was euch gehört, was euer ist. 6) Sehr zahlreich sind dagegen die Ableitungen auf ig auS Zeitwörtern, von denen man der Regel nach den Infini­ tiv nimt, welchem man sein en abschneidet, und dagegen oft de« Umlaut giebt, wenn er denselben annehmen kann. Sie

364 bezeichnen theils den Begriff der Partielpien des Präsens Ihrer Stämme: irrig behauptet er d. h. irrend, und «ine irrige Mei, ming, die ein Irren, einen Irrthum in sich hat; beliebig für beliebend oder nach Belieben; er wurde stutzig d. i. stutzend; gehörig d. i. gehörend, zugehörend, die Angehörigen, die An, gehörenden, und dann figürlich: wie es sich gehört, geziemt, schickt; «rbietig d. i. erbietend; beiläufig, vorläufig, was (ne, den) bei oder vörlauft, vorlaufend; theils bezeichnen sie einen Zustand: anheischig, oder eine Neigung und Fertigkeit: stößig, beißig, näschig, wer gern nascht, (nicht naschend,) klatschig wer gern klatscht, unnütz schwatzt und besonders Neuigkeiten erzählt, blättrig, was sich leicht blättert, in Blätter zerlegt, oder auch In passiver Bedeutung: was leicht ge, oder zerblättert werden kann; so auch faserig, zweideutig, was doppelt gedeutet werden kann, gelehrig, wer leicht gelehrt, belehrt werden kann, wer be, lehrt zu werden geneigt ist, schläfrig wahrscheinlich von schläfern für einschläfern, «er leicht eingeschläfert werden kann, »der statt schläftg, wer zu schlafen, zum Schlafen geneigt ist, wo dann aber das er unerklärt bleibt, das sich auch in stänkerig wohl nur durch stänkern, Gestank erregen auflösen lässt: was fertig, geeignet, reich an der Eigenschaft ist, Gestank zu erregen. Bei einigen Wörtern liegt das sogenannte Imperfect des Zeitworts zum Grunde: ansäßig von saß, und die» von sitzen, ansitzen, ansitzend; inständig, vollständig von stand und stehen, wenn diese Wörter nicht vom Hauptwort Stand Herkommen, wie thätig von That oder von that und thun; erbötig für tu bietig von erbot. Das Wort lässig kommt unmittelbar vom alten Wort laß, langsam, spät und dann träge her, englisch lazy, angel« sächsisch laet, schwedisch lodsker und lat, franz, las und la­ che, ital. lasso, lat. lassus. (*)m Hebräischen heißt vSn chalasch schwächen, entkräften.) Dies hangt aber wieder mit lat, wovon letzter statt lätester herkommt, und dann auch mit lassen zusammen, so wig fahrlässig und nachlässig geradezu von lassen Herkommen. Das Wort widrig leitet sich vom alten Wort widern, d. i. einen Widerwillen empfinden her, da- noch in Luthers Bibelübersetzung (,Hiob 6, 7) steht. Ranzig kommt von ranzen her, und deutet auf den Übeln Geruch, der vielen Thieren beim Ranzen eigen ist. Was das Dort lebendig betrifft, das im Mitteldeutschen lebenteg, lebentik, lentig und lemtig hieß, so sagt Adelung, daß bei demselben das noch im Niedersächsischen übliche Lebend statt Leben zum Grund« zu liegen scheine, und Krug bemerkt, der

Stamm sei das Hauptwort Leben, «ich» das Particip lebend, und das d sei bloß eingeschoben, indem der Zahnschluß d und t unwillkührlich dem Zahnlaut en folge; so komme auch im Ausdruck der morgende Tag das morgende vom Hauptwort Morgen durch den eingeschobenen Zahnschluß d, und von kei­ nem Particip morgend her. UebrigenS wissen wir schon, daß der Sprachgebrauch jetzt allgemein den Sylbenaccent auf die zweite Sylbe legt, lebendig, da er der Regel nach auf der er, (len, als der Stammsylbe, liegen sollte, wie Opitz das Wort auch noch braucht: lebendig. 7) Auch viele Partikeln, besonders Umstandswörter, nch, men die Sylbe i g an, jedoch bloß, um in Adjectiven übergehn zu sinnen, so daß sie in der Adverbialform selbst nie mit ig gebraucht werden, weil dies dann eine ganz müßige, bedeu, tungslose Endsylbe in ihnen wäre: dasig und hiesig von da oder dar und hier, deren r in f übergeht, jetzig von jetzt, (jetzo) mit weggeworfenem t (o), da-, vor-, nach,, noch-, oft,, ehe, malig von damals u. s. w., dessen Adverbialendung S weg, fällt, obig von oben, nunmehrig, heutig, gestrig von gestern, einstig, dortig, bisherig, baldig; von etwa sagt man ctwag und etwanig; nichtig von nicht wird auch als Adverbium gebraucht, indem eS eine Beschaffenheit, und keinen bloßen Umstand wie nicht anzeigt, weshalb es auch eben so wie baldig gesteigert werden kann, was bei den übrigen ihre Bedeutung nicht zuläfft. (Das auf eine ähnliche Art nicht als Adverbium, wohl aber zuweilen, z. B. von Göthe, Wahrheit und Dichtung, in, 282, als Adjectiv gebrauchte vorschlägig, vorschlägige Risse, findet keinen Beifall.) Die Ableitung des Worte- hurtig ist ungewiß. Wahrscheinlich liegt dabei die Interjektion hurr, Hurra zum Grunde, welche eine Nachahmung deS mit gewissen Arten schneller De, wegnng verbundenen Schalles ist, so daß dieselbe eine Schnei, ligkeit bezeichnet; damit hangen dann wohl das englische to hurry übereilen, und das schwedische hurra, mit Ungestüm Herumtreiben zusammen. Im Altdeutschen hieß es bloß hort, denn Kero hat davon unhort für träge. (DaS t kann man wieder für den Zahnschluß erklären.) So groß nun auch die Menge der Ableitungen mit ig ist, so giebt eS doch auch sehr viele Wörter, welche diese Sylbe nicht annehmen: z. D. Gott, Engel, Teufel, ich, du, er, böse. Daß sehr viele andern sie nur in Zusammensetzungen anneh, men können, ist schon bemerkt: man sagt nicht gehäusig und doch drcigehäusig. Bei diesen bezeichnet das ig den ganzen

366 Begriff der Zusammensetzung als eine einzige Beschaffenheit. So wie ferner überhaupt ans den meisten Ableitungen mit ig abstrakte, weibliche Hauptwörter mit keit gebildet werden kön­ nen: Gütigkeit, Innigkeit, Gefälligkeit, Ehrerbietigkeit, welche einen Besitz, eine Fertigkeit oder bloß die Eigenschaft des Stamm­ begriffs anzcigen: so setzt man auch wieder an sehr viele Wör­ ter bloß deswegen ig, um daraus Hauptwörter auf keit bilden zu können. Man sagt nie blödig, süßig u. s. w., wohl aber Blödigkeit, Süßigkeit, Schnelligkeit, Gerechtigkeit, Leichtigkeit u. s. w.; doch bemerkt Ramler in Ansehung dieser Wörter, daß ihr ig, wenigstens in vielen, nicht die wahre Ableitungs­ sylbe ig, sondern nur eine Verwandlung und Verlängerung der Buchstaben i und e sei, indem es in altern Zeiten Blödekcit, Leichtckcit und Leichtikcit geheißen habe. So ist auch aus dem alten narhafti Nahrhaftigkeit geworden. (S. §. 145, 155.) Es sind dies besonders solche Wörter, die sich ans einen wei­ chen , harten oder zischenden Consonanten endigen, denen viel­ leicht noch ein milderndes e folgt, und deren unmittelbares Zu­ sammentreffen mit keit in der Aussprache Härte verursachen würde, wie Geschwindkcit, Wahrhaftkeit, Geschwätzkeit, oder die nur einsylbig sind: Frömm—ig—keit, Spröd—igkeit, Dicht— ig—keit, indem cs der Sprachgebrauch nun einmal festgesetzt hat, daß alle Wörter mit keit wenigstens drcisylbig sein müssen, und sich nicht auf ekeit endigen dürfen. Eben so schieben auch alle Beschaffenheitswörter auf los und haft vor Ansetzung der Sylbe keit noch ig ein: Gottlosigkeit, Harmlosigkeit, Naschhaf­ tigkeit , Wahrhaftigkeit; doch sagt man zur Dctheuerung auch ohne keit: wahrhaftig, sonst aber lieber: er und seine Rede sind wahrhaft. (M. s. §. 155.) Endlich sehr viele Wörter nehmen bloß deswegen i g, um in Zeitwörter übergehn zu können: so bildet man aus rein die für sich selbst ungebräuchliche Ableitung.reinig, um daraus rei, nigcn zu machen; eben so Baud, bändig, (das nicht gebraucht wird, wohl aber unbändig,) bändigen, kund, kündig, kündigen. Schade, beschädigen, Sicht, (nicht sichtig, wohl aber durchsich­ tig,) besichtigen, Hand, einhändigen, Schein, bescheinigen. Hier­ her gehört indessen nicht das Wort behelligen, denn dies ist von heilig, nicht von hell abgeleitet, und hellig bedeutet noch jetzt in der gemeinen Mundart Niedersachsens so viel wie dur­ stig; (Hans Sachs sagt oft hellig für leer, trocken, dürr, ein heiliger Magen, und schon im Thcnerdank steht dies Wort; ja Ottfried hat selbst behellen für unterdrücken;) so wie nun z. D. im Italiänischen seccare anötrocknen und dann beschwer-

lich fallen heißt, (in Wien sagt man: daS sekklrt mich, cs lang, weilt mich,) so drückt behelligen sehr gut das Verdrüßliche aus, daS lästige Besuche, langweilige Gespräche u. bgL haben, rod, che gleichsam den Geist austrocknen, ausdörrcn, aussaugcn und abmatten. (S. Zeitung für d. elegante Welt, 1809, Nr. 118.) Uebrigens wird behelligen fast bloß noch in der Cancelleisprache gebraucht. '

Da nun mehrere solcher Wörter in gleicher Bedeutung so, wohl mit als ohne ig gebraucht werden, enden und endigen, verkünden und verkündigen, andere dadurch eine verschiedene Bedeutung annehmcn, belasten und belästigen, besckcincn und bescheinigen, und noch andere nie ohne ig Vorkommen, bcglan, bigen, beleidigen, vertheidigen: so lässt sich fragen, was das ig in ihnen bedeutet. Es mag fein, daß diese Sylbe ursprünglich bei ihnen eine Verstärkung oder Wiederholung des Grundbc, griffs (,Intensiven und Iterativen) bewirkt hat; jetzt aber lässt sich die Kraft derselben entweder nicht mehr deutlich in Worten angeben, wie sie denn in belästigen den Begriff des körperlichen Belastens figürlich macht, und in bescheinigen auf das Haupt, wort Schein (»Zeugniß) und nicht auf das Zeitwort scheinen (»Schein, Glanz geben) zurückdeutet, oder cs lässt sich überhaupt gar nicht mehr entscheiden, ob sie je eine Bedeutung darin gc, habt, ob endigen je etwas anderes als enden anqczeigl hat, und was das ig z. D. in vertheidigen ausgedrückt haben mag, das für uns in allen solchen Wörtern ein müßiges Einschiebsel ist, welches, wie Kolbe sagt, offenbar bloß Abwechselung im Klange bezweckt *). Bei der sehr großen Menge der Wörter mit ig hat man übrigens in neuern Zeiten angefangen, ihre Anzahl wieder zu vermindern, indem man z. B. lieber Güte, Großmuth, als Gütigkeit, Großmüthigkeit, fast immer Hitze, Spitze statt Hitzigkeit, Spitzigkeit, und immer Härte, Zorn, Un, schuld statt Härtigkeit, Unschuldigkeit sagt. Eben so sagt man auch schon wieder enden, verkünden, erübern, vereinen, längsten so gut wie ängstigen, vereinigen, und noch andere Ausdrücke lässt man ganz veralten: abgängig, abfällig, (selten auch nur beifällig, wohl aber hinfällig,) morgig; auch sonstig, die sonsti« gen Bedingungen, wird sehr wenig gebraucht. Es versteht sich indessen von selbst, daß das ig bleiben muß, sobald auch nur

•) Kolbe sagt auch, wir Ramler, g sei der natürliche Mi'ttelton zwischen i und «, beb Wohllaut« wegen verkörpert, und ig bilde den gewöhnlich trochüischen Schlußfall unsrer Berben daktylisch.

368 eine kleine Veränderung des Begriffs durch dessen Weglassung entstehen würde. So unterscheiden sich Freude- und Freudig, feit dadurch, daß Freudigkeit nur den Zustand des Freudig— seins, des getrosten Muths, der Zuversicht, der Herzhaftigkeit bezeichnet, Freude hingegen nur noch selten diesen Begriff, son, dern gewöhnlich einen bedeutenden Grad der angenehmen Em, pfindung, welche aus dem Genusse eines gegenwärtigen oder als gegenwärtig gedachten Gutes entspringt, (im Gegensatze der Traurigkeit,) und dann figürlich den Ausbruch der Freude, so wie den Gegenstand selbst ausdrückt, welcher Freude erweckt. Freudigkeit ist also der engere, Freude der weitere Begriff; jede Freudigkeit ist Freude, aber nicht umgekehrt jede Freude ist Freudigkeit: ein gute- Gewissen giebt Freudigkeit im Tode, wofür man auch Freude sagen kann, es aber nicht gern thut, eben weil Freude gewöhnlich den höhern Grad des angenehmen Genusses bezeichnet; eben so sagt man lieber, mit Freudigkeit als mit Freude dem Tobe im Kampfe entgegen gehen. Ganz ähnlich unterscheiden sich Allmacht und Allmächtigkeit; beide sind eigentlich Abstrakten wie Freude und Freudigkeit, aber man denkt sich unter der Allmacht auch oft den eoncretcn De, griff eines allmächtigen Subjects, und spricht daher z. D. bei einer reizenden Frau von der Allmacht ihrer 9ief}C, insofern diese wirken, wirklich reizen, und von deren Allmächtigkeit nur, insofern sie in Wirksamkeit treten können; ja man kann selbst sagen: die Allmächtigkeit der Allmacht (,deS Allmächtigen) ist ein großer Trost im Leiden. Ganz ähnlich verhält sichs mit Hitze (deS Tages) und Hitzigkeit (eines Getränk's), Spitze (ei, «es wirklichen Degens) und Spitzigkeit (die gefährliche der De, gen, einer Antwort), Witz und Witzigkeit, (der Eigenschaft, Witz äußern zu können, oder auch der abstrakten Grundlage eines concretcn Witzes, Witzwortes, witzigen Ausdrucks,) Eifer (im Dienste) und Eifrigkeit, (Dienste leisten zu wollen,) An, dacht und Andächtigkeit, (die nicht immer wahre Andacht im gewöhnlichen Sinne ist, so wie man wohl sagen kann: er hat seine Andacht verrichtet für Gebet, Desuchung der Predigt, Feier des Abendmahls, aber nicht Andächtigkeit,) Kitzel (,6er jemanden stickt,) und Kitzligkeit, (Fähigkeit, leicht Kitzel zu empfinden,) Muth (belebt ihn,) und Muthigkeit (eines muthi, gen Pferdes, die dasselbe wirklichen Muth in der Schlacht be, weisen lässt). (Man vergleiche §. 145 und 155.) 150) Die Endsylbe ing steht an mehreren Hauptwörtern, und scheint darin von verschiedenen Wurzeln hcrzukommeu, denn sie bezeichnet: 1) in wehreru eignen Namen ein Land, eine

ns eint Gegend, Stadl: Lothring, Lothringen, Lothars Land, Tä, -ing(en), Thüringen, in welchem Fall sie wahrscheinlichst vom angelsächsischen und «allisischen luge, ein Feld, herkommt. Auch mehrere Gattungswörter auf ung mögen ihr ung wohl aus ing gebildet haben, wie denn diese Sylben (imDeutschen wie im Schwedischen) ost in einander übergehen: Waldung, Hutung und Hütung, Holzung, eine mit Hol) bewachsene @e, gcnd. Ottfried hat auch thie Heiminge für die Heimath, das Vaterland. 2) Bei andem Eigennamen zeigt ing einen jun, gen Menschen, und namentlich einen Sohn, Nachkommen an; so nennt man die Nachkommen Karl des Großen und des Meroväus Karolinger und Merovinger; Kipping hieß im Angelsächsischen de- Kipp oder Kippi Sohn. Die. Gattung«, w-rler mit dieser Bedeutung sind veraltet, wenn man nicht darauf Rücksicht nehmen will, daß ling in Jüngling, Zögling nah mit ing verwandt ist; ein Edelknabe hieß aber bei den Angelsachsen Aethling, beim Ottfried Ediling, englisch Adeling. Wachter leitet das ing in dieser Bedeutung l,vielleicht »et, wandt mit der lateinischen Endung inus) von dem wallisischen engi gebären her, welches dann nach Adelung auch der Stamm von Euke (,ein junger Bursche) und Enkel sein würde. 3) In noch weiterer Bedeutung zeigt ing ein einzelnes Ding, ein Individuum von der Art an, welche das Stammwort aus, drückt: der Häring (balec), Horning oder Hornung für Fe, bruar. In dieser Bedeutung wissen wir schon, daß ing nah mit ig verwandt ist, indem man ehemals Koning statt König sagte, und noch jetzt im gemeinen Leben Pfenning, Dötting für Pfennig und Dottig oder Bottich spricht. Uebrigens sind fast alle Wörter auf ing in den beiden letzten Bedeutungen männlichen Geschlechts, weswegen man sowohl der als das Messing sagen kann; nur die Halflng, eia Jägerausdruck für Halsband, ist iveiblich. 151) Die Ableitungssylbe inn war in alten Zeiten ein eignes Wort in, in«, Ina«, hin, da- sie bedeutete, (wie im Isländischen hin noch jetzt sie, hino er heißt,) und das eben so an die Stammhauptwörter angesetzt wurde, um ein weibli, ches Subject (.eine Person, ein Thier,) anzuzeigen, wie das noch gebräuchliche Pronomen er an dieselben gesetzt wird, eine Person männlichen Geschlechts auszudrückea: ein Kaffckocher ein Mann, der Kosse kocbt, eine Kaffeköchinn, eine Frau, (weib­ liche Person,) die Kaffe kocht. Nur giebt es sehr wenige Wörter, in denen das er und inn so abgesondert stehen wie in Kaffeköchinn und Kaffckocher, (wofür man freilich anch bloß

®,wtr S»raa>l. I.

24

370 Kaffekoch sage» kann, unb wirklich sagt, wenn nicht besonder« auf da« männlich« Geschlecht de« Kochenden aufmerksam ge­ macht werden soll-,) sondern da da« männliche Subject der Siegel nach immer eher al« da« weibliche gedacht wird, so wer­ den die weiblichen Wörter auf inn fast alle von männlichen Stammwörtern abgeleitet. Hierdurch wird freilich eine hässli­ che Unbestimmtheit veranlasst: der Siegel nach nämlich bezeich­ net da« Wort mir inn eine weibliche von dem Manne, den da« Stammwort andeutet, gänzlich unabhängige Person: die Schwägerinn braucht durchaus nicht die Frau eine« Schwa­ ger« zu sein, sondeim sie ist allein und für sich die Schwäge­ rinn de« Gatten ihrer Schwester und der Gattinn ihre« Bru, der«, und dieser Sprachgebrauch ist schon sehr alt, snegcr und suegerinne findet sich bereit« in einem sehr alten Glossar (in Suhm« Symb.), allein sie kann doch auch die Gattinn des­ sen sein, der al« Bruder der Gattinn seine« Bruder« oder de« Gatten seiner Schwester deren wahrer Schwager ist; eben so war Elisabeth Königinn, königliche Herrscherinn Englands, ohne eine« König« Frau zu sein; jg e« giebt Wörter, wo der männ­ liche Begriff gar nicht statt finden kann, und die man doch nach derselben Analogie bildet: eine Kindbetterin», Wöchnerinn kann gar nicht die Frau eine« Kindbetter« oder Wöchner« sein. Und eben so setzen unzählige Wörter durchau« keine Beziehung auf einen Mann voraus, obgleich immer ein männliches Haupt­ wort zum Grunde liegt: Schwätzerinn, Ehebrecherinn, Putz, Macherin», Wäscherinn, Tänzerinn, Schweizerinn, Lutherane­ rinn, Denedictincrinn, Ursulinerin«, besonders auch solche Wör­ ter, deren männlicher Stamm sich nicht auf er endigt: Hün­ dinn ein weiblicher Hund, Feindinn, Gräfinn, Pymßinn, När­ rinn, Diebinn. Dagegen soll bei eben so vielen andern Wör­ tern das inn nicht« weiter al« die Gattinn de« Subject« ih­ re« männlichen Stamm« anzeigen: die Majorinn, Frau eines Major«, Doctorinn, Rectorinn, Kammerherrinn, Frau eine« Kammerherrn, durchaus verschieden »vn Kammerfrau, d. i. ei­ ner (verheiratheten oder unverheiratheten) Dienerinn einer Für­ stinn, deren Dienst sich besonder« auf die Kammer, auf die Schlafkammer der Fürstinn beschränkt *).

*) ES ist also «ine Kammerfrau, al« Gehülfinn, Dienerinn beim An« und Aulkleiden der Fürstinn, viel niedrigern Range« al« «. D. eine Hofdame; doch aber mag auch ihr schon der Titel Fra« al« ein Ausdruck der höflichen Achtung beigelegt fein. Man vergleiche jj. 332.

Diese Unbestimmtheit nun, nach welcher man durchaus nicht wissen kann, ob das Dort Schneiderinn in einem einzel, nen Kail die «.vielleicht nicht schneidernde) Gattin eines Schnei, der«, oder eine selbst schneidernde (vielleicht unverheirathete) weibliche Person anjeigen soll, wird wohl nie ans der Spra, che weggeschafft werden können. Unter allen Vorschlägen dazu ist vielleicht Wolke'S in seiner Einfachheit der sinnreichste: Derselbe schlägt nämlich vor, vier verschiedene Ausdrücke mit voller Bestimmtheit zu unterscheiden: ein selbst singender Mann heiße ein Säuger, seine (vielleicht stumme) Gattinn eine Sän, gerinn; eine selbst singende weibliche Person heiße eine Sän, ginn, und ihr (vielleicht stummer) Gatte ein Sänginner. Eben so solle man unterscheiden: Tänzer, Tänzerinn, Tänzinn und Tänzinner, Schneider, Schneiderinn, Schneidinn und Schnei, dinner u. s. w. *). Es versteht sich, daß sich dieser Vorschlag nur auf solch« Witter beziehen soll, wo er brauchbar wäre, auf Begttffe und Wörter wie Hund, Freund, Vater, Kater, Spötter soll er nicht ausgedehnt werden; aber er wäre doch auch nicht bei allen Wittern anwendbar, wo der obige vierfache Begriff statt sin, bet; wie sollte die Krau des Kochs von der Frau, welche kocht, unterschieden werden? Daß er sich also nur auf Wörter mit er anwenden ließe, hebt schon feine Brauchbarkeit auf, wenn man auch nicht darauf sehen will, daß Wörter wie Ttpfinn, Glasinn für Frauen, die das Handwerk ihres verstorbenen Da, terS oder Mannes fortsetzen, und Wörter wie Töpfinner, Gla» siuuer für deren Gatten doch wohl gar zu spaßhaft klängen. UebrigenS macht auch schon dies« Abweichung vom ganzen biS, herigen Sprachgebrauch es so gut wie gewiß, daß Wolke'S Vorschlag nie angenommen werden wird, und e< braucht nicht weiter aukgeführt zu werden, daß er selbst die Grundbedeutung der Sylbe inn verwirren würde, denn eiste Freundinn, Chri, stinn, Löwinn ist nicht- als ein weiblicher Freund, Christ, Löwe, eine Berlinerinn ist ein weiblicher Berliner, eine weibliche Per« son auS Berlin; eine Tänzinn, Sänginn sollte aber nicht weib, kicher Tanz, Sang, sondern eine weibliche Person, welche tanzt, singt, eine Glasinn nicht weibliche- GlaS, sondern eine weib, liche Person sein, welche mit Glasarbeit beschäfftigt ist **). ♦) Auf diese Art wirr also M. Eatalani eine Singinn und ihr Gatte eia Singinner; Madame Wolf al» Künstlerinn «ine Schauspielina, und alt Ehefrau eine« Schauspielert zugleich eine Schauspielerinn. ♦♦) Unrichtig angewandt findet man diesen einseitigen Vorschlag Wol« 24 *

372 Aus den vorhergehendtn Hknerfiinya erhellet nnn fer# «er, daß die Endung inn fast na alle Hauptwörter auf er, die eine männliche Person bedents«, gesetzt «erden kann, so wie auch an die meisten Wörter anderer Endungen, die eine männliche Person^ deren lvaterland, Amt, Würde, **) Lebens­ art, Verhältniß u. s. w. anzeigen: Hauptmanninn, Fürstin«, Enkelinn, Generalin«, Pröpstian» wobei der Endlaut e des Stamms wegfällt: Schwedinn, Gattinn, Jüdinn. Auch zeigt es sich, daß mehrere dieser Ableitungen dem Stammvokal den Umlaut geben, mehrere nicht, worüber indessen allein der Sprachgebrauch entscheidet, ohne daß sich besondere Regeln da, für angeben lassen. In Ansehung der männlichen Wörter auf erer sagt Ad«, hing, daß sie des Wohlklanges wegen ein er wegwerfen; dies scheint aber doch immer gegen die Analogie der Bildung die, ser Ableitungen zu verstoßen; es heißt wohl einem vermeinten Wohlklange zu viel aufopfern, wenn man seinetwegen dem Stamm das wesentliche Zeichen des männlichen Geschlechts

nehmen will, und es ist gewiß besser, zu diesem Zwecke bloß ein e, das so sehr oft wcgfält, auszulassen. Man sage also lieber regelmäßig die Plaudrerin» für Plandererinn, wie man ja auch Plaudrer statt Plauderer schreiben kann, Zaubrerin», Wandrerinn, Lästrerinn, Wnchrcrinn, Kämmrerinn als Käm, merinn, Wanderinn, Plauderinn u. s. w., weil man dies für Ableitungen von Kammer, wandern, plaudern halten müsste. Wem jene Ausdrücke zu hart scheinen sollten, der kann ja Um, schreibungcn wählen: ein weiblicher Lästerer, die lästernde Frau,

ein weiblicher Märtyrer n. s. w. **).

Es versteht sich ferner

ket z. L. in Fr. Jacobs Feierabenden in Meinau, Leipzig, 1820, wo des Pfarrers Frau Seite 7 und 10 Pfarrin heißt.

•) In den neuesten Zeiten wird es Mode, von der Titelnamrn in» weg Massen; es giebt aber keinen vernünftigen Grund für dies« Aenderung. Wie es heißen muß Doctorinn R, so sage man auch Frau Doctorinn N. **) Tin ungenannter Recensent in Seebode'« fr. Bibl., 1826, Sfr. 10. S. 1067 sagt: „die Ausnahmen Zauberinn u. s. w. werden durch ein« Regel begründet, die wir nicht zurückhalte» wollen: alle Wörter dieser Art, di« den Ton auf der antrprnultima haben, werfen Dorrn inn das «r weg: Eiferinn, Geiferinn, Stdberinn, Zauberinn, da es der Sprache widerstrebt, de» Sen auf der vierten Sylbe vom End« zu Haden. Ben solchen Wörtern ist di» synkopirte Form unzulässig; den» wr könnte

von selbst, wenn dir Sprache eigne Ausdrücke für weibliche Subjette gewisser Begriffe hat, daß man darin dieselben nicht erst durch inn von ihren männlichen Subjekten zu bilden braucht. So steht dem Vater zur Seite die Mutter, dem Bruder die Schwester, dem Sohn die Tochter, dem Petter «nd Oheim die Muhme nnd Base, dem Onkel die Tante, dem fliessen die Nichte, dem Wittwer die Wittwe, dem Knecht die Magd, und man sagt also nicht Baterinn, Knechttnn u. s. w. So ist auch da« weibliche Wort für die männlichen Herr und Mann der Namen Fran; doch sagt man auch Herrinn, wenn man besonders auf den Begriff Gebieterinn aufmerksam m lichc) Waise, da« Kind. Auch braucht man andre Wörter, die sonst inn annehmen, in gewissen Reden-arten, eben so: der beste Koch und Schneider des Hauses ist die Hausfrau selbst. Hierbei darf man aber nicht gegen den Sprachgebraucy verstoßen, und z. D. die Gevatter statt Gevatterinn sagen f,wie z.'D. Fr. Lann im Roman: die verhängnißvolle Treppe, Leipzig, 1824 thut, wo et S» 2oo Frau Gevatter schreibt). Auf eine ähnliche Art unterscheiden die als Hauptwörter ge, brauchten Adjectiven, da- Geschlecht bloß durch den Artikel u. dgl. , so daß da« Feminin wieder kein inn ansetzt: der und

wohl Formen wie Jaudrer leiden, wenn sie gleich Saubrerinn geben würden." — Schabe, das diese neu«, #n< nicht länger »orenthaltn« Regel so sehr falsch in Srund und Folge ist! Wör­ ter wie Erkundigungen, Herrlichkeiten nebst unzähligen andern habe» den Ton auf der »irrten Sylbe; also widerstrebt da« dem Seist der Sprach« Nicht. Und wohin sollen denn de« Recensen­ ten Sauberinneu den To» nehmen, wenn er st« auch ih Zaube­ rin«» verderbt k Sem Aandrrr zu hart ist, der sage Sauberer; dagegen bat niemand da« Recht, Jau—bre—rinn, zu hart zu neu» nrn, da jeder friere», fror, Drehrolle sagen «ns, so bah r« Zie­ rerei ist, sich gegen da« einzige br« mit dem folgenden Buchsta­ be» r sperren zu «olle».

374 bk Heilige, der »ad die Schöne, der and die Deutsche (,«eil deutscher, e, e- eigentlich ein Adjectiv ist); hierher gehören be, sonders auch die Participien: der und die Geliebte, Liebende, Dekanate, Gelehrte, Verwandte, (nicht Derrvandtinn, wie z. D. Weitstog im Berliner Taschenkalender auf 1826, S-> 309 schreibt: deine Derwandtin,) der und die Gesandte, doch un, terscheidet man auch wohl die Gesandte, als eine selbst abge, sendete Person, von der Gesandtinn, al« der Frau eine« Ge, sandten. In Ansehung der Thiere nehmen mehrere ebenfalls kein inn an, wenn sie nämlich entweder für beide Geschlech, ter eigne Wörter haben: Kater, Katze, Stier, (Bulle,) Kuh, Täuber, Taube, Aentericb, Aente, Gänserich, Gan«, Hengst, Stute, Dock, Ziege und Schaf; oder wenn man die Geschlech, ter gar nicht unterscheiden kann oder will. So wie man näm, lich im Allgemeinen die Katzen, Gänse, Aenten, Ziegen sagt, und darunter auch zugleich deren Männchen versteht, so sagt man auch immer nur der Rabe, die Kräh«, der Adler, der Karpfen, der Häring, die Karausche, die Mücke, der Floh, die Wanze, der Jlti«, ohne je «deren Geschlecht (durch inn) zu unterscheiden. Will man die« durchaus thun, so muß man sich durch Umschreibungen helfen: der weibliche Rabe, die männliche Krähe, da« Männchen. de« Adlers oder der Adler, das Weibchen der Fliegen oder der Fliege. Diele andern, vorzüglich wichtigere nnd bekanntere Thiere nehmest dagegen ganz regelmäßig inn an: Löwinn, Elephan, tinn, Bärinn, Wölfinn, Hündinn, Eselinn, und namentlich sprechen di« Jäger auch von Füchsinnen, Dachsinnen, Häsin, nen, Luchsianen, und man kann ihnen nöthigen Falle« darin nachahmen; doch bezeichnen auch bei diesen Thieren die Na, men der Männchen im Allgemeine« dar ganze Geschlecht: die

(männlichen Hirsche «. f. Manche änderungen,

und weiblichen) Hunde, Tiger, Panther, Rehe, w. Wörter leiden verschiedene unregelmäßigen Der, ehe sie inn annehmen können. So setzt man

ast Vormund noch erst das so oft «orm inn stehende er, ehe «an diese Endung selbst anhängt, und sagt also die Bormün, derinn; von Abt leitet man richtig Aebtinn ab; um die Gat, tinn eines protestantischen Abt« zu" bezeichnen, aber man bildet noch immer nach dem Lateinischen abbatissa des Mittelalter« Aebtissina zur Bezeichnung einer «acholischen, unverheiratheten Aebtinn, so sprachwidrig da« auch eigentlich ist, indem man

auf diese Art da« weibliche Geschlecht durch zwei Endungen iss und inn bezeichnet. Im Gefühl dieser Wahrheit hat man

daher in neuern Zeiten auch allgemein das alte hässliche Wort Baronessinn s, baroneese) in Baroninn («Freiherrinn und Freifrau) abgekürzt, aber über die Krauen und Töchter der Prinzen, die selbst leider schon das c des princeps in z ver, wandeln müssen, weil sonst der Singular Prine wie Prink lauten würde, wie man doch nicht sprechen will, (wogegen die Republiken das t in f umändern,) kann man sich noch immer nicht vereinigen. Das italiänische principe und principessa hat man mit Recht vernachlässigt, aber die Franzosen haben uns durch ihr prinee und princesse verführt, Prinzessinn (,dem Mann gleich, mit z geschrieben,) und Prinzessinnen zu bilden, und es wird schwer sein, eine wohllautende und sprach, richtige Besserung durchzusetzen. Zwar sagen setzt viele in der Einheit Prinzeß, soll aber dann der Plural Prinzessen heißen, wie im Beckerschen Taschenbuche auf 1825, S. 30 sogar für den Singular steht? Das «erden die meisten Schriftsteller besonders im ediern Styl als gemein und übellaittend nicht annehmen, sondern lieber Prinzessinnen behalten wollen. (Ge, «iß wäre es am besten, unsre deutschen Fürstentöchter und Kürstenftauen auch echt deutsch Fürstinnen zu nennen, wenn nur ein Erb, und Kronfürst statt Erb, und Kronprinz nicht einen Doppelsinn veranlassen könnte.) Was nun endlich den Gebrauch der Endsylbe inn bei eignen Namen betrifft, so gesteht Adelung in seinem Wör, tcrbuch zu, daß zur Benennung der Gattinnen und Töchter es nicht alle Mannsnamen gestatten, ihnen inn anzuhängen: Jungfer Baumgarten, Krau Behrends, und daß man ohne Tadel Jungfer Schwarz , Frau Wolf und Frau Graf sagen könne, und oft auch wirklich sage, aber giebt es doch als Regel an, daß diese Namen fürs weibliche Geschlecht i n n an, nehmen sollen: Jungfer Schwarzinn, was im gemeinen Leben in «n übergehe: Jungfer Schwarzen. In seiner Sprachlehre giebt er dagegen die Einschränkung an, diese Ansetzung des i n n solle nur statt finden, wenn der Namen keine andre De, fiimmung (des Geschlechts) bei sich führe, und dies ist sehr gut, denn dadurch fällt seine ganze, gewiß nicht gute Regel weg, indem in der zusammenhängenden Rede immer eine Ge, schlechlsbestimmung des weiblichen Namens statt finden wird, ohn« daß man nöthig hat, demselben zu diesem Zweck inn an, zuhängen. Man sagt zwar: Schwarz soll kommen, ich will Schwarzen sprechen, aber man sagt nie: Schwarzinn soll kom­ men, ich will Schwarzinn sprechen, sondern der Genius unfe, »er Sprache zwingt uns, wenn kein anderes bestimmende«

376

Wort (,Frau u. s. w.) ha t-, «enigstens tat Artikel »orzu« setzen: die Schwarzinn soll kommen, ich will der Kästne« rinn etwas sagen, welche Namen Adelung seid- so mit »em Artikel als Beispiele anführt, in denen lan nothwendig wtre, «eil keine andre Bestimmung (des Geschlechts) statt fände. Er hat aber dabei nicht bedacht, daß ja eben der Artikel die in der That die »erlangte und gewiß vollkommen hinreichende Bestimmung des rveiblichen Geschlechts ist. Da nun als» die Deutschen, wie so viele andern D-lker, den Gattinnen und (unverheiratheten) Töchttrn den Namen ihrer Gatten und Däter beilegen, so lasse man sie denselben auch unverändert führen, was man ja bei vielen Endungen, besonders e», doch thun muß. Man braucht, um sich dafür zu bestimme», nicht erst den Gnind eines Recensenten Ramlers zu beachten, daß diese Abschneidung des inn »der en von den weiblichen Namen, welche zwar ursprünglich eia Barbarismus (?) sei, die Kürze in der Sprache sehr befördere (»Ramler hatt« «erlangt, das inn immer anzufetzen): sondern die Analogie der Sprache, und die Absicht, die Krauen «je die Männer zu nennen, sollte uns allein schon fest bestimmen, hiervon -ar keine Ausnahme zu gestatten. So wie man also sagen muß: Frau Steinhau« sen, so sage man auch die Doctorinn Bauer, Krau Werken» thin, Fräulein Hofmann,. Freundinn Augustin, Lousine Pe, terson, Jungfer Kuhn, Mutter Torchiana, um so «ehr, da Werkenchininn, Augustininn, Petersoninn, Torchianainn gewiß sehr hässlich klingen, und Adelung selbst sagt, daß Pittelkoen oder Pittelko'n, Kuhnen gemein ist, und man überdies bei diesem Ansätze, die Wilkinn, Wilken, nie wissen kann, ob der Mann Wilkinn, Wilken, Wilke oder Wilk, Werkenchininn, Werken­ chine oder Werkenthin heißt. Am schwersten wird es «ns, den Namen auf e das n »orzuenthalten, und doch ist es nothwendig, denn wenn «an die Spießken sagt, so weiß man, wie eben bemerkt ist, ja nicht, ob der Mann Spießken, Spießt oder Spießte heißt. Wer übrigen- durchaus- inn anfetzen will, darf doch nie dem Vocal de« Namen- den Umlaut geben: Mathilde Bäu­ erinn, denn Bäuerinn ist eine Dauerftau oder Bauertochter, Frau Wölfinn, den» die Wölfinn ist ein Thier. Der niedersächsische Anhang sch« oder fft statt inn ist auch aus se für sie, englisch fhe, verderbt: die Lmtmannsche, Köksche für Köchinn, Amtmännin» oder'Amtmännin», die Brun« nerfche für Frau Brunner. Schon im Safstfcheu sprach «an sch«: Danzer, Dauzersche, Tänzerin«, und t« Ungarischen

tliflrt man dafür nl: Gabornä, Gabors Kran, ezakatsn^ heißt de« Koch« Kran, und ein« (auch nnverheirathete) Köchinn. Schließlich bleibe man in Hinsicht der Orthographie da, bei, Inn mit zwei n zn schreiben, da e« nicht nut im Litern Oberdentsch beständig inne hieß: thie kniniginne, sondern

auch unsre geschärfte Aussprach« de« i für den Plural ein dop,

pelte« n nothwendig macht, wenn gleich j. D. Boß in seiner Luise und Zh. Hell im Renegaten immer nutz ein n schrei, ben: Gräfin, Heldin. 152) Die Endung irrn wird bloß zur Bildung abgelei, tetrr Zeitwörter an« fast allen Redecheilen gebraucht: buchsta, biren, halbiren; besonder« seht man sie an ftemde Wörter, um ihnen dadurch ein deutsche« Ansehn zu geben: stlidiren, exerci* ren, marschiren, deployiren, rcdelliren. Wenn man mit Adelung zugeben muß, daß der Ursprung

und erste Gebrauch dieser Endung ganz unbekannt sind, so fragt e« sich nun zuerst, ob dieselbe eine eigne Bedeutung hat oder nicht? Nicolai meint, für deutsche Wörter mit irrn die erst« Behauptung beweisen zu können, denn et sagt (in der Berliner Monatschrift, Mai, 1808) Folgende«: „Hand be, deutete in der ältern Sprache, außer dem Theile de« Körper« mit diesem Namen, unter entern Besitzung, Beihülfe, (wovon noch Handlanger, Handleistung übrig sind,) Geschicklichkeit im Verrichten, im Handeln (»davon händig, behend)ferner hieß im Altfriesischen era unb im Angelsächsischen ernian pflügen, da« Land bauen, und im erweiterten Sinn wirken, schaffen (,wie man im Elsaß noch sagt: den Acker eren, wovon (viel, leicht) Ernte oder Aernte herkommt); da nun in diesen Zeiten der Landbau fast allein Erwerb gab, so bedeutete e« auch ver, dienen, gewinnen (»englisch «am); also ist handiren, wofür wir gewöhnlich hantiren sprechen, durch feiner Hände Arbeit,

durch Geschicklichkeit im Handeln etwa« zu erwerben, hervor, zubringen, herbeizubringen suchen *). Eben so bedeuten schat, tiren, und die gemeinen schimpfiren, schändiren, ausschandiren

Schatten, Schimpf, Schande bereiten, stolziren Stolz an den

*) Xdeltwg schreibt gemthnlich hauttren, aber |. B. enterm Berte trödeln tin Bhrterduche auch Handthieren. 6r giebt an, daß e« dän. lautere, schweb, handtera, Ul. haabtiera heißt, und meint, es fei vermuthlich au« Hand und de« niedersächsischen ter en, tiren zusammengesetzt, da« ziehen und dann lärmen, Geräusch machen bedeutet, und der Stamm de« Intensiv« zerren ist, wie denn die« Wort auch im Niedersächsischen hanteren lautet.

378 Tag legen, Haseliren, Haselcicn hervorbringen, Hansiren (,ganz unterschieden von Hausen,) Erwerb von Hause zu Hause su, chen, und es ist ein großer Unterschied im Gründen und Grün, diren der Maler: die Leinwand gründen heißt sie mit (weißer, grauer, hellbrauner) Oelfarbe überziehn, die nach dem Malen (»Ucbcrinalcn) dann so wenig wie der Grund eines Gebäudes gesehn wird; das Gemälde grundiren heißt anfänglich leicht die Localfarben, die Perspective nebst den Abstufungen des Lichts und Schattens (,dic auch Gründe heißen,) ordnen und bestimmen. Dieser Auseinandersetzung liegt wohl gewiß etwas sowohl historisch als grammatisch Wahres zum Grunde; hingegen in Ansehung der unzähligen fremden Wörter auf irrn lasst sich nicht lezigncu, daß wir in ihnen keine Bedeutung der Endung ircn zu erkennen vermögen, sondern daß sie diesen Fremdlin, gen bloß das Ansehu dculschartiger Derben geben soll, wenn gleich Nicolai sagt, daß auch barbiren (,barbieren) bedeute, den Bart bereiten, bearbeiten, kritisiren, speculiren, intoniren, prosperircn Kritik, Spekulation, To», Wohlsein hervorbringen, an den Tag legen. Gewiß hat Adelung Recht, daß diese seltsam scheinende Bildung Wörter in unsere Sprache gebracht hat, welche nun einmal theils als Kunstwörter in verschiedenen Künsten und Wissenschaften eingeführt sind, theils aber aus Unkenntniß der gleichbedeutenden deutschen Ausdrücke, und theils auch aus kindischer Ziererei im gemeinen Leben von vielen nur zu oft gebraucht werden. Jene Kunstwörter werden wohl nie wieder aus unserm Sprachgebrauch entfernt werden können; hingegen alle übrigen entbehrlichen Wörter auf ir-cjt, die aus fremden Sprachen entlehnt sind, muß man billig so selten wie möglich brauchen *). Aber auch nur die entbehrlichen, denn •) Was sich nur irgend gegen diese Fremdwörter auf Iren sagen lässt, hat wohl Kolb« (in seiner Sprachmengerei) ausgesprochen ; darum mög» hier der Hauptinhalt seines freilich zu scharfen und zu weit ausgedehnten Ladet» stehen: „Iren, wie izare de« Mittellateins, ist noch miffftrmigrr als die», weil es dir fremden Wörter, wie es in der Grundsprache sie vorfindet, gan» unverindert, und gleichsam mit Haut und Haar «inschleppt, und «eil «< zwei gleich stark ausgesprochne, völlig gleichbedeutend« End­ sylben verbindet, deren rin« di« andere übersetzt: divrrtir— en, reussir—en u. s w. (;man denke sich im Lateinischen moechrin ari oder moechrnein—ari, exantlein—ere r wenn schon cheracterizare dir Römer empörte, was würden sie erst su dem wech«

buchstaben für buchstabiren, halben für halbiren, Puncten für punctiren waren keine Verbesserungen, und skalpiren, tattowiselbalge charaet-rizein—ane gesagt haben!) Es ist also trea eine Zwitterendung von so widerwärtigem Ausdruck, daß sie für sich schon hinreicht, auch gute deutschen Wörter, wenn sie sich an sie schließt, -u schänden, welcher (war) Formen wie hosiren, halbiren, buchstabiren, trattiren, ausschändiren u. s. w. genugsam bu weisen; man vergleiche hier nur Wörter wie trotten, beschimpfen, schönden, Hausen (?), erlustigen, (für das schlechte verlustiren,) rotten (für rottiren) u. s. w., die selbst die Poesie nicht zurückweiset Iren ist eigentlich ein Doppelinfinitiv, nämlich ein fran­ zösischer er oder in, und ein deutscher en, und wie die Zusammenstellung gleichbedeutender Wörter aus zwei verschiedenen Sprachen ungereimt und barbarisch klingen würde: mon meip fr^re Bruder, eben so ungereimt und barbarisch ist an und für sich die Zusammenstellung des ir und en. — Zwar hat man die Entdeckung gemacht, daß iren vom friesischen era Herstamme; — (lassen sich denn Gefühle durch umtappende Etymologien hinweg­ vernünfteln? —) sollte das aber sein, so müsste auch diese Syl­ be, wie ähnliche haft, heit, bar, für die Deutschen inhaltvoll sein; (Anm. das sagt ja auch Nicolai;) aber nicht nur hat sie keinen Inhalt, sie kann keinen haben, denn en sagt schon alles, was hier gesagt werden muß und darf; es spricht für sich allein schon bestimmt und fest den allgemeinen Begriff der Handlung aus; ir ist offenbar ein inhaltloser leerer Schall, ein bloßer Lücken­ büßer, einzig bestimmt, die deutsche hier freilich nicht entbehrliche Schlußsylbe herbeizuführen und zu tragen. Biele französischen Formen würden ohne diesen Uebergang sehr entstellt und ganz unverständlich zum Ohr gelangen: regen, dinen, soupen, rangen von regir, diner* souper, rangen. UebrigenS lassen sich wohl noch immer mehrere fremden aber keine deutschen durch iren in unsre Sprache zwängen, ein Beweis, daß ir nicht deutsch, sondern eine fremde Sylbe ist. Ueberdies verstoß?» die Wörter auf iren gegen ein Grundgesetz unsrer Sprache, indem ihr völlig inhaltloser fremder Laut den Vollton so entschieden auf sich nimt, daß er nicht nur die bedeutendere deutsche Nebensylbe überschreit, sondern selbst der Stammsylbe

nicht einmal den Halbton lässt: grundiren, schattiren. (?) End­ lich erhielten wahrscheinlich auch deswegen die Wörter auf iren im Particip kein ge, weil die Erfinder jener Form wohl fühl­ ten, daß fremde Wörter, zwischen zwei vaterländischen Elemen­ ten eingeklemmt, ein gar zu buntscheckiges Ansehn gewonnen hätten " — Man vergleiche übrigen- hiermit Krause's Lagblatt des Menschheitlebens, Numer 20 des literarischen Anzeigers. Heise (in seiner größer» Sprachlehre, 1820) nennt alle Wörter wie halbiren, schattiren,- buchstabiren, (das er aber doch selbst oft genug braucht,) hausiren, (das ursprünglich aus dem schlech­ ten Mönchslatein hauaare genommen sei,) aus dem Grunde ver­ werflich, weil die Bestandtheile, aus benen ein neues Wort ge-

380 ren möchten sich mit sehr vielen andern wohl gar nicht ersetzen lassen; eben so wenig schattiren, grnndiren u. s. w. Was nun die Orthographie dieser Endung betrifft, so sagt Adelung, wenn gleich die meisten sie iren schreiben, daß doch überwiegende Gründe für ie sprächen, deren wichtigster darin bestehe, daß im Deutschen die Dehnung des i fast im, mer durch « bezeichnet wird, sogar bei fremden Wörtern, die in ihrer Muttersprache kein ie haben: Rappier, Tournier. Gewiß hat derselbe Recht, daß man auch die von solchen Stämmen herkommenden Derben mit ie schreiben muß: rap, Pieren, tournieren, petschieren von Petschier, einqnartieren von Quartier, reviercn bei den Jägern, von Revier, visieren von Visier, (obgleich z. D. Döbel das Disir, Disirkunst, visiren, schreibt,) eben so wie frieren, schmieren, in denen daS ier zur Wurzel gehört. Hierzu könnte man auch Darbier, barbier und Tapezier rechnen, (das aber französisch tapissier heißt,) deren Ableitungen barbieren, tapezieren fast allgemein mit ie geschrieben werden. Da nun aber Adelung selbst zugeben muß, daß die meisten Schriftsteller daS iren ohne e schreiben, so ist es gewiß am besten, bei dieser Schreibung zu bleiben, und daS um so mehr, da das ie sogar nicht unbedeutende Un, -equemlichkeiten veranlassen würde. Adelung bemerkt nämlich ganz richtig, daß mehrere Zeitwörter zur Ungebühr um eines der beiden ihnen zustehenden i gebracht würden; offenbar ist eS also besser, dies nicht zu thun, und injuriiren, variiren, pronunciiren zu sprechen und zu schreiben, indem das erste i zum Stamm gehört, daS zweite aber daS i der ableitenden Endung iren ist. Nur bei copiren lässt der Sprachgebrauch

bildet wert« soll, echt deutschen Ursprung« sein müsste«, und iren eine fremde Sylbe sei. Ist denn die« aber bewiesen, und ist nicht selbst sein Grunbsah, in dieser Allgemeinheit aufgestellt, ganz irrig? Will er Wörter wie christlich, Religionen und neue Wörter wie dynamisch, tattowir« verwerfen, weil die Bestand« theile nicht echt deutsch sind? Uebrigen« versteht e« sich von selbst, daß in liefern ganzen Paragraphen nicht die Rede ist von solchen Wörtern, in denen da« ier der Endung leren »um Stamm gehört, z. B. frieren, schmieren. Doch auch in solchen Wörtern bezeichnet da« e die Dehnung de« i, weswegen es am besten ist, weiter kein Deh­ nungszeichen darauf folgen zu lassen, und z. B. mit Bührleu im wartin«ade»d, Leipzig, 1835, LH. 1, S. 133 verltehren statt verlieren zu schreiben. Ja e« ist eben deswegen, weil man ver­ liere» richtig ebne h schreibt, sogar besser, auch »ess« Lblettung verloren ohn« h zu lasse».

allgemein ein I weg. Wenn man solche Wirker nnn aber mit ie schreiben wollte, so erhielten sie doch ein gar zu be# fremdendes, auffallendes Ansehn: variieren, injuriieren. Don linea bildet man Linie, und davon (Notenpapier) liaiiren, (da- in AdelungS Wörterbuch fehlt,) daS wohl schwerlich je­ mand liniieren schreiben möchte. Endlich bemerkt Adelung, daß die alten Wörter regieren, spazieren (von spatium) fast von jeher mit j« geschrieben worden sind; man nehme daher diese vier Wörter barbieren, regieren, spazieren, tapezieren von der Regel au«, alle Zeitwörter mit dem ableitenden irrn ohne e zu schreiben. Adelung selbst lässt ebenfalls das « weg, und Göthe schreibt in der Braunschweiger AuSgab« von Herr, mann und Dorothea sogar regiren, doch behalten eS immer auch noch manche guten Schriftsteller bei; so schreibt Reinhard in seiner neuesten Ausgabe von Bürgers Gedichten (.Berlin, 1823) kaschieren. 153) Die uralte Endsylbe isch hieß beim UlphilaS, spä­ ter bei den Angelsachsen iSk; selbst schon Tacitus führt die deutschen Namen Teutiscus, Nariscus (, Cheruscus) an. In Ansehung deS Begriffs vereinigt sie die Bedeutungen der beiden Sylben ig und icht, und Adelung sagt, sie sei eben nichts weiter als diese Sylben, die in einer zischenden Mund, art in isch übergehen, wogegen Ramler umgekehrt ig und icht von isch abstammen lässt. Sie bildet Adverbien aus Haupt, und Zeitwörtern, und zwar 1) aus Gattungswörtern, (die selbst wieder oft von Zeit, Wörtern abgeleitet sind,) bei denen sie eine doppelte Bedeutung hat, denn sie bezeichnet, a) wie die Sylbe ig, einen Besitz, ein Angehören, eine Anwesenheit, ein Haben; und zwar a) den Besitz der durch das Stammhauptwort bezeichneten Sache oder Eigenschaft: neidisch, Neid habend, besitzend, tückisch, Tücke habend, mißtrauisch, Mißtrauen besitzend, und so auch einheimisch von heimisch, eine Heim, eine Heimath an einem Orte habend, so wie das gemeine stätisch (ist daS Pferd), waS eine Stäke, eine feste Stäte, einen bestimmten Ort besitzt, ein, nimt, und nicht verlassen will; ß) «in Angehören, Gehören, Zugehören zur Person oder Sache des Stammworts, und ein Herkommen, Herrühren, eine Ableitung von ihr, eine Begrün­ dung in ihr: philosophisch, ein philosophischer Kopf, Aussatz, Versuch, Entschluß, höllisch, waS zur Hölle (hin) gehört, oder etwas, daS auS, von ihr herrührt, himmlisch, gichtische Zu­ fälle, die von der Gicht herrühren, besonders in sehr vielen fronten Wörtern, in denen die lateinischen Endungen is und

382 us von ilis, inus, aris, anus u. s. w., nnb besonders das icus (und griechische wcog) in das zischende isch übergegangen sind: katholisch, catholicus, katholikos, biblisch, mystisch, zur Mystik gehörig, in ihr ge, oder begründet, von ihr herrührknd, volatilisch, volatilis, salinisch, salinus, militärisch, militari», republikanisch, republicanus; y) eine Fertigkeit, eine Fülle, ein« Neigung in und zu dem Begriff des StammwortS, das bei den meisten Wörtern dieser Art eben so gut oder noch besser das Zeitwort als daS davon abgeleitete Hauptwort des Stammbegriffs sein kann: zänkisch von Zank oder zanken, wer fertig, geschickt im Zank oder Zanken, voll des Zanks oder ge, neigt zum Zanken, zu Zank ist, höhnisch, spöttisch, stürmisch von Sturm, mürrisch von murren oder (das) Murren. H^r, her gehören auch viele niedrigen Wörter wie läufisch von kauf oder besser laufen, wetterwendisch u. s. w. In neuern Zci, ten wollen manche Schriftsteller hierbei verschiedene Dedeutun, gen nach den verschiedenen Stämmen einführen, und unter, scheiden: aufrührisch, d. h. im Aufruhr begriffen oder zum Aufruhr geneigt, und aufrührerisch, was von Aufrührern her, kommt, ihnen zugehört, eine aufrührerische Redensart; eben so verführisch, zum Verführen geneigt, wer gern und viel ver, führt, und verführerisch, waS einem Verführer zukommt (oder ihm ähnlich ist) u. s. w., aber der Sprachgebrauch hat diese Unterscheidungen noch nicht ausgenommen. (Adelung schreibt aufrührisch, verführisch.) In manchen Wörtern dieser Art ist die Bedeutung passiv, und der Stamm offenbar ein Zeitwort; z. D. das niedrige Wort angreifisch ist diese Waare, von an, greifen, d. h. sie ist geeignet, angegriffen zu werden, zum An, griff geeignet, b) In der zweiten Hauptbedeutung stimmt die Sylbe isch mit icht (und lich) überein, denn sie bezeichnet die Aehnlichkcit, Gleichheit, Uebereinstimmung, einer Sache mit dem Begriffe des Stammworts, welches hier immer ein Sub« stantiv ist: himmlisch (ist die Gegend), d. h. dem Himmel ähn, (ich, höllisch, närrisch, kleinstädtisch, so auch heidnisch (statt hei, disch) von einem alten Nominativ dex Heiden, und im ver, ächtlicbcn Sinn schweinisch, viehisch, bäuerisch. Hierher gehö­ ren besonders viele Ableitungen von Substantiven auf er, die eine männliche Person bezeichnen, und deren Adverbien eine dem Stammbegriff gleichkommcnde Beschaffenheit ausdrücken: er nahm sich verrätherisch, betrügerisch, räuberisch, kriegerisch, ketzerisch, heuchlerisch, d. h. einem Verräther, Heuchler ähnlich, gleich. Auch viele fremden Wörter setzen das isch in der De, dcutung der Ähnlichkeit an: prstilenziälisch (oder pestilenzisch).

383 paradiesisch, pedantisch (redete er mich en), majestätisch, mo, narchisch. 2) Auch eigne Namen nehmen sehr häufig diese End, sylbe an, welche in ihnen ebenfalls ihre beiden Hauptbedeu« hingen vereinigt, indem sie bald einen Besitz, ein Angehöreu, einen Ursprung, ein Herkommen, bald eine Aehnlichkeit, Gleich« heit oder Uebereinstimmung ausdrückt. Diese Namen sind a) Dölkernamen: französisch von Franzose, jüdisch von Jude, so auch deutsch von Deut (§. 13), und wälsch von Wale, Wahle oder Walle, schwedisch val, angelsächsisch weal d. h. fremde; (im Dernischen heißt malen noch jetzt in unverständlicher Sprache reden, und schon Notker sagte in uualescun für la« teinisch; verwandt damit ist wohl gewiß Gallier, Wallis, Wal« lache!, und vielleicht azich wallen und wandern;) b) Länder« namen: preußisch von Preußen, spanisch von Spanien, lom­ bardisch von Lombardei, polnisch von Polen, (statt polisch, polsch, wie z. D. Bernd in seinem Werke: die deutsche Spra­ che in Posen, Bonn, 1820, auch schreibt,) amerikanisch von America und americanus, asiatisch von Asia, Asien und asiaticus, genuesisch von Genua und dem italiänischen genuese; c) Ortsnamen (/Städte-, Flecken - und Dorfsnamen): pots­ damisch, atheniensisch von Athen und atheniensis, konstant!« nopolitanisch von Konstantinopel und constantinopolitanus, wienerisch (statt wienisch) von Wien und Wiener, meißnisch oder meißnerisch von Meißen; d) Perso.nnamcn: lutherisch, paulinisch von Paulus, Paul und paulinus, theodosianisch (und theodosisch) von Theodosius und tbeodosianus, die ernestinische Linie von Ernst, Ernestus, ernestinus, das karstensche (statt karstenische) Lehrbuch. Diese ganze Auseinandersetzung hat nun schon gezeigt, daß man sich bei der Bildung der Adverbien auf isch, des Wohllaut- wegen, mancherlei Veränderungen der Stamme er­ laubt. Besonder- werden die Endungen e und en (fast) im« mer weggeworfen, (nur der Deutlichkeit wegen nicht bei den Person« und Städtenamen: posenisch nicht posisch,) und so auch ien, ei, icus, u», is u. s. w. Diele Ableitungen neh­ men dabei den Umlaut an, viele aber auch nicht, z. D. alle Personennamen: kantisch, wölfisch nicht wölfisch. Zuweilen fällt, wenigstens scheinbar, auch die Endung er weg: hebräisch von Hebräer und hebraicus, lateinisch, die lateinischen Kö­ nige, von Lateiner, latinus (, weswegen z. D. Pauli und Wolke latinisch schreiben); andre Veränderungen sind noch un« regelmäßiger: lexikalisch von Lexicon, lexica, lexicalis, fum«

384 mansch von Summa, »ummantle. Es ist bereit« oben er, wnbnt, daß einige Sprachlehrer aufrührisch und aufrührerisch, versührisck und verführerisch unterscheiden wollen, ein verfüh, rerischcs Mädchen, das einem Verführer ähnlich ist, und leicht (,auch ohne eigene Neigung dazu,) »erführt; diese wollen dann auch berlinerisch, schweizerisch u. s. w. von den Einwohnern, »en Berlinern, Schweizern, und berlinisch, schwedisch von den Städten und Ländern sagen, aber Adelung nennt da- eine Grillenfängcrei, die Aichinger angegeben und Hempel ihm nach­ gebetet habe. Doch führt er selbst an, daß englisch, irisch, schottisch, cnrisch, esthnisch vom Volke, (da- man aber doch auch Engländer, Irländer (und Iren), Cnrländer (,selten Eu­ ren) nennt,) hingegen engländisck, irländisch, schottländisch, cur, ländisch, esthländisch vom Lande gebraucht werde. Indessen auch dieser Unterschied wird nicht allgemein beobachtet; man sagt da- Grün der englischen Wiesen, da- curische Haff, so wie der finnische Meerbusen u. s. w., und meint damit gewiß die Länder, und nicht die Einwohner. Da- Wort esthnisch von den Ehsten hat übrigen- unregelmäßig (wie polnisch) dan behalten. (Noch bemerkt Adelung: sicilianisch, italiänisch, venetianisch, indianisch brauche man nicht in sicilisch, italisch, »enedisch, indisch zu verändern, weil diese Wörter keine dop, pcltc Ableitungssylbe (?) hätten; doch sei die letzte Form in einer andern Betrachtung auch richtig, al- Ableitungen von Sicilien, Venedig (?)). Um des erwähnten Wohllaut- willen vermeidet man viele Ableitungen auf isch entweder ganz oder doch so sehr wie mög, lich; man braucht höchst ungern so harte Wörter wie stiftisch, gebirgisch, waisenhäustsch, sondern wählt dafür lieber Umschrei, bungen (, Land de- Stift-, Bewohner, Gegenden der Gebirge, Buchhandlung, Einrichtung des Waisenhauses); bei andern wirft man wenigsten- da- i von isch weg: lcipzigsche Kuchen, die nauensche Straße, so wie Mensch wohl eigentlich ein Ad, »erb für männisch von Mann ist. (Adelung bemerkt, daß Mensch als Hauptwort schon bei den ältern Aegyptern manesch, beim Kero mennisch, beim Ottfried inennisco, mennisg, beim Notker mennisebo, im Angelsächsischen mennisc hieß u. s. w. Nachdem derselbe hinzngesetzt hat, daß freilich schon beim Ulphilas da- Adverb manniska und beim Kero manask vorkommt, so führt er gegen die Meinung, daß daWort Mensch au- einem Adverb in ein Hauptwort überge, gangen sei, Folgende- an: „der Uebergang solcher Beiwörter in Hauptwörter ist selten; e- giebt auch eine substantiv« Ab, lestnng-.

leltungssylbe isch, wie in Harnisch, dem alten hiouisk, dl« Familie, und vielleicht noch in einigen andern; hier scheint isch da- angelsächsische aesc, altschwedisch ask, ein Mann, Mensch, »nd vielleicht im weitern Sinn ein Geschöpf, ein Ding zu sein, was mit dem (isch), ein Mann, genau übereinkommt; man-ask, men-isch, Mensch würde also eine Zusammensetzung aus man in seiner ältern allgemeinem Bedeutung für Mensch, und ask, isch sein, und ein menschli, ches Geschöpf, ein menschliches Individuum bedeuten.") Da­ bei weitem wichtigste Hülfsmittel zur Vermeidung der harten Wörter auf isch geben indessen die Genitiven des Plurals der Hauptwörter auf er: Leipziger und leipzigsche Lerchen; und da hierüber in neuern Zeiten so viel Sonderbares gesagt ist, so muß diese Form schon ausführlicher besprochen werden. Heinsius (im Tcut) meint, „man nehme die Sylbe er, um Natur / oder Kunstprodukte eines Orts zu benennen: Pariser Bluthochzeit aber parisische Sitten, Potsdamer Band und potsdamsche Moden, und so sage man nicht Jenaer son­ dern jcnaische, höllische Literaturzeitung, nicht Berliner sondern berlinische Zeitung, nicht Potsdamer sondern potsdamisches Waisenhaus, weil hier nicht vom Besitze eines physischen Ge­ genstandes, sondern von moralischen Kräften und Geistespro, ducken die Rede sei, welche der ganzen Welt angehörenaber abgcsehn davon, daß die Regel unbestimmt bleibt, indem ein Haus und Waisenhaus doch offenbar ein Kunstproduct ist, so wird sie vom Sprachgebrauch durchaus nicht beachtet, und ist durch nichts begründet, so daß Heinsius sich selbst genöthigt sicht, sogleich hinzuzusetzcn, cs herrsche dabei viele Willkühr: Prager, Zorndorfer Schlacht; also dient dieselbe auch wohl zu nichts. (Noch bemerkt Heinsius, die Sprache benenne der Deutsche nicht nach den Ländern, sondern nach den Einwoh­ nern: französische, (nicht frankreichischc,) russische, dänische, deutsche, (englische, der Angeln) Sprache; aber auch das ist nicht ganz richtig, denn man sagt z. B. der westphälische, lau, sitzischc, pfälzische Dialekt, die isländische Sprache.) Grotefend (in den Abhandlungen der frankfurtischcn Gesellschaft für die deutsche Sprache) sagt (sehr richtig): ,,1) die E r form kann nie als bloßes Adjectiv gebraucht werden, son­ dern lässt sich nur als Substantiv, und zwar als Genitiv der Mehrheit auffaffen. 2) Daher muß diese Er form entweder mit dem Hauptwort als ein einziges Wort verbunden werden: Frankfurter,Zeitung, (das ist aber gewiß nicht gut,) oder es muß daS vorstehende der als Genitiv zu Frankfurter gezogen OaMtt Spracht. 25

386 werten, (so spricht aber niemand: ich habe der Frankfurter Zeitung gelesen, sondern die Frankfurter Zeitung,) wenn man nicht die alte Redeweise wieder aufnehmen will, daß vor un# besvmmten Grundbenennungen (?) der Genitiv der Mehrheit auch ohne Pronomen (?) stehen kann, wie im alten Reim r hätt ich Venediger Macht, Augsburger Pracht, Nürnberger Witz, Straßburger Geschütz, Ulmer Geld, wär ich Herr der ganzen Welt. (Warum soll man denn das nicht dürfen, da diese Redeweise, wenn auch alt, doch nicht veraltet ist, und sich noch im Singular, wo der Sinn deutlich bleibt, d. h. beson, dcrs bei eignen Namen ohne den Artikel des Genitivs, und immer freilich ohne den Artikel des letzten Worts, erhalten hat: das ist Gottes Wille, GitheS Lebest, Potsdams Lage, ich habe LageS Last und Hitze getragen, oder deS Tages Last und Hitze, (doch auch die Tageslast) *). Auch der Genitiv deS Plurals wird sehr oft vorgesetzt, nur freilich der Deutlichkeit wegen ge, wöhnlich nicht ohne Bestimmungswort: der Götter Wille, gu< ter Menschen Geschenk.) 3) So lange diese Redeweise nicht wissenschaftlich anerkannt wird, darf die Er form nur in volkt, thümlichen Ausdrücken, besonder- bei Handelswaren und Mün, zen, bei allgemeinen Erzeugnissen der Natur und Kunst, bei Benennungen der Stadttheile und andrer örtlichen Gegenstände gebraucht werden. (Da hat sie doch Spielraum genug, und sie darf deswegen wohl mit Recht darauf Anspruch machen, auch von den Grammatikern als echt deutsche Redeweise für diesen Fall anerkannt zu werden.) 4) Sie darf nur zu Anfänge eit neS aus Hauptwort und Beiwort bestehenden Begriffs gebraucht werden; man kann wohl sagen: die Hanauer neue Zeitung, (wie wollte denn daS Grotefend nach seinem ersten Vorschläge in Nr. 2 schreiben, etwa: Hanauer/neue?) aber nicht die neue Hanauer Zeitung, (warum denn nicht?) eS sei denn, daß man Hanauer/Zeitung alS ein Wort betrachtet. (WaS kann diese orthographische Betrachtung denn für Einfluß auf die lo, gische Bestimmung deS ganzen Satzes haben? Darf ich f», gen: die Hanauer Zeitung, so darf ich auch sprechen und schrei, ben: die iebe, löschpapierne, von uns allen ersehnte neue Der, (inet Zeitung zeigte mir zuerst meinen Lotteriegewinnst an, da­ bleibt immer die Zeitung der Berliner, d. h. die in Berlin, ♦) So schreibt selbst Dr. Nürnberger in der lltbersttzung des An« drvkluS Aul. Gell. Noct. V. i4: bald legen Jubels Wogen sich, und mit Hauptes majestttschem Reigen statt des Jubel« und Hauptes. M. s. Seituug für die elegante Wett, 1835, Rr. 14.

aber nicht bloß für Berlin gedruckt wird.) S) Sie kann nur stehen, wo sie sich auf die Bewohner, nie, wo sie sich auf Ort und Land selbst bezieht. Eine Frankfurter Gesellschaft wäre eine Gesellschaft von Frankfurtern oder für Frankfurter, «ichs eine in Frankfurt gestiftete Gesellschaft. (Dies ist gerade daGegentheil von Heinsius's Regel: Pariser Blnthochzeit, und gewiß ganz falsch, da jedermann vom Wiener Congreffe und der Pariser Convention spricht, die gewiß nicht von Wienern uÄd Parisern oder für sie, sondern gerade in Wien und Pa, ris zu Zwecken statt fanden, welche dieser Ausdruck ganz litt, bestimmt lasst.) c) Sie ist nicht edler als die I sch form, sondern noch eher als diese einer nachtheiligcn Auslegung fä, hig, da sie bloß volksthümlich ist. (Das ist nicht recht deutlich, aber richtig ist cs gewiß, daß isch keine unedle Form bildet wie stark und wiederholt dies auch Adelung aussprechen mag.) Dagegen sagt Seel: „die Erform ist nicht immer als Genitiv, sondern als Nominativ zu nehmen, wird aber ganz als (,soll heißen wie ein) Adjectiv behandelt, betont und ge, stellt; daher sagt man Nürnberger getrocknete Eier zum Utu terschiede der Bamberger, und getrocknete Nürnberger Eier zum Unterschiede von frischen. (So richtig die Beispiele mit ihren Erklärungen sind, so beweisen sie nichts für die aufge, stellte Behauptung, und diese selbst ist unbestimmt, insofern die Erform nicht immer für den Genitiv zu nehmen sein soll, und unrichtig zugleich, insofern sie grammatisch nie wie ein Adjectiv behandelt werden kann.) Die Erform (,sagt Seel weiter,) bezeichnet eine Landsmannschaft eines Dinges: ich bin ein Frankfurter Bürger heißt: ich bin ein Frankfurter als Bürger, der Geburtsort meiner, des Bürger-, ist Frankfurt. So auch die Prager Schlacht, der Rastadter Frieden, der Straßburger Münster, sind geborne Prager, Rastädter, Straß, bnrger, und so ist auch ein Frankfurter Verein ein eingeborner Frankfurter. Isch bedeutet, daß etwa- nach Art und Weise eines andern Dinges sei, ohne doch das Ding selbst zu sein: kindlich, was zur Natur und zum Wesen eines Kindes gehört; kindisch, was bloß nach Art und Weise der Kinder ist. (Da­ ist gewiß ganz unrichtig: verzeih dem Kinde seine kindisch« Furcht heißt gewiß die Furcht, die zu seinem Wesen gehört.) Die Erform bezeichnet das Eingeborne, Einheimische, am Ort Erzeugte, die Ischform, was nach Art uyd Weise eines Ort­ oder eine- Landes ist, und nur dann und da das Einheimische, wo man von den Städte, und Ländernamen die Erform Nicht bilden kann, oder wo Stadt und Gebiet gleiche Namen 25 *

aas führen.

Die Dauern aus dem rtlnische» Gebiet heißen nie

kölner (.Kölner) Bauern, die Kaufleute auS der Stadt Köln nie kölnische Kaufleute. (Auch die- ist wieder ganz unrichtig; man sagt allgemein: märkische Rüben, ob man gleich Märker Rüben bilden könnte, und eS keine Stadt giebt, die gleich dem Gebiet Mark hieße.) Grotefend leugnet auch mit Recht diesen Unterschied, und sagt: „1) oft darf nur die Er form stehen; dahin gehört, wo die Er form auch allein stehen könnte (ohne Hauptwort): ein Frankfurter Bürger und ein Frankfurter; (diese Behaupt tung ist wieder zu weit und zu allgemein; man sagt auch: ein berlinischer Bürger ist kein nauenscher, ob man gleich ein Der« liner sagen kann; paffende Beispiele für dieselbe sind: Cham­ pagner, Johannisberger, Tokaier Wein;) 2) oft kann nur die I sch form stehen, z. B. bei Benennungen, die von den Na­ men einzelner Personen, Flüsse oder solcher Lander gebildet sind, deren Bolksnamea die Er form nicht zulafft. (Diese Be­ merkung ist sehr richtig: die vossische Uebersehung, die rheini­ sche Sage, eine türkische Gewohnheit, wo man Türkeier oder Türker, gar nicht bilden kann, so auch englischer, ungarischer, französischer Stahl.) 3) In allen übrigen Fallen kann sowohl die Er, als I sch form stehen, nur die Er form nicht adjekti­ visch sondern als Genitiv. Bei Zweifeln muß man nicht so­ wohl auf die Bedeutung als auf die Verbindung mit andern Wörtern sehen, denn die Er form darf nur stehen, wo auch statt ihrer ein Gattungsnamen auf er, oder ein Völkernamen auf e n, (dies ist zu eng und zu unbestimmt ausgedrückt,) oder «in Personnamen in der Einheit stehen könnte. Durch den Ausdruck Dichterweise rechtfertigt sich auch Frankfurterweise, (Weise,) durch Sängers Lebensweise auch Frankfurter Lebens, weise, durch Heffenland auch Frankfurter Land, (?) durch Pe­ ters Aue auch Frankfurter Aue, durch Werthers Leiden auch Frankfurter Leiden. Außerdem kann die Er form höchsten« nur gestattet werden, wo unsre Vorfahren den Genitiv der Mehrheit ohne Artikel zu sehen pflegten, wie in Frankfurter Wonne uni' ähnlichen Ausdrücken des gemeinen Lebens". Gegen alle diese Aufstellungen sagt nun der Recensent der Abhandlm gen der frankfurtischen Gesellschaft für deutsche Sprache im ersten Jahrbuch der berlinischen Gesellschaft für die deutsche Sprache Folgendes: „die Er form ist kein Geni­ tiv sondern wird als Adjectiv gebraucht (;es ist schon bemerkt, daß die- ein Irrthum oder doch ein Wortstreit ist: die Er, form ist unstreitig ein Genitiv der grammatische« Form nach.

wird aber In logischer Hinsicht wir ein (,nicht als) Adjectiv ge, braucht): ich lese nicht die hallische Zeitung sondern die berli, «er. Wie kann in ein Berliner Bürger, Prager Schlacht, Utrechter Frieden ein Genitiv sein? (DaS ist schon beant, wertet.) ♦) Man sagt nicht ein Heffenbürger, und doch ein

•) ES ist ganz unbegreiflich, wie so viele Sprachlehrer die Erform für ein Adjectiv halten können. So sagt Dölcke in Seebode'S Bibl. i8'y, II, in seinen Bemerkungen über Grotefend'S Aufstellung: frankfurter ist so gut ein Adjectiv wie frankfurtisch, und ein Frankfurter ist nur so ein Hauptwort wie ein Kranker, wobei Mensch ausgelassen ist, wie bei Frankfurtevmusgelassen ist Bürger." Sieht man denn nicht ein, wenn Frankfurter ein Ad­ jectiv wie kranker wäre, da- e- auch heißen müsste: eine frankfurte Bürgerinn, ein fraakfurte- HauSS Dies fühlt Dölcke, und sagt deswegen in einer Anmerkung: „ein Unterschied ist freilich -wischen dieser Er form und den andern Adjectiven; diese lassen nämlich eine doppelte Endung -u, e und er: der große Mann und ein großer Mann, da jene nur er haben". Bedachte aber Dölcke nicht, daß diese doppelte Endung gerade zum We­ sen aller Adjectiven gehört, und daß Frankfurter gerade schon deswegen kein Adjectiv sein kann, weil e- dieselbe nicht hat) Und was will er denn auf meine vorige Bemerkung antworten) Dölcke führt fort: „würe frankfurter kein Adjectiv, so müsste man auch schreiben können Frankfurtergelehrtenverein, waS Grotefend (mit Recht, aber aus andern Gründen,) nicht -ugeben will; daß man Gchweizerküfe schreibt, rührt von dem Tone her, wel­ cher hier ander- ist als in frankfurter Bürger; durch die Beto­ nung wachsen beide Wörter in eines zusammen, wie Großvater, Borrath." Sieht denn Dölcke nicht, daß er sich Lier wieder mit seinen eignen Waffen schlügt? Sollte Schwei-erkase dem Groß­ vater analog gebildet sein, so müsste auch schweizer die Adver­ bialform vom Adjectiv schweizerer, wie groß von großer sein, und e- müsste also ohne Zusammensetzung in der Adjectivform heißen ein frankfurterer Bürger. Und da- wäre etwa- aanz Neue-! Noch bemerkt Dölcke: „Römer und Lateiner gehören nicht hierher, denn da- sind bloß Hauptwörter, und man kann nicht sagen ein römer Bürger, wie ein frankfurter Bürger." Lauter Inconsequenzen! Bon diesem bloßen Hauptwort sagt man doch allgemein sowohl nacb Römer Art, al- auch Römer­ blut; daher bleibt auch Frankfurter ein Hauptwort, mag man

sprechen, betonen und schreiben: nach Frankfurter Art, oder nach Frankfurterart, wie da- Berliner Blau ist berühmter al- das Berliner Roth, und: da- Berlinerblau ist so bekannt wie daFrankfurterschwarz. Auch Radlof in seiner Schreibung-lehre schreibt: die schweizer Lruppen, nennt schweizer ein Adjectiv, und sagt: die schweizer Lruppen sind Lruppen der Schweizer, und brauchen nicht lauter

Schweizer zu sein, nie etwa Schweizer Lruppen." Weiß denn

Frankfurter Bürger, uM -ei Werthers ttnb Frankfurter Leide» Ist Leide» auf ganz verschiedene Art zusammengestellt, und et -«ziehen sich die Frankfurter Leiden auf die Stadt, nicht aber auf die Einwohner. (?) Die Sache ist so: 1) die Erform alt (, wie ein) Adjectiv gebraucht sagt weiter nichts, als daß ein Ding von einem Ort benannt sei, gleichviel aus welchem Grunde; daher findet sie bei allen Schlachten und Frieden ohne Ausnahme statt, die von Städten und Dörfern benannt sind, (wogegen westphälifcher Frieden, Tartarn / und Kahbach, schlacht keine Einwürfe lsind,) bei Waaren- und andern Er, zeognissen aller Art: Hamburger Rindfleisch, bei Straßen, Thoren, Adesen, Wäldern, die mit einem Ort in einer (oft nur sehr entfernten) Berührung stehen: der Pariser Platz in Berlin. Diese Erform soll nur das Benannt — sein von einem Ort und dergleichen ausdrücken: der Elfer Rheinwein, iv den Neunziger Jahren. 2) Die I sch form will nicht mehr ein bloßes Benannt, fei«, sondern ursprünglich und am häufigsten ein Angehören, und daher zuweilen die eigenthümliche Beschaffenheit eines .Dinges ausdrücken. Man sagt, nicht das Berliner Gymna, pum, (sondern das berlinische,) weil es eine städtische Anstalt, für die berlinische Jugend bestimmt, bezeichnet, und nicht bcr, linlsches Blau, weil nur der zufällige Umstand des ersten Be, reiterS auzudrücken ist; eben so würde ein parisischer Frieden, karlsbadischer Congreß die innere Beschaffenheit, die Grund, sätze und Folgen des Friedens und CongresseS bezeichnen. 3) Man kann so die Er, und I sch form wohl unterscheiden, aber nicht einander entgegensetzen, denn die Erform ist hier, nach von allgemeinerem, die I sch form von bestimmterem Ge­ brauch, und die Er, künn statt der I sch form, aber nicht um# gekehrt diese statt jener gesetzt werden; nur wo Eigenthum und eigenthümliche Beschaffenheit hskvorzuheben ist, muß die Isch, und nicht die Erform stehn. Der Sprachgebrauch behält also sehr viele Freiheit, und entscheidet sich mehrentheils nach sehr unbedeutenden Umständen. Der Berliner nennt seine Zeitung berlinische, der Auswärtige meist Berliner; das Bres, derselbe nicht, daß die sogenannten Schweizertruppen und Schwei« zrraarben der Fürsten sehr oft wenig« oder gar keine wirkliche» Schweizer unter Ach hotten 1 Luch in seinen teutschkundlichen Forschungen und Erheiterungen (,i Bände, Berlin, 1825, 26) behält derselbe diese Schreibung r berliner Gelehrte, um di« fit« benziger Jahr« (II, 8), schreibt aber doch auch (II, 562)« Her« astsgeder d. Heidelberg. Jahrbücher»

satter oder breslaulsche Postamt nennt sich selbst gewiß 6re zung fordert. Wenn hkU-eM da- Verhältniß der Anhängig, keir des Grundbegriffs vöm Begriffe des bestimmenden Worts -«gezeigt werden soll: so setzt man die- in den Derhältnisscasus, in den Genitiv, und zwar entweder de- Singular- oder de- Plurals, je nachdem es der Sinn mit sich bringt. Dieft leitende Idee hat wohl gewiß bei der Bildung btex ser Zusammensetzungen zum Grunde gelegen; weil aber nicht jeder, welcher Gelegenheit fand, den Sprachschatz durch neue Zusammensetzungen zu bereichern, sie deutlich dachte und er­ kannte, so sind dadurch, nicht wenige Abweichungen von dieser ersten allgemeinen Hauptregel entstanden, und nach und nach zum Sprachgebrauch geworden, die man nun wohl schwerlich je wieder alle aus demselben zu entfernen im Stande sein m-chte *)• ♦) Wenn diese Idee auch wirklich bei der altdeutschen Bildung nicht zum Grunde gelegen haben sollte, wie denn Grimm mit seiner wichtigen Stimme die- dadurch geradezu leugnet, daß er bas -, nach Art de» ältern a, ein Compositionszeichen für ei­ gentliche Zusammensetzungen nennt, (s. §. 177,),so ist er doch selbst genöthigt, das so vielen Bestimmungswörtern eigne n für ein Genitiv-eichen (der schwachen Deklination) anzuerkennen, und weiß sich nicht ander» zu helfen, al» daß er (Gramm. II, S. 638) sagt: da» erste Wort hat in der Construction de» Sätze­ nicht» zu thun, und durch die Verbindung mit dem zweiten seine Selbstständigkeit verloren. Da nun Verhältnisse der Flexion und Rection so wesentlich zusammenhangen, daß keine ohne die andre gedacht werden kann, so müssen weder dem mitregierenden noch mitregierten ersten Worte die Deklinationszeichen abge­ sprochen werden. Die ältesten un» erhaltenen Compositionen haben kein n. — Er erklärt also die Formen mit n für jüngere. Wer weiß aber, ob sich nicht sein eigner bei dieser Gelegenheit in einer andern Hinsicht gefällter Auespruch: „da» Dildungsprincip de» n muß in eine weit entlegne Zeit zurückgesetzt werden, welche dem Entstehen unserer ältesten Eompositionen um ein Gute» vorangegangen ist," gerade gegen ihn an­ wenden ließe. Wenigstens führt Seidenstürker» Princip die Be­ gründung de» neuhochdeutschen Sprachgebrauchs fast immer sehr gut durch. Uebrigens leugnet Grimm auch, daß da» erste Wort einer eigentlichen Composition je im Plural stehen könne, weil die Kennzeichen de» Plurals ja auch zur Flexion gehören. Er nennt daher die neuhochdeutschen Zusammensetzungen mit dem Umlaut, dem Plural de» ersten Wort», en, er uneigentliche, er­ wachsen au» wirklichen Genitiven de» Plural», entschuldigt des­ halb Wörterbuch, Bücherschwank statt de» alten orda-bok, woripuch, buoh-sag, weil hier der Begriff zwischen eigentlicher Und uneigentlicher Zusammensetzung schwanke, nennt aber die neuen Formen Brüderschaft, Bienenkorb, Augendraune ganz tadel,

haft statt Bruderschaft, BLenkorb, Augdraune.

4A Einige Beispiele für diese Regel werde» zuerst ihren Sim» ganz deutlich machen. Wenn man bloß im Allgemeinen einen Stall für Schweine von allen andern Arten von Ställen #n# terscheiden, uni also dem Begriff dieser Art oder Gattung von Ställen seine Classe «»weisen will, so daß weiter kein Zusammenhang, keine Beziehung zwischen den Begriffe» Schwein und Stall statt findet, keine Abhängigkeit des Begrifft Stall von gewissen bestimmte» Schweinen ausgedrückt werden soll; so setzt man diese beide» Wörter unverändert zusammen: Schweinstall, z. D. ei» Schweinstall ist kein Kuhstall; dagegen muß ein bestimmter Stall für ein einziges Schwein diese Ab, hangigkeit der Bestimmung des Stalls für ein einzelnes Schwein durch das Genitivzelche» ausdrücke«, und also «in Schweins» stall heißen; endlich im Worte Schweinestall kann Schweine fowohl der Nominativ als der Genitiv des Plurals sein, daher zeigt die- Wort fowohl den Classenbegriff wie Hühnerstall; Ae«, tenstall, als auch den Berhältniff, oder Abhaogigkeitsbegriff a»; Stall für mehrere bestimmten Schweino. Eben so ist Kalb­ fleisch eine Art Fleisch, dagegen Kalbsfleisch. (,und so auch Kalbsbraten) ist Fleisch (Braten) von einem einzelne» Kalbe, und Kälberfleisch (»Kälberbratens, ist (mehr)- Fleisch von mehre# ren Kälbern (,so daß ein einziger Braten immer nur ein Kalbs« braten und nie ei« Kälberbraten sein kann). Sehr begreiflich finden nicht von allen Ausammensehun, gen alle diese drei Formen statt, entweder weil ihr Begriff ei nicht erlaubt, oder weil sie de» Sprachgebrauch nun einmal (wenigstens noch) nicht eingeführt hat. Noch mehrere Beispiele von richtige» Ausammensrtzuu# gen nach dieser Regel sind folgende: Hammelkeule, Lichtputze, Bettdecke, Baumschule, Schnthaus, Rachhans, Stadtmuflkant, Dorfbote, Bauermädchen, Bürgersreund, Jagdhund, Hofhund, Holzschuh, Filzschuh, Bierbrauer, Weinglas, Landman», Land­ herr, (z. D. Landedelmann,) Stadtbau, Dorfbau, Lichtzieher, Eichgrund, fwie Luther 1. Sam. 17, 19 schreibt, wogegen er 17, 2 Eichengrund hat,) und sehr viele andern solcher Classen»«« ylen oder Classißeationsbegriffe; dagegen sind richtige Beispiel« für Derhältviss- oder Abhangigkeitsbegriffe: Landsmann,, der mit einem andern auS einem und eben demselben Lande, auS einem bestimmten Lande (gebürtig) ist, Dorfsbote, Bot« eines bestimmten, als bekannt vorausgesetzten Dorfs, eben so Raths­ bote, Gottesdienst, Dienst eines bestimmten, des einzigen wah­ ren Gottes, Landesherr, Herr des bestimmten Landes, Gottes­ gabe; endlich Beispiele mit dem Plural des Bestimmung--

45* mdM, Mtert Begriff immer unbestimmt -leibt, fadem der Plu,

ie( im ersten und zweiten Fall gleich bezeichnet wirb, und -e-wegea sowohl den Classen, al« Derhältnissbegriff ausdrücken bann, find folgende: Kinderstube, Frauenstube, Stube für (mehrere) Kinder, Frauen im Allgemeinen, Classenbegriff, oder Stnbe für bestimmte Kinder und Frauen, Derhältnissbegriff, Brüdergemeine, welche« Wort gewöhnlich den Derhältnissbegriff, Gemeine der bestimmten Brüder, der Herrnhuter ausdrücken soll, (eben so Schwesternhaus,) Menschenfurcht, gewöhnlich der Classenbegriff, Furcht vor (den) Menschen, Gdttergabe, Bücher, fpinde, Häusermarkt. Es lässt sich nicht leugnen, daß die beiden Vorstellung«, arten der Classen, und Abhangigkeitsangabe wirklich sehr nah znsammenhangen; daher hatten die ersten Angeber oder De, stimmet neuer Zusammensetzungen in der That oft freie Wahl, welche der beiden Zusammensetzungsformen sie vorziehen woll, t«n, wobei sie gewiß am liebsten diejenige nahmen, deren Be, griff gerade sie sich al« den vorzüglichsten für den bestimmten Fall dachten. Durch diese Bemerkung werden viele Zusam, mensetzungcn al« richtig oder doch erlaubt erkannt werden kön, neu, welche man sonst für bloße Bestimmungen der Willkühr zu halten geneigt sein möchte. Zu solchen Beispielen, deren Richtigkeit man nach dieser Bemerkung zugeben kann oder muß, gehören nebst vielen andern: Herzleid, Herzensangst, Herzen, die-, Landknecht, (Stadtknecht,) Landsknecht, (Amtsknecht,) Knecht eine« bestimmten Landes, Feuermauer, Feuersgefahr, Apfclschale, (nicht Aepfelschale,) Tuchhandel, Tücherhandel, Bilderbuch, Landesverräther, Landhandel und Länderhandel, Holzmarkt, Heldenmuth, Buchbinder, Dücherverleiher, Länder« tausch, Dogelfänger, Faßbinder, Schaskopf (und Schafskopf) *). 185) Bei dieser allgemeinen Bestimmung, daß der De, griff der ganzen aus zwei Hauptwörtern bestehenden Zusam, mensehung entweder ein Classenbegriff ist, indem'dieselbe eine einzelne Art der hihern Classe angiebt, welche das Grundwort ausdrückt, (Schoßhund, Fleischerhund, Kettenhund sind Arten von Hunden,) oder daß dieser Begriff der Zusammensetzung ein Derhältnissbegriff ist, welcher eine andere (, nicht die classi. •) Martyni, Laguna nennt in Leebode'« k. Bibl. f. d. Schulwe­ sen igas, g. Heft denjenigen Recensenten, der ihm seine Benen­ nung einer seiner Schriften opus cedro dignum in ade dignum verwandelte, sehr höflich «inen Theologischen Schaafkopf (Jett heißen theologischen Schafkopf).

sicirendr) Deftimrnring des Begriff« des Grimdworts i*i* N< Bestimmungswort bezeichnet, kann nun dieses BeWmmungswort sehr viele verschiedenen Derhälwiff« angeben; «nd dies sind besonders folgende: a) das Bestimmungswort bezeichnet den Gegenstand (,daS Object) vom BegrU des Grundwort-, welches in diesem Fall immer von einem objectiven Zeitwort- abgeleitet sein mnß (»dessen Kraft, einen Casus zu regieren es gleichsam noch be­ halten hat): Futterschneider, (der (das) Futter schneidet, eine Art Schneider, sMensch oder Maschine,)) Schornsteinfeger, (der den Schornstein feget, eine Art Feger,) Zeitvertreib (,was die Zeit vertreibt, eine Art Vertreib, Vertreiber, Vertreibung der Zeit); b) die Bestimmung, wozu das Grundwort dient, das­ jenige, wofür dasselbe bestimmt ist: Handschuh, (Schuh für die Hand bestimmt,) Dicrglas, (Glas zu Bier,) Weinberg (»Berg zu Wein, für Wein, zum Weinbau, Weingewinne be­ stimmt»; c) daS Ganze, wovon das Grundwort ein Theil ist: Kuhschwanz, (Schwanz einer Kuh,) Rossschweif, Hausthier; d) den Besitzer, Eigenthümer vom Begriff des Grund­ worts: Stadtwiese, (Wiese, deren Besitzer die Stadt ist,) Schulamt, (Amt, Gut, das einer Schule gehört, in einer an­ dern Bedeutung: Amt, Dienst bei oder an einer Schule,) und auch Rathswage, (Wage, welche einem bestimmten Rath, Ma­ gistrat gehört,) Präsidentcnwohnung (,Wohnung, die dem Prä­ sidenten gehört, oder auch für, ihn bestimmt ist); e) eine Aehnlichkeit, Gleichheit, Angemessenheit: Gurkennase, (Nase, welche ihrer Gestalt nach mit Gurken (,mit einer Gurke) Achnlichkeit hat,) Meisterstreich, (,Streich, wel­ cher der Handlung eines Meisters ähnlich, gleich ist, der sich für einen Meister schickt, ihm angemessen ist); f) die Materi e, Masse, den Stoff, woraus der Begriff des Grundworts besteht: Silbcrgeld, (Geld, das ans Silber besteht,) Knpferplattc, (Platte, deren Materie Kupfer ist,) Strohhut (,wofür man nicht mit Voß in seiner Luise, Königs­ berg, 1795, S. 18 Strohut schreiben muß); g) den Ort des (Begriffs des) Grundworts: Handschelle, (Schelle an der Hand, welche für die Hand bestimmt ist,) Kopf­ schmerz, (Schmerz im Kopse,) Waldschnepfe (»Schnepfe, die im Walde lebt); h) die Zeit für den Begriff des Grundworts: Nacht­ wächter, (der in der Nacht wacht,) Sommergetreide, (das in

456 tz« ©omtnerjeit reist,) Abendbrod (,Essen, bas am Abende ge, «offen wirb); t) das Werkzeug, womit der Gegenstand des Grund, worts wirkt: Handarbeit, (Arbeit, die mit der Hand geschieht,) Federstrich (,mit der Feder); k) die Art (und Weife), wie das Object des Grund, Worts geschieht, statt findet oder gewirkt wird: Wettlauf, (eine Art des Laufs, aber nicht in der Beziehung, daß andere Ne, benarten mit dieser zusammen die ganze Sphäre des Classenbe, griffs Lauf ausmachen, sondern jeder Lauf, der um einer Wette willen, zur Entscheidung einer Wette geschieht, dessen Zweck eine Wette ist; so auch) Lehrgedicht, (das den Zweck hat, eine Lehre dichterisch Vorzutragen,) Tagelohn, (Lohn, das nach Ta, gen bestimmt, für einen Tag bezahlt wird,) Schlittenfahrt (,Fahrt, die in Schlitten geschieht); l) den Zweck, wozu der Begriff des Grundworts statt findet: Wettlauf, (nach der vorhergehenden Auseinandersetzung,) Lehrgedicht, (in eben diesem Begriff k,) Preisschrift, (Schrift, die den Zweck hat, einen Preis zu gewinnen,) Schlachtgesang (,Gefqng, der den Zweck hat, entweder eine Schlacht zu be, schreiben, oder in einer Schlacht den Kämpfenden Muth, Trost juzusprechen; vergl. k und b); m) den Grad, die Stufe, (die Classe,) wozu da- Grund, wort gehört oder führt: Meisterstück, (das zum Grade, der Stufe des Meisters gehört oder führt, so auch) Hauptstück, Officierexamen (,in dem Sinne: Examen, das einen Nicht, officier zum Grade, zur Stufe,.Würde eines Officiers führen soll; in einem andern Sinne: Prüfung der Officiere zu irgend einem nicht angegebenen Zwecke); n) die Ursache der durchs Grundwort ausgedrückten Wirkung: Nothwahl, (Wahl aus Noth,) Dienstpflicht, (der Dienst ist die Ursache der Pflicht,) Diensteinnahme, (Classen, begriff, eine Art Einnahme, und zwar diejenige, welche durch einen Dienst, eine Bedienung (als Ursache der Einnahme) be, wirkt wird,) Amtseinnahme (,Verhältnissbegriff: Einnahme, durch daS Amt, durch ein bestimmtes Amt bewirkt, welcher Begriff indessen freilich nach freier Wahl auch durch den Clas« senbegriff Diensteinnahme ausgedrückt werden kann (,s. §184). Gewiß lassen sich noch mehrere Umstände und Bestim, mutigen angeben, welche durch die Bestimmungswörter ange, deutet werden; es ist indessen theils schwierig, theils selbst nicht einmal nothwendig, sie alle vollständig auszusuchen. Wer un, ter Deutschen geboren und erzogen wird, lernt die richtige Ve,

beutnng aller dieser Zusammensetzungen nach und nach ohne Mühe kennen, wogegen dieö fteilich dem Ausländer unoiwlich schwer werden muß, und daS um so mehr, da schon die vor« hergehenden Beispiele gezeigt haben, daß viele dieser Wirker mehr als eine Bedeutung in sich vereinigen. So bezeichnet unter andern das Wort Aelternliebe nicht bloß, was indessen die gewöhnliche Dedeiitung ist, die Liebe der Aeltern geg'esi die Kinder, (nach Nr. c, welche die Leitern haben oder besitzen,) sondern auch umgekehrt die Liebe der Kinder -egen ihr» Ael, tern, (nach Nr. welche den. Aeltern bestimmt iss, zukcknmt, gebührt,) und wofüi man freilich gewöhnlicher Kinderliebe (,Sohns-, Tochterliele) sagt: seine Aelternliebe (, Kindes,, Sohnsliebe, kindliche siebe) ließ ihn alles »ersuchen, nm Dater und Mutter zu retten, aber ihre Aelternliebe wollte nicht- daß er sich einer Gefahr awsetze. Ganz eben diesen doppelten Sinn hat auch das Wort Finderliebe, das gewöhnlich Liebe zu den Kindern anzeigt, aber doch auch Liebe der Kinder (za den "Aeltern) ausdrücken karn. 186) Alle bisher angeführten Beispiele sind vollkommen richtig nach der (§. 183) angegebenen Hauptregcl gebildet; wir müssen nun zu der vielerlei kleinen Abweichungen überge, hen, welche der Sprackgebrauch, großentheils mit gutem Grunde, eingeführt hat, und welche nur zum Theil regelwidrig sind *), *) Eine zum Theil >on der oben angegebene» wesentlich verschie­ dene Ansicht über die leitende Idee bei der Bildung zusammen­ gesetzter Hauptwöter stellt Schulz in seiner Abhandlung über die Doppelwörterim Jahrbuch der berlinischen Gesellschaft für die deutsche Sprah»., Berlin, 1820 auf. Da dieselbe viel Gutes enthält, so scheint es «veckmäßig, sie hier im Auszug« mitzuthei» len, aber mit kurzen A,merkungen zu begleiten, um zu zekgen, warum sie unserer Aufstqung nicht vorgezogen werden konnte. (Uebrigen« passt auch die Benennung Doppelwirter nicht gut für den Begriff der Zusammen,tzungen, da diese oft aus mehr alzwei Wörtern bestehen.) ©Hti$ sagt: die Form de« bestimmen­ den Hauptwort« hangt vorzü^ch von der Beziehung zwischen ihm und dem Grundwort« ab. Duverschiedenen Beziehungen lassen sich aber auf vier Hauptarten brückführen, dir den vier deut­ schen Casus auf« genaueste entsp«chen, (> >) nämlich: 1) da« be­ stimmende Wort ist eine Appostttn: Thiermensch, Gottmensch, Meistersänger, Bbttchermeister, »tinfttom, Fürstbischof (cf. 6 181). Die Apposition ist al« em ^Ldicat des Grundwort« an­ zusehen, und daher der unwänbtrttgtominatio. Z6(r b{( fllte lebendige Sprache setzt den Bestrmm^-wLrtern, die eine Per­ son bedeuten, ein I an: Bauersmann »Zwilling-schwester, Leufeltkerl, Wirthtleute, Schalksnecht. C giebt nur wenig« solcher

458 1) Die erste kleine Abweichung von der verlangten Un­ veränderlichkeit des Bestimmungsworts bei classificirenden Be, Wörter, Ihr s ist nicht der Genitiv, und neue Wörter dieser Art find nicht zu bilde». (Da- Heist mit anlern Worten: die ange­ gebnen^ Zusammensetzungen Bauer-mann u. s. w. sind Au-nahmeü, Bauerkerl, Dauerlümmel find eben solche Begriffe, die hier nicht recht paffend und deutlich Appositionen und Prädicate ge­ nannt werden (,f, $ 186 Nr. z). n) Da« bestimmende Dort unterscheidet, die verschiedenen Arten edrer Gattung durch An­ gabe eine- Lusern Merkmal-, und de Verbindung mit dem Grundwort lässt sich durch eine Präposition erklären, mehr dem Ablativ al- dem Dativ entsprechend; dann bleibt da- Bestim­ mungswort ungeändert: Ofenbank, Fitzschuh, Frostmittel, Fluß­ bad, Jahrgehait. Die weiblichen Wörter werfen selbst ihr e weg: Schulbank, Kirchhof. Solchen GMung-bestimmungen kann man immer andre derselben Elaffe .ntgegenftellen: Mehlspei­ sen, den Fleischspeisen. (Die sehr unvollständig und zum Lheil unrichtig diese Bestimmung ist -eigen besonder- $ 184 und 185: Ofenbank und doch Rah-bank, Frostmittel und doch Besserung-mittel, Jahrgehalt unt doch Monatsgehalt.) 3) Da- bestimmende Wort ist Object de- Grundworts, (gleichsam) Accusativ, da- Bestimmung-wort blebt dann auch unverändert, und bezeichnet höchsten- die Mehrheit iurch en oder er (und e-)r Hutmacher, Feldmesser, Bürstenbinder, Bücherverleiher. DaGrundwort für sich allein wird oft gar nicht gebraucht, sondern die Berben mit dem Accusativ de- Object- gehen erst in Sub, stantivey über; daher bezeichnen sie auch richt (wie Nr. 2) sol­ che Gattungen, zu denen eS Gegensätze giebt. (Ist denn aber Fassbinder nicht eben solcher Gegensatz vor Bürstenbinder, Klei­ derverleiher von Bücherverleiher, wie Zleischspeise von Mehl­ speise?) Eben deswegen gehören auch Dörter wie OrtSverwalter nicht hierher. (Warum denn eigntlich nicht? SchlossHau-- Kellerverwalter haben die hier verlangte Form, wenn auch die beiden ersten bloß wegen tot' Wohllaut- ihr - de- Ge­ nitiv- (Schlosse-verwalter) weggelaien haben mögen, aber GutSAmtöverwatter haben die ©eniti'form, und in Hinsicht lauf sie macht wohl Ribbek gegen Schulz die Bemerkung, daß die Objecte der Berben bet Subst"tiven in den Genitiv übergehen. 4) Da- bestimmende Wort ^llt etwa- Thätige-, Denkendes, gleichsam Persönliche- vor, voraus da- Grundwort erst hervor­ geht, erzeugt wird, dem ef-ngehört, -ukommt, weswegen jeneal- ein Genitiv anzusehepist, und - oder en erhält: Petersburg, (in Rußland sagt man Leterburg, wa- freilich nicht gut ist,) Friedrich-stadt, GotteSo^, Jakob-stab, Fürstentochter, Frauen­ liebe, nach dem alten (rmtiv, personificirt: Geisteskraft, Liebes­ werk, Freudengeschrei ,m bestimmenden Worte zeigt sich eine schaffende und Wirker? Kraft; auch Thiere personisicirt man so: Habicht-nase, (diefDeispiel pafft durchaus nicht, da hier von gar keiner Kraft K Rede ist,) Schwansngesang, Schwanen alalter Genitiv.

griffen besteht darin, daß man von den weiblichen Wörter», die sich auf e endigen, dies e oft weglässt: Kirchthür, Kirch, Dagegen sagt nun Ribbek (in -em angeführten Jahrbuch) besonder- Folgende-: da- s individualisirt, (wie eben tzeidenstücker angiebt,) entweder als individualisirteS Einzelne-: KarlSruh, oder al- individualisirre Totalität: Adler-fittig, so daß ge­ wöhnlich ein subjectiver Genitiv bezeichnet wird; doch werden auch objective Genitiven so individuell aufgefafft: Wolfsjagd, Gutsbesitzer; indessen wird oft auch ein subjectiver Genitip nicht individuell gedacht, und bleibt deswegen ohne -r Schafwolle, Kaiserstuhl. ES ist die- wie beim Artikel, wo der, die, da- 2ndividualität und Totalität, ein, eine, ein (,wenn die- nicht ein gewisser bedeutet,) die nicht individuell bestimmte Einzelnheit und Mehrheit bezeichnet; so Königreich, Reich eine- König-, Himmel-speise, Speise de- Himmel-, weswegen Himmelreich durch den Plural zu erklären ist: ßaollua twf (3nbie vidualifiren denn aber Schwein-leder, Elendshaut? Hewiß^ichtr) Also (,sagt Ribbek,) ist die Sache folgende: I) da- jqestimmungswort steht im Präposition-verhältnisse, dann blesbt es ohne S, 2) oder im Genitivverhältniffe, und -war a) universell, unbestimmt aufgefafft, dann erhält e- daS S. Hierzu bemerkt nun wieder Schulz: in diesem Fall bleibt deS Worte- erste (,oberste) Classe unbestimmt. So ist Bischofsmütze nicht der Pelzmütze eutgegengesetzt, sondern die Mütze, die einem Bischof -ukommt. So belebt, beseelt, veredelt da- -: Adler-fittig gegen das starre, todte Bild eines seelenlosen Geschöpfs, Adlerfittig; Windesschnette gegen Windschnelle. Darum ist da- bestimmende Wort nur unverändert, wenn es als todtes, willenloses Object aufgefafft wird, und erhält S, wenn es sich als persönlich: Ein-elnheit oder Gesammtheit aufstellen, durch einen Genitiv auflö­ sen lAfft: Herzleid, HerzenSprüfer, (aber Her-en-lust, Herzens­ angst'??) GotteSgelehrsamkeit hat Gott -um Object. ist Amtmann ein Mann in einem Amt, (da- ist offenbar ganz un­ richtig, e- ist ein Mann, Verwalter, Vorsteher eine- Amt- in demselben Sinne, der zum Grunde liegt im Worte) Amtsbote, Bote, den da- Amt besoldet. (?) In der eigentlichen Bedeu, tung bleiben die Wörter gewöhnlich ohne eS, in der uneigentlichen mit S: Herzleid, Herzensfreund; (aber Herzensangst, Herz­ vater, Herzmutter?) so ist Feuer-noth vom Feuer bewirkt, Feuer­ noth Mangel an Feuer (, in beiden Wörtern hat ja aber doch Feuer seine eigentliche Bedeutung?); so ist ein Schafkopf kein Schafskopf. (Hiernach wäre also M. Laguna'- Recensent § 184 «in Schaf-kopf.) Oft wird durch er und en auch der Nu­ merus bezeichnet: zeigt da- bestimmende Wort den Stoff an, so bleibt er unverändert, oder bezeichnet in der (vorher in dieser Anmerkung angegebenen) vierten Classe den Genitiv; bezeichnet e- mehrere einzelnen Dinge aus diesem Stoff, oder soll e- nur im Plural gedacht werden, so nimt e- er oder en an: Brett­ spiel, Bretterhändler, Lichtputze, Lichterputzer, Geiste-gabe, Gei­ perfurcht, Kostenbetrag, Wochenbett, Schuldbuch, Schuldennräs

460 garrg, Wettlauf, Liebreiz, Ehrliebe, Woklmagazin, Eichbaum, (aber Weidenbaum,) Sprachstunde; doch bleibt das e auch in

cher, Ohrfeige, Ohrenschmaus (,wo Ohren indessen vielleicht auch der alte Genitiv ist, sagt Grimm: ora, Genitiv orin, Plural

oru). Hierher gehören nun nicht die Genitiven Blühtenzeit, Jett der Blühte, Kirchenrath, Rath der Kirche, (doch sagt man auch Schulrath in eben diesem Sinne,) Harsenton. Noch bet merkt Schulz: da- e ist al- Pluralzeichen fast immer zweifelhaft, und wohl bloß ein Wohllaut-klang: Lagelohn, Schweinefleisch, -ausekamm, Mausefalle; ausgenommen etwa Mäusethurm. Fer­ ner sagt derselbe: bei abgeleiteten und zusammengesetzten Bestimmung-wörtern können deren Endung, und besonder- Ton und Accent da- S und en unregelmäßig verdrängen oder auch setzen: i) die halbtonigen Ableitsylben heit, fett, schäft, sal, ung, thum, -tng haben immer -. (Ribbek bemerkt hierbei: liegt da- nicht in ihrer Jndividualisirung der Begriffe?) Thum bezeichnet Tota­ lität, ling Persönlichkeit, nämlich ein Wesen (meisten-) dimi­ nutiv gedacht; die andern Ableitungssylben bilden Abstracten, und im Wesen eine- Abstract- liegt immer die Einzigkeit; daher erhalten da- - auch die Wörter auf en, welche eigentlich Derben sind, denn eben durch- Abstrahiren werden Infinitiven zu Sub­ stantiven. (Hiernach erscheint zwar Krause'S Lebenkunst u. s. w. statt Lebenskunst als unrichtig; aber diese Regel ist höchst un­ vollständig, s. §. .) Die Wörter mit den Dorsylben be, ge, ver sind Derbalien, indem sie entweder i) als Abstracten eine individuelle Totalität identischer Handlungen bedeuten, z. B. Gesicht als Sehvermö­ gen, und dann müssen sie das - haben: Gesichtskreis, oder 2) indem sie etwas Einzelne- oder vielmehr ein in unbestimmter Quantität vorhandenes Ding bezeichnen, worin sich die Thätig­ keit de- Verbums theilweise darstellt, z. B. Gesicht al- facies; dann folgen sie den allgemeinen Regeln: Gesichtsfarbe ist die Farbe eine- bestimmten Gesichts, Gesichtfarbe könnte die Schmin, te heißen. Eben so bestimmen sich auch fremde Wörter mit den halbtonigen Endungen tät, ion u. s. w.; so auch selbst Tabaks­ dose, wo doch a k zum Stamm gehört. Die- geschieht alles wohl wegen des gesenkten Tones: Gelegenheitgedicht klänge wie zwei Wörter. Dagegen haben die tonlosen Endsylben chen, el, er, kein s, selbst wenn es Personen sind: Mädchenlist, Vaterland, Bauersohn, doch auch Bauernhof, (besser indessen Bauerhof,) und Bauer-sohn, (wie unbestimmt ist also diese Regel?) Kaiser­ krone (; hierüber spricht § 185)* Bei Engel-milde und Teu­ fel-kind gehört el zur Wurzel. Die Sylbe niß kann kein annehmen; lein kommt in Bestimmungswörtern nicht vor, (wa­ rum nicht? Fräuleinstift,) inn auch nicht, und müsste en haben; (wieder unrichtig; der Tabak hieß lange Königinnkraut, wo man Nicht Königinnenkraut sagen konnte, obgleich der Verhälrniffbegriff zu bezeichnen war, indem er zur Ehre der Katharina von Medici diesen Namen erhalten hatte;) ei hat den Ton, und da­ her kein -: Parteisucht (,aber doch Parteienwurh). 2) Die ein,

nicht wenigen Wörtern: Wonnemond für Maimonat, Redeart, Art der Rede, (wenn dies nicht vom Infinitiv abgeleitet ist: sylbigen Femininen haben kein 6 und en: Zeitgeist, Nothknecht. (Wieder unrichtig: Frauenkirche und — straße, Hülfemittel.) 3) Die trochäischen Verbalien und lateinischen Wörter auf en haben s: Willensmeinung, Namensvetter, Ordenstracht; die Stammwörter haben kein Galgenstrick. (Aber jene Abstrac­ ten (Willen) bezeichnen doch sonst eine als Person zu denkende Gesammtheit, wie auch Ribbek angiebt, und die Stammwörter oft einzelne Dinge in concreto als Object betrachtet; Knochen­ hauer, oder im Präpositionsverhältniffe: Magenschmerz, Scha­ denersatz, allgemein Ersatz für Schaden, Schadensersatz, Ersatz für einen bestimmten Schaden; also widerspricht diese Regel zum Theil den früheren. Und kann man wohl Willen, Namen mit Sicherheit Verbalien nennen?) 4) Die jambischen Wörter mit be, ge, ver haben s, wenn sie weder Accusativen noch Plurale sind, und der Wohllaut es erlaubt: Besuchsreise, Geleit-mann; (aber Begleitschein?) wegen des Wohllauts und Sinnes haben kein s: Gewürzkrämer, Gewaltstreich; Geduldprobe hat kein s, weil Geduld leidender Gegenstand ist, und nicht als selbstständig gedacht werden kann (??). Auch wenn das Bestimmungswort ein Plural ist, steht es ohne S: Gesetzgeber, Gebetbuch; (aber Gebetsformeln?) Geschichtbuch (,soll das ein Geschichtenbuch feint Geschichtskenner hat das S). Die Wörter Bestimmungswort, Dehnungszeichen, Ableitungssylbe sind schlecht, denn sie kommew von bestimmen u. s. w. her; aber Bildungsstufen, Stufen der Bildung, sind nicht Bildestufen, Stufen zum Bilden; so ist auch richtig Regierungsrath, Ziehungslag von Regierung, Ziehung. (Ziehtag ist der Lag des Ziehens, Ausziehens, der Wohnungs­ veränderung.) Man sieht schließlich, diese Regeln bilden kein logische- Gan­ zes, sind ganz unvollständig und widersprechen sich zum Theil. Im literarischen Conversationsblatt, i825, Nr. 245, wird Schul­ wegen seiner Theorie über die Bildung der Zusammensetzungen vorzüglich gelobt, und folgende Bestimmung aufgestellt: „der Zusammenhang der Bestimmungswörter mit ihren Grundwörtern kann nur als ein innerer und nothwendiger, oder al- ein äuße­ rer und zufälliger gedacht werden, und dies zu unterscheiden, dazu dienen die Formen S und en. (Wo bleiben denn e und er?) Ein innerer und nothwendiger Zusammenhang ist aber da, wo a) etwa- zu etwas gehört, (wie höchst unbestimmt?) b) et­ wa- aus etwas unmittelbar hervorgeht, erzeugt wird, und c) etwas einem besondern und bestimmten Gegenstände eigen ist: und dieses wird durch die Einverleibungszeichen bezeichnet: a)RLt, tersmann, Bauersmann, Wirthslcute, Diebsgesindel; b) Liebes­ zauber, Satanslist, Herzensangst, Frauensinn, Grabesstille f,hiee geht der Zauber aus der Liebe, die List au- dem Satan, (??) die Angst aus dem Herzen, der Sinn aus der Frau, die Stille aus dem Grabe hervorj (?? ?); aber Magenschmerz, Eisenerz, Herzweh, Herzklopfen, Kornnoth s,die Noth geht nicht au- dem

462 Akt zu reden,) Ruhestunde; in noch andern wird cs bald be, hrüten bald weggclaffen: Ruhkiffen und Ruhekissen, Ruhtag und Ruhetag. Jtorn unmittelbar hervor^; (?? geht denn der Magenschmerz nicht eben so aus dem Magen, wie die Herzensangst au- dem Herzen hervor? der Magen hat eben so wenig Schmerz, wie da- Herz Angst oder Weh); c) Landsmann, Rathspächter, Shri« stenklnd s,der Mann eines besondern und bestimmten Landes, daKind eine- besondern und bestimmten Christen, denen entgegen, stehen Landmann, Rathherr, Amtmann, Christkinds; (ganz un, richtig: die Redensart Landsleute sollen sich helfen bezieht sich auf gar kein bestimmtes Land, Christen- und Judenkinder sollen in der Schule gleich behandelt werden setzt keine bestimmten Chri­ sten und Juden,voraus;) also auch Adlersnase, Bärenfell Hal­ dem Adler, Bären eigens (??) — Ein äußerer und zufälliger Zusammenhang ist aber da: a) wowine bloße nähere Erklärung statt findet; oder b) wo der Grundbegriff der Art nach, und c) wo er dem Gegenstände einer Thätigkeit nach bestimmt wird, und dann findet kein Einverleibungszeichen statt: a) Rheinstrom, Meistersänger; b) Rathhau-, Kirschbaum, Blutschuld, Herzweh, Kopfweh, und daher auch wohl besser Gefühlvermögen wie Denkvermögen; c) Hutmacher, Lichtzieher, Bürstenbinder, Bür­ sten ist hier der Plural. (??) — Rach diesen Regeln ist auch da- S nothwendig, die Theile eines aus mehr als zwei Wörtern zusammengesetzten Worte- nach bestimmenden und destimmtwerdenden zu unterscheiden. In Abendmahl-zeit ist da- bestimmt werdende das Grundwort Zeit; in Abendmahlzeit aber ist es das Dort Mahlzeit. Hier tritt da- s ein, jedoch nur wenn der be, stimmende Theil aus einer Zusammensetzung von mehreren Wör­ tern besteht, nicht wenn die- mit dem Grundwort der Fall ist: Bergwerksbau, aber Kupferbergwerk. Zwischen Handwerkzeug und Handwerkszeug ist ein Unterschied. (Unrichtig Schornstein­ fegerjunge hat kein s, bei Hülfszeitwort hat da- einzige Bestim­ mung-wort Hülfe das S, bei KriegSrathStitel hat da- Bestim­ mungswort Kriegsrath an beiden Theilen da- S, bei Gottes­ dienststunde hat bloß der erste Theil des Bestimmungsworts da», bei HauvtwirthehauS hat der erste Theil de- GrundwortebaS -, bei Vermögenssteuereinnahme hat bloß der erste Theil de- Bestimmungsworts das s.) Wenn da- bestimmende eia Nennwort, da- Grundwort aber ein Eigenschaftswort oder Ver­ bum ist, so hat da- erste kein S: arbeitloS. (Der Sprachge­ brauch sagt meistens arbeitslos.) Noch find gewisse Endsylben unwandelbar mit den Verbindungszeichen verbunden, so daß diese dann bloß eine euphonische Bedeutung haben, und die- find die Sylben heit, keit, ling, sal, schäft, ung, thum, und dann die Fremdlinge on und ton: Wahrheit-sinn, Eigenthum-recht, Ba­ taillon-chef, Legationsrath, und so auch die Nennwörter, die un, verändert von Berben entnommen find: Glauben-kraft, sehen-werth." (Auch diese letzten Bemerkungen sind wenigsten- sehr unvollständig). Rach Becker erklärt Lorberg (in Seebode'S Bi«

2) Dagegen setzt man bei der (zweiten) Zusammensetzung-, form des Derhältnissbcgriffes an diese weiblichen Wörter, die nach der jetzigen Art ihrer Deklination in der ganzen Einheit unverändert bleiben, gewiß zur deutlichern Bezeichnung der Ab« hangigkcit oder des Genitivs, nach Grimm als Zeichen der ei« gentlichcn Zusammensetzung, entweder das alte Zeichen dezweiten Falls der weiblichen Einheit n, en, (ehemals in,) oder auch s an, das jetzt im Hochdeutschen nur Genitivzeiche» für nicht weibliche Wörter ist, aber in andern Dialekten, z. B. dem Holländischen, und in der gemeinen Rede häufig auch bei weiblichen gebraucht wird: Mutters oder Mutterns Bruder, und zu dessen Vertheidigung Grimm (II, S. 942) mit vollem Recht sagt, daß sein Gebrauch sich immer auf ein nicht verwerfliches Gefühl gründe, die Komposition schwerfälliger und häufig frem, der, sonst kaum zusammensctzlicher Wörter merkbar zu machen, daß dies s kein Misslaut sei, sondern, gleich allen Spiranten, den Zusammenfluß stummer und flüssiger Buchstaben belebe, wie denn Wahrheitsliebe und Freundschaftsdienst unserm Ohr unstreitig angenehmer als Wahrheitliebc, Freundschaftdienst klinge, und selbst in Warnungsstimme die Vermischung des s und st den Ucbclklang aufhebe, der bei der Aussprache War« nungstimme entstehn könnte. So ergeben sich also Wörter wie Wollenzeug und Wollzcug, Wollenwaaren und Wollwaaren, Seifenfabrik, Höllenstrafe, Strafe der Hölle, Ehrenschänder, Ehrendieb, swo freilich auch der Classenbegriff Ehrschänder wie Tugcndschänder, Tugcndräubcr stehn konnte,) Gnadenwahl, Wahl aus Gnade, Straßenecke, (eigentlich auch statt des Clas, senbcgriffs Straßccke,) Kirchentag, Breiten«, Längenkreis statt Längekreis, Sonnenschein, Frauenkirche, Frauenstraße d. i. Kirche, Straße der bestimmten Frau Maria, (notre Dame,) Sonncnjahr, Unschuldsprobe, (für Unschuldprobe, welches Wort dann freilich für einen Claffenbegrift gehalten werden würde. dliothek, 1826, V, 493) das Setzen und Weglassen de« « au« den Gesetzen de« Rhythmus und der Euphonie, und sagt z. B. für die dreitheiligen Zusammensetzungen, deren erste« Wort den Hauptton hat, zwischen dem jweiten und dritten müsse dann « ste­ hen, weil bei zwei halbtvnigen Sylben der Consonantenübergang ohne s in der Aussprache schwer und hart sein würd»! einstchtivoll, aber gewichtvoll. Es ist nicht weiter nöthig, die Und«, sttmmtheit, Unvollständigkeit und Unrichtigkeit auch dieser Auf, stellung noch auseinanberzusetzen. Auch der Sprachgebrauch ist dagegen. So schreibt z. B. Blumenhagen im Taschenbuch Mi­ nerva, 1823, S, 201, gegen diese Regel lebenvoll»

464 wie- es auch in der That sein könnte,) Freundschaftsdienst, Hülfsmittel, (Mittel zu einer bestimmten Hülfe, wie auch der Begriff der Hülfslehrer nicht nothwendig ein Classenbegriff ist, sondern Lehrer bezeichnet, die zu einer angegebenen Hülfe, zur Aushülfe beim Lehren bestimmt sind,) Geburtstag, u. f. w. Auch dies sind noch keine regelwidrigen Wörter, um so rocni, ger, da sich diese Anomalie des s bei weiblichen Wörtern in Älen Dialekten der deutschen Zunge, dem Holländischen, En, glischen, Dänischen, Schwedischen u. s. w., wahrscheinlich ohne Einwirkung des einen auf den andern, findet, indem sie sich bei jedem anders und eigenthümlich gestaltet hat. Deswegen haben sich auch in neuern Zeiten viele Schriftsteller vergeben» große, aber wie Grimm sagt, thörichte Mühe gegeben, dies besonders bei weiblichen Bestimmungswörtern wieder wegzuwer, feit, und Geburttag, Lebenweise u. s. w. einzuführen, denn dies ist ganz gegen die Natur unsrer alten Sprache, welche ja schon in den ältesten Zeiten ihr eignes Compositionszeichen hatte, als dessen Stellvertreter eben besonders da- o, und eben so auch das n, betrachtet werden kann. (Man sehe die Anmerk, zu § 177. Man hat gar nicht nöthig, dies s und n für Ge, nitivzcichen zu halten.) Doch macht Grimm in Ansehung die, ser Zusammensetzungen mit weiblichen Bestimmungswörtern und dem bindenden s die sehr richtige Bemerkung, daß Dich, ter sich ihrer selten bedienen, wenn die Bestimmungswörter mehrsylbig sind, weil das s wohl etwaS Barbarisches an sich habe, und daß selbst der Redner in feierlicher Prosa kaum Er, bauungsstunde, Religionstrost, und noch weniger Liebeßgeist für Stunde der Erbauung, Trost der Religion, Geist der Liebe sa, gen dürfe. 3) Dagegen ist es nun wirklich eine Abweichung »on der angegebenen Regel, daß in vielen Wörtern die Ab, ßangigkeitsform mit dem Genitiv (jedes Geschlechts) statt der Elaffenform mit dem unveränderten Bestimmungsworte steht. So wie eS richtig Stadt-, Dorf,, Kammer-, Kanzleibote u. f. w. heißt, so sollte es bei der allgemeinen Aufzählung der Do, tenclassen auch Amt,, Gericht,, Rath,, Gvuvernementbote u. s. w. heißen, und doch sagt man gewöhnlich AmtS,, GerichtSbote, was nur den Derhältnissbegriff: Bote eines bestimmten Amts, Gerichts ausdrücken müsste. Eben so sollte es im Allgemeinen Volksprache, (wie Bauchsprache, und Krause schreibt auch Volk, spräche,) Königstraße, Königthor, (wie Kaiserstraße,) Dauer, mann (wie Hauptmann) heißen, und doch sagt man gewöhn, lich Volkssprache, Königsthor, Bauersmann. Die Benennun, gen wie Königsthor, K-uigsbrücke, Königsweg lassen sich zwar sehr

sehr gut historisch rechtfertigen, indem sie gewöhnlich ihren Na, men zur Ehre eines einzelnen, bestimmten Königs erhalten ha, ben, und also den Abhangigkeitsbegriff in dieser Hinsicht ganz regelmäßig durch 6 ausdrücken; da aber eben diese historische Bemerkung auch für Kaiserstraße, Kaiserplatz u. s. w. gilt, so sind dann diese unregelmäßig gebildet, und sollten Kaisersstraße, Kaiscrsplatz heißen (,wie Kaiserslautern, Kaiserswerth). Doch hören diese Wörter auf, unregelmäßig gebildet zu sein, wenn man weiß, wie Grimm lehrt, daß die alten Deutschen den Genitiv der Hauptwörter auf er auch oft unverändert dem No, minativ gleich gelassen haben. Nur so hört Vaterbruder, Bruder des Vaters auf, regelwidrig gebildet zu sein, und ist ein richtiger Ausdruck für den Vcrhältnissbegriff, insofern Vater darin der Genitiv ist; eben so Mutterbruder, Brudersohn u. s. w. DaS Wort Bauersmann mit andern Ausdrücken dieser Art verthei, digt Seidenstücker auf folgende Art: die Zusammensetzungen, deren einzelne Theile getrennt (,oder deren Bestimmungswörter für sich) schon vollständige Zeichen oder Ausdrücke für den durch die Zusammensetzung bezeichneten Gegenstand abgeben können, zeigen diesen Umstand eben durch die Sprach ei, genthümlichkeit an, daß sie sich durch ein bindendes s vereinigen, und so die Verhältniff > statt der ihnen eigentlich ge, bührendcn Classcnform annchmcn; ein Bauersmann ist ein Bauer, eine Mannsperson (,Mannsbild) ein Mann, eine Frauensperson eine Frau, eine Weibsperson, Weibsstück, Weib«, bild, Weibsmensch ist ein Weib, ein Henkersknecht ein Henker, (ein Kaufinannsdiencr ist ein Kaufmann,) ein Helfershelfer ein Helfer, Dicbsgcsinde bezeichnet einen Dieb oder Diebe. Solche Zusammensetzungen sind also gleichsam Synonymen ih, rer Bestimmungswörter. (Daß diese Regel nicht immer gilt, beweisen Wörter wie Bauerkerl, Bauerlümmcl, Rheinstrom, Sturmwind, Windsturm, welche kein S haben, so daß immer Unregelmäßigkeiten übrig bleiben. Kann man übrigens die Ausdrücke Wandersleute, Wandersmann auch unter Seiden, stückcrs Regel bringen, daß sie, eines vermeinten Wohllauts «egen, statt Wandrersleute, Wandrersmann, und diese dann für Wandrer ständen? oder kommen sie vom Zeitwort wandern her, und haben da« s unregelmäßig eingeschoben?) Hierher gehört auch die Abweichung, daß man de« Wohllauts wegen oder nach einer alten Form vielen nicht weiblichen Wörtern im Llaffenbegriff ein e, und andern, die sich schon auf e endi, gen, noch ein n ansetzt: Pferdcschweif, statt des harten Pferd, schweif, Tageloha, Löwenschwanz, Affenmaul; ähnlich bildet Ma«r Spracht, i. 30

466 man Präsidcntenwürde, und selbst weiblich Gnrkennasc statt Gurknase. 4) Umgekehrt stehl uicht selten die Classen- statt der Derhältpissform: Kaiserstuhl statt Kaisersstuhl, (f. Nr. 3) Dlücherplatz statt Blüchcrsplatz, Doetortitel, Professorwürde, Kaiserrrich, Kaiserguldcn, Königreich als classificirend entgegen oder zuwider der Abhangigkeitsform Königstitel, Tcufelsrcich, wo das Unregelmäßige nur darin liegt, daß dieselben Begriffe in verschiedenen Wörtern auf verschiedene Art ausgedrückt wer­ den, was sich indessen doch ganz gut entschuldigen lässt (s. §. 183). Hierher gehören besonders die Namen der Wochentage, deren Zusammensetzungen offenbar Verhältniffbegriffe sind; es steht also Sonnabend für Sonnenabend (,bei den alten Scy­ then Saturday vom Gotte Satur, vielleicht dem Saturn der Römer); Sonntag für Sonnentag, dies solis, wobei zu mer­ ken ist, daß es auch ein Wort Sonnentag in der mathemati­ schen Geographie giebt, das die Länge der Zeit zwischen zwei Durchgängen der Sonne durch den Meridian eines Orts be­ zeichnet, wogegen man in ganz ähnlicher Bedeutung Sterntag und nicht Sternentag sagt; Montag, dies lunae von Mond, in seiner ältern Form Mon (,beim Ulphilas der Mana, beim Isidor und Ottfried Mano, beim Notker Man, im Nieder­ sächsischen die Maane, Maand,) statt Monstag oder Monds­ tag (,beim Notker Manetag, im Angelsächsischen Monandang; viele schreiben noch Mondtag, z. B. Fr. Laun im Roman: die vcrhängnißvolle Treppe, Leipzig, 1824, S. 184.). (Dins­ tag ist richtig die Derhältnisssorm; es kommt dies Wort wahr, scheinlichst vom angelsächsischen Namen des Mars Tun und Tug, Genitiv Tunes her, dies Martis, so daß er eigentlich Distag, Düstag, Tüstag heißen sollte, wie er holländisch DingS, dag, Dyesdag, dänisch Tijsdag, schwedisch Tisdag und angel­ sächsisch Tuesdang genannt wird; die Ableitung vom alten Ding für Geriä-t, also Gerichtstag ist unerwiesen, nach Grimm grundfalsch, und die Meinung Dinstag stehe für Diensttag ist ebenfalls ganz unrichtig. Die alten Scythen mit andern nordischen Völkern nannten diesen Tag Thuesday, wohl von Tuisko; Grimm sägt: der ganz alte Stamm des Heidengottcs (Mars) war Tyr, (der Dvcal wie i gesprochen,) Genitiv TyS, davon Tysdagv, dies Martis; die muthmaßlich gothische Form dieses Wortes würde, TiuS Genitiv Tivis lauten, die sächsische ist Ti, Genitiv Tives, davon Tivesdag, englisch Twesday, Tues, day, Hiervon nun sei unsere, wie die holländische Benennung eine spätere Entstellung.) (Der Mittwoch, wofür Adelung die Mittwoche sagt, indem er den Gebrauch des männlichen Ge,

schlechts unverzeihlich nennt, gehört nur hierher, insofern sein Bestimmungswort das Hauptwort Mitte wäre, in welchen» Falle eS für Mitlenwoch stände, was aber unentschieden bleibt, wie denn z. B. Adelung geneigter ist, das Adverb mitte, mit, ten dafür anzunchmen, da die ältern Schriftsteller Notker, Willeram u. s. w. Mittag noch getheilt mitten Tag, spätere oberdeutschen Schriftsteller statt Mitternacht (für Mitte nacht »der Mittclnacht,) mitte Nacht schrieben, s. §. 177; die alten Scythen nannten diesen Tag Wedansday vom Gotte Wodan.) (Donnerstag, dies Jovis, ist auch richtig die Vcrhältniffform für Donnrerstag, Torsdag im Schwedischen, Toniristac beim Notker, vom Worte der Donnerer, als Beinamen des Thor, des nordischen Jupiter; daher scylhisch Thoreday.) Der Frei, tag, beim Ottfried Friadag, int Tatian Frigetag, dänisch und schwedisch Frcdag, dies Veneris, von der Frea, Friga, Frija, Freija, der Venus der nordischen Völker, also für Freiastag. 5) Eine andere Unregelmäßigkeit bei der Bildung dieser Zusammensetzungen besteht darin, daß man zuweilen den Sin, gular statt des Plurals des Bestimmungsworts nimt, und um, gekehrt. So sagt man Sternkunde, Sternhimmel statt Sternckunde, wo man, wie bei vielen weiblichen Wörtern, das e weggelasscn hat, Schweinsjagd, besser aber und richtiger Schwei, ncjagd, Hundswuth statt Hundewuth, und umgekehrt Kinder, mord, Männcrmord, Kindermörderinn, wenn auch nur von ei, nem Kinde die Rede ist, statt des richtigen Kindsmord, Kinds, Mörderinn, Eierschale statt Eischale, Tagereise statt Tagreise (s. Nr. 3,) oder Tagsreise. Dagegen behält man sehr richtig den Plural in Armentare, Armeninspector, (Waisenhaus,) weil die Wörter Armtaxe, Arminspector (,WaishauS) einen ganz andern Sinn geben würden, ob man gleich Baumschule, Haus, taxe statt Däumeschule, Hänsertaxe sagt. Daß es erlaubt sein muß, den Versuch zu machen, die angegebenen richtigen Formen statt der bisher üblich gewesenen falschen nach und nach in den Sprachgebrauch einzuführen, versteht sich von selbst, und wohl überdachte Verbesserungen schaffen sich, vorsichtig eingeführt, oft sehr bald Anerkennung; so schreibt jetzt kein guter Schriftsteller mehr Kälberbraten statt Kalbsbraten (,was wohltöncnder klingt als die noch richtigere Classenform Kalbbraten); man sagt jetzt wenigst««- eben so oft Majorrang, Lieutenantstelle, wie Majorsrang; (nur sehr ver, nünftig Generalsrang und nicht Gencralrang, weil man dies für den Adjectivhegriff halten würde, der siä) in Generalcharte, Genrralinspectvr findet;) aber billig sollte auch niemand von

468 einem Lämmerschkvanze und einer Eierschale sprechen, weil diese Zusammensetzungen eben so unrichtig wie Kälberfuß sind; we­ nigstens giebt auch Grimm nicht an, daß im alten Deutsch der Genitiv die Endsylbe er bekommen habe. Auch Wörter wie Gänsefuß scheinen solche Ausnahmen zu bilden, indem sie offenbar die Einheit Gansfnß bezeichnen, und Gänse jetzt nur die Pluralform ist. Doch sagt Grimm (,Hermes 1819, II, S. 27): die alte deutsche Sprache hatte, wie e n für weibliche und nicht weibliche Genitiven, so auch nebst, andern Endungen noch S und e und den Umlaut für diesen weiblichen Genitiv; so hatte Gans im Genitiv Gansi, und daraus entstand spater Gänsefuß, Gensefuß und Gänsefuß *)♦ ♦) Grimm macht in dem obengenannten Aufsatze, der besonders gegen Jean Paul Richter'- zwölf Briefe im Lugustheft des MorgenblattS von 1819 gerichtet ist, wodurch dieser gern das bindende A der Zusammensetzungen verdrängen möchte, mehrere höchst wichtigen Bemerkungen über die ganz unrichtigen Voraus­ setzungen, die hierbei zum Grunde liegen, so wie über die Un­ ausführbarkeit solcher Versuche. So sagt Grimm unter andern: „I. Paul'- Regel ist gänzlich falsch, und kann nicht zutreffe», weil er die Sprache wie etwas von heute betrachtet, folglich dem Ursprung und Fortgang ihrer mannigfaltigen (, manchfaltigen) Aeußerungen zu verstehen nicht im Stande ist. Er sieht bunte Verwirrung und Unzusammenhang da, wo gerade, wenn mau sich gewöhnt hat, da- nie still Gestandene Und nie still Stehende ins Luge zu fassen, eine unendlich einfache, weise und tiefsinnige Lu-theiluug der Lichter und Farben mehr und mehr erkannt werden wird. Daß namentlich der Sprache Gewalt geschehe, so­ bald man da- s aus der Mitte vieler Wortzusammensetzungen wegschneidet, lässt sich vor allen Dingen schon fühlen. Man vergleiche Schiffbruch, GchiffShauptmann; Blutdurst, Bluts, freund; Vogelfang, BogelSberg; Landweg, Landsgebrauch. Selbst ein Mensch, der weder lesen noch schreiben kann, wird den nö­ thigen Unterschied kaum verfehlen, vielweniger die Fälle umdrehea und sagen: DlutSdurst, Blutfreund oder König-reich und Königberg. Die Verbindung der beiden Substantive in dem ersten Fall ist augenscheinlich allgemeiner, loser, in dem -wetten durch die Setzung de- ersten Wort- in den Genitiv näher, be­ stimmter oder besonderer. (?) Wer die Fähigkeit, einen solche» Unterschied zu bezeichnen, unserer Sprache nehmen will, tödtet in ihr eine köstliche, in fremden Sprachen ost vermisste Eigenschaft. Die Genitivcomposita enthalten nur angehängte leibliche Geniti­ ven, die «an allenfalls abtrennen dürfte, ohne eben den Sinn -u ändern. (ES haben stch dabei Snbunaen und Formen erhalten, die, allein stehend, längst verloren sind.) Schreibe man wirklich: die Roth de- Wasser-, die Brunst de- Feuer-, so würde stch ge. gen das s keiner seiner Verfolger auflehnen; seht «an aber den Genitiv voraus, und lässt nach alter Weise, sogar zttrlich, den

6) Manche Bestimmungswörter haben wenigstens schein­ bar ganz unregelmäßige Veränderungen erlitten: Nachtigall, Bräutigam. In Ansehung des ersten Worts bemerkt Grimm, daß Nacht vor tausend Jahren naht und im Ablativ naht! hieß, und daß dieser Casus mit gall von gaten, gälten, gellen, d. i. singen, rufen zusammengesetzt sei, den bei Nacht singen­ den Vogel anznzeigen (, ähnlich vvxtl—reonaK, wxTt— no(*>$)♦ Dagegen leugnet zwar Seidenstücker, daß Nachtigall so wie Bräutigam mit gall und yapog (, der die Braut heirathet,) gebildet sei, sondern das ig bereite oft bloß die Bestim­ mungswörter zum Znsammensetzen vor (,so daß es nach Grimm ein neueres Analogon des alten Compositionsvocales wäre, s. § 177): Leichtigkeit, und so könne man glauben, Braut, schleppenden Artikel «eg, ist er gleich bei der Hand, sein gebakkeneS Feuer—brunft und Wasser — noth vorzubringen. Die Sprachreiniger werden daS Störende (,man könnte auch sagenAlberne und Sinnlose) ihrer neugemachten Wörter niemandem ein­ reden, der etwas auf sein Deutsch halt. Eine alte Zusammenfügung ist sicher so ehrenwerth, daß man sie nicht nach dem Maaßstab (Maßstabe) einer neuen verschrrimpften und abgeänderten Declination messen soll." Auch der ehrwürdige Wolke möchte in seinem Aalett u. s. w. gern das - der Zusammensetzung wegwerfen; aber der Recensent dieses Werk- in der Jenaer Literaturzeitung bemerkt ebenfalls r Wolke'- Wegwerfung de- s ist erschleichend, seicht und unwahr; e- ist nicht wahr, daß die Griechen und Römer Gotthau- u. s. w. gebildet haben; sie sagten ja dgloyaroc, pjetaticulirix, vestifpica, lucripeta, legislator. So wie die alten, so haben auch alle neuern Sprachen, die zusammensetzen können, häufig s: englisch hartshorn, kinsfolk (,sittlich guch kingdom);

holländisch: GodSdienst; schwedisch r Midsommersmanad; dänisch: MaanedSflriflet; sassisch: Grave-Hügel, (Doß) Sündegsstock; ur­ altdeutsch: uuinteSpruut (Windsbraut); Suhm Symv. Hundes­ fliege und sidanwurm. Da- - gewährt: i) feine Unterscheidun­ gen, a) im ß-lural: Völkerrecht, volk-recht; b) Landesfrau, Landfrau, Landes- und Landpolizei, Landes- und Landsitten, Jahrszeit und Jahrzeit, (Tal. IV, io. Jes sy, i.) Htrzensund Her-königinn, Kindes- und Kindmutter, Landes- und Land­ kind, Lands - und Landknecht, Hundssteuer (zur Jagdunterhal­ tung) und Hundesteuer, Hungerscur (,Abhülfe des Hungers) und Hungereur, (Cur durch Hunger,) Wassernoth (wie Geldnoth) und Waffersnoth, Volkreichthum (,volkreich) und Volk-reichthum (,Wohlhabenheit); a) Wohlklangr Teburttag (, Grzirhungrath, Sättigunggrad klingen hässlich). Uebrigens versucht mau manche Veränderungen bei Zusammensetzungen mit fremden Wörtern; so schreibt Bührlen im Martin-abend, Leipzig, 1836, immer Tom»erzrath statt Eommercienrath.

470 Dräutig, Dräut—ig— am, Nacht, nächtig, Nacht — ig—all hätten die Ableitungssylben am und al oder all; so vielleicht auch Leichn—am; aber er hat gewiß nm so mehr Unrecht,ida Adelung angiebt, daß Nachtigall schon bei den schwäbischen Dichtern (im zwölften und dreizehnten Jahrhundert) Nahte­ gal, im Angelsächsischen Naectegale, (und spater nachtgalend,) englisch Nightingale, dänisch Nattergall, schwedisch Näctengall, lateinisch luscinia, (von lux und canere, die bei Licht singt,) griechisch und a8wv, französisch Ros­ signol, italiänisch Rossignolo heißt, lauter Namen, die sich aufS Singen beziehn. Im Angelsächsischen heißt galen hell singen und bezaubern, (wie cantare und incantare,) und bä/ nisch heißt galen krähen (,gallus, der Kräher, Hahn). (Man vergleiche § 232.) So heißt auch eine Art Kibitz in man, chen Gegenden Seegall. In Ansehung des Worts Bräutigam bemerkt Adelung, daß yäfiog und yaptiv sehr nah mit dem sehr alten deutschen Wort Gam verwandt zu sein scheint, das bei allen unsern alten deutschen Schriftstellern Mann, Manns, Person bedeutet, und beim Kero Comman, bei Isidors Ueber, seher Goino, bei den alten und neuen Schweden Gam, Gome, Gumma heißt. Demnach ist Bräutigam aus Braut, im al, ten Genitiv Bräuti und Gam zusammengesetzt; es heißt beim Ottfried Brutigomo, beim Notker Printegom, angelsächsisch Bridgama, dänisch Brudgam und schwedisch Brudgumme. (Grimm giebt an, gaman, gomon, goman heiße im Altdeut, fchen gaudium, jocus; kann das wieder eine andre Erklärung veranlassen: gaudium sponsae?)*) Auf eine ähnliche Art ist in Heidel—beere, Heidel—berg das el nichts als ein Com, positionslaut ohne alle Bedeutung, so daß diese Wörter wohl aus den alte» Formen heid—beri, heidan—berc entstanden sind, wie sich denn die Form Heidelberg auch nicht vor dem zwölften Jahrhundert findet. (S. Grimms Gramm. II, S» 54o.) Doch sagte man selbst noch im sechzehnten Jahrhundert (nach Fischart) bloß Heidel statt Heidelbeere, wo also el doch eine Derkleinerung anzeigen könnte. Aehnlich mag es sich mit Fichte! von Fichte verhalten, und daraus denn wieder Fichte!/

♦) Keltere Schriftsteller erlauben sich noch größere Abweichungen von den Regeln der Zusammensetzung. So nennt sich Heinrich von Alkmar in seiner niederdeutschen Bearbeitung des Rrynke de Vos (.Reinecke Fuchs): ich Heinrich von Llkmrr, Schulmeister «ad Lochtlerer des rddrlea vorstea und Herren, Herzogen von kotryngen; er wirft also, indem er Lochtlerer statt Löchttrlrh« rer sagt, selbst di« Bildungssylbe er des Bestimmungsworts weg.

berg entstanden sein. Dagegen steht in Fastelabcnd daS l wohl ganz ohne Bedeutung für Fastenabend. (S. Grimms Gramm. II, S. 1011.) 7) Manche Bestimmungswörter werden erst durch Nach, fylben, besonders durch «ng, zu Substantiven gemacht, und dann zusammengesetzt; so sagt man Denkungsart, ob man gleich das Wort Häufung allein nicht braucht. Auch' diese Wörter mit ung hat man in neuern Zeiten oft durch Weg, wcrfung des ung zu verkürzen gesucht, weil in ihnen ung mir eine schleppende Nachsylbe ohne Bedeutung sei; allein das ist nach unsern Regeln ein Irrthum, und das ung mit an.gehängtem s des Genitivs bildet Terhältnissbegriffe, und ohne ung drückten und drücken die Wörter bloße Classificationen aus. So ist ein Beweggrund, entgegen den Beweisgründen u. s. w., bloß eine Art von Gründen, ein Grund des Bewegens, hin­ gegen Bewegungsgrund ist der Grund einer bestimmten Bewe­ gung; (Seidenstückcr sagt, Beweggrund könne man gar nicht brauchen, da der Begriff des Wortes Grund den physischen Begriff des Wortes bewegen verschmähe, wohl aber spreche man richtig von Dewegmaschinen, Dewcgkräften u. s. w.;) eben so ist Denkart im Allgemeinen eine Art des Denkens, die Art des logischen Denkens, welche überhaupt auf die Beschaffenheit und Folge der Gedanken sieht, insofern diese durch den Ge­ brauch und die Beschaffenheit der Seelenkräfte bestimmt wer­ den, Denkart der Kinder, der Melancholischen, der Blödsinni­ gen, hingegen Denkungsart ist ein Verhältniffbegriff, eine be­ stimmte Denkart, und zwar die Art (und Weise), sittliche Ge­ genstände nach gewissen Maximen zu beurtheilen; eben so ist Redcart im Allgemeinen die Art (und Weise) zu reden, der Eattungs- oder Classenbegriff, genus dicendi, hingegen Re­ densart ist ein einzelner Satz, phrosis, dictio. Scidenstücker bemerkt, die Wörter geben ohne ung die Grundbedeutung, mit ung die abgeleitete moralische Bedeutung an: Prüfzeit, Prüfezeit ist die Zeit, Dauer, der Termin des Prüfens, die PrüfnngSzeit ist die Zeit, die Zeitdauer, in welcher jemand nach seinem sittlichen Werthe durch sich selbst oder durch andere ge­ prüft werden kann: mein Hofmeistcrstand war meine Prüfungs­ zeit, daS ganze Erdenleben kann oder soll eine Prüfung, eine Prüfungszeit für den Menschen sein; so auch Reizmittel ein Classenbegriff, Reizmittel des Arztes, Mittel, welche reizen, Reiz erregen sollen, aber Reizungsmittel zur Wollust, zum Laster. Noch kann man angeben, daß die Zusammensetzungen mit ung fast immer von objectiven Berben entlehnt sind, wozu auch die

472 znrückfährenden gehören, die Wörter ohne ung hingegen sehr oft auch von Zustandswörtern, woher cs denn kommt, daß sehr viele solcher Wörter nie mit ung gebildet werden kön­ nen: Stehplatz, Sterbestunde, Sterbchaus, (wofür Strauß in den Glockentönen S. 29 hart Sterbhaus schreibt,) Schlaf­ zeit, und nie Schlafungszeit u. s. w. *). Indessen lässt sich schließlich nicht leu«en, daß nicht alle guten Schriftsteller alle in diesen Paragraphen angegebenen Un­ terschiede beachten, und daher kommt eben die Schwierigkeit, allgemein gültige und allgemein passende Regeln anzugcben. Man sagt Scheidestunde und Scheidungsurkunde, Trennpuncte und Treonungstag, Trauschein und Trauungstag, Heizart und auch Heizungsart, Schreibgebühren, Einschreibegebühren und auch Ein - und Ausschreibnngsgebühren, Sitzzeit (eines Gefan­ genen) und auch Sitzungszeit, die Zeit einer Sitzung, wobei sitzen überdies den ZustandSbegriff behält. 187) Außer diesen Zusammensetzungen aus zwei Substan­ tiven giebt es andere, die aus drei, ja aus vier und mehreren Hauptwörtern bestehen. Bei der dreitheiligen können zwei verschiedene Fälle statt sinden: es gehört nämlich entweder der Begriff des ersten Worts unmittelbar mit dem Begriff des zweiten so zusammen, daß beide einen einzigen Begriff bilden, eine einzige Vorstel, lung ausdrücken, die dann wieder zur Bestimmung des Hintern Grundworts dient, oder eS bilden daS zweite und letzte (dritte) Wort zusammen einen einzigen Begriff, der nun durch daS erste (vorderste) Wort von neuem bestimmt wird. Im ersten Fall müssen die beiden vordersten Wörter zu« sammen, ohne Verbindung mit dem hintersten, und im zweiten Falle Müssen die beiden hintersten Wörter zusammen, ohne Verbindung mit denr vordersten, eine eigene zweitheilige Zu, sammensetzung bilden. In beiden Fällen bleibt die Regel für die Bildung dieser dreitheiligen Zusammensetzungen ohne alle Veränderungen und Zusätze eben dieselbe, welche für die zweitheiligcn Zusammen­ setzungen angegeben ist, nur daß sie zweimal angewendet wer­ den muß: zuerst nämlich fetzt man diejenigen beiden Wörter, *) Grimm kennt flirt Althochdeutsche nur zwei Wörter mit «ngr offerunc—gaoißog die Fasel und Fasele, eine Bohnen­ art, von synodus die Synode und der Synod, von vagabundus der Vagabund und Vagabunde. Die meisten übrigen männlichen Wörter auf us werfen diese Endsylbe ganz weg: der Kongreß (statt Congresi), Contract, Dialekt, Chor, Ton

(tovos, sonus), Triumph, (triumphus, Geograph, Elephant, so auch (das) Labyrinth, Paradies, paradisus, naQaSttaog (, eigentlich ein persisches Wort, Garten der persi­ schen Könige). Vom Worte Herr sagt Adelung, es gehöre sehr wahrscheinlich zum Geschlecht der Wörter ar, hoch, hehr, erhaben, ehe, eher, erst, Ehre, wie es denn (bein» Willeram herro,) beim Ottfried heriro und beim Tatian heristo heiße, was der Comparativ und Superlativ von hehr oder eher sei. Andere nennen es geradezu eine Ableitung von herus, welches Wort, so wie xvqios , Adelung nur für nah verwandt damit hält. Wahrscheinlichst sind die ältern Benennungen Er, Ehr, Ehrn, Herr für denselben Begriff auch dasselbe Wort. Noch andere Wörter behalten ihr us: Casus, Spiritus, Katechismus, wieder weil die Wegwerfung des us sie zu hart machen würde. (Diese können den Plural nur dadurch bilden, daß man us unverändert lässt: die Casus, Spiritus, oder es in en verwan­ delt: Katechismen.) Bei einigen ist der Sprachgebrauch auch getheilt: der Katalog und Katalogus (,die Katalogen). End, lich mehrere leiden verschiedene Unregelmäßigkeiten; so wissen wir schon, daß von corpus Körper, von angelus, ayyiiog En­ gel, von hyssopus Mop, von populus Pöbel abgeleitet ist; auf eine ähnliche Art bildet sich ans alnus Aeller oder Eller, palus Pfahl, und aus ßa&og, ßv&og, puteus bilden sich das niedersächsische Pitte, und die hochdeutschen Pfuhl und Pfütze (, in welchem Worte der Zischlaut tz eine Verkleinerung be­ zeichnet). *). *) Was noch besonders das Wort Dom betrifft, so sagt Abe. lung sehr gut, daß es von im Mittellatein doma her­ kommt, das, wie das französische dome, einen Altan, und dann eine Kuppel bedeutete. (Schneider giebt bloß an, dwi*a heiße eia Haus, und dann auch eine Zinne.) Derselbe bemerkt ferner, im Deutschen komme die- Wort wohl zuerst in den monserischen Glossen vor, wo tuom durch matrix, Mutterkirche, Kathedralkirche erklärt wird, wie denn die Oberdeutschen noch Thum sprechen. Auch im Italiänischen bedeutet domo, duomo ein Kathedralkirche, und 'aus dieser Sprache haben wir dies Wor Dom wahrscheinlichst zunächst entlehnt. Wachter und selbst Ihr

227) Außer den Hauptwörtern giebt es natürlich auch eine sehr gtoße Menge anderer Wörter, die. wir aus dem Grie, chischen und Lateinischen ins Deutsche übergeleitet haben, oder die mit ihnen verwandt sind. Einige Beispiele derselben sind folgende: kahl cajvus, ab, ab, aito, an ä?a, aisch (, hässlich) aiaXQOQ, angst a;p, erz ent am, dehnen mrw, essen iStay mjvHw , esco, enge lyyvq, id) ego, «yw, krächzen (ein Wort, das den Ton nachbildet oder malt,) nun vw, rinnen Fea-, stöhnen tfva%(o, streuen gqwvw, da, von Stroh gpw^a, stehn, stellen, sto, garo, l&ipj, sitzen l&>yxU) sputen oder spuden, wie Göthe schreibt, für eilen, von (MiöSa^co, viel, vosi nokvg, nolly, weh ovas, vae, zeigen Saxww, alles, heel, heil 6Zog, melken ^eZaa-, kneipen abkneipen anowi^w, *) kollern von /oZepa (Zorn), wilden Zorn zeigen, oder ein malendes Zeitwort, das den Schall eines auf einer hohlen Fläche rollenden runden Körpers ausdrückt, gleichsam das Iterativ von xvlota (ich wälze), da- mit dem' niedersächsischen sich kühlen, mit kugeln, kegeln, Vw (galal, wälzen) in Verbindung steht; für bammeln giebt man leiten es irrig vom veralteten einem, thuomo Gericht, Gewalt her, und berufen sich dabei auf die Gerichtsbarkeit der Domkir/

zeigt an 1) verlassen, sein Ämt quitiren,,fin welchem Sinn es freilich nur »och selten gebraucht wird, und' 2) ein schriftliches Zeugniß über etwas Empfangenes, besonders über eine gezahlte Geldsumme ausstellen. In der ersten Bedeutung kommt ee' ojftinbat von quit, quitc», quitter her; aber auch die zweite Bedeutung lässt sich aus dieser recht gut herleiten: über etwa: (Geld) quitiren heißt, sich von einer Forderung frei, los nia eben, ihr entsagen, und eine Outlung ist die Entsagung rinn

Ö13 Forderung. Freilich ist die andere Ableitung ton quitiren, i.'elche man für diese Bedeutung anqiebt, noch ansprechender: Wachter, Schiller ». s. w. sagen nämlich,-es komme der vom alten queden, gothisch qtiila, d. i. reden, sagen, und besonders aussagen, bezeugen, bestätigen, feierlich bekennen, wie denn schon Tatian quitii, ton einem Zeugnisse braucht; doch aber fragt cs sich immer noch, ob dies quita nicht ebenfalls mit unserm wit vermittelst des Gaumlauts zusammenhangt, denn beim sagen, aussagen macht man sich ja auch von etwas frei, los v^n seinen Gedanken und deren Worten, die man von sich giebt. (Die Ableitung von quietus taugt nichts.) Das Wort Hecke oder Häcke, in seinen vielen verschie­ denen Bedeutungen, ist genau verwandt oder vielmehr dasselbe Wort mit den zum Theil mehr oder weniger veralteten Wör­ tern Hag, Haag, (Hägen, hegen, Gehege,) Han, Hamin, Hain, Hamen, Hamcine, Hameie, Hagene, haye, die Gesträuch, Ge­ büsch, Wald, Flur, Zaun, Gehege, Befriedigung, einen eiligezäunten Ort (,Dorf, Stadt,) bedeuten. Es scheint bei ihnen eine alte Wurzel zum Grunde zu liegen, die erzeugen, hervor­ bringen bedeutet, und daraus lassen sich die andern Bedeutun­ gen der Wörter Hag und Hecke erklären: Vogelhecke, Heckthaler, Heckdrüse (.hacken, hangen, aushecken) u. s. w. Nament­ lich heißt Hamaide im Bremischen jede Umzäunung, ein Ge­ hege, hameau, sepimentum, Hamcine wird der äußerste Schlag­ baum, Spcrrbanm vorm Stadtthor in Bremen genannt, hol, ländisch hammeye, hommeyde, hoinmeybrom. Hiermit ist auch wohl wieder verwandt daS altsächflsche hem, das ebenfalls jeden umzäunten, gehegten Ort ««zeigte. Davon kann dann ferner hemmen Herkommen, englisch hem, dänisch hemme, schweb, haemma, und mit andern Nachsylben hamina, hamla, hafna. Hiernach würde hemmen bedeuten, eine schon angefangene Bewegung hindern. (Noch bedeutet das alte hamiil lahm, und Hammeln verstümmeln, der Hammel.)

In der spenerschen Berliner Zeitung, 1825, Juni, Nr. 135 fagt Zenne: Herr hieß im Gothischen Frau ja; Ueberbleibsel davon sind noch in Frohn, früher Gerichlshcrr, jci.-i nur Gerichtsbote, und in Frohnleichnam, des Herrn Leichnam. Dagegen giebt Adelung an, in der Bedeutung Richter sagen die Friesen noch Franc von Frohn; statt Gerichtsdiener sagt mau in einigen Gegenden Gcrichtsfrohn, in andern Frohnbote, und im Schwabenspiegel heißt noch der Henker Frohnbote, wobei rohn als Adverb mit der Bedeutung öffentlich znm Grunde

614 (legt; Insofern aber stöhn heilig, erhaben, schön, vorzüglich be, deutet, heißt frono boto beim Ottfried ein Engel, bei andern ein Gesandter ersten Ranges, und davon Frohnleichnam, heilt, ger Leichnam, «nd Frohnleichnamsfest (,im Jahr 1252 an, geordnet). Ferner vermuthet Zeune, von Frauja habe gothisch die Herrinn Fraujo geheißen; Adelung giebt dagegen bestimmt an, daß die Frau als Gebieterinn beim Ottfried Frouuo, (Herr Pro,) beim Notker Frouuu hieß, vermuthet aber, die- komme von frei her, wie angels. Frea ein Herr, ein Freier hieß. Halt, aus behauptet dagegen in Ansehung der Wörter stöhn und stöhnen, daß sie auS verohn und verohnen zusammengezogen fein, «nd eigentlich bedeuten, vom gemeinen Gebrauch abson, dern, und zu einem höher« ober öffentlichen Gebrauch widmen. Hieraus wären im Mittellatein durch buchstäbliche Uebersetzung von abs die Wörter absus und absare gebildet. Cäsarius Prumiensis sagt: abbaa debet feoda eorum absare, id est vronen, und die Glosse zu dieser Stelle setzt hinzu: mansi absi sunt, qui non habens cultores, qui vulgariter appellantur Wroinde. UebrigenS ist das Wort Herr selbst auch schon sehr alt; Isidor sagt Herr, Willeram Herr»; wahrschein, liehst gehört es zum Geschlecht der Wörter ar, hehr, ehe, eher, erst, Ehrn, Ehr, wie denn Ottfried Hereroz, und Tatian Heristo als den Comparativ und Superlativ von hehr oder eher dafür brauchen. Nah verwandt sind daS lat. heros und xvfWff. Im Hoch, und Oberdeutschen bedeutet Er, Ehr, Chm und im Niedersächsischen Heer weniger als Herr; so im Mit, tellateln domnus weniger als dominus. Das Wort morganatische Ehe leite« einige von der niederdeutschen Redensart ab: na de